211 53 21MB
German Pages 273 [275] Year 2011
Westphal / Schmidt-Voges / Baumann Venus und Vulcanus
bibliothek altes Reich
baR herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal Band 6
Oldenbourg Verlag München 2011
Siegrid Westphal, Inken Schmidt-Voges, Anette Baumann
Venus und Vulcanus Ehen und ihre Konflikte in der Frühen Neuzeit
Oldenbourg Verlag München 2011
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2011 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Tel: 089/4 50 51-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Titelbild: Francesco Rosaspina, Venus und Vulcanus, Radierung nach einem Gemälde von Parmigianino, um 1800. British Museum, London. Einbandgestaltung: Dieter Vollendorf Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Bindung: Buchbinderei Klotz, Jettingen-Scheppach Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706 ISBN 978-3-486-57912-3
Inhalt
▀Siegrid Westphal▀Venus und Vulcanus. Einleitende Über-
legungen ...................................................................................................................9
▀Anette Baumann▀Eheanbahnung und Partnerwahl .......................... 25 1.▀ Forschung .......................................................................................................... 25 1.1 Quellen ............................................................................................................... 31 2.▀ Eheanbahnung und Ehewerbung ................................................................... 32 2.1 Eheanbahnung: rechtliche Grundlagen ......................................................... 32 2.2 Eheanbahnung und Konfession ..................................................................... 34 2.3 Form und Konvention beim Adel: Familienstrategien und ........................... Verhandlungspolitik ........................................................................................ 35 2.4 Partnerwahl in Städten: Handwerker und Patriziat .................................... 40 2.5 Eheanbahnung der Untertanen: Soldaten und Bauern ............................... 42 2.6 Eheanbahnung bei Juden ................................................................................ 47 2.7 Beziehungsanbahnungen außerhalb der Familie ......................................... 47 2.8 Kommunikationsmedien bei der Eheanbahnung ........................................ 48 3.▀ Eheverträge ....................................................................................................... 50 3.1 Eheverträge und Verlöbnis ............................................................................. 50 3.2 Allgemeines zum Ehevertrag .......................................................................... 50 3.3 Mitgift, Widerlage und Erbrecht .................................................................... 52 3.4 Eheverträge beim Adel und beim reichsstädtischen Bürgertum ............... 54 3.5 Regelungen für die Heirat einer Witwe aus dem Adel oder Bürgertum .. 58 3.6 Eheverträge zwischen bäuerlichen Untertanen ............................................ 61 3.7 Eheverträge zwischen ungleichen Paaren innerhalb des Hochadels ........ 64 3.8 Jüdische Eheverträge und Verlobung ............................................................ 67 3.9 Verhältnis von Verlobung und Heirat in der christlichen Ehe ................... 70 3.10 Ehepfänder ........................................................................................................ 70 4.▀ Hochzeitsfeierlichkeiten und Trauung .......................................................... 71 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
Hochzeit ............................................................................................................. 71 Kirchliche Trauung .......................................................................................... 72 Hochzeiten beim Adel ..................................................................................... 73 Hochzeit von Untertanen und Bürgern in Reichsstädten ........................... 77 Stille Hochzeiten ............................................................................................... 80 Jüdische Hochzeiten ......................................................................................... 81 Das Beilager ....................................................................................................... 81 4.7.1 Morgengabe ...................................................................................... 82 4.7.2 Brautkleid und Brautschmuck ....................................................... 83 5.▀ Fazit .................................................................................................................... 86
6 Inhalt
▀Inken Schmidt-Voges▀„Weil der Ehe-Stand ein ungestümmes
Meer ist…“ – Bestands- und Krisenphasen in ehelichen Beziehungen in der Frühen Neuzeit ............................................................... 89 1.▀Forschungsgeschichte ........................................................................................ 93 2.▀Normative, institutionelle und kulturelle Prägungen des Ehealltags ....... 100 2.1 Religiöse und weltliche Grundlagen frühneuzeitlicher Ehenormen ...................................................................................................... 100 2.1.1 Ehediskurse im späten Mittelalter und Humanismus .............. 101 2.1.2 Ehe‐ und Haushaltungslehren des 16. und 17. Jahrhunderts ............................................................................. 103 2.1.3 Aufklärung der ehelichen Beziehungen? Wandel und Konstanz im 18. Jahrhundert ............................................... 107 2.2 Mediale und kommunikative Einbettung ehelicher Normen .................. 109 2.2.1 Predigten ......................................................................................... 109 2.2.2 Druckschriften und ihr Lesepublikum........................................ 110 2.2.3 Flugblätter, Literarisches, Schauspiele ........................................ 111 2.3 Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen ................................................. 116 2.3.1 Liebe, Frieden, Ehre ....................................................................... 116 2.3.2 Rollenmodelle ................................................................................ 121 2.3.3 Das Eigene und das Andere: Eheideale als Basis gesellschaftlichen Konsenses ...................................................... 122 2.4 Recht und Gesellschaft: Kompetenzen und Konkurrenz der Institutionen .................................................................................................... 123 2.4.1 Rechtsmaterien ............................................................................... 125 2.4.2 Soziale Interventionsinstanzen .................................................... 127 2.4.3 „Wilde Ehen“ .................................................................................. 129 3.▀ Konflikte in Bestands‐ und Krisenphasen im Spiegel von Gerichtsakten .................................................................................................. 130 3.1 Machtprozesse und Autorität ....................................................................... 132 3.1.1 Gemeinsames Haushalten ............................................................ 133 3.1.2 Versorgung und Erziehung der Kinder ...................................... 136 3.1.3 Krankheit, Verarmung .................................................................. 137 3.1.4 Religiöse/konfessionelle Meinungsverschiedenheiten ............. 140 3.2 Persönliches Fehlverhalten............................................................................ 143 3.2.1 Trunksucht ...................................................................................... 143 3.2.2 Verbale Gewalt ............................................................................... 148 3.2.3 Physische Gewalt und Misshandlungen..................................... 150 3.2.4 Ehebruch und Untreue .................................................................. 151 3.3 Konflikte, die von „außen“ in die Beziehung hineingebracht werden ............................................................................................................. 152
Inhalt
3.3.1 Stiefkinder – Stiefeltern ................................................................. 152 3.3.2 Schwieger und Schwager .............................................................. 155 3.3.3 Konflikte mit dem Gesinde, Mietern und Nachbarn ................ 157 3.3.4 Informelles Zusammenleben ........................................................ 159 4.▀Fazit ................................................................................................................... 160
▀Siegrid Westphal▀Die Auflösung ehelicher Beziehungen in der Frühen Neuzeit .................................................................................................. 163 1.▀Eheauflösung durch Tod und Scheidung ..................................................... 163 2.▀Forschung .......................................................................................................... 167 2.1 Witwenschaft in der Frühen Neuzeit ........................................................... 167 2.2 Scheidungen in der Frühen Neuzeit ............................................................ 172 2.2.1 Scheidungsursachen und Scheidungsauslöser .......................... 172 2.2.2 Scheidungsfolgen ........................................................................... 178 3.▀Normative Leitbilder und Normen ................................................................ 180 3.1 Normative Leitbilder für den Witwenstand ............................................... 180 3.2 Normen ............................................................................................................ 183 3.2.1 Witwenschaft .................................................................................. 183 3.2.1.1 Normen für bäuerliche Witwen ....................................... 185 3.2.1.2 Normen für adelige Witwen ............................................ 186 3.2.1.3 Normen für jüdische Witwen .......................................... 189 3.2.2 Scheidungsrecht ............................................................................. 191 3.2.2.1 Kanonisches Scheidungsrecht .......................................... 191 3.2.2.2 Protestantisches Ehescheidungsrecht ............................. 193 3.2.2.3 Jüdisches Scheidungsrecht ............................................... 198 4.▀Prozessbeispiele ................................................................................................ 201 4.1 Witwen ............................................................................................................. 202 4.1.1 Konflikte nicht besitzender Witwen und von Witwen der ländlichen Gesellschaft ................................................................. 202 4.1.2 Konflikte bürgerlicher Witwen .................................................... 203 4.1.3 Konflikte adeliger Witwen ............................................................ 207 4.1.4 Konflikte jüdischer Witwen .......................................................... 213 4.2 Die Folgen von Scheidungen an den höchsten Gerichten ......................... 214 4.2.1 Bäuerliche Untertanen ................................................................... 215 4.2.2 Frauen im Handwerk .................................................................... 217 4.2.3 Reichsritterschaft ........................................................................... 221 4.2.4 Scheidungen und ihre Folgen im hohen Adel ........................... 226 4.2.5 Die Auflösung ehelicher Beziehungen ........................................ 233
7
8 Inhalt
▀Fazit und Ausklang ...................................................................................... 237 ▀Abbildungsverzeichnis ............................................................................... 243 ▀Quellen- und Literaturverzeichnis ........................................................ 245
Ungedruckte Quellen ..................................................................................... 245 Gedruckte Quellen ......................................................................................... 247 Quelleneditionen, Repertorien, Findbücher ............................................... 247 Literatur ........................................................................................................... 248
▀Register ............................................................................................................. 262
▀Siegrid Westphal▀Venus und Vulcanus. Einleitende Überlegungen Göttergestalten der griechischen und römischen Mythologie werden auch in heutiger Zeit immer wieder herangezogen, um einen anschaulichen Blick auf die Geschlechterbeziehungen zu ermöglichen. Populärwissenschaftliche Ab‐ handlungen lenken dabei – wie auch schon die jahrhundertealte Rezeptions‐ geschichte – den Blick auf Venus und Mars, um die Unterschiedlichkeit, wenn nicht sogar Unvereinbarkeit der Geschlechter herauszustreichen. Ein beliebtes Motiv stellt in diesem Zusammenhang Vulcanus dar, der Gott des Feuers und der Schmiedekunst, der seine Ehefrau Venus beim Ehebruch mit dem Kriegs‐ gott Mars überrascht und ein kunstvoll geschmiedetes Netz über die Lieben‐ den wirft, um sie dem Gelächter der Götterwelt auszusetzen. Vulcanus, der in der antiken Mythologie als hinkend und ausgesprochen hässlich beschrieben wird, begehrte ursprünglich die jungfräuliche Minerva zur Frau, die ihn je‐ doch abwies. Zeus vermählte ihn schließlich mit Venus, dem Gegenbild zur Minerva, die ihm aber nicht die Treue hielt und eine Reihe von Kindern nicht nur mit Mars zeugte. Die Ehe von Venus und Vulcanus wurde im Lauf der Zeit immer wieder neu interpretiert, wobei das Bild von Vulcanus als gedemütigtem und rachsüchti‐ gem Ehemann dominierte. Gleichzeitig galt er als feuriger Liebhaber, als Sinnbild der Begierde, der durch seine Ehe mit Venus die Wollust unter die Menschen gebracht habe. Die Künstler und Schriftsteller speziell der Frühen Neuzeit faszinierte zudem die Vorstellung des ungleichen Paares, die reizvol‐ le Kontrastierungen des Hässlichen und Schönen ermöglichte. Es findet sich jedoch auch die Darstellung des in Liebe zugeneigten Paares, symbolisiert durch die Idee des Amors als gemeinsamem Kind, wie die Abbildung auf dem Einband zeigt. Diese „Szenen einer Ehe“ spiegeln zum einen verschiedene Phasen einer Paarbeziehung wider: von der problematischen Anbahnung und Schließung der Ehe über das durch Venus’ Untreue belastete Eheleben – wobei Vulcanus aber ganz im Sinne des heutigen Verständnisses einer Patchwork‐Familie dennoch ihre unehelichen Kinder mit versorgt – bis hin zur jederzeit drohen‐ den Trennung und Auflösung, ohne dass wir genau wissen, was aus dieser Ehe letztlich geworden ist. Zum anderen steht die Ehe von Venus und Vulcanus für die mit Paarbezie‐ hungen Hand in Hand gehende Krisenhaftigkeit, deren unterschiedliche Ausprägungen keinesfalls als abweichendes Verhalten interpretiert werden dürfen, sondern als alltägliche Normalität. Letztlich zeichnete sich gerade das in Europa dominierende Modell der monogamen Ehe durch große Vielschich‐ tigkeit und Dynamik aus, besaß es doch einen zentralen gesellschaftlichen Stellenwert. „Die Kombination von intensivierter monogamer Paarbeziehung, ständiger Haushalts‐ und Arbeitspartnerschaft sowie die Berücksichtigung der sozialstrategischen Funktion der Ehe zur Sicherung von sozialem Status
10 Siegrid Westphal
der Familie“ (Gestrich 2003, 483) schuf eine extreme Komplexität dieser Be‐ ziehungsform, die zudem sittlich‐moralisch und religiös überhöht wurde. Hinzu kam eine hohe emotionale Erwartungshaltung der Partner, die sich mit den vielfältigen Funktionen der Ehe überlagerte. Nicht zuletzt diese Gemen‐ gelage erwies sich in der Frühen Neuzeit als potentiell explosiv, wobei Krisen immer dann eintraten, wenn die gelebten Beziehungen nicht mit dem Ideal einer guten Ehe übereinstimmten. Dieses Ideal basierte im europäischen Kul‐ turkreis in erster Linie auf der Bibel und der daraus geschöpften Vorstellung von der Ehe als gottgewollter Lebensform, wobei im Mittelalter im Verständ‐ nis der christlichen Theologen die Ehelosigkeit als höherer Stand angesehen wurde. Trotzdem entwickelte die christliche Kirche des Mittelalters selbst ein großes Interesse daran, die Ehe als göttliche Einrichtung des Lebens zuneh‐ mend zu kontrollieren. Der Anspruch auf alleinige Kompetenz in moralischen Fragen basierte auf der Auffassung, im Besitz der göttlichen Wahrheit zu sein und deshalb zwischen Gott und den Gläubigen vermitteln zu können. Diese Ansicht schlug sich nicht nur darin nieder, der Ehe sakramentalen Charakter zuzubilligen und damit ihre Unauflöslichkeit zu propagieren, sondern auch die Berechtigung zur Ehe zu reglementieren, beispielsweise durch eine Reihe von Ehehindernissen. Neben den kirchlichen existierten zudem zahlreiche obrigkeitliche und be‐ rufsständische Heiratsbeschränkungen, so dass davon auszugehen ist, dass die Ehe zwar als zentrale Lebensform propagiert wurde, de facto aber immer nur ein Teil der Bevölkerung wirklich heiraten durfte und konnte. Wenngleich keine genauen Zahlen überliefert sind, so darf man doch von einer größeren Anzahl von Paaren ausgehen, die deshalb ohne kirchlich‐obrigkeitlichen Se‐ gen zusammenlebten und auch Kinder groß zogen, obwohl dies nach zeitge‐ nössischem Verständnis verboten war und durch Kirchenstrafen und weltli‐ che Verfolgung geahndet wurde. Auf der anderen Seite dürften aufgrund des Gebots der Unauflöslichkeit der Ehe Ehepaare auch getrennt gelebt haben, so dass die Ledigen, die Witwer und Witwen zusammen mit den getrennt leben‐ den Ehepartnern vermutlich eine größere Gruppe allein lebender Personen innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft gebildet haben. Christliche und jüdische Eheauffassungen ähneln sich in vielerlei Hinsicht, weil beide Religionen die Ehe auf das göttliche Gebot zurückführen und des‐ halb ähnliche Ehezwecke kennen. Allerdings ist die jüdische Ehe kein Sakra‐ ment, sondern in Analogie zur engen Verbindung von Gott mit Israel ein hei‐ liger Bund mit heiligen Pflichten. „Deshalb hat das Judentum die Ehe stets als gut und wünschenswert sowie als göttlich sanktioniert betrachtet und hat – von wenigen Ausnahmen abgesehen – in der Ehelosigkeit nie einen höheren Stand gesehen.“ (Homolka 2009, 31) Wichtig ist auch, dass sich im ashke‐ nasischen Judentum, das im Heiligen Römischen Reich dominierte, bereits im Hochmittelalter die Einehe durchsetzte, während das sephardische Judentum weiterhin an der Vielehe festhielt. Unabhängig von der Ausrichtung war in beiden Ausprägungen des Judentums eine Scheidung der Ehe möglich, die je‐
Venus und Vulcanus. Einleitende Überlegungen 11
doch nur vom Ehemann ausgehen konnte. Dass es neben dem jüdisch‐christ‐ lichen monogamen Eheverständnis konkurrierende Ehekonzepte gab, war den mittelalterlichen Zeitgenossen im Reich durchaus bewusst, da es über die Kontakte mit sephardischen Juden hinaus auch Berührungspunkte mit Or‐ thodoxen und Muslimen gab, die Scheidungen und zum Teil auch die Biga‐ mie bzw. Polygynie praktizierten (Borgolte 2004). De facto lehnte man diese Lehren jedoch ab und nutzte sie als Negativfolie, um in Abgrenzung dazu das jüdisch‐christliche Eheverständnis zu konturieren, das bis weit ins Spätmittel‐ alter hinein prägend wirkte. Ab dieser Zeit vollzogen sich schließlich Entwicklungen, an deren Ende das heute weitgehend säkulare Verständnis ehelicher Beziehungen steht, das sich gegen vielfältige alternative Beziehungsformen zu behaupten sucht. Wir leben in einer Zeit erhöhten Scheidungsrisikos, steigender Scheidungsraten und al‐ ternativer Paarbeziehungen. Dennoch bzw. gerade deshalb besteht weiterhin ein staatliches Interesse an der privilegierten Institution Ehe, ist doch die westliche Gesellschaft noch stark von bürgerlichen Idealen geprägt, die von einer engen Verbindung zwischen intakten Ehen sowie Familien und gesell‐ schaftlicher Stabilität ausgehen. Je mehr die Institution Ehe in Frage gestellt wird, desto gefährdeter erscheint das auf dem bürgerlichen Wertekanon fu‐ ßende gesellschaftliche System der westlichen Welt. Bemerkenswert ist dabei, dass sich das Interesse der Öffentlichkeit und der Politik vor allem auf die Familie richtet und Fragen der demographischen Entwicklung oder die Fol‐ gen von aufgelösten Beziehungen für die Kinder oder die Neugründung von Patchwork‐Familien im Mittelpunkt stehen. Eine Entsprechung findet diese Fokussierung in der sozialwissenschaftlich ausgerichteten Familienforschung, die die Ehe als Vorlauf der im Zentrum stehenden Familienbildung begreift. Erst seit kurzer Zeit wird vor dem Hin‐ tergrund verschiedener Entwicklungen wie beispielsweise der gewollten Kin‐ derlosigkeit oder der Pluralisierung von Beziehungsformen die Ehe stärker als eigenständige Form persönlicher Beziehungen begriffen. Historische Be‐ züge spielen in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle und dienen allenfalls der Konturierung des bürgerlichen Familienideals, das sich laut gängiger Auffassung der Forschung gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgebildet habe. Ein genauer Blick auf frühere Epochen zeigt jedoch, dass die Hinwendung zum Thema Ehe als eigenständige Beziehungsform schon zweimal „Konjunk‐ tur“ hatte, nämlich in Zeiten, die durch sehr tiefgreifende gesellschaftliche Wandlungsprozesse gekennzeichnet waren: Sowohl Ende des 15. bzw. Anfang des 16. Jahrhunderts als auch Ende des 18. Jahrhunderts lassen sich wesent‐ liche Veränderungen hinsichtlich der Vorstellungen einer Ehe ausmachen, die sich zudem im Eherecht und zum Teil in der ehegerichtlichen Praxis nieder‐ schlugen. Die Zeit zwischen diesen beiden Phasen des Wandels, die gleichzei‐ tig mit den Epochengrenzen der Frühen Neuzeit zusammenfallen, ist durch eine relativ konstante Grundhaltung in Bezug auf die Ehe geprägt. Deshalb
12 Siegrid Westphal
liegt es nahe, den ehelichen Beziehungen und den damit verbundenen Krisen in der Frühen Neuzeit eine eigene Untersuchung zu widmen. Den Schwer‐ punkt dafür auf das Heilige Römische Reich deutscher Nation zu legen, bietet sich an, weil sich hier pars pro toto – wie in kaum einem anderen europäi‐ schen Land – im Kernland der Reformation unterschiedliche Konfessionskul‐ turen herausbildeten, die reichsrechtlich fixiert wurden und jeweils unter‐ schiedliches, territorial voneinander abweichendes Eherecht mit einer ausdif‐ ferenzierten Eherechtsprechung entfalteten. Zudem existierte hier eine kleine jüdische Minderheit, die sich ihr Eherecht und eine eigenständige Eherecht‐ sprechung bewahren konnte. Deshalb lässt sich am Beispiel des Alten Reiches sehr gut die Komplexität verschiedenster Aspekte des ehelichen Lebens ver‐ anschaulichen, die neben konfessionell‐religiösen Gegebenheiten stark durch soziale und ökonomische Umstände gekennzeichnet war. Die ständische Strukturierung der Gesellschaft in der Frühen Neuzeit schlug sich auch im Bereich der ehelichen Beziehungen nieder, was eine differenzier‐ te Darstellung nach den unterschiedlichen Ständen notwendig macht. Denn es bestehen ganz wesentliche Unterschiede zwischen dem ehelichen Leben bäu‐ erlicher Schichten auf dem Lande und einer Ehe innerhalb des Hochadels oder einer Ehe zwischen zwei Angehörigen bürgerlicher Ratsfamilien. Aller‐ dings gibt es auch verbindende Elemente, wie die große Bedeutung des ver‐ wandtschaftlichen Beziehungsgeflechts, beispielsweise bei der Eheanbahnung oder die über alle Stände und Konfessionen bzw. Religionen hinweg feststell‐ bare Geschlechterhierarchie innerhalb der Ehe mit der Unterordnung der Ehe‐ frau unter den Ehemann, was auch eine rechtliche Schlechterstellung (Ge‐ schlechtsvormundschaft, Ehegüterrecht) zur Konsequenz hatte. Eine Ehe‐ schließung symbolisierte und markierte bei allen Ständen den Eintritt in die Erwachsenenwelt. Es ging immer um den Transfer von Eigentum, die rituelle Artikulation sozialer Differenz und die Allianz zweier Familiensysteme (Roper 1995). Letztlich hat die Forschung dem großen Stellenwert ehelicher Beziehungen in der Frühen Neuzeit durch eine Fülle von Publikationen Rechnung getragen. Wegen der Komplexität des Themas beschränken sich diese aber häufig auf einzelne Aspekte, nehmen eine bestimmte Perspektive ein oder besitzen exemplarischen Charakter. Besonderes Gewicht kommt dabei der sozialgeschichtlich ausgerichteten Fa‐ milienforschung, der Geschlechtergeschichte und der Historischen Anthropo‐ logie zu. In den letzten Jahren traten schließlich stärker kultur‐ und rechtsge‐ schichtliche Aspekte in den Vordergrund. Einer der wenigen Forschungsüberblicke, der die zahlreichen Publikationen zum Thema Ehe zu bündeln versucht, ist mit „Stationen einer Ehe“ (Fors‐ ter/Lanzinger 2003) betitelt. Dabei dienen neuralgische Punkte des Lebensver‐ laufs, die in der Kulturgeschichte auch als Übergangsrituale (rites de passage) bezeichnet werden, als Strukturierungsmerkmale, um bestimmte Forschungs‐ schwerpunkte mit großer Aktualität herauszuarbeiten. Orientiert an der
Venus und Vulcanus. Einleitende Überlegungen 13
Chronologie des ehelichen Ablaufs werden als ein Komplex der Forschung die Eheanbahnung mit Partnerwahl und Brautwerbung im Kontext spezifi‐ scher sozialer Netzwerke sowie die rechtliche Absicherung der Verbindung in Form von Eheverträgen thematisiert. Dabei können die Autorinnen eine deut‐ liche Verschiebung des Forschungsinteresses ausmachen. Hatte sich die ältere sozialgeschichtliche Familienforschung noch intensiv am Modell der soge‐ nannten „European Marriage Patterns“ (Hajnal 1965) mit der Suche nach Hei‐ ratsmustern auf der Basis „demographischer Variablen wie Heiratsalter und Heiratshäufigkeit“ abgearbeitet, stehen heute eher Heiratsverträge und die damit verbundenen besitzrechtlichen Fragen (Heiratsgut, Widerlage und Morgengabe) unter geschlechtergeschichtlicher Perspektive im Zentrum. In diesen Zusammenhang gehören auch Forschungen, die sich mit der rechtli‐ chen Stellung der Frau in der Ehe, ihrer Geschäfts‐ und Handlungsfähigkeit sowie insbesondere mit dem Ehegüterrecht auseinandersetzen, wobei for‐ schungsübergreifend immer wieder auf die territorialen Unterschiede und die Diskrepanz zwischen Norm und sozialer Praxis verwiesen wird. Geschriebe‐ nes Recht gilt dabei als Spiegel bestimmter Vorstellungen einer Gesellschaft von den Geschlechterbeziehungen, die wiederum konkrete Rückwirkungen auf diese haben. Einen weiteren Schwerpunkt bilden im Kontext der Eheschließung Forschun‐ gen zu kirchlichen und obrigkeitlichen Eheverboten, die über Verwandt‐ schaftsgrade und soziale bzw. besitzrechtliche Kategorien definiert wurden. Der Forschungsüberblick wird mit einem Themenfeld abgeschlossen, das auf das Ende einer Ehe verweist: Zum einen die Ehescheidung bzw. Trennung von Tisch und Bett, zum anderen der Tod eines Ehepartners, wobei sich die Forschung überwiegend auf Witwen konzentriert. Rückt der Forschungsüberblick eher rechtsgeschichtliche Aspekte einer Ehe in den Mittelpunkt, so existiert daneben eine Richtung, die sich stärker den Ehe‐ konzepten und Diskursen in Predigten und Schriften sowie deren gesell‐ schaftlicher Wirkung widmet, um auf dieser Basis Aussagen über die Qualität einer Ehe in der Frühen Neuzeit treffen zu können. Viele Autorinnen und Au‐ toren setzen sich in diesem Zusammenhang mit den Thesen von Heide Wun‐ der (Wunder 1992) auseinander, die in den frühneuzeitlichen Ehevorstellun‐ gen durchaus die hierarchische Ausrichtung der Ehe mit der Forderung der Unterordnung der Frau unter den Ehemann erkennt, aber auch auf das Ideal der ehelichen Gefährtenschaft verweist. Da für viele Ehepaare in der sozialen Praxis die Notwendigkeit existierte zusammenzuarbeiten, um die eigene Exis‐ tenz zu sichern, habe dieses gemeinsame Ziel de facto eher zu einem gleich‐ wertigen Verhältnis der Ehepartner geführt. Folgerichtig lehnt Heide Wunder auch die These von der Domestizierung der Ehefrau im Gefolge der reforma‐ torischen Ehelehren ab. Dagegen haben verschiedene Autoren am Beispiel von Regionalstudien aus dem schweizerischen und süddeutschen Raum immer wieder auf die alltägli‐ che Gewalt in Ehen und die durch die Eherichter im Konfliktfall zementierte
14 Siegrid Westphal
Geschlechterordnung hingewiesen, auch wenn sie gleichzeitig eine Einschrän‐ kung der männlichen Eheherrschaft durch das Gericht konstatierten. Gerade in den letzten Jahren traten neben die zivil‐ und kirchengeschichtlich ausge‐ richteten Arbeiten Forschungen, die sich dementsprechend mit kriminalitäts‐ geschichtlichen bzw. strafrechtlichen Aspekten beschäftigten und stärker die Ehekonflikte vor den jeweiligen Ehegerichten in den Blick nahmen. Auch hier ist der Forschungsstand eher durch widersprüchliche Befunde als durch Ge‐ meinsamkeiten geprägt. So scheint sich ein Großteil der Fälle überhaupt nicht mit ehelichen Konflikten, sondern mit Klagen auf Einlösung eines Ehever‐ sprechens (Vor‐Ehegerichte) beschäftigt zu haben. Ansonsten stand aus obrig‐ keitlich‐kirchlicher Sicht der Kampf gegen unerlaubte Sexualität im Vorder‐ grund, während Scheidungen selten verhandelt wurden. Die Qualität eheli‐ cher Beziehungen wurde nur dann vor Gericht thematisiert, wenn sie im Kon‐ text einer justiziablen Argumentation eingesetzt werden konnte. Aber gerade die Gebundenheit der juristischen Argumentation hat in der Forschung im‐ mer wieder zu kontroversen Interpretationen geführt, beispielsweise bei der Frage nach dem Zusammenhang zwischen ökonomischen Aspekten und Ehe‐ krisen, wobei überwiegend die hohe Bedeutung materieller Faktoren betont wird. Nur wenige Arbeiten räumen die Möglichkeit ein, dass hinter Ausei‐ nandersetzungen über ökonomische Verhältnisse auch emotionale Befindlich‐ keiten, enttäuschte Erwartungen oder seelische Leiden stecken könnten. Angesichts der Fülle der Veröffentlichungen zum Thema Ehe in der Frühen Neuzeit nimmt die vorliegende Überblicksdarstellung die Vielfalt der mit ehe‐ lichen Beziehungen verbundenen Krisen zwischen Reformation und Spätauf‐ klärung in den Blick und führt divergierende Forschungspositionen und ‐perspektiven zusammen. Da in den meisten Untersuchungen häufig nur eine bestimmte Phase oder ein bestimmter Aspekt der ehelichen Beziehungen herausgegriffen wird, geht die einer ehelichen Beziehung über den gesamten Verlauf innewohnende potenti‐ elle Krisenhaftigkeit verloren. Die in diesem Band angestrebte Verknüpfung sozialhistorischer, rechtlicher, ökonomischer, mentalitäts‐, alltagsgeschichtli‐ cher und lebensweltlicher Aspekte scheint daher eine lohnende Perspektive zu sein, wobei sich die unterschiedlichen Phasen einer Ehe als Gliederungs‐ ebene sehr gut eignen. In Anlehnung an den Ansatz von Karl Lenz (Lenz 2009) werden die ehelichen Paarbeziehungen deshalb in eine Aufbauphase, eine Bestands‐ und Krisen‐ phase sowie eine Auflösungsphase unterschieden, die nicht unbedingt in zeit‐ licher Abfolge zu sehen sind. Dabei geht es nicht darum, das soziologische Modell von Lenz eins zu eins auf die Frühe Neuzeit zu übertragen. Gerade die von Lenz betonten individuellen Bedürfnisse und die überragende Bedeu‐ tung von Liebe in heutigen Paarbeziehungen wirken sich auf den Verlauf von Paarbeziehungen in einer Art und Weise aus, die sich in der Frühen Neuzeit nur ansatzweise findet. Aber, wie schon Lenz es formulierte, jede Beziehung muss beginnen und endet unwiderruflich, spätestens mit dem Tod einer Be‐
Venus und Vulcanus. Einleitende Überlegungen 15
ziehungsperson (Lenz 2009, 69). Insofern kann das von ihm entwickelte Ver‐ laufsmodell dazu dienen, die hohe Dynamik und Krisenanfälligkeit frühneu‐ zeitlicher Ehen sichtbar zu machen, selbst wenn nicht alle seine Kriterien zu‐ treffen. So scheint es im Gegensatz zu seinem Modell für die Frühe Neuzeit sinnvoll, Bestands‐ und Krisenphase zusammen in einem Kapitel zu behan‐ deln, denn in der Frühen Neuzeit müssen alle Phasen einer ehelichen Bezie‐ hung als potentiell krisenhaft (Hardwick 2009) angesehen werden, was im Grunde auch Lenz für heutige Paarbeziehungen konstatiert. Betrachtet man die eingangs erwähnten „Konjunkturen der Ehe“ um 1500 und 1800 aus der Perspektive dieses Verlaufsmodells, lassen sich nicht nur die Konvergenzen von Wandlungsprozessen auf unterschiedlichen Ebenen besser herausarbeiten. Vielmehr wird auch deutlich, dass innerhalb der „Konjunktu‐ ren“ bestimmte Phasen der ehelichen Beziehung verstärkt in den Blickpunkt genommen wurden, was auch wichtige Aussagen über die Bedürfnisse und Denkrahmen der Zeit zulässt. 1. Im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen und sozialen Wandel gewann die Ehe als Institution Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts neue Bedeutung. Im Zuge der Auflösung der mittelalterlichen Sozialform familia und der Zunahme der Lohnarbeit wurde dem „Ehepaar als Arbeitspaar“ (Heide Wunder) und als sozialer Institution ein herausragender Stellenwert verliehen. Die Funktionalität der Ehe für das Gemeinwesen gewann an Be‐ deutung. Humanistische Gelehrte trugen diesem Gedanken mit ersten Ehe‐ spiegeln Rechnung. Auch die Kirche hatte ein Interesse daran, die Ehe als göttliche Einrichtung aufzuwerten, auch wenn die zölibatäre Lebensweise weiterhin als Ideal galt. Diese Entwicklungen schufen die Voraussetzungen für ein neues Eheverständnis, das mit der Reformation Einzug hielt. Martin Luthers Kritik am Eheverständnis der spätmittelalterlichen Kirche entzündete sich nicht an den gesellschaftlichen Gegebenheiten, sondern stellte theologische und kirchenrechtliche Aspekte ins Zentrum seiner Überlegun‐ gen. Bündelt man seine Aussagen zu den ehelichen Beziehungen, die keinesfalls eine geschlossene Ehelehre darstellen, so fällt ins Auge, dass er sich angesichts einer großen Verunsicherung bei den Gläubigen mit verschiedenen Punkten besonders intensiv auseinandergesetzt hat. Zum einen ging es ihm darum, die Ehe als göttlichen Stand aufzuwerten und über das zölibatäre Leben zu erhe‐ ben. Damit stilisierte er das eheliche Leben, also die Bestandsphase nach Lenz, zum primären Wirkungsort christlicher Tugendhaftigkeit. Zum anderen musste er sich mit eherechtlichen Fragen befassen, die vor allem das Verlöbnis und die Scheidung betrafen und damit auf die Aufbau‐ bzw. Auflösungspha‐ sen von Ehen zielten. Ausgangspunkt für Luthers Kritik bildete das Klosterleben, insbesondere die Vorstellung, dass ein zölibatäres Leben ein verdienstliches Werk sei. Im Ge‐ gensatz dazu sah er darin eine falsch verstandene „Werkgerechtigkeit“. Er
16 Siegrid Westphal
stellte die Ehe über das zölibatäre Leben und bezeichnete sie als Gottes Werk und guten Willen. Jeder sollte, unabhängig von sozialer und ökonomischer Stellung, möglichst früh heiraten können, weil es natürlich sei und der Ver‐ meidung von Unzucht und der Zeugung von Kindern diene. Nicht zuletzt deshalb lehnte Luther auch einen Großteil der kanonischen Ehehindernisse ab. Zudem plädierte er für die Priesterehe, die schnell zu einem wichtigen Differenzierungsmerkmal zwischen den Konfessionen wurde. Neben den überwiegend klassischen Begründungen für eine Eheschließung bemühte sich Luther aber auch darum, das Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe positiv aufzuladen. So sollten sich beide in ihrer Unterschiedlichkeit als gute Schöpfung Gottes achten und die Verschiedenheit der Geschlechter als Teil der menschlichen Bestimmung akzeptieren, ohne diese Verschieden‐ heit und das damit verbundene Verlangen zu deuten oder abzuwerten. Jeder Ehepartner sollte des „andern Bild und Leib als ein göttlich gut Werk [ehren, SW], das Gott selbst wohl gefället“ (Luther 1522, zitiert nach Lorenz 1978). Ausgehend von seiner Kritik an der scholastischen Gnadenlehre griff Luther zudem die Vorstellung an, dass die Ehe Sakramentscharakter besitze. Er sah in ihr ein „äußerlich, leiblich Ding […] wie andere weltliche Hantierung“ (Lu‐ ther 1522, zitiert nach Lorenz 1978). Für die Kirche des Mittelalters hatte die absolute Unauflöslichkeit der Ehe gegolten. Dieser Grundsatz war in der Ka‐ nonistik juristisch ebenso festgeschrieben worden wie die Auffassung, dass allein die Kirche für die Schließung oder Auflösung der Ehen zuständig sei. Mit der Leugnung des sakramentalen Charakters der Ehe durch Martin Lu‐ ther erlitt die katholische Kirche nicht nur einen bedeutenden Macht‐ und Geltungsverlust, sondern der alte kirchenrechtliche Grundsatz der Unauflös‐ lichkeit der Ehe wurde auf diese Weise auch preisgegeben. Im Unterschied zum kanonischen Recht, das nur eine Trennung von Tisch und Bett vorsah, ließ Luther eine Scheidung mit der Möglichkeit zur Wiederheirat für den un‐ schuldigen Teil zu, nämlich bei Ehebruch und böswilligem Verlassen. Aller‐ dings sollte eine Scheidung nicht voreilig und aus eigenem Willen geschehen, vielmehr galt es hier für den Pfarrer und die weltliche Obrigkeit, zunächst ei‐ ne Versöhnung anzustreben und erst beim Scheitern dieser Bemühungen eine Scheidung als letztes Mittel zuzulassen. Schon hier wird deutlich, dass Luther die Ehe zwar als eine weltliche Angele‐ genheit bezeichnete, letztlich aber die Kirche nicht völlig ausschloss. Die ehe‐ lichen Beziehungen entwickelten sich zu einem Bereich gemischter Zustän‐ digkeit. Denn nicht nur die seelsorgerliche Betreuung oblag weiterhin den Geistlichen, sondern auch die Ehegerichtsbarkeit blieb ein wichtiges Aufga‐ benfeld der protestantischen Kirche, das gemeinsam mit weltlichen Amtsträ‐ gern in eigens geschaffenen Institutionen wie dem Kirchenrat oder Konsisto‐ rium wahrgenommen wurde. Weitreichende Konsequenzen hatten auch Luthers Vorstellungen bezüglich der Eheanbahnung und Verlobungspraxis. Nach kanonischem Recht genügte allein der Konsens des Brautpaares für die Gültigkeit einer Ehe. In der Praxis
Venus und Vulcanus. Einleitende Überlegungen 17
hatte die kirchliche Gerichtsbarkeit deshalb häufig mit den sogenannten heimlichen Verlobungen oder nicht eingehaltenen Eheversprechen nach voll‐ zogenem Beischlaf zu tun. Laut Luther sollte neben dem Konsens des Braut‐ paares die zustimmende Entscheidung der Eltern der ausschlaggebende Fak‐ tor sein, um die für die Eheschließung notwendige Öffentlichkeit und damit Gültigkeit zu gewährleisten. Damit wurde die Freiheit vom elterlichen Zu‐ stimmungs‐ und Zwangsrecht wieder rückgängig gemacht. Der Öffentlich‐ keitscharakter der Eheschließung sollte außerdem durch das Aufgebot, die dreimalige Ankündigung im Gottesdienst und den Trauungsakt, der im Ver‐ lauf der Frühen Neuzeit von der Kirchentür (Hochzeitspforte) ins Innere der Kirche wanderte, untermauert werden. Die Aufwertung der Ehe durch Martin Luther hatte aber noch eine Reihe wei‐ terer Konsequenzen. Aufbauend auf den Entwicklungen des späten 15. Jahrhunderts, etablierte sich gewissermaßen eine Art Heiratszwang, ohne zu berücksichtigen, dass viele Männer und Frauen aus verschiedensten Gründen nicht heiraten konnten oder durften. Die Ehe wurde nicht nur zu der zentralen gesellschaftlichen Institution stilisiert, die vor Unehrbarkeit und Schmähungen schützen sollte und deshalb als Ort der Reinheit geschützt werden musste, sondern auch zur einzig akzeptierten Form, sexuelle Bezie‐ hungen auszuleben. Alle anderen Formen wurden kriminalisiert und verbo‐ ten. Dies reichte von der Prostitution über nichteheliche Lebensgemeinschaf‐ ten bis hin zu allen vor‐ und außerehelichen sexuellen Beziehungen. In eigens formulierten Ehe‐ und Kirchenordnungen, welche die Spaltung des Eherechts manifestierten, zeigte sich das Bemühen der protestantischen Obrigkeiten, die Institution Ehe einer rechtlichen Normierung und Kontrolle zu unterziehen, wobei die von Luther entwickelten positiven Ansätze zur Gestaltung eines angemessenen Verhältnisses von Mann und Frau immer stärker in Vergessen‐ heit gerieten. Allenfalls in den Hauslehren finden sich Ansätze wieder, die aber vor allem den von Otto Brunner als „ganzes Haus“ konzeptualisierten Haushaltsverband und die darin gelebten sozialen Beziehungen in den Blick nahmen. Dabei konturierten sie das Verhältnis von Hausvater und Hausmut‐ ter stärker als hierarchisches Macht‐ und Herrschaftsverhältnis der Geschlech‐ ter. Die zunehmende rechtliche Normierung und Kontrolle der Geschlechterbe‐ ziehungen blieb aber nicht nur auf die protestantischen Territorien im Heili‐ gen Römischen Reich deutscher Nation beschränkt, sondern lässt sich auch in den katholischen Territorien des Reichs und europaweit feststellen. Dies ver‐ weist zum einen auf die überkonfessionelle gesellschaftliche und politische Bedeutung der Institution Ehe, zum anderen auf ein damit zusammenhän‐ gendes grundsätzliches Interesse der geistlichen und weltlichen Obrigkeit an der Etablierung einer neuen Moral und Sittlichkeit der Untertanen. Nicht zu‐ letzt deshalb wurden radikale protestantische Strömungen, die zum Teil die Institution Ehe als weltliche Ordnung nicht anerkannten, von allen Obrigkei‐ ten verfolgt.
18 Siegrid Westphal
Die katholische Kirche reagierte mit einer zeitlichen Verzögerung auf die Her‐ ausforderungen durch die Reformation und gestaltete auf dem Trienter Kon‐ zil unter anderem durch das Dekret „Tametsi“ (1563) ein Eherecht, das im We‐ sentlichen am Zölibat festhielt, den sakramentalen Charakter und die Unauf‐ löslichkeit der Ehe betonte und damit das kanonische Eherecht sowie die Zu‐ ständigkeit der katholischen Kirche für die Ehe bestätigte, aber auch Ideen des protestantischen Eheverständnisses aufgriff. Die überkonfessionell feststellba‐ re Tendenz der zunehmenden Kontrolle und Normierung der Geschlechter‐ beziehungen in der Frühen Neuzeit hat in der Forschung große Aufmerksam‐ keit gefunden und zur Entwicklung zentraler Paradigmen wie Sozialdiszipli‐ nierung, Konfessionalisierung oder Zivilisierung angeregt. Die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelten Auffassungen von der Ehe und die sich im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation allmäh‐ lich herausbildende, entsprechend der Konfessionskulturen in unterschiedli‐ chen Varianten bestehende Ehegesetzgebung und Eherechtsprechung wirkten bis in das 18. Jahrhundert hinein prägend. Das jüdische Eheverständnis bzw. Eherecht blieb von diesen konfessionell geprägten Entwicklungen dagegen weitgehend unberührt. 2. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Ehe bzw. den ehelichen Beziehungen entwickelte sich im Zusammenhang mit zentralen Diskursen der Aufklärung, vor allem der naturrechtlich begründeten Subjektkonstitution und daraus resultierend einem neuen Blick auf das Geschlechterverhältnis. Dabei kristallisierten sich zwei Themenfelder heraus, die für die Werthal‐ tungen der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft große Bedeutung gewan‐ nen: Zum einen die Frage nach dem Stellenwert von Liebe für die Eheschlie‐ ßung und das Eheleben, zum anderen die wachsende Bedeutung der (Kern)Familie für das bürgerliche Selbstverständnis. Der tief greifende Wandel der frühneuzeitlichen Gesellschaft im Verlaufe des 18. Jahrhunderts ließ auch das Zusammenleben in Haus und Familie nicht unberührt. Neue Erwerbsmöglichkeiten und die beschleunigte soziale Ausdif‐ ferenzierung korrelierten auf das Engste mit einer allmählich sich wandeln‐ den Wahrnehmung ehelichen, häuslichen und familiären Zusammenlebens. Im Allgemeinen wird dieser Wandel in der eher sozialgeschichtlich orientier‐ ten Forschung als ein Transformationsprozess vom Primat der Ehe zum Pri‐ mat der Familie beschrieben (Wunder 1992; Gestrich 2003) oder in der eher verfassungspolitisch orientierten Forschung – je nach Haltung zum Konzept des „ganzen Hauses“ – als eine Zeit des Übergangs vom Haus zur Familie (Hausen/Medick 1998). Als wichtiger Einflussfaktor gilt in diesem Zusam‐ menhang die in der literarischen Produktion entstehende Leitkultur der „bür‐ gerlichen Kernfamilie“. Die davon ausgehende und lange Zeit dominierende These von den sich um 1800 herausbildenden Geschlechtscharakteren und getrennten Sphären der Geschlechter (Hausen 1976), wonach zwischen einer weiblich dominierten innerhäuslichen und einer männlich geprägten außer‐
Venus und Vulcanus. Einleitende Überlegungen 19
häuslichen Sphäre unterschieden wird, gilt jedoch in der Zwischenzeit als überholt, da beide Bereiche keineswegs so scharf voneinander getrennt wer‐ den können, wie diese These suggeriert. In engem Zusammenhang mit der Propagierung der bürgerlichen Kernfamilie sieht die Forschung Entwicklungen, die mit Begriffen wie Emotionalisierung, Individualisierung oder Herausbildung des Selbst umschrieben werden. Be‐ zogen auf die ehelichen Beziehungen wird von dem Wandel der Vernunft‐ hin zur Liebesehe bzw. vom Arbeitspaar hin zum Liebespaar gesprochen. Der Fo‐ kus der Forschung richtet sich also vor allem auf die Aufbauphase, aber auch die Bestandsphase als gelebte Liebesehe findet Interesse. Liebe und emotionale Zuneigung galten im 16. und 17. Jahrhundert keines‐ wegs als Voraussetzung für eine Eheschließung. Ökonomische und soziale Aspekte standen im Vordergrund, individuelle Neigungen und Gefühle spiel‐ ten eine untergeordnete Rolle. Vielmehr ging man davon aus, dass sich in ei‐ ner guten christlichen Ehe, die auf gleichen ökonomischen und sozialen Vor‐ aussetzungen beruhte, die Liebe als Folge korrekten häuslichen Verhaltens einstellen würde. Dabei war keineswegs leidenschaftliche Hingabe gemeint, sondern eine verlässliche Zuneigung. Das heißt aber nicht, dass es im 16. und 17. Jahrhundert kein romantisches Verhalten oder keine Liebesbezeugungen im heutigen Verständnis gegeben habe, wie insbesondere die sozialgeschicht‐ lich ausgerichtete Familienforschung (Shorter 1977) lange Zeit behauptet hat. Vielmehr betont man heute stärker die kulturelle Konstruktion von Emotio‐ nen und ihren Wandel in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Rahmenbedin‐ gungen. Seit Ende des 17. Jahrhunderts finden sich im Umfeld der Frühaufklärung ers‐ te publizistisch vertretene Forderungen, die Ehe aus ökonomischen und sozia‐ len Bedingtheiten herauszulösen und moralische Kriterien an erste Stelle zu setzen, über die nicht die Eltern, sondern das heiratswillige Paar befinden sollte. Vernunft und Tugend sollten affektbezogenes Verhalten kontrollieren. Die zunehmende Etablierung naturrechtlicher Ideen schlug sich im Bereich der ehelichen Beziehungen zudem in der Vorstellung der Ehe als Vertragsver‐ hältnis nieder. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts entwickelten sich weitere Liebeskonzepte, die zum einen Zärtlichkeit und Sinnlichkeit sowie eheliche Sexualität propagier‐ ten, zum anderen im Konzept der romantischen Liebe (Romantik) einen Un‐ bedingtheitsanspruch enthielten. Liebe wurde – zumindest auf literarischem und publizistischem Wege – zur einzigen Voraussetzung einer Eheschließung erhoben und als Basis einer exklusiven einmaligen Paarbeziehung definiert, die es galt, gegenüber dem Rest der Welt abzuschotten. Nicht mehr Kontrolle der Gefühle, sondern bedingungslose Hingabe an die Gefühle sollte dominie‐ ren. Das romantische Liebesideal beinhaltete neben dem Gedanken der Ein‐ heit von Liebe und Sexualität sowie Liebe und Ehe die Vorstellung, dass die Elternschaft als letzte Vollendung der Ehe anzusehen sei. Diese wurde im Sinne einer lebenslangen Seelengemeinschaft verstanden, wobei den Partnern
20 Siegrid Westphal
– entsprechend den Vorstellungen der Zeit – eine unterschiedliche Rolle zufal‐ len sollte. Die Forschung spricht in diesem Zusammenhang von einem männ‐ lich geprägten Erlösungs‐Mythos: Der Mann befinde sich in einer problemati‐ schen Existenzkrise und könne nur durch die Liebe der Frau zu sich selbst finden. Die Frau werde erhöht, um sie den höheren Zwecken des Mannes zu unterwerfen. Nur die erwiderte Liebe wird damit zur eigentlichen Liebe. Ro‐ mantische Liebe könne aber auch – bei konsequenter Umsetzung – die „Asymmetrie der Geschlechter“ (Luhmann) aufheben und einem androgynen Idealbild nahe kommen. Aufgrund einer Reihe von Forschungen (Trepp 1996; Habermas 2000), die weniger den Diskurs als vielmehr die soziale Praxis der Geschlechterbezie‐ hungen Ende des 18. Jahrhunderts in den Blick nehmen, ist davon auszuge‐ hen, dass sich zwar die Vorstellungen von den Voraussetzungen einer Ehe wandelten, aber die Eheschließungen und die gelebten Ehen eher den tradier‐ ten Verhaltensmustern entsprachen. Das bis heute dominierende romantische Verständnis von Liebe und Ehe wurde um 1800 vor allem in gehobenen bür‐ gerlichen Kreisen diskutiert, de facto verlief die Partnerwahl und Eheanbah‐ nung aber weiterhin in den althergebrachten Bahnen, bei denen ökonomische und soziale Faktoren im Vordergrund standen. Auch für den Adel, dessen Eheschließungen über diese Gesichtspunkte hinaus auch dynastisches und politisches Gewicht zukam, spielte die Liebe als Voraussetzung einer Ehe eine nachrangige Rolle, während für die unteren sozialen Schichten eine Ehe‐ schließung weiterhin existenziellen Charakter besaß. Letztlich ergab sich aus der im Diskurs formulierten steigenden Bedeutung der Liebe als emotionaler Basis einer Ehe und den weiterhin auf Dauer ange‐ legten und aus ökonomischen, sozialen und/oder politisch‐dynastischen Kri‐ terien geschlossenen Ehen ein Missverhältnis, das in einer seit dem späten 18. Jahrhundert zunehmenden Ehekritik thematisiert wurde. Auch im Bereich des Eherechts und der Eherechtsprechung kam es um 1800 zu Veränderungen, die vor allem mit der Tendenz zur Kodifizierung und all‐ gemeinen Säkularisierung des Rechts zusammenhängen (Vogel 1997). Dies schlug sich beispielsweise in katholischen Territorien darin nieder, dass zivil‐ rechtliche Aspekte einer Ehe auch vor zivilen Gerichten verhandelt werden sollten, während das übrige Eherecht weiterhin Angelegenheit der Kirche und kirchlicher Gerichte bleiben sollte. In Brandenburg‐Preußen entstand mit dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR 1794) ein verbind‐ liches Gesetzbuch, das protestantisch geprägt war und sich vor allem durch ein liberaleres Scheidungsrecht auszeichnete, während das Ehegüterrecht Frauen eher benachteiligte. Zentrale Bedeutung kam zudem dem Allgemei‐ nen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (ABGB 1811/12) zu, das einerseits Ehefrauen im innerehelichen und häuslichen Bereich der Gewalt der Ehe‐ männer unterstellte, ihnen aber andererseits im Güterrecht freie Hand ließ und die volle Geschäfts‐ und Prozessfähigkeit zubilligte.
