Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe: Eine verfassungs-, sozial- und berufsrechtliche Untersuchung [1 ed.] 9783428522972, 9783428122974

Von jeher wird der ärztliche Stand mit den Begriffen Humanität und Wissenschaft in Verbindung gebracht. Die vertrauensvo

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Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe: Eine verfassungs-, sozial- und berufsrechtliche Untersuchung [1 ed.]
 9783428522972, 9783428122974

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Schriften zum Gesundheitsrecht Band 8

Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe Eine verfassungs-, sozial- und berufsrechtliche Untersuchung

Von Catrin Gesellensetter

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CATRIN GESELLENSETTER

Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe

Schriften zum Gesundheitsrecht Band 8 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR)

Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe Eine verfassungs-, sozial- und berufsrechtliche Untersuchung

Von Catrin Gesellensetter

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Wintersemester 2005/2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-1385 ISBN 978-3-428-12297-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2005 / 2006 von der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Rechtsprechung, Literatur und Gesetzgebung sind bis November 2005 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Univ.-Prof. Dr. Helge Sodan, der die Arbeit unter recht außergewöhnlichen Umständen übernommen und ihre Aufnahme in die Reihe „Schriften zum Gesundheitsrecht“ angeregt hat. Zum Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Univ.-Prof. Dr. Markus Heintzen für die überaus zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Schließlich gilt mein Dank dem Deutschen Institut für Gesundheitsrecht (DIGR), das die Veröffentlichung dieser Arbeit mit einem großzügigen Druckkostenzuschuss gefördert hat. Bedanken möchte ich mich auch bei all jenen, die mich von der Entstehung bis zum Abschluss des Projekts begleitet haben und mir in so mancher Krise zur Seite standen. Für ihre schier unerschöpfliche Geduld beim Korrekturlesen danke ich besonders meinem Ehemann, Henning Timm, meinem Vater sowie Antje Gorsleben und Markus Zimmermann. Vor allem möchte ich mich an dieser Stelle von Herzen bei meinen Eltern, Ridda und Dr. Carl Gesellensetter, bedanken. Sie haben mich Zeit meines Lebens auf vielfältigste Weise unterstützt und gefördert. Ihnen widme ich diese Arbeit. Düsseldorf, April 2007

Catrin Gesellensetter

Inhaltsverzeichnis A. Wandel des ärztlichen Berufsbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

I. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

II. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

1. Der Weg zur Einheit des Arztberufes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

a) Vom Quasi-Beamten zum Gewerbetreibenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

b) Von der Gewerbetätigkeit zur anerkannten Freiberuflichkeit . . . . . . . . . . . . . .

27

2. Freiberuflichkeit und ärztliches Selbstverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

a) Schwierigkeiten bei der Begriffsbestimmung der Freien Berufe . . . . . . . . . .

29

aa) Von den freien Künsten zu den Freien Berufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

bb) Der Freie Beruf als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

(1) Der berufsrechtliche Begriff der Freien Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

(2) Der steuerrechtliche Begriff der Freien Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

cc) Der (nicht) gewerbliche Charakter der Freien Berufe . . . . . . . . . . . . . . . .

35

dd) Freie Berufe als Typus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

b) Typische Wesensmerkmale der Freien Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

aa) Fachliche und sachliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

bb) Besondere Verantwortung für das Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

cc) Besonderes Vertrauensverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

dd) Persönliche Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

ee) Fachliche Vorbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

ff) Fehlen des Gewinnstrebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

c) Unterscheidung zwischen Berufsstand und Berufsangehörigen . . . . . . . . . . .

43

3. Grundrechtlicher Schutz der ärztlichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

a) (Privat-)Arzt in freier Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

b) Ärzte als Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

c) Verbeamtete Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

d) Vertragsarzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

8

Inhaltsverzeichnis III. Gesellschaftliche Bedeutung des freien Arztberufes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

1. Freie Berufe als Wirtschaftsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

2. Die öffentliche Aufgabe des Arztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

3. Wahrung der medizinischen Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

B. Berufsethos und modernes Gesundheitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

I. Gemeinwohlorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

II. Zurückstellen des Gewinnstrebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

1. Kritik an der Altruismusthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

2. Annäherung an das Gewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

3. Sonderstatus aufgrund des Berufs- und Standesrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

a) § 1 Abs. 2 BÄO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

aa) Keine Regelung der Berufszulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

bb) Keine Regelung des Handelsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

b) § 1 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

aa) Reichweite des Satzungsrechts der Ärztekammern . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

bb) Regelung zur Berufsausübung für Kammerangehörige . . . . . . . . . . . . . .

63

(1) Kassenarzthonorare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

(2) Kaufpreis von Arztpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

III. Rückkopplung und Patientenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

1. Das ethische Vermögen des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

2. Koppelung an das ärztliche Berufsethos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

C. Rechtliche Bindung des Arztberufes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

I. Freie Berufsausübung und gesetzliche Reglementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

1. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

2. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

3. Standes- und Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

a) Formelle Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

b) Materielle Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

c) Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

Inhaltsverzeichnis

9

4. Wechselwirkungen zwischen Fremd- und Selbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

a) Staatliches ärztliches Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

aa) Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

(1) Berufszulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

(2) Berufsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

bb) Einzelfälle staatlicher Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

(1) Mittelbare Eingriffe in die Berufsfreiheit am Beispiel von Pflichtmitgliedschaften in ständischen Versorgungswerken . . . . . .

82

(2) Unmittelbare Eingriffe in die Berufsfreiheit am Beispiel der Zwangsmitgliedschaft in der Ärztekammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

(3) Besondere Reglementierung vertragsärztlicher Tätigkeit . . . . . . . .

84

(a) Grundprinzipien der GKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

(aa) Solidarprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

(bb) Sachleistungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

(b) Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsarzt und Kassenpatient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

(aa) Vertragskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

(bb) Versorgungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

(cc) Stellungnahme und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . .

90

(c) Vertragsarzt und öffentlich-rechtliches Gesundheitssystem . .

91

(d) Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

(e) Freiberuflichkeit im vertragsärztlichen Leistungs- und Vergütungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

(aa) Budgets im System der GKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

(α) Besonderheiten des Budgetbegriffs im SGB V . . . .

95

(β) Auswirkung auf die Freiheit der Berufsausübung . .

96

(bb) Angemessenheit der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

(α) Objektives Gebot statt subjektivem Anspruch . . . . .

98

(β) Ausgestaltung durch die Vertragsparteien . . . . . . . . .

99

(χ) Berechnungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (δ) Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (cc) Zulässigkeit der Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (α) Budgets als zulässige Gestaltungsform . . . . . . . . . . . . 104 (β) Grundrechtsrelevanz der Vergütungsregelungen . . . 105 (χ) Risikoverlagerung als Sonderopfer . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (δ) Rechtfertigung des Sonderopfers . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (dd) Zwischenergebnis und Auswirkungen in der Praxis . . . . 114

10

Inhaltsverzeichnis (f) Sozialgesetzgebung und Therapiefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (aa) Dokumentation und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (bb) Therapiefreiheit und medizinischer Dienst . . . . . . . . . . . . 119 (g) Standardisierung ärztlicher Berufsausübung als Mittel zur Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (aa) Der Begriff des medizinischen Standards . . . . . . . . . . . . . 122 (bb) Begriff und Funktionsweise von Richt- und Leitlinien . . 123 (cc) Rechtsnatur und Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (α) Sozialrechtliche Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (β) Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (h) Ärztliches Inkasso und Praxisgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (aa) Private Indienstnahme als Berufsausübungsregelung . . 134 (bb) Verfassungsmäßigkeit des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Ärztliches Standesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Wesen und Bedeutung der ärztlichen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . 139 (1) Aufgabenvielfalt und Ambivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Politisches und gesellschaftliches Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Veränderungen und Ökonomisierung des standesrechtlichen Selbstverständnisses am Beispiel des Werbeverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (2) Formelle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (3) Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (4) Liberalisierung des standesrechtlichen Werbeverbotes . . . . . . . . . . 148 c) Effektivität von Selbstregulierung und Staatskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Beschränkung freier vertragsärztlicher Berufsausübung durch Marktregulierungen im Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Wirtschaftliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Leistungsrationierung im System der GKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 aa) Rationalisierung versus Rationierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 bb) Rationierung auf der Makroebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 cc) Rationierung auf der Mikroebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

Inhaltsverzeichnis

11

c) Regulierung von Angebot und Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) GKV- finanzierte Krankenbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Die öffentlich-rechtliche Aufgabe des Vertragsarztes . . . . . . . . . . . 162 (2) Umsetzung des Leistungskataloges durch den Vertragsarzt . . . . . . 163 (a) Sicherstellungsauftrag und Behandlungspflicht . . . . . . . . . . . . . 163 (b) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (c) Kritik und Konsequenzen für die ärztliche Freiberuflichkeit 165 bb) Behandlung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung . . . . . . . . . . . 169 cc) IGeL-Leistungen und kommerzieller Gesundheitsmarkt . . . . . . . . . . . . . 170 (1) Qualität und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (a) Definition medizinischer Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (b) Mangelnde Objektivierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (2) Bedeutung ärztlicher Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (a) Wandel des Gesundheitsmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (b) Marketing als Instrument der Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . 177 (aa) Patientenschutz und Eigenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . 177 (bb) Leistungsnachfrage und Kostenentwicklung . . . . . . . . . . . 179 (3) Gewinnerzielung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Freiberufliche Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 D. Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Notwendigkeit und Vorteile ärztlicher Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Fortschreitende medizinische und technische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Spezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Grundformen des Zusammenschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Der Begriff der Arztpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Grundtypen ärztlicher Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Berufsausübungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Organisationsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Integrierte Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Selektive Exklusivverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Praxisnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

12

Inhaltsverzeichnis III. Rechtsformen nach Maßgabe des Zivil- und Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Die Praxisgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Nicht dem Gesellschaftsrecht zuzuordnende Zusammenschlüsse . . . . . . . . . 202 aa) Nutzungsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Bruchteilsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 d) Organisationsformen des Ärztehauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Die Gemeinschaftspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Organisation als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Fachgleiche Gemeinschaftspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Fachübergreifende Gemeinschaftspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 cc) Job-Sharing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Alternative Gesellschaftstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Personenhandelsgesellschaften am Beispiel der OHG . . . . . . . . . . . . . . . 210 bb) Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Die Sonderform der freiberuflichen Partnerschaftsgesellschaft . . . . . . . . . . . 213 aa) Rechtliche Selbständigkeit der Partnerschaftsgesellschaft . . . . . . . . . . . 214 bb) Berufsrechtsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 IV. Zulässigkeit und Grenzen berufsrechtlicher Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Ärztliche Kooperation und freiberufliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Vertrauensverhältnis und persönliche Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Fachliche und sachliche Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) Praxisgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Gemeinschaftspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (1) Fachgleiche und fachübergreifende Gemeinschaftspraxis . . . . . . . 217 (2) Job-Sharing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (a) Leistungsbeschränkung als Ordnungsinstrument . . . . . . . . . . . . 218 (b) Auswirkung auf die Freiberuflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Zusammenschlussverbote am Beispiel der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Zulässigkeit von GmbHs als Anbieter ambulanter heilkundlicher Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Inhaltsverzeichnis

13

aa) Legitimer Gesellschaftszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bb) Berufsrechtliche Vorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (1) Bundesärzteordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (2) Heilberufs- und Kammergesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (a) Unverhältnismäßiger Eingriff in Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . 227 (b) GmbH-Anstellung als Niederlassung in eigener Praxis . . . . . . 230 (aa) Traditionelle Definition der Niederlassung . . . . . . . . . . . . 230 (bb) Erweiterung des Niederlassungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . 231 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 E. Zusammenfassung und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Abkürzungsverzeichnis (ä, ö, ü sind wie a, o, u eingegliedert) a.A.

anderer Ansicht

ÄAppO.

Approbationsordnung für Ärzte

ABDA

Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände

abg.

abgeändert

Abl.

Amtsblatt

Abs.

Absatz

abw.

abweichend

AcP.

Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift)

a.F.

alte Fassung

AG

Aktiengesellschaft; Amtsgericht; Ausführungsgesetz

allg.

allgemein

ÄM

Ärztliche Mitteilungen (ab 1964 Deutsches Ärzteblatt)

AMG

Arzneimittelgesetz

amtl.

amtlich

ÄndG

Änderungsgesetz

ÄndVO

Änderungsverordnung

Anh.

Anhang

Anl.

Anlage

Anm.

Anmerkung(en)

AnwBl.

Anwaltsblatt (Zeitschrift)

AOK

Allgemeine Ortskrankenkassen

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)

AP

Arbeitsrechtliche Praxis (Zeitschrift)

ArbG

Arbeitsgericht

ArbZG

Arbeitszeitgesetz

Art.

Artikel

Ärzte-ZV

Zulassungsverordnung für Vertragsärzte

ArztR

Arztrecht (Zeitschrift)

AT

Allgemeiner Teil

Aufl.

Auflage

AuW

Arzt und Wirtschaft (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis ÄVBl.

Ärztliches Vereinsblatt für Deutschland (Zeitschrift)

Az.

Aktenzeichen

BA

Bundesanstalt / Bundesagentur für Arbeit

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAGE

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BÄK

Bundesärztekammer

BAnz

Bundesanzeiger (mit Beilage)

BÄO

Bundesärzteordnung

Bay, bay.

Bayern, bayerisch

BayÄBl.

Bayerisches Ärzteblatt

BB

Der Betriebsberater (Zeitschrift)

BBG

Bundesbeamtengesetz

Bd.

Band

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

bearb.

bearbeitet

Begr.

Begründung

Beil.

Beilage

Bek.

Bekanntmachung

Beschl.

Beschluss

betr.

betreffend

BFH.

Bundesfinanzhof

BFHE

Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. I, II, III

Bundesgesetzblatt Teil I, II, III

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BKK

Betriebskrankenkasse(n)

BMÄ

Bewertungsmaßstab für kassenärztliche Leistungen

BMGS

Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung

BMV-Ä

Bundesmantelvertrag- Ärzte

BMV-Z

Bundesmantelvertrag-Zahnärzte

BMZ

Bewertungsmaßstab für kassenärztliche Leistungen

BOÄ

Berufsordnung für Ärzte

BR

Bundesrat

BRAO

Bundesrechtsanwaltsordnung

BRAGO

Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung

BR-Drucksache

Bundesratsdrucksache

15

16

Abkürzungsverzeichnis

BReg

Bundesregierung

BSG

Bundessozialgericht

BSGE

Entscheidungen des Bundessozialgerichts

BSHG

Bundessozialhilfegesetz

BT

Bundestag, Besonderer Teil

BT-Drucksache

Bundestagsdrucksache

Buchst.

Buchstabe

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

CDU

Christlich Demokratische Union

CSU

Christlich Soziale Union

DÄBl.

Deutsches Ärzteblatt (Zeitschrift)

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

ders.

derselbe

DGMR

Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht

DMP

Disease-Management-Programm(e)

DÖV

Die öffentliche Verwaltung

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

DuD

Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift)

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

EBM

Einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen

EBM

Evidenzbasierte Medizin

EG

Europäische Gemeinschaften, Einführungsgesetz

eGK

elektronische Gesundheitskarte

EKMR

Europäische Kommission für Menschenrechte

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGHE

Sammlung der Rechtssprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften

Fn.

Fußnote

GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

gem.

gemäß

GewA

Gewerbearchiv

GewO

Gewerbeordnung

GG

Grundgesetz

Abkürzungsverzeichnis

17

GKV

Gesetzliche Krankenversicherung

2. GKV-NOG

Zweites Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der Gesetzlichen Krankenversicherung

GKV-SolG

GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHR

GmbH-Rundschau (Zeitschrift)

GMG

Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung

GOÄ

Gebührenordnung für Ärzte

GOZ

Gebührenordnung für Zahnärzte

GRG

Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)

GSG

Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HebG

Hebammengesetz

HeilberG

Heilberufgesetz

HeilpraktG

Heilpraktikergesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

h. M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

HS

Halbsatz

HVM

Honorarverteilungsmaßstab

i.d.F.

in der Fassung

i.V.m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

Jura

Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

KG

Kammergericht, Kammergesetz

KHG

Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und Regelung der Krankenhauspflegesätze

KV

Kassenärztliche Vereinigung

KVKG

Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz

KZBV

Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung

KZV

Kassenärztliche Bundesvereinigung

LAG

Landesarbeitsgericht

18

Abkürzungsverzeichnis

LÄK

Landesärztekammer

LSG

Landessozialgericht

MB / KK

Musterbedingungen der Privaten Krankenversicherung

MBO-Ä

Musterberufsordnung Ärzte

MDK

Medizinischer Dienst der Krankenversicherung

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)

MedR

Medizinrecht (Zeitschrift)

MVZ

Medizinisches Versorgungszentrum

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

n.F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungsreport

Nr.

Nummer

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NZS

Neue Zeitschrift für Sozialrecht

PartGG

Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe

PPO

Preferred Provider Organization(s)

PZ

Pharmazeutische Zeitung (Zeitschrift)

RÄO

Reichsärzteordnung

RBerG

Rechtsberatergesetz

Rdschr.

Rundschreiben

RGBl. I, II.

Reichsgesetzblatt Teil I, II

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RSA

Risikostrukturausgleich

RVO

Reichsversicherungsordnung

Rz.

Randziffer

RzW

Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht (Beilage zur NJW)

S.

Satz

s.

siehe

SDSRV

Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes e.V.

SG

Sozialgericht

SGB

Sozialgesetzbuch

SGG

Sozialgerichtsgesetz

SozR

Sozialrecht

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

str.

strittig

SV

Sachverständiger

u. a.

unter anderem

Abkürzungsverzeichnis Urt.

Urteil

UWG

Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb

VersR.

Versicherungsrecht (Zeitschrift)

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

VO

Verordnung(en)

Vorb.

Vorbemerkung

VSSR

Vierteljahresschrift für Sozialrecht (Zeitschrift)

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WHO

Weltgesundheitsorganisation

Zahnärzte-ZV

Zulassungsverordnung für Kassenzahnärzte

z. B.

zum Beispiel

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

Ziff.

Ziffer

ZM

Zahnärztliche Mitteilungen (Zeitschrift)

z. T.

zum Teil

zutr.

zutreffend

19

A. Wandel des ärztlichen Berufsbildes I. Einführung in die Problematik Der Beruf des Arztes, der auf wissenschaftlicher Erkenntnis, praktischer Erfahrung und persönlicher Zuwendung zum Patienten beruht, hat sich in seiner heutigen Prägung seit Beginn des 19. Jahrhunderts schrittweise entwickelt. Sein Aufstieg begann mit dem Fortschritt von Wissenschaft und Technik und parallel zu den Folgen der Industrialisierung, im Rahmen derer die medizinische Leistungsfähigkeit ebenso stieg, wie die gesellschaftliche Bedeutung der Ärzte und deren Ansehen in der Bevölkerung. Von jeher wird der ärztliche Stand mit den Begriffen Humanität und Wissenschaft in Verbindung gebracht. Mediziner wirken nicht nur aufgrund ihrer fachlichen Kenntnisse und ihres technischen Könnens. Jeder Arzt hat stets zu beachten, dass er sich bei seinem Patienten einem eigenständigen und selbstverantwortlichen Individuum gegenübersieht, dessen Selbstbestimmungs- und Persönlichkeitsrecht er – auch und gerade – in Ausübung seiner Tätigkeit zu beachten hat1. Dies ist umso bedeutsamer, als im Ärztestand bis Ende des 19. Jahrhunderts eine naturwissenschaftlich-technische Sichtweise vorherrschte. Der Patient war lediglich Objekt der Behandlung2, er wurde losgelöst von der Situation des zu behandelnden Menschen und dessen psychosozialer Situation kuriert3. Der Hilfe suchende Mensch blieb auf die Summe von Zellen und Funktionen reduziert, die physikalisch-chemisch reguliert wurden4. Gedanklicher Ausgangspunkt dieser Sichtweise war die Überlegung, dass der Arzt die Interessen des Patienten am besten beurteilen und ihn aus medizinischer Sicht zu einem richtigen Entschluss führen sollte5. Bis heute ist diese als Paternalismus bezeichnete überlegene Position des Arztes, die aus dem Wissensgefälle zwischen ihm und dem medizinischen Laien resultiert, nicht völlig ausgeräumt, auch wenn seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Laufs, Arztrecht, Rz. 14. Wenn im Rahmen dieser Arbeit von „Behandlung“ die Rede ist, so wird dabei ein weiter Behandlungsbegriff verwendet, der medizinische Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation (also Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) umfasst. 3 Brüggemeier, Deliktsrecht, Rz. 619. 4 Anschütz, Ärztliches Handeln, S. 184; siehe ferner Huber, Handeln statt Schlucken. Ein Arzt gibt Auskunft, S. 63. 5 Francke, Ärztliche Berufsfreiheit, S. 38. 1 2

22

A. Wandel des ärztlichen Berufsbildes

die Eigenverantwortlichkeit des Patienten zunehmend an Bedeutung gewann. Der überlegene Expertenstatus des Arztes wandelte sich mehr und mehr in eine Bindung zweier gleichberechtigter Menschen, von denen der wissenschaftlich Sachkundige dem Kranken die nötige Hilfe zukommen lässt. Entsprechend setzt das Verhältnis zwischen Arzt und Patient eine Vertrauensbasis voraus, die „in starkem Maße in der menschlichen Beziehung wurzelt, in die der Arzt zu dem Kranken tritt, und daher weit mehr als eine juristische Vertragsbeziehung ist.“6 Medizinische Hilfe soll eben nicht nur dem Fall im Allgemeinen, sondern stets dem Individuum des betroffenen Patienten gelten. Der Grundsatz des „salus aegroti suprema lex“ meint folglich vor allem den einzelnen Patienten und ist keine Gemeinwohlformel. Dennoch hat der Arzt neben der Gesundheit des Einzelnen auch der Gesundheit des gesamten Volkes zu dienen7. Das postuliert die Bundesärzteordnung in ihrem ersten Satz (§ 1 Abs. 1 BÄO). Individualinteressen und Gemeinwohl sind in den meisten Fällen jedoch nicht deckungsgleich und driften angesichts der Einbindung der Heilberufe in das System der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme immer weiter auseinander. Dem Arzt, der in erster Linie Helfer des einzelnen, Hilfe suchenden Kranken und weniger „Anwalt des Gemeinwohls“8 sein will, gibt der Sozialstaat längst nicht mehr nur einen Rahmen für die Ausübung der Heilkunde vor. Mit seinem dichten Netz von Sicherheiten für die Wechselfälle des Lebens und seinen Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Verwaltung bestimmt er vielmehr die Grundlagen, auf denen die Ausübung ärztlicher Tätigkeit nur mehr möglich ist. „Wer krank und was krank ist, wie diagnostiziert und therapiert werden muss, mit welchen Mitteln des Sozialbudgets der Arzt in welcher Höhe bezahlt werden kann, bestimmt ein System von Rechtsnormen, von behördlichen und körperschaftlichen Akten und zwingenden wissenschaftlichen Verhaltensvorschriften.“ So beurteilte Baier9 schon in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Medizin im Sozialstaat. Vor dem Hintergrund immer weiter reichender medizinischer Möglichkeiten und eines immer höheren Anspruchs an die öffentliche Daseinsvorsorge ist der ärztliche Dienst am Patienten seither noch weiter unter das Primat der Sozialpflichtigkeit geraten. Angesichts der heute weitgehend arbeitsteiligen, apparativen und öffentlich organisierten Strukturen des Gesundheitswesens, und nicht zuletzt in Anbetracht der ständigen Bestrebungen zur Kostendämpfung, stellt sich die Frage, inwieweit das individuelle Verhältnis zwischen Arzt und Patient hinter dem Gemeininteresse und insbesondere dem Gebot der Wirtschaftlichkeit zurückstehen muss, zumal das 6 7 8 9

So bereits BHGZ 29, 46. Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 2, Rz. 7. Vgl. Laufs, Arztrecht, Rz. 18. Baier, Medizin im Sozialstaat, S. 1 ff.

I. Einführung in die Problematik

23

Idealbild des vertrauensvollen Zusammenwirkens zwischen Arzt und Patient immer häufiger gestört ist. Im gleichen Maß, in dem der paternalistische Gedanke der Fürsorge des Arztes zugunsten der Patientenautonomie an Bedeutung verloren hat, glaubt der mündige Patient immer häufiger, selbst zur Beurteilung seiner Krankheit in der Lage zu sein10. Zwar genießt der Arztberuf in weiten Teilen der Bevölkerung noch immer ein sehr hohes Ansehen, doch die Bereitschaft, Ärzte als echte Autorität anzuerkennen, lässt nach. Zusammen mit dem Anwachsen einer merkantilistischen Einstellung in der Gesellschaft führt dies vielfach dazu, dass Gesundheit als käufliches Gut betrachtet wird11, und die Forderung erhoben, oder zumindest die Erwartung gehegt wird, der Arzt müsse eine Garantie für seine Behandlung übernehmen12. Eine solche Garantieerklärung für ärztliche Dienste ist in der Praxis zwar (noch) schwer vorstellbar; sie würde von den Ärzten nahezu Unmögliches verlangen. Entsprechend wird der Vertrag zwischen Arzt und Patient – da ein eigener Vertragstypus „Arztvertrag“ noch nicht besteht – fast einhellig als Dienstvertrag13 angesehen. Der Arzt ist also lediglich zu einer Tätigkeit14, nämlich zur sachgemäßen Behandlung des Patienten verpflichtet. Unübersehbar ist jedoch die Tendenz zu einer Kommerzialisierung der Medizin, die auf die ärztliche Tätigkeit nicht ohne Wirkung bleiben kann. Sie hat, weit über die gesellschaftliche Komponente hinaus, auch Eingang in die geltende Gesetzeslage gefunden. Dieser Umstand ist umso bedeutsamer, als der Arzt nach traditioneller Sichtweise das wirtschaftliche Erfolgsstreben hinter den Dienst am Patienten zu stellen hat15. Während also Gesundheit von Seiten der nachfragenden Patienten zunehmend in die Reihe gewöhnlicher Wirtschaftsgüter eingereiht wird, sehen die zentralen Normen der ärztlichen Berufsordnungen die berufliche Tätigkeit ihrer Standesangehörigen noch immer durch eine spezifische geistige und persönliche Leistung gekennzeichnet16, die dem Gemeinwohl und der Gesundheit des Einzelnen dient. Dieser Umstand begründet die traditionelle Ansicht, dass die ärztliche Berufsausübung in einem zwingenden Gegensatz zu gewerblichen Unternehmen 10 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das Phänomen des „Morbus Mohl“: Nach Ausstrahlung von Gesundheitsmagazinen im Fernsehen stieg die Zahl der Patienten, die exakt die beschriebenen Symptome präsentierten, signifikant an; dazu Kupfer, Medizin in den Medien, S. 186 f. in: Arnold / Lang (Hrsg.), Die Arzt-Patienten-Beziehung im Wandel. 11 Taupitz, NJW 1986, S. 2851, 2857. 12 So heißt in den „Forderungen der Vereinigung medizinisch-chirurgisch Geschädigter Deutschlands“ ausdrücklich: „Der Arzt muss für die Operation die Garantie übernehmen!“; Nachweis in Laufs, Arztrecht Rz. 25. 13 Vgl. nur Putzo, in: Palandt, BGB, Einf. § 611, Rz. 18; Larenz, Schuldrecht II, S. 252 f. 14 In Ausnahmefällen, etwa bei plastischen Operationen oder der Herstellung von Zahnersatz, kann im Einzelnen doch ein Erfolg geschuldet sein; vgl. dazu Söllner: in MüKo, § 611, Rz. 44. 15 Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 1. 16 Dazu ausführlich unten A. II. 2. b) dd).

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A. Wandel des ärztlichen Berufsbildes

steht, die durch Einsatz einer organisierten Wirtschaftseinheit vornehmlich auf Gewinnerwirtschaftung abzielen. Trotz dieses standesrechtlichen und ethischen Postulats lässt sich jedoch nicht leugnen, dass mehr und mehr Ärzte die hehren Ideale ihres Standes gegen eine eher pragmatische Sichtweise eintauschen, in der eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der eigenen Tätigkeit überwiegt. Als Beleg hierfür mag das Verhalten der Ärzteschaft im Umgang mit immer häufiger erhobenen Schadensersatzklagen der Patienten dienen. Soweit sich deren Forderungen auf standesrechtlich nicht relevante Verhaltensweisen beziehen, setzt sich mehr und mehr die nüchterne Auffassung durch, die Angelegenheit lasse sich, quasi als Verwirklichung eines „Berufsrisikos“, am sinnvollsten durch die Haftpflichtversicherung regulieren. Fälle, in denen Ärzte aus Prestigedenken oder unter dem Gesichtspunkt des Verlustes beruflicher Reputation selbst berechtigte Forderungen von Patienten schlichtweg ablehnten, sind selten geworden17. Das Medizinwesen befindet sich in einem Wandel, den neben den gesellschaftlichen Veränderungen auch rechtliche Bestimmungen vorantreiben. In kaum einer anderen Berufsgruppe wird das Verhältnis zum Recht so heftig diskutiert wie bei den Ärzten. Zudem schärft die Berichterstattung der Medien das Bewusstsein von Politik und Bevölkerung, und nicht zuletzt das der Ärzte selbst, mehr und mehr für arztspezifische und arztrechtliche Probleme. Dass im Zuge dieser Diskussionen von Seiten der Ärzte immer wieder der Wunsch nach „Freiheit vom Recht“ einerseits, und das Bedürfnis nach „Schutz im Recht“ andererseits artikuliert wird, verdeutlicht die Problematik eines Berufsstandes, der, obschon er traditionell den Freien Berufen zugeordnet wird, besonders vielen, sehr unterschiedlichen rechtlichen Zwängen unterworfen ist. Diese Verrechtlichung des Arztberufes in ihrer Verflechtung mit dem modernen Patientenanspruch und der öffentlichen Gesundheitspflege bewirkt zahlreiche Veränderungen des traditionellen Berufsbildes der Ärzteschaft, die zunehmend unter die Raison des Sozialnutzens und der Wirtschaftlichkeit gerät, statt allein ihrem Wissen und fachlichen Vermögen zu folgen. Der Staat lenkt den ärztlichen Berufsnachwuchs durch zentralisierte und formalisierte Verfahren. „Der junge Arzt lernt heute mehr, juristische und administrative Fallstricke zu umgehen als medizinisch fundiert zu denken und zu arbeiten“.18 Diese Entwicklung ist maßgeblich auch der Kostenexplosion19 im Gesundheitswesen geschuldet. Das Bemühen, die Kosten zu Taupitz, NJW 1986, S. 2851, 2852. Oettinger, in: FOCUS MONEY 15 / 2002, S. 88. 19 Der geläufige Begriff der „Kostenexplosion im Gesundheitswesen“, der mittlerweile auch in der Fachliteratur zum Synonym für die Finanzkrise der GKV geworden ist, ist insoweit irreführend, als es nicht allein die steigenden Ausgaben sind, die das System in seine finanzielle Schieflage manövriert haben. „Es gibt keine Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre nahezu konstant.“ Mit dieser Stellungnahme hat der vormalige Sozialexperte der SPD, Rudolf Dreßler schon 1998 den Kern des Problemkreises angesprochen 17 18

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senken, führt zu einer immer schneller wachsenden Zahl gesetzlicher oder standesrechtlicher Vorschriften, die das ärztliche Handeln steuern und das überlieferte Berufsethos überlagern20. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis innerhalb des Standes, sich diesen Herausforderungen zu stellen und neue Formen der Berufsausübung zu versuchen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen daher nicht nur die Auswirkungen des modernen Gesundheitssystems auf die Freiheit des Berufes der niedergelassenen Ärzte untersucht werden, sondern auch der Frage nach der Vereinbarkeit von ärztlichen Kooperationen mit der Freiberuflichkeit nachgegangen werden.

II. Historische Entwicklung 1. Der Weg zur Einheit des Arztberufes Die Grundlagen für das moderne Berufsbild des heutigen Arztes21 wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum einen durch gesetzliche Regelungen und zum anderen durch die Standesorganisationen geschaffen22. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab sich jeder deutsche Teilstaat eine eigene Medizinalverfassung, die insbesondere Ausbildung und Berufszulassung regelte23. Neben den akademisch gebildeten „gelehrten“ Ärzten gab es zu dieser Zeit auch unterschiedliche Gruppen ohne oder mit minderer akademisch-wissenschaftlicher Qualifikation24. Um die Zersplitterung der Heilberufe zu überwinden, forderte die (vgl. Ärzte-Zeitung vom 30. 10. 1998). Weil die Finanzierung des gesamten Sozialversicherungssystems an Arbeitslöhne gekoppelt ist, in hoch entwickelten Industrieländern der Einsatz des Faktors Arbeit jedoch immer zugunsten des Faktors Kapital zurückgehen wird, bedeutet dies für die Sozialversicherung, dass immer weniger Beitragszahler eine gleich bleibende Last durch steigende Beiträge finanzieren müssen. 20 So auch Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 2, Rz. 4. 21 Prägnant dazu der Überblick im Facharztbeschluss des Bundesverfassungsgerichtes, BVerfGE 33, 125 ff. 22 Beachtlich ist, dass es auch schon in der Antike und im Mittelalter modern wirkende Ausbildungsgänge gab, wie z. B. im Medizinaledikt des Hohenstaufenkaisers Friedrich II (1194 bis 1250). Diese gingen jedoch zu großen Teilen im Laufe der Geschichte wieder verloren. Umfassend hierzu: Lichtenthaeler, Geschichte der Medizin; Toellner, Illustrierte Geschichte der Medizin. 23 Dazu ausführlich Huerkamp, Der Aufstieg der Ärzte im 19. Jahrhundert, S. 50 ff., 242 f., 254 ff. 24 Dies waren vor allem die Chirurgen, Wundärzte verschiedener Grade, Bader und Barbiere. Die letzteren wurden in einem, der heutigen Meister-Lehrlingsbeziehung ähnlichen Verhältnis ausgebildet oder an besonderen Chirurgenschulen handwerklich geschult. Bei den akademisch ausgebildeten Medizinern unterschied man zwischen „Civilärzten“ und Militärärzten. Die Physici, Vorläufer der heutigen Medizinalbeamten, mussten ein zusätzliches Examen (Physicat) bestehen.

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ärztliche Reformbewegung in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zuvorderst die Einheit und Gleichheit im ärztlichen Stande und die körperschaftliche Selbstorganisation der Ärzteschaft. In den folgenden Jahrzehnten konnten die Ärzte ihre Forderung nach einer Einheit des Arztberufes weit gehend durchsetzen. Preußen führte ab 1825 schrittweise eine einheitliche akademische Ausbildung für alle Ärzte ein, und integrierte 1852 die Chirurgen endgültig in den Beruf. Danach gab es nur noch den einheitlich wissenschaftlich und universitär ausgebildeten „Praktischen Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer.“ In den anderen deutschen Staaten verlief die Entwicklung bis zur Reichsgründung ähnlich.25

a) Vom Quasi-Beamten zum Gewerbetreibenden Die meisten Ärzte waren zu dieser Zeit in öffentlichem Auftrag tätig: In erster Linie galt das für die Stadt- und Kreisphysici, obwohl die meisten von ihnen auch eine „Civilpraxis“ betrieben26. Allerdings war selbst der frei praktizierende, auf Honorarbasis arbeitende Arzt einer Art öffentlichem Dienstrecht unterstellt27, was sich nicht zuletzt darin niederschlug, dass er einen Diensteid leisten musste. Freilich hatte diese Bindung an den Staat nicht zur Folge, dass die Ärzte dadurch in den Genuss einer Pensionsberechtigung gekommen wären: Der Staat behielt sich lediglich die Aufsicht und gewisse Disziplinarrechte vor, was dem Arzt zumindest im Hinblick auf die staatliche Überwachung eine dem Beamtenstatus ähnelnde Position verschaffte28. Dieser Zustand änderte sich erst mit der Gewerbeordnung von 186929. Sie unterstellte in § 69 die Ärzteschaft dem Gewerberecht. Zugleich gab sie die Ausübung der Heilkunde an medizinische Laien frei („Kurpfuscherei“). Rechtlich geschützt waren nur noch die Bezeichnung „Arzt“ und das Führen des Doktorgrades. So normierte § 29 der Gewerbeordnung von 1869, dass für „diejenigen Personen, die sich als Ärzte (Wundärzte, Augenärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte oder Thierärzte) oder mit ähnlichen Titeln bezeichnen oder seitens des Staates oder einer Gemeinde als solche anerkannt oder mit amtlichen Funktionen betraut werden sollen“ allgemein eine Approbation auf Grund eines Befähigungsnachweises erteilt werden musste. Die Unterstellung unter das Gewerberecht wurde von Seiten der Ärzteschaft schon ab dem Jahr 187430 scharf kritisiert. Dabei wandte sich der Berufsstand Vogt, Ärztliche Selbstverwaltung im Wandel, S. 63 m. w. N. Vogt, Ärztliche Selbstverwaltung im Wandel, S. 64. 27 So durfte er z. B. keinen Hilfe suchenden Patienten abweisen, sog. Kurierzwang. 28 Dazu Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 118 ff. 29 Die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21. 06. 1869 (Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes, 1869, S. 245 ff.) mit zahlreichen Änderungen, wurde nach 1872 schrittweise auf alle anderen Reichsländer erstreckt. 25 26

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vor allem gegen die Möglichkeit der Behandlung durch Laien. 1897 verabschiedeten die Ärzte detaillierte Stellungnahmen gegen das Kurpfuschertum, mit denen sie die Forderung nach einer Deutschen Ärzteordnung verbanden, die als Spezialgesetz die Besonderheiten des Arztberufes zum Ausdruck bringen sollte31. Der Inbegriff dieser Veröffentlichungen bestimmt bis heute das Selbstverständnis der deutschen Ärzteschaft. Er begründete das bis heute vorherrschende Exklusivitätsverhältnis von gewerblicher Tätigkeit und dem ärztlichen Beruf, wie es in den aktuellen standesrechtlichen Bestimmungen seinen Niederschlag gefunden hat32. b) Von der Gewerbetätigkeit zur anerkannten Freiberuflichkeit Über ein halbes Jahrhundert später reagierte der Gesetzgeber und hob die „allgemeine Kurierfreiheit“, und damit die Möglichkeit der Kurpfuscherei, weitgehend auf33 . Mit dieser Entscheidung, die es den minder qualifizierten Berufsgruppen zugunsten der Ärzteschaft versagte, medizinische Dienste zu erbringen, war der Schritt zu einem einheitlichen Berufsbild endgültig vollzogen. Zuvor hatten die Ärzte noch einen weiteren Sieg errungen: Die Reichsärzteordnung vom 13. Dezember 193534 stellte erstmals ausdrücklich fest, dass der ärztliche Beruf kein Gewerbe sei35. Diese beiden Grundentscheidungen, die ein einheitliches Berufsbild und die Freiheit der Berufsausübung gewährleisten sollten, haben sich auch in den darauf folgenden Gesetzen niedergeschlagen. Nach der Bundesärzteordnung von 1961, die mit etlichen Änderungen bis heute weiter gilt36, bedarf der „Approbation als Arzt“, wer „den ärztlichen Beruf“ ausüben will. Gemäß § 2 Abs. 5 BÄO bedeutet 30 In diesem Jahr fand der Zweite Deutsche Ärztetag in Eisenach statt, auf dem – nach anfänglichen internen Meinungsverschiedenheiten – der Protest gegen die Einbindung in die Gewerbeordnung seinen Anfang nahm. 31 Vgl. dazu Lent, Das Ausscheiden der Ärzte aus der Gewerbeordnung; Merkbuch des Deutschen Ärztevereinbundes von 1926, zitiert nach Vogt, Die ärztliche Selbstverwaltung im Wandel, S. 66, Fn. 19. 32 Siehe unten, B. C. I. 4. a). 33 Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) vom 17. 2. 1939 (RGBl. I S. 251) mit Durchführungsverordnungen. Allerdings dürfte dieses Gesetz den meisten Ärzten noch immer nicht weit genug gegangen sein. Denn seit dessen Erlass ist die Ausübung der Heilkunde zwar den Ärzten – entgegen deren Intentionen aber auch staatlich zugelassenen Heilpraktikern – erlaubt. Vgl. dazu Vogt, Die ärztliche Selbstverwaltung im Wandel, Abschnitt 4.2.8 / 4.6.6. 34 RGBl. I S. 1433. 35 Gleichzeitig setzte sie die Vorschriften der Gewerbeordnung soweit außer Kraft, als sie sich auf den Beruf des Arztes bezogen, vgl. §§ 1 Abs. 2 und 85 Reichsärzteordnung, RGBl. I S. 1433. 36 BÄO vom 2. Oktober 1961 in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. April 1993 (BGBl. I S. 512 ff.).

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die Ausübung des ärztlichen Berufes die Ausübung der Heilkunde37 unter der Bezeichnung Arzt oder Ärztin. Wer sich Arzt nennen will, muss dementsprechend approbiert sein oder zumindest eine Ausnahmegenehmigung zur vorübergehenden Ausübung des Arztberufes besitzen38. Seit den 70er Jahren gibt es für die Ärzte eine einheitliche Ausbildung, die Ausbildungsinhalte sind verpflichtend und Differenzierungen im Studium und bei der Berufszulassung zwischen den einzelnen deutschen Ländern überwunden. So entstand, nicht zuletzt durch die Mitwirkung der ärztlichen Organisationen und Verbände39, ein auf einheitlicher Ausbildung und Approbation beruhendes, den Berufsstand einendes Berufsbild.

2. Freiberuflichkeit und ärztliches Selbstverständnis Trotz der wechselhaften Geschichte ihres Berufsstandes betrachten sich deutsche Ärzte in ihrer großen Mehrzahl seit jeher, und ausgeprägt seit dem 19. Jahrhundert, als Angehörige eines Freien Berufes, nicht als Gewerbetreibende. Entsprechendes normiert auch § 1 Abs. 2 BÄO. Der ärztliche Beruf ist ihm zu Folge „seiner Natur nach“, also aufgrund seines inneren Wesens und nach dem eigentlichen Sinn der ärztlichen Tätigkeit, ein Freier Beruf, nicht etwa deshalb, weil ihn der Gesetzgeber im Rahmen seiner Befugnis, Berufsbilder zu bestimmen, als frei klassifiziert hat40. Die Formel soll die dem Arztberuf immanente Freiheit stärken. Deren Verlust wäre gleichbedeutend mit dem Verlust der beruflichen Eigenart41. Nach herrschender Auffassung soll deshalb die Freiheit des ärztlichen Berufes als Institution gesichert gelten42. Zu den Charakteristika des Freiberuflers gehört allerdings auch das Bangen um seine Existenz. Das zumindest schreibt Quaas43, und spielt damit auf das Berufs37 Die Heilkunde, die die Ärzte ausüben sollen, ist in der BÄO selbst nicht definiert. Während § 1 Abs. 2 des Zahnheilkundegesetzes (ZHK) vom 31. 03.1952 (BGBl. I S. 221) die Ausübung der Zahnheilkunde als die berufsmäßige, auf zahnärztlich wissenschaftlicher Erkenntnis gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten definiert, muss im ärztlichen Bereich auf das Heilpraktikergesetz (HPG) vom 17. 2. 1939 (RGBl. I S. 251), § 1 Abs. 2 zurückgegriffen werden. Danach ist Ausübung der Heilkunde jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt werden. 38 Zahnärzte und Tierärzte gelten dabei als Heilberufe eigener Art. Für diese Berufe gelten eigene Gesetze, weswegen sie in dieser Arbeit allenfalls am Rande berücksichtigt werden können. 39 Weiterführend zur ärztlichen Reformbewegung im 19. Jahrhundert: Vogt, Die ärztliche Selbstverwaltung im Wandel, S. 64 ff. 40 Zuck, in: Herrmann / Backhaus (Hrsg.), Staatlich gebundene Freiberufe im Wandel, S. 2. 41 Quaas, MedR 2001, S. 35, 36. 42 Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 3, Rz. 8.

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risiko eines jeden Freiberuflers an, für seinen Lebensunterhalt alleine verantwortlich zu sein. Dies ist umso prekärer, als der Angehörige eines Freien Berufes zwar einerseits unternehmerisch denken und handeln muss, um zu überleben, ihm aber andererseits auch eine dem Gemeinwohl verpflichtete Berufseinstellung abverlangt wird. Noch immer steht der Freie Beruf unter dem ausdrücklichen Postulat, nicht rein Gewinn orientiert zu arbeiten44. Da jedoch auch Freie Berufe keine altruistische Insel innerhalb einer im Übrigen egoistischen Berufswelt sind45, stellt sich die Frage, was den Arztberuf als Freien Beruf von den übrigen, häufig gewerblich betriebenen Berufen im Gesundheitswesen unterscheidet.

a) Schwierigkeiten bei der Begriffsbestimmung der Freien Berufe Die zahlreichen Versuche der Wissenschaft, den Freien Beruf zu definieren, ergeben in weiten Teilen ein eher ernüchterndes Bild. Dies mag damit zusammenhängen, dass zumindest nach der Verfassung im Prinzip jeder Beruf „frei“ ist. Art. 12 Abs. 1 GG garantiert allen Deutschen das Recht, ihren Beruf frei zu wählen und auszuüben. Gleichwohl ist nicht jeder, der von dieser Berufswahlfreiheit Gebrauch macht, zugleich ein Freiberufler. „Der geläufige Begriff des Freien Berufes46 ist [ . . . ] nur eine überlieferte Sprachgewöhnung, mit der man in concreto nicht viel anfangen kann.“ So formulierte Heuss bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts47. Tatsächlich hat es der Gesetzgeber bis heute vermieden, sich auf eine gesetzliche Definition der Freien Berufe festzulegen, obwohl er selbstverständlich von deren Existenz auszugehen scheint. aa) Von den freien Künsten zu den Freien Berufen Der Gesetzgeber verwendete den Begriff des Freien Berufes erstmals in § 9 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes vom 29. März 192048. Zu den Einkünften aus Arbeit, denen diejenigen aus Gewerbebetrieb gegenüberstanden, zählte unter anderem „der Erwerb aus wissenschaftlicher, unterrichtender oder erzieherischer TätigQuaas, MedR 2001, S. 35. Dazu ausführlich unten: B I., II. 45 Quaas, MedR 2001, S. 35. 46 Einer im Jahre 1985 durchgeführten Meinungsumfrage zufolge, wer zu den Freien Berufen gehöre, waren dies in erster Linie die Ärzte (57 Prozent), gefolgt von Rechtsanwälten (38 Prozent), Künstlern (35 Prozent) und Architekten (28 Prozent), zitiert nach Quaas, MedR 2001, S. 35. 47 Heuss, in: Festschrift für Brentano, S. 237. 48 RGBl. I S. 359. 43 44

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keit, aus der Berufsausübung der Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten, Ingenieure und der Ausübung anderer Freier Berufe“. Den Terminus der „Freien Berufe“ gibt es jedoch bereits seit dem Mittelalter. Er ist eine Weiterentwicklung des Begriffes der römischen artes liberales49, also der freien Künste, und bezeichnete die Tätigkeiten, die den artes liberales entsprachen. Es handelte sich dabei um Kenntnisse und Fertigkeiten höherer Art, die man sich um ihrer selbst willen aneignete oder im Rahmen persönlicher Diensttätigkeiten als Freundschaftsdienst bzw. in Ausübung eines Amtes anwandte. Mit körperlicher, dem Broterwerb dienender Arbeit, hatte dies nichts zu tun. Derartige Verrichtungen waren Leibeigenen und Sklaven vorbehalten, während sich nur begüterte Freie den freien Künsten widmen konnten. Aus diesem Umstand könnte auch die Begrifflichkeit resultieren: Nur der freie, nicht durch (wirtschaftliche) Zwänge behinderte Geist war in der Lage, sich mit den artes liberales zu beschäftigen50. Eine einhellige Definition des Freien Berufes findet sich jedoch in keinem Gesetz. Zwar hat der Gesetzgeber im Steuer- und Gesellschaftsrecht, namentlich in § 4 UStG51 und § 96 BewertungsG52 sowie in § 18 Abs. 1 S. 1 EStG53 einen Enumerativkatalog geschaffen, an den sich auch die Aufzählung in § 1 Abs. 2 PartGG anlehnt. Diese Norm geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sie festlegt: „Die Freien Berufe haben im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Ausübung eines Freien Berufs im Sinne dieses Gesetzes ist die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplompsychologen, Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigte Buchrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Lotsen, hauptberuflichen Sachverständigen, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer und ähnlicher Berufe sowie der Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher.“ Die Auffassung der damals amtierenden Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, durch den Erlass des PartGG sei „ein unüberseh49 Michalski, Der Begriff des Freien Berufes im Standes- und Steuerrecht, S. 17 m. w. N.; a.A. Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 138. 50 Michalski, Der Begriff des Freien Berufes im Standes- und Steuerrecht, S. 18. 51 Siehe insbesondere § 4 Nr. 14 UstG. 52 Bewertungsgesetz vom 10. Dezember 1965, BGBl. I S. 1861; wörtlich heißt es dort: „Dem Gewerbebetrieb steht die Ausübung eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gleich; dies gilt auch für die Tätigkeit als Einnehmer einer staatlichen Lotterie, soweit die Tätigkeit nicht schon im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausgeübt wird.“ 53 Fassung vom 09. 12. 2004, gültig ab 16. 12. 2004.

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bares Signal der Besonderheit und Eigenständigkeit des Freien Berufes gegenüber dem Gewerbe gesetzt worden“54, ist in der Wissenschaft jedoch von Anfang an auf Ablehnung gestoßen55. Festzuhalten bliebt damit, dass auch der Definitionsversuch des § 1 Abs. 2 PartGG keine positiv-rechtliche Festlegung bzw. eine justiziable Begriffsfassung der Freien Berufe beinhaltet56. bb) Der Freie Beruf als Rechtsbegriff Häufig werden Freie Berufe als eine besondere Gruppe von Berufen definiert, die traditionsgemäß nicht dem Gewerbe unterfallen57. Da sich diese Aussage ebenfalls in einer negativen Abgrenzung erschöpft, soll im Folgenden versucht werden, die wichtigsten Merkmale der Freien Berufe positiv zu erfassen. Dabei wird sich zeigen, dass die Vielschichtigkeit und Heterogenität der umfassten Berufsgruppen eine einheitliche Festlegung auf einen gemeinsamen Inhalt nicht zulässt58. Das Bundesverfassungsgericht geht seit langem von einer soziologisch bestimmten Bedeutung des Begriffes aus59, aus dem sich keine konkreten normativen Rechtswirkungen ableiten lassen. Allerdings wird der Terminus des Freien Berufes in verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich verwendet60. Andere Ansätze gehen davon aus, dass den Freien Berufen vor allem die wissenschaftlichen, künstlerischen und schriftstellerischen Berufe, also die Dienstleistungen höherer Art61 unterfallen. Das Erfordernis einer höheren Bildung, in der Regel eines Hochschulstudiums, und der Umstand, dass die eigene, persönliche Leistung und Verantwortung im Vordergrund stehen62, rechtfertigten diese Einstufung und seien das elementare Wesensmerkmal der Freien Berufe. Häufig wird auch auf die in § 6 Abs. 1 GewO63 enumerativ genannten Dienstleistungen von Ärzten, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern etc. verwiesen. 54 Leutheusser-Schnarrenberger, Die Partnerschaftsgesellschaft für die rechtsberatenden Berufe, in: BRAK-Mitt. 3 / 1995, S. 90. 55 Vgl. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 28. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Regelungen gemeinschaftlicher Berufsausübung von Vertragsärzten ders., NZS 2001, S. 169 ff. 56 Vgl. auch BT-Drucksache 12 / 6152, S. 9. 57 Ehlers, in: Achterberg / Püttner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Rz. 184; Friauf, GewO, § 1 Rz. 95. 58 So auch BVerwGE 46, S. 224, 241. 59 Vgl. für viele BVerfGE 10, S. 355, 364. 60 Grundlegend dazu: Deneke, Die Freien Berufe; ders. Zum Selbstverständnis der Freien Berufe, in: Jahrbuch des Bundesverbandes der Freien Berufe, 1991 / 1992, S. 211. 61 Locher, in: Jarass (Hrsg.), Wirtschaftsverwaltungs- und Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 265. 62 Arndt, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, VII. Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rz. 248.

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Wie die angeführten Beispiele verdeutlichen, nehmen die Definitionsversuche eine zum Teil sehr unterschiedliche Gewichtung der einzelnen, charakteristischen Komponenten vor. Im Wesentlichen sind es aber vor allem zwei Ansatzpunkte, von denen aus versucht wird, die wichtigsten Merkmale der Freien Berufe zu erfassen.

(1) Der berufsrechtliche Begriff der Freien Berufe Vielfach wird der Begriff der Freien Berufe als materieller Rechtsbegriff angesehen, der sich mit genau umschriebenen Elementen in den einschlägigen Berufsgesetzen wieder findet64. Zu diesen sollen insbesondere Selbständigkeit, Arbeit auf geistiger Grundlage, Einsatz der eigenen Persönlichkeit, geistig-ethische und sachliche Unabhängigkeit und Verantwortung für das Gemeinwohl und ideelle Zwecke gerechnet werden. Ergänzt wird dieser so genannte berufsrechtliche durch den sozial-ethischen (ständischen) Begriff65 der Freien Berufe. Letzterer reicht weiter als der rein berufsrechtliche Ansatz, da er eine Einschränkung des Kriteriums der Selbständigkeit dahingehend erlaubt, dass nicht notwendigerweise eine wirtschaftliche Selbständigkeit gefordert wird. Somit werden als Freie Berufe auch solche Tätigkeiten erfasst, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses verrichtet werden66, solange nur spezifische Berufshandlungen nicht von (fachlichen) Weisungen des Arbeitgebers abhängen67.

(2) Der steuerrechtliche Begriff der Freien Berufe Eine weitere Möglichkeit der Annäherung an das Freiberuflertum findet sich im Steuerrecht. Die Zugehörigkeit zur Gruppe der Freien Berufe bedeutet hier nicht nur einkommenssteuerrechtliche Besonderheiten, sondern insbesondere auch die Freistellung von der Gewerbesteuer. Dabei versteht § 15 Abs. 2 S. 1 EStG unter einem Gewerbe jede erlaubte, auf Erwerb gerichtete und auf gewisse Dauer berechnete Tätigkeit, soweit sie nicht dem land- oder forstwirtschaftlichen Bereich oder eben den Freien Berufen zuzurechnen ist. Anknüpfungspunkt für den steuerrechtlichen Begriff der Freien Berufe ist dabei § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. 63 Zuletzt geändert durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften, BGBl. I 2002, S. 3412. 64 Vgl. etwa Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 43 ff. 65 Umfassend dazu Michalski, Der Begriff des Freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 29 ff.; Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 74. 66 Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 81. 67 Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 92.

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Durch die Verwendung des Begriffs der „ähnlichen Berufe“, der den Gerichten einen Spielraum einräumt, auch andere als die im Katalog aufgeführten Berufe in den Kreis der freiberuflichen Tätigkeiten einzubeziehen, liegt die Vermutung nahe, dass im Steuerrecht sehr klar umrissene Abgrenzungskriterien, insbesondere zwischen Gewerbe und Freien Berufen entwickelt wurden. Dem ist der BFH jedoch schon früh entgegengetreten. Bereits zu Beginn der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts haben die Münchener Richter darauf verwiesen, dass eine eindeutige Trennung von Gewerbetreibenden und Freiberuflern angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung immer problematischer wird68. Alleine aus der Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG könnten allgemeine Merkmale, nach denen eine Tätigkeit als freiberuflich zu charakterisieren ist, nicht hergeleitet werden69. Vielmehr soll allein darauf abgestellt werden, ob eine Ähnlichkeit der steuerlich zu begünstigenden Berufe mit einem der im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Berufe besteht, um daraus zu folgern, ob sie den Charakter der Freiberuflichkeit für sich in Anspruch nehmen können. Wenn auch der Ansicht nicht gefolgt werden kann, dass das Merkmal des (einem Katalogberuf) ähnlichen Berufes im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot ungenügend ist70, weil diese Auffassung angesichts der Tatsache, dass auch im Steuerrecht die Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen zulässig ist71, übertriebene Anforderungen an die Ausgestaltung der steuerrechtlichen Normen stellt, so erscheint es doch nicht sinnvoll, bei der Rechtsanwendung den Begriff der ähnlichen Berufe nicht auch anhand gemeinsamer Merkmale der Freiberuflichkeit zu konkretisieren72. Die einschränkende Auslegung durch die Rechtsprechung zeitigt zwar den gewünschten Effekt, einer uferlosen Ausweitung des begünstigten Kreises der Freien Berufe zuvorzukommen73, andererseits können auf diese Weise aber nur diejenigen Berufe als Freie oder als im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ähnliche Berufe klassifiziert werden, die folgende Kriterien erfüllen: Es muss sich um selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeiten oder um einen der Katalogberufe handeln, oder es muss ein ähnlicher Beruf vorliegen, wobei darunter nur die Ähnlichkeit mit einem der ausdrücklich genannten Berufe verstanden wird74. Zweifelhaft ist jedoch, ob die angestellten Einzelvergleiche ein sachgerechtes Ergebnis im Rahmen des Gewerbesteuerrechts ermöglichen, oder ob aus einem solBStBl. 1960 III, 484. BStBl. 1964 III, 136. 70 So aber Popitz, in: Festgabe für Grossmann, S. 160 ff. 71 Vgl. Herzog, in Mauz / Dürig / Herzog / Scholz, Kommentar zum GG, Art. 20, VII, Rz. 63; BVerfGE 13, 153, 161, 164. 72 So im Ergebnis auch Hummes, Die rechtliche Sonderstellung der Freien Berufe, S. 61. 73 Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 21. 74 Schick, Freie Berufe im Steuerrecht, S. 17. 68 69

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chen Vorgehen nicht vielmehr eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare, sachwidrige Ungleichbehandlung vergleichbarer Lebenssachverhalte erwachsen kann. Schließlich muss die ungleiche Belastung im Gewerbesteuerrecht durch das Vorhandensein bestimmter Gemeinsamkeiten der von der Gewerbesteuerpflicht befreiten Berufe gegenüber den gewerbesteuerpflichtigen Berufen gerechtfertigt sein75. Wenn aber die Ähnlichkeit sich ausschließlich auf einen – mehr oder weniger zufällig herausgegriffenen – Katalogberuf bezieht, also ein Einzelvergleich angestellt wird, kann damit schwerlich ein eindeutiges Abgrenzungskriterium gewonnen werden. Würde sich die Ähnlichkeit hingegen auf begriffsbildende Merkmale beziehen, wie sie auch im ständischen Begriff der Freien Berufe vorkommen, wäre die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Der sachliche Grund läge dann darin, dass all diese Berufe bestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen, die zum einen ihre Eigenart ausmachen und sie andererseits vom Gewerbe unterscheiden. Zugleich wären auch sämtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG ausgeräumt76. Unabhängig von der Frage, ob es einen eigenständigen steuerrechtlichen Begriff der Freien Berufe überhaupt geben muss, verdeutlicht die Diskussion doch, dass die Unterscheidung zwischen den beiden Begrifflichkeiten keinesfalls auf der Hand liegt77, da sie zumindest in den wesentlichen Begriffsmerkmalen erhebliche Übereinstimmungen aufweisen, die sich auch in einem Papier widerspiegeln, dass die Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Freien Berufe 1995 beschloss. Es beschreibt die gemeinsamen Wesensmerkmale der Freiberuflichkeit folgendermaßen (ohne zwischen berufsrechtlichen und steuerrechtlichen Ansatzpunkten zu unterscheiden): „Angehörige Freier Berufe erbringen aufgrund besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig geistig-ideelle Leistungen im Interesse ihrer Auftraggeber und der Allgemeinheit. Ihre Berufsausübung unterliegt in der Regel spezifisch berufsrechtlichen Bedingungen nach Maßgabe der staatlichen Gesetzgebung oder des von der jeweiligen Berufsvertretung autonom gesetzten Rechts, welches die Professionalität, Qualität und das zum Auftraggeber bestehende Vertrauensverhältnis gewährleistet und fortentwickelt.“78 Diese Aussage könnte in weiten Teilen freilich auch auf einen akademisch ausgebildeten Gewerbetreibenden zutreffen.

75 Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 41; Schick, Freie Berufe im Steuerrecht, S. 7. 76 A.A. Michalski, Der Begriff des Freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 184. 77 Hummes, Die Sonderstellung der Freien Berufe, S. 62, Fn. 4. 78 ÄZ vom 19. 6. 1995.

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cc) Der (nicht) gewerbliche Charakter der Freien Berufe Ausgangspunkt der Diskussion muss mit dem oben Gesagten die Abgrenzung der Freien Berufe vom Gewerbe sein79. Von zentraler Bedeutung im Hinblick auf den Arztberuf ist insofern erneut § 1 Abs. 2 BÄO. Dass der Arzt nach dieser Norm einen Freien Beruf ausübt und kein Gewerbe betreiben soll, könnte zunächst zu der Annahme verleiten, seine Tätigkeit erfülle gar nicht die Voraussetzungen eines Gewerbeberufes. Die Freien Berufe müssten sich dieser Überlegung zufolge also durch ganz besondere Merkmale von den Gewerbeberufen unterscheiden. Der Versuch einer Abgrenzung anhand gängiger Definitionen führt jedoch zu einem Zirkelschluss. Der dem Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zugrunde liegende, verfassungsrechtliche Gewerbebegriff80 wird als selbständige, erlaubte, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit definiert. All diese Merkmale treffen grundsätzlich auch auf den Arzt oder einen Rechtsanwalt zu, wenn man, unabhängig von der Frage nach der Bedeutung des Gewinnstrebens, davon ausgeht, dass auch der Freiberufler durch seine Tätigkeit zumindest seinen Lebensunterhalt bestreiten will. Es besteht also keine begriffliche Gewerbefeindschaft. Andererseits kann ein Freier Beruf nicht gleichzeitig Gewerbe sein. Dies stellen die so genannten negativen Begriffsmerkmale des Gewerbebegriffs klar: Eine Tätigkeit muss, selbst wenn sie den positiven Anforderungen an die Gewerbsmäßigkeit genügt, aus dem Gewerbebegriff ausgeklammert werden, wenn sie Urproduktion, Verwaltung eigenen Vermögens oder den Freien Berufen zugehörig ist81. Fast wortgleich lautet die Definition des Gewerbebegriffs in der GewO, die nach Ansicht des BGH82 auch für das Berufsrecht gelten soll. Ein Gewerbebetrieb ist danach eine selbständige, fortgesetzt ausgeübte, auf dauernde Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeit, mit Ausnahme der Urproduktion und der Freien Berufe83. Auf diese Weise ist zwar ausgesagt, dass Freiberuflichkeit und Gewerbstätigkeit in einem Exklusivitätsverhältnis stehen; Erkenntnisse über das Wesen der Freien Berufe, zu denen der Arztberuf ja „seiner Natur nach“ zählen soll, sind damit aber nicht gewonnen. 79 Ausführlich dazu Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 68 ff., 70 ff., 73 ff. 80 Vgl. dazu BVerfGE 5, 25, 29; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Kommentar zum GG, Art. 74, Rz. 139. 81 Frotscher, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 110; Locher, in: Jarass (Hrsg.), Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 265; Marcks, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), GewO I, § 14, Rz. 21; Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, S. 1048. 82 BGHSt 21, 232, 239; Etmer / Bolck, BÄO, § 1, Rz. 3, mit dem Hinweis darauf, dass die GewO auf den Arztberuf keine Anwendung findet. 83 BGHSt 21, 232, 239; Landmann / Rohmer, GewO § 1, Rz. 3.

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Diese Definitionsprobleme ändern freilich nichts daran, dass der Begriff in Schrifttum und Rechtsprechung als feststehend verwendet wird. Die Tatsache, dass ungeachtet der Schwierigkeiten, sich dem Wesen der Freien Berufe zu nähern, eine feste Vorstellung von deren Charakteristika bestehen muss, legt es daher nahe, bei den Freien Berufe von einem Typusbegriff84 auszugehen, der sich durch bestimmte spezifische Merkmale von anderen Typusbegriffen unterscheidet. dd) Freie Berufe als Typus Der Begriff des Typus85 dient im heutigen Sprachgebrauch zur Bezeichnung verschiedener Phänomene bzw. Kategorien86; er wird u. a. gebraucht im Sinne von „Modell“, „Leitbild“ oder „Gattung“87 und ist eine Denkform, die eine wirklichkeitsgetreuere Erfassung der sozialen Lebenserscheinungen ermöglicht, als sie mit Hilfe abstrakter Rechtsbegriffe erreicht werden könnte88. Durch seine Faktenbezogenheit ist er ein Einfallstor für das tatsächliche Rechtsleben, durch das die soziologische Betrachtungsweise auf die juristische Dogmatik nicht nur befruchtend einwirken kann, sondern sich mit ihr zu einer lebensnahen Rechtsvorstellung entwickelt89. Da es keine in allen Details übereinstimmende Auffassung gibt, was unter einem Typus zu verstehen ist, soll hier mit Ott90 folgendermaßen definiert werden: „Der Typus ist ein Komplex von abstufbaren Merkmalen. Ein konkretes Gebilde, das einem Typus zugeordnet werden kann, weist die den Typus auszeichnenden Eigenschaften in mehr oder weniger hohem Maße auf. Das typologische Denken klassifiziert damit die Objekte nicht wie das begriffliche Denken, sondern es ordnet sie nach dem Grad, in dem diese Objekte die betreffenden Eigenschaften aufweisen. Der Typus ist somit durch seine Ordnungsfunktion klassifiziert.“91 84 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, S. 36 ff. 85 Der Begriff wurde in der Sozialwissenschaft von Max Weber und in der allgemeinen Staatslehre von Georg Jellinek eingeführt; in der Regel wird zwischen „Realtypus“ und „Idealtypus“ unterschieden, vgl. dazu Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 36; M. Weber, Die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 66 ff.; Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 23 ff.; Koller, Grundfragen einer Typuslehre im Gesellschaftsrecht, S. 28; Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 445. 86 Kremer, Die GmbH als Rechtsform freiberuflicher Partnerschaften, S. 15. 87 Koller, Grundfragen einer Typuslehre im Gesellschaftsrecht, S. 32. 88 Diederichsen, MDR 1964, 890. 89 Diederichsen, a. a. O. 90 Ott, Die Problematik einer Typologie im Gesellschaftsrecht, S. 7. 91 Siehe zu diesem Thema auch Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 47, der den Typus als „Merkmalskomplex“ bzw. ein „interdependentes Merkmalsgefüge“ bezeichnet.

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Die Typologik kann auf die Erfassung der Freien Berufe deshalb fruchtbar wirken, weil sie den Blick dafür öffnet, dass mit den Freien Berufen eine Gruppe von Erwerbstätigen bezeichnet ist, die sich nicht allein mit Hilfe einer Reihe von deskriptiven und starren Eigenschaftsprädikaten exakt und formallogisch definieren lässt, sondern dass auch bestimmte Wertungen darüber entscheiden, ob mehr oder minder starke Merkmalsübereinstimmungen es gerechtfertigt erscheinen lassen, einen Beruf (noch) als Freien oder nicht mehr als Freien Berufen anzusehen92.

b) Typische Wesensmerkmale der Freien Berufe Die Hauptcharakteristika, die traditionell mit den Freien Berufen als den Nachfolgern der artes liberales in Verbindung gebracht werden, wurden bereits kurz angesprochen. Im Folgenden sollen die einzelnen Punkte untersucht werden, die dem Typus des Freien Berufes seine besondere Prägung verleihen. aa) Fachliche und sachliche Unabhängigkeit Üblicherweise wird unter Eigenverantwortlichkeit die Verpflichtung des Berufsangehörigen verstanden, sich sein Urteil selbst zu bilden und seine Entscheidungen alleine zu treffen93. Für die Ärzteschaft gilt dies umso mehr, als die Selbständigkeit des beruflichen Handelns und die Freiheit der ärztlichen Betätigung sich schon aus dem Standesrecht ergeben. Auf die wirtschaftliche Selbständigkeit94 kommt es dabei nicht an95. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass das Standesrecht die Berufsrechte und -pflichten unabhängig vom Status des tätigen Arztes normiert, also nicht zwischen selbständigen, angestellten oder verbeamteten Ärzten unterscheidet. Den Gesetzesmaterialien zur BÄO ist zu entnehmen, „dass grundsätzlich die Freiheit ärztlichen Tuns gewährleistet sein muss, unabhängig davon, in welcher Form der Beruf ausgeübt wird.“96 Insofern hat § 1 Abs. 2 BÄO eine klarstellende Funktion. Das eigenverantwortliche Arbeiten und die Freiheit des unabhängigen Entscheidens werden somit zur Grundvoraussetzung ärztlichen Handelns und zum verbindlichen Berufsprinzip der Ärzteschaft erhoben.97 92 Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 66; ausführlich zu diesem Thema auch Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 26. 93 Michalski, Der Begriff des Freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 48. 94 Vgl. hierzu das pathetische Referat auf der Delegiertenversammlung des Verbandes Freier Berufe in Bayern am 12. November 1975, Bayerisches Ärzteblatt 1 / 1996, Schriftenreihe der Bayerischen Landesärztekammer, Bd. 54, S. 210 ff. 95 Vgl. Laufs, Arztrecht, Rz. 52. 96 Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, BT-Drucksache III S. 2810.

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bb) Besondere Verantwortung für das Gemeinwohl Das Bundesverfassungsgericht hatte sich erstmals im Rahmen der Hebammenentscheidung98 mit den Wesensmerkmalen der Freien Berufe zu befassen. Den maßgeblichen Aspekt erblickte es damals in dem Umstand, dass der Staat die Tätigkeit der Hebammen für die Allgemeinheit bereitzustellen verpflichtet sei, d. h. durch sie seine Pflicht zur Daseinsvorsorge wahrnehmen lasse99. In der Entbindungspflege liege eine Tätigkeit mit besonderer Verantwortung für das Gemeinwohl als einer Besonderheit der Freien Berufe100. Diese Bedeutung der Freien Berufe für das Gemeinwesen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Stand der Advokatur101, und insbesondere im Apothekenurteil102 immer wieder hervorgehoben. In der letztgenannten Entscheidung stellten die Karlsruher Richter besonders heraus, dass Bedeutung und besondere Verantwortung der Freien Berufe sich auch aus der über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Vertrauensbeziehung zur eigenen Klientel ergebe. Zudem bezieht sich die Tätigkeit der Freien Berufe überwiegend auf soziokulturelle Werte von hohem Rang, wie etwa im Falle der Ärzte auf die Gesundheit. Michalski spricht in diesem Zusammenhang von der „Zentralwertbezogenheit“103 der Freien Berufe. Darin liegt zugleich eines der wesentlichen Abgrenzungsmerkmale zum Gewerbeberuf, der in seiner klassischen Ausprägung vorrangig von manueller Arbeit an sächlichen Gütern geprägt ist. Inwieweit durch die Merkantilisierung des Gesundheitswesens und das Hinzutreten von medizinnahen Gewerbeberufen eine Annäherung der beiden Berufsgruppen auch in diesem Bereich stattfindet, wird jedoch noch zu klären sein104.

97 § 1 Abs. 2 BÄO bietet jedoch keinen unabänderlichen Schutz vor Eingriffen des Gesetzgebers in die Berufsfreiheit. Auch verhindert die Vorschrift nicht, dass angestellte und verbeamtete Ärzte in Krankenhäusern und Ämtern prinzipiell gegenüber ärztlichen Vorgesetzten, die ihrerseits die Verantwortung tragen, weisungsgebunden sein können. 98 BVerfGE, 9, 338 ff. 99 Vgl. BVerfGE 9, 338, 347. 100 Dieser Aspekt der Entscheidung wird z. B. bei Tettinger, NJW 1987, S. 294, 299 besonders hervorgehoben. 101 BVerfGE 15, 226, 234; das Gericht betont an dieser Stelle die „fundamentale objektive Bedeutung der seit fast einem Jahrhundert durchgesetzten ,freien Advokatur‘“ und stellt damit auch den dahinter stehenden, historischen Wachstumsprozess heraus. 102 BVerfGE 17, 232, 239 f. Ausdrücklich verwendeten die Richter hier den Begriff des „öffentlichen Wohls“ und betonten: „die Verantwortlichkeit des selbständigen Apothekers gegenüber dem Käufer, der selbst mangels Fachkunde die Güte und Richtigkeit der abgegebenen Medikamente nicht prüfen kann [ist] erheblich gesteigert.“ 103 Michalski, Der Begriff des Freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 74 f. 104 Siehe unten, C. II. 1. c) cc).

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cc) Besonderes Vertrauensverhältnis Der Persönlichkeitsbezug der Freien Berufsausübung und das Wissensgefälle105 zum Auftraggeber bedingen das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Freiberufler und Auftraggeber. Dies wird im Fall des Arztberufes besonders deutlich: Der Arzt wird vom Patienten aufgrund der freien Arztwahl in Anspruch genommen und kann deshalb grundsätzlich106 nur dann tätig werden, wenn sich der Patient bewusst für ihn entschieden hat. Dieses Vertrauen zwischen Arzt und Patient im Besonderen, und im Allgemeinen zwischen dem Freiberufler und seiner Klientel, stellt einen zentralen Punkt bei der Charakterisierung der Freien Berufe dar. Der Arzt erfährt im Rahmen seiner Tätigkeit persönliche und intime Fakten aus dem Leben seines Patienten, die weit über die für die eigentliche Heilbehandlung erforderliche Information hinausgehen und Ausdruck der bereits erwähnten persönlichen Beziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind. Entsprechend stellt die Verschwiegenheit, bzw. der vertrauenswürdige Umgang mit dieser Situation, und im Falle der Ärzte die ärztliche Schweigepflicht ein Kernstück des Berufsethos der Ärzteschaft dar. „Was immer ich sehe und höre, bei der Behandlung oder außerhalb der Behandlung, im Leben der Menschen, so werde ich von dem, was niemals nach draußen geplaudert werden soll, schweigen, indem ich alles Derartige als solches betrachte, das nicht ausgesprochen werden darf.“ An dieser Formulierung des Hippokratischen Eides107 hält die Berufsordnung für die Deutschen Ärzte108 als Kernstück ihrer Berufsethik ausdrücklich fest109. Doch nicht nur eine wirksame Heilbehandlung setzt voraus, dass alles, was der Patient im Zusammenhang mit ihr dem Arzt anvertraut, vertraulich bleibt. Hinter dem Gedanken des individuellen Geheimnisschutzes für den Patienten steht auch das überindividuelle öffentliche Interesse an der Pflege und Förderung des Gesundheitswesens110. Damit verdeutlicht auch dieser Aspekt die Wechselwirkung 105 Taupitz weist darauf hin, dass der besondere Wissensvorsprung der Freiberufler in ihrer Materie – von ihm als Kompetenzkluft bezeichnet – ein Spannungsgefühl erzeuge, das nur durch das besondere Vertrauen in dessen Fähigkeiten überwunden werden könne. Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 54. 106 Etwas anderes kann sich z. B. im Falle eines Notfallspatienten ergeben; zur Problematik der Aufklärung und Einwilligung von Notfallpatienten vgl. Laufs, Arztrecht, Rz. 226. 107 Nachzulesen in Laufs, Arztrecht, vor I.; vgl. außerdem Deichgräber, Der Hippokratische Eid, S. 15, 43 ff. 108 Berufsordnung nach den Beschlüssen des 79. Deutschen Ärztetages 1976 in der Fassung von 1988: Gelöbnis §§ 2, 11; ausführlich dazu und zum Problemkreis der ärztlichen Schweigepflicht Narr, Ärztliches Berufsrecht, Rz. 745 bis 789. 109 Mittlerweile hat das Arztgeheimnis allerdings nicht mehr allein im Standes- und Berufsrecht seinen Platz, sondern auch im staatlichen Straf- und Prozessrecht; vgl. nur § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB; §§ 53 I Nr. 3 StPO und 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO; ferner das Auskunftsverweigerungsrecht in § 102 I Nr. 3c der Abgabenordnung 1977, BGBl. I, 1976, S. 613; geschichtlicher Abriss in: Laufs, Arztrecht, Rz. 421 ff.

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zwischen der Verpflichtung des Arztes, im Sinne des Einzelpatienten als Individuum tätig zu werden und zugleich dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen. dd) Persönliche Leistungserbringung Die Art der Leistungserbringung beinhaltet bei den Freien Berufen ein ausgeprägtes persönliches Moment. Angehörige Freier Berufe werden vorwiegend unter Einsatz ihrer persönlichen Arbeitskraft und ihrer persönlichen Fähigkeiten tätig111. Der jahrelange Streit darüber, ob der Freiberufler seine Leistung auch dann noch persönlich erbringt, wenn er sich der Mithilfe mehrerer qualifizierter Mitarbeiter bedient112, ist mit Einführung des Satzes 3 in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG hinfällig geworden. Solange nur der freiberuflich Tätige die uneingeschränkte Verantwortung für seine Mitarbeiter übernehmen kann, besteht eine Zurechnungsgrundlage und handelt es sich damit eine persönliche Leistungserbringung113. Für den Auftraggeber steht trotzdem der einzelne Leistungserbringer im Vordergrund, denn nur dessen fachliches Können befähigt ihn zur Leistungserbringung und bewirkt, dass er überhaupt in Anspruch genommen wird. Unter der Freiberuflichkeit des Arztes wird darüber hinaus auch die Selbständigkeit der ärztlichen Tätigkeit verstanden114. Zum Arzt in freier Praxis äußert sich das SGB V jedoch nur beiläufig in § 98 Abs. 2 Nr. 13 SGB V. Eindeutiger ist die Normierung in § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV115: Sie verpflichtet den Vertragsarzt, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben. Die mit dieser Bestimmung ursprünglich verbundene Einschränkung, angestellte Ärzte nicht zu beschäftigen, besteht in dieser Form heute jedoch nicht mehr: Jeder Vertragsarzt kann nun einen ganztags beschäftigten oder höchstens zwei halbtags beschäftigte Ärzte bei sich anstellen (§ 95 Abs. 9 S. 1, S. 2 SGB V i.V.m. § 32 b Ärzte-ZV). Auch wenn mit dieser Regelung zunächst ein erheblicher Einschnitt in die Selbständigkeit der freien Ärzteschaft verbunden zu sein scheint, da Ärzte im Angestelltenverhältnis gerade nicht mehr im ursprünglichen Wortsinn in „freier Praxis“116 agieren, so stehen doch zumindest § 1 Abs. 2 BÄO und § 1 Abs. 1 S. 2 der MBO-Ä dieser Möglichkeit nicht entgegen117: Die Qualifizierung des Arztberufes zum Freien Beruf meint primär die Gewährleistung der „Freiheit des ärztlichen Tuns“, unabhängig davon, in welcher Form der Beruf ausgeübt wird118. LSG Bremen, NJW 1958, 258; Narr, Ärztliches Berufsrecht, Rz. 745 m. w. N. BVerfGE 10, 354, 364 f. 112 Ablehnend die sog. Vervielfältigungstheorie; noch vertreten in BFHE 66, 85 = BStBl III 1958, 34. 113 BFHE 159, 535 = BStBl. II 1990, 507; BFHE 127, 247 = BStBl. 1976, 155. 114 BVerfGE 11, 30, 40 ff.; 16, 286, 298. 115 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) in der Fassung ab 01. 01. 1994. 116 Zum Begriff der freien Praxis und möglichen Erweiterungen vgl. auch A. I. 2. c). 117 Hierzu auch D. IV. 2. a) bb) 2. b) (bb). 110 111

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ee) Fachliche Vorbildung Wenn es sich bei den freiberuflich erbrachten Leistungen um „Dienste höherer Art“119 handelt, die unter Einsatz besonderer persönlicher Fähigkeiten erbracht werden, ist die Anforderung einer fachlichen Vorbildung an die Freien Berufe lediglich eine logische Konsequenz. Entsprechend wird dieser Anspruch dahingehend konkretisiert, dass eine wissenschaftliche Vorbildung verlangt wird120, bzw. die Länge der Ausbildung als Indiz für deren Vorhandensein angesehen wird121. In engem Zusammenhang damit ist die Forderung zu sehen, die erbrachten Leistungen müssten ideeller Natur, also nicht beliebig wiederholbar, und als geistige Arbeit individualisierbar sein.122 Der häufig vorgebrachten Begründung, die noch auf den Wissenschaftsbegriff des Mittelalters zurückgeht, die von den Ärzten erbrachten Dienstleistungen höherer Art begründeten schon deshalb eine Zugehörigkeit zur Gruppe der Freien Berufe, weil sie vorwiegend auf geistiger Arbeit basierten123, kann indes nicht gefolgt werden. Auch wenn zu Recht das Erfordernis einer fundierten (akademischen) Ausbildung124 der Freien Berufe und damit auch der Ärzteschaft hervorgehoben wird, und eine solche in vielen Gewerbeberufen nicht nötig erscheint, so ist doch zu beachten, dass die moderne Berufswelt immer mehr dazu übergeht, auch klassische Gewerbeberufe auf eine geistige Basis zu stellen. Der Trend zielt auf einen Übergang von der Hand- zur Kopfarbeit – auch in vielen handwerklichen und sonstigen gewerblichen Berufen125. Entsprechend sind Kreativität, schöpferische Intelligenz und abstraktes Denkvermögen nicht mehr alleine Eigenschaften, die man den Angehörigen Freier Berufe abverlangt. Umgekehrt werden durch die Möglichkeiten der modernen Technik vielerorts auch geistige Tätigkeiten schematisiert. Bereits an dieser Stelle lässt sich daher festhalten, dass das Merkmal der überwiegend geistigen Tätigkeit auf den Arztberuf zwar weiterhin zutrifft, wegen seiner Ausweitung auf viele andere Berufszweige jedoch kein taugliches Kriterium für seine Einordnung in die Gruppe Freier Berufe sein kann.

118 Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen, BT-Drucksache III / 2810, S. 1; zutreffend auch: BGH NJW 1978, 589, 591. 119 Vgl. neben vielen BVerfGE 17, 232, 239. 120 Beispielhaft dafür: BVerfGE 17, 232, 239: „Die wachsende Zahl der Arzneispezialitäten verlangt den wissenschaftlich gebildeten Apotheker“. 121 BVerfGE 17, 232, 240 f. 122 Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 33; Deneke, Die Freien Berufe, S. 117; Fleischmann, Freie Berufe, S. 27 ff.; vgl. auch BT-Drucksache 8 / 3139, S. 6 f. 123 Vgl. Hummes, Die rechtliche Sonderstellung der Freien Berufe, S. 66 ff.; Michalski, Der Begriff des Freien Berufes im Standes- und Steuerrecht, S. 73. 124 Vgl. etwa BVerfGE 17, 232, 239. 125 Michalski, Der Begriff des Freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 73.

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ff) Fehlen des Gewinnstrebens Nach früher herrschender126 und auch heute noch gängiger Ansicht sind die Freien Berufe durch die „Freiheit des Entgeltmotivs“127 und ihre altruistische Berufsauffassung gekennzeichnet. In Abgrenzung zum Gewerbe soll die Tätigkeit eines Freiberuflers nicht vorrangig von Gewinnerzielungsabsicht geprägt sein. Diese Anforderung, die vollumfänglich auch an die Ärzteschaft gestellt wird, hängt mit der Gemeinwohlorientierung der Freien Berufe zusammen. Das Handeln des Arztes soll von Altruismus getragen sein, der das eigene wirtschaftliche Interesse und das Gewinnstreben im Dienste der Patienten zurücktreten lässt128. Obwohl heute natürlich auch Angehörige der Freien Berufe dem Wunsch finanziellen Fortkommens unterliegen, soll doch zumindest das vorrangige Gewinnstreben bei den Freien Berufen nach wie vor ausgeschlossen sein129. Gerade die Leistung eines Arztes soll nicht primär erbracht werden, um eine Gegenleistung zu erhalten.130 Diese besondere ethische Verpflichtung im Rahmen der Berufsausübung und die daraus resultierende Zurückhaltung bei der Verfolgung wirtschaftlicher Ziele wurde bereits vom Reichsgericht131 hervorgehoben: „Nach den Sittenanschauungen nicht nur der sonst höher gebildeten Volkskreise, sondern des gesamten deutschen Volkes steht der allgemeinen Interessen dienende Beruf des Arztes über dem Niveau einer Gelderwerbstätigkeit und darf auf die Stufe eines gewerblichen Unternehmens nicht herabgezogen werden.“ Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass etwa im Steuerrecht die Abgrenzung zum Gewerbe bereits denknotwendig nicht über eine Graduierung des Gewinnstrebens erfolgen kann. Denn besteuert werden nach § 10 Abs. 2 EstG 126 Loewenfeld, in: Adam / Wilke / Mecke / Hartmann / Erythropel (Hrsg.), Gutachten aus dem Anwaltstande über die erste Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, S. 892 ff.; Feuchtwanger, Der Staat und die Freien Berufe, S. 10; Raudenbusch, Die Gewerbesteuer der so genannten Freien Berufe, insbesondere der Rechtsanwälte und Ärzte, S. 19. 127 Loewenfeld, in: Adam / Wilke / Mecke / Hartmann / Erythropel (Hrsg.), Gutachten aus dem Anwaltstande über die erste Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, S. 892. 128 Eine Ausnahmestellung räumt das Bundesverfassungsgericht lediglich den Apothekern ein, denen es eine Doppelstellung als Gewerbetreibende einerseits und Freiberufler andererseits zuerkennt; BVerfGE 17, 232, 238. 129 Wörtlich heißt es in BVerfGE 17, 232, 239: „Die Eigenart des Berufes . . . bringt es mit sich, dass bei ihm die Züge eines freien Berufes überwiegen; es sind ihm Dienste höherer Art aufgetragen, hinter die das Streben nach Gewinn, wie es sonst der gewerblichen Wirtschaft eignet, zurücktritt.“ 130 So bereits Fleischmann, Freie Berufe, S. 46: „Freie Berufe sollen sich mit Arbeiten befassen, die nicht rein um des Tauschwertes wegen erbracht werden, sondern ,kulturwirtschaftlich produktiv‘ sind“, oder RGZ 66, 143, 148: „Dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden ist es anstößig, wenn der Beruf des Arztes . . . lediglich zum Zwecke des Geldverdienens ausgeübt wird.“ 131 RGZ 66, 143, 148.

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die erzielten Einkünfte, was ja gerade voraussetzt, dass bei einer Tätigkeit ein (beabsichtigter) Gewinn erzielt wird. Insofern begegnet das Kriterium der idealistischen Berufsausübung und des mangelnden Gewinnstrebens als Besonderheit der Freien Berufe schon an dieser Stelle Bedenken.

c) Unterscheidung zwischen Berufsstand und Berufsangehörigen Über all den oben aufgeführten Kriterien wird in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes stets die historische Bedeutung der Freien Berufe angeführt. Der Begriff sei aus der gesellschaftlichen Situation des frühen Liberalismus gewachsen132; im Übrigen kann es als unstreitig gelten, dass sich die Besonderheiten der Freien Berufe weit gehend aus den gesellschaftlichen Funktionen einzelner Sparten entwickelt haben133. Ein besonderes Charakteristikum liegt folglich in der berufsständischen Kultur und deren organisationsrechtlicher Vermittlung über öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungseinrichtungen (Berufskammern)134. Vor allem der Beruf des Arztes verfügt traditionell über derartige Funktions- und Organisationsstrukturen, die gleichermaßen die besondere Gemeinwohlverantwortung und die berufsständische Autonomie sichern sollen. Bei einer Untersuchung der Besonderheiten des ärztlichen Berufes muss daher auch zwischen dem individuellen Berufsträger als Einzelrechtssubjekt und dem Beruf als Funktion bzw. dem Berufsstand als Ganzes unterschieden werden135. Wird vom ärztlichen Berufsstand als Ganzes gesprochen, kann die Zuordnung zu einer Berufsgruppe über Merkmale erfolgen, die innerhalb der gesamten Ärzteschaft vorherrschen. Entscheidend für die Einstufung ist demnach, ob bei der überwiegenden Zahl der Ärzte bestimmte Merkmale typischerweise vorliegen oder nicht. Minderheiten, die bei genauer Betrachtung eigentlich nicht dem Kreis dieser Berufe zugeordnet werden könnten, werden dabei zunächst mit erfasst136. So ist es durchaus denkbar, dass jemand einem Freien Berufsstand angehört, jedoch selbst nicht freiberuflich tätig ist. Dies verdeutlicht § 1 Abs. 2 BÄO. Dass der Arztberuf „seiner Natur nach“ als Freier Beruf bezeichnet wird, drückt aus, dass es für die Qualifizierung als Freier Beruf nicht darauf ankommt, in welcher Form er von dem einzelnen Berufstätigen ausgeübt wird; ob dies in freier Praxis, in einem Angestellten- oder Beamtenverhältnis geschieht, ist für die Zuordnung irreleBVerfGE 10, 354, 364. Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Kommentar zum GG, Art. 12, Rz. 256. 134 Vgl. hierzu u.a. Brandstetter, Der Erlass von Berufsordnungen durch die Kammern der Freien Berufe, S. 87 ff. 135 Vgl. Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 36. 136 Deneke, DÄBl. 1967, 643 f.; Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 36; ähnlich im Ergebnis auch BVerwG, GewArch. 1970, 125, 126. 132 133

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vant.137 Der verbeamtete Arzt ist damit ebenso Angehöriger eines Freien Berufes, wie der, der als Krankenhausarzt in einem Angestelltenverhältnis steht, auch wenn er – schon mangels wirtschaftlicher Selbständigkeit – nicht freiberuflich tätig ist. Doch auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Vielfach wird eine Person einen Freien Beruf ausüben, ohne dabei dem Berufsstand der Freien Berufe anzugehören138. Als Beispiel seien selbständig agierende Krankenschwestern oder Krankenpfleger genannt: Sie gehören nur deshalb nicht zum Berufsstand der Freien Berufe, weil das Berufsbild des medizinischen Pflegepersonals in Deutschland von angestellten und beamteten Berufstätigen geprägt ist. Obwohl ihre Tätigkeit durchaus Charakterzüge eines Freien Berufes trägt, werden sie aus dem Berufsstand ausgegrenzt, der nur diejenigen umfasst, die selbständig und ungebunden außerhalb eines Beamten- oder Angestelltenverhältnisses tätig sind139. Somit kann die typologische Zuordnung zu einem Berufsstand noch keine endgültige Auskunft darüber geben, ob der jeweilige Berufstätige tatsächlich dem Berufsstand der Freien Berufe angehört. Auch die Frage danach, ob der in bestimmter Hinsicht atypische Merkmale aufweisende Berufstätige denselben gesetzlichen Regelungen unterfällt, wie die von den entsprechenden Gesetzen als typisch vorausgesetzten Berufsangehörigen, kann pauschal nicht beantwortet werden. Die typologische Zuordnung kann daher nur ein Erkenntnismittel, niemals aber alleiniges Argument140 für die rechtliche Einordnung eines einzelnen Berufstätigen sein.

