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German Pages 422 [423] Year 2020
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 166
Auflösung und Ausscheiden einzelner Gesellschafter bei Rechtsanwaltssozietäten Eine gesellschafts- und berufsrechtliche Untersuchung
Von
Marc-C. Pieronczyk
Duncker & Humblot · Berlin
MARC-C. PIERONCZYK
Auflösung und Ausscheiden einzelner Gesellschafter bei Rechtsanwaltssozietäten
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 166
Auflösung und Ausscheiden einzelner Gesellschafter bei Rechtsanwaltssozietäten Eine gesellschafts- und berufsrechtliche Untersuchung
Von
Marc-C. Pieronczyk
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.
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© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18075-2 (Print) ISBN 978-3-428-58075-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Für meine Schwester und meine Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Institut für Wirtschafts- und Steuerrecht. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Anfang Juni 2020 berücksichtigt werden. Zunächst möchte ich Prof. Dr. Holger Fleischer, LL.M., Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M., und Prof. Dr. Gerald Spindler für die Aufnahme in die vorliegende Schriftenreihe danken. Darüber hinaus gilt mein besonderer Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Michael Stöber, der mir im Zuge der Erarbeitung des Manuskripts große wissenschaftliche und berufliche Freiheiten gelassen hat, mir aber gleichzeitig jederzeit mit Rat und Unterstützung zur Seite stand. Daneben danke ich auch Prof. Dr. Jan Roth, nicht nur für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens, sondern ganz besonders auch für den ursprünglichen Impuls, mich mit der Auflösung anwaltlicher Gesellschaften zu befassen. An dieser Stelle möchte ich zudem meinem Kollegen Herrn Davud Tayaranian meine Wertschätzung ausdrücken, der mir im Zuge der Abfassung des Manuskripts und bei auftauchenden dogmatischen Zweifelsfragen immer ein gleichsam kritischer wie umsichtiger Gesprächspartner war. Mein nicht enden wollender Dank gilt zudem all denen, die so viel Zeit und Mühe in die sorgsame Durchsicht des Manuskripts investiert haben: meiner Schwester Dr. Anna-Katharina Pieronczyk, meinen Eltern Beate und Peter Pieronczyk sowie meiner Partnerin Dr. Ramona Claußen. Natürlich gilt meinen Eltern und Stiefeltern Beate Pieronczyk und Bodo Ziehres sowie Peter Pieronczyk und Diana Hartfelder auch darüber hinaus mein ganz besonderer Dank für ihren stetigen und unermüdlichen Zuspruch und ihre vielfältige Unterstützung in den letzten Jahren. Nicht zuletzt möchte ich mich daher auch bei meinen langjährigen Freunden Herrn Niklas Brinkmann und Herrn Sebastian Scholz bedanken, die immer Verständnis hatten, wenn das Studium oder die Dissertation mich vereinnahmten, und die mir nichtsdestotrotz seit unserer gemeinsamen Schulzeit ihre unerschütterliche und außergewöhnliche Freundschaft zuteilwerden lassen. Der größte Dank und ein besonderer Platz in diesem Vorwort gebührt meiner Schwester Dr. Anna-Katharina Pieronczyk, die mich nicht nur im Rahmen der
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Vorwort
Dissertation stets mit Ratschlägen unterstützte und an ihren praktischen Erfahrungen im Anwaltsberuf teilhaben ließ, sondern auch sonst in jedweder Lebenslage und auch über räumliche Distanzen hinweg zu jeder Zeit eine unermessliche Hilfe und ein unermüdlicher Beistand ist. Ihr und meinen Eltern, denen ich so viel verdanke, ist diese Arbeit gewidmet. Die abschließenden Zeilen dieses Vorworts sind Dr. Ramona Claußen gewidmet. Sie hat es stets verstanden, meinen Eifer zu zügeln, wenn die Arbeit an der Dissertation überhand zu nehmen drohte, und mich zu ermuntern, wenn die erzielten Fortschritte geringer waren als erhofft. Ohne ihre unerschöpfliche Geduld, ihre grenzenlose Unterstützung und ihre liebevolle Fürsprache wäre diese Arbeit unvollendet geblieben. Kiel, im Mai 2020
Marc-C. Pieronczyk
Inhaltsübersicht 1. Kapitel Einleitung
33
A. Das Verhältnis von Gesellschafts- und Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Das Gesellschaftsrecht als Bindeglied der Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Das anwaltliche Gesellschaftsrecht als besondere Rechtsmaterie und dessen Strukturschwächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Problemstellung, Zielsetzung und Themeneingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Relevanz und Aktualität des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wissenschaftliche Problemstellungen und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besondere Leitlinien der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Derzeitiger Stand der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Abgrenzung von Berufsausübungs- und Organisationsgesellschaften . . . . .
36 36 38 39 40 42
2. Kapitel Grundlagen und aktueller Stand der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
45
A. Das Verhältnis des Sozietätsbegriffs zur Berufsausübungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . 45 B. Die Entwicklung der Anwaltssozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Frühzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die sukzessive Öffnung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . III. Der heutige Sozietätsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 45 48 52 53
C. Gesetzliche Grundlagen der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften . . . . . . . . . 54 D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Wesentliche Aspekte der einzelnen Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Rechtstatsächliches zu Rechtsanwaltsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Kapitel Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter A. Auflösung, Liquidation und Beendigung der Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Auflösung der Rechtsanwaltssozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Vollbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76 76 76 91 93
10
Inhaltsübersicht
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus GbR und PartG . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Die Auseinandersetzung beim Ausscheiden Einzelner aus GbR und PartG . . . . 136 4. Kapitel Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
138
A. Der wirtschaftliche Wert der Rechtsanwaltssozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sachvermögen und ideeller Kanzleiwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umsatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zukunftserfolgsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Substanz- und Liquidationswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Wahl der Bewertungsmethode als Rechts- oder Tatfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit zu den unterschiedlichen Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138 138 140 140 143 143 144
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der gemeinsame Telefonanschluss in der Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . II. Die Mandatsverteilung in der Auseinandersetzung anhand von § 32 BORA . . . III. Die Verteilung der Handakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Räumlichkeiten der Sozietät in der Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . V. Berufsrechtliche Informationsrechte und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145 145 148 181 198 203
5. Kapitel Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
213
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Gesetzlicher Abfindungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 II. Vertragliche Abfindungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Grundsätze des anwaltlichen Berufsrechts und insbesondere der Grundsatz der freien Anwaltswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote und anwaltliches Berufsrecht . . . . . . . . . III. Gewinnabführungsklauseln im Lichte des anwaltlichen Berufsrechts . . . . . . . . . IV. Fazit zu den Einflüssen des Berufsrechts auf gesellschaftsvertragliche Klauseln V. Dogmatische Grundlagen möglicher Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . .
272 274 280 303 356 356
C. Die Sozietätsbezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 I. Grundsätzliches zum Namensrecht der Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 II. Der Sozietätsname bei Ausscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 6. Kapitel Fazit
373
A. Erkenntnisse der vorherigen Kapitel und Regelungsentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 I. Zur Auflösung der Gesellschaft und dem Ausscheiden von Gesellschaftern . . . 373
Inhaltsübersicht
11
II. Die (Teil-)Auseinandersetzung der Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 III. Folgen dieser Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 IV. Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 B. Das anwaltliche Gesellschaftsrecht de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 I. Die Perspektive von Literatur, BRAK und DAV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 II. Ein Ausblick auf die deutsche Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung
33
A. Das Verhältnis von Gesellschafts- und Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Das Gesellschaftsrecht als Bindeglied der Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Das anwaltliche Gesellschaftsrecht als besondere Rechtsmaterie und dessen Strukturschwächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Problemstellung, Zielsetzung und Themeneingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Relevanz und Aktualität des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Die Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts und der BRAO . . . . . . . . . . . 36 2. Die Digitalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes und Legal Tech . . . . . . . 38 II. Wissenschaftliche Problemstellungen und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Besondere Leitlinien der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Derzeitiger Stand der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Dissertationen zu nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . 40 2. Dissertationen zur Auseinandersetzung von Rechtsanwaltssozietäten . . . . . . . . 40 V. Die Abgrenzung von Berufsausübungs- und Organisationsgesellschaften . . . . . . . 42
2. Kapitel Grundlagen und aktueller Stand der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
45
A. Das Verhältnis des Sozietätsbegriffs zur Berufsausübungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . 45 B. Die Entwicklung der Anwaltssozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I. Frühzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Die sukzessive Öffnung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Der heutige Sozietätsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 C. Gesetzliche Grundlagen der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften . . . . . . . . . 54
14
Inhaltsverzeichnis
D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Wesentliche Aspekte der einzelnen Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Die GbR als Rechtsanwaltssozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Die PartG als Rechtsanwaltssozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Die Partnerschaftsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung . . . . . . . . . . 60 3. Kapitalgesellschaften als Rechtsanwaltssozietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 4. Exkurs: Die LLP als Rechtsanwaltssozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Die Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Die Einführung der LLP in den deutschen Rechtsberatungsmarkt . . . . . . . . 67 c) Die Zukunftsperspektiven der LLP in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Rechtstatsächliches zu Rechtsanwaltsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Die Partnerschaftsgesellschaft ohne und mit beschränkter Berufshaftung . . . . . 72 3. Die Limited Liability Partnership (LLP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4. Die Rechtsanwaltskapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
3. Kapitel Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
76
A. Auflösung, Liquidation und Beendigung der Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Die Auflösung der Rechtsanwaltssozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Die Auflösung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Gesetzliche Auflösungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Die Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (2) Erschwerungen des Kündigungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Erreichung oder Unmöglichwerden des Gesellschaftszwecks . . . . . . . . 80 cc) Auflösung durch den Tod eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 dd) Auflösung durch die Insolvenz der Gesellschaft oder eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Auflösungsgründe außerhalb des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Zeitablauf und auflösende Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 bb) Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in einer Hand . . . . . . . . . . . . . . . 85 cc) Aufhebungsvertrag und Gesellschafterbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Aufhebungsvertrag und Auflösungsbeschluss de lege lata . . . . . . . . 86
Inhaltsverzeichnis
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(2) Allgemeine Mehrheitsklauseln und der Auflösungsbeschluss de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Die Auflösung der Partnerschaftsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Gesellschafterbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Insolvenz der Partnerschaftsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 d) Gerichtsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 e) Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in einer Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 II. Die Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Die Vollbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus GbR und PartG . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Der Tod eines Berufsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Altersgrenzen als Ausscheidensgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Die Vereinbarung fester Altersgrenzen im Sozietätsvertrag . . . . . . . . . . . . . 95 b) Exkurs: Versorgungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3. Die Ausschließung einzelner Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Das Ausschließungsrecht des § 737 BGB in der GbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Der wichtige Grund bei Freiberuflersozietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Das Gebot aktiver Berufsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (1) Historie und Telos vom Dogma aktiver Berufsausübung . . . . . . . . . 101 (2) Unterlassene Berufsausübung als wichtiger Grund zur Ausschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (a) Keine Austrittspflicht des inaktiven Gesellschafters . . . . . . . . . . 102 (b) Ausschlussrecht der Mitgesellschafter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 cc) Der (drohende) Verlust der Anwaltszulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 dd) Umsatzbasierte Kriterien als Ausschlussgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Das Hinauskündigungsverbot bei Rechtsanwaltssozietäten . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Das Hinauskündigungsverbot in der Rechtsprechung des BGH . . . . . . . 108 bb) „Gesellschafter zur Probe“ als Ausnahme vom Hinauskündigungsverbot 110 (1) BGH Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (2) Fortsetzung in BGH Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05 . . . . . . . . . . 111 (3) Bedenken gegen das Hinauskündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (a) Allgemeine Rahmenbedingungen für die Vereinbarung einer Probezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (b) Die Abweichung vom Verbot der freien Hinauskündigung . . . . 113 (4) Die Kündigung in der Probezeit als wichtiger Grund . . . . . . . . . . . . 114 (5) Fazit zur Probezeit als Kündigungserleichterung . . . . . . . . . . . . . . . 116
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Inhaltsverzeichnis cc) Mitarbeitermodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Die Grundprinzipien der Mitarbeiterbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (2) Die divergierende Motivlage in Rechtsanwaltssozietäten . . . . . . . . . 118 (3) Die sachliche Rechtfertigung der Mitarbeiterbeteiligung in der Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (a) Sozietätsanteil als Annex zur Arbeitnehmereigenschaft? . . . . . . 119 (b) Zur treuhänderähnlichen Stellung des Mitarbeiters . . . . . . . . . . . 120 (c) Übernahme eines Unternehmerrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (d) Kein Hinauskündigungsrecht durch die Anwendbarkeit des KSchG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (e) Zwischenergebnis zur sachlichen Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . 122 (4) Rechtliche Risiken im Hinblick auf §§ 75d S. 2, 74 Abs. 2 HGB . . 123 dd) Kleinstbeteiligungen in Rechtsanwaltssozietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (1) Die Kleinstbeteiligung als sachliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . 124 (a) Definition der Kleinstbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (b) Die Fallgruppen der sachlichen Rechtfertigung in der Judikatur 124 (c) Ausgangspunkt der Interessenabwägung bei Juniorgesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (d) Irrelevanz der Damoklesschwert-Metapher bei Juniorgesellschaftern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (e) Anwendung der Ratio des § 327a AktG auf Freiberuflersozietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (aa) Erleichterung der Unternehmensführung und verminderter Formalaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (bb) Besonderheiten der Gesellschafterstruktur in der Sozietät . . 129 (2) Fazit zur Hinauskündigung von Juniorgesellschaftern . . . . . . . . . . . 130 ee) Unentgeltlicher Anteilserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 ff) Interdependenz von Hinauskündigung und Abfindung . . . . . . . . . . . . . . 131 gg) Fazit zum Hinauskündigungsverbot bei Rechtsanwaltssozietäten . . . . . 132 c) Die Ausschließung in der PartG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Unterschiede und Gemeinsamkeiten bzgl. der Ausschließung in der GbR 132 bb) Der Verlust der Berufszulassung in der PartG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 cc) Weitere wichtige Gründe für die Ausschließung, insb. Krankheit . . . . . 134 II. Die Auseinandersetzung beim Ausscheiden Einzelner aus GbR und PartG . . . . . 136
4. Kapitel Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
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A. Der wirtschaftliche Wert der Rechtsanwaltssozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Sachvermögen und ideeller Kanzleiwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
Inhaltsverzeichnis
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II. Umsatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Zukunftserfolgsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. DCF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Substanz- und Liquidationswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 V. Wahl der Bewertungsmethode als Rechts- oder Tatfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 VI. Fazit zu den unterschiedlichen Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I. Der gemeinsame Telefonanschluss in der Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Die Entscheidung des OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99 . . . . . . . 145 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Vorrang privatautonomer Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Alternativen beim Fehlen vertraglicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Die Mandatsverteilung in der Auseinandersetzung anhand von § 32 BORA . . . . . 148 1. Mechanismus, Systematik und Telos des § 32 BORA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Vorrangige vertragliche Regelungen nach § 32 Abs. 1 S. 1 BORA . . . . . . . . . . 150 a) Nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Mandantenschutzklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Niederlassungsverbotsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Die gesellschaftsvertragliche Aufteilung der Mandate . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 aa) Natur und Schicksal des Rechtsberatungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Gesetzlicher Fall der Vertragsübernahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 cc) Bedenken gegen die gesetzliche Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . 157 dd) Gewillkürte Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 ee) Modifikation der gewillkürten Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (1) Übernahme durch bisherigen Mandatsbearbeiter . . . . . . . . . . . . . . . 160 (2) Übernahme durch einen neuen Mandatsbearbeiter . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Die gemeinsame Mandantenbefragung nach § 32 Abs. 1 S. 1, 2 BORA . . . . . . 162 a) Gewillkürte Vertragsübernahme bei gemeinsamer Befragung . . . . . . . . . . . . 162 b) Die Kündigung des Mandatsvertrags nach § 627 BGB als Alternativlösung 163 c) Würdigung des Alternativvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Die Befragung durch die einzelnen Sozien nach § 32 Abs. 1 S. 3 BORA . . . . . 165 5. Entbehrlichkeit der Mandantenbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Fallgruppen der Entbehrlichkeit in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Evaluierung der verschiedenen Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Ergebnislose Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 cc) Auflösung und Weiterbetreuung durch die Liquidationsgesellschaft . . . 170 (1) Weiterbetreuung ohne Wechsel des Mandatsbearbeiters . . . . . . . . . . 170
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Inhaltsverzeichnis (2) Weiterbetreuung unter Wechsel des Mandatsbearbeiters . . . . . . . . . 170 (a) Keine Notwendigkeit einer Verzichtserklärung durch den Mandanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (b) Keine Entbehrlichkeit bei entgegenstehenden Mandanteninteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 6. Sanktionierung von Verstößen gegen § 32 BORA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Sanktionsfähigkeit de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Zivilrechtliche Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Die prozessuale Durchsetzung der Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . 174 cc) Berufsrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 dd) Zwischenergebnis zur Sanktionsfähigkeit de lege lata . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Sanktionsfähigkeit de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Systematisierung der dogmatischen Problematiken . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Erwägungen zur systematischen Einordnung der Vorschrift . . . . . . . . . . 177 (1) Systematisierung der Vorschrift selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (2) Einordnung in den Regelungskomplex von BRAO und BORA . . . . 177 cc) Gedanken zur Lösung der dogmatischen Probleme von § 32 BORA . . . 178 (1) Zivilgerichtliche Durchsetzbarkeit de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . 178 (2) Berufsrechtliche Sanktionsfähigkeit de lege ferenda . . . . . . . . . . . . 178 (a) Verschärfung bestehender Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (b) Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf Berufsausübungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 7. Fazit zur Mandatsverteilung insbesondere nach § 32 BORA . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Die Verteilung der Handakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Berufsrechtliche Vorschriften zu Handakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Rechtsgrundlagen, Definition und Funktion der Handakte . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Die berufsrechtliche Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Die zivilrechtliche Rechtslage im Hinblick auf Handakten . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Der Herausgabeanspruch aus §§ 675, 667 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Die Handakten in der Auseinandersetzung und beim Ausscheiden . . . . . . . . . . 187 a) Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Interessenkreise und praktische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Die angemessene Verteilung der Handakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Exemplarische gesellschaftsvertragliche Regelungen zur Verteilung . . . 188 (1) Verbindung von Mandantenbefragung und Handaktenverteilung . . . 188 (2) Verteilung ohne Mandantenbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (3) Konkurrenz zu den Zurückbehaltungsrechten der Sozietät . . . . . . . . 189 (4) Keine Mitnahme von Handakten bei Wettbewerbsverboten . . . . . . . 190
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bb) Die Rechtslage ohne gesellschaftsvertragliche Regelung . . . . . . . . . . . . 190 (1) Träger der Berufsrechte und -pflichten aus § 50 BRAO . . . . . . . . . . 190 (2) Übergang der Aufbewahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (3) Erlöschen der Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (a) Erlöschen der Aufbewahrungspflicht aus § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO 192 (b) Datenschutzrechtliche Anforderungen der Aufbewahrung . . . . . 193 (aa) Rechtslage nach DS-GVO und BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (bb) Löschungskonzept für Rechtsanwaltssozietäten . . . . . . . . . . 194 (cc) Sanktionen bei datenschutzrechtlichen Verstößen . . . . . . . . . 195 (c) Vernichtung der Handakten durch den Rechtsanwalt . . . . . . . . . 195 cc) Der Sonderfall des § 50 Abs. 4 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 d) Fazit zur Verteilung der Handakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 IV. Die Räumlichkeiten der Sozietät in der Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Die Immobilie im Eigentum der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Die Immobilie im Eigentum eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Die Überlassung der Immobilie quoad usum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Der Beitrag der Immobilie quoad sortem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3. Die Immobilie als Eigentum eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Fazit zu den Kanzleiräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 V. Berufsrechtliche Informationsrechte und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Das Informationsrecht des Ausscheidenden, § 32 Abs. 2 S. 2 BORA . . . . . . . . 203 2. Informationspflichten der verbleibenden Sozien, § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA . . 204 a) Der Umzugshinweis des § 32 Abs. 1 S. 4 BORA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Die Bekanntgabepflicht des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Inhalt und Zweck des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Verpflichtung zur Bekanntgabe der E-Mail-Adresse . . . . . . . . . . . . . . . . 206 c) Schranken der Rechte aus § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Zeitrahmen der Rechte aus § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Inhaltliche Schranken der Rechte aus § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA . . . . . . 207 (1) Inhaltliche Grenzen des § 32 Abs. 1 S. 4 BORA . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Inhaltliche Grenzen des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA . . . . . . . . . . . . . . . . 208 cc) Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (1) § 32 Abs. 1 S. 4 BORA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (2) § 32 Abs. 1 S. 5 BORA – Verweigerte und unvollständige Auskünfte 209 (3) § 32 Abs. 1 S. 5 BORA – Erteilte, aber unsachliche Auskünfte . . . . 210 (4) Lauterkeitsrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Fazit zu Informationsrechten und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
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Inhaltsverzeichnis 5. Kapitel Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
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A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Gesetzlicher Abfindungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Anspruchsgegner und Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Anspruchsgegner des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 b) Fälligkeitszeitpunkt des Anspruchs aus § 738 Abs. 1 S. 2 Var. 3 BGB . . . . . 215 3. Höhe des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Allgemeines zur Höhe der Anteilsbewertung bei Rechtsanwaltssozietäten
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b) Sozietätsspezifische Probleme der Abfindungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Vertragliche Abfindungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Die Handhabung von Abfindungsklauseln in Freiberuflersozietäten . . . . . . . . . 218 a) Die Bewertung von Abfindungsklauseln in der Rechtsprechung . . . . . . . . . 218 b) Wechselwirkung von Abfindung und Mandatsmitnahme . . . . . . . . . . . . . . . 220 aa) Allgemeines zur Wechselwirkung von Abfindung und Mandatsmitnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 bb) Zulässigkeit der Mandatsmitnahme durch den ausscheidenden Sozius 221 cc) Ausschluss der Mandatsmitnahme im Sozietätsvertrag . . . . . . . . . . . . . . 222 dd) Explizite Vereinbarung eines Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . 223 ee) Auswirkungen einer verbotswidrigen Mitnahme von Mandaten . . . . . . 223 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Verbreitete Typen von Abfindungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Abfindungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 aa) Die Zulässigkeit von Abfindungsausschlüssen bei Freiberuflersozietäten 225 bb) Besonderheiten bei vorheriger Ausschließung aus wichtigem Grund . . . 226 b) Beschränkung der Abfindung der Höhe nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Auszahlungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 3. Schranken für Abfindungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Die Differenzierung zwischen Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle . . . . 229 b) Die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 aa) Sittenwidrige Knebelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (1) Abfindungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (2) Buchwertklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 bb) Gläubigergefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Das Umgehungsverbot des § 723 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
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d) Das Problem des nachträglich eintretenden groben Missverhältnisses von Abfindung und realem Anteilswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 aa) Bewertungskriterien, insb. Anlass des Ausscheidens . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 cc) Kritik an der ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 dd) Ausübungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 ee) Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 ff) Die Privatautonomie der Gesellschafter als Lösungsansatz . . . . . . . . . . 244 (1) Rückbesinnung auf die Rechtssicherheit im Gesellschaftsrecht . . . . 244 (2) Privatautonomie im Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 245 gg) Resümee zum nachträglich eintretenden Missverhältnis von Abfindung und realem Anteilswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Naked in, naked out in Rechtsanwaltssozietäten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Die Rechtsfigur des Gesellschafters minderen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Die Unanwendbarkeit des Gesellschafters minderen Rechts . . . . . . . . . . . . . 249 c) Restriktion des Abfindungsanspruchs bei Sozien ohne Kapitalanteil? . . . . . 250 d) Modifikation des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 aa) Beurteilungskriterien für Abfindungsbeschränkungen bei Neusozien . . 252 bb) Die besonderen Interessen von Sozietät und Neusozius . . . . . . . . . . . . . 252 (1) Das Bestandsinteresse der Sozietät und der Altsozien . . . . . . . . . . . 252 (2) Das Kompensationsinteresse des Neusozius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (3) Bestandsaufnahme der gegenläufigen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Der Ausgleich zwischen Bestands- und Kompensationsinteresse . . . . . . 256 (1) Der Sozius ohne Kapitalanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (2) Optionaler Aufbau eines Kapitalanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 (3) Verpflichtung zur Bildung eines Kapitalanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 e) Abfindungsbeschränkungen bei Sozien ohne Kapitalanteil im geltenden Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 f) Überlegungen de lege ferenda – Der „Arbeitsgesellschafter“ nach österreichischem Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 aa) Die Ausgangslage in Österreich und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Vermögensbeteiligung des Arbeitsgesellschafters, §§ 1182 Abs. 3, 1195 Abs. 4 ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 cc) Mitwirkungsrechte des Arbeitsgesellschafters, § 1192 Abs. 2 ABGB 262 dd) Der Neusozius als „Arbeitsgesellschafter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 ee) Der „Arbeitsgesellschafter“ im deutschen Personengesellschaftsrecht? 266 (1) Implementierung in §§ 709 Abs. 2, 722 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . 266 (2) Der § 709 Abs. 3 BGB-E im MoPeG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 5. Die Nichtigkeit vertraglicher Abfindungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Die Anwendbarkeit von § 139 BGB auf Gesellschaftsverträge . . . . . . . . . . . 268
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Inhaltsverzeichnis b) Dispositives Recht oder Vertragsergänzung an Stelle der nichtigen Klausel? 270 aa) Nichtigkeit nach § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 bb) Die Unwirksamkeit nach § 723 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 I. Die Grundsätze des anwaltlichen Berufsrechts und insbesondere der Grundsatz der freien Anwaltswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Der Grundsatz der Unabhängigkeit und die freie Advokatur . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Der Grundsatz der freien Anwaltswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Dogmatische Ansätze des Grundsatzes der freien Anwaltswahl . . . . . . . . . . 276 b) Stellungnahme zur dogmatischen Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 II. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote und anwaltliches Berufsrecht . . . . . . . . . . 280 1. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Begriffsbestimmung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . 281 b) Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 aa) Nichtigkeit aufgrund eines gesetzlichen Verbots, § 134 BGB . . . . . . . . 282 (1) Die BORA als Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (2) § 3 Abs. 3 BRAO als Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB . . . . . . . . . . . 283 bb) Nichtigkeit aufgrund von Sittenwidrigkeit, § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . 284 (1) Die Sittenwidrigkeit aufgrund des Eingriffs in die freie Advokatur 284 (2) Die Sittenwidrigkeit aufgrund des Eingriffs in die freie Anwaltswahl 285 cc) Stellungnahme zu den einzelnen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (1) Der Ansatz des BGH aus § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (a) Der Schutz der freien Advokatur über § 138 Abs. 1 BGB . . . . . 285 (b) Keine Sittenwidrigkeit bei gleichsam aleatorischen Klauseln? 286 (c) Geltungserhaltende Reduktion sittenwidriger Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (2) § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (a) § 3 Abs. 3 BRAO als Verbotsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (aa) Argumente gegen die Verbotsgesetzqualität . . . . . . . . . . . . . 290 (bb) Die Verbotsgesetzqualität des § 3 Abs. 3 BRAO . . . . . . . . . . 290 (b) Folgen eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 BRAO . . . . . . . . . . . . . 293 (c) Dogmatische Überlegungen zur Einschränkung . . . . . . . . . . . . . 294 (3) § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Grundsatz der freien Anwaltswahl 296 c) Fazit zu den Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . 297 2. Einzelfälle nachvertraglicher Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 a) Niederlassungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 aa) Die Einschränkung der freien Advokatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 bb) Die Beschränkung der freien Anwaltswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
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b) Beschränkte Mandantenschutzklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 c) Unbeschränkte Mandantenschutzklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 aa) Die Kontrolle anhand von § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . 300 bb) Die Perspektive der Mandantschaft, § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO 301 3. Zwischenergebnis betreffend die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote . . . . . 302 III. Gewinnabführungsklauseln im Lichte des anwaltlichen Berufsrechts . . . . . . . . . . 303 1. Motivlage und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 2. Natur und Arten von Gewinnabführungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 3. Inhaltliches zu Gewinnabführungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 a) Die Höhe der Abführungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 b) Die Abführungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 c) Überblick zur Gesamtschau von Abführungshöhe und -dauer . . . . . . . . . . . 309 d) Schlussfolgerungen zu Abführungshöhe und -dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 aa) Gewinnabführungspflichtige Mandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 (1) Die Unterscheidung nach selbst und fremd akquirierten Mandaten 310 (2) Bedenken gegen diese Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (a) Faktische Unmöglichkeit der Mandatsakquise . . . . . . . . . . . . . . 311 (b) Der „Good will“ als Teil des Gesamthandsvermögens . . . . . . . . 312 (3) Differenzierung nach der Motivlage der Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . 314 bb) Berechnungsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 (1) Mögliche Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 (2) Evaluierung der jeweiligen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 cc) Maximalbetrag der Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (1) Interessenlage von Sozietät, Sozius und Mandant . . . . . . . . . . . . . . . 320 (2) Versuch der Bestimmung eines angemessenen Abführungsbetrags 321 (a) Die Angemessenheit von Abführungsquote und -dauer . . . . . . . 321 (b) Alternativen für ausgeschiedene Sozien in der Selbständigkeit
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e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 4. Rechtliche Grenzen von Gewinnabführungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . 324 a) Verdeckte Mandantenschutzklauseln im Lichte des § 138 BGB . . . . . . . . . . 324 aa) Allgemeine Grenzen gegenüber dem ausgeschiedenen Sozius . . . . . . . . 324 bb) Gewinnabführungsvereinbarungen gegenüber Arbeitnehmern . . . . . . . . 326 b) Verdeckte Mandantenschutzklauseln und § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 c) Die anwaltliche Schweigepflicht nach § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO . . . . . . . . . . 327 aa) Der Konflikt zwischen Verschwiegenheitspflicht und Gewinnabführung 327 bb) Rechtliche Absicherung der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . 329 (1) Berufs- und strafrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 (2) Zivilrechtliche Rechtsfolgen von Verstößen, insb. § 134 BGB . . . . . 330 cc) Auflösung des Spannungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (1) Auslegung der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
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Inhaltsverzeichnis (2) Schlüssiges Einverständnis des Mandanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (a) Konkludentes Einverständnis in der Auseinandersetzung . . . . . . 333 (b) Die Entbindung des Rechtsanwalts von der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (c) Auslegung der Mandantenerklärung in der Auseinandersetzung 334 (d) Das Sachgerechtigkeitsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (3) Ausnahmen von der Verschwiegenheit durch § 49b Abs. 4 S. 1 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (a) Der Rechtsgedanke des § 49b Abs. 4 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (b) Analogiefähigkeit von § 49b Abs. 4 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (aa) Planwidrigkeit der Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (bb) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (4) Gesetzliche Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . 339 (a) Die Vermögensauskunft nach § 807 Abs. 1 S. 1 ZPO . . . . . . . . . 339 (b) § 2 Abs. 2 BORA – „Gesetz und Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (c) § 2 Abs. 3 lit. b) BORA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (aa) Die Wahrnehmung berechtigter Interessen als Ausweg? . . . 340 (bb) Berechtigte Interessen i.S.d. § 2 Abs. 3 lit. b) BORA . . . . . . 341 (cc) Vorprozessuale Verteidigung in eigener Sache . . . . . . . . . . . 343 (dd) Die eidesstattliche Versicherung als Sicherungsinstrument
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(ee) Der entscheidende Zeitpunkt für die Verteidigung in eigener Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 (ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 (d) § 43a Abs. 2 S. 3 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 (aa) Offenkundigkeit nach § 43a Abs. 2 S. 3 Var. 1 BRAO . . . . . 350 (bb) Offenkundigkeit bei öffentlichen Gerichtsverhandlungen . . . 351 (cc) Weitere Fallgruppen der Offenkundigkeit anwaltlicher Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 d) Fazit zu den rechtlichen Grenzen von Gewinnabführungsvereinbarungen 353 5. Formulierungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 IV. Fazit zu den Einflüssen des Berufsrechts auf gesellschaftsvertragliche Klauseln 356 V. Dogmatische Grundlagen möglicher Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1. Alternativen zu Gewinnabführungsklauseln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 2. Ansprüche der Gesellschaft gegen den Ausgeschiedenen . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 a) Ansprüche der Gesellschaft aus der Gesellschaftertreuepflicht? . . . . . . . . . . 357 b) Nachschusspflicht gegenüber der Gesamthand aus §§ 735, 739 BGB . . . . . 359 c) Allgemeine zivilrechtliche Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 aa) Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 bb) Angemaßte Eigengeschäftsführung aus §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
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cc) Bereicherungsrechtliche Ansprüche gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 3. Fazit zu den alternativen Ausgleichsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 C. Die Sozietätsbezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 I. Grundsätzliches zum Namensrecht der Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 II. Der Sozietätsname bei Ausscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 1. Weiterführungsbefugnis nach Ausscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 a) Weiterführung durch die Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 b) Gleichzeitige Nutzung durch den ausgeschiedenen Sozius . . . . . . . . . . . . . . 366 2. Ausnahmen von der Weiterführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 a) Widerruf und Kündigung der Gestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 b) Auflösung der Berufsausübungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 c) Kurzzeitige Aufname von Gesellschaftern zwecks Namensfortführung . . . . 368 3. BGH, Beschl. v. 08. 05. 2018 – II ZB 7/17 – Dr. oder nicht Dr.? . . . . . . . . . . . . 369 a) Skizzierung des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 b) Kritische Betrachtung des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 c) Der Nachfolgezusatz als Lösungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
6. Kapitel Fazit
373
A. Erkenntnisse der vorherigen Kapitel und Regelungsentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 I. Zur Auflösung der Gesellschaft und dem Ausscheiden von Gesellschaftern . . . . . 373 II. Die (Teil-)Auseinandersetzung der Sozietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 III. Folgen dieser Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 IV. Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 1. Systematische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 2. Zur Auflösung der Sozietät und zum Ausscheiden einzelner Gesellschafter . . . 377 3. Die Mandatsverteilung im Zuge der Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 4. Die Verteilung der Handakten bei Beendigung der Berufsausübungsgesellschaft 378 5. Die Informationsrechte und -pflichten nach Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 6. Abfindungen, Wettbewerbsverbote und Neusozien ohne Kapitalanteil . . . . . . . 379 7. Miscellanea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 B. Das anwaltliche Gesellschaftsrecht de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 I. Die Perspektive von Literatur, BRAK und DAV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 II. Ein Ausblick auf die deutsche Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 1. Die Reformvorhaben des BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 2. Fremdbeteiligung, Legal Tech und die anwaltliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . 385
26
Inhaltsverzeichnis 3. Die Neukonzeption des Personengesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
Abkürzungsverzeichnis a.A., A.A. ABGB ABl. abl. ABS Abs. AcP AEUV a.F. AG AGG AGH ähnl. AktG allg. M. AllgPersönlR Alt. AnfG Anm. AnwBl AnwG AO ArbG ArbZG Art. Aufl. BAG BAGE BayObLG BayObLGZ BB Bd. BDSG BeckOGK BeckOK BeckRS Begr.
andere(r) Ansicht Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Amtsblatt der europäischen Union ablehnend Alternative Business Structures Absatz, Absätze Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft – Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen, für deutsches, europäisches und internationales Unternehmens- und Kapitalmarktrecht Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Anwaltsgerichtshof ähnlich Aktiengesetz allgemeine Meinung Allgemeines Persönlichkeitsrecht Alternative Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens Anmerkung Anwaltsblatt Anwaltsgericht Abgabenordnung Arbeitsgericht Arbeitszeitgesetz Artikel Auflage Bundesarbeitsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerisches Oberstes Landesgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Betriebs-Berater – Zeitschrift für Recht, Steuern und Wirtschaft Band Bundesdatenschutzgesetz Beck-online.Grosskommentar Beck’scher Online-Kommentar Beck Online Rechtsprechung Begründer
28 Beschl. BetriebskostenV BetrVG BFH BFHE BGB BGB-E BGBl. BGH BGHSt BGHZ BlgNr BMJV BORA BRAK BRAK-Mitt. BRAO BRAO-E bspw. BStBl BT-Drucks. BV BVerfG BVerfGE BVerfGK BVerwG BVerwGE bzw. CCBE DAV DB DCF ders. d. h. dies. diff. DM DNotZ Dr. DS-GVO
Abkürzungsverzeichnis Beschluss Betriebskostenverordnung – Verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Bürgerliches Gesetzbuch Bürgerliches Gesetzbuch-Entwurf Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Beilagen-Nummer Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Berufsordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltskammer – Mitteilungen Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrechtsanwaltsordnung-Entwurf beispielsweise Bundessteuerblatt Deutscher Bundestag – Drucksachen Niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Amtliche Sammlung der Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise Code of Conduct for European Lawyers (Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union) Deutscher Anwaltverein Der Betrieb Discounted Cash Flow derselbe das heißt dieselbe, dieselben differenzierend Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift Doktor Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG
Abkürzungsverzeichnis DStR DStRE DSWR ECLI EFZG EG EGBGB EGH EGH-DtRA EGH-RRAK Einf ErbbauRG ErlRV EStG EU EuGH EUR EuZW EWiR EWIV f. ff. FGPrax Fn. FR FS GBP GbR GesbR GesR GG GKG GmbH GmbHG GmbHR GO-BT Großkomm GRUR GwG GWR HausratsVO Hdb HeizkostenV HGB
29
Deutsches Steuerrecht Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst Datenverarbeitung – Steuern – Wirtschaft – Recht European Case Law Identifier Entgeltsfortzahlungsgesetz – Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Ehrengerichtshof Ehrengerichtshof für deutsche Rechtsanwälte Ehrengerichtshof der Reichs-Rechtsanwaltskammer Einführung Erbbaurechtsgesetz – Gesetz über das Erbbaurecht Erläuterungen zur Regierungsvorlage Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Euro Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung folgend folgende Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Finanz-Rundschau Festschrift Britisches Pfund/Pfund Sterling Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem österreichischen ABGB Gesellschaftsrecht Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau – Gesellschafts- und Steuerrecht der GmbH und GmbH und Co. Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Großkommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Hausratsverordnung – Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats Handbuch Heizkostenverordnung – Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten Handelsgesetzbuch
30 HGB-E h.L. HRR Hrsg. Hs. i. d. F. IDW IDW-FN i. Erg. InsO i.S.d. i.S.e. i.S.v. i.V.m. JW JZ Kap. KapGesR KG KGaA KO KSchG KStG LAG Lfg. LG lit. LLP LPartG
Abkürzungsverzeichnis
Handelsgesetzbuch-Entwurf herrschende Lehre Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber Halbsatz in der Fassung Institut der Wirtschaftsprüfer Institut der Wirtschaftsprüfer – Fachnachrichten im Ergebnis Insolvenzordnung im Sinne des/der im Sinne einer/eines im Sinne von in Verbindung mit Juristische Wochenschrift JuristenZeitung Kapitel Kapitalgesellschaftsrecht Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Konkursordnung Kündigungsschutzgesetz Körperschaftsteuergesetz Landesarbeitsgericht Lieferung Landgericht littera Limited Liability Partnership Lebenspartnerschaftsgesetz – Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Ltd Limited LZ Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht MAH Münchener Anwaltshandbuch m. Anm. mit Anmerkung MDR Monatsschrift für Deutsches Recht m. E. meines Erachtens MedR Medizinrecht Mio. Millionen MMR MultiMedia und Recht MoPeG Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts MüKo Münchener Kommentar MünchHdb Münchener Handbuch MünchVertragshdb Münchener Vertragshandbuch m.w.N. mit weiteren Nachweisen NJ Neue Justiz NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report
Abkürzungsverzeichnis Nr. NVwZ NZA NZA-RR NZG NZI NZKart öAktG o.g. öGmbHG OHG OLG PartG PartGG PartG mbB PersG PersGesR ProdHaftG ProstG PublG RAO RDG RefE RegBegr RG RGBl. RGRK RGZ Richtl. RIW Rn. RNotZ Rpfleger RRAO Rs. RVG S. Slg. s. o. sog. StBerG StGB str. st. Rspr.
31
Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht – Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Neue Zeitschrift für Kartellrecht Österreichisches Aktiengesetz oben genannte, oben genannten Österreichisches Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Partnerschaftsgesellschaft Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung Personengesellschaften Personengesellschaftsrecht Produkthaftungsgesetz – Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte Prostitutionsgesetz – Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen Rechtsanwaltsordnung Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen Referentenentwurf Regierungsbegründung Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsrätekommentar Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinie Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Rheinische Notarzeitung Der Deutsche Rechtspfleger Reichs-Rechtsanwaltsordnung Rechtssache Gesetz über die Vergütung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten Satz, Seite, siehe Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes siehe oben sogenannte Steuerberatungsgesetz Strafgesetzbuch streitig ständige Rechtsprechung
32 TzBfG u. u. a. Ubg UG UKlaG UmwG Urt. UWG v. VAHRG Var. VersR vgl., Vgl. Vorb., Vorbem VVG WM WPg WPO ZAP z. B. ZEuP ZfPW ZGR ZHR ZInsO ZIP zit. ZPO ZRP zust. zutr.
Abkürzungsverzeichnis Teilzeit- und Befristungsgesetz – Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse und und andere Die Unternehmensbesteuerung Unternehmergesellschaft Unterlassungsklagengesetz – Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen Umwandlungsgesetz Urteil Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von, vom Versorgungsausgleich-Härtegesetz Variante Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht vergleiche Vorbemerkung Versicherungsvertragsgesetz Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Die Wirtschaftsprüfung – Berater der Wirtschaft Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer Zeitschrift für die Anwaltspraxis zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zustimmend zutreffend
1. Kapitel
Einleitung A. Das Verhältnis von Gesellschafts- und Berufsrecht I. Das Gesellschaftsrecht als Bindeglied der Rechtsgebiete Das Gesellschaftsrecht bildet in seinen Facetten und Rechtsgebieten den Lebenszyklus einer jeden Gesellschaft ab. Unabhängig davon, ob es sich um eine Kapital- oder eine Personengesellschaft handelt, steht am Anfang jeder Gesellschaft zunächst die Gründung durch den Gesellschaftsvertrag und die Erfüllung etwaiger weiterer Erfordernisse. Ist dieser Schritt getan, so befasst sich das Gesellschaftsrecht mit dem Innenrecht der Gesellschaft mitsamt der Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander, aber auch mit den Besonderheiten im Verhältnis zu Dritten. Dass das Gesellschaftsrecht insbesondere die Regelung dieser beiden Aspekte ins Auge fasst, verdeutlichen bereits die wesentlichen Zwecke, welche das Recht der Kapital- und Personengesellschaften durchziehen. Es ist immer zum einen Schutzrecht für Minderheiten1 innerhalb der Gesellschaft und zum anderen Schutzrecht für die Gläubiger2, die der Gesellschaft gegenüberstehen und keinen Einblick in das Geschehen im Inneren der Gesellschaft haben.3 Früher oder später kommt es regelmäßig zur Auflösung und letztlich zur Beendigung der Gesellschaft. Dies kann sowohl interne als auch externe Gründe haben, vollzieht sich unabhängig hiervon jedoch immer nach den gleichen Grundregeln, welche wiederum vom Minderheiten- und vom Gläubigerschutz mitbestimmt werden. Um diesen letzten und praktisch höchst relevanten Teil, welcher den Schlusspunkt der Lebensdauer der Gesellschaft bildet, geht es in den folgenden Kapiteln. Das Gesellschaftsrecht war und ist über die Jahrzehnte immer mehr zu einer komplexen „Spezialisierungsmaterie“ geworden.4 Gleichwohl ist es nie eine isolierte Rechtsmaterie gewesen, sondern hatte schon immer vielfältige Berührungspunkte 1
Wiedemann, GesR I, S. 404 ff. Wiedemann, GesR I, S. 513 ff. 3 Zu weiteren wesentlichen Wertungsprinzipien wie dem Individualschutz, dem Kapitalanlegerschutz und den Arbeitnehmerinteressen vgl. Wiedemann, GesR I, S. 357 ff., 472 ff., 582 ff. 4 K. Schmidt, GesR, § 3 III 1. 2
34
1. Kap.: Einleitung
mit weiteren Rechtsgebieten, u. a. dem allgemeinen Zivilrecht, dem Kapitalmarktrecht, dem Handelsrecht und dem Arbeitsrecht.5 Dabei erwies sich oftmals die Kautelarjurisprudenz zumindest als faktische Rechtsquelle der Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts und war damit von herausragender Bedeutung.6 Insbesondere das Steuerrecht war häufig die Triebfeder für gesellschaftsrechtliche Innovationen. Auch heute wird die Rechtsformwahl vielfach von steuerrechtlichen Erwägungen getragen.7 Man denke nur an die GmbH & Co. KG, welche sich nach wie vor ungebrochener Beliebtheit erfreut, da sie es ermöglicht, von einer Haftungsbeschränkung geschützt am Rechtsverkehr teilzunehmen, und dennoch gleichzeitig steuerlich nach dem EStG veranlagt wird.8 Die Entscheidung für eine GmbH & Co. KG erfolgt daher ganz regelmäßig auch aus steuerlichen Motiven.9 Nicht zuletzt aufgrund dieser günstigen Kombination von Haftung und Besteuerung sind die Interessenvertretungen der Rechtsanwälte bemüht, die – der Anwaltschaft derzeit verschlossene – GmbH & Co. KG auch für Rechtsanwälte zu erschließen.10
II. Das anwaltliche Gesellschaftsrecht als besondere Rechtsmaterie und dessen Strukturschwächen Aber auch abseits dieser bekannten Einflüsse entwickeln sich neue Berührungspunkte und damit auch Konflikte. Insbesondere das anwaltliche Berufsrecht hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss, wenngleich die Rechtswissenschaft noch weit davon entfernt ist, alle Herausforderungen des anwaltlichen Gesellschaftsrechts erforscht zu haben. Blickt man hinter diese Herausforderungen und deren Symptome, so entdeckt man im Wesentlichen zwei grundlegende Schwächen des anwaltlichen Gesellschaftsrechts. Zum einen ist schon der Terminus des „anwaltlichen Gesellschaftsrechts“ ein Euphemismus, da es zwar das Gesellschaftsrecht und das anwaltliche Berufsrecht gibt, es existiert jedoch keine kohärente, dogmatische Zusammenführung beider Rechtsmaterien.11 Die wenigen besonderen Regelungen zur gemeinsamen anwaltlichen Berufsausübung in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) stellen lediglich 5
Einen Überblick bietet K. Schmidt, GesR, § 1 II. Vgl. Wiedemann, GesR I, S. 79 f. 7 Ahrens, Berufsrecht, Rn. 424; Schiffers, in: BeckHdb-PersGes, § 1 Rn. 64; Schnittker/ Leicht, BB 2010, 2971; Stürner, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 273, 330; Windbichler, GesR, § 4 Rn. 9. 8 Henssler/Strohn/Servatius, GesR, HGB Anhang Rn. 110; v. Wedel, in: Büchel/Rechenberg, Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht, Kap. 9 Rn. 74. 9 Henssler/Strohn/Servatius, GesR, HGB Anhang Rn. 112; näher zum steuerrechtlichen Ursprung der GmbH & Co. KG sowie weiteren Motiven Fleischer, NZG 2020, 601, 606; vgl. auch zuvor Fleischer, NZG 2018, 241, 248 f. 10 S. 382 f. 11 Zur historischen Entwicklung des „anwaltlichen Gesellschaftsrechts“, S. 45 ff. 6
A. Das Verhältnis von Gesellschafts- und Berufsrecht
35
punktuelle Lösungen für spezielle Einzelfragen und auch nur für spezielle Rechtsformen bereit.12 Darüber hinaus favorisiert der Großteil der Rechtsanwälte wohl noch immer die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Rechtsform ihrer Anwaltssozietät.13 Diese ist im Berufsrecht für Rechtsanwälte jedoch nur unzureichend geregelt.14 Das Gesellschaftsrecht stellt zwar in den §§ 705 ff. BGB eine umfangreiche Normierung bereit, diese folgt allerdings noch immer dem Konzept des frühen Gesetzgebers zur GbR als Gelegenheitsgesellschaft.15 Infolgedessen hat sich das von Rechtsprechung und Lehre fortgebildete, geltende Recht der GbR im Allgemeinen und der Sozietät im Speziellen weitgehend vom geschriebenen Recht entfernt.16 Hoffnung vermittelt insofern jedoch der am 20. 04. 2020 – von einer durch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) eingesetzten Expertenkommission – vorgestellte „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“ (MoPeG).17 Die Anwaltssozietät als klassische, langfristige Erwerbsgesellschaft fremdelt daher naturgemäß mit den gesetzlichen Vorgaben und greift notgedrungen im Gesellschaftsvertrag auf eine Vielzahl kautelarjuristischer Modifikationen zurück, um die gesetzlichen Regelungen zu dispensieren und den Bedürfnissen moderner Berufsausübungsgesellschaften zu genügen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Strukturschwächen ist „das Interesse am anwaltlichen Berufsrecht […] seit Jahren ungebrochen und die Zahl der laufend erscheinenden Dissertationen zu berufsrechtlichen Themen zeigt eindrucksvoll, wie groß bei näherem Hinsehen die Lücken der wissenschaftlichen Aufarbeitung dieses Rechtsgebietes noch immer sind.“18 Die Probleme des Zusammentreffens von Gesellschafts- und Berufsrecht sind so brisant, dass das gesamte Konstrukt zum Teil als „einsturzgefährdet“ bewertet wird.19 Dabei wird nicht einmal mehr in Frage gestellt, 12
Hierzu näher S. 24 f. Näher S. 72. 14 Vgl. S. 24 f. 15 Hierzu etwa Wiedemann, in: FS Meincke, S. 423, 427; Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 466 sprechen in diesem Zusammenhang von „Alterserscheinungen“ und „dogmatischen Verkrustungen“ unter der die §§ 705 ff. BGB leiden. 16 Bergmann, DB 2020, 994, 994; M. Noack, NZG 2020, 581, 581; Otte-Gräbener, in: FS Seibert, S. 613, 613; Otte-Gräbener, BB 2020, 1295, 1295; Röder, AcP 215 (2015), 450, 464 f.; Schäfer, in: FS Seibert, S. 723, 724; Uwer, AnwBl Online 2019, 20 jeweils m.w.N.; Reformbedarf bejahend Koppensteiner, in: FS K. Schmidt, S. 701, 702. 17 Hierzu im Überblick Bergmann, DB 2020, 994 ff.; M. Noack, NZG 2020, 581 ff.; evaluierend Bachmann, NZG 2020, 612 ff.; Otte-Gräbener, BB 2020, 1295 ff. Näher zur Reform des Personengesellschaftsrechts, S. 389. 18 Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, Vorwort zur 3. Auflage. 19 Hartung, NJW-aktuell 8/2018, 7. Eine Reformbedürftigkeit bejahend auch Ahrens, Berufsrecht, Rn. 360; Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 129; Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 147; Deckenbrock, DB 2020, 321, 327; Glindemann, AnwBl 2014, 214, 220; Henssler, AnwBl 2014, 762, 764; Henssler, NJW 2017, 1644; Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 237 f. 13
36
1. Kap.: Einleitung
„dass das Gesellschaftsrecht nicht zu den Anwälten passt“.20 Vielmehr gilt diese Erkenntnis nahezu als gesichert, denn das anwaltliche Gesellschaftsrecht in den §§ 59a ff. BRAO stellt zwar Strukturvorschriften bereit, beantwortet aber nicht die oftmals drängende Frage, ob der Sozius, die Sozietät oder jeder Anwalt Träger der Berufspflichten ist.21 Nichtsdestotrotz muss sich die Rechtsanwaltschaft mit dem Gesellschaftsrecht de lege lata arrangieren, jedenfalls solange, bis die vor kurzem vom BMJV veröffentlichten Eckpunkte zur Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts und der „Mauracher Entwurf“ in Gesetzesform gegossen wurden.22
B. Problemstellung, Zielsetzung und Themeneingrenzung I. Relevanz und Aktualität des Untersuchungsgegenstandes 1. Die Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts und der BRAO Angesichts des Eckpunktepapiers des BMJV, der nahenden Reform der BRAO und der ebenfalls bevorstehenden reform des Personengesellschaftsrechts stellt sich unweigerlich die Frage nach der Notwendigkeit einer Dissertation zur (noch) bestehenden Gesetzeslage. Hier besteht jedoch keineswegs ein Widerspruch, denn die bisherige Reformdiskussion beschränkt sich vor allem auf Fragen der Freiheit hinsichtlich der Rechtsformwahl, der interprofessionellen Berufsausübung, der Transparenz von Personengesellschaften für den Rechtsverkehr, der Möglichkeit einer reinen Kapitalbeteiligung und der Einhaltung der Berufspflichten.23 Nicht im Fokus der Novellierungsbestrebungen stehen damit Problemkomplexe, die das Ausscheiden aus der Sozietät sowie die Auflösung der Sozietät betreffen. Die kommenden Reformen des anwaltlichen Gesellschaftsrechts und des gesamten Personengesellschaftsrechts sind daher viel eher Motivation anstatt Hindernis, auch einen Blick auf
20
Hartung, NJW-aktuell 8/2018, 7. Ewer, in: Dogmatik im Dienst von Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung, S. 927; Hartung, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 37, 45; Uwer, AnwBl Online 2019, 20; vgl. auch zur Problematik Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 121 f.; Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 135 ff.; zu daraus resultierenden Unklarheiten hinsichtlich Besitzrecht und Aufbewahrungspflichten bei Handakten, S. 188 ff. 22 Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzge bungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3%BCbungsgesellschaften. pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); hierzu Kilian, ZRP 2019, 213 ff.; für eine Reform des gesamten Rechtsdienstleistungsmarktes Brügmann, ZRP 2019, 242, 243; der „Mauracher Entwurf“ ist abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63 B7E14E534932DB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020). 23 Im Einzelnen näher zu diesen Punkten auf S. 382 ff. 21
B. Problemstellung, Zielsetzung und Themeneingrenzung
37
ungeklärte Rechtsfragen des anwaltlichen Gesellschaftsrechts zu werfen, die bei den Reformüberlegungen bisher außen vor blieben. Denn insbesondere im Rahmen der Auflösung und des Ausscheidens aus einer Gesellschaft führt das Berufsrecht mitunter zu komplexen Problemen. So sind die Auflösung und das Ausscheiden aus einer Rechtsanwaltsgesellschaft grundsätzlich originär gesellschaftsrechtlicher Natur. Das freiberufliche Wesen der anwaltlichen Berufsausübung und der Typus der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft als auf Dauer angelegte Erwerbsgesellschaft erfordern jedoch schon in der Auslegung der gesetzlichen Auflösungs- und Ausscheidensgründe besondere Beachtung und gegebenenfalls eine kautelarjuristische Korrektur, die bei Gelegenheitsgesellschaften oder gewerblichen Personenhandelsgesellschaften nicht von Nöten wären.24 Friktionen ergeben sich zudem auch im Folgestadium der Auseinandersetzung dann, wenn es um die Ermittlung und die anschließende Aufteilung von für Rechtsanwälte spezifischen Vermögenswerten, wie den ideellen Wert des Mandantenstamms geht.25 Nicht minder problematisch ist die Abfindung ausscheidender Sozien mit und ohne Kapitalanteil für den zukünftigen Verlust der Partizipationsmöglichkeit an diesem Wert und die gesellschaftsvertragliche Regelung nachvertraglichen Wettbewerbs durch den Ausgeschiedenen.26 Insbesondere Letzteres ist auch im Hinblick auf das Recht der freien Anwaltswahl und damit aus der Perspektive der Mandantschaft zu beurteilen.27 Diese drei Themengebiete wurden in Praxis und Lehre bereits häufiger rezipiert, ohne dass sich jedoch eine eindeutige Lösung etablieren konnte. Darüber hinaus beinhaltet die Auflösung einer Rechtsanwaltsgesellschaft ebenso wie das Ausscheiden eine Reihe weiterer Einzelprobleme, welche häufig übersehen werden, gleichwohl aber nicht minder interessant und zum Teil ungleich weniger erforscht sind. Hierunter fallen die Befugnis zur Nutzung des gemeinsamen Telefonanschlusses28 und der Kanzleiräumlichkeiten,29 die Verteilung von Handakten30 und laufenden Mandaten31 sowie die Namensrechte am Sozietätsnamen nach Ausscheiden eines namensgebenden Gesellschafters32. 24
Vgl. im Einzelnen jeweils bei der Auflösung S. 76 ff. und dem Ausscheiden S. 93 ff. Zur Ermittlung des ideellen Kanzleiwertes und zur Einordnung als Rechts- oder Tatfrage vor Gericht, S. 138 ff. 26 Zur Abfindung und deren gesellschaftsvertraglicher Regelung im Sozietätsvertrag ausführlich auf S. 213 ff. Näher zu Typen und Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsbeschränkungen, S. 272 ff. 27 Ausführlich zur dogmatischen Herleitung auf S. 276 ff. sowie zur Beschränkung der Privatautonomie durch § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO auf S. 290 ff. 28 S. 145 ff. 29 S. 198 ff. 30 S. 181 ff. 31 S. 148 ff. 32 S. 362 ff. 25
38
1. Kap.: Einleitung
2. Die Digitalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes und Legal Tech Durch die heftig geführte Diskussion rund um die Zulässigkeit von inkassolizenzbasierten Rechtsdienstleistungen im Schrifttum33 und das Urteil des BGH vom 27. 11. 201934 zum Rechtsdienstleistungsportal „wenigermiete.de“ ist auch das Thema Legal Tech immer weiter in den Fokus der Anwaltschaft gerückt.35 Obwohl Legal Tech und anwaltliches Gesellschaftsrecht keine unmittelbaren Berührungspunkte haben, zwingt die Digitalisierung doch dazu, die hergebrachten Grundsätze freiberuflicher Berufsausübung auf den Prüfstand zu stellen und kritisch zu überdenken.36 Da diese Grundsätze – wie die anwaltliche Unabhängigkeit oder die Höchstpersönlichkeit anwaltlicher Leistungserbringung – im anwaltlichen Gesellschaftsrecht häufig als Begründungsansätze dienen, hat die zunehmende Digitalisierung des Rechtsberatungsmarktes mittelbar erhebliche Auswirkungen auf die Fragen der Auflösung und des Ausscheidens aus Rechtsanwaltssozietäten. Diese Auswirkungen werden die Untersuchung an den einschlägigen Stellen in erheblichem Maße prägen.
II. Wissenschaftliche Problemstellungen und Zielsetzung Anspruch und Ziel der folgenden Untersuchung wird es sein, einerseits die wesentlichen Aspekte der Auflösung einer Rechtsanwaltssozietät bzw. des Ausscheidens eines Sozius darzustellen und andererseits die praxisrelevanten Abläufe dogmatisch zu durchdringen und aufzuarbeiten. Allerdings wird nicht nur der aktuelle Stand der Rechtsprechung und der Forschung beleuchtet und kritisch hinterfragt. Vielmehr sollen auch von Rechtsprechung und Wissenschaft größtenteils noch unbehandelte Rechtsfragen methodisch untersucht und einer eingehenden Analyse unterzogen werden. Auf der Basis dieser Analyse werden die zuvor behandelten Rechtsfragen anschließend dogmatisch stringenten Lösungen zugeführt. Zu diesen noch offenen Rechtsfragen zählen etwa Qualität und Intensität des wichtigen Grunds i.S.d. § 723 Abs. 1 S. 2 BGB bei Freiberuflersozietäten,37 die Anwendbarkeit bisher anerkannter Hinauskündigungsklauseln auf Rechtsanwaltssozietäten,38 die Vertei33 Vgl. nur Hartung, BB 2017, 2825, 2826; Henssler, NJW 2019, 545 ff.; Römermann/ Günther, NJW 2019, 551, 552 ff.; Valdini, BB 2017, 1609 ff. jeweils m.w.N.; einen Überblick über das Meinungsbild bietet Prütting, ZIP 2020, 49, 49 f. 34 VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208 Rn. 19 ff. = BeckRS 2019, 30591; hierzu Deckenbrock, DB 2020, 321 ff.; Prütting, ZIP 2020, 49, 50 ff.; Stadler, JZ 2020, 321 ff. 35 Dabei existiert keine einheitliche Definition des Begriffs „Legal Tech“, es handelt sich im Grunde genommen um einen Sammelbegriff für eine Reihe softwarebasierter Rechtsdienstleistungsangebote unterschiedlicher Art und unterschiedlichen Umfangs, hierzu Ewer, AnwBl Online 2019, 434; v. Lewinski, BRAK-Mitt. 2020, 68 f. 36 Henssler, AnwBl Online 2020, 168; zurückhaltender Deckenbrock, DB 2020, 321, 327. 37 S. 98 ff. 38 S. 108 ff.
B. Problemstellung, Zielsetzung und Themeneingrenzung
39
lung der Handakten in der Teilauseinandersetzung im Interessengeflecht von Sozietät, Sozius und Mandant,39 Zulässigkeit und Grenzen von Abfindungsregelungen für Neusozien ohne originären Kapitalanteil40 und der Konflikt zwischen anwaltlicher Verschwiegenheitspflicht und nachvertraglicher Gewinnabführung41.
III. Besondere Leitlinien der Untersuchung Nachvollziehbare Lösungsvorschläge erfordern allerdings zwangsläufig eine Beachtung der Interessen aller Beteiligten. Hierbei wird im Zuge der einzelnen Kapitel oftmals eine weitere Besonderheit des anwaltlichen Berufsrechts zum Tragen kommen. Denn auch wenn die Konflikte regelmäßig vertikal zwischen dem Sozius und der Sozietät oder horizontal zwischen den Sozien bestehen, bedingt die freiberufliche Berufsausübung und die Stellung des Rechtsanwalts als Parteivertreter und besondere Vertrauensperson stets auch die Beachtung der Interessen des Mandanten. Schon im Eigeninteresse der Anwaltschaft ist eine solche Akzentuierung geboten, da die Mandatsbeziehung der Kern der anwaltlichen Betätigung und daher regelmäßig der wesentliche Vermögenswert der Gesellschaft ist.42 Aber auch die Interessenlage des Mandanten als außenstehender Person und regelmäßig auf die Hilfe eines rechtskundigen Vertreters angewiesener Bürger erfordert eine Rechtsanwendung, die die entstehenden Nachteile der Auflösung einer Sozietät oder des Ausscheidens des Mandatsbearbeiters ausgleicht oder zumindest begrenzt. Welche Auswirkungen diese Erkenntnis hat, insbesondere, ob sie generell nachvertraglichen Wettbewerbsverboten entgegensteht oder ob dem Mandanten ein Wechsel des Rechtsanwalts zumutbar ist, wird später dezidiert zu untersuchen sein.43 Primäre Protagonisten bleiben nichtsdestotrotz die Gesellschaft und der Sozius selbst, wobei insbesondere die Auseinandersetzung vom steten Interessenkonflikt zwischen Bestandsinteresse der Gesellschaft und Kompensationsinteresse des Sozius geprägt ist.44
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S. 181 ff. und insbesondere S. 187 ff. Hierzu S. 256 ff. 41 Ausführlich hierzu auf S. 327 ff. 42 Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 223; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 19; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 66; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 17. 43 S. 282 ff. 44 Hierzu noch S. 247 ff. und dort insbesondere S. 252 ff. 40
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1. Kap.: Einleitung
IV. Derzeitiger Stand der Wissenschaft 1. Dissertationen zu nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen Die vorstehenden Interessenlagen haben bereits andere Autoren zur Anfertigung und Veröffentlichung von Dissertationen angeregt. Soweit es die Ausgestaltung und Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsklauseln betrifft, sind hier die Dissertationen von Bruckner,45 Becker46 und Storf47 zu nennen. Während Bruckner und Becker zum jeweiligen Zeitpunkt48 noch Grundlagenarbeit zu nachvertraglichen Wettbewerbsklauseln leisten mussten, sind die dort und anschließend bei Storf erörterten Verbote der §§ 134, 138 BGB heute im Wesentlichen als Grenzen anerkannt.49 Eine tiefergehende Darstellung des Rechts nachvertraglicher Wettbewerbsregelungen erfolgt hier daher vor allem, soweit sie im Zuge der Mandatsverteilung anhand des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA als privatautonome Regelung vorrangig sind,50 soweit vom aktuellen Stand der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre abgewichen wird51 oder eine andere dogmatische Begründung der Rechtsfolgen eines Verbotstatbestandes notwendig erscheint52. Von den Autoren bisher nicht vertieft berücksichtigt wurde zudem der Konflikt zwischen den praktisch beliebten Gewinnabführungsvereinbarungen und der berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht, welcher daher besonders ausführlich behandelt wird.53 Auf der anderen Seite wird dem gesellschaftsrechtlichen Zuschnitt des Themas Rechnung getragen, indem anders als bei den zuvor genannten Autoren Wettbewerbsklauseln gegenüber angestellten Rechtsanwälten lediglich zum Zwecke der Abgrenzung behandelt werden.54 2. Dissertationen zur Auseinandersetzung von Rechtsanwaltssozietäten Auch die vermögensmäßige Auseinandersetzung der Sozietät in der Auflösung oder beim Ausscheiden einzelner Gesellschafter war bereits Gegenstand verschie-
45
1986.
Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, München
46 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, Baden-Baden 1990. 47 Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, Hamburg 2007. 48 Bruckners Dissertation stammt aus dem Jahr 1986, während Beckers Dissertation 1990 veröffentlicht wurde. 49 Zu den Grundlagen S. 282 ff. 50 S. 150 ff. 51 S. 285 ff. 52 S. 293 ff. 53 S. 324 ff. 54 S. 326 f.
B. Problemstellung, Zielsetzung und Themeneingrenzung
41
dener Dissertationen. So hat zunächst Heller55 die „Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse“ aufgearbeitet, indem er sowohl Fragen der Unternehmensbewertung, der Abfindungsklauseln und der einkommensteuerrechtlichen Konsequenzen der Abfindung, der Mandatsverteilung, der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote und der Namensfortführung behandelt hat. Seit dem Erscheinen dieser Dissertation gab es indes im Hinblick auf die Bewertung einer Freiberuflersozietät,56 das Ausscheiden aus der Sozietät57 und die Ausgestaltung der Abfindung bei Sozien ohne und mit Kapitalanteil58 neue Impulse aus der Rechtsprechung und der Literatur, die eine Neubetrachtung und Weiterentwicklung dieser Komplexe rechtfertigen. Auch im Hinblick auf das Namensrecht der Sozietät ist die neuere Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen und kritisch zu würdigen.59 Wie auch schon bei den Dissertationen zu nachvertraglichen Wettbewerbsklauseln, findet auch bei Heller der Konflikt zwischen Verschwiegenheit und Gewinnabführung noch keine Berücksichtigung. Anders als dort wird vorliegend jedoch aufgrund des gesellschafts- und berufsrechtlichen Zuschnitts auf eine steuerrechtliche Analyse der einzelnen Vorgänge verzichtet. Seit dem Jahr 2007 liegt zudem die Dissertation von Bunk60 zu „Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis“ vor. Dort wird von vornherein ein breiterer Themenzuschnitt gewählt, indem sämtliche Überlegungen auch für die Gemeinschaftspraxis von Ärzten angestellt werden. Die Frage der Vermögenszuordnung zur Sozietät oder zum Sozius bedarf heute hingegen keiner Erörterung mehr und wird deshalb hier nicht mehr weiter vertieft. Wettbewerbsklauseln,61 Abfindungsregelungen62 und Auseinandersetzung bei Auflösung63 werden ausführlich erörtert. Im Hinblick auf diese Aspekte gelten jedoch die zuvor ausgeführten Gesichtspunkte gleichermaßen. Während eine Darstellung und kritische Würdigung von Inhalt und Grenzen einer Gewinnabfüh55
Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, Köln 2000. So verschob sich mit der Zeit der Fokus immer weiter hin zu den Zukunftserfolgswertverfahren, S. 138 ff. 57 So etwa bei BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2014 ff. = NZG 2004, 569; Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 20 ff. = NZG 2007, 583, hierzu S. 110 ff. 58 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 90, hierzu näher S. 250 ff.; zum Begriff des Kapitalanteils Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 13 Rn. 18 ff. 59 BGH, Beschl. v. 08. 05. 2018 – II ZB 7/17, NJW-RR 2018, 998 Rn. 4 ff. = ZIP 2018, 1393, hierzu S. 369 ff. 60 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, Bonn 2007. 61 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 166 ff. 62 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 114 ff. 63 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 191 ff. 56
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1. Kap.: Einleitung
rungsvereinbarung bei Bunk insgesamt unterbleibt, werden die neueren Ansätze in der Lehre zu Abfindungsregelungen zum Anlass genommen, die Abfindung in Rechtsanwaltssozietäten erneut auf den Prüfstand zu stellen.64 Zudem wird in der vorliegenden Arbeit ein größeres Kapitel der Auflösung von und dem Ausscheiden aus GbR und PartG gewidmet, insbesondere auch mit einem speziellen Augenmerk auf die Auswirkungen der freiberuflichen Tätigkeit der Anwaltschaft und die daraus resultierenden Konsequenzen für die gesellschaftsrechtliche Möglichkeit zur Auflösung der Sozietät sowie zum Ausschluss störender Gesellschafter.65 Auch die erst kürzlich aufgekommene Diskussion um die Zulässigkeit des Ausschlusses von kleinstbeteiligten Sozien als Ausnahme vom Verbot der freien Hinauskündigung wird einer eingehenden Untersuchung unterzogen.66 Insgesamt differenziert sich die vorliegende Arbeit von den Dissertationen Hellers und Bunks zudem dadurch, dass sie Auflösung und Auseinandersetzung nicht nur rein gesellschaftsrechtlich, sondern noch stärker berufsrechtlich betrachtet. Wurde bei Heller zumindest noch das Namensrecht der Sozietät einbezogen, werden vorliegend darüber hinaus auch die Verteilung der Handakten unter den Sozien und die berufsrechtlichen Informationsrechte und -pflichten im Anschluss an die Trennung aus § 32 Abs. 1 S. 4, 5; Abs. 2 S. 2 BORA und die Folgen und Implikationen der Digitalisierung von Rechtsdienstleistungen – insbesondere soweit es Datenschutz und Legal Tech betrifft – erörtert.
V. Die Abgrenzung von Berufsausübungsund Organisationsgesellschaften Neben dieser Differenzierung gegenüber anderen Dissertationen bedarf es noch einer inhaltlichen Spezifizierung, welche Gesellschaften im Folgenden von Interesse sind. Traditionell werden für freiberufliche Gesellschaften die Berufsausübungs- und Organisationsgesellschaften unterschieden. Während erstere dadurch definiert werden, dass mehrere Angehörige desselben Berufs oder verschiedener Berufe unter gemeinsamem Namen und in gemeinsamen Räumlichkeiten mit gemeinsamem Inventar gemeinsame Klientel betreuen,67 sind letztere weniger eindeutig zu definieren. Die Berufsausübungsgesellschaft tritt regelmäßig als GbR oder als PartG auf. Oftmals als Synonym verwendet, aber nicht notwendigerweise deckungsgleich ist 64
Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 90, hierzu näher S. 250 ff. 65 Zur Auflösung S. 76 ff., zum Ausscheiden insgesamt S. 93 ff. und dezidiert zum Ausschluss S. 97 ff. 66 Hierzu auf S. 123 ff. 67 Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 95; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 9; Pathe, in: Gummert, MAHPersGesR, § 2 Rn. 11; K. Schmidt, GesR, § 58 III 5 b); Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 2.
B. Problemstellung, Zielsetzung und Themeneingrenzung
43
der Begriff der Sozietät.68 Im Rahmen der Organisationsgesellschaft gilt es hingegen weiterhin, zwischen der Bürogemeinschaft und der Kooperation zu unterscheiden.69 Die Bürogemeinschaft dient hierbei der gemeinschaftlichen Nutzung von Räumen und Inventar und gerade nicht der gemeinsamen Berufsausübung.70 Ihr (Gesellschafts-)Zweck ist lediglich die Reduzierung der laufenden Kosten, indem eine gemeinsame Kanzlei unterhalten wird.71 Gesellschaftsrechtlich handelt es sich bei der Bürogemeinschaft um eine Innen-GbR.72 Mandate und Gebühren werden jedoch nicht geteilt, was sie von der Berufsausübungsgesellschaft unterscheidet.73 Diesem Merkmal kommt in der Praxis besondere Bedeutung zu, wenn die Berufsausübungsgesellschaft und die Bürogemeinschaft voneinander abgegrenzt werden müssen.74 So klar die Abgrenzung zur Berufsausübungsgesellschaft demnach scheint, so schwierig ist sie zum Teil in der Praxis, insbesondere dann, wenn die Bürogemeinschaft nach außen wie eine Berufsausübungsgesellschaft auftritt und so eine Außensozietät begründet.75 Neben der Bürogemeinschaft ist die Kooperation eine weitere Form der Zusammenarbeit. Sie kann als Einzelkooperation oder als verfestigte Kooperation 68
Zum Sozietätsbegriff näher S. 52 f. Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 14; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 7 f.; a.A. Hirtz, in: Dogmatik im Dienst von Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung, S. 961, 963 m.w.N. 70 Ahrens, Berufsrecht, Rn. 432; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59a BRAO Rn. 23; Hartstang, Anwaltsrecht, S. 74 f.; Hartung, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil I Rn. 18; Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Sozietät IV. A; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 14; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 299; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 8; Michalski/Römermann, NJW 1996, 3233, 3239; Pathe, in: Gummert, MAHPersGesR, § 2 Rn. 11; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 223, 270; K. Schmidt, GesR, § 58 III 5 b); Trottmann, Sozietätsspezifisches Berufsrecht, S. 63; Hartung/Scharmer/v. Wedel, BORA/FAO, § 59 BRAO Rn. 35 f.; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 28 Rn. 52; vgl. auch Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 2. 71 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59a BRAO Rn. 25; Hartung, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil I Rn. 18; Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Sozietät IV. A.; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 8; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 270; vgl. auch Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 28 Rn. 52. 72 Ahrens, Berufsrecht, Rn. 432; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 14; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 299; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 8; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 271; Trottmann, Sozietätsspezifisches Berufsrecht, S. 63; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 28 Rn. 52; diff. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59a BRAO Rn. 53; zur Abgrenzung von Innen- und Außengesellschaft bürgerlichen Rechts Grunewald, in: FS K. Schmidt, S. 391, 391 ff. 73 Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 8; Hartung/Scharmer/v. Wedel, BORA/FAO, § 59a BRAO Rn. 36; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 28 Rn. 52. 74 Näher hierzu Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 26 ff.; vgl. auch Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 8; allgemein zu den Abgrenzungskriterien Grunewald, in: FS K. Schmidt, S. 391, 392 ff. 75 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 126; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 14; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 8. 69
44
1. Kap.: Einleitung
angetroffen werden.76 Während bei der Einzelkooperation ein bestimmtes Mandat gemeinsam bearbeitet wird, werden bei der verfestigten Kooperation regelmäßig Mandate einzeln angenommen, aber gemeinsam bearbeitet.77 Sie dient vornehmlich dem Transfer von Know-how78 und dem eigenen Marketing79. Anders als die Berufsausübungsgesellschaft ist die Kooperation eine Innengesellschaft,80 bei der jeder Gesellschafter Mandate nur für sich selbst annimmt.81 Haftungsrechtlich kann allerdings auch die Kooperation ebenso wie die Bürogemeinschaft eine Außensozietät und damit eine gesamtschuldnerische Haftung begründen.82 Im Folgenden sollen ausschließlich die Berufsausübungsgesellschaften von Rechtsanwälten betrachtet werden. Für die Organisationsformen der Bürogemeinschaft und der Kooperation gelten weitgehend andere Regeln, die hier nicht weiter behandelt werden.
76 Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 14; zur praktischen Vielfalt der Kooperation Hartung/Scharmer/v. Wedel, BORA/FAO, § 59a BRAO Rn. 55 f. 77 Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 14; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 301; vgl. auch Hirtz, in: Dogmatik im Dienst von Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung, S. 961, 964 ff.; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 7. 78 Hartung, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil A Rn. 39. 79 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 136; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 272. 80 Ahrens, Berufsrecht, Rn. 443; Hirtz, in: Dogmatik im Dienst von Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung, S. 961, 965; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 301; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 7; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 273; Hartung/ Scharmer/v. Wedel, BORA/FAO, § 59a BRAO Rn. 56; vgl. auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 137. 81 Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 14; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 7. 82 Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 14; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 7.
2. Kapitel
Grundlagen und aktueller Stand der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten A. Das Verhältnis des Sozietätsbegriffs zur Berufsausübungsgesellschaft Der Abgrenzung zwischen Berufsausübungsgesellschaft und Organisationsgesellschaften ist aber noch nicht zu entnehmen, wie der Begriff der Sozietät in dieses Gesamtgefüge passt. Oftmals wird er benutzt, um verschiedene gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten zur Berufsausübung zu bezeichnen. Daher überschneiden sich die Begriffe der Sozietät und der Berufsausübungsgesellschaft, abhängig vom Kontext und dem vom jeweiligen Autor zugrunde gelegten Begriffsverständnis, in unterschiedlichem Maße. Unklar ist im Wesentlichen, ob die Sozietät ein Synonym für die GbR ist, ob sie neben der GbR auch die Partnerschaftsgesellschaft umfasst oder ob sie alle möglichen Gesellschaftsformen anwaltlicher Tätigkeit bezeichnet.1 Das Verständnis der verschiedenen Bedeutungen erfordert zunächst eine Untersuchung des Begriffs der Sozietät und der Entwicklung der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft allgemein.
B. Die Entwicklung der Anwaltssozietät I. Frühzeit Einen historischen Bezugspunkt zum Sozietätsbegriff enthält bereits das römische Gesellschaftsrecht. Dort war die societas der Gegenbegriff zur universitas.2 Die 1 Gegen Kapitalgesellschaften als Sozietäten Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 2; Weyland/Brüggemann, BRAO, § 59a Rn. 1; Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 124 f.; Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 8; Michalski/Römermann, NJW 1996, 3233, 3237 f.; Römermann/Spönemann, NZG 1998, 15; für die Einbeziehung von Kapitalgesellschaften in den Sozietätsbegriff AGH Niedersachsen, Beschl. v. 07. 07. 2004 – AGH 3/04, NJW 2004, 3270, 3272 = BeckRS 9998, 54299; Depping, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 8. 2 Vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht, S. 76 ff. und 330 ff.; Kaser/ Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, §§ 17 und 43; eingehend auch zur societas Meissel, Societas, S. 61 ff.
46
2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
universitas war im römischen Recht das, was heute als juristische Person bezeichnet werden würde.3 So hatte sie ein eigenes Vermögen4 und für ihre Schulden haftetete nur die universitas und nicht deren Mitglieder5. Ein Mitgliederwechsel berührte das Bestehen der universitas nicht.6 Sie war somit in jeglicher Hinsicht vom Bestand ihrer Mitglieder losgelöst und verselbständigt. Praktisch kamen damit insbesondere der römische Staat und dessen Gemeinden als Formen der universitas in Betracht.7 Auf der anderen Seite war die societas mangels eigener Subjektqualität lediglich eine Form der schuldrechtlichen Verbindung ansonsten rechtlich selbständiger Personen.8 So besaß die Gesellschaft im Gegensatz zur universitas kein eigenes Vermögen, vielmehr gehörte das Vermögen anteilig den Gesellschaftern.9 Diese mussten mit dem gemeinsamen Vermögen aber bereits damals einen gemeinsamen Zweck verfolgen, um als societas zu gelten.10 Damit existierte die Gesellschaft auch nur so lange, wie der Dauerkonsens der Parteien andauerte.11 Darüber hinaus waren die Gesellschafter im Prozess selbst Partei12 und das Ausscheiden eines Gesellschafters zog die Auflösung der Gesellschaft nach sich13. Bereits hierin zeigt sich die Ähnlichkeit zur heutigen Personengesellschaft. So ist etwa auch heute noch in den §§ 723 BGB und 727 Abs. 1 BGB das Ausscheiden eines Gesellschafters der GbR ein Ereignis, das zur Auflösung der gesamten Gesellschaft führt. Das Gesetz sieht in § 727 Abs. 1 BGB allerdings die Möglichkeit vor, diese Rechtsfolge abzubedingen; entsprechende Nachfolge- und Fortsetzungsklauseln sind heute in Gesellschaftsverträgen weit verbreitet.14 3
Vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht, S. 77 f. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht, S. 78. 5 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht, S. 78. 6 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht, S. 78; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, § 17 Rn. 4. 7 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht, S. 77; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, § 17 Rn. 5 ff. 8 Depping, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 3; Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 467; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht, S. 332; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, § 43 Rn. 7; vgl. auch HKK/Lepsius, §§ 705 – 740 Rn. 48. 9 Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 468; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht, S. 332 f.; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, § 43 Rn. 9. 10 Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 467. 11 Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 467. 12 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, § 43 Rn. 7. 13 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht, S. 333 f.; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, § 43 Rn. 6, 10. 14 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 1; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 318; Klein/Lindemeier, in: MünchHdb-GesR I, § 11 Rn. 4; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 107; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 237c; MüKoBGB/Schäfer, § 727 Rn. 5; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 63; BeckOK BGB/Schöne, § 727 Rn. 11; Wiedemann, GesR II, S. 668. 4
B. Die Entwicklung der Anwaltssozietät
47
Bei der societas standen damit letztlich die socii im Vordergrund, während bei der universitas der Einheitsgedanke überwog.15 Während die universitas, wie schon dargestellt, den heutigen juristischen Personen ähnelte, ist die societas eher eine Frühform der Personengesellschaften.16 Wohl nicht ganz zufällig werden Rechtsanwaltsgesellschaften heute oftmals als „Sozietät“ und ihre Mitglieder als „Sozien“ oder „Sozii“ bezeichnet, denn schon traditionell ist das Selbstverständnis der Anwaltschaft von Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit geprägt.17 Dabei handelt es sich maßgeblich um Eigenschaften, welche sich in der die Individualität betonenden Personengesellschaft ausleben lassen. Freilich schlossen sich Juristen in Rom zwar nicht zu einer rechtsberatenden societas zusammen, war ihre Rolle doch mehrheitlich ganz anderer Natur, als wir sie Juristen und speziell Anwälten heute zuschreiben.18 So wurde der Berufsstand der Juristen streng getrennt in Rechtsgelehrte und Prozessvertreter;19 eine Differenzierung, welche sich auch später durch den Einfluss des römischen Rechts noch lange hielt.20 Dennoch war auch schon bei der societas anerkannt, dass Gesellschafter anstatt von Kapital auch ihre Arbeitsleistung einbringen können – so wie es auch heute häufig bei anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften auf der Basis von § 706 Abs. 3 BGB (ggf. i.V.m. § 1 Abs. 4 PartGG) der Fall ist.21 Festzuhalten bleibt zudem zum einen die sprachliche Verbindung der societas mit den heutigen Sozietäten,22 zum anderen aber auch die Tatsache, dass der erste Entwurf des BGB ein Personengesellschaftsmodell enthielt, das weitgehend der societas nachempfunden war.23 Davon abgesehen haben sich jedoch auch in der deutschen Rechtsentwicklung, wenngleich später als im römischen Recht, Personenvereinigungen gebildet. So tauchten im Mittelalter erste Körperschaften auf, welche zwar rechtlich selbständig waren, von ihren Mitgliedern aber nicht derartig streng getrennt wurden, wie es bei der universitas der Fall war.24 Den Gegenpart hierzu bildete die Gemeinschaft zur 15
Windbichler, GesR, § 1 Rn. 26. Oder auch der „Urquell des heutigen Personengesellschaftsrechts“, so Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 467. 17 Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971. 18 Eingehend zur Rolle der römischen Juristen s. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht, S. 22 ff. 19 Wenger, in: Magnus, Die Rechtsanwaltschaft, 443, 443 f. 20 Zu dieser Trennung in Prokuratoren und Advokaten Borgmann, in: Borgmann/Jungk/ Schwaiger, Anwaltshaftung, § 1 Rn. 1 ff. 21 Fleischer/Pendl, WM 2017, 881 m.w.N. aus der Literatur zum römischen Recht. 22 Vgl. Depping, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 3. 23 Depping, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 5; Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 471; Wertenbruch, NZG 2019, 407; vgl. auch Fleischer, NZG 2020, 601, 601 f.; zur Entwicklung der societas im Anschluss an die Antike auch Wiedemann, in: FS Meincke, S. 423 ff. 24 Windbichler, GesR, § 1 Rn. 27. 16
48
2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
gesamten Hand, welche geradezu als „Besonderheit des deutschen Rechts“25 gilt.26 Diese Besonderheit war es dann auch, die Eingang die folgenden Entwürfe zum BGB – und schließlich das BGB selbst – fand und die zunächst römisch-rechtlich geprägte Personengesellschaft modifizierte.27
II. Die sukzessive Öffnung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts Abgesehen von dieser zumindest sprachlichen Verbindung des römischen Gesellschaftsrechts zum Begriff der Sozietät ist die gemeinsame anwaltliche Berufsausübung letztlich eine noch recht junge Materie. Selbst nach Einführung der Rechtsanwaltsordnung (RAO) am 01. 07. 187828 als erster Kodifikation des anwaltlichen Berufsrechts fehlte es weiterhin an Normen, welche die gemeinsame anwaltliche Berufsausübung regeln, sodass diese weiterhin ein „Schattendasein“ fristete.29 Gleichwohl gab es bereits entsprechende Anwaltsgemeinschaften und so wurde die älteste Sozietät in Deutschland bereits am 21. 06. 1822 in Hamburg gegründet.30 Noch vor 1878 entstanden zudem Sozietäten in Württemberg31 und in Rheinpreußen32. Unklar war in dieser frühen Zeit der anwaltlichen Zusammenschlüsse überdies schon, ob es sich hierbei überhaupt um eine Gesellschaft handelte oder nicht nur um ein gesellschaftsähnliches Verhältnis.33 Die anwaltliche Praxis hatte die Rechtslehre und den Gesetzgeber zu diesem Zeitpunkt bereits überholt. Zusammenschlüsse von Anwälten an sich waren indes grundsätzlich anerkannt. So verstand man in den 1930er Jahren unter einer Sozietät im engeren Sinne „die dauernde Vereinigung mehrerer Rechtsanwälte, welche die Berufsausübung der 25 Windbichler, GesR, § 1 Rn. 27. Ausführlich zur Gesamthand in neuerer Zeit Beuthien, ZGR 48 (2019), 664 ff.; vgl. auch Fleischer, NZG 2020, 601, 602. 26 Da eine umfangreichere Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde und vor allem der römische Rechtsansatz der societas und deren sprachliche Verbindung zur heutigen Sozietät für das vorliegende Thema relevant ist, wird auf nähere Ausführungen hier verzichtet; vgl. zur Geschichte von Körperschaft und Gemeinschaft zur gesamten Hand daher grundlegend v. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Berlin 1868 ff.; Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts, S. 123 ff. 27 Depping, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 5; Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 471; hierzu auch Beuthien, ZGR 48 (2019), 664, 688 f. 28 RGBl. 1878, 177 – 198. 29 Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil A Rn. 1. 30 Robinow, in: FS Drucker, S. 182, 183. 31 Vgl. Hartstang, Der deutsche Rechtsanwalt, S. 195; Weißler, Geschichte der Rechtsanwaltschaft, S. 540. 32 Vgl. Weißler, Geschichte der Rechtsanwaltschaft, S. 540. 33 Für eine BGB-Gesellschaft etwa RAO-K/Friedländer, Exk. zu § 40 Rn. 3; Oertmann, LZ 1916, 199, 200 f.; für ein gesellschaftsähnliches Verhältnis hingegen Hartstang, Anwaltsrecht, S. 44 f.; Josef, Gruchot 44 (1900), 413, 417; BGB-RGRK/Sayn, Vorbem. 2 vor § 705 ff., 6. Aufl., Berlin 1928.
B. Die Entwicklung der Anwaltssozietät
49
Gesellschafter im Interesse und auf Rechnung aller Sozien unter Benützung gemeinsam zu treffender Einrichtungen bezweckt“.34 Trotz der im Übrigen noch recht unklaren Rechtslage zur Sozietät und der wachsenden Beliebtheit anwaltlicher Zusammenschlüsse brachten weder die Reichs-Rechtsanwaltsordnung (RRAO) vom 21. 02. 193635 noch die BRAO vom 01. 08. 195936 feste Normierungen für den Zusammenschluss von Rechtsanwälten. Da die Anwaltschaft zu diesem Zeitpunkt gesellschaftsrechtlich nur die Möglichkeit hatte, sich in einer GbR zusammenzuschließen, und diese gleichzeitig genügend Freiraum zur Entfaltung der individuellen, freiberuflichen Tätigkeit ließ, wurde die Sozietät zu dieser Zeit ein Synonym für eine GbR, in der sich Rechtsanwälte zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden hatten.37 So war auch der BGH im Jahr 1960 der festen Überzeugung: „Die Rechtsanwaltssozietät ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts.“38
Grund für die geschilderte gesetzgeberische Zurückhaltung gegenüber einer rechtlichen Regelung der Anwaltssozietät war wohl das tradierte Bild des Einzelanwalts als „Idealtypus“ unabhängiger, rechtsberatender und freiberuflicher Tätigkeit39 und ein daraus resultierendes tiefsitzendes Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber Zusammenschlüssen von Anwälten in Personen- oder gar Kapitalgesellschaften.40 Befürchtet wurden schon früh von Feuchtwanger, einem erbitterten Gegner der großen Anwaltssozietäten, mechanische Betriebsamkeit und geschäftsmäßige Routine41 oder auch eine unpersönliche und fabrikartige Berufsausübung.42 Dass sich solche Befürchtungen lange hielten, spiegelt sich auch darin 34
RAO-K/Friedländer, Exk. zu § 40 Rn. 1. RGBl. 1936 I, 107 – 118. 36 BGBl. 1959 I, 565 – 609. 37 Depping, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 6. 38 BGH Urt. 04. 05. 1960 – IV ZR 309/59, BeckRS 1960, 31381905 = MDR 1960, 657. 39 Hierzu Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59a BRAO Rn. 2; Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 120; Henssler/ Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 2 ff.; Henssler, NJW 1993, 2137; Schmid, in: MünchHdbGesR I, § 24 Rn. 1. 40 Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil A Rn. 2; vgl. auch Feuchtwanger, Die freien Berufe, S. 290: die Anwaltsarbeit eigne sich ihrem Wesen nach schon nicht zu großbetrieblicher Konzentration; ebenso Jaffé, in: Magnus, Anregungen aus der Praxis des Arbeitsamtes der Deutschen Rechtswissenschaft, 15, 17. 41 Feuchtwanger, Die freien Berufe, S. 291; vgl. auch zu den Vorbehalten der altpreußischen Rechtsanwaltschaft gegenüber Rechtsanwaltssozietäten Weißler, Geschichte der Rechtsanwaltschaft, S. 540. 42 Vgl. Feuchtwanger, Die freien Berufe, S. 291; ihm folgend Jaffé, in: Magnus, Anregungen aus der Praxis des Arbeitsamtes der Deutschen Rechtswissenschaft, S. 15, 24; vgl auch die Zusammenfassung der Vorbehalte bei Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 28 Rn. 3; zu den gegenwärtigen Vorbehalten der Anwaltschaft gegenüber Großkanzleien Hartung, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 37, 45 ff. 35
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
wider, dass die BRAO in der Fassung vom 01. 08. 195943 selbst noch von diesem Idealtypus ausging44 und sich die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) später lange und ausdauernd gegen internationale Großkanzleien45 und überörtliche Sozietäten wehrte46. Diesem Idealtypus diametral entgegen stand allerdings die tatsächliche Entwicklung der Anwaltschaft, welche sich schon lange vor dem Tätigwerden des Gesetzgebers von der restriktiven Vorstellung des Einzelanwalts gelöst hatte.47 Vielmehr wurde dieser in der Praxis zahlenmäßig nach und nach von den Sozietäten abgelöst.48 Durch die BRAO-Novelle vom 02. 09. 199449 führte der Gesetzgeber dann auch erstmals mit § 59a BRAO eine Norm ein, welche die berufliche Zusammenarbeit regelt. Hierbei verzichtete er bewusst darauf, eine bestimmte Rechtsform für die Sozietät festzulegen, um Raum für eine weitere Entwicklung zu lassen.50 Vor diesem Hintergrund lag schon damals nahe, dass sich Rechtsanwaltssozietäten auch in der Form der PartG organisieren durften, welche nur kurz nach der BRAO-Novelle eingeführt wurde.51 Die Rechtsanwaltssozietät war damit nicht mehr auf eine GbR festgelegt, wodurch die Verbindung des Sozietätsbegriffs zur GbR zu erodieren begann. Mit dem Grundsatzurteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Zulässigkeit der Rechtsanwalts-GmbH52 und spätestens mit der darauffolgenden Regelung eben jener in § 59c BRAO zum 01. 03. 199953 war dieser Prozess weiter fortgeschritten, da nunmehr auch die Zulässigkeit der Anwalts-GmbH geklärt war.54 Auch
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BGBl. 1959 I, 565 – 609. Kaiser/Bellstedt, 1.1.2 Rn. 9. 45 Schäfer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 1, 48, 62. 46 Schäfer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 1, 55 f.; vgl. auch die Beschlüsse der BRAK in der 67. Hauptversammlung in NJW 1990, Heft 28, X f. 47 Vgl. Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil A Rn. 3; Sigle, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 311 ff.; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, Vorspr. Rn. 17. 48 Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil A Rn. 6; Lingenberg/Hummel/Zuck/ Eich/Zuck, Standesrecht, Vorspr. Rn. 17. 49 BGBl. 1994 I, 2278 ff. 50 RegBegr, BT-Drucks. 12/4993, S. 23. 51 Gesetz zur Schaffung von Partnerschaftsgesellschaften und zur Änderung anderer Gesetze vom 25. 07. 1994, BGBl. 1994 I, 1744 ff. 52 BayObLG, Urt. v. 24. 11. 1994 – 3Z BR 115/94, BayObLGZ 1994, 353, 353 ff. = NJW 1995, 199. 53 BGBl. 1998 I, 2600 – 2608; s. auch Henssler, NJW 1999, 241, 241 ff.; Römermann, NZG 1998, 81, 81 ff. 54 Wenngleich auch zunächst nur gegen Widerstand; s. etwa BRAK-Mitt. 1990, 76, 78; Braun, MDR 1995, 447; positiv demgegenüber Koch, MDR 1995, 446; Schlosser, JZ 1995, 345, 44
B. Die Entwicklung der Anwaltssozietät
51
die GmbH konnte der Rechtsanwaltschaft ab diesem Zeitpunkt zur anwaltlichen Berufsausübung dienen und damit potentiell unter den Begriff der „Sozietät“ fallen. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Regelung der Anwalts-GmbH hatte der Gesetzgeber erkannt, dass die Anwalts-AG zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig gesetzlich geregelt war. Bei dieser hatte er aber bewusst auf eine Normierung verzichtet.55 Dennoch bedeutet der Wortlaut des § 59c BRAO, welcher ausdrücklich nur von Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Rechtsanwaltsgesellschaften spricht und damit a maiore ad minus auch Unternehmergesellschaften, aber gerade nicht die AG erfasst, nicht die Unzulässigkeit einer Rechtsanwalts-AG.56 Angesichts des Schutzes der Rechtsformwahl durch Art. 12 GG muss der Gesetzgeber die Unzulässigkeit bestimmter Rechtsformen für bestimmte Berufsgruppen ausdrücklich regeln.57 Die bloße Nichtregelung genügt für ein Verbot nicht. Selbiges gilt auch für die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), gegen die ebenfalls keine berufsrechtlichen Bedenken bestehen.58 Darüber hinaus muss der Blick über die im nationalen Recht vorhandenen Rechtsformen hinausgehen. Jedenfalls Kapital- oder Personengesellschaften nach dem Recht anderer EU-Mitgliedsstaaten werden durch die Grundfreiheiten der Europäischen Union geschützt59 und stehen daher Anwälten in Deutschland zur Berufsausübung offen. Letztlich steht damit beinahe die gesamte gesellschaftsrechtliche Bandbreite zur Verfügung, um die gemeinsame Berufsausübung im Rahmen einer Sozietät zu arrangieren.
349; vgl. zur Entwicklung auch Henssler, PartGG, Einführung Rn. 42; Wolf, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 63, 157 f., 171 f. 55 RegBegr, BT-Drucks. 13/9820, S. 11; grundsätzlich zustimmend der Rechtsausschuss des Bundestages, BT-Drucks. 13/11035, S. 23. 56 BGH, Beschl. v. 10. 01. 2005 – AnwZ (B) 27 u. 28/03, NJW 2005, 1568, 1571 = NZG 2005, 596; BayObLG, Beschl. v. 27. 03. 2000 – 3Z BR 331/99, BayObLGZ 2000, 83, 85 = NJW 2000, 1647; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59a BRAO Rn. 47; MüKoAktG/Habersack Einl. zu §§ 1 – 75 Rn. 177; Kempter/Kopp NZG 2005, 582, 584; Römermann, GmbHR 1997, 530, 532; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 5. 57 BGH, Beschl. v. 10. 01. 2005 – AnwZ (B) 27 u. 28/03, NJW 2005, 1568, 1571 = NZG 2005, 596; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59a BRAO Rn. 47; Römermann, GmbHR 1997, 530, 532. 58 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, Vor § 59c Rn. 45; Muthers, NZG 2001, 930, 934; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 5; Hartung/Scharmer/v. Wedel, BORA/FAO, Vor § 59c BRAO Rn. 13b. 59 EuGH Rs. C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126, Slg. 1999, I-1459, NJW 1999, 2027 Rn. 30 – „Centros”; EuGH Rs. C-208/00, ECLI:EU:C:2002:632, Slg. 2002, I-9919, NJW 2002, 3614 Rn. 56 ff. – „Überseering”; EuGH Rs. C-167/01, ECLI:EU:C:2003:512, Slg. 2003, I-10155, NJW 2003, 3331 Rn. 95 ff. – „Inspire Art”.; ausdrücklich für die britische private limited company BGH, Urt. v. 14. 03. 2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648, 1648 ff. = ZIP 2005, 805, 805 f.; Habersack/Verse, EuGesR, § 3 Rn. 15 ff.
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
III. Der heutige Sozietätsbegriff Dass Rechtsanwälte somit nun auch ihrer Profession im Rahmen einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft nachgehen dürfen, bedeutet indes nicht, dass solche Berufsausübungsgesellschaften auch dem Sozietätsbegriff unterfallen würden. Der Bundesgerichtshof versteht unter einer Sozietät die Verbindung mehrerer Anwälte zur gemeinschaftlichen Ausübung ihres Berufs, wohl erweitert um das Erfordernis einer gemeinsamen Kanzlei und der gemeinsamen Entgegennahme von Aufträgen und Entgelten.60 Obwohl diese Definition zunächst offen für Gesellschaftsformen neben der GbR erscheint, stellte der BGH 1971 doch fest, dass die Sozietät jedenfalls keine juristische Person sei.61 Im Jahr 2012 hingegen ließ der BGH den Sozietätsbegriff jedoch ausdrücklich offen.62 In der Literatur war der Begriff der Sozietät dementsprechend lange umstritten. Grund für die Diskussion im Schrifttum war der Wortlaut des § 59a BRAO a.F., der explizit auf die Sozietät als Tatbestandsmerkmal abstellte. Die Definition der Sozietät war damit entscheidend für Inhalt und Anwendungsbereich des § 59a BRAO a.F. Seit der Streichung des Sozietätsbegriffs in § 59a BRAO durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. 12. 2007 hat die Diskussion allerdings an Bedeutung und dementsprechend an Dynamik verloren.63 Der Verzicht auf den Sozietätsbegriff in § 59a BRAO lässt ohnehin den Schluss zu, dass dem Sozietätsbegriff früher zu viel Bedeutung beigemessen wurde, die der Gesetzgeber nicht für angemessen hielt.64 Der Streit um die Begriffsdefinition hat daher mittlerweile keine rechtliche Komponente mehr. Er dreht sich nunmehr im Wesentlichen um das sprachliche und historische Verständnis des Sozietätsbegriffs. Unter diesem Aspekt genügt es festzustellen, dass durch die (Teil-)Rechtsfähigkeit der GbR65 und 60 BGH, Urt. v. 06. 07. 1971 – VI ZR 94/69, BGHZ 56, 355, 357 = NJW 1971, 1801; so auch Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59a BRAO Rn. 29; Lingenberg/ Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 28 Rn. 4; ähnlich Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Sozietät II. A. 61 BGH, Urt. v. 06. 07. 1971 – VI ZR 94/69, BGHZ 56, 355, 358 = NJW 1971, 1801. 62 BGH, Urt. v. 12. 07. 2012 – AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 33 f. = NJW 2012, 3102. 63 Zur Streichung des Sozietätsbegriffs s. BGBl. 2007 I, 2840, 2848 f. 64 Ebenfalls mittlerweile auf eine nähere Auseinandersetzung verzichtend Römermann/ Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 25 Rn. 3; vgl auch Henssler, PartGG, § 2 Rn. 21. 65 Grundlegend BGH, Urt. v. 29. 01. 2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 343 ff. = NJW 2001, 1056 – „ARGE Weißes Ross“; umfassend hierzu Wedemann, in: Fleischer/Thiessen, Gesellschaftsrechts-Geschichten, § 15; ebenfalls eingehend Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 17 Rn. 8, 10; Prütting, AnwBl 2014, 107 ff.; vgl. auch zur Rechtsfähigkeit der GbR und den damit verbundenen Aspekten Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59a BRAO Rn. 30 ff.; Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 705 Rn. 35; Fleischer/ Heinrich/Pendl, NZG 2016, 1001, 1006 f.; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 17 Rn. 24 ff.;
B. Die Entwicklung der Anwaltssozietät
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die strengen Anforderungen hinsichtlich der Transparenz der Gesellschafter und der weiteren Erfordernisse der §§ 59c ff. BRAO66 die Unterschiede zwischen den Rechtsformen weitgehend verschwunden sind.67 Zudem ist der Sozietätsbegriff im allgemeinen Sprachgebrauch nicht auf Personengesellschaften beschränkt.68 Der Begriff der Sozietät ist daher in dem geschilderten weiteren Sinne zu verstehen. Im Folgenden bezeichnet der Begriff der Sozietät insbesondere die GbR und die PartG. Sofern es um berufsrechtliche Vorschriften geht, wird der weite Sozietätsbegriff verwendet, da die Vorschriften des Berufsrechts weitgehend rechtsformneutral ausgestaltet sind.69
IV. Zwischenergebnis Festzuhalten bleibt daher zunächst, dass die Wurzeln der Sozietät, wie so vieles aus unserer Zivilrechtsordnung, zurückreichen bis zur römischen Rechtsordnung, in der bereits zwischen der universitas und der societas unterschieden wurde.70 Demgegenüber ist das anwaltliche Berufsrecht deutlich jüngeren Datums und wurde in der RAO Ende des 19. Jahrhunderts überhaupt erstmals kodifiziert. Es unterlag dann jedoch verhältnismäßig schnell Veränderungen durch die RRAO und die BRAO. Die Verbindung beider Rechtsmaterien und damit letztlich die Frage der gemeinschaftlichen Berufsausübung in der Form einer Gesellschaft ist hingegen praktisch erst seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts relevant. In der Gesetzgebungsgeschichte ist diese Verbindung allerdings erstmals 1994 mit der Einführung von § 59a in die BRAO thematisiert worden. Durch die spätere Einführung des § 59c BRAO wurde zudem deutlich, dass von nun an Rechtsanwälte grundsätzlich frei sind Staudinger/Habermeier, Vorbem zu §§ 705 – 740 Rn. 8 ff.; Jungk, in: Borgmann/Jungk/ Schwaiger, Anwaltshaftung, § 36 Rn. 6 ff.; Otte-Gräbener, BB 2020, 1295, 1296 f.; Röder, AcP 215 (2015), 450, 460 ff.; Wertenbruch, NZG 2019, 407, 407 f.; Wiedemann, in: FS Meincke, S. 423, 427; Wiedemann, GesR II, S. 646 ff.; zur historischen Entwicklung HKK/Lepsius, §§ 705 – 740 Rn. 28 ff.; zu den dogmatischen Konsequenzen der Rechtsfähigkeit im Hinblick auf das Gesamthandsprinzip Beuthien, ZGR 48 (2019), 664, 695; rechtspolitische Vorschläge finden sich bei Otte-Gräbener, in: FS Seibert, S. 613, 614 ff. Zum Konzept einer dreistufigen Rechtsfähigkeit im Rahmen des MoPeG M. Noack, NZG 2020, 581, 581 f.; Otte-Gräbener, BB 2020, 1295, 1296 f. 66 Für die Anwalts-GmbH bzw. die Anwalts-UG §§ 59c ff. BRAO; für die Anwalts-AG s. BGH, Beschl. v. 10. 01. 2005 – AnwZ (B) 27 u. 28/03, BGHZ 161, 376, 385 ff. = NJW 2005, 1568; OLG Hamm, Beschl. v. 26. 06. 2006 – 15 W 213/05, NJW 2006, 3434 = DNotZ 2006, 943. 67 Depping, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 8. 68 v. Lewinski, Berufsrecht, S. 289. 69 So auch Depping, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 8. 70 Diese Unterscheidung steht der heutigen Differenzierung zwischen Körperschaften und Personengesellschaften sehr nah, S. 45 ff.
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
in der Wahl der Form ihrer beruflichen Zusammenarbeit. Wünschenswert und auch rechtlich vorzugswürdig wäre in diesem Zusammenhang, wenn sich auch der Sozietätsbegriff in einem solchen weiteren Sinne entwickeln würde.
C. Gesetzliche Grundlagen der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften Gegenwärtig setzt sich das Recht der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften – und damit gleichsam dasjenige der Rechtsanwaltssozietäten – aus den Vorschriften des jeweils maßgeblichen Gesellschaftsrechts71 und denen des anwaltlichen Berufsrechts zusammen. Letztere finden sich in der BRAO und der BORA, die – auf der Basis der §§ 59b, 191a ff. BRAO – durch die Satzungsversammlung der BRAK erlassen wird. Das Berufsrecht regelt jedoch vor allem die Grundsätze der anwaltlichen Berufsausübung und die Pflichten des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten.72 Die einzigen Spezialregelungen zu anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften und Sozietäten finden sich in den §§ 49b Abs. 4 S. 1, 52 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, 59a, 59c-59m, 172a BRAO sowie in §§ 27, 32 f. BORA. Hervorgehoben werden sollen hier indes kurz die Vorschriften der §§ 59a, 59c-59m BRAO sowie der §§ 32 f. BORA, da diese die Organisation und die Auflösung der Berufsausübungsgesellschaft erfassen. § 59a BRAO beschränkt sich hierbei auf die Auflistung verschiedener Berufsgruppen, mit denen sich Rechtsanwälte zur Berufsausübung verbinden dürfen. Die §§ 59c ff. BRAO regulieren speziell die anwaltliche Berufsausübung im Rahmen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).73 Demgegenüber regelt § 32 BORA die Beendigung der gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Sozietät. In Abs. 1 wird ein Verfahren zur Verteilung laufender Mandate im Falle der Auflösung der Sozietät statuiert, während Abs. 2 dieses Verfahren auch auf den Fall des Ausscheidens einzelner Sozien erweitert.74 Gleichzeitig werden in § 32 Abs. 1 S. 4, 5, Abs. 2 S. 2 BORA verschiedene, wechselseitige Informationsrechte und -pflichten statuiert, welche die Sozietät bzw. den Sozius in dieser Situation treffen.75 § 33 Abs. 1 BORA erweitert den Anwen71
Beispielsweise §§ 705 ff. BGB; §§ 1 ff. PartGG; §§ 1 ff. GmbHG; §§ 1 ff. AktG. Ebenfalls beispielsweise §§ 1 ff., 43 ff. BRAO; §§ 1 ff. BORA. 73 In der amtlichen Überschrift des § 59c BRAO als „Rechtsanwaltsgesellschaft“ bezeichnet; zu frühen Problemen mit der Anwalts-GmbH und insgesamt kritisch zur Konzeption der §§ 59c ff. BRAO, Römermann, GmbHR 1999, 526 ff.; zur Gestaltung des Gesellschaftsvertrags der Anwalts-GmbH samt Beispiel eines Gesellschaftsvertrags, Römermann, GmbHR 1999, 1175 ff.; zum Vergleich der Anwalts-GmbH und der PartG, Römermann, GmbHR 1997, 530, 532 ff. 74 Insgesamt näher auf S. 148 ff. 75 Zu diesen Rechten und Pflichten später ausführlich auf S. 203 ff. 72
D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte
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dungsbereich des § 32 BORA, welcher nur von „Sozietät“ spricht, auf die übrigen Formen anwaltlicher Berufsausübungsgesellschaften. In § 33 Abs. 2 BORA wird jeder Rechtsanwalt zudem dahingehend verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Berufsausübungsgesellschaft die Regeln der Berufsordnung einhält. Anhand dieses kurzen Überblicks über die für Berufsausübungsgesellschaften relevanten Normen wird bereits deutlich, dass ein einheitliches anwaltliches Gesellschaftsrecht nicht existiert.76 Im Großen und Ganzen bestehen Gesellschafts- und anwaltliches Berufsrecht nebeneinander, wobei das anwaltliche Berufsrecht fragmentarisch Aspekte der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften aufgreift und einer Regelung zuführt.77 Damit ist zwar nunmehr gesichert, dass ein Großteil der Gesellschaftsformen des deutschen und europäischen Rechts für Rechtsanwälte offensteht,78 die Art der Berufsausübung in der Berufsausübungsgesellschaft ist hingegen weiter unklar, da ein Regelungskonzept des Gesetzgebers hierzu fehlt. Aus dem Fehlen eines einheitlichen Regelungskonzepts zum anwaltlichen Gesellschaftsrecht resultieren vielfältige Schwierigkeiten. Insbesondere dann, wenn die Berufsausübungsgesellschaft aufgelöst wird oder einer der Gesellschafter ausscheidet, stellt das Gesetz – abgesehen von § 32 BORA – keine spezifischen Konzepte zur Beendigung der tatsächlichen und rechtlichen Bindungen untereinander bereit. Da sich Auflösung und Ausscheiden jeder Berufsausübungsgesellschaft daher nach dem zugrundeliegenden Gesellschaftsrecht richten, muss im Folgen untersucht werden, welche Gesellschaftsformen für Rechtsanwälte besonders attraktiv sind und dementsprechend häufig gewählt werden.
D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte Da der Rechtsanwaltschaft zur gemeinsamen Berufsausübung grundsätzlich das gesamte Spektrum des Gesellschaftsrechts, abgesehen von offensichtlichen Ausnahmen wie den Handelsgesellschaften, zur Verfügung steht79, ist für die vorliegende Arbeit im Ausgangspunkt noch zu untersuchen, welche Gesellschaftsformen sich für Sozietäten besonders eignen und welche Gesellschaften tatsächlich quantitativ am häufigsten sind. Denn nur dann kann auch bestimmt werden, nach welchem Gesetz 76
Ebenso Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 147; Ewer, in: Dogmatik im Dienst von Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung, S. 927, 929; Henssler, AnwBl 2017, 378. 77 So spricht Henssler davon, dass die Regelungen zum anwaltlichen Gesellschaftsrecht „konzeptlos verstreut“ seien, Henssler, AnwBl 2017, 378; ähnlich K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 418, das Berufsrecht wirke gleichzeitig „als Ordnungs- (aber auch Stör-)Faktor auf das Gesellschaftsrecht“. 78 Hierzu näher S. 48 ff. 79 Hierzu näher S. 48 ff.
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
und nach welchen Normen sich die Auseinandersetzung und das Ausscheiden einzelner Gesellschafter letztlich vollziehen müssen und wo sich Spannungsfelder zum Berufsrecht bilden.
I. Wesentliche Aspekte der einzelnen Gesellschaftsformen Grundsätzlich sind die Gesellschafter bei der Wahl, der für sie passenden Rechtsform nur dem numerus clausus der Gesellschaftsformen unterworfen.80 Das Gesellschaftsrecht sieht mithin bestimmte Rechtsformen vor, zwischen denen die Gesellschafter frei wählen können.81 Nur in Sonderfällen ist die Wahlfreiheit eingeschränkt. So steht die PartG nach § 1 Abs. 1 PartGG ausschließlich Freiberuflern offen, während die OHG und die KG nach § 105 Abs. 2 S. 1 HGB (i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB) nur zu handelsgewerblichen und vermögensverwaltenden Zwecken betrieben werden dürfen. Für die letztendliche Rechtsformwahl sind die Fragen der persönlichen Haftung und der Besteuerung, das Image der Rechtsform und bilanzrechtliche Anforderungen einige der wichtigsten Aspekte.82 Freilich gilt für Rechtsanwälte nichts Anderes. Auch sie sind in der Wahl der Organisationsform grundsätzlich frei und nur partiell in ihrer Wahlfreiheit beschränkt. So steht es ihnen als Angehörigen der freien Berufe nicht offen, eine OHG oder eine KG zu gründen.83 Damit rücken zunächst für eine anwaltliche Betätigung die tradierte Form der GbR und die PartG ins Blickfeld. 1. Die GbR als Rechtsanwaltssozietät Insbesondere die GbR war lange Zeit das Mittel der Wahl für Rechtsanwälte84, wenn es um die Gründung einer Sozietät ging. Ursächlich hierfür war das eigene Berufsbild der Rechtsanwälte, welches maßgeblich von Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit geprägt ist.85 Diese Eigenschaften lassen sich mit der GbR auch hervorragend vereinbaren, gestattet sie es den Gesellschaftern doch, unabhängig, aber gleichberechtigt ne80
Hierzu etwa K. Schmidt, GesR, § 5 II 1. Koch, GesR, § 2 Rn. 14; Schäfer, GesR, § 3 Rn. 2; Windbichler, GesR, § 4 Rn. 1. 82 Saenger, GesR, § 2 Rn. 21 ff.; K. Schmidt, GesR, § 5 II 2 b); Windbichler, GesR, § 4 Rn. 2 ff. 83 § 2 Abs. 1 BRAO; vgl. auch Grunewald, GesR, § 1 Rn. 9; zurecht krit. Heidel/Schall/ Keßler, HGB, § 1 Rn. 23; K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 418, 420. 84 Hierzu schon S. 48 ff. 85 Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971. 81
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beneinander ihrer Profession nachzugehen,86 und bietet gleichzeitig größtmögliche Flexibilität, was die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung betrifft.87 Sie passt daher gesellschaftsrechtlich hervorragend zur „Freiheitsliebe des Freiberuflers“88. Auch steuerrechtlich bietet sie aufgrund des Transparenzprinzips bei Personengesellschaften den Vorteil, dass lediglich eine Besteuerung auf der Ebene der Gesellschafter erfolgt.89 Gewerbesteuer wird in aller Regel nicht fällig, da Rechtsanwälte nur Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG beziehen, sofern alle Gesellschafter die erforderliche Qualifikation besitzen und eine leitende und eigenverantwortliche, berufsbezogene Tätigkeit erbringen.90 Für Freiberufler nicht zu unterschätzen ist überdies die von § 4 Abs. 3 EStG gebotene Möglichkeit, den Gewinn nicht im Rahmen einer Bilanz, sondern durch eine weniger komplexe Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln.91 Allerdings birgt die GbR für Rechtsanwälte nicht nur Vor-, sondern auch gewichtige Nachteile. Insbesondere die unabdingbare, der Höhe nach unbeschränkte, akzessorische, persönliche Haftung nach § 128 HGB analog92 in der GbR wird 86
Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971. Ebenso Goette, ZGR 46 (2017), 426; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 1 Rn. 16; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 10; Schäfer, Beilage ZIP 22/2016, 63. Die Flexibilität der Personengesellschaft ist auch heute noch zentrales Motiv vieler gesetzgeberischer Entscheidungen, Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 503 f. 88 Bauer/Diller, in: FS Bechtold, S. 21, 23. 89 Groh, ZIP 1998, 89, 91; Krüger, FR 2016, 1031, 1036; Kirchhof/Seer/Krumm, EStG, § 15 Rn. 162; Ley, Ubg 2011, 274; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 237; Windbichler, ZGR 43 (2014), 110, 114. 90 BFH, Urt. v. 01. 02. 1990 – IV R 140/88, BFHE 159, 535, 538 = BStBl II 1990, 507 = NJW 1991, 783; Urt. v. 08. 10. 2008 – VIII R 53/07, BFHE 223, 272, 277 f. = BStBl II 2009, 143 = NJW 2009, 462; anders ist es bei Rechtsanwaltskapitalgesellschaften Ahrens, Berufsrecht, Rn. 424. 91 Kirchhof/Seer/Bode, EStG, § 4 Rn. 132. 92 BGH, Urt. v. 29. 01. 2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 358 = NJW 2001, 1056 – „ARGE Weißes Ross“; Beuthien, ZGR 48 (2019), 664, 695; Brete/Braumann, GWR 2019, 59, 62; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 18 Rn. 11; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 68; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 36 Rn. 12; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 86; Otte-Gräbener, in: FS Seibert, S. 613, 619; Otte-Gräbener, BB 2020, 1295, 1297 f.; Prütting, AnwBl 2014, 107, 110; Röder, AcP 215 (2015), 450, 465, 507 f.; MüKoBGB/Schäfer, § 714 Rn. 5; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 56; Gaier/Wolf/ Göcken/Schultz, Anwaltl BerufsR, Haftung Rn. 397 f.; Heidel/Schall/Seeger, HGB, § 128 Rn. 5; Henssler/Strohn/Servatius, GesR, § 714 BGB Rn. 10; Wertenbruch, in: Westermann/ Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 32 Rn. 813; für einen „allgemeinen Rechtsgrundsatz“ der akzessorischen Gesellschafterhaftung anstatt der Analogie zu § 128 HGB Wiedemann, GesR II, S. 658; unklar Grunewald, in: FS K. Schmidt, S. 391. Zur akzessorischen Haftung der Gesellschafter unter dem Blickwinkel der Reformvorhaben zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts Bachmann, NZG 2020, 612, 616 f. Str. aber nach richtiger Ansicht abzulehnen, ist die besondere Frage der analogen Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 PartGG auf die Freiberufler-GbR, Deckenbrock, AnwBl 2012, 723, 725; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 70; Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltl BerufsR, Haftung Rn. 415 m.w.N.; unklar Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 88. 87
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
oftmals als unbefriedigend empfunden.93 Schließlich spielt die Frage der Haftung, gerade auch für Beratungsfehler aufgrund der zum Teil sehr hohen Summen, für Rechtsanwälte neben der steuerlichen Belastung, gesellschaftsrechtlicher Flexibilität, Rechnungslegungsanforderungen, Publizität und Marktakzeptanz eine gewichtige Rolle.94 Damit stellt die GbR – abgesehen vom Aspekt der persönlichen Haftung – eine nahezu optimale Möglichkeit für Freiberufler dar, sich zur gemeinsamen Berufsausübung zu organisieren. 2. Die PartG als Rechtsanwaltssozietät a) Die Partnerschaftsgesellschaft Aus dem angesprochenen Dilemma der unbeschränkten, akzessorischen und persönlichen Haftung hilft die PartG zumindest partiell heraus. Hier bietet die PartG einen durchaus nicht zu unterschätzenden Vorteil, da die Gesellschafter für den außerberuflichen Bereich zwar weiterhin gesamtschuldnerisch, unbeschränkt und akzessorisch haften95, sie aber die Möglichkeit besitzen, die Haftung jedenfalls für berufliche Fehler nach § 8 Abs. 2 PartGG auf den handelnden Partner zu beschränken.96 93
Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 10; empirisch erforschte Gründe, die GbR dennoch einer haftungsoptimierten Rechtsform vorzuziehen nennt Kilian, AnwBl 2015, 45, 45 ff. Mit der persönlichen Haftung des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit korrespondiert zudem ein nicht zu unterschätzendes vertrauensbildendes Element auf Seiten der Mandanten, vgl. Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 459 f. 94 Zu diesen Kriterien Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971, 2971 f. 95 Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 93; Römermann/Römermann, PartGG, § 8 Rn. 16 ff.; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 43 Rn. 1 f.; Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltl BerufsR, Haftung Rn. 474. 96 Der BGH versteht den Auftragsbegriff des § 8 Abs. 2 PartGG allerdings recht weit, weshalb der Vorteil der Haftungsbegrenzung für Rechtsanwaltssozietäten, die naturgemäß auf interne Kooperation der Berufsträger angelegt sind, begrenzt ist. So müssen eintretende Partner auch für Fehler anderer Berufsträger aus der Zeit vor ihrem Eintritt haften, BGH, Urt. v. 19. 11. 2009 – IX ZR 12/09, NJW 2010, 1360 Rn. 17 ff. = NZG 2010, 421; zust. Anm. Markworth, NJW 2019, 3521; Ring, NJ 2020, 45, 49; abl. Schäfer, NZG 2020, 401, 402 f. Zum Vorteil der PartG mbB in diesen Fällen Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 89 ff. Die Mithaftung endet zudem nicht mit der Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaft, da der „Auftrag“ i.S.d. § 8 Abs. 2 PartGG hierdurch nicht beendet wird BGH, Urt. v. 12. 09. 2019 – IX ZR 190/18, NJW 2019, 3520 Rn. 10, 12 (m. Anm. Markworth) = ZIP 2019, 1955; hierzu Anm. Markworth, NJW 2019, 3521; Ring, NJ 2020, 45, 49; ebenfalls für eine weite Auslegung des Auftragsbegriffs Grunewald, NJW 2010, 3551; Henssler/Strohn/Hirtz, GesR, § 8 PartGG Rn. 12; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 95; Anm. Markworth, NJW 2019, 3521; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 43 Rn. 14; Sommer/Treptow/Dietlmeier, NJW 2011, 1551, 1553; abl. Schäfer, NZG 2020, 401, 402 f. Ausführlich zum Haftungskonzept der PartG, Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 93 ff.; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 16 Rn. 23 ff.; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 43 Rn. 1 ff.; verfassungsrechtliche
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Dieser Vorteil ist allerdings in zweierlei Hinsicht wiederum zweifelhaft. Zum einen kommt es durch die Regelung des § 8 Abs. 2 PartGG zu einer Haftungskonzentration beim handelnden Partner,97 was jedenfalls für diesen misslich ist. Andererseits muss auch der bearbeitende Partner unter Umständen für berufliche Fehler anderer Partner haften, welche vor seinem Eintritt in die Partnerschaft geschehen sind, selbst wenn diese für ihn irreversibel sind.98 Außerdem greift die Haftungsbeschränkung auch nur dann ein, wenn die Partner auf eine klare Aufgabentrennung achten und diese dokumentieren.99 Steuerlich ergeben sich für die PartG keine Besonderheiten gegenüber der GbR. Auch für sie gilt als Personengesellschaft das Transparenzprinzip, die Gewerbesteuer wird ebenfalls nicht fällig und der steuerliche Gewinn kann gemäß § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt werden. Mangels Kaufmannseigenschaft ist die PartG zudem nicht buchführungspflichtig nach dem Dritten Buch des HGB und sie unterfällt mangels eines kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetriebs auch nicht § 1 PublG, weshalb die PartG vorteilhaft ist, was den Aufwand im Rahmen der Rechnungslegung betrifft.100 Das Image der PartG ist in Deutschland tadellos, da sie neben der GbR als typische Form der Rechtsanwaltsgesellschaft bekannt ist und daher in hohem Maße das Vertrauen der Mandantschaft genießt.101 Dass die PartG im internationalen Rechtsverkehr eher unbekannt ist, kann bei der Rechtsformwahl allerdings ebenfalls durchaus eine Rolle spielen.102
Bedenken wegen der Benachteiligung gewerblicher Unternehmer und insbesondere gewerblicher Dienstleister äußert Henssler, in: FS Wiedemann, S. 907, 927 f.; Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 457. 97 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59a BRAO Rn. 41; Fleischer/ Cools, ZGR 48 (2019), 463, 492; Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 453; Henssler/Strohn/ Hirtz, GesR, § 8 PartGG Rn. 8; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 36 Rn. 35 ff.; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 94 ff.; Römermann/Römermann, PartGG, § 8 Rn. 28 ff.; Römermann, NJW 2013, 2305, 2307 f.; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 43 Rn. 6 ff.; MüKoBGB/Schäfer, § 8 PartGG Rn. 1; Schäfer, NZG 2020, 401; Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971, 2972. 98 BGH, Urt. v. 19. 11. 2009 – IX ZR 12/09, NJW 2010, 1360 Rn. 16 ff. = NZG 2010, 421; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 93; Ring, NJ 2020, 45, 49; krit. Anm. Henssler/ Deckenbrock, EWiR 2010, 89, 90; Römermann, AnwBl 2012, 288, 289; Römermann/Jähne, BB 2015, 579 f. 99 Bitter/Heim, GesR, § 8 Rn. 1; Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltl BerufsR, Haftung Rn. 482. 100 Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971, 2973; ebenso Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 42 Rn. 4, § 45a Rn. 32. 101 Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971, 2973; aufgrund ihres Zuschnitts auf die freiberufliche Berufsausübung sei sie die „originäre freiberufliche Personengesellschaft“ Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 11. 102 Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971, 2973.
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
Letztlich ist die PartG aufgrund ihrer doch überwiegenden Vorteile für Anwälte eine sehr gute – und aufgrund der Haftungsbeschränkung für berufliche Fehler die wohl bessere – Alternative zur GbR. b) Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung Sie wird einzig von der Rechtsformvariante der PartG mbB103 übertroffen, welche den Gesellschaftern im Rahmen der Haftungsbeschränkung noch weiter entgegenkommt, indem sie die Möglichkeit bietet, die Haftung einzelner Partner für berufliche Fehler gemäß § 8 Abs. 4 PartGG gänzlich auszuschließen.104 Die Haftungsbeschränkung bleibt damit dennoch weiterhin partiell, da die Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten (insb. Miet- und Arbeitsverträge), die nicht aus fehlerhafter Berufsausübung resultieren, unbeschränkt persönlich und akzessorisch haften.105 Als Variante der PartG wurde die PartG mbB eingeführt, um den Trend anwaltlicher Berufsausübungsgesellschaften hin zur LLP aufzuhalten.106 Einziger gesetzlicher Anhaltspunkt für die Existenz der PartG mbB ist § 8 Abs. 4 PartGG. Dieser erlaubt es, die Haftung wegen fehlerhafter Berufsausübung gänzlich auf das Gesellschaftsvermögen zu beschränken, sofern eine Berufshaftpflichtversicherung 103
Instituiert durch das „Gesetz zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer“ vom 15. 07. 2013, BGBl. 2013 I, 2386 ff.; zum Referentenentwurf Römermann, AnwBl 2012, 288, 289 ff.; vgl. auch Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 24 ff. 104 Zur Möglichkeit eines Haftungsdurchgriffs (und diesen für die Fälle der Existenzvernichtung, der Vermögensvermischung und des verspäteten Insolvenzantrags im Ergebnis bejahend) Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 137 ff., 174 ff., 177 ff. 105 Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 37 ff.; Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 454 f.; Otte-Gräbener, in: FS Seibert, S. 613, 621; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 23 ff. 106 RegBegr, BT-Drucks. 17/10487, S. 1, 11, 13; vgl. auch die Begründung des RefE zum PartGG, S. 10; Ahrens, Berufsrecht, Rn. 399; Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 24; H.-J. Hellwig, AnwBl 2012, 876, 884; Henssler, AnwBl 2014, 96; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 99; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 269; Römermann/Jähne, BB 2015, 579; Römermann, NJW 2013, 2305, 2306; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 3; Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltl BerufsR, Haftung Rn. 473; Zweifel an der Existenz dieses Trends äußern allerdings Grunewald, ZIP 2012, 1115, 1116; Römermann/ Jähne, BB 2015, 579; Römermann, NJW 2013, 2305, 2306; Vorzüge der LLP gegenüber der PartG mbB bejahend Henssler, AnwBl 2014, 96, 104; Henssler, NJW 2014, 1761, 1765; Henssler, PartGG, Einführung Rn. 54; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 33; für die Einführung einer Freiberufler-GmbH & Co. KG anstatt der PartG mbB Henssler/Markworth, NZG 2015, 1, 2; für eine gänzliche Abschaffung der PartG daher Henssler, AnwBl 2014, 762, 763; im Grundsatz auch noch Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 457 f.; ihm folgend Glindemann, AnwBl 2016, 797, 799; ebenfalls sehr krit. K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 730 ff.; K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 419; a.A. Schäfer, in: Gutachten 71. DJT, Band I, E 103 ff.; zur rechtstatsächlichen Perspektive kurz nach der Einführung der PartG mbB zum 19. 07. 2013, Lieder/Hoffmann, NZG 2014, 127, 127 ff.
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mit einer Mindestversicherungssumme von 2.500.000 EUR (§ 51a Abs. 2 S. 1 BRAO)107 besteht und die Gesellschaft den Zusatz „mbB“ oder ein verständliches Äquivalent hierzu führt, wodurch eine eigene Rechtsformvariante der PartG entsteht.108 Einzige Voraussetzung der Wirksamkeit der Haftungsbeschränkung aus § 8 Abs. 4 S. 1 PartGG ist mithin eine dem jeweiligen Berufsrecht entsprechende Berufshaftpflichtversicherung.109 Für Rechtsanwaltssozietäten enthält § 51a BRAO die dem § 8 Abs. 4 S. 1 PartGG entsprechende Regelung. Träger der Berufshaftpflichtversicherung muss die PartG selbst sein.110 Personell kann sie daneben auch die Partner erfassen; für die Haftungsbeschränkung des § 8 Abs. 4 PartGG ist dies indes nicht nötig.111 Entscheidend ist lediglich, dass die Versicherung für die Gesellschaft im Moment des schädigenden Ereignisses bereits abgeschlossen wurde und der Versicherungsschutz schon bzw. noch besteht.112 Die inhaltliche Ausgestaltung der Berufshaftpflichtversicherung erfolgt gemäß § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG durch die §§ 113 Abs. 3, 114 – 124 VVG. Der Verweis auf das VVG ist notwendig, weil die Versicherung aus § 8 Abs. 4 S. 1 PartGG nach dem Willen des Gesetzgebers freiwillig ist und daher grundsätzlich nicht den Vorschriften über die Pflichtversicherung unterfällt.113 107 Näher zu den Modalitäten Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 30. 108 OLG Nürnberg, Beschl. v. 05. 02. 2014 – 12 W 351/14, NZG 2014, 422 = ZIP 2014, 420; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59a BRAO Rn. 41; Frehse, Innenund Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 25; Henssler, AnwBl 2014, 96 f.; Henssler, PartGG, § 8 Rn. 128; Lieder/Hoffmann, NZG 2014, 127; Lochmann, in: BeckHdbPersGes, § 20 Rn. 102; Römermann/Jähne, BB 2015, 579, 580; Römermann, NJW 2013, 2305; angedeutet auch schon vom Gesetzgeber, S. RegBegr, BT-Drucks. 17/10487, S. 15; vgl. auch RefE zum PartGG, S. 10. 109 Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 29; Gladys, DStR 2014, 2596; Henssler, AnwBl 2014, 96; Henssler, PartGG, § 8 Rn. 129; Jungk, in: Borgmann/ Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 37 Rn. 43; Leuering, NZG 2013, 1001, 1004; Lieder/ Hoffmann, NZG 2014, 127, 129; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 100; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 19 Rn. 8; Römermann/Jähne, BB 2015, 579, 580; Römermann, NJW 2013, 2305, 2309; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 4; Sommer/Treptow, NJW 2013, 3269, 3270; Windbichler, ZGR 43 (2014), 110, 134; a.A. Ring, WM 2014, 237, 240; vgl. auch zu anderen Berufen Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 463. Zum Zeitpunkt des Eintretens der Haftungsbeschränkung ausführlich Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 72 ff. 110 Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 29 f.; Henssler, PartGG, § 8 Rn. 129; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 19 Rn. 8, 32; Römermann/ Jähne, BB 2015, 579, 580. 111 Henssler, PartGG, § 8 Rn. 129, 140. 112 RegBegr, BT-Drucks. 17/10487, S. 14; Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 40 f.; Henssler, AnwBl 2014, 96, 97; Henssler, PartGG, § 8 Rn. 130; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 19 Rn. 11; Römermann/Jähne, BB 2015, 579, 580; Römermann, NJW 2013, 2305, 2309. 113 RegBegr, BT-Drucks. 17/10487, S. 14; Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 29; Henssler, PartGG, § 8 Rn. 130.
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
Unter Beibehaltung der steuerlichen, bilanzrechtlichen und imagebezogenen Vorteile der PartG steht den Rechtsanwaltssozietäten durch die Variante der PartG mbB daher auch die Möglichkeit offen, die unbeliebte akzessorische Gesellschafterhaftung des § 8 Abs. 1 PartGG zu vermeiden. Dies dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die PartG mbB die reine PartG bei Rechtsanwälten mittlerweile in den Schatten stellt.114 3. Kapitalgesellschaften als Rechtsanwaltssozietäten Nichtsdestotrotz gibt es auch immer wieder Rechtsanwälte, die sich abweichend von der Tradition der Sozietät als Personengesellschaft der Kapitalgesellschaft zuwenden. In der Regel wird dann die Rechtsform der GmbH gewählt. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Zum einen haften die Gesellschafter im Umkehrschluss zu § 13 Abs. 2 GmbHG und in Abgrenzung zum Modell bei den Personengesellschaften gerade nicht persönlich. Nur in Ausnahmefällen, insbesondere wenn das Rechtskleid der GmbH missbräuchlich verwendet wird, kann es zu einer Haftung der Gesellschafter kommen.115 Die Rechtsanwaltsgesellschaften sind zwar in den §§ 59c ff. der BRAO gesondert geregelt,116 aber auch für sie gelten die allgemeinen Grundsätze des § 13 GmbHG.117 Hinzukommt lediglich die Pflicht, nach § 59j Abs. 1 BRAO eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, welche gemäß Abs. 2 mindestens 2.500.000 EUR pro Versicherungsfall umfassen muss. Dieses zusätzliche Erfordernis ergibt sich daraus, dass das Stammkapital einer GmbH nach § 5 Abs. 1 GmbHG lediglich mindestens 25.000 EUR beträgt. Eine solche Summe genügt allerdings nicht, um den Mandanteninteressen im Haftungsfall hinreichend Sorge zu tragen,118 weshalb die Versicherungspflicht eingeführt wurde.119
114
S. 72 f.
Lieder/Hoffmann, NZG 2019, 249, 251 f.; vgl. auch Henssler, in: FS Baums, S. 579;
115 Hierin liegt praktisch wohl der gewichtigste Vorteil gegenüber den Personengesellschaften, vgl. Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 464. Zu den vielfältigen und zum Teil umstrittenen Fallgruppen der Durchgriffshaftung eingehend Michalski/Heidinger/Leible/ Schmidt/Lieder, GmbHG, § 13 Rn. 367 ff., 395 ff.; sowie Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 43 ff.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 13 Rn. 144 ff.; Wicke/Wicke, GmbHG, § 13 Rn. 5 ff.; zur Anwendbarkeit der Existenzvernichtungshaftung auf die PartG mbB Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 137 ff. 116 Hierzu bereits näher S. 48 ff. 117 OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 21. 01. 2008 – 6 U 2208/07, NJW-RR 2009, 140 = MDR 2008, 715. 118 Oppermann, AnwBl 1995, 453, 455 (der zu diesem Zeitpunkt freilich noch von 50.000 DM als Stammkapital spricht). 119 S. zu den Gründen auch RegBegr, BT-Drucks. 13/9820, S. 17 sowie BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 22. 02. 2001 – 1 BvR 337/00, NJW 2001, 1560, 1561 = VersR 2001, 1272.
D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte
63
Im Rahmen der Haftung besteht damit durch die Rechtsform der GmbH ein noch weitergehender Schutz vor einer persönlichen Haftung, da diese nicht nur für berufliche Fehler, sondern für jegliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft ex lege ausgeschlossen ist. Selbiges gilt entsprechend für andere Kapitalgesellschaften, welche als Sozietät dienen können, wie die AG. Steuerlich ergeben sich hingegen gewichtige Unterschiede zu den bereits angesprochenen Personengesellschaften. Während diese steuerlich transparent sind,120 gilt für Kapitalgesellschaften das Trennungsprinzip.121 Zunächst wird daher auf der ersten Ebene der Gesellschaft das Einkommen der Kapitalgesellschaft nach dem KStG besteuert, wobei § 8 Abs. 1 KStG für die Ermittlung des Einkommens auf das EStG verweist, bevor dann auf der Ebene der Gesellschafter deren Gewinn122 im Rahmen der Abgeltungsteuer nach §§ 43, 32d Abs. 1, 20 Abs. 4 EStG oder im Wege des Teileinkünfteverfahrens gemäß §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG besteuert wird.123 Dies führt in der Regel dazu, dass Personengesellschaften für die Gesellschafter steuerlich günstiger sind, da etwaige Verluste der Gesellschaft in den einzelnen Einkommensteuererklärungen der Gesellschafter berücksichtigt werden können. So kommen Schnittker/Leicht zu einem Belastungsunterschied von 5,83 % zugunsten der Personengesellschaft.124 Zudem muss eine Kapitalgesellschaft ihren Gewinn im Wege des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, was aufgrund der notwendigen Buchführung und Bilanzierung aufwändiger ist und andererseits zu Nachteilen führt, wenn Gewinne tatsächlich erst später liquiditätswirksam vereinnahmt werden.125 Handelsrechtlich sind die Kapitalgesellschaften Handelsgesellschaften126 im Sinne des Handelsgesetzbuches und damit Formkaufleute, wodurch sie in den Anwendungsbereich der Vorschriften über Kaufleute fallen.127 Damit gilt für sie das 120
S. 56 ff. Fehrenbacher, SteuerR, § 4 Rn. 1; Tipke/Lang/Hey, SteuerR, § 11 Rn. 1; Kirchhof/Seer/ Krumm, EStG, § 15 Rn. 162 f. 122 Entscheidender Zeitpunkt ist der Moment der Gewinnausschüttung (sog. Zuflussprinzip), Kirchhof/Seer/Krumm, EStG, § 15 Rn. 163. 123 Instruktiv zur grundsätzlichen Berechnung im Rahmen der Abgeltungsteuer oder des Teileinkünfteverfahrens mit einem Beispielsfall Fehrenbacher, SteuerR, § 4 Rn. 1. 124 Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971, 2973 f.; vgl. auch Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 13. 125 Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971, 2974. 126 Für die GmbH § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB; für die AG § 3 Abs. 1 AktG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB und für die KGaA §§ 278 Abs. 3, 3 Abs. 1 AktG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB. 127 Für die GmbH Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 12; MüKoGmbHG/ Merkt, § 13 Rn. 80; Bork/Schäfer/Weller, GmbHG, § 13 Rn. 61; für die AG Spindler/Stilz/ Drescher, AktG, § 3 Rn. 4; Hüffer/Koch, AktG, § 3 Rn. 3 f.; Hölters/Solveen, AktG, § 3 Rn. 4 f.; Grigoleit/Vedder, AktG, § 3 Rn. 2; für die KGaA KK-AktG/Mertens/Cahn, § 278 Rn. 11; Schmidt/Lutter/Schmidt, AktG, § 278 Rn. 3; NK-AktG/Wichert, AktG, § 278 Rn. 19; Großkomm-AktG/Assmann/Sethe, § 278 Rn. 12. 121
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
Dritte Buch des HGB betreffend die Handelsbücher (§§ 238 ff. HGB), sodass Kapitalgesellschaften, abhängig von Ihrer Größe, genau festgelegten Buchführungsvorschriften unterliegen, was ebenfalls ein Plus an Rechnungslegungspflichten gegenüber den Personengesellschaften bedeutet. Darüber hinaus gibt es auch noch berufsrechtliche Mitteilungspflichten gegenüber der Rechtsanwaltskammer aus § 59m BRAO, etwa bei jedweder Änderung des Gesellschaftsvertrags nach § 59m Abs. 1 S. 1 BRAO. Was das Ansehen der Kapitalgesellschaften betrifft, so kann festgehalten werden, dass die AG und die GmbH zwei der bekanntesten und respektabelsten Gesellschaften des deutschen Gesellschaftsrechts sind. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie jeweils ihren Gläubigern garantieren, dass zumindest ursprünglich ein Grundbzw. Stammkapital vorhanden war, um die Gesellschaftsschulden zu decken.128 Dieses generelle Vertrauen galt allerdings lange nicht in gleichem Maße für die Rechtsanwalts-Kapitalgesellschaften, da diese oftmals als konträr zu den anwaltlichen Idealen der freiheitlichen Berufsausübung und persönlichen Mandantenbetreuung angesehen wurden.129 Die steigende Zahl von Rechtsanwaltskapitalgesellschaften in den letzten Jahren130 deutet allerdings darauf hin, dass Kapitalgesellschaften nunmehr auch für Rechtsanwaltssozietäten zunehmend eine akzeptable Gesellschaftsform darstellen.131 Kapitalgesellschaften bieten ihren Gesellschaftern somit sehr große Sicherheiten, was die persönliche Haftung betrifft, da ein Durchgriff auf die hinter der Körperschaft stehenden Personen entsprechend dem System des deutschen Gesellschaftsrechts nur in absoluten Ausnahmefällen möglich ist.132 Andererseits bieten sie auch eine steuerliche Mehrbelastung und sind, auch bezüglich Buchführungsaufwand und Publizitätspflichten, den Personengesellschaften unterlegen. Im Hinblick auf das Image dürften Kapitalgesellschaften in den Augen der Allgemeinheit, insbesondere wenn es sich um eine GmbH handelt, immer noch das größte Vertrauen genießen. Die Übertragbarkeit dieses Vertrauens auf Rechtsanwalts-GmbHs ist allerdings nicht ohne Weiteres möglich. Bei diesen dürfte der 128 Für die AG gemäß § 7 AktG 50.000 EUR und für die GmbH gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG 25.000 EUR. 129 Ähnl. Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971, 2975; vgl. auch Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1394. 130 Zu den rechtstatsächlichen Aspekten sogleich S. 74. 131 Dabei bietet die AG insgesamt sogar gewisse Vorteile gegenüber der GmbH und der PartG mbB, da sie durch den Vorstand leichter zu führen ist, die Haftungsbeschränkung nicht schon im Namen trägt und die innere Unternehmensstabilität besser vor querulatorischen Gesellschaftern geschützt ist Henssler, PartGG, Einführung Rn. 53; Römermann, NJW 2013, 2305, 2308. 132 Ausgenommen ist hier selbstverständlich der Komplementär der KGaA, welcher auch dort im Außenverhältnis persönlich und der Höhe nach unbeschränkt haftet, Spindler/Stilz/ Bachmann, AktG, § 278 Rn. 37 ff.; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 278 Rn. 44; Pühler, in: Happ, AktienR, Bd. 1, 1.03 Rn. 4.1; Raiser/Veil, KapGesR, § 30 Rn. 15.
D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte
65
Rechtsverkehr den Haftungsausschluss für Fehler der eigenen beruflichen Leistung eher argwöhnisch wahrnehmen. Spezifisch in der Anwaltschaft mag es ebenfalls noch Vorbehalte gegen Kapitalgesellschaften als Anwaltssozietäten geben. Letztendlich bieten allerdings auch sie ein durchaus geeignetes Rechtskleid für Rechtsanwälte, um sich zu organisieren und vor persönlichen Risiken abzuschotten – so sie denn geneigt sind, eine steuerliche und handelsrechtliche Mehrbelastung auf sich zu nehmen. 4. Exkurs: Die LLP als Rechtsanwaltssozietät a) Die Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ Es wurde bereits angedeutet, dass das Europarecht und dessen Konzept der Rechtsformfreiheit es möglich gemacht haben, sich auch in anderen Mitgliedstaaten der EU mit einer Rechtsform der eigenen Jurisdiktion niederzulassen.133 Hierbei hat insbesondere der EuGH die Rechtsentwicklung vorangetrieben, indem er die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 i.V.m. 54 AEUV und ihren Schutz stets hervorgehoben hat.134 Eingeleitet wurde diese Entwicklung durch die Rechtssache „Centros“, in welcher der EuGH darüber entscheiden musste, ob die dänischen Behörden einer rechtmäßig errichteten, britischen private limited company zu Unrecht die Eintragung einer Zweigniederlassung verwehrt hatten.135 Da es gerade das Ziel der Art. 49, 54 AEUV sei, Gesellschaften eine Tätigkeit im EU-Ausland zu ermöglichen, sei die Weigerung der dänischen Behörden eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit, die auch nicht gerechtfertigt werden könne.136 Insbesondere spiele es keine Rolle, ob die Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur gegründet worden sei, um in einem anderen Mitgliedstaat tätig zu werden.137
133
S. 48 ff. EuGH Rs. C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126, Slg. 1999, I-1459, NJW 1999, 2027 Rn. 30 – „Centros“; EuGH Rs. C-208/00, ECLI:EU:C:2002:632, Slg. 2002, I-9919, NJW 2002, 3614 Rn. 56 ff. – „Überseering“; EuGH Rs. C-167/01, ECLI:EU:C:2003:512, Slg. 2003, I-10155, NJW 2003, 3331 Rn. 95 ff. – „Inspire Art“; ausführlich auch Habersack/Verse, EuGesR, § 3 Rn. 15 ff.; zu den Voraussetzungen, um sich als Personengesellschaft auf die Niederlassungsfreiheit berufen zu können W.-H. Roth, ZGR 43 (2014), 168, 180 ff., 183 ff.; für Freiberuflergesellschaften ist die Anwendbarkeit regelmäßig unproblematisch, Henssler, in: FS Baums, S. 579, 588 ff. 135 Die Weigerung der Behörden beruhte auf dem unbestrittenen Wunsch der Gesellschafter, die dänischen Vorschriften zur Kapitalaufbringung zu umgehen, EuGH Rs. C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126, Slg. 1999, I-1459, NJW 1999, 2027 Rn. 16 ff. – „Centros“. 136 EuGH Rs. C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126, Slg. 1999, I-1459, NJW 1999, 2027 Rn. 31 ff. – „Centros“. 137 EuGH Rs. C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126, Slg. 1999, I-1459, NJW 1999, 2027 Rn. 17 – „Centros“. 134
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
In der darauf folgenden Rechtssache „Überseering“ führte der EuGH seine Rechtsprechungslinie fort und verstärkte den durch die Art. 49 i.V.m. 54 AEUV vermittelten Schutz, indem er es als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ansah, dass der – nach niederländischem Recht – rechts- und parteifähigen BV „Überseering“ in Deutschland auf der Basis der Sitztheorie138 die Rechts- und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO auch die Parteifähigkeit abgesprochen wurde.139 Der Mitgliedstaat müsse vielmehr zugezogene Gesellschaften aus dem EU-Ausland so behandeln, wie sie dort begründet wurden.140 Durch die Entscheidung „Inspire Art“ zementierte der EuGH schließlich die zuvor festgelegten Grundsätze. Die Niederlassungsfreiheit stehe auch Regelungen entgegen, die zwar nicht unmittelbar die Gründung einer Zweigniederlassung beeinträchtigten, diese Zweigniederlassung aber den Vorschriften des nationalen Gesellschaftsrechts unterwarfen und so mittelbar die Niederlassungsfreiheit einschränkten.141 Damit war die Entwicklung der Art. 49 i.V.m. 54 AEUV von reinen Diskriminierungsverboten zu Beschränkungsverboten im Wesentlichen abgeschlossen.142 In innereuropäischen Konstellationen ist der Herkunftsstaat einer Gesellschaft heute daher unerheblich. Solange sie nach dem Recht ihres Gründungsstaates wirksam errichtet wurde, findet im Grundsatz auch dessen Recht Anwendung.143 Für Zuzugskonstellationen innerhalb der EU gilt unter der Ägide der Niederlassungsfreiheit somit nicht mehr die Sitz-, sondern die Gründungstheorie.144
138
Zur Sitz- und der ihr gegenüberstehenden Gründungstheorie W.-H. Roth, ZGR 43 (2014), 168, 171 ff.; K. Schmidt, GesR, § 1 II 8. a); Wiedemann, GesR I, S. 783 ff.; Wiedemann, GesR II, S. 47 ff. 139 EuGH Rs. C-208/00, ECLI:EU:C:2002:632, Slg. 2002, I-9919, NJW 2002, 3614 Rn. 76 ff. – „Überseering“; vgl. auch W.-H. Roth, ZGR 43 (2014), 168, 182. 140 EuGH Rs. C-208/00, ECLI:EU:C:2002:632, Slg. 2002, I-9919, NJW 2002, 3614 Rn. 95 – „Überseering“; zust. Habersack/Verse, EuGesR, § 3 Rn. 17, 19. 141 Im konkreten Fall ging es um die Aufbringung eines Mindestkapitals und die Haftung der Geschäftsführer, EuGH Rs. C-167/01, ECLI:EU:C:2003:512, Slg. 2003, I-10155, NJW 2003, 3331 Rn. 105 – „Inspire Art“; W.-H. Roth, ZGR 43 (2014), 168, 182; vgl. auch Henssler, in: FS Baums, S. 579, 589 f. 142 Herrmann/Guilliard, NZG 2019, 968, 970; grundsätzlich gehört auch EuGH Rs. C-378/ 10, ECLI:EU:C:2012:440, NJW 2012, 2715 = NZG 2012, 871 – „VALE“ in diese Reihe. Da es dort aber um grenzüberschreitende Umwandlungen ging, hat diese Entscheidung hier keine größere Bedeutung. 143 Habersack/Verse, EuGesR, § 3 Rn. 19, 24; Herrmann/Guilliard, NZG 2019, 968, 971; W.-H. Roth, ZGR 43 (2014), 168, 182 f. 144 Habersack/Verse, EuGesR, § 3 Rn. 19, 24; H.-J. Hellwig, AnwBl 2012, 876, 881; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 203; W.–H. Roth, ZGR 43 (2014), 168, 183.