Venus und Vulcanus. Einleitende Überlegungen 21
Mit dem unter Napoleon entwickelten Code civil (1804) lag schließlich ein weltliches Eherecht vor, das auch in den von den Franzosen besetzten Territo‐ rien des Alten Reiches Bedeutung gewann. Besonders auffällig ist hier, dass das Scheidungsrecht gegenüber dem liberalen Verständnis der Französischen Revolution ebenso wie das Ehegüterrecht deutlich zuungunsten der Frauen verschärft wurde. Da die Zeit der französischen Herrschaft in Deutschland aber nur von begrenzter Dauer war, konnte auch der Code civil nur einge‐ schränkte Wirkung entfalten. Für die ehegerichtliche Praxis wird überwiegend davon ausgegangen, dass sich de facto wenig änderte. Allenfalls für den Bereich der Ehescheidung lie‐ gen Untersuchungen (Blasius 1987) mit dem Ergebnis vor, dass sich das in Preußen liberalisierte Scheidungsrecht in einer deutlichen Zunahme von Scheidungsverfahren niederschlug, die zugunsten der häufig klagenden Ehe‐ frauen entschieden wurden. Auch das mag dazu beigetragen haben, dass die Veränderungen im Hinblick auf die Auflösungsphase nicht als so gravierend wahrgenommen wurden, wie die Zäsuren um 1500, denn letztlich wandelte sich das Recht mit seiner Zeit und stellte keinen radikalen Bruch dar. Diese in aller Kürze skizzierten Tendenzen verweisen auf ein weiteres zentra‐ les Problem, wenn ein Bild von der frühneuzeitlichen Ehe entstehen soll. Ent‐ weder ist man auf Quellen angewiesen, die den Diskurs bzw. Konzepte wi‐ derspiegeln und eher auf ein Eheideal bzw. Ehenormen hindeuten, oder es kann auf Gerichtsakten der Ehegerichte zurückgegriffen werden, die selbst‐ verständlich ein stärkeres Licht auf die Konflikte und Probleme innerhalb von Ehen werfen und entsprechend der Parteistrategien ein einseitiges Bild einer ehelichen Beziehung zeichnen. Nur sehr selten hat die Forschung andere Quellengattungen herangezogen, beispielsweise Paarbilder oder Selbstzeug‐ nisse von Ehepaaren wie Briefwechsel oder Tagebücher, Memoiren etc., nicht zuletzt deswegen, weil sie erst für das Ende des 18. Jahrhunderts in größerem Umfang überliefert sind. Den größten Gewinn verspricht sich die Forschung weiterhin davon, das Ver‐ hältnis von Diskurs und sozialer Praxis in den Blick zu nehmen, um auf diese Weise eine ausgewogenere Perspektive zu erhalten. Auch die vorliegende Überblicksdarstellung fühlt sich dieser Prämisse verpflichtet. Ausgangspunkt bildet die Überlegung, dass in den Ehelehren und Ehevorstellungen das christliche Ideal einer friedlichen und freundschaftlichen Ehe zwar propagiert wurde, aber schon aus Perspektive der Zeitgenossen die Ehe aufgrund des Antagonismus von Mann und Frau als „grundsätzlich konflikthaftes Verhält‐ nis“ (Nolde 2003, 94) gesehen wurde. Die in den letzten Jahren zu beobach‐ tende stärkere Fokussierung der Forschung auf die innerehelichen Krisen und Auseinandersetzungen ist damit nicht nur ein Resultat der Quellenlage, die überwiegend aus Gerichtsakten besteht, sondern spiegelt auch die in der Frü‐ hen Neuzeit dominierende Auffassung einer ehelichen Beziehung wider, die in erster Linie aufgrund ökonomischer, sozialer oder politisch‐dynastischer Faktoren geschlossen wurde. Konflikte gelten dabei „als prägendes Struktur‐
22 Siegrid Westphal
element der ehelichen Beziehung“ (Nolde 2003, 97). Die jüngste Forschung hat in diesem Zusammenhang sogar betont, dass eheliche Konflikte als Teil des grundsätzlichen Kampfes der frühneuzeitlichen Gesellschaft um knappe Ressourcen zu sehen seien (Hardwick 2009). Der Schwerpunkt liegt damit auf einer ökonomischen Perspektive, während die emotionalen Aspekte einer Ehe ausgeblendet bleiben. Die besondere Sprengkraft ehelicher Konflikte in der Frühen Neuzeit resultierte aber gerade aus der Überlagerung sozioökonomi‐ scher und politisch‐dynastischer Aspekte mit einer aus christlich‐moralischen Vorstellungen gespeisten und individuell ausgerichteten Erwartungshaltung an eine gute Ehe, wobei sich in den unterschiedlichen Verlaufsphasen einer Ehe jeweils verlaufsspezifische Probleme einstellen konnten. So besitzen Aus‐ einandersetzungen in der Eheanbahnungsphase einen deutlich anderen Cha‐ rakter als Konflikte, die zur Scheidung oder Trennung der Ehe von Tisch und Bett führen konnten. Auch die Berücksichtigung der ständischen und religiö‐ sen bzw. konfessionellen Unterschiede ist in diesem Zusammenhang wichtig. Gerade die im gerichtlichen Konfliktaustrag zu beobachtende Kommunika‐ tion bietet hier Ansatzpunkte, die ganz bewusste Inszenierung bestimmter Konfliktlagen und ihrer Einbindung in soziale wie normative Kontexte für die Darstellung ehelicher Beziehungen fruchtbar zu machen. Der Anspruch des Bandes besteht zudem darin, die verlaufsspezifischen Kon‐ flikte einer ehelichen Beziehung anschaulich zu beschreiben, mit den norma‐ tiven Regelungen zu kontrastieren und vor dem Hintergrund der aktuellen Forschung einzuordnen. Dabei fließen auch eigene Forschungsergebnisse ein, die überwiegend aus der Beschäftigung mit den Quellen zur höchsten Ge‐ richtsbarkeit im Alten Reich (Reichshofrat und Reichskammergericht) wie auch der lokalen Niedergerichtsbarkeit resultieren, denn Ehesachen lassen sich auf allen Ebenen der Gerichtsbarkeit des Alten Reiches finden. Die beiden höchsten Gerichte des Alten Reichs, das 1495 gegründete, reichs‐ ständisch geprägte Reichskammergericht in Speyer bzw. ab 1690 in Wetzlar sowie der im Verlauf des 16. Jahrhunderts aus dem kaiserlichen Hofrat her‐ vorgegangene kaiserlich geprägte Reichshofrat (Prag/Wien) besaßen zwar of‐ fiziell keine Zuständigkeit bei eherechtlichen Verfahren. Dennoch verweist die Sekundärliteratur zur höchsten Gerichtsbarkeit an vielen Stellen darauf, dass Ehesachen immer wieder an den höchsten Gerichten verhandelt wurden. Da‐ bei handelt es sich in der Regel um zivilrechtliche Aspekte, insbesondere öko‐ nomische Fragen, aber immer wieder wurde auch versucht, auf dem Weg der Appellation Entscheidungen der territorialen bzw. kirchlichen Ehegerichts‐ barkeit in Frage zu stellen und aufheben zu lassen. Die Betrachtung dieser Fälle ist aus zwei Gründen besonders interessant. Zum einen wurden die höchsten Gerichte im Kontext der Erforschung ehelicher Beziehungen bisher nur am Rande wahrgenommen. Zum anderen scheint gerade die Auseinan‐ dersetzung mit den dort anhängigen Fällen besonders aussagekräftig, weil es sich um Fragen grundsätzlicher und übergeordneter Natur handelte, für wel‐ che die betroffenen Parteien bereit waren, hohen emotionalen, zeitlichen und
Venus und Vulcanus. Einleitende Überlegungen 23
finanziellen Aufwand zu betreiben. Solche Art von Konflikten konzentriert sich auf die Aufbau‐ und Auflösungsphase einer Ehe, während Konflikte in der Bestandsphase fast ausschließlich vor den regionalen ehegerichtlichen In‐ stitutionen verhandelt wurden. In diesem Kontext werden auch jüdische Eheverhältnisse betrachtet, denn Auseinandersetzungen um ökonomische Fragen im Zusammenhang mit der jüdischen Ehe finden sich auch vor den höchsten Reichsgerichten. Ein Einge‐ hen auf innerjüdische Konfliktlösungsmechanismen in Bezug auf die Ehe kann die vorliegende Studie jedoch nicht leisten. Im Gegensatz zur Höchstgerichtsbarkeit hat die Niedergerichtsbarkeit im Al‐ ten Reich bisher keine ähnlich umfassende systematische Erforschung erfah‐ ren, nicht zuletzt deshalb, weil sie nur in Myriaden über lange Zeit gewachse‐ ner Jurisdiktionen, sich überlagernden Kompetenzen und Zuständigkeiten greifbar wird, die kaum zu entwirren sind. Gleichwohl ist ihr in zahlreichen Forschungen, die sich mit Herrschaft und Herrschaftsvermittlung durch loka‐ le Eliten auseinandersetzen, eine zentrale Rolle im Prozess des Aushandelns von Herrschaft zugesprochen worden. Auch die Forschungen zu Konfessiona‐ lisierung und Sozialdisziplinierung haben hier die weltlichen und kirchlichen Niedergerichte als Kernelemente allgemeiner Vergewisserung über die Stan‐ dards der sozialen Ordnung hervorgehoben, wobei der Regulierung ehelicher Konflikte eine wichtige Scharnierfunktion zwischen sozialer und politischer Ordnung zukam. Diese Form der Gerichtsbarkeit befasste sich vor allem mit Konflikten, die sich im Laufe der latent krisenhaften Bestandsphase einstellten – zentrales Ziel war dabei immer die Schlichtung von Konflikten und die Restabilisierung von ehelichen Beziehungen, um die Zahl der in „ungeordne‐ ten Verhältnissen“ Lebenden und damit von Armut bedrohten Gemeindemit‐ glieder möglichst gering zu halten. Dementsprechend werden bei der Schilde‐ rung konkreter Fälle dieser Phase vor allem Akten aus dem Fürstbistum Os‐ nabrück herangezogen, das aufgrund seiner reichsrechtlich verankerten Bikonfessionalität die Verhältnisse des Alten Reiches gewissermaßen im Klei‐ nen widerspiegelt. Der Band ist in drei Großkapitel untergliedert, die sich – orientiert an dem von Lenz konzeptualiserten Verlauf einer Paarbeziehung – zunächst mit der Anbahnung von ehelichen Beziehungen, dann mit der Bestands‐ und Krisen‐ phase sowie der Auflösungsphase auseinandersetzen. Jedes Kapitel greift da‐ bei die Überlegungen von Lenz hinsichtlich der Besonderheiten dieser spezifi‐ schen Phase auf und reflektiert sie vor dem Hintergrund der frühneuzeitli‐ chen Entwicklungen. Dann gilt es, die normativen Grundlagen für die jewei‐ lige Phase auf der Basis der aktuellen Forschung vorzustellen. Anhand kon‐ kreter Fälle aus der Gerichtspraxis soll schließlich ein anschaulicher Einblick in die Krisen von ehelichen Beziehungen in der Frühen Neuzeit geboten wer‐ den.
▀Anette Baumann▀Eheanbahnung und Partnerwahl Schon in der Frühen Neuzeit wurde die Partnerwahl öffentlich in Traktaten, Büchern und auch Flugblättern thematisiert. Ein illustriertes Flugblatt aus der Mitte des 17. Jahrhunderts mit dem bezeichnenden Namen „Newer Korb voll Venuskinder“ (Abb. 1) verweist beispielhaft auf dabei verhandelte Aspekte: Das Bild zeigt einen sehr großen Korb, der mit Vertretern beiderlei Geschlechts gefüllt ist. Jeweils ein Mann und eine Frau, die am Rande des Korbs stehen und deren Gesicht verdeckt ist, greifen in den Korb. Der unter dem Bildnis stehende Text informiert darüber, dass die Prozedur der Frau und dem Mann dazu dient, einen Partner aus dem Korb auszusuchen. Hinter dem Korb, frontal dem Betrachter zugewandt, steht ein Mann, dessen Kopf ebenfalls mit einem Tuch verhangen ist. Er breitet seine Arme aus und lädt die Umstehenden, links die Frauen, rechts die Männer, ein, an dem Glücksspiel teilzunehmen und sich aus dem Korb einen Ehepartner zu erwählen (Bake 2001, 10, 112). Der unter dem Bild stehende Text klärt über das Geschehen auf. So thematisiere die dargestellte Szene die bei Männern und Frauen verbreitete Klage, dass die üblichen Möglichkeiten der Partnersuche kein eheliches Glück garantieren könnten. Deshalb werde das mit jeder Ehe verbundene Risiko zum Prinzip gemacht: Die Suche nach einem geeigneten Partner sei fortan in Form eines Glücksspiels zu organisieren. Da bestimmte Kriterien wie Vermögen, Einkommen, soziales Prestige und Schönheit keine Konstanten seien und kein eheliches Glück versprächen, solle das Abwägen von Vor- und Nachteilen der Partnerschaft entfallen und die rationale Einschätzung dem unkalkulierten Glücksspiel weichen (Bake 2001, 10). Das Flugblatt persifliert damit jene Wünsche und Glückserwartungen, die an die gängige Überzeugung gebunden sind, einen idealen Partner finden zu können. Demgegenüber wird in dem Flugblatt ein deutliches Statement abgegeben: Die Menschen sollen dem Glück oder ihren Emotionen nicht vertrauen, sondern sich bei der Partnerwahl allein auf die ökonomischen Perspektiven konzentrieren. 1. Forschung▀Das Flugblatt setzt sich im Sinne von Karl Lenz mit der Problematik der Partnerwahl und Eheanbahnung auseinander. Lenz legt dabei besonderes Augenmerk auf den Aufbau einer Beziehung. Er erkennt darin einen dynamischen Prozess, der sich zeitlich in verschiedene Phasen strukturieren lässt (Lenz 2003, 72). Dabei kommt der Erstbegegnung eine zentrale Aufgabe zu. In ihr muss aus der Perspektive des Mannes festgestellt werden, ob die Frau jene Eigenschaften besitzt, die ein weiteres Engagement lohnen. Ist vorab die Bereitschaft einer Frau zu einer näheren Kontaktaufnahme ermittelt, gilt es in einem weiteren Schritt die Aufmerksamkeit der ausgewählten Frau auf sich zu lenken und ein verbindendes Thema zu finden. Dadurch kann der Begegnung jene gewisse Dauerhaftigkeit verliehen werden, die die Frau zur Fortsetzung der Begegnung veranlasst. Diese muss schließlich in geeigneter Form vorbereitet werden (Lenz 2003, 72 f.).
26 Anette Baumann
Abb. 1: Unbekannter Autor, Newer Korb voll Venuskinder, Einblattdruck um 1650.
Austauschprozesse spielen in der Erstbegegnung eine besondere Rolle, die meist über Gestik und Mimik in Form einer Frau-Mann-Interaktion ablaufen. Entscheidend ist dabei für Lenz, dass der Aufbau einer Beziehung nicht unbedingt durch das Kennenlernen von zwei einander völlig fremden Personen beginnt. Vielmehr unterscheidet er verschiedene Formen, die auf einer den Bekanntheitsgrad angebenden Skala voneinander abgegrenzt sind: 1) Zweierbeziehungen können aus Bekanntschaft oder Freundschaft entstehen. Dazu wird jedoch eine Transformation aus dem Bekanntschafts- oder Freundschaftsmodus notwendig. Für die Frühe Neuzeit ist hier an die kirchliche Festkultur wie Kirchweihen, aber auch Hochzeiten in der Verwandtschaft oder von Freunden, Prozessionen etc. zu denken. Auch Bekanntschaften aus Kindertagen, etwa in Form einer gemeinsamen Erziehung an einem Adelshof, sind denkbar. 2) Freilich ist auch eine Kontaktaufnahme mit einer fremden Person möglich, jedoch ohne, dass eine der beiden Seiten das Kennenlernen aktiv herbeiführt. Die Kontaktaufnahme beruht in diesem Fall nicht auf Eigeninitiative einer der beiden Personen, sondern wird durch äußere Umstände bewirkt. Dies ist bei gemeinsamen Unternehmungen einer Gruppe mit gleichen Interessen oder einfach durch Zufall gegeben. Hier wäre in Bezug auf die Frühe Neuzeit an bäuerliche Spinnstuben, gemeinsame Ernteeinsätze oder Ähnliches aus dem bäuerlichen Umfeld zu denken. 3) Eine weitere Möglichkeit besteht in der Vermittlung Dritter. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine Heirat durch die Eltern arrangiert wird. Dies war in der Frühen Neuzeit vor allem beim Adel – und hier weit bis in das 19. Jahrhundert – und auch im gehobenen Bürgertum die Regel. Entscheidend waren das Ansehen der Familie und des gesamten Hauses sowie – vor allem
Eheanbahnung und Partnerwahl 27
im Hochadel – auch machtpolitische, dynastische und hauptsächlich ökonomische Aspekte. 4) Die institutionalisierte Kontaktaufnahme ist heute in Form von Partnervermittlungsinstitutionen geläufig. In der Frühen Neuzeit gab es hierzu professionelle Heiratsvermittler, besonders im jüdischen Lebensbereich. 5) Die letzte von Lenz benannte Möglichkeit der Partnerwahl bezieht sich auf die Publikation von Heiratsanzeigen in der Zeitung. Diese Art der Kontaktaufnahme ist jedoch für die Frühe Neuzeit weitgehend irrelevant (Lenz 2003, 79 ff.). Darüber hinaus weist Lenz daraufhin, dass über die Erstbegegnung hinweg eine Aufbauphase entsteht, die als ein zeitlich strukturierter Prozess zu begreifen ist und sich beim Fortschreiten auf mehreren Beziehungsebenen abspielt (Lenz 2003, 76). Hier ist vor allem zu bedenken, dass eine bestimmte Anzahl von Kontaktmöglichkeiten nötig ist. Übertragen auf die Frühe Neuzeit bedeutet dies, dass neben den räumlichen Kontakten besonders die Beziehungen innerhalb eines Standes zu betrachten sind. In dem Maße, wie die Beziehung nach der ersten Kontaktaufnahme fortschreitet, sind Partner bereit, intimere Aspekte ihrer Persönlichkeit zu enthüllen. Dadurch sammeln beide Seiten mehr und mehr Informationen über die jeweils andere Person. Gleichzeitig schafft diese Selbstenthüllung auch Vertrauen, was weitere Intimitäten erleichtert. Dabei kommt es zur Ausbildung von stabilen Handlungsmustern, Routinen oder Kombinationen von Verhaltensweisen, die die Alltagsaktivitäten des zukünftigen Paares bestimmen (Lenz 2003, 78). Diese Aufbauphase kann zudem durch Ereignisse beeinflusst werden, die den Beziehungsaufbau voranbringen oder verunsichern. Lenz nennt sie „Wendepunkte“ (Lenz 2003, 78) einer Beziehung. Diese müssen jedoch nicht immer dramatisch verlaufen, bestehen sie doch häufig nur aus geringfügigen Transformationen (Lenz 2003, 78). In der Frühen Neuzeit schufen gerade die Wendepunkte Konflikte, wie zum Beispiel nicht gehaltene Eheversprechen, mangelnde Einbeziehung der Eltern in den Kommunikationsprozess und vor allem auch nicht ausreichende ökonomische Möglichkeiten. Nach der Aufbauphase folgt eine dritte Phase, eine Zeit der Auswahl und Einschätzung des mit Aufmerksamkeit bedachten Partners. Lenz nennt diese Phase „soziale Durchdringung“ (Lenz 2003, 78 f.). Man traf sich mit den jeweiligen Familien und lernte somit den zukünftigen Partner, sein Umfeld und sein ökonomisches Potential besser kennen. In dieser Phase werden die einzelnen Rollen ausgehandelt und beispielsweise in Eheverträgen festgeschrieben. Auch hier kann es zu Wendepunkten kommen. Lenz berücksichtigt in seinem Modell auch die allgemeinen kulturellen Grundlagen und sozialen Rahmenbedingungen der Eheanbahnung. Er bezieht sich dabei auf die romantische Liebe sowie auf kulturelle Normen, die vorschreiben, wer für wen ein geeigneter Partner bzw. eine geeignete Partnerin ist. Als Beispiel führt Lenz die Vorstellungen über Altersunterschiede an.
28 Anette Baumann
So war in der Frühen Neuzeit die Konstellation, in der eine alte Frau einen jungen Mann heiratet, durchaus verbreitet. Erst im bürgerlichen Eheleitbild des 19. Jahrhunderts entstand die Norm, dass ältere Männer jüngere Frauen heirateten. Zusätzlich geht Lenz auf soziale Rahmenbedingungen sowie die „Chancenungleichheit auf dem Beziehungsmarkt“ (Lenz 2003, 85) – bedingt auch durch unterschiedliches kulturelles und ökonomisches Kapital – und das Körperkapital ein. So waren in der Frühen Neuzeit bekanntlich der Stand und das damit verbundene Vermögen zentrale Kriterien bei der Partnerwahl. Mit dem Blick auf das Kapital nahm vor allem in unteren Bevölkerungsschichten die individuelle Unversehrtheit einen wichtigen Stellenwert ein. Die vollständige Schaffenskraft war ein bedeutender Faktor bei der alltäglichen Mühsal auf dem Feld und im Stall. Körperkapital konnte dabei unter bestimmten Umständen ökonomisches Kapital ersetzen. Aber auch im Hochadel fungierte Unversehrtheit als wichtiges Kriterium bei der Partnerwahl. Insgesamt können Lenz‘ Überlegungen auch für die Eheanbahnungsprozesse in der Frühen Neuzeit fruchtbar gemacht werden. So liefert das auf Kommunikation und verschiedene Phasen angelegte Modell für frühneuzeitliche Entscheidungsprozesse bezüglich der Ehe überzeugende Deutungsmuster. Ehe war in dieser Zeit keine Privatangelegenheit zwischen zwei Liebenden, sondern eine Familiensache, die im starken Maße auch politische, sozioökonomische und gesellschaftliche Aspekte beinhaltete – eben jene Rahmenbedingungen, die das Modell von Lenz integriert. Richtet sich der Blick über Lenz‘ soziologischen Zugriff hinaus auf die Forschung zur Partnerwahl in der Frühen Neuzeit im Allgemeinen, so zeigt sich, dass im Kontext der Eheanbahnung der Stellenwert von Emotionen und Sexualität das zentrale Thema der Geschichtswissenschaft ist. Die Forschung schwankt zwischen der Betonung ökonomischer Faktoren bei der Partnerwahl und Eheschließung sowie der Bedeutung der Emotion Liebe. Konsens besteht lediglich darüber, dass das Ideal der Liebesehe in der sozialen Praxis und den Diskursen erst im 18. Jahrhundert eine starke Aufwertung erfuhr. So gibt es Historiker, die in ihren Untersuchungen dem Faktor Liebe bei der Eheanbahnung ein starkes Gewicht beimessen. Demzufolge wenden sie sich entschieden dagegen, die Handlungen von Männern und Frauen völlig fremdbestimmt emotionslos und von den Eltern abhängig darzustellen, wie dies Shorter (Shorter 1977) und Huggel (Huggel 1979, 494 ff.) propagiert haben. So vertreten beispielsweise Heinrich Richard Schmidt (Schmidt 1995, 209) und Stefan Breit (Breit 1991, 227, 302) die Meinung, die Liebe habe im Leben der Menschen stets eine Rolle gespielt. Um dies aus den Quellen herauszufiltern, entwickelten sie unterschiedliche Methoden und Ansätze. So sieht Stefan Breit in den Prozessen wegen gebrochener Eheversprechen ein Indiz für die Existenz von Emotionen. Seiner Meinung nach prallen in diesen Fällen persönliche Neigungen auf ökonomische Interessen, was dann zu Konflikten führt (Breit 1991, 104). Ein Teil dieser Forscher versucht Emotionen auch anhand von Quellenbegriffen wie Liebe und Lust nachzuweisen. Dabei werden
Eheanbahnung und Partnerwahl 29
die Begriffe registriert und ausgezählt, wie zum Beispiel in dem Werk „Üppiges unzüchtiges Lebewesen“ (Hofer 1993). Der Autor analysiert darin die Schaffhauser Ehegerichtsprotokolle, indem er untersucht, wie oft die Formel „Lust und Liebe“ verwendet wird. Ihr häufiges Vorkommen genügt ihm als Beweis für die Historizität von Liebe und Leidenschaft, ohne jedoch die quantitativen Daten zu kontextualisieren. Hans Medick und David Sabean (Medick/Sabean 1978, 11–24) verfolgen dagegen einen anderen wissenschaftlichen Ansatz. Sie betonen, dass in der historischen Rückschau das subjektive emotionale Erleben anderer Menschen der unmittelbaren Beobachtung stets unzugänglich bleiben wird und die Frage nach der Existenz und Beschaffenheit von Gefühlen aus diesem Grund gar nicht gestellt werden kann. Sie sind der Meinung, dass Gefühle keinesfalls als anthropologische Konstanten zu verstehen sind, sondern in hohem Grade sozial und kulturell konstruiert und damit Teil einer historisch wandelbaren und erst zu entschlüsselnden emotionalen Grammatik seien. Ähnlich äußert sich auch John Gillis. Er fordert, von variablen Bedeutungsgehalten und Formen der Liebe in verschiedenen kulturellen Kontexten und Zeiten auszugehen. Deshalb verzichtet er auf den Begriff Liebe und damit der Verabsolutierung des dahinter stehenden romantischen Konzepts. Zwar sei schon in frühneuzeitlichen Quellen von Liebe und Begierde die Rede, aber es sei keinesfalls sicher, dass ihr konkreter Bedeutungsgehalt mit unseren heutigen Vorstellungen übereinstimme. Vielmehr müsse der Bedeutungsgehalt vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Sozialstruktur untersucht werden (Gillis 1988, 88 ff.). Marion Lischka stimmt mit Gillis Überlegungen überein und folgert gleichzeitig daraus, dass ein unreflektierter Umgang mit Begriffen wie Liebe und Lust sehr problematisch ist. So geraten „in der Debatte um den Grad an Individualität, Emotionalität und – damit gleichgesetzt – an Modernität frühneuzeitliche Paarbeziehungen immer wieder einzelne Elemente […] in den Blick und werden argumentativ zur Untermauerung der eigenen Position eingesetzt. Quellen werden dabei nicht selten selektiv auf Begriffe und Verhaltensweisen abgetastet, die sich mit modernen Intimbeziehungen assoziieren lassen. Daraus wird dann auf die Existenz oder das Fehlen romantischer Liebe geschlossen. Damit nicht vereinbare Phänomene und Umgangsformen entgehen hingegen der Aufmerksamkeit der Forscher.“ (Lischka 2006, 15) Die Einwände von Lischka erscheinen schlüssig, weil in der Frühen Neuzeit – im Gegensatz zu heute – Liebesverhältnisse in weit weniger hohem Maße über Verbalisierung mitgeteilt wurden. Hierzu gibt es seit den 1990er Jahren Untersuchungen, die auf eine aus heutiger Perspektive fremde, nonverbale Kommunikation zwischen Mann und Frau hinweisen. So kann Martine Segalen am Beispiel des ländlichen Frankreichs eine völlig andere Form der Körpersprache in der Frühen Neuzeit belegen. Jugendliche Franzosen der Vormodere küssten und umarmten sich selten. Allerdings bewarfen sie sich mit Kieselsteinen, rempelten sich, gaben einander heftige Stöße auf das Knie oder die Schultern.
30 Anette Baumann
Beliebt war auch das Quetschen der Finger. Auch Segalen kritisiert das Vorgehen scharf, Liebe nur ausschließlich an bestimmte, uns heute vertraute Ausdrucksweisen zu koppeln und davon ausgehend das Vorhandensein oder Fehlen von Liebe in der Frühen Neuzeit zu konstatieren (Segalen 1990, 164). Susanna Burghartz stellt deshalb treffend fest, dass der Analyse von Ritualen, Bräuchen und symbolischen Handlungen eine zentrale Bedeutung zukommt, da nur so das Innenleben von Gesellschaften aufgeschlüsselt werden kann. Das gilt ganz besonders bei frühneuzeitlicher Eheanbahnung und Brautwerbung (Burghartz 1995, 179). Die Konsequenz aus diesen Kontroversen ist, dass es viele Darstellungen zur Ehe in der Frühen Neuzeit vermeiden, überhaupt von Gefühlen zu sprechen. Sie sehen die Ehe nur als ökonomischen Zweckverband an, der unter Versorgungsaspekten geschlossen wurde. Liebe im Sinne von Emotionalität und Sinnlichkeit spielt eher eine untergeordnete Rolle, die oft in die Sphären außerehelicher Beziehungen des Adels oder gehobener bürgerlicher Schichten verwiesen wird (Günther 2005, 105). Aufgrund dieser Überlegungen herrscht in der aktuellen deutschen Forschung Konsens darüber, dass zunächst der frühneuzeitliche Liebesbegriff bestimmt werden muss. Damit verbunden ist – unter methodischem Rückgriff auf das soziologische Konzept Niklas Luhmanns – die Diskussion um die Operationalisierbarkeit des Begriffes Liebe für die historische Untersuchung von Paarbeziehungen. So definiert Luhmann Intimbeziehungen als eine Art autonomes Subsystem der modernen Gesellschaft, das gleichberechtigt neben anderen Subsystemen wie dem der Wirtschaft, der Religion und auch der Politik steht. Allerdings wird es nicht von diesen bestimmt. Die spezifische Funktion und Leistung von Intimbeziehungen besteht darin, allen Menschen in einer komplexen, funktional ausdifferenzierten Gesellschaft einen Ort anzubieten, an dem jeder seine Individualität und Intimität pflegen und auch fördern kann. Die Liebe ist für Luhmann ein spezifisches Medium, um Intimbeziehungen zu etablieren und zu pflegen. Liebe ist dabei kein Gefühl, sondern fungiert als ein Kommunikationscode, nach dessen Regeln man Gefühle ausdrücken, bilden, aber auch simulieren und leugnen kann. Luhmann sieht die Liebessemantik und mit ihr das Kommunikationsmedium Liebe als Ergebnis eines Ausdifferenzierungsprozesses, der sich im Laufe der Frühen Neuzeit allmählich vollzog. Er unterscheidet dabei die Faktoren Liebe, Ehe und Sexualität (Luhmann 2007). Im Fokus der historischen Forschung steht nun weniger die Verifizierung oder Entkräftung der Thesen Luhmanns. Seine Idee wird eher aufgrund ihrer methodischen Schärfe genutzt, um bei der Untersuchung von Partnerwahl und Eheanbahnung über die Frage nach Existenz, Abwesenheit oder Art und Weise von Gefühlen hinaus die kommunikativen Regeln in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Methodisch richtungsweisend hat Marion Lischka diesen Ansatz in ihrer Studie „Liebe als Ritual“ (Lischka 2006) anhand der Akten des Konsistoriums der
Eheanbahnung und Partnerwahl 31
Grafschaft Lippe umgesetzt. Die Historikerin zeigt zuerst einen Handlungsrahmen der Beteiligten auf und lotet dann das Kräftefeld aus, das zwischen den Anforderungen, Einflüssen und Zwängen besteht (Lischka 2006, 18). Lischka nimmt zunächst die normative Ordnung in den Blick. Sie geht von der calvinistischen Obrigkeit aus, die mit Gesetzen versuchte, Verlöbnisse und vorehelichen Geschlechtsverkehr zu regulieren. Außerdem versucht sie, Heiratsregeln herauszufiltern, die in der spezifischen sozioökonomischen Organisation der ländlichen Gesellschaft der Grafschaft Lippe entstanden. Es geht ihr vor allem um eine Grenzbestimmung, um feststellen zu können, in welchem Rahmen der Einzelne bei Ehe und Partnerwahl Entscheidungsfreiheit besaß und seine Individualität zur Geltung bringen konnte. Dabei sind vor allem die erbrechtlichen Bestimmungen von großer Bedeutung. In einem zweiten Teil schildert sie dann den Prozess der Eheanbahnung und der Brautwerbung. Sie untersucht die verbalen und nonverbalen Kommunikationselemente, die formalisierten Handlungen und Rituale der Eheanbahnung und analysiert sie nach Qualität, Wirkung und Leistung – allerdings ohne die spezifischen Wendepunkte in den Prozessen zu berücksichtigen. Bei all diesen Überlegungen bleibt jedoch entscheidend, dass in der Ständegesellschaft der Frühen Neuzeit sozioökonomische Aspekte immer eine große Rolle spielten. Hier sei nur darauf hinzuweisen, dass bei nicht ausreichendem ökonomischem Kapital eine Ehe überhaupt nicht vorgesehen war. Emotionalität war dabei ein wichtiger Faktor, den es genau zu definieren und für die jeweilige Zeit im Verhältnis zu materiellen Interessen auszuloten gilt (Jarzebowski 2008, 896–905). Auch hierzu erscheint das Modell von Karl Lenz besonders geeignet, da es die hohe Bedeutung des wirtschaftlichen und sozialen Überlebens herausstellt. Gleichzeitig ist es in seinem Modell möglich, die historisch spezifische Bedeutung von Liebe zu berücksichtigen. Dabei befördern sich Emotion und materielle Erfordernisse. Hierbei wird ein weiter Personenkreis einbezogen, so dass auch die familienübergreifende Dimension der Eheanbahnung in der Frühen Neuzeit in Augenschein genommen werden kann. 1.1 Quellen▀Die Forschung hat für die Untersuchung von Fragen der Partnerwahl und Eheanbahnung mit Eheverträgen, Hochzeitsordnungen (Kizik 2001), Chroniken und Prozessakten von Stadtgerichten Quellen aus ganz unterschiedlichen Bereichen genutzt. So werden Hochzeitsordnungen vor allem bei der Schilderung der Feierlichkeiten zur Ehe herangezogen. Hier ist jedoch immer zu beachten, dass es sich um Anordnungen handelte, die den Normierungsvorstellungen der Obrigkeit entsprachen, und nicht die soziale Praxis widerspiegeln. Bei den Eheverträgen der ländlichen Bevölkerung wird vor allem auf sogenannte „Eheberedungen“, zum Beispiel aus dem Amt Stadthagen im südlichen Niedersachsen (Sturm-Heumann 2004/2007) zurückgegriffen. Es handelt sich dabei um Eheverträge, die von den Untertanen nach dem Willen der Obrigkeit an öffentlicher Stelle hinterlegt werden mussten. Als weitere Quel-
32 Anette Baumann
len dienen Eheverträge aus grundherrschaftlichen Akten aus dem Erzherzogtum Österreich (Langer-Ostrawsky 2010, 35) sowie verschiedene Rechtsquellen, Traktate, Disputationen und Ähnliches (Buchholz 1997). In der folgenden Untersuchung soll dieses Quellenspektrum zusätzlich durch Akten eines der Höchsten Gerichte des Alten Reiches, dem Reichskammergericht, bereichert werden. Das von 1495 bis 1806 existente Reichskammergericht liefert einen für die Fragestellung insofern lohnenden Quellencorpus, als dass seine Zuständigkeit reichsweit angelegt und über die ganze Frühe Neuzeit vorhanden war. Außerdem konnten dort neben dem Adel auch Bürger und Untertanen sowie die jüdische Bevölkerung prozessieren. So bietet sich die Chance, mit Hilfe dieser Quellen nicht nur auf ein regionales oder ständisches Phänomen hinweisen, sondern einen Gesamtüberblick über das ganze Reich unternehmen zu können. Zwar bildete das Thema Eheanbahnung keinen Streitgegenstand am Reichskammergericht. Prozesse wurden aber wegen nicht eingehaltener Heiratsversprechen geführt; sie sind jedoch marginal. So gibt es im Bestand „Reichskammergericht: Prozeßakten“ des Instituts für Stadtgeschichte in Frankfurt am Main gerade einmal drei von ca. 1 650 Prozessen (Findbuch Frankfurt Nr. 161, 184, 1 629) mit dem Streitgegenstand des nicht eingehaltenen Heiratsversprechens. Allerdings kann man bei den zahlreichen und umfangreichen Beweismitteln zu den Prozessen zum Thema Eheanbahnung fündig werden. So gibt es zum Beispiel in großem Umfang Eheverträge. Sie spielten bei erbschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen eine erhebliche Rolle. Eheverträge konnten aber auch im Rahmen der nicht strittigen Gerichtsbarkeit dem Reichskammergericht zur Aufbewahrung vorgelegt werden. Diese Möglichkeit wurde besonders gerne von Frauen genutzt. So konnten sie auf eine tatsächliche Durchführung der ehelichen Absprachen vertrauen. Daneben finden sich in den Prozessakten sehr persönliche Dokumente wie Briefe und Tagebücher. Sie geben Einblicke in die Emotionen und Gefühle der Beteiligten. Auch Verhaltensweisen und Rituale werden durch diese Quellen rekonstruierbar. Dies ist beispielsweise bei der ausführlichen Auflistung, Dokumentation und Schilderung von Hochzeitsvorbereitungen der Fall. 2. Eheanbahnung und Ehewerbung▀ 2.1 Eheanbahnung: rechtliche Grundlagen▀Schon in der Antike wurde die Ehe als eine von Gott eingesetzte Institution und als Symbol oder Abbild der Verbindung Christi mit der Kirche interpretiert und deshalb auch als sacramentum bezeichnet. Im Mittelalter kam es dann allmählich zu einer immer klareren und kirchenrechtlich verbindlichen Definition des sakramentalen Charakters der Ehe. Daraus ergab sich die Forderung, dass eine Ehe unter Beachtung bestimmter kultischer und (kirchen)rechtlicher Vorschriften geschlossen werden musste. Im 13. Jahrhundert wurde auf dem Konzil von Lyon die Siebenzahl der Sakramente einschließlich der Ehe endgültig festgelegt. Seither bestimmte diese Auffassung die römisch-katholische Einstellung
Eheanbahnung und Partnerwahl 33
zu Fragen des Eherechts und begründete die kirchlichen Ansprüche auf die Kontrolle von Eheschließung und Eheleben. Das hatte auch Folgen für die Ehezeremonien: Die Mitwirkung der Priester am Rechtsvorgang der Ehe setzte sich allmählich durch. Allerdings verlief der Prozess der Spiritualisierung der Ehe und der Verkirchlichung des Heiratszeremoniells sehr langsam (Gestrich 2003, 368 f.). Gesetzliche Regelungen bei der Eheschließung betrafen das Alter der Eheleute, Vorstellungen zur Willenserklärung der Frau und die Eheschließung nach einer Witwenschaft. Zunächst gab es Sonderregelungen für Frauen bei der Bestimmung des Heiratsalters. Nach kanonischem Recht hing die Erlaubnis von der Geschlechtsreife ab, deren Eintritt bei Mann und Frau zu unterschiedlichen Zeiten angenommen wurde. Das kanonische Recht hatte hierfür die Regeln des römischen Rechts übernommen, was bedeutete, dass Mädchen mit zwölf Jahren und Jungen mit 14 Jahren heiraten durften. Allerdings waren im Kirchenrecht Ausnahmen zugelassen, zum Beispiel wenn die sexuelle Reife früher nachgewiesen wurde (Weimar 1986, Sp. 1 621). In der Realität zeichnete sich jedoch das Heilige Römische Reich in der Frühen Neuzeit durch ein relativ hohes Heiratsalter aus. So lag das durchschnittliche Heiratsalter in der kleinen bischöflichen Residenzstadt Trier im 18. Jahrhundert bei Männern zwischen 27 und 28 Jahren und bei Frauen zwischen 25 und 26 Jahren (Gestrich 2003, 428). Ein weiterer Punkt war die freie Willenserklärung der zukünftigen Eheleute. Ideen vom Wesen und Natur der Frau prägten hier ganz besonders die juristischen Vorstellungen. Man wollte Regeln aufstellen, um die Freiwilligkeit des Eheentschlusses von Mann und Frau sicherzustellen. Die Juristen sahen es als problematisch an, wenn die Freiwilligkeit des Willensentschlusses beeinträchtigt schien, weil zum Beispiel Dritte auf einen der zukünftigen Ehepartner Druck ausgeübt hatten (Weigand 1986, Sp. 1 623). Gerade die Eltern begegneten der von der Kirche proklamierten Freiheit bei der Wahl des Ehegatten oft mit anhaltendem Widerstand. Blieb ein Konsens unerreichbar, diente Eltern die Entziehung der ökonomischen Basis durch Verweigerung der Mitgift oder Enterbung als letzter Ausweg. Dabei war der Widerstand gegen die freie Partnerwahl nicht nur Sache der Eltern, sondern darüber hinaus auch der näheren Verwandten, die die ‚erweiterte‘ Familie bildeten und alle potentielle Erben des Familienbesitzes waren. Bei den Katholiken lag die sozialhistorische Bedeutung des sakramentalen Eheverständnisses zum einen in der allmählichen Herauslösung der Ehe aus der Machtpolitik von Familien oder den ökonomischen Interessen des Grundherrn. Dies führte aber auch zu einer Steigerung des Selbstbestimmungsrechts der Partner gegenüber der Kirche, denn das Sakrament der Ehe stifteten sich die Eheleute gegenseitig. Die Vereinigung von zwei Partnern in der Ehe blieb auch bei Martin Luther ein Zeichen der Beziehung Christi zur Kirche. Damit wurde auch bei den Protestanten die Ehe religiös überhöht, ohne jedoch die Ehe als Sakrament zu begreifen (Gestrich 2003, 371).
34 Anette Baumann
Die Reformation etablierte in den evangelischen Territorien die Zuständigkeit der weltlichen Gewalt in Ehesachen, ein Grundsatz, der in den nachreformatorischen Jahrhunderten nur teilweise verwirklicht wurde. Zum Aufgabenspektrum der christlichen Obrigkeit des 16. und 17. Jahrhunderts gehörte der Erlass umfassender territorialer Kirchenordnungen, die der Ordnung eines den göttlichen Geboten entsprechenden Gemeinwesens dienten. Hinzu kamen Konsistorialordnungen für die Ehegerichtsbarkeit oder besondere Ehegerichtsordnungen, welche die für die Ehegerichte maßgeblichen Rechtsmaterien wie Ehehindernisse, Konsensvoraussetzungen und Trennungsregelungen enthielten. Demgegenüber ließen die frühneuzeitlichen Land- und Stadtrechte das Eheschließungs- und Scheidungsrecht weitgehend unberührt, da dieses zu den kirchenrechtlichen Gegenständen gehörte (Buchholz 1988, 283). Die kirchenrechtliche Sonderstellung der Ehesachen wurde durch die Einrichtung eigenständiger Ehegerichte, der Konsistorien, belegt. Dies war gleich zu Beginn der Reformation der Fall. So ist das Wittenberger Konsistorium schon für die Zeit ab 1539/1542 eingerichtet (Buchholz 2007, Sp. 1 202 ff.). Umstritten war die Zuständigkeit des Reichskammergerichts bei Ehestreitigkeiten, die von katholischer Seite rundweg abgelehnt wurde. Erhebliche Schwierigkeiten bereitete die Frage, wie zwischen evangelischen Reichsständen zu verfahren sei – ein Problem, das mit der Zuweisung der Zuständigkeit an die Konsistorien ab 1570 geklärt wurde (Dieterich 1970, 269). 2.2 Eheanbahnung und Konfession▀Grundsätzlich galt nach dem Tridentinum, dass jedem Katholiken eine Ehe mit einem Gläubigen einer anderen Konfession verboten war. Auf protestantischer Seite reagierte man in ähnlicher Weise unter dem Hinweis auf die „Einheit im Glauben“. Deshalb lehnten auch protestantische Theologen konfessionsverschiedene Ehen ab. Das hatte Folgen für die Herausbildung von Heiratskreisen und Heiratsstrategien. Besonders gut lässt sich dies beim Adel verfolgen: So verbanden sich vorzugsweise die katholischen Häuser Habsburg und Wittelsbach untereinander, während lutherische Familien Dänemark, Schleswig-Holstein, Sachsen, Brandenburg, Braunschweig-Lüneburg, Hessen und Württemberg präferierten (Hufschmidt 2004, 338). Der Kreis der reformierten Familien war dagegen wesentlich kleiner. Er umfasste die Niederlande, Hessen-Kassel, Nassau, Anhalt, Brandenburg und bis 1685 auch die Kurpfalz. Allerdings kam es zu zahlreichen Ausnahmen, die jedoch sorgfältig begründet werden mussten. Meist wurde mit der Aussicht auf die Bekehrung des andersgläubigen Partners argumentiert, was letztlich ausschließlich auf die Frauen zielte. Eine weitere schwerwiegende Begründung war die Erhaltung des Friedens (Ruppel 2006, 206 f.). Prinzessinnen, also Mitglieder des Hochadels, konnten – jedenfalls theoretisch – eine konfessionsverschiedene Ehe ablehnen. Dies galt auch in umgekehrter Weise für den Prinzen. Viele Frauen vollzogen jedoch kurz vor oder unmittelbar nach der Eheschließung einen Konfessionswechsel, wobei dies immer zum katholischen Glauben geschah. Die Frauen wurden oft mas-
Eheanbahnung und Partnerwahl 35
siv beeinflusst, um einen Glaubenswechsel vorzunehmen (Hufschmidt 2004, 343). So bot Anton Fugger, einer der bedeutendsten Handelsmänner der Frühen Neuzeit, der evangelischen Gräfin Sybille von Eberstein 80 Mark in Gold, wenn sie vor der Heirat mit seinem Sohn vom evangelischen zum katholischen Glauben konvertiere. Die Braut schlug diesen Bestechungsversuch jedoch aus. Als sie 1557 heiratete, blieb Sybille weiterhin evangelisch. 1561 konvertierte Sybille schließlich doch, nachdem der Jesuit Petrus Canisius sich um sie bemüht hatte. Ihre Konversion erregte im protestantischen Augsburg sehr großes Aufsehen (Schad 1989, 61). Bis jetzt sind in der Forschung keine Fälle bekannt, in denen Männer die Konfession wechselten. Die Ursache hierfür ist einfach zu klären: Der Glaubenswechsel zur katholischen Konfession stand immer direkt oder indirekt mit den Beziehungen zum katholischen Kaiserhaus in Verbindung. Auf evangelischer Seite gab es keine vergleichbare Machtkonstellation. Bei einer Heirat zwischen Anhängern der beiden evangelischen Glaubensrichtungen kam es vor, dass nicht auf eine Konversion der zukünftigen Ehefrau gedrungen wurde. Das war vor allem bei der Waldecker Fürstenfamilie der Fall. Die lutherischen Fürsten vermählten sich bereitwillig mit Frauen aus reformierten Häusern, um sich mit diesem konfessionellen Machtblock zu verbinden. So heirateten die Brüder Christian (1585–1637) und Wolrad IV. (1588– 1640) von Waldeck Frauen aus dem reformierten Haus Nassau-Siegen (Hufschmidt 2004, 347; Freist 2005, 245). Bei gemischtkonfessionellen Ehen war insbesondere die Klärung der Frage bedeutsam, welche religiöse Unterweisung die Kinder haben sollten. Das traf vor allem auf die Bürgerlichen zu. Hier war der reichsrechtliche Grundsatz entscheidend, dass der Vater die Religionszugehörigkeit der Kinder bestimmte. Es existierte aber auch die Aufteilung der Konfession nach Geschlecht (Hufschmidt 2004, 349). Mischehen waren bei Bürgern und Bauern nichts Ungewöhnliches. Ein Konfessionswechsel des Ehepartners wurde also nicht unbedingt erwartet. Entscheidend waren die konfessionellen Verhältnisse in den Territorien. War es bikonfessionell, so gab es auch Mischehen. Allerdings waren hierfür bestimmte gesetzliche Regelungen vorgesehen. Wichtig war dabei immer die Erziehung der Kinder, die je nach Territorium unterschiedlich geregelt wurde. So gab es in Hessen-Kassel Mischehen, wobei die Töchter nach der Konfession der Mutter und die Söhne nach der Konfession des Vaters erzogen werden sollten (Freist 2005, 250). 2.3 Form und Konvention beim Adel: Familienstrategien und Verhandlungspolitik▀Eheanbahnungen in der Frühen Neuzeit dienten nicht nur sozioökonomischen Aspekten, sondern sie sollten auch die Interessen und Politik der Familien berücksichtigen. Besonders offensichtlich wird dies beim Adel und dem vornehmen Patriziat einer Reichsstadt. Grundsätzlich war die adelige Ehe immer in die Allianz- und Bündnispolitik der Familie
36 Anette Baumann
eingebunden. Hierbei spielten Freundschaft und Verwandtschaft eine zentrale Rolle. Es ging um die soziale Formierung von Dynastie, aber auch um deren politische Stabilisierung. Die Braut besaß im Hohen Adel eine wichtige politische Rolle, da sie die Beziehungsnetze ihrer Herkunftsfamilie in die Landespolitik und auch in die Heiratspolitik einbrachte (Wunder 2003, 23). Es galt dynastische Strategien zu verwirklichen und für Nachkommen zu sorgen, die entsprechend zu sozialisieren waren. Es mussten dynastische Loyalitäten geschaffen werden und die möglichst gezielte, konfliktfreie Besitzweitergabe gewährleistet sein. Daneben galt es, die Herrschaftsansprüche zu stabilisieren und zu optimieren (Weber 1998, 135). Dazu wurden in den einzelnen Adelsfamilien auch Hausverträge geschlossen. In ihnen wurde die Herrschafts- und Besitzverteilung innerhalb der verschiedenen Familienzweige geregelt. Sie dienten auch zur Befriedung der Familien. Idealtypisch lässt sich die Suche nach einer Partnerin in Adelskreisen folgendermaßen beschreiben: Nachdem man die vermeintlich geeignete Braut gefunden hatte, wurden zur Brautwerbung Mediatoren aus der Verwandtschaft oder dem Freundeskreis hinzugezogen. In dieser „Erstbeziehung über Mittler“ (Lenz 2003, 78 ff.) wandte sich der interessierte junge Mann in der Regel in einem nächsten Schritt an die Eltern seiner vielleicht zukünftigen Braut. Dabei waren eine ganze Menge von Faktoren zu berücksichtigen: So mussten Rang und Status der etwaigen Ehefrau und ihrer Familie abgewogen werden. Vor allem die soziale Herkunft und die Ehre waren wichtig und mussten genau analysiert werden, um den Erfolg zu garantieren. Hinzu kam vielleicht noch eine unterschiedliche konfessionelle Zugehörigkeit. Sie erforderte ein besonderes Maß diplomatischen Verhandelns und sorgfältigen Abwägens. Die Gefahr von Wendepunkten war hier ganz besonders hoch. Zudem musste der Rang der in die Ehe eintretenden Einzelperson innerhalb der Familie beachtet werden, um zu klären, ob die Auserwählte überhaupt zur Heirat vorgesehen war (Mutschler 2004, 59 ff.). Gerade bei kleineren Grafen- und Fürstenhäusern und noch extremer bei den Reichsrittern reichte das Vermögen oft nur dazu aus, den ältesten Sohn zu vermählen. Für die anderen Söhne mangelte es an finanziellen Möglichkeiten, um ihnen ein standesgemäßes Eheleben zu garantieren. Sie schlugen deshalb je nach Konfession eine militärische oder kirchliche Laufbahn ein. Ähnlich erging es den Töchtern. Häufig gelang es nicht, alle Töchter mit einer standesgemäßen Mitgift zu versehen. Deshalb blieb ein Teil der Töchter ledig, ging in ein weltliches Stift oder, bei katholischen Familien, auch in ein Kloster. Eine Alternative, die sich im Laufe des 17. Jahrhunderts entwickelte, war die Arbeit in Hofdiensten – beispielsweise als Gouvernante bei einem benachbarten Adelshof. Ab dem Anfang des 17. Jahrhunderts sind ledige Frauen bekannt, die als Gouvernanten am Hofe arbeiteten. Meist entstammten diese Frauen dem adeligen Klientelsystem und waren deshalb in ihrem Charakter und ihren Manieren dem Hofe bestens bekannt. Diese Erzieherinnenstellen am Hofe waren vor allem beim verarmten
Eheanbahnung und Partnerwahl 37
Niederadel besonders begehrt. Oft gelang es den jungen Frauen sogar, sich damit ihre Mitgift zu verdienen (Baumann 2005, 107–118). Nachdem der erste wohlbedachte Schritt zur Eheanbahnung stattgefunden hatte, begann die Phase der Beratungen. Die eigentlichen Heiratsverhandlungen gestalteten sich im Adel sehr unterschiedlich. Sie beinhalteten aber immer folgende Elemente: Die eventuellen Brautleute kommunizierten miteinander, während Freunde und Verwandte über die Details der Verbindung verhandelten. Gleichzeitig fand in beiden betroffenen Familien oder Häusern ein Meinungsbildungsprozess statt, der sich dann in Verhandlungen zwischen den Oberhäuptern der Familien niederschlug. In dieser Aufbauphase der Beziehung (Lenz 2003, 76) sollte auf jeden Fall Einstimmigkeit bei allen Beteiligten erzielt werden (Mutschler 2004, 224). Bei den manchmal umfangreichen Beratungen spielten vor allem ökonomische Aspekte eine bedeutende Rolle. Schließlich war die Ehe ein Privileg, das die Unabhängigkeit des Bräutigams voraussetzte. Dabei hatten die Familien nicht nur das Einzelinteresse des künftigen Bräutigams und der Braut im Blick. Vielmehr musste die Ehre des ganzen Hauses gewahrt und in die Überlegungen mit einbezogen werden. Deshalb entwickelten sich innerhalb der Adelsfamilien des Alten Reiches regelrechte Ehe- und Familienstrategien. Sie waren vor allem bei den Grafenhäusern und Reichsrittern ausgeprägt. Es wurden langfristige Verbindungskanäle etabliert, die zum einen die Kommunikation gewährleisteten, zum anderen über die eheliche Vernetzung eine Freundschaftsgarantie aufbauten, die die eingerichtete Balance unter den Dynastien verfestigte. Die Konkurrenz der Dynastien wurde gleichzeitig durch diese Heiratsverbindungen unterlaufen, so dass sich das Gleichgewicht der Kräfte und des Austauschs im Netz der interdependenten Dynastien wahren ließ (Ruppel 2006, 206 f.). Die Beispiele zeigen, dass in der Phase der Eheanbahnung Wendepunkte eine besondere Rolle spielten und immer mit zu berücksichtigen waren. Ein Blick auf die katholischen Reichsritter im Süden des Reiches soll dies etwas näher veranschaulichen: Die zwei politischen Stützen der Reichsritter waren auf der weltlichen Seite der Kaiser und auf der geistlichen die katholische Kirche. Die süddeutschen Reichsritter waren beiden Seiten verpflichtet und dienten ihnen. Ihr höchstes Karriereziel stellten die Domherrensitze in den Domkapiteln in Bamberg, Würzburg, Konstanz, Mainz, Speyer, Worms und Trier dar. Der Eintritt in diese exklusiven Zirkel war mit zahlreichen Hürden verknüpft: zwei bis drei Generationen in männlicher und weiblicher Linie mussten schon zuvor stiftsmäßig gewesen sein (Schraut 2000, 16 f.). Daraus folgte, dass die Reichsritter ihre Verwandtschaftsbeziehungen sorgfältig planen mussten, um diesen Status zu bewahren. Deshalb versuchten sie diesen auch, wenn nur irgend möglich, überzeitlich abzusichern. Gleichzeitig musste ein Großteil der Männer angesichts der Ämterkarrieren in der katholischen Kirche unverheiratet bleiben, weshalb den Töchtern aus diesen Familien eine ganz besondere Bedeutung zukam. So war es zum Beispiel ein Ziel,
38 Anette Baumann