3. Grundrechtlicher Schutz der ärztlichen Tätigkeit Der grundrechtliche Schutz des Arztberufes nach Art 12 Abs. 1 GG knüpft an dessen freiberufliche Elemente an. Freilich ist dabei zu beachten, dass im deutschen Verständnis von Sozial- und Gesundheitsstaat das Arztrecht auch und vor allem Dienstrecht geworden ist141. In Anbetracht der dienenden Funktion142 der ärztlichen Tätigkeit wird immer wieder diskutiert, inwieweit etwaige Abweichungen vom Idealtypus des Freiberuflers einen Einfluss auf die normative Kraft des bestehenden Grundrechtschutzes 137 Vgl. Daniels / Bulling, BÄO Kommentar, § 1, Anm. 21, 29; Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 55; Lach, Formen freiberuflicher Zusammenarbeit, S. 7. 138 Vgl. dazu Deneke, Klassifizierung der Freien Berufe, S. 22; ders. DÄBl. 1967, 643 f.; Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 37; a.A. Michalski, Der Begriff des Freien Berufes im Standes- und Steuerrecht, S. 155 f. 139 Institut für Freie Berufe, Struktur und Bedeutung der Freien Berufe in der Bayerischen Wirtschaft, S. 16 f.; weiterführend dazu: Deneke, Klassifizierung der Freien Berufe, S. 22; ders. DÄBl. 1967, 643 f. 140 Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 38. 141 Bogs, in: Festschrift für Werner Thieme, S. 715. 142 Siehe bereits oben A. III. 2.

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haben. Die Freiberuflichkeit der Ärzteschaft wird vielfach sogar als Anachronismus und Fremdkörper in einer immer ausdifferenzierteren Dienstleistungsgesellschaft angesehen143. In der Tat wird sich noch herausstellen, dass die persönliche Leistungs- und Risikobereitschaft auch innerhalb der Ärzteschaft zunehmend hinter Arbeitnehmermentalität und Alimentationsdenken zurücktritt, so dass es nicht verwundern darf, dass es immer wieder Versuche gibt, offen oder verdeckt das auf dem Freiberufler Arzt aufbauende Gesundheitswesen in Deutschland durch ein völlig anderes System zu ersetzen. Solange diese Bemühungen noch nicht zum Ziel gelangt sind, bleibt freilich festzuhalten, dass das Grundrecht des Art 12 GG für den (freien) ärztlichen Beruf grundsätzlich im selben Maße gilt wie für die sonstigen privaten, gewerblichen oder nicht gewerblichen Berufe144. In Betracht kommt dabei sowohl der Schutz des Art. 12 GG in seiner Ausgestaltung als Abwehrrecht gegen Freiheitsbeschränkungen145 als auch in der Gestalt eines Teilhaberrechts146, gegebenenfalls i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. a) (Privat-)Arzt in freier Praxis Beim idealtypischen, freiberuflich tätigen Arzt kommt das Grundrecht zu voller Entfaltung, sowohl auf der Stufe der Wahl als auch bei der Ausübung des Berufes147. Schließlich steht der Zugang zu den Freien Berufen jedermann offen, jedermann kann entsprechende Leistungen am Markt anbieten. Ob und inwieweit er sich am Markt und im Wettbewerb mit Konkurrenten behaupten kann, hat den Staat zunächst nichts anzugehen. Die Berufsfreiheit fungiert dabei in erster Linie als Abwehrrecht, das einen Raum staatsfreier Selbstbestimmung gegen Ingerenzen der öffentlichen Gewalt schützen soll148. b) Ärzte als Arbeitnehmer Anders stellt sich der verfassungsrechtliche Schutz bereits für den Arzt dar, der als Arbeitnehmer seiner Tätigkeit nachgeht. Zwar genießt er ebenfalls die Freiheit der Berufswahl149. Ob er den gewählten Beruf aber tatsächlich aufnehmen kann, Dazu: Möhrle, Die ärztliche Berufsfreiheit aus ärztlicher Sicht, S. 12. Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 334. 145 BVerfGE 33, 309, 323. 146 Dazu Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 12, Rz. 47, 53. 147 Breuer, in: Freiheit des Berufes, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 147, Rz. 42; zur Reichweite und Bedeutung von Art. 12 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 7, 377, 397 f. 148 Isensee, VSSR 1995, S. 321, 326; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 12, Rz. 10 ff. 149 Zur Berufsfreiheit der Arbeitnehmer vgl. BVerfGE 50, 290, 365; Breuer, in: Freiheit des Berufes, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 147, Rz. 42; 143 144

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A. Wandel des ärztlichen Berufsbildes

hängt von der Entscheidung seines Arbeitgebers ab, der normalerweise ebenfalls dem grundrechtlichen Schutz der freien Berufsausübung unterfällt. Der Arbeitnehmer übt seinen Beruf aufgrund und nach Maßgabe des Arbeitsvertrages aus und untersteht dem Direktionsrecht seines Arbeitgebers. Das Weisungsrecht erstreckt sich allerdings nicht auf den medizinisch-fachlichen Bereich. Der Arzt hat insoweit die selbständige Handlungsverantwortung. Die Wissensentscheidung des einzelnen Berufsangehörigen steht beim ärztlichen Dienst im Zentrum der Arbeit.150

c) Verbeamtete Ärzte Ein Arzt, der als Beamter seinen Beruf ausübt, hat verfassungsrechtlich einen gesondert zu beurteilenden Status. Auch er kann zwar seinen Beruf in grundrechtlicher Freiheit wählen; die Realisierung der Wahl hängt jedoch davon ab, ob ihm der Staat einen Dienstposten überträgt oder nicht151. Die Berufsausübung ist damit nicht allein eine Ausübung grundrechtlicher Freiheit. Sie korrespondiert zugleich mit den staatlich definierten Erfordernissen des öffentlichen Amtes nach Gesetz, nach innerbehördlicher Weisung152, in funktionsbezogener Amtsloyalität und in unbedingter Dienstbereitschaft unter Ausschluss von Tarifautonomie und Arbeitskampf153.

d) Vertragsarzt Die relevanteste Form ärztlicher Berufsausübung, der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt, unterfällt keinem dieser Idealtypen154. Zwar arbeitet er in weiten Teilen in freier Praxis, also selbständig, und unterscheidet sich bereits dadurch vom Arzt in einem Arbeitnehmerverhältnis; dennoch bedeutet Hoffmann-Riem, in: Festschrift für Ipsen, S. 385, 390; Badura, in: Festschrift für Herschel, S. 21. 150 Hunold, NZA-RR 2001, S. 337, 341; zu den Grenzen des Weisungs- und Direktionsrechts des nichtärztlichen Vorgesetzten siehe auch C. I. bb) (3) (g). 151 Dazu: Isensee, in: Festgabe aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, S. 347. 152 Allerdings ist zu beachten ist, dass das Weisungsrecht des nichtärztlichen Vorgesetzten im fachlichen Bereich ausgeschlossen ist; dazu unten C. I. bb) (3) (g). 153 Isensee, VSSR 1995, S. 321, 328. 154 Wenn im Folgenden von Vertragsärzten und Kassenärzten gesprochen wird, so werden die beiden Begriffe stets synonym für diejenigen Ärzte gebraucht, die an der Versorgung im System der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt sind. Auch wenn der Terminus des Vertragsarztes mittlerweile die offizielle Bezeichnung der Sozialgesetze ist, so ist doch der in der Rechts- und Umgangssprache etablierte Terminus „Kassenarzt“ klarer, da er nicht den (falschen) Eindruck vom Bestehen einer echten Vertragsfreiheit zwischen Ärzten und Krankenkassen hervorruft; zur Terminologie vgl. Schulin, VSSR 1994, S. 357; Hess, VSSR 1994, S. 395, 396.

II. Historische Entwicklung

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diese Selbständigkeit nicht, dass der Vertragsarzt dem Idealtypus des Freiberuflers entspricht155. Auch wenn das Berufsbild durchaus noch „Einzelmomente des Freien Berufes“156enthält, bestehen doch gerade in so maßgeblichen Bereichen wie der Unternehmerfreiheit, der Therapiefreiheit und Vertragsfreiheit zum Teil erhebliche Einschränkungen157, die im weiteren noch ausführlich untersucht werden sollen. Zunächst hat sich der Vertragsarzt zwar wie ein normaler Freiberufler am Markt zu behaupten, wobei es auch hier zu beachten gilt, dass der Markt158 in weiten Teilen eine „künstliche Veranstaltung des Staates“159 ist. Die Einbindung der Leistungserbringer in die staatliche Organisation des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung hat in Teilen der Literatur bereits zu der Annahme geführt, die Tätigkeit des Vertragsarztes als Staatsfunktion und seine berufliche Stellung als öffentliches Amt zu bewerten160. Der Kassenarzt sei quasi zu einem „Dreiviertelbeamten“161 geworden, der verfassungsrechtlich nicht mehr unter den Schutz des Art. 12 GG, sondern in die staatsorganisatorische Sphäre des Art. 33 GG falle162. Der Grund für diesen Übergang wird darin gesehen, dass die Gesetzgebung der letzten Jahre das Gesundheitswesen weitestgehend sozialisiert, den Berufszugang reguliert und die Berufsausübung reglementiert hat163. Ob jedoch aus der Fülle der rechtlichen Bindungen auf ein Fehlen oder eine Veränderungen des grundrechtlichen Schutzes geschlossen werden kann, ist zweifelhaft. Soweit sich die kassenärztliche Tätigkeit nicht als öffentliches Amt darstellt, das vollständig der Personal- und Organisationshoheit des Staates anheim fällt, kann sie auch nicht dem Regime des Art. 33 GG unterfallen. Bei aller Reglementierung hat der Staat die vertragsärztliche Versorgung doch (noch) nicht in seine Ämterorganisation einbezogen. Auch therapeutische und diagnostische Leistungen werden nicht vom Staat erbracht, sondern von den Ärzten selbst, wenn auch der Staat insoweit präsent ist, als er die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung als eine von ihm zu regelnde Aufgabe ansieht (§ 72 SGB V). Leistungserbringer ist jedoch noch immer der einzelne Arzt, der daher allem rechtlichen Wandel zum Trotz noch immer den Schutz des Art. 12 GG genießt. Dieser Umstand ist umso wichtiger, als die Freiheitlichkeit der ärztlichen Berufsausübung das Pendant zum privatautonomen Selbstbestimmungsrecht des 155 Isensee, VSSR 1995, S. 321, 328, spricht sogar davon, dass der Idealtypus des Freien Berufes eine Spezies darstelle, die „heute generell unter Artenschutz gestellt werden müsse“. 156 Isensee, VSSR 1995, S. 321, 330. 157 Siehe unten C. II. 158 Zur Marktregulierung im Gesundheitswesen siehe unten C. II. 1. 159 Isensee, VSSR 1995, S. 328, 331. 160 So Ebsen, ZSR 1992, S. 328. 161 Bogs, in: Festschrift für Thieme, S. 715, 719. 162 Bogs, in: Festschrift für Thieme, S. 715, 719. 163 Dazu Schulin, VSSR 1994, S. 357.

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A. Wandel des ärztlichen Berufsbildes

Patienten darstellt164, das auch in der vertragsärztlichen Versorgung zu berücksichtigen ist. Dies hat das Bundessozialgericht in seinem viel beachteten Amalgam-Urteil165 ausgeführt. Danach steht das Selbstbestimmungsrecht des versicherten Patienten unter dem Schutz der Art. 1 und 2 GG. Das Pendant auf Seiten des Vertragsarztes in Gestalt der Therapiefreiheit unterfällt hingegen dem Anwendungsbereich der Art. 12 und 5 GG166. Dennoch sehen das rigide organisierte System der gesetzlichen Krankenversicherung und seine öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen massive Eingriffe in die Freiheiten des Kassenarztes vor. Sie müssen sich als Ausgestaltung und Schranken der Berufsfreiheit dem grundrechtlichen Rechtfertigungszwang unterziehen. Vor diesem Hintergrund wird noch zu klären sein, ob nicht aufgrund der Besonderheiten des Vertragsarztwesens über Gebühr in die Freiheiten der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Mediziner eingegriffen wird. Sollte der Schutz der Berufsfreiheit hierdurch unter das grundrechtliche Normalniveau absinken, kann dies nicht ohne Auswirkungen auf den Status des Vertragsarztes als Freiberufler bleiben.

III. Gesellschaftliche Bedeutung des freien Arztberufes Berufsmuster und Bedeutung freiberuflicher Tätigkeit sind in erheblichem Maße von der Entwicklung in Staat und Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft abhängig. Dieser Umstand ist angesprochen, wenn das Bundesverfassungsgericht betont, der Begriff der Freien Berufe sei zunächst von „soziologischer Qualität“167. Auf diese Weise lassen sich Begriff und Wesen der Freien Berufe anhand bestimmter Funktions- und Statuselemente charakterisieren. Keinesfalls darf jedoch außer Acht gelassen werden, dass gerade diese Berufsgruppe in vielfältiger Weise offen und entwicklungsfähig ist. Wandlungen innerhalb eines Freien Berufes sind damit ebenso wenig auszuschließen wie das Heraus- oder Hineinwachsen von Tätigkeiten in das bzw. aus dem System der Freien Berufe168.

164 165

Ebsen, SDSRV 1994, S. 7, 10. BSGE 73, 66 ff.; vgl dazu auch Pohl, ZM 3 / 1994, S. 24 ff.; Ebsen, SDSRV 1994, S. 7,

19 f. 166 167 168

Siehe BSGE 73, 66, 70, 71 f. BVerfGE 10, 354, 364; 11, 105, 117. Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Kommentar zum GG, Art. 12, Rz. 256.

III. Gesellschaftliche Bedeutung des freien Arztberufes

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1. Freie Berufe als Wirtschaftsfaktor In ihrer Gesamtheit haben die Freien Berufe erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Sie sind ein wesentlicher Mitträger des Wandels entwickelter Industrie- zu Dienstleistungs- und Informationsgesellschaften. Ihr berufliches Leistungsangebot ist offen für fortwährende Bedürfnis- und Nachfrageveränderungen und wird auch zukünftig Impulse für die Weiterentwicklung wirtschaftlicher Strukturen geben. Ihrem Wesen nach und durch die Art und Weise der Berufsausübung sind sie tragender Bestandteil des selbständigen Mittelstandes mit herausragender Bedeutung für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftliche Stabilität169. Sektoren, die noch vor Jahrzehnten verhältnismäßig unbedeutend waren, sind jetzt maßgebliche Träger des Wachstums, wobei insbesondere die Dienstleistungen, und in diesem Bereich namentlich die Freien Berufe, immer stärker an Bedeutung gewinnen. Nach einer Schätzung des Instituts für Freie Berufe erwirtschafteten die Freiberufler bis Anfang der achtziger Jahre etwa vier Prozent des Bruttoinlandproduktes. Dieser Wert ist in den letzten 15 Jahren auf etwa sieben Prozent gestiegen. Dabei agieren Freiberufler nicht nur als mittelständische Unternehmer; sie sind auch in ihrer Bedeutung als Arbeitgeber für andere Berufe und Erwerbstätige nicht zu unterschätzen. Etwa 2,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer gehen derzeit einer Beschäftigung bei Freien Berufen nach. Zehn anerkannte Ausbildungsberufe nach dem BBiG kommen aus diesem Bereich; der Zustrom auf diesen Wirtschaftszweig ist enorm170. Die Zahl derer, die in wirtschaftlicher Hinsicht Freiberufler sind, ist seit 1945 schnell angewachsen.171 Ging man noch im Jahre 1952 von etwa 200 000 Freiberuflern in Deutschland aus, so waren es 1978 bereits 295 000 und 591 000 im Jahre 1996, womit zu diesem Zeitpunkt bereits jeder sechste Selbständige Deutsche einen Freien Beruf ausübte. Derzeit schätzt der Bundesverband der Freien Berufe die Zahl der bundesweit tätigen Freiberufler auf 857 000172. Die stärkste Gruppe stellen mit rund 281 000 Angehörigen die Heilberufe173. 169 Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, Freie Berufe in Bayern, S. 14. 170 Institut für Freie Berufe, nachzulesen unter: http: //www.freie-berufe.de/fileadmin/ freie-berufe.de/pdf/Erwerb-FB-BRD-2005.pdf; Stand: Oktober 2005. 171 Vgl. zu dieser Entwicklung Vogt, Ärztliche Selbstverwaltung im Wandel, S. 903; Wasilewski, Der Beitrag der Freien Berufe zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zukunftsgestaltung, nachzulesen unter http: //www.uni-erlangen.de/info/fbzukunf.htm, Stand: Juli 2001. 172 Bundesverband der Freien Berufe, nachzulesen unter: http: //www.freie-berufe.de/ Freie_Berufe.210.0.html; Stand: Oktober 2005. 173 Zum 01. 01. 2005 gab es nach Angaben des Bundesverbandes der Freien Berufe im Bundesgebiet 125 317 Ärzte, 55 883 Zahnärzte, 10 713 Tierärzte, 21 167 Apotheker und 68 000 andere Angehörige der Heilberufe. Statistik nachzulesen unter: http: //www.freie-berufe. de/fileadmin/freie-berufe.de/pdf/selb-fb-d-STRUK05.pdf; Stand: Oktober 2005.

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A. Wandel des ärztlichen Berufsbildes

Für die Zukunft wird das weitaus stärkste Wachstum bei den sekundären, also den hoch qualifizierten Dienstleistungen erwartet. Selbst im Gesundheitswesen, namentlich bei der Ärzteschaft, die in den 90er Jahren die höchsten Zuwachsraten aller Branchen zu verzeichnen hatte, wird noch mit weiteren, allerdings geringfügigen Zuwächsen gerechnet174. Jedoch ist die weitere Entwicklung stark von der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation in Deutschland abhängig. Zwar nivelliert sich mittlerweile das Missverhältnis zwischen der Zahl der Berufszugänger und den Niederlassungsquoten im Heilberufesektor, nicht zuletzt, weil der Anspruch an die fachliche Qualifikation beständig steigt; doch nicht nur die Beherrschung des eigenen Faches wird künftig über Erfolg oder Misserfolg im Berufsleben entscheiden. Aufgrund steigender Nachfrageorientierung und Kostenoptimierung, besonders im medizinischen Bereich, wird der Arzt der Zukunft mehr denn je auch unternehmerische Fähigkeiten mitbringen müssen, wenn er den individuellen Ansprüchen seiner aufgeklärten Patienten auch in Zeiten wachsenden Kostendrucks genügen will.

2. Die öffentliche Aufgabe des Arztes Mit dem oben Gesagten drängt sich die Frage auf, ob der Freiberufler aufgrund seiner Funktion als Auftragnehmer nicht ein einseitiger Interessenvertreter seines Auftraggebers ist175. Das veränderte Arzt-Patienten-Verhältnis, die bessere Information der Bevölkerung in medizinischen Belangen und die Tatsache, dass der Kranke, der mit seinem Leiden einen Arzt aufsucht, weniger Exponent der Gesellschaft als individuell Bedürftiger ist, scheinen einen solchen Schluss nahe zu legen. Eine derartige Klassifizierung würde dem Wesen der Freiberuflichkeit jedoch nicht gerecht. Gerade im Falle des Arztes wird dies besonders deutlich. Auch wenn dieser in erster Linie im Interesse seines Patienten zu handeln hat, so ist doch die Aufgabe, die er erfüllt, in hohem Maße eine öffentliche176. Unstreitig ist der Arzt zwar als Helfer des Einzelnen mit diesem verbunden177, und es wäre wünschenswert, dass dieser Gemeinschaft im Sinne einer erfolgreichen Behandlung der Vorrang vor gesellschaftlichen Erfordernissen eingeräumt würde; dennoch ist der Arzt in mindestens ebensolchem Maße in die Verantwortung für andere, spätere Patien174 Oberlander, Freie Berufe auf dem Weg ins dritte Jahrtausend, nachzulesen unter http: //www.uni-erlangen.de/ifb/infos/gerling.htm, Stand: Juli 2001. 175 Zum schwierigen Verhältnis von Individualinteressen und Gemeinnutzen vgl. Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 2, Rz. 7. 176 Siehe bereits oben, A. II. 2. b) bb). 177 Teilweise werden Arzt und Patient sogar als „Rechtsgenossen“ bezeichnet, vgl. allein den Titel der Studie von Wiethölter zur Aufklärungspflicht des Arztes: „Arzt und Patient als Rechtsgenossen“.

III. Gesellschaftliche Bedeutung des freien Arztberufes

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ten eingebunden. Er ist vom Gesetz verpflichtet, der Gesundheit des Einzelnen und des gesamten Volkes zu dienen178. Dazu kommt, dass die allgemeine Kostenlast den Vorrang des einzelnen Patienten mehr und mehr in Frage stellt. Es besteht sogar das Risiko, dass aufgrund des ökonomischen Drucks bei pauschalierten Vergütungsformen der medizinische Leistungsstandard sinkt und es aus wirtschaftlichen Gründen zu Leistungskürzungen kommt179. Dies bedeutet in letzter Konsequenz eine Herabstufung der Individualinteressen unter das Wohl und die finanzielle Leistungskraft der Solidargemeinschaft. Unverkennbar wächst damit die von jeher im Verhältnis zu den Sozialversicherungssystemen angelegte Spannung hinsichtlich des ärztlichen Heilauftrages und den Berufsgesetzen. Auch wenn sich die deutsche Ärzteschaft in ihrem gesundheitspolitischen Programm zum althergebrachten grundsätzlichen Vorrang des Individualinteresses bekannt180 und der These eines Übergangs „vom Primat des Individuums zum Primat der Gesellschaft“181 eine Absage erteilt hat: Der Arzt wird immer mehr zum Mittler zwischen dem gesunden aber beitragspflichtigen Bürger, dem Patienten, dem Gesundheitswesen – und damit letztlich zum gesundheitspolitischen Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft. Indem er den einzelnen Patienten behandelt dient, er gleichzeitig der Sicherung der Volksgesundheit, wie es durch § 1 Abs. 1 BÄO gefordert wird. Dass er dabei dem dauerhaften Konflikt ausgesetzt ist, im Ringen um das individuell Notwendige auch das Gemeinwohl im Auge zu behalten, und die Solidargemeinschaft oder den Staat nicht über Gebühr zu belasten, rührt an einen Grundpfeiler des ärztlichen Dienstes, nämlich der durch Art. 5 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Therapiefreiheit, die – als Pendant zur Autonomie und Gesundheit des (sozialversicherten) Patienten nach Art 1 und 2 GG – einen wesentlichen Bestandteil der ärztlichen Freiberuflichkeit verkörpert.

3. Wahrung der medizinischen Ethik Mit der Bereitschaft der Menschen, sich mit ihren Krankheiten und Leiden einem Arzt anzuvertrauen, korrelieren hohe Erwartungen der Gesellschaft nicht nur an die Verschwiegenheit des Arztes, sondern auch an dessen ethisches Verhalten. Ärzte sind nicht nur zu qualitativ hochwertiger und rechtlich nicht zu beanstandender Arbeit verpflichtet, sondern unterstehen in hohem Maße auch ethischen § 1 Abs. 1 BÄO. Genzel, MedR 1995, S. 43, 53. 180 Beschluss des Deutschen Ärztetages vom 1. Mai 1994, DÄBl 1994, Supplement zu Heft 24, S. 3. 181 Engler, Leviathan 4, S. 470, 477. 178 179

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A. Wandel des ärztlichen Berufsbildes

Bindungen182. Immer wieder wird der Arzt mit der Notwendigkeit konfrontiert, zwischen dem Gebotenen und Erlaubten, bzw. dem ethisch nicht Vertretbaren und damit Verbotenen zu unterscheiden. Damit bietet die ärztliche Standesethik ein Fundament, auf dem auch die Berufsfreiheit des Arztes gründet183. Ethik ist allgemein die Lehre vom sittlich-moralischen Handeln. Ihre Grundfragen betreffen das Gute, das Haltung und Handeln des Menschen bestimmen soll. Konflikte im Bereich der ärztlichen Berufsausübung entstehen vor allem in tragischen Krankheitsverläufen oder Grenzfällen von Diagnostik und Therapie. Aber auch der rasante Fortschritt medizinischer und technischer Möglichkeiten lässt die Frage Bedeutung gewinnen, ob die Medizin das, was sie kann, auch darf. Sei es die Diskussion über den Einsatz aufwändiger Apparatemedizin bei todkranken Patienten, der seit Jahren geführte Streit über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen oder die Debatte über den Einsatz moderner Gentechnik: Beim ärztlichen Dienst „steht die Gewissensentscheidung des einzelnen Berufsangehörigen im Zentrum der Arbeit. In den entscheidenden Augenblicken seiner Tätigkeit befindet sich der Arzt in einer unvertretbaren Einsamkeit, in der er – gestützt auf sein fachliches Wissen – allein auf sein Gewissen gestellt ist.“184 Angesichts der wachsenden Bedeutung von Fragen der beruflichen Ethik und der Zunahme der Problemkreise auf diesem Gebiet fällt diese Gewissensentscheidung immer schwerer. Wo früher das ethisch vertretbare klar von dem zu missbilligenden Handeln der Ärzte abzugrenzen war, herrschen heute Unsicherheiten und Konflikte, die vor allem durch den wissenschaftlichen Fortschritt entstehen und durch dessen Beurteilung seitens der Gesellschaft noch verschärft werden. Zusätzlich wird auch dieser Grenzbereich der Medizin zunehmend von wirtschaftlichen Zwängen durchzogen. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen (in der vertragsärztlichen Versorgung) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V Richtlinien für deren Einführung beschlossen hat. Ungeachtet dieses Problems, auf das im weiteren Verlauf der Arbeit noch einzugehen sein wird185, muss sich der Arzt neben seinem fachlichen Wissen stets auch mit den jeweils geltenden gesellschaftlichen Anschauungen zu einer bestimmten Behandlungsmethode auseinandersetzen, die nicht immer mit dem eigenen standesrechtlichen Empfinden oder den Ansprüchen des einzelnen Hilfe suchenden Patienten konform gehen. Richtlinien für diese Entscheidungen gewinnt 182 Zur ärztlichen Ethik: Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 191 ff.; Vogt, Ärztliche Selbstverwaltung im Wandel, S. 657 ff. m. w. N. 183 Laufs, Arztrecht, Rz. 4. 184 BVerwGE 27, 303, 305; vgl. ferner VG Neustadt, NJW 1970, 534 ff.; BGH NJW 1983, 2629 ff. 185 Siehe unten C. I. 4. a) bb) (3) (g).

III. Gesellschaftliche Bedeutung des freien Arztberufes

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die Ärzteschaft noch immer aus der kritisch überprüften und rational fortentwickelten Tradition des eigenen Berufsstandes. Trotz der ungeklärten Fragen im Hinblick auf seine Entstehung und der Kritik an seiner zeitgebundenen Formulierung ist der hippokratische Eid dabei nach wie vor die Quelle geblieben, aus der die Ärzte die Maximen zur Schärfung und Betätigung des ärztlichen Gewissens ziehen. Er bedeutet einen Ausdruck zeitlos gültiger Gesinnung186, auf die man sich bis in die Gegenwart ebenso beruft wie auf das Genfer Gelöbnis des Weltärztebundes von 1948187, das der heute geltenden Berufsordnung vorangestellt ist. Das Bild des hippokratischen Arztes hat damit bis heute eine starke Auswirkung auf die Praxis der ärztlichen Berufsausübung. Die wichtigsten Grundanforderungen lassen sich in fünf prägnanten Punkten zusammenfassen: Der Arzt muss das Leben achten und erhalten. Er darf Kranke bei der Behandlung nicht schädigen und hat ihre Menschenwürde zu respektieren. Er darf niemandem ein tödliches Mittel verabreichen, er muss die Schweigepflicht wahren und hat sein eigenes Leben und seinen Beruf entsprechend den Erwartungen der Gesellschaft und des Berufsstandes zu gestalten. Diese Anforderungen an das ethische Verhalten des Arztes sind auch der „Generalpflichtenklausel“ 188 zugrunde gelegt, die der ärztlichen Berufsordnung voran steht. Die grundlegenden Aussagen des hippokratischen Eides decken jedoch bei weitem nicht mehr alle Fragen und Konflikte ab, mit denen sich der moderne Arzt konfrontiert sieht; auch scheinen die alten Regeln nicht mehr in vollem Umfang zu gelten. Der Grundsatz des „nil nocere“ etwa muss sich z. B. an kontinuierlich zunehmenden elektiven und risikobehafteten (Schönheits)-Operationen messen lassen. Die Frage der Humanität ist im Zeitalter der Apparate- und Hochleistungsmedizin kaum noch befriedigend zu beantworten. So sind die Freien Berufe – vielmehr als vergleichbare Gewerbeberufe – ein Abbild der jeweiligen kulturellen Traditionen, die sie ihrerseits wieder beeinflussen. In ihrer Entwicklung und Veränderung spiegeln sich neben wirtschaftlichen, rechtlichen und technischen Einflüssen auch kulturelle und soziale Prozesse wider. Bei allen sich stellenden Problemen sind die Freien Berufe wichtige Indikatoren für Veränderungen der Gesellschaft einerseits, und sind andererseits selbst eingebunden in den Wandel kultureller und ethischer Werte. Mit der Entwicklung des medizinischen Fortschritts wachsen die Ansprüche der Bevölkerung an das Leistungsangebot der Ärzte. Dem steht eine dramatische Vgl. Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 3, Rz. 11. Mit Änderungen; vgl. Tölle-Kastenbein, Das Genfer Arztgelöbnis und der Hippokratische Eid, 1978. 188 „Die Ärzte sind verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen“, so in den Kammergesetzen der Bundesländer (vgl. für Bayern derzeit Art. 17 HKaG in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juli 1994, GVBl. S. 853, ber. 1995, S. 325, BayRS 2122 – 3-A) sowie in den Berufsordnungen der Landesärztekammern. 186 187

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A. Wandel des ärztlichen Berufsbildes

finanzielle Entwicklung im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen gegenüber. Da jedoch vor allem wirtschaftliche Faktoren in der Medizin ihre eigene Dynamik entwickeln, stellt sich die Frage, inwieweit Geld, namentlich das System der ärztlichen Honorierung, Einfluss auf Diagnostik und Therapie, und damit auf die Handlungsfreiheit der Ärzte haben kann189. Mit ihr eröffnet sich ein weiterer Problemkreis: das Verhältnis einer ökonomisch und gewinnorientierten Arbeitsweise und dem ärztlichen Berufsethos.

189

Dazu unten C. II.

B. Berufsethos und modernes Gesundheitssystem „Die Standesethik steht nicht isoliert neben dem Recht. Sie wirkt allenthalben und ständig in die rechtlichen Beziehungen des Arztes zum Patienten hinein. Was die Standesethik vom Arzt fordert, übernimmt das Recht weithin zugleich als rechtliche Pflicht. Weit mehr als sonst in den sozialen Beziehungen des Menschen fließt im ärztlichen Berufsbereich das Ethische mit dem Rechtlichen zusammen.“1 So noch urteilte das Bundesverfassungsgericht vor 26 Jahren, unter Berufung auf Eberhard Schmidt2. Doch auch wenn diese Aussage bis in die heutige Zeit ein großes Maß ihrer Gültigkeit behalten hat – der Wandel im Selbstverständnis der Ärzte und in den Ansprüchen an die Verbindlichkeit des Berufsethos ist nicht zu übersehen. Die überlieferten Regeln der medizinischen Ethik erscheinen vor dem heutigen Hintergrund der naturwissenschaftlich-technischen Errungenschaften vielfach als zu allgemein3. Zwar dürfte die unerlässliche Bedeutung des Arztes für den Schutz und die Gesundheit des Bürgers unumstritten sein und weithin Anerkennung finden, doch soziale Veränderungen und wissenschaftlicher Fortschritt fordern ihren Tribut. Sie beeinflussen in einem zunehmend an gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten ausgerichteten Gesundheitswesen auch die ethischen Anforderungen der Ärzteschaft an den eigenen Berufsstand.

I. Gemeinwohlorientierung Medizinische Ethik, der das Berufsethos nur als Unterpunkt angehört4, befasst sich zum einen mit den Anforderungen an die Erfüllung der Aufgabe, die das komplizierte Subsystem medizinischer Dienste und Institutionen übernommen hat, kranke Menschen, so gut es geht, zu Gesunden zu machen und Gesunde davor zu bewahren, krank zu werden5. Allerdings kann die Leistung des modernen Gesundheitswesens nicht allein in der Heilaufgabe des Arztes gesehen werden6. 1 BVerfGE, 52, 131, 169, 170; Schmidt, Der Arzt im Strafrecht, in: Ponsold, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, S. 2. 2 Schmidt, Der Arzt im Strafrecht, in: Ponsold, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, S. 1 ff. 3 Vgl. Laufs, NJW 2000, S. 1757, der die überlieferten medizin-ethischen Regeln sogar für „unpassend“ hält. 4 Vgl. unten, B. III. 5 Schaefer, in: Doerr / Jacob, Laufs (Hrsg.), Recht und Ethik in der Medizin, S. 187.

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B. Berufsethos und modernes Gesundheitssystem

Eine solche Sichtweise würde verkennen, dass vor allem im Verhältnis zwischen Arzt und Patient eine Veränderung der wechselseitigen Abhängigkeiten stattgefunden hat. Anders als früher ist der Patient heute nicht mehr passiver Partner des Mediziners, dessen Rolle sich auf Duldung und Gehorsam gegenüber dem Heilenden beschränkt. Im Gegenteil. Der moderne Patient ist in den seltensten Fällen existenziell abhängig von seinem Arzt: Sofern er mit dessen Leistung nicht einverstanden ist, kann er problemlos den Rat eines anderen Mediziners einholen, die Behandlung abbrechen oder sogar ablehnen. Dieses Phänomen verkehrt die ursprüngliche, paternalistisch geprägte Rollenverteilung ins Gegenteil. Im modernen Gesundheitswesen ist der Arzt von seinen Patienten abhängig. Das Ausbleiben jedes einzelnen Patienten bedeutet für den Arzt auch eine Schmälerung seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage. Das verfassungsrechtlich verbürgte Recht der freien Arztwahl versetzt den niedergelassenen Mediziner somit in eine der freien Wirtschaft analoge Konkurrenzsituation, die umso härter wird, je mehr Ärzte sich auf dem freien Markt befinden7. Die Einrichtung der sozialen Krankenversicherung mit der Tendenz zur Förderung der Massenpraxis, der Ausbau des Krankenhauswesens und die zunehmende Spezialisierung haben die traditionelle Schlüsselstellung des praktischen Arztes als Hausarzt und Vertrauensperson ins Wanken gebracht. Mit der Entwicklung des medizinischen Fortschritts wachsen überdies die Ansprüche der Bevölkerung an das Leistungsangebot der Ärzte. Dem stehen existenzielle Finanznöte der gesetzlichen Krankenkassen gegenüber. Zusätzlich zu Honorarrückgängen und Einschränkungen in der Therapiefreiheit sieht sich der Arzt daher auch mit dem Problem konfrontiert, welchen Stellenwert er dem tradierten ärztlichen Berufsethos angesichts der unumgänglichen Verpflichtung zum wirtschaftlichen Arbeiten noch beimessen kann und will. Jedoch gilt heute ebenso wie zu noch zu Zeiten Schmidts, dass dem Arzt bei seiner Tätigkeit im Dienste des Gemeinwohls stets der Einsatz seiner ganzen Arbeitskraft abverlangt wird. Er muss jedem Kranken auf Verlangen Hilfe gewähren und sich selbst menschlich und fachlich dazu fähig erhalten8. Die Möglichkeit eines Streiks bleibt dem Arzt aus diesem Grunde verwehrt9. Weder der Vertragsarzt noch der arbeitsvertraglich angestellte Arzt haben das Recht, die Arbeit zur Verbesserung ihrer beruflichen Position, insbesondere ihrer Bezüge zu verweigern. 6 In diesem Fall würden sich die ethischen Probleme tatsächlich auf die Frage beschränken, ob ein Arzt im Sinne seines Berufsethos gehandelt, also seinen Dienst im Sinne der Gesellschaft erbracht habe; vgl. Schaefer, in: Doerr / Jacob, Laufs (Hrsg.), Recht und Ethik in der Medizin, S. 187. 7 Schaefer, a. a. O., S. 189. 8 Laufs, Arztrecht, Rz. 23. 9 Vgl. hierzu: Uhlenbruck, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 16, m. w. N.

II. Zurückstellen des Gewinnstrebens

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Diese uneingeschränkte Leistungspflicht, die für jeden Arzt eine besondere Belastung darstellt, verdient ein angemessenes Entgelt. Dennoch steht der Arztberuf unter dem „ausdrücklichen Postulat, altruistisch und nicht egoistisch motiviert zu sein“10 – ein Anspruch, der sicher in dem Maße berechtigt ist, als der Arzt aus der Notlage seiner Patienten keine Vorteile ziehen darf, und der Kranke der Gefahr einer Ausbeutung und des Missbrauches in besonderem Maße ausgesetzt ist11. Andererseits muss auch ein Arzt seinen Lebensunterhalt bestreiten. Da er nur selten umhin kann, dies mit Hilfe seines Berufes zu tun, tritt neben die gesellschaftliche Erwartung des kollektivitätsorientierten Arbeitens auch ein Moment der Selbstorientierung12. Im Folgenden soll untersucht werden, in welchem Umfang diese Selbstorientierung, und damit das Streben nach Gewinn gebilligt werden kann, bzw. welche Veränderungen das ärztliche Berufsethos diesbezüglich erfahren hat.

II. Zurückstellen des Gewinnstrebens Bereits im Jahre 1880 gab es Überlegungen zum „Dualismus“ des ärztlichen Berufslebens, dem „Idealismus der ärztlichen Wissenschaft und Ethik“ und dem „Realismus der gewerblichen Interessen“13. Das permanente Spannungsverhältnis, verursacht durch die Forderungen des ärztlichen Berufsethos einerseits und die realen Gegebenheiten des Erwerbslebens andererseits, hat sich seitdem noch wesentlich verstärkt. Die Erwartung an den Arzt, seine Arbeit „um ihrer selbst willen“14 zu tun, bedeutet für ihn, dass ihm mancherlei Gewinnmöglichkeit verschlossen bleibt, die für Angehörige anderer Berufsgruppen selbstverständlich ist. Er darf seine Gebühren nicht mit steigender Nachfrage erhöhen, sondern bleibt an den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) bzw. die Gebührenordnung gebunden. Beides verhindert eine Gewinnmaximierung im Einzelfall. Auch darf der Arzt nicht den direkten Wettbewerb mit seinen Kollegen suchen, indem er Leistungen billiger anbietet oder offene Werbung betreibt. Und er darf einen Patienten selbst dann nicht zurückweisen, wenn dessen Zahlungsfähigkeit zweifelhaft ist. Trotz der ökonomischen Ausrichtung der heutigen Gesellschaft erwartet man vom Arzt also das, was einem Kaufmann als Dummheit ausgelegt würde: Den bewussten Verzicht auf mögliche Einnahmequellen. Wo etwa der Inhaber eines gewerblichen Unternehmens in Zeiten schlechter Auftragslagen das Mittel der Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 59. Finzen, Arzt, Patient und Gesellschaft, S. 86. 12 Finzen, Arzt, Patient und Gesellschaft, S. 101. 13 Cohen, ÄVBl 1880, Sp. 65, 67; zitiert nach Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 59, Fn. 167. 14 Vgl. nur Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 53; Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Kommentar zum GG, Art. 12, Rz. 255; BGHZ 48, 313, 324 ff. 10 11

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Werbung einsetzen kann, um neue Aufträge zu akquirieren, sind Ärzte als berufsrechtlich gebundener Stand einem Werbeverbot unterworfen. Entsprechend empfindlich sind die Reaktionen der Berufsgerichte, wenn die Handlung eines Arztes „das Profitstreben in auffälliger Weise in Erscheinung treten lässt.“15 Bei strikter Beachtung der berufsethischen Vorgaben müssten folglich alle Handlungen und Unterlassungen des Arztes ausschließlich von der ideellen Aufgabe des Berufes erfüllt und von dem Motiv des Heilens und Helfens geleitet sein. In Anbetracht der Tatsache, dass der heutige Arzt seinen Lebensunterhalt im Regelfall ausschließlich über seine berufliche Tätigkeit bestreitet, stellt sich allerdings die Frage, inwieweit der Anspruch der Freiheit vom Entgeltmotiv noch zeitgemäß ist.

1. Kritik an der Altruismusthese Der Ausgangspunkt einer modernen Sichtweise des ärztlichen Berufsethos muss in der Unterscheidung zwischen tradierten Erwartungen und den tatsächlichen Gegebenheiten des Erwerbslebens liegen. Denn bereits mit dem oben Gesagten ist es mehr als fraglich, ob materieller Wohlstand tatsächlich nur die Folge freiberuflicher Tätigkeit, niemals aber deren Intention sein kann16. Der Unterschied zwischen der gewerbetreibenden Bevölkerung und den Freien Berufen müsste demnach – wollte man der Altruismusthese in vollem Umfang folgen – darin bestehen, dass die Gewerbetreibenden durch den Erwerb zum Berufsempfinden gelangen, während die freiberuflich Tätigen vom Beruf ausgehen und darüber zum Erwerb gelangen17. All diese Unterscheidungen übersehen aber bereits, dass auch der Gewerbetreibende von der „Liebe zur Sache“18 geleitet sein kann und vernachlässigen, dass infolge der zunehmenden Zahl praktizierender Ärzte, der Ausdehnung des ärztlichen Aufgabenbereichs und nicht zuletzt durch die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland die Sorge um das Verdienst zunehmend das berufliche Denken (übrigens nicht nur der Freiberufler) dominiert19. Das Verlangen nach einer immer und allgemein verfügbaren, hochwertigen medizinischen Versorgung verstärkt diese Tendenz ebenso wie der stetig steigende 15 Vgl. allgemein die Entscheidung der Berufsgerichte zum Gewinnstreben bei den Freien Berufen: OLG München, PZ 1981, 800, 810; VG Mainz, PZ 1980, 2328, 2329; BayObLG, PZ 1979, 1536, 1538. 16 So aber Dembicki, DÄBl. 6 / 1965, S. 315. 17 Jastrow, Freie Berufe und Gewerbesteuer, S. 102. 18 Wieland, Handelsrecht, S. 157. 19 Mit demselben Ergebnis bereits Gutersohn, Das Gewerbe in der freien Marktwirtschaft, S. 166.

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Kostendruck. So wurde denn auch von den Gerichten schon früh ausgesprochen, dass selbst die ärztliche Tätigkeit dem Erwerb des Lebensunterhaltes dient20, und damit logischerweise auch „auf Erwerb gerichtet“21 ist. Fürs Erste lässt sich damit festhalten, dass, obschon die Ärzteschaft an ihr besonderes Berufsethos gebunden bleibt, doch ihre gesamte Tätigkeit auf Erwerb, und damit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist. Die Gewinnerzielungsabsicht ist damit indiziert, scheint es doch wenig glaubwürdig, behaupten zu wollen, dass derjenige, der Einnahmen erzielen möchte, nicht auch einen Gewinn machen will. Somit treten die Ansprüche des Patienten an den Arzt und sein Bestreben, ohne Ansehung der Person zu helfen, selbständig neben dessen eigenes Interesse, durch eben jene Hilfe Gewinne zu erzielen. Welchen Stellenwert das Streben nach Profit einnimmt, mag von Fall zu Fall variieren. Keinesfalls darf die Gewinnerzielungsabsicht die einzige Triebfeder ärztlichen Handelns sein, auch wenn die Formulierung, die Hermann Hartmann, Begründer des Hartmann-Bundes, im Jahre 1900 in einem offenen Brief an seine Berufskollegen gebrauchte, dies nahe legt: „Bis jetzt haben wir Ärzte . . . nur immer auf die Standeswürde und Standesehre gepocht – ich sage Ihnen, Geld, Geld ist die Hauptsache“22. Unter Zugrundelegung dieses Ansatzpunktes, dass die Gewinnerzielungsabsicht zumindest ein wesentliches Motiv der ärztlichen Berufsausübung bedeutet, stellt sich freilich die Frage, inwieweit sich das wirtschaftliche Profitstreben mit dem Berufsideal des ärztlichen Standes vereinbaren lässt.

2. Annäherung an das Gewerbe Wie bereits ausgeführt, verursacht schon § 1 Abs. 2 BÄO23 erhebliche Probleme, wenn der Begriff des Arztberufes mit dem des Gewerbes in Zusammenhang gebracht werden soll. Da der Arztberuf nichtsdestoweniger alle positiven Begriffsmerkmale des Gewerbebegriffes erfüllt – er stellt eine erlaubte, auf Dauer angelegte, selbständige und, mit dem oben Gesagten, auch mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Tätigkeit dar –, erhebt sich die Frage, ob Ärzte nicht an und für sich den 20 Dazu schon RGZ 153, 280, 284; RGZ 99, 189, 192; BGHZ 16, 71, 79; OLG Hamburg, RzW 1956, 88. 21 BGHZ 48, 313, 324. 22 Ärztliches Vereinsblatt für Deutschland 27 (1900), S. 381; vgl. auch Kuhns, Fünfundzwanzig Jahre Verband der Ärzte Deutschlands, S. 21. 23 Teilweise wurde sogar die Meinung vertreten, die Ausübung des ärztlichen Berufes sei schon kraft gesetzlicher Vorschrift nicht als Gewerbe anzusehen, weshalb die Anwendung handelsrechtlicher Normen zwingend zu unterbleiben habe; Spitzl, Die ärztliche Gemeinschaftspraxis, S. 71; einschränkend Buchwald / Tiefenbacher / Dernbach, Die zweckmäßige Gesellschaftsform, S. 141.

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Gewerbeberufen zuzuordnen wären, oder, wie Michalski24 vorschlägt, zumindest ein „qualifiziertes Gewerbe“ ausüben, in dem sie sich nur aufgrund anderer Besonderheiten zum rechtlich abweichend zu beurteilenden Freiberufler qualifizieren. Die Tatsache, dass nicht mehr allein die altruistische Einstellung der Ärzteschaft bzw. fehlendes Gewinnstreben die maßgeblichen Entscheidungskriterien sind, umgekehrt jedoch noch immer der Arztberuf als ein „seiner Natur nach Freier Beruf“ bezeichnet wird, sprechen für zunächst für die zweite Möglichkeit. Die bereits herausgearbeiteten Übereinstimmungen belegen, dass der Unterschied zwischen Gewerbetreibenden und Freiberufler gerade nicht anhand der Definitionsmerkmale des Gewerbebegriffs gefunden werden kann Er muss vielmehr im ärztlichen Standes- und Berufsrecht gründen. Nur so ist zu erklären, dass der ärztliche Beruf einerseits dem Wortlaut der Definition des Gewerbebegriffes entspricht, die ärztliche Tätigkeit aber andererseits ausdrücklich dem Gewerbebegriff entzogen wird. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche berufsrechtlichen Regelungen bestehen, die den Übergang der ärztlichen Tätigkeit im Sinne eines (qualifizierten) Gewerbes hin zur freiberuflichen Tätigkeit konstituieren.

3. Sonderstatus aufgrund des Berufs- und Standesrechts Vielfach wird ohne weitere Ausführungen schlicht darauf verwiesen, dass Freiberufler mehr als andere Erwerbstätige Gesetzen, Kammer- und Vereinsordnungen unterstünden, die die Pflicht zum altruistischen Handeln in den Vordergrund stellten und das Gewinnstreben zum Schutz der Rechte anderer in Grenzen halten sollten25. Auch wenn diese Aussage grundsätzlich zutreffend ist, so ist damit doch noch nicht gesagt, welche konkreten Normkomplexe die Ärzteschaft diesen Verpflichtungen unterwerfen. Die Erwartung, Ärzte hätten ihre eigenen Interessen dem Wohle der Patienten unterzuordnen, bezieht sich schließlich nicht nur auf rein wirtschaftliche Angelegenheiten26. In diesem Zusammenhang sind zunächst die Regelungskompetenzen im Bereich des Standes- und Berufsrechts eingehend zu untersuchen. Auch die Frage nach einer etwaigen Anwendbarkeit des Handelsrechts z. B. auf ärztliche Kooperationsgemeinschaften wird an dieser Stelle virulent.

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Michalski, Der Begriff des Freien Berufes im Standes- und Steuerrecht, S. 38 ff. Leisner, NJW 1974, S. 478, 481. Freilich tritt sie in diesem Bereich am deutlichsten zutage.

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a) § 1 Abs. 2 BÄO § 1 Abs. 2 BÄO knüpft inhaltlich an die Regelung des § 1 Abs. 2 RÄO27 an. Die Ausnahme des Arztberufes aus den gewerblichen Tätigkeiten war bei Verabschiedung des Gesetzes das Ergebnis langer Bemühungen der Ärzteschaft gegen die durch die Partikularrechte erfolgte Unterstellung ihrer Tätigkeit unter die Gewerbeordnungen28. § 1 Abs. 2 RÄO wollte die „durch die bisherige Regelung verursachte gedankliche Verbindung zwischen dem ärztlichen Beruf und dem Begriff des Gewerbes“ ausdrücklich lösen29. An diesem Gedankengang hielt auch der moderne Gesetzgeber fest. Die Aussage vom Arztberuf als nicht gewerblicher Tätigkeit wurde selbstverständlich hingenommen. Sie fand nur deshalb Eingang in das Gesetz, „weil von vorneherein dem denkbaren Schluss der Boden entzogen werden sollte, der Arztberuf werde jetzt als Gewerbe angesehen, da eine der RÄO entsprechende Bestimmung fehle“30. Fraglich ist jedoch, auf welchem Gebiet die Einstiegsnorm der Berufsordnung überhaupt Regelungswirkung entfalten kann. aa) Keine Regelung der Berufszulassung Die Bundesärzteordnung als „das fundamentale Berufsgesetz“31 ist in der Form eines Bundesgesetzes ergangen. Nach der Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG darf der Bund jedoch nur Regelungen im Bereich der Zulassung zum ärztlichen Beruf treffen. Dabei ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG eng auszulegen32. Unter die Berufszulassungsregelungen fallen folglich im Wesentlichen nur die Regelungen über die Voraussetzungen der Aufnahme und Beendigung einer Profession33. Die statuierte Exklusivität von Arztberuf und Gewerbeberuf betrifft jedoch die Forderung, dass der Arzt bei seiner aufzunehmenden oder bereits aufgenommenen Tätigkeit nicht bzw. nicht vorwiegend nach Gewinn streben darf. Es handelt sich folglich um eine Frage der inneren Einstellung des Arztes zu seiner Berufsausübung. Die Zulassung zum Beruf ist nicht betroffen. 27 RÄO vom 13. 12. 1935 in der Form der Bekanntmachung vom 04. 08. 1953 (BGBl. I, S. 735). 28 Vgl. oben I. 1. 29 Pfundtner / Neubert, Das Deutsche Reichsrecht, S. 2; dabei beweist § 91 RÄO, der besagte, dass das Steuerrecht hiervon unberührt bleiben sollte, dass es sich nicht um eine generell rechtsverbindliche Regelung handelte. 30 Daniels / Bulling, BÄO Kommentar, § 1 Rz. 15, zitiert nach Fischer, Teamarbeit der Ärzte, S. 54, Fn. 4. 31 Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 5, Rz. 3. 32 Siehe BVerfGE 4, 74, 83; 17, 287, 292; BayVerfGHE 14, 58, 63. 33 Daniels / Bulling, BÄO Kommentar , § 1, Rz. 10.

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Eine Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhang kommt in diesem Falle nicht in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Bund eine ihm ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht regeln könnte, ohne dass zugleich die nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt würde34. Eine Regelung der Berufszulassung bedingt aber nicht notwendigerweise auch die Regelungen der Berufsausübung, so dass die Kompetenz zum Erlass letzterer zunächst bei den Ländern verbleibt. bb) Keine Regelung des Handelsrechts Wenn § 1 Abs. 2 BÄO nicht als wirksame Regelung der Berufsausübung angesehen werden kann, so bestünde noch immer die Möglichkeit, dass der Bundesgesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 Gebrauch gemacht haben könnte. In diesem Fall müsste die Norm dahingehend interpretiert werden, dass für die Ärzteschaft das Handelsrecht grundsätzlich unanwendbar bleiben soll. Jedoch ist zu beachten, dass die Regelung gerade im Zusammenhang mit der Berufszulassung zustande kam35 und nicht ersichtlich ist, dass ihr ein darüber hinausweisender Gehalt zukommen sollte. Der Zusammenhang mit der entsprechenden Vorschrift der Reichsärzteordnung spricht vielmehr dafür, dass es sich bei § 1 Abs. 2 BÄO um eine rein deklaratorische Formel36 handelt, die nicht dazu geeignet ist, den Übergang der Ärzte vom Gewerbe zur Freiberuflichkeit zu bestimmen.

b) § 1 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä Anhaltspunkte für die Charakteristika, die den Arztberuf zu einem Freien Beruf werden lassen, könnten sich jedoch in der MBO-Ä finden. Sie soll gemäß ihrer Präambel „berufsunwürdiges Verhalten verhindern“ und ist Ausdruck der Überzeugung der Ärzteschaft zum Verhalten gegenüber Patienten, Kollegen, anderen Partnern im Gesundheitswesen und in der Öffentlichkeit. aa) Reichweite des Satzungsrechts der Ärztekammern Auch die MBO-Ä statuiert in § 1 Abs. 1 S. 2, dass der ärztliche Beruf seinem Wesen nach ein Freier Beruf und kein Gewerbe sei37. Da es sich bei den BerufsPieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70, Rz. 5; BVerfGE 3, 407, 423; 17, 287, 293. Fischer, Teamarbeit der Ärzte, S. 55. 36 Vgl. oben B. II. 3. a). 37 Entsprechende Regelungen enthalten die Berufsordnungen der einzelnen Landesärztekammern. 34 35

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ordnungen um Satzungen der Ärztekammern der Länder handelt, die durch die Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde rechtswirksam werden38, kann durch die Aussage in § 1 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä zunächst nichts über eine Ausgrenzung der Ärzte aus dem Anwendungsbereich des Handelsrechts ausgesagt sein. Auch wenn es grundsätzlich, aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Handelsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) möglich wäre, dass auch die Bundesländer die Ärzte als Nicht-Gewerbetreibende klassifizieren und damit dem Anwendungsbereich das Handelsrechts entziehen könnten, so kann dies doch nicht durch die (Landes)-Ärzteordnungen geschehen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Facharztbeschluss39 dem Satzungsrecht der Ärztekammern klare Grenzen gesetzt. Danach darf sich der Gesetzgeber seiner Rechtssetzungsbefugnis und dem Einfluss auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen zu erlassenden Normen nicht gänzlich entäußern. Der Satzungsautonomie der Ärztekammern können folglich nur berufsständisch-interne Regelungen entspringen. Entsprechend liegt es außerhalb des Kompetenzbereiches der Ärztekammern, den Anwendungsbereich des Handelsgesetzbuches abzustecken. § 1 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä bzw. die entsprechenden Regelungen der Landesärzteordnungen können damit nicht konstituierend für die Ausgrenzung der Ärzte aus dem Gewerbebegriff sein. bb) Regelung zur Berufsausübung für Kammerangehörige Angesichts der systematischen Stellung des § 1 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä unter Abschnitt B., „Regeln zur Berufsausübung“ bleibt, will man die Aussage, der Arztberuf sei kein Gewerbe, nicht auch hier als bloße Deklaration abtun, nur noch die Möglichkeit, den Sinn der genannten Vorschrift als Weisung an die Ärzte der jeweiligen Kammerbezirke zu verstehen, ihren Beruf nicht in der Art und Weise eines Gewerbeberufes auszuüben40. Damit ist die Frage in den Bereich der standesrechtlichen und standesethischen Probleme einzuordnen. Wird mit dem oben Gesagten davon ausgegangen, dass Ärzte grundsätzlich Gewinne erzielen wollen und müssen, kann freilich nur noch der Umfang des Erwerbsstrebens problematisch sein. Bezeichnenderweise existieren aber gerade zu diesem Thema keine klaren Richtlinien der Standesvertretungen, an denen sich die Kammerangehörigen orientieren könnten. Eine Erkenntnis über das zulässige Aus38 Die Kammern folgen bei ihrem Erlass im Dienste der Rechtseinheit regelmäßig der MBO-Ä des Deutschen Ärztetages, als dem privatrechtlich organisierten Standesparlament. 39 BVerfGE 33, 125, 156 ff.; zur Reichweite der Satzungskompetenz der Ärztekammern vgl. Laufs / Reiling, Ethik-Kommission – Vorrecht der Ärztekammern? Arzt- und verfassungsrechtliches Gutachten zur Rechtsgültigkeit des neuen § 1 Abs. 4 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg, 1991 (Auszüge in MedR 1991, S. 1 ff.). 40 So im Ergebnis auch Fischer, Teamarbeit der Ärzte, S. 56.

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maß gewerblicher Elemente innerhalb der ärztlichen Berufsausübung kann folglich nur aus einer Zusammenschau unterschiedlicher Erwerbsquellen innerhalb des Berufsfeldes gewonnen werden. (1) Kassenarzthonorare Bei der Beantwortung der Frage, wie ausgeprägt das Gewinnstreben eines Arztes heute sein darf, treffen naturgemäß die unterschiedlichsten Auffassungen aufeinander. Angesichts der mehr als angespannten finanziellen Situation im Gesundheitswesen wird natürlich jede Interessengruppe versuchen, eine für sie günstige Definition des zulässigen Gewinnstrebens zu finden. Die Einführung von Budgets zur Senkung der Ausgaben im Gesundheitswesen hat diese Kontroverse noch verschärft und verlagert die Diskussion allzu häufig auf das Gebiet der Honorierung ärztlicher Tätigkeit41. Dabei steht auf der einen Seite die Forderung der Spitzenverbände der Ärzteschaft, die sich überwiegend für eine Abschaffung der Budgetierung ärztlicher Leistungen aussprechen42. Nicht zuletzt das Engagement der Ärzteverbände hat etwa dazu geführt, dass die durch das GSG43 eingeführten Maßnahmen zur Verringerung der Gesamtvergütung wegen Überschreitung der Arznei- und Heilmittelbudgets44 rückwirkend durch das ABAG45 aufgehoben wurden. Wenn sich freilich die Kammern als Satzungsgeber der MBO-Ä selbst in dieser Form äußern, so ist Dazu ausführlich unten, C. I. 4. (3) (e). Mit dem ABAG (s. Fn. 45) wurde diesen Forderungen teilweise entsprochen. Gemäß dem bisher geltenden § 84 Abs. 1 S. 4 bis 6 SGB V drohten Verringerungen der Gesamtvergütung (und damit des Gewinns), wenn die Ausgaben das vereinbarte Budget überschritten und der übersteigende Betrag nicht durch geeignete Maßnahmen gegenüber den Krankenkassen ausgeglichen wird. Diese Regelungen zur Steuerung der Arznei- und Heilmittelausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung, die mit einer Haftung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung bei Überschreitung des Budgets einhergingen (Kollektivregress), waren mit erheblichen Umsetzungsproblemen verbunden. Vor diesem Hintergrund sind auch die Forderungen nach einer Ablösung des sektoralen Ausgabenbudgets und der fest vereinbarten Punktwerte (vgl. dazu die Rede von Manfred Richter-Reichhelm, Erster Vorsitzender der KBV, vor der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 8. Mai 2000 in Köln; nachzulesen unter www.kbv.de / themen / 551.htm; Stand: August 2001) zu sehen, die durchaus ein Bewusstsein für die eigenen wirtschaftlichen Belange widerspiegeln, und zum Teil von den Standesvertretungen selbst vorgetragen werden. 43 Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. 12. 1992, BGBl. I 1992 S. 2266 ff. 44 Das GSG vom 1. Januar 1993, auch Lahnstein-Kompromiss genannt, wurde später oft als einschneidendste Reform im Gesundheitswesen seit dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Zu den Kosten dämpfenden Sofortmaßnahmen des Gesetzes zählte eine zeitlich begrenzte Grundlohnorientierung, das Arzneimittelbudget, ein Preismoratorium sowie strukturverändernde Maßnahmen. Letztere kamen in der Organisationsreform, der Neuregelung der kassenärztlichen Versorgung und der Krankenhausreform zum Ausdruck. 45 Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz vom 19. 12. 2002, BGBl. I S. 3773. 41 42

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damit bereits ausgesagt, dass eine (öffentliche) Diskussion über Gewinne und Verluste durch ärztliche Tätigkeit nicht schon dazu führen kann, dass der Arzt seinen Beruf „wie ein Gewerbe ausübt“ und damit § 1 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä zuwiderhandelt. Der Wunsch, finanziell einträglich zu arbeiten, wird vielmehr als Normalzustand vorausgesetzt. Andererseits setzt der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) auf Grundlage des § 85 SGB V dem Gewinnstreben der Kassenärzte eine Grenze. Er wird von der Vertreterversammlung mit den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen als autonome Rechtsnorm im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen festgesetzt und soll sicherstellen, dass eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes verhütet wird. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass eine dem Leitbild des Vertragsarztes entsprechende Betreuung der Versicherten durch einen überbeschäftigten Arzt nicht möglich ist. Sinn des HVM ist es, zu verhindern, dass die Mediziner ihre Behandlungsmethoden nicht am tatsächlichen Bedarf des Patienten ausrichten, sondern am Effekt für die Honorarabrechnung46. Insofern wird den Ärzten ein finanzieller Teilverzicht zugemutet47 und kann § 85 SGB V als Indiz gegen eine gewerbliche Tätigkeit der Ärzte gewertet werden, da eine solche Regelung für die klassischen Gewerbeberufe nicht möglich wäre. (2) Kaufpreis von Arztpraxen Weitere Erkenntnis über das zulässige Maß an Gewinnstreben kann die Rechtsprechung zum Verkauf von Arztpraxen liefern48. Entgegen früherer Auffassung und Rechtsprechung wird die Übertragung einer Arztpraxis heute allgemein für zulässig erachtet49. Es ist mittlerweile anerkannt, dass diese einen vermögenswerten und veräußerlichen Besitzstand darstellt50. Zwar sieht das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) 1993 einschneidende Änderungen der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit bei der Aufgabe einer Kassenpraxis im zulassungsgesperrten Gebiet und deren Fortführung durch einen Nachfolger vor51; das Recht des Arztes zur Veräußerung seiner Arztpraxis bleibt aber grundsätzlich erhalten. Dabei setzt sich der Kaufpreis aus dem eigentlichen Substanzwert (materiellen Praxiswert) und dem ideellen Praxiswert (Goodwill)52 zusammen. Für die im EinVgl. Krauskopf, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.) , Handbuch des Arztrechts, § 32, Rz. 14. Vgl. schon BSG NJW 1965, 2025, 2067. 48 Die Spruchpraxis zum Verkauf von Arztpraxen darf freilich nur als Indiz gewertet werden, da der Verkauf einer Praxis keine originäre ärztliche Tätigkeit bedeutet. 49 BGH NJW 1955, 337; 1959, 1584; 1965, 580; 1989, 763; BFH NJW 1979, 616; 1981, 2535; OLG Düsseldorf, NJW 1973, 558; Günther, Zahnarzt – Recht und Risiko, Rz. 1982; Wollny, Unternehmens- und Praxisübertragungen, Rz. 2074 ff. 50 So auch schon Fischer, Teamarbeit der Ärzte, S. 58. 51 Einzelheiten bei Deutsch, Medizinrecht, S. 65, 88. 46 47

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zelfall sehr schwierige Wertermittlung stehen mehrere Modelle zur Verfügung53. Hauptsächlich wird nach der Umsatzmethode der Bundesärztekammer entsprechend der „Richtlinie zur Bewertung von Arztpraxen“54 und der betriebswirtschaftlichen Methode55 verfahren. Der Goodwill als ideeller Praxiswert bestimmt sich demzufolge vor allem nach dem Praxisumsatz und dem vorhandenen Patientenstamm. Zu beachten ist, dass sich nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH56 der Käufer selbst darüber zu informieren hat, ob der Kauf für ihn günstig ist oder nicht. Es besteht keine generelle Pflicht des Praxisveräußerers, auf sämtliche Umsatz bestimmende Faktoren hinzuweisen. Auch hier ergibt sich also, dass es dem Arzt, der seine Praxis veräußern will, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen möglich ist, einen möglichst guten Preis für seine Praxis und damit einen möglichst hohen Gewinn zu erstreben. Wenn jedoch der Käufer einer Praxis bereit ist, einen höheren Preis für sie zu zahlen, als für ein Objekt mit vergleichbarem Substanzwert, ist das nur sinnvoll, wenn und weil der Goodwill ihm die Möglichkeit eröffnet, diese Investition im Laufe der späteren Arbeit durch höhere Gewinnerzielungsmöglichkeiten zu amortisieren. Damit offenbart sich ein weiteres Mal, dass auch innerhalb der Ärzteschaft kaufmännisches Denken erlaubt und an der Tagesordnung ist.

III. Rückkopplung und Patientenverantwortung Eine Beurteilung medizinischer Ethik kann sich nicht auf die isolierte Betrachtung des ärztlichen Berufsethos beschränken. Vielmehr muss dessen Zusammenspiel mit dem Handeln des Patienten berücksichtigt werden. Medizinische Ethik betrifft nicht nur die Frage, ob ein Arzt bei der Behandlung die standesrechtlichen Regeln beachtet und dem kranken Menschen eine zweckmäßige Behandlung hat zukommen lassen. Der Arzt ist nur eine Koordinate im komplexen medizinischen System. Die eigentliche Schlüsselfigur ist der Patient.

52 Weiterführend dazu Uhlenbruck, in Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 19, Rz. 7, m. w. N. 53 Einen kurzen Überblick zu den unterschiedlichen Berechnungsmethoden bietet Uhlenbruck in Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 19, Rz. 6 ff.; vgl. auch Englert, BB 1997, S. 142 ff. 54 Abgedruckt in DÄBl 1987, C 605. 55 Wollny, Unternehmens- und Praxisübertragungen, Rz. 2275 ff.; Englert, BB 1997, S. 147 ff. 56 Vgl. etwa BGH NJW 1989, 763 f. (Aufklärungspflichten bei Abschluss eines Praxisübernahmevertrages). Zum Verkauf einer Rechtsbeistandspraxis mit unrichtigen Umsatzangaben vgl. BGH NJW-RR 1989, 306 f.

III. Rückkopplung und Patientenverantwortung

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Wenn das Umlagesystem der solidarischen Versorgung aus dem Ruder läuft, kann dies nicht allein geschehen, weil die verantwortlichen Ärzte ihre ethischen Pflichten missachten und stattdessen nach einer Maximierung ihre Gewinne streben. Auch ein noch so verantwortungsvoller Arzt wird das System nicht stabilisieren können, wenn sich sein Gegenüber, der Patient, nicht im Sinne des Wohles der Gesamtgesellschaft verhält.

1. Das ethische Vermögen des Patienten Jedes Ethos entsteht in der Auseinandersetzung aller Teile der Gesellschaft durch einen Rückkopplungsprozess. Ethisches Versagen, z. B. der Patienten, kann daher vom Arzt nicht ohne Rücksicht auf eben diesen Patienten beeinflusst werden, solange er vom Patienten (wirtschaftlich) abhängig ist57. Ein Arzt, der übertriebene Forderungen seiner Patienten nicht erfüllt, läuft Gefahr, sie als Kunden zu verlieren. Andererseits kann man kaum von einem Patienten erwarten, dass er sein Verhalten an anderen als egoistischen Motiven ausrichtet. Er wird häufig als Gegenwert für die von ihm entrichteten Beiträge zum gesetzlichen System ein Maximum an Leistungen für sich in Anspruch nehmen wollen. Dabei geht der Einzelne dann zu Unrecht davon aus, eine echte Rückkoppelung des eigenen Verhaltens auf die Solidargemeinschaft finde kaum statt, sondern das eigene Streben nach Maximierung der persönlichen Versorgung gehe im Verhalten der Menge der Versicherten unbemerkt unter. Wenn aber die Ethik als verpflichtende Handlungsanweisung im gesellschaftlichen Zusammenleben immer mehr verdünnt wird58, muss dieses Vakuum, um die Funktionsfähigkeit des solidarischen Systems aufrechtzuerhalten, mit rechtlichen Vorschriften gefüllt werden. Die Versuche, die wachsende Inanspruchnahme medizinischer Leistungen einzudämmen59, sei es durch Zuzahlungen, Praxisgebühren oder (Bonus-)programme zur Beschränkung der freien Arztwahl, sind nichts anderes, als eine Ausgleichsmaßnahme, die dem fehlenden Solidaritätsbewusstsein der Mitglieder des gesetzlichen Versicherungssystems entgegenwirken soll60. Dass damit in gleicher Weise die Ärzte als Leistungserbringer wie auch die Patienten als Anspruchsberechtigte wirtschaftlich betroffen sind, verdeutlicht den Konnex Patientenverhalten und medizinischer Ethik und deren Auswirkung auf die sozialrechtliche Gesetzgebung. Schaefer, in: Doerr / Jacob / Laufs (Hrsg.), Recht und Ethik in der Medizin, S. 188. So Schaefer, in: Doerr / Jacob / Laufs (Hrsg.), Recht und Ethik in der Medizin, S. 191. 59 Vgl. auch die Diskussion um intelligente Chipkarten zur Vermeidung überflüssiger Doppeluntersuchungen; hierzu die Rede der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt auf der Veranstaltung „Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich“ der Friedrich-EbertStiftung am 11. 04. 2002 in Berlin, nachzulesen unter http: // www.bmgesundheit.de/presse/ 2002/2002.40.htm, Stand: April 2002. 60 Die durch das GMG zum 01. 01. 2004 eingeführten zusätzlichen Belastungen für gesetzlich Krankenversicherte haben in den letzten Monaten des Jahres 2003 zu regelrechten Hamsteraktionen im Bereich der OTC-Präparate geführt. 57 58

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B. Berufsethos und modernes Gesundheitssystem

2. Koppelung an das ärztliche Berufsethos Wenn auch medizinische Ethik weit mehr bedeutet als nur das ethische Handeln der Ärzteschaft61, werden doch beide Begriffe (noch) häufig synonym verwendet. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Erfolglosigkeit der bislang versuchten Kostendämpfungspolitik. Obwohl die Tendenz erkennbar ist, zunehmend, und vor allem über die Neuerungen des GMG, auch das Patientenverhalten einer Steuerung durch das Sozialrecht zu unterwerfen – Sparpotential wurde in der Vergangenheit vor allem in einer Neuausrichtung des ärztlichen Handelns vermutet. Versteht man medizinische Ethik dagegen als Gesamtheit, so müssen ihr in gleichem Maße alle am System teilhabenden Parteien unterworfen sein. Dass der Arzt dennoch besonders kritisierbar bleibt, erscheint durch den vertrauensvollen Kontakt zum Patienten und das Wissensgefälle zwischen ihm und dem Kranken kaum verwunderlich. Andererseits ist damit noch nicht gesagt, dass von einem Arzt mehr verlangt werden kann als von anderen Berufsgruppen. Die ethischen Anforderungen an den Arzt unterscheiden sich zwar quantitativ, nicht aber qualitativ von denen der Vertreter anderer Berufe. Die Ärzte selbst haben von jeher aus ihren den Durchschnitt überschreitenden sozialen und menschlichen Beziehungen zu ihren Patienten den Schluss gezogen, dass ihr Handeln vor dem der meisten anderen Berufe ausgezeichnet sei; die hohen Erwartungen, die an die Ärzteschaft gestellt werden, lassen Veränderungen im Selbstverständnis oder auch ethische Verfehlungen deshalb umso gravierender erscheinen. Die Rolle, die der Arzt im Gesundheitssystem spielt, kann aber nicht unberührt bleiben von den Veränderungen des Systems an sich. Wo der Sozialstaat in zunehmendem Maße das Soziale nur noch als das Maximum an Gewinn für den Einzelnen definiert62, kann es nicht verwundern, dass sich als Kehrseite dieser Ideologie das Patientenverhalten und eben auch die Arbeit des Arztes in hohem Maße an den Normen individueller Gewinnerzielung orientiert.

3. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, dass sich dem Arzt zwar aufgrund berufsrechtlicher Bestimmungen und der Standesethik eine rein kommerziell ausgerichtete Praxisführung und die ausschließlich auf Gewinnerzielung ausgelegte Berufsausübung verbieten. Jedoch wurde auch nachgewiesen, dass, solange die Versorgung der Patienten gewährleistet ist und eine wirtschaftliche Abhängigkeit 61 Schaefer bezeichnet die Gleichstellung der beiden Begriffe als „grotesken Irrtum“, Schaefer in: Doerr / Jacob / Laufs (Hrsg.), Recht und Ethik in der Medizin, S. 188. 62 Schaefer; in: Doerr / Jacob / Laufs (Hrsg.), Recht und Ethik in der Medizin, S. 193.

III. Rückkopplung und Patientenverantwortung

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von den mehr als den notwendigen Bedarf nachfragenden Patienten besteht, nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass erwerbswirtschaftliche Momente für den Arzt eine untergeordnete Rolle spielen. Damit bestätigt sich die oben aufgestellte These, dass Ärzte nicht allein wegen mangelnden Gewinnstrebens aus dem Gewerbebegriff ausgeklammert werden können. Die Einstufung ihrer Tätigkeit als ein dem Gewerbe angenäherter Beruf mit stark ausgeprägten berufsethischen Rollenerwartungen, die sich durch zahlreiche Berufsgesetze und Kammerverordnungen zu einer sanktionierbaren Rechtspflicht verdichten, widerspricht nicht den einschlägigen standesrechtlichen Vorschriften. Durch sie ist noch nicht ausgesagt, dass der ärztliche Beruf wie ein Gewerbe ausgeübt wird. Ausgeräumt ist damit lediglich die Fehlvorstellung, allein ideelle Motive dürften das Handeln eines Arztes bestimmen. Welche Auswirkungen sich daraus für die traditionelle Freiberuflichkeit ergeben, wird noch zu klären sein.

C. Rechtliche Bindung des Arztberufes „Die Formulierung der ,Freiheit der Freien Berufe‘ reizt zum Widerspruch, stehen einer freien Entfaltung des Berufsangehörigen doch mehr Berufsausübungsbeschränkungen entgegen, als andere Gesetze jedem Gewerbetreibenden“. So formuliert Michalski1 und wirft zugleich die Frage auf, ob aus diesem Grunde nicht eher die Gewerbetreibenden als freie Berufe bezeichnet werden sollten. Ein Blick auf die berufsrechtlichen Regelungen verdeutlicht den Grund. Zwar präsentiert sich das ärztliche Berufsrecht nicht als abschließendes oder abgeschlossenes System, das einer einheitlichen Kodifikation unterliegt; doch das Regelwerk ist umfangreich. Das Arztrecht umfasst die Summe aller Rechtsnormen, unter denen der Arzt und seine Berufstätigkeit stehen, wobei teils auf Spezialgesetze, teils auf das allgemeine Recht und teils auf spezifisches Berufsrecht zurückgegriffen wird. Eine Einheit des Arztrechts kann sich allenfalls aus der Eigenart des ärztlichen Dienstes ergeben, der seine Konturen vor allem durch das ärztliche Berufsethos und medizinischem Sachverstand gewinnt. Gerade in besonders schwierigen Fragen kann sich das Recht freilich nicht allein auf die Selbstkontrolle des ärztlichen Standes zurückziehen und die Lösung etwaiger Interessenkollisionen dem Berufsstand alleine überlassen.2 Der Fortschritt der Technik macht normative Antworten auf die Frage nach den ärztlichen Pflichten erforderlich, die die Medizin aus sich selbst heraus nicht geben kann. Andererseits darf die notwendige Kontrolle der Medizin nicht zu einer vollständigen, juristischen Organisation des Verhältnisses zwischen Arzt und Patient führen. Recht und Medizin durchdringen sich schon heute in einer Intensität, die historisch kein Vorbild besitzt. Der Alltag in Kliniken und Praxen ist nahezu komplett juristisch durchnormiert, der ärztliche Dienst reguliert durch eine kaum zu übersehende Fülle von Regelungen, Urteilen der Sozial- und Arbeitsgerichte und höchstrichterlicher Spruchpraxis zur Selbstbestimmungsaufklärung, zum Recht des Patienten auf Einsicht in Krankenunterlagen oder zur Dokumentationspflicht. Viele Ärzte beklagen die konstante Verrechtlichung des medizinischen Sektors. „Der Staat greift – in einer freilich in sich verzahnten und verwickelten Willenbildung – nicht nur kontrollierend in die ärztlichen Tätigkeiten in Praxis und Klinik, in der Lehre und bald auch in der Forschung ein, sondern er schreibt jetzt 1 2

Michalski, Der Begriff des Freien Berufes im Standes- und Steuerrecht, S. 96. Laufs, Arztrecht, Rz. 21.

C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

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der Medizin, ihren alten und neuen Berufen nachdrücklich die Entwicklung selbst vor.“3 So nimmt z. B. die Regulierung von Angebot und Nachfrage in den Heilberufen4 konstant zu. Ärzte und Zahnärzte sehen durch „Dirigismus und Planwirtschaft“, „Außensteuerung“ oder „Rationierung“5 die Freiberuflichkeit in Gefahr. Immer häufiger hört man von Ärzten, die „je früher desto besser ihren Beruf an den Nagel hängen wollen“ und eine „frühzeitige Pensionierung herbeisehnen“6. Der Grund liegt regelmäßig in der drastisch zunehmenden Bürokratisierung der ärztlichen Tätigkeit, der Reglementierung und Regulierung ihrer Freiheit im Sinne eines faktischen Zwanges, nur noch das medizinisch unbedingt Notwendige zu verordnen, auszuführen und vergütet zu erhalten, statt sich allein vom eigenen Sachverstand und dem medizinisch Möglichen leiten zu lassen. Auf einzelne Beispiele gesetzgeberischer Maßnahmen wird später noch zurückzukommen sein; vorangestellt werden kann jedoch, dass sich mit der zunehmenden Inpflichtnahme der Freien Berufe, insbesondere der Heilberufe, ein Statuswandel vollzieht7, bei dem wesentliche Merkmale Berufsmerkmale Gefahr laufen unterzugehen. Neben dem zunehmenden Dirigismus ist das Bild des klassischen Freiberuflers aber auch anderen Strömungen ausgesetzt: In wichtigen Bereichen des Berufsfeldes – etwa auf dem Sektor der ästhetischen Haut- und Zahnheilkunde – tritt der Arzt in Konkurrenz zu klassischen Gewerbetreibenden. Diese Tatsache kann auf sein Verhalten im Wettbewerb nicht ohne Folge bleiben8. Die zunehmende Schaffung von Berufsrecht einerseits und die veränderten marktpolitischen Gegebenheiten andererseits müssen auch zu einer Wandlung des freiberuflichen Selbstverständnisses führen. Nach dem in der Antike vorherrschenden Bildungsideal der freien Künste bzw. dem Wissenschaftsbegriff, der den Freien Berufen im Mittelalter zugrunde lag und der mit Modifizierungen bis zu den Anfängen des 20. Jahrhunderts Geltung beanspruchte, hat das Berufsrecht nun eine dritte Phase eingeleitet 9. Baier, Medizin, Mensch, Gesellschaft, S. 141. Ein Beispiel hierfür ist das Gesundheitsstrukturgesetz von 1993, das als Sofortmaßnahme zur Vermeidung weiterer Beitragssatzerhöhungen eine Budgetierung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht, die alle Leistungsbereiche und Verwaltungsausgaben der Krankenkassen erfasst; BT Drucksache 12 / 3930 und 12 / 3937; zu den Auswirkungen der Budgetierung siehe unten C. I. 4. a) bb) (3) (e) (aa); zum GSG von 1993 Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rz. 19 a ff. 5 Quaas, MedR 2001, S. 35. 6 Quaas, a. a. O., S. 35. 7 Vgl. dazu u.a) v. Maydell, NZS 1996, S. 243 ff. 8 Siehe unten, C. I. 4. b) bb); C. II. 1. c) cc) (2). 9 Michalski, Der Begriff des Freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 96 3 4

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Allein das Abstellen auf eine geistige Tätigkeit mit idealistischer Berufsauffassung kann nicht mehr der Bezugspunkt eines modernen Ärztebildes sein. Wenn auch der Begriff der Freiheit zunächst etwas Absolutes verspricht10, so kann es doch eine absolute rechtliche, wirtschaftliche und soziale Unabhängigkeit in der sozialen Wirklichkeit, in der der Einzelne als Glied der Gemeinschaft nur einen eingeschränkten Freiheitsraum beanspruchen kann, nicht geben11. Die Freiheit der Berufsausübung hat sich relativiert, wenn auch das Berufsrecht nach wie vor die Verpflichtung zum eigenverantwortlichen und unabhängigen Tätigwerden statuiert12.

I. Freie Berufsausübung und gesetzliche Reglementierung Zwar wird gerade der Arztberuf häufig als „Ideal“, substantielle Mitte“ oder „Musterbild“ der Freien Berufe angesehen13 ;dennoch können Veränderungen der Rechtsgrundlagen die freiberuflichen Züge verwischen oder sogar zu deren Verlust führen. Bereits Heuß14 sah in den vielfältigen Reglementierungen der Ärzteschaft einen Umstand, der die Charakteristika der Freiberuflichkeit auszuhebeln drohte. Allein die Existenz von Berufsausübungsbeschränkungen kann jedoch schwerlich als Kriterium herangezogen werden, die Freiberuflichkeit einer Berufsgruppe zu bejahen oder zu verneinen. Vielmehr ist zu untersuchen, inwieweit der Arztberuf wesentlicher Merkmale der Freiberuflichkeit verlustig geht. Sollte dies durch die zunehmende Schaffung von berufsregelnden Normen der Fall sein, könnte das mehrere Konsequenzen nach sich ziehen: Denkbar wäre zunächst ein Wandel im Selbstverständnis des Freien Arztberufes dahingehend, dass die Freiheit der Berufsausübung nur noch als eine relative Freiheit aus einem bestimmten Bezugspunkt heraus verständlich wird. Möglich wäre aber auch, dass der ärztliche Berufsstand als Ganzer nicht mehr zu den Freien Berufen gerechnet werden dürfte. In diesem Falle könnte die in § 1 Abs. 2 HS 2 BÄO getroffene, aus dem Jahre 1961 stammende Festlegung, der ärztliche Beruf sei „seiner Natur nach ein Freier Beruf“, durch die spätere Rechtssetzung nach dem Prinzip „lex posterior derogat legi priori“ verdrängt sein15. Deneke, Die Freien Berufe, S. 96. Deneke, Die Freien Berufe, S. 103. 12 Vgl. § 2 BÄO, der ausdrücklich auf die Regelung des Kapitels C. (Verhaltensregeln; Grundsätze für die ärztliche Berufsausübung) verweist. 13 Zitate nach Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 66, Fn. 312 f., S. 147; vom „klassischen Freien Beruf des Arztes“ spricht Michalski, Der Begriff des Freien Berufes im Standes- und Steuerrecht, S. 97. 14 Heuss, in: Festschrift für Brentano, S. 237, 238, 240. 10 11

I. Freie Berufsausübung und gesetzliche Reglementierung

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1. Europarecht Eine Betrachtung der einschlägigen nationalen Regelungen kann nicht ohne einen Blick auf das Europarecht stattfinden, das als externer Faktor auch für die deutsche Ärzteschaft Wirkungen entfaltet16. Da das Europarecht deutschem Recht in der Normenhierarchie voran steht, dürfen die nationalen Vorschriften nur angewandt werden, wenn sie dem Recht der Gemeinschaften nicht widersprechen17. Zwar hat in vielen Bereichen eine Vereinheitlichung der nationalen Rechtssysteme durch die Europäische Union noch nicht stattgefunden, so dass auch die historisch gewachsenen nationalen Gesundheitssysteme, einschließlich des Krankenversicherungsrechts und der Standesordnungen der Freien Berufe, maßgeblich noch dem nationalen Recht unterstehen18. Auch waren die Kompetenzen der EG im Gesundheitsbereich19 in der Vergangenheit eher begrenzt20 und Gesundheitsfragen meist nur im Zusammenhang mit anderen Bereichen, wie etwa dem Verbraucherschutz21, betroffen22. Mit dem Vertrag von Maastricht23 hat die Gemeinschaft im Jahr 1992 in Art. 129 EG a.F. jedoch neue Kompetenzen auf dem Gesundheitssektor erhalten. Der Amsterdamer Vertrag24 regelt in Art. 152 EG i.V. m. Art. 3p EG die gemeinsame Gesundheitspolitik, mit dem Ziel, ein hohes gesundheitliches Schutzniveau in allen Mitgliedsstaaten zu erreichen. Nach dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EG dürfen die Gemeinschaften neue Aufgaben allerdings nur übernehmen, wenn ihre Erfüllung auf europäischer Ebene im Interesse der Bürger unabweisbar notwendig ist und ihre volle Wirksam15 Vgl. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 146. 16 In diesem Zusammenhang zu nennen ist auch das 1994 unterzeichnete „General Agreement on Trade Services“ (GATS), das auch für Freiberufler gilt; ausführlich dazu Barth, EuZW 1994, S. 455 ff. 17 Zur Reichweite des Anwendungsvorranges siehe etwa BVerfGE 85, 191, 204; 73, 339, 374 f.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 23, Rz. 34 ff.; Streinz, Europarecht, Rz. 200 ff. 18 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Jahresgutachten 1992, Tz. 481 ff.; Oberender / Hebborn, Wachstumsmarkt Gesundheit, S. 102. 19 Der Gesundheitsmarkt in seiner Gesamtheit ist mit einem Anteil von etwa acht Prozent des Bruttosozialproduktes einer der größten Teilmärkte der EG, vgl. dazu: v. Schwanenflügel, Die Entwicklung der Kompetenzen der Europäischen Union im Gesundheitswesen, S. 14. 20 In den Gründungsverträgen von 1951 bzw. 1957 war die Gesundheitspolitik nicht als eigenständiger Zuständigkeitsbereich definiert; vgl. hierzu Hanika, MedR 1998, S. 193; Dommers, European Journal of Health Law 1997, S. 19. 21 Einzelne programmatische Aktionen wie Anti-Tabak-Kampagnen oder Präventionsmaßnahmen gegen Krebs blieben ohne gesundheitspolitisches Gesamtkonzept, vgl. v. Schwanenflügel, JZ 1993, S. 551 f. 22 Beispiele bei Barth, Medizin-Marketing, S. 137. 23 Vertrag über die Europäische Union vom 07. 02. 1992, BGBl. II S. 1256. 24 Vertrag vom 02. 10. 1997 ABl. 1997 Nr. 340 vom 10. 11. 1997, S. 1 ff.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

keit nur auf der Gemeinschaftsebene erreicht werden kann25. Entsprechend normiert Art. 152 Abs. 1 EG die Aufgabe der Gemeinschaft, die Politik der Mitgliedsstaaten zur Verbesserung der Gesundheit, der Verhütung von Krankheiten und Gefährdung der Gesundheit zu ergänzen. Als Querschnittsaufgabe ist eine Einbeziehung der Erfordernisse der Gesundheit als Bestandteil der übrigen Politikbereiche zu gewährleisten. Eine umfassende gesundheitspolitische Aufgabenstellung ist jedoch auch durch die neuen Kompetenzen im Vertrag von Amsterdam nicht entstanden, eine Vereinheitlichung der landestypischen Gesundheitssysteme nicht intendiert. Die Organisation der Gesundheitssysteme und die medizinische Versorgung unterfallen nach Art. 152 Abs. 5 EG weiterhin der Verantwortung der Mitgliedsstaaten. Vorrangiges Ziel ist damit die Herstellung einer zwischenstaatlichen Kompatibilität mit dem Ziel, diskriminierende nationale Regelungen zu beseitigen26. Absichten bestehen auch dahingehend, im Rahmen des europäischen Binnenmarktes die bislang abgeschotteten nationalen Märkte für Gesundheitsgüter27 und medizinische Dienstleistungen zu öffnen28. Damit sind, sobald es zu einem Austausch medizinischer Leistungen oder Dienstleistungen über die Grenzen der Mitgliedsstaaten hinaus kommt, automatisch die Grundfreiheiten des EG betroffen29, was mittelfristig zur Vermeidung einer Inländerdiskriminierung zu Veränderungen im deutschen Zulassungsrecht führen könnte. Insbesondere zu nennen ist hier Art. 50 EG, dessen Schutzbereich vor allem freiberufliche Tätigkeiten30 umfasst, und Art 49 EG, der jedoch nicht jede freiberufliche Dienstleistung schützt, sondern nur greift, wenn grenzüberschreitende Tätigkeiten in Rede stehen, die einen Bezug zum gemeinsamen Markt aufweisen31. Insoweit verdient die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Kohll besondere Aufmerksamkeit. Das Gericht sah hier eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 49 und 50 EG in einer luxemburgischen Regelung, die die Erstattung der Kosten für Zahnbehandlung durch einen Zahnarzt Geiger, EUV, EGV, Art. 3 b EGV a.F., Rz. 5. Arnold, Solidarität 2000, S. 77. 27 Bereits seit dem Jahr 1995 besteht ein zentrales Zulassungsverfahren, nach dem bestimmte Arzneimittel für alle Mitgliedsstaaten zugelassen werden können. 28 Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1992, S. 321; v. Maydell, in: Schulin (Hrsg.), Handbuch Sozialversicherungsrecht, § 64, Rz. 93. 29 Vgl. dazu Becker, NJW 1996, S. 179 ff. 30 Nach Art. 60 Abs. 1 EG sind freiberufliche Tätigkeiten im Sinne dieses Vertrages „Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.“ Als Dienstleistungen gelten gemäß Art. 60 Abs. 2 EG „insbesondere gewerbliche, kaufmännische und freiberufliche Tätigkeiten“. 31 Geiger, EUV, EGV, Art. 60 EG a.F., Rz. 5. 25 26

I. Freie Berufsausübung und gesetzliche Reglementierung

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in einem anderen Mitgliedstaat nach den in Luxemburg geltenden Tarifen ebenfalls von einer Genehmigung abhängig machte32. Die Richter führten aus, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit das Gemeinschaftsrecht und damit auch die einschlägigen Grundfreiheiten beachten müssten. Im Interesse eines effektiven Schutzes der Grundfreiheiten betonte der Europäische Gerichtshof, dass die Grundfreiheiten auch bei nationalen Maßnahmen zu wahren seien, die nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen. Die Grundfreiheiten entfalten also Rechtswirkungen für das nationale Sozialrecht der Mitgliedstaaten.33 Wesentliche Auswirkungen auf die Finanzierung des Systems der sozialen Sicherheit verneinte der Europäische Gerichtshof jedoch34. Auch wenn in der Rechtsprechung des EuGH somit grundsätzlich die Tendenz zu erblicken ist, den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Grundfreiheiten sehr weit zu fassen35, und deren Gewährleistung neben einem allgemeinen Beschränkungsverbot vor allem durch das Diskriminierungsverbot36 gesichert ist, bleibt doch festzuhalten, dass Art und Weise der medizinische Leistungserbringung in den meisten Fällen auf das nationale Umfeld reduziert bleiben37. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass im überwiegenden Teil der Fälle eine Behandlung nur nach persönlichem Kontakt erfolgen kann; auch Opportunitäts-, Kosten- und Verständigungsprobleme veranlassen die meisten Patienten, sich einen Arzt in der näheren Umgebung zu suchen. Ferner trägt der Umstand, dass die soziale Absicherung gegen Krankheit im vereinten Europa überwiegend noch nationalem Recht folgt38, dazu bei, dass das Europarecht in der Praxis des deutschen Gesundheitswesens bislang nur eine sehr begrenzte Rolle spielt. Hauptmaßstab für die Entwicklung ärztlicher Freiberuflichkeit in Deutschland sind noch immer die nationalen Rechtsvorschriften.