D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte
67
b) Die Einführung der LLP in den deutschen Rechtsberatungsmarkt Nach der Einführung der Limited Liability Partnership (LLP)145 in England im April 2001 führte die europäische Rechtsentwicklung dazu, dass viele deutsche Sozietäten die Rechtsform der LLP nach englischem Recht annahmen.146 Es handelt sich um eine Rechtsform, welche heute viele Großkanzleien als Organisationsform nutzen, aber auch mittelständische Kanzleien und Boutiquen, selbst solche, „deren Partner sich an den Fingern einer Hand abzählen lassen“, wählten die englische LLP als Rechtskleid.147 Tatsächlich wurde sie ursprünglich in England ebenfalls vorrangig für Freiberufler konzipiert und sodann von den international tätigen britischen Law Firms in die übrigen Mitgliedsstaaten der EU importiert.148 Mittlerweile wurde die LLP über die Freiberufler hinaus auch allen natürlichen und juristischen Personen geöffnet.149 Erfolgversprechend schien die LLP deshalb, weil sie entscheidende Elemente der Personen- und der Kapitalgesellschaften verband und damit einem weltweiten Trend hin zur Verbindung von Rechtspersönlichkeit, Haftungsbegrenzung und steuerlich günstiger Behandlung folgte.150 Haftungsrechtlich gilt bei der LLP das Trennungsprinzip, welches im common law auch als „salomon doctrine“151 bekannt ist,152 wodurch die Gesellschafter wie bei einer Kapitalgesellschaft von einem umfassenden Haftungsprivileg profitieren, allerdings ohne ein – dem Kapitalgesellschaftsrecht entsprechendes – Mindestkapital aufbringen zu müssen.153 Eine persönliche Haftung der Gesellschafter ist hingegen, wie auch im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht154, eine sehr seltene Ausnahme.155 145
Instruktiv zur LLP Kilian, NZG 2000, 1008, 1008 ff.; vgl. auch Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1394 ff. 146 Bank, BB-Special 3.2010, 4, 4 f.; H.-J. Hellwig, NJW 2011, 1557, 1558; H.-J. Hellwig, AnwBl 2012, 876, 884; vgl. auch Becker, AnwBl 2011, 860; Eilers, IStR 2008, 22; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 203; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 268; Pleister, AnwBl 2012, 801; NK-PartGG/Seibert/Kilian, Einl. Rn. 13; Triebel/Silny, NJW 2008, 1034. 147 Ewer, AnwBl 2010, 857; vgl. auch H.-J. Hellwig, NJW 2011, 1557, 1558; H.-J. Hellwig, AnwBl 2012, 876, 884; zur LLP nach US-amerikanischem Recht Henssler, in: FS Wiedemann, S. 907 ff. 148 Bank, BB-Special 3.2010, 4; Windbichler, ZGR 43 (2014), 110, 134. 149 Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 452; Wiedemann, GesR II, S. 68. 150 Wiedemann, GesR II, S. 68 m.w.N. 151 Benannt nach der Entscheidung Salomon v A Salomon & Co Ltd [1897] A.C. 22, hierzu Gowers/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 27 f. 152 Bank, BB-Special 3.2010, 4. 153 Bank, BB-Special 3.2010, 4, 5; Henssler, BB-Special 3.2010, 2, 3; Henssler, NJW 2014, 1761, 1762 f.; s. auch Rehm, BB-Special 3.2010, 10, 12. 154 Zu den vielfältigen und zum Teil umstrittenen Fallgruppen der Durchgriffshaftung eingehend Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Lieder, GmbHG, § 13 Rn. 367 ff., 395 ff.; sowie Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 43 ff.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Pentz, GmbHG, § 13 Rn. 144 ff.; Wicke/Wicke, GmbHG, § 13 Rn. 5 ff.; zur Anwendbarkeit der
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
Zudem kann durch die Wahl der LLP der nach § 51a BRAO für PartG mbB notwendige und kostspielige Versicherungsschutz in Höhe von 2.500.000 EUR umgangen werden.156 Damit bietet die LLP mit ihrer Haftungsverfassung ein Modell, welches den Kapitalgesellschaften gleicht. Steuerrechtlich verbindet die LLP diese Vorzüge des Haftungsrechts mit der steuerlichen Transparenz einer Personengesellschaft.157 Lange Zeit war umstritten, ob die LLP ihren Gewinn im Wege der EinnahmenÜberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln kann,158 sofern sie Einkünfte aus selbständiger Arbeit aufweist, was jedoch regelmäßig der Fall ist, solange alle Gesellschafter eigenverantwortlich, leitend und freiberuflich agieren.159 Nunmehr hat der BFH entschieden, dass die Norm des § 140 AO mit der Umschreibung „andere[n] Gesetze[n]“ nicht nur deutsche Gesetze, sondern auch ausländische Rechtsnormen meint.160 Da die LLP den weitreichenden Buchführungspflichten des britischen Rechts unterliegt, die nun über § 140 AO auch für die Besteuerung in der Bundesrepublik maßgeblich sind, ist ihr das Privileg des § 4 Abs. 3 EStG verwehrt.161 Eine Pflicht zur Entrichtung der Gewerbesteuer besteht hingegen auch weiterhin nicht.162 Im Innenverhältnis zeichnet sich die LLP durch eine große Flexibilität aus, da es im englischen Recht zwar durchaus zwingende Vorgaben163 gibt, gegen die nicht verstoßen werden darf, allerdings sind diese so schwach ausgeprägt, dass sie die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags kaum beeinträchtigen.164 In diesem für Freiberufler wichtigen Aspekt steht die LLP damit eher den nationalen PersonenExistenzvernichtungshaftung auf die PartG mbB Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 137 ff. 155 Otte-Gräbener, in: FS Seibert, S. 613, 623; Rehm, BB-Special 3.2010, 10, 14; vgl. auch Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1395 ff. Ob diese Haftungsverfassung im Bereich beruflicher Pflichtverletzungen auf in Deutschland ansässige LLP übertragbar ist, ist allerdings zweifelhaft, Römermann, AnwBl 2012, 288, 291; Römermann/Jähne, BB 2015, 579. 156 Henssler, NJW 2014, 1761, 1765; zu den hohen Versicherungsbeiträgen für Rechtsanwälte als Nachteil der PartG mbB Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 33. 157 Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 203; Otte-Gräbener, in: FS Seibert, S. 613, 622; Römermann/Jähne, BB 2015, 579; Römermann/Praß, NZG 2012, 601, 602; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 3; Schnittker, Gesellschafts- und steuerrechtliche Behandlung einer englischen limited Liability Partnership mit Verwaltungssitz in Deutschland, S. 207 f.; Schnittker, BB-Special 3.2010, 20; vgl. auch Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1400. 158 Dafür Schnittker, BB-Special 3.2010, 20, 25. 159 Schnittker, BB-Special 3.2010, 20, 24 f. 160 Grundlegend BFH, Urt. v. 14. 11. 2018 – I R 81/16, BFHE 263, 108 Rn. 13 ff. = BStBl II 2019, 390 = NJW 2019, 1479 m.w.N. zum Streitstand; zust. Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 202. 161 Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 202 f. 162 Schnittker, BB-Special 3.2010, 20, 25 f. 163 Zu diesen Leicht, BB-Special 3.2010, 14, 16. 164 Leicht, BB-Special 3.2010, 14, 15; Bank, BB-Special 3.2010, 4, 7.
D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte
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gesellschaften nahe. Ein nicht zu unterschätzender Nachteil ist jedoch, dass zumindest der statutarische Sitz nach dem Gesellschaftsvertrag in England liegen muss.165 Damit einher geht durch die erforderliche Gründung beim Companies House ein zusätzlicher Aufwand, da die entscheidenden Gründungsdokumente nur in Englisch erhältlich sind und dementsprechend auch in Englisch auszufüllen sind.166 Nimmt man dies indes in Kauf, bietet die große Flexibilität im Übrigen durchaus Vorteile. Was die Publizität und die Buchführung betrifft, ist zu bedenken, dass die Haftungsprivilegierung der LLP nach dem englischen Recht ihren Grund nicht in der Leistung eines Grund- oder Stammkapitals hat, sondern in besonders weitreichenden Offenlegungs- und Publizitätspflichten.167 So sind die Gewinnanteile bei mittleren und großen LLPs inklusive des Gehalts des bestverdienenden Gesellschafters offenzulegen, sofern der Jahresgewinn der LLP mehr als 200.000 GBP beträgt.168 Wenngleich die laufende Verwaltung mit „ein wenig professioneller Unterstützung aus dem Vereinigten Königreich“ nicht schwer fallen sollte,169 spricht dies jedoch zumindest dafür, dass eine LLP sich kaum für einzelne oder kleinere Gruppen von Anwälten eignet, welche entweder den organisatorischen Aufwand oder die zusätzlichen Kosten für professionelle Hilfe aus dem Vereinigten Königreich scheuen. Im Hinblick auf das Image der LLP ist anzunehmen, dass sie national einigermaßen unbekannt oder aber nicht sonderlich vertrauenerweckend wirkt, jedenfalls nicht für Personen außerhalb der Anwaltschaft oder der Wirtschaft. International handelt es sich bei der LLP jedoch um eine etablierte und international anerkannte Rechtsform.170 Wie anerkannt und etabliert diese auf dem internationalen Markt ist, zeigt zum einen, dass zum Stichtag am 31. 12. 2014 von den zehn umsatzstärksten Kanzleien in Deutschland sechs als LLP organisiert waren,171 und zum anderen, dass die Kanzlei Clifford Chance 2014 vom Rechtskleid der PartG zu demjenigen der LLP wechselte, anstatt in eine PartG mbB umzufirmieren.172 Dr. Andreas Dietzel, damals Managing Partner Germany, argumentierte, dass die Rechtsform der LLP weltweit etabliert sei und besser zum internationalen Zuschnitt der Kanzlei passe, nicht zu165
Leicht, BB-Special 3.2010, 14, 16. Hierzu und zu den notwendigen Dokumenten Bank, BB-Special 3.2010, 4, 6; warnend Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 32, der erforderliche Beratungsaufwand werde häufig unterschätzt. 167 Bank, BB-Special 3.2010, 4, 9; zu den Pflichten Bank, Die britische Limited Liability Partnership, S. 250 ff.; Schnittker, Gesellschafts und steuerrechtliche Behandlung einer englischen limited Liability Partnership mit Verwaltungssitz in Deutschland, S. 67 ff.; Rumberg/ Schneider, RIW 2012, 272, 276. 168 Bank, BB-Special 3.2010, 4, 7. 169 Rumberg/Schneider, RIW 2012, 272, 277. 170 Rumberg/Schneider, RIW 2012, 272, 277; in diese Richtung auch Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 33. 171 Lieder/Hoffmann, NJW 2015, 897, 898. 172 Lieder/Hoffmann, NJW 2015, 897, 898. 166
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
letzt, weil die Sozietät in London und vielen anderen Büros weltweit ebenfalls über eine LLP agiere.173 Damit verfestigt sich das Bild der LLP als Gesellschaft, welche insbesondere durch die Verbindung von kapital- und personengesellschaftsrechtlichen Elementen das Beste von beidem erhält. Gleichzeitig eignet sie sich durch eine doch recht aufwändige Verwaltung und das vor allem internationale Renommee eher für international agierende und damit größere Kanzleien. Dennoch ergriffen vor der Einführung der PartG mbB mangels einer nationalen, günstigen Alternative auch kleinere und mittelständische Sozietäten die Gelegenheit und wandelten sich in eine LLP um. c) Die Zukunftsperspektiven der LLP in Deutschland Im Angesicht des „Brexit“174 sind die Perspektiven der LLP als Rechtsanwaltssozietät indes wenig verheißungsvoll. Vorbehaltlich eines Abkommens zwischen der EU und Großbritannien bezüglich der gegenseitigen Anerkennung unternehmerischer Betätigung in der Rechtsform des Gründungsstaates wird der kommende „Brexit“ die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV i.V.m. 54 AEUVauf britische Gesellschaften beenden.175 In der Konsequenz wäre auf britische Gesellschaften die „Sitztheorie“ anwendbar, sodass diejenigen LLPs, die ihren Verwaltungssitz nicht in Großbritannien, sondern in Deutschland unterhalten, dem deutschen Gesellschaftsrecht unterworfen wären.176 Entsprechend der Rechtsprechung des BGH zum Gesellschaftskollisionsrecht mit Drittstaaten würden diese LLPs wie deutsche Personengesellschaften behandelt werden.177 Folglich unterlägen
173
Pressemitt. v. 02. 07. 2014; abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/kanzleien-unterneh men/k/clifford-chance-deutschland-neue-rechtsform/ (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 174 Der „Brexit“ bezeichnet den Austrittsprozess des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU, welcher am 23. 06. 2016 vom britischen Volk beschlossen und am 29. 03. 2017 von der damaligen Regierungschefin Theresa May durch schriftliche Mitteilung an den Europäischen Rat unter Bezugnahme auf Art. 50 des Vertrags von Lissabon initiiert wurde, abrufbar unter http://data.consilium.europa.eu/doc/document/XT-20001-2017INIT/en/pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 175 Habersack/Verse, EuGesR, § 3 Rn. 27 m.w.N. aus der Literatur. 176 Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 203; Mohamed/Biermeyer/Meyer, ZfPW 2020, 114, 121; Otte-Gräbener, BB 2020, 84; Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 181; Weller/Thomale/Zwirlein, ZEuP 2018, 892, 902; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, Einl. Rn. 255; Zimmer/Cox/Inhoffen, BB 2016, 1781; Zwirlein/Großerichter/Gätsch, NZG 2017, 1041, 1042; andeutungsweise auch Henssler, NZG 2019, 401; allgemein für eine Anwendung der Gründungstheorie auch auf Personengesellschaften aus Drittstaaten plädierend W.-H. Roth, ZGR 43 (2014), 168, 190 ff., 194 ff. 177 BGH, Urt. v. 01. 07. 2002 – II ZR 380/00, BGHZ 151, 204, 207 = NJW 2002, 3539; Urt. v. 27. 10. 2008 – II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 Rn. 23 = NJW 2009, 289 – „Trabrennbahn“; Habersack/Verse, EuGesR, § 3 Rn. 27; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 203; Mohamed/Biermeyer/Meyer, ZfPW 2020, 114, 121; Otte-Gräbener, BB 2020, 84; darauf
D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte
71
die Gesellschafter der LLP der akzessorischen Gesellschafterhaftung des deutschen Personengesellschaftsrechts gemäß § 128 HGB.178 Gesellschaftsrechtlich besäße die LLP gegenüber der GbR damit keine Vorteile mehr. Gegenüber dem System der PartG mbB179 wäre das Haftungssystem der LLP sogar im Nachteil. Selbst LLPs mit Verwaltungssitz in Großbritannien sind künftig keine sicheren Vehikel zur Rechtsdienstleistung mehr. Der „Brexit“ stellt auch berufsrechtlich die Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen in Frage.180 Künftig ist daher mit einer Umkehrung des Prozesses zu rechnen, der Anfang der 2000er Jahre beobachtet wurde. Es spricht vieles dafür, dass die meisten kleineren und mittelständischen Rechtsanwaltskanzleien in der Rechtsform der LLP in naher Zukunft eine Umwandlung in die Rechtsform der PartG mbB anstreben werden. 5. Zwischenergebnis Abhängig von der Intention und der inneren Einstellung der Sozien lässt sich somit in jedem Fall das passende Rechtskleid finden, sei es die GbR, welche die größtmögliche Freiheit bietet, die PartG bzw. PartG mbB, welche eine Mixtur aus Freiheit und persönlicher Sicherheit bietet, die Kapitalgesellschaften, welche ihre Gesellschafter im Grundsatz vor jeglicher Außenhaftung abschirmen, oder andere Rechtsformen wie die LLP mit ihrem internationalen Renommee. Abseits von diesen rein theoretischen Aspekten ist bisher jedoch in den Hintergrund getreten, wie die gesellschaftsrechtliche Landschaft in der Rechtsanwaltschaft beschaffen ist. Dies soll nun, auch und gerade mit Blick auf die in Kürze zu behandelnden Auflösungsproblematiken, korrigiert werden. Schließlich hängt die Relevanz der behandelten Auflösung nicht zuletzt auch davon ab, wie praxisrelevant die einzelnen Gesellschaftsformen für Rechtsanwälte tatsächlich sind.
hinweisend auch Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 32; eine Übergangsfrist befürwortend BeckOK BGB/Mäsch, Art. 12 EGBGB Rn. 82 f. 178 Hübler, NZI 2016, 622, 623; Kumpan/Pauschinger, EuZW 2017, 327, 332; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 203; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 32; Seeger, DStR 2016, 1817, 1819 f.; Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 181; Weller/Thomale/Benz, NJW 2016, 2378, 2381; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, Einl. Rn. 255; eine Ausnahme für „Altgesellschaften“ befürwortend Weller/Thomale/Zwirlein, ZEuP 2018, 892, 903; insgesamt a.A. Mäsch/Gausing/Peters, Rpfleger 2017, 601, 604 ff. 179 S. 60 f. 180 Detailliert hierzu Henssler, NZG 2019, 401, 404 ff. Zu weiteren Auswirkungen des Brexit für die Privatrechtsordnungen Europas Eidenmüller, ZEuP 2018, 868 ff.
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
II. Rechtstatsächliches zu Rechtsanwaltsgesellschaften 1. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Die Verbreitung der GbR lässt sich mangels eines Registers leider kaum verlässlich abschätzen. Man darf aber doch wohl davon ausgehen, dass diese immer noch einen großen Anteil der Rechtsanwaltssozietäten darstellt,181 ist sie doch sehr flexibel und lässt sich insbesondere auch kurzer Hand gründen. Prütting spricht sogar davon, dass „früher wie heute die Gesellschaft bürgerlichen Rechts die deutlich überwiegende Organisationsform [ist]“.182 Auch Kilian sieht die GbR als die weiterhin überwiegende Rechtsform und schätzt ihren Anteil auf „fast zwei Drittel“.183 Henssler geht ebenfalls davon aus, dass die GbR jedenfalls „für kleinere und mittlere Kanzleien auf absehbare Zeit die mit Abstand beliebteste Assoziierungsform bleiben [wird]“,184 obwohl die GbR angesichts der Bedürfnisse der freien Berufe und der Existenz der PartG mbB antiquiert anmutet.185 Als Begründung für die Vorzugswürdigkeit der GbR werden insbesondere die Kostenvorteile wegen fehlender Formund Publizitätsanforderungen, die ausreichende Mindesthaftpflichtversicherung und der Mangel an attraktiven Alternativen angeführt.186 Man kann daher durchaus zu Recht behaupten: „Anwälte bevorzugen es einfach, geradezu simpel.“187 2. Die Partnerschaftsgesellschaft ohne und mit beschränkter Berufshaftung Bezüglich der Partnerschaften lassen sich hingegen seit ihrer Einführung gut belegte, steigende Zahlen verzeichnen. Insbesondere die PartG mbB erfreut sich seit ihrer Einführung stetig wachsender Beliebtheit in der Anwaltschaft.188 So gab es zum Stichtag am 31. 12. 2013 10.468 PartG, von denen 361 als PartG mbB organisiert 181 Goette, ZGR 46 (2017), 426; Hartung, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 37, 46; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 10; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 25 Rn. 1; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 705 BGB Rn. 36, 38; Trottmann, Sozietätsspezifisches Berufsrecht, S. 2. Insgesamt gibt es nach Angaben des statistischen Bundesamts rund 209.000 unternehmerisch tätige Gesellschaften bürgerlichen Rechts, zit. nach Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 465 Fn. 6. 182 Prütting, AnwBl 2014, 107. 183 Kilian, AnwBl 2015, 45; allerdings bezogen auf eine Studie aus dem Juni 2013, als die PartG mbB noch nicht existent war, darauf hinweisend auch Lieder/Hoffmann, NJW 2015, 897, 902 in Fn. 61. 184 Henssler, AnwBl 2014, 762, 769. 185 Henssler, NJW 2014, 1761, 1765. 186 Henssler, AnwBl 2014, 762, 769; Kilian, AnwBl 2015, 45, 45 ff. mit weiteren Gründen. 187 Hartung, NJW-aktuell 8/2018, 7. 188 Vgl. zu den über die Jahre steigenden Zahlen Lieder/Hoffmann, NZG 2014, 127, 127 ff.; Lieder/Hoffmann, NJW 2015, 897, 897 ff.; Lieder/Hoffmann, NZG 2016, 287, 287 ff.; Lieder/ Hoffmann NZG 2017, 325, 325 ff.; Lieder/Frehse/Kilian, NJW 2018, 2175.
D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte
73
waren,189 was lediglich einem Anteil der PartG mbB an den PartG von 3,4 % entspricht.190 Reine Rechtsanwaltsgesellschaften in der Form der PartG mbB gab es 95.191 Zwei Jahre später existierten bereits 2.957 PartG mbB, was bei einer Gesamtzahl von 12.175 PartG einem Gesamtanteil von 24 % und einer Zunahme der Rechtsformvariante im Vergleich zum Vorjahr von 74 % entsprach,192 nicht zuletzt, weil mit der Zeit gerade die kleinen Kanzleien mit zwei oder drei Partnern vermehrt die PartG mbB wählten.193 PartG mbB von Rechtsanwälten gab es nunmehr 886, während sich bei der Einbeziehung von Mischsozietäten eine Gesamtzahl von 1.243 haftungsoptimierten PartG ergab.194 Die zuletzt vorgenommene Untersuchung zum 31. 12. 2017 zeigt, dass der Trend zur PartG mbB weiterhin ungebrochen ist und sie mit 5694 Gesellschaften bereits rund 40 % aller PartG ausmacht.195 Die Steigerung zum Vorjahr beträgt 30 % und auch insgesamt hat die Zahl der PartG, sofern man die PartG mbB hinzurechnet, mit 14.202 Gesellschaften wieder zugenommen.196 Insbesondere rechtsberatende Berufe favorisieren die PartG mbB.197 Der Erfolg der PartG, insbesondere in ihrer Rechtsformvariante, ist damit ungebrochen. Da aber die absolute Zahl der Neugründungen der PartG mit beschränkter Berufshaftung zu gering ist, wird diese die GbR als dominante Rechtsform für Rechtsanwaltssozietäten insgesamt nicht ersetzen können,198 wenngleich davon auszugehen ist, dass jedes Jahr eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Sozietäten in der Rechtsform der GbR zur PartG mbB wechseln.199 Jedenfalls im Rechtsberatungsmarkt der Großkanzleien hat die PartG die GbR bereits weitgehend verdrängt.200
189
Lieder/Hoffmann, NZG 2014, 127, 128. Lieder/Hoffmann, NZG 2014, 127, 128. 191 Lieder/Hoffmann, NZG 2014, 127, 128. 192 Lieder/Hoffmann, NZG 2016, 287. 193 Exemplarisch für das Beispiel Niedersachsen, wo 76 % der PartG mbB aus zwei oder drei Mitgliedern bestanden, Lieder/Hoffmann, NJW 2015, 897, 898. 194 Lieder/Hoffmann, NZG 2016, 287, 288. 195 Lieder/Frehse/Kilian, NJW 2018, 2175. 196 Lieder/Frehse/Kilian, NJW 2018, 2175. 197 Lieder/Frehse/Kilian, NJW 2018, 2175; Lieder/Hoffmann, NJW-aktuell 12/2018, 15. 198 Kilian, AnwBl 2015, 772, 775; trotzdem bezeichnet Hartung die PartG mbB etwas überschwänglich als „Bestseller“, die auch von vielen kleinen und mittelgroßen Sozietäten übernommen worden sei, Hartung, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 37, 53. 199 Lieder/Hoffmann, NJW-aktuell 12/2018, 15; vgl. auch Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 249d. 200 Vgl. Henssler, AnwBl 2014, 762, 764. 190
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2. Kap.: Grundlagen der rechtlichen Verhältnisse von Rechtsanwaltssozietäten
Ihren ursprünglichen Zweck, den vom Gesetzgeber festgestellten Trend der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft hin zur LLP zu minimieren, dürfte die PartG mbB letztlich erreicht haben.201 3. Die Limited Liability Partnership (LLP) Aufgrund des eben erörterten Zwecks der PartG mbB lassen sich deren rechtstatsächliche Aspekte kaum von denjenigen der Limited Liability Partnership trennen. Die LLP war aufgrund ihrer Haftungsverfassung lange Zeit eine attraktive Alternative zu den Rechtsformen der GbR und der PartG. Mit insgesamt 86 Partnerschaften ausländischen Rechts zum 31. 12. 2017, von denen nicht einmal alle zwangsläufig eine LLP sein müssen, ist sie allerdings kaum eine relevante Gefahr für die GbR oder die PartG.202 Das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Zahl der ausländischen Partnerschaften und damit auch diejenige der LLP in den letzten Jahren größtenteils konstant ist und keinen nennenswerten Zuwachs verzeichnet.203 In Anbetracht des immer näher rückenden „Brexit“ und der noch immer ungeklärten Rechtsfragen zwischen der EU und Großbritannien ist die Rechtsform der LLP zudem äußerst risikobehaftet.204 4. Die Rechtsanwaltskapitalgesellschaften Sowohl die fehlende Haftungsbeschränkung von GbR und PartG sowie die partielle Haftungsbeschränkung der PartG mbB werden in der Praxis zum Teil als nicht 201
Zu diesem legislativen Zweck RegBegr, BT-Drucks. 17/10487, S. 1, 11, 13; vgl. auch die Begründung des RefE zum PartGG, S. 10; Ahrens, Berufsrecht, Rn. 399; Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 24; H.-J. Hellwig, AnwBl 2012, 876, 884; Henssler, AnwBl 2014, 96; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 99; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 269; Römermann/Jähne, BB 2015, 579; Römermann, NJW 2013, 2305, 2306; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 3; Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltl BerufsR, Haftung Rn. 473; Zweifel an der Existenz dieses Trends äußern allerdings Grunewald, ZIP 2012, 1115, 1116; Römermann/Jähne, BB 2015, 579; Römermann, NJW 2013, 2305, 2306; Vorzüge der LLP gegenüber der PartG mbB bejahend Henssler, AnwBl 2014, 96, 104; Henssler, NJW 2014, 1761, 1765; Henssler, PartGG, Einführung Rn. 54; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 33; für die Einführung einer Freiberufler-GmbH & Co. KG anstatt der PartG mbB Henssler/Markworth, NZG 2015, 1, 2; für eine gänzliche Abschaffung der PartG daher Henssler, AnwBl 2014, 762, 763; im Grundsatz auch noch Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 457 f.; ihm folgend Glindemann, AnwBl 2016, 797, 799; ebenfalls sehr krit. K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 730 ff.; K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 419; a.A. Schäfer, in: Gutachten 71. DJT, Band I, E 103 ff.; zur rechtstatsächlichen Perspektive kurz nach der Einführung der PartG mbB zum 19. 07. 2013, Lieder/Hoffmann, NZG 2014, 127, 127 ff. 202 So die Zahl bei Lieder/Hoffmann, NJW-aktuell 12/2018, 15. 203 Lieder/Frehse/Kilian, NJW 2018, 2175, 2178. 204 Hoger/Lieder, ZHR 180 (2016), 613, 640; zur PartG mbB als Alternative für internationale Sozietäten Henssler, NZG 2019, 401 ff.
D. Mögliche Organisationsformen für Rechtsanwälte
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ausreichend empfunden.205 Die in den letzten Jahren gestiegene Anzahl von Rechtsanwaltskapitalgesellschaften deutet hierauf hin. Zum Zeitpunkt der letzten großen Mitgliederstatistik der Bundesrechtsanwaltskammer mit Stand vom 01. 01. 2016 gab es dementsprechend bereits 760 Rechtsanwalts-GmbHs, 5 RechtsanwaltsUGs206 und immerhin 27 Rechtsanwalts-AGs.207 Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einer Zunahme der GmbHs um 9,51 %, der AGs um 3,85 % und der UGs um 66,67 %.208 Die gestiegene Zahl der Kapitalgesellschaften zeigt überdies auch, dass das frühere Selbstverständnis der Anwaltschaft, die Kapitalgesellschaften widersprächen dem Wesen des freien Berufs und ließen sich nicht mit dem persönlichen, vertrauensvollen Verhältnis von Anwalt und Mandant vereinbaren209, (sehr) langsam erodiert. 5. Zwischenergebnis Gleichwohl sind die Rechtsanwaltskapitalgesellschaften weiter deutlich in der Minderheit und stellen gegenüber der PartG und insbesondere der GbR keine signifikante Größe dar.210 Die Organisationsform der GbR ist weiterhin die bekannteste und in der absehbaren Zukunft wohl auch die vorrangige Gesellschaftsform für Rechtsanwälte in kleineren und mittleren Sozietäten.211 Die rechtstatsächlichen Aspekte stützen dabei die These, dass es Anwälten nach wie vor insbesondere auf Flexibilität und möglicherweise auch steuerliche Vorteile ankommt, wenn sie sich im Prozess der Rechtsformwahl befinden.
205
Allgemein auch Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 464 m.w.N. Zu Vor- und Nachteilen der Anwalts-UG, Axmann/Deister, NJW 2009, 2941 f.; Römermann, AnwBl 2009, 131, 132. 207 S. http://www.brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/statistiken/2016/grosse-mitgliedersta tistik-2016.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 208 S. http://www.brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/statistiken/2016/grosse-mitgliedersta tistik-2016.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 209 S. 48 ff. 210 Bei kleineren und mittelgroßen Sozietäten beträgt der Anteil der GbR, der PartG und der PartG mbB 97 %, bei den (in absoluten Zahlen weniger ins Gewicht fallenden) Großkanzleien stellt die PartG mbB immerhin 46 %, Kilian, BRAK-Mitt. 2018, 285, 286 f. 211 Kilian, BRAK-Mitt. 2018, 285, 288; Römermann/Jähne, BB 2015, 579, 580. 206
3. Kapitel
Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter A. Auflösung, Liquidation und Beendigung der Sozietät Wie jede Form gesellschaftsrechtlicher Zusammenschlüsse können auch Rechtsanwaltssozietäten aufgelöst werden. Die Tatbestände hierfür können gesellschaftsspezifisch oder auch gesellschaftsübergreifend sein. Die gesellschaftsrechtliche Behandlung der Auflösung von Rechtsanwaltssozietäten folgt dabei den allgemeinen Grundsätzen zur Auflösung von Personengesellschaften.1 Auch die Motive für die Beendigung der Gesellschaft können vielfältig sein: Von einem einvernehmlichen Übereinkommen, die Gesellschaft zu beenden, bis hin zu einem unauflösbaren Streit unter den Gesellschaftern ist grundsätzlich jedes Motiv denkbar. Die Auflösung einer Rechtsanwaltssozietät ist in der Praxis gleichwohl eine seltene Angelegenheit. Regelmäßig wird schon mit dem Namen einer Sozietät ein bestimmter Wert und eine bestimmte Platzierung am Markt verbunden. Das Interesse, diese zu erhalten, ist naturgemäß groß und so führt in der Praxis auch das Eintreten eines gesetzlichen Auflösungsgrundes häufig nicht zur Auflösung der gesamten Sozietät, sondern nur zum Ausscheiden des betroffenen Berufsträgers und der Fortführung der Gesellschaft durch die übrigen Sozien.2 Allgemein wird der gesellschaftsrechtliche Prozess der Reihe nach in die Auflösung, die Abwicklung bzw. Liquidation und schließlich in die Vollbeendigung unterteilt.3
I. Die Auflösung der Rechtsanwaltssozietät Am Beginn des Beendigungsprozesses steht zunächst die Auflösung. Sie ist kein legaldefinierter Rechtsbegriff, bezeichnet aber den Umstand, dass die Sozietät mit Eintritt der Auflösungsgründe ihre Zweckrichtung weg von der gemeinsamen Be1
Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 90. Vgl. Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 89. 3 Bei Personenhandelsgesellschaften folgt noch die Löschung im Handelsregister, Weiß, in: Gummert, MAH-PersGesR, § 25 Rn. 1. 2
A. Auflösung, Liquidation und Beendigung der Sozietät
77
rufsausübung hin zur Abwicklung der Gesellschaft grundlegend ändert.4 Dogmatisch ist sie daher eine Umwandlung qua Gesetz von ihrer ursprünglichen Form der Berufsausübungsgesellschaft in diejenige einer Abwicklungsgesellschaft.5 Die die Auflösung auslösenden Ereignisse werden allgemein als Auflösungsgründe bezeichnet und können unterschiedlicher Natur sein. Die meisten sind gesetzlich geregelte Auflösungstatbestände, einige andere ergeben sich hingegen nicht aus dem Gesetz, sondern aus der Dogmatik des Zivil- oder des Gesellschaftsrechts. Entgegen dem teilweise missverständlichen Wortlaut führt der Eintritt eines Auflösungsgrundes regelmäßig nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft, sondern nur zur Liquidation derselben.6 Die gesetzlichen Auflösungsgründe für die GbR finden sich in den §§ 723 – 728 BGB, während das PartGG in § 9 Abs. 1 unter anderem auf den § 131 HGB verweist, sodass die PartG nach den Regeln für die OHG aufgelöst wird. 1. Die Auflösung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts a) Gesetzliche Auflösungsgründe Die §§ 723 – 728 BGB normieren sechs verschiedene Auflösungstatbestände für die GbR. aa) Die Kündigung (1) Allgemeines Praktisch ist die Kündigung für Personengesellschaften der relevanteste Auflösungsgrund.7 Das Gesetz normiert die Kündigung in unterschiedlichen Varianten, wie die ordentliche Kündigung nach § 723 Abs. 1 S. 1 BGB bei Gesellschaften auf unbestimmte Zeit oder den ihnen gleichgestellten Fällen nach § 724 S. 1 und 2 BGB, die Kündigung aus wichtigem Grund nach § 723 Abs. 1 S. 2 und 3 und die Kündigung durch den Pfändungspfandgläubiger nach § 725 Abs. 1 BGB. Anhand der Kündigungstatbestände erkennt man bereits, dass die Kündigung eines Gesellschaftsvertrags den allgemeinen Regeln und Grundsätzen des Zivilrechts bezüglich der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen folgt. Die Kündigung eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Gesellschaftsvertrags kann daher stets und ohne 4 Kindl, GesR, § 11 Rn. 1; Mock, GesR, § 6 Rn. 292; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 238; Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 131 Rn. 3; H. Westermann, PersGesR, I Rn. 588; Wiedemann, GesR II, S. 552. 5 MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 BGB Rn. 5; Windbichler, GesR, § 10 Rn. 1. 6 Vgl. MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 BGB Rn. 5. 7 Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 237c; Windbichler, GesR, § 10 Rn. 4; gleichzeitig ist die Auflösung einer Sozietät insgesamt ein eher seltenes Ereignis Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 89.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
wichtigen Grund erfolgen, wohingegen die Kündigung eines nur auf Zeit geschlossenen Gesellschaftsvertrags einen wichtigen Grund zur Kündigung erfordert.8 Als allgemeines Rechtsinstitut zur Lösung aus Dauerschuldverhältnissen dienen die Kündigungsgründe dem Ausgleich zwischen dem Interesse des Kündigenden, das Dauerschuldverhältnis zu lösen, und dem Vertragserhaltungsinteresse des Kündigungsgegners, hier der übrigen Gesellschafter.9 Eine wirksame Kündigung setzt, neben dem Vorliegen des Kündigungstatbestandes, die Ausübung eines Gestaltungsrechts10 und damit eine wirksame Willenserklärung voraus.11 Diese muss allen Mitgesellschaftern zugehen.12 Mangels einer Formvorschrift im Gesetz ist sie e contrario grundsätzlich formfrei, allerdings sieht die Mehrzahl der Gesellschaftsverträge ein Formerfordernis für die Kündigung vor.13 Ebenso wie bei der Form der Kündigungserklärung ist auch eine Kündigungsfrist grundsätzlich nicht vorgesehen, eine solche kann jedoch gesellschaftsvertraglich vereinbart werden.14 Die Kündigung kann ausnahmsweise ausgeschlossen sein, wenn das Kündigungsrecht dem Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens unterliegt und daher nicht wirksam wird.15 (2) Erschwerungen des Kündigungsrechts Ein gänzlicher Ausschluss des Kündigungsrechts stellt demgegenüber bei unbefristeten und überlangen Gesellschaftsverträgen einen Verstoß gegen § 723 Abs. 3
8
Mock, GesR, § 6 Rn. 299. Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 723 BGB Rn. 1. 10 Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 723 Rn. 5; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 12; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 42; Wiedemann, GesR II, S. 668. 11 Eberhard, in: BeckHdb-PersGes, § 13 Rn. 32; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 723 BGB Rn. 4; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 20; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 42. 12 Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 723 Rn. 8; Fleischer/Hahn, NZG 2017, 1, 8; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 15; Staudinger/Habermeier, § 723 Rn. 9; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 20. 13 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 16; Weiß, in: Gummert, MAH-PersGesR, § 25 Rn. 31; vgl. auch Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 43; für die PartG Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 21. 14 Kindl, GesR, § 11 Rn. 3; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 304; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 44. 15 Rechtsmissbrauch liegt etwa dann vor, wenn der Kündigende die Kündigungslage arglistig herbeigeführt hat BGH, Urt. v. 15. 06. 1959 – II ZR 44/58, BGHZ 30, 195, 202 f. = NJW 1959, 1683; eingehend zur rechtsmissbräuchlichen Kündigung Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 38 f.; Staudinger/Habermeier, § 723 Rn. 17; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 39. 9
A. Auflösung, Liquidation und Beendigung der Sozietät
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BGB dar und ist dementsprechend nichtig.16 Abgesehen vom direkten Ausschluss des Kündigungsrechts verbietet § 723 Abs. 3 BGB aber auch mittelbare Einschränkungen. Diese können auf zweierlei Art herbeigeführt werden: Zum einen durch erhöhte Voraussetzungen im Hinblick auf die Ausübung der Kündigung und zum anderen, indem die Rechtsfolgen der Kündigung derart ausgestaltet werden, dass diese ihren Zweck verfehlen würde.17 Bloße Kündigungserschwerungen, die den Gesellschafter nicht gänzlich von der Kündigung abhalten und somit einem Ausschluss des Kündigungsrechts gleichgestellt werden müssen, sind hingegen zulässig und können gesellschaftsvertraglich vereinbart werden.18 Im Sozietätsvertrag der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft sollte die jederzeitige, ordentliche Kündigung daher regelmäßig abbedungen werden. Häufig ist es zweckdienlich, im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich Kündigungsfristen und Mindestlaufzeiten für die Sozietät zu vereinbaren. Ebenfalls möglich ist es, dass die Sozietät langfristige Mietverträge eingeht, die den konkludenten Willen der Gesellschafter hervortreten lassen, die ordentliche Kündigung der Gesellschaft frühestens mit Ablauf der Mietdauer zu ermöglichen.19 Allgemein gilt für größere Sozietäten, die ein gemeinsames Anlagevermögen schaffen sowie aktiv Nachwuchs anwerben und ausbilden, dass eine fünfjährige Laufzeit der Gesellschaft im Interesse aller Sozien liegt.20 Es ist zu bedenken, dass der Zweck der Gesellschaft in der Betreuung langfristiger Mandate liegt und im Rahmen der Tätigkeit eine gewisse Marktposition samt Bekanntheitsgrad erreicht werden soll, was die Mindestdauer von fünf Jahren rechtfertigt.21 Entscheidend bei der Beurteilung einer Mindestlaufzeit ist im Einzelfall, ob die Dauer der Bindung bei Vertragsschluss überschaubar ist, um eine übermäßige Beschneidung der Betätigungsfreiheit der einzelnen Gesellschafter zu verhindern.22 Dabei ist stets zu beachten, dass der Rechtsberatungsmarkt gegenwärtig eine hohe zeitliche und örtliche Flexibilität sowohl erfordert als auch erlaubt, weshalb langfristige Bindungen für Rechtsanwälte kritisch zu betrachten sind.23 Eindeutig zu lang ist damit bei Rechtsanwaltssozietäten die Errichtung der Sozietät für 30 Jahre unter 16 Wiedemann, GesR II, S. 668 f.; hierzu und zu den Ausnahmen sowie der Zulässigkeit von Kündigungsbeschränkungen s. MüKoBGB/Schäfer, § 723 Rn. 70 ff. 17 Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 326; vgl. auch Schäfer, Beilage ZIP 22/2016, 63, 65. 18 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 45; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 27; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 60; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 41. 19 Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 25. 20 Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 36; vgl. auch Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 279. 21 Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 35. 22 BGH, Urt. v. 18. 09. 2006 – II ZR 137/04, NJW 2007, 295 Rn. 10 f. m.w.N. = ZIP 2006, 2316. 23 Zum Wandel der Marktsituation für Rechtsanwälte Goette, AnwBl 2007, 637, 640 f.; Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 112.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts für diesen Zeitraum.24 Langfristige Sozietätsverträge erfordern eine an Art. 12 Abs. 1 GG orientierte Auslegung des § 723 Abs. 3 BGB unter dem Aspekt, dass die Wahl und Aufgabe des Arbeitsplatzes der Sozien nicht durch übermäßig lange Bindungen eingeschränkt werden darf.25 Gerade bei Freiberuflern erfordern die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie der sich stetig verändernde und von Sozietätswechseln geprägte Anwaltsmarkt die zeitnahe Lösungsmöglichkeit der gesellschaftsvertraglichen Verbindung.26 Aufgrund solcher Erwägungen stellt eine neuere Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum für Freiberuflersozietäten zurecht auf eine maximale Mindestlaufzeit der Sozietät von fünf Jahren ab.27 bb) Erreichung oder Unmöglichwerden des Gesellschaftszwecks Als einen weiteren Auflösungsgrund sieht § 726 BGB vor, dass die Gesellschaft endet, sobald der vereinbarte Zweck erreicht oder dessen Erreichung unmöglich geworden ist. Diese Vorschrift entspringt laut Wiedemann der Gedankenwelt der Gelegenheitsgesellschaft und der automatischen Beendigungsgründe im allgemeinen Schuldrecht.28 Und in der Tat erinnert die Erreichung des Gesellschaftszwecks an die Erfüllung in § 362 Abs. 1 BGB, während das Unmöglichwerden des Gesellschaftszwecks eine spezielle Ausformung des § 275 Abs. 1 BGB sein dürfte. Der § 726 BGB schließt daher den Fortbestand der werbenden Gesellschaft zwingend aus, sobald einer der beiden Tatbestände verwirklicht ist.29 Zulässig ist ein nachfolgender Beschluss der Gesellschafter, die Gesellschaft mit einem anderen Gesellschaftszweck fortzusetzen.30 Für Rechtsanwaltssozietäten spielt § 726 BGB in 24 BGH, Urt. v. 18. 09. 2006 – II ZR 137/04 = NJW 2007, 295 Rn. 12 = ZIP 2006, 2316; Weyland/Brüggemann, BRAO, § 59a Rn. 10a; 10a; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 41. 25 Goette, AnwBl 2007, 637, 641; Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 111; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 42 Rn. 1695. 26 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26. 05. 2004 – U 36/03, NJW-RR 2005, 288, 289 = BeckRS 2004, 11757; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 111 f.; Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 111 f.; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 28; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 304; zu den Auswirkungen dieser Erkenntnis auf die Qualifizierung des wichtigen Grunds zur Ausschließung S. 98 ff. 27 OLG Stuttgart, Urt. v. 16. 05. 2007 – 14 U 53/06, NZG 2007, 786, 788 = BeckRS 2007, 09719; Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 279; Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 112; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 29; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 42 Rn. 1695. 28 Wiedemann, GesR II, S. 670. 29 BGH, Urt. v. 20. 12. 1962 – VII ZR 264/60, WM 1963, 728, 730 = DB 1963, 959; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 42 Rn. 1690; Erman/ H. P. Westermann, BGB, § 726 Rn. 2. 30 BGH, Urt. v. 15. 12. 2003 – II ZR 358/01, NJW-RR 1994, 472, 472 f. = ZIP 2004, 356; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 42 Rn. 1690.
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beiden Alternativen ganz regelmäßig keine Rolle, da der Gesellschaftszweck die dauerhafte, gemeinschaftliche Berufsausübung ist.31 Als dauerhafter Zweck kann er weder sukzessiv noch gänzlich verwirklicht werden.32 cc) Auflösung durch den Tod eines Gesellschafters Einen weiteren Auflösungsgrund stellt der Tod eines Gesellschafters gemäß § 727 Abs. 1 BGB dar. Diese Vorschrift ist Ausdruck der engen Verbundenheit der Gesellschafter untereinander in der GbR und der damit verbundenen, jedenfalls grundsätzlichen Unübertragbarkeit der Gesellschafterstellung.33 Gleichzeitig schützt § 727 Abs. 1 BGB die verbliebenen Gesellschafter davor, die Gesellschaft mit den Erben des Verstorbenen fortsetzen zu müssen.34 Abs. 1 der Vorschrift bringt allerdings im zweiten Halbsatz selbst zum Ausdruck, dass es den Gesellschaftern freisteht, durch eine entsprechende Fortsetzungs- oder Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag von dieser oft unerwünschten Rechtsfolge abzuweichen. Da Nachfolgeklauseln aufgrund der speziellen Qualifikation, welche die Gesellschafterstellung in einer Rechtsanwaltssozietät aufgrund von § 59a Abs. 1 BRAO erfordert, impraktikabel sind, wird in der Praxis eher auf Fortsetzungsklauseln zurückgegriffen.35 Selbst wenn a priori keine entsprechende Klausel vereinbart wurde, kann die Rechtsfolge des § 727 Abs. 1 BGB durch einen Fortsetzungsbeschluss abbedungen werden.36
31 Goette, ZGR 46 (2017), 426, 429; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 115 ff.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 22. 32 Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 115; a.A. Goette, ZGR 46 (2017), 426, 429, Unmöglichkeit der Zweckerreichung sei denkbar. 33 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 64; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 727 BGB Rn. 1; MüKoBGB/Schäfer, § 727 BGB Rn. 1; BeckOK BGB/Schöne, § 727 Rn. 1. 34 Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 727 BGB Rn. 1; BeckOK BGB/Schöne, § 727 Rn. 1; eine Auseinandersetzung mit den Erben erfolgt dann nur – aber immerhin – bzgl. der Abfindung, vgl. Goette, ZGR 46 (2017), 426, 428 f.; ähnliches gilt über § 9 Abs. 4 S. 1 PartGG für die PartG, wobei dort die Gesellschaft fortgeführt wird, hierzu Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 40. 35 Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 107 f.; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 120 f.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 74 ff.; vgl. auch Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 237c; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 41, 44; zu Grenzen und Inhalt der Rückumwandlung in eine werbende Gesellschaft MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 11. 36 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 131; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 122; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 11, § 736 BGB Rn. 17; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1068c; vgl. auch Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 22 Anm. 1 I.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
dd) Auflösung durch die Insolvenz der Gesellschaft oder eines Gesellschafters Als letzter gesetzlicher Auflösungsgrund sieht § 728 BGB vor, dass die Gesellschaft auch dann aufgelöst wird, wenn über das Vermögen der Gesellschaft (§ 728 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) oder eines Gesellschafters (§ 728 Abs. 2 S. 1 BGB) das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so tritt an die Stelle der Auseinandersetzung das Insolvenzverfahren gemäß § 730 Abs. 1 2. Hs. BGB. Ähnlich wie im regulären Auseinandersetzungsverfahren37 findet auch hier eine Änderung des Gesellschaftsgegenstands hin zum Liquidationszweck statt.38 Für die Initiierung der Auflösung genügt weder der Eröffnungsantrag (§ 13 InsO)39 noch die Ablehnung der Eröffnung mangels Insolvenzmasse (§ 26 InsO)40, vielmehr ist ein wirksamer Eröffnungsbeschluss gemäß § 27 InsO notwendig41. Wird hingegen das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters eröffnet, führt dies dazu, dass der Gesellschaftsanteil als Vermögenswert des Gesellschafters zugunsten der Massegläubiger aus der Gesellschaft herausgelöst werden muss.42 Der Gesellschafter bleibt zwar Inhaber des Gesellschaftsanteils, er verliert jedoch seine Verfügungsbefugnis.43 Da der Gesellschafter ab diesem Zeitpunkt aufgrund von § 80 Abs. 1 InsO die Rechte aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht mehr selbst ausüben kann,44 das Verhältnis der Gesellschafter einer Sozietät aber maßgeblich auf der persönlichen Beziehung der Sozien untereinander beruht, ist
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S. 76. HambKomm-InsR/Kuleisa, § 80 Rn. 34; MüKoInsO/Vuia, § 80 Rn. 111; vgl. auch Haas, in: Gottwald, InsR-Hdb, § 91 Rn. 29; einschränkend und nur von einer „Überlagerung“ sprechend K. Schmidt, BB 1989, 229, 230. 39 Wiedemann, GesR II, S. 583; Windbichler, GesR, § 10 Rn. 3. 40 BGH, Urt. v. 08. 10. 1979 – II ZR 257/78, BGHZ 75, 178, 179 = NJW 1980, 233; Urt. v. 24. 10. 1985 – VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, 154 = NJW 1986, 850; Urt. v. 07. 10. 1994 – V ZR 58/93, NJW 1995, 196 = ZIP 1994, 1685; LAG Frankfurt, Urt. v. 04.09. 1986 – 9 Sa 194/86, ZIP 1987, 869 = NZA 1987, 454; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 52; Windbichler, GesR, § 10 Rn. 3; a.A. Staudinger/Habermeier, § 728 Rn. 7, der für diese Fälle eine Abwicklung nach den §§ 730 ff. BGB erwägt. 41 HambKomm-InsR/Denkhaus, § 27 Rn. 33; BeckOK InsO/Farian, § 27 Rn. 2; Frege/ Keller/Riedel, in: Frege/Keller/Riedel, InsO, Teil 3 Rn. 839; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 70; Staudinger/Habermeier, § 728 Rn. 7; K. Schmidt, InsO/Keller, § 27 Rn. 58; MüKoBGB/Schäfer, § 728 Rn. 8; MüKoInsO/Vuia, § 80 Rn. 111; Wiedemann, GesR II, S. 583; vgl. auch Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 52. 42 Windbichler, GesR, § 10 Rn. 3; vgl. auch HambKomm-InsR/Kuleisa, § 80 Rn. 35. 43 Allg. hierzu BGH, Beschl. v. 29. 05. 2008 – V ZB 3/08, NZI 2008, 613 = ZInsO 2008, 741; Braun/Kroth InsO, § 80 Rn. 11; Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 80 Rn. 8; vgl. auch Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 74. 44 OLG München, Urt. v. 24. 08. 2010 – 31 Wx 154/10 = NJW-RR 2010, 1715 = NZI 2011, 28; HambKomm-InsR/Kuleisa, § 80 Rn. 35; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 80 Rn. 34. 38
A. Auflösung, Liquidation und Beendigung der Sozietät
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es nur konsequent, die Gesellschaft aufzulösen,45 es sei denn, die Fortsetzung der Gesellschaft ist gesellschaftsvertraglich vorgesehen46 oder findet mit der Zustimmung des Insolvenzverwalters statt47. Alternativ kann und sollte präventiv im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden, dass der Gesellschafter über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, aus wichtigem Grund aus der Berufsausübungsgesellschaft ausscheidet.48 b) Auflösungsgründe außerhalb des Gesetzes Neben diesen gesetzlichen Auflösungsgründen existieren nach einhelliger Meinung noch weitere Auflösungsgründe außerhalb des Gesetzes.49 Diese können sowohl auf äußeren Umständen (etwa Zeitablauf, auflösende Bedingung oder Vereinigung der Gesellschaftsanteile in der Hand des letzten Gesellschafters) als auch auf dem Willen der Gesellschafter (Aufhebungsvertrag50 oder Gesellschafterbeschluss51) beruhen.52 aa) Zeitablauf und auflösende Bedingung Dass eine Gesellschaft auch aufgrund des Zeitablaufs aufgelöst werden kann, wird zum einen einem Umkehrschluss aus §§ 723 Abs. 1 S. 1, 724 S. 1 BGB und zum anderen aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 HGB entnommen.53 Bei letzterem sei nicht ersichtlich, weshalb der Zeitablauf für die OHG, aber nicht für die GbR bedeutsam sein solle.54 45
Saenger, GesR, § 3 Rn. 249; mit ähnlicher Begründung, Windbichler, GesR, § 10 Rn. 3. Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 76; K. Schmidt, ZIP 2008, 2337, 2337 f.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 65 f.; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 42 Rn. 1693; Wiedemann, GesR II, S. 671. 47 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 76; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 11; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 42 Rn. 1693; Windbichler, GesR, § 10 Rn. 3. 48 Goette, ZGR 46 (2017), 426, 429; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 76; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 66; Wiedemann, GesR II, S. 671; vgl. auch HambKomm-InsR/ Denkhaus, § 27 Rn. 33. 49 Fleischer/Hahn, NZG 2017, 1, 8; Staudinger/Habermeier, Vorbem zu §§ 723 ff. Rn. 4; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, Vor § 723 Rn. 3, 7; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 13; BeckOK BGB/Schöne, § 723 Rn. 1; Wiedemann, GesR II, S. 667. 50 Hierzu OLG Koblenz, Urt. v. 07. 02. 2002 – 5 U 1170/01, NJW-RR 2002, 827 = NZG 2002, 371. 51 Hierzu BGH, Urt v. 22. 03. 2011 – II ZR 206/09, NZG 2011, 697 Rn. 14 = WM 2011, 1135. 52 Vgl. Soergel/Hadding/Kießling, BGB, Vor § 723 Rn. 7. 53 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 77; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, Vor § 723 Rn. 8. 54 Vgl. Staudinger/Habermeier, Vorbem zu §§ 723 ff. Rn. 4. 46
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
Der Zeitablauf ist daher regelmäßig relevant, wenn eine Höchstdauer für die Gesellschaft vereinbart wurde. Feste Termine oder kalendarische Fristen sind hierfür nicht notwendig.55 Es ist ausreichend, wenn die Dauer mit einem anderen befristeten Rechtsverhältnis verbunden ist und damit objektiv bestimmbar wird.56 Neben der Befristung ist auch die in § 158 Abs. 2 BGB geregelte Bedingung als Auflösungsgrund zulässig.57 Im Gegensatz zur Befristung hängt die Auflösung der Gesellschaft hierbei jedoch nicht von einem zukünftigen gewissen, sondern einem zukünftigen ungewissen Ereignis ab. Bei Eintritt dieses Ereignisses endet die Gesellschaft nach § 158 Abs. 2 BGB ex nunc. Die Unterscheidung von Befristung und auflösender Bedingung ist zwar rechtlich klar, praktisch jedoch oftmals schwierig.58 Da die ordentliche Kündigung nach § 723 Abs. 1 S. 1 BGB aber nur im Falle der Befristung ausgeschlossen ist – bei einer Bedingung ist die Gesellschaft als auf unbestimmte Zeit geschlossen anzusehen – darf man sich dieser Schwierigkeit nicht entziehen.59 Durch den Eintritt des Zeitablaufs oder der auflösenden Bedingung wird die Sozietät zur Abwicklungsgesellschaft mit der Folge, dass die vorherigen Sozien nun als Einzelanwälte tätig sind.60 Kommt kein Fortsetzungsbeschluss zustande, bleiben die ehemaligen Sozien aber in den Kanzleiräumen, so werden sie zu einer Bürogemeinschaft.61 Damit ist aus der Berufsausübungsgesellschaft eine Organisationsgesellschaft geworden. 55 Zur Mindestdauer, für die aber dieselben Maßstäbe gelten, RG, Urt. v. 14. 03. 1919 – II 393/18, RGZ 95, 147, 151; BGH, Urt. v. 17. 06. 1953 – II ZR 205/52, BGHZ 10, 91, 97 f. = NJW 1953, 1217; Urt. v. 11. 07. 1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316, 321 = NJW 1968, 2003; zur Höchstdauer Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 78; Staudinger/Habermeier, Vorbem zu §§ 723 ff. Rn. 7; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 723 Rn. 2. 56 Wiederum zur Mindestdauer BGH, Urt. v. 02. 04. 1979 – II ZR 141/78, NJW 1979, 2304, 2305 = DB 1979, 2173; zur Höchstdauer mit Beispielen Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 78. 57 Allg. M. Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 78; Staudinger/Habermeier, Vorbem zu §§ 723 ff. Rn. 8; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, Vor § 723 Rn. 11; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 21; Palandt/Sprau, BGB, Vorb v §§ 723 – 735 Rn. 1; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 723 Rn. 4. 58 Ungewisse Endtermine daher ebenfalls der Befristung zuordnend H. Westermann, PersGesR, I Rn. 604. 59 Staudinger/Habermeier, Vorbem zu §§ 723 ff. Rn. 8; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, Vor § 723 Rn. 11; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 21; diff. Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 13 f. 60 Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 8, 11; vgl. auch Gummert, in: MünchHdbGesR I, § 21 Rn. 79; zur Möglichkeit eines (zumindest konkludenten) Fortsetzungsbeschlusses der nach Außen kundgetan wird Goette, ZGR 46 (2017), 426, 428; Gummert, in: MünchHdbGesR I, § 21 Rn. 131; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 11. 61 Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 8; zur jederzeitigen Möglichkeit eines Fortsetzungsbeschlusses und dessen Voraussetzungen Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 131; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 11.
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bb) Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in einer Hand Ein anderer ungeschriebener und gleichwohl anerkannter Auflösungsgrund ist die Zusammenführung aller Anteile einer Personengesellschaft in der Hand nur eines Gesellschafters.62 Sobald ein Gesellschafter alle Anteile an einer Gesellschaft hält, geht das Gesamthandsvermögen im Wege der Universalsukzession auf den letzten verbliebenen Gesellschafter über.63 In diesem Moment wird die Gesellschaft gleichzeitig aufgelöst und vollbeendet; einer Auseinandersetzung bedarf es nicht mehr.64 Grund hierfür ist, dass die GbR auf der engen persönlichen Bindung der Gesellschafter untereinander beruht. Bei Wegfall des vorletzten Gesellschafters entfällt diese persönliche Bindung und damit der Grund für die Existenz der Gesellschaft.65 Neben dieser gesellschaftsrechtlichen Begründung lässt sich dieses Ergebnis auch schuldrechtlich herleiten. Die Gesellschaft basiert auf dem Gesellschaftsvertrag als Schuldverhältnis. Geht die Mitgliederzahl auf einen Gesellschafter zurück, so erlischt notwendigerweise das Schuldverhältnis, da es ein Schuldverhältnis mit derselben natürlichen Person auf beiden Seiten des Vertrags nicht geben kann.66 Dieser Prozess kann auf verschiedene Art und Weise eintreten. In der Regel wird es sich um einen derivativen Rechtserwerb des letzten Gesellschafters bzw. Sozius durch Abtretung oder Vererbung der Rechtsinhaberschaft an allen übrigen Anteilen an ihn handeln. Solche Praxisübernahmen kommen etwa vor, wenn ein Sozius sich aus Altersgründen aus der Sozietät zurückzieht und diese in die Hände seines jüngeren Partners übergibt.67 Fälle der Vererbung an Außenstehende sind indes bei 62 St. Rspr. RG, Urt. v. 01. 04. 1940 – V 174/39, RGZ 163, 142, 149; BGH, Urt. v. 19. 05. 1960 – II ZR 72/59, BGHZ 32, 307, 315 = NJW 1960, 1664; Urt. v. 10. 05. 1978 – VIII ZR 32/ 77, BGHZ 71, 296, 299 f. = NJW 1978, 1525; Urt. v. 16. 12. 1999 – VII ZR 53/97, NJW 2000, 1119 = NZG 2000, 474; Urt. v. 07. 07. 2008 – II ZR 37/07, NJW 2008, 2992 Rn. 9 = ZIP 2008, 1677; Urt. v. 10. 05. 2011 – II ZR 227/09, NJW 2011, 2292 Rn. 10 = ZIP 2011, 1362; BayObLG, Beschl. v. 19. 06. 2001 – 3Z BR 48/01, NJW-RR 2002, 246, 246 f. = NZG 2001, 889; OLG Schleswig, Beschl. v. 02. 12. 2005 – 2 W 141/05, DNotZ 2006, 374, 376 = ZIP 2006, 615 (m. Anm. Ahrens); s. auch Eckardt, NZG 2000, 449, 450; Fett/Brand, NZG 1999, 45, 45 f.; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 80. 63 Eberhard, in: BeckHdb-PersGes, § 13 Rn. 44; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 81; Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 59; Röder, AcP 215 (2015), 450, 492; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 25 Rn. 565. 64 Vgl. BGH, Urt. v. 07. 07. 2008 – II ZR 37/07, NJW 2008, 2992 Rn. 9 ff. = ZIP 2008, 1677; Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 59; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 15; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 25 Rn. 564; zu Ausnahmen von diesem Grundsatz Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 105 Rn. 34. 65 Vgl. auch zur Unzulässigkeit der Einmann-GbR Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 80; Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 105 Rn. 34; Schäfer, Beilage ZIP 22/2016, 63. 66 MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 17; zweifelnd Staudinger/Habermeier, Vorbem zu §§ 723 ff. Rn. 13. 67 Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 22 Anm. 1 II. b), der diesen Fall allerdings etwas missverständlich als vertragliche Auflösung deklariert.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
Rechtsanwaltssozietäten aufgrund der erforderlichen juristischen Qualifikation ungewöhnlich. Denkbar ist aber auch der Tod des vorletzten Gesellschafters ohne einen Erben und die Verschmelzung der an einer GbR beteiligten juristischen Personen.68 Insbesondere letzteres ist jedoch kein praxisrelevanter Fall für Rechtsanwälte, da das anwaltliche Gesellschaftsrecht natürliche Personen als Gesellschafter voraussetzt.69 Mehrstöckige Anwaltsgesellschaften sind daher de lege lata nicht zulässig, obgleich aktuelle Reformüberlegungen die Einführung doppel- und mehrstöckiger Anwaltssozietäten befürworten.70 Führt das Ausscheiden eines Sozius aus der Sozietät zur Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in der Hand nur eines Sozius, so stehen dem Ausscheidenden die Auseinandersetzungsansprüche der §§ 736 ff. BGB analog zu.71 cc) Aufhebungsvertrag und Gesellschafterbeschluss (1) Aufhebungsvertrag und Auflösungsbeschluss de lege lata Im Rahmen ihrer Privatautonomie steht es den Gesellschaftern als Vertragsparteien des Gesellschaftsvertrags jederzeit zu, über den Fortbestand der Gesellschaft zu verfügen. Grundsätzlich kommt nur eine einvernehmliche Auflösung in Betracht.72 Mehrheitsklauseln für den Auflösungsbeschluss sind zwar möglich, müssen sich im Gesellschaftsvertrag jedoch explizit auf die Auflösung beziehen.73 Dies gilt unabhängig davon, dass der BGH den Bestimmtheitsgrundsatz zur Überprüfung von Mehrheitsklauseln mittlerweile zurecht für obsolet erklärt hat,74 weil die Auflösung mit einer Änderung des Gesellschaftszwecks hin zur Abwicklung einhergeht, was nach § 33 Abs. 1 S. 2 BGB grundsätzlich eine einstimmige Beschlussfassung erfordert. Von diesem Quorum darf gemäß § 40 S. 1 BGB abgewichen werden, wenn 68 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 80; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, Vor § 723 Rn. 14. 69 § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO (ggf. i.V.m. § 59e Abs. 1 BRAO). 70 Hierzu S. 382 ff. 71 Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 15. 72 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 83; MüKoBGB/Schäfer, § 705 Rn. 55. 73 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 83; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 10; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 11, 18.; Schäfer, in: FS Bergmann, S. 617, 620. 74 BGH, Urt. v. 24. 11. 2008 – II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 15 = NJW 2009, 669 – „Schutzgemeinschaftsvertrag II“; Urt. v. 15. 11. 2011 – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 16 = NJW 2012, 1439; Urt. v. 16. 10. 2012 – II ZR 239/11, NZG 2013, 63 Rn. 15 = WM 2013, 37; Urt. v. 21. 10. 2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 13 f. = NJW 2015, 859; andeutungsweise auch schon BGH, Urt. v. 15. 01. 2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rn. 9 = NJW 2007, 1685 – „OTTO“; hierzu Wertenbruch, in: Fleischer/Thiessen, Gesellschaftsrechts-Geschichten, § 20; näher zur Rechtsprechungsänderung des BGH Heckschen, GWR 2020, 87, 91; Schäfer, ZGR 42 (2013), 237, 239 ff.; Schäfer, NZG 2014, 1401, 1403 f.; Schäfer, in: FS Bergmann, S. 617, 618 f.; rechtspolitisch soll durch die Neuregelung des Personengesellschaftsrechts diese begrüßenswerte Rechtsprechungsänderung Niederschlag im Gesetz finden, hierzu M. Noack, NZG 2020, 581, 583.
A. Auflösung, Liquidation und Beendigung der Sozietät
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diese Abweichung in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich bestimmt wird.75 Zudem soll die vorzeitige Auflösung der Gesellschaft nach der Kernbereichslehre76 einer allgemeinen Mehrheitsklausel nicht zugänglich sein.77 Nach zutreffender, neuerer Auffassung dient die Kernbereichslehre in diesem Kontext aber nur noch der konkreten Beschlusskontrolle auf einer nachgelagerten Prüfungsebene, ohne allgemeine Aussagen über die Zulässigkeit einer Mehrheitsklausel zu treffen.78 Selten bedarf die Auflösung zudem der Zustimmung von Dritten, wie etwa Ehepartnern, Behörden oder Gerichten.79 Ein fehlerhafter Auflösungsbeschluss kann nicht rückwirkend beseitigt werden, sofern mit der Abwicklung bereits begonnen wurde.80 Es ist aber möglich, die Fortsetzung der Gesellschaft zu beschließen, wenn die Abwicklung noch nicht zu weit fortgeschritten ist.81 (2) Allgemeine Mehrheitsklauseln und der Auflösungsbeschluss de lege ferenda Rechtspolitisch gibt es im Zuge des MoPeG Bestrebungen, allgemein und uneingeschränkt Mehrheitsklauseln zuzulassen.82 Dies soll gemäß § 714 S. 2 BGB-E 75 MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 11, 18; Schäfer, ZGR 42 (2013), 237, 246. Die §§ 33, 40 BGB gelten über den Verein hinaus auch für andere Gesellschaftsformen, Schäfer, in: FS Bergmann, S. 617, 620; dies wohl übersehend Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 83. 76 Zur Kernbereichslehre Schäfer, ZGR 42 (2013), 237, 250 ff.; Schäfer, in: FS Bergmann, S. 617, 622 ff. Die Fortgeltung der Kernbereichslehre ist nach einigen obiter dicta in der jüngeren Rechtsprechung des BGH allerdings unsicher, vgl. BGH, Urt. v. 15. 01. 2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rn. 9 f. = NJW 2007, 1685 – „OTTO“; Urt. v. 24. 11. 2008 – II ZR 116/ 08, BGHZ 179, 13 Rn. 17 = NJW 2009, 669; aus neuerer Zeit auch BGH, Urt. v. 21. 10. 2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 12 ff. = NJW 2015, 859; hierzu Schäfer, ZIP 2015, 1313 ff.; eine Abwendung von der Kernbereichslehre befürwortend Wertenbruch, DB 2014, 2875, 2876 f.; dagegen etwa Ulmer, ZIP 2015, 657, 658 f.; Schäfer, ZIP 2015, 1313, 1315 f.; wohl auch schon Schäfer, NZG 2014, 1401, 1404; detailliert zur Kernbereichslehre Priester, in: FS Streck, S. 891, 892 f.; Röttger, Die Kernbereichslehre im Recht der Personenhandelsgesellschaften, S. 109 ff.; MüKoBGB/Schäfer, § 709 Rn. 91 ff.; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 24 Rn. 517 ff. 77 Michalski, OHG-Recht, § 119 Rn. 39; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 10. 78 BGH, Urt. v. 16. 10. 2012 – II ZR 239/11, NZG 2013, 63 Rn. 20 = WM 2013, 37; Urt. v. 21. 10. 2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 19 = NJW 2015, 859; Schäfer, ZGR 42 (2013), 237, 250 ff. m.w.N. 79 Bspw., wenn einer der Gesellschafter ein im gesetzlichen Güterstand lebender Ehegatte ist (vgl. § 1365 BGB) oder der Auflösungsbeschluss auf die Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts der GbR gerichtet ist und einer der Gesellschafter minderjährig ist (vgl. § 1822 Nr. 3 BGB), Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 84 ff.; MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 19; s. auch Staudinger/Habermeier, Vorbem zu §§ 723 ff. Rn. 11. 80 MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 20. 81 MüKoBGB/Schäfer, Vor § 723 Rn. 20; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1068c; vgl. auch Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 131. 82 Bergmann, DB 2020, 994, 997; M. Noack, NZG 2020, 581, 583.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
im Zweifel auch für gesellschaftsvertragsändernde Beschlüsse gelten.83 Für Auflösungsbeschlüsse soll mit § 732 BGB-E eine lex specialis zu §§ 33 Abs. 1 S. 2, 40 Abs. 1 BGB und § 714 S. 2 BGB-E eingeführt werden, nach der eine allgemeine Mehrheitsklausel auch für die Auflösung ausreicht, sofern diese Klausel eine Stimmenmehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen vorsieht.84 2. Die Auflösung der Partnerschaftsgesellschaft Nachdem die Auflösungsgründe der GbR ausführlich behandelt wurden, sollen nun diejenigen der PartG im Mittelpunkt stehen. Über § 9 Abs. 1 PartGG finden für diese die Auflösungsgründe der OHG in § 131 HGB Anwendung. Die dort in § 131 Abs. 1 HGB aufgeführten Gründe sind grundsätzlich abschließend.85 Darunter versteht man allerdings nur den Ausschluss allgemein zivilrechtlicher Auflösungsgründe.86 Gesellschaftsvertraglich können hingegen weitere Auflösungsgründe definiert werden.87 a) Zeitablauf Nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 HGB i.V.m. § 9 Abs. 1 PartGG wird die PartG aufgelöst, sobald die Zeit abgelaufen ist, für die sie eingegangen wurde. Die Vereinbarung einer solchen Höchstfrist ist selten und bedarf in Abgrenzung zur Mindestdauer in der Regel der Auslegung.88 Im Übrigen ergeben sich keine Abweichungen zum Zeitablauf bei der GbR.89 b) Gesellschafterbeschluss Ebenso wie die GbR kann auch die PartG nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 HGB i.V.m. § 9 Abs. 1 PartGG per Beschluss von den Partnern aufgelöst werden. Grundsätzlich kann 83
Bergmann, DB 2020, 994, 997; M. Noack, NZG 2020, 581, 583. § 732 BGB-E des „Mauracher Entwurf[s] für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, S. 18, 128 f., abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Down loads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14 E534932DB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020). 85 BGH, Urt. v. 08. 10. 1979 – II ZR 257/78, BGHZ 75, 178, 179 = NJW 1980, 233; Urt. v. 25. 11. 1981 – VIII ZR 299/80, BGHZ 82, 323, 326 = NJW 1982, 875; M/GvW/H/L/W/ Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 69. 86 Heymann/Emmerich, HGB, § 131 Rn. 28; EBJS/Lorz, HGB, § 131 Rn. 26; Wiedemann, GesR II, S. 746. 87 Henssler/Strohn/Hirtz, GesR, § 9 PartGG Rn. 29; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler, HGB, § 131 Rn. 6a, 20; MüKoHGB/K. Schmidt, § 131 Rn. 9. 88 Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 16; Oetker/Kamanabrou, HGB, § 131 Rn. 6; EBJS/Lorz, HGB, § 131 Rn. 12; MüKoHGB/K. Schmidt, § 131 Rn. 11. 89 S. 83 f. 84
A. Auflösung, Liquidation und Beendigung der Sozietät
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der Beschluss auch konkludent ergehen.90 Ein solcher ist generell einstimmig zu fassen, es sei denn der Partnerschaftsvertrag sieht ausdrücklich einen Mehrheitsbeschluss für die Auflösung vor.91 In extremen Ausnahmesituationen, wie der dauerhaften Unrentabilität der Partnerschaft, kann im Rahmen der Abstimmung die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zu einer positiven Stimmabgabe zwingen.92 c) Insolvenz der Partnerschaftsgesellschaft Mit dem gerichtlichen Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird die PartG, ebenso wie die GbR, zwingend aufgelöst (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB i.V.m. § 9 Abs. 1 PartGG).93 Das weitere Verfahren richtet sich dann nach den Vorschriften der InsO.94 Wird die Eröffnung mangels Masse hingegen abgelehnt, so tritt keine Auflösungswirkung ein, da das Gesetz die Auflösung ausdrücklich von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abhängig macht.95 Die Partnerschaft kann dann auch fortgesetzt werden.96 Allerdings haben die Partner diesen Vorgang nach § 144 Abs. 2 HGB in das Partnerschaftsregister einzutragen. d) Gerichtsbeschluss Anders als den Gesellschaftern einer GbR steht den Partnern der PartG kein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zwecks Auflösung zu. Vielmehr sieht § 131 Abs. 1 Nr. 4 HGB lediglich die Auflösung durch gerichtliche Entscheidung vor. Präzisiert wird dies durch § 133 Abs. 1 HGB, welcher für eine solche Auflösungsklage eines Partners einen wichtigen Grund voraussetzt, wobei Abs. 2 beispielhaft mögliche Fallgruppen für einen wichtigen Grund aufzählt. Während bei der GbR somit die Kündigung als Gestaltungsrecht genügt, erfordert das OHG-Recht – und damit auch das Recht der PartG – die Beschreitung des Rechtswegs, sofern der Partner keine vertragliche oder gesetzliche Kündigungsfrist97 90 Oetker/Kamanabrou, HGB, § 131 Rn. 9; Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 19; a.A. Wiedemann, GesR II, S. 746. 91 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 26. 10. 1988 – 8 U 21/88, DB 1989, 815 = GmbHR 1989, 295; Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 18; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 3. 92 BGH, Urt. v. 17. 12. 1959 – II ZR 81/59, NJW 1960, 434 f. = BB 1960, 112; a.A. Heidel/ Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 18; insgesamt hierzu auch Ring, NJ 2020, 45, 48; Tröger, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 5 Rn. 159c ff. 93 Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 21; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 4. 94 Oetker/Kamanabrou, HGB, § 131 Rn. 11. 95 BGH, Urt. v. 08. 10. 1979 – II ZR 257/78, BGHZ 75, 178, 179 f. = NJW 1980, 233; Urt. v. 07. 10. 1994 – V ZR 58/93, NJW 1995, 196 = ZIP 1994, 1685; Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 22; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 4. 96 BGH, Urt. v. 07. 10. 1994 – V ZR 58/93, NJW 1995, 196 = ZIP 1994, 1685; Heidel/ Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 21a; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 4. 97 S. § 132 HGB.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
bzw. eine Mindestdauer einhalten will.98 Sinn und Zweck dieser Regelung ist der Schutz der in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswerte durch die Erzeugung von Rechtsklarheit und -sicherheit, welche idealiter mit gerichtlichen Entscheidungen einhergeht.99 Der für die Klage notwendige, wichtige Grund ist ein prognostischer Tatbestand hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Fortführung der Gesellschaft.100 Umstände der Vergangenheit können hierbei Indikatoren für die Zukunftsprognose sein.101 Fällt die Zukunftsprognose negativ aus, so muss die Klage, um erfolgreich zu sein, zusätzlich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein, da die Auflösung nur ultima ratio sein kann.102 Liegen diese Voraussetzungen vor, so erklärt das Gericht die Gesellschaft für aufgelöst. Entgegen dem Wortlaut von § 133 Abs. 1 HGB („kann“) steht dem Gericht hierbei kein Ermessen zu.103 Prozessual handelt es sich somit um ein Gestaltungsurteil, welches mit Eintritt der formellen Rechtskraft die Gesellschaft ex nunc auflöst.104 e) Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in einer Hand Wie bei allen Personengesellschaften führt auch bei der Partnerschaft das Herabsinken der Anzahl der Partner auf lediglich einen zur Auflösung und damit gleichzeitig zur liquidationslosen Beendigung der Gesellschaft.105 3. Zwischenergebnis Sowohl die GbR als auch die PartG ähneln sich folglich in ihren Auflösungsgründen. Während die Auflösungsgründe der GbR jedoch zahlreicher und bedingt durch die starke innere Verbundenheit der Gesellschafter zueinander sind, sind die 98
Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 18 f.; Staub/Schäfer, HGB, § 133 Rn. 5. Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 133 Rn. 2; Staub/Schäfer, HGB, § 133 Rn. 2. 100 Vgl. Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 133 Rn. 34; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 34. 101 MüKoHGB/K. Schmidt, § 133 Rn. 12; näher hierzu auch Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Haas, HGB, § 133 Rn. 4. 102 Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Haas, HGB, § 133 Rn. 5; Oetker/Kamanabrou, HGB, § 133 Rn. 7; EBJS/Lorz, HGB, § 133 Rn. 10; MüKoHGB/K. Schmidt, § 133 Rn. 12. 103 RG, Urt. v. 23. 11. 1928 – II 221/28, RGZ 122, 312, 314; Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 133 Rn. 26; Henssler/Strohn/Klöhn, GesR, § 133 HGB Rn. 6; MüKoHGB/K. Schmidt, § 133 Rn. 55. 104 RG, Urt. v. 05. 01. 1926 – II 153/24, RGZ 112, 280, 282; Urt. v. 21. 01. 1929 – VIII 286/ 28, RGZ 123, 151, 153; Eberhard, in: BeckHdb-PersGes, § 13 Rn. 42; MüKoHGB/K. Schmidt, § 133 Rn. 58. 105 Eberhard, in: BeckHdb-PersGes, § 13 Rn. 44, Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 59; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 111; zu den Gründen hierfür S. 85. 99
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Auflösungsgründe der Partnerschaft durch den Verweis auf das OHG-Recht enger gefasst, da die Personenhandelsgesellschaften naturgemäß auf ihren Fortbestand ausgerichtet sind und weniger von ihrem Gesellschafterkreis abhängen.
II. Die Auseinandersetzung Ist einer der zuvor genannten Auflösungsgründe eingetreten, so beginnt für die Rechtsanwaltssozietät die Auseinandersetzung. Unter der Auseinandersetzung versteht man allgemein das Verfahren, in dem die Trennung vollzogen wird, einschließlich aller Maßnahmen, welche dazu dienen, das Erlöschen der Gesellschaft herbeizuführen.106 Demgegenüber bezeichnen Liquidation und Abwicklung speziell das vom Gesetz vorgegebene Verfahren zur Auseinandersetzung der Gesellschaft.107 Für die GbR richtet sich Letzteres nach den §§ 730 – 735 BGB, während das PartGG in § 10 Abs. 1 PartGG auf die Regelungen zur OHG und damit auf die §§ 145 – 158 HGB verweist. In diesem Teil des Lebenszyklus der Sozietät werden die Rechtsbeziehungen zu Dritten abgewickelt. Die Ansprüche und Rechtsbeziehungen der Sozien gegenüber der Sozietät werden hingegen zu unselbständigen Rechnungsposten im Rahmen der Auseinandersetzungsrechnung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft und sind dementsprechend nicht mehr gesondert durchsetzbar (sog. Durchsetzungssperre).108 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die vorherige Abwicklung der jeweils bestehenden Ansprüche dem Zweck des Abwicklungsverfahrens entspricht.109 Dieser Zweck besteht darin, das in der Gesellschaft gebundene Vermögen aus ihr zu lösen und wieder dem Privatvermögen der Sozien zuzuführen.110 Das Abwicklungsverfahren dient bei der GbR und der Partnerschaft damit 106
Wiedemann, GesR II, S. 552. Wiedemann, GesR II, S. 552. 108 BGH, Urt. v. 02. 07. 1962 – II ZR 204/60 = BGHZ 37, 299, 304 = NJW 1962, 1863; Urt. v. 04. 07. 1968 – II ZR 47/68, NJW 1968, 2005 = DB 1968, 1575; Urt. v. 01. 04. 1974 – II ZR 95/ 72, BB 1975, 7 = DNotZ 1975, 92; Urt. v. 03. 05. 1976 – II ZR 92/75, WM 1976, 789 = BeckRS 1976, 00351; Urt. v. 05. 05. 1977 – II ZR 213/75, WM 1977, 840, 841 = BeckRS 1977, 31115817; Urt. v. 06. 02. 1986 – II ZR 88/83, NJW 1984, 1455, 1455 f. = ZIP 1984, 438; Urt. v. 02. 10. 1997 – II ZR 249/96, NJW 1998, 376 = ZIP 1997, 2120; KG, Urt. v. 09. 06. 2000 – 25 U 7516/97, NZG 2001, 556, 557 f. = BeckRS 9998, 42585; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 96 ff.; BeckOK BGB/Schöne, § 730 Rn. 20, 30; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 84; Palandt/Sprau, BGB, § 730 Rn. 6; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1143. 109 So kann die Rückzahlung der Gesellschaftereinlage gesondert durchgesetzt werden, wenn dieser Gesellschafter von der Teilnahme am Verlust der Gesellschaft freigestellt wurde, KG, Urt. v. 09. 06. 2000 – 25 U 7516/97, NZG 2001, 556, 557 f. = BeckRS 9998, 42585; zur GbR Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 98; MüKoBGB/Schäfer, § 730 Rn. 49, 54 ff.; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 84; für das OHG-Recht Staub/Habersack, HGB, § 149 Rn. 21, 40 f. 110 Windbichler, GesR, § 10 Rn. 8. 107
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
ganz wesentlich den Gesellschaftern und nicht den Gläubigern.111 Letztere sind im Recht der Personengesellschaft bereits durch die persönliche Haftung der Gesellschafter hinreichend geschützt und bedürfen keines darüberhinausgehenden Schutzes. Da das Liquidationsverfahren daher nur den Inhabern der Sozietät dient, können sie naheliegenderweise über die Durchführung desselben selbst entscheiden. Dass auch andere Wege der Auseinandersetzung gangbar sind und die Modalitäten privatautonom vereinbart werden können, ergibt sich für die GbR aus § 731 S. 1 BGB, welcher die §§ 732 – 735 BGB nur in Ermangelung anderer Vereinbarungen für anwendbar erklärt. Für die Partnerschaft ergibt sich nichts Anderes aus § 10 Abs. 1 PartGG i.V.m. § 145 Abs. 1 HGB, welcher ebenfalls ausdrücklich den Vorrang von Auseinandersetzungsvereinbarungen statuiert. Ist keine andere Art der Auseinandersetzung vereinbart, so sind zunächst durch die Gesellschafter als Liquidatoren (§ 730 Abs. 2 S. 2 BGB) die laufenden Geschäfte zu beenden, notwendigenfalls neue Geschäfte einzugehen und das Gesellschaftsvermögen zu verwalten (§§ 730 Abs. 2 S. 1 BGB; 149 S. 1 HGB).112 Bei der PartG sind nach § 10 Abs. 1 PartGG i.V.m. § 149 S. 1 HGB sodann die übrigen Forderungen einzuziehen, das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen. Das übrig gebliebene Vermögen wird anschließend nach Kapitalanteilen auf die Gesellschafter verteilt (§ 155 Abs. 1 HGB). Bei der GbR hingegen schließt sich zunächst nach § 732 S. 1 BGB die Rückgabe der überlassenen Gegenstände an die Gesellschafter an, welche diese der Gesellschaft beitragsweise überlassen haben.113 Sodann werden die gemeinsamen Schulden getilgt (§ 733 Abs. 1 S. 1 BGB), die Einlagen zurückerstattet (§ 733 Abs. 2 S. 1 BGB) und, soweit hierfür erforderlich, das Gesellschaftsvermögen in Geld umgesetzt (§ 733 Abs. 3 BGB). Verbleibt noch Vermögen am Ende dieses Prozesses, so wird es an die Gesellschafter, gemessen an ihren Gewinnanteilen, in natura verteilt (§ 734 i.V.m. §§ 731 S. 2, 752 BGB). Genügt das Vermögen hingegen nicht, so trifft die Gesellschafter gemäß § 735 S. 1 BGB (ggf. i.V.m. § 1 Abs. 4 PartGG) eine Nachschusspflicht, welche sich nach ihrem jeweiligen Verlustanteil bestimmt.114 111
Windbichler, GesR, § 10 Rn. 8. Als „geborene Liquidatoren“ haben die Gesellschafter das Recht, aber auch die (schadensersatzbewährte) Pflicht an der Abwicklung mitzuwirken, Goette, ZGR 46 (2017), 426, 431 m.w.N.; Sollen Drittliquidatoren (gekorene Liquidatoren) bestellt werden, müssen diese daher dieselbe berufsrechtliche Qualifikation aufweisen wie die Gesellschafter, Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 43 Rn. 1792 ff.; ausführlich zum Verfahren bei der GbR Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 108 ff.; für die PartG Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 7 ff. 113 Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 732 Rn. 1; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 732 Rn. 1; Wiedemann, GesR II, S. 672 f.; zum Beitrag von Sozietätsräumlichkeiten im Folgenden S. 198 ff. 114 Zur PartG mbB Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 135 m.w.N. 112
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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III. Die Vollbeendigung Wurden Innen- und Außenverhältnis auf die vorstehend beschriebene Weise ausgeglichen, so ist die Vollbeendigung der Gesellschaft erreicht.115 Sind damit letztlich alle Schulden der Anwaltssozietät beglichen und wurde das übrige Vermögen auf die nun ehemaligen Sozien verteilt, erlischt die Anwalts-GbR. Nichts anderes gilt für die PartG, deren Erlöschen noch in das Partnerschaftsregister einzutragen ist (§ 10 Abs. 1 PartGG i.V.m. § 157 Abs. 1 HGB und § 2 Abs. 2 PartGG i.V.m. § 31 Abs. 2 S. 1 HGB). Diese Eintragung ist allerdings nur deklaratorischer Natur.116 Stellt sich im Anschluss an die Vollbeendigung jedoch heraus, dass noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, so muss die Eintragung des Erlöschens im Partnerschaftsregister unter Umständen rückgängig gemacht werden, da die Liquidation dann fortzusetzen ist (sog. Nachtragsliquidation).117 Im umgekehrten Fall, wenn sich nach der Vollbeendigung herausstellt, dass noch Verbindlichkeiten der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beendigung bestanden, so hindert dies das Erlöschen der Gesellschaft und damit auch der Verbindlichkeiten – da es nun an einem Schuldner mangelt – nicht.118
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät I. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus GbR und PartG Damit ist – freilich nur in sehr groben Zügen – der Stand der Rechtswissenschaft zur Auflösung von GbR und PartG skizziert. Die Auflösung der Sozietät ist, was Rechtsanwälte betrifft, aber ohnehin nur die Ausnahme.119 Häufiger sehen sich Rechtsanwaltssozietäten mit dem Ausscheiden einzelner Rechtsanwälte aus der Sozietät konfrontiert. 115
Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 101; Wiedemann, GesR II, S. 552. M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 10 Rn. 35; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 10; MüKoBGB/Schäfer, § 10 PartGG Rn. 13; NK-PartGG/Seibert/Kilian, § 10 Rn. 4. 117 Als Rechtsgrundsatz anerkannt, RG, Urt. v. 05. 05. 1898 – VI 20/98, RGZ 41, 93, 95; Urt. v. 26. 10. 1931 – VIII 117/31, RGZ 134, 91, 94; BGH, Urt. v. 24. 05. 1973 – IX ZR 87/70, BeckRS 1973, 31388981; Urt. v. 21. 06. 1979 – IX ZR 69/75, NJW 1979, 1987 = DB 1979, 1597; Staub/Habersack, HGB, § 157 Rn. 10; M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 10 Rn. 35; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 14; MüKoBGB/Schäfer, § 730 Rn. 39; Heymann/ Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, § 157 Rn. 2. 118 Für die GbR, Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 101; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 730 Rn. 33; MüKoBGB/Schäfer, § 730 Rn. 39; für die OHG/PartG, EBJS/Hillmann, HGB, § 157 Rn. 4; Henssler/Strohn/Klöhn, GesR, § 157 HGB Rn. 5; Baumbach/Hopt/ Roth, HGB, § 157 Rn. 1; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 14. 119 S. 76 f. 116
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
Scheidet ein einzelner Sozius aus der Sozietät aus, so ist dies beispielsweise das Resultat einer bedingten oder befristeten Gesellschafterposition, einer Ausschließung, einer Vereinbarung unter den Gesellschaftern oder einer Austrittskündigung durch den Ausscheidenden.120 In der Rechtsform der GbR beruht das Ausscheiden eines Rechtsanwaltsgesellschafters regelmäßig auf den gesetzlichen Auflösungsgründen der GbR. Diese werden in der Praxis häufig kautelarjuristisch modifiziert zu Ausscheidensgründen für den Sozius, in dessen Person sie eintreten.121 Dies geschieht durch statutarische Bestimmungen, welche, trotz des Eintretens eines gesetzlichen Auflösungsgrundes das Fortbestehen der Sozietät unter den übrigen Gesellschaftern festlegen.122 Solche Fortsetzungsklauseln nach § 736 Abs. 1 BGB sind insbesondere für Freiberuflersozietäten typisch.123 Sie haben den Vorteil, die GbR vom Bestand ihrer Mitglieder zu lösen und die Rechtsnachfolger des Gesellschafters auf finanzielle Ausgleichsansprüche zu beschränken.124 Letztlich tritt damit dieselbe Rechtsfolge ein, die für die PartG bereits ex lege existiert. Für die PartG verweist § 9 Abs. 1 PartGG auf § 131 HGB, sodass eine solche vertragliche Regelung nicht von Nöten ist, da § 131 Abs. 3 HGB gesondert die Ausscheidensgründe normiert. Dieser Verweis ist ein Resultat der gesetzgeberischen Einsicht, dass die Partner in der Praxis das Ausscheiden Einzelner der Auflösung der gesamten Partnerschaft ganz regelmäßig vorziehen.125 De lege ferenda besteht hier allerdings Reform- bzw. Ergänzungsbedarf. So enthält das HGB in §§ 133, 140 HGB zwar Vorschriften zur Auflösung der Gesellschaft und zum Ausschluss einzelner Gesellschafter aus wichtigem Grund, aber nicht zum – praktisch mindestens genauso bedeutsamen – Fall der Austrittskündigung aus wichtigem Grund. Diese sollte zukünftig normiert werden und ohne eine Klage, wie in §§ 133, 140 HGB, verwirklicht werden können, sondern ausschließlich durch eine einseitige Gestaltungserklärung.126 Dies würde insbesondere im Rahmen der PartG dem erhöhten Lösungsbedürfnis der freiberuflich tätigen Gesellschafter entsprechen.127
120 Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 1; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 16. 121 Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 255; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 63. 122 Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 57; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 63; vgl. auch Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 22 Anm. 1 I. 123 Vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 1; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 107; MüKoBGB/Schäfer, § 727 Rn. 26. 124 MüKoBGB/Schäfer, § 727 Rn. 26. 125 M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 3; Michalski/Römermann, in: Henssler/ Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 57; Römermann/Römermann, PartGG, § 9 Rn. 7. 126 Ulmer, in: FS Goette, S. 545, 553 ff.; K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 415. 127 Zum erhöhten Lösungsbedürfnis in anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften S. 98 ff.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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Da viele der Ausscheidensgründe bereits zuvor als Auflösungsgründe besprochen wurden, soll hier lediglich auf die für Rechtsanwaltssozietäten besonders relevanten Gründe gesondert eingegangen werden.128 1. Der Tod eines Berufsträgers So führt der Tod eines Rechtsanwaltsgesellschafters in der PartG nach § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 HGB nur zum Ausscheiden des Verstorbenen. Da § 9 Abs. 4 PartGG die Vererbung von Anteilen der PartG ausschließt, wächst der Anteil den übrigen Gesellschaftern zu und die Hinterbliebenen erhalten einen Abfindungsanspruch nach § 1 Abs. 4 PartGG i.V.m. § 738 Abs. 1 S. 2 BGB.129 Für die GbR ist der Tod eines Gesellschafters, wie gezeigt, hingegen ein Auflösungsgrund.130 Damit die GbR dennoch fortbestehen kann, bedarf der Gesellschaftsvertrag daher einer Fortsetzungsklausel unter den übrigen Gesellschaftern. Keine Rolle spielen demgegenüber hier wie dort Nachfolge- und Eintrittsklauseln, da die Erben des verstorbenen Rechtsanwaltsgesellschafters kaum jemals selbst Rechtsanwälte sind und die Sozietät damit ihren freiberuflichen Charakter verlieren würde.131 Für die Partnerschaft ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 PartGG die Ausübung eines freien Berufs durch jeden Gesellschafter bereits qua Gesetz Voraussetzung der Gesellschafterstellung. 2. Altersgrenzen als Ausscheidensgrund a) Die Vereinbarung fester Altersgrenzen im Sozietätsvertrag Häufig vereinbaren Rechtsanwaltssozietäten bereits gesellschaftsvertraglich, dass einer der Sozien mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters – in der Regel zwischen 60 und 65 Jahren – aus der Sozietät ausscheiden soll.132 Hierbei handelt es sich dogmatisch betrachtet um einen Unterfall der Befristung der Gesellschaft.133 Liegt solch eine Regelung im Interesse der Sozien, so bietet sich eine 128
Zu den Auflösungsgründen, S. 76 ff. Henssler/Strohn/Hirtz, GesR, § 9 PartGG Rn. 3; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 31; NK-PartGG/Seibert/Kilian, § 9 Rn. 2. 130 S. 81 f. 131 Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 108; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 41, 44; MüKoBGB/Schäfer, § 727 Rn. 26; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 75 ff.; NK-PartGG/Seibert/Kilian, § 9 Rn. 2; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1222. 132 Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 121; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 53; Sigle, ZGR 28 (1999), 659, 674; zu den Schwierigkeiten und maßgeblichen Überlegungen für die Bestimmung der Altersgrenze, Sigle, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 311, 321. 133 Goette, ZGR 46 (2017), 426, 428. 129
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
Annäherung an das gesetzliche Renteneintrittsalter an. Damit wird die Dringlichkeit der Frage, ob die Sozietät fortbestehen kann oder nicht, wenn einer der Sozien verstirbt, oftmals reduziert. Gleichzeitig sind Altersgrenzen häufig Gegenstand des Sozietätsvertrages, da die Besorgnis besteht, dass die Leistungsfähigkeit eines Sozius mit steigendem Alter abnimmt.134 Solche Regelungen sind schon allein deshalb ratsam, da eine Auflösungs- oder Ausschließungskündigung das Vorliegen eines wichtigen Grundes und die damit einhergehende, erforderliche Zerrüttung des Gesellschaftsverhältnisses voraussetzt, was für die Fälle der altersbedingten Leistungsschmälerung schon aufgrund der Vorhersehbarkeit der Problematik nicht zu rechtfertigen ist.135 b) Exkurs: Versorgungsregelungen Aufgrund der thematischen Verbindung zu gesellschaftsvertraglichen Altersgrenzen sollen an dieser Stelle kurz die oftmals daran anknüpfenden Versorgungsregelungen thematisiert werden. Sie sehen für bestimmte Fälle des Ausscheidens vor, dass der Ausgeschiedene zukünftig von der Sozietät Bezüge erhält, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dogmatisch gesehen handelt es sich damit um Auseinandersetzungsvereinbarungen, die Vorrang vor der Regelung des § 738 Abs. 1 S. 2, 3 BGB haben. Solche Regelungen sind zwar rechtlich grundsätzlich zulässig, für die Gesellschaft allerdings problematisch. Insbesondere können sie zu Unzufriedenheit führen, wenn die jüngeren Sozien den Eindruck vermittelt bekommen, sie arbeiteten vornehmlich für bereits ausgeschiedene Sozien.136 Daneben können derlei Versorgungsregelungen den Wert des individuellen Auseinandersetzungsguthabens des ausscheidenden Sozius deutlich übersteigen.137 Führt diese finanzielle Verpflichtung dazu, dass austrittswilligen Gesellschaftern die Fehlbetragshaftung nach § 739 BGB (ggf. über § 1 Abs. 4 PartGG) droht, und lassen sie sich von dieser Haftung vom Austritt abhalten oder sollen sie trotz ihres Ausscheidens aus der Sozietät für die Versorgung der Altsozien weiterhin mitverantwortlich sein, handelt es sich bei der Versorgungsregelung um eine unzulässige Kündigungsbeschränkung nach § 723 Abs. 3 BGB.138 Das gilt insbesondere dann, wenn das Rentenversprechen
134
Mutter/Brombach, in: Gummert, MAH-PersGesR, § 19 Rn. 224; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 75. 135 Zutr. Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 75; offenbar ähnl. Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 53; a.A. Mutter/Brombach, in: Gummert, MAH-PersGesR, § 19 Rn. 185; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 38; Altersgrenzen aufgrund der Abwicklungsschwierigkeiten als problematisch bewertend Goette, ZGR 46 (2017), 426, 428. 136 Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 119. 137 Vgl. BGH, Beschl. v. 21. 06. 2010 – II ZR 133/09, DStR 2010, 1898 f. = BeckRS 2010, 15797. 138 BGH, Beschl. v. 18. 02. 2008 – II ZR 88/07, DStR 2008, 785 = ZIP 2008, 967; Beschl. v. 21. 06. 2010 – II ZR 133/09, DStR 2010, 1898, 1899 = BeckRS 2010, 15797; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12. 04. 2019 – I 17 U 145/18, BeckRS 2019, 7450 Rn. 6 = NJW-Spezial 2019, 369; LG
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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die übrigen Sozien auch dann noch binden soll, wenn diese selbst in den Ruhestand gehen.139 Da die eigenen Ruhestandsbezüge nicht darauf ausgelegt sind einen ehemaligen Mitgesellschafter zu versorgen, wird der Sozius von einem Ausscheiden aus der Sozietät absehen, um das Rentenversprechen erfüllen zu können.140 Die Versorgungsregelung ist dann nicht nur im Hinblick auf die Motivation der Neusozien, sondern auch in rechtlicher Hinsicht problembehaftet. Wird eine Versorgungsregelung undurchführbar, weil die Sozietät nicht mehr von den Sozien fortgeführt wird, so muss rückwirkend das Abfindungsguthaben des ausgeschiedenen Sozius bestimmt und diesem, bereinigt um die bereits gezahlten monatlichen Versorgungsraten, ausgezahlt werden.141 Versorgungsregelungen bergen daher eine Vielzahl rechtlicher Risiken und sozietätsinternes Konfliktpotenzial. Die Altersvorsorge, etwa über die Versorgungswerke der Rechtsanwälte, sollte daher persönliche Angelegenheit jedes einzelnen Sozius sein.142 3. Die Ausschließung einzelner Gesellschafter a) Das Ausschließungsrecht des § 737 BGB in der GbR Nicht mit der Kündigung durch den Gesellschafter (entweder „Auflösungskündigung“ bzgl der gesamten Gesellschaft oder „Austrittskündigung“ bzgl. der eigenen Mitgliedschaft) zu verwechseln ist die dem Gesellschafter gegenüber ausgesprochene Kündigung durch die übrigen Gesellschafter (sog. „Ausschließungskündigung“).143 Für die GbR erkennt das BGB in § 737 BGB eine solche Ausschließungsmöglichkeit durch gemeinschaftlichen Gesellschafterbeschluss an. Voraussetzungen sind München I, Urt. v. 04. 03. 2013 – 15 O 8167/12, NJW 2014, 478, 481 = AnwBl 2014, 272; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 437; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 69. 139 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12. 04. 2019 – I 17 U 145/18, BeckRS 2019, 7450 Rn. 3 ff. = NJW-Spezial 2019, 369. 140 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12. 04. 2019 – I 17 U 145/18, BeckRS 2019, 7450 Rn. 6 = NJWSpezial 2019, 369. 141 Zu einer aufgrund einer Praxisveräußerung undurchführbar gewordenen Versorgungsregelung BGH, Urt. v. 17. 05. 2004 – II ZR 261/01, NJW 2004, 2449, 2450 = ZIP 2004, 1264. 142 Ahrens, Berufsrecht, Rn. 375; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 558, 567; OffermannBurckart, NJW 2014, 434, 437; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 120; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 78; schon früh zu den Problemen des Ausgleichs der Interessen bei Versorgungsleistungen im Kontext der Praxisübernahme Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 22 Anm. 1 II b) (5). 143 Den Empfängern einer Austrittskündigung wird das Recht zur Anschlusskündigung durch erstere nicht abgeschnitten BGH, Beschl. v. 16. 11. 1998 – II ZR 2/98, BeckRS 9998, 40648 = DStR 1999, 171; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 429 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 07. 04. 2008 – II ZR 3/06, NJW 2008, 1943 Rn. 9 ff. = NZG 2008, 463; zur Abgrenzung von Auflösungs-, Austritts- und Ausschließungskündigung K. Schmidt, GesR, § 50 II 4 a).
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
nach § 737 S. 1 BGB das Bestehen einer Fortsetzungsklausel und der Eintritt eines die Gesellschafter nach § 723 Abs. 1 S. 2 BGB zur Kündigung berechtigenden Umstands oder – einfacher gesagt – ein wichtiger Grund, der die Kündigung rechtfertigt. Dabei ist zuvorderst an die gesetzlich normierten wichtigen Gründe aus § 723 Abs. 1 S. 3 BGB zu denken. Insbesondere die Verletzung von gesellschaftsvertraglichen Verpflichtungen in vorsätzlicher oder fahrlässiger Weise sowie die Unmöglichkeit der Erfüllung solcher Verpflichtungen spielen eine wichtige Rolle. Die Formulierung des § 723 Abs. 1 S. 3 BGB und die Verwendung des Wortes „insbesondere“ lassen jedoch schon ersehen, dass auch andere, wenngleich vergleichbar schwere Gründe genügen können, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Bei geringfügigen und erstmaligen Verfehlungen eines Gesellschafters muss dem ultima ratio-Charakter der Ausschließung allerdings zunächst dadurch Rechnung getragen werden, dass die Sozietät eine Abmahnung gegenüber dem Gesellschafter ausspricht.144 Inhaltlich ist bei der Bewertung des wichtigen Grundes bei Personengesellschaften für den Ausschluss kein strengerer Maßstab anzulegen als bei der Kündigung zwecks Auflösung.145 Mögen die finanziellen Folgen der Auflösung und der Ausschließung für den Gesellschafter auch unterschiedlich sein, so kann die Ausgestaltung der Auseinandersetzung als Rechtsfolge doch nicht den qualitativen Inhalt der Kündigung als Voraussetzung diktieren.146 aa) Der wichtige Grund bei Freiberuflersozietäten Insbesondere die Identifizierung der inhaltlichen Anforderungen an den wichtigen Grund bereitet zunächst häufig Schwierigkeiten. Er setzt voraus, dass die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit dem störenden Berufsträger für die übrigen Gesellschafter unzumutbar ist.147 In Hinblick auf das Kriterium der Unzumutbarkeit ist dem besonderen Charakter gemeinsamer, anwaltlicher Berufsausübung als originär freiberuflicher Tätigkeit bei der Auslegung entscheidende Bedeutung zuzumessen. Denn der unternehmerische Erfolg einer Rechtsanwaltssozietät erfordert vielfach ein besonderes Vertrauen, eine 144 Vgl. OLG München, Beschl. v. 25. 05. 2009 – 19 U 2363/09, BeckRS 2009, 13138; MüKoBGB/Schäfer, § 737 Rn. 32. Zum ultima ratio Charakter der Ausschließung auch Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 64. 145 Zutr. BGH, Urt. v. 31. 03. 2003 – II ZR 08/01, NZG 2003, 625, 626 = DStR 2003, 1215, 1216; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 24; MüKoBGB/Schäfer, § 737 Rn. 9; K. Schmidt, GesR, § 50 III 1 b); wohl auch Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 58; a.A. RG, Urt. v. 18. 09. 1889 – I 154/89, RGZ 24, 136, 138; Urt. v. 11. 12. 1934 – II 148/34, RGZ 146, 169, 179 ff.; BGH, Urt. v. 30. 11. 1951 – II ZR 109/51, BGHZ 4, 108, 110 = NJW 1952, 461. 146 MüKoBGB/Schäfer, § 737 Rn. 9. 147 BGH, Urt. v. 31. 03. 2003 – II ZR 8/01, NZG 2003, 625, 626 = ZIP 2003, 1037; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 22; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 34; Westermann, in: Westermann/ Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1093 f.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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enge persönliche und aktive Zusammenarbeit, Aufrichtigkeit und Offenheit als Basis der sachlichen und persönlichen Beziehungen der Sozien.148 Vergegenwärtigt man sich, dass die Sozietät insbesondere in der Form der GbR nicht nur eine organisatorische, sondern auch eine haftungsrechtliche Einheit bildet, erschließt sich diese besondere Betonung des Verhältnisses der Sozien untereinander.149 Diese personalistische Struktur der Gesellschaft prägt den Erfolg jeder Freiberuflersozietät, birgt als Kehrseite aber auch großes Konfliktpotential in sich.150 Wird die aktive Mitarbeit durch einen Sozius verweigert oder erschwert, so zieht dies unweigerlich Konsequenzen für die gesamte Sozietät nach sich. Solche Störungen im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander führen zum Verlust von Synergieeffekten und damit zu einem Qualitätsverlust der Rechtsberatung insgesamt.151 Derlei Nachlässigkeiten in der Beratung bemerkt die Mandantschaft im Allgemeinen recht schnell und reagiert ebenso zügig mit einem Kanzleiwechsel, sobald sie sich vernachlässigt oder schlecht beraten fühlt. Noch unmittelbarer in Frage gestellt wird die gemeinsame Berufsausübung, wenn einer der Sozien für Spannungen im Verhältnis zu Mandanten sorgt.152 Solche Verhaltensweisen haben regelmäßig gravierende Auswirkungen auf alle Gesellschafter, obwohl nur einer der Berufsträger ein Fehlverhalten gezeigt hat.153 Auch hier besteht stets das Risiko der Kündigung des Mandatsvertrags durch den Mandanten. In beiden Fällen ist der wirtschaftliche Schaden für die Sozietät und die übrigen Sozien enorm. Gleichzeitig dürfte das Verhältnis zum störenden Sozius schwer belastet sein. Ist das Zutrauen in die Fähigkeiten oder das Engagement für die gemeinsame Kanzlei eines Partners erst enttäuscht, wird es kaum wiederherzustellen sein.154 Für Freiberuflersozietäten tritt eine gravierende Störung des Gesellschaftsverhältnisses daher insbesondere dann ein, wenn einer der Sozien das Vertrauen der übrigen Gesellschafter in seinen Charakter, die Qualität seiner Arbeit oder die Loyalität zur Sozietät und den Mitgesellschaftern enttäuscht, indem er andere Sozien verleumdet, Straftaten gegen die Sozietät, Mitgesellschafter oder Mandanten begeht, der Sozietät einen Teil seiner Arbeitskraft vorenthält und sie anderweitig nutzt, rücksichtlos oder illoyal gegenüber den übrigen Sozien handelt oder durch weitere 148
EGH-DtRA, Urt. v. 08. 03. 1930 – I. Senat G 10/30, EGH 24, 53, 63; Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Sozietät II. D.; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 304; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 69. 149 Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 69. 150 Henssler, in: FS Konzen, S. 267. 151 Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 276 f. 152 Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 276; vgl. allgemein auch Westermann, in: Westermann/ Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1093a. 153 Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 276; zust. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 112. 154 Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 283; zust. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 112.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
Gründe wie Alter, Krankheit oder Vermögenslosigkeit dauerhaft daran gehindert wird, zur aktiven Berufsausübung der Sozien beizutragen.155 Jedes Verhalten, das dazu geeignet ist das empfindliche Gleichgewicht der effektiven Zusammenarbeit in der Sozietät zu stören, stellt daher per se eine gravierende Gefährdung für die weitere gemeinsame Berufsausübung und damit den Erfolg der Sozietät dar. Damit es nicht zu solchen Gefährdungen für die Sozietät kommt, besteht bei Freiberuflern ein erhöhtes Bedürfnis danach, den störenden Gesellschafter möglichst früh und unkompliziert ausschließen zu können.156 An den wichtigen Grund zur Ausschließung sind bei Rechtsanwaltssozietäten daher keine übermäßigen Anforderungen zu stellen. Andernfalls bliebe der Gesellschaftermehrheit nur die Kollektivkündigung, welche jedoch mit dem Verzicht der Mehrheit auf wesentliche Vermögenswerte einhergeht.157 Sie ist daher keine angemessene Alternative. Geringere Anforderungen an den wichtigen Grund stellen für den Auszuschließenden auch keinen unzumutbaren Nachteil dar, denn ihm kommen diese geringeren Anforderungen im Rahmen der Austrittskündigung aus wichtigem Grund ebenso zugute, wenn er die Sozietät verlassen will.158 Durch die geringeren Anforderungen an den wichtigen Grund wird daher den Besonderheiten der freiberuflichen Zusammenarbeit insgesamt Rechnung getragen.159 Die erleichterte Möglichkeit, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus der Sozietät auszuscheiden, ist bei Freiberuflersozietäten daher kein Nachteil. Vielmehr ist diese Möglichkeit eher als Schutz der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten freiberuflichen Berufsausübung zu begreifen, indem die Kündigung die Sozietät bzw. den austrittswilligen Sozius befähigt, dem Anwaltsberuf frei von Konflikten anderweitig nachzugehen.160 Würde man die Anforderungen an den wichtigen Grund nicht absenken, könnte der Sozius, trotz der schwelenden Konfliktsituation, für bis zu fünf Jahre in der Sozietät gebunden bleiben.161 Diese langfristige Bindung ist mit der freiberuflichen Berufsausübung – die in Berufsausübungsgesellschaften zwangsläufig kooperativ ausgeübt wird – nicht vereinbar.162 Sie ist im Übrigen auch für die Sozietät und die Mandanten kaum wünschenswert.
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Henssler, PartGG, § 9 Rn. 22; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 36. Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 277; Henssler/Kilian, ZIP 2005, 2229. 157 Näher Henssler/Kilian, ZIP 2005, 2229, 2237. 158 Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 278 f. 159 Vgl. Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 280 f. 160 Vgl. Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 279; Henssler/Kilian, ZIP 2005, 2229, 2231 f.; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 304. 161 Zur Mindestlaufzeit s. OLG Stuttgart, Urt. v. 16. 05. 2007 – 14 U 53/06, NZG 2007, 786, 788 = BeckRS 2007, 09719; Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 279; Henssler, in: Henssler/ Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 112; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 29; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 42 Rn. 1695. 162 Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 278. 156
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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Die Beurteilung des wichtigen Grundes unterscheidet sich bei Rechtsanwaltssozietäten – aber auch generell bei Freiberuflern – daher von derjenigen bei gewerblich geprägten Personengesellschaften, da Freiberuflersozietäten von allen Gesellschaftern eine aktive Berufsausübung fordern.163 Die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Sozien ist sehr viel früher anzunehmen als bei Gesellschaften, die nicht auf der täglichen, intellektuellen Zusammenarbeit der Gesellschafter aufbauen, sondern lediglich eine kapitalmäßige Beteiligung erfordern.164 An den wichtigen Grund zur Ausschließung einzelner Gesellschafter sind bei Freiberuflersozietäten daher geringere Anforderungen zu stellen.165 bb) Das Gebot aktiver Berufsausübung (1) Historie und Telos vom Dogma aktiver Berufsausübung Das Gebot aktiver Mitarbeit ist Ausfluss der freiberuflichen Natur der gemeinsamen Berufsausübung in der Rechtsanwaltssozietät.166 Berufsrechtlich wird es semantisch durch § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO („zur gemeinschaftlichen Berufsausübung […] verbinden“) und § 59e Abs. 1 S. 2 BRAO („in der Rechtsanwaltsgesellschaft tätig sein“) nahegelegt.167 Und obwohl der Gesetzgeber bei der Schöpfung des § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO noch kein Gebot aktiver Berufsausübung postulieren wollte, hat er diesen Grundsatz später bei der Fassung von § 1 Abs. 1 S. 1 PartGG und § 59e Abs. 1 S. 2 BRAO bewusst in seinen Willen aufgenommen.168 Übt eine sozietätsfähige natürliche Person i.S.d. § 59a Abs. 1, 2 BRAO ihren Beruf somit nicht aktiv in der Sozietät aus, kann sie nicht Gesellschafter werden bzw. sein ohne gegen das anwaltliche Berufsrecht zu verstoßen.169 Nicht sozietätsfähig – und somit aus163 Die Einhaltung des Gebots aktiver Mitarbeit in der Sozietät ist grundlegende Voraussetzung für die wirksame Einräumung einer Gesellschafterstellung und ergibt sich schon als allgemeiner Grundsatz zum einen aus der Freiberuflichkeit des Rechtsanwaltsberufes, Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 50 und zum anderen aus der Formulierung von § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO, § 59e Abs. 1 S. 2 BRAO sowie von § 1 Abs. 1 S. 1 PartGG, Islam, Das Kapitalbeteiligungsverbot an Anwaltsgesellschaften, S. 95; berechtigte Kritik am Gebot aktiver Mitarbeit bei Römermann, NZG 2018, 1041, 1046 f.; Römermann, BB 2019, 899, 902 f. 164 Vgl. Henssler, PartGG, § 9 Rn. 23. 165 Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 280 f.; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 23; Henssler/Kilian, ZIP 2005, 2229, 2232. 166 Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 127; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 50; Henssler, BRAK-Mitt. 2007, 186, 187; Kilian, AnwBl 2014, 111, 112; a.A. Römermann/ Zimmermann, PartGG, § 1 Rn. 8 ff.; krit. auch Römermann, NZG 2018, 1041, 1046 f.; Römermann, BB 2019, 899, 902. 167 Islam, Das Kapitalbeteiligungsverbot an Anwaltsgesellschaften, S. 95 m.w.N. 168 Vgl. RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 9; RegBegr, BT-Drucks. 13/9820, S. 14; zur PartG Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 36; zur Entwicklung Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 122 f.; krit. zur Regelung im PartGG Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 454 f. 169 RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 9; RegBegr, BT-Drucks. 13/9820, S. 14; Islam, Das Kapitalbeteiligungsverbot an Anwaltsgesellschaften, S. 95; Koch/Kilian, Anwaltliches Be-
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
geschlossen von der Gesellschafterstellung – sind de lege lata Kapitalgesellschaften gemäß § 59c Abs. 2 BRAO, nicht aber Personengesellschaften, die ihrerseits aus Angehörigen sozietätsfähiger Berufe bestehen.170 Seinem Sinn und Zweck nach sichert das Gebot aktiver Berufsausübung berufsrechtlich das Risikokapital- bzw. Fremdbeteiligungsverbot171 in Rechtsanwaltssozietäten gegenüber denjenigen Gesellschaftern, die Angehörige sozietätsfähiger Berufe sind.172 Gleichzeitig erfordert der Gesellschaftszweck der gemeinsamen Berufsausübung bei der GbR im Grundsatz auch gesellschaftsrechtlich die aktive Mitarbeit im Rahmen der angebotenen Leistung.173 In der Partnerschaft ist die gemeinsame Berufsausübung bereits nach § 1 Abs. 1 S. 1 PartGG („zur Ausübung ihrer Berufe“) tatbestandlich Teil des Gesellschaftszwecks der PartG. (2) Unterlassene Berufsausübung als wichtiger Grund zur Ausschließung (a) Keine Austrittspflicht des inaktiven Gesellschafters Problematisch sind Fälle, in denen die aktive Mitarbeit erst später aufgegeben wird, wie es häufig der Fall ist, wenn sich ältere Sozien aus Altersgründen zurückziehen. Die gänzliche Einstellung jeglicher Mitarbeit ist aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung zur aktiven Berufsausübung ein wichtiger Grund i.S.d. § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB bzw. des § 9 Abs. 1 PartGG i.V.m. §§ 140 Abs. 1 S. 1, 133 Abs. 1 HGB.174 Der Gesellschafter kann somit ausgeschlossen werden. Aus rufsrecht, B Rn. 1055, 1061; Senft/Jeran, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 22 Rn. 14; a.A. Römermann/Zimmermann, PartGG, § 1 Rn. 13. 170 Zutr. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 42 ff.; Henssler, NJW 2017, 1644, 1645; Römermann, GmbHR 1999, 526, 528; Römermann, NJW 2013, 2305, 2307; a.A. für die PartG mbB BGH, Urt. v. 20. 03. 2017 – AnwZ (Brfg) 33/16, NJW 2017, 1681 Rn. 25 ff. = NZG 2017, 901; offenbar im Ergebnis ebenso Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1053; krit zu dieser Rechtsprechung Grunewald, NJW 2017, 3627, 3628. 171 Das Fremdbeteiligungsverbot steht im Zuge der aktuellen Reformüberlegungen zur BRAO (zurecht) auf dem Prüfstand, da es sowohl gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot als auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, S. 385 ff.; zum Verstoß gegen das unionsrechtliche Kohärenzerfordernis H.-J. Hellwig, AnwBl Online 2020, 260, 262 f.; einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG bejahend Islam, AnwBl Online 2020, 202, 204. 172 RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 9; RegBegr, BT-Drucks. 13/9820, S. 14; Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59e BRAO Rn. 13; Weyland/Brüggemann, BRAO, § 1 PartGG Rn. 8; Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 127; Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 123; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 50 f.; Henssler/Strohn/Hirtz, GesR, § 1 PartGG Rn. 35; Islam, Das Kapitalbeteiligungsverbot an Anwaltsgesellschaften, S. 95 f.; Kilian, AnwBl 2014, 111, 112; Kleine-Cosack, AnwBl 2013, 11; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1061, 1063; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 290; Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 239; krit. aber Römermann, GmbHR 1999, 526, 527; Römermann, NJW 2013, 2305, 2306. 173 Vgl. Henssler, in: FS Konzen, S. 267; Henssler/Kilian, ZIP 2005, 2229; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 23. 174 RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 9; Weyland/Brüggemann, BRAO, § 1 PartGG Rn. 11; Henssler, PartGG, § 1 Rn. 27; Henssler, BRAK-Mitt. 2007, 186, 187; Henssler/Strohn/Hirtz,
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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den berufs- und gesellschaftsrechtlichen Normen ergibt sich jedoch umgekehrt keine Verpflichtung für ihn eine Austrittskündigung zu erklären.175 Eine solche widerspräche auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers, der zwar am Gebot der aktiven Mitarbeit ausdrücklich festhalten wollte, gleichzeitig für Fälle des alters- oder gesundheitsbedingten Rückzugs aber flexible Lösungen ermöglichen wollte.176 Sind die übrigen Gesellschafter daher mit dem Verbleib in der Sozietät einverstanden, kann der Sozius faktisch in der Sozietät verbleiben, da es für die Rechtsanwaltskammern keine entsprechenden Kontrollmöglichkeiten gibt.177 Sollte die Rechtsanwaltskammer gleichwohl von dem berufsrechtswidrigen Zustand erfahren, kann sie dem jeweiligen Gesellschafter aufgeben aus der Berufsausübungsgesellschaft auszuscheiden und den rechtswidrigen Zustand hiermit zu beenden.178 (b) Ausschlussrecht der Mitgesellschafter? Wollen die übrigen Gesellschafter den Sozius hingegen ausschließen, müssen sie beachten, dass das Kriterium der aktiven Mitarbeit weit auszulegen ist.179 Maßgeblich hierfür ist eine an Art. 12 GG orientierte Auslegung. Das Gebot der aktiven Berufsausübung setzt ein „Mindestmaß“180 beruflicher Tätigkeit voraus und schränkt so die Berufsfreiheit der Gesellschafter ein.181 Die Reichweite dieses Eingriffs in Art. 12 GG wiederum ist anhand der Vorstellungen des historischen Gesetzgebers zum Inhalt der aktiven Mitarbeit und zum Sinn und Zweck dieses Kriteriums zu bestimmen. Der Gesetzgeber hat das Kriterium der aktiven Berufsausübung zwar GesR, § 1 PartGG Rn. 36; Römermann, BB 2019, 899, 902; vgl. auch allgemein Schulte/ Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 58, Maßstab für § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB sei stets der Gesellschaftsvertrag; näher zum Gesellschaftsvertrag der freiberuflichen Personengesellschaft Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 41 ff. 175 Ebenso MüKoBGB/Schäfer, § 1 PartGG Rn. 14. 176 RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 9; das Gebot der aktiven Mitarbeit und dessen Bedeutung wurden in Hinblick auf die kommende Reform der BRAO erst kürzlich wieder vom BMJV bekräftigt, Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, S. 2 Nr. 6, abrufbar unter https://www.bmjv. de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3% BCbungsgesellschaften.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 177 Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 127; Henssler, PartGG, § 1 Rn. 26; Henssler, BRAKMitt. 2007, 186, 187; Henssler/Strohn/Hirtz, GesR, § 1 PartGG Rn. 36; Kilian, AnwBl 2014, 111, 116; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 290; Römermann, AnwBl 2009, 681, 684; Römermann, BB 2019, 899, 902; Römermann/Zimmermann, PartGG, § 1 Rn. 13. 178 Vgl. Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1056; solche Fälle sind indes nicht bekannt und obwohl es die Einstellung jeglicher Mitarbeit berufsrechtlich nicht geben dürfte, gibt es sie praktisch recht häufig Kilian, AnwBl 2014, 111, 116. 179 Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 127; Henssler, PartGG, § 1 Rn. 26; Henssler, BRAKMitt. 2007, 186, 187; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1062; M/GvW/H/L/W/ Lenz, PartGG, § 1 Rn. 96 ff.; Römermann, GmbHR 1999, 526, 527; Senft/Jeran, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 22 Rn. 16. 180 RegBegr, BT-Drucks. 13/9820, S. 14. 181 Islam, Das Kapitalbeteiligungsverbot an Anwaltsgesellschaften, S. 97 f.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
teleologisch zur Konsolidierung des Fremdbeteiligungsverbots182 eingeführt, es aber inhaltlich bewusst nicht weiter spezifiziert.183 Das Erfordernis aktiver Mitarbeit ist daher nach dem Willen des Gesetzgebers dergestalt auszulegen, dass reine Kapitalbeteiligungen an Rechtsanwaltsozietäten de lege lata verhindert werden, im Übrigen gebietet die Berufsfreiheit aber eine extensive Auslegung des Merkmals, um der Berufsausübungsfreiheit der Gesellschafter zu größtmöglicher Geltung zu verhelfen. Solange der Sozius seinen freien Beruf in geringem Ausmaß oder auch nur gelegentlich oder nebenberuflich ausübt und damit den Unternehmenswert materiell oder immateriell fördert, liegt keine reine Kapitalbeteiligung vor, sodass dies daher für eine aktive Mitarbeit in der Berufsausübungsgesellschaft genügt.184 Erst Recht ist nicht erforderlich, dass der Gesellschafter mit seiner persönlichen Tätigkeit das gesamte Leistungsangebot der Sozietät bedient.185 Er muss nicht einmal rechtsberatend tätig werden.186 Es verstößt daher nicht gegen das Gebot aktiver Berufsausübung, wenn einer der Gesellschafter seine Mitarbeit in der Sozietät auf Vortragstätigkeiten,187 Veröffentlichungen im Schrifttum,188 die Akquisition von Mandanten,189 die Geschäfts- oder Personalführung der Sozietät190, die Beratung anderer 182 Das Fremdbeteiligungsverbot schützt selbst wiederum mehrere Grundprinzipien des anwaltlichen Berufsrechts, wie die anwaltliche Unabhängigkeit vor Fremdeinfluss, Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 239 f., ausführlich bei Islam, Das Kapitalbeteiligungsverbot an Anwaltsgesellschaften, S. 107 ff.; die anwaltliche Unabhängigkeit ist indes keinesfalls ein Selbstzweck, sondern dient letztlich den Interessen des Mandanten und der Rechtspflege, S. 274 f. 183 RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 9; RegBegr, BT-Drucks. 13/9820, S. 14. 184 Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 127; Henssler, PartGG, § 1 Rn. 26; Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 55; Henssler/Strohn/Hirtz, GesR, § 1 PartGG Rn. 35; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1062; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 36; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 15 Rn. 22; zweifelnd Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59e BRAO Rn. 14. 185 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22. 12. 2011 – 6 U 155/11, BeckRS 2012, 4913 = AnwBl 2013, 70; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59e BRAO Rn. 14; Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 55; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 50; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1062; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 36. 186 Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 127; Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 55; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1062; M/GvW/H/L/W/Lenz, PartGG, § 1 Rn. 101; a.A. wohl OLG Düsseldorf, Urt. v. 22. 12. 2011 – 6 U 155/11, BeckRS 2012, 4913 = AnwBl 2013, 70. 187 Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 55; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 59a Rn. 50; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 41 Rn. 4. 188 Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 55; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 59a Rn. 50; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1062; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 41 Rn. 4. 189 Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 127; Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 55; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 50; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1062.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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Kollegen bei ihrer freiberuflichen Tätigkeit191, die Mitarbeit in Fachverbänden oder berufsständischen Organisationen192 oder interne wie externe Lehraufgaben193 beschränkt. Ebenso sehr wie bedarfsabhängige beratende, rein organisatorische oder wissenschaftliche Tätigkeiten, genügt sogar die rein psychologische Anziehungskraft, die der Name des anwaltlichen Partners noch auf das rechtssuchende Publikum ausübt, sobald er sich aus Alters- oder Gesundheitsgründen zurückziehen musste.194 cc) Der (drohende) Verlust der Anwaltszulassung Eine Störung des Gesellschafterverhältnisses tritt auch dann ein, wenn einer der Gesellschafter seine Anwaltszulassung verliert.195 Im Gegensatz zur Aufgabe der aktiven Mitarbeit ist es dem Sozius hierdurch unmöglich, seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt nachzugehen. Die gemeinsame Berufsausübung ist bei Rechtsanwälten allerdings der zugrundeliegende Gesellschaftszweck, sodass der Sozius seine gesellschaftsvertragliche Verpflichtung i.S.v. § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Alt. 2 BGB nicht mehr erfüllen kann.196 Zudem bedeutet das Fehlen einer Anwaltszulassung auch, dass einer der Gesellschafter keinen freien Beruf mehr ausübt, sodass die Sozietät nicht mehr freiberuflicher Natur und die erforderliche Sozietätsfähigkeit nach § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO dementsprechend nicht mehr gegeben ist.197 Der Anwendbarkeit des § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO steht auch nicht die Entscheidung des BVerfG vom 12. 01. 2016198 entgegen. Dort wurde § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO nur für insoweit nichtig erklärt, als die Norm den Zusammenschluss mit Ärzten und Apo-
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Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 127; Henssler, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil D Rn. 55; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 50; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1062; M/GvW/H/L/W/Lenz, PartGG, § 1 Rn. 101; a.A. Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59e BRAO Rn. 14. 191 Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 127; M/GvW/H/L/W/Lenz, PartGG, § 1 Rn. 101. 192 Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 41 Rn. 4. 193 Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 41 Rn. 4. 194 Ähnlich M/GvW/H/L/W/Lenz, PartGG, § 1 Rn. 101; a.A. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22. 12. 2011 – 6 U 155/11, BeckRS 2012, 4913 = AnwBl 2013, 70; Gaier/Wolf/Göcken/ Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59e BRAO Rn. 14. 195 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 402; Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 257; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 73; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 68; zu Zeiten der Singularzulassung wurde der Verlust der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft eines Sozius ebenso wie der Verlust der Zulassung beim Gericht sogar als Auflösungsgrund verstanden Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 22 Anm. 1 I. b) und c). 196 Zum Gesellschaftszweck Goette, ZGR 46 (2017), 426, 429; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 115 ff.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 22. 197 Vgl. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 50; Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 257; ebenso, im Ergebnis aber für ein automatisches Ausscheiden des Gesellschafters Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 127. 198 BVerfG, Urt. v. 12. 01. 2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 Rn. 39 ff. = NJW 2016, 700.
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thekern im Rahmen einer PartG verbietet.199 Die Vereinbarung eines Ausschließungsrechts für den Fall des Verlustes der Zulassung begegnet aufgrund dieses doppelten Fundamentes aus berufsrechtswidrigem Zustand bei gleichzeitiger Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Zweckförderungspflicht aus § 705 BGB daher keinen Bedenken. Weniger eindeutig ist die Rechtslage hingegen, wenn die Zulassung zum Anwaltsberuf nicht verloren ist, sondern nur die Möglichkeit besteht, dass dem betroffenen Sozius die Zulassung entzogen wird.200 Da es in der Praxis regelmäßig um „Alkoholismus, Manipulationen der Buchhaltung und Veruntreuung von Mandantengeldern“ geht,201 ist es naheliegend, dass in diesen Fällen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Sozien untereinander schon vor dem Entzug der Zulassung nicht mehr möglich ist. Das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis wird durch solche Vorfälle regelmäßig unwiederbringlich zerstört. Insbesondere bei der Veruntreuung von Mandantengeldern wäre den Mandanten kaum zu vermitteln, dass der Sozius solange Gesellschafter bleiben muss, bis er durch das Anwaltsgericht nach § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen wurde. In solch einer Konstellation läge es nahe, dass die Mandanten den Vertrag mit der Sozietät umgehend nach § 627 Abs. 1 BGB kündigen würden.202 Damit besteht ein hochgradiges Risiko, dass die Sozietät, und über § 128 S. 1 HGB analog auch die Sozien selbst, wirtschaftlichen Schaden nimmt. In der Gesamtschau rechtfertigen der innergesellschaftliche Vertrauensverlust in die Zusammenarbeit und das entstehende finanzielle Risiko daher ganz regelmäßig den sofortigen Ausschluss des störenden Gesellschafters. Es ist daher zutreffend, schon erwiesenermaßen wahre Tatsachen, welche die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft rechtfertigen, dem tatsächlichen Verlust der Berufszulassung gleichzustellen. dd) Umsatzbasierte Kriterien als Ausschlussgrund Immer häufiger wird, gerade in größeren Kanzleien, auch die Verfehlung von Umsatzvorgaben als Kriterium vereinbart, um umsatzschwache Sozien und Dezer199
BVerfG, Urt. v. 12. 01. 2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 Rn. 43 ff. = NJW 2016, 700; hierzu Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 26; Römermann, NJW 2016, 682 ff.; Stürner, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 273, 333 f.; Wolf, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 63, 89; zur Vorgeschichte der Entscheidung Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 126 f. 200 Einen wichtigen Grund bejahend Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 257; regelmäßig bejahend auch Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 73. 201 Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 257. 202 Besonderes Vertrauen i.S.d. § 627 Abs. 1 BGB kann nach zutreffender Ansicht auch zu Personengesellschaften und juristischen Personen bestehen, BGH, Urt. v. 22. 09. 2011 – III ZR 95/11, NJW 2011, 3575 Rn. 9 = ZIP 2011, 2151; Urt. v. 10. 11. 2016 – III ZR 193/16, BeckRS 2016, 20739 Rn. 35 f. = MDR 2017, 266; Dombek, in: FS Streck, S. 655, 662 f.; MüKoBGB/ Henssler, § 627 Rn. 27.
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nate hinauszukündigen.203 Ähnlich zu behandeln sind auch „strategische Kündigung[en]“, die dazu dienen, die Sozietät am Markt neu oder anders aufzustellen, und durch die sich die Gesellschaft von ganzen Rechtsbereichen trennt, die nicht mehr bedient werden sollen.204 Solche Kündigungen widersprechen grundsätzlich der zuvor dargelegten Prämisse, dass eine Ausschließungskündigung nur gerechtfertigt sein kann, wenn das Verhältnis der Sozien untereinander derart schwerwiegend gestört ist, dass die Fortführung der Sozietät mit dem „störenden“ Sozius unzumutbar erscheint. Das ist hier indes gerade nicht der Fall. Regelmäßig wird dem Gesellschafter kein Fehlverhalten vorzuwerfen sein. So wird ein Umsatzrückgang oftmals auf Konjunkturschwankungen oder internen Umstrukturierungen und Mitarbeiterzuweisungen beruhen, die dem einzelnen Sozius nicht angelastet werden können. Hinter dem Ausschluss stehen viel eher finanzielle Erwägungen der Gesellschaftermehrheit. Personengesellschaften und die GbR im speziellen sind jedoch durch das besonders enge Band der Gesellschafter untereinander zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verknüpft.205 Dementsprechend widerspricht es dem „Geist der Personengesellschaft“, ganz zu schweigen von der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, die Ausschließung eines Sozius auf rein wirtschaftliche Erwägungen zu stützen.206 Sie sind auch nicht mit den wichtigen Gründen aus § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB vergleichbar, in denen der Gesellschafter seine Verpflichtungen bewusst verletzt oder nicht mehr erfüllen kann. Zwar ist ihm die Erfüllung der Umsatzziele in seinem Fachbereich nicht möglich, dabei dürfte es sich aber in der Regel nicht um eine „wesentliche“ Verpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag i.S.d. § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB handeln. Wesentlich ist in einer Sozietät vor allem die Fähigkeit, insgesamt dem freien Beruf nachzugehen, und über diese verfügt der Sozius schließlich auch weiterhin. Das Nichterreichen im Vorhinein prognostizierter und sozietätsintern festgelegter Umsatzziele ist schon a priori kein wichtiger Grund, der eine Ausschließung rechtfertigt. Im Grundsatz sind Klauseln in Gesellschaftsverträgen, die die Ausschließung eines der Rechtsanwälte aufgrund nicht erzielter Umsätze oder einer strategischen Neuausrichtung der Kanzlei regeln, daher nach § 138 BGB unwirksam.207 Anders sind die Fälle zu beurteilen, in denen die objektive Verfehlung der Umsatzziele mit subjektiven Umständen zusammentrifft, die das Gesellschaftsverhältnis nachhaltig stören. Zu denken ist an Fälle, in denen der zurückgehende Umsatz nicht auf objektiven, konjunkturbedingten Umständen beruht, sondern auf einem Fehl203
Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 402; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 38. Hartung/Bargon, AnwBl 2011, 84, 85; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 402. 205 Hartung/Bargon, AnwBl 2011, 84, 85; Schäfer, ZGR 42 (2013), 237, 238. 206 Hartung/Bargon, AnwBl 2011, 84, 85; a.A. Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 38. 207 Zutr. Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 403; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 35; a.A. Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 38. 204
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verhalten des verantwortlichen Dezernatsleiters basiert. Das können etwa eine ungewöhnliche Konzentration von Haftungsfällen oder bewusst unzureichendes unternehmerisches Engagement sein.208 Hier beruht der wichtige Grund zur Ausschließung letztlich aber auch nur auf dem persönlichen Fehlverhalten des Sozius. Eine Anknüpfung an die Verfehlung der Umsatzziele zwecks Kündigung scheidet daher aus. Im Einzelfall kann die Verfehlung der Umsatzziele allerdings als ein Indikator für eine bewusste Vernachlässigung der gesellschaftsrechtlichen Zweckförderungspflicht angesehen werden. Führen externe, konjunkturbedingte Umstände hingegen zu einem Rückgang oder sogar einem Erliegen des Umsatzes, bleibt es dabei, dass eine Kündigung nicht gerechtfertigt ist.209 Selbst wenn der Sozius Verluste erwirtschaftet und die Gesellschaft beginnt, finanziellen Schaden zu erleiden, ist die Kündigung stets ultima ratio.210 Zunächst gebietet die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit und Loyalität der Sozien, dass sie dem umsatzschwachen Sozius durch die Weitergabe überzähliger Mandanten Beistand leisten, während dieser umgekehrt bemüht sein muss, kosteneffizienter zu arbeiten.211 b) Das Hinauskündigungsverbot bei Rechtsanwaltssozietäten aa) Das Hinauskündigungsverbot in der Rechtsprechung des BGH Da die Regelung der Ausschließung aus wichtigem Grund in § 737 S. 1 BGB impliziert, dass andere Gründe oder eine Ausschließung nach freiem Ermessen nicht in der Intention des Gesetzgebers lagen, ist nicht ohne Weiteres eindeutig, inwieweit unterhalb der Schwelle eines wichtigen Grundes liegende Umstände einen Gesellschafterausschluss rechtfertigen. Statutarische Klauseln, die keinen wichtigen Grund, sondern nur einen sachlichen oder überhaupt keinen Grund voraussetzen, werden regelmäßig als „Hinauskündigungsklauseln“ bezeichnet.212 Zulässigkeit und Grenzen solcher Vereinbarungen unter den Gesellschaftern haben in der Rechtsprechung mehrfachen Wandel erfahren.213 Vom Verbot jeglicher Abweichung bezüglich des Erfordernisses eines wichtigen Grundes hin zum Verzicht auf überhaupt einen Grund zur Hinauskündigung lassen sich alle Ausprägungen des gesell-
208 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 402 f., mit konkreten Beispielen; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 37; zu unzureichendem unternehmerischem Engagement als Kündigungsgrund auch BGH, Urt. v. 02. 05. 1985 – III ZR 4/84, BGHZ 94, 248, 256 = NJW 1985, 2635. 209 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 403; a.A. Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 38. 210 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 403. 211 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 403. 212 Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 737 BGB Rn. 14 f.; BeckOGK/Koch, BGB, § 737 Rn. 29; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1127. 213 Zur Entwicklung, Wiedemann, GesR II, S. 401 f.
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schaftsrechtlichen Minderheitenschutzes auf der einen und der Privatautonomie der Gesellschafter auf der anderen Seite finden.214 Seit 1977 hält der BGH die Hinauskündigung eines Gesellschafters nach freiem Ermessen in ständiger Rechtsprechung rechtsformübergreifend zutreffend für sittenwidrig und daher unwirksam.215 Der Grundgedanke dieses Hinauskündigungsverbotes sei, dass eine gesellschaftsvertragliche Klausel, die die freie Hinauskündigung erlaube, vom einzelnen Gesellschafter als Disziplinierungsinstrument empfunden werden könne, was die Entscheidungsfreiheit des Gesellschafters unzumutbar einschränke.216 Metaphorisch hänge ein „Damoklesschwert“217 über den Gesellschaftern, da ihre Entscheidungen vornehmlich von der Sorge um eine Hinauskündigung durch die übrigen Mitgesellschafter getrieben seien.218 Von diesem Grundsatz lässt der BGH allerdings Ausnahmen zu. Das verdient im Grundsatz Zustimmung, denn die Rechtspraxis zeigt durchaus den Bedarf, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten schnell und unkompliziert beenden zu können, bevor 214
Vgl. Wiedemann, GesR II, S. 401 f. St. Rspr. des BGH, BGH, Urt. v. 20. 01. 1977 – II ZR 217/75, BGHZ 68, 212, 215 = NJW 1977, 1292; Urt. v. 13. 07. 1981 – II ZR 56/80, BGHZ 81, 263, 266 f. = NJW 1981, 2565; Urt. v. 25. 03. 1985 – II ZR 240/84, NJW 1985, 2421, 2422 f. = ZIP 1985, 737; Urt. v. 21. 03. 1988 – II ZR 135/87, BGHZ 104, 50, 57 f. = NJW 1988, 1903, 1905 f.; Urt. v. 19. 09. 1988 – II ZR 329/87, BGHZ 105, 213, 216 f. = NJW 1989, 834; Urt. v. 07. 02. 1994 – II ZR 191/92, BGHZ 125, 74, 79 = NJW 1994, 1156; Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98, 101 = NJW 2005, 3641; Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 110 f. = NJW 2005, 3644; zust. Schäfer, ZGR 42 (2013), 237, 246; zur Thematik auch: Armbrüster, ZGR 43 (2014), 333, 358 ff.; Behr, ZGR 19 (1990), 370 , 374 ff.; Goette, DStR 2006, 139, 143; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 47b; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 39; MüKoBGB/Schäfer, § 737 Rn. 17 ff.; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 72. 216 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 111 = NJW 2005, 3644; Armbrüster, ZGR 43 (2014), 333, 358; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 72. Ob das Hinauskündigungsrecht dem Mehrheitsgesellschafter allein oder der Gesellschafterversammlung zusteht, in der kein Gesellschafter die Mehrheit hält, ist unerheblich, da der einzelne Gesellschafter die drohende Hinauskündigung in jedem Fall als disziplinierend empfinden wird, zutr. Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 458; ebenso Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 72; vgl. auch BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98, 101 = NJW 2005, 3641; Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 110 = NJW 2005, 3644. 217 Der Begriff geht in diesem Zusammenhang wohl zurück auf Schilling, ZGR 8 (1979), 419, 426. 218 BGH, Urt. v. 13. 07. 1981 – II ZR 56/80, BGHZ 81, 263, 268 = NJW 1981, 2565; Urt. v. 19. 09. 1988 – II ZR 329/87, BGHZ 105, 213, 217 = NJW 1989, 834; Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2014 = NZG 2004, 569; Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 19 = NZG 2007, 583; Armbrüster, ZGR 43 (2014), 333, 360; Henssler/Strohn/ Hirtz, GesR, § 9 PartGG Rn. 16; BeckOGK/Koch, BGB, § 737 Rn. 29; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 72; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1127a; kritisch zu dieser Begründung Drinkuth, NJW 2006, 410, 411; ebenfalls kritisch Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 465; insgesamt ablehnend Roth/Altmeppen/ Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 51; näher zu den Begründungsansätzen des BGH im Laufe der Zeit Wiedemann, GesR II, S. 408. 215
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sie die Gesellschaft selbst gefährden. Eine Ausnahme vom Verbot der freien Hinauskündigung ist nach dem BGH dann angemessen, wenn die Gegebenheiten des Falles eine entsprechende, gesellschaftsvertragliche Regelung sachlich rechtfertigen.219 Entscheidend sei daher, ob es im Einzelfall besondere Umstände gebe, welche es erlauben vom Hinauskündigungsverbot abzusehen, und dass der Gesellschaftsvertrag ein solches Kündigungsrecht ausdrücklich vorsehe.220 Das Kriterium der sachlichen Rechtfertigung lässt sich inhaltlich somit auf eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall zurückführen.221 Der Sache nach sind daher drei Konstellationen zu unterscheiden: die stets unzulässige Hinauskündigung nach freiem Ermessen, die gesetzlich vorgesehene Ausschließung aus wichtigem Grund nach § 737 S. 1 BGB und – als Kompromiss für die Kautelarjurisprudenz – die Hinauskündigung eines Gesellschafters anlässlich eines sachlichen Grundes.222 Bisher hat der BGH von Letzterem umfangreichen Gebrauch gemacht. Die für Rechtsanwaltssozietäten relevant erscheinenden Fallgruppen sollen daher im Folgenden näher untersucht werden. bb) „Gesellschafter zur Probe“ als Ausnahme vom Hinauskündigungsverbot (1) BGH Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02 In der Sache begrüßenswert, hat der BGH entschieden, dass seit Jahren bestehende Sozietäten von Freiberuflern für neu aufgenommene Gesellschafter gesellschaftsvertraglich Zeiträume vereinbaren dürfen, um die Fähigkeit zur allseitigen Zusammenarbeit zu prüfen und nötigenfalls eine unkomplizierte Kündigung zu ermöglichen.223 Speziell für Freiberuflersozietäten weicht die höchstrichterliche Rechtsprechung somit vom grundsätzlichen Verbot der freien Hinauskündigung ab
219 BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2014 f. = NZG 2004, 569; Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 20 = NZG 2007, 583; Schulte/ Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 72; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1127a f. 220 BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2014 f. = NZG 2004, 569; Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98, 102 = NJW 2005, 3641; Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 111 = NJW 2005, 3644; BeckOGK/Koch, BGB, § 737 Rn. 29 f.; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 36. 221 Vgl. BGH, Urt. v. 09. 07. 1990 – II ZR 194/89, BGHZ 112, 103, 108 = NJW 1990, 2622; Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2015 = NZG 2004, 569; Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 21 = NZG 2007, 583; darauf hinweisend auch Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 460. 222 Für eine solche Unterscheidung auch Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 268 f. 223 Grundlegend BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2014 f. = NZG 2004, 569; bestätigt in BGH, Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 21 f. = NZG 2007, 583; zust. Palandt/Sprau, BGB, § 737 Rn. 5.