eine Nichte mit der Familie eines designierten Nachfolgers zu verbinden (Schraut 2000, 18). Man konnte aber auch die Einheirat einer Schwester in die Familie des Vorgängers veranlassen, so dass dadurch die eigenen Chancen bei der Wahl in das Domkapitel stiegen. Gerade die Familie Schönborn war hier besonders erfolgreich. Die Familie stammte ursprünglich aus dem Ort Schönborn bei Limburg an der Lahn. Seit dem späten Mittelalter gehörte sie mit verschiedenen Linien zur rheinischen Reichsritterschaft. Im Laufe des 17. Jahrhunderts verlegte die Familie ihren Schwerpunkt nach Franken. 1642 wurde Johann Philipp von Schönborn Bischof von Würzburg und fünf Jahre später Erzbischof von Mainz. Diese Ämter hatten eine Standeserhöhung zur Folge. 1663 erhielt die Familie den Freiherrenstand, zu Anfang des 18. Jahrhunderts erhob der Kaiser das Geschlecht in den Grafenstand. Die Schönborns waren sowohl auf der weltlichen Bank des Reichsfürstenrates des Reichstages vertreten, als auch mit zwei Stimmen im fränkischen Reichsgrafenkollegium. In dieser Familie waren die Töchter ganz besonders wichtig, was sich auch darin zeigt, dass man ihnen eine sehr sorgfältige Erziehung zukommen ließ. Sie wurden vor allem bei den Ursulinnen in Kitzingen und Metz ausgebildet (Schraut 2000, 19 f.). Wie nicht anders zu erwarten, spielte hier besonders die religiöse Erziehung eine große Rolle und war sehr umfangreich. Sie diente allein dem Ziel, dass die jungen Frauen lernten, sich den Interessen der Gesamtfamilie unterzuordnen. Folgende statistische Daten mögen den Erfolg der Schönbornfamilie bei dieser Strategie illustrieren: Von 27 weiblichen Nachkommen der schönbornschen Familie zwischen 1650 und 1800, die das Erwachsenenalter erreichten, wurden zwanzig Frauen verheiratet. Nur zwei Frauen gingen ins Kloster und bei fünf Frauen gab es spezifische Besonderheiten und Konstellationen, die einer Heirat im Wege standen. Die Bischöfe der Familie traten vor allem als Heiratsvermittler auf (Schraut 2000, 21 f.). Die von ihnen geplanten Heiraten dienten dabei nicht selten den Rekatholisierungsbemühungen in den Territorien. So konnte zum Beispiel mit der Einheiratung einer Schönborntochter in die Familie der von Hohenlohe ein doppeltes Ziel verfolgt werden. Zum einen erreichte man die Rekatholisierung eines Zweiges des Hauses Hohenlohe und zum zweiten gelang die Einheiratung des reichsritterschaftlichen Geschlechts von Schönborn in eine Familie des Hochadels. Damit hatten die Schönborns einen wichtigen Schritt zum sozialen Aufstieg getan. In der nächsten Generation konnte die Familie an diese Strategie anknüpfen und in den einflussreichen österreichischen Hofadel einheiraten und somit die Verbindungen zum Kaiserhaus intensivieren. Auch Heiraten nach Norddeutschland wurden nun durchgeführt (Schraut 2000, 24 f.). Einen ähnlichen Druck gegenüber den weiblichen Familienmitgliedern gab es auch in protestantischen Familien wie etwa dem erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts gefürsteten Haus Waldeck. Es handelt sich um die Beziehung zweier nicht dem gleichen Stande angehörender Partner: Prinzessin Sophie Elisabeth von Waldeck hatte sich in den Niederadeligen Friedrich August von Vogel-
Eheanbahnung und Partnerwahl 39
sang verliebt, der durch seine Stellung beim Präsidenten der Regierung von Waldeck Zugang zur Fürstenfamilie erhalten hatte. Der Prinzessin war bewusst, dass ihr Bruder, der regierende Fürst, strikt gegen die Heirat war. So versuchte sie erst gar nicht, mit ihrem Anliegen bei der Familie vorstellig zu werden. Vielmehr floh die im vierten Monat schwangere Sophie mit ihrem Geliebten Vogelsang heimlich aus dem Schloss. Zur Rechtfertigung ihrer Tat schrieb Sophie ihrem Bruder und ihrer Mutter einen Brief, der in einer Reichskammergerichtsakte überliefert ist. Er illustriert jene Emotionen, die der kalkulierten standesgemäßen Ehe im Wege standen: „Ich nehme den allerwißenden Gott zum Zeugen, dass meine Abraise nicht aus Trieb einer Liederlichkeit, sondern aus einer rechtmäßigen und wie ich versichert bin, Gott gefälligen Ursach herrühret, denn mein Gewissen gibt mir Zeugniß, dass ich alles mit Gott angefangen. Denn nachdem vor einem Jahre, gewisse Leuthe von meiner jedoch wie Gott weiß, unschuldigen Aufführung übel zu denken und sprechen angefangen, so habe täglich auf meinem Angesicht und Knien und mit heißen Thränen Gott inbrünstig angeflehet, dass wenn gegen mein Wissen meine Neigung und Aufführung nicht richtig seyn sollte, er mir nach seiner Gnade solches zu erkennen geben und mich lassen wolle, wie ich meinen Wandel anstellen solle; worauff ich dann meinen Trieb in mir verspühret von dem ich sonst nicht gewust, nemlich diesen Menschen zu heyraten und mich von hier zu entfernen.“ Schließlich beschloss die Prinzessin zu fliehen und bat deshalb die Familie um Vergebung und darum, ihr Anonymität zu gewähren und sie nicht zu verfolgen: „Wird man mir aber nachsetzen, so werde mich gegen meinen Willen gezwungen sehen, mich mit Angebung meines Nahmens und Umstände, in eines mächtigen Herren Schutz zu geben, sonst habe meinem Stande gantz abgesagt, und gehe nach dem Willen des Höchsten in die Armuth, nichts mitnehmend als das Vertrauen auf den treuen Gott, der mich darzu berufen.“ Außerdem erbat sie die Beendigung des Dienstverhältnisses ihres Mannes und verband dies mit der Bitte um Vergebung für ihn, da die Flucht allein auf ihre Initiative zurückgehe (Waldeck, Bestand 140, Nr. 91–94, Q 106). Der Brief versucht Sophies Entschluss, ihren Stand zu verlassen, mit einer Emotion zu begründen, die sie „Trieb“ nennt. Dabei glaubt sie, diese Emotion sei durch Gott geschickt und damit legitim. Gleichzeitig ist sie sich schmerzlich ihres unstandesgemäßen Verhaltens bewusst. Durch eine handfeste Erpressung versucht sie, die Familie an ihrer Verfolgung zu hindern. Sie droht, ihre Flucht öffentlich zu machen. Gleichzeitig besiegelt sie durch einen sexuellen Akt die Verbindung zu dem „geliebten“ Mann. Die Notwendigkeit der Flucht wird dabei zusätzlich gegenüber dem Bruder und der Mutter mit einer vermuteten Schwangerschaft begründet. Der Brief Sophies wird ergänzt durch den Abschiedsbrief Vogelsangs, den er seinem direkten Vorgesetzten hinterließ. In dem Brief wird die Prinzessin namentlich nicht erwähnt. Es ist nur von der „Person“ die Rede. Vogelsang beteuert, dass er fest entschlossen sei, alles Ungemach und „auch den Todt
40 Anette Baumann
selbsten umb Ihretwillen auszustehen, inwofern die erzürnte Gerechtigkeit Gottes solches über mich beschlossen hat.“ Dann versichert er, dass es keinen Zweifel gäbe, dass „gegen Ihr habende Liebe, aufrichtig redlich und ehrlich sey“ (Waldeck, Bestand 140, Nr. 91–94, Q 107). Vogelsang spricht direkt die finanziellen Folgen ihres Handelns an. Trotzdem ist er zu allem entschlossen. Vogelsangs Brief ist weit verhaltener und von Zukunftsängsten gezeichnet. Dies ist vermutlich auf den Adressatenwechsel zurückzuführen, da er sich mit seinem Schreiben nicht an die eigene Familie, sondern an einen Vorgesetzten wendet. So akzentuiert Vogelsang auch eher die Aufrichtigkeit seines Gefühls gegenüber der Prinzessin und verzichtet dabei auf affektiv-emotional aufgeladene Gefühlsbeschreibungen. Die Liebesaffäre erzeugte einen reichsweiten Skandal, der mit einer Entzweiung Sophies mit der Waldecker Fürstenfamilie endete. Sophie hatte eindeutig gegen Standesregeln verstoßen und damit der Reputation der Waldeckischen Familie schweren Schaden zugefügt. 2.4 Partnerwahl in Städten: Handwerker und Patriziat▀Bei der Partnerwahl in den Städten muss zwischen städtischen Eliten und einfachen Handwerkern unterschieden werden. Als Beispiel für das städtische Milieu sollen die Residenzstadt Hannover und die Reichsstadt Frankfurt am Main dienen. Ein Blick auf die Handwerker Hannovers zeigt, dass die Hälfte der Partner aus dem gleichen sozialen Umfeld wie die Braut stammte. Die Zahl der prinzipiell als Handwerkerehefrauen in Frage kommenden Mädchen war dadurch begrenzt, dass die Zünfte durchgängig bei den Frauen ebenso wie bei den Handwerkern selbst den Nachweis „ehrlicher“ Geburt, also ehelicher Geburt, und eines untadeligen Lebenswandels verlangten. Es ist eine Vielzahl von Fällen überliefert, in denen die städtischen Zünfte, auch gegen geltendes Recht, versuchten, mit Hilfe dieser Nachweise ihre Vorstellungen durchzusetzen. Durch die Beurteilung des Lebenswandels und die Überprüfung der ehelichen Geburt hatte die Zunft praktisch ein Vetorecht gegen die Wahl der Ehefrau. Auch hier können also Wendepunkte im Sinne der Thesen von Karl Lenz festgestellt werden. Die Legitimation dafür bezog die Zunft daraus, dass die Ehefrau in die Zunft aufgenommen wurde und die Zunft ihr gegenüber bestimmte Verpflichtungen übernahm. Gerade bei Handwerkern fungierten die Töchter bzw. die Ehefrauen als Vermittlerinnen beruflicher, wirtschaftlicher und politischer Kontakte. Da der Kapitalbedarf eines Handwerkers beträchtlich war, suchte man auch bei der Heirat nach finanziell vorteilhaften Möglichkeiten. So gestaltete sich zum Beispiel die Aufnahme in die Zunft erheblich kostengünstiger, wenn der angehende Meister sich mit der Tochter oder der Witwe eines Zunftbruders vermählte (Schröder 1994, 154). Für einen mittellosen oder nur mit geringem Vermögen ausgestatteten Handwerksgesellen war dies die naheliegende und einfachste Lösung. Ein weiterer Vorteil bestand zudem darin, dass die Ehefrau informell im Betrieb mitarbeiten konnte. Das bedeutete eine kostenlose Kraft im Betrieb, was besonders bei schlech-
Eheanbahnung und Partnerwahl 41
ter Wirtschaftslage die Einstellung eines Gesellen überflüssig machte. Hier ist also die Frage nach dem Körperkapital entscheidend, das Karl Lenz bei den unteren Schichten als besonders wichtigen Faktor betont. Innerhalb der Handwerkerkreise wurde bei der Eheschließung streng auf das Vermögen geachtet. Hatte der zukünftige Ehemann nur den Beruf des Fassmachers, Glasers, Maurers oder Schnurmachers, so musste er auch mit eigenem Vermögen ausgestattet sein. Handwerker wie Bäcker, Metzger oder Schmiede hatten es auf diesem Gebiet leichter, denn sie konnten ihre Braut mit dem Versprechen auf zukünftige Verdienste gewinnen (Schröder 1994, 154 ff.). Es fehlt noch ein Blick auf die städtische Oberschicht. In Hannover wie in Frankfurt fand die Partnerwahl vorwiegend im gleichen sozialen Milieu statt. Dabei gelang es in Hannover nur wenigen Frauen der Oberschicht, durch Heirat ihren Status zu halten oder weiter aufzusteigen. Für sie war mit der Heirat oft eher ein sozialer Abstieg verbunden (Schröder 1994, 154 ff.). Aus der Reichsstadt Frankfurt sind genaue Informationen über das Heiratsverhalten des Patriziats vorhanden, das sich stark an ökonomischen Gegebenheiten orientierte. Ebenbürtigkeit war am einfachsten sichergestellt, wenn man den Partner oder die Partnerin aus der eigenen Patriziergesellschaft heiratete. Es lohnt sich, etwas detaillierter darauf einzugehen: Das Frankfurter Patriziat bestand aus wenigen relativ abgeschlossenen Familienverbänden, denen es gelungen war, im Laufe der Zeit die Ratsmacht zu übernehmen. Ihr Heiratsverhalten hatte sich ab dem 16. Jahrhundert weitgehend dem Adel angeglichen (Hansert 2002, 214). In Frankfurt organisierten sich die Familien in verschiedenen Trinkstubengesellschaften, von denen um 1500 nach Auflösung und Übernahmen zwei Verbände übrig blieben: die Gesellschaft Alten Limpurg und die Gesellschaft Frauenstein. In beide Gesellschaften wurden nicht nur Männer, sondern auch Frauen formell aufgenommen. Die Einheirat stellte dabei den einzigen Weg dar, um in diese beiden für die Ratsmacht maßgeblichen Verbände aufgenommen zu werden. Durch eine Heirat wurde die künftige Ratsmitgliedschaft festgelegt. Außerdem gehörte es zu den Aufgaben der Frankfurter Patrizier, Kriterien für die Ebenbürtigkeit der Heirat ihrer Mitglieder festzulegen. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war die soziale Herkunft unerheblich (Hansert 2002, 213). Die einzige Bedingung hinsichtlich der Abstammung war der Nachweis der ehelichen Geburt. Das galt für den einheiratenden Ehemann und seine Eltern. Im 16. Jahrhundert änderte sich das. Die Patriziergesellschaft beanspruchte immer mehr für sich, adelig zu sein. Die gemäß diesem Ziel an der Ebenbürtigkeit orientierte Form der Partnerwahl wurde vor allem bei der Gesellschaft Alten Limpurg angewandt, die die vornehmere und politisch gewichtigere der beiden Frankfurter Gesellschaften war. Die Frage der Ebenbürtigkeit war offen, wenn es sich bei der Partnerwahl um eine einheimische oder ortsfremde Person außerhalb dieses Kreises handelte. Entscheidend war allein die Zugehörigkeit zur Gesellschaft Alten Limpurg. Dabei gab es einen wichtigen Unterschied zwischen Männern und Frauen: Heiratete ein Patriziersohn eine fremde Frau, so wurde sie –
42 Anette Baumann
wenn Ebenbürtigkeit vorlag – nur für ihre Person und als Ehefrau in die Gesellschaft aufgenommen. Bei den Töchtern sah dies jedoch anders aus. Sie konnten bei der Heirat eines ebenbürtigen Mannes sogar ein neues Geschlecht in der Patriziergesellschaft begründen. Lag hingegen keine Ebenbürtigkeit vor, so wurde nicht nur dem fremden Heiratspartner die Aufnahme in die Patriziergesellschaft verwehrt, auch der Partner aus dem Patriziat konnte in diesem Fall seiner ererbten Stellung als Mitglied eines privilegierten Standes verlustig gehen. Auch hier gab es geschlechtsspezifische Unterschiede. Bei den Töchtern aus der Limpurger Gesellschaft, deren Ehemänner nicht in die Gesellschaft aufgenommen wurden, schieden die Töchter aus, konnten aber auch Mitglied bleiben. Es scheint hier keine einheitliche Regelung gegeben zu haben. Gegen Ende des 18. Jahrhundert hatte sich dies jedoch geändert. In den erneuerten Statuten von 1794 konnten bei Zustimmung von zwei Dritteln der Gesellschaftsmitglieder sogar Töchter von Limpurger Töchtern mit ihren Familien aufgenommen werden. Diese Bestimmung diente offenbar dem Ziel, den starken Rückgang der Mitgliederzahl im 18. Jahrhundert aufzuhalten (Hansert 2002, 212 f.). Am deutlichsten wird dies, wenn man die beiden Ordnungen der Gesellschaft Alten Limpurg von 1585 und 1636 studiert. In diesem Zeitraum wurde nämlich die Ahnenprobe eingeführt. In der Ordnung von 1585 mussten die Neuankömmlinge nur nachweisen, dass bereits ihre vier Großeltern über einen entsprechenden Status verfügt hatten. 1636 wurde diese Bestimmung verschärft, indem jetzt sogar die Urgroßeltern miteinbezogen wurden. Die Gesellschaft verteidigte diese Restriktionen nach außen hartnäckig. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Fall der Familie Fleischbein von Kleeberg. Acht Söhne der Familie hatten seit 1672 Alten Limpurger Töchter geheiratet. Trotzdem wurden sie nicht in die Gesellschaft aufgenommen. Selbst ein Prozess am Reichshofrat in Wien änderte daran nichts. Nur einem einzigen Mitglied der Familie gelang die Aufnahme (Hansert 2002, 214). Aber auch die Männer konnten ausgeschlossen werden, wenn die Gesellschaft ihre Ehefrau nicht als ebenbürtig akzeptierte. Dies war bei dem Stadtchronisten August Achilles von Lersner der Fall, der wegen seiner zweiten Ehefrau zeitweilig aus der Gesellschaft Alten Limpurg ausgeschlossen war. Auch der Sohn aus dieser Ehe hatte beträchtliche Schwierigkeiten, in die Gesellschaft Alten Limpurg aufgenommen zu werden (Hansert 2002, 213). 2.5 Eheanbahnung der Untertanen: Soldaten und Bauern▀Der Beginn persönlicher Beziehungen bei nichtadeligen Familien verlief nach ähnlichen Regeln wie beim Adel. Auch hier betraf das zukünftige Eheprojekt nicht nur die beiden Ehepartner, sondern die ganze Familie. Es mussten die Verwandtschaft, gesellschaftliche Interessen sowie materielle Anforderungen und Zwänge berücksichtigt werden. Daneben waren noch eine Reihe obrigkeitlicher Verordnungen und Regelungen zu beachten. Dies war besonders immer dann der Fall, wenn der wichtigste Faktor für die Ehe, die ökonomi-
Eheanbahnung und Partnerwahl 43
sche Unabhängigkeit, nicht gegeben war. Das war bei Bevölkerungsgruppen wie Studenten, Gesellen, Dienstboten und Soldaten nicht gewährleistet (Breit 1991, 55). Sie zählen deshalb zu den Bevölkerungsschichten im Alten Reich, deren Heiratsbegehren besonders repressiv behandelt wurden. Hier lag es im speziellen Interesse der Obrigkeit, als Heiratsvermittler aufzutreten. Sie prüfte, ob neben dem Körperkapital weiteres Vermögen zur Begründung einer Ehe vorhanden war. Die Aufbauphase einer ehelichen Beziehung wurde dabei durch obrigkeitliche Vermittler kontrolliert und entsprechend beeinflusst. Am Beispiel der Soldaten soll dies etwas konkreter veranschaulicht werden. Ursprünglich waren Soldaten im 16. Jahrhundert umherziehende Söldner, die in einem Tross zusammenlebten. Auch Frauen waren dort anzutreffen. Im Tross galten ganz besondere Bedingungen der Eheschließung, die aber in diesem Zusammenhang nicht weiter in den Blick genommen werden sollen. Entscheidend ist die Zeit ab der Mitte des 17. Jahrhunderts, als sich die umherziehenden Söldnertruppen in stehende Heere verwandelten. Hatte ein Soldat den Willen zu heiraten, so musste er sich zuerst die Zustimmung des Pfarrers in Form eines „Consensscheines“ besorgen. Unter der Vorlage dieses Schriftstückes hatte er dann seinen Regimentschef um Erlaubnis zu fragen. Meist begutachtete der Regimentschef vor der Erteilung seiner Genehmigung noch die Braut und ihre Familie (Pröve 1993, 82 ff.). Neben ihren moralischen und sittlichen Qualitäten wurden vor allem auch die materiellen Lebensverhältnisse kontrolliert. Die Frau sollte in der Ehe zum Lebensunterhalt beitragen können. Der Regimentschef funktionierte also als eine Art Heiratsvermittler, der die Grundvoraussetzungen für die Ehe prüfen sollte. Dabei ging er besonders rigide vor. Ein Grund für diese restriktive Handhabung lag in der Organisation der militärischen Versorgung, die bekanntlich auf Einquartierung beruhte. Jede neue Ehe, die in einem Regiment geschlossen wurde, erhöhte zwangsläufig die zu erbringende Einquartierungsleistung. Andererseits war den Offizieren auch bewusst, dass ein relativ freizügiger Umgang mit der Eheerlaubnis die Zahl der Deserteure senkte. Verbotene Eheschließungen wurden sehr hart bestraft: Für eine illegale Verlobung konnte der Soldat zu einem Jahr Festungshaft verurteilt werden, für eine illegale Heirat gar mit zwei Jahren Festungshaft. Die potentielle Braut dagegen wurde als Hure beschimpft und vom Regiment verjagt. Ehe und Verlöbnis, die heimlich erfolgt waren, wurden für null und nichtig erklärt. Ein Blick in die Statistik vervollständigt die Informationen zum Heiratsverhalten von Soldaten. Sie zeigt, dass die Rangunterschiede, die bei der Armee herrschten, sich auch bei der Heirat fortsetzten. So verwundert es nicht, dass ledige Unteroffiziere eher die Heiratserlaubnis als Gemeine erhielten. Grundsätzlich wird die Zahl der verheirateten Soldaten auf 30 bis 50 Prozent geschätzt (Pröve 1993, 93). Auch bei allerhöchsten Rängen des Offizierkorps wurden keine Ausnahmen gemacht. Selbst ein Soldat im Range eines Majors benötigte die Genehmigung seines Dienstherrn, wie etwa im Fall Herzog Friedrich Wilhelms von Mecklenburg, der wie folgt verfügte:
44 Anette Baumann
„Von Gottes Gnaden Friederich Wilhelm, Herzog zu Mecklenburg […] Ehrbar und mannhafter, Lieber Getreuer. Wir geben dir auff dein unterthänigstes anhalten, umb ertheilung unseres fürstlichen Consensus zu dener mit Catharina Lefevers vorhabenden Heirath, zur gnädigsten Antwordt: Daß wir in solche Heurath gnädigst consentiren, welches wir dir also in Gnaden anfügen wollen. Datum auff unser Residenz Schwerin den 21. Aprilis anno 1697 Friederich Wilhelm“ (Lübeck F 6, Q 14 b, Bl. 300). Heiraten war auch im bäuerlichen Bereich ein Unternehmen von erheblicher Tragweite. Neben den familiären Überlegungen waren obrigkeitliche Vorschriften zu beachten, so zum Beispiel bei den Katholiken das Heiratsverbot seitens der Kirche von Blutsverwandten bis zum vierten Grad der Seitenlinie (Breit 1991, 54). Das schränkte in einem kleinen Dorf, das wenig Austausch mit anderen Dörfern hatte, die Brautwahl beträchtlich ein. Zwar konnte man auch einen kirchlichen Dispens erreichen, aber das war sehr kompliziert und mühsam. Im bäuerlichen Milieu bedeutete eine Ehe zudem traditionell die Übernahme einer Hofstelle mitsamt einem landwirtschaftlich nutzbaren Grundbesitz. Die Bindung der Heiratserlaubnis an den Nachweis einer ausreichend großen landwirtschaftlichen Stelle drückte das Heiratsalter nach oben (Breit 1993, 67). Deshalb war das durchschnittliche Heiratsalter in Mittelund Westeuropa relativ hoch, jedenfalls höher als in Südosteuropa. So erklärt sich letztlich auch der enge Zusammenhang zwischen den Erbregeln einzelner Regionen und ihrem Heiratsverhalten (Lischka 2006, 81). In der Grafschaft Lippe etwa galt das Anerbenrecht. Das bedeutete, dass nur eine Person innerhalb der Familie erbte – meist handelte es sich um den ältesten Sohn, es konnte aber auch der jüngste sein – und dass nur diese Person die Möglichkeit zur Heirat besaß. Das hatte freilich weitreichende Folgen für die Partnerwahl: Ein Missgriff des zukünftigen Ehepartners bedeutete unter Umständen die Gefährdung des Hofes, der Altersversorgung der Eltern und der Heiratschancen der übrigen Geschwister. Entscheidend in Lippe war die ökonomische Ausstattung der Ehepartner. Die Bauern legten großen Wert auf Gleichwertigkeit (Lischka 2006, 86). Dabei spielte nicht nur das vorhandene materielle Vermögen eine Rolle, sondern auch die Arbeitskraft des zukünftigen Ehepartners. Deshalb wurde auf die Unversehrtheit der Person größten Wert gelegt. Krankheit oder ein Gebrechen erschwerte das Ehebündnis oder machte es gar unmöglich. Ein weiterer Punkt, der die höchste Aufmerksamkeit des zukünftigen Ehepaares erforderte, bildete die Abfindung der Geschwister, die oft gesetzlich festgelegt wurde, was vor allem im landesherrlichen Interesse war. Denn mit diesen Maßnahmen wollte der Grundherr verhindern, dass zu viele finanzielle Mittel der landesherrlichen Steuerkasse entzogen wurden. Zudem verfügten die Eltern der Ehewilligen ebenfalls über ein Mitspracherecht. Sie konnten den Anerben enterben, wenn er sich bei der Heiratswahl nicht gefügig zeigte (Sturm-Heumann 2004/2007, 21).
Eheanbahnung und Partnerwahl 45
Die Obrigkeit hatte bei der Partnerwahl immer ein wachsames Auge auf die Untertanen. Verlor ein Hofinhaber oder Anerbe bei der Partnerwahl die ökonomischen Aspekte aus dem Blick, musste er nicht nur mit dem Protest der Familie rechnen. Auch der Grundherr wandte sich an ihn und konnte unter Umständen die Heirat verweigern, aber auch Erb- und Besitzrechte entziehen. Gerade die Verweigerung der Zustimmung zur Ehe durch den Grundherrn war ein probates Mittel zur Disziplinierung der Untertanen (Sturm-Heumann 2004/2007, 13). Dies war nicht nur in Lippe der Fall, sondern kann auch in anderen Regionen des römisch-deutschen Reiches beobachtet werden. Ein Beispiel hierfür ist der Untertanenstreit zwischen der Gemeinde Weilmünster und dem Hause Nassau-Weilburg von 1563 bis 1588, den Georg Schmidt ausführlich geschildert hat (Schmidt 1984). Hauptgrund der Auseinandersetzung, die zu mehr als 25 Prozessen vor dem Reichskammergericht führte, waren erhöhte Abgaben, die der Graf von seinen Untertanen forderte. Interessant ist jedoch nicht der eigentliche Untertanenkonflikt, sondern dass Albrecht Graf von Weilburg im Rahmen des Rechtsstreits versuchte, sich die Untertanen auf die vielfältigste Art und Weise gefügig zu machen. Hierzu dienten ihm auch Ehe- oder Heiratsverbote. So hatte er verschiedene Einwohner Weilmünsters aus dem Dorf ausgewiesen oder in Haft genommen, weil diese angeblich in wilder Ehe gelebt hätten. Die Gemeinde argumentierte jedoch, dass dies aber nur deshalb der Fall gewesen sei, weil der Graf seinen Untertanen die Ehe verweigert habe. Aus der Begründung der Gemeinde wird klar: Sie akzeptierte die Ehe der Partner, auch wenn die Obrigkeit die Zustimmung verweigerte. In den Augen der Gemeinde handelte es sich keinesfalls um wilde Ehen, da sie im Konsens mit dem ganzen Dorf geschlossen worden waren (Findbuch Nassau, Nr. 2082). Teilweise benutzten die Grundherren auch Heiratsverbote gegen ihre Untertanen als Druckmittel in nachbarlichen und territorialen Auseinandersetzungen. So klagte Ludwig II. von Nassau-Weilburg-Ottweiler zu Anfang des 17. Jahrhunderts gegen Wilhelm Graf von Wied-Runkel. Wied-Runkel hatte seinen eigenen wiedischen Untertanen in einigen Dörfern verboten, sich ehelich mit den im gleichen Dorf lebenden nassauischen Untertanen zu verbinden. Auch mit Leibeigenen sollten sie keine Ehe eingehen (Findbuch Nassau, Nr. 1 205). Ein ähnlicher Streit fand zwischen Ludwig IV. von HessenMarburg und Johann Georg I. Graf von Solms-Laubach 1586 statt. Konkret ging es um die landgräflichen und solmsischen Untertanen im Dorf Freienseen. Der Landgraf verlangte die Aufhebung des Eheschließungsverbotes gegen seine leibeigenen Untertanen. Denn Johann Georg hatte dem örtlichen Pfarrer verboten, alle Paare des Dorfes zu trauen. Dabei hatte er übersehen, dass in Freienseen nicht nur seine eigenen Untertanen lebten (Findbuch Darmstadt, Nr. 209). Aus diesen Bemerkungen wird klar, dass es sich bei Eheanbahnungen auch in der ländlichen Bevölkerung um schwierige konfliktträchtige Unternehmen handelte, deren Ausgang oft fraglich war. Jederzeit konnten unerwartete Er-
46 Anette Baumann
eignisse eine neue Situation herbeiführen und vor allem auch völlig veränderte Interessenlagen schaffen. Zu solchen Wendepunkten in der Beziehung kam es insbesondere dann, wenn sich die Eheprojekte in die Länge zogen, weil zum Beispiel der Übergabezeitpunkt eines Hofes abgewartet oder Geschwister ausbezahlt werden mussten. Da die Ehepläne eng mit den Zukunftsperspektiven anderer Familienmitglieder verknüpft waren, schuf dies Unruhe und führte dazu, dass sich zum gleichen Zeitpunkt Eheklagen aus einer Familie häuften oder sich Familien zerstritten. Dabei kam es durchaus vor, dass Eheversprechen kein großer Wert beigemessen wurde. Um ein Eheversprechen zu widerrufen oder zu brechen, reichte es häufig schon aus, dass sich unerwartet die Aussicht auf eine bessere Partie ergab. Die finanzielle Ausstattung heiratsfähiger Jugendlicher war schließlich auch innerhalb eines recht kurzen Zeitraums ständigen Veränderungen unterworfen. Ein Bauernkind – ob Mädchen oder Junge –, das sich Hoffnung auf ein reichhaltiges, gut ausgestattetes Bauerngut machen konnte, stand vielleicht zehn Jahre später, wenn der Hof durch Misswirtschaft, Missernten oder Krieg hoch verschuldet war, mit einem weit geringeren Erbe da. Umgekehrt konnte ein Kind durch den plötzlichen Tod von Geschwistern oder einem Erbschaftsfall zu einer guten Partie werden. Für Männer war insbesondere auch der Fall interessant, wenn sich durch den unvorhergesehenen Tod eines Hofbesitzers und der dadurch auftretenden Vakanz die Chance auf die Eheschließung mit der Witwe eröffnete. Es ist unschwer zu erkennen, dass in bürgerlichen und auch bäuerlichen Kreisen der Eheanbahnungsprozess „ein risikoreiches und störanfälliges Unternehmen“ (Lischka 2006, 11) war. Es bestand ein enger Zusammenhang zwischen der Brautwerbung und den gesellschaftlichen wie ökonomischen Strukturen. Über eine potentielle Heirat zu reden, bedeutete auch über die Verteilung von Zukunftschancen, Lebensperspektiven und Ressourcen nicht nur des Ehepaars, sondern auch einer ganzen Reihe weiterer Personen innerhalb der Familie zu entscheiden (Lischka 2006, 376).
Eheanbahnung und Partnerwahl 47
2.6 Eheanbahnung bei Juden▀Ein letzter Blick bleibt den jüdischen Lebenswelten vorbehalten. Juden waren besonders auf ihre Familien angewiesen, da sie in einer latent feindlichen Umgebung lebten. Die Familie bot, was die Gesellschaft verweigerte: Schutz und Sicherheit. Ehepartner wurden von den Eltern nach pragmatischen Gesichtspunkten ausgewählt, entscheidend dabei waren soziales Prestige, das vor allem an religiöse Gelehrsamkeit gekoppelt war, wirtschaftliche Potenz sowie bestimmte verwandtschaftliche Verbindungen, die durch Eheschließungen gestärkt werden sollten (Rohden 2008, 332). Die Ehen wurden sehr früh geschlossen, um die Jugendlichen vor sexueller Verwirrung zu bewahren, denn vorehelicher Verkehr galt als unrein (Herzig 2001, 59 ff.). Mit dem Eintritt in die Pubertät war das Mädchen mannbar. Das durchschnittliche Heiratsalter lag bei Mädchen zwischen dem 12. und 18. und bei Jungen zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr (Berger 2003, 130). Eine frühe Ehe wurde auch deshalb bevorzugt, weil die Eheschließung noch zu Lebzeiten der Eltern erfolgen sollte. Denn zu den Aufgaben der Eltern, und hier vor allem der Brauteltern, gehörte die Absicherung der Existenzgrundlage für das junge Ehepaar (Klein 2004, 73). Die Ehe galt als religiöse Institution, wurde aber als wichtige soziale und wirtschaftliche Organisationseinheit betrachtet, deren Gelingen auf Friedfertigkeit, Rücksichtnahme und Respekt zwischen den Partnern beruhte (Rhoden 2010, 332 f.). Jungfräulichkeit wurde für die Eheschließung vorausgesetzt. Eine vergewaltigte Jungfrau hatte gegenüber dem Vergewaltiger Anspruch auf unauflösliche Ehe und ihr Vater auf eine Entschädigungsleistung. Meist wurden zur Schließung einer Ehe Ehevermittler, die sogenannten „Schadchen“, herangezogen, die allgemein ein sehr hohes Ansehen genossen (Klein 2004, 72). Die Kontaktaufnahme war also institutionalisiert (Lenz 2003, 79 ff.). Der professionelle Heiratsvermittler stellte einen Kontakt zwischen den Elternpaaren her, um festzustellen, ob Höhe der Mitgift und Abstammung zueinander passten. Die Ehen von einfachen Familien wurden innerhalb einer Gemeinde geschlossen. Bei sogenannten Hoffaktoren kam es dagegen zu überregionalen Heiraten. Ein weiteres Familienmodell, das vor allem für Metz in Lothringen festgestellt werden konnte, bestand darin, Gelehrte und Rabbiner als Ehepartner der Töchter und Enkelinnen zu bevorzugen. Angesichts des hohen Stellenwerts männlicher Gelehrsamkeit in der jüdischen Gesellschaft war dies Ausdruck der Frömmigkeit und des Prestiges. Darüber hinaus waren die Rabbiner als Heiratspartner von hoher Bedeutung, da sie als Richter und geschäftliche Vermittler fungierten (Ulbrich 1999, 243 f.; Berger 2003, 134 ff.). 2.7 Beziehungsanbahnungen außerhalb der Familie▀Unter den ausgeführten Bedingungen scheint es auf den ersten Blick wenig Spielraum für die Ausbildung von Formen der Beziehungsanbahnung gegeben zu haben, bei denen die Initiative bei den zukünftigen Ehepartnern lag. Ausschlaggebend waren in der Frühen Neuzeit die Möglichkeiten der unbeobachteten
48 Anette Baumann
Zusammenkunft. Dies scheint vor allem bei der ländlichen Gesellschaft der Fall gewesen zu sein, jedenfalls gelingt hier der Quellennachweis in Form kollektiver jugendlicher Werbesitten. Elemente eines jugendspezifischen Brauchtums lassen sich nicht nur im frühneuzeitlichen Reich, sondern in zahlreichen anderen Regionen Europas während der Frühen Neuzeit beobachten. Allerdings ist die Quellenlage hierüber schwierig. Es muss vor allem nach Treffpunkten für die Jugend beiderlei Geschlechts gesucht werden. Auf dem Lande gab es das Wirtshaus, das Frauen in Begleitung anderer Frauen besuchten. Dort trafen sie auf männliche Jugendliche, mit denen sie Kontakte knüpfen konnten (Lischka 2006, 119). Nach dem Aufenthalt gingen die jungen Leute in getrennt- oder gemischtgeschlechtlichen Gruppen nach Hause. Ein weiterer Treffpunkt zwischen jungen Frauen und Männern waren die Wohn- oder Spinnstuben (Münch 1996, 268). Daneben gab es oft auch ein geselliges Beisammensein bei älteren verwitweten Frauen. Ebenso boten dörfliche Feste wie Kirchweihen, Taufen sowie Hochzeiten Möglichkeiten, sich gegenseitig kennenzulernen. In den Quellen wird auch von nächtlichen Kammerbesuchen berichtet, wozu junge Frauen einluden. Es ist aber nicht ganz klar, was in den Kammern dann eigentlich geschah. Bei allen diesen informellen Treffen unterstanden die Jugendlichen einem strikten Code, der sich an Brauch und Herkommen orientierte. Dies bedeutete, dass sich diese Jugendkultur in dem übergeordneten Sozialgefüge bewegte (Lischka 2006, 135). 2.8 Kommunikationsmedien bei der Eheanbahnung▀Zuletzt bleibt noch zu klären, wie sich der zukünftige Bräutigam und die zukünftige Braut in der Phase der Eheanbahnung verhielten. Wie gestaltete sich die Aufbauphase (Lenz 2003, 78)? Welche zeitgenössischen Codes standen den Brautleuten zur Verfügung, um sich als vertrauenswürdig zu präsentieren, die Einwilligung zur Heirat zu erhalten und vielleicht den Partner zum vorehelichen Geschlechtsverkehr zu bewegen. Die Suche nach „Liebe“ ist – wie zu sehen – nicht geeignet, um diese Fragen zu klären. Vielmehr steht fest, dass die Vertrauensbildung auf Ritualen und bestimmten Interaktionsmustern basierte. Eine Ehezusage, die glaubwürdig war, wurde nicht nur mit Worten besiegelt, auch Gesten und Handlungen spielten eine Rolle. So ist in diesem Zusammenhang an Schwüre und Handschläge oder auch an heftig drängendes Werben zu denken, vor allem im ländlichen Bereich. Im Kontext der Brautwerbung wurde die Erwartung einer an den Kriterien Vermögen und Herkunft orientierten Gleichwertigkeit der zukünftigen Eheleute kontinuierlich bestätigt – selbst dann, wenn etwa ein Paar diesen Anforderungen nicht entsprach. Für Beziehungen, bei denen keine Gleichwertigkeit vorhanden war, bedeutete dies, dass sich Misstrauen und Ängste potenzieren konnten, welche im Vorfeld einer Ehezusage entstanden. Es bedurfte gerade in diesen Fällen eines enorm gesteigerten Aufwands an Handlungen und Ritualen, um den Ausfall sozialer und auch institutioneller Sicherungsmechanismen bei dem Aufbau von Vertrauen zu kompensieren. Hier nahmen insbesondere Schwüre
Eheanbahnung und Partnerwahl 49
eine enorme Bedeutung ein, um die auftretenden Schwierigkeiten situativer oder struktureller Natur zu bewältigen. Insgesamt, so kann es jedenfalls Marion Lischka für Lippe feststellen, verlief die Kommunikation über kritische Punkte, bestimmte Unwägbarkeiten und Unsicherheiten sehr formal (Lischka 2006, 209). Entscheidend war die Wahrhaftigkeit des anderen Partners. Bei der Brautwerbung hatten Männer und Frauen unterschiedliche Rollen, die festgeschrieben waren. Der Mann rang aggressiv und leidenschaftlich um das Jawort der Frau. Brautwerbung war Belagerung und Bedrängung und zielte auf die Eroberung der Frau. Die Frau dagegen sollte zögern und Widerstand leisten. War einmal Vertrauen hergestellt, so musste dieses immer aufs Neue verdient und erwiesen werden. Auch nach einem erfolgreichen Eheversprechen wurde dazu ein ritueller Aufwand betrieben. Die Ehezusage war also kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess, der sich ständig durch Rituale mit Gesten oder Worten neu bestätigte. Ein Ausbleiben solcher Wiederholungshandlungen konnte einen Fortbestand der Partnerschaft in Frage stellen und zu einem Wendepunkt in der Beziehung führen. Somit kann in Lippe nicht bestätigt werden, was Stefan Breit für Bayern beobachtet hatte. Er glaubt, dort eine „stetige Steigerung“ (Breit 1991, 96) der Vertrautheit feststellen zu können. Breit bedenkt jedoch nicht, dass in dieser Phase immer wieder Wendepunkte in der Beziehung eintreten konnten, die die Aufbauphase empfindlich stören, zurückwerfen oder die Beziehung scheitern lassen konnten. Frühneuzeitliche Eheanbahnung war besonders von repetitivem und rituellem Handeln geprägt. Dabei konnte Sexualität durchaus eine Rolle spielen. Die Aufnahme geschlechtlicher Beziehungen vor der Heirat, verbunden mit einem Eheversprechen, war zwar verboten, aber im Rahmen der dörflichen Ordnung wurde dieses Verhalten nicht unterdrückt und stigmatisiert (Münch 1996, 267). Spätestens bei Eintreten einer Schwangerschaft konnte die sexuelle Beziehung zudem legalisiert werden. In der Grafschaft Lippe diente der Beischlaf fraglos als eine Form des Rituals zur Vollziehung des wörtlichen Eheversprechens. Es war ein weiteres zusätzliches Band zwischen den beiden zukünftigen Ehepartnern. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Aufnahme sexueller Beziehungen vor allem für die Frau die endgültige Bindung an den Sexualpartner bedeutete, denn damit gefährdete die Frau in besonderem Maße ihre weibliche Ehre. Den bäuerlichen Frauen in der Grafschaft Lippe ging es nicht darum, jungfräulich in die Ehe zu gelangen. Vielmehr wollten sie für ihre sexuelle Verfügbarkeit eine Gegenleistung des Mannes in Form einer Garantieleistung für das Eheversprechen. Aber auch der Mann hatte seine Ehre zu verlieren. Es war entscheidend, Niederlagen im Wettstreit um Heiratsmöglichkeiten zu vermeiden. Bei der Sexualität war nicht das Gefühl ausschlaggebend, sondern der ‚gute Ruf‘ von Mann und Frau. Dabei kam es häufig zur ritualisierten Anwendung sexueller Gewalt: „Durch eine Art rituelle Vergewaltigung ließen sich die aufeinander bezogenen männlichen und weiblichen Verhaltensmuster noch deutlicher akzentuieren, während zugleich auf einer anderen – latenten – Ebene zwischen den Partnern über die Bedingungen und
50 Anette Baumann
(männlichen) Gegenleistungen für den Geschlechtsverkehr verhandelt wurde.“ (Lischka 2006, 300) Daraus wird erkennbar, dass auch die Aufnahme geschlechtlicher Beziehungen zu einem rituellen Handlungsablauf gehörte, der von der dörflichen Lebensgemeinschaft im Gegensatz zur Obrigkeit akzeptiert wurde, und nicht einen individuellen Ausdruck emotionaler und seelischer Nähe bildete. 3. Eheverträge▀ 3.1 Eheverträge und Verlöbnis▀1745 beschreibt der Maler und Kupferstecher William Hogarth (1697–1764) in einem Kupferstichzyklus die Vernunftehe zwischen dem Sohn einer verarmten Adelsfamilie und einer reichen Bürgerstochter aus Frankreich und ihre Auswirkungen. Der erste Stich beschäftigt sich mit der Ausfertigung des Ehevertrages (Abb. 2). Der Brautvater, ausgestattet mit einem Lorgnon, hat sich mit seiner Tochter im Stadtpalast ihres zukünftigen Schwiegervaters eingefunden. Er will ihm die Kaufsumme für den Ehevertag übergeben, um sich damit in die Welt des Adels einzukaufen. Der adelige Schwiegervater weist dabei stolz auf seinen umfangreichen Stammbaum. Die beiden Väter schließen mit Hilfe des Notars den Vertrag, während die Brautleute etwas abseits sitzen und sich den Rücken zukehren. Die Braut lauscht dem jungen Notargehilfen, während sie mit einem Stoffband spielt, der Bräutigam schaut indessen gelangweilt in den Spiegel. Hogarth hält hier einen entscheidenden Moment fest, der quasi die Phase der Eheanbahnung abschließt. Jetzt ging es darum, die Verbindung rechtlich in Form eines Ehevertrages zu manifestieren. 3.2 Allgemeines zum Ehevertrag▀Der Ehevertrag diente hauptsächlich dazu, den Konsens zwischen Braut und Bräutigam und den jeweiligen Familien rechtlich zu fixieren. Er stellt, wenn man auf die Soziologie der Zweierbeziehung von Lenz zurückgreift, auch gleichzeitig den Abschluss der Aufbauphase dar. Heiratsverträge machten sichtbar, was in einer konkreten Situation und unter dem jeweiligen Erwartungshorizont als regelungsbedürftig angesehen wurde. Das galt hinsichtlich des Verwaltens und Nutzens der Ressourcen während der Dauer der Ehe und den Ansprüchen über das hinterlassene Vermögen (Lanzinger 2010a, 20). Im Prinzip waren Eheverträge schriftlich festgesetzte Eheversprechen, die oft zuerst mündlich vereinbart worden waren. Sie beruhten auf geltendem Recht (Lanzinger 2010b, 20). In den Quellen werden für den Ehevertrag unterschiedliche Bezeichnungen gewählt. Sie konnten auch „Heiratsabsprachen“, „Eheberedungen“, „Heiratsbriefe“, „Ehefacten“ und „Heiratsverschreibungen“ genannt werden. Auch die Bezeichnung „Brautlaufbrief“ kommt vor (Mutschler 2004, 52).
Eheanbahnung und Partnerwahl 51
Abb. 2: William Hogarth, Die Heirat à la Mode – der Ehevertrag – 1. Tafel der sechsteiligen Folge. Kupferstich von Ernst Ludwig Riepenhausen nach einem Gemälde von William Hogarth, 1797.
Grundsätzlich gab es Eheverträge in allen ständischen Schichten. Sie waren alle mehr oder weniger ähnlich gestaltet. Zuerst wurden die Aussteller genannt. Dabei kamen der Bräutigam oder die Eltern des Bräutigams immer an erster Stelle. Erst danach folgten die Braut und ihre Eltern. Es kam auch vor, dass zuerst das Brautpaar und dann die Eltern genannt wurden. Im Anschluss führten die Vertragspartner die Ziele und Beweggründe der Eheberedung an. Beim Adel wurden dabei immer die Mehrung der verwandtschaftlichen Bande sowie die Fortpflanzung des Geschlechts angeführt. Bei Verträgen von bäuerlichen Untertanen oder Bürgern fehlten diese Formulierungen oder waren deutlich kürzer. Darauf folgte die Verlobungsformel, die den gegenseitigen Konsens der Brautleute bekräftigte. Sie ist der juristische Kern und die Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Abschluss eines Ehevertrages. An die Verlobungsformel fügte sich die Bezeugung des Vertrags durch Zeugen mit Unterschrift und Siegel der Eheleute sowie der Zeugen an. Damit hatten sich die Unterzeichneten verpflichtet, die vertraglich festgesetzten Bestimmungen zu vollziehen wie auch den rituellen Handlungsablauf der Eheschließung vollständig einzuhalten. Das Paar war verlobt.
52 Anette Baumann
Bis zur eigentlichen Hochzeit konnten dann noch Wochen oder gar Monate vergehen. Abweichungen beim Vertrag konnte es geben, wenn die zukünftigen Eheleute eine unterschiedliche Religionszugehörigkeit besaßen. Eheverträge dienten dazu, zu definieren, welche Leistungen von der Familie für Braut und Bräutigam in die Ehe eingebracht wurden. Dabei waren beide Seiten beteiligt. Es war ein Zusammenwirken von Gaben und Gegengaben wie Mitgift, Aussteuer, Morgengabe und Widerlage (Bastl 2000, 47). Dabei hatte der Bräutigam für die Morgengabe, und beim Adel auch für ein angemessenes Wittum zu sorgen. Das Wittum galt als Sicherheitsleistung, falls die Ehefrau verwitwete. Schließlich waren Erwerbsmöglichkeiten für Frauen sehr selten oder ausgeschlossen. Die Aussteuer war dagegen der Anspruch der Braut gegenüber ihrer eigenen Familie. Sie diente nicht einer dauernden Existenzsicherung, sondern war lediglich eine Erstausstattung des neu begründeten Haushalts. Während jedoch Vermögensmassen wie die sächsischrechtliche Gerade (Gottschalk 2003, 41) im unbeschränkten Eigentum der Ehefrau verblieben, gelangte eine darüber hinausgehende Aussteuer unter die Verfügungsgewalt des Ehemanns. Erst nach seinem Tod konnte die Ehefrau darüber verfügen. Alle diese Vereinbarungen sollten gewährleisten, dass die durch Mann und Frau neugegründete Familie ein ökonomisch möglichst stabiles Fundament hatte. Bei bäuerlichen Schichten verlangte der Grundherr die Heiratsverträge aus fiskalischen Gründen. Außerdem gewährte der Eintrag des Vertrages in die Amtsbücher eine Stabilisierung der Rechtssicherheit (Langer-Ostrawsky 2010, 35). Diese Eheverträge wurden meist von Amtsoder Gerichtsschreibern verfasst. 3.3 Mitgift, Widerlage und Erbrecht▀Die Mitgift, auch mit dem lateinischen Wort dos bezeichnet, gab es schon in der Antike. Auch heute ist sie zum Beispiel in afrikanischen und indischen Gesellschaften ein wichtiger Bestandteil für das Zustandekommen einer Ehe. Mit Widerlage wird der materielle Anteil des Bräutigams bezeichnet. Das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm definiert dieses Rechtsinstitut als „das zur Sicherung des Heiratsgutes der Frau hinterlegte Äquivalent“ (Grimm, Bd. 29, Sp. 1096). Die Quellen sprechen auch von donatio propter nuptias. Das Verhältnis von Mitgift und Widerlage gestaltete sich im Laufe der Geschichte unterschiedlich. In der Spätantike und im Frühmittelalter trat in Europa die einer Braut von ihrer Familie mitgegebene Mitgift allmählich in den Hintergrund. Teilweise wurde sie vorübergehend sogar gänzlich verdrängt. Der Gatte musste allein die Lasten von Heirat und Haushaltsgründung tragen. Erst im späten Mittelalter kam das in der griechisch-römischen Antike wurzelnde Dotalsystem zum Zuge. Parallel zur Einschränkung des weiblichen Erbrechts nahm es in den mediterranen Regionen zu Anfang des 12. Jahrhunderts Gestalt an. Von dort verbreitete es sich in den nachfolgenden Jahrhunderten über das restliche Europa. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts hatte sich ein auf Gegenseitigkeit der Heiratsga-
Eheanbahnung und Partnerwahl 53
ben beruhendes System im westlichen Europa durchgesetzt (Mutschler 2004, 53). Im Ehevertrag wurden auch das Erbrecht und die Erbfolge geregelt. Im Adel mussten dabei die Töchter ihren „Erbverzicht“ leisten. Sie verzichteten darin auf alle Beteiligungsansprüche am Territorialerbe zugunsten des väterlichen Mannesstammes (Stolleis 1985, 277). Im Hause Fugger trat diese Regelung zum ersten Mal Mitte des 16. Jahrhunderts in Kraft. Ab 1548 wollten die Fugger als Universalerben nur noch ihre Söhne sehen. Ähnlich verhielten sich auch andere geadelte Kaufmannsgeschlechter wie die Welser und die Paumgartner. Um erbrechtlichen Schwierigkeiten auszuweichen, bat Anton Fugger Kaiser Karl V. um ein Privileg, das dieser auch im Juni 1548 bestätigte (Schad 1989, 76 ff.). Darin wurde festgelegt, dass nur die männlichen Mitglieder der Familie das Ansehen und Vermögen des Geschlechts wahren, deshalb sei es von gemeinem Nutzen, wenn die Männer den Reichtum der Familie erhielten. Wenn man Töchter und Ehefrauen in gleicher Weise wie die Männer berücksichtigte, könnten die äußeren Güter des Geschlechts abnehmen und damit das Ansehen der Familie schädigen. Dies wäre auch der Fall, wenn die Töchter mit zu großen Heiratsgütern ausgestattet wären. Ähnliche Formulierungen gibt es auch in allen anderen Adelshäusern. Eng damit verbunden war die Regelung der Mitgift. Sie wurde beim Adel zusehends als Kompensation für den Ausschluss von der Erbfolge in den väterlichen Gütern betrachtet und meist in Geldleistungen abgegolten. Innerhalb des Ehevertrages erfolgte die Verzichtsleistung der Braut in unmittelbarem Anschluss an die Auflistung von Mitgift und Aussteuer (Mutschler 2004, 68). Die Verzichtserklärung wurde nur in dem Fall unwirksam, wenn sich das Geschlecht vor dem Aussterben im Mannesstamm befand, wenn also kein männlicher Erbe zur Verfügung stand, der in das Territorialerbe nachfolgen konnte. Mit diesen Bestimmungen wird auch der zweifache Charakter des Ehevertrages deutlich: Neben der Konsenserklärung fungierte der Ehevertrag in erster Linie als güterrechtliche Vereinbarung, da hierin die Heiratsgaben rechtlich festgelegt wurden. Die Mitgift oder das Heiratsgut wurden zwar zugunsten der Tochter aufgewandt. Der Bräutigam und dessen Familie traten jedoch als Empfänger der Geldleistung auf. Die Familie der Braut musste vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an das Heiratsgeld innerhalb eines Jahres bei der Mannesseite hinterlegen. Dort sollte es zusammen mit der Widerlage des Mannes auf die Einnahme von Pfandgütern versichert werden. Die Widerlage wurde im Vertrag immer nach der Nennung der Mitgift abgehandelt. Sie wurde nach der Eheschließung nie an eine Ehefrau ausbezahlt. Vielmehr kamen die aus der Pfandbestellung fließenden Einkünfte ausschließlich im Witwenfall an die hinterlassene Frau (Mutschler 2004, 66). Grundsätzlich war der Verbleib von Mitgift, Widerlage und Morgengabe nach dem Tod eines Ehegatten von dem Vorhandensein von Erben sowie dem familiären Status der Eheleute abhängig. Obwohl im Prinzip Ausgeglichenheit der Gaben von Frauen- und Männerseite gefordert wurde, trug vor allem im
54 Anette Baumann
Adel das Haus des Bräutigams zusätzliche Lasten. Der Bräutigam und seine Familie mussten im Zuge der Erbringung der Widerlage einen standesgemäßen Witwensitz aus dem Stammgut ausscheiden. Der Witwensitz genoss im Rahmen des Stammgutes einen eigenen rechtlichen und verfassungsmäßigen Status (siehe die Ausführungen von Siegrid Westphal in diesem Band). Heiratsgeld und Widerlage sollten auf gleichwertige Güter versichert werden. Die Erträge aus diesen Gütern sollten genau festgehalten werden und kamen der Familie zugute. Blieb die Ehe kinderlos, fiel der Betrag der Mitgift auf die Seite der Braut zurück. Ansonsten waren die Kinder Erben. Dabei orientierte sich die Höhe der Mitgift an dem sozialen Stand des Brautvaters und des zukünftigen Schwiegersohns. Zusätzlich erhielt die Braut eine Aussteuer durch die Eltern. Im Hochadel bestand sie vor allem aus Schmuck und Kleidung. Die Aussteuer blieb immer im Eigentum der Frau (Mutschler 2004, 184). 3.4 Eheverträge beim Adel und beim reichsstädtischen Bürgertum▀Ehebestimmungen wurden auch im Bürgertum besonders sorgfältig geregelt. So handelte die Frankfurter Gesetzgebung, die sogenannte Frankfurter Reformation von 1611, im dritten Teil „Von Eheberedungen, Heurathsbrieffen, Eheleuten, Einkindtschafften und was denen anhangt“ (Reformacion 1611). In zehn Titeln oder Kapiteln werden persönliches Eherecht und Ehegüterrecht ausführlich geregelt. Dabei legten die Frankfurter Stadtväter ganz besonderen Wert auf ein öffentlich geschlossenes Verlöbnis. Wichtig war die Einwilligung der Verwandtschaft, die nicht nur die Eltern, sondern auch Großeltern oder Vormünder selbst bei mündigen Ehepartnern noch mit einbezog. Diese weitreichenden elterlichen Zustimmungsregelungen gaben auch Müttern und Großmüttern Gelegenheit, Einfluss auf die Eheschließung ihrer Kinder auszuüben (Wunder 1995, 62 ff.). Um eine nach Frankfurter Ansicht gültige Ehe zu erlangen, war neben dem öffentlichen Verlöbnis, dem Aufgebot und der Trauung auch der „Vollzug der ehelichen Beiwohnung“ nötig. Eheverträge wurden meist durch die Väter ausgestellt, häufig war jedoch auch das ganze Haus involviert. So wurden Brüder und Vettern von Braut und Bräutigam herangezogen. Die Bräutigame konnten auch selbst die Urkunden ausstellen, wenn sie bereits mündig und mit ihrem Erbteil ausgestattet waren. Bei elternlosen Brautleuten mussten statt der Eltern Vormünder und Vormünderinnen den Konsens geben. Oft hob man die Einwilligung von Witwen besonders hervor. Im Ehevertrag wurden auch Personen aufgeführt, die weder dem Bräutigam noch der Braut unmittelbar zuzuordnen sind. Es handelt sich hier um Vermittler. Sie waren für den Adel ein wichtiges Statussymbol, denn in ihrem Auftreten spiegelte sich zugleich der Stellenwert wider, welcher der Verbindung im Rahmen der Adelsgesellschaft zugedacht war. Je höher das soziale Prestige dieser Person war, desto größere Bedeutung erhielten die Verbindungen der Eheleute in den Augen der beteiligten Akteure. Damit erhielt der Vertrag quasi eine amtliche Bedeutung.