EuGH, Urt. v. 28. April 1998 – Rs. C-158 / 96, Slg. 1998, I-1935 ff. Siehe dazu näher Sodan, Gesundheitsrecht, in: Achterberg / Püttner / Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht, § 25 Rz. 35, Fn. 125; Rz. 38, Fn. 139. 34 EuGH Urt. v. 28. April 1998 – Rs. C-158 / 96, Slg. 1998, I-1948, Rz. 42. 35 Becker, NJW 1996, S. 179, 180. 36 Meyer, GRUR Int. 1996, S. 697, 706. 37 Die steigende Nachfrage etwa nach zahntechnischen Leistungen aus dem (ost-)europäischen Ausland belegt auch hier, dass durchaus das Potenzial für einen grenzüberschreitenden Markt von Gesundheitsleistungen besteht. Zu den praktischen Problemen dieser Entwicklung vgl.: http: //www.aokbv.de/politik/agenda/euerweiterung/index_01469.html; Stand: Juli 2005. 38 Barth, Mediziner-Marketing, S. 140. 32 33

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

2. Verfassungsrecht Wie bereits dargestellt, genießen Ärzte, egal in welcher Ausprägung sie ihren Beruf wählen und ausüben, den Schutz des Grundrechtes der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG39. Die Befugnis des Gesetzgebers, im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG Berufsbilder zu fixieren, hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtssprechung40 immer wieder herausgestellt. Dabei hat es stets hervorgehoben, dass der Begriff des Berufes nach Art. 12 GG sehr weit auszulegen ist41: Er umfasst nicht nur alle Berufe, die sich in bestimmten, traditionell oder rechtlich fixierten Berufsbildern darstellen, sondern auch die vom einzelnen frei gewählten, untypischen (erlaubten) Betätigungen, aus denen sich neue, feste Berufsbilder ergeben können. Die Regelung subjektiver Voraussetzungen der Berufsaufnahme stellt damit einen Teil der rechtlichen Ordnung eines Berufsbildes dar. Hierzu können auch Inkompatibilitäten gehören, also Verbote, neben dem eigentlichen Beruf bestimmte andere Tätigkeiten auszuüben. Auf diese Weise soll verhindert werden, die klare Umgrenzung des Berufsbildes zu verwässern. Auch die Durchdringung und Vermengung mit Merkmalen anderer Berufstätigkeiten soll so vermieden werden.42 Das Bundesverfassungsgericht macht in diesem Zusammenhang den Sinn der rechtlichen Festlegung eines Berufes deutlich: Sie soll bewirken, dass der Einzelne auf die freie Wahl des so geprägten Berufs beschränkt wird, während ihm die Möglichkeit zu untypischer Betätigung in diesem Bereich verschlossen bleibt43. Ob vor diesem Hintergrund freilich die Möglichkeit besteht, den Grundrechtsschutz der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte unter das Normalniveau zu senken, wird uneinheitlich beurteilt. Teilweise wird vertreten, ein geringerer grundrechtlicher Schutz könne sich aus der normativen Vorprägung des Sachbereiches ergeben44. Es könne nicht außer Acht bleiben, dass die Einbindung von Leistungserbringern und Finanzierungsträgern in das umfassende System der öffentlichen Krankenversicherung verschiedene Grundproblematiken aufwerfe. Diese aber verböten es, die Intensität der Grundrechtseingriffe losgelöst von der tatsächlichen normativ geprägten Situation des Gesundheitswesens und den hierdurch gesetzten Bedingungen für die Entfaltungschancen der Leistungserbringer zu sehen. Die wechselseitige Abhängigkeit der Leistungserbringer und des Sozialversicherungssysteme begründe vielmehr eine spezifische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers45. Vgl. bereits oben A. I. 3. Vgl. u.a. BVerfGE 9, 39, 48; 9, 73, 78; 10, 185, 197; 17, 232, 241; 18, 353, 361 f.; 32, 1, 22; 46, 43, 54; 54, 237, 246; 75, 246, 265 f.; 77, 84, 105 f.; 78, 179, 193. 41 Vgl. nur BVerfGE 7, 377, 397. 42 Vgl. hierzu BVerfGE 21, 173, 181. 43 Vgl. BVerfGE 17, 232, 241; ebenso BGHZ 124, 224, 227; vgl. auch BVerfGE 13, 97, 106, 117; 21, 173, 180; 54, 301, 314; 59, 302, 315. 44 Zur Rechtsfigur der normativen Vorprägung vgl. Degenhart, VSSR 1982, S. 240 f. 39 40

I. Freie Berufsausübung und gesetzliche Reglementierung

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Wollte man dieser Argumentation folgen, könnte man mit ihr tatsächlich jede verbleibende Freiheit der ärztlichen Berufsausübung endgültig aushebeln. Die Annahme, vom Vorhandensein einer bereits existierenden Grundrechtsbeschränkung auf die Zulässigkeit weiterer Restriktionen schließen zu können, lässt sich jedoch mit den allgemeinen Regeln der Grundrechtsanwendung nicht in Einklang bringen. Sie würde bedeuten, dass eine Einschränkung grundrechtlich gewährleisteter Freiheiten zugleich auch das Freiheitspotential des in Rede stehenden Grundrechtes aufzehren und damit Raum für neue, weitergehende Beschränkungen schaffen würde. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Eine neue Grundrechtsbeschränkung löst vielmehr den grundrechtlichen Rechtfertigungszwang erneut aus46. Es ist nicht erkennbar, warum sich diese Rechtfertigung nur deshalb erübrigen oder andere Maßstäbe an sie zu legen sein sollten, weil der Kassenarzt seinen Beruf im Rahmen eines staatlich organisierten Leistungs- und Finanzierungssystems ausübt47. Inwieweit einzelne Eingriffe in die Freiberuflichkeit der Kassenärzte, insbesondere aufgrund der Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung und der Notwendigkeit von deren Finanzierbarkeit mit sozial noch verträglichen Beiträgen gerechtfertigt sind, wird noch zu prüfen sein48. Dass die Sicherung der Stabilität der GKV als Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung49 solche Eingriffe grundsätzlich zu rechtfertigen vermag, ist unzweifelhaft50. Damit aber ist auch die Möglichkeit einer Statusänderung im Berufsbild des freiberuflich tätigen Arztes mit eingeschlossen.

45 Lerche / Degenhart, in: Robert Bosch Stiftung (Hrsg.), Krankenhausfinanzierung in Selbstverwaltung, Teil II, S. 35 f. 46 Kritik am Argument der normativen Vorprägung auch bei Depenheuer, Staatliche Finanzierung und Planung im Krankenhauswesen, S. 180 f.; Isensee, in: Robert Bosch Stiftung (Hrsg.), Krankenhausfinanzierung in Selbstverwaltung, S. 136 f. 47 Isensee weist zu Recht darauf hin, dass es nicht die Aufgabe eines solchen Systems sein kann, grundrechtliche Freiheiten aufzuheben, sondern im Gegenteil, sie erst zu ermöglichen; Isensee, VSSR 1995, S. 321, 335. 48 Siehe unten C. I. 4. a) bb) (3) (e) (cc). 49 Vgl. nur BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 29. 50 Zu Recht wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass die Formel von der „Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung“ als einem „Gemeinwohlbelang von hinreichendem Gewicht“ nicht stereotyp zur Rechtfertigung nahezu jedes Eingriffes in die (ärztliche) Berufsfreiheit herangezogen werden kann, zumal es sich bei der GKV anerkanntermaßen nicht um ein Institut von Verfassungsrang handelt. Vgl. etwa Sodan, NJW 2003, 257, 259. Siehe andererseits BVerfGE 103, 172, 184; BVerfG (Kammerbeschl.), DVBl. 2002, 400, 401. Vgl. ferner etwa BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 29; 82, 209, 230; 103, 392, 404.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

3. Standes- und Berufsrecht Die für die einzelnen Berufsgruppen erlassenen Berufsgesetze und Berufsordnungen sowie die von den Berufskammern aufgestellten Standesrichtlinien enthalten eine Vielzahl von Berufsausübungsregelungen. Deren Durchsicht wirft die Frage auf, inwieweit sie für die Begriffsbildung der Freiberuflichkeit von Bedeutung sind, bzw. inwieweit es durch sie zu einem Verlust wesentlicher Merkmale der Freiberuflichkeit kommt. Angesichts der oben getroffenen Feststellung51, dass es die ärztliche Tätigkeit gewerblichen Charakter hat, muss es – unter Berücksichtigung der Berufsbildlehre des Bundesverfassungsgerichtes – die Aufgabe des Berufs- und Standesrechts sein, den Übergang dieser gewerblich geprägten Tätigkeit zu einem Freien Beruf zu begründen52. In diesem Zusammenhang ist es zunächst erforderlich, das Berufs- vom Standesrecht abzugrenzen: Zwar wird meist nur vom „Berufs- und Standesrecht“ gesprochen, ohne zwischen den Regelungsbereichen zu differenzieren. Jedoch macht bereits die kumulative Verwendung der Begriffe deutlich, dass zwischen den beiden eine Unterscheidung möglich sein muss; wäre dies nicht der Fall, würde ein Begriff genügen53.

a) Formelle Gesetze Unter Berufsrecht kann man zunächst den Inbegriff aller Normen verstehen, die in irgendeiner Form die Ausübung eines bestimmten Berufes regeln. Zum Teil handelt es sich dabei um sach- und verfahrensbezogenes Berufsrecht54, das zugleich auch für Nicht-Berufsangehörige gilt, aber für die Tätigkeit der Berufsangehörigen gleichwohl von besonderer Bedeutung ist. Im Rahmen dieser Arbeit soll jedoch vor allem das berufsspezifische Berufsrecht55 interessieren, das unmittelbar am Arztberuf anknüpft und Besonderheiten normiert, die ausschließlich die Ärzteschaft rechtlich binden. Die notwendige Differenzierung muss anhand der Herkunft der regelnden Norm erfolgen56. Folglich gilt es zu unterscheiden zwischen den staatlichen, formellen Gesetzen des Berufsrechts einerseits und den RegelunVgl. oben B. III. 2. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Michalski, Der Begriff des Freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 43. 53 Vgl. hierzu Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 157. 54 Zuck, NJW 1987, S. 3033. 55 Zuck, NJW a. a. O. 56 So auch Commichau, JZ 1988, S. 824, 829; Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 142; im Ansatz auch Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 159, 567 f., 595 ff. 51 52

I. Freie Berufsausübung und gesetzliche Reglementierung

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gen des Standesrechts andererseits. Während erstere auf einem Akt bewusster Rechtssetzung beruhen, der nur durch ein Parlament des Bundes oder der Länder vorgenommen werden kann und der gesellschaftlichen Gruppen nicht offen steht, können letztere nicht in Gestalt formeller Gesetze, sondern nur als sublegales Recht in Erscheinung treten.

b) Materielle Gesetze Wenn der Begriff des Standesrechts die untergesetzlichen Normen bezeichnet, bedingt dies eine doppelte Abhängigkeit vom staatlichen Gesetzgeber. Zum einen bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigung der Standesvertretungen zum Erlass materieller Gesetze, zum anderen ist das Standesrecht auch inhaltlich abhängig vom Ausmaß staatlicher Reglementierung. Nur soweit und solange der formelle Gesetzgeber von seiner höherrangigen Legislativkompetenz keinen Gebrauch macht, gibt es faktisch einen Freiraum für standesrechtliche Regelungen57.

c) Ethik Im Rahmen des Standesrechts werden, wenngleich als Regelungsmaterie eigener Art, immer wieder auch berufsethische Momente zur Charakterisierung und Beschränkung der Freiheit des Arztberufes herangezogen. So etwa spielt, wie bereits ausgeführt, der Patientenschutz bei der Juridifizierung des Arztberufes nach wie vor eine dominierende Rolle. Das Ausmaß und die Komplexität der Regelungen, die in den Berufsordnungen und der Spruchpraxis der Berufsgerichte58 zutage treten, ist für den normalen Arzt allerdings nur noch schwer zu überblicken. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich erneut die Frage nach der Bedeutung des Berufsethos59. Dabei übertrifft die Ethik als allgemeine Überzeugung vom Richtigen und Zulässigen in der Regel bei weitem die rechtlichen Standards. Die unterschiedlichen Wertvorstellungen in einer modernen Industriegesellschaft lassen sich selbst innerhalb einer abgeschlossenen Berufsgruppe, wie der der Ärzte, nicht mehr verallgemeinern. Bedingt durch den Wandel im Standesethos der Ärzteschaft, „die in ihrer Ausgedehntheit immer mehr zu einem Abbild der pluralistischen Gesellschaft wird“60, trägt also auch der Berufsstand selbst zu seiner Verrechtlichung bei. Was die Moral nicht mehr zu leisten vermag, muss eine verstärkte Außensteuerung durch detaillierte Maßgaben kompensieren61. Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 163. Vgl. etwa Luyken / Pottschmidt / Thoelke / Wandtke / Zitzmann (Hrsg.), Sammlung von Entscheidungen der Berufsgerichte für die Heilberufe. 59 Vgl. bereits oben B. 60 Laufs, NJW 1995, S. 1590, 1591. 61 Braun, JuS 1994, S. 727 ff. 57 58

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

4. Wechselwirkungen zwischen Fremd- und Selbstkontrolle Obwohl sich auf jeder Stufe der Normenhierarchie Regelungen finden lassen, die den Arzt in der Ausübung seines Berufes betreffen, führt die genaue Betrachtung doch zu dem Schluss, dass das Arztrecht im weiteren Sinne ein nicht abgeschlossenes System unterschiedlichster Normen ist; es handelt sich um eine Art Querschnittsrecht. Wesentlicher als die – zwangsläufig unvollständige – Analyse der jeweiligen Bestimmungen ist daher die Frage nach der Norm setzenden Instanz. Namentlich geht es dabei um die Abgrenzung der für jedermann geltenden staatlichen Rechtsnormen einschließlich der allgemeinen staatlichen Rechtsprechung von denen des Standesrechts, die in ihrer Gesamtheit die Summe der ausschließlich für die Angehörigen des ärztlichen Standes geltenden Rechtsnormen umfasst.

a) Staatliches ärztliches Berufsrecht Auch wenn der Begriff des Freien Berufes dies zunächst nahe legt: Die Freiheit vom Staat kann kein absolutes Postulat der Freiberuflichkeit sein. Die Tatsache, dass der Arzt eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit verrichtet, bedingt vielmehr, dass der Freiberuflichkeit ein gewisses Maß an Unfreiheit wesenseigen ist. Eine uneingeschränkte Freiheit von staatlichen Eingriffen kann es schon insoweit nicht geben, als damit ein Widerspruch zu den Grundrechten entstünde, die im Rahmen des jedem Grundrecht immanenten Schrankenvorbehalts selbst einen staatlichen Eingriff in die Freiheitssphäre zulassen. Freiberufliche Tätigkeiten können daher selbst einschneidenden staatlichen Beschränkungen unterworfen sein, ohne dass ihr Status als solcher davon betroffen sein muss. Jedoch bestimmen die Grenzen, die für die Grundrechtsschranken ausgewiesen sind, in hohem Umfang auch jenen Bereich der Freiberuflichkeit, den der Staat nicht mehr antasten darf. Die oben aufgeführten begriffsbildenden Merkmale müssen insoweit nicht um das Merkmal der Freiheit vom Staat ergänzt werden. Staatliche Maßnahmen, die eines dieser Merkmale in seinem Wesensgehalt beschränken oder sogar aufheben, sind folglich nicht notwendigerweise verfassungswidrig, können allerdings zum Verlust des freiberuflichen Charakters der ärztlichen Tätigkeit führen. aa) Kompetenzverteilung Bei der Betrachtung der staatlichen, den Arzt betreffenden Normen lässt sich grob zwischen zwei Regelungskomplexen unterschieden: Einerseits gilt es zu klä-

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ren, ob, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen eine Person den Arztberuf ergreifen darf. Die Vorschriften zu diesem Teilbereich finden sich im Wesentlichen im Zulassungsrecht. Die andere zu klärende Frage betrifft die inhaltliche Ausgestaltung der Berufsausübung nach Erteilung der Approbation (Berufsausübungsrecht). (1) Berufszulassung Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für arztrechtliche Normen auf das Zulassungsrecht beschränkt62. Regelungen, die über dieses und die damit verbundenen Themengebiete, wie etwa die Erteilung und den Verlust der Approbation hinausgehen, sind der Zuständigkeit des Bundes entzogen. Eine Ausweitung dieser sehr beschränkten Bundeskompetenz im Bereich der Heilberufe ist auch nicht dadurch möglich, dass diese in verschiedene Professionen aufgefächert werden, mit der Folge, dass berufsregelnde Normen als Zulassungsvorschriften erscheinen63. Solange es um Berufe oder Berufszweige geht, die dem Heilkundesektor zuzuordnen sind und der Approbation bedürfen, bleibt es bei der klaren Trennung von Zulassungs- und Berufsausübungsrecht. Abweichende Regelungen wären eine unzulässige Umgehung klarer Kompetenzregelungen des Grundgesetzes und damit verfassungswidrig. (2) Berufsausübung Das Recht der Berufsausübung unterfällt gemäß Art. 70 Abs. 1 GG der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder. Dem entsprechend haben die einzelnen Länder ihre jeweiligen Kammer- und Heilberufsgesetze geschaffen. Obschon diese Landesgesetze eindeutig dem staatlichen Berufsrecht zuzuordnen sind, stellen sie doch bereits die Weichen für die enge Verknüpfung zwischen Fremdund Selbstkontrolle der Ärzteschaft: Alle Kammer- und Heilberufsgesetze normieren neben einer Generalpflichtenklausel nur in Grundzügen die einzelnen Berufspflichten, wie etwa die Pflicht, am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilzunehmen 64. Im Übrigen ermächtigt der formelle Gesetzgeber die Landesärztekammern dazu, die Berufspflichten etwa in den Berufs- und Weiterbildungsordnungen65 verbindlich, als für den Arzt unmittelbar geltendes Recht66 zu bestimmen. 62

Vgl. schon BVerfGE 4, 74, 82; im Ergebnis auch: BVerfGE 7, 18, 25; BVerfGE 17, 287,

292. Vgl. dazu Starck, NJW 1972, S. 1489. Heberer, Das ärztliche Berufs- und Standesrecht, S. 265. 65 Freilich lehnen sich die Kammerordnungen eng an die Musterberufsordnung des Deutschen Ärztetages an. Letztere kann allerdings nur einen empfehlenden Charakter für sich in Anspruch nehmen und zielt vor allem darauf ab, eine einheitliche Gestaltung der einzelnen Berufsordnungen zu erzielen, während die jeweiligen Kammerordnungen für den Arzt unmittelbar geltendes Recht darstellen. 63 64

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Insoweit wird durch die Kammerordnungen das staatliche Berufsrecht mit dem Standesrecht verwoben: Zwar werden die wesentlichen Berufsausübungsregeln von den Standesvertretungen der Ärzte erarbeitet und erlassen, eine Verpflichtung der Kammermitglieder aus diesen materiellen Normen kann jedoch erst dann entstehen, wenn die Vorgaben der Kammern als Satzungsrecht durch die nach Landesrecht zuständige Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt sind67. Dies sind in der Regel die für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerien der jeweiligen Landesregierung68. Insoweit schaffen die Länder durch die Kammer- und Heilberufsgesetze nur einen Rahmen staatlicher Beschränkung, der durch das Satzungsrecht der Standesvertretungen erst konkretisiert wird. bb) Einzelfälle staatlicher Beschränkung (1) Mittelbare Eingriffe in die Berufsfreiheit am Beispiel von Pflichtmitgliedschaften in ständischen Versorgungswerken Ebenso wie für alle approbierten oder mit Berufserlaubnis versehenen Ärzte die Mitgliedschaft in der für ihre Region zuständigen Landesärztekammer verpflichtend ist69, ist auch der Eintritt in ein berufsständisches Versorgungswerk für diese Gruppe von Medizinern obligatorisch festgeschrieben. Eine Wahlfreiheit der Ärzte im Hinblick auf ihre Versorgung besteht grundsätzlich nicht. Der damit verbundene, zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG tangierende Grundrechtseingriff bedarf der Rechtfertigung. Mit der Entwicklung der Drei-Stufen-Theorie hat das Bundesverfassungsgericht im Apothekenurteil70 festgelegt, dass eine objektive Schranke bei der Berufswahl nur zum Schutze eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes zu rechtfertigen ist. Die per Satzung statuierte Pflichtmitgliedschaft aller Kammermitglieder in einem berufsständischen Versorgungswerk stellt sich jedoch nicht als eine Berufswahlbeschränkung dar, sondern ist ein Eingriff in die Berufsausübung. Als solcher ist er bereits zulässig, wenn vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls ihn zweckmäßig erscheinen lassen. Zweck der Pflichtmitgliedschaft der Ärzteversorgung ist es, die wirtschaftliche Sicherstellung der Berufsangehörigen und ihrer Familien nach Ende der Berufsaus66 Vgl. nur BVerfGE 33, 125, 155; Brandstetter, Der Erlass von Berufsordnungen durch die Kammern der Freien Berufe, S. 47. 67 Vgl. hierzu in Bayern Art. 16 I S. 1 HkaG. 68 Eine Zweckmäßigkeitskontrolle findet hingegen nicht statt. Die Aufsichtsbehörde hat bei ihrer Gesetzmäßigkeitskontrolle nur zu überwachen, ob die Ärztekammer die ihr von Rechts wegen obliegenden Pflichten erfüllt, ihre Kompetenzen wahrt und die gesetzlichen Verfahrensvorschriften einhält. 69 Dazu unten C. I. 4. b). 70 BVerfGE 7, 377, 399 ff.

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übung zu gewährleisten. Damit ist der Eingriff weniger als berufspolitische, sondern vielmehr als sozial- oder gesellschaftspolitische Maßnahme zu verstehen, die die Berufsausübung nur mittelbar tangiert. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht den Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht als eröffnet angesehen, sondern allein auf Art. 2 Abs. 1 GG abgestellt71. Die Annahme eines nur mittelbaren Bezuges zur Berufsausübung darf indes nicht zu dem Schluss führen, dass eine Auswirkung auf die freiberufliche Natur ärztlicher Tätigkeit schon aus diesem Grund ausschiede. Selbst wenn die Ärzteversorgung die wirtschaftliche Sicherheit erst nach beendeter Berufsausübung bewirken soll, muss doch jede Maßnahme zur Gewährleistung der (wirtschaftlichen) Selbständigkeit als eine solche angesehen werden, die auch die Weisungsunabhängigkeit schon zu Zeiten der aktiven Berufsausübung sicherstellen soll. Die Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk ist angesichts ihrer Anlehnung an das Vorbild der gesetzlichen Rentenversicherung72 jedoch keine den Freiberuflern vorbehaltene Besonderheit. Zwar gilt es zu bedenken, dass es wegen der nicht bestehenden Pflichtmitgliedschaft im System der gesetzlichen Rente grundsätzlich jedem Arzt freistünde, sich freiwillig zu versichern. Dem stehen aber Überlegungen entgegen, wonach es gerade für finanziell schwach gestellte Berufsanfänger eine schwere Belastung wäre, die auf eigener Initiative beruhenden monatlichen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, und dass die Zahlungen im Hinblick bessere Verdienste in der Zukunft wohl häufig unterlassen würden. Im stark überfüllten medizinischen Berufszweig entwickeln sich jedoch die Einkommen oft nicht mehr entsprechend den Erwartungen der Betroffenen. Die Folgen einer freiwilligen Versicherung wären fast zwangsläufig Versorgungslücken, deren Schließung gegebenenfalls die ohnehin überlasteten, allgemeinen Sozialsysteme übernehmen müssten. Vor diesem Hintergrund kann der häufig von den Ärzten vorgebrachte Kritikpunkt der der Freiberuflichkeit zuwiderlaufenden kollektiven Zwangsversorgung73 keinen Bestand haben. (2) Unmittelbare Eingriffe in die Berufsfreiheit am Beispiel der Zwangsmitgliedschaft in der Ärztekammer Die Verkammerung der Ärzteschaft ist insoweit von Bedeutung, als den Kammern – auch wenn die Kammergesetze der Länder in Einzelheiten von einander abweichen – übereinstimmend die Pflicht obliegt, die beruflichen Belange ihrer Mitglieder zu wahren und die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen. 71 72 73

BVerfGE 10, 354, 363; ebenso BVerwG NJW-RR 1988, S. 538. So Michalski, Der Begriff des Freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 132. Vgl. dazu BVerfGE 10, 354, 366.

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Auch wenn die Verkammerung als ein besonderes Merkmal der Freiberuflichkeit anzusehen ist, und damit die Bindung an eine Berufsordnung entsteht, die standesgemäßes Verhalten festlegt und Verstöße dagegen sanktioniert, stellen sich entsprechende Maßnahmen der Kammern doch naturgemäß nicht nur als möglicher Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art 2 Abs. 1 GG und die negative Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG74 dar. Sie zielen regelmäßig auch auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und die ärztliche Freiberuflichkeit, wobei vor allem die Weisungsunabhängigkeit als begriffsbildendes Merkmal der Freiberuflichkeit betroffen ist. Gerade weil die Kammern nicht nur die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten haben, sondern auch kontrollierend über die ärztliche Tätigkeit wachen sollen, liegt der Schluss nahe, eine unabhängige Berufsausübung der pflichtverkammerten Ärzte in Frage zu stellen. Dies gilt umso mehr, als die Kammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts ausgestaltet sind und somit gegenüber ihren Mitgliedern hoheitlich auftreten. Auf die Besonderheiten der berufsständischen Rechtssetzung und deren Auswirkungen auf die ärztliche Berufsausübung wird im Verlauf dieser Arbeit noch ausführlich einzugehen sein75. Bereits an dieser Stelle kann jedoch festgehalten werden, dass zumindest die Überwachung durch die Kammern die fachliche und sachliche Unabhängigkeit der Ärzte nicht unmittelbar betreffen muss, solange es sich bei ihr nicht um eine fachaufsichtliche Kontrolle handelt. (3) Besondere Reglementierung vertragsärztlicher Tätigkeit Das Arzt-Patienten-Verhältnis wird in Deutschland durch die seit dem Jahr 1884 vorgeschriebene Absicherung gegen finanzielle Folgen von Krankheiten überlagert76. Dieses System bewirkt eine fast vollständige Erfassung der Bevölkerung in einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Charakteristisch ist dabei, dass sich zwar neben der gesetzlichen Pflichtversicherung77 auch ein privates Krankenversicherungssystem etabliert hat, mehr als 90 Prozent der Bevölkerung sind jedoch Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung78. Mag es auch zweifel74 Zur grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Pflichtmitgliedschaft vgl. BVerfGE 10, 89, 102 (std. Rspr.), ausführlich insbesondere zum Problem der negativen Vereinigungsfreiheit: Flüchter, Kollektivverträge und Konfliktlösung im SGB V, S. 150 ff. 75 Vgl. unten, C. I. 4. b). 76 Zur Geschichte der von Bismarck 1883 eingeführten gesetzlichen Krankenversicherung ausführlich Arnold, Solidarität 2000, S. 39 ff.; Oberender / Hebborn, Wachstumsmarkt Gesundheit, S. 28 ff. 77 Die Versicherungspflichtgrenze für die GKV lag im Jahr 2005 bereits bei einem jährlichen Bruttoeinkommen von 46 800 Euro. Entsprechend sind etwa 75 Prozent der gesetzlich krankenversicherten Patienten pflichtversichert; nachzulesen unter: http: //www.bundesregierung.de/Politikthemen/Gesundheit-und-Soziales/Nachrichten,1100.728058/artikel/Neue-Beitragsbemess ungsgrenzen.htm; Stand: Oktober 2005.

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haft sein, dass tatsächlich neun von zehn Bürgern in Deutschland als sozial schutzbedürftig im eigentlichen Sinne79 angesehen werden müssen – viele von ihnen dürften durchaus in der Lage sein, ihr Krankheitsrisiko eigenverantwortlich abzusichern –, die derzeitige Ausgestaltung der GKV bedeutet für die Ärzteschaft, dass rund 98 Prozent der Berufsangehörigen zumindest auch als Vertragsärzte agieren. Nur zwei Prozent behandeln ausschließlich Privatpatienten 80. Die besonderen Regelungen im Bereich der vertragsärztlichen Tätigkeit haben somit nahezu für den gesamten ärztlichen Berufsstand in Deutschland elementare Bedeutung. (a) Grundprinzipien der GKV Die Finanzierung der medizinischen Versorgung ihrer Mitglieder durch die GKV wirkt sich gestaltend auf das Verhältnis des Arztes zu seinem Patienten ein. Faktisch entsteht durch die wechselseitigen Abhängigkeiten von Leistungserbringern einerseits und Kostenträgern andererseits eine Dreiecksbeziehung81. Die Freiheit der Berufsausübung bleibt von der Einbindung in das gesetzliche System nicht unberührt. Die finanzielle Schieflage der GKV und die daraus resultierenden Maßnahmen zur Kostenreduzierung beeinflussen nachhaltig die Angebotsstrukturen in deutschen Arztpraxen. Gleiches gilt für die Vergütung der an der Versorgung teilnehmenden Ärzte. Ihre Bezahlung wurde durch die Abrechnungssysteme innerhalb der GKV entscheidend verändert, und zwar sowohl in der Art und Weise der Honorarausschüttung wie auch in der Höhe. Das in den Art. 20 Abs. 1, 23 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip gebietet schon des Rechtsfriedens wegen eine „Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit“ und in diesem Sinne „Sozialleistungen einschließlich sozialer . . . Hilfen“, wie es § 1 Abs. 1 S. 1 SGB I als allgemeine Grundnorm des Sozialrechts konkretisiert82. Viele Probleme des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung gehen maßgeblich auf deren Grundstrukturen zurück, die zum Teil noch aus Bismarcks Zeiten herrühren und auf die seit damals erfolgten Ausweitung der quantitativen und qualitativen Leistungsumfänge nicht ausgerichtet sind. Bevor deren Auswirkungen auf die ärztliche Freiberuflichkeit eingehend untersucht werden können, sollen daher zunächst die wichtigsten Strukturprinzipien der GKV kurz dargestellt werden.

Bundesministerium für Gesundheit, Daten des Gesundheitswesens, S. 291 ff. Vgl. zum Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit in Bezug auf die Gesetzliche Krankenbzw. Pflegeversicherung BVerfGE 102, 68, 89 ff.; 103, 225, 239; 103, 271, 288. 80 DÄBl 1996, Supplement zu Heft 19, S. 3 81 Zu den Rechtsbeziehungen siehe unten, C. I. 4. a) bb) (3) (b); vgl. zu der Thematik auch Kreßel / Wollenschläger, Leitfaden zum Sozialversicherungsrecht, S. 66. 82 Sodan / Gast, NZS 1998, S. 497, 498. 78 79

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(aa) Solidarprinzip Grundpfeiler der gesetzlichen Krankenversicherung83 ist die Berechnung der Mitgliedsbeiträge nach dem so genannten Solidarprinzip84. Welche Summe ein Mitglied beisteuern muss, ist – anders als im privaten Parallelsystem, das auf einer Kapital gedeckten Basis steht – unabhängig von Geschlecht oder Alter, von individuellen Risikofaktoren wie etwa chronischen Krankheiten oder der Ausübung risikobehafteter Berufe85. Zugrunde gelegt wird vielmehr die persönliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherten, gemessen am jeweiligen monatlichen Bruttoeinkommen86. Einige, traditionell als sozial schwach qualifizierte Gruppen, wie Familienangehörige von Versicherten ohne eigenes Erwerbseinkommen, Rentner oder Studenten, besitzen die selben Leistungsansprüche wie der Rest der (zahlenden) solidarisch versicherten Mitglieder. Allerdings sind sie von Beitragszahlungen weit gehend befreit87. (bb) Sachleistungsprinzip Eine weitere Grundmaxime der solidarisch finanzierten Krankenversicherung besteht im Prinzip der Sachleistung. Der Versicherte hat danach einen Anspruch auf die unentgeltliche Inanspruchnahme ärztlichen Leistungen88. Die Liberalisierung, die dieses Prinzip 1997 durch die Neufassung des § 13 SGB V durch das 2. GKV-NOG89 erfahren hatte und die auch GKV-Versicherten erweiterte Wahlmöglichkeiten zur Inanspruchnahme zusätzlicher Leistungen gegen Erstattung der Kosten90 einräumte, ist mit dem GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz91 ab 1999 wieder beseitigt worden. Das GMG92 hat diese Regelung nun zum Teil, wenn auch Zur Notwendigkeit des Sozialversicherung in Deutschland vgl. BVerfGE 10, 354, 365 f. Das Solidaritätsprinzip wirkt jedoch nicht nur innerhalb der finanziell verschieden gut gestellten Mitglieder der GKV; über die paritätische Finanzierung werden auch die Arbeitgeber in die Solidargemeinschaft mit eingebunden. 85 Im Gegensatz dazu bemisst die private Krankenversicherung ihre Prämien abhängig von Geschlecht, Alter und bestehenden Vorerkrankungen ihrer Mitglieder. Maßgeblich sind also die individuellen Risiken des Einzelnen. Personen mit gleichen Risiken zahlen nach diesem so genannten Risikoprinzip unabhängig von ihrem Einkommen dieselben Prämien. 86 Zur Berechnung der Beiträge siehe Kreßel / Wollenschläger, Leitfaden zum Sozialversicherungsrecht, S. 157 ff. 87 Barth, Mediziner-Marketing, S. 271. 88 Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der GKV, S. 124. 89 Zweites Gesetz zur Neuordnung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 23. 06. 1997, BGBl. I S. 1520 ff. 90 Anders als das gesetzliche System operiert die Private Krankenversicherung regelmäßig mit dem Prinzip der Kostenerstattung. Der Versicherte erhält vom Leistungserbringer eine Rechnung, bekommt aber die Kosten vom Versicherer erstattet. Die Abrechnung der Leistungen erfolgt auf Basis der privaten Gebührenordnung (GOÄ). 91 BGBl. I S. 3853 ff. 83 84

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mit Einschränkungen, wieder aufgenommen. Der neu gefasste § 13 Abs. 2 SGB V legt fest: „Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Sie sind von ihrer Krankenkasse vor ihrer Wahl zu beraten. Eine Beschränkung der Wahl auf den Bereich der ambulanten Behandlung ist möglich.“ Auch wenn diese Regelung den Versicherten vermeintlich wieder mehr Freiheiten einräumt, bewirkt die konkrete Ausgestaltung der Regelung doch, dass eine Entscheidung für die Kostenerstattung den meisten Versicherten eine finanzielle Mehrbelastung aufbürdet. Erstens besteht der Anspruch auf Erstattung höchstens in Höhe der Summe, die die Krankenkasse bei Erbringung einer im Leistungskatalog erfassten Sachleistung aufwenden müsste. Zweitens sind die Kassen gehalten, Abschläge für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen anzusetzen. Zuzahlungen, die für die Sachleistung anfallen würden, sind ebenfalls in Abzug zu bringen. Auch die Mindestdauer von einem Jahr, innerhalb dessen die Versicherten an ihre Entscheidung gebunden sind, ist nicht unbedingt dazu angetan, eine Entscheidung gegen das Sachleistungsprinzip zu forcieren. Die Dienste der Ärzte an den Versicherten werden somit auch nach Inkrafttreten des GMG fast ausschließlich93 durch Zahlungen der gesetzlichen Krankenversicherungen finanziert94. Die ambulante Versorgung liegt bei den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Medizinern, die kraft Gesetzes Mitglieder der regionalen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sind95. Die Abrechnung erfolgt zwischen den Vertragsärzten und den KVen anhand des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM). Diesen beschließt der so genannte Bewertungssausschuss, ein Gremium, das sich gemäß § 87 Abs. 3 SGB V paritätisch aus Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigungen und der einzelnen Kassenverbände auf Bundesebene zusammensetzt96. Der EBM bestimmt den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges Verhältnis zueinander. Auf seiner Grundlage wird die von den Kassen an die Kassenärztlichen Vereinigungen zu entrichtende Gesamtvergütung97, nicht aber der Honoraranspruch des einzelnen Vertragsarztes gegen seine Kassenärztliche Vereinigung98 bestimmt. 92 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. 11. 2003, BGBl. I 2003, S. 2190. 93 Ausnahmen gelten etwa bei individuellen Gesundheitsleistungen; dazu unten C. II. 1. c) cc). 94 Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der GKV, S. 124. 95 Dazu unten C. I. 4. a) bb) (3) (d). 96 Die Entscheidungen des Bewertungsausschusses werden gemäß § 87 Abs. 4 SGB V einstimmig gefasst. 97 Gemäß § 85 Abs. 2 S. 2 HS 2 SGB V (in der Fassung des GKV-Soldiaritätsstärkungsgesetzes vom 19. 12. 1998, BGBl. I S. 3853) gilt das zumindest dann, wenn die Gesamtvergütung nach Einzelleistungen berechnet wird.

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(b) Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsarzt und Kassenpatient Wie bereits ausgeführt, hat der Arzt nicht nur für das Wohl des einzelnen Patienten zu sorgen, sondern nimmt mit seinem Fachwissen auch eine dem Gemeinwohl dienende Funktion ein. Die Einbindung der Heilberufe in das System der gesetzlichen Krankenversicherung verstärkt diese Gemeinwohlbindung und begrenzt die Berufsfreiheit. Aufgrund des hohen Anteils von Kassenpatienten ist der Arzt in den meisten seiner therapeutischen, diagnostischen oder administrativen Maßnahmen den Restriktionen der GKV unterstellt, die sich insbesondere durch die Regulierungsschübe des GRG99, des GSG100 und nicht zuletzt durch die Neuerungen des GMG101 noch verstärkt haben. Als Folge der sozialrechtlichen Gesetzgebung sind die Leistungserbringer dergestalt in ein öffentlich gewährleistetes und finanziertes Versorgungssystem integriert, dass in der Regel der öffentliche Auftrag in den Vordergrund der Berufsausübung tritt102. Für das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient sind insbesondere die Regelungen der §§ 69 ff. SGB V relevant, als diese die Individualvereinbarung zwischen Arzt und Patient durch generelle Regelungen und Abrechnungssysteme ersetzen, die zwischen den Krankenhausverbänden und den Kassenärztlichen Vereinigungen getroffen werden. Jedoch werden die Rechtsbeziehungen zwischen Kassenarzt und versichertem Patienten vom zivilrechtlichen Schrifttum und der Rechtssprechung103 anders bewertet als von der überwiegenden Meinung im Sozialrecht104. (aa) Vertragskonzeption Nach der insbesondere vom BGH105 vertretenen Vertragskonzeption kommt zwischen Vertragsarzt und Versichertem – ebenso wie zwischen Arzt und Privatpatient – ein Dienstvertrag zustande, für den die allgemeinen Regeln der §§ 145 ff. BGB gelten. Die einzige Abweichung vom ausschließlich privatrechtlichen Vertrag sei, dass der Vertragsarzt sein Honorar nicht direkt, sondern gegenüber seiner 98 Flüchter, Kollektivverträge und Konfliktlösung im SGB V, S. 46; zur Problematik der Honorierung des einzelnen Vertragsarztes in freier Praxis. 99 Gesundheitsreformgesetz vom 20. 12. 1988, BGBl. I S. 2477. 100 Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. 12. 1992, BGBl. I S. 2266. 101 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. 11. 2003, BGBl. I S. 2190. 102 Ähnlich: Quaas, MedR 2001, S. 36. 103 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 39 ff.; vgl. auch RGZ 165, 91; BGHZ 89, 250. 104 Natter, a. a. O., S. 22 ff. m. w. N. 105 Vgl. bereits RGZ 165, 91; siehe auch BGHZ 76, 259, 261; zustimmend: Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rz. 21.

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KV abrechne106. Als Grundlage dieser Konzeption dient dieser Meinung die Vorschrift des § 76 Abs. 4 SGB V, wonach die Behandlungsübernahme eines Kassenpatienten den Kassenarzt zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches verpflichtet107. (bb) Versorgungskonzeption Abweichend davon geht die so genannte Versorgungskonzeption108 nicht vom Zustandekommen eines Dienstvertrages aus. Gerade in der sozialrechtlichen Literatur mehren sich die Stimmen, die sich für eine öffentlich-rechtliche Interpretation der Beziehungen zwischen Vertragsarzt und Patient aussprechen109. Der Vertragsarzt soll danach kraft öffentlich-rechtlicher Verpflichtung die ärztliche Behandlung gegenüber seiner Kassenärztlichen Vereinigung110 schulden111. Dass dem so sei, ergebe sich bereits aus den §§ 95 Abs. 3 i.V. m. 33 Abs. 1 SGB V. Im Gegensatz zu den Anhängern der vertraglichen Konstruktion sehen die Befürworter der Versorgungskonzeption den Sinn des § 76 Abs. 4 SGB V lediglich darin, dem Versicherten den Schutz durch das sekundäre Vertragsrecht zu eröffnen. Auch das Bundessozialgericht tendiert in diese Richtung: So entschied das Gericht für einen Krankenhausarzt, dass dieser aufgrund des Sachleistungsprinzips ermächtigt sei, mit Wirkung für die Krankenkasse über die Aufnahme sowie die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen und damit konkludent auch über den Leistungsanspruch des Versicherten zu entscheiden112. Mehr noch: Die Rechtsprechung der höchsten deutschen Sozialrichter rückt den ärztlichen Leistungserbringer in die Nähe eines Beliehenen. Ausdrücklich heißt es im Urteil des 4. Senats vom 23. Oktober 1996113: „Insoweit beleiht das Gesetz den jeweils vom Versicherten frei gewählten ,Kassenarzt‘ mit der öffentlich-rechtlichen Rechtsmacht (Kompetenz), die medizinischen Voraussetzungen des Eintrittes des Versicherungsfalles der Krankheit für den Versicherten und die Kasse verbindlich darzustellen“114.

BGHZ 47, 75; 76, 259; 89, 250. Vgl. Laufs, Arztrecht, Rz. 87. 108 Vgl. hierzu BSGE 33, 158, 160; BSG, Urteil vom 8. 7. 1981 – 6 R Ka 3 / 79, wonach die Behandlung eines gesetzlich krankenversicherten Patienten nicht allein auf dem zweiseitigen Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient beruht. 109 Vgl. z. B. Krauskopf, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 25, Rz. 6 ff.; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 458. 110 Zu Aufgabenbereich und Funktion der KV s. u. C. I. 3. a) cc) (3) (a). 111 Tiemann / Tiemann, Kassenarztrecht im Wandel, S. 33 ff. 112 Vgl. BSGE 78, 154 ff. 113 BSGE 79, 190, 194. 114 Umfassender Überblick zum Meinungsstand hinsichtlich der Beleihung von Vertragsärzten: Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 102 ff. 106 107

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(cc) Stellungnahme und Zwischenergebnis Im Hinblick auf die Freiberuflichkeit der Ärzteschaft wäre es sicher wünschenswert, dass der Arzt mit seinem Patienten unmittelbar durch ein bürgerlich-rechtliches Vertragsverhältnis verbunden ist, zumal die Rechtssprechung des Bundessozialgerichts und die durch sie bestätigte Abhängigkeit des Arztes von der öffentlichen, gesetzlichen Krankenversicherung dazu geführt hat, dass dieser vereinzelt bereits als „Kassenbeamter“ 115 qualifiziert wird: Die besseren Argumente sprechen indes für die sozial-rechtliche Lösung. Solange innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung nahezu ausschließlich das Sachleistungsprinzip greift, kann die Rechtsgrundlage der Behandlung eines gesetzlich krankenversicherten Patienten nicht allein ein zweiseitiger Vertrag zwischen Arzt und Patient sein. Es mutet wie ein Kunstgriff an, dass, obwohl der Arzt seine Hauptleistungspflicht nicht dem Vertragspartner – also dem Kassenpatienten – schuldet, ein privater Dienstvertrag zwischen Arzt und Kassenpatient zustande kommen und zugleich das sekundäre Haftungsrecht über den Verweis in einer Vorschrift des Sozialgesetzbuches, als einem dem öffentlichen Recht zugeordneten Gesetz, zur Anwendung kommen soll. Angesichts der Tatsache, dass auch alle anderen Rechtsbeziehungen des „sozialrechtlichen Vierecks“116 dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, ergeben sich gegen die zivilrechtliche Konstruktion auch insofern Bedenken, als durch sie ein einheitlicher Sachverhalt zwei verschiedenen Rechtszweigen zugeordnet würde. Unzweifelhaft stellt zwar die Rechtsbindung durch Vertrag eine wichtige Errungenschaft privatautonomer Gestaltung sozialer Belange dar, jedoch scheint die Vertragskonzeption angesichts der neueren Sozialgesetzgebung immer mehr an Grund zu verlieren. So weisen neuerdings die §§ 2 Abs. 2, 70 Abs. 1 SGB V ebenfalls auf den öffentlich-rechtlichen Charakter der genannten Beziehungen hin. Wie sehr es auch im Sinne einer freiberuflichen Ärzteschaft zu begrüßen wäre, das „noch immer modellhafte Verhältnis zwischen Privatpatient und niedergelassenem Arzt“117 auf die Beziehung Arzt und Kassenpatient zu übertragen, die Rechtsbeziehungen zwischen Kassenarzt und gesetzlich versichertem Patienten müssen dem öffentlichen Recht zugeordnet werden. Dies verdeutlichen auch die alltäglichen Abläufe, die den Kontakt zwischen Leistungserbringer und Versichertem charakterisieren. Der Kassenpatient erklärt mit der Aushändigung seiner Versichertenkarte an den Arzt, dass er eine Dienstleistung nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V in Anspruch nehmen möchte. Umgekehrt dokumentiert der Arzt, der die Karte entgegennimmt, seinen Willen, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tätig zu werden. Die soziale Krankenver115

Zuck, in: Herrmann / Backhaus (Hrsg.), Staatlich gebundene Freiberufe im Wandel,

S. 2. 116 117

Kasse / KV; Kasse / Patient; Arzt / KV; Arzt / Patient. Laufs, Arztrecht, Rz. 87.

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sicherung bedient sich dabei des Arztes zur Erfüllung ihrer Aufgabe, die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten (vgl. § 72 Abs. 1 S. 1 SGB V, wonach Ärzte und Krankenkassen diesbezüglich zusammenwirken). (c) Vertragsarzt und öffentlich-rechtliches Gesundheitssystem Der Kassenarzt erfüllt durch die Behandlung der krankenversicherten Patienten auch eine öffentliche Aufgabe, die durch etliche Gesetze und sublegale Regelungen ausgestaltet ist. Mit der Zulassung als Status begründendem Akt wird er nicht nur ordentliches Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung und begründet seinen Vertragsarztsitz; er wird zugleich auch integraler Teil des öffentlichen Gesundheitswesens. Schon aus diesem Grund trifft ihn gegenüber seinen Patienten eine Versorgungspflicht nach Maßgabe der gesetzlichen und auf Gesetz beruhenden Bestimmungen. Der Vertragsarzt ist zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet (§ 95 Abs. 3 SGB V). Er ist an die vertraglichen Bestimmungen der kassenärztlichen Versorgung einschließlich der Richtlinien der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen gebunden (§§ 95 Abs. 3, 92 Abs. 7 SGB V). Weitere Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte finden sich in den Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 81 Abs. 1 Nr. 4 SGB V). Nach §§ 81 Abs. 3, 92, 75 Abs. 7 und 135 Abs. 3 SGB V ist darin zu regeln, dass die Verträge der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die Mitglieder aller regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen verbindlich sind. § 81 Abs. 4 SGB V statuiert zudem eine Regelungspflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen über die Fortbildung ihrer Mitglieder auf dem Gebiet ihrer vertraglichen Tätigkeit. Obwohl die Regelungsdichte im öffentlich-rechtlichen Gesundheitssystem weit über die genannten Beispiele hinausreicht und noch immer kontinuierlich zunimmt, versieht der Vertragsarzt – zumindest nach traditioneller Ansicht – keine klassische Tätigkeit des öffentlichen Dienstes118. Nicht zu übersehen ist freilich, dass die ihm auferlegten Beschränkungen in erheblichem Maße Wesensmerkmale der Freiberuflichkeit, namentlich die Weisungsunabhängigkeit und die Therapiefreiheit betreffen. Das Problem der Beeinträchtigungen des freiberuflichen Charakters ärztlicher Tätigkeit darf jedoch nicht dahingehend verstanden werden, zu fragen, ob etwa der Beruf des Kassenarztes überhaupt als Freier Beruf zu bezeichnen sei. Immerhin stellt die kassenärztliche Tätigkeit nach der noch immer nicht widerlegten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur eine mögliche Ausübungsform des Arztberufes dar119. Krauskopf, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 25, Rz. 6 ff. BVerfGE 11, 30, 41; 12, 144, 147; siehe auch BVerfGE 25, 236, 250; a.A. Bogs, in: Festschrift für Wannagat, S. 51, 69 ff. 118 119

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Zwar sprechen durchaus gewichtige Argumente dafür, den Facharztbeschluss aus dem Jahr 1960 angesichts der Vielzahl neuer Entwicklungen im Vertragsarztrecht kritisch auf seine Aktualität und Gültigkeit für den heute praktizierenden Vertragsarzt hin zu prüfen120. Dies gilt umso mehr, als die Karlsruher Richter in ihrer Entscheidung die Unsicherheiten der Normenkontrollmethoden zwischen Art. 12 und Art. 33 GG selbst aufgedeckt haben. Schon sie sahen den Arzt zwitterhaft zwischen der Rolle eines Selbständigen und Freiberuflers einerseits, und der Aufgabe als Organwalter und Amtsträger andererseits121. Entsprechend stellten sie in ihrer Entscheidung zum einen auf die Regelung des Art. 12 GG einschließlich einer dynamisch verstandenen Berufsfreiheit nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes nach Art. 20 Abs. 1 GG ab. Zusätzlich – etwa bei der typischen Vergabe des fest besoldeten Amtes eines Beamten kommen die Art 33 Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 5 GG ins Spiel. Die so eröffneten, weit reichenden Möglichkeiten des Gesetzgebers bei der Ausübung der allgemeinen staatlichen Organisationsgewalt, die es ihm ermöglichen, durch soziale Berufsausübungsauflagen in die Vergütung oder in den allgemeinen Status des Berufsstandes einzugreifen, werden von Teilen der Literatur als Schaffung eines freiheitsrechtlichen Leerlaufes im Zwischenfeld von Art. 12 und 33 GG angesehen122. Da der Facharztbeschuss jedoch noch immer den anerkannten Maßstab für die Bewertung des Berufsstandes in der Praxis absteckt, vor allem aber, weil angesichts der Entwicklungen im Gesundheitswesen und durch die immer neuen Anhebungen der Versicherungspflichtgrenze nahezu alle Ärzte den Löwenanteil ihrer Berufsausübung durch die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bestreiten, soll – unabhängig von der Frage, ob der Vertragsarzt einen eigenständigen Beruf im Sinne des Art. 12 GG ausübt – vor allem untersucht werden, inwieweit die vertragsärztliche Tätigkeit, die de lege lata noch immer den Freien Berufen zugeordnet wird, erheblicher Charakteristika der Freiberuflichkeit dadurch verlustig geht, dass sie sich durch die Bindung an sozialversicherungsrechtliche Vorgaben in einer durch staatliche Reglementierungen begründeten Unfreiheit befindet. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang stets den großen Spielraum des Gesetzgebers im Rahmen der Einschränkung der Berufsfreiheit der Leistungserbringer im gesetzlichen Solidarsystem betont123, und der Sachlogik des Leistungsrechts sowie dem Gemeinwohlziel der finanziellen Stabilität und Leistungsfähigkeit der GKV grundsätzlich vorrangige Bedeutung beigemessen124. Zur Dazu unten C. II. 1. c) aa) (c). Bogs, in: Festschrift für Wannagat, S. 51, 70. 122 Bogs, in: Festschrift für Wannagat, S. 51, 72. 123 Vgl. nur BVerfGE 68, 193, 220 ff.; 70, 1, 28 ff.; siehe dazu auch Bieback, NZS 1997, S. 393 ff. 124 Kritisch zu dieser Rechtsprechung Sodan, in Sodan (Hrsg.), Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer, S. 9, 11. 120 121

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Begründung dieses Standpunktes haben die Verfassungsrichter immer wieder angeführt, dass die Beziehungen, in denen Arzt und Patient innerhalb des Systems zueinander stehen, nicht mit denen eines freien Marktes vergleichbar seien. Vielmehr begegneten sich Versicherte und Leistungserbringer in einem System, das aus den Beiträgen der Versicherten finanziert werde und für dessen Funktionsfähigkeit der Staat verantwortlich zeichne125. Doch auch wenn weit reichende Freiheitsbeschränkungen den Freien Berufen – in Zusammenspiel mit den standesrechtlichen Bindungen – mehr innewohnen, als dies etwa beim Gewerbe der Fall ist, und dieser Umstand durch die Einbindung in das System der gesetzlichen Krankenversicherung noch verstärkt wird, so ist doch auch offenkundig, dass die bestehenden Regelungen eine Abhängigkeit der Ärzteschaft von den Vorgaben insbesondere der Krankenkassen schaffen. Schließlich bedeutet die Verfassungsmäßigkeit sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen noch lange nicht den Fortbestand typischer Merkmale der Freiberuflichkeit. Auch kann sie nicht Gradmesser für die Abgrenzung des freien Arztberufes von ähnlichen Tätigkeiten gewerblichen Charakters sein126. So bleibt zunächst festzuhalten, dass sich als eindeutiges Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden hier in Rede stehenden Berufszweigen vorerst nur die Tatsache eignet, dass der Arzt, anders als der klassische Gewerbetreibende, durch seinen Beruf auch eine öffentlichen Aufgabe versieht, indem er dem Erhalt der Gesundheit des ganzen Volkes dient. (d) Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen Eine tragende Funktion bei der Gestaltung der vertragsärztlichen Tätigkeit kommt den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zu. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Ihr Aufgabenbereich ergibt sich aus Gesetz127 und Satzung128. Gemäß §§ 75, 73 Abs. 2 SGB V haben sie, nicht etwa der einzelne Vertragsarzt, die Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten im ambulanten Bereich sicherzustellen. Sie müssen die Gewähr dafür übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Zugleich versehen die KVen auch die Funktion einer Quasi-Gewerkschaft der Vertragsärzte. Als Genossenschaften der im Sozialversicherungssystem eingebundenen Ärzte haben sie Sorge dafür zu tragen, dass deren berufliche und wirtschaftliche Interessen gegenüber den Krankenkassen gewahrt bleiben. Dies wirkt sich Vgl. BVerfGE 70, 1, 30 ff. Vgl. dazu Michalski, Der Begriff des Freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 137. 127 Vorrangig zu nennen sind hier die Bestimmungen des SGB V. 128 Dass auch die KVen der staatlichen Aufsicht unterliegen, normiert § 78 SGB V. 125 126

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vor allem in den gemeinsamen Einrichtungen der KVen und Krankenkassen (namentlich in den Ausschüssen des Zulassungswesens oder bei der Bewertung von vertragsärztlichen Leistungen) aus. Innerhalb der Rechtsbeziehungen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den KVen ist deren wichtigste Aufgabe wohl darin zu sehen, die in einem vorgesehenen Abrechnungszeitraum erbrachten ärztlichen Leistungen mit der Gesamtvergütung abzugelten. Deren Auszahlung geschieht mit befreiender Wirkung, weshalb andere oder zusätzliche Leistungen durch die Ärzte nur gefordert werden dürfen, wenn sie sich aus den Abrechnungsbestimmungen des Gesamtvertrages ergeben129. Ursache für diese Restriktionen ist die Tatsache, dass mit der im Gesundheitswesen als notwendig erkannten Kostendämpfung verstärkt auch eine Beschränkungen der frei praktizierenden Ärzte, insbesondere bei der Honorarbemessung130 und in der Freiheit ihrer Arbeitsweise131 einhergehen. Diese Entwicklung kann auf die unabhängige Berufsausübung der Standesangehörigen nicht ohne Wirkung bleiben. Im Folgenden soll die durch das System des vertragsärztlichen Vergütungsrechts hervorgerufene Problematik im Hinblick auf Freiberuflichkeit eingehender untersucht werden. (e) Freiberuflichkeit im vertragsärztlichen Leistungs- und Vergütungssystem Das Entgeltsystem der vertragsärztlichen Leistungen hat nicht nur die Aufgabe der Finanzierung, sondern dient auch als Steuerungssystem132. Das Bundesverfassungsgericht hat vor allem zeitlich befristete Preissenkungen und Höchstpreisbildungen als geeignete und zur Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV erforderliche Maßnahmen verfassungsrechtlich legitimiert133. Die Festlegung der Preise für einzelne vertragsärztliche Leistungen führt zu zentralen Verteilungsentscheidungen. Sie legt nicht nur den Umfang der für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung stehenden Ressourcen, und damit den Kostenaufwand für die Beitragszahler fest; vielmehr wird zugleich über die Einkommenschancen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte mit entschieden134. Im Hinblick auf die Freiheit der Berufsausübung werfen die Preisregeln des SGB V eine Fülle von Fragen auf, wobei im Folgenden vor allem auf die Budgetierung von LeistunKrauskopf, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 25, Rz. 14. Geigant, Ökonomie des Gesundheitswesens, S. 305, 312. 131 Michalski, Der Begriff des Freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 135. 132 Vgl. Endbericht der Enquete-Kommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung“, BT-Drucksache 11 / 6380, S. 77 ff. 133 Hess, VSSR 1994, S. 395, 401. 134 Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung, S. 242. 129 130

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gen, die Angemessenheit der Vergütung und die Umverteilungsmaßstäbe eingegangen werden soll. (aa) Budgets im System der GKV Betrachtet man das sich ständig verändernde Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, das direkte Auswirkungen auf den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt hat, so fällt zunächst auf, das mittlerweile fast alle Aufgabenbereiche durch gesetzlich oder untergesetzlich festgelegte Obergrenzen gedeckelt sind135. Das aus vielen Einzelregelungen erwachsende Budgetprinzip wurde spätestens mit dem Inkrafttreten der Gesundheitsreform 2000 zu einem wesentlichen Gestaltungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung. Zielsetzung und Umsetzung sollen daher im Folgenden rechtlich bewertet werden136. (α) Besonderheiten des Budgetbegriffs im SGB V Der Begriff des Budgets oder der mengensteuernden Budgetierung wird vom Gesetzgeber an verschiedenen Stellen erläutert. Allerdings weicht er in seiner Bedeutung vom Budgetbegriff des allgemeinen Sprachgebrauchs und der staatswissenschaftlichen Terminologie ab. Während man dort unter einem Budget einen Haushaltsplan bzw. einen Voranschlag von Einnahmen und Ausgaben versteht, also eine für die Haushaltsführung aufgestellte Übersicht der in einer Finanzperiode beabsichtigten Ausgaben sowie der zu deren Deckung vorgesehenen Einnahmen, hat der krankenversicherungsrechtliche Budgetbegriff mit dem Terminus des Haushaltrechtes nichts zu tun. Stattdessen findet sich etwa in § 142 Abs. 1 S. 1 des Gesetzesentwurfes zur Gesundheitsreform 2000 eine Definition, die das (geplante) Globalbudget als ein „von den einzelnen Krankenkassen zu bildendes Volumen als Obergrenze sämtlicher jährlicher Ausgaben“ erklärt. § 85 Abs. 2 S. 2 SGB V normiert, bezogen auf die Gesamtvergütung, ohne den Begriff des Budgets ausdrücklich zu nennen, dass diese „das Ausgabevolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen“ darstellt. Budgets im krankenversicherungsrechtlichen Sinn bedeuten also keine Kalkulation zur Ermöglichung des gewünschten Leistungs- und Ausgabenumfanges, sondern sind Mengen steuernde Instrumente, die den Umfang bestimmter Kontingente – darunter fallen die Leistungen der Ärzte ebenso wie deren Vergütung – im Sinne von Höchstgrenzen festlegen. Über die Mengensteuerung hinaus haben die Budgets eine pretiale Wirkung insofern, als die Preise von Leistungen und deren Mengen nicht von vorneherein feststehen137. 135 136

Vgl. Boecken, MedR 2000, S. 165, 170. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit vgl. unten C. I. 4. a) bb) (3) (e) (cc).

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(β) Auswirkung auf die Freiheit der Berufsausübung Die im solidarisch finanzierten Gesundheitssystem eingesetzten Budgetierungen waren von Anfang an nicht unumstritten, auch weil sie in Konflikt mit dem Gestaltungsspielraum der sozialen Selbstverwaltung geraten138. Dies gilt insbesondere für die immer wieder diskutierten Globalbudgets, also vorgegebene Ausgabevolumina mit festen Obergrenzen139. Mehr noch als durch sektorale Budgetierungen, so die Befürchtung, würde durch sie der Weg zu einer Rationierung von Gesundheitsleistungen beschritten140. Das Ergebnis der Budgetierungen seien vor allem Wartelisten; mittel- bis langfristig würde durch sie eine Zweiklassenmedizin installiert und etwa eine Diskussion über Altersgrenzen innerhalb der medizinischen Versorgung eröffnet141. Tatsächlich lässt sich nicht leugnen, dass die Festlegung von Ausgabenobergrenzen und die daraus folgende Bestimmung des Ausgabenumfangs für einzelne – oder im Falle eines Globalbudgets für alle – Leistungs- und Ausgabenbereiche eine Rationierung der medizinischen Versorgung innerhalb der GKV bedeutet142. Mit dieser Feststellung kann jedoch noch keine endgültige Wertung getroffen werden, ob es sich bei der Budgetierung im Gesundheitswesen um ein sinnvolles Steuerungsinstrument handelt oder nicht. Ebenso wenig reicht hierfür die vielfach anzutreffende Beschreibung, Budgets stellten eine Verbindung her zwischen dem Auftrag des Arztes, in einem bestimmten Zeitraum klar definierte Aufgaben und Ziele zu erfüllen, und der Verantwortung, den zur Verfügung stehenden Finanzrahmen einzuhalten143. Es ist jedoch 137 Zur Auswirkung der Budgetierung auf die vertragsärztliche Vergütung siehe unten C. II. 3. a) cc) (3) (d) (bb). 138 Bereits im GSG hatte der Gesetzgeber Budgets eingesetzt, und als Sofortmaßnahme zur Kostendämpfung eine Bindung der jährlichen Anpassung der Gesamtvergütung an die Entwicklung der Grundlöhne angeordnet (vgl. FraktE-GSG 1993, BT-Drucksache 12 / 3608, S. 69). Dadurch konnte die gemeinsame Selbstverwaltung von KVen und Krankenkassen nur noch über die Verteilung der gesetzlich festgelegten Finanzmittel entscheiden (vgl. dazu Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung, S. 251). Diese in § 85 Abs. 3a SGB V aufgenommene Regelung ist allerdings Ende 1995 wieder ausgelaufen. 139 Der Gesetzentwurf zur GKV-Gesundheitsreform 2000 sah die Einführung eines Globalbudgets mit der Festlegung und Fortschreibung sämtlicher jährlicher Ausgaben der GKV und Globalbudgets bei einzelnen Kassen vor. Dabei sollte das Globalbudget alle Leistungsund Verwaltungskosten der Krankenkassen umfassen. Allerdings scheiterte dessen Einführung am Widerstand des Bundesrates. 140 Hansen / Stillfried, DÄBl. 1997, S. A-3470; siehe zu diesem Thema auch BT-Drucksache 14 / 1977, S. 156 f. 141 Vgl. hierzu den Einwand der FDP-Fraktion, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der GKV ab dem Jahr 2000, BTDrucksache 14 / 1977, S. 159 ff.; zur verfassungsrechtlichen Problematik von Altersgrenzen bei medizinischen Allokationsentscheidungen vgl. Lang, in: Höfling (Hrsg.), TPG, § 10, Rz. 33 ff. 142 Vgl. dazu unten C. II. 1. b) bb). 143 Boecken, MedR 2000, S. 165 ff., Fn. 22.

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offensichtlich, dass die Wirkungsweise der Budgets als Rationierung der medizinischen Mittel das ärztliche Berufsbild im Vergleich zum traditionellen Selbstverständnis der Standesangehörigen nachhaltig verändert. Zwar muss berücksichtigt werden, dass das Bundesverfassungsgericht auch solche Steuerungsmaßnahmen für legitim erachtet, die auf den Preis einzelner Leistungen abzielen. Zu solchen Maßnahmen weist die Deckelung der Ausgaben für die ärztliche Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen jedoch strukturelle Unterschiede auf, die im Folgenden genauer zu erörtern sind. Auch im Bezug auf die ärztliche Honorierung zeitigt die Gestaltung durch festgelegte Budgets erhebliche Wirkungen auf die Freiheit der ärztlichen Berufsausübung. Rechnet der Arzt innerhalb eines Quartals mehr ab, als ihm sein Budget erlaubt, so bekommt er dafür kein Geld144. Eine Leistungsausweitung ist damit für den Vertragsarzt nicht rentabel, er muss im Gegenteil seine laufenden Kosten tragen, ohne für erbrachte Leistungen honoriert zu werden. Dass diese künstliche Honorarbeschränkung im Hinblick auf den freiberuflichen Charakter des Arztberufes Bedenken hervorrufen muss, liegt auf der Hand. Die erbrachten medizinischen Leistungen orientieren sich nicht mehr allein am Bedarf des Versicherten und dem Leistungswillen des Arztes. Vielmehr wird die Grundlohnsummenentwicklung zum Maßstab für die Steigerung des Budgets erhoben und damit zur Referenzkategorie der Bestimmung des medizinischen Versorgungsbedarfs kranker Menschen. Im Zusammenhang mit der Steuerungswirkung der Budgets soll jedoch zunächst untersucht werden, ob die Kontingentierung ärztlicher Honorare dem Gebot der angemessenen Vergütung vertragsärztlicher Leistungen hinreichende Rechnung trägt. (bb) Angemessenheit der Vergütung Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften so zu regeln, dass die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standards der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden (§ 71 Abs. 2 S. 1 SGB V). Diesen Auftrag gibt das Gesetz den Partnern der sozialen Selbstverwaltung und ihren Regelungsinstrumentarien. Der Gesamtvertrag entscheidet über die Höhe der Gesamtvergütung (§ 83 SGB V), der Bundesmantelvertrag über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (§ 87 Abs. 1 SGB V), die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen legen schließlich den Honorarverteilungsmaßstab fest (§ 85 Abs. 4 SGB V). Auch wenn keiner der am Gesundheitssystem Beteiligten das Gebot der angemessenen Vergütung in Frage stellt, so bezieht sich der interessen- und ordnungs144 So der Endbericht der Enquetekommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung“, BT-Drucksache 11 / 6380, S. 327 ff.

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politische sowie der sozialversicherungsrechtliche Konsens doch nur auf die Angemessenheit als Prinzip145. Der ausschlaggebende Terminus, nämlich die Angemessenheit selbst, wird im sozialrechtlichen Schrifttum jedoch zumeist nur als ein „interpretationsbedürftiger Begriff“ bezeichnet, dessen Ausgestaltung dem weiten Spielraum der Partner der ärztlichen Selbstverwaltung unterfällt146. (α) Objektives Gebot statt subjektivem Anspruch Nach Ansicht des Bundessozialgerichts147 muss die Vergütung so gestaltet sein, dass sie den Vertragsärzten noch einen Anreiz bietet, sich für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu interessieren. Dabei betrachtet das Gericht das Gebot der angemessenen Vergütung als „zwingendes“148 , fasst es jedoch als ein rein objektiv-rechtliches Erfordernis auf, das sich allein an die Vertragsparteien der Bundesmantel- und Gesamtverträge richtet, namentlich also nur die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen verpflichtet149. Ein subjektives Recht für den einzelnen Arzt auf eine angemessene Vergütung einzelner Leistungen könne hingegen nicht daraus abgeleitet werden150. Lediglich in Einzelfällen, beim Hinzutreten besonderer, das Gebot der angemessenen Vergütung qualifizierender und individualisierender Umstände151 sollen auch subjektive Rechtspositionen möglich sein – etwa, wenn eine zu niedrige Vergütung die Existenz der Vertragsärzte gefährden würde. Ob das Subjektivierungskriterium der „qualifizierenden und individualisierenden Umstände“, mit dem diese Rechtsprechung offensichtlich das baurechtliche Rücksichtnahmegebot nachbildet, im Vertragsarztrecht sachgerecht ist, erscheint jedoch fraglich. Zum einen spricht gegen das Verständnis des Gebots der angemessenen Vergütung als rein objektiv-rechtliche Norm mit nur sehr beschränktem subjektiv-rechtlichen Charakter die unbestreitbare Tatsache, dass § 72 Abs. 2 SGB V eine durchaus deutliche individuelle Schutzrichtung aufweist, auch wenn die Norm sicherlich nicht als Anspruchsgrundlage ausgestaltet ist und auch nicht als solche ausgelegt werden kann152. Zudem findet das Vertragsarztrecht eine ganz andere Problematik vor als der Nachbarschutz im Baurecht. Hier geht es nicht darum, aus der Vielzahl potenziell von einem individuellen Vorhaben Betroffener einen engeren Kreis von Personen herauszuschälen, die die145 146 147 148 149 150 151 152

Isensee, VSSR 1995, S. 321, 322. Vgl. Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung, S. 253. Nachweise bei Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte, S. 44, Fn. 176. Vgl. etwa BSGE 75, 187, 189; 68, 291; 20, 73, 77. BSGE 75, 187, 189; bestätigt durch BSGE 77, 279, 288; SozR 3 – 5533 Nr. 763 Nr. 1. BSGE 75, 187, 190 f.; 68, 291, 296. Siehe etwa BSGE 75, 187, 191; 77, 279, 288; SozR 3 – 5333 Nr. 763 Nr. 1. So auch Spoerr, MedR 1997, S. 342, 343 f.

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ses Vorhaben gerichtlich überprüfen lassen153. Bereits der Kreis der potenziell Betroffenen kann im Vertragsarztrecht schon rein tatsächlich nie mit der Allgemeinheit identisch sein: Von vertragsärztlichen Vergütungsregelungen können eben nur Vertragsärzte, und damit eine von der Allgemeinheit klar abgrenzbare – wenn auch recht große – Gruppe betroffen sein. Auch geht es bei der vertragsärztlichen Vergütung nicht um konkrete Vorhaben, gegen die die Betroffenen sich wenden, sondern um generelle Regelungen, deren Hauptzweck – nicht Begleiterscheinung – die Einwirkung auf die Ärzte ist. Auch die Interessenlage unterscheidet sich erheblich von der, die im Baurecht zur Entwicklung des Rücksichtnahmegebots geführt hat. Dem Bundesverwaltungsgericht ging es, als es die vergleichsweise engen Voraussetzungen zur nachbarschützenden Wirkung entwickelte, vor allem um den Schutz des Bauherren als Einzelperson. Er sollte vor Störungen durch Dritte bewahrt werden, die keine klar ersichtliche, schützenswerte Rechtsposition im Hinblick auf das konkrete Vorhaben besitzen154. Eine Norm setzende Körperschaft wird sich aber gegenüber den Normunterworfenen kaum auf ein vergleichbares Interesse an Ungestörtheit berufen können, zumal ihr Handeln in diesem Fall primär auf die Einwirkung auf die Ärzteschaft gerichtet ist. Damit verhüllt die Konstruktion des Bundessozialgerichts, dass § 72 Abs. 2 SGB V eine konkrete, wenn auch ausfüllungsbedürftige Zielvorgabe enthält155. Diese beinhaltet auch eine individuelle Schutzrichtung für den einzelnen Vertragsarzt. Direkte Ansprüche auf Vergütungen in einer bestimmten Höhe lassen sich aus ihr jedoch nicht ableiten. (β) Ausgestaltung durch die Vertragsparteien Die Annahme eines objektiv-rechtlichen Gebotes angemessener Vergütung erweckt den Eindruck, als gäbe es eine eindeutige Antwort auf die Frage, wann die ärztliche Vergütung als angemessen betrachtet werden muss, bzw. ab wann sie unzureichend ist. Tatsächlich wird diese Frage jedoch im Rahmen der Vertragsvereinbarungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen geklärt. Notwendigerweise muss den Vertragsparteien bei der Gestaltung ein gewisser Beurteilungsspielraum verbleiben, wobei freilich zu den Kriterien der Angemessenheit verschiedene Ansätze156 existieren. Die Praxis geht meist von der pragmatischen Vermutung aus, dass „in der Regel die hergebrachten Vergütungsregeln angemessen sind“157. Direkt auf das Gesetz 153 154 155 156 157

Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 280. Vgl. dazu Löhr, in: Battis / Krautzberger / Löhr, BauGB, § 31, Rz. 65 ff. Vgl auch Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 281. Überblick bei Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 281 f. Isensee, VSSR 1995, S. 321, 323.

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lässt sich diese Vermutung nicht stützen. § 85 Abs. 3 SGB V nennt zwar ausdrücklich verschiedene Parameter, die bei der Veränderung der Gesamtvergütung zu beachten sind, allerdings nimmt es auch hier auf den Grundsatz der Beitragsstabilität Bezug. Obwohl zuzugeben ist, dass sich die Vorschrift allein auf die Veränderung der Gesamtvergütung bezieht und insofern an den bisherigen Entwicklungsstand anknüpft, läuft doch der über die Beitragsstabilität getätigte Verweis auf Wirtschaftlichkeitsreserven einer grundsätzlichen Angemessenheitsvermutung zuwider158. Die Annahme, dass, soweit vertragliche Vereinbarungen bestehen, diesen die Vermutung der Angemessenheit innewohne, und entsprechende Vertragsanpassungen sich an ihnen orientieren könnten, geht fehl159. Schließlich werden, anknüpfend an die Regelung des § 85 Abs. 3 S. 1 SGB V auch betriebswirtschaftliche Ansätze ins Spiel gebracht. Sie sollen die in der genannten Norm angeführten Praxiskosten hinreichend berücksichtigen. Schon die Ermittlung eben dieser Kosten führt aber zu erheblichen Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung, da die Kostenstrukturen je nach Art, Lage und Auslastung einer Praxis erheblich differieren können160. Allerdings gibt das Gesetz in § 85 Abs. 3 S. 1 SGB V zumindest einige Kriterien für die Angemessenheit der Vergütung, namentlich die Arbeitszeit sowie Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, vor. In Zusammenschau mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit ist die Regelung daher durchaus in der Lage, die Bedingungen freiberuflicher Subsistenz zu gewährleisten. Zwar muss das Gesetz, soweit und solange es die Vereinbarung über das Honorar der Privatautonomie des einzelnen Vertragsarztes entzieht und ihm verwehrt, direkt mit seinem Patienten abzurechnen, diesen Verlust ausgleichen und ein angemessenes Äquivalent für die erbrachten ärztlichen Leistungen sicherstellen161; allerdings kann das Vergütungssystem nicht auf jeden Einzelfall mit seinen atypischen Momenten abstellen, sondern muss die durchschnittliche, dem Stand der medizinischen Forschung entsprechende und wirtschaftlich betriebene Praxis vor Augen haben. Diese Tatsache mag für den einzelnen Arzt eine Härte bedeuten, begegnet angesichts dessen, dass die vertragsärztliche Vergütung keine individuelle Honorierung, sondern eine verteilte Gesamtvergütung ist, aber keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken162. In diese Richtung auch Spoerr, MedR 1997, S. 342, 345 f. So aber BSGE 20, 73, 84: „Bei einem solchen Vertragswerk öffentlich-rechtlicher Körperschaften kann vermutet werden, daß die darin vorgesehenen Vergütungen der ärztlichen Leistungen angemessen . . . sind, sofern nicht offenkundige Irrtümer, insbesondere die Verwertung sachfremder Gesichtspunkte bei der Vertragsgestaltung, diese Vermutung ausräumen.“ 160 Siehe auch Fiedler, VSSR 1995, S. 355, 360 f. 161 Dazu Isensee, VSSR 1995, S. 321, 338. 162 Stellt man sich vor diesem Hintergrund dagegen auf den Standpunkt, eine angemessene Vergütung im Sinne des § 72 Abs. 2 SGB V könne nur mit dem finanzwirtschaftlichen Prinzip der Kostendeckung bei gleichzeitiger Möglichkeit einer Gewinnerzielung erreicht werden 158 159

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(χ) Berechnungsmethoden Nach § 85 Abs. 2 SGB V stehen den Vertragspartnern bei der Berechnung des Honorars insgesamt fünf verschiedene Methoden zur Verfügung. Sie unterscheiden sich vor allem in ihren Wirkungen bezüglich der Verteilung der Honorare sowie der Risikoverteilung in Bezug auf die zu honorierende Leistungserbringung. Je nachdem, welches Vergütungssystem gewählt wird, werden das so genannte Morbiditätsrisiko, also das Risiko einer Zunahme der Zahl der Erkrankungs- bzw. Behandlungsfälle (Morbiditätsrisiko im engeren Sinne), und das Risiko einer Zunahme der erforderlichen Leistungen je Behandlungsfall (Frequenzrisiko) unterschiedlich zugewiesen. Über die Reinformen bestimmter Vergütungssysteme hinaus ermöglicht § 85 Abs. 2 S. 9 Alt. 4 SGB V außerdem, dass die Vergütung nach einem Mischsystem erfolgt. Das derzeit bundesweit vereinbarte Vergütungssystem der Vertragsärzte ist eine Kombination der Abrechnung nach Einzelleistungen mit der Abrechnung einer Fallpauschale 163. Bei der Einzelleistungsvergütung berechnet sich die Gesamtvergütung durch Vereinbarung eines Punktwertes für die im Bewertungsmaßstab für die einzelnen Leistungen festgelegten Punktzahlen (§ 85 Abs. 2 S. 2 SGB V). Dabei wird der Preis für eine vertragsärztliche Leistung vorab durch einen einheitlichen Bewertungsmaßstab definiert, der die Einzelleistungen über Punkte in eine Bewertungsrelation setzt. Die Höhe der Vergütung der einzelnen Leistungen ergibt sich dann aus der Multiplikation der Punkte einer Leistung mit dem Punktwert. Werden die Punkte aller ärztlichen Leistungen mit dem Punktwert multipliziert, ergibt sich die Summe der Gesamtvergütung164. Unter einer Fallpauschale (§ 85 Abs. 2 S. 9 Alt. 3 SGB V) versteht man einen Pauschalbetrag, mit dem alle ärztlichen Leistungen eines Behandlungsfalles abschließend honoriert werden165. Die Gesamtvergütung errechnet sich dabei durch Multiplikation der Anzahl aller Behandlungsfälle mit dem Pauschalbetrag. Die Kopfpauschale166 nach § 85 Abs. 2 S. 9 2. Alt SGB V orientiert sich am durchschnittlichen Bedarf ärztlicher Leistungen eines Versicherten in einem be(Isensee, a. a. O., S. 321, 340 ff.), stellt sich das Folgeproblem, wie z. B. in besonders kostenintensiven Praxen verfahren werden soll. Die gesetzlichen Regelungen beziehen sich eben auf eine Gesamtvergütung, nicht hingegen auf die gerechte Honorierung des einzelnen Arztes. Dessen unternehmerisches Risiko wird hierdurch erheblich verstärkt, ohne dass stets eine adäquate Kompensation zur Verfügung steht. 163 Krauskopf, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 32, Rz. 1. 164 Vgl. dazu im einzelnen Stiller, in: v. Maydell (Hrsg.), GK-SGB V, § 85 Rz. 13 ff. 165 Limpinsel, in: Jahn (Hrsg.), SGB, § 85 SGB V, Anm. 2.1.5. 166 Die Terminologie ist insoweit verwirrend, als im Zuge der Diskussionen um eine langfristige Umstrukturierung des Systems der GKV ebenfalls der Begriff der Kopfpauschale (neuerdings eher Kopf- oder Gesundheitsprämie) als Alternative zu einer so genannten Bürgerversicherung verwendet wird. Diese Kopfpauschale bezieht sich jedoch ausschließlich auf den pro Patienten zu entrichtenden Beitrag zur GKV und ist nicht mit dem in § 85 SGB V verwendeten Begriff gleichzusetzen.

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stimmten vorgegebenen Zeitraum167, auf dessen Grundlage ein Betrag pro Kopf festgesetzt wird. Multipliziert mit der durchschnittlichen Mitgliederzahl der jeweiligen Kasse ergibt sich die zu zahlende Gesamtvergütung168. (δ) Risikoverteilung Während bei der Vergütung nach Einzelleistungen kaum ein betriebsökonomischer Anreiz zur kostenminimalen Behandlung entsteht, wohl aber ein Impuls, nach neuesten medizinischen und technischen Möglichkeiten zu verfahren, ist beim Fallpauschalensystem die Anwendung aufwändiger Behandlungsmethoden für den Vertragsarzt weniger attraktiv; er wird sich dort folglich häufiger zugunsten kostenminimaler Therapien entscheiden. Entsprechend tragen bei den Fallpauschalen die Krankenkassen das Morbiditätsrisiko, und die Ärzte das Mengenrisiko das heißt den Mehr- oder Minderaufwand pro Behandlungsfall169. Bei der Einzelleistungsvergütung trifft dagegen die Krankenkassen sowohl das Morbiditäts- als auch das Mengenrisiko – vorausgesetzt, der Einzelvergütung sind feste Punktwerte zugeordnet170. Das Risiko der Kostenträger verringert sich in der Praxis allerdings schon aufgrund der Tatsache, dass die Kopfpauschale als eine der dominierenden Berechnungsmethoden angesehen werden muss171. Mit dieser Berechnungsmethode auf Grundlage des durchschnittlichen Patienten eines durchschnittlichen Arztes, die sowohl Besonderheiten in der Patientenstruktur wie auch in der Behandlungsqualität außer Acht lässt, verlagert sich das Morbiditäts- und das Frequenzrisiko auf den Vertragsarzt. Die Krankenkassen tragen allein das Risiko der Mitgliederentwicklung. Im Folgenden soll mit Blick auf diese Umverteilungsmechanismen der staatlichen Vergütungssysteme untersucht werden, inwieweit die in § 85 Abs. 2 SGB V angeordneten Berechnungsmethoden der verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten. Ausgangspunkt ist dabei die durch § 85 Abs. 2 SGB V bewirkte vollständige oder teilweise Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf den Vertragsarzt, die dazu führt, dass dieser bei ungekürztem Leistungsanspruch des Versicherten einen Teil seines Vergütungsanspruchs verliert.

Dabei handelt es sich regelmäßig um das entsprechende Quartal des Vorjahres. Stiller, in. v. Maydell (Hrsg.), GK-SGB V, § 85, Rz. 18. 169 Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung, S. 249. 170 Beim so genannten floatenden Punktwert liegt das Mengenrisiko hingegen beim behandelnden Arzt. 171 Lang, Die Vergütung der Vertragesärzte, S. 49. 167 168

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(cc) Zulässigkeit der Beschränkung Auch wenn berücksichtigt werden muss, dass Gesundheit nicht in vollem Umfang wie ein gewöhnliches Wirtschaftsgut behandelt werden und die Honorierung ärztlicher Tätigkeit somit nicht allein dem freien Spiel der Kräfte überlassen bleiben darf, geht es bei der Entlohnung des ärztlichen Handelns doch um die Erzielung eines Markteinkommens172, das grundsätzlich nach den dort geltenden Regeln zu bestimmen ist. Der Ansicht, die Honorierung ärztlicher Tätigkeit stünde gänzlich außerhalb der marktwirtschaftlichen Betrachtung173, muss insofern eine Absage erteilt werden. Auf die besondere Situation von Angebot und Nachfrage am Gesundheitsmarkt wird später noch zurückzukommen sein174. Bereits an dieser Stelle kann jedoch festgestellt werden, dass das Gesundheitswesen zwar ein eigener Wirtschaftszweig ist, seine Marktgesetze jedoch von denen anderer Branchen abweichen175. Diesem Umstand muss auch die Art und Weise der Entlohnung der Leistungserbringer Rechnung tragen, für deren Ausgestaltung dem Gesetzgeber auch angesichts der wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes ein weiter Spielraum zur Verfügung steht. Dennoch müssen staatliche Steuerungsmechanismen, auch wenn mit der Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV ein Gemeingut von höchstem Rang in Rede steht, stets beachten, dass jedes an einem wie auch immer gearteten Markt erzielte Einkommen unter dem Schutz der Grundrechte steht. Zwar kann der Staatszielbestimmung des in Art. 20 Abs. 1, 23 und 28 Abs. 1 GG verankerten Sozialstaatsprinzips176 die Befugnis des Gesetzgebers entnommen werden, zur Verwirklichung des sozialen Staatszieles auch die Honorierung der freien Ärzteschaft zu steuern177. Der dem Sozialstaatsprinzip innewohnende Gestaltungsauftrag178 lässt Raum für eine weite Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers179. Diese weit gehende inhaltliche Freiheit soll adäquate Reaktionen auf die sich ständig verändernden Lebensbedingungen und daraus resultierende sozialpolitische Fragen ermöglichen180. Trotzdem müssen Steuerungsmaßnahmen Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte, S. 53. So aber Deneke, Die Freien Berufe, S. 224. 174 Siehe unten: C. II. 1. c). 175 Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass der Gesundheitsmarkt, betrachtet man ihn losgelöst von den sozialen Sicherungssystemen, der letzte verbleibende, große Wachstumsmarkt in einer ansonsten schwachen Wirtschaft ist, vgl. Oberender / Hebborn, Wachstumsmarkt Gesundheit, S. 1 ff. 176 Obwohl durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG geschützt, wird das Sozialstaatsprinzip im Grundgesetz – abgesehen von Kompetenzbestimmungen – nicht weiter konkretisiert. 177 Ausführliche Begründung bei Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte, S. 57. 178 BVerfGE 50, 57, 108. 179 BVerfGE 1, 97, 105; 8, 274, 329; 65, 182, 193; 75, 348, 359 f. 172 173

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im Hinblick auf die ärztliche Honorierung vor den Freiheits- und Gleichheitsgrundrechten der betroffenen Ärzte Bestand haben. (α) Budgets als zulässige Gestaltungsform Dem Grunde nach stehen einer Gestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung durch Budgetregelungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Das Sozialversicherungssystem und damit die GKV genießt also solche wie auch in Bezug auf ihre wesentlichen Organisationsprinzipien keinen verfassungsrechtlichen Schutz181. Bei ihrer Ausgestaltung ist der Gesetzgeber folglich bis zur Grenze der Verletzung von Grundrechten der Versicherten oder der Leistungserbringer frei. Im Übrigen hat er nur dem Sozialstaatsprinzip Genüge zu leisten. Im konkreten Fall bedeutet das die Pflicht, irgendein ein System zum Schutz vor dem Daseinsrisiko Krankheit zur Verfügung zu stellen182. Die Bildung von Honorartöpfen bewirkt zusammen mit der den Kassenärztlichen Vereinigungen durch § 85 Abs. 4 S. 1 SGB V aufgegebenen Verteilung der Gesamtvergütung, dass durch die Aufteilung in leistungsbezogene Teilbudgets die betroffenen vertragsärztlichen Leistungen nicht mehr nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab verteilt werden. Vielmehr kommt es abhängig von der Menge der erbrachten Leistungen des jeweiligen medizinischen Teilbereichs zu veränderlichen Punktwertzuweisungen und damit zu unterschiedlichen, im Vorfeld nicht kalkulierbaren Vergütungen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der Arzt durch das Ansammeln von Punkten sein Einkommen erhöhen kann. Erbringt er also innerhalb eines Quartals mehr Leistungen, als ihm sein Budget erlaubt, so bekommt er dafür kein Geld183. Eine Leistungsausweitung wird unrentabel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine Durchbrechung der durch § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V vorgegebenen leistungsproportionalen Honorarverteilung grundsätzlich nicht zu beanstanden184. Von der Pflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen zur prinzipiell gleichmäßigen Vergütung der ärztlichen Leistungen könne aus sachlich gerechtfertigten Gründen, und damit auch im Rahmen der Umsetzung einer gesetzlich vorgegebenen Budgetierung, abgewichen werden185. Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 20, Rz. 46. Siehe nur BVerfGE 39, 302 ff., 314 ff. 182 Vgl. Boecken, MedR 2000, S. 165, 167. 183 So der Endbericht der Enquetekommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung“, BT- Drucksache 11 / 6380, S. 327 ff. 184 Siehe nur BSGE 73, 131 ff.; 77, 279 ff.; 77, 288 ff.; BSG SozR 3 – 2500; BSG ArztR 1999, 189 ff. 185 Vgl. BSGE 77, 279 ff., 283, wonach die Bildung von Teilbudgets an den Vorgaben der limitierten Gesamtvergütung orientiert sein muss und lediglich nicht willkürlich sein darf. 180 181

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Obwohl fraglich ist, ob § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V hierfür tatsächlich eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt186, bestimmt sich die vergütungsrechtliche Situation der Vertragsärzte maßgeblich auch nach dieser Rechtssprechung. Auch deshalb soll an dieser Stelle nur auf die materiellrechtlichen Aspekte eingegangen werden. Dabei ist zu beachten, dass das System des § 85 SGB V die Möglichkeit, Vergütungsregelungen innerhalb der gesetzlichen Vorgaben auszuhandeln, mit den hierauf bezogenen Entscheidungen der sozialen Selbstverwaltung verknüpft. Die Entscheidung, welches der vom Gesetz vorgesehenen Honorarmodelle zur Anwendung kommt, wird also von den Trägern der sozialen Selbstverwaltung, namentlich von den KVen getroffen. Hieraus ergibt sich, zusätzlich zu der Frage der Gestaltungsmöglichkeiten im Sozialversicherungsrecht, die Frage nach der Grundrechtsrelevanz dieser Regelungen. (β) Grundrechtsrelevanz der Vergütungsregelungen Sämtliche KVen sind nach § 77 Abs. 5 SGB V als Körperschaften des öffentlichen Rechts ausgestaltet und damit Träger der mittelbaren Staatsverwaltung. Folglich sind auch sie in ihrer Eigenschaft als Partei des Gesamtvertrages grundrechtsgebunden187. Bei der Festlegung der Honorarverteilung haben sie vor allem Art. 12 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten, zumal Regelungen zur Vergütung einen Eingriff in die Berufsfreiheit bedeuten188. Ohne Belang ist dabei, dass es sich bei § 85 Abs. 2 SGB V um eine Regelung handelt, die der vertraglichen Umsetzung durch die Vertragsparteien bedarf189. Entscheidend ist vielmehr, dass die gesetzlichen Regelungen den Eingriff in die Grundrechte der Ärzte ermöglichen. Dies gilt umso mehr, als durch § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V den Vertragsparteien die Dispositionsbefugnis über den Vertragsinhalt entzogen werden kann. Zwar bedeutet § 85 Abs. 2 SGB V wegen des Zusammenspiels von gesetzlicher Regelung und vertraglicher Vereinbarung nur einen mittelbaren Grundrechtseingriff, doch herrscht mittlerweile Einigkeit darüber, dass auch solche Eingriffe dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG unterfallen190. Entsprechend haben Bundessozialgericht und Bundesverfassungsgericht einmütig festgestellt, dass die gesetzlichen Vergütungsregeln in den Schutzbereich der Berufsfreiheit hineinwirken, und deshalb am Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sind191. Dabei geht das Bundesverfassungsgericht in ständiger RechtspreKritisch Boecken, MedR 2000, S. 165, 170. Das gleiche gilt nach § 4 Abs. 1 SGB V für die Krankenkassen. Art. 1 Abs. 3 GG differenziert gerade nicht zwischen mittelbaren und unmittelbaren Teilen der Staatsgewalt. Vgl. dazu Höfling, JA 1995, S. 431, 432. 188 Siehe nur BSGE 73, 131 ff., 135 ff.; 77, 279 ff., 283; BSG ArztR 1999, 189 ff., 192. 189 Jörg, Das neue Kassenarztrecht, S. 89. 190 BVerfGE 30, 227, 243; 52, 42, 54; 76, 1, 42; Kirchhof, Verwalten durch mittelbares Einwirken, S. 189 ff.; Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 33 ff. 186 187

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chung von einem einheitlichen Grundrecht der Berufsfreiheit aus192. Für die Rechtfertigung des Eingriffes kommt es somit maßgeblich darauf an, ob sich dieser auf die Berufsausübungs- oder die Berufswahlfreiheit bezieht193. Durch die in § 85 SGB V geregelten unterschiedlichen Vergütungsformen werden ausschließlich die Modalitäten der ärztlichen Berufsausübung tangiert. Zwar können nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auch solche Regelungen in die Berufswahl beschränkende Vorschriften umschlagen, wenn sie dazu führen, dass die sinnvolle Ausübung des Berufes faktisch unmöglich wird194, und sie infolge dessen aufgrund ihrer erdrosselnden Wirkung auf das Recht der freien Berufswahl zurückwirken195. Eine solche Verletzung des Rechts auf freie Berufswahl kommt aber nur dann in Betracht, wenn die betroffenen Berufsangehörigen „in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen nicht mehr in der Lage sind, den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer unternehmerischen Erwerbstätigkeit zu machen“196. Diese Fallkonstellation kann angesichts der Rahmenbedingungen für die meisten Vertragsärzte in Deutschland (noch) nicht angenommen werden197. Die Eingriffe nach § 85 Abs. 2 SGB V, insbesondere die teilweise oder vollständige Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Vertragsärzte, wären folglich gerechtfertigt, wenn vernünftige Gründe des Allgemeinwohls für sie sprechen und Rechte der Grundrechtsträger nicht in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt sind. (χ) Risikoverlagerung als Sonderopfer Das mit § 85 Abs. 2 SGB V verfolgte gesetzgeberische Ziel, durch Kosten dämpfende Maßnahmen die finanzielle Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten, stellt einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck dar. Entscheidend ist, ob dieser Zweck durch Maßnahmen verfolgt wird, die zu seiner Erreichung geeignet, erforderlich und für die betroffenen Vertragsärzte insgesamt zumutbar sind. Die Geeignetheit einer Maßnahme ist zu bejahen, wenn sie abstrakt die Erreichung des gesetzlichen Zieles zu fördern imstande ist198. Ein Optimierungsgebot, 191 BVerfGE 33, 171, 182 ff.; 70, 1, 28; BSG SozR 3 – 2500, § 85 SGB V Nr. 4 S. 23; BSGE, 22, 218, 219; 46, 246, 256; 88, 145, 159; 70, 1, 28. 192 Siehe bereits BVerfGE 7, 377, 401; aus neuerer Zeit vgl. etwa BVerfGE 92, 140, 151. 193 Dazu ausführlich BVerfGE 7, 377. 194 Vgl. BVerfGE 11, 30, 41 ff. ; 30, 286, 313. 195 BVerfGE 36, 47, 58. 196 BVerfGE 13, 181, 187; 16, 147, 165; 30, 286, 314; 38, 61, 85. 197 Aktuelles Zahlenmaterial zur vertragsärztlichen Vergütung nachzulesen unter: http: // www.medizinrecht-info.de/index.htm?arztrecht/angemessene_verguetung.htm (Stand: Oktober 2005).