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und gestattet eine voraussetzungslose Ausschließung, sofern mit einem neuen Gesellschafter eine entsprechende Probezeit vereinbart wurde. Bei dem vom BGH entschiedenen Fall einer Gemeinschaftspraxis von Laborärzten lag die notwendige sachliche Rechtfertigung in dem Erfordernis einer Erprobungsphase hinsichtlich einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einer Übereinstimmung im Hinblick auf die ethischen Vorstellungen bezüglich der eigenen Profession.224 Diese grundsätzlichen Erwägungen lassen sich freilich auch auf Rechtsanwälte übertragen. Auch bei diesen ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rahmen der Sozietät wichtig. Dass ethische Vorstellungen auch für Rechtsanwälte eine Rolle spielen, ergibt sich schon aus ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege nach § 1 BRAO und der Pflicht aus § 43 S. 2 BRAO, sich der Achtung und dem in die Rechtsanwaltschaft gesetzten Vertrauen als würdig zu erweisen. Allerdings ergingen die Urteile des BGH zu Arztpraxen noch zum alten Berufsrecht, welches jedenfalls eine längere Zusammenarbeit von niedergelassenen und angestellten Ärzten verbot.225 (2) Fortsetzung in BGH Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05 Da dementsprechend wenig Zeit zur Verfügung stand, um im Vorhinein die Eignung zur Zusammenarbeit zu prüfen, befand der BGH in einem späteren Urteil eine höchstens dreijährige Probezeit für die Gesellschafterstellung des Berufsträgers für angemessen.226 Im Zweifelsfall scheint er aber auch einer geltungserhaltenden Reduktion der Höchstdauer zugeneigt zu sein.227 Hieran anknüpfend gibt Goette zu bedenken, dass die Erprobungsphase dementsprechend kürzer zu bemessen sei, sofern mehr Zeit zur Prüfung der Zusammenarbeit im Angestelltenverhältnis zur Verfügung stehe.228 Da bei angestellten Rechtsanwälten das Berufsrecht keine verbindlichen Vorgaben hinsichtlich der Beschäftigungshöchstdauer statuiert, wäre eine Gesellschafterstellung auf Probe jedenfalls bei einer vorherigen dreijährigen Angestelltentätigkeit unzulässig. Die Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt ist schließlich nicht völlig wesensverschieden von der Tätigkeit als Gesellschafter, sodass erstere hinreichend Rückschlüsse auf
224
BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2015 = NZG 2004, 569; Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 21 = NZG 2007, 583. 225 BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2015 = NZG 2004, 569; Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 21 = NZG 2007, 583; Goette, AnwBl 2007, 637, 642 f. 226 BGH, Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 24 = NZG 2007, 583; Goette, AnwBl 2007, 637, 643. 227 BGH, Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 24 f. = NZG 2007, 583. 228 Goette, AnwBl 2007, 637, 643.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
das Erfolgspotenzial letzterer erlaubt.229 War der Neusozius kürzer als drei Jahre angestellt, so reduziert sich die zulässige Probezeit um die Zeitspanne, die der Sozius als Angestellter tätig war. Wer bereits längerfristig die Gelegenheit hatte zu erproben, ob eine Zusammenarbeit gedeihlich und profitabel verlaufen könnte, hat keinen sachlichen Grund, eine Probezeit für die Gesellschafterstellung zu vereinbaren. Damit wird die Vereinbarung einer Probezeit für Rechtsanwaltssozietäten oftmals unzulässig sein. Regelmäßig dürfte dem einzelnen Berufsträger der Weg zur Teilhabe an der Gesellschaft aufgrund seiner mehrjährigen Leistungen als Angestellter eröffnet werden. Nutzbringend ist die Vereinbarung einer Probezeit damit nur dann, wenn der zukünftige Gesellschafter entweder erst seit kurzem Angestellter der Kanzlei war oder niemals angestellt war, sondern aus einer anderen Kanzlei wechselt und nun Gesellschafter werden soll.230 (3) Bedenken gegen das Hinauskündigungsrecht (a) Allgemeine Rahmenbedingungen für die Vereinbarung einer Probezeit Die Vergleichbarkeit von Ärzten und Rechtsanwälten hinsichtlich ethischer Vorgaben und der Notwendigkeit, eng zusammenzuarbeiten, rechtfertigt eine erleichterte Kündigung grundsätzlich auch für Rechtsanwaltssozietäten. Grundvoraussetzung dürfte sein, dass der neu eingetretene Gesellschafter keine den übrigen Gesellschaftern äquivalente finanzielle Einlage erbracht hat und dass darüberhinaus das Bedürfnis besteht, die Fähigkeit zur allseitigen Zusammenarbeit zu erproben. Andernfalls wäre die Vereinbarung der Probezeit nur die Rechtsfigur des Gesellschafters minderen Rechts unter einer anderen Bezeichnung.231 Hat der neue Gesellschafter seine Stellung hingegen durch die Aufbringung von Vermögenswerten erworben, widerspräche eine erleichterte Kündigung von vornherein der Gleichbehandlung der Gesellschafter untereinander und der „essentiellen Bedeutung der Gesellschafterstellung“ als hauptsächliche Einkunftsart.232 Musste ein neuer Sozius somit eine Einlageleistung erbringen oder „erkauft“ er seine Aufnahme in den Kreis der Sozien mit einer verminderten Gewinnbeteiligung, so ist die Vereinbarung einer Probezeit mit dem Neusozius von vornherein unzulässig.233
229 Ebenso Kilian, WM 2006, 1567, 1572; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1184. 230 Im Ergebnis ähnlich Kilian, WM 2006, 1567, 1572; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1185; a.A. Henssler, PartGG, § 9 Rn. 38, der eine dreijährige Probezeit generell für angemessen hält. 231 Ausführlich zu dieser Rechtsfigur und den gegen sie sprechenden Erwägungen S. 247 ff. 232 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 9 PartGG Rn. 18. 233 Dazu, dass verminderte Gewinnbeteiligung und Einlageleistung äquivalent sind, Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 74 f.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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Da die Aufnahme eines neuen Sozius in der Praxis allerdings nicht selten unter Verzicht auf eine Einlageleistung erfolgt, um geeigneten Nachwuchs ohne finanzielle Verpflichtungen an die Sozietät zu binden, kann die Vereinbarung einer Probezeit in diesen Fällen zum Schutz der Sozietät durchaus sinnvoll sein.234 Nichtsdestotrotz ist die Vereinbarung einer Probezeit für Rechtsanwaltssozietäten in Anbetracht der Tatsache, dass sie nur zulässig ist, wenn der Neusozius zuvor nicht oder weniger als drei Jahre angestellt war und keine Einlage erbracht hat, praktisch an enge Voraussetzungen gebunden. (b) Die Abweichung vom Verbot der freien Hinauskündigung Bedenken begegnet, abseits dieser praktischen Erwägungen, der dogmatische Ansatz des BGH, das Verbot der Hinauskündigung ohne wichtigen Grund aufzuweichen.235 Anknüpfend an die Befürchtung, Hinauskündigungsklauseln könnten als Disziplinierungsmittel empfunden werden, ist hervorzuheben, dass die ständige Drohung mit dem Verlust der Gesellschafterstellung opportunistisches Verhalten des einzelnen Berufsträgers geradezu herausfordert. Das gilt ebenso und wahrscheinlich in noch stärkerem Maße für einen neu eingetretenen Gesellschafter, der seine Stellung um jeden Preis halten will und sich hierzu mit den übrigen Gesellschaftern gut stellen muss. Sind einzelne Gesellschafter von der Mehrheit der Mitgesellschafter abhängig und richten sie ihre unternehmerischen Entscheidungen ausschließlich an dieser aus, ist die grundsätzliche Funktionsweise der Sozietät in Frage gestellt.236 Keiner der solchermaßen abhängigen Sozien wird seine gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungs- und Kontrollrechte ausüben.237 Eine gleichberechtigte Teilhabe an der Sozietät und dem verfolgten Gesellschaftszweck einer engen und gemeinsamen Berufsausübung ist damit von vornherein in Frage gestellt. Im Übrigen erscheint die Prämisse, dass eine Ausnahme vom Hinauskündigungsverbot ohne wichtigen Grund durch die sachlichen Einzelfallumstände in dieser Fallgruppe gerechtfertigt sein könne, zweifelhaft. Im Endeffekt handelt es sich nicht um eine Kündigung ohne wichtigen Grund. Die Probezeit soll es den Gesellschaftern ermöglichen, die Einhaltung ethischer und berufsrechtlicher Standards zu überprüfen, um auf dieser Grundlage zu beurteilen, ob 234 Zum Verzicht auf die Einlageleistung etwa Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 226; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 150; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 90; Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 274; Henssler/ Michel, NZG 2012, 401, 407; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 77; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 5 Rn. 5; Sigle, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 311, 321; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166; vgl. auch Sigle, ZGR 28 (1999), 659, 674. 235 Allgemein krit. dazu auch MüKoBGB/Schäfer, § 737 Rn. 19; Schäfer, Beilage ZIP 22/ 2016, 63, 66; vgl. ebenfalls Armbrüster, ZGR 43 (2014), 333, 361. 236 Vgl. BGH, Urt. v. 13. 07. 1981 – II ZR 56/80, BGHZ 81, 263, 266 ff. = NJW 1981, 2565; MüKoBGB/Schäfer, § 737 Rn. 19. 237 Schilling, ZGR 8 (1979), 419, 426, allerdings zum Gesellschafter minderen Rechts.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
eine allseitig vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist. De facto ist die Verletzung solcher grundlegenden Standards durch den neuen Gesellschafter regelmäßig schon ein wichtiger Grund zur Kündigung. Der Vereinbarung einer Probezeit bedarf es daher im Grunde nicht. Sie verschleiert im Gegenteil lediglich die Grenze zwischen der Ausschließung aus wichtigem Grund und derjenigen nach freiem Ermessen.238 Die Konstruktion der Probezeit steht der Kündigung aus wichtigem Grunde strukturell nahe, wobei sie anscheinend dem Zweck dient, die Anforderungen an den wichtigen Grund bei neuen Gesellschaftern herabzusetzen und die Ausschließung auch in Zweifelsfällen zuzulassen. Damit verliert die Ausschließungskündigung für Neugesellschafter allerdings ihren ultima ratio-Gedanken. Gerade die hier in Rede stehenden, verhaltensbedingten Gründe rechtfertigen zunächst eine Abmahnung des Neugesellschafters, bevor dieser aus der Sozietät entfernt wird. Weshalb die Verletzung ethischer und berufsrechtlicher Grundsätze bei Altgesellschaftern eher zu tolerieren sein soll als bei einem neuen Gesellschafter, erschließt sich nicht. Eine solche Toleranz widerspricht auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz in der Gesellschaft, der gebietet, dass jeder Sozius ohne Furcht vor der Willkür der übrigen Sozien an der Sozietät und den zu treffenden Entscheidungen teilhaben kann. Durch die dogmatische Anbindung als Kündigung ohne wichtigen Grund i.S.e. zeitweisen, voraussetzungslosen Ausschließungsrechts wird der neu eingetretene Gesellschafter damit weitgehend schutzlos. Das mag durch die Besonderheiten einer Freiberuflersozietät239 im Ansatz gerechtfertigt sein, erscheint in diesem Ausmaß allerdings bedenklich. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Freiberufler muss zwar bei Eintreten eines neuen Gesellschafters geschützt werden, dieser Schutz darf aber nicht so weit gehen, dass der neue Berufsträger seine Mitgliedschaftsrechte aufgrund der drohenden Ausschließung nicht oder nur zurückhaltend ausübt. Dann würde die gesellschaftsvertragliche Regelung ihren eigenen Schutzzweck verfehlen und würde darüber hinaus in sein Gegenteil verkehrt werden. Denn eine Sozietät, in der ein Teil der Gesellschafter die Willkür der übrigen fürchten muss, kann per se keine vertrauensvolle Zusammenarbeit ermöglichen. (4) Die Kündigung in der Probezeit als wichtiger Grund Ein umfassendes Kündigungsrecht ohne sachlichen Grund kann dieser Interessenlage kaum gerecht werden. Hier gilt es daher, das Interesse an der Erprobung der Teamfähigkeit und des Arbeitsethos des Eingetretenen mit dessen Interesse an einer dauerhaften und gesicherten Gesellschafterstellung auszutarieren. Vorzugswürdig erscheint es, das Modell der Probezeit bei Freiberuflersozietäten entgegen der Rechtsprechung der Kündigung aus wichtigem Grund zuzuordnen und 238 Kritisch zum Unterschied und zur Abgrenzung von wichtigem und sachlichem Grund auch Behr, ZGR 19 (1990), 370, 380 ff. 239 Hierzu oben S. 110 ff.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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das Hinauskündigungsverbot ohne wichtigen Grund insoweit unangetastet zu lassen.240 Dadurch würde der Gesellschafter auf Probe zumindest insoweit geschützt, als die Mitgesellschafter gezwungen würden, für die Ausübung des Kündigungsrechts einen wichtigen Grund anzugeben. Als Grund kommt dann freilich nur in Frage, dass das Verhalten des neuen Sozius bei den übrigen Gesellschaftern die fundierte Sorge begründet, dass eine dauerhafte Zusammenarbeit nicht möglich sei. Um dies zu belegen, müssen die Gesellschafter entsprechende Vorfälle während der Probezeit darlegen und begründen. Entsprechend den geringeren Anforderungen an den wichtigen Grund bei Freiberuflersozietäten und dem Gedanken der Probezeit ist eine Abmahnung in den ersten drei Jahren der Gesellschaftszugehörigkeit nicht notwendig.241 Die Vorfälle sind im Gesellschafterbeschluss über die Ausschließung zu dokumentieren und dem betroffenen Gesellschafter mitzuteilen.242 So kann auch den Bedenken des BGH begegnet werden, dass die Probezeit und das damit verbundene Ausschließungsrecht ohne wichtigen Grund missbräuchlich verwendet werden, um den neu aufgenommenen Sozius aus sachfremden Erwägungen wieder der Sozietät zu verweisen.243 Schon aus diesem Grund ist eine stärkere rechtliche Anbindung an die Kündigung aus wichtigem Grund wünschenswert, da sie den Kontrollmaßstab präzisieren würde und somit sowohl für die Altsozien als auch für den Neusozius zu mehr Rechtssicherheit führen würde. Damit die Probezeit auf der anderen Seite nicht obsolet wird und es sich schlussendlich lediglich um eine Ausschließung aus wichtigem Grund handelt, kann den Interessen der Altsozien Rechnung getragen werden, indem die Anforderungen an den wichtigen Grund für Freiberuflersozietäten während der Einarbeitungsphase des Neusozius gesenkt werden. Diese Annahme entspricht dem eingangs erwähnten Postulat, dass an den wichtigen Grund zur Ausschließung bei Freiberuflersozietäten ohnehin weniger strenge Anforderungen zu stellen sind, da das erforderliche Vertrauensverhältnis bei Freiberuflern schneller als unzumutbar belastet betrachtet werden kann.244 240 A.A. BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2014 f. = NZG 2004, 569; Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98, 102 = NJW 2005, 3641; Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 111 = NJW 2005, 3644; Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/ 05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 21 = NZG 2007, 583. 241 Insofern abweichend von den allgemeinen Grundsätzen der Ausschließung S. 97 f. 242 Die Ausschließung erfolgt durch Gesellschafterbeschluss, Peres/Schmid, in: Peres/ Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 33; Palandt/Sprau, BGB, § 737 Rn. 3. S. auch § 737 S. 2 und S. 3 BGB, nach denen das Ausschließungsrecht den übrigen Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht und es durch Erklärung gegenüber dem störenden Gesellschafter auszuüben ist. 243 So geschehen bei BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2015 = NZG 2004, 569; auch Westermann gibt zu Bedenken, dass die Prüfung der allseitigen Fähigkeit zur Zusammenarbeit als sachlicher Grund nicht justiziabel ist, Westermann, in: Westermann/ Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1128. 244 S. oben S. 98.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
Zwar ist es zutreffend, dass die Anforderungen an den wichtigen Grund nicht privatautonom beliebig ausgestaltet werden können,245 gleichwohl ist für die Evaluierung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, auch die Stellung des Gesellschafters in der Struktur der Gesellschaft von Relevanz.246 So erkennt die Rechtsprechung für die Auflösung der Gesellschaft an, dass der wichtige Grund eher anzunehmen ist, wenn die Gesellschaft noch nicht lange besteht247 oder die tatsächliche, störungsfreie Zusammenarbeit nur von kurzer Dauer war.248 Da zwischen dem wichtigen Grund bei der Auflösungskündigung und dem bei der Ausschließungskündigung keine qualitativen Unterschiede bestehen, lassen sich diese Erwägungen auch auf das Ausscheiden einzelner Gesellschafter übertragen.249 Die Annahme eines wichtigen Grundes ist daher ohne dogmatische Kunstgriffe bei neuen Gesellschaftern, die noch keine wesentlichen Beiträge zum Vermögen oder dem Erfolg der Sozietät geleistet haben, eher anzunehmen als bei den übrigen Gesellschaftern, zumal es sich um Freiberufler handelt, deren Ausschließung regelmäßig einfacher möglich sein dürfte. Für die Dauer der Probezeit ist das Verhältnis der Altsozien zum Neusozius als unwiderruflich zerrüttet anzusehen, wenn der hinreichend dokumentierte Verdacht besteht, dass zukünftig Störungen im Verhältnis der Sozien untereinander durch den neuen Sozius zu besorgen sind. Um Rechtsunsicherheiten im Einzelfall auszuschließen, ist es empfehlenswert, Näheres hierzu im Sozietätsvertrag zu regeln. Insbesondere können Regelbeispiele entwickelt werden, die einen hinreichenden Verdacht begründen, der die Ausschließung im Rahmen der Erprobungsphase rechtfertigt. (5) Fazit zur Probezeit als Kündigungserleichterung Im Moment besteht für Rechtsanwaltssozietäten die Möglichkeit, für neu eintretende Gesellschafter ohne eigene Einlageleistung eine Probezeit zu vereinbaren und diese mit einem Ausschließungsrecht ohne wichtigen Grund zu verbinden. Da ein solches Recht allerdings regelmäßig die unabhängige Entscheidungsfindung, Kontrolle und Mitwirkung des betreffenden Gesellschafters hindert und damit auch Einfluss auf das Gesellschaftsverhältnis insgesamt hat, wäre es zu begrüßen, wenn der BGH die Fälle der Probezeit der Kündigung aus wichtigem Grund zuordnen würde. So könnten die Vorteile der Probezeit für die Altsozien beibehalten und 245
Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 36. BGH, Urt. v. 10. 06. 1996 – II ZR 102/95, NJW 1996, 2573 = ZIP 1996, 1434; Henssler/ Strohn/Kilian, GesR, § 723 BGB Rn. 11; MüKoBGB/Schäfer, § 723 Rn. 29. 247 BGH, Urt. v. 17. 02. 1969 – II ZR 116/67, WM 1969, 526, 527 = DB 1969, 740. 248 BGH, Urt. v. 20. 12. 1962 – II ZR 79/61, WM 1963, 282, 283 = DB 1963, 410. 249 Zur identischen Qualität des wichtigen Grundes bei Auflösungskündigung und Ausschließungskündigung BGH, Urt. v. 31. 03. 2003 – II ZR 08/01, NZG 2003, 625, 626 = DStR 2003, 1215, 1216; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 24; MüKoBGB/Schäfer, § 737 Rn. 9; K. Schmidt, GesR, § 50 III 1 b); a.A. RG, Urt. v. 18. 09. 1889 – I 154/89, RGZ 24, 136, 138; Urt. v. 11. 12. 1934 – II 148/34, RGZ 146, 169, 179 ff.; BGH, Urt. v. 30. 11. 1951 – II ZR 109/51, BGHZ 4, 108, 110 = NJW 1952, 461. 246
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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gleichzeitig der Schutz des neuen Sozius erhöht werden, indem die Gesellschafterversammlung erhöhten Dokumentations- und Begründungspflichten im Rahmen der Ausschließung unterliegt. Das Risiko der missbräuchlichen Ausübung aus sachfremden Erwägungen, welches der BGH bereits durch die Ausübungskontrolle nach § 242 BGB korrigieren musste, könnte daher im Ansatz minimiert werden.250 Das ist nicht zuletzt deshalb wünschenswert, weil die Resultate der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB kaum vorhersehbar und damit der Rechtssicherheit nicht förderlich sind.251 Außerdem führt sie zu einer Verlagerung der Beweislast auf den ausgeschlossenen Gesellschafter, denn im Rahmen der Ausübungskontrolle muss dieser darlegen und beweisen, dass der Ausschluss rechtsmissbräuchlich war, während die Inhaltskontrolle die Gesellschaftermehrheit dazu zwingt, darzulegen und zu beweisen, dass die inhaltlichen Voraussetzungen der Ausschlussklausel vorlagen.252 Eine solche Beweislastumkehr ist mit dem Schutz des ausgeschlossenen Gesellschafters schwerlich zu vereinbaren, bedenkt man die ratio legis des § 737 S. 1 BGB, der inzident der Gesellschaftermehrheit die Darlegung des wichtigen Grundes auferlegt.253 cc) Mitarbeitermodelle (1) Die Grundprinzipien der Mitarbeiterbeteiligung Eine weitere, allgemeine Ausnahme vom Verbot der freien Hinauskündigung stellen Mitarbeitermodelle dar, bei denen diese zwecks Motivation und Steigerung der Loyalität gesellschaftsrechtlich an den Gewinnen der Gesellschaft beteiligt werden sollen.254 Solche Gestaltungen sind vor allem aus der Vertragspraxis gewerblich tätiger Gesellschaften bekannt, sie sind aber prinzipiell auch bei Freiberuflergesellschaften denkbar und werden vorallem von Römermann255 für die Rechtsanwalts-AG vorgeschlagen. Scheidet der Mitarbeiter aus dem Unternehmen aus, so besteht kein Grund mehr, ihm die gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu belassen, da die Zwecke der Motivations- und Loyalitätssteigerung wegfallen.256 Rechtstechnisch verwirklicht wird die Ausschließung des beteiligten Mitarbeiters dann meist durch eine gesellschaftsvertragliche Rückübertragungsverpflichtung
250 BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2015 = NZG 2004, 569; näher zur Ausübungskontrolle auf S. 242 f. 251 Insoweit ebenfalls Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751; die Ausübungskontrolle der Inhaltskontrolle vorziehend Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 464, 479; Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 281 f. 252 Armbrüster, ZGR 43 (2014), 333, 361 f. 253 So wohl auch Armbrüster, ZGR 43 (2014), 333, 361 f. 254 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 114 = NJW 2005, 3644; Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 454 f. 255 Römermann, NJW 2013, 2305, 2308. 256 Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 455.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
oder durch ein bereits zu Beginn abgegebenes, aufschiebend bedingtes Veräußerungsangebot an den Mehrheitsgesellschafter.257 Dieses Hinauskündigungsrecht ist sachlich dadurch gerechtfertigt, dass die Gesellschafterstellung objektiv an die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gebunden wird und damit von vornherein keine Willkür des Mehrheitsgesellschafters zu befürchten ist.258 Dürften die Mitarbeiter auch nach ihrem Ausscheiden die Anteile behalten, würden sie ungerechtfertigt am Unternehmenserfolg partizipieren und der Zweck der Mitarbeiterbeteiligung würde zukünftig undurchführbar werden, da die Anteile nicht an andere verdiente Mitarbeiter ausgegeben werden könnten.259 Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Mitarbeitergesellschaftern und den übrigen Anteilseignern bestehe zudem deshalb nicht, weil die Mitarbeitergesellschafter keine Kapitaleinlage leisten mussten.260 (2) Die divergierende Motivlage in Rechtsanwaltssozietäten Dieses klassische Modell der Mitarbeiterbeteiligung passt konzeptionell kaum zur typischen Karriere in der Rechtsanwaltssozietät. Die Vollpartnerschaft ist das Ziel und daher gleichzeitig die Motivation vieler langjährig angestellter Rechtsanwälte. Dieser Karriereweg vom angestellten Rechtsanwalt zum Sozius vollzieht sich praktisch oft in mehreren Stufen. Insbesondere in größeren Sozietäten existiert oft mindestens eine Vorstufe zum Voll- oder Equitypartner. Ob diese „salary-“, „junior-“, „income-“ oder „assoziierten“ Partner noch Angestellte mit einer besonderen, schuldrechtlichen Gewinnbeteiligung oder schon Gesellschafter – ohne oder mit geringem Stimmrecht – sind, hängt vielfach von der Philosophie der Gründer und der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags der jeweiligen Sozietät ab.261 Eine Beteiligung in gesellschaftsrechtlicher Form kann sich gegenüber einer schuldrechtlichen Gewinnbeteiligung steuerlich unterschiedlich auswirken und hat den Vorteil, den ambitionierten Mitarbeiter sowohl intern als auch in der Außendarstellung enger an die Sozietät zu binden.262 Mitarbeiter- und Karrierestruktur der Sozietäten unterscheiden sich daher deutlich von denjenigen der Unternehmen, die typischerweise Mitarbeitermodelle verwenden. Anders als in Rechtsanwaltssozietäten ist es weder das Ziel noch die 257
Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 452 f. BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 112 = NJW 2005, 3644. 259 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 115 = NJW 2005, 3644. 260 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 113 = NJW 2005, 3644. 261 Die Variante der rein schuldrechtlichen Gewinnbeteiligung scheint hierbei das verbreitetere Modell zu sein, vgl. Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 25 Rn. 15; bei Rechtsanwaltskapitalgesellschaften ließe sich die Gewinnbeteiligung z. B. auch über eine stille Gesellschaft nach den §§ 230 ff. HGB realisieren, Jung, in: Blaurock, Hdb Stille Gesellschaft, Rn. 9.78; a.A. Keul, in: MünchHdb-GesR II, § 77 Rn. 10; Oetker/Wedemann, HGB, § 230 Rn. 21; allgemein zur stillen Beteiligung als Instrument der Arbeitnehmerbeteiligung Keul, in: MünchHdb-GesR II, § 72 Rn. 25; Oetker/Wedemann, HGB, § 230 Rn. 10. 262 Vgl. zu diesen Aspekten Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 462 m.w.N. 258
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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langfristige Perspektive der Angestellten, zukünftig ausschließlich Gesellschafter zu sein und die Position als Arbeitnehmer aufzugeben. Durch diese Zielsetzung der angestellten Rechtsanwälte und das Stufenmodell in vielen Sozietäten wird indes die sachliche Rechtfertigung der Hinauskündigung von beteiligten Mitarbeitern in Rechtsanwaltssozietäten insgesamt in Zweifel gezogen. Kontrollmaßstab für die hiesige Konstellation ist daher zunächst § 138 Abs. 1 BGB.263 Hinzukommt aufgrund der parallelen Arbeitnehmereigenschaft des Rechtsanwalts § 622 Abs. 6 BGB, da der Entzug der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung für den Arbeitnehmer eine unzulässige Kündigungserschwerung darstellen kann.264 Für beide Normen kommt es im Rahmen der jeweiligen Inhaltskontrolle auf eine umfassende Interessenabwägung an,265 sodass die für Mitarbeiter in Rechtsanwaltssozietäten entscheidenden Gesichtspunkte im Folgenden zusammengefasst werden. (3) Die sachliche Rechtfertigung der Mitarbeiterbeteiligung in der Sozietät Der BGH fasst die sachliche Rechtfertigung der klassischen Mitarbeiterbeteiligung durch die Umschreibung zusammen, dass die angestellten Mitarbeiter eine treuhänderähnliche Stellung erhalten sollen.266 Es kommt somit darauf an, dass Arbeitsvertrag und Inhaberschaft des Gesellschaftsanteils parallel laufen, dieser dementsprechend nur zeitlich begrenzt eingeräumt wird und der Mitarbeiter im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung kein wesentliches Unternehmerrisiko übernimmt.267 (a) Sozietätsanteil als Annex zur Arbeitnehmereigenschaft? Angestellte Rechtsanwälte können und wollen aber nicht nur wie die Mitarbeiter anderer Unternehmen eine treuhänderähnliche Stellung einnehmen, sondern perspektivisch aktiv die Sozietät mittragen und die Sozietät durch ihre aktive Berufsausübung mitgestalten. Mit der Einräumung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung steht diese mitsamt etwaigen Mitbestimmungsrechten für den Rechtsanwalt gegenüber der parallelen Arbeitnehmereigenschaft im Vordergrund. Langfristig soll letztere gänzlich aufgegeben werden, um die gebotene Mitarbeit in der Berufsausübungsgesellschaft ausschließlich im Rahmen einer größeren, gesellschaftsrechtlichen Beteiligung zu erbringen. Das Grundprinzip der Mitarbeiterbeteiligung, dass Arbeitsvertrag und gesellschaftsrechtliche Beteiligung einem Gleichlauf unterliegen, dementsprechend parallel enden sollen und die Beteiligung von vornherein nur zeitlich begrenzt eingeräumt werden soll, ist in der Rechtsanwaltssozietät daher nicht 263 264 265 266 267
Hierzu schon allgemein S. 108 f. Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 466 f. Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 467 m.w.N. BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 114 = NJW 2005, 3644. BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 114 f. = NJW 2005, 3644.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
erfüllt. Im Zeitpunkt der Einräumung des Gesellschaftsanteils gehen sowohl der Rechtsanwalt als auch die Sozietät regelmäßig davon aus, dass die Stellung als Gesellschafter diejenige als Arbeitnehmer langfristig ablöst. Es liegt damit gerade kein typischer Fall der Mitarbeiterbeteiligung vor, in dem die Einräumung des Gesellschaftsanteils nur einen Annex zu einem schuldrechtlichen Vertrag darstellt.268 (b) Zur treuhänderähnlichen Stellung des Mitarbeiters An diese Motivlage anschließend, wird man nicht nur den Annexcharakter der Beteiligung ablehnen, sondern auch die Treuhanderwägung in dieser Konstellation insgesamt in Frage stellen müssen. Denn für diese Erwägung ist tragend, dass der Gesellschafter die Beteiligung nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses zurückübertragen muss, so wie es der Treuhänder nach Beendigung des Treuhandverhältnisses mit dem Treugut zu tun hat.269 In gewerblichen Unternehmen weiß der Mitarbeiter bei diesen Beteiligungsmodellen zum Zeitpunkt des Eintritts in die Gesellschaft, dass er die Beteiligung wieder aufgeben muss, sobald er durch Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Alter ausscheidet. Er hält die Beteiligung am Unternehmen daher in der Tat treuhänderähnlich, da die Rückübertragung des Gesellschaftsanteils für ihn unabwendbar ist. Auch in Rechtsanwaltssozietäten kann der Gesellschafter zwar verpflichtet werden bei seinem Ausscheiden als Arbeitnehmer den Gesellschaftsanteil zurückzuübertragen. Diese Konsequenz wird für ihn und die Sozietät aber nur untergeordnete Bedeutung haben, weil beide Parteien eine produktive Arbeitsbeziehung erwarten, die letztlich den Aufstieg zum Vollpartner mit sich bringen soll. Die Rückübertragung des Sozietätsanteils ist für den Sozius daher – anders als bei einem Treuhänder – durchaus vermeidbar. Mit der Vollpartnerschaft geht anschließend eine erweiterte Beteiligung einher, sodass der Gesellschafter nicht erwartet, bis zum Ende seines Berufslebens ausschließlich treuhänderähnlich beteiligt zu sein oder die Beteiligung überhaupt zurückübertragen zu müssen. (c) Übernahme eines Unternehmerrisikos Wird dem angestellten Rechtsanwalt der Sozietätsanteil nicht unentgeltlich übertragen, sondern muss er einen Kaufpreis oder eine Kapitaleinlage erbringen, so 268
So etwa die Begründung bei BGH, Urt. v. 14. 03. 2005 – II ZR 153/03, NZG 2005, 479, 480 = ZIP 2005, 706, zu einem Kooperationsvertrag; BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98, 104 = NJW 2005, 3641, zu einem Geschäftsführeranstellungsvertrag (sog. Managermodell); vgl. auch BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 114 f. = NJW 2005, 3644, zum hier besprochenen Mitarbeiterbeteiligungsmodell; vgl. auch BeckOGK/ Koch, BGB, § 737 Rn. 30. 269 Vgl. BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 114 f. = NJW 2005, 3644; zuvor schon BGH, Urt. v. 09. 07. 1990 – II ZR 194/89, BGHZ 112, 103, 111 = NJW 1990, 2622, zu einem ähnlichen Fall der Hinauskündigung, bei der die Beteiligung nur für die Dauer der engen persönlichen Beziehung der Mitgesellschafter bestehen sollte; zur Treuhand an einem Gesellschaftsanteil Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 105 Rn. 51 ff.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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trägt er grundsätzlich das Risiko, dass der Verkehrswert des Gesellschaftsanteils im Zeitpunkt seines Ausscheidens geringer ist als der Kaufpreis oder die erbrachte Einlage.270 Dieses Unternehmerrisiko ist geradezu typisch für eine originär gesellschaftsrechtliche Stellung als Mitunternehmer.271 Wirtschaftlich nimmt der angestellte Rechtsanwalt dann nicht mehr die – vom BGH gebilligte – Stellung eines Treuhänders ein, der kein finanzielles Risiko trägt.272 Diese Abweichung spricht entscheidend gegen die Annahme, der Gesellschaftsanteil sei ein bloßer Annex zur Arbeitnehmereigenschaft. Sobald der Annexcharakter der Beteiligung aber zu verneinen ist, ist auch die Hinauskündigung des Gesellschafters eo ipso kaum zu rechtfertigen. Die Sozietät muss daher Sorge dafür tragen, dass den angestellten Rechtsanwalt kein finanzielles Risiko trifft, etwa indem er nur den Nennwert des Anteiles aufwenden muss und diesen Nennwert seinerseits bei seinem Ausscheiden wieder ausgezahlt bekommt.273 Auch die Finanzierung des Nennwerts mithilfe eines Darlehens aufseiten des Neugesellschafters ist dann unschädlich, weil er dann lediglich das Insolvenzrisiko der Gesellschaft, aber gerade kein Unternehmerrisiko, trägt.274 (d) Kein Hinauskündigungsrecht durch die Anwendbarkeit des KSchG? In der klassischen Mitarbeiterbeteiligung lag für den BGH zudem keine unzulässige Hinauskündigung vor, weil das KSchG anwendbar war.275 Durch die Anwendbarkeit des § 1 KSchG konnte das Arbeitsverhältnis selbst schon nicht grundlos beendet werden, sodass auch die mittelbar hieran gebundene gesellschaftsrechtliche Beteiligung nicht ohne sachlichen Grund aufgelöst werden konnte.276 Zwar spricht diese Erwägung wiederum für eine Zulässigkeit der Hinauskündigung in den hier angesprochenen Fällen, allerdings ist die Anwendbarkeit des KSchG für sich genommen kein allzu verlässlicher Umstand. Zum einen sind bei Rechtsanwälten, die übrigen tragenden Erwägungen wie der Annexcharakter der Beteiligung, die treuhandähnliche Stellung des Gesellschafters und das fehlende Unternehmerrisiko re-
270 Die unentgeltliche Einräumung ist in Rechtsanwaltssozietäten zwar nicht undenkbar, häufig muss der Gesellschaftsanteil jedoch durch eine Kapitaleinlage erworben werden, wobei die Finanzierung dieser Einlage unterschiedlich ausgestaltet werden kann, hierzu näher S. 247 ff. und insbesondere S. 256 ff. 271 Ebenso zum Managermodell Schockenhoff, NZG 2018, 201, 204. 272 Vgl. Schockenhoff, NZG 2018, 201, 204. 273 So das Mitarbeiterbeteiligungsmodell bei BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 114 ff. = NJW 2005, 3644; die Beschränkung der Abfindung auf den für den Erwerb des Gesellschaftsanteils aufgewendeten Betrag ist bei Mitarbeiterbeteiligungen grundsätzlich unbedenklich, Habersack/Verse, ZGR 34 (2005), 451, 475 ff.; Heckschen, GWR 2020, 63, 66 m.w.N. 274 Schockenhoff, NZG 2018, 201, 205. 275 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 112 = NJW 2005, 3644. 276 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 112 = NJW 2005, 3644.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
gelmäßig kaum übertragbar.277 Zum anderen hat der BGH selbständig die Frage aufgeworfen, ob die Klassifizierung eines Mitarbeiters als leitender Angestellter i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, da dann die Möglichkeit bestünde das Arbeitsverhältnis gemäß §§ 9 Abs. 1 S. 2, 14 Abs. 2 S. 2 KSchG ohne Begründung aufzulösen.278 Diese Möglichkeit entspräche im Ergebnis einer Hinauskündigung nach freiem Ermessen. Da leitender Angestellter i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG nur ist, wer zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist, wird dieser Ausnahmetatbestand für die überwiegende Anzahl der angestellten Rechtsanwälte allerdings nur eingeschränkte Bedeutung beanspruchen.279 Gleichwohl führt die Einräumung solcher Personalverantwortung auch dazu, dass der angestellte Rechtsanwalt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG i.V.m. § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen ist, was angesichts der heutigen Struktur anwaltlicher Dienstleistung für viele Sozietäten wünschenswert erscheinen mag.280 Sollte der angestellte Rechtsanwalt daher als leitender Angestellter i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG zu klassifizieren sein, resultieren Mitarbeiterbeteiligungsmodelle über §§ 9 Abs. 1 S. 2, 14 Abs. 2 S. 2 KSchG in einem voraussetzungslosen – und damit freilich unwirksamen – Hinauskündigungsrecht. (e) Zwischenergebnis zur sachlichen Rechtfertigung Im Regelfall liegt die Interessenlage der beteiligten Parteien von vornherein gänzlich anders, als in dem bisher vom BGH entschiedenen Modell, bei dem die Beteiligung den Charakter einer Tantiemenregelung hatte und die Arbeitnehmereigenschaft daher weiterhin im Vordergrund stand.281 Die Vereinbarung eines Hinauskündigungsrechts bei Mitarbeiterbeteiligungen ist in Rechtsanwaltssozietäten demnach nicht sachlich gerechtfertigt und damit aufgrund von § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn der Gesellschaftsanteil als Vorstufe zur Vollpartnerschaft eingeräumt wird und der Gesellschafter ein Unternehmerrisiko trägt. Dasselbe gilt für § 622 Abs. 6 BGB, denn das eigene finanzielle Risiko gepaart mit der von der Sozietät geweckten Hoffnung zum Vollpartner aufzusteigen, wird den Sozius effektiv von einer Kündigung seiner Stellung als Arbeitnehmer abhalten. Insbesondere die eigene finanzielle – und womöglich existenzielle – Abhängigkeit vom Erfolg der Sozietät erschwert die Kündigung des Arbeitsvertrags in einem unverhältnismäßigen Maße. Vergleichbar ist insofern die Konstellation der übermäßigen Abfindungsbe-
277
Hierzu S. 119 ff. BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 112 = NJW 2005, 3644. 279 Vgl. zum fast wortgleichen § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG, Henssler, in: FS Willemsen, S. 173, 175. 280 Hierzu Henssler, in: FS Willemsen, S. 173, 173 f. 281 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 114 = NJW 2005, 3644. 278
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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schränkung, die den Sozius aufgrund der drohenden finanziellen Einbuße in der Sozietät hält und daher gegen § 723 Abs. 3 BGB verstößt.282 Selbst wenn nur eines der beiden Kriterien erfüllt ist, bestehen hinreichend Unterschiede zum klassischen Modell der Mitarbeiterbeteiligung, um die Konstellation als risikobehaftet zu bewerten. Das klassische Mitarbeitermodell bleibt hingegen auch bei Rechtsanwaltssozietäten zulässig. Soll die Beteiligung also einem verdienten Mitarbeiter eingeräumt werden und ist allen Parteien bewusst, dass dies durch die Koppelung an das Arbeitsverhältnis zeitlich begrenzt geschehen soll, bestehen keine rechtlichen Bedenken. (4) Rechtliche Risiken im Hinblick auf §§ 75d S. 2, 74 Abs. 2 HGB Daneben bringt die Stellung als Mitarbeiter-Gesellschafter noch ein weiteres Risiko mit sich, wenn die Mitarbeiter gleichzeitig Arbeitnehmer sind. Denn nach § 75d S. 2 HGB kann sich der Arbeitgeber nicht auf Vereinbarungen berufen, die bezwecken, die gesetzlichen Vorschriften über die Entschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB zu umgehen. Nach richtiger Ansicht hat dies für einen Arbeitnehmer-Gesellschafter zur Folge, dass ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot nicht dazu führen darf, dass er beim Ausscheiden finanziell schlechter steht als im Falle eines arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbotes mit der Rechtsfolge der Karenzentschädigung.283 Die Abfindung nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB muss daher mindestens die Höhe der erforderlichen Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB erreichen, ansonsten wird die Dauer des gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbotes soweit gekürzt, wie sich Abfindung und gebotene Karenzentschädigung nicht decken.284 Da nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Gesellschaftsverträgen von Freiberuflern sehr beliebt sind, können diese für Mitarbeitermodelle daher unerwartete Konsequenzen haben.285 dd) Kleinstbeteiligungen in Rechtsanwaltssozietäten Abweichend von dem häufig verfolgten Modell, bis zur Position des EquityPartners lediglich Angestellter mit schuldrechtlicher Gewinnbeteiligung zu sein, kommt es durchaus vor, dass bereits vor dieser Karrierestufe oder bei einem Quereinstieg eine kleine Beteiligung an der Berufsausübungsgesellschaft eingeräumt wird. Solche Gesellschafter werden als „Juniorgesellschafter“ deklariert.286
282
Hierzu S. 235 f. Diller, in: FS Buchner, S. 177, 184. 284 Diller, in: FS Buchner, S. 177, 185. 285 Zur Verbreitung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 11 ff. 286 Kilian, WM 2006, 1567, 1573; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1187; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 558, 563. 283
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
(1) Die Kleinstbeteiligung als sachliche Rechtfertigung Im Anschluss an das Auftreten dieser Modelle ist im Schrifttum die Frage aufgekommen, ob schon eine Kleinstbeteiligung an sich einen sachlichen Grund darstellt, der eine Hinauskündigungsklausel rechtfertigen würde.287 Dabei sind richtigerweise zwei Fragen zu unterscheiden: Zum einen, ob Kleinstbeteiligungen per se eine sachliche Rechtfertigung darstellen, und zum anderen, ab wann eine Kleinstbeteiligung überhaupt in Frage kommt. Zunächst ist daher entscheidend, wie eine „Kleinstbeteiligung“ zu definieren ist. (a) Definition der Kleinstbeteiligung Um die Tragweite dieser Rechtsfigur beurteilen zu können, muss zunächst der Begriff der Kleinstbeteiligung erörtert werden. In Anlehnung an den § 327a AktG wird eine Kleinstbeteiligung im Zusammenhang mit Sozietätsanteilen als ein Anteil von 5 % oder weniger definiert.288 Auch der Gesetzgeber ging im Gesetzgebungsverfahren zum aktienrechtlichen Squeeze-out davon aus, dass eine Beteiligung von 5 % die anerkannte Größenordnung für (aktienrechtliche) Minderheitsbeteiligungen darstellt.289 Diese Erwägung lässt sich i.S.e. Obergrenze allgemein auf das Gesellschaftsrecht übertragen. Die Grenze von 5 % ist bei Freiberuflersozietäten daher der maximal anzuerkennende Schwellenwert, bis zu dem noch von einer Kleinstbeteiligung gesprochen werden kann. Für Freiberuflergesellschaften muss die genaue Grenze indes nach den Umständen des Einzelfalls, wie der Anzahl der Gesellschafter und der Größe der Gesellschaftsanteile, bestimmt werden.290 Für Sozietäten ergibt sich dies bereits aus der wesensverschiedenen Beteiligungsstruktur im Vergleich zu Aktiengesellschaften. Erstere besitzt typischerweise einen kleinen Kreis an Gesellschaftern, während letztere gerade auf große Gesellschafterkreise zugeschnitten ist. Regelmäßig bedarf die Evaluierung einer Beteiligung als „Kleinstbeteiligung“ bei Sozietäten von Freiberuflern daher einer genaueren Untersuchung der Gesellschaftsstruktur. (b) Die Fallgruppen der sachlichen Rechtfertigung in der Judikatur Zur Beantwortung der Frage, ob solche Kleinstbeteiligungen eine sachliche Rechtfertigung zur Hinauskündigung durch die Gesellschaftermehrheit sein können, bietet es sich an, die Argumentationslinie des BGH im Rahmen der höchstrichterlich anerkannten Ausnahmeregelungen nachzuvollziehen. Dabei ist augenfällig, dass der BGH den Schutz des von der Kündigung bedrohten Gesellschafters regelmäßig dann zurückstehen lässt, wenn die gebotene Interessenabwägung im Einzelfall ergibt, dass ohne die Hinauskündigung höchstwahr287 Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751; Heusel/Goette, DStR 2015, 1315, 1317 ff.; Kilian, WM 2006, 1567, 1573; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1187. 288 Kilian, WM 2006, 1567, 1573; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1189. 289 RegBegr, BT-Drucks. 14/7034, S., 72. 290 Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1189.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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scheinlich unzumutbare Nachteile für die Gesellschaft oder die übrigen Gesellschafter drohen. Diese Nachteile können sich aus der Person des auszuschließenden Gesellschafters, aus besonderen Rechtsbeziehungen neben dem Gesellschaftsverhältnis, aus den gerechtfertigten Interessen der Mehrheitsgesellschafter oder den Umständen des Anteilserwerbs ergeben.291 So wären Freiberufler ohne Probezeit nach dem Eintritt des störenden Gesellschafters auf die Auflösungskündigung oder das eigene Ausscheiden verwiesen, was für die Altgesellschafter unter dem Aspekt der eigenen jahrelangen Aufbauarbeit kaum zumutbar sei.292 In den Mitarbeiterkonstellationen drohe hingegen die unberechtigte Partizipation ausgeschiedener Mitarbeiter am Unternehmenserfolg und das Scheitern des Mitarbeitermodells durch die fehlende Möglichkeit der folgenden Mitarbeitergeneration, wiederum Anteile einräumen zu können.293 Daneben trat als maßgebliche Erwägung, dass die Gesellschafterstellung nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehen sollte und die Gesellschafterstellung damit nur treuhandähnlicher Natur war.294 Dies waren jeweils Gründe, die eine Hinauskündigung der Gesellschafter zumutbar erscheinen ließen. Für die Gesellschaft muss die Hinauskündigung aufgrund der besonderen Gesamtumstände daher zwingend erforderlich sein, ohne dass diese Gesamtumstände eine Ausschließung aus wichtigem Grund rechtfertigen könnten. (c) Ausgangspunkt der Interessenabwägung bei Juniorgesellschaftern Dieser Linie folgend, kommt es für die Beurteilung von Hinauskündigungsklauseln gegenüber Juniorgesellschaftern darauf an, ob der Gesellschaft oder dem Mehrheitsgesellschafter unzumutbare Nachteile drohen, die nur mit der Hinauskündigung abgewendet werden können. Von den zuvor genannten Kriterien kommt insoweit nur das überwiegende Interesse der Gesellschaftermehrheit in Betracht, um die Hinauskündigung im Rahmen der Interessenabwägung sachlich zu rechtfertigen. Die Einräumung einer Kleinstbeteiligung kann zwar mittelbar an die Person des Gesellschafters, die Art des Anteilserwerbs oder besondere Rechtsbeziehungen neben der Gesellschafterstellung anknüpfen, sie besitzt aber keine denknotwendige Verbindung zu diesen Konstellationen. Kleinstbeteiligungen begründen eine solche sachliche Rechtfertigung der Ausschließung nicht von vornherein. Grundgedanke des Gesellschaftsrechts ist das Zusammenwirken Mehrerer zu einem bestimmten Gesellschaftszweck. Das Bestehen mehrerer Gesellschaftsanteile ist daher an sich keine Besonderheit und erst Recht kein Umstand, der Mehrheitsgesellschafter unzumutbar benachteiligt.
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So die Analyse der Rechtsprechung von Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 273. BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2015 = NZG 2004, 569; Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 21 = NZG 2007, 583. 293 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 115 = NJW 2005, 3644. 294 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 114 f. = NJW 2005, 3644. 292
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
(d) Irrelevanz der Damoklesschwert-Metapher bei Juniorgesellschaftern? Für eine sachliche Rechtfertigung soll aber sprechen, dass es zirkelschlüssig sei, den Minderheitsgesellschafter mit der Metapher des Damoklesschwerts zu schützen, je geringer dessen Anteil und je größer der Anteil des anderen Gesellschafters sei.295 Immerhin könne der Gesellschafter bei solch geringen Beteiligungsgrößen ohnehin keinen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen.296 Ob er sich durch das Damoklesschwert der Hinauskündigung von der Beteiligung am Gesellschaftsleben abhalten lasse, spiele daher faktisch keine Rolle.297 Über diese Annahme mag man zunächst räsonieren, indes nimmt der gedankliche Ausgangspunkt, Gesellschafter seien weniger schutzwürdig, je kleiner der Gesellschaftsanteil sei, bedenkliche Anleihen beim Gesellschafter minderen Rechts,298 soweit sie die Schlussfolgerung zulässt, Gesellschafter mit einer geringeren Anteilsgröße seien von vornherein in ihrer Rechtsposition weniger schutzwürdig als der oder die Mehrheitsgesellschafter. Solche „Gesellschafter zweiter Klasse“ sind dem Gesellschaftsrecht indes fremd und daher abzulehnen.299 Das Argument, der Gesellschafter könne die Sozietät nicht lenken, ist zwar zutreffend, übersieht aber, dass Minderheitsgesellschafter niemals in der Lage sind, die Gesellschaft zu lenken, und zwar ganz unabhängig von ihrer konkreten Beteiligungsgröße, sodass ein kleinerer Anteil sie nicht per se weniger schutzwürdig werden lässt. Auch ein Minderheitsgesellschafter mit einem Kapitalanteil von 49 % kann eine zweigliedrige Sozietät – bei Bestehen einer Mehrheitsklausel – nicht lenken.300 In der Konsequenz des obigen Gedankengangs müsste man deshalb auch hier ein Hinauskündigungsrecht für zulässig halten, obgleich dieses Ergebnis befremdlich erscheint. Zudem haben auch Minderheitsgesellschafter Kontrollrechte, die in ihrem Bestand schutzwürdig sind. So können auch Juniorgesellschafter Informations- und Einsichtsrechte nach § 716 Abs. 1 BGB301 geltend machen sowie eine actio pro 295
Kilian, WM 2006, 1567, 1573; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1188. Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1188. 297 Vgl. Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1188. 298 Ausführlich zu dieser Rechtsfigur S. 247 ff. 299 Grundlegend BGH, Urt. v. 09. 01. 1989 – II ZR 83/88, NJW 1989, 2685, 2686 = ZIP 1989, 770. 300 Zu Mehrheitsklauseln und deren Zulässigkeit Schäfer, ZGR 42 (2013), 237 ff.; Schäfer, NZG 2014, 1401 ff. 301 Brete/Braumann, GWR 2019, 59, 62; Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 716 Rn. 2; Fleischer/Heinrich, DB 2020, 827, 827; K. Schmidt, GesR § 59 III 3 c); Henssler/ Strohn/Servatius, GesR, § 716 BGB Rn. 3; Weipert, in: MünchHdb-GesR I, § 8 Rn. 2 ff.; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 22 Rn. 437 ff.; das Informations- und Einsichtsrecht des § 716 Abs. 1 BGB und die Regelung zur Abdingbarkeit dieser Rechte in § 716 Abs. 2 BGB sind indes defizitär und müssen dringend reformiert werden, um den Minderheitenschutz in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu verbessern, da der Norminhalt seit 1863 im Wesentlichen unverändert ist und dementsprechend aus einer „informationsfeindlichen Epoche“ stammt, so Wiedemann, in: FS Meincke, S. 423, 433; zust. 296
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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socio302 anstrengen, um Ansprüche der Gesellschaft gegen einzelne Gesellschafter durchzusetzen. Unter Umständen erstarkt das Einsichtsrecht aus § 716 Abs. 1 BGB sogar zu einem Auskunfts-303 oder Informationsbeschaffungsrecht304 des Gesellschafters. Diese Rechte stehen den Minderheitsgesellschaftern unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung zu. Es spielt daher sehr wohl eine Rolle, ob sich der Juniorgesellschafter bei der Ausübung dieser Kontrollrechte durch das „Damoklesschwert der Hinauskündigung“305 beeinträchtigen lässt.306 Wenn dem aber so wäre – und diese Konsequenz liegt nahe, wenn der Juniorgesellschafter jederzeit aus der Gesellschaft entfernt werden könnte – handelt es sich bei dieser Form der Ausschließung im Ergebnis nicht um eine solche auf der Basis eines sachlichen Grundes. Im Gegenteil wird man diesen Klauseltypus als Fall einer Hinauskündigung nach freiem Ermessen ansehen müssen, welcher stets dem Sittenwidrigkeitsverdikt des § 138 Abs. 1 BGB unterfällt.307
Fleischer/Heinrich/Pendl, NZG 2016, 1001, 1009; vgl. auch Fleischer/Heinrich, DB 2020, 827, 832 ff. 302 Zur actio pro socio als wesentliches Instrument des Minderheitenschutzes Fleischer/ Harzmeier, ZGR 2017, 239, 240, 251; Flume, BGB AT I 1 PersGes, § 10 IV, S. 144; Heidel/ Schall/Heidel, HGB, § 105 Rn. 241b, 244; Röttger, Die Kernbereichslehre im Recht der Personenhandelsgesellschaften, S. 200 f.; MüKoBGB/Schäfer, § 705 Rn. 207; K. Schmidt, GesR § 16 III 2 b), § 21 IV 1 c); Teichmann, AcP 179 (1979), 475, 485; Wertenbruch, in: Westermann/ Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 21 Rn. 427; Wiedemann, GesR I, S. 274; vgl. auch Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 21 ff.; Koppensteiner, in: FS K. Schmidt, S. 701, 708; Ring, NJ 2020, 45, 48; auch hier ist das Recht der GbR defizitär und sollte durch eine Normierung der actio pro socio den Schutz von Minderheitsgesellschaftern auf eine tragfähige, gesetzliche Grundlage stellen und die noch in Streit stehenden Einzelfragen zu diesem Rechtsinstitut letztgültig entscheiden, hierzu Fleischer/Harzmeier, ZGR 2017, 239, 270 f.; Fleischer/Heinrich/Pendl, NZG 2016, 1001, 1006. In Österreich etwa wurde die actio pro socio mittlerweile im öGmbHG und öAktG ausdrücklich als Instrument des Minderheitenschutzes kodifiziert, wenngleich die Beschränkung auf Minderheiten von 10 % nur als missglückt angesehen werden kann, ebenso Koppensteiner, in: FS K. Schmidt, S. 701, 708. Zum römisch-rechtlichen Ursprung der actio pro socio Fleischer, JZ 2019, 53, 57 ff. 303 BGH, Urt. v. 20. 03. 1972 – II ZR 160/69, BB 1972, 1245 = BeckRS 1972, 00131; Urt. v. 20. 06. 1983 – II ZR 85/82, BB 1984, 1271, 1272 = ZIP 1983, 935; OLG Saarbrücken, Urt. v. 10. 04. 2002 – 1 U 740/01 – 169, NZG 2002, 669, 670 = BeckRS 9998, 42656; Brete/Braumann, GWR 2019, 59, 62; Staudinger/Habermeier, § 716 Rn. 8; Fleischer/Heinrich, DB 2020, 827, 828; Staub/Schäfer, HGB, § 118 Rn. 25; MüKoBGB/Schäfer, § 716 Rn. 12 ff.; BeckOK BGB/ Schöne, § 716 Rn. 9. 304 MüKoBGB/Schäfer, § 716 Rn. 12 m.w.N. 305 Dazu oben S. 108 ff. 306 A.A. Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1188. 307 Zur Sittenwidrigkeit der freien Hinauskündigung S. 108 ff.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
(e) Anwendung der Ratio des § 327a AktG auf Freiberuflersozietäten Daneben wird die Zulässigkeit von Hinauskündigungsklauseln bei Juniorgesellschaftern im Personengesellschaftsrecht ganz wesentlich auf einen Vergleich zur Ratio des § 327a AktG gestützt. Dessen Rechtsgedanke und die historischen Hintergründe würden entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen bei Personengesellschaften rechtfertigen.308 (aa) Erleichterung der Unternehmensführung und verminderter Formalaufwand Zum einen vergrößerten Minderheitsgesellschafter den Formalaufwand und erschwerten die Unternehmensführung durch den Mehrheitsgesellschafter.309 Daneben könne § 327a Abs. 1 AktG entnommen werden, dass Kleinstbeteiligungen nicht schutzwürdig seien und ein großer Gesellschafterkreis zu Konflikten führen könne.310 Das Argument, Minderheitsgesellschafter erhöhten den Formalaufwand und würden die Unternehmensführung behindern, ist im Hinblick auf die Gesetzgebungshistorie des § 327a AktG allerdings zweifelhaft. Der Formalaufwand bei § 327a AktG wird im Wesentlichen auf das Bestehen minderheitsschützender Normen gestützt.311 Das Personengesellschaftsrecht ist jedoch wesentlich freier, was die Ausgestaltung des Minderheitenschutzes angeht. Zudem liegt bei anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften ein eng zusammenarbeitender Gesellschafterkreis in der Natur der Sache. Da Sozietäten regelmäßig keinen übermäßig großen Gesellschafterkreis haben, zumindest keinen der mit Publikumsgesellschaften vergleichbar wäre, ist auch der Formalaufwand nicht sonderlich intensiv. Eine Behinderung der Unternehmensführung ergebe sich bei der AG aus der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen und der Tatsache, dass Aktionäre, deren Aktien gekauft werden sollen, oft nicht aufzufinden seien.312 Sowohl die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen als auch die Nichtauffindbarkeit von Gesellschaftern ist bei freiberuflichen Personengesellschaften keine relevante Besorgnis. Anders kann es zwar bei Sozietäten mit großem Gesellschafterkreis sein, aber auch dort ist das bloß abstrakte Risiko, dass Gesellschafter querulatorisch agieren, kein unzumutbarer Nachteil, der eine sofortige Hinauskündigung rechtfertigt. Große Gesellschafterkreise und deren Konfliktpotenzial begründen nicht eo ipso eine sachliche Rechtfertigung.
308 Vgl. Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751; Heusel/Goette, DStR 2015, 1315, 1318 f.; Kilian, WM 2006, 1567, 1573; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1189. 309 Heusel/Goette, DStR 2015, 1315, 1318 f. 310 Heusel/Goette, DStR 2015, 1315, 1319. 311 RegBegr, BT-Drucks. 14/7034, S. 32. 312 RegBegr, BT-Drucks. 14/7034, S. 32.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
129
(bb) Besonderheiten der Gesellschafterstruktur in der Sozietät Dass Kleinstbeteiligungen nach dem Rechtsgedanken des § 327a Abs. 1 AktG generell nicht schutzwürdig sein sollen, ist im Angesicht der spezifischen, engen und vertrauensvollen Berufsausübung der Freiberuflersozietäten ebenfalls nicht überzeugend. Anders als im Recht der am Finanzmarkt agierenden Publikumsgesellschaften, dem die Ratio des § 327a Abs. 1 AktG entspringt, sind die in Personengesellschaften organisierten Sozietäten von diesen im Hinblick auf die Gesellschafterbeziehung grundverschieden.313 Die AG basiert nicht auf einer tagtäglichen Zusammenarbeit der Aktionäre. Der Erfolg der Freiberuflersozietät basiert hingegen auf einer solchen Zusammenarbeit der Sozien, unabhängig von deren Anteilsgröße. Auch der Gesetzgeber erkennt an, dass Kleinaktionäre Aktien vorwiegend als Kapitalanlage und nicht zwecks Mitbestimmung in der AG halten.314 Damit ist der Squeeze-out im Aktienrecht durchaus gerechtfertigt, da es den Kleinaktionären im Wesentlichen auf die finanziellen Vorteile der Aktie ankommt. Für den Verlust der Kapitalanlage erhalten sie eine angemessene Barabfindung. Bei Personengesellschaften steht jedoch regelmäßig die Mitgliedschaft im Vordergrund und nicht nur der bloße Gewinn aus dem Gesellschaftsanteil. Jedenfalls bei Freiberuflersozietäten kommt es den Gesellschaftern vor allem auf ihre Position in der Sozietät und die Möglichkeit zur Mitbestimmung der Geschicke der Gesellschaft an, sodass die Anteile gerade keine reine Kapitalanlage darstellen. Somit stehen sich die Interessen der Kleinaktionäre in der AG und der Juniorgesellschafter in der Sozietät diametral gegenüber. Zudem zeichnet § 327a AktG ein Szenario, in dem ein großer Mehrheitsaktionär viele Kleinaktionäre ausschließen will.315 In Freiberuflersozietäten ist die Konstellation jedoch regelmäßig genau umgekehrt. Es gibt mehrere Gesellschafter mit recht großen Anteilen und nur einzelne Gesellschafter mit kleinen Beteiligungen. Die der Gedankenwelt des § 327a AktG zugrundeliegende Konstellation lässt sich in Rechtsanwaltssozietäten nicht beobachten. Eine Anwendung des Rechtsgedankens von § 327a AktG kommt demzufolge nicht in Betracht. Die Motive, die den aktienrechtlichen Squeeze-out legitimieren, treffen auf Personengesellschaften nicht zu und vermögen die Vereinbarung eines entsprechenden Hinauskündigungsrechts der Gesellschaftermehrheit nicht zu rechtfertigen.
313
Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung war es, Gesellschaftsübernahmen sowie die Konsolidierung einer bestehenden Mehrheit am Finanzmarkt zu erleichtern, RegBegr, BTDrucks. 14/7034, S. 27 f. 314 RegBegr, BT-Drucks. 14/7034, S. 32. 315 RegBegr, BT-Drucks. 14/7034, S. 31.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
(2) Fazit zur Hinauskündigung von Juniorgesellschaftern Keiner der für eine sachliche Rechtfertigung von Hinauskündigungsklauseln angeführten Gründe vermag daher die Besorgnis einer unzumutbaren Benachteiligung der Gesellschaft oder der Gesellschafter zu begründen, die eine Ausnahme vom Verbot der freien Hinauskündigung rechtfertigt. Dieses Ergebnis liegt auch auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des BGH, der trotz geringer Beteiligungsgrößen, wie 4,1 % oder 4 %, diese nie als relevanten Faktor für die Rechtfertigung der Hinauskündigung angesehen hat.316 Vielmehr hat er eine Rechtfertigung der Hinauskündigung aufgrund einer geringen Kapitalbeteiligung sogar abgelehnt.317 Mehrheitlich passen die angeführten Argumente und insbesondere der Gedanke des § 327a AktG schon nicht recht zu den besonderen Bedingungen der freiberuflichen Zusammenarbeit. Einer Hinauskündigungsklausel, die ausschließlich an geringe Beteiligungsgrößen anknüpft, fehlt somit eine sachliche Rechtfertigung. In der Konsequenz wäre sie nach § 138 BGB sittenwidrig. ee) Unentgeltlicher Anteilserwerb Ähnlich wie bei Juniorgesellschaftern wird auch für den unentgeltlichen Erwerb eines Anteils immer wieder diskutiert, ob dieser eine sachliche Rechtfertigung für eine Hinauskündigung liefern kann. Bedenkt man, dass eine sachliche Rechtfertigung nur vorliegt, wenn aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung das Ergebnis naheliegt, dass unzumutbare Nachteile für die Gesellschaft oder den Gesellschafter drohen, wird man diese These ablehnen müssen. Die Herkunft des Gesellschaftsanteils, etwa aus einer Schenkung, begründet keine Besorgnis, dass die Gesellschaft oder die übrigen Gesellschafter derartig benachteiligt werden, dass nur eine Hinauskündigung sie vor unzumutbaren Rechtsfolgen bewahren kann. Vielmehr müssen im Einzelfall weitere Umstände hinzutreten, die die Hinauskündigung sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen. Dementsprechend hat der BGH den unentgeltlichen Anteilserwerb bisher höchstens als Indiz dafür herangezogen, dass die Einzelfallumstände die Hinauskündigung rechtfertigen, sie war jedoch nie selbst die sachliche Rechtfertigung.318 Der bloße Verzicht der Sozietät auf eine Einlage oder die Schenkung des notwendigen Betrags genügt für die Hinauskündigung an sich daher nicht. Eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Gesellschaftern, die sich in einer erleichterten Hinauskündigung widerspiegelt, ist allein durch die Art des Anteilser316 4,1 % bei BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2014 = NZG 2004, 569; 4 % bei BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 114 = NJW 2005, 3644; ebenso BeckOGK/Koch, BGB, § 737 Rn. 30. 317 BGH, Urt. v. 25. 03. 1985 – II ZR 240/84, NJW 2421, 2422 = WM 1985, 772. 318 BGH, Urt. v. 08. 03. 2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013, 2015 = NZG 2004, 569; Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 113 = NJW 2005, 3644; zust. BeckOGK/Koch, BGB, § 737 Rn. 30.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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werbes nicht zu begründen. Denn aus dem Schenkungsvertrag kann nur der Schenker durch die §§ 527 Abs. 1; 528 Abs. 1 S. 1; 530 Abs. 1 BGB besondere Rechte herleiten, die es ihm ermöglichen, die erlangte Gesellschafterposition des Beschenkten wieder zu beseitigen.319 Die Gesellschaft kann aufgrund der Schenkung hingegen keine besonderen Rechte für sich beanspruchen.320 Eine Vermischung beider Vertragsverhältnisse würde, wie auch bei der Kleinstbeteiligung, letztlich dazu führen, dass konstitutionell unterschiedliche Gesellschafterpositionen anerkannt werden, die der Dogmatik des Gesellschaftsrechts de lege lata widersprechen.321 ff) Interdependenz von Hinauskündigung und Abfindung Teilweise wird in der Literatur erwogen, die Zulässigkeit einer freien Hinauskündigung unter der Voraussetzung einer angemessenen Abfindung dennoch zu bejahen.322 Damit wird die Inhaltskontrolle gesellschaftsvertraglicher Hinauskündigungsklauseln obsolet und die gerichtliche Kontrolle wird auf eine Ausübungskontrolle im Zeitpunkt der Hinauskündigung konzentriert.323 Diesem Ansatz ist zugute zu halten, dass die Aufrechterhaltung von Hinauskündigungsklauseln dem erstrebenswerten Zweck dient, gesellschaftsrechtliche Konfliktsituationen zu verkürzen, um die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zu gewährleisten324 – ein Aspekt, der insbesondere bei den freien Berufen nicht zu unterschätzen ist, da diese in einem besonderen Maße auf gegenseitige Kooperation angewiesen sind.325 Dennoch überzeugt dieser Ansatz nicht, da hierbei die Beendigung der Mitgliedschaft und die anschließende, vermögensmäßige Teilauseinandersetzung der Gesellschaft vermengt werden. Weder vermag die Abfindung eine Hinauskündigung zu rechtfertigen noch kann umgekehrt die Hinauskündigung oder generell die Art des Ausscheidens die Höhe der angemessenen Abfindung mitbestimmen.326 Vielmehr sind Ausscheiden und Auseinandersetzung gänzlich unabhängig voneinander zu beurteilen.327 Abgesehen von der dogmatisch notwendigen Trennung beider Stadien würde eine Interdependenz von Hinauskündigung und Abfindung zu Rechtsunsicherheiten 319
Hierzu auch K. Schmidt, GesR § 50 III 3 a). K. Schmidt, GesR § 50 III 3 a). 321 BGH, Urt. v. 09. 01. 1989 – II ZR 83/88, NJW 1989, 2685, 2686 = ZIP 1989, 770. 322 Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751; Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 270 f. 323 Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 270 f. 324 Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751. 325 S. schon S. 98 ff. 326 „Ob die vereinbarte Abfindung des [Gesellschafter-]Geschäftsführers angemessen ist, hat für die Wirksamkeit der Hinauskündigungsregelung keine Bedeutung. Denn auch die Vereinbarung einer unangemessen niedrigen Abfindung ließe das Kündigungsrecht unberührt.“, BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98, 104 = NJW 2005, 3641 (Zusätze in eckigen Klammern sind solche des Verfassers); zust. Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 72. 327 Im Ergebnis ebenso Kilian, WM 2006, 1567, 1573, BeckOGK/Koch, BGB, § 737 Rn. 33; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 72. 320
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
führen, da die Vielfalt der möglichen Klauselgestaltungen die Ergebnisse der Ausübungskontrolle unvorhersehbar machen würde.328 gg) Fazit zum Hinauskündigungsverbot bei Rechtsanwaltssozietäten Wie auch im übrigen Gesellschaftsrecht beansprucht das Verbot der freien Hinauskündigung aufgrund von § 138 Abs. 1 BGB auch für Rechtsanwaltssozietäten weiterhin Geltung. Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes sind Ausnahmen zwar zulässig, dieser erfordert jedoch stets eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall. Für Gesellschafter auf Probe lässt sich über dieses Erfordernis ohne Weiteres streiten. Es spricht allerdings vieles dafür, die von der Rechtsprechung angeführte, fehlende Perspektive einer fruchtbaren Zusammenarbeit sogar schon als wichtigen Grund i.S.d. §§ 737 S. 1, 723 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen. Mitarbeitermodelle sind demgegenüber in ihrer Grundform zwar sachlich gerechtfertigt, passen aber kaum zum Konzept der Rechtsanwaltssozietät. Auch Kleinstbeteiligungen oder ein unentgeltlicher Anteilserwerb können ein Hinauskündigungsrecht sachlich nicht rechtfertigen. Beide Fallgruppen stellen nicht per se ein Risiko dar, das eine Hinauskündigung zum Schutz der Gesellschafter oder der Gesellschaft zwingend erfordert. Solche Risiken dürfen nicht allzu schnell bejaht werden. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass das Recht zur freien Hinauskündigung mit seiner psychologischen Disziplinierungswirkung mit der unabhängigen und freien Berufsausübung des Rechtsanwalts in Konflikt geraten kann und daher restriktiv gehandhabt werden sollte.329 Bei Hinzutreten weiterer Gründe kann jedenfalls der unentgeltliche Anteilserwerb aber im Rahmen der Gesamtabwägung ein Indiz dafür sein, dass das Hinauskündigungsrecht den Interessen der kündigungsberechtigten Gesellschafter entspricht. c) Die Ausschließung in der PartG aa) Unterschiede und Gemeinsamkeiten bzgl. der Ausschließung in der GbR Das PartGG kennt, auch über die Verweisung ins HGB in § 9 Abs. 1 PartGG, kein dem § 737 BGB komplementäres Hinauskündigungsrecht der Gesellschafterversammlung. Die Verweisung des § 9 Abs. 1 PartGG auf das Recht der OHG bedeutet jedoch, dass die Ausschließungsklage aus § 140 Abs. 1 S. 1 HGB auf die PartG anwendbar ist. Materiell-rechtlich ergeben sich damit im Prinzip keine Unterschiede. 328
Insoweit zutr. Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751. Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697, 707 f.; allgemein auch Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Sozietät II. B., „Die Bedingungen eines Sozietätsvertrages müssen so gestaltet sein, daß nicht einer der beteiligten Rechtsanwälte seine Bewegungsfreiheit verliert und damit die Unabhängigkeit seiner Berufsausübung gefährdet wird.“; vgl. auch EGH-DtRA, Urt. v. 05. 01. 1886 – G 19/85, EGH 2, 107, 109 ff. 329
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
133
Ebenso wie § 737 S. 1 BGB verweist auch § 140 Abs. 1 S. 1 HGB darauf, dass die Ausschließung materiell gerechtfertigt ist, wenn die Gesellschafter die Gesellschaft auch mittels Kündigung aus wichtigem Grund auflösen könnten. Die Ausschließung aus der PartG unterscheidet sich von derjenigen aus der GbR damit vor allem im Hinblick auf das formelle Verfahren, welches dem Ausschluss vorausgeht. Gegenüber der Ausschließung durch die Gesellschafterversammlung der GbR ist die Ausschließungsklage des § 140 HGB eine zusätzliche Formalität.330 Durch diese wird der Charakter der Ausschließung als „ultima ratio“ weiter hervorgehoben.331 Praktisch ist die Ausschließungsklage dennoch nur von begrenzter Relevanz, da sie durch den Partnerschaftsvertrag zugunsten eines Beschlusses der Partner abbedungen werden kann.332 Während die formellen Anforderungen somit höher sind, sind die materiellen Gründe, welche in der PartG zum Ausscheiden einzelner Partner führen, denen der GbR jedoch im Grundsatz ähnlich. bb) Der Verlust der Berufszulassung in der PartG Im Einzelnen können sich für das Ausscheiden eines Partners Besonderheiten durch das Recht der PartG ergeben. Anders als bei der GbR muss ein Partner, der seine Berufszulassung verliert, nicht erst ausgeschlossen werden, vielmehr scheidet er mit dem endgültigen Verlust der Zulassung automatisch aus der Partnerschaft aus, vgl. § 9 Abs. 3 PartGG.333 Hat ein Partner, wie in Rechtsanwaltssozietäten zum Teil üblich, mehrere Zulassungen unterschiedlicher Berufskammern – z. B. als Rechtsanwalt, Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer –,334 führt der Verlust nur einzelner Zulassungen nicht zum Ausscheiden aus der Gesellschaft.335 Nur eine Berichtigung des Partnerschaftsregisters wird dann erforderlich.336 Ob schon der drohende Verlust der Anwaltszulassung eine Ausschließung rechtfertigen würde, mag angesichts eines Umkehrschlusses zu § 9 Abs. 3 PartGG 330 M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 28; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 32; zu den formalen Anforderungen und Problemen näher, K. Schmidt, GesR, § 50 III 1 c). 331 M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 28; K. Schmidt, GesR, § 50 III 1 b). 332 BGH, Urt. v. 17. 12. 1959 – II ZR 32/59, BGHZ 31, 295, 300 f. = NJW 1960, 625; Urt. v. 20. 01. 1977 – II ZR 217/75, BGHZ 68, 212, 214 = NJW 1977, 1292; M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 33; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 17 Rn. 5; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 33. 333 Näher zum endgültigen Verlust der Zulassung und den entsprechenden Verfahren, M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 23 f.; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 17 Rn. 6; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 27. 334 M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 25; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 29; MüKoBGB/Schäfer, § 9 PartGG Rn. 22. 335 Henssler/Strohn/Hirtz, GesR, § 9 PartGG Rn. 11; M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 25; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 17 Rn. 6; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 29; MüKoBGB/Schäfer, § 9 PartGG Rn. 22. 336 Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 17 Rn. 6.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
zunächst bezweifelt werden. Auf der anderen Seite steht es den Partnern über § 9 Abs. 1 PartGG i.V.m. § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 HGB frei, weitere Ausscheidensgründe im Partnerschaftsvertrag niederzuschreiben. Wenn die Partner also vereinbart haben, dass auch das Eintreten bestimmter Gründe, die zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft führen können, bereits für ein Ausscheiden oder die Ausschließung genügen, dann ist diese Vereinbarung im Rahmen der Privatautonomie zu akzeptieren.337 Für die Zulässigkeit einer solchen Regelung im Partnerschaftsvertrag spricht auch, dass § 9 Abs. 3 PartGG als ius cogens teleologisch den freiberuflichen Charakter der Partnerschaft erhalten soll.338 Eine strengere, privatautonome Regelung begegnet daher keinen Bedenken, da sie nur der ratio legis des Gesetzgebers Folge leistet. Zudem wird so eine vergleichbare Rechtslage zwischen dem Verlust der Berufszulassung in der Rechtsanwalts-GbR und in der Rechtsanwalts-PartG erreicht. Selbst ohne die ausdrückliche Vereinbarung im Partnerschaftsvertrag kann der drohende Verlust der Berufszulassung auch bei der Partnerschaft einen wichtigen Grund darstellen, der die Ausschließung rechtfertigt.339 Eine ausdrückliche, partnerschaftsvertragliche Regelung ist nicht zuletzt im Hinblick auf die Rechtssicherheit jedoch empfehlenswert. cc) Weitere wichtige Gründe für die Ausschließung, insb. Krankheit Für umsatzbasierte Kriterien, die Vereinbarung einer Probezeit und die sonstigen Ausnahmen vom Hinauskündigungsverbot bei neu eintretenden Partnern gilt das bereits zuvor zur Rechtsanwalts-GbR Gesagte entsprechend.340 Für die PartG ist jedoch im Blick zu behalten, dass sie durch § 1 Abs. 1 S. 1 PartGG noch stärker als die GbR an die gemeinschaftliche Ausübung eines freien Berufes gebunden ist. Die mangelnde Bereitschaft im Rahmen der Sozietät, den eigenen freien Beruf auszuüben, ist daher stets ein Ausschließungsgrund, dem bei der PartG eine gesteigerte Bedeutung zukommt.341 Auch ein unangemessenes, übermäßiges Engagement, etwa Übergriffe in den Kompetenzbereich anderer Partner, kann speziell bei interprofessionellen Partnerschaften ebenfalls dazu führen, dass eine Ausschließung gerechtfertigt ist.342
337 Eine solche Regelung im Partnerschaftsvertrag empfehlend Römermann/Römermann, PartGG, § 9 Rn. 24; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 27. 338 Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 15 Rn. 22; zum Telos des § 9 Abs. 3 PartGG MüKoBGB/Schäfer, § 9 PartGG Rn. 18; NK-PartGG/Seibert/Kilian, § 9 Rn. 8. 339 Zutr. Römermann/Römermann, PartGG, § 9 Rn. 24. 340 S. 106 ff. 341 M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 30; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 36. 342 M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 30; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 36.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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Auch wenn der Partner durch personenbezogene Gründe, wie eine Krankheit, dauerhaft gehindert ist, den Beruf des Rechtsanwalts weiterhin auszuüben, genügt dies für die Ausschließung aus der Partnerschaft.343 Eine bloß längerfristige, aber nicht dauerhafte Krankheit hingegen kann kein Grund sein, den Partner auszuschließen oder ein automatisches Ausscheiden anzunehmen. Auch hier gilt der ultima ratio-Gedanke des Ausscheidens aus der Partnerschaft. Eine Zerrüttung unter den Partnern ist daher auch bei einer längerfristigen, krankheitsbedingten Verhinderung eines Partners nicht zu befürchten, wenn die Gewinnverteilung im Partnerschaftsvertrag geändert werden kann.344 Dies beruht auf der Erwägung, dass die Ausschließung erst gerechtfertigt ist, sobald der Umstand, der die Berufsausübung verhindert, zu einer dauerhaften Störung des Gesellschaftsverhältnisses führt. Das ist anzunehmen, soweit die übrigen Sozien durch die Berufsunfähigkeit mit einer spürbaren Mehrbelastung konfrontiert werden.345 Angesichts der Tatsache, dass klassische Rechtsanwaltssozietäten auf der besonderen persönlichen Kreativität und Leistungsfähigkeit der einzelnen Sozien beruhen, ist es in der Tat gerechtfertigt anzunehmen, dass eine höhere Arbeitsbelastung der übrigen Sozien zugunsten eines Einzelnen mittelfristig für Unfrieden sorgen wird. Gleicht der Gesellschaftsvertrag diese Mehrbelastung allerdings durch einen höheren Gewinnanteil aus, so tritt keine gravierende Störung des Gesellschaftsverhältnisses ein. Vielmehr wird der Mehraufwand durch eine angemessene Änderung der Gewinnverteilung ausgeglichen. Eine Ausschließungskündigung wäre dann unverhältnismäßig und würde dem Gedanken der Kündigung als ultima ratio widersprechen. Auch ohne eine Änderung der Gewinnverteilung erscheint bei längerfristigen, heilbaren Krankheiten eine Mehrbelastung der übrigen Partner hinnehmbar, etwa wenn der Erkrankte bereits über einen langen Zeitraum Partner ist und seine Arbeitskraft bisher zuverlässig für die Partnerschaft eingesetzt hat. Dass eine Rechtsanwaltssozietät nicht nur der Sicherung der eigenen Existenz dient, sondern ganz nach der Natur der Personengesellschaft eine „Schicksalsgemeinschaft“346 ist, schränkt die Zulässigkeit der Kündigung bei langfristigen, aber heilbaren Krankheiten erheblich ein. Für die Fälle einer längerfristigen Krankheit ist, sofern eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag fehlt oder sie nur die dauerhafte Berufsunfähigkeit infolge einer Erkrankung betrifft, in jedem Fall eine ergänzende
343
M/GvW/H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 30; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 38. 344 BGH, Urt. v. 20. 10. 2003 – II ZR 7/01, DStR 2004, 97, 98 = BeckRS 2003, 9895; offenbar ähnlich Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 38; Westermann, in: Westermann/ Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1098. Die Änderung der Gewinnverteilung kann auch konkludent durch eine abweichende, längerfristige Übung erfolgen Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 15 Rn. 12. 345 BGH, Urt. v. 02. 05. 1985 – III ZR 4/84, BGHZ 94, 248, 251 f. = NJW 1985, 2635. 346 Hartung/Bargon, AnwBl 2011, 84, 85; Schäfer, ZGR 42 (2013), 237, 238.
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3. Kap.: Auflösung der Sozietät und Ausscheiden einzelner Gesellschafter
Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157, 242 BGB dahingehend vorzunehmen, dass die Gewinnverteilung sukzessive mit der Dauer der Abwesenheit modifiziert wird.347 Durch die Fixierung der PartG auf freie Berufe kommt den vorgenannten Gründen im Rahmen der PartG zwar besondere Bedeutung zu, sie genügen jedoch auch im Rahmen der GbR regelmäßig für die Ausschließung einzelner Gesellschafter.348
II. Die Auseinandersetzung beim Ausscheiden Einzelner aus GbR und PartG Die Teilauseinandersetzung beim Ausscheiden eines einzelnen Sozius folgt anderen Regeln als diejenige der Auseinandersetzung der gesamten Gesellschaft. Entsprechend der grundsätzlich unterschiedlichen Konstellationen hat der Gesetzgeber in den §§ 738 – 740 BGB ein eigenständiges Regelungskonzept für das Ausscheiden aus einer Sozietät entworfen.349 Jeder Anteil an einer Gesellschaft besitzt unabhängig von der Form der Gesellschaft einen bezifferbaren Wert.350 Bei Ausscheiden des Gesellschafters wächst dessen Gesellschaftsanteil gemäß § 738 Abs. 1 S. 1 BGB den verbleibenden Gesellschaftern an.351 Der entstandene Wertverlust im Vermögen des ausscheidenden Gesellschafters ist dementsprechend zu kompensieren. Der für ihn verlorene Wert besteht bei Freiberuflersozietäten zum einen aus seinem Anteil am Anlagevermögen, wie Mobiliar und IT-Einrichtungen, sowie dem „Good will“ samt der laufenden Mandate.352 Der Kompensation dient vornehmlich der Abfindungsanspruch des Sozius nach § 738 Abs. 1 S. 2 Var. 3 BGB.353 Daneben haben die verbleibenden Sozien ihm die zur Benutzung überlassenen Gegenstände nach § 732 BGB herauszugeben und ihn von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien (§ 738 Abs. 1 S. 2 Var. 2 u. 3 BGB). Reicht der Wert des Gesellschaftsvermögens zur Deckung der gemeinschaftlichen 347
Im Ergebnis besteht hierüber Einigkeit, die Begründungsansätze variieren allerdings, hierzu Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 889 m.w.N. zur ergänzenden Vertragsauslegung, dem Wegfall der Geschäftsgrundlage und der mitgliedschaftlichen Treuepflicht. Zur ergänzenden Vertragsauslegung und deren Vorzugswürdigkeit bei erwerbswirtschaftlichen Gesellschaften BGH, Urt. v. 28. 06. 1982 – II ZR 226/81, NJW 1982, 2816, 2817 = BB 1982, 1326; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 15 Rn. 13; MüKoBGB/Schäfer, § 722 Rn. 6; vgl. auch Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 38. 348 Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 73 ff. 349 Für die PartG gilt § 1 Abs. 4 PartGG i.V.m. §§ 738 – 740 BGB. 350 Freund, ZIP 2009, 941. 351 Näher MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 8 f.; ebenso Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 1; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 46. 352 Zum „Good will“ näher sogleich auf S. 138 f. 353 Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48; Wiedemann, GesR II, S. 239; näher zum gesetzlichen Abfindungsanspruch S. 213 ff.
B. Das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Sozietät
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Schulden und der Einlage nicht aus, trifft den Ausscheidenden eine Nachschusspflicht gemäß § 739 BGB, ähnlich derjenigen des § 735 BGB. Darüber hinaus ist der Ausgeschiedene nach § 740 Abs. 1 S. 1 BGB an den zum Zeitpunkt des Ausscheidens schwebenden Geschäften zu beteiligen. Der Begriff der „schwebenden Geschäfte“ trägt aufgrund seiner Unbestimmtheit jedoch erhebliche Unwägbarkeiten in die Teilauseinandersetzung hinein. Da bei Freiberuflersozietäten zur Berechnung des Wertes des Gesellschaftsanteils zudem Zukunftserfolgswertverfahren verbreitet sind, welche ohnehin die prognostizierten, zukünftigen Erträge in die Berechnung mit einfließen lassen,354 ist die Vorschrift des § 740 Abs. 1 S. 1 BGB regelmäßig konkludent abbedungen.355
354
S. 140 f. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 101; Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 740 Rn. 1; Staudinger/Habermeier, § 740 Rn. 1; Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 74 f.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 403; Kopp, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil C Rn. 142; HK-BGB/Saenger, § 740 Rn. 1; Westermann, in: Westermann/ Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1136; Wiedemann, GesR II, S. 244; a.A. Schulte/ Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 74 Rn. 55; ebenfalls a.A. wohl K. Schmidt, GesR, § 50 IV 1 e); einen Ausschluss des § 740 BGB empfehlend Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 47; zu einem Fall, in dem § 740 BGB Anwendung fand, weil das Ertragswertverfahren ausnahmsweise unanwendbar war, OLG Hamm, Urt. v. 11. 05. 2004 – 27 U 224/03, NZG 2005, 175, 175 f. = BeckRS 2004, 11536. 355
4. Kapitel
Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung So praxisrelevant die Auflösung und das Ausscheiden aus Rechtsanwaltssozietäten ist, so verwunderlich ist deren mangelnde Regelung in den einschlägigen Gesetzestexten zum Berufsrecht. Die Beendigung der beruflichen Zusammenarbeit wird nur kurz und vor allem im Hinblick auf organisatorische Aspekte in § 32 BORA geregelt. Da das Gesetz für das Ausscheiden einzelner Gesellschafter in § 738 Abs. 1 S. 2 BGB die Auseinandersetzung der Sozietät fingiert, gelten prinzipiell die gleichen Grundsätze wie für die Auseinandersetzung der Gesellschaft selbst. Im Folgenden werden daher Problemkomplexe behandelt, die jeweils in beiden Konstellationen relevant werden.
A. Der wirtschaftliche Wert der Rechtsanwaltssozietät Da die Auseinandersetzung grundsätzlich eine Vermögensverteilung unter den Gesellschaftern voraussetzt, muss zwangsläufig der Wert der Gesellschaft bestimmt werden. Für das Ausscheiden einzelner Gesellschafter wird dieser Wert anschließend auf die einzelnen Gesellschaftsanteile aufgeschlüsselt.
I. Sachvermögen und ideeller Kanzleiwert In jedem Fall lässt sich der Wert der Gesellschaft zunächst anhand von zwei verschiedenen Größen bemessen: einerseits materielle Vermögenswerte der Gesellschaft, wie Grundstücke oder Mobiliar, und andererseits immaterielle Vermögenswerte, wie der Geschäfts- oder Kanzleiwert. Insbesondere letzterer kann – als spezieller Teil der immateriellen Vermögenswerte – einen erheblichen Wert besitzen. Im Rahmen der Auseinandersetzung müssen sowohl die materiellen wie auch die immateriellen Vermögenswerte angemessen verteilt werden. Diesen Aspekt der Vermögensverteilung betreffend, scheint der Gesetzgeber – mangels einer spezialgesetzlichen Regelung im Berufsrecht – davon auszugehen, dass die allgemeinen Regeln des Gesellschaftsrechts über die Vermögensverteilung auch für berufliche Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten zweckmäßig sind. Das gilt jedoch nur solange, wie es sich um die Verteilung des Sachvermögens der Ge-
A. Der wirtschaftliche Wert der Rechtsanwaltssozietät
139
sellschaft handelt. Mobiliar und IT-Einrichtung mag sich nach den zuvor beschriebenen Grundsätzen zur Auseinandersetzung1 veräußern und der Gewinn unter den Gesellschaftern verteilen lassen. Der Wert einer (Freiberufler-)Sozietät bemisst sich jedoch nicht nur nach dem materiellen Substanzwert, sondern kumulativ auch nach dem ideellen Kanzleiwert (sog. „Good will“).2 Das immaterielle Vermögen der Rechtsanwaltssozietät ist schwieriger zu verteilen und dürfte praktisch deutlich wertvoller sein als das Sachvermögen einer Kanzlei.3 Hierzu zählen insbesondere Standortvorteile, der gute Ruf einer Kanzlei und der auf diesem Ruf aufbauende Mandantenstamm samt der laufenden Mandate der Sozietät.4 Die Bewertung dieser Positionen erfolgt mithilfe der anerkannten Maßstäbe der Unternehmensbewertung und ist insofern nicht durchgängig juristischer Natur. So ist die Wahl der konkreten Bewertungsmethode eine privatautonome Entscheidung der Gesellschafter, die nicht als rechtlich zu- oder unzutreffend klassifiziert werden kann, sondern vielmehr von den speziellen Eigenarten der Sozietät und den Bedürfnissen der Sozien abhängt. Nichtsdestotrotz ist die Bewertung einer Rechtsanwaltssozietät aufgrund ihrer Komplexität und Praxisrelevanz eine Problematik, die nicht gänzlich ausgespart werden darf. Außerdem handelt es sich, trotz der Einflüsse der Unternehmensbewertung, um einen Randbereich des Gesellschaftsrechts, in dem sich beide Disziplinen zwar ergänzen, aber für die Zwecke der richterlichen Kontrolle klar in Rechts- und Tatfragen getrennt werden müssen.5
1
S. 91 f., 136 f. BGH, Urt. v. 25. 11. 1998 – XII ZR 84/97 = NJW 1999, 784, 785 f. = DB 1999, 477; Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98 = NJW 2000, 2584 = NZG 2000, 831; Anm. Goette, DStR 1994, 401, 403; Kluth, NJW 2002, 186; Römermann/Schröder, NJW 2003, 2709; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48; Schwedhelm/Kamps, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 61 Rn. 16; Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 37; a.A. aber Janssen, NJW 2003, 3387, 3388, der eine Aufteilung ablehnt und einen einheitlichen Zukunftserfolgswert bilden will. Die heute einhellig befürwortete Einbeziehung des immateriellen Kanzleivermögens ist dabei keine Selbstverständlichkeit. Früher wurde sie für die Fälle des Praxisverkaufs abgelehnt mit dem Hinweis, der ideelle Kanzleiwert basiere auf dem Vertrauen der Mandantschaft, das sich der Inhaber individuell für seine Person erarbeitet habe und das deshalb nicht Gegenstand eines Rechtsgeschäfts sein könne und dürfe, S. EGH-DtRA, Urt. v. 08. 11. 1933 – II. Senat G 77/33, EGH 27, 153, 154; EGH-RRAK, Urt. v. 01. 03. 1937 – 1. Senat G 115/36, EGH 31, 41; diff. RG, Urt. v. 24. 11. 1936 – II 131/36, RGZ 153, 280, 284 ff.; Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 22 Anm. 1 II. b) (2). 3 BGH, Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98 = NJW 2000, 2584 = NZG 2000, 831; Anm. Goette, DStR 1994, 401, 403; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 431; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 77; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48. 4 BGH, Urt. v. 25. 11. 1998 – XII ZR 84/97, NJW 1999, 784, 785 = DB 1999, 477; Urt. v. 02. 02. 2011 – XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249 Rn. 29 = NJW 2011, 2572; Anm. Goette, DStR 1994, 401, 403; Römermann, NJW 2007, 2209, 2211; Römermann, AnwBl 2009, 681, 682. 5 Hierzu S. 143 f. 2
140
4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
II. Umsatzverfahren Die Wertermittlung ist aufgrund der Bedeutung des „Good will“ naturgemäß mit Schwierigkeiten behaftet. Um diese zu erleichtern, gibt die Bundesrechtsanwaltskammer regelmäßig Richtlinien zur Bewertung von Anwaltspraxen heraus.6 Zum Teil behilft man sich mit dem – auch von der Bundesrechtsanwaltskammer empfohlenen7 – Umsatzverfahren.8 Hierbei wird zunächst der Umsatz der Sozietät als Bemessungsgrundlage angesetzt, bevor der Bewertungsfaktor für die Sozietät ermittelt wird. Letzterer ergibt sich aus den besonderen beruflichen Verhältnissen und der Marktsituation der jeweiligen Kanzlei.9 Die Multiplikation beider Werte ergibt dann den Gesamtwert des „Good will“.10 Diese umsatzbasierte Methode ist allerdings nicht unumstritten, da der Umsatz wenig darüber aussagt, ob eine Sozietät Gewinn oder Verlust erwirtschaftet.11 Eine Sozietät mag nach dem Umsatzverfahren daher vorteilhaft aussehen, praktisch kann sie indes am Rande der Insolvenz stehen.12
III. Zukunftserfolgsverfahren 1. Ertragswertverfahren In der Praxis wird daher das Ertragswertverfahren befürwortet, welches eher Schlüsse auf die zukünftige Gewinnprognose erlaubt, im Vergleich zum Umsatzverfahren jedoch schwieriger zu berechnen ist.13 Hierbei werden aufgrund einer Vergangenheitsanalyse zukünftige Unternehmenserträge geschätzt, auf den Pro-
6
BRAK-Mitt. 1986, 119 ff.; 1992, 24 ff.; 2004, 222 ff.; 2007, 112 ff.; 2009, 268 ff. BRAK-Mitt. 2009, 268, 269. 8 Barthel DStR 1996, 1458, 1458 f.; Englert, BB 1997, 142; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 186; Römermann/Schröder, NJW 2003, 2709, 2710; Schwedhelm/ Kamps, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 61 Rn. 15; kritisch aber Römermann, NJW 2012, 1694, 1697; den Umsatz zwar für relevant haltend, aber letztlich auf die „Gesamtheit der Umstände“ abstellend Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 22 Anm. 1 II. b) (5). 9 BRAK-Mitt. 2009, 268, 270. 10 Römermann/Schröder, NJW 2003, 2709, 2710. 11 Kritisch daher auch Janssen, NJW 2003, 3387, 3388; Römermann, NJW 2012, 1694, 1697. 12 Instruktiv Janssen, NJW 2003, 3387, 3387 f. 13 Für das Ertragswertverfahren daher Heckschen, GWR 2020, 63, 65 f.; Janssen, NJW 2003, 3387, 3390; Wiedemann, GesR II, S. 243; inzident vorausgesetzt bei Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48; für das Ertragswertverfahren zumindest als Kontrolle neben dem Umsatzverfahren Lenzen/Ettmann, BRAK-Mitt. 2005, 13, 17. 7
A. Der wirtschaftliche Wert der Rechtsanwaltssozietät
141
gnosezeitraum abgezinst und anschließend um außerordentliche, zukünftige Ereignisse bereinigt.14 Zum Teil bestehen jedenfalls für Freiberuflersozietäten deshalb Zweifel am Ertragswertverfahren, weil die Leistungserbringung und damit die Erträge stark personengebunden seien, was eine Zukunftsprognose regelmäßig unzuverlässig mache.15 Dem wird von den Befürwortern dadurch begegnet, dass im Rahmen von Freiberuflersozietäten nur eine begrenzte Reihe von Überschussjahren kapitalisiert wird, da sich Erträge und Umsätze aufgrund der angesprochenen besonderen persönlichen Erbringung der Dienstleistung zu schnell verflüchtigen, um eine längerfristige Prognose zuzulassen.16 Die Länge der Kapitalisierungsdauer bemisst sich danach, wie lange ein fremder Dritter benötigen würde, um ein entsprechendes Unternehmen bzw. eine Sozietät aufzubauen.17 Orientieren kann man sich daher an einer Dauer von vier bis sieben Jahren, welche für Steuerberaterpraxen Anwendung gefunden hat.18 Überzeugender ist es, auf eine geringere Kapitalisierungsdauer abzustellen, da anwaltlichen Mandaten typischerweise keine wesentlich gleichbleibenden Leistungen und konstanten Zeiträume inhärent sind, wie das bei Steuerberaterpraxen der Fall ist.19 Für Anwaltskanzleien kann daher auf eine Dauer von zwei bis vier Jahren abgestellt werden.20 Je persönlicher die Leistungserbringung und je enger die Mandantenbindung, desto kürzer wird der anzusetzende Kapitalisierungszeitraum sein. Wird die Rechtsberatung hingegen weitgehend standardisiert und personenunabhängig erbracht, – so wie es bereits in einigen Rechtsbereichen mithilfe von Legal Tech teilweise möglich ist – muss die Kapitalisierungsdauer eher länger und damit näher an der Grenze von vier Jahren angesetzt werden.21 Zwar handelt es sich bei diesen Rechtsbereichen regelmäßig um niedrigschwellige und kurzfristig abzuwickelnde Mandate, die keine langfristige Mandantenbindung erzeugen, wie einfach gelagerte Mietstreitigkeiten oder Fluggastrechte, durch das überproportional häufige Vorkommen dieser Mandate und die massenweise Abwicklung lassen sich die zukünftige Erträge jedoch einfacher und sicherer prognostizieren. 14
Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 404 m.w.N. Vgl. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 225; zur Flüchtigkeit des Ertragswertes auch BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 77; ansatzweise auch bei Goette, ZGR 46 (2017), 426, 432. 16 Heid, DStR 1998, 1565, 1568. 17 Heid, DStR 1998, 1565. 18 So jedenfalls für Steuerberaterpraxen, Heid, DStR 1998, 1565, 1568; für eine längere Dauer von über zehn Jahren Wehmeier, DSWR 1997, 230. 19 Zu den Unterschieden von anwaltlichen und steuerberatenden Mandaten Römermann, NJW 2007, 2209, 2214. 20 A.A. Janssen, NJW 2003, 3387, 3388, der eine Zeitspanne zwischen drei und fünf Jahren für statthaft hält. 21 Die zunehmende Digitalisierung des Rechtsberatungsmarktes zwingt dazu, die Grundprinzipien der Freiberuflichkeit, insbesondere die Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung, kritisch auf den Prüfstand zu stellen, zutr. Henssler, AnwBl Online 2020, 168. 15
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
Im Übrigen kann die persönliche Prägung der Leistungserbringung als relevanter Faktor für die Ertragskraft dadurch berücksichtigt werden, dass im Falle des Ausscheidens eines Freiberuflers ein Bewertungsabschlag für dessen Sozietätsanteil vorgenommen wird.22 Zu einem solchen modifizierten Ertragswertverfahren scheint auch der BGH zu tendieren.23 Als modifiziert gilt es, weil die Erträge von der Person des gegenwärtigen Inhabers gelöst werden müssen, da bei Rechtsanwaltssozietäten die Arbeitsund Schaffenskraft des Inhabers maßgeblichen Einfluss auf die Ertragserwartung nehmen.24 Es kommt für den BGH daher nur auf die durchschnittlichen Erträge an, von denen anschließend ein individueller Unternehmerlohn des Inhabers abzusetzen ist.25 Diese Vorgehensweise des BGH entspricht auch dem Standard S126 des Instituts der Wirtschaftsprüfer. Dieser sieht vor, dass bei personenbezogenen Unternehmen positive oder negative Erfolgsbeiträge, die in der Person des Eigentümers begründet sind und sich von dieser nicht trennen lassen, bei der Ermittlung des Zukunftserfolgswertes außer Betracht bleiben müssen.27 Dies geschieht, indem die künftigen finanziellen Überschüsse durch die Ansetzung eines angemessenen Unternehmerlohns korrigiert werden.28 2. DCF-Verfahren Anstelle des Ertragswertverfahrens kann auch der „discounted cash flow“ angesetzt werden, um den zukünftigen Erfolg der Freiberuflersozietät zu prognostizieren. Es beruht auf denselben grundsätzlichen Prämissen wie das Ertragswertverfahren und führt daher zu denselben Ergebnissen.29 Grundgedanke dieses Verfahrens ist, dass sich der zutreffende Wert des Unternehmens anhand des Barwertes der zukünftigen finanziellen Überschüsse ablesen lasse.30 22 Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 20 Rn. 39, § 24 Rn. 35; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 74, 77. 23 BGH, Urt. v. 01. 07. 1982 – IX ZR 34/81, NJW 1982, 2441; Urt. v. 02. 02. 2011 – XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249 Rn. 28 = NJW 2011, 2572; Urt. v. 09. 02. 2011 – XII ZR 40/09, BGHZ 188, 282 Rn. 18 ff. = NJW 2011, 999. 24 BGH, Urt. v. 09. 02. 2011 – XII ZR 40/09, BGHZ 188, 282 Rn. 19 = NJW 2011, 999. 25 BGH, Urt. v. 09. 02. 2011 – XII ZR 40/09, BGHZ 188, 282 Rn. 20 = NJW 2011, 999. 26 IDW S 1 i. d. F. 2008, IDW-FN 2008, 271 ff. = WPg Supplement 2008, 68 ff. 27 IDW S 1 i. d. F. 2008, IDW-FN 2008, 271 Rn. 40 = WPg Supplement 2008, 68. 28 IDW S 1 i. d. F. 2008, IDW-FN 2008, 271 Rn. 40 = WPg Supplement 2008, 68; Indikatoren für die Bemessung sind insbesondere die Größe der Sozietät und die Person des Gesellschafters, Rappl, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 38 Rn. 11 f., 40. 29 Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 21. 30 Jonas/Wieland-Blöse, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 10 Rn. 9.
A. Der wirtschaftliche Wert der Rechtsanwaltssozietät
143
Da das DCF-Verfahren zu identischen Ergebnissen wie das Ertragswertverfahren führt, ist es ebenso geeignet, den Wert einer Sozietät zu ermitteln.31 Der Vorteil liegt vor allem in der höheren internationalen Bekanntheit des DCF-Verfahrens.32
IV. Substanz- und Liquidationswert Im Gegensatz zum erfolgszentrierten Ansatz der vorigen Verfahren kann der Gesellschaftswert auch über die Substanz der Vermögenswerte ermittelt werden. Der Substanzwert eines Unternehmens wird bestimmt, indem die Wiederbeschaffungskosten für alle materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände angesetzt werden, sodass letztlich die Summe zu ermitteln ist, die nötig wäre, um das Unternehmen zu reproduzieren.33 Da das Substanzwertverfahren somit nur bestehendes Vermögen berücksichtigt, die Zukunftsprognose aber ignoriert, ist es für erwerbswirtschaftliche Unternehmen wie Rechtsanwaltssozietäten ungeeignet.34 Dem Substanzwertverfahren ähnlich ist das Liquidationswertverfahren. Es basiert ebenfalls auf den der Rechtsanwaltssozietät zur Verfügung stehenden Vermögenswerten, bemisst diese allerdings anhand der fiktiven Veräußerungswerte.35 Ebenso wie das Substanzwertverfahren vernachlässigt das Liquidationswertverfahren daher den Zukunftserfolg des lebenden Unternehmens. Dem Liquidationswert kommt deshalb nur eine ergänzende Funktion zu.36 Angewendet wird er vor allem im Rahmen der Ertragswertmethode, um bei ertragsschwachen Gesellschaften eine Untergrenze für den Wert der Sozietät festzulegen.37
V. Wahl der Bewertungsmethode als Rechts- oder Tatfrage Haben die Sozien im Sozietätsvertrag keine Bewertungsmethode festgelegt, überlässt der BGH die Wahl der konkreten Berechnungsmethode ausdrücklich dem 31
Vgl. allgemein zu Personengesellschaften Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 21. 32 Jonas/Wieland-Blöse, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 10 Rn. 6 f. 33 Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 23 m.w.N. 34 Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 23. 35 Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 9 Rn. 1. 36 Von Substanzwert sprechend, aber wohl den Liquidationswert meinend Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 404. 37 BGH, Urt. v. 24. 05. 1993 – II ZR 36/92, NJW 1993, 2101, 2103 = ZIP 1993, 1160; Urt. v. 13. 03. 2006 – II ZR 295/04, NJW-RR 2006, 1270 Rn. 12 f. = ZIP 2006, 851; Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 22; vgl. auch Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 404; Hülsmann, ZIP 2001, 450, 452; s. auch Fn. 683.
144
4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
Tatrichter, um im Einzelfall die jeweils zum Unternehmen passende Methode anwenden zu können.38 Dessen Auswahl ist nur einer eingeschränkten Überprüfung zugänglich. Allerdings kann die Entscheidung des Tatrichters im Einzelfall auch in der Revisionsinstanz überprüft werden, wenn die Unterschiede zwischen den Bewertungsmethoden eklatant sind und die Wahl der Bewertungsmethode daher als rechtsfehlerhaft gelten muss.39 Treffend ist daher die Zusammenfassung von Fleischer40 zur Bewertung von Personengesellschaften und damit auch zur Bewertung von Freiberuflersozietäten: Die vorgelagerte Frage des gesetzlichen Bewertungsziels ist eine Rechtsfrage, die anschließende Bewertung einzelner Vermögensgegenstände anhand einer bestimmten Bewertungsmethode ist hingegen eine Tatfrage.41 Für letztere bedarf das Gericht regelmäßig der Hilfe eines Sachverständigen, dessen Gutachten und Wahl der Methode wiederum einer gerichtlichen Prüfung im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem zuvor festgelegten Bewertungsziel unterliegt.42
VI. Fazit zu den unterschiedlichen Bewertungsmethoden Die Wahl der konkreten Berechnungsmethode sollte aufgrund der stark schwankenden Ergebnisse Gegenstand einer gesellschaftsvertraglichen Regelung sein. Gerade Freiberufler tun gut daran, die konkrete Berechnungsmethode privatautonom festzulegen, um Streitigkeiten und unliebsame Überraschungen in der Auseinandersetzung zu vermeiden. Hierzu bieten sich sowohl das Umsatzverfahren als auch das Ertragswertverfahren geradezu an. Beide Ansätze sind allerdings nicht frei von Nachteilen. Das Ertragswertverfahren vermag es jedoch regelmäßig, durch die zukunftsorientierte Betrachtung den vom Ausscheidenden geschaffenen ideellen Kanzleiwert annähernd adäquat abzubilden. Da letzterer den hauptsächlichen Wert 38 BGH, Urt. v. 01. 07. 1982 – IX ZR 34/81, NJW 1982, 2441; Urt. v. 24. 10. 1990 – XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547, 1548 = MDR 1991, 343; Urt. v. 24. 05. 1993 – II ZR 36/92, NJW 1993, 2101, 2103 = ZIP 1993, 1160; Urt. v. 09. 02. 2011 – XII ZR 40/09, BGHZ 188, 282 Rn. 16 = NJW 2011, 999; hierzu Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 82 f.; für eine Einordnung als Rechtsfrage aber Wiedemann, GesR II, S. 243. 39 „Ohne Bedeutung ist auch, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Entscheidung, nach welcher betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethode die Höhe des Unternehmenswertes zu ermitteln ist, grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten ist. Denn im vorliegenden Fall ist es jedenfalls rechtsfehlerhaft, bei der Berechnung der Abfindung allein auf den Ertragswert abzustellen.“ So der BGH in einer Entscheidung, in der der Liquidationswert das Dreieinhalbfache des Ertragswerts betrug, BGH, Urt. v. 13. 03. 2006 – II ZR 295/04, NJW-RR 1270 Rn. 13 f. = ZIP 2006, 851. 40 Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 17. 41 Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 17 m.w.N.; ähnlich Henssler, PartGG, § 9 Rn. 72; K. Schmidt, GesR, § 50 IV 1 d). 42 Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 17.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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jeder Sozietät bildet, sollte seine Bedeutung in der (Teil-)Auseinandersetzung nicht vernachlässigt werden. Die grundsätzlich schwierigere Berechnung hat zudem immerhin den Vorteil, dass sie die Beteiligung an den schwebenden Geschäften gemäß § 740 Abs. 1 S. 1 BGB obsolet macht und deren Unwägbarkeiten daher vermeidet. Bei der Wahl der konkreten Bewertungsmethode müssen die Sozien zudem beachten, dass es sich hierbei um eine Rechtsfrage handelt, die revisionsgerichtlicher Nachprüfung unterliegt.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien Obgleich die Berechnung des Wertes der Gesellschafterbeteiligung praktisch häufig im Vordergrund steht und für die Abfindung eine entscheidende Rolle spielt, sind nicht alle Rechtsfragen in der Auseinandersetzung notwendigerweise originär wirtschaftlicher Natur. Auch vermeintlich untergeordnete Vorgänge wie die tatsächliche Abwicklung der Sozietät im Hinblick auf Telefonanschlüsse, Mandatsverteilung, Handakten und Büroräume bieten häufig Konfliktpotenzial.
I. Der gemeinsame Telefonanschluss in der Auseinandersetzung Nicht selten sind dementsprechend Streitigkeiten darüber, wem nach der Beendigung der Sozietät der bisherige Telefonanschluss zusteht. Auf den ersten Blick nur eine Detailfrage, offenbart sich bei genauerem Hinsehen doch die Bedeutung dieser Streitigkeit. Immerhin werden Mandanten in der Zeit kurz nach der Beendigung oder solche, welche schon länger nicht mehr die Dienste der Sozietät in Anspruch genommen haben und dementsprechend nicht über die Trennung informiert sind, zunächst die ihnen bekannte Nummer wählen. Dabei liegt es nicht fern anzunehmen, dass dem Inhaber des Anschlusses ein großer Vorteil bei der Weiterbetreuung früherer oder der Akquisition interessierter Mandanten zukommt. 1. Die Entscheidung des OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99 So hatte auch das OLG Hamm43 den Streit zweier Rechtsanwälte über die Zuweisung des bisherigen Telefonanschlusses zu entscheiden. Weder aus dem Recht der Gemeinschaft in den §§ 741 ff. BGB noch aus dem Recht der GbR in den §§ 705 ff. BGB ließ sich nach Auffassung des Gerichts ein Anspruch einer der Parteien auf die Übertragung des Telefonanschlusses herleiten, da es sich hierbei
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OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 245 f.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
naturgemäß um eine unteilbare Sache handelt.44 Die maßgeblichen §§ 731 S. 2; 733 Abs. 3; 752 – 754 BGB setzen aber sämtlich eine in natura teilbare Sache voraus.45 Eine Zuweisung der Telefonnummer anhand des § 242 BGB an den näher berechtigten Teilhaber schied ebenfalls aus, da sich kein näher berechtigter Teilhaber identifizieren ließ und die Erhaltung der Telefonnummer in der Hand eines der Rechtsanwälte nicht durch Treu und Glauben gefordert werde.46 Ein Anspruch auf Rückgabe des Telefonanschlusses aus § 732 S. 1 BGB ist grundsätzlich denkbar, schied im Fall allerdings aus, da die beklagte Partei zwischenzeitlich Mitinhaberin des Anschlusses wurde.47 Letztlich konnte der Kläger die Übertragung der Anschlussinhaberschaft nicht verlangen. Das OLG Hamm ließ es deshalb bei der Feststellung bewenden, dass Anschlussinhaber entweder die beklagte Partei oder – wie zu Zeiten der früheren Sozietät – beide Parteien gemeinsam waren.48 2. Konsequenzen a) Vorrang privatautonomer Regelungen Aus dem Urteil des OLG Hamm ergibt sich Folgendes: Zunächst ist, entsprechend der Privatautonomie der Gesellschafter, bei der Zuweisung des Telefonanschlusses eine eventuell getroffene vertragliche Vereinbarung vorrangig. Die Möglichkeit, in dieser Hinsicht eine Auseinandersetzungsvereinbarung zu treffen, ergibt sich schon aus § 731 S. 1 BGB.49 Praktisch ist dabei jedoch Vorsicht geboten, denn eine Abrede, dass im Falle der Kündigung innerhalb von drei Monaten auszuziehen sei und dass „das Büro mit allem, was da gewesen“ sei, bei einem der ehemaligen Sozien verbleiben soll, schließt nach der Rechtsprechung den Telefonanschluss nicht notwendigerweise mit ein.50 Eine solche Auslegung der Parteiabreden erscheint zunächst keinesfalls zwingend, könnte man den Telefonanschluss doch ohne Weiteres auch dem „Büro“ zuordnen. Sie ergibt indes Sinn, sobald man sich den Wettbewerbsvorteil vor Augen hält, den derjenige erlangt, dem die Telefonnummer zugeordnet wird. Dieser Sozius hat im Zweifel vielfach den Vorteil des ersten Mandantenkontakts und kann die Mandanten zu seinen Gunsten beeinflussen. Selbst wenn er das Mandat nicht weiterbetreuen möchte, ist nicht auszuschließen, dass er den Mandanten von seinem ehemaligen Partner abrät; schließlich laufen Trennungen von Sozietäten nur selten 44 45 46 47 48 49 50
OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 245. Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 245. OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 245. OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 245 f. OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 246. OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 245. OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 245.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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friedlich und harmonisch ab.51 Daher ist davon auszugehen, dass eine Auslegung der oben genannten, vertraglichen Abrede dahingehend, dass der Telefonanschluss von dieser umfasst ist, dem Willen der vertragschließenden Parteien widerspräche. Eine vertragliche Vereinbarung speziell bezogen auf den Telefonanschluss ist daher sicherheitshalber zu empfehlen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Inhalt der Regelung letztlich nicht der Telefonanschluss selbst sein kann. Selbst wenn die Sozien in der statutarischen Bestimmung vom „Telefonanschluss“ sprechen würden, kann damit nur die Vertragsbeziehung mit dem Telefonanbieter gemeint sein, die der Nutzung des Anschlusses zugrundeliegt.52 Inhalt der Regelung ist nach §§ 133, 157 BGB damit in jedem Fall nur, dass die Sozien auf eine Vertragsübernahme des begünstigten Sozius hinzuwirken haben.53 b) Alternativen beim Fehlen vertraglicher Regelungen Kann keine Einigung erzielt werden, wem der Anschluss zustehen soll, erscheint der Vorschlag von Römermann zustimmungswürdig, nach dem die Parteien vereinbaren, dass die bisherige Nummer mit einer Bandansage belegt wird, welche die neuen Nummern der Anwälte abspielt.54 Sollte einer der Sozien den Anschluss der Sozietät zur Benutzung überlassen haben, greift § 732 S. 1 BGB. Ihm steht damit ab der Auseinandersetzung der Anschluss wieder zur alleinigen Nutzung zu. Ansonsten ist die Nummer von den ehemaligen Partnern gemeinsam zu kündigen und kann von jedem der Partner nach der Freischaltung wieder für sich genutzt werden, sofern er den anderen Partnern zuvorkommt.55 Eine Pflicht, den Anschluss nicht wieder zu belegen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.56 Auch die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht vermag eine (nachvertragliche) Pflicht zur Freihaltung kaum zu begründen. Die Treuepflicht resultiert aus der Förderungspflicht der Gesellschafter im Hinblick auf den Gesellschaftszweck und speist sich aus der Vermutung, dass durch die Förderung eines gemeinsamen Zwecks auch die Interessen der Gesellschafter parallel verlaufen.57 Im Zeitpunkt der Liquidation gilt diese Vermutung indes nicht mehr, da dort die Interessen der Gesellschafter bereits
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Möglicherweise lehnte das OLG Hamm die Zuweisung der Telefonnummer an einen der Beteiligten im Rahmen einer Billigkeitslösung nach § 242 BGB (auch) deshalb ab, vgl. OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 245. 52 Erwogen auch vom OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 246. 53 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2000 – 8 U 180/99, NJW-RR 2001, 246. 54 Römermann, NJW 2007, 2209, 2213. 55 Römermann/Römermann, PartGG, § 9 Rn. 56; Römermann, NJW 2007, 2209, 2213. 56 Römermann, NJW 2007, 2209, 2213. 57 Henssler/Strohn/Servatius, GesR, § 705 BGB Rn. 41; vgl. auch Ring, NJ 2020, 45, 48; Tröger, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 5 Rn. 157 f.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
sehr heterogen sein können.58 Dementsprechend darf auch keiner der ehemaligen Gesellschafter erwarten oder darauf vertrauen, dass die jeweils anderen die ehemalige Sozietätsnummer unbesetzt lassen. In Bezug auf den Telefonanschluss ist die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht daher ohne Durchschlagskraft. In jedem Fall ist der verbleibende Sozius aber aufgrund von § 32 Abs. 1 S. 5 BORA, ggf. i.V.m. § 32 Abs. 2 S. 1 BORA, zur Weitergabe der Telefonnummer seines ehemaligen Sozius berufsrechtlich verpflichtet.59 Dies gilt unabhängig davon, ob er den gemeinsamen Telefonanschluss behalten durfte oder unter einer neuen Telefonnummer kontaktiert wird, denn der Wortlaut des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA stellt insofern nur auf das Verbleiben des Sozius ab und gerade nicht auf die Identität der Rufnummer.
II. Die Mandatsverteilung in der Auseinandersetzung anhand von § 32 BORA 1. Mechanismus, Systematik und Telos des § 32 BORA Eine sehr gewichtige Rolle in der Auseinandersetzung nimmt die Verteilung der Mandate der Sozietät ein. Dass hier regelmäßig Streit entbrennt, ist naheliegend, bedeutet die Betreuung von Mandaten doch bares Geld für die Gesellschafter. Bei der Verteilung sieht der Gesetzgeber daher in § 32 Abs. 1 BORA ein mehrstufiges Verfahren für die Auflösung der Sozietät vor.60 In Abs. 1 befassen sich indes nur die Sätze 1 bis 3 direkt mit der Verteilung der Mandate unter den Sozien: Vorbehaltlich einer anderen Regelung innerhalb der Sozietät sollen die Sozien nach § 32 Abs. 1 S. 1 BORA zunächst gemeinsam die Mandanten befragen, um herauszufinden, wer das jeweilige Mandat weiterbetreuen soll. Hierzu schlägt § 32 Abs. 1 S. 2 BORA ein gemeinsames Rundschreiben vor. Gelingt die Formulierung eines gemeinsamen Schreibens nicht, darf jeder Sozius nach § 32 Abs. 1 S. 3 BORA die Mandanten einzeln befragen. Der § 32 Abs. 2 BORA verweist für den Fall, dass die Sozietät nicht aufgelöst wird, sondern nur einer der Sozien ausscheidet, auf die Regelungen des Abs. 1 und stellt so eine Parallelität für Auflösung und Ausscheiden sicher. Das in § 32 Abs. 1 BORA geregelte Verfahren beansprucht daher sowohl in der Auseinandersetzung der gesamten Sozietät als auch beim Ausscheiden nur einzelner Gesellschafter Geltung. Für Letzteres besteht indes die Besonderheit, dass das Verfahren des § 32 Abs. 1 58 BGH, Urt. v. 17. 09. 2013 – II ZR 68/11, NJW-RR 2014, 349 Rn. 38 = NZG 2014, 302, speziell zum Grundsatz der Selbstorganschaft. 59 Näher zu den Problemen des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA auf S. 204 ff. 60 Anknüpfungspunkt ist somit die gesellschaftsrechtliche Auflösung, die sich nach den jeweils rechtsformspezifischen Tatbeständen richtet, Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 6.
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BORA nur für die Mandate Anwendung findet, die der ausscheidende Sozius regelmäßig selbst betreut hat oder mit denen er im Zeitpunkt seines Ausscheidens befasst war (§ 32 Abs. 2 S. 1 BORA).61 Aufgrund von § 32 Abs. 3 BORA wird der Anwendungsbereich der Abs. 1 und 2 auch auf Scheinsozietäten und Scheinsozien erweitert. Die Sätze 4 und 5 in § 32 Abs. 1 BORA regeln die Rechte des ausscheidenden Sozius, was Hinweise am Kanzleischild und auf der Website betrifft, bzw. die Pflichten der verbleibenden Sozien zur Herausgabe von Kontaktdaten des ausgeschiedenen Sozius.62 Das hat nicht nur wenig mit der Mandatsverteilung zu tun, sondern betrifft vor allem das Ausscheiden eines Sozius, und zwar auch dann, wenn nur eine Scheinsozietät nach Abs. 3 vorliegt.63 Gleichzeitig ist die Wortwahl missglückt, da es in der aufgelösten Sozietät weder einen ausscheidenden noch einen verbleibenden Sozius geben kann.64 Die Sätze 4 und 5 werden deshalb als selbständiger Absatz gelesen.65 Die Verortung in Abs. 1 wird daher zurecht allgemein als systematisch fragwürdig betrachtet.66 Teleologisch soll § 32 BORA als Ausdruck des Grundsatzes der freien Anwaltswahl im Spannungsverhältnis zwischen Sozietät, Sozien und Mandanten einen Interessenausgleich herstellen und gleichzeitig sicherstellen, dass letztlich der Mandant seinen Anwalt frei wählen kann.67 Inhaltlich unklar ist aber, ob und inwieweit den einzelnen Mechanismen in § 32 Abs. 1 S. 1 – 3 BORA nicht nur eine berufsrechtliche Komponente, sondern auch das zivilrechtliche Institut der Vertragsübernahme innewohnt. Könnten § 32 Abs. 1 BORA nicht nur berufsrechtliche Leitlinien, sondern auch zivilrechtliche Vorschriften zur Vertragsübernahme entnommen werden, würde dies die Mandatsverteilung erheblich vereinfachen. Daher wird im Folgenden insbesondere zu betrachten sein, ob und wie sich der Mandats-
61
Daher gelten insbesondere die Ausführungen auf S. 162 ff. zwar auch für das Ausscheiden eines Sozius, allerdings nur für diese speziellen Mandate; vgl. hierzu auch Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 14 f. 62 Hierzu ausführlich S. 204 ff. 63 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 26; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 32 BORA Rn. 34, 43. 64 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 26. 65 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 20; BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 13. 66 OLG Koblenz, Urt. v. 14. 03. 2000 – 1 U 70/00, MDR 2000, 1401; Gaier/Wolf/Göcken/ Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 20; Feuerich/Weyland/Brüggemann, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 32 BORA Rn. 1; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 26; BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 13; Römermann, AnwBl 2009, 681, 683; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 32 BORA Rn. 34, 43. 67 Weyland/Brüggemann, BRAO, § 32 BORA Rn. 2; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 2; vgl. auch schon Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 29 Rn. 12 ff.
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übergang in den einzelnen Sätzen der Vorschrift vollzieht und ob es etwaige zivilrechtliche Implikationen gibt. 2. Vorrangige vertragliche Regelungen nach § 32 Abs. 1 S. 1 BORA Bevor der gesetzliche Mechanismus in § 32 Abs. 1 S. 1 BORA näher betrachtet wird, müssen jedoch vorrangige, sozietätsvertragliche Regelungen zur Mandatsverteilung in den Blickpunkt gerückt werden. Dies ergibt sich aus der dispositiven Natur des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA, die die Norm selbst hervorhebt, indem sie betont, dass die Mandantenbefragung in § 32 Abs. 1 S. 1 BORA nur „mangels anderer vertraglicher Regelung“ stattzufinden hat. Nach § 32 Abs. 1 S. 1 BORA ist eine vertragliche Regelung der Sozien untereinander die Mandantenaufteilung betreffend grundsätzlich vorrangig vor dem berufsrechtlichen Befragungsmechanismus. Dieser Passus ist wohl auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass § 32 Abs. 1 S. 1 – 3 BORA eher ein Schattendasein fristet.68 Vielfach bestehen realiter vertragliche Regelungen, sodass der Mechanismus des § 32 Abs. 1 BORA ausgeschlossen ist und die vertragliche Bestimmung die maßgebliche Rechtsmaterie darstellt.69 In diesem Zusammenhang sind vertragliche Regelungen allerdings als gesellschaftsvertragliche Regelungen und nicht als individuelle schuldrechtliche Verträge zwischen einzelnen Sozien oder einem Sozius und einem Mandanten zu verstehen.70 Für Letzteres wird vorgebracht, dass § 32 Abs. 1 S. 1 – 3 BORA andernsfalls den Charakter einer dispositiven gesellschaftsrechtlichen Norm hätte, wozu der Satzungsgeber freilich nach § 59b Abs. 2 Nr. 8 BRAO nicht berechtigt ist.71 Allerdings wird hierdurch übersehen, dass § 32 Abs. 1 S. 1 – 3 BORA keineswegs im Rechtssinne dispositiv ist, denn ein bloßer Verzicht auf die Befragung durch die Berufsausübungsgesellschaft und deren Gesellschafter ist gerade nicht zulässig.72 Es steht den Gesellschaftern lediglich offen interne Absichtserklärungen zur Mandatsaufteilung, Rechtsfolgenvereinbarungen für übernommene Mandate oder Wettbewerbsbeschränkungen zu vereinbaren und damit Alternativen zur Befragung
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So Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 2. Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 2. 70 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 86; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 11; wohl auch Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 187; diff. Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 32 BORA Rn. 20, der sowohl den Gesellschaftsvertrag als auch andere Vereinbarungen zwischen den Sozien erfasst sieht; a.A. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 9; Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 166; Keller, BRAK-Mitt. 2012, 200; die auf Vereinbarungen im Anwaltsvertrag abstellen. 71 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 7 f. 72 Hierzu S. 154. 69
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vorzusehen.73 Zudem wird § 32 Abs. 1 S. 1 – 3 BORA nicht zu einer gesellschaftsrechtlichen Norm, nur weil sie im Ausgangspunkt an das Ausbleiben einer Regelung im Gesellschaftsvertrag anknüpft, denn der Anknüpfungspunkt allein kann nicht über den rechtlichen Charakter einer Norm entscheiden. Der originäre Kern des § 32 Abs. 1 S. 1 – 3 BORA ist noch immer die Normierung der öffentlich-rechtlichen Berufspflichten der Berufsausübungsgesellschaft und deren Gesellschaftern gegenüber den Mandanten zum Zwecke der Sicherung des Rechts auf freie Anwaltswahl und zur Vermeidung von Konflikten unter den beteiligten Berufsträgern und dementsprechend durchaus vom Wortlaut der „Pflichten bei beruflicher Zusammenarbeit“ in § 59b Abs. 2 Nr. 8 BRAO erfasst. Die Anknüpfung an das Nichtvorliegen bestimmter Regelungen im Gesellschaftsvertrag ist hier auch aus der Perspektive des Berufsrechts vorzugswürdig, weil einige gesellschaftsvertragliche Regelungen – wie Wettbewerbsbeschränkungen – die Befragung der Mandanten ad absurdum führen würden. a) Nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen aa) Mandantenschutzklauseln Für das Ausscheiden nur eines Partners handelt es sich bei den vorrangigen (gesellschafts-)vertraglichen Regelungen i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 1 BORA oftmals um nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen im Gesellschaftsvertrag, die sich bei Freiberuflersozietäten besonderer Beliebtheit erfreuen.74 Sie erscheinen lohnend, weil der ausscheidende Gesellschafter mit seiner Erfahrung, seinem Wissen und dem Know-How, das er in der Sozietät gesammelt hat, dieser im offenen Wettbewerb äußerst erfolgreich Konkurrenz machen kann.75 Verbreitet handelt es sich bei derlei Wettbewerbsbeschränkungen um „Mandantenschutzklauseln“, welche die Mitnahme von Mandanten verbieten, oder um „Mandatsübernahmeklauseln“, welche gegen die Leistung einer Vergütung die Mitnahme gerade gestatten.76 Wird die Mitnahme verboten, so ist zwischen beschränkten, unbeschränkten und erweiterten Mandantenschutzklauseln zu unterscheiden.77 Bei beschränkten Mandantenschutzklauseln wird dem Ausscheidenden nur die Abwerbung von Mandanten verboten, während bei unbeschränkten Man73
Vgl. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 11. Diller, in: FS Buchner, S. 177; Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 123 f.; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 57; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 14; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 237d; Reuter, in: FS Immenga, S. 667; näher zu nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen noch S. 281 ff. 75 Vgl. Lembke, BB 2020, 52. 76 Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 83 f.; Römermann, NJW 2002, 1399, 1400; Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 46. 77 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 32 f.; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 99. 74
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dantenschutzklauseln zudem die Verpflichtung des ausscheidenden Sozius besteht, die Mandanten der Sozietät abzulehnen.78 Bei erweiterten Mandantenschutzklauseln muss der ehemalige Sozius im Zweifelsfall sogar darauf hinweisen, dass nur die Sozietät zur Weiterführung des Mandats berechtigt ist.79 Je nach Ausprägung trifft die Mandantenschutzklausel damit eine vorrangige Regelung zur Verteilung der Mandanten zwischen Sozius und Sozietät – meist mit dem Inhalt, die Mandanten zukünftig der Sozietät zu erhalten. Der Mechanismus des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA ist damit ausgeschlossen und muss in der Auseinandersetzung nicht mehr durchgeführt werden, um die Mandatsverteilung berufsrechtskonform zu bewirken. Ist die Mandantenschutzklausel unwirksam, so wird der Befragungsmechanismus des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA wieder reinstituiert. Als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des ehemaligen Sozius sind Mandantenschutzklauseln nach ständiger Rechtsprechung des BGH an § 138 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Wertungen des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.80 Entscheidend für das Verdikt der Sittenwidrigkeit ist, ob die Klausel dazu dient, zu verhindern, dass der andere Teil die Erfolge der gemeinsamen Arbeit illoyal verwertet oder in sonstiger Weise zu Lasten seiner Partner die Freiheit der Berufsausübung missbraucht, oder ob sie vielmehr nur dazu dient, den ehemaligen Partner als Konkurrenten auszuschalten.81 Letzteres ist der Fall, wenn die nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkung über das räumliche, gegenständliche und/oder zeitlich82 notwendige Maß hinausgeht, wobei eine unzulässige Ausdehnung über das zeitliche Maximalmaß von zwei Jahren hinaus in der
78 Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 129; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 32 f.; Henssler, PartGG, § 6 Rn. 80; vgl. auch Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 83 f. 79 Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 126; Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 446; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 99. 80 BGH, Urt. v. 09. 05. 1968 – II ZR 158/66, NJW 1968, 1717 = GRUR 1969, 228 (m. Anm. Lehmpfuhl); Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1, 5 = NJW 1984, 2366; Urt. v. 28. 04. 1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944 = ZIP 1986, 1056; Urt. v. 29. 10. 1990 – II ZR 241/ 89, NJW 1991, 699 = BB 1990, 2432; Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089 = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette); OLG Stuttgart, Urt. v. 21. 03. 2019 – 14 U 26/16, BeckRS 2019, 8992 Rn. 31 = GmbHR 2019, 779; zu Unrecht völlig unberücksichtigt bleiben hierdurch die Interessen der Mandantschaft und die Wertung des § 3 Abs. 3 BRAO, ebenso Henssler/ Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 32; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 67; zuvor schon allgemeiner Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 64 f.; hierzu noch ausführlich S. 290 ff. 81 BGH, Urt. v. 09. 05. 1968 – II ZR 158/66, NJW 1968, 1717 = GRUR 1969, 228 (m. Anm. Lehmpfuhl); OLG Stuttgart, Urt. v. 21. 03. 2019 – 14 U 26/16, BeckRS 2019, 8992 Rn. 35 = GmbHR 2019, 779; Ahrens, Berufsrecht, Rn. 381; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 436; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 14; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Lieder, GmbHG, § 13 Rn. 245; Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 45; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 49; vgl. auch Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 85. 82 Vgl. OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82 Rn. 14 = BeckRS 2018, 27810; OLG Stuttgart, Urt. v. 21. 03. 2019 – 14 U 26/16, BeckRS 2019, 8992 Rn. 31 = GmbHR 2019, 779; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 84.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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Regel nicht zur Nichtigkeit der Klausel nach § 138 BGB führt.83 Vielmehr lässt der BGH für derartige Fälle eine geltungserhaltende Reduktion auf das zeitlich tolerable Maß zu.84 Die Grenze von zwei Jahren beruht auf der Annahme, dass sich die in der Sozietät geknüpften Mandantenbeziehungen nach zwei Jahren so weit gelockert haben, dass der ausgeschiedene Sozius wie jeder andere Wettbewerber behandelt werden muss.85 Gegenständlich darf sich die Mandantenschutzklausel nur auf Mandanten der Sozietät beziehen, die diese perspektivisch weiterbetreuen kann.86 Übermäßig sind in dieser Hinsicht Klauseln, die auch Mandanten erfassen, die mit der Sozietät unzufrieden waren und das Mandatsverhältnis aus diesem Grund beendet haben,87 sowie solche, die sich seit mehr als drei Jahren nicht mehr an die Sozietät gewendet haben88 oder deren Beziehung zur Sozietät ausschließlich auf einem freundschaftlichen Verhältnis zum – nun ausgeschiedenen – Rechtsanwalt beruhte89. Denn in diesen Fällen kann nicht angenommen werden, dass der ausgeschiedene Sozius in illoyaler Weise die Früchte einer gemeinsamen Arbeit verwertet.90
83 BGH, Urt. v. 29. 10. 1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699, 699 f. = BB 1990, 2432; Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089, 3089 f. = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette); Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; Urt. v. 20. 01. 2015 – II ZR 369/13, NJW 2015, 1012 Rn. 11 f. = ZIP 2015, 472; OLG Stuttgart, Urt. v. 01. 08. 2001 – 20 U 55/01, NJW 2002, 1431, 1432 = MDR 2002, 483; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23. 10. 2015 – I 22 U 37/15, BeckRS 2015, 17926 Rn. 106 f. = NZG 2016, 120 (Ls.); OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82 Rn. 14 = BeckRS 2018, 27810; OLG Stuttgart, Urt. v. 21. 03. 2019 – 14 U 26/16, BeckRS 2019, 8992 Rn. 37 = GmbHR 2019, 779. 84 BGH, Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089 = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette); Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; zust. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23. 10. 2015 – I 22 U 37/15, BeckRS 2015, 17926 Rn. 106 f. = NZG 2016, 120 (Ls.); OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82 Rn. 14 = BeckRS 2018, 27810; OLG Stuttgart, Urt. v. 21. 03. 2019 – 14 U 26/16, BeckRS 2019, 8992 Rn. 37 = GmbHR 2019, 779; Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 46. 85 BGH, Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; Urt. v. 29. 09. 2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 = NZG 2004, 66; Urt. v. 18. 07. 2005 – II ZR 159/ 03, NJW 2005, 3061, 3062 = NZG 2005, 843; Urt. v. 30. 04. 2014 – I ZR 245/12, BGHZ 201, 205 Rn. 38 = NJW 2014, 3442. 86 Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 01. 08. 2001 – 20 U 55/01, NJW 2002, 1431, 1432 = MDR 2002, 483; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 413. 87 OLG Stuttgart, Urt. v. 01. 08. 2001 – 20 U 55/01, NJW 2002, 1431, 1432 = MDR 2002, 483; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 413. 88 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 413 m.w.N. 89 OLG Stuttgart, Urt. v. 01. 08. 2001 – 20 U 55/01, NJW 2002, 1431, 1432 = MDR 2002, 483 90 OLG Stuttgart, Urt. v. 01. 08. 2001 – 20 U 55/01, NJW 2002, 1431, 1432 = MDR 2002, 483.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
bb) Niederlassungsverbotsklauseln Ebenfalls verbreitet, aber gleichwohl strenger zu handhaben sind Niederlassungsverbotsklauseln als andere Ausprägung der nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen. Dieses „ebenso einfache[…] wie radikale[…]“91 Instrument verbietet es dem ausscheidenden Rechtsanwalt überhaupt, im räumlichen Einzugsbereich der Sozietät tätig zu werden, und beeinträchtigt den ehemaligen Sozius somit erheblich in seiner Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.92 Um nicht sittenwidrig und somit nichtig zu sein, dürfen auch diese Klauseln das räumliche, gegenständliche und zeitliche Maß nicht überschreiten.93 Bei einer zeitlichen Überschreitung soll allerdings wie bei Mandantenschutzklauseln eine geltungserhaltende Reduktion zulässig sein, während der BGH dies für räumlich übermäßige Klauseln offengelassen hat.94 Für eine gegenständliche Überschreitung lehnt der BGH eine geltungserhaltende Reduktion jedoch in jedem Fall ab, da es nicht in den Kompetenzbereich der Gerichte falle, vertragsgestaltend tätig zu werden, und das Risiko der Sittenwidrigkeit den Klauselverwender treffen müsse.95 b) Die gesellschaftsvertragliche Aufteilung der Mandate Abgesehen von diesen beiden klassischen Regelungen zur Aufteilung von Mandanten beim Ausscheiden nur eines Partners aus einer ansonsten lebendigen Gesellschaft sind auch andere vertragliche Modelle denkbar. Sie können etwa die Aufteilung der Mandate der Sozietät im Fall der Trennung beinhalten oder die anschließende Verteilung der Gebühren aus übernommenen Mandaten zum Gegenstand haben.96 Ebenso ist es jedoch denkbar zu regeln, dass laufende Mandate von der Liquidationsgesellschaft zu betreuen sind, um Streit zwischen den Gesellschaftern weitestgehend zu vermeiden.97 Nicht möglich ist hingegen die gesellschaftsvertragliche Einigung, auf die Mandantenbefragung schlicht zu verzichten.98 Sie widerspräche dem Grundsatz der freien Anwaltswahl und damit dem Sinn und Zweck
91
Römermann, NJW 2002, 1399. Vgl. Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 47. 93 S. nur BGH, Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089 = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette). 94 BGH, Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089 = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette). 95 BGH, Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089, 3089 f. = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette); zurecht kritisch zur geltungserhaltenden Reduktion bei Wettbewerbsverboten Römermann, BB 1998, 1489, 1489 f.; Römermann, NJW 2002, 1399, 1400; näher zur geltungserhaltenden Reduktion noch auf S. 288 f. 96 Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 126; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 11. 97 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 11. 98 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 410. 92
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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des § 32 BORA.99 Andere gesellschaftsvertragliche Regelungen i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 1 BORA können daher nur solche sein, die die Mandatsaufteilung selbst betreffen100 oder den Vermögensausgleich für mitgenommene Mandanten regeln101. aa) Natur und Schicksal des Rechtsberatungsvertrags Werden die Mandate im Gesellschaftsvertrag aufgeteilt, so stellt sich allerdings die Frage nach dem Schicksal des Rechtsberatungsvertrags. Dieser hat eine entgeltliche Geschäftsbesorgung gemäß § 675 BGB zum Inhalt und ist im Rahmen der Rechtsverfolgung immer, im Falle der Rechtsberatung immerhin regelmäßig, dienstvertraglicher Natur.102 Er besteht regelmäßig zwischen dem Mandanten und der Sozietät und gerade nicht zwischen dem Mandanten und dem ihn betreuenden Sozius.103 Damit steht auch das Honorar einzig und allein der Sozietät zu.104 Ein Einzelmandat ist demgegenüber zwar möglich, bedarf aber regelmäßig der ausdrücklichen Erklärung,105 da der Mandant im Regressfall grundsätzlich von der Haftung aller Sozietätsmitglieder ausgehen wird und deshalb in der Regel gemäß §§ 133, 157 BGB ein Gesamtmandat vereinbaren möchte.106 Gibt der Sozius seine Willenserklärung im Namen der Sozietät ab oder geht für den Mandanten aus den Umständen hervor, dass sie für und gegen die Sozietät gelten soll, ist der Man99
Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 410. Zu den Rechtsfolgen solcher Regelungen sogleich S. 156 ff. 101 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 410. 102 Hierzu Ahrens, Berufsrecht, Rn. 1166 f.; BeckOK BGB/Fischer, § 675 Rn. 6; Hamm, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 51 Rn. 1; Jungk, in: Borgmann/ Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 10 Rn. 24 ff.; s. auch Hartung/Scharmer/Grams, BORA/ FAO, Vor § 51 BRAO Rn. 2; Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 30; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 79. 103 Ahrens, Berufsrecht, Rn. 367; Erman/Berger, BGB, § 675 Rn. 54; Gaier/Wolf/Göcken/ Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 5; Deckenbrock, AnwBl 2014, 118; Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 120; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 7; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 409; Hirtz, AnwBl 2008, 82; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 36 Rn. 8; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 91; Markworth, NJW 2015, 2152, 2154; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 558, 568; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 235b; Prütting, AnwBl 2014, 107, 110; K. Schmidt, NJW 2005, 2801, 2805; Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltl BerufsR, Haftung Rn. 398; Steindorff, in: FS Fischer, S. 747, 761 f.; tendenziell auch BGH, Urt. v. 09. 12. 2010 – IX ZR 44/ 10, NJW 2011, 2301 Rn. 15 = NZG 2011, 226; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 56. 104 Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 705 Rn. 47; Markworth, NJW 2015, 2152, 2154; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 558, 569. 105 OLG Koblenz, Urt. v. 18. 02. 1997 – 3 U 286/96, NJW-RR 1997, 952, 953 = BeckRS 9998, 15532; Hartung, MDR 2002, 1224; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 91; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 558, 568; offenbar anders Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 36 Rn. 9. 106 Vgl. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 52 f.; ausführlich zur Abgrenzung zwischen Einzel- und Gesamtmandat und den Auslegungkriterien, Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltl BerufsR, Haftung Rn. 401 ff. 100
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
datsvertrag gemäß § 164 Abs. 1 BGB mit der Sozietät geschlossen worden. Der innere Wille des Sozius, ein Einzelmandat zu erhalten, ist dann unbeachtlich, sofern dieser Wille nicht eindeutig nach außen hervortritt.107 Das gilt im Übrigen auch dann, wenn der Handelnde nur Mitglied einer Scheinsozietät ist.108 Geht man vom Regelfall des Sozietätsmandats aus, so besteht das Mandat grundsätzlich mit der Liquidationsgesellschaft als Vertragspartner fort, vgl. § 730 Abs. 2 BGB.109 Wurde hingegen eine Aufteilung der Mandate vereinbart, stellt sich die teilweise noch ungeklärte Frage, wie das Rechtsberatungsverhältnis auf den einzelnen (ehemaligen) Sozius übergeht. Selbiges gilt für das Ausscheiden nur eines Sozius. Auch in dieser Konstellation verbleibt das Gesamtmandat grundsätzlich bei der Sozietät, es sei denn, es wurde vereinbart, die Mandate aufzuteilen, wobei sich wiederum die Frage nach dem Übergang des Vertragsverhältnisses auf den Ausgeschiedenen stellt. Sowohl in der Auflösung als auch beim Ausscheiden einzelner Sozien kommt es daher maßgeblich darauf an, ob man davon ausgeht, dass der berufsrechtlichen Vorschrift des § 32 Abs. 1 BORA auch ein zivilrechtlicher Mechanismus zur Vertragsübernahme innewohnt. bb) Gesetzlicher Fall der Vertragsübernahme? In Anbetracht der Formulierung des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA könnte davon ausgegangen werden, dass eine gesellschaftsvertragliche Regelung kaum nötig sei, da ohnehin eine gesetzliche Vertragsübernahme eingreife, sobald sich die Sozien über die Mandatsverteilung verständigen.110 Dafür spricht zum einen, dass dies eine spürbare organisatorische Erleichterung darstellen würde, da kein Kontakt zum Mandanten aufgenommen werden müsste, was mit einer Beschleunigung der Mandatsaufteilung einhergeht. Zum anderen besteht für den Mandanten auch keine Gefahr, letztlich einen Anwalt zu erhalten, bei dem er nicht bleiben möchte. Denn nach § 627 Abs. 1 BGB kann der Mandant das Vertragsverhältnis jederzeit auch ohne wichtigen Grund kündigen, da der Rechtsanwalt Dienste höherer Art leistet, die ihn in eine Vertrauensstellung nach § 627 BGB heben.111 Somit steht es dem Mandanten 107
OLG Frankfurt, Urt. v. 16. 03. 2000 – 16 U 69/99, NJW-RR 2001, 1004, 1005 = NZI 2001, 151. 108 OLG Frankfurt, Urt. v. 16. 03. 2000 – 16 U 69/99, NJW-RR 2001, 1004, 1005 = NZI 2001, 151. 109 OLG Hamm, Urt. v. 24. 06. 1998 – 8 U 258/97, NZG 1999, 67; Urt. v. 22. 02. 2011 – 28 U 49/10, NJW 2011, 1606, 1607 = AnwBl 2011, 584; Hülsmann, NZG 2001, 625, 633; H. P. Westermann, AnwBl 2007, 103, 107. 110 So offenbar Römermann, NJW 2007, 2209, 2211; H. P. Westermann, AnwBl 2007, 103, 107. 111 Ahrens, Berufsrecht, Rn. 1189; MüKoBGB/Henssler, § 627 Rn. 21; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 15 Rn. 105; Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltl BerufsR, Haftung Rn. 156; zum Begriff des „Vertrauens“ Dombek, in: FS Streck, S. 655, 657 ff.
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offen, einem Sozius das Mandat zu entziehen und es dem Sozius seines Vertrauens zu übertragen.112 cc) Bedenken gegen die gesetzliche Vertragsübernahme Allerdings ist die Möglichkeit der Kündigung zwar praktisch vorteilhaft und scheint auch den beiderseitigen Interessen durchaus Rechnung zu tragen, sie bürdet dem Mandanten aber das Vergütungsrisiko des § 628 Abs. 1 S. 1 BGB auf, sofern der Rechtsanwalt aufgrund eines vereinbarten Stundensatzes tätig wird. Der Mandant wäre dann durch die Auseinandersetzung der Sozietät und die interne Aufteilung der Mandate gezwungen, dem Anwalt, den er im Zweifel nicht kennt und den er nicht haben möchte, eine Teilvergütung zu leisten, falls dieser bereits tätig geworden ist. Diese Rechtsfolge kann man ihm nicht ersparen, denn der Anspruch auf die Teilvergütung entfällt nach § 628 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB bei einer Kündigung des Mandanten nur dann, wenn der Rechtsanwalt die Kündigung durch sein eigenes, vertragswidriges Verhalten verursacht hat und der Mandant kumulativ kein Interesse an den bisherigen Dienstleistungen des Anwalts mehr hat. Wird der Rechtsanwalt hingegen auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) tätig, so ist dies ebenfalls für den Mandanten nicht von Vorteil. Die Gebühren des RVG gelten nach § 15 Abs. 1 RVG die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit ab. Es handelt sich damit um Pauschalgebühren, die sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts erfassen, sodass einzelne Tätigkeiten nicht gesondert abgerechnet werden können.113 Aus dem Pauschalabgeltungssystem folgt darüber hinaus nach § 15 Abs. 4 RVG auch, dass es auf bereits entstandene Gebühren ohne Einfluss ist, ob die Angelegenheit vorzeitig erledigt wird oder der Auftrag endet, bevor die Angelegenheit erledigt ist. Entstanden sind Gebühren dann, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausführt, die durch die jeweilige Gebühr abgegolten wird.114 Entzieht der Mandant nun dem Rechtsanwalt das Mandat, dem es in der Auseinandersetzung zugesprochen wurde, so ist § 15 Abs. 4 Alt. 2 RVG einschlägig, da der Auftrag endet, bevor die Angelegenheit erledigt wurde. Das bedeutet für den Mandanten, dass er in der Regel die volle Gebühr zahlen muss, sobald der Rechtsanwalt tätig wird. Freilich kennt auch das RVG für bestimmte Fälle Ermäßigungen der Gebühren,115 regelmäßig steht der Mandant aber nicht anders als im Falle einer vereinbarten Vergütung.