Eheanbahnung und Partnerwahl 55
Eheverträge im städtischen Bereich gab es schon im Spätmittelalter. In Basel war es seit dem 14. Jahrhundert üblich, vor der Heirat einen Ehevertrag zu schließen. Darin wurden, wie in Frankfurt, nicht nur die von beiden Seiten einzubringenden Ehegaben festgelegt, sondern auch die Auflösung des ehelichen Vermögens nach dem Tod eines Ehegatten geregelt. Die Väter der Brautleute handelten dies aus. Die Einhaltung des Vertrages wurde dabei durch den Bräutigam gelobt, an die Stelle der Braut trat der Vater. In den Verträgen wurden explizite Regelungen der Rechte der Ehefrau und ihrer Herkunftsfamilie getroffen (Burghartz 1995, 160). Ferner legte eine Ehesteuer die Grundlage für die gemeinsame standesgemäße Haushalts- und Geschäftsführung fest. So erhielten Braut und Bräutigam zum Beispiel je 600 rheinische Gulden, wozu noch 200 Gulden des Bräutigamsvaters hinzukamen, die als zugebrachtes Gut zusammen mit der Ehesteuer verrechnet werden sollten. 100 Gulden galten davon als Morgengabe. Starb einer der Ehegatten, wurden die Güter folgendermaßen aufgeteilt: zwei Drittel erhielt die Männerseite und ein Drittel die Frauenseite. Dabei wurde auch noch das Vorhandensein von Kindern berücksichtigt (Burghartz 1995, 160). Daneben gab es jedoch je nach Stadt und Territorium noch andere Regelungen. Die Ehe diente in den Städten auch dazu, Geschäftsbeziehungen zu festigen und sich im Bürgertum untereinander zu vernetzen. Zweifelsohne nutzten Reichsstädte die Institution der Ehe auch für ihre eigenen Zwecke, so dass gerade nach der Reformation eine gezielte Ehepolitik betrieben wurde. Basel ist hierfür, wie zu sehen war, ein besonders gutes Beispiel. Dort wurde die obrigkeitliche Ehepolitik durch die Vorstellung dominiert, dass die kirchliche Reformation eine Reinigung der Gesellschaft bewirke (Burghartz 1999, 13). Die neue Anschauung von der Ordnung der Ehe diente in erster Linie zur Herstellung einer sexuellen Ordnung. Es ging der Obrigkeit nicht mehr nur darum, uneheliche Schwangerschaften zu kontrollieren. Vielmehr suchte man in Basel die moralische Reinheit. Es entstand 1533 eine Ehegerichtsordnung, die bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts die Grundlage für die Baslerische Ehegerichtsbarkeit zur Eheschließung bildete (Burghartz 1999, 79). Die Basler Ehegerichtsordnung von 1717 formulierte schließlich zum ersten Mal die allgemeinen Bedingungen, die für eine Eheschließung erfüllt sein mussten, sie behinderten oder zunichte machten. Grundlegend waren Ehemündigkeit, Befähigung zur Haushaltsführung, geistige Gesundheit, physische und soziale Befähigung zum Geschlechtsverkehr. Auch in Basel gab es bezüglich der Heirat mit Fremden strenge Bestimmungen. So konnte die Heirat mit fremden Personen, wie in Frankfurt, den Verlust des Bürgerrechts zur Folge haben (Burghartz 1999, 82 f.). In Reichskammergerichtsprozessakten sind viele Eheverträge des Adels und des Patriziats überliefert, darunter auch der Ehevertrag der Frankfurter Patrizierfamilie von Bodeck mit der reichsritterschaftlichen Familie von Mauchenheim, genannt Bechtoldsheim aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der im Folgenden als eine Art Mustervertrag exemplarisch vorgestellt werden
56 Anette Baumann
soll: Die männlichen Mitglieder der Familie Bodeck ließen sich nach der Eroberung Antwerpens durch die Spanier 1585 in Frankfurt als Bankiers nieder, wo sie unter anderem in den Bergbau investierten (Dietz 1970, Bd. 3, 1, 255, 261). Mitten im Dreißigjährigen Krieg heirateten Gottfried von Bodeck und Anna Elisabeth von Mauchenheim, genannt Bechtoldsheim. In ihrem Ehevertrag, der aus dem Jahre 1627 stammt, werden in elf Punkten die einzelnen Vertragsbestimmungen festgelegt. In der Präambel wird an die heilige Dreifaltigkeit und Gott den Allmächtigen appelliert. Zuerst werden der Bräutigam und seine Eltern, danach die Braut und ihr Vater genannt. Bei den Vätern werden zudem noch die Titel angegeben. Während Bonaventura von Bodeck Geheimer Kaiserlicher Rat ist, bekleidete Georg Friedrich von Mauchenheim, genannt Bechtoldsheim das Amt des Amtsverwesers des Oberschultheißen zu Nierstein. Außerdem war er Obristleutnant. Danach folgen die Verwandten und Zeugen. Im ersten Punkt des Vertrages verspricht das Brautpaar, sich gegeneinander freundlich und wie es „wohladeligen Eheleuten geziembt“ zu verhalten. Sie wollen gemeinsam zur Kirche gehen und danach den Beischlaf halten, der nach „christlicher Ordnung bestettigt und gehalten werden wolle“ (ISG Frankfurt, Reichskammergericht, Nr. 143Q2). In einem zweiten Punkt werden dann vermögensrechtliche Fragen besprochen. So wird erklärt, dass Anna Elisabeth vor dem Beischlaf von ihrem Vater für ihren Ehegemahl 1 000 Gulden als Ehesteuer und Heiratsgut erhält. Außerdem soll Anna Elisabeth mit Bekleidung und Schmuck ausgestattet werden. Gleich daran anschließend folgt der für adelige Töchter übliche Erbverzicht. Im vierten Punkt wird das Widerlager besprochen. Es handelt sich hier um 2 000 Gulden, für die sich die Verwandten Johann und Arnold von Bodeck verbürgen. Außerdem wird in einem weiteren Punkt die Morgengabe für die Braut festgesetzt. Sie erhält 400 Gulden und eine „gülden Ketten“. Die weiteren Punkte beschäftigen sich mit der Ausstattung der Braut im Witwenfall. Sie soll mit einem „adelichen Wittumbsiz“ versehen werden, der auch ihrer gesellschaftlichen Stellung entspricht. Die Witwe erhält jährlich 100 Gulden sowie materielle Güter wie Korn, Gerste, Hafer und Wein. Daneben soll Elisabeth als Witwe über ihr mitgebrachtes Heiratsgut und das Widerlager verfügen können. Außerdem soll sie die Hälfte aller Einkünfte erhalten, die das Ehepaar während ihrer Ehe gemeinsam erzielt hat. Ausführlich werden dabei Kleider, Ketten und Kleinodien aufgeführt, die „zu ihrem Leib gehörig“. Daneben werden noch „Geschirr, Pferdt, Harnisch, Geschütz undt waß zum gewehren gehört“ aufgezählt. Es handelt sich um die sogenannte Gerade, also um eine weibliche Vermögensmasse, die nur an die nächste weibliche Verwandte vererbt wurde. Unter die Geradestücke fielen auf die Haushaltung bezogener Besitz, Kleidung, Schmuck, Bettzeug, Haus- und Wohntextilien, Aufbewahrungsgegenstände, Hausrat, Arbeitsgeräte etc. (Gottschalk 2003, 41). Dazu wird noch ausdrücklich das Silbergeschirr von Anna Elisabeth erwähnt. In einem achten Punkt wird geklärt, was mit dem Vermögen geschieht, wenn sie vor ihrem Ehegemahl stirbt. Er soll bis auf Ket-
Eheanbahnung und Partnerwahl 57
ten, Kleinodien und Kleider und „waß zu ihrem Leib gehörig“ alles behalten. Im zehnten Punkt werden die Vermögensverhältnisse eventueller Kinder geregelt. Es wird garantiert, dass auch in diesem Fall Anna Elisabeth ihren Witwensitz uneingeschränkt einnehmen kann, sie sich aber verpflichtet, alles zu tun, um ihre Kinder standesgemäß auszustatten. Außerdem werden Regelungen für den Fall einer Wiederverheiratung Anna Elisabeths getroffen. Im letzten und elften Punkt wird besprochen, wie zu verfahren ist, wenn Anna Elisabeth vor ihrem Bräutigam stirbt. Unterschrieben ist der Ehekontrakt von dem Bräutigam und seinem Vater sowie weiteren Bodeckischen Verwandten. Überdies haben der Vater der Braut sowie ein weiterer Verwandter unterschrieben. Als Zeugen treten Johann Werner Köthe von Wamscheidt, Georg Christoph von Molsberg, Eberhard Heinrich Nael von Dirmstein und Philipp Wolf von Kellenbach auf (ISG Frankfurt, Reichskammergericht, Nr. 143). In Frankfurter Eheverträgen können auch Witwen die Rolle des Vaters übernehmen. Heide Wunder hat in einem Aufsatz auf die speziellen patrizischen Heiratsstrategien der Frankfurter Bürgerinnen hingewiesen (Wunder 1995, 62). In einem Ehevertrag zwischen Hans Conrad Koch und Maria Margareta von Overbeck aus dem Jahre 1637 übernahmen die Mütter die Rolle der Väter. Darin hat „weillandt des ehrmesten und fürnehmen Herrn Johann Koch seelige Frau Witib, ihrem Sohn, Johann Conraden Koch, zu einem ehelichen bestendigen Heyratgut und Ehesteuer nemblichen sechzehenhundert und viertzig gulden Wechselgelt mitzugeben versprochen undt ihren beeden Eheleuthen zu zahlen, zugesagt.“ Gleich danach wird die Mutter der Braut genannt sowie ihre Verpflichtungen, die sie bereit ist, einzugehen. So verspricht Barbara von Overbeck ihrer Tochter 4 100 Gulden mit in die Ehe zu geben (ISG Frankfurt, Reichskammergericht, Nr. 927). Auch völlig andere Bedingungen konnten an einen Ehevertrag geknüpft werden: Dies zeigt ein Beispiel aus der Reichsstadt Basel, das nicht aus dem reichskammergerichtlichen Zusammenhang stammt, aber sehr aufschlussreich ist. Der Bürger Felix Platter (1536–1614) schildert in seiner Autobiographie, dass bei seiner Brautwerbung um Magdalena Jeckelmann der Brautvater Platter nur eine bedingt positive Antwort gab. Die Ehezusage war an die Bedingung geknüpft, dass Platter, der in Montpellier Medizin studierte, zuerst das Studium abschließen und eine Doktorprüfung ablegen sollte. Nachdem er dies getan hatte, kam es zur Eheberedung, bei der die gegenseitige Mitgift festgesetzt wurde. Dabei kam es zu neuerlichen Schwierigkeiten oder sogenannten Wendepunkten, da sich die Väter des Brautpaares nicht gleich einigen konnten. Der stark verschuldete Vater Platter wollte dem jungen Paar kein Bargeld geben, sondern mit Kost und Logis bezahlen. Der Brautvater Jeckelmann war damit nicht einverstanden. Erst nach längeren Verhandlungen und Ausgleichsbemühungen von anwesenden „Ehrenleuten“ konnte hier ein Kompromiss gefunden werden (Platter zitiert nach Burghartz 1999, 141 f.).
58 Anette Baumann
3.5 Regelungen für die Heirat einer Witwe aus dem Adel oder Bürgertum▀Mit der Herausgabe der Mitgift ging die Tendenz einher, das weibliche Erbrecht an den Gütern der Herkunftsfamilie zu minimieren, um so das väterliche Stammgut zu schonen. Das hatte zur Folge, dass in den Eheverträgen das Wittum und die Erbbedingungen der zukünftigen Eheleute zusammen abgehandelt wurden (Mutschler 2006, 76). Es ging vor allem um die in die Ehe eingebrachten Güter, denn rechtlich gesehen handelte es sich um ein zentrales Anliegen der Heiratsabsprachen. Das wichtigste Ziel bestand insbesondere darin, Veräußerungen der Güter zu vermeiden. Es gab dabei zahlreiche Unsicherheitsfaktoren: So war bei der Heirat nicht vorhersehbar, wie reibungslos sich eine Witwe in das Haus ihres verstorbenen Gatten integrieren ließ. Unerlässlich dabei war, dass der Verbleib der Heiratsgaben beim Tode eines Ehegatten, vor allem aber bei einer Wiederheirat der Witwe, geregelt wurde. Viele der geknüpften Vereinbarungen hingen davon ab, ob Erben vorhanden waren oder nicht. Besonders der Fall der Wiederverheiratung einer Witwe wurde in den adeligen Eheverträgen sehr ausführlich abgehandelt. Daneben war zu beachten, ob aus der Ehe nur Töchter entstammten, oder ob auch männliche Erben aus einer Ehe hervorgegangen waren. Der hohe Wert der Heiratsgaben macht es verständlich, dass sich die Eheverträge in zahlreichen Regelungen dem Verbleib der in eine Ehe eingebrachten Heiratsgaben für den Fall des Todes eines der beiden Eheleute widmeten. Gerade die Bestimmungen zu Mitgift, Widerlage und Zinsen waren an eine ganze Reihe von erbrechtlichen Faktoren gebunden. Geschah es, dass Söhne aus der Ehe hervorgegangen waren, so wurde der Ehefrau im Ehevertrag hinsichtlich des Witwenfalls freigestellt, mit ihren Söhnen die Hof- und Haushaltung gemeinsam zu führen. Entscheidend war dabei, ob die Söhne bereits mündig waren oder nicht. Es kam häufig vor, dass der Witwe in diesem Fall nahegelegt wurde, zugunsten ihrer Kinder auf ihre Wittumsnutzung zur Hälfte zu verzichten. Die Witwe hatte bei dieser Konstellation oftmals die Gelegenheit, als Vormünderin selbst handelnd tätig zu werden. Kompliziert wurde die Lage aber dann, wenn die Ehefrau sich entschied, eine weitere Ehe einzugehen. Dann behielt sich die Mannesseite beim Vorhandensein von Erben folgende Regelungen vor: Entweder wurde der Witwe die im Ehevertrag zugeteilte Wittumsnutzung weiterhin auf Lebenszeit überlassen oder das von der Frauenseite zugebrachte Heiratsgeld konnte wieder ausbezahlt werden. Eine dritte Möglichkeit bestand darin, die aus Heiratsgeld und Widerlage fließenden Gelder in die zweite Ehe mitzunehmen. Wurde die letzte Variante der Auszahlung der aus Mitgift und Widerlage resultierenden Einkünfte gewählt, so war dies der einzige Fall, bei dem die von der Mannesseite zu leistende Widerlage in liquider Form tatsächlich kapitalisiert und ausgezahlt werden musste. Ansonsten existierte diese Leistung nur zum Schein, indem sie auf den Pfandobjekten lastete und die entsprechende Höhe der Einkünfte garantierte und regulierte (Mutschler 2004, 85). Eine auf Schonung des Stammgutes zielende Familienstrategie musste also darauf hinsteuern, dies
Eheanbahnung und Partnerwahl 59
nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Braut gewährte als Gegenleistung für den Fall, dass sie nach ihrer Witwenschaft erneut heiraten sollte, die Zusage, dass sie ihren Witwensitz nach ihrer erneuten Heirat wieder den Erben der Mannesseite einräumen würde. Denn das Wittum sollte nicht veräußert werden. Auch der Verbleib der von beiden Seiten in die Ehe eingebrachten Heiratsgaben war von der erbrechtlichen Gesamtsituation abhängig. Relativ mühelos gelang die Vermögensverteilung, wenn die Ehefrau zuerst starb. Trat dieser Fall ein, so fiel die Widerlage an die Mannesseite zurück, während ein Witwer Anspruch auf lebenslangen Nießbrauch am Heiratsgeld seiner verstorbenen Ehefrau geltend machen konnte. Ohne das Vorhandensein von Erben konnte das Heiratsgeld in diesem Fall nach dem Tod des Mannes an die Herkunftsfamilie der Braut zurückfallen, andernfalls sollte es in dem Vermögen der nachfolgenden Generationen aufgehen. Starb der Mann vor der Frau, waren komplizierte Regelungen über die in die Ehe eingebrachte Mitgift notwendig. Es kam dann auf die jeweilige Familiensituation an. Entschied sich die Witwe für eine erneute Ehe, so sollten Heiratsgeld und Nachlass der Mutter an die Kinder fallen. Dabei wurde in vielen Eheverträgen betont, dass Kinder erster wie zweiter Ehe zu gleichen Teilen erbberechtigt seien. Waren dagegen keine Kinder vorhanden, so war es der Witwe überlassen, über ihr Heiratsgeld und die Morgengabe frei zu verfügen. Ohne Hinterlassung eines Testaments sollten Heiratsgeld und Nachlass an die nächsten Erben fallen. Wichtig war auch, dass es in vielen Eheverträgen eine Klausel gab, die die Verteilung der Geschenke bei der Hochzeit regelte. Diese Geschenke sollten den beiden Ehepartnern je zur Hälfte zustehen und im Fall der Wiederverheiratung dementsprechend geteilt werden. Taufgeschenke dagegen zählten eindeutig zum Vermögen der Frau (Mutschler 2004, 85 f.). Vergleichsweise individuell waren Eheverträge in jenen Fällen gestaltet, in denen die Braut gegenüber dem zukünftigen Gemahl mit einem weitaus höheren Vermögen und gesellschaftlichen Status ausgestattet war. Illustriert sei diese Konstellation anhand eines ebenfalls in einer Reichskammergerichtsakte überlieferten Vertrags zwischen dem Reichsfreiherrn Christian Philipp Friedrich Vogt von und zu Hunolstein, genannt von Callenfels und der verwaisten Reichsgräfin Maria Christina Louisa, verwitwete Wild- und Rheingräfin, geborene Reichsgräfin von Firnhaber – einer Braut, die mit ihrem gräflichen Titel gesellschaftlich über dem einfachen Reichsfreiherrn stand. Die Familie Hunolstein war ein altes, rheinländisches, schon im 11. Jahrhundert nachweisbares Adelsgeschlecht, dessen Sitz im Schloss Hunolstein bei Veldenz in der Nähe von Trier lag. Die Familie stellte Domherren in Trier, Mainz, Worms und Würzburg. Sie besaß Besitzungen in Lothringen, im Nahetal und in der Rhein-Pfalz. Maria Christina von Firnhaber stammte aus Frankfurt. Ihre Familie war im Seidenhandel tätig und das Geschäft entwickelte sich im Laufe der Jahre zur führenden Seidenhandlung Frankfurts, wenn nicht sogar reichsweit. Zusätz-
60 Anette Baumann
lich zum Handel betrieben die Firnhaber eigene Seidenfabriken in Offenbach und Frankfurt. 1727 erhielt die Familie den Reichsadelsstand mit dem Prädikat von Eberstein. Maria Christina war die einzige Erbin, als sie 1776 den französischen Dragonerkapitän Johann Albrecht Ludwig Wild- und Rheingraf von Salm-Grumbach ehelichte. Kurze Zeit später war sie bereits Witwe und 1778 heiratete sie Vogt von Hunolstein (Dietz 1970, Bd. 4, 1, 347 ff.). Der Ehevertrag ist schon deshalb außergewöhnlich, weil er am Reichskammergericht zur Aufbewahrung hinterlegt wurde. Dies war ein sehr seltener Vorgang, der sich möglicherweise auf die Minderjährigkeit und Elternlosigkeit der Braut zurückführen lässt. Vielleicht spielte auch ihr vorheriger Witwenstatus eine Rolle. Witwen ohne größeren Familienanschluss benutzten oft das Reichskammergericht, um dort für sie wichtige Dokumente, wie zum Beispiel Testamente zu deponieren. Die Kuratoren hatten jedenfalls mit der Hinterlegung des Testaments eine Möglichkeit geschaffen, sich selbst und ihr Mündel abzusichern. Gleichzeitig waren neben den Summen, die im Ehevertrag genannt wurden, viele ungewöhnliche Bestimmungen enthalten: Die Braut versprach als Heiratsgut 35 000 Gulden in die Ehe mit einzubringen. 32 000 Gulden sollten dabei in das Fideikommiss der Familie des Ehemanns fließen, 3 000 Gulden waren für die Einrichtung eines Haushaltes vorgesehen. Das eigentliche weitere Vermögen der Braut sollte bis zur Volljährigkeit der Gräfin unter der Kuratel der Administratoren bleiben. Aber auch danach sollte das Brautvermögen separat verwaltet werden und unter einer „immerwährenden Administration“ belassen bleiben. Der Braut wurde jedoch zugestanden, die Verwaltung ihrem Gatten zu übertragen, der es allerdings ebenfalls separat zu verwalten hatte. Ein Teil des Vermögens, der unter die Jurisdiktion der Reichsstadt Frankfurt fiel, sollte jedoch weiter unter Frankfurter Verwaltung bleiben. Von dem Ertrag des Vermögens standen Maria Christina 2 400 Gulden Nadelgeld zu, über das sie frei verfügen konnte. Alle weiteren Gewinne aus dem Vermögen der Braut sollten der Braut und ihren Nachkommen zufließen. Zudem wurde ein Fideikommiss von 50 000 Gulden für die zukünftigen Kinder eingerichtet. Für den Erstgeborenen im Mannesstamm waren zusätzlich 50 000 Gulden bestimmt. Interessant ist jene Klausel, in der die Braut erklärt, dass sie „nicht nur bis zu erlangter Volljährigkeit unter der von hoher Reichstadt Franckfurtischer Obrigkeit verordneter Curatel zu verbleiben, sondern auch nach Beendigung dieser Vormundschaft und erreichten volljährigen Alter sich einen oder zween ihres Zutrauens fähigen Männer zu immerwährenden Rechts-Beyständen bestellen, und solche lebenslang beybehalten zu können und zu dörfen“. Als letztes folgt eine bemerkenswerte Bestimmung, nach der die Gräfin garantierte, sich vorzubehalten, mit ihrem Gemahl jederzeit eine eigene „separate Ökonomie“ zu führen. Sie wolle auch „niemals mit jemand weder gemeinschaftliche Haushaltung“ haben noch „Verköstigung“ geben und nehmen, „sondern allezeit ohne Gesellschaft anderer Personen, kurze freundschaftliche Besuche ausgenommen wohnen und leben, auch nicht weiter als etwa drei bis
Eheanbahnung und Partnerwahl 61
vier Monate zur Sommerszeit auf den Gütern, die übrige Zeit aber in einer beyden hohen Vermählten beliebigen Stadt zu bringen.“ Hier drängt sich der Eindruck auf, dass die Kuratoren der reichen Braut mit allen legalen Mitteln versuchten, möglichst wenig von dem Vermögen der Frau in eine gemeinsame Kasse mit dem bankrotten Ehemann gelangen zu lassen. Besonders interessant ist auch der letzte Punkt, der das eheliche Zusammenleben am Vorabend der Französischen Revolution regelt. Auch hier – so scheint es – wurde viel Wert darauf gelegt, eventuelle Zusatzkosten zu sparen (ISG Frankfurt, Reichskammergericht, Nr. 591). Aus den aufgeführten Beispielen wird klar: Eheverträge folgten einem grundlegenden Schema. Dies war so flexibel gestaltet, dass die unterschiedlichsten Lebensumstände und Vermögenssituationen bis in das kleinste Detail geregelt werden konnten. 3.6 Eheverträge zwischen bäuerlichen Untertanen▀Eheabredungen von bäuerlichen Untertanen folgten im Prinzip dem gleichen Schema. Sie sind deshalb sehr zahlreich überliefert, da im Laufe des 16. Jahrhunderts in den einzelnen Territorien Verordnungen erlassen wurden, die eine Aufzeichnung der Eheberedungen in Gegenwart von obrigkeitlichen Beamten anzeigen sollten (Lanzinger 2010b). Damit hatte die jeweilige Landesregierung die Möglichkeit, Kontrolle über die Eheschließungen auszuüben. Eine Verordnung von 1692 aus der Grafschaft Lippe gibt Aufschluss über die Gestaltung von Eheberedungen und Verlöbnissen gemäß den obrigkeitlichen Vorgaben (Sturm-Heumann 2004/2007, Bd. 2, 342): Graf Friedrich Christian von Schaumburg-Lippe verfügte dabei an seine Beamten, Bürgermeister und Räte, ihrerseits Maßnahmen gegen die große Zahl an heimlichen Verlöbnissen zu treffen. Letztere führte er auf die Initiative der Frauen zurück, die aus Hoffnung auf eine Ehe Männer gezielt betrunken machten, um sie in diesem Zustand zu einer heimlichen Ehe oder Verlobung bewegen zu können. Nach Ansicht des Grafen von Schaumburg-Lippe stand dieser Vorgang im Widerspruch zum göttlichen Gebot sowie der Ehrbarkeit. Deshalb machte die Verordnung die elterliche Zustimmung zur Voraussetzung für rechtskräftige Eheschließungen. Dazu waren drei „Mannspersonen“ als Zeugen heranzuziehen. Falls keine Eltern oder Vormünder mehr vorhanden waren, sollten stattdessen fünf Zeugen anwesend sein. Bei Missachtung dieser Vorschrift gelte weder Heirat noch Verlöbnis – auch nicht bei vollzogenem Beischlaf. Gleichzeitig blieb in diesem Fall die Einklagbarkeit der Heirat vor dem Ehekonsistorium versagt, das die Klage nicht einmal annehmen sollte. Allerdings wird auch ausdrücklich in einer Verordnung aus dem Jahre 1615 in Lippe festgehalten, dass Eltern ihre Kinder nicht zur Ehe zwingen dürften. Außerdem wird darin genau geregelt, wie Eheverträge zwischen den bäuerlichen Untertanen auszusehen hatten. Dabei wird in der Verordnung deutlich, dass ein ausschlaggebender Grund für den obrigkeitlich regulierten Abschluss der Eheverträge darin bestand, Aufsichtsmöglichkeiten über den territorialen Be-
62 Anette Baumann
sitz der Untertanen zu gewinnen. Denn bevor der Ehevertrag unterschrieben werden konnte, verlangte „das Amt“, die Vermögensverhältnisse zu prüfen. Dadurch versuchte die Obrigkeit die Aneignung von Höfen durch Leibeigene vorzubeugen. Zudem wurde den Pfarrern auferlegt, keine Paare zu trauen, die sie nicht kennen. Unbekannte Personen mussten daher zunächst eine Erlaubnis zur „Copulation“ vorlegen. Bei Streitigkeiten hatte die Obrigkeit außerdem schnell eine umfassende Dokumentation der Vorgänge zur Hand (Sturm-Heumann 2004/2007, Bd. 1, 188 ff.). Nach dem Blick auf obrigkeitliche Rahmenbedingungen sollen nun Eheverträge von Untertanen am Beispiel des in der Grafschaft Schaumburg gelegenen Amtes Stadthagen näher betrachtet werden: Auch bei den bäuerlichen Untertanen mussten – nachdem zwischen den Partnern Einigkeit für eine Ehe bestand – die finanziellen Bedingungen zwischen den beiden Parteien geklärt werden. Unter dem Ehevertrag wurden nicht nur die Unterschriften der Brautleute und ihrer Eltern gesetzt, auch Vormünder und vielleicht der Pastor und der zuständige Amtmann unterschrieben als Zeugen. Das wichtigste bei den bäuerlichen Eheverträgen war die Regelung der Hofübergabe. Der Bauer vermachte in der Regel seinen Hof mit allem Zubehör seinem Sohn oder dem zukünftigen Schwiegersohn, der sich auch verpflichtete, die Verantwortung für alle auf dem Hof lastenden Schulden zu übernehmen. So bekräftigt 1592 Meier Johan Bocklo gleich im ersten Satz des Ehevertrages seiner Tochter mit seinem Schwiegersohn, dass er aus Anlass der Heirat seiner Tochter Mettcken den Hof seinem zukünftigen Schwiegersohn Brun Bundeman überlassen werde. Danach geht der Verfasser ausführlich auf seine Versorgung und die seiner Frau ein, erst im letzten Drittel des Vertrages wird über das Brautpaar gesprochen. Der Vertrag hält fest, dass sie einen „landtsettlichen“ Brautschatz erhalte. Über den Umfang in Form näherer Angaben, wie einen Geldwert oder dergleichen wird oft nichts ausgesagt. Teilweise behielten sich Vater und Schwiegervater die Verwaltung des Hofes vor und das junge Paar arbeitete als Knecht oder Magd auf dem Hof. Auch die bäuerliche Braut brachte je nach Vermögen und Stand einen Brautschatz ein, dessen Höhe gesetzlich festgelegt war. Ansonsten wurde die Höhe der Mitgift nicht näher definiert. Neben der klassischen Aussteuer wie Kleidung, Tischwäsche, Betten, Kisten und Laden erfolgte die Mitgabe von Ackerland. Die Eheverträge legten dabei die Zahlungsmodalitäten des Brautschatzes fest. Der Brautschatz konnte miteinander aufgerechnet werden, wenn zwei Geschwisterpaare heirateten. Grundsätzlich war die Widerlage des Bräutigams in bäuerlichen Kreisen bedeutend geringer als die Mitgift der Braut. Sie bestand in der Regel aus einer Geldsumme, wozu noch ein Pferd und eine Kuh kamen. Wichtig war zudem, dass der Bräutigam als Knecht noch eigenes Geld hinzuverdienen konnte. Bei besonders kleinen Höfen galt ein erlerntes Handwerk als ein zusätzlicher Vorzug. Nach dem Dreißigjährigen Krieg verschwand jedoch die Doppelqualifikation der Bräutigame, da jetzt auch auf dem Land das Handwerk den Zunftordnungen unterworfen war. Neben die-
Eheanbahnung und Partnerwahl 63
sen Bestimmungen war auch die Abfindung der Geschwister im Ehevertrag zu regeln. Die Zusagen an die Geschwister waren bindend und konnten eingeklagt werden. Auch hier wurde eine gesetzliche Höhe festgelegt. Sie musste aber erst bei der Eheschließung der Geschwister bezahlt werden. Kranke oder behinderte Kinder sollten zudem von dem Besitzer des Hofes unterhalten werden (Sturm-Heumann 2004/2007, Bd. 1, 17 ff.). Ein weiterer zentraler Punkt war die Regelung der Versorgung der Eltern. Sie wurde als „Leibzucht“ oder „Leibgedinge“ bezeichnet und in allen Einzelheiten für den Hofbesitzer und seine Frau geregelt. Im Amt Stadthagen galt das Gewohnheitsrecht, das dem Landesbrauch und dem Herkommen entsprach. Hierzu gab es verschiedene Möglichkeiten: Zum einen konnte eine gemeinsame Haushaltung mit Brautpaar und Eltern eingeführt werden, wobei nur der Handpfennig für persönliche Bedürfnisse einbehalten werden durfte. Bei einem frühzeitigen Tod, einer zweiten Ehe oder ähnlichem, also immer dann, wenn als Folge davon der Besitz in fremde Hände kam, sollte eine komplette Leibzucht als selbstständiger unabhängiger Haushalt abgetrennt werden. Ab 1601 durfte in der Grafschaft Schaumburg nur noch eine Leibzucht von einem Hof abgetrennt werden. Die Größe von maximal acht Morgen Land sollte dabei jedoch nicht überschritten werden. Nach dem Tod eines Leibzüchters fiel die Hälfte, nach dem Tod des zweiten fiel alles an den ursprünglichen Hof zurück (Sturm-Heumann 2004/2007, Bd. 1, 21). Auch hier sei ein Beispiel aus dem Jahre 1693 etwas näher analysiert. In dem Ehevertrag zwischen Albert Rörkaße und Ilsabe Rust wird die Leibzucht, die Albert Rörkaße als Erbe eines Hofes einrichten muss, ausführlich beschrieben. Zuerst wird genau erzählt, wie Rörkaße überhaupt zu seinem Reichtum kam. Er hatte sich zuerst lange Jahre als Knecht verdingt, bevor er von seinem Vetter Johann Haine zum Erben angenommen worden war, auch wenn Rörkaße „ohnangesehen […] nicht nach seinem Willen und Wolgefallen gehyrahtet“ hat. Johann Haine stellte für die Leibzucht jedoch hohe Forderungen: Er wollte eine ganze Reihe von Ländereien erhalten, neben einem Hof handelte es sich um Äcker, Wiesen und einen Garten, auch Holz zum Heizen verlangte er. Des Weiteren wurde festgelegt, was Ilsabe Rust mit in die Ehe an Vermögen einbringen sollte. Dabei achtete man darauf, dass sie genauso viel erhielt wie ihre Schwester (Sturm-Heumann 2004/2007, Bd. 2, 346). Spielte die Versorgung der Eltern in Eheverträgen wie diesen eine große Rolle, wurden die Eltern in den Heiratsabredungen im Erzherzogtum Österreich nicht einmal erwähnt (Langer-Ostrawsky 2010, 79 ff.). Allerdings wurden auch in der Grafschaft Lippe weit weniger komplexe Verträge ausgehandelt. Ein sehr knapp gehaltener aus dem Jahre 1698 sei exemplarisch aufgeführt: „Johann Wilckening vom Fornhagen freit Anna Ilse Groten. Wann dann dieselben ein dem andern ihre Mittel zubringen, so ist nach beschrittenem Ehebette einer des andern Erbe.“ (Sturm-Heumann 2004/2007, Bd. 2, 347) Dieser Ehevertrag fällt stark aus dem Rahmen. Hier scheint auf familiäre Belange der Herkunftsfamilien des Brautpaares keine Rücksicht ge-
64 Anette Baumann
nommen worden zu sein. Es finden sich weder Regulierungen zum Vermögen der Brautleute noch zu den zukünftigen Kindern. Das Paar scheint völlig selbstständig und unabhängig vom Familienverband agieren zu können. Der Vertragsschluss an sich legt jedoch nahe, dass Braut und Bräutigam über ein gewisses Vermögen verfügten, das als Voraussetzung für die Errichtung eines Ehevertrags diente. In Bayern gab es die Sitte der Einheiratung. Im Prinzip konnte jeder heiraten, der ein Heiratsgut vorweisen konnte. Es war dabei gleichgültig, ob er es von den Eltern erhielt oder durch eine lange Dienstzeit als Knecht oder Magd erworben hatte. Grundsätzlich setzte sich das Heiratsgut aus Muttergut und Vatergut zusammen. Für die Bestimmung der Kriterien waren Faktoren wie Wert der Güter, Verschuldung und die Anzahl der Kinder auf dem Gut entscheidend. Eine Familie mit nur drei Kindern hatte zwangsläufig ungleich mehr zu vererben als eine Familie mit zehn oder noch mehr Kindern. Gleichzeitig sorgte das Heiratsgut für eine Nivellierung der sozialen Herkunft. Dabei ergänzten sich die Ehepartner in Bayern: Heiraten konnten nur diejenigen, die der Regel zu folgen vermochten, nach der ein Teil Erbe eines Anwesens war und der andere das dazu passende Heiratsgut mitbrachte (Breit 1991, 64). Insgesamt hing die Gestaltung der Vertragsinhalte stark von individuellen und territorialen Faktoren sowie den entsprechenden wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen ab. Gleichzeitig bestand auch im bäuerlichen Bereich ein allgemeines Wissen über vertragliche Verabredungen anderer Familien. 3.7 Eheverträge zwischen ungleichen Paaren innerhalb des Hochadels▀Grundsätzlich galt jede Eheschließung mit nichtadeligen Partnern oder mit einem Partner eines niederen adeligen Ranges seit dem späten 17. Jahrhundert als unebenbürtig (Willoweit 2004, 117). So gehörten zum Hochadel nur die fürstlichen und reichsgräflichen Häuser, während zum Niederadel die reichsritterlichen und alle landadeligen Familien zählten. Trotzdem suchte der deutsche Hochadel immer wieder Verbindungen mit Frauen, die nicht zum gleichen Gesellschaftsstand zählten. Auch in diesen Fällen wurden schriftliche Vereinbarungen zwischen den ungleichen Partnern getroffen (Sikora 2005, 3). Werteten Zusagen dieser Art den Status des weiblichen Partners auf, so konnten sie doch bei weitem nicht mit einer kirchlichen Ehe verglichen werden. Trotzdem gab es immer eine Tendenz zur Absicherung und damit eine Annäherung an den Status der Ehe. Dies korrespondierte mit dem Interesse der Partnerinnen, insbesondere wenn sie aus dem Niederadel stammten, einen Status zu gewinnen, der die eigene Ehre unbeschadet ließ. Deshalb griff man, je mehr sich die Ehe als Institution in der Frühen Neuzeit verfestigte, zu einer neuen Rechtsform für unebenbürtige Ehen zurück: die morganatische Ehe. Sie geht auf eine im 13. Jahrhundert entstandene Sammlung von Gewohnheiten des langobardischen Lehnsrechtes zurück (Willoweit 2004, 113), die aus Bologna stammt. Demnach soll es üblich gewe-
Eheanbahnung und Partnerwahl 65
sen sein, dass ein adeliger Witwer, der bereits einen legitimen und damit erbberechtigten Sohn hatte, eine niederrangige Adelige heiraten konnte, die nicht in Sünde leben wollte. In diesem Fall sollte eine Verfügung möglich sein, nach der der zweiten Frau und den aus der Verbindung entstehenden Kindern lediglich die Morgengabe zustünde. Diese Heiratsform wurde ad morganaticam genannt. Wie aus den Ausführungen zu erkennen ist, ging es also auch in dieser Eheform letztlich darum, das Erbgut der Nachkommen aus erster Ehe zu schützen und unberührt zu lassen. Außerdem sollte die höherrangige Familie vor Ansprüchen der niederrangigen Partnerin abgesichert werden. Die morganatische Ehe bot den Vorteil, dass die kirchenrechtliche Gültigkeit der Ehe von ihren in engerem Sinn zivilrechtlichen Folgen entkoppelt wurde. Um dies zu symbolisieren, wechselte die Ehefrau im Rahmen der kirchlichen Zeremonie auf die weniger ehrenhafte linke Seite des Ehemannes. So entstand die Formulierung „Ehe zur linken Hand“ (Sikora 2005, 6). In Deutschland spielte diese Rechtsform lange Zeit keine Rolle. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass im 16. Jahrhundert nur ungefähr zehn nicht standesgleiche Eheschließungen im hohen deutschen Adel bekannt geworden sind. Im 17. Jahrhundert begann jedoch die Zahl der Fälle zuzunehmen. Zwischen etwa 1620 und 1742 wurden rund 60 unstandesgemäße Ehen geschlossen. Das Jahr 1742 markiert dabei insofern eine Wende, als in die Wahlkapitulation Kaiser Karls VII. eine gegen nicht standesgleiche Ehen des hohen Adels gerichtete Rechtsnorm aufgenommen wurde. Dies blieb nicht ohne Wirkung: Aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis 1806 sind nur noch gut zwei Dutzend Fälle nicht standesgleicher Eheschließungen bekannt (Willoweit 2004, 32). Die ersten Vereinbarungen trafen die hochrangigen Fürsten jedoch nicht mit den morganatischen Ehefrauen, sondern mit ihren eigenen Familien. Die Hausinteressen der Herkunftsfamilie des Ehemanns spielten also eine weit größere Rolle als die Interessen der niederrangigen zukünftigen Ehefrau. Probleme bei den Verträgen gab es vor allem bei der Bezeichnung der Partnerin. „Eheliche Hausfrauen“ waren sie nicht und auch die Bezeichnung „Hausfrau“ stieß bei den Juristen auf wenig Gegenliebe, da sie ihnen zu unpräzise erschien. Es kam zu unterschiedlichen Lösungen, wobei eine davon „eheliche Konkubine“ lautete. Ende des 16. Jahrhunderts wurde das Modell der morganatischen Eheschließung offensichtlich als legitime Praxis anerkannt (Gestrich 2003, 457). An der Wende zum 17. Jahrhundert fasste die morganatische Ehe im deutschen Reich endgültig Fuß und wurde im Hochadel ohne weiteres praktiziert, so zum Beispiel 1621 von Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach und Elisabeth Stotz sowie 1637 von Fürst Georg Aribert von Anhalt-Dessau und Johanna Elisabeth von Krosigk. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts begann schließlich die Rechtswissenschaft die morganatische Ehe in die allmählich sich entwickelnden Doktrinen des Fürstenrechts zu integrieren. Die Form war dabei sehr variabel; der männliche Partner konnte einseitig den Verzicht verfügen oder mit seinen Agnaten aushandeln. Wann die Verzichts-
66 Anette Baumann
erklärung erfolgte, ob vor oder nach der kirchlichen Zeremonie, war anscheinend unerheblich, solange deren rechtliche Einschränkung in erkennbarer Verbindung mit der Eheschließung erfolgte. Komplizierter wurde die Sache, wenn der männliche Ehepartner kein Witwer war und es sich um Polygamie handelte (Sikora 2005, 8). Die morganatische Ehe war jedoch nur ein fauler Kompromiss. Es bestand zwar aus normativer Sicht ein eindeutiger Unterschied zu nichtehelichen Beziehungen und auch eine Abgrenzung zu vollgültigen Ehen, dennoch stellte sich die erstrebte Rechtssicherheit nicht in jedem Fall ein. Es kam zu Unsicherheiten über die einzuhaltenden Formen sowie oft zu einer ungewissen Dokumentation und Überlieferung. Wichtig ist, in diesem Zusammenhang Folgendes festzuhalten: Das Eingehen einer Ehe mit einer unebenbürtigen Partnerin ist als eine konsequentere Variante der individuellen Selbstverwirklichung eines adeligen Mannes anzusehen. Eine derartige Entscheidung hatte jedoch in vielen Bereichen weitreichende Konsequenzen. Sie zog nicht nur dynastische Folgen nach sich, sondern verstieß zwangsläufig auch gegen die anerkannten Ehekonzepte in Adel und Bürgertum. Ein Fürst, der eine unstandesgemäße Ehe einging, handelte sowohl gegen die Vorstellungen seines eigenen Standes als auch gegen die Vorschriften, die die von ihm ratifizierten Gesetzestexte seinen Untertanen in Bezug auf das Zusammenleben der Geschlechter machten. Eine Alternative bot die Standeserhöhung. Unter dieser Voraussetzung war auch die Ehe eines Fürsten oder Reichsgrafen mit einer Gemahlin bürgerlicher Herkunft ebenbürtig. Viele Adelige versuchten diesen Weg und bemühten sich um eine Standeserhöhung am Kaiserhof. Allerdings wurde dieser Versuch des Adels, eine Ehe ebenbürtig zu machen, von vielen Rechtsgelehrten, wie zum Beispiel Johann Jacob Moser, nicht anerkannt (Willoweit 2004, 124 f.). Beispiele für ungleiche Ehen gibt es viele. Besonders berühmt ist die Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen. Er ging 1540 noch zu Lebzeiten seiner ersten Frau Christina von Sachsen eine zweite Ehe ein. Philipp rechtfertigte diesen Schritt mit Gewissensgründen. Da er unbedacht eine unglückliche Ehe eingegangen sei, könne er sich außerehelicher Beziehungen nicht enthalten, wolle aber mit der Ehe die Hurerei überwinden. Dabei hatte auch die Mutter des auserwählten Fräuleins ihre Hand im Spiel, denn sie pochte auf eine möglichst ehrenvolle Form der Beziehung. Schließlich war die Braut, Margarete von der Saale, zwar nicht ebenbürtig, aber aus sächsischem Adel. Deshalb bemühte sich Philipp um Beistand bei den Reformatoren. Die Doppelehe des Hessen ist von Verträgen mit beiden Seiten begleitet worden. Den Kindern der zweiten Ehe wurde nur der gräfliche Status zugestanden. Ausdrücklich musste der Landgraf seiner ersten Frau versprechen, dass die Nachkommen aus zweiter Ehe am Fürstentum keinen Anteil haben sollten, solange Nachkommen aus erster Ehe am Leben waren. Zu den Garantien gehörte auch die Zusage an Christina, weiterhin mit ihr Kinder zu zeugen, was
Eheanbahnung und Partnerwahl 67
auch der Fall war. Beide Frauen bekamen noch mehrere Kinder, zweimal sogar im Abstand von nur wenigen Wochen (Buchholz 2004, 114 f.). Besonders umfangreiche Informationen liegen über die standesungleichen Beziehungen im Hause Anhalt-Bernburg zu Beginn des 18. Jahrhunderts vor. (Doller 2007, 17–48). Fürst Carl Friedrich von Anhalt-Bernburg (1668–1721) verstieß gegen seine eigene Landes- und Prozessordnung, die geheime Verlöbnisse verbot (Doller 2007, 23). Aber gerade ein solch heimliches Verlöbnis war Carl Friedrich eingegangen und hatte damit ernsthaft die Ehre des Hauses gefährdet. Es gab aber auch andere Möglichkeiten: Der Sohn Carl Friedrichs aus erster standesgemäßer Ehe, Victor Friedrich, ging ebenfalls eine unstandesgemäße Ehe ein. Er wählte eine Form der eheähnlichen Verbindung, die das Ansehen des Hauses nicht belasten sollte. Victor Friedrich handelte im Interesse seines jugendlichen Sohnes und Erbprinzen, indem er bewusst nicht nur den Makel einer Missheirat, sondern auch den der zwar tolerierten, aber nicht sonderlich hoch angesehenen morganatischen Ehe vermied. Dadurch riskierte er nicht die Chancen einer standesgemäßen Eheschließung für seinen erst fünfzehnjährigen Sohn. Da sich gerade adeliges Selbst- und auch Ehrverständnis über die Verwandtschaftskreise ableitete, hatte eine Ehe mit einer bürgerlichen Frau zwangsläufig auch einen gewissen Ehrverlust für das Haus zur Folge. Das gefährdete zugleich das Ansehen unter den anderen hochadeligen Häusern, insbesondere denjenigen, die mögliche Heiratskandidatinnen vorwiesen. Familiäre Interessen bei einer Heirat waren schließlich auf einen Zugewinn an Ehre, Status und Einfluss und auch an materiellen Gütern orientiert. Deshalb schloss Fürst Victor Friedrich von Anhalt-Bernburg 1750 nach dem Tode seiner zweiten standesgemäßen Ehefrau eine Vereinbarung mit der Bürgerlichen Constanine Friederike Schmidt. Er sicherte ihr darin eine materielle Versorgung und die Erhebung in den einfachen Adelsstand zu. Constantine Schmidt erklärte im Gegenzug, auf alle weitergehenden Ansprüche zu verzichten. Unterzeichnet wurde das Dokument von ihr und einem männlichen Rechtsbeistand. Insofern handelte es sich bei diesem Dokument nicht um einen Vertrag, sondern um eine einseitige Verzichtserklärung (Sikora 2005, 12). Festgehalten wurde auch, dass diese Vereinbarung vor dem sexuellen Beischlaf beschlossen worden war. Offen spricht der Fürst von Constantine Friederike als seine „Bett-Genossin“. Klar bleibt aber auch, dass zwar durchaus eine gewisse Ähnlichkeit zur Ehe intendiert war, aber jede Formulierung sorgfältig vermieden wurde, aus der ein ehelicher Rechtsstatus hätte abgeleitet werden können. Rechtlich blieb das Zusammenleben ein Konkubinat (Doller 2007, 39 f.). 3.8 Jüdische Eheverträge und Verlobung▀Zuletzt soll noch ein kurzer Blick auf jüdische Eheverträge gerichtet werden. Im talmudischen Recht wurde die Verlobung, „Kiduschin“ oder „Erusin“ genannt, als eigener rechtsverbindlicher Akt vor der Heirat, „Nissuin“, angesehen (Homolka 2009, 69).
68 Anette Baumann
Kam letztere dann nicht zustande, bedurfte es entsprechend der im jüdischen Recht akzeptierten Scheidungen einer regelrechten Scheidungsurkunde, damit die Verlobte wieder eine gültige Ehe eingehen konnte. Die „Verlobung“ galt also als eine Antrauung (Klein 2004b, 80) und wurde deshalb bereits mit einem Vertrag besiegelt. Vor dem Vollzug der Ehe hatte der Bräutigam oder ein Bevollmächtigter der Braut unbedingt den Ehevertrag, die „Ketubba“, auszuhändigen. In ihm wird der Braut eine Versorgung zugesichert, auf die sie im Fall der Scheidung oder der Witwenschaft vollen und vorrangigen Anspruch hatte. Dabei handelte es sich um eine Summe, die dem Mann die Scheidung erschweren und der Frau das Existenzminimum sichern sollte, denn es war unüblich, dass eine Witwe bei der Familie des verstorbenen Mannes blieb oder eine Geschiedene in ihr Elternhaus zurückkehrte. Während es sich dabei in der Antike um eine Mindestsumme handelte, wandelte sich dies im Laufe des Mittelalters zu einer maximalen Verfügungsgewalt der Witwe über das Gesamtvermögen (Klein 2008, 233). In den jüdischen Verträgen wurde ebenfalls eine Mitgift festgesetzt. Die Verwaltung und Nutznießung der Summe oblag dabei dem verantwortlichen Ehemann (Klein 2004b, 79). Alle diese Bestandteile des Ehevertrages waren jedoch nicht verbindlich, sondern verhandelbar. Entscheidend ist auch: Geschiedene oder Witwen waren und sind nach jüdischem Recht nicht erbberechtigt (Klein 2004a, 198). Der jüdische Ehevertrag konnte künstlerisch gestaltet werden. So schrieb man ihn in unterschiedlichen hebräischen Buchstabentypen und versah ihn oft sogar mit Verzierungen (Voolen 1985, 184 f.). Die seltene deutsche Übersetzung eines jüdischen Ehevertrages aus dem Jahre 1773 befindet sich in einer Reichskammergerichtsakte aus dem Jahre 1776. Im Grunde handelt es sich um zwei Verträge, wobei der erste für die Antrauung, der zweite dann bei der eigentlichen Hochzeit geschlossen wurde: „Copia des vom Jüdischen ins deutsche translati Heyraths Contract zwischen beyden Parteyen als zwischen dem Herren Doctor und Vorgänger Moses Beer Wolffsheimer einerseits und zwischen Moyses Isaac Schuster mit Gewalt seiner Tochter Ittla andern theils, und da man sie darum gefragt: hat sie solches mit Ja beantwortet. Herr Doctor und Vorgänger Wolffsheimer wird nehmen und entschloßen die Jungfrau Ittla mit einem Ehering und Gurtel, wird sie bringen zur Copulation nach Moyses und Israels Gebrauch: Er bringt zur Heyrathsgut sein gantzetz Vermögen. Moyses Schuster bringt zur Heyrathsgut seiner Tochter dreyhundert Carolin baares Geld vor der Copulation; auch will er kleiden seine Tochter mit ehrbaren Kleider auf dem Sabbaths- wochendliche – und andere festtägliche Kleider: dan gibt er die jüdischen Bücher, so laut in Handen habenden Specification Ruben Hertzfeld aus Offenbach ausgestellt hat. Es ist dabey bedungen, das Herr Doctor die Wahl haben soll in Heidingsfeld zu wohnen oder nach Franckfurth zu ziehen, es sey aber wie ihm wolle, ist der Schuster schuldig die Bestättigung sowohl bey gnädigster Herrschaft als
Eheanbahnung und Partnerwahl 69
auch bey der Judenschafft in Franckfurth auf seine eigene Kosten zu verschaffen, solang er Wolffsheimer nicht in Franckfurth wohnt.“ Im Anschluss folgen Bestimmungen darüber, wo und wie die Hochzeit gefeiert werden soll. Des Weiteren werden Regelungen für den Fall getroffen, sollte einer der Ehepartner gleich nach der Hochzeit sterben, wobei sich die Bestimmungen nur auf eine kinderlose Konstellation beziehen. Gibt es jedoch Kinder in der Ehe, erhält die Witwe auch nach nur einem Jahr der Verheiratung das ganze Vermögen: „Wenn sie stirbt, thuet der Mann sie erben in allen Zeit, es mag seyn in den ersten drey Jahren oder nicht; sollen ihre Bücher ohne Abzug gegeben werden. Darauf hat abbemeldter Doctor eine Specification wegen der Büchern verfertiget, und laut Specification soll solches Ihr und Ihren Erben gegeben werden, auch die Gürtel und Ehering nebst ihren LeibesKleider, Schleyer, es seyn was sie mit gebracht oder was ihr Mann hat machen laßen. Alles ohne Abzug.“ Zum Schluss ergeht in der Urkunde eine Bannformel: „Alle obige Puncten haben beyde Partheyen bedungen mit scharfen Bann Jurament, und Handgelöbniß auch beystraff wer solches übertrift, dem andern Theil 110 Carolin zugeben schuldig seyn. Wan die Straf schon gegeben wird, sollen sie dennoch von ihrem Bann nicht befreyet seyn der Bann soll auch die Straf nicht befreyen. Darauf haben beyde Partheyen einen Wechsel eingelegt nämlich Herr Vorgänger und Doctor Moyses ein Wechsel von 100 Stück Carolin auf obige Straf und Herr Moyses Schuster an Herrn Doctor von 300 Stück Carolin, so viel beträgt das gantze Heyrathsgut, solches ist bey dem Rabiner zu Heidingsfeld ad tertio deponirt worden. Alles klar zu halten und zu bestättigen haben sich beyden Partheyen eingenhändig unterschrieben Heidingsfeld Sonntag 22. tag in Eloel 5 531 = 1. Sept. 1770.“ In dem Vertrag machen beide Parteien deutlich, was sie gegenseitig für die künftige Ehe an finanziellen Aufwendungen leisten wollen. Wichtig sind besonders der Wohnsitz und die Einholung des obrigkeitlichen Konsenses. Ebenso wird im Vertrag geregelt, wer die Kosten für die Hochzeit übernehmen soll. Danach folgen finanzielle Regelungen, die entstehen, wenn einer der zukünftigen Ehepartner stirbt. Der zweite Vertrag ist dann der eigentliche Heiratsvertrag, der die im ersten Vertrag beschlossenen Regelungen bestätigt und ihren Vollzug bekräftigt. Er wiederholt zum großen Teil wortwörtlich die Bestimmungen des ersten Vertrages (München, Reichskammergericht, Nr. 5 427, Bestellnr. 7 337). Vergleicht man nun jüdische und christliche Eheverträge, so sieht man, dass die Vermögens- und Versorgungsfragen bei beiden Typen im Vordergrund stehen. In jüdischen Verträgen spielt zudem der zukünftige Wohnort eine zentrale Rolle. Juden hatten ja oft nur beschränkte Aufenthaltsrechte, die im Ehevertrag geklärt werden mussten. Der Wohnort der Juden war eine der zentralen Fragen jüdischer Existenz in der Frühen Neuzeit.