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weil andere Maßnahmen effektiver oder politisch erwünschter erscheinen, besteht nicht199. Selbst in Anbetracht dieser geringen Anforderungen beurteilt das Schrifttum die Regelung des § 85 Abs. 2 SGB V jedoch nicht einheitlich. So findet sich einerseits die Meinung, dadurch, dass die Gesamtvergütung unmittelbar auf die Ausgaben der GKV einwirke, könne durch sie auch eine Kostendämpfung erzielt werden200; andere bezweifeln dies unter Verweis auf die Honorarverhandlungen aus dem Jahr 1979, bei denen es gelungen sei, das Morbiditätsrisiko aus der Begrenzung der Gesamtvergütung auszuschließen, ohne dass es in der Folgezeit zu einer Erhöhung der Zahl der abgerechneten Fälle gekommen wäre201. In der Tat ist es nicht ganz nachvollziehbar, angesichts der vielfältigen Faktoren202, die die Kostenentwicklung in der GKV beeinflussen, gerade die ökonomischen Auswirkungen des Vergütungssystems in immer stärkerem Maße als Kostendämpfer heranzuziehen. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass die Regelung des § 85 Abs. 2 SGB V zumindest nach den oben aufgestellten Kriterien ein grundsätzlich geeignetes Instrument darstellt, um die gewünschte Kostendämpfung tatsächlich zu bewirken. Wenngleich zu befürchten steht, dass die Einsparungen bei der Vergütung der Ärzte auf eine Beschränkung des Leistungsspektrums hinauslaufen, so ist es doch nicht Aufgabe der verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung, die Sinnhaftigkeit von Reformen des Gesundheitswesens zu beurteilen. An dieser Stelle ist allein die Erforderlichkeit zu klären, also die Frage, ob es nicht ein milderes Mittel als die in § 85 Abs. 2 SGB V statuierten Vergütungsregelungen gäbe, um die erforderliche Kostendämpfung herbeizuführen. Dessen Bestimmung wirft angesichts der Vielfalt der Beteiligten im System der GKV erhebliche Probleme auf. Obschon die gesetzliche Krankenversicherung auf der einen Seite eine Versicherung darstellt, deren Finanzierung in erster Linie durch die beitragspflichtigen Mitglieder erfolgt203, wird dieses Versicherungsprinzip204 doch, ganz oder in Teilen, durch das Solidarprinzip überlagert. Hinzu kommt, dass durch den Grundsatz der Beitragsstabilität nach § 71 SGB V ein das gesamte Recht der GKV durchdringendes Prinzip ins Leben gerufen wurde, das auch bei der Vereinbarung der ärztlichen Gesamtvergütung zu beachten ist205. Vgl. statt vieler BVerfGE 30, 292, 316 f.; 80, 124 f. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rz. 59. 200 So etwa Stockhausen, Ärztliche Berufsfreiheit und Kostendämpfung, S. 96. 201 Brenner, DÄBl. 1981, S. 1603, zitiert nach Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Fn. 482 m. w. N. 202 Zu den ökonomischen Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens und deren Auswirkungen auf die ärztliche Berufsfreiheit siehe unten C. II. 203 Heinemann / Liebold, Kassenarztrecht, § 85 Rz. C 85 – 18. 204 Seinen normativen Niederschlag findet das Versicherungsprinzip in § 21 SGB IV, wonach die Krankenkassen ihre Beiträge so zu erheben haben, dass sie die Ausgaben decken. 205 Vgl. Kötter, in: LPK-SGB V, § 71, Rz. 3. 198 199

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Aus dieser Verflechtung ergeben sich mehrere Problempunkte: Da, wie gesehen, die Bereithaltung eines Systems zur Absicherung gegen das Daseinsrisiko Krankheit eine öffentliche, aus dem Sozialstaatsprinzip erwachsende Aufgabe darstellt, zu der die Bürger, und zwar sowohl die beitragspflichtigen Mitglieder als auch die beteiligten Leistungserbringer, ihren Beitrag zu leisten haben, stellt sich die Frage nach einer gerechten Lastenverteilung. Nach dem Grundsatz der Lastengleichheit haben alle Bürger, entsprechend ihrer individuellen Leistungsfähigkeit, ihren Beitrag zu den öffentlichen Ausgaben beizutragen206. Dieses – als Kehrseite des fundamentalen Grundsatzes der Gleichheit aller Bürger als Steuerzahler207 zu verstehende – Prinzip findet seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 3 Abs. 1 GG. Ein Verstoß dagegen kann sich entweder durch eine außersteuerliche Sonderlast in Form von unmittelbaren Geldleistungspflichten ergeben, oder aus einer entschädigungslosen Inanspruchnahme der Dienste eines Betroffenen erwachsen. Im Falle der Überbürdung des Morbiditätsrisikos auf die Vertragsärzte handelt es sich um letztere Fallkonstellation. Die Regelung des § 85 Abs. 2 SGB V bewirkt, dass Ärzte für einen Teil der von ihnen tatsächlich erbrachten Leistungen keine Vergütung erhalten. Dieser Umstand verlangt damit offensichtlich ein Sonderopfer von den Vertragsärzten und kollidiert bereits dem Grunde nach mit dem Prinzip der Lastengleichheit. Fraglich ist, ob die besondere Belastung der Vertragsärzte sich rechtfertigen lässt. Die Knappheit der Mittel allein kann nicht genügen, um die überproportionale Inanspruchnahme der Leistungserbringer zur Stabilisierung des solidarischen Versicherungssystems zu rechtfertigen. Schon der bereits angesprochene Grundsatz der Lastengleichheit, nach dem jeder Bürger entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zur Finanzierung von Allgemeinaufgaben herangezogen wird, widerspricht diesem Ansatz, zumal bereits durch das Ansetzen unterschiedlicher Steuersätze im allgemeinen Steueraufkommen die ungleiche Leistungsfähigkeit der Bürger berücksichtigt wird208. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass die Budgetregelung automatisch verfassungswidrig ist. Dies ist vielmehr davon abhängig, ob eine besondere Legitimation besteht und das Sonderopfer zu rechtfertigen ist. Der Grundsatz, dass Lasten, die durch die Erledigung öffentlicher Aufgaben entstehen, die Allgemeinheit treffen und daher nur mit öffentlichen Mitteln durchgeführt werden dürfen209, gilt grundsätzlich auch im System der gesetzlichen Krankenversicherung210. Deshalb ist die verfassungsrechtliche Kontrolle in solFriauf, in: Festschrift für Jahrreiß , S. 45. Zur unterschiedlichen Behandlung von Gewinnen und Verlusten im Steuerrecht vgl. Heintzen, in: Verluste im Steuerrecht, S. 163 ff. 208 Vgl. Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten, S. 111. 209 Friauf, in: Festschrift für Jahrreiß, S. 45, 48; BVerfGE 55, 274, 303. 206 207

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chen Fällen auch nicht auf die generelle Willkürkontrolle im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt. Vielmehr gilt es dezidiert zu begründen, warum die in Rede stehende Belastung nicht von der Allgemeinheit, sondern gerade von der in Anspruch genommenen Gruppe, vorliegend also von den Vertragsärzten, getragen werden soll. Dieses Prinzip, das für fremdnützige Sonderabgaben gilt, muss auch für die Inanspruchnahme von fremdnützigen Dienst- und Sachleistungen Privater gelten, es sei denn, dass ein Ausgleich für dieses Sonderopfer gewährt wird211. Folglich ist zunächst die Frage zu klären, ob eine spezielle Verantwortung der Vertragsärzte besteht, die es rechtfertigt, gerade sie für die Sonderlast in Anspruch zu nehmen212. Ein solcher Ansatz findet sich auch in verschiedenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Indienstnahme privater Personen für öffentliche Aufgaben. Danach ist eine solche zwar nicht schlechthin verfassungswidrig, muss sich jedoch an den Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen213. Nach dieser Rechtssprechung kann eine belastend wirkende Berufsausübungsregelung, die bei einer bestimmten Gruppe ansetzt, nur dann der verfassungsmäßigen Prüfung standhalten, wenn sie an einer bestimmten Gruppenverantwortung anknüpft. Zusätzlich müsste die Regelung – quasi als Entschädigung – greifbare Vorteile für die in Anspruch genommene Gruppe bereithalten. Die schlichte Berufung auf Gemeinwohlinteressen hingegen ist in einem solchen Fall nicht mehr ausreichend214. Im konkreten Fall bedeutet das: Obwohl in der Umsetzung der von Seiten des Gesetzgebers vorgesehenen Budgetierung wegen des mit ihr verfolgten Zwecks der finanzieller Stabilisierung der GKV ein anerkannter, sinnvoller und hochrangiger Gemeinwohlgrund liegt, ist dieser allein noch nicht ausreichend, um das mit § 85 Abs. 2 SGB V verbundene Sonderopfer der Vertragsärzte zu rechtfertigen215. (δ) Rechtfertigung des Sonderopfers Unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten kann dem Budgetprinzip in Kombination mit der Honorarausschüttung im Wege einer Gesamtvergütung für alle Vertragsärzte nicht entgegengehalten werden, dass die mit ihr einhergehende versteckte Rationierung von Ausgaben und Leistungen notwendigerweise zu einer Vernichtung von Arbeitsplätzen und selbständigen Existenzen führt216. Das Recht Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten, S. 109. Isensee, VSSR 1995, S. 321, 340; vgl. Friauf, JA 1984, S. 537, 544. 212 Friauf, in: Festschrift für Jahrreiß, S. 45, 50. 213 BVerfGE 33, 240, 244; weitere Nachweise bei Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten, Fn. 523. 214 Vgl. BVerfGE 85, 226, 237. 215 Weiterführend Boecken, MedR 2000, S. 165 ff. 210 211

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der gesetzlichen Krankenversicherung hat nach § 1 S. 1 SGB V vor allem die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Zur Verwirklichung dieser letztlich auf das Sozialstaatsprinzip zurückgehenden Anforderungen, muss ein möglichst effektiver Mitteleinsatz erreicht werden. Allerdings kommt es, anknüpfend an die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zur Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben217, für die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 85 Abs. 2 SGB V darauf an, ob der vollständigen oder teilweisen Übertragung des Morbiditätsrisikos auf die Vertragsärzte ein Vorteil durch das System gegenübersteht, bzw. ob diese Übertragung mit einer Verantwortlichkeit der Ärzte für die Finanzentwicklung im System der gesetzlichen Krankenversicherung korreliert. Der Antagonismus, der innerhalb der GKV zwischen Versicherungs- und Solidarprinzip besteht, muss dabei ebenso berücksichtigt werden wie die Tatsache, dass entgegen der Regelung des § 21 SGB IV, der an und für sich das Prinzip der Einzelleistungsvergütung nahe legt218, im Recht der GKV nunmehr eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik vorherrscht. Diese Entwicklung findet ihre normative Verankerung in § 71 SGB V, nach dem Beitragssatzerhöhungen vermieden werden müssen, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist unter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragserhöhungen nicht mehr zu gewährleisten. Dennoch kann aus dieser Regelung allein noch keine Rechtfertigung für das Sonderopfer der Ärzte erschlossen werden. Dem Grundsatz der Beitragsstabilität lässt sich zwar entnehmen, dass die Beiträge nicht erhöht werden dürfen, wenn dadurch höhere Arzthonorare ermöglicht werden sollen219. Das zu behandelnde Problem weist aber genau in die andere Richtung. Es betrifft die Frage, ob es legitim ist, die Vergütung bei steigender Zahl und Menge von Leistungen verhältnismäßig absinken zu lassen. Angesichts der Tatsache, dass das System der GKV maßgeblich von Umverteilungsgedanken im Rahmen der solidarischen Versorgung getragen ist, erscheint es denkbar, den Standpunkt einzunehmen, die Umverteilungsaspekte rechtfertigten auch eine Übertragung des Morbiditätsrisikos auf die Leistungserbringer. Allerdings ermöglicht das System strukturell nur solche solidarischen Umverteilungen, die zwischen Beitragszahlern untereinander oder im Rahmen der paritätischen Finanzierung zwischen Beitragszahler und Arbeitgeber zustande kommen220. 216 Bezogen auf die Gesundheitsreform 2000 wird ein Wegfall von etwa 100 000 Arbeitsplätzen für wahrscheinlich gehalten, siehe Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Referentenentwurf der Gesundheitsreform; zusammenfassende Beurteilung S. 1, nachzulesen unter http: //www.dgn-internet.de/doc/public/Anbieter/KABV/index.html; Stand: Dezember 2002. 217 Vgl. etwa BVerfGE 33, 240, 244; weitere Nachweise bei Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten, Fn. 523. 218 Lang, a. a. O., S. 108. 219 Stiller, in: v. Maydell, GK-SGB V, § 85, Rz. 37.

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Damit stellt sich die rechtliche Frage, ob den Vertragsärzten eine spezifische Verantwortung für die Ausgabensteigerung im System der GKV zuzuschreiben ist. Die Antwort scheint zunächst auf der Hand zu liegen: Nach wie vor ist es der Arzt, der die Behandlung am mehr oder minder kranken Patienten durchführt und damit die Kosten der medizinischen Versorgung mit veranlasst. Wie später noch auszuführen ist, wird Dispositionsfreiheit der Ärzte mittlerweile jedoch in hohem Maße von Leitlinien und verbindlichen wirtschaftlichen Vorgaben überlagert. Die – noch unter einem System der Einzelleistungsvergütung ausgelösten – Anreize zur Leistungsausweitung sind rückläufig. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Vertragsärzte als Leistungserbringer und Veranlasser jeder Behandlung die professionelle Versorgungsstruktur und die durch sie anfallenden Kosten weit gehend bestimmen können221, ließe die alleinige Verantwortlichkeit für die Ausgabenentwicklung sich dennoch nicht in der Ärzteschaft ansiedeln. Zwar wirkt der in § 181 BGB verankerte Rechtsgedanke des „nemo iudex in causa sua“ auch im Vertragsarztrecht und hat insbesondere bei der Ausgestaltung finanzieller Statusregelungen große Bedeutung222. In der hier interessierenden Konstellation ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vertragsärzte, trotz der ihnen eingeräumten und durch die Kassenärztlichen Vereinigungen wahrgenommenen Gestaltungsrechte, nicht autonom über ihre Vergütung entscheiden können. Sie sind vielmehr an gesetzliche Vorgaben gebunden und müssen zudem im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Höhe der Vergütung mit der Gegenseite der sozialen Selbstverwaltung aushandeln223. Mit dem Oben gesagten wäre folglich die Übertragung des Morbiditätsrisikos durch die Regelung des § 85 Abs. 2 SGB V auf die Vertragsärzte verfassungswidrig, wenn nicht die ihr innewohnende Belastung durch Vorteile, die den Leistungserbringern aus dem System der GKV erwachsen, kompensiert würden224. Die Heranziehung des Kompensationsgedankens im Hinblick auf die Berufsfreiheit der Ärzte ist jedoch nicht unproblematisch. Anders als im Rahmen des Art. 14 GG ist es in Rechtsprechung und Literatur bisher noch nicht geklärt, ob auch für besonders schwere Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG unter besonderen Voraussetzungen Entschädigungsansprüche anzuerkennen sind225. Weiterführend dazu: Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, S. 209. Angesichts der großen Bedeutung, die der Demographie und der Morbiditätsentwicklung in Deutschland zukommen, ist dies nur in sehr begrenztem Umfang möglich. 222 Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten, Fn. 580. 223 In tatsächlicher Hinsicht ist außerdem zu betonen, dass die Relevanz der Vergütungsgestaltung für die Ausgabenentwicklung nicht isoliert von den übrigen Kostenfaktoren im Rahmen der GKV analysiert werden darf. 224 Die dogmatische Herleitung eines solchen Kompensationsgedankens ist in Rechtsprechung und Literatur noch nicht endgültig geklärt; im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann ihre Herleitung jedoch nur grob skizziert werden. 225 Für Art. 14 GG dazu konstitutiv die Pflichtexemplarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 58, 137 ff. 220 221

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Die Probleme, die sich ergeben, wenn eine vergleichbare Entschädigungsberechtigung anerkannt werden soll, beruhen zunächst auf der Tatsache, dass die Berufsfreiheit anders als Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG keine eigenständige Entschädigungsregelung beinhaltet. Aus eben diesem Grund lehnt die fachgerichtliche Rechtsprechung eine Gewähr von Ausgleichsansprüchen aus der Grundrechtsgarantie des Art. 12 Abs. 1 GG noch immer ausdrücklich ab226. Entgegen dieser Rechtsprechung erscheint es jedoch durchaus denkbar, dass es Fälle geben kann, in denen einem Grundrechtsträger Berufsausübungsregelungen auferlegt werden, die ihn finanziell oder in seinen beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten so stark beeinträchtigen, dass sie nur bei gleichzeitiger Gewährung eines angemessenen Entschädigungsanspruchs als hinnehmbar erscheinen. Schließlich schützt und gewährt Art. 12 GG den Grundrechtsträgern ebenso wie die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Rechtsstellungen, die typischerweise vermögenswert sind227. Deren übermäßige, entschädigungsfreie Beeinträchtigung kann im schlimmsten Fall – ebenso wie ein Eingriff in Art. 14 GG – die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Betroffenen vernichten. In Anbetracht dessen erscheint es durchaus sinnvoll, die Grundsätze des enteignungsgleichen Eingriffes zumindest partiell auch auf das Grundrecht des Art. 12 GG zu erstrecken228. Eine solche Konstruktion hätte den Vorteil, dass sie eine Überschreitung der grundsätzlich geltenden Zumutbarkeitsgrenze im Einzelfall ermöglichen würde, wenn – wie im hier interessierenden Fall der gesetzlichen Krankenversicherung – die gesetzliche Inanspruchnahme der Betroffenen aus Gründen des Gemeinwohles grundsätzlich legitimiert ist und das Sonderopfer im Gegenzug durch einen relevanten, vermögenswerten Vorteil ausgeglichen oder gemildert würde. Die herrschende Meinung229 verweist hingegen auf die Tatsache, dass der Wortlaut des Art. 12 GG einen Entschädigungsgedanken in keiner Weise erkennen lässt. Die Kompetenzen der richterlichen Rechtsfortbildung würden überschritten, wenn man mangels eines sprachlich-normativen Anhaltspunktes eine Ausweitung des entschädigungsrechtlichen Erwerbsschutzes zuließe230. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht in einzelnen Entscheidungen bereits durchblicken lassen, dass es einer Übertragung des Saldierungsgedankens auf die Freiheitsgrundrechte nicht generell ablehnend gegenübersteht231. Vgl. etwa BGHZ 131, 181, 188; BGHZ 111, 349, 351 ff. Sass, Art. 14 und das Entschädigungserfordernis, S. 120. 228 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 203 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rz. 106, m. w. N.; ders. JZ 1991, 38, 39 (Urteilsanmerkung); Schenke / Guttenberg, DÖV 1991, 945, 953 ff.; anders Tettinger, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rz. 147a, Fn. 499, m. w. N. 229 So etwa Tettinger, in: Sachs, GG, Art. 12, Rz. 147 b; ablehnend auch Rinne / Schlick, NVwZ 1997, S. 34, 42. 230 Tettinger, a. a. O., Rz. 147 b). 231 BVerfGE 29, 221, 237. 226 227

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Wenn auch noch unklar ist, ob man angesichts des nicht von der Hand zu weisenden Arguments, dass der Wortlaut des Art. 12 GG eine Kompensationsregelung in der Tat nicht einmal streift, einen Ausgleichsanspruch eher über den allgemeinen Anspruch der Lastengleichheit herleiten sollte232, oder er über das Gleichheitserfordernis in das Grundrecht des 12 Abs. 1 GG hineinzulesen ist, so lässt sich doch zumindest festhalten, dass bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Regelung des § 85 Abs. 2 SGB V dem Gedanken des Vorteilsausgleiches Rechnung zu tragen ist und insofern die Grundidee des enteignungsleichen 233 Eingriffs auch auf das Grundrecht des Art. 12 GG Anwendung finden muss. Den finanziell stark belastenden Berufsausübungsbeschränkungen müssten demnach greifbare Vorteile gegenüberstehen, die den Vertragsärzten aus dem System der GKV erwachsen. Dies hat ungeachtet der bereits angesprochenen Probleme zu geschehen, die durch die Pflicht zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Vergütung entstehen, die ihrerseits gegenüber dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V abzuwägen ist. Dass ein solcher Vorteil ausgerechnet aus den immer wieder kritisierten und stark reglementierten Zulassungsvoraussetzungen für Vertragsärzte234 erwachsen könnte, mag auf den ersten Blick verwundern. Trotz der bereits erläuterten Problematik bedeutet die Zulassung des Vertragsarztes aber noch immer die Einbeziehung in ein System, dass die dauernde Erbringung von Leistungen ermöglicht und den beteiligten Leistungserbringern einen solventen Schuldner gegenüber stellt235. Nach der Konstruktion des sozialrechtlichen Vielecks236 machen die Kassenärztlichen Vereinigungen die Vergütungsansprüche nicht gegenüber den Versicherten selbst, sondern gegenüber den Krankenkassen geltend. Auch wenn sich angesichts einbrechender Einnahmen durch die schlechte Konjunktur bei gleichzeitig ansteigendem Ausgabenvolumen die finanzielle Lage mancher Kassen dramatisch zugespitzt hat, besteht doch – auch durch die Möglichkeit von Beitragserhöhungen – keine nennenswerte Gefahr, mit den bestehenden Vergütungsansprüchen vollständig auszufallen237. Ein weiterer, nicht von der Hand zu weisender Aspekt, von dem zumindest die bereits zugelassenen Vertragsärzte profitieren, sind die räumlichen und absoluten In diese Richtung wohl Schenke, NJW 1991, S. 1777, 1782. Zur Abgrenzung zwischen enteignungsgleichem und enteignendem Eingriff vgl. nur: Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14, Rz. 40a ff.; zur Art der Entschädigung durch Inhaltsund Schrankenbestimmungen durch förmliche Gesetze bzw. andere Rechtsvorschriften, ders., a. a. O., Rz. 41c, 42. 234 Vgl. C. I. 4. a) aa) (1). 235 Krauskopf, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 30, Rz. 13. 236 Siehe oben C. I. 237 Ob die Höhe der Vergütung als angemessen gelten kann, ist in diesem Zusammenhang ebenso wenig relevant wie das Problem der Unsicherheit über die Honorierung am Quartalsende aufgrund floatender Punktwerte. 232 233

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Zulassungsbeschränkungen nach Maßgabe der §§ 102, 103 SGB V. Seit dem 1. Januar 2003 erfolgt die Zulassung als Vertragsarzt gemäß § 102 Abs. 1 S. 1 SGB V auf Grund von gesetzlich festgelegten Verhältniszahlen. Nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB V erfolgt die Festlegung der Verhältniszahlen arztgruppenbezogen und regelt das Verhältnis von Haus- zu Fachärzten. Auch wenn diese Regelung verfassungsrechtlich nicht unbedenklich ist238, kommt es vorliegend doch auf die Entscheidung der rechtlichen Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsplanung239 in ihrer aktuellen Form nicht an240. Wenn auch die Bedarfsplanung für Zulassungsbewerber bedenkliche Belastungen entfaltet, so bedeutet sie doch umgekehrt, dass sie für die bereits zugelassenen Kollegen eine gewisse Garantie des Status quo im Hinblick auf den Arzt-Versicherten-Quotienten ermöglicht. Das wirtschaftliche Risiko des Vertragsarztes mindert sich dadurch in nicht unerheblichem Maß. Solange also die Regelung der Bedarfsplanung gültig ist, kann sie aufgrund ihrer tatsächlichen Wirkung als greifbarer wirtschaftlicher Vorteil der praktizierenden Vertragsärzte angesehen werden, der ebenso wie das Vorhandensein eines solventen Schuldners die durch § 85 Abs. 2 SGB V bewirkten Belastungen hinreichend kompensiert. Vor diesem Hintergrund ist das vertragsärztliche Vergütungssystem keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. (dd) Zwischenergebnis und Auswirkungen in der Praxis Die Regelungen des § 85 SGB V führen vielfach dazu, dass die Vergütung, die der Arzt für eine erbrachte Leistung erzielen kann, für diesen nicht mehr kalkulierbar ist. Vielmehr ergibt sich das Entgelt im nachhinein. Erst wenn klar ist, auf welchen Umfang sich die insgesamt, von allen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Medizinern erbrachten Leistungen belaufen, wird das Honorar nach dem Verteilungspunktwert aus dem verfügbaren Budget ausgeschüttet241. Während 238 Sie widerspricht der früheren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 11, 30; in jüngerer Zeit lassen sich aber abweichende Tendenzen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausmachen; vgl. dazu BVerfG NJW 1997, 791. 239 An die Rechtfertigung objektiver Zulassungsvoraussetzungen sind besonders strenge Anforderungen zu stellen (siehe nur BVerfGE 3, 377 LS 6c). Die „Überfüllung“ alleine ist normalerweise kein Grund, den Berufszugang zu verhindern: Aus der heutigen Perspektive ist es z. B. nicht einmal sicher, ob die Deutschen in den letzten 20 Jahren bessere Ärzte ausgebildet haben als ihre europäischen Nachbarn ohne vergleichbare Bedarfsplanungsinstrumente. Retrospektiv ist damit bereits fraglich, ob der numerus clausus überhaupt ein geeignetes Instrument gewesen ist, Gefahren von der Allgemeinheit abzuhalten. Es sollte verstärkt berücksichtigt werden, dass nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für die Allgemeinheit objektive Zulassungssperren rechtfertigen kann (vgl. BVerfGE 40, 196, 218). 240 Weiterführend zu diesem Problemkreis Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten, S. 116 ff. m. w. N.; zur Handhabung von Budgets in der Praxis vgl. Jörg, Das neue Kassenarztrecht, S. 146 ff., 163 ff. 241 Zur Honorarverteilung vgl. auch unten, C. I. 4. a) bb) (3) (e) (bb).

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in früheren Jahren bei vertraglich vereinbarten Kopfpauschalen die Schwankungen im Honorarverteilungspunktwert jeweils relativ gering waren, kommt es heute angesichts der Menge der zugelassenen Ärzte, des wachsenden Gesundheitsbewusstseins der Bevölkerung, daraus resultierender häufiger Arztbesuche und der so entstehenden Fülle erbrachter Leistungen zu teilweise dramatischen Punktwertverfällen242. Das damit verbundene Risiko finanzieller Einbußen, das bis hin zur Existenzbedrohung oder Vernichtung mancher Praxis reichen kann243, darf nicht gleichgesetzt werden mit dem vom Bundesverfassungsgericht zu Recht betonten Risiko freiberuflicher Tätigkeit244, das selbstverständlich auch die Vertragsärzte zu tragen haben: Es handelt sich vielmehr um Risiken, die außerhalb der Einflusssphäre des Freiberuflers liegen und nicht dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuschlagen sind; die kalkulatorische wirtschaftliche Unsicherheit ist vom System verursacht und durch den einzelnen Arzt praktisch nicht zu beeinflussen. Auch bei voller Praxisauslastung und einer ökonomischen Praxisführung kann der Punktwertverfall den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Dies gilt insbesondere für sachleistungsintensiven Praxen mit einem hohem Sachkostenanteil, wie er beispielsweise in der Gerätemedizin anzutreffen ist. Da der Honorarverteilungspunktwert erst ein halbes Jahr nach der Abrechnung endgültig feststeht, wird dem Arzt zudem die Möglichkeit genommen, auf eine etwaige Veränderungen rechtzeitig reagieren245. Zudem legt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts246 fest, dass nicht jede einzelne, sondern nur die Gesamtheit aller vertragsärztlichen Leistungen so vergütet werden muss, dass sie dem Grundsatz der angemessenen Vergütung entspricht. Die Existenz des Angemessenheitsgrundsatzes allein verhindert in der aktuellen Umsetzung nicht, dass ärztliche Arbeit unrentabel werden kann247. Daran ändert auch die Tatsache nicht, dass die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Mediziner sich einem Zahlungspartner gegenüber sehen, der in der Regel keinem Insolvenzrisiko ausgesetzt ist248. Floatende Punktwerte bewirken trotz dieser Sicherheit, dass die Honorare für verschiedene Leistungen um 242 Zur Problematik des Punktwertverfalls vgl. auch Krauskopf, in: Soziale Krankenversicherung, § 85 SGB V, Rz. 24 ff. 243 Hess, VSSR 1994, S. 395, 402. 244 BVerfGE 11, 30, 40. 245 Eine solche Reaktion kann, da die Einschränkung der Leistungen durch „Budgetferien“ als unzulässig erachtet wird, meist nur den Abbau von Personal bedeuten. 246 Vgl. nur BSG, Urteil vom 14. 3. 2001, B 6 KA 67 / 00 R = MedR 2002, 47 ff. 247 Siehe ausführlich unten, C. II. 1c) aa) (1) (b). 248 Dass eine Insolvenz gesetzlicher Krankenkassen nicht völlig ausgeschlossen ist, beweist die Diskussion um die prekäre Finanzlage der BKK Heilberufe im Jahre 2004. Vgl. hierzu die Stellungnahme des BKK-Bundesverbandes, nachzulesen unter: http: // www.bkk. heilberufe.de/presse/presse.php?art=140&mnu=m54&back=%252Fpresse%252Fpresse.php %253Fmnu%253D m54%2526art%253D136; Stand: Oktober 2005.

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mehr als 50 Prozent einbrechen können, ohne dass dies im Vorfeld ersichtlich ist. Auch wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen stets das Honorar ausschütten, das den Vertragsärzten per legem zusteht, mutet es fast sarkastisch an, von „paradiesischen Zuständen für die Kassenärzte“249 zu sprechen. Die finanziell belastenden Berufsausübungsregelungen des SGB V verlangen den Vertragsärzten damit ein Sonderopfer ab, das nicht auf die in der GKV anerkannten Umverteilungsmechanismen zurückgeht und am Maßstab der Art. 12 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG zu messen ist250. § 85 SGB V hält der materiell-verfassungsrechtlichen Prüfung grundsätzlich stand. Durch die angeführten Vorteile im Zulassungswesen und den Umstand, in den KVen einen solventen Schuldner zu haben, gewährt das GKV-System den Leistungserbringern Vergünstigungen, die deren Belastungen (noch) kompensieren.. Die Auswirkungen dieser Sozialgesetzgebung auf die ärztliche Berufsausübung geben jedoch im Hinblick auf die ärztliche Freiberuflichkeit Anlass zu erheblichen Bedenken251. (f) Sozialgesetzgebung und Therapiefreiheit Das SGB Verwähnt den Begriff des „Freien Berufes“ ausdrücklich in § 98 Abs. 2 Nr. 13, wonach die „Zulassungsverordnungen Vorschriften enthalten über die Voraussetzungen, unter denen nach den Grundsätzen der Ausübung eines Freien Berufes die Vertragsärzte, angestellte Ärzte, Assistenten und Vertreter in der vertragsärztlichen Versorgung beschäftigen dürfen oder die vertragsärztliche Versorgung gemeinsam ausüben dürfen. „Nach § 32 Abs. 1 S. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und § 32 Abs. 1 S. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte252 haben Vertrags(zahn)ärzte die vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit jeweils „persönlich in freier Praxis auszuüben“. Trotz dieser rechtlichen Festlegung besteht im Bereich der Vertragsärzte gerade durch die Sozialgesetzgebung die Gefahr des Verlustes typischer Merkmale der Freiberuflichkeit. Insbesondere betroffen ist dabei das Charakteristikum der Weisungsunabhängigkeit, mit dem eng das Merkmal der für die freie Berufsausübung konstituierenden Therapiefreiheit korrespondiert. In welchem Ausmaß der Gesetzgeber bereit ist, Beschränkungen der Therapiefreiheit zuzulassen, beweist der mittlerweile geänderte § 84 Abs. 1 S. 4 SGB V a.F.253 Er normierte das Arznei- und Heilmittelbudget, eine den KVen vorgegebene So aber Schulin, VSSR 1994, S. 358. Der Bestandsschutz vermittelnde Art. 14 Abs. 1 GG kann dagegen im Bereich der Vergütungs- und Budgetregelungen nicht zum Tragen kommen. Vgl. dazu auch Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten, S. 119. 251 Dazu siehe unten C. II. 1. c) aa) (1) (b). 252 Beide zuletzt geändert durch das 8. Euro-Einführungsgesetz vom 23. Oktober 2001, BGBl. I 2001, Nr. 54; nachzulesen unter http: // 217.160. 60. 235/BGBL/bgbl1f/b101055 f.pdf; Stand: März 2003. 249 250

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Obergrenze für die insgesamt von den Vertragsärzten veranlassten Ausgaben für Arznei-, Verband- und Heilmittel. Die gleichzeitig bestehende Möglichkeit des Kollektivregresses bei Überschreitung führte dazu, dass sich der Arzt – auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse – bei der Verordnung von Arznei-, Verband- und Heilmitteln in Zurückhaltung übte, um die Sprengung des Budgets zu vermeiden, da im Falle einer Überschreitung die Kürzung des von den gesetzlichen Krankenkassen an die KVen entrichtete Honorarvolumen für die Vergütung aller Vertragsärzte um den übersteigenden Betrag verkürzt wurde. Da der Arzt jedoch verpflichtet ist, eine individuelle Therapieentscheidung über die Versorgung des Patienten mit den medizinisch notwendigen Arznei- und Heilmitteln zu treffen und dem Patienten eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse nicht vorenthalten darf, wenn er sie für notwendig erachtet, führte die Handhabung der Vorschrift in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten: Einerseits konnte eine Überprüfung des Verordnungsverhaltens des Vertragsarztes durch die KVen eingeleitet werden, wenn Medikamente statt zu Lasten der GKV auf Privatrezept verschrieben wurden. Andererseits schmälerte der Kollektivregress direkt das Einkommensvolumen aller Vertragsärzte, wenn die Kassen durch die Ausgaben für verordnete Arznei- und Heilmittel mehr ausgeben mussten, als vom Budget vorgesehen. Diese in § 84 Abs. 1 S. 4 SGB V a.F. enthaltene zwingende Anordnung einer Gesamtvergütungsverkürzung in Form der vorgeschriebenen vertragsärztlichen Kollektivhaftung stand wegen Verstoßes gegen das in Art. 12 Abs. 1 GG niedergelegte, auch für Vertragsärzte geltende254 Grundrecht der Berufsfreiheit nicht im Einklang mit der Verfassung255. Auch wenn die Vorschrift durch das ABAG256 zum 31. Dezember 2001 (Art. 4 ABAG) rückwirkend geändert wurde257, so wird Fassung vom 21. 12. 1992; BGBl. I 1992, S. 2266. Boecken, NZS 1999, S. 417, 418. 255 Insbesondere bestanden erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Regelung im Sinne der Zumutbarkeit für den einzelnen Vertragsarzt. Dieser konnte bei einer Überschreitung des Budgets ohne jede weitere Bedingung mit einer Kürzung der Gesamtvergütung und damit auch mit Honorarstreichungen zur Verantwortung gezogen werden, ohne dass er im Vorfeld auf das Verhalten der anderen Vertragsärzte hätte Einfluss nehmen können; zur Problematik des § 84 Abs. 1 S. 4 SGB V a.F. Boecken, MedR 2000, S. 165, 170. 256 Gesetz zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets vom 19. 12. 1002, BGBl. I 2001, S. 3773. 257 Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen schließen künftig eine umfassende Arznei- bzw. Heilmittelvereinbarung. In einem Gesamtpaket vereinbaren sie neben einem Ausgabenvolumen konkrete qualitäts- und wirtschaftlichkeitsorientierten Zielvereinbarungen mit den entsprechenden Umsetzungsmaßnahmen. Da das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V sämtliche Leistungsbereiche in der gesetzlichen Krankenversicherung durchzieht, wird dessen Einhaltung auch nach neuem Recht – insbesondere auch bei der Verordnung von Arznei- und Heilmitteln – mit Hilfe von Wirtschaftlichkeitsprüfungen kontrolliert, die beim einzelnen Vertragsarzt durchgeführt werden. Überschreitet ein Arzt die Richtgröße (also die pro Kalenderjahr für die von ihm behandelten Patienten vorgesehene Summe), so löst diese Überschreitung nach wie vor eine Wirtschaft253 254

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die Freiheit der ärztlichen Therapie doch auf anderen Gebieten immer stärker eingeschränkt.257a (aa) Dokumentation und Verwaltung Wie bereits ausgeführt258, ist die Weisungsunabhängigkeit des Arztes die Grundlage seines Dienstes am Patienten. Sie wird gerechtfertigt durch seine besondere Kompetenz und qualifizierte Ausbildung. Nur die Weisungsunabhängigkeit gewährleistet den notwendigen Entscheidungsspielraum des Arztes in kritischen Situationen. So verstanden ist sie geradezu die Voraussetzung dafür, dass sich die Fähigkeiten eines Freiberuflers zugunsten seiner Patienten entfalten können; nur dank ihrer Existenz kann er nach seinem pflichtgemäßen Ermessen in innerer Unabhängigkeit handeln259. Die konstante Ausweitung von Dokumentations-, Anzeige- und Auskunftspflichten des Arztes wirft in diesem Zusammenhang allerdings vielfältige Probleme auf. Einerseits stellt sich die Frage nach den Beeinträchtigungen für das Persönlichkeitsrecht des Patienten und den Auswirkungen auf das ärztliche Berufsgeheimnis, das durch die Mitwirkung am System der gesetzlichen Krankenversicherung ohnehin schon stark relativiert wird260. Die vermehrten Auskunfts- und Anzeigepflichten im System der öffentlichen Daseinsvorsorge bilden auch die Kehrseite der sozialen Sicherheit für den (gesetzlich) versicherten Patienten. Der Arzt hat bei seiner kurativen Tätigkeit dezidierte Aufzeichnungen anzufertigen. Der dieser Verpflichtung ursprünglich zugrunde liegende Gedanke der Gedächtnisstütze für den Arzt, die letzen Endes auch dem Interesse des Patienten dienen sollte, tritt jedoch mehr und mehr zurück. Im modernen Gesundheitswesen liegt der Schwerpunkt der Dokumentationsarbeit tendenziell darauf, medizinische Daten für die Statistik und insbesondere die Abrechnung von Leistungen zu belegen. Im Bereich der stationären Behandlung hat die Dokumentation behandlungsrelevanter Diagnosen durch die Einführung des Systems der Diagnosis Related Groups (DRGs)261 bereits derart an Umfang lichkeitsprüfung aus. Diese mündet allerdings nicht mehr in einen Kollektiv-, sondern in einen Individualregress, wenn der Prüfungsausschuss die Verordnungen nicht aufgrund von Praxisbesonderheiten (etwa einem hohen Anteil an chronisch kranken Patienten) anerkennt. 257a Vgl. Hess, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Band 1, § 275 SGB V, Rz. 11. 258 Vgl. oben A. I. 2. b) aa). 259 Meier-Greve, Öffentlich-rechtliche Bindungen und freiberufliche Stellung des Kassenarztes, S. 124; Vieten, Der Beruf des Apothekers, S. 36. 260 Vgl. Laufs, Arztrecht, Rz. 420 ff., insbes. Rz. 443 ff. 261 Auf Bundesebene wurde am 27. 07. 2000 eine Einigung über die Einführung eines pauschalierten Entgeltsystems nach Maßgabe des § 17 KHG erzielt. Auf der Grundlage der Australian Refined Diagnosis Groups (AR- DRGs), Version 4.1. wird danach ab dem 01. 01. 2003 ein neues Entgeltsystem eingeführt. Seit dem 01. 01. 2001 müssen die Krankenhäuser eine

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gewonnen, dass bis zu ein Drittel der ärztlichen Arbeitszeit von der Verwaltung der Patientendaten in Anspruch genommen wird262. Die Bündelung verschiedener Krankheiten innerhalb der unterschiedlichen, abrechnungsrelevanten Diagnosegruppen wirkt sich darüber hinaus maßgeblich auf die Verweildauer des behandelten Patienten im Krankenhaus aus, da nur noch pauschal nach Diagnosegruppen bezahlt wird. Faktisch einher geht damit eine Einschränkung des ärztlichen Entscheidungsspielraumes. Der Arzt kann sich aus ökonomischen Gründen gezwungen sehen, einen stationär aufgenommenen Patienten der ambulanten Betreuung anheim zu stellen. Obwohl sich die Arbeit mit DRGs derzeit noch immer in einem vergleichsweise frühen Stadium befindet, so ist doch schon ein deutlicher der Trend zur wachsenden Unfreiheit des Arztes erkennbar, der der Entwicklung im aktuell geltenden Sozialrecht entspricht. Ein weiteres Beispiel ist § 34 SGB V. Die Norm enthält Regelungen, die den Ausschluss bestimmter Arznei-, Heil- und Hilfsmittel von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung betreffen. Ziel dieser Vorschrift ist es, den Krankenkassen Kosten zu ersparen. Der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt und die ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtung sollen gemäß § 73 Abs. 5 SGB V bei der Verordnung von Arzneimitteln die Preisvergleichsliste nach § 92 Abs. 2 SGB V beachten und auf dem Verordnungsblatt ihre Entscheidung kenntlich machen, ob die Apotheke ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Medikament anstelle des verordneten Mittels abgeben darf. Verordnet der Arzt ein Arzneimittel, dessen Preis den Festbetrag nach § 35 überschreitet, hat der Arzt den Versicherten über die sich aus seiner Verordnung ergebende Pflicht zur Übernahme der Mehrkosten hinzuweisen. Die Preisvergleichsliste ist insoweit eine verbindliche Informationsquelle263 und kann zumindest mittelbar einen Eingriff in die Therapiefreiheit des Arztes bedeuten, wenn dieser sich aus gesundheitsökonomischen Gründen bzw. unter Ansehung der persönlichen finanziellen Leistungsfähigkeit des Patienten veranlasst sieht, ein anderes als das von ihm favorisierte, teurere Medikament zu verordnen264. (bb) Therapiefreiheit und medizinischer Dienst Zu einer faktischen Beschneidung des vertragsärztlichen Entscheidungsspielraumes kann es außerdem kommen, wenn Meinungsunterschiede zwischen dem behandelnden Arzt und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen über Abrechnung nach DRGs schrittweise erproben und einführen; Einzelheiten zum System nachlesbar unter: http: //www.health.gov.au. 262 Unveröffentlichte Angaben des DRG-Kompetenzzentrums des Städtischen Klinikums München Schwabing. 263 Hess, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Band 1, § 73 SGB V, Rz. 37. 264 Zu den Auswirkungen der Festbetragsregelung und der einschlägigen europäischen Rechtsprechung auf die Pharmaindustrie und die Unternehmereigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen vgl. neben vielen Koenig / Engelmann, EuZW 2004, S. 682 ff.

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die im Einzelfall sachgerechte Therapie eines Patienten auftreten. Dies hängt mit der Regelung des § 135 Abs. 1 SGB V zusammen. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenversicherungen nur dann erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach Maßgabe des § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode, die notwendige Qualifikation der Ärzte sowie die apparativen Anforderungen abgegeben hat, derer es bedarf, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern und die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung zu gewährleisten. Die Kassen sind nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V verpflichtet, in den durch das Gesetz bestimmten Fällen eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Zwar regelt § 275 Abs. 5 SGB V, dass die Ärzte des medizinischen Dienstes nicht berechtigt sind, in die ärztliche Behandlung durch abweichende Therapievorschläge gegenüber dem Versicherten einzugreifen; fallen jedoch im konkreten Einzelfall die Meinungen über das medizinisch Sinnvolle zwischen Medizinischem Dienst und Vertragsarzt auseinander, so sind diese im Innenverhältnis auszuräumen. Diese Handhabung hat, und sei es, um die Kooperation zwischen Kasse und Arzt nicht zu belasten, Einfluss auf die freie Entscheidung des behandelnden Arztes für oder gegen eine bestimmte Therapie. (g) Standardisierung ärztlicher Berufsausübung als Mittel zur Qualitätssicherung Während es der ärztliche Stand von jeher als seine Aufgabe betrachtete, ein hohes Niveau der medizinischen Versorgung zu gewährleisten265, ist die Entwicklung staatlicher Kontrollen der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise erst vor wenigen Jahren in Gang gekommen266. Die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung ist erstmals durch das GRG267 in den §§ 135 ff. SGB V gesetzlich verankert worden. Die Kompetenzen für die Qualitätssicherung im vertragsärztlichen Bereich268 verlagerten sich damit von Landes- auf Bundesebene und bezogen die 265 Bundesärztekammer, Tätigkeitsbericht 1996, S. 136 ff.; allerdings fand der Begriff der Qualitätssicherung erst 1988 Aufnahme in § 5 MBO-Ä. 266 Barth, Mediziner-Marketing, S. 348. 267 Gesundheitsreformgesetz vom 20. 12. 1988, BGBl. I S. 2477 ff. 268 Die hier behandelte Qualitätssicherung ist nicht zu verwechseln mit der im Vertragsarztrecht nach § 106 SGB V vorgeschriebenen Wirtschaftlichkeitsprüfung. Zur Sicherstellung insbesondere der Richtigkeit der ärztlichen Abrechnung haben Krankenkassen und KVen Prüfverfahren vereinbart, die sich an den Durchschnittwerten der Fachkollegen orientieren und die „relative Wirtschaftlichkeit“, nicht jedoch die „medizinische Zweckmäßigkeit“ einer Maßnahme durchleuchten.

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Krankenkassen als Kostenträger in die Zuständigkeit für entsprechende Maßnahmen ein269. Zum 1. Januar 2004 traten mit dem GMG zudem zahlreiche neue Bestimmungen zum Qualitätsmanagement und einer Nachweispflicht für Vertragsärzte über die ärztliche Fortbildung in Kraft. Auffällig ist daran zweierlei. Zum einen obliegt die Zuständigkeit für Auswahl, Definition, Durchführung und Beaufsichtigung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung kaum noch der Ärzteschaft, sondern wurde weit gehend den Krankenkassen übertragen. Die damit einhergehende – übrigens auch begriffliche Kopplung – des Begriffes der Qualität mit dem der Wirtschaftlichkeit, die sich unter anderem in den Regelungen der §§ 67, 68, 139 b und 291 a SGB V niedergeschlagen hat, verdeutlicht die Fortführung der konstanten Ökonomisierung ärztlicher Tätigkeit unter dem Aspekt der Kosten-Nutzen-Abwägung. Bemerkenswert ist zudem, dass der Gesetzgeber bis heute auf eine Legaldefinition des Begriffes Qualität verzichtet. Stattdessen hat er lediglich die Maßnahmen und Kompetenzen zu deren Sicherung in den einzelnen Versorgungsbereichen geregelt. So werden etwa – angestoßen durch den Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen270 und fortgeführt durch die Neuerungen des GMG – in immer größerem Umfang Leitlinien271 aufgestellt, die die medizinische Versorgung betreffen und die neben den Qualitäts- auch Wirtschaftlichkeitseffekte bewirken sollen272. Angesichts der bereits angesprochenen Definitionslücke in diesem Bereich bereiten jedoch ausgerechnet die Standards Schwierigkeiten, an denen sich die therapeutische Zweckmäßigkeit und damit die Qualität verschiedener Behandlungsmethoden messen lassen müssen273. Zusätzlich stellt sich das Problem, dass, anders als in anderen Wirtschaftszweigen, die Qualitätssicherung nicht als internes Instrument zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Leistungserbringer, sondern vom Gesetzgeber eher als Mittel zur Kostendämpfung verstanden wird. Vor diesem Hintergrund soll daher untersucht werden, wie sich die Verquickung von externer Qualitätssicherung und der Verpflichtung zur ressourcenschonenden Leistungserbringung auf das Anbieter- und Behandlungsverhalten und damit auf die Freiheit der ärztlichen Berufsausübung auswirkt.

269 Bundesministerium für Gesundheit, Maßnahmen der Medizinischen Qualitätssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Teil II, S. 19. 270 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Sondergutachten 1995, Tz. 165. 271 Der Sprachgebrauch ist diesbezüglich nicht einheitlich. Teils werden Leitlinien auch als Empfehlungen oder Richtlinien bezeichnet, siehe unten, C. I. 4. a) bb) (3) (g). 272 In der Diskussion um die Gesundheitsreform 2003 erwog Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sogar die Errichtung eines übergeordneten Qualitätszentrums. 273 Zur Diskussion ausführlich Perleth, Evidenz-basierte Medizin, 1999.

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(aa) Der Begriff des medizinischen Standards Jede Festlegung oder Präzisierung ärztlicher Standards oder Behandlungsmethoden bedeutet, auch im Rahmen der gesetzlichen Qualitätssicherung, einen Eingriff in die Therapiefreiheit des Arztes. Gerade das GKV-Recht hält im Rahmen der Richtliniengebung ein regelrechtes Zulassungsverfahren für ärztliche Behandlungsmethoden bereit, das zum einen auf Qualitätssicherung, zum anderen aber auch auf Rationalisierung und Wirtschaftlichkeit abzielt. Risiken und Kosten, die durch Methoden entstehen könnten, die noch nicht in den allgemeinen Erfahrungsschatz der Ärzteschaft übergegangen sind, also nicht zum medizinischen Standard und damit auch nicht zur notwendigen Versorgung des Patienten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, sollen minimiert werden. Allein damit ist für die rechtliche Definition des medizinischen Standards noch nicht viel gewonnen. Auch die juristische Bewertung kommt nicht ohne Rückgriff auf medizinischen Sachverstand aus. Das gilt umso mehr, als der Begriff des Standards in der Umgangssprache unterschiedlich besetzt ist. Vielfach bezeichnet er das in einer Profession Übliche, das Wünschenswerte oder das Erforderliche, wobei Erforderlichkeit auch durch die Akzeptanz in der Profession oder in den zuständigen Fachgesellschaften bestimmt ist274. Einigkeit besteht wohl insoweit, dass Versuchsbehandlungen275, wissenschaftliche Experimente oder Heilversuche276 nicht zum medizinischen Behandlungsstandard gehören277. Der Standard in der Medizin repräsentiert vielmehr den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungszieles erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat.278. Ausgehend von dieser Kombination aus wissenschaftlicher Erkenntnis, praktischer Bewährung und ärztlicher Erfahrung im Hinblick auf das klar definierte Ziel, dem Wohl und der Gesundheit des Patienten – nach dessen autonomer Entscheidung – zu dienen, beschreiben ärztliche Richtund Leitlinien in der Form einer Abfolge diagnostischer, und therapeutischer Behandlungsschritte das Wissen für definierte Behandlungssituationen, das als -medizinisch maßgeblich angesehen wird: Sie stellen also eine Form institutioneller Festsetzung von methodischen oder sachlichen Regeln ärztlichen Handelns dar, die in einem geordneten Verfahren zustande gekommen sind279. Hart, MedR 1998, S. 8, 9. Deutsch, Medizin und Forschung vor Gericht, S. 42; ders. NJW 1978, S. 570. 276 Der Heilversuch beginnt dort, wo der ärztliche Standard endet, wird jedoch noch immer im Bereich der medizinischen Behandlung angesiedelt, während das wissenschaftliche Experiment in das Gebiet der Forschung, also des Erkenntnisgewinnes fällt. Damit darf es zur Erkenntnis, Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten eines Patienten grundsätzlich nicht eingesetzt werden. 277 Dazu auch Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 130, Rz. 4. 278 Carstensen, DÄBl. 1989, B-1737; ähnlich Taupitz, NJW 1986, S. 2851, 2858. 274 275

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(bb) Begriff und Funktionsweise von Richt- und Leitlinien Der Begriff der Leitlinie ist weder durch Gesetz noch durch höchstrichterliche Rechtsprechung definiert280. Allerdings geht der Gesetzgeber selbstverständlich von dessen Existenz aus. So hat etwa das GMG dem Gemeinsamen Bundesausschuss neben zahlreichen anderen neuen Tätigkeitsfeldern unter anderem die Aufgabe zugewiesen, ein Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zu errichten (§§ 139a bis 139c SGB V). Dieses soll zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen tätig werden, zu denen neben Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissenstands unter anderem auch die Bewertung evidenzbasierter Leitlinien für die epidemiologisch wichtigsten Krankheiten zählt. Unter Leitlinien versteht man dabei systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über die angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen, die zugleich eine in tatsächlicher Hinsicht durchaus verbindliche Orientierungshilfe im Sinne von Handlungs- und Entscheidungskorridoren bieten, von denen jedoch in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss. Der Begriff der Richtlinie wird hingegen meist Regelungen vorbehalten, die von einer rechtlich legitimierten Institution konsentiert, schriftlich fixiert und veröffentlicht werden, die für den Rechtsraum dieser Institution verbindlich sind und deren Nichtbeachtung definierte Sanktionen nach sich zieht281. Wenn diese Unterscheidung auch nicht stets durchgehalten wird, und die Rechtsnatur und Regelungswirkungen der so geschaffenen Standards noch zu klären sein werden, bedeuten solchen Maßgaben für das ärztliche Handeln stets einen einschneidenden Vorgang im ärztlichen Qualitätsmanagement, der nicht ohne Auswirkung auf das ärztliche Handeln bleiben kann und insbesondere die Therapiefreiheit als Wesensmerkmal der ärztlichen Freiberuflichkeit in Mitleidenschaft zieht. Das hält den Gesetzgeber freilich nicht davon ab, immer neue Einrichtungen zu schaffen, die in diesem Wirkungskreis agieren. Ein Beispiel ist das gemäß § 139a SGBV282 gegründete Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit. Im Hinblick auf seinen Aufbau ist bereits fraglich, ob es seine Arbeit überhaupt sachkundig leisten kann. Auf Grund seiner behördenähnlichen Struktur dürfte ihm die erforderliche Flexibilität zur Bewertung von Leitlinien fehlen283. Auch ist zweifelhaft, ob das Qualitätsinstitut über die Sachkunde verfügt, die den ärztlichen Fachgesellschaften mit ihrer Vielzahl von Wissenschaftlern aus allen Bereichen der Hart, MedR 1998, S. 8, 10. Heberer, Das ärztliche Berufs- und Standesrecht, S. 287. 281 DÄBl. 1997, A-2154, 2155. 282 Fassung vom 14. 11. 2003, eingefügt durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, BGBl. I 2003, S. 2190. 283 Schimmelpfeng-Schütte, ZRP 2004, S. 253, 256. 279 280

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Medizin zur Verfügung steht. Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die ärztlichen Fachgesellschaften ihre standesrechtliche Aufgabe, Leitlinien zu erstellen und am medizinischen Fortschritt auszurichten, dem Qualitätsinstitut überlassen werden. Damit steht ernsthaft zu befürchten, dass die ärztliche Behandlung bestimmter Krankheiten in Deutschland künftig durch unterschiedliche Leitlinien geregelt wird. Auf der einen Seite stehen die Vorgaben der ärztlichen Fachgesellschaften, auf der anderen die Leitlinien des Qualitätsinstituts. In dem durchaus wahrscheinlichen Fall der fehlenden Kongruenz wird der Vertragsarzt bei der Behandlung in erhebliche Pflichtenkollisionen geraten: Beachtet er die Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften, können ihm vertragsärztliche Konsequenzen drohen. Folgt er den Leitlinien des Qualitätsinstituts, muss er mit zivilrechtlichen Folgen des Arzthaftungsrechts rechnen284. (cc) Rechtsnatur und Bindungswirkung Ob ein gesetzlich krankenversicherter Patient medizinische Maßnahmen beanspruchen kann, bzw. ob Ärzte sie zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen bewirken dürfen, bestimmen grundsätzlich das SGB V und die untergesetzlichen Normen. Jedoch regelt das Gesetz lediglich den sozialversicherungsrechtlich vermittelten Zugang zu den Ressourcen einer Behandlung. Dies entspricht dem Verständnis des Bundessozialgerichtes, das mit Rücksicht auf die Komplexität des Versorgungshandelns die Ansicht vertritt, dass der Leistungsanspruch des Versicherten nach den §§ 27 ff. SGB V lediglich als Rahmenrecht bestehe285, das durch die individuelle Behandlungsentscheidung des Arztes286 und durch die untergesetzliche Regelung des Leistungserbringungsrechts287 konkretisiert werde. Diese Sichtweise stellt insofern eine Neuerung dar, als die sozialgerichtliche Rechtsprechung bis zum Anfang der Neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts288 noch vom Vorrang des Leistungsrechts vor dem Recht der Leistungserbringer ausging289. Wenn der Versicherte heute also seinen Leistungsanspruch nur noch innerhalb der Vorgaben des Leistungserbringerrechtes verwirklichen darf, wird der Leistungsanspruch nach den §§ 27 ff. SGB V quasi unter den Vorbehalt untergesetzlicher Normenkonkretisierung gestellt290. Das freilich wirft die Frage nach der Legitimation der untergesetzlichen Normenkonkretisierung und der BinVgl. dazu unten C. I. 4. a) bb) (3) (g) (cc) (b). Die Leitentscheidung ist insoweit BSGE 73, 271, 277 ff., 280. 286 BSGE 73, 271, 279 ff.; BSG SozR 3 – 2500 § 39 Nr. 4. 287 BSGE 78, 70, 76 ff.; 81, 55, 61 ff. 288 Namentlich bis zur Entscheidung des 4. Senats vom 16. 12. 1993, BSGE 73, 271. 289 BSGE 63, 102, 105; 64, 255, 257; BSG SozR 3 – 2005 § 13 Nr. 2; SozR 2 – 2200 § 182 Nr. 13. 290 Francke, Die Sozialgerichtsbarkeit 1999, S. 5 ff. 284 285

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dungswirkung durch Richtlinien, Leitlinien und Empfehlungen auf. Die Rechtsnatur von Richtlinien nach dem SGB V, namentlich der des Gemeinsamen Bundesausschusses, wird vor allem in Bezug auf die Frage nach deren Regelungswirkung im Außenverhältnis kontrovers diskutiert. Vielfach wird die Auffassung vertreten, dass solche Vorschriften selbst dann nicht den Status von Satzungsvorschriften erhalten, wenn das Satzungsrecht einer Kammer durch statische oder dynamische Verweisung auf sie Bezug nimmt291. Auch die Rechtsprechung ging lange Zeit von einer bloßen Binnenwirkung der Richtlinien aus. Mittlerweile qualifiziert das BSG Richtlinien allerdings als autonomes, von der gemeinsamen Selbstverwaltung nach dem SGB V gesetztes Recht mit Außenwirkung, das Vertragsarzt wie auch Versicherte rechtlich binde292. Eine solche Qualifizierung ist freilich nur möglich, wenn man neben der Rechtsverordnung und der autonomen Satzung noch weitere Formen untergesetzlicher Rechtsetzung anerkennt293 und soweit sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen, namentlich dem Demokratie- und dem Rechtstaatsprinzip genügen. Andernfalls bliebe keine andere Möglichkeit, als die Richtlinien als Verwaltungsbinnenrecht zu qualifizieren. Selbst wenn man aber einen numerus clausus untergesetzlicher Rechtssetzungsformen nicht annehmen möchte294, bleibt die Tatsache unumstößlich, dass die klassischen Voraussetzungen autonomer Rechtssetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht gegeben sind295: Es fehlt insoweit schon an einer einheitlichen, körperschaftlich verfassten Rechtsperson. Die interne Willensbildung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist vor allem durch das Streben nach KomproSo etwa Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 5, Rz. 11. Vgl. nur BSGE 78, 70, 76 f. 293 Ablehnend: Ossenbühl, NZS 1997, S. 497 ff. 294 Auf die seit vielen Jahren geführte Diskussion hinsichtlich der demokratischen Legitimation des früheren Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (vgl. etwa BSG NZS 1995, 502 508 ff.; BSGE 78, 70, 79 ff.; 81, 54, 63 ff.; 81, 73 83 ff.; 82, 41, 46 ff.; Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 117 ff.; Ossenbühl, NZS 1997, S. 497, 502; Schimmelpfeng-Schütte, NZS 1999, S. 530 ff.; Sodan, NZS 2000, S. 581 ff.) ist das Bundesverfassungsgericht bislang noch nicht näher eingegangen. Allerdings stellt sich nach der grundsätzlichen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter als Ausübung der Staatsgewalt dar, die der demokratischen Legitimation bedarf (vgl. etwa BVerfGE 83, 60, 73; 93, 37, 68). Da der Gemeinsame Bundesausschuss (ebenso wie der frühere Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen) als Anstalt des öffentlichen Rechts zu qualifizieren ist (siehe etwa BSGE 78, 70, 80 f.; Schwerdtfeger, Verfassungsrechtliche Grenzen der Freiheit und Bindung bei der Leistungserbringung im Gesundheitswesen, S. 27, 44 ff.), bedeutet seine institutionelle Legitimation keine größeren Probleme (kritisch Schimmelpfeng-Schütte, NZS 1999, 530, 532 f.). Zu den Problemen der funktionellen Legitimation des Gremiums im Hinblick auf die Normsetzungskompetenz vgl. neben anderen etwa Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 117 ff. 295 So auch Francke, in: Die Sozialgerichtsbarkeit 1999, S. 5 ff. 291 292

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missen zwischen den unterschiedlichen Verbänden gekennzeichnet, die zwar das gemeinsame Ziel einer qualitätsgesicherten und wirtschaftlichen Krankenversorgung anstreben, aber eben auch Interessengegensätze überwinden müssen296. Die von ihm verabschiedeten Richtlinien sind weder förmliche Gesetze, noch Rechtsverordnungen, noch Satzungen oder Normsetzungsverträge297. Sie entstehen mit dem oben Gesagten auch nicht im Wege der autonomen Rechtssetzung und stellen damit – entgegen der Auffassung des BSG – auch keine Außenrechtsnormen dar298. Allerdings kann Richtlinien auch ohne Anerkennung als Außenrechtsnormen zumindest eine relative rechtliche Außenwirkung299 zukommen. Insofern bietet sich ein Vergleich mit der Diskussion im Umweltrecht300 an, wo der Stand der Wissenschaft und Technik ebenfalls durch außerrechtliche, wissenschaftlich-professionelle Verwaltungsvorschriften konkretisiert wird. Unabhängig von der Frage, ob es sich dabei um antizipierte Sachverständigengutachten, Normen interpretierende oder Normen konkretisierende Vorschriften handelt301, hat die Diskussion 296 Die KVen sind nicht nur dem professionellen Berufsauftrag ihrer Mitglieder verpflichtet, sondern müssen auch Rechnung dafür tragen, dass die Vertragsärzte in ihrer individuellen Existenzsicherung nicht über die Maßen beeinträchtigt werden. Die Vertreter der Krankenkassen müssen sich im Gegenzug nicht nur dem nach § 2 Abs. 1 S. 3 i.V. m. § 12 Abs. 1 SGB V bestehenden Behandlungsanspruch ihrer Versicherten annehmen, sondern sind auch der Beachtung der Beitragsstabilität und der Ausgabenbegrenzung verpflichtet. 297 Schimmelpfeng-Schütte, NZS 1999, S. 530, 535; Wimmer, NZS 1999, S. 113, 118, hält sie nicht einmal für Verwaltungsvorschriften. 298 In der Praxis zeitigt die Rechtsprechung des BSG freilich eine andere Wirkung. Mit seiner Methadon-Entscheidung vom 20. 3. 1996 (BSGE 78, 70 ff.) hat das BSG den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses bindende Wirkung gegenüber den Versicherten zuerkannt. Es hat dem Bundesausschuss damit eine Normsetzungsbefugnis gegenüber unbeteiligten Dritten verliehen, nämlich gegenüber den Versicherten, die an den Entscheidungen des Bundesausschusses nicht mitwirken. Diese Rechtsprechung hat das Gericht mittlerweile fortgeführt (BSGE 81, 54 ff.) und entschieden, dass die Versicherten keinen Anspruch auf eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode haben, bis sie vom Bundesausschuss ausdrücklich anerkannt worden ist. Damit dürfen nur diejenigen neuen Methoden in der gesetzlichen Krankenversicherung vom Arzt angewandt und vom Versicherten beansprucht werden, die der Gemeinsame Bundesausschuss ausdrücklich anerkannt hat. Alle anderen Methoden scheiden von Vornherein aus – sowohl die, die der Gemeinsame Bundesausschuss abgelehnt hat, als auch diejenigen, die er noch gar nicht geprüft hat. Das BSG hat dem Gemeinsamen Bundesausschuss mit dieser Rechtsprechung zu Unrecht einen massiven Einfluss auf das System und die Ausgestaltung der GKV zugestanden. In Anbetracht der Tatsache, dass gut 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gesetzlich krankenversichert sind, hat der Gemeinsame Bundesausschuss damit eine überdimensionierte Machtposition erhalten. 299 Di Fabio bezeichnet sie als „Normzwischenschicht“ und stellt sich auf den Standpunkt, mit derlei nichtklassischen, halbstaatlichen Rechtsquellen werde ein Sachgegenstand in einer Zone zwischen Verbindlichkeit und Unverbindlichkeit geregelt. Di Fabio, NZS 1998, S. 449, 452. 300 Vgl. etwa Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 94 ff. 301 Überblick über den Meinungsstand bei Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 102, m. w. N.

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zu dem Endpunkt geführt, dass eine administrative Standardisierungsbefugnis auf der Grundlage einer entsprechenden Ermächtigung anzuerkennen ist und mit einer eingeschränkten Außenwirkung in Grenzen auch der gerichtlichen Kontrolle302 unterliegt303. Auf dieser Basis können auch die sozialrechtlichen Richtlinien unter Mitwirkung bei der Standardbestimmung und Rechtssetzung selbst im Außenverhältnis eine gewisse Bindungswirkung entfalten, ohne dass es damit des Kunstgriffes einer nicht existenten autonomen Rechtssetzung bedürfte. Eine ähnliche Problematik hinsichtlich der rechtlichen Bindung und gerichtlichen Kontrolle eröffnet sich im Bereich der ärztlichen Leitlinien und Behandlungsstandards. Auch hier stellt sich die Frage, inwieweit die Regelungen bindend auf die Beteiligten wirken. Die Festsetzung von Leitlinien erfolgt in erster Linie durch privatrechtliche Organisationen304 und beschränkt deren Geltungsbereich zunächst auf den Verband, der sie erlassen hat. Zwar sind an der Vorbereitung und Anerkennung von Leitlinien auch Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft beteiligt: So haben etwa die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung bei der Normierung von Beurteilungskriterien für Leitlinien der medizinischen Versorgung305 zusammengewirkt306. Ferner normiert § 137 b SGB V, dass der Gemeinsame Bundesausschuss, dem in gleicher Zahl Vertreter der Leistungserbringer und Kostenträger angehören, den „Stand der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen festzustellen, sich daraus ergebenden Weiterentwicklungsbedarf zu benennen, eingeführte Qualitätssicherungsmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu bewerten und Empfehlungen für eine an einheitlichen Grundsätzen ausgerichtete sowie sektoren- und berufsgruppenübergreifende Qualitätssicherung im Gesundheitswesen einschließlich ihrer Umsetzung zu erarbeiten hat“. Angesichts der ausgeführten, stark divergierenden Auffassungen zu ihrer Reichweite und Bindungswirkung erstaunt es jedoch kaum, dass die rechtliche 302 Zu einer begrenzten gerichtlichen Überprüfbarkeit kommt übrigens auch das BSG, obwohl es dem Bundesausschuss eine echte Normsetzungsbefugnis innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zuerkannt hat. Als Argument führt das BSG an, dass die eigenständige Beurteilung von Qualität und Wirksamkeit einer Methode und der Vergleich mit einer anerkannten Methode die Gerichte „medizinisch-wissenschaftlich überfordern“ würden (vgl. BSGE 81, 54). An dieser Auffassung hat das BSG stets festgehalten und im Urteil vom 19. 02. 2003 betont, dass sich die Überprüfung der Richtlinien des Bundesausschusses darauf beschränken müsse, ob er die Verfahrensordnung (die er sich selbst gegeben hat) ordnungsgemäß eingehalten habe (NZS 2004, 99, 100 f.). In Kombination mit der Anerkennung einer echten Normsetzungsbefugnis des Gemeinsamen Bundesausschusses bedeutet dies im Ergebnis einem weit gehenden Verzicht auf gerichtliche Kontrolle. 303 Statt aller: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 337 ff. 304 So werden Leitlinien z. B. von wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften und ärztlichen Berufsverbänden, aber auch von Expertengruppen und Einzelexperten oder von kommerziellen Unternehmen des Gesundheitsmarktes aufgestellt. 305 Abgedruckt in DÄBl. 1997, A 2154, 2155. 306 Da diese beiden Institutionen zugleich mit Aufgaben der ärztlichen Selbstverwaltung betraut sind und als Interessenvertreter der Ärzteschaft fungieren, können Leitlinien nur sehr bedingt in die Sphäre staatlicher Bestimmungen eingeordnet werden.

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Handhabung von Richt- und Leitlinien alles andere als einheitlich ist. Im Folgenden soll daher untersucht werden, welche Effekte deren Zuhilfenahme für den ärztlichen Berufsstand in den unterschiedlichen relevanten Rechtsgebieten nach sich zieht. (α) Sozialrechtliche Verbindlichkeit Neben der Aufgabe, die Qualität der ärztlichen Leistungen zu gewähren und zu kontrollieren, verfolgt das Sozialrecht als eines der in diesem Zusammenhang wichtigsten Rechtsgebiete vor allem auch ein Wirtschaftlichkeitsziel. Durch die Richtlinien der Bundesausschüsse soll zugleich die Finanzierung ärztlicher Leistungen innerhalb der GKV geregelt werden. Sie stecken gleichsam einen Rahmen von Leistungen ab, die innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung bewirkt werden dürfen. In einem Spannungsverhältnis dazu steht der Anspruch des Arztes, für den der Kern einer verantwortlichen Therapiewahl die gewissenhafte Abwägung der Vorteile und Gefahren einer Heilmethode nach dem derzeit gültigen Standard der medizinischen Erkenntnis bildet. Zwar kann der Arzt aufgrund seiner Therapiefreiheit einen Beurteilungsspielraum für sich in Anspruch nehmen und soll diese Freiheit grundsätzlich auch innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung genießen307. Bei gleichzeitiger Bindung an die durch die Richtlinien gesetzten Rahmenbedingungen kann es jedoch zu Interessenkollisionen kommen: Einerseits haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Standard der Medizin zu entsprechen und müssen den wissenschaftlichen Fortschritt berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V); insofern schiene es angebracht, bei der Auslegung dessen, was den medizinischen Standard tatsächlich ausmacht, die Leitlinien der medizinischen Gesellschaften oder fachlichen Kommissionen als Auslegungshilfe heranzuziehen. Andererseits dürfen die Leistungen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 S. 1 SGB V), was in den Leitlinien als rein fachlichen Handlungsempfehlungen kaum berücksichtigt wird. Vielleicht aus diesem Grund verweist der Gesetzgeber bis heute nicht auf die Leitlinien, obwohl er ihnen mit diesem Schritt eine tatsächliche Rechtsverbindlichkeit einräumen könnte308. Stattdessen nimmt § 135 Abs. 1 SGB V lediglich Bezug auf die Richtlinien nach Maßgabe der §§ 92 ff. SGB V. Diese Richtlinien sind, wie bereits ausgeführt, innerhalb des Sozialrechts verbindlich und sanktionsbewehrt, haben jedoch rein formal nichts mit den innerprofessionellen medizinischen Leitlinien zu tun, die von den privaten Institutionen erstellt werden. Das gilt selbst dann, wenn sie sich – wie häufig – inhaltlich mit ihnen decken. Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 3, Rz. 20. Ausführlich zur Rezeption und Zertifizierung von Leitlinien im Sozialrecht: Francke, in: Die Sozialgerichtsbarkeit 2000, S. 167 ff. 307 308

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Leitlinien können damit zwar im Einzelfall als Hinweis auf professionelle Standards verstanden und der Rechtsanwendung im Einzelfall zugrunde gelegt werden. Dies gilt jedoch nur in dem Umfang, in dem sie den Grundmaximen des solidarisch finanzierten Gesundheitssystems und den damit verbundenen Leistungseinschränkungen nicht zuwiderlaufen309. Das eigentliche Machtzentrum innerhalb der GKV ist damit der Gemeinsame Bundesausschuss. Sein Plenum setzt sich aus 21 Mitgliedern zusammen: Neben dem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, die traditionell verdiente Veteranen der gesetzlichen Krankenversicherung sind, gehören ihm neun Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen und neun Vertreter der Leistungserbringer, namentlich der Ärzteschaft an310. Die Vorarbeiten werden in Unterausschüssen geleistet, die der Gemeinsame Bundesausschuss in beliebiger Zahl errichten kann. Welchen Umfang und welche Bedeutung die Richtlinienkompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses dabei erlangt, wird durch § 92 Abs. 1 2 SGB V anschaulich belegt. Nach Maßgabe dieser Norm soll er insbesondere Richtlinien beschließen über die: ärztliche Behandlung, zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung, Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft, Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häusliche Krankenpflege und Soziotherapie, Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit, Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, Bedarfsplanung, medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, Maßnahmen der Empfängnisverhütung, des Schwangerschaftsabbruchs und Sterilisation sowie Verordnung von Krankentransporten311. 309 So im Ergebnis auch Hart, MedR 1998, S. 8, 12; ähnlich: Francke, in: Die Sozialgerichtsbarkeit 2000, S. 167. 310 Vgl. Schimmelpfeng-Schütte, ZRP 2004, S. 253, 254. 311 Zu den fast unbegrenzt wirkenden Befugnissen zählen außerdem: die Zuständigkeit für: Stellungnahmen bei Erlass der Rechtsverordnung zu Arzneimittelfestbeträgen (§ 35a Abs. 1 S. 2 SGB V), Erteilung von Informationen und Auskünften für den Erlass von Rechtsverordnungen zu Arzneimittelfestbeträgen (§ 35a Abs. 4 SGB V), Beauftragung der Nutzenbewertung von Arzneimitteln (§ 35b i.V. mit § 139b Abs. 1 SGB V), Erteilung von Informationen und Hinweisen für die Verordnung von Arznei-, Verband und Heilmitteln (§ 73 Abs. 8 S. 2 SGB V), Herausgabe evidenzbasierter Patienteninformationen (§ 91 Abs. 3 SGB V), Zusammenstellung von Übersichten über ausgeschlossene Arzneimittel (§ 93 Abs. 1 SGB V), Beiziehung von Daten und Auskünften von pharmazeutischen Unternehmern zur Arzneimitteltransparenz (§ 131 Abs. 4 S. 1 SGB V), Errichtung eines Qualitätsinstituts (§§ 139a ff. SGB V), Förderung der Qualitätssicherung in der Medizin (§ 137b SGB V), Empfehlung gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziales für die Abgrenzung der Versichertengruppen hinsichtlich der Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten (§ 137f Abs. 1 SGB V), Empfehlung gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit und

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In Kombination mit der Tatsache, dass das Gremium kaum staatlichen Kontrollen unterliegt312, bedeutet diese Machtfülle des Gemeinsamen Bundesausschusses bei gleichzeitiger Verquickung der Bereiche Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit eine erhebliche neue Bedrohung der ärztlichen Freiberuflichkeit. (β) Haftungsrecht Die Problematik der Verknüpfung von Qualitätssicherung durch medizinische Standards und Kostendämpfung zeigt sich auch Bereich des Arzthaftungsrechtes. Der Arzt schuldet die zum Wohl seiner Patienten erforderlichen medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der ärztlichen Kunst, das heißt, er schuldet eine dem Stand der Wissenschaft entsprechende Diagnose, Beratung und Aufklärung. Er ist verpflichtet, auf die angemessenste, einfachste, schnellste und schonendste Weise mit dem Ziel zu therapieren, die Krankheit zu heilen oder das Leiden zu lindern313. Tut er das nicht, begeht er einen Behandlungsfehler, der wiederum Voraussetzung für eine deliktische oder vertragliche Haftung darstellt314. In einem Haftpflichtprozess können Leitlinien die Feststellung eines Behandlungsfehlers erleichtern, indem sie auch dem Sachverständigen eine Orientierungshilfe bei der Beurteilung des ärztlichen Tuns oder Unterlassens im konkreten Einzelfall bieten. Ein Gutachter kann mit Bezug auf die Leitlinien nicht lediglich eine individuelle, sondern auch eine institutionelle Bewertung abgeben. Allerdings scheidet eine alleinige Beurteilung aufgrund von Leitlinien insofern aus, als diese im Einzelfall Abweichungen zulassen oder sogar gebieten. Die Tatsache, dass ein Arzt im konkreten Fall von den Maßgaben einer Leitlinie abgewichen ist, kann für sich genommen deshalb nie ausreichen, um einen Behandlungsfehler anzunehmen. Umgekehrt kann dem Arzt, der die Leitlinien befolgt, grundsätzlich kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden315. Diese, quasi als Belohnung für die Qualitätssicherung bestehende Haftungsentlastung wirkt jedoch nur soweit und solange, als die Leitlinien tatsächlich noch den anerkannten Standards der Medizin entsprechen. Eine endgültige Rechtssicherheit für den Arzt gibt es daher weder bei Nichtbefolgung noch bei Befolgung der Vorgaben. Urteile, wie die Aciclovir-Entscheidung des OLG Köln316, haben insofern zur Verunsicherung der Ärzteschaft Soziales zur Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen bei chronischen Krankheiten (§ 137f Abs. 2 SGB V). 312 Kritisch dazu Schimmelpfeng-Schütte, NZS 1999, S. 530 ff. m. w. N. 313 BGH NJW 1989, S. 767; dazu auch Hart, MedR 1998, S. 8, 12; ähnlich: Francke, in: Die Sozialgerichtsbarkeit 2000, S. 167; Broglie, in: Ehlers (Hrsg.), Arzthaftungsrecht, S. 170. 314 Die vertraglichen und deliktischen Sorgfaltspflichten sind nach der Rechtsprechung grundsätzlich identisch, BGHZ 106, 28. 315 Schirmer, Rechtliche Anmerkungen zum Problem der Empfehlungen, Leitlinien, Richtlinien und Standards in der Medizin, S. 187 ff. 316 OLG Köln, PharmaR 1991, S. 18 ff. = VersR 1991, S. 186 ff.

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beigetragen und werfen die Frage auf, inwieweit auch außerhalb des Geltungsbereiches der Leitlinien medizinische Standards mit Verbindlichkeit definiert werden können. Wenn durch Leitlinien verbindliche Standards gesetzt und damit ein Beitrag zur Qualitätssicherung innerhalb des Gesundheitswesen geleistet werden soll, so muss das Verfahren bei der Setzung dieser Leitlinien bestimmten Seriositätsindizien genügen. Die Veröffentlichungen großer Pharmakonzerne oder Institute allein können also noch keine neue Leitlinie und damit keinen neuen Standard begründen317. Trotzdem verlangt das OLG Köln in der angesprochenen Entscheidung den Einsatz eines bis dahin noch nicht für einen neuen Indikationsbereich zugelassenen Medikaments aufgrund vorangegangener, veröffentlichter Studien und der bereits gängigen klinischen Praxis. Diese Rechtsprechung ist vor dem Hintergrund, dass Leitlinien flexibel sein und den medizinischen Fortschritt aus Rechtssicht nicht behindern sollen, durchaus zu begrüßen. Rechtlich erscheint sie jedoch insofern problematisch, als neben der Qualitätssicherungsfunktion auch Wirtschaftlichkeitskriterien in die Leitlinie einfließen, und die Verordnung eines noch nicht für die Versorgung zugelassenen, wenn auch nachgewiesenermaßen wirksamen Medikaments nie den Wirtschaftlichkeitskriterien der GKV entspricht. Anders als im Sozialrecht gelten die Ziele des Wirtschaftlichkeitsgebots im Haftungsrecht aber gerade nicht. Wenn den Leitlinien im Haftungsrecht weiterhin die aktuelle starke Indizwirkung beigemessen werden soll, müssen sie zumindest insofern transparenter werden, als gesundheitsökonomische und qualitätssichernde Aspekte getrennt voneinander ausgewiesen werden. (dd) Zwischenergebnis Das grundsätzlich nachvollziehbare Streben nach einer Sicherung der Qualität ärztlicher Behandlung wird in der aktuellen Entwicklung zunehmend von gesundheitsökonomischen Erwägungen überlagert. Da der Begriff der Qualität grundsätzlich nur auf das medizinische Niveau abzielt, unterhalb dessen eine ärztlichen Leistung nicht mehr dem geltenden Stand der Wissenschaft entspricht, die Wirtschaftlichkeit, die das Verhältnis zwischen Nutzen und Kosten zum Gegenstand hat, in diese Standardisierung aber nicht einbezogen wird, stellt die Verquickung der beiden Begriffe eine für die Freiberuflichkeit der Ärzte und die praktische Handhabung im Einzelfall bedenkliche Entwicklung dar. Leitlinien, Richtlinien und sozialrechtliche Einschränkungen setzen durch diese Verflechtung in erster Linie die dem Wohl des Patienten dienende Therapiefreiheit unter Druck. Die Tatsache, dass Qualitätssicherung eigentlich eine originäre Aufgabe des ärztlichen Standes darstellt, tritt in den Hintergrund und weicht einer Nutzen-Risiko-Optimierung. Wenn auch nicht bestritten werden soll, dass sich durch eine sinnvoll organi317

Hart, MedR 1998, S. 8, 13.

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sierte Qualitätssicherung erhebliche Einspareffekte im System der gesetzlichen Krankenversicherung erzielen ließen, so müssen letztere doch stets deren Effekt, nie aber deren originäres Ziel sein. Die Erwartung, die Verteilungsprobleme im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung allein durch Rationalisierungsmaßnahmen beseitigen zu können, erfüllt sich hingegen nicht. Stattdessen droht der Sozialstaat in einen Gegensatz zum Rechtsstaat mit seinen Berufs- und Haftungsregeln zu geraten318. Die derzeitige Entwicklung bedient sich der Qualitätssicherung in zunehmendem Maße als Vehikel zur Verwaltung verminderter Ressourcen. Der ursprüngliche, präventive Ansatz der Fehlerverhütung und Sicherung einer medizinisch hochwertigen Versorgung verkommt so zu einem Mittel, ärztliche Therapien im Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit zu kontrollieren und zu überwachen. Dies führt nicht nur zu einer Begrenzung der ärztlichen Therapiefreiheit, sondern birgt auch die Gefahr einer fremd bestimmten Drittkontrolle und damit des Verlustes elementarer Merkmale der freien Berufsausübung. Auch wenn es trotz der rigiden Qualitätssicherungsbestrebungen eine institutionell festgelegte Rationierung – anders als etwa in Großbritannien – noch nicht gibt, so steht sie doch auch in Deutschland zu befürchten319. Jede Form der Rationierung steht allerdings in einem diametralen Widerspruch zum ärztlich-deontologischen Selbstverständnis und beschneidet die ärztliche Freiberuflichkeit in einem nicht mehr zu tolerierenden Umfang. (h) Ärztliches Inkasso und Praxisgebühr Einschnitte in die ärztliche Berufsfreiheit finden sich auch in der aktuellen Sozialgesetzgebung. Eine der am heftigsten diskutierten Neuerungen des zum ersten Januar 2004 in Kraft getretenen GMG ist insoweit die Einführung der so genannten Praxisgebühr. Unter dieser Bezeichnung firmieren Zuzahlungen gesetzlich versicherter Patienten für ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Leistungen, die in den §§ 28 Abs. 4 , 61 Satz 4 und 43b Abs. 2 SGB V geregelt sind. Grundsätzlich zahlen Versicherte über 18 Jahren pro Kalendervierteljahr für die jeweils erste Inanspruchnahme eines an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Arztes, Zahnarztes oder Psychotherapeuten, die nicht auf eine Überweisung aus demselben Kalendervierteljahr hin erfolgt, zehn Euro an den behandelnden Mediziner. Die geleisteten Zuzahlungen sind gemäß § 61 S. 4 SGB V kostenfrei vom Arzt zu quittieren. Dieser behält die Gelder, die auf sein nach § 85 V SGB V zu bemessendes Honorar anzurechnen sind, gemäß § 43b Abs. 2 SGB V für sich. Die Vertragsärzte befinden sich hierdurch in der bemerkenswerten Lage, ihren Patienten eine Art Eintrittsgeld abverlangen zu müssen, das ihnen noch nicht ein318 Vgl. dazu den Festvortrag von Laufs anlässlich der Eröffnung des 83. Deutschen Röntgenkongresses am 08. 05. 2002 „Zum Wandel des ärztlichen Berufsbildes im Recht“, nachzulesen unter http: //www.drg.de/data/Roekon2002/LaufsVortr.htm1; Stand: Januar 2003. 319 Vgl. oben: C. II. 1. c) aa) (2) (c).

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mal selbst zugute kommt, sondern das sie, im Gegenteil, unter erheblichem zusätzlichem, unentgeltlichem Verwaltungsaufwand im Interesse der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung für die Krankenkassen eintreiben müssen. Dass § 18 Abs. 5 BMV-Ä320 vorsieht, der Arzt müsse die Praxisgebühr in Fällen des § 18 Abs. 3 BMV-Ä ausnahmsweise nicht vor der Behandlung kassieren, verbessert die Situation kaum: Zwar geht das Beitreibungsrisiko nach einer Zehntages-Frist und erfolgloser Mahnung auf die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkasse über; für die häufigen Fälle nicht akuter Behandlungsbedürftigkeit wird das Ausfallrisiko letztlich aber dennoch den behandelnden Arzt treffen, zumal er bei zu vehementem Beharren auf der Zahlung der Gebühr den Verlust eines Kunden riskiert. Diese Ausgestaltung der Erhebung der Praxisgebühr hat zudem erhebliche Auswirkungen auf den Ablauf des beruflichen Alltages aller vertragsärztlich tätigen Mediziner. Fraglich ist zunächst, ob es sich bei den Vorgängen des Einzugs und Quittierens nach § 28 Abs. 4 und § 61 S. 4 SGB V um eine Indienstnahme der Ärzte handelt, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an der Berufsfreiheit zu messen ist321. In seiner Grundsatzentscheidung zur Erdölbevorratungspflicht der Importunternehmen322 hat das Bundesverfassungsgericht die Indienstnahme als gesetzliche Auferlegung bestimmter Handlungspflichten charakterisiert, die dazu dient, die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe sicherzustellen. Zu diesem Zweck übertrage der Staat dem Betroffenen nicht etwa hoheitliche Funktionen, sondern verpflichte ihn zu Maßnahmen und Verhaltensweisen, die nach Form und Inhalt dem Bereich privater Unternehmertätigkeit zuzurechnen seien323. Mit dieser Aussage wird deutlich, dass sich der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben grundsätzlich der Verwaltungskraft von Privaten bedienen kann – und sei es als Verwaltungshelfer wider Willen. Im Zusammenhang mit der Praxisgebühr liegt freilich die Überlegung nahe, ob die Vertragsärzte nicht schon im eigenen Interesse verpflichtet werden, den der Praxisgebühr entsprechenden Teil ihres Honorars selbst von den Patienten einziehen. Jedoch macht § 18 Abs. 1 S. 2 BMV-Ä deutlich, dass der Vertragsarzt nicht berechtigt ist, auf die Zuzahlung zu verzichten oder einen anderen Betrag als zehn Euro zu erheben.324 Die Zahlungsströme in der GKV bleiben damit im Grunde 320 Änderungs-Dokumentationen zum BMV-Ä, nachzulesen unter: http: // www.lexisnexis. de/aedoku?STWT=%A7+18+BMV-%C4&rechtsstand_datum=2004–01–01&aenderung= 236798#z%A7+1 8; Stand: August 2005. 321 Vgl. nur BVerfGE 30, 292, 312; 22, 380, 383f. 322 BVerfGE 30, 292 ff. 323 BVerfGE 30, 292, 310 f. 324 Änderungs-Dokumentationen zum BMV-Ä, nachzulesen unter: http: // www.lexisnexis. de/aedoku?STWT=%A7+18+BMV-%C4&rechtsstand_datum=2004–01–01&aenderung= 236798#z%A7+1 8; Stand: August 2005.