112 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 5; Römermann, NJW 2007, 2209, 2211. 113 BeckOK OWiG/L. Bücherl, § 15 RVG Rn. 1; Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, § 15 Rn. 1, 92. 114 BeckOK RVG/v. Seltmann, § 8 Rn. 1; vgl. auch Ahrens, Berufsrecht, Rn. 1193. 115 Hierzu näher BeckOK RVG/v. Seltmann, § 15 Rn. 16; Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, § 15 Rn. 123 f.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
In jedem Fall ist dem Mandanten mit dem Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit daher wenig gedient, insofern er unter Umständen trotz Kündigung des Mandats Teile der Vergütung oder der Gebühren zahlen muss. Damit besteht die Gefahr, dass er bei der Beauftragung des neuen Sozius teilweise mit doppelten Gebühren belastet wird.116 Abgesehen von der Kündigung ist auch bereits die Annahme der gesetzlichen Vertragsübernahme an sich nicht frei von Zweifeln. Die Berufsordnung für Rechtsanwälte wird gemäß §§ 191a Abs. 1 und 2; 59b Abs. 1 BRAO als Satzung durch die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer erlassen. Dass Berufsausübungsregelungen von öffentlich-rechtlichen Berufsverbänden erlassen werden, begegnet grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.117 Allerdings gilt das Bestimmtheitsgebot, wonach der Gesetzgeber die Regelungen der Berufsordnung hinreichend bestimmt normieren muss.118 Überantwortet der Gesetzgeber, wie bei der BORA, die Rechtssetzungskompetenz an einen Satzungsgeber, muss er schon in der Ermächtigung hinreichend bestimmt die möglichen Regelungsgegenstände festlegen.119 Dies gilt umso mehr, wenn die Interessen Dritter betroffen sind, weshalb eine Ermächtigungsgrundlage dann nur soweit genügt, wie der Gesetzgeber selbst erkennbar und unzweifelhaft den Weg zu einer entsprechenden Gestaltung des Rechts bereiten wollte.120 Eine solche Absicht ist hier in § 59b BRAO jedoch nicht ersichtlich. § 59b Abs. 2 BRAO spricht in sämtlichen Nummern lediglich von der Regelung von Berufspflichten, sodass die Regelung von rechtlichen Fragen im Außenverhältnis zum Mandanten kaum gemeint gewesen sein kann. Auch der Gesetzgeber geht in der Gesetzesbegründung zu § 59b BRAO nicht davon aus, dass es Teil der Ermächtigung sei, das zivilrechtliche Vertragsverhältnis zwischen Anwalt bzw. Anwaltssozietät und Mandant zu regeln.121 Genannt werden vielmehr nur das Verhalten des Rechtsanwalts gegenüber dem rechtssuchenden Publikum oder die Konkretisierung von Sorgfaltspflichten gegenüber dem Mandanten.122 Damit fehlt es jedoch an dem Erfordernis der erkennbaren Intention des Gesetzgebers, die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer zur Regelung einer gesetzlichen Vertragsübernahme zwischen Mandant, Sozietät und
116
Näher Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 15 Rn. 106. BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 1985 – 1 BvR 934/82, BVerfGE 71, 162, 172 f. = NJW 1986, 1533; Beschl. v. 22. 05. 1996 – 1 BvR 744/88 u. a., BVerfGE 94, 372, 390 = NJW 1996, 3067; Urt. v. 14. 12. 1999 – 1 BvR 1327/98, BVerfGE 101, 312, 322 = NJW 2000, 347. 118 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 59b Rn. 13; Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 59b BRAO Rn. 4; Weyland/Nöker, BRAO, § 59b Rn. 2a. 119 BVerfG, Beschl. v. 08. 04. 1998 – 1 BvR 1773/96, BVerfGE 98, 49, 60 f. = NJW 1998, 2260. 120 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. 02. 1975 – 1 BvR 38 u. 566/68, BVerfGE 38, 373, 382 f. = NJW 1975, 1455; Weyland/Nöker, BRAO, § 59b Rn. 2a. 121 Vgl. RegBegr, BT-Drucks. 12/4993, S. 34 f. 122 RegBegr, BT-Drucks. 12/4993, S. 35. 117
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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Sozius zu ermächtigen. Die Bundesrechtsanwaltskammer kann demnach durch die Vorschriften der BORA keine gesetzliche Vertragsübernahme anordnen.123 Die Annahme einer gesetzlichen Vertragsübernahme in § 32 Abs. 1 S. 1 BORA ist daher abzulehnen, da eine solche nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 59b Abs. 2 BRAO gedeckt wäre. Sie würde zudem dem Grundsatz der freien Anwaltswahl aus § 3 Abs. 3 BRAO widersprechen.124 Dieser erfordert stets eine Mitwirkung des Mandanten, wenn sein Mandatsverhältnis auf einen anderen Rechtsanwalt übergehen soll.125 dd) Gewillkürte Vertragsübernahme Alternativ könnte man in der gesellschaftsvertraglichen Mandantenaufteilung auch eine vorweggenommene, gewillkürte Vertragsübernahme erblicken.126 Sie ist grundsätzlich gesetzlich nicht geregelt und wird nur in einigen Vorschriften als Rechtsfolge postuliert.127 Angesichts dieser bestehenden gesetzlichen Regelungen und des praktischen Bedürfnisses des Rechtsverkehrs, unkompliziert ganze Vertragspositionen übertragen zu können, ist die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme mittlerweile allgemein anerkannt.128 Sie erfordert ein Tätigwerden aller drei betroffenen Parteien entweder im Rahmen eines dreiseitigen Übernahmevertrags oder analog zu § 415 Abs. 1 S. 1 BGB einen Vertrag zwischen Ausscheidendem und Übernehmendem, den der Dritte genehmigt.129 Ebenso wie Abtretung und Schuldübernahme ist die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme eine Verfügung, welche gleichwohl oft mit der sie tragenden causa zusammenfällt.130 Da die gesellschaftsvertragliche Aufteilung der Mandanten – mangels Beteiligung Letzterer am Gesellschaftsvertrag – bereits per se kein dreiseitiger Vertrag 123 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 7; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697, 709; H. P. Westermann, AnwBl 2007, 103, 107. 124 Hierzu näher auf S. 276 ff. 125 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 409 f. 126 Für rechtliche Auswirkungen gesellschaftsvertraglicher Regelungen auf den Mandatsvertrag wohl Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 166; a.A. hingegen Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 11: gesellschaftsvertragliche Absprachen seien lediglich interne Absichtserklärungen ohne Außenwirkung, solange der Mandant nicht zustimme. 127 §§ 566 Abs. 1; § 613a Abs. 1; 1251 Abs. 2 S. 1 BGB; § 95 Abs. 1 VVG; §§ 20 Abs. 1 Nr. 1; 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. 128 BGH, Urt. v. 20. 06. 1985 – IX ZR 173/84, BGHZ 95, 88, 94 f. m.w.N. aus der Rspr. = NJW 1985, 2528; Palandt/Grüneberg, BGB, § 398 Rn. 41; Looschelders, SchuldR AT, § 53 Rn. 20; Medicus/Lorenz, SchuldR I, Rn. 845; Jauernig/Stürner, BGB, § 398 Rn. 32; ausführlich auch Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S. 130 ff. 129 Larenz, SchuldR AT, § 35 III Fn. 43; Medicus/Lorenz, SchuldR I, Rn. 845; Oechsler, VertraglSchV, § 3 IV Rn. 700. 130 Staudinger/Rieble, § 414 Rn. 139 f.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
zwischen Sozietät, Sozius und Mandant sein kann, bleibt daher nur die zweite Alternative der Zustimmung des Mandanten zur Übernahme des Mandatsvertrags durch den ausscheidenden Sozius.131 Das ist dogmatisch fundiert, entspricht i.S.e. ausdrücklichen Zustimmung zur gesellschaftsvertraglichen Regelung aber wohl kaum den Bedürfnissen der Praxis. Sollte eine vertragliche Regelung nämlich nicht getroffen sein, so sieht die Norm ohnehin eine Befragung der Mandanten nach ihren Wünschen vor. Wenn aber schon die primäre vertragliche Regelung zur Mandantenaufteilung deren Zustimmung bedarf, stellt sie gegenüber der nachrangig vorgesehenen Befragung des Mandanten keine spürbare Erleichterung mehr da. Eine vertragliche Regelung wäre dann nahezu obsolet. ee) Modifikation der gewillkürten Vertragsübernahme (1) Übernahme durch bisherigen Mandatsbearbeiter Ausgehend von der Prämisse, dass die Zustimmung zur Vertragsübernahme auch als vorherige Einwilligung erklärt werden kann,132 muss eine Lösung entwickelt werden, die die skizzierten Nachteile sowohl der gesetzlichen als auch der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme vermeidet. Im Grundsatz erscheint es zunächst naheliegend, anzunehmen, dass die gesellschaftsvertragliche Regelung eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme enthält. Als Partei des Mandatsvertrages kann der Mandant bei einer Veränderung seiner Vertragspartei nicht gänzlich unbeteiligt sein.133 Der Mandant muss dem Übergang seines Mandats auf den übernehmenden Sozius daher grundsätzlich zustimmen. Ist der übernehmende Sozius jedoch der Anwalt, der den entsprechenden Mandanten ohnehin bereits betreut hat, ist anzunehmen, dass der Mandant schon bei Vertragsschluss in eine solche rechtsgeschäftliche Sukzession konkludent eingewilligt hat. Hierfür spricht zum einen, dass die Auflösung einer Sozietät kein so unwahrscheinliches Ereignis ist, dass es bei Vertragsschluss nicht in Betracht gezogen werden kann. Zum anderen und ungleich wichtiger ist jedoch, dass das Verhältnis vom Mandanten zu seinem Rechtsanwalt typischerweise durch ein besonderes Vertrauen geprägt ist. In der Regel vertraut der Mandant daher seinem Anwalt und weniger der Sozietät an sich. Es entspricht daher regelmäßig den Interessen aller Beteiligten, wenn der Mandant bei einer Sozietätsauflösung seinen Mandatsbearbeiter als Anwalt behält. Im Abschluss des Mandatsvertrages wird daher konkludent die Zustimmung zur gesellschaftsvertraglich vereinbarten Mandatsaufteilung er131
Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 11. BGH, Urt. v. 18. 10. 1995 – VIII ZR 149/94, WM 1996, 128, 131 = BB 1996, 238; Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S. 137; Medicus/Lorenz, SchuldR I, Rn. 845; MüKoBGB/Roth/Kieninger, § 398 Rn. 186. 133 Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 22 Anm. 2 I.; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697, 710. 132
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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klärt. Sie steht allerdings unter der Bedingung, dass die Mitnahme des Mandats durch den jeweils aktuellen Mandatsbearbeiter erfolgt. Die Annahme einer im Voraus erklärten konkludenten Einwilligung entspricht daher letztlich den Interessen der Parteien und dem legislativen Hintergrund der Norm. Für die Sozietät und die Sozien einerseits ist die gesellschaftsvertragliche Regelung der Mandatsaufteilung wieder eine spürbare Vereinfachung gegenüber dem Befragungsmechanismus des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA. Vor dem Hintergrund, dass sogar Wettbewerbsbeschränkungen – die keinerlei Mitwirkung des Mandanten voraussetzen – als vorrangige vertragliche Regelungen i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 1 BORA anerkannt werden, erscheint die Annahme der vorweg erklärten Zustimmung zur Vertragsübernahme auch nicht allzu extensiv.134 Durch die Möglichkeit, die Verteilung der Mandate präventiv im Gesellschaftsvertrag zu regeln, werden zudem Konflikte unter den Sozien über die Art und Weise der Befragung und die Formulierung des Befragungstextes vermieden. Andererseits ist auch der Mandant in seiner Anwaltswahl hinreichend geschützt, denn ihm wird der Anwalt seines Vertrauens gewährt. Angesichts der Tatsache, dass § 32 BORA Ausdruck des Grundsatzes der freien Anwaltswahl ist, dürfen die Belange des Mandanten nicht in den Hintergrund treten. (2) Übernahme durch einen neuen Mandatsbearbeiter Soll der Mandant im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Mandatsverteilung hingegen einem neuen Sozius zugeteilt werden, so ist die Annahme einer konkludenten Einwilligung nicht möglich. Dementsprechend ist die Genehmigung des Mandanten zu ersuchen, um ihn vor einem unerwünschten Anwaltswechsel und den für ihn unter Umständen nachteiligen Folgen einer hypothetischen Kündigung nach §§ 627 Abs. 1, 628 S. 1 BGB zu bewahren. Hierbei ist zu beachten, dass das Schweigen auf dieses Ersuchen selbst wiederum keine konkludente Genehmigung darstellen kann.135 Allenfalls ist zu erwägen, ob sich der Mandant entgegen § 242 BGB treuwidrig verhalten würde, wenn er stillschweigend die Vornahme von gebührenpflichtigen Handlungen durch den Sozius duldet, um sich hinterher auf seine fehlende Zustimmung zu berufen. Für eine solche Verwirkung bedarf es jedoch einer eingehenden Betrachtung sowohl des Zeit- als auch des Umstandsmomentes im Einzelfall.136 134 Zu nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen als vorrangige Regelungen i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 1 BORA, S. 151 ff. 135 Rechtsgrundsatz des qui tacet, consentire non videtur, vgl. BGH, Urt. v. 04. 04. 1951 – II ZR 52/50, BGHZ 1, 353, 355 = NJW 1951, 711; Urt. v. 19. 09. 2002 – V ZB 37/02, BGHZ 152, 63, 68 = NJW 2002, 3629; Erman/Arnold, BGB, Vor § 116 Rn. 8; MüKoBGB/Busche, § 147 Rn. 6; Palandt/Ellenberger, BGB, Einf v § 116 Rn. 7 f.; Jauernig/Mansel, BGB, § 147 Rn. 2 f.; Staudinger/Singer, Vorbem zu §§ 116 ff. Rn. 60. 136 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 378.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
3. Die gemeinsame Mandantenbefragung nach § 32 Abs. 1 S. 1, 2 BORA a) Gewillkürte Vertragsübernahme bei gemeinsamer Befragung Besteht keine gesellschaftsvertragliche Regelung zur Aufteilung der Mandanten, so entspricht die von § 32 Abs. 1 S. 1 BORA vorgesehene Variante der gemeinsamen Befragung der Mandanten ihren Wünschen. Hierbei ist grundsätzlich jeder Mandant zu befragen. Selektiv nur einigen Mandanten eine Wahlmöglichkeit zu geben, ist hingegen nicht zulässig.137 Die Befragung selbst wird von der Gesellschaft, vertreten durch ihre Organe, durchgeführt und kann mangels gesetzlicher Formvorschrift grundsätzlich telefonisch, mündlich, schriftlich, per E-Mail oder auf einem anderen Kommunikationsweg durchgeführt werden.138 Besteht zwischen den Sozien Uneinigkeit über die Modalitäten der Befragung, ordnet § 32 Abs. 1 S. 2 BORA ein gemeinsames Rundschreiben zur Konfliktlösung an. Dogmatisch ist die Vertragsübernahme hier anders zu konstruieren als im Falle der gesellschaftsvertraglichen Mandatsaufteilung. In der Befragung der Mandanten liegt zivilrechtlich zugleich ein Angebot jedes Sozius an den Mandanten, seinen Beratungsvertrag zu übernehmen.139 Im Falle des § 32 Abs. 2 BORA macht hingegen nur der ausscheidende Gesellschafter dieses Angebot, während die Alternative der Verbleib des Mandanten bei der Sozietät ist. Da die Befragung sowohl bei § 32 Abs. 1 BORA als auch bei § 32 Abs. 2 BORA durch alle Sozien gemeinsam erfolgt, enthält die Anfrage gleichzeitig auch die Zustimmung der Sozietät zur Vertragsübernahme durch den vom Mandanten ausgewählten Sozius.140 Durch die Antwort des Mandanten und die damit verbundene Auswahl eines Anwalts nimmt er das Angebot des jeweiligen Sozius an. Aufgrund der zuvor erklärten Zustimmung der Gesellschaft kommt die Vertragsübernahme dann zustande. Dies geschieht nicht analog § 415 Abs. 1 S. 1 BGB, da es sich nicht um einen Vertrag zwischen übernehmender und ausscheidender Partei handelt.141 Vielmehr wird man diese Konstruktion als einen der seltenen Fälle eines dreiseitigen Vertrags zur Vertragsübernahme ansehen müssen. 137
Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 3. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 11; Henssler/ Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 4. 139 OLG Hamm, Urt. v. 22. 02. 2011 – 28 U 49/10, NJW 2011, 1606, 1607 = AnwBl 2011, 584; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 12; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 57; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 7; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 410; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 36 Rn. 17; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1197; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 286; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697, 709. 140 OLG Hamm, Urt. v. 22. 02. 2011 – 28 U 49/10, NJW 2011, 1606, 1607 = AnwBl 2011, 584; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697, 709; vgl. auch Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/ Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 12. 141 Für § 415 Abs. 1 S. 1 BGB analog wäre genau das jedoch Voraussetzung, vgl. BGH, Urt. v. 20. 06. 1985 – IX ZR 173/84, BGHZ 95, 88, 95 f. = NJW 1985, 2528; Urt. v. 11. 05. 2012 – V ZR 237/11, NJW 2012, 2354 Rn. 7 = ZIP 2012, 1549; Palandt/Grüneberg, BGB, § 398 Rn. 42. 138
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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b) Die Kündigung des Mandatsvertrags nach § 627 BGB als Alternativlösung Die berufsrechtliche Mandantenbefragung zivilrechtlich als Vertragsübernahme anzusehen, ist indes nicht ohne Kritik geblieben. So lehnt etwa Bunk zivilrechtliche Folgen der berufsrechtlichen Befragung ab.142 Sie verweist den Mandanten auf sein Kündigungsrecht aus § 627 BGB.143 Den oben genannten Bedenken, die einem solchen Kündigungsrecht gegenüberstehen,144 will Bunk in Extremfällen durch eine Analogie zu § 628 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB begegnen.145 Die Zahlung einer Teilvergütung durch den Mandanten wäre dann nicht erforderlich. Regelmäßig soll aber nicht einmal diese Analogie nötig sein. Da der Mandant sich während der Mandatslaufzeit die Vorteile des Gesamtmandats, insbesondere die Arbeitsteilung und die gesamtschuldnerische Haftung der Sozien, zunutze mache, sei es gerechtfertigt, ihm beim Ausscheiden des Mandatsbearbeiters bestimmte Nachteile, wie den kanzleiinternen Wechsel des Rechtsanwalts, zuzubilligen.146 c) Würdigung des Alternativvorschlags Dieser Einwand kann indes nicht vollkommen überzeugen. Die verschiedenen Vorteile des Gesamtmandats und des arbeitsteiligen Zusammenwirkens in einer Sozietät dienen nicht nur dem Mandanten als Auftraggeber, sondern auch der Sozietät als Auftragnehmerin. Das Gesamtmandat selbst ist bereits vorteilhaft für die Sozietät, da die Honorarforderung ihr selbst und damit letztlich allen Gesellschaftern zusteht und nicht nur dem einzelnen Rechtsanwalt.147 Regelmäßig will die Sozietät daher ebenso sehr wie der Mandant ein Gesamtmandat vereinbaren. Ist im Gesamtmandat nicht die Zuweisung an einen Rechtsanwalt vorgesehen, liegt es im Ermessen der Sozietät, welchem Berufsträger sie den Fall zuweist oder ob sie gar mehrere Berufsträger einsetzen will. Die Arbeitsteilung innerhalb der Kanzlei dient damit auch der Sozietät, die so in der Lage ist, die Arbeitsbelastung angemessen zu verteilen und ihrer eigenen Pflicht zur gewissenhaften Mandatsbearbeitung nachzukommen. Die Historie des Sozietätsrechts hat zudem gezeigt, dass die Zulässigkeit anwaltlicher Berufsausübungsgesellschaften maßgeblich durch die Rechtsanwalt142 Bunk, Vermögenszuordnung, Gemeinschaftspraxis, S. 90. 143 Bunk, Vermögenszuordnung, Gemeinschaftspraxis, S. 88. 144 S. 156. 145 Bunk, Vermögenszuordnung, Gemeinschaftspraxis, S. 89. 146 Bunk, Vermögenszuordnung, Gemeinschaftspraxis, S. 88 f. 147 S. 155.
Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und
Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
schaft selbst vorangetrieben wurde.148 Dies liegt nicht zuletzt an dem enormen wirtschaftlichen Potential, welches eine anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft bietet.149 Die Bildung einer Sozietät dient damit vor allem den Rechtsanwälten und nicht in erster Linie dem rechtssuchenden Publikum. Auch die Haftung der einzelnen Gesellschafter in der GbR, welche als maßgeblicher Vorteil hervorgehoben wird,150 rechtfertigt es nicht, dem Mandanten später Nachteile aufzubürden. Zum einen ist die Haftung der einzelnen Gesellschafter nur eine mittelbare Folge der Entscheidung der Sozietät zu einer bestimmten Gesellschaftsform, auf die der Mandant keinen Einfluss hat und die ihm daher auch nicht zum Nachteil gereichen darf. Zum anderen müsste § 32 BORA dann abhängig von der Rechtsform der Sozietät unterschiedlich ausgelegt werden. Denn in der PartG mbB stehen dem Mandanten regelmäßig weniger Haftungssubjekte zur Verfügung als in der GbR.151 Dementsprechend geringer ist der Vorteil, den sich der Mandant entgegenhalten lassen müsste. Noch deutlicher wird dieser Einwand, wenn man bedenkt, dass § 32 BORA über § 33 Abs. 1 BORA auch für die sonstigen Formen der gemeinschaftlichen Berufsausübung gilt. Da dem Mandanten in der Anwalts-GmbH bzw. der Anwalts-AG nur die Gesellschaft als Haftungssubjekt zur Verfügung steht, müsste man § 32 BORA dementsprechend großzügiger auslegen. Daran wird deutlich, dass eine einzelfallabhängige Auslegung der allgemein gehaltenen Berufspflicht aus § 32 BORA, abhängig von der zivilrechtlichen Gesellschaftsform der gemeinschaftlichen Berufsausübung, nicht ratsam ist. Eine solches Verständnis der sozietätsinternen Arbeitsteilung überzeugt allein schon deshalb nicht, weil dies letztlich einen Nachteil für den Mandanten rechtfertigen soll, er aber die privatautonome Entscheidung der Rechtsanwälte, welche Rechtsform sie bevorzugen, nicht beeinflussen kann. Liegen das Gesamtmandat und dessen Vorteile nicht überwiegend im Interesse des Mandanten, sondern mindestens ebenso sehr im Interesse der Sozietät, ist es nicht überzeugend, aus den Vorteilen des Gesamtmandats für den Mandanten zu schließen, dass dieser Nachteile zugunsten der Sozietät in Kauf nehmen müsse. Die nachteiligen Kostenfolgen einer Kündigung durch den Mandanten beschneiden zudem faktisch sein Recht auf freie Anwaltswahl.152 Muss der Mandant 148
Zur Historie des Sozietätsrechts, S. 45 ff. So erreichen Einzelanwälte im Durchschnitt einen persönlichen Umsatz von 146.000 EUR (Median 100.000 EUR), lokale Sozietäten immerhin einen Umsatz pro Berufsträger von 198.000 EUR (Median 160.000 EUR), überregionale Sozietäten einen Umsatz pro Berufsträger von 324.000 EUR (Median 202.000 EUR) und die 100 größten Kanzleien in Deutschland bewegen sich in einem Bereich zwischen 446.000 EUR und 776.000 EUR, Hartung, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 37, 42 f. 150 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 88. 151 S. 58. 152 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 410. 149
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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Gebühren doppelt zahlen, so wird er unter Umständen dazu gezwungen, bei der Sozietät zu bleiben, wenn er die doppelten Gebühren nicht aufbringen kann.153 Den Mandanten auf sein Kündigungsrecht zu verweisen und der Befragung der Mandanten die zivilrechtliche Wirkung der Vertragsübernahme vorzuenthalten, überzeugt daher nicht. 4. Die Befragung durch die einzelnen Sozien nach § 32 Abs. 1 S. 3 BORA Ist die gemeinsame Befragung nicht zustande gekommen, weil die Trennung etwa im Streit erfolgt und die Gesellschafter sich nicht einigen können, darf gemäß § 32 Abs. 1 S. 3 BORA jeder Sozius selbständig die Entscheidung des Mandanten einholen. Hierbei fehlt es an einem gemeinsamen Willensakt der Sozien, sodass für die Vertragsübernahme in jedem Fall die Zustimmung der Gesellschaft fehlt. Da § 32 Abs. 1 S. 1 BORA keine gesetzliche Vertragsübernahme anordnet,154 vermag § 32 Abs. 1 S. 3 BORA das Erfordernis eines Mitwirkungsakts der Gesellschaft nicht zu streichen oder zu ersetzen.155 Aus diesem Grund sieht die Rechtsprechung, insbesondere das OLG Hamm, jedenfalls in der späteren, nicht beanstandeten Vertretung des Mandanten durch den ausgewählten Sozius eine konkludente Genehmigung der Gesellschaft im Hinblick auf die Vertragsübernahme.156 Diese Konstruktion trägt indes nur Früchte, wenn die Gesellschaft sich trotz ihrer Kenntnis überhaupt nicht äußert. Weiß sie nichts von der Vertretung oder kennt sie diese und widerspricht, so wird man keine konkludente Genehmigung annehmen können. Unter Verweis auf diese Problematik lehnt Henssler zumindest bei § 32 Abs. 1 S. 3 BORA teilweise eine Vertragsübernahme ab und verweist auf die Kündigungsmöglichkeit des Mandanten nach § 627 Abs. 1 BGB.157 Weil sich aus § 32 Abs. 1 S. 3 BORA zumindest die Verpflichtung der Gesellschaft zur Zustimmung herleiten lasse, sei die Kündigung nach § 627 Abs. 1 BGB für den Mandanten auch nicht nachteilig, da durch § 628 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB die Pflicht zur Zahlung der Teilvergütung entfalle.158 Regelmäßig sei die Kündigung in diesen Fällen durch die Gesellschaft verursacht, die es versäumt habe, ihrer berufsrechtlichen Zustim153
Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 409 f. S. 156. 155 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 9; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 410. 156 OLG Hamm, Urt. v. 22. 02. 2011 – 28 U 49/10, NJW 2011, 1606, 1608 = AnwBl 2011, 584. 157 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 10; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 410. 158 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 9 f.; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 58; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 410. 154
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
mungspflicht aus § 32 Abs. 1 S. 3 BORA nachzukommen.159 Zudem hat der Mandant auch kein Interesse mehr an den bereits erbrachten Leistungen der Sozietät, da er jedenfalls auf Basis des § 15 RVG dem ihn nun vertretenden Anwalt dieselben Gebühren noch einmal bezahlen muss.160 Das gelte unabhängig davon, ob der erste Anwalt bereits wesentliche Tätigkeiten, wie die Klageerhebung zur Verjährungshemmung, vorgenommen habe, da selbst diese Handlungen ohne das Engagement des zweiten Anwalts ihren Nutzen verlören.161 Aufgrund von § 15 Abs. 4 RVG verbleibt dem ersten Anwalt sein Anspruch auf eine Teilvergütung nur dann, wenn er eine Gebühr einfordert, die nicht noch einmal anfallen wird.162 Im Ausgangspunkt ist die Kritik an der Entscheidung des OLG Hamm sicher nachvollziehbar, da Schweigen im Grundsatz keine Zustimmung darstellt.163 Wie jeder Grundsatz ist auch dieser allerdings nicht frei von Ausnahmen. So besteht Einigkeit, dass die Auslegung eines Schweigens zwar schwierig ist, da – im Vergleich mit ausdrücklichen Willenserklärungen – quantitative Anhaltspunkte für die Ermittlung des wahren Willens fehlen, aber diese Schwierigkeit alleine führt nicht dazu, dass eine Auslegung unmöglich ist.164 Kann der scheinbare Wille des Erklärenden, rechtsgeschäftlich tätig zu werden, aus mittelbaren Umständen entnommen werden, so bestimmt sich das Vorliegen einer Willenserklärung – bei Divergenz von Wille und Erklärung – aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers.165 Liegen aus dessen Sicht hinreichend Indizien vor, welche gemäß §§ 133, 157 BGB für eine Willenserklärung sprechen, dann kann auch dem Schweigen rechtlich positive Bedeutung zukommen.166 Sollten im Einzelfall daher Indizien vorliegen, welche für eine konkludente Genehmigung der Vertragsübernahme sprechen, erscheint es nicht fernliegend, eine solche auch anzunehmen. Namhaftes Indiz kann etwa, wie im Fall des OLG Hamm, 159 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 10; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 58; zust. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 12. 160 BGH, Urt. v. 07. 06. 1984 – III ZR 37/83, NJW 1985, 41 = BB 1984, 1973; Urt. v. 30. 03. 1995 – IX ZR 182/94, NJW 1995, 1954, 1955 = WM 1995, 1288; Urt. v. 08. 11. 2007 – IX ZR 5/ 06, BGHZ 174, 186 Rn. 24 = NJW 2008, 1307; Urt. v. 23. 04. 2009 – IX ZR 167/07, NJW 2009, 3297 Rn. 35 = ZIP 2009, 1767; Urt. v. 29. 09. 2011 – IX ZR 170/10, NJW-RR 2012, 294 Rn. 13 = ZIP 2011, 2309; Ahrens, Berufsrecht, Rn. 1194; Dombek, in: FS Streck, S. 655, 666; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 10; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 410. 161 BGH, Urt. v. 29. 09. 2011 – IX ZR 170/10, NJW-RR 2012, 294 Rn. 14 = ZIP 2011, 2309. 162 MüKoBGB/Henssler, § 628 Rn. 41. 163 S. bereits oben S. 160. 164 MüKoBGB/Armbrüster, § 119 Rn. 65; Canaris, in: FS Wilburg, S. 77, 78. 165 BGH, Urt. v. 26. 01. 2005 – VIII ZR 66/04, NJW-RR 2005, 639, 640 = NZM 2005, 356; vgl. auch Staudinger/Singer, Vorbem zu §§ 116 ff., Rn. 60. 166 BGH, Urt. v. 19. 09. 2002 – V ZB 37/02, BGHZ 152, 63, 68 = NJW 2002, 3629; MüKoBGB/Armbrüster, § 119 Rn. 65; Canaris, in: FS Wilburg, S. 77, 80 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 04. 04. 1951 – II ZR 52/50, BGHZ 1, 353, 355 = NJW 1951, 711; Urt. v. 06. 06. 2000 – XI ZR 258/99, BGHZ 144, 349, 355 = NJW 2000, 2667.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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die widerspruchslose Kenntnis von der Alleinvertretung des Mandanten durch den ehemaligen Sozius sein. Aber auch jedes andere Verhalten, welches für den Mandanten und seinen neuen Anwalt den Schluss zulässt, die Sozietät dulde das neue Vertretungsverhältnis, rechtfertigt im Einzelfall die Annahme einer Vertragsübernahme. Schließlich spricht auch die von Henssler angenommene Verpflichtung der Sozietät zur Zustimmung aus § 32 Abs. 1 S. 3 BORA gerade für und nicht gegen eine konkludente Zustimmung zur Vertragsübernahme. Die Auslegung eines Verhaltens als eine bestimmte, konkludente Willenserklärung liegt nämlich auch deshalb oft nahe, weil grundsätzlich der Erfahrungssatz gilt, dass sich die am Rechtsverkehr Beteiligten folgerichtig verhalten und im Rahmen des rechtlich sowie wirtschaftlich Möglichen bleiben wollen.167 Immerhin verweist § 157 BGB auch gerade darauf, dass sich die Auslegung an Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu orientieren habe, was jedenfalls für redliches, wenn nicht sogar gesetzeskonformes Verhalten spricht.168 Die Zustimmungspflicht der Sozietät spricht dann bei deren widerspruchsloser Kenntnis von der Neuvertretung des Mandanten prima facie dafür, dass sie diese genehmigt. Dies erscheint auch deshalb plausibel, weil es sich hier um die Berufsordnung für Rechtsanwälte handelt und deren Regelungen und mithin auch das Zustimmungserfordernis des § 32 Abs. 1 S. 3 BORA den Sozien einer Rechtsanwaltsgesellschaft geläufig sein sollten. Fehlen hingegen Anhaltspunkte, welche eine Auslegung des Schweigens als Zustimmung möglich machen, oder hat die Sozietät – entgegen ihrer Zustimmungspflicht – der Vertragsübernahme sogar widersprochen, so kann immer noch auf die von Henssler vorgeschlagene Lösung zurückgegriffen werden.169 Die für die Praxis einfachere Variante der Vertragsübernahme ist aber aus Praktikabilitätsgründen vorzugswürdig. 5. Entbehrlichkeit der Mandantenbefragung Es soll hierbei nicht unerwähnt bleiben, dass das Schrifttum verschiedene Fallgruppen entwickelt hat, in denen eine Mandantenbefragung gänzlich entbehrlich sein soll, sodass das Mandat ohne die Erforschung der Wünsche des Mandanten übertragen oder weitergeführt werden könne. a) Fallgruppen der Entbehrlichkeit in der Literatur So könne die Befragung der Mandanten unterbleiben, wenn das Mandat durch die Liquidationsgesellschaft weiterbetreut werde, und zwar selbst dann, wenn ein
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Eingehend Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, S. 343 ff. Wolf/Neuner, BGB AT, § 31 Rn. 7. So offenbar auch Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 410.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
Wechsel des betreuenden Rechtsanwalts stattfinde.170 Da der Mandant sich die (haftungsrechtlichen) Vorteile der Mandatierung der gesamten Gesellschaft zu Nutze mache, müsse er auch die Nachteile eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens hinnehmen.171 Etwas anderes gelte für den Wechsel des Mandatsbearbeiters aber, wenn das Verhältnis von Anwalt und Mandant von besonders großem Vertrauen geprägt sei, da dieses dann die Zustimmung des Mandanten zum Bearbeiterwechsel erforderlich machen könne.172 Der Grundsatz der freien Anwaltswahl spreche auch hier wieder dafür, dass der Mandant bei einer solchen Entscheidung grundsätzlich nicht übergangen werden dürfe.173 Eine Befragung sei grundsätzlich dann nicht nötig, wenn zuvor eine erste Befragung kein eindeutiges Ergebnis ermitteln konnte.174 In diesen Fällen betreue die Liquidationsgesellschaft das Mandat auch weiterhin.175 Eine Weiterbetreuung geschieht immer dann, wenn die Befragung ergebnislos verläuft, weil der Mandant nicht antwortet, das Anschreiben als unzustellbar zurückkommt, der Fragebogen unausgefüllt zurückgeschickt wird, der Mandant die Fortführung durch mehrere oder sämtliche Sozien fordert oder die Antwort anderweitig unklar ist.176 Auch der Wechsel des Rechtskleides durch die Sozietät sei keine Auflösung im Sinne von § 32 Abs. 1 S. 1 BORA, da die Mandatsbeziehung mit demselben Unternehmen fortgeführt werde, sodass auch hier eine Befragung unterbleiben könne.177
170 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 12 f.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 409; Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697, 709. 171 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 12 f. 172 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 14. 173 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 14; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1197. 174 Vgl. Weyland/Brüggemann, BRAO, § 32 BORA Rn. 3; BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 38 f. 175 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 13; Weyland/ Brüggemann, BRAO, § 32 BORA Rn. 3; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 148; BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 38 f. 176 BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 38 f.; zust. Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 148; a.A. Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 29 Rn. 20 für den Fall, dass eine Antwort des Mandanten unterbleibt. Hierdurch erkläre der Msndant, dass ihm gleichgültig sei, wer das Mandant fortführe, sodass die Sozien sich frei darüber verständigen dürften. 177 BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 21; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 32 BORA Rn. 18.
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b) Evaluierung der verschiedenen Fallgruppen aa) Umwandlung In der Tat kann eine Mandantenbefragung unterbleiben, wenn es sich schon begrifflich nicht um eine Auflösung, sondern um eine Umwandlung handelt. Zwar bleibt sowohl bei der identitätswahrenden Umwandlung der Gesellschaft durch Auflösung wie auch bei der Umwandlung nach dem UmwG der Rechtsträger identisch, gleichwohl ist die Sozietät nach einem Wechsel der Rechtsform i.S.d. §§ 190 ff. UmwG weiterhin auf ihren Fortbestand ausgerichtet.178 Die Norm des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA, welche von „Auflösung“ spricht, ist daher weder ihrem Wortlaut noch ihrem Sinn und Zweck nach auf Fälle der Umwandlung anwendbar.179 bb) Ergebnislose Befragung Auch für den Fall, dass eine erste Befragung ergebnislos verlief, ist eine weitere Befragung regelmäßig nicht mehr erforderlich. Die Sozien haben ihre Berufspflicht aus § 32 Abs. 1 S. 1 BORA dann oftmals bereits erfüllt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Mandant für den Misserfolg der Befragung verantwortlich war, indem er nicht geantwortet hat, seine neue Adresse nicht angegeben hat oder der Fragebogen nicht ausgefüllt wurde. Liegt der Fehler hingegen in der Sphäre der Sozien, müssen sie die Befragung wiederholen; so etwa, wenn das Schreiben für juristische Laien missverständlich oder unklar formuliert wurde und der Mandant nur deshalb den Fragebogen unausgefüllt zurückschickt oder die Betreuung durch mehrere oder alle Sozien fordert. Ein missverständliches Rundschreiben ist nicht geeignet, die Berufspflicht aus § 32 Abs. 1 S. 1 BORA zu erfüllen. Die Sozien bleiben damit so lange zur Mandantenbefragung verpflichtet, bis sie ihrerseits das Erforderliche hierzu getan haben. Das umfasst auch, eine erneute Befragung zu initiieren, wenn deutlich wird, dass die Mandantenbefragung aufgrund des Verhaltens Dritter gescheitert ist. Geht das Rundschreiben etwa in der Post verloren und haben die Sozien einen begründeten Verdacht, dass der Mandant das Schreiben nicht erhalten hat, müssen sie einen erneuten Befragungsversuch unternehmen. Gerechtfertigt wird dies durch das Telos des § 32 Abs. 1 BORA. Um die freie Anwaltswahl der Mandanten zu gewährleisten, müssen die Sozien insoweit das Risiko des Scheiterns eines Befragungsversuchs tragen.
178 179
BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 21. Ebenso BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 21.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
cc) Auflösung und Weiterbetreuung durch die Liquidationsgesellschaft (1) Weiterbetreuung ohne Wechsel des Mandatsbearbeiters Wird die Sozietät aufgelöst und betreut der bisherige Mandatsbearbeiter das Mandat auch in der Liquidation für die Liquidationsgesellschaft weiter, so ist eine Mandantenbefragung in der Tat ebenfalls entbehrlich. Dogmatisch lässt sich dieses Ergebnis über eine teleologische Reduktion des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA erreichen. Eine solche Reduktion kommt immer dann in Betracht, wenn der Wortlaut einer Norm weiter reicht, als ihr Telos es gebietet, und dadurch Fälle erfasst werden, die nicht in den Anwendungsbereich der Norm fallen sollten.180 Mittels einer teleologischen Reduktion kann der Anwendungsbereich der Norm dann auf ihren Sinn und Zweck zurückgeführt werden. Der Wortlaut des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA erfasst zwar jeden Fall der Auflösung, allerdings dient die Befragung teleologisch dem Recht des Mandanten auf freie Anwaltswahl und muss daher nicht durchgeführt werden, wenn sich der Mandatsbearbeiter nicht verändert.181 (2) Weiterbetreuung unter Wechsel des Mandatsbearbeiters (a) Keine Notwendigkeit einer Verzichtserklärung durch den Mandanten Dass selbiges auch gelten soll, wenn die Liquidatoren einen Wechsel des Mandatsbearbeiters beschließen, ist demgegenüber weniger überzeugend.182 Begründet wird dieses Ergebnis mit der Hypothese, dass sich der Mandant die sozietätstypische Arbeitsteilung und die vorteilhafte Haftungssituation der Sozietät zunutze mache.183 Ursprung dieses Arguments ist die Frage, mit wem der Mandant typischerweise den Anwaltsvertrag schließen will, da er die Wahl zwischen Gesamt- und Einzelmandat hat.184 Dass die Interessen des Mandanten bei Vertragsschluss regelmäßig auf die Erteilung eines Gesamtmandats gerichtet sind, weil dieses für ihn vorteilhaft ist, erlaubt aber noch nicht den Rückschluss, dass er auch nach der Auflösung der Sozietät auf die Befragung aus § 32 Abs. 1 S. 1 BORA verzichtet.185 Einem solchen Einwand wird entgegengehalten, dass § 32 Abs. 1 S. 1 BORA seinem Wortlaut nach nur eine „andere vertragliche Regelung“ voraussetzt, die eine gesellschaftsvertragliche Regelung, aber gerade keinen individualvertraglichen
180
Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 f. Im Erg. ebenso Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 12. 182 S. 167. 183 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 13. 184 BGH, Urt. v. 03. 05. 2007 – IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169, Rn. 17 = NJW 2007, 2490; Hirtz, AnwBl 2008, 82; s. auch oben S. 155. 185 A.A. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 88; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 13. 181
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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Verzicht des Mandanten meint.186 Dem ist durchaus zuzugeben, dass eine Abweichung von dem in § 32 Abs. 1 S. 1 BORA vorgesehenen Befragungsmechanismus keine Zustimmung des Mandanten in der Form eines vertraglichen Verzichts voraussetzt. Ein solcher ist einerseits schon vom Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Mandantenbefragung in § 32 Abs. 1 S. 1 BORA nicht erfasst. Andererseits würde sie auch der innerbetrieblichen Organisationshoheit der Sozietät im Hinblick auf die Mandatsbearbeitung widersprechen.187 Ein Wechsel des Mandatsbearbeiters in der Liquidationsgesellschaft erfordert daher keine vertragliche Zustimmung des Mandanten, respektive seinen Verzicht auf die Befragung aus § 32 Abs. 1 S. 1 BORA. (b) Keine Entbehrlichkeit bei entgegenstehenden Mandanteninteressen Dass § 32 Abs. 1 S. 1 BORA keinen individualvertraglichen Verzicht des Mandanten auf die Befragung erfordert, bedeutet indes nicht, dass dessen Interessen vernachlässigbar sind. Wird in der Liquidation der Wechsel des Mandatsbearbeiters beschlossen, so geschieht dies regelmäßig nicht im Rahmen einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, sondern im Zuge der alltäglichen Geschäftsführung. Nur eine gesellschaftsvertragliche Regelung vermag in Anbetracht des Wortlauts von § 32 Abs. 1 S. 1 BORA den Befragungsmechanismus abzubedingen. Will man über diese gesetzliche Ausnahme vom Befragungsmechanismus hinaus die Mandantenbefragung abbedingen, so kann dies wiederum nur über eine teleologische Reduktion des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA erreicht werden.188 Die Ansicht, die eine teleologische Reduktion des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA dergestalt vornimmt, dass eine Mandantenbefragung nicht nötig sein soll, stellt auch hier wieder darauf ab, dass der Mandant sich die Arbeitsteilung der Gesellschafter und die Haftungsvorteile der Sozietät zu Nutze mache und daher als „Kehrseite“ den Wechsel des Mandatsbearbeiters hinnehmen müsse.189 Der Grundsatz der freien Anwaltswahl steht demnach scheinbar unter dem Einwand der Vorteile, die das Gesamtmandat dem Mandanten bietet. Die Durchschlagskraft dieser Argumente, welche der Prämisse unterliegen, dass Arbeitsteilung und Haftungsverfassung vor allem dem Mandanten dienen würden, wurde bereits einer kritischen Würdigung unterzogen.190 Im Ergebnis vermögen sie kaum zu überzeugen, da sie ebenso sehr der Sozietät wie dem Mandanten selbst dienen und jedenfalls die Haftungsverfassung an die Rechtsformwahl gebunden ist, welche ausschließlich in der Sphäre der Sozietät 186 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 86 f.; allgemein zur Natur der vertraglichen Regelung in § 32 Abs. 1 S. 1 BORA oben S. 150. 187 Insoweit zutreffend Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 89 f. 188 Zu den Voraussetzungen s. o. S. 170. 189 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 13; offenbar auch Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 13. 190 S. 163.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
selbst liegt. Davon ausgehend darauf zu schließen, dass der Mandant entgegen dem Wortlaut und dem eigentlichen Telos des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA191 Nachteile wie einen Wechsel des Mandatsbearbeiters hinnehmen müsse, vernachlässigt die Mandanteninteressen zugunsten derjenigen der Sozietät. Darüber hinaus erfüllt dieser Verweis auf etwaige Vorteile des Mandanten, die im Nachhinein Nachteile rechtfertigen würden, schon nicht die inhaltlichen Anforderungen, die eine teleologische Reduktion an den Rechtsanwender stellt. Der Wortlaut geht in dieser Fallkonstellation nicht über das Telos des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA hinaus. Um das Recht des Mandanten auf freie Anwaltswahl zu schützen, soll im Fall der Auflösung eine Mandantenbefragung stattfinden. Da sich die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Wechsels des Mandatsbearbeiters in der Liquidation im Stadium der Auflösung befindet, sind die Voraussetzungen der Norm erfüllt. Durch den Wechsel des Bearbeiters ist auch das Recht des Mandanten auf freie Anwaltswahl betroffen, sodass Wortlaut und Telos des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA hier eine Befragung des Mandanten erfordern. Das mag misslich und umständlich erscheinen, es ist aber nicht die Aufgabe des Rechtsanwenders, diesen Umstand zu umgehen. Er kann es auch nicht, da ihm hierzu nur die teleologische Reduktion zur Verfügung steht, deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Es bleibt damit die Aufgabe der Satzungsversammlung der BRAK, § 32 Abs. 1 S. 1 BORA derart umzugestalten, dass er seinen eigentlichen Zweck, die Beendigung der beruflichen Zusammenarbeit im Hinblick auf die Mandanteninteressen angemessen zu regeln, zu erfüllen vermag. 6. Sanktionierung von Verstößen gegen § 32 BORA Missachtet ein Sozius den Befragungsmechanismus des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA (ggf. i.V.m. § 32 Abs. 2 S. 1 BORA), so stellt sich die Frage, ob und inwieweit diese Missachtung durch die übrigen Sozien sanktionierbar ist. Da die Mandate der Sozietät einen nicht unerheblichen Vermögenswert darstellen, lässt sich erwägen, ob der einseitige Entzug dieser Vermögenswerte eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung darstellen kann. Daneben ist der Rechtsnatur der berufsrechtlichen Ordnungsvorschrift des § 32 BORA inhärent, dass Verstöße mit den Mitteln der Berufsaufsicht geahndet werden können. a) Sanktionsfähigkeit de lege lata aa) Zivilrechtliche Schwierigkeiten Direkte zivilrechtliche Auswirkungen kann die Vorschrift als untergesetzliches Recht nicht haben.192 Ein Verstoß zieht auch keine zivilrechtlichen Ansprüche der 191 192
Zu Wortlaut und Telos des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA, S. 148 f. S. 156.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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ehemaligen Gesellschafter untereinander nach sich.193 Setzt sich der Sozius über das Erfordernis der gemeinsamen Mandantenbefragung hinweg und geht gleich zu einer alleinigen Befragung der Mandanten über, so fehlt jedenfalls die Zustimmung der Sozietät zur gewillkürten Vertragsübernahme, sofern der Mandant der Betreuung durch den anfragenden Sozius zustimmt.194 Damit ist aber selbstverständlich nicht ausgeschlossen, die Erklärung des Mandanten hinsichtlich der Weiterbetreuung als Kündigungserklärung nach § 627 Abs. 1 BGB gegenüber der Sozietät auszulegen, sofern die übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Kündigung erfüllt sind.195 Auch im Übrigen ist der Sozius zivilrechtlich nicht völlig schutzlos. Zwar zieht der Verstoß gegen § 32 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BORA keine zivilrechtlichen Ansprüche nach sich, allerdings können Streitigkeiten zivilrechtlich auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages ausgetragen werden. Verweigert ein Sozius beharrlich die Verwirklichung seiner Mitwirkungspflichten und befragt Mandanten vorschnell einzeln, kommt bereits ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Die Pflichten des § 32 Abs. 1 BORA sind zwar originär gesetzlicher Natur, da den Sozien die Geltung des anwaltlichen Berufsrechts bei der Gründung der Sozietät jedoch bewusst ist, spricht nichts dagegen, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157, 242 BGB anzunehmen, dass die Verpflichtung der einzelnen Sozien, sich an das Berufsrecht zu halten, stillschweigend Teil des Gesellschaftsvertrags geworden ist. Immerhin ist jeder Sozius nach § 33 Abs. 2 BORA sogar verpflichtet, die Einhaltung des Berufsrechts durch die Berufsausübungsgesellschaft zu überwachen. Dann wird man erst recht annehmen müssen, dass er sich auch selbst an das Berufsrecht halten muss und diese Verpflichtung Teil des Gesellschaftsvertrags der Berufsausübungsgesellschaft geworden ist. Die Verletzung der Pflichten aus § 32 Abs. 1 BORA hat der Sozius dann auch zu vertreten. Im Rahmen der §§ 249 ff. BGB kann der geschädigte Sozius daraufhin entweder seinen Vermögensschaden liquidieren, soweit ihm ein solcher messbar durch die Abwerbung von Mandanten entstanden ist, oder er verlangt nach § 249 Abs. 1 BGB im Wege der Naturalrestitution die Erklärung des anderen Sozius gegenüber den Mandanten, dass die von ihm durchgeführte Befragung unrechtmäßig war.196 Daneben kann dasselbe Ergebnis über eine Anwendung des § 826 BGB erzielt werden, da jedenfalls die wiederholte Verweigerung der Verwirklichung der Mitwirkungspflichten in der Absicht, die Mandantenbefragung selbst durchzuführen, um möglichst schnell und einfach möglichst viele Mandanten an sich zu binden und 193
Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697, 710; Scharmer, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 57 Rn. 88. 194 Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697, 710. 195 In ähnlichem Zusammenhang Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 10. 196 Insofern bietet sich eine Parallele zu den Fällen der Erklärung eines Widerrufs bei schädigenden Tatsachenbehauptungen an, zu diesen MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 355.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
die ehemaligen Mitgesellschafter zu schädigen und zu übervorteilen, eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB darstellt. Dennoch ist beides praktisch wohl kein wirkungsvoller Schutz. Die Feststellung eines Vermögensschadens und damit verbunden der Nachweis, dass der Mandant den Anspruchsteller statt den Anspruchsgegner mandatiert hätte, wird in der Regel wohl selten gelingen. Die Erklärung des Anspruchsgegners gegenüber den Mandanten, seine Vorgehensweise sei unrechtmäßig gewesen, mag im Einzelfall Mandanten zur Kündigung des Mandatsvertrags veranlassen. Praktisch wird den Mandanten allerdings eine gewisse „Trägheit“ oder „Gedankenlosigkeit“ bescheinigt, wenn es darum geht, auf Veränderungen der Umstände zu reagieren.197 Wahrscheinlicher ist daher, dass diese Erklärung den bereits eingetretenen Übergang von Mandanten nicht mehr gänzlich rückgängig machen kann. bb) Die prozessuale Durchsetzung der Mitwirkungspflichten Auch prozessual stößt man bei der Durchsetzung der Mitwirkungspflichten auf Schwierigkeiten. Eine Klage gegen die Mitgesellschafter, um die Mitwirkungspflichten aus § 32 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BORA durchzusetzen, ist in der Regel zu langwierig, um während der Liquidation der Gesellschaft oder während des Ausscheidens eines einzelnen Gesellschafters noch erfolgversprechend zu sein.198 Auch der Rechtsbehelf der einstweiligen Verfügung hilft dem einzelnen Gesellschafter nicht, da eine Anordnung der Mitwirkungspflicht den Entscheidungsgegenstand der Hauptsache notwendig vorwegnehmen würde.199 Zwar sind Ausnahmen hiervon unter dem Begriff der „Leistungsverfügung“ anerkannt, sie beschränken sich jedoch auf die Herausgabe einer Sache nach verbotener Eigenmacht, die Unterlassung einer Rechtsverletzung, die Zahlung von Schadensersatz oder eine andere lebenswichtige Leistung in akuter Not.200 Insbesondere letzteres macht die erforderliche Intensität deutlich, die notwendig ist, um eine Ausnahme von dem Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache machen zu können. Diese fehlt jedoch eindeutig, soweit es lediglich darum geht, dass einer der Gesellschafter sich der Mitwirkung an der Mandantenbefragung verweigert. Sowohl zivilrechtlich als auch prozessual sind dem jeweiligen Gesellschafter bei Verstößen der Mitgesellschafter damit weitgehend die Hände gebunden. cc) Berufsrechtliche Sanktionen Damit bleiben nur berufsrechtliche Sanktionen bei Verstößen. Die Vorschrift des § 32 BORA ist grundsätzlich eine taugliche Grundlage für derlei Sanktionen, im197 198 199 200
Offermann-Burckart, AnwBl 2010, 743, 747. BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 23. BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 23. Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 1948.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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merhin sind die normierten Pflichten zwingend formuliert.201 Dass Verstöße praktisch allerdings nicht sanktionsfähig sind, zeigt sich schon daran, dass es so gut wie keine auf § 32 BORA gestützten Gerichtsurteile gibt.202 Einzige Möglichkeit des betroffenen Sozius ist es, die Rechtanwaltskammer anzurufen, die gemäß § 74 Abs. 1 S. 1 BRAO eine Rüge aussprechen oder als ultima ratio ein anwaltsgerichtliches Verfahren nach den §§ 113 ff. BRAO einleiten könnte.203 Insbesondere letzteres ist – nach Erfahrungsberichten in der Praxis – zum einen unwahrscheinlich und zum anderen ist beides wenig abschreckend, weil die Rechtsanwaltskammer in jedem Fall nicht in der Lage ist, ein aktives Tun des unwilligen Berufsträgers zu erzwingen.204 Eine Norm, welche bei Nichtbefolgung der statuierten Pflichten keine Möglichkeit zur Durchsetzung bietet, ist praktisch kaum von Nutzen. Dementsprechend oft wird sich in der Praxis über die in § 32 BORA normierten Pflichten hinweggesetzt.205 Eine andere Interpretation der Vorschrift bietet Römermann an. Er versteht die Vorschrift dahingehend, dass die Möglichkeit der selbständigen Befragung durch jeden Partner die Sanktion für die nicht gelungene Einigung der Sozien untereinander ist.206 Auch diese Auslegung überzeugt nicht vollends, denn was hier als Sanktion verstanden wird, ist in Wahrheit das gewünschte Ziel und gleichzeitig der Verstoß. Tatsächlich wird ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 BORA regelmäßig in der vorweggenommenen selbständigen Befragung und damit auch Beeinflussung einzelner Mandanten liegen, bevor alle Möglichkeiten zur gemeinsamen Mandantenbefragung ausgelotet und erörtert wurden. Das ergibt sich schon daraus, dass die in Rede stehenden Pflichten in S. 1 und S. 2 jeweils auf eine gemeinsame Mandantenbefragung abzielen. Der Verstoß kann daher nur die Umgehung dieser Vorschriften und daher die vorzeitige selbständige Mandantenbefragung sein. Dann kann die selbständige Mandantenbefragung aus S. 3 jedoch keine Sanktion sein, da der Verstoß damit nur den übrigen Anwälten das Recht geben würde, ebenfalls eine Einzelbefragung durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt hat sich derjenige, welcher zuerst die Befragung vorgenommen hat, jedoch schon einen unumkehrbaren Vorteil verschafft, indem er den ersten Mandantenkontakt hatte. Selbst wenn § 32 Abs. 1 S. 3 BORA nach der Vorstellung des Satzungsgebers eine Sanktion sein sollte, so ist sie in ihrer Ausgestaltung daher doch verfehlt. 201 In § 32 Abs. 1 S. 1 BORA haben die Sozien jeden Mandanten zu befragen und bei Uneinigkeit über die Art der Befragung hat sie in einem gemeinsamen Rundschreiben zu erfolgen; darauf hinweisend auch Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 1; ebenso Scharmer, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 57 Rn. 88. 202 So jedenfalls auch das Fazit in Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 1. 203 Vgl. Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697, 710. 204 Offermann-Burckart, AnwBl 2013, 697, 710. 205 Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 1; vgl. auch BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 9. 206 BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 25.
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dd) Zwischenergebnis zur Sanktionsfähigkeit de lege lata De lege lata ist daher zu konstatieren, dass § 32 BORA trotz der durchaus zu begrüßenden Intention, auf der die Vorschrift beruht, keine tiefergehende praktische Relevanz zukommt, da Verstöße schlicht nicht wirkungsvoll zu sanktionieren sind und die prozessuale Durchsetzung der statuierten Pflichten kaum möglich ist. Insoweit kann die Norm aktuell nicht als sonderlich geglückt bezeichnet werden. Der eigentliche, gut gemeinte Zweck207 der Vorschrift wird durch die mangelnde Sanktionsfähigkeit von Verstößen ad absurdum geführt. b) Sanktionsfähigkeit de lege ferenda aa) Systematisierung der dogmatischen Problematiken Trennungen von Rechtsanwaltssozietäten laufen selten friedlich ab, sie bringen im Gegenteil regelmäßig erhebliche Konflikte mit sich.208 Eine Regelung im Sinne der Vermeidung solcher Konflikte ist daher ohne Einwände wünschenswert.209 Wie aufgezeigt weist § 32 BORA allerdings dogmatische Schwächen auf, da er trotz der beabsichtigten Regelung der Rechtskreise von Mandant, Sozietät und einzelnem Anwalt jedenfalls die zivilrechtlichen Verhältnisse gegenüber dem Mandanten als untergesetzliches Recht nicht regeln kann.210 Henssler spricht insofern völlig zurecht von einer „intransparenten Vermengung der verschiedenen Rechtskreise“ und beurteilt die Vorschrift ebenfalls als dogmatisch „wenig geglückt“.211 Hinzu kommt die jedenfalls faktische Unmöglichkeit, die normierten Pflichten durchzusetzen.212 Auch systematisch ist die Vorschrift durch die Einfügung von S. 4 und S. 5 in Abs. 1 unübersichtlich und systematisch misslungen.213 Dass das Regelungsanliegen des § 32 BORA gleichzeitig theoretisch wichtig, aber praktisch suboptimal umgesetzt ist, zeigt auch die wechselhafte Entstehungsgeschichte der Norm, die geprägt ist von Überarbeitungen und Erweiterungen.214
207
Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 1; Kleine-Cosack, AnwBl 2005, 95, 96. Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 1; BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 9. 209 A.A. Römermann, AnwBl 2009, 681, 684. 210 Hierzu S. 156. 211 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 2. 212 Hierzu S. 172. 213 OLG Koblenz, Urt. v. 14. 03. 2000 – 1 U 70/00, MDR 2000, 1401; Gaier/Wolf/Göcken/ Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 20; Feuerich/Weyland/Brüggemann, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 32 BORA Rn. 1; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 26; BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 13; Römermann, AnwBl 2009, 681, 683; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 32 BORA Rn. 34, 43. 214 Einen Überblick hierzu bietet Henssler in Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 1. 208
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bb) Erwägungen zur systematischen Einordnung der Vorschrift (1) Systematisierung der Vorschrift selbst Dem Problem der mangelhaften Systematisierung lässt sich noch am einfachsten begegnen, indem § 32 Abs. 1 S. 4 und S. 5 BORA herausgelöst und entweder zu einem neuen § 32 Abs. 4 BORA oder einer gänzlich neuen Norm werden.215 Nach dem Vorbild des § 32 Abs. 3 BORA kann hierbei, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, ausdrücklich auf die Absätze 1 bis 3 verwiesen werden. (2) Einordnung in den Regelungskomplex von BRAO und BORA Im Hinblick auf die Gesamteinordnung der Vorschrift wäre es wünschenswert, diese insgesamt aus der BORA herauszulösen und in die BRAO einzufügen. Diese befasst sich im dritten Teil im ersten Abschnitt in § 59a BRAO und im zweiten Abschnitt in den §§ 59c-59m BRAO mit dem anwaltlichen Gesellschaftsrecht. § 59a BRAO regelt allgemein die berufliche Zusammenarbeit, während die §§ 59c ff. BRAO die gemeinschaftliche Berufsausübung in der Rechtsform der GmbH regeln. Daran anschließend könnte die Norm als § 59n BRAO eingefügt werden.216 Im Rahmen der BORA sorgt § 33 Abs. 1 BORA unmissverständlich dafür, dass § 32 BORA, unabhängig vom Streit über den Sozietätsbegriff,217 auch für die Partnerschaft, die Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die Rechtsanwalts-AG und ausländische Gesellschaftsformen gilt.218 Der Einordnung des § 59n BRAO in einem neuen dritten Abschnitt würde hingegen deutlich machen, dass § 59n BRAO einerseits für die berufliche Zusammenarbeit i.S.v. § 59a BRAO gilt, welche nach der Streichung des Wortes „Sozietät“219 grundsätzlich für alle Organisationsformen Anwendung findet220, andererseits aber auch die speziell geregelte Organisationsform der Rechtsanwaltsgesellschaft nach den §§ 59c-59m BRAO nicht außen vor bleibt. Um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen, sollte im Zuge dessen der Terminus „Sozietät“ in § 32 BORA bzw. dann § 59n BRAO gestrichen und durch „Rechtsform zur gemeinschaftlichen Berufsausübung“ ersetzt werden. Diese Formulierung ist zwar zweifelsohne komplizierter, verbessert allerdings die Rechtssicherheit. Zudem würde diese Anlehnung an den Wortlaut des § 33 Abs. 1 BORA die umfassende 215
Für letzteres siehe den Vorschlag auf S. 378 f. Zu den Details dieses Reformvorschlags S. 377 ff. 217 Hierzu S. 52. 218 AGH NRW, Urt. v. 07. 06. 2002 – 2 ZU 2/02 AGH/NW, NJW-RR 2002, 1494, 1495; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 6; Weyland/Brüggemann, BRAO, § 32 BORA Rn. 1; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 5; Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 1. 219 Durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. 12. 2007, BGBl. 2007 I, 2840, 2848. 220 Vgl. auch S. 52. 216
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Geltung nochmals verdeutlichen. Zwecks Einheitlichkeit wäre der Terminus „Sozius“ durch „Gesellschafter“ zu ersetzen. Diese systematische Einordnung wäre auch deshalb wünschenswert, weil § 32 BORA Teil des anwaltlichen Gesellschaftsrechts ist, dessen Hauptmaterie bisher in den bereits erwähnten §§ 59a ff. BRAO geregelt ist. Die Neuverortung würde die Systematik des anwaltlichen Gesellschaftsrechts daher deutlich verbessern. cc) Gedanken zur Lösung der dogmatischen Probleme von § 32 BORA Die Normierung als § 59n BRAO verschafft der Regelung letztlich auch den Stellenwert, den sie verdient. Als untergesetzliches Recht ist § 32 BORA bisher weitgehend unbeachtet geblieben.221 Im Rahmen der BRAO würde der Norm die notwendige Legitimation zukommen, um die Beziehungen und Rechtskreise der beteiligten Akteure endgültig zu regeln. Auch in diesem Zusammenhang sollte es indes für die Mandatsmitnahme bei einer gewillkürten Vertragsübernahme bleiben.222 Damit bleibt im Grunde vor allem die Frage zu beantworten, ob sich die Durchsetzbarkeit der statuierten Pflichten de lege ferenda vereinfachen lässt. (1) Zivilgerichtliche Durchsetzbarkeit de lege ferenda Weder die Klage noch der einstweilige Rechtschutz ist de lege lata sonderlich erfolgversprechend.223 Denkbar wäre einerseits, in den § 59n BRAO einen weiteren Absatz aufzunehmen dergestalt, dass die Vorwegnahme der Hauptsache einer Leistungsverfügung nicht im Wege steht. Das wäre jedoch sowohl systematisch im Rahmen der BRAO befremdlich als auch im Hinblick auf die sonst erforderliche Intensität der Notlagen, welche zu einer Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache führen, zweifelhaft.224 (2) Berufsrechtliche Sanktionsfähigkeit de lege ferenda (a) Verschärfung bestehender Sanktionen Andererseits wäre es möglich, der Anwaltsgerichtsbarkeit weitere Kompetenzen zu verleihen, um die Durchsetzbarkeit beruflicher Pflichten und die Sanktionierung von Verstößen gegen solche Pflichten weiter zu fördern.
221
Rn. 9. 222 223 224
Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 1; vgl. auch BeckOK BORA/Römermann, § 32 Gegen eine gesetzliche Vertragsübernahme, s. o. S. 156. S. 174. Zu den angesprochenen Ausnahmen, Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 1949 ff.
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Eine anwaltsgerichtliche Kompetenz, die Berufsträger zu einem aktiven Tun und damit zur Erfüllung ihrer berufsrechtlichen Pflichten anzuhalten, kommt indes nicht in Betracht. Die Berufsgerichtsbarkeit ist, soweit es um anwaltsgerichtliche Maßnahmen geht, sanktionsrechtlich geprägt225 und anders als die Zivilgerichtsbarkeit kein Instrument zur Durchsetzung bestehender Rechte. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 114 Abs. 1 BRAO, da die enumerativ226 aufgelisteten anwaltsgerichtlichen Maßnahmen allesamt sanktionsrechtlicher Natur sind.227 Die einzige dogmatisch kohärente Möglichkeit besteht daher in einer Verschärfung der anwaltsgerichtlichen Maßnahmen in § 114 Abs. 1 BRAO. De lege ferenda sollte insbesondere § 114 Abs. 1 Nr. 3 BRAO angepasst werden, sodass sich die Höhe der Geldbuße nunmehr an den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Berufsträgers zu orientieren hat und nicht mehr auf 25.000 EUR begrenzt ist. Diese zumindest potenzielle Erhöhung lässt sich auch mit einem Quervergleich zu anderen, vergleichbaren freien Berufen stützen. Für Steuerberater sieht § 90 Abs. 1 Nr. 3 StBerG eine maximale Geldbuße von 50.000 EUR vor, während § 68 Abs. 1 Nr. 2 WPO für Wirtschaftsprüfer sogar eine Geldbuße in Höhe von maximal 500.000 EUR vorsieht. Der unterschiedlichen Einkommens- und Vermögensstruktur von Rechtsanwälten, man denke nur an den Berufsanfänger in einer Einzelkanzlei verglichen mit dem langjährigen Partner einer Großkanzlei, lässt sich durch einen, § 68 Abs. 1 Nr. 2 WPO vergleichbaren, Höchstsatz von 500.000 EUR am besten begegnen. Die konkrete Höhe der Sanktion kann das Gericht nach seinem Ermessen bestimmen. Es sollte sich dabei am Nettojahreseinkommen des jeweiligen Rechtsanwalts orientieren und die Art sowie die Schwere der Pflichtverletzung berücksichtigen. Damit würde dem Anwaltsgericht eine deutlich wirkungsvollere Maßnahme an die Hand gegeben, um ein Fehlverhalten zu sanktionieren. Gleichwohl kommt die Geldbuße nur bei schwereren Pflichtverletzungen in Betracht,.228 Beispielhaft zu nennen sind hier die Wahrnehmung widerstreitender Interessen229, die wiederholte Beleidigung von Berufskollegen in anwaltlichen Schriftsätzen230, die wiederholte, vorsätzliche Umgehung des gegnerischen An-
225 Vgl. Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 43 Rn. 5; Henssler/Prütting/OffermannBurckart, BRAO, Vor § 92 Rn. 15 f.; Gaier/Wolf/Göcken/Quaas, Anwaltl BerufsR, § 92 BRAO Rn. 6; Weyland/Reelsen, BRAO, Vor § 113 Rn. 1. 226 Henssler/Prütting/Dittmann, BRAO, § 114 Rn. 3; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 114 BRAO Rn. 4. 227 § 114 Abs. 1 BRAO nennt hierbei die Warnung, den Verweis, die Geldbuße bis 25.000 EUR, das Tätigkeitsverbot für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren und als ultima ratio die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft. 228 Henssler/Prütting/Dittmann, BRAO, § 114 Rn. 9; Kleine-Cosack, BRAO, § 114 Rn. 11; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 43 Rn. 16; Weyland/Reelsen, BRAO, § 114 Rn. 14; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 114 BRAO Rn. 9. 229 EGH München, Urt. v. 20. 06. 1990 – BayEGH II 16/89. 230 EGH München, Urt. v. 27. 03. 1990 – BayEGH II 20/89.
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walts231 oder der Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit durch Weitergabe eines Schriftsatzes mit persönlichen und wirtschaftlichen Daten der Verfahrensbeteiligten an die Staatsanwaltschaft232. Ein Verstoß gegen die Pflichten des § 32 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BORA, welche mit einer Geldbuße sanktioniert wird, dürfte daher nur in äußerst seltenen Fällen bei vorsätzlichem und wiederholtem Verstoß in Frage kommen. Urteile, welche einen solchen Sachverhalt betreffen, sind dementsprechend nahezu unauffindbar.233 Nichtsdestotrotz sollte diese Möglichkeit nicht vorschnell von der Hand gewiesen werden. (b) Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf Berufsausübungsgesellschaften Begleitend zur Verschärfung bestehender anwaltsgerichtlicher Maßnahmen erscheint es erforderlich, die Anwendbarkeit der Sanktionen in § 114 Abs. 1 BRAO auch auf Berufsausübungsgesellschaften zu erstrecken.234 Grund hierfür ist, dass die Befragung der Mandanten nach § 32 Abs. 1, 2 BORA von der Berufsausübungsgesellschaft durchgeführt werden muss.235 Treten hierbei Verletzungen des Berufsrechts auf, etwa indem die Berufsausübungsgesellschaft die Durchführung oder Mitwirkung an der Befragung oder im Fall des § 32 Abs. 1 S. 3 BORA die Zustimmung zur Mandatsübernahme verweigert, ist es nur konsequent anwaltsgerichtliche Maßnahmen gegen die Gesellschaft selbst und nicht gegen die einzelnen Berufsträger zu richten. Für die Rechtsanwaltskammern wäre diese Form der Aufsicht auch einfacher zu verwirklichen, da einerseits nicht mehrere Verfahren gegen verschiedene Anwälte geführt werden müssen und andererseits nicht festgestellt werden muss, ob und wenn ja in welchem Umfang jeder Berufsträger zur Verletzung des Berufsrechts beigetragen hat.236 In Kombination mit der verschärften Geldbuße könnten die Anwaltsgerichte so für jeden Verstoß einer Berufsausübungsgesellschaft gegen § 32 BORA die angemessene Sanktion verhängen.237 c) Zwischenergebnis Auch zukünftig gestaltet sich die Durchsetzung der Pflichten aus § 32 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BORA sowohl in zivilprozessualer als auch in anwaltsgerichtlicher Hinsicht schwierig. Die Möglichkeit zur Erzwingung der auferlegten Berufspflichten lässt 231
AGH NRW, Urt. v. 01. 10. 2010 – 2 AGH 43/10. AGH NRW, Urt. v. 02. 02. 2018 – 2 AGH 12/17. 233 Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 1. 234 Zu entsprechenden Erwägungen für das aktuelle Gesetzengebungsverfahren S. 384 f. 235 S. 162 f. 236 Das Verschuldensprinzip ergibt sich aus dem Wort „schuldhaft“ in § 113 Abs. 1 BRAO. 237 De lege ferenda müssen Geldbußen, aber auch das gesamte System der §§ 113 ff. BRAO, einem „entitätenbezogenen Berufsrecht“ angepasst werden, um Verfehlungen großer „law firms“ nicht ohnmächtig gegenüber zu stehen, hierzu Kilian, ZRP 2019, 213, 214. Für die Geldbuße ließe sich andenken, die Höhe der Sanktion nach Maßgabe des Gewinns oder des erzielten Umsatzes im zurückliegenden Geschäftsjahr zu bestimmen. 232
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sich kaum überzeugend konstruieren. Es bleibt dabei, dass Pflichtverletzungen lediglich berufsrechtlich sanktioniert werden können. De lege ferenda ist daher zu hoffen, dass Verletzungen der Pflichten aus § 32 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BORA nicht mehr in den Irrungen und Wirrungen der Sozietätsauflösung untergehen und öfter Gegenstand anwaltsgerichtlicher Maßnahmen werden, um auf diesem Wege das Bewusstsein für die bestehenden Berufspflichten auch im Rahmen der Trennung zu schärfen. Die Normierung als § 59n in der BRAO als Parlamentsgesetz würde den Zweck in diesem Sinne fördern und die Vorschrift weiter in das Bewusstsein der Anwaltschaft und der Anwaltsgerichte rücken. Einstweilen bleibt zu hoffen, dass Römermann Recht damit behält, dass „handstreichartige Befragungsaktionen“ praktisch kaum einen Nutzen haben und sich die Mandanten nicht von spontanen Eingebungen leiten lassen.238 In systematischer Hinsicht lässt sich die Norm zudem durch eine neue Strukturierung der Absätze ohne Weiteres vereinfachen. 7. Fazit zur Mandatsverteilung insbesondere nach § 32 BORA Somit zeigt sich ein generelles System im § 32 Abs. 1 BORA, welches von der vorrangigen vertraglichen Regelung über die gemeinsame Befragung bis hin zur ultima ratio der einzelnen Befragung der Mandanten reicht. Gemeinsam ist allen drei Varianten hierbei der zumindest grundsätzliche Gedanke der Vertragsübernahme zur lückenlosen Betreuung des Mandanten. Flankiert wird dieser gegebenenfalls durch die Kündigung des Vertragsverhältnisses nach den Vorschriften des Dienstvertragsrechts mit anschließendem Neuabschluss des Vertrags zwischen Mandant und bevorzugtem Sozius. Eine größere praktische Relevanz der Vorschrift verhindert aktuell nur ihr misslungener systematischer Aufbau, die zweifelhafte Verortung in der BORA und die fehlende Durchsetzbarkeit der statuierten Pflichten de lege lata. Die zuerst genannten Punkte werden sich de lege ferenda lösen lassen, während der letztgenannte Punkt auch zukünftig ein dogmatisches Problem bleiben wird, solange die Vorschrift nicht weiter in den Blickpunkt des Berufsrechts rückt und die Anwaltsgerichte nicht mehr Gelegenheiten und Mittel erhalten, ihre Verletzung zu ahnden.
III. Die Verteilung der Handakten Eng verbunden mit der Verteilung der Mandate ist auch die Frage der Verteilung der zugehörigen Handakten. Sie muss, ebenso wie die Mandatsverteilung zwischen den beteiligten Rechtsanwälten, mit Rücksicht auf die Belange und Rechte des 238
Römermann, NJW 2007, 2209, 2211.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
Mandanten geschehen. Ohne Zweifel ist es sinnvoll, die Verteilung der Handakten derjenigen der Mandate anzupassen. Es wäre allerdings ein Trugschluss zu glauben, dass dem Mandatsbearbeiter automatisch auch die Handakte zustehe. 1. Berufsrechtliche Vorschriften zu Handakten a) Rechtsgrundlagen, Definition und Funktion der Handakte Von vornherein ist zwischen den berufsrechtlichen und den zivilrechtlichen Vorschriften, welche auf Handakten anwendbar sind, zu unterscheiden. Normativ geregelt sind die Anlegung und der Umgang mit den Handakten in § 50 BRAO, wobei § 17 BORA ergänzende Regelungen trifft. Bei Annahme eines Mandats ist der Rechtsanwalt daher berufsrechtlich verpflichtet, eine Handakte anzulegen, um ein geordnetes und zutreffendes Bild über die Bearbeitung seiner Aufträge geben zu können, § 50 Abs. 1 S. 1 BRAO. Unter einer Handakte versteht man daher die systematische Zusammenfassung der mandatsrelevanten, regelmäßig geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen für den dienstlichen oder betrieblichen Gebrauch innerhalb der Kanzlei.239 Durch die Sammlung der fall- und mandatsrelevanten Informationen an einem Ort und die damit einhergehenden Dokumentation der Aktivität des Mandatsbearbeiters240 dient die Handakte zum einen der Überprüfung der Tätigkeit des Rechtsanwalts durch den Mandanten,241 denn diesem steht ein Einsichtsrecht nach §§ 675 Abs. 1, 666 BGB242 sowie den §§ 810, 811 BGB243 zu.244 239 Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 8; um welche Unterlagen es sich handelt und was daher Inhalt der Handakte zu sein hat, wird erläutert bei Hartung/ Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 50 BRAO Rn. 29 ff.; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 7. 240 AGH Niedersachsen, Urt. v. 24. 06. 2013 – AGH 1/13, DStRE 2014, 766, 767 = AnwBl 2014, 90. 241 BGH, Urt. v. 17. 05. 2018 – IX ZR 243/17, NJW 2018, 2319 Rn. 25 (m. Anm. Prütting) = DB 2018, 2239; Bräuer, AnwBl 2017, 440; Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 2; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 950; Peitscher, AnwaltsR, § 30 Rn. 484; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 33 Rn. 5; Hartung/Scharmer/ Scharmer, BORA/FAO, § 50 BRAO Rn. 20; Stöber, ZAP 2006, Fach 23, 691; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 1. 242 BGH, Urt. v. 30. 11. 1989 – III ZR 112/88, BGHZ 109, 260, 267 = NJW 1990, 511; Ahrens, Berufsrecht, Rn. 1135; Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 12b; Fiala/v. Walter, DStR 1998, 694, 698; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 23 Rn. 163; Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 25 Anm. 2; Stöber, ZAP 2006, Fach 23, 691; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 2; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/ Zuck, Standesrecht, § 36 Rn. 2. 243 Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 17 BORA Rn. 3; Dohle/Peitscher, DStR 2000, 1265, 1271 f.; Hamm, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 51 Rn. 52; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 23 Rn. 169; BGBRGRK/Steffen, § 667 Rn. 12, 12. Aufl., Berlin/New York 1978; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 27. 244 Das Einsichtsrecht beinhaltet gemäß § 242 BGB auch das Recht, auf eigene Kosten Kopien anzufertigen und wird auch nicht durch ein eventuelles Zurückbehaltungsrecht des
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Zum anderen kann der Rechtsanwalt so spiegelbildlich gegenüber dem Mandanten seine Aktivität im Rahmen der Mandatsbearbeitung belegen.245 Die Handakte hat daher eine ganz wesentliche Funktion in Streitsituationen über den Umfang und die Angemessenheit der anwaltlichen Mandatsbearbeitung.246 Über § 56 Abs. 1 S. 1 BRAO kommt ihr in Aufsichts- und Beschwerdeverfahren zudem prozessuale Bedeutung als Beweisstück zu.247 Neben dieser Funktion dient die Handakte in der Praxis dem Rechtsanwalt zudem als Gedächtnisstütze.248 Da die Handakte oftmals Unterlagen enthält, welche „fristgebundene Handlungen“ erfordern, spielt die Erinnerung an und die Überprüfung von Fristen anhand der Akte praktisch eine ganz wesentliche Rolle.249 b) Die berufsrechtliche Herausgabepflicht Lange Zeit umstritten war, ob es einen originär berufsrechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Handakten durch den Rechtsanwalt an den Mandanten geben kann.250 Das Zurückbehaltungsrecht des Mandatsbearbeiters hinsichtlich der Handakte in § 50 Abs. 3 S. 1 a.F. BRAO i.V.m. § 17 BORA legte schon immer nahe, dass das Gesetz inzident eine berufsrechtliche Pflicht zur Herausgabe vorausgesetzt hat, da die Regelung eines Zurückbehaltungsrechts gegen eine zivilrechtliche Herausgabepflicht251 im Regelungskomplex der BRAO systematisch zweifelhaft gewesen wäre.252 Rechtsanwalts negiert Stöber, ZAP 2006, Fach 23, 689, 691 m.w.N.; vgl. auch Gaier/Wolf/ Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 23. 245 RegBegr, BT-Drucks. 12/4993, S. 31; BGH, Urt. v. 17. 05. 2018 – IX ZR 243/17, NJW 2018, 2319 Rn. 25 (m. Anm. Prütting) = DB 2018, 2239; Bräuer, AnwBl 2017, 440; Gaier/ Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 2; Fiala/v. Walter, DStR 1998, 694; Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 25 Anm. 1 III.; Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 9; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 33 Rn. 5; Hartung/ Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 50 BRAO Rn. 19; Stöber, ZAP 2006, Fach 23, 689, 691; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 2; Ueberfeldt, DStR 2019, 1111, 1112; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 36 Rn. 2. 246 Bräuer, AnwBl 2017, 440; Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 2; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 23 Rn. 156; Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 9; Ueberfeldt, DStR 2019, 1111, 1112. 247 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 23 Rn. 155 f.; Jungk, AnwBl 2014, 84, 86; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 950; Henssler/Prütting/OffermannBurckart, BRAO, § 50 Rn. 9; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 50 BRAO Rn. 1; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 2; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 36 Rn. 3. 248 Schon RAO-K/Friedländer, § 32 Rn. 3; zur BRAO auch Henssler/Prütting/OffermannBurckart, BRAO, § 50 Rn. 10; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 2. 249 Jungk, AnwBl 2014, 84. 250 Hierzu Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 52 ff. 251 Hierzu sogleich, S. 185 f.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
Vor diesem Hintergrund tendierte die Rechtsprechung mehrheitlich auch schon vor der Neuregelung in die Richtung einer berufsrechtlichen Herausgabepflicht.253 Durch das „Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“ vom 12. 05. 2017254 ist dieser Streit nun obsolet. Nunmehr sieht § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO ausdrücklich einen Herausgabeanspruch des Mandanten für Dokumente vor, die der Rechtsanwalt aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit vom Auftraggeber oder für ihn erhalten hat. Im Hinblick auf die Formulierung des § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO ist zu bemerken, dass der Gesetzgeber nicht von der „Handakte“, sondern von „Dokumente[n]“ spricht. Die Herausgabepflicht umfasst also nicht die gesamte Handakte, sondern nur solche Dokumente, die nicht durch § 50 Abs. 2 S. 4 BRAO von der Herausgabepflicht ausgenommen sind.255 Hintergrund der Neuregelung war, dass der Gesetzgeber einerseits den Streit um die berufsrechtliche Herausgabepflicht beenden wollte und andererseits zu der Erkenntnis gelangt war, dass eine berufsrechtliche Herausgabepflicht im Hinblick auf die Handakten durchaus sachgerecht ist.256 Dem ist nur teilweise zuzustimmen. Die Handakte dient während der Mandatsbearbeitung zwar vornehmlich dem Anwalt, sie ist aber letztlich für den Fall des Mandanten angelegt worden, sodass ihm die Handakte nicht nur zivilrechtlich, sondern auch aus der Perspektive des Berufsrechts zusteht. Ebenso wenig wie dieser Wertung der Interessensphären darf man sich den vorgebrachten systematischen Argumenten verschließen. Durch die Regelung des § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO hat der Gesetzgeber nun den Willen erkennen lassen, neben den zivilrechtlichen Herausgabeanspruch noch einen berufsrechtlichen Anspruch treten zu lassen. Er muss sich aber entgegenhalten lassen, dass § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO keine über den zivil252 BGH, Urt. v. 03. 11. 2014 – AnwZ (Brfg) 72/13, NJW-RR 2015, 186 Rn. 15 = DStRE 2015, 830; Kleine-Cosack, § 50 Rn. 4; Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 52 f.; a.A. Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 954. 253 BGH, Urt. v. 03. 11. 2014 – AnwZ (Brfg) 72/13, NJW-RR 2015 Rn. 11 = DStRE 2015, 830; Urt. v. 17. 05. 2018 – IX ZR 243/17, NJW 2018, 2319 Rn. 12 (m. Anm. Prütting) = DB 2018, 2239; AGH Niedersachsen, Urt. v. 24. 06. 2013 – AGH 1/13, DStRE 2014, 766, 767 = AnwBl 2014, 90; a.A. AnwG Düsseldorf, Beschl. v. 24. 07. 2008 – IV A 1623/07; AnwG Frankfurt a. M., Urt. v. 17. 03. 2010 – IV AG 01/09 – 4 EV 335/08, DStRE 2011, 327, 328 = BeckRS 9998, 40549. 254 BGBl. 2017 I, 1121 – 1158. 255 Ausgenommen von der Herausgabepflicht sind danach Korrespondenz zwischen Rechtsanwalt und Mandant sowie Dokumente, die der Mandant bereits in Urschrift oder in Abschrift erhalten hat, vgl. § 50 Abs. 2 S. 4 BRAO; zivilrechtlich ist die Herausgabepflicht insoweit durch § 362 Abs. 1 BGB erloschen Fiala/v. Walter, DStR 1998, 694, 698; Stöber, ZAP 2006, Fach 23, 689, 690; näher zur Systematik Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 951. 256 RegBegr, BT-Drucks. 18/9521, S. 116; ebenso schon der RefE zur Einführung eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe, S. 121; zust. Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 12a; krit. zu dieser Regelung Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 954.
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rechtlichen Anspruchsinhalt hinausgehende Bedeutung hat und die Einführung des berufsrechtlichen Anspruchs damit ohne jeglichen juristischen Erkenntnisgewinn bleibt.257 Sie ist schlicht und ergreifend „konzeptionell überflüssig“.258 Hinzukommt, dass sie zivilrechtliche Herausgabe und berufsrechtliche Aktenführung vermischt und damit partiell ein systemwidriges Sonderprivatrecht zwischen Anwalt und Mandant begründet.259 Im Ergebnis hat die Neuregelung des berufsrechtlichen Herausgabeanspruchs damit zwar einen lange umstrittenen Punkt geklärt, ein juristischer Mehrwert für die Praxis ist mit der Einführung des Anspruchs aus § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO allerdings nicht verbunden. 2. Die zivilrechtliche Rechtslage im Hinblick auf Handakten a) Der Herausgabeanspruch aus §§ 675, 667 BGB Neben der aus § 50 Abs. 1 S. 1 BRAO resultierenden, berufsrechtlichen Pflicht zur Führung von Handakten verpflichtet auch der Mandatsvertrag den Rechtsanwalt in der zivilrechtlichen Form einer vertraglichen Nebenpflicht zur Führung einer Handakte.260 Parallel zur nun normativ geregelten Berufspflicht zur Herausgabe der Handakten war als Folge der vertraglichen Nebenpflicht zur Führung der Akten schon immer auch eine zivilrechtliche Pflicht zur Herausgabe der Handakten an den Mandanten aus §§ 675, 667 BGB anerkannt.261 § 667 BGB erfasst in seinen beiden Alternativen zum einen die Herausgabe dessen, was der Beauftragte vom Auftraggeber zur Ausführung des Auftrags erhält (Alt. 1), und zum anderen die Herausgabe alles Weiteren, was der Beauftragte im Rahmen der Geschäftsbesorgung erlangt (Alt. 2). Da die Handakte des Rechtsanwalts einerseits Schrift- und Beweisstücke enthält, die der Rechtsanwalt von seinem Mandanten als Auftraggeber erhalten hat,262 andererseits aber auch der Schriftverkehr mit der Gegenseite, dem Gericht und 257
Ähnlich Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 954. Zutreffend Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 954. 259 Ähnlich Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 954. 260 Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 4 m.w.N.; vgl. auch Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 25 Anm. 1 I. 261 BGH, Urt. v. 30. 11. 1989 – III ZR 112/88, BGHZ 109, 260, 264 = NJW 1990, 510; Urt. v. 03. 11. 2014 – AnwZ (Brfg) 72/13, NJW-RR 2015, 186 Rn. 15 = DStRE 2015, 830; Urt. v. 17. 05. 2018 – IX ZR 243/17, NJW 2018, 2319 Rn. 13 (m. Anm. Prütting) = DB 2018, 2239; Ahrens, Berufsrecht, Rn. 1210; Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 12; Fiala/v. Walter, DStR 1998, 694, 696; Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 26 Anm. 2 I.; Peitscher, AnwaltsR, § 30 Rn. 490; MüKoBGB/Schäfer, § 667 Rn. 11, 19; NKBGB/Schwab, § 667 Rn. 4, 7; Palandt/Sprau, BGB, § 667 Rn. 2 f.; BGB-RGRK/Steffen, § 667 Rn. 12, 14, 12. Aufl., Berlin/New York 1978; Stöber, ZAP 2006, Fach 23, 689; Tauchert/ Schulze-Grönda, BRAK-Mitt. 2010, 115, 118; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 17; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 37 Rn. 1. 262 Insoweit gilt § 667 Alt. 1 BGB, BGH, Urt. v. 30. 11. 1989 – III ZR 112/88, BGHZ 109, 260, 264 = NJW 1990, 510; NK-BGB/Schwab, § 667 Rn. 4; Stöber, ZAP 2006, Fach 23, 689. 258
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weiteren dritten Personen enthalten ist,263 erfasst § 667 BGB mit seinen beiden Alternativen nahezu alle möglichen Inhalte der Handakte. Nicht umfasst vom Herausgabeanspruch sind Notizen über persönliche Eindrücke des Mandatsbearbeiters, die er im Rahmen der Tätigkeit gewinnt.264 Denn diese sind von vornherein nicht zur Einsicht durch den Mandanten bestimmt.265 b) Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB Die sachenrechtliche Eigentumslage hinsichtlich der einzelnen Schrift- und Beweisstücke ist für den Herausgabeanspruch des § 667 BGB im Übrigen nicht weiter relevant.266 Ihr kommt nur Bedeutung zu, wenn der Herausgabeanspruch auf die Vindikationslage und dementsprechend auf § 985 BGB gestützt wird. Dann ist die Eigentumslage hinsichtlich jedes einzelnen Schriftstücks gesondert zu beurteilen, wenn die Aktenbestandteile voneinander getrennt werden können, ohne sie zu beschädigen oder zu zerstören.267 In diesem Fall stellen die einzelnen Aktenstücke keine wesentlichen Bestandteile gemäß § 93 BGB dar, sodass § 947 BGB nicht anwendbar ist.268 Bei der üblichen Vorgehensweise die Akten zu heften, sind die einzelnen Aktenbestandteile daher immer einer speziellen sachenrechtlichen Beurteilung unterworfen.269 Im Einzelnen stehen im Eigentum der Sozietät in solchen Fällen die Aktenbestandteile, die der Mandatsbearbeiter für sich selbst gefertigt hat oder für ihn bestimmt sind.270 Der Mandant hingegen ist Eigentümer der Bestandteile – Urkunden, Schriftstücke oder andere Unterlagen –, die er dem Mandatsbearbeiter für die Mandatsbearbeitung überlassen hat oder die dieser im Zuge der Wahrnehmung des Mandats erhalten hat.271
263
Hierfür ist § 667 Alt. 2 BGB anwendbar, BGH, Urt. v. 30. 11. 1989 – III ZR 112/88, BGHZ 109, 260, 264 f. = NJW 1990, 510 f.; NK-BGB/Schwab, § 667 Rn. 7; Stöber, ZAP 2006, Fach 23, 689. 264 BGH, Urt. v. 30. 11. 1989 – III ZR 112/88, BGHZ 109, 260, 265 = NJW 1990, 510; Stöber, ZAP 2006, Fach 23, 689, 690. 265 BGH, Urt. v. 30. 11. 1989 – III ZR 112/88, BGHZ 109, 260, 265 = NJW 1990, 510. 266 BGH, Versäumnisurt. v. 07. 04. 2008 – II ZR 181/04, NJW 2008, 2987 Rn. 26 = NZG 2008, 623; BGH, Urt. v. 07. 02. 2019 – IX ZR 5/18, NJW-RR 2019, 637 Rn. 27 ff. = ZIP 2019, 1500; Wolff, NJW 2009, 1302, 1307. 267 BGH, Urt. v. 07. 02. 2019 – IX ZR 5/18, NJW-RR 2019, 637 Rn. 16 = ZIP 2019, 1500. 268 BGH, Urt. v. 07. 02. 2019 – IX ZR 5/18, NJW-RR 2019, 637 Rn. 16 = ZIP 2019, 1500. 269 Zutr. BGH, Urt. v. 07. 02. 2019 – IX ZR 5/18, NJW-RR 2019, 637 Rn. 16 = ZIP 2019, 1500. 270 BGH, Urt. v. 07. 02. 2019 – IX ZR 5/18, NJW-RR 2019, 637 Rn. 15, 17 = ZIP 2019, 1500; Fiala/v. Walter, DStR 1998, 694, 696. 271 BGH, Urt. v. 07. 02. 2019 – IX ZR 5/18, NJW-RR 2019, 637 Rn. 17 = ZIP 2019, 1500; Fiala/v. Walter, DStR 1998, 694, 696.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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Da der Anspruch aus § 985 BGB somit regelmäßig zu einer Parzellierung der Handakten führen würde, verliert er seine Zweckmäßigkeit, wenn es dem Anspruchsteller darauf ankommt, ein geordnetes Bild der Mandatsführung zu erhalten. 3. Die Handakten in der Auseinandersetzung und beim Ausscheiden a) Rechtliche Grundlagen Das Verfahren hinsichtlich der Herausgabe der Handakten ist damit im Grunde kein speziell gesellschaftsrechtliches Problem. Es stellt sich aber notwendigerweise bei der Auflösung und dem praktisch häufigen Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Sozietät. Da sowohl das Gesellschaftsrecht als auch das Berufsrecht keine speziellen Regelungen enthalten, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist, müssen die verschiedenen Interessen mithilfe der Wertungen der allgemeinen, berufsrechtlichen Vorschriften zur Aktenführung ausgeglichen werden. b) Interessenkreise und praktische Probleme Das Interesse des Mandanten ist zunächst recht offenkundig. Er benötigt die Akten, um seine rechtlichen Interessen auch weiterhin verfolgen zu können, unabhängig vom konkreten Rechtsbeistand. Daneben muss er die bisherige Arbeit seines Rechtsbeistandes überprüfen können.272 Die Sozietät hingegen benötigt die Akten, um sich gegen Regressansprüche des ehemaligen Mandanten abzusichern, immerhin ist sie Vertragspartnerin des Mandanten gewesen.273 Zusätzlich dazu trifft die Sozietät nach § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO die Pflicht zur Aufbewahrung der Handakten für sechs Jahre.274 Darüber hinaus steht ihr nach § 50 Abs. 3 S. 1 BRAO ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Handakte zu, solange der Mandant noch Auslagen und Gebühren zahlen muss. Es tritt neben das zivilrechtliche Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB, obgleich die Voraussetzungen weniger eng sind, da § 50 Abs. 3 S. 1 BRAO keine gerichtliche Geltendmachung voraussetzt und es daher streng genommen eine lex specialis ist.275
272
S. 181. Römermann, NJW 2007, 2209, 2212; zum Mandatsvertrag s. o. S. 155. 274 Hierzu und zu weiteren Aufbewahrungspflichten nach der AO und dem GwG Koch/ Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 963; Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 26 ff. 275 BGH, Urt. v. 03. 07. 1997 – IX ZR 244/96, NJW 1997, 2944, 2945 = MDR 1997, 1073; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 955; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 50 BRAO Rn. 97; vgl. auch zu weiteren Unterschieden Stöber, ZAP 2006, Fach 23, 689, 690 f. 273
188
4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
Der ausscheidende Rechtsanwalt möchte die Akten oftmals mitnehmen, um auch den Fall des Mandanten weiterhin betreuen zu können. Der Verteilungskampf um die Handakten ist dabei eine direkte Folge des Wettstreits um Mandanten.276 Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass im Zuge des Ausscheidens und der Auseinandersetzung elektronische und gegenständliche Akten kopiert oder sogar unvermittelt entführt werden.277 Obgleich sicher rechtswidrig, bringt dieses Verhalten in den Auseinandersetzungsverhandlungen oftmals den gewünschten Erfolg, denn gerichtlich die Herausgabe der Akten durchzusetzen, ist faktisch kaum möglich.278 c) Die angemessene Verteilung der Handakten Bemüht man sich um eine angemessene Verteilung der Handakten, bietet sich eine gesellschaftsvertragliche Regelung an, um dieser Gemengelage an Interessen Herr zu werden.279 aa) Exemplarische gesellschaftsvertragliche Regelungen zur Verteilung (1) Verbindung von Mandantenbefragung und Handaktenverteilung Als oberste, rechtliche Maxime gilt, dass die Handakten grundsätzlich dem Mandanten zustehen. Diese Wertung darf jedenfalls der Tatsache entnommen werden, dass dem Mandanten nun neben dem zivilrechtlichen auch ein berufsrechtlicher Anspruch eingeräumt und so sein Anrecht auf die Handakten vom Gesetzgeber nochmals gestärkt wurde. Daher ist es dringend erforderlich, das Schicksal der Handakten praktisch an das Schicksal des Mandats zu binden. Führt die Sozietät nach § 32 Abs. 1 S. 1 BORA bzw. nach § 32 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 BORA eine Mandantenbefragung durch, sollte der Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass die Handakten dem vom Mandanten gewählten Mandatsbearbeiter zu übergeben sind bzw. dieser die Handakten mit sich nehmen darf.280 Das erspart im Zweifel die mühselige Geltendmachung des Herausgabeanspruchs durch den Mandanten und die Übergabe der Akten an den neuen Mandatsbearbeiter. Durch die Wahl eines Mandatsbearbeiters geht die Pflicht zur Aufbewahrung aus § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO dann auf den gewählten Sozius über, da sie naturgemäß nur vom Inhaber des Mandats erfüllt werden kann, wenn der Mandant die Herausgabe der Akten an diesen wünscht. Mit 276
Römermann, NJW 2007, 2209, 2212. Römermann, NJW 2007, 2209, 2212; s. etwa den Fall bei EGH-RRAK, Urt. v. 29. 11. 1937 – 3. Senat G 84/37, EGH 31, 164 ff. 278 Römermann, NJW 2007, 2209, 2212. 279 Ebenfalls vertragliche Vorsorge empfehlend Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 149; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 50 BRAO Rn. 43. 280 Zutr. Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 172; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 149. 277
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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dem Recht zur Mandatsführung korrespondiert insofern die Pflicht zur Handaktenaufbewahrung. (2) Verteilung ohne Mandantenbefragung Wird der Besitz an den Handakten nicht mit dem Ergebnis der Mandantenbefragung verbunden, sollte als Leitlinie gelten, dass die Akten in der Obhut des aktuellen Mandatsbearbeiters verbleiben.281 Beendete Mandate sollten bei der Sozietät verbleiben.282 Scheidet also ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so sollte dieser die Akten „seiner“ Mandanten mitnehmen dürfen und gleichzeitig verpflichtet sein, die Akten anderer Mandanten in der alleinigen Obhut der Sozietät zu belassen. Folgt der Mandant seinem Mandatsbearbeiter, sind die Handakten direkt beim Inhaber des Mandats verfügbar. Da Mandanten häufig den ihnen vertrauten Rechtsanwalt wählen dürften, wären die Akten in den allermeisten Fällen unmittelbar beim betreuenden Rechtsanwalt vorhanden. Will der Mandant hingegen der Sozietät treu bleiben, kann er seine Herausgabeansprüche geltend machen und den Mandatsbearbeiter anweisen, die Handakten wieder der Sozietät zu überlassen. Auf diese Weise wird den Interessen des Ausscheidenden und des Mandanten effektiv Rechnung getragen. Die Interessen der Sozietät sind dadurch gewahrt, dass es für die Aufbewahrungspflicht des § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO zwar nicht unerheblich ist, wer die Akten aufbewahrt,283 bei laufenden Mandaten geht die Aufbewahrungspflicht aber auf den Ausgeschiedenen über, wenn er das Mandat weiterbetreut. Die Aufbewahrung kann und sollte somit auch der Ausscheidende übernehmen. Um sich gegen Regressansprüche des Mandanten zu schützen, kann die gesellschaftsvertragliche Klausel zudem das Recht der Sozietät vorsehen, eine Kopie der Handakte anzufertigen.284 (3) Konkurrenz zu den Zurückbehaltungsrechten der Sozietät Sind noch Gebühren und Auslagen durch den Mandanten zu bezahlen, steht es der Sozietät frei, die Herausgabe an den Mandanten oder den Ausgeschiedenen zu verweigern, und zwar auch dann, wenn sich auf ein Verbleiben oder eine Mitnahme bestimmter Mandanten geeinigt wurde.285 Dafür spricht schon, dass dem Herausgabeverlangen des Mandanten hinsichtlich der Handakten durch § 273 BGB und § 50 Abs. 3 S. 1 BRAO Grenzen gesetzt sind. Insoweit genießt das Interesse der Sozietät somit Vorrang vor den Interessen des Mandanten. Für die Sozietät sind die 281
Ebenso Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 172; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 149. 282 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; a.A. Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 172. 283 A.A. Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 38. 284 So etwa Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 172. 285 A.A. wohl Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 38.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
Zurückbehaltungsrechte wesentlich, um eine zügige Zahlung noch ausstehender Schulden aus dem konkreten Mandat zu erreichen.286 Dem Interesse des Mandanten kann bis zur Zahlung der ausstehenden Schulden durch dessen Einsichtsrecht nach den §§ 666; 810, 811 BGB angemessen Rechnung getragen werden. Die Verteilung der Handakten nach dem Gesellschaftsvertrag steht daher unter dem Vorbehalt des Zurückbehaltungsrechts der Sozietät.287 Hilfsweise sollte entsprechendes im Gesellschaftsvertrag der Sozietät und im Anwaltsvertrag mit dem Mandanten vereinbart werden. Die Zurückbehaltungsrechte sind gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen gegenüber nur nachrangig, soweit die Sozietät ausdrücklich auf sie verzichtet hat.288 (4) Keine Mitnahme von Handakten bei Wettbewerbsverboten Diese Vorschläge können jedoch nur dann gelten, wenn es dem Ausscheidenden überhaupt freisteht, Mandanten mitzunehmen. Unterliegt er einem Wettbewerbsverbot, etwa in Form einer Mandantenschutzklausel,289 kann gesellschaftsvertraglich betont werden, dass er auch keine Handakten mitnehmen darf. Für eine solche Regelung besteht durchaus ein Bedürfnis, denn rein deklaratorisch ist eine solche Regelung nicht. Mandatsverteilung und Handaktenverwahrung hängen wie aufgezeigt nicht ex lege zusammen. Fehlen allerdings Regelungen zu den Handakten, so wird man eine Mandantenschutzklausel regelmäßig ergänzend dahin auslegen können, dass das Verbot der Mitnahme von Mandanten naturgemäß auch ein Verbot der Mitnahme von deren Handakten umfasst. Um sich gegen Regressansprüche abzusichern, kann der Ausscheidende, wenn er bisheriger Mandatsbearbeiter war, ein legitimes Interesse an der Mitnahme der Handakten haben, selbst wenn ihm die Mitnahme von Mandanten untersagt sein sollte. Häufig wird allerdings schon die Anfertigung von Kopien genügen, um dem Interesse des ausscheidenden Sozius gerecht zu werden. bb) Die Rechtslage ohne gesellschaftsvertragliche Regelung (1) Träger der Berufsrechte und -pflichten aus § 50 BRAO Besteht keine gesellschaftsvertragliche Regelung über die Mitnahme von Handakten, gilt umso mehr, dass die Handakten dem Mandanten zustehen. Scheidet ein Gesellschafter aus, so hat er kein Recht darauf, Handakten mitzunehmen.290 286 Die Geltendmachung der Zurückbehaltungsrechte muss indes verhältnismäßig sein, näher Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 21 ff. 287 A.A. Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 38. 288 Das entspricht der Funktion des Zurückbehaltungsrechts als Druckmittel gegenüber dem Mandanten, Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 50 BRAO Rn. 91 ff. 289 Allgemein s. o. S. 151 und zur durchaus zweifelhaften Zulässigkeit solcher Klauseln unter Rechtsanwälten S. 297 ff. 290 Römermann, NJW 2007, 2209, 2212.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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Unumstößlich ist dieser Ausgangspunkt allerdings nicht, denn das anwaltliche Gesellschaftsrecht stellt nicht klar, ob die Sozietät oder die Sozien durch § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO zur Aufbewahrung verpflichtet werden.291 Dagegen spricht zwar die Verwendung des Wortes „Rechtsanwalt“ in § 50 BRAO, allerdings spricht dieser in Abs. 2 auch von „Auftraggeber“, sodass § 50 BRAO offenbar an die Parteien des Mandatsvertrages anknüpft. Die Nutzung des Rechtsanwaltsbegriffs ist der Anknüpfung der BRAO an das Idealbild des Einzelanwalts geschuldet.292 Sind die Vertragsparteien maßgeblich, ist entscheidend, dass die Sozietät im Rahmen des Gesamtmandats zur Mandatsführung verpflichtet ist. Es ist daher naheliegend, dass die berufsrechtlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich der Handakte als wesentliches Instrument der Mandatsführung der Sozietät zustehen bzw. diese treffen. Deshalb ist die Sozietät auch zur Aufbewahrung der Handakten nach § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO verpflichtet.293 Dafür spricht auch, dass die sichere Verwahrung und Speicherung der mandatsbezogenen Informationen regelmäßig in die Zuständigkeit der Sozietät fällt, da der einzelne Sozius diese nicht gewährleisten kann und will.294 Die Handakten müssen daher in ihrer Einflusssphäre verbleiben. Jedenfalls perspektivisch scheint diese Auslegung auch vom BMJV gestützt zu werden, welches in seinen Eckpunkten zur Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts die Berufsausübungsgesellschaft selbst zum Träger der Berufspflichten erheben möchte.295 (2) Übergang der Aufbewahrungspflicht Das gilt ohne Frage für beendete Mandate.296 Es gilt aber im Grundsatz auch für laufende Mandate, da die Sozietät die Pflicht aus § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO wahren muss.297 Der Mandant ist ausreichend geschützt, da ihm das Recht zusteht, die Herausgabe der Akten an den von ihm gewählten Rechtsanwalt zu verlangen und so die Sozietät von der Aufbewahrungspflicht zu befreien. Im Zuge dessen kann der Mandantenbefragung nach § 32 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 BORA rechtliche Be291
Die unklare Verteilung der Berufspflichten zwischen Sozietät und Sozius ist ein grundsätzliches Problem des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, s. schon oben S. 34 f.; speziell zu § 50 BRAO Ewer, in: Dogmatik im Dienst von Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung, S. 927, 934. 292 S. oben S. 48 ff. 293 Ebenso Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411. 294 Ewer, in: Dogmatik im Dienst von Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung, S. 927, 934. 295 Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, S. 3 Nr. 12, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3%BCbungsgesell schaften.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); ebenso Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 271. 296 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 5; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 61; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; a.A. Deckenbrock, in: Henssler/ Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 172. 297 A.A. wohl Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411.
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deutung für die Verteilung der Handakten zukommen. Der Wunsch des Mandanten, vom ausgeschiedenen Gesellschafter weiterbetreut zu werden, wird regelmäßig als Herausgabeverlangen gegenüber der Sozietät auszulegen sein.298 Die Pflicht zur Aufbewahrung geht dann auf den neuen Mandatsbearbeiter über, sobald er die Handakten in Besitz nimmt.299 Ähnliches gilt im Prinzip bei der Auflösung der Gesellschaft für die einzelnen Gesellschafter. Bis der Mandant die Handakten entweder nach §§ 675, 667 BGB oder nach § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO herausverlangt, hat jeder Gesellschafter nur die Akten „seiner“ Mandanten entsprechend § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO zu verwahren.300 Aus dieser Pflicht zur Aufbewahrung der bearbeiteten Akten gegenüber dem Mandanten folgt umgekehrt das Recht zum Besitz dieser Handakten gegenüber den anderen Sozien. Handakten „fremder“ Mandanten dürfen die Sozien dementsprechend nicht an sich nehmen. (3) Erlöschen der Aufbewahrungspflichten (a) Erlöschen der Aufbewahrungspflicht aus § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO Verlangt der Mandant die Herausgabe der Handakten an sich oder an einen anderen Rechtsanwalt, muss der die Akten aufbewahrende Rechtsanwalt diesem Verlangen Folge leisten. Dementsprechend erlischt in diesem Fall die berufsrechtliche Aufbewahrungspflicht aus § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO.301 Spiegelbildlich kann sich der Rechtsanwalt bereits vor Ablauf der sechs Jahre zumindest partiell von der Aufbewahrungspflicht befreien, wenn er den Mandanten nach § 50 Abs. 2 S. 3 BRAO zur Entgegennahme der nach § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO herauszugebenden Dokumente auffordert. Verweigert der Mandant die Annahme, erlischt die Aufbewahrungspflicht hinsichtlich dieser Dokumente gemäß § 50 Abs. 2 S. 3 BRAO nach Ablauf von sechs Monaten. Da Haftungsfälle oftmals erst Jahre später auftauchen und der Verjährungsbeginn nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen erfordert, ist die Aufbewahrungsfrist der BRAO allerdings unter Umständen unzureichend. Vor diesem Hintergrund ist es in der Praxis nicht selten, dass die Handakten unbegrenzt lange aufbewahrt werden. Auch nach Erlöschen der Aufbewahrungspflicht ist eine
298 Vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 07. 04. 2008 – II ZR 181/04, NJW 2008, 2987 Rn. 26 = ZIP 2008, 1276; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 61. 299 So wohl BGH, Versäumnisurt. v. 07. 04. 2008 – II ZR 181/04, NJW 2008, 2987 Rn. 26 = ZIP 2008, 1276. 300 Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 38; wohl auch Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 5. 301 Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 17; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 9, 18.
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längerfristige Aufbewahrung daher ohne Weiteres zu empfehlen, um sich auch zukünftig gegen Regressansprüche des Mandanten absichern zu können.302 (b) Datenschutzrechtliche Anforderungen der Aufbewahrung (aa) Rechtslage nach DS-GVO und BDSG Unter der Ägide der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO)303 und des neuen Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)304 ist ein langfristiges Aufbewahrungsrecht der Berufsausübungsgesellschaft allerdings nicht unproblematisch und unterliegt einigen Anforderungen.305 Die Berufsausübungsgesellschaft muss beachten, dass sie verpflichtet ist, den Mandanten von vornherein über die beabsichtigte Speicherdauer zu informieren, vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. a) Alt. 1 DS-GVO. Falls die Speicherdauer noch nicht absehbar ist, muss die Berufsausübungsgesellschaft gemäß Art. 13 Abs. 2 lit. a) Alt. 2 DS-GVO über die Kriterien informieren, nach denen sich die Aufbewahrungsdauer bemisst. Ebenso muss sie den Mandanten darüber in Kenntnis setzen, dass er einen Löschungsanspruch im Hinblick auf die erhobenen, personenbezogenen Daten hat (Artt. 13 Abs. 2 lit. b), 17 Abs. 1 DS-GVO i.V.m. § 35 BDSG). Korrespondierend zu diesem Löschungsrecht besteht gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO eine Löschungsverpflichtung des Dateninhabers, und zwar unabhängig davon, ob der Löschungsanspruch vom Mandanten geltend gemacht wurde.306 Solange die Berufsausübungsgesellschaft gesetzlichen Aufbewahrungspflichten unterliegt, kann sie dem Löschungsanspruch Art. 17 Abs. 3 lit. b) DS-GVO entgegenhalten. Auch ihre Löschungspflicht besteht dann naturgemäß noch nicht. Nach Art. 17 Abs. 3 lit. b) DS-GVO ist der Löschungsanspruch ausgeschlossen, solange die erhobenen Daten notwendig sind, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen. Die Aufbewahrungsvorschriften der BRAO, des GwG, des HGB und der AO sind rechtliche Verpflichtungen, die eine solche Aufbewahrung rechtfertigen.307 Auch nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungspflichten kann die Löschung unter Verweis auf Art. 17 Abs. 3 lit. e) DS-GVO verweigert werden, welcher den Lö302 Bräuer, AnwBl 2017, 440, 441; Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 16; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 23 Rn. 161; Jungk, AnwBl 2014, 84, 86; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 50 BRAO Rn. 62; Weyland/ Träger, BRAO, § 50 Rn. 9. 303 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl. 2016 Nr. L 119 S. 1, berichtigt durch ABl. Nr. L 314 S. 72 und durch ABl. 2018 Nr. L 127 S. 2. 304 BGBl. 2017 I, S. 2097 ff. 305 Näher Faas/Henseler, BB 2018, 2292 ff.; Kleemann/Kader, DStR 2018, 1091 ff.; Lapp, NJW 2019, 345 ff.; Wagner, BRAK-Mitt. 2019, 167, 170 ff. 306 Letzteres ist umstritten, aber h.M., Paal/Pauly/Paal, DS-GVO BDSG, Art. 17 DS-GVO Rn. 20 m.w.N.; angedeutet auch in der RegBegr, BT-Drucks. 18/9521, S. 115. 307 Kleemann/Kader, DStR 2018, 1091, 1095; für § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO RegBegr, BTDrucks. 18/9521, S. 115.
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schungsanspruch bzw. die korrespondierende Löschungspflicht ausschließt, solange die erhobenen Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen notwendig sind. Solange gegen den Mandanten noch Vergütungsforderungen bestehen oder Regressansprüche des Mandanten drohen, ist eine Aufbewahrung der Handakten damit unbedenklich.308 (bb) Löschungskonzept für Rechtsanwaltssozietäten Ein unbegrenztes Aufbewahrungsrecht der Berufsausübungsgesellschaft – wie es früher für uneingeschränkt zulässig gehalten wurde – ist heutzutage schon deshalb äußerst bedenklich, weil Art. 5 Abs. 1 lit. e) DS-GVO den Grundsatz der „Speicherbegrenzung“ statuiert.309 Dieser besagt, dass personenbezogene Daten nur solange gespeichert werden dürfen, wie dies für den Verarbeitungszweck erforderlich ist, vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. e) DS-GVO. Die entsprechende Erforderlichkeit fällt weg, sobald die Berufsausübungsgesellschaft dem Löschungsanspruch des Mandanten keine Ausnahmen nach Art. 17 Abs. 3 DS-GVO mehr entgegenhalten kann.310 Die Berufsausübungsgesellschaft muss Handakten daher vernichten,311 sobald die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten aus § 257 HGB, § 147 Abs. 1 AO, § 8 GwG und § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO abgelaufen sind und entsprechende Vergütungs- oder Regressansprüche aus dem Mandat in jedem Fall verjährt sind.312 Die Löschungsverpflichtung aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO erfordert somit ein Löschungskonzept der Berufsausübungsgesellschaften. Da die berufsrechtliche Aufbewahrungspflicht sechs Jahre, die steuer- und handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten sechs bzw. zehn Jahre und die Aufbewahrungspflicht des Geldwäschegesetzes fünf Jahre beträgt, sollte für die Löschung die jeweils längste maßgebend sein.313 Für Vergütungsansprüche gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 199 Abs. 1 BGB), längstens jedoch die zehnjährige Frist des § 199 Abs. 4 BGB. Für Regressansprüche des Mandanten dürften regelmäßig die Verjährungsfristen des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 2 BGB gelten. Insbesondere für Regressansprüche des Mandanten ist daher denkbar, dass die Verjährung erst dreißig Jahre nach der 308 Ebenso Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 23 Rn. 162; Kleemann/Kader, DStR 2018, 1091, 1095. 309 Für einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Sozietät und dem Grundsatz der Speicherbegrenzung daher auch Kleemann/Kader, DStR 2018, 1091, 1096. 310 Vgl. zu Steuerberatern Kleemann/Kader, DStR 2018, 1091, 1096. 311 Zutr. Paal/Pauly/Paal, DS-GVO BDSG, Art. 17 DS-GVO Rn. 20 m.w.N.; a.A. Faas/ Henseler, BB 2018, 2292, 2293 f. 312 Für eine Einbeziehung der Rechtsverfolgung nach Art. 17 Abs. 3 lit. e) DS-GVO in das Löschungskonzept auch Faas/Henseler, BB 2018, 2292, 2295; wohl auch RegBegr, BTDrucks. 18/9521, S. 115; nur gesetzliche Aufbewahrungsfristen beachtend hingegen Kleemann/Kader, DStR 2018, 1091, 1096. 313 Die jeweilige Dauer der Aufbewahrungspflicht ergibt sich aus § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO, § 147 Abs. 3 S. 1 AO und § 8 Abs. 4 GwG.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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Pflichtverletzung aus dem Mandatsvertrag eintritt (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB). Für diese Zeitspanne können und dürfen Berufsausübungsgesellschaften die Handakten gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. e) DS-GVO i.V.m. § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich aufheben, um vermeintliche Regressansprüche des Mandanten abwehren zu können. Die Ausnahmeregelung nach Art. 17 Abs. 3 lit. e) DS-GVO setzt freilich voraus, dass die Rechtsverfolgung auch hinreichend wahrscheinlich ist, sodass stets eine Prognose durchzuführen ist, ob die Handakten – über die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten hinaus – aufbewahrt werden müssen, um sich gegen Regressansprüche des Mandanten zu verteidigen.314 Ist die Geltendmachung von Regressansprüchen durch den Mandanten unwahrscheinlich, muss die Berufsausübungsgesellschaft die personenbezogenen Daten löschen. Hierzu trifft sie als datenschutzrechtliche Verantwortliche eine fortlaufende Prüfungspflicht im Hinblick auf den Ablauf der Speicherfristen.315 (cc) Sanktionen bei datenschutzrechtlichen Verstößen Eine Verletzung dieser gesetzlichen Vorgaben zur Speicherung und zur Löschung personenbezogener Daten kann nach dem neuen Bußgeldkonzept der Datenschutzkonferenz erhebliche Geldbußen nach sich ziehen, insbesondere, wenn hierdurch personenbezogene Daten frei verfügbar ins Internet gelangen.316 Je nach Jahresumsatz der Sozietät und Schwere des Verstoßes können Bußgelder von mehreren Millionen Euro verhängt werden.317 Höchstgrenzen für Bußgelder finden sich in Art. 83 Abs. 4 – 6 DS-GVO. Diese belaufen sich auf 2 % bzw. 4 % des Jahresumsatzes und 10 Mio. bzw. 20 Mio. Euro – je nachdem welcher Wert im Einzelfall höher ist. Die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines geeigneten internen Systems zur Überwachung der datenschutzrechtlichen Anforderungen kann daher nicht genug betont werden. (c) Vernichtung der Handakten durch den Rechtsanwalt Will der Anwalt die Akten irgendwann selbst vernichten, so ist zu beachten, dass die Informationen aus der Handakte zu großen Teilen der Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO unterliegen.318 Herkömmliche Handakten müssen geschreddert oder einem zur Vernichtung solcher Dokumente berufenen Unternehmen übergeben werden.319 Bei elektronischen Handakten genügt die bloße Löschung der Dateien nicht.320 Werden auch die Festplatten selbst aussortiert, so sind diese zu 314
Zum Erfordernis einer Prognose Faas/Henseler, BB 2018, 2292, 2294 m.w.N. Vgl. Faas/Henseler, BB 2018, 2292, 2294. 316 El-Auwad, AnwBl Online 2020, 19. 317 Berechnungsgrundlagen und Beispiele bei El-Auwad, AnwBl Online 2020, 18 f. 318 Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 14; Jungk, AnwBl 2014, 84, 86; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 27. 319 Jungk, AnwBl 2014, 84, 86; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 28. 320 Jungk, AnwBl 2014, 84, 86. 315
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
zerstören oder von einem entsprechenden Unternehmen zu vernichten.321 Auch wenn der Anwalt zur Vernichtung im Grundsatz befugt ist, muss er doch darauf achten, dass vermögenswerte Dokumente wie Testamente, Vollstreckungstitel und Urkunden nicht vernichtet werden dürfen.322 cc) Der Sonderfall des § 50 Abs. 4 BRAO Durch die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA)323 schreitet die Digitalisierung der Rechtsberatung weiter voran. Im Einklang mit dieser Entwicklung sieht § 50 Abs. 4 BRAO vor, dass auf elektronische Handakten die Abs. 1 – 3 entsprechend anwendbar sind. Damit erlaubt § 50 Abs. 4 BRAO die Führung elektronischer Handakten zwar nicht ausdrücklich, setzt die Zulässigkeit einer solchen Aktenführung jedoch voraus.324 Technisch werden die einzelnen Dateien, die als zum Mandat zugehörig gespeichert werden, dann die Handakte.325 Werden die Handakten elektronisch geführt, so gelten für sie dieselben Sorgfaltsmaßstäbe hinsichtlich der ordnungsgemäßen Führung und Überprüfung sowie der Einhaltung von Fristen.326 Für die Auseinandersetzung und das Ausscheiden ergeben sich nur Unterschiede, soweit die Modalitäten der zivilund berufsrechtlichen Herausgabeansprüche betroffen sind. Wenn die Handakte nur digital verfügbar ist, kann der Mandant wählen, ob er einen Datenträger mit den relevanten Dateien herausverlangt oder ob er einen Ausdruck der Dateien bevorzugt.327 Dieses Wahlrecht steht allerdings unter dem 321 Vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 14; in diese Richtung tendiert auch Jungk, AnwBl 2014, 84, 86. 322 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 23 Rn. 162; diff. Gaier/ Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 15. 323 Hierzu Siegmund, NJW 2017, 3134 ff.; Ulrich/Schmieder, NJW 2019, 113 ff.; zur Entwicklung des beA Wolf, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 63, 130 ff.; de lege lata kann ein beA nur für natürliche Personen eingerichtet werden BGH, Urt. v. 06. 05. 2019 – AnwZ (Brfg) 69/18, NJW 2019, 2031 Rn. 8 ff. = WM 2019, 1091; a.A. aber Grunewald, NJW 2019, 3620, 3623; jedenfalls de lege ferenda muss das beA auch für Berufsausübungsgemeinschaften eingerichtet werden, vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Siegmund, Anwaltl BerufsR, § 31 BRAO Rn. 25 ff.; Weyland/ Weyland, BRAO, § 31 Rn. 34 f. 324 BGH, Beschl. v. 09. 07. 2014 – XII ZB 709/13, NJW 2014, 3102 Rn. 13 = WM 2015, 257; Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 24; Jungk, in: Borgmann/ Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 23 Rn. 157, 171; Jungk, AnwBl 2014, 84; Römermann/ Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 33 Rn. 6; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 50 BRAO Rn. 136. 325 Jungk, AnwBl 2014, 84. 326 BGH, Beschl. v. 09. 07. 2014 – XII ZB 709/13, NJW 2014, 3102 Rn. 13 = WM 2015, 257; Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 24a f.; Jungk, AnwBl 2014, 84; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 33 Rn. 6. 327 Zutr. Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 17; a.A. die h.L., S. Kleine-Cosack, § 50 Rn. 7; Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 50 Rn. 48; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 50 BRAO Rn. 147, die davon ausgehen, der Anwalt dürfe darüber entscheiden,
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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Vorbehalt, dass Anwalt und Mandant keine Vereinbarung über die Erfüllung der Herausgabepflicht getroffen und so die Erbringung der geschuldeten Leistung privatautonom spezifiziert haben.328 Besteht eine solche Vereinbarung indes nicht, obliegt es dem Mandanten als Herren des Mandats und Gläubiger des Herausgabeanspruchs, zwischen einem Datenträger und einem Ausdruck zu wählen. Da der Mandant seine rechtlichen Interessen auch zukünftig mit Hilfe der Akte verfolgen muss, ist es interessengerecht, ihm das Recht zur Auswahl der konkreten Modalität zuzubilligen. Hat der Rechtsanwalt die Daten nicht selbst gespeichert, sondern bei einem Drittanbieter wie einem Rechenzentrum hinterlegt, kann er seine Herausgabepflicht erfüllen, indem er der Übermittlung der Daten an den Mandanten oder an den von diesem gewählten Rechtsberater zustimmt.329 Parallel zu dieser Möglichkeit der Erfüllung hat der Mandant einen komplementären Anspruch auf Zustimmungserteilung gegen den Rechtsanwalt.330 Dieser Anspruch ist die logische Konsequenz aus der Tatsache, dass es dem Mandanten obliegt, zwischen einem Datenträger und dem Ausdruck zu wählen. Wenn der Rechtsanwalt die Daten auch anders als durch diese zwei Alternativen zur Verfügung stellen kann, etwa indem er Dritte anweist, sie zu übermitteln, dann kann der Mandant selbstverständlich auch diese Variante der Erfüllung wählen. d) Fazit zur Verteilung der Handakten Obgleich es für die Verteilung der Handakten keine sozietätsspezifischen Normen gibt, bietet allein die grundsätzliche Rechtslage, gepaart mit den tatsächlichen Besonderheiten der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung und des Ausscheidens, hinreichend Anhaltspunkte, um eine gesellschaftsvertragliche Regelung der Handaktenverteilung zu empfehlen. Darüber hinaus ist das rechtliche Vakuum in diesem Bereich der Anlass für zahlreiche praktische Missstände, die in der unerlaubten Vervielfältigung oder Mitnahme ganzer Akten gipfeln.331 Handakten dürfen nicht zu „Trümpfe[n] im Auseinandersetzungspoker“ werden.332 Über dieses praktische Problem werden wohl auch gesellschaftsvertragliche Regelungen nicht ob er einen Datenträger oder einen Ausdruck herausgibt; diff. Gaier/Wolf/Göcken/Dahns, Anwaltl BerufsR, § 50 BRAO Rn. 24a, für den entscheidend ist, ob der Mandant mit kompatibler Software ausgestattet ist oder nicht, weshalb der Rechtsanwalt nur in letzterem Falle einen Ausdruck der Akte in Papierform bereitstellen müsse. 328 Zur Möglichkeit der Parteien, die geschuldete Leistung näher zu bestimmen, MüKoBGB/Fetzer, § 362 Rn. 3. 329 BGH, Urt. v. 11. 03. 2004 – IX ZR 178/03, NJW-RR 2004, 1290 = ZIP 2004, 1267; Dohle/Peitscher, DStR 2000, 1265, 1266; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 23 Rn. 171; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 17. 330 Dohle/Peitscher, DStR 2000, 1265, 1266; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 23 Rn. 171; Weyland/Träger, BRAO, § 50 Rn. 17. 331 S. 187. 332 Römermann, NJW 2007, 2209, 2212.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
vollständig hinweghelfen, sodass eine gesetzliche Regelung zu diesem Themenkomplex zu begrüßen wäre, um das Berufsrecht auch in dieser Hinsicht den modernen Erfordernissen des Sozietätsrechts anzupassen. Speziell in diesem Themenbereich offenbart die BRAO damit ihren Reformbedarf im Hinblick auf das Sozietätsrecht. Die Vorschrift des § 50 BRAO knüpft an den Gedanken des Einzelanwalts an, der dem Konzept der BRAO noch immer zugrunde liegt. Gleichwohl ist die Tätigkeit in einer Sozietät, gleich, ob sie als Gesellschafter oder als Angestellter ausgeführt wird, heute die weit häufigere Form auf dem Rechtsberatungsmarkt. Hierfür stellt § 50 BRAO indes keine zufriedenstellende Lösung bereit. Insbesondere ist unklar, ob die einzelnen geregelten Pflichten, wie die Aufbewahrungspflicht des § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO, die Sozietät als Vertragspartnerin des Mandatsvertrages oder den Ausscheidenden als Mandatsbearbeiter treffen. Auch die Frage, inwiefern die Sozietät und der Mandatsbearbeiter im Innenverhältnis Absprachen über die Handaktenaufteilung treffen dürfen, geht aus § 50 BRAO nicht hervor. Beide Fragen werden in dem Sinne beantwortet, dass die Sozietät und der ausscheidende Sozius im Innenverhältnis die Art und Weise der Wahrung berufsrechtlicher Pflichten im Hinblick auf die Handakten privatautonom regeln dürfen.333 Die Interessen des Mandanten werden bei derlei internen Absprachen nicht in gravierender Weise betroffen. Für ihn muss nur gewährleistet werden, dass er über den Standort der Handakten unterrichtet ist, um seine Herausgabeansprüche geltend machen zu können. Gleichzeitig erlauben interne, gesellschaftsvertragliche Regelungen zwischen Sozius und Sozietät größtmögliche Flexibilität, um die Auseinandersetzung geordnet und würdevoll durchzuführen, ohne dass eine Seite die Handakten unerlaubt vervielfältigt oder mitnimmt. Eine klarstellende Regelung in § 50 BRAO oder im Kontext einer eigenen Kodifizierung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts wäre nichtsdestotrotz wünschenswert, um die bestehenden Unklarheiten zu beseitigen.
IV. Die Räumlichkeiten der Sozietät in der Auseinandersetzung Ein weiterer häufiger Streitpunkt in der Auseinandersetzung einer Sozietät ist naturgemäß die Frage, wer in den etablierten Räumlichkeiten der Kanzlei bleiben darf. Wie der Umgang mit den Räumlichkeiten der Sozietät in der Auseinandersetzung bzw. beim Ausscheiden eines Gesellschafters von statten zu gehen hat, bestimmt sich primär nach der Rechtslage im Hinblick auf die Räumlichkeiten selbst. Denkbar ist zum einen, dass die Immobilie im Eigentum der Sozietät steht. Auf der anderen Seite kann sie der Sozietät von einem der Sozien im Rahmen der
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Gründung auch zum Gebrauch überlassen worden sein. Die wohl gängigste Variante ist jedoch die Anmietung der Immobilie durch die Sozietät von einer dritten Person. 1. Die Immobilie im Eigentum der Gesellschaft Ist die Immobilie im Eigentum der Gesellschaft, fällt der Wert der Immobilie als Teil des Vermögens der Sozietät in die Auseinandersetzungsmasse. Die Liegenschaft unterliegt dann, vorbehaltlich anderer privatautonomer Regelungen, dem allgemeinen gesetzlichen Auseinandersetzungsverfahren und muss gegebenenfalls zur Schuldentilgung nach § 733 Abs. 1 S. 1 BGB in Geld umgesetzt werden.334 Ist dies nicht erforderlich und wurde die Immobilie als Einlage durch einen Gesellschafter eingebracht, so erhält er sie dennoch nicht zurück. Nach § 733 Abs. 2 S. 2 BGB ist ihm nur der Wert der Einlage zum Zeitpunkt der Einbringung zu ersetzen. Scheidet nur ein Gesellschafter aus der Sozietät aus, so finden die besonderen Auseinandersetzungsvorschriften der §§ 738 – 740 BGB (ggf. i.V.m. § 1 Abs. 4 PartGG) Anwendung.335 Auch hier kann der Gesellschafter eine Immobilie, die er der Gesellschaft zu Eigentum überlassen hat, nicht zurückfordern. Vielmehr spiegelt sich die Immobilie anteilig in seiner Abfindung nach § 738 Abs. 1 S. 2 Var. 3 BGB wieder. Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten ergeben sich somit nicht. Ist die Immobilie Eigentum der Sozietät, finden die jeweils geltenden Auseinandersetzungsvorschriften Anwendung. 2. Die Immobilie im Eigentum eines Gesellschafters a) Die Überlassung der Immobilie quoad usum Ist die Immobilie hingegen kein Eigentum der Sozietät, etwa weil der Gesellschafter sie nicht zu Eigentum (quoad dominium), sondern nur zur Benutzung überlassen hat (quoad usum), so bleibt die Liegenschaft von der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung weitgehend verschont.336 Vielmehr werden solche Beiträge337 der Gesellschafter bereits im Frühstadium der Auseinandersetzung nach § 732 S. 1 BGB (ggf. i.V.m. § 10 Abs. 1 PartGG, § 105 Abs. 3 HGB) wieder an den jeweiligen Gesellschafter zurücküberführt. Handelt es sich lediglich um eine Teilauseinandersetzung aufgrund des Ausscheidens eines einzelnen Gesellschafters, so
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Zum Ablauf des Auseinandersetzungsverfahrens s. o. S. 91 f. Hierzu S. 136 f. 336 Näher zu diesen Begriffen und den verschiedenen Formen der Beitragsleistung Staudinger/Habermeier, § 706 Rn. 5 ff.; MüKoBGB/Schäfer, § 706 Rn. 11 ff.; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 20 Rn. 380 ff. 337 Zum Unterschied zwischen Beitrag und Einlage, K. Schmidt, GesR, § 20 II 2 d). 335
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
gilt dasselbe nach §§ 738 Abs. 1 S. 2 Var. 1, 732 S. 1 BGB (ggf. i.V.m. § 1 Abs. 4 PartGG). b) Der Beitrag der Immobilie quoad sortem Bleibt der Gesellschafter zwar formell Eigentümer der Immobilie, überlasst er diese aber der Sozietät und verpflichtet sich im Innenverhältnis, die Sozietät wie die Eigentümerin zu behandeln, spricht man von einer Einbringung dem Werte nach (quoad sortem).338 Diese Konstellation dient dazu, den organisatorischen und finanziellen Aufwand zu vermeiden, den die dingliche Übertragung verursacht, und gleichzeitig der Gesellschaft den Zugriff auf die Sache gleich einem Eigentümer zu ermöglichen.339 Formell bleibt die Liegenschaft somit Eigentum des Gesellschafters und ist diesem daher richtigerweise analog § 732 S. 1 BGB zurückzugewähren, sobald die Gesellschaft auseinandergesetzt wird.340 Aufgrund der gleichliegenden Interessenlage gilt dies auch für die Teilauseinandersetzung und das Ausscheiden eines einzelnen Gesellschafters.341 Die nachvertragliche Treuepflicht der Gesellschafter untereinander kann es allerdings gebieten, dass der Ausscheidende der Sozietät dringend benötigte Gegenstände zumindest zeitweise weiterhin überlässt.342 Bei einer Immobilie, die der Gesellschafter der Sozietät zur Benutzung überlassen hat, damit diese dort ihre Kanzlei einrichten kann, ist dies nahezu immer der Fall. Hat die Sozietät keine Möglichkeit, umgehend umzuziehen, und ist es dem Gesellschafter aufgrund der Umstände des Einzelfalls zumutbar, auf die Überlassung zu warten, muss er die Kanzleiräume daher für einen angemessenen Zeitraum zu Verfügung stellen, bis die Sozietät adäquaten Ersatz anmieten kann. Unzumutbarkeit kann etwa vorliegen, wenn der Gesellschafter selbst dringend auf die Räumlichkeiten angewiesen ist, um eine Unterkunft zu haben. Der angemessene Zeitraum ist nach 338 RG, Urt. v. 14. 04. 1903 – VII 458/02, RGZ 54, 278, 280; Urt. v. 02. 01. 1925 – II 701/23, RGZ 109, 380, 381 f.; BGH, Hinweisbeschl. v. 15. 06. 2009 – II ZR 242/08, NJW-RR 2009, 1697 Rn. 4 = NZG 2009, 1107; Staudinger/Habermeier, § 706 Rn. 6; MüKoBGB/Schäfer, § 706 Rn. 12; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 20 Rn. 384; Wiedemann, GesR II, S. 185. 339 MüKoBGB/Schäfer, § 706 Rn. 12; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 20 Rn. 384a. 340 Berninger, Die Societas quoad sortem, S. 140; Berninger, DStR 2010, 874, 877; Staudinger/Habermeier, § 706 Rn. 6; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 732 Rn. 1; Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 167; MüKoBGB/Schäfer, § 732 Rn. 10; BeckOK BGB/ Schöne, § 732 Rn. 3; K. Schmidt, GesR, § 20 II 2 d); Palandt/Sprau, BGB, § 733 Rn. 9; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 20 Rn. 384a; Erman/ H. P. Westermann, BGB, § 732 Rn. 1; Wiedemann, GesR II, S. 185.; a.A. – eine wertmäßige Abfindung nach § 733 Abs. 2 S. 2 BGB befürwortend – wohl BGH, Urt. v. 25. 03. 1965 – II ZR 203/62, WM 1965, 744, 745 f.; BGB-RGRK/v. Gamm, § 732 Rn. 5, 12. Aufl., Berlin/New York 1978; Grziwotz, DStR 1992, 1365, 1366; Piltz, DStR 1991, 251, 252. 341 Berninger, DStR 2010, 874, 877; MüKoBGB/Schäfer, § 706 Rn. 12. 342 BGH, Urt. v. 29. 06. 1981 – II ZR 165/80, NJW 1981, 2802 = BeckRS 9998, 103992; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1135.
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den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen und wird davon abhängen, ob das Ausscheiden des Gesellschafters kurzfristig und selbstverschuldet verursacht wurde. Wurde der Gesellschafter aus der Sozietät ausgeschlossen, weil ihm aufgrund eigener Verfehlungen der Entzug der Berufszulassung droht, so wird der angemessene Zeitraum großzügiger zu bestimmen sein als bei einem altersbedingten Ausscheiden des Gesellschafters, welches langfristig absehbar war.343 Da der Wert der Sache bei einem Beitrag quoad sortem der Gesellschaft zustehen soll, ist die Rückgabe an den Gesellschafter allerdings für die Sozietät ein Vermögensverlust, den sich der Gesellschafter auf den Wert seines Gesellschaftsanteils anrechnen lassen muss.344 Das kann dazu führen, dass das Auseinandersetzungsguthaben des Gesellschafters negativ wird und er somit zum Wertersatz gegenüber der Gesellschaft verpflichtet ist.345 In dieser Konstellation ist es ihm unbenommen, zur Abwehr der ihn treffenden Wertersatzpflicht die Übernahme zu Eigentum der ursprünglich quoad sortem überlassenen Liegenschaft durch die Sozietät zu verlangen.346 Entgegen der überwiegenden Ansicht im Schrifttum, die zur Begründung dieses Ergebnisses abstrakt die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht heranzieht, ergibt sich das Recht des Gesellschafters, die Übernahme zu verlangen, methodisch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung der Beitragsverpflichtung quoad sortem nach den §§ 133, 157, 242 BGB.347 3. Die Immobilie als Eigentum eines Dritten Ist die Liegenschaft kein Eigentum der Gesellschaft oder des Gesellschafters, so ist sie kein Teil der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung. Regelmäßig stellen sich in einer solchen Konstellation höchstens mietrechtliche Probleme, wenn die Räumlichkeiten der Sozietät von einem Dritten gemietet wurden.348 Die Modalitäten zur Rückgabe der Mietsache sowie der Anspruchsgegner bestimmen sich dann ausschließlich nach dem Mietvertrag.349 Denkbar sind hierbei verschiedene Konstellationen. Zunächst kann der Mietvertrag ursprünglich durch einen Rechtsanwalt mit einem Dritten geschlossen worden sein, der später gemeinsam mit anderen eine Sozietät gründet und diese in den Mieträumen betreibt. Partei des Mietvertrags ist dann der Rechtsanwalt alleine, sofern keine Vertragsübernahme durch die Sozietät
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Zu den möglichen Gründen aus einer Sozietät auszuscheiden, S. 93 ff. Berninger, Die Societas quoad sortem, S. 144, 147 f.; Staudinger/Habermeier, § 732 Rn. 2; MüKoBGB/Schäfer, § 732 Rn. 9 m.w.N. 345 Berninger, Die Societas quoad sortem, S. 148. 346 Berninger, Die Societas quoad sortem, S. 142; K. Schmidt, GesR, § 20 II 2 d). 347 Zutr. K. Schmidt, GesR, § 20 II 2 d); a.A. die h.M. Berninger, Die Societas quoad sortem, S. 142; MüKoBGB/Schäfer, § 732 Rn. 9; wohl auch Staudinger/Habermeier, § 732 Rn. 2. 348 Römermann/Römermann, PartGG, § 9 Rn. 54; Römermann, NJW 2007, 2209, 2212. 349 Staudinger/Habermeier, § 732 Rn. 3; BeckOK BGB/Schöne, § 732 Rn. 4 m.w.N. 344
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
analog §§ 414 ff. BGB stattgefunden hat.350 Sollte der Mietvertrag im Zuge der Auflösung der Sozietät ordentlich gekündigt worden sein, ist Verpflichteter des Herausgabeanspruchs aus § 546 Abs. 1 BGB der Rechtsanwalt als Partei des Mietvertrags. Zweitens kann der Mietvertrag auch nach der Sozietätsgründung durch die Sozien mit einem Dritten als Vermieter abgeschlossen worden sein. In diesem Fall wird regelmäßig die Auslegung der auf den Mietvertragsschluss gerichteten Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB ergeben, dass Partei des Mietvertrags die Sozietät werden sollte. Die Sozien agieren insofern über § 714 BGB bzw. über § 7 Abs. 3 PartGG i.V.m. § 125 f. HGB nur als Vertreter der Gesellschaft. Die Liquidation der Gesellschaft umfasst auch die Beendigung der bestehenden Vertragsverhältnisse, sodass sich die Liquidatoren um die Beendigung des Mietvertrags bemühen müssen.351 Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags für die Sozien entsteht durch die freiwillige Auflösung der Sozietät indes nicht, weil es insofern an einem wichtigen Grund i.S.d. § 543 Abs. 1 S. 1 BGB mangelt.352 Da die Auflösung freiwillig geschieht, ist es den Gesellschaftern im Rahmen der nach § 543 BGB erforderlichen Berücksichtigung der Einzelfallumstände und der Abwägung der beiderseitigen Interessen353 zuzumuten, den Weg der ordentlichen Kündigung zu beschreiten und somit gegebenenfalls für die Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag gemäß § 128 HGB (analog) selbst zu haften.354 Für den Vermieter stellt die Auflösung der Vertragspartnerin hingegen sehr wohl einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar, da dieser auf die Entscheidung zur Auflösung und Abwicklung keinen Einfluss hat und er seine Vertragspartnerin verliert.355 Zuletzt ist ebenfalls denkbar, dass einer der Sozien mit der Sozietät einen Mietvertrag über eine in seinem Eigentum stehende Liegenschaft schließt. Er gilt dann als Dritter und nicht als Gesellschafter, da er der Sozietät die Kanzleiräume bzw. das Grundstück rein schuldrechtlich überlassen hat.356 Grundsätzlich gelten daher die zuvor beschriebenen Grundsätze zur Kündigung des Mietvertrags bei Auflösung der Sozietät. Da der Vermieter aber als Sozius Einfluss auf die Auflösung der Sozietät 350 Zur Zulässigkeit und dogmatischen Grundlage der gewillkürten Vertragsübernahme S. 159 f. 351 Staub/Schäfer, HGB, § 131 Rn. 51; MüKoHGB/K. Schmidt, § 149 Rn. 10. 352 OLG Brandenburg, Hinweisbeschl. v. 02. 04. 2008 – 3 U 103/07, NZG 2008, 506, 507 = DStR 2008, 1201; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 90; Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 47; Staub/Schäfer, HGB, § 131 Rn. 51; MüKoHGB/K. Schmidt, § 149 Rn. 10. 353 Näher zur Bestimmung des wichtigen Grunds nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB, MüKoBGB/ Bieber, § 543 Rn. 6 ff. 354 OLG Brandenburg, Hinweisbeschl. v. 02. 04. 2008 – 3 U 103/07, NZG 2008, 506, 507 = DStR 2008, 1201. 355 Im Ergebnis ebenso Staub/Schäfer, HGB, § 131 Rn. 51; nur im Ausnahmefall einen wichtigen Grund zur Kündigung bejahend Heidel/Schall/Heidel, HGB, § 131 Rn. 47; sehr restriktiv wohl Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 21 Rn. 90. 356 BeckOK BGB/Schöne, § 732 Rn. 4.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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hatte und er diese zudem antizipieren konnte, wird man in dieser Konstellation auch der Sozietät ein außerordentliches Kündigungsrecht gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB zubilligen müssen. Eine vergleichbare Schutzbedürftigkeit wie bei dem Vermieter, der völlig außerhalb der Sozietät steht und keinen Einblick in diese hat, wird man nicht annehmen können. Wurde der Mietvertrag ursprünglich eingegangen, weil sich der Sozius im Gesellschaftsvertrag zum Abschluss eines Mietvertrags mit der Sozietät verpflichtet hat, stellt die Auflösung der Sozietät schon aus diesem Grund einen wichtigen Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 1 S. 2 BGB für den Sozius dar.357 Durch die nachwirkende Treuepflicht kann der Sozius allerdings gehalten sein, die Immobilie der Kanzlei zumindest vorübergehend weiterhin zur Verfügung zu stellen.358 4. Fazit zu den Kanzleiräumen Die Trennung und die Abspaltung aus einer Sozietät bringen letztlich eine Reihe verschiedener zivilrechtlicher Probleme mit sich, soweit es die Kanzleiräume betrifft. Sie sind primär gesellschafts- oder mietrechtlicher Natur, abhängig von der Eigentumslage der Sozietätsräumlichkeiten. Durch eine sorgfältige Abgrenzung der verschiedenen Formen gesellschaftsrechtlicher Betragsleistung lassen sich die Beziehungen zwischen den Sozien und der Sozietät jedoch vergleichsweise unproblematisch auflösen.
V. Berufsrechtliche Informationsrechte und -pflichten 1. Das Informationsrecht des Ausscheidenden, § 32 Abs. 2 S. 2 BORA Für das Ausscheiden Einzelner trifft das Berufsrecht explizite Regelungen zu Informationsrechten und -pflichten in § 32 Abs. 1 S. 4, 5, Abs. 2 S. 2 BORA. Nach § 32 Abs. 2 S. 2 BORA darf der ausscheidende Sozius alle Mandanten über sein Ausscheiden informieren. Mangels einer einschränkenden Regelung ist nahezu jede Form der Information (Rundschreiben per Brief oder per E-Mail, Zeitungsannoncen, Einträge auf der Homepage der Sozietät) zulässig.359 Dieser Hinweis hat vor allem einen haftungsrechtlichen Hintergrund.360 Nach § 160 Abs. 1 S. 1 HGB haftet ein ausgeschiedener Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten, die bis zu seinem Ausscheiden begründet waren und vor Ablauf von fünf 357 Staudinger/Habermeier, § 732 Rn. 3; BeckOK BGB/Schöne, § 732 Rn. 4; Erman/ H. P. Westermann, BGB, § 732 Rn. 1. 358 Zur nachwirkenden Treuepflicht bei der Überlassung von Gegenständen vgl. BGH, Urt. v. 29. 06. 1981 – II ZR 165/80, NJW 1981, 2802 = BeckRS 9998, 103992; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1135. 359 Weyland/Brüggemann, BRAO, § 32 BORA Rn. 6. 360 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 16.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
Jahren fällig geworden sind.361 Fristbeginn für diese fünf Jahre ist gemäß § 160 Abs. 1 S. 2 HGB das Ende des Tages, an dem das Ausscheiden im Handelsregister eingetragen wird. Für die PartG entspricht dies der Eintragung im Partnerschaftsregister. In der GbR muss der Ausscheidende mangels eines Registers den Gläubigern sein Ausscheiden mitteilen und so für positive Kenntnis sorgen, um die FünfJahres-Frist in Gang zu setzen.362 Daher muss es ihm auch berufsrechtlich unbenommen bleiben, sein Ausscheiden allen Mandanten mitzuteilen. Insofern enthält § 32 Abs. 2 S. 2 BORA dogmatisch kein eigenständiges Recht, sondern lediglich die Klarstellung, dass das dem Ausscheidenden schon aus § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 Abs. 1 S. 2 HGB zustehende Recht zur Bekanntgabe seines Ausscheidens unangetastet bleibt.363 Ein berufsrechtlicher Anspruch darauf, den Mandanten das Ausscheiden mitzuteilen, hätte neben dem aus § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 Abs. 1 S. 2 HGB keine weitergehende oder eigenständige Funktion. Unabhängig von der dogmatischen Grundlage hat der ausscheidende Sozius das Recht zur Mitteilung, sobald sich seine Mitgliedschaft der Beendigung nähert.364 Als „Phase der Beendigung“ wird man den Zeitraum ansehen müssen, der zwischen dem Austritt bzw. dem Ausschluss und der Wirksamkeit eben jener liegt.365 Der frühestmögliche Zeitpunkt, zu dem der Sozius somit die Mandanten über sein Ausscheiden informieren darf, ist daher sein Austritt bzw. sein Ausschluss aus der Sozietät. 2. Informationspflichten der verbleibenden Sozien, § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA a) Der Umzugshinweis des § 32 Abs. 1 S. 4 BORA In § 32 Abs. 1 S. 4 wird dem ausscheidenden Sozius der berufsrechtliche Anspruch verliehen, am Kanzleisitz und auf der Internetseite der Sozietät für ein Jahr auf seinen Umzug hinzuweisen.366 Für den Hinweis am Kanzleisitz wird angenommen, dass der Ausscheidende ein Schild mit der Bekanntmachung des Ausscheidens und seines Umzugs anbringen 361 § 160 HGB gilt für die GbR über § 736 Abs. 2 BGB; für die PartG erfolgt die Verweisung durch § 10 Abs. 2 PartGG. 362 BGH, Urt. v. 10. 02. 1992 – II ZR 54/91, BGHZ 117, 168, 178 f. = NJW 1992, 1615; Urt. v. 24. 09. 2007 – II ZR 284/05, BGHZ 174, 7 Rn. 17 = NJW 2007, 3784 (m. Anm. Voigt); Staudinger/Habermeier, § 736 Rn. 18 m.w.N. aus der Lehre. 363 A.A. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 16; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 24; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 144. 364 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 16; Henssler/ Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 25. 365 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 25. 366 Zur systematisch äußerst zweifelhaften Verortung des § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA, s. o. S. 148.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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darf.367 Die Größe und die Art dieses Schildes müssen der Größe und der Art des Hinweises auf den Ausscheidenden auf dem Kanzleischild zum Zeitpunkt seiner Mitgliedschaft in der Sozietät entsprechen.368 Der ausgeschiedene Sozius muss darauf achten, dass das Kanzleischild durch den Hinweis nicht verunstaltet wird.369 Gleichzeitig darf die Sozietät den Hinweis auch nicht am unteren Ende des Kanzleischilds „verstecken“.370 Inhaltlich kann der Hinweis den Umzug, den Kanzleinamen und die von § 32 Abs. 1 S. 5 BORA erfassten Angaben enthalten.371 Die mit dem Anspruch des Ausscheidenden korrespondierende Duldungspflicht trifft nicht nur die ursprünglichen Sozien, sondern auch deren Rechtsnachfolger.372 Nicht geduldet werden müssen allerdings die Namen der neuen Sozien des Ausgeschiedenen.373 Der Umzugshinweis darf aber durchaus dahingehend ergänzt werden, dass der ausgeschiedene Sozius mit neuen Partnern zusammenarbeitet, damit ein anrufender Mandant sich nicht falsch verbunden fühlt, weil unter der angegebenen Nummer nicht der Ausgeschiedene selbst zu erreichen ist.374 Diese Grundsätze gelten sämtlich auch für den Umzugshinweis auf dem Internetauftritt der Sozietät.375 Insbesondere muss der Umzugshinweis entweder auf der Titelseite, auf der Seite des jeweiligen Berufsträgers oder unter der Rubrik „Aktuelles“.376 Der Umzugshinweis auf der Website ist heutzutage auch derjenige von größerer praktischer Relevanz. Reine Laufkundschaft ist bei Rechtsanwaltssozietäten mittlerweile selten.377 Sowohl für alte als auch für neue Mandanten ist die Informationsquelle der Wahl die Website der Sozietät.378 367
Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 20. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 20; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1201. 369 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 17; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1201. 370 LG Limburg, Urt. v. 21. 12. 2001 – 3 S 344/01, NJW-RR 2002, 1211 = BeckRS 9998, 18505; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 17; Koch/ Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1201. 371 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 17; Weyland/ Brüggemann, BRAO, § 32 BORA Rn. 1.; Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 7; Koch/ Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1201. 372 OLG Koblenz, Urt. v. 14. 03. 2000 – 1 U 70/00, MDR 2000, 1401 = BeckRS 2000, 30100982. 373 LG Limburg, Urt. v. 21. 12. 2001 – 3 S 344/01, NJW-RR 2002, 1211, 1212 = BeckRS 9998, 18505; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 20. 374 LG Limburg, Urt. v. 21. 12. 2001 – 3 S 344/01, NJW-RR 2002, 1211, 1212 = BeckRS 9998, 18505; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 17. 375 Vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 17; Koch/ Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1201. 376 Vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 17. 377 Römermann, AnwBl 2009, 681, 684. 378 Satzungsversammlung der BRAK, Prot. 4. Sitzung 5. Satzungsversammlung, S. 11, zit. nach Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 21 in Fn. 51. 368
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
b) Die Bekanntgabepflicht des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA aa) Inhalt und Zweck des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA Ergänzend zu § 32 Abs. 1 S. 4 BORA statuiert § 32 Abs. 1 S. 5 BORA eine Bekanntgabepflicht der verbleibenden Sozien gegenüber Mandanten im Hinblick auf die Kontaktinformationen des Ausgeschiedenen. Sinn und Zweck der Norm ist es sicherzustellen, dass der Mandant alle notwendigen Kontaktinformationen erhält, um den Anwalt seiner Wahl zu kontaktieren. Sie dient damit einerseits dem Mandanten, aber auch dem Ausgeschiedenen. Ausdrücklich als relevante Informationen genannt werden hierbei die Kanzleiadresse sowie die Telefon- und die Faxnummer. Daraus wird geschlossen, dass diese Aufzählung abschließend sei und die Weitergabe anderer Kontaktinformationen wie einer E-Mail-Adresse nicht verlangt werden könne.379 Andere stützen dieses Ergebnis mit dem Hinweis, dass die E-Mail-Adresse heute noch nicht zu den gewöhnlichen Kommunikationsformen gehöre.380 Michalski/Römermann gestehen aber durchaus zu, dass dieses Argument zukünftig womöglich zu überdenken sei.381 bb) Verpflichtung zur Bekanntgabe der E-Mail-Adresse In der Tat ist dieses Argument heute nicht mehr überzeugend. Mittlerweile ist die E-Mail eine alltägliche Kommunikationsform, die in ihrer Relevanz dem Telefonat durchaus ebenbürtig ist oder es sogar bereits überholt hat. Ob § 32 Abs. 1 S. 5 BORA nicht auch auf die Weitergabe der E-Mail-Adresse oder anderer Kontaktmöglichkeiten erstreckt werden kann, ist zwar angesichts des klaren Wortlauts auf den ersten Blick zweifelhaft, allerdings kann man dem Wortlaut einer Norm, die gemeinhin in Wortlaut und Systematik als missglückt gilt, auch keine übermäßige Bedeutung zumessen.382 Der Zweck der Norm, welcher auf die Interessen des Mandanten ausgerichtet ist und es diesem ermöglichen soll, den Anwalt seiner Wahl zu kontaktieren, fordert demgegenüber die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Norm auf weitere Kommunikationsmittel neben denen, die bereits ausdrücklich aufgezählt wurden. Jedenfalls eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, da vor einigen Jahren die heutige Bedeutung der E-Mail als Kommunikationsform kaum abzusehen war. Somit besteht in diesem Bereich eine ungeplante Regelungslücke, die der Satzungsgeber nicht voraussehen konnte. Mittlerweile ist die E-Mail-Adresse ebenso alltäglich wie die Telefonnummer und um ein Vielfaches häufiger gebraucht als die Faxnummer, welche noch von § 32 379 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 23; offenbar auch Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 19. 380 Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 188. 381 Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 188. 382 Hierzu S. 148 f.