70 Anette Baumann
Ein weiterer Unterschied besteht im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages und bei der Anzahl der Verträge. Jüdische Eheverträge wurden schon zur Verlobung abgeschlossen und enthielten Regelungen zur Finanzierung der Hochzeitsfeier. Ein zweiter Vertrag wurde dann zur Hochzeit geschlossen. Er wiederholte allerdings in wesentlichen Teilen den Wortlaut des zuvor schon geschlossenen Vertrages. 3.9 Verhältnis von Verlobung und Heirat in der christlichen Ehe▀Das Verhältnis von Eheversprechen und Eheschließung in der Frühen Neuzeit lässt sich nicht ohne Weiteres genau bestimmen. Ursache hierfür ist der Prozess der Verkirchlichung der Eheschließung, der sich vom 16. bis zum 18. Jahrhundert allmählich vollzog und die ganze Gesellschaft betraf (Schwab 1993, 766). Hinzu kommen konfessionelle Unterschiede. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die Eheschließung als eine rein weltliche Angelegenheit behandelt, obwohl sie den Regulierungen kirchlicher Gewalten unterstand. Noch im 16. Jahrhundert bildete rechtlich gesehen das gegenseitige Versprechen, ob heimlich oder öffentlich, den entscheidenden Akt der Eheschließung. Die kirchliche Trauung hatte juristisch betrachtet keine Relevanz. Sie war nur die offizielle Sanktionierung eines Verhältnisses, das bereits zuvor geschlossen worden war. Allmählich gewann die Kirche jedoch immer mehr Einfluss auf die Eheschließung: Die Trauung wurde in die Kirche verlegt und unterstand nun der priesterlichen Oberaufsicht. Zwar unterschieden sich die Konfessionen in der Auffassung von der Ehe, aber beide Konfessionen erkannten schließlich allein die kirchliche Trauung als den eigentlich ehestiftenden Akt an, womit die Bedeutung des Eheversprechens in der alten Form herabgesetzt wurde. Grundsätzlich kann festgehalten werden: War der Ehevertrag abgeschlossen und unterschrieben, sprach man im Allgemeinen von Verlobung und es konnte ein – meist öffentlich verkündeter – Hochzeitstermin festgesetzt werden. Die Territorien und Reichsstädte versuchten dies mit den entsprechenden Vorschriften festzuschreiben. 3.10 Ehepfänder▀Meist wurden der Ehevertrag oder das Verlöbnis durch die Ehepfänder besiegelt. Das Ehepfand war ein Gegenstand, der zunächst nur vom Bräutigam, später jedoch auch von der Braut gegeben wurde, um damit die Absicht zum Vollzug der Eheschließung symbolhaft zum Ausdruck zu bringen. Die Übergabe und die Annahme eines Ehepfandes waren für beide Teile bindend (Lischka 2006, 211 f.; Breit 1991, 96; Burghartz 1999, 165 ff.). Je nach Stand und Vermögen hatten die Geschenke einen unterschiedlichen Wert. In der ländlichen Bevölkerung wurden oft Gegenstände des alltäglichen Bedarfs geschenkt. Es konnten Handschuhe, Schuhe, Schmuckbänder, Armbänder und Halsketten, aber auch Kopf- und Taschentücher sein. Hut und Mantel, Messer und Nadel, ein Ring oder Geldstück werden ebenfalls er-
Eheanbahnung und Partnerwahl 71
wähnt, sind jedoch selten. Beim Adel und dem Bürgertum handelte es sich meistens um ähnliche Geschenke, die jedoch kostbarer ausgestattet waren. Ein weiterer Brauch bestand darin, den Ehevertrag oder die Verlobung mit Wein zu bekräftigen. Im angelsächsischen oder niederdeutschen Bereich verwendete man für diesen Festakt auch Bier. Der Trunk auf die Verlobung war eine sinnbildliche Besiegelung, während die öffentliche Verkündigung der Eheverabredung mit Zeugen als eine Handlung mit rechtlicher Verbindlichkeit galt. Danach gab es oft ein Gelage (Sturm-Heumann 2004/2007, Bd. 1, 16). Hierfür schuf man spezielle Verlobungs- oder Hochzeitsbecher, die vor allem im 18. Jahrhundert in Mode waren. In diesem Zusammenhang muss auch der Verlobungs- oder Trauring gesehen werden. Die erste Erwähnung eines Verlobungsringes findet sich in dem mittellateinischen Epos „Ruodlieb“, das in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstand. Im mitteleuropäischen Raum wurde er zusammen mit den Symbolen wie Kranz und Schleier von den Römern übernommen. Der annulus pronubus, an manchen Orten auch eine Art Handgeld, wurde beim Verlöbnis der Braut von ihrem Bräutigam als Zeichen der Beglaubigung übergeben (Becker 1988, Sp. 1 069). Doch blieb der Gebrauch zunächst den bürgerlichen und adeligen Ständen vorbehalten und setzte sich augenfällig in den Städten schneller durch als auf dem Lande. Schließlich wurde der Ring in die kirchliche Trauung mit einbezogen und erhielt damit einen eher sakralen als juristischen Charakter. 4. Hochszeitsfeierlichkeiten und Trauung▀ 4.1 Hochzeit▀1568/69 malte der Maler Pieter Brueghel d. Ä. eine Hochzeit bei Bauern (Abb. 3). Das Bild unterscheidet sich stark von heutigen Hochzeitsfotos, auf denen das Brautpaar mit oder ohne Verwandtschaft gezeigt wird. Vielmehr ist auf Brueghels Bild für den Betrachter heute gar nicht mehr sofort erkennbar, was überhaupt dargestellt wird. Er kann nur sehen, dass es sich um ein großes Fest mit einem ausgiebigen Mahl handeln muss. Der Künstler hat in seiner Darstellung auf eine Überhöhung des Geschehens verzichtet, und führt uns so direkt auf gleicher Ebene in eine reiche Bauernhochzeit ein. Die weiß gedeckte Hochzeitstafel ist schräg in die Tiefe des Raumes gestellt. Es ist eine Tenne, der größte Raum in einem Bauernhaus. Im Hintergrund türmt sich eine Strohwand, vor die ein grünes Tuch gespannt ist. Davor sitzt, in der Mitte der Tafel, die Braut ruhig mit gefalteten Händen. Über der Braut hängt die Brautkrone aus Papier, daneben sitzt im Lehnstuhl der für die Aufstellung des Heiratskontraktes notwendige Notar. Am Tisch ist noch der spanisch gekleidete Gutsherr erkennbar. Im Vordergrund tragen zwei Männer auf einer Holztür gefüllte, flache Breiteller heran, die an die Gäste von einem an der Stirnseite sitzenden Mann weitergereicht werden, während am linken Bildrand ein Helfer das Hochzeitsbier in kleine Krüge umfüllt. Für Musik sorgen zwei Dudelsackpfeifer, von denen der eine sehnsüchtig nach dem Essen schaut. Im Vordergrund leckt ein Kind mit sichtlichem Vergnügen die be-
72 Anette Baumann
reits leergegessene Schüssel aus. Der Bräutigam fehlt. Er wird erst am Abend der Hochzeit mit der Braut zusammengeführt. Brueghels Bild zeigt eines der wichtigsten Ereignisse in der frühneuzeitlichen Gesellschaft: die Hochzeit. Die Eheschließung und ihre Rituale markierten den Übergang von Mann und Frau in eine neue „soziale Identität“ (Haas 2005, 502). Die Hochzeit als Übergang von einem sozialen Status in einen anderen, von jenem des Ledigen oder der Ledigen zu dem oder der Verheirateten mit der Zwischenphase des Braut- oder Bräutigamseins stellte einen zentralen Statuswechsel des Einzelnen in der Gesellschaft dar (Haas 2005, 503). Dies wurde durch sehr unterschiedliche Traditionen, Formen und Rituale in den einzelnen Regionen des Heiligen Römischen Reiches und in Europa gefeiert. Im Sinne der Soziologie der Zweierbeziehung von Karl Lenz ist mit der Hochzeit auch die letzte Phase, die soziale Durchdringung, abgeschlossen. Dies wurde in der Frühen Neuzeit aufwendig gefeiert und gestaltet, wie der folgende Einblick in das Arrangement von Hochzeit und Trauung in der frühneuzeitlichen Gesellschaft zeigt. 4.2 Kirchliche Trauung▀In der katholischen Kirche galt die Ehe als Sakrament, wobei sich die Eheleute – wie bereits angedeutet – das Sakrament gegenseitig stifteten. Dementsprechend besaß der Priester nur eine vermittelnde und bezeugende Funktion (Gestrich 2003, 368 f.), so dass sich die kirchliche Beteiligung auf den Ehesegen nach vollzogener Heirat beschränkte. Seit dem Tridentinum war im Heiligen Römischen Reich von der katholischen Obrigkeit ausschließlich eine kirchliche Trauung vorgesehen (Lischka 2006, 51). Luther lehnte bekanntlich den Sakramentscharakter der Ehe ab, verwarf jedoch die vielen von der katholischen Kirche aufgebauten Ehehindernisse und reduzierte sie auf eine allzu nahe Verwandtschaft (Gestrich 2003, 371). Die Zeremonie der evangelischen Trauung bestand aus zwei Teilen, die an unterschiedlichen Orten um die Kirche abgehalten wurden. So wurde vor dem Kirchportal der öffentliche Konsens von Braut und Bräutigam zur Eheschließung eingeholt. Außerdem fand dort der Austausch der Ringe statt und der Pfarrer sprach das Paar zusammen. Das getraute Paar schritt dann bereits als Ehepaar in die Kirche, um dort vor dem Altar die kirchliche Segnung des Pfarrers zu erhalten (Schulz 1985, 150). Damit wurde der Ritus um den Wert der Reinheit neu gruppiert und entsexualisiert (Haas 2004, 554). Außerdem waren noch weitere Faktoren zu beachten. So durfte nur in bestimmten Zeiten des Kirchenjahres geheiratet werden. Vorgesehen waren hierfür die Monate Januar und Februar sowie Mai bis Juli und Oktober sowie der November (Gersmann 2005, 57). Ausgeschlossen für die Heirat waren die Fastenzeit und die letzte Adventswoche. Statt in der Kirche konnte aber auch, nach der Einholung einer speziellen Erlaubnis, zu Hause gefeiert werden. Dabei war es freigestellt, die Trauung zu den unterschiedlichsten Tageszeiten abzuhalten (Sturm-Heumann 2004/2007, Bd. 2, 17).
Eheanbahnung und Partnerwahl 73
Abb. 3: Pieter Brueghel d. Ä., „Bauernhochzeit“, Gemälde/ Öl auf Holz 1565.
In den einzelnen Territorien des Reiches dauerte es unterschiedlich lange, bis sich die öffentliche kirchliche Trauung durchsetzte. Deshalb versuchte die Obrigkeit, durch bestimmte Restriktionen den Prozess zu beschleunigen. So durfte in der Grafschaft Schaumburg der Pastor das Paar erst nach Erhalt des Ehezettels trauen, der gegen Gebühr vom Amtmann ausgestellt wurde. Zuvor musste noch innerhalb von vierzehn Tagen das Aufgebot bestellt werden, und zwar in dem Wohnort des Paares, in dem das Kirchspiel lag. Bei Zweitehen musste zudem eine Trauerzeit berücksichtigt werden. Während sie beim Witwer ein halbes Jahr betrug, hatte die Witwe ein Jahr zu warten, bevor sie eine neue Ehe eingehen konnte. 4.3 Hochzeiten beim Adel▀Die Hochzeitsrituale beim Adel gestalteten sich, wie aus den reichlich überlieferten Quellen hervorgeht, sehr aufwendig und zielten auf das ganze Haus sowie dessen Ehre. Der Adel musste dabei Verfahrensformen einhalten, ohne deren Vollzug es einer ehelichen Verbindung an Prestige und sozialer Anerkennung mangelte. Bereits die Einladung zur Hochzeit war Teil des Verfahrens, gereichte sie doch beiden Seiten zur Ehre und wurde dementsprechend als Ehrensache behandelt (Bastl 2000, 181 ff.). Die Einladungen ergingen schriftlich, wobei Höflichkeit und Komplimentierkunst feste Bestandteile dieser Schreiben waren. Der schriftliche Weg der Kommunikation setzte ebensoviel Takt und rhetorische Techniken wie die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht voraus. Für beide Verkehrsformen galten die gleichen Rhetorik- und Höflichkeitsmodalitäten.
74 Anette Baumann
Zwar gab es für die Form der Einladung keine Vorschriften, typisch war jedoch eine gewisse „Mündlichkeit“ des Briefstils. Die Briefe enthielten dabei immer folgende Elemente: Zuerst wurde der Empfänger in knappen Worten über den Zweck des Schreibens unterrichtet – verbunden mit der Erklärung, dass sich das Paar unter dem Vorwissen bestimmter, namentlich genannter Personen einander ehelicht. Darauf folgte eine kurze genealogische Erklärung zu den Eltern des Bräutigams und der Braut. Anschließend wurden Einladungsmodalitäten angegeben, warum und zu welchem Zweck die Gäste erwünscht seien, wo sie eintreffen sollten und wie sich die Hochzeit gestalten werde. Alle eingeladenen Gäste gehörten schließlich zur Familie, die in der Frühen Neuzeit den geschlossenen Rahmen aller sozialen Beziehungen darstellte. Herrschaft zeigte sich in der Frühen Neuzeit vor allem in symbolischer Macht, womit Einfluss, Beziehungen und Reputation gemeint sind. In diesem Kontext sind auch die Gäste und Einladungslisten zu sehen. Je mehr Reputation und Ehre eine Familie ausstrahlte, desto wichtiger erschien es für die Mitglieder der anderen Familien, mit ihr in Beziehung zu treten (Bastl 2000, 200). Damit machte man seinen Anspruch geltend, zu einer regionalen Elite zu gehören. Gerade eine Hochzeit konnte als Aushängeschild für besondere Reputation dienen. Die Häuser des hohen Adels standen in einem ständigen Konkurrenzkampf. Deshalb hatte es für den Ausrichter zentrale Bedeutung, auf der Einladungsliste bestimmte Namen angesehener Häuser zu präsentieren, auch wenn die Träger dieser Namen gar nicht an den Feierlichkeiten teilnahmen. Mit der Einladung an bestimmte Gäste wurde auch ausgedrückt, welchen Rang diese für sich und ihre Familie innerhalb der Hochzeitsgesellschaft in Anspruch nahmen. Da die Einladung eine besondere Ehre darstellte, musste derjenige, der sich außer Stande sah, die Einladung anzunehmen, hierfür einsichtige Argumente vorbringen (Mutschler 2004, 246 f.). Zum Teil waren Absagen jedoch mit eingeplant, vor allem wenn bei einem Grafen oder sonstigen Niederadeligen Kurfürsten oder Fürsten auf der Einladungsliste standen, deren Unterbringung und Hofhaltung ohnehin die Ressourcen eines gräflichen oder niederadeligen Hauses überstiegen hätten. Der Fürst konnte aber an seiner Stelle Gesandte schicken, um dem Hochzeitspaar die Ehre zu erweisen. Wurde ein Einladungsschreiben nicht mit einer positiven Antwort erwidert, so gab man in der Regel familiäre Gründe hierfür an. Gründe konnten beispielsweise Taufen im engeren Umkreis der Familie sein, auch gleichzeitige Heiraten anderer naher Personen, aber auch die Verabschiedung von Brüdern oder Söhnen, die in den Krieg zogen oder zu einer Kavalierstour aufbrachen. Hatten die Gäste zugesagt, mussten die unter den Eltern der Brautleute aufgeteilten Hochzeitsvorbereitungen getroffen werden. Vor allem die gemeinsamen Mahlzeiten stellten die Familien vor besondere Herausforderungen: Gemeinsames Essen und Trinken zählte zu den grundlegenden Bestandteilen menschlichen Zusammenlebens. Dabei erschien das gemeinsame Mahl wie kaum eine andere soziale Handlungsweise mit symbolischer Bedeutung auf-
Eheanbahnung und Partnerwahl 75
geladen. Innerhalb sozialer Gruppen stiftete und festigte das kollektive Speisen die gegenseitigen Bindungen, wobei in diesem Kontext vor allem der bündnisstiftende und friedenserhaltende Charakter des Mahles hervorzuheben ist. Der Vollzug der Tischgemeinschaft kräftigte den Zusammenhalt, denn die Aufnahme in die Tischgemeinschaft bedeutete auch die Aufnahme in die jeweilige soziale Gruppe. Durch ein Mahl ließ sich auch demonstrieren, dass die Bereitschaft dazu bestand, mit den Teilnehmern ein Verhältnis zu pflegen, das dem Geist des gemeinsamen Mahles entsprach. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Mahlzeiten, die im Rahmen einer Hochzeit abgehalten wurden, alle Sinne beanspruchten. Geruch, Geschmack, Optik, Berührung und Akustik wurden in die Inszenierung miteinbezogen. Das Mahl sollte schließlich allen Teilnehmern Erinnerung und Gedächtnis stiften. Dafür waren umfangreiche Vorbereitungen nötig. So mussten Vorräte herbeigeschafft werden, was in Zeiten ohne Kühlmöglichkeiten einen erheblichen Aufwand bedeutete. Es ging um Eier, Schlachtrind, Kälber, Fische, Truthähne, Hasen und vieles mehr (Bastl 2000, 237). Bei einer Analyse der Listen, Quittungen und Verzeichnisse wird die Diskrepanz zwischen dem erkennbar, was gewünscht oder als notwendig erachtet wurde und dem, was gerade zu bekommen war. Dabei wurden die Waren nur zu einem Teil auf dem Markt besorgt, den überwiegenden Anteil mussten die Untertanen der jeweiligen Herrschaften stellen. Neben dem Mangel an Nahrungsmitteln gestaltete es sich durchweg auch schwierig, genügend Geschirr, Gläser, Besteck, Tischdecken und Servietten aufzutreiben, so dass verwandtschaftliche Unterstützung erbeten war (Bastl 2000, 239, 243). Exemplarisch seien im Folgenden die Hochzeitsvorbereitungen zwischen Sibylla Juliana von Ysenburg und dem Wild- und Rheingrafen Friedrich im Jahre 1598 näher beleuchtet (Mutschler 2006, 249 ff.): Die Erinnerung an die Hochzeit sollte vor allem auch mit einer Teilnehmerliste und der Sitzordnung bei dem Hochzeitsmahl aufrechterhalten werden. Der Grundriss der Sitzordnung gab nicht nur die Anzahl der Gäste wieder. Der Betrachter erhielt auch Informationen darüber, wie viele Mahlzeiten im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten überhaupt geplant waren. Bei der Hochzeit der Ysenburger mit den Wild- und Rheingrafen waren insgesamt vier Mahlzeiten vorgesehen, zu denen sich die ganze Hochzeitsgesellschaft sowie die Brautleute einfinden sollten. Eine war für den Vorabend des Beilagers geplant, eine weitere sollte im Anschluss des Brautempfanges sowie jeweils ein Mittag- und Abendessen am darauf folgenden Tag stattfinden. Insgesamt waren 17 Personen zu bewirten, die alle bis auf den Hofmeister und den Vorschneider aus dem Hochadel stammten. Der Kreis der Tischgesellschaft stimmte im Wesentlichen mit den Personen überein, die auf der Einladungsliste standen. Die wichtigsten Personen waren neben Braut und Bräutigam die Vormünder und nächsten Verwandten des Paares, da die Eltern der Brautleute nicht mehr am Leben waren. Es handelte sich dabei um den ältesten Bruder der Braut, Wolfgang Ernst von Ysenburg, der zum Zeitpunkt der Hochzeit Witwer war, und dem Bruder des
76 Anette Baumann
Bräutigams, Adolf Heinrich Wild- und Rheingraf und seine Gattin Juliana, eine geborene von Nassau-Katzenelnbogen. Daneben war das Haus Solms bei dem Gastmahl gleich mit drei seiner Mitglieder vertreten. Zu den Gästen der Tischgesellschaft zählten auch Ludwig Georg von Stolberg und seine Gattin Anna Maria. Der Bräutigam war vor seiner Heirat mit Sibylla von Ysenburg bereits zweimal verheiratet gewesen und hatte aus den Ehen Kinder. Der älteste Sohn aus erster Ehe nahm zusammen mit seinem Hofmeister ebenfalls an dem Mahl teil, ebenso wenigstens eine der Töchter. Von Seiten der Braut nahmen eine Cousine sowie die drei Schwestern der Braut teil, die zeit ihres Lebens unverheiratet bleiben sollten. Neben der Sitzordnung waren auch die Speisen und ihre Folge ein bis in das letzte Detail regulierter Vorgang. Das Mahl war ein Akt nichtverbaler Kommunikation, in der jeder Geste, jedem Gegenstand und auch räumlichen Dispositionen ein zeichenhafter Charakter anhaftete (Mutschler 2006, 253). Doch nicht nur die Mitglieder der hochadeligen Familien waren präsent, auch die familia des einladenden Hauses erschien zu den Festlichkeiten. Auch hier sei wiederum ein Beispiel aus dem Hause Ysenburg herangezogen. 1650 heiratete Johann Ernst von Ysenburg Maria Charlotta von Erbach. Sie bewirteten neben der eigenen Familie zusätzlich weitere Gäste, die nach ständischer Ordnung an drei Tafeln platziert wurden. Zwei Tafeln waren Bediensteten und Räten, Bürgermeistern, Schultheißen und Pastoren vorbehalten, während die erste Tafel nur mit Personen hochadeligen Standes sowie den Brautleuten, Freunden und Verwandten besetzt war. Ansonsten waren nur noch Vorschneider und Hofmeister zugegen. Ein besonderes Ereignis stellten kaiserliche Hochzeiten dar. Hier mussten noch weiter und stärker familiäre und politische Dimensionen bedacht werden, was sich in gesteigertem Aufwand und Pomp niederschlug. Vor allem die erste Ehe Leopolds I. mit der Infantin Margaretha Theresia im Jahr 1667 war von großer politischer Bedeutung. Sie soll als Beispiel dienen. Hier wurde nichts dem Zufall überlassen, da mit der Ehe auch die Erbansprüche der Habsburger gegenüber Spanien manifestiert werden sollten. Die Stärkung der Verbindung mit den spanischen Habsburgern sollte nicht nur innerhalb des Reiches, sondern in ganz Europa und insbesondere in Frankreich zur Kenntnis genommen werden. Denn gerade König Ludwig XIV. hatte durch seine aufwendig gefeierte Hochzeit mit der älteren spanischen Königstochter Maßstäbe gesetzt und seine ausgedehnten Herrschaftsansprüche in Form von höfischen Festen öffentlich vorgeführt. Die Feierlichkeiten waren so umfangreich, dass damit die ganze Stadt Wien beschäftigt war. Glaser, Tischler, Zimmermänner, Goldschmiede und alle anderen Handwerker arbeiteten ausschließlich für das Kaiserhaus. Die ganze Stadt und auch das ganze Reich, das laufend durch Zeitungen über die Vorbereitungen informiert wurde, waren hierüber unterrichtet. Entsprechend der Bedeutung dieser Ehe widmete der Kaiser persönlich seine Aufmerksamkeit den verschiedenen geplanten Festlichkeiten. Als Hauptfeier-
Eheanbahnung und Partnerwahl 77
lichkeiten beabsichtigten der Kaiser und seine Berater ein Feuerwerk zum Empfang der Braut, ein Reiterballett sowie die Aufführung einer für diesen Zweck geschriebenen Oper (Schumann 2003, 243 f.). Besonders schwierig gestaltete sich die zeitliche Planung, da die Braut in Barcelona weilte und sich ihr Kommen auf Grund der Entfernung nicht genau festlegen ließ. Schließlich erreichte Margaretha Theresia im Dezember Wien. Die Feierlichkeiten begannen mit einem vierstündigen Einzug in die Stadt, im Anschluss daran wurde ein Festbankett gehalten und die Stadt illuminiert (Schumann 2003, 246). Danach gab es der Jahreszeit entsprechend Schlittenfahrten und Jagden und als besondere Höhepunkte das Rossballett und die Oper „Il pomo d’oro“. Das Rossbalett sah einen Kampf zwischen verschiedenen Reitertruppen um eine Perle vor. Eine imaginäre Himmelskugel entschied letztendlich die Auseinandersetzung und sprach die Perle den Habsburgern zu, die dadurch als mächtigstes Herrscherhaus ausgezeichnet wurden (Schumann 2003, 248 f.). Auch die Oper spielte auf die Rolle des Hauses Habsburg in der Welt, auf seine Tradition und Machtansprüche an. Die Feierlichkeiten im Kaiserhaus unterschieden sich in der Struktur nicht allzu sehr von einfachen Adelshochzeiten. Allerdings wurde mit dem größten Pomp und Aufwand gefeiert, um so eine möglichst große Publizität und Propagandawirkung zu entfalten. Neben der Familie spielte zudem die internationale Politik eine wichtige Rolle. Weitaus schwieriger gestalteten sich am Kaiserhaus logistische Probleme, die mit dem gesteigerten Aufwand und der Reiseentfernung der Braut und auch der Gäste zusammenhingen. 4.4 Hochzeit von Untertanen und Bürgern in Reichsstädten▀Auch bei Bürgern und Bauern war die Feier der Hochzeit eine aufwendige Angelegenheit, die genau geplant werden musste. Nach der Unterzeichnung des Ehevertrags und der Aushandlung der Heiratsmodalitäten galt es, zur Hochzeit einzuladen. Gerade im Verlauf des 17. Jahrhunderts wurde verstärkt Wert darauf gelegt, die Hochzeit öffentlich zu begehen und hierzu möglichst viele Gäste einzuladen. Allerdings geschah dies im Gegensatz zum Adel nicht in schriftlicher Form. Vielmehr bildete sich vielerorts eine eigenständige Brauchtumsfigur heraus, deren Aufgabe darin bestand, die Hochzeitsgäste auf professionelle Art einzuladen. In Mittel- und Norddeutschland wurden diese professionellen Einlader „Hochzeitsbitter“ genannt, in Süddeutschland sprach man vom „Hochzeitslader“. Zudem kamen die Bezeichnungen „Nöter“ oder „Gaster“ vor (Kubach-Reutter 1985, 294). Daneben blieb es üblich, dass die Brautleute selbst – allein, aber auch mit Begleitern – zu ihrem Fest einluden. Wurde der Brauch ehrenamtlich ausgeführt, handelte es sich häufig um einen jungen männlichen Verwandten der Brautleute. In Nürnberg bekleidete der Hochzeitsbitter ein offizielles Amt und wurde vom Rat der Stadt gemäß den einzelnen Ständen bestellt. Diese amtlich bestellten Hochzeitsbitter trugen, während sie ihrer
78 Anette Baumann
Aufgabe nachgingen, silberne, an Ketten befestigte, üppig verzierte Platten, die ihnen von zufriedenen Brautleuten als Dank überreicht worden waren. Im ländlichen Bereich waren die Hochzeitsbitter nicht so prunkvoll gekleidet. Hier trugen sie in der Regel ihr Sonntagsgewand mit einem Hut, der mit langen Bändern verziert war, und an ihrer sonstigen Kleidung Blumen. Manchmal hielten sie noch einen bunten überlangen Zierstock in den Händen. Damit war der Hochzeitsbitter als würdige und wichtige Person ausgewiesen. Nach Absprache mit den Brautleuten fertigte der Hochzeitsbitter eine Gästeliste an. Zu Fuß oder zu Pferd, auch Kutschen werden genannt, suchte er die Einzuladenden auf und brachte seine Einladung in Form einer Rede, als Gedicht oder Spruch vor. Vielfach löste der Hochzeitsbitter durch seine auffällige Aufmachung kleinere, ihn zumeist freudig begrüßende Menschenaufläufe aus. Hatte er seine Einladung ausgesprochen und wurde sie auch angenommen, verabschiedeten die zukünftigen Hochzeitsgäste den Hochzeitsbitter mit einem Getränk oder einer kleinen Gabe. Vielerorts kam es bei seiner Rückkehr im Brauthaus zu kleinen Feiern. Die Aufgaben des Hochzeitsbitters erschöpften sich jedoch an vielen Orten nicht in der Einladung der Gäste. So übte er während der Hochzeit auch das Amt eines „Zeremonienmeisters“ aus, indem er für den korrekten Ablauf der Hochzeit sorgte (Kubach-Reutter 1985, 294). Die Gründe hierfür sind offensichtlich, denn schließlich legte die Obrigkeit viel Wert darauf, dass der Ablauf der Hochzeit regelgemäß verlief. Letztendlich schrieb sie die genaue Anzahl der Gäste, der Gänge sowie den Kirchgang vor. Auch die religiösen Handlungen während des Mahles wie Tischgebet etc. wurden durch den Hochzeitsbitter genau überwacht. Policeyordnungen regelten den Verlauf von Hochzeitsfeiern bei den Untertanen. So schrieb die Stadthagener Ordnung von 1615 vor, dass in den Städten die Zahl der Gäste je nach Status streng limitiert sein sollte. Ein Bürgermeister oder vornehmer Bürger, der von seinem Vermögen lebte, sollte nicht mehr als zehn Tische, ein Ratsherr sieben und ein gemeiner Bürger oder Handwerksmann nur fünf Tische mit Gästen bei der Hochzeit bewirten dürfen. Dabei wird jedoch nicht gesagt, wie viele Gäste an einem Tisch platziert werden sollten. Falls die Bürger der Stadt sich nicht daran hielten, so sollten sie für jede Person, die zusätzlich eingeladen worden war, einen Gulden Strafe bezahlen. Für die Bauern gab es ähnliche Bestimmungen. Auch hier wurde zwischen dem Status der einzelnen Bauern unterschieden. Während ein Hofgutsbesitzer vier Tische einladen durfte, waren es bei einem Köter nur zwei. Auch sie mussten, wie die städtischen Bürger, für jeden überflüssigen Gast einen Gulden Strafe bezahlen. Für ländliche Feste wurden zudem noch weitere Verordnungen wirksam, die die Art der Gäste genauer definierten. So wurde in der Ordnung festgelegt, dass keine Kinder auf dem Fest erscheinen durften. Die Mädchen sollten mindestens zehn Jahre alt sein, während die Jungen so lange von den Festlichkeiten fern bleiben sollten, bis sie „ihre voigtbare Jahre“ erreicht hätten.
Eheanbahnung und Partnerwahl 79
Das Hochzeitsmahl bestand meist nur aus Brot und Fleisch. Auch hier werden in der Ordnung konkrete Anweisungen gegeben. So sollten während des Essens die Türen des Rathauses oder der Häuser, in denen das Gastmahl stattfand, geschlossen bleiben und erst wieder nach Beendigung der Mahlzeit geöffnet werden. Ab diesem Zeitpunkt war ein Türhüter zu bestellen, der über übriggebliebene Speisen und Getränke wachen sollte, damit nichts veruntreut oder gestohlen wurde. Man wollte das Brautpaar vor Ärger und Verdruss schützen. Ferner weist die Bestimmung ausdrücklich darauf hin, eingeladene Fremde besonders gastfreundlich zu behandeln (Sturm-Heumann 2004/2007, Bd. 2, 191). Eine Verordnung aus Schaumburg-Lippe zu Beginn des 18. Jahrhunderts (Sturm-Heumann 2004/2007, Bd. 2, 343) enthält detaillierte Anweisungen über das öffentliche Aufgebot und die Trauung. In dieser Verordnung wird darauf bestanden, dass 14 Tage „vor allen Hochzeiten ehe und bevor sie durch Priesterliche Copulation vollzogen werden“, eine öffentliche Abkündigung geschehen müsse. Dabei waren die heiratswilligen Personen in Kirchen und christlichen Versammlungen namentlich zu benennen, wobei etwaiger Widerspruch gegen eine Heirat vorgebracht werden konnte. Die Schaumburg-Lipper Verordnung verlangte überdies die Durchführung der Copulation an einem öffentlichen Ort wie der Kirche. Private Häuser wurden als nicht angemessen empfunden und deshalb verboten. Auch eine Trauung außerhalb der Grafschaft Schaumburg-Lippe war nicht statthaft. Falls die Untertanen dagegen verstießen, sollten sie 100 Reichstaler zahlen, und wenn sie sich nicht dazu in der Lage sahen, sollten sie ihr Vergehen sogar mit einer schweren Gefängnisstrafe büßen. Selbst eine Bestrafung an „Leib, Guth und Ehre“ wurde nicht ganz ausgeschlossen. Außerdem wurden die Priester dazu angehalten, keine fremden Personen zu trauen, ansonsten hätten sie mit der Suspension rechnen müssen. Aus den oben genannten Bestimmungen wird ersichtlich, dass die Hochzeitsfeiern der Untertanen mit besonders vielen obrigkeitlichen Restriktionen verbunden waren. Der Hintergrund dafür war die Absicht, in diesem Zusammenhang eine Überschuldung der Untertanen zu vermeiden. Reichs- und europaweit gültige Luxusordnungen sollten daher genau festlegen, wie lange, wo und mit welchem Aufwand gefeiert wurde. So durften im 16. Jahrhundert in Dänemark nur am Sonntag Trauungen stattfinden, deren Feiern dann am Montagabend zu beenden waren. Außerdem durften Bauern und Handwerker nur zwölf Ehepaare mit ihren Kindern einladen. Bei Handwerkern kamen noch Brautjungfern und sechs junge Männer hinzu. Bürgermeister, Ratsherren und Kaufleute durften dagegen die doppelte Anzahl an Gästen einladen. Trotz all dieser Verordnungen gab es Exzesse. Auch das städtische Bürgertum gestaltete Hochzeiten mit erheblichem Aufwand und praktizierte dabei eine Teilung der Kosten für die Feierlichkeiten, so zum Beispiel bei der Hochzeit von Maria Margaretha von Bertram mit dem hochgräflich kirchberg-sayn-wittgensteinschen Hofrat Adam Friedrich Lau-
80 Anette Baumann
terbach 1718. Für ihre Eheschließung sind im Zusammenhang mit einem Reichskammergerichtsprozess verschiedene Hochzeitslisten überliefert. Während die eine Liste die Ausstattung der Braut und den Ablauf der kirchlichen Zeremonie beinhaltet, nennt die andere Liste die Aufgaben, die zu erledigen waren, um den Ablauf des Hochzeitsmahles optimal zu gestalten. Darin ist von der Anfertigung des Brautkleides und von Hochzeitsschuhen die Rede, aber auch Pantoffeln für die Köchin des Hochzeitsmahls werden erwähnt. Der Ring des Bräutigams durfte nicht vergessen werden und ein Nachtrock musste speziell für das Beilager für ihn angefertigt werden. Tücher und Spitzen für das Brautkleid wurden besorgt und der Schneider musste für die Hochzeitskleider entlohnt werden. Besonders wichtig war es zudem, das Mahl stilvoll und aufwendig zu gestalten. Die Brauteltern mieteten Kutschen an, die vor die Kirche fahren sollten und verteilten spezielles „Confect“. Daneben wurden Arme im Armenhaus mit Zuteilungen bedacht. Aus einer zweiten Liste geht hervor, dass die „Speißtafel hin und wieder zu bringen“ sei, die der Schreiner für die Hochzeit „auff und ab zu machen“ habe. Daneben wurde für den Hochzeiter ein Aufwärter für zwei Tage bestellt, Kutschergeld für das Fahren musste bereitgehalten werden sowie Geld für den berühmten Komponisten Georg Philipp Telemann, der auf der Hochzeit musizieren sollte. Es wurden zusätzliche Mägde angeheuert, die die Speisen auftragen sollten. Wichtig war auch die Güte des Weines: Moseler und Hochheimer (Rheingauer) Wein wurden für gerade gut genug befunden. Zum Essen reichte man Pasteten, die Bäcker außerhalb des Hauses buken. Auch der Frankfurter Patrizierhaushalt hatte wie das Fürstenhaus von Ysenburg Mühe, das benötigte Geschirr zusammenzubringen. Anscheinend gestaltete sich dies jedoch einfacher als in adeligen Kreisen, denn die zusätzlich gebrauchten Gläser konnten einfach beim Glaser geliehen werden. Auch an die Beleuchtung wurde gedacht. So kamen Nachtlichter unterschiedlicher Güte und Pechfackeln zum Einsatz (ISG Frankfurt, RKG, Nr. 1 019, Q 8). 4.5 Stille Hochzeiten▀Neben der großen öffentlichen Hochzeit, die mit Hochzeitsbitter und einer möglichst großen Anzahl von Gästen stattfand, gab es auch „stille Hochzeiten“. Sie wurden dann geschlossen, wenn der Dorfpfarrer feststellen musste, dass die Braut nicht mehr Jungfrau oder gar schon schwanger war; dann lief die Hochzeit in einem anderen Rahmen ab. So wurde der Braut das Brautkleid mit der jungfräulichen Krone verweigert. Stattdessen war sie gezwungen, eine Schandkrone aus Stroh aufzusetzen. In manchen Gegenden zeigte ein Kleid mit einem kürzeren Rock den ‚beschädigten Status‘ der Braut an. Aber auch der Bräutigam wurde stigmatisiert. Er trug anstatt eines Rosmarinzweiges oder Blumen ein Strohbündel. Zur Hochzeit kamen nur die allernächsten Verwandten. Einen Brautführer oder Hochzeitsbitter und ein großes Mahl mit Musik war für dieses Brautpaar nicht vorgesehen. Solche Hochzeiten waren wohl nicht selten (Kubach-Reutter 1985, 298). Allerdings stieg ihre Rate erst im 19. Jahrhundert stark an. Ursache hierfür
Eheanbahnung und Partnerwahl 81
war das hohe Heiratsalter. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass viele Brautleute voreheliche sexuelle Erfahrungen gesammelt hatten. Auch das Brautwerbungsverhalten trug dazu bei (Breit 1991, 68 f.). 4.6 Jüdische Hochzeiten▀Ein ähnlicher Aufwand wie beim Adel und den städtischen Patriziern wurde bei jüdischen Hochzeiten betrieben. Hier galt es auch, bestimmte Regeln einzuhalten, wie zum Beispiel das Verbot einer Hochzeitsfeier am Schabat (Homolka 2009, 74). Außerdem war die Gemeinde intensiv an der Hochzeit beteiligt. Der Bräutigam veranstaltete mit Freunden vor der eigentlichen Hochzeit ein Fest, bei dem man zu allerhand Scherzen aufgelegt war. Zudem erhielt die Braut durch die Hand des Rabbiners ein Geschenk des Bräutigams. Es handelte sich meist um einen Gürtel oder Schleier. Auch die Familien brachten dem Brautpaar Geschenke (Herzig 2001, 61). Allgemein sahen die Zeremonien folgendermaßen aus: Am Hochzeitsmorgen wurde der Bräutigam zuerst zur Synagoge geleitet. Danach erfolgte ein Gottesdienst. Gleichzeitig setzte sich ein Brautzug in Bewegung. Sobald er am Synagogenplatz angekommen war, führten der Rabbiner und der Vorsteher der Gemeinde den Bräutigam der Braut entgegen. Dieser fasste die Braut bei der Hand, während sie von der Gemeinde mit Weizenkörnern beworfen wurden. Anschließend nahm das Brautpaar unter dem Baldachin Platz. Die eigentliche Eheschließung fand – ähnlich wie im christlichen Ritus – außerhalb der Synagoge statt (Voolen 1985, 184). Allerdings stand hierbei nicht die Öffentlichmachung der Ehe im Mittelpunkt, sondern das Verbot für Frauen, die Synagoge zu betreten. Danach begann die eigentliche Hochzeitszeremonie. Ein wichtiges Element bei der Feier spielten zwei unterschiedlich gestaltete Gläser Wein: Das Glas einer jungfräulichen Braut war nach oben verjüngt, die Witwe hatte ein normales Glas. Während der ganzen Zeremonie, die unter der Chuppa stattfand, war die Braut verschleiert, zusätzlich wurde sie vom Bräutigam unter den Gebetsmantel genommen. Der Rabbiner sprach den Segenswunsch aus der Thora und die Ketubba, der Ehevertrag, wurde laut vorgelesen. Anschließend folgte das Anstecken der Ringe (Homolka 2009, 83 f.). Nach einem Segensspruch trank das Brautpaar aus den Weingläsern, die es anschließend zertrat. Die zerbrochenen Weingläser sollten an das zerstörte Jerusalem erinnern. Glückwünsche und ein Hochzeitsmahl folgten. Der Rabbiner hielt bei dieser Gelegenheit meist noch eine Ansprache und danach gab es Musik und Tanz (Herzig 2001, 62). 4.7 Das Beilager▀Im Rahmen der Hochzeitszeremonie wurde bereits häufiger vom so genannten Beilager gesprochen. Der bereits erwähnte Basler Bürger Felix Platter beschreibt diesen kritischen Zeitpunkt folgendermaßen (Platter, zitiert nach Burghartz 1999, 142): Er erzählt, dass er sich nach dem Nachtessen in die Kammer seines Vaters zurückgezogen habe. Dahin sei auch seine Braut gekommen, von der sich ihr Vater bereits tränenreich verabschie-
82 Anette Baumann
det habe. Danach seien einige Frauen in das Zimmer gekommen, um die Braut zu trösten. Daraufhin holte der Bräutigam ein Fässchen aus dem Ofen hervor und lud sie zum Trinken ein. Nachdem die Frauen gegangen waren, sei schließlich seine Mutter gekommen und habe gesagt, der Bräutigam werde gesucht, sie wolle aber, dass das Brautpaar nun schlafen ginge, worauf sie das Brautpaar heimlich aus der Kammer des Vaters in die Kammer des Bräutigams führte. Und „will es kalt, uns übel fror, legten wir uns im namen gottes schlofen“. Platter betont ausdrücklich, dass niemand gewusst habe, wo sie gewesen seien. Nur seine Mutter sei später noch singend vor die heimliche Stube getreten, was die Braut sehr zum Lachen gebracht habe. Das Ritual oder die Rechtsetzung, die hinter dem Beilager steckte, war unterschiedlich ausgeprägt: So war es im 18. Jahrhundert im sächsischen Adel Sitte, dass ein Bräutigam sich mit seiner Braut auf ein gemachtes Bett niederließ. In Dithmarschen legten sich die neuen Eheleute auf das Bett, und an Orten, in denen das lübische Recht galt, wie auch in Lübeck selbst, war es üblich, dass der Bräutigam in Anwesenheit von Freunden und Anverwandten auf seine Braut in der Brautkammer wartete. Zwei Damen führten dann die Braut zu ihm. Er umarmte sie, nahm ihr den Brautkranz ab und die beiden jungen Eheleute gingen danach zu den Festlichkeiten zurück. Allerdings war im 18. Jahrhundert der Rechtscharakter dieses Beilagers nicht mehr überall deutlich. Das symbolische Beilager war aber nicht nur eine gebräuchliche Förmlichkeit, sondern diente in Adelskreisen auch pragmatischen Zwecken. Das Beilager in Prokuration, also Stellvertretung, hat im 15. und 16. Jahrhundert in der Heiratspolitik der europäischen Fürsten eine gewisse Rolle gespielt. Mit Hilfe eines symbolischen Beilagers, bei dem der Ehemann meist durch einen nahe stehenden Adeligen vertreten wurde, wurden auf höchster sozialer Ebene Ehen vollzogen und versucht, Mitbewerber auszustechen. Diese Sitte fand auch im Hause Habsburg Anwendung, wurde aber dort ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht mehr praktiziert (Wettlaufer 1998, 107). Im Allgemeinen ist festzustellen, dass sich die Hochzeit im 16. und 17. Jahrhundert immer mehr zu einem kirchlich dominierten Handlungsablauf entwickelte. Die Trauung rückte dabei vor das Beilager. Infolgedessen sollte das öffentliche Beilager nur noch während des Tages vollzogen werden, die abendliche Bettleite wurde verboten. Somit traten die öffentliche Bettleite und Bettsetzung als rechtskonstituierende Elemente der Hochzeit zurück. 4.7.1 Morgengabe▀Im Zusammenhang mit der frühneuzeitlichen Ehe richtet sich der Blick zwangsläufig auch auf die Morgengabe. In Grimms Wörterbuch wird sie als eine Gabe definiert, die der neuvermählten Frau als Entschädigung für ihre Würde diene (Grimm, Bd. 12, 2 567 f.). Im Unterschied dazu bestimmt Zedlers Universallexikon die Morgengabe als eine nur vom Adel der Braut nach der Hochzeitsnacht überreichte Zuwendung. Dabei handle es sich um goldene Ketten und andere Kleinodien, es könne aber auch bares Geld sein (Zedler, Bd. 21, Sp. 1 639–1 641). Diese unterschiedlichen Deutungen zei-
Eheanbahnung und Partnerwahl 83
gen bereits, dass sich der Terminus ebenso wenig präzise fassen lässt wie etwa der Begriff der Verlobung. Allgemein kann man sagen, dass ganz verschiedenartige Zuwendungen im Ehegüterrecht mit dem Begriff Morgengabe bezeichnet werden. Als Morgengabe werden nicht nur die Aufmerksamkeiten betitelt, die die Braut am Morgen nach der Hochzeitsnacht erhielt, sondern auch bei der Erstellung des Ehevertrages selbst vorgenommene Zuwendungen. Darum konnte es sich zum einen um Schmuck handeln, aber auch um reine Geldzahlungen. Die Morgengabe diente verschiedenen Zwecken: Sie war der Preis für die Jungfräulichkeit, konnte aber auch als Auszeichnung der Frau als nunmehrige Ehefrau verstanden werden (Mutschler 2004, 70). Daneben verfolgte die Morgengabe materielle Zwecke, wie die Bildung eines gemeinsamen Ehegutes durch die Zusammenfassung von proportional aufeinander abgestimmten Ehegaben und die Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Kinder aus dieser Ehe. Die Wurzeln der Tradition der Morgengabe und ihre Entwicklung sind bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erforscht und können deshalb auch nicht näher beschrieben werden. Fest steht, dass die Morgengabe vor allem im österreichischen und süddeutschen Raum in der Frühen Neuzeit präsent war. Grundsätzlich gab es eine Werterelation zwischen der Morgengabe und den beiden anderen Heiratsgaben wie Wittum und Widerlage. Die Morgengabe wird auch als „Ökonomie der Scham“ (Bastl 2000, 70) bezeichnet, was bei der Frage der Witwenverehelichung besonders deutlich wird. Im Adel wurde in einem solchen Fall besonders viel Wert auf die Definition und die Angabe des Wertes der Morgengabe im Ehevertrag gelegt. Offenbar gab es zuweilen die Befürchtung, dass die Morgengabe nach dem Beischlaf vorenthalten werden könnte. Das scheint meist bei Witwen der Fall gewesen zu sein. 4.7.2 Brautkleid und Brautschmuck▀Wie bereits veranschaulicht, war der Übergang von dem Stand der Ledigen zu dem der Verheirateten mit einem zentralen Statuswechsel verbunden. Dies wurde auf vielfältige Weise demonstriert. In erster Linie durch Veränderungen, die am Körper vorgenommen wurden: Man konnte den Bart entfernen, das Haar unter eine Haube stecken oder spezielle Kleidung tragen (Haas 2005, 504). Ebenso musste die Reinheit der Braut in der Frühen Neuzeit betont werden, was im Laufe der Zeit immer wichtiger wurde. Schließlich wurde von Obrigkeit und Gesellschaft immer mehr Wert darauf gelegt. Die Jungfräulichkeit der Braut musste rituell bewahrt und symbolisch demonstriert werden. Dies konnte zum Beispiel durch rituelle Waschungen wie dem Brautbad erfolgen, einer Sitte, die allerdings mit dem Ende der Badekultur im 17. Jahrhundert verschwand. Dabei symbolisierte das Bad das Ende der Junggesellen- bzw. der Jungfrauenzeit. Eine besondere Bedeutung kam dem Brautkranz oder der Brautkrone zu, wie er auch in Brueghels Bild zu finden ist. Sie war das Zeichen der Jungfräu-
84 Anette Baumann
lichkeit und gleichzeitig ein Fruchtbarkeitssymbol. Oft wurde der Kranz oder die Krone von der Braut dem Bräutigam überreicht (Plessen 1985, 313). Neben Brautkränzen und Brautkronen spielte die Bekleidung des Brautpaares und vor allem der Braut in der Frühen Neuzeit eine ganz besondere Rolle. Darstellungen und schriftliche Überlieferungen der Brautmode werden mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts häufig. Als Vorbild diente hier vor allem der burgundische Hof, der zu dieser Zeit nicht nur in modischen Fragen der führende Hof in Europa war. Er war für das 15. Jahrhundert auch in der Brautmode stilbildend (Kessler-Aurisch 1985, 317 f.). Dabei muss wieder zwischen den einzelnen Ständen unterschieden werden. Das Bildnis des Arnolfinipaares des niederländischen Malers Jan van Eyck, das wohl das berühmteste Hochzeitsbild des 15. Jahrhunderts darstellt, zeigt den Unterschied. Beide Eheleute sind zwar in sehr einfache Stoffe gekleidet – schließlich handelt es sich um ein Kaufmannsehepaar – aber der raffinierte Schnitt des Brautkleides, die lange Schleppe und die pelzverbrämten Ärmel sind äußerst elegant. Sie deuten an, dass Arnolfini zu einer führenden Kaufmannsschicht gehörte. Schließlich war er der Handelsvertreter der Familie Medici in Antwerpen. Die Farbgebung des Kleides ist hierbei besonders interessant. Die vorherrschende Farbe ist keinesfalls weiß, sondern grün. Sie symbolisierte im 15. Jahrhundert Jugend und Reinheit, während das Blau des Unterkleides Treue bedeutete. Diese Farben finden sich neben Rot immer in Brautkleidern des 15. Jahrhunderts. Durch die politischen Entwicklungen in den verschiedenen Ländern Europas im Laufe des 16. Jahrhunderts fanden verstärkt nationale Elemente Eingang in die Mode. Das machte sich auch in Bezug auf das Brautkleid bemerkbar. Es erwachte ein neues Interesse an der Mode anderer Völker und es entstanden zahlreiche Trachtenbücher, die für die folgenden Jahrhunderte einen detaillierten Einblick in die Mode des Brautkleides gewähren. Dabei wurden auch Kleiderordnungen erlassen, die dem jeweiligen Stand eine angemessene Kleidung vorschrieben. Festzustellen ist, dass sich die Brautmode des 16. Jahrhunderts den allgemeinen modischen Veränderungen anpasste. Die Schleppe verschwand, ebenso die weiten Ärmel (Kessler-Aurisch 1985, 319). Neben nationalen Unterschieden in der Kleidung gab es im 16. Jahrhundert auch ausgeprägte lokale Traditionen. Jede größere deutsche Stadt besaß ihre eigene unverwechselbare Brautmode. Sie ist vor allem für das Patriziat überliefert. So zeichneten sich die Kleider der Kölner Bräute durch besonders weite, pelzbesetzte Flügelärmel aus. Die Frankfurter Braut von Geblüt trug dagegen ein mantelartiges Übergewand mit kurzen gepufften Ärmeln aus Brokat über einem Unterkleid. Dazu kam eine weiße Halskrause. Eine Braut aus Handwerkskreisen mit Bürgerrecht trug jedoch nur ein einfaches Kleid mit einem kurzen Cape statt eines Brokatmantels. Aber auch hier fehlte die Halskrause nicht (Kessler-Aurisch 1985, 320). In hochadeligen Kreisen ging es dagegen sehr viel prunkvoller zu. So trug Renata von Lothringen 1568 bei der Heirat mit Wilhelm Pfalzgraf bei Rhein
Eheanbahnung und Partnerwahl 85
ein Kleid, das mit blauen, goldenen und silbernen Blumen bestickt war. Zusätzlich war es noch mit Perlen und Edelsteinen verziert. Die Männer waren in dieser Zeit bereits weit weniger aufwendig gekleidet. Sie trugen allesamt kurze schwarze Mäntel. Das weist darauf hin, dass die spanische Mode gegen Ende des 16. Jahrhunderts in ganz Europa führend wurde. Sie bevorzugte vor allem dunkle Farben. Schwarz galt als besonders elegant. Rund fallende steife Röcke und lange Mieder kennzeichneten nun die Damenmode. Männer und Frauen trugen weiße Halskrausen, die sehr ausladend sein konnten (KesslerAurisch 1985, 320). England verschloss sich jedoch diesem allgemeinen Trend. Hier fand eine Sonderentwicklung statt, die wohl auch mit der politischen Führung zusammenhing. Königin Elisabeth I. übte dabei einen besonderen Einfluss auf die Mode aus. Sie trug sehr häufig Weiß, um ihre Jungfräulichkeit zu betonen. Diese Farbe wurde wenig später von anderen Bräuten auf dem Kontinent übernommen, so auch von Maria von Medici. Im Laufe des 17. Jahrhunderts differenzierte sich die Brautmode stark von der dunkel gehaltenen Tagesmode. Das Brautkleid wurde nun im Hochadel endgültig weiß oder silberfarben. Bereits ab der Mitte des 17. Jahrhunderts hatte sich die Sitte des weißen oder silbernen Brautkleides in Deutschland so vollständig durchgesetzt, dass die Formulierung „nach deutscher Mode“ ein helles silberweißes Brautkleid bedeutete. So jedenfalls wurde das Kleid von Prinzessin Sophie, der Tochter des Winterkönigs 1658 bezeichnet. Auch in wohlhabenden bürgerlichen Kreisen folgte man dieser hellen Brautmode. Peter Paul Rubens zeigt seine junge Braut Helene Fourment, die er 1630 porträtierte, in einem solchen hellen Kleid. Vergleicht man dieses Bildnis mit seinem Gemälde der Braut Maria von Medici, fällt allerdings auf, dass die bürgerliche Braut sehr darum bemüht war, dem hochadeligen Vorbild zu gleichen. Gleichzeitig weist aber ihr schwarzer Umhang noch auf ihre bürgerliche Herkunft hin. Ab 1635 begann der Einfluss Spaniens auf die Mode nachzulassen und Frankreich übernahm die Führung. Das Brautkleid entsprach nun der Damenmode der Zeit, die sich während der langen Regierungsperiode Ludwigs XIV. nur wenig änderte. Im Vergleich zur spanischen Mode zeigten die Kleider nun viel Dekolleté. Ein Schnürmieder akzentuierte die schlanke Taille, die Röcke wurden nach hinten gerafft und betonten so die Hüften. Auch im 18. Jahrhundert war Frankreich in der Brautmode stilbildend. Neben Schwarz als Kleiderfarbe wurden für die Brautkleider über Weiß hinaus auch zarte Farben, wie zum Beispiel Rosa modern (Kessler-Aurisch 1985, 324). Kranz oder Krone waren inzwischen vollständig verschwunden. Die Braut trug auf ihrem gepuderten Haar oder der Perücke nur eine Haube, die mit Federn und Agraffen geschmückt war. Auch in Deutschland verschwanden die Kronen bei den Bräuten in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Bräute der Reichsstädte kleideten sich nun ebenfalls nach der neusten französischen Mode. Die gesellschaftlichen Umwälzungen im Zuge der Französischen Revolution machten auch vor der Brautmode nicht halt. Man kleidete sich nun im Stile
86 Anette Baumann
der Römischen Republik. So entstand die Chemisenmode, die sich an den antiken Statuen orientierte. Die Kleider waren meistens weiß und aus sehr dünnen Stoffen, ganz im Gegensatz zu den pompösen reichen Stoffen des Ancien Régime. Die Vorliebe für Weiß blieb auch noch während des Napoleonischen Kaiserreichs erhalten. In dieser Zeit, also um 1800, wird allgemein das Entstehen der weißen Brautmode angesetzt, deren wichtigstes Accessoire der Schleier war. Auch in dieser Zeit konnte Frankreich seine tonangebende Stellung in der Mode behalten. Typisch wurden das tiefe Dekolleté, die Puffärmel und die hohe Taille. In Deutschland folgte man dieser Modeströmung. Die Farbe des Brautkleides blieb nun weiß, auch wenn sich Schnitt und Machart im Laufe der Jahrzehnte den jeweiligen Modegegebenheiten und dem Geschmack anpassten (Kessler-Aurisch 1985, 326). 5. Fazit▀Partnerwahl und Eheanbahnung waren ein hochkomplexes Geschehen in der frühneuzeitlichen Gesellschaft, das nicht nur die direkt Beteiligten, sondern auch die gesamte Familie, wenn nicht sogar den ganzen gesellschaftlichen Stand, die Stadt oder die Gemeinde involvierte. Inwieweit dabei Liebe als Emotion eine Rolle spielte, ist in der Forschung nach wie vor umstritten. Bleibt die Beantwortung dieser Frage somit weiterhin ein Desiderat, steht die Rekonstruktion derjenigen Rituale, Traditionen und Gebräuche im Fokus historischer Untersuchungen, die zur Partnerwahl genutzt wurden und die innerhalb der Stände auf unterschiedliche Weise ausgeprägt waren. Als hilfreich erweist sich in diesem Kontext die soziologische Theorie von Karl Lenz, der bestimmte Phasen des Kennenlernens – von der Erstbegegnung über die Aufbauphase bis hin zur sozialen Durchdringung – definiert und dabei die Krisen genau analysiert, die während der Partnerwahl und Eheanbahnung entstehen können. Die Vielfalt der Rituale und Gesten zum Beziehungsaufbau und –erhalt, die mit dem regionalen Herkommen sowie ständischen Gegebenheiten korrespondierten, waren bemerkenswert. Diese halfen aber auch, aufkommende Spannungen zwischen den Partnern und ihren Familien zu neutralisieren oder erst gar nicht entstehen zu lassen. Um den langfristigen Erfolg ihrer Verbindung zu sichern, mussten die an der Beziehung beteiligten zukünftigen Partner eine Vielzahl von unterschiedlichsten Interessen miteinander verbinden. So waren vor allem die wirtschaftlichen Aussichten des zukünftigen Ehepaares sowie die materiellen und finanziellen Bedürfnisse der Familien von Braut und Bräutigam zu bedenken. Beim Adel musste die Familienstrategie in die Heiratsplanungen miteinbezogen sowie konfessionelle Gegebenheiten beachtet werden. Letzteres spielte auch beim Bürgertum und den Untertanen eine Rolle, wurde aber gerade in bikonfessionellen Territorien über genaue Bestimmungen geregelt. Auch die Versorgung der Witwe und eventueller hinterlassener Kinder musste sorgfältig bedacht werden. Die hierzu ausgehandelten Eheverträge waren ein kompliziertes Geflecht aus Gabe und Gegengabe und konnten je nach Vermögen
Eheanbahnung und Partnerwahl 87
und Stand aus wenigen Sätzen oder ausführlichen Vertragswerken bestehen. Sie dienten auch ganz zentral als Vermittlungsmoment zwischen sexuellen Bedürfnissen und den auf die zukünftige soziale Position ausgerichteten Anforderungen der Ehe. Besondere Regelungen waren vor allem bei standesungleichen Ehen notwendig. Zur Besiegelung des Eheversprechens und des Ehevertrages diente die Hochzeit. Sie spielte neben Geburt und Tod die wichtigste Rolle im Leben eines Paares. Dem entsprach eine Festgestaltung, die verschwenderisch und stark ritualisiert war. Mann und Frau gründeten nun eine eigene Hausgemeinschaft und genossen damit alle gesellschaftlichen Rechte, hatten aber auch neue Pflichten. Durch die Heirat wurden sexuelle Beziehungen zwischen Mann und Frau erlaubt und ihre Kinder rechtlich anerkannt. Auch wurden durch die Verheiratungen Besitzverschiebungen innerhalb der Gemeinde legitimiert. Deshalb unterlagen Eheanbahnung und –werbung sowie die Hochzeit einer öffentlichen Kontrolle, die sich bemühte, die kollektiven Interessen aller zu wahren. Dabei kam es in den einzelnen Phasen immer wieder zu Konflikten, die das ganze Unternehmen scheitern lassen konnten. So fest etabliert Rituale auch erschienen, so gab es doch einen erheblichen Wandel über den Zeitraum vom 16. Jahrhundert bis in das 18. Jahrhundert: Das Verhältnis zu Emotion, wirtschaftlichen Notwendigkeiten und zur Sexualität änderte sich ständig. Es muss weiteren Forschungen vorbehalten bleiben, dies je nach Stand und Region noch differenzierter zu untersuchen.