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unberührt. Der Vertragsarzt erhält sein Honorar, von dem Zuzahlungen gemäß § 43b Abs. 2 SGB V abzuziehen sind, weiter von der Kassenärztlichen Vereinigung (§ 85 Abs. 4 SGB V). Die Einziehung der Gebühr durch den behandelnden Arzt ist damit letztlich eine Art abgekürztes Inkasso im Interesse der Verwaltungsvereinfachung; alles andere passte auch kaum in das tripolare Sachleistungssystem der Gesetzlichen Krankenkassen für vertragsärztliche Leistungen325. Im selben Maße stellt sich auch die Pflicht zur Quittierung des Zahlungseinganges nach § 61 S. 4 SGB V als eine staatliche Indienstnahme dar. Das folgt einerseits aus dem Zusammenhang mit der Praxisgebühr, ergibt sich aber auch daraus, dass der Patient, der bei folgenden Praxisbesuchen innerhalb eines Quartals die Quittung vorzeigt, von weiteren Zuzahlungen befreit ist. (aa) Private Indienstnahme als Berufsausübungsregelung Allein die Tatsache, dass ein Privater für öffentliche Zwecke in Dienst genommen wird, bedeutet noch keine Grundrechtsverletzung326. Allerdings sind Indienstnahmen mit beruflichem Anknüpfungspunkt an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen327. Obwohl sie grundsätzlich Berufsausübungsregelungen sind, kann ausnahmsweise die Berufswahlfreiheit betroffen sein, wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen faktisch einer Berufswahlbeeinträchtigung gleichkommen, etwa weil die sinnvolle Ausübung des Berufes faktisch unmöglich wird328. Es genügt nicht, dass Einzelne entsprechend betroffen sind. Gesetzliche Regelungen tangieren die Berufswahlfreiheit erst dann, wenn die in die Pflicht genommene Gruppe in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr zur Berufsausübung in der Lage ist329. Im Zusammenhang mit der Praxisgebühr ist es allerdings kaum möglich, selbst für extrem atypische Situationen solche Auswirkungen zu konstruieren. Die §§ 28 Abs. 4, 43b Abs. 2 SGB V stellen folglich eine Regelung der ärztlichen Berufsausübung dar. Bei der Frage nach der Rechtfertigung dieses Eingriffes sind zwei Problemkreise voneinander zu unterscheiden. Neben der grundsätzlichen Frage, ob und in welchem Ausmaß die Inpflichtnahme Privater zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen überhaupt zulässig ist, erhebt sich auch das Problem, wer im Falle einer positiven Antwort auf die erste Frage die Kosten für dieses Vorgehen zu tragen hat.

325 Linke, Praxisgebühr auf dem Prüfstand – zugleich Besprechung von SG Berlin, Beschluss vom 16. 2. 2004–S 79 KA 348 / 03 ER, NZS 2004, 186, 188. 326 BVerfGE 30, 292, 311. 327 Das Arbeitszwang- und Zwangsarbeitsverbot des Art. 12 Abs. 2 GG ist hingegen nicht betroffen, vgl. Linke, NZS 2004, S. 186, 188. 328 Vgl. BVerfGE 30, 292, 313. 329 Vgl. BVerfGE 30, 292, 313 f.

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(bb) Verfassungsmäßigkeit des Eingriffs Als Berufsausübungsregelungen sind Indienstnahmen weitgehend zulässig, sofern sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten330. Dieser verlangt, dass die gesetzlichen Ausübungsregelungen durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und die Grenze der Zumutbarkeit bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe gewahrt bleibt331. Weil gesetzliche Berufsausübungsregelungen eine Vielzahl von Personen treffen, kann nicht die individuelle Interessenlage eines Betroffenen den Ausschlag geben. Erst wenn die angegriffene Regelung das Übermaßverbot im Hinblick auf die Berufsgruppe generell verletzt, ist sie verfassungswidrig332. Dabei ist der parlamentarische Gesetzgeber auf Grund seiner Stellung und umfassenden unmittelbaren demokratischen Legitimation in der Bestimmung der wirtschafs-, gesellschafts- und sozialpolitischen Ziele seines Handelns im Rahmen der Verfassung weit gehend frei333. Was den erforderlichen legitimen Zweck der Maßnahme anbelangt, so besteht zunächst kein Zweifel, dass die Einbeziehung der Ärzte als Inkassostellen zur Erhebung der Praxisgebühr der Verwaltungsvereinfachung dient und der Effizienz des neuen Zuzahlungssystems zuträglich ist; beide Punkte stellen legitime gesetzgeberische Anliegen dar, die im Dienst des übergeordneten Zieles stehen, durch die Zuzahlungen einen weiteren Finanzierungsbeitrag der Versicherten zu erheben und sie zu Kosten senkendem Verhalten zu bewegen334. Ebenso ist das langfristig angestrebte Ziel, die derzeitige und künftige Finanzierbarkeit der GKV auf eine solidere Basis zu stellen, dem Grunde nach vernünftig und verfassungsrechtlich legitim. Auch an der Geeignetheit der Maßnahme zur Erreichung des vorgegebenen Ziels bestehen zunächst keine Zweifel. Sie ist bereits dann zu bejahen, wenn mit Hilfe des gewählten Mittels der Gesetzeszweck lediglich gefördert werden kann335. Zudem steht dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der faktischen Eignung ein weiter Prognosespielraum zur Verfügung, der im vorliegenden Fall auch nicht durch die Etablierung eines völlig untauglichen Mittels überdehnt wurde. Was die Erforderlichkeit und damit die Frage anbelangt, ob im Hinblick auf den vorgenommenen gesetzlichen Grundrechtseingriff eine Handlungsalternative besteht, die gleichermaßen wirksam, aber weniger belastend ist336, bestehen aller330 331 332 333 334 335 336

BVerfGE 33, 240, 244; 30, 292, 315. BVerfGE 103, 1, 10; 93, 362, 369; 85, 248, 259. BVerfGE 30, 292, 315 f. Vgl. BVerfGE 30, 292, 316, 317. So auch Linke, NZS 2004, S. 186, 188. Vgl. BVerfGE 67, 157, 173; 30, 292, 316. Zum Kriterium der Erforderlichkeit BVerfGE 67, 157, 176; 30, 292, 316.

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dings Zweifel. Aufgrund des gesetzgeberischen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums kann die Erforderlichkeit verneint werden, wenn für die weniger einschneidende Maßnahme in jeder Hinsicht eindeutig feststeht, dass sie den Zweck zumindest gleichwertig fördert337. Für die Verfassungsmäßigkeit der Praxisgebühr kommt es folglich darauf an, ob sachgerecht ist, die Zuzahlungen unmittelbar von den Leistungserbringern kassieren zu lassen, weil sie im Vorfeld der Behandlung ohnehin den unmittelbaren Kontakt zu den Schuldnern der Gebühr, also den Patienten haben. Dieses Procedere erscheint aber nur auf den ersten Blick als sinnvoll und unkompliziert. Der Fall der Zahlungsverweigerung durch den Patient macht jedoch deutlich, dass die Vertragsärzte – anders als die Krankenkassen – nicht über die die nötige Ausstattung zur Eintreibung der Zuzahlungen verfügen. Zwar trägt der BMV-Ä dieser Problematik Rechnung, indem die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen nach erfolglosen Mahnversuchen des Arztes die eigentliche Beitreibung übernehmen. Dieses Verfahren ist jedoch mit erheblichen Problemen belastet, da den Kassenärztlichen Vereinungen – zumindest nach einem ersten Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf – gegenüber dem säumigen Versicherten weder ein Anspruch auf Mahngebühren noch ein Anspruch auf Erstattung der anfallenden Portokosten zusteht338. Geeigneter, und weniger belastend für die die Ärzteschaft, wäre daher ein Verfahren, das die Ärzte lediglich verpflichtete, zuzahlungspflichtige Behandlungsfälle aufzuzeichnen und an die zuständigen Krankenkassen weiterzuleiten. Diese könnten die Praxisgebühren gemeinsam mit den Beiträgen einziehen. Die stattdessen gewählte Regelung ist bürokratisch aufwändiger, weniger geeignet und beeinträchtigt die Grundrechte der Ärzte in höherem Maß als nötig. Selbst angesichts des parlamentarischen Gestaltungsspielraums erscheint bereits die Erforderlichkeit der getroffenen Regelungen also durchaus angreifbar. Auch bei der Prüfung der Angemessenheit des ärztlichen Inkassos erheben sich schwerwiegende Bedenken. Denn eine Grundrechtsbeschränkung ist nicht schon dann zumutbar und angemessen, wenn sie einem legitimen Zweck zuträglich ist. Obwohl Art 20 Abs. 1 GG unstreitig Grundrechtseingriffe im Interesse sozialstaatlicher Belange rechtfertigen kann, ist eine umfassende Gesamtabwägung der Mittel-Zweck-Relation eines legislativen Grundrechtseingriffs unerlässlich339. Da, wie bereits festgestellt, durchaus geeignetere Maßnahmen zur Erlangung der Zwecke der Praxisgebühr bestanden hätten als die Errichtung eines Ärzteinkassos, fällt die Rechtfertigung der Einschnitte in den grundrechtlichen Freiheitsbereich der Ärzte umso schwerer. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Pflicht zur Einziehung von Geldern ihrer Kassenpatienten für die Vertragsärzte ein völlig neues Aufgabengebiet bedeu337 338 339

Vgl. BVerfGE 105, 17, 34. SG Düsseldorf, 34. Kammer, Urteil vom 22. März 2005, Az. S 34 KR 269 / 04. Vgl. BVerfGE 105, 17, 36; 67, 157, 178; 30, 292, 316 f.

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tet. Anders als etwa die Apotheker, die schon seit Jahren Medikamentenzuzahlungen und andere Barbeträge kassieren und von jeher über ausreichendes Verkaufspersonal verfügen, müssen die betroffenen Arztpraxen erstmalig Sachmittel und Personal bereitstellen, um die Zuzahlung vor der Erbringung ihrer eigentlichen Leistung, der Behandlung, überhaupt kassieren zu können. Von einer unerheblichen Belastung, die das Bundesverfassungsgericht als Indiz der Grundrechtsverträglichkeit bei der Inpflichtnahme Privater verlangt340, kann also keine Rede sein. Im Gegenteil. Der Eingriff wirkt umso schwerer, als den entstehenden arbeitsorganisatorischen und finanziellen Lasten durch die zwangsweise Indienstnahme als Verwaltungshelfer keinerlei Ausgleich gegenüber steht. Wie bereits ausgeführt, kann die Zumutbarkeit einer Indienstnahme aber durchaus davon abhängen, ob die Betroffenen unausweichlich erheblich finanziell belastet werden oder ob eine monetäre Kompensationsmöglichkeit besteht341. Sind keine staatlichen Entgelte oder Entschädigungen vorgesehen, soll es auch genügen, dass sie ihre finanziellen Lasten über den Preis auf die Kunden abwälzen können342. Den Vertragsärzten bleibt diese Möglichkeit jedoch versperrt: Sie können ihr Honorar nicht frei kalkulieren, sondern müssen sich den Bestimmungen unterordnen, die die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen aushandeln. Auch ist es ihnen ausdrücklich verwehrt, für die Quittierung des Erhalts der Praxisgebühr ein Entgelt zu verlangen (§ 61 S. 4 SGB V). Die Knappheit der finanziellen Mittel allein kann jedoch nicht genügen, um die überproportionale Inanspruchnahme der Leistungserbringer zur Stabilisierung des solidarischen Versicherungssystems zu rechtfertigen343. Entsprechend hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine berufliche Indienstnahme als unzumutbar beanstandet, wenn durch sie auf den Betroffenen unausweichlich wirtschaftliche Verluste zukommen, weil die gewährte Entschädigung den tatsächlichen Aufwand nicht mehr deckt344. Auch aus dem Gleichheitssatz lässt sich die Notwendigkeit einer finanziellen Kompensation für die Vertragsärzte ableiten. Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn unterschiedliche Indienstnahmekonstellationen zu Lasten einer besonders belasteten Gruppe, die wesentlich stärker betroffen wird als andere, ohne Härtefallregelungen gleich behandelt werden345. Eine Pflicht zu Vgl. BVerfGE 44, 103, 104. Siehe hierzu BVerfGE 68, 155, 172; 44, 103, 104; 30, 292, 325 f.; vgl. zur ähnlich gelagerten Problematik des Ausgleichs für Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Vertragsärzte auch oben, C. I. a) bb) (e) (cc) (χ), (δ). 342 Vgl. BVerfGE 30, 292, 325 f. 343 Vgl. oben C. I. a) bb) (e) (cc) (χ) . 344 BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats), NJW 2001, S. 1269. 345 Siehe hierzu BVerfGE 68, 155, 173; BVerfG, (3. Kammer des Zweiten Senats), NJW 2001, S. 1269; BVerwG, NVwZ 2003, S. 866, 867. 340 341

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angemessener Entschädigung besteht unter Gleichheitsgesichtspunkten dann, wenn der Betroffene abweichend von dem Leitbild des Indienstnahmegesetzes beruflich in erheblichem Umfang in Anspruch genommen und einer Sonderbelastung ausgesetzt wird346. Auch wenn man im vorliegenden Fall der Praxisgebühr wohl nicht von einer völligen berufsmäßigen Inanspruchnahme der Ärzte ausgehen kann, weil diese, selbst in außergewöhnlichen Fällen, nicht zu „nebenberufliche Inkassounternehmern“347 verkommen, so ist es doch nicht ausgeschlossen, dass die völlige Entschädigungslosigkeit dem Gleichheitssatz zumindest partiell zuwider läuft. Die Höhe der Belastungen, die sich aus der Verpflichtung zur Einziehung und Quittierung der Praxisgebühr ergeben, variieren von Arzt zu Arzt und sind abhängig von den Eigenarten der jeweiligen Einzelpraxis, dem Anteil der betreuten Kassenpatienten, der Nachfrage in offenen Sprechstunden sowie der Sozialstruktur des Patientenstammes. Die Belastungen einer florierenden Gemeinschaftspraxis im Münchener Innenstadtbereich lassen sich insofern wohl kaum mit denen eines Landarztes an der deutsch-polnischen Grenze vergleichen. Selbes gilt für den überlasteten Einzelarzt in einem strukturschwachen Gebiet oder einem weniger wohlhabenden Großstadtviertel. Jeder der genannten Ärzte wird auf unterschiedliche Probleme bei der Erhebung der Praxisgebühr stoßen; für jeden von ihnen bedeutet die Einziehung der Praxisgebühr einen mehr oder weniger großen Aufwand an eigener Arbeitskraft oder finanziellen Mitteln348. Die undifferenzierte Gleichbehandlung aller Fallgruppen durch § 28 Abs. 4 SGB V, dem augenscheinlich die Annahme zu Grunde liegt, dass keinem Betroffenen ausgleichspflichtige Nachteile entstehen, ist daher auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt.

b) Ärztliches Standesrecht Während das staatliche Berufsrecht als unmittelbar-staatliches Regelwerk wirkt, ist das ärztliche Standesrecht als sublegales Berufsrecht ausgestaltet. Sein Charakter als unterstaatliches Recht führt zwangsläufig zum Begriff der berufsständischen Selbstverwaltung und ihren Funktionsträgern. Bereits mehrfach angesprochen wurden die Landesärztekammern. Als autonome Körperschaften des öffentlichen Rechts sind sie vom Staat durch Gesetzgebungsakt errichtet349. Ihre ideellen Vorgänger waren bürgerlich-rechtliche Vereine350, in 346 BVerfGE 68, 155, 172 ff.; 54, 251, 271 f.; BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), NJW 1999, S. 1621. 347 Linke, NZS 2004, S. 186, 190. 348 Linke, a. a. O. 349 Die Eigenschaft der Ärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts war seit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert unbestritten. Sie wurde später ordnungsgemäß auch durch staatliche Verleihung bekräftigt (so in Preußen durch das Ärztekammergesetz vom 30.12. 1926, Gesetzsammlung S. 353); in Bayern Kammergesetz vom 15. 7. 1957 (GVBl.

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denen sich Ärzte in ihrer großen Mehrheit zusammenfanden351. Angesichts ihrer vielfältigen Aufgabestruktur stellen sich die Ärztekammern nicht einheitlich dar. Juristisch steht der gesetzgeberische Errichtungsakt im Vordergrund. Nach ihrem Selbstverständnis leiten die Ärztekammern ihre Existenz aus dem gewachsenen, selbst organisierten korporativen Zusammenschluss der Berufsangehörigen ab. Als berufsständische Kammern haben sie damit eine Doppelfunktion. Sie sind nicht nur Teil der dezentralisierten mittelbaren Staatsverwaltung, sondern sollen auch „gesellschaftliche Wirkeinheiten zur Pflege vorstaatlicher öffentlicher Werte und deren Geltendmachung auch gegenüber dem Staat“352 sein. aa) Wesen und Bedeutung der ärztlichen Selbstverwaltung Die körperschaftliche Selbstverwaltung als ordnungspolitisches Prinzip hat in Deutschland eine lange Tradition und ist in ihrer Funktion unbestritten. Die ärztliche Selbstverwaltung ist ebenso wie die Selbstverwaltung der Kommunen, der Sozialversicherung, der Wirtschaft und der Hochschulen ein wichtiges Element des arbeitsteilig organisierten Staates. Das Grundgesetz erkennt sowohl die Selbstverwaltung als auch den mit ihr verbundenen Autonomiegedanken grundsätzlich an353. Einfachgesetzlich verleihen §§ 77 Abs. 5, 79 Abs. 1 SGB V den Kassenärztlichen Vereinigungen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit eigener Selbstverwaltung. Der Begriff der Selbstverwaltung ist jedoch nicht eindeutig umgrenzt. Teilweise wird er definiert als „selbständige, fachweisungsfreie Wahrnehmung enumerativ oder global überlassener oder zugewiesener eigener öffentlicher Aufgaben durch unterstaatliche Träger oder Subjekte öffentlicher Verwaltung im eigenen Namen“354. Von anderer Seite wird betont, dass Selbstverwaltungskörperschaften vor allem durch ihre Ferne von staatlicher Einflussnahme gekennzeichnet seien, da sie als Organisationen mit „dezentralisierter, eigenverantwortlicher Aufgabenerfüllung S. 162); derzeit Art. 10 Abs. 1 S. 3 HkaG in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juli 1994 (GVBl. S. 853). 350 Zum Beginn freiwilliger Zusammenschlüsse von Ärzten in Ärzte- und Regierungsbezirksvereinen vgl. Vogt, Die ärztliche Selbstverwaltung im Wandel, S. 46 ff.; Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 230 f.; Ramm, Ärztliche Rechts- und Standeskunde, S. 39. 351 Die Bundesärztekammer als Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern ist hingegen ein freiwilliger privatrechtlicher Zusammenschluss der Landesärztekammern in der Rechtsform eines nicht rechtsfähigen Vereins, der mittlerweile den Rang einer gesetzlich beauftragten und ermächtigten Institution erreichte; hierzu Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 13, Rz 13; Taupitz, MedR 1998, S. 1. 352 Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Band II, S. 6. 353 Vgl. zum Autonomiegedanken der Selbstverwaltung innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung BVerfGE 33, 125, 157. 354 Wolf / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Band II, § 84, Rz. 34.

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durch vom Staat geschiedene Träger öffentlicher Verwaltung und unter Ausschluss staatlicher Einmischung“355 ausgestaltet sind. Fest steht, dass Selbstverwaltung nicht auf staatlicher Ebene stattfindet. Der Selbstverwaltungsträger muss nicht nur vom Staat verschieden, sondern eindeutig von ihm geschieden sein356. Für die ärztliche Selbstverwaltung bedeutet das, dass sie in eigenständiger, und allenfalls der staatlichen Rechtsaufsicht unterliegender Weise die ihr obliegenden Aufgaben wahrnimmt, die zwar dem Bereich der Verwaltung zuzuschlagen, aber nicht staatlich sind und sich auf die Mitglieder des Selbstverwaltungsträgers beziehen357. Nicht vernachlässigt werden darf überdies die Tatsache, dass Selbstverwaltung auch Machtausübung beinhaltet und damit Fragen der Gewaltenteilung berührt. Erforderlich ist folglich eine Machtkontrolle sowohl nach innen, wie auch nach außen358. Soll sie, mit dem eben Gesagten, als flexible Alternative zu rein staatlichen Strukturen die ihr übertragenen Aufgaben wahrnehmen, darf Selbstverwaltung allerdings nicht zu einer reinen Normsetzung durch den Staat unter bloß formaler Auswechslung des Trägers werden. (1) Aufgabenvielfalt und Ambivalenz Die Aufgaben der Ärztekammern umfassen neben den bereits angesprochenen Aufgaben im öffentlichen Interesse auch die Wahrung der beruflichen Belange der Ärzteschaft gegenüber dem Staat, der Sozialversicherung und der Gesellschaft sowie soziale Aufgaben, insbesondere im Rahmen der berufsständigen Versorgungswerke und des ärztlichen Hilfswerkes. Damit steht die ärztliche Selbstverwaltung in einer Übergangszone zwischen staatlich-bürokratischer und gesellschaftlich-privater Aufgabenerfüllung. Bei der Wahrnehmung der Aufgaben im öffentlichen Interesse tritt die Ärztekammer ihren Mitgliedern teilweise als Hoheitsträger gegenüber. Wesentliches Kennzeichen ist dabei ihr Recht, durch ihre Beschlussorgane autonome Satzungen zu erlassen. Auch die Befugnis der Vorstände und Präsidenten, aufgrund entsprechender Rechtsgrundlagen Verwaltungsakte zu erlassen, ist Ausfluss der hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Kammern. Die Berufsaufsicht über die Ärzte und die daran knüpfenden Maßnahmen der Ärztekammern stellen die Kehrseite der Aufgabe dar, die Belange der Ärzte nach außen zu vertreten. Staat und Gesellschaft erwarten, dass die Kammern die allgemeine Rechtsordnung und die in Selbstverwaltung gestaltete Berufsordnung 355 356 357 358

Schnapp, in: Festschrift für Unruh, S. 881, 885. Wertenbruch, SGb 1975, S. 261, 262. Flüchter, Kollektivverträge und Konfliktlösungen im SGB V, S. 74. Dazu Taupitz, DÄBl. 46 / 1994, S. 38 ff.

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gegenüber den Ärzten eigenverantwortlich durchsetzen. Die Zukunft der Selbstverwaltung durch die Ärztekammern hängt folglich auch davon ab, inwieweit sie die professionelle Selbstkontrolle nach Inhalt und Umfang wie von der Allgemeinheit erwartet vollziehen359. Die erfolgreiche Arbeit der Selbstverwaltung, die gleichermaßen das Gemeinwohl und die Interessen ihrer Mitglieder im Auge hat, hängt aber auch davon ab, inwieweit der Staat ihr einen Handlungs- und Ermessensspielraum überlässt, den sie in eigener Verantwortung ausfüllen und verwalten kann360. Gerade im Bereich der vertragsärztlichen Selbstverwaltung ist der staatliche Einfluss in den letzten Jahren konstant gestiegen. Die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Ausführung immer neuer, durch den formalen Gesetzgeber geschaffener Normen des Sozialrechts bei gleichzeitiger Wahrnehmung der Interessen des Standes verdeutlicht das Spannungsverhältnis zwischen Fremd- und Selbstkontrolle der Ärzteschaft. (2) Politisches und gesellschaftliches Umfeld Selbstverwaltung beruht – soziologisch gesehen – auf einem Vertrag zwischen Gesellschaft und dem Berufsstand, wonach die Gesellschaft dem Berufsstand Autonomie in der Berufsausübung gegen das glaubwürdige Versprechen effektiver Selbstkontrolle und Selbstregulierung gewährt361. Nicht erst in letzter Zeit wird der Vorwurf erhoben, die ärztliche Selbstverwaltung würde in erster Linie die Interessen der Ärzteschaft verfolgen und die Belange der Patienten und damit ihre am Gemeinwohl orientierte Aufgabe vernachlässigen362. Der häufig entstehende Eindruck, die Ärzteschaft sähe ihre vornehmste Aufgabe darin, die Größe der Praxisschilder ihrer Kollegen zu kontrollieren, um nicht in die Gefahr eines Wettbewerbsnachteils zu gelangen, trägt nicht unbedingt dazu bei, den Nutzen der ärztlichen Selbstverwaltung in der Öffentlichkeit zu betonen. Ähnlich verhält es sich, wenn nach einer verbesserten finanziellen Ausstattung im Gesundheitswesen verlangt wird. Solange in der Gesellschaft das Gefühl aufkommt, diese Bemühungen hätten als einziges Ziel den Erhalt der eigenen Ein359 Taupitz spricht in diesem Zusammenhang von einem stillschweigenden Vertrag zwischen der Gesellschaft und der Berufsgruppe; vgl. Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 72. 360 Vogt, Ärztliche Selbstverwaltung im Wandel, S. 110. 361 Vgl. Taupitz, DÄBl. 46 / 1994, S. 38, 40; zum Verhältnis des Rechts auf berufliche Autonomie zur Verpflichtung zu berufsständiger Selbstkontrolle vgl. auch die Deklaration des Weltärztebundes „Berufliche Autonomie und Selbstverwaltung“, vom Oktober 1987, nachzulesen unter: http: //www.bundesaerztekammer.de/30/Auslandsdienst/99 Handbuch2004.pdf; Stand: Oktober 2005. 362 Illich, Die Nemesis der Medizin, S. 1 ff.

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kommenssituation und verlören dabei die Belange der Patienten aus den Augen, schwindet das Vertrauen in die Effektivität der Steuerungsmöglichkeiten durch die Selbstverwaltung. Dies ist umso bedenklicher, als die berufsständische Autonomie für die Freien Berufe ein unabdingbares Element der Qualitätskontrolle ist, das auf komplexem Fachwissen beruht und sich der Beurteilung durch den Laien verschließt. Von Seiten der Ärzte wird jedoch vielfach moniert, eine wirksame Vertretung ihrer Interessen durch die Kammern finde nicht statt. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Wahrnehmung dieser Aufgaben in Zeiten von Einsparungen, Kürzungen von Leistungen und der Verantwortung für höhere finanzielle Belastungen für die Versicherten zwangsläufig mit großen Kompromissen verbunden sein muss. Die selbst produzierte Überregulierung und Verrechtlichung der Selbstverwaltungskörperschaften führt sogar dazu, dass gelegentlich schon die Auffassung vertreten wird, deren Aufgaben könnten ebenso gut von einer weisungsgebundenen Staatsbehörde erfüllt werden363. Ähnliches gilt für die kassenärztliche Selbstverwaltung, und zwar umso mehr, je geringer die zu verteilenden Honorare ausfallen, während gleichzeitig die administrativen Anforderungen an den einzelnen Vertragsarzt ansteigen. Diese Diskrepanz der Anschauungen zwischen Gesellschaft einerseits und Standesangehörigen andererseits spiegelt die Problematik der Doppelnatur des Organisationstypus der öffentlichen Körperschaft wider. Auch wenn sich die Verwaltungskraft von Berufsständen durch die Verkammerung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben nutzen lässt, sind die Spannungen dennoch programmiert, wenn durch die öffentlich-rechtliche Verselbständigung zugleich gemeinsame Interessen der zwangsweise Zusammengeschlossenen – auch und gerade – im Verhältnis zum Staat zur Geltung kommen sollen364. Zudem ist unbestritten, dass der parlamentarische Gesetzgeber, wenngleich bei der Übertragung von Aufgaben der Selbstverwaltung ein weiter Spielraum besteht, die wesentlichen gesundheitspolitischen Fragen selbst entscheiden und somit auch die Aufgaben und Befugnisse der Kammern in den Grundzügen selbst regeln muss365. Mit dem oben Gesagten wird deutlich, dass es nicht allein in den Händen der Berufsangehörigen liegt, Missstände im Standesinneren abzuschaffen. Auch wenn die Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen Arztes einen Beitrag leisten kann, das Ansehen des Berufsstandes und das Vertrauen in ihn zu stärken, so ist doch die ärztliche Selbstverwaltung in weiten Teilen von außen determiniert. Die Erfüllung vieler Aufgaben der Kammern stellt aufgrund eines entsprechenden RechtVgl. dazu die Ausführungen bei Vogt, Ärztliche Selbstverwaltung im Wandel, S. 1110. So auch Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, S. 55. 365 BVerfGE 33, 125, 158 ff.; Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 804 ff.; Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, S. 181 ff. 363 364

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setzungsaktes keine Selbstverwaltung im eigentlichen Sinne mehr dar366. In hohem Umfang geht es auch um Aufgaben, die für sich genommen die Allgemeinheit und nicht in spezifischem Maße die Ärzte als Kammermitglieder betreffen. Entsprechend muss sowohl bei der Rechtsetzung durch die Kammern wie auch bei der Auslegung der entsprechenden Normen dem sich wandelnden gesellschaftlichen Umfeld wie auch dem veränderten Selbstverständnis der Ärzteschaft Rechnung getragen werden. bb) Veränderungen und Ökonomisierung des standesrechtlichen Selbstverständnisses am Beispiel des Werbeverbots Angesichts des zunehmenden Wettbewerbes im Gesundheitsmarkt und des steigenden Anspruchsdenkens seitens der Patienten, gewinnen außenwirksame Maßnahmen für Ärzte und Krankenhäuser zunehmend an Bedeutung. Niedergelassene Ärzte konkurrieren im Bereich der ambulanten Versorgung – wie beispielsweise das Verhältnis von Ophtalmologen zu Augenoptikern beweist – immer häufiger mit nicht approbationsbedürftigen Berufen, Sanatorien stehen im Wettbewerb mit einer Vielzahl von (gewerblichen) Anbietern ähnlicher Leistungen. Werbewirksamen Darstellungen ihrer Tätigkeit sind Ärzten jedoch – im Gegensatz zu Gewerbetreibenden – kaum möglich und müssen sich an den durch das Standesrecht gesetzten Grenzen orientieren. Will das Standesrecht in seiner Doppelfunktion dem Gemeinwohl und den Interessen der Ärzteschaft gleichermaßen gerecht werden, muss folglich eine idealistisch nicht überhöhte Vorstellung über Berufswürde und Standesehre den Ausgangspunkt der Diskussion über das Werbeverbote der Ärzte bilden367. (1) Europarechtliche Grundlagen Eine isolierte Betrachtung der im deutschen Standesrecht niedergelegten Regelungen verbietet sich schon insoweit, als auch in diesem Bereich der Einfluss des Rechts der europäischen Gemeinschaft368 zu berücksichtigen ist. Mit dem Vertrag von Maastricht369 verankerte Art. 129a EG a.F. erstmals ausdrücklich den Verbraucherschutz als Ziel europäischer Wirtschaftspolitik, die im deutschen Gesundheitswesen ihre Wirkung vor allem im Bereich der Werbeverbote und des Ärztemarketings entfaltet. Zwar steht eine Harmonisierung des ärztlichen 366 Plantholz, Funktionelle Selbstverwaltung des Gesundheitswesens im Spiegel der Verfassung, S. 201. 367 So auch Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 363. 368 Vgl. bereits oben, C. I. 1. 369 Vertrag über die Europäische Union vom 07. 02. 1992, BGBl. II S. 1256.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Standesrechts durch die EU nicht zu erwarten370. Über den Hebel des Verbraucherschutzes wirkt sich das Europarecht aber zumindest auf die Handhabung der deutschen Standesregeln aus, da Gesundheits- und Verbraucherschutz im Recht der Europäischen Gemeinschaften eine Einheit bilden371. Interessanterweise setzt die europäische Politik zum Schutz des Verbrauchers vor allem auf umfassende Informationen. Das absolute Werbeverbot für Ärzte scheint diesem Gedanken diametral zuwider zu laufen. Es beschneidet dem Patienten als Konsumenten von Gesundheitsleistungen weit gehend die Freiheit, sich mit den Angeboten verschiedener Leistungserbringern auseinanderzusetzen. Dieser Hintergrund muss bei der Beurteilung der nationalen Regelungen zum ärztlichen Werbeverbote berücksichtigt werden. (2) Formelle Verfassungsmäßigkeit Nach § 27 MBO-Ä ist es dem Arzt untersagt, für sich zu werben oder seine berufliche Tätigkeit werbend anzupreisen. Werbung und Anpreisung werden dabei von der Rechtsprechung der Berufsgerichte als Handlungen definiert, die dazu bestimmt sind, bei dem Angesprochenen einen Mangel an Bereitschaft zu überwinden und den Betroffenen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen372. Das Werbeverbot bezieht sich dabei nicht auf statusbildende Merkmale, sondern auf die Art und Weise ärztlicher Berufsausübung373. Dieser Ansatz ist in der Literatur verschiedentlich auf Widerspruch gestoßen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die berufsrechtlichen Werbeverbote äußert etwa Ring374 mit der Argumentation, die Regelungen beträfen dieselbe Materie wie das GWB. Insofern läge im Hinblick auf Art. 31 GG ein Kompetenzverstoß vor. Dieser Ansatz leuchtet insofern ein, als die Überschneidungen des Wettbewerbs- und Kartellrechts mit den standesrechtlichen Regelungen nicht zu übersehen sind. Auch kann mit der oben dargestellten Annäherung des Arztberufes an das Gewerbe nicht mehr allein das Argument der Allgemeinwohlverpflichtung und des Patientenschutzes bemüht werden, wonach bereits der Sache nach eine nur durch das Wettbewerbsrecht beschränkte Werbung von Ärzten nicht erlaubt sein könne375.

V. Schwanenflügel, JZ 1993, S. 551, 554; Taupitz, MedR 1998, S. 1, 6. Barth, Mediziner-Marketing, S. 145. 372 Urteil des Landesberufsgerichts für Heilberufe bei dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen vom 13. 1. 1969 (ZA 2 / 68), ArztR 1970, 164. 373 BVerfGE 71, 162 = MedR 1986, 218. 374 Ring, Wettbewerbsrecht der Freien Berufe, S. 420 ff. 375 So aber wohl Schulte, Das standesrechtliche Werbeverbot der Ärzte, S. 167. 370 371

I. Freie Berufsausübung und gesetzliche Reglementierung

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Eine kompetenzrechtliche Kollision der Berufsordnungen mit dem Bundesrecht kann jedoch nicht angenommen werden. Anders als nach der von Ring vertretenen Ansicht kann nicht eine einzelne Regelung der MBO-Ä herausgegriffen und auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht überprüft werden. Standesrechtliche Wettbewerbsbeschränkungen stehen im Einklang mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes, das in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG dem Bund die Regelungskompetenz über die Berufszulassung gibt, und damit die Berufsausübung im Bereich der Länderzuständigkeit belässt. Da die Länder diese Kompetenzen durch die Kammergesetz auf die Selbstverwaltungskörperschaften übertragen haben und Werbeverbote schon kraft Sachzusammenhanges zu den Berufsausübungsregelungen gehören376, scheidet ein kompetenzrechtlicher Verstoß aus377. (3) Materielle Verfassungsmäßigkeit Werbeverbote, die die Berufsausübung beschränken, hat das Bundesverfassungsgericht378 für zulässig erachtet, wenn hinreichende Gründe des Allgemeinwohls sie rechtfertigen und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Schützenswerte Interessen des Gemeinwohls und damit auch ausreichend Gründe für die Rechtfertigung des standesrechtlichen Werbeverbots lägen demgemäß bereits vor, wenn eine allgemeine Werbung, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich ist, im Bereich des Gesundheitswesens verhindert werden müsste. Zwar gelte es zu beachten, dass im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Verbotes durch den Gesetzgeber der Gedanke der Zumutbarkeit immer stärker an Bedeutung gewinne379, wodurch die Intensität des Eingriffs in die Berufsfreiheit zu der Art und Bedeutung der Gemeinwohlinteressen in Beziehung gesetzt und den veränderten Rahmenbedingungen des ärztlichen Berufes Rechnung getragen werden solle. Trotz dieser Einschränkung hält die Rechtsprechung aber überwiegend an dem Grundgedanken fest, dass kranke oder potenziell zu erkrankende Menschen leichter zu beeinflussen und zu verunsichern seien als gesunde Kunden gewerblicher Leistungen. Vor Anpreisungen müssten sie deshalb in höherem Umfang geschützt werden. Außerdem gelte es, das Vertrauen der Patienten darauf zu schützen, dass der Arzt nicht, vom Gewinnstreben geleitet, lukrative Behandlungsmethoden anwende, sondern Verordnungen nur in uneigennütziger Weise und aufgrund ihres therapeutisch-diagnostischen Nutzens treffe. Schulte, a. a. O., S. 167. Zwar kommt dem Bund die Regelungskompetenz für das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zu, aber auch wenn die wirtschaftliche Komponente des Arztberufes nicht zu übersehen ist, wird angesichts des daneben bestehenden Gemeinwohlbezuges die Kompetenz zu wettbewerbsbeschränkenden Regelungen doch eher in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG zu suchen sein. 378 Std. Rspr. seit BVerfGE 7, 377, 378. 379 BVerfGE 30, 292, 316 f., weitere Nachweise bei Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Kommentar zum GG, Art. 12, Rz. 322 mit Fn. 1. 376 377

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Diese Argumentation verkennt jedoch, dass ein mündiger Patient dieser Tage wohl nicht mehr davon ausgehen darf, dass die Tätigkeit seines Arztes allein von Menschenliebe und Altruismus motiviert ist. Gerade weil die Entwicklung im Gesundheitswesen immer mehr in Richtung Spezialisierung und Subspezialisierung geht, erscheint es im Gegenteil erstrebenswert, die unterschiedlichen Leistungsangebote transparent zu machen und den Patienten über bestehende Behandlungsmöglichkeiten, gegebenenfalls auch außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung zu informieren. Dies entspricht auch den europäischen Ideen der Verbraucherschutzpolitik, die auf eine umfassende Information der Konsumenten setzt. Dass dadurch per definitionem „nicht notwendige“ Leistungen erbracht werden können, erscheint angesichts der umfassenden Aufklärungspflicht gerade bei elektiven medizinischen Eingriffen und des Wegfalls der Erstattungspflicht der gesetzlichen Kassen bei therapeutischen Maßnahmen außerhalb des Leistungskataloges unproblematisch; vielfach wird es sich gerade bei diesen Leistungen um solche handeln, die der Patient ausdrücklich wünscht380. Zudem unterliegt nach fester Spruchpraxis auch die Ärzteschaft den Regeln des UWG, insbesondere dem Verbot irreführender Werbung381; der Schutz des Patienten würde also auch auf diese Weise gewährleistet. Wenn trotzdem angeführt wird, die Seriosität des Arztberufes könne nur gewahrt werden, wenn merkantile Gesichtspunkte zweitrangig blieben382, und aus diesem Grund etwa Hinweise auf eine bestehende Spezialisierung verboten werden, so kann darin keine sinnvolle Begrenzung mehr erblickt werden. Auch die im Hinblick auf das Werbeverbot von der Rechtsprechung383 „stereotyp wiederholte Äußerung“384, der Angehörige eines Freien Berufes werbe schon in ausreichendem Maße durch seine berufliche Leistung, erscheint wenig einleuchtend und lässt außer acht, dass Werbung auch für die Marktgegenseite eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat. Der darin anklingende Ausschließlichkeitscharakter begünstigt vielmehr eine Fehleinschätzung freiberuflicher Qualifikation und des Berufsbildes385. Selbst nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes soll aber die Verhinderung einer Verfälschung des Berufsbildes – und damit die Kommerzialisierung des Arztberufes – Maßstab für die Grenzen zulässiger Werbemethoden von Ärzten sein. Zur Problematik der so genannten IGeL-Leistungen siehe unten C. II. C. cc). Zum Verhältnis standesrechtlicher Normen zum Bundesrecht vgl. oben C. I. 3. b) bb) (1) (a). 382 Vgl. dazu OVG NRW, MedR 1987, 200, 201 f. 383 Vgl. nur BGHSt 26, 131, 135; EGH Celle, AnwBl. 1978, 374, 375; EGH Hamm, AnwBl. 1978, 375, 376. 384 Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 371. 385 Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 371. 380 381

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Zwar ist zuzugeben, dass eine wie auch immer geartete Werbung für ärztliche Dienstleistungen kaum wie ein kommerzielles Produktmarketing gestaltet werden kann, bei dem sich der Konsument mittlerweile an die beeinflussenden Absichten der Hersteller gewöhnt hat. Von einem Arzt erwartete der Patient keine aggressive Beeinflussung, sondern eine umfassende Information über medizinische Möglichkeiten, die sich ihm aufgrund des bestehenden Wissensgefälles nicht auf Anhieb erschließen. Schon im eigenen Interesse würde es einem Arzt gut anstehen, bei der Vermarktung seines Leistungsspektrums zurückhaltend zu operieren, um keine negativen Reaktionen bei seinen Patienten hervorzurufen, die an ärztliche Werbung nicht gewöhnt sind386. Die Bedenken, eine Liberalisierung des ärztlichen Werbeverbotes könne zu einer dem Stand unangemessenen kommerziellen Werbeschlacht führen, sind aber noch aus einem anderen Grund nicht stichhaltig: Die jüngsten Lockerungen bei Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern zeigen, dass die meisten Anbieter lediglich lokal und auf kleinen Märkten operieren387. Gleichwohl nehmen diese Berufsgruppen gezielt Kommunikationsinstrumente wie den Eintrag in einen Suchservice oder einer Homepage im Internet wahr und entsprechen damit unter anderen auch den gewandelten Ansprüchen ihrer Klientel388. Wenn ein Arzt dagegen ausschließlich auf die Mundpropaganda seiner Patienten angewiesen ist, macht er sich abhängig von den sehr unterschiedlichen, subjektiven Einschätzungen nicht nur seiner beruflichen Qualifikation, sondern auch seines verordnungstechnischen Wohlverhaltens. Dies ist in zweifacher Hinsicht fatal: Einerseits fehlt dem Patienten, dem als Kriterium der fachlichen Einschätzung oft kaum mehr zu beurteilen bleibt als die Geschwindigkeit, in der der Heilerfolg eintritt, meist das fachliche Hintergrundwissen. Unzufriedene oder ungeduldige Patienten können daher einem gewissenhaft arbeitenden Arzt durchaus Schaden zufügen. Neben der fachlichen Eignung wird ein Arzt aber auch nach seinem Umgang mit Patienten ausgewählt. Entsprechend kann z. B. die Weigerung, eine gewünschte Krankschreibung für den Arbeitgeber auszustellen, für den gewissenhaften Mediziner ebenfalls negative Folgen haben. Im Zweifel wird der unzufriedene Patient künftig einen attestierfreudigeren Kollegen aufsuchen. Da nach allgemeiner Lebenserfahrung zudem häufiger über negative als über positive Erfahrungen berichtet wird, darf der Arzt auf einen Ausgleich durch zufriedene Patienten nicht vertrauen. Deshalb müssen auch solche Maßnahmen zulässig sein, die die Barth, Mediziner-Marketing, S. 404. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass dem durchschnittlichen Freiberufler bereits das Budget für eine aufwändige Werbekampagne fehlt. Auch wenn die Zeiten der Hochpreispolitik in der Werbung wohl vorüber sind und die meisten Fernsehsender ihre Sätze um über 20 Prozent gesenkt haben, kostet ein 30 Sekunden-Spot während einer Formel 1-Übertragung zur besten Sendezeit noch immer über 150 000 Euro. Solche Preise dürften den Jahresumsatz manches Freiberuflers bereits deutlich überschreiten. Zahlen nachzulesen unter: www.movie-college.de/filmschule/medien/tv-werbung.htm; Stand: Oktober 2005. 388 Barth, Mediziner-Marketing, S. 405. 386 387

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

persönlichen Fähigkeiten des Arztes hervorheben, sofern sie sachlichen Kriterien zugänglich und geeignet sind, eine Abgrenzung zu wie auch immer gearteter, inhaltlich unrichtiger Mundpropaganda389 zu schaffen. Umgekehrt muss der Patient die Möglichkeit erhalten, sich anhand objektiv bewertbarer Qualitätsmerkmale ein Bild von der Eignung eines Arztes für die von ihm gewünschte Behandlung zu machen. Die zu beobachtende Tendenz, nach der sich die Strenge des berufsrechtlichen Werbeverbotes langsam abschwächt390, ist daher zu begrüßen. Bei Einhaltung der angesprochenen Seriositätskriterien steht diese Entwicklung nicht im Widerspruch zum freiberuflichen Charakter des Arztberufes, sondern wird zum Sinnbild für dessen Wandel und Anpassung an die Gegebenheiten eines modernen Gesundheitswesens. (4) Liberalisierung des standesrechtlichen Werbeverbotes Die Vielzahl von Richtersprüchen zum Werbeverbot der Ärzte391 wirft ein bezeichnendes Bild auf die Veränderungen im Selbstverständnis des ärztlichen Berufsstandes. Wenn auch noch immer am altruistischen Anspruch an die Ärzteschaft festgehalten und die Zurückhaltung und Unaufdringlichkeit beim Angebot medizinischer Leistungen postuliert wird392, so gilt es doch auch, die veränderten Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, unter denen viele ärztliche Tätigkeiten erfolgen müssen. Im selben Maße, in dem der mündige Patient für sich in Anspruch nimmt, selbst abschätzen zu können, wann er welche medizinische Leistung in Anspruch nehmen möchte, wächst auch sein Bedürfnis nach Hinweisen und Information. Dies zeigt auch die immer wieder aufkeimende Diskussion zur Einführung eines so genannten „Ärzte-TÜVs393. In einem sich verschärfenden Wettbewerb um den Patienten als Kunden gewinnt Marketing für den Arzt zunehmend an Bedeutung. Der betriebswirtschaftliche Aufwand und der innovative Antrieb der Spezialisten drängen an die Öffentlichkeit, um potenzielle Nachfrager zu finden394. Der zunehmende Konkurrenzdruck der Ärzte untereinander zeigt sich besonders deutlich in der seit Jahren zu verzeichnenden sprunghaften Zunahme der Verstöße gegen das allgemeine Werbever389 Selbst durch zivilrechtliche Unterlassungsklagen ist eine derartige Mundpropaganda kaum zu verhindern. 390 Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 15, Rz. 1. 391 Vgl. etwa: VGH Mannheim MedR 1994, 492; BerufsG für Heilberufe beim OVG RhPf MedR 1995, 125; LG Hamburg MedR 1995, 118; VG Schleswig MedR 1995, 85. 392 Vgl. oben A. I. 2. b) ff). 393 Nachzulesen unter: http: //www.bundesaerztekammer.de/25/20021004/200110041.html; Stand: Februar 2003. 394 Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 15, Rz. 1.

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bot395. Zugleich spiegelt sich darin die schwindende Akzeptanz der Ärzteschaft wider, sich auch in Zukunft den einschlägigen Vorschriften der Landesberufsordnungen396, die denen des § 27 MBO-Ä entsprechen, zu unterwerfen. Selbst wenn nicht mehr jedwede Art von Werbung dem Werbeverbot unterfällt, sondern eine Beschränkung auf berufswidrige Maßnahmen anerkannt ist, wird darunter doch auch „das Führen von Zusätzen“ verstanden, „die im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern führen können und auf diese Weise einen Werbeeffekt hervorrufen.“397 So stehen das „berechtigte Interesse der Öffentlichkeit daran, über das Angebot spezieller ärztlicher Dienste ausreichend informiert zu werden“398, und der Wunsch der Ärzteschaft, diese Information auch zum eigenen (wirtschaftlichen) Nutzen zu gewähren, dem standesrechtlichen Bestreben entgegen, „eine weitgehende Kommerzialisierung des ärztlichen Berufes zu unterbinden“399. Noch immer wird daher argumentiert, das Werbeverbot solle auch den Schutz des Patienten gewährleisten und dessen Vertrauen in das altruistische Handeln der Ärzteschaft erhalten und stärken400. Dass aber zumindest im gewerblichen Bereich der Arzt wie auch jeder andere Unternehmer sein Leistungsangebot werbend herausstellen darf401, führt ebenso wie die bestehende Konkurrenz vieler Ärzte mit gewerblichen „Instituten gleicher Art“402 beinahe zwangsläufig zu einer Verquickung zwischen ärztlicher Tätigkeit und gewerblichem Engagement403. Entsprechend trat die Europäische Kommission für Menschenrechte dafür ein, der Meinungsfreiheit im Verhältnis zu den Standesregeln und Wettbewerbsverboten für Freie Berufe mehr Raum zu geben404. Die Weiterentwicklung des deutschen ärztlichen Standesrechts hat diese Vorgaben des europäischen Rechts zu beachten. Zwar hat die EU weder die Gesundheitssysteme der Mitgliedsstaaten noch das Berufsrecht der Freien Berufe vereinheitlicht, weswegen sich zum Teil ganz erhebliche Unterschiede für die Zulässigkeit nationaler Werbevorschriften ergeben405. Deutschland gehört dabei jedoch zu den Ländern, in denen noch immer sehr starke Restriktionen herrschen, während andere Staaten, wie z. B. Österreich oder GroßVgl. bereits Laufs, NJW 1990, S. 1505, 1510. Vgl. etwa § 27 Berufsordnung für die Ärzte Bayerns. 397 BVerfG NJW 1993, S. 2988. 398 OVG Hamburg MedR 1988, S. 200, 201. 399 OVG Hamburg a. a. O. 400 Zur Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand in Bezug auf das Werbeverbot vgl. BVerfG MedR 1996, S. 511, 512 ff. 401 LG Hamburg, zitiert nach Bonvie, MedR 1994, S. 308, 311. 402 BGH MedR 1990, 39. 403 Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 152, Rz. 3b. 404 EKMR, NJW 1984, S. 2751 ff. 405 Vgl. bereits oben C. I. 3. b) bb) (1). 395 396

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

britannien, ihre ärztlichen Werbevorschriften bereits gelockert haben406. So wirken die strengen deutschen Werbeverbote, auch wenn sie dem Schutz der Volksgesundheit dienen sollen, integrationsfeindlich407. Urteile wie Cassis de Dijon408 oder Decker409 haben bereits gezeigt, dass der Gesundheitsschutz gerade nicht als Vorwand für eine Marktabschottung herangezogen werden kann. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann dem deutschen Wettbewerbsrecht der Ärzte vom EuGH eine ähnliche Wirkung bescheinigt wird, wenn nicht zuvor die längst überfällige Liberalisierung auch hierzulande noch vorangetrieben wird. c) Effektivität von Selbstregulierung und Staatskontrolle Wie das Beispiel des berufsrechtlichen Werbeverbotes für Ärzte verdeutlicht, verändern sowohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als auch die wissenschaftlichen und technischen Fortschritte die ärztliche Berufsethik und damit die Berufspflichten des Standes. Besonders in den letzten Jahren vergrößerten sich die Herausforderungen an die Erfüllung der den Ärztekammern gesetzlich übertragenen Aufgaben. Einhergehend damit stiegen die Erwartungen der Berufsangehörigen an die Kammern als Vertretung ihres Berufsstandes. Die Einschätzung der ärztlichen Selbstverwaltung als freiheitliches Organisationsprinzip hängt jedoch nicht zuletzt davon ab, ob man sie eher als Instrument zur Eindämmung von Verwaltungstendenzen oder als eines solches zur Einschränkung privat-autonomer Freiräume ansieht410.

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit Während Politik und Gesetzgeber immer wieder betonen411, zur Freiheitlichkeit des Gesundheitswesens gehöre auch die Freiberuflichkeit des Arztes, wird gerade für das Vertragsarztwesen die Zukunft der Freiberuflichkeit immer wieder in Frage gestellt412. Barth, Mediziner-Marketing, S. 152. Dies ist umso bedenklicher, als bereits 1975 durch die gegenseitige Anerkennung der ärztlichen Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise die in Art 43 EG verankerte Niederlassungsfreiheit auch für die Gesundheitsberufe erleichtert worden ist. 408 EuGH, Urteil vom 20. 02. 1979, Rs. 120 / 78, Slg. 1979, 649 = NJW 1979, 1766 ff. 409 EuGH, Urteil vom 28. 04. 1998; Rs. 120 / 95, Slg. 1998, I-1871 ff. = NJW, 1998, 1769 ff. 410 Hendler, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, S. 354. 411 Seehofer, Die nächste Gesundheitsreform, in: Die politische Meinung, Heft 279, S. 51, 53. 412 Ausführlich: Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 147 ff. 406 407

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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Wie gesehen sieht das SGB V eine Fülle von Regelungen vor, die den Vertragsärzten bestimmte Leistungen faktisch untersagen. Behandlungsmethoden finden gar keinen oder nur einen verspäteten Eingang in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, andere werden daraus gestrichen. Auf diese Weise ist eine Vergütung dieser Leistungen nur mehr auf private Rechnung möglich. Stellvertretend für sie soll hier noch einmal das bereits angesprochene Verbot, eine von den Bundesausschüssen nicht anerkannte neue Behandlungsmethode anzuwenden (§ 135 Abs. 1 SGB V)413, ins Feld geführt werden. Auch wenn ein wesentlicher Aspekt dieser Regelung der Schutz des Patienten vor noch nicht ausgereiften Behandlungsmethoden ist414 und weitgehend Einigkeit besteht, dass die Einführung einer Binnenanerkennung neuer Therapieansätze wegen des Widerspruches zu § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V nicht sinnvoll ist, bedeuten die oft langwierigen Annerkennungsverfahren von Heilmethoden einen erheblichen Einschnitt in die ärztliche Therapiefreiheit 415. Im Einzelfall können die Instrumente, die die wünschenswerte Qualitätssicherung der Versorgung bewirken sollen, gerade entgegen gesetzte Wirkungen zeitigen416. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Regulierungen zum maßgeblichen Steuerungsinstrument für Angebot und Nachfrage werden und der ursprüngliche Qualitätssicherungsaspekt zugunsten der Kostendämpfungsbemühungen in den Hintergrund tritt417.

1. Beschränkung freier vertragsärztlicher Berufsausübung durch Marktregulierungen im Gesundheitswesen Angesichts der finanziellen Notlage im solidarisch finanzierten Gesundheitswesen wird immer wieder versucht, ein hohes Niveau medizinischer Versorgung aufrecht zu erhalten, indem das aktuelle Finanzvolumen an die Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen gebunden wird. Ressourcenverzehrende Defizite sollen durch Rationalisierung beseitigt werden. Bereits seit dem Jahr 1977 versucht der Gesetzgeber, die Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen. In mehrfach modifizierter, dem Grundanliegen nach aber gleich bleibender Art, verfolgt man bis heute das Konzept der einnahmeorientierten Ausgabenpolitik418. Angesichts der bestehenden Interessengegensätze im Ge413 414

Siehe oben C. I. 4. a) bb) (3) (g). Vgl. dazu Knittel, in Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, § 135 SGB V,

Rz. 2. 415 Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Therapiemethode im Ausland seit Jahren anerkanntermaßen und mit Erfolg praktiziert wird. 416 Siehe bereits oben, C. I. 4. a) bb) (3) (g); zur Rationierungsproblematik siehe unten, C. II. 1. b). 417 Zur ähnlich gelagerten Problematik des zulassungsüberschreitenden Einsatzes von Arzneimitteln bzw. der Verschreibung nicht zugelassener Medikamente (so genannter Off label Use) vgl. Engelmann / Meurer / Verhasselt, NZS 2003, S. 70 ff.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

sundheitssystem kann es freilich nicht verwundern, dass eben jene gesetzlichen Steuerungsinstrumente – insbesondere im bereits angesprochenen Bereich der Budgetierungsregelungen419 – von Anfang an auf harsche Kritik stießen. Halten die einen die „Implementierung zentralwirtschaftlicher Steuerungsinstrumente“ für ein Resultat der geschichtlichen Entwicklung und Produkt einer „paternalistisch-sozialen Weltanschauung“, die aus marktökonomischer Sicht zwingend zu Fehlsteuerungen führen muss420, sehen andere den Gesundheitsmarkt als Paradigma des Marktversagens an, dem deshalb die Steuerung nicht überlassen werden könne421. Wenn auch im Rahmen dieser Arbeit nicht im Einzelnen auf die Berechtigung dieser Kritik eingegangen werden kann, so machen doch insbesondere die Plafondierungen bzw. Budgetierungen im Gesundheitswesen deutlich, dass die Gesundheitspolitik zunehmend auf eine reine Kostendämpfungspolitik reduziert wird. So werden etwa durch die Budgets zum Beispiel für ambulante Leistungen finanzielle Höchstgrenzen für die in einem bestimmten Zeitraum abzurechnenden Leistungen der Ärzte gesetzt. Angesichts der Tatsache, dass der Gesundheitssektor an und für sich einen Markt mit erheblich steigender Nachfrage beinhaltet422, kollidieren solche Steuerungsinstrumente umso stärker mit der grundsätzlichen Wachstumsdynamik im Gesundheitsbereich, je mehr sie in den Markt eingreifen423.

a) Wirtschaftliche Ausgangslage Während bei gewöhnlichen Konsumgütern in der Regel eine Regulierung des Marktes über den Preis erfolgt, kommt dem Gut Gesundheit nicht nur aufgrund seines hohen Wertes für die Gesellschaft ein besonderer Stellenwert zu. Dies liegt zum einen darin begründet, dass der Patient im Krankheitsfall die Kosten einer Behandlung, solange sie nur Bestandteil des gesetzlichen Kataloges sind, nicht unmittelbar selbst zu tragen hat – in der vertragsärztlichen Versorgung bekommt der Patient nicht einmal eine Rechnung zu Gesicht. Die durch das GMG geschaffene Möglichkeit, vom niedergelassenen Arzt eine Leistungs- und Kostenübersicht424 418 Allein von 1970 bis 1975 stiegen die Ausgaben der GKV von 24,7 Mrd. auf 59,9 Mrd. DM, obwohl im Jahre 1970 die Lohnfortzahlung für Arbeiter durch den Arbeitgeber einsetzte, und so der bis dahin größte Ausgabenblock der GKV entfiel; vgl. dazu Adam / Henke, in: Schulin (Hrsg.), HS-KV, § 4, Rz. 1. 419 Vgl. zur Problematik der Budgetierungsregelungen bereits C. I. 3. a) cc) (3) (d) (aa). 420 Zitate nach Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten, S. 27. 421 Lang, a. a. O. 422 Ausführlich dazu: Oberender / Hebborn, Wachstumsmarkt Gesundheit, S. 1 ff. 423 Vgl. dazu den Endbericht der Enquete-Kommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung“, BT-Drucksache 11 / 6380, S. 327. 424 Seit Inkrafttreten des GMG haben niedergelassene Ärzte die Versicherten gemäß § 305 SGB V schriftlich und in verständlicher Form über die zu Lasten der Krankenkassen erbrach-

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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anzufordern, ist bereits in den der Regelung vorangegangenen Modellversuchen auf wenig Interesse gestoßen425. Die Einschätzung der Kosten, die durch die Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen entstehen, ist ihm damit mit einem guten Maß an Eigeninitiative des Patienten möglich. Schon aus diesem Grund hat die Höhe des Preises einer Heilbehandlung normalerweise keinen Einfluss auf die Menge der nachgefragten Leistungen. Daran hat sich auch durch die verschärften Zuzahlungsregelungen des GMG nichts Nennenswertes geändert426. Die trotz der Einschränkungen weiter bestehende annähernde Kostenvolldeckung im derzeitigen Gesundheitswesen macht die Nachfrage nach Leistungen extrem preisunempfindlich und bietet vielfach sogar einen Anreiz für den Versicherten, die Nachfrage über die Sättigungsgrenze hinaus auszudehnen427. Dies wird umso deutlicher, als seit der Einführung der Krankenversicherungskarte noch einmal ein massiver Anstieg der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen zu verzeichnen ist428. Als Beispiel für die Folgen kann das neu geordnete Pflegesatzrecht429 für die Kliniken dienen: Es untermauert nicht nur das inzwischen erreichte hohe Maß an Reglementierung, sondern auch das „Dilemma verantwortungsbewusster Ärzte“430. Der ökonomische Druck birgt die Gefahr für die Patienten, dass aus wirtschaftlichen Gründen Leistungen gekürzt werden, und sich damit der Standard der medizinischen Versorgung erheblich absenkt431. Dem Arzt droht die Funktion einer verteilenden Instanz auf unterster Ebene im System der Daseinsvorsorge einer medikalisierten Gesellschaft432. Die Einhaltung des in § 1 Abs. 1 BÄO statuierten Grundsatzes, dass der Arzt der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes zu dienen habe, wird dadurch immer problematischer: Es gilt, die schwierige Entscheidung zu treffen, wo angesichts der Kostenexplosion bzw. der erodierenden Einnahmen die Grenzen zwischen medizinisch Notwendigem bzw. ten Leistungen und deren Kosten zu unterrichten. Die Quittung ist entweder im Anschluss an die Behandlung oder quartalsweise (spätestens vier Wochen nach Quartals-Ende) auszuhändigen. Sie ist nur auf Verlangen des Patienten zu erstellen. Die Patienten müssen als Aufwandspauschale je Quittung einen Euro zahlen – und zusätzlich eventuelle Versandkosten erstatten. Damit die Patienten die Abrechnung auch kontrollieren können, erhalten sie – ebenfalls nur auf Antrag – von ihrer Krankenkasse eine Aufstellung der im jeweils letzten Geschäftsjahr für sie abgerechneten Leistungen und deren Kosten. 425 Lediglich fünf bis zehn Prozent der Patienten machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Zahlen nachzulesen unter: http: // www.kvno.de/mitglieder/kvnoaktu/03_12 gmg3 quit.html; Stand: Oktober 2005. 426 Zur Praxisgebühr siehe bereits oben C. I. 4. a) bb) (3) (h); zur Steuerungswirkung der Gebühr vgl unten C. II. 1. c). 427 Szucs, Gesundheit und Ökonomie, S. 1. 428 Krimmel, Forum für Gesellschaftspolitik, 1998, S. 81. 429 Genzel, MedR 1995, S. 1 ff., 43 ff.; Dietz / Quaas, NJW 1995, S. 764 ff. 430 Laufs, NJW 1995, S. 1590. 431 Überblick dazu bei Hager, in: Honnefelder (Hrsg.), Ärztliches Urteilen und Handeln. 432 Laufs, NJW 1995, S. 1590, 1591.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

medizinisch Sinnvollem und dem wirtschaftlich der Allgemeinheit nicht mehr Zumutbaren liegen. Versuche, dieses Problem zu lösen, tangieren die charakteristischsten Wesensmerkmale freiberuflicher, ärztlicher Tätigkeit, namentlich die durch Art. 12 und 5 Abs. 3 GG gewährleistete Therapiefreiheit, in der das Pendant zu Autonomie und Gesundheit des Patienten zu sehen ist, die ihrerseits durch Art. 1 und 2 GG geschützt werden. b) Leistungsrationierung im System der GKV Die Spannungen zwischen Wirtschaftlichkeitsgebot und Aufrechterhaltung des medizinischen Standards gebieten es immer mehr, Regeln für den Umgang mit den knappen zur Verfügung stehenden Mitteln aufzustellen. Das Recht, insbesondere das Grundgesetz, liefert jedoch kaum Vorgaben für die Ressourcengewinnung. Erst Recht enthält es keine Vorgaben für die Verteilung der ohnehin schon knappen Mittel im Gesundheitssystem433. Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, wie er in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG festgeschrieben ist und der ein Recht auf notwendige Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit gewährt434, ist nach § 4 Abs. 2 S. Nr. 1 SGB I allen Sozialversicherten garantiert. § 70 Abs. 1 S. 1 SGB V schreibt die bedarfsgemäße und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Standard der medizinischen Erkenntnis entsprechende Versorgung der Versicherten vor. Immer häufiger übersteigen jedoch die Leistungsausgaben der Sozialleistungsträger die Beitragseinnahmen der Krankenkassen. Angesichts stagnierender Arbeitsmärkte und rückläufiger Lohnquoten lassen sich die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen kaum steigern, wenn am Grundsatz der Stabilität der Sozialversicherungsbeiträge festgehalten werden soll. Wenn auch eine Ausdehnung der Belastungen für die Versicherten spätestens seit Inkrafttreten des GMG zu 1. Januar 2004 kein Tabu mehr ist, soll dieser Problematik doch nach wie vor in höchstem Maß mit der Rationalisierung ärztlicher Leistungen begegnet werden. Angesichts des Ausmaßes dieser Effizienz steigernden Maßnahmen erhebt sich die Frage nach damit einhergehenden Rationierungen ärztlicher Leistungen. aa) Rationalisierung versus Rationierung Grundsätzlich steht der Begriff der Rationalisierung für den Inbegriff aller Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz eines Systems435. Rationalisierung richtet Vgl. Laufs, NJW 2000, S. 1757, 1763, Fn. 151. Allerdings räumt Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip einem Versicherten „keinen subjektiven Anspruch auf die Gewährung konkreter Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung ein“, BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1998, 1775, 1776. 433 434

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sich auf die Einschränkung überflüssiger, schädlicher, riskanter, unzumutbarer oder inhumaner Leistungen und deren Ersatz durch andere, die den gleichen Nutzen mit weniger Aufwand erzielen können436. Damit lässt sich Rationalisierung im medizinischen Bereich definieren als „der optimale Einsatz personeller und materieller Mittel bei mindestens gleich bleibender Leistungsqualität und Effizienz“437. Der Begriff der Rationierung hingegen bezeichnet die Verweigerung von „an sich notwendigen bzw. „gesundheitlich notwendigen, gesellschaftlich verfügbaren und aus Patientensicht akzeptablen Leistungen aus Gründen der Mittelknappheit438. Eine Entwicklung in diese Richtung kann vornehmlich zwei Ursachen haben: Einerseits die mengenmäßige Beschränkung439 vorhandener medizinischer Güter, andererseits die Verminderung oder Vermeidung von Kosten. Die Abgrenzung zwischen Rationalisierung und Rationierung medizinischer Leistungen ist freilich im Einzelfall schwierig zu treffen. Dies liegt zum einen an den Schwierigkeiten bei der Definition des medizinisch Notwendigen440, und ist zum anderen dadurch bedingt, dass die „gleich bleibende Leistungsqualität“, auf deren Erzielung eine Rationalisierung abhebt, als solche nur schwer messbar ist. Eine abstrakt-generelle Regelung muss sich nicht unbedingt auf jeden einzelnen sozialversicherten Patienten auswirken. Er wird nach seinem subjektiven Empfinden vielleicht nach wie vor eine qualitativ einwandfreie Leistung erhalten. Die Zusammenschau aller vergleichbaren Fälle innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung kann dann jedoch zu einem völlig anderen Ergebnis führen. Ein differenziertes Bild lässt daher sich nur durch die Unterscheidung der Mikro- von der Makroebene441 treffen, bei der die Normierung von Grenzwerten und deren Umsetzung in der Praxis getrennt voneinander betrachtet werden. Die Makroebene bezieht sich dabei auf die Legislative, die mit der Festlegung des jährlich zur Verfügung stehenden Budgets über die Gesundheitsausgaben entscheidet. Auf der Mikroebene, beispielsweise innerhalb einer ambulanten Praxis oder stationären Einheit, müssen die ausgewiesenen Mittel dann auf die verschiedenen Einrichtungen, Abteilungen und Patientengruppen verteilt werden. Die Verknappung der Mittel auf beiden Ebenen kann dabei ursprünglich als Rationalisierungsmaßnahmen angelegte Aktivitäten zu Rationierungen ausweiten. Schöne-Seiffert, in: Mohr / Schubert (Hrsg.), Ethik der Gesundheitsökonomie, S. 57. Ineichen, Praxis 2000, S. 1841. 437 Schürch, Rationierung in der Medizin und Sterbehilfe, in: Rechtsphilosophische Hefte 8 / 1998, S. 57. 438 Schürch, Rationierung in der Medizin und Sterbehilfe, in: Rechtsphilosophische Hefte 8 / 1998, S. 57; Schöne-Seiffert, in: Mohr / Schubert (Hrsg.), Ethik der Gesundheitsökonomie, S. 57. 439 Vgl. dazu bereits die Ausführungen zur Budgetierung unter C. II. 1. b) bb). 440 Siehe unten C. II. 1. b) bb). 441 So Schürch, Rationierung in der Medizin und Sterbehilfe, in: Rechtsphilosophische Hefte 8 / 1998, S. 58. 435 436

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Dabei ist zwischen offener und verdeckter Rationierung zu unterscheiden: Während bei der offenen Rationierung explizit Grenzen für den Einsatz teurer Therapien oder Medikamente gesetzt werden (beispielsweise eine Altersbegrenzung), bewirkt die verdeckte Rationierung, dass bestimmte Mittel aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus vom Arzt nicht mehr angewandt werden, er also wegen einer angenommenen Unverhältnismäßigkeit des Aufwandes zum erhofften medizinischen Erfolg dem Patienten eine dem Grunde nach sinnvolle medizinische Leistung vorenthält. Die von den Krankenkassen geforderte und in § 12 Abs. 1 S. 1 SGB V festgeschriebene wirtschaftliche Behandlungsweise, die das „Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf“, kann also bereits dazu führen, dass ein Arzt aus wirtschaftlichen Aspekten heraus faktisch seine Leistungen rationiert442, indem er einem Patienten eben nicht alle medizinisch Erfolg versprechenden Leistungen anbietet, weil diese zu teuer sind bzw. aufgrund der drohenden Erstattungspflicht des Vertragsarztes bei einem nicht im Budget liegenden Mehraufwand nach §§ 84 Abs. 3, 106 Abs. 5a S. 1 SGBV als wirtschaftlich zu riskant erscheinen. Eine solch ökonomische Betrachtungsweise steht in klarem Widerspruch zu den tradierten Erwartungen an die ärztliche Ethik und beschränkt maßgeblich die Therapiefreiheit des Arztes. Nach wie vor lernt jeder Arzt während seiner Ausbildung, alles medizinisch Mögliche zu unternehmen, um seinem Patienten zu helfen. Entsprechend müsste er aber so viele Leistungen erbringen oder veranlassen, bis gemäß seiner Einschätzung kein zusätzlicher Nutzen mehr erzielt werden kann. Vom ökonomischen Standpunkt her ist es jedoch nicht selten und sogar erwünscht, dass ein Arzt bestimmte Leistungen, selbst wenn deren Wirkung positiv sein könnte, aus Gründen der Mittelknappheit nicht erbringt. Zur Erreichung maximaler Wohlfahrt der Gesellschaft müssen die knappen Ressourcen dort eingesetzt werden, wo sie im Vergleich zu anderen Verwendungsmöglichkeiten das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielen. Diese Betrachtungsweise schlägt sich in § 12 SGB V nieder. Der zentrale Begriff dieser Norm, die „Wirtschaftlichkeit“ wird häufig allerdings im Sinne der Kostendämpfungspolitik fehlinterpretiert. Zum Beispiel gelten Ärzte, die mehr Leistungen bewirken als ihre Kollegen, oft als generell unwirtschaftlich, oder werden mit einer übermäßigen Gewinnorientierung in Verbindung gebracht443. Dies führt zu einer überproportionalen Kostenorientierung an Stelle einer Ergebnisorientierung. Die Definitionsschwierigkeiten bei dem Begriff der Notwendigkeit einer Leistung, der im Rahmen des § 12 SGB V explizit als Grenze der Wirtschaftlichkeit genannt ist, verdeutlichen diese Problematik. 442 In Großbritannien ist diese Diskussion bereits weiter fortgeschritten: vgl. Maynard / Bloor, Our certain fate: Rationing in Health Care; Ham / Pickard, Tragic choices in health care. 443 Vgl. z. B. Krauskopf, in Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 32, Rz. 14.

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Um beurteilen zu können, wie sich eine solche Betrachtungsweise auf die Freiheit des Arztberufes auswirken muss, ist jedoch zuerst zu untersuchen, in welchem Umfang der Arzt auf den unterschiedlichen Ebenen möglicher Rationierung tatsächlich in seiner Therapiefreiheit betroffen sein kann. bb) Rationierung auf der Makroebene Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es auf der Makroebene unmöglich ist, die exakt richtige Geldsumme zu definieren, die im Gesundheitswesen im Vergleich zu anderen Verwendungszwecken aus den knappen verfügbaren Mitteln eingesetzt werden soll, um den gesellschaftlichen Nutzen zu maximieren. So können auch die in § 84 Abs. 1 S. 3 SGB V aufgeführten Posten nur einen Anhaltspunkt für die Höhe des zu bemessenden Budgets darstellen. Innerhalb dieses Budgets müssen allen Versicherten nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB V die im Dritten Kapitel des SGB V aufgeführten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zur Verfügung gestellt werden, allerdings nur dann, wenn sie „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“. Wann aber eine Leistung noch zweckmäßig (in § 135 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V ist auch von deren Nutzen die Rede) und wirtschaftlich ist (also in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis steht), wird nicht ausgeführt. Da sich zudem die zugeteilten Ressourcen auf der Makroebene mit der Nachfrage medizinischer Leistungen bei den Ärzten nicht decken, verlagert sich die eigentliche Problematik der Rationierung auf die Mikroebene. Es ist der einzelne Arzt, der in täglicher Praxis entscheidet, welche Leistung an einem Patienten zu erbringen ist oder nicht. Dass er angesichts knapper Ressourcen nicht mehr nur sein Fachwissen entscheiden lässt, sondern auch eine Sachwalterfunktion in Bezug auf (vermeintliche) öffentliche Interessen versehen muss, aufgrund derer er, will er für seine Leistung angemessen honoriert werden, die Leistungsansprüche der Versicherten mitbestimmt, ist mit dem Berufsbild des selbständigen Freiberuflers kaum zu vereinbaren444. cc) Rationierung auf der Mikroebene Da trotz Knappheit der Mittel die Gestaltung der Therapie noch immer beim Arzt liegt, ist es mit dem oben Gesagten an ihm, die Entscheidung über das Wie der Behandlung zu treffen. Im Vergleich zum traditionellen Selbstverständnis der Ärzte, vor allem dem Wohle des Patienten verpflichtet zu sein, bekommt der Kassenarzt im modernen Sozialversicherungssystem mehr und mehr die Funktion eines „Schleusenwärters“445; sinnvoll erscheinende medizinische Leistungen unterbleiben immer häufiger aus Kostengründen. 444

So auch Schulin, VSSR 1994, S. 374.

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Die moralische Verpflichtung des Arztes, jedem Patienten so gut wie möglich zu helfen, lässt sich angesichts der begrenzten Ressourcen nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten. Diese bedingen nur zu oft eine Abwägung zwischen gesundheitlichem Nutzen und Höhe des Mittelaufwandes446. Diese dem Arzt vom Sozialversicherungsrecht vorgegebene Verhaltensweise rührt aus der Anordnung, das Ausreichende und Zweckmäßige zur Heilung des Patienten zu unternehmen, gleichzeitig das Maß des Notwendigen zu wahren und das Prinzip der Kostenbegrenzung zu berücksichtigen. Ein solches Kosten-Nutzen-Kalkül ist bei elektiven Eingriffen und präventiven Maßnahmen noch eher zu akzeptieren als in der kurativen Medizin. Spätestens hier kann das immer stärker an Bedeutung gewinnende Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V447 den diagnostisch und therapeutisch tätig werdenden Arzt vor die Frage stellen, ob er die vertraglich (und auch haftungsrechtlich) begründete höchstmögliche Sorgfalt mit dem mit ihr einhergehenden erhöhten Aufwand anwenden darf und soll448. Parallel zu dieser Entwicklung stellt die Dynamik der medizinischen Wissenschaft und Technik unablässig neue Heilverfahren und -mittel zur Verfügung. Mit dem Fortschreiten der medizinischen Möglichkeiten einher geht die Rechtspflicht449 jedes Arztes, sich über neue und gesicherte Erkenntnisse im eigenen Fachgebiet fortlaufend zu informieren450. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertrags-(zahn)ärztlichen Versorgung jedoch nur angewandt (bzw. zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet) werden, wenn die Bundesausschüsse auf Antrag eines der Spitzenverbände nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen unter anderem über 445 Maßgeblich die Diskussion auch für Deutschland in Gang gebracht hat eine 1984 von Aaron und Schwartz veröffentlichte Studie, in denen die Autoren krasse Unterschiede zwischen der Inanspruchnahme lebenserhaltender Maßnahmen zwischen den USA und Großbritannien nachwiesen. Sie kamen zu dem Schluss, dass in Großbritannien viele Leistungen, von denen ihr Nutzen für Patienten angenommen wird, aus Kostengründen nicht erbracht, also rationiert würden. Dabei bemängelten die Autoren vor allem, dass die Rationierungen nicht nach klar definierten Regeln erfolgten, sondern die zuweisenden Allgemeinpraktiker nach ihrem Ermessen von Fall zu Fall entschieden; vgl. Aaron / Schwartz, The painful prescription: Rationing hospital care. 446 Vgl. hierzu auch Brunner, Gesundheitsökonomie und Altersrationierung – (k)ein Thema für Deutschland, Kurzfassung nachzulesen unter http: // www.ethik-21-medizin.de/ brunner.html; Stand: September 2001. 447 Auch für das privatärztliche Feld findet sich durchaus eine Parallele in § 1 Abs. 2 GOÄ. 448 Vgl. Laufs, Arztrecht, Rz. 491. 449 Dass die Fortbildungspflicht tatsächlich als Rechtspflicht und nicht als bloße Standesobliegenheit ausgestaltet wurde, geht vor allem auf die Überlegung zurück, dass nur der Arzt seiner Hilfspflicht auf Dauer voll genügen kann, der Kenntnis von neuesten medizinischen Möglichkeiten hat. 450 Vgl. §§ 7, 20 Abs. 4 BO-Ä; Narr, Ärztliches Berufsrecht, Rz. 847; Laufs, Arztrecht, Rz. 157; BSG NJW 1978, S. 1213, 1215; vgl. auch § 81 Abs. 4 SGB V.

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den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen des Therapieansatzes abgegeben haben451. Will der Arzt gleichwohl aufgrund seiner fachlichen Überzeugung eine neue Methode anwenden, obwohl sie noch nicht per Richtlinienbeschluss anerkannt ist, kann er dies nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tun, es sei denn, er verzichtet auf Honorar oder stellt seine Leistungen privat in Rechnung. Kann oder will der betroffene Patient diese Leistung nicht privat bezahlen, bleiben sowohl er als auch der therapierende Arzt auf die bereits im Leistungskatalog der Kassen befindlichen Leistungen beschränkt452. Die Nachfrage nach der Leistung durch den Patienten ist also im Zweifel ebenso wenig entscheidend wie der Wille des Arztes zu deren Erbringung. Maßgeblich ist insoweit allein die finanzielle Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Beteiligten. Doch auch innerhalb des Leistungskatalogs der GKV sieht sich der Arzt zunehmend in der Pflicht, Prioritäten in Bezug auf Art und Umfang der Behandlung zu setzen. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt Ausfluss des Sachleistungsprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Tatsache, dass der Patient nach Aushändigung der Chipkarte an seinen Arzt eine Leistung erhält, deren pretialen Wert er nicht abschätzen kann, generiert eine nahezu preisunabhängige Nachfrage, der auf der Anbieterseite nicht mehr vollumfänglich entsprochen werden kann, und die die Lenkung des Gesundheitsmarktes und der durch in verursachten Kosten erschwert. c) Regulierung von Angebot und Nachfrage In den Bereichen einer Volkswirtschaft, in denen eine reine Steuerung über den Markt stattfindet, regelt sich das Spiel von Angebot und Nachfrage über den Preis, der die Präferenzen der einzelnen Marktteilnehmer zum Ausdruck bringt. Neben seiner Steuerungs-, Rationierungs- sowie Selektionsfunktion ist er ein bedeutender Indikator für die Knappheit eines Guts. Wie gesehen verzichtet das Gesundheitswesen durch die übergeordneten Prinzipien des Sachleistungs- und Solidarprinzips aus sozialpolitischen Gründen in weiten Teilen auf die pretiale Lenkung des Marktes. Je näher die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung einer Kostenvolldeckung kommt, desto weniger führt selbst eine noch so große Preisveränderung zu einer entsprechenden Nachfrageveränderung453. Vgl. oben C. II. Für den verantwortungsvollen Arzt ergibt sich daraus noch ein weiteres Dilemma: Er steht nicht nur vertragsrechtlich, sondern auch haftungsrechtlich vor der Frage, ob er die höchstmögliche Sorgfalt und die beste Vorkehrung mit all ihrem erhöhten Aufwand treffen soll. Der Weg zu einer Harmonisierung der arztrechtlichen Haftung mit dem sozialversicherungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot ist noch weitgehend ungeklärt; dazu: Laufs, Arztrecht, Rz. 491. 453 Vgl. Szucs, Gesundheit und Ökonomie, S. 4. 451 452

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Mit Einführung der neuen Zuzahlungsregelungen im Rahmen des GMG hat die Politik zumindest den Versuch unternommen, den Versicherten einen Anreiz zur maßvollen Inanspruchnahme medizinischer Leistungen zu geben. Allein durch Einführung der so genannten Praxisgebühr454 sank die Häufigkeit der Arztbesuche vom Jahr 2003 bis 2005 von durchschnittlich 23 Besuchen auf 16 und damit um rund ein Drittel455; allerdings nimmt die Gesamtwirkung der Praxisgebühr im Zeitverlauf ab: Haben im Frühjahr 2004 noch 35 Prozent einen Arztbesuch aufgrund der Praxisgebühr vermieden, sind es aktuell noch 27 Prozent. Insgesamt ist die Zahl der Praxiskontakte seit 2003 immerhin um acht Prozent gesunken. Doch auch das Angebot medizinischer Leistungen folgt nicht den gleichen Mechanismen, die sich bei einer rein marktgesteuerten Koordination ergeben würden. Dies ist nicht nur bedingt durch ein verändertes Gesundheitsbewusstsein und Anspruchsdenken der Bevölkerung, die an den vielfach auch in der Öffentlichkeit dargestellten medizinischen Innovationen teilhaben möchte, sondern auch dadurch, dass sich das Gleichgewicht zwischen dem Preis für das ärztliche Angebot und der nachgefragten Menge an Leistungen durch das Hinzutreten eines neuen Anbieters (Arztes) nicht nach unten verschiebt. Vielfach wird das Angebot durch den Arzt auch über das medizinisch notwendige Maß456 hinaus ausgeweitet, was die Nachfrage weiter steigert (angebotsinduzierte Nachfrage). Das System der gesetzlichen Krankenversicherung, dem rund 90 Prozent aller Patienten angehören, ist aber nur gesichert, wenn das Beitragsaufkommen den Gesamtausgaben angepasst ist. Wenn Ausgaben steigen, etwa durch immer umfassendere oder auch ausufernde Leistungen, müssten notwendigerweise auch die Beitragssätze steigen, um die Versorgung finanzierbar zu halten. Um dies im Sinne des Grundsatzes der Beitragsstabilität nach § 71 Abs. 1 SGB V zu vermeiden, wird die „Begrenzung auf der Angebotsseite zur solidarischen Pflicht der Anbieter“457, und damit vornehmlich der Ärzteschaft. Der Arzt sieht sich gleich mehreren Konflikten ausgesetzt, wenn er im Sinne der Solidargemeinschaft der Versicherten die Kosten gering hält. Neben den im Zusammenhang mit der Rationierungsproblematik angesprochenen Schwierigkeiten schmälert er überdies seine eigene wirtschaftliche Grundlage. Einerseits ist er zur Ressourcenschonung im Sinne einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Behandlung verpflichtet, die das Maß des Notwendigen nicht überschreiten soll, andererseits strebt er aus seinem Berufsethos heraus nach Ausschöpfung der therapeutischen Möglichkeiten. Schließlich verfolgt er auch seine eigenen wirtVgl. bereits oben C. I. 4. a) bb) (a) (h). Gesundheitsmonitor 2005 der Bertelsmann Stiftung; nachzulesen unter: http: // www 12.medica.de/cipp/md_medica/custom/pub/content,lang,1/oid,16397/ticket,g_u_e_s_t/parent, 5959/local_lang,1; Stand: September 2005. 456 Hinsichtlich der so genannten IgeL vgl. C. II. 1. c) cc). 457 Von der Hardt, Das Dilemma des Arztes unter dem Budget, in: Die Budgetierung des Gesundheitswesens, Schriftenreihe MedR 1997, S. 29. 454 455

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schaftlichen Interessen, durch die Behandlung seiner Patienten möglichst viel Geld zu verdienen. Dass sich dieses Gemenge unterschiedlicher Zielvorgaben nur schwer vereinbaren lässt, beweisen die Schwierigkeiten bei der GKV-finanzierten Krankenbehandlung. aa) GKV-finanzierte Krankenbehandlung Der gesetzlich krankenversicherte Patient hat nach §§ 2, 12 SGB V einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Diesem Anspruch stehen die Regelungen über die für den Arzt abrechenbaren Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber. Ihr Inhalt ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abschließend beschrieben (§ 87 Abs. 2 SGB V). Weil sich, wie bereits ausgeführt, die GKV-finanzierte ärztliche Krankenbehandlung nur auf diejenigen Tätigkeiten des Arztes erstreckt, die zur Verhütung, Früherkennung sowie Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichen, zweckmäßig und wirtschaftlich sind (§§ 28 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 1 SGB V), stellt sich die Frage, wie der Arzt verfahren soll, wenn er ärztliche Maßnahmen für angezeigt hält, die über diesen Katalog hinausgehen, bzw. der Patient selbst solche Maßnahmen nachfragt. Insoweit gilt es das Problem zu lösen, ob der Vertragsarzt unter bestimmten Umständen trotz seiner öffentlich-rechtlichen Aufgabe im Gesundheitssystem das Leistungsangebot in seiner Praxis beschränken kann und darf. Während also auf der eine Seite Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit das Ausmaß der ärztlichen Tätigkeit zum finanziellen Wohl der Solidargemeinschaft begrenzen, markieren die selben Kriterien den Anspruch jedes gesetzlich versicherten Patienten gegenüber seiner Krankenkasse, die sich über die Kassenärztlichen Vereinigungen der Vertragsärzte als Leistungserbringer zur Erfüllung eben jenes Anspruches bedient. In diesem Zusammenhang wird erneut das Problem der Auslegung der „notwendigen“ medizinischen Leistung offenkundig: Leistungen die nicht notwendig bzw. unwirtschaftlich im Sinne des § 12 SGB V sind, dürfen Ärzte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht bewirken; die Krankenkassen dürfen sie nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 S. 2 SGB V). Der Arzt hat sich daher bei der Wahl seiner Therapie zunächst zu fragen, welchem Zweck die Therapie dienen soll – also ob es um Erkennung, Heilung oder Verhütung von Verschlimmerungen einer Krankheit geht. Dieser Zweck kann angesichts des umfassenden Heilauftrages des Arztes nicht alleinige Grundlage der Abwägung sein. Ein solches Vorgehen würde zwangsläufig dazu führen, dass ausschließlich solche Maßnahmen erstattungsfähig wären, die je nach Art und Umfang unentbehrlich, unvermeidlich oder absolut unverzichtbar sind.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Diesen Gedanken greift § 70 Abs. 1 SGB V auf. Er verpflichtet die Vertragsärzte dazu, ihre Behandlungsmaßnahmen nach dem „Stand der medizinischen Erkenntnisse“ zu erbringen. Oft wird jedoch, legt man den Stand der medizinischen Wissenschaft zugrunde, eine ärztliche Leistung als notwendig erscheinen, obwohl sie als GKV-Leistung nicht abrechenbar ist. Auch werden vielfach Patienten nach Leistungen verlangen, die als unwirtschaftlich im Sinne des § 12 SGB V anzusehen ist. Eine Parallele zu diesem Gegensatz von gesetzlicher Vorgabe und reellem Anspruch findet sich im Arzthaftungsrecht. Bei der Beurteilung von Behandlungsfehlern wird der Arzt nicht an dem gemessen, was Gegenstand der kassenärztlichen Versorgung ist, sondern an dem, was die Regeln der ärztlichen Kunst verlangen458. Im Zusammenhang mit der ärztlichen Leistungspflicht innerhalb des solidarisch finanzierten Gesundheitswesens erlangt damit der Streit um die Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsarzt und Versichertem erneut Relevanz459. (1) Die öffentlich-rechtliche Aufgabe des Vertragsarztes Nach der Vertragskonzeption, derzufolge der Vertragsarzt auch mit dem Kassenpatienten primär einen privatrechtlichen Vertrag abschließt, obwohl er als Teil des Gesundheitssystems primär verpflichtet ist, den Sicherstellungsauftrag seiner Kassenärztlichen Vereinigung erfüllen zu helfen, gilt auch im Rahmen des Rechtsverhältnisses Vertragsarzt-Kassenpatient der Grundsatz der Vertragsautonomie. Dem Recht des Kassenpatienten auf freie Arztwahl entspricht dabei das Recht des Arztes, sich nur eines Patienten anzunehmen, den er nach pflichtgemäßem Ermessen auch behandeln will460. Allerdings lässt sich eine allgemeine Pflicht zur Übernahme erbetener Behandlungen konstatieren461, die sich für den Vertragsarzt sogar aus dem Gesetz ergibt. Gemäß § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V hat er sowohl das Recht als auch die Pflicht, an der kassenärztlichen Versorgung teilzunehmen. Der Vertragsarzt muss darum – wie bereits dargelegt – kraft Zulassung alle Kassenpatienten im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht behandeln (§ 15 SGB V). Nach zutreffender Ansicht462 ergibt sich aus der Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung allerdings kein Kontrahierungszwang gegenüber dem einzelnen Kassenpatienten463. Der Arzt er458 Zu den medizinischen Standards und der Haftung bei ärztlichen Behandlungsfehlern vgl. Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 99, Rz. 3 ff. 459 Vgl. oben C. I. 3. a) cc) (3) (a). 460 Laufs, Arztrecht, Rz. 102. 461 Lukowski, Philosophie des Arzttums, S. 220. 462 Rieger, Lexikon (1. Auflage), Rz. 325; Narr, Ärztliches Berufsrecht, Rz. 727. 463 Anders wohl Laufs, Arztrecht, Rz. 102.