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Abs. 1 S. 5 BORA erfasst wird, sodass die Interessenlagen im Hinblick auf die geregelten Fälle und die E-Mail durchaus vergleichbar sind. Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung des Rechtsverkehrs und auch der Rechtsberatung unter Zuhilfenahme des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs kann man kaum noch davon ausgehen, dass dem Auskunft begehrenden Mandanten nicht auch die EMail-Adresse des ausgeschiedenen Sozius mitgeteilt werden müsse. c) Schranken der Rechte aus § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA aa) Zeitrahmen der Rechte aus § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA Anders als das Recht zur Bekanntgabe des Ausscheidens aus der Sozietät können die Rechte aus § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA vom Ausgeschiedenen nicht schon ab dem Zeitpunkt geltend gemacht werden, zu dem sein Ausscheiden feststeht, sondern erst ab dem Zeitpunkt seines tatsächlichen Ausscheidens, da er vorher noch in der alten Sozietät erreichbar ist.383 Für § 32 Abs. 1 S. 5 BORA gilt – ebenso wie für § 32 Abs. 1 S. 4 BORA – die zeitliche Grenze von einem Jahr. Ausdrücklich geregelt ist dies in § 32 Abs. 1 S. 4 BORA und ergibt sich für § 32 Abs. 1 S. 5 BORA aus der Formulierung „während dieser Zeit“, die auf § 32 Abs. 1 S. 4 BORA Bezug nimmt. bb) Inhaltliche Schranken der Rechte aus § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA Neben den zeitlichen Grenzen der Informationsrechte und -pflichten bestehen auch inhaltliche Grenzen, die bei der Auflösung der Sozietät und dem Ausscheiden einzelner Sozien zu beachten sind. (1) Inhaltliche Grenzen des § 32 Abs. 1 S. 4 BORA Die Norm des § 32 Abs. 1 S. 4 BORA verleiht dem ausgeschiedenen Sozius zwar das Recht zur Anbringung eines entsprechenden Umzugshinweises, dieses Recht findet seine Grenze jedoch in den kollidierenden Rechten Dritter. Da die BORA als Satzung keinen gestaltenden Einfluss auf das allgemeine Zivilrecht nehmen kann, verpflichtet § 32 Abs. 1 S. 4 BORA nicht auch ohne Weiteres Dritte. So kann der Vermieter trotz § 32 Abs. 1 S. 4 BORA unter Umständen Einwände aus dem Mietvertrag erheben, die die Anbringung eines weiteren Schildes verhindern oder jedenfalls den zulässigen Zeitraum für den Hinweis verkürzen.384 Ähnliches gilt für einen Dritten als Hauseigentümer.385 383 ArbG Schwerin, Urt. v. 16. 05. 2001 – 6 Ca 3731/00, AnwBl 2002, 56, 57 = BeckRS 2001, 30939129; Weyland/Brüggemann, BRAO, § 32 BORA Rn. 1; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 27. 384 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 18; Michalski/ Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 189; Römermann, NJW 2007, 2209, 2212. 385 Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 189.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
(2) Inhaltliche Grenzen des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA Die Bekanntgabepflicht des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA findet ihre Grenze hingegen häufig in tatsächlichen Hindernissen. So ist sie für die verbleibenden Sozien nicht zu erfüllen, wenn der Ausgeschiedene den Anwaltsberuf aufgegeben hat.386 Da die Berufsordnung nur Berufspflichten statuiert und § 32 Abs. 1 S. 5 BORA bereits dem Telos nach nur berufliche Informationen in Bezug nimmt, müssen die verbleibenden Sozien interessierten Mandanten dann keine Informationen über den Ausgeschiedenen mitteilen, da dieser beruflich nicht mehr verfügbar ist.387 Eine Pflicht andere, bzw. private Kontaktinformationen zu vermitteln, trifft die verbleibenden Sozien somit nicht. Ähnliches gilt, wenn der ausgeschiedene Sozius es versäumt hat, seine neuen Kontaktinformationen mitzuteilen.388 Dann können die ehemaligen Partner des Ausgeschiedenen schon keinen Kontakt herstellen. § 32 Abs. 1 S. 5 BORA verpflichtet sie ausdrücklich nur zur Weitergabe entsprechender – ihnen bekannter – Informationen. Eine Verpflichtung zur Nachforschung lässt sich der Norm nicht entnehmen.389 Sie würde auch das Telos der Norm überdehnen. Zwar soll § 32 Abs. 1 S. 5 BORA den Mandanten die Möglichkeit geben, den Ausgeschiedenen und damit „ihren Anwalt“ zu erreichen, für die Existenz dieser Möglichkeit hat aber letzterer zu sorgen. Es wäre den verbleibenden Sozien auch unter Beachtung der nachwirkenden Treuepflicht aus dem Gesellschaftsverhältnis kaum zumutbar, potenzielle Mandanten nicht nur weiterzuverweisen, sondern auch noch im Interesse des Ausgeschiedenen Nachforschungen anzustellen und diesem zu wirtschaftlichem Erfolg zu verhelfen. Daran anschließend ist auch der Fall zu bedenken, dass der Sozius seine neuen Kontaktinformationen zwar nicht ausdrücklich mitgeteilt hat, die Sozietät aber dennoch, etwa aufgrund der Äußerungen von Dritten, Kenntnis von der neuen Adresse, der Telefon- oder Faxnummer oder der E-Mail-Adresse hat. Zwar liegt es ursprünglich im Eigeninteresse des Sozius, dass er seine Erreichbarkeit für Mandanten sicherstellt, allerdings trifft § 32 Abs. 1 S. 5 BORA nach seinem Wortlaut keine Einschränkung hinsichtlich der Herkunft der Kontaktinformationen. Im Gegenteil lässt der Wortlaut viel eher darauf schließen, dass nur entscheidend ist, ob die Sozietät über die entsprechenden Informationen verfügt. Sofern dies der Fall ist, hat sie sie weiterzugeben. Auch teleologisch ist diese Lösung vorzugswürdig. Zum einen dient § 32 Abs. 1 S. 5 BORA dem Mandanten und diesem dürfen verfügbare In386
Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 19; Michalski/ Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 191; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 143. 387 Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 191. 388 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 19; Michalski/ Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 191; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 143. 389 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 19; Michalski/ Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 191.
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formationen nicht vorenthalten werden. Zum anderen hat die Sozietät keinen Mehraufwand dadurch, dass sie Informationen herausgibt, welche ihr bereits zur Verfügung stehen. cc) Durchsetzbarkeit (1) § 32 Abs. 1 S. 4 BORA Sein Recht aus § 32 Abs. 1 S. 4 BORA kann der Ausgeschiedene im Wege der Leistungsklage gegenüber seiner früheren Sozietät verfolgen. (2) § 32 Abs. 1 S. 5 BORA – Verweigerte und unvollständige Auskünfte Bei einem Verstoß der Sozietät gegen ihre Pflicht aus § 32 Abs. 1 S. 5 BORA ist das Lauterkeitsrecht betroffen. Dadurch, dass die Sozietät trotz ihrer gesetzlichen Verpflichtung Informationen über den Sozius nicht oder nur unzutreffend bzw. unvollständig an die Mandanten weitergibt, erfüllt sie den Tatbestand der gezielten Behinderung von Mitbewerbern nach § 4 Nr. 4 UWG als speziellen Fall der unlauteren geschäftlichen Handlungen nach § 3 Abs. 1 UWG.390 Daneben könnte man erwägen, auch die Vorschrift des § 3a UWG als erfüllt zu erachten. Hiernach ist ein unlauteres Verhalten dann anzunehmen, wenn gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßen wird, die im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten regeln soll, und der Rechtsbruch dazu geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Zu den gesetzlichen Vorschriften in diesem Sinne zählen auch Satzungsvorschriften der Berufsordnung für Rechtsanwälte wie § 32 Abs. 1 S. 5 BORA.391 Im Interesse der Mandanten wird dort die Erreichbarkeit des gewählten Anwalts bezweckt. Diese Erwägung liegt auch anderen Vorschriften des Berufsrechts wie §§ 27, 59j BRAO zugrunde, die überwiegend als Marktverhaltensregeln angesehen werden.392 Angesichts der in § 32 Abs. 1 S. 5 BORA statuierten Informationspflicht dient die Norm wettbewerbsrechtlich dem Interesse der Mandanten.393 Spürbar beeinträchtigt ist das Mandanteninteresse, wenn der Rechtsbruch dazu geeignet ist, den Mandanten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.394 Die Nichtweitergabe der begehrten Informationen an den Mandanten zwingt ihn höchstwahrscheinlich dazu, einen anderen Rechtsanwalt zu mandatieren. Er trifft damit eine Entscheidung, die er andernfalls nicht getroffen hätte und die ihn damit spürbar beeinträchtigt. Die Nicht-
390 391 392 393 394
BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 63. BGH, Urt. v. 27. 01. 2005 – I ZR 202/02, NJW 2005, 1644 = WM 2005, 1093. Ohly/Sosnitza/Ohly, UWG, § 3a Rn. 38 m.w.N. Vgl. Ohly/Sosnitza/Ohly, UWG, § 3a Rn. 40. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, § 3a Rn. 1.103.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
erfüllung der Pflicht aus § 32 Abs. 1 S. 5 BORA durch die Sozietät erfüllt damit auch den Tatbestand des Rechtsbruchs als unlautere Handlung gemäß § 3a UWG.395 (3) § 32 Abs. 1 S. 5 BORA – Erteilte, aber unsachliche Auskünfte Aufseiten der Sozietät bzw. des verbleibenden Sozius ist darüberhinaus nicht nur auf die Richtigkeit der Kontaktinformationen zu achten, sondern auch auf deren sachliche Übermittlung. Selbst wenn die Kontaktinformationen des ehemaligen Sozius weitergegeben werden, besteht häufig der Drang, diesen gegenüber dem Mandanten zu verunglimpfen, um letzteren wieder für die Sozietät zu gewinnen. Ein solches Verhalten dürfte allerdings regelmäßig ein Verstoß gegen den Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 1 UWG und damit eine unlautere Handlung i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG darstellen, da § 4 Nr. 1 UWG die Herabsetzung oder Verunglimpfung von Dienstleistungen, Tätigkeiten und persönlichen oder geschäftlichen Verhältnissen eines Mitbewerbers verbietet. Ebenfalls erfüllt ist wiederum § 3a UWG. Zwar schützt § 32 Abs. 1 S. 5 BORA ausdrücklich nur die Informationsweitergabe an den Mandanten; nach dem Sinn und Zweck des § 32 Abs. 1 S. 5 BORA muss die Informationsübermittlung aber sachlich erfolgen, um den Mandanten in der Wahl des Anwalts nicht zu beeinflussen. Dies korreliert im Übrigen auch mit dem Schutzzweck des § 3a UWG, welcher den Verbrauchern eine „informierte und freie geschäftliche Entscheidung“ ermöglichen soll.396 § 32 Abs. 1 S. 5 BORA erfasst daher nicht nur die verweigerte oder unrichtige Erteilung von Auskünften, sondern auch deren Sachlichkeit, sodass eine Verunglimpfung des ehemaligen Sozius auch einen Rechtsbruch nach § 3a UWG darstellt. Für die Spürbarkeit der Beeinträchtigung i.S.d. § 3a UWG ist eine tatsächliche Interessenbeeinträchtigung nicht erforderlich, vielmehr genügt die bloß potenzielle Möglichkeit.397 Ob der Mandant die Verunglimpfung daher zum Anlass genommen hat, den Ausgeschiedenen nicht zu kontaktieren, an seinem Vorhaben gezweifelt hat oder die Verunglimpfung sogar ignoriert hat, ist für § 3a UWG daher nicht entscheidend. (4) Lauterkeitsrechtliche Konsequenzen Liegt eine solche unlautere geschäftliche Handlung des Verpflichteten vor, kann der Ausgeschiedene die Unterlassung des wettbewerbswidrigen Verhaltens gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UWG verlangen.398 Zur Durchsetzung des Unter395 LG Berlin, Urt. v. 08. 03. 2011 – 3 O 231/11, NJW-RR 2012, 382, 383 = BeckRS 2011, 22954; BeckOK BORA/Römermann, § 32 Rn. 63. 396 Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, § 3a Rn. 1.98. 397 Jänich, Lauterkeitsrecht, § 9 Rn. 19; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, § 3a Rn. 1.97. 398 LG Berlin, Urt. v. 08. 03. 2011 – 3 O 231/11, NJW-RR 2012, 382 f. = BeckRS 2011, 22954; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 23; vgl. auch BeckOK BORA/ Römermann, § 32 Rn. 63.
B. Die Auflösung wechselseitiger Bindungen zwischen den Sozien
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lassungsanspruchs kann der Ausgeschiedene die Sozietät zunächst gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 UWG abmahnen. Im Übrigen steht ihm zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung unter den erleichterten Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 UWG offen.399 Das bedeutet, dass er nach den §§ 3, 3a, 12 Abs. 2 UWG i.V.m. § 32 Abs. 1 S. 5 BORA einen Verfügungsanspruch gegen seine ehemaligen Sozien dahingehend geltend machen kann, dass diese ihre Informationspflichten gegenüber anfragenden Mandanten erfüllen.400 Klagt der Ausgeschiedene auf Unterlassung, kann er im Fall seines Obsiegens gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 UWG das Urteil auf Kosten der Sozietät öffentlich bekannt machen, falls er ein entsprechendes objektives Interesse darlegen kann. Ein solches liegt vor, wenn die obsiegende Partei substantiiert darlegt, dass die Urteilsveröffentlichung zur Beseitigung einer fortdauernden Störung sowohl erforderlich als auch geeignet ist.401 Die Feststellung, ob die Veröffentlichung zur Beseitigung geeignet und erforderlich ist, setzt eine umfassende Abwägung der Interessen der obsiegenden und der unterlegenen Partei voraus.402 In die Abwägung muss allerdings auch ein womöglich bestehendes Interesse der Allgemeinheit an der Information einbezogen werden.403 Die Einzelkriterien der Abwägung sind Gegenstand einer umfangreichen Kasuistik. Vorwiegend zu beachten sind Intensität und Umfang des Wettbewerbsverstoßes, die Bedeutung des Verstoßes in der öffentlichen Wahrnehmung, die Dauer der durch den Wettbewerbsverstoß hervorgerufenen Beeinträchtigung und die zu erwartende Belastung der unterlegenen Partei durch die Veröffentlichung.404 Zuständig für die Klage zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist regelmäßig das Landgericht, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung unterhält (§§ 13 Abs. 1 UWG, 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 UWG). Entscheidend für den Ort der Klageerhebung ist somit zunächst der Sitz der Sozietät. Nach § 14 Abs. 2 UWG kann auch das Gericht zuständig sein, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde. Der Kläger hat die Wahl (vgl. § 35 ZPO) zwischen dem Gerichtsstand des § 14 Abs. 1 UWG und demjenigen des § 14 Abs. 2 UWG.405 Als Begehungsort i.S.d. § 14 Abs. 2 UWG gilt sowohl der Ort, an dem der Schädiger gehandelt hat, als auch der Ort, an dem das geschützte Rechtsgut belegen ist.406 Für die Begründung des Handlungsortes ist es ausreichend, dass nur 399 LG Berlin, Urt. v. 08. 03. 2011 – 3 O 231/11, NJW-RR 2012, 382, 383 = BeckRS 2011, 22954; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 23. 400 LG Berlin, Urt. v. 08. 03. 2011 – 3 O 231/11, NJW-RR 2012, 382 = BeckRS 2011, 22954. 401 Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher, UWG, § 12 Rn. 193 f. 402 BGH, Urt. v. 11. 05. 1954 – I ZR 178/52, BGHZ 13, 244, 259 = NJW 1954, 1566 – „Cupresa“; Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher, UWG, § 12 Rn. 194 f. 403 BGH, Urt. v. 11. 05. 1954 – I ZR 178/52, BGHZ 13, 244, 259 = NJW 1954, 1566 – „Cupresa“; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, UWG, § 12 Rn. 4.7. 404 So die Zusammenfassung bei Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher, UWG, § 12 Rn. 195. 405 Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, UWG, § 14 Rn. 1. 406 BGH, Beschl. v. 17. 03. 1993 – I ZR 304/91, GRUR 1994, 530, 532; Fezer/Büscher/ Obergfell/Büscher, UWG, § 14 Rn. 27.
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4. Kap.: Sozietätsspezifische Probleme in der (Teil-)Auseinandersetzung
ein Tatbestandsmerkmal des Wettbewerbsverstoßes an diesem Ort verwirklicht wurde.407 Wird die von § 32 Abs. 1 S. 5 BORA geforderte Auskunft per E-Mail verweigert oder in unsachlicher Form erteilt, so sind sowohl der Sende- als auch der Empfangsort dieser E-Mail als Begehungsort anzusehen.408 Entsprechendes gilt für telefonische Auskünfte.409 Zulässiger Gerichtsstand i.S.d. § 14 Abs. 2 UWG kann daher durchaus der Sitz der Sozietät sein, sodass es zu keiner Abweichung von § 14 Abs. 1 S. 1 UWG kommt. Zwingend ist dies jedoch nicht. Entscheidend ist letztlich, wo die Pflicht aus § 32 Abs. 1 S. 5 BORA verletzt wird. 3. Fazit zu Informationsrechten und -pflichten Berufsrechtlich stellt § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA verschiedene Anforderungen an die verbleibenden Sozien, die vor allem den fairen Wettbewerb mit dem ausgeschiedenen Sozius sichern sollen. Dabei bietet die in Wortlaut und Systematik missglückte Norm durchaus Anlass, sich über Einzelfragen tiefere Gedanken zu machen, etwa ob die aufgezählten Kommunikationsformen in § 32 Abs. 1 S. 5 BORA noch zeitgemäß sind410 oder wo die Grenze zwischen Informations- und Nachforschungspflicht der Sozietät verläuft411. Insbesondere ersteres wird ablehnend beantwortet werden müssen, womit sich auch in diesem Teilbereich des Ausscheidens und der Auseinandersetzung durchaus Reformbedarf für die Satzungsversammlung der BRAK zeigt.
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Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher, UWG, § 14 Rn. 27. LG Hamburg, Urt. v. 22. 03. 2001 – 315/ O 856/00, GRUR-RR 2002, 267, 268; Fezer/ Büscher/Obergfell/Büscher, UWG, § 14 Rn. 32; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, UWG, § 14 Rn. 16. 409 Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher, UWG, § 14 Rn. 32. 410 S. 206. 411 S. 208. 408
5. Kapitel
Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien Neben den zuvor behandelten Themen der Auflösung bestimmter Rechtsverhältnisse und tatsächlicher Bindungen gibt es auch Problemfelder, die lediglich das Ausscheiden Einzelner aus der Sozietät betreffen. Von besonderer Relevanz sind hierbei kautelarjuristische Modifikationen der geschuldeten Abfindung und des nachvertraglichen Wettbewerbsrechts des Ausgeschiedenen.1
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten I. Gesetzlicher Abfindungsanspruch Der Abfindungsanspruch eines Sozius, der aus der Sozietät ausscheidet, ergibt sich grundsätzlich aus § 738 Abs. 1 S. 2 Var. 3 BGB, wobei für die Partner einer PartG der Umweg über die Verweisung des § 1 Abs. 4 PartGG notwendig ist. 1. Anspruchsvoraussetzungen Voraussetzung des Bestehens eines Abfindungsanspruchs ist zum einen, dass der Rechtsanwalt gemäß §§ 736 Abs. 1, 737 S. 1 BGB infolge Kündigung, Tod oder Privatinsolvenz aus der Sozietät ausscheidet und diese mittels einer Fortsetzungsklausel fortbesteht oder dass die Sozietät aufgrund eines Übernahmerechts oder der Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in der Hand des letzten Gesellschafter vollbeendigt wird.2 Zum anderen muss das Gesellschaftsvermögen, bereinigt um die Einlagen der Gesellschafter, hier also der Sozien, einen positiven Saldo aufweisen.3 Bei einem negativen Saldo würde den ausscheidenden Gesellschafter eine Nachschusspflicht pro rata gemäß § 739 BGB treffen.4 1 Zur Modifikation der gesetzlichen Abfindung, S. 218 ff.; zur kautelarjuristischen Beschränkung nachvertraglichen Wettbewerbs, S. 272 ff. 2 MüKoBGB/Schäfer, § 732 Rn. 14; ebenso Goette, ZGR 46 (2017), 426, 435. 3 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 404; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 738 BGB Rn. 8; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48. 4 Näher Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 739 BGB Rn. 1; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
2. Anspruchsgegner und Fälligkeit a) Anspruchsgegner des Abfindungsanspruchs Anhand des Normtextes von § 738 Abs. 1 S. 2 BGB liegt es zunächst nahe, als Anspruchsgegner die Mitgesellschafter zu identifizieren. Schließlich spricht das Gesetz insofern davon, dass „diese“ verpflichtet sind, dem ausscheidenden Gesellschafter zu zahlen, was ihm in der Auseinandersetzung zustünde. „Diese“ kann sich in diesem Fall nur auf die „übrigen Gesellschafter“ aus S. 1 beziehen. Es besteht jedoch Einigkeit, dass sich der Anspruch gegen die Gesellschaft5 oder bei der Übernahme des Gesellschaftsanteiles und der unmittelbar darauffolgenden Vollbeendigung gegen den Übernehmer richtet6. In Anbetracht der Rechtsfähigkeit der GbR ist diese Annahme auch nur konsequent.7 Neben der Gesellschaft selbst kommen jedoch nach den Grundsätzen der akzessorischen Gesellschafterhaftung aus § 128 S. 1 HGB (analog) auch die Gesellschafter als Schuldner in Betracht.8 Dies ist nicht unumstritten, sprechen doch die Tatsache, dass der Abfindungsanspruch auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht – und somit eine Sozialverbindlichkeit sein könnte – sowie das aus § 707 BGB folgende Verbot einer Nachschusspflicht prima facie eindeutig gegen die akzessorische Gesellschafterhaftung.9 Allerdings gilt das Verbot des § 707 BGB nur für aktive Gesellschafter – dem Ausgeschiedenen kann dieser Einwand daher nicht entge-
5 BGH, Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 11 = ZIP 2011, 1359; Urt. v. 12. 07. 2016 – II ZR 74/14, NJW 2016, 3597 Rn. 9 = MDR 2016, 1098; Prütting/Wegen/ Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 738 Rn. 8; Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 9; Freund, ZIP 2009, 941, 946; Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 12; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 35; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 319; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 738 BGB Rn. 12; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 24; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48; MüKoBGB/Schäfer, § 738 BGB Rn. 16; BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 17; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 77; Palandt/ Sprau, BGB, § 738 Rn. 4; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 4; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1144; a.A. Clemm, BB 1992, 1959, 1961. 6 Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 738 Rn. 8; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 738 BGB Rn. 12; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 16. 7 Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 12; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 77; für die PartG Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48. 8 Zutr. BGH, Urt. v. 02. 07. 2001 – II ZR 304/00, BGHZ 148, 201, 206 = NJW 2001, 2718; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 12 = ZIP 2011, 1359; Prütting/Wegen/ Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 738 Rn. 8; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 319; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 738 BGB Rn. 12; MüKoBGB/Schäfer, § 705 Rn. 218; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 77; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1144. 9 Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 40; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 27.
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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gengehalten werden.10 Auch die Qualifizierung des Abfindungsanspruchs als Sozialverbindlichkeit ist keineswegs zwingend. Im Rahmen der Auseinandersetzung tritt der ausgeschiedene Gesellschafter der Gesellschaft vielmehr wie ein außenstehender Dritter gegenüber.11 Die fehlende Schutzwürdigkeit des ausgeschiedenen Gesellschafters, resultierend aus dem positiven Abfindungsguthaben, welches die Werthaltigkeit des Anspruchs belegt, lässt sich ebenfalls nicht fruchtbar machen.12 Zum einen ist die Solvenz der Gesellschaft nie ein Argument gegen die akzessorische Gesellschafterhaftung aus § 128 HGB (analog) und zum anderen berücksichtigt das Abfindungsguthaben nicht, ob genügend freies Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, um den Abfindungsanspruch zu erfüllen.13 Im Gegenteil wird das Gesellschaftsvermögen meist im Unternehmen gebunden sein, sodass eine Haftung der verbliebenen Gesellschafter aus § 128 HGB (analog) zur Absicherung des ausgeschiedenen Gesellschafters erforderlich ist.14 b) Fälligkeitszeitpunkt des Anspruchs aus § 738 Abs. 1 S. 2 Var. 3 BGB Die Fälligkeit des Anspruchs tritt nach der allgemeinen Regel des § 271 Abs. 1 BGB mit der Entstehung des Anspruchs15 – und damit im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters16 – ein. Aus den tatsächlichen Umständen zur Zeit des Ausscheidens aus der Gesellschaft kann sich indes gemäß § 271 Abs. 1 BGB eine Verschiebung der Fälligkeit auf den Zeitpunkt, zu dem die Abfindungsbilanz erstellt sein wird, ergeben.17 Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich die Abfindungshöhe nicht an einer bereits erstellten, sondern einer noch zu erstellenden Bilanz orientiert.18 Nicht zu folgen ist demgegenüber der Ansicht, welche die Feststellung der
10 MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 17; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 77; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1144. 11 BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 18. 12 So aber Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 40; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 27. 13 BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 18. 14 BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 18. 15 Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 9; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 37; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 20; Palandt/Sprau, BGB, § 738 Rn. 6; Stötter, BB 1977, 1219, 1220; zum Verlustausgleichsanspruch aus § 739 BGB auch BGH, Urt. v. 19. 07. 2010 – II ZR 57/ 09, NJW-RR 2010, 1401 Rn. 8 = MDR 2010, 1196. 16 BGH, Urt. v. 19. 07. 2010 – II ZR 57/09, NJW-RR 2010, 1401 Rn. 8 = MDR 2010, 1196; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 64; Miras, DStR 2011, 318; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48; BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 19; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 88. 17 Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 738 Rn. 9; Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 9; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 30; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 20; BeckOK BGB/ Schöne, § 738 Rn. 19. 18 Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 9.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Abfindungsbilanz als Fälligkeitszeitpunkt ansehen will.19 Zum einen enthält § 738 BGB keine ausdrücklich von der allgemeinen Regel des § 271 Abs. 1 BGB abweichende Regelung20 und zum anderen ist die Bilanz auch rechtlich unerheblich im Hinblick auf die Fälligkeit und dient nur dem Zweck, die Höhe des Abfindungsanspruchs festzulegen21. Darüber hinaus ist der Anspruch vor Bilanzaufstellung zwar nicht beziffer-, aber doch bestimmbar, was ausreichend für die Fälligkeit ist.22 3. Höhe des Abfindungsanspruchs a) Allgemeines zur Höhe der Anteilsbewertung bei Rechtsanwaltssozietäten Die Fokussierung des § 738 BGB und der sich anschließenden Regelungen der §§ 739, 740 BGB auf einen Abfindungsanspruch in Geld macht die Bestimmung der Abfindungshöhe bei Anwaltssozietäten aufgrund ihrer starken Konzentration auf Dienstleistungen und den „Good will“ als wesentliches immaterielles Vermögen der Sozietät schwierig.23 Grundsätzlich erfolgt die Ermittlung des Anteilswertes nach der Methode der indirekten Anteilsbewertung.24 Hierbei wird zunächst der gesamte Unternehmenswert ermittelt, bevor dieser Wert dann entsprechend der Größe der Gesellschaftsanteile oder nach einem anderen vertraglich vereinbarten Schlüssel auf die Gesellschafter verteilt wird.25 Für den Unternehmenswert ist, entgegen dem Wortlaut von § 738 Abs. 1 S. 2 BGB, der Fortführungs- („going concern“) und nicht der Liquidationswert zugrunde zu legen.26 Der Fortführungswert bezeichnet den Erlös, der
19 RG, Urt. v. 09. 03. 1917 – II 516/16, JW 1917, 539; Urt. v. 04. 02. 1939 – II 165/38, HRR 1939 Nr. 937; Hörstel, NJW 1994, 2268, 2271; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 738 BGB Rn. 12; Knöchlein, DNotZ 1960, 452, 466; Sudhoff, DB 1964, 1324, 1326. 20 Palandt/Sprau, BGB, § 738 Rn. 6. 21 BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 30; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 20. 22 Henssler, PartGG, § 9 Rn. 65; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 30; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 20; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 88. 23 Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48; H. P. Westermann, AnwBl 2007, 103, 106. 24 BGH, Urt. v. 21. 04. 1955 – II ZR 227/53, BGHZ 17, 130, 136 f. = NJW 1955, 1025; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 17 = ZIP 2011, 1359; Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 32; Kort, DStR 1995, 1961; Piltz/Wissmann, NJW 1985, 2673, 2680; Palandt/Sprau, BGB, § 738 Rn. 5; vgl. Wiedemann, GesR II, S. 241. 25 BGH, Urt. v. 21. 04. 1955 – II ZR 227/53, BGHZ 17, 130, 136 f. = NJW 1955, 1025; Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 32; Piltz/Wissmann, NJW 1985, 2673, 2680; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1145; Wiedemann, GesR II, S. 241. 26 Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 12 f.; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 82; Wiedemann, GesR II, S. 239, 242; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1145.
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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sich bei einer möglichst vorteilhaften Verwertung des Gesellschaftsvermögens durch eine Veräußerung im Ganzen ergeben würde.27 Die Ermittlung des gesamten Kanzleiwertes im Hinblick auf Sachwerte und „Good will“ erfolgt auch bei der Abfindung anhand der bereits zuvor dargelegten Grundsätze zur Wertermittlung von Freiberuflersozietäten in der Auseinandersetzung.28 Dieses Vorgehen ist plausibel, fingiert das Gesetz in § 738 Abs. 1 S. 2 Var. 3 BGB doch selbst die Auflösung der Gesellschaft, wenn es vorschreibt, dass dem ausscheidenden Gesellschafter das zu zahlen ist, was er auch in der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre.29 Aufgrund der vorwiegend immateriellen Werte wird das Sozietätsvermögen in der Regel gemäß § 738 Abs. 2 BGB geschätzt.30 Basis der Schätzung ist oftmals ein Sachverständigengutachten.31 Bewertungsstichtag für die Schätzung ist insofern der Tag des Ausscheidens aus der Gesellschaft, wenn es keine andere normative oder vertragliche Regelung diesbezüglich gibt.32 b) Sozietätsspezifische Probleme der Abfindungsansprüche Damit wurde bereits eine typische Problematik der Abfindungsbemessung bei Freiberuflersozietäten deutlich. Aufgrund des „Good will“ und des damit verbundenen, hohen immateriellen Vermögens gestaltet sich die Anteilsbewertung umständlich und erfordert ganz regelmäßig ein oder mehrere Sachverständigengutachten, sofern das Umsatzverfahren oder eines der zukunftserfolgsgerichteten Verfahren der Bewertung zu Grunde liegen sollen. Um diese Bewertungsschwierigkeiten zu umgehen, wird in der kautelarjuristischen Praxis häufig auf Abfindungsklauseln in den Sozietätsverträgen zurückgegriffen, die die Abfindung ausschließen oder durch die Ansetzung von Buchwerten 27 RG, Urt. v. 22. 12. 1922 – II 621/22, RGZ 106, 128, 132; BGH, Urt. v. 20. 09. 1971 – II ZR 157/68, BB 1971, 1531 = WM 1971, 1450; Urt. v. 24. 09. 1984 – II ZR 256/83, NJW 1985, 192, 193 = WM 1984, 1506. 28 Vgl. oben S. 138 ff. sowie die Auflistung bei Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 404 f. 29 Erforderlich ist dementsprechend eine „fiktive Auseinandersetzungsrechnung“, hierzu Goette, ZGR 46 (2017), 426, 430. 30 BGH, Urt. v. 24. 09. 1984 – II ZR 256/83, NJW 1985, 192, 193 = WM 1984, 1506. 31 BGH, Urt. v. 24. 09. 1984 – II ZR 256/83, NJW 1985, 192, 193 = WM 1984, 1506; Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 738 Rn. 11; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48. 32 BGH, Urt. v. 25. 03. 1965 – II ZR 148/62, BB 1965, 844, 845 = WM 1965, 746; Urt. v. 19. 09. 1983 – II ZR 12/83, BGHZ 205, 206 = NJW 1984, 492; Urt. v. 09. 01. 1990 – II ZR 115/ 89, NJW 1990, 1171, 1172 = BB 1990, 444; Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 122/96, NJW 1997, 3370 = WM 1997, 1709; Urt. v. 20. 10. 2003 – II ZR 7/01, DStR 2004, 97 = BeckRS 2003, 9895; Urt. v. 19. 07. 2010 – II ZR 57/09, NJW-RR 2010, 1401 Rn. 8 = ZIP 2010, 1637; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 18 = NZG 2011, 858; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 29, 41 f.; Miras, DStR 2011, 318; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 19; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 88.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
vereinfachen sollen. Sie bieten die Möglichkeit, die Abfindung auf die individuellen Bedürfnisse der Sozietät und des Gesellschafterkreises zuzuschneiden.33 Im Grundsatz können die Regelungen des § 738 Abs. 1 S. 2, 3 BGB mangels entgegenstehender Normen abbedungen werden.34 Dabei wird jedoch allzu oft übersehen, dass diese Abfindungsklauseln an den §§ 138, 723 Abs. 3 BGB zu messen sind und der privatautonomen Gestaltung der Abfindung damit Grenzen gesetzt sind. Diese praxisrelevanten Aspekte werden daher nun im Fokus stehen.35
II. Vertragliche Abfindungsklauseln 1. Die Handhabung von Abfindungsklauseln in Freiberuflersozietäten a) Die Bewertung von Abfindungsklauseln in der Rechtsprechung Hierzu ist zunächst – als Grundlage der nachfolgenden Gestaltungsmöglichkeiten samt deren Schranken – die besondere Behandlung von Abfindungsklauseln in Sozietätsverträgen in der Praxis zu erörtern. Sie betrifft weitgehende Modifikationen der rechtlichen Maßstäbe im Hinblick auf die Grenzen von Abfindungsklauseln und deren Zusammenhang mit Wettbewerbsverboten wie etwa Mandantenschutzklauseln. Während Abfindungsklauseln im allgemeinen Gesellschaftsrecht grundsätzlich streng gehandhabt werden,36 gilt dies nicht in gleichem Maße für Freiberuflersozietäten. Die spezielle Vermögensstruktur der Sozietäten zeichnet sich durch kaum nennenswertes Sachvermögen und immens wertvolle Mandantenbeziehungen aus.37 Aufgrund der Entscheidungshoheit des Mandanten und dem auf besonderem Vertrauen beruhenden Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist diese Mandantenbeziehung jedoch nicht ohne Weiteres „verteilungsfähig“.38 Hierdurch wird regelmäßig eine Bewertung der Mandatsbeziehungen nach den Grundsätzen der 33 Zu den jeweiligen Bedürfnissen für Abfindungsklauseln Flume, BGB AT I 1 PersGes, § 12 II, S. 174; Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, S. 37 ff.; Kort, DStR 1995, 1961 f.; K. Schmidt, GesR, § 50 IV 2 b); Ulmer, in: FS Quack, S. 477 f.; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1151 f. 34 Hülsmann, NJW 2002, 1673; Karakaya/Prüßner, MDR 2002, 804, 805; Henssler/Strohn/ Kilian, GesR, § 738 BGB Rn. 16; Leitzen, RNotZ 2009, 315; Palandt/Sprau, BGB, § 738 Rn. 7. 35 Zu den Abfindungsklauseln S. 225 ff. 36 MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 60; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 70; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1162 ff.; vgl. zu Abfindungsklauseln in GmbH-Verträgen Stöber/Rafiqpoor, GmbHR 2003, 872 ff. 37 BGH, Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98 = NJW 2000, 2584 = NZG 2000, 831; Anm. Goette, DStR 1994, 401, 403; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 431; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 77; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 70. 38 BeckOGK/Koch, BGB, § 734 Rn. 15; ebenso Goette, ZGR 46 (2017), 426, 432.
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Unternehmensbewertung notwendig.39 Außerdem legt es die personenbezogene Leistungserbringung der Freiberuflersozietäten nahe, die Gesellschafter in einen Wettstreit um das Vertrauen der Mandanten in die eigene Person treten zu lassen, anstatt – wie bei produktbezogenen Unternehmen – vornehmlich eine finanzielle Auseinandersetzung zu befürworten.40 Diese Erkenntnisse haben die Rechtsprechung daher zu Modifikationen bezüglich der Gesamtbewertung von Abfindung und Mandatswettbewerb veranlasst. Ausgangspunkt für diese Modifikation ist, wie der BGH regelmäßig betont, dass bei Freiberuflersozietäten die Aufteilung der Sachwerte und die rechtlich unbeschränkte Möglichkeit, um Mandanten zu werben, die natürliche Form der Auseinandersetzung solcher Gesellschaften ist, um Abfindungsansprüche zu vermeiden und die (Teil-)Auseinandersetzung zu beenden.41 Der Sache nach handelt es sich damit um eine Realteilung aller Vermögenswerte der Sozietät.42 Diese bietet einen praktisch ebenso schnellen wie unkomplizierten Weg, die Freiberuflersozietät zu beenden. Damit ist der BGH ebenso wie die Kautelarpraxis bemüht, eine umständliche Bewertung der Sozietät zu vermeiden. Diese Realteilung ist für die Rechtsprechung zwar die natürliche Form der Auseinandersetzung, sie ist aber dennoch nur dann zu Grunde zu legen, wenn sich dem Gesellschaftsvertrag nicht entnehmen lässt, dass die Parteien eine andere Form der Auseinandersetzung gewünscht haben.43 Eine abweichende Vereinbarung ist hierbei stets möglich.44
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Hierzu schon oben S. 138 ff. Anm. Goette, DStR 1994, 401, 403. 41 BGH, Urt. v. 28. 05. 1979 – II ZR 217/78, WM 1979, 1064, 1065; Urt. v. 06. 12. 1993 – II ZR 242/92, NJW 1994, 796 f. = DStR 1994, 401 (m. Anm. Goette); Urt. v. 06. 03. 1995 – II ZR 97/94, NJW 1995, 1551 = ZIP 1995, 833; Urt. v. 30. 09. 1996 – II ZR 177/95, DStR 1997, 82, 83 (m. Anm. Goette) = BeckRS 9998, 41117; Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 = NZG 2000, 831; Versäumnisurt. v. 07. 04. 2008 – II ZR 181/04, NJW 2008, 2987 Rn. 20 = ZIP 2008, 1276; Hinweisbeschl. v. 31. 05. 2010 – II ZR 29/09, NJW 2010, 2660 Rn. 2 = ZIP 2010, 1594; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 24 = ZIP 2011, 1359; OLG Schleswig, Urt. v. 29. 01. 2004 – 5 U 46/97, BeckRS 2004, 1397 = MedR 2004, 215; OLG Celle, Urt. v. 16. 05. 2007 – 9 U 46/07, NJOZ 2007, 3455, 3456 = BeckRS 2007, 9677; zust. Ahrens, Berufsrecht, Rn. 377; Anm. Goette, DStR 1994, 401, 403; Anm. Goette, DStR 2000, 1021, 1023; Goette, AnwBl 2007, 637, 643; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 432, 436; BeckOGK/ Koch, BGB, § 734 Rn. 15; HK-BGB/Saenger, § 738 Rn. 6; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 67 ff.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 70; Wiedemann, GesR II, S. 673; zweifelnd Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166. 42 Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 54; BeckOGK/Koch, BGB, § 734 Rn. 15. 43 BGH, Hinweisbeschl. v. 31. 05. 2010 – II ZR 29/09, NJW 2010, 2660 Rn. 7 = NZG 2010, 982; Beschl. v. 14. 06. 2010 – II ZR 135/09, NJW-RR 2010, 1219 Rn. 9 = NZG 2010, 901. 44 BGH, Hinweisbeschl. v. 31. 05. 2010 – II ZR 29/09, NJW 2010, 2660 Rn. 7 = NZG 2010, 982; Beschl. v. 14. 06. 2010 – II ZR 135/09, NJW-RR 2010, 1219 Rn. 9 = NZG 2010, 901; Anm. Goette, DStR 1995, 856, 857; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 48. 40
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
b) Wechselwirkung von Abfindung und Mandatsmitnahme aa) Allgemeines zur Wechselwirkung von Abfindung und Mandatsmitnahme Derlei abweichende Vereinbarungen stehen daher auch regelmäßig im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Sowohl Abfindungs- als auch Wettbewerbsklauseln stellen eine andere Form der Auseinandersetzung der Freiberuflersozietät dar, da sie die von der Rechtsprechung favorisierte Realteilung regelmäßig unmöglich machen. Dennoch ist der Grundgedanke der Realteilung vielversprechender Natur. An ihm erkennt man bereits die „Interdependenz zwischen Mandatsschutz bzw. -übernahmeklauseln und Abfindungsvereinbarungen“45. Entweder findet eine Realteilung der Sachwerte sowie der Mandate statt – dann erschöpft sich die geschuldete Abfindung in der Möglichkeit, frei um Mandate zu werben – oder der Ausscheidende wird für den Wert seines Sozietätsanteils abgefunden, muss der Sozietät dann jedoch die vorhandenen Mandanten belassen.46 Der ausscheidende Sozius kann damit entweder eine geldwerte Abfindung für die verlorenen Mandantenbeziehungen beanspruchen oder um die Mandate werben, wird dann aber nicht mehr für bei der Sozietät verbliebene Mandate abgefunden. Letzteres gilt auch dann, wenn die Mandate nach der Realteilung durch gleichberechtigten Wettbewerb extrem ungleich verteilt wurden.47 Übernimmt der ausscheidende Gesellschafter mehr Mandate, als seiner Gesellschaftsbeteiligung entsprechen, ist er für den erlangten Mehrwert nicht ausgleichspflichtig.48 Umgekehrt erlangt der ausscheidende Gesellschafter dementsprechend aber auch keinen Ausgleichsanspruch, wenn er bei einem Wettbewerb um die Mandate das Nachsehen hat. Ein weitergehender Ausgleich wegen einer ungleichen Mandatsverteilung ist nur dann denkbar, wenn die Möglichkeiten zum Wettbewerb um die Mandanten von vornherein faktisch begrenzt waren49 oder im Innenverhältnis zwischen den Sozien der Wettbewerb a priori abbedungen wurde, weil diese intern eine quotale Aufteilung des Mandantenstamms vereinbart haben.50 Ist Letzteres der Fall und ergibt sich durch die Entscheidungen der Mandanten eine abweichende, disquotale Verteilung, entstehen gesellschaftsvertragliche Ausgleichsansprüche des Gesellschafters.51
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Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 280; Zöbeley, RNotZ 2017, 341, 359; vgl. auch Ahrens, Berufsrecht, Rn. 378; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 432; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 70. 46 BGH, Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 24 = ZIP 2011, 1359; näher S. 223 f. 47 BeckOGK/Koch, BGB, § 734 Rn. 15 m.w.N. 48 Goette, ZGR 46 (2017), 426, 436. 49 Näher zu dieser Konstellation im Folgenden auf S. 221 f. 50 Vgl. Goette, ZGR 46 (2017), 426, 436. 51 Goette, ZGR 46 (2017), 426, 435.
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Abhängig von der Regelungsdichte im Sozietätsvertrag sind folgende Konstellationen problematisch: bb) Zulässigkeit der Mandatsmitnahme durch den ausscheidenden Sozius Ist das Werben um und damit die Mitnahme von Mandanten nicht durch die Sozien ausgeschlossen worden, kann der Abfindungsanspruch rechtlich zulässig im Sozietätsvertrag abbedungen werden. Auch wenn ein Abfindungsausschluss nicht ausdrücklich vereinbart wurde, kann der Ausscheidende keine über die Chance der Mandatsmitnahme hinausgehende Abfindung für den immateriellen Sozietätswert für sich beanspruchen.52 Insoweit ist über eine ergänzende Vertragsauslegung des Sozietätsvertrages gemäß den §§ 133, 157, 242 BGB ein konkludenter Abfindungsausschluss bezogen auf den „Good will“ anzunehmen.53 Ein Abfindungsanspruch kann dann lediglich auf den anteiligen Substanzwert der Gesellschaft gerichtet sein. Dieser Wert liegt regelmäßig nur im Anlagevermögen der Sozietät, welches bei Anwaltssozietäten kaum jemals eine relevante Größe darstellt.54 Die Realteilung der Mandatsbeziehungen wird allerdings dann zutreffend für unzulässig gehalten, wenn die Mitnahme von Mandanten faktisch nicht möglich ist, weil der Berufsträger alters- oder krankheitsbedingt aus der Gesellschaft ausscheidet und keine Mandate mehr betreuen kann.55 Dann komme die – faktisch nicht vorhandene – Chance, Mandanten mitzunehmen, einem gleichzeitigen Ausschluss der Abfindung gleich.56 Selbiges gilt, wenn der Ausscheidende zwar weiterhin als Anwalt tätig sein wird, in seiner Zeit als Sozius allerdings keinen Mandantenkontakt hatte und so auch keine Mandantenbindung aufbauen konnte.57 Das ist regelmäßig der Fall bei Sozien, die vor allem mit Leitungsaufgaben oder der Verwaltung von Personal und IT betraut sind.
52 BGH, Hinweisbeschl. v. 31. 05. 2010 – II ZR 29/09, NJW 2010, 2660 Rn. 2 = NZG 2010, 982; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 24 = ZIP 2011, 1359; Henssler/ Michel, NZG 2012, 401, 408; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 78. 53 Vgl. BGH, Hinweisbeschl. v. 31. 05. 2010 – II ZR 29/09, NJW 2010, 2660 Rn. 2 = NZG 2010, 982; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 24 = ZIP 2011, 1359; Westermann, AnwBl 2007, 103, 109. 54 BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 77; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 66; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166. 55 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 152 ff.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 409; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 84; Westermann, AnwBl 2007, 103, 110. 56 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 152 ff.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 408 f.; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 84. 57 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 152 ff.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 409; Westermann, AnwBl 2007, 103, 110.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Insbesondere letzteres sowie der Fortschritt von Legal Tech wird weiter zu dieser Entwicklung beitragen. Schon heute gibt es in großen und größeren Kanzleien Teams und Partner, die fast ausschließlich für die Auswertung höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung zuständig sind, um diese in Vordrucke, Formulare und Datenbanken einzupflegen. Manche Kanzleien bauen sogar ganze Dezernate ihres Geschäftsmodells auf Legal Tech und damit auf standardisierter und automatisierter Rechtsberatung auf.58 Dies bietet sich insbesondere an in Rechtsbereichen, in denen eine große Zahl gleich- oder zumindest ähnlichgelagerter Fälle zu bearbeiten ist, wie bei Mietforderungen, Fluggastrechten, kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen bei abgasmanipulierten Dieselfahrzeugen und Kartellschadensersatzansprüchen.59 In diesen Fällen genügt der freie Wettbewerb um Mandanten den Vermögensinteressen des Ausscheidenden naheliegenderweise nicht mehr. Ein Ausschluss des Anspruchs aus § 738 Abs. 1 S. 2 Var. 3 BGB kann für diesen Berufsträger dann keine Geltung beanspruchen. cc) Ausschluss der Mandatsmitnahme im Sozietätsvertrag Wird die Mitnahme von Mandanten durch den Ausscheidenden im Sozietätsvertrag durch Wettbewerbsklauseln ausgeschlossen, so muss er eine Abfindung für den Wert der Mandatsbeziehungen erhalten.60 Ein kumulativer Ausschluss der Abfindung ist dann im Hinblick auf die Wechselwirkung zwischen Mandatsmitnahme und Abfindungsanspruch nicht mehr möglich.61 Nach § 138 Abs. 1 BGB sowie § 723 Abs. 3 BGB unwirksam ist demnach etwa die Kombination einer Mandantenschutzklausel und einer Buchwertklausel, da der ausscheidende Gesellschafter gänzlich vom „Good will“ der Sozietät abgeschnitten wird.62
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So wirbt die Sozietät Fieldfisher LLP etwa im Bereich „Risk&Compliance“ maßgeblich mit dem effizienten und kostengünstigen Einsatz von Legal Tech, vgl. https://www.fieldfisher. com/de-de/locations/germany/services/risk-advisory-and-compliance/legal-tech-support-solu tions (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 59 Hartung, AnwBl Online 2020, 8, 9; zu letzterem etwa LG München I, Urt. v. 07. 02. 2020 – 37 O 18934/17, NZKart, 2020, 145, 146 ff. = BeckRS 2020, 841; die hiesige Aufzählung ist nur exemplarisch, weitere Fallgruppen überwiegend gleichgelagerter Verfahren finden sich bei Prütting, AnwBl Online 2020, 205; Singer, BRAK-Mitt. 2019, 211, 212. 60 MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 68. 61 Andernfalls wird die Beteiligung des Gesellschafters faktisch entwertet, was ihn zwingt, in der Gesellschaft zu verbleiben und eine sittenwidrige Knebelung i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB darstellt, S. 231 f. 62 LG München I, Urt. v. 04. 03. 2013 – 15 O 8167/12, NJW 2014, 478, 481 f. = AnwBl 2014, 272; Offermann-Burckart, NJW 2014, 434, 436; zu Buchwertklauseln vgl. S. 227 f., 232 f.
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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dd) Explizite Vereinbarung eines Abfindungsanspruchs Findet sich hingegen kein Verbot der Mandatsmitnahme im Sozietätsvertrag, wird aber gleichzeitig in diesem ein Abfindungsanspruch explizit vorgesehen, so ist diese Abfindungsklausel auszulegen. Geht aus der Abfindungsklausel hervor, dass sie auch den „Good will“ und damit die Mandantenbeziehungen erfasst, so muss der Ausgeschiedene die Mandanten der Kanzlei dieser längstens zwei Jahre belassen.63 Hier ist, spiegelbildlich zur obigen Konstellation, der Sozietätsvertrag ergänzend dahingehend auszulegen, dass durch den vollumfänglichen Abfindungsanspruch konkludent ein Wettbewerbsverbot in der Form einer Mandantenschutzklausel vereinbart wird.64 Da sowohl das Umsatz- als auch die vorzugswürdigen Zukunftserfolgswertverfahren den immateriellen Kanzleiwert in die Abfindung einbeziehen, ist immer dann, wenn die Abfindungsklausel eines der beiden Verfahren vorsieht, von einem entsprechenden, konkludenten Wettbewerbsverbot auszugehen. Grund für diese ergänzende Auslegung des Sozietätsvertrages ist die Erwägung, dass die zu zahlende Abfindung aus den Mandaten erwirtschaftet werden muss, die der Sozietät im Zeitpunkt des Ausscheidens zur Verfügung stehen.65 Unter dieser Prämisse muss der ausscheidende Gesellschafter freilich daran gehindert sein, der Sozietät diese Erwerbsgrundlage zu entziehen und gleichwohl noch die volle finanzielle Abfindung nach § 738 Abs. 1 S. 2 Var. 3 BGB zu beanspruchen. ee) Auswirkungen einer verbotswidrigen Mitnahme von Mandaten Ist die Mitnahme von Mandanten ausdrücklich im Sozietätsvertrag untersagt oder ist sie jedenfalls konkludent durch einen vollumfänglichen Abfindungsanspruch ausgeschlossen, stellt sich die Frage, was im Falle einer verbotswidrigen Mitnahme von Mandanten geschieht. Die Mitnahme von Mandanten kann, auch entgegen einer entsprechenden Vereinbarung, für den Ausscheidenden wirtschaftlich wertvoller sein als die bloße Abfindung. Insbesondere bei langfristigen, lukrativen Mandaten ist die Versuchung groß, Mandanten trotz eines Wettbewerbsverbots an sich zu binden. Da die Mandanten als Auftraggeber des Mandats hierbei durch § 627 Abs. 1 BGB die 63 Vgl. BGH, Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 24 = ZIP 2011, 1359; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 159; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 408; Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 261; Römermann, NJW 2007, 2209, 2214; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166; Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 46. 64 Vgl. BGH, Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 24 = ZIP 2011, 1359; Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 738 Rn. 6; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 434; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 408; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 80; MüKoBGB/ Schäfer, § 738 Rn. 7, 68; Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 46; zweifelnd Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3. 65 Goette, ZGR 46 (2017), 426, 434.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Letztentscheidungsbefugnis besitzen, kann der Mandant nicht gezwungen werden, zur Sozietät als Auftragnehmerin zurückzukehren. Die Mitnahme von Mandanten beeinflusst daher richtigerweise nur die Höhe des Abfindungsanspruchs, aber nicht den Praxiswert an sich.66 Dieser muss unter Berücksichtigung aller Mandate der Sozietät ermittelt werden.67 Nimmt der ausscheidende Sozius somit verbotswidrig Mandanten mit, so führt eine ergänzende Vertragsauslegung regelmäßig zu dem Ergebnis, dass sich der Ausscheidende den Wert der mitgenommenen Mandate von der Sozietät entgegenhalten lassen muss.68 Daher wird sein Abfindungsanspruch im Zuge der Auseinandersetzungsrechnung um den Wert der mitgenommenen Mandate gekürzt.69 Wurde die Abfindung hingegen bereits ausgezahlt, stellt der spätere Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB dar, sodass der Sozietät ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB zusteht. Daneben kann die Sozietät den zuviel gezahlten Anteil an der Abfindung über die condictio ob causam finitam aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB abschöpfen, da durch die nun erfolgte Anrechnung der mitgenommenen Mandate der rechtliche Grund für die vorherige Abfindungszahlung in dieser Höhe wegfällt. c) Zwischenergebnis Die grundsätzliche Vorgehensweise der Rechtsprechung ist im Hinblick auf die hier untersuchten Rechtsanwaltssozietäten überzeugend. Mandantenbeziehungen sind nur schwer in Geld zu beziffern und auch diese Prognosen sind immer großen 66
BGH, Urt. v. 06. 03. 1995 – II ZR 97/94, NJW 1995, 1551 = ZIP 1995, 833. BGH, Urt. v. 06. 03. 1995 – II ZR 97/94, NJW 1995, 1551 = ZIP 1995, 833; a.A. Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 118, der mitgenommene Mandate des Ausgeschiedenen nicht als „Good will“ der Sozietät ansieht. 68 BGH, Urt. v. 06. 03. 1995 – II ZR 97/94, NJW 1995, 1551 = ZIP 1995, 833; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 22 = ZIP 2011, 1359; OLG Schleswig, Urt. v. 29. 01. 2004 – 5 U 46/97, BeckRS 2004, 1397 = MedR 2004, 215; Ahrens, Berufsrecht, Rn. 378; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 159; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 434 f.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 408; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 80; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 304; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166; vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 16. 05. 2007 – 9 U 46/07, NJOZ 2007, 3455, 3456 = BeckRS 2007, 9677; a.A. Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 118. 69 BGH, Urt. v. 06. 03. 1995 – II ZR 97/94, NJW 1995, 1551 = ZIP 1995, 833; Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/ 09, NJW 2011, 2355 Rn. 22 = ZIP 2011, 1359; OLG Schleswig, Urt. v. 29. 01. 2004 – 5 U 46/97, BeckRS 2004, 1397 = MedR 2004, 215; Ahrens, Berufsrecht, Rn. 378; Goette, AnwBl 2007, 637, 644; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 434 f.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 408; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 80; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 304; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166; a.A. Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 118; vgl. zur gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung einer solchen Rechtsfolge BGH, Urt. v. 07. 03. 2005 – II ZR 194/03, NJW 2005, 2618, 2619 = NZG 2005, 593. 67
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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Unsicherheiten unterworfen. So mag ein vormals profitables Mandat zukünftig nur noch wenig profitabel sein oder sogar abrupt enden, weil sich der Mandant umorientiert. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. In diesem Sinne ist es konsequent, mit der Rechtsprechung nicht das fortgeführte Mandat als den Vermögenswert zu sehen, den es aufzuteilen gilt. Entscheidend ist die bloße Chance der Fortführung.70 Entscheidet sich der Mandant zugunsten eines Berufsträgers, nachdem die Berufsträger gleichberechtigt um die Mandate werben konnten, ist die Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung beendet, da der „Good will“ angemessen aufgeteilt wurde. Ob ein Mandat für den Anwalt hiernach noch genauso, mehr oder weniger profitabel ist als vorher, kann daher nicht mehr für die Auseinandersetzung und spezieller für die Abfindung relevant sein. Diese Grundsätze sind dementsprechend bei der Evaluierung der einzelnen Klauseln im Auge zu behalten. 2. Verbreitete Typen von Abfindungsklauseln Die Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Abfindungsklauseln sind extrem vielfältig. Ihrem Typus nach lassen sich grundsätzlich Abfindungsausschlüsse, Abfindungsbeschränkungen und Auszahlungsvereinbarungen unterscheiden. a) Abfindungsausschluss aa) Die Zulässigkeit von Abfindungsausschlüssen bei Freiberuflersozietäten Obwohl Abfindungsausschlüsse von der ganz h.M.71 im allgemeinen Gesellschaftsrecht grundsätzlich als unzulässig bewertet werden, gilt dies aufgrund der zuvor beschriebenen Grundsätze zur Realteilung nicht mit gleicher Strenge für Freiberuflersozietäten. Bereits hier zeigt sich im Ergebnis wieder die Abhängigkeit der Abfindungsklauseln von der Möglichkeit, frei um Mandate und Mandanten zu werben. Wird die natürliche Form der Auseinandersetzung, gleichberechtigt um Mandanten zu werben. im Gesellschaftsvertrag durch Wettbewerbsklauseln in zulässiger Art und Weise beschränkt oder ausgeschlossen, so ergeben sich direkte Auswirkungen auf die Höhe des Abfindungsanspruchs.72 Da die Abfindung für den Verlust des Sozietätsanteils entschädigen soll, dessen Wert sich sowohl aus dem Sachvermögen als auch aus dem „Good will“ und damit vornehmlich aus dem Wert der Mandate errechnet, muss der Abfindungsanspruch auch die durch das Wettbe70 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 30 f.; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 432. 71 S. nur MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 60 m.w.N. 72 S. oben die Fallgruppen S. 220 ff.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
werbsverbot bei der Sozietät verbliebenen Mandate umfassen. Ein gänzlicher Ausschluss der Abfindung wäre dann nicht zulässig. Wer hingegen die Möglichkeit erhält, um Mandate zu werben, der kann nicht gleichzeitig eine Entschädigung für den Verlust derselben erwarten.73 Dies ist ebenfalls Konsequenz der bereits zuvor hervorgehobenen Wechselwirkung zwischen Mandatsmitnahme und Abfindung.74 Ein Abfindungsausschluss ist dementsprechend in solchen Fällen qua Sozietätsvertrag zulässig. In ähnlichem Zusammenhang hat bereits Goette so prägnant wie treffend formuliert: „Dann gilt der Grundsatz, dass man den Kuchen nicht behalten und gleichzeitig essen kann.“75 Abfindungsausschlüsse weisen daher eine enge Verbindung zu den bereits im Rahmen der Mandatsverteilung erläuterten Mandantenschutzklauseln auf. Besteht eine ausdrückliche oder konkludente Mandantenschutzklausel, so kann nicht gleichzeitig die Abfindung ausgeschlossen oder auf den Wert des Anlagevermögens beschränkt sein. Der ausgeschiedene Sozius muss sich im Ergebnis entweder durch die Abfindung in Geld oder durch die Mitnahme von Mandanten eine zukünftige Existenz aufbauen können.76 bb) Besonderheiten bei vorheriger Ausschließung aus wichtigem Grund Gänzliche oder teilweise Abfindungsausschlüsse sind im Einzelfall neben der soeben beschriebenen Wechselwirkung aber auch dann zu erwägen, wenn dem Sozius seine Mitgliedschaft durch die Gesellschafterversammlung aus wichtigem Grund gekündigt wurde.77 Die Abfindung ist dann von vornherein in der Höhe ausgeschlossen, in der das kündigungsbegründende Verhalten des Sozius der Gesellschaft bzw. den übrigen Gesellschaftern Schaden zugefügt hat.78 Regelmäßig ist die Abfindung damit zumindest in der Höhe des auf den Ausgeschiedenen entfallenden Deckungsbetrags zu mindern.79
73
BGH, Urt. v. 06. 03. 1995 – II ZR 97/94, NJW 1995, 1551 = ZIP 1995, 833: Der Wert tatsächlich mitgenommener Mandate eines Freiberuflers ist zwar nicht mindernd beim Praxiswert zu berücksichtigen, aber auf dessen Abfindungsanspruch anzurechnen; ebenso BGH, Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 22 = ZIP 2011, 1359; zust. Wertenbruch, NZG 2011, 1133, 1134. 74 S. 220 ff. 75 Goette, AnwBl 2007, 637, 644. 76 BGH, Urt. v. 28. 05. 1979 – II ZR 217/78, WM 1979, 1064, 1065; Urt. v. 06. 12. 1993 – II ZR 242/92, NJW 1994, 796 f. = DStR 1994, 401 (m. Anm. Goette); MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 67. 77 Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 37; zum Ausschließungsrecht s. o. S. 97 ff. 78 BGH, Urt. v. 29. 04. 2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 Rn. 18 = NZG 2014, 820; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 37. 79 Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 37.
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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Zu beachten ist, dass der Ausschluss aus wichtigem Grund an sich noch keine Rechtfertigung für eine verminderte Abfindung ist, da diesem kein spezielles Unwerturteil zukommt und er daher auch keine Sanktion nach sich ziehen darf.80 Insbesondere kann eine verminderte oder gänzlich ausgeschlossene Abfindung nicht als zulässige Vertragsstrafe qualifiziert werden.81 Diese soll den Betroffenen nämlich zu künftiger Vertragstreue anhalten, was bei einer Abfindungsbeschränkung gerade nicht erreicht werden kann, da der Gesellschafter seine Mitgliedschaft verliert und keine Anreize zu einer Änderung seines Verhaltens bestehen.82 Zudem bestehen für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Strafe keine verallgemeinerungsfähigen Maßstäbe.83 Die Abfindung kann dementsprechend nur insoweit verringert werden, als die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter äquivalent und adäquat kausal eine Vermögenseinbuße hinnehmen mussten.84 b) Beschränkung der Abfindung der Höhe nach Daneben besteht oftmals, gewissermaßen als Minus zum gänzlichen Ausschluss der Abfindung, das Bedürfnis, die Abfindung zumindest der Höhe nach zu beschränken. In der Regel ist der Quell dieses Bedürfnisses die Tatsache, dass Freiberuflersozietäten kaum über größere Vermögensgegenstände oder -massen verfügen und daher nur begrenzt liquide sind.85 Zudem wird oft nach Vereinfachungen im Hinblick auf die sonst nötigen Bewertungsverfahren86 für den Wert des Gesellschaftsanteils gesucht. Ein einfacher Ausweg, um die Abfindung kalkulierbar zu machen, sind Buchwertklauseln, nach denen sich die Abfindung auf die Rückzahlung unverbrauchter Einlagen, einbehaltener Gewinne und sonstiger Rückstellungen und Rücklagen mit Eigenkapitalcharakter beschränkt, und zwar nach Maßgabe der für die Abfindung relevanten Handelsbilanz.87 Ist lediglich eine Abfindung zum 80 RG, Urt. v. 11. 12. 1934 – II 148/34, RGZ 146, 169, 176; BGH, Urt. v. 01. 04. 1953 – II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 167 = NJW 1953, 780; Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 20 Rn. 13; Fleischer, in: FS Hommelhoff, S. 223, 236; vgl. auch BGH, Urt. v. 29. 04. 2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 Rn. 15 ff. = NZG 2014, 820; a.A. Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 131 Rn. 65; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 109; diff. MüKoHGB/K. Schmidt, § 131 Rn. 180. 81 BGH, Urt. v. 29. 04. 2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 Rn. 16 = NZG 2014, 820; a.A. BGH, Urt. v. 29. 09. 1983 – III ZR 213/82, WM 1983, 1207, 1208 = BeckRS 1983, 31071550. 82 BGH, Urt. v. 29. 04. 2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 Rn. 17 = NZG 2014, 820. 83 BGH, Urt. v. 29. 04. 2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 Rn. 18 = NZG 2014, 820. 84 BGH, Urt. v. 29. 04. 2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 Rn. 18 = NZG 2014, 820; In diesem Sinne wohl auch Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 37. 85 Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 70. 86 S. 138 ff. 87 Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 32; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 738 BGB Rn. 17; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 63; Schilling, ZGR 8 (1979), 419, 428; Sigle, ZGR 28 (1999), 659, 662; Wicke/Ruhwinkel, in: Fuhrmann/Wälzholz, Formularbuch GesR, Muster M 20.01 Rn. 33; für eine Außerachtlassung jedweder Reserven aber Sudhoff, ZGR 1 (1972),
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Buchwert vorgesehen, ohne dass näher erläutert wäre, wie sich dieser zusammensetzt, so ist im Zweifel der Buchwertklausel im Gesellschaftsvertrag der obige Inhalt zugrunde zu legen.88 Neben Buchwertklauseln sind aber auch Vereinbarungen verbreitet, die zwar eine Abfindung zum vollen Anteilswert vorsehen, allerdings gleichzeitig eine ganz bestimmte Bewertungsmethode vorsehen.89 Da die verschiedenen Bewertungsmethoden bei Freiberuflern zu gänzlich anderen Ergebnissen kommen können, stellen solche Klauseln unter Umständen ebenfalls eine verdeckte Beschränkung der Abfindungshöhe dar.90 c) Auszahlungsvereinbarungen Unter Auszahlungsvereinbarungen werden im Grunde eine Reihe verschiedener Klauseln zusammengefasst. Zum einen kann sich die Vereinbarung darauf beziehen, die Fälligkeit der Abfindung hinauszuschieben.91 Denkbare Gründe hierfür sind die noch nicht erfolgte Aufstellung der maßgeblichen Bilanz oder das Erfordernis, zunächst Liquidität zu sammeln. Daneben kann die Klausel aber auch die Verzinsung, eine Ratenzahlung oder die Einräumung von Sicherheiten für den Abfindungsanspruch beinhalten.92 Für die Verbindung von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten hat der BGH indes sogar eine Auszahlungsvereinbarung gebilligt, welche die einmalige Abfindungszahlung durch eine lebenslange Rentenzahlung ersetzt.93 Eine solche Vereinbarung wäre damit auch in einer reinen Rechtsanwaltssozietät zulässig und kann sich anbieten, um das Fortbestehen der Sozietät nicht durch punktuelle, hohe Abfindungen zu gefährden. Gleichzeitig sind aber auch die rechtlichen und betrieblichen Risiken zu beachten, die derlei Versorgungsregelungen mit sich bringen.94
157, 169; zu weiteren Varianten von Buchwertklauseln bei Personengesellschaften Rasner, ZHR 1994, 292, 294 f. 88 Ebenso und näher noch Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 32. 89 EBJS/Lorz, HGB, § 131 Rn. 120. 90 Zu den verschiedenen Bewertungsverfahren s. o. S. 138 ff. 91 Knöchlein, DNotZ 1960, 452, 467; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1169. 92 Knöchlein, DNotZ 1960, 452, 467 ff.; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1169. 93 BGH, Urt. v. 17. 05. 2004 – II ZR 261/01, NJW 2004, 2449 f. = ZIP 2004, 1264; zust. Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1169; in der konkreten Ausgestaltung ist jedoch zu beachten, dass die Versorgungsregelung nicht zu einer Art „lebenslanger Schuldknechtschaft“ führen darf, BGH, Beschl. v. 18. 02. 2008 – II ZR 88/07, DStR 2008, 785, 786 = ZIP 2008, 967. 94 Näher zu diesen Risiken S. 95 ff.
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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3. Schranken für Abfindungsvereinbarungen a) Die Differenzierung zwischen Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle Wie bereits erwähnt, sind solche privatautonomen Gestaltungen im Hinblick auf die Abfindung nicht grenzenlos möglich. Je nach Fallgestaltung sind verschiedene Rechtsnormen und -institute heranzuziehen, um im Einzelfall die Interessen der Sozietät und des ausgeschiedenen Gesellschafters ausgleichen zu können. Im Grundsatz ist einerseits zwischen der Wirksamkeitskontrolle gemäß §§ 138, 723 Abs. 3 BGB für den Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindungsklausel und der Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB für den Zeitpunkt des Eingreifens der abfindungsbeschränkenden Abrede andererseits, zu unterscheiden.95 Die von der Rechtsprechung praktizierte Wirksamkeitskontrolle von Abfindungsklauseln steht immer wieder in der Kritik, weil eine reine Ausübungskontrolle teilweise für vorzugswürdig gehalten wird.96 Allerdings bezweckt die Wirksamkeitskontrolle eine präventive Verhaltenssteuerung der Gesellschafter, die die Ausübungskontrolle nicht in demselben Umfang leisten könnte, sodass im Rahmen des MoPeG zurecht keine Restriktion des Überprüfungsmaßstabs und damit keine Änderung der Rechtsprechungspraxis erfolgen soll.97 b) Die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB Eine große Rolle im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle spielt der § 138 BGB und dessen Wertungen im Hinblick auf die Grenzen der Privatautonomie. Im Vordergrund stehen insoweit zum einen die sittenwidrige Knebelung und zum anderen die Gläubigerbenachteiligung als Fallgruppen des § 138 Abs. 1 BGB. Es sind grundsätzlich auch die Fälle des § 138 Abs. 2 BGB denkbar, in denen sich bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung die Zwangslage, die Unerfahrenheit, ein Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche auf Seiten des Gesellschafters realisiert. Wenngleich solche Fälle allgemein für Gesellschaftsverträge vorkommen, stellen sie jedoch nicht den Hauptanwendungsfall der Sittenwidrigkeit bei Abfindungsklauseln dar.98
95
Bergmann, DB 2020, 994, 994 f.; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 738 BGB Rn. 16; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 56; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 44; MüKoHGB/ K. Schmidt, § 131 Rn. 176. 96 So etwa der 71. Deutsche Juristentag, Beschlüsse 71. DJT, Band II/1, O 220; Mecklenbrauck, BB 2000, 2001, 2004 ff. 97 Bergmann, DB 2020, 994, 994 f. 98 Vgl. BGH, Urt. v. 05. 12. 1974 – II ZR 24/73, WM 1975, 325 ff. = BB 1975, 852 zu einer maßgeblichen Unterbewertung einer Gesellschaftereinlage im Gesellschaftsvertrag durch einen anderen Mitgesellschafter, der gleichzeitig Rechtsvertreter und Generalbevollmächtigter der sacheinlageverpflichteten Gesellschafterin war und hierbei deren Unerfahrenheit und das in ihn gesetzte Vertrauen ausnutzte.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
aa) Sittenwidrige Knebelung Unter dem Begriff der sittenwidrigen Knebelung werden allgemein Fälle zusammengefasst, in denen ein Vertrag in einer Weise ausgestaltet ist, die den Schuldner in seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Handlungsfreiheit über jedes vernünftige Maß hinaus beeinträchtigt und daher nicht mehr im Einklang mit den guten Sitten und somit letztlich der Rechtsordnung steht.99 Eine solche Beeinträchtigung der Freiheit kann eine Abfindungsklausel insbesondere dann sein, wenn sie dazu führt, dass der Sozius vernünftigerweise von seinem Recht, aus der Sozietät auszuscheiden, keinen Gebrauch mehr macht, da die Abfindung in einem krassen Missverhältnis zum Wert des Gesellschaftsanteils steht.100 Das kann der Fall sein, wenn die Abfindung der Höhe nach auf einen Wert beschränkt wurde, welcher ein Ausscheiden aus der Gesellschaft wirtschaftlich unsinnig erscheinen lässt. Bei dieser Prüfung hinsichtlich der Sittenwidrigkeit im Gesellschaftsrecht handelt es sich immer um eine Gesamtwürdigung aller Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, die nicht nur die Klausel selbst, sondern auch die Motivlage der handelnden Parteien, die individuellen Gegebenheiten der jeweiligen Sozietät und natürlich den Zusammenhang zwischen der Abfindungsklausel und weiteren Klauseln im Gesellschaftsvertrag untersuchen muss.101 Dabei sind nach vorzugswürdiger Ansicht die subjektiven Elemente im Hinblick auf die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände zwar nicht ohne Bedeutung, aber doch keine Voraussetzung für ein Eingreifen des § 138 Abs. 1 BGB, wenn das Rechtsgeschäft zumindest objektiv sittenwidrig ist.102 Da gerade für Sozietäten unter Freiberuflern die jeweilige Persönlichkeit und individuelle Schaffenskraft des Sozius und die Beziehungen der Sozien untereinander sowie nach außen zu den Mandanten prägend sind,103 können Beschränkungen der Abfindung immer nur für den Einzelfall beurteilt werden.104 Kriterien dafür, ob eine Abfindungssumme im Rahmen einer Sozietät von Freiberuflern noch ange99 BGH, Urt. v. 07. 01. 1993 – IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1588 = MDR 1993, 692; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 71; Jauernig/Mansel, BGB, § 138 Rn. 11 f. 100 Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 44. 101 Vgl. allgemein zum Gesellschaftsrecht BGH, Urt. v. 05. 03. 1998 – I ZR 250/95, NJWRR 1998, 1639, 1642 = NZG 1998, 501; Urt. v. 04. 06. 2013 – II ZR 207/10, NJW-RR 2013, 1258 Rn. 25 = NZG 2013, 984; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 80. 102 BGH, Urt. v. 02. 06. 1981 – VI ZR 28/80, NJW 1981, 2184, 2186 = MDR 1982, 46; Urt. v. 16. 06. 1971 – KZR 11/70, GRUR 1972, 718, 719 = BB 1971, 1177; OLG Stuttgart, Urt. v. 24. 04. 1979 – 6 U 169/78, NJW 1979, 2409, 2410 = BB 1979, 1168; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 129 f.; Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 23; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 45; a.A. offenbar BGH, Urt. v. 09. 10. 2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn. 11 f. = MDR 2010, 135; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 44. 103 Ähnl. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 226; Römermann, NJW 2007, 2209, 2213 f.; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 66; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 17. 104 Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 54.
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messen ist, sind das Missverhältnis von Regelabfindungsanspruch und der Beschränkung dieses Anspruchs, die Dauer der Mitgliedschaft, der Anteil am Aufbau und Erfolg der Sozietät und der Anlass des Ausscheidens.105 Nicht zuletzt aufgrund dieser personalistischen Aspekte legt die höchstrichterliche Rechtsprechung bei Abfindungsvereinbarungen im Rahmen von Freiberuflersozietäten einen großzügigeren Maßstab an als bei gewerblich tätigen Personengesellschaften.106 (1) Abfindungsausschlüsse So sind Abfindungsausschlüsse unter Freiberuflern anders als bei gewerblich tätigen Gesellschaften nicht per se eine sittenwidrige Knebelung.107 Nur wenn auch gleichzeitig die Mitnahme von Mandanten durch eine Mandantenschutzklausel verboten wird, ist die Kombination beider Klauseln eine sittenwidrige Benachteiligung des Freiberuflers.108 Das kompensationslose Ausscheiden aus der Sozietät, gepaart mit dem Verbot, um Mandanten zu werben, entwertet faktisch die Beteiligung und macht das Ausscheiden aus der Sozietät für den Betroffenen unattraktiv. Als Konsequenz ist die Mandantenschutzklausel aufgrund des gegenständlichen Übermaßes im Rahmen der Gesamtkonzeption des Sozietätsvertrages unwirksam.109 Die Abfindungsklausel ist damit zwar nicht unwirksam, der ausscheidende Sozius erhält aber die Möglichkeit, um Mandanten zu werben. Letztlich tritt dann wieder der vom BGH favorisierte Grundsatz ein, dass der Freiberufler für Sachvermögen finanziell abgefunden wird und gleichzeitig die Möglichkeit erhält, durch die Mitnahme von Mandanten seinen Anteil am „Good will“ der Kanzlei zu beanspruchen.110 105 Zur OHG BGH, Urt. v. 24. 05. 1993 – II ZR 36/92, NJW 1993, 2101, 2102 = ZIP 1993, 1160; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 78; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 105. 106 Ebenso MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 68. 107 H. P. Westermann, AnwBl 2007, 103, 109 f. 108 Vgl. BGH, Urt. v. 06. 12. 1993 – II ZR 242/92, NJW 1994, 796 f. = DStR 1994, 401 (m. Anm. Goette); Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 = DStR 1996, 1254, 1255 (m. Anm. Goette); Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 146 f.; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 281; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 78; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 68; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 7, 17 f. 109 Ebenso OLG Celle, Urt. v. 16. 05. 2007 – 9 U 46/07, NJOZ 2007, 3455, 3456 = BeckRS 2007, 9677; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 7, 68. 110 Zu diesem Grundsatz BGH, Urt. v. 28. 05. 1979 – II ZR 217/78, WM 1979, 1064, 1065; Urt. v. 06. 12. 1993 – II ZR 242/92, NJW 1994, 796 f. = DStR 1994, 401 (m. Anm. Goette); Urt. v. 06. 03. 1995 – II ZR 97/94, NJW 1995, 1551 = ZIP 1995, 833; Urt. v. 30. 09. 1996 – II ZR 177/ 95, DStR 1997, 82, 83 (m. Anm. Goette) = BeckRS 9998, 41117; Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 = NZG 2000, 831; Versäumnisurt. v. 07. 04. 2008 – II ZR 181/04, NJW 2008, 2987 Rn. 20 = ZIP 2008, 1276; Hinweisbeschl. v. 31. 05. 2010 – II ZR 29/09, NJW 2010, 2660 Rn. 2 = ZIP 2010, 1594; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 24 = ZIP 2011, 1359; OLG Schleswig, Urt. v. 29. 01. 2004 – 5 U 46/97, BeckRS 2004, 1397 = MedR 2004, 215; OLG Celle, Urt. v. 16. 05. 2007 – 9 U 46/07, NJOZ 2007, 3455, 3456 =
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Zu modifizieren ist dieser Grundsatz bei Abfindungsausschlüssen allerdings dann, wenn zwar theoretisch für den Ausgeschiedenen die Möglichkeit besteht, auf den Mandantenstamm zuzugreifen, der Zugriff jedoch faktisch ausgeschlossen ist.111 Insbesondere dann, wenn der Ausgeschiedene seine berufliche Tätigkeit alters- oder krankheitsbedingt einstellt oder er aufgrund seines Tätigkeitsfeldes in der Kanzlei keinen Mandantenkontakt hatte, ist ein Abfindungsausschluss unzulässig.112 (2) Buchwertklauseln Höhenmäßige Beschränkungen der Abfindung können grundsätzlich ebenfalls im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB zweifelhaft sein, etwa, wenn bei Vorliegen einer Buchwertklausel im Gesellschaftsvertrag der Buchwert und der tatsächliche Anteilswert dramatisch auseinanderfallen. Da § 138 Abs. 1 BGB allerdings immer nur eine Prüfung der Umstände bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses erlaubt,113 kann eine solche Buchwertklausel nur sittenwidrig sein, wenn Buchwert und realer Wert bereits im Zeitpunkt der Aufnahme der Klausel in den Gesellschaftsvertrag deutlich voneinander abweichen. Zu diesem Zeitpunkt entspricht sich beides jedoch regelmäßig, da der reale Wert erst im Laufe der Zeit mit dem Erfolg der Sozietät gemeinsam wächst, wobei Letzterer gerade im Bereich der Freiberufler kaum vorherseh- oder kalkulierbar ist.114 Anders liegt der Fall jedoch, wenn die Buchwertklausel später geändert wird, denn dann ist § 138 Abs. 1 BGB bezogen auf den Zeitpunkt der Vertragsänderung anwendbar und der reale Wert sowie der Buchwert sind für diesen Zeitpunkt einander gegenüberzustellen.115 Ebenfalls anders zu Beurteilen ist die Konstellation, in der die Sozietät aus einem Zusammenschluss mehrerer bereits existierender Sozietäten oder Einzelkanzleien hervorgeht. Werden diese mit dem Buchwert angesetzt, kann die Buchwertklausel von Anfang an sittenwidrig sein, da deren Buchwert durch den zuvor jeweils in der Praxis erworbenen „Good will“ erheblich unter dem realen Wert liegen kann.116 BeckRS 2007, 9677; zust. Ahrens, Berufsrecht, Rn. 377; Anm. Goette, DStR 2000, 1021, 1023; Goette, AnwBl 2007, 637, 643; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 432, 436; BeckOGK/Koch, BGB, § 734 Rn. 15; HK-BGB/Saenger, § 738 Rn. 6; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 67 ff.; Wiedemann, GesR II, S. 673; zweifelnd Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166. 111 Zutr. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 152 ff.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 409. 112 S. 221 f. 113 St. Rspr., BGH, Urt. v. 14. 07. 1952 – IV ZR 1/52, BGHZ 7, 111, 114; NJW 1952, 1169; Urt. v. 15. 04. 1987 – VIII ZR 97/86, BGHZ 100, 353, 359 = NJW 1987, 1878; Urt. v. 28. 02. 1989 – IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92, 96 f. = NJW 1989, 1276; Urt. v. 19. 12. 2017 – XI ZR 152/ 17, NJW 2018, 848 Rn. 24 (m. Anm. Buck-Heeb) = ZIP 2018, 264; Prütting/Wegen/Weinreich/ v. Ditfurth, BGB, § 738 Rn. 14; Palandt/Ellenberger, BGB, § 138 Rn. 9. 114 Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 23, 33; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 46; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1158. 115 Sigle, ZGR 28 (1999), 659, 666. 116 Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 89.
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(3) Zwischenergebnis Für Rechtsanwälte ergeben sich daher jedenfalls in der Fallgruppe der sittenwidrigen Knebelung nur selten Probleme. Wird hinreichend Augenmerk daraufgelegt, dass der ausscheidende Sozius entweder eine Abfindung erhält, welche auch den immateriellen Praxiswert umfasst, oder zumindest Mandanten mitnehmen darf, begegnet eine solche vertragliche Konstruktion keinen Bedenken im Hinblick auf die guten Sitten. Eine Besserstellung des ausscheidenden Rechtsanwaltsgesellschafters ist demgegenüber theoretisch immer möglich, wenn er eine vollumfängliche Abfindung erhält und ihm gleichwohl ausdrücklich das Recht zusteht, Mandanten mitzunehmen, sodass der „Good will“ letztlich doppelt abgegolten wird.117 Diese Kumulierung ist allerdings die Ausnahme und kann nur angenommen werden, wenn sie sich eindeutig aus dem den gesellschaftsvertraglichen Regelungen zugrundeliegenden Parteiwillen zur Abfindung und Mandatsmitnahme ergibt.118 Auch Buchwertklauseln stellen kein besonderes Risiko dar, solange die Gesellschafter Acht auf die Parallelität von Buchwert und tatsächlichem Anteilswert im Zeitpunkt der Aufnahme der Klausel geben. Nach § 138 Abs. 1 BGB unzulässig dürfte eine Klausel jedoch auch bei Sozietäten in jedem Fall dann sein, wenn die Abfindung auf 50 % des Buchwertes beschränkt wird und somit von vornherein wesentlich vom wahren Anteilswert abweicht.119 Richtigerweise wird man Abfindungsklauseln bei Freiberuflersozietäten bereits kritisch betrachten müssen, sobald sie eine Abfindung vorsehen, die unter dem Buchwert liegt.120 Abgesehen davon sind Abfindungen zum Buchwert aufgrund der individuellen Gesellschafterkonten, welche für jeden Rechtsanwaltsgesellschafter geführt werden, oftmals ohnehin nur bedingt praktikabel.121 bb) Gläubigergefährdung Ebenfalls auf § 138 Abs. 1 BGB lässt sich die Unwirksamkeit von Klauseln stützen, welche lediglich darauf abzielen, den Gesellschaftsgläubigern Vermögenswerte zu entziehen. So hatte der BGH bereits Fälle zu entscheiden, in denen der Wert des Gesellschaftsanteils und damit parallel der des Abfindungsanspruchs nur dann beschränkt sein sollte, wenn der Anteil an der Gesellschaft durch einen 117 BGH, Urt. v. 06. 03. 1995 – II ZR 97/94, NJW 1995, 1551 = ZIP 1995, 833; Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 = NZG 2000, 831; OLG Karlsruhe, Urt. v. 16. 11. 2000 – 19 U 34/99, NZG 2001, 654, 655 = BeckRS 9998, 42590; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 79. 118 BGH, Urt. v. 06. 03. 1995 – II ZR 97/94, NJW 1995, 1551 = ZIP 1995, 833; Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 = NZG 2000, 831; OLG Karlsruhe, Urt. v. 16. 11. 2000 – 19 U 34/99, NZG 2001, 654, 655 = BeckRS 9998, 42590; Anm. Goette, DStR 2000, 1021, 1023 f. 119 Zur KG, BGH, Urt. v. 09. 01. 1989 – II ZR 83/88, NJW 1989, 2685, 2686 = ZIP 1989, 770; restriktiver aber Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 49. 120 Goette, ZGR 46 (2017), 426, 437. 121 H. P. Westermann, AnwBl 2007, 103, 109.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Gläubiger gepfändet oder im Rahmen der Insolvenz des Gesellschafters verwertet würde.122 Dass die entsprechenden Urteile zu Kapitalgesellschaften ergingen, steht einer Übertragung dieser Grundsätze auf Personengesellschaften und spezieller auf Rechtsanwaltssozietäten nicht entgegen. Hier wie dort kann es nicht sein, dass die Gesellschafter den Abfindungsanspruch nur dann wertmäßig beschränken, wenn er Gesellschaftsgläubigern zu Gute käme.123 Richtigerweise stützt man diese Schranke auch auf § 138 Abs. 1 BGB. Ebenso wird allerdings vertreten, dass § 133 Abs. 1 InsO und § 3 Abs. 1 AnfG Spezialvorschriften darstellen, welche der allgemein zivilrechtlichen Norm des § 138 Abs. 1 BGB vorgehen würden.124 Das gelte jedenfalls dann, wenn keine über die genannten Vorschriften hinausgehenden Sittenwidrigkeitstatbestände vorlägen.125 Das ist in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft. Zum einen erkennen sogar Vertreter der Gegenansicht an, dass die Begrenzung der Anfechtung auf zehn Jahre in § 133 Abs. 1 InsO und in § 3 Abs. 1 AnfG zu Schutzlücken führen kann, wenn der Abschluss des Gesellschaftsvertrags länger als zehn Jahre her ist.126 Gerade das ist aber bei Rechtsanwaltssozietäten in der Praxis keine Seltenheit. Auch der Einwand, dass diese Fristen der Verkehrssicherheit dienen,127 kann über die bestehende Schutzlücke nicht hinwegtäuschen. Immerhin steht die Verkehrssicherheit hier auch dem Interesse der Gläubiger an deren wirtschaftlicher Befriedigung gegenüber. Eine Lücke im Gläubigerschutz sehenden Auges hinzunehmen, wenn es schon um die Fälle der Gläubigerbenachteiligung durch die Gesellschafter geht, vermag indes nicht recht zu überzeugen.128 Auch der Verweis darauf, dass § 133 Abs. 1 InsO sowie § 3 Abs. 1 AnfG überflüssig wären, wenn die entsprechenden Rechtsgeschäfte ohnehin nach § 138 Abs. 1 122
Zum Erwerb eigener Anteile einer GmbH zum „Steuerkurswert“ nur für den Fall der Pfändung und der Insolvenz BGH, Urt. v. 19. 06. 2000 – II ZR 73/99, BGHZ 144, 365, 366 f. = NJW 2000, 2819; zur Einziehung eines Anteils einer GmbH gegen ein nicht vollwertiges Entgelt bei Pfändung oder Konkurs BGH, Urt. v. 07. 04. 1960 – II ZR 69/58, BGHZ 32, 151, 155 ff. = NJW 1960, 1053. 123 Ebenso zu Personengesellschaften Goette, ZGR 46 (2017), 426, 437; Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 24; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 54; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 49; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 47; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 12; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1165b. 124 So schon zur OHG Glunz, Vertragliche Regelungen des Abfindungsanspruches bei der offenen Handelsgesellschaft in den Fällen des Ausscheidens unter Lebenden, 199 f.; Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, S. 116 f.; Möhring, in: FS Barz, S. 49, 64 f.; zum GmbH-Recht Rittstieg, DB 1985, 2285, 2288; Ulmer, NJW 1979, 81, 83. 125 Zum Verhältnis des AnfG zu § 138 BGB, BGH, Urt. v. 29. 01. 1970 – VII ZR 34/68, BGHZ 53, 174, 180 = NJW 1970, 752, 753; Urt. v. 26. 01. 1973 – V ZR 53/71, NJW 1973, 513 = BB 1973, 867; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, § 138 Rn. 7. 126 So noch zu § 41 Abs. 1 S. 3 KO und § 12 Abs. 3 AnfG Ulmer, NJW 1979, 81, 83. 127 Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, S. 118. 128 Ebenso letztlich Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 49; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 48.
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BGB nichtig wären, überzeugt nicht vollends.129 Die Anfechtbarkeit nichtiger Rechtsgeschäfte ist dem Zivilrecht seit der Kipp’schen Lehre von der Doppelwirkung im Recht nicht fremd.130 Selbst in der Spezialmaterie des Insolvenzrechts können nichtige Rechtsgeschäfte noch angefochten werden, um prozessuale Vorteile zu erlangen.131 Dieses Nebeneinander von § 133 Abs. 1 InsO sowie § 3 Abs. 1 AnfG auf der einen Seite und § 138 Abs. 1 BGB auf der anderen Seite ist für gesellschaftsrechtliche Abfindungsklauseln deshalb naheliegend, weil es gerade das langfristige Zusammenwirken des gesamten Gesellschafterkreises unter Ausnutzung der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ist, das zur Sittenwidrigkeit führt und diese Fallgestaltung daher aus dem üblichen Anwendungsbereich der Anfechtungsvorschriften heraushebt.132 Die Nichtigkeit einer entsprechenden gläubigerbenachteiligenden Klausel ergibt sich damit aus § 138 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Verstoß gegen das gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutzprinzip der §§ 725, 728 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 736 Abs. 1, 738 Abs. 1 S. 2 BGB.133 c) Das Umgehungsverbot des § 723 Abs. 3 BGB Eine ähnlich wichtige Rolle wie § 138 Abs. 1 BGB nimmt auch das Umgehungsverbot des § 723 Abs. 3 BGB ein.134 Es ist jedenfalls zum Teil Ausdruck des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass überlange Bindungen persönlicher oder wirtschaftlicher Natur ohne Möglichkeit zur Lösung vom Vertrag typischerweise nicht mit der Privatautonomie des solchermaßen Gebundenen vereinbar sind.135 129
So aber Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, S. 117. Kipp, in: FS v. Martitz, S. 211 ff. 131 S. nur Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, § 129 Rn. 45 ff. m.w.N. 132 MüKoInsO/Kirchhof/Freudenberg, Vorb. vor §§ 129 bis 147 Rn. 81. 133 BGH, Urt. v. 19. 06. 2000 – II ZR 73/99, BGHZ 144, 365, 366 = NJW 2000, 2819; für § 138 Abs. 1 BGB auch Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 24; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 49; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 83; Mutter/Brombach, in: Gummert, MAHPersGesR, § 19 Rn. 119; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 48; K. Schmidt, GesR, § 50 IV 2 c) aa); Ulmer, in: FS Quack, S. 477, 487 f.; a.A Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, S. 167; Möhring, in: FS Barz, S. 49, 64 f. 134 Dieses gilt über § 9 Abs. 1 PartGG i.V.m. § 133 Abs. 3 HGB auch für die PartG, M/GvW/ H/L/W/Hoffmann, PartGG, § 9 Rn. 9. 135 Vgl. BGH, Urt. v. 14. 11. 1953 – II ZR 232/52, NJW 1954, 106 = DB 1953, 1056; Urt. v. 11. 07. 1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316, 322 = NJW 1968, 2003; Urt. v. 07. 12. 1972 – II ZR 131/68, NJW 1973, 1602 = DB 1973, 1545; Urt. v. 13. 06. 1994 – II ZR 38/93, BGHZ 126, 226, 230 f. = NJW 1994, 2536; Urt. v. 13. 03. 2006 – II ZR 295/04, NJW-RR 2006, 1270 Rn. 11 = ZIP 2006, 851; BGB-RGRK/v. Gamm, § 723 Rn. 13, 12. Aufl., Berlin/New York 1978; Wiedemann, GesR I, S. 396 f.; in diese Richtung auch Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 327 f.; zum Zweck des § 723 Abs. 3 BGB Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, S. 484 ff. 130
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Für die Fälle, in denen die Abfindungsklausel bewirkt, dass das Ausscheiden des Gesellschafters aus der Sozietät für ihn nicht mehr wirtschaftlich vertretbar erscheint, kommt daher nicht nur die sittenwidrige Knebelung in Betracht.136 Vielmehr wird, zwar nicht ausdrücklich, aber doch effektiv, die Möglichkeit des Gesellschafters zur Kündigung nach § 723 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. nach § 723 Abs. 1 S. 2 BGB beschränkt. Denn derjenige, der damit rechnen muss, den Vermögenswert des Gesellschaftsanteils mangels Abfindung zu verlieren oder durch eine empfindliche Beschränkung des Abfindungsanspruchs einen substanziellen Vermögensverlust hinzunehmen, wird eine Kündigung kaum in Erwägung ziehen. Um eine solche Konsequenz zu vermeiden, gilt § 723 Abs. 3 BGB nicht nur für Vereinbarungen, welche das Kündigungsrecht ausdrücklich ausschließen oder vorschriftswidrig beschränken, sondern auch für Konstellationen, in denen die Kündigung des Gesellschafters (wirtschaftliche) Nachteile für diesen nach sich zieht.137 Hierbei ist es sogar unerheblich, ob den übrigen Gesellschaftern eine Umgehungsabsicht zur Last gelegt werden kann.138 Trotzdem stellt § 723 Abs. 3 BGB insbesondere für die angesprochenen Fälle der Buchwertklauseln keine wesentliche Erleichterung gegenüber der sittenwidrigen Knebelung dar, denn ebenso wie diese greift die Wertung des § 723 Abs. 3 BGB immer nur ein, wenn vereinbarte Abfindung und realer Anteilswert bereits ex ante erheblich auseinanderfielen.139 Das wird aber aus den bereits zuvor erläuterten Gründen140 nur sehr selten der Fall sein, weshalb § 723 Abs. 3 BGB seit der Rechtsprechungsänderung des BGH141 ebenso selten eingreift wie die Fallgruppe der sittenwidrigen Knebelung nach § 138 Abs. 1 BGB.142
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S. 230 ff. Zu einem Fall, in dem der Gesellschaftsvertrag einer Rechtsanwaltssozietät die Verpflichtung zu Versorgungsleistungen neu eingetretener Sozien zugunsten der Altsozien, unabhängig von einem etwaigen späteren Ausscheiden der Neusozien durch Kündigung, vorsah und damit gegen § 723 Abs. 3 BGB verstieß, s. BGH, Beschl. v. 18. 02. 2008 – II ZR 88/07, DStR 2008, 785, 786 = ZIP 2008, 967; im Übrigen so auch Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 326; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 723 BGB Rn. 28; MüKoBGB/Schäfer, § 723 Rn. 76; BeckOK BGB/Schöne, § 723 Rn. 35; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166. 138 Ganz h.M., s. nur Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 25 m.w.N. 139 Unter Aufgabe der vorherigen ständigen Rechtsprechung des BGH, die eine nachträglich eintretende Unwirksamkeit aufgrund von § 723 Abs. 3 BGB für möglich hielt, BGH, Urt. v. 20. 09. 1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281, 284 = NJW 1993, 3193; Rasner, NJW 1983, 2905, 2908; Ulmer/Schäfer, ZGR 24 (1995), 134, 139 f.; a.A. offenbar Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 49. 140 S. 232. 141 Hierzu Fn. 1191. 142 Zu einem verhältnismäßig aktuellen Fall des § 723 Abs. 3 BGB s. BGH, Urt. v. 13. 03. 2006 – II ZR 295/04 = NJW-RR 2006, 1270 Rn. 10 ff. = ZIP 2006, 851. 137
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d) Das Problem des nachträglich eintretenden groben Missverhältnisses von Abfindung und realem Anteilswert Die den § 138 Abs. 1 BGB und § 723 Abs. 3 BGB immanente ex ante-Betrachtung von Abfindungsklauseln in Sozietätsverträgen wirft bei Buchwertklauseln die Frage auf, ob und wie ein nachträgliches Auseinanderfallen von Buchwert und realem Anteilswert zu behandeln ist. Insbesondere dieses nachträgliche Auseinanderfallen der Höhe des Abfindungsanspruchs und des realen Anteilswerts beherbergt daher eine Problematik, die normativ nicht ohne Weiteres anhand der üblichen Schranken privatautonomer Klauselgestaltung zu bewältigen ist. Gerade bei Freiberuflersozietäten ist dieses Problem drängend, ist es doch naheliegend, dass der Verkehrswert des Sozietätsanteils mit dem Erfolg und dem Bekanntheitsgrad der Gesellschaft wächst. Das gilt umso mehr für Rechtsanwälte, bei denen sich der Sozietätswert in besonderem Maße an diesen Kriterien bemisst, verfügen sie doch in aller Regel – im Gegensatz zu Arztpraxen und deren medizinischen Geräten – über kaum Sachvermögen. aa) Bewertungskriterien, insb. Anlass des Ausscheidens Für die Frage, ob eine Abfindung korrekturbedürftig oder hingegen angemessen ist, lassen sich allgemein keine gesicherten Grenzen festlegen. Entscheidend ist vielmehr, ob im Einzelfall das Bestandsinteresse der Gesellschaft oder das Kompensationsinteresse des Ausscheidenden den Vorrang verdient. Beurteilungskriterien hierfür sind die Differenz von Abfindung und Anteilswert, Dauer der Mitgliedschaft in der Gesellschaft, der Beitrag des Gesellschafters zum Aufbau und Erfolg, der Anlass des Ausscheidens, eine etwaige Entwertung des Kündigungsrechts durch die Beschränkung, die finanzielle Situation des Ausgeschiedenen und der Gesellschaft sowie die Auszahlungsmodalitäten.143 Besondere Schwierigkeiten bereitet hierbei der Anlass des Ausscheidens. In der Literatur wird je nach Grund des Ausscheidens differenziert, inwieweit sich der Ausgeschiedene Beschränkungen seiner Abfindung entgegenhalten lassen muss. So soll eine Kündigung des Gesellschafters aus wichtigem Grund, wenn dieser von den übrigen Gesellschaftern gesetzt wurde, dazu führen, dass eine Abfindungsbeschränkung nicht zulässig sei.144 Beruhe der wichtige Grund hingegen auf Umständen, die von keiner Seite verschuldet wurden, so soll die Abfindung auf zwei Drittel des realen Anteilswertes beschränkt werden.145 Bei einer ordentlichen Kündigung des Gesellschafters soll seine Deinvestitionsentscheidung 143 MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 53; vgl. auch BGH, Urt. v. 20. 09. 1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281, 286 = NJW 1993, 3193; näher Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 105 ff. 144 BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 41; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 109; a.A. Mecklenbrauck, BB 2000, 2001, 2005: Eine Kürzung der Abfindung auf zwei Drittel des wirklichen Werts sei angemessen. 145 BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 41; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 109.
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die Kürzung auf ein Drittel des Verkehrswertes erlauben.146 Wurde der Gesellschafter hingegen aus wichtigem Grund ausgeschlossen, so soll bei eigenem Verschulden eine Kürzung seines Anspruchs auf ein Drittel und im Übrigen auf die Hälfte statthaft sein.147 Solchen Erwägungen widerspricht jedoch schon insgesamt, dass das Ausscheiden aus wichtigem Grund keinen Strafcharakter hat und daran geknüpfte Kürzungen der Abfindung schon aus diesem Grund unzulässige Vertragsstrafen darstellen würden.148 Erst recht unzulässig ist die Kürzung der Abfindung damit für Fälle der ordentlichen Kündigung. Dafür spricht zudem, dass der Grundsatz der vollwertigen Abfindung, den das BVerfG für ausscheidende Aktionäre eindeutig anerkannt hat,149 nach zutreffender Ansicht auch Personengesellschafter und ihren Abfindungsanspruch im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG schützt.150 Die rein privatautonome Deinvestitionsentscheidung des Gesellschafters darf ihm im Lichte dieses Grundsatzes daher nicht zum Nachteil gereichen. Daneben setzen sich pauschale Kürzungen dem Vorwurf der Willkür aus.151 Schon die Vielfalt des Meinungsbildes zur Höhe der 146 Mecklenbrauck, BB 2000, 2001, 2005; BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 41; a.A. Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 109: Eine Kürzung der Abfindung auf zwei Drittel des wirklichen Werts sei angemessen. 147 BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 41; ähnl. Mecklenbrauck, BB 2000, 2001, 2005; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 109; Ulmer/Schäfer, ZGR 24 (1995), 134, 153. 148 Zutr. Flume, BGB AT I 1 PersGes, § 12 IV, S. 187 Fn. 51, der von „Kadi-Erwägungen“ spricht; speziell zur Ausschließung aus wichtigem Grund RG, Urt. v. 11. 12. 1934 – II 148/34, RGZ 146, 169, 176; BGH, Urt. v. 01. 04. 1953 – II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 167 = NJW 1953, 780; Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 20 Rn. 13; Fleischer, in: FS Hommelhoff, S. 223, 236; vgl. auch BGH, Urt. v. 29. 04. 2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 Rn. 15 ff. = NZG 2014, 820; a.A. Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 131 Rn. 65; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 109; diff. MüKoHGB/K. Schmidt, § 131 Rn. 180. 149 BVerfG, Urt. v. 07. 08. 1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 283 = NJW 1962, 1667 – „Feldmühle“; Urt. v. 27. 04. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303, 305 = NJW 1999, 3769 – „DAT/Altana“; Beschl. v. 27. 01. 1999 – 1 BvR 1805/94, NJW 1999, 1699 = ZIP 1999, 532; Beschl. v. 27. 01. 1999 – 1 BvR 1638/94, NJW 1999, 1701, 1702 = AG 1999, 217; Beschl. v. 08. 09. 1999 – 1 BvR 301/89, NJW-RR 2000, 842, 843 = AG 2000, 40; Beschl. v. 23. 08. 2000 – 1 BvR 68/95 u. 1 BvR 147/97, NJW 2001, 279, 280 = NZG 2000, 1117 – „Moto Meter-AG“; Beschl. v. 25. 07. 2003 – 1 BvR 234/01, NZG 2003, 1016 = WM 2003, 1813; Beschl. v. 30. 05. 2007 – 1 BvR 1267/06 u. a., NJW 2007, 3266, 3267 f. = AG 2007, 697; Beschl. v. 26. 04. 2011 – 1 BvR 2658/10, BVerfGK 18, 395, 398 = NJW 2011, 2497; Beschl. v. 24.05. 2012 – 1 BvR 3221/10, BVerfGK 19, 415, 420 = NJW 2012, 3020; Beschl. v. 05. 12. 2012 – 1 BvR 1577/11, BeckRS 2013, 1274 = WM 2013, 129; ausführlich Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, S. 52 ff., 95 ff., der aber zwischen dem (einfachrechtlichen) Prinzip der vollen Abfindung und dem (verfassungsrechtlichen) Prinzip der vollen Entschädigung differenziert. 150 Für die Erstreckung dieses Grundsatzes auch Fleischer/Schneider, DStR 2013, 1736, 1741; Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 9 Rn. 37. 151 Diesen Einwand anerkennend Ulmer/Schäfer, ZGR 24 (1995), 134, 154.
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Kürzungen in den jeweiligen Konstellationen zeigt, dass die verschiedenen Grenzwerte eher Unsicherheit hervorrufen, anstatt, wie beabsichtigt, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Endgültig an ihre Grenzen gelangt die Anknüpfung an den Anlass des Ausscheidens dann, wenn mehrere wichtige Gründe zusammentreffen. Da das Ausscheiden aus Freiberuflersozietäten oft streitträchtig ist, ist es nicht fernliegend, dass sowohl der ausscheidenswillige Gesellschafter als auch die Gesellschaftermehrheit mit ihrem Verhalten jeweils wichtige Gründe für eine Austrittskündigung oder eine Ausschließung setzen. Ebenso denkbar ist, dass ein objektiver Umstand als wichtiger Grund auf der einen Seite und ein verhaltensbedingter wichtiger Grund auf der anderen Seite eintreten. Ob und wenn ja in welcher Höhe eine Abfindungsbeschränkung zulässig ist, hängt dann ausschließlich davon ab, welche Vertragspartei zuerst kündigt. Damit enthält die Berücksichtigung der Ausscheidensgründe ein unzumutbares Zufallselement. Der Anlass des Ausscheidens ist daher im Gegensatz zu den übrigen Bewertungskriterien kein geeigneter Aspekt, um auf die Höhe der Abfindung Einfluss zu nehmen. Erscheint eine Abfindungsregelung nach den übrigen Kriterien im Einzelfall korrekturbedürftig, so ist die Frage nach dem methodischen Vorgehen zu stellen, um die Abfindung auf die angemessene Höhe anzuheben. bb) Ergänzende Vertragsauslegung Auf den ersten Blick ebenso einfach wie elegant löst die Rechtsprechung diese Problematik durch die Anwendung einer ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157, 242 BGB unter der Hypothese, dass das nachträgliche, außergewöhnlich drastische Auseinanderfallen des Abfindungsanspruchs und des realen Anteilswerts eine von den Parteien unvorhergesehene Lücke im Gesellschaftsvertrag darstellt.152 Diese Lücke füllt die Rechtsprechung in der Regel durch die stark vereinfachende Lösung, dass sie einen Mittelwert zwischen vereinbarter Abfindung und realem Anteilswert ansetzt.153 Dabei geht die Rechtsprechung mit der Annahme einer Vertragslücke sehr weit. Die Grenze, bei der sie sich selbst gehindert sieht, den Vertrag ergänzend auszulegen und die angemessene Abfindung selbst zu bestimmen, ist in der Regel erst erreicht, wenn der Gesellschaftsvertrag selbst eine Reserve-
152 Zur KG BGH, Urt. v. 20. 09. 1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281, 285 f. = NJW 1993, 3193; zur Innen-GbR BGH, Urt. v. 13. 06. 1994 – II ZR 38/93, BGHZ 126, 226, 241 ff. = NJW 1994, 2536; zur GmbH BGH Urt. v. 27. 09. 2011 – II ZR 279/09, ZIP 2011, 2357 Rn. 13 = NZG 2011, 1420; zur GbR OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 09. 01. 2013 – 16 U 18/12, ZIP 2013, 975, 976 = NZG 2013, 292; zur GmbH & Co. KG OLG Bremen, Beschl. v. 13. 03. 2013 – 4 UF 7/12, NJW 2013, 2527, 2529 = NZG 2013, 779; zust. Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 738 Rn. 15. 153 Wehrheim/Wirtz, PartG, II 7.1.5.
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klausel vorsehe für den Fall, dass die primäre Abfindungsregelung nicht zur Anwendung komme.154 cc) Kritik an der ergänzenden Vertragsauslegung Diese Handhabung der Problematik ist nicht ohne Widerspruch durch Teile des Schrifttums geblieben. Man kann schon mit Fug und Recht an der Prämisse des BGH zweifeln, dass das außergewöhnliche Auseinanderfallen von Abfindungswert und wahrem Anteilswert nahelegt, dass die Gesellschafter diese Entwicklung nicht vorausgesehen hätten. Wer jedenfalls als Freiberufler eine Personengesellschaft gründet, wird davon ausgehen oder vielmehr sogar hoffen, dass der tatsächliche Wert der Gesellschaft die bloßen Buchwerte zukünftig übertreffen wird, bedeutet dies doch den Erfolg der Freiberuflersozietät.155 Wer sogar eine Buchwertklausel in den Gesellschaftsvertrag aufnimmt, wird dies regelmäßig tun, um die Mitgesellschafter angesichts der drohenden wirtschaftlichen Nachteile einer Kündigung vom Ausscheiden abzuhalten.156 Jedenfalls bei einer Sozietät von Rechtsanwälten kann schließlich davon ausgegangen werden, dass diese „Disziplinierungsfunktion“ von Abfindungsbeschränkungen bekannt ist.157 In jedem Fall führen diese Punkte zu der Annahme, dass die Gesellschafter sich in der Regel sehr wohl Gedanken um die Wertentwicklung der Gesellschaft gemacht haben. Wenn dem aber so ist, fehlt es bereits an einer der wesentlichen Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung. Denn es ist, wie der BGH selbst formuliert, entscheidend, „ob die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluß die spätere Entwicklung der Verhältnisse in Betracht gezogen hätten, es gleichwohl bei der vereinbarten Regelung belassen oder ob sie bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner jener Entwicklung durch eine anderweitige vertragliche Bestimmung Rechnung getragen hätten“.158 Die ergänzende Vertragsauslegung hat somit nur dort Raum, wo die Vertragspartner die zukünftige Änderung der Verhältnisse nicht vorhergesehen haben, bei Erkennen dieser Entwicklung aber eine andere vertragliche Regelung getroffen hätten. An beiden Voraussetzungen lässt sich hier – wie oben
154 Zu einer Bestimmung in einem Gesellschaftsvertrag einer GmbH, bei der das sog. Stuttgarter Verfahren Anwendung finden sollte, sofern die primär vorgesehene Abfindungsregelung gesetzlich unzulässig sei, BGH, Urt. v. 27. 09. 2011 – II ZR 279/09, ZIP 2011, 2357 Rn. 14 = NZG 2011, 1420. Das Stuttgarter Verfahren ist vom heutigen Standpunkt der Wissenschaft aus zur Bewertung von Rechtsanwaltssozietäten allerdings ungeeignet, da es den prognostizierten Zukunftserfolg nur teilweise abbildet, s. Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 24 Rn. 27. 155 Allgemein auch Rasner, ZHR 158 (1994), 292, 299. 156 Rasner, ZHR 158 (1994), 292, 298. 157 MüKoHGB/K. Schmidt, § 131 Rn. 150. 158 BGH, Urt. v. 20. 09. 1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281, 285 = NJW 1993, 3193.
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dargelegt – zweifeln, sodass es in der Regel schon an einer auslegungsbedürftigen Lücke des Gesellschaftsvertrags fehlen dürfte. Zum Teil stößt die ergänzende Vertragsauslegung aber auch inhaltlich auf Vorbehalte, weil sie aufgrund ihrer umfassenden Berücksichtigung möglichst vieler Umstände des Einzelfalls zwar die Einzelfallgerechtigkeit hervorhebt, aber dadurch einen beklagenswerten Mangel an Rechtssicherheit zur Folge hat.159 Gleichzeitig führt die ergänzende Vertragsauslegung aufgrund der Fülle von gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gerade bei Personengesellschaften notwendig zu einer, vom jeweiligen Richter abhängigen, subjektiven Vertragsgestaltung, die insgesamt schon deshalb zweifelhaft ist, da die Abfindungshöhe, wie Dauner-Lieb richtig bemerkt, nichts anderes als der „Preis“ des Gesellschaftsanteils ist.160 Bloße Preisgestaltungen sind aber Ausdruck des Marktes, beeinflusst von den individuellen, privatautonomen Wertungen der Vertragsparteien, und daher der richterlichen Beurteilung grundsätzlich nicht zugänglich.161 Diese methodische Schwäche offenbart ihre Konsequenzen deutlich auf der Rechtsfolgenseite. Die schlichte Ansetzung eines Mittelwertes zwischen vereinbarter Abfindung und dem realen Anteilswert kann kaum überzeugen, zeugt sie doch eher von der Hilflosigkeit der Gerichte, die angemessene Abfindung zu bestimmen. Wenn aber die Bestimmung der Rechtsfolgen dermaßen große Schwierigkeiten bereitet, dass sie letztlich in einer Verlegenheitslösung resultiert und gleichzeitig dogmatisch eindeutige Schwächen aufweist, wäre es für die Rechtsprechung ratsam, den eigenen methodischen Ansatz zu überdenken. Die Korrektur der Abfindung durch die Gerichte stellt damit letztlich keine Ergänzung des Vertrags basierend auf dem, was die Parteien vernünftigerweise gewollt hätten, dar, sondern ist lediglich eine Billigkeitskontrolle unter dem Deckmantel der ergänzenden Vertragsauslegung.162 Die vom BGH favorisierte ergänzende Vertragsauslegung von Abfindungsklauseln ist damit keineswegs insgesamt ungeeignet zur Korrektur von unangemessen niedrigen Abfindungsklauseln. Sie ist aber wesentlich enger zu handhaben, als es in der Rechtsprechung bisher der Fall ist. Das bloße Auseinanderfallen von wahrem Anteilswert und dem Wert der Abfindung kann für sich genommen nicht den Schluss auf eine Lücke im Gesellschaftsvertrag rechtfertigen.163 Die ergän159
Dauner-Lieb, ZHR 158 (1994), 271, 286 f. Dauner-Lieb, ZHR 158 (1994), 271, 286. Diese Umschreibung ist freilich nur bildhaft zu verstehen, denn der Abfindungsanspruch ist die Kompensation für den Verlust der Mitgliedschaft und der aus ihr erwachsenden Rechte und keine Gegenleistung für die (u. U. unfreiwillige) Aufgabe der Gesellschafterstellung, zutr. zum Aktienrecht Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, S. 154 f. sowie oben S. 136 f.; später noch vertieft zum Kompensationsinteresse des Gesellschafters einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft auf S. 250 ff. 161 Dauner-Lieb, ZHR 158 (1994), 271, 286 f. 162 Ebenso Ulmer/Schäfer, ZGR 24 (1995), 134, 141. 163 S. auch Rasner, ZHR 158 (1994), 292, 299. 160
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zende Vertragsauslegung ist daher nur dort anwendbar, wo eine Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens im Einzelfall tatsächlich nahelegt, dass eine andere Regelung von den Gesellschaftern getroffen worden wäre. Gerade bei rechtskundigen Gesellschaftern wie in einer Rechtsanwaltssozietät ist aber davon auszugehen, dass Abfindungsklauseln auch in Zukunft und bei einer positiven Entwicklung des Unternehmenswerts gelten sollen.164 Jedenfalls Zweck und Funktion einer Abfindungsbeschränkung auf Buchwerte können als bekannt unterstellt werden.
dd) Ausübungskontrolle Man muss daher methodisch nach weiteren Möglichkeiten suchen, um die Problematik in den Griff zu bekommen. Schon seit langem in der Diskussion ist dabei der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB und damit eine richterliche Ausübungskontrolle als Spiegelbild der ohnehin bestehenden gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft.165 Tatbestandlich ist bei der Ausübungskontrolle zu überprüfen, ob im Zeitpunkt des Ausscheidens das Eingreifen der Abfindungsklausel treuwidrig wäre. Das sei dann der Fall, wenn die Klausel zu diesem Zeitpunkt gegen § 138 BGB oder § 723 Abs. 3 BGB verstieße.166 Damit wird das Problem umgangen, dass beide Vorschriften bezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens nicht anwendbar sind,167 man aber so zugleich noch die Wertungen beider Normen in die Beurteilung der Klausel einfließen lassen kann. Wird der Einwand unzulässiger Rechtsausübung als rechtsvernichtende Einwendung verstanden,168 bestehen bei dieser dogmatischen Konstruktion jedenfalls keine Bedenken, was das Bestehen einer Lücke im Vertrag betrifft, da die Abfindungsklausel hier kraft Gesetzes unwirksam ist. Daher greifen auch die Befürworter des Einwands unzulässiger Rechtsausübung an dieser Stelle
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So schon allgemein zu umfassenden Abfindungsklauseln MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 54; Ulmer/Schäfer, ZGR 24 (1995), 134, 141. 165 Ulmer/Schäfer, ZGR 24 (1995), 134, 144; im Anschluss an diese Fleischer/Bong, WM 2017, 1957, 1965; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 409; Westermann, in: Westermann/ Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1159. 166 Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 28; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 55; Ulmer/ Schäfer, ZGR 24 (1995), 134, 145 f.; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 107. 167 Für § 138 BGB BGH, Urt. v. 14. 07. 1952 – IV ZR 1/52, BGHZ 7, 111, 114; NJW 1952, 1169; Urt. v. 15. 04. 1987 – VIII ZR 97/86, BGHZ 100, 353, 359 = NJW 1987, 1878; Urt. v. 28. 02. 1989 – IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92, 96 f. = NJW 1989, 1276; Urt. v. 19. 12. 2017 – XI ZR 152/17, NJW 2018, 848 Rn. 24 (m. Anm. Buck-Heeb) = ZIP 2018, 264; Prütting/Wegen/ Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 738 Rn. 14; Palandt/Ellenberger, BGB, § 138 Rn. 9; für § 723 Abs. 3 BGB BGH, Urt. v. 20. 09. 1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281, 284 = NJW 1993, 3193; Rasner, NJW 1983, 2905, 2908; Ulmer/Schäfer, ZGR 24 (1995), 134, 139 f. 168 So wohl Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 28.
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auf die ergänzende Vertragsauslegung zurück, um die entstandene Lücke mit dem hypothetischen Parteiwillen zu füllen.169 ee) Störung der Geschäftsgrundlage In dieselbe Richtung zielt der Ansatz, für die vorliegende Problematik auf das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zurückzugreifen.170 § 313 Abs. 1 BGB beschreibt insofern recht adäquat das spätere Auseinanderfallen von vereinbarter Abfindung und realem Anteilswert, wenn er als Tatbestand statuiert, dass sich Umstände, welche zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht so abgeschlossen hätten, wenn sie die Entwicklung erahnt hätten. Kann einem Vertragsteil das Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden, so ist die Rechtsfolge des § 313 Abs. 1 BGB die Anpassung des Vertrags. Da nur solche Umstände Grundlage des Vertrags sein können, über die sich die Parteien nicht, und zwar auch nicht mithilfe der Auslegung, geeinigt haben, ist § 313 BGB grundsätzlich nachrangig gegenüber jedweder Vertragsauslegung, da der durch Auslegung ermittelte privatautonome Wille der Parteien einer richterlichen Korrektur vertraglicher Abreden vorgehen muss.171 Die Anwendung des § 313 BGB auf Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen setzt daher voraus, dass sich die Handhabung der vorliegenden Problematik nicht im Wege der Auslegung ermitteln lässt.172 Allein aus der Vereinbarung der Abfindungsklausel lässt sich jedoch entnehmen, dass die Gesellschafter eine vertragliche Risikoverteilung dahingehend vorgenommen haben, den Ausscheidenden an dem bewusst eingegangen Risiko des Missverhältnisses von realem und vereinbartem Anteilswert festzuhalten.173 Solche gewillkürten Risikoverteilungen sind gegenüber dem Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage stets vorrangig.174 Die Anwendung des § 313 BGB ist daher von
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Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 28; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 55; Ulmer/ Schäfer, ZGR 24 (1995), 134, 145 f., 147 ff.; für die GmbH Stöber/Rafiqpoor, GmbHR 2003, 872, 878; wohl auch Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 107. 170 Büttner, in: FS Nirk, S. 119, 128 f.; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 46, 56; Ulmer, in: FS Quack, S. 477, 489; wohl auch K. Schmidt, GesR, § 50 IV 2 c) ee). 171 BGH, Urt. v. 01. 02. 1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74 = NJW 1984, 1177; bestätigt in BGH, Urt. v. 11. 10. 2005 – XI ZR 395/04, BGHZ 164, 286, 292 = NJW 2006, 54; Urt. v. 18. 11. 2011 – V ZR 31/11, BGHZ 191, 336 Rn. 13 = NJW 2012, 526; Baier, NZG 2004, 356, 357 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, § 313 Rn. 10; Lettl, AcP 202 (2002), 3, 22; HK-BGB/Schulze, § 313 Rn. 5. 172 Für eine Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei der hiesigen Fallkonstellation daher Büttner, in: FS Nirk, S. 119, 128 f.; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 46, 56; Ulmer, in: FS Quack, S. 477, 489; wohl auch K. Schmidt, GesR, § 50 IV 2 c) ee). 173 Mecklenbrauck, BB 2000, 2001, 2004; BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 38. 174 Palandt/Grüneberg, BGB, § 313 Rn. 19 f.
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vornherein kein geeignetes Instrument, um ein grobes Missverhältnis zwischen vertraglicher und gesetzlicher Abfindung auszugleichen. ff) Die Privatautonomie der Gesellschafter als Lösungsansatz Zwar ist der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung mit der anschließenden ergänzenden Vertragsauslegung im Hinblick auf die Abfindungsklausel methodisch überzeugender als der Ansatz, von vornherein nur auf die ergänzende Vertragsauslegung zurückzugreifen, er setzt sich im Übrigen aber denselben Vorbehalten aus. Inhaltlich läuft die ergänzende Vertragsauslegung wieder auf eine starke Akzentuierung der Einzelfallgerechtigkeit zulasten der Rechtssicherheit und auf eine Festsetzung der Abfindung durch die Gerichte hinaus. An diesen beiden Kritikpunkten ändert es auch nichts, dass Schäfer für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung betont, dass es, anders als beim Ansatz des BGH, zumindest nicht auf eine umfassende Interessenabwägung ankomme.175 Es bleibt vielmehr bei einem tiefgreifenden Eingriff in die Privatautonomie der Gesellschafter. (1) Rückbesinnung auf die Rechtssicherheit im Gesellschaftsrecht Auch ohne eine Interessenabwägung wird die Beurteilung von Abfindungsklauseln doch kaum berechenbarer und die Rechtsprechung zu der Thematik wird weiter kasuistisch bleiben. Das ist umso bedauernswerter, als die Rechtsprechung und insbesondere der BGH als Revisionsgericht neben der Einzelfallgerechtigkeit doch auch in erster Linie der Rechtssicherheit und -einheit verpflichtet sind.176 In diesem Zusammenhang hat schon Rasner sehr treffend bemerkt, dass die Gerichte keine Instanzen sind, die berufen wurden, um dem vermeintlich Schwächeren zu einer besseren Abfindung zu verhelfen.177 An dieser Stelle ist noch einmal hervorzuheben, dass es sich bei den Gesellschaftern, die von einer Abfindungsklausel betroffen sind, eben nur um vermeintlich Schwächere handelt. Praktisch gesehen haben jedenfalls die Altgesellschafter bei der Verfassung des Gesellschaftsvertrags den Bedingungen der Gesellschafterstellung zugestimmt – oder sie vielmehr sogar gewollt. Für sie stellt die Beschränkung der Abfindung auf den Buchwert daher keine unzulässige Einschränkung dar. Die folgenden Generationen von Gesellschaftern hatten hingegen nur die Wahl, die Klausel in Kauf zu nehmen oder die Gesellschafterstellung abzulehnen. Bei Rechtsanwaltssozietäten sind aber auch diese Nachfolgegenerationen nicht übermäßig beeinträchtigt, da sie regelmäßig keine oder nur eine geringe Einlage in die Gesellschaft erbringen und die Abfindung zum Buchwert für sie beim Eintritt in die Sozietät sogar vorteilhaft ist, da sie am Aufbau der Sozietät durch die Altgesellschafter und deren 175
MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 55. Vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, § 543 Rn. 1; BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, § 543 Rn. 14; MüKoZPO/Krüger, § 543 Rn. 1, 3; Schilken, ZivilProzessR, Rn. 925 f. 177 Rasner, ZHR 158 (1994), 292, 307. 176
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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Erfolg partizipieren.178 Auf der anderen Seite ist die Sozietät selbst schutzwürdig, da gerade Rechtsanwaltssozietäten kaum über liquide Mittel verfügen und das Bestandsinteresse der Gesellschaft die Beschränkung auf den Buchwert daher eher legitimiert als bei Gesellschaften mit einem größeren Substanzvermögen. Dass keiner der Gesellschafter erwartet hat, aus der Gesellschaft vorzeitig auszuscheiden und deshalb von der Klausel selbst betroffen zu sein, ändert an dieser Erkenntnis nichts.179 Im Gegenteil erscheint es viel eher zweifelhaft, dass ein Gesellschafter der Klausel zunächst zustimmt in der Erwartung, dass nicht er selbst, sondern die Mitgesellschafter betroffen sein werden, und sich erst in dem Zeitpunkt, in dem er selbst betroffen ist, gegen die vorher einverständlich festgelegte Regelung der Abfindungshöhe wehren will. Immerhin sind die Gesellschafter dieses Risikogeschäft bewusst eingegangen und müssen sich dementsprechend später an ihrer Entscheidung festhalten lassen. Der Einzelfallgerechtigkeit ist damit Genüge getan, wenn die Klausel nicht von Anfang an sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB ist oder eine Kündigungsbeschränkung nach § 723 Abs. 3 BGB darstellt. Spätere positive Wertentwicklungen haben die Gesellschafter gerade erhofft und erwartet. Wer zu diesem Zeitpunkt Klauseln vereinbart, welche die Abfindungshöhe beschränken, der wird deren umfassende Geltung auch für die Zukunft wollen. Auch für Gesellschaftsverträge gilt schließlich das Prinzip des pacta sunt servanda. Reine Billigkeitserwägungen dürfen nicht dazu führen, dass dieses Prinzip aufgeweicht wird, bis Abfindungsklauseln letztlich regelmäßig von den Gerichten korrigiert werden. An diesem Punkt unterläuft das Bedürfnis, im Einzelfall eine angemessene Abfindung zu gewähren, die Rechtssicherheit und die Bindungswirkung des Gesellschaftsvertrags. Der Rechtssicherheit zuträglich ist eine solche Entwicklung jedenfalls nicht. Dies alles gilt nicht zuletzt, und darauf sei in diesem Zusammenhang nochmals hingewiesen, wenn es sich wie bei Rechtsanwälten um Rechtskundige handelt. (2) Privatautonomie im Personengesellschaftsrecht Erschwerend kommt hinzu, dass die Privatautonomie der Gesellschafter im Hinblick auf die Ausgestaltung der Gesellschaft im Personengesellschaftsrecht seit jeher groß ist.180 Die Begründung hierfür liefert das Gesetz selbst. Was nicht zwingend angeordnet ist, ist dispositiv. Zwingende Regelungen kennen die GbR und die PartG vor allem in den §§ 128 S. 2 HGB, 723 Abs. 3 BGB. Im Übrigen findet die Gestaltungsfreiheit ihre Grenzen nur in den allgemeinen Schranken der Privatautonomie wie §§ 134, 138 BGB.181 Sind diese Grenzen nicht betroffen, handelt es sich nicht um eine Vereinbarung, die mit den Mitteln der Rechtsanwendung korrigiert 178
Zum Verzicht auf die Einlage in diesen Konstellationen S. 112 f. Vgl. auch Rasner, ZHR 158 (1994), 292, 299. 180 Esch, NJW 1979, 1390, 1391; Rasner, ZHR 158 (1994), 292, 307; allgemein zum Gesellschaftsrecht tendenziell auch K. Schmidt, GesR, § 5 III 3 a). 181 Insgesamt ebenso K. Schmidt, GesR, § 5 III 3 a). 179
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
werden kann. Für Anwälte sind gerade die flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten oft ein schlagkräftiges Argument, um zu der Rechtsform einer GbR oder einer PartG zu greifen.182 Diese Privatautonomie sollte daher auch geachtet werden, wenn die Gesellschafter von ihr Gebrauch machen und übereinstimmend eine Abfindungsregelung beschließen, die vom wahren Anteilswert abweicht. gg) Resümee zum nachträglich eintretenden Missverhältnis von Abfindung und realem Anteilswert Für den Lösungsansatz des BGH fehlt es damit in der Regel schon an den methodischen Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung, während auch die Lösung eines Großteils des Schrifttums jedenfalls auf inhaltliche Bedenken stößt und die Bindungswirkung von Abfindungsklauseln weitgehend unterläuft. Freilich ist weder der eine noch der andere Lösungsansatz grundsätzlich ungeeignet. Sollten im Einzelfall Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Parteien des Gesellschaftsvertrags die zukünftige Wertentwicklung der Anteile tatsächlich nicht vorausgesehen haben, kann eine ergänzende Vertragsauslegung ausnahmsweise statthaft sein. Selbiges gilt für den Einwand unzulässiger Rechtsausübung aus § 242 BGB. Ist die Anwendung der Abfindungsklausel im Einzelfall missbräuchlich gegenüber dem Ausscheidenden, kann die Ausübungskontrolle ein hilfreiches Instrument zur Korrektur des Ergebnisses im Einzelfall darstellen.183 Insgesamt ist aber im Hinblick auf die Rechtssicherheit und die Privatautonomie der Sozien für eine weitaus größere Zurückhaltung im Hinblick auf die Korrektur einer nachträglichen Auseinanderentwicklung von vereinbartem Abfindungswert und Verkehrswert zu plädieren. In Anbetracht der Tatsache, dass entsprechende Abfindungsklauseln in der Regel vorbehaltlos vereinbart werden, relativiert sich das Problem des nachträglich eintretenden groben Missverhältnisses von Abfindung und realem Anteilswert zu einem bloßen Gebrauch ihrer Vertragsgestaltungsfreiheit durch die Sozien. Eine Kontrolle nach den allgemeinen Schranken sollte, wie aufgezeigt, vor allem auf den Zeitpunkt der Vornahme der abfindungsbeschränkenden Vereinbarung gestützt werden. Für diesen Zeitpunkt kann jedenfalls praktisch als gesichert gelten, dass eine Beschränkung der Abfindung auf unter 50 % des realen Anteilswertes einer Prüfung am Maßstab des § 138 BGB nicht standhalten kann.184 Eine nachträgliche Korrektur anhand der Methoden von Rechtsprechung und Lehre sollte hingegen auf extreme Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Da die Tendenz aktuell aber wohl eher in die Richtung einer verstärkten Kontrolle geht, müssen Sozietäten mit Buchwertklauseln ihre Sozietätsverträge regelmäßig 182
S. 56 ff. Ebenso Fleischer/Bong, WM 2017, 1957, 1965. 184 BGH, Urt. v. 20. 09. 1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281, 287 = NJW 1993, 3193; Freund, ZIP 2009, 941, 945; Heckschen, GWR 2020, 63, 66; Henssler/Strohn/Kilian, GesR, § 738 BGB Rn. 17 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 183
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dahingehend überprüfen, ob eine Anpassung der Abfindungsregelung notwendig ist. Angesichts der beiden wesentlichen Faktoren der vorstehenden Problematik, nämlich der Veränderung des Verkehrswertes über Jahre oder Jahrzehnte, kann als Faustregel gelten, dass der Gesellschaftsvertrag eher der Überprüfung bedarf, je älter die Klausel und je erfolgreicher die Sozietät ist. Ansonsten kann das Ausscheiden eines Sozius finanziell unliebsame Überraschungen für die Sozietät nach sich ziehen.185 4. Naked in, naked out in Rechtsanwaltssozietäten? Besonderer Beliebtheit erfreuen sich unter Rechtsanwälten Abfindungsklauseln, die an den Erlass oder die Schenkung der Einlage anknüpfen.186 Sie werden häufig in der Erwartung vereinbart, dass Einlageleistung und Abfindungsanspruch grundsätzlich korrelieren. Eine privatautonome Hervorhebung des materiellen Beitrags jedes Einzelnen ist zwar nicht schlechthin unzulässig, im Angesicht der starken Fokussierung auf den „Good will“ als maßgeblichen Wert und die persönliche Arbeitskraft der Gesellschafter in Freiberuflersozietäten muss diese Gestaltungsvariante jedoch einer kritischen Würdigung unterzogen werden. a) Die Rechtsfigur des Gesellschafters minderen Rechts Ähnlich wie schon beim Ausscheiden aus der Sozietät stellt sich auch bei der Abfindung ausgeschiedener Sozien in diesem Zusammenhang die Frage nach der Figur des Gesellschafters minderen Rechts. Sie basiert auf der Vorstellung, dass eine Ungleichbehandlung der Gesellschafter gerechtfertigt sein kann, wenn der Anteil an der Sozietät unentgeltlich erworben wurde.187 Da einem schenkungsweise oder erbrechtlich erlangten Gesellschaftsanteil die Wertung der Mitgesellschafter innewohne, dass der Kapitalanteil dem Unternehmen verbleiben solle, komme dem Anteilsinhaber bei wirtschaftlicher Betrachtung von vornherein nur eine Gewinnbeteiligung ohne volle Mitgliedschaftsrechte zugute.188 Dieser Gedanke beruht auf einer Gesamtbetrachtung von unentgeltlichem Erwerb und Gesellschaftsvertrag. Die unentgeltliche Zuwendung des Gesellschaftsanteils mit der Folge eines fehlenden Kapitalanteils, gepaart mit der Abfindungsbeschränkung im Gesellschaftsvertrag, ergebe als Konsequenz, dass dem Gesellschafter nur das Gewinnrecht zugewendet werden soll.189 Der so bereits originär begrenzte Vermögensvorteil erlaube dann in 185
Ebenso Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1172. Hierzu schon S. 112 f. 187 Flume, BGB AT I 1 PersGes, § 10 III, S. 137 f., § 12 III, S. 179; Flume, NJW 1979, 902, 903 f.; Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, S. 113 f.; im Ansatz zustimmend auch Huber, ZGR 9 (1980), 177, 193 ff.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 71; diff. K. Schmidt, GesR § 50 III 3 c). 188 Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, S. 114. 189 Vgl. Flume, BGB AT I 1 PersGes, § 12 III, S. 179. 186
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
stärkerem Maße eine Ungleichbehandlung des Gesellschafters im Hinblick auf Ausschließung und Abfindung.190 Diese Überlegungen erscheinen besonders für das anwaltliche Gesellschaftsrecht attraktiv. Dabei spielt zwar die unentgeltliche Rechtsnachfolge im Wege des Erbgangs aufgrund des Erfordernisses, dass alle Sozien einen freien Beruf ausüben, naturgemäß keine besondere Rolle.191 Allerdings ist die unentgeltliche Übertragung eines Sozietätsanteils in der Praxis keine Seltenheit. Oftmals wird die Aufnahme eines Neusozius in den Kreis der Gesellschafter gerade nicht mit einer Einlageleistung in die Sozietät verbunden.192 Die Gründe hierfür sind vielfältig. Meist spielt die Schwierigkeit, entsprechende finanzielle Mittel aufzubringen, gerade für Junganwälte eine nicht zu unterschätzende Rolle. In deutschen Kanzleien besteht im Mittel die Tendenz, den Aufstieg zum Sozius nach drei bis vier Jahren der Mitarbeit zu ermöglichen.193 Diese Zeitspanne ist indes auch abhängig vom Zuschnitt der jeweiligen Kanzlei. Insbesondere Großkanzleien sehen auf ihrem „partner track“ die Aufnahme in den Kreis der Gesellschafter regelmäßig erst nach sechs oder sieben Jahren vor. Entsprechend der üblichen Zeitspanne von drei bis vier Jahren sind die finanziellen Reserven dieser noch jungen, aber talentierten Berufsanfänger regelmäßig gering. Nichtsdestotrotz können und wollen die Altsozien auf talentierten Nachwuchs oft nicht verzichten, nur, weil dieser keine ausreichenden Barmittel zur Verfügung hat. Die Lösung ist daher entweder die unentgeltliche Übertragung des Sozietätsanteils auf den Neusozius und damit verbunden oft auch die Vorenthaltung eines Kapitalanteils – weil dem Gesellschafter, der keine geldwerte Einlage erbracht hat, zunächst auch keine wirtschaftliche Beteiligung am Gesellschaftsvermögen zugewendet werden soll –194 oder mit der Übertragung zusammenhängend die Modifikation der Teilhabe am Gewinn der Sozietät, um die ursprünglich unent-
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Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, S. 114. S. § 59a Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BRAO; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 108; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 44 Rn. 41, 44; MüKoBGB/Schäfer, § 727 Rn. 26; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 75 ff.; NK-PartGG/Seibert/Kilian, § 9 Rn. 2; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1222. Zu Fortsetzungsklauseln oben S. 81. 192 Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 226; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 150; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 90; Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 274; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 77; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 5 Rn. 5; Sigle, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 311, 321; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166; vgl. auch Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 71; Sigle, ZGR 28 (1999), 659, 674. 193 Römermann, Entwicklungen und Tendenzen bei Anwaltsgesellschaften, S. 68. 194 Zum Kapitalanteil als bilanzielle Kennziffer und Maßstab der wirtschaftlichen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 13 Rn. 18. 191
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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geltliche Übertragung langfristig auszugleichen.195 Die Neusozien werden dann teilweise sogar noch ohne Stimmrecht und mit modifiziertem Gewinnanteil aufgenommen.196 Wird der Sozietätsanteil nun unentgeltlich übertragen, verbinden viele Sozien mit dieser Übertragung die Erwartung, den Neusozius ohne Abfindung wieder aus der Sozietät ausschließen zu können. Dieser Gedanke des „naked in, naked out“ spiegelt sich praktisch oft auch darin wider, dass viele Sozietäten ihre Partner in der internen Kanzleiorganisation danach unterscheiden, ob sie einen Sozietätsanteil mit oder ohne Kapitalanteil erhalten haben.197 b) Die Unanwendbarkeit des Gesellschafters minderen Rechts Dabei wird von den Sozien oftmals übersehen, dass diese Erwartung, so einleuchtend sie zunächst erscheinen mag, nicht in dieser Schärfe mit dem Gesellschaftsrecht in Einklang zu bringen ist. Zwar erlauben Art und Herkunft des Sozietätsanteils eine flexiblere Bewertung von Abfindungsklauseln,198 sie vermögen es nach dem BGH allerdings nicht, den Sozius in seiner Position eo ipso so weit zu schwächen, dass er gänzlich ohne Abfindung ausgeschlossen werden kann.199 Ob der Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil teilweise, überwiegend oder ganz unentgeltlich erhalten hat, darf bei der Abfindungsregelung in Rechtsanwaltssozietäten schon aufgrund der entstehenden Ungleichbehandlung der Gesellschafter keine entscheidende Rolle spielen. Dahinter steht der Gedanke, dass eine Unterscheidung allein nach dem Erwerb des Gesellschaftsanteils eine unangemessene Benachteiligung der Gesellschafter darstellt, die keine Einlage aufbringen müssen, und sie gleichsam schutzlos der Willkür der Gesellschafter mit Einlage 195 Die Gewinnparität erst einige Jahre nach Eintritt in die Freiberuflerpraxis zu erreichen, sei sachlich gerechtfertigt und üblich, s. BGH, Urt. v. 07. 05. 2007 – II ZR 281/05, NJW-RR 2007, 1256 Rn. 29, 32 = NZG 2007, 583. 196 Vgl. auch Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407; zur Zulässigkeit des Stimmrechtsausschlusses BGH, Urt. v. 14. 05. 1956 – II ZR 229/54, BGHZ 20, 363, 368 = NJW 1956, 1198; Röttger, Die Kernbereichslehre im Recht der Personenhandelsgesellschaften, S. 120 ff.; 148 ff.; MüKoBGB/Schäfer, § 709 Rn. 63 f.; BeckOK BGB/Schöne, § 709 Rn. 53; krit. BeckOGK/ Geibel, BGB, § 709 Rn. 135 f. 197 Römermann, Entwicklungen und Tendenzen bei Anwaltsgesellschaften, S. 70; zum Unterschied zwischen Gesellschafts- und Kapitalanteil Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 224 ff.; K. Schmidt, GesR, § 47 III 1 a) und b). 198 Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 29 m.w.N. 199 BGH, Urt. v. 09. 01. 1989 – II ZR 83/88, NJW 1989, 2685, 2686 = ZIP 1989, 770; Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 115 f. = NJW 2005, 3644; Soergel/Hadding/ Kießling, BGB, § 738 Rn. 51; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 58 f.; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 15; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1130b; speziell zum Sozietätsrecht Kopp, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil C Rn. 158; insgesamt diff. Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 29.
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ausliefern würde.200 Andernfalls würde das Gesellschaftsrecht einen, de lege lata nicht vorgesehenen, Gesellschafter „zweiter Klasse“ anerkennen.201 Die Sozietät ist daher verpflichtet, die gesellschaftsrechtliche Rechtsposition des Beschenkten zu respektieren, ohne dass sie aus der Schenkung selbst Sonderrechte herleiten könnte, die es ihr erlauben, mit dem Neusozius zu verfahren, wie es ihr beliebt.202 Alles andere würde eine unzulässige Vermischung des gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses der Mitgesellschafter untereinander mit dem Schenkungsvertrag zwischen Schenker und Beschenktem darstellen und damit den Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse umgehen. c) Restriktion des Abfindungsanspruchs bei Sozien ohne Kapitalanteil? Zwar scheidet damit die zunächst von Flume203 entwickelte Rechtsfigur des Gesellschafters minderen Rechts aus, dennoch hat die Rechtsprechung durch die Gesellschafterstellung zur Probe Mittel und Wege gefunden, um für Freiberuflersozietäten Ausschlüsse zu erleichtern.204 Diese Gesellschafterstellung zur Probe führt im Ergebnis, jedenfalls für die Dauer der Probezeit, im Hinblick auf die Ausschließungskündigung nicht zu anderen Ergebnissen als die Rechtsfigur des „Gesellschafters minderen Rechts“.205 Denn hier wie dort ist letztlich eine voraussetzungslose Ausschließung möglich. Daran und an die Erläuterung von Goette206 anschließend könnte man erwägen, ob diese Probezeit es, ähnlich wie beim Gesellschafter minderen Rechts, erlaubt, gleichzeitig die Abfindung auszuschließen oder zu beschränken.207 Als Ausgangspunkt gilt, dass auch einem Gesellschafter, der seinen Sozietätsanteil unentgeltlich erlangt hat oder der nicht über ein Kapitalkonto208 verfügt, zu200
Vgl. BGH, Urt. v. 09. 01. 1989 – II ZR 83/88, NJW 1989, 2685, 2686 = ZIP 1989, 770. BGH, Urt. v. 09. 01. 1989 – II ZR 83/88, NJW 1989, 2685, 2686 = ZIP 1989, 770; Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 116 = NJW 2005, 3644, 3646; vgl. auch Goette, AnwBl 2007, 637, 642; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 51; Kopp, in: Henssler/ Streck, SozietätsR-Hdb, Teil C Rn. 158; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 76 Rn. 40 f.; Römermann, NJW 2007, 2209, 2213; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 58 f.; Erman/ H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 15; krit. auch Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 29. 202 BGH, Urt. v. 09. 01. 1989 – II ZR 83/88, NJW 1989, 2685, 2686 = ZIP 1989, 770; Huber, ZGR 9 (1980), 177, 205; MüKoHGB/K. Schmidt, § 131 Rn. 179. 203 Flume, BGB AT I 1 PersGes, § 10 III, § 12 III; Flume, NJW 1979, 902, 903 f. 204 S. 110 ff.; krit. zum dogmatischen Fundament S. 113 ff. 205 Vgl. auch Goette, AnwBl 2007, 637, 642, der als damaliger Vorsitzender Richter des II. Zivilsenats des BGH klarstellt, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung das Ziel verfolgt hat, auf einem „anderen konstruktiven Weg“ zu demselben Ergebnis zu gelangen. 206 S. Fn. 1256. 207 Dafür Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407. 208 Zu Begriff und Funktion des „Kapitalkontos“, Sassenrath, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 26 Rn. 582 ff. 201
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mindest die anteilig erzielten Gewinne sowie der auf ihn entfallende Überschuss aus der Auflösung stiller Reserven in der Abfindungsbilanz zustehen.209 Ein Ausschluss dieser Ansprüche ist im Hinblick auf die §§ 138, 723 Abs. 3 BGB nicht zulässig.210 Nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB würde dem Neusozius darüber hinaus auch eine Abfindung für seinen Anteil am „Good will“ zustehen, und zwar unabhängig von der Dauer seiner Sozietätszugehörigkeit. Angesichts des Umstands, dass die Aufnahme als Sozius nur gegen eine geringe oder keine Einlageleistung erfolgt und der Sozius zunächst noch keinen Beitrag zum „Good will“ der Sozietät geleistet hat, erscheint ein kautelarjuristischer Schutz der Sozietät erforderlich.211 Andernfalls erhielte der Neusozius einen Sozietätsanteil eingeräumt, dessen realen Wert er regelmäßig nicht hätte finanzieren können und für dessen Verlust ihm gleichwohl die volle Abfindung – unter Einbeziehung des immateriellen Praxiswerts – zustehen würde.212 Eine solche Rechtsfolge enthielte erhebliches Missbrauchspotential und würde das Bestandsinteresse der Gesellschaft ernstlich gefährden.213 Andererseits hat auch der Neusozius ein berechtigtes Interesse an einer Abfindung. Selbst wenn er keine Kapitaleinlage geleistet hat, so hat er jedenfalls im Zuge seiner Arbeit für die Sozietät zu deren „Good will“ beigetragen. Da dieser den hauptsächlichen Wert der Sozietät ausmacht, muss das steigende Kompensationsinteresse des Ausscheidenden berücksichtigt werden.214 Für Sozietätsanteile ohne Kapitalanteil werden Abfindungsbeschränkungen in Teilen der Literatur – mehrheitlich gänzlich unabhängig vom Bestehen einer Probezeit – diskutiert.215 So wird vertreten, dass Abfindungsausschlüsse gänzlich unbedenklich seien, wenn sie nur einen Sozius ohne Kapitalanteil beträfen.216 Auf der anderen Seite lehnt Römermann die Beschränkung oder den Ausschluss der Abfindung bei Gesellschaftern ohne Einlageleistung und damit ohne Kapitalanteil als
209 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 149; Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 103 f.; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 58 f.; a.A. wohl Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 71. 210 MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 59. 211 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407. 212 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407. 213 Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 228 f.; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 151; Henssler/Michel, NZG 2007, 401, 407. 214 Henssler/Michel, NZG 2007, 401, 407. 215 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 147 ff.; Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 103 ff.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 71; a.A. Römermann, NJW 2007, 2209, 2213. 216 Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 103 ff.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 71; ähnlich wohl Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 151.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
unzulässige Ungleichbehandlung ab.217 Vermittelnd wird die Zulässigkeit des Abfindungsausschlusses bei Sozien ohne Kapitalanteil auf die Dauer der Probezeit beschränkt.218 Nach Ablauf dieser Probezeit habe der Neusozius ausreichend zum „Good will“ beigetragen, sodass ein Ausschluss vom immateriellen Praxiswert nicht mehr zulässig sei.219 d) Modifikation des Abfindungsanspruchs aa) Beurteilungskriterien für Abfindungsbeschränkungen bei Neusozien Für die Beurteilung des gesellschaftsvertraglichen Ausschlusses der Abfindung bei Neusozien ohne Kapitalanteil ist grundsätzlich dem Postulat des BGH zuzustimmen, dass es keine Gesellschafter zweiter Klasse geben darf.220 Eine dauerhafte Differenzierung der Rechtspositionen anhand des Kriteriums der Einlageleistung ist daher nicht zulässig. Aus der Position des BGH darf aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Art und Weise des Anteilserwerbs und das Fehlen eines Kapitalkontos keine Auswirkungen auf die Beurteilung von Abfindungsklauseln hätten.221 So billigt der BGH Regelungen, die bei unentgeltlich erlangten Gesellschaftsanteilen die Abfindung im Endeffekt gänzlich entfallen lassen, wenn die Abfindungsbeschränkung durch die Umstände des Einzelfalls sachlich gerechtfertigt ist.222 Entscheidend ist, ob die Abwägung des Liquiditätsinteresses der Sozietät mit dem Kompensationsinteresse des Neusozius dazu führt, dass eine Beschränkung oder ein Ausschluss der Abfindung angemessen erscheinen.223 Missbilligenswert sind demgegenüber Abfindungsbeschränkungen, die nur an ein bestimmtes Kriterium – wie den Anteilserwerb – anknüpfen oder der Höhe nach unangemessen sind. Die Abfindungsbeschränkung bei Neusozien ohne Kapitalanteil muss daher durch die Besonderheiten der freiberuflichen Berufsausübung sachlich gerechtfertigt sein. bb) Die besonderen Interessen von Sozietät und Neusozius (1) Das Bestandsinteresse der Sozietät und der Altsozien Für die Möglichkeit der Abfindungsbeschränkung wird angeführt, dass der bei Freiberuflern spezielle Zeitpunkt der Anteilsgewährung an den Neusozius bei der Interessenabwägung im Rahmen der Abfindungsbeschränkung besondere Bedeu217 Römermann, Entwicklungen und Tendenzen bei Anwaltsgesellschaften, S. 70; Römermann, NJW 2007, 2209, 2213. 218 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407. 219 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407. 220 S. oben S. 249. 221 Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 226; zust. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 149 f. 222 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 116 = NJW 2005, 3644. 223 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 115 = NJW 2005, 3644.
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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tung erlangt.224 Der Neusozius habe ein Interesse daran, frühzeitig zu erfahren, ob seine Zugehörigkeit zur Sozietät aus der Perspektive der Altsozien von Dauer sein kann.225 Frühzeitige Klarheit über die beruflichen Perspektiven diene der persönlichen und beruflichen Lebensplanung des Neusozius.226 Für ihn sei die Aufnahme in die Sozietät daher ein wichtiger Indikator.227 Gleichzeitig seien die Altsozien daran interessiert, die Fähigkeiten und die Eignung des Neusozius als dauerhaften Partner möglichst frühzeitig zu prüfen.228 Letztlich liege die schnelle Aufnahme in den Kreis der Gesellschafter daher im Interesse aller Beteiligten.229 Müssten die Altsozien bei einem frühzeitigen Ausscheiden des Neusozius allerdings Abfindungsansprüche in voller Höhe fürchten, so würde die Praxis in Zukunft länger mit der Aufnahme neuer Partner in die Sozietät warten230 – eine Erwägung, die sich mittelbar auch in der Entscheidung des BGH vom 19. 09. 2005 findet, wenn dieser formuliert, dass Abfindungsbeschränkungen und -ausschlüsse sachlich gerechtfertigt seien, wenn andernfalls die Abfindungslast einer, für den Betroffenen vorteilhaften, Vertragsgestaltung die wirtschaftliche Grundlage entziehen würde.231 Da die alteingesessenen Sozien zudem die zu zahlende Abfindung des ausgeschiedenen Neusozius erst erwirtschaften müssten, müssten die Altsozien davor geschützt werden, dass der Neusozius ungerechtfertigt an deren Arbeitskraft partizipiere.232 Die Schutzwürdigkeit liege damit aufseiten der Sozietät, sodass Abfindungsausschlüsse für Neusozien gerechtfertigt seien.233 Der Ausschluss der Abfindung sei vor dem Hintergrund der besonderen – auf den Geschäftswert zentrierten – Vermögensstruktur der Freiberuflersozietät auch schon deshalb gerechtfertigt, weil der Neusozius ohne Kapitaleinlage weder eine finanzielle Leistung noch einen Beitrag zum Geschäftswert geleistet habe.234 (2) Das Kompensationsinteresse des Neusozius Dessen ungeachtet ist die besondere freiberufliche Prägung der Sozietät auch auf der Seite des Neusozius zu berücksichtigen. Da der „Good will“ auf der Mandantenbindung der Sozietät und damit auf der beruflichen Qualität der einzelnen Sozien basiert, hat auch der Neusozius zum Wert der Sozietät ganz erheblich beigetragen, sobald er einen eigenen Mandantenstamm aufgebaut, Mandate geführt und Man224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234
Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 228 f. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 228. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 228. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 228. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 228. Vgl. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 228 f. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 228. BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 116 = NJW 2005, 3644. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 229. Vgl. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 229. Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
danten akquiriert hat.235 Der anfänglich fehlende Beitrag zum Aufbau des „Good will“ rechtfertigt zumindest keinen immerwährenden Ausschluss der Abfindung, da der Sozius ab dem ersten Tag seiner Tätigkeit beginnt, Gewinne zu erwirtschaften und Einfluss auf den immateriellen Geschäftswert zu nehmen.236 Diesem Aspekt wird entgegengehalten, dass die wertmäßige Beteiligung an der Gesellschaft nach dem gesetzlichen Leitbild der Gewinnverteilung nach Köpfen in § 722 Abs. 1 BGB nicht an die persönliche Leistung des einzelnen Sozius gebunden sei.237 In der Praxis sind indes verschiedene gesellschaftsvertragliche Gewinnverteilungsmodelle verbreitet, die sich an der individuellen Leistung und/oder an der Dauer der Sozietätszugehörigkeit orientieren.238 Die Anbindung an die persönliche Leistung spiegelt unmittelbar den Beitrag der Partner zum „Good will“ der Sozietät wieder. Aber auch die Dauer der Sozietätszugehörigkeit ist ein pauschaliertes Kriterium, anhand dessen der stetig steigende Anteil am „Good will“ abgegolten wird. Die Vertragspraxis des Sozietätsrechts verdeutlicht daher, dass im anwaltlichen Gesellschaftsrecht die wertmäßige Beteiligung an der Gesellschaft, abweichend von § 722 BGB, sehr wohl am individuellen Beitrag zum „Good will“ gemessen werden soll. Da § 722 BGB zudem noch der Gedankenwelt der personalistisch strukturierten Gelegenheitsgesellschaft entstammt, ist der dort vorgesehene Modus der Gewinnverteilung als Argument für die Trennung von persönlicher Leistung und Gewinnverteilung bei langfristigen Erwerbsgesellschaften nicht überzeugend. Im Gegenteil gilt § 722 BGB für solche Gesellschaften gar als sachfremd bzw. unangemessen.239
235
Zu diesem Aspekt auch Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 105. 236 Ebenso schon Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 90. 237 Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 105; § 722 BGB gilt über § 1 Abs. 4 PartGG auch für die PartG RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 15; Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 42 Rn. 2; MüKoBGB/Schäfer, § 6 PartGG Rn. 44; zur Regelung des § 722 BGB, Prütting/Wegen/Weinreich/v. Ditfurth, BGB, § 722 Rn. 1 f.; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 15 Rn. 4; Scholz, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 27 Rn. 62. 238 Vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 27 BORA Rn. 2; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 236; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 25 Rn. 23 ff.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 48 ff.; Scholz, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 27 Rn. 629a. 239 BGH, Urt. v. 28. 06. 1982 – II ZR 226/81, NJW 1982, 2816, 2817 = ZIP 1982, 958; Urt. v. 14. 03. 1990 – XII ZR 98/88, NJW-RR 1990, 736, 737 = WM 1990, 877; Urt. v. 03. 02. 2016 – XII ZR 29/13, NZG 2016, 547 Rn. 26 f. = WM 2017, 196; OLG Hamburg, Urt. v. 24. 01. 2018 – 3 U 88/14, BeckRS 2018, 38376 Rn. 47; OLG Bremen, Urt. v. 13. 07. 2001 – 4 U 6/01, NZG 2002, 173, 175 = BeckRS 9998, 42632; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 15 Rn. 11, 14; Karrer, in: Gummert, MAH-PersGesR, § 16 Rn. 1; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 43; deutlich auch die rechtspolitische Kritik bei Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 888, eine Gewinnverteilung nach Köpfen ließe sich bei erwerbswirtschaftlichen Personengesellschaften heute nicht mehr legitimieren.