Schmidt-Voges▀„Weil der Ehe-Stand ein ungestümmes Meer ist…“ – Bestands- und Krisenphasen in ehelichen Beziehungen in der Frühen Neuzeit
▀Inken
„Weil der Ehe-Stand ein ungestümmes Meer ist, so ligt viel daran, daß der Ehe-Mann als ein verständiger Schiff-Mann zwischen den schropffechten Sturtz-Felsen, herum-reissenden Abgrunds-Wirbeln und verdrießlichen SandBäncken sein Haus- und Lebens-Schifflein also […] wisse zu regieren, daß beide Extrema geflohen und auf der besten Mittel-Strassen sicher und unanstößig das Ufer der Seligkeit erreicht werde.“ (Hohberg 1701, Bd. 1, 143) Mit der Metapher des Steuermanns, der das ihm anvertraute Schiff samt Fracht und Besatzung klug und umsichtig durch alle Gefahren sicher in den Hafen lenkt, beschrieb Wolfgang Helmhardt von Hohberg gegen Ende des 17. Jahrhunderts in seiner „Georgica aucta. Adeliches Land- und Feldleben“ die Aufgaben des Ehemannes. Diese so genannte „Hausväterliteratur“ hatte ihre Blütezeit im 17. und bis in das 18. Jahrhundert hinein, da sie die überkommenen theologischen Ehelehren mit praktischen Aspekten des alltäglichen Wirtschafts-, aber auch Beziehungslebens verknüpfte. Die Einbettung der Schiffsmetapher in das Kapitel „Wie sich ein Haus-Vatter gegen seinem Weibe zu erzeigen“ verweist vordergründig auf die herrschaftliche Position des Ehemannes in der Haushaltung, die nach Meinung der politiktheoretischen Literatur der Frühen Neuzeit eine Gleichsetzung mit obrigkeitlichen Machtstrukturen rechtfertigte: Monarchia est Oeconomia! Doch das ist nur ein Aspekt. Denn im Gegensatz zum Staatsschiff, das idealiter mit disziplinierten Untertanen durch widrige Zeitläufte zu steuern war, verweist der Text darauf, dass die Abgründe und Sandbänke im Wesen der Ehe selbst begründet lagen und deshalb einer lebenslangen „Beziehungsarbeit“ bedurften. Eine geglückte „Taktung zweier Leben“ (Jean-Claude Kaufmann) war jedoch eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung der gemeinsamen Aufgaben in der Haushaltsführung und Kindererziehung. Denn die tagtägliche Nähe und Intimität dieses „Ehe- und Arbeitspaares“ (Heide Wunder) barg mit ihren hohen Anforderungen an Fähigkeiten und Fertigkeiten in den zahlreichen Aufgabenbereichen viel Konfliktpotenzial, das nicht nur das Funktionieren der häuslichen Wirtschaft, sondern auch die Paarbeziehung selbst beeinträchtigen oder gar nachhaltig schädigen konnte. Der eheliche Alltag kann mit Karl Lenz als die Verlaufsphase einer Paarbeziehung beschrieben werden. Sie ist geprägt von mehreren Elementen, die nach den grundlegenden Weichenstellungen in der Aufbauphase der Eheanbahnung ganz entscheidend sind für das Gelingen oder Scheitern, für die Möglichkeiten zur Erfüllung der an die Ehepartner gestellten Rollenerwartungen. Diese Verlaufsphase muss man sich grundsätzlich als eine Bestandsphase vorstellen, die durch Krisenphasen mehr oder weniger oft unterbrochen wird, die wiederum die Paarbeziehung selbst mehr oder weniger stark grundsätzlich in Frage stellen.
90 Inken Schmidt‐Voges
Als typische Prozesse innerhalb der Bestandsphasen nennt Lenz die Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit und den Charakterzügen des Partners, die in der großen Intimität des gemeinsam bewältigten Alltags stärker zu Tage treten. Sie können dabei entweder das bestehende Bild des Partners bestätigen oder neue, unbekannte Seiten entdecken, die im negativen Fall ein grundsätzliches Krisen- und Konfliktpotenzial für die Ehe bzw. den ehelichen Alltag darstellen können (Lenz 2006, 104). Eine große Rolle spielt dabei das Verhalten in Konfliktsituationen, inwiefern es also den Partnern gelingt, auf kommunikative Weise Meinungsverschiedenheiten auszutragen und eine tragfähige Lösung zu erreichen. Das Konfliktverhalten ist aber auch ganz maßgeblich von allgemeinen Machtprozessen in der Beziehung beeinflusst und geprägt von den unterschiedlichen Erfahrungen, die beide Partner im Laufe der Beziehung und der vergangenen Konflikte gesammelt haben. Mit Machtprozessen umschreibt Lenz die Strategien der Ehepartner, mit denen sie die eigene Ansicht durchzusetzen versuchen, Taktiken einsetzen, um Einfluss zu nehmen auf das Handeln, Denken und Fühlen des anderen. Solche Machtprozesse, die zunächst einmal zeitunabhängig für jede Zweierbeziehung in den individuellen Anlagen begründet sind, werden zugleich von äußeren sogenannten „Machtvorteilen“ geprägt. Diese können sich je nach den historischen Lebenswelten deutlich voneinander unterscheiden und aus sozioökonomischen wie auch normativen Elementen zusammensetzen. In der Frühen Neuzeit sind solche innerehelichen Machtvorteile zunächst von den sehr rigide formulierten Geschlechterrollen bestimmt, die in den theologischen Ehenormen festgelegt waren. Sie waren auf Akzeptanz und Konsens ausgerichtet, mahnten also beide Ehepartner, den anderen mit Respekt zu behandeln, keine Ungerechtigkeiten zu provozieren, Bedürfnisse und Kritik vernünftig zu prüfen und anzunehmen. Das Gebot der Verantwortung, der Nachsicht und des Respekts war an beide Ehepartner gleichermaßen gerichtet – wenn auch aus unterschiedlichen Positionen heraus. Die besondere Brisanz ergab sich aus der Verschränkung von der Hierarchie und Symmetrie, von einer anthropologisch begründeten männlichen Überlegenheit und Überordnung bei gleichzeitiger Komplementarität der Geschlechter in der Bewältigung des Lebens. Dieses Spannungsfeld ist sowohl in den theologischen wie juristischen Normen angelegt und eröffnete einen großen Interpretationsspielraum, wenn es darum ging, die Normativität des Geschlechterverhältnisses in intersubjektiv geteilte Wahrnehmungsmuster der jeweiligen Eheerfahrungen einzubinden. Neben der starken normativen Regulierung dieses Machtverhältnisses bestimmten aber auch die sozioökonomischen Voraussetzungen, mit denen zwei Menschen sich in eine Ehe begaben, das Machtverhältnis dieser Beziehung ganz maßgeblich. Dazu spielte neben dem jeweiligen eingebrachten ökonomischen Kapital an Geld-, Haus-, Land- und Viehbesitz, Ausstattung der Haushaltung mit Kleidern, Möbeln und Geschirr sowie des Betriebes mit den notwendigen Werkzeugen und Materialien auch das soziale Kapital eine bedeutende Rolle. Große Stan-
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 91
desunterschiede, die Ehre als persönliches Ansehen und als Ansehen der Herkunftsfamilie, der Einfluss der Herkunftsfamilie in der Gemeinde und der Nachbarschaft bestimmten die Balance innerhalb einer Paarbeziehung von vornherein. Hält man sich vor Augen, dass die Ehe selbst eine elementare, aber gleichwohl knappe Ressource darstellte, um dieses Kapital für sich selbst zu erhalten bzw. zu vermehren, und diese Funktion in vielen Fällen das vorrangige Interesse einer individuellen Eheentscheidung darstellte, dann zeigt sich, dass die emotional stabile Grundlage einer Beziehung weit weniger oft berücksichtigt werden konnte, als es gewünscht war. Die Ausgestaltung solcher innerehelicher Machtprozesse und damit die Stabilisierung bzw. Destabilisierung der Machtbalance war Teil der alltäglichen Lebenswelt. Diese können sich jedoch nach Lenz an bestimmten Wendepunkten in der gemeinsamen Beziehung besonders herauskristallisieren. Als solche Wendepunkte lassen sich zum einen jene Prozesse begreifen, die den Übergang in die Bestandsphase, also eine von beiden Partnern auf Dauer definierte Beziehung, markieren. Dazu gehören die gemeinsam geteilte Sexualität, die gemeinsame Haushaltsführung sowie Schwangerschaften und Geburten von Kindern. Diese Schwellenpunkte waren in der Vormoderne sehr eng mit der Heirat verknüpft, die den einzig legitimen Rahmen dieser Ereignisse darstellte – wenngleich auch hier Norm und Praxis erheblich voneinander abweichen konnten. Zudem konnten im Verlauf einer Ehe Entwicklungen eintreten, die deutliche Zäsuren oder Wendepunkte in der Beziehung der Ehepartner zueinander markierten, wie etwa der Tod der Kinder, Krankheit/Versehrtheit und in deren Folge oftmals Erwerbslosigkeit, Armut und Statusverlust (Lenz 2006, 79–100). Als größten Schutz vor den Herausforderungen der gemeinsamen Lebensund Haushaltsführung wurden die beiden Kernaspekte angesehen, die auch schon die Werbe- und Anbahnungsphase bestimmten: eine solide Grundlage in allen Fertigkeiten und Fähigkeiten, die für die Ausübung des Berufes, die Haushaltsführung und die Kindererziehung unerlässlich waren und eine positive Emotionalität, die es im Idealfall ermöglichen sollte, Meinungsverschiedenheiten, Launen und Verletzungen auf eine sachliche, die Beziehung langfristig stabilisierende und der Haushaltung zuträglichen Weise zu klären. Die große Bedeutung, die in den Eheschriften insbesondere der sozialen Kompetenz und dem Konfliktmanagement beigemessen wurde, zeigt, für wie wenig selbstverständlich bzw. wie unerlässlich diese angesehen wurden. Das Konfliktpotenzial von Ehen war demnach besonders hoch, wenn es den Ehepartnern nicht oder in einem nur unzureichenden Maße gelang, eine funktionierende Kommunikations- und Vertrauensbasis aufzubauen, um divergierende Interessen miteinander vereinbaren zu können. Eine solche Wahrnehmung und Konzeptionalisierung von Ehe ist aber keineswegs eine modern-soziologische in retrospektiver Adaption auf vormoderne Verhältnisse. „Zedlers Grosses Universallexicon“ von 1734 hält zum Lemma „Ehestand, Ehe“ fest,
92 Inken Schmidt‐Voges
„daß aber viele Unbequemlichkeiten aus dem Ehestande folgen. Denn was die Personen, die in den Ehestand treten, selbst betrifft, so können sich so wohl physicalische, als moralische Umstände finden, welche den Ehestand höchst verdrüßlich machen. […] So annehmlich aber als die ersten Jahre des Ehestandes verstreichen, so leicht kann eine unglückliche Geburt offtermahls, auch eine offt wiederholte Geburt und eine unvermuthete Kranckheit dieses Vergnügen zu nichte machen. Hiewieder kann man zwar wohl wieder einwenden, daß nicht nur die sinnliche Lust, sondern auch eine Uebereinstimmung der Gemuether der Grund der Liebe seyn müsse. Allein man muß in diesem Falle wohl erwägen, nicht wie die Menschen seyn sollten, sondern wie sie selber sind. Ferner so sind die Naturen derer sich verheyrathenden Personen nicht gleich.“ (Zedler, Bd. 8, Sp. 360–401). Im 18. Jahrhundert war man sich also der problematischen Abhängigkeit der Ehe als sozialer Institution von der Beziehung zweier Menschen zueinander und deren struktureller Konflikthaftigkeit durchaus bewusst. Konflikte, die aus dem ehelichen Alltag heraus entstanden, waren zunächst einmal solche, in denen es um die Rollenverteilung und Machtstruktur innerhalb der Beziehung ging. In diesem so genannten „Kampf um die Hosen“ war oftmals die männliche Autorität durch die Ehefrau in Frage gestellt bzw. die Position der Ehefrau als Hausmutter durch ungehöriges Verhalten des Mannes vor den Augen der sozialen Umwelt diskreditiert worden. Solche Probleme waren in vielen Fällen mit dem Vorwurf des schlechten Wirtschaftens verknüpft, sei es durch mangelhafte Erwerbsarbeit, Verschwendung durch Luxus, Suff, Glücksspiel oder übertriebenen Geiz, was die Subsistenz des Haushaltes bedrohte. Die Gefährdung der materiellen Grundlagen des ehelichen Haushalts konnte überdies durch Krankheit oder Versehrung eintreten und das Ehepaar vor neue Herausforderungen stellen. Das galt in besonderem Maße, wenn der Mann seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte und das Überleben der Familie von der Führungsfunktion der Ehefrau – und gegebenenfalls der älteren Kinder – abhing. Einen solchen Ehrverlust zu verkraften, gelang nicht jedem. Eine weitere wichtige Rolle spielte die Erziehung und Ausbildung der Kinder – sei es die Kinderlehre, die Schule oder später die Professionalisierung der Söhne und Töchter. Am deutlichsten traten dabei Spannungen zu Tage, wenn es um die religiöse Erziehung in gemischtkonfessionellen Familien ging. Die starke Einbindung jeden Haushaltes in die sozialen Zusammenhänge der Nachbarschaft wie auch der Verwandtschaft brachte Konfliktherde „von außen“ in die Ehe. Solche Konflikte konnten entstehen, wenn etwa Uneinigkeit über die Stellung und den Umgang mit Kindern aus früheren Ehen der Ehepartner herrschte, wenn Ansprüche der Eltern bzw. Schwiegereltern in die Ehe hineingetragen wurden, wenn die Versorgung alter und kranker Elternteile anstand oder nachbarschaftliche Konflikte die Ehepartner spalteten. Schließlich spielte persönliches Fehlverhalten in den meisten Ehekonflikten eine große Rolle. Dies konnte Trunksucht eines Ehepartners sein oder sexuelle
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 93
Untreue und Ehebruch. Gewalt nahm in unterschiedlichen Formen einen hohen Stellenwert ein, sei es als Auslöser eines Konfliktes oder als Mittel zur Durchsetzung der eigenen Meinung. Verbale Gewalt trat dabei in Form von Beleidigungen und „Ehrabschneiderei“ auf, physische Gewalt als gegenseitige Misshandlungen der Ehepartner und schließlich auch sexuelle Gewalt, wenn ein Mann seine Frau vergewaltigte, um eine „Trennung von Tisch und Bett“ obsolet werden zu lassen oder etwa seine Frau durch einen Fremden vergewaltigen ließ, um eine Scheidung wegen Ehebruchs herbeizuführen. Eheliche Beziehungen waren in der Frühen Neuzeit in ihrer individuellen Gestaltung und als soziales Ordnungselement immer im besonderen Blickpunkt der Obrigkeit, um die umfassende gottgegebene soziale Ordnung zu bewahren. Diese Ambivalenz zeigt sich auch in der Forschungsgeschichte zum frühneuzeitlichen Ehealltag. 1. Forschungsgeschichte▀Der Ehealltag mit all den oben genannten spezifischen Aspekten und Ereignissen einer Partnerschaft ist in der historischen Forschung erstaunlich wenig systematisch erforscht worden. Sowohl im Hinblick auf strukturelle als auch auf individuelle Aspekte wird dabei gerade in den letzten Jahren das Fehlen einer akteurszentrierten Erforschung frühneuzeitlicher Ehen formuliert. Die jüngsten Forschungsüberblicke gehen noch durchweg von den Ausführungen zu Eheverträgen und Heiratsverboten über das Ehegüterrecht direkt zu Scheidung und Witwenschaft über (Wunder 1993; Forster/Lanzinger 2003; Ulbrich 2006). Diese Fragen waren vor allem für die mit den protestantischen Neuerungen verbundenen Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen der Institution Ehe von zentraler Bedeutung. Die Forschungen zum Ehealltag hoben dabei jedoch stark auf dessen normative Regulierungen ab. In den Sozialwissenschaften begann man sich seit den 1960er Jahren verstärkt mit den sozialen Bedingungen der ehelichen Beziehungsgestaltung auseinanderzusetzen und so eheliche Beziehungen als eine soziale Institution auch strukturell erforschungswürdig zu etablieren (Blood/Wolfe 1960; Berger 1965). Gleichwohl wurde Ehe nicht eigenständig, sondern immer in einem engen Verweissystem mit Familie konzeptualisiert, wobei sich die der Wissenschaft impliziten Wahrnehmungsmuster der „bürgerlichen Familie“ als ausgesprochen prägend und langlebig erwiesen (NaveHerz 2006). Erst die zunehmende Infragestellung des bürgerlichen Modells der Ehe – und in der Folge auch der Familie – seit den 1960er Jahren öffnete auch den theoretisch-methodischen Blick der Wissenschaften. Für die Geschichtswissenschaften lässt sich eine ganz ähnliche Entwicklung feststellen. Noch in den 1980er Jahren galt der Geschichte – gemäß ihrer Selbstdefinition eine „bürgerliche Wissenschaft“ (Wolfgang Hardtwig) – die Ehe als außerhalb der (Gesellschafts-)Geschichte stehend (Kocka 1973, 363; Wehler 1987, 10). In den 1980er Jahren rückten die innereheliche Beziehungsgestaltung und die mit ihr verbundenen Herrschaftsfragen aus zwei unterschiedlichen Forschungstraditionen in den Fokus, die beide stark auf ordnungspolitische Fra-
94 Inken Schmidt‐Voges
gen abhoben. Zum einen widmete sich die – damals vielfach noch Frauengeschichte genannte – Geschlechtergeschichte der Ehe als einer gesellschaftlich tief verwurzelten und institutionalisierten Form der Geschlechterbeziehung, die es aus ihrer ideologischen Verbannung in das „Private“ herauszuholen und als historisch geformtes Phänomen zu untersuchen galt (Hausen 1977; Opitz 2005). Das Interesse an frühneuzeitlichen Strukturen war zunächst geprägt von der Suche nach den Wurzeln des „bürgerlichen Familienideals“. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf jene Prozesse und Mechanismen gerichtet, durch welche die Frauen mehr oder weniger rasch aus „öffentlichen“ Handlungsräumen in den häuslichen Bereich zurückgedrängt worden seien. Vor allen Dingen das von den protestantischen Ehelehren gepredigte häusliche Ideal der Ehefrau wurde hier als ein zentraler Markstein auf dem kurzen Rückzug an den Herd ausgemacht und Luther als Propagator der Domestizierung der Frau identifiziert. Lyndal Roper legte den Schwerpunkt in ihrer Studie zum „frommen Haushalt“ auf die politische Funktionalisierung der reformatorischen Eheideale und der neuen rechtlichen Instrumente der städtischen Ratsgerichte in Ehesachen. Sie stellte dabei die Bedeutung der Sittenzucht und ihrer Kontrolle im Rahmen der innerstädtischen Auseinandersetzungen zwischen Zünften und Ratsgeschlechtern heraus. Denn wurden missliebige Personen durch die Bekanntmachung einer nonkonformen Ehepraxis gebrandmarkt und kriminalisiert, ermöglichte dies dem Rat Eingriffe, die bisher nur korporationsintern verhandelt worden waren. Im Umkehrschluss bedeutete dies zumindest für die Eheleute, denen verstärkt das sittenwachende Auge der Obrigkeit galt, ihr Eheleben konsequenter an den eingeforderten Normen auszurichten. Insbesondere wurde dabei die zunehmende Unterordnung der Aktionsräume der Ehefrauen unter die ihrer Gatten diskutiert (Roper 1995). Stärker aus der Perspektive einer sich anbahnenden gesellschaftlichen Umordnung im 16. Jahrhundert arbeiteten einige Reformations- und Sozialhistoriker. Steven Ozment und Thomas Safley haben aus unterschiedlichen Perspektiven die Wirkmächtigkeit der seit dem späten Mittelalter intensiv kommunizierten patriarchalen Ehekonzepte im Rahmen der gesellschaftlichen Neuordnung durch die Reformation beleuchtet. Während Ozment die Auswirkungen der neuen eherechtlichen Regelungen – insbesondere der Scheidung – auf eine zunehmend partnerschaftliche Beziehung zwischen den Eheleuten akzentuierte (Ozment 1983), betonte Safley dagegen die Stabilisierung der gesellschaftlichen Ordnung, indem die Ehefrauen durch gerichtliche Klagen die weltliche Obrigkeit als „Verbündete“ gegen das unbotmäßige Verhalten ihrer Ehemänner gewinnen konnten. In der Weiterführung dieses Ansatzes konnte Heinrich Richard Schmidt in der Untersuchung reformierter Dorfgerichte zeigen, dass gerichtliche Klärungen ehelicher Konflikte durchaus auch von der Gemeinde getragen wurden und noch im 18. Jahrhundert die Ehefrauen ihre Interessen innerhalb der ehelichen Beziehungen aktiv vertraten (Schmidt 1995). Diese Arbeiten richteten ihren Fokus auf das Verhältnis
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 95
von Eheleuten und Obrigkeit, das sie – in grundsätzlicher Kritik an den Paradigmen der Konfessionalisierung und Sozialdisziplinierung – keineswegs eindimensional im Sinne eines „top-down-Prozesses“ verstanden. Sie gingen vielmehr davon aus, dass zahlreiche Facetten von „Selbst“kontrolle durch das soziale Umfeld die Aktionsräume innerhalb ehelicher Beziehungen bestimmten. Die Rahmenbedingungen der lebensweltlichen Alltagsinteressen beider Partner traten gegenüber dem Fokus auf die übergeordneten, auf die gesellschaftlichen Ordnungsfunktionen von Ehe und den Möglichkeiten ihrer obrigkeitlichen Regulierung in den Hintergrund. Die Erforschung der Zusammenhänge von ehelichen Beziehungen, sozialer Ordnung und deren Kontrollmechanismen wurde zwar von Reformationshistorikern angestoßen, blieb aber nicht konfessionell begrenzt. Auch für die katholischen Territorien finden sich Untersuchungen, die sich mit Normierung und ehelichen Praktiken befassen (Reinhardt 1995; Conrad 1999; Holzem 2000; Luef 2010). Neben diesen eher auf die soziale und politische Praxis ausgerichteten Forschungen etablierte sich eine diskursorientierte Auseinandersetzung mit textlichen Quellen, auf deren Basis über das Wesen und die Gestaltung von Ehe im späten Mittelalter und der Reformationszeit geforscht wurde und die wesentlich deren implizite Normativität formierten. Auch hier verknüpften sich Fragestellungen über Diskursformationen zur Ehe mit geschlechterhistorischen Aspekten der „Querelle des femmes“ (Engel/Hassauer 2004; Hassauer 2008). Die wechselseitige Bedingtheit der Textproduktionen mit Prozessen der Territorialisierung, der Sozialdisziplinierung in den Städten und allgemeinen Entwicklungen der Zeit wurde vor allem aus literaturhistorischer Perspektive intensiv bearbeitet (Wunder/Vanja 1991; Müller 1988; Schnell 1997; 1998a; 1998b). Die eheliche Paarbeziehung stand hier vor allem als diskursive Formation im Mittelpunkt des Interesses. Dabei wurden insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen Hierarchie und Symmetrie in seinen verschiedenen Verknüpfungen zu anderen Diskursen zwischen Theologie und Literatur behandelt (Braun 2001; Classen 2005). Speziell die Diskursanalysen, die nach den Traditionen dieser „neuen“ Eherhetorik im 16. Jahrhundert fragten, konnten zeigen, wie tief verwurzelt diese Vorstellungen in mittelalterlichen Lebenswelten und in den sich seit dem 13. Jahrhundert dynamisierenden Verhältnissen waren (Bast 1997). Zum einen setzte zu dieser Zeit eine striktere „Observanz“ der kirchlichen Eheideale ein, zum anderen hatten sich die Handlungsspielräume von Frauen im Rahmen dieses Prozesses ausgesprochen heterogen und ambivalent entwickelt, so dass die These einer Domestizierung der Frau durch die Reformation revidiert und differenziert werden konnte (Burghartz 1999; Westphal 1992; Wunder 1992). Einen Perspektivwechsel auf die ehelichen Paarbeziehungen brachten die sich seit den 1990er Jahren stärker etablierenden kulturethnologischen Methoden in der Historischen Anthropologie und der Mikrogeschichte. Es entstanden Untersuchungen, die ganz konsequent bei der lebensweltlichen Situierung, subjektiven Wahrnehmung und Deutung ehelicher Paarbeziehung ansetzten.
96 Inken Schmidt‐Voges
Für das 16. Jahrhundert konnte etwa am Beispiel von autobiographischen Aufzeichnungen über den ehelichen Alltag aufgezeigt werden, wie Eheleute ihre jeweiligen Erfahrungen ganz kreativ-pragmatisch mit den geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen in Überstimmung brachten (Völker-Rasor 1993). Wie sich die wechselseitige Beeinflussung von Denkmustern, normativen Prägungen und sozialer Praxis auf die Selbstwahrnehmung und -darstellung von Eheleuten auswirkt, konnte auch für die Zeit um 1800 herausgearbeitet werden, die ebenso wie die Jahrzehnte um 1500 als eine Zeit sich stark wandelnder Eheideale charakterisiert wird. Anhand einer immensen Fülle von Selbstzeugnissen, Briefen, Verträgen und anderen Dokumenten wurde nicht nur für die Aufbauphase, sondern auch die Bestandsphase die individuellen Aneignungsstrategien normativer Eheideale und deren Anpassung an Alltag und Erfahrung im Kontext des sozialen Umfeldes deutlich gemacht (Habermas 2000). Die besondere Bedeutung des Gefühls und der Empfindsamkeit für die Charakterisierung idealer ehelicher Beziehungen, die die sozioökonomischen Auswahlstrategien und Rahmenbedingungen ausblendeten, war gerade für das Bürgertum als Modus der Selbstdarstellung und Identifikation von großer Bedeutung. Zugleich war seit dem 18. Jahrhundert der ordnungspolitische Schwerpunkt hinter den individuellen Weg der „Glückseligkeit“ in Ehe und Haus zurückgetreten. Gerade in den Selbstzeugnissen dieser Schichten konnte die Bedeutung des emotionalen Ausgleichs im Umgang mit asymmetrischen Beziehungsaspekten und ehelichen Konflikten sehr deutlich nachvollzogen und als wichtiges Mittel der Stabilisierung herausgearbeitet werden (Trepp 1996; 1998). Das „close reading“ solcher Quellengattungen revidierte auch Forschungsmeinungen früherer Jahre, die in den „bürgerlichen Medien“ der Journale und Zeitschriften eine neuerliche normative Reduktion auf ein durch Mütterlichkeits- und Häuslichkeitsideale geprägtes Frauenbild auf Ehevorstellungen übertrugen (BeckerCantarino 1986; Opitz 2002). Die Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Gefühlen und Emotionalität, mit ihrer kulturellen Konstruktion wie ihrer praktischen Relevanz war ein Zweig der so genannten „Neuen Kulturgeschichte“. Diese bediente sich der historisch-anthropologischen Methoden, die auch zur Analyse von ehelichen Beziehungen herangezogen wurden. Gerade die doppelte Ambivalenz zwischen Hierarchie und Symmetrie, die durch eine positive Emotionalität überbrückt werden sollte, wie auch die Spannung zwischen sozioökonomischen Notwendigkeiten der Partnerwahl und emotionalen Bedürfnissen machte die Frage von „Emotionalität in der vormodernen Ehe“ (Schnell 2002) zu einem breit bearbeiteten Thema. Anhand der Analyse von normativen Texten einerseits und Selbstzeugnissen andererseits konnte schnell gezeigt werden, dass Emotionalität in den ehelichen Beziehungen der Frühen Neuzeit durchaus eine große Rolle spielte und diese nicht nur funktionale Zweckgemeinschaften darstellten (Medick/Sabean 1984; Bastl 1996; 1999; 2000; Weber 2001). Die Quellensituation bedingte, dass hauptsächlich bürgerliche und adelige Ehe-
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 97
beziehungen auf diese Fragen hin untersucht wurden, da aus anderen Bevölkerungsschichten kaum Selbstzeugnisse überliefert sind. Daneben haben sich aber jüngst Zugänge ausgebildet, die eheliche Liebe und auch Sexualität in gerichtlichen Verhandlungen aufspüren, um auf diese Weise die Bedeutung emotionaler Affektivität in ehelichen Beziehungen zu zeigen (Lutz 2006). Die Frage der ständischen Differenzierung im Hinblick auf die ehelichen Beziehungen wurde vielfach diskutiert. Vor dem Hintergrund des Anspruchs der normativen Gültigkeit des Eheideals ohne Ansehen der Person stellte sich rasch die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit, wie diese in den teilweise stark differierenden Anforderungen an den ehelichen Alltag in den verschiedenen Ständen angewandt und eingefordert wurden. Während hier vornehmlich die Handlungsspielräume von Frauen in Handwerker- und Kaufmannsfamilien neu „vermessen“ wurden, wurde die Frage nach ehelichen Beziehungen vor allem im Hinblick auf die besonderen Bedingungen für adelige Ehen untersucht. Der immense Stellenwert dynastischer Interessen und die Funktionalisierung von Eheschließungen als Mittel der Hauspolitik stellten hohe Anforderungen an adelige Eheleute (siehe die Ausführungen von Anette Baumann in diesem Band). Unter welchen Umständen es adeligen Standespersonen möglich war, neben ihrer offiziellen Ehe eine weitere, erfüllendere Paarbeziehung zu führen, rückte erst in den vergangenen Jahren in den Fokus der Forschung. Während außereheliche Verhältnisse, insbesondere jene mit Mätressen an den Fürstenhöfen, immer schon als Skandalon mehr oder weniger anekdotisch-biographisch abgehandelt wurden, etabliert sich eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit unstandesgemäßen Heiraten, mit „Ehen zur linken Hand“ und Doppelehen erst seit kurzer Zeit. Die Untersuchungen zeigen dabei zum einen die Gratwanderung zwischen Emotion und dynastischer Strategie, aber auch die Konflikte, die in den „parallelen Normalitäten“ zweier Paarbeziehungen die jeweils andere belasten konnten (Lesemann 2000; Bastl 2000; Hufschmidt 2001; Walther 2007). Die umfangreiche Studie von Michael Sikora zu unstandesgemäßen Ehen führt abermals vor Augen, welch eminent wichtige Bedeutung der Ehe im Hinblick auf die gesellschaftliche und politische Ordnung zukommt. Dafür spricht insbesondere das zunehmende Bedürfnis, Paarbeziehungen neben der offiziellen Ehe durch rechtliche Absprachen ein- sowie von jeglichen Ansprüchen abzugrenzen und die ehrbezogenen und emotionalen Bedürfnisse der ‚ersten‘ Ehefrauen zu sichern (Sikora 2005). Eine besondere Quellengattung, die einen spezifischen Blick in die ehelichen Lebenswelten sehr unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen gewährt, sind Gerichtsakten. Vor allem über die Verhandlung ehelicher Konflikte konnte ein weiterer Zugang zu ehelichen Beziehungen in der Frühen Neuzeit gefunden werden, zumal gerade Konfliktsituationen eine Offenlegung verschiedener Erfahrungsebenen ehelicher Beziehungen und deren Deutung durch die Beteiligten versprechen. Aus der Analyse jurisdiktionell produzierter Quellen lässt sich eine besondere Vermittlung der normativen wie praktischen Aspek-
98 Inken Schmidt‐Voges
te, der makro- und mikrohistorischen Ansätze herstellen. Arlette Farge und Michel Foucault haben mit ihrer Edition der so genannten lettres de cachet im Jahre 1982 das Interpretationspotenzial eines solches Ansatzes aufgezeigt. Insbesondere in der Kriminalitätsforschung wurden diese Ansätze der „Neuen Kulturgeschichte“ aufgegriffen und fruchtbar gemacht. Anhand von Akten der Strafgerichtsbarkeit wurden die Wahrnehmung und der Umgang mit Devianz und Gewalt in frühneuzeitlichen Gesellschaften untersucht, wobei auch konflikthafte eheliche Beziehungen eine Rolle spielten und sich in einzelnen Aufsätzen oder Sammelbänden finden (Ulbricht 1995; Kaltwasser 2002; Eibach 2007; Nolde 2003). Neben strafrechtlichen Akten rückten zunehmend zivilrechtliche Akten in den Blick, die sehr viel stärker noch die alltäglichen Konflikte und Interessensdivergenzen in Ehen hervortreten lassen. Sowohl vor kirchlichen als auch weltlichen Gerichten konnten solche Verfahren angestrengt werden, die zumeist auf einer Vermittlung und Schlichtung, nicht auf einer Bestrafung aufbauten. Die serielle Auswertung der Konsistorialakten einer holsteinischen Probstei legt etwa als Kernkonfliktfelder genau jene Bereiche offen, die bereits in der normativen Literatur ausführlich dargestellt wurden: unterschiedlicher Zugriff auf Ressourcen, persönliches Fehlverhalten, sexuelle und emotionale Divergenzen, verschiedene Auffassungen über Arbeit und Wirtschaft sowie Kindererziehung. Auch hier zeigt sich deutlich, dass die seit dem 16. Jahrhundert formulierten Bestrebungen zur ehelichen Sittenzucht noch im 18. Jahrhundert keineswegs als erfolgreich angesehen werden konnten – wenn sich Paare immer noch selbstständig ohne kirchlichen Segen zusammentaten oder trennten (Lutz 2006). Von Interesse ist hier nicht nur der Konflikt an sich, sondern vor allem der Umgang der Streitparteien, wie der Obrigkeiten mit der normativ angelegten Offenheit der innerehelichen Machtbalance zwischen Unterordnung und Nachsicht. Schon zuvor war dabei insbesondere die prekäre Lage der Ehemänner deutlich geworden, die auf dem „zweischneidigen Schwert des Patriarchalismus“ balancierten (Sabean 1990; Schmidt 1998). Auch in der Untersuchung von Akten aus Scheidungsfällen konnte die besondere Konflikthaftigkeit frühneuzeitlicher Ehen an zentralen Aspekten herausgearbeitet werden, die – wenngleich es um die Auflösung von ehelichen Beziehungen ging – doch auch ein Licht auf deren Bestand und Krisen wirft. Anhand von Göttinger Scheidungsverfahren zwischen 1740 und 1840 wurden die unterschiedlichen Erwartungen von Angehörigen der Handwerker, der Kaufleute oder der Universitätsangehörigen Göttingens aufgezeigt. Aus der ausbleibenden Erfüllung dieser Erwartungen heraus skizziert die Autorin die Dynamik verschiedener Konfliktfelder ehelicher Beziehungen und die Formen, in denen sich solche Konflikte entladen konnten. Sehr deutlich werden dabei die lebensweltlichen Umstände der Ehepartner in einem dichten Beziehungsgeflecht zwischen zwei Herkunftsfamilien und der Nachbarschaft, die auf ganz unterschiedlichen Ebenen Konflikte generieren konnten (Möhle 1997). Diese Arbeiten belegen die bisherigen Vermutungen, dass die lebens-
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 99
weltlichen Bezüge und Handlungsspielräume für beide Ehepartner in der Frühen Neuzeit wesentlich flexibler, dynamischer und gestaltbarer waren, als dies der Blick in die normative Literatur vermuten ließe. Die Thematisierung des gelebten und nicht mehr lebbaren Alltags aus der Perspektive der Prozessbeteiligten macht abermals deutlich, wie eng die individuellen Zweierbeziehungen frühneuzeitlicher Ehen mit ordnungspolitischen Aspekten verknüpft waren und wie stark entsprechend das soziale Umfeld der Nachbarschaft, der Verwandtschaft und die Obrigkeiten daran Anteil nahmen. Diese Befunde wurden auch durch Untersuchungen zu anderen europäischen Gesellschaften untermauert (Hardwick 2009). In den Forschungen zur Konflikthaftigkeit ehelicher Beziehungen nimmt die Auseinandersetzung mit Gewalt einen besonderen Stellenwert ein. Die Anwendung physischer und verbaler Gewalt ist sehr mit der Frage der Machtverteilung und Machtbalance in den Ehen verbunden. Nicht nur, weil Gewalt nicht in erster Linie Anlass eines Konfliktes, sondern ein Symptom tieferliegender Konflikte und Mittel der Konfliktlösung war. Die Anwendung von Gewalt war als ‚Züchtigungsrecht‘ auch Teil der Herrschaftsmittel des Ehemannes, mit Hilfe derer er sich die nötige Einsicht und den Gehorsam nicht nur der Ehefrau, sondern aller Untergebenen erzwingen konnte. Gleichwohl war diese legitime Form der Gewaltausübung, der potentia, klar reglementiert – sie musste angemessen und „nicht zu arg“ (Zedler, Bd. 63, Sp. 1 261) sein. Die Markierung der Grenze, wann potentia zu violentia wurde, war also nicht in expliziten, externen Regeln festgelegt, sondern wurde immer situativ ausgehandelt, wobei hier vor allem vor den gerichtlichen Instanzen die sozialen Netzwerke vielfach als Interventionsinstanzen fungierten (Schmidt-Voges 2010). Eine Grenze, die immer Gültigkeit besaß, war die Tötung bzw. willentliche Gefährdung und Bedrohung des Lebens des Ehepartners. In der Untersuchung von Gattenmordprozessen konnte Dorothea Nolde die Bedeutung von Macht und Gewalt für frühneuzeitliche Ehen herausarbeiten, wobei sie auch typische Konfliktfelder und die Prägung des Alltags durch sie aufgezeigt hat. Sie legte dabei die Bedeutung von Gewaltausübung zur Behauptung von Machtpositionen innerhalb der ehelichen Beziehung dar. So entsprach die geschlechtsspezifische Zuordnung zu einzelnen Formen von Gewalt in der konkreten Konfliktsituation nicht der durch normative Diskurse geprägten Wahrnehmung und Darstellung vor Gericht (Nolde 2003). Unterhalb solcher extremen Fälle, in denen die letzte Grenze klar überschritten war, zeigte es sich als durchaus weniger einfach, die Frage der ‚Angemessenheit‘ zu klären. Sie war deshalb auch vielfach Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen in Gerichtsverhandlungen und hoch umstritten. Gradmesser war dabei oft die körperliche Versehrtheit und der Umfang, in dem der Körper Schaden genommen hatte. Eheliche und häusliche Gewalt wird in allen größeren Studien zu ehelichen Beziehungen angesprochen, thematisch und methodisch auf Gewalt fokussiert sind aber bisher relativ wenige selbstständige Untersuchungen erschienen (Hohkamp 1995; 2003). In der anglo- und franko-
100 Inken Schmidt‐Voges
phonen Forschung ist das Thema dagegen breiter erforscht, gerade auch im Hinblick auf eheliche Gewalt und die Funktion obrigkeitlicher Intervention (Foyster 2005). Auch von rechtshistorischer Seite liegen erste Arbeiten zum Züchtigungsrecht vor, die Anlass geben könnten, hier die methodisch breit gefächerte Historische Gewaltforschung mit rechtszentrierten Ansätzen zu verbinden. Dies ermöglicht, die fließenden Übergänge zwischen legitimer Züchtigung und illegitimer Misshandlung in ihrer kulturellen Bedeutung und Einbindung zu untersuchen (Duncker 2003). Der kurze Streifzug durch die Geschichte der Erforschung von ehelichen Beziehungen im Hinblick auf Gestaltung des Alltags, Bewältigung der Anforderungen und die sie konturierenden Gefühle, Netzwerke und Auseinandersetzungen hat gezeigt, dass das Interesse an den Bestands- und Krisenphasen ehelicher Beziehungen in den 1980er Jahren in ganz unterschiedlichen Forschungskontexten an Bedeutung gewann, die gleichwohl untereinander eng miteinander verwoben waren. Von dem Blick auf die Zeiten vor jenem ‚bürgerlichen‘ Ehemodell – dessen hegemonialer Gültigkeitsanspruch just in diesen Jahrzehnten verloren gegangen war – versprach man sich zunächst die Aufdeckung des kulturellen Konstruktionscharakters und der historischen Veränderbarkeit solcher Ehenormen. Zugleich konnte festgestellt werden, dass die eheliche Beziehungspraxis und die Handlungsspielräume der Eheleute weitaus bunter und vielfältiger waren, als dies für die bürgerliche Kultur des späteren 19. Jahrhunderts erschien. 2. Normative, institutionelle und kulturelle Prägungen des Ehealltags▀In der Forschungsgeschichte spielte neben den sozialen Ordnungspraktiken – wie gesehen – vor allem der Blick auf die normativen Rahmenbedingungen und ihre Wandlungsprozesse eine große Rolle. Die normativen, institutionellen und kulturellen Prägungen des ehelichen Alltags und das ‚Führen‘ der Ehe waren in einem komplexen Geflecht aus kirchlichen und weltlichen Wertehorizonten eingebettet. Während bis in das 18. Jahrhundert hinein die Pflichten und Rechte der Ehepartner aus dem Verständnis der Ehe als „erster Ordnung Gottes“ heraus im Wesentlichen von theologischheilsorientierten Erfordernissen geprägt waren, griffen um 1700 herum immer stärker naturrechtlich inspirierte Vorstellungen Raum. Diese sahen die Ehe nicht mehr als göttlich sanktionierte soziale Konstruktion an, sondern als eine notwendige Konsequenz ‚natürlicher‘ Merkmale und Charaktere der Geschlechter, die in der Ehe gehegt werden mussten, um die gesellschaftliche Ordnung nicht nur nicht zu gefährden, sondern zu befördern und zu entwickeln. 2.1 Religiöse und weltliche Grundlagen frühneuzeitlicher Ehenormen▀In jedem Falle bedeutete dies, dass eine den Idealen möglichst nahe kommende Eheführung aus unterschiedlichen Gründen für die Obrigkeiten von größtem Interesse war. Wie diese Ideale aussahen, welche Rechte und
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 101
Pflichten sie den Eheleuten auferlegten und wie sie sich vor dem Hintergrund ihrer Legitimationszusammenhänge im 18. Jahrhundert änderten, soll nun im Folgenden betrachtet werden. Denn die Ehe galt als Kern aller menschlichen Gruppenbildung, deren auf die Leitung der Haushaltung bezogene Funktion sie zugleich zum Kern der Gesellschaft machte. Von der Gestaltung ihrer Paarbeziehung hing unmittelbar auch die Erfüllung der Rollenerwartung als Hausvater und -mutter ab. Ihr galt es gegenüber der eigenen und der angeheirateten Verwandtschaft, gegenüber der Nachbarschaft, der Zunft, der Kirchengemeinde und der Obrigkeit im Sinne der geltenden Normen gerecht zu werden. 2.1.1 Ehediskurse im späten Mittelalter und Humanismus▀Wenngleich die Reformation und die darauf folgende Zeit konfessioneller Selbstvergewisserung der Ehe als Kernelement gesellschaftlicher Ordnung einen wichtigen Impuls gegeben haben, so wäre sie doch nicht ohne die „Neue Sittlichkeit“ in den Bürgerhaushaltungen der spätmittelalterlichen Städte denkbar. Bereits im 15. Jahrhundert wurde seitens der Zünfte und Obrigkeiten nicht nur die formal korrekte Eheschließung gefordert, sondern zugleich auch die „Reinheit des Ehebettes“, mit der die monogame Ehe des Bürgertums das überkommene Modell von Zölibat – Ehe – kontrollierter Prostitution ablöste (Wunder 1992, 59–63; Roper 1995). Diese Entwicklung stand in einem engen Bezug zum kirchlichen Bemühen, sowohl die Gläubigen als auch die Priester mit den Glaubensgrundlagen besser vertraut zu machen, indem sie verstärkt Katechismen verfassten, predigten und abfragen ließen. In diesen katechetischen Lehrstücken nahmen das vierte Gebot und die ehelichen Texte des Neuen Testamentes einen großen Raum ein, da sie zum einen patriarchale Herrschaftskonzeptionen in Haus, Gemeinde und Herrschaft begründeten und zum anderen das Verhältnis der Geschlechter zueinander in kirchlich wohlgelittener Weise zu formen versuchten, dort wo sie nicht durch den Zölibat ausgeklammert wurden (Bast 1997). So entstand bereits im späten Mittelalter eine Vielzahl von moralisch-didaktischen Eheschriften, die sich mit den Charakteren der beiden Geschlechter und deren Verbindung in der Ehe auseinandersetzten. Auch humanistische Gelehrte befassten sich in verschiedenen Schriften mit der Frage, warum eine Ehe eingegangen werden sollte und auf welche Weise sich Mann und Frau aus ihren unterschiedlichen Geschlechtscharakteren heraus gegenseitig zu einem friedlichen, sittlichen und fördernden Miteinander erziehen könnten (Schnell 1998a; 1998b). Neben den lateinischen Schriften des Erasmus von Rotterdam – „Encomium matrimonii“ (1518), „Dialogus conjugium“ (1523) und „Institutio matrimonii christiani“ (1526) – erlangte vor allem die frühhumanistische Schrift des Würzburger Domkapitularen Albrecht von Eyb große Bedeutung. Die erste Auflage seines „Ehepuechleins: Ob einem Mane sey zuneme ein eeliches weyb oder nicht“ erschien 1472, erlebte jedoch bis weit in das 16. Jahrhundert hinein mindestens 13 Auflagen (Kartschoke 1996, 18 f.). Gerade für die Altgläubigen erlangten zwei
102 Inken Schmidt‐Voges
Schriften des aus Valencia stammenden Humanisten Juan Luis Vives große Bedeutung. Wie auch Erasmus’ „Institutio“ war sein Werk „De institutione feminae christianae“ (1523) der englischen Königin Katharina von Aragón gewidmet. 1529 erschien als Pendant „De officio mariti“, das die Rechte und Pflichten des Ehemannes sowie einen praktischen Beziehungs- und Haushaltungsratgeber darstellte. Diese beiden Schriften wurden vor allem durch ihre Übersetzungen in das Deutsche populär, die Herzog Wilhelm IV. von Bayern bei Christoph Bruno in Auftrag gegeben hatte. Die „Underweysung einer christlichen Frawen“ und „Vom gebihrlichen Thun und Lassen eines Eemanns“ (beide 1544) erlebten mehrere Auflagen und können als Standardwerke der katholischen Eheschriften im Reich angesehen werden, ehe nach dem Tridentinischen Konzil der Katechismus des Petrus Canisius diese Stelle einnahm. Dies ist umso bemerkenswerter, als von Seiten der Protestanten bereits in den 1520er Jahren eine Reihe von Schriften erschien, in denen gerade das Eheleben und die Praxis der gemeinsamen Haushaltsführung als ein zentraler Aspekt des gelebten evangelischen Glaubens intensiv publizistisch propagiert wurde. Wenn also Martin Luther der Ehe ihren sakramentalen Charakter absprach und sie stattdessen zum zentralen Ort innerweltlicher Bewährung der caritas erhob, beförderte er auf der einen Seite die konsequente Weiterentwicklung des stadtbürgerlichen Ehemodells zu einer Lebensform, die standesübergreifend für alle Gültigkeit haben sollte. Auf der anderen Seite wertete Luther die Ehe durch die Ablehnung des Zölibats auf; denn bisher war sie gegenüber der „gottgefälligeren“ Ehelosigkeit als eine notwendige, aber minderwertigere Lebensform erschienen. Die Bedeutung Luthers und anderer Reformatoren liegt also nicht so sehr darin, dass sie ein neues Eheideal propagiert hätten. Die wesentliche, weil vor allem für den Ehealltag ausgesprochen folgenreiche Neuerung, ist die heilsgeschichtliche Verlagerung der Ehe in die weltliche Ordnung. Damit verdichtete sich nicht nur der moralische Druck auf die Eheleute, dem postulierten Ideal Tag für Tag, jede Stunde im Hier und Jetzt zu folgen, sondern die weltliche Obrigkeit erhielt auch Regelungskompetenz in Fragen der Eheführung. Dementsprechend war Luther in seiner Praxis als Politikberater der sächsischen Kurfürsten sehr viel stärker mit dem Aufbau eines territorial basierten Kirchenwesens und auch der Ehegerichtsbarkeit beschäftigt, was sich auch in seinen Schriften zur Ehe widerspiegelt. Wo er sich systematisch in geschlossenen Abhandlungen mit der Ehe auseinandersetzte, stand die theologische Begründung der Ehe als erste Ordnung menschlichen Lebens im Mittelpunkt, wie auch die Analyse der zeitgenössischen Missstände, geistlichen und weltlichen „nachlässig Regiments“ sowie einer Auflistung der seiner Meinung nach nötigen Maßnahmen, um diese Unordnung abzuschaffen (WA 2, 166–171; 10/1, 264–66; 10/2, 267–304; 15, 163–169; 17/1, 22–29). Leitlinien und Maßregeln für die Gläubigen, um ihnen Handlungsmuster für eine „rechte, christliche Haushaltung“ an die Hand zu geben, finden sich nur verstreut in Predig-
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 103
ten und Abhandlungen, die sich mit dem Wirken der Menschen in der Welt befassen, etwa in Predigten über den Pentateuch und das Neue Testament, in Schreiben „an die Christen zu Riga in Lieffland“ (WA 15) oder „Kinder zur Schule halten“ (WA 30/2). Das deutet nicht so sehr auf eine Vernachlässigung des Themas hin, sondern vielmehr darauf, dass die grundsätzlichen Aussagen über den Ehealltag, über Rollenerwartungen, Hierarchien, Verhaltensweisen und Aufgaben als ein gemeinsam geteiltes Basiswissen angesehen wurden. Als Grundpfeiler der sozialen Ordnung konnte Luther die Ausgestaltung der Ehe in nahezu allen Kontexten aufgreifen – und er tat es auch (Karant-Nunn 1999; Strohl 2009; Schmidt-Voges 2011). Neben Luther setzten sich aber auch andere Reformatoren mit diesen Fragen auseinander. Ähnlich wirksam war die Schrift „Vom christlichen Eestand“ des reformierten Theologen, Pastors und Konsistorialrats Heinrich Bullinger, die er 1540 als Kompendium seiner früheren kleineren Schriften und Predigten veröffentlichte (Roth 2004). Wichtig zum Verständnis und zur Einordnung dieser Schriften ist der starke Praxisbezug, den die meisten der reformatorischen Theologen aus ihrer Tätigkeit als Seelsorger einerseits und als Rechtsprecher andererseits in Eherechtsfällen besaßen. Die unmittelbare ordnungspolitische Bedeutung dieser theologischen Texte für Eheführung und Beziehungsgestaltung wird deutlich im ersten Kompendium zum protestantischen Eherecht, das der sächsische Superintendent Erasmus Sarcerius 1569 als Praxishandbuch für die entstehenden Konsistorien und Visitationen erstellt hatte. Für die rechtliche Behandlung von Beziehungskonflikten, die aus dem ehelichen Alltag entstanden waren, rekurrierte er genau auf die oben genannten Schriften, die somit zum Interpretament für juristische Regelungen avancierten. 2.1.2 Ehe- und Haushaltungslehren des 16. und 17. Jahrhunderts▀Mit der zunehmenden Verschärfung der konfessionellen Auseinandersetzungen und Abgrenzungen in den 1530er Jahren erschienen zahlreiche Traktate und Schriften, die sich mit der konfessionell gefestigten Eheführung beschäftigten und explizit als alltagstaugliche Richtlinien gedacht waren. Bereits 1529 veröffentlichte der Thüringer Reformator Justus Menius seine „Oeconomia christiana“, die er der sächsischen Kurfürstin Sibylle von Jülich-Kleve-Berg anlässlich ihrer Hochzeit mit Johann Friedrich dem Großmütigen widmete. Auf 225 Seiten entfaltet er das Panorama einer protestantischen Ehe- und Haushaltsführung, ohne einen Aspekt unerwähnt zu lassen. Bis in die 1560er Jahre hinein erlebte dieser Text über 17 Auflagen und wurde bis in das 19. Jahrhundert hinein zitiert. Damit kann die „Oeconomia“ als eine der einflussreichsten protestantischen Eheschriften gelten, die zugleich auch stilprägend für die Eheliteratur des Alten Reiches wurde. Denn während sich die spätmittelalterlichen und humanistischen Ehediskurse in erster Linie mit dem Verhältnis der Geschlechter, mit ihren Stärken und Schwächen auseinandersetzten, betteten die protestantischen Schriften die Geschlechterbeziehungen, die Rechte,
104 Inken Schmidt‐Voges
Pflichten und Aufgaben der Eheleute in den Kontext der gemeinsamen Haushaltsführung ein. Zwar thematisierten bereits Albrecht von Eyb und Marcus von Weyda Aspekte des gemeinsamen Wirtschaftens in ihren frühhumanistischen Eheschriften, im protestantischen Kontext erhielten sie aber ein viel größeres Gewicht. Denn als status oeconomicus war die eheliche Haushaltung zentral in das dreigliedrige Ordnungs- und Herrschaftsschema der Welt eingebunden. Rechte und Pflichten wurden von der Position in dieser Ordnungseinheit bestimmt und deren Erfüllung galt als heilsgeschichtlicher Maßstab für die Gottgefälligkeit der Lebensführung. Dementsprechend breiteten die frühen Ehelehren des 16. Jahrhunderts in erster Linie die praktische Bedeutung der grundsätzlichen Eheordnung aus und gaben durch die anschauliche Beschreibung zahlreicher Alltagssituationen Ratschläge, wie insbesondere Konflikte durch ‚richtiges‘ Verhalten gelöst werden können. Kernpunkte waren hierbei die ungleiche Stellung der Eheleute zueinander, wobei die Disparität zwischen der rechtlichen Ungleichheit und der geforderten partnerschaftlichen Haushaltsführung besonders hervorstach. Grundsätzlich hatte das Ehepaar dafür zu sorgen, dass alle Menschen, die in ihrem Haushalt lebten, die für ein standesgemäßes Leben notwendige „Nahrung“ erwirtschafteten und bereitstellten. Hierzu gehörten neben den Eltern und Kindern auch Knechte und Mägde, Lehrburschen und Gesellen oder in Professorenhaushalten auch einquartierte Studenten. Beiden Ehepartnern waren dabei spezifische Aufgabenbereiche zugesprochen, für die sie verantwortlich waren. Während der Mann eher die körperlich schwereren Arbeiten in der Feldwirtschaft, Viehzucht und bei bestimmten handwerklichen Tätigkeiten ausübte, oblagen der Frau diejenigen Tätigkeiten, die sich besser mit ihrer Prokreativität vereinbaren ließen. Die Aufsicht über das häusliche Gesinde, über Kleinvieh und Kleinkinder, die Ausübung verarbeitender Tätigkeiten, der Verkauf von landwirtschaftlichen oder handwerklichen Produkten konnte auch aus einer sitzenden Position heraus wahrgenommen werden, wenn Schwangerschaft, Wochenbett, Stillzeiten oder bleibende Geburtsverletzungen die Mobilität einschränkten. Diese Aufteilung innerhalb der häuslichen Lebenswelt zog aber nicht zwangsläufig nach sich, dass die Ehefrauen in ihrem Aktionsradius und Handlungsspielraum ausschließlich auf den Raum des Hauses beschränkt waren. Genauso wichtig wie die optimale Organisation der häuslichen Arbeitsabläufe war die Repräsentation nach außen, in der Nachbarschaft, in der Gemeinde. Die komplementäre Ergänzung der Arbeitsbereiche sollte sich nach den Vorstellungen der Theologen auch im respektvollen Umgang miteinander widerspiegeln. Denn obwohl die männliche Suprematie über die Ehefrau sowohl schöpfungstheologisch als auch rechtlich gesellschaftlicher Grundkonsens war, leitete sich daraus keine Willkürherrschaft des Mannes in der Ehe ab. Luther entwickelte aus seiner Neuinterpretation des Menschseins – dass nämlich durch die Taufe eine Gemeinschaft gleichberechtigter Mitglieder entstehe und
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 105
„in Christo weder man noch Weyb“ sei – eine ganz neue Verantwortung aller an der Mitarbeit an einer erneuerten, veränderten Gesellschaft. Die dafür notwendigen Verhaltensweisen sah Luther in der häuslichen Erziehung angelegt, weshalb insbesondere Vater und Mutter in ihrer oeconomia, ihrem Haushalt, die zentrale Multiplikatorenfunktion zukam. Der Vater- und Mutterstand als Ort gemeinsam wahrgenommener Verantwortung von Männern und Frauen im Gemeinwesen steht in engem Verhältnis zur ehelichen Paarbeziehung, die auch von der Gleichheit durch die Taufe geprägt sein sollte: „Ich halt, es sey das die meynung, wie ich gesagt hab, das der man das weyb also ansehen soll, das sie auch eyn Christen sey und Gottis werck odder rustzeug.“ (WA 12, 347) Für den konkreten Ehealltag bedeutete dies, dass beide Eheleute nicht in die Aufgabenbereiche des anderen hineinregieren, wohl aber mit Ratschlägen und konstruktiver Kritik zur Seite stehen sollten, wenn diese gewünscht waren. Diese Aufgabenbereiche waren klar definiert und prägten die Rollenerwartungen an die Ehepartner bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. Seit den 1520er Jahren wurden diese Regeln in zahlreichen kleinen Ehebüchlein verbreitet, seien es ausformulierte Predigten, Exempelerzählungen, Katechismen oder auch zum täglichen Hausgebrauch bestimmte Gebetbüchlein. Ein solches Exemplar stellte etwa Johann Habermanns „Christliches Gebet-Buch oder Morgen- und Abend Segen“ (1672) dar, das zwischen 1580 und 1710 in zahlreichen Drucken erschien. Ihm eingebunden war eine gereimte Fassung der „Oeconomia oder Bericht vom Hauß=Halten“ des Joachimsthaler Reformators Johannes Mathesius aus dem Jahre 1568. Dort heißt es an den Ehemann und Hausvater gerichtet (Mathesius 1672, 524 f.): „In deim Ampt ernst und embsig sey/Gleichwohl im Hauß freundlich dabey/ Du mußt nicht alls zu Boltzen drehn/Bisweiln auch durch die Finger sehn/ Was im Hauß nicht wenden magst/Schau das du solchs gedultig tragst/ So thät Joseph und Socrates/ und der sanfftmüthige Moses./ Dann zum Regenten gar nicht taug/ wer nicht zuthut bißweiln ein Aug./ Doch laß dich zu keim Siemann machen/ Gott nach seim Bild hat dich geschaffn./ Und will daß du sollst seyn ein Mann/Das Weyb soll dir seyn unterthan./ Ob sie wohl ist dein Kron und Zier/gleichwohl soll sie gehorchen dir./ Du aber sollst ihr freundlich sein/Essig zerreibt die Perle fein./ Also die Lieb auch offt erlischt/ Wo man sie nicht freundlich erfrischt, Im Beth soll gar kein Zancken seyn/friedlich soll man da schlafen ein./ Wann man gar schärpffet sehr das Recht/Gschicht offt Gwalt manch armem Knecht.“ Dieser Ausschnitt zeigt die Komplexität und die Prekarität des ehelichen Alltags sowie die hohen ethischen Anforderungen an die Eheleute. Denn zum einen soll christliche (Nächsten)Liebe in gegenseitigem Respekt und Nachsicht den Umgang miteinander bestimmen, ohne jedoch die grundsätzliche
106 Inken Schmidt‐Voges
Ordnung in Frage zu stellen, die den Mann als Haupt und Vormund seines Haushalts sah. Immer wieder wurde in den zahlreichen Eheschriften des 16. Jahrhunderts auf die negativen Folgen hingewiesen, wenn dieser schmale Pfad verlassen würde. Entweder lief man Gefahr zum „Sie-Mann“ zu werden, was den Verlust des persönlichen Ansehens bedeutete, oder aber man riskierte mit einer allzu rücksichtslosen, auf Druck und Macht aufgebauten Herrschaft die Eintracht grundlegend zu zerstören und Gewalttätigkeiten aller Seiten zu provozieren (vgl. Kap. 2.2). Die große Konjunktur dieser Eheschriften im 16. Jahrhundert und die zahlreichen Wiederauflagen im 17. Jahrhundert (Kartschoke 1996) machen das immense Gewicht deutlich, das im Sinne der cura religionis von offizieller Seite einer nicht nur rechtmäßig geschlossenen, sondern vor allem gut geführten Ehe beigemessen wurde. Natürlich spielte auch die Sorge vor einer anwachsenden Zahl von Untertanen eine Rolle, die nicht hinreichend versorgt war und ihren Unterhalt durch Tagelohn oder Bettelei sichern musste. Im Mittelpunkt stand die Forderung, durch die Beherrschung der eigenen Temperamente in der Paarbeziehung ausgleichend zu wirken. Ein harmonisches Ineinandergreifen unterschiedlicher Machtprozesse sollte dabei einen entsprechenden Gestaltungsspielraum schaffen, um so Konflikte möglichst ohne Verletzung der Ehre wie des Körpers zu lösen bzw. eine stabilisierende Aussprache und Versöhnung zu ermöglichen. Gleichwohl handelte es sich hierbei keineswegs um ein ausschließlich protestantisches Phänomen, sondern mehr um einen – wenn auch konfessionell zugespitzten – allgemeinen gesellschaftlichen Konsens darüber, wie und zu welchem Zweck eine Ehe zu führen sei. Wenn von katholischer Seite die aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts überlieferten Eheschriften sich eher als theologische Streitschriften über den sakramentalen Charakter der Ehe lesen, so zeigt das nochmals, dass die konfessionellen Gegensätze sich nicht an der Frage des Ehelebens entzündeten, sondern an dessen theologischer Begründung und Positionierung innerhalb der göttlichen Ordnung. Bis zur Veröffentlichung eines katholischen Katechismus durch Petrus Canisius galten die Werke von Juan Luis Vives und Aegidius Albertinus als adäquate Eheratgeberliteratur. Wenngleich Begründung und Bewertung der Ehe den Vorstellungen der in Trient verhandelten Positionen entsprachen, so waren die Ausführungen zu Fragen der täglichen Bewältigung der Aufgaben, des Aushandelns von Positionen, der Erhaltung und Pflege des gegenseitigen Vertrauens, Bildung und Erziehung der Hausangehörigen grundsätzlich auf der Basis der spätmittelalterlichen, humanistischen Thesen gegründet und wiesen kaum inhaltliche Unterschiede zu den protestantischen Eheschriften auf (Smolinsky 1995; Holzem 2000). Stand in den Eheschriften überwiegend das Verhältnis der Geschlechter als eine Frage der Beziehungsgestaltung im Rahmen der gemeinsamen Haushaltung im Vordergrund, verschob sich dieser Fokus um 1600. Mit dem „HaußBuch“ von Johannes Coler, das 1591 erstmals aufgelegt wurde und bis 1692
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 107
zahlreiche Neuauflagen und Erweiterungen erfuhr, erscheint ein neuer Typus auf dem Literaturmarkt. Für die von der älteren Forschung so genannte „Hausväterliteratur“ verknüpfte Coler in seinem „Calendarium oeconomicum et perpetuum“ landwirtschaftliches und hauswirtschaftliches Wissen in prägender Weise. Anhand eines thematisch gegliederten Werkes konnten nicht nur die zwischenmenschlichen Beziehungen in der Haushaltung im Sinne der christlichen Sozialethik gestaltet, sondern auch die materielle Grundversorgung entsprechend neuester Methoden optimiert werden. Zahllose Ratschläge und Hinweise zu Aspekten des Ackerbaus, der Viehzucht, der Vorratshaltung, der Verarbeitung von Rohstoffen, der Buchführung, der Kindererziehung, der Hausmedizin und der marktabhängigen Preisgestaltung ermöglichten dem Ehepaar einen nicht nur sittlich, sondern auch materiell wohlgeordneten Haushalt zu führen. Ausführungen zum Eheleben, insbesondere zur Gestaltung der Paarbeziehung unter den permanenten Belastungen der Haushaltung, nahmen hier nur mehr einen geringen Teil ein. Dieser war zumeist, wie etwa in der eingangs erwähnten Schrift von Hohberg, den eigentlichen Tätigkeitsfeldern innerhalb der Haushaltung vorangestellt. Inhaltlich referierten sie die Eckpunkte und Grundsätze des christlichen Eheideals, das sich auch im 18. Jahrhundert in seinen Kernaussagen unverändert präsentierte (Hoffmann 1959). Gleichwohl verloren Aspekte der Paarbeziehung im Rahmen der „Hausväterliteratur“ im Laufe der Zeit gegenüber den Aspekten der Wirtschaftlichkeit zunehmend an Bedeutung. 2.1.3 Aufklärung der ehelichen Beziehungen? Wandel und Konstanz im 18. Jahrhundert▀Die Einflüsse, die aufklärerische Diskurse auf die Vorstellung von ehelichen Beziehungen hatten, berührten den konkreten Alltag und die Beziehungsgestaltung in ihren lebensweltlichen Bezügen kaum. Die Rückbindung der Liebes- und Freundschaftsdiskurse auf das Eheleben fand in erster Linie im Hinblick auf die Anbahnungsphase statt, in der die romantische Liebe und die gegenseitige affektive Zuneigung vor allem in bürgerlichen und adeligen Kreisen eine zunehmende Bedeutung erhielt und ‚Sachfragen‘ wie Kernkompetenzen in Haushaltungsführung, (Aus)Bildung und Führungsqualitäten in den Hintergrund treten ließen. Der Zelebrierung der „Liebesheirat“ des jungen Paares entsprach im weiteren Fortschreiten der Ehe die Darstellung und Inszenierung der familiären Intimität, wie sie vor allem Daniel Chodowiecki in seiner Kupferstichserie „Häusliche Glückseligkeit“ festgehalten hat (Abb. 4). Die sorgende Mutter und der liebende, mit seinen Kindern spielende Vater werden zum Vexierbild bürgerlicher Selbstinszenierung, die jedoch nicht mit dem von den Notwendigkeiten strukturierten Alltag korrespondierte. Dies konnte an den Beispielen mehrerer großbürgerlicher Familien in München, Nürnberg und Hamburg gezeigt werden (Trepp 1996; Habermas 2000).