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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füllt also nur im Zusammenwirken mit der Gesamtheit aller Vertragsärzte, nicht als einzelner, den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen. Seit Inkrafttreten des GSG464 ist fraglich geworden, ob der Vertragsarzt infolge gesetzlicher Budgetierungsmaßnahmen berechtigt ist, seine Behandlungstätigkeit zu limitieren. Sowohl wenn die Gefahr einer Budgetüberschreitung besteht, als auch wenn der Arzt den haftungsrechtlich gebotenen Standard der Behandlung nicht mehr gewährleisten kann, ist der Arzt nach der hier vertretenen Ansicht berechtigt, „notfalls mit dem groben Mittel der Zurückweisung von Patienten“465 den Leistungsumfang seiner Praxis im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung herunterzuschrauben. Ebenso bedeutet die Reduzierung der Praxisöffnungszeiten und damit der Behandlungszeit im Hinblick auf eine drohende Budgetüberschreitung keinen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten466. (2) Umsetzung des Leistungskataloges durch den Vertragsarzt Mit dem oben Gesagten müsste es dem unternehmerisch arbeitenden Vertragsarzt grundsätzlich überlassen bleiben, den Leistungskatalog seiner eigenen Praxis selbst zu bestimmen. Angesichts der Milliardendefizite im Gesundheitswesen467 erhält dabei die Frage nach der Berechtigung des einzelnen Vertragsarztes zur Verweigerung unrentabler Leistungen neue Brisanz. Ausgangspunkt der Diskussion muss folglich das Ziel des Sicherstellungs- und Gewährleistungsauftrages sein, wonach die vertragsärztliche Versorgung so zu regeln ist, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung unter Berücksichtigung des allgemeinen Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden (§ 72 Abs. 2 SGB V). (a) Sicherstellungsauftrag und Behandlungspflicht § 75 Abs. 1 SGB V überträgt den Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Aufgabe, die im Sinne des Gesetzes erforderliche vertragsärztliche Versorgung der Versicherten in allen Gebieten und zu allen Zeiten sicherzustellen. Streit besteht darüber, inwieweit die Behandlungspflichten und Leistungsmodalitäten der Berufsausübung für den an der vertragsärztlichen Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. 12. 1992, BGBl. I S. 2266 ff. BSGE 22, 218, 222. 466 Uhlenbruck, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 41, Rz. 7. 467 Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung haben die gesetzlichen Krankenversicherungen das Jahr 2001 bei einem Ausgabenvolumen von rund 271 Milliarden DM (rund 138 Milliarden Euro) mit einem Defizit von rund 5, 48 Milliarden DM (rund 2,8 Milliarden Euro) abgeschlossen; nachlesbar unter: http: //www.Bmgesundheit.de/presse/2002/2001/29.htm; Stand: März 2002. 464 465

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Versorgung teilnehmenden Arzt durch seine Einbindung in das Solidarsystem verändert und reglementiert werden dürfen. (b) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Teilweise wird davon ausgegangen, dass eine Verpflichtung zur Erbringung aller Katalogleistungen nur dann besteht, wenn im konkreten Einzelfall eine ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten auf andere Weise nicht mehr gewährleistet ist468. In allen anderen Fällen dürfe der Vertragsarzt die Erbringung bestimmter Leistungen ablehnen, wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen die Leistung nicht mehr angemessen vergüten. Davon unberührt bleibe das Recht des Vertragsarztes, solche Leistungen einem privat versicherten Patienten oder einem gesetzlich versicherten Patienten gegen private Abrechnung anzubieten, da sowohl die Honorierung als auch die Qualitätsvoraussetzungen im gesetzlichen bzw. im privaten Abrechnungssystem unterschiedlich geregelt sind469: Während der EBM auf Punktwertbasis und damit quotiert arbeitet, sieht die GOÄ je nach Multiplikator verschieden hohe Euro-Beträge vor. Dies bewirkt, dass eine Leistung unter Umständen nur nach GOÄ gewinnbringend angeboten werden kann, während die GKV-Honorare für dieselbe Behandlung angesichts eines Punktwertverfalls unter die Kostendeckungsgrenze sinken. Demgegenüber vertritt das BSG die Meinung, dass ein Vertragsarzt zulasten der gesetzlich Versicherten keine Abstriche im Leistungskatalog vornehmen darf. Begründet wird diese Ansicht vor allem mit dem Hinweis auf das seit dem Jahr 1883 im wesentlichen unverändert gültigen, und für die GKV zentrale Sach- und Naturalleistungsprinzip nach § 2 SGB V, der in §§ 95 Abs. 3, § 73 Abs. 2 SGB V geregelten Teilnahmeverpflichtung des Kassenarztes an der vertragsärztlichen Versorgung und dem Hinweis darauf, dass auch der einzelne Vertragsarzt nach Maßgabe der §§ 70 Abs. 1, 72 Abs. 1 S. 1, 75 Abs. 1 SGB V) in den Sicherstellungsauftrag durch die Kassenärztlichen Vereinigungen eingebunden sei470. Finanzielle Aspekte, wie etwa eine unzureichende Honorierung, dürften bei der Erbringung einer Leistung im Rahmen des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenkassen keine Rolle spielen, da es von einer Vielzahl von Faktoren (etwa der Kostenstruktur oder dem Standort der Praxis) abhänge, ob eine Leistung Kosten deckend erbracht werden könne oder nicht. Dass es Leistungen gebe, die selbst in kostengünstig organisierten Praxen keinen Gewinn erzielten, habe der Arzt mit Hinblick auf seine feste Funktion im solidarischen System hinzunehmen471. Die Wimmer, NZS 2000, S. 588, 589. Vgl. Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung Hessens in Hessisches ÄBl. 6 / 2001, S. 266 mit Hinweis auf die unterschiedlichen Gebührenordnungen. 470 Vgl. BSG Urteil vom 14. 03. 2001, B 6 KA 67 / 00 R. 471 Vgl. BSG, B 6 KA 67 / 00 R mit Hinweis auf das Prinzip der Gesamtvergütung im vertragsärztlichen System; vgl. außerdem BSG SozR 5530 Allg. Nr. 1 S. 5; BSGE 75, 187, 189 = SozR 3 – 2500 § 72 Nr. 5 S. 6 f. m. w. N. 468 469

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Offerte, vorgehaltene medizinische Leistungen, die bereits im Rahmen der solidarisch finanzierten Versorgung erbracht wurden, nicht mehr als Kassenleistung sondern gegen Privatliquidation anzubieten, berge die Gefahr einer faktischen Diskriminierung der Versicherten der GKV und verstoße gegen das Naturalleistungsprinzip. Dies gelte auch dann, wenn die ehemalige Kassenleistung durch andere, medizinisch sinnvolle Leistungen ersetzt würde472. (c) Kritik und Konsequenzen für die ärztliche Freiberuflichkeit Auch wenn diese Argumentation im Hinblick auf den sozialen Frieden und die Vermeidung einer Zwei-Klassenmedizin zunächst einleuchtet: Unter dem Gesichtspunkt der vertragsärztliche Freiberuflichkeit ist sie im Ergebnis nicht hinnehmbar. Die Tatsache, dass dem kassenärztlichen Vergütungssystem eine Mischkalkulation zugrunde liegt, aufgrund derer eine Gesamthonorierung nach Maßgabe des jeweiligen Punktwertes für eine einzelne Leistung vorgenommen wird473, und die Annahme, dass diese Vergütung „in der Regel noch genügend Anreiz bietet, an der vertragsärztlichen Versorgung zu mitzuwirken“474, vermögen es nicht zu rechtfertigen, einem Arzt eine bestimmte Therapieform quasi vorzuschreiben, nur weil er sie in der Vergangenheit bereits als Kassenleistung erbracht hat. Dass der einzelne Kassenarzt mit dazu beiträgt, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu gewährleistende ausreichende vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen, führt zu keinem anderen Ergebnis, ergibt sich doch aus dem Sicherstellungsauftrag der KVen keine unmittelbare Verpflichtung für den einzelnen Arzt , alle oder auch nur bestimmte Leistungen seines Fachgebietes in seiner Vertragsarztpraxis vorzuhalten475. Entsprechend muss der Vertragsarzt in seiner Entscheidung, welche Therapie er bei entsprechender Indikation seinen Patienten anbietet, frei sein. Wenn der Arzt aber aufgrund des Fehlens allgemeinverbindlicher Leistungsanforderungen nicht gezwungen werden kann, eine bestimmte Art der Behandlung überhaupt anzubieten, erscheint es umso unschlüssiger, ihn nur deswegen zur Leistungserbringung verpflichten zu wollen, weil er sich in der Vergangenheit, möglicherweise unter anderen ökonomischen Voraussetzungen, dazu entschlossen hat, das betreffende Verfahren als Kassenleistung anzubieten. Solange es der freien ärztlichen Entscheidung unterliegt, sich gänzlich gegen ein bestimmtes Leistungsangebot zu entscheiden, muss es erst recht erlaubt sein, eine Methode zwar anzubieten, aber aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten privat zu liquidieren. Das 472 473 474 475

BSGE 75, 187, 189 = SozR 3 – 2500 § 72 Nr. 5 S. 7 f. Siehe oben C. I. 4. a) bb) (3) (e). BSG, B 6 KA 67 / 00 R. Vgl. Schiller / Steinhilper, MedR 2001, S. 29.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Gericht lässt bei seiner Entscheidung außerdem den geteilten Status des Vertragsarztes unberücksichtigt, der zugleich Privatarzt ist476 und in dieser Funktion anderen Rahmenbedingungen unterliegt als in Erfüllung seiner vertragsärztlichen Pflichten. Zwar ist es zutreffend, dass sich aus der vertragsärztlichen Zulassung in Verbindung mit dem Naturalleistungsprinzip die Verpflichtung477 ergibt, Versicherte grundsätzlich ohne Zuzahlungen478 zu behandeln. Diese Obligation ist zusätzlich in den §§ 13, 18 Abs. 3 BMV-Ä normiert. Eine Verletzung dieser Pflicht kann aber nur angenommen werden, wenn für eine Behandlung, die Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist, zusätzlich ein Privathonorar berechnet wird. Wird hingegen eine Leistung bewirkt, die medizinisch ausreichend ist und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht, kann der Arzt nicht gezwungen werden, eine andere, für ihn unrentable Leistung weiter auf EBM-Basis zu erbringen. Dies muss umso mehr gelten, als die zahlreichen, seit 1993 eingeführten Regelungen zur Ausgabenbegrenzung die wirtschaftliche Situation der Leistungserbringer nachhaltig verändert haben, während der Umstand, dass die Nachfrage nach medizinischen Leistungen nicht den normalen Marktgesetzen folgt479, von den Budgetierungen im Gesundheitswesen unbeeinflusst bleibt. Der preisunabhängigen, übermäßigen Nachfrage muss angesichts knapperer Ressourcen mit weniger Angebot begegnet werden. Andernfalls ist die logische Folgerung eine unbegrenzt anzubietende Leistungsmenge bei gleichzeitig bestehender strikter Budgetierung480. Hieraus kann sich konsequentermaßen nur ein stetiges Absinken der Honorare ergeben, das die Angemessenheit der vertragsärztlichen Vergütung gefährdet. Die Verweigerung nicht mehr Kosten deckender Maßnahmen aufgrund des Punktwertverfalls bzw. die Privatliquidation innerhalb der Vertragsarztpraxis erscheint auch im Hinblick auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, nach der der Kassenarzt nur eine besondere Ausprägung des Arztberufes darstellt481, konsequent, um eine angemessene Vergütung für erbrachte Leistungen zu erzielen. Wenn der Vertragsarzt keinen eigenständigen Beruf ausübt, muss auch für ihn – mit Ausnahme der Notfallbehandlung – der Grundsatz der Unabhängigkeit der Berufsausübung und der Freien Berufsgestaltung gelten; er muss die freie Verfügung So auch Schiller / Steinhilper, MedR 2001, S. 29, 32. Zu den Ausnahmen von der vertragsärztlichen Behandlungspflicht vgl. nur Liebold, Handlexikon für den Vertragsarzt, S. 51. 478 Ausnahmen gelten entsprechend den Vorgaben des § 32 Abs. 2 S. 2 SGB V für Massagen, Bäder und Krankengymnastik; Ausnahmen bestehen außerdem im Bereich der zahnärztlichen, insbesondere der prothetischen Behandlung. 479 Vgl. bereits oben, C. II. 1. c). 480 Zur verfassungsmäßigen Beurteilung der Budgetierung siehe oben C. I. 4. a) bb) (3) (e) (cc). 481 Urteil vom 23. 3. 1960, BVerfGE 11, 30. 476 477

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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über die eigene Arbeitskraft und seine Arbeitszeit haben. Dies gilt umso mehr, als zumindest der niedergelassene Arzt das volle wirtschaftliche Risiko seiner Berufsausübung alleine zu tragen hat. Wenn das Bundessozialgericht diese Möglichkeiten für unzulässig erklärt und gleichzeitig an seiner Rechtsprechung zur Beitragsstabilität 482 festhält, wonach die Regelung zur Punktwertdegression nach § 85 Abs. 4b SGB V im Einklang mit dem Grundgesetz steht483, wird damit der Beitragsstabilität Vorrang vor dem Anspruch auf angemessene kassenärztliche Vergütung eingeräumt. Zudem verlieren Ärzte, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, die Möglichkeit, sich diesen Einschnitten zu entziehen. Die damit für den Berufsstand verbundenen Restriktionen lassen sich kaum noch mit dem Berufsbild des freiberuflich arbeitenden (Kassen)arztes in Einklang bringen. Das Argument, dass der Arzt, der die Vergütung im vertragsärztlichen Bereich teilweise oder generell für unzureichend hält, auf seine Zulassung verzichten und seine Dienstleistungen allein privatärztlich anbieten könne, führt das Gericht selbst ad absurdum, wenn es ausführt, dass der Vertragsarzt damit auch alle Begünstigungen verlöre, die mit seinem Status verbunden sind484. Nur die vertragsärztliche Zulassung ermöglicht den Zugang zu dem heute ca. 90 Prozent der Bevölkerung umfassenden Kreis der GKV-Versicherten485 als potenziellen Patienten, so dass eine Rückgabe der Kassenzulassung für die meisten niedergelassenen Ärzte schon aus ökonomischen Gesichtspunkten nicht erwägenswert ist486. Zwar ist dem Bundessozialgericht zuzugeben, dass, solange ein Arzt an seiner Zulassung als Vertragsarzt festhält, unzweifelhaft sein muss, dass er auch die mit den Vorteilen der Einbindung in das Sondersystem korrespondierenden Verpflichtungen, vor allem die ihm obliegende Behandlungspflicht, in systemkonformer Weise zu erfüllen hat – schließlich genießt er auch die Vorteile des Systems487, das ihm für seine Honoraransprüche einen solventen Schuldner in Gestalt einer BSGE 80, 223 ff. Mit Beschluss vom 12.7. 2000 hat das BVerfG (1 BvR 2260 / 97; BVerfG NJW 2000, S. 3413) entschieden, die gegen die sozialgerichtliche Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen, da diese binnen Monatsfrist nicht ausreichend begründet wurde (vgl. § 93 Abs. 1 S. 1 BVerfGG). 484 Vgl. BSGE 80, 223, 232 f., 234. 485 BSGE 86, 223, 229 m. w. N. führt in diesem Zusammenhang noch Zahlen an, die sich zwischen 80 und 86 Prozent bewegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes liegt der Anteil der GKV-Mitglieder heute jedoch schon bei fast 90 Prozent; nachzulesen unter. http: // www.bpb.de/wissen/S4VGR2,0,Krankenversicherungsschutz_der_Bev%F6lkerung.html; Stand: Oktober 2005. 486 Die Möglichkeit eines kollektiven Verzichts der Vertragsärzte auf ihre Zulassung scheitert bereits an § 95b SGB V; vgl. zu dieser Thematik aber Sodan, Rechtsprobleme des Regelungsinstrumentariums zum kollektiven Verzicht auf die Zulassung als Vertragszahnarzt nach § 95 SGB V; Rechtsgutachten erstattet im Auftrag der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns; Berlin 2004. 487 Vgl. dazu C. I. 4. a) bb) (3) (e) (cc). 482 483

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Körperschaft des öffentlichen Rechts an die Hand gibt488. Der Begriff der Systemkonformität ist jedoch spätestens seit der durch das GSG eingeläuteten Kostendämpfungspolitik im Gesundheitswesen neu zu bewerten. Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen der Berufsausübung muss es dem Vertragsarzt gestattet sein, Behandlungen bei unzureichender Honorierung – außer in Notfällen – abzulehnen. Eine derartige Tendenz enthält auch ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. September 1997489. Der 6. Senat hat dort mit der Aussage, der Arzt dürfe sich daran orientieren, ob die Leistungen unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten und der erzielbaren Einnahmen wirtschaftlich erbracht werden können, dargelegt, dass die Ausgestaltung der EBM-Regelungen Bedeutung für die Dispositionen des Vertragsarztes hat und dieser – jedenfalls in gewissen Grenzen – das Leistungsangebot seiner Praxis daran ausrichten kann490. Inzwischen hat das Bundessozialgericht diese Aussage wieder zu relativieren gesucht491 und ist zu seinem Ausgangsstandpunkt zurückgekehrt. Dies stellt die Freiberuflichkeit ernstlich in Frage, als das Gericht einen konkreten Bezug zur Weisungsunabhängigkeit des Arztes aufstellt und ihm – sofern er sich einmal zur Erbringung bestimmter Leistungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung entschlossen hat – positiv aufgibt, dies weiterhin zu tun, statt ihm die freie Entscheidung zu überlassen, unter welchen Voraussetzungen er dies in seiner Praxis noch für sinnvoll und (wirtschaftlich) möglich hält. Auch wenn die freie Entscheidung eines Vertragsarztes über sein Leistungsangebot die Umsetzung des Sicherstellungsauftrages gegebenenfalls erschweren kann, so darf doch der Sicherstellungsauftrag nicht von den KVen auf den einzelnen Ver488 Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die Stimmen in der Literatur nachvollziehen, die einen Verlust wesentlicher Merkmale der Freiberuflichkeit durch das öffentliche System der gesetzlichen Krankenversicherung konstatieren – allerdings mit einem geradezu entgegen gesetzten Ansatzpunkt. Weil, so die Vertreter dieser Ansicht, § 72 Abs. 2 SGB V eine angemessene Vergütung der Vertragsärzte garantiere und mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen solvente Schuldner der Honorare zur Verfügung stünden, gingen die Vertragsärzte tatsächlich eines freiberuflichen Merkmales verlustig: Sie trügen, im Gegensatz etwa zu Anwälten oder Architekten, kein volles Unternehmerrisiko, (vgl. dazu Maydell / Pietzcker, Begrenzung der Kassenarztzulassung, S. 20), sondern genössen vielmehr eine einzigartige „Tätigkeits- und Einkommensgarantie; vgl. dazu auch oben C. I. 4. a) bb) (3) (e) (cc). 489 BSGE 81, 86 ff.; BSG SozR 3 – 2500 § 87 Nr. 18; bemerkenswert in diesem Zusammenhang auch schon BSGE 22, 218, 222. 490 Wörtlich heißt es in BSGE 81, 86, 93: „Der [ . . . ] rückwirkenden Herausnahme ärztlicher Leistungen aus dem EBM steht die rückwirkende Reduzierung der Punktzahl, mit der die einzelne Leistung bewertet ist, gleich. Auch der Punktzahl kommt – jedenfalls in gewissem Umfang – legitimerweise verhaltenssteuernde Tendenz zu; denn die wertmäßige Relation der einzelnen, im EBM aufgeführten Leistungen zu anderen Leistungen hat für die Entscheidung des Vertragsarztes, ob er eine bestimmte Leistung erbringen will oder nicht, durchaus Gewicht.“ 491 Vgl. BSG, Urteil vom 14. 3. 2001, B 6 KA 67 / 00 R.

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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tragsarzt abgewälzt werden, zumal letzterer schon aus Wettbewerbsgründen sein Leistungsspektrum nur in Ausnahmefällen reduzieren wird, so lange noch konkurrierende Vertragsärzte aufgrund unterschiedlicher Kostenstrukturen in den verschiedenen Vertragsarztpraxen vergleichbare Therapien als Kassenleistung anbieten können. Das Bundessozialgericht hat in jüngster Zeit für das Vertragsarztrecht immer wieder betont, dass die grundrechtliche Gewährleistung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden darf und dass der Schutz dieses Grundrechtes sich auf jede berufliche Tätigkeit bezieht492. Ein gesetzliches Verbot, das es dem Vertragsarzt untersagt, bestimmte ärztliche Leistungen, die auch GKV-Leistungen sind, nur privat anzubieten und abzurechnen, ist nicht ersichtlich493. Auch vor diesem Hintergrund stellt die aktuelle Rechtssprechung eine bedenkliche Beschneidung der ärztlichen Freiberuflichkeit vor dem Hintergrund der ohnehin eng gefassten rechtlichen Voraussetzungen der Privatliquidation GKV-versicherter Patienten dar. bb) Behandlung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung Wurde bislang vor allem untersucht, ob und in welchem Ausmaß der Arzt gezwungen ist, bestimmte Katalog-Leistungen zu erbringen, die aufgrund wirtschaftlicher Gesichtspunkte unrentabel erscheinen, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, wie sich die rechtliche Lage im umgekehrten Fall darstellt. Durch die nach § 92 SGB V erlassenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses und § 3 BMV-Ä werden bestimmte medizinische Leistungen generell aus dem Katalog der vertragsärztlichen Versorgung ausgenommen und dürfen, selbst wenn der Arzt sie für medizinisch geboten hält, nicht von den gesetzlichen Kassen bezahlt werden. Der Arzt, der eine solche Methode zur Anwendung bringen und dafür honoriert werden will, kann dies nur auf privatärztlicher Ebene tun, und auch nur dann, wenn der Patient zuvor der privaten Kostenübernahme schriftlich zugestimmt hat (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 BMV-Ä). Erstmals wurde am 18. März 1998 ein Katalog möglicher privater, so genannter „individueller Gesundheitsleistungen (IGeL)“ vorgestellt. Die formale Definition der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Berufsverbände494 versteht darunter alle „ärztlichen Leistungen, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, dennoch vom Patienten nachgefragt werden und die ärztlich empfehlenswert oder – je nach Intensität des Patientenwunsches – zumindest medizinisch vertretbar sind“495. 492 Vgl. etwa BSG, Urteil vom 17.11. 1999 – B 6 KA 15 / 99 R; ähnlich auch schon BSGE 85, 143 ff. 493 Schiller / Steinhilper, MedR 2001, S. 29, 32. 494 Definition zitiert nach Krimmel, Forum für Gesellschaftspolitik, 1998, S. 81.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Ausgehend vom Schlüsselbegriff der medizinischen Notwendigkeit, den Vertragsärzte und Patienten naturgemäß anders definieren als die Krankenkassen als Kostenträger, ist zu untersuchen, welche Auswirkungen es hat, wenn ärztliche Maßnahmen, die über das Maß des Notwendigen hinausreichen, aufgrund eines privaten Behandlungsvertrages erbracht und abgerechnet werden. cc) IGeL-Leistungen und kommerzieller Gesundheitsmarkt Eine Betrachtung der ärztlichen Behandlung und der vom Patienten gewünschten Maßnahmen kann nicht isoliert von ökonomischen Aspekten stattfinden. Sie muss sich vielmehr an den Gesundheitsbedürfnissen der Bevölkerung und den Prioritäten der solidarisch finanzierten medizinischen Versorgung im Rahmen der GKV orientieren. Das Gesundheitsbedürfnis ist in der Regel die Differenz zwischen dem beobachteten und dem angestrebten Gesundheitszustand, wobei die Sichtweisen durchaus differieren können: Die gesetzlichen Krankenkassen schaffen mit ihrem Leistungskatalog ein normatives Bedürfnis, die Ärzte und Leistungserbringer tun dies aufgrund des nach medizinischer Erkenntnis möglichen Angebotes, der Patient schließlich definiert sein Gesundheitsbedürfnis nach seiner individuellen Wunschvorstellung496. Soll letzterer Rechnung getragen werden, sieht sich der Arzt jedoch mit dem zentralen Problem der Ressourcenknappheit der (gesetzlichen) Krankenversicherung konfrontiert, die gehalten ist, mit ihren Finanzmitteln so zu wirtschaften, dass Beitragssatzsteigerungen weit gehend ausgeschlossen sind (vgl. § 71 SGB V). Vor diesem Hintergrund erschiene es nur logisch, Sozialversicherungen, und insbesondere die gesetzlichen Krankenkassen, als Unternehmen anzusehen, die Märkte beeinflussen und gestalten. Das Urteil des EuGH vom 16. 3. 2004497 zu den von den gesetzlichen Krankenkassen festgesetzten Arzneimittelfestbeträgen498 wurde daher nicht nur in der 495 Von den individuellen Gesundheitsleistungen zu unterscheiden sind die so genannten Kostenerstattungsverfahren, die ebenfalls der Realisierung individueller Gesundheitsbedürfnisse dienen. Während bei der privatärztlichen Behandlung im Kostenerstattungsverfahren die Krankenkassen den „wirtschaftlichen“ Teil der für einen bestimmten Behandlungsvorgang entstehenden Kosten übernehmen können, sind IGeL-Leistungen im Grundsatz nicht erstattungsfähig; zu Kostenerstattungs- und Sachleistungsprinzip vgl. oben C. I. 4. a) bb) (3) (a). 496 Vgl. Szucs, Gesundheit und Ökonomie, S. 1. 497 EuGH, Urteil vom 16. 3. 2004 – Rs. C-264 / 01, C-306 / 01, C-354 / 01, C-355 / 01, EuZW 2004, 241 ff. 498 Die Frage nach der Vereinbarkeit des deutschen Systems der Festsetzung von Arzneimittelfestbeträgen durch die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen (§ 35 SGB V) mit den Art. 81 ff. EG stellte sich in mehreren gerichtlichen Verfahren, die seitens verschiedener Pharmaunternehmen gegen die Kassenverbände angestrengt wurden, so z. B. OLG

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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Rechtswissenschaft mit Spannung erwartet. Allerdings hat der EuGH die Einordnung der deutschen Krankenkassen als Unternehmen und damit die Anwendbarkeit der EG-Wettbewerbsregeln abgelehnt. Wenngleich der Gerichtshof mit dieser Aussage noch nicht am Ende seiner Beurteilung angelangt ist499, sondern im Sinne eines funktionalen Unternehmensbegriffs die Prüfung anschließt, ob die Krankenkassen außerhalb ihrer rein sozialen Aufgaben nicht doch auch Geschäftstätigkeiten ausüben, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, so ist diese Vorgehensweise zumindest insofern missverständlich, als der soziale Zweck einer Tätigkeit allein deren Qualifizierung als wirtschaftliche Tätigkeit nicht entgegensteht. Genau genommen geht es nämlich nicht um die Unternehmenseigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen insgesamt. Beurteilt wird vielmehr nur diejenige funktionale Einheit der gesetzlichen Krankenkasse, die für die in Frage stehende Tätigkeit verantwortlich ist. Der Rechtsträger der handelnden Einheit ist nur insofern von Bedeutung, als ihm ein etwaiger Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht zugerechnet wird500. Im Ergebnis kommt nach dem Festbetragsurteil des EuGH eine Charakterisierung der gesetzlichen Krankenkassen als Unternehmen im klassischen Sinne aber vorerst nicht mehr in Betracht – zumindest nicht, soweit deren Haupttätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung betroffen ist501. Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Kommerzialisierung ist jedoch unbestreitbar, dass auch die Krankenkassen der GKV in ihrer derzeitigen Ausformung kostenorientiert agieren müssen, um sich langfristig am Markt behaupten zu können. Sie dürfen sich dabei nicht allein vom medizinisch Machbaren oder von Zeitgeistimpulsen leiten lassen. Die Verpflichtung, kollektiv die Versorgung für alle gesetzlich versicherten Patienten zu finanzieren, macht es ihnen insofern unmöglich, zugleich den Begriff desjenigen, was das Individuum subjektiv für notwendig erachtet, abschließend festzulegen. Die gemeinsamen Rahmenempfehlungen für ambulante und stationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen der GKV schreiben in ihrer Präambel ausdrücklich vor, dass „man sich verpflichtet, eine von den Grundsätzen der Qualität, Düsseldorf PharmR 1999, 283 ff.; Vorlagebeschluss vom 28. 09. 2001 – U 28 / 00; BGH, Vorlagebeschluss vom 03. 07. 2001 – KZR 32 / 99. 499 Ausführlich zum Festbetragsurteil u.a. Koenig / Engelmann, EuZW 2004, S. 682 ff.; zu den Einflüssen des Europäischen Wettbewerbsrechts auf die Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung vgl. Hänlein / Kruse, NZS 2000, S. 165 ff. 500 Koenig / Engelmann, a. a. O., Fn. 21. 501 Beachtenswert ist dabei, dass das Urteil des EuGH hinsichtlich der Beurteilung der Unternehmenseigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen von den Schlussanträgen des Generalanwalts Jacobs abweicht. Letzterer hatte vom Ansatz ebenso wie der EuGH zunächst auf die Haupttätigkeit der Kassen im Rahmen der GKV abgestellt. Auf dieser Grundlage hatte er jedoch für eine Einordnung der Krankenkassen als Unternehmen plädiert, da die Krankenkassen in bestimmten Grenzen – insbesondere hinsichtlich des Beitragssatzes – in der Lage seien, miteinander und mit privaten Versicherungsunternehmen zu konkurrieren (vgl. Schlussanträge vom 22. 05. 2003, Rs. C-264 / 01 u.a. Rz. 42).

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Humanität und Wirtschaftlichkeit getragene, bedarfsgerechte, effektive und effiziente Einleitung und Durchführung von Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen sicherzustellen“502. Dabei führt die Betonung der Wirtschaftlichkeit und der bedarfsgerechten Versorgung erneut zum Konflikt zwischen subjektiv bestmöglicher Behandlung und deren Finanzierbarkeit. Die Möglichkeit einer den jeweiligen Einzelbedürfnissen des Patienten angepassten medizinischen Versorgung durch individuelle Gesundheitsleistungen kann diesen Konflikt – zumindest im Hinblick auf die oben genannten „zeitgeistorientierten“ medizinischen Werte – entschärfen und eröffnet zugleich einen größeren therapeutischen Handlungsspielraum für den Arzt. Angesichts des hohen Wertes, der dem Gut Gesundheit in der Gesellschaft zukommt, und bedingt durch das Wissengefälle zwischen Arzt und Patient, darf eine Zusatzversorgung aber nur solange erlaubt sein, als ihr ein transparentes Qualitätskonzept zugrunde liegt, das die Güte der medizinischen Versorgung für den Patienten nachvollziehbar macht. (1) Qualität und Transparenz Der Begriff der Qualität ist kein Rechtsbegriff. Die meisten medizinischen Dienstleistungen sind als immaterielle Güter einzustufen503. Dies führt, obschon es in der neueren Literatur immer wieder Definitionsversuche504 gegeben hat, zu einem zentralen Problem des medizinischen Qualitätsmanagement: Wo bereits die Bestimmung des Begriffes Gesundheit Schwierigkeiten bereitet505 und sich angesichts der subjektiven Einbeziehung des Patienten in den Prozess der ärztlichen Behandlung kaum allgemeingültige Definitionen finden lassen, fällt es umso schwerer, eine verbindliche Aussage darüber zu treffen, wann eine Gesundheitsleistung einen hinreichenden Qualitätsstandard erreicht. (a) Definition medizinischer Qualität Wenn auch – gerade in der politischen Debatte – Qualität häufig mit der Ausübung der Heilkunst auf Basis gesicherter und bewiesener Kenntnisse nach dem neuesten Stand der Forschung und zum ausschließlichen Wohle des Patienten 502 Vgl. die gemeinsame Rahmenempfehlung für ambulante und stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen auf der Grundlage des § 111a SGB V; herausgegeben von den Spitzenverbänden der Krankenkassen und 26 Spitzenorganisationen der Leistungserbringer, VdAK / AEV, 12. 05. 1999, S. 9. 503 Dazu Barth, Mediziner-Marketing, S. 88 ff. 504 Donnabedian, der geistige Begründer der modernen medizinischen Qualitätssicherung, definiert medizinische Versorgungsqualität als „. . . that kind of care which is expected to maximize an inclusive measure of patient welfare, after one has taken account to the balance of expected gains and losses that attend the process of care in all its parts.“ Donnabedian, The definition of quality, S. 5. 505 Siehe oben C. I. 4. a) bb) (3) (g).

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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gleichgesetzt wird506, so greift dieser sehr technische Ansatz doch zu kurz. Der Qualitätsbegriff kann je nach Perspektive ebenso differieren wie der Begriff des medizinischen Standards507 oder das subjektive Wohlbefinden verschiedener Patienten mit ein und derselben Diagnose. So lässt sich wohl nur ganz allgemein festhalten, dass das Vorhandensein medizinischer Qualität dann zu bejahen ist, wenn die angebotene Versorgung mit dem übereinstimmt, was allgemein als wünschenswert angesehen wird508 . Dabei kann eine grobe Unterscheidung getroffen werden zwischen der Qualität des Handwerkszeuges, der Qualität des ärztlichen Handelns sowie der Qualität des Heilerfolges als solchem509. Die ärztliche Kunst stellt die gezielte Koordination dieser Variablen dar. Für den Ablauf der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen kommt es jedoch vor allem auf die personelle Komponente der Behandlung an510. Hieran ändert auch die fortschreitende Technisierung des ärztlichen Berufes nichts. Empirische Studien511 haben belegt, dass trotz der verbesserten technischen Möglichkeiten die Zahl der Fehldiagnosen in den letzten dreißig Jahren konstant geblieben ist512. Medizinische Qualität und deren Sicherung haben demgemäß auch angesichts des technisch-wissenschaftlichen Fortschrittes nichts an Bedeutung eingebüßt. Im Gegenteil: Je komplizierter die eingesetzten diagnostischen und therapeutischen Verfahren werden, desto notwendiger werden Qualitätssicherung und Kontrolle513. (b) Mangelnde Objektivierbarkeit Medizinische Qualität lässt sich in den meisten Fällen nur schwer nach klar umrissenen Standards bewerten. Dies ist zum einen bedingt durch immer komplexer werdende Krankheitsbilder. Viele Behandlungsmethoden unterliegen zudem dem Wandel der Lehrmeinungen514. Darüber hinaus gehört es gerade zum Wesensgehalt des ärztlichen Berufes, dass er bei der Wahl seiner Therapie einen weiten Ermessensspielraum hat. Dieser verschließt sich zwar nicht per se einer Überprüfung, sanktionierbar sind jedoch normalerweise nur Verstöße gegen die Regeln der ärztlichen Kunst. 506 Vgl. dazu etwa: http: // www.bundesaerztekammer.de/30/Versorgungsforschung/10Definition/01Definition.html; Stand: November 2005. 507 Siehe oben C. I. 4. a) bb) (3) (g). 508 Vgl. Netzold, Qualitätssicherung im Krankenhaus, S. 4. 509 Abholz, in: Deppe / Friedrich / Müller (Hrsg.), Qualität und Qualifikation im Gesundheitswesen, S. 44. 510 Barth, Mediziner-Marketing, S. 328. 511 Eine Analyse von 1000 Sektionen im Jahr 1980 belegt, dass nur bei 81 Prozent der Patienten die Grunderkrankung richtig diagnostiziert wurde. Brüggemeier, Deliktsrecht, Rz. 645. 512 Spiegel spezial 7 / 1996, S. 64. 513 Laufs, Arztrecht, Rz. 472. 514 Buchborn, MedR 1993, S. 330 f.; Abholz, in: Deppe / Friedrich / Müller (Hrsg.), Qualität und Qualifikation im Gesundheitswesen, S. 46.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Eine objektive Beurteilung medizinischer Qualität kann also allenfalls dadurch ermöglicht werden, dass für jeden einzelnen Behandlungsfall ein individuelles Ziel vorgegeben wird, an dem sich ex post der Grad der Zielerreichung messen lässt. Gerade in diesem Verfahren zeigt sich aber auch das Dilemma der Qualitätskontrolle: Mit der Festlegung der individuellen Ziele verliert die objektive Messbarkeit der Ergebnisse ihre Aussagekraft. Ebenso kann die Frage, welche Qualitäten einen guten Arzt ausmachen, kaum objektiv-abstrakt, sondern vorwiegend nur subjektiv-individuell beantwortet werden515. Ein modernes Gesundheitssystem muss sich daher verstärkt an den Wünschen und Präferenzen des Patienten orientieren. Sie herauszufinden fällt ebenso in den Aufgabenbereich des verantwortungsbewussten Arztes, wie deren Bewertung und Umsetzung nach den Regeln der ärztlichen Kunst. (2) Bedeutung ärztlicher Information Zusätzlich zur allgemeinen ärztlichen Aufklärungspflicht haben die Ärzte neben den Ärztekammern, den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Krankenkassen, sonstigen Sozialleistungsträgern, dem öffentlichen Gesundheitsdienst und den Beratungsstellen auch das Recht, ihre Patienten über gesundheitliche Belange zu beraten und zu informieren. Der Umfang der Aufklärung über strukturelle und finanzierungsbedingte Unterschiede der Behandlungsqualität wird jedoch nicht einheitlich bewertet. Teilweise wird eine dahingehende Pflicht des Arztes als zu weit gehend erachtet und daher grundsätzlich abgelehnt516. Dagegen erkennt die Rechtsprechung auch in einer unzureichenden wirtschaftlichen Aufklärung des Patienten durch den Arzt einen Verstoß der Aufklärungspflicht517. Noch weiter geht Hart518, der unter anderem verlangt, dass „in den Fällen eines gesetzlichen Leistungsausschlusses in der Krankenversicherung die Verpflichtung des Krankenhausträgers oder Arztes bestehen muss, über mögliche Behandlungsmöglichkeiten außerhalb der GKV zu informieren, damit der Patient sich für diese Behandlung privat versichern kann“ und Kenntnis erlangt „über die Folgen von Rationierung und allgemein von Leistungsbegrenzungen“.519. 515 Ausführlich dazu Chapman, in: Swazey / Scher, Social Control and the Medical Profession, S. 97 ff. m. w. N. 516 Pflüger, MedR 2000, S. 6 ff. 517 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 21. 09. 1999 – 6 U 261 / 98; BGH NJW 1983, 2630 f. = VersR 1983, 443 f.; LG Köln VersR 1983, 960 ff. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung des AG Köln VersR 1980, 2756 f.: Die Richter verwehrten einer Zahnärztin das Honorar nach erbrachter Leistung, weil sie die Krankenkasse der Patientin kannte und deshalb nach Ansicht des Gerichts hätte wissen müssen, dass die Patientin einen erheblichen Selbstkostenanteil tragen musste. Somit könne die Patientin mit einer Schadensersatzforderung in Höhe des Honorars aufrechnen. 518 Hart, MedR 1999, S. 47 f.

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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So unterschiedlich die Ansätze zur Informationsverpflichtung der Ärzte sind, so sehr divergieren auch die Ansichten darüber, ob die Aufnahme nicht nur „ärztlich empfehlenswerter“, sondern auch nur „ärztlich vertretbarer“ Leistungen in den Empfehlungskatalog der individuellen Gesundheitsleistungen mit dem altruistischen, am Heilauftrag orientierten Ärztebild in Einklang zu bringen sei. Die berufspolitischen Auseinandersetzungen zu diesem Thema sind umfangreich und können im Rahmen dieser Arbeit nicht eingehend analysiert werden. In diesem Umfeld diskutiert werden jedoch vor allem auch Fragen von Marketing und Gewinnorientierung, die erneut das Problem aufwerfen, ob und inwieweit es mit dem traditionelle Bild des altruistischen Arztes vereinbar ist, per definitionem medizinisch „nicht notwendige“ Leistungen am Patienten zu erbringen und abzurechnen. (a) Wandel des Gesundheitsmarktes Obwohl sich Wettbewerb auf allen anderen Märkten als Garant für ein hohes Versorgungsniveau erweist, bestehen gegen die Übernahme wettbewerblicher Strukturen in das Gesundheitswesen – zumindest was die Erbringung privatärztlicher Leistungen innerhalb der GKV anbelangt – nach wie vor erhebliche Bedenken520. Das Standardargument, ein Patient sei wegen seines Leidensdruckes und fehlenden Fachwissens nicht in der Lage, medizinische Angebote verschiedener Leistungserbringer zu vergleichen, verkennt jedoch sowohl die rechtliche als auch die tatsächliche Situation im modernen Gesundheitswesen. Zwar werden potenziell in ihrer Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigte Verbraucher im medizinischen Dienstleistungssektor eher anzutreffen sein als in anderen Wirtschaftsbereichen; immer häufiger geht es im Rahmen der ärztlichen Versorgung aber nicht mehr allein um die Behandlung von akuten, sondern vielmehr um die Linderung von chronisch-degenerativen Krankheiten. Bei der überwiegenden Zahl der Behandlungsfälle mit nicht lebensbedrohlichen Krankheitsbildern ist der Patient in seiner rationalen Entscheidung daher nicht ernsthaft eingeschränkt521. Er kann sehr wohl überblicken, dass der Arzt ihm einen zusätzlichen Service anbietet, der nicht im strengen Sinne „medizinisch notwendig“, aber vielleicht wünschenswert ist. Dass es dem Arzt natürlich auch darum geht, mit dieser zusätzlichen Leistung Gewinn zu erzielen, muss jedem Patienten klar sein. Die steigende Wertschätzung der Menschen für Gesundheitsgüter und Dienstleistungen äußert sich auch im Wachstum des Gesundheitsmarktes außerhalb des 519 In den USA wird die Diskussion über eine solche Organisationsaufklärung bereits seit Jahren geführt und gefordert, dass Patienten bei einer Ablehnung von Behandlungs- und Therapieformen durch den Versicherer innerhalb weniger Stunden eine zweite Stellungsnahme einholen können, dazu. Anas G.-J., N Engl J Med, No. 3, Vol. 337, 1997, S. 210. 520 Vgl. nur Bundesärztekammer, Tätigkeitsbericht 1995, S. 362. 521 Breyer / Zweifel, Gesundheitsökonomie, S. 157.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

solidarischen Systems. Gesundheit wird mehr und mehr als eine durch subjektive Elemente bestimmte Größe verstanden. Neben klassischen Leistungen wie ambulanten oder stationären Behandlungen, Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln oder Rehabilitations- bzw. Kureinrichtungen sind beispielsweise Nahrungsmittel, Sportund Fitnessartikel sowie einschlägige Informationsquellen (Fachliteratur, Beratungsstellen) in die Gesamtschau einzubeziehen 522. Viele nichtärztliche Anbieter sind aus diesem Grund bereits in Randbereichen des ärztlichen Leistungsangebotes am Markt aktiv523. Von Seiten der Gesundheitsökonomie wird folgerichtig vertreten, dass sich viele Gesundheitsgüter und -dienstleistungen von „normalen“ Konsumgütern nicht oder nicht nennenswert abheben524: Eine medizinische Beratung unterscheide sich von einer Finanzdienstleistung lediglich durch den fachlichen Inhalt. Ebenso wenig bedinge der Handel mit Heil- und Hilfsmitteln eine höhere Beratungsintensität als beispielsweise der Fachhandel im Bereich der Elektrogeräte, wo der Sachverstand des Verkäufers den des Kunden in der Regel ebenso übertrifft wie im medizinischen oder paramedizinischen Dienstleistungssektor. Auch wenn dieser Ansatz sehr weit geht, so ist doch nicht einzusehen, warum es nicht in gleichem Umfang zu den legitimen Verbraucherinteressen gehören soll, beim Arzt des Vertrauens medizinische Dienstleistungen im Sinne etwa der erweiterten Gesundheitsvorsorge oder der kosmetischen Medizin nachzufragen und zu bezahlen. Aus Sicht der Ärzteschaft kommt hinzu, dass die Finanzierungsprobleme des Gesundheitswesens die Stellung der Kostenträger gestärkt und die Honorardeckelung die Einkommenssituation der Leistungserbringer verschlechtert haben. Nicht jede denkbare medizinische Leistung kann mehr ohne Rücksicht auf die Kosten solidarisch finanziert werden; eine Honorarsteigerung ist oft nur noch über private Zusatzleistungen möglich. Die große Anbieterzahl führt dazu, dass die früher von der großen Nachfrage profitierenden Arztpraxen sich mehr und mehr zu Service-Unternehmen wandeln müssen, die in ihren Patienten nicht mehr nur Hilfe suchende Kranke, sondern auch umworbene Kunden sehen525.

522 Vgl. dazu den Vortrag von Isenberg im Rahmen der AGV-Tagung: „Kunde Patient – armer Kranker“ am 18. 09. 2000, nachzulesen unter http: // www.agv.de/politik/patientenschutz/polkundepatientisenberg.htm; Stand: März 2002. 523 Nach BVerfG, 1 BvR 254 / 99 darf es Optikern nicht untersagt werden, Augeninnendruckmessungen und Gesichtsfeldprüfungen durchzuführen. Wenn Ärzte solche Leistungen kostenpflichtig anbieten, müssen sie sich in Zukunft also verstärkt mit anderen Marktteilnehmern vergleichen lassen, und zwar sowohl hinsichtlich der Leistung als auch des Preises. Ob eine kostenpflichtige Messung einer langfristigen Kundenbindung dient, bleibt der Abwägung des Augenarztes überlassen. 524 Weiterführend zu diesem Themenbereich: Oberender / Hebborn, Wachstumsmarkt Gesundheit, S. 100 ff. 525 Barth, Mediziner-Marketing, S. 421.

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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(b) Marketing als Instrument der Qualitätssicherung Im Bereich der individuellen, privat zu liquidierenden Gesundheitsleistungen kommen der Kommunikation zwischen Arzt und Patient und dem Vertrauensverhältnis besondere Bedeutung zu. Auch wenn der Patient sich immer mehr einem „normalen Verbraucher“ annähert, sucht er doch in besonders hohem Maße nach sachkundiger Information über die Qualität medizinischer Leistungen, um das Risiko einer unmittelbar sein Wohlbefinden betreffenden Fehlentscheidung zu minimieren. Werbendes Anpreisen von möglichen Zusatzuntersuchungen ist allen Ärzten nach den Berufsordnungen jedoch grundsätzlich verboten526. Um das legitime Informationsinteresse des Patienten zu befriedigen, muss es aber möglich sein, diesen über denkbare Extra-Leistungen zu informieren. Auch wenn das ärztliche Werbeverbot noch immer als Instrument der Qualitätssicherung interpretiert wird, das den Verbraucher schütze, indem es nur qualitätsgesicherte Informationen gegenüber dem Patienten zulasse527, ist nicht zu übersehen, dass diese Argumentation auf einem veralteten Verständnis von Verbraucherschutz beruht, das mit dem weit gehenden Unterdrücken von Informationen vornehmlich den Schutz der Konkurrenz bewirkt528. (aa) Patientenschutz und Eigenverantwortung Aus ökonomischer Sicht ist Werbung zunächst nichts anderes als eine Marktinformation, mit der der Arzt – gleich aus welcher Motivation – auf seine Tätigkeit aufmerksam machen will. Das Bestreben, eben diese Information möglichst gering zu halten, mag vom Standpunkt des deutschen Wettbewerbsrechtes her verständlich sein, das noch immer von der Schutzwürdigkeit eines in letzter Konsequenz unmündigen Verbrauchers auszugehen scheint. Die durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG als Teil des Selbstbestimmungsrechtes geschützte freie Arztwahl legt jedoch das Leitbild des mündigen Patienten verbindlich fest529. Wirkungsvoller Verbraucherschutz im medizinischen Sektor kann folglich nicht gleichgesetzt werden mit der Beschneidung des legitimen Informationsbedürfnisses des Patienten. Es ist inkonsequent, wenn die Rechtsprechung trotz des verfassungsrechtlichen Grundgedankens des zur Selbstbestimmung fähigen Menschen530 die Intransparenz des Gesundheitsmarktes im Bereich individueller Gesundheitsleistungen aufrecht erhält, während sie auf dem Gebiet der ärztlichen Aufklärungspflicht531 den durch das Wissengefälle zum Arzt benachteiligten Patienten durch intensive Kommunikation zu schützen sucht. 526 527 528 529 530

Vgl. bereits oben, C. I. 3. b) bb). Bonvie, MedR 1994, S. 308, 311. Barth, Mediziner-Marketing, S. 445. Barth, Mediziner-Marketing, S. 447. Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rz. 11.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Gerade weil das Leitbild des mündigen, selbst bestimmten Patienten durch die umfangreiche Rechtsprechung zur medizinischen Aufklärung532 in hohem Maße verwirklicht wurde, ist es nicht einzusehen, dass dem Patienten hinsichtlich möglicher Leistungsausweitungen nur minimale Informationen gewährt werden sollen, weil diese werbliche Züge tragen könnten. Dies gilt umso mehr, als sich das Arztmarketing nach Maßgabe der Verfassung eben nicht an den Wettbewerbsinteressen des Arztes zu orientieren hat, sondern in erster Linie den Interessen des Patienten Rechnung tragen soll533. Die zur Deckung der Finanzierungslücken vorgenommenen Maßnahmen für GKV-Versicherte, insbesondere der Kassenwettbewerb und die Änderungen in den jeweiligen Leistungskatalogen, bedeuten für den Patienten eine einschneidende Veränderung – auch und gerade im Verhältnis zu den Leistungserbringern. In gleichem Maß, in dem der Patient seinen Versicherer – und seit einiger Zeit seine gesetzliche Krankenkasse zumindest in Teilen – nach Leistungsumfang auswählen kann, ist er auch gezwungen, sich mit dem medizinischen Angebot seines Arztes auseinanderzusetzen, um dann nach persönlichen Präferenzen zu entscheiden, welchen Anbieter er wählt. Diese verstärkte Eigenverantwortung führt zwangsläufig dazu, dass Patienten die ärztlichen Dienste verstärkt auch unter Kostenaspekten prüfen. Während bislang ein Wechsel von einem Versorger zum anderen ohne nennenswerten finanziellen Mehraufwand möglich war, treffen Irrtümer bei der Wahl des richtigen Leistungserbringers den gesetzliche Versicherten in zunehmendem Maße direkt. Schon deshalb ist eine umfassende Information durch die Ärzteschaft unumgänglich, da nur sie dem Patienten Vergleichsmöglichkeiten eröffnet. Dass die Entscheidung für oder gegen einen Anbieter auch vom persönlichen Vertrauen oder einer langjährigen Bindung an den Arzt beeinflusst wird, vermag an dieser Tatsache nichts zu ändern. Die Schwäche der Verbraucherposition zeichnet sich damit im medizinischen Bereich durch dieselben Punkte aus wie in anderen Wirtschaftszweigen. In einer weitestgehend technisierten, hoch spezialisierten Gesellschaft können die meisten Güter und Dienstleistungen nur von einem Fachmann bewertet werden. Aufgabe des Verbraucherschutzes ist es, die Möglichkeit einer informierten und bewertenden Verbraucherentscheidung sicher zu stellen534. Solange also das Ziel ärztlichen Marketings, Leistungen „an den Patienten zu bringen“, mit einer sinnvollen und 531 Ausführlich zu diesem Thema: Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 61. 532 BGHZ 29, 46 ff. = NJW 1959, 811 ff.; BGH NJW 1963, 393 ff.; 1976, 365; 1978, 587; OLG Bremen VersR 1991, 425; BGH VersR 1991, 467 = MedR 1991, 140; BGH NJW 1992, 743 m. w. N.; OLG Oldenburg MDR 1992, 236. 533 So auch Tettinger, Kammerrecht, S. 117. 534 Dick, Das Verbraucherleitbild der Rechtsprechung, S. 2 f.; Francke / Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 5.

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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angemessenen Patienteninformation einhergeht, kann eine verfassungsgemäße Interpretation dieses Vorganges nur zu dem Ergebnis führen, dass auch leistungsbezogene ärztliche Aussagen zuzulassen sind, die die Entscheidung für eine bestimmte Dienstleistung begünstigen, solange dabei die Entscheidungsfreiheit des Patienten gewahrt bleibt. Mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG darf der geschützte Kernbereich sachlicher Information auch nicht dadurch reduziert werden, dass man durch die Übernahme einer abstrakten wettbewerbsrechtlichen Irreführungsgefahr535 jegliche Beeinflussung der Patientenentscheidung zu unterbinden versucht. Der Maßstab für eine etwaige Irreführung hat sich vielmehr an dem europarechtlich vorgegebenen Leitbild des informierten, aufgeklärten und zu einer rationalen Entscheidung befähigten Verbrauchers auszurichten536. Der beste Patientenschutz im Leistungsbereich außerhalb der Kataloge der GKV liegt damit in einer möglichst umfassenden Information durch den Arzt, auch wenn diese werbliche Züge tragen sollte. Der Markt für medizinische Dienstleistungen hat somit in weiten Teilen einen Zustand erreicht, der Marketing und Werbung für alle Beteiligten erforderlich macht. Auch wenn die Besonderheiten des Gesundheitswesens spezielle Schutzmechanismen erfordern, kann doch festgehalten werden, dass sowohl Patienten als auch Ärzte – zumindest im Bereich privatärztlich zu erbringender Wahlleistungen – von der medizinischen Tätigkeit am meisten profitieren, wenn diese erkennbar mit Gewinnerzielungsabsicht537 ausgeübt wird. (bb) Leistungsnachfrage und Kostenentwicklung Da die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung und der Umfang ärztlicher Behandlung maßgeblich von der Höhe der dafür eingesetzten Finanzmittel abhängen, kommt der Frage, ob verstärktes ärztliches Marketing zu einer Steigerung der Leistungsnachfrage führen und damit die Kostenentwicklung im Gesundheitssystem noch verschärfen könnte, eine erhebliche Bedeutung zu – zumal der Arzt bei der Ausübung seines Berufes stets das Gemeinwohl im Auge zu behalten hat538. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu prüfen, ob Werbung und Marketing – gerade im Rahmen der ärztlichen Versorgung – überhaupt in der Lage sind, eine gesteigerte Nachfrage beim Konsumenten der beworbenen Leistung auszulösen539. 535 Zu Recht wird in der Literatur schon seit Jahren darauf hingewiesen, dass auch im deutschen Wettbewerbsrecht eine abstrakte Irreführungsgefahr, die die modernen Erkenntnisse zur Werbewirkung und Informationsinteressen der Verbraucher ignoriert, keine Existenzberechtigung mehr hat. Vgl. Büttner, GRUR 1996, S. 540; Schricker, GRUR Int. 1994, S. 593. 536 Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 272. 537 Vgl. dazu unten C. II. 1. c) cc) (4). 538 Vgl. oben A. II. 539 Ausführlich dazu, im Ergebnis wohl ablehnend Barth, Mediziner-Marketing, S. 395 ff.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

Wer die Auffassung vertritt, ein niedergelassener Arzt könne durch mehr Werbung sein verwaistes Wartezimmer füllen, offenbart jedoch grobe Unkenntnis moderner Erkenntnis über Werbewirkung540: Die Erfahrungen aus verwandten Märkten zeigen, dass Werbung eher zu einer Kanalisierung bereits vorhandener Nachfrage führt, als dass sie tatsächlich neue Bedürfnisse generiert. Im Pharmabereich etwa führte die Werbetätigkeit für Selbstmedikation keineswegs zu einem steigenden Arzneimittelkonsum, sondern zu einer Umverteilung unter den verschiedenen Anbietern541. Die These von der Nachfragesteigerung durch ärztliches Marketing lässt darüber hinaus die strukturellen Besonderheiten des Gesundheitsmarktes völlig unberücksichtigt: Im Rahmen der solidarischen Versorgung führt der Versicherungsschutz des Patienten dazu, dass schon unter dem geltenden strengen Wettbewerbsrecht die Nachfrage nicht den normalen Marktgesetzen folgt542. Der gesetzlich krankenversicherte Patient muss – abgesehen von den höheren Zuzahlungen etwa für Medikamente oder die Praxisgebühr – im Regelfall nicht mehr bezahlen, wenn er ein höheres Quantum von Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkassen nachfragt. Im Bereich der Selbstzahlerleistungen wird jeder Patient einer in seinen Augen unnötigen Leistungsausweitung von sich aus entgegentreten. Außerhalb des solidarischen Systems kann die Kritik an einer Etablierung ärztlichen Marketings schon deshalb nicht greifen, weil die privat zu liquidierenden Leistungen in der Regel nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft erbracht werden. Selbst wenn man jedoch von einer gesteigerten Nachfrage nach ärztlichen Leistungen ausginge, ist damit noch nicht gesagt, dass aufgrund dessen die Kosten tatsächlich stiegen. Für die moderne Medizin gilt wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen der Grundsatz, dass eine Fehlerverhütung, und damit die medizinische Prävention, im Allgemeinen kostengünstiger ist als die Fehlerbeseitigung, also die Krankheitsbekämpfung543. Sollte also die Information über neue, verbesserte Methoden Patienten anlocken, so könnte diese verstärkte Nachfrage in der volkswirtschaftlichen Gesamtabrechnung sogar eine Kostenersparnis bedeuten544. Wenn auch nicht verschwiegen werden soll, dass gerade Prävention als Mittel zur Kostendämpfung sehr umstritten ist545, wobei von den Kritikern vor allem angeführt wird, dass die Wirkungen und damit die Erträge der verstärkten Vorsorge erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung auftreten, und demzufolge lediglich eine zeitliche und ursächliche Verlagerung der Kosten stattfindet546, so macht der Barth, Mediziner-Marketing, S. 434. Unger / Wolf, Erfolgreiches Anwaltsmarketing, S. 23; zur Umverteilung vgl. auch BVerfG NJW 1996, 3070. 542 Siehe oben C. II. 1. 543 Barth, Mediziner-Marketing, S. 435. 544 Steiner / Hansen / Zumbroich, Patientenorientiertes Gesundheitsmanagement, S. 137. 545 Oberender / Hebborn, Wachstumsmarkt Gesundheit, S. 140 f. 546 Hierzu Arnold / Lauterbach, Krankenhaus 1995, S. 259. 540 541

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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Streit um die volkswirtschaftlichen Auswirkungen verstärkter präventiv-medizinischer Versorgung doch deutlich, dass sich eine schematische Kostenbewertung anhand einfacher Argumentationsketten verbietet547. Jede medizinische Behandlung oder Nichtbehandlung löst im Einzelfall komplexe ökonomische Zusammenhänge aus, deren Bewertung sich auch deshalb schwierig gestaltet, weil der immaterielle Nutzen häufig in einer statistisch nicht erfassbaren, verbesserten Lebensqualität liegt. Ausgangspunkt sollte daher der Umstand sein, dass in der Bevölkerung eine enorme Bereitschaft zur selbstfinanzierten, aktiven Prävention besteht. Die trotz schwieriger gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen florierende Gesundheits- und Fitnessbranche zeigt deutlich, welchen Stellenwert der Erhalt der Gesundheit im Bewusstsein der Menschen erlangt hat548. Gesundheit hat sich zu einem eigenständigen Lebensziel entwickelt, das nicht nur passiv erlebt, sondern aktiv-gestaltend beeinflusst wird549. (3) Gewinnerzielung Die Entwicklung des Patienten zum Gesundheitskunden kommerzialisiert den Arztberuf zumindest für den Bereich der privatärztlichen Zusatzleistungen und 547 Die gesundheitsökonomische Evaluation von Präventionsprogrammen ist erst in den letzten Jahren, und auch nur an ausgewählten Beispielen, ernsthaft durchgeführt worden. Evidenzbasierte Evaluationsstudien mit klar definierten Endpunkten bleiben noch immer rar. Deshalb gibt es für die Bewertung von Präventionsprogrammen sehr unterschiedliche theoretische und empirische Wirkungshypothesen. Die häufigsten Argumentationsmuster in der Debatte folgen einer nachvollziehbaren Plausibilität, wenige einer belastbaren empirisch gefestigten Erkenntnis. Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat in seinem Gutachten 2003 „Finanzierung, Nutzerorientierung und Qualität“ (nachzulesen unter: http: // www.gesundheitspolitik.net/01_gesundheitssystem/reformkonzepte/unabhaengige-reformkonzepte/Konzertierte-Aktion-im-GW-Presse.pdf; Stand: November 2005) diese Ansätze zusammengeführt und auf den Punkt verdichtet, dass in dem Maße, wie mit guten präventionspolitischen Maßnahmen eine Verzögerung des Eintrittszeitpunktes speziell chronischer Erkrankungen einhergeht, die Kompression der Ausgaben noch näher an den individuellen Todeszeitpunkt herangeführt werden kann. Dies ist in Anbetracht der demografischen Herausforderung nicht trivial: vielmehr erhöht sich damit die Zeit des gesunden Alterns und die Leistungsausgaben für ältere Menschen werden über Jahre reduziert. Da die Leistungsdichte bei einem Todeszeitpunkt im hohen Alter tendenziell sinkt, wäre in diesem Sinne wirkungsvolle Prävention eine gesundheitsökonomisch sinnvolle Strategie zur Bewältigung der demografischen Risiken. Neben den ethisch und humanistisch geprägten Argumenten die auf ein Mehr an Lebensqualität, Jahren der Aktivität, der Krankheitsvermeidung und des Wohlbefindens abstellen, liegt hier der ökonomisch belastbare Kern der Präventionsdebatte. Vgl. zu diesem Thema auch den Vortrag des stellvertretenden DAK-Vorstandsvorsitzenden Herbert Rebscher anlässlich der Veranstaltung der Freien und Hansestadt Hamburg, Behörde für Umwelt und Gesundheit, zum Präventions- und Gesundheitsförderungsgesetz am 10. 02. 2004 in Berlin, nachzulesen unter: http: //www.presse.dak.de/ps.nsf/ShowBy Level/ 63F605A182EFE65FC1256E44003801B9; Stand: November 2005. 548 Oehme / Oehme, Marketing für niedergelassene Ärzte, S. 7. 549 Oberender / Hebborn, Wachstumsmarkt Gesundheit, S. 20 f.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

führt dazu, dass Leistungen nicht mehr alleine im Interesse des Patienten, sondern auch im Interesse der Gewinnmaximierung erbracht werden550. Gleichzeitig bedingt die Situation innerhalb des gesetzlichen Krankenversicherungssystems auch dort eine Ökonomisierung ärztlichen Handelns. Um den Ansätzen von Leistungsrationierungen551 zu begegnen, muss der Arzt mehr Wert auf klassische Prozessinnovationen legen, mit deren Hilfe ein Behandlungserfolg mit weniger Aufwand erreicht werden kann. Die vollständige Berücksichtigung des naturwissenschaftlich-medizinischen Fortschritts bei der Behandlung ist nur noch akzeptabel, wenn auch der gesellschaftspolitische Beleg eines positiven Kosten-Nutzen-Verhältnisses erbracht ist552. Sollen ärztliche Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung überhaupt fortbestehen können, wird ihre Zukunft maßgeblich davon abhängen, dass der Nachweis einer kompetenten Problemlösung im Bereich des medizinischen Leistungsgeschehens gelingt. Die Verhinderung einer Zwei-Klassenmedizin, eine höhere Effizienz und durchgängige Bedürfnisbefriedigung, die von allen am System Beteiligten gleichermaßen angestrebt wird, wird sich allerdings nur durch eine Neuordnung der Strukturen des Solidarsystems im Sinne einer verstärkten Marktorientierung erreichen lassen, die naturgemäß auch das Gewinnstreben der Leistungserbringer mit einschließt. Den individuellen Präferenzen im Bereich der Gesundheitsgüter kann aber heute schon Rechnung getragen werden, wenn nicht im GKV-Katalog erfasste Leistungen privat erbracht werden. Für den Arzt eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, eine optimierte Individualmedizin jenseits der Sparmaßnahmen des Solidarsystems anzubieten, bzw. vertretbare Leistungen, etwa im kosmetischen Bereich, gemäß dem Patientenwunsch zu erbringen. Das medizinische Leistungsgeschehen wird dabei nach Art und Umfang ganz entscheidend von den Anreizen im Gesundheitssystem bestimmt, zu deren wichtigsten die Honorierung der Leistungserbringer zählt553. Bei Leistungen außerhalb des eigentlichen ärztlichen Kernbereichs tritt der Arzt überdies in Konkurrenz mit paramedizinischen Anbietern, wodurch der Aspekt der qualifizierten gewerblichen Tätigkeit des Arztes noch einmal an Bedeutung gewinnt: Wenn ohne Rücksicht auf bestehende Kostenstrukturen Leistungen auf Wunsch erbracht werden können, ist der Honoraranreiz natürlich ungleich höher als in einem budgetierten System, das manche Behandlungen bereits unrentabel hat werden lassen554. Im gleichen Maß, in dem sich der Grundsatz des „salus aegroti suprema lex“ weiterentwickelt und als „salus et voluntas aegroti suprema lex“ 550 551 552 553 554

Zuck, NJW 2001, S. 2055, 2058. Vgl. dazu C. II. 1. b). Barth, Mediziner-Marketing, S. 298. Ausführlich dazu: Arnold, Solidarität 2000, S. 49 f. Vgl. oben C. I. 4. a) bb) (3) (e) (aa).

II. Auswirkung auf die ärztliche Freiberuflichkeit

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weithin Anerkennung gefunden hat, muss sich auch das freiberufliche Selbstverständnis des Arztes wandeln. Nicht mehr allein der altruistische Heilauftrag und die Verantwortung für den (unwissenden) Patienten sind Antriebsfeder ärztlichen Handelns; auch der Gewinn, der sich mit einer ausdrücklich gewünschten oder empfehlenswerten Zusatzmaßnahme erzielen lässt, bestimmt die Motivation des Arztes. Die Grenze zwischen unzulässiger Gewinnmaximierung und dem legitimen Wunsch nach ökonomischen Vorteilen zieht die ärztliche Standesethik, nach der es sich von selbst verbietet, Maßnahmen zu erbringen, die dem Patienten Schaden zufügen könnten. Die Gewinnorientierung als solche bedeutet also nicht das Ende der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient, sondern setzt im Gegenteil eine verstärkte Kommunikation zwischen zwei gleichwertigen Partnern als konstituierendes Element voraus.

2. Freiberufliche Zusammenschlüsse Im selben Maß, in dem die Kommunikation zwischen Arzt und Patient an Bedeutung gewinnt, erlangt auch die Bedeutung der interprofessionellen Kommunikation bzw. Kooperation einen immer höheren Stellenwert. Diese Entwicklung wird in der Literatur jedoch nicht immer positiv bewertet. Schon Deneke555 untersuchte die Gefahrenquellen, die dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient den Boden zu entziehen drohen, und stellte dabei insbesondere drei Punkte heraus, die er schlagwortartig mit Kommerzialisierung, Spezialisierung und Kollektivierung bezeichnete. Hinsichtlich letzterer wurde für die Ärzteschaft vor allem diskutiert, inwieweit das individuelle Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gesellschaftlichen Zusammenschlüssen verschiedener Mediziner entgegensteht. Insbesondere die Gemeinschaftspraxis556 geriet in den Fokus der Kritiker, da bei einer einheitlichen Praxis, in der mehrere Ärzte nacheinander und nebeneinander557 Patienten behandeln, eine Austauschbarkeit der behandelnden Ärzte558 befürchtet wurde. Es gehe nicht an, die wirtschaftlichen Vorteile einer Gemeinschaftspraxis über die persönliche Beziehung zum Patienten zu stellen559. Die Praxis hat die Kritik in der Wissenschaft jedoch lange überholt; der Gesetzgeber hat reagiert. So ist seit einiger Zeit dem wachsenden Bedürfnis Rechnung getragen worden, ambulante ärztliche Behandlungen oder Operationen nicht mehr nur in Einzelpra555 556 557 558

Deneke, Die Freien Berufe, S. 90. Näher dazu unten D. III. 2. Lach, Formen freiberuflicher Zusammenarbeit, S. 16. Reichel, ÄM 1962, S. 1097 f.; Lüben, Die Fundamente der freien geistigen Berufe,

S. 53. 559

Busse, Der Landarzt 1960, S. 1143.

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C. Rechtliche Bindung des Arztberufes

xen allein agierender Niedergelassener auszuführen, sondern in Kooperation mit anderen Ärzten. Auch die Musterberufsordnung560 geht schon lange ganz selbstverständlich von der Zulässigkeit der Berufsausübungsgemeinschaften aus. Die Schaffung des PartGG im Jahre 1995 sollte dem Bedürfnis nach gemeinsamer freiberuflicher Berufsausausübung – auch bei den Ärzten – Rechnung tragen, indem es eine „besondere, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Gesellschaftsform zur gemeinsamen Berufsausübung561 zur Verfügung stellte. Doch selbst dieses „ehrgeizigen Gesetz“562, das sich natürlich auch am geltenden Gesellschaftsrecht orientieren muss, wird maßgeblich vom Einfluss des Berufsrechts geprägt. Im Hinblick auf die Zulässigkeit ärztlicher Kooperationsformen sind die gesellschaftsrechtlichen Regelungen zudem durch sozialrechtliche Vorgaben überlagert563. Wenn insofern von deren „praktischer Schwerfälligkeit“564 gesprochen wird, ist dies ein Anlass, sowohl die Möglichkeiten freiberuflicher Zusammenarbeit als auch die Schnittpunkte zwischen dem allgemein geltenden Gesellschaftsrecht und dem ärztlichen Berufsrecht zu untersuchen.

560 Nach der MBO-Ä 1997 Kap D II Nr. 8 dürfen Ärzte für die Berufsausübungsgemeinschaft nur Gesellschaftsformen wählen, welche die eigenverantwortliche, selbständige sowie nicht gewerbliche Berufsausübung wahren. Von der Zulässigkeit der Berufsausübungsgemeinschaften wird generell ausgegangen. 561 BT-Drucksache 12 / 6152 S. 1. 562 Meilicke / v. Westphalen / Hoffmann / Lenz, PartGG, Vorwort V. 563 Sodan, NZS 2001, S. 169. 564 Meilicke / v. Westphalen / Hoffmann / Lenz, PartGG, Vorwort V.

D. Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung Die Ausgestaltung des Arztberufes im Sinne der klassischen, nicht am Gewinn ausgerichteten Freiberuflichkeit hatte lange Zeit zur Folge, dass es als schlichtweg undenkbar angesehen wurde, die Arbeit am Patienten gemeinsam mit einem Kollegen auszuüben. Noch in den sechziger Jahren war die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis nur in wenigen Ausnahmefällen1 mit Genehmigung der Ärztekammer zulässig2. Standesvertreter sahen durch kooperative ärztliche Zusammenschlüsse, selbst in der Form monoprofessioneller Gemeinschaftspraxen, das „Fundament des deutschen Ärztetums schlechthin gefährdet“3. Diese Einschätzung ging auf die Kernaussage des § 1 Abs. 2 BÄO zurück. Denn die Freiberuflichkeit des Arztes ist unter anderem durch die Pflicht zur persönlichen Dienstleistung gekennzeichnet – einem Grundsatz, der bis heute sowohl im privatärztlichen wie auch im vertragsärztlichen Bereich gilt4. Das Augenmerk der Kritiker ärztlicher Zusammenschlüsse richtete sich daher vor allem darauf, die Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit hervorzuheben, bei der durch die Verwendung von Hilfskräften die Arbeitskraft beliebig vervielfältigt werden kann5. Diese Sichtweise ist in ihrer Ausschließlichkeit lange überholt. In einer Zeit, in der viele Unternehmen global kooperieren, kann es nicht verwundern, dass sich auch Angehörige der Freien Berufe zunehmend in Sozietäten oder Gemeinschaftspraxen zusammenschließen 6. So ist denn auch die Kooperation von Ärzten mittlerweile keine seltene Ausnahme mehr; bei Berufseinsteigern kann sie heute sogar als der Regelfall angesehen werden. Dass inzwischen auch angestellte Ärzte die Heilkunde ausüben7 und der Betrieb von Praxen in Rechtsformen wie Personen- oder Kapitalgesellschaften diskutiert 1 Eine seit jeher anerkannte Ausnahme bildete lediglich die ärztliche Tätigkeit innerhalb der Krankenhäuser. 2 Vgl. § 18 MBO-Ä a.F., abgedruckt in: ÄM 1962, S. 15. 3 Kreienberg, ÄM 1962, S. 1543, zitiert nach Taupitz, NJW 1992, S. 2318, Fn. 5. 4 Heberer, Das ärztliche Berufs- und Standesrecht, S. 453. 5 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellte von jeher die Beschäftigung von angestellten Vertretern oder Assistenten dar. Zu den berufsrechtlichen Voraussetzungen und den Besonderheiten im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung vgl. Heberer, Das ärztliche Berufs- und Standesrecht, S. 453 ff. 6 Sodan, NZS 2001, S. 169.

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D. Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung

wird, in denen Ärzte sogar mit Nicht-Medizinern kooperieren, ist ebenfalls ein Indiz, dass in dieser Frage ein Prozess des Umdenkens eingesetzt hat8.

I. Notwendigkeit und Vorteile ärztlicher Zusammenarbeit Die Gründe, warum Mediziner sich zunehmend in Gesellschaften organisieren und arbeitsrechtliche Bindungen – z. B. als Betriebsarzt, Krankenhausarzt oder Angestellter einer Heilbehandlungsgesellschaft – nicht mehr als unwillkommenen Zwang empfinden9, sind vielfältig und können im folgenden nicht abschließend aufgezählt werden. Die Hauptaspekte liegen jedoch auch hier in den veränderten Rahmenbedingungen des ärztlichen Berufsumfeldes und dem Wunsch, sich im verschärften Wettbewerb besser behaupten zu können. Infolge des ständig steigenden Kostendrucks betrachten immer mehr Ärzte die Kooperation mit Kollegen als Erfolg versprechenden Weg, die belastenden Entwicklungen innerhalb ihres beruflichen Umfeldes zumindest abzuschwächen. Positive Synergieeffekte durch die gemeinsame Nutzung von Personal, Praxisräumen und Technik, aber auch die optimale Ausschöpfung von Abrechnungsmöglichkeiten gegenüber den Kostenträgern sind im Zusammenschluss mit Kollegen eher zu erzielen, als in einer herkömmlichen Einzelpraxis. Dies gilt umso mehr, als auf diese Weise auch bislang ungenutzte Budgets des Partners übernommen werden können. Die Ärzteschaft ist heute mit einem immer breiteren Spektrum von Aufgaben und Entscheidungsproblemen konfrontiert, die zu bewältigen für den Einzelnen konstant schwerer wird. Die Fortschritte in der Medizin haben den Arzt zum Spezialisten mit einer – für Patienten und Ärzte gleichermaßen – schwer übersehbaren Fülle diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten gemacht10. Die zunehmende Information der Patienten, z. B. über wissenschaftliche Erkenntnisse, wirtschaftliche Abläufe und technische Verbesserungen, sowie der ständige Wandel dieser Bereiche erschweren die alleinige Berufsausübung und erfordern in zunehmendem Maße die Kooperation von Spezialisten. Gemeinsame ärztliche Betätigung birgt zudem den Vorteil des kollegialen Gedankenaustauschs, jederzeitiger Vertretung und der Möglichkeit individueller Arbeitsteilung. 7 Eindrucksvoll ist das Beispiel der Wiedereinführung von Polikliniken im Osten Deutschlands; zu den Entwicklungen: Europäisches Observatorium für Gesundheitssysteme, Gesundheitssysteme im Wandel; nachzulesen unter: http: // www.tu-berlin. de/fak8/ifg/mig/pdf-dateien/ Deutschland2000–10.pdf; Stand: März 2003. 8 Dies lässt sich spätestens seit dem 98. Deutschen Ärztetag nicht mehr leugnen, auf dem § 23a in die MBO-Ä aufgenommen wurde, der in gewissem Umfang die intraprofessionelle Kooperation von Ärzten und Nicht-Ärzten gestattet. 9 Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 5. 10 Barth, Mediziner-Marketing, S. 4.

I. Notwendigkeit und Vorteile ärztlicher Zusammenarbeit

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1. Fortschreitende medizinische und technische Entwicklung Medizinische Wissenschaft und Praxis befinden sich in einem kontinuierlichen Wandel, den der Arzt bei seiner täglichen Arbeit beachten muss. Diagnostische und therapeutische Fortschritte sind ebenso zu berücksichtigen, wie die daraus erwachsenden Risiken und Gefahren. Die Möglichkeiten, durch hochsensible Apparatemedizin die Qualität der Behandlung zu steigern, nehmen zu. Aus diesem Grund spricht bereits das Kostenargument, insbesondere bei Labor- und Apparategemeinschaften, für eine Kooperation mit Kollegen. Ein Zusammenschluss bietet sich schon deshalb an, weil in Einzelpraxen der technische Aufwand zum größtmöglichen Nutzen des Patienten meist nicht finanzierbar ist. Zudem kann nur der Arzt, der sich ständig fortbildet und die aktuellen medizinischen Errungenschaften sowie deren Risiken verfolgt, seinen Beruf ordnungsgemäß ausüben. Entsprechend werden Fortbildungen als Teil der Berufsausübung verstanden. Die Fortbildungspflicht gilt jedoch nur für das jeweilige Fachgebiet des einzelnen Arztes11. Der Zusammenschluss mit Kollegen kann daher auch dazu beitragen, das wissenschaftliche Niveau einer Praxis insgesamt anzuheben und wechselseitig von den Kenntnissen des Partners zu profitieren – nicht zuletzt zum Nutzen der Patienten.

2. Spezialisierung Neben dem allgemeinen Fortschreiten der medizinischen Wissenschaft hat auch die einzelfachliche Spezialisierung ein hohes Niveau erreicht. Die klinisch geprägte Weiterbildung eröffnet den Zugang zu mehr als 65 medizinischen Gebieten bzw. Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen, die von der Anästhesiologie bis hin zur Urologie jeden physiologisch oder psychologisch relevanten Teil des menschlichen Lebens abdecken. Diese Spezialisierungen werden durch 46 verschiedene Zusatzweiterbildungen ergänzt12. Ein einzelner Arzt ist schon aufgrund dessen nicht mehr in der Lage, das gesamte Gebiet der Medizin mit allen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu beherrschen. Wenngleich der Berufsstand der Ärzte den Zwang zur Spezialisierung und Differenzierung ohne Umschweife anerkennt13, so fordert er doch zugleich eine stärkere Zusammenarbeit der Fachärzte, damit die Spezialisierung nicht zum „Fluch der Medizin“14 wird. Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 11, Rz. 7. Vgl. hierzu die neue (Muster-)Weiterbildungsordnung (Stand: Mai 2005), nachzulesen unter: http: // www.bundesaerztekammer.de/30/Weiterbildung/03MWBO/index.html; Stand: November 2005. 13 So bereits König, Rheinisches Ärzteblatt 1967, S. 486. 14 Lach, Formen freiberuflicher Zusammenarbeit, S. 130. 11 12

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D. Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung

Dies gilt umso mehr, als sich auch bei Patienten – trotz Einführung der Praxisgebühr – der Trend abzeichnet, möglichst direkt die Dienste desjenigen (Fach-) Arztes in Anspruch zu nehmen, den sie wegen seiner Sachkunde für kompetent halten15. Einer wachsenden Zahl von Patienten geht es mittlerweile nicht mehr vorrangig um die Person des behandelnden Arztes, sondern fast ausschließlich um dessen fachliches Know-how. Dies zeigt sich beispielhaft bei ernsten Erkrankungen oder in Notfällen, bei denen es um schnelle und wirksame Hilfe und nicht um die Betreuung durch eine sympathische Vertrauensperson geht, die den persönlichen Präferenzen entspricht16. Bereits im Jahre 1973 bewies eine Studie17, dass in Gemeinschaftspraxen etwa 30 von hundert Patienten regelmäßig nicht von dem persönlich bekannten, sondern von dem auf ihren Fall spezialisierten Arzt behandelt werden wollen. Die Ursachen für diese Entwicklung gründen vorrangig in der veränderten Funktion des Arztes für seinen Patienten. Die früher weit verbreitete hausärztliche Betreuung, bei der Arzt über den medizinischen Bereich hinaus als Berater fungierte, der mit den sozialen und familiären Verhältnissen seiner Patienten vertraut war, tritt nicht zuletzt wegen steigender Mobilität und häufiger Arbeitsplatzwechsel der Versicherten in den Hintergrund18. Die massive Nachfrage nach neuester medizinischer Technik und spezialisierten Fachkräften führt zu einer Entpersönlichung der Beziehung zwischen Arzt und Patient. Wenn auch zu Recht vielfach beklagt 15 Michalski, Das Wettbewerbs- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 213. Vom gesundheitsökonomischen Standpunkt aus wird in diesem Zusammenhang die Diskussion geführt, wie der einzelne Patient möglichst ohne Umwege zu dem ausgewiesenen Spezialisten für sein spezifisches Leiden gelangt. Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu kontraindiziert, dass der Gesetzgeber zum Zwecke der Kostensenkung mit § 73 b SGB V eine Hausarztzentrierte Versorgung zu implementieren sucht – wenn auch auf freiwilliger Basis. 16 So im Ergebnis auch Maiwald, Ärzteblatt BW 1967, S. 4, 5; zitiert nach Michalski, Das Wettbewerbs- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 212. 17 Nachzulesen in DÄBl. 1975, S. 113, 115. 18 Diese Entwicklung vollzieht sich freilich nicht überall gleich. Je nachdem, welche Alters- und Beschäftigungsstruktur in einer bestimmten Region vorherrscht, kann es durchaus Abweichungen geben. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gesetzgeber durch das GMG die Rolle der Hausärzte – wenn auch aus rein ökonomischen Überlegungen – wieder zu stärken sucht. Nach § 73b SGB V SGB V können sich Versicherte seit dem 01. 01. 2004 freiwillig verpflichten, fachärztliche Leistungen nur nach Konsultation und Überweisung eines zuvor gewählten Hausarztes in Anspruch zu nehmen. Diese Entscheidung wird – je nach Kasse – durch finanzielle Anreize, wie etwa ermäßigte Beitragssätze oder Zuzahlungen gefördert. Die Ausführung der hausarztzentrierten Versorgung stellt besondere qualitative und organisatorische Anforderungen an die Ärzte (§ 73c Abs. 1 S. 1 SGB V). Auf kollektivvertraglicher Ebene, also durch Gesamtverträge nach § 83 SGB V, werden die Anforderungen an die Versorgungsaufträge definiert (§ 73c Abs. 1 SGB V). Die Vergabe der Versorgungsaufträge kann dann nach § 73c Abs. 2 SGB V entweder durch Verträge nach gesamtvertraglichen Vorgaben, das heißt unter Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen, oder – falls keine Gesamtverträge zu Stande kommen – durch direkte Verträge zwischen Krankenkassen und Ärzten erfolgen.

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wird, Ärzte würden dem Einzelnen über die rein naturwissenschaftliche Behandlung hinaus kaum noch Zeit widmen, gilt es ebenso zu beachten, dass der Patient selbst oft nur wenig Zeit und Geduld für einen Besuch beim Arzt mitbringt. Das Vertrauen hat sich mehr und mehr auf die medizinische Technik verlagert und gilt häufig nur noch nachrangig der Persönlichkeit des Arztes19.

II. Grundformen des Zusammenschlusses Wenn sich aus den oben genannten Gründen immer mehr Ärzte zu einer gemeinsamen Berufausübung entschließen, ist dabei zunächst zwischen Medizinern zu unterscheiden, die den niedergelassenen Bereich einer Praxis wählen, und jenen, die in den stationären Bereich der Krankenhäuser und Kliniken ausweichen, was in vielen Fällen mit der gesetzgeberischen Entscheidung zusammenhängt, durch die Begrenzung der Niederlassungsfreiheit eine freiberufliche Tätigkeit im klassischen Sinn zu erschweren20. Dabei unterwerfen sich die als Amts-, Betriebs- oder Krankenhausärzte arbeitenden Mediziner in weiten Teilen denselben arbeitsrechtlichen Bindungen, wie sie in einem herkömmlichen, privatrechtlichen Angestelltenverhältnis bestehen21. Ausgehend von der freiberuflichen Praxis als Ursprung des ärztlichen Berufsbildes sollen im Folgenden jedoch im Wesentlichen die Kooperationsmöglichkeiten von niedergelassenen Ärzten untersucht werden.

1. Der Begriff der Arztpraxis Die Stellung des allein praktizierenden Arztes in einer Einzelpraxis liefert die Ansatzpunkte für mögliche Formen partnerschaftlicher Zusammenschlüsse. Unter einer Arztpraxis versteht man die Gesamtheit dessen, was die gegenständliche und personelle Grundlage der Tätigkeit des in freier Praxis tätigen Arztes bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben bildet22. Rechtlich ist sie, soweit sie nicht in 19 Vgl. Müller, Einbeziehung des Arztes in das Handelsrecht, S. 123. Diese Entwicklung ist deshalb so bedeutsam, weil gerade wegen der Betonung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient lange an einem Sozietätsverbot für Ärzte festgehalten wurde: Die Gemeinschaftspraxis war vor dem Jahre 1965 verboten und bis zum Jahr 1968 genehmigungspflichtig. 20 Zu Recht weist Nagel, Mitglied der von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt eingesetzten „Rürup-Kommission“ im Hintergrundgespräch mit der Redaktion des Wirtschaftsmagazins Capital (unveröffentlicht) darauf hin, dass der Sicherstellungsauftrag in der Vergangenheit eher darauf gerichtet war, neue Zulassungen von Vertragsärzten zu verhindern, als sie zu gewähren. 21 Zum Weisungsrecht des hierarchisch übergeordneten Arztes siehe unten D. IV. 1. b).

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einer besonderen Rechtsform ausgeübt wird, von der Person des Arztes nicht zu trennen23. Für den Einzelarzt, der seinen Beruf allein ausübt bedeutet das: Die dazu benötigten Räumlichkeiten und Gerätschaften stehen nur ihm zur Verfügung24. Der Vertrag mit seinen Patienten berechtigt und verpflichtet ausschließlich ihn selbst. Eine gesellschaftsrechtliche Komponente kann eine solche Einzelpraxis allenfalls erhalten, wenn – etwa zur Finanzierung der zur Berufsausübung notwendigen Apparate – eine Gesellschaft gegründet wird, an der der Inhaber der Einzelpraxis und vielleicht noch andere Ärzte beteiligt sind. Selbst wenn aber die Geräte von einer solchen, regelmäßig in der Form einer GbR oder eines eingetragenen Vereins organisierten Trägergesellschaft angeschafft werden und der allein praktizierende Arzt aufgrund dieses Zwischenschrittes (noch) nicht Alleineigentümer 25 geworden ist, ändert die sachenrechtliche Zuordnung doch nichts an der Tatsache, dass der Arzt in einer Einzelpraxis praktiziert und ausschließlich eigenverantwortlich arbeitet. Berufsrechtlich sind derartige Konstruktionen nicht zu beanstanden. Es fehlt der unmittelbare Bezug zur Berufsausübung. Wenn auch die zwischengeschaltete Trägergesellschaft eine Eigentümerstellung mehrerer Kollegen begründen mag, ist doch allein darin noch keine gemeinschaftliche Berufsausübung zu sehen26.

2. Grundtypen ärztlicher Kooperation Wie gesehen hat sich das ärztliche Berufsrecht mittlerweile für ärztliche Zusammenschlüsse geöffnet und ermöglicht die Wahl unterschiedlicher Kooperationsformen27. Sie alle werden unter dem Begriff der Gruppenpraxis28 zusammengefasst, 22 Rieger, Lexikon (1. Auflage), Rz. 196. Folgerichtig unterfällt dem Begriff damit auch der Patientenstamm, siehe nur BGH NJW 1991, 1547, 1551; vgl. auch Narr, MedR 1984, S. 121, 123. 23 Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 18, Rz. 2. 24 Entsprechend wird entgegen der früheren Rechtsprechung heute überwiegend angenommen, dass die freiberufliche Arztpraxis veräußert werden kann; verneinend noch BGH NJW 1955, 337; 1959, 1584; 1960, 580; zustimmend dagegen BGH NJW 1992, 737 ff.; weiterführend zum Thema der Praxisveräußerung: Uhlenbruck, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 19, Rz. 1 ff. m. w. N. 25 Jedenfalls ist der Einzelarzt auch in solchen Fällen unmittelbarer Alleinbesitzer. 26 So auch Fischer, Teamarbeit der Ärzte, S. 51 f.; ausführlich dazu Lach, Formen freiberuflicher Zusammenarbeit, S. 67 ff., 94 ff. 27 Kap. D II Nr. 8 MBO-Ä, wonach Ärzte für die Berufsausübungsgemeinschaft nur Gesellschaftsformen wählen dürfen, die die eigenverantwortliche und selbständige sowie die nicht gewerbliche Berufsausübung wahren, wurde durch die Beschlüsse des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen aufgehoben. Ziel der Entschließung war es, die Chancengleichheit von niedergelassenen Ärzten mit anderen Leistungserbringern (wieder) herzustellen. Den Anstoß dafür haben die neuen Optionen gegeben, die das GMG den Leistungserbringern im Bereich der ärztlichen Kooperationen eröffnet. Wenn etwa Krankenhäuser durch die

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der gleichsam sämtliche Formen gemeinsamer ärztlicher Tätigkeit in sich vereinigt29. Unter den Begriff der Gruppenpraxis fallen daher so unterschiedliche Konstrukte wie Gemeinschaftspraxen, Praxis- bzw. Apparategemeinschaften, ärztliche Partnerschaften und die sonstigen medizinische Kooperationsgemeinschaften, die neuerdings auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) nach § 95 SGB V umfassen. Eine erste grobe Unterteilung innerhalb dieses sehr universellen Terminus ermöglicht die Differenzierung zwischen Berufsausübungsgemeinschaften und Organisationsgemeinschaften.

a) Berufsausübungsgemeinschaften Berufsausübungsgemeinschaften sind dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Ärzte gleicher oder verschiedener Fachrichtung die ärztliche Tätigkeit gemeinsam ausüben30. Dies umfasst, dass die zusammengeschlossenen Ärzte auf gemeinsames Personal zurückgreifen sowie Räume und Geräte tatsächlich gemeinsam benutzen. Sie behandeln einen gemeinsamen Patientenstamm auf gemeinsame Rechnung und unter gemeinsamen Namen. Entsprechend gibt es auch nur eine gemeinsame Karteiführung31. Der Behandlungsvertrag kommt zwischen dem Patienten und sämtlichen Ärzten der Gemeinschaftspraxis zustande; die ärztliche Leistung ist austauschbar32. Gründung medizinischer Versorgungszentren und die Einstellung von Ärzten in diesem Zentrum ambulante Leistungen erbringen, können sie damit zu einer echten Konkurrenz für die niedergelassenen Kollegen in freier Praxis werden. Die durch die Änderung der MBO-Ä ebenfalls deutlich erweiterten Kooperationsmöglichkeiten sollen diesen Nachteil auch auf berufsrechtlicher Ebene ausgleichen. Zudem soll die Novellierung der Berufsordnung eine wirtschaftlichere Versorgung ermöglichen, indem Investitionsrisiken besser verteilt und Synergieeffekte bei der Patientenversorgung genutzt werden können. Global betrachtet verabschiedet sich der Ärztetag mit dieser Liberalisierung jedoch weit gehend vom Leitbild des in Einzelpraxis tätigen Arztes (zur Notwendigkeit eines erweiterten Niederlassungsbegriffs im Zusammenhang mit der Gründung einer Ärzte-GmbH vgl. auch D. IV. 2. a) bb) (2) (b) (aa) und (bb). 28 Entsprechend der Regelung des § 1 Abs. 1 MBO-Ä wird die Arztpraxis als solche nicht als eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb angesehen; zutreffend weist jedoch Rieger im Zusammenhang mit der deliktischen Haftung nach § 823 BGB darauf hin, dass es keinen Grund gibt, die Angehörigen der Freien Berufe im Falle eines unmittelbaren Eingriffes in deren Berufstätigkeit den Gewerbetreibenden nicht gleichzustellen: Rieger, Lexikon, (1. Auflage), Rz. 197. 29 Narr, Ärztliches Berufsrecht, Rz. 1140; Rieger, Lexikon, (1. Auflage), Rz. 732; Kosanke / v. Troschke, Die ärztliche Gruppenpraxis in der Bundesrepublik Deutschland, S. 9; Henke, NJW 1974, S. 2035. 30 Vgl. BGHZ 97, 273, 276; NN, AuW 4 / 1978, S. 13. 31 Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 18, Rz. 9. 32 Auf berufsrechtlicher Ebene stellt § 18 Abs. 1 MBO-Ä klar, dass Ärzte sich zu Berufsausübungsgemeinschaften zusammenschließen dürfen. Neu geregelt wurde durch die Beschlüsse des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen, dass diese Berufsausübungsgemein-

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b) Organisationsgemeinschaften Während bei den Berufsausübungsgesellschaften schon deren Funktion als echte Kooperationsgemeinschaft den Schluss nahe legt, dass sie in vielerlei Hinsicht berufsrechtlich erzwingbare Modifizierungen ihrer gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung erfahren, tritt dies bei den so genannten Organisationsgemeinschaften nicht eindeutig zu Tage. Zwar ist den Organisationsgemeinschaften mit den Berufsausübungsgesellschaften gemein, dass mehrere Ärzte gemeinsame Praxisräume und Einrichtungsgegenstände nutzen; auch ist schon aufgrund des ständigen beruflichen Kontaktes die Berufsausübung beeinflusst und sind berufsrechtliche Beschränkungen damit dem Grunde nach zu rechtfertigen33. Dennoch gibt es wesentliche Unterschiede. Vielfach wird sich die Andersartigkeit der Organisationsgesellschaften zwar darauf beschränken, dass im Gegensatz zu Gemeinschaftspraxen das Handeln der kooperierenden Ärzte für den jeweils eigenen Patientenstamm, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung erfolgt. Die Zusammenarbeit kann jedoch auch allein auf die gemeinschaftliche Nutzung einzelne Gegenständer ausgerichtet sein, wie etwa im Rahmen von Labor- oder Apparategemeinschaften34.