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Auch der Vergleich zu Arbeitnehmern, deren Beitrag zum „Good will“ beim Wechsel des Arbeitgebers nicht ausgeglichen wird, vermag nicht zu überzeugen.240 Denn die Leistung eines Arbeitnehmers wird über die vereinbarte Vergütung nach § 611a Abs. 2 BGB abgegolten. Die feste Vergütung gilt damit auch einen geschaffenen Zuwachs beim „Good will“ ab. Ein darüberhinausgehender Ausgleich würde diesen doppelt kompensieren. Dabei schadet es nicht, dass das Festgehalt unter Umständen nicht dem tatsächlich geschaffenen „Good will“ entspricht. Als Ausgleich bekommt der Arbeitnehmer Planungssicherheit durch die konstante Vergütung und die Kündigungsschutzvorschriften des Arbeitsrechts.241 Zudem ist nicht zu übersehen, dass sich der Arbeitnehmer privatautonom für die Angestelltentätigkeit entschieden hat. Er nimmt damit sehenden Auges eine – womöglich geringere – Kompensation im Ausgleich für die Planungssicherheit in Kauf. Der Neusozius darf hingegen nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen mit einer Abfindung nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB rechnen. Als Gesellschafter bekommt der Neusozius zudem nur einen Anteil am Gewinn der Gesellschaft, wenn diese einen solchen überhaupt erzielt. Ein Festgehalt ist nach dem gesetzlichen Leitbild des § 722 BGB nicht vorgesehen. Im Gegensatz zum Arbeitnehmer trägt der Neusozius damit ein Unternehmerrisiko. Gleichzeitig ist seine Rechtsposition in der Sozietät deutlich schwächer als die eines Arbeitnehmers, wenn man bedenkt, dass die Rechtsprechung für Neusozien sogar Ausnahmen vom Verbot der freien Hinauskündigung anerkennt.242 Die gegen das Kompensationsinteresse des Neusozius ohne Kapitalanteil vorgebrachten Einwände können insgesamt nicht überzeugen. Dem Neusozius eine Kompensation des von ihm geschaffenen „Good will“ gänzlich und zeitlich unbegrenzt zu verweigern, begegnet, angesichts des von ihm stetig gesteigerten und potenziell erheblichen Geschäftswerts, durchgreifenden Bedenken.243 (3) Bestandsaufnahme der gegenläufigen Interessen Insgesamt weisen freiberufliche Berufsausübungsgesellschaften eine Reihe von Besonderheiten auf, die es – im Duktus der Rechtsprechung zu Abfindungsbeschränkungen – „sachlich rechtfertigen“,244 dem Bestandsinteresse der Sozietät durch Abfindungsbeschränkungen Rechnung zu tragen, wenn es sich um einen Neusozius ohne Kapitalanteil handelt. Insbesondere in der Anfangsphase der gemeinsamen Berufsausübung überwiegt das Bestandsinteresse der Sozietät das Kompensationsinteresse des Neusozius deutlich. Ohne Leistung einer Einlage und 240
So aber Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 105 f. Zu letzteren etwa §§ 622, 623 BGB; §§ 1 ff. KSchG; § 11 TzBfG. 242 S. oben S. 108 ff. 243 A.A. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 150 f.; Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 104 ff. 244 BGH, Urt. v. 19. 09. 2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 116 = NJW 2005, 3644. 241
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
ohne Beitrag zum immateriellen Praxiswert kann der Neusozius nach einer kurzfristigen Tätigkeit keine Abfindung erwarten, die über seinen Anteil am Gewinn und den stillen Reserven hinausgeht.245 Der Schutz der Sozietät und der Altsozien erfordert in dieser Anfangsphase Abfindungsbeschränkungen zulasten des Neusozius.246 Dieser wird durch solche Gestaltungen nicht per se Gesellschafter minderen Rechts, da nicht pauschal an den unentgeltlichen Anteilserwerb angeknüpft wird, sondern an die besondere Struktur der anwaltlichen Berufslaufbahn und die Vermögensstruktur der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften.247 Auf der anderen Seite wird zugunsten des eintretenden Sozius zu berücksichtigen sein, dass dieser mit zunehmender Dauer der Sozietätszugehörigkeit den Geschäftswert der Sozietät möglicherweise ganz erheblich gemehrt hat und der von ihm generierte „Good will“, den Wert der, theoretisch geschuldeten, Einlage um ein Vielfaches übertreffen kann.248 Mit dem Beginn seiner Tätigkeit in der Sozietät neigt sich die Waage zwar noch deutlich zugunsten des Liquiditätsinteresses der Sozietät, abhängig von der Zeit und den Leistungen des Sozius wird sein Kompensationsinteresse das Liquiditätsinteresse der Sozietät jedoch irgendwann ausgleichen und womöglich sogar übertreffen.249 cc) Der Ausgleich zwischen Bestands- und Kompensationsinteresse (1) Der Sozius ohne Kapitalanteil Das Bestandsinteresse der Gesellschaft wird bei dieser sukzessiven Vergrößerung des Kompensationsinteresses hinreichend geschützt, da dem Gesellschafter zunächst naturgemäß nur eine geringe, zusätzliche Abfindung zusteht, denn sein Anteil am Aufbau des „Good will“ ist, entsprechend der Kürze seiner Tätigkeit, gering oder noch nicht vorhanden. Sein Anteil wächst jedoch mit der Zeit und dem eigenen Erfolg in der Sozietät.250 Ein gänzlicher Ausschluss für eine womöglich mehrjährige, längerfristige Einarbeitungsphase würde den Ausscheidenden nahezu rechtlos stellen und dafür sorgen, dass seine Leistung vor allem den übrigen Gesellschaftern zugutekäme.251 Sie erscheint auch nicht angemessen, kann ein besonders versierter Neusozius doch innerhalb der ersten Jahre erheblich zum „Good will“ der Sozietät beitragen, indem er Mandanten akquiriert, in seinem Fachbereich veröffentlicht oder lehrt, einen Fachanwaltstitel erwirbt oder interne Funktionen in der Sozietät über-
245 246 247 248 249 250 251
Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407; zu Letzterem oben S. 250. Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407. A.A. wohl Römermann, NJW 2007, 2209, 2213. Vgl. Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407. Vgl. auch Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 90. Von diesem Grundansatz ausgehend auch Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407. So aber Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407.
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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nimmt.252 Derlei Tätigkeiten können für die Sozietät einen erheblichen Wert haben, der das Fehlen der Einlage schließlich vollständig kompensiert.253 Der von ihm erbrachte Beitrag und der Wert seines Sozietätsanteils stünden dann in einem extremen Missverhältnis zu der ihm zustehenden Abfindung. Ein völliger Ausschluss über mehrere Jahre hinweg würde den Neusozius zudem effektiv von einer Austrittskündigung abhalten, da er trotz seiner langjährigen Mehrung des „Good will“ nahezu kompensationslos seinen Gesellschaftsanteil verlieren würde. Ein immerwährender Ausschluss der Abfindung im Hinblick auf den „Good will“, wäre daher im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB bedenklich.254 Jedenfalls der gänzliche Abfindungsausschluss im Hinblick auf den „Good will“ ist für Sozien ohne Kapitalanteil somit nach 24 Monaten der Sozietätszugehörigkeit nicht mehr zu rechtfertigen. Innerhalb dieses Zeitraums rechtfertigen die fehlende Einlageleistung und der fehlende Beitrag zum immateriellen Praxiswert die Ungleichbehandlung des Neusozius gegenüber den anderen Gesellschaftern.255 Er wird durch diese Ungleichbehandlung jedoch kein Gesellschafter zweiter Klasse. Die Art und Weise des Anteilserwerbs führt nicht dazu, dass seine Rechtsposition dauerhaft gemindert wäre. Erst die Begrenzung der Abfindungsbeschränkung auf einen klar definierten Zeitraum und die, auf den „Good will“ zentrierte, Vermögensstruktur der Rechtsanwaltssozietäten erlauben eine vorübergehende Anerkennung unterschiedlich starker Rechtspositionen. Sobald der Sozius über zwei Jahre hinweg in der Sozietät tätig ist, muss bei seinem Ausscheiden der geschaffene Anteil am „Good will“ über die Abfindung kompensiert werden.256 Die Grenze von zwei Jahren ergibt sich aus einer Parallele zur zulässigen Höchstdauer nachvertraglicher Wettbewerbsbeschränkungen. Die dort veranschlagten zwei Jahre beruhen auf der Erwägung, dass in der Sozietät geknüpfte Mandantenbeziehungen mit Ablauf dieses Zeitraums so weit gelöst wurden, dass der Ausgeschiedene durch die Betreuung dieser Mandanten nicht mehr ungerechtfertigt am, früher gemeinsam geschaffenen, „Good will“ partizipiert.257 Vielmehr sei er
252 Vgl. zum Einfluss solcher Tätigkeiten auf den Wert der eigenen Beteiligung, Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 5 Rn. 6. 253 So käme wohl niemand auf die Idee, einem Sozius, der ohne Einlage aufgenommen wurde, später aber als Honorarprofessor lehrt, veröffentlicht und Managementaufgaben in der Sozietät wahrnimmt, den Anspruch auf Teilhabe am erzeugten, immateriellen Praxiswert zu versagen. 254 Zur Ausübungskontrolle oben S. 242 ff. 255 Für die Dauer einer nicht näher spezifizierten „Probezeit“ ebenso Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407. 256 A.A. Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 104 ff. 257 BGH, Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; Urt. v. 29. 09. 2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 = NZG 2004, 66; Urt. v. 18. 07. 2005 – II ZR 159/ 03, NJW 2005, 3061, 3062 = NZG 2005, 843; Urt. v. 30. 04. 2014 – I ZR 245/12, BGHZ 201, 205 Rn. 38 = NJW 2014, 3442.
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nach Ablauf von zwei Jahren wie jeder andere Wettbewerber zu behandeln.258 Beauftragt der Mandant den ausgeschiedenen Sozius nach Ablauf dieser zwei Jahre dennoch wieder, so ergibt sich als Kehrseite der vorstehenden Hypothese, dass der ausgeschiedene Sozius innerhalb dieser zwei Jahre, für sich oder seine neue Kanzlei, einen immateriellen Praxiswert geschaffen hat, der frühere Mandanten zum Anwaltswechsel veranlasst.259 Dabei handelt es sich zugegebenermaßen um einen pauschalierten Zeitraum. Gleichsam kommt man – im Interesse der Rechtssicherheit – ebenso wie bei den zeitlichen Dimensionen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote nicht umhin, mit typisierenden Ansätzen zu arbeiten.260 (2) Optionaler Aufbau eines Kapitalanteils Vom Sozius ohne Kapitalanteil ist der Sozius zu unterscheiden, der anfänglich ohne Kapitalanteil in den Kreis der Gesellschafter aufgenommen wird, dem aber die Möglichkeit eingeräumt wird, einen Kapitalanteil aufzubauen, indem er ihm zustehende Gewinne in der Sozietät belässt.261 Voraussetzung hierfür ist stets eine gesellschaftsvertragliche Regelung zum Aufbau des Kapitalanteils, der die übrigen Gesellschafter zugestimmt haben, da einseitige Erhöhungen des Kapitalanteils andernfalls die Herrschaftsverhältnisse in der Gesellschaft gegen den Willen der Mitgesellschafter verändern würden.262 In dieser Konstellation entfällt die Kombination aus unterbliebener Einlageleistung und fehlendem Beitrag zum „Good will“, welche den Abfindungsausschluss jedenfalls für zwei Jahre rechtfertigt.263 Daher muss man in dieser Konstellation differenzieren.264 Nimmt der Neusozius die Gelegenheit zur Thesaurierung von
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3442.
BGH, Urt. v. 30. 04. 2014 – I ZR 245/12, BGHZ 201, 205 Rn. 38 m.w.N. = NJW 2014,
259 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 412; vgl. auch BGH, Urt. v. 16. 10. 1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226, 227 = WM 1990, 13; Goette, AnwBl 2007, 637, 644; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 273; Westermann, AnwBl 2007, 103, 109. 260 Zum Ansatz des BGH bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten Goette, AnwBl 2007, 637, 644. 261 Zu solchen Gestaltungen Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 104; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 5 Rn. 4; vgl. auch MüKoBGB/Schäfer, § 721 Rn. 16; alternativ neben der Einlage durch Thesaurierung kann dem Sozius auch eine Einlage durch Einbuchung zugewiesen werden Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 890; dezidiert Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 200 ff.; unter Umständen kann die gesellschaftliche Treuepflicht den Gesellschafter in finanziell schwierigen Lagen der Gesellschaft sogar verpflichten Gewinne ganz oder zumindest teilweise in der Gesellschaft zu belassen oder Rücklagen zu bilden, Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 15 Rn. 55; MüKoBGB/Schäfer, § 721 Rn. 16. 262 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 13 Rn. 31; MüKoBGB/Schäfer, § 721 Rn. 16. 263 S. oben S. 256 f. 264 Dafür auch Henssler, PartGG, § 9 Rn. 90.
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Gewinnen nicht wahr, so bleibt es bei den zuvor beschriebenen Grundsätzen.265 Belässt er Gewinne in der Gesellschaft und erzeugt so eine ihm zustehende Kapitaleinlage, so muss ihm diese bei seinem Ausscheiden gewährt werden, sofern die Sozietät keine Verluste erwirtschaftet hat.266 Sein Anspruch auf einen Anteil am „Good will“ entsteht ebenfalls zu diesem Zeitpunkt, da der Neusozius nun eine Kapitaleinlage erbracht hat. Der Aspekt, welcher die Differenzierung zwischen dem Neusozius und den Altsozien maßgeblich gerechtfertigt hat, ist in diesem Zeitpunkt nicht mehr existent. Der Neusozius hat nun eine – wenngleich zunächst geringe – Einlage erbracht und hat daher Anspruch auf eine anteilige Abfindung nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese umfasst auch seinen Anteil am „Good will“. Das Liquiditätsinteresse der Sozietät wird hierdurch nicht ernstlich gefährdet, da der Anteil am Unternehmenswert, der zu diesem Zeitpunkt auf den Sozietätsanteil des Neusozius entfällt, entsprechend der Höhe seiner thesaurierten Einlage gering ist. Der Anreiz zum „schmarotzenden Partizipieren“267 an den Erfolgen der Altsozien durch den Neusozius ist dementsprechend kaum vorhanden. Gleichzeitig hat der Neusozius durch die Thesaurierung bekräftigt, langfristig Gesellschafter der Sozietät bleiben zu wollen. Denn durch die Umwidmung der Gewinne zu einer Einlage kann die Sozietät mit dieser wirtschaften und Vermögensgegenstände anschaffen, sodass der Neusozius das Risiko eingeht, die Einlage zu verlieren. Durch die Übernahme dieses Risikos und die Thesaurierung von Gewinnen zum Wohle der Sozietät hat der Neusozius ein legitimes Kompensationsinteresse, falls er wieder aus der Sozietät ausscheidet.268 (3) Verpflichtung zur Bildung eines Kapitalanteils Das gilt umso mehr, wenn der Neusozius womöglich sogar gesellschaftsvertraglich verpflichtet ist, Gewinne zu thesaurieren, um einen Kapitalanteil aufzubauen.269 Dabei ist fraglich, ob in dieser Konstellation überhaupt noch von einem Sozius ohne Kapitaleinlage gesprochen werden kann. Wirtschaftlich steht der Sozius durch die Verpflichtung zur Rückstellung von Gewinnen so, als wäre er von vornherein zur Leistung einer Einlage auf Raten verpflichtet gewesen. Selbiges gilt, wenn der Neusozius zunächst einen verminderten Gewinnanteil erhält.270 De facto ist er verpflichtet, sich in die Sozietät „einzukaufen“. Er hat daher von Beginn an ein Interesse daran, wie die übrigen Sozien behandelt zu werden, denn anders als bei der gesellschaftsvertraglichen Möglichkeit, Gewinne zu thesaurieren, ist die Bildung des Kapitalanteils in dieser Konstellation kein unsicheres Ereignis. Vielmehr steht bereits fest, dass der Neusozius auf Gewinnanteile verzichten muss, um sie der Ge265 266 267 268 269 270
S. oben S. 256 f. Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 229. In diese Richtung wohl auch Henssler, PartGG, § 9 Rn. 90. Insgesamt näher zu Thesaurierungsentscheidungen MüKoBGB/Schäfer, § 721 Rn. 9 ff. Vgl. Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 61.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
sellschaft zur Verfügung zu stellen. Hat er sich einer solchen Klausel unterworfen, gilt das bereits im vorigen Abschnitt Gesagte. Noch mehr als dort hat der Neusozius bekräftigt, dass er bereit ist, zum Wohle der Sozietät und der übrigen Gesellschafter auf eigene Gewinne zu verzichten und diese der Gesamthand zur Verfügung zu stellen. Hierdurch hat er ein legitimes Kompensationsinteresse. Er hat daher, ab dem Zeitpunkt seines Eintritts in die Sozietät, einen Abfindungsanspruch auf den anteiligen „Good will“. Angesichts des zunächst geringen Kapitalanteils im Vergleich zu den Altsozien ist das Liquiditätsinteresse der Sozietät durch diesen Anspruch auch nicht gefährdet. e) Abfindungsbeschränkungen bei Sozien ohne Kapitalanteil im geltenden Recht Beginnt der Sozius seine Laufbahn in der Sozietät ohne Kapitalanteil, so kann ihm aufgrund der besonderen Bedingungen der freiberuflichen Berufsausübung eine Abfindung für den „Good will“ längstens für die Dauer von zwei Jahren vorenthalten werden. Erhält er aber gleichzeitig die Möglichkeit, einen Kapitalanteil aufzubauen, so ist der Abfindungsausschluss nicht mehr gerechtfertigt, sobald der Sozius Gewinne zurückgestellt hat und ein Kapitalkonto gebildet wurde. Ab diesem Zeitpunkt ist er wie die übrigen Gesellschafter zu behandeln. Selbiges gilt erst recht, wenn er durch den Gesellschaftsvertrag zur Bildung eines Kapitalanteils verpflichtet wird. In beiden Konstellationen hat der Neusozius zwar noch keinen – oder nur einen geringen – Anteil zum „Good will“ geleistet, es fehlt aber an der zweiten Komponente der fehlenden Einlageleistung. Nur beide Voraussetzungen gemeinsam vermögen es, den zeitweiligen Abfindungsausschluss sachlich zu rechtfertigen. Besonderen Bedenken begegnet es daher, wenn auch heute noch angenommen wird, ein Abfindungsausschluss sei bei Sozien ohne Kapitalanteil – zeitlich unbegrenzt – zulässig.271 Ein zeitlich unbegrenzter Ausschluss jeglicher Abfindung bei Sozien ohne Kapitalanteil liefe auf einen „Gesellschafter zweiter Klasse“ hinaus.272 f) Überlegungen de lege ferenda – Der „Arbeitsgesellschafter“ nach österreichischem Vorbild aa) Die Ausgangslage in Österreich und Deutschland Aufgrund der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Beteiligung eines Sozius ohne originären Kapitalanteil ist die geltende Rechtslage nicht frei von
271 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 151; Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 104 ff.; Ludwig, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 60 Rn. 17, 29; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 71. 272 Insofern zutreffend Römermann, NJW 2007, 2209, 2213.
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Unsicherheiten, inwieweit solche Beschränkungen der gerichtlichen Überprüfung tatsächlich standhalten würden.273 Wollte man für Rechtssicherheit sorgen, müsste der Gesetzgeber diese Fälle in der BRAO oder – und das wäre vorzugswürdig – berufsübergreifend für alle freien und gewerblichen Berufe im allgemeinen Gesellschaftsrecht regeln. Einen Orientierungspunkt für gänzliche Neuschöpfungen bietet regelmäßig der rechtsvergleichende Blick in andere Jurisdiktionen, wobei hier der „Arbeitsgesellschafter“ des österreichischen ABGB besonders vielversprechend erscheint.274 In § 1182 Abs. 3 S. 1 ABGB wird dieser legaldefiniert als ein Gesellschafter dessen Beitrag sich auf die Leistung von Diensten beschränkt. Der österreichische Gesetzgeber stellt weiterhin in § 1182 Abs. 3 S. 2 ABGB fest, dass einem solchen Arbeitsgesellschafter im Gesellschaftsvertrag eine Beteiligungsquote zuerkannt werden kann, so als ob einen Kapitalanteil geleistet hätte. In diesem Fall ist er zu behandeln wie die übrigen Gesellschafter. Insoweit bestehen, abgesehen von der expliziten Normierung dieser Möglichkeit, noch keine Besonderheiten gegenüber dem deutschen Recht. Die Möglichkeit einzig und allein Dienste als Beitragsleistung zu erbringen, kennt das deutsche Gesellschaftsrecht über § 706 Abs. 3 BGB ebenfalls.275 Mangels Einlagefähigkeit dieses Beitragsversprechens ist der Gesellschafter grundsätzlich einer ohne Kapitalanteil.276 Die Einräumung eines Kapitalanteils im Gesellschaftsvertrag, der die Beteiligungsquote des Arbeitsgesellschafters widerspiegelt, ist kautelarjuristisch jedoch ohne Weiteres möglich.277 Das deutsche Gesellschaftsrecht und insbesondere das Personengesellschaftsrecht, knüpfen an eine solche Beitragsleistung i.S.d. § 706 Abs. 3 BGB samt gleichzeitiger Einräumung einer Beteiligungsquote allerdings kaum nennenswerte Rechtsfolgen.278 273
Zu den verschiedenen Konstellationen bei Sozien ohne Kapitalanteil S. 256 ff. Die Rechtsfigur des „Arbeitsgesellschafters“ ist allerdings auch in anderen Rechtsordnungen bekannt, näher Fleischer, JZ 2019, 53, 59 f.; Fleischer/Pendl, WM 2017, 881 ff.; Fleischer/Heinrich/Pendl, NZG 2016, 1001, 1009 m.w.N. aus der Rechtsgeschichte und der Rechtsvergleichung. Einen Überblick zum Personengesellschaftsrecht Österreichs und der Reformgeschichte bieten Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 490 f.; Schauer, ZGR 43 (2019), 143, 144 ff. 275 Darauf hinweisend auch Fleischer, JZ 2019, 53, 60. 276 Fleischer, JZ 2019, 53, 60 m.w.N. 277 Fleischer, JZ 2019, 53, 60; Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 883; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 197 f., 200 ff. Zum Fall eines Gesellschafters mit Beitragsleistungen ausschließlich nach § 706 Abs. 3 BGB und einem Kapitalanteil von 0 % OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 20. 09. 2012 – 20 W 264/12, NZG 2013, 338 f. = EWiR 2013, 243 (m. Anm. Priester). 278 Einen Überblick bieten Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 883 ff.; Fleischer, JZ 2019, 53, 60 f.; in der Praxis verbreitet sind allerdings gesellschaftsvertragliche Regelungen, die die Gewinnverteilung, die Stimmrechte und die Höhe des Abfindungs- bzw. Auseinandersetzungsguthaben an die Höhe des jeweiligen Kapitalanteils binden, hierzu Fleischer, JZ 2019, 53, 60; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 13 Rn. 24. 274
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bb) Vermögensbeteiligung des Arbeitsgesellschafters, §§ 1182 Abs. 3, 1195 Abs. 4 ABGB Anders der österreichische Gesetzgeber, der verschiedene Vorschriften zur Regelung und zum Schutz des Arbeitsgesellschafters vorgesehen hat. Erwähnenswert sind zum einen § 1182 Abs. 3 S. 3 ABGB, der inhaltlich an § 1182 Abs. 3 S. 2 ABGB anschließt und vorsieht, dass solchen Arbeitsgesellschaftern, denen keine Beteiligungsquote bzw. kein Kapitalanteil zuerkannt wurde, lediglich – aber immerhin – einen angemessenen Betrag des Jahresgewinns beanspruchen können. Dies wird in § 1195 Abs. 4 S. 1 ABGB wiederholt und in S. 2 dahingehend ausgeführt, dass der Anteil des Jahresgewinns, der den angemessenen Betrag des Arbeitsgesellschafters übersteigt unter den übrigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung aufgeteilt wird. Die Gewinnbeteiligung des Arbeitsgesellschafters ist dementsprechend vorrangig gegenüber derjenigen der übrigen Gesellschafter.279 Der angemessene Betrag darf hierbei nicht den gesamten Jahresgewinn aufzehren und muss anhand der Wichtigkeit des Geschäfts, der aufgewendeten Mühe und dem erzielten Nutzen bestimmt werden, wobei er in ein angemessenes Verhältnis zu den Vermögensanteilen der übrigen Gesellschafter und den hieraus erzielten Nutzen zu setzen ist.280 Der angemessene Betrag des Jahresgewinns kann dementsprechend auch gering ausfallen, allerdings wird der reine Arbeitsgesellschafter hierfür auch von der Verlustteilnahme ausgenommen.281 Im Falle des Ausscheidens aus der Gesellschaft erhält der Arbeitsgesellschafter nach dem Willen des österreichischen Gesetzgebers kein Auseinandersetzungsguthaben und zwar auch dann nicht, wenn ihm ein Kapitalanteil zugewiesen wurde, um ihm ein bestimmtes Stimmgewicht zu verleihen.282 Erst, wenn ein Überschuss besteht, der die Einlagen übersteigt, kann der reine Arbeitsgesellschafter wiederum einen angemessenen Anteil am Überschuss verlangen, da gemäß § 1216e Abs. 1 ABGB zunächst eine Verteilung unter den kapitalmäßig beteiligten Gesellschaftern in Ansehung ihrer Guthaben und Verbindlichkeiten erfolgt.283 cc) Mitwirkungsrechte des Arbeitsgesellschafters, § 1192 Abs. 2 ABGB Neben besonderen Regeln zur Gewinnverteilung und zum Ausscheiden des Arbeitsgesellschafters ist dieser auch im Rahmen der Stimmrechte besonders bedacht worden. § 1192 Abs. 2 S. 2 ABGB sieht grundsätzlich ein Stimmgewicht nach
279 280 281 282 283
Schauer, ZGR 43 (2019), 143, 159; vgl. auch Fleischer, JZ 2019, 53, 60. Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 886 m.w.N. Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 886 m.w.N. ErlRV, GesbR-Reformgesetz, 270 BlgNr XXV. GP 20. Fleischer, JZ 2019, 53, 60; Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 887.
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Beteiligungsverhältnissen, also nach Kapitalanteilen, vor.284 Arbeitsgesellschafter, denen entsprechend § 1182 Abs. 3 S. 2 ABGB eine Beteiligungsquote zugewiesen wurde, gelten als am Kapital beteiligt und erhalten ein Stimmgewicht entsprechend ihrer Beteiligung (§ 1192 Abs. 2 S. 4 ABGB). Existiert aber ein Arbeitsgesellschafter, der nicht über eine Beteiligungsquote am Kapital beteiligt ist, wird die Mehrheit im Rahmen der Abstimmung insgesamt nicht mehr nach Beteiligungsgröße, sondern gemäß § 1192 Abs. 2 S. 3 ABGB nach Köpfen bestimmt. Ihm steht damit unter Umständen ein erheblich größeres Stimmgewicht zu und zwar zulasten der Gesellschafter, die über einen großen Kapitalanteil verfügen, da nunmehr jeder Gesellschafter über dasselbe Stimmgewicht verfügt.285 Gesellschafter, die zuvor Mehrheitsentscheidungen alleine treffen konnten, sind dementsprechend unvermittelt in der Minderheit und müssen Kooperationen anstreben.286 Der § 1192 Abs. 2 S. 3 ABGB ist damit eine Schutzvorschrift mit Disziplinierungsfunktion, die die Mitbestimmungsmöglichkeit des Arbeitsgesellschafters in der Gesellschaft garantiert und damit originär dem Minderheitenschutz gewidmet ist.287 In ihrer Wirkung dürfte sie indes noch über diesen primären Schutz hinausgehen, denn mittelbar drängt die nachteilige Stimmrechtsregelung des § 1192 Abs. 2 S. 3 ABGB die übrigen (Mehrheits-)Gesellschafter dazu, dem Arbeitsgesellschafter entsprechend § 1182 Abs. 3 S. 2 ABGB auch eine Beteiligungsquote einzuräumen und ihn somit in Hinblick auf seine Vermögensrechte besser zu stellen. dd) Der Neusozius als „Arbeitsgesellschafter“ Die grundsätzliche Übertragbarkeit der zuvor genannten Rechtsgedanken auf anwaltliche Gesellschafter ohne finanzielle Einlage ist ohne Frage gegeben. Zwar ist Hauptanwendungsfall des Arbeitsgesellschafters der Gesellschafter-Geschäftsfüh-
284 § 709 Abs. 2 BGB (analog) sieht hingegen im Zweifel eine Mehrheit nach Köpfen für Gesellschafterbeschlüsse vor, was insbesondere bei erwerbswirtschaftlichen Personengesellschaften häufig abbedungen wird, indem das Stimmgewicht nach der Größe des Kapitalanteils bemessen wird, MüKoBGB/Schäfer, § 709 Rn. 97; Henssler/Strohn/Servatius, GesR, § 709 BGB Rn. 8; zum Unterschied von Kapitalanteil, Beteiligungsquote und Stimmrecht Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 183. 285 Vgl. hierzu das Beispiel in ErlRV, GesbR-Reformgesetz, 270 BlgNr XXV. GP 15. 286 Vgl. ErlRV, GesbR-Reformgesetz, 270 BlgNr XXV. GP 15. 287 In diese Richtung auch die Schlussfolgerung zu § 1192 Abs. 2 ABGB in ErlRV, GesbRReformgesetz, 270 BlgNr XXV. GP 15: „Der Gesellschafter, der ansonsten allein über die Stimmenmehrheit verfügen würde, bleibt somit wegen des Arbeitsgesellschafters in der Minderheit. Gründer werden sich daher sorgfältig überlegen, wie sie den Arbeitsgesellschafter behandeln. Den Arbeitsgesellschafter überhaupt von Gesellschafterbeschlüssen auszuschließen, würde ihm ein wesentliches Element der Gesellschafterstellung nehmen.“; im Erg. ebenso ein Instrument des Minderheitenschutzes erblickend Fleischer/Heinrich/Pendl, NZG 2016, 1001, 1005; Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 887.
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rer,288 aber auch Neusozien bringen vielfach lediglich ihre Arbeitskraft in die Gesellschaft ein, da ihnen die finanziellen Mittel für eine adäquate Einlage fehlen und eine Fremdfinanzierung der Einlage die Neusozien häufig finanziell überfordern würde.289 Die Einbringung von Arbeitskraft und die Leistung von Diensten ist hierbei die natürliche Form der Beitragsleistung nach § 706 Abs. 3 BGB.290 Dass die geschuldete Dienstleistung ausschließlich in der Erbringung anwaltlicher Dienstleistungen und damit der Förderung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks liegt, zu der ohnehin alle Sozien verpflichtet sind, steht der Qualifikation dieser Dienste als Beitrag i.S.d. § 706 Abs. 3 BGB (bzw. des § 1182 Abs. 3 S. 1 ABGB) nicht entgegen.291 Entscheidend ist lediglich, dass der Beitrag des Gesellschafters die Leistung von Diensten umfasst. Hierfür genügt jedes Tätigwerden oder Unterlassen, welches der Erreichung des Gesellschaftszwecks dienlich sein kann.292 Neusozien ohne originären Kapitalanteil wären daher „Arbeitsgesellschafter“ nach der Legaldefinition des § 1182 Abs. 3 S. 1 ABGB. Das durch das ABGB vorgesehene System, nämlich im Weiteren danach zu unterscheiden, ob dem Arbeitsgesellschafter kein Kapitalanteil eingeräumt wurde oder ob ihm in irgendeiner Form eine Beteiligungsquote zugedacht wurde, entspricht zwar im Ausgangspunkt der Rechtslage, die hier bereits zuvor für Sozien mit und ohne Kapitalanteil herausgearbeitet wurde, es ist gleichwohl dezidierter und es vermag über die Schutzvorschrift des § 1192 Abs. 2 S. 3 ABGB effektiven Schutz der Arbeitsgesellschafter mittels Disziplinierung der kapitalmäßig beteiligten Gesellschafter zu gewährleisten.293 Die (Alt-)Sozien, die eine Kapitaleinlage erbracht haben, könnten dementsprechend darüber entscheiden, ob sie neue Sozien ohne Kapitalanteil und nur mit angemessener Beteiligung am Jahresgewinn, dafür aber mit gleichgewichtigem Stimmrecht aufnehmen oder ob sie dem Neusozius zulasten ihrer bestehenden Kapitalanteile einen eigenen Anteil zubilligen und ihn entsprechend dieser (wohl geringen) Beteiligung am Jahresgewinn beteiligen müssen, dafür aber wiederum ihre gewichtigen Stimmanteile im Rahmen der Sozietät erhalten.
288 Fleischer/Pendl, WM 2017, 881 ff.; Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 15 Rn. 5 dort in Fn. 8; für die im Ausgangspunkt konzeptionell ähnliche Vorschrift des § 706 Abs. 3 RG, Urt. v. 10. 10. 1933 – II 148/33, RGZ 142, 13, 17 f.; MüKoBGB/Schäfer, § 706 Rn. 14; BGB BeckOK BGB/Schöne, § 706 Rn. 13. 289 Vgl. Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 226; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 150; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 90; Henssler, in: FS Konzen, S. 267, 274; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 407; BeckOGK/Koch, BGB, § 738 Rn. 77; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 5 Rn. 5; Sigle, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 311, 321; Sigle, ZGR 28 (1999), 659, 674; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166. 290 Vgl. BeckOK BGB/Schöne, § 706 Rn. 13. 291 Vgl. MüKoBGB/Schäfer, § 706 Rn. 14; offenbar auch Weipert, in: MünchHdb-GesR I, § 6 Rn. 21, „Dienstleistungen aller Art“ seien ausreichend. 292 BeckOK BGB/Schöne, § 706 Rn. 13. 293 Zu Sozien ohne und mit Kapitalanteil S. 256 ff.
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Letzteres wäre wohl der überwiegend favorisierte Weg. Zwar verlieren die Altsozien so einen finanziellen Anteil am Jahresgewinn, sie behalten aber – und das dürfte für sie wesentlich entscheidender sein – die Leitungsmacht in der Sozietät. Der Neusozius dürfte mit einer solchen Regelung ebenfalls zufrieden sein, denn er hätte zwar nur einen gerinen Stimmenanteil, durch den Kapitalanteil ist er aber gleichwohl finanziell abgesichert, da er wie die übrigen Gesellschafter einen Anspruch auf den anteiligen Jahresgewinn und auf ein etwaiges Auseinandersetzungsguthaben hätte.294 Auch die umgekehrte Variante benachteiligt jedoch keine Partei. Die Altsozien ziehen einen größeren finanziellen Vorteil aus der Sozietät und der Neusozius hätte ein größeres Mitbestimmungsrecht, dass seine „angemessene“ Beteiligung am Jahresgewinn aufwiegt. Da die Angemessenheit des Betrags zudem im Wesentlichen von der Eigenleistung des Neusozius abhängt, könnte diese Konstruktion zudem auch der Motivation des Neusoius dienen und eine leistungsabhängige Vergütung qua Gesetz etablieren. Leistungsabhängige Vergütungen („Boni“) sind bei anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften indes keine Seltenheit, sondern vielmehr eher die Regel.295 Der Gesetzgeber könnte damit die ohnehin bestehende Rechtspraxis bekräftigen. Zweifelt man hingegen an der Geeignetheit des Merkmals einer „angemessenen“ Beteiligung des Arbeitsgesellschafters am Jahresgewinn, weil die Bestimmung der Angemessenheit Gesellschafterstreitigkeiten provozieren könne, könnte der Gesetzgeber auch eine dispositive Norm etablieren, die eine Gewinnverteilung nach Köpfen vorsehe, sobald ein Arbeitsgesellschafter ohne Kapitalanteil beteiligt sei.296 Dies würde die übrigen Gesellschafter dazu zwingen mit dem Arbeitsgesellschafter zuvor eine sinnvolle Gewinnverteilung auszuhandeln.297 Dieser Druck auf die übrigen Gesellschafter sei gerechtfertigt, weil der Arbeitsgesellschafter typischerweise 294 Der Anspruch auf den anteiligen Jahresgewinn würde freilich voraussetzen, dass § 722 BGB ebenfalls reformiert wird oder – wie praktisch immer bei freiberuflichen Berufsausübungsgesellschaften – gesellschaftsvertraglich ein vorrangiger Gewinnverteilungsschlüssel vereinbart wurde. Zu letzterem Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 27 BORA Rn. 2; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 236; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 25 Rn. 23 ff.; Scholz, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 27 Rn. 629a; vgl. auch Fleischer, JZ 2019, 53, 60, der darauf hinweist, dass sich die Gewinnverteilung nach Köpfen des § 722 BGB nicht durchgesetzt hat und heute eine kapitalbezogene Sichtweise herrschend ist. 295 Vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 27 BORA Rn. 2; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 236; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 25 Rn. 23 ff.; Scholz, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 27 Rn. 629a. 296 Erwägenswert Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 888, 890 die den unbestimmten Rechtsbegriff des „angemessenen Betrags“ aus § 1182 Abs. 3 S. 3 ABGB als zu streitträchtig und damit unpraktikabel bewerten, weshalb der Gesetzgeber passiven Druck auf die übrigen Gesellschafter ausüben solle, indem er eine „default rule“ etabliere, die eine Gewinnverteilung nach Köpfen vorsehe, sobald ein Arbeitsgesellschafter ohne Kapitalanteil beteiligt sei. Modell hierfür könne die entsprechende Norm des § 1192 Abs. 2 S. 3 ABGB zu Stimmrechten bei Gesellschafterbeschlüssen sein. 297 Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 888.
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in der schwächeren Verhandlungsposition sei und sich einer Mehrheit der übrigen, kapitalgebenden Gesellschafter gegenüber sehe.298 Diese Erwägungen sind freilich auch auf das Verhältnis des Neusozius einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft zu den Altsozien übertragbar, sodass eine derartige, dispositive Norm durchaus sinnvoll erscheint, sollte sich § 1182 Abs. 3 S. 3 ABGB in der Praxis als zu konfliktträchtig erweisen. In jedem Fall stünden jeder Sozietät bei der Aufnahme neuer Sozien zwei gangbare Wege offen, die jeweils für beide Parteien einen Kompromiss bedeuten würden und jeweils ein angemessenes Ergebnis erzielen. Entweder neigt sich die Waage aufseiten der Altsozien zugunsten der finanziellen Beteiligung an der Sozietät, dafür aber zulasten der eigenen Leitungsmacht oder die Reaktion der Waage fällt genau umgekehrt aus. Vice versa gilt für den Neusozius nichts Anderes. ee) Der „Arbeitsgesellschafter“ im deutschen Personengesellschaftsrecht? (1) Implementierung in §§ 709 Abs. 2, 722 Abs. 1 BGB De lege ferenda ergeben die vorstehenden Erwägungen somit, dass die Neustrukturierung des Rechts der Personengesellschaften die Rechtsfigur des „Arbeitsgesellschafters“ nach österreichischem Vorbild beherzigen sollte.299 An einem flächendeckenden Problembewusstsein für die Figur des arbeitenden Mitgesellschafters fehlt es hierzulande jedoch nicht nur im anwaltlichen Gesellschaftsrecht, sondern im Personengesellschaftsrecht generell.300 Das zeigt sich nicht zuletzt am unbeholfenen Umgang des deutschen Gesellschaftsrechts mit dem arbeitenden Gesellschafter ohne Kapitalanteil und der vorherrschenden Unsicherheit in Rechtsprechung und Rechtslehre hinsichtlich dessen Abfindung.301 Prägnant ist in diesem Zusammenhang sicherlich auch, dass das deutsche Gesellschaftsrecht für diese Gruppe der Gesellschafter noch keine besondere Bezeichnung hervorgebracht hat, anders als das ABGB oder andere Rechtsordnungen.302 Die Rechtsgedanken der §§ 1182 Abs. 3, 1192 Abs. 2, 1195 Abs. 4 ABGB sind grundsätzlich ohne größere Schwierigkeiten auf Neusozien in anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften übertragbar und stellen auch für diese Situation einen angemessenen Ausgleich zwischen Alt- und Neusozien dar. Eine Kodifizierung könnte zudem die erheblichen Rechtsunsicherheiten beseitigen, die aus dem 298
Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 888, dort mit weiteren Argumenten. Insgesamt für eine verstärkte Implementierung von Vorschriften zum Arbeitsgesellschafter im Gesellschaftsrecht Fleischer, JZ 2019, 53, 60; Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 890; a.A. noch Fleischer/Heinrich/Pendl, NZG 2016, 1001, 1009: „Für ein dahingehendes gesetzgeberisches Bedürfnis fehlen bisher schlagkräftige Belege; der BGH hat sich bisher nur vereinzelt mit den zitierten Vorschriften beschäftigt.“ 300 Zutr. Fleischer, JZ 2019, 53, 60. 301 Oben S. 247 ff. 302 Überzeugend und mit Beispielen diesbezüglich Fleischer, JZ 2019, 53, 60. 299
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Schweigen des Gesellschaftsrechts und der kautelarjuristischen Praxis im Sozietätsrecht resultieren, da das Bedürfnis nach Beschränkungen der Rechtsposition eines Neusozius in Hinblick auf Beständigkeit, Gewinnverteilung, Stimmrecht und Abfindung auf Seiten der Altsozien naturgemäß hoch ist, die Grenze zur Unzulässigkeit solcher Beschränkungen, insbesondere wenn sie kumuliert werden, gleichzeitig jedoch fließend ist. Gesetzliche Rahmenbedingungen könnten die Rechtslage hier spürbar vereinfachen. Für erwerbswirtschaftliche Personengesellschaften wäre es daher vorzugswürdig entsprechend § 1192 Abs. 2 S. 2 ABGB das Stimmgewicht generell nach Kapitalanteilen zu bestimmen, es sei denn, ein Arbeitsgesellschafter ohne Kapitalanteil gehört zum Kreis der Gesellschafter, dann muss entsprechend § 1192 Abs. 2 S. 3 ABGB das Stimmgewicht nach Köpfen bestimmt werden.303 Im selben Zug wäre § 722 BGB zu überarbeiten und zu implementieren, dass die Gewinnverteilung entsprechend § 1195 Abs. 2 ABGB ebenfalls nach der Höhe der Kapitalanteile erfolgt.304 Arbeitsgesellschafter ohne Kapitalanteil erhalten einen angemessenen Betrag des Jahresgewinns zugewiesen, so wie auch die §§ 1182 Abs. 3 S. 3, 1195 Abs. 4 ABGB es vorsehen. Sofern die Bemessung des angemessenen Betrags i.S.d. § 1182 Abs. 3 S. 3 ABGB zu streitträchtig sein sollte, kann dies alternativ durch eine dispositive Norm ersetzt werden, die bei Beteiligung eines Arbeitsgesellschafters ohne Kapitalanteil eine Gewinnverteilung nach Köpfen vorsieht.305 (2) Der § 709 Abs. 3 BGB-E im MoPeG Die Expertenkommission zum MoPeG hat in ihrem Gesetzentwurf ebenfalls auf die obigen Leitgedanken zurückgegriffen und die geltenden Regelungen zum Stimmgewicht und dem Gewinnanteil durch eine eigene Regelung in § 709 Abs. 3 BGB-E ersetzt, die beide Größen an den Kapitalanteil des Gesellschafters bindet.306 Nur hilfweise wird auf den Wert der vereinbarten Beiträge der Gesellschafter abgestellt und nur höchsthilfsweise auf den de lege lata geltenden Kopfteil.307 Der Regelungsansatz der Kommission ist daher ohne Weiteres begrüßenswert. Allerdings greift die Ansicht der Kommission, die vorgeschlagene Regelung sei bereits ausreichend, um die Gesellschafter im Zuge der Gründung zur Verständigung über die 303
Zutr. Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 890. Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 890. 305 Hierfür Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 890; näher zu den Vorteilen einer solchen Norm oben S. 263 ff. 306 „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, S. 6 f., abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042 020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534932DB.1_cid2 97?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020). 307 „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, Begründung, S. 84, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/ News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534932 DB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020). 304
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Beteiligungsverhältnisse – oder jedenfalls über den Wert der Beiträge – anzuhalten, zu kurz.308 Der Grund hierfür ist, dass sie die besondere Interessenlage des später eintretenden Gesellschafters vernachlässigt. Im Grundsatz ist es verständlich, dass die Kommission ein möglichst hohes Maß an Abstraktheit erreichen und dementsprechend keine Ausnahmeregelungen für Fälle ungleichgewichtiger Verhandlungsmacht oder für Gesellschafter ohne Vermögensbeiträge schaffen will, um eine „missliche Kasuistik“ zu verhindern.309 Gegen dieses Argument übermäßiger Kasuistik spricht jedoch, dass der Arbeitsgesellschafter keineswegs eine außergewöhnlich exotische Rechtsfigur oder ein selten zu beobachtendes Phänomen ist. Vielmehr haben verschiedene Rechtsordnungen die Notwendigkeit erkannt, den Gesellschafter zu schützen, dessen Beitrag in der Leistung von Diensten besteht.310 Andernfalls droht die Gefahr der Übervorteilung des Arbeitsgesellschafters, denn er hat mangels eines nennenswerten Vermögens oder einer besonderen Position am Markt keinen Einfluss auf die Ausgestaltung des Gesellschafts- bzw. des Beitrittsvertrags, Jedenfalls für die Fälle, in denen mehrere dieser Bedenken zusammentreffen – wie es auch bei Neusozien in anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften der Fall ist –, würde eine Normierung keine bloße Kasuistik, sondern eine notwendige Schutzvorschrift darstellen. Im Zuge der Diskussion um das MoPeG sollte der bisherige Entwurf des § 709 BGB-E daher noch um die – zuvor bereits vorgeschlagenen – Änderungen zu §§ 709 Abs. 2, 722 Abs. 1 BGB ergänzt werden. 5. Die Nichtigkeit vertraglicher Abfindungsklauseln Ist eine Abfindungsklausel gegenüber einem Sozius – unabhängig von der Frage ob ohne oder mit Kapitalanteil – als unwirksam zu beurteilen, so stellt sich die Frage nach der Rechtsfolge nicht nur für die Klausel, sondern für den ganzen Vertrag. a) Die Anwendbarkeit von § 139 BGB auf Gesellschaftsverträge Ausgehend vom allgemeinen Zivilrecht wäre zunächst zu erwägen, ob die Teilnichtigkeit nach der Regel des § 139 BGB zu einer Gesamtnichtigkeit des Gesellschaftsvertrags führen kann. Dies ist indes ganz regelmäßig nicht der Fall. Im Ge308
„Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, Begründung, S. 84 f., abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/ News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534932 DB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020). 309 „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, Begründung, S. 85 f., abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/ News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534932 DB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020). 310 Fleischer, JZ 2019, 53, 59 f.; Fleischer/Pendl, WM 2017, 881 ff.; Fleischer/Heinrich/ Pendl, NZG 2016, 1001, 1009 m.w.N.
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genteil wird § 139 BGB bei Gesellschaftsverträgen für nicht ohne Weiteres anwendbar gehalten, da das Bestandsinteresse der Gesellschafter im Hinblick auf die Gesellschaft überwiege und die Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit daher häufig nicht passe.311 Ausnahmsweise tritt Gesamtnichtigkeit ein, wenn die nichtige Vereinbarung grundlegende Bedeutung für alle Gesellschafter hat und sich durch die Teilnichtigkeit der Gesamtcharakter des Vertrags verändert312 oder wenn das Bestandsinteresse verneint wird, weil die Nichtigkeit kurz nach der Gründung entdeckt wird.313 Im Hinblick auf die Erstreckung der Nichtigkeit auf andere Klauseln gilt, dass die Unwirksamkeit der Abfindungsklausel nicht eine mit ihr zusammenhängende Ausscheidens- oder Fortsetzungsklausel erfasst.314 Gleichwohl ist zu beachten, dass der enge Zusammenhang von Mandatsmitnahme und Abfindung bei Rechtsanwaltssozietäten dazu führt, dass sich die Unwirksamkeit eines Wettbewerbsverbots und einer Abfindungsklausel gegenseitig beeinflussen.315 Auch Versorgungsregelungen und Abfindungsbeschränkungen sind immer im Zusammenhang zueinander zu bewerten, da erstere regelmäßig ein Äquivalent für letztere sein können.316 So kann die Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots dazu führen, dass eine Abfindungsklausel, die maßgeblich den verlorenen „Good will“ ausgleichen soll, entgegen dem Wortlaut auf den Substanzwert des Sozietätsinventars zu beschränken ist.317 Ohnehin enthalten Gesellschaftsverträge oftmals eine salvatorische Klausel, welche zwar nicht zur Unanwendbarkeit des § 139 BGB, aber doch zur Umkehr der Vermutung führt.318 311 BGH, Urt. v. 05. 02. 1968 – II ZR 85/67, BGHZ 49, 364, 365 f. = NJW 1968, 1378; Staudinger/Habermeier, § 705 Rn. 65; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 705 Rn. 40; MüKoBGB/Schäfer, § 705 Rn. 53; MüKoHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 156; BeckOK BGB/Schöne, § 705 Rn. 80; i. Erg. auch RG, Urt. v. 17. 01. 1940 – II 126/39, RGZ 162, 388, 393 f.; Heidel/ Schall/Heidel, HGB, § 105 Rn. 165, 167; K. Schmidt, GesR, § 6 I 1 b); Henssler/Strohn/ Servatius, GesR, § 705 BGB Rn. 33. 312 BGH, Beschl. v. 15. 03. 2010 – II ZR 84/09, NJW 2010, 1660 Rn. 8 = NZG 2010, 619; vgl. auch MüKoBGB/Schäfer, § 705 Rn. 53. 313 MüKoBGB/Schäfer, § 705 Rn. 53. 314 BGH, Urt. v. 23. 10. 1972 – II ZR 31/70, NJW 1973, 651, 652 = BB 1973, 442; Urt. v. 29. 05. 1978 – II ZR 52/77, NJW 1979, 104 = BB 1978, 1333; Urt. v. 19. 09. 1988 – II ZR 329/ 87, BGHZ 105, 213, 220 = NJW 1989, 834. 315 OLG Celle, Teilurt. v. 29. 05. 2002 – 9 U 310/01, NZG 2002, 862, 863 f. = BeckRS 9998, 42668. 316 BGH, Versäumnisurt. v. 07. 04. 2008 – II ZR 181/04, NJW 2008, 2987 Rn. 20 = NZG 2008, 623. 317 OLG Celle, Teilurt. v. 29. 05. 2002 – 9 U 310/01, NZG 2002, 862, 864 = BeckRS 9998, 42668. 318 BGH, Beschl. v. 15. 03. 2010 – II ZR 84/09, NJW 2010, 1660 Rn. 8 = NZG 2010, 619; zu einem Mietvertrag auch BGH, Urt. v. 06. 04. 2005 – XII ZR 132/03, NJW 2005, 2225, 2226 = NZM 2005, 502; zu einem Praxisübernahmevertrag BGH, Urt. v. 11. 10. 1995 – VIII ZR 25/94, NJW 1996, 773, 774 = DStR 1995, 1924 (m. Anm. Goette).
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
b) Dispositives Recht oder Vertragsergänzung an Stelle der nichtigen Klausel? Führt die Teilnichtigkeit somit nicht zur Gesamtnichtigkeit, ist danach zu fragen, was an die Stelle der nichtigen Klausel tritt. Zum einen wäre denkbar, die Lücke im Vertrag durch dispositives Recht und damit durch § 738 Abs. 1 S. 2 BGB zu füllen.319 In Anbetracht der Tatsache, dass damit wieder die natürliche Art der Auseinandersetzung für Freiberuflersozietäten möglich wird, indem der Ausscheidende um Mandate wirbt und für das Sachvermögen finanziell nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB abgefunden wird, erscheint diese Lösung durchaus naheliegend. Zum anderen besteht gerade bei Gesellschaftsverträgen oftmals die Möglichkeit, den Parteiinteressen mithilfe einer ergänzen Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157, 242 BGB zur Geltung zu verhelfen.320 Zuletzt erscheint es darüber hinaus auch denkbar, zwischen verschiedenen Unwirksamkeitsgründen zu differenzieren. So wird die Anwendung dispositiven Rechts bei einer Nichtigkeit nach § 138 BGB befürwortet, während die ergänzende Vertragsauslegung bei unzulässigen Kündigungsbeschränkungen nach § 723 Abs. 3 BGB einschlägig sein soll.321 Sofern der Vertrag für den Fall, dass die Klausel unwirksam ist, selbst eine Regelung enthält, ist diese entsprechend der Privatautonomie der Gesellschafter vorrangig.322 aa) Nichtigkeit nach § 138 BGB Enthält der Vertrag keine salvatorische Klausel und ist die Abfindungsklausel nach § 138 BGB nichtig, so ist es vorzugswürdig, keine geltungserhaltende Reduktion im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmen. Andernfalls verbliebe demjenigen, der die sittenwidrige Abfindungsklausel verwendet, stets ein Teilerfolg, was angesichts des mit der Sittenwidrigkeit verbundenen Verdikts nicht
319 Büttner, in: FS Nirk, S. 119, 127; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1170; wohl auch Soergel/Hadding/Kießling, BGB, § 738 Rn. 56; Palandt/Sprau, BGB, § 738 Rn. 7; für § 138 BGB auch BGH, Urt. v. 29. 05. 1978 – II ZR 52/77, NJW 1979, 104 = BB 1978, 1333. 320 Hierfür bei einer Kündigungsbeschränkung nach § 723 Abs. 3 BGB BGH, Urt. v. 24. 09. 1984 – II ZR 256/83, NJW 1985, 192, 193 = WM 1984, 1506; insgesamt auch Engel, NJW 1986, 345, 348 f.; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 111; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 20; i. Erg. ebenso Heyn, in: FS Schiedermair, S. 285; diff. H. P. Westermann, in: FS Stimpel, S. 69, 81 ff. 321 Staudinger/Habermeier, § 738 Rn. 35; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 409; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 74 f.; unter der Voraussetzung einer salvatorischen Klausel auch BeckOK BGB/Schöne, § 738 Rn. 44. 322 Vgl. Ulmer, NJW 1979, 81, 85.
A. Abfindungsregelungen in Rechtsanwaltssozietäten
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hinnehmbar ist.323 Der bloße Verweis auf die Vertragsautonomie der Gesellschafter kann sich hiergegen freilich nicht durchsetzen.324 Denn dann würde die Nichtigkeitssanktion des § 138 BGB ihre Schärfe verlieren und einer sorglosen Vereinbarung sittenwidriger Klauseln Tür und Tor öffnen. bb) Die Unwirksamkeit nach § 723 Abs. 3 BGB Bei einer Unwirksamkeit der Klausel nach § 723 Abs. 3 BGB wird demgegenüber von der überwiegenden Ansicht die ergänzende Vertragsauslegung favorisiert, da sich diese Norm, anders als § 138 BGB, nicht gegen die Art der Klausel, sondern nur gegen die kündigungsbeschränkende Wirkung richte.325 Tatsächlich kann allerdings bei § 723 Abs. 3 BGB nichts anderes gelten als bei § 138 BGB.326 Zum einen richtet sich § 723 Abs. 3 BGB nicht nur gegen die kündigungsbeschränkende Wirkung, sondern auch gegen die Art der Klausel. Ausweislich des Wortlauts sind Vereinbarungen oder Klauseln nichtig, sofern sie das Kündigungsrecht ausschließen oder dem § 723 BGB zuwider beschränken. Damit richtet sich § 723 Abs. 3 BGB gegen kündigungsausschließende oder -beschränkende Klauseln, welche den § 723 BGB betreffen. Dass die Wirkung missbilligt wird, ist nur die notwendige Konsequenz des Abs. 3. Daher ist es letztlich auch nicht von der Hand zu weisen, dass auch hier eine geltungserhaltende Reduktion, ähnlich wie bei § 138 BGB, auf grundsätzliche Bedenken stößt. Denn teleologisch schützt § 723 Abs. 3 BGB den Gesellschafter einerseits vor Eingriffen in seine Privatautonomie in Form überlanger Bindungen an die Gesellschaft, andererseits aber auch vor der Unüberschaubarkeit der vertraglichen Bindung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.327 In diesem Zusammenhang spricht Oetker von der „elementare[n] Bedeutung“ der Kündigungsfreiheit für die freiheitliche und privatautonome Zivilrechtsordnung.328 Insofern bestätige § 723 BGB auch den vom Gesetzgeber so gesehenen „herausragenden Stellenwert“ der Kündigungsfreiheit im Hinblick auf Dauerschuldverhältnisse.329 Der einzelne Gesellschafter wird damit vor einer missbräuchlichen Verwendung übermäßig einengender Klauseln durch die Gesellschaftermehrheit geschützt. 323
Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 409; Notthoff, DStR 1998, 210, 213; MüKoBGB/ Schäfer, § 738 Rn. 75; Ulmer, NJW 1979, 81, 86; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1170. 324 Anders aber Engel, NJW 1986, 345, 349. 325 MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 74; Schulte/Hushahn, in: MünchHdb-GesR I, § 10 Rn. 104; Ulmer, NJW 1979, 81, 85. 326 Ebenso Büttner, in: FS Nirk, S. 119, 127; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1170. 327 Zu diesem „doppelten teleologischen Fundament“ Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, S. 484 ff. m.w.N. aus Rspr. und Literatur. 328 Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, S. 485. 329 Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, S. 485.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Eine missbräuchliche oder überlange Bindung des Gesellschafters ist aber gleichzeitig auch im Hinblick auf § 138 Abs. 1 BGB kritisch zu betrachten. So löst die Rechtsprechung andere Fälle überlanger vertraglicher Bindungen, bei denen eine dem § 723 Abs. 3 BGB entsprechende Vorschrift fehlt, über § 138 Abs. 1 BGB.330 Weniger stark ausgeprägt als bei § 138 BGB, aber doch erkennbar, enthält § 723 Abs. 3 BGB, angesichts der hier betroffenen Grundprinzipien des Zivilrechts damit auch ein Unwerturteil gegenüber Eingriffen in die Privatautonomie. Wer eine solche Klausel vereinbart, darf sich dementsprechend nicht darauf verlassen, dass ihm ein Teilerfolg verbleibt. Parallel zu den geäußerten Bedenken zu § 138 BGB würde eine andere Sichtweise die missbräuchliche und einschüchternde Verwendung von Kündigungsbeschränkungen und -ausschlüssen zwecks Bindung an die Gesellschaft erst attraktiv machen. Die Anwendung dispositiven Rechts ist nicht zuletzt deshalb vorzugswürdig, weil sie jedenfalls Freiberuflersozietäten erlaubt, zu der für sie natürlichen Form der Auseinandersetzung zurückzukehren und nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB die Sozietät auseinanderzusetzen, entweder indem nur das Sachvermögen abgegolten wird, dem Ausscheidenden aber damit die Möglichkeit verbleibt, frei um die Mandanten zu werben, und damit letztlich eine Realteilung herbeigeführt wird, oder indem eine Abfindung vereinbart wird, welche das Sachvermögen und den Wert des Mandantenstammes abgilt.331 cc) Zwischenergebnis Gänzlich unabhängig vom Grund der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit der Klausel kommt es daher zu einer Anwendung des dispositiven Rechts nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln Sowohl im Rahmen der Mandatsverteilung nach § 32 BORA als auch bei den freiberuflertypischen Zusammenhängen von Abfindung und Mandatsmitnahme wurden bereits die Wettbewerbsklauseln unter Rechtsanwälten thematisiert. Sie spielen daher eine wesentliche Rolle beim Ausscheiden einzelner Sozien aus der Sozietät. Gleichwohl von besonderer Bedeutung ist ihre Zulässigkeit unter Freiberuflern aufgrund spezifischer Erfordernisse des anwaltlichen Berufsrechts nicht unumstritten.
330 331
BGH, Urt. v. 14. 06. 1972 – VIII ZR14/71, NJW 1972, 1459 = WM 1972, 1224. S. hierzu bereits S. 218 ff.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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Der grundsätzliche Einfluss des anwaltlichen Berufsrechts auf die Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsklauseln ist eine bisher noch unvollständig erforschte Materie. Da die Möglichkeit, Mandanten mitzunehmen, von entscheidender Bedeutung für die Höhe des gesellschaftsrechtlichen Abfindungsanspruchs ist, steht die Untersuchung der Zulässigkeit im Zentrum der folgenden Erörterung. Hierzu muss zunächst die Beziehung zwischen Berufs- und Gesellschaftsrecht dargestellt werden. Während das Gesellschaftsrecht das Rechtskleid für die anwaltliche Berufsausübung zur Verfügung stellt, und zwar mit allen seinen jeweiligen Vor- und Nachteilen,332 formt das Berufsrecht die spezifische Tätigkeit des Rechtsanwalts aus. Insofern modifiziert das anwaltliche Berufsrecht die für freie Berufe statthaften Gesellschaftsformen.333 Vor allem soweit Klarstellungen, Erlaubnisse und Verbote nötig sind, ist das Berufsrecht dann dem allgemeinen Gesellschaftsrecht gegenüber lex specialis.334 So sieht das Gesellschaftsrecht etwa keine Beschränkungen hinsichtlich des Zusammenschlusses von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer Berufe oder mit Gewerbetreibenden vor.335 Dennoch ergab sich lange Zeit aus dem Berufsrecht in § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO, dass Rechtsanwälte sich nur mit anderen Rechtsanwälten, Patentanwälten, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zu einer Sozietät verbinden durften. Dieses Sozietätsverbot ist seit der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2016336 jedenfalls für Freiberufler mit ähnlichen Berufspflichten hinsichtlich des Schutzes der Mandanten oder Patienten überholt.337 Für den Zusammenschluss etwa mit Gewerbetreibenden beansprucht das Sozietätsverbot aber weiterhin unverändert Geltung. Auch eine bloße Kapitalbeteiligung ist aufgrund des Erfordernisses der „gemeinschaftlichen Berufsausübung“ in § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO unzulässig.338 332
S. 56 ff. Weyland/Brüggemann, BRAO, § 59a Rn. 9; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 9. 334 Weyland/Brüggemann, BRAO, § 59a Rn. 9; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 9. 335 Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 9. 336 Beschl. v. 12. 01. 2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 Rn. 43 ff. = NJW 2016, 700; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 13. 337 Eindeutig nichtig ist § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO in dieser Fassung wegen Verstoßes gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG jedenfalls insoweit, wie er es Anwälten untersagt, sich mit Ärzten und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer PartG zusammenzuschließen, BVerfG, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 Rn. 54 ff. = NJW 2016, 700; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 13 ff.; zu aktuellen Reformplänen des BMJV und der Erstreckung der Sozietätsfähigkeit auf alle „vereinbaren Berufe“ s. die Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, S. 2 Nr. 9, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzge bungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3%BCbungsgesellschaften. pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 338 Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 13, 16; Henssler, ZIP 1994, 844, 849; Trottmann, Sozietätsspezifisches Berufsrecht, S. 112; auch hier gibt es jedoch Reformüberlegungen seitens des BMJV, das Verbot reiner Kapitalbeteiligungen einerseits für nicht mehr aktive Berufsträger und andererseits im Bereich des Legal Tech zu lockern, s. die Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesell333
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Insofern zeigen sich die Einschränkungen der Rechtsanwälte in der Wahl des gesellschaftsrechtlichen Rechtskleides durch ihr Berufsrecht. Da solche direkten Normierungen für die Existenzbeendigung einer Gesellschaft fehlen, stellt sich für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit somit die Frage, ob Grundgedanken und -pflichten des anwaltlichen Berufsrechts zumindest mittelbar Einfluss nehmen können auf die Auflösung der Gesellschaft oder auf das Ausscheiden eines Gesellschafters. In diesen Überlegungen nehmen der Grundsatz der freien Anwaltswahl und die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht in den berufsrechtlichen Normen der BRAO und der BORA prima facie eine prominente Rolle ein. Sowohl im Hinblick auf Wettbewerbsverbote als auch im Angesicht bloßer Wettbewerbsbeschränkungen könnten diese Grundprinzipien zum Schutz der Mandanten die allgemeine, gesellschaftsrechtliche Gestaltungsfreiheit maßgeblich modifizieren. Da die berufsrechtlichen Folgen des Ausscheidens für alle Rechtsanwälte unabhängig von der gewählten Rechtsform gelten, muss im Folgenden nicht näher zwischen einzelnen Gesellschaftsformen differenziert werden.339
I. Die Grundsätze des anwaltlichen Berufsrechts und insbesondere der Grundsatz der freien Anwaltswahl Die grundlegenden Leitlinien für die Tätigkeit des Rechtsanwalts finden sich bereits zu Anfang der BRAO in den §§ 1 – 3 BRAO geregelt.340 Hier sind insbesondere der Grundsatz der freien Advokatur und der freien Anwaltswahl relevant. 1. Der Grundsatz der Unabhängigkeit und die freie Advokatur Aus der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege in § 1 BRAO und der Einordnung seiner Tätigkeit als freier Beruf nach § 2 Abs. 1 BRAO erkennt man bereits den ersten Grundsatz des anwaltlichen Berufsrechts, den schon Gneist 1867341 forderte: Den Grundsatz der freien Advokatur. Er prägt und kennzeichnet die anwaltliche Berufsausübung als eine Tätigkeit, die immer nur der freien, individuellen Gestaltung des Rechtsanwalts unterliegt und grundsätzlich frei schaften, Stand 27. 08. 2019, S. 2 Nr. 6, 7, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Ge setzgebungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3%BCbungsgesell schaften.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 339 Ebenso schon Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 414. 340 Weyland/Brüggemann, BRAO, Einl Rn. 10; Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 21; Trottmann, Sozietätsspezifisches Berufsrecht, S. 15; a.A. aber Kleine-Cosack, der die §§ 1 – 3 BRAO hingegen für überschätzt, widersprüchlich, zu unbestimmt und praxisfremd hält, s. Kleine-Cosack, Vor § 1 Rn. 1. 341 Vgl. Gneist, Freie Advocatur, S. 57 f., 70, 73.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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von Reglementierung ist, wobei letzteres nicht bedeutet, dass die anwaltliche Tätigkeit nicht gesetzlichen Regeln unterworfen werden könnte.342 Die Berufsausübung ist aber im Interesse des Rechtsstaatsgedankens und der Rechtspflege frei von direkter staatlicher Einflussnahme.343 So bedeutet Unabhängigkeit in § 1 BRAO nicht etwa Schrankenlosigkeit, sondern die Freiheit von staatlichen Weisungen, wobei der Rechtsanwalt freilich an Recht und Gesetz und insbesondere die speziellen Berufspflichten gebunden ist.344 Gleichzeitig enthält die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts aber noch weitergehend eine privatrechtliche Komponente gegenüber Dritten.345 Die freie Advokatur ist damit ein wesentlicher Teil der Unabhängigkeit der Anwaltschaft, da sie die Unabhängigkeit vom Staat sicherstellt.346 Letztlich soll der Grundsatz der Unabhängigkeit der Anwaltschaft sicherstellen, dass der Rechtsanwalt seiner Aufgabe als Organ der Rechtspflege nachkommen kann und den Rechtssuchenden zur Verwirklichung ihrer subjektiven Rechte gegenüber Dritten und gegenüber dem Staat fachkundige Hilfestellung anbietet.347 Hierin, also im umfassenden Beistand des eigenen Mandanten gegenüber dem Staat oder Dritten, liegt die eigentliche Legitimation der freien Advokatur.348 Die freie Advokatur ist damit in ihrer Gesamtheit als „Wächter über die Bürgerrechte“ zu begreifen349 und stellt deshalb eine Institutsgarantie der Anwaltschaft dar350. Die Senate des BVerfG sprechen daher auch regelmäßig von der besonderen, sogar „fundamentale[n] objektive[n] Bedeutung“351 des Grundsatzes der freien Advokatur.352 Dogmatisch ist die
342 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 08. 11. 1978 – 1 BvR 589/72, BVerfGE 50, 16, 29 = NJW 1159; Beschl. v. 08. 03. 1983 – 1 BvR 1078/80, BVerfGE 63, 266, 284 = NJW 1983, 1535; Beschl. v. 14. 07. 1987 – 1 BvR 537/81 u. a., BVerfGE 76, 171, 188 = NJW 1988, 191. 343 BVerfG, Beschl. v. 08. 03. 1983 – 1 BvR 1078/80, BVerfGE 63, 266, 284 = NJW 1983, 1535; Borgmann, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 3 Rn. 30 f.; Laufhütte, in: FS Pfeiffer, S. 959 f.; Prütting, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 259, 260; Gaier/Wolf/ Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 1 BRAO Rn. 49; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, Vorspr. Rn. 6 f. 344 Weyland/Brüggemann, BRAO, § 1 Rn. 13 f.; Hartstang, Anwaltsrecht, S. 306 ff.; vgl. auch BeckOK BORA/Römermann, § 1 Rn. 6 ff.; instruktiv Schiller, in: FS Streck, S. 797, 804 ff. 345 Näher Weyland/Brüggemann, BRAO, § 1 Rn. 16 f.; Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 47 ff.; Schiller, in: FS Streck, S. 797, 809 ff.; Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 243; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 1 BRAO Rn. 71 ff., 75 ff. 346 Vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 1 BRAO Rn. 49. 347 Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 08. 03. 1983 – 1 BvR 1078/80, BVerfGE 63, 266, 284 = NJW 1983, 1535; Schiller, in: FS Streck, S. 797, 799 f.; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, Vorspr. Rn. 7. 348 Uwer, AnwBl Online 2019, 20, 21. 349 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 21. 350 Mayen, in: DAV, Anwälte und ihre Geschichte, S. 785, 793 ff. 351 So etwa BVerfG, Beschl. v. 19. 12. 1962 – 1 BvR 163/56, BVerfGE 15, 226, 234 = MDR 1963, 468; BVerfG, Beschl. v. 08. 03. 1983 – 1 BvR 1078/80, BVerfGE 63, 266, 282 m.w.N. aus der Rspr. des BVerfG = NJW 1983, 1535.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Unabhängigkeit der Anwaltschaft – und damit auch die Freiheit der Advokatur – in der verfassungsrechtlichen Bestimmung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verankert.353 Insofern stellt sie einen besonderen Ausschnitt der Berufsfreiheit dar, welcher gerade die anwaltliche Tätigkeit – im Interesse der Mandanten – schützt. 2. Der Grundsatz der freien Anwaltswahl Anders verhält es sich hingegen beim Grundsatz der freien Anwaltswahl. Im Regelungskomplex des § 3 BRAO, welcher insgesamt den Wirkungskreis des Rechtsanwalts umschreibt,354 findet sich in Abs. 3 das Postulat des Gesetzgebers, dass grundsätzlich jedermann das Recht hat, sich durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vertreten zu lassen. Darin enthalten ist einerseits das Recht auf Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt sowie andererseits das Recht, sich einen Rechtsanwalt seiner Wahl auszusuchen.355 a) Dogmatische Ansätze des Grundsatzes der freien Anwaltswahl Die Rückführung des Rechts der freien Anwaltswahl auf verfassungsrechtliche Grundsätze ist schwierig und umstritten. Jedenfalls die früher vertretene Ansicht, dass sich der Grundsatz der freien Anwaltswahl direkt aus § 3 Abs. 3 BRAO ergebe, ist heute aber überholt.356 Nach Ansicht des BVerfG gewähren weder das Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG noch das in den Artt. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 1 GG normierte Rechtsstaatsprinzip pauschal ein Recht zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.357 352 St. Rspr. des BVerfG, BVerfG, Beschl. v. 19. 12. 1962 – 1 BvR 163/56, BVerfGE 15, 226, 234 = MDR 1963, 468; Beschl. v. 28. 06. 1967 – 2 BvR 143/61, BVerfGE 22, 114, 122 = NJW 1967, 2051; Beschl. v. 14. 02. 1973 – 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, 293, 302 = NJW 1973, 696, 698; Beschl. v. 02. 04. 1974 – 1 BvR 92 u. 97/70, BVerfGE 37, 67, 78 = NJW 1974, 1279; Beschl. v. 08. 11. 1978 – 1 BvR 589/72, BVerfGE 50, 16, 29 = NJW 1979, 1159, 1160; Beschl. v. 08. 03. 1983 – 1 BvR 1078/80, BVerfGE 63, 266, 282 = NJW 1983, 1535; Beschl. v. 15. 03. 2007 – 1 BvR 1887/06, BVerfGK 10, 416, 420 f. = NJW 2007, 2317. 353 Borgmann, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 1 Rn. 10 f.; BeckOK BORA/Römermann, § 1 Rn. 7. 354 Weyland/Brüggemann, BRAO, § 3 Rn. 1. 355 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 22 ff., 28 ff.; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 12 Rn. 13; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 63. 356 So auch Weyland/Brüggemann, BRAO, § 3 Rn. 25 mit Nachweisen zu dieser Ansicht. 357 Zu Art. 103 Abs. 1 GG, BVerfG, Beschl. v. 20. 07. 1971 – 1 BvR 13/69, BVerfGE 31, 297, 301 = NJW 1971, 2301; Beschl. v. 20. 07. 1971 – 1 BvR 231/69, BVerfGE 31, 306, 308 = NJW 1971, 2302; Beschl. v. 08. 10. 1974 – 2 BvR 747/73 u. a., BVerfGE 38, 105, 118 = NJW 1975, 103, 105; BVerfG, Beschl. v. 14. 12. 1983 – 2 BvR 1724/82, NJW 1984, 862, 863 = NStZ 1984, 176; zu Art. 20 Abs. 3 GG, BVerfG, Beschl. v. 14. 12. 1983 – 2 BvR 1724/82, NJW 1984, 862, 863 = NStZ 1984, 176; a.A. und für eine Herleitung aus Art. 103 Abs. 1 GG Arndt, NJW 1959, 6, 7 f.; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 54.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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Jedenfalls im Strafverfahren ergebe sich für den Beschuldigten aber (auch) aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung, dass er sich jederzeit von einem Rechtsanwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen lassen könne, um nicht nur Objekt des Verfahrens zu sein.358 Für das Strafverfahren ist damit sowohl das Beratungs- und Vertretungsrecht des Beschuldigten als auch sein Wahlrecht hinsichtlich des Anwalts verfassungsrechtlich fundiert. Unabhängig vom Strafverfahren geht Busse noch weitergehend insgesamt davon aus, dass das Recht der freien Anwaltswahl „verfassungsrechtlich begründet“ ist,359 ohne hierfür eine dogmatische Grundlage anzubieten.360 Naheliegend ist es aber, auch hier auf das Grundrecht des Mandanten aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip zurückzugreifen.361 Die überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung beurteilt die Grundlage des Prinzips der freien Anwaltswahl wohl kontextual. Alternativ werden der Grundsatz und seine Grenzen aus den jeweiligen Verfahrensgesetzen als leges speciales im Sinne des § 3 Abs. 3 BRAO oder aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet.362 b) Stellungnahme zur dogmatischen Herleitung Der Grundsatz der freien Anwaltswahl steht in einem engen Zusammenhang mit dem Grundsatz der freien Advokatur.363 Um seine durch § 1 BRAO übertragene Aufgabe als Organ der Rechtspflege wahrnehmen zu können, muss der Anwalt ein 358
BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1977 – 2 BvR 462/77, BVerfGE 46, 202, 210 = NJW 1978, 151; Beschl. v. 28. 03. 1984 – 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, 313, 318 f. = NJW 1984, 2403; Urt. v. 30. 03. 2004 – 2 BvR 1520/01 u. 2 BvR 1521/01, BVerfGE 110, 226, 253 = NJW 2004, 1305; zust. Ahrens, Berufsrecht, Rn. 975; s. zum Sonderfall des Verteidigers im Auslieferungsverfahren A.-K. Pieronczyk, Die prozessualen Rechte des Verfolgten im Auslieferungsverfahren nach dem Zweiten Teil des IRG, S. 98 ff. 359 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 28. 360 Vgl. Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 28. 361 So wohl auch Kleine-Cosack, BRAO, § 3 Rn. 7. 362 Zu ersterem BFH, Urt. v. 08. 06. 1971 – VII R 75/68, BFHE 103, 18, 20 f. = BStBl II 1971, 726 = BeckRS 1971, 22001084; BVerwG, Beschl. v. 19. 03. 1976 – II WDB 1/76, BVerwGE, 53, 146, 153 = NJW 1976, 2032; Urt. v. 28. 04. 1981 – 2 C 51/78, BVerwGE 62, 169, 171 = NJW 1981, 2136; BGH, Urt. v. 26. 10. 1989 – I ZR 242/87, BGHZ 109, 153, 159 = NJW 1990, 578 – „Anwaltswahl durch Mieterverein“; Urt. v. 04. 12. 2013 – IV ZR 215/12, BGHZ 199, 170 Rn. 49 = NJW 2014, 630 – „Schadenfreiheitsrabatt in der Rechtsschutzversicherung – Freie Anwaltswahl“; zu letzterem (einschränkend zum Zeugenbeistand im Strafprozess) BVerfG, Beschl. v. 08. 10. 1974 – 2 BvR 747/73 u. a., BVerfGE 38, 105, 115 = NJW 1975, 103; eine Übersicht über die verschiedenen Ansätze bietet Weyland/Brüggemann, BRAO, § 3 Rn. 24 ff. 363 Weyland/Brüggemann, BRAO, § 3 Rn. 46; Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 28; Dombek, in: FS Streck, S. 655, 667.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten unterhalten.364 Dieses Vertrauensverhältnis wird dadurch gesichert, dass der Mandant einen Rechtsanwalt seiner Wahl, ausgesucht nach seinen individuellen Präferenzen, mandatieren kann.365 Ein von dritter Seite beigeordneter Rechtsanwalt würde kaum dasselbe Vertrauen genießen, wie der Rechtsbeistand, den der Mandant sich selbst ausgesucht hat. An dieser Stelle überschneidet sich die freie Anwaltswahl des Mandanten mit der Freiheit der Advokatur, die eine staatliche Lenkung der Rechtsberatung im Grundsatz ausschließt.366 Es gilt daher, die verschiedenen Rechtskreise von Staat, Mandant und Rechtsbeistand voneinander abzugrenzen. Dem Staat und seinen potenziellen Eingriffen in die Rechtsberatung stehen die Rechtsanwaltschaft und deren Mandantschaft gemeinsam gegenüber. Um seiner Aufgabe im System der Rechtspflege und im Verhältnis zu seinen Mandanten effektiv gerecht zu werden, muss der Rechtsanwalt in seiner Tätigkeit für den Mandanten folgerichtig verfassungsrechtlich geschützt sein. Hierfür sorgt der Grundsatz der freien Advokatur. Zugleich haben aber die Mandanten ein Interesse daran, einen Rechtsanwalt ihrer Wahl aussuchen zu können, um sich effektiv rechtliches Gehör zu verschaffen und ihre subjektiven Rechte vor der ordentlichen oder einer besonderen Gerichtsbarkeit durchsetzen zu können. In der Verteidigung dieser vom Rechtsstaat verliehenen Rechte ist der Mandant auch in der Wahl seines Anwaltes (verfassungsrechtlich) schutzwürdig. Dies gilt zwar insbesondere, aber nicht nur – wie bisher vom BVerfG entschieden – im Rahmen des Strafverfahrens.367 Zwar ist dort das Wahlrecht des Mandanten bereits prima facie evident, immerhin vertraut er dem Rechtsanwalt nicht selten die Verteidigung seiner persönlichen Freiheit an. Nicht weniger gewichtig oder für den Mandanten weniger emotional sind jedoch oftmals Angelegenheiten in anderen Rechtsgebieten. Man denke hierbei insbesondere an Schadensersatzprozesse, die die wirtschaftliche Existenz des Mandanten gefährden, oder an familienrechtliche Konflikte im Hinblick auf das Umgangsrecht der gemeinsamen Kinder aus § 1684 Abs. 1 Hs. 2 BGB, die nicht selten hochemotional verlaufen. In jedem Fall muss dem Mandanten das Recht zukommen, in derart persönlichen Rechtsstreitigkeiten seinen Vertreter frei zu wählen. Entscheidender Anknüpfungspunkt für die Herleitung und das Fundament des Rechts der freien Anwaltswahl ist damit nicht das objektiv betroffene Rechtsgebiet, sondern das subjektive Gewicht der Rechtsangelegenheit für den Mandanten, sodass ihm die Vertretung durch den Rechtsanwalt seines Vertrauens 364
Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 28; Dombek, in: FS Streck, S. 655, 667. Vgl. Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 28. 366 Vgl. Weyland/Brüggemann, BRAO, § 3 Rn. 46; Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 28. 367 BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1977 – 2 BvR 462/77, BVerfGE 46, 202, 210 = NJW 1978, 151; Beschl. v. 28. 03. 1984 – 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, 313, 318 f. = NJW 1984, 2403; Urt. v. 30. 03. 2004 – 2 BvR 1520/01 u. 2 BvR 1521/01, BVerfGE 110, 226, 253 = NJW 2004, 1305; zust. Ahrens, Berufsrecht, Rn. 975; s. zum Sonderfall des Verteidigers im Auslieferungsverfahren A.-K. Pieronczyk, Die prozessualen Rechte des Verfolgten im Auslieferungsverfahren nach dem Zweiten Teil des IRG, S. 98 ff. 365
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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nicht pauschal verwehrt werden kann. Eine Einschränkung des verfassungsrechtlich begründeten Rechts der freien Anwaltswahl kann daher nur bei Abwägung aller beteiligten Interessen und zutreffender Gewichtung der betreuten Rechtsangelegenheit zulässig sein, d. h., wenn die Einschränkung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt. Wie zuvor bereits dargelegt, bedingen sich der Grundsatz der freien Advokatur und derjenige der freien Anwaltswahl letztlich gegenseitig. Das Recht der freien Anwaltswahl muss daher ebenfalls ein Recht von Verfassungsrang sein, denn so wie die freie Advokatur Rechtsanwalt und Mandant für die Dauer der Zusammenarbeit schützt, indem es den Anwalt vor staatlichen Eingriffen bewahrt, schützt das Recht der freien Anwaltswahl die Anbahnungsphase dieser Zusammenarbeit, indem es dem Mandanten allgemein der Zugang zu verschiedenen Anwälten und speziell zu dem Anwalt, der ihm vertrauenswürdig erscheint, garantiert. Die freie Advokatur würde ohne die freie Anwaltswahl kaum ihre Funktion erfüllen können. Umgekehrt wäre eine freie Anwaltswahl ohne eine freie Advokatur ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Hinsichtlich der dogmatischen Anknüpfung ist dem BVerfG darin zuzustimmen, dass Art. 103 Abs. 1 GG rechtliches Gehör des Einzelnen gewährleistet, allerdings nicht zwangsläufig durch Vermittlung eines Anwalts seiner Wahl.368 Da es hier vielmehr um das subjektive Recht des Mandanten geht, erscheint es naheliegend, dogmatisch auf Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzustellen. Für die Zwecke der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung genügt es indes festzustellen, dass der Grundsatz der freien Anwaltswahl selbst verfassungsrechtlich vorgeprägt und nicht nur eine Figur des einfachen Rechts ist. Die Norm des § 3 Abs. 3 BRAO stellt sodann die einfachrechtliche Ausformung dieses Grundsatzes dar. 3. Zwischenergebnis Die Leitlinien des anwaltlichen Berufsrechts in den §§ 1 – 3 BRAO bilden somit die verschiedenen Interessenkreise derjenigen ab, welche typischerweise mit der Rechtsberatung in Berührung kommen. Während die freie Advokatur den Rechtsanwalt in der Gestaltung seiner Beratungstätigkeit schützt, gewährleistet die freie Anwaltswahl dem Mandanten die Wahl des Anwalts seines Vertrauens. Beide Grundsätze überschneiden und ergänzen sich daher. Da die Anwaltswahl nicht nur die erstmalige Auswahl des Anwalts umfasst, sondern auch im Rahmen der späteren Veränderung des Mandatsverhältnisses im Interesse des Mandanten eine Rolle spielt, 368
BVerfG, Beschl. v. 22. 01. 1959 – 1 BvR 154/55, BVerfGE 9, 124, 132 = NJW 1959, 715, 716; Beschl. v. 20. 07. 1971 – 1 BvR 13/69, BVerfGE 31, 297, 301 = NJW 1971, 2301; Beschl. v. 08. 10. 1974 – 2 BvR 747/73 u. a., BVerfGE 38, 105, 118 = NJW 1975, 103, 105; Urt. v. 11. 03. 1975 – 2 BvR 135 – 139/75, BVerfGE 39, 156, 168 = NJW 1975, 1013; a.A. aber Maunz/Dürig/ Remmert, GG, Art. 103 Abs. 1 Rn. 68.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
wird auf ihr im Folgenden das Hauptaugenmerk liegen. Im Rahmen der Auseinandersetzung kommt es regelmäßig zu einem Wechsel des Anwalts, wenn der Mandant sich etwa im Anschluss an eine Befragung nach § 32 Abs. 1 BORA dafür entscheidet, nunmehr von einem anderen Anwalt betreut zu werden. Aber auch wenn nur ein Partner aus der Kanzlei ausscheidet, geschieht vielfach ein Wechsel des Anwalts, weil der Ausscheidende Mandanten der Sozietät mitnimmt, um diese nunmehr in einer Einzelkanzlei oder einer neuen Sozietät zu betreuen.
II. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote und anwaltliches Berufsrecht Kann der Ausscheidende ohne rechtliche Hindernisse Mandanten der Sozietät weiterbetreuen, so bestehen weder von Seiten des Anwalts Konflikte mit dem Grundsatz der freien Advokatur noch von Seiten des Mandanten solche mit dem Grundsatz der freien Anwaltswahl. Das ist dann der Fall, wenn der Ausscheidende zwar nur für seinen Anteil am Sachvermögen der Sozietät abgefunden wird, dafür aber unbesorgt um vertragliche Vereinbarungen mit der Sozietät um Mandanten konkurrieren darf.369 Vielfach bestehen praktisch jedoch nachvertragliche Wettbewerbsverbote, welche zu Friktionen mit den Grundsätzen des anwaltlichen Berufsrechts führen können.370 Diese werden in der Praxis vielfach vereinbart, da die Sozien nach ihrem Ausscheiden aus der Sozietät kein gesetzliches Wettbewerbsverbot trifft.371 Eine Ausnahme hierzu besteht aber dann, wenn eine Abfindungsklausel vereinbart wurde, die den Goodwill erfasst. In diesem Fall ergibt sich bereits konkludent aus dieser vorrangigen Auseinandersetzungsvereinbarung, dass ein Wettbewerbsverbot bestehen soll.372 1. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote Obwohl nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Rechtsanwaltssozietäten bereits kurz im Rahmen der vorrangigen vertraglichen Regelungen bei § 32 Abs. 1 S. 1 BORA thematisiert wurden,373 soll an dieser Stelle noch einmal ein genauerer Blick 369
Hierzu genauer S. 218 ff. Zur Anzahl und Verbreitung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote s. Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 11 ff. 371 Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 83. 372 Vgl. BGH, Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 24 = ZIP 2011, 1359; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 159; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 408; Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 261; Römermann, NJW 2007, 2209, 2214; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166; Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 46. 373 S. 151 ff. 370
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auf sie geworfen werden. Schließlich stehen sie geradezu exemplarisch für Eingriffe in die Berufsfreiheit des ausgeschiedenen Rechtsanwalts und das Recht der freien Anwaltswahl der Mandanten. Da diese grundlegenden Rechte auf alle Rechtsanwälte und Mandanten anwendbar sind, gelten die nachfolgend dargestellten Grundsätze zu Wettbewerbsverboten auch unabhängig von der gewählten Gesellschaftsform.374 Nichtsdestotrotz wird gelegentlich auf personengesellschaftsrechtliche Termini zurückgegriffen, da diese Arbeit vornehmlich deren Belange im Fokus hat. a) Begriffsbestimmung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote Sowohl die Niederlassungsverbots- als auch die Mandantenschutzklauseln sind inhaltlich bereits erörtert worden.375 Während Niederlassungsverbote es dem Ausgeschiedenen verbieten, sich im selben Bezirk wie die Sozietät anzusiedeln, verbieten Mandantenschutzklauseln die Mitnahme von Mandanten durch den Ausgeschiedenen. Auch Mischformen beider Klauseln kommen vor.376 Die Terminologie bei Letzteren ist insoweit nicht einheitlich und verwirrend.377 Zum Teil wird von Mandantenschutzklauseln und Mandatsschutzklauseln gesprochen, aber gleichwohl dasselbe gemeint.378 Zum Teil wird sogar noch zwischen beiden Varianten unterschieden.379 Mandatsschutzklauseln würden es verbieten, laufende Mandate weiterzuführen, während Mandantenschutzklauseln es verbieten, Mandanten der Sozietät später zu betreuen.380 Unklar bleibt, weshalb man hier überhaupt weiter unterscheiden sollte, wenn beides letztlich zu demselben Ergebnis führt und die Fälle ohnehin nicht trennscharf voneinander abgegrenzt werden können. Beide Termini sind zudem grundsätzlich bedenklich und suggerieren dem 374
Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 414. S. 151 ff. 376 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 23 f. 377 Kritisch zur Terminologie auch schon Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 21. 378 Von „Mandantenschutzklauseln“ sprechen etwa BGH, Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/ 98, NJW 2000, 2584 = NZG 2000, 831; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 170; Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 32; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 436; BeckOK BORA/Günther, § 26 Rn. 27; Henssler/ Strohn/Kilian, GesR, § 738 BGB Rn. 19; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Lieder, GmbHG, § 13 Rn. 248; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 83; Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 46; den Terminus „Mandatsschutzklauseln“ bevorzugen demgegenüber Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 9; Ludwig, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 60 Rn. 25, 27; BeckOK HGB/Wetzel, § 74 Rn. 11. 379 Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 99. 380 Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 99; offenbar gänzlich anders wird der Terminus „Mandatsschutzklausel“ auch als Oberbegriff für Wettbewerbsklauseln insgesamt verwendet, vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3. 375
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Wortsinn nach jeweils eine andere Bedeutung. Mandantenschutzklauseln schützen die Sozietät und nicht den Mandanten, während Mandatsschutzklauseln dem Ausgeschiedenen nicht nur laufende, sondern auch künftige Mandate vorenthalten.381 Richtigerweise wären solche Klauseln eher als „Mandatsmitnahmeverbot“ oder als „Mandatsannahmeverbot“ zu betiteln.382 Um nicht unnötig Verwirrung zu stiften, wird im Folgenden jedoch weiterhin die wohl herrschende Terminologie der „Mandantenschutzklausel“ weiterverwendet. b) Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote Aufgrund ihrer Rechtsnatur als zivilrechtliche Vereinbarungen zwischen den Parteien gelten für nachvertragliche Wettbewerbsverbote vor allem die allgemeinen Grenzen des Zivilrechts vorbehaltlich etwaiger Spezialregelungen.383 Eine besondere Rolle spielen bei der Grenzziehung die §§ 134, 138 BGB. aa) Nichtigkeit aufgrund eines gesetzlichen Verbots, § 134 BGB Der § 134 BGB verlangt tatbestandlich ein Rechtsgeschäft, ein Verbotsgesetz und eine Divergenz zwischen Rechtsgeschäft und Verbotsgesetz. Auf Rechtsfolgenseite ist die Konsequenz des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, jedenfalls solange sich aus dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm nicht ein anderes ergibt, entweder, indem die Verbotsnorm selbst eine Sanktion anordnet und damit insoweit das speziellere Gesetz ist, oder indem sich aus dem Sinn und Zweck der Norm eine anderweitige Sanktion ergibt.384 Probleme stellen sich regelmäßig bei der Frage nach der Qualität einer Rechtsnorm als Verbotsgesetz. Ein Verbotsgesetz kann grundsätzlich jedwedes Gesetz im formellen Sinn sein.385 (1) Die BORA als Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB Damit stellt sich auch die Frage, ob Berufsordnungen Gesetze im formellen Sinne und damit Verbotsgesetze sein können. Wenn die BORA kein Verbotsgesetz darstellt, ist sie für die Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bereits grundsätzlich kein relevanter Faktor. In der Regel handelt es sich, wie etwa bei der BORA, bei den berufsrechtlichen Vorschriften um Satzungen, welche von einem Organ der 381 So schon Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 21. 382 Ähnlich, da von „Mandatsablehnungspflicht“ sprechend, Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 21. 383 Ebenso Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 24. 384 MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 119. 385 MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 30.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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jeweiligen Berufsgruppe, hier der Rechtsanwaltskammer, erlassen wurden. Daher wird daran gezweifelt, ob diese Organe überhaupt die Kompetenz besitzen, die zivilrechtliche Nichtigkeit eines Vertrags über ein Verbotsgesetz anzuordnen.386 Dem ist die Rechtsprechung früh mit dem Einwand entgegengetreten, dass sich die Nichtigkeit aus § 134 BGB und nicht aus der Berufsordnung ergebe.387 Außerdem gebe es keinen Grund, vom Wortlaut des Art. 2 EGBGB abzuweichen, der durch den Begriff der „Rechtsnorm“ auch Satzungen erfasse.388 Daher sind einzelne Normen der BORA, auch nach der Rechtsprechung des BGH, im Grundsatz dazu geeignet, als Verbotsgesetze qualifiziert zu werden.389 Für die Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote sind konkrete Regelungen der BORA dennoch nicht von Belang, da sie weder den Mandanten noch den einzelnen Anwalt, sondern die Funktionsfähigkeit der Anwaltschaft im Gefüge der Rechtspflege schützen sollen.390 Sie besitzen somit vor allem eine disziplinarrechtliche Funktion im Hinblick auf die Anwaltschaft, weshalb die Nichtigkeitssanktion zivilrechtlicher Rechtsgeschäfte zu weit über den Normzweck hinausgehen würde.391 Vorschriften der BORA haben nur dann Verbotsgesetzqualität, soweit sie sich wie § 3 BORA gegen einen Interessenkonflikt richten, und betreffen dann ausschließlich den jeweiligen Mandatsvertrag oder einzelne Prozesshandlungen.392 (2) § 3 Abs. 3 BRAO als Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB Als Parlamentsgesetz enthält auch die BRAO Normen, die als Verbotsgesetze in Frage kommen. Dass ihre Normen dazu geeignet sind, Verbotsgesetze darzustellen, ist nicht in Abrede zu stellen.393 Im Hinblick auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote könnte insbesondere § 3 BRAO die Wirksamkeit solcher Klauseln in Frage stellen. Insoweit hat sich insbesondere Becker um die Aufarbeitung dieser Thematik verdient gemacht.394 Er kommt 386
Taupitz, JZ 1994, 221, 226. Zum ärztlichen Berufsrecht BayObLG, Urt. v. 06. 11. 2000 – 1 Z RR 612/98, BayObLGZ 2000, 301, 308 = NJOZ 2001, 902; zust. MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 30. 388 BayObLG, Urt. v. 06. 11. 2000 – 1 Z RR 612/98, BayObLGZ 2000, 301, 308 = NJOZ 2001, 902. 389 BGH, Urt. v. 17. 10. 2003 – V ZR 429/02, NJW 2003, 3692 f. = MDR 2004, 117, der nicht die Verbotsgesetzqualität von § 12 Abs. 1 BORA anspricht, aber das Telos der Norm dahingehend prüft, ob es der Nichtigkeitssanktion des § 134 BGB entgegensteht, womit der BGH das Bestehen eines Verbotsgesetzes inzident voraussetzt. 390 Hartung/Scharmer/Hartung, BORA/FAO, Einf. BORA Rn. 81. 391 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, Einl BORA Rn. 12. 392 Vgl. Hartung/Scharmer/Hartung, BORA/FAO, Einf. BORA Rn. 82; insgesamt näher zu Verbotsgesetzen aus BORA und BRAO MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 115. 393 Vgl. etwa MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 115. 394 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 80 ff. 387
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
zutreffend zu dem Schluss, dass § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BRAO keine Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB sind, da es dem Rechtsanwalt offensteht, privatautonom auf seine Rechte aus diesen Absätzen zu verzichten.395 Aus § 3 Abs. 3 BRAO als Ausformung des Grundsatzes des Rechts auf freie Anwaltswahl zum Schutz des Mandanten ergebe sich aber eine grundsätzliche Unzulässigkeit von Wettbewerbsbeschränkungen, gleich, ob es sich um Mandantenschutzklauseln oder um Niederlassungsverbotsklauseln handele.396 Einzig wirkungsvolle Rechtsfolge im Hinblick auf § 134 BGB und dessen Rechtsfolgenproblematik könne dann die Nichtigkeit sein.397 bb) Nichtigkeit aufgrund von Sittenwidrigkeit, § 138 BGB Nachvertragliche Wettbewerbsverbote werden daneben oftmals an § 138 BGB gemessen. Insoweit kommt es auf die jeweilige Perspektive des Rechtsanwalts oder des Mandanten an. (1) Die Sittenwidrigkeit aufgrund des Eingriffs in die freie Advokatur Wie bereits zuvor erörtert wurde,398 misst der BGH nachvertragliche Wettbewerbsverbote vor allem an § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 GG und prüft inhaltlich, ob das nachvertragliche Wettbewerbsverbot räumlich, zeitlich oder gegenständlich in einer sittenwidrigen Art und Weise die Berufsfreiheit des einzelnen Rechtsanwalts einschränkt. Verstößt eine Mandantenschutzklausel gegen diese Grundsätze, weil sie räumlich oder gegenständlich zu weit geht, so ist sie nichtig. Ist ihre Wirkungsdauer hingegen nur zeitlich zu lang bemessen, so findet eine geltungserhaltende Reduktion auf das zulässige Maß statt. Bei Niederlassungsverbotsklauseln gelten prinzipiell dieselben Grundsätze.399 Insofern ist die Rechtsprechung des BGH einseitig auf die Interessen des ausgeschiedenen Sozius beschränkt.400
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Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 112. 396 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 122 f. 397 So bereits vorher LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 14. 03. 1985 – 7 Sa 107/84, AnwBl 1987, 142, 145; Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 128; befürwortend wohl auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 31, 33; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 412. 398 S. 151 ff. 399 Zu den Einzelheiten mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur S. 151 ff. 400 Darauf hinweisend auch Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 67.
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(2) Die Sittenwidrigkeit aufgrund des Eingriffs in die freie Anwaltswahl Daher wurde schon früh401 die Sittenwidrigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten auf einen Verstoß gegen die freie Anwaltswahl und somit auf § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG sowie dem Rechtsstaatsprinzip gestützt.402 Nur so könnten hinreichend auch die Belange des Mandanten als nicht unmittelbar am Gesellschaftsvertrag Beteiligten geschützt werden. cc) Stellungnahme zu den einzelnen Ansätzen (1) Der Ansatz des BGH aus § 138 Abs. 1 BGB (a) Der Schutz der freien Advokatur über § 138 Abs. 1 BGB Wie schon mehrfach betont wurde, muss man nachvertragliche Wettbewerbsverbote immer aus der Perspektive aller Beteiligten verstehen: einerseits aus der Perspektive von Sozietät und ausscheidendem Anwalt, aber andererseits auch aus dem Blickwinkel des Mandanten. Insofern ist die Rechtsprechung mit ihrem Ansatz, vor allem auf die Interessen des Ausgeschiedenen abzustellen und diese mit den Interessen der Sozietät abzuwägen, deutlich zu restriktiv. Schon das Reichsgericht erkannte im Jahr 1907, dass Ärzte und Rechtsanwälte als „Träger geistiger Kräfte im Dienste des Gemeinwohls“ tätig sind und Wettbewerbsverbote zwischen Ärzten oder zwischen Rechtsanwälten daher in besonderem Maße zu missbilligen sind, da sie das „öffentliche Interesse“ verletzen.403 Sie seien daher nach § 138 BGB nichtig.404 Auch das Reichsgericht erkannte somit schon früh, dass nicht nur die Interessen der unmittelbar beteiligten Vertragsparteien bei der rechtlichen Würdigung solcher Klauseln relevant sind. Die Abkehr des BGH von diesem Grundgedanken ist bedauerlich, wird doch der Mandant als Repräsentant des öffentlichen Interesses an einer freien und ungebundenen Advokatur maßgeblich von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten (mit-)betroffen.405 Nichtsdestotrotz lässt sich der heutige Ansatz des BGH durchaus auf den Blickwinkel des Reichsgerichts zurückführen, denn eine Verletzung des öffentlichen Interesses steht der Sittenwidrigkeit aufgrund 401 Etwa Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 125 f.; Steindorff, in: FS Fischer, S. 747, 768 mit dem Hinweis, man könne auch auf §§ 3 Abs. 3 BRAO und 134 BGB abstellen; als obiter dictum auch erwogen von BGH, Urt. v. 08. 05. 1980 – III ZR 51/79, NJW 1980, 1851, 1853 f.; in neuerer Zeit wohl auch Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 412. 402 Jedenfalls soweit man dazu geneigt ist die freie Anwaltswahl als Ausfluss des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip zu sehen, anstatt sie auf Art. 103 Abs. 1 GG zu stützen, vgl. oben S. 276 ff. 403 RG, Urt. v. 11. 06. 1907 – III 21/07, RGZ 66, 143, 150; bestätigt durch RG, Urt. v. 16. 03. 1917 – III 395/16, RGZ 90, 35, 36 ff. 404 RG, Urt. v. 11. 06. 1907 – III 21/07, RGZ 66, 143, 153. 405 Kritisch zur Rechtsprechung des BGH vor diesem Hintergrund schon Gaier/Wolf/ Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 67 f.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
eines Verstoßes gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden inhaltlich nahe.406 Gleichwohl ist – beschränkt auf die Perspektive des Rechtsanwalts – die dogmatische Anknüpfung an § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG begrüßenswert. Die Kriterien der räumlichen, gegenständlichen und zeitlichen Angemessenheit des Wettbewerbsverbotes erlauben eine hinreichend genaue Bestimmung des Prüfungsmaßstabes und bieten gleichzeitig genug Flexibilität, um die Prüfung für die Umstände des Einzelfalls zu modifizieren, sollte dies nötig sein. (b) Keine Sittenwidrigkeit bei gleichsam aleatorischen Klauseln? Die Wahl des § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG als Prüfungsmaßstab ist indes nicht ohne Widerspruch geblieben. Da die Rechtsprechung über § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG letztlich ein § 74a Abs. 1 HGB vergleichbares Schutzniveau kreiere, müssten dieselben Grundgedanken wie im Arbeitsrecht verwirklicht sein.407 An diese Prämisse anschließend hat insbesondere Reuter408 vorgebracht, dass das Sittenwidrigkeitsverdikt für gleichsam aleatorische Klauseln unangebracht sei, weil den Gesellschaftern in der Regel gleichgewichtige Verhandlungsmacht bei der Verfassung des Gesellschaftsvertrags zukomme und sie alle von der Klausel gleichsam betroffen würden.409 Darin liege der entscheidende Unterschied zum Arbeitnehmer, der dem Arbeitgeber unterlegen sei und daher besonders geschützt werden müsse.410 In diesem Kontext sei der aleatorische Charakter als Hinweis auf die gleichgewichtige Verhandlungsmacht der Gesellschafter zu verstehen.411 Wer einer nachvertraglichen Bindung im Gesellschaftsvertrag zustimme, der übe seine grundgesetzliche Berufsfreiheit aus und könne sich dementsprechend gegenüber dieser Bindung nicht mehr auf den Schutz des Art. 12 GG berufen.412 Die Berufsfreiheit schütze den Einzelnen nur dann, wenn der Gesellschaftsvertrag durch die überlegene Verhandlungsmacht der übrigen Gesellschafter zu einem „Medium der Fremdbestimmung“ geworden sei.413 Eine anderweitige Sichtweise könne nur angenommen werden, wenn man die „wirtschaftlich relevanten Freiheitsgrundrechte als Ausdruck des Bekenntnisses der Verfassung zu einer Wettbewerbsordnung begreift, deren
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Vgl. Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 672. Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 670 f. 408 Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 670 ff. 409 Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 671 f.; zust. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 174 ff. 410 Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 671. 411 Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 671 f.; zust. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 174. 412 Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 672; zust. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 174 f. 413 Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 672. 407
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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Funktionsanforderungen ihre Gestalt und ihre Grenzen bestimmen“.414 Solange das BVerfG allerdings auf dem Standpunkt stehe, dass das Grundgesetz wirtschaftspolitisch neutral sei, könne ein entsprechender Inhalt der Berufsfreiheit nicht zugemessen werden.415 So unbestechlich diese Argumentation zunächst klingen mag, führt sie doch zu einer eigentümlichen Konsequenz. So hat insbesondere Goette416 zurecht darauf verwiesen, dass aleatorische Rechtsgeschäfte bzw. – unter Zugrundelegung des obigen Verständnisses – solche mit gleichgewichtiger Verhandlungsmacht insgesamt nicht mehr den Schranken der Privatautonomie unterfallen würden, wenn der entscheidende Gesichtspunkt die allseitige Zustimmung und die potentielle Betroffenheit aller Gesellschafter ist. So müsste auch die Vereinbarung grob unbilliger Klauseln – wie eines zeitlich, örtlich und gegenständlich grenzenlosen Wettbewerbsverbots und damit de facto die Auferlegung eines Berufsverbots – zulässig sein. Immerhin hätte sich der Gesellschafter diesem Berufsverbot selbstbestimmt unterworfen und damit seine Berufsfreiheit ausgeübt. Eine solche Bestimmung, die dem Berufsträger seine Berufsfreiheit und damit seine Existenzgrundlage entzieht, könnte einer Prüfung anhand des § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG jedoch nicht standhalten.417 Daneben muss man schon an der Prämisse zweifeln, dass die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsbeschränkungen eine Ausübung der Berufsfreiheit darstellt. Vielmehr erscheint diese Vereinbarung gerade als Begrenzung der Berufsausfreiheit. Mittel hierzu ist aber nicht die Berufsfreiheit selbst, sondern die Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, die wiederum der Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung unterliegt.418 Über diese muss kontrolliert werden, ob die Ausübung der Vertragsfreiheit den Grundprinzipien des Art. 12 GG entspricht.419 Im Kern muss daher bereits bezweifelt werden, dass die Vereinbarung gesellschaftsvertraglicher Klauseln eine Ausübung der Berufsfreiheit darstellt. Als maßgebliches Grundrecht erscheint in dieser Konstellation eher die Vertragsfreiheit des Einzelnen aus Art. 2 Abs. 1 GG berührt zu sein. Zudem greift die obige Argumentation nur dann durch, wenn der aleatorische Charakter tatsächlich den Schluss auf eine gleichgewichtige Verhandlungsmacht zulässt. Ob sich der Sachverhalt im Einzelfall tatsächlich so begeben hat, dürfte angesichts des Alters vieler Gesellschaftverträge nicht mehr aufzuklären sein. 414
Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 672. Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 672. 416 Anm. Goette, DStR 1997, 1413, 1415. 417 Dementsprechend werden unbegrenzte Wettbewerbsverbote zurecht für sittenwidrig gehalten, BGH, Urt. v. 28. 04. 1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944, 2945 = ZIP 1986, 1056; Urt. v. 15. 03. 1989 – VIII ZR 62/88, NJW-RR 1989, 800, 801 = DB 1989, 1620. 418 So offenbar auch BGH, Urt. v. 28. 04. 1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944, 2944 f. = ZIP 1986, 1056. 419 BGH, Urt. v. 28. 04. 1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944, 2944 f. = ZIP 1986, 1056. 415
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Möglicherweise wurde die nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkung nur gegen den Widerstand eines oder mehrerer Gesellschafter letztlich durchgesetzt. Die Bestimmung der gleichgewichtigen Verhandlungsmacht ist dadurch schwierig und praktisch unzuverlässig, da sich die tatsächlichen Verhältnisse des Vertragschlusses kaum jemals nachbilden lassen. Jedenfalls bei neu eintretenden Gesellschaftern oder solchen, die – wie bei Rechtsanwaltssozietäten üblich – aus einer Angestelltenposition heraus aufsteigen, ist nicht anzunehmen, dass sie ernsthaft auf einzelne Klauseln des Gesellschaftsvertrags Einfluss nehmen können. In diesen Konstellationen besteht auf Seiten des Neugesellschafters ein deutliches Defizit im Hinblick auf die Verhandlungsmacht. Die Klausel trifft damit zwar alle Gesellschafter, dies lässt aber nicht den Rückschluss zu, dass die Klausel aufgrund gleichgewichtiger Verhandlungsmacht zustande gekommen ist. Dieses Defizit ist zudem durchaus vergleichbar mit demjenigen eines Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, denn in beiden Situationen kann sich die schwächere Partei entweder den vorgegebenen Konditionen unterwerfen oder auf die Arbeitsstelle bzw. die Gesellschafterposition verzichten. Für neu eintretende Gesellschafter müsste § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG dementsprechend wiederum Anwendung finden. Damit wäre die nachvertragliche Wettbewerbsklausel unter Umständen für die Altgesellschafter rechtlich zulässig, für den Neugesellschafter allerdings sittenwidrig. Sie befände sich damit in einem paradoxen Zustand, welcher der Rechtssicherheit abträglich wäre. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote müssen sich daher zurecht anhand § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG messen lassen. (c) Geltungserhaltende Reduktion sittenwidriger Wettbewerbsverbote Zweifelhaft ist aber die Tendenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu geltungserhaltenden Reduktionen, sowohl bei Mandantenschutzklauseln als auch bei Niederlassungsverboten.420 Bei sittenwidrigen Rechtsgeschäften sind an eine geltungserhaltende Reduktion hohe Anforderungen zu stellen. Denn die geltungserhaltende Reduktion führt notwendig dazu, dass dem Klauselverwender ein Teilerfolg seines rechtlich missbilligten Handelns verbleibt.421 Insgesamt ist daher im Gesellschaftsrecht die geltungserhaltende Reduktion als Mittel der Vertragserhaltung 420
BGH, Urt. v. 29. 10. 1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699, 699 f. = BB 1990, 2432; Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089, 3089 f. = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette); Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; Urt. v. 20. 01. 2015 – II ZR 369/13, NJW 2015, 1012 Rn. 11 f. = ZIP 2015, 472; OLG Stuttgart, Urt. v. 01. 08. 2001 – 20 U 55/01, NJW 2002, 1431, 1432 = MDR 2002, 483; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23. 10. 2015 – I 22 U 37/15, BeckRS 2015, 17926 Rn. 106 f. = NZG 2016, 120 (Ls.); OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82 Rn. 14 = BeckRS 2018, 27810; siehe auch schon S. 151 ff. 421 BeckOK BGB/Wendtland, § 138 Rn. 33.
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abzulehnen, sofern es um sittenwidrige Klauseln geht.422 Die geltungserhaltende Reduktion knüpfe dogmatisch an den tatsächlichen Parteiwillen an, anhand dessen die angemessene Rechtsfolge zu bestimmen sei.423 Man kann aber unmöglich auf der Basis eines Willens zu sittenwidrigen Handlungen eine angemessene Rechtsfolge entwickeln.424 Auch der BGH erkennt diese Problematik, zieht daraus aber vor allem für gegenständliche Überschreitungen den Schluss, dass sie sittenwidrig und insgesamt nichtig seien.425 Er differenziert zwischen qualitativen und quantitativen Überschreitungen, wobei der räumliche Geltungsbereich wohl als qualitative Größe verstanden wird.426 Diese Differenzierung bringt inhaltlich allerdings keinen Erkenntnisgewinn, da kaum ersichtlich ist, weshalb quantitative (zeitliche) Überschreitungen einer geltungserhaltenden Reduktion zugänglich sein sollen, während qualitative Überschreitungen nicht aufrechterhalten werden können. In jedem Fall ist dem grundsätzlich sittenwidrig Handelnden kein Teilerfolg zu belassen.427 Warum eine besonders extreme quantitative Klausel aufrechterhalten werden kann, während dies bei qualitativen Klauseln anders sein soll, ist nicht begründbar und entbehrt jeder dogmatischen Grundlage.428 Auch die Bedenken des BGH, vertragsgestaltend tätig zu werden, sind nur im Ansatz zu verstehen.429 Selbstverständlich kann das Gericht eigene Erwägungen hinsichtlich der qualitativen Reichweite nicht an die Stelle des Parteiwillens setzen. Selbiges wird aber bei zeitlichen Dimensionen regelmäßig gemacht, wenn eine geltungserhaltende Reduktion vorgenommen wird.430 Die Gedankenoperation ist nur weniger kompliziert, als sie es bei gegenständlich oder räumlich übermäßigen Wettbewerbsklauseln wäre. Geltungserhaltende Reduktionen von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten sind daher insgesamt abzulehnen, da sie regelmäßig bereits dem Grundgedanken des § 138 BGB widersprechen, dass das Risiko der Sittenwidrigkeit den Klauselverwender treffen muss und ihm in diesem Falle sein sittenwidriges Handeln nicht einmal teilweise zugutekommen darf. Die vormals vorgenommene Differenzierung nach qualitativen und quantitativen Überschreitungen scheint der BGH zudem aufgegeben zu haben, da er nun räumlich und gegenständlich zu weitgehende 422
MüKoBGB/Schäfer, § 705 Rn. 174b. MüKoBGB/Schäfer, § 705 Rn. 174a. 424 MüKoBGB/Schäfer, § 705 Rn. 174b. 425 BGH, Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96; NJW 1997, 3089, 3090 = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette); zust. OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZARR 2019, 82 Rn. 14 = BeckRS 2018, 27810. 426 BGH, Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96; NJW 1997, 3089, 3090 = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette); darauf hinweisend auch Römermann, NJW 2002, 1399, 1400. 427 So schon Römermann, NJW 2002, 1399, 1400. 428 Lembke, BB 2020, 52, 59; Römermann, NJW 2002, 1399, 1400. 429 BGH, Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089, 3090 = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette). 430 Ebenso Römermann, NJW 2002, 1399, 1400. 423
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nachvertragliche Wettbewerbsverbote für unzulässig hält.431 Im Übrigen ist es allerdings zutreffend, Wettbewerbsverbote an § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 GG zu messen. (2) § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO Neben dem Ansatz der Rechtsprechung, nachvertragliche Wettbewerbsverbote anhand des § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG zu prüfen, wird in Teilen der Lehre auch aus § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO eine Schranke für die privatautonome Begrenzung des nachvertraglichen Wettbewerbs hergeleitet.432 (a) § 3 Abs. 3 BRAO als Verbotsgesetz (aa) Argumente gegen die Verbotsgesetzqualität Die Gegenansicht führt im Wesentlichen an, dass der Rechtsanwalt keinem Kontrahierungszwang unterliege433 und der Mandant daher ohnehin keinen Anspruch auf einen bestimmten Rechtsanwalt habe.434 Außerdem mache es für den Mandanten keinen Unterschied, ob der Rechtsanwalt das Mandat ablehne, weil er sich dazu entschlossen habe oder weil er sich aufgrund des Wettbewerbsverbots daran gehindert sehe.435 Eich fasst es so zusammen, dass dem Mandanten ohnehin nur etwas genommen werde, auf das er keinen Anspruch habe.436 Michalski/Römermann wenden schließlich noch ein, dass es dem Rechtsanwalt unbenommen bleibe, dennoch Mandate anzunehmen, da das Wettbewerbsverbot nur relativ wirke.437 Bunk438 stellt im Anschluss an Bruckner439 zudem darauf ab, dass die freie Anwaltswahl primär vor staatlicher Beeinflussung schütze. (bb) Die Verbotsgesetzqualität des § 3 Abs. 3 BRAO Der von Becker weiter ausgearbeitete Ansatz,440 welcher auf die Interessen der Mandantschaft abstellt, hat bisher leider wenig Beachtung durch die Rechtsprechung
431
BGH, Urt. v. 18. 07. 2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061, 3062 = NZG 2005, 843. S. o. auf S. 283. 433 Das ergibt sich schon aus § 44 S. 1 BRAO. 434 Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 36; Michalski/ Römermann, ZIP 1994, 433, 442. 435 Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 228 f.; Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 36. 436 Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 229. 437 Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 442. 438 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 181 f. 439 Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 49. 440 S. 283 f. 432
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gefunden.441 Erfreulicherweise ist § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO jedoch in der Literatur teilweise rezipiert worden.442 Zurecht wird § 3 Abs. 3 BRAO von dieser Ansicht als Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB interpretiert.443 Dem Einwand, dass § 3 Abs. 3 BRAO nur vor staatlicher Einflussnahme schütze, ist entgegenzuhalten, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Übertragung des Rechts auf freie Anwaltswahl an einen Mieterverein durch die Mitglieder wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 BRAO unzulässig ist.444 Als „tragende[n] Grundlage der Rechtspflege“ hat § 3 Abs. 3 BRAO eine zivilrechtliche Drittwirkung auf schuldrechtliche Vereinbarungen.445 Für eine Drittwirkung sprechen insbesondere die verfassungsrechtlichen Grundwertungen des Rechts auf freie Anwaltswahl aus Art. 20 Abs. 3 GG.446 Als grundlegender Teil des effektiven Rechtsschutzes jedes Bürgers muss die freie Anwaltswahl vor einem Entzug durch Dritte geschützt werden.447 Dass der Grundsatz der freien Anwaltswahl nicht nur allgemein vor dem Entzug oder der Zuweisung eines Rechtsanwalts durch den Staat schützt, zeigt auch die Norm des § 32 Abs. 2 S. 1 BORA. Diese wird allgemein als Ausdruck des Grundsatzes der freien Anwaltswahl angesehen, schützt aber nicht nur allgemein vor Eingriffen, sondern gerade die besondere Beziehung des Mandanten zu dem Rechtsanwalt, der ihn bisher betreut hat.448 Offenbar ist die freie Anwaltswahl somit 441 Bisher wohl nur in LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 14. 03. 1985 – 7 Sa 107/84, AnwBl 1987, 142, 145. 442 Weyland/Brüggemann, BRAO, § 3 Rn. 49; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 33; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 276 ff.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 412; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 113; Winterstein, NJW 1989, 1463, 1464; wohl auch Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 68 f. 443 A.A. aber Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 49 f.; Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 184; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 227 ff.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 412; Hümmerich, AnwBl 2005, 77, 84; Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 442; Moll, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil L Rn. 129; Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 53. 444 BGH, Urt. v. 26. 10. 1989 – I ZR 242/87, BGHZ 109, 153, 160 = NJW 1990, 578 – „Anwaltswahl durch Mieterverein“; zust. Weyland/Brüggemann, BRAO, § 3 Rn. 47; Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 50 f.; Gaier/Wolf/Göcken/ Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 65; zulässig ist es hingegen Anreize zur Wahl eines bestimmten Anwalts zu setzen, solange kein unzulässiger psychischer Druck entfaltet wird BGH, Urt. v. 04. 12. 2013 – IV ZR 215/12, BGHZ 199, 170 Rn. 25 ff. = NJW 2014, 630 – „Schadenfreiheitsrabatt in der Rechtsschutzversicherung – Freie Anwaltswahl“; ebenso Gaier/ Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 65. 445 BGH, Urt. v. 26. 10. 1989 – I ZR 242/87, BGHZ 109, 153, 160 = NJW 1990, 578 – „Anwaltswahl durch Mieterverein“. 446 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 412; zur dogmatischen Grundlage des Rechts auf freie Anwaltswahl im Grundgesetz S. 276 ff. 447 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 412. 448 Zu § 32 BORA als Ausdruck des Grundsatzes der freien Anwaltswahl Weyland/ Brüggemann, BRAO, § 32 BORA Rn. 2; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 2; vgl. auch schon Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 29 Rn. 12 ff.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
schon berufsrechtlich dazu bestimmt, auch zwischen Sozietät und Sozius – und damit zwischen privaten Subjekten – zu wirken. Den Grundsatz der freien Anwaltswahl nur als Abwehrmechanismus gegen staatliche Eingriffe anzusehen, überzeugt daher nicht. Auch ansonsten kann der Gegenansicht nicht gefolgt werden. Zwar stimmt es, dass der Rechtsanwalt keinem Kontrahierungszwang unterliegt, aber in aller Regel gibt es wenig Grund für einen Rechtsanwalt, ein an ihn herangetragenes Mandat abzulehnen, soweit von Wettbewerbsverboten abgesehen wird. Sollte sich der Anwalt doch dazu entschließen, das Mandat abzulehnen, so sind hierfür regelmäßig Gründe relevant, welche auch im Interesse des Mandanten liegen.449 Denkbar sind die Auslastung des Rechtsanwalts, fehlende fachliche Kenntnisse, eine Aversion gegenüber dem Mandanten oder die Gefahr einer Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43a Abs. 4 BRAO i.V.m. § 3 BORA.450 In jedem Fall besteht die Gefahr, dass der Anwalt das Mandat nicht ideal betreut, was dem Mandanten zum Nachteil gereichen würde.451 Selbst wenn der Anwalt das Mandat zudem ablehnen sollte, handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, deren Eingriffsqualität in das Recht auf freie Anwaltswahl wesentlich geringer ist, als ein dauerhaftes, vertragliches Verbot.452 Die Einzelfallentscheidung schließt letztlich eine spätere Annahme des Mandanten durch den Rechtsanwalt nicht aus, anders als beim Wettbewerbsverbot. Die These Eichs, dass das Motiv der Ablehnung für den Mandanten bedeutungslos wäre, ist daher nicht überzeugend. Der Grundsatz der freien Anwaltswahl als Recht des Mandanten kann auch nicht zur Disposition der Gesellschafter der Sozietät stehen.453 Schließlich ist das daraus entstehende, besondere Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant einerseits wesentlich für den Mandanten in seiner Rechtsverfolgung und seinem effektiven Rechtsschutz, andererseits aber auch von tragender Bedeutung für den Rechtsanwalt, um seiner Rolle als Organ der Rechtspflege gerecht werden zu können.454 Hierfür spricht schon, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Übertragung des Rechts auf freie Anwaltswahl an Personen ohne eigenes Interesse an der Rechtsverfolgung § 3 Abs. 3 BRAO widerspricht.455 Zwar hat der 1. Senat die Frage der Möglichkeit einer individualvertraglichen Einschränkung des Rechts auf 449
Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 120 f. 450 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 120 f.; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 413. 451 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 121. 452 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 413. 453 Zutreffend Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 121 f. 454 Hierzu S. 277 ff. 455 BGH, Urt. v. 26. 10. 1989 – I ZR 242/87, BGHZ 109, 153, 160 = NJW 1990, 578 – „Anwaltswahl durch Mieterverein“.
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freie Anwaltswahl ausdrücklich offengelassen,456 allerdings muss die Disposition Dritter über das Recht des Mandanten unwirksam sein, wenn dieser sein Recht auf freie Anwaltswahl schon nicht formularvertraglich an einen Dritten ohne eigenes Rechtsverfolgungsinteresse übertragen kann. Alles andere käme einem unzulässigen Vertrag zulasten Dritter gleich. Der Einwand, dass der Rechtsanwalt aufgrund des relativ wirkenden Wettbewerbsverbots nicht gehindert werde, Mandate anzunehmen, ist schließlich vor allem formaljuristischer Natur. Einerseits sind Wettbewerbsverbote regelmäßig mit Vertragsstrafen gesichert, welche den Ausgeschiedenen effektiv davon abhalten, gegen das Wettbewerbsverbot zu verstoßen, da sie die Annahme entsprechender Mandate wirtschaftlich unsinnig machen.457 Faktisch wird die Mitnahme entsprechender Mandate daher der Ausnahmefall bleiben. Andererseits stellt auch dieses Argument auf die Sichtweise des ausgeschiedenen Rechtsanwalts ab. Bei § 3 Abs. 3 BRAO stehen aber gerade die Mandanteninteressen im Vordergrund. Diese können durch den faktischen Ausschluss im Einzelfall erheblich beeinträchtigt werden. Geht es etwa um Rechtsbereiche, in denen kaum hochspezialisierte Experten zur Verfügung stehen, so stellt die fehlende Wahlmöglichkeit bezüglich eines Experten bereits eine erhebliche Beeinträchtigung für den Mandanten dar.458 Man denke etwa an Großkanzleien, bei denen ein Partner mitsamt seinem Team die Sozietät wechselt. Der Mandant kann dann nicht weiter den von ihm gewünschten Partner mandatieren, sondern muss bei der Kanzlei bleiben, welche ihm nun erheblich geringere Expertise bieten kann. Alternativ kann er dann nur zu einem der wenigen anderen Experten wechseln, zu denen er unter Umständen aber nicht dasselbe Vertrauen hat oder die bereits ausgelastet sind oder durch die Vertretung eines Wettbewerbers das Risiko einer Interessenkollision sehen und daher im Interesse des Anfragenden das Mandat ablehnen.459 Bei einem Verlust des bisherigen Rechtsanwalts würde der Mandant – insbesondere bei langfristigen Beratungsmandaten – zudem auch das von diesem aggregierte Wissen verlieren, welches sich ein anderer Rechtsanwalt (in derselben oder eine anderen Sozietät) erst mühsam und für den Mandanten kostenintensiv erarbeiten muss.460 (b) Folgen eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 BRAO Aus der Perspektive des Mandanten zieht § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO nachvertraglichen Wettbewerbsverboten damit Grenzen. Freilich kann man diese 456 BGH, Urt. v. 26. 10. 1989 – I ZR 242/87, BGHZ 109, 153, 159 = NJW 1990, 578 – „Anwaltswahl durch Mieterverein“. 457 Für eine Sicherung durch Vertragsstrafen etwa Henssler, PartGG, § 6 Rn. 84. 458 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 32; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 68. 459 Vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 68. 460 Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 68; ebenso Henssler/ Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 32.
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Grenzen nun strikt verstehen und davon ausgehen, dass jegliche nachvertraglichen Wettbewerbsverbote unzulässig und damit nichtig sind.461 Zutreffender erscheint jedoch der vermittelnde Ansatz, den Henssler gewählt hat.462 Aufgrund des verfassungsrechtlichen Hintergrunds des Rechts auf freie Anwaltswahl seien Einschränkungen dieses Rechts immer streng zu prüfen.463 Sie seien aber nicht schlechthin unzulässig, sondern vielmehr statthaft, wenn diese Einschränkungen von anderen höherrangigen Wertungen und Interessen gefordert werden.464 Könne den Interessen der Sozietät daher anders Rechnung getragen werden als durch die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes, dann sei ein solches unzulässig.465 Erfordere der Schutz des Vermögens und des Mandantenstamms der Sozietät aber im Einzelfall ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, müsse ein solches für zivilrechtlich wirksam gehalten werden.466 Regelmäßig könne den Interessen der verbleibenden Sozien durch eine Gewinnabführungsklausel entsprochen werden, sodass nachvertragliche Wettbewerbsverbote kritisch zu betrachten seien.467 Dieser differenzierenden Lösung entspricht im Wesentlichen die hier zuvor vertretene Ansicht, dass Reichweite und Grenzen der freien Anwaltswahl abhängig vom subjektiven Gewicht der konkreten Rechtsangelegenheit im Verhältnis zu den betroffenen Interessen aller Beteiligten zu bestimmen sind.468 (c) Dogmatische Überlegungen zur Einschränkung Insbesondere ist es überzeugend, die vermeintlich strenge Rechtsfolge des § 134 BGB vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Rechts auf freie Anwaltswahl in Anbetracht der vielen divergierenden Interessen von Berufsausübungsgesellschaft, Gesellschafter und Mandant einzuschränken. Fraglich ist aber der dogmatische Anknüpfungspunkt für diese Erwägungen. Henssler verweist hierbei insbesondere auf den Grundsatz der Erforderlichkeit und den der Verhältnismäßigkeit.469 Methodisch einfacher und womöglich eleganter könnte man hierbei auf die Auslegungsregel des § 134 BGB zurückgreifen. Sie findet immer dann Anwendung, 461 So Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 122, 128. 462 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 276 ff, zust. Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 32; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 412 f.; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 68. 463 Vgl. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 278. 464 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 278; vgl. auch Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 68. 465 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 278 f.; zust. Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 32; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 68. 466 Vgl. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 280. 467 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 32; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 278, 280; Henssler, PartGG, § 6 Rn. 80; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 68. 468 So bereits oben auf S. 277 ff. 469 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 278.
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wenn sich aus dem Verbotsgesetz „ein anderes“ ergibt. Gemeint ist damit, dass bereits das Telos der Verbotsnorm nahelegt, dass die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nicht der optimale Weg ist, um dem Willen des Gesetzgebers zur Gültigkeit zu verhelfen.470 Um auf die Auslegungsregel zurückgreifen zu können, müsste sich daher aus dem Telos des § 3 Abs. 3 BRAO ergeben, dass die Nichtigkeit nicht der geeignete Weg ist, um der Norm gerecht zu werden. Das Recht der freien Anwaltswahl dient aber nur dem individuellen Schutz des Mandanten und seiner Entscheidungsfreiheit.471 Diesem Sinn und Zweck entspricht in aller Regel die Nichtigkeit eines Wettbewerbsverbots, welches den Mandanten beeinträchtigt. Die Aufrechterhaltung einer entsprechenden Klausel würde der Norm vor diesem Hintergrund gerade widersprechen. Die Auslegungsregel des § 134 BGB kann daher nicht dazu dienen, diesen Konflikt zu lösen. Vorzugswürdig ist die teleologische Reduktion der Rechtsfolge des § 134 BGB.472 Telos des § 134 BGB ist es, rechtsgeschäftliche Regelungen, deren Inhalt von einem Rechtssatz abgelehnt wird, die Geltung zu versagen.473 Bezogen auf den hier diskutierten Anwendungsfall des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts jedenfalls dann zu weitgehend, wenn die Sozietät ihre Vermögensinteressen und damit in Extremfällen ihr Bestandsinteresse nicht anderweitig schützen kann und die Beeinträchtigung des Rechts der freien Anwaltswahl in Anbetracht der subjektiven Bedeutung der Rechtsangelegenheit für den Mandanten zumutbar erscheint.474 Denn dann kann der Konflikt mit § 3 Abs. 3 BRAO nicht zur Nichtigkeit führen, da der dort niedergelegte Grundsatz ausnahmsweise selbst von höherrangigen Interessen überlagert wird. In den Fällen einer solchen Überlagerung, d. h., wenn die im Rahmen der Rechtsordnung erworbenen Rechtspositionen der Sozietät überwiegen, handelt es sich nicht mehr um ein Rechtsgeschäft, dessen Inhalt von der Rechtsordnung missbilligt wird. Wenn somit das Interesse der Sozietät am Wettbewerbsverbot überwiegt, obwohl der Mandant in seinem Recht aus § 3 Abs. 3 BRAO eingeschränkt wird, muss das Recht des Mandanten hinter den Interessen der Sozietät zurücktreten. Die grundsätzliche Interessenlage zwischen Mandant, Rechtsanwalt und Sozietät lässt dabei im Regelfall die Nichtigkeit des Wettbewerbsverbotes vermuten, da die Vermögensinteressen der Sozietät unter Umständen auf anderem Wege gewahrt werden können.
470
MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 1. Ebenso Weyland/Brüggemann, BRAO, § 3 Rn. 46; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 63; vgl. auch Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 28. 472 Zur teleologischen Reduktion S. 170. 473 MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 1. 474 Zu letzterem als spezielle Anforderung an Beschränkungen der freien Anwaltswahl bereits oben S. 277 ff, 293 f. 471
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Ob Gewinnabführungsklauseln, die insbesondere Henssler favorisiert,475 um dieser Problematik aus dem Weg zu gehen, tatsächlich unproblematisch sind, wird allerdings im Folgenden noch zu untersuchen sein.476 (3) § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Grundsatz der freien Anwaltswahl Der Mandant kann darüber hinaus auch noch auf der Grundlage von § 138 Abs. 1 BGB in seinem Recht auf freie Anwaltswahl geschützt werden. So ging etwa Bruckner davon aus, dass eine Standeswidrigkeit zur Sittenwidrigkeit führe, sodass Wettbewerbsverbote, welche die freie Anwaltswahl beeinträchtigen, standeswidrig, ergo sittenwidrig und damit letztlich nichtig seien.477 Dass jeder Verstoß gegen berufsrechtliche Grundsätze die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nach sich zieht, wird gegenwärtig zurecht nicht mehr ernstlich erwogen. Die Frage, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien Anwaltswahl eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung sittenwidrig macht, ist deshalb aber noch nicht obsolet. Denn jedenfalls, sofern man § 3 Abs. 3 BRAO die Qualität als Verbotsgesetz abspricht, muss erwogen werden, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote nicht nach § 138 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip zu hinterfragen sind.478 Ansonsten würde ein Verstoß gegen diesen Grundsatz, den der BGH479 für verfassungsrechtlich elementar hält, zivilrechtlich keine Folgen nach sich ziehen. Vor diesem Hintergrund der Norm vermag es auch nicht zu überzeugen, wenn eingewandt wird, der Rechtsanwalt habe sich zuvor privatautonom für die Eingehung des Wettbewerbsverbotes entschieden, weshalb eine Sittenwidrigkeit der Klausel nicht anzunehmen sei.480 Mit diesem Argument könnte man die Sittenwidrigkeit stets ablehnen, denn am Anfang jeder rechtsgeschäftlichen Vereinbarung steht eine privatautonome Entscheidung. Außerdem entscheiden über die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht die Ansichten der Vertragsparteien, sondern das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.481 Es gilt ein objektiver Maßstab, bei dem es nicht auf die Vorstellungen Einzelner ankommt.482 Dem Einwand, die Vertragsparteien hätten schließlich zugestimmt oder die Klausel sogar für sittenkonform gehalten, kommt daher keine Durchschlagskraft zu. 475 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 278, 280; Henssler, PartGG, § 6 Rn. 80; ihm folgend Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 32; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 68. 476 Dazu S. 324 ff. 477 Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 125 f. 478 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 280. 479 BGH, Urt. v. 26. 10. 1989 – I ZR 242/87, BGHZ 109, 153, 160 = NJW 1990, 578 – „Anwaltswahl durch Mieterverein“. 480 So aber offenbar Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 184. 481 Vgl. MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 14. 482 BeckOK BGB/Wendtland, § 138 Rn. 16.
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c) Fazit zu den Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote Es bleibt dabei, dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote immer aus der Perspektive aller Betroffenen zu betrachten sind. Sowohl der Rechtsanwalt, der durch das Wettbewerbsverbot in seiner Tätigkeit beschränkt wird, als auch der Mandant, der in seiner freien Anwaltswahl behindert wird, sind jeweils schutzwürdig. Der ausgeschiedene Rechtsanwalt ist über die Grenze des § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG geschützt. Sollte sich ein Aspekt der Vereinbarung hierbei als sittenwidrig herausstellen, wird die Vereinbarung dadurch hinfällig. Für eine geltungserhaltende Reduktion ist im Rahmen des § 138 BGB kein Platz, da der Klauselverwender sonst Vorteile aus seinem sittenwidrigen Handeln ziehen würde. Der Mandant hingegen kann geltend machen, dass das Wettbewerbsverbot zwischen Sozietät und ausgeschiedenem Sozius seine Rechte aus § 3 Abs. 3 BRAO unangemessen einschränkt und es daher seine freie Anwaltswahl unzumutbar beeinträchtigt. Die Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots ergibt sich dann aus § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO. Insgesamt spiegelt sich über diese umfassende Kombination von § 138 BGB und § 134 BGB auch in diesen Normen der Dualismus des Rechts auf freie Anwaltswahl und des Grundsatzes der freien Advokatur wider. Während § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO die Rechte des Mandanten schützt, verwirklicht § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG dieselbe Funktion für den Rechtsanwalt. Subsidiär kann § 138 BGB zum Schutze des Mandanten eingreifen, um das Recht auf freie Anwaltswahl zu schützen. Allerdings wird § 138 BGB naheliegenderweise wohl kein Anwendungsbereich verbleiben, wenn man § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO für anwendbar hält. Denn eine Vereinbarung, die nicht gegen den Grundsatz der freien Anwaltswahl in § 3 Abs. 3 BRAO verstößt, wird gleichzeitig kaum als sittenwidrige Vereinbarung i.S.v. § 138 BGB deklariert werden können. 2. Einzelfälle nachvertraglicher Wettbewerbsverbote a) Niederlassungsverbote Ein Niederlassungsverbot ist grundsätzlich eines der schärfsten Instrumente der Kautelarpraxis, um nachvertragliche Konkurrenz auszuschalten. Anders als Mandantenschutzklauseln verbieten sie nicht die Mitnahme von Mandanten, sondern erlauben es nicht, in einem bestimmten Umkreis überhaupt beruflich tätig zu werden. aa) Die Einschränkung der freien Advokatur Sie stellen damit eine erhebliche Beeinträchtigung der freien Advokatur als Ausprägung von Art. 12 GG dar. Der zulässige Spielraum für eine solche Klausel ist daher im Hinblick auf § 138 BGB schon aus diesem Grund gering. Zeitlich bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass eine Begrenzung auf zwei Jahre noch ange-
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messen ist.483 Läuft das Niederlassungsverbot räumlich auf eine Verpflichtung hinaus, den Bezirk der Niederlassung zu wechseln, dürfte die Klausel bereits zu weitgehend und damit unzulässig sein.484 In jedem Fall zu weit gehend ist die faktische Verpflichtung des Ausgeschiedenen, seinen beruflichen und persönlichen Lebensmittelpunkt zu verändern.485 Ansonsten hängt die Beurteilung von den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Zum einen ist ein wichtiger Gesichtspunkt, ob sich die Sozietät im ländlichen Raum oder in einer Großstadt befindet,486 zum anderen kann auch die Spezialisierung und die damit verbundene Anzahl potenzieller Mandanten wichtig für die Definition einer räumlichen Grenze sein487. Aufgrund der damit verbundenen vielfältigen Einzelfragen können feste Grenzen kaum gebildet werden.488 In Anbetracht der Tatsache, dass der Sozietät in der Rechtspraxis zudem Mandantenschutzklauseln und Gewinnabführungsvereinbarungen zur Verfügung stehen, um sich zu schützen, ist die Zulässigkeit von Niederlassungsverboten unter dem Aspekt der Berufsausübungsfreiheit kaum zu rechtfertigen.489 Denn anders als Mandantenschutzklauseln zielen Niederlassungsverbote nicht nur auf den Schutz bestehender Mandanten und damit auf die Verhinderung der illoyalen Verwertung gemeinsamer Erfolge durch den Ausgeschiedenen ab. Sie dienen im Gegenteil ganz regelmäßig dazu, dem Ausgeschiedenen auch alle anderen potentiellen Mandanten in diesem räumlichen und/oder beruflichen Gebiet vorzuenthalten, sodass er als Wettbewerber gänzlich ausgeschaltet wird.490 Am Maßstab des § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG können Niederlassungsverbote also nur aufrechterhalten werden, wenn diese Unterbindung jeglicher Konkurrenztätigkeit ausnahmsweise erforderlich erscheint.
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BGH, Urt. v. 29. 09. 2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 = NZG 2004, 35. Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 108; Römermann, NJW 2007, 2209, 2214; a.A. wohl aber Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 440; diff. Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 77 f.; zuu weitgehend und das ganze Bundesgebiet als zulässigen räumlichen Bereich eines Wettbewerbsverbots ansehend Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 41 Rn. 10; schon früh gegen Niederlassungsverbote insgesamt Robinow, in: FS Drucker, S. 182, 194. 485 Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1206. 486 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 274. 487 Goette, AnwBl 2007, 637, 644. 488 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 413, jeweils mit Nachweisen. 489 In diese Richtung wohl BGH, Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089, 3090 = DStR 1997, 1413 (m. Anm. Goette); Anm. Goette, DStR 1997, 1413, 1415; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1206; darauf hinweisend auch Spoerr/Brinker/Diller, NJW 1997, 3056, 3060; insgesamt kritisch ebenfalls Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 2261 ff.; a.A. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3. 490 Anm. Goette, DStR 1997, 1413, 1415; vgl. auch Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1206. 484
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bb) Die Beschränkung der freien Anwaltswahl Da sie zudem im Lichte von § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO evaluiert werden müssen, ergibt sich insgesamt ein noch wesentlich strengerer Maßstab. Niederlassungsverbote führen dazu, dass der Ausgeschiedene sich nicht in einem bestimmten Umkreis zur Kanzlei niederlassen darf. Ergo kann er auch keine Mandanten betreuen, die ihn zu einem Tätigwerden in diesem Umkreis zur Altkanzlei zwingen. Damit führt das Niederlassungsverbot im Ergebnis dazu, dass der Ausgeschiedene im Geltungsbereich des Verbots weder neue Mandanten noch alte Mandanten der Sozietät betreuen kann. Der Eingriff in das Recht auf freie Anwaltswahl erstreckt sich damit nicht nur auf Mandanten der Sozietät. An deren Bindung hätte die Sozietät ein nachvollziehbares Interesse. Die Klausel betrifft aber auch völlig fremde Dritte als potenzielle Mandanten, die die Sozietät unter Umständen ohnehin nie mandatiert hätten. Deren Anwaltswahl darf nicht, und sei es nur mittelbar, beeinflusst werden. Insoweit kann auf Seiten der Sozietät kein höherrangiges Interesse am eigenen Bestand anerkannt werden, das eine teleologische Reduktion des § 134 BGB fordern würde. Niederlassungsverbote sind daher nach § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO nichtig.491 b) Beschränkte Mandantenschutzklauseln Im Rahmen von Mandantenschutzklauseln ist die Unterscheidung zwischen beschränkten und unbeschränkten Mandantenschutzklauseln verbreitet. Beschränkt ist eine Mandantenschutzklausel dann, wenn sie es dem Ausgeschiedenen untersagt, aktiv tätig zu werden und Mandanten der früheren Kanzlei abzuwerben.492 Sie werden regelmäßig zurecht für unbedenklich gehalten.493 Hauptgrund ist, dass die Abwerbung häufig lauterkeitsrechtlich durch das UWG494 und zivilrechtlich durch 491 Von einer generellen Unzulässigkeit, allerdings aufgrund von § 138 BGB, ausgehend auch Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 100; a.A. offenbar Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3. 492 Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 129; BeckOGK/Fehrenbach, BGB, § 307 Wettbewerbsverbotsklausel Rn. 176; BeckOK BORA/Günther, § 26 Rn. 27; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 32; Henssler, PartGG, § 6 Rn. 80; Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 250; Moll, in: Henssler/ Streck, SozietätsR-Hdb, Teil L Rn. 132; Römermann, BB 1998, 1489; Hartung/Scharmer/ Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 124; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 84. 493 BAG, Urt. v. 16. 07. 1971 – 3 AZR 384/70, BAGE 23, 382, 388 = NJW 1971, 2245; Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 21 f.; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 144, 254; BeckOGK/ Fehrenbach, BGB, § 307 Wettbewerbsverbotsklausel Rn. 176; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 32; Henssler, PartGG, § 6 Rn. 80; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1209; Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 446; Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 250; Moll, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil L Rn. 132; Römermann, BB 1998, 1489; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 84. 494 Näher hierzu Jänich, Lauterkeitsrecht, § 10 Rn. 60 ff.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
§ 826 BGB verboten ist, sodass die Klausel rechtlich folgenlos bleibt.495 Berufsrechtlich ergibt sich das Verbot aktiver Abwerbung zudem aus § 43b BRAO.496 Auch im Hinblick auf die hier untersuchten Grenzen der §§ 134, 138 BGB ergibt sich nichts Anderes. Im Hinblick auf das Recht auf freie Advokatur ist der Rechtsanwalt nicht in unzulässiger Weise in seiner Berufsausübung eingeschränkt, denn dieses Recht endet dort, wo unlauterer Wettbewerb nach dem UWG und § 826 BGB beginnen. Auf der anderen Seite sind die Mandanten auch nicht in ihrem Recht auf freie Anwaltswahl eingeschränkt. Immerhin können sie weiter frei den Rechtsanwalt ihres Vertrauens wählen. Die Tatsache, dass sie nicht abgeworben werden dürfen, betrifft sie selbst nicht. c) Unbeschränkte Mandantenschutzklauseln Als Gegenbegriff zu den beschränkten Mandantenschutzklauseln verbieten unbeschränkte Mandantenschutzklauseln nicht nur das Abwerben von Mandanten, sondern auch die Annahme von Mandanten, die aus eigenem Entschluss dem Ausgeschiedenen folgen wollen.497 aa) Die Kontrolle anhand von § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG Daher sind derlei Klauseln für den Ausgeschiedenen an § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG zu messen. Sie beschränken dessen Recht zur Berufsausübung, indem sie es ihm grundsätzlich verbieten, Mandanten der Sozietät weiterzubetreuen. Grundsätzlich gibt es hierfür berechtigte Interessen der Sozietät, die ihren Mandantenstamm vor Abwanderungen zu ehemaligen Sozien schützen will. In den von der Rechtsprechung festgelegten Grenzen498 spricht daher jedenfalls unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit und aus der Perspektive des ausgeschiedenen Sozius nichts gegen die Vereinbarung solcher Klauseln, solange der im Mandantenstamm inhärente „Good will“ jedenfalls durch eine am Zukunftserfolgswert der Sozietät ausgerichtete Abfindung kompensiert wird. Ist der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch die Abfindung für den „Good will“ gerechtfertigt und die Mandantenschutzklausel daher prinzipiell wirksam, kann der ausgeschiedene Sozius ihr ausweichen, indem er sich in einer räumlichen Entfernung niederlässt, die Überschneidungen mit dem Mandantenstamm der Sozietät 495
Bitsch/Müller, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 39 Rn. 173; Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 446; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 84; a.A. Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 125 f. 496 Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 110; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1209; Moll, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil L Rn. 132. 497 Henssler, PartGG, § 6 Rn. 80; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 99. 498 S. 151 ff.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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vermeidet, oder indem er in einem anderen Rechtsgebiet tätig wird, das die Sozietät nicht betreut.499 Solchen allgemeinen Wettbewerb, der sich nicht auf die zuvor erlangten Kenntnisse und Verbindungen aus der Sozietät stützt, können die ehemaligen Sozien nicht unterbinden.500 bb) Die Perspektive der Mandantschaft, § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO Kritisch zu betrachten sind solche Mandantenschutzklauseln jedoch aus der Perspektive der Mandantschaft. Sie wird, jedenfalls soweit es sich um Mandanten der Sozietät handelt, effektiv in ihrem Recht beeinträchtigt, den Anwalt ihrer Wahl zu mandatieren. Zwar ist die Mandantenschutzklausel insofern weniger einschränkend als das Niederlassungsverbot, da die unbeschränkte Mandantenschutzklausel nur auf Mandanten der Sozietät abzielt, aber dennoch beeinträchtigt sie diese Mandanten unangemessen in ihrem Recht aus § 3 Abs. 3 BRAO.501 Das gilt a fortiori auch für „erweiterte Mandantenschutzklauseln“.502 Das Verbot, Mandanten anzunehmen, verstößt bereits gegen § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO. Die darüberhinausgehende Verpflichtung, die Mandanten zu einer Rückkehr zur Sozietät zu bewegen, macht die Vereinbarung darüber hinaus im Hinblick auf die damit einhergehende Werbung für die Sozietät berufs- und wettbewerbsrechtlich bedenklich.503 Durch die erweiterte Mandantenschutzklausel wirbt die Sozietät mittelbar für die eigene Tätigkeit, was eine berufsrechtswidrige Handlung nach § 43b BRAO i.V.m. § 6 Abs. 1 BORA darstellt.504 Derlei Verstöße gegen § 43b BRAO i.V.m. §§ 6 ff. BORA können von den Rechtsanwaltskammern berufsrechtlich geahndet und von Mitbewerbern oder Berufsverbänden505 wettbewerbsrechtlich aufgrund der §§ 3, 3a, 5 UWG verfolgt werden.506
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Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1208. Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1208. 501 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3; Henssler, PartGG, § 6 Rn. 80. 502 Zu diesem Begriff S. 151 ff. 503 Insoweit zutr. Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 446; vgl. auch Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3. 504 Vgl. Fezer/Büscher/Obergfell/Becker-Eberhard, UWG, Werbung der freien Berufe, Rechtsanwaltswerbung (S 3), Rn. 108; Henssler/Prütting/Prütting, BRAO, § 43b Rn. 88; BeckOK BORA/Römermann, § 6 Rn. 164. 505 Str. ist, ob auch die Rechtsanwaltskammern unter den Verbandsbegriff fallen und daher nach dem UWG vorgehen dürfen, dafür BGH, Urt. v. 26. 10. 1989 – I ZR 242/87, BGHZ 109, 153, 155 ff. = NJW 1990, 578 – „Anwaltswahl durch Mietverein“; Urt. v. 23. 09. 1992 – I ZR 150/90, BGHZ 119, 225, 227 = NJW 1993, 196 – „Überörtliche Anwaltssozietät“; Urt. v. 30. 04. 1997 – I ZR 154/95, NJW 1997, 2681 = ZIP 1997, 1672 – „Die Besten II“; Urt. v. 02. 04. 1998 – I ZR 4/96, NJW 1998, 2533, 2534 = ZIP 1998, 1044; Peitscher, AnwaltsR, § 35 Rn. 641; a.A. zu Recht Grunewald, NJW 2002, 1369, 1370 f.; Kleine-Cosack, BRAO, Einl. Rn. 127; 500
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Unbeschränkte Mandantenschutzklauseln sind daher entsprechend den zuvor507 entwickelten Grundsätzen regelmäßig unwirksam508 und nur selten ist § 134 BGB teleologisch zu reduzieren, wodurch unbeschränkte Mandantenschutzklauseln ausnahmsweise zulässig bleiben können. Eine solche Fallgestaltung ist etwa denkbar, wenn eine Gewinnabführungsklausel aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht realisierbar sein sollte oder der abgeführte Gewinn den Mandatsverlust nicht annähernd kompensieren könnte, sodass die Sozietät in Existenznöte gerät. Selbst wenn man unbeschränkte Mandantenschutzklauseln für zulässig hält, ist in praktischer Hinsicht zu bedenken, dass Mandanten kaum Verständnis dafür haben werden, wenn der Anwalt ihres Vertrauens aus der Sozietät ausscheidet und sie zukünftig nicht weiter von ihm betreut werden dürfen.509 Die Motivation des Mandanten, weiterhin die Sozietät zu mandatieren, wird daher dementsprechend gering sein. 3. Zwischenergebnis betreffend die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote Damit ist zu konstatieren, dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote nur in sehr engen Grenzen zulässig sein können. Niederlassungsverbote sind wegen Verstoßes gegen das Recht auf freie Anwaltswahl aus § 3 Abs. 3 BRAO unzulässig. Im Übrigen sind sie auch schon im Hinblick auf § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG regelmäßig bedenklich, insbesondere wenn die räumliche Ausdehnung das Ausmaß eines Landgerichtsbezirks erreicht oder überschreitet. Ebenfalls regelmäßig unzulässig wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 BRAO sind unbeschränkte Mandantenschutzklauseln. Sie können zwar im Ausnahmefall über eine teleologische Reduktion von § 134 BGB aufrechterhalten werden, allerdings erfordert eine solche Maßnahme, dass die Unwirksamkeit der Wettbewerbsklausel gravierende Folgen für die Sozietät hätte, die Henssler/Prütting/Prütting, BRAO, § 43b Rn. 98; Redeker, NJW 1982, 1266, 1268; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 39 Rn. 25. 506 Zur berufsrechtlichen Ahndung durch die Kammern Fezer/Büscher/Obergfell/BeckerEberhard, UWG, Werbung der freien Berufe, Rechtsanwaltswerbung (S 3), Rn. 51; BeckerEberhard, AnwBl 2017, 148, 152; Kleine-Cosack, BRAO, § 43b Anhang Rn. 57 ff.; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 39 Rn. 25; zur wettbewerbsrechtlichen Ahndung Fezer/Büscher/Obergfell/Becker-Eberhard, UWG, Werbung der freien Berufe, Rechtsanwaltswerbung (S 3), Rn. 50; Kleine-Cosack, BRAO, § 43b Anhang Rn. 3 ff.; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, § 3a Rn. 1.157; Henssler/Prütting/Prütting, BRAO, § 43b Rn. 95 ff.; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 39 Rn. 26; Weyland/Träger, BRAO, § 43b Rn. 10; diff. Ohly/Sosnitza/Ohly, UWG, § 3a Rn. 40. 507 S. 293 ff. 508 Ebenso Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 33; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 280; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 412; Kopp, in: Henssler/Streck, SozietätsRHdb, Teil C Rn. 92; Peres/Schmid, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 10 Rn. 113; offenbar auch Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3. 509 Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1207.