108 Inken Schmidt‐Voges
Abb. 4: Daniel Chodowiecki, Überlegungen zur Beförderung der häuslichen Glückseligkeit, Titelkupfer zu Heinrich Matthias August Cramer, Leipzig 1781.
Im 18. Jahrhundert muss man also nicht von einem grundsätzlichen Wandel der den ehelichen Beziehungen zugrunde liegenden Normen und Werte ausgehen, vielmehr ist von einem allmählichen Bedeutungszuwachs der emotionalen Aspekte innerhalb des Ehelebens auszugehen, ohne dass deswegen Fragen der gemeinsamen Haushaltsführung und Erziehung sekundär geworden wären. Das zeigte sich auch in den Argumentationsstrategien vor Gericht, wenn Alexandra Lutz betont, dass seit dem beginnenden 18. Jahrhundert auch „unversöhnlicher Hass“ oder „fehlende Liebe“ als Trennungsgründe akzeptiert wurden (Lutz 2006). Auch die großen gesellschaftstheoretischen Debatten und die Neujustierung des Verhältnisses von Familie, Gesellschaft und Staat in den kameralistischen Schriften wirkten sich nicht unmittelbar auf eine Neuorientierung hinsichtlich jener Normen und Werte aus, die den ehelichen Alltag strukturierten. Nach wie vor standen die Fragen der angemessenen Wirtschaftsführung, der gottesfürchtigen Erziehung der Kinder, des persönlichen Wohlverhaltens der Eheleute und ihrer Bedeutung im sozialen Umfeld von Nachbarschaft und Verwandtschaft an zentraler Stelle. Sie wurden in den übergreifenden Diskursen in neue Begründungs- und Legitimationszusammenhänge gestellt, die sich stärker in rechtspolitischen Bereichen der beginnenden Kodifikationsbestrebungen widerspiegeln sollten. Deren Anwendung und Umsetzung in geltendes Recht ist aber erst am Ende des 18. Jahrhunderts zu beobachten (vgl. Kap. 2.4.1).
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 109
2.2 Mediale und kommunikative Einbettung ehelicher Normen▀Die solchermaßen vor allem in den gedruckten Schriften aufzuspürenden Diskurse über die Art und Weise, wie eine eheliche Beziehung und der eheliche Alltag idealtypisch zu gestalten seien, fanden ihr Publikum auf sehr vielfältige und unterschiedliche Weise: neben (literarischen) Druckschriften insbesondere über Predigten, Flugblätter oder Schauspiele. 2.2.1 Predigten▀Die größte Bedeutung im Hinblick auf die mediale Vermittlung von Eheidealen und –normen besaß bis in das 19. Jahrhundert hinein die gottesdienstliche Predigt. Viele der Eheschriften waren als gedruckte Predigten erschienen und dienten als Musterpredigten. Anlass, über die Ehe und ihre alltäglichen Herausforderungen zu predigen, waren nicht nur Hochzeiten. An den Predigtkalendern für das Kirchenjahr kann man sehen, dass über das ganze Jahr verteilt immer wieder Predigttexte vorgegeben waren, die explizit eheliche Vorstellungen ansprachen. Hierzu gehörten neben dem vierten Gebot die sogenannten petrinischen Haustafeln (1. Petr. 3, 1–7), die Paulusbriefe (1. Kor. 7, 1–40; Eph. 5, 21–33; Kol. 3, 18–21) wie auch die zahlreichen Darstellungen von Ehe- und Familienleben in den Evangelien (z. B. Mt. 5, 27– 32, Mt. 19, 1–12; Mk. 10, 1–12). Abgesehen von den Hauptpredigten konnten aber auch Predigten und Lesungen alttestamentlicher Exempelgeschichten vorgesehen sein, etwa die Beziehungen zwischen Adam und Eva, Rahel und Jakob, Tobias und Sarah. Vor allem in lutherischen Kontexten wurde das zu den Apokryphen zählende Buch Sirach intensiv rezipiert, da hier die grundlegende patriarchale Gesellschaftsordnung verhandelt wurde und zahlreiche Bezüge zum ehelichen und häuslichen Leben hergestellt werden konnten. Zudem sind die Psalmen und das Hohelied der Liebe sowie die Sprüche Salomos neben den mosaischen Texten oftmals zitierte Belegstellen für die verschiedensten Aspekte ehelicher Beziehungen gewesen (Holtz 1993). Die Predigtordnungen, die Perikopen, waren festgelegt. Bis in das 19. Jahrhundert hinein bestand der sogenannte Perikopenzwang, so dass von einer regelmäßigen Thematisierung des ehelichen Lebens im gottesdienstlichen Zusammenhang auszugehen ist. Für die lutherischen Pastoren waren dabei Luthers Perikopen (WA DB 7) und Kirchenpostillen (WA 10) maßgeblich. Auf katholischer Seite wurde mit den Beschlüssen des Tridentinums die Bedeutung der Predigt erneut gestärkt. Insbesondere legte man fest, dass die Diözesen ihr ius liturgicum zugunsten einer vom Papst festgelegten, allgemeingültigen Predigtordnung aufgeben mussten; diese hatte bis ins 19. Jahrhundert hinein Bestand. Die reformierten Protestanten hatten ebenfalls eine feste Predigtordnung entsprechend den territorialen Kirchenordnungen. Aber es gab auch Traditionsformen der lectio continua, der fortgesetzten Lektüre der gesamten Bibel. Diese Rahmenbedingungen kirchlicher Predigten in der Frühen Neuzeit machen deutlich, dass Ehe im gottesdienstlichen Kontext ein durchgängig präsentes Thema war. Neben der Bildungsfunktion im Hinblick auf die Sitten wurden solche Anlässe auch dazu genutzt, die obrigkeitlichen Ver-
110 Inken Schmidt‐Voges
ordnungen in Sachen Ehe und Hochzeit regelmäßig auch von der Kanzel zu verlesen. Diese Form der mündlichen Vermittlung war die weitreichendste Form und stand in enger Verbindung mit der Kirchenzucht, also den rechtlichen und formalen Disziplinierungsmöglichkeiten durch Hochzeitsordnungen, Eheordnungen und Visitationen, mit denen die Kirchen ihre Zuständigkeit in Sachen Eheführung demonstrierten. 2.2.2 Druckschriften und ihr Lesepublikum▀Neben der mündlichen Vermittlung in kirchlichen Kontexten gewann aber auch die individuelle Lektüre im Laufe der Frühen Neuzeit immer mehr an Bedeutung. Gerade die Eheschriften und Hochzeitspredigten gehörten im 16. und 17. Jahrhundert mit Auflagen um die 1 000 Stück und zahlreichen Neuauflagen durchaus in den Bereich der frühneuzeitlichen Bestseller. Ein Großteil der überlieferten Exemplare weist deutliche Lesespuren auf, die auf eine intensive Lektüre und Reflexion der präsentierten Inhalte schließen lässt (Hahn 2005). Da der Anschaffungspreis solcher Bücher recht hoch war und ein geübtes Lesewissen voraussetzte, waren sie hauptsächlich in Haushalten mit einem fortgeschrittenen Bildungsgrad und entsprechendem ökonomischen Kapital zu finden. Das waren in erster Linie die Häuser der ländlichen und städtischen Mittel- und Oberschicht. In adeligen Bibliotheken gehörten sie zum Standardrepertoire (PletichaGeuder 1983). Deutlich weiter verbreitet waren die überaus populären Gebets- und Andachtsbücher, die – wie gesehen – auch wesentliche Träger ehelicher Idealbilder waren (Würgler 2009, 90–92). Während die ehedidaktischen Schriften ständeübergreifend auf das allgemeine christliche Eheverständnis bzw. –ideal abzielten und somit jeden Ehekontext berücksichtigten, wurde für die ökonomische Literatur vor allem die ländliche Gesellschaft als vorrangiges Publikum angesehen; in erster Linie, weil sich die ökonomischen Darlegungen sehr intensiv mit Landbau und Viehzucht befassten, auch mit Jagd und Holzwirtschaft. Sieht man aber einmal von jenen Schriften ab, die explizit von und für die spezifischen Haushalts- und Herrschaftskontexte des landsässigen Adels geschrieben wurden, bleibt zu bemerken, dass auch in einem ganz überwiegenden Teil der Städte im Alten Reich die landwirtschaftliche Nebenproduktion für den täglichen Bedarf selbstverständlicher Bestandteil des Alltags war. Die zahlreichen Gärten inner- und außerhalb der Stadtmauern, die Haltung von Kühen und Schweinen, städtische Kuhhirten, Saisonarbeiter als Drescher in der Stadt sowie Verordnungen und Privilegien über das eigene Brotbacken und Bierbrauen zeigen den hohen Stellenwert, den die landwirtschaftliche Produktion auch für den ehelichen Alltag in den Städten besaß. Die Relevanz von Hausmedizin, Vorrats- und Buchhaltung war nicht an ständische Spezifika gebunden und damit auch allgemein gültig. Die lebensweltliche Verankerung des häuslichen Landbaus und der Viehzucht lässt sich vor allem in den gerichtlichen Auseinandersetzungen nachvollziehen, in denen entweder Un-
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 111
einigkeit zwischen Eheleuten über den Verkauf von Landstücken verhandelt wurde, um Schulden abzutragen, wenn Ehefrauen vor Gericht ausstehende Gelder für verpachtetes Land vor der Stadt einklagten (was offensichtlich zu ihrem Aufgaben- und Tätigkeitsfeld gehörte, da die Ehemänner entweder als Zeugen geladen waren oder sich wegen ihrer handwerklichen Geschäfte entschuldigen ließen), oder wenn es nachbarschaftlichen Streit wegen angeblichen Verkaufs des für den Eigenbedarf produzierten Kohls gab. Die vor allem im 18. Jahrhundert zunehmend erscheinenden Zeitschriften, Intelligenzblätter und Moralischen Wochenschriften nahmen sich der ehelichen Beziehung in unterschiedlichen Kontexten an, sowohl was die häusliche Ökonomie als auch vor allem deren emotionale Gestaltung und Erhaltung betraf. Sie sind damit Bestandteil des Diskurses über Liebe, Emotion und Zuneigung, die das Ideal der bürgerlichen Ehe und Familie signifikant prägten. Dem entsprach auch das Lesepublikum. Das gebildete, interessierte Bürgertum und die Funktionseliten partizipierten an dieser Form der Diskussion (Weckel 1998). Dem steht die Beobachtung gegenüber, dass man zum Beispiel im Fürstbistum Osnabrück neben dem Kleinen Katechismus 1787 erstmals auch Luthers Großen Katechismus in einer eigenen Fassung für die Landbevölkerung druckte. Diese durchaus disparaten Lese- und Rezeptionsgewohnheiten müssen bei der Frage nach der Reichweite neuer Ideen mitberücksichtigt werden. 2.2.3 Flugblätter, Literarisches, Schauspiele▀Während die normative Literatur stark auf die Präsentation und Begründung der ehelichen Idealbeziehung abhob, fanden die Vorstellungen auch schnell Eingang in die populäre Literatur. In den vielfältigen Textgattungen lassen sich immer wieder Bezüge zu den leitenden Ehediskursen herstellen, wobei die Gestaltungsmodi der Literatur die Klippen und Untiefen des „ungestümmen Meeres“ oft durch Beispielerzählungen, Übertreibungen und Ironie herausstellten und stärker auf die Brechungen abzielten. Eine strikte Trennung und Systematisierung ist hier gleichwohl nicht möglich, zu heterogen und vielfältig sind selbst innerhalb einer Gattung die Zugänge und Präsentationsformen ehelicher Beziehungen (Braun 2002). So präsentierten auch einzelne Werke aus der Gruppe der sogenannten „Teuffelbücher“ im ausgehenden 16. Jahrhundert die Fährnisse des Ehelebens. Neben dem „Sauffteuffel“, dem „Hurenteuffel“, dem „Spielteuffel“ oder dem „Tanzteuffel“, die einzelne Konfliktfelder als personifizierte Eingriffe des Teufels darstellten, verwiesen der „Hausteuffel“, der „Sie-Mann-Teuffel“ oder der „Eheteuffel“ eher auf grundsätzliche Machtprozesse und Ordnungsfragen innerhalb der ehelichen Beziehungen (Stambaugh 1970–1980). Die Verfasser, allesamt lutherische Prediger und Reformatoren der zweiten und dritten Generation, nutzten die Vielfalt der literarischen Formen, um ihr Anliegen vorzubringen. So verfasste etwa der sächsische Pfarrer Paul Rebhun mehrere Dramen, die sich intensiv mit den moralischen Fragen der richtigen Ehefüh-
112 Inken Schmidt‐Voges
rung auseinandersetzten. Besondere Bedeutung erlangten in diesem Kontext der protestantischen Schuldramen die „Susanna-Dramen“, die unter Rekurs auf die biblischen Exempla Ehe- und Geschlechtervorstellungen diskutierten (Washof 2007). Neben diesen spezifisch konfessionell ausgerichteten Texten und Stücken entfaltete sich gerade im 16. Jahrhundert eine breite literarische Aufarbeitung der Ehethematik, die vor allem auf die inneren Beziehungskonstellationen abhob und eng an die mittelalterlichen und humanistischen Traditionen anschloss (Braun 2001; Classen 2005). Auch hier ist der beschriebene Ausgleich zwischen Temperamentenkontrolle, Machtbalance und Interessenskonflikten immer wieder Kernthema der Auseinandersetzung. Ein Medium, das in seiner kommunikativen Funktionsstruktur zwischen den Druckschriften und den mündlichen Vorträgen der Predigt lag, war das Flugblatt und insbesondere das illustrierte Flugblatt. Es zählt zu den sogenannten Einblattdrucken, die sich seit dem 16. Jahrhundert als ein beliebtes Medium zur schnellen, einprägsamen Informationsverbreitung herausgebildet hatte (Schilling 1990). Der oft in Versen gereimte Text war häufig mit einer Illustration versehen, so dass die Aussageabsicht gleich auf mehrfache Weise aufgenommen werden konnte. Denn neben der Betrachtung der Illustrationen luden die Verse zum Vorlesen, Rezitieren, teilweise sogar zum Mitsingen ein, wenn Melodieangaben beigefügt waren. Neben aktuellen politischen Entwicklungen wurden auch aufsehenerregende Ereignisse wie Erdbeben, Explosionen, wundersame Naturerscheinungen oder besonders abscheuliche Kriminalfälle und öffentliche Hinrichtungen zum Thema gemacht. Darüber hinaus wurden gesellschaftliche Kernthemen angesprochen – und ganz besonders die Gestaltung von Paarbeziehungen in ihrer einzig legitimen Form, der Eheführung. Dabei wurden sowohl das Thema der christlichen Haushaltung mit dem Ehepaar als zentraler Leitungsinstitution aufgegriffen als auch einzelne Aspekte ehelichen Lebens behandelt. So erschien etwa 1645 in Nürnberg das Flugblatt „Spiegel einer christlichen Haushaltung“ (Abb. 5). Die zentral positionierte Abbildung zeigt das Ehepaar mit seinen Kindern am Tisch sitzend – ganz im Stile der lutherischen Tischzucht, die im gemeinsamen Mahl und der am Tisch herrschenden Ordnung die Ordnung des Haushaltes insgesamt abgebildet sah. Flankierende Reimtexte stellen die gesellschaftlichen Rollenerwartungen in Form individueller Erwartungen der beiden Eheleute an den Ehestand einander gegenüber (Bake 2004). Ein anderes Flugblatt aus dem 16. Jahrhundert thematisiert das Konfliktverhalten in ehelichen Beziehungen, indem es in ironisierender Weise ein Stufenkonzept der Folgen von vermeintlich erzieherisch eingesetzter Prügelstrafe vorstellt. Diese Beschreibung „Von den neun Häuten der bösen Weiber“ (Abb. 6) mahnt:
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 113
Abb. 5: Spiegel einer christlichen und friedsamen Haushaltung, Nürnberg 1645.
„Da du doch selbst nicht bist allzeit/häußlich, freundlich und voller Frewd/Wilt dann mit schlagen alls außrichten/Das ziemt ein Bidermann mit nichten/Gar schwere Ehen werden drauß/Wann man mit Krieg will halten Hauß/Sondern sey fried- und freundlich mehr/Als Paulus uns gibt diese Lehr.“ Die medialen Erscheinungsformen, in denen sich normativen Konzepten über ehelichen Alltag und seinen emotionalen Grundlagen genähert wurde, vervielfältigten sich im Laufe des 17. Jahrhunderts zusehends. Auch die Einbeziehung nicht-theologischer Exempla zur Veranschaulichung grundlegender Problematiken lässt sich verstärkt feststellen. Gerade die Hinwendung zu Exempla der antiken Mythologie wurde im anhebenden Barock geradezu ‚chic‘.
114 Inken Schmidt‐Voges
Abb. 6: Von den neun Häuten der bösen Weiber. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. 16. Jahrhundert.
Eine singuläre, aber vielleicht doch bezeichnende Flugschrift erschien 1660 in der Bremer Druckerei Wessels. Unter dem Titel „Instrumentum Pacis oder Venus und Vulcanus Kriegs= und Friedens Tractaten“ (Abb. 7) griff der Jenaer Arzt und Übersetzer Samuel Sturm genau das Thema auf, das bereits in dem Flugblatt im 16. Jahrhundert angeklungen war: Wie gestaltet man eheliche Beziehungen, die sowohl dem Anspruch der klaren Geschlechterhierarchie als auch einer ausgeglichenen emotionalen Balance gerecht werden? Er machte die – sich seiner Meinung ausschließenden – charakterlichen Grundeigenschaften von Frauen und Männern am Beispiel der konflikthaftesten Ehe der Mythologie von Venus und Vulcanus deutlich, wobei er gleichzeitig die ‚neue‘ Terminologie des Völkerrechts aufgriff, um Techniken der Pazifizierung aufzuzeigen – ein Thema, das auch die Malerei beschäftigte (Rosen 2008). Eine weitere Entwicklung war eine zunehmende Entfernung vom obrigkeitlichen Charakter der Ehepredigten und –schriften, die auch den allgemeinen Charakter der Flugblätter ablehnten. In adeligen und großbürgerlichen Kreisen fand man mehr und mehr Gefallen daran, anlässlich von Eheschließungen kleine Gedichte mit den Glückwünschen und Ratschlägen für das junge Ehepaar zu verfassen und in einer kleineren Auflage drucken zu lassen. Diese wurden dann an die Gäste verteilt oder auch als Hochzeitsanzeige an Abwesende geschickt.
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 115
Abb. 7: Samuel Sturm, Instrumentum Pacis. Venuns und Vulcanus Kriegs‐ und Friedenstracta‐ ten, Bremen 1660.
Diese Form der Gelegenheitsdichtung entfaltete vor allem im 18. Jahrhundert eine rege Publikationsflut, die dabei aber keinesfalls im Sinne einer intimen ‚Privatheit‘ von Freunden und Verwandten zu verstehen war, sondern sich als Form der gesellschaftlichen Selbstvergewisserung in erster Linie nach außen richtete (Freise 2010). Damit waren diese Hochzeitsgedichte geeignet, den für das gesellschaftliche Umfeld bestimmenden Wertekanon hinsichtlich der Eheführung und der Beziehungsgestaltung zu repräsentieren. Durch eine solche Formulierung seiner ehelichen Leitlinien erhob das Brautpaar Anspruch auf Zugehörigkeit und Teilhabe an jenen gesellschaftlichen Gruppen, für die das entworfene Bild als konstitutiv und identitätsstiftend angesehen wurde. Dabei lässt sich sehr prägnant der Wandel dieses Wertekanons im Hinblick auf die oben beschriebenen neuen Leitlinien eines bürgerlich-aufgeklärten Eheverständnisses beobachten (Margraf 2007). Während die Auflagen und Publikationen von Eheschriften und -predigten im Laufe des 17. Jahrhunderts deutlich weniger
116 Inken Schmidt‐Voges
wurden, stieg gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Zahl der Gelegenheitsgedichte und Hochzeitsliteraturen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts gesellten sich vor allem in den stadtbürgerlichen und adeligen Kreisen auch säkulare Glückwunschgedichte dazu, in denen der normative Rahmen des Ehelebens noch einmal für das Brautpaar abgesteckt wurde. 2.3 Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen▀Die vielfältigen Normen, die das eheliche Leben idealiter strukturierten und maßgeblich die Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens der Eheleute durch ihr soziales Umfeld der Verwandtschaft, der Nachbarschaft, der Gemeinde und der Obrigkeit bestimmten, finden sich in zentralen Ordnungsleitbildern gebündelt. Sie steckten zum einen den Werthorizont ab, vor dem sich die Einbindung von Normenkomplexen in handlungsbezogene Leitbilder vollzog. Dazu gehörte die Forderung, die eheliche Beziehung auf der Basis gegenseitiger Liebe aufzubauen. Dieser folgte dann beinahe zwangsläufig ein von Frieden bestimmtes (Ehe)Leben, was schließlich die den jeweiligen Ehepartnern wie auch ihrer Haushaltung zukommende Ehre steigerte und stabilisierte. Zum anderen drückten sich solche Leitbilder und Ordnungsvorstellungen auch in der Entstehung bestimmter Rollenmodelle aus, die als besonders vorbildlich für die Umsetzung der mit der Ehe verbundenen Normen und Werte angesehen wurden. Solche Leitbilder prägten das individuelle Wissen bereits im Rahmen der häuslichen Sozialisation von Anfang an, so dass sie wiederum Grundmuster der Wahrnehmung und des handlungsleitenden Denkens wurden. Der unterschiedliche Stellenwert der Ehe in der protestantischen und altkirchlichen Lehre spiegelte sich gleichfalls in der Ausgestaltung und Gewichtung solcher Rollenmodelle. Schließlich konnten die Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen von der ideal geführten Ehe auch im Prozess der gesellschaftlichen Selbstvergewisserung zur Schärfung der kulturellen Identität dienen. So fungierten bestimmte Aspekte der Vorstellungen von ehelichen Beziehungen als Merkmal, anhand dessen bestimmte Gruppen als zugehörig oder außenstehend eingeordnet werden konnten. Dazu zählten im Alten Reich die Auseinandersetzung mit den „Türken“, deren differierende Eheauffassung den generellen ‚Feind‘-Charakter noch durch moralische Diffamierung unterstreichen sollte, aber auch die Auseinandersetzung mit jüdischen Ehenormen und -praktiken, die weitaus stärker in den lebensweltlichen Bezügen der Menschen präsent waren. 2.3.1 Liebe, Frieden, Ehre▀Die Trias der Kerntugenden Liebe, Frieden und Ehre in einer ehelichen Beziehung verweist in ausgesprochen verdichteter Weise auf die doppelte Perspektivierung der Ehe als lebenslange Verbindung zweier Menschen im Hinblick auf ihr persönliches Glück und Seelenheil wie auch auf die soziale Ordnungsfunktion dieser Verbindung.
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 117
Kernkonzept der ehelichen Beziehung war die Gründung derselben auf gegenseitiger Liebe. Ausgehend von der caritas, der in der Nächstenliebe sich manifestierenden Gottesliebe, entstand seit dem hohen Mittelalter eine Liebesvorstellung, die von der Idee einer tief empfundenen Zuneigung geprägt war, auch von Sehnsucht, Verlangen und Zärtlichkeit nach der Zweisamkeit und Vertrautheit des Partners, der caritas conjugalis. Dem widersprach eine Ausweitung des Emotionsspektrums zum erotischen und sexuellen Begehren keineswegs, gleichwohl ordneten sich im Laufe des 16. Jahrhunderts mit einer zunehmenden Regulierung und Kontrolle der Ehen die Gewichtungen. Nicht nur wurde legitime Sexualität als ein ausschließlich auf den Ehepartner ausgerichtetes Handeln charakterisiert, im Laufe des 17. Jahrhunderts kamen auch bisher gebräuchliche Praktiken vorehelicher Kontaktaufnahme und Kennenlernens in den Geruch der „Unzucht“ (Burghartz 1999). Während die theologischen und ökonomischen Ehelehren auf eine ‚rationale‘ Form gegenseitiger Zuneigung und Vertrautheit setzten, die auf der Redlichkeit, den Haushaltungskompetenzen und der Frömmigkeit basierten, zeigen gerade auch literarisch orientierte Ehediskurse, dass Verlangen, Sehnsucht, Erotik und sexuelles Begehren durchaus positiv gewertet wurden. Solange amor die caritas unterstützte und stabilisierte, wurde ihr positiver Einfluss auf die Bindungskraft und Fruchtbarkeit des Paares betont. Zu verurteilen waren Begehren und Verlangen dann, wenn sie nicht die Ordnung festigten, sondern Unordnung verursachten; sei es dadurch, dass sich das Begehren auf eine dritte Person richtete, sei es, dass die eheliche Ordnung und Herrschaft dadurch ad absurdum geführt wurde, indem sich etwa der Mann aufgrund seines maßlosen Verlangens den Launen und Wünschen seiner Frau auslieferte (Weber 2001). Noch „Zedlers Grosses Universal-Lexicon“ aus der Mitte des 18. Jahrhunderts widmet fast ein Drittel der immerhin 42 Spalten umfassenden Ausführungen zum Stichwort „Ehe-Stand“ der Frage nach dem Verhältnis sinnlicher Lust und freundschaftlicher Zuneigung und führt aus: „[…] weil die Keuschheit nicht in gäntzlicher Unterdrückung, sondern in vernünfftiger Richtung oder Liebe bestehe, so könnten sich Eheleute dieser empfindlichen Lust zur Beförderung ihrer Liebe bedienen.“ (Zedler, Bd. 8, 365) Eng verknüpft mit der Vorstellung einer auf Liebe gegründeten Ehe war der Friede. Im Kontext sozialer Beziehungen war das frühneuzeitliche Friedensverständnis nicht so sehr von den rechtlichen Kategorien der Gottes- und Landfriedensbewegungen geprägt. Ungleich stärker wirkte die augustinische Tradition, die auch in den protestantischen Kontexten rezipiert wurde. In seinem „Gottesstaat“ charakterisierte Augustinus die menschliche Existenz auf Erden als die von sozialen Beziehungen: „Und da der Mensch, so lang er in diesem sterblichen Leibe weilt, in der Fremde pilgert, fern vom Herrn, so wandelt er im Glauben, nicht im Schauen, und demnach bezieht er jeglichen Frieden, sei es des Leibes oder der Seele oder beider zumal, auf jenen Frieden, der den sterblichen Menschen mit Gott
118 Inken Schmidt‐Voges
dem Unsterblichen verbindet; er strebt also nach dem im Glauben betätigten Gehorsam gegen das ewige Gesetz. Weil nun aber der göttliche Lehrmeister zwei Hauptgebote aufstellt, nämlich die Liebe Gottes und die Liebe des Nächsten, worin dem Menschen ein dreifacher Gegenstand der Liebe vorgehalten wird: Gott, er selbst und der Nächste, und weil in der Selbstliebe der auf dem rechten Wege ist, der Gott liebt, so folgt daraus, daß er auch dem Nächsten, den er ja lieben soll wie sich selbst, zur Gottesliebe behilflich ist [so der Ehefrau, so den Kindern, so den Hausgenossen, so den übrigen Menschen, so vielen er kann] und daß auch er, wenn er es etwa braucht, vom Nächsten diesen Liebesdienst erwartet; und demnach wird er im Frieden sein, soviel an ihm ist, mit jedermann, nach Art des Friedens unter den Menschen, nämlich in geordneter Eintracht, deren richtige Ordnung darin besteht, zunächst, daß man niemand schädige, weiterhin, daß man auch nütze, wem man kann. In erster Linie liegt ihm demnach die Sorge für die Seinigen am Herzen; denn ihnen behilflich zu sein, hat er besonders bequem und leicht Gelegenheit, sowohl auf Grund der natürlichen als auch der gesellschaftlichen Ordnung. […] Daraus entspringt also weiterhin der Hausfriede, d. i. die geordnete Eintracht der Angehörigen in bezug auf Befehlen und Gehorchen. […] Indes im Hause des Gerechten, der aus dem Glauben lebt und noch fern von jener himmlischen Stadt auf der Pilgerschaft ist, dienen auch die Befehlenden denen, welchen sie scheinbar befehlen. Sie befehlen ihnen ja nicht aus Herrschsucht, sondern in dienstwilliger Beihilfe, nicht aus übermütigem Streben nach Vorrang, sondern aus erbarmender Fürsorge.“ (Augustinus 1911, Buch 19, Kap. 14) In dieser Passage wird der enge, sich gegenseitig bedingende Zusammenhang von Liebe und Friede im Hinblick auf die unmittelbaren sozialen Beziehungen jedes einzelnen Menschen deutlich. Der in frühneuzeitlichen Texten oft erwähnte Ehefrieden ist als eine besondere Form des genannten Hausfriedens anzusehen, in dem er ausschließlich auf die eheliche Beziehung innerhalb des häuslichen Beziehungsgeflechts zielt. In der Erfüllung des göttlichen Liebesgebotes konstituiert sich der irdische Frieden, der von den häuslichen Vergemeinschaftungen in die übergeordneten Zusammenhänge der sozialen Beziehungen hineinwirkt. Denn eng mit dieser Friedensvorstellung verbunden ist die Idee von Ordnung, die durch die Eintracht und Harmonie aller in dieser Ordnung angeordneten Teile besteht und auf die göttliche Schöpfungsordnung verweist. Die besondere Brisanz dieser Konstellation erweist sich in der Einbindung von Herrschaftsfragen, denn die Frage der Herrschaftsfunktion wird bei Augustinus als gegeben gesetzt und lediglich durch die Forderung nach der Erfüllung des Liebesgebotes in ihren Auswirkungen gemildert. Hier gehen die frühneuzeitlichen Vorstellungen von ehelichem Frieden wesentlich weiter, wenngleich die ihm innewohnende Ambivalenz nicht aufgelöst, sondern lediglich variiert wird. Denn gerade die Position der Ehefrau als ein Wesen, das gleichermaßen in Gottes Gnade stehe, führte zu der bereits
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 119
mehrfach angesprochenen Doppeldeutigkeit zwischen einer Begegnung auf gleicher Augenhöhe als zwei einander verbundenen Menschen und der Unterordnung in ehelichen Herrschaftsverhältnissen. So schrieb Luther in einer Predigtpostille über den ersten Brief des Petrus (1. Petr., 3): „[…] das der man das weyb also ansehen soll, das sie auch eyn Christen sey und Gottis werck odder rustzeug. Und also sollen sie es beyde hallten, das das weyb den man ynn ehren hallt, und widderumb der man auch dem weyb seyn ehre gebe. Wenn man sich also dreyn schicket, so würde es feyn zu gehen ynn fride und liebe. Sonst wo die kunst nicht ist, da ist eytel unlust ym ehestand.“ (WA 12, 346 f.) Die Rede vom Frieden in ehelichen Beziehungen ist also im Gegensatz zu politisch-rechtlichen Friedenskonzepten ganz wesentlich auf eine Ethik der Friedfertigkeit ausgerichtet, die auf gegenseitigem Einverständnis, Harmonie und Konsens aufbaut. Dabei kommt gerade der Ehe und dem auf ihr gründenden Haushalt eine besondere Bedeutung zu, weil hier die angesprochenen Tugenden sich auf das unmittelbare, direkt erfahrene soziale Umfeld und nicht auf abstrakte Größen im Sinne des bonum commune beziehen. Gleichwohl erwächst aus der in Ehe und Haus erfahrenen und erlernten Friedfertigkeit ein Nutzen für die gesellschaftliche Ordnung insgesamt. Dies formulierte der sächsische Pfarrer Paul Rebhun 1559 sehr prägnant: „[…] Auß diesem Haußfried folget der gemeine friede oder Landßfriede, ja auch der Göttliche friede. Denn rechte christliche friedliebende eheleute ziehen auch mit allem fleyß friedliebende Kinder auff. Auß friedliebenden Kindern werden friedliebende nachtbarn vnd Leutselige Bürger. Friedliebende Bürger geben auch gehorsame vnterthanen gegen der Oberkeyt.“ (Rebhun 1559, 6) Die Vorbild- und Prägefunktion der ehelichen Beziehung für die Sozialkompetenz der nachfolgenden Generationen änderte sich im 18. Jahrhundert nur in Nuancen, wenn vor allem in den kameralistischen Schriften der häusliche und eheliche Friede als Voraussetzung einer optimalen Persönlichkeitsbildung und Leistungsfähigkeit zum Wohle des Gemeinwesens in Erscheinung trat. Ausbuchstabiert im Hinblick auf die Beziehungsgestaltung wurde er in der Zeitschriftenliteratur des 18. Jahrhunderts, die sich intensiv mit dem Familienleben befasste. So erschien im Juli 1802 im „Neuen Hannöverischen Magazin“ ein Artikel „Ueber den Hausfrieden“, in dem anhand mehrerer Exempelgeschichten die Rolle des Hausvaters dargelegt wurde: „Da nun der Hausvater den Ton in der Familie angiebt; da von seiner Stimmung die Stimmung des gantzen Hauses abhängt, so ist der am mehrsten verbunden, keine muthwillige Veranlassung zu geben, welche seine Hausgenossenschaft aus der glücklichen Stimmung inniger Eintracht bringen könne.“ Auch hier zeigt sich die Tendenz, die Belange der ehelichen Beziehung als eine Zweierbeziehung im Komplex der familiären Emotionalität aufgehen zu lassen. Der Wandel macht sich in den diskursiven Betrachtungen der ehelichen Paarbeziehung auch darin bemerkbar, dass die Ehre der Frau, die ja in den früheren
120 Inken Schmidt‐Voges
Schriften eine so entscheidende Rolle in der Charakterisierung der ehelichen Beziehungen spielte, nicht mehr in dieser Form in Erscheinung tritt. Als Leitvorstellung verbleibt lediglich die Ehrbarkeit im Sinne einer Wahrung schicklicher Grenzen der vorehelichen sexuellen Aktivitäten. Ehre spielte in der Frühen Neuzeit als eine soziale Ordnungskategorie eine entscheidende Rolle, um über die Zuteilung oder Aberkennung von Ehre die Zugehörigkeit oder den Ausschluss von Einzelpersonen oder Gruppen zu steuern. Jeder Stand hatte seine eigene Ehre, an der jeder Standeszugehörige teilhatte und sich damit einem bestimmten Normen- und Wertekodex verpflichtete. Mit Ehre verbindet sich also eine spezifische soziale Identität, die das Selbstgefühl des Einzelnen durch Standeszugehörigkeit in der positiven Sanktionierung durch die übrigen Gruppenmitglieder konstituiert (Backmann 1998; Nowosadtko 2006). Neben den Haupt- und Berufsständen mit „adeliger Ehre“, „bürgerlicher Ehre“, „Handwerkerehre“ waren aber auch die Personenstände mit spezifischen Ehrvorstellungen verknüpft. Die Ehre des Ehemannes begründete sich auf der „Regierung“ seines Hauses, der Bereitstellung der „Nahrung“ und Schutz seiner Haushaltsangehörigen, vor allem aber in der liebenden Anleitung und Führung seiner Ehefrau. Deren Ehre wiederum bestand ihrerseits in der Erfüllung der Rollenerwartung als Hausfrau, Mutter und Gattin. Der bereits zitierte Anspruch an die Eheleute, „das das weyb den man ynn ehren hallt, und widderumb der man auch dem weyb seyn ehre gebe“ (Luther WA 12, 346), bezog sich damit in erster Linie darauf, im Umgang miteinander das Selbstgefühl des anderen nicht zu verletzen, den schmalen Pfad zwischen Herrschaft und Gehorsam, Partnerschaft und Beratung zu finden sowie gerade in Konflikten möglichst sachlich zu argumentieren. Dass dieser Anspruch ein hoher, oft zu hoher war, spricht Luther selbst wenige Sätze später aus: „[…] aus wilchem feyl es kompt, das man so gar selden eyn gutte ehe findet, da liebe und fride ynnen ist.“ Die Ehre der Einzelperson konnte auf vielfältige Weise in einer Beziehung verletzt werden. Sei es durch verbale Gewalt und den Gebrauch von entehrenden Wörtern wie „Schelm“, „Wicht“, „Hure“ oder „Canaille“. Diese Beleidigungen stellten einen ernstzunehmenden Angriff auf die Integrität der Person dar. Aber auch Handlungen wie fehlender Gehorsam, Faulheit, Verweigerung von standesgemäßer Kleidung und Nahrung sowie Missachtung von Mitspracherechten im Haus konnten die Ehre nachhaltig beschädigen und deuteten auf ein fortgesetztes Ignorieren spezifischer Normen und Werte hin. Ehrverletzungen und -verlust bestanden allerdings nicht per se, sondern erlangten nur insofern soziale Wirksamkeit, als sie vom Umfeld des Ehepaares anerkannt wurden. Neben Spottritualen und Ausschluss gehörte zudem das erfolgreiche Einklagen und ‚Inszenieren‘ vor Gericht im Sinne von Injurienklagen dazu. Als äußeres Kennzeichen der spezifischen Ehre einer verheirateten Person dienten insbesondere den Frauen spezielle Kleidungsweisen und -trachten. Namentlich das Tragen einer „Haube“, regional und lokal besonderer Kopf-
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 121
bedeckungen, markierte einen Passageritus von der Jungfrau mit unbedeckten Haaren zur Ehefrau, die ihr Haar verbarg (Zander-Seidel 2010). Dementsprechend konnte das öffentliche Herunterreißen der Kopfbedeckung einen massiven Angriff auf die Ehre einer Frau bedeuten, und nicht selten ist diese Geste Teil sich steigernder Eskalation von Konflikten und markiert neben verbalen Beschimpfungen die symbolische Verletzung/Nicht-Anerkennung des Gegenübers als ehrenhafte Person. Aber auch abgesehen von der Kopfbedeckung schrieben viele städtische und territoriale Kleiderordnungen Ehefrauen ein bestimmtes Kleidungsverhalten vor, anhand dessen man sie von den Ledigen wie den Verwitweten unterscheiden können sollte. 2.3.2 Rollenmodelle▀Die selbst von den Verfassern jener normativ wirkenden Texte eingestandene Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit führte dazu, die abstrakten Mahnungen und Ratschläge durch Beispiele aus dem täglichen Leben zu illustrieren. Es bildeten sich vor allem im protestantischen Bereich sehr schnell Rollenmodelle heraus, welche als besonders geeignet angesehen wurden, die mit dem Ehestand verknüpfte Erwartungen, Werte und Handlungsmuster abzubilden. Noch während der ersten Jahre der Reformationszeit etablierte sich das protestantische Pfarrehepaar als ein spezielles Rollenmodell. Zunächst über die intensive Wahrnehmung der Brautwerbungen und Hochzeiten der Reformatoren selbst, zeigte sich bald das Pfarrhaus als eine Verbindung des geistlichen und weltlichen Standes durch die Ehe. Hier konnten sich die neuen Lehren in ihrer praktischen, alltäglich erlebbaren Umsetzung beobachten lassen, wodurch ihnen eine besondere Vorbildfunktion in Eheführung, Hauswirtschaft und Kindererziehung zukam (Schorn-Schütte 1991; Westphal 1994; Wahl 2000). Gleichwohl bedeutete dies nicht, dass sich die Ehepraxis von Pastoren deutlich abhob. Zahlreiche regionale Untersuchungen zeigen, dass Pastorenehepaare nicht unbedingt seltener vor den weltlichen Gerichten oder Konsistorien landeten und gleichfalls der schlechten Haushaltsführung, der Trunksucht, der ehelichen Gewalt oder des Ehebruchs angeklagt waren (Westphal 1994; Lutz 2006). Dass dem Pfarrehepaar im protestantischen Bereich eine besondere Vorbildfunktion zukam, hängt in erster Linie mit der Neuorientierung und Neuordnung der Ehe in der weltlichen Ordnung zusammen, mit der Auflösung der strikten Grenzen zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre. Im katholischen Bereich änderte sich auch nach dem Tridentinum nichts daran, so dass die Lebensideale sich nach wie vor in erster Linie an zölibatären Formen orientierten. Nach einem Lebensentwurf als Mönch respektive Nonne standen die Witwer und Witwen an zweiter Stelle, während dem Eheleben keine besonderen heilsgeschichtlichen Aspekte anhafteten. Dementsprechend waren Rollenmodelle nicht so explizit ausformuliert wie im protestantischen Bereich und beschränkten sich auf alltagsnahe Schilderungen der Fährnisse des Ehelebens in Predigten (Conrad 1999; Burschel 2003).
122 Inken Schmidt‐Voges
2.3.3 Das Eigene und das Andere: Eheideale als Basis gesellschaftlichen Konsenses▀Die Vorstellungen darüber, was eine Ehe ausmache und wie sie ‚richtig‘ geführt werden solle, war nie nur eine Frage ständischer oder konfessioneller Zugehörigkeit. Ganz wesentlich konstituierte sie auch einen Teil kollektiver Identität, die über konfessionelle und ständische Differenzen hinweg die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaft und der Akzeptanz ihrer Ordnungsmodelle markierte. Mit den intensiven Bemühungen, „rechte“ Eheschließungen und -führungen durchzusetzen, trat dabei als entscheidendes Ausschlusskriterium die Monogamie in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Wie bereits ausgeführt, waren nun eigenmächtig eingegangene oder aufgelöste Ehen ohne obrigkeitliche Zustimmung ungültig und konnten so leicht zum Vorwurf der Polygamie führen. Wie sehr die monogame Lebensweise als grundsätzliches gesellschaftliches Ordnungsprinzip der Geschlechter und der Generationen dabei zum kulturellen Kennzeichen der Zugehörigkeit zum christlichen Abendland wurde, zeigt die Markierung der Grenzen. Deutlich offenbarte sie sich gegenüber denjenigen, die im konfessionellen Ringen in eschatologischer Erwartung nicht nur das Eigentum aufhoben, sondern auch die Polygamie propagierten – die Täufer. Immer wieder lässt sich in den Äußerungen und Auseinandersetzungen mit den meist sehr kleinen Täufergruppen in einzelnen Städten zeigen, dass gerade der Hinweis auf die Propagierung oder zumindest die nicht explizite Ablehnung der Polygamie die Täufer als außerhalb der göttlich gegebenen gesellschaftlichen Ordnung stehend stigmatisierte. Besonders deutlich wurde der Monogamie-Anspruch gegenüber der islamischen Welt markiert – stärker noch als gegenüber der indigenen Bevölkerung der gerade entdeckten Neuen Welt. So schrieb Martin Luther, „[…] das des Mahomeths Alkoran den ehestand nichts acht, sondern yderman zu gibt weiber zu nemen wie viel er will. […] Solch wesen ist aber kein ehe und kann kein ehe sein, weil keiner sein weib der meynung nimpt odder hat, ewiglich bey yhr zu bleiben als ein leib, wie Gotts wort spricht Gen. 3. ‚Der man wird an seinem weibe hangen und werden zwey ein leib sein’, Das der Türcken ehe fast gleich sihet dem züchtigen leben, so kriegsknecht furen mit yhren freyen dirnen. Denn Türcken sind Krieger: kriegissch müssen sie sich halten, Mars und Venus, sagen die Poeten, wollen sie bey einander sein.“ (WA 30/2, 126) Nicht nur im Zeitalter der „Türkenkriege“ war das Thema präsent, noch in den Zeitschriften und Journalen des 18. Jahrhunderts lässt sich die Auseinandersetzung und der Vergleich mit den ehelichen und häuslichen Gepflogenheiten im osmanischen Reich finden. Gleichwohl geschah dies nicht mehr in strikter Ablehnung und war gerade im kulturellen Bereich stark von euphorisch aufgegriffenen Elementen durchsetzt. So propagierte etwa das „Journal des Luxus und der Moden“ 1791 den Kaftan als dernier cri der Frauenmode.