3. Integrierte Versorgung Eine Sonderform ärztlicher Kooperation stellt die so genannte integrierte Versorgung dar. Sie setzt anders als herkömmliche Berufsausübungs- und Organisationsgemeinschaften nicht auf eine räumlich und tatsächlich enge Kooperation einander bekannter Kollegen, sondern bewirkt eine strukturelle Zusammenarbeit zwischen ärztlichen Kollegen bzw. Kostenträgern über das eigentliche Praxisumfeld hinaus. schaft nicht das gesamte Leistungsspektrum umfassen muss. Es ist mittlerweile also möglich, Teil-Gemeinschaftspraxen, Teil-Partnerschaften oder sonstige Teil-Kooperationsgemeinschaften einzugehen. Dies bedeutet, dass Ärzte, die grundsätzlich an ihrer (Einzel-)Praxis festhalten wollen, sich für die Erbringung bestimmter Leistungen in eine geregelte, ankündbare Kooperation begeben können. Wie bei anderen Gemeinschaftspraxen kommt der Behandlungsvertrag in diesem Fall mit sämtlichen Beteiligten der Teilgemeinschaftspraxis zustande. Folglich kann auch innerhalb der (Teil-) Gemeinschaftspraxis die Leistungserbringung zwischen den Partnern aufgegliedert werden (so z. B. die arbeitsteilige Trennung von Untersuchungs- und Befundleistungen, insbesondere bei Bild gebender Diagnostik). Dieses gilt auch für überörtliche Gemeinschaftspraxen, bei denen eine Leistungsaufteilung z. B. unter Einsatz telemedizinischer Verfahren denkbar ist. Eine Teil-Kooperation kann auch von mehreren Berufsausübungsgemeinschaften gebildet werden. 33 Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 97. 34 Dazu Narr, Ärztliches Berufsrecht, Rz. 1144; Kosanke / Liebold, Arzt in freier Praxis, S. 20; Fischer, Teamarbeit der Ärzte, S. 4, 49, 51, 99 ff.; Kahlert, Kooperation im Gesundheitswesen, S. 44 f.; Rathgeber, AuW-Archiv, nachzulesen unter: http: // www.auw.de/archiv/ delegieren.htm, Stand: August 2001.

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Vorrangige Intention ist dabei nicht die ökonomische Praxisführung für den einzelnen Arzt, sondern die Kostendämpfung innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung. Die Erfolge solcher Modelle waren bislang eher mäßig. Seit der Verabschiedung des ersten zielgerichteten Kostendämpfungsgesetzes, dem KVKG aus dem Jahre 197735, hat die deutsche Gesundheitspolitik mit zahlreichen Interventionen versucht, den Ausgabenanstieg im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen. In jüngerer Zeit erhielt vor allem die Implementierung von so genannten ManagedCare-Elementen wachsende Bedeutung. Der Begriff Managed-Care bezieht sich auf eine Vielzahl struktureller und ablauforganisatorischer Sachverhalte36, die darauf abzielen, durch UmstrukturierunKrankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27. 06. 1977, BGBl. I S. 1069. Besonders zu nennen sind in diesem Zusammenhang die so genannten Disease-Management-Programme (DMP, diese Abkürzung wird für Singular und Plural verwendet). Dies sind systematische Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen, die auf die Erkenntnisse Evidenz basierter Medizin gestützt sind. Das Konzept des Disease Managements als zentral organisierter Steuerung von chronisch kranken Patienten stammt ursprünglich aus den USA. In Deutschland wurde es mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs (RSA) in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. 12. 2001, BGBl. I 2001 S. 3465, eingeführt. Die Programme sind den gesetzlichen Krankenkassen vorbehalten, da die Anzahl der teilnehmenden Patienten sich auf die Berechnung der Zahlungsströme im RSA auswirkt. Für eingeschriebene Mitglieder werden neben den übrigen Versicherten eigene Profile gebildet, auf deren Basis ein gesonderter Ausgleich unter Berücksichtung von durchschnittlichen Leistungsausgaben dieser Versichertengruppe stattfindet. Im Einzelnen sind dies zurzeit: Brustkrebs, Diabetes mellitus Typ II, koronare Herzkrankheit (KHK), Diabetes mellitus Typ I, chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen (COPD) und Asthma bronchiale. Bei der Umsetzung der DMP haben vor allem bürokratische Anforderungen die Implementierung effektiver neuer Versorgungsstrukturen verhindert. Die Fehlerquote der von den Ärzten zu übermittelnden Dokumentationsbögen betrug in Spitzenzeiten bis zu 80 Prozent. Vereinfachungen der Dokumentationsbögen und vor allem die Einführung von DMP-fähiger Praxissoftware haben zwar zu einer deutlichen Reduzierung der Fehler geführt. Ob die Programme in der Lage sein werden, eine Kostenersparnis zu bewirken, ist jedoch noch immer überaus zweifelhaft. Die Verbindung mit dem RSA bewirkt, dass die Krankenkassen gezwungen sind, möglichst viele Patienten in ein Programm einzuschreiben, um keine finanziellen Nachteile zu erleiden. Dies führt zu dem absurden Ergebnis, dass die Kassen nicht mehr um junge gesunde Mitglieder, sondern um DMP-fähige Chroniker konkurrieren. Ein ökonomischer Nutzen durch die Programme ist aus diesem Grund, und wegen des kaum zu übersehenden bürokratischen Aufwandes, kaum noch zu realisieren. Zudem bedeuten DMP eine erhebliche Bedrohung für die Freiberuflichkeit der Ärzteschaft. Da die strukturierte Behandlung nach strengen medizinischen Leitlinien erfolgt (vgl. dazu oben C. I. 4. a) bb) (3) (g)), wobei die Methoden der Therapie in der medizinischen Fachwelt umstritten sind, fühlen sich viele Ärzte zu Recht in ihrer Therapiefreiheit eingeschränkt. Auch die Einbeziehung der Patienten in die Programme wurde völlig vernachlässigt, obwohl deren Fähigkeit zur Compliance bis zu 80 Prozent der Therapiekosten ausmachen kann (Zahlen nachzulesen unter: http: // www.mpr-online.de/issue3/art7/node5.html; Stand: November 2005). Wie und ob sich Managed Care Elemente in Deutschland weiter entwickeln werden, ist angesichts dieser Schwierigkeiten noch nicht endgültig abzusehen. Jedenfalls soll im Jahr 2007 der bisherige Risikostrukturausgleich, der die Finanzverteilung anhand statistischer Risikofaktoren berechnet, 35 36

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gen im Versorgungssystem eine möglichst kostengünstige medizinische Versorgung auf hohem Qualitätsniveau sicherzustellen 37. Die Besonderheit dieser Initiative liegt darin, dass, anders als bisher, die Führung und Ausgestaltung der Versorgung nicht mehr vorrangig bei den Leistungserbringern, namentlich den Ärzten verbleibt, sondern auf die Kostenträger, also die Krankenkassen verlagert wird. Dabei versprechen sich die Verantwortlichen sowohl Kosteneinsparungen als auch Qualitätsverbesserungen, die durch eine horizontale und vertikale Integration der Versorgung bewirkt werden sollen. Dies bedeutet zunächst eine Zusammenführung der versicherungs- und leistungserbringerischen Funktionen: Die Ärzte werden über pauschalierte bzw. erfolgsabhängige Vergütungsformen am Morbiditätsrisiko beteiligt. Die Krankenkasse wiederum trägt die Entscheidung über die medizinische Notwendigkeit einer Behandlung, wobei sie z. B. Bezug auf Behandlungsrichtlinien nehmen kann38. Das Streben nach sektorübergreifender Integration aller möglichen Versorgungsformen rührt jedoch nicht nur aus dem Streben nach höherer Qualität und Effizienz bei gleichzeitiger Kostensenkung. Vielmehr konnte auch die Entwicklung in den europäischen Nachbarländern auf Dauer nicht ohne Einfluss auf die Kooperationsmöglichkeiten deutscher Mediziner bleiben. Gerade die strikte sektorale Trennung im deutschen Gesundheitswesen ist durch Vergleiche mit anderen europäischen Systemen zunehmend ins Zentrum der Kritik geraten39: Das Gesundheitswesen in Deutschland zeichnete sich bislang dadurch aus, dass die ambulante und die stationärer Behandlung der Patienten vollkommen separiert war40. Beim Übergang zwischen diesen beiden Bereichen ergaben und ergeben sich jedoch immer wieder Koordinationsprobleme, die zu vermeidbaren Effektivitäts- und Effizienzverlusten führen41, die insbesondere durch doppelte diagnostische oder therapeutische Maßnahmen, Überdiagnostik, Wartezeiten oder zu lange stationäre Aufenthalte verursacht werden. Die Entwicklung der neuen „integrierten Versorgungsformen“ verfolgt daher in erster Linie das Ziel, eine Versorgungsdichte zu erreichen, die über die ambulante ärztliche Versorgung hinausgeht. durch einen Morbiditätsorientierten RSA (Morbi-RSA) abgelöst werden, bei dem die tatsächlichen Erkrankungen des Versichertenbestandes eine zentrale Rolle für den Verteilungsschlüssel darstellen. Dabei soll auch die Koppelung der DMP an den RSA entfallen. Aufgrund der unklaren politischen Situation in Deutschland bleibt allerdings abzuwarten, ob sich dieses Vorhaben tatsächlich wird umsetzen lassen. 37 Seitz / König / Stilfried, Grundlagen von Managed Care, S. 224. 38 Zu den allgemeinen Wirkungen von Leit- und Richtlinien im Gesundheitswesen vgl. oben C. I. 4. a) bb) (3) (g). 39 Europäisches Observatorium für Gesundheitssysteme, Gesundheitssysteme im Wandel; nachzulesen unter: http: // www.tu-berlin.de/fak8/ifg/mig/pdf-dateien/Deutschland2000–10. pdf; Stand: März 2003. 40 Opderbecke, Krankenhaus 1995, S. 171 f.; zitiert nach Barth, Mediziner-Marketing, S. 241, Fn. 39. 41 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Sachstandsbericht 1994, Rz. 353.

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Doch auch wenn man den ambulanten Sektor isoliert betrachtet, führen Kompetenzverteilungen, etwa zwischen Allgemeinmedizinern und ihren spezialisierten Fachkollegen, zu erheblichen Effizienzeinbußen, die ökonomisch mit den Problemen beim sektoralen Übertritt in den stationären Bereich zu vergleichen sind. Auch hier drohen Informationsverluste und Doppelbehandlungen, für die das finanziell überlastete Gesundheitssystem nicht mehr aufkommen kann42. Bereits im Jahr 1997 hat der Gesetzgeber mit dem 2. GKV-NOG43 durch die Regelungen zu Modellvorhaben (§§ 63 ff. SGB V), Strukturverträgen (§ 73a SGB V) und Hausarztmodellen (§ 65a SGB V) erste Rechtsgrundlagen geschaffen, die wettbewerblich ausgerichtete, versorgungsnahe Management-Strukturen unter Einbeziehung der Kostenträger im Gesundheitswesen ermöglichen sollten44. Im Rahmen der Gesundheitsstrukturreform 2000 sollten die §§ 140a bis 140h SGB V 42 Vor diesem Hintergrund ist auch das Projekt der so genannten elektronischen Gesundheitskarte (eGK) zu sehen. Sie soll ab dem Jahr 2006 die bislang gültige Krankenversicherungskarte in Deutschland ersetzen. Nach Ansicht ihrer Befürworter wird sie die Datenübermittlung zwischen Leistungserbringern, Krankenkassen, Apotheken und Patienten in Zukunft kostengünstiger gestalten, vereinfachen und beschleunigen. Gemäß § 291 Abs. 2a SGB V sollen die Kassen die alte Chipkarte bis spätestens 01. 04. 2006 zu einer eGK aufrüsten. Dabei muss die eGK nach § 291a Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB V obligatorisch die administrativen Daten der Versicherten, wie etwa Geburtsdatum, Krankenkasse, Adresse, Zuzahlungsstufe, etc) speichern. Fakultativ sind weiter gehende Eintragungen wie etwa ein Vermerk zum Organspenderstatus oder das Hinterlegen von Messdaten für chronisch Kranke auf der Karte. Die entsprechenden Datensätze werden voraussichtlich erst nach der Ausgabe der Karten schrittweise eingeführt. Zugriff auf diese Informationen sollen nur Ärzte und Apotheker über eine gesicherte Online-Verbindung bekommen. Zu den erheblichen datenschutzrechtlichen Problemen, die sich insbesondere durch die weiter gehenden, freiwillig wählbaren Funktionen der Karte ergeben, vgl. Weichert, DuD 2004, S. 391 ff. 43 Zweites Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 23. 06. 1997, BGBl. I S. 1520. 44 Tatsächlich ist die Idee selektiver Vertragsabschlüsse noch wesentlich älter. Bereits im späten 19. Jahrhundert schlossen einzelne Krankenkassen Verträge mit Ärzten ab) Erst später gab es Verträge zwischen einzelnen Krankenkassen und Ärzteverbänden, bis schließlich auch bestimmte Krankenkassen gemeinsam verhandelten. Das GRG (1988) war ein Versuch, die Seite der Kostenträger durch Standardisierung und Zentralisierung der Verhandlungsabläufe zu stärken und gleichzeitig den Leistungskatalog zu vereinheitlichen. Durch Einführung eines Risikostrukturausgleichs führte das GSG (1992) zu einer Annäherung der Beitragssätze. Dieses Gesetz ermöglichte außerdem eine freie Kassenwahl für die Mitglieder und damit einen Wettbewerb unter den Kassen. Da diese jedoch ein annähernd identisches Leistungsspektrum anbieten müssen, ist ein echter marktwirtschaftlicher Wettbewerb nicht möglich, zumal bedingt durch den Regelfall von Kollektivverträgen die Leistungserbringer die gleichen sind. In dieser Situation ist es nicht erstaunlich, dass die Kassen – insbesondere die gemessen am Mitgliederzuwachs erfolgreicheren unter ihnen – mehr Spielraum für selektive Verträge fordern. Wenn auch die Möglichkeiten individueller Verträge bislang nur schrittweise erweitert werden, beispielsweise in der GKV-Gesundheitsreform 2000 durch Aufhebung der Vorschrift, für selektive Vertragsabschlüsse in jedem Fall die Zustimmung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung zu benötigen, so erscheint es doch durchaus möglich, dass es mittelfristig in Deutschland zu einer Rückkehr vom Kollektiv- zum Einzelvertragssystem kommen könnte.

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darüber hinaus weitergehende Möglichkeiten für eine integrierte Versorgung eröffnen und zugleich dem mit dem GSG 1993 auf der Basis des Risikostrukturausgleichs (RSA) intensivierten Wettbewerb der Krankenkassen Rechnung tragen45. Auch das GMG wartet mit einer Vielzahl von Neuregelungen auf: Die §§ 140 a bis d SGB V erweitern das Spektrum möglicher Vertragspartner und bewirken zumindest faktisch eine Schwächung der Stellung der Kassenärztlichen Vereinigungen; die Option der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V öffnet den ambulante Bereich für integrierte Versorgungsstrukturen. Die Teilöffnung der Krankenhäuser für den ambulanten Bereich, die Ausweitung der bereits angesprochenen strukturierten Behandlungsprogramme und die Förderung der MVZ nach § 95 SGB V vervollständigen den Katalog der Neuerungen. Trotz all dieser Reformansätze ist es bislang jedoch nicht gelungen, die Rechtsgrundlagen für die mannigfaltigen Möglichkeiten vernetzter Versorgungsstrukturen klar zu definieren und auftretende Rechtsprobleme – auch für die Ärzteschaft – auszuschließen oder zu lösen. Eine inhaltliche und formale Abgrenzung der möglichen Vertragsinstitute fehlt. Im Folgenden sollen daher exemplarisch die beiden relevantesten Grund-Modelle46 und die grundlegenden Probleme der integrierten Versorgung im Hinblick auf die ärztliche Freiberuflichkeit untersucht werden.

a) Selektive Exklusivverträge Die ständigen Veränderungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, die vorrangig auch auf das Recht der Leistungserbringer zielen, verfolgen vor allem den Zweck, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen in kontrollierbare Bahnen zu lenken47. Umstritten ist dabei insbesondere, ob der Weg der kollektivvertraglichen Gestaltungsformen zwischen KVen und Kassen zu einem stabilen und finanzierbaren System der gesetzlichen Krankenversicherung führen kann. 45 Dazu Hanika, Integrierte Versorgungsformen im deutschen und grenzüberschreitende Kooperationen im europäischen Recht, nachzulesen unter: http: //www.pfaelzer-aerzte.de/ a_aktuell/projekte/integr-versorg.htm; Stand: Mai 2002. 46 Das strategische Konzept der integrierten Versorgung sieht neben Einkaufsmodellen und Praxisnetzen noch eine Fülle anderer Integrationsformen mit unterschiedlich stark ausgeprägten Ausgaben- und Qualitätskontrollen durch die Kostenträger vor. Im Rahmen dieser Arbeit können diese nicht umfassend behandelt werden können. Überblick über die unterschiedlichen Organisationsformen unter besonderer Berücksichtigung der HMOs bei Klingenberger, Health Maintenance Organizations in der Schweiz, S. 4 ff. 47 Angesichts der mittlerweile erreichten Durchschnitts-Beitragssätze von mehr als 14 Prozent des monatlichen Bruttoeinkommens, die vom Arbeitgeber paritätisch mit finanziert werden, verlagert sich der Fokus zunehmend auf die Senkung der Lohnnebenkosten, um die ohnehin schleppende Wirtschaftsentwicklung in Deutschland nicht zusätzlich zu bremsen.

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Nach geltendem Recht haben die Kassenärztlichen Vereinigungen den Auftrag, die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen (§§ 72 Abs. 1, 75 Abs. 1 SGB V)48. Sie bedienen sich dabei der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte. Dabei hat jeder Arzt, sofern keine Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung (§§ 101 ff. SGB V) angeordnet sind, Anspruch auf umfassende Zulassung mit dem Recht, alle Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln (§ 95 Abs. 3 SGB V)49. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Verbände der Krankenkassen haben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses die Aufgabe, die Einzelheiten der vertragsärztlichen Versorgung durch normativ wirkende Verträge mit Kontrahierungszwang zu regeln (§ 72 Abs. 2 SGB V). Dieses Kollektivvertragssystem ist aus verschiedenen Gründen in die Kritik geraten. Insbesondere im Zuge der Diskussionen während der Entstehung des GMG sprachen sich SPD und Bündnis 90 / Die Grünen dafür aus, den Sicherstellungsauftrag – bis auf die augenärztliche, frauenärztliche und hausärztliche Versorgung – von den Kassenärztlichen Vereinigungen auf die Krankenkassen zu übertragen (§ 73 Abs. 1a i.V.m. § 106 b des Entwurfs50). Die Versorgung sollte danach nicht mehr durch Kollektivverträge zwischen Krankenkassen und KVen mit Bindungswirkung für die Ärzte, sondern durch Einzelverträge zwischen Krankenkassen und einzelnen Ärzten gewährleistet werden. Neu ins System kommenden Ärzte sollten vollständig an diese Regelung gebunden sein, bereits zugelassene Mediziner im Wege von Übergangsregelungen die Option erhalten, weiterhin Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen zu bleiben oder durch Abschluss von Einzelverträgen mit den Krankenkassen oder deren Verbänden die kollektivvertragliche Versorgung zu verlassen51. Innerhalb der Konsensverhandlungen zwischen Regierung und Opposition ist diese weit reichende Verlagerung von Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen auf die Krankenkassen wieder aufgegeben worden. Wesentlicher Unterschied der neuen Regelungen zum Einzelvertragssystem ist, dass grundsätzlich nur zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene ärztliche Leistungserbringer Verträge abschließen können. Grundlage und Ausgangspunkt bleiben die Zulassung und die Verbindlichkeit der kollektivvertraglichen Regelungen (§ 95 Abs. 3 S. 2 SGB V). Innerhalb eines gewissen Rahmens ist der Abschluss von Einzelverträgen jedoch möglich. Unter der Prämisse, dass Rechtsbeziehungen zwischen Kassen und Leistungserbringern weiter bestehen sollen, bieten sich verschiedene Modelle an, die sich grob in zwei Ansätze unterteilen lassen: Der eine fordert ein stärkeres EngageVgl. bereits oben C. II. 1. c) aa) (2) (a). Zum Sonderstatus der neu eingeführten MVZ vgl. unten IV. 2. a) bb) (2) (c). 50 Vgl. BT-Drucksache 15 / 1170, S. 11, 21 f., 91 ff.; der Gesetzentwurf ist als Ergebnis des späteren Konsenses von SPD, CDU / CSU und Bündnis 90 / Die Grünen für erledigt erklärt worden, BT-Drucksache 15 / 1600, S. 10 f. 51 Vgl. Hiddemann / Muckel, NJW 2004, S. 7, 8. 48 49

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ment des Staates, der andere eine größere Freiheit bei der Gestaltung der Vertragsabschlüsse mit den einzelnen Leistungserbringern. Die im SGB V getroffenen Regelungen zur integrierten Versorgung (vgl. §§ 140a ff. SGB V) erlauben den Leistungsträgern unter anderem, Verträge mit einzelnen „bevorzugten“ Leistungserbringern des Vertragsarztsystems (Preferred Provider Organizations, PPO) abzuschließen. Um eine möglichst kostengünstige Behandlung der Versicherten zu erreichen, erlauben es diese Organisationsformen, abweichend von den (noch) üblichen Kollektivverträgen, mit ausgewählten Ärzten Einzelkontrakte über individuelle Leistungsvereinbarungen zu Sonderkonditionen abzuschließen. Unabhängig von der Problematik, dass die teilnehmenden Versicherten bei einem solchen Modell zugunsten einer möglichen Beitragsreduktion in weiten Teilen auf das Recht der freien Arztwahl verzichten52, drohen durch die Selektivverträge zwischen Kassen und einzelnen Vertragsärzten auch den beteiligten Leistungserbringern erhebliche Einschränkungen, die sich bis hin zu einer faktischen Therapieabhängigkeit von den als Vertragspartner fungierenden Kostenträgern auswachsen könnten. Auch wenn zu erwarten steht, dass die Kassen, um die Kontrahierungsbereitschaft der Ärzte zu fördern, diesen zunächst sehr attraktive Konditionen anbieten werden53, steht ein Preisverfall spätestens in dem Moment zu befürchten, in dem die neuen Versorgungsformen etabliert sind. Während die gesetzlichen Kassen nach wie vor die die Gesundheitsleistungen nachfragenden Patienten als Mitglieder behalten, führen Einzelverträge auf der Anbieterseite zu einer veränderten Marktstruktur für die Ärzte. Durch die Ausklammerung der KVen als Verhandlungspartner der Kassen erhielten letztere im Vergleich zu den Vertragsärzten eine wesentlich höhere Verhandlungsmacht, was sich konsequenterweise in sinkenden Honoraren für die erbrachten Leistungen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung niederschlagen dürfte. Eine derartig weit reichende Abhängigkeit von dem direkten Vertragspartner Kasse fördert damit bei weitem nicht nur einen begrüßenswerten Wettbewerb und die effiziente Nutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass die beteiligten Ärzte noch stärker als unter den Kollektivverträgen dem Primat der Wirtschaftlichkeit unterfallen, dem sie die freie Entscheidung für oder gegen eine als sinnvoll erachtete Therapie aus ökonomischen Gesichtspunkten unterordnen müssen. b) Praxisnetze Wachsende Bedeutung haben in den vergangenen Jahren – auch im ambulanten Sektor – so genannte Praxisnetze erlangt. Viele Ärzte sehen im Beitritt zu einem 52 Eine vergleichbare Problematik stellt sich auch im Rahmen der Regelung des § 73b SGB V. 53 Baur / Moscho / Palenberg / Rowold, in Health 1 / 2004, S. 72.

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Netz die Möglichkeit, sich unabhängig von den KVen gegenüber den Kassen zu positionieren und zugleich Synergien durch den Verbund im Netz ohne kollegiale Abhängigkeiten für sich zu nutzen. Unter den Begriff des Praxisnetzes lassen sich sowohl lokale als auch regionale Verbundformen mehrerer Arztpraxen zur konzeptionellen und organisierten Zusammenarbeit subsumieren, wobei die einzelne Praxis als eigenständige Organisation bestehen bleibt54. Bereits die Definition macht die entscheidenden strukturellen Unterschiede zwischen Netzwerken und traditionellen ärztlichen Kooperationsformen deutlich. Der Netzarzt behält – anders als der in einer Gemeinschaftspraxis organisierte Kollege – seine Selbständigkeit. Andererseits geht die Kooperation weit über die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten und Einrichtungsgegenständen hinaus: In Netzen organisierte Mediziner unterwerfen sich verbindlichen Richtlinien, die die Grundzüge der Patientenversorgung ebenso reglementieren wie die Praxisorganisation und sogar die Honorierung. Praxisnetze können auf öffentlich-rechtlicher Grundlage entsprechend § 140 b SGB V (mit oder ohne Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen) geschlossen, im Rahmen eines Modellvorhabens nach §§ 63 bis 65 SGB V organisiert oder als ausschließlich privatrechtliche Zusammenschlüsse ausgestaltet werden. Ihre Zunahme55 ist Ausdruck des Bedürfnisses nach verstärkter Kommunikation zwischen den Leistungsträgern im Gesundheitswesen56. Ebenso wie man sich von der Verzahnung des ambulanten mit dem stationären Bereich eine verbesserte Versorgung der Patienten bei gleichzeitiger Senkung der Kosten erhofft, versprechen sich die Verantwortlichen durch die intensivere Zusammenarbeit der einzelnen Leistungserbringer im ambulanten Sektor eine Qualitätsverbesserung der Versorgung und eine Reduzierung des Ressourcenverbrauches. Derzeit existieren in Deutschland sehr unterschiedliche Formen von Praxisnetzen, die entsprechend auf verschiedenen vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen beruhen. Hervorzuheben ist jedoch, dass für Praxisnetze, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung die Verantwortung für ein gemeinsames Versor54 KV Niedersachsen, Neue Vertrags- und Versorgungsformen im Überblick, S. 19; vgl. dazu auch Dreykluft, Praxisnetze – eine Frischzellenkur für das Gesundheitswesen?, Vortrag anlässlich des VI. Symposiums der KBV am 18. / 19. 03. 1999 in Königswinter; nachzulesen unter http: //www.bilder.de/bilger/komment.htm; Stand: Oktober 2005. 55 Während 1997 noch 40 Praxisnetzinitiativen ohne Strukturverträge verzeichnet waren, war die Zahl Ende 1998 bereits auf 200 gestiegen. 15 weitere dieser Kooperationsformen waren 1998 außerdem mit Strukturverträgen im Register der KBV eingetragen. Mittlerweile lassen sich die bestehenden Netze kaum doch zahlenmäßig erfassen. Überblick über verschiedene Organisationsformen nachzulesen unter: http: // www.praxisnetz.de; Stand: November 2005. 56 Vgl. nur die Gemeinsame Erklärung des Bundesgesundheitsministeriums und der Spitzenorganisationen zum Einsatz von Telematik im Gesundheitswesen vom 03. 05. 2002; nachzulesen unter http: // www.bmgesundheit.de / presse/ 2002/ 2002/ 46a.doc; Stand: März 2002.

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gungsziel übernehmen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen des § 73a SGB V gelten57. So haben etwa die BKK Berlin und die Berliner Krankenversicherung 1996 das Modellprojekt „vernetzte Praxen“ vereinbart58, bei dem unter anderem eine zentrale Leitstelle den beteiligten Ärzten Informationen über stationäre Leistungsangebote oder ambulante Alternativen gibt. Der Vertrag sah außerdem die Übernahme der Budgetverantwortung durch die beteiligten Ärzte vor. Solche Gestaltungen, die zum Teil als „herausragende Chance für kostenorientiertes Medizinmanagement“ bewertet werden59, bergen jedoch erhebliche Nachteile. Da die Verträge vorsehen können, dass die Vergütung der Netzärzte alle am Patienten erbrachten Leistungen abdecken muss, und zwar auch dann, wenn Ärzte außerhalb des Netzes an der Therapie beteiligt waren60, besteht die Gefahr, dass die Übernahme der Budgetverantwortung zu einer Risikoselektion der Patienten führt61. Die Integrierte Versorgung impliziert nach §§ 140a bis h SGB V die volle Übernahme der ökonomischen Verantwortung durch den Arzt. Insbesondere bei der immer wieder diskutierten Vergütungsform der Kopfpauschale62 für die umfassende Versorgung eines Versicherten innerhalb eines Zeitraumes kommt die Übernahme der Budgetverantwortung der Gründung eines Unternehmens mit weit reichenden wirtschaftlichen Risiken gleich. Entweder wird das Morbiditätsrisiko vom Ärztenetz gemeinsam getragen, das dann individuelle Verträge mit den einzelnen Medizinern trifft, oder die Ärzte sind direkt am Risiko beteiligt. Obwohl unternehmerische Risiken gerade niedergelassenen Ärzte per se nicht fremd, sondern Bestandteil ihres Alltages sind, rückt der teilnehmende Arzt durch die direkte Budgetverantwortung doch in die Nähe eines Leistungsanbieters mit Erfolgshonorar. Dieser Umstand wirft erneut die Frage auf, worin bei einer solchen Konstellation noch die Besonderheit der ärztlichen Dienstleistung liegen soll, die ja zur Rechtfertigung der weit reichenden Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit immer wieder herangezogen wird.63 Die Antwort fällt – angesichts der weit reichenden Wirkung auch für außen stehende Mediziner – nicht leicht. Denn auch nicht an der Netzversorgung teilneh57 Vgl. AuW-Synopse, nachzulesen unter: http: // www.auw.de/aw/pdf/aw-22–23–13–00. pdf; Stand: November 2005. 58 250 haus- und fachärztliche Praxen sowie 1700 Versicherte haben sich damals zur Teilnahme bereit erklärt; Zahlen nach Krauskopf, in Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 31, Rz. 7. 59 Vgl. etwa Krauskopf, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 31, Rz. 7. 60 Pitzken / Prachala, ZM 09 / 2000, S. 1. 61 KV Niedersachsen, Neue Vertrags- und Versorgungsformen im Überblick, S. 19; aufschlussreich der Vergleich von Klingenberger mit entsprechenden Strukturen in der Schweiz, Klingenberger, Health Maintenance Organizations in der Schweiz, S. 10. 62 Zu den unterschiedlichen Vergütungsformen vgl. oben, C. I. 4. a) bb) (3) (e) (bb) (χ). 63 Vgl. bereits oben C. I. 4. a) bb) (3) (b) (cc).

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mende Ärzte müssen befürchten, dass die verbleibenden Budgets, von denen die Budgets der an der integrierten Versorgung teilnehmenden Ärzte abgezogen werden, zu einem noch engeren wirtschaftlichen Rahmen und damit zu einer weiteren Beschneidung ihrer therapeutischen Spielräume führen. Die Integrationsversorgung läuft daher Gefahr, auf Kosten der Therapiefreiheit der Ärzte und damit der Regelversorgung der Patienten zum Spielball unterschiedlicher Wettbewerbsinteressen zu werden – obschon der Ansatz höherer Wirtschaftlichkeit und verbesserter Transparenz grundsätzlich positiv zu bewerten ist. Entsprechendes gilt für die durch das GMG geschaffene Möglichkeit der Teilöffnung von Krankenhäusern für die ambulante Versorgung, die gemäß § 120 SGB V aus dem ambulanten Gesamtbudget vergütet werden sollen64. Überdies schlägt sich auch bei den ärzteseitig organisierten Praxisnetzen die Problematik der unterschiedlichen Verhandlungsmacht zwischen Kassen und Vertragsärzten nieder. Zwar ist durch den Netzwerk-Verbund die Position der Ärzte vergleichsweise stärker als die des im Einkaufsmodell arbeitenden Einzelarztes. Dennoch besteht die Gefahr, dass Kassen einzelne Ärzte aus dem Netz „herauskaufen“, und somit das Netz destabilisieren und schwächen65. Die Folgen entsprechen den negativen Aspekten der PPOs66. Obwohl im Moment noch ein koordiniertes Nebeneinander von Kollektiv- und Direktverträgen mit einzelnen oder in Netzwerken organisierten Ärzten zu beobachten ist, steht doch zu erwarten, dass sich die neuen Vertragsstrukturen über kurz oder lang durchsetzen werden. Im Hinblick auf die Freiberuflichkeit des Arztes bedeutet das, dass sich die Wahrnehmung der (ökonomischen) Belange der Vertragsärzte dem Aufgabenbereich der Kassenärztlichen Vereinigungen zunehmend, wenn nicht gänzlich entziehen wird. Die Bündelung mehrerer Praxen innerhalb von Netzen oder anderen Organisationseinheiten dürfte sich daher im Bereich der integrierten Versorgung ebenso fortsetzen, wie dies im Bereich der traditionellen Kooperationsformen bereits heute der Fall ist.

64 Ausnahmen sind lediglich die ausgewählten Spezialleistungen nach § 116 Abs. 2 und 5 SGB V. 65 Die meisten Netze entbehren ohnehin einer stabilen Organisationsform und sind aufgrund der uneinheitlichen Motive und Interessen ihrer Mitglieder kaum zu steuern. Selbst in Fällen, in denen ein eigener Netzkodex aufgestellt wurde, kann dieser nicht dieselbe Bindungswirkung entfalten, wie eine Regelung durch oder aufgrund eines Gesetzes. Eine mit den KVen vergleichbare Macht-Position können auch gut strukturierte Netzwerke daher kaum erreichen. 66 Siehe oben D. II. 3. b).

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III. Rechtsformen nach Maßgabe des Zivil- und Gesellschaftsrechts Im Gesellschaftsrecht gibt es keine Regelung, die bestimmten natürlichen Personen die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft untersagt, und auch den Angehörigen der Freien Berufe stehen für eine Kooperation grundsätzlich alle vom Gesetzgeber im Zivil- und Gesellschaftsrecht geschaffenen Typen zur Verfügung. Allerdings haben sie neben den allgemeingültigen Beschränkungen noch diejenigen des Berufsrechts zu beachten. Bevor auf letztere ausführlich eingegangen wird, soll zunächst untersucht werden, in welchen Gestaltungsformen und mit welchem Gesellschaftszweck Zusammenschlüsse von Ärzten grundsätzlich möglich sind.

1. Die Praxisgemeinschaft Die Praxisgemeinschaft wird allgemein als eine Erscheinungsform der ärztlichen Gruppenpraxis67 in der Ausprägung als Organisationsgemeinschaft 68 angesehen. Die genaue Beurteilung ihrer Rechtsnatur ist davon abhängig, wie das tatsächliche Verhältnis der Beteiligten zueinander im Einzelfall ausgestaltet ist69.

a) Nicht dem Gesellschaftsrecht zuzuordnende Zusammenschlüsse Zusammenschlussformen, die sich auf die bloße Mitbenutzung der Praxisräumlichkeiten und -einrichtungen beschränken, müssen nicht notwendig dem Gesellschaftsrecht unterfallen. Doch selbst wenn sich weitere Rechtsbeziehungen zwischen den kooperierenden Ärzten ergeben, führt dies nicht stets zu gesellschaftsrechtliche Bindungen. aa) Nutzungsüberlassung Zunächst besteht die Möglichkeit, dass sich ein Partner verpflichtet, die erforderlichen Gegenstände alleine anzuschaffen, die entsprechenden Räumlichkeiten bereitzustellen bzw. als Dienstherr des Personals aufzutreten. Die so geschaffenen Rahmenbedingungen für die gemeinsame Berufsausübung werden dem anderen Partner zur Verfügung gestellt. Bei dieser Art der gemeinschaftlichen Berufsausübung steht der Aspekt der Nutzungsüberlassung im Vordergrund. 67 68 69

Rieger, Lexikon (1. Auflage), Rz. 1390. Vgl. dazu oben D. II. 2. b). Lach, Formen freiberuflicher Zusammenarbeit, S. 44, 84.

III. Rechtsformen des Zivil- und Gesellschaftsrechts

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Soweit für diese Überlassung ein vorher bestimmter fester Betrag geleistet wird, handelt es sich allerdings nicht um ein Gesellschaftsverhältnis, sondern um einen bloßen Austauschvertrag70. Ähnliches gilt, wenn die Gegenleistung für die Gebrauchüberlassung nicht in einer fixen Summe besteht, sondern die Abführung eines gewissen Prozentsatzes der Einkünfte des Mitbenutzers vereinbart wird. Auch in dieser Ausgestaltung liegt noch kein Gesellschaftszweck im Sinne des § 705 BGB71. Es besteht allenfalls eine gesellschaftsähnliche Interessengemeinschaft. bb) Bruchteilsgemeinschaft Ärzte, die zusammen eine Praxisgemeinschaft betreiben, können dieses rechtliche Verhältnis im Sinne einer schlichten Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB ausgestalten. Eine solche könnte man etwa annehmen, wenn alle Beteiligten Miteigentümer der Praxisräume oder der zugehörigen Betriebsmittel wären (§§ 1008 ff. BGB). Für den Fall der Praxisgemeinschaft ist eine solche Konstruktion freilich nur in wenigen Fällen sinnvoll, da – wie bereits ausgeführt – von den Beteiligten in aller Regel lediglich die Mitbenutzung der notwendigen Mittel beabsichtigt ist, so dass in den meisten Fällen wohl eher eine Anmietung der entsprechenden Räumlichkeiten72 und die jeweils eigenständige Anschaffung individuell erforderlicher Geräte erfolgen wird73. b) Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eine andere rechtliche Wertung ergibt sich, wenn die Befugnisse im Hinblick auf die Betriebsmittel nicht bei einem Partner verbleiben, sondern Geräte und Einrichtungsgegenstände gemeinschaftlich angeschafft und unterhalten, Personal einvernehmlich angestellt und die Räumlichkeiten zusammen akquiriert werden. In diesem Fall haben beide Partner im Hinblick auf die einzelnen Betriebsmittel dieselbe Rechtsposition. Welche Rechtsform sich aus der Vergemeinschaftung der allgemeinen Unkosten ergibt, lässt sich jedoch nicht immer eindeutig bestimmen. 70 So auch Müller, Einbeziehung der Freien Berufe in das Handelsrecht, S. 122; Lach, Formen freiberuflicher Zusammenarbeit, S. 44; zu den möglichen Formen der Nutzungsüberlassung: Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 108 f. 71 So schon RGZ 145, 275, 283; Thomas, in: Palandt, BGB, § 705, Rz. 10; Müller, Einbeziehung der Freien Berufe in das Handelrecht, S. 122. 72 Vereinzelten Entscheidungen, wonach auch Mieter eine Bruchteilsgemeinschaft bilden können (vgl. etwa BGHZ 62, 243, 245; LG Hamburg, 11 S 90 / 63, ZMR 1964, 307), ist entgegenzuhalten, dass weder das Mietverhältnis selbst noch der Besitz der Mietsache mehreren zu gleichen Teilen zustehen kann; vgl. Karsten Schmidt in MüKo § 741, Rz. 16; Larenz, Schuldrecht, S. 375; a.A. jedoch Huber, in: Staudinger, BGB, § 741, Rz. 70. 73 So auch Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 203.

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Teilweise fehlen Angaben zur Rechtsform solcher Gemeinschaften ganz74, teilweise wird vertreten, die Vergemeinschaftung der Unkosten könne zumindest als gesellschaftsähnliches Verhältnis betrachtet werden75. Diskutiert wird auch, ob in ärztlichen Zusammenschlüssen, die durch gemeinschaftliches Personal und andere Betriebsmittel eine gemeinsame Berufsausübung verfolgen, nicht doch nur eine Bruchteilsgemeinschaft 76 im Sinne der §§ 741 ff. BGB zu sehen sei. Diese Ansätze übersehen jedoch, dass die Vergemeinschaftung der Betriebsmittel durchaus einen gemeinsamen Zweck im Sinne des § 705 BGB darstellt. Das gemeinsam verfolgte Ziel ist bereits darin zu sehen, deren ständige Verfügbarkeit für alle Partner auf Dauer zu gewährleisten. Die Beteiligten sind vertraglich zur Förderung dieses gemeinsamen Zieles verpflichtet. Ob die Beteiligten sich dieser Konsequenz in vollem Umfang bewusst sind, ist unerheblich. Dies liegt an der grundsätzlichen Formfreiheit des Gesellschaftsvertrages77, der mündlich oder sogar konkludent geschlossen werden kann. Solange kein Willens- oder versteckter Einigungsmangel78 vorliegt, bleibt es daher ohne Auswirkung, wenn sich die Beteiligten über das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrages nicht im Klaren sind. Rechtlich stellt die Praxisgemeinschaft daher im Normalfall eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts dar. Ob es sich dabei um eine Innen- oder Außengesellschaft handelt, hängt davon ab, ob sie als solche mit Dritten in rechtsgeschäftlichen Kontakt tritt. Da die Mitglieder meist jedoch gemeinsam als Arbeitgeber, Mieter oder Käufer auftreten, ist regelmäßig eine Außengesellschaft anzunehmen79.

c) Handelsgesellschaften Als Trägergesellschaft einer Praxisgemeinschaft kommt mit dem oben Gesagten neben der GbR auch die Organisation in der Form von Handelsgesellschaften in Betracht. Da, wie bereits dargestellt, im Rahmen einer Praxisgemeinschaft die beteiligten Ärzte jeweils eigenverantwortlich und selbständig handeln, die Praxisgemeinschaft also nur die äußere Organisation der Praxen betrifft, läuft eine Ausgestaltung als Handelsgesellschaft dem Charakter heilkundlicher Dienstleistungen an sich nicht zuwider80. Weder können dadurch zum Nachteil des Patienten die 74 Narr, Ärztliches Berufsrecht, Rz. 1144; weitere Nachweise bei Michalski, Das Wettbewerbs- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 111, Fn. 49. 75 Buchwald / Tiefenbacher / Dernbach, Die zweckmäßigen Gesellschaftsform nach Handels- und Steuerrecht, S. 205; Lach, Formen freiberuflicher Zusammenarbeit, S. 45, Fn. 1. 76 Ausführlich dazu Michalski, Das Wettbewerbs- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 111 ff.; siehe auch oben D. III. 1. a) bb). 77 So schon BGHZ 8, 249; 11, 190. 78 Dazu Thomas, in: Palandt, BGB, § 705, Rz. 10. 79 A.A. Gehre, StBerG § 32, Rz. 15, Rieger, Lexikon (1. Auflage), Rz. 1391. 80 Aus diesem Grund existieren bereits seit langem – vor allem im Bereich der Laborgemeinschaften – Praxisgemeinschaften in der Form des eingetragenen Vereins; vgl. dazu

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Bindungen der staatlichen Gebührenordnungen noch die unbegrenzte haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Arztes oder sonstige berufliche Verpflichtungen umgangen werden81. Fraglich ist jedoch, ob sich das berufliche Selbstverständnis der Ärzteschaft mit dem Gesellschaftszweck einer OHG oder KG in Einklang bringen lässt, der gemäß § 105 Abs. 1 HGB bei Personengesellschaften stets im Betrieb eines Handelsgewerbes bestehen muss. Diese Frage wäre problematisch, wenn der Zweck der Gesellschaft in der Ausübung der Heilkunde bestünde. Die Praxisgemeinschaft, die zur Erfüllung organisatorischer Zwecke in der Rechtsform der OHG oder KG ausgestaltet ist, ermöglicht jedoch nur die Berufsausübung der beteiligten Ärzte. Das Problem des gewerblichen Charakters der ärztlichen Tätigkeit ist daher nicht mehr und nicht weniger tangiert, als beim allein praktizierenden niedergelassenen Arzt. Eine als handelsrechtliche Personengesellschaft geführte Praxisgemeinschaft, die z. B. als Vermieterin von Räumlichkeiten, Einrichtungsgegenständen oder medizinisch-technischen Apparaturen auftritt, ist also durchaus denkbar, wenn die Gesellschaft als solche nur als Trägerin von Vermögensrechten in Erscheinung tritt, nicht aber selbst Anbieterin der Heilkunde wird. d) Organisationsformen des Ärztehauses Besonders relevant wird die Frage handelrechtlicher Gesellschaftsformen beim Betrieb so genannter Ärztehäuser. Charakteristikum dergestalt organisierter Praxisgemeinschaften ist, dass die beteiligten Mediziner ihre gemeinsamen Angelegenheiten regelmäßig nicht selbst versehen, sondern durch eine eigens gegründete Gesellschaft erledigen lassen82. Die Ärzte bringen ihr Betriebsvermögen, etwa die Immobilie, in der die Praxis eingerichtet werden soll, in diese Trägergesellschaft ein und machen Gebrauch von der durch die Gesellschaft gewährten Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Nutzung, indem sie die Betriebsmittel an sich selbst als Beteiligte einer Benutzergesellschaft (der eigentlichen Praxisgemeinschaft) vermieten oder verpachten83. Bei dieser Konstruktion, in der die Trägergesellschaft lediglich die Infrastruktur für die gemeinsame Berufsausübung im Innenverhältnis schafft84, bleibt der Arzt Uhlenbruck, in: Laufs / Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 18, Rz. 9; ausführlich zu den Rechtsformen des rechtsfähigen Vereins und der Genossenschaft vgl. Michalski, Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 121 ff. 81 Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 214. 82 Fischer, Teamarbeit der Ärzte, S. 97; Henke, NJW 1974, S. 2035, 2036. 83 Vgl. Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 117. 84 Vgl. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung der Bundesrepublik Deutschland, Entscheidungshilfen der KBV, S. 29.

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weiterhin und ohne Einschränkung Vertragspartner im Gesundheitssystem. Die Gesellschaft tritt nach außen nicht rechtlich in Erscheinung85. Aus diesem Grund scheidet freilich eine Haftungsbeschränkung der Ärzte durch die Trägergesellschaft aus, da ohnehin eine uneingeschränkte persönliche Haftung aus den Vertragsbeziehungen besteht. Unberührt davon bleibt die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung im Bereich der Anschaffungsgeschäfte für Inventar, der Mietgeschäfte und der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber angestellten Mitarbeitern86.

2. Die Gemeinschaftspraxis Gemeinschaftspraxen stellen häufig hochkomplexe, in der inneren Struktur ausdifferenzierte Gebilde dar, die nicht selten Elemente einer Praxisgemeinschaft aufweisen und in der Ärzte sowohl privat- wie vertragsärztlich tätig sind87. Charakteristisch ist die gemeinsame Ausübung ärztlicher Tätigkeit durch mehrere Ärzte des gleichen oder eines ähnlichen Fachgebietes in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxiseinrichtung, Karteiführung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung88. Die Gemeinschaftspraxis hat einen gemeinsamen Patientenstamm; sie ist rechtlich gesehen eine Praxis89, die Partner werden entsprechend als ein Arzt angesehen90. Ärzte, die sich kooperativ zusammenschließen wollen, sind bei der Auswahl der zur Verfügung stehenden Rechtsformen jedoch nicht so autonom wie Gewerbetreibende. Dies wird vor allem deutlich, wenn es um Praxen in der Form von Handelsgesellschaften geht – abhängig davon, ob die Gemeinschaft als Kapital- oder Personengesellschaft ausgestaltet werden soll. a) Organisation als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Wurde bei der Praxisgemeinschaft allein die Schaffung einer Organisationsgesamtheit als ausreichend für die Anforderungen an einen gemeinsamen Zweck im Sinne des § 705 BGB angesehen, so muss es erst recht genügen, wenn darüber hinaus auch die Berufsausübung auf kooperativer Basis erfolgt. Im Folgenden sollen die unterschiedlichen Ausformungen einer derartig ausgestalteten ärztlichen Zusammenarbeit untersucht werden. Michalski, a. a. O. , S. 97. Dazu Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 217. 87 Quaas / Zuck, Medizinrecht, § 14, Rz. 9. 88 Ehmann, MedR 1994, S. 141, 145; BSGE 23, 170; 55, 97, 104; BGHZ 97, 273, 277. 89 Hierdurch unterscheidet sie sich von der Praxisgemeinschaft, bei der jeder Arzt seine eigene Praxis mit eigenem Patientenstamm führt. 90 Vgl. Quaas / Zuck, Medizinrecht, § 14, Rz. 4. 85 86

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aa) Fachgleiche Gemeinschaftspraxis Die Regelform der Gemeinschaftspraxis ist die fachgleiche Gemeinschaftspraxis zwischen Ärzten desselben Fachgebiets, bei der die einzelne ärztliche Leistung an ein und demselben Patienten während der Behandlung jederzeit sowohl von dem einen als auch von dem anderen ärztlichen Partner erbracht werden kann. Das Erfordernis, innerhalb einer Gemeinschaftspraxis müsse die ärztliche Leistung des einen durch die gleichartige Leistung des anderen Partners ersetzbar sein, geht darauf zurück, dass jeder Beteiligte einer Gemeinschaftspraxis Vertragspartner des Patienten wird und aus diesem Grund die Pflicht hat, die vom Patienten gewünschte Leistung persönlich zu erbringen91. Für die fachgleiche Gemeinschaftspraxis ergeben sich diesbezüglich keine Probleme.

bb) Fachübergreifende Gemeinschaftspraxis Seit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. 04. 198392 besteht über die traditionelle Form der fachgleichen Gemeinschaftspraxis hinaus die grundsätzliche Möglichkeit, auch fachverbindende oder fachübergreifende Gemeinschaftspraxen zu betreiben, wenn auch mit gewissen Einschränkungen. Während Gemeinschaftspraxen zwischen Medizinern verwandter Fachgebiete für zulässig erachtet werden, ist die Frage, ob sich eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis zwischen allen vorhandenen Fachgebieten realisieren lässt, nach wie vor problematisch. So wird etwa eine Gemeinschaftspraxis zwischen einem Gynäkologen und einem HNO-Arzt von weiten Teilen der Literatur generell für unzulässig erachtet93. Die Ablehnung solcher fachübergreifender Zusammenschlüsse gründet auf die fehlende Austauschbarkeit der Leistungen. Der Arzt einer völlig anderen Fachrichtung dürfte im Einzelfall – von Notfällen abgesehen – den Patienten des Kollegen gar nicht behandeln94, wäre aber per Behandlungsvertrag genau dazu verpflichtet. Befürworter der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis argumentieren dagegen, dass bei verständiger Würdigung des Inhalts des Behandlungsvertrages zwischen dem Patienten und den Gemeinschaftspartnern die Leistungspflicht und deren Erfüllung nur im Rahmen der beruflichen Befugnisse des jeweiligen Partners gefordert werden könne95. Narr / Hess / Schirmer, Ärztliches Berufsrecht, Rz. 1141. BSGE 55, 97 = MedR 1983, 196. 93 Vgl. Ehmann, MedR 1994, S. 141, 145 m. w. N. 94 Nach § 20 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä sollen sich Ärzte regelmäßig nur durch Kollegen desselben Fachgebietes vertreten lassen; MBO-Ä in der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997 in Eisenach; zuletzt geändert durch die Beschlüsse des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen. 91 92

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Eine solche Sichtweise verkennt jedoch den Charakter der Gemeinschaftspraxis als Berufsausübungsgemeinschaft. In letzter Konsequenz hätte ein solches Modell die Folge, dass die aus dem Behandlungsvertrag erwachsende Leistungspflicht aller Partner nur dann bestünde, wenn sich die vertretenen Fachgebiete überschneiden. Im übrigen hätte jeder beteiligte Arzt die selbe Stellung wie ein allein praktizierender niedergelassener Kollege. Die fachübergreifende Gemeinschaftspraxis wäre somit nur in der Schnittmenge des gemeinsamen Fachgebietes tatsächlich Gemeinschaftspraxis, während auf den anderen Feldern unterschiedliche Einzelpraxen bestünden. Eine solche Aufspaltung ist jedoch weder für den Patienten nachvollziehbar, noch entspricht sie dem Wesen einer Berufsausübungsgemeinschaft. Soll in Ausnahmefällen eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis gleichwohl genehmigt werden, haben die Zulassungsinstanzen in diesem Falle die angesprochenen Einschränkungen zu beachten, die sich sowohl aus dem allgemeinen ärztlichen Berufsrecht wie dem Vertragsarztrecht für die Gemeinschaftspraxis ergeben. Die Genehmigung darf daher mit Auflagen versehen werden, mit denen zum Beispiel die Einhaltung der Gebietsgrenzen entsprechend der Definition in der Weiterbildungsordnung und die eigene Abrechnung für jeden Partner verlangt werden kann96. Dem legitimen Bedürfnis nach fachübergreifenden Kooperationen in Einzelfällen trägt zudem der zum Mai 2005 in Kraft getretene neue § 19 Abs. 2 MBO-Ä97 Rechnung. Er stellt klar, dass zumindest die Beschäftigung fachgebietsfremder angestellter Ärzte berufsrechtlich zulässig ist. Dies setzt allerdings voraus, dass der in Rede stehende Behandlungsauftrag regelhaft nur von Medizinern verschiedener Fachgebiete gemeinschaftlich durchgeführt werden kann, wie dies etwa im Bereich der Chirurgie oder zur Gewährleistung der fachgebietsüberschreitenden Versorgung im Rahmen eines DMP der Fall ist98.

95 Schirmer, MedR 1995, S. 341, 349, unter Verweis auf Henssler, NJW 1993, S. 2137, 2138 zur vergleichbaren Problematik in Anwaltssozietäten. 96 Siehe unten D. IV. 97 MBO-Ä in der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997 in Eisenach, zuletzt geändert durch die Beschlüsse des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen. 98 Nicht mit der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis zu verwechseln ist die so genannte gemischte Gemeinschaftspraxis. Unter diesem Begriff versteht man einen Zusammenschluss von einem oder mehreren, ausschließlich privatärztlich tätigen Medizinern mit einem oder mehreren privat- und vertragsärztlichen tätigen Kollegen, die fachgleich oder fachverbindend eine Berufsausübungsgemeinschaft bilden. Eine solche Konstellation ist denkbar, wenn etwa einer der in der Gemeinschaftspraxis tätigen Partner seine Zulassung als Vertragsarzt aus Altersgründen abgeben muss (vgl. § 95 Abs. 7 SGB V), dieser Arzt jedoch weiterhin privatärztlich behandelt. Entsprechendes gilt, wenn im zulasssungsgesperrten Gebiet ein ausschließlich privatärztlich tätiger Arzt einer aus Vertragsärzten bestehenden Gemeinschaftspraxis beitritt. Vgl. dazu auch Quaas / Zuck, Medizinrecht, § 14, Rz. 6.

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cc) Job-Sharing Eine Sonderform der Gemeinschaftspraxis ist die so genannte Job-Sharing Gemeinschaftspraxis, die der Gesetzgeber durch das 2. GKV-NOG über § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB V ermöglicht hat99. Der in diesem Zusammenhang verwendete, aus dem Arbeitsrecht stammenden Begriff des Job-Sharings100 bezeichnet im Bezug auf die ärztliche Gemeinschaftspraxis eine Partnerschaft im überversorgten Planungsbereich, bei der der neu aufgenommene Partner nur eine eingeschränkte, vinkulierte Zulassung erhält, von der sich die Zulassung des bereits tätigen Vertragsarztes als Voll- oder Regelzulassung abhebt101. Unabhängig von den zulassungs- und vertragsarztrechtlichen Besonderheiten, auf die noch einzugehen sein wird102, handelt es sich bei der Job-Sharing Gemeinschaftspraxis um eine Form der gemeinschaftlichen Berufsausübung, die den selben gesellschaftsrechtlichen Regeln untersteht, wie jede andere Gemeinschaftspraxis; der verfolgte Gesellschaftszweck ist die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch die beteiligten Partner. Problematisch ist jedoch, dass angesichts der stark eingeschränkten zulassungsrechtlichen Position des Juniorpartners dessen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen häufig nur sehr gering ausfallen bzw. gänzlich fehlen wird103. Gerade in Fällen der so genannten Nullbeteiligungsgesellschaft kann kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis104 zustande kommen105, auch wenn die beteiligten Partner formal einen Gesellschaftsvertrag abgeschlossen haben106. 99 Davon zu unterscheiden ist die Beschäftigung von angestellten Praxisärzten in der Vertragsarztpraxis, für die das 2. GKV-NOG in § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V die Voraussetzungen geschaffen hat. Vgl. dazu Heberer, Das ärztliche Berufs- und Standesrecht, S. 481. 100 Eine Legaldefinition findet sich in § 5 Abs. 1 BeschFG vom 24. 04. 1985 (BGBl. I S. 710), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. 9. 1996 (BGBl. I S. 1476). 101 Vgl. Gleicher, MedR 2000, 399. 102 Siehe unten D. IV. 103 Diese Problematik der nur gering ausgeprägten Beteiligung am Gesellschaftsvermögen stellt sich unabhängig von der vornehmlich unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu erörternden Frage, ob eine Einlage zu Eigentum der Gesellschaft, nur dem Werte nach oder lediglich zur Nutzung durch die Partner erfolgen soll. 104 Da ein offenes Arbeitsverhältnis des Juniorpartners mit dessen Status als niedergelassenem Vertragsarzt kollidiert (vgl. § 20 Ärzte ZV), wird in der Praxis häufig versucht, den Tatbestand einer Anstellung mittels gesellschaftsrechtlicher Regelungen zu tarnen, den Juniorpartner also pro forma zum freiberuflichen Gesellschafter zu machen, seine Rechtsstellung aber insoweit zu beschneiden, dass er faktisch nur noch die Stellung eines gewöhnlichen Arbeitnehmers hat. Neben den weit reichenden sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen für die beteiligten Ärzte kann eine solche Konstruktion auch zu erheblichen Honorarproblemen im Verhältnis zu den zuständigen KVen führen, da eine Gemeinschaftspraxis eben nur zwischen freiberuflich tätigen Ärzten zulässig ist, und ein angestellter Juniorpartner keine – auch keine vinkulierte – vertragsärztliche Zulassung erhalten kann. Die Verletzung des § 20 Ärzte-ZV kann folglich zur rückwirkenden Aufhebung aller Honorarbescheide und zur Rückforderung der von den KVen ausgezahlten vertragsärztlichen Vergütungen führen; weiter-

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D. Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung

Zwar ist eine Gesellschafterstellung nach Rechtsprechung des BGH107 selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der neue Partner am Gesellschaftsvermögen zunächst keine Beteiligung erlangt; um jedoch die Abgrenzung zwischen ärztlicher Gemeinschaftspraxis und der Beschäftigung eines Arztes als Arbeitnehmer des Seniorpartners dauerhaft zu gewährleisten, muss zumindest der Erwerb von Rechten an zukünftig eintretenden Mehrungen des ideellen Praxiswertes der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag angelegt sein108.

b) Alternative Gesellschaftstypen Ausgehend von der These, dass der Arzt als Freiberufler begriffsnotwendig kein Gewerbe betreibt, verbietet sich auf den ersten Blick bereits die Frage, ob eine ärztliche Gemeinschaftspraxis auch in der Form einer Handelsgesellschaft zu führen ist. Denn die Voraussetzung für den Betrieb einer Handelsgesellschaft ist der Betrieb eines Handelsgewerbes. Die oben herausgearbeiteten Veränderungen des ärztlichen Selbstverständnisses und die veränderten (wirtschaftlichen) Rahmenbedingungen für die praktizierende Ärzteschaft schaffen jedoch durchaus eine Basis, auf der auch eine ärztliche Kooperation in der Rechtsform von Handelsgesellschaften denkbar erscheint, zumal auch Konstruktionen vorstellbar sind, in der der Gesellschaftszweck einer ärztlichen Handelsgesellschaft nicht in der Ausübung der Heilkunde besteht, sondern in der Schaffung eines gesellschaftsrechtlichen Rahmens, der dieses Ziel erst ermöglichen soll. aa) Personenhandelsgesellschaften am Beispiel der OHG Die offene Handelsgesellschaft ist eine Sonderform der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, deren Besonderheit darin besteht, dass der Gesellschaftszweck gemäß §§ 105 ff. HGB auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sein muss. Sollen ärztliche Kooperationen also in der Form von Personenhandelsgesellschaften zulässig sein, müssten die an ihr beteiligten Freiberufler folglich eine kaufmännische Tätigkeit im Sinne eines Handelsgewerbes ausüben109.

gehend zu diesem Thema: Andreas / Debong / Bruns, Handbuch Arztrecht in der Praxis, Rz. 452 ff. 105 Vgl. nur BAG, AP Nr. 32 zu § 5 ArbGG. 106 Die Abgrenzung, wann im Einzelfall ein Gesellschafter zugleich Arbeitnehmer sein kann, ist in weiten Teilen noch nicht geklärt, wobei die Problematik sich durch die Regelungen zur Scheinselbständigkeit zusätzlich verschärft; vgl. Zwischenbericht der Kommission „Scheinselbständigkeit“, NZS 1999, S. 443 ff. 107 Vgl. BGH, Urteil vom 06. 04. 1987, NJW 1987, 3124, 3125. 108 Kriterien zur Abgrenzung ärztlicher Kooperation und Arbeitnehmereigenschaft, nachzulesen in DÄBl. 1990, B-1012 f.

III. Rechtsformen des Zivil- und Gesellschaftsrechts

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Dies scheint angesichts der Tatsache, dass Ärzte durch ihre selbständige, fortgesetzte, auf dauernde Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeit tatsächlich alle Voraussetzungen des Gewerbebegriffes erfüllen, auf den ersten Blick unproblematisch. Die Tatsache, dass sie rechtlich nicht als Gewerbetreibende behandelt werden, ist für die Subsumtion der ärztlichen Tätigkeit unter §§ 2, 105 HGB zunächst irrelevant, da die wesentlichen Definitionsmerkmale des Gewerbebegriffes eindeutig erfüllt sind und damit der Anwendungsbereich der handelsrechtlichen Vorschriften grundsätzlich eröffnet scheint110. Gegen die Ausgestaltung einer Gemeinschaftspraxis in der Form einer Personenhandelsgesellschaft lassen sich aber gewichtige Argumente anführen. Zum einen werden nur die wenigsten Praxen eine Unternehmensstruktur aufweisen, die im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert111. Zum anderen wird eine Einordnung des Arztberufes als „Nur-Gewerbetreibender“ der Sache nicht gerecht. Wenn auch an der These des allein altruistisch motivierten Berufsstandes nicht mehr festgehalten werden kann und ein Arzt schon deshalb einen Gewinn erzielen muss, um seine Praxis dauerhaft führen und damit dem wichtigen Gemeinwohlzweck seiner Tätigkeit nachkommen zu können112, so trifft ihn dennoch – sowohl aufgrund standesethischer wie auch rechtlicher Vorgaben – die Pflicht zu gemeinschafts- und gemeinwohlbezogenem Verhalten, die sich im Einzelfall bis zur unentgeltlichen Erbringung einzelner Leistungen verdichtet. Unabhängig von der berechtigten Kritik an den spezifischen Auswirkungen der Vergütungsregeln im Vertragsarztrecht besteht kein Zweifel, dass Sonderopfer, wie das unentgeltliche Tätigwerden zum Wohle des Gemeinwesens, dem gewöhnlichen Gewerbetreibenden nicht abverlangt werden. In dieser Tatsache allein liegt bereits ein wesentlicher Unterschied zum klassischen Kaufmann im Sinne des Handelsrechts113. Obschon die standesethische Vorgabe des idealiter nur altruistisch handelnden Arztes ein reines Postulat darstellt, bestehen für den Arztberuf genügend Regelun109 An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zumindest im Steuerrecht die Tätigkeit eines Freiberuflers auch dann gewerbliche Züge tragen kann, wenn der unternehmerische oder organisatorische Anteil der Arbeit überwiegt, vgl. BFHE 83, 151; 94, 195. Geht etwa ein Freiberufler i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG eine Sozietät oder Gemeinschaftspraxis mit einem Nichtfreiberufler ein, so erzielt die GbR Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn die berufsfremde Person Mitunternehmer ist. Wegen der besonderen persönlichen Eigenschaften, die die Ausübung eines Freien Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfordert, wird die Tätigkeit einer Personenhandelsgesellschaft nur dann als freiberuflich anerkannt, wenn alle Gesellschafter die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllen, vgl. BFH vom 9. 10. 1986, BStBl. II 1987, 124. 110 So auch Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 118. 111 Noch weitgehender Michalski, a. a. O., S. 119. 112 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 04. 11. 1992 – 1 BvR 79 / 85. 113 Siehe oben B. III. 3.

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D. Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung

gen, dieses Postulat durch Sanktionierungen zumindest in Teilen durchzusetzen, bzw. das vorhandene Gewinnstreben im Ergebnis zu begrenzen, indem die Möglichkeit der tatsächlichen Gewinnerzielung eingeschränkt wird. Die öffentliche Aufgabe des Arztes und deren Durchsetzung durch die unterschiedlichen standes- und berufsrechtlichen Regelungen sowie die Standesethik machen somit den entscheidenden Unterschied zwischen dem klassischen Gewerbeberuf und dem modernen Arzt aus. Der Betrieb einer Gemeinschaftspraxis im Sinne einer Kooperation zur gemeinsamen Berufsausübung kann folglich nicht zugleich den Betrieb eines Handelsgewerbes im Sinne der §§ 2, 105 HGB darstellen. Die Möglichkeit der Ausgestaltung einer ärztlichen Kooperation als Personenhandelsgesellschaft ist daher schon mangels eines handelsrechtlichen Gesellschaftszweckes nicht gegeben. bb) Kapitalgesellschaften Die Frage, ob Ärzte bei der Ausübung der Heilkunde die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft wählen können, insbesondere, ob ihnen hierfür auch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung offen steht, gehört zu einem der umstrittensten Themen in Literatur und Rechtsprechung. Kritiker sehen durch die Zulassung einer Heilkunde-GmbH vor allem die eigenverantwortliche Berufsausübung des Arztes gefährdet. Das Wesen des Arztberufes als Freier Beruf und die daraus folgende fehlende Gewerblichkeit stünden der ärztlichen Berufsausübung im Rahmen einer Kapitalgesellschaft entgegen. Auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient werde – nicht zuletzt durch die in der GmbH bestehende Haftungsbeschränkung – nachhaltig gefährdet114. Bereits dieser knappe Überblick über die Argumente, die gegen die Möglichkeit ärztlicher Kooperation in der Form einer Kapitalgesellschaft vorgebracht werden, lassen jedoch erkennen, dass die Einwände überwiegend auf standespolitische und berufsrechtliche Erwägungen zurückgehen, weswegen die Heilberufe-GmbH auch in diesem Zusammenhang erörtert werden soll115. An dieser Stelle sei jedoch bereits darauf verwiesen, dass neben dem durchaus nachvollziehbaren Wunsch der beteiligten Ärzte nach einer Haftungsbeschränkung auch erhebliche organisatorische Vorteile gegenüber der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bestehen116, die sich nicht zuletzt aus der verbesserten Konkurrenzfähigkeit gegenüber Krankenhäusern oder privat organisierten Gesundheitszentren oder Kliniken ergeben117.

Überblick über die widerstreitenden Argumente bei Taupitz, NJW 1992, S. 2322 f. Siehe unten D. IV. 2. 116 Zu den steuerlichen Vorteilen siehe etwa Stehle, DStR 1983, S. 100. 117 Überblick über die durch die Zulassung von Heilkunde-GmbHs zu erwartenden Vorteile bei Ahrens, MedR 1992, 142 f. 114 115

III. Rechtsformen des Zivil- und Gesellschaftsrechts

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c) Die Sonderform der freiberuflichen Partnerschaftsgesellschaft Mit dem am 1. Juli 1995 in Kraft getretenen Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG)118 ist eine neue, registerfähige personengesellschaftsrechtliche Rechtsform für die gemeinsame Berufsausübung von Angehörigen der Freien Berufe, und damit auch für die Ärzte geschaffen worden. Die Intention war, die für den Berufsstand bestehenden Lücken zwischen der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und den Kapitalgesellschaften zu schließen119. Das Bedürfnis zur Schaffung einer neuen Gesellschaftsform resultierte dabei vor allem aus der Erfahrung, dass sich die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Organisationsform bei der Errichtung einer Gemeinschaftspraxis regelmäßig als nicht optimal erweist. Im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsformen verfügt die GbR nicht über einen eigenen Namen, sondern benennt sich meist nur nach einem oder mehreren ihrer Gesellschafter. Diese Bezeichnung ist nicht ohne weiteres schutzfähig120, was den Interessen der beteiligten Partner nur unzureichend Rechnung trägt. Vor allem aber ist die GbR ihrer Struktur nach auf eine Zufalls- oder Gelegenheitskooperation zugeschnitten. Wegen der sehr lockeren Bindungen und des geringen Regelungsbestandes erweist sie sich deshalb oft als ungeeignete Organisationsform für eine auf Kontinuität angelegte ärztliche Kooperation. Aus diesem Grund sollte den Angehörigen der Freien Berufe mit der Partnerschaftsgesellschaft eine besondere, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Gesellschaftsform zur Verfügung gestellt werden121, ohne die Möglichkeit einzuschränken, auch auf andere Gesellschaftsformen zurückzugreifen. Ein Rechtsformzwang besteht in keinem Fall122. Rechtssystematisch hat die Partnerschaft ihren Platz zwischen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und den Kapitalgesellschaften; sie steht in der Nähe der OHG123. Obwohl § 1 Abs. 4 PartGG das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB für anwendbar erklärt, sind doch aufgrund etlicher Verweisungen im Wesentlichen die Regelungen zur OHG anzuwenden. Die Aussage, es handle sich bei der Partnerschaftsgesellschaft um eine „Schwesterfigur der OHG“124 ist also durchaus berechtigt125. BGBl. 1994 I S. 1744; siehe auch BR-Drucksache 505 / 94; BT-Drucksache 12 / 6152. Vgl. dazu die Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 12 / 6152, S. 1. 120 Vgl. zu diesem Problemkreis Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 269 ff. 121 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 12 / 6151, S. 7. 122 Seibert, Partnerschaft, S. 41. 123 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 12 / 6151, S. 7. 124 Karsten Schmidt, ZIP 1993, 635. 125 Der Unterschied zwischen OHG und Partnerschaftsgesellschaft gründet neben den unterschiedlichen Gesellschaftszwecken der beiden Gesellschaftsformen im Wesentlichen darin, dass die Partnerschaftsgesellschaft keine Prokura erteilen kann und nicht an die Rechnungs118 119

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aa) Rechtliche Selbständigkeit der Partnerschaftsgesellschaft Nach § 1 Abs. 1 S. 2 PartGG übt die Partnerschaftsgesellschaft ausdrücklich kein Handelsgewerbe aus, womit sie sich diametral von den hergebrachten Handelsgesellschaften unterscheidet. Ferner ist sie zwar als Gesamthandsgemeinschaft nicht juristische Person, sie ist aber als Rechtssubjekt und Träger des Gesellschaftsvermögens anzusehen126. Damit hat sie sich der juristischen Person weitestgehend angenähert127. bb) Berufsrechtsvorbehalt Die Ausgestaltung einer Gemeinschaftspraxis in der Form der Partnerschaftsgesellschaft muss sich neben den einschlägigen Regelungen des PartGG auch den Sondervorschriften des Berufsrechts unterwerfen. § 1 Abs. 3 PartGG enthält einen ausdrücklichen Berufsrechtsvorbehalt, nach dem die Berufsausübung in der Partnerschaft durch Vorschriften über einzelne Berufe ausgeschlossen oder von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann. Obwohl das PartGG ursprünglich vor allem denjenigen Freiberuflern mehr Freiheiten verschaffen sollte, die ihre Dienstleistungen überregional, interprofessionell und international anbieten wollen128, stellt der Berufsrechtsvorbehalt klar, dass jede durch das PartGG geschaffene Gestaltungsmöglichkeit durch das einschlägige Standesrecht wieder ausgeschlossen oder zumindest begrenzt werden kann. Da Fragen der Berufsausübung durch die jeweiligen Standesordnungen der Freien Berufe umzusetzen sind, bleibt deren Gestaltung den jeweiligen Selbstverwaltungskörperschaften vorbehalten. Damit ist zugleich ausgesagt, dass gerade die interprofessionelle Kooperation, deren Förderung eines der vornehmlichsten Ziele des Gesetzgebers des PartGG war, nur dann zulässig ist, wenn sie nach dem Grundsatz der Kompatibilität mit den standesrechtlichen Vorschriften aller Beteiligten zu vereinbaren ist129. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Rechtslage im Hinblick auf diese Sachfragen sich auch durch die Einführung der Partnerschaftsgesellschaft nicht verändert hat. Vielmehr wird im Folgenden zu prüfen sein, inwieweit das ärztliche Berufsrecht den angesprochenen Kooperationsformen entgegensteht.

legungs- und Buchführungspflichten der Personenhandelsgesellschaften gebunden ist; vgl. dazu Michalski / Römer, PartGG, Einleitung, Rz. 49 m. w. N. 126 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 12 / 6151, S. 9, 16. 127 Werner, Gemeinschaftliche Berufsausübung, S. 257, Fn. 673 m. w. N. 128 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 12 / 6151, S. 7. 129 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 12 / 6151, S. 10.

IV. Zulässigkeit und Grenzen berufsrechtlicher Beschränkungen

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IV. Zulässigkeit und Grenzen berufsrechtlicher Beschränkungen Verbote oder Einschränkungen bei der ärztlichen Kooperation müssen sich an den Schrankenvorbehalten der Grundrechte, insbesondere an dem der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen, die nur durch oder aufgrund eines formellen Gesetzes eingeschränkt werden kann. In diesem Zusammenhang ist also zunächst auf die Regelungen der Berufsgesetze und die Berufsordnung der Ärzte abzustellen, die in Form einer Satzung ergeht. Satzungen können nach dem Facharztbeschluss des Bundesverfassungsgerichtes130 jedoch keine grundlegenden Fragen des Berufsrechts regeln; derart weit reichende Eingriffe bleiben dem Parlament vorbehalten. Neben diesen formellen Voraussetzungen ist in materieller Hinsicht zu beachten, dass, sofern begriffsbildende Merkmale ärztlichen Freiberuflichkeit tangiert werden, für die Verfassungsmäßigkeit der beschränkenden Regelung die Wechselwirkung zwischen den Gemeinwohlinteressen und dem freiberuflichen Charakter entscheidend ist.

1. Ärztliche Kooperation und freiberufliche Tätigkeit Lange Zeit hatte die Ausgestaltung des Arztberufes als Freier Beruf zur Folge, dass es als schlichtweg unzulässig angesehen wurde, wenn ein Arzt seinen Beruf zusammen mit Fachkollegen ausüben wollte. Für die ambulante ärztliche Betreuung galt der Grundsatz der Ausübung ärztlicher Tätigkeit in der Einzelpraxis131. Mittlerweile ist zwar anerkannt, dass die Kooperation ärztlicher Kollegen der Marktbehauptung und der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit dient; angesichts unterschiedlicher Spezialisierungsmöglichkeiten der teilnehmenden Partner kann auch der Patient von solchen Zusammenschlüssen profitieren. Während jedoch in vielen Bereichen freiberuflicher Tätigkeit die kooperative Zusammenarbeit längst zum gewohnten Bild gehört132, schreitet die Entwicklung im Heilberufssektor vergleichsweise langsam voran133. Dies mag damit zusammenhängen, dass das ärztliche Standesrecht zwar – etwa durch §§ 23, 23 a, b, c und d MBO-Ä, bzw. durch die Aufhebung der §§ 22, 22 a MBO-Ä – die gemeinsame Ausübung des Arztberufes weitgehend akzeptiert hat, es aber vielen Gesellschaftsformen, insbesondere der Ausübung der Heilkunde innerhalb von Kapitalgesellschaften 134, nach wie vor BVerfGE 23, 125, 158 ff.; BVerfG NJW 1972, 1504. Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 2. 132 Als Beispiel sei angeführt, dass mittlerweile fast die Hälfte aller Rechtsanwälte in Sozietäten organisiert ist, vgl. Henssler, JZ 1992, 697, 701, Fn. 53. 133 Vgl. dazu Narr / Hess / Schirmer, Ärztliches Berufsrecht, Rz. 1137; Michalski, Das Wettbewerbs- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen Freien Berufe, S. 105. 134 Dazu unten D. IV. 2. 130 131

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D. Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung

skeptisch begegnet135. Im Folgenden soll untersucht werden, wie weit die Kernpunkte ärztlicher Berufsausübung im Rahmen einer Kooperation eingeschränkt werden können.

a) Vertrauensverhältnis und persönliche Leistungserbringung Die Fortschritte der Medizin haben dazu beigetragen, dass der „Alleskönner in der Einzelpraxis“ zunehmend von miteinander kooperierenden Spezialisten abgelöst wird. Dies ist gerade innerhalb der hoch technisierten Gerätemedizin der Fall, die mit besonders hohen Investitionskosten verbunden ist. So wird der Arzt immer häufiger zu einem „Unternehmer im weißen Kittel“136. Wenn jedoch die klassische Zwei-Personen-Beziehung zwischen Arzt und Patient nicht mehr der Norm entspricht, weil sich der Patient zunehmend mehreren Ärzten in einer Praxis gegenübersieht, so stellt sich die Frage, welche Auswirkung diese Konstellation auf das für die freiberufliche Tätigkeit so maßgebliche Vertrauensverhältnis137 zwischen dem behandelnden Arzt und seinem Patienten haben kann.

b) Fachliche und sachliche Selbständigkeit Zu den konstituierenden Wesensmerkmalen des freien Arztberufes zählt unter anderem dessen fachliche und sachliche Eigenständigkeit. In welchem Umfang diese durch eine ärztliche Kooperation beschnitten wird, hängt maßgeblich von der Rechtsform der Gruppenpraxis ab. aa) Praxisgemeinschaft Beschränkt sich die Kooperation zweier Ärzte auf die gemeinschaftliche Nutzung von Inventar, Räumlichkeiten, Personal oder Instrumenten, während jeder Arzt weiterhin auf eigene Rechnung und in eigenem Namen praktiziert, ergeben sich für die fachliche und sachliche Selbständigkeit keine Änderungen im Vergleich zum allein praktizierenden Arzt in freier Praxis. Der Sinn von Praxisgemeinschaften ist es eben gerade nicht, die Heilkunde gemeinschaftlich auszuüben. Vielmehr entstehen solche Kooperationen aus Rentabilitätserwägungen und zielen ausschließlich auf eine Unkostensenkung im Praxisbetrieb138. 135 An dieser Tatsache hat auch die Liberalisierung der Berufsordnung durch den 107. Deutschen Ärztetag in Bremen nichts Nennenswertes geändert, vgl. § 23 a MBO-Ä. 136 Barth, Mediziner-Marketing, S. 4. 137 Siehe oben, A. II. 2. b) cc). 138 Fischer, Teamarbeit der Ärzte, S. 4.

IV. Zulässigkeit und Grenzen berufsrechtlicher Beschränkungen

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bb) Gemeinschaftspraxis Anders stellt sich die Sachlage bei den Kooperationen im Rahmen von Gemeinschaftspraxen dar. Da hier der Zweck explizit auf die gemeinschaftliche Berufsausübung gerichtet ist139, die die gemeinschaftliche Karteiführung und Abrechnung erfasst, ergeben sich notwendigerweise Konsequenzen für die Arbeitsweise der beteiligten Mediziner. So haben vertragsärztliche Gemeinschaftspraxen bereits durch die zum 1. Januar 1996 erfolgte Reform des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) entscheidend an wirtschaftlicher Attraktivität verloren, da viele Einzelleistungen in Leistungskomplexen aufgegangen sind, die nur einmal pro Quartal abgerechnet werden können140.

(1) Fachgleiche und fachübergreifende Gemeinschaftspraxis In ärztlichen Gemeinschaftspraxen müssen die Leistungen des einen durch gleichwertige Leistungen des anderen Partners ersetzbar sein. Fachübergreifenden Gemeinschaften steht das Berufsrecht daher nach wie vor kritisch gegenüber141. Grund dafür ist die Tatsache, dass im Rahmen der Kooperation jeder beteiligte Arzt Vertragspartner des Praxis-Patienten wird und sich verpflichtet, die gewünschte Leistung persönlich zu erbringen. Ein solcher Austausch kann jedoch nur dann reibungslos erfolgen, wenn die kooperierenden Ärzte gleichen oder nahe verwandten Fachgebieten angehören. Entsprechend genehmigen die Zulassungsstellen grundsätzlich nur solche Praxismodelle, in denen die Leistungen der Partner in diesem Sinne vergleich- und austauschbar sind. Kritiker dieser Handhabung argumentieren, eine Zulässigkeit von fachübergreifenden Praxen müsse schon deshalb möglich sein, weil sich die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung auch auf einzelne Fachgebiete der jeweiligen Partner beschränken könne. Für diese Meinung lässt sich zwar anführen, dass sie die größtmögliche fachliche und sachliche Unabhängigkeit der einzelnen Partner auch im Rahmen echter Kooperationen zur Folge hätte. Eine solche Sichtweise liefe jedoch dem Wesen der Gemeinschaftspraxis als echter Ärztekooperation entgegen. Wenn – mit Ausnahme der Überschneidungsfälle – zwei völlig unterschiedliche Fachrichtungen in einer Praxis angeboten werden (etwa Gynäkologie und Urologie), kann außer in wenigen Ausnahmefällen nicht mehr von einer gemeinschaftlichen Ausübung der Heilkunde die Rede sein. Vielmehr bedeutete eine solche Kooperationsform nicht viel mehr als die Bündelung mehrerer Einzelpraxen unter einem Dach.

139 Vgl. auch BSG – 6 R Ka 1 / 63; BSGE 23, 170, 171; BGHZ 97, 273, 277; Spitzl, Die Gemeinschaftspraxis, passim. 140 Graf, AuW 1995, S. 18 ff. 141 Zu beachten sind allerdings die Neuerungen der §§ 19 Abs. 2, 23 b und c MBO-Ä, vgl. oben D. III. 2. a) bb).

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D. Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung

Gerade bei einer Gemeinschaftspraxis erwartet der Patient jedoch, dass er sich nicht nur einem fachlich geschulten Mediziner gegenüber sieht, sondern dass ihm der vereinte wissenschaftliche Sachverstand mehrerer Ärzte des gleichen oder zumindest eines verwandten Sachgebietes gegenübertritt. Dieser Umstand kann sogar den ausschlaggebende Grund für die Praxiswahl bedeuten: Das Aufsuchen einer Gemeinschaftspraxis durch einen Patienten kann nach §§ 133, 157 BGB so ausgelegt werden, dass er erwartet, es könnten sich sämtliche beteiligten Mediziner seines aktuellen Leidens annehmen142. Die Beschränkungen durch das Berufsrecht sind damit nicht zu beanstanden, weil sie die Autonomie des Arztes nur im Hinblick auf die Gestaltung einer grundsätzlich möglichen Kooperationsform beschneiden. Was die erlaubten Kooperationen fachgleicher Ärzten anbelangt, so bestehen hinsichtlich der Auswirkungen dieser Zusammenschlüsse auf die fachliche und sachliche Selbständigkeit keine Bedenken. Die gemeinschaftliche Berufsausübung mag zwar dazu führen, dass der Dialog mit dem Partner gefördert und die eigene Therapie und Diagnostik beeinflusst werden. Der kollegiale Rat ist jedoch allenfalls im Innenverhältnis der Partner bindend. Eine derartige Bindung, die überdies noch freiwillig erfolgt, bleibt im Sinne der fachlichen und sachlichen Unabhängigkeit unbedenklich. (2) Job-Sharing Job-Sharing-Gemeinschaftspraxen eröffnen vor allem jüngeren Ärzten die Möglichkeit, sich im gesperrten Planungsbereich den Arbeitsplatz mit einem bereits zugelassenen Kollegen zu teilen. Zur Vermeidung von Leistungsausweitungen sehen die einschlägigen Regelungen jedoch eine Vielzahl von Beschränkungen der freien Berufsausübung der beteiligten Ärzte vor, die im Folgenden eingehender untersucht werden sollen. (a) Leistungsbeschränkung als Ordnungsinstrument Ein wesentliches Kriterium bei der Zulassung zur Tätigkeit als Vertragsarzt, das auch im Bereich der ärztlichen Zusammenarbeit ausschlaggebend ist, ist die Bedarfsplanung. Sie stellt den Versuch dar, mit Hilfe eines Ordnungsinstrumentariums, entsprechend den Zielvorgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, die medizinische Grundversorgung unter Berücksichtigung der Morbiditätsentwicklung einerseits und der hierzu bereitgestellten finanziellen Möglichkeiten andererseits durch Vorgaben für Art und Anzahl der hieran mitwirkenden Ärzte zu gewährleisten143. 142 143

Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 197. Rieger, Lexikon (2. Auflage), Rz. 2, 720.

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Um den „Bedürfnissen vieler Ärzte nach individueller Festlegung ihres Arbeitseinsatzes nachzukommen und zusätzliche Beschäftigungschancen für Ärzte zu schaffen, ohne die Gefahr einer Leistungsausweitung auszulösen“144, hat der Gesetzgeber im 2. GKV-NOG mit Wirkung zum 1. Juli 1997 die geltende Bedarfsplanung mit der Möglichkeit versehen, auch im überversorgten Planungsbereich die Zulassung als Vertragsarzt zu erlangen, sofern dies mit der Begründung einer Gemeinschaftspraxis mit einem im Planungsbereich bereits tätigen Vertragsarzt desselben Fachgebietes einhergeht und beide Partner sich gegenüber dem Zulassungsausschuss zur Wahrung eines Leistungsumfanges verpflichten, der den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich überschreitet (vgl. § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V). Zur näheren Ausgestaltung der Zulassungs-, Anstellungs- und Abrechnungsmodalitäten in diesem Bereich hat der Gesetzgeber in § 101 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 SGB V den Gemeinsamen Bundesausschuss zur Bestimmung von (Jobsharing-) Richtlinien ermächtigt. Auf dieser Grundlage basieren die Nrn. 23 a Ziff. 4, b bis f der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte (BedPlanRL-Ä)145. Sie regeln die Zulassung eines Arztes als Partner einer Gemeinschaftspraxis mit Leistungsbeschränkung. Beide Partner müssen sich demgemäß gegenüber dem Zulassungsausschuss schriftlich bereit erklären, während des Bestandes der Gemeinschaftspraxis den zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Praxisumfang nicht wesentlich zu überschreiten und die vom Zulassungsausschuss festgelegten Leistungsbeschränkungen anzuerkennen. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, dass durch die Mitwirkung des Jobsharing-Partners Art und Menge der vom bereits niedergelassenen Vertragsarzt bislang erbrachten Leistungen gewahrt bleiben; vielmehr wird die numerische Obergrenze von drei Prozent auf der Basis der Abrechnungsbescheide der vorausgegangenen vier Quartale zugrunde gelegt146. Mit dieser Änderung wurde auf die begründete Kritik reagiert, wonach die vom Gesetzgeber gewollte Leistungsbegrenzung sich nur auf die Respektierung eines bestimmten Abrechnungsumfanges, nicht aber auf einzelne, konkrete Leistungen bezieht. Eine Veränderung des Leistungsspektrums ist damit auch innerhalb einer Job-Sharing-Gemeinschaftspaxis möglich, sofern sich dadurch das vorherige Abrechnungsvolumen nicht wesentlich147 verändert148. 144 Vgl. die Begründung des 14. Ausschusses zum 2. GKV-NOG, wiedergegeben in: SGB V Handbuch, Solidaritäts-Stärkungsgesetz 99, S. 120, Stand: Januar 1999. 145 BAnz Nr. 89 vom 15. 05 1999. 146 Zur Kritik an der vorherigen Regelung der BedPlanRL-Ä vom 16. 01. 1998, BAnz, Nr. 9 vom 15. 1. 1998, S. 371; Gleichner, MedR 2000, S. 399 ff.; Rieger, Lexikon (2. Auflage), Rz. 2730. 147 Rieger, Lexikon (2. Auflage), Rz. 2730. 148 Nichtsdestoweniger bestehen gegen die Regelungen der §§ 95 Abs. 9 und 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V, die in Verbindung mit den entsprechenden Richtlinien nach wie vor erhebliche

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(b) Auswirkung auf die Freiberuflichkeit In der Leistungsbegrenzung liegt trotz ihrer Beschränkung auf Abrechnungsvolumina nach wie vor eine wesentliche Beschneidung der beruflichen Möglichkeiten des bereits zugelassenen Arztes, vor allem im Vergleich zu den Entfaltungsmöglichkeiten, die sonst bei der Neugründung einer Gemeinschaftspraxis bestehen. Eine personelle Aufstockung war zuvor regelmäßig mit einem starken Anstieg der Patientenzahlen, des Praxisumsatzes und der Gewinnerwartung für den bereits zugelassenen Seniorpartner verbunden149. Demgegenüber trägt die neue Regelung vorrangig dem Interesse des Seniorpartners Rechnung, seine Arbeitszeit jedenfalls für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu reduzieren, und zugleich den Wert seiner Praxis zu stabilisieren150. Eine Steigerung des Umsatzes oder der Gewinnerwartung ist indes kaum noch möglich. Möchte der einzelne Vertragsarzt seine Tätigkeit zeitlich gerade nicht verringern, sondern mit der Neueinstellung eines Kollegen dem gestiegenen Versorgungsbedarf Rechnung tragen, erweist sich die Anstellung regelmäßig als wirtschaftlich sinnlos. Derartigen Restriktionen unterliegen weder die Angehörigen anderer Freier Berufe, noch sieht das für die Ärzteschaft geltende Landesrecht vergleichbare Eingriffe vor151. Selbst vor dem Hintergrund, dass die wirtschaftliche Selbständigkeit für sich allein betrachtet noch kein begriffsbildendes Merkmal der Freiberuflichkeit ist152, hat doch die wirtschaftliche Beschränkung der Partner einer Jobsharing-Gemeinschaftspraxis zumindest mittelbare Auswirkungen auf die fachliche und sachliche Selbständigkeit des Arztes. Dieser kann zwar mittlerweile die Schwerpunkte der von ihm erbrachten Leistungen verändern; er bleibt jedoch noch immer auf das frühere Abrechnungsvolumen begrenzt, und hat insofern – will er wirtschaftlich und gewinnorientiert arbeiten – darauf zu achten, dass die Menge der von ihm erbrachten Leistungen nicht überhand nimmt. Während jedoch nach früherer Rechtslage die Jobsharing-Gemeinschaftspraxis konsequenterweise kein Zusatzbudget für Leistungen erhalten konnte, für die die erforderliche Qualifikation ausschließlich in der Person des Job-Sharing Partners vorlag153, ist diese Restriktion zusammen mit der Abstandnahme von einer inhaltlichen Bindung an das bisherige Leistungsspektrum der Praxis nicht mehr länger aufrechtzuerhalten 154. Zudem lässt sich ernsthaft daran zweifeln, ob die bewusste Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit bewirken, erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. 149 Gleichner, MedR 2000, 399. 150 Broglie, NJW 1998, 82, 83. 151 Sodan, NZS 2001, S. 169, 172, verneint in diesem Zusammenhang bereits die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für §§ 95 Abs. 9, 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V und die entsprechenden Richtlinien. 152 Vgl. oben, A. I. 2. b) aa). 153 Vgl. zur Berechnung der Praxis- und Zusatzbudgets: Wezel / Liebold, Handkommentar zum EBM, Kap. 8: Allgemeine Bestimmungen EBM, S. 51.