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sie in ihrem Bestand gefährden. Nur dann überwiegen die Interessen der Sozietät derartig, dass das Recht auf freie Anwaltswahl der Mandanten dahinter zurückstehen muss. Uneingeschränkt zulässig sind lediglich beschränkte Mandantenschutzklauseln, da sie nur festhalten, was ohnehin gesetzlich bereits gilt. Sie werden allerdings nur ungern vereinbart.510 Grund hierfür ist, dass Verstöße nur ermittelt werden können, indem die Sozietät Kontakt zu den abgewanderten Mandanten aufnimmt, um festzustellen, ob es Maßnahmen zur Abwerbung durch den Ausgeschiedenen gegeben hat.511 Ein solches Verhalten wäre allerdings für alle Beteiligten peinlich und wirft kein gutes Licht auf die Sozietät und den Ausgeschiedenen.512 Richtigerweise sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote daher vorsichtig zu behandeln, da sie entweder nichtig oder nicht wirksam durchsetzbar sind. Zudem sind sie aus der Perspektive der Mandantschaft kaum nachvollziehbar. Schließlich wird dem Mandanten der vertraute Anwalt entzogen und die Sozietät erweckt nach außen den Eindruck, als würde sie den qualitativen Wettbewerb fürchten. Dabei ist der Wettbewerb zwischen Rechtsanwälten ein notwendiges Mittel zur Sicherung und Steigerung der Rechtsberatungsqualität und in der sozialen Marktwirtschaft gerade die Norm und nicht die Ausnahme.513 Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis gerät bei der Diskussion um die, bei Freiberuflern tradierten, Wettbewerbsverbote zu häufig in den Hintergrund oder wird sogar umgekehrt. Daher sind Wettbewerbsverbote nach hiesiger Auffassung nur in engen Grenzen zulässig. Denn der Wettbewerb der Fähigkeiten ist auch im Rahmen der Rechtsberatung die Basis für einen funktionierenden Markt. Die Verhinderung des Wettbewerbs, sei sie vollkommen oder nur partiell, bedarf einer besonderen Rechtfertigung auf der Basis höherwertiger Interessen und nicht umgekehrt.
III. Gewinnabführungsklauseln im Lichte des anwaltlichen Berufsrechts Im Anschluss an die vorherigen Überlegungen zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten wird nun auf unmittelbar das Vermögen betreffende Ansprüche einzugehen sein. Zuvorderst handelt es sich hierbei um gesellschaftsvertragliche Klauseln zur Abführung von Gewinnen, die aus der Mitnahme von Mandanten resultieren. Schließlich stand die Unzulässigkeit der unbeschränkten Mandantenschutzklauseln unter dem Vorbehalt, dass den Interessen der Sozietät anderweitig 510
Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 125. Zu angestellten Rechtsanwälten, Hümmerich, AnwBl 2005, 77, 86. 512 Hümmerich, AnwBl 2005, 77, 86; zustimmend Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/ FAO, § 26 BORA Rn. 125. 513 Vgl. Reuter, in: FS Immenga, S. 667; insgesamt von Wettbewerbsabreden abratend und die Realteilung durch Wettbewerb befürwortend Anm. Goette, DStR 1997, 1413, 1416. 511
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Rechnung getragen werden kann, etwa, indem die Folgen des Mandantenabflusses über einen Gewinnausgleich reguliert werden.514 Alternativ wird zu untersuchen sein, ob sich entsprechende Ansprüche der Sozietät nicht schon aus dem Gesetz ergeben. 1. Motivlage und Untersuchungsgegenstand Genau wie bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ist auch bei Klauseln, die lediglich eine Gewinnabführung regeln, zu untersuchen, ob sie nicht ebenfalls gegen den Grundsatz der freien Advokatur oder den Grundsatz der freien Anwaltswahl verstoßen. Sie mögen zwar auf den ersten Blick weniger intensiv in die Rechte von Anwalt und Mandant eingreifen als etwa ein Verbot, Mandate mitzunehmen, aber dennoch beeinflussen sie die Entscheidung eines Anwalts, einen bestimmten Mandanten mitzunehmen. So könnte es etwa dem Grundsatz der freien Anwaltswahl widersprechen, wenn Anwälte im Anschluss an die Mandantenbefragung515 diejenigen Mandanten, die weiter von ihnen betreut werden möchten, nicht annehmen können, weil die Weiterbetreuung für sie wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint. Das könnte der Fall sein, wenn für das übernommene Mandat Ausgleichszahlungen an die Sozietät zu leisten sind, die nun am Wert des Mandats nicht mehr partizipiert. Sind die vereinbarten Ausgleichszahlungen für den Ausgeschiedenen erdrückend und berücksichtigt man, dass der Ausgeschiedene die Fixkosten, wie Miete für Büros, Personalkosten und Sachkosten, welche zuvor durch mehrere Gesellschafter zu teilen waren, nunmehr allein tragen muss, so kann die Höhe der Gewinnabführungspflicht den ausgeschiedenen Sozius zur Ablehnung des Mandats zwingen. 2. Natur und Arten von Gewinnabführungsvereinbarungen Gewinnabführungsklauseln regeln im Falle des Ausscheidens eines Rechtsanwalts aus der Sozietät dessen Verpflichtung, bei der Mitnahme von Mandanten einen Teil der zukünftig erzielten Honorare an die Sozietät abzuführen. Terminologisch wird daher auch oft von Mandantenübernahmeklauseln gesprochen.516 Henssler scheint insofern in seiner Kommentierung zu § 32 BORA zu differenzieren und verwendet den Terminus der „Gewinnabführungsklausel“ für ausgeschiedene Rechtsanwaltsgesellschafter, während eine „Mandantenübernahmeklausel“ der 514
Hierzu S. 293 f. S. 162 ff., 165 ff. 516 Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 250; zu angestellten Rechtsanwälten Bitsch/Müller, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 39 Rn. 178; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 131, 178; BeckOGK/Fehrenbach, BGB, § 307 Wettbewerbsverbotsklausel Rn. 177; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 127. 515
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Terminus für Klauseln in den Verträgen angestellter Rechtsanwälte ist.517 Zur trennscharfen Abgrenzung der Fälle soll sich dieser Unterscheidung im Folgenden angeschlossen werden. Nichtsdestotrotz ist zu beachten, dass beide Termini in der Praxis wohl überwiegend synonym verwendet werden. Die Unterscheidung macht bereits deutlich, dass derlei Klauseln praktisch sowohl in Sozietätsverträgen zwischen Rechtsanwaltssozien als auch in Arbeitsverträgen zwischen Sozietäten und angestellten Rechtsanwälten Anwendung finden. Inhaltlich gibt es gleichwohl Unterschiede in der Bewertung, sind Gesellschafter in der Regel doch wesentlich freier in der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags, als es Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsrechts sind. Für die Gesellschafter der Sozietät kann die Verpflichtung zur Gewinnabführung im Rahmen der Privatautonomie daher sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Klassisch ist eine Vereinbarung, aufgrund derer der ausgeschiedene Rechtsanwalt über einen bestimmten Zeitraum einen gewissen Teil seiner Honorare, welche er aus mitgenommenen Mandaten erzielt, an seine vorherige Kanzlei abführen muss.518 Daneben wird zum Teil dafür plädiert, eine reine Ausgleichszahlung vorzusehen, welche sich am Honorar orientiert, das in der Vergangenheit durch die Bearbeitung des Mandats erzielt wurde.519 Unabhängig von der inhaltlichen Ausgestaltung handelt es sich somit um gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen, für die die Grenzen der §§ 134, 138, 723 Abs. 3 BGB gelten.520 3. Inhaltliches zu Gewinnabführungsvereinbarungen Als rechtliches Minus zu Wettbewerbsverboten werden Gewinnabführungsklauseln für grundsätzlich zulässig gehalten.521 Dies ergibt sich bei näherer Betrachtung unabhängig vom individuellen Standpunkt zur Rechtmäßigkeit von Wettbewerbsverboten. Wer diese nämlich für zulässig hält, muss sich a maiore ad minus auch für Gewinnabführungsklauseln als rechtmäßige Vereinbarungen aussprechen. Anhänger der auch hier befürworteten Ansicht, dass Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten kritisch zu bewerten sind, schlagen Gewinnabführungsvereinbarungen demgegenüber regelmäßig als (grundsätzlich) zulässige Alternative
517
Vgl. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 33 f., 36. So etwa das übliche Modell bei Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 33 f.; Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 446 f.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 84. 519 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 34; vgl. auch Gaier/Wolf/Göcken/ Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3. 520 Hierzu ausführlich S. 324 ff. 521 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 282; Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 446. 518
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vor.522 Im Hinblick auf die grundsätzliche Zulässigkeit von Gewinnabführungsvereinbarungen ist dem durchaus beizupflichten. Sie vermögen es in angemessener Weise, die Interessen von Sozietät, ausgeschiedenem Sozius und Mandanten in Einklang zu bringen. Während die Sozietät für den Abfluss der Mandate eine zumindest anteilige Entschädigung erhält, erhält der ehemalige Sozius die Möglichkeit, sich auch außerhalb der Sozietät eine wirtschaftliche Lebensgrundlage zu schaffen. Für Mandanten ist die Klausel wiederum vorteilhaft, weil sie nicht den Zugang zu einem bestimmten Anwalt sperrt, sodass das Recht auf freie Anwaltswahl regelmäßig nicht übermäßig eingeschränkt wird. Problematisch sind damit in der Regel vor allem die inhaltlichen Aspekte der Gewinnabführungsklausel, wie die Höhe des abzuführenden Honorars und die Dauer der Abführung. Da es sich um gesellschaftsvertragliche Abreden der Sozien handelt, sind auch hier die allgemeinen Schranken der §§ 134, 138, 723 Abs. 3 BGB der Maßstab der folgenden Prüfung. a) Die Höhe der Abführungsquote Die Berechnung der Abführungsquote soll dergestalt erfolgen, dass nach Abzug eigener Kosten dem Mandatsbearbeiter zumindest der Wert der eigenen Arbeitsleistung verbleibt.523 Kosten sollen hierbei die eigenen Kanzleikosten und der abzuführende Betrag sein.524 Da der Gewinnanteil eines Mandats im Verhältnis zum Umsatz bei 50 %-60 % liege, könne die Abführungsquote höchstens 30 % betragen.525 Andere halten diese Quote für zu hoch und stellen auf niedrigere Sätze wie 25 %526 oder gar 20 %527 ab. Aber auch sehr hohe Sätze von 50 % werden vertreten,
522 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 136, 147; Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 111 f., 127 f.; Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 3 Rn. 32; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 33 f.; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 282 f.; Gaier/Wolf/ Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 3 BRAO Rn. 68. 523 Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 79. 524 Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 446; vgl. auch Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 143, der die Kanzleikosten als einmalige Fixkosten des Mandats und laufende Gesamtkosten der Kanzlei spezifiziert. 525 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3; Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 79. 526 Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 253; Michalski/ Römermann, ZIP 1994, 433, 447; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 85. 527 Büsken, MDR 1985, 898, 901; diff. Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 188, bei Arbeitnehmern seien 25 % maximal zulässig; 20 % seien der regelmäßig angemessene Betrag; für Gesellschafter sei „in der Regel eine geringere prozentuale Beteiligung“ statthaft.
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unter Hinweis darauf, dass sich die Höhe der Ausgleichszahlung am Wert des Mandats zu orientieren habe.528 Der BGH hat zumindest für eine gemischte Sozietät aus Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern festgestellt, dass die Abführung eines Betrages, welcher dem Mittelwert der letzten drei Jahreshonorare entspricht, zu hoch ist, weil sie die Mandatsmitnahme zumindest kurzfristig wirtschaftlich sinnlos erscheinen lässt.529 b) Die Abführungsdauer Hinsichtlich der Abführungsdauer gibt es ebenfalls verschiedene Ansätze, um diese zu bestimmen. Zum Teil wird eine Höchstdauer von vier Jahren als zulässig angesehen.530 Bruckner hält eine Spanne von drei bis vier Jahren für angemessen.531 Aber auch Höchstdauern von fünf, drei und zwei Jahren finden sich in der Literatur.532 Damit besteht im Hinblick auf die zulässige Höchstdauer der Gewinnabführung ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit für den Rechtsanwender. Auch die Ansätze, um das zulässige zeitliche Höchstmaß zu bestimmen, zeugen von dieser Unsicherheit. Für die Höchstdauer von zwei Jahren wird zum Teil ein dogmatischer Ansatzpunkt durch die Anlehnung an § 74a Abs. 1 S. 3 HGB geboten.533 Der Sache nach handelt es sich dabei um eine Analogie zu den Vorschriften über Wettbewerbsverbote zulasten von Handlungsgehilfen. Andere wiederum wählen als Ansatzpunkt die fünfjährige Maximaldauer für Wirtschaftsprüfer und stellen dann darauf ab, dass jedenfalls dies vor dem Hintergrund von Art. 12 GG und § 74a Abs. 1 S. 3 HGB zu lang sei, sodass für Rechtsanwälte drei Jahre gerechtfertigt seien.534 528
288. 529
Obergrenzen von 20 % seien „völlig realitätsfremd“, Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 285,
BGH, Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 = DStR 1996, 1254, 1255 (m. Anm. Goette); zust. Goette, ZGR 46 (2017), 426, 436. 530 Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 253; Michalski/ Römermann, ZIP 1994, 433, 447; Römermann, BB 1998, 1489, 1490; Römermann, NJW 2002, 1399, 1400. 531 Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 79. 532 Für fünf Jahre Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 85; für drei Jahre Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 3; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 286; für zwei Jahre Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 144; Büsken, MDR 1985, 898, 901; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 34; unklar Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 190, 255. 533 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 144; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 190; Koch/ Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1210; vgl. auch Büsken, MDR 1985, 898, 901. 534 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 286 m.w.N. zur fünfjährigen Frist bei Wirtschaftsprüfern.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Im Endeffekt vermag keiner dieser starren Ansätze zu überzeugen. Wer auf § 74a Abs. 1 S. 3 HGB analog abstellt, übersieht, dass eine Gesetzesanalogie immer eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraussetzt.535 Zweifellos besteht im Hinblick auf Wettbewerbsverbote unter Gesellschaftern eine Regelungslücke, angesichts der langen Historie der Problematik und der Untätigkeit des Gesetzgebers. Obwohl mit den §§ 74 ff. HGB eine parallele Regelung für Arbeitsverhältnisse besteht, ist schon zweifelhaft, ob die Regelungslücke aus der Perspektive des Gesetzgebers noch planwidrig ist. Jedenfalls fehlt es aber an einer vergleichbaren Interessenlage. Die §§ 74 ff. HGB sind historisch Schutzvorschriften zugunsten des Arbeitnehmers, was bereits die Gesetzesnovelle vom 10. 06. 1914536 durch die Einfügung der §§ 74a-74c, 75a-75f und 82a HGB verdeutlicht hat.537 Wenngleich nicht mehr alle diese Vorschriften fortbestehen, so hat die umfassende Ergänzung des Abschnitts doch diesen Schutzzweck deutlich gemacht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie eingefügt wurden, um „umfassender und drückender Konkurrenzbeschränkungen“ durch die Kaufleute (und damit die Arbeitgeber) Herr zu werden.538 Insgesamt ist die Begründung zum Gesetzesentwurf von dem Gedanken getragen, dass sich Handlungsgehilfen aufgrund der unterschiedlichen Verhandlungsmacht kaum gegen die ihnen diktierten Klauseln wehren konnten.539 Wenn aber tragender Gedanke der §§ 74 ff. HGB das Über-/Unterordnungsverhältnis der Vertragsparteien ist, können sie auf gleichberechtigte Gesellschafter keine Anwendung finden.540 Dies gilt allgemein, aber auch speziell für den Zweijahreszeitraum des § 74a Abs. 1 S. 3 HGB. Denn die kurze Dauer von zwei Jahren ist freilich ebenfalls den unterschiedlichen Verhandlungspositionen der Vertragsparteien geschuldet. Zudem spricht gegen die Analogie zu § 74a Abs. 1 S. 3 HGB, dass es hier um Gewinnabführungsvereinbarungen geht, während die §§ 74 ff. HGB Wettbewerbsverbote behandeln.541 Gewinnabführungsvereinbarungen sind aber gerade keine Wettbewerbsverbote, sondern lassen den Wettbewerb vielmehr ausdrücklich zu.542 Eine Analogie zu § 74a Abs. 1 S. 3 HGB ist daher abzulehnen.543 535
Zu den Voraussetzungen der Analogie Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202. RGBl. S. 209 ff. 537 EBJS/Boecken/Rudkowski, HGB, § 74 Rn. 2. 538 Verhandlungen des Reichstags, Bd. 300, Aktenstück Nr. 575, 725, 727. 539 Vgl. Verhandlungen des Reichstags, Bd. 300, Aktenstück Nr. 575, 725, 727 f. 540 EBJS/Boecken/Rudkowski, HGB, § 74 Rn. 9; Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 127 f.; Reuter, in: FS Immenga, S. 667, 668 ff.; Zu Organmitgliedern – sich im Ergebnis aber der Gegenansicht anschließend – Lembke, BB 2020, 52, 58 f. Bei Arbeitnehmer-Gesellschaftern gilt dies zum Schutz der Arbeitnehmer nicht mit gleicher Strenge, denn diese sind den übrigen Gesellschaftern rechtlich (etwa bei Stimmrechten und Kündigungsmöglichkeiten) häufig nicht gleichgestellt, S. 117 ff. 541 Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 447. 542 Zutr. Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 181; Michalski/ Römermann, ZIP 1994, 433, 447. 536
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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Die Norm kann vor diesem teleologischen Hintergrund auch insgesamt nicht fruchtbar gemacht werden, um aus ihr Schlüsse für Gewinnabführungsvereinbarungen zu ziehen. Daher ist auch die Ansicht abzulehnen, die dem § 74a Abs. 1 S. 3 HGB die Wertung entnimmt, dass jedenfalls fünf Jahre zu lang seien. Das mag im Einzelfall tatsächlich unverhältnismäßig lang sein, kann aber in dieser Pauschalität nicht auf § 74a Abs. 1 S. 3 HGB gestützt werden. Auch der bloße Verweis auf Art. 12 GG trägt diese Einschränkung wohl nicht. Ohne Frage muss die Berufsausübungsfreiheit vor übermäßig langen und intensiven Eingriffen durch Gewinnabführungsvereinbarungen geschützt werden. Die bloße Länge alleine ist – völlig losgelöst von dem abzuführenden Betrag – jedoch kein ausreichender Hinweis auf eine unverhältnismäßige Einschränkung. c) Überblick zur Gesamtschau von Abführungshöhe und -dauer Alle Ansätze, die beiden Größen jeweils für sich zu bestimmen, sind bereits von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Angemessenheit der Gewinnabführung ergibt sich regelmäßig erst aus der Zusammenschau von Abführungshöhe und -dauer, sodass die finanzielle Gesamtbelastung für den durch die Klausel Verpflichteten absehbar ist.544 So wird eine Quote von 30 % bei einer Dauer von drei bis vier Jahren für angemessen gehalten, wobei die Berechnungsgrundlage ein Jahresumsatz des jeweiligen Mandats ist.545 Auch eine Höchstdauer von fünf Jahren bei 25 % Abführungsquote wird vertreten.546 Auf der ersten Alternative aufbauend wird als präziserer Ansatz vertreten, eine 25 %ige Abführungsquote mit einer Dauer von genau vier Jahren zu verbinden.547 Das führt in den ersten beiden Varianten dazu, dass unter Umständen mehr als ein Jahresumsatz und in der zweiten Variante genau ein Jahresumsatz abgeschöpft wird. Zum Teil wird demgegenüber für eine Abführungsquote von 50 % eines Jahresumsatzes plädiert.548 Das ist zwar langfristig günstiger für den Ausgeschiedenen, kann aber potentiell kurzfristig misslich sein, da die gesamten 50 % bereits im ersten Jahr nach dem Ausscheiden verlangt werden könnten.549 Potentiell genauer ist es, den Gewinn nicht anhand des Jahresumsatzes der Vergangenheit zu schätzen und so eine Abschlagszahlung herbeizuführen, sondern ihn anhand der tatsächlich durch den 543 Insgesamt die Analogiefähigkeit der §§ 74 ff. HGB ablehnend EBJS/Boecken/Rudkowski, HGB, § 74 Rn. 9; MüKoHGB/v. Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 9; Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 338. 544 Vgl. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 287; Henssler, PartGG, § 6 Rn. 81. 545 Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 79. 546 Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 85. 547 Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 447. 548 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 288. 549 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 288.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Ausgeschiedenen erzielten Honorare zu bemessen.550 Obgleich präziser, ist diese Variante doch ungleich anfälliger für Manipulationen durch eine verspätete Rechnungstellung des Ausgeschiedenen.551 In jedem Fall könne die Abführungsquote über mehrere Jahre gestreckt werden, wobei der Stundungseffekt es dann erlaube, auch mehr als 50 % des Jahresumsatzes zu verlangen.552 So begegne eine Quote von jeweils 20 % über drei Jahre keinen rechtlichen Bedenken.553 In einer neueren Kommentierung vertritt Henssler aber auch eine Aufteilung von je 25 % über zwei Jahre.554 d) Schlussfolgerungen zu Abführungshöhe und -dauer Somit ergeben sich aus dieser Gesamtschau auch die wesentlichen Leitlinien für die Behandlung von Gewinnabführungsvereinbarungen. Zum einen ist zu entscheiden, ob die Gewinnabführungsvereinbarung als Berechnungsbasis den Jahresumsatz der Vergangenheit nutzt oder ob Berechnungsbasis nicht vielmehr die tatsächlich erzielten Honorare sein sollten. Zum anderen ist bei der Evaluierung von Höhe und Dauer zu fragen, ob ein Jahresumsatz oder sogar mehr abgeschöpft werden kann oder ob dies nicht zu hoch erscheint und womöglich nur ein halber Jahresumsatz die Grenze darstellt. Des Weiteren kommt es freilich darauf an, welche Mandate in die Gewinnabführungspflicht einbezogen werden. aa) Gewinnabführungspflichtige Mandate (1) Die Unterscheidung nach selbst und fremd akquirierten Mandaten Einerseits könnten jegliche Mandate, welche der ausgeschiedene Sozius mitnimmt, in die Pflicht zur Gewinnabführung einbezogen werden.555 Andererseits können auch lediglich die Mandate in die Gewinnabführungspflicht einbezogen werden, die der ausgeschiedene Sozius nicht selbst akquiriert hat.556 Beide Ansätze lassen erkennen, weshalb im Rahmen der Abführungsquote so unterschiedliche Prozentsätze befürwortet werden. Auch im Rahmen von Gewinnabführungsvereinbarungen muss, wie bei Wettbewerbsverboten, ein Ausgleich der 550
Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 288. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 34. 552 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 288. 553 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 288. 554 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 34. 555 So offenbar Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 253; Büsken, MDR 1985, 898, 901; Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 446 f. 556 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 33; Henssler, PartGG, § 6 Rn. 81; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 284; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1210; in dieselbe Richtung gehen wohl Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 143; Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 76. 551
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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entgegenstehenden Interessen von Sozietät und ausgeschiedenem Sozius gefunden werden. Während sich die Sozietät vor einem kompensationslosen Abfluss des „Good will“ und einer illoyalen Verwertung der gemeinsamen Arbeit schützen will,557 hat der Ausgeschiedene ein Interesse daran, sich auch nach dem Ausscheiden eine berufliche und wirtschaftliche Existenz aufbauen zu können. Vor diesem Hintergrund muss derjenige, der sowohl selbst akquirierte als auch nicht selbst akquirierte Mandate für abführungspflichtig hält, die Abführungsquote so niedrig bestimmen, dass nach Abzug der Kanzleikosten und des abzuführenden Betrages genug Honorar zur Bestreitung des Lebensunterhaltes übrigbleibt. Geht man hingegen davon aus, dass selbst akquirierte Mandate entschädigungslos mitgenommen werden dürften, so könnte aus diesen der Lebensunterhalt bestritten werden.558 Da die berufliche Existenz somit gesichert wäre, könnte die Quote bei den abführungspflichtigen Mandaten dementsprechend höher liegen und individuell an den wirtschaftlichen Wert des Mandates angepasst werden.559 In der Regel läge die angemessene Ausgleichszahlung dann über den vom ausgeschiedenen Sozius im ersten Jahr nach dem Ausscheiden erzielten Erträgen.560 (2) Bedenken gegen diese Differenzierung (a) Faktische Unmöglichkeit der Mandatsakquise Diese Schlussfolgerung begegnet bei näherem Hinsehen jedoch Bedenken. Zwar bemüht sie sich um einen angemessenen Ausgleich der gegenüberstehenden Interessen von Sozius und Sozietät, allerdings erscheinen verschiedene Aspekte dieser Theorie angreifbar. Zunächst lässt sich oft nicht zweifelsfrei feststellen, welcher Sozius ein bestimmtes Mandat akquiriert hat. Gerade in größeren Sozietäten, in denen unterschiedliche Sozien aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeiten Beziehungen zu denselben Mandanten aufgebaut haben, wird sich oft nicht feststellen lassen, welcher Sozius für die Mandatserteilung im Einzelnen verantwortlich war.561 Zudem ist schon nicht gesagt, dass selbst akquirierte Mandanten dem ausscheidenden Sozius tatsächlich immer folgen. Möglicherweise bleiben sie schon aufgrund des besonderen Rufs der Kanzlei weiterhin bei dieser, obwohl die Zusammenarbeit mit dem Ausgeschiedenen vertrauensvoller Natur war.562 Ebenso denkbar ist es, dass Mandanten bei der Kanzlei bleiben, weil sie nun regelmäßig von einem anderen Partner aus einem anderen Fachbereich betreut werden, der bei der Kanzlei verbleibt, 557 558 559 560 561 562
S. 150 f. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 284. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 284 f. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 285. Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 5 Rn. 32. H. P. Westermann, AnwBl 2007, 103, 108.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
obwohl sie ursprünglich vom Ausscheidenden akquiriert wurden. Möglicherweise kam der Mandant ursprünglich aufgrund eines arbeitsrechtlichen Mandats zur Kanzlei, hatte anschließend jedoch vor allem gesellschaftsrechtliche Fragen zu betreuen. Solche Mandate wird ein Experte im Arbeitsrecht, obwohl es „sein“ Mandant ist, an den zuständigen Sozius im Gesellschaftsrecht weiterreichen; oder der Mandant bleibt in der Sozietät, weil es noch einen weiteren Experten im entsprechenden Rechtsgebiet in der Sozietät gibt, der noch Kapazitäten hat. Darüber hinaus könnte der ausscheidende Sozius auch schlicht und ergreifend keine oder kaum Mandanten selbst akquiriert haben, weil er über die fachliche Arbeit hinaus vor allem mit Verwaltungs- oder Leitungsaufgaben, wie Personalführung, EDV-Aufgaben oder Legal Tech, innerhalb der Sozietät betraut ist.563 Diese haben ihren eigenen Wert, spiegeln sich aber nicht in akquirierten Mandanten wider und können daher von diesem Gesellschafter nicht mitgenommen werden. Es kann daher viele Gründe geben, aufgrund derer Mandanten einem Sozius nicht folgen. Die Annahme, der Sozius könne seinen Lebensunterhalt bereits aus den zuvor selbst akquirierten Mandaten sichern, unterliegt damit erheblichen Unwägbarkeiten. Sie ist immer abhängig von der Struktur der jeweiligen Sozietät und der Position des jeweiligen Sozius im Hinblick auf Mandantenbeziehungen. (b) Der „Good will“ als Teil des Gesamthandsvermögens Zum anderen erscheint auch die zugrundeliegende Prämisse, dass selbst akquirierte Mandate als Teil des vom ausgeschiedenen Sozius geschaffenen „Good will“ ihm zustehen und daher keiner Ausgleichspflicht unterliegen, bedenklich. Regelmäßig nimmt ein Sozius selbst akquirierte Mandate für die gesamte Sozietät an. Diese Vertragsverhältnisse sind als Vermögenswert daher der Sozietät selbst zuzuordnen.564 Dem entspricht es auch, dass die dem Mandat immanente Chance auf künftige Erträge ebenfalls der Sozietät zuzuordnen ist, und zwar unabhängig von der naturgemäß personenbezogenen individuellen Beratungsleistung durch einen Sozius.565 Daneben ist es nicht unüblich, dass der beratende Sozius nicht der akquirierende Sozius ist.566 Die interne Aufgabenverteilung erfordert oft, dass der jeweilige Spezialist auf dem Fachgebiet die eigentliche Beratungsleistung erbringt, selbst wenn der akquirierende Sozius nach außen als Berater auftritt. So kann es Partner geben, die nur dafür zuständig sind, bei Mandaten der übrigen Kollegen ihre Expertise 563 Zum Einfluss solcher Tätigkeiten auf den „Good will“ auch Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 155 f.; H. P. Westermann, AnwBl 2007, 103, 108. 564 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 79. 565 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 91. 566 Vgl. Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 29 Rn. 13.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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beratend einzubringen, sodass sie zwar einen wesentlichen Teil der Rechtsberatung übernehmen, aber gegenüber dem Mandanten nicht auftauchen.567 In solchen Fällen lässt sich der geschaffene „Good will“ kaum einem der Sozien allein zuordnen, denn der „Good will“ umfasst nicht nur die erstmalige Akquise, sondern auch die Stärke der Mandantenbindung. Letztere hängt wesentlich von der Qualität der Beratungsleistung und der daraus resultierenden Zufriedenheit des Mandanten ab. Der „Good will“ der Gesellschaft als immaterieller Wert wird daher im Rahmen des modernen Gesamthandsprinzips von allen Gesellschaftern gemeinsam für die Sozietät und deren Vermögen geschaffen.568 Die Annahme, er sei im Fall der Auseinandersetzung einfach aufzuteilen, indem man dem jeweiligen Sozius die selbst akquirierten Mandate als seinen Anteil am „Good will“ zuteilt, ist abzulehnen, da der „Good will“ wie die sonstigen Teile des Vermögens der Gesamthand zusteht. Der Austritt eines Sozius ändert nichts daran, dass das Gesellschaftsvermögen unter Einschluss aller materiellen und immateriellen Vermögenspositionen aufgrund des modernen Gesamthandsprinzips nur der Sozietät zusteht.569 Zweifellos ist die Mandatsakquise eine äußerst wichtige Tätigkeit für die Sozietät. Ob ein Sozius, der weniger Mandate für die Kanzlei gewinnt, weil er intern Verwaltungsaufgaben oder extern Lehraufgaben übernimmt, einen geringeren Anteil am „Good will“ verdient, ist aber fraglich, da auch er der Kanzlei intern bzw. in der Außendarstellung wertvolle Dienste erwiesen hat.570 Die Erledigung solcher Aufgaben – langfristig gesehen häufig sogar zum eigenen Nachteil571 – erlaubt es den übrigen Gesellschaftern, sich intensiv den Mandantenbeziehungen und der qualitativ hochwertigen Betreuung der Mandanten zu widmen.572 Diese enge Bindung an die Mandanten macht wiederum zu einem Großteil den „Good will“ der Kanzlei aus, sodass auch diese mittelbaren 567
H. P. Westermann, AnwBl 2007, 103, 108 f., der zurecht und pointiert überdies darauf hinweist, dass Partner, die vor allem in Golfklubs und bei weiteren gesellschaftlichen Anlässen Akquise betreiben, hierdurch einen Überhang an Mandaten für sich generieren könnten, ohne bei der eigentlichen Rechtsberatung allzu viel beizusteuern. 568 Zur Lehre des modernen Gesamthandsprinzips, K. Schmidt, GesR § 58 IV 2 a); zurecht kritisch gegenüber dem Konzept der Gesamthand Röder, AcP 215 (2015), 450, 494 ff. 569 Gummert, in: MünchHdb-GesR I, § 13 Rn. 2; K. Schmidt, GesR § 58 IV 2 a); Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 25 Rn. 558. 570 So stellen etwa „managing partner“ ihre Mandatsarbeit in größeren Sozietäten weitestgehend zurück bzw. sogar gänzlich ein, vgl. Bauer/Diller, in: FS Bechtold, S. 21, 26; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 28; daher halten auch Henssler/Michel die Tätigkeit eines „managing partner“ in einer Großkanzlei für derart wesentlich, dass eine überobligatorische Kürzung des Abfindungsanspruchs, obwohl kein Beitrag zum „Good will“ im engeren Sinne geleistet wird, unzulässig sei, Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 408. 571 Partner, die längere Zeit fern der eigentlichen Mandatsarbeit tätig geworden sind, verlieren häufig den Kontakt zu Mandanten und geraten auch fachlich ins Hintertreffen, was bei der Auflösung der Gesellschaft oder dem eigenen Ausscheiden den Wiedereinstieg in den Beruf erschwert, so zum Beispiel des „managing partner“ Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 29. 572 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 156.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Beiträge der im Hintergrund tätigen Gesellschafter nicht übersehen werden dürfen, wenn es um die Zuteilung des „Good will“ an die einzelnen Gesellschafter im Zuge der Auseinandersetzung geht.573 Die Differenzierung zwischen selbst und fremd akquirierten Mandaten erscheint daher nicht für jeden Fall geeignet, um dem Ausgeschiedenen eine Lebensgrundlage zu sichern. Sie ist vielmehr nur erfolgversprechend, wenn der Sozius tatsächlich sicher davon ausgehen kann, dass die ehemals selbst akquirierten Mandanten in ausreichender Zahl seinem Ruf folgen und ihn weiterhin mandatieren. Eine solche Gewissheit dürfte jedoch eher die Ausnahme als die Regel sein.574 Gleichzeitig benachteiligt diese Verfahrensweise Gesellschafter, die den „Good will“ mittelbar fördern, indem sie einen Großteil ihrer Arbeitskraft auf das Kanzleimanagement oder die Unterstützung ihrer Kollegen im Hintergrund verwenden. Sie haben realistisch gesehen kaum eine Chance, Mandanten tatsächlich mitzunehmen und die Annahme, der individuelle Anteil am „Good will“ spiegle sich auch in den selbst akquirierten Mandaten wider, gerät bei ihnen an ihre Grenzen. (3) Differenzierung nach der Motivlage der Sozietät Daher erscheint es im Grundsatz angemessen, zunächst alle Mandate der Sozietät in die Gewinnabführungspflicht einzubeziehen, gleich, durch welchen Sozius sie akquiriert wurden. Zur Existenzsicherung des ausgeschiedenen Rechtsanwalts bleibt es daher dabei, dass er auf alle mitgenommenen Mandate eine verhältnismäßig geringe Abführungsquote zu zahlen hat, sodass ihm nach Abzug dieser Quote und seiner Kanzleikosten genug zur Bestreitung des Lebensunterhalts verbleibt. Von diesem Grundsatz kann es jedoch auch Ausnahmen geben. Zu differenzieren ist hierbei nicht nach selbst oder fremd akquirierten Mandaten, sondern nach der Motivlage der Sozietät, die die Mandate verliert. Kann oder will sie die Mandate nicht weiterbearbeiten und wechseln die Mandanten infolgedessen zum ausgeschiedenen Sozius, so entfällt die Pflicht zur Gewinnabführung. In diesen Fällen hätte die Sozietät diese Mandate ohnehin verloren und kann nicht einwenden, der Rechtsanwalt habe diese der Sozietät und damit dem Gesellschaftsvermögen entzogen. Er partizipiert dann nicht ungerechtfertigt oder in illoyaler Weise am gemeinsam geschaffenen „Good will“, da sich dieser mit der Ablehnung des Mandatsverhältnisses durch die Sozietät für diese verflüchtigt hat. Somit handelt es sich gewissermaßen um den umgekehrten Fall zur Sonderkonstellation der Unzulässigkeit des Abfindungsausschlusses bei faktischer Unmöglichkeit der Mandatsmit-
573 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 156. 574 Zum Phänomen der „rainmaker“, die sich vorallem durch eine starke persönliche Mandantenbeziehung auszeichen, Römermann, Entwicklungen und Tendenzen bei Anwaltsgesellschaften, S. 64 f.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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nahme durch den Ausgeschiedenen.575 Wird dort der Abfindungsausschluss bei Möglichkeit zur Mandatsmitnahme unter Umständen als rechtsmissbräuchlich ausgeschlossen, weil der Sozius aus verschiedenen faktischen Gründen keine Mandanten mitnehmen kann,576 so wird hier das Gewinneinziehungsrecht der Sozietät unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen, da die Sozietät diese Mandanten faktisch nicht halten und daher aus diesen Mandaten zukünftig keinen Gewinn mehr ziehen kann. Würde die Sozietät gleichwohl vom Ausgeschiedenen eine Abführung des Gewinns aus solchen Mandaten verlangen, könnte ihr der Ausgeschiedene die exceptio doli577 aus § 242 BGB entgegenhalten. Um Mandate in der vorbezeichneten Art handelt es sich etwa dann, wenn die Sozietät den Mandanten an den ausgeschiedenen Sozius weitervermittelt hat. Die Gründe hierfür können verschiedener Natur sein. So kann die Sozietät für Mandate dieser Art keine Kapazitäten frei haben, das Mandat kann für eine größere Sozietät nicht einträglich genug erscheinen oder die Sozietät will nicht weiter mit dem Mandanten zusammenarbeiten. Dann ist es, sofern man sich im Guten getrennt hat, nicht unüblich, solche Mandanten an den Ausgeschiedenen zu verweisen. Häufig passiert dies, wenn mehrere Anwälte einer Großkanzlei aus dieser ausscheiden und ein gemeinsames „Spin-Off“ gründen, welches dann oftmals hochspezialisiert auf bestimmten einzelnen Rechtgebieten berät. Oft handelt es sich hierbei um ganze Teams aus einem oder mehreren Partnern mitsamt ihren Associates, die der Sozietät den Rücken kehren. In der neuen Sozietät werden die vormaligen Associates dann – neben dem Partner bzw. den Partnern – selbst ebenfalls Gesellschafter. Eine Gewinnabführungspflicht muss zudem auch dann ausscheiden, wenn der Sozietät, bedingt durch den Ausstieg des Sozius, die fachliche Kompetenz fehlt, den Mandanten weiter auf diesem Gebiet zu beraten. Denkbar ist dies insbesondere, soweit es um hochspezialisierte Rechtsgebiete fernab der juristischen Ausbildung geht. Scheidet etwa der einzige auf Bankaufsichtsrecht spezialisierte Partner einer Kanzlei aus, kann die Sozietät den Mandanten auf diesem Gebiet nicht weiter adäquat beraten. Berät der Ausgeschiedene daraufhin den Mandanten in seinem Rechtsgebiet, kommt eine Gewinnabführungspflicht für die hierdurch erzielten Honorare nicht in Frage, denn diese hätte die Sozietät nicht vereinnahmen können. Freilich gilt dies nur für das jeweilige Rechtsgebiet, welches die Sozietät nicht mehr bedienen kann. Sollte der Mandant den Ausgeschiedenen in anderen Rechtsfragen um Rat bitten, so besteht für die so erzielten Honorare ohne Weiteres eine Gewinnabführungspflicht durch den ausgeschiedenen Rechtsanwalt.
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Hierzu ausführlich Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 152 ff. 576 Zu diesen Gründen Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 152 ff. 577 Näher zu diesem Begriff MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 203.
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Festzuhalten bleibt aber, dass – von diesen Fällen abgesehen – jedes Mandat in die Pflicht zur Gewinnabführung einzubeziehen ist. Eine Differenzierung nach selbst und fremd akquirierten Mandaten ist nicht überzeugend. bb) Berechnungsbasis (1) Mögliche Ansätze Ebenfalls relevant ist die Festlegung einer Basis, aufgrund derer der Gewinn abgeschöpft wird. Als mögliche Varianten haben sich die Bildung eines durchschnittlichen Jahresumsatzes auf der Basis vergangener Umsätze, die Zugrundelegung der tatsächlich erzielten Honorare und die Ansetzung des Verkaufswertes erwiesen.578 Dabei ist zu beachten, dass der erste und der letzte Ansatz einander nicht unähnlich sind, da der Verkaufswert eines Mandates üblicherweise mit einem Jahresumsatz aus dem Mandat beziffert wird.579 Bei der Bestimmung des Jahresumsatzes stellt sich wiederum die Frage, wie dieser bestimmt wird. Naheliegend ist es etwa, schlicht den Jahresumsatz des letzten Kalenderjahres aus dem Mandat heranzuziehen. Da ein solches Vorgehen aber mögliche Umsatzschwankungen außer Acht lässt, etwa wenn der letzte Umsatz aus dem Mandat besonders hoch oder besonders niedrig war, handelt es sich um kein geeignetes System zur Abschöpfung des Gewinns aus dem Mandat. Möglich ist es daher auch, einen durchschnittlichen Jahresumsatz aus einem bestimmten Zeitraum zu bilden. So kann grundsätzlich etwa ein durchschnittlicher Jahresumsatz aus den letzten drei Jahren gebildet werden.580 Um ein noch genaueres Bild zu erhalten, kann das letzte Jahr vor dem Ausscheiden aus der Gesellschaft doppelt gewichtet werden.581 Es sind daher viele Varianten denkbar, um auf der Basis des Jahresumsatzes der Vergangenheit zu einem angemessenen Ergebnis zu gelangen. In der Auswahl sind die Gesellschafter grundsätzlich frei.
578
Für eine vergangenheitsbezogene Berechnungsbasis Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 34; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 414; tendenziell auch Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 288; für eine Berechnung aufgrund der tatsächlich erzielten Honorare Bitsch/Müller, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 39 Rn. 178; Freund, ZIP 2009, 941, 944; Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 276 f.; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 127; wohl auch Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 142 f.; für die Heranziehung des Verkaufswertes Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 79; Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 447; Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 124. 579 Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 79. 580 So die Regelung bei BGH, Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 741 f. = DStR 1996, 1254 (m. Anm. Goette), die allerdings aufgrund der Tatsache, dass dieser durchschnittliche Jahresumsatz unmittelbar auf den Abfindungsanspruch angerechnet werden sollte, nach § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG nichtig war. 581 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 287 f.
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Demgegenüber weniger Aufwand erfordert die Berechnung aufgrund der zukünftig tatsächlich erzielten Honorare. Sie kann sich im Grundsatz mit der bloßen Feststellung begnügen, dass der Ausgeschiedene den prozentualen Anteil „x“ der im Zeitraum „y“ erzielten Honorare abzuführen hat. (2) Evaluierung der jeweiligen Ansätze Dieser Einwand ist jedoch allein für sich genommen sicherlich kein Argument für die Berechnung des Abführungsbetrages auf der Basis zukünftig erzielter Honorare. Im Gegenteil muss sich dieser Ansatz dem Vorwurf aussetzen, manipulationsanfällig zu sein.582 Stellt der ausgeschiedene Partner seine Rechnungen nach dem Abführungszeitraum, so fließen die dann gezahlten Beträge nicht mehr in das erzielte Honorar als Berechnungsbasis ein.583 Die Folge ist dann ein in absoluten Zahlen niedrigerer Abführungsbetrag für den Ausgeschiedenen. Gegen den Ansatz, auf den durchschnittlichen Jahresumsatz der Vergangenheit abzustellen, gleich, ob von vornherein oder als Äquivalent für den Verkaufswert des Mandats, spricht hingegen, dass nur vergangene Entwicklungen Berücksichtigung finden. Mandate sind jedoch beim Umsatzvolumen großen Schwankungen unterworfen und hängen sehr stark vom jeweiligen Beratungsbedarf des Mandanten ab, der ein Jahr lang sehr hoch und im nächsten Jahr sehr niedrig sein kann. Unter Umständen entwickelt ein Mandat mit der Zeit auch ein immer größeres Umsatzpotential oder der Mandant hat immer weniger Bedarf an Rechtsberatung und der Jahresumsatz ist rückläufig.584 Eine nur rückwärtsgewandte Betrachtung vermag diese Entwicklungen nicht angemessen abzubilden.585 Das anwaltliche Mandat ist typischerweise nicht auf eine lange Dauer oder eine gleichbleibende Leistung gerichtet.586 Vielmehr ist es gerade ein instabiles „flüchtiges Gut“.587 Um ein mögliches Verlustrisiko des ausgeschiedenen Sozius durch eine negative Umsatzentwicklung zu reduzieren, wird vorgeschlagen, den Abführungsbetrag der Höhe nach auf den tatsächlichen Umsatz zu begrenzen.588 Jedenfalls der Ausgangspunkt, auf den Verkaufswert des Mandates und damit letztlich auf den Jahresumsatz abzustellen, spräche dafür, diese Theorie für vorzugswürdig zu halten, entspricht doch der Verkauf eines Teils des Mandanten-
582 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 34; Henssler, PartGG, § 6 Rn. 82; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 288. 583 Vgl. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 288. 584 Vgl. Freund, ZIP 2009, 941, 944. 585 Freund, ZIP 2009, 941, 944; darauf hinweisend auch Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 413. 586 Zutreffend Römermann, NJW 2007, 2209, 2214. 587 Ahrens, in: FS Geiß, S. 219, 223; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 432. 588 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 414.
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stammes am ehesten der teilweisen Übernahme des Mandantenstammes.589 Durch den Jahresumsatz würde der tatsächliche Mandatswert ausgeglichen.590 Gleichzeitig erhielte man durch den Verkaufswert einen Maximalbetrag der Abführung, der durch verschiedene Kombinationen von Quote und Dauer erreicht werden kann, aber nicht überschritten werden darf.591 Als Ansatzpunkt begegnet der Verkaufswert aber dennoch erheblichen Bedenken. Wie für den Verkauf einer Beteiligung an einer Sozietät besteht auch für den Verkauf von Mandaten schließlich kein Markt, auf dem Käufer und Verkäufer agieren könnten – er wäre aufgrund des § 49b Abs. 3 BRAO auch nicht zulässig.592 Der offerierte Kaufpreis für ein Mandat oder gar einen Mandantenstamm wäre zudem nur der Preis für die Chance auf Erzielung eines Honorars, aber gerade nicht der Preis für das Mandat selbst, sodass der Kaufpreis selbst wiederum erheblich von der Realisierung dieser Chance auf Seiten des Erwerbers abhinge.593 Die Annahme, der Jahresumsatz sei gleichbedeutend mit dem Verkaufswert, ist daher lediglich eine Fiktion, die sich nicht verifizieren lässt. Letztlich kommt es damit darauf an, ob man auf die genauen zukünftigen Erträge abstellen will und mögliche Manipulationsmöglichkeiten in Kauf nimmt oder ob man diese zu vermeiden sucht und deshalb auf unpräzisere Werte aus der Vergangenheit abstellen will. In Anbetracht der Tatsache, dass die vergangenheitsbezogene Berechnung den zukünftigen Umsatz nur unzureichend prognostizieren kann, sprechen die tragfähigeren Erwägungen dafür, auf das tatsächliche Honorar abzustellen. Letztlich macht die gegenteilige Ansicht nichts Anderes, soweit sie das Verlustrisiko des ausgeschiedenen Sozius durch die Höhe des tatsächlich erzielten Honorars begrenzen will. In jedem Fall muss der Ausgeschiedene dann das tatsächlich erzielte Honorar abführen. Ein anderes Ergebnis ergibt sich nur dann, wenn der Umsatz aus dem Mandat steigt und der Sozius mehr verdient. Dann muss er auf der Basis des früheren Jahresumsatzes einen im Vergleich geringeren Betrag zahlen, da er nach der anderen Ansicht auch den höheren, tatsächlichen Gewinn abführen muss. Dagegen könnte man nun einwenden, dass der Mehrerlös auf der individuellen Schaffenskraft des Ausgeschiedenen beruht, allerdings wird sich das praktisch kaum feststellen lassen. 589 Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 447; ebenso Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 124. 590 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 414. 591 So wohl Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 447; zust. Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 124. 592 § 49b Abs. 3 BRAO soll einen Ankauf von Mandaten – und damit spiegelbildlich ebenso deren Verkauf – gerade verhindern El-Auwad, AnwBl Online 2018, 115; A.-K. Pieronczyk, AnwBl Online 2020, 193, 199; vgl. auch Islam, AnwBl Online 2020, 202, 203; generell dafür, dass für Beteiligungen an Freiberuflerpraxen kein Markt für Käufer und Verkäufer besteht, Erman/H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 17; H. P. Westermann, AnwBl 2007, 103, 106; zu Problemen der Veräußerung einer Anwaltssozietät Michalski/Römermann, NJW 1996, 1305, 1306 ff. 593 Zum Kaufpreis als Gegenwert der bloßen Chance der Mandatsfortführung Goette, ZGR 46 (2017), 426, 432 f.
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Immerhin könnte der Grund für den höheren Erlös auch in einem höheren Beratungsbedarf des Mandanten liegen. Daher überzeugt es nicht, den Ausgeschiedenen vor der Möglichkeit geringerer Umsätze zu schützen, aber nicht die Sozietät vor der Möglichkeit steigender Umsätze eines ehemals ihr zustehenden Mandats, insbesondere, soweit man auf dem Standpunkt steht, dass die zurückbleibenden Sozietätspartner die schutzbedürftige Partei sind.594 Im Hinblick auf die befürchteten Manipulationsmöglichkeiten ist anzumerken, dass diese sich minimieren lassen, indem längere Abführungszeiträume vereinbart werden, sodass das Hinausschieben der Rechnungsstellung weniger erfolgversprechend ist.595 Zwar lassen sich Manipulationsmöglichkeiten damit nicht vollends ausschließen, sie können aber zumindest eingegrenzt werden. Gegen den Jahresumsatz als Berechnungsbasis spricht zudem die praktische rechtliche Unsicherheit, die damit einhergeht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hatte bisher noch keine Gelegenheit, eine dezidierte Rechtsprechungslinie zum zulässigen Inhalt von Gewinnabführungsvereinbarungen zu entwickeln. Einziger Anhaltspunkt ist weiter das Urteil des BGH vom 29. 01. 1996596, welches jedenfalls die Zahlung eines (auf die Abfindung anzurechnenden) Abführungsbetrages in Höhe eines durchschnittlichen Jahresumsatzes, berechnet anhand der letzten drei Jahresumsätze, für unzulässig hielt.597 Zwar beruhte die Sittenwidrigkeit der vertraglichen Regelung wohl nicht auf der Berechnungsbasis, sondern offenbar auf der unmittelbaren Verpflichtung zur Entrichtung eines ganzen Jahresumsatzes, was die Mandatsübernahme kurzfristig wirtschaftlich sinnlos machte,598 aber dennoch erscheint eine pauschale Berechnung aufgrund vergangener Umsätze vor diesem Hintergrund riskant. Entwickelt sich das tatsächliche Honorar aus dem Mandat deutlich über oder unter den Erwartungen und weicht erheblich von dem vereinbarten Abführungsbetrag ab, so ist eine Korrektur durch die Rechtsprechung nicht fernliegend. Nicht anders verfährt sie schließlich, wenn sich der Wert des Gesellschaftsanteils und die vereinbarte Abfindung in nicht mehr hinnehmbarer Art und Weise auseinanderentwickeln.599 Demgegenüber scheint die Abführung dessen, was tatsächlich verdient wird, weder im Hinblick auf einen Mehr- noch auf einen Geringverdienst prima facie Bedenken bezüglich eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen Sozietät 594
So früher noch Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 285 f. Vgl. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 288. 596 BGH, Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 741 f. = DStR 1996, 1254 (m. Anm. Goette). 597 BGH, Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 = DStR 1996, 1254 (m. Anm. Goette); zust. Goette, ZGR 46 (2017), 426, 436. 598 BGH, Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 = DStR 1996, 1254 (m. Anm. Goette); offenbar anders, weil von einem „überhöhten“ Anrechnungsbetrag ausgehend aber Goette, ZGR 46 (2017), 426, 436. 599 Zu diesem Problemkomplex S. 237 ff. 595
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und Sozius ausgesetzt zu sein. Es empfiehlt sich daher, den Abführungsbetrag auf der Basis der jeweils zukünftigen, tatsächlich erzielten Honorare zu berechnen. cc) Maximalbetrag der Gewinnabschöpfung (1) Interessenlage von Sozietät, Sozius und Mandant Will man nun nach der Klärung dieser Fragen dahin, dass alle Mandate einzubeziehen sind und dass es auf die zukünftig erzielten Honorare ankommt, den zulässigen Abführungsbetrag als Kombination von Quote und Zeitraum ermitteln, so müssen hierbei die jeweils gegenüberstehenden Interessen in den Blickpunkt rücken. Während die Sozietät ein Interesse daran hat, einen Ausgleich für den ihr entzogenen Teil des „Good will“ zu erhalten, will der Sozius die Möglichkeit erhalten, sich durch die Betreuung seiner Mandanten eine Existenzgrundlage zu schaffen. Anders als bei den Wettbewerbsverboten sind die Interessen der Mandanten hier nicht weiter betroffen. Sie erschöpfen sich in der Möglichkeit, ihren Anwalt frei zu wählen, was durch die Gewinnabführungsvereinbarung grundsätzlich der Fall ist. Um sich der Bestimmung des angemessenen Abführungsbetrages anzunähern, empfiehlt es sich, zunächst zu betrachten, was die Konsequenzen zu hoher oder zu niedriger Beträge wären. Wird der Abführungsbetrag zu niedrig bemessen, führt dies kurzerhand dazu, dass das Interesse der Sozietät an einem finanziellen Ausgleich nicht befriedigt wird. Auf lange Sicht führt dies dazu, dass die Sozietät Junganwälten oder abwanderungswilligen Sozietätspartnern den Zugang zu lukrativen Mandaten versperren wird, um nicht das Risiko einzugehen, dass der Mandant dem ausscheidenden Anwalt folgt und so diese Mandate der Sozietät verlorengehen.600 Eine kurzfristig günstige Regelung für ausscheidende Rechtsanwälte wird daher langfristig für sie ungünstig.601 Der bezweckte Schutz von Junganwälten und abwanderungswilligen Partnern verkehrt sich ins Gegenteil.602 Zu bedenken ist auch, dass sich durch die mangelnde Möglichkeit, namhafte Mandate zu betreuen, die Chancen auf ein berufliches Fortkommen der Junganwälte kaum verbessern. Ein zu hoher Abführungsbetrag führt hingegen dazu, dass der Ausgeschiedene sich auch mit den mitgenommenen Mandaten keine Existenzgrundlage schaffen kann. Im Extremfall mag dies sogar dazu führen, dass der abwanderungswillige Anwalt die Sozietät schon deshalb nicht verlassen wird, weil ihm die Mitnahme von Mandanten keine wirtschaftliche Existenz ermöglicht. Ob eine Gewinnabführungsklausel, die zu solch einer drastischen Konsequenz führt, im Hinblick auf die §§ 138 Abs. 1, 723 Abs. 3 BGB noch zulässig wäre, muss bezweifelt werden. Ohnehin wäre für die Sozietät eine solche Situation kaum erstrebenswert. Immerhin fließt gerade bei Freiberuflern die persönliche Kreativität und Schaffenskraft in 600 601 602
Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 286. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 286. Zutreffend Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 286.
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besonderem Maße in die Arbeit ein.603 Ob diese auch weiterhin in gleichem Maße fortbesteht, wenn der Sozietätspartner sich festgehalten fühlt, darf aber bezweifelt werden. Die kurzfristig für die Sozietät positive Klausel zieht daher auch für sie langfristig negative Konsequenzen nach sich. Wie bereits im umgekehrten Fall bewahrheitet sich damit auch hier die Erkenntnis, dass sich ein übersteigerter Schutz langfristig immer gegen den ursprünglich Geschützten wendet.604 Auch zu hohe Abführungsbeträge sind daher für beide Parteien letztlich schadhaft. Schlussendlich haben bei genauer Betrachtung der Interessenlagen beide Vertragsparteien ein Interesse daran, dass der Abführungsbetrag weder zu hoch noch zu niedrig ausfällt. Das führt zu der Erkenntnis, dass eine angemessene und zulässige Gewinnverteilung möglich ist und konsensfähig sein sollte, unabhängig davon, welche Partei für schutzwürdig gehalten wird. (2) Versuch der Bestimmung eines angemessenen Abführungsbetrags (a) Die Angemessenheit von Abführungsquote und -dauer Da alle Mandate in die Gewinnabführungspflicht einfließen, hat der ausgeschiedene Sozius in der Regel keine anderweitige Einkommensquelle, um sich eine Existenz aufzubauen. In jedem Jahr, in dem die Abführungspflicht besteht, muss dem Sozius daher abzüglich der eigenen Kosten und des abgeführten Betrages genug verbleiben, um seine Existenz zu bestreiten. Geht man von einem Kostenfaktor von 50 % gemessen am Umsatz aus dem Mandat aus, so bleiben noch 50 % als Gewinn, um sie auf Existenzsicherung und Abführungsbetrag zu verteilen.605 Absolute Zahlen lassen sich kaum nennen, ist die Höhe des Honorars für das jeweilige Jahr doch kaum vorhersehbar.606 Grundsätzlich wird eine Abführungsquote in Höhe von 25 % jedoch zulässig sein.607 Somit verbleiben dem ausgeschiedenen Rechtsanwalt grundsätzlich noch 25 % seines erzielten Honorars. Diese exemplarische Rechnung steht freilich immer unter der Prämisse, dass der Ausgeschiedene überhaupt einen Gewinnanteil erzielt. Was die Dauer der Abführung betrifft, so darf sie nicht übermäßig lang sein, um den Verpflichteten nicht zu sehr in seiner Berufsausübung zu beeinträchtigen. Eine solche Klausel wäre wieder im Hinblick auf § 138 BGB beanstandenswert. Zutreffend erscheint die Überlegung, dass die Dauer der Gewinnabführung grundsätzlich einen Zeitraum erfassen soll, der regelmäßig benötigt wird, um einen eigenen Mandantenstamm aufzubauen.608 Der ehemalige Sozius steht der Sozietät 603 Erträge seien „stark personengebunden“, Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166; vgl. auch MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 66. 604 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 286. 605 Zum Gewinnanteil S. 306. 606 Hierzu S. 317 ff. 607 Hierfür etwa auch Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 447. 608 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 286.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
nach Ablauf dieser Zeitspanne wie jeder andere Wettbewerber gegenüber. Es ist anzunehmen, dass der Mandant dann nicht mehr aufgrund der Vortätigkeit des Anwalts in der Sozietät bei diesem verbleibt, sondern dass er den Ausgeschiedenen vielmehr aufgrund dessen Eigenleistung weiterhin mandatiert.609 Damit entfällt die die Gewinnabführungsklausel rechtfertigende Erwägung, dass Wettbewerbsklauseln die Sozietät vor der illoyalen Verwertung gemeinsamer Arbeit schützen dürfen.610 Empfehlenswert erscheint eine Dauer von zwei bis vier Jahren, sodass der Verpflichtete letztlich 50 % bis 100 % eines Jahreshonorars abführt, vorausgesetzt, das Mandat bliebe stabil.611 Aber selbst wenn das Mandat nicht stabil bleibt, so sind weder Unter- noch Obergrenzen für den absoluten Abführungsbetrag nötig. Erzielt der ausgeschiedene Sozius aus dem Mandat geringere Einnahmen, erhält die Sozietät einen entsprechend geringeren Betrag. Erzielt der Sozius aus dem Mandat einen unerwarteten Überschuss, profitiert davon auch die Kanzlei. Dieses Gewinn- und Verlustrisiko bedarf keiner Einschränkung, immerhin hätte die Sozietät selbst auch dieses Risiko getragen, sofern sie das Mandat weiterbetreut hätte. Dass der absolute Abführungsbetrag variabel ist, bedeutet aber nicht, dass der prozentuale Anteil gleichermaßen variabel sein kann. Geht die vertraglich festgelegte Quote in Kombination mit der Abführungsdauer insgesamt über 100 % hinaus, so wird man die Übernahme des Mandats insgesamt als wirtschaftlich sinnlos erachten müssen, sodass die Klausel keine Gültigkeit beanspruchen kann.612 Grundsätzlich ist die Abführung von maximal je 25 % des tatsächlich erzielten Honorars über einen Zeitraum von zwei bis vier Jahren damit zulässig. Eine längere Abführungspflicht ist unter dem Aspekt des Aufbaus eines eigenen Mandantenstammes nicht mehr zu begründen und würde eine Mandatsmitnahme wirtschaftlich sinnlos erscheinen lassen. (b) Alternativen für ausgeschiedene Sozien in der Selbständigkeit Was einleuchtend klingt, ist für die Sozietät indes misslich, wenn sich der Ausgeschiedene selbständig macht. In der Regel muss er dann die hohen Anfangsinvestitionen alleine oder mit wenigen neuen Sozien gemeinsam tragen, sodass er in den ersten Monaten oder Jahren kaum Gewinn erwirtschaften wird.613 Dieser Mangel 609
S. zu ähnlichen Erwägungen des BGH im Rahmen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote BGH, Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; Urt. v. 29. 09. 2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 = NZG 2004, 66; Urt. v. 18. 07. 2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061, 3062 = NZG 2005, 843; Urt. v. 30. 04. 2014 – I ZR 245/12, BGHZ 201, 205 Rn. 38 = NJW 2014, 3442. 610 S. 151 f. 611 Für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren etwa auch Freund, ZIP 2009, 941, 944. 612 Vgl. Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 124; zu kurzfristigen Sinnlosigkeit der Übernahme BGH, Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 = DStR 1996, 1254 (m. Anm. Goette); insgesamt 120 % als zulässig ansehend aber Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 79. 613 Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 447.
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an Einnahmen resultiert nicht daraus, dass die Sozietät keine Einnahmen aus dem Mandat hätte erzielen können, sondern aus den externen Umständen, die den ehemaligen Sozius zu Investitionen zwingen. Das darf der Sozietät allerdings nicht zum Nachteil gereichen. Für diese Fälle erscheint es vorteilhaft, eine Staffelung der Beträge vorzunehmen. Der Sozius kann dann zunächst einen geringeren Betrag zahlen, der sich über die Jahre mit seinem voraussichtlich steigenden Gewinn ebenfalls prozentual erhöht. So könnte der Sozius im ersten Jahr 15 %, im zweiten Jahr 20 %, im dritten Jahr 30 % und im vierten Jahr 35 % abführen, wenn die 25 % auf vier Jahre aufgeteilt werden sollen. Diese Staffelung vermeidet durch die niedrigen Raten der ersten Jahre insbesondere auch das Risiko, dass dem Ausgeschiedenen absolut zu wenig Ertrag aus seinen Honoraren verbleibt und die Übernahme der Mandate wirtschaftlich sinnlos wird und die Klausel damit hinfällig ist.614 Ebenso denkbar ist es, die Gewinnabführungspflicht gesellschaftsvertraglich an das Erreichen der Gewinnphase zu koppeln, sodass die Tätigung der Anfangsinvestitionen keine Auswirkungen auf den erzielten Gewinn hat. Später als vier Jahre nach dem Ausscheiden aus der Sozietät darf jedoch keine Gewinnabführungspflicht vereinbart werden. Der ehemalige Sozius ist dann durch den Aufbau des eigenen Mandantenstammes und die gelockerte Beziehung zu den Mandanten der Sozietät ein regulärer Wettbewerber, der keiner Wettbewerbsklausel mehr unterworfen werden darf.615 Richtig ist allerdings auch, dass die Existenzvorsorge des ausgeschiedenen Sozius allein ihm obliegt, ohne dass die Sozietät besondere Pflichten hierbei treffen würden.616 Die hier vorgeschlagene Lösung soll nur eine umsichtige, konsensfähige Alternative darstellen, die im Interesse aller Sozien liegt. Immerhin weiß bei der Vereinbarung einer solchen gesellschaftsvertraglichen Klausel keiner der Beteiligten, ob und wer von ihr betroffen sein wird, sodass alle Gesellschafter ein Interesse an einer ausgeglichenen Lösung haben. Natürlich bleibt es der Sozietät aber auch unbenommen, an den zuvor dargestellten, zulässigen Grundsätzen festzuhalten.617 e) Zwischenergebnis Ist eine Gewinnabführungsklausel im Gesellschaftsvertrag vereinbart, so ist es vorzugswürdig, wenn der ausgeschiedene Sozius den Abführungsbetrag auf der Basis seiner tatsächlich erzielten Honorare grundsätzlich aus allen mitgenommenen Mandaten bestreiten muss. Auszunehmen sind nur solche Mandate, die die Sozietät nicht weiterführen kann oder nicht weiterführen will. Zulässig ist eine Abführung von 25 % über einen Zeitraum von zwei bis vier Jahren. Im gewählten Zeitraum 614 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 = DStR 1996, 1254 (m. Anm. Goette). 615 S. 321 f. 616 Zutreffend Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 447. 617 S. 321 ff.
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können die 25 % auch gestaffelt werden, um den Bedürfnissen der Kanzlei und des ausgeschiedenen Partners besser Rechnung zu tragen. 4. Rechtliche Grenzen von Gewinnabführungsvereinbarungen a) Verdeckte Mandantenschutzklauseln im Lichte des § 138 BGB Die grundsätzliche Zulässigkeit von Gewinnabführungsvereinbarungen bedeutet nicht, dass ihnen in Extremfällen durch die §§ 134, 138, 723 Abs. 3 BGB nicht auch Grenzen gesetzt wären. Für angestellte Rechtsanwälte hat sich in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung durchgesetzt, dass eine Mandantenübernahmeklausel, die so rigide ausgestaltet ist, dass sie die Mandatsmitnahme durch den Ausgeschiedenen wirtschaftlich sinnlos macht und faktisch verhindert, unzulässig ist.618 Eine solche Klausel ist keine Mandantenübernahme-, sondern eine verdeckte Mandantenschutzklausel.619 Ihre Unwirksamkeit resultiert aus der unbilligen Erschwerung des beruflichen Fortkommens, welche sich unter anderem aus dem Fehlen einer Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB i.V.m. § 75 Abs. 2 HGB ergibt.620 aa) Allgemeine Grenzen gegenüber dem ausgeschiedenen Sozius Wenngleich die §§ 74 ff. HGB auf Wettbewerbsverbote und Gewinnabführungsvereinbarungen zwischen Gesellschaftern nicht analog anwendbar sind,621 lässt sich doch der Gedanke fruchtbar machen, dass Gewinnabführungsvereinbarungen dann Bedenken begegnen, wenn sie das berufliche Fortkommen des ausgeschiedenen Sozius unbillig erschweren. In diesem Fall ist die Klausel an § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 GG zu messen, denn die Berufsausübungsfreiheit wird nicht nur durch unmittelbare Verbote beeinträchtigt, sondern auch durch „schwer erträgliche fi618 BAG, Urt. v. 11. 12. 2013 – 10 AZR 286/13, NJW 2014, 1198 Rn. 21 f. = NZA 2014, 433; LAG Niedersachsen, Urt. v. 08. 02. 2013 – 12 Sa 904/12, NZA-RR 2013, 347, 348 f. (m. Anm. Degen) = DStRE 2013, 1470; LAG Köln, Urt. v. 24. 08. 2007 – 11 Sa 241/07, NZA-RR 2008, 10, 12; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 36; Meier, NZA 2013, 253, 257; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 127; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166. 619 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 144; Büsken, MDR 1985, 898, 901; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 189; BeckOGK/Fehrenbach, BGB, § 307 Wettbewerbsverbotsklausel Rn. 178; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 36; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 127. 620 BAG, Urt. v. 11. 12. 2013 – 10 AZR 286/13, NJW 2014, 1198 Rn. 21 = NZA 2014, 433; BeckOGK/Fehrenbach, BGB, § 307 Wettbewerbsverbotsklausel Rn. 178; Lembke, BB 2020, 52, 54. 621 S. 306 ff.
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nanzielle Belastungen“, die der Verpflichtete nicht tragen kann.622 Die Grenze ist dort zu ziehen, wo die finanzielle Belastung keinen schützenswerten Interessen der Gesellschaft mehr dient, sondern nur noch den Zweck haben kann, den Ausgeschiedenen als Konkurrenten auszuschalten.623 Daran ist insbesondere dann zu denken, wenn die Mitnahme von Mandaten zwar rechtlich möglich, aber wirtschaftlich unsinnig ist.624 Nach dem BGH ist das der Fall, wenn der Ausgeschiedene unmittelbar einen Betrag abführen muss, der dem entspricht, was der Mandant durchschnittlich die letzten drei Jahre über an Honorar gezahlt hat.625 Aber auch, wenn der Verpflichtete den Betrag nicht unmittelbar abführen muss, sondern die Zahlung über mehrere Jahre verteilt ist, erscheint die Verpflichtung bedenklich, sobald sie mehr als ein volles Honorar umfasst.626 Bleibt man nämlich bei der Fiktion, dass der Jahresumsatz aus dem Mandat dessen Wert darstellt,627 so verpflichtet eine Klausel, deren Kombination aus Abführungsquote und -dauer über die 100 % hinausgeht, den Ausgeschiedenen dazu, mehr an die Sozietät abzuführen, als das Mandat tatsächlich wert ist. Eine solche Verpflichtung dient nicht mehr den schützenswerten Interessen der Gesellschaft, sondern im Gegenteil nur dazu, zu verhindern, dass der Ausgeschiedene Mandate der Sozietät mitnimmt, da die Gewinnabführungsklausel die Mitnahme wirtschaftlich unrentabel macht. Aber auch, wenn in Zweifel gezogen wird, dass der Jahresumsatz bzw. das -honorar aus dem Mandat dessen Wert adäquat abbildet, ergibt sich doch kein anderes Ergebnis.628 Denn der der Sozietät entzogene „Good will“ in Form des Mandats wird hinreichend abgegolten durch ein gesamtes Honorar. In Anbetracht der Tatsache, dass die Sozietät dem Ausgeschiedenen zudem auch 25 % des Honorars zum eigenen Lebensunterhalt lassen muss, sind ihr ohnehin die Hände gebunden, da eine höhere Abführungsquote als 25 % grundsätzlich nicht zulässig wäre.629 622 BGH, Urt. v. 09. 05. 1968 – II ZR 158/66, NJW 1968, 1717 = GRUR 1969, 228 (m. Anm. Lehmpfuhl); Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 = DStR 1996, 1254 (m. Anm. Goette). 623 BGH, Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 = DStR 1996, 1254 (m. Anm. Goette); vgl. auch Goette, ZGR 46 (2017), 426, 436. 624 BGH, Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 = DStR 1996, 1254 (m. Anm. Goette); Goette, ZGR 46 (2017), 426, 436; Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 46; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1166. 625 BGH, Urt. v. 29. 01. 1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 = DStR 1996, 1254 (m. Anm. Goette); Goette, ZGR 46 (2017), 426, 436; Weyland/Weyland, BRAO, § 27 Rn. 46. 626 Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 124; a.A. Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 79, der eine Abführung von 120 % des Jahresumsatzes für zulässig hält. 627 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 414. 628 Zu den Zweifeln, ob Jahresumsatz und Wert des Mandats wirklich identisch sind, S. 317 ff. 629 S. 321 ff.; zur Ausnahme hiervon S. 322 f.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Sobald die Gewinnabführungsvereinbarung daher darauf hinausläuft, dass mehr als ein volles Honorar abzuführen ist, beschränkt sie den Ausgeschiedenen in unzulässiger Weise in seiner Berufsausübungsfreiheit nach § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 GG. Gleichzeitig werden Klauseln, die die Mitnahme von Mandanten wirtschaftlich sinnlos machen, häufig auch schon kündigungsbeschränkende Wirkung i.S.d. § 723 Abs. 3 BGB entfalten, sodass sie bereits auch deshalb unwirksam sind. bb) Gewinnabführungsvereinbarungen gegenüber Arbeitnehmern Sind Gewinnabführungsvereinbarungen in diesen Grenzen noch tolerabel, wenn der ausgeschiedene Sozius sich selbständig macht, so sind sie deutlich kritischer zu betrachten, wenn der Ausscheidende einen Arbeitsplatz als angestellter Rechtsanwalt in einer anderen Sozietät annimmt. Wechseln Mandanten mit dem Ausgeschiedenen zu dessen neuer Kanzlei, so vereinnahmt diese Sozietät die Honorare und nicht der ehemalige Sozius, der nun lediglich ein Festgehalt bezieht. Für arbeitsrechtliche Mandantenübernahmeklauseln hat sich bereits die Erkenntnis durchgesetzt, dass solche Klauseln unwirksam sind, sofern sie diese Möglichkeit nicht antizipieren, da sie das Risiko beinhalten, dass der ehemalige Arbeitnehmer Honorarsummen abführen muss, die über dem gezahlten Festgehalt liegen.630 Damit wird die Übernahme von Mandanten, obwohl vertraglich erlaubt, wirtschaftlich sinnlos.631 Diese Erwägung lässt sich ohne Weiteres auf Gewinnabführungsvereinbarungen zwischen Rechtsanwälten erstrecken. Sollte ein Sozius ausscheiden und eine Angestelltentätigkeit annehmen, während er gleichzeitig Mandate für die Rechnung der neuen Sozietät fortführt, so wird das von der Sozietät erzielte Honorar regelmäßig über dem erhaltenen Gehalt liegen. Trifft ihn gleichwohl die Verpflichtung, einen bestimmten Prozentsatz des insgesamt vereinnahmten Honorars an seine früheren Sozien abzuführen, so wird die Mitnahme von Mandaten für ihn wirtschaftlich unrentabel. Da sich die Verwirklichung dieses Risikos erst zukünftig zeigt, die Sittenwidrigkeit aber bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragschlusses festzustellen ist, kommt es für die Gesamtbetrachtung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung der Vereinbarung auch nicht darauf an, ob sich dieses Risiko im Einzelfall tatsächlich verwirklicht.632 Die Folge ist stets die Nichtigkeit der Gewinnabführungsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 GG, da sie dem ehemaligen Sozius eine für diesen nicht hinnehmbare finanzielle Belastung auferlegt, welcher er aufgrund
630 BAG, Urt. v. 11. 12. 2013 – 10 AZR 286/13, NJW 2014, 1198 Rn. 25 f. = NZA 2014, 433; LAG Niedersachsen, Urt. v. 08. 02. 2013 – 12 Sa 904/12, NZA-RR 2013, 347, 349 (m. Anm. Degen) = DStRE 2013, 1470. 631 BAG, Urt. v. 11. 12. 2013 – 10 AZR 286/13, NJW 2014, 1198 Rn. 25 = NZA 2014, 433. 632 Zu §§ 74 Abs. 2, 75d S. 2 HGB BAG, Urt. v. 11. 12. 2013 – 10 AZR 286/13, NJW 2014, 1198 Rn. 26 = NZA 2014, 433.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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des Direktionsrechts seines neuen Arbeitgebers im Zweifel nicht einmal ausweichen kann.633 b) Verdeckte Mandantenschutzklauseln und § 134 BGB Da die Gewinnabführungsvereinbarung im Kern nur die Berufsausübungsfreiheit des früheren Sozius trifft und der Mandant in seiner Anwaltswahl nicht eingeschränkt wird, spielt § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO bei Gewinnabführungsvereinbarungen keine Rolle.634 Selbst, wenn die Gewinnabführungsvereinbarung inhaltlich so ausgestaltet ist, dass sie in eine verdeckte Mandantenschutzklausel umschlägt, verbietet sie rechtlich doch nicht die Übernahme der Mandanten der Sozietät.635 Sie zielt ausschließlich auf die Berufsausübungsfreiheit des Ausgeschiedenen ab, während Wettbewerbsverbote auch darauf abzielen, die freie Anwaltswahl des Mandanten zu behindern. Verdeckte Mandantenschutzklauseln müssen sich daher an § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 GG messen lassen und nicht an § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO. c) Die anwaltliche Schweigepflicht nach § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO aa) Der Konflikt zwischen Verschwiegenheitspflicht und Gewinnabführung Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch ungeklärt ist die Frage, ob die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht der Vereinbarung von Gewinnabführungsvereinbarungen entgegensteht.636 Letztere setzt notwendig voraus, dass der ausgeschiedene Sozius nach der Mandatsmitnahme gewisse Informationen über das Mandat und den Mandanten preisgibt, damit die Sozietät ihren Gewinnabführungsanspruch geltend machen kann.637 Gleichwohl ist der Ausgeschiedene über §§ 43a Abs. 2 S. 1 BRAO, 2 BORA; Ziff. 2.3 CCBE umfassend zur Verschwiegenheit verpflichtet.638 Nach § 43a Abs. 2 S. 2 BRAO erfasst diese Pflicht alles, was 633 Zum erschwerenden Aspekt des Direktionsrechts des neuen Arbeitgebers LAG Niedersachsen, Urt. v. 08. 02. 2013 – 12 Sa 904/12, NZA-RR 2013, 347, 349 (m. Anm. Degen) = DStRE 2013, 1470. 634 Zutr. Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 142. 635 Anders Wettbewerbsverbote wie Niederlassungsverbote und Mandantenschutzklauseln, S. 297 ff. 636 Ausdrücklich offen gelassen bei BAG, Urt. v. 11. 12. 2013 – 10 AZR 286/13, NJW 2014, 1198 Rn. 28 = NZA 2014, 433; einen Konflikt verneinend Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 288 ff.; Henssler, PartGG, § 6 Rn. 82. 637 Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 128. 638 Die CCBE-Regeln sind indes lediglich „soft law“, Ahrens, Berufsrecht, Rn. 1072 ff.; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltl BerufsR, § 29 BORA Rn. 16; vgl. auch Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 206; zur wechselhaften Geschichte der CCBE-Regeln im deutschen Berufsrecht Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 201 ff.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
dem Anwalt in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Das umfasst insbesondere die Identität des Mandanten, die Konsultation eines Rechtsanwalts an sich und die vereinbarte Vergütung.639 Das Spannungsverhältnis zwischen Verschwiegenheitspflicht und Gewinnabführungspflicht ist damit prima facie evident. Die Problematik verschärft sich, wenn man bedenkt, dass die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts eine der „tragenden Säulen des Anwaltsberufes“ ist.640 Sie schützt gleichzeitig sowohl die Individualsphäre des Mandanten als auch die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, indem sie das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt absichert.641 Vor dem Hintergrund dieser Doppelfunktion erkennt auch das BVerfG an, dass die Verschwiegenheitspflicht zu den anwaltlichen Grundpflichten gehört und daher in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fällt.642 Gleichzeitig schützt sie auch die persönlichen Informationen des Mandanten und stärkt so dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung.643 Der Verschwie639
BVerwG, Urt. v. 30. 09. 2009 – 6 A 1/08, BVerwGE 135, 77 Rn. 37 = NVwZ 2010, 837; Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 83; Hartung, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 37, 63; Henssler, AnwBl 2019, 216, 217; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 45; Henssler/Deckenbrock, NJW 2008, 1275, 1278; Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 30 Anm. 3 II.; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 14 f.; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1211; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 149 f.; Peitscher, AnwaltsR, § 18 Rn. 140; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 332; Streck, NJW 2001, 3605; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 42 Rn. 9; vgl. auch BGH, Urt. v. 11. 04. 2002 – I ZR 317/99, NJW 2002, 2096, 2098 = DB 2002, 2156. 640 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 12; Trottmann, Sozietätsspezifisches Berufsrecht, S. 37; vgl. auch AnwG Köln, Beschl. v. 20. 05. 2009 – 10 EV 330/07, AnwBl 2009, 792, 793 = BeckRS 2009, 25014; Ackermann, in: FS DJT, S. 479, 482; Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Auftrag IV. A.; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 24 Rn. 172; Wild, Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht in Deutschland und Frankreich, S. 33; zust. Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 16 Rn. 2; „Kardinalpflicht“ bei Gaier/Wolf/ Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 8; eindrücklich zum Wert der Verschwiegenheitspflicht auch Streck, NJW 2001, 3605 f. 641 Ahrens, Berufsrecht, Rn. 462; Deckenbrock, AnwBl Online, 321; Henssler, AnwBl 2019, 216; Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Auftrag IV. A.; Jungk, in: Borgmann/Jungk/ Schwaiger, Anwaltshaftung, § 24 Rn. 172; Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 30 Anm. 2 I.; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 5 f.; Peitscher, AnwaltsR, § 18 Rn. 138; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 16 Rn. 2; Trottmann, Sozietätsspezifisches Berufsrecht, S. 37; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 8 f.; Lingenberg/Hummel/ Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 42 Rn. 1. 642 BVerfG, Urt. v. 30. 03. 2004 – 2 BvR 1520/01 u. 2 BvR 1521/01, BVerfGE 110, 226, 252 = NJW 2004, 1305; Beschl. v. 28. 07. 2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14, NJW 2015, 2949 Rn. 38 = BeckRS 2015, 51329; Beschl. v. 12. 01. 2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 Rn. 55 = NJW 2016, 700; zust. Henssler, AnwBl 2019, 216; Jungk, in: Borgmann/ Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 24 Rn. 172; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 9. 643 AnwG Köln, Beschl. v. 20. 05. 2009 – 10 EV 330/07, AnwBl 2009, 792, 793 = BeckRS 2009, 25014; Ahrens, Berufsrecht, Rn. 983; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 6; Peitscher, AnwaltsR, § 18 Rn. 138; Stöber, ZIP 2007, 1492, 1493; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 9.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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genheitspflicht kommt daher grundlegende Bedeutung zu, die eine weite Auslegung des Anwendungsbereichs644 und eine entsprechend enge Auslegung der Ausnahmen erfordert. bb) Rechtliche Absicherung der Verschwiegenheitspflicht (1) Berufs- und strafrechtliche Sanktionen Praktisch verschärft sich die Situation für den betroffenen Rechtsanwalt dadurch, dass die Offenbarung von Informationen über Mandanten nicht nur grundsätzlich berufsrechtlich verboten, sondern durch § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch strafbewehrt ist. Gibt der Rechtsanwalt ein Geheimnis des Mandanten vorsätzlich weiter, macht er sich hierdurch strafbar. Unter den Begriff des Geheimnisses fallen alle Tatsachen, die nur einem Einzelnen oder einem beschränkten Kreis von Personen zugänglich und bekannt sind und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein berechtigtes Interesse hat und die nach seinem Willen geheim gehalten werden sollen.645 Der Geheimnisbegriff des § 203 Abs. 1 StGB umfasst ebenso wie § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO die Identität eines Mandanten und die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienste.646 Das gilt allerdings nur so lange, bis der Rechtsanwalt für den Mandanten in einer öffentlichen Verhandlung aufgetreten ist, denn dann ist die Identität und die anwaltliche Vertretung nicht mehr nur einem beschränkten Kreis von Personen zugänglich.647 Da § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB ein reines Vorsatzdelikt ist, ist ein völliger Gleichlauf von § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB und § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO nicht gegeben.648 Allerdings dürfte ein Verstoß gegen die Berufspflicht, jedenfalls auf der Grundlage gesellschaftsvertraglicher Klauseln, regelmäßig mit bedingtem Vorsatz geschehen und daher auch eine strafrechtlich relevante Handlung darstellen.649 Aber auch bei lediglich fahrlässigen Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht drohen schon berufsrechtlich anwaltsgerichtliche Maßnahmen nach §§ 113 Abs. 1, 114 Abs. 1 BRAO.650 Im schlimmsten Fall droht dem Rechtsanwalt damit sogar die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft nach § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO. 644 Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 30 Anm. 3 II; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/ Zuck, Standesrecht, § 42 Rn. 9. 645 MüKoStGB/Cierniak/Niehaus, § 203 Rn. 12; Krekeler, in: FS Streck, S. 717, 723; auch für das Berufsrecht ist der Geheimhaltungswille des Mandanten grundsätzlich entscheidend, vgl. Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 30 Anm. 3 II. 646 BGH, Urt. v. 17. 05. 1995 – VIII ZR 94/94, NJW 1995, 2026 f. = DStR 1995, 1360 (m. Anm. Goette); Berger, NJW 1995, 1406, 1407. 647 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 150; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 241 m.w.N. 648 Zutr. Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 449. 649 Vgl. zum fahrlässigen Verstoß gegen § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO Henssler, AnwBl 2019, 216, 219; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 61 f. 650 Henssler, AnwBl 2019, 216, 225.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
(2) Zivilrechtliche Rechtsfolgen von Verstößen, insb. § 134 BGB Neben strafrechtlichen und berufsrechtlichen Sanktionen kommen darüber hinaus auch noch zivilrechtliche Ansprüche des Mandanten gegen den Rechtsanwalt in Betracht. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht stellt eine Pflichtverletzung aus dem Anwaltsvertrag i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB dar.651 Da die Verschwiegenheit auch die informationelle Selbstbestimmung des Mandanten und damit dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht schützt, sind etwaige dem Mandanten entstandene Schäden auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB über die Verletzung eines sonstigen Rechts liquidierbar.652 Daneben ist § 203 Abs. 1 Nr. 3 ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, sodass dem Mandanten auch dieser Anspruch zusteht.653 Führt die Offenbarung von vermögensrelevanten Daten des Mandaten zu einer Kreditgefährdung, kann dieser seinen Schadensersatzanspruch zudem auch auf § 824 BGB stützen.654 Trifft der Geheimnisträger bewusst mit einem Dritten eine zivilrechtliche Vereinbarung, gegen die Verschwiegenheitspflicht zu verstoßen oder setzt die Erfüllung einer Vereinbarung die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht voraus, so ist diese Vereinbarung nach § 134 BGB (i.V.m. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB) nichtig.655 Bloß fahrlässige Verstöße führen allerdings über § 134 BGB i.V.m. § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO ebenfalls zur Nichtigkeit der Vereinbarung.656 Die persönlichen Informationen des Mandanten werden somit umfassend durch das Straf-, Berufs- und Zivilrecht geschützt. Ein Verstoß seitens des Rechtsanwalts kann daher gravierende Konsequenzen nach sich ziehen. Im Hinblick auf Gewinnabführungsvereinbarungen und die aus ihnen folgende potentielle Verpflichtung, gegen die Verschwiegenheitspflicht zu verstoßen, ist insbesondere die Nichtigkeitssanktion des § 134 BGB relevant. Zu untersuchen ist daher, ob und unter
651 BGH, Urt. v. 17. 05. 2018 – IX ZR 243/17, NJW 2018, 2319 Rn. 16 (m. Anm. Prütting) = DB 2018, 2239; Henssler, AnwBl 2019, 216, 225; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 119; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 433 f.; Stöber, ZIP 2007, 1492, 1496. 652 Stöber, ZIP 2007, 1492, 1493. 653 BGH, Urt. v. 17. 05. 2018 – IX ZR 243/17, NJW 2018, 2319 Rn. 16 (m. Anm. Prütting) = DB 2018, 2239; Henssler, NJW 1994, 1817, 1818; Henssler, AnwBl 2019, 216, 225; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 439; Stöber, ZIP 2007, 1492, 1496. 654 Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 100. 655 BGH, Urt. v. 25. 03. 1993 – IX ZR 192/92, BGHZ 122, 115, 117 = NJW 1993, 1638; Urt. v. 13. 05. 1993 – IX ZR 234/92, NJW 1993, 1912 = BeckRS 9998, 95799; Urt. v. 17. 05. 1995 – VIII ZR 94/94, NJW 1995, 2026 = DStR 1995, 1360 (m. Anm. Goette); Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 98; Henssler, AnwBl 2019, 216, 225; Henssler/ Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 119; Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 276; hierzu auch Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7656, S. 49. 656 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 119; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 128.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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welchen Voraussetzungen die Gewinnabführungsvereinbarungen mit der anwaltlichen Pflicht zur Verschwiegenheit konfligieren. cc) Auflösung des Spannungsverhältnisses (1) Auslegung der Verschwiegenheitspflicht Dieses Spannungsverhältnis wäre aber jedenfalls bei Gewinnabführungsvereinbarungen unproblematisch, sofern die Mitteilung von Mandanteninformationen entweder schon nicht unter den Tatbestand der Verschwiegenheitspflicht subsumiert werden könnte oder die mitzuteilenden Informationen zwar im Grundsatz der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, aber im Einzelfall einer der Ausnahmetatbestände eingreifen würde. Im Falle eines angestellten Steuerberaters griff das BAG auf die erstere Variante zurück.657 Dieser unterlag nach seinem Ausscheiden einer Mandantenschutzklausel und sollte anschließend Auskunft darüber geben, ob und wenn ja, welche Mandanten er nun betreuen würde. Das BAG zweifelte bereits daran, ob die Identität der Mandanten und die Beratung durch den Ausgeschiedenen ein Geheimnis i.S.d. § 203 Abs. 1 StGB sei, da der frühere Arbeitgeber des Steuerberaters sogar die Namen und die finanziellen Verhältnisse kenne.658 Jedenfalls sei die Weitergabe der Informationen durch den Steuerberater nicht „unbefugt“ i.S.d. § 203 Abs. 1 StGB, da der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mandanten zu gering sei, während der Steuerberater vertraglich zur Auskunft gegenüber dem früheren Arbeitgeber verpflichtet sei.659 Aus der Konkurrenzklausel ergäben sich zudem Nachwirkungspflichten, die es dem ausgeschiedenen Steuerberater berufsrechtlich erlauben würden, die begehrten Auskünfte zu erteilen.660 Auch wenn es sich in diesem Fall um einen ehemals angestellten Steuerberater und nicht um einen ausgeschiedenen Gesellschafter einer Rechtsanwaltssozietät handelte, sind jedenfalls die Überlegungen des BAG zu § 203 StGB übertragbar. Zwar liegt entgegen den Zweifeln des BAG ein Geheimnis im Sinne der Norm schon deshalb vor, weil der Arbeitgeber die Namen ehemaliger Mandanten und deren finanzielle Verhältnisse kannte. Das allein führt aber noch nicht dazu, dass der Arbeitgeber auch ein Recht darauf hätte, zu erfahren, in welchem Umfang der ehemalige Mandant mittlerweile Beratungsbedarf hat und wem er sein Vertrauen ge657
BAG, Urt. v. 27. 09. 1988 – 3 AZR 59/87, AP Nr. 35 zu § 611 Konkurrenzklausel = DB 1989, 1089 f. 658 BAG, Urt. v. 27. 09. 1988 – 3 AZR 59/87, AP Nr. 35 zu § 611 Konkurrenzklausel = DB 1989, 1089, 1090. 659 BAG, Urt. v. 27. 09. 1988 – 3 AZR 59/87, AP Nr. 35 zu § 611 Konkurrenzklausel = DB 1989, 1089, 1090; OLG Köln, Urt. v. 07. 09. 2006 – 8 U 29/06, BeckRS 2007, 00209 = OLGReport Hamm 2007, 327 f. 660 BAG, Urt. v. 27. 09. 1988 – 3 AZR 59/87, AP Nr. 35 zu § 611 Konkurrenzklausel = DB 1989, 1089, 1090.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
schenkt hat. Übertragen auf die hier behandelte Thematik bedeutet dies, dass die bloße Tatsache, dass jemand früher Mandant der Sozietät war und persönliche Informationen mitgeteilt hat, noch nicht dazu führt, dass die Sozietät auch nach der Beendigung des Mandatsverhältnisses noch ein Recht darauf hätte, weiterhin vertrauliche Informationen des ehemaligen Mandanten zu erfahren. Vielmehr kommt es nach der Geheimnisdefinition gerade auf das Geheimhaltungsinteresse bzw. den Geheimhaltungswillen des Mandanten an.661 Auch der Versuch, den Auskunftsanspruch gegenüber dem Ausgeschiedenen über das Merkmal „unbefugt“ zu bestätigen, führt zu keiner überzeugenden Auflösung des Spannungsverhältnisses von Konkurrenzklausel und Verschwiegenheitspflicht. Zwar ist der Inhalt des Merkmals „unbefugt“ strafrechtlich umstritten, die Problematik betrifft allerdings die Frage, ob das Merkmal nur ein Kennzeichen für die allgemeine Rechtswidrigkeit des Verhaltens sein soll oder ob es auch auf ein tatbestandsausschließendes Einverständnis hinweist.662 In jedem Fall ist es, entgegen dem Urteil des BAG, kein Ansatzpunkt für eine völlig freie Abwägung des Eingriffs in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Mandanten gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers bzw. der Sozietät, die begehrte Auskunft zu erhalten. Würde man eine solche Interessenabwägung vornehmen wollen, so müsste sie im Rahmen der Rechtfertigung nach § 34 StGB stattfinden. Der Rechtsanwalt wäre dann gerechtfertigt, wenn seine vertragliche Verpflichtung zur Weitergabe von Mandanteninformationen das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Mandanten wesentlich überwiegt. Da es sich beim informationellen Selbstbestimmungsrecht des Mandanten und der dieses schützenden Verschwiegenheitspflicht um Rechtsgüter von Verfassungsrang handelt, wird diese Rechtfertigung wohl kaum eingreifen.663 Andernfalls müsste der Mandant immer fürchten, dass sein Name in Verbindung mit dem Gegenstand der Rechtsangelegenheit Dritten zugänglich gemacht werden würde. Ein solches Risiko würde nahezu zwangsläufig das Vertrauensverhältnis von Rechtsanwalt und Mandant unterminieren.664 Darüber hinaus lässt sich das Merkmal der „unbefugten“ Weitergabe nicht dadurch aufheben, dass sich der Berufsträger gegenüber der Sozietät zur Weitergabe der Informationen verpflichtet. Eine Wettbewerbsklausel zwischen zwei Privatpersonen kann weder die strafrechtliche Auslegung noch die berufsrechtliche Pflicht zur Verschwiegenheit beeinflussen.665
661
S. 329. MüKoStGB/Cierniak/Niehaus, § 203 Rn. 57 m.w.N. 663 Zutr. Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 152; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 245; a.A. wohl Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 42 Rn. 26. 664 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 152; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 245 f. 665 Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 246. 662
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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Der Konflikt von Gewinnabführungsvereinbarung und Verschwiegenheitspflicht lässt sich damit weder über eine restriktive Auslegung des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB noch über eine Rechtfertigung nach § 34 StGB lösen. (2) Schlüssiges Einverständnis des Mandanten (a) Konkludentes Einverständnis in der Auseinandersetzung Auch Henssler bemerkt, dass die Begründung des Auskunftsanspruchs durch das BAG durchaus dürftig war.666 Im Ergebnis geht aber auch er davon aus, dass der ausgeschiedene Sozius zivilrechtlich verpflichtet und berufsrechtlich berechtigt ist, Namen der Mandanten und die erzielten Honorare offen zu legen.667 Er rechtfertigt den Auskunftsanspruch der Sozietät damit, dass ihr der Mandant bereits bekannt war und man daher ein schlüssiges Einverständnis des Mandanten annehmen könne.668 Im Ausgangspunkt knüpft er damit, wie das BAG, daran an, dass eine Auskunftserteilung in weiterem Umfang möglich sein soll, weil die Sozietät den Mandanten zuvor bereits betreut hat. Die dogmatische Konsequenz ist indes eine andere. Der Mandant müsse wissen, dass nach dem Ausscheiden des Rechtsanwalts und seiner Entscheidung, dem Ausgeschiedenen zu folgen, eine Auseinandersetzung unter den ehemaligen Gesellschaftern stattfinde.669 Es müsse sich ihm nahezu aufdrängen, dass im Rahmen dieser Auseinandersetzung auch sein Mandat eine Rolle spiele, weshalb es gerechtfertigt sei anzunehmen, er willige jedenfalls konkludent in die zukünftige Weitergabe seines Namens und des Honorarvolumens ein.670 (b) Die Entbindung des Rechtsanwalts von der Verschwiegenheitspflicht In der Tat ist es anerkannt, dass der Mandant als „Herr des Geheimnisses“ in die Weitergabe seiner eigentlich vertraulichen Informationen einwilligen kann.671 Die 666
Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 290. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 290 f.; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 34; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 414. 668 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 290. 669 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 290. 670 Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 290. 671 Deckenbrock, AnwBl Online, 321, 322; Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsRHdb, Teil M Rn. 87; Hartung/Scharmer/Hartung, BORA/FAO, § 2 BORA Rn. 90; Henssler, AnwBl 2019, 216, 219; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 62; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 24 Rn. 181; Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 30 Anm. 2 II; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 41 f.; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 152; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 99; Peitscher, AnwaltsR, § 18 Rn. 150; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 16 Rn. 5; Scharmer, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 57 Rn. 26; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 355; Streck, NJW 2001, 3605; Stürner, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 273, 352; Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 24; Wagner, BRAK-Mitt. 2019, 167, 168; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 28; Lingenberg/ Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 42 Rn. 10; krit. Ahrens, Berufsrecht, Rn. 472. 667
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Berufsordnung sieht dies sogar ausdrücklich in § 2 Abs. 3 lit. a) BORA vor. Die Entbindung von der Schweigepflicht durch den Mandanten kann grundsätzlich auch konkludent erfolgen.672 Ob mit der bloßen Entscheidung, den eigenen Anwalt auch weiterhin zu mandatieren, selbst wenn er nicht mehr in der vorherigen Sozietät tätig ist, gleichzeitig die Einwilligung verbunden wird, sensible Daten an die Sozietät weiterzugeben, erscheint allerdings fraglich. (c) Auslegung der Mandantenerklärung in der Auseinandersetzung Die Annahme einer konkludenten Einwilligung ist aus mehreren Gründen problembehaftet. Denn die Einwilligung setzt zunächst eine Willenserklärung des Mandanten voraus. Für eine schlüssige Willenserklärung muss er also durch sein nach außen hervortretendes Verhalten deutlich gemacht haben, dass er die Setzung eines auf eine Rechtswirkung gerichteten Willens verfolgt.673 Entscheidend ist hierbei, ob der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte das Verhalten des Erklärenden als Willenserklärung verstehen durfte.674 Erklärungsempfänger der Einwilligung ist hier der an die Verschwiegenheitspflicht gebundene, ausgeschiedene Rechtsanwalt. Die nach den §§ 133, 157, 242 BGB auszulegende Erklärung ist die Entscheidung des Mandanten, weiterhin vom ausgeschiedenen Rechtsanwalt nun außerhalb der Sozietät betreut zu werden.675 Für den ausgeschiedenen Sozius wird die bloße Tatsache, dass der Mandant sich entschieden hat, weiterhin von ihm betreut zu werden, allerdings kaum gleichzeitig eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht darstellen. Prima facie handelt es sich lediglich um eine Entscheidung für ihn und gegen die Sozietät, soweit es um das Vertrauen des Mandanten in die Beratung und Vertretung in der Rechtsangelegenheit geht. Dafür spricht schon, dass es sich um zwei völlig unterschiedliche Angelegenheiten handelt, die der Mandant, für den Ausgeschiedenen ersichtlich, kaum jemals pauschal im selben Moment entscheiden will. Zudem wüsste der Mandant in diesem Zeitpunkt auch noch nicht, worin er überhaupt einwilligt. Denn die Gewinnabführungsklauseln können inhaltlich vielfältig sein und den Ausgeschiedenen verpflichten, verschiedenste Informationen weiterzugeben. Denkbar sind unter anderem die Verpflichtung zur Weitergabe des Namens des Mandanten, des Honorarvolumens des Mandats, des Mandatsgegen672
Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 88; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 24 Rn. 181; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 99; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 29; Praxisrelevant ist die konkludente Einwilligung des Mandanten im Rahmen der Mandatserteilung an eine Sozietät, da er hierbei die Berufsträger zur Kommunikation untereinander und zum Informationsaustausch im Rahmen von Sozietätserweiterungen und –fusionen ermächtigt, Deckenbrock, AnwBl Online 2019, 321, 322. 673 Palandt/Ellenberger, BGB, Einf v § 116 Rn. 1, 6. 674 BGH, Urt. v. 26. 01. 2005 – VIII ZR 66/04, NJW-RR 2005, 639, 640 = BeckRS 2005, 02112. 675 Vgl. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 290.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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stands oder des Zeitpunkts des Überwechselns des Mandanten. Vielleicht würde der Mandant in die Weitergabe einiger dieser Informationen einwilligen, in die Preisgabe anderer jedoch nicht. Da er den Inhalt der gesellschaftsvertraglichen Gewinnabführungsklausel nicht kennt und auch nicht kennen kann, muss diese Entscheidung ihm überlassen bleiben. Sie kann nicht unter einem bloßen Hinweis darauf, dass er in Anbetracht der Auseinandersetzung mit der Weitergabe von mandatsspezifischen Informationen rechnen müsse, übergangen werden. Für eine konkludente Einwilligung ist daher unabdingbare Grundvoraussetzung, dass dem Mandanten bewusst ist, welche Informationen weitergegeben werden und an wen sie weitergegeben werden.676 Weder das eine noch das andere lässt sich im Zeitpunkt der Mandatserteilung jedoch hinreichend sicher bestimmen. Selbst wenn man dieser Argumentation nicht folgt und annimmt, dass der Mandant bei Mandatserteilung wissen muss, dass der von ihm erzeugte Vermögenswert beim Ausscheiden eines Sozius eine Rolle in der Auseinandersetzung spielt, so beschränkt sich die Einwilligung doch auf die Erörterung seiner persönlichen Informationen im Zuge der eigentlichen Auseinandersetzung. Dass die Einwilligung zur Preisgabe seiner persönlichen Informationen nicht nur auf die Auseinandersetzung selbst, sondern auch noch auf Jahre später entstandene Zahlungsansprüche der Sozietät gegen den Ausgeschiedenen erstreckt werden soll, überdehnt die Auslegung des Mandantenwillens. Gestützt wird diese Überlegung durch die Teleologie der §§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB, 43a Abs. 2 S. 1 BRAO. Beide Vorschriften dienen dazu, das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Mandanten zu schützen.677 Als Grundrecht mit Menschenwürdegehalt aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG darf es nicht voreilig übergangen werden.678 Vielmehr gebietet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine restriktive Haltung, wenn es schon um eine lediglich konkludente Entbindung des Rechtsanwalts von seiner Schweigepflicht geht. Die bloße Entscheidung des Mandanten für den ausgeschiedenen Rechtsanwalt lässt sich daher nicht pauschal als Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber der Sozietät deuten.679
676 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 24 Rn. 181; vgl. auch Gaier/ Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 28. 677 Für § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB BVerfG, Beschl. v. 14. 12. 2001 – 2 BvR 152/01, NJW 2002, 2164 = BeckRS 2002, 20411; MüKoStGB/Cierniak/Niehaus, § 203 Rn. 3 ff.; Lackner/Kühl/ Heger, StGB, § 203 Rn. 1; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 3; BeckOK StGB/ Weidemann, § 203 Rn. 2.; zu § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO, Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 42; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 6; Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 12c. 678 Zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG BVerfG, Urt. v. 15. 12. 1983 – 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65, 1, 43 ff. = NJW 1984, 419. 679 Im Ergebnis ebenso, allerdings ohne nähere Begründung Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1211.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
(d) Das Sachgerechtigkeitsargument Die von Henssler zur Begründung der Sachgerechtigkeit der Auskunftspflicht angestellte Kontrollüberlegung führt in diesem Zusammenhang kaum weiter.680 Seiner Ansicht nach dürfe der Anwalt zwar grundsätzlich nicht preisgeben, welche Mandanten er betreue, er dürfe aber gegenüber der Sozietät angeben, welche von ihren Mandanten er nicht betreue.681 Da die übrig bleibenden Mandanten bei dieser Art der Befragung notwendig seine Mandanten sind, erscheint diese Kontrollüberlegung eher als Umgehung der Verschwiegenheitspflicht denn als wirkliche Begründung der Sachgerechtigkeit. (3) Ausnahmen von der Verschwiegenheit durch § 49b Abs. 4 S. 1 BRAO (a) Der Rechtsgedanke des § 49b Abs. 4 BRAO Da ein konkludentes Einverständnis des Mandanten in die Preisgabe persönlicher Informationen wie Name und Honorarvolumen nicht aus der bloßen Tatsache gefolgert werden kann, dass er sich für den ausgeschiedenen Sozius entschieden hat, müssen andere Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht in Betracht gezogen werden. In seiner Entscheidung vom 08. 02. 2013682 hatte das LAG Niedersachsen die Frage zu klären, ob der Rechtsgedanke aus § 49b Abs. 4 S. 1 BRAO es rechtfertigt, die für eine Gewinnabführungsvereinbarung relevanten Informationen an die Sozietät weiterzugeben. Dem § 49b Abs. 4 S. 1 BRAO ist grundsätzlich zu entnehmen, dass die Abtretung von Vergütungsforderungen oder ihre Einziehung von Rechtsanwälten an Rechtsanwälte oder Berufsausübungsgesellschaften zulässig ist. Da § 49b Abs. 4 S. 2 BRAO für die Abtretung und die Übertragung an Dritte die ausdrückliche Einwilligung des Mandanten oder die rechtskräftige Feststellung der Forderung fordert, kann dem e contrario entnommen werden, dass dies bei der Abtretung an Rechtsanwälte oder Berufsausübungsgesellschaften nach S. 1 nicht erforderlich ist. Da die Abtretung der Vergütungsforderung oder deren Einziehung durch Berufsgenossen damit keine Entbindung des Rechtsanwalts von der Verschwiegenheitspflicht erfordert, könnte man dem den Rechtsgedanken entnehmen, dass § 49b Abs. 4 S. 1 BRAO die Verschwiegenheitspflicht zwischen Berufsgenossen flexibler gestaltet und jedenfalls im Rahmen von Gewinnabführungsvereinbarungen die Vorschrift analog anwendbar ist.683 Über § 49b Abs. 4 S. 4 BRAO sind nämlich auch die Berufsgenossen nach der erfolgten Abtretung an die Verschwiegenheitspflicht gebunden wie der Zedent selbst. 680
Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 290. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 290. 682 LAG Niedersachsen, Urt. v. 08. 02. 2013 – 12 Sa 904/12, NZA-RR 2013, 347 ff. (m. Anm. Degen) = DStRE 2013, 1470. 683 So offenbar die Begründung des Klägers bei LAG Niedersachsen, Urt. v. 08. 02. 2013 – 12 Sa 904/12, NZA-RR 2013, 347, 349 (m. Anm. Degen) = DStRE 2013, 1470. 681
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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Das LAG Niedersachsen verneinte die Analogiefähigkeit der Vorschrift gleichwohl aufgrund einer fehlenden planwidrigen Regelungslücke und weil der Erstreckung der Vorschrift im Wege der Analogie „verfassungsrechtliche Bedenken“ entgegenstünden.684 (b) Analogiefähigkeit von § 49b Abs. 4 BRAO (aa) Planwidrigkeit der Regelungslücke Für eine Analogie zu § 49b Abs. 4 BRAO wäre zunächst nötig, dass für die Behandlung von Gewinnabführungsvereinbarungen eine entsprechende Regelung nicht besteht und der Gesetzgeber diese Regelungslücke nicht bedacht hat.685 Ohne Zweifel besteht zwar keine gesetzliche Regelung zur Behandlung von Gewinnabführungsvereinbarungen unter Rechtsanwaltssozien, hinzutreten müsste aber auch die Planwidrigkeit dieser Regelungslücke. Was im Plan des Gesetzgebers lag, lässt sich mittels einer historischen und teleologischen Auslegung des Gesetzes erschließen.686 Durch die Neuregelung des § 49b Abs. 4 BRAO im Zuge der Novelle des Rechtsberatungsrechts vom 12. 12. 2007687 wollte der Gesetzgeber vor allem klarstellen, dass Abtretungen von Vergütungsforderungen unter Rechtsanwälten oder an Berufsausübungsgesellschaften ohne Zustimmung des Mandanten zulässig sind.688 Diese Klarstellung war eine Reaktion auf die zuvor in Rechtsprechung und Literatur bestehende Unsicherheit, ob § 49b Abs. 4 BRAO nur die Verpflichtung des Zessionars zur Verschwiegenheit enthielt oder ob auch die Zulässigkeit der Abtretung von Vergütungsforderungen an Berufsgenossen ohne Zustimmung des Mandanten Teil des Regelungsgehaltes war.689 Im Weiteren diente die Neufassung dazu, deutlich zu machen, dass auch eine Abtretung an Dritte zulässig ist, sofern entweder die Einwilligung des Mandanten vorliegt oder die Forderung rechtskräftig festgestellt wurde, sodass einerseits die Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Mandanten hinreichend gesichert ist, der Anwalt aber gleichzeitig die Möglichkeit erhält, seine Forderung unter Umständen als Finanzierungsinstrument zu nutzen.690 Insbesondere, um die persönlichen Informationen des Mandanten zu sichern, soll dieser nach dem geltenden § 49b Abs. 4 S. 3 BRAO gemäß § 402 BGB 684 LAG Niedersachsen, Urt. v. 08. 02. 2013 – 12 Sa 904/12, NZA-RR 2013, 347, 349 (m. Anm. Degen) = DStRE 2013, 1470; ebenfalls insgesamt ablehnend Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1211. 685 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 194. 686 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 194. 687 BGBl. 2007 I, 2840 ff.; s. schon Fn. 144 und 863. 688 RegBegr, BT-Drucks. 16/3655, S. 82. 689 RegBegr, BT-Drucks. 16/3655, S. 82; BGH, Urt. v. 11. 11. 2004 – IX ZR 240/03, NJW 2005, 507, 508 m.w.N. = ZIP 2005, 218; Urt. v. 09. 06. 2005 – IX ZR 14/04, BeckRS 2005, 07836. 690 Vgl. RegBegr, BT-Drucks. 16/3655, S. 82.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
vom Rechtsanwalt über die Einwilligung aufgeklärt werden und nach § 49b Abs. 4 S. 4 BRAO ist jeder Zessionar zur Wahrung der Verschwiegenheit wie der Anwalt selbst verpflichtet.691 Dem Gesetzgeber ging es im Rahmen der Neuregelung somit um die klare und verständliche Regelung der verschiedenen Abtretungskonstellationen und den Ausgleich der finanziellen Interessen der Rechtsanwälte und der Geheimhaltungsinteressen der Mandanten. Historisch und teleologisch lag es damit lediglich im Bewusstsein des Gesetzgebers, diese bestimmte Sonderkonstellation zu regeln. Das könnte zunächst für eine planwidrige Regelungslücke im Hinblick auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht bei Gewinnabführungsvereinbarungen sprechen. Indes darf die bloße Tatsache der Nichtregelung eines Sachverhalts nicht dazu verleiten, vorschnell aufgrund der Regelungslücke auch die Planwidrigkeit zu bejahen. Denn das Problem der Planwidrigkeit ist letztlich aufgrund der Frage zu entscheiden, ob das Gesetz – gemessen an seinem eigenen Normzweck – unvollständig ist oder ob es lediglich rechtspolitisch kritikwürdig ist.692 Wie die Neuregelung des § 49 Abs. 4 BRAO gezeigt hat, lag es jedoch nie in der Absicht des Gesetzgebers, anzudeuten, dass die Verschwiegenheitspflicht allgemein oder auch nur im Einzelfall zwischen Rechtsanwälten nicht oder weniger streng gelten würde. Schon die Qualifizierung solch einer vermeintlichen praktischen Gepflogenheit zu einer gewohnheitsrechtlichen Ausnahme begegnet, angesichts der Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht für die Rechtspflege, schweren Bedenken.693 Nur unter der Prämisse eines solchen Grundgedankens bzw. Regelungsplans ließe sich annehmen, dass die Nichtregelung einer Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht bei Gewinnabführungsvereinbarungen eine planwidrige Abweichung von diesem Grundgedanken darstellt. Gemessen an seinem eigenen Normzweck ist insbesondere § 49b Abs. 4 BRAO, aber auch die gesamte BRAO, nicht unvollständig. Es lag bisher nie im angestrebten Regelungsplan des Gesetzgebers, eine Norm zur Regelung von Wettbewerbsbeschränkungen zu schaffen. Das ist in Anbetracht der praktischen Häufigkeit von Gewinnabführungsvereinbarungen rechtspolitisch bedauerlich, aber eben kein Anzeichen für eine inhaltlich unzureichend geratene Regelung der BRAO. (bb) Zwischenergebnis Damit lässt sich auch § 49b Abs. 4 S. 1 BRAO weder direkt noch analog entnehmen, dass die Verschwiegenheitspflicht hinter dem Auskunftsersuchen der So-
691
RegBegr, BT-Drucks. 16/3655, S. 82. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 195. 693 Zutr. Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 30 Anm. 3 I.: Die Verschwiegenheitspflicht gelte auch für das „vertraute Gespräch im Kollegenkreis“. 692
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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zietät bei Bestehen einer gesellschaftsvertraglichen Gewinnabführungsvereinbarung zurückstehen müsste.694 (4) Gesetzliche Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht (a) Die Vermögensauskunft nach § 807 Abs. 1 S. 1 ZPO Die Verschwiegenheitspflicht tritt aber hinter der Pflicht zur Vermögensauskunft nach §§ 802c Abs. 1 S. 1, 807 Abs. 1 S. 1 ZPO zurück.695 Im Rahmen dieser Auskunft muss der ausgeschiedene Rechtsanwalt als Schuldner den Namen des Mandanten, dessen Anschrift und die Forderungshöhe hinsichtlich seiner Honorarforderung mitteilen.696 Nur so kann der Gläubiger sein durch Art. 14 GG geschütztes Befriedigungsrecht durchsetzen.697 Gleichwohl hilft § 807 ZPO bei der hier vorliegenden Konstellation nur bedingt weiter. Die Vermögensauskunft setzt nach den §§ 802c Abs. 1 S. 1, 807 Abs. 1 S. 1 ZPO voraus, dass die Forderung, über die Auskunft verlangt wird, Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist. Die frühere Sozietät könnte die Vermögensauskunft daher nur dann vom Ausgeschiedenen verlangen, wenn sie gegen diesen eine bestehende Forderung vollstrecken will. Da die Sozietät in der Regel eine unkomplizierte, regelmäßige Zahlung der abzuführenden Honorare begehren wird, wird es jedoch kaum in ihrem Interesse sein, in das Vollstreckungsverfahren einzutreten, insbesondere deswegen, da sie ohne die begehrten Informationen über mitgenommene Mandanten grundsätzlich nicht beurteilen kann, ob entsprechende Gewinnabführungsansprüche überhaupt bestehen. Daneben besteht noch ein weiterer Risikofaktor. Selbst wenn die Einzelvollstreckung stattfindet, ist bei der Prüfung des § 807 ZPO immer die Grundrechtsposition des Mandanten in der Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts mit dem Interesse des Gläubigers an seiner Befriedigung, geschützt durch Art. 14 GG, abzuwägen.698 Zwar wird diese Abwägung in der Regel zu Gunsten des Gläubigers ausgehen, eine abweichende Beurteilung bei einem besonderen Ge694 Zutr. LAG Niedersachsen, Urt. v. 08. 02. 2013 – 12 Sa 904/12, NZA-RR 2013, 347, 349 (m. Anm. Degen) = DStRE 2013, 1470; Anm. Arens/Pelke, DStR 2013, 1803, 1804; Anm. Degen, NZA-RR 2013, 347, 351; BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 21. 695 BGH, Beschl. v. 02. 12. 2009 – I ZB 65/09, NJW 2010, 1380 Rn. 12 = BeckRS 2010, 3323; BGH, Urt. v. 25. 03. 1999 – IX ZR 223/97, BGHZ 141, 173, 176 = NJW 1990, 1544; Ahrens, Berufsrecht, Rn. 513; BeckOK ZPO/Fleck, § 802c Rn. 14; BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 19; Musielak/Voit/Voit, ZPO, § 802c Rn. 12; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 16. 696 BGH, Beschl. v. 02. 12. 2009 – I ZB 65/09, NJW 2010, 1380 Rn. 15 = BeckRS 2010, 3323; zust. Ahrens, Berufsrecht, Rn. 513. 697 BGH, Beschl. v. 02. 12. 2009 – I ZB 65/09, NJW 2010, 1380 Rn. 15 = BeckRS 2010, 3323. 698 BGH, Beschl. v. 02. 12. 2009 – I ZB 65/09, NJW 2010, 1380 Rn. 15 = BeckRS 2010, 3323.
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heimhaltungsbedarf auf Seiten des Mandanten ist jedoch im Einzelfall nicht ausgeschlossen.699 Die Vermögensauskunft des Schuldners in der Einzelzwangsvollstreckung ist daher eine grundsätzlich mögliche, aber umständliche und nicht risikolose Option für die frühere Sozietät, um zu erfahren, in welcher Höhe und von welchen Mandanten der Ausgeschiedene Honorare erzielt. (b) § 2 Abs. 2 BORA – „Gesetz und Recht“ Ebenfalls nicht weiter führt die Norm des § 2 Abs. 2 BORA, die Ausnahmen zulässt, „soweit Gesetz und Recht sie fordern oder zulassen“. Zwar mag man zunächst versucht sein „Recht“ weit auszulegen und auch vertraglich geschaffenes Recht hierunter zu subsumieren, gleichwohl widerspräche dies dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 BORA, da die Formulierung nur eine Anlehnung an „Gesetz und Recht“ in Art. 20 Abs. 3 GG ist.700 Dementsprechend beeinhaltet § 2 Abs. 2 BORA nur den Hinweis darauf, dass das formelle Recht und Rechtsvorschriften eine Ausnahme von der Verschwiegenheit fordern oder zulassen können.701 Die Zulässigkeit vertraglicher Einschränkungen zwischen dem Geheimnisträger und Dritten soll demgegenüber gerade nicht statuiert werden. (c) § 2 Abs. 3 lit. b) BORA (aa) Die Wahrnehmung berechtigter Interessen als Ausweg? Am erfolgversprechendsten erscheint daher ein Rückgriff auf die Vorschrift des § 2 Abs. 3 lit. b) BORA. Dort wird geregelt, dass ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht nicht vorliegt, wenn die Offenbarung der Informationen zur Wahrung berechtigter Interessen des Rechtsanwalts erforderlich ist. Das kann nach den Regelbeispielen des § 2 Abs. 3 lit. b) BORA einerseits die Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder andererseits die Verteidigung in eigener Sache sein. In jedem Fall subsumiert die überwiegende Lehre unter die Wahrnehmung berechtigter Interessen auch Rechenschaftspflichten des ausgeschiedenen Rechtsanwalts, sofern er einer Gewinnabführungsklausel oder allgemeiner einem Wettbewerbsverbot unterliegt.702 Denn dann könne er sich nicht darauf berufen, dass er zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, obwohl er Mandanten der
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BGH, Beschl. v. 02. 12. 2009 – I ZB 65/09, NJW 2010, 1380 Rn. 16 = BeckRS 2010,
Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 15. Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 15. 702 Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 43a Rn. 118; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 99; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 410; offenbar auch Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 414. 701
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ehemaligen Sozietät vertragswidrig an sich gebunden habe.703 Argumentativ stützt sich diese Ansicht darauf, dass der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Mandanten gering sei und die bisherige Sozietät ohnehin bereits hinreichend gut über dessen Verhältnisse informiert sei.704 Zudem könne ein Wettbewerbsverbot ansonsten nicht durchgesetzt werden.705 Da jedenfalls unbeschränkte Mandantenschutzklauseln nach hier vertretener Ansicht ohnehin unwirksam sind, stellt sich die Frage, ob § 2 Abs. 3 lit. b) BORA bei Wettbewerbsklauseln auch die Weitergabe von Mandanteninformationen umfasst, im Wesentlichen nur bei Gewinnabführungsvereinbarungen. Da solche aber die Mandatsmitnahme gerade gestatten, verfängt in diesem Zusammenhang der Verweis darauf, der Ausgeschiedene habe vertragswidrig Mandanten mitgenommen, gerade nicht. Ebenso ist es nicht überzeugend vorzubringen, dass Wettbewerbsklauseln ansonsten praktisch nicht durchsetzbar wären. Damit wird die Auslegung von § 2 Abs. 3 lit. b) BORA vom gewünschten Ergebnis vorherbestimmt, anstatt dass ergebnisoffen nach der Aussage der Norm selbst geforscht wird. Sich dieser normativen Kraft des Faktischen zu unterwerfen, erscheint angesichts der Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht nicht ratsam. Zu bedenken ist indes der Einwand, dass der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Mandanten gering sei, wenn nur Name und erzieltes Honorar offengelegt werden.706 Ob die Erfüllung von Rechenschaftspflichten allerdings von vornherein wirklich Teil der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist, lässt sich nur im Wege der Auslegung von § 2 Abs. 3 lit. b) BORA erschließen. (bb) Berechtigte Interessen i.S.d. § 2 Abs. 3 lit. b) BORA Der Wortlaut der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ spricht an sich für eine umfassende Möglichkeit, die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten einzuschränken, da der Begriff der „Interessen“ zunächst denkbar weit und nicht auf bestimmte Einzelinteressen begrenzt ist. Systematisch ergibt sich allerdings bei Betrachtung der Regelbeispiele der Durchsetzung bzw. 703 Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 410. 704 OLG Köln, Urt. v. 07. 09. 2006 – 8 U 29/06, BeckRS 2007, 00209 = OLG-Report Hamm 2007, 327 f.; Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 290; Henssler, AnwBl 2019, 216, 224; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 118; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 410. 705 Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Henssler, AnwBl 2019, 216, 224; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 118. 706 So BAG, Urt. v. 27. 09. 1988 – 3 AZR 59/87, AP Nr. 35 zu § 611 Konkurrenzklausel = DB 1989, 1089, 1090; OLG Köln, Urt. v. 07. 09. 2006 – 8 U 29/06, BeckRS 2007, 00209 = OLG-Report Hamm 2007, 327 f.; Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 290; Henssler, AnwBl 2019, 216, 224; Henssler/ Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 118; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 410.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis und der Verteidigung in eigener Sache, dass a minore ad maius mit dem Oberbegriff der Wahrnehmung berechtigter Interessen wohl nur die Wahrnehmung berechtigter Eigeninteressen des Rechtsanwalts gemeint ist. Der Einwand, dass die Interessen Dritter, wie hier der Sozietät, die Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht fordern, weil diese ihre Ansprüche sonst praktisch nicht durchsetzen könnte, ist daher ausgeschlossen. Historisch basiert § 2 Abs. 3 lit. b) BORA auf der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zu Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht.707 Die Rechtfertigung der Einschränkung ist abhängig von der Variante.708 Begehrt die Sozietät Auskunft über Mandanten und Honorare des ausgeschiedenen Sozius, geht es ersichtlich nicht um die Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis, sondern um die Verteidigung in eigener Sache. Anders als Ansprüche aus dem Mandatsverhältnis, welche notwendigerweise gegenüber dem Mandanten bestehen, kann die „Verteidigung in eigener“ Sache auch die Verteidigung gegenüber Dritten erfassen. Im Grunde stellt sie sogar den Hauptanwendungsfall der „Verteidigung in eigener Sache“ dar, da die Verteidigung gegenüber dem Mandanten regelmäßig schon unter § 2 Abs. 3 lit. b) Alt. 1 BORA fallen dürfte.709 Bei Gewinnabführungsvereinbarungen muss sich der ausgeschiedene Sozius gegenüber der Sozietät dagegen verteidigen, dass er seiner Gewinnabführungspflicht nicht oder zumindest unzureichend nachkommt.710 Damit ist § 2 Abs. 3 lit. b) Alt. 2 BORA einschlägig. Der Rückgriff auf die allgemeine Formulierung der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ verbietet sich, da das Regelbeispiel den spezielleren Fall darstellt und somit dessen Wortlaut und dessen Teleologie maßgeblich sind. Teleologisch basiert die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ – und damit auch die Verteidigung in eigener Sache – gegenüber Dritten als Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht auf der Interessenabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Mandanten und dem Persönlichkeits- und Vermögensschutzinteresse des Anwalts.711 In der Einzelfallabwägung kommt dem Geheimhaltungsinteresse des Mandanten aufgrund seines informationellen Selbstbestimmungsrechts allerdings grundsätzlich ein Abwägungsvorsprung zu.712 Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts gilt daher grundsätzlich auch im Prozess gegen eigene
707
BVerfG, Urt. v. 30. 03. 2004 – 2 BvR 1520/01 u. 2 BvR 1521/01, BVerfGE 110, 226, 259 = NJW 2004, 1305; BGH, Urt. v. 09. 10. 1951 – 1 StR 159/51, BGHSt 1, 366, 368 = NJW 1952, 151; BGH, Urt. v. 10. 07. 1991 – VIII ZR 296/90, BGHZ 115, 123, 129 = NJW 1991, 2955. 708 Hierzu BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 30. 709 Vgl. BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 30 f.; diff. Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 32 f., der zwischen Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis und späteren Regressforderungen des Mandanten unterscheidet. 710 Vgl. Henssler, in: FS Geiß, S. 271, 291. 711 BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 30; a.A. wohl Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 57, der auch Interessen Dritter für relevant hält. 712 Vgl. v. Lewinski, Berufsrecht, S. 156; BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 31.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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Mandanten oder Dritte weiterhin.713 Es ist ihm regelmäßig zuzumuten, sich auf die Schweigepflicht zu berufen, da ihm die Berufung auf seine Verschwiegenheitspflicht nicht nachteilig ausgelegt werden darf.714 Auf der anderen Seite muss der Anwalt aber nicht riskieren, dass sein Vortrag im Prozess gegen seine ehemalige Sozietät als unzureichend bewertet wird, sodass die Verschwiegenheitspflicht dann eingeschränkt wird, wenn eigentlich der Verschwiegenheitspflicht unterfallende Informationen für die Substantiierung des Prozessvortrags notwendig sind.715 Jedenfalls wenn es zum Prozess um die Gewinnabführungsansprüche kommt, kann der ausgeschiedene Sozius daher durchaus berechtigt sein, die Namen der Mandanten und die Höhe der vereinnahmten Honorare zu offenbaren, um sich wirksam verteidigen zu können. Tatbestandlich handelt es sich hierbei um § 2 Abs. 3 lit. b) Alt. 2 BORA und nicht nur allgemein um die Wahrnehmung berechtigter Interessen. (cc) Vorprozessuale Verteidigung in eigener Sache Damit wird gleichzeitig die Frage aufgeworfen, ob der ausgeschiedene Rechtsanwalt auch vorher schon berechtigt und womöglich verpflichtet ist, Mandanteninformationen preiszugeben oder ob er sich zu diesem Zeitpunkt noch auf seine Verschwiegenheitspflicht berufen kann.716 Denn auch das bloße Begehren der Sozietät, Mandanten und Honorare offenzulegen, könnte für den Ausgeschiedenen bereits eine Verteidigung in eigener Sache sein.717 Will der Rechtsanwalt sich dabei auf § 2 Abs. 3 lit. b) Alt. 2 BORA stützen, so erscheint dies schon deshalb zweifelhaft, weil er sich gegen dieses Begehren nicht verteidigen muss. Denn das Verlangen der Sozietät, Mandatsnamen und Honorare mitgeteilt zu bekommen, entfaltet bei einer Weigerung des ausgeschiedenen 713 BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 31; Stöber, ZIP 2007, 1492, 1494; Weyland/ Träger, BRAO, § 43a Rn. 29a; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 32; vgl. auch Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Gebühren III. C. 1. 714 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 29a. 715 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 24 Rn. 184; BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 31; Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 29a; sowie bei Prozessen gegen den eigenen Mandanten auch Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Gebühren III. C.; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 60; Stöber, ZIP 2007, 1492, 1494; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 32. 716 Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts in dieser Konstellation ablehnend und damit eine Pflicht zur Auskunft annehmend Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 118; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 57; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 99; a.A. – die Nennung von Namen für unzulässig haltend – aber Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsRHdb, Teil B Rn. 276; beim Parallelproblem eines ausgeschiedenen, angestellten Rechtsanwalts ebenso Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 128. 717 So wohl Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Henssler/ Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 118; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 57; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 99.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Rechtsanwalts keinerlei Zwangswirkung. Damit handelt es sich nicht um eine „Verteidigung“ im eigentlichen Sinn und die Mitteilung der Mandatsnamen und der vereinnahmten Honorare ist dann noch nicht zur Verteidigung in eigener Sache nach § 2 Abs. 3 lit. b) BORA erforderlich. Der klassische Fall der Verteidigung in eigener Sache ist ohnehin regelmäßig die Verteidigung im Prozess.718 Sie beginnt erst mit der Rechtshängigkeit und der Schlüssigkeit der erhobenen Klage.719 Zudem erscheint es widersprüchlich, dem Rechtsanwalt die Möglichkeit zuzubilligen, seine Verschwiegenheitspflicht bereits vorprozessual zu brechen. Immerhin ist es ihm sogar im Prozess grundsätzlich zuzumuten, sich solange auf sein Schweigerecht zu berufen, wie es seine Prozesschancen nicht beeinträchtigt.720 Selbst wenn man die vorprozessuale Offenbarung von Mandanteninformationen unter die Verteidigung in eigener Sache subsumieren würde oder sie als eigenen Fall der Wahrnehmung berechtigter Interessen ansehen wollte, wäre noch das Geheimhaltungsinteresse des Mandanten mit dem Persönlichkeits- und Vermögensschutzinteresse des Rechtsanwalts abzuwägen. Ersterem kommt hierbei ein Vorsprung in der Abwägung zu.721 Müssen die Mandanteninteressen daher aufgrund der verfassungsrechtlichen Implikationen der Verschwiegenheitspflicht soweit möglich gewahrt werden, liegt es nahe, dass der ausgeschiedene Sozius zunächst lediglich die Höhe der jeweils aus den mitgenommenen Mandaten vereinnahmten Honorare offenlegen muss, allerdings ohne dabei die Identitäten seiner Mandanten mitzuteilen. Die Sozietät kann dann aufgrund dieser Angaben überprüfen, ob der ausgeschiedene Sozius seiner Gewinnabführungspflicht hinreichend nachgekommen ist. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Grundsatz, dass Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht zur Verteidigung in eigener Sache immer durch das Prinzip der Erforderlichkeit begrenzt sind.722 Die Offenbarung der Mandantennamen ist zu diesem Zeitpunkt für die Überprüfung, ob die Gewinnabführung der Höhe nach zutreffend ist, nicht erforderlich. Soweit dagegen eingewendet wird, die Identitäten der Mandanten würden kaum weiter ins Gewicht fallen, da die Sozietät deren Verhältnisse ohnehin bestens kennt,723 ist dem wiederum entgegenzuhalten, dass aus einer früheren Betreuung kaum ein Recht folgen kann, auch weiterhin über den Mandanten informiert zu 718 S. die Beispiele bei Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 16 Rn. 6; vgl. auch BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 31. 719 Näher S. 347 ff. 720 Zur Zumutbarkeit das prozessuale Schweigerecht in Anspruch zu nehmen BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 31; Stöber, ZIP 2007, 1492, 1494; Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 29a. 721 S. 341 f. 722 Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 35; zum Standesrecht noch Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 42 Rn. 21. 723 Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 43a Rn. 118; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 410.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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bleiben.724 So etwas wie ein „einheitlicher Schutzschirm“, der die ehemaligen Rechtsberater auch für die Zukunft einschließt, besteht nicht.725 Darauf deutet schon die Entscheidung des BGH vom 11. 04. 2002726 hin. In diesem Fall nutzte der beklagte Rechtsanwalt eine Internetdomain, die der der klagenden Sozietät extrem ähnlich war. Letztere verlangte vom Beklagten unter anderem Auskunft darüber, welche früheren Mandanten der Klägerin aufgrund der ähnlichen Domain den Beklagten mandatiert hatten und in welcher Höhe der Beklagte hierdurch Honorare erzielen konnte. Eine solche Auskunft sei dem Beklagten nach Ansicht des BGH im Hinblick auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht indes nicht zuzumuten.727 Insbesondere die Offenlegung der Namen derjenigen Mandanten, welche zuvor die Klägerin mandatiert hatten und dann zum Beklagten gewechselt waren, sei unzulässig.728 Ob der Mandant zuvor von der Sozietät betreut wurde und ob diese seine persönlichen Verhältnisse kennt, vermag für die Abwägung der gegenläufigen Interessen keinen Unterschied zuungunsten des Mandanten zu machen. Dem Urteil des BGH lässt sich die zutreffende Wertung entnehmen, dass die Verschwiegenheitspflicht unverändert streng auch zwischen Berufskollegen gilt, und zwar selbst dann, wenn es sich um den früheren und den aktuellen Vertreter in Rechtsangelegenheiten handelt.729 Diesem Vorrang des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Mandanten entspricht die praktische Erkenntnis, dass Mandanten die ungefragte Offenbarung ihrer Identität keinesfalls als bloßen Fauxpas empfinden. Im Wirtschaftsrecht kann der Bruch der Verschwiegenheitspflicht – beispielsweise zwecks Außenwerbung oder im Zuge eines „beauty contests“ – zur Mandatskündigung oder/und zum „blacklisting“ führen.730 Aber nicht nur dem BGH, auch dem Gesetzgeber lag es fern, die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts gegenüber einem Berufskollegen abzuschwächen.731 Ob der Mandant hierbei zuvor von diesem betreut wurde, kann dabei keinen Unterschied machen. Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht bedürfen immer einer hinreichenden Rechtfertigung aufgrund der besonderen Interessen des an die Schweigepflicht gebundenen Rechtsanwalts und müssen zudem dem Prinzip der Erforderlichkeit genügen.732 Der Einwand, die Sozietät kenne die Verhältnisse des 724
S. 331 ff. A.A. Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 410. 726 BGH, Urt. v. 11. 04. 2002 – I ZR 317/99, NJW 2002, 2096 ff. = DB 2002, 2156. 727 BGH, Urt. v. 11. 04. 2002 – I ZR 317/99, NJW 2002, 2096, 2098 = DB 2002, 2156. 728 BGH, Urt. v. 11. 04. 2002 – I ZR 317/99, NJW 2002, 2096, 2098 = DB 2002, 2156. 729 A.A. OLG Köln, Urt. v. 07. 09. 2006 – 8 U 29/06, BeckRS 2007, 00209 = OLG-Report Hamm 2007, 327 f.; in der Praxis wird die Verschwiegenheitspflicht unter Kollegen leider allzu oft missachtet, vgl. Streck, NJW 2001, 3605; krit. auch Henssler, AnwBl 2019, 216, 218. 730 Hartung, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 37, 63. 731 S. 337 ff. 732 S. 343 ff. 725
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Mandanten ohnehin, stellt aber einseitig auf die Perspektive der Sozietät ab. Deren Interessen spielen für die Abwägung zwischen Mandant und mandatiertem Anwalt indes bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Selbiges gilt für das Argument, die Sozietät könne Wettbewerbsklauseln sonst praktisch nicht durchsetzen.733 Da derlei Klauseln nur im Interesse der Gesellschaft liegen, kann dieser Gesichtspunkt im Rahmen der erforderlichen Abwägung bei § 2 Abs. 3 lit. b) BORA keine entscheidende Bedeutung beanspruchen.734 Vorprozessual kann sich der ausgeschiedene Sozius damit nicht auf eine Verteidigung in eigener Sache stützen, da eine solche noch nicht vorliegt. Selbst, wenn man sie aber als bereits existent ansähe oder allgemeiner auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen ausweichen wollte, würde die erforderliche Abwägung zugunsten des Persönlichkeitsschutzes der Mandanten ausgehen. Damit dürfte der ausgeschiedene Sozius der Sozietät mitteilen, in welcher Höhe er Honorare aus mitgenommenen Mandaten erzielt hat, da diese Information ohne Mandantenbezug die Verschwiegenheitspflicht nicht beeinträchtigt. Er dürfte darüber hinaus im vorprozessualen Stadium jedoch keine Informationen mitteilen, welche einen Schluss auf die Identität der übergewechselten Mandanten zulassen. Praktisch kann er seiner Rechnungslegungspflicht gegenüber der Sozietät damit nachkommen, indem er seine Abrechnungen anonymisiert und der Sozietät übersendet.735 (dd) Die eidesstattliche Versicherung als Sicherungsinstrument Dieses Verfahren ist für die Sozietät auch nicht weiter nachteilig, da die Honorare zwar nicht bestimmten Mandanten zugeordnet und damit auf Plausibilität geprüft werden können, die Richtigkeit der Abrechnungen kann jedoch sichergestellt werden, indem der ausgeschiedene Sozius in der Gewinnabführungsklausel verpflichtet wird, auf Verlangen der Sozietät die Korrektheit der Abrechnungen an Eides statt zu versichern.736 Das Rechtsinstitut der eidesstattlichen Versicherung erlangt sowohl im Prozessrecht wie auch im materiellen Recht Bedeutung.737 Unter einer eidesstattlichen Versicherung wird jede schriftliche oder mündliche Erklärung verstanden, die sich auf eigene Wahrnehmungen, Handlungen oder sonstige Tatsachen bezieht.738 733 Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 43a Rn. 118. 734 A.A wohl Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Henssler/ Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 118. 735 Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 248; s. auch den Formulierungsvorschlag bei Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 277; zur Zulässigkeit der Veröffentlichung von anonymisierten Informationen auch Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 83. 736 Zutr. der Formulierungsvorschlag bei Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 277; ebenso Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 249. 737 Vgl. Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 508 ff.; Brox/Walker, ZVR, Rn 1125 ff. 738 MüKoZPO/Prütting, § 294 Rn. 18.
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Gemäß § 294 Abs. 1 ZPO genügt die eidesstattliche Versicherung zur Glaubhaftmachung beweisrelevanter Tatsachen im Prozess ebenso wie ein Strengbeweis.739 Im Vollstreckungsverfahren dient die eidesstattliche Versicherung dem Vollstreckungsgläubiger als Hilfsmittel zur Durchführung der Zwangsvollstreckung.740 Aber auch materiellrechtlich kann eine Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bestehen.741 So verpflichtet § 259 Abs. 2 BGB den Rechenschaftspflichtigen dazu, die Richtigkeit der von ihm gemachten Angaben eidesstattlich zu versichern. Die zugrundeliegende Rechenschaftspflicht aus § 259 Abs. 1 BGB kann sowohl durch bürgerlich-rechtliche Vorschriften als auch durch vertragliche Vereinbarungen begründet werden.742 Da die Gewinnabführungsklausel als notwendige Vorstufe der Gewinnabführung die Rechnungslegung voraussetzt, ist der ausgeschiedene Sozius daher bei Zweifeln über die Korrektheit seiner (anonymisierten) Angaben zur Abgabe einer Versicherung an Eides statt gemäß § 259 Abs. 2 BGB verpflichtet.743 Diese Verpflichtung macht eine ausdrückliche Vereinbarung der eidesstattlichen Versicherung in der Gewinnabführungsklausel selbst zwar materiellrechtlich überflüssig, gleichwohl trägt eine solche Vereinbarung zur Klarheit des Verfahrens im Konfliktfall und damit zur Streitprävention bei. Gibt der ausgeschiedene Sozius anschließend vorsätzlich eine falsche eidesstattliche Versicherung ab, erfüllt er den Straftatbestand des § 156 StGB. Berufsrechtlich kann die Konsequenz einer falschen eidesstattlichen Versicherung nach § 156 StGB die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft sein.744 Angesichts der potentiell extremen Konsequenzen ist die eidesstattliche Versicherung somit durchaus geeignet, den ausgeschiedenen Sozius von vornherein zu einer korrekten Rechnungslegung zu bewegen, selbst wenn er die Abrechnungen im ersten Schritt noch anonymisieren darf. Eine entsprechende Klausel ist in der Gewinnabführungsvereinbarung daher dringend zu empfehlen, um die Interessen der Sozietät vorprozessual zu schützen. (ee) Der entscheidende Zeitpunkt für die Verteidigung in eigener Sache Will die Sozietät die Namen der Mandanten in Erfahrung bringen, so reicht das bloße Bestreiten der Gewinnabführung in angemessener Höhe durch den ausgeschiedenen Sozius, verbunden mit dem Begehren, die notwendigen Informationen zur Rechnungslegung zu erhalten, dafür noch nicht.
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Vgl. MüKoZPO/Prütting, § 294 Rn. 18. Näher zu den Einzelheiten Brox/Walker, ZVR, Rn 1125. 741 Dies zeigt schon § 889 Abs. 1 S. 1 ZPO. 742 MüKoBGB/Krüger, § 259 Rn. 3. 743 So zur parallelen Rechtslage im Arbeitsrecht BAG, Urt. v. 26. 11. 1971 – 3 AZR 220/71, AP Nr. 26 zu § 611 Konkurrenzklausel = WM 1972, 598, 601; Lingenberg/Hummel/Zuck/ Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 249; MüKoBGB/Krüger, § 259 Rn. 11. 744 Weyland/Reelsen, BRAO, § 114 Rn. 50 m.w.N. 740
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Entscheidend für die Frage, ab wann die Offenlegung der Identität der Mandanten zulässig ist, ist daher die Definition des Zeitpunktes, mit dem die Verteidigung in eigener Sache nach § 2 Abs. 3 lit. b) BORA beginnt. Von einer Verteidigung kann indes wohl erst gesprochen werden, wenn der Rechtsanwalt zu eben dieser gezwungen ist.745 Ein solcher Zwang ist anzunehmen, sobald sich der Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Durchsetzung der gegen ihn gerichteten Ansprüche konfrontiert sieht. Denn sobald dieser Zeitpunkt erreicht ist, ist es ihm nicht mehr zumutbar, seinen Vortrag unter Umständen nicht hinreichend zu substantiieren.746 Die Verteidigung beginnt nach hier vertretener Ansicht, wenn die Klage747 mit der Zustellung rechtshängig (§ 253 Abs. 1 i.V.m. § 261 Abs. 1 ZPO) und der Anspruch in der Klagebegründung schlüssig vorgetragen ist.748 Dafür spricht, dass der Begriff der „Verteidigung“ nach § 2 Abs. 3 lit. b) BORA parallel zum Zivilprozessrecht ausgelegt werden sollte, da die Fälle der Verteidigung in eigener Sache regelmäßig prozessualer Natur sind.749 Als erster Anhaltspunkt kann § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO dienen, der die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft vom Beklagten erfordert, sobald die Klage rechtshängig geworden ist. Hinzu kommt, dass durch die Rechtshängigkeit die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens feststeht, sodass sich der ausgeschiedene Sozius unter Umständen letztlich einem rechtsverbindlichen Urteil ausgesetzt sieht. Besteht dieses Risiko, muss er sich im Rahmen der Erforderlichkeit mit allen Informationen verteidigen dürfen, die notwendig sind, um den Vorwurf der Sozietät zu entkräften, er sei seiner Gewinnabführungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit abzustellen, ist außerdem auch prozessökonomisch sinnvoll. Denn mit der Einreichung der Klage werden nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GKG in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Gerichtsgebühren fällig. Zudem wird nach § 12 Abs. 1 S. 1 GKG die Klage erst nach Zahlung dieser 745
Vgl. S. 343 ff. Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 24 Rn. 184; BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 2 Rn. 31; Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 29a; bei Prozessen gegen den eigenen Mandanten auch Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Gebühren III. C.; KleineCosack, BRAO, § 43a Rn. 60; Stöber, ZIP 2007, 1492, 1494; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 32. 747 Im Rahmen einer Gewinnabführungsvereinbarung muss die Sozietät im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO vorgehen, um einen nicht hinreichend bestimmten Klageantrag i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu vermeiden. 748 Das gilt freilich nur für die Fälle einer zivil-, berufs- oder strafrechtlichen Verteidigung im engeren Sinn. Werden dem Anwalt öffentlich vom Mandanten oder von Dritten zivilrechtliche, berufsrechtliche oder strafrechtliche Verfehlungen vorgeworfen und muss er sich damit auch im weiteren Sinn verteidigen, so darf er sich nach den für mediale Angriffe geltenden Grundsätzen im Rahmen seiner Verschwiegenheitspflicht verteidigen; näher hierzu Henssler, AnwBl 2019, 216, 223; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 114; Weyland/ Träger, BRAO, § 43a Rn. 29; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 34. 749 Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 16 Rn. 6; vgl. auch BeckOK BORA/ Römermann/Praß, § 2 Rn. 31. 746
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Gerichtsgebühren zugestellt und damit rechtshängig. Will die Sozietät ihr Auskunftsbegehren über die wirtschaftlichen Grundlagen der abgeführten Gewinne durch den ausgeschiedenen Rechtsanwalt somit ernsthaft vorantreiben, muss sie zunächst durch die Zahlung der Gerichtsgebühren in Vorleistung gehen. Die Sozien müssen daher sehr genau prüfen, ob wirklich Verdachtsmomente dahingehend bestehen, dass der ehemalige Sozius einen zu geringen Anteil seiner Honorare abführt. Andernfalls wird die Sozietät im Falle eines für sie ungünstig verlaufenden Prozesses insgesamt zur Zahlung der Gerichtskosten verpflichtet. Hierdurch wird verhindert, dass die Sozietät aus prozessfremden Gründen Auskunft vom Ausgeschiedenen begehrt, ohne dass eine zu geringe Gewinnabführung tatsächlich im Raum steht. Aber auch wenn die Sozietät bereits aus den zur Verfügung gestellten anonymisierten Abrechnungen750 ersehen kann, dass der Gewinnabführungspflicht in der Tat unzureichend nachgekommen wurde, kann sie den Prozess nicht nutzen, um darüber hinaus die Namen der Mandanten zu erfahren. Denn bei fehlerhaften oder manipulierten Abrechnungen besteht gewöhnlich kein spezielles Bedürfnis, auch die Namen der Mandanten zu erfahren. Vielmehr genügt die Vorlage der korrekten Abrechnungen durch den Ausgeschiedenen. Kann die Sozietät die Anzahl der übernommenen Mandanten, die Zahl der laufenden Mandate und die Höhe der vereinnahmten Honorare nachvollziehen, ist ihrem Interesse Genüge getan.751 (ff) Zwischenergebnis Damit ergibt sich für die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht nach § 2 Abs. 3 lit. b) BORA, wenn die Sozietät Auskunft hinsichtlich der Mandanten und der erzielten Honorare begehrt, folgendes Bild: Stützt sich die Sozietät vorprozessual auf die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung des ausgeschiedenen Sozius zur Gewinnabführung, so kommt diesem § 2 Abs. 3 lit. b) BORA nicht zugute. Zum einen handelt es sich noch nicht um eine Verteidigung in eigener Sache und zum anderen überwiegt bei einer Abwägung der Interessen von Rechtsanwalt und Mandant der Schutz der Mandanten. Keine Beeinträchtigung der Verschwiegenheitspflicht ist aber die Offenlegung der anonymisierten Abrechnungen durch den Rechtsanwalt. Entscheidend ist, ob eine Identifizierung einzelner Mandanten möglich ist. Solche Informationen darf der Ausgeschiedene dann nicht preisgeben. Insbesondere ist der – in der Literatur verbreiteten – Annahme zu widersprechen, der Rechtsanwalt könne sich aufgrund seiner gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung, im Rahmen der Gewinnabführungsvereinbarung Rechenschaftspflichten zu
750 751
S. 343 ff. Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 248.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
erfüllen, nicht auf die Verschwiegenheitspflicht berufen.752 Die zivilrechtliche Vereinbarung zwischen Sozietät und ehemaligem Sozius kann sich nicht auf die berufsrechtliche Pflicht zur Verschwiegenheit gegenüber dem Mandanten auswirken.753 Es widerspräche der Bindung des Rechtsanwalts an die Verschwiegenheitspflicht und würde diese insgesamt ad absurdum führen, wenn er selbst durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit Dritten den Umstand schaffen könnte, der ihn letztlich von der Verschwiegenheitspflicht befreit. Dass dies nicht im Sinne des Satzungsgebers sein kann, zeigt schon § 2 Abs. 3 lit. a) BORA und die aus ihm folgende Konsequenz, dass nur der Mandant als „Herr des Geheimnisses“ über diesen Schutz frei disponieren darf.754 Auf § 2 Abs. 3 lit. b) BORA kann er sich erst stützen, wenn er sich mit prozessualen Maßnahmen der Sozietät konfrontiert sieht. Das ist der Fall, sobald die Klage der Sozietät rechtshängig geworden ist und die Klagebegründung den Anspruch auf Gewinnabführung schlüssig darlegt. Ab diesem Zeitpunkt darf der ausgeschiedene Sozius alle zur Substantiierung seiner Verteidigung erforderlichen Informationen preisgeben. Zu diesen gehören dann regelmäßig die Anzahl der übernommenen Mandate und Mandanten sowie die jeweils gezahlten Honorare. Im Einzelfall kommt auch die Offenbarung der Identität der Mandanten in Frage, um die im Raum stehende Verletzung der Gewinnabführungspflicht zweifelsfrei auszuräumen. Die Erforderlichkeit der jeweiligen Information muss er dann allerdings sehr genau prüfen, da die Schweigepflicht auch im Prozess grundsätzlich weiter gilt und nur für verteidigungsnotwendige Informationen nach § 2 Abs. 3 lit. b) BORA aufgehoben wird. (d) § 43a Abs. 2 S. 3 BRAO (aa) Offenkundigkeit nach § 43a Abs. 2 S. 3 Var. 1 BRAO Keine gesetzliche Ausnahme im technischen Sinn, aber dennoch an dieser Stelle erörterungswürdig, ist § 43a Abs. 2 S. 3 BRAO. Diese Norm statuiert in ihren beiden Varianten zwei Fälle, die von vornherein nicht unter die Verschwiegenheitspflicht fallen.755 Gemäß § 43a Abs. 2 S. 3 BRAO sind solche Tatsachen von der Verschwiegenheitspflicht ausgenommen, die entweder offenkundig sind oder die ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Die Höhe des vereinnahmten Honorars sowie die Namen der Mandanten sind zwar regelmäßig Tatsachen, die
752 Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 100; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 43a Rn. 118; Nitschke, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 42 Rn. 99; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 410; offenbar auch Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 414. 753 Ebenfalls dem § 2 Abs. 1 i.V.m. § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO den Vorrang einräumend Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 128. 754 S. o. auf S. 333 f. 755 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 53.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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grundsätzlich der Geheimhaltung bedürfen,756 sie können aber unter Umständen offenkundig und damit nicht geheimhaltungsbedürftig sein. Soweit es um den Aspekt der Allgemeinkundigkeit geht, wird der berufsrechtliche Begriff der Offenkundigkeit ähnlich bestimmt wie der prozessrechtliche Begriff der Offenkundigkeit der §§ 291 ZPO, 244 Abs. 3 S. 2 StPO.757 Offenkundig sind demnach Tatsachen, die einem größeren, nicht durch individuelle Beziehungen verbundenen Personenkreis bekannt sind oder über die sich jeder aus unschwer zugänglichen Quellen unterrichten kann.758 (bb) Offenkundigkeit bei öffentlichen Gerichtsverhandlungen So ist grundsätzlich offenkundig, was Gegenstand einer öffentlichen Gerichtsverhandlung war, selbst wenn keine Zuhörer im Saal waren.759 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Öffentlichkeit die Verhandlung überhaupt nicht wahrgenommen hat760 oder die Verhandlung so lange her ist, dass sie bereits wieder in Vergessenheit geraten ist.761
756
BVerwG, Urt. v. 30. 09. 2009 – 6 A 1/08, BVerwGE 135, 77 Rn. 37 = NVwZ 2010, 837; Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 83; Hartung, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 37, 63; Henssler, AnwBl 2019, 216, 217; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 45; Henssler/Deckenbrock, NJW 2008, 1275, 1278; Kalsbach, BRAO, Nach § 43, Richtl. § 30 Anm. 3 II.; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 14 f.; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1211; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 149 f.; Peitscher, AnwaltsR, § 18 Rn. 140; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 332; Streck, NJW 2001, 3605; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Zuck, Standesrecht, § 42 Rn. 9; vgl. auch BGH, Urt. v. 11. 04. 2002 – I ZR 317/99, NJW 2002, 2096, 2098 = DB 2002, 2156. 757 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 53; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 339. 758 Hartung/Scharmer/Hartung, BORA/FAO, § 2 BORA Rn. 54 f.; Henssler, AnwBl 2019, 216, 218; Peitscher, AnwaltsR, § 18 Rn. 140b; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 16 Rn. 9; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 340; vgl. auch BGH, Urt. v. 14. 11. 1963 – III ZR 19/63, BGHZ 40, 288, 292 = NJW 1964, 449; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 54. 759 BGH, Urt. v. 25. 03. 1993 – IX ZR 192/92, BGHZ 122, 115, 118 = NJW 1993, 1638; OLG Köln, Beschl. v. 03. 07. 2000 – Ss 254/00, NJW 2000, 3656 = BeckRS 9998, 54706; LG Hamburg, Urt. v. 01. 08. 1991 – 302 O 269/90, NJW 1992, 842, 843 = BeckRS 9998, 96688; Bork, NJW 1992, 2449, 2452; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 241; Hartung/Scharmer/Hartung, BORA/FAO, § 2 BORA Rn. 55; Henssler, AnwBl 2019, 216, 218; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 54; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 151; Peitscher, AnwaltsR, § 18 Rn. 140b; zu § 203 StGB auch Krekeler, in: FS Streck, S. 717, 723. 760 AnwG Freiburg, Beschl. v. 28. 01. 2002 – ohne AZ, BRAK-Mitt. 2002, 94; Henssler, AnwBl 2019, 216, 218; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 54; Peitscher, AnwaltsR, § 18 Rn. 140b; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 342. 761 OLG Köln, Beschl. v. 03. 07. 2000 – Ss 254/00, NJW 2000, 3656 = BeckRS 9998, 54706; Hartung/Scharmer/Hartung, BORA/FAO, § 2 BORA Rn. 55; Henssler, AnwBl 2019, 216, 218; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 54; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Unter Umständen kann der ausgeschiedene Rechtsanwalt seiner früheren Sozietät also auch den Namen der mitgenommenen Mandanten mitteilen, wenn er sie bereits in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung vertreten hat. Jedenfalls sofern die Öffentlichkeit Kenntnis von diesem Verfahren genommen hat, handelt es sich bei dem Umstand der Vertretung des Mandanten durch den Rechtsanwalt um eine offenkundige Tatsache. Hierfür ist erforderlich, dass die Allgemeinheit tatsächlich Kenntnis von der Vertretung hat und diese Information in einer sozial nicht unmittelbar verbundenen Personengruppe zirkuliert.762 Bei der Bewertung dieser Voraussetzung muss der Rechtsanwalt jedoch Vorsicht walten lassen, denn Zweifel hinsichtlich der Offenkundigkeit gehen immer zu seinen Lasten.763 Diese besondere Akzentuierung der Verschwiegenheitspflicht erscheint auch gerechtfertigt, bedenkt man die Konsequenz, dass der Mandant sonst immer die Offenbarung persönlicher Informationen fürchten müsste und sich so davon abhalten lassen könnte, überhaupt Rechtsrat einzuholen.764 (cc) Weitere Fallgruppen der Offenkundigkeit anwaltlicher Vertretung Die Offenkundigkeit der anwaltlichen Beratung kann sich auch aus einer Presseveröffentlichung ergeben.765 Selbiges gilt, wenn die anwaltliche Vertretung etwa auf einer Pressekonferenz offenbart wurde.766 Auch Veröffentlichungen im Internet können die Tatsache der anwaltlichen Vertretung offenkundig machen, wenn sie einen hinreichenden Verbreitungsgrad erreichen.767 Unproblematisch offenkundig ist die Tatsache der Beratung durch den ausgeschiedenen Sozius auch, wenn der Mandant selbst sie im Internet veröffentlicht.768 De lege ferenda ergibt sich dies schon aus einem Erst-Recht-Schluss zur Neufassung des § 2 Abs. 2 BORA, der die Zustimmung des Mandanten zu riskanten Kommunikationswegen (E-Mail oder
Rn. 17; Peitscher, AnwaltsR, § 18 Rn. 140b; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 342; vgl. auch Krekeler, in: FS Streck, S. 717, 723. 762 Hartung/Scharmer/Hartung, BORA/FAO, § 2 BORA Rn. 55; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 16 Rn. 9. 763 Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 17; Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 17; vgl. auch Henssler, AnwBl 2019, 216, 218; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 54. 764 Auf diesen Aspekt weist insbesondere die BRAK in ihren Stellungnahmen zu Ausnahmen und Durchbrechungen der Verschwiegenheitspflicht regelmäßig hin, BRAK-Stellungnahme Nr. 30/2012, 2; Nr. 25/2013, 2; Nr. 41/2016, 8; Nr. 18/2017, 5; Nr. 39/2017, 4; BeckOK BORA/Römermann/Praß, 21. Ed. 2018, § 43a BRAO Rn. 72. 765 Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 16 Rn. 9. 766 Vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 24. 09. 1984 – 2 Ws 708/84, NJW 1985, 1090, 1091 = BeckRS 9998, 100454. 767 ArbG Siegen, Beschl. v. 03. 03. 2006 – 3 Ca 1722/05, MMR 2006, 836, 837 = BeckRS 9998, 52656; Siegmund, Die anwaltliche Verschwiegenheit in der berufspolitischen Diskussion, Rn. 341. 768 BeckOK BORA/Römermann/Praß, 21. Ed. 2018, § 43a BRAO Rn. 73.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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Messengerdienste) vermutet, wenn dieser den Kommunikationsweg vorschlägt oder beschreitet.769 dd) Zwischenergebnis Neben den recht speziell gelagerten Fällen der § 807 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 2 Abs. 3 lit. b) BORA darf der ehemalige Sozius der Sozietät die Namen seiner mitgenommenen Mandanten damit auch mitteilen, wenn durch eine der vorgenannten Fallgruppen offenkundig i.S.d. § 43a Abs. 2 S. 3 Var. 1 BRAO ist, dass er sie vertritt. Sollten auch die Honorare offenkundig sein, so kann er auch deren Höhe mitteilen. Hauptsächlich relevant für die Offenlegung der mitgenommenen Mandate und der erzielten Honorare dürfte hingegen auch weiterhin § 2 Abs. 3 lit. b) BORA sein. Abweichend von der momentan herrschenden Ansicht in der Literatur ist dieser jedoch deutlich enger zu verstehen und auf eine prozessuale Verteidigung in eigener Sache zu beschränken, was die kombinierte Preisgabe von Mandantennamen und jeweils vereinnahmten Honoraren anbelangt. Die Veröffentlichung von Letzteren ist bei hinreichender Anonymisierung hingegen ohne Weiteres unproblematisch möglich. d) Fazit zu den rechtlichen Grenzen von Gewinnabführungsvereinbarungen Während die sich für verdeckte Mandantenschutzklauseln ergebenden Grenzen hinreichend gesichert und wenig problematisch sind, bleibt der Einfluss der berufsrechtlichen Pflicht der Verschwiegenheit aus § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO auf Gewinnabführungsvereinbarungen bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung weiter unklar. Praktisch ist bei der Weitergabe jeglicher Mandanteninformationen grundsätzlich davon auszugehen, dass sie der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, es sei denn, es handelt sich um offenkundige Tatsachen. Die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht ist dann gegenüber gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen zur Weitergabe von Mandanteninformationen wie Gewinnabführungsvereinbarungen im Grundsatz vorrangig. Sollen dennoch Informationen über Mandanten und Honorare weitergegeben werden, muss der Rechtsanwalt, der einer Gewinnabführungsvereinbarung unterliegt, die jeweiligen Ausnahmen nach den §§ 807 Abs. 1 S. 1 ZPO, 2 Abs. 3 lit. b) BORA prüfen. Sofern keiner der Ausnahmetatbestände eingreift und die Gewinnabführungsklausel so formuliert ist, dass sie allgemein die Weitergabe von Mandantennamen und gezahlten Honoraren erfordert, ohne eine Anonymisierung zu erlauben, zwingt sie zu einem Verstoß gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht. Rechtsfolge ist dann die Nichtigkeit der Gewinnabführungsvereinbarung
769
Näher zur Neuregelung Lührig, AnwBl 2019, 330 f.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
nach § 134 BGB i.V.m. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB respektive § 134 BGB i.V.m. § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO.770 Es wäre zu begrüßen, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung sich zu einer klarstellenden Entscheidung durchringen könnte, anstatt sie, wie das BAG, zu umgehen.771 Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil diese Problematik gesellschaftsrechtlich, aber auch arbeitsrechtlich auftreten kann, wenn der ausgeschiedene Rechtsanwalt zuvor Arbeitnehmer statt Gesellschafter war.772 Wünschenswert wäre eine enge Begrenzung von Gewinnabführungsvereinbarungen durch § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO, wie sie auch hier vertreten wird, um der überragenden Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht als Grundpfeiler des Anwaltsberufes gerecht zu werden.773 Da sie zudem unerlässlich für die „Aufrechterhaltung einer funktionierenden Rechtspflege“ ist,774 sollte die Jurisprudenz mit Relativierungen und Einschränkungen der Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich zurückhaltend sein. Dass die herrschende Meinung Ausnahmen dennoch recht leichtfertig annimmt, ist angesichts der nüchternen Ausgestaltung der Verschwiegenheitspflicht im nationalen Recht nachvollziehbar. Praxis und Lehre müssen sich daher stets die Rechtsprechung des BVerfG und die weitaus treffendere Ausgestaltung der Verschwiegenheitspflicht in der CCBE vor Augen halten. Letztere statuiert die Verschwiegenheitspflicht als Grundrecht und Grundpflicht des Rechtsanwalts von besonderer Bedeutung, die im Interesse der Rechtspflege und des Mandanten liegt und daher einen besonderen Schutz des Staates verdient.775 Es bleibt zu hoffen, dass der BGH, sollte er über eine entsprechende Gewinnabführungsklausel zu befinden haben, diesem restriktiven Ansatz folgt und Auskunftsansprüche als unzumutbare Eingriffe in die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht weiterhin ablehnt.776
770 Nicht empfehlenswert ist daher eine allgemein gehaltene Formulierung, wie diejenige bei Seyfarth, in: Böhm/Burmeister, MünchVertragsHdb, Bd. 1, I. 6. § 17 Abs. 2. 771 BAG, Urt. v. 11. 12. 2013 – 10 AZR 286/13, NJW 2014, 1198 Rn. 28 = NZA 2014, 433. 772 Zur parallelen Fragestellung im Arbeitsrecht Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/ FAO, § 26 BORA Rn. 128; ausführlich auch Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 121 ff. 773 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 12; Trottmann, Sozietätsspezifisches Berufsrecht, S. 37; vgl. auch AnwG Köln, Beschl. v. 20. 05. 2009 – 10 EV 330/07, AnwBl 2009, 792, 793 = BeckRS 2009, 25014; Ackermann, in: FS DJT, S. 479, 482; Isele, BRAO, Anhang zu § 43, Auftrag IV. A.; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 24 Rn. 172; Wild, Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht in Deutschland und Frankreich, S. 33; zust. Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 16 Rn. 2; Streck, NJW 2001, 3605 f., „Kardinalpflicht“ bei Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltl BerufsR, § 2 BORA Rn. 8. 774 So zutr. BVerfG, Beschl. v. 14. 07. 1987 – 1 BvR 537/81 u. a., BVerfGE 76, 171, 189 f. = NJW 1988, 191. 775 Ziff. 2.3.1. Abs. 1 S. 3 CCBE und Ziff. 2.3.1. Abs. 2 S. 1 und S. 2 CCBE. 776 Treffend in BGH, Urt. v. 11. 04. 2002 – I ZR 317/99, NJW 2002, 2096, 2098 = DB 2002, 2156.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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5. Formulierungshinweise Die Vereinbarung von Gewinnabführungsklauseln ist daher durchaus kompliziert und unterliegt vielen Hindernissen, die zu beachten sind. Zustimmungswürdig ist im Grundsatz der Formulierungsvorschlag von Michalski/Römermann, welcher bereits auf die Nennung von Namen und Gegenständen der Mandate verzichtet.777 Zu der dortigen Klausel sollte indes noch hinzugefügt werden, für welchen Zeitraum die Gewinnabführungspflicht besteht und dass auch eine Staffelung der Gewinnabführung möglich ist, sofern dies im Interesse der Vertragsparteien liegt.778 Hinsichtlich des Zahlungsanspruchs ist kautelarjuristisch darauf zu achten, dass die Gewinnabführungsklausel die Höhe und die Dauer der Zahlung spezifiziert und dass sie nur eingreift, wenn Mandanten innerhalb der vereinbarten Zeitspanne nach dem Ausscheiden des Sozius zu diesem überwechseln. Zu einem späteren Zeitpunkt darf die Klausel nicht mehr eingreifen, denn danach haben sich die als Sozius geknüpften Verbindungen zu den Mandanten so weit gelockert, dass der Ausgeschiedene wie jeder andere Wettbewerber behandelt werden muss.779 Jeder andere Wettbewerber darf Mandanten aber völlig frei von Gewinnabführungsansprüchen übernehmen. Was den Auskunftsanspruch anbelangt, bietet es sich für die Sozietät an, den Sozius dazu zu verpflichten, seine Mandanten um die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht zu ersuchen, soweit es um die Offenlegung der den Mandanten übersandten Abrechnungen geht. Regelmäßig sollten diese keine Bedenken gegen die Weitergabe der Abrechnungen haben. Stimmen sie zu, so ist die Verschwiegenheitspflicht hierdurch gemäß § 2 Abs. 3 lit. a) BORA aufgehoben. Falls sich dies nicht als konsensfähig erweist, sollte es dabei bleiben, dass der ausgeschiedene Sozius seine anonymisierten Abrechnungen offenlegen muss und deren Richtigkeit im Zweifelsfall an Eides statt versichert. Freilich können die Gesellschafter weitere Einzelheiten in die Klausel aufnehmen, wie etwa Zahlungsmodalitäten oder die genaue Berechnungsmethode des abzuführenden Gewinns.780 Unbedingt zu empfehlen ist die Klarstellung, dass die Gewinnabführung ausschließlich dann gilt, sofern der ausgeschiedene Sozius seine Tätigkeit selbständig oder als Gesellschafter einer anderen Sozietät fortsetzt. Sollte der ausgeschiedene Sozius als angestellter Rechtsanwalt weiterarbeiten, so muss die Klausel vorsehen, dass abzuführende Gewinne an das erzielte Gehalt gekoppelt werden.
777 778 779 780
Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil B Rn. 277. Näher dazu S. 322 f. S. 321. Zu den verschiedenen Variablen dieser Berechnung S. 305 ff.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
IV. Fazit zu den Einflüssen des Berufsrechts auf gesellschaftsvertragliche Klauseln Obwohl noch wenig im Fokus der Rechtsprechung, hat die zurückliegende Untersuchung doch gezeigt, dass das Berufsrecht erhebliche Einflüsse auf das Gesellschaftsrecht und die Privatautonomie der Gesellschafter hat. So sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote nach hiesiger Auffassung aufgrund der berufsrechtlichen Schranken sogar weitestgehend unwirksam.781 Auch bloße Wettbewerbsbeschränkungen, wie die praktisch relevanten Gewinnabführungsklauseln, werden durch das Berufsrecht und dessen Leitgedanken beeinflusst und begrenzt.782 Ist es im ersten Fall noch der Grundsatz der freien Anwaltswahl, welcher reinen Wettbewerbsverboten entgegensteht, ist es im zweiten Fall bei Gewinnabführungsklauseln die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht, die die gesellschaftsrechtliche Gestaltungsfreiheit begrenzt. Speziell für Rechtsanwälte bedeutet das, dass das Berufsrecht der BRAO nicht nur die zulässigen Gesellschaftsformen modifiziert, sondern auch die privatautonome Gestaltungsfreiheit an sich begrenzt. Allgemeiner lässt sich schlussfolgern, dass die gesellschaftsrechtliche Privatautonomie bei freiberuflichen Gesellschaften unter dem Vorbehalt der wesentlichen Grundsätze des jeweiligen Berufsrechts steht. Für den freien Beruf der Rechtsanwälte hat das 5. Kapitel diese Schlussfolgerung eindeutig ergeben. Sie ist aber im Grundsatz durchaus auch übertragbar auf die anderen berufsrechtlich gebundenen freien Berufe. Es wäre an der Zeit, dass auch die Rechtsprechung zukünftig die Konsequenzen aus dem Einfluss des Berufsrechts zieht. Zur Klarstellung könnte der Gesetzgeber in der kommenden Reform der BRAO783 Zulässigkeit und Grenzen anwaltlicher Konkurrenzklauseln ausdrücklich regeln.784 Aufgrund des regeltungstechnischen Vakuums für gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen und die Zurückhaltung der Rechtsprechung bei der Grenzziehung besteht in diesem Bereich eine erhebliche Rechtsunsicherheit.
V. Dogmatische Grundlagen möglicher Ausgleichsansprüche 1. Alternativen zu Gewinnabführungsklauseln? An die Frage der originär gesellschaftsvertraglichen Ausgleichsansprüche für mitgenommene Mandate schließt sich diejenige der übrigen vertraglichen oder gesetzlichen Ausgleichsansprüche an. Bisher hat sich die Rechtsprechung, soweit ersichtlich, kaum Gedanken darüber gemacht, ob die Mitnahme von Mandaten durch den Ausgeschiedenen nicht dazu führen könnte, dass dieser schon aufgrund allge781 782 783 784
S. 302 f. S. 353 ff. S. dazu S. 382 ff. So bereits früh Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich/Eich, Standesrecht, § 81 Rn. 290 f.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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meiner gesellschafts- oder zivilrechtlicher Anspruchsgrundlagen einen Ausgleich schuldet. Das würde Gewinnabführungsklauseln unter Umständen obsolet machen. Denn führt der Ausgeschiedene Mandate weiter, welche zuvor von der Kanzlei betreut und beispielsweise im Anschluss an die Mandantenbefragung im Wege der gewillkürten Vertragsübernahme an ihn übergegangen sind, so könnte hierin ein Entzug von Vermögenswerten zu sehen sein, den der Ausgeschiedene zu ersetzen hat. Jedenfalls nach dem in der Rechtsprechung vorherrschenden Modell gibt es derzeit entsprechende gesetzliche Ausgleichsansprüche jedoch nicht. Steht es dem Ausgeschiedenen offen, mit der Gesellschaft um Mandate zu werben, und existiert demnach kein (gültiges) Wettbewerbsverbot, so ist diese Möglichkeit, bezogen auf den Vermögenswert der Mandate, bereits der Ausgleich für die fehlende zukünftige Partizipationsmöglichkeit.785 Es bleibt demnach dabei, dass, bezogen auf die Mandate, die unbeschränkte Möglichkeit, um diese zu werben, die natürliche und damit abschließende Form der Auseinandersetzung für Freiberuflersozietäten ohne Wettbewerbsklausel ist.786 2. Ansprüche der Gesellschaft gegen den Ausgeschiedenen a) Ansprüche der Gesellschaft aus der Gesellschaftertreuepflicht? Abweichend von diesem Modell sind aber auch Stimmen laut geworden, welche bei der Auseinandersetzung der Gesellschaft diesen Grundsatz anpassen wollen. Sofern keine gesonderte Auseinandersetzungsvereinbarung vorläge, soll sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der Gesellschaftertreuepflicht die Pflicht einzelner Gesellschafter ergeben, einen Ausgleich zu leisten, sofern der Anteil der mitgenommenen Mandate der Größe des eigenen Gesellschaftsanteils widerspreche.787 Zwar hat Bunk diesen Ansatz nur für die Auseinandersetzung der Gesellschaft vertreten und nicht auch auf das Ausscheiden einzelner Gesellschafter bezogen,788 der Gedanke erscheint jedoch grundsätzlich übertragbar. Auch beim bloßen Ausscheiden aus der Gesellschaft kann es geschehen, dass der Ausgeschiedene einen größeren Anteil der Mandate mitnimmt, als ihm im Verhältnis der Gesellschafts785
BGH, Urt. v. 28. 05. 1979 – II ZR 217/78, WM 1979, 1064, 1065; bezogen auf eine Arztpraxis bestätigt in BGH, Urt. v. 06. 12. 1993 – II ZR 242/92, NJW 1994, 796 f. = DStR 1994, 401 (m. Anm. Goette); auch Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 257 f. 786 S. 218 f. 787 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 275 ff. 788 Vgl. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 280.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
anteile zusteht. In diesem Fall muss er sich den Wert dieser Mandate auf die Abfindung aus § 738 Abs. 1 S. 2 BGB im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anrechnen lassen.789 Für einen gesonderten Ausgleichsanspruch besteht dann kein Bedürfnis. Ohnehin erscheint die ergänzende Vertragsauslegung als Instrument der Ermittlung des Parteiwillens als vorrangig gegenüber abstrakteren Kategorien wie der Gesellschaftertreuepflicht und dem Gleichbehandlungsgrundsatz. In der Tat beschränkt sich die von Bunk beschriebene Fallgruppe der Ausgleichsansprüche damit höchstens auf die Auseinandersetzung der Gesellschaft und dabei eintretende ungleiche Mandatsverteilungen.790 Macht sich ein Gesellschafter im Rahmen der Auseinandersetzung den wesentlichen Teil oder gar das gesamte Vermögen nutzbar und schließt hierbei andere Gesellschafter treuwidrig von der Verwertung aus, so kann dem benachteiligten Gesellschafter ein Ausgleichsanspruch zustehen, weil ihm ein fairer Wettbewerb verwehrt wurde.791 Auf dieser Linie liegt auch eine entsprechende Entscheidung des OLG Saarbrücken, welches, im Rahmen der Auseinandersetzung einer Rechtsanwaltskanzlei, einem der beiden Gesellschafter einen Ausgleichsanspruch aus §§ 733 Abs. 2, 734 BGB zubilligte, da er nur mit der Mandatsakquise und dem Kanzleimanagement befasst war und dementsprechend nach der Auflösung faktisch keinen Zugriff auf den Mandantenstamm hatte.792 Dem entgegen steht indes ein Hinweisbeschluss des BGH.793 Dieser weist für einen ähnlichen Fall durchaus zutreffend darauf hin, dass Mandanten kaum gezwungen werden können, bei einem bestimmten Gesellschafter zu bleiben.794 Dass das Werben um Mandanten des jeweils anderen nicht erfolgversprechend erscheint, ist allein noch kein Grund dafür, einen weitergehenden Ausgleich zu gewähren, denn diese fehlende Erfolgswahrscheinlichkeit und eine hieraus resultierende Untätigkeit des Gesellschafters zeigt nur, dass diesen Mandaten aus seiner Perspektive kein
789
BGH, Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; Urt. v. 17. 05. 2011 – II ZR 285/09, NJW 2011, 2355 Rn. 22 = ZIP 2011, 1359; Freund, ZIP 2009, 941, 944; Römermann, NJW 2007, 2209, 2214; MüKoBGB/Schäfer, § 738 Rn. 68; Erman/ H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 17a. 790 Vgl. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 279 f. 791 Zutr. Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 280 ff.; im Wesentlichen anschließend an BGH, Urt. v. 27. 03. 1995 – II ZR 3/94, NJW-RR 1995, 1182 f. = ZIP 1995, 1085; ebenso Goette, ZGR 46 (2017), 426, 434. 792 OLG Saarbrücken, Urt. v. 06. 05. 2010 – 8 U 163/09, DStR 2010, 1759 f. (m. abl. Anm. Weitze) = BeckRS 2010, 15523. 793 Überzeugend BGH, Hinweisbeschl. v. 31. 05. 2010 – II ZR 29/09, NJW 2010, 2660 Rn. 7 f. = NZG 2010, 982. 794 BGH, Hinweisbeschl. v. 31. 05. 2010 – II ZR 29/09, NJW 2010, 2660 Rn. 8 = NZG 2010, 982; zust. Goette, ZGR 46 (2017), 426, 434.
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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erreichbarer Vermögenswert zukommt.795 Anderes gilt erst, wenn der Wettbewerb um Mandanten nicht wegen deren starker Bindung an die Sozietät oder einen Sozius nicht erfolgversprechend erscheint, sondern von vornherein mangels eines fairen Wettbewerbs aussichtslos ist, weil einer der Sozien den anderen treuwidrig von der Auseinandersetzung ausschließt.796 Ein (vertraglicher) Ausgleichsanspruch wegen ungleicher Mandatsverteilung ist auch dann denkbar, wenn im Innenverhältnis zwischen den Sozien ein Wettbewerb um Mandate nicht vorgesehen war, weil eine quotale Teilung des Mandantenstamms vereinbart wurde, die tatsächlich übernommenen Mandate aber hinter dieser Quote zurückbleiben.797 Sowohl die Auflösung der Gesellschaft als auch das Ausscheiden einzelner Gesellschafter vollzieht sich dementsprechend im Grundsatz nach den gleichen Regeln. Insofern bleibt es für das Ausscheiden einzelner Gesellschafter bei der Anrechnung der mitgenommenen Mandate auf den Abfindungsanspruch, ohne dass Ausgleichsansprüche zwischen den Gesellschaftern bzw. der Gesellschaft und dem ausgeschiedenen Gesellschafter entstehen würden. Das ist nicht nur praxisgerecht, sondern auch dogmatisch korrekt. Schon das Gesellschaftsrecht sieht entsprechende Ansprüche der Gesellschaft gegen den Ausgeschiedenen in der Regel nicht vor. b) Nachschusspflicht gegenüber der Gesamthand aus §§ 735, 739 BGB Lediglich im Falle der Auflösung der Gesellschaft oder des Ausscheidens eines Gesellschafters kann eine Nachschusspflicht nach § 735 S. 1 BGB bzw. nach § 739 BGB bestehen.798 Zum einen sind diese Sozialansprüche der Gesellschaft gegen ehemalige Gesellschafter dispositiv,799 was ihre Relevanz praktisch eingrenzt, und zum anderen sind es ohnehin keine Ansprüche, welche sich direkt aus der Mitnahme eines Mandats ergäben. Vielmehr kommen sie nur dann zum Tragen, wenn die gesamte Vermögenssituation so gelagert ist, dass zulasten des ehemaligen Gesellschafters ein Fehlbetrag in der Schlussabrechnung besteht.800 Das setzt voraus, dass ihm unter Umständen zustehende Abfindungsansprüche sowie Ansprüche aus dem Gesellschafterverhältnis nicht ausreichen, um den auf ihn entfallenden quotalen 795 BGH, Hinweisbeschl. v. 31. 05. 2010 – II ZR 29/09, NJW 2010, 2660 Rn. 8 = NZG 2010, 982; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 434. 796 BGH, Urt. v. 27. 03. 1995 – II ZR 3/94, NJW-RR 1995, 1182 f. = ZIP 1995, 1085; Goette, ZGR 46 (2017), 426, 433. 797 Goette, ZGR 46 (2017), 426, 435 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 798 Diese gelten über § 1 Abs. 4 PartGG auch für die PartG, da das Recht der OHG insofern keine Sonderregeln kennt, Henssler, AnwBl 2014, 96, 101; Henssler/Strohn/Hirtz, GesR, § 9 PartGG Rn. 18 f.; Henssler/Strohn/Hirtz, GesR, § 10 PartGG Rn. 4. 799 MüKoBGB/Schäfer, § 735 Rn. 2; MüKoBGB/Schäfer, § 739 Rn. 1 mit Verweis auf seine Kommentierung in § 735 Rn. 1 ff. 800 MüKoBGB/Schäfer, § 735 Rn. 1; MüKoBGB/Schäfer, § 739 Rn. 1; Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 36 Rn. 1148.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Fehlbetrag auszugleichen.801 Die Mandatsverteilung wurde jedoch bereits zuvor in der Bestimmung der Abfindungssumme inzident berücksichtigt. Sie kann daher kein weiteres Mal berücksichtigt werden. c) Allgemeine zivilrechtliche Ausgleichsansprüche aa) Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB Die in Frage kommenden Ansprüche sind zwar zahlreich, aber dennoch schnell behandelt, soweit es um die Abführung von Gewinnen aus mitgenommenen Honoraren geht. Hierzu hat Becker sich bereits weitgehend geäußert.802 Einen auf § 280 Abs. 1 BGB gestützten Anspruch könnte man nur annehmen, wenn man davon ausgeht, dass Wettbewerbsverbote grundsätzlich zulässig sind.803 Verstößt der ausgeschiedene Sozius gegen ein solches Verbot, begeht er eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB.804 Gleichwohl muss die Gesellschaft im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität beweisen, dass der bei ihr eingetretene Gewinnverlust auf der vertragswidrigen Mitnahme des Mandates beruht.805 Das dürfte ihr regelmäßig schwer fallen, wird der Mandant die Gesellschaft doch ganz bewusst für den Ausgeschiedenen verlassen haben. Praktisch wird die Sozietät den Anspruch zudem kaum durchsetzen, denn ebenso wie bei beschränkten Mandantenschutzklauseln ist das Hineinziehen des Mandanten in einen Rechtsstreit zwischen Sozietät und Sozius für keinen der Beteiligten wünschenswert.806 Auch ob ein Schaden entstanden ist, ist letztlich zweifelhaft, denn auch bei Verstoß gegen eine gültige Wettbewerbsklausel geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Konsequenz die Anrechnung vertragswidrig mitgenommener Mandate auf den Anspruch aus § 738 Abs. 1 S. 2 BGB ist.807 Da die Anrechnung automatisch mit der Überleitung der Mandatsbeziehung auf den Sozius eintritt, ist die Mitnahme der Mandate kein Schaden. Vielmehr hätte die Sozietät nur eine zu hohe Abfindung gezahlt und könnte diese anteilig zurückverlangen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. 801
Henssler/Strohn/Hirtz, GesR, § 739 BGB Rn. 3. Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 137 ff. 803 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 139. 804 Noch zur positiven Vertragsverletzung Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 139. 805 So schon Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 139. 806 Hümmerich, AnwBl 2005, 77, 86; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 26 BORA Rn. 125. 807 BGH, Urt. v. 08. 05. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, 2585 = NZG 2000, 831; Goette, AnwBl 2007, 637, 644; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 738 Rn. 17a. 802
B. Der Einfluss des Berufsrechts auf gängige Wettbewerbsklauseln
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bb) Angemaßte Eigengeschäftsführung aus §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB Hier gilt Ähnliches wie bereits zuvor beim Schadensersatz. Die Mandatsmitnahme wird bereits in die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung mit einfließen.808 Der ausgeschiedene Sozius kann die Mandate daher weiterführen zum Preis einer geringeren Abfindung.809 Wenn die Sozietät aber so bereits einen Ausgleich bekommt, kann sie nicht gleichzeitig auch die Gewinne aus diesen Mandaten beanspruchen.810 Durch die Abgeltung des Mandatswerts kann man diese weder rechtlich noch wirtschaftlich der Sozietät zuordnen, sodass die Mandatsfortführung für den ausgeschiedenen Sozius schon kein objektiv fremdes Geschäft ist.811 cc) Bereicherungsrechtliche Ansprüche gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB Möglich erscheint grundsätzlich nur die Eingriffskondiktion aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Der Sozius müsste auf Kosten der Sozietät etwas ohne rechtlichen Grund erlangt haben. Entscheidend ist, dass der Sozius in den Zuweisungsgehalt eines Rechts eingreift, dessen wirtschaftliche Verwertung der Sozietät vorbehalten ist.812 Parallel zur obigen Argumentation kann man indes wohl durch die Kürzung des Abfindungsanspruchs nicht mehr davon ausgehen, dass die Mandatsbeziehungen noch Teil einer geschützten Rechtsposition der Sozietät sind. Zwar können schuldrechtliche Ansprüche einen eigenen Zuweisungsgehalt besitzen, verwertbar im bereicherungsrechtlichen Sinne ist diese Rechtsposition jedoch nur, wenn sie dem Gläubiger auch die alleinige Forderungszuständigkeit und damit die Verwertungsbefugnis einräumt.813 Gesellschaftsvertragliche Abreden können diese alleinige Verwertungsbefugnis im Verhältnis zu Dritten nicht begründen.814 Der Mandatsbeziehung als Ganzer kommt demnach kein bereicherungsrechtlich schützenswerter Zuweisungsgehalt zu.815 Ohnehin unterliegt sie aufgrund des Kündigungsrechts aus 808 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 138. 809 Vgl. Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 138. 810 Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 138. 811 Im Ergebnis ebenso Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 139. 812 BGH, Urt. v. 09. 03. 1989 – I ZR 189/86, BGHZ 107, 117, 120 = NJW 1990, 52; Palandt/ Sprau, BGB, § 812 Rn. 38. 813 BGH, Urt. v. 18. 01. 2012 – I ZR 187/10, BGHZ 192, 204 Rn. 40 f. = NJW 2012, 2034; Urt. v. 10. 01. 2013 – VII ZR 259/11, NJW 2013, 781 Rn. 23 f. = MDR 2013, 273; MüKoBGB/ Schwab, § 812 Rn. 319; Palandt/Sprau, BGB, § 812 Rn. 40. 814 A.A. wohl Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 141. 815 A.A. Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 141.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
§ 627 Abs. 1 BGB weitgehend der Entscheidungshoheit des jeweiligen Mandanten, sodass die Rechtsposition der Sozietät kaum verfestigt genug ist, um sie zum Gegenstand einer Eingriffskondiktion zu machen. Da der Sozius durch die Anrechnung des Mandatswerts einen Teil seines Abfindungsanspruchs verliert, ist er zudem auch nicht mehr bereichert i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. 3. Fazit zu den alternativen Ausgleichsansprüchen Damit bestehen zu den Gewinnabführungsansprüchen weder gesellschaftsrechtliche noch allgemein zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen, die die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung von Gewinnabführungsklauseln obsolet machen würden. Die Problemkreise rund um Inhalt und Grenzen dieser Klauseln bedürfen daher zukünftig einer höchstrichterlichen Klärung.
C. Die Sozietätsbezeichnung I. Grundsätzliches zum Namensrecht der Sozietät Da die Sozietät in der Rechtsform der GbR und als PartG keine Handelsgesellschaft nach § 6 Abs. 1 HGB ist, kann sie auch keine Firma i.S.d. § 17 HGB haben. Für den Namen der PartG findet indes über § 2 Abs. 2 PartGG das Firmenrecht des HGB teilweise entsprechende Anwendung. Ist die Sozietät eine GbR, kann sie mangels Firma vorallem auf den Namen eines oder mehrerer Sozien zurückgreifen, um sich von anderen Sozietäten zu unterscheiden.816 Für die PartG ergibt sich eine diesbezügliche Notwendigkeit bereits aus § 2 Abs. 1 S. 1 und S. 3 PartGG.817 Freilich muss nach § 2 Abs. 1 S. 1 PartGG der Name der Partnerschaft zusätzlich noch den Zusatz „und Partner“ oder „Partnerschaft“ und die Berufsbezeichnung aller in der Partnerschaft vertretenen Berufe enthalten.818 Sachzusätze wie geschützte Dienstleistungsmarken, Berufsbezeich816 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 9 BORA Rn. 3; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 3 Rn. 10; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 46; Weyland/Träger, BRAO, § 9 BORA Rn. 6; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 20; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 7 Rn. 191. 817 Zurecht für eine Abschaffung des Zwangs zur Personenfirma; Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 460 f.; Henssler, in: FS Baums, S. 579, 591 ff. 818 Henssler, in: FS Baums, S. 579, 580. Rechtspolitisch soll dieses Erfordernis allerdings gestrichen werden, M. Noack, NZG 2020, 581, 585; Otte-Gräbener, BB 2020, 1295, 1298 f., jeweils unter Verweis auf den „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, S. 199, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Down loads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14 E534932DB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020).
C. Die Sozietätsbezeichnung
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nung, akademische Grade, das Tätigkeitsfeld oder Hinweise zum Arbeitsprozess sind heute sowohl bei der PartG als auch bei einer GbR zulässig.819 Darüberhinausgehend sind mittlerweile durch die aktuelle Fassung des § 9 BORA berufsrechtlich auch Kurzbezeichnungen mit Fantasiezusätzen, reine Sachfirmen ohne Personennamen oder vorangestellte Abkürzungen („CMS“) zulässig, und zwar auch bei Personengesellschaften.820 Der Transparenz gegenüber dem Rechtsverkehr wird Genüge getan, indem § 10 Abs. 2 S. 1 BORA anordnet, dass die Namen sämtlicher Gesellschafter mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen auf dem Briefkopf erscheinen müssen.
II. Der Sozietätsname bei Ausscheiden Da der Sozietätsname in der Regel das Wiedererkennungsmerkmal aus Sicht der Mandanten für die Sozietät und die dort arbeitenden Anwälte ist, auch für die NichtNamenspartner, stellt sich die Frage, wer den Sozietätsnamen nach Ausscheiden und Auseinandersetzung für sich beanspruchen darf.
Über den Wortlaut der Norm hinaus erscheint es zutreffend auch die Abkürzungen „Partnerschaftsgesellschaft“ oder „PartG“ für zulässig zu halten, zutr. Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 32 f.; Lieder/Hoffmann NZG 2019, 249, 251; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 15 Rn. 8 m.w.N. Beim Gebrauch fehlerhafter Namenszusätze kann das Registergericht ein Ordnungsgeld festsetzen, um die Unterlassung des Namensgebrauchs sicherzustellen, Frehse, Innen- und Außenhaftung der PartG mbB und ihrer Partner, S. 68; Henssler, AnwBl 2014, 96, 100. 819 OLG Hamm, Beschl. v. 06. 12. 2019 – 27 W 107/19, BeckRS 2019, 37732 Rn. 5 ff. = NZG 2020, 351 zu geschützten Dienstleistungsmarken; im Übrigen jeweils mit weiteren Nachweisen Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 9 BORA Rn. 5; Henssler, in: FS Baums, S. 579, 580; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1069; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 3 Rn. 13; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 46; Weyland/Träger, BRAO, § 9 BORA Rn. 9 ff.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 20 f. 820 BGH, Urt. v. 11. 03. 2004 – I ZR 62/01, NJW 2004, 1651, 1651 f. = WM 2005, 93, zur „artax Steuerberater – Rechtsanwälte Partnerschaft A.-B.-H.-L.-St“; BayObLG, Beschl. v. 27. 03. 2000 – 3 ZBR 331/99, BayObLGZ 2000, 83, 85 = NJW 2000, 1647, zur „Pro-Videntia Rechtsanwalts AG“; OLG Karlsruhe, Urt. v. 01. 02. 2001 – 4 U 96/00, NJW 2001, 1584 = AnwBl 2001, 240, ebenfalls zur „artax Steuerberater – Rechtsanwälte Partnerschaft A.-B.-H.L.-St“; LG Hannover, Beschl. v. 11. 10. 2000 – 44 StL 31/00, INF 2001, 191, zur „Novatax GbR“; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 9 BORA Rn. 5; Henssler, in: FS Baums, S. 579, 580, 591; Henssler, PartGG, § 2 Rn. 19; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1069; Kopp, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil C Rn. 41; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 331; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 61; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 229, 245; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 15 Rn. 16; Weyland/Träger, BRAO, § 9 BORA Rn. 11; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 20 f.; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 7 Rn. 182 f., 204.
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
1. Weiterführungsbefugnis nach Ausscheiden a) Weiterführung durch die Sozietät Kommt es zum Ausscheiden eines Partners aus der Sozietät, so steht es den übrigen Sozien frei, den Namen des Ausgeschiedenen auch weiterhin fortzuführen.821 Berufsrechtlich ist § 9 BORA insoweit die entscheidende Norm. Sie erlaubt Kurzbezeichnungen für Sozietäten und damit inzident auch die Weiterführung der bisherigen Kurzbezeichnung bei Veränderungen des Gesellschafterbestandes.822 Sinn und Zweck der Namensfortführung ist das wirtschaftliche Interesse, den mit dem Namen verbundenen „Good will“ der Sozietät zu erhalten.823 Zivilrechtlich muss der wahre Namensinhaber aufgrund des gesetzlich normierten Namensschutzes aus § 12 BGB bzw. aus § 2 Abs. 2 PartGG i.V.m. § 24 Abs. 2 HGB mit der Fortführung in der Kanzleibezeichnung allerdings einverstanden sein.824 Denkbar ist die Erteilung des Einverständnisses entweder von vornherein im Gesellschaftsvertrag oder durch den Gesellschafter zum Zeitpunkt seines Ausscheidens.825 Entgegen des missverständlichen Wortlauts des § 24 Abs. 2 HGB, welcher von der „ausdrücklichen Einwilligung“ spricht, kann das Einverständnis auch bei der PartG konkludent erfolgen – „ausdrücklich“ bedeutet in diesem Kontext 821 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 9 BORA Rn. 4; Henssler/ Michel, NZG 2012, 401, 411; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1068; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 3 Rn. 15; Weyland/Träger, BRAO, § 9 BORA Rn. 6 f.; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 21; bei der Auflösung der Sozietät stellen sich keine Probleme, da der Namensschutz der Sozietät zwangsläufig endet, Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 144. 822 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 9 BORA Rn. 4; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 60; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; BeckOK BORA/Römermann, § 9 Rn. 37; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 21. 823 RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 12; Henssler, in: FS Baums, S. 579, 586; Anm. Henssler, NZG 2000, 645, 646; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; Posegga, in: Peres/ Senft, Sozietätsrecht, § 15 Rn. 9; BeckOK BORA/Römermann, § 9 Rn. 39; Römermann, NZG 1998, 121; vgl. auch Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 10 BORA Rn. 10. 824 OLG Hamburg, Beschl. v. 12. 09. 2002 – 5 W 63/02, BRAK-Mitt. 2003, 40; Gaier/Wolf/ Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 10 BORA Rn. 11; Henssler, in: FS Baums, S. 579, 582 f.; Anm. Henssler, NZG 2000, 645, 646; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 60; Henssler/ Michel, NZG 2012, 401, 411; Anm. Hirtz, EWiR 2018, 487, 488; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1071 f.; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 331; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 279; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 15 Rn. 9; Henssler/Prütting/Prütting, BRAO, § 9 BORA Rn. 9; Römermann, NZG 1998, 121; Weyland/Träger, BRAO, § 9 BORA Rn. 7; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 7 Rn. 191. 825 Vgl. Henssler, in: FS Baums, S. 579, 583 f. Die vorherige Zustimmung im Gesellschaftsvertrag ist hierbei der Regelfall, Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 10 BORA Rn. 11; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; Lochmann, in: BeckHdbPersGes, § 20 Rn. 65; Römermann, NZG 1998, 121.
C. Die Sozietätsbezeichnung
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nur „eindeutig“.826 Ein solches Einverständnis bezieht sich in der Regel allerdings nur auf eine unveränderte Kurzbezeichnung der Kanzlei.827 Spätere Namensänderungen oder -erweiterungen der Sozietät lassen das Einverständnis des ausgeschiedenen Sozius daher entfallen.828 Das Einverständnis ist nach § 2 Abs. 2 2. Hs. PartGG im Grundsatz auch für die Umwandlung einer GbR in eine PartG notwendig, wenn der Name der Gesellschaft anschließend als Name der Partnerschaft weitergeführt werden soll. Ein bereits im Rahmen der GbR erteiltes, nicht beschränktes Einverständnis in die Namensfortführung umfasst allerdings auch die Fälle der späteren Umwandlung in die PartG, wenn der Namensträger bereits ausgeschieden ist; eine nochmalige Erteilung des Einverständnisses ist nicht erforderlich.829 Fällt mit dem Ausscheiden des Sozius auch der von diesem in der PartG ausgeübte Beruf weg, muss der Name der Partnerschaft um diese Berufsbezeichnung gekürzt werden, um keine unzulässige Täuschung des Rechtsverkehrs über die von der PartG erbrachten Leistungen zu verursachen.830 Sollte der Name des Sozius im Namen der PartG aufgetaucht sein, so ist auch dieser zu streichen, denn der Sozius wird vom Rechtsverkehr mit dem von ihm ausgeübten Beruf in Verbindung gebracht.831
826
Henssler, in: FS Baums, S. 579, 587 m.w.N. BayObLG, Beschl. v. 26. 11. 1997 – 3 Z BR 279/97, BayObLGZ 1997, 328, 332 f. = NZG 1998, 148; Weyland/Träger, BRAO, § 9 BORA Rn. 7. 828 Vgl. auch Römermann/Zimmermann, PartGG, § 2 Rn. 63, der für einen solchen Fall allerdings schon § 2 Abs. 1 S. 3 PartGG für einschlägig hält. 829 RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 12; BGH, Urt. v. 28. 02. 2002 – I ZR 195/99, NJW 2002, 2093, 2095 f. = NZG 2002, 619; BayObLG, Beschl. v. 26. 11. 1997 – 3 Z BR 279/97, BayObLGZ 1997, 328, 333 = NZG 1998, 148; OLG München, Urt. v. 16. 09. 1999 – 6 U 6228/ 98, NZG 2000, 367 = DB 1999, 2353; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 10 BORA Rn. 11; Henssler, in: FS Baums, S. 579, 584, 586; Anm. Henssler, NZG 2000, 645, 646; Anm. Hirtz, EWiR 2018, 487, 488; Kopp, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil C Rn. 49; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 15 Rn. 10; Römermann, NZG 1998, 121, 123; Sommer, NJW 1998, 3549, 3550; Weyland/Träger, BRAO, § 9 BORA Rn. 7; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 7 Rn. 201; a.A. LG München I, Beschl. v. 11. 06. 1997 – 13 T 6624/97, NJW-RR 1997, 1188 = BeckRS 9998, 14882; offenbar auch M/ GvW/H/L/W/Meilicke, PartGG, § 2 Rn. 36; für die Umwandlung in eine GmbH Römermann, GmbHR 1997, 530, 535. 830 Kopp, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil C Rn. 52; Lochmann, in: BeckHdbPersGes, § 20 Rn. 65; Römermann, NZG 1998, 121, 123; Römermann/Zimmermann, PartGG, § 2 Rn. 63. 831 Vgl. RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 12; Kopp, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil C Rn. 49; a.A. Römermann, NZG 1998, 121, 123; Römermann/Zimmermann, PartGG, § 2 Rn. 65. 827
366
5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
b) Gleichzeitige Nutzung durch den ausgeschiedenen Sozius Für den ausgeschiedenen Inhaber des Namens ist es freilich zulässig, seinen Namen auch künftig im Rahmen einer neuen Sozietät oder Kanzlei zu nutzen.832 In diesem Fall kann es jedoch zur Verwirrung des Rechtsverkehrs kommen, wenn mehrere Sozietäten desselben Namens bestehen. Der ausgeschiedene Sozius muss daher darauf achten, dass er im Zweifel kumulativ zu seinem Familiennamen einen Zusatz führt, der Verwechslungen mit seiner früheren Sozietät ausschließt, da seine neue Kanzlei prioritätsjünger ist.833 Um nicht in Konflikt mit den Vorschriften der §§ 3, 5 UWG zu kommen, sollte zudem beim Öffentlichkeitsauftritt der Sozietät, aus der der Sozius ausgeschieden ist, darauf geachtet werden, dass dessen Ausscheiden vermerkt und nach außen kundgetan wird.834 Insofern stellt § 10 Abs. 4 BORA die notwendige Publizität sicher. Nicht nötig ist es, den Vermerk des Ausscheidens zusätzlich um den Hinweis zu ergänzen, dass der Ausgeschiedene auch weiterhin beruflich tätig ist.835 Andernfalls kann das Einverständnis des Namensträgers hinsichtlich der Weiterführung des Namens durch die Altsozietät aufgrund der Irreführung des Rechtsverkehrs im Hinblick auf den aktuellen Arbeitsplatz des Ausgeschiedenen nach § 134 BGB i.V.m. § 3 UWG a.F. (heute § 5 UWG) nichtig sein.836
832 BGH, Urt. v. 28. 02. 2002 – I ZR 195/99, NJW 2002, 2093, 2094 = NZG 2002, 619; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1075; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 15 Rn. 9; Römermann, NJW 2007, 2209, 2211; a.A. für den Fall einer Ausschließlichkeitsvereinbarung Römermann, NZG 1998, 121, der allerdings übersieht, dass solche Ausschließlichkeitsvereinbarungen unter dem Blickwinkel des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Namensträgers nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig sein dürften. 833 OLG München, Urt. v. 16. 09. 1999 – 6 U 6228/98, NZG 2000, 367, 368 = DB 1999, 2353; Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 10 BORA Rn. 11; Anm. Henssler, NZG 2000, 645, 646; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1075; das Namensrecht schützt die Berufsausübungsgesellschaft damit unter Umständen sogar gegen den ursprünglichen Namensträger selbst, hierzu Henssler, in: FS Baums, S. 579, 584. 834 BGH, Urt. v. 28. 02. 2002 – I ZR 195/99, NJW 2002, 2093 = NZG 2002, 619; Römermann, NZG 1998, 121, 122. 835 Henssler, PartGG, § 2 Rn. 34; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; BeckOK BORA/ Römermann, § 9 Rn. 56 f.; a.A. BGH, Urt. v. 17. 04. 1997 – I ZR 219/94, NJW 1997, 3236, 3238 = ZIP 1997, 1763; Urt. v. 28. 02. 2002 – I ZR 195/99, NJW 2002, 2093, 2095 = NZG 2002, 619; Weyland/Träger, BRAO, § 10 BORA Rn. 9. 836 BGH, Urt. v. 28. 02. 2002 – I ZR 195/99, NJW 2002, 2093, 2094 = NZG 2002, 619.
C. Die Sozietätsbezeichnung
367
2. Ausnahmen von der Weiterführungsbefugnis a) Widerruf und Kündigung der Gestattung Damit wäre mit den Fällen der Irreführung des Rechtsverkehrs837 einer der wichtigsten Fälle angesprochen, in denen die Weiterführung des Namens durch die Sozietät unzulässig ist. Neben diesen Fällen der Nichtigkeit von Weiterführungsvereinbarungen kann der ausscheidende Sozius nach § 12 S. 1 BGB bei seinem Ausscheiden auch die Weiterführung des eigenen Namens verhindern, indem er sein Einverständnis widerruft.838 Der Widerruf ist hingegen nicht möglich, wenn er der Weiterführung auch für die Fälle seines Ausscheidens bereits im Sozietätsvertrag zugestimmt hat, denn dann hat er jedenfalls für die Dauer einer unveränderten Namensfortführung durch die Sozietät seine Rechte aus § 12 BGB aufgegeben.839 Ob sich die Gestattung auch auf das eigene Ausscheiden aus der Sozietät und die Zeit danach bezieht, hängt von der Auslegung der jeweiligen Gestattungserklärung ab.840 Die einzige Möglichkeit, die Namensfortführung dann noch zu unterbinden, ist die Kündigung der zivilrechtlichen Gestattung aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1 S. 1 BGB.841 Ob eine anderweitige Berufsausübung unter eigenem Namen – und eine dadurch resultierende Verwechslungsgefahr mit der Sozietät – durch den ausgeschiedenen Sozius als wichtiger Grund anzusehen ist, sollte im Sozietätsvertrag festgehalten werden.842 Die Kündigung der Gestattung kann vom Willen des ausscheidenden Sozius auch konkludent miterfasst sein, wenn er eine Austrittskündigung erklärt.843 Entscheidend hierfür ist eine Auslegung nach § 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls.
837
Das Verbot der Irreführung des Rechtsverkehrs ergibt sich für die PartG firmenrechtlich aus § 2 Abs. 2 PartGG i.V.m. § 18 Abs. 2 HGB und für die GbR wettbewerbsrechtlich aus § 5 UWG, Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1066. 838 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; Römermann, NZG 1998, 121; Römermann, NJW 2007, 2209, 2211. 839 Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1071 f.; Römermann, NJW 2007, 2209, 2211. 840 Vgl. Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1072. 841 OLG München, Urt. v. 19. 11. 1992 – 6 U 4940/92, NJW-RR 1993, 621, 623 = BeckRS 9998, 11767; Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 144; Henssler, PartGG, § 9 Rn. 60; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1073 f. 842 Heller, Die Beendigung freiberuflicher Sozietätsverhältnisse, S. 149; näher auch zur Kündigung nach § 314 Abs. 1 S. 1 BGB Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1073 f. 843 Römermann, NZG 1998, 121.
368
5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
b) Auflösung der Berufsausübungsgesellschaft Wird die Sozietät gleichzeitig mit dem Ausscheiden des Gesellschafters oder später aufgelöst, dann darf keiner der ehemaligen Sozien in einer neuen Kanzlei mehr den Namen des anderen Partners führen.844 Schuldrechtlich fehlt es nunmehr an einer wirksamen Gestattung, weil der Gestattungsempfänger nicht mehr existiert.845 Die Weiterführung des Namens ist in diesen Fällen aufgrund von §§ 3, 5 UWG insbesondere dann unzulässig, wenn das Ausscheiden des Sozius dazu führt, dass eine Sozietät lediglich dem äußeren Anschein nach besteht. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die Kurzbezeichnung der Sozietät noch zwei Nachnamen aufweisen würde, obwohl das Ausscheiden des einen Sozius dazu geführt hat, dass nunmehr nur noch eine Einzelkanzlei besteht.846 Selbiges gilt im Fall des Praxisverkaufs an nur einen Erwerber.847 c) Kurzzeitige Aufname von Gesellschaftern zwecks Namensfortführung Eine Weiterführung des Namens soll auch dann unzulässig sein, wenn die Mitgliedschaft nur von kurzer Dauer war und nur dem Zweck diente, der Sozietät den Namen zur Verfügung zu stellen.848 Dieser vielfach rezipierte und von der h.M.849 übernommene Grundsatz erscheint jedoch in mehrfacher Hinsicht fraglich. Praktisch ist ein derartiger Verstoß zum einen kaum nachzuweisen.850 Zum anderen muss das Vorhaben bereits beim Eintritt in die Sozietät bestanden haben.851 Des Weiteren erscheint diese Einschränkung fraglich vor dem Hintergrund, dass mittlerweile sogar reine Fantasienamen zulässig sind. Teleologisch resultieren Einschränkungen der Kurzbezeichnung durch § 134 BGB i.V.m. §§ 3, 5 UWG aus dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs, durch den Sozietätsnamen nicht hinsichtlich etwaiger Fähigkeiten der Sozietätsmitglieder oder einer besonderen Reputation in die Irre geführt zu 844 OLG Hamm, Urt. v. 31. 03. 1998 – 4 U 21 – 98, NJW-RR 1998, 1073 = NZG 1998, 591 (m. Anm. Römermann); Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1076; Weyland/Träger, BRAO, § 9 BORA Rn. 7. 845 Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1076. 846 Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 10 BORA Rn. 12; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 3 Rn. 17; BeckOK BORA/Römermann, § 9 Rn. 45; eine Irreführung noch weitergehend schon bejahend, wenn nur Unklarheiten über die Anzahl der Partner drohen, Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1070; Wertenbruch, in: Westermann/ Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 7 Rn. 202b. 847 BeckOK BORA/Römermann, § 9 Rn. 44. 848 RegBegr, BT-Drucks. 12/6152, S. 12; v. Falkenhausen, AnwBl 1994, 513. 849 Kopp, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil C Rn. 49; Kunz, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 3 Rn. 18; Henssler/Prütting/Prütting, BRAO, § 9 BORA Rn. 9; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 7 Rn. 202c; im Ergebnis auch BeckOK BORA/Römermann, § 9 Rn. 52. 850 BeckOK BORA/Römermann, § 9 Rn. 52; zur Partnerschaft auch Knoll/Schüppen, DStR 1995, 608, 611. 851 Zustimmungswürdig insoweit BeckOK BORA/Römermann, § 9 Rn. 52.
C. Die Sozietätsbezeichnung
369
werden.852 Ob der Rechtssuchende durch einen bloßen, wenngleich wohlklingenden Nachnamen mehr in die Irre geführt wird als durch eine Kurzbezeichnung mit Fantasiezusatz853, ist zu bezweifeln. Richtigerweise wird man davon ausgehen müssen, dass solche Konstruktionen nur dann zu missbilligen sind, wenn der Namensträger seinen Namen mehreren Berufsausübungsgesellschaften zur Verfügung stellt, deren Namensähnlichkeit zur Irreführung des Rechtsverkehrs geeignet ist. Erst dann ist die vorliegende Gestaltung wettbewerbs- bzw. firmenrechtlich854 zu beanstanden. In solchen Fällen steht das Recht zur unveränderten Namensführung der insofern „älteren“ Sozietät zu. Die prioritätsjüngere Sozietät muss ihrem Namen dann zur Vermeidung einer Irreführung des Rechtsverkehrs einen Zusatz hinzufügen. Die Konstellation ist dementsprechend zu behandeln wie diejenige, in der der Sozius der Sozietät seinen Namen zur Weiterführung überlassen hat und später in einer eigenen Sozietät seinen Namen ebenfalls als Sozietätsnamen verwenden will.855 3. BGH, Beschl. v. 08. 05. 2018 – II ZB 7/17 – Dr. oder nicht Dr.? a) Skizzierung des Beschlusses Ein neuer Beschluss des BGH856 zum Namensrecht der Sozietät beim Ausscheiden eines Partners ist Mitte 2018 ergangen. Aus der PartG „Rechtsanwälte Dr. H. & Partner mbB“ schied der einzig promovierte Partner Dr. H. aus. Daran anschließend stellte sich die Frage, ob die Gesellschaft nun gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit und das Irreführungsverbot des § 2 Abs. 2 PartGG i.V.m. § 18 Abs. 2 S. 1 HGB verstieß. Das OLG Hamm als Vorinstanz ging davon aus, dass beide Grundsätze Vorrang hätten vor dem Vertrauen der Partner auf die Kontinuität des 852
BGH, Urt. v. 28. 02. 2002 – I ZR 195/99, NJW 2002, 2093, 2094 f. = NZG 2002, 619. Beispielhaft aus der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung BGH, Urt. v. 11. 03. 2004 – I ZR 62/01, NJW 2004, 1651, 1651 f. = WM 2005, 93, zur „artax Steuerberater – Rechtsanwälte Partnerschaft A.-B.-H.-L.-St“; BayObLG, Beschl. v. 27. 03. 2000 – 3 ZBR 331/ 99, BayObLGZ 2000, 83, 85 = NJW 2000, 1647, zur „Pro-Videntia Rechtsanwalts AG“; OLG Karlsruhe, Urt. v. 01. 02. 2001 – 4 U 96/00, NJW 2001, 1584 = AnwBl 2001, 240, ebenfalls zur „artax Steuerberater – Rechtsanwälte Partnerschaft A.-B.-H.-L.-St“; LG Hannover, Beschl. v. 11. 10. 2000 – 44 StL 31/00, INF 2001, 191, zur „Novatax GbR“; aus der Lehre zu diesem Komplex Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 9 BORA Rn. 5; Henssler, in: FS Baums, S. 579, 580, 591; Henssler, PartGG, § 2 Rn. 19; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1069; Kopp, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil C Rn. 41; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 331; Lochmann, in: BeckHdb-PersGes, § 20 Rn. 61; Peitscher, AnwaltsR, § 21 Rn. 229, 245; Posegga, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 15 Rn. 16; Weyland/ Träger, BRAO, § 9 BORA Rn. 11; Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 20 f.; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. PersGes, I. Teil § 7 Rn. 182 f., 204. 854 § 5 UWG bzw. § 2 Abs. 2 PartGG i.V.m. § 18 Abs. 2 HGB. 855 Hierzu OLG München, Urt. v. 16. 09. 1999 – 6 U 6228/98, NZG 2000, 367, 368 = DB 1999, 2353; Henssler/Michel, NZG 2012, 401, 411; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1075 sowie oben S. 366. 856 BGH, Beschl. v. 08. 05. 2018 – II ZB 7/17, NJW-RR 2018, 998 Rn. 4 ff. = ZIP 2018, 1393. 853
370
5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Partnerschaftsnamens.857 Das rechtssuchende Publikum verbinde eine Promotion mit besonderen intellektuellen Fähigkeiten, einer gesteigerten Zuverlässigkeit und einem besonders guten Ruf.858 Der BGH erkennt demgegenüber den Grund für dieses besondere Vertrauen in den Doktorgrad darin, dass dieser ein abgeschlossenes Hochschulstudium nachweise.859 Wenn aber die übrigen Partner der Gesellschaft ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, so wie es bei Rechtsanwälten zwingend der Fall ist, dann wird der Rechtssuchende vom Namen der Partnerschaft nicht in die Irre geführt und dementsprechend in seinem Vertrauen auf besondere Qualitäten nicht enttäuscht. Selbst in Gesellschaften, die nicht ausschließlich von Rechtsanwälten geführt werden, etwa bei gemeinsamen Sozietäten mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, bei denen ein Hochschulstudium nicht zwingend erforderlich ist,860 gelte nichts Anderes.861 Denn durch die Ersetzbarkeit des Hochschulstudiums durch eine längerfristige praktische Tätigkeit habe der Gesetzgeber diese Qualifikationen als gleichwertig erachtet.862 b) Kritische Betrachtung des Beschlusses Im Gegensatz zu den Beschlüssen der Vorinstanzen863 überzeugt derjenige des BGH nicht.864 Nach dem Irreführungsverbot sind Zusätze, welche über Art und Umfang des Unternehmens, geschäftlich bedeutsame persönliche Verhältnisse oder besondere Eigenschaften des Unternehmensträgers unzutreffende Vorstellungen hervorrufen können, unzulässig.865 Der Doktorgrad ist eine solche Eigenschaft des Unternehmensträgers. Er beweist nach der Anschauung des Rechtsverkehrs nicht nur das Vorhandensein einer akademischen Ausbildung.866 Jedenfalls bei Rechtsanwälten dürfte dem Rechtsverkehr durchaus bekannt sein, dass die Ergreifung dieses Berufes ein Hochschulstudium voraussetzt. Der Doktorgrad legt vielmehr für den 857
OLG Hamm, Beschl. v. 21. 02. 2017 – I-27 W 178/16, BeckRS 2017, 149968 Rn. 20. OLG Hamm, Beschl. v. 21. 02. 2017 – I-27 W 178/16, BeckRS 2017, 149968 Rn. 15. 859 BGH, Beschl. v. 08. 05. 2018 – II ZB 7/17, NJW-RR 2018, 998 Rn. 21 = ZIP 2018, 1393; ebenso Henssler, PartGG, § 2 Rn. 20. 860 S. § 36 Abs. 2 StBerG u. § 8 Abs. 2 WPO. 861 BGH, Beschl. v. 08. 05. 2018 – II ZB 27/17, NZG 2018, 1016 Rn. 19 f. = ZIP 2018, 1439, zu Steuerberatern; BGH, Beschl. v. 08. 05. 2018 – II ZB 26/17, ZIP 2018, 1494 Rn. 19 f. = BeckRS 2018, 15568, zu Wirtschaftsprüfern. 862 BGH, Beschl. v. 08. 05. 2018 – II ZB 27/17, NZG 2018, 1016 Rn. 19 = ZIP 2018, 1439; Beschl. v. 08. 05. 2018 – II ZB 26/17, ZIP 2018, 1494 Rn. 19 = BeckRS 2018, 15568. 863 OLG Hamm, Beschl. v. 21. 02. 2017 – I-27 W 178/16, BeckRS 2017, 149968 Rn. 1 ff.; AG Essen, Beschl. v. 10. 11. 2016 – PR 548. 864 Krit. auch Möller, NJW 2018, 3351, 3353; a.A. Anm. Hirtz, EWiR 2018, 487, 488. 865 BGH, Urt. v. 10. 11. 1969 – II ZR 273/67, BGHZ 53, 65, 67 = NJW 1970, 704; vgl. auch BGH, Urt. v. 24. 10. 1991 – I ZR 271/89, NJW-RR 1993, 367, 368 = WM 1992, 504. 866 A.A. Henssler, PartGG, § 2 Rn. 20; Anm. Hirtz, EWiR 2018, 487, 488. 858
C. Die Sozietätsbezeichnung
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Rechtssuchenden nahe, dass der Träger eine über das bloße Studium hinausgehende Zusatzqualifikation erworben hat, welche ihm weitere Rechtskenntnisse und einen tiefergehenden Einblick in das System des Rechts vermittelt hat. Gleich, ob zu Recht oder zu Unrecht, vertraut der Rechtsverkehr daher grundsätzlich auf eine Beratung besonderer qualitativer Güte. Schon die Beachtung der Tatsache, dass bei vielen Kanzleien in der Praxis nur promovierte Juristen die Gelegenheit erhalten, auf dem Briefkopf der jeweiligen Kanzlei zu erscheinen oder gar Partner zu werden, zeigt, dass die Mandantschaft regelmäßig besonderen Wert auf diese Zusatzqualifikation legt.867 Das Argument des BGH, das Vertrauen erschöpfe sich in der Erwartung, der Träger habe eine akademische Ausbildung genossen, überzeugt jedenfalls bei Rechtsanwälten nicht. Bei einer strengeren Beachtung seiner These, die Auswirkungen des Doktorgrads würden maßgeblich vom Geschäftsbetrieb mitbestimmt,868 wäre der BGH wohl zu einem anderen Ergebnis gekommen. Denn die große Mehrheit der tätigen Rechtsanwälte hat kein Promotionsverfahren durchlaufen. Eine Vorstellung des Rechtsverkehrs, die Promotion sei dementsprechend nur ein äußerliches Anzeichen für ein abgeschlossenes Studium, ist schwierig zu konstruieren. Anders mag dies hingegen bei Berufsgruppen sein, bei denen der Doktorgrad unter den Absolventen in größerem Maße verbreitet ist, wie es zum Beispiel bei Medizinern der Fall ist. Das Vertrauen in die besonderen intellektuellen Fähigkeiten, den guten Ruf und die Zuverlässigkeit eines promovierten Juristen geht daher über das Vertrauen in denjenigen ohne Promotion hinaus. Richtigerweise wäre die Fortführung der Gesellschaft als „Rechtsanwälte Dr. H. & Partner mbB“ wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 PartGG i.V.m. § 18 Abs. 2 HGB zu versagen gewesen. c) Der Nachfolgezusatz als Lösungsmodell Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich daher, dass die unveränderte Namensfortführung unzulässig ist, wenn der einzig promovierte Partner einer Rechtsanwaltspartnerschaft aus dieser ausscheidet. Da der Rechtsverkehr mit der Promotion eine besondere Zusatzqualifikation verbindet, muss dem Wegfall dieser Qualifikation im Sozietätsnamen Rechnung getragen werden. Das bedeutet indes nicht zwangsläufig die vollständige Änderung des Sozietätsnamens, denn damit wäre ein teilweiser Verlust des „Good will“ verbunden, der angesichts der Interessen des Rechtsverkehrs nicht erforderlich ist. Vielmehr erscheint es beiderseits interessengerecht, der Sozietät die Fortführung des Namens zu gestatten, sofern sie einen Nachfolgezusatz verwendet.869 Dadurch kann den Interessen der Gesellschafter 867
A.A. Anm. Hirtz, EWiR 2018, 487, 488. BGH, Urt. v. 10. 11. 1969 – II ZR 273/67, BGHZ 53, 65, 67 = NJW 1970, 704. 869 Zum Ausscheiden des einzig promovierten Gesellschafters einer GmbH auf dem Gebiet der Personalberatung OLG Köln, Beschl. v. 12. 03. 2008 – 2 Wx 5/08, FGPrax 2008, 125, 126 = 868
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5. Kap.: Besondere Probleme des Ausscheidens einzelner Sozien
Rechnung getragen werden, indem ihnen der Wert, welcher dem Sozietätsnamen zukommt, erhalten wird. Gleichzeitig ist eine Irreführung des Rechtsverkehrs nicht zu befürchten, da er aus dem Nachfolgezusatz ersehen kann, dass der promovierte Partner ausgeschieden ist. Die Annahme, dass ein promovierter Berufsträger eine maßgebliche Position in der Sozietät einnimmt, würde dann nicht Teil der Entscheidung zur Mandatierung werden. Die Grundsätze der Namenswahrheit (§ 18 Abs. 2 HGB) und der Namenskontinuität (§ 24 HGB) werden durch diese Lösung in angemessener Weise gewahrt. Diese Lösung gilt indes nur für das Ausscheiden des einzigen, promovierten Partners. Sind auch nach dem Ausscheiden des promovierten Namensträgers noch weitere, promovierte Gesellschafter vorhanden, so kann die Sozietät den Namen unverändert weiterführen, da die – vom Rechtsverkehr erwartete – Zusatzqualifikation auch weiterhin in der Gesellschaft vorhanden ist.870 Voraussetzung ist aber, dass der Doktorgrad des verbleibenden Gesellschafters auch in dem Fachgebiet erworben wurde, auf dem die Sozietät am Markt tätig ist, da ansonsten wiederum eine Irreführung des Rechtsverkehrs vorliegt.871 Das Spezialgebiet oder gar das Thema der Promotion ist hingegen unerheblich. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass nach dem Ausscheiden eines durch eine juristische Fakultät promovierten Rechtsanwalts ein Berufsträger in der rechtsberatenden Sozietät verbleibt, der seinen Doktorgrad ebenfalls auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft erworben hat.872 Eine Promotion etwa in einem naturwissenschaftlichen Fach genügt hingegen nicht, da sie kein Nachweis einer besonderen Qualifikation auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft und damit der Rechtsberatung darstellt.
DNotZ 2009, 140; a.A. im hiesigen Fall OLG Hamm, Beschl. v. 21. 02. 2017 – I-27 W 178/16, BeckRS 2017, 149968 Rn. 20; ebenso wohl Anm. Hirtz, EWiR 2018, 487, 488. 870 OLG Köln, Beschl. v. 12. 03. 2008 – 2 Wx 5/08, FGPrax 2008, 125, 126 = DNotZ 2009, 140; Henssler, PartGG, § 2 Rn. 20. 871 Henssler, PartGG, § 2 Rn. 20; Kopp, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil C Rn. 47; offenbar auch Römermann/Zimmermann, PartGG, § 2 Rn. 55. 872 Vgl. Henssler, PartGG, § 2 Rn. 20.
6. Kapitel
Fazit A. Erkenntnisse der vorherigen Kapitel und Regelungsentwürfe I. Zur Auflösung der Gesellschaft und dem Ausscheiden von Gesellschaftern Die Beendigung der gemeinschaftlichen Berufsausübung bei Rechtsanwaltssozietäten stellt die Gesellschafter vielfach vor Schwierigkeiten. Viele dieser Probleme beruhen auf einer nur unzureichenden Regelung der Auseinandersetzung in den Normen des Berufsrechts. Zivilrechtliches Gesellschaftsrecht und öffentlich-rechtliches Berufsrecht entwickeln sich oftmals primär nebeneinander statt gemeinsam. Dementsprechend schwierig ist es, in der Rechtsmaterie, die als anwaltliches Gesellschaftsrecht zusammengefasst wird, ein eigenständiges, homogenes Rechtsgebiet zu entdecken. Die Untersuchung der Auflösung, des Ausscheidens und der Auseinandersetzung von Sozietäten haben diese Problematik deutlich zu Tage treten lassen. So vollziehen sich die Auflösung der Sozietät und das Ausscheiden eines Rechtsanwalts vor allem nach den zivilrechtlichen Normen des jeweiligen Gesellschaftsrechts.1 Insbesondere beim Ausscheiden einzelner Gesellschafter bestehen spezielle Interessen aufgrund der freiberuflichen Natur des Anwaltsberufes, die Einfluss auf die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages und die Kündigung haben können. Diese Interessen sind aber keine spezifische Konsequenz des Berufsrechts, sondern Resultate der Struktur anwaltlicher Berufsausübung und der gegenwärtigen Situation des Rechtsberatungsmarktes.
II. Die (Teil-)Auseinandersetzung der Sozietät Demgegenüber wird die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung selbst häufig vom anwaltlichen Berufsrecht beeinflusst. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht, als Verteilung der wesentlichen Vermögenswerte, die Mandatsverteilung. Mit dieser verbunden ist der Befragungsmechanismus des § 32 Abs. 1 S. 1 BORA 1
S. 76 ff., 137 ff.
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6. Kap.: Fazit
(ggf. i.V.m. § 32 Abs. 2 S. 1 BORA). De lege lata ist die Mandantenbefragung praktisch vielfach durch nachvertragliche Wettbewerbsklauseln verdrängt. Gleichwohl haben die zurückliegenden Kapitel doch gezeigt, dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote keineswegs unproblematisch sind, da sie über § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO regelmäßig unwirksam sind.2 Dies hat zur Folge, dass der von § 32 Abs. 1 S. 1 BORA vorgesehene Mechanismus der gemeinsamen Mandantenbefragung viel häufiger zur Anwendung kommen müsste. Dabei hat die Untersuchung des § 32 BORA deutlich gemacht, dass die Norm zwar einen ganz wesentlichen Aspekt der Auseinandersetzung regelt, dabei jedoch selbst erhebliche Mängel aufweist. Wortlaut und Systematik der Norm sind nach allgemeiner Ansicht misslungen,3 Verstöße sind kaum sanktionsfähig4 und auch die Regelung in der BORA statt der BRAO trägt zur Vernachlässigung der Vorschrift in der Praxis bei.5 Schon in diesem wichtigen Bereich ist das anwaltliche Gesellschaftsrecht daher dringend reformbedürftig. Dies ist umso bedauerlicher, da die Norm einerseits berufsrechtlich hilfreiche Hinweise für eine geordnete Auseinandersetzung gibt und andererseits dem Mechanismus richtigerweise zivilrechtlich die Konstruktion einer gewillkürten Vertragsübernahme innewohnt.6 Eng verbunden mit der Mandatsverteilung sind die Fragen der Abfindung und der nachvertraglichen Wettbewerbsklauseln. Obwohl die Abfindung vor allem gesellschaftsrechtlicher Natur ist, offenbart sie doch insbesondere bei der Frage des Abfindungsausschlusses in Rechtsanwaltssozietäten ihre Besonderheiten.7 Diese Besonderheiten sind allerdings dem freien Beruf insgesamt und weniger dem anwaltlichen Berufsrecht geschuldet. Anders ist dies bei den nachvertraglichen Wettbewerbsklauseln, die häufig ergänzend zu den Abfindungsklauseln vereinbart werden. Dass Wettbewerbsverbote regelmäßig keine Gültigkeit beanspruchen können, wurde bereits festgestellt. Wettbewerbsbeschränkungen sind demgegenüber im Grundsatz zulässig und als Gewinnabführungsvereinbarungen praktisch verbreitet. Sie finden ihre Grenzen insbesondere in der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO, aber auch in § 138 BGB, soweit sie die Mandatsmitnahme faktisch unattraktiv machen. Letzteres dürfte nahezu regelmäßig der Fall sein, wenn ein ausscheidender Sozius in ein Angestelltenverhältnis wechselt. Ob und in welchem Umfang die Verschwiegenheitspflicht Gewinnabführungsvereinbarungen die rechtliche Grundlage entzieht, ist noch immer klärungsbedürftig. Zutreffenderweise ist der Bedeutung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht im Ergebnis dadurch Rechnung zu tragen, dass Ausnahmen von der Schweigepflicht eng auszulegen sind. 2 3 4 5 6 7
S. 302. S. 148 f. S. 172 ff. Zu diesem Vorschlag S. 177 ff. Zu den verschiedenen Varianten der Vertragsübernahme, S. 159, 162. S. 218 ff.
A. Erkenntnisse der vorherigen Kapitel und Regelungsentwürfe
375
Stark berufsrechtlich geprägt ist auch die Verteilung der den Mandaten zugehörigen Handakten. Diese berufliche Prägung und die Überschneidungen zu zivilrechtlichen Regeln macht die Behandlung von Handakten keineswegs unproblematisch. Neben dem schon immer existierenden, zivilrechtlichen Herausgabeanspruch besteht nun ein weiterer berufsrechtlicher Herausgabeanspruch des Mandanten gegen den Inhaber der Handakten.8 Sozietätsspezifische oder spezielle gesellschaftsrechtliche Regeln existieren für die Verteilung der Handakten demgegenüber nicht. Dieses Vakuum führt dazu, dass Handakten praktisch oft ohne jede Absprache entwendet, vervielfältigt oder versteckt werden.9 Leidtragender in diesem Streit zwischen der Sozietät und dem Ausscheidenden ist oftmals der Mandant. Das anwaltliche Gesellschaftsrecht muss Lösungen bereitstellen, um derlei Konflikte und die bewusste Umgehung von Vorschriften in der Auseinandersetzung zu vermeiden. Insbesondere eine gesetzliche Zuweisung der Aufbewahrungspflicht aus § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO, verbunden mit einem Besitzrecht hinsichtlich der Handakten, wäre ein wichtiger Fortschritt für das Sozietätsrecht. Im Zuge der Verteilung der Mandate und auch der Handakten ist zudem die Erreichbarkeit der ehemaligen Gesellschafter bzw. des Ausgeschiedenen für die Mandanten von großer Bedeutung. Ebenso wie der Rest des § 32 BORA haben auch die wettbewerbsrechtlichen Regelungen in diesem Bereich in § 32 Abs. 1 S. 4 und S. 5 BORA Reformbedarf offenbart. Insbesondere die unzeitgemäße Formulierung ist hier in den Blick zu nehmen und zu überarbeiten.10 Auch das Namensrecht der Sozietät im Anschluss an das Ausscheiden eines Rechtsanwalts hat durch den Beschluss des BGH vom 08. 05. 201811 neuen Auftrieb erhalten. Dieser unter dem Aspekt des Irreführungsverbots durchaus kritikwürdige Beschluss zeigt, dass auch in diesem Bereich des Sozietätsrechts noch ungeklärte Einzelfragen verbleiben.12
III. Folgen dieser Erkenntnisse Das anwaltliche Gesellschaftsrecht ist, soweit man den Blick auf die Auseinandersetzung beschränkt, zwar nicht einsturzgefährdet, aber doch dringend reformbedürftig.13 Viele ungeklärte Einzelfragen resultieren ausschließlich aus der mangelnden legislativen Aufmerksamkeit, die der Auflösung und Auseinandersetzung anwaltlicher Gesellschaften bisher zu Teil wurde. So findet sich in der BRAO mit § 59a BRAO bisher nur eine Norm, die allgemeine Regelungen für den erstmaligen 8
S. 183 ff. S. 187. 10 S. 206; zu einem Reformvorschlag S. 379. 11 II ZB 7/17. 12 S. 369 ff. 13 Zur „Einsturzgefahr“ des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, S. 34 f. 9
376
6. Kap.: Fazit
Zusammenschluss von Rechtsanwälten trifft. Die übrigen Normen des anwaltlichen Gesellschaftsrechts in den §§ 59c ff. BRAO befassen sich hingegen nur mit der Zulassung, der inneren Organisation und weiteren Einzelaspekten, wie der Firma und der Vertretung der Mandanten vor Gerichten und Behörden. Diese Regelungsdichte der Rechtsanwalts-GmbH steht in keinem Verhältnis zur zahlenmäßigen Relevanz der Rechtsanwaltskapitalgesellschaften, gemessen an der deutlich höheren Anzahl der Rechtsanwaltspersonengesellschaften.14 Einstweilen können viele der behandelten Probleme durch gesellschaftsvertragliche Regelungen antizipiert und entschärft werden. Leider sind Anwälte allzu oft „eher geborene Taktiker als geborene Strategen“,15 sodass die langfristige Planung in eigenen Angelegenheiten häufig vernachlässigt wird.16 Eine umfassende Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, die auch die Rechtsanwaltspersonengesellschaften erfasst, ist daher dringend erforderlich. Die bislang praktizierte unzusammenhängende Kodifizierung von Einzelfragen, die bereits von der Rechtsprechung entschieden wurden, ist auf Dauer unbefriedigend und schafft keinen Erkenntnisgewinn. Im Gegenteil führt die fragmentarische Regelung von Spezialfragen naturgemäß zu größeren Rechtsunsicherheiten als eine einheitliche Reform, die das anwaltliche Gesellschaftsrecht den aktuellen, praxisrelevanten Herausforderungen anpassen würde.
IV. Reformvorschläge 1. Systematische Vorbemerkungen Eine Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts ist daher nötig und aufgrund der Bemühungen der Anwaltschaft und der Wissenschaft imminent.17 Die bisher diskutierten Reformvorschläge befassen sich jedoch kaum mit der Beendigung der beruflichen Zusammenarbeit.18 Dem Fokus dieser Arbeit entsprechend, soll im Folgenden das Für und Wider einer Normierung der zuvor erarbeiteten Problemkomplexe erörtert werden. Für normierungsbedürftige Themen werden sodann Regelungsentwürfe entwickelt, die jedenfalls für die Auflösung, das Ausscheiden eines Sozius und die Auseinandersetzung der Sozietät die größten Konflikte einer 14
Zum zahlenmäßigen Verhältnis S. 76 f. Bauer/Diller, in: FS Bechtold, S. 21, 23. 16 Ebenso Goette, ZGR 46 (2017), 426, 437; Vorsorge empfehlend etwa Schmid, in: MünchHdb-GesR I, § 24 Rn. 64. 17 Näher S. 382 ff. 18 Zu den Details der geplanten Reform vgl. Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufs recht_Berufsaus%C3%BCbungsgesellschaften.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); sowie S. 384 ff. 15
A. Erkenntnisse der vorherigen Kapitel und Regelungsentwürfe
377
Lösung zuführen würden. Diese Regelungsentwürfe sollten systematisch in den dritten Teil der BRAO als neuer dritter Abschnitt eingefügt werden und die Überschrift „Beendigung der Berufsausübungsgesellschaft“ tragen. Da die Normen rechtsformneutral ausgestaltet werden, wird durchgehend auf die Termini „Berufsausübungsgesellschaft“ und „Gesellschafter“ zurückgegriffen. Die Regelungsentwürfe schließen als §§ 59n ff. BRAO-Entwurf direkt an den bestehenden zweiten Abschnitt des dritten Teils an. 2. Zur Auflösung der Sozietät und zum Ausscheiden einzelner Gesellschafter In diesem Bereich wird kein dringender Regelungsbedarf erblickt. Zwar gibt es insbesondere im Bereich der Hinauskündigungsklauseln noch einige unklare Rechtsfragen, diese lassen sich jedoch durch interessengerechte Auslegung der Kündigungsvorschriften19 und der zivilrechtlichen Schranken privatautonomer Vertragsgestaltung bewältigen.20 Zudem ließe sich die Kautelarpraxis entlasten, würden die §§ 723 ff. BGB dergestalt angepasst, dass dort der Fortführungsgedanke das Auflösungsdogma ablösen würde.21 Dies entspräche auch dem internationalen Trend die Existenz der Personengesellschaften zu verstetigen, um funktionierende Unternehmen zu erhalten und eine wirtschaftlich unsinnige Auflösung und Auseinandersetzung zu vermeiden.22 3. Die Mandatsverteilung im Zuge der Auseinandersetzung Im Zuge der Untersuchung des § 32 BORA wurde bereits eindeutiger Reformbedarf festgestellt.23 Die dort erwogenen redaktionellen und systematischen Überarbeitungen sowie eine Klarstellung zur gesellschaftsvertraglichen Natur24 vorrangiger Regelungen führen zu § 59n BRAO-Entwurf: 19
Zum wichtigen Grund in Freiberuflersozietäten S. 98 f.; zum „Gesellschafter auf Probe“ S. 114 f. 20 Hierzu etwa S. 125 ff., 130 f.; ebenfalls im allgemeinen Personengesellschaftsrecht keinen dringenden Reformbedarf entdeckend Schäfer, Beilage ZIP 22/2016, 63, 64 ff. 21 Ebenso der Hamburger Kreis Recht der Familienunternehmen, NZG 2020, 104; nunmehr so auch der „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, §§ 723 BGB-E auf S. 14 ff., sowie die Begründung auf S. 119 f., abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jses sionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534932DB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020); daran anschließend M. Noack, NZG 2020, 581, 584; OtteGräbener, BB 2020, 1295, 1297. 22 Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463, 498. 23 S. 176 ff. 24 Bunk, Vermögenszuordnung, Auseinandersetzung und Ausscheiden in Sozietät und Gemeinschaftspraxis, S. 86; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 32 BORA Rn. 11; wohl auch Peres, in: Peres/Senft, Sozietätsrecht, § 9 Rn. 187; diff. Hartung/Scharmer/Scharmer,
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6. Kap.: Fazit
§ 59n Beendigung der gemeinschaftlichen Berufsausübung (1) 1Bei Auflösung einer Berufsausübungsgesellschaft haben die Gesellschafter mangels anderer gesellschaftsvertraglicher Regelung jeden Mandanten darüber zu befragen, wer künftig seine laufenden Angelegenheiten bearbeiten soll. 2Wenn sich die bisherigen Mitgesellschafter über die Art der Befragung nicht einigen, hat die Befragung in einem gemeinsamen Rundschreiben zu erfolgen. 3Kommt eine Verständigung der bisherigen Mitgesellschafter über ein solches Rundschreiben nicht zustande, darf jeder der bisherigen Mitgesellschafter einseitig die Entscheidung der Mandanten einholen. (2) 1Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Berufsausübungsgesellschaft gilt Abs. 1 hinsichtlich derjenigen Auftraggeber, mit deren laufenden Angelegenheiten der ausscheidende Gesellschafter zum Zeitpunkt seines Ausscheidens befasst oder für die er vor seinem Ausscheiden regelmäßig tätig war. 2Sein Recht, das Ausscheiden aus der Berufsausübungsgesellschaft allen Mandanten bekannt zu geben, bleibt unberührt. (3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Beendigung einer beruflichen Zusammenarbeit in sonstiger Weise, wenn diese nach außen als Berufsausübungsgesellschaft hervorgetreten ist.
4. Die Verteilung der Handakten bei Beendigung der Berufsausübungsgesellschaft Die Verteilung der Handakten im Zuge der Beendigung der Berufsausübungsgesellschaft ist der Themenkomplex mit dem größten Handlungsbedarf. Die Unklarheiten sind vielfältig,25 weshalb eine eigenständige Norm im Abschnitt zur Beendigung der Berufsausübungsgesellschaft erforderlich erscheint. Sie kann ergänzt werden durch gesellschaftsvertragliche Bestimmungen, etwa zur Anfertigung von Kopien der Handakten, um zukünftig potentielle Regressansprüche des Mandanten abzuwehren. Ihrer Struktur nach entspricht die Norm der zuvor favorisierten Verbindung von Mandantenbefragung und Handaktenverteilung. Subsidiär werden eigenständige Absätze für die Auflösung und das Ausscheiden eines Gesellschafters eingefügt, falls es an einer Mandantenbefragung fehlt oder diese ergebnislos verlief: § 59o Handakten in der Auseinandersetzung (1) 1Wurde im Falle der Auflösung der Berufsausübungsgesellschaft eine § 59n Abs. 1 entsprechende Mandantenbefragung vorgenommen, so steht das Recht zum Besitz an den Handakten dem in der Mandantenbefragung benannten Berufsträger zu. 2Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters gilt S. 1 entsprechend mit der Maßgabe, dass das Recht zum Besitz der Berufsausübungsgesellschaft zusteht, wenn sich der Mandant zu einem Verbleib entschließt. 3Der zum Besitz Berechtigte ist zugleich Träger der Aufbewahrungspflicht aus § 50 Abs. 1 S. 2. BORA/FAO, § 32 BORA Rn. 20, der sowohl den Gesellschaftsvertrag als auch andere Vereinbarungen zwischen den Sozien erfasst sieht; a.A. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 32 BORA Rn. 9; Deckenbrock, in: Henssler/Streck, SozietätsR-Hdb, Teil M Rn. 166; Keller, BRAK-Mitt. 2012, 200; die auf Vereinbarungen im Anwaltsvertrag abstellen. 25 Im Einzelnen S. 187 ff.
A. Erkenntnisse der vorherigen Kapitel und Regelungsentwürfe
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(2) 1Wird die Berufsausübungsgesellschaft aufgelöst und findet keine Mandantenbefragung nach § 59n Abs. 1 statt oder verläuft diese ergebnislos, ist jeder Gesellschafter zum Besitz derjenigen Handakten berechtigt, deren Mandate er als laufende Angelegenheiten im Zeitpunkt der Auflösung betreut oder die er in der Vergangenheit federführend betreut hat. 2 Der zum Besitz Berechtigte ist zugleich Träger der Aufbewahrungspflicht aus § 50 Abs. 1 S. 2. 3Das Recht zum Besitz und die Pflicht zur Aufbewahrung enden, sobald der Mandant die Herausgabe der Handakten an sich oder seinen neuen Rechtsanwalt verlangt. (3) Scheidet ein Gesellschafter aus der Berufsausübungsgesellschaft aus und findet keine Mandantenbefragung nach § 59n Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 statt oder verläuft diese ergebnislos, gilt Abs. 2 entsprechend. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, sofern die Handakte elektronisch geführt wird.
5. Die Informationsrechte und -pflichten nach Beendigung Auch hier offenbart die Untersuchung des § 32 Abs. 1 S. 4, 5 BORA Überarbeitungsbedarf. De lege ferenda sollten beide Sätze aus ihrer systematisch fragwürdigen Stellung in § 32 Abs. 1 BORA26 herausgelöst und anschließend als eigenständige Norm in den neuen Abschnitt eingefügt werden. Die veraltete Formulierung in S. 2, die nur Bezug nimmt auf die Adresse, Telefon- und Faxnummer, ist ebenfalls den heutigen Bedürfnissen anzupassen: § 59p Informationsrechte und -pflichten bei Ausscheiden 1
In den Fällen des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Berufsausübungsgesellschaft darf der ausscheidende Gesellschafter am bisherigen Kanzleisitz und auf der Internetseite der Berufsausübungsgesellschaft einen Hinweis auf seinen Umzug für ein Jahr anbringen. 2 Verbleibende Gesellschafter haben während dieser Zeit auf Anfrage die neue Kanzleiadresse, die E-Mail-Adresse sowie die Telefon- und Faxnummer des ausgeschiedenen Gesellschafters bekannt zu geben.
6. Abfindungen, Wettbewerbsverbote und Neusozien ohne Kapitalanteil Die Untersuchung der Abfindung ausgeschiedener Sozien und der verbreiteten Klauseln zum nachvertraglichen Wettbewerb haben in den Details erhebliche Rechtsunsicherheiten aufgezeigt, eine gesetzliche Regelung erscheint dennoch nur bedingt empfehlenswert. Abfindungsvereinbarungen unter Freiberuflern unterliegen zwar einigen Besonderheiten, die Abfindung bleibt jedoch eine primär gesellschaftsrechtliche Materie, deren Regelung in der BRAO systematisch zweifelhaft wäre. Zudem führen die Grundsätze der Rechtsprechung27 im Allgemeinen zu befriedigenden Ergebnissen, wenngleich in Detailfragen Korrekturbedarf besteht.28 26 27 28
Vgl. schon S. 148 f. S. 218 ff. S. 237 ff.; S. 244 ff.
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6. Kap.: Fazit
Eine Regelung im allgemeinen Gesellschaftsrecht sollte daher nur für klarstellende Anpassungen in den Blick genommen werden. Hierbei ließe sich etwa der missverständliche Wortlaut des § 738 Abs. 1 S. 2 BGB dahingehend korrigieren, dass die Bemessung des Abfindungsanspruchs anhand der Fortführungswerte zu erfolgen hat.29 Zu begrüßen ist daher die Neufassung des § 738 Abs.1 S. 2 BGB als § 728 Abs. 1 S. 1 BGB-E im „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, der auf den wahren Anteilswert abstellt und entgegen § 738 Abs. 1 S. 2 BGB keine konkrete Bewertungsmethode vorsieht.30 Nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen bedürfen ebenfalls keiner gesetzlichen Korrektur. Mandantenschutzklauseln und Niederlassungsverbote ließen sich über § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 BRAO einer befriedigenden Lösung zuführen.31 Gleichwohl wäre ein normatives Bekenntnis zur Unwirksamkeit solcher Klauseln wünschenswert. Gewinnabführungsklauseln hingegen sind bei Beachtung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht und ihrer Ausnahmen32 unproblematisch und bedürfen daher nicht zwingend einer normativen Grundlage. Bei diesen sind die denkbaren Variablen hinsichtlich Höhe, Dauer, Beginn und Struktur auch zu vielfältig, um durch eine gesetzliche Regelung einen Erkenntnisgewinn zu erzielen. Anders ist die rechtlich unsichere Position der Neusozien ohne Kapitalanteil zu bewerten.33 Hier sollte der Gesetzgeber die Rechtsfigur des „Arbeitsgesellschafters“ aus dem österreichischen ABGB übernehmen und diese im Zuge der Reform des Personengesellschaftsrechts in das BGB integrieren.34 Dies würde für Rechtsklarheit sorgen und sowohl Alt- als auch Neusozien feste, gesetzliche Rahmenbedingungen an die Hand geben, in denen diese sich bei der Aushandlung der gesellschaftsvertraglichen Details bewegen können.35 Als Grundgerüst einer solchen Normierung des Arbeitsgesellschafters soll hier § 709 Abs. 1 bis 3 BGB-E des „Mauracher Entwurfs für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“ dienen, der die bisherigen §§ 706, 722 BGB ersetzen könnte.36 Dieser § 709 Abs. 1 bis 3 BGB-E der Expertenkommission 29
Ebenso Hamburger Kreis Recht der Familienunternehmen, NZG 2020, 104 f. Abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Ent wurf_Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534932DB.1_cid297?__blob= publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020). 31 S. 297 ff. 32 Im Einzelnen S. 336 ff. 33 Hierzu S. 256 ff. 34 Näheres zur Rechtsfigur des „Arbeitsgesellschafters“ österreichischen Rechts, S. 260 ff. 35 Zur Übertragbarkeit dieser Rechtsfigur auf Neusozien ohne Kapitalanteil und die Implementierung in deutsches Recht auf S. 263 ff. 36 „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, § 709 Abs. 1 – 3 BGB-E, S. 6 f., samt Begründung auf S. 82 ff., abrufbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid= 641CDEEDF408389A63B7E14E534932DB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020). 30
A. Erkenntnisse der vorherigen Kapitel und Regelungsentwürfe
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zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts soll auf der Basis der hiesigen Vorschläge um einen Absatz 4 ergänzt werden, der in Satz 1 zunächst den Arbeitsgesellschafter mit Kapitalanteil, dann in Satz 2 denjenigen ohne Kapitalanteil und schließlich in Satz 3 die zwingende Natur des Satzes 2 regelt. Satz 1 wäre zwar im Hinblick auf Abs. 3 S. 1 inhaltlich überflüssig, er würde aber durch die Systematik das bezüglich Satz 2 intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis verdeutlichen. Dieser § 709 BGB-E könnte schließlich wie folgt lauten: § 709 Beiträge; Stimmkraft; Anteil am Gewinn und Verlust37 (1) Der Beitrag eines Gesellschafters kann in jeder Förderung des gemeinsamen Zwecks, auch in der Leistung von Diensten, bestehen. (2) Im Zweifel sind die Gesellschafter zu gleichen Beiträgen verpflichtet. (3) 1Die Stimmkraft und der Anteil am Gewinn und Verlust entsprechen mangels Vereinbarung eines anderen Beteiligungsverhältnisses dem Verhältnis der vereinbarte Werte der Beiträge. 2Sind solche nicht vereinbart, hat jeder Gesellschafter ohne Rücksicht auf den Wert seines Beitrags die gleiche Stimmkraft und einen gleichen Anteil am Gewinn und Verlust. (4) 1Beschränkt sich der Beitrag eines Gesellschafters auf die Leistung von Diensten (Arbeitsgesellschafter) und wird diesem Gesellschafter im Zuge der Vereinbarung von Beteiligungsverhältnissen nach Absatz 3 eine Beteiligung eingeräumt, so bestimmen sich sein Stimmrecht und sein Anteil am Gewinn und Verlust nach diesem Beteiligungsverhältnis. 2 Wird mit dem Gesellschafter keine Beteiligung vereinbart, so hat jeder Gesellschafter die gleiche Stimmkraft und den gleichen Anteil am Gewinn. 3Satz 2 gilt ungeachtet einer anderweitigen Vereinbarung der übrigen Gesellschafter.
7. Miscellanea Ebenfalls keiner Regelung bedürfen die Fragen der Bewertung der Freiberuflersozietät, des Telefonanschlusses in der Auseinandersetzung, der Räumlichkeiten der Sozietät und deren Bezeichnung. Alle diese Komplexe können der privatautonomen, gesellschaftsvertraglichen Regelung durch die Gesellschafter überlassen werden, da hierdurch eine interessengerechte Lösung am effizientesten erreicht werden kann. In einigen Rechtsbereichen benötigt daher auch das Recht der Auflösung anwaltlicher Berufsausübungsgesellschaften eine Überarbeitung. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem ohnehin bestehenden Reformbedarf des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, der vielfach angemahnt wird. Nicht zuletzt die neueren Entscheidungen des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit verschiedener Vorschriften des 37 Die Nummerierung, die Überschrift und die folgenden Absätze 1 bis 3 sind zwecks Verdeutlichung des Kontextes des Absatzes 4 dem „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, § 709 Abs. 1 – 3 BGB-E, S. 6 f. entnommen, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_ Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534932DB.1_cid297?__blob=publica tionFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020).
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6. Kap.: Fazit
anwaltlichen Gesellschaftsrechts haben den Reformdruck auf den Gesetzgeber immens erhöht.38
B. Das anwaltliche Gesellschaftsrecht de lege ferenda I. Die Perspektive von Literatur, BRAK und DAV An diese Erkenntnis anknüpfend ist die Literatur zwischenzeitlich dazu übergegangen, Reformvorschläge für das anwaltliche Gesellschaftsrecht zu unterbreiten.39 Als Interessenvertretungen der Rechtsanwaltschaft haben sowohl die BRAK als auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) diese Reformvorschläge aufgegriffen und eigene Lösungsmodelle unterbreitet. Die BRAK strebt dabei eine kleine, partielle Lösung einiger ungeklärter Rechtsfragen an, wie die Öffnung der GmbH & Co. KG für Rechtsanwälte.40 Im Gegensatz dazu hat der DAV beschlossen, den Diskussionsvorschlag Hensslers weitestgehend zu übernehmen und eine umfassende Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts vorzuschlagen, die ein rechtsformneutrales Recht der Berufsausübungsgesellschaften in die BRAO einfügen würde.41 So sollen unter anderem die Errichtung eines elektronischen Registers für Berufsausübungsgesellschaften eingeführt, das gesamte Gesellschaftsrecht für Rechtsanwälte geöffnet, die interprofessionelle Zusammenarbeit erleichtert und die Zulässigkeit der mehrstöckigen Anwaltsgesellschaft geklärt werden.42 Der Vorschlag des DAV begegnet damit vielen praxisrelevanten Fragen des anwaltlichen Gesellschaftsrechts und leitet eine lang überfällige Modernisierung der BRAO ein. Eine solch große Reform ist uneingeschränkt begrüßenswert, um der BRAO eine kohärente Regelungssystematik zu verleihen, die ihr aktuell fehlt, und
38 BVerfG, Beschl. v. 14. 01. 2014 – 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12, NJW 2014, 613 Rn. 49 ff. = NZG 2014, 258; Beschl. v. 12. 01. 2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 Rn. 39 ff. = NJW 2016, 700. 39 Henssler, AnwBl 2017, 378 ff.; Kilian, Die Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, Bonn 2018; Trottmann, Sozietätsspezifisches Berufsrecht, Hamburg 2018. 40 BRAK-Stellungnahme 15/2018, 8 ff., abrufbar unter https://www.brak.de/zur-rechtspoli tik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2018/mai/stellungnahme-der-brak-2018-1 5.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 41 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 570 ff.; offiziell übernommen in DAV, Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl Online 2019, 257 ff.; für rechtsformneutrale Regelungen auch schon Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 124 ff.; Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 147 f.; Henssler, AnwBl 2014, 762, 764 f. 42 §§ 31 Abs. 4 (i.V.m. § 59a Abs. 3); 59a Abs. 1; 59b Abs. 1; 59b Abs. 3 des Reformvorschlags von Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 570 ff.; überwiegend zustimmend der DAVLandesverband Niedersachsen, AnwBl Online 2019, 16 ff.; ebenfalls weitestgehend zustimmend der DAV, Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl Online 2019, 257 ff.
B. Das anwaltliche Gesellschaftsrecht de lege ferenda
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um gleichzeitig die drängendsten Probleme des anwaltlichen Gesellschaftsrechts zu beseitigen.43 Der Reformvorschlag der BRAK, welcher auf punktuelle Nachbesserungen setzt, verbessert die Lage zwar kurzfristig, erscheint auf lange Sicht jedoch kontraproduktiv, da die BRAO weiter an Systematik und Kontur verlieren wird. Zudem sträubt sich die BRAK davor, interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaften weitgehend zuzulassen und dem Trend der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu folgen. Denn § 59e Abs. 1 S. 1 BRAO-E der BRAK sieht als zulässige Gesellschafter nur Rechtsanwälte, Rechtsanwaltsgesellschaften und Angehörige sozietätsfähiger Berufe vor.44 Die Frage, was sozietätsfähige Berufe sind, bleibt aber ungeklärt. Die BRAK weist lediglich darauf hin, dass die Aufzählung des § 59a Abs. 1 BRAO nicht mehr enumerativ sei.45 Der neue § 59b Abs. 1 BRAO-E des DAV löst diese Problematik durch eine detaillierte Regelung der sozietätsfähigen Berufe und eine weitgehende Öffnung der Berufsausübungsgesellschaften für Nichtjuristen.46 In Anbetracht der Tatsache, dass die Ermöglichung interprofessioneller Berufsausübungsgesellschaften sowohl vom BVerfG47 als auch von der EU-Kommission48 angemahnt wird, kann man mit der kurzfristigen Lösung der BRAK kaum zufrieden sein.49 43 Ebenso Lührig, AnwBl 2019, 306; Allerdings ist auch der Reformvorschlag des DAV nicht völlig frei von Inkonsequenzen, hierzu detailliert Römermann, NZG 2018, 1041, 1045 ff. 44 BRAK-Stellungnahme 15/2018, 12 f., abrufbar unter: https://www.brak.de/zur-rechtspoli tik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2018/mai/stellungnahme-der-brak-2018-1 5.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); zust. Stürner, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 273, 335. 45 BRAK-Stellungnahme 15/2018, 12 f., abrufbar unter: https://www.brak.de/zur-rechtspoli tik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2018/mai/stellungnahme-der-brak-2018-1 5.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 46 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 571; ähnlich Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 258 ff. 47 BVerfG, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 Rn. 39 ff. = NJW 2016, 700. 48 Die Einschränkung interprofessioneller Gesellschaften stößt bei der EU-Kommission auf besondere Ablehnung, sodass sogar ein Legislativvorschlag erwogen wird, s. Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, COM (2015) 550 final, 10, abrufbar unter https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2015/DE/1-2015-550-DE-F1-1.PDF (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); nochmals angemahnt im Länderbericht Deutschland 2017 vom 22. 02. 2017, SWD (2017) 71 final, S. 53, abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/ files/2017-european-semester-country-report-germany-de_1.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); ebenso im Länderbericht Deutschland 2018 vom 07. 03. 2018, SWD (2018) 204 final, S. 64, abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/2018-european-semester-countryreport-germany-de.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); dazu auch Michel, AnwBl 2017, 128, 131 ff.; insgesamt zu den europäischen Bestrebungen der Deregelurierung des anwaltlichen Berufsrechts Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 218 ff., 225 f.; vgl. auch Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 452. 49 Ähnl. Römermann, NZG 2018, 1041, 1044 f.; a.A. Stürner, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 273, 336, der Vorschlag der BRAK habe „eindeutige[n] inhaltliche[n] Vorzüge“ gegenüber dem Entwurf des DAV, der allerdings systematisch stringenter wirke.
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6. Kap.: Fazit
II. Ein Ausblick auf die deutsche Legislative 1. Die Reformvorhaben des BMJV Die Appelle der Literatur, der BRAK und des DAV zur Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts bleiben auch von den Gesetzgebungsorganen nicht unbemerkt. So hat am 12. 06. 2018 ein Konglomerat verschiedener Abgeordneter des Bundestages gemeinsam mit der FDP-Fraktion in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung die Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts angemahnt.50 Die Bundesregierung blieb in der Antwort größtenteils vage, teilt aber zumindest die Einschätzung, dass im anwaltlichen Gesellschaftsrecht Reformbedarf besteht.51 Dies wird gestützt durch die Tatsache, dass bei der Präsentation des DAV-Reformvorschlags einige Monate später auch Vertreter des BMJV samt der Abteilungsleiterin für Berufsrecht anwesend waren.52 Die Hoffnung auf eine Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts wuchs jedenfalls durch die Entwicklungen des Jahres 2018. Ein weiterer Meilenstein war die Veröffentlichung der vom BMJV definierten Eckpunkte der Reform zum anwaltlichen Gesellschaftsrecht am 27. 08. 2019.53 In diese haben große Teile der Reformüberlegungen von DAV und BRAK Einzug gehalten. Uneingeschränkt begrüßenswert ist die angestrebte Abschaffung der konfusen und punktuellen Regelungen der einzelnen Gesellschaftsformen in der BRAO54 gepaart mit der Einführung eines rechtsformneutralen Regelungskonzepts für Berufsausübungsgesellschaften.55 Denn die selbständige Koexistenz von Gesellschafts- und Berufsrecht war stets eines der großen Hindernisse in der Rechtsanwendung.56 Auch die Bestrebung, den Berufsausübungsgesellschaften im Hinblick auf die Berufspflichten selbst Subjektqualität zu verleihen, ist zu unterstützen, erleichtert sie doch viele Rechtsfragen – wie die Zuordnung der Handakten – ganz 50 Kleine Anfrage zur Modernisierung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, BTDrucks. 19/2638, S. 1 f. 51 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur Modernisierung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 19/3014, S. 2.; ebenso Deckenbrock, DB 2020, 321, 327. 52 „Ärzte in der RAK?“ von Hasso Suliak, in Legal Tribune Online vom 21. 09. 2018, abrufbar unter https://www.lto.de/recht/juristen/b/reform-anwaltliches-gesellschaftsrecht-inter professionelle-sozietaet-entwurf-dav/ (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 53 Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzge bungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3%BCbungsgesellschaften. pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 54 Hierzu schon S. 54 ff. 55 Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, S. 1 Nr. 1, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3%BCbungsgesell schaften.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); hierfür schon früher Henssler, AnwBl 2014, 762, 764 f. 56 Siehe schon S. 34 f.
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erheblich.57 Bedauerlich erscheint hingegen, dass der Vorschlag eines kanzleiinternen „Compliance Officer“ für die Einhaltung des Berufsrechts verworfen wurde.58 Immerhin hätte diese Position maßgeblich dazu beitragen können, das Bewusstsein der Anwaltschaft für ihr eigenes Berufsrecht zu stärken59 und Konflikte in der Trennungsphase nach den Vorgaben des Sozietätsvertrages und des § 32 BORA beizulegen. Hier sei deshalb nur kurz auf die vorherigen Ausführungen verwiesen, dass Rechtsanwälte im Prozess der Auflösung oder des Ausscheidens dazu neigen, die Regeln des Berufsrechts zu überdehnen oder gar zu brechen.60 Ob hierbei die Aufsicht über das anwaltliche Berufsrecht allein durch ehrenamtlich tätige Mitglieder der regionalen Rechtsanwaltskammern noch zweckmäßig ist, mag angesichts der Größe einiger Sozietäten und internationalen law firms durchaus bezweifelt werden.61 2. Fremdbeteiligung, Legal Tech und die anwaltliche Unabhängigkeit Hart umkämpft bleibt weiterhin die Frage der Öffnung des bisherigen Risikokapital- bzw. Fremdbeteiligungsverbotes62. Während Henssler in seinem Entwurf 57
Ebenso Brügmann, ZRP 2019, 242; hierzu schon S. 190 ff. Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, S. 3 Nr. 13, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3%BCbungsgesell schaften.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); hierfür aber schon früher Henssler, AnwBl 2014, 762, 765; zust. Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 140; krit. Wolf, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 63, 174. 59 Insbesondere die Verschwiegenheitspflicht wird praktisch recht häufig nonchalant verletzt, Streck, NJW 2001, 3605 f.; Henssler, AnwBl 2019, 216, 218. 60 Vgl. zur Mandatsmitnahme Kleine-Cosack, BRAO, § 32 BORA Rn. 1; BeckOK BORA/ Römermann, § 32 Rn. 9; sowie zur „Entführung“ von Handakten Römermann, NJW 2007, 2209, 2212; beispielhaft EGH-RRAK, Urt. v. 29. 11. 1937 – 3. Senat G 84/37, EGH 31, 164 ff. 61 Wolf, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 63, 173 f. 62 Im Kern geht es um das bisher aus § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO, § 59e Abs. 1 S. 2 BRAO, § 1 Abs. 1 S. 1 PartGG und § 27 BORA abgeleitete Verbot für Berufsausübungsgesellschaften berufsfremde Gesellschafter zur Kapitalakkumulation aufzunehmen. Die ebenfalls gelegentlich anzutreffende Bezeichnung des „Fremdkapitals“ bzw. des „Fremdkapitalverbots“ ist in diesem Zusammenhang freilich dogmatisch unzutreffend, vgl. aber Kilian, NJW 2011, 3413, 3414; Römermann, NZG 2018, 1041, 1046 f.; Wolf, BRAK-Mitt. 2018, 162, 163 f.; Gesellschafts- und bilanzrechtlich handelt es sich bei den gewährten Einlagen um Eigenkapital der Gesellschaft, sodass „Risikokapitalverbot“ oder „Fremdbeteiligungsverbot“ die treffenderen Begriffe sind; darauf hinweisend auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 51 dort in Fn. 112; näher zum berufsrechtlichen Verbot Risikokapital aufzunehmen Gaier/Wolf/Göcken/ Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59e BRAO Rn. 13; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 50 f.; Henssler, BRAK-Mitt. 2007, 186, 187 ff.; Islam, Das Kapitalbeteiligungsverbot an Anwaltsgesellschaften, S. 95 ff.; Islam, AnwBl Online 2020, 202 f.; Kilian, AnwBl 2014, 111 ff.; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1063; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 290 f.; Prütting, in: Liber Amicorum Oppenhoff, S. 259, 264 f.; Römermann, AnwBl 2009, 681, 684 ff.; Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 239; deutliche (und berechtigte) Kritik am Fremdbeteiligungsverbot übt Römermann, NZG 2018, 1041, 1046 f.; Römermann, BB 2019, 58
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6. Kap.: Fazit
eines Reformvorschlags reine Kapitalbeteiligungen bis zu einer Grenze von einem Viertel der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte noch befürwortete,63 lehnt das BMJV reine Kapitalbeteiligungen unglücklicherweise grundsätzlich ab.64 Es behält sich indes vor, derlei Kapitalbeteiligungen in Ausnahmefällen zuzulassen, etwa wenn ein Berufsträger die aktive Mitarbeit aufgibt oder wenn neue Rechtsdienstleistungsangebote wie Legal Tech hohe Anfangsinvestitionen erfordern.65 Auch einer solch vorsichtigen Öffnung verschließen sich BRAK und DAV bisher,66 obwohl sich de lege lata ohnehin nicht zuverlässig kontrollieren lässt, ob Gesellschafter in der Sozietät aktiv mitarbeiten67 und Inkassounternehmen bisher mit Legal Tech basierten Angeboten äußerst erfolgreich Bürgern einen Zugang zum Recht eröffnen, den Rechtsanwälte aufgrund des geringen Streitwerts der Einzelfälle nicht kostende-
899, 902 f.; die Verfassungswidrigkeit des Fremdbeteiligungsverbotes bejahend Islam, AnwBl Online 2020, 202, 204; für einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot H.J. Hellwig, AnwBl Online 2020, 260, 262 f.; insgesamt skeptisch auch Glindemann, AnwBl 2016, 797, 799; ähnlich Plog, AnwBl Online 2020, 146; für die Beibehaltung des Verbots offenbar Dahns, NJW-Spezial 2019, 638; Deckenbrock, DB 2020, 321, 327; Ewer, AnwBl Online 2019, 434, 435; Offermann-Burckart, ZRP 2018, 158, 159; Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 248 f.; vermittelnd und „regulatory sandboxes“ als Ansatz vorschlagend Brügmann, ZRP 2019, 242, 243; für die Zulassung der KG als Finanzierungsvehikel Hufeld/ Bürkle/Ebert/Petrat/Kalb/Becker/Wainryb, AnwBl Online 2020, 28, 30. 63 § 59b Abs. 2 des DAV-Reformvorschlags, Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 571; zuvor schon Henssler, AnwBl 2014, 762, 767; ebenso für die Zulassung der KG als Finanzierungsvehikel Hufeld/Bürkle/Ebert/Petrat/Kalb/Becker/Wainryb, AnwBl Online 2020, 28, 30; allerdings offiziell verworfen durch den DAV, Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl Online 2019, 257, 272; Lührig, AnwBl 2019, 306; krit. auch Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 248 f. 64 Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, S. 2 Nr. 6, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3%BCbungsgesell schaften.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020). 65 Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, S. 2 Nr. 6 f., abrufbar unter https://www.bmjv.de/Shared Docs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3%BCbungs gesellschaften.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); unbedenklich sind darüberhinaus auch Beteiligungen ehemaliger Gesellschafter, nichtjuristischer Mitarbeiter und der Erben eines Gesellschafters, zutr. Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 247 f.; zu den hohen Anfangsinvestitionen von Legal Tech basierten Angeboten auch Hufeld/ Bürkle/Ebert/Petrat/Kalb/Becker/Wainryb, AnwBl Online 2020, 28; Islam, AnwBl Online 2020, 202. 66 BRAK, Stellungnahme Nr. 25/2019, 7 f., abrufbar unter https://content1.brak.de/zurrechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2019/oktober/stellungnahmeder-brak-2019-25.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); DAV, Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl Online 2019, 257, 272; DAV, Stellungnahme Nr. 37/2019, 7, abrufbar unter https://an waltverein.de/de/newsroom/sn-37-19-eckpunkte-des-bmjv-zur-grossen-brao-reform (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); zust. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59e BRAO Rn. 17a; krit. hingegen Römermann, BB 2019, 899, 903; vgl. zuvor bereits Römermann, NZG 2018, 1041, 1046 f. 67 Hierzu S. 101 ff.
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ckend anbieten können68. Paradox hierbei ist, dass Teile der Anwaltschaft und der Rechtswissenschaft diese Legal Tech-Angebote kritisieren und die Entstehung eines Rechtsdienstleistungsberufs „unterhalb der Anwaltschaft“ befürchten69 – zuvor die niedrigschwelligen Bereiche wie etwa Fluggastrechte von der Anwaltschaft aber nicht bearbeitet wurden und auch jetzt kaum Legal Tech unterstützte Beratung in diesem Bereich anbieten.70 Eine progressivere Denkweise stünde den Dachverbänden der Anwaltschaft (und teilweise auch dem BMJV) daher gut zu Gesicht, zumal fraglich ist, ob die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts durch Fremdkapital wirklich weniger bedeutend gefährdet wird als durch Eigenkapital berufsfremder Gesellschafter.71 Außerdem erschwert die geltende Rechtslage auch den Aufbau neuer Geschäftsmodelle wie Legal Tech über alternative Finanzierungsmethoden zwischen Fremd- und Eigenkapital (sog. Mezzanine-Kapital)72 wie Crowdfunding73, obwohl sich diese Finanzierungsformen durchaus so gestalten lassen, dass sie die anwaltliche Unabhängigkeit und die anwaltliche Verschwiegenheit zumindest in gleicher Weise oder sogar weniger schwerwiegend tangieren als „klassisches“ Fremdkapital in der Form eines Bankdarlehens.74Auch der rechtsvergleichende Blick in andere Juris68 Die grundsätzliche rechtliche Zulässigkeit dieser Angebote im Hinblick auf den Umfang der Inkassoerlaubnis aus §§ 3 i.V.m. 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG ist mittlerweile höchstrichterlich geklärt, BGH, Urt. v. 27. 11. 2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208 Rn. 19 ff. = BeckRS 2019, 30591; hierzu Deckenbrock, DB 2020, 321 ff.; Kleine-Cosack, AnwBl 2020, 88 ff.; Prütting, ZIP 2020, 49, 50 ff.; Stadler, JZ 2020, 321 ff.; gegen die Zulässigkeit zuvor Henssler, NJW 2019, 545 ff.; Valdini, BB 2017, 1609, 1610 ff.; ebenso weiterhin Henssler, AnwBl Online 2020, 168 ff.; Prütting, ZIP 2020, 49, 51 f.; für die Zulässigkeit Hartung, BB 2017, 2825, 2827 ff.; Römermann/Günther, NJW 2019, 551, 552 ff.; diff. Singer, BRAK-Mitt. 2019, 211, 213 ff.; zu den Folgen des Urteils Fries, NJW 2020, 193, 194 f.; Kerstges, AnwBl Online 2020, 24 ff.; Kleine-Cosack, AnwBl 2020, 88, 93 ff.; Remmertz, AnwBl Online 2020, 186 ff.; Widder, AnwBl Online 2020, 269 ff. Zum „LKW-Kartell“, allerdings im Ergebnis anders nun LG München I, Urt. v. 07. 02. 2020 – 37 O 18934/17, NZKart, 2020, 145, 146 ff. = BeckRS 2020, 841; zurecht krit. gegenüber der Begründung des LG München I Römermann, AnwBl Online 2020, 273 ff. 69 So etwa Ewer, AnwBl Online 2019, 434, 435; Kilian, NJW 2019, 1401, 1405. 70 Darauf hinweisend auch Hufeld/Bürkle/Ebert/Petrat/Kalb/Becker/Wainryb, AnwBl Online 2020, 28. 71 Hierzu Hartung/Löwe, BRAK-Mitt. 2017, 107, 108 ff.; H.-J. Hellwig, AnwBl 2012, 876, 878; Römermann, BB 2019, 899, 903; zweifelnd auch Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1063. 72 Näher zum Begriff Oetker/Wedemann, HGB, § 230 Rn. 11; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital-Hdb, Teil F Rn. 279 ff. 73 Zum Crowdfunding oder auch Crowdinvesting Herr/Bantleon, DStR 2015, 532 ff.; Keul, in: MünchHdb-GesR II, § 72 Rn. 26; Oetker/Wedemann, HGB, § 230 Rn. 12; regelmäßig handelt es sich hierbei um partiarische Nachrangdarlehen Hartung/Löwe, BRAK-Mitt. 2017, 107, 110; Herr/Bantleon, DStR 2015, 532, 533; Keul, in: MünchHdb-GesR II, § 72 Rn. 26. 74 Hartung/Löwe, BRAK-Mitt. 2017, 107, 108 ff.; Hufeld/Bürkle/Ebert/Petrat/Kalb/Becker/Wainryb, AnwBl Online 2020, 28, 31; vgl. auch Islam, AnwBl Online 2020, 202, 203 f.; so ist bspw. eine typisch stille Beteiligung an anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften in Analogie zu den §§ 230 ff. HGB bei entsprechender Vertragsgestaltung durchaus denkbar, Blaurock, in: Blaurock, Hdb Stille Gesellschaft, Rn. 5.3; EBJS/Gehrlein, HGB, § 230 Rn. 75;
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diktionen wie Australien, England, Italien, Dänemark, Österreich, Schottland, Frankreich, Spanien oder die Schweiz offenbart, dass die Lockerung des Fremdbeteiligungsverbotes keinesfalls gleichbedeutend mit dem Untergang der anwaltlichen Unabhängigkeit ist.75 Im Gegenteil ist die Kohärenz der nationalen Regelungen des anwaltlichen Berufsrechts zur Wahrung der anwaltlichen Unabhängigkeit und damit die Konformität des Frembesitzverbots mit dem Europarecht de lege lata höchst fraglich.76 Auf dem Symposium des Kölner Instituts für Anwaltsrecht am 22. 11. 2019 wurde zudem deutlich, dass einige regionale Anwaltskammern den Bedarf für Eigenkapital berufsfremder Gesellschafter – auch, aber nicht nur im Bereich Legal Tech – durchaus anders beurteilen als die BRAK und der DAV. Die Vermutung liegt daher nahe, dass die Öffnung des bisherigen Fremdbeteiligungsverbotes durch den Gesetzgeber und der diesbezügliche Vorstoß des BMJV allem Anschein nach mehr Zuspruch in der Rechtsanwaltschaft finden, als die Stellungnahmen der großen Interessenvertretungen vermuten lassen würden.77 Insgesamt wird die anwaltliche Unabhängigkeit in der rechts- und berufspolitischen Diskussion noch zu häufig als unumstößliches, geradezu geheiligtes Dogma verstanden. Anwaltliche Unabhängigkeit ist fundamental, aber eben kein SelbstH.-J. Hellwig, AnwBl 2012, 876, 878 f.; Islam, AnwBl Online 2020, 202, 204; MüKoHGB/K. Schmidt, § 230 Rn. 121; ausführlich mit Gestaltungsbeispielen Islam, Das Kapitalbeteiligungsverbot an Anwaltsgesellschaften, S. 196 ff., 312 f.; rechtspolitisch auch Hufeld/Bürkle/ Ebert/Petrat/Kalb/Becker/Wainryb, AnwBl Online 2020, 28, 31; a.A. Henssler/Strohn/Servatius, GesR, § 230 HGB Rn. 3, aber Möglichkeit vergleichbares Innenrechtsverhältnis über §§ 705 ff. BGB zu kreieren; diff. und die Möglichkeit einer stillen Beteiligung nur für im Unternehmen beschäftigte Rechtsanwälte einer Rechtsanwaltsgesellschaft bejahend, Jung, in: Blaurock, Hdb Stille Gesellschaft, Rn. 9.78; insgesamt stille Beteiligungen an Rechtsanwaltsgesellschaften ablehnend Keul, in: MünchHdb-GesR II, § 77 Rn. 10; Oetker/Wedemann, HGB, § 230 Rn. 21; zur flexiblen Ausgestaltung mezzaniner Finanzierungsinstrumente Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital-Hdb, Teil F Rn. 280 ff. 75 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 70; Kilian, AnwBl 2014, 111; Römermann, NZG 2018, 1041, 1046 f.; Römermann, BB 2019, 899, 903; sehr krit. aber Offermann-Burckart, ZRP 2018, 158, 159; rechtsvergleichend zum US-amerikanischen Recht Stürner, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 273, 330 ff. 76 Zutr. Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 70; Kilian, AnwBl 2014, 111, 115 ff.; Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 1063; insgesamt zum Rechtsberatungsmarkt Kilian, AnwBl Online 2020, 157, 159; noch weitergehend und einen Verstoß bejahend H.J. Hellwig, AnwBl Online 2020, 260, 262 f.; a.A. wohl Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59e BRAO Rn. 16 f.; Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 244, 271 f. 77 Anders Kilian, ZRP 2019, 213, 215: Nur ein Viertel der Rechtsanwälte spreche sich im selben Maße wie der Gesetzgeber für eine Liberalisierung aus. Zu den Stellungnahmen von BRAK und DAV, BRAK, Stellungnahme Nr. 25/2019, 7 f., abrufbar unter https://content1.brak. de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2019/oktober/stellungnah me-der-brak-2019-25.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); DAV, Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl Online 2019, 257, 272; DAV, Stellungnahme Nr. 37/2019, 7, abrufbar unter https://an waltverein.de/de/newsroom/sn-37-19-eckpunkte-des-bmjv-zur-grossen-brao-reform (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); BRAK und DAV zust. Gaier/Wolf/Göcken/Bormann/Strauß, Anwaltl BerufsR, § 59e BRAO Rn. 17a; krit. hingegen Römermann, BB 2019, 899, 903; zuvor bereits für die Öffnung Römermann, NZG 2018, 1041, 1046 f.
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zweck, sondern dient ihrerseits verschiedenen Aspekten des Rechtsstaates und Bedürfnissen des rechtssuchenden Publikums.78 Der Schutz anwaltlicher Unabhängigkeit kann daher nur so weit reichen, wie diese Aspekte und Bedürfnisse – wie der streitwertunabhängigen Gewährung eines unvoreingenommenen Zugangs zum Recht – es erfordern.79 Ein solcher Zugang zum Recht für das rechtssuchende Publikum kann durch Risikokapital, etwa zur Schaffung von Legal Tech Angeboten, eher gefördert anstatt bedroht werden, weil auch Anwälte damit wirtschaftlich in die Lage versetzt würden Mandate im niedrigschwelligen Bereich anzunehmen. Die von Teilen der Anwaltschaft häufig kritisierten Legal Tech Anbieter bedienen hier aktuell ein Marktsegment, dass Anwälte aufgrund des rationalen Desinteresses der Verbraucher nicht bearbeiten können.80 Mit der richtigen Ausgestaltung ergänzen sich anwaltliche Unabhängigkeit und Fremdbeteiligung somit zugunsten der Anwaltschaft und der Mandanten. Die Lockerung des Fremdbeteiligungsverbots wäre daher überhaupt nicht die Überschreitung des Rubikon, zu der BRAK, DAV und Teile des Schrifttums sie stilisieren. 3. Die Neukonzeption des Personengesellschaftsrechts Spannend bleibt, ob und wie diese Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts mit der Reform des gesamten Personengesellschaftsrechts harmonieren wird. Letztere ist Teil des Koalitionsvertrags der Großen Koalition, welcher am 07. 02. 2018 vorgestellt wurde.81 Erste Reformvorschläge werden durch eine Expertenkommission unter Schirmherrschaft des BMJV erarbeitet, die ihre Ergebnisse zum 78 Überzeugend Uwer, AnwBl Online 2019, 20, 21; zu den verschiedenen Zwecken anwaltlicher Unabhängigkeit Schiller, in: FS Streck, S. 797, 799 ff.; vgl. etwa zur Prozessfinanzierung A.-K. Pieronczyk, AnwBl Online 2020, 193, 198 f. 79 A.-K. Pieronczyk, AnwBl Online 2020, 193, 198 f.; Schiller, in: FS Streck, S. 797, 802; Uwer, AnwBl Online 2019, 20, 21. 80 A.A. Ewer, AnwBl Online 2019, 434, 435. Der Begriff des rationalen Desinteresses bezeichnet die Tatsache, dass Verbraucher geringe Schäden nicht liquidieren, wenn der erforderliche materielle und immaterielle Aufwand unverhältnismäßig hoch erscheint, BTDrucks. 19/2507, S. 13; Hartung, AnwBl Online 2020, 8; die Grenze hierfür liegt bei etwa 2000 EUR, näher Singer, BRAK-Mitt. 2019, 211. 81 S. 131, abrufbar unter https://www.bundesanzeiger-verlag.de/fileadmin/Betrifft-Recht/Do kumente/externe%20dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); ausführlich zuvor zum Reformbedarf Schäfer, in: Gutachten 71. DJT, Band I, E 1 ff.; hieran anschließend die Beschlüsse des 71. Deutschen Juristentages, Beschlüsse 71. DJT, Band II/1, O 101 ff.; ebenfalls zur Notwendigkeit einer Reform Deckenbrock, AnwBl 2014, 118, 129; Deckenbrock, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2015, S. 119, 155 f.; Fleischer/ Cools, ZGR 48 (2019), 463, 466; Henssler, NZG 2011, 1121, 1129; Henssler, AnwBl 2014, 762; Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 450 ff.; Henssler/Markworth, NZG 2015, 1, 6 f.; OtteGräbener, in: FS Seibert, S. 613, 613 f.; Roßkopf, AnwBl 2020, 19; Schäfer, in: FS Seibert, S. 723, 724; K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 421; für die GbR auch Koppensteiner, in: FS K. Schmidt, S. 701, 702; Röder, AcP 215 (2015), 450, 457 ff.; H.-P. Westermann, NZG 2017, 921, 927 ff.
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6. Kap.: Fazit
Ende der laufenden Legislaturperiode im Frühjahr des Jahres 2020 vorgestellt hat.82 Jedenfalls der Ansatz, das HGB dergestalt zu reformieren, dass der Kaufmannsbegriff durch den Unternehmerbegriff ersetzt wird, spielt in den Überlegungen der Bundesregierung allerdings keine Rolle.83 Dementsprechend sieht auch der „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“ der Expertenkommission zum MoPeG hiervon ab.84 Insbesondere für das anwaltliche Gesellschaftsrecht wäre dies eine einfache und praktikable Lösung gewesen, da der Unternehmerbegriff im Gegensatz zum Begriff des Kaufmanns durchaus offen für Freiberufler ist. Im Hinblick auf die Dringlichkeit der Reform und den Ablauf der Legislaturperiode wird man allerdings zugestehen müssen, dass die Ablösung des Kaufmanns durch den Unternehmer im HGB wohl nicht rechtzeitig zu realisieren gewesen wäre.85 Gleichwohl sollen nach dem Willen der Expertenkommission zum MoPeG die Gesellschaftsformen der oHG und der KG – und damit auch der GmbH & Co. KG – für Freiberufler geöffnet werden.86 Erforderlich wäre nach § 107 Abs. 1 HGB-E lediglich eine Regelung in der BRAO, die die Eintragung einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft in das Handelsregister legitimiert.87 Die 82
Der sog. „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“ vom 20. 04. 2020, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/ DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534 932DB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020); zuvor angekündigt durch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zum externen Sachverstand der Bundesregierung im Geschäftsbereich des BMJV, BT-Drucks. 19/7366, S. 4; sowie von Roßkopf, AnwBl 2020, 19. 83 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur Modernisierung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 19/3014, S. 3; dafür aber Henssler/Markworth, NZG 2015, 1, 6 f.; Staub/Oetker, HGB, Einl Rn. 24; K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 414; dagegen Otte-Gräbener, in: FS Seibert, S. 613, 621; Schäfer, in: Gutachten 71. DJT, Band I, E 37; Schäfer, in: FS Seibert, S. 723, 725 f. 84 Vgl. etwa „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, S. 76, 165 ff., abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/ News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534932 DB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020); Bergmann, DB 2020, 994, 994. 85 Bergmann, DB 2020, 994, 994; M. Noack, NZG 2020, 581, 581. 86 „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, §§ 107 Abs. 1 S. 2 HGB-E, S. 37 sowie die Begründung hierzu auf S. 165 ff., abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg. pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534932DB.1_cid297?__blob=publicationFi le&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020); Bergmann, DB 2020, 994, 998; auf eine solche Änderungskompetenz der Expertenkommission verweisend, Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Stand 27. 08. 2019, S. 1 Nr. 1, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/ Eckpunkte_Berufsrecht_Berufsaus%C3%BCbungsgesellschaften.pdf?__blob=publicationFi le&v=1 (zuletzt abgerufen am 21. 04. 2020); vgl. auch Roßkopf, AnwBl 2020, 19. 87 „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, § 107 Abs. 1 S. 2 HGB-E, S. 37 sowie die Begründung hierzu auf S. 165 f., abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.
B. Das anwaltliche Gesellschaftsrecht de lege ferenda
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Chance für die von DAV und BRAK ersehnte Anwalts-GmbH & Co. KG, ist daher aktuell größer denn je.88 4. Resümee Das anwaltliche Gesellschaftsrecht steht damit letztlich vor zwei wesentlichen Herausforderungen. Zum einen muss sich über die Details der kommenden Reform geeinigt werden. Zum anderen muss diese Reform mit dem übrigen Gesellschaftsrecht harmonieren. Hierfür wird es entscheidend sein, in welchem Maße sich der Gesetzgeber zu einer Reform des, für Rechtsanwälte besonders relevanten, Personengesellschaftsrechts durchringen kann. Der „Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“ ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, der bereits ungeheures Potenzial für die Weiterentwicklung des Personengesellschaftsrechts besitzt. Die kommenden Entwicklungen des Jahres 2020 werden zeigen, inwiefern der Entwurf noch verändert werden muss und ob er noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden wird.89 Sollte Letzteres nicht mehr geschehen, rückt die Reform vorläufig wieder in recht weite Ferne, da der „Mauracher Entwurf“ dann ein Opfer des Diskontinuitätsgrundsatzes gemäß § 125 S. 1 GO-BT werden wird.90 Das anwaltliche Gesellschaftsrecht als Schmelztiegel des Gesellschafts- und des anwaltlichen Berufsrechts wird damit auf absehbare Zeit ein gleichsam problematisches und höchst interessantes Rechtsgebiet sowohl für die Praxis wie auch für die Theorie bleiben.
pdf;jsessionid=641CDEEDF408389A63B7E14E534932DB.1_cid297?__blob=publicationFi le&v=3 (zuletzt abgerufen am 01. 06. 2020); Bergmann, DB 2020, 994, 998; M. Noack, NZG 2020, 581, 584. Umgekehrt erschiene es als ungerechtfertigte Ungleichbehandlung durch den Gesetzgeber, Freiberuflern den Zugang zu den Personenhandelsgesellschaften zu gewähren, gleichzeitig aber den Gewerbetreibenden nicht auch die Rechtsform der PartG (mbB) zu eröffnen, zutr. Bachmann, NZG 2020, 612, 618. 88 Für die Einführung etwa Henssler/Markworth, NZG 2015, 1, 7; Staub/Oetker, HGB, Einl Rn. 24; Römermann, NJW 2013, 2305, 2306; K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 418; Singer, in: FS 60 Jahre BRAK, S. 177, 238; Wertenbruch, NZG 2019, 1081, 1088 ff.; wohl auch Salger, in: MünchHdb-GesR I, § 45a Rn. 33; vorsichtiger H. P. Westermann, NZG 2019, 1, 8; abl. Otte-Gräbener, in: FS Seibert, S. 613, 621; Schäfer, in: FS Seibert, S. 723, 724; Zweifel am Bedarf der Anwaltschaft äußert Kilian, ZRP 2019, 213, 214: Die Zielgruppe für eine GmbH & Co. KG sei „eher klein“, mehr Zustimmung erhalte hingegen eine „PartG mbH“; für deren Einführung nach dem Vorbild der englischen LLP daher auch Otte-Gräbener, in: FS Seibert, S. 613, 624 ff.; Otte-Gräbener, BB 2020, 1295, 1298; für die Einführung einer – konzeptionell ähnlichen – „deutsche[n] LLP“ Henssler, in: FS K. Schmidt, S. 449, 453 ff. 89 Änderungsvorschläge bei Bachmann, NZG 2020, 612 ff.; Otte-Gräbener, BB 2020, 1295 ff. 90 Darauf hinweisend auch Otte-Gräbener, BB 2020, 1295, 1299.
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Stichwortverzeichnis Abfindung 213 ff. – Bemessung 216 f. – Beschränkung 218 ff., 225 ff., 227 f. – Fälligkeit 215 f. – gesetzlicher Abfindungsanspruch 213 ff. – Schuldner 214 f. – Wechselwirkung mit Mandatsmitnahme 220 ff. Abfindungsklauseln 225 ff. – Ausschluss 225 ff. – Auszahlungsvereinbarungen 228 – Beschränkung 227 f. – Schranken 229 ff. Aktiengesellschaft – als anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft 51, 62 ff., 74 f. – Squeeze-out 124, 128 f. Akzessorische Haftung – Abfindungsansprüche 214 f. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts 57 f. – Limited Liability Partnership 70 f. – Partnerschaftsgesellschaft 60 Anwaltliche Unabhängigkeit 47, 274 ff., 385 ff. Arbeitnehmer 255, 308 – Gewinnabführungsvereinbarungen 326 f. – Hinauskündigung bei Arbeitnehmer-Gesellschaftern 118 ff. Arbeitsgesellschafter 260 ff. – Implementierung 266 ff. – Mitwirkungsrechte 262 f. – Neusozius als Arbeitsgesellschafter 263 ff. – Reform 380 f. – Vermögensbeteiligung 262 Auflösung 76 ff. – Aufhebungsvertrag und -beschluss 86 ff., 88 f. – Berufsrecht 54 f. – Gerichtsbeschluss 89 f.
– – – – – – –
Gesellschafterinsolvenz 82 f. Gesellschaftsinsolvenz 82, 89 Kündigung durch Gesellschafter 77 ff. Kündigung durch Privatgläubiger 77 ff. Reformbedarf 373 Tod eines Gesellschafters 81 Vereinigung aller Gesellschaftsanteile 85 f., 90 – Zeitablauf und auflösende Bedingung 83 f., 88 – Zweckerreichung und Unmöglichkeit 80 f. Auseinandersetzung – bei Auflösung 91 f. – beim Ausscheiden einzelner Gesellschafter 136 f. Ausscheiden von Gesellschaftern 93 ff. – Altersgrenzen 95 ff. – Ausschließungskündigung 97 ff. – Tod 95 Ausschluss von Gesellschaftern 97 ff., 132 ff. – Hinauskündigung siehe dort – Krankheit 134 ff. – Verfehlung von Umsatzzielen 106 ff. – Verletzung des Gebots aktiver Mitarbeit 101 ff. – Verlust der Anwaltszulassung 105 f., 133 f. – Wichtiger Grund 98 ff. Ausübungskontrolle – von Abfindungsklauseln 229, 242 f. – von Hinauskündigungsklauseln 117, 131 f. Berufsausübungsgesellschaft, 42 ff., 45, 54 f. Berufshaftpflichtversicherung – bei der GmbH 62 – bei der Partnerschaftsgesellschaft 60 f. Berufsrecht – Brexit 70 f.
Stichwortverzeichnis – Grundlagen 54 f. – Verhältnis zum Gesellschaftsrecht Buchwert 227 f., 232 f., 237 Crowdfunding/-investing
33 ff.
387
Einkommensteuer 63 Ergänzende Vertragsauslegung – bei Abfindungsklauseln 223, 239 ff. – bei Ausschlusskündigungen 135 f. – bei nachvertraglichem Wettbewerb 221 – bei vertragswidriger Mandatsmitnahme 223 f. Freie Advokatur siehe Anwaltliche Unabhängigkeit Freie Anwaltswahl 276 ff. – Bedeutung 279 f. – verfassungsrechtliche Herleitung 276 ff. Fremdbeteiligung 385 ff. – Verbot 102, 385 Fremdkapital 387 Gebot aktiver Mitarbeit 101 ff. – Ausschluss aus wichtigem Grund 103 ff. – Austrittspflicht bei Unmöglichkeit 102 f. – Normative Grundlagen 101 f. – verfassungskonforme Auslegung 103 f. Gesamthand 312 f. – Moderne Gesamthandslehre 313 Gesellschaft bürgerlichen Rechts – Auflösung 77 ff. – Rechtsaspekte 56 ff. – Rechtstatsachen 72 Gesellschaft mit beschränkter Haftung – als anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft 50 f. – Rechtsaspekte 62 ff. – Rechtstatsachen 74 f. Gesellschafter minderen Rechts 247 ff. Gewerbesteuer 57, 59, 68 Gewinnabführungsvereinbarung 303 ff. – Abführungsdauer 307 ff. – Abführungsquote 306 f. – Motive 304 – rechtliche Grenzen 324 ff. – Varianten 304 f.
421
Handakten 181 ff. – Aufbewahrung 191 ff. – Herausgabeansprüche 183 ff. – Rechtsgrundlagen 182 f. – Vernichtung 195 f. – Verteilung 188 ff. Hinauskündigungsklauseln 108 ff. – Gesellschafter auf Probe 110 ff. – Grundlagen 108 ff. – Kleinstbeteiligungen 123 ff. – Mitarbeiterbeteiligung 117 ff. – Unentgeltlicher Anteilserwerb 130 f. Informationsrechte/-pflichten beim Ausscheiden 203 ff. – der verbleibenden Gesellschafter 204 ff. – des ausgeschiedenen Gesellschafters 203 f. – Durchsetzbarkeit 209 ff. – Zeitliche und inhaltliche Grenzen 207 ff. Insolvenz 82 f., 89, 234 f. Kernbereichslehre 87 Kohärenzgebot 102, 388 Kommanditgesellschaft 56, – auf Aktien 51 Körperschaftsteuer 63 Legal Tech 38, 222, 312, 385 ff. Limited Liability Partnership 65 ff., 74 – Besteuerung 68 – Entstehung 68 f. – Haftung 67 f. – Herkunft 67 Mandantenbefragung 148 ff. – alleinige 165 ff. – Entbehrlichkeit 167 ff. – gemeinsame 154 ff., 162 ff. Mandantenschutzklausel 151 ff. 281 ff. – beschränkte 299 f. – Grenzen 282 ff. – Handakten 190 – unbeschränkte 300 – verdeckte 324 ff. – Wirksamkeit 293 ff. Mandantenübernahmeklausel 304, 324, 326
422
Stichwortverzeichnis
Mandatsschutzklausel 281 f. Mandatsverteilung 148 ff., 377 f. Mandatsvertrag siehe Rechtsberatungsvertrag Mehrheitsklausel 86 ff. Mietvertrag 79, 201 ff. Mitarbeiterbeteiligung 117 ff. Nachschusspflicht 92, 137, 213 f., 359 Naked in, naked out 247 Niederlassungsfreiheit 65 ff. Niederlassungsverbot 154, 297 ff. Numerus clausus der Gesellschaftsformen 56 Offene Handelsgesellschaft
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Partnerschaftsgesellschaft – Rechtsaspekte 58 ff. – Rechtstatsachen 72 ff. Personengesellschaftsrecht – Reformbedarf 373 ff. – Reformvorhaben 389 ff. Rechtsberatungsvertrag 155 f. Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts 52 Rechtsformvariante 60 f., 73 Reduktion – geltungserhaltende 288 ff. – teleologische 170 ff., 295 f. Reform 384 ff. – anwaltliches Berufsrecht 384 ff. – Personengesellschaftsrecht siehe dort Reformvorschläge zum Berufs- und Personengesellschaftsrecht 376 ff. Sittenwidrigkeit – Rechtsfolgen 270 f. – von Abfindungsbeschränkungen 229 ff. – von Gewinnabführungsvereinbarungen 324 ff.
– von Hinauskündigungsklauseln 109 – von Mandantenschutzklauseln 300 – von Niederlassungsverboten 297 ff. Sozialansprüche 214 f., 359 f. Sozietät – Definition 52 f. – Geschichte 45 ff. Sozietätsbezeichnung 362 ff. – Ausnahmen von der Weiterführungsbefugnis 367 ff. – der GbR 362 f. – der PartG 362 f. – Fortführung 364 ff. Stille Gesellschaft 118, 387 f. Telefonanschluss 145 ff. Transparenzprinzip 57, 59, 68 Treuepflicht 89, 107, 147 f., 200 f., 357 ff. Umwandlung 71, 77, 169, 365 Unternehmensbewertung 138 ff. – Abfindungsansprüche 216 f. – als Rechts- oder Tatfrage 143 f. – anwaltlicher Berufsausübungsgesellschaften 138 f. – Bewertungsmethoden 140 ff. Verschwiegenheitspflicht 327 ff. – Aufhebung durch Mandanten 333 ff. – gesetzliche Ausnahmen 336 ff., 339 ff. – Grundlagen 327 ff. – Rechtsfolgen der Verletzung 329 ff. Vertragsübernahme 155 ff. – gesetzliche 156 ff. – gewillkürte 159 ff., 162, 165 ff. Wettbewerbsbeschränkung 151 ff. Wettbewerbsverbot 280 ff. – Einfluss auf Abfindungsklauseln 220 ff. – Einfluss auf die Handaktenverteilung 190 – nachvertraglich 281 ff.