IV. Zulässigkeit und Grenzen berufsrechtlicher Beschränkungen

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Erschwernis der Einstellung von Ärzten tatsächlich zur Erlangung des angestrebten Zieles der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung155 geeignet ist156. Da der Bedarf an Vertragsärzten in Anbetracht der medizinisch-technischen Fortschritte einerseits und der demographischen Entwicklung andererseits auf absehbare Zeit eher steigen als sinken dürfte157, und Gemeinschaftspraxen regelmäßig auf erhöhte Effizienz und Wirtschaftlichkeit ausgerichtet sind, muss man diese Frage wohl ebenfalls verneinen. Die Beschränkung der Abrechnungsvolumina in der Jobsharing-Gemeinschaftspraxis hält der verfassungsrechtlichen Prüfung damit nicht stand. Darüber hinaus bedeuten die berufsrechtlichen Beschränkungen der JobsharingPartner keine im Hinblick auf die allgemeinen Budgets gesondert zu rechtfertigenden Einschnitte in die fachliche und sachliche Unabhängigkeit. Auch in diesem Zusammenhang gilt, dass Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch das Zulassungsrecht zwar den neu in den Markt tretenden Jungmediziner beschränken, andererseits jedoch eine Art Bestandsschutz für bereits etablierte Ärzte schaffen. In der Gesamtwirkung bedeutet das einen gewissen Ausgleich für den Berufsstand als Ganzes158.

2. Zusammenschlussverbote am Beispiel der GmbH Obwohl der Beruf des Arztes nicht nur in einer Einzelpraxis, sondern auch gemeinschaftlich ausgeübt werden darf, können sich Probleme ergeben, wenn der Zusammenschluss nicht in den klassischen Formen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder der Partnergesellschaft vollzogen wird. Besonders strittig ist die Frage der Ausgestaltung als Kapitalgesellschaft. Obwohl etwa der Ausübung des Berufes des Rechtsanwaltes mittels einer juristischen Person keine rechtlichen Bedenken mehr entgegenstehen159 und der BGH bereits im Jahr 1993 die Ausübung der (zahn)ärztlichen Tätigkeit in einer Heilbehandlungs-GmbH für zulässig erachtet hat160, sind in die Heilberufsgesetze einiger Länder auf Druck der Ärztekammern Verbote gegen derartige GmbHs aufgenommen worden161. Zwar sind gegen diese Verbote – insbesondere gegen die Bindung der ambulanten ärztlichen Tätigkeit an die Niederlassung in eigener Praxis – immer wieder ver154 155

Vgl. Rieger, Lexikon (2. Auflage), Rz. 29, 2730. Zu dieser immer wieder genannten Gemeinwohlaufgabe vgl. nur BVerfGE 68, 193,

218. 156 157 158 159 160 161

Ablehnend Sodan, NZS 2001, S. 176. Sodan / Gast, NZS 1998, S. 501. Siehe oben, C. I. 4. a) bb) (3) (e) (cc) (χ). BayObLGZ 1994, 353 = NJW 1995, 199; BayObLG, NJW 2000, 1647. BGHZ 124, 225; MedR 1994, S. 152 mit Anmerkung Taupitz. Nachweise bei Katzenmeier, MedR 1998, S. 114.

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fassungsrechtliche Bedenken erhoben worden; dennoch hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Verbot, eine ärztliche Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts zu führen, als „durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls“ gerechtfertigt162 angesehen. Hauptentscheidungspunkt war dabei die in § 17 Abs. 1 S. 1 MBO-Ä verankerte, aus § 1 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä entlehnte Vorgabe, dass die Ausübung des freien Arztberufes die Niederlassung in eigener bzw. einer Praxis erfordere. Angesichts der Tatsache, dass die Bezeichnung des Freien Berufes einen soziologischen Ursprung hat und von der Rechtsordnung nicht explizit definiert ist163, kann jedoch die Begründung eines Verbotes sich nicht alleine auf die Tatsache beziehen, dass der Arztberuf nominell den Freien Berufe zugeordnet ist164, die ihre Tätigkeit – zumindest historisch betrachtet – klassischerweise mit einer Niederlassung verbunden haben. Die Rechtsfertigung des Verbotes könnte sich daher, wenn überhaupt, nur aus den Besonderheiten des Arztberufes als solchem herleiten lassen. Dies muss umso mehr gelten, als der Grundtatbestand der Tätigkeit juristischer Personen im Gesundheitswesen schon lange Gang und Gäbe ist. Die Versorgung von Patienten in Krankenhäusern, die als juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts ausgestaltet sind, ist seit langem etabliert; die Mitwirkung von Ärzten in derartigen, auf die stationäre Aufnahme von Patienten ausgerichteten Kliniken als Belegärzte bzw. als von der Kapitalgesellschaft angestellte Mitarbeiter ist nach einhelliger Auffassung zulässig165. Stimmen, die in der juristischen Person als Anbieterin ärztlicher Leistungen, insbesondere in der Ausgestaltung der GmbH, eine schlichtweg indiskutable166 Organisationsform sehen, verkennen, dass nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V schon vor den Neuerungen des GMG auch ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen sogar an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen konnten, wobei grundsätzlich auch eine juristische Person ermächtigt werden konnte167. Zwar stellt sich im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung das zulassungsrechtliche Problem, dass die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich und in freier Praxis ausgeübt werden muss; aus dieser Tatsache wird gefolgert, dass Kassenärzte von der Berufsausübung als Angestellte etwa einer GmbH grundsätzlich ausgeschlossen sind168. Doch auch dieser Ansatz ist verfassungsrechtlich problema162 BayVerfGH NJW 2000, 3418, 3420. Vgl. auch OVG NRW, MedR 2001, S. 150 ff., S. 153, für die entsprechende Regelung in Nordhein-Westfalen. 163 Siehe oben A. II. 2. b). 164 Entsprechend lautet die Bezeichnung in der bayerischen Gesetzesbegründung auch „Freier Beruf kraft Gesetzes“, zitiert nach Bachmann, NJW 2001, S. 3385, Fn. 5. 165 Vgl. Taupitz, NJW 1992, S. 2317, 2318. 166 Kremer, GmbHRdsch 1983, S. 259, 265. 167 Vgl. Hess, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Band 1, § 94 SGB V, Rz. 4; Taupitz, NJW 1992, S. 2317, 2318.

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tisch, zumal er sich inzwischen in Widerspruch zu bundesgesetzlichen Vorgaben setzt. Seit Inkrafttreten des GMG am 1. Januar 2004 nimmt § 95 Abs. 1 SGB V in den Kreis der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neben den zugelassenen oder ermächtigten Ärzten bzw. den ermächtigten, ärztlich geleiteten Einrichtungen die zugelassenen medizinischen Versorgungszentren (MVZ) auf. Dies ist nicht nur insoweit interessant, als der ausdrücklich gewünschte fachübergreifende Charakter der MVZ auch fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen neue Impulse geben könnte169. Es lässt auch deshalb aufhorchen, weil das Gesetz davon spricht, dass MVZ sich „aller zulässigen Organisationsformen bedienen“ können (§ 95 Abs. 1 S. 3 SGB V). Die amtliche Begründung erwähnt in diesem Zusammenhang ohne Vorbehalt auch die Rechtsformen der juristischen Personen170. Wenn aber nach dem Willen des Gesetzgebers ein MVZ, das als juristische Person ausgestaltet ist, ohne weiteres an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen kann, ist kaum noch einzusehen, warum an einen Zusammenschluss, nur weil er kein fachübergreifendes Versorgungszentrum ist, andere rechtliche Anforderungen gestellt werden sollten. Im Folgenden soll daher am Beispiel der GmbH als Prototyp der kaufmännischhandelsrechtlichen Kapitalgesellschaft untersucht werden, inwieweit tatsächlich konfliktträchtige Strukturprinzipien der juristischen Person des Privatrechts einem ärztlichen Zusammenschluss in dieser Rechtsform entgegenstehen können.

a) Zulässigkeit von GmbHs als Anbieter ambulanter heilkundlicher Leistungen Bei der Betrachtung der Wesensmerkmale der GmbH scheinen vor allem die Prinzipien der beschränkten Haftung auf ein Gesellschaftsvermögen und das gewerbliche Auftreten am Markt in deutlichem Widerspruch zu den freiberuflichärztlichen Werten der altruistischen Berufsausübung und der Eigenverantwortung des Arztes zu stehen. Auch das für den Berufsstand schlechthin konstitutive Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient verträgt sich auf den ersten Blick nicht mit der Anonymität einer rechtlich verselbständigten juristischen Person wie der GmbH. Bevor jedoch auf die widerstreitenden Strukturprinzipien eingegangen werden kann, stellt sich zunächst die Frage nach der generellen Zulässigkeit einer ambulanten Ärzte-GmbH.

168 Hess, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Band 1, § 94 SGB V, Rn. 43, Henssler, ZIP 1994, 844, 847; Taupitz, NJW 1992, S. 2317, 2318 m. w. N., insbes. Fn. 18. 169 Vgl. dazu bereits D. III. 2. a) aa). 170 BT-Drucksache 15 / 1525, S. 107 f.; vgl. auch Fiedler / Weber, NZS 2004, S. 358, 361.; siehe ferner Quaas / Zuck, Medizinrecht, § 48, Rz. 22.

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Grundsätzlich unterfallen Gründung und Betrieb einer GmbH dem Freiheitsbereich der Grundrechte der Art. 12 Abs. 1, 9 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG. Allein die Tatsache, dass es sich bei der Organisation der ambulanten ärztlichen Versorgung innerhalb einer juristischen Person um eine relative Neuerung handelt, sagt noch nichts über die Zulässigkeit der Ärzte-GmbH aus. Das in Art 12 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht der Berufsfreiheit garantiert nicht nur traditionelle oder rechtlich bereits fixierte Formen der Berufsausübung171. Der bloße Verweis auf das Berufsbild des Arztes, dem eine GmbH angeblich grundsätzlich zuwiderläuft, kann damit nicht genügen, um die Unzulässigkeit der Ärzte-GmbH zu begründen. Auch bedarf es keiner Norm, in der die Erlaubnis zum Betrieb einer ambulanten Heilkunde-GmbH positiv geregelt wird172. Vielmehr müssten gesetzliche Normen der ambulanten ärztlichen Behandlung innerhalb einer GmbH ausdrücklich entgegenstehen. aa) Legitimer Gesellschaftszweck Ausgangspunkt der Prüfung ist zunächst § 1 GmbHG, nach dem eine GmbH mit jedem zulässigen Zweck errichtet werden kann. Anders als bei der OHG oder KG kann also auch ein anderer Zweck als der Betrieb eines Handelsgewerbes gewählt werden. Die Ausübung des ärztlichen Berufes ist damit nach Maßgabe des GmbHG ein zulässiger Gesellschaftszweck, zumal eine entgegenstehende Regelung, die den Betrieb einer Arzt-GmbH ausdrücklich untersagt, nicht existiert173. bb) Berufsrechtliche Vorbehalte Die in den Berufsgesetzen statuierte Freiberuflichkeit des Arztes und das damit verbundene Spannungsverhältnis zur gewerblichen Tätigkeit wirkt sich auf die Frage aus, ob der Arzt eine Tätigkeit in einem Unternehmen wie einer ambulanten Heilkunde-GmbH annehmen darf, bzw. inwieweit eine gewerbliche Organisation in der Lage ist, heilkundliche Leistungen am Patienten zu vollbringen.

(1) Bundesärzteordnung Gemäß § 2 Abs. 1 BÄO174 bedarf, wer als Arzt oder Ärztin tätig werden möchte, der Approbation als Arzt. Die Approbation beruht auf Qualifikationen, die von Grundlegend: BVerfGE 7, 377, 379; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 12, Rz 21. Siehe dazu BGHZ 70, 158, 167 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 808. 173 Anders zum Beispiel ist die Rechtslage für Apotheker: Hier untersagt § 8 ApG ausdrücklich den Betrieb in der Form einer GmbH. 174 Vgl. für die Zahnärzte § 1 ZahnHKG. 171 172

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einer natürlichen Person erworben werden. Entsprechend lässt sich § 3 BÄO entnehmen, dass die Approbation nur einer natürlichen Person erteilt werden kann175 und nicht der juristischen Person als solcher. Jedoch kann allein aus diesem Umstand nur schwerlich gefolgert werden, dass die Ärzte-GmbH schon deshalb nicht zulässig sein könne, weil sie, ohne selbst approbiert zu sein, die Heilkunde ausübe. Stellte man alleine auf die unzulässige Ausübung der Heilkunde durch die GmbH selbst ab, so würde man dabei verkennen, dass eine juristische Person stets nur durch natürliche Personen handeln kann. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass deren Tätigkeiten der juristischen Person als eigene zugerechnet werden, wodurch diese rechtlich so gestellt wird, als habe sie selbst gehandelt. Dass die juristische Person auf diese Weise auch Partei des Behandlungsvertrages mit dem Patienten wird, und sie es ist, die die Heilbehandlung schuldet, ist die logische Konsequenz dieser Konstruktion, vermag aber noch nicht zu begründen, warum die Ausübung der Heilkunde durch approbierte Ärzte innerhalb einer GmbH nicht zulässig sein soll. Der Schutz des Hilfe suchenden Patienten, der sich mit seiner Krankheit nur in die Hände eines qualifizierten Arztes begeben soll, welcher wiederum seine Approbation nachweisen muss, um praktizieren zu dürfen, wird nicht dadurch ausgehöhlt, dass die Heilbehandlung von einer juristischen Person geschuldet wird. Entsprechend hat der BGH für eine Heilpraktiker-GmbH entschieden, dass unter den Schutzzweck des § 1 Abs. 1 Heilpraktikergesetz176, der die Ausübung der Heilkunde ebenfalls unter einen Erlaubniszwang stellt, nur solche Tätigkeiten fallen, die die unmittelbare Beratung oder Behandlung von Patienten betreffen, nicht jedoch den Abschluss von Behandlungsverträgen177. Diese Argumentation lässt sich auch auf die Ärzte-GmbH übertragen. Ähnlich wie auch ein Krankenhausträger nicht einer Approbation bedarf, obwohl er nach Abschluss eines Krankenhausvertrages die ärztliche (stationäre) Behandlung schuldet, muss eine Ärzte-GmbH im eigenen Namen ambulante Heilbehandlungsverträge abschließen können, ohne damit gegen § 2 BÄO zu verstoßen178. Solange die Heilkunde von einem zugelassenen Arzt ausgeübt wird, muss darin folglich eine zulässige Organisationsform für die Patientenbehandlung nach dem Berufsrecht gesehen werden179.

BGH NJW-RR 1992, 430; AG Saarbrücken – 17 AR I 199 / 87. Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) vom 17. 02. 1939 (RGBl. I S. 251), geändert durch Art. 53 des EGStGB vom 02. 03. 1974 (BGB1. I S. 469). 177 BGH NJW-RR 1992, 430. 178 So für eine Klinik-AG entschieden in BGHZ 70, 158, 166 f. 179 Zur Konzessionspflicht gewerblicher Privatkliniken nach § 30 GewO vgl. Taupitz, NJW 1992, S. 2317, 2320 f. 175 176

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(2) Heilberufs- und Kammergesetze Wie bereits ausgeführt, bestehen keine Bedenken dagegen, dass Ärzte als Angestellte in Einrichtungen arbeiten, die im Bereich der Heilkunde tätig sind180. Inzwischen ist sogar die überwiegende Anzahl der Ärzte nicht mehr in freier Praxis tätig181. Schon im Jahr 1990 waren bereits 49, 3 Prozent der berufstätigen Ärzte in einem Krankenhaus beschäftigt, lediglich 38, 5 Prozent der Ärzte übten ihren Beruf als Niedergelassene aus182. Im Hinblick auf die Tätigkeit in einer HeilkundeGmbH wird jedoch immer wieder ins Feld geführt, dass eine solche Unbedenklichkeitsbescheinigung, wie sie für die Tätigkeit des angestellten Arztes besteht, nicht im Rahmen der Berufsausübung innerhalb einer Heilbehandlungsgesellschaft gelten könne. Aus diesem Grund haben die Ärztekammern lange Zeit versucht, ihren Mitgliedern die Eingehung eines Angestelltenverhältnisses mit einer juristischen Person des Privatrechts zu untersagen183. Doch auch etliche Bundesländer beschränken die ärztliche Tätigkeit im Angestelltenverhältnis und binden die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit an die Niederlassung in eigener Praxis184. Teilweise, wie etwa in Art. 18 Abs. 1 S. 2 BayHKaG185, wurden in die Kammergesetzes sogar Verbote für das Führen einer ärztlichen Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts aufgenommen. Auch wenn die Länder gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG berechtigt sind, Fragen der Berufsausübung zu regeln und ein formeller Verfassungsverstoß wegen Kompetenzüberschreitung mithin ausscheidet, unterliegen die gesetzlichen Regelungen über das Gebot der Niederlassung in eigener Praxis, ihre Entsprechungen in ärztlichen Berufsordnungen und das Verbot des Führens einer ärztlichen Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts erheblichen materiell-verfassungsrechtlichen Bedenken.

Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 44, 46 ff. Der Gesetzgeber selbst hat mit den Regelungen der §§ 95 Abs. 9 S. 1; 98 Abs. 2 Nr. 13 SGB V die stärkere Ausdehnung der Angestelltentätigkeit mit ermöglicht. 182 Hierzu Beske / Brecht / Reinkemeier, Das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik Deutschland, S. 177. Besorgniserregend ist die auch die Entwicklung der Alterstruktur der niedergelassenen Ärzte. Der Anteil der über 50-jährigen Ärzte liegt derzeit bei 50,6 Prozent. Aller Voraussicht nach kann der bevorstehende Abgang dieser Mediziner nicht durch ärztlichen Nachwuchs ausgeglichen werden, vgl. dazu: http: // www.bundesaerzte kammer.de/ 30/Aerztetag/108_DAET/24Referate/Top02Gadomski.html; Stand: November 2005. 183 Vgl. etwa § 19 Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte i. d. F. vom 20. 05. 2005; nachzulesen unter: http: //www.aekno.de/htmljava/c/Berufsordnung.pdf; Stand: Oktober 2005. 184 Vgl. etwa § 31 Abs. 2 S. 1 HeilBerG (Brandenburg) in der Fassung vom 28. 04. 2003 (GVBl. I 2003 S. 126), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 2004 (GVBl. I 2004 S. 281, 283); § 4a Abs. 4 des KaG Bln in der Fassung vom 04. 09. 1978, GVBl. S. 1937, 1980; zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. 04. 1996, GVBl. S. 144. 185 Heilberufe-Kammergesetz – HKaG in der Fassung der Bekanntmachung vom 06. 02. 2002, GVBl. 2002, S. 42, zuletzt geändert am 25. 10. 2004, GVBl 2004, S. 400. 180 181

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(a) Unverhältnismäßiger Eingriff in Berufsfreiheit Das Verbot der angestellten Berufstätigkeit außerhalb von Krankenhäusern oder konzessionierten Privatkrankenanstalten wird entsprechend seiner Eingriffsintensität in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit zum Teil als objektive Zulassungsschranke qualifiziert, weil es beispielsweise die Tätigkeit eines Arztes in gewerblichen Unternehmen schlicht ausschließt186. Aus der Perspektive der Heilbehandlungs-GmbH findet der Eingriff tatsächlich auf dieser Ebene statt. Ihr wird die heilkundliche Berufsausübung schlechthin und nicht nur eine bestimmte Form medizinisch-kurativer Tätigkeit verboten187. Entsprechend kann der Eingriff gegenüber der GmbH nach der Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts188 nur dann gerechtfertigt sein, wenn er zur Abwehr nachweisbarer und höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut – wie etwa den Erhalt der Volksgesundheit – erforderlich ist. Aus Sicht des einzelnen Arztes wird sich ein solcher Eingriff allerdings regelmäßig nicht als Berufszulassungsbeschränkung darstellen, sondern vielmehr die Möglichkeiten seiner Berufsausübung beschneiden. Fraglich ist aber auch hier, ob Belange des Gemeinwohls es erfordern, den Arzt zu einer niedergelassenen Tätigkeit in eigener Praxis zu zwingen. Dem steht zunächst entgegen, dass eine Mitarbeit von Ärzten an einer Heilbehandlungsgesellschaft Missständen medizinischer Art aufgrund des ärztlichen Sachverstandes gerade entgegenwirken kann und daher im Interesse des Patientenschutzes eher gefördert als bekämpft werden müsste189. Auch das viel beschworene Risiko, eine verstärkte Teilnahme von Heilbehandlungsgesellschaften an der ambulanten medizinischen Versorgung könne die eigenverantwortliche freiberufliche Berufsausübung des Arztes unterwandern, stellt keine solche Gefahr dar. Eine Tätigkeit in wirtschaftlich abhängiger Stellung hindert die freie Berufausübung des Arztes nur dann, wenn die fachliche Unabhängigkeit im Sinne einer echten medizinischen Weisungsunabhängigkeit nicht mehr gewährleistet ist. Dieses Erfordernis besteht jedoch unabhängig von der Frage, ob der Arzt selbständig Narr / Hess / Schirmer , Ärztliches Berufsrecht, Rz. 36. Die in Art. 19 Abs. 3 GG verankerte Grundrechtsfähigkeit der juristischen Person gilt insoweit auch für Art. 12 Abs. 1 GG, da die Erwerbstätigkeit im Heilkundebereich ihrem Wesen und ihrer Art nach von ihr wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann. Dem steht auch nicht entgegen, dass einer juristischen Person gegenüber nicht das für den ärztlichen Beruf konstituierende Vertrauensverhältnis wie zwischen Arzt und Patient zustande kommen kann. Denn ein solches Vertrauensverhältnis kommt regelmäßig nur zwischen dem Behandelnden und dessen Patient zustande. Die rein formale Frage, ob dieser Behandler auch Partner des Behandlungsvertrages ist, oder ob der Kontrakt mit einer juristischen Person zustande kommt, erfährt hier kaum Bedeutung. Vgl. dazu auch Taupitz, NJW 1992, S. 2317, 2322; Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 295 f., S. 301. 188 BVerfGE 7, 377, 399 ff. 189 Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, S. 1288; ders., NJW 1992, S. 2317, 2322; OLG Celle, Urteil vom 21. 08. 1988, MedR 1988, 257, 259. 186 187

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oder unselbständig arbeitet. Auch ist nicht einzusehen, warum die Abhängigkeit von einem privaten Träger andere Auswirkungen auf die fachliche Unabhängigkeit haben sollte, als die Abhängigkeit von einem traditionellen, etwa städtischen, also öffentlich-rechtlichen Krankenhausträger. Zwar besitzt die Heilbehandlungsgesellschaft gemäß § 611 BGB als Arbeitgeberin ein arbeitsrechtliches Direktionsrecht gegenüber dem Arzt. Dieses findet aber seine Grenze an den durch die professionelle Weisungsfreiheit garantierten Freiheitsräumen ärztlicher Tätigkeit190. Wo immer ein Arzt als Angestellter arbeitet, darf ihm kein Vorgesetzter und kein leitendes Organ, das nicht selbst Arzt ist, fachliche Weisungen erteilen. Letzte Instanz kann also stets nur der hierarchisch höhere Arzt sein191, und auch nur, wenn innerhalb der Gesellschaft eine entsprechende Anzahl Ärzte arbeitet und die kaufmännische Leitung des Unternehmens sich entschließt, einem von ihnen das Weisungsrecht zu übertragen192. Ein solches Weisungsrecht innerhalb hierarchischer ärztlicher Strukturen ist jedoch auch in konventionell organisierten Krankenhäusern Gang und Gäbe. Für Krankenhausärzte gilt wie für jeden Arbeitnehmer, dass sie im Rahmen einer bestimmten Arbeitsorganisation tätig werden. Daraus folgt ein Direktionsrecht des Arbeitgebers. Allerdings gewährleistet die statuierte Freiheit des ärztlichen Berufs, dass der Arzt „bei seinen ärztlichen Entscheidungen keinen Weisungen unterliegt“193. Der Chefarzt bleibt deshalb im Rahmen seiner medizinisch-fachlichen Aufgaben völlig weisungsfrei. Er besitzt uneingeschränkte Führungs- und Handlungsverantwortung. Auch für die nachgeordneten Ober- bzw. Assistenzärzte gilt, dass die Letztverantwortung für die medizinische Versorgung der Krankenhauspatienten stets beim behandelnden Mediziner liegt. Da die Freiheit ärztlichen Tuns jederzeit gewährleistet sein muss, steht dem Krankenhausträger als Arbeitgeber der nachgeordneten Ärzte im medizinisch-fachlichen Bereich folglich kein Weisungsrecht zu; der Arzt hat insoweit die selbständige Handlungsverantwortung194. Es ist nicht ersichtlich, warum diesem Modell bei völlig gleicher Ausgestaltung innerhalb einer Heilbehandlungs-GmbH plötzlich Bedenken entgegenstehen sollten. Schließlich wird von den Gegnern einer Zulassung von HeilbehandlungsGmbHs noch angeführt, die freiberufliche Berufsausübung stünde mit dem gewerblichen Umfeld der Kapitalgesellschaften in einem nicht aufzulösenden Spannungsverhältnis195. Wenn jedoch, wie bereits ausgeführt, schon die Tätigkeit im niedergelassenen Bereich nicht mehr allein altruistischen Forderungen, sondern Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 297, 320 ff. Lippert, in: Lippert / Kern (Hrsg.), Arbeits- und Dienstrecht, Rz. 118. 192 Zu diesem hierarchischen Aufbau innerhalb der Heilbehandlungs-GmbH vgl. Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, Fn. 868. 193 BVerfGE 16, 286, 294. 194 Richardi, in: Richardi (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 204, Rz. 26. 195 Vgl. für den Anwalt, aber übertragbar: Henssler, JZ 1992, S. 697, 698, Fn. 1. 190 191

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durchaus dem Gewerbe angelehnten Rahmenbedingungen folgt196, und es mittlerweile der Norm entspricht, dass Ärzte Mit- oder Alleingesellschafter von Gesellschaften sind, die heilkundliche Leistungen anbieten, so vermag auch dieses Argument nicht zu überzeugen. Das Bundesverfassungsgericht führte bereits im Jahr 1985 aus, die Betätigung der Ärzte auf dem Gebiet des Heilwesens führe zwangsläufig zu einer Verquickung von ärztlicher und gewerblicher Tätigkeit197. Anerkannt ist auch, dass etwa der ärztliche Inhaber eines Sanatoriums oder einer Privatklinik in dieser Eigenschaft als Gewerbetreibender auftritt198. Vor diesem Hintergrund muss es aber erst recht zulässig sein, als ärztlicher Freiberufler in einem gewerblichen Unternehmen zu arbeiten. Auch die These, die Gewinnerzielungsabsicht in Unternehmen mit offensichtlich kommerzieller Ausrichtung sei um ein vielfaches höher als bei freiberuflichen Praxen, begegnet erheblichen Zweifeln. Gerade niedergelassene Ärzte sind mehr denn je wirtschaftlichen Belastungen ausgesetzt, und verstehen sich immer häufiger nicht nur als medizinischer Versorger, sondern auch als Unternehmer. Dass allein die Tatsache, dass mit ärztlichen Leistungen auch Geld verdient werden kann, zu einer kollektiven Standesvergessenheit führt, kann schon deshalb ausgeschlossen werden, als insoweit noch die spezifischen berufsrechtlichen Regelungen ihre Wirkung behalten. Eine Verminderung der Qualität der ärztlichen Versorgung ist aufgrund einer bestehenden Gewinnerzielungsabsicht regelmäßig nicht zu befürchten. Die bloße Möglichkeit einzelner Missbrauchsfälle und Verstöße gegen das Standesrecht vermag es nicht zu rechtfertigen, die Berufstätigkeit angestellter Ärzte in Heilbehandlungsgesellschaften für unzulässig zu erklären199. Darüber hinaus verstoßen die genannten Vorschriften gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil im Wesentlichen gleiche Sachverhalte ungleich behandelt werden. Auch hier ist kein sachlicher Differenzierungsgrund erkennbar, warum die Tätigkeit eines angestellten Arztes innerhalb von Krankenhäusern in der Form einer juristischen Person des Privatrechts zugelassen ist, während die gleiche Tätigkeit innerhalb einer juristischen Person des Privatrechts, die lediglich ambulante und keine stationären Leistungen anbietet, untersagt wird200.

Vgl. oben B. III. 3. BVerfGE 71, 183, 195. 198 Baumbach / Hefermehl, § 1 UWG, Rz. 679. 199 Zutreffend OLG Celle MedR 1988, 257; OLG Köln GmbHRdsch 1988, 269 (nur Leitsatz), anders noch die Vorinstanz. 200 Entsprechende Regelungen in den ärztlichen Berufsordnungen sind schon deshalb verfassungswidrig, weil sie gemäß der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts nur durch förmliches Gesetz, nicht aber durch Satzung ergehen dürfen; so auch: Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 318. 196 197

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(b) GmbH-Anstellung als Niederlassung in eigener Praxis Unabhängig von den bereits dargestellten Bedenken gegen die Koppelung ambulanter ärztlicher Tätigkeit an die Niederlassung in eigener Praxis, die in den Heilberufsgesetzen einiger Länder statuiert ist, soll im Folgenden untersucht werden, ob nicht auch der bei einer Heilbehandlungsgesellschaft angestellte Arzt diesem Gebot genügen kann. (aa) Traditionelle Definition der Niederlassung Betrachtet man die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, so scheint ein bestehendes Angestelltenverhältnis sich mit der Niederlassung in freier Praxis bereits begriffsnotwendig auszuschließen201. Abgeleitet aus den Werten und Wertungen der Berufsordnung, die den Terminus der Niederlassung freilich selbst nicht positiv definiert, versteht der BGH unter der Niederlassung eines Arztes die öffentlich erkennbare Bereitstellung zur Ausübung des ärztlichen Berufes in selbständiger Praxis: Die Niederlassung soll die Bereitschaft des Arztes verdeutlichen, sich der Allgemeinheit zur ärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stellen. Der Arzt habe seine Praxis entsprechend den notwendigen personellen, sächlichen und räumlichen Voraussetzungen einzurichten, die es einem Arzt ermöglichen, zu jeder Zeit ärztliche Tätigkeit nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst auszuüben202. Vor dem Hintergrund immer häufigerer ärztlicher Kooperationen stellt sich jedoch die Frage, ob eine solch enge Definition der Niederlassung noch aufrecht zu erhalten ist, stammt sie doch aus einer Zeit, in der die ambulante ärztliche Versorgung fast ausschließlich von Einzelpraxen bestritten wurde. Deren zahlenmäßige Abnahme zugunsten der unterschiedlichsten ärztlichen Kooperationsgemeinschaften kann nicht ohne Einfluss auf den Niederlassungsbegriff bleiben203. Dies muss umso mehr angesichts der Bemühungen gelten, im Rahmen der integrierten Versorgung ambulanten und stationären Sektor miteinander zu verzahnen204. Frag201 Auch der Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass angestellte Ärzte keine eigene Niederlassung besitzen. Nach der Begründung zu der in § 98 Abs. 2 Nr. 12 SGB V enthaltenen Altersgrenze für Kassenärzte geht hervor, dass diese zur Sicherung des Systems der GKV für erforderlich erachtete Regelung erlassen wurde, um vorzubeugen, dass „Kassenärzte, die die kassenärztliche Tätigkeit nur relativ kurz ausüben können, die Amortisation ihrer Investitionen durch unwirtschaftliche Tätigkeit zu erreichen suchen“ (vgl. BT Drucksache 11 / 2237 S. 195 zu § 106); diese Begründung wäre unsinnig, sähe der Gesetzgeber auch die angestellten Kassenärzte als niedergelassene an: Denn als Angestellte tätigen Ärzte eben gerade keine Investitionen, die sich amortisieren müssten. Die angestellten Kassenärzte hätten, um die Begründung schlüssig zu halten, also explizit von der Altersregelung ausgenommen werden müssen. 202 Vgl. BGHZ 70, 158, 161. 203 Zu den Problemen der zulassungsrechtlichen Ausnahmen im Hinblick auf MVZ nach § 95 Abs. 2 SGB V vgl. Quaas / Zuck, Medizinrecht, § 48.

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lich ist, welcher Niederlassungsbegriff den Anforderungen des modernen Gesundheitswesens gerecht wird. (bb) Erweiterung des Niederlassungsbegriffs Solange im Rahmen der ambulanten Berufsausübung fast ausschließlich Einzelpraxen anzutreffen waren, bildete der vom Bundesgerichtshof vertretene Niederlassungsbegriff zweifelsfrei eine praktikable und vertretbare Lösung. Ausgehend von der Veränderung der Praxislandschaft durch die wachsende Bedeutung ärztlicher Kooperation in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit bzw. in arbeitsrechtlichen Bindungen, fehlt es nunmehr an der Deckungsgleichheit von Niederlassung und den üblicherweise praktizierten Formen ambulanter Berufsausübung205. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn der Versuch unternommen werden soll, die Beteiligten einer Gemeinschaftspraxis unter den Niederlassungsbegriff des Bundesgerichtshofes zu subsumieren. So steht das höchste deutsche Zivilgericht auf dem Standpunkt, dass „Ärzte, die ihren Beruf ausschließlich im Angestelltenverhältnis ausüben, im Rechtssinne keine ,niedergelassenen‘ Ärzte sind“206. Damit misst der BGH dem Begriff der Selbständigkeit die ausschlaggebende Bedeutung im Hinblick auf die Niederlassung in eigener Praxis bei. Angesichts der Tatsache, dass die Selbständigkeit der Heilbehandlung im Sinne einer fachlichen Weisungsunabhängigkeit auch beim angestellten Arzt bestehen muss207, kann damit nur die Selbständigkeit im Sinne der Verantwortlichkeit für die die Art und Weise des Praxisbetriebes betreffende Angelegenheiten gemeint sein, die dem angestellten Arzt in aller Regel fehlt. Legt man jedoch diese Auffassung von Selbständigkeit zugrunde, so führt dies unter Anwendung des Niederlassungsbegriffes des BGH zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass auch die Partner einer Gemeinschaftspraxis streng genommen ihren Beruf nicht selbständig ausüben, also keine Niederlassung in eigener Praxis vorweisen können. Da die Gemeinschaftspraxis meist in der Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts geführt wird, für die die §§ 709, 714 BGB sowohl eine Gesamtgeschäftsführung als auch eine Gesamtvertretung vorsehen, kann eben nicht jeder Partner der Gemeinschaftspraxis die verwaltungstechnischen Fragen selbstständig im Sinne der BGH-Rechtsprechung entscheiden. Stattdessen ist er auf den Konsens mit den Partnern angewiesen. Siehe oben D. II. 3. Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 308, weist in diesem Zusammenhang zurecht darauf hin, dass die Formel Krankenhausarzt = Angestellter, Praktiker = Niedergelassener nicht mehr ohne weiteres praktikabel ist. 206 BGHZ 70, 158, 161. 207 Zum Direktionsrecht des ärztlichen Vorgesetzten vgl. IV. 2. a) bb) (2) (a); zu den faktischen Beschränkungen der Entscheidungs- und Therapiefreiheit im Rahmen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung vgl. C. II. 204 205

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Wenn auch der Gesellschaftsvertrag diese gesetzlichen Regelungen abbedingen und einem einzelnen Gesellschafter die alleinige Entscheidungsbefugnis übertragen kann, so wären in diesem Fall doch zumindest die übrigen Gesellschafter, deren Entscheidungsbefugnis und Beteiligungsrechte eingeschränkt wurden, nicht als selbständige und damit niedergelassene Ärzte in freier Praxis anzusehen208. Dass ein solches Ergebnis wenig interessengerecht ist, liegt auf der Hand und verdeutlicht die Notwendigkeit einer Modifikation des Niederlassungsbegriffs. Das Erfordernis der Selbständigkeit im Sinne einer alleinigen Entscheidungsfähigkeit über praxistechnische Belange ist anachronistisch geworden209 und nicht mehr geeignet, den Gegebenheiten moderner Berufsausübungszusammenschlüsse zu entsprechen. Die Selbständigkeit, die die Rechtsprechung für eine Niederlassung in freier Praxis als konstituierend erachtet, muss folglich anders als durch das ungeeignete Kriterium der Ungebundenheit bei Praxisverwaltung und -führung definiert werden. Fraglich ist, an welchen Merkmalen der Begriff festgemacht werden soll. Die Weisungsunabhängigkeit in der Heilbehandlung verbietet sich als Definitionsbestandteil schon insofern, als in diesem Fall jeder Arzt, unabhängig von seiner Einbindung in gesellschaftsrechtliche oder arbeitsrechtliche Strukturen quasi mit erfolgter Approbation bereits als niedergelassener Arzt anzusehen wäre. Angesichts dieser Schwierigkeiten bietet sich der Vergleich mit anderen Rechtsgebieten an. Ähnliche Abgrenzungsprobleme stellen sich etwa im Arbeitsrecht, wenn es um die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen geht. Hier behelfen sich Rechtssprechung und Lehre mit der Anstellung einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles, da eine Klassifizierung des Begriffes der Selbständigkeit auch dort kaum eindeutig zu treffen ist. Entsprechend wird als Arbeitnehmer meist derjenige angesehen, der weisungsunterworfen in einen fremden Betrieb eingegliedert und vom Arbeitgeber wirtschaftlich abhängig ist. Arbeitnehmer schulden die fortlaufende Ausführung ihrer Tätigkeit und üben diese gegebenenfalls auch im Namen des Arbeitgebers aus210. Zwar wird auch im Arbeitsrecht die These vertreten, Arbeitnehmer sei, wer „sich nach der Struktur des Beschäftigungsverhältnisses nicht unternehmerisch betätigen kann; sei es, dass ihm schon die organisatorischen Voraussetzungen fehlen, sei es, dass er nicht am Markt auftritt, sondern – insbesondere in Vollzeittätigkeit – nur für einen Auftraggeber arbeitet oder schließlich, weil er trotz einer bescheidenen eigenen Organisation und der rechtlichen Möglichkeit, auch für andere tätig zu werden, nach dem Vertrag und dessen Durchführung keinen unternehmerischen Spielraum hat“211. 208 Ähnliche Probleme entstehen gemäß § 6 Abs. 2 PartGG für die Partnerschaftsgesellschaft. 209 Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 311. 210 Dazu Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 5 ff., 10 ff. m. w. N. 211 Wank, Teilzeit, Befristung, Scheinselbständigkeit, S. 77.

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Zu Recht weist die herrschende Gegenmeinung aber darauf hin, dass, selbst wenn man dem Arbeitnehmer die Kategorie des Selbständigen gegenüberstellt, damit noch nicht erwiesen ist, dass eine Selbständigkeit nur bei wirtschaftlicher Unabhängigkeit vorliegt212. Maßgeblich sei daher vielmehr das Zusammenspiel aller Kriterien, die die Arbeitnehmerschaft charakteristischerweise auszeichneten. Überträgt man diese Vorgehensweise der Zusammenschau und Bewertung von Typus-Merkmalen213 auf den bei einer Heilbehandlungsgesellschaft angestellten Arzt, kommt es zwangsläufig zu einer vergleichbaren Wertung. Auch der in einer GmbH angestellte Arzt befindet weder über die Anschaffung technischer Ausstattung noch den Einsatz von Personal. Ausschlaggebend für die Frage, ob eine Niederlassung in eigener bzw. einer Praxis vorliegt, wäre damit also vor allem der Umstand, dass der für eine Heilkunde-GmbH arbeitende Arzt über seine medizinische Tätigkeit hinaus die Gebiete seines medizinischen Auftrags auch innerhalb seiner fachlichen Möglichkeiten nicht beliebig erweitern oder verringern kann, wie dies zumindest der privatärztlich agierende, klassische Niedergelassene (außerhalb von Notfallsituationen) tun kann214. Doch auch wenn diese Ausführungen den Rückschluss nahe legen, dass zumindest der Arzt innerhalb der Heilbehandlungsgesellschaft nicht als Arzt in freier Praxis angesehen werden kann, so ergeben sich doch noch weitere Probleme aus der Tatsache, dass aus Angst vor standesrechtlichen Reglementierungen nur die wenigsten Ärzte tatsächlich einen Anstellungsvertrag unterschreiben, sondern den Kontrakt als Kooperationsvertrag ausgestalten werden, in dem sich etwa die Heilbehandlungsgesellschaft dazu bereit erklärt, die entsprechenden Räumlichkeiten gegen Zahlung eines Entgelts zur Verfügung zu stellen215, wodurch etliche Abgrenzungsprobleme weiter bestehen bleiben. Zudem hat das Bundessozialgericht für den Kassenarzt auf das Erfordernis eines finanziellen Verlustrisikos verzichtet216 und sich statt dessen auf den Standpunkt gestellt, dass die Tragung des wirtschaftlichen Risikos, nachdem es maßgeblich von der eigenen Arbeitskraft abhängt, in welchem Umfang die freiberufliche Tätigkeit dem Arzt Einkünfte beschert217, bereits für eine Selbständigkeit genüge. Diese Argumentation zugrunde gelegt, muss aber erst recht ein Arzt als selbständig gelten, der sich an der Errichtung oder dem Ausbau der Praxisräumlichkeiten beteiligt, die eigenen Tätigkeitsbereiche selbst absteckt und sein Arbeitspensum nach freien Stücken gestaltet218. Richardi, in: Richardi (Hrsg.), Münchener Handbuch des Arbeitsrechts, § 24, Rz. 44. Zum Begriff des Typus vgl. oben A. II. 2. a) dd). 214 Zur Problematik von Leistungsausweitungen und -beschränkungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung vgl. oben C. II. 1. c). 215 Werner, Gemeinschaftliche ärztliche Berufsausübung, S. 313. 216 BSG, Urteil vom 16. 03. 1973, BSGE 35, 247, 252. 217 BSGE 35, 247, 252. 212 213

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Diese Thematik erweist sich auch als Lackmustest219 für die durch das GMG eingeführten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die nach der Legaldefinition in § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V „fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen“ sind, „in denen Ärzte, die in das Arztregister . . . eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind“ und sich bei ihrem Auftreten am Markt „aller zulässigen Organisationsformen bedienen“ können. Diese Neuerung ist insofern von höchster Relevanz, als § 95 Abs. 1 S. 2, 3 SGB V für ein MVZ andere als die bislang für niedergelassene Ärzte geltenden Zulassungskriterien normiert. Zwar benötigt ein MVZ ebenso wie jeder andere Arzt auch eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Ärztliches Berufsrecht soll bei der Zulassung der MVZ allerdings keine Rolle spielen; der einzig mögliche Ablehnungsgrund soll sein, dass der Planungsbereich für die beteiligten Arztgruppen wegen Überversorgung220 gesperrt ist. Auch wenn an dieser Stelle die erheblichen kompetenzrechtlichen und materiellen Probleme der angesprochenen Neuregelung nicht umfassend beleuchtet werden können221, ist doch unübersehbar, dass zumindest die Praxis der Rechtsberatung, trotz der gesetzlich vorgesehenen Erleichterungen, die Zulassung vielfach schon dann in Frage stellt, wenn das geplante MVZ in der Rechtsform einer juristischen Person, insbesondere einer GmbH, tätig werden soll. Gerade für Großinvestoren, wie finanzstarke private Klinikbetreiber und Krankenhausgesellschaften, die auf die Angestellten-Variante des MVZ abzielen, ist diese Rechtsform naturgemäß das favorisierte Modell. Mit den oben ausgeführten Argumenten ließen sich die Bedenken gegen eine Ärzte-GmbH zerstreuen – und zwar 218 Mittlerweile scheint es, als zeichne sich zumindest eine Tendenz zu dieser Sichtweise auch im ärztlichen Berufsrecht ab) Durch die Änderung des Begriffes „in eigener Praxis“ in den Begriff „in einer Praxis“ wird in § 17 Abs. 1 MBO-Ä in der Fassung der Beschlüsse des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen klargestellt, dass es nicht auf die Eigentumsverhältnisse der Praxis ankommt. Wie bisher muss die Praxis verantwortlich von Ärzten geleitet werden, was allerdings nur dann der Fall sein soll, wenn diese über die sachliche Ausstattung verfügen und Personalentscheidungen treffen können, die medizinische Verantwortung tragen und der Behandlungsvertrag mit ihnen selbst geschlossen wird, vgl. dazu: http: // www.bundesaerztekammer.de/30/Berufsordnung/11Kooperation.html; Stand: November 2005. 219 Butzer, NZS 2005, S. 344, 350. 220 Weiterführend zu diesem Problemkreis Lang, Die Vergütung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten, S. 116 ff. m. w. N.; zur Handhabung von Budgets in der Praxis vgl. Jörg, Das neue Kassenarztrecht, S. 146 ff., 163 ff.; vgl. bereits oben C. I. 4. a) bb) (3) (e) (cc) (δ). 221 Mit der Neuregelung des § 95 Abs. 1 S. 2, 3 SGB V hat der Bundesgesetzgeber den Vertragsärzten einen neuen Konkurrenten beschert, der gleichberechtigt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen kann. Gegründet werden können solche Einrichtungen nach § 95 Abs. 1 S. 3 SGB V von allen Leistungserbringern, die auf Grund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung der Versicherten teilnehmen. Um den MVZ im Wettbewerb mit den in einer Einzelpraxis oder in Gemeinschaftspraxen tätigen Ärzten gute Startchancen zu eröffnen, bestimmt § 95 SGB V in seinen Sätzen 2 und 3, dass ein MVZ von wesentlichen berufsrechtlichen Reglementierungen, die die niedergelassenen Ärzte (bislang) hinzunehmen haben, befreit sein soll. Zu den hieraus resultierenden schwerwiegenden kompetenzrechtlichen und inhaltlichen Problemen vgl. Butzer, NZS 2005, S. 344 ff.

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unabhängig von der Frage, ob § 95 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB V in Ermangelung einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht bereits formell verfassungswidrig sind222. Diese Rechtsauffassung wird auch durch die Tatsache gestützt, dass zumindest das Berufsrecht bereits auf die Neuerungen reagiert hat: Der Deutsche Ärztetag hat mit Wirkung zum 21. Mai 2005 Änderungen der MBO-Ä223 beschlossen, die es, wie bei anderen Freiberuflern auch, ermöglichen sollen, juristische Personen des Privatrechts, so genannte Ärztegesellschaften zu gründen. Dies ist nicht zuletzt aufgrund der durch das GMG eröffneten Möglichkeit geschehen, ein MVZ in jeder zulässigen Rechtsform betreiben zu können. Nach der Zielsetzung des Deutschen Ärztetages soll es der Ärzteschaft ermöglicht werden, solche Gesellschaften zu gründen, wenn diese verantwortlich von einem Standesmitglied geführt werden, die Geschäftsführer mehrheitlich Ärztinnen und Ärzte sind, die Mehrheit der Geschäftsanteile bzw. der Stimmrechte den Ärztinnen und Ärzten zusteht, Dritte nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sind und eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung für jeden in der Gesellschaft tätigen Arzt besteht. Die Ärzte-Gesellschaft tritt damit neben die in einigen Landesgesetzen und von einigen Landesärztekammern für zulässig erklärten Heilkunde-GmbHs. Der Umsetzung dieser berufsrechtlichen Neuerung stehen formell allerdings noch immer die angesprochenen, dem zuwider laufenden landesrechtlichen Regelungen einiger Heilberufs- und Kammergesetze entgegen. (c) Zwischenergebnis Ergibt die Gesamtbetrachtung der Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles, dass der Arzt diesen Voraussetzungen des Typusbegriffs der Selbständigkeit unterfällt, so arbeitet er niedergelassen in freier Praxis, und zwar unabhängig davon, ob er die alleinige Entscheidungsgewalt über deren Verwaltung und Führung in seiner Person vereint. Für Ärzte, die ihren Beruf im Rahmen einer Heilbehandlungs-GmbH ausüben, bedeutet das, dass zumindest in Bundesländern, die die ambulante ärztliche Tätig222 Für diese, beispielsweise von Butzer, NZS 2005, S. 344, 346 ff., gefundene kompetenzrechtliche Bewertung, wonach § 95 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB V in Ermangelung einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes formell verfassungswidrig und daher nicht geeignet sind, die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG herbeizuführen, spricht auch eine allgemeine bundesstaatliche Erwägung. Schlüge man nämlich im Gefolge der auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gestützten Gesetzgebung im Krankenversicherungs- bzw. Vertragsarztrecht auch das ärztliche Berufsrecht oder jedenfalls wichtige Teile desselben dem Bund zu, bedeutete dies einen Übergriff in ein Kerngebiet der Länderzuständigkeit. Dies liefe den jüngeren Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, die alle auf eine Aufwertung der Legislativkompetenzen der Länder hinauslaufen, diametral entgegen, vgl. nur BVerfGE 106, 62, 143 ff., BVerfG EuGRZ 2004, 216, 224 f.; BVerfG NJW 2004, 2803 ff. 223 MBO-Ä in der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997 in Eisenach; zuletzt geändert durch die Beschlüsse des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen.

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keit außerhalb der Krankenhäuser und nicht zugelassenen Privatkrankenanstalten nicht an die Niederlassung in eigener Praxis gebunden haben, dieser Art der Berufsausübung im Angestelltenverhältnis keine Bedenken entgegenstehen. Die Freiberuflichkeit erfährt hierdurch keine Einschränkungen, die nicht schon in anderen Bereichen des Gesundheitswesens stattgefunden hätten, zumal gewährleistet sein muss, dass die Heilkunde innerhalb der Heilbehandlungs-GmbH von voll approbierten Ärzten ausgeübt wird, die entsprechend den Aussagen der MBO-Ä fachlich und sachlich nicht weisungsgebunden sind. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein hierarchisch höher stehender Arzt im grundsätzlich weisungsfreien Bereich die Koordination und Ausführung bestimmter ärztlicher Leistungen übernehmen oder anordnen kann. Innerhalb derjenigen Bundesländer, die die Niederlassung in eigener Praxis zur Voraussetzung machen, ist eine Ausweitung des dieser Forderung zugrunde liegenden Selbständigkeitsbegriffes erforderlich, wenn man, entgegen der hier vertretenen Auffassung, von der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkungen durch die entsprechenden Kammer- und Heilberufsgesetze der Länder ausgeht. Wie bereits ausgeführt, lassen sich diese Verbote allerdings nicht stichhaltig begründen. Weder droht eine über das aktuelle Maß hinausreichende, bedenkliche Kommerzialisierung des Gutes Gesundheit224, noch kann die Kritik an der haftungsrechtlichen Besserstellung der Ärzte-GmbH im Vergleich zu einer GbR durchdringen. Letztere zieht in der Praxis keine Verschlechterung für den Patienten nach sich, sondern wirkt sich vornehmlich auf die Beziehungen der Ärzte zu deren Lieferanten, dem Personal oder sonstigen Dritten aus. Aus diesem Grund fehlt es bereits am Gemeinwohlzweck, der notwendig wäre, um die mit dem GmbH-Verbot verbundenen Grundrechtseingriff zu rechtfertigen225. Wer entgegen der hier vertretenen Ansicht von der Verfassungsmäßigkeit der landesgesetzlichen Regelungen ausgeht, die explizit oder durch die Koppelung der ärztlichen Tätigkeit an die Niederlassung in eigener Praxis die Führung einer ärztlichen Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person verbieten, muss erneut den erweiterten Niederlassungsbegriff bemühen. Jede andere Argumentation liefe dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwider, der in der Gesetzesbegründung des GMG226 erkennen lässt, dass die Rechtsform der GmbH im Gesundheitswesen umfassend ermöglicht werden sollte. b) Praktische Relevanz Problematisch erweist sich im Zusammenhang mit der Gründung von Heilbehandlungs-GmbHs freilich § 4 Abs. 2 der Musterbedingungen der Privaten Kran224 225 226

361.

Vgl. zu dieser Thematik bereits oben C. I. 4. b) bb) (4); C. II. 2. Vgl. bereits oben D. IV. 2.a) aa) (2) (b) (aa). BT-Drucksache 15 / 1525, S. 107 f.; hierzu auch Fiedler / Weber, NZS 2004, S. 358,

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kenversicherung (MB / KK). Danach besteht für die Versicherten ein Recht auf freie Arztwahl zwischen sämtlichen niedergelassenen, approbierten Ärzten. Allerdings unterfallen die bei einer GmbH angestellten Ärzte diesem Kriterium nicht ohne weiteres, da sie, wie gesehen, nicht stets als niedergelassene angesehen werden und zweitens aus einem reinen Angestelltenverhältnis heraus praktizieren227. Da mehrere oberlandesgerichtliche Urteile § 4 Abs. 2 MB / KK bestätigt haben228 und die Versicherungsbranche aktuell wohl nicht an eine Änderung denkt, obwohl das BMGS sie vor dem Hintergrund der Errichtung der MVZ zur Überprüfung ihrer Erstattungsbedingungen aufgefordert hat229, ist die Übernahme der Kosten einer ambulanten Behandlung durch Institute in der Organisationsform einer GmbH derzeit weit gehend ausgeschlossen230. Eine weitere Erschwernis für ärztliche Zusammenschlüsse in der Rechtsform einer GmbH liegt darin, dass juristische Personen bei der Erbringung ärztlicher Leistungen nicht direkt, sondern allenfalls mittelbar über § 612 BGB an die GOÄ gebunden sind. Nach § 1 Abs. 1 GOÄ greift die Verordnung nämlich nur „für die beruflichen Leistungen der Ärzte“. Wie bereits ausgeführt, schuldet aber im Falle einer Heilbehandlungs-GmbH die juristische Person die Heilbehandlung und erbringt sie auch, wenn auch durch die hinter ihr stehenden approbierten Mediziner. Streng formal können juristische Personen daher die Arztgebühren gegenüber Privatpatienten insofern frei verhandeln231. Somit dürften die HeilbehandlungsGmbHs wohl auf absehbare Zeit auf außerhalb der Schulmedizin angesiedelte Therapieansätze bzw. echte Selbstzahler beschränkt bleiben232. Ihre praktische Bedeutung ist, trotz ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit, noch eher gering anzusiedeln. Abzuwarten bleibt freilich, ob es in Zukunft nicht gerade diese Bereiche des Wachstumsmarktes Gesundheit sein werden, in der der Arzt noch als echter Freiberufler mit Gewinnerzielungsabsicht agieren kann.

Bach / Moser, Private Krankenversicherung, S. 188. Vgl. etwa OLG München VersR 1993, 428, 429f.; OLG Düsseldorf VersR 1994, 207; OLG Karlsruhe VersR 1994, 1459, 1460. 229 Butzer, NZS 2005, S. 344, 352 mit Fn. 80. 230 Im Schrifttum wird aus diesem Grund eine Hinweispflicht auf diesen Umstand gefordert, vgl. Henssler, ZIP 1994, S. 844, 847; Taupitz, NJW 1992, S. 2317, 2324. 231 In diesem Faktum liegt auch der Sinn von § 4 Abs. 2 MB / KK. Für Privatversicherer würde eine versicherungsmathematische Kalkulation der Versichertenbeiträge deutlich schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich, wenn die GmbH nicht ausdrücklich erklärte, nach GOÄ abzurechnen. 232 Taupitz, NJW 1992, S. 2317, 2325. 227 228

E. Zusammenfassung und Thesen 1. Eine allgemeinverbindliche Definition der Natur des Freien Berufes ist nicht möglich. Sein Wesen erschließt sich allein durch die Zusammenschau der verschiedenen Kernelemente der Freiberuflichkeit. Die relevanten Funktions- und Statuselemente unterliegen dabei denselben Wandlungen, die sich in Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft vollziehen. 2. Für die meisten Mediziner ist es wirtschaftlich unumgänglich, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Die qualitativen Einschränkungen der Freiberuflichkeit, die bei der Tätigkeit als Vertragsarzt besonders deutlich hervortreten, erhalten dadurch auch eine erhebliche quantitative Komponente. 3. Der Arztberuf erfüllt per definitionem alle positiven Merkmale des Gewerbeberufes. § 1Abs. 2 BÄO steht dem nicht entgegen. Die Bundesärzteordnung darf nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG lediglich das Zulassungsrecht, nicht aber Art und Weise der Berufsausübung regeln. Die in der Norm vorgenommene Differenzierung von Freiberuflichkeit und Gewerbe ist deklaratorisch. Sie ist nicht dazu geeignet, tatsächlich einen Übergang des freien Arztberufes zum Gewerbe zu markieren. 4. Die These, Ärzte seien nicht als Gewerbetreibende zu qualifizieren, weil ihre Ziele altruistisch motiviert seien und der Berufsstand naturgemäß nicht vorrangig die Erzielung finanzieller Gewinne anstrebe, ist nicht haltbar. Die ärztliche Tätigkeit ist auf Erwerb und damit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet. Dies impliziert den Willen zur Erwirtschaftung eines Gewinnes. Die Gewinnerzielungsabsicht ist eine wesentliche Motivation ärztlicher Tätigkeit. 5. Im Gegensatz zum herkömmlichen Gewerbetreibenden ist der Arzt neben seinem Standes- und Berufsrecht auch einem das Recht ergänzenden Berufsethos unterworfen. Im Hinblick auf die Realisierung tatsächlicher Gewinne führt dies zu strengen Regulierungen. Berufsethos und Sozialrecht können ihn zum unentgeltlichen Erbringen seiner Dienstleistungen zwingen. Der Wille zur Gewinnmaximierung bleibt davon jedoch unberührt. 6. Im Hinblick auf die Allokation privater Finanzmittel konkurrieren besondere medizinische Leistungen zunehmend mit herkömmlichen Luxusgütern. Ethische, sozialpolitische oder rechtliche Gründe, medizinische oder paramedizinische Dienstleistungen außerhalb der notwendigen Grundversorgung aus solchen Allokationsentscheidungen auszublenden, sind nicht ersichtlich. Diese Ökonomisierung spiegelt sich auch in der Arzt-Patienten-Beziehung wider, die sich vom Paternalismus zu einem kostenoptimierten Dienstverhältnis zwischen Leistungsanbieter und

E. Zusammenfassung und Thesen

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gleichberechtigtem Gesundheitskunden entwickelt hat. Die Einstufung der ärztlichen Tätigkeit als ein dem Gewerbe angenäherter Beruf mit stark ausgeprägten berufsethischen Rollenerwartungen, die sich zu einer sanktionierbaren Rechtspflicht verdichten können, widerspricht nicht den einschlägigen standesrechtlichen Vorschriften. 7. Die durch die Praxisgebühr gem. §§ 28 Abs. 4, 61 Satz 4 und 43b Abs. 2 SGB V eingeführte Verpflichtung der Ärzte, von ihren Patienten beim ersten Arztbesuch eine Zuzahlung von zehn Euro ohne Gegenleistung einzuziehen und zu quittieren, bedeutet eine Indienstnahme für öffentliche Zwecke und damit einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit 8. An der Erforderlichkeit der Verpflichtung zum Einzug der Praxisgebühr bestehen erhebliche Zweifel. Geeigneter und weniger belastend für die die Ärzteschaft wäre ein Verfahren, dass lediglich die Verpflichtung enthielte, die zuzahlungspflichtigen Behandlungsfälle aufzuzeichnen und an die zuständigen Krankenkassen weiterzuleiten. Die stattdessen gewählte Regelung ist aufwändiger, weniger geeignet zur Erlangung des Zwecks und beeinträchtigt die Grundrechte der Ärzte in höherem Maß als erforderlich. 9. Der Arzt dient neben der Gesundheit des Einzelnen auch der des ganzen Volkes. Im Gegensatz zum klassischen Gewerbetreibenden versieht er damit auch eine öffentliche Aufgabe. Das aus diesem Gemeinwohlbezug resultierende Postulat altruistischen Agierens schlägt sich angesichts schwindender Solvenz der Kostenträger in der Beschneidung tatsächlicher Gewinnerzielungsmöglichkeiten nieder, die durch die Ausgestaltung der vertragsärztlichen Vergütung und die Sozialgesetzgebung ausgelöst werden. 10. Aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgt, dass kein Vertragsarzt bei der Honorarverteilung gleichheitswidrig behandelt werden darf (Gebot der Verteilungsgerechtigkeit). Regelmäßig ergibt sich für den einzelnen Vertragsarzt jedoch kein subjektiver Anspruch auf angemessene Vergütung in einer bestimmten, seine Ausgaben deckenden Höhe. Das einfachgesetzliche Gebot der Angemessenheit der Vergütung nach § 72 Abs. 2 SGB V enthält lediglich eine ausfüllungsbedürftige Zielvorgabe. 11. Die Annahme, dass, soweit für Ärzte vertragliche Vergütungsvereinbarungen bestehen, diesen die Vermutung der Angemessenheit i. S. d. § 71 Abs. 2 S. 1 SGB V innewohnt, geht fehl. Da das Gesetz in § 85 Abs. 3 S. 1 SGB V jedoch Kriterien für die Angemessenheit, wie Arbeitszeit sowie Art und Umfang der ärztlichen Leistungen aufgibt, kann die Regelung gleichwohl die Bedingungen freiberuflicher Subsistenz gewährleisten. 12. Die Finanzierung der medizinischen Versorgung ihrer Mitglieder durch die gesetzliche Krankenversicherung wirkt gestaltend auf das Verhältnis des Arztes zu seinem Patienten. Die wechselseitigen Abhängigkeiten von Leistungserbringern, Patienten und Kostenträgern bewirken eine Dreiecksbeziehung mit zunehmendem

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E. Zusammenfassung und Thesen

Kostenbewusstsein auf allen Seiten. Der Vertragsarzt erhält zunehmend die Rolle einer verteilenden Instanz. Budgetierungen und Honorarverteilungsmechanismen gefährden die Freiheit der Entscheidung über die ärztliche Therapie und damit ein Kernelement der ärztlichen Freiberuflichkeit. 13. Trotz der Besonderheiten des Gutes Gesundheit zielt die ärztliche Tätigkeit auf die Erzielung eines Markteinkommens. Dessen Ausschüttung steht nicht außerhalb marktwirtschaftlicher Betrachtungen. 14. Aus dem in Art. 28 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Sozialstaatsprinzip folgt die Befugnis des Gesetzgebers, die Entlohnung der Ärzteschaft bzw. die Verteilung der Honorare zu steuern. Der dem Sozialstaatsprinzip innewohnende Gestaltungsauftrag lässt Raum für eine weite Einschätzungsprärogative. 15. Die Bildung von Honorartöpfen und die durch § 85 Abs. 4 SGB V aufgegebene leistungsproportionaler Verteilung der Gesamtvergütung auf die Vertragsärzte ist grundsätzlich verfassungsgemäß. 16. Die Gesetzliche Krankenversicherung genießt als solche wie auch in Bezug auf ihre wesentlichen Organisationsprinzipien keinen verfassungsrechtlichen Schutz. Bei ihrer Ausgestaltung ist der Gesetzgeber bis zur Grenze der Verletzung von Grundrechten der Versicherten oder der Leistungserbringer frei, solange gewährleistet ist, dass irgendein System zum Schutz gegen das Daseinsrisiko Krankheit zur Verfügung steht. 17. Die Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Vertragsärzte ist verfassungsrechtlich bedenklich. § 85 Abs. 2 SGB V verlangt ein Sonderopfer von den Vertragsärzten und kollidiert mit dem durch Art. 3 Abs. 1 GG gewährleisteten Prinzip der Lastengleichheit. Die Knappheit der Mittel allein rechtfertigt nicht die überproportionale Inanspruchnahme der Leistungserbringer zur Stabilisierung des Solidarsystems. 18. Lasten, die durch die Erledigung öffentlicher Aufgaben entstehen, dürfen grundsätzlich allein aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Dieses Prinzip, das für fremdnützige Sonderabgaben gilt, kommt auch im Bereich der Inanspruchnahme fremdnütziger Dienst- und Sachleistungen Privater zum Tragen, es sei denn, es wird ein Ausgleich für das erhobene Sonderopfer gewährt. Die Überschreitung der grundsätzlich geltenden Zumutbarkeitsgrenze für die gesetzliche Inanspruchnahme des Vertragsarztes aus Gründen des Gemeinwohls ist damit nur durch einen relevanten vermögenswerten Vorteil zu legitimieren. Um dies zu gewährleisten, ist eine Übertragung der Grundsätze des enteignungsgleichen Eingriffs auf das Grundrecht des Art. 12 GG geboten. 19. Dass die Berufsfreiheit anders als Art. 14 GG keine eigenständige Entschädigungsregelung beinhaltet, steht einer partiellen Übertragung der Grundsätze des enteignungsgleichen Eingriffes auf Art. 12 GG nicht entgegen. Der Ausgleichsanspruch lässt sich über den allgemeinen Anspruch der Lastengleichheit herleiten,

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oder über das Gleichheitserfordernis des Art. 3 Abs. 1 GG in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG hineinlesen. 20. Die Minderungen des wirtschaftlichen Risikos für bereits zugelassene Ärzte durch die herrschenden Zulassungsbeschränkungen im Vertragsarztrecht und der Umstand, mit den Kassenärztlichen Vereinigungen stets einem solventen Schuldner gegenüberzustehen, stellen (noch) eine ausreichende Kompensation der besonderen Belastungen der Vertragsärzte im Hinblick auf die Verteilung des Morbiditätsrisikos dar. 21. Die Streichung von Leistungen aus oder deren Nicht-Aufnahme in den Katalog der Gesetzlichen Krankenkassen bewirkt, dass mit dem SGB V Vertragsärzten etliche Leistungen faktisch untersagt bzw. nur auf private Rechnung möglich sind. Auch wenn ein wesentlicher Aspekt solcher Regelungen im Patientenschutz liegt, bedeuten sie erhebliche Einschnitte in die ärztliche Behandlungsfreiheit. Da die Regulierungen zum maßgeblichen Steuerungsinstrument für Angebot und Nachfrage werden, bringen die Maßnahmen im Einzelfall sogar Nachteile für den Patienten mit sich und laufen damit dem Regelungsziel der Normen zuwider. 22. Jede Form der Rationierung steht in einen diametralen Widerspruch zum ärztlich-deontologischen Selbstverständnis und beschneidet die ärztliche Berufsfreiheit in einem nicht hinzunehmenden Maß. Besonders betroffen ist das Charakteristikum der Weisungsunabhängigkeit, das mit dem Merkmal der Therapiefreiheit korrespondiert. Eine institutionell festgelegte Rationierung ist – anders als etwa in Großbritannien oder Italien – in der vertragsärztlichen Versorgung Deutschlands noch nicht etabliert. Tendenzen in diese Richtung lassen sich jedoch bereits beobachten. 23. Vom Gemeinsamen Bundesausschuss verabschiedete Richtlinien sind weder förmliches Gesetze oder Rechtsverordnungen, noch Satzungen oder Normsetzungsverträge. Sie kommen nicht im Wege der autonomen Rechtssetzung zustande und stellen somit – entgegen der Auffassung des BSG – auch keine Außenrechtsnormen dar. Allerdings kann ihnen auch ohne die Anerkennung als Außenrechtsnormen zumindest eine relative rechtliche Außenwirkung zukommen 24. Richtlinien, Leitlinien und sozialrechtliche Einschränkungen setzen die Therapiefreiheit zugunsten einer Nutzen-Risiko-Optimierung unter Druck. Das Instrument der Qualitätssicherung dient vielfach als Vehikel zur Verwaltung verminderter Ressourcen, das ärztliche Therapien im Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit überwachen soll. Diese Art der Drittkontrolle geht zu Lasten elementare Merkmale der Freien Berufsausübung. 25. Die Verweigerung von nicht mehr Kosten deckenden Maßnahmen aufgrund des Punktwertverfalls bzw. die Privatliquidation innerhalb der Vertragsarztpraxis ist zulässig. Da nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung der Vertragsarzt keinen eigenständigen Beruf ausübt, muss auch für ihn – mit Ausnahme der Notfallbehandlung – der Grundsatz der Unabhängigkeit der Berufsausübung und der

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freien Berufsgestaltung gelten. Ein gesetzliches Verbot, das es dem Vertragsarzt untersagt, bestimmte ärztliche Leistungen, die auch GKV-Leistungen sind, nur privat anzubieten und abzurechnen, ist nicht ersichtlich. 26. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die die Privatliquidation unrentabler Leistungen in der Vertragsarztpraxis für unzulässig erklärt, räumt der Beitragsstabilität Vorrang vor dem Anspruch auf angemessene kassenärztliche Vergütung ein. Die damit für die Vertragsärzte verbundenen Restriktionen sind mit dem Berufsbild des freiberuflich arbeitenden Arztes nicht in Einklang zu bringen. 27. Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist alleinige Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung, nicht des einzelnen Vertragsarztes. Soll die ärztliche Freiberuflichkeit gewährleistet bleiben, muss entgegen der sozialgerichtlichen Rechtsprechung die Entscheidung über das Leistungsspektrum einer Praxis in der Hand des einzelnen Arztes bleiben. Solange die Kassenärztlichen Vereinigungen in der Lage sind, den Sicherstellungsauftrag zu erfüllen, darf jeder Arzt sein Angebot entsprechend der wirtschaftlichen Gesamtausrichtung seiner Praxis ausweiten oder verengen. Aus der Tatsache, dass unter anderen ökonomischen Rahmenbedingungen bestimmte Dienste bereits erbracht wurden, folgt keine Pflicht zur Beibehaltung dieser Praxis durch den einzelnen Vertragsarzt. 28. Der Markt für medizinische Dienstleistungen hat in weiten Teilen einen Zustand erreicht, der Marketing und Werbung notwendig macht. Obschon die Besonderheiten des Gesundheitswesens spezielle Schutzmechanismen erfordern, profitieren alle Beteiligten, wenn Kosten, Nutzen und Motive einer Behandlungsmethode offen kommuniziert werden. Dies gilt insbesondere an der Schnittstelle zwischen rein medizinischen und solchen Angeboten, die der Patient für sein persönliches Wohlbefinden zusätzlich nachfragt. Da sich die Tätigkeitsfelder von paramedizinischen Anbietern und Ärzten teils sogar fachlich überschneiden, müssen Ärzte zumindest in diesem Segment dieselben Vermarktungsrechte erhalten wie ihre gewerbliche Konkurrenz. Berufsethos und Standesrecht verbieten es dem Arzt jedoch, Methoden anzuwenden, die den Patienten einem Risiko aussetzen, ohne in sinnvoller Relation zum Nutzen für dessen persönliches Wohl zu stehen. 29. Die Pflicht des Arztes zur persönlichen Leistungserbringung steht Zusammenschlüssen mit Kollegen nicht entgegen. Eine Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit, bei der durch die Verwendung von Hilfskräften die Arbeitskraft beliebig vervielfältigt werden kann, lässt sich nicht über ein Verbot ärztlicher Kooperationen treffen. 30. Beschränkungen und Verbote bestimmter Kooperationsformen durch das Standes- und Berufsrecht führen insbesondere im Bereich vertragsärztlicher Tätigkeit zu teilweise empfindlichen Einbu§en der eigenständigen und unabhängigen Berufsausübung. Das Verbot der kooperativen Berufsausübung in der Rechtsform der GmbH hält der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand.

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31. Das Nebeneinander von Kollektiv- und Direktverträgen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern weicht in zunehmendem Ma§e Vertragsstrukturen mit stärkerer Wettbewerbsorientierung. Die Zunahme von Selektivkontrakten verdrängt die Wahrnehmung der (ökonomischen) Belange der Vertragsärzte aus dem Aufgabenbereich der Kassenärztlichen Vereinigungen. Sie birgt die Gefahr einer unausgewogenen Verhandlungsmacht der Vertragspartner. Die daraus resultierende Verschärfung des ökonomischen Diktats der Kostenträger geht zulasten der Freiberuflichkeit. 32. Gestaltungsformen der integrierten Versorgung ermöglichen es dem Arzt, auf qualitativ hohem Niveau mit Kollegen unterschiedlicher Sektoren zusammenwirken. Vertragliche Verflechtungen zwischen Ärzten und Kassen bergen jedoch auch in diesem Bereich die Gefahr, dass ökonomische Zwänge langfristig die Leistungserbringung überlagern und die freie Berufsausübung der Ä;rzte beeinträchtigen. Diese Tendenz wird durch die Neuerungen des GMG verstärkt. 33. Der Gesetzgeber hat es bislang nicht verstanden, die Medizin und die ihm Gesundheitswesen tätigen Leistungserbringer als positiven Wirtschaftsfaktor zu betrachten. Unter Verkennung der vielfältigen Innovationsmöglichkeiten, deren Ausschöpfung in einem fortschreitenden europäischen Wettbewerb zwingend ist, wird das Gesundheitswesen auf ein dirigistisches System reduziert. Seine Genesung ist jedoch nur auf dem entgegengesetzten Weg zu erreichen, durch die Reduktion staatlicher Interventionen auf das sozialstaatlich gebotene Mindestmaß und mehr Freiheiten für Leistungserbringer und -empfänger.

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Sachwortverzeichnis Abgabe s. Sonderabgabe Allgemeines Persönlichkeitsrecht 21; 118 Altersgrenze 96 Altruismusthese 42; 58; 146 Ambulante Versorgung 87; 93; 119; 132; 143; 152; 171; 183; 194 ff.; 215; 221; 223 ff. Amsterdamer Vertrag 73 f. Amt, öffentliches 26; 30; 46 f.; 92; 189 Angemessenheit der Vergütung 95; 97 ff.; 166; 239 Apothekenurteil 38; 82 Apparatemedizin s. Gerätemedizin Approbation 26 ff.; 81; 143; 224 f.; 232 Arbeitgeber 32; 46; 49; 110; 147; 204; 228; 232 Arbeitnehmer 45 f.; 49; 210; 228; 232 f. Artes liberales 30; 37 Arzneimittel 119; 170; 180 Arznei- und Heilmittelbudget 64 Arzt – angestellter 37 f.; 40; 43 f.; 56; 116; 185 f.; 189; 203; 208 f.; 222; 226 ff. – verbeamteter 37; 44; 46 Ärzteversorgung s. berufständischesVersorgungswerk Aufklärung, Aufklärungspflicht 146; 174 f.; 177 Aufsichtsbehörde 26; 63; 82; 84; 121; 140 Autonomie – berufsständische 43; 141 f.; 218 – des Patienten 23; 51; 154 Beamter 43; 46; 90 Bedarfsplanung 114; 129; 218 f. Behandlungsfehler 130; 162 Behandlungspflicht 163; 167 Behandlungsrichtlinien 194, 241 Behandlungsqualität 34; 48; 51; 68; 85; 155; 238; 243

Behandlungsvertrag 170; 191 f.; 207 f.; 225 Beitrag – zur Sozialversicherung s. Sozialversicherungsbeitrag Beitragssatz 110; 113; 170 Beitragsstabilität 77; 92; 94; 100; 103; 107 ff.; 154; 160; 167; 221; 242 Beleihung 89 Beruf, Freier – Begriff, 29 ff. – Bindung 22; 26; 47; 51 f.; 70 ff.; 189; 197; 202; 205; 213; 218; 220; 231 f. Berufsaufnahme 76 Berufsfreiheit s. Grundrecht der Berufsfreiheit Berufshaftpflicht 24; 235 Berufsordnung 23; 39; 53; 61; 78 ff.; 83; 140; 145; 149; 177; 184; 191; 215; 226; 230 Berufspflicht 81; 150 Berufsrecht 32; 34 ff.; 58; 60; 68; 70 ff.; 78 ff.; 138; 144; 148 ff.; 184; 190 ff.; 202; 208; 212; 215 ff. Berufsrechtsvorbehalt 214 Berufsständische Selbstkontrolle 70; 80 f.; 141 Berufsständisches Versorgungswerk 82 f.; 140 Berufsstand 24; 26; 28; 43 ff.; 53; 55; 70; 72; 79; 85; 92; 128; 141 f.; 148; 150; 167; 187; 211; 213; 221; 223; 238 Berufswahlfreiheit 29; 45; 82; 106; 134 Berufszulassung 25; 28; 61 f.; 81; 145; 227 Bestimmtheitsgebot 33 Betriebsarzt 186 Beurteilungsspielraum 99; 128 Bewertungsausschuss 87 Bundesärztekammer 60 ff.; 78; 83 ff.; 120; 127; 139 ff.; 173 ff.; 185; 221; 226; 236

Sachwortverzeichnis Bundesausschuss – Gemeinsamer 52; 91; 120; 123; 125; 127; 129 f.; 169; 197; 219; 241 Bundesmantelvertrag 97 Chipkarte 67; 159; 195 Compliance 193 Daseinsvorsorge 22; 38; 118; 153 Deckelung s. Honorardeckelung Dienstherr 202 Dienstleistung 30 f.; 41, 45; 49 f.; 74; 87; 90; 147; 167; 172; 175 f.; 183; 200; 204; 214; 238; 242 Dienstvertrag 23; 88; 90 Dreieck, sozialversicherungsrechtliches 85; 113; 239 Drei-Stufen-Theorie 82; 227 Dynamische Verweisung s. Verweisung EG-Vertrag 74 ff. Eigentumsgarantie 111 ff.; 240 Eigenverantwortung – des Arztes 223 – des Patienten 177 ff. Eingriff – enteignender 113 – enteignungsgleicher 112 f.; 240 Einheitlicher Bewertungsmaßstab 57; 87; 161; 164; 166; 168; 217 Einkommen 83; 86; 94; 103 f.; 117; 176; 240 Einkommensteuer 29 f. Europäisches Gemeinschaftsrecht 73 ff.; 143 ff.; 179 Facharzt 187 Facharzt-Beschluss 25; 63; 92; 215 Festbetrag 119 Festbetragsurteil 171 Fortbildung s. Weiterbildung Freiberuflichkeit 25; 27; 33 ff.; 50 f.; 62; 69; 71 f.; 80; 83 ff.; 90 ff.; 116; 123; 130 ff.; 150 ff.; 185 ff.; 195 ff.; 201; 215; 220; 224; 236; 238 ff. Gebührenordnung 164; 237 Gemeinsamer Bundesausschuss s. Bundesausschuss

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Gemeinschaftspraxis 138; 183; 185; 191; 199; 206 ff. Gemeinwesen 38; 211 Gemeinwohl 22 f.; 29; 32; 38; 42 f.; 51; 55; 77 ff.; 92; 106; 109; 112; 135; 141 ff.; 179; 211; 215; 221 f.; 227; 236; 239 f. Gesamtvertrag 94; 105 Gesellschaft – bürgerlichen Rechts 190; 204; 211 f.; 236 – mit beschränkter Haftung 212; 221 ff.; 230; 233 ff.; 242 Gesetz – über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe 30 f.; 184; 213 f.; 232 – zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, 68, 86 ff.; 121; 123, 132; 152 ff.; 160; 188; 196 f.; 201; 222 f.; 234 ff.; 243 – zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung 64 f.; 71; 88; 96; 163; 168; 196 – zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung 86; 219 – zur Strukturreform im Gesundheitswesen 88; 120; 195 Gesetzgebungskompetenz 61 ff.; 73 f.; 79; 80 ff.; 144 f.; 226; 234 f. Gesetzliche Krankenkassen 54; 56; 64 f.; 87; 89; 91; 93 ff.; 102; 113, 117; 119 ff.; 129; 133 ff.; 151; 153; 156; 158; 161; 164, 168; 170 ff.; 193 ff.; 239; 241 Gesetzliche Krankenversicherung 77; 84 ff.; 92; 94 ff.; 154; 159; 161 ff.; 209; 219; 242 Gewerbe – Abgrenzung zum freien Beruf 27 ff.; 31 ff.; 35 ff.; 59 ff.; 70 ff.; 143 f.; 205 f.; 210 ff.; 224; 238 f. – Begriff 35; 59 f.; 63; 69; 211 Gewinnerzielungsabsicht 42; 59; 179; 229; 237 f. Gewinnstreben 35; 42 f.; 57 ff.; 145; 182; 212 Gleichheitssatz 137 f.; 229; 239 Gerätemedizin 52; 115; 187; 216 Grundfreiheiten 74 f.

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Sachwortverzeichnis

Grundrecht der Berufsfreiheit 100; 106; 111; 117; 224 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit s. Übermaßverbot Haftung 90; 117; 124; 130 ff.; 158; 162 f.; 191; 205 f.; 212; 223; 236 Haftpflichtversicherung s. Berufshaftpflicht Handelsgewerbe s. 205; 210; 212; 214; 224 Hausarzt 56; 186; 188; 195 f. Heilbehandlung 39; 153; 168; 221; 225 ff. Heilberufsgesetz 81 f.; 221; 230; 236 Heilkunde 22; 26; 28; 71; 81; 185; 205; 210; 212; 215 ff.; 224 ff.; 233 ff. Heilmittelbudget 64; 116 Heilpraktikergesetz 225 Honorar 26; 64 ff.; 85 ff.; 94; 100 f.; 105; 107; 109 f.; 114; 116 f.; 132; 137; 142; 159; 164; 166 f.; 182; 198; 200 Honorardeckelung 176 Honorartopf 104; 240 Honorarverteilungsmaßstab 65; 97; 104 f.; 239 f. Honorarverteilungspunktwert 115 Idealtypus s. Typus Individuelle Gesundheitsleistungen 169 ff. Job-Sharing 209 ff.; 218 ff. Juniorpartner 209 Kammergesetz 83; 145; 226; 235 Kassenarzt 47 f.; 77; 88 ff.; 157; 162 ff.; 233 f. Kassenärztliche Vereinigung 87; 89; 93 f.; 105; 116 f.; 133; 137; 168, 196 ff. Kassenpatienten 88 ff.; 137 f.; 162 Kollektivierung 183 Kollektivvertrag 188; 195 ff.; 201; 243 Konkurrenzschutz 56; 148 f.; 177; 182 Kopfpauschale 101 f.; 115; 200 Körperliche Unversehrtheit s. Recht auf körperliche Unversehrtheit Körperschaften des öffentlichen Rechts 84; 93; 105; 138 f.; 142; 168 Kostendämpfung 22; 68; 94; 107; 121; 130; 151 f.; 156; 168; 180; 193

Kostenerstattungsprinzip 87; 170 Krankenkassen s. gesetzliche Krankenkassen Leistungserbringer 40; 47; 67; 76; 85; 88 ff.; 137 ff.; 161; 166; 170; 175 ff.; 182; 194 ff.; 223; 239 f.; 243 Leistungskatalog, gesetzlicher 87; 146; 151; 159; 163 f.; 170; 178 Leistungsrationierung s. Rationierung Leitlinien 111; 121 ff.; 241 Makroebene 155; 157 Marketing 143; 147 ff.; 175; 177 ff.; 242 Marktwirtschaft 103; 240 Medizinischer Dienst 119 ff. Mikroebene 155; 157 ff. Morbiditätsrisiko 101 f.; 106 ff.; 137; 194; 200; 218; 240 f. Musterbedingungen der privaten Krankenversicherung 236 Naturalleistungsprinzip 164 ff. Niederlassung – Begriff 221 f.; 226; 230 ff. Niederlassungsfreiheit 189, 221 ff. Niederlassungsquote 50 Offene Handelsgesellschaft 205; 210; 213; 224 Öffentliche Aufgabe 50 f.; 91; 109 f.; 212; 239 Öffentliches Interesse 39; 134; 140; 157 Öffentlich-rechtliche Körperschaften s. Körperschaften des öffentlichen Rechts Partnerschaftsgesellschaften 189; 191 f.; 209; 213 ff. Paternalismus 16; 238 Patient – mündiger 146; 177 Patientenautonomie s. Autonomie des Patienten Patientenschutz 79; 144; 177 ff.; 227; 241 Personal 44; 137; 186; 191; 202 ff.; 216; 233; 236 Personal- und Organisationshoheit 47

Sachwortverzeichnis Persönlichkeitsrecht s. Allgemeines Persönlichkeitsrecht Pflichtmitgliedschaft – im ständischen Versorgungswerk 82 ff. – in der gesetzlichen Krankenversicherung s. Pflichtversicherung Pflichtversicherung 49; 84 Planungsbereich 249; 218 f.; 234 Planwirtschaft 71 Prävention 180 f. Praxisgebühr 67; 132 ff.; 160; 180; 188; 239 Praxisgemeinschaft 202 ff.; 216 Praxiskauf 65 f. Praxiskosten 100; 164; 169; 182 Praxiswert 65 f.; 210 Privatautonomie 100; 162 Private Krankenversicherung 84; 86; 236 Privatliquidation 151; 164 f.; 169 ff.; 241 f. Privatpatient 85; 88; 90; 237 Punktwert 101 ff.; 114 ff.; 164 ff. – floatender 102; 113; 115 Punktwertdegression s. Punktwertverfall Punktwertverfall 115; 164 ff.; 241 Qualifikation – ärztliche 25; 30; 34; 50, 120; 146 ff.; 220; 224 Qualitätskontrolle 142; 174; 196 Qualitätssicherung 120 ff.; 151; 173; 177; 241 Rationalisierung 122, 132; 151; 154 ff. Rationierung 71; 96 f.; 109; 132; 154 ff.; 174; 182; 241 Recht auf körperliche Unversehrtheit 154 Richtlinien s. auch Standesrichtlinien bzw. Behandlungsrichtlinien. – des Gemeinsamen Bundesausschusses 197, 219; 241 Risikostrukturausgleich 196 Sachleistungsprinzip 86 ff.; 134; 159; 164; 240 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 73 f.; 121; 181; 194 Satzung – der Ärztekammern 63; 82; 125; 140

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– der Kassenärztlichen Vereinigungen 91; 93; 97 Satzungsautonomie 62 ff.; 82 Schadenersatz 24; 174 Selbstverwaltung – ärztliche 43; 98; 138; 139 ff.; 182 – soziale 96; 97; 105; 111; 125 Selbstverwaltungskörperschaften 139; 142; 145; 214 Sicherstellungsauftrag 162 ff.; 197; 242 Solidargemeinschaft 51; 67; 160 f.; 180 Solidarprinzip 86; 107; 110; 159 Sonderabgabe 108; 240 Sozialstaatsprinzip 85; 92; 103 ff.; 240 Sozialversicherungsbeitrag 86; 110; 113; 135; 154; 160; 170; 198 Sozialversicherungssystem 22; 51; 76; 93, 104; 157 Spezialisierung 56; 146; 183; 187 ff.; 215 Standesrichtlinien 52; 63; 66; 78; 91; 120 ff.; 159; 169; 199 Tarifautonomie 46 Therapiefreiheit 47 f.; 51; 56; 91; 116 ff.; 151; 154; 156 f.; 201; 241 Tierarzt 30; 49 Typologik 37 Typus – Begriff 36 f. – des Freien Berufes 37 ff. – Idealtypus 44 ff.; 47 Übergangsregelung 197 Übermaßverbot 106; 135 ff.; 145; 227 Überversorgung 197; 234 Unabhängigkeit 32; 37; 83 f.; 91 f.; 116; 118; 168; 227; 231 f.; 241 f. Unversehrtheit – körperliche s. Recht auf körperliche Unversehrtheit Urproduktion 35 Vergütung – privatärztlicher Leistungen 88; 165 ff.; 241 f. – vertragsärztlicher Leistungen 56; 64 f.; 85 ff.; 95; 97 ff.; 166; 239

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Sachwortverzeichnis

Verhältnismäßigkeitsprinzip s. Übermaßverbot Verordnungsfähigkeit 119 Verordnungsverhalten – in der vertragsärztlichen Versorgung 117; 120; 147 Versicherungspflichtgrenze 84; 92 Versicherungsunternehmen – private 171 Versorgungskonzeption 89 ff. Verteilungsmaßstab s. Honorarverteilungsmaßstab Vertragsautonomie s. Privatautonomie Vertragskonzeption 88 f.; 90; 162 Vertrauensverhältnis 34; 39 f.; 177; 183; 212; 216; 223 Verweisung – dynamische 125 Volksgesundheit 51; 93; 150; 227; 239

Warteliste 96 Weisungsunabhängigkeit s. Unabhängigkeit Weiterbildung 91; 121; 187 f. Weiterbildungsordnung 81; 208 Werbeverbot 58; 143 ff.; 177 Wertermittlung – von Arztpraxen 66 Wettbewerb 45; 57; 71; 143 ff.; 169 ff.; 175; 186 ff. Wettbewerbsfähigkeit 121; 215 Wirtschaftlichkeitsgebot 117; 128; 131; 154; 156 f. Zulassung s. Berufszulassung Zulassungsbeschränkung 114; 197; 227; 241 Zumutbarkeit 106; 112; 135 ff.; 145; 154 f.; 240 Zwangsmitgliedschaft s. Pflichtmitgliedschaft.