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 123
Der Darstellung von „Privatleben und häusliche[n] Gebräuche[n] der Türken“ in „Olla potrida“ 1788 merkt man aber deutlich die intendierte Lektüre zwischen den Zeilen an, die auf die Festigung der Ideale der gesellschaftlichen Übereinkünfte des Lesers abzielten: „Es ist fast kaum zu erwähnen nöthig, wie bey der Vielweiberey die Kinderzucht beschaffen ist. Der Verstand, zumal bey dem weiblichen Geschlechte, wird sehr ungeübt gelassen; auf die Verbesserung des Willens und des Herzens denkt Niemand.“ Die jüdischen Eheideale konnten hier nicht als Negativfolie dienen. Denn obwohl gerade aus dem Alten Testament wie auch aus dem jüdischen Eherecht die Mehrfachehe theoretisch möglich war, wurde sie im europäischen Rechtsgebrauch der Frühen Neuzeit nicht mehr praktiziert. Im Hinblick auf die normativen Vorstellungen zur Gestaltung der ehelichen Paarbeziehung lassen sich in den jüdischen Moralwerken vielmehr große Übereinstimmungen mit christlichen Leitideen feststellen. Die grundsätzlich gegebene männliche Herrschaft gehörte ebenso dazu wie die Verhaltensmaximen der Friedfertigkeit, der Rücksichtnahme und des Respekts, die im Laufe der Frühen Neuzeit sogar die ökonomische Versorgungsgemeinschaft an Bedeutung überstiegen. Die Ambivalenzen, die sich aus dieser Konstellation ergaben, wurden in der Moralliteratur in gleichem Maße vielfältig, kritisch und heterogen diskutiert wie in den christlichen Eheschriften (Berger 2003; Rohden 2008). Die beiderseitige Einhaltung dieser Verhaltensmaximen konnte sowohl von Ehefrauen wie von Ehemännern vor jüdischen Gerichten eingeklagt werden. 2.4 Recht und Gesellschaft: Kompetenzen und Konkurrenz der Institutionen▀Deutlicher noch als bei Konflikten im Rahmen der Eheanbahnung oder -auflösung zeigt sich die Vielschichtigkeit und Verflochtenheit des Eherechts und der Ehegerichtsbarkeit im Alten Reich, wenn man Konflikte betrachtet, die nicht in erster Linie die Auflösung einer ehelichen Beziehung bezweckten, sondern die im Rahmen ehelicher Machtprozesse und punktueller Streitigkeiten auftraten bzw. Symptome einer mehr oder weniger lang anhaltenden Krisenphase waren. Während das komplexe Normensystem das eheliche Leben bis in die charakterlichen Ausprägungen der Beziehungen hinein ordnete, spiegelte das Eherecht die Art und Weise, in der im Falle eines Verstoßes die Einhaltung bestimmter Normen vor den zuständigen Institutionen eingeklagt werden konnte. Wenn moderne Definitionen den gesellschaftlichen Bereich des Rechts dadurch abgrenzen, dass es sich „von anderen Formen sozialer Normen […] durch seine besondere Institutionalisierung als ‚gesatztes’ Recht“ (Rehbinder 1994, 721) unterscheide, muss das im Hinblick auf die Frühe Neuzeit differenziert bzw. genauer modifiziert werden. Die Frühe Neuzeit ist aus rechtshistorischer Perspektive gerade dadurch gekennzeichnet, dass die Rezeption des römischen Rechts in Konkurrenz zu den tradierten einheimischen Rechten trat und auf mehreren Ebenen unterschiedlich intensiv aufgenommen wurde. Das seit dem Mittelalter in Gebrauch ste-
124 Inken Schmidt‐Voges
hende Gemeine Recht (ius commune) bestimmte die Rechtsprechung da, wo lokale oder regionale Rechtstraditionen – das so genannte Partikularrecht – nicht griffen. Diese Partikularrechte behandelten ihre Materien nicht in geschlossenen, systematischen Abschnitten oder waren teilweise gar nicht schriftlich festgehalten. Im Laufe der Frühen Neuzeit entstanden auf weltlicher Seite zahlreiche Policeyordnungen, die ebenfalls in den privatrechtlichen Belangen Vorschriften für das eheliche Leben festschrieben. Hinzu kam die große Präsenz des kanonischen Kirchenrechts, das nicht nur das katholische, sondern – neben den Kirchen- und Eheordnungen – in weiten Teilen auch das protestantische Eherecht bis ins 18. Jahrhundert hinein bestimmte, ganz abgesehen vom biblischem Recht, das mit den sogenannten mosaischen Gesetzen gerade im Bereich der Ehewirkungen von Bedeutung war. Hier nun anzunehmen, dass weltliches Recht die weltliche Ehegerichtsbarkeit der territorialen und städtischen Obrigkeiten bestimmte, Kirchenrecht aber in der kirchlichen Eherechtsprechung in den Offizial- und Sendgerichten bzw. Konsistorien zur Anwendung kam, griffe zu kurz. Denn die gegenseitige Durchdringung reichte weiter. Einerseits waren die jeweiligen Institutionen nicht klar voneinander abgegrenzt, was aufgrund personeller Überschneidungen noch verstärkt wurde. Andererseits war aufgrund der Konfliktlage oft nicht klar, wer nun als Rechtsprechungsinstanz zuständig war. Und zum Dritten konnte am Beispiel des eherechtlichen Kompendiums des Erasmus Sarcerius gezeigt werden, dass nicht nur materielles Recht, sondern gerade im Hinblick auf den ehelichen Alltag auch theologisch normative Literatur verwendet wurde (Duncker 2003; Frassek 2005). Im Sinne der „guten Policey“ war auch den territorialen und lokalen Obrigkeiten daran gelegen, durch eine genaue Aufsicht über das häusliche Leben möglichen Störungen der öffentlichen Ordnung entgegenzuwirken. Denn eine friedlich geführte Ehe versprach nicht nur momentane Aufrechterhaltung der Ordnung und eines sittlichen Lebens, sondern prägte als Erfahrungsrahmen die Handlungs- und Wahrnehmungsstrukturen der folgenden Generationen. Auch deshalb standen eheliche Beziehungen unter obrigkeitlicher Aufsicht und wurden dementsprechend im Hinblick auf ihre Funktion im Rahmen der öffentlichen Ordnung beurteilt. Der Zusammenhang zwischen der göttlich gesetzten Ordnung, die sich im „Gemeinen Nutzen“ widerspiegelte, und der weltlichen Gerichtsbarkeit verdeutlicht das Motto auf dem Titelblatt der Protokolle des Osnabrücker Ratsgerichts von 1625 in seiner umfassenden, holprigen Schlichtheit: „In Gottes nahmen angefangen/pflegt einen guten Endt zu erlangen/Vor eigen nütz lass der gemein/wollfarth dir angelegen sein“ (NLA OS, Dep 3b IV, Nr. 220 o. fol.). Je nach Konflikt konnten ganz unterschiedliche Institutionen zuständig sein. In erster Linie waren das die erstinstanzlichen Gerichte auf lokaler Ebene, sei es ein städtisches Ratsgericht, grundherrliche Gerichte oder Amtsgerichte, in geistlichen Territorien waren aber auch die Sendgerichte teilweise solche erstinstanzlichen Institutionen. In Ehesachen, vor allem in Fragen der Scheidung
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 125
bzw. Trennung von Tisch und Bett, bei Ehebruch oder grober Missachtung der Eheordnung konnte und musste auch vor den geistlichen Gerichten geklagt werden. Während die protestantischen Territorien sogenannte Kirchenräte oder Konsistorien eingesetzt hatten, die je zur Hälfte mit Juristen und mit Theologen besetzt waren, war im katholischen Bereich das Offizialgericht, oft auch Offizialat genannt, als bischöfliches Gericht zuständig. Da es mitunter vorkam, dass gegen ein bestimmtes Urteil Widerspruch eingelegt wurde, kamen je nach Regelung der territorialen Instanzenzüge die obrigkeitlichen Gerichte in Frage. Überdies hatten durchaus auch das Reichskammergericht und der Reichshofrat in Ehekonflikten zu entscheiden – wenngleich es sich dann meist um Ehegüterfragen handelte (Seehase 1997). Diese Vielfalt ist nicht nur für den heutigen Leser verwirrend, die Zuständigkeit der einzelnen Gerichte war keineswegs geklärt und unbestritten. Vielmehr kennzeichnet das frühneuzeitliche Rechtswesen, dass das gegenseitige Verhältnis immer wieder neu austariert wurde. So stellt Lutz auch für das rein protestantische Schleswig-Holstein fest, dass die Trennung zwischen Ratsgericht, landesherrlicher Zuständigkeit und Konsistorium mitnichten klar war. Aber nicht nur behördliche Konkurrenzen spielten hier eine Rolle. Auch die Klagenden selbst konnten unter geschickter Ausnutzung dieser Streitigkeiten versuchen, ihre Sache positiv zu wenden, indem sie für ihre Klage die Instanz wählten, von der sie meinten, ihr Interesse am ehesten vertreten zu sehen. 2.4.1 Rechtsmaterien▀Nicht nur die Institutionen der Rechtsprechung waren wenig einheitlich und systematisch strukturiert. Die Vorstellung eines geregelten Instanzenzuges ist eine Entwicklung des späten 18. Jahrhunderts, die gleichzeitig mit einer Kodifikation des Rechts einherging. Dieser Prozess bezeichnet die systematische Ordnung und Vereinheitlichung der in einem Territorium vorgefundenen Rechtsmaterien zu einem systematischen Rechtskodex, der ausschließliche Geltungskraft beanspruchte. Für die Basis des materiellen Eherechts sollte dieser Wandel weitreichende Folgen haben, da das Eherecht aus seiner pluralen, mittelalterlichen Tradition heraus kaum einem mehr oder weniger rechtlich gefassten Normenspektrum entsprach. Aus ihrer Geschichte als kirchlich sanktionierte Lebensgemeinschaft heraus stellte das kanonische Recht bis in das 19. Jahrhundert hinein die wichtigste Rechtsquelle für Aspekte der Eheführung dar. Selbst die Reformation hatte hier nur partielle Veränderungen gebracht, die sich vor allem auf die Neuordnung der Eheschließung und der Scheidung bezogen. Wenngleich landesherrliche Kirchenordnungen seit dem 16. Jahrhundert das protestantische Kirchenwesen und damit auch die Ehegerichtsbarkeit und das Eherecht zu regeln beanspruchten, so blieb die Gültigkeit der im Corpus Juris Canonici (CIC) festgelegten Einzelaspekte und Detailfragen als ergänzende Rechtsgrundlagen unbestritten. Diese Ergänzungsfunktion bezog sich insbesondere auf den Bereich der Eheführung, der in den meisten Kirchenordnungen nur kurso-
126 Inken Schmidt‐Voges
risch gestreift wurde. Daneben galt auch biblisches Recht, also jene Sätze des Alten und Neuen Testamentes, die als Kernelemente des geltenden Eheverständnisses anerkannt waren. Zentrale Aspekte der sogenannten mosaischen Gesetze waren neben der aus der Schöpfungsgeschichte heraus begründeten grundsätzlichen Eheherrschaft des Mannes (Gen. 1, 27) das Verbot des Ehebruchs aus dem sechsten Gebot (Ex. 20, 14; Deut. 5, 18) und verbotene Verwandtschaftsgrade (Lev. 18–20). Das CIC blieb alleinige Grundlage der katholischen Ehegerichtsbarkeit im Alten Reich, die nach wie vor der bischöflichen Jurisdiktion des Offizialats zugeordnet war. Thomas Sanchez fasste 1590 nach den Neuerungen des Trienter Konzils das geltende katholische Eherecht in seinem Bestseller „De Sancto Matrimonii Sacramento Disputationum Tomi Tres“ zusammen, der bis ins 18. Jahrhundert hinein mehrere Auflagen erlebte. Auch auf protestantischer Seite entwickelte sich ein nicht unbeträchtliches Spektrum an Rechtsschrifttum. Die nachhaltigste Wirkung hatte Benedikt Carpzovs Werk „Jurisprudentia ecclesiastica seu consistorialis“ von 1645. Es systematisierte das lutherische Kirchenrecht, wobei er sich als Mitglied des Leipziger Schöppenstuhls und Professor an der Leipziger Universität vor allem an den kursächsischen Kirchenordnungen und dem kanonischen Recht orientierte. Auch im 18. Jahrhundert ist die prägende Kraft des kanonischen Rechts noch in dem Standardwerk „Ius ecclesiasticum Protestantium usum hodiernum iuris canonici“ (1714–1737) von Justus Henning Boehmer deutlich zu spüren. Aspekte der Ehe als gelebte Zweierbeziehung wurden oft unter dem Begriff der „Ehewirkungen“ zusammengefasst, wobei sowohl Aspekte des persönlichen Eherechts als auch des Ehegüterrechts angesprochen waren. Das persönliche Eherecht behandelte Fragen der ‚ehelichen Pflichten‘, also den Vollzug des Geschlechtsverkehrs in einer Art, welche die Zeugung von Nachkommen nicht mutwillig behinderte. Die eheliche Treue und das Verbot des Ehebruchs gehörten genauso dazu wie die Verpflichtung zu gegenseitigem Beistand und Zusammenleben. Die wichtige Frage eines angenommenen Vorranges des Mannes in der so genannten „Eheherrschaft“ wurde sehr unterschiedlich ausformuliert. Sie reichte von vertraglicher Gleichheit bei Samuel Pufendorf und Christian Wolff bis hin zum geforderten Züchtigungsrecht des Ehemannes bei Wiguläus Kreittmayr 1758. Darüber hinaus ergab sich ex negativo aus den anerkannten Scheidungs- bzw. Trennungsgründen, dass Vernachlässigung und Verweigerung ebenso wenig als Bestandteile einer ehelichen Beziehung angesehen wurden wie Misshandlungen und Lebensbedrohungen. Das Ehegüterrecht regelte, wie die Eheleute die Vermögensverwaltung ihres Hausstandes gestalten konnten. Insbesondere behandelte es die Frage, in wieweit die Frau über das von ihr in die Ehe eingebrachte Vermögen ohne Einwilligung des Mannes oder sogar gegen seinen Willen verfügen konnte. Das eheliche Güterrecht erlangte daher auch in Fragen des Erbrechtes große Bedeutung, in adeligen Kontexten eine andere als in der ländlichen Agrargesellschaft, nachhaltig waren sie allemal.
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 127
Die für die frühneuzeitliche rechtliche Behandlung der ehelichen Beziehung charakteristischen Antagonismen, zwischen weltlichen und kirchlichen Eherechtstraditionen einerseits und persönlichen bzw. güterrechtlichen Regelungen andererseits, versuchte man gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Kontext der Kodifikationsbewegungen zu systematisieren und zu säkularisieren. Neben einigen Vorläufern wie dem Preußischen Landrecht von 1721 und dem Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756, erlangten vor allen Dingen das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch in Österreich von 1811 größte Bedeutung für die rechtliche Situation im 19. Jahrhundert. Massiven Einfluss nahm freilich auch die Einführung des Code Napoléon in zahlreichen Territorien des westlichen Reichsgebietes zwischen 1804 und 1811. Insbesondere im Hinblick auf Aspekte der ehelichen Beziehungen bewirkte die Kodifikation in allen genannten Werken (wenngleich unterschiedlich stark) eine deutliche Eingrenzung der Handlungsräume insbesondere der Ehefrauen (Vogel 1997). Kennzeichnend für den uneinheitlichen Prozess der Kodifizierung ist die lange Phase der Stagnation nach 1815, in der gleichwohl wieder viele besondere Eherechtsordnungen in den einzelnen Bundesstaaten erlassen wurden (Duncker 2003, 2001). 2.4.2 Soziale Interventionsinstanzen▀Wenn die gerichtliche Verhandlung von Ehekonflikten die höchste Stufe gesellschaftlich institutionalisierter Konfliktlösung darstellte, so lässt sich in den allermeisten Fällen auch die Bedeutung anderer Interventionsinstanzen ausmachen, die im Sinne der sozialen Kontrolle Konflikte zu schlichten und die eheliche Beziehung zu restabilisieren versuchten. An erster Stelle sind hier die Hausgenossen zu nennen, seien es Kinder oder im Haushalt lebende Knechte, Mägde, Lehrburschen, Studenten oder Vikare. Sie hatten unmittelbaren Einblick in den Verlauf und die Vorgeschichte von Konflikten und versuchten gemäß ihres Gerechtigkeitsempfindens zu vermitteln. Aber auch andere Hausbewohner, die nicht zwangsläufig zum Haushalt gehören mussten, traten oft als Vermittler auf. Wenngleich die in den Akten überaus präsenten Mietverhältnisse wissenschaftlich so gut wie unbearbeitet sind, spielen Mieter im sozialen Gefüge zwischen den ehelichen Haushaltungen und der angrenzenden Nachbarschaft eine wichtige Rolle (vgl. Kap. 3.3.3). Auch die Nachbarschaft selbst griff oftmals in eheliche Konflikte ein, indem sie Schutz vor Gewalttätigkeit gewährte oder Streit schlichtete, beendete und moderierte. Ihre Bedeutung als Referenzgröße für das Ansehen der einzelnen Personen kommt deutlich in ihrer Rolle zum Tragen, die sie in den gerichtlichen Verhandlungen spielte. Entweder trat sie als „Denunciant“ auf, wenn Nachbarn den Fiscus auf eheliche Konflikte aufmerksam machten, die außer Kontrolle zu geraten schienen. Oder Nachbarn wurden von den prozessierenden Parteien als Zeugen benannt, die einerseits von den Obrigkeiten als vertrauenswürdige Quellen angesehen wurden und andererseits als verlässli-
128 Inken Schmidt‐Voges
che Unterstützer der jeweiligen Position. Oftmals hat allein die Nennung der Nachbarschaft als potenzielle Zeugin die Funktion, die grundsätzliche Ehrbarkeit einer Person zu bezeugen. Ein besonderes Indiz für nachbarschaftliche Selbstkontrolle sind die kollektiven Rügepraktiken, die in vielen Regionen Europas verbreitet waren. Sie sind bekannt unter Namen wie „Charivari“, „rough music“ oder „Katzenmusik“. In solchen Rügeritualen wurden spottende Umzüge und Kostümierungsaktionen vollzogen, die in direktem Bezug zur diagnostizierten Unordnung standen: sei es das Dach abdecken, das Verkleiden als Esel oder das Veranstalten eines großen Lärmes durch die Nachbarschaft (Gvozdeva 2005). Die Nachbarschaft blieb als Bezugsrahmen für das soziale Ansehen auch nach einer verbüßten Strafe sehr wichtig, wie ein Beispiel aus der Stadt Osnabrück zeigt. 1765 verklagte der Tabakmacher Schledehaus seine Nachbarin Schwiterings mit dem Vorwurf, sie habe „ihm in voriger Woche unter anderen Schimpfworten zugleich Zibürchenteufel [Zibürchen = nach westfälisch für „Hundeloch“ benannter Haftort, ISV] genannt, und ihm dadurch eine ehedem erlittene Strafe aufgerückt […], wie sie dann auch vor seinem Fenster des Abends horchte, so sie anderwärts ebenfalls thäte. Uxor Schwiterungs negirte die Klage, gestand aber, Kläger habe geschimpfet und von Broddieben, Schelm, Betrüger geredet, worauf sie geantwortet Mann habe wegen seiner Bosheit noch nicht im Zibürchen gesessen.“ Die Reaktion der Obrigkeit ist eindeutig und zeigt die Diskrepanz zwischen einer im rechtlichen Sinne gesühnten Strafe und dem bleibenden Makel im sozialen Ansehen: „Weil Beklagtinn die indirecte Vorrichtung der obrigkeitlichen Strafe gestanden, so ist sie in 1 sh. Strafe geschlagen.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 241) Eine stärker institutionalisierte Rolle spielt der zuständige Gemeindepastor. Er war qua Amt dazu verpflichtet, Konflikte und Streitigkeiten durch Vermittlung und Ermahnung der Eheleute aufzulösen und diese zu einem den Normen gemäßen Eheleben zurückzuführen. Viele Kirchenordnungen sehen dabei informelle Besuche des Pfarrers in den entsprechenden Haushalten vor oder ermöglichen die Vorladung der betreffenden Eheleute ins Pfarrhaus. Dieses Vorgehen ist nicht mit einem Einschreiten des Konsistoriums gekoppelt, sondern stellt einen eigenständigen Aktionsraum des Pastors im Rahmen seiner seelsorgerlichen Aufgaben dar. Auch der Rat hat in Gestalt seiner Gerichtsdiener die Möglichkeit, direkt in Konflikte einzugreifen, zu schlichten und gegebenenfalls Verhaftungen vorzunehmen. Damit stellen sie eine hoch offizielle Interventionsinstanz dar, die einem eigentlichen Gerichtsverfahren aber noch voraus geht. Wie wenig getrennt allerdings auch hier die Grenzen zwischen Nachbarschaft, öffentlichem Amt und Einsatz der Gerichtsdiener ist, zeigt eine kleine Nebenbemerkung im Rahmen einer Zeugenaussage vor dem Osnabrücker Ratsgericht 1768: „Nachdem Censor [Gerichtsherr, ISV] Dr. Stüve referiret, daß als am vorigen Sonnabend, wie er des Mittages am Tische gesessen, ein gewaltiger auflauff entstanden, und er sich erkundiget was vor sich ginge, er erfahren und selbst
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 129
gehöret das in Enax Hause ein gewaltiger lerm wäre, Er habe alsobald seinen Haußknecht hingesandt, und dem Enax bedeuten lassen ruhig zu seyn, wiedrigen falls er ihn in die Wache bringen zu lassen genöthiget wäre. Er hatte sich aber Enax an nichts gekeret, und noch immer fort gelermet, dannenhero er nach dem diener dreyer gesandt und diesem befohlen den Enax auff die Hauptwache zu bringen, welches derselbe auch gethan.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 238) Für unser heutiges Ordnungsempfinden ähnlich paradox stellt sich der Umgang der Obrigkeit mit einem der Ehe verwandten Phänomen dar, den im Folgenden in den Blick zu nehmenden Zweierbeziehungen, die nicht durch eine gültige Heirat legitimiert waren. 2.4.3 „Wilde Ehen“▀Entgegen dem Eindruck der Ehe als ausschließlicher Existenzberechtigung einer Paarbeziehung, den man ob der normativen Präsenz bekommen kann, waren Formen des informellen Zusammenlebens nicht so ungewöhnlich. Bedenkt man die hohen materiellen und rechtlichen Anforderungen, die für eine Eheschließung vorzuweisen waren, ist es nicht verwunderlich, dass für eine nicht unbeachtliche Anzahl von Menschen eine reguläre Eheschließung nicht in Frage kam. Sie gestalteten ihr Leben „außer Haus“ (Groebner 1995), was aber nicht mit einem zwangsläufigen Verzicht auf eine Paarbeziehung einhergehen musste. Formen informellen Zusammenlebens gab es zwischen Knechten und Mägden, bei Vaganten, Söldnern und Soldaten, katholischen Priestern und ihren Haus-Frauen sowie auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren (Flüchter 2006). Da diese Formen von Paarbeziehungen noch keineswegs umfassend erforscht sind, lassen sich im Hinblick auf die Gestaltung der Paarbeziehung keine Aussagen treffen. Auffällig ist nur, dass sie oftmals mit ihren Kindern solange unter Duldung ihrer Umwelt und der Obrigkeit gemeinsam lebten, bis eine Unregelmäßigkeit auftauchte, die dann auch Anlass sein musste, das Zusammenleben grundsätzlich zu untersuchen (Schlumbohm 1993). Gerade die Formen des informellen Zusammenlebens zeigen deutlich die Notwendigkeit, die Reichweite und den Geltungsbereich obrigkeitlicher Normen durch einen Blick in Akten zu vervollständigen, welche die soziale Praxis widerspiegeln.
130 Inken Schmidt‐Voges
3. Konflikte in Bestands- und Krisenphasen im Spiegel von Gerichtsakten▀Es ist in der bisherigen Darstellung der normativen Rahmenbedingungen ehelicher Beziehungen bereits immer wieder deutlich geworden, dass die strengen obrigkeitlichen Normierungen mit der sozialen Wirklichkeit in einem sehr komplexen, wechselseitigen Verhältnis stehen. Weder kann man von einer unmittelbaren Steuerung der sozialen Wirklichkeit ausgehen, noch stellen sie eine obrigkeitliche Maßnahme dar, die in weiten Teilen ignoriert worden wäre. Die enge Verknüpfung einer gelingenden ehelichen Beziehung mit der materiellen Existenz wie auch des individuellen Seelenheils lässt den Normen eine spezifische Ordnungsfunktion im sozialen Gefüge der Gemeinde zukommen, die ausgesprochen dynamische Züge aufweisen konnte. Die Normen lassen sich in erster Linie als Medium der Verständigung aller Beteiligten über Akzeptanz und Ablehnung bestimmter Verhaltensweisen verstehen, wobei durchaus unterschiedliche Ordnungssysteme zur Anwendung kommen konnten. Wenn im Folgenden verschiedene Konfliktfelder und Wendepunkte in ehelichen Zweierbeziehungen der Frühen Neuzeit am Beispiel der Stadt und des Fürstbistums Osnabrück näher betrachtet werden, dann geschieht das vor allem vor dem Hintergrund einer ausgesprochen dichten Gemengelage von unterschiedlichen Rechtsinstitutionen, die sich aus der konfessionellen Pluralität dieses Territoriums ergaben. Eheangelegenheiten waren eine res mixta – also eine Angelegenheit für kirchliche und weltliche Jurisdiktion –, die in der Stadt sowohl vom Offizialat und Konsistorium als auch vom Ratsgericht behandelt werden konnten. Auf dem Lande kamen neben dem Offizialat und dem Landkonsistorium noch die jeweiligen Brüchtengerichte (für kleinere Vergehen, die mit einer Geldbuße sanktioniert wurden), die Archidiakonal- und Sendgerichte hinzu. In schwierigen Auseinandersetzungen (meist Scheidungen und Erbfälle) sowie in adeligen Ehen fungierten die Landes- und Justizkanzlei sowie die höchsten Reichsgerichte als Appellationsinstanzen. Während die Rechtsgrundlagen für die ehelichen Verhältnisse in der Stadt Osnabrück in der revidierten Eheordnung von 1648 zusammengefasst waren, galt für die evangelischen Gemeinden des Landes die Kirchenordnung von 1670. Eine dezidierte Eheordnung war zwar im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wieder diskutiert und als notwendig erachtet worden, konnte aber bis zur Auflösung des Fürstbistums 1802 nicht umgesetzt werden. Die städtische Eheordnung von 1648 (Abb. 8) griff in ihren Regulierungen weit über die Ehe hinaus und enthielt zahlreiche weitere Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der „guten Policey“. Auf den 60 Seiten führte der als „Eheordnung“ überschriebene Teil die einzelnen Bestimmungen für das Verlöbnis und die Eheschließung sowie Sanktionen im Fall von Misshandlungen und Ehebruch auf. Daran anschließend folgten noch „zehn Hauptstücke“, die unter anderem Begräbnisfeiern, Taufen, „Gast- und Zechereyen“ sowie den Kirchgang der Brautleute regelten. Im Hinblick auf das eigentliche Eheleben,
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 131
das zu gestalten den Vermählten aufgegeben war, findet sich lediglich der Satz: „Daß auch darneben alle EheLeute der Jugend zum Exempel christlich, friedsam und einig miteinander leben und haußhalten, allen Hader, Zanck und Widerwillen verhüten, abstellen und gebührlich beysammen bleiben.“ In güterrechtlichen Aspekten galt in den Städten des Fürstbistums nach altem Herkommen die allgemeine Gütergemeinschaft, nach der dem Mann die Verwaltung des gesamten ehelichen Vermögens zustand und dieser auch ohne Einwilligung der Frau Vermögen aus ihrem Brautschatz veräußern konnte. In den ländlichen Gebieten hingegen war diese Gütergemeinschaft vom Dotalrecht des gemeinen (römischen) Rechts abgelöst worden, das die eingebrachten Vermögensmassen getrennt voneinander behandelte (Duncker 2001). Der Schwerpunkt der folgenden Analysen liegt auf den Ehekonflikten städtischer Bürger im 18. Jahrhundert, was nicht nur den zur Verfügung stehenden Quellen geschuldet ist. In den Protokollbüchern des Rats sind viele sogenannte summarische causae [Streitfälle, die entweder wegen geringen Streitwerts oder besonderer Dringlichkeit mündlich meist ohne Schriftsätze verhandelt werden] überliefert, die vielfach einen unmittelbaren Blick in häusliche Konflikte erlauben. Für die ländlichen Regionen, adeligen und jüdischen Ehen liegen dagegen meist Akten aus umfangreichen Schriftprozessen vor, die weniger die unmittelbaren Alltagskonflikte spiegeln oder eheliche Konflikte nur aus Perspektive der eigentlich verhandelten Scheidung reflektieren. Im Spiegel der Forschungsliteratur lassen sich Unterschiede und Analogien jedoch auch gut zu diesem spezifisch städtischen Hintergrund herausstellen, wobei die ständischen Differenzen sicherlich Variationen zum Thema bestehender Grundkonflikte, z. B. Auseinandersetzungen um materielle und eigentumsrechtliche Fragen, darstellen. Uneinigkeit im Umgang mit den materiellen Ressourcen war ein häufiger Konfliktpunkt, der sich aus den grundsätzlichen Bedingungen einer Knappheitsgesellschaft erklärt (Werkstetter 2004). Weitaus häufiger als in konkreten Auseinandersetzungen über güterrechtliche Fragen konnte sich dieses Konfliktfeld in vielfältiger Gestalt zeigen, wie es sich in den Ausführungen der Ehestandsliteratur zum „guten Hausen“ bereits angedeutet hatte. Die Manifestation konfligierender Machtprozesse konnte durch ganz unterschiedliche Krisen und Anlässe ausgelöst werden, sei es durch die Arbeitseinstellung, die Kindererziehung, Krankheit oder auch durch sich ändernde Werthaltungen und Überzeugungen. Neben internen Beziehungskonstellationen und Machtprozessen konnte auch persönliches Fehlverhalten die ehelichen Beziehungen erheblich belasten. Dazu zählten vor allem übermäßiger Alkoholgenuss, fortdauernde verbale Gewalt als Entehrung und Beleidigung, die punktuelle oder auch strukturelle Anwendung physischer Gewalt sowie der Ehebruch.
132 Inken Schmidt‐Voges
Abb. 8: Eheordnung der Stadt Osnabrück, 1648.
Das „Ehebrechen“ und „Saufen“ waren bereits in der Moralliteratur die hervorstechendsten Beispiele eines schlechten Lebens- und Ehewandels. Gewaltanwendung stand – wie gezeigt – in der unauflösbaren Ambivalenz zwischen notwendiger Züchtigung (potentia) und unangemessener Gewalt (violentia). Einen dritten Bereich stellt die Einbindung in soziale Netzwerke dar, denn eine Ehe bedeutete nicht nur eine ‚Taktung zweier Leben‘, sondern in den allermeisten Fällen auch eine ‚Taktung zweier (Herkunfts)Familien‘ – was mitunter einer Potenzierung von Konfliktmöglichkeiten und -anlässen gleichkommen konnte. Diese Verschränkungen waren besonders dann prekär, wenn durch Wiederverheiratung ganz neue ‚Patchwork-Familien‘ entstanden. Schwieger, Schwager, Stiefkinder, Gesinde, Mieter und Nachbarn: Das Netzwerk persönlicher Beziehungen, in dem sich eine Ehe konstituierte, konnte also auch deren Alltag in konflikthafter Weise bestimmen. Richtet sich der Blick auf einzelne Konfliktfälle, so lassen sich diese verschiedenen Elemente und Ebenen ehelicher Konflikte selten voneinander getrennt betrachten und darstellen. Wenn im Folgenden die einzelnen Fälle dennoch speziellen Konfliktfeldern zugeordnet werden, soll das die Funktionsmechanismen bestimmter Aspekte hervorheben, ohne die anderen Aspekte ausklammern oder gar eine Ausschließlichkeit einzelner Konfliktpunkte vertreten zu wollen. 3.1 Machtprozesse und Autorität▀Der Blick in die Ehestandsliteratur hat gezeigt, dass die innereheliche Machtbalance eines der Kernprobleme im frühneuzeitlichen Eheverständnis war. Die Spannung zwischen der rechtlich sowie kulturell geprägten Hierarchie und der „Regierung“ des Mannes kollidierte schnell mit dem Anspruch des gegenseitigen Respekts und gegenseitiger Anerkennung. Die Bewältigung des Alltags, insbesondere der Umgang mit Ressourcen im Wissen um deren permanente Knappheit und Prekarität, forderte zu einem ständigen Austausch und einer Abstimmung über das ge-
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 133
meinsame Haushalten. Das „gute Hausen“ stand dabei im Mittelpunkt, die Deutungsmacht darüber war aber nicht immer klar verteilt. 3.1.1 Gemeinsames Haushalten▀So war etwa der Schlachter Gerd Meyer schon mehrfach vom Osnabrücker Stadtrat wegen häuslicher Gewalt im betrunkenen Zustand sowie wegen Übergriffe auf Nachbarn, die der Familie zu Hilfe gekommen waren, gerichtlich ermahnt worden. 1777 nun trat die Ehefrau erneut mit Unterstützung des Nachbarn, Schuster Walter, vor die Gerichtsherren und argumentierte gegen das Verhalten ihres Mannes nicht nur mit punktuellen Vorfällen, sondern vor allem mit den Auswirkungen seiner schlechten Wirtschaftsführung für die ganze Familie: „Er gebe kein Geld zur Haushaltung aus, u. was er verdiene, versaufe er. Wann sie sich desfalls u. wegen der Unterhaltung ihrer 2 Kinder beklage, so habe er wol geantwortet, manche Huhre ernähre sich mit 5 Kindern, sie solle hingehen u. ihre Kinder versaufen.“ Darauf antwortete der Mann, er „schimpfe wol mit seiner frau; habe sie auch wol geschlagen, wenn sie ihm den Kopf toll gemacht, daß sie nicht bezahlet, was er ihr zur Bezahlung giebt! Sie wäre sich zu gut u. achte auf die Haushaltung nicht; wolle nicht arbeiten, sondern liege in den Nachbar Häusern. Geld gebe er ihr, sie sage aber, sie bekomme nichts.“ Die einzige Reaktion der Frau darauf lautete, „[…] es wären wol welche am Galgen vertrocknet, die besser für ihre Frau u. Kinder gesorget hätten, als er thäte.“ Der als Mitkläger auftretende Nachbar versicherte dem Rat, „daß die frau sich nicht anders, als eine rechtschaffene frau aufführe, und müsse er oft Geld der frau vorschießen, aus Mangel der Unterhaltung“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 244, fol. 181). Wenngleich die Darstellungen und Schilderungen nicht als unmittelbare Beschreibung der Wahrnehmung zu verstehen sind, sondern immer auch mit spezifischen Strategien der Anklage bzw. Verteidigung unterfüttert sind, so treten hier doch sehr typische Merkmale zu Tage. Dies ist einer von ungezählten Fällen in den Akten der Niedergerichte, der trotz seiner individuellen Konstellation durchaus einen repräsentativen Charakter trägt. Es ging nicht mehr um ein punktuelles Fehlverhalten, hier waren grundlegende Pfeiler der Beziehung nicht mehr gegeben. Offensichtlich war der Mann nicht in der Lage, seiner Haushaltung den Normen entsprechend vorzustehen und die Versorgungsleistung für Frau und Kinder zu erfüllen, was erstere vor Gericht mehr als deutlich ausführte. Die als unmäßig empfundene Gewalt und die finanzielle Lage der Haushaltung versuchte er wiederum in Verteidigung seiner Position durch Argumente zu rechtfertigen, die ganz auf die Autorität des Hausvaters und die (mutwillig verletzte) Gehorsamspflicht der Ehefrau abhob. Züchtigungsrecht, schlechtes Wirtschaften ihrerseits und Faulheit sind die Kernpunkte, mit denen er versuchte, ihre Position zu erschüttern. Erfolglos, denn der Rat verurteilte ihn „facta lectione in Senatu“ zu Turmhaft bei Wasser und Brot – aus der er gleichwohl drei Tage später entlassen wurde.
134 Inken Schmidt‐Voges
Eingeforderte Autorität und versagter Respekt konnten sich im Hinblick auf Fragen der Haushaltung auch darauf beziehen, dass spezifische Rechte eingeklagt wurden, die auf das Eigentum und die Frage der Vermögensverwaltung abzielten. So klagte die Ehefrau Westerkamp 1785 vor dem Ratsgericht in Osnabrück über die ökonomischen Alleingänge ihres Mannes, von dem sie sich systematisch ausgeschlossen fühlte: „Es ist ihm nicht genug, daß er noch vor einiger Zeit 7/4 Land vor 405 Rthlr. verkauft, ohne daß ich weiß wo das Geld geblieben, darf mich auch nicht unterstehen, nach der Rechnung zu fragen, sondern er will jetzt wieder einen mehr an Böhmers seine Lande belegenene und von meinen Eltern herrührende Morgen Landes an Boehmer verkaufen. Weil ich dieses unmöglich meiner Kinder wegen zugeben konnte und in dem Verkauf desselben zurückhielt, welches Euer Wohl und Hochedelgeborne gewiß nicht misbilligen werden, werde ich täglich mit Schlägen behandelt, die ärgsten Schimpfwörter gegen mich ausgestoßen, ja er hat sich sogar unterstanden, zwey meiner besten Kleider zu verkaufen. Wohl- und Hochedelgeborne Herren, alle meine Sachen, ja so gahr das Besen wird mir verschlossen, so daß ich nicht weiß ob ich Frau oder Magdt im Hause bin, und muß ich leider erfahren, daß die Magdt Frau im Hause agirt, daß er mit solcher alles überlegt, mir hingegen auf das schändlichste begegnet.“ In den Darlegungen der Ehefrau Westerkamp bzw. ihres Rechtsvertreters wird deutlich, wie sehr die mit ihrer Position als Ehe- und Hausfrau verbundenen Normen die Selbstdarstellung geprägt haben und diese auch für die Durchsetzung ihrer Interessen genutzt wurden – nicht Rechtsnormen und Präzedenzfälle spielten eine Rolle, sondern Billigkeitsvorstellungen und gesellschaftliche Normen. Die Westerkamp forderte vehement ihre Mitspracherechte im Hinblick auf das gemeinsame Vermögen ein. Sie sah das zumindest für die Teile als angemessen an, die sie in die Ehe mit eingebracht hatte. Hier Kenntnisse über den Unterschied des sonst im Fürstbistum geltenden römischen Dotalrechts zur städtischen Tradition der Gütergemeinschaft anzunehmen, wäre aufgrund der kaum existenten Quellen sehr spekulativ. In jedem Fall war es aber der Ausdruck eines Gerechtigkeitsempfindens, dass sie als Hausfrau wenigstens in diesem Bereich Mitsprache und Einsichtsrechte haben müsse. Die Auseinandersetzung um die Entscheidungskompetenz in Ehegütersachen war jedoch nur der vordergründige Anlass der Klage. Der Streit um den Verkauf von Landbesitz aus ihrer Mitgift stand im Kontext einer offenbar bereits länger andauernden Krise, die sich zumindest in den Augen der Ehefrau in der Unausgeglichenheit der Machtbalance widerspiegelte, in mangelndem Respekt und offener Zurückweisung – wie die Bemerkungen über die offensichtliche Bevorzugung der Magd als kompetenterer Hauswirtschafterin deutlich machen. Wie eng bei dieser Ehrenkränkung Person und Körper der Frau, aber auch soziales und symbolisches Kapital miteinander verschränkt waren, zeigt der Verweis auf die verkauften „besten Kleider“, die in
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 135
ganz unmittelbarem Zusammenhang mit Leibeszucht erfahren und kommuniziert wurden. Besonders deutlich treten Fragen von Macht und Autorität in wirtschaftlichen Angelegenheiten dann vor Augen, wenn sich selbstständig zu agieren gewohnte Frauen (wieder) verheirateten. Denn gerade als Witwen besorgten die Frauen ihre Haushaltung in Eigenregie, wobei sie Einnahmen durch Vermietung von Wohnraum, Nutzland, Transportmitteln, Nähen, Spinnen, Verkauf von Milch und Gemüse aus dem Garten und anderen Tätigkeiten hatten (vgl. hierzu Teil 3). Im Falle einer Wiederheirat konnte dies auch zu Konflikten führen, wenn der neue Ehemann nicht nur auf Mitsprache, sondern gar auf der Entscheidungsgewalt bestand und seinen neuen Status durch Eingriffe in bereits getätigte Geschäfte geltend machen wollte. Aus der Klage eines Osnabrücker Bürgers aus dem Jahre 1749 kann man sehen, dass nicht nur die betroffene Ehefrau, sondern auch ihr Geschäftspartner nicht glücklich über diese Einmischung waren, da sie sich bereits über den Mietzins eines im Besitz der Witwe befindlichen Hauses einig geworden waren: „[A]njetzo aber wollte deren Mann darinnen nicht consentieren. Meister Brockman excipirte dagegen, daß er umb den gantzen handel nichts wußte, und von seiner frau ohne sein vorwißen hierunter etwaß versprochen, solches könte und wolte er nicht gelten laßen.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 234). Wenngleich die Mietvereinbarung offenbar vor der Hochzeit der Witwe Kösters zustande gekommen war, beanspruchte ihr neuer Ehemann Mitspracherecht und Einflussnahme. Seine Formulierung nahm dabei weniger auf den konkreten Fall Bezug als auf eine grundlegende, seine Autorität als Haushaltsvorstand und Ehemann betreffende Konstellation innerhalb der ehelichen Beziehung. Da die ganze Angelegenheit sehr schnell und unaufgeregt in einem Vergleich endete, der sich nur unwesentlich von der ursprünglichen Vereinbarung unterschied, unterstreicht das noch stärker, wie sehr das Verhalten des Mannes auf die Demonstration seiner Autorität ausgerichtet war. Diese sehr individuellen Beispiele zeigen die hohe Bedeutung, die der Verwaltung und Vermehrung des gemeinsamen Ehegutes zukam sowie die hohe Konflikthaftigkeit, die mit diesem Bereich verbunden war, stellte der materielle Besitz doch für beide Ehepartner die entscheidende Ressource zur Existenzsicherung dar. Der Gewährleistung dieser Existenz – in der frühneuzeitlichen Literatur oft als „Nahrung“ bezeichnet – möglichst unabhängig von Einzelinteressen und Machtgefüge galt die normativ verankerte Forderung des „hußbruchs“ und der „nothdurfft“, die sich in erster Linie an das verantwortliche Ehepaar und hier besonders an den Mann richtete. Da beide aber in ihrer Ehe durchaus unterschiedliche Interessen verfolgen konnten oder nicht hinreichend berücksichtigt sahen, barg das gemeinsame Haushalten als Kernelement jeder ehelichen Bestandsphase zumeist auch das höchste, latente Konfliktpotenzial (Schmidt 2008). Solche Konflikte müssen also nicht zwangsläufig durch ökonomische Not motiviert gewesen sein; die allgemeine Knappheit in der Frühen Neuzeit lässt jedoch vermuten, dass Existenznot
136 Inken Schmidt‐Voges
oder -angst immer auch eine große Rolle bei den Auseinandersetzungen zwischen Eheleuten spielten (Lutz 2005, 255–271). Die Sorge um den Statuserhalt nicht nur des Haushaltes, sondern auch des eigenen – der im Falle einer Auflösung der Verbindung, sei es durch Tod oder Trennung, ganz entscheidend für den weiteren Lebenslauf war –, bestimmte die ehelichen Beziehungen nicht nur in der Anbahnungsphase, sondern auf ganz fundamentale Weise auch und vor allem während der Bestandsphase, in der die Erwartungen und Hoffnungen erfüllt werden sollten (Hardwick 2009; Hufton 1998, 99–103). 3.1.2 Versorgung und Erziehung der Kinder▀Neben der gemeinsamen Haushaltsführung war die Erziehung der Kinder der zweite große Aufgabenbereich eines Ehepaares. Dabei spielte nicht nur die physische Aufzucht eine große Rolle für die eigene Altersvorsorge. Mindestens ebenso wichtig war für die sozialen Chancen der Kinder eine gute Ausbildung – und aus Sicht der Obrigkeiten die Werteerziehung im Hinblick auf die spätere Funktion als Bürger eines Gemeinwesens. Konflikte im Hinblick auf eine angemessene Sorge für die Kinder konnten zum einen durch obrigkeitliche Maßregelungen in eine eheliche Beziehung getragen werden oder dann entstehen, wenn ein Elternteil nicht mit dem Vorgehen des anderen einverstanden war. So verteidigte ein Osnabrücker Handwerker 1751 die lautstarke Auseinandersetzung mit seiner Frau mit dem Hinweis, dass sie sich nicht hätten einigen können, wie sie mit ihrem jüngsten Sohn umzugehen hätten, „weilen derselbe wiederspänstig wäre, und nicht nach der Schule gehen wollte“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 234). Konfliktpotenzial boten nicht nur unterschiedliche Erziehungsstrategien, sondern auch der Umgang mit den Kindern. Immer wieder finden sich Hinweise darauf, dass eine allzu harte (physische) Reaktion des Ehepartners auf kindlichen Trotz nicht akzeptabel sei oder die Erwartung an bestimmte Verhaltensweisen nicht der altersgemäßen Behandlung entspräche – etwa wenn ein neun Monate alter Säugling nicht deshalb angeschrien und weggesperrt werden dürfe, weil er zu unpassenden Zeiten schreie und sich nicht immer gleich beruhigen lasse. Auseinandersetzungen um die Kindespflege konnten darüber hinaus auch von außen in eine Ehe hineingetragen werden, wie sich aus einer Verleumdungsklage gegen den Osnabrücker Beamten Heune herauslesen lässt. Er musste sich 1771 vor den Gerichtsherren rechtfertigen, was es mit dem Vorwurf einer Nachbarin auf sich habe, er und seine Frau hätten „nicht rechtschaffen bey ihrem Kinde gehandelt.“ Dieser Vorwurf wurde seitens der Obrigkeit immerhin so ernst genommen, dass es Heune erst gelang, den Rat von seiner Unschuld zu überzeugen, als er ein Gutachten des behandelnden Arztes beibrachte, der das Krankheitsbild und die Behandlungsarten darlegte und den Kommunikationsprozess mit den Eltern als vorbildlich schilderte. Die Diskreditierung der Klägerin unterstrich der Arzt, indem er in seinem Gutachten schrieb:
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 137
„Da ich ohngefehr um halb 9 uhr mit G. Heune zu seinem Kinde gehen wollte, so kam eine mir […] bekannte frau hinten in der Lohstraße aus einem Gasthaus springend hervor mit diesen Worten: gehe du schelm nur zu, thue was du nicht lassen willst, du bist ein Raben-Vater und dein Weib eine RabenMutter, ihr thuet als Schelm und Canaille bey das Kind und so weiter.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 238). Obwohl sich aus den Akten nicht rekonstruieren ließ, worin das Missfallen der Nachbarin über den Umgang und die Pflege der Heunes gegenüber ihrem Kind lag – möglicherweise war sie mit einer ‚neuen‘ Behandlungsmethode nicht einverstanden –, so macht die Auseinandersetzung doch deutlich, dass die Erziehung und Aufzucht der Kinder durchaus Konfliktpotenzial bot und auch die Qualität einer Beziehung nach außen hin repräsentieren konnte. Die unterschiedlichen Positionen der Eheleute wie auch der Nachbarn und Obrigkeiten im Hinblick auf die Qualität der Kindererziehung, auf die Anwendung von Gewalt als Ausdruck elterlicher Liebe, über Umfang und Qualität außerhäuslicher (Aus)Bildung sowie über Fragen der Fürsorge oder Vernachlässigung sind hier eng verknüpft mit gelehrten Diskursen, die sich seit dem 15. Jahrhundert mit Fragen der Kindespflege und -erziehung auseinandersetzten. Die sich darin abzeichnenden unterschiedlichen und mitunter gegensätzlichen Ansichten wurden gerade im 18. Jahrhundert – oftmals als das „pädagogische Zeitalter“ tituliert – unter dem Einfluss eines neuen, von der Aufklärung inspirierten Interesses am Kind und seiner Entwicklung aufgegriffen und weiterentwickelt (Jarzebowski 2007). Der richtige Umgang mit Kindern war also wie auch das „gute Hausen“ den Aushandlungsprozessen innerhalb einer ehelichen Beziehung überlassen – mitsamt den sie strukturierenden und prägenden Machtbalancen und -ressourcen. 3.1.3 Krankheit, Verarmung▀Wenn Ökonomie und Pädagogik zu den Kernaufgaben im ehelichen Alltag gehörten, setzte das implizit voraus, dass beide Eheleute physisch und psychisch zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Lage waren. Fiel einer der beiden Ehepartner aus, konnte das ohnehin fragile Gebilde der Aufgabenteilung und -bewältigung erheblich ins Schwanken geraten. Starb einer der beiden, wurde die entstehende Lücke möglichst rasch durch eine Wiederverheiratung geschlossen (vgl. Teil 3). Schwieriger stellte sich die Situation dar, wenn einer der Eheleute durch Krankheit oder Versehrung als Arbeitskraft ausfiel oder nur sehr eingeschränkt seinen Aufgaben nachkommen konnte. Ein solcher Ausfall konnte nur in sehr vermögenden Häusern durch die Einstellung weiterer entsprechend qualifizierter Arbeitskräfte ausgeglichen werden, in anderen Haushalten verschärfte sich schnell nicht nur die ökonomische, sondern vielfach auch die emotionale Situation. Neben häufig auftretenden Krankheiten, die bleibende Schäden hinterlassen konnten, spielte oftmals die Versehrung durch Arbeitsunfälle und Kriegsteilnahme eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die daraus resultierenden Herausforderungen für die eheliche Beziehung treten
138 Inken Schmidt‐Voges
deutlich in der Verhandlung gegen einen unzünftisch arbeitenden Osnabrücker Knopfmacher im Jahre 1768 hervor. Nach einem nicht näher erläuterten Unfall 1756 – bei dem offensichtlich auch zwei seiner sechs Kinder ums Leben kamen – hatte er offenbar einen erheblichen Teil seiner Sehkraft eingebüßt. Zunächst versuchte er seine Familie durch Botendienste während des Siebenjährigen Krieges zu ernähren. Dies gelang ihm nicht, vielmehr wurde die Familie im Wesentlichen von seinem ältesten Sohn, der die Werkstatt des Vaters übernommen und wiedereröffnet hatte, sowie durch Tagelohnarbeiten seiner Frau unterhalten. Aus den eskalierenden Rollenkonflikten entfaltete sich rasch ein Szenario von latenter verbaler und physischer Gewalt zwischen den Eheleuten. In der Zeugenaussage des im Haus lebenden Gesellen aus Aachen liest sich das angespannte Verhältnis folgendermaßen: „[D]er Vater könnte nicht mehr arbeiten, wollte aber immer commendieren, worüber dan wortwechsel und zu zeiten auch schlägereyen zwischen Mann und Frau stattfunden. Daß der Sohn den Vater gehalten wan ihn die Mutter geschlagen wäre nicht andem. Am Dienstag wie der streit gewesen, wäre er dazwischen gekommen, und hätte der Sohn den Vater nicht geschlagen, sondern es hatte demselben die Mutter gehalten. Gewöhnlich ginge es damit an, dass er die Frau eine Ehebrecherische Hure nennete.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 236). Wie einschneidend solche Ereignisse mit irreversiblen Folgen für die körperliche Konstitution und Arbeitsfähigkeit sein konnten, zeigt der hier formulierte Verlust der Ehre. Die verlorene Arbeitsfähigkeit bedeutete nicht zu erfüllende Rollenerwartungen, was wiederum unmittelbar auf das persönliche Ansehen und Selbstwertgefühl rückwirkte. Denn in den Jahren vor dem Unfall war der Knopfmacher wenn auch nicht vermögend, so aber ein angesehener Bürger gewesen, der immer wieder als Zeuge in Nachbarschaftsstreitigkeiten oder häuslichen Konflikten in der Nachbarschaft vor Gericht ausgesagt hatte oder als Schlichter aufgetreten war. Neben der physischen Versehrtheit konnten freilich auch psychische Erkrankungen eine Ehe belasten. Die zweite Ehe des Osnabrücker Adeligen Ernst August von Ledebur stand unter keinem günstigen Stern. Als Leutnant des Hannoverschen Garde du Corps hatte er am Siebenjährigen Krieg teilgenommen und war für besondere Tapferkeit zum Hannoverschen Kammerherrn ernannt worden. Seine zweite Frau hatte 1803 eine Ehescheidungsklage eingereicht, die ihr Anwalt mit den Kriegstraumata des Ehemanns begründete: „[d]ie Schuld der bisherigen Trennung [seit 1795, ISV] und das solchergestalt kein einziger Zweck der Ehe in dieser Verbindung erreicht werden konnte, liegt also lediglich an dem Herr Beklagten, und der Frau Klägerinn steht es wahrlich! nicht zu verargen, wenn sie die Aufhebung einer Verbindung wünscht, von der sie bis auf diese Stunde fast nichts, als wie Verdruß und Kummer gehabt. […] Sie ist keine Sklavin ihres Gemahls, und ist nicht schuldig, zu leyden, daß er sie den einen tag vertreiben und von sich entfernen, und dann jenachdem es ihn seine Launen eingiebt, wieder zu sich kommen
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 139
lassen. Zu dieser Behandlung […] kommt nun noch das stadt- und landkundige Betragen des Herr Beklagten, und seine notorische Gemüthskranckheit, da er beständig mit dem Tode zu kämpfen glaubt.“ Das angesprochene Verhalten bezog sich auf mehrere Mordversuche an Ledeburs Schwiegersohn und auf die lebensbedrohliche Gewalt gegen die Osnabrücker Kanzleiboten, die 1801 zu einem Entmündigungsverfahren führten, das jedoch nach Revision beim Reichskammergericht zu seinen Gunsten entschieden wurde. Das in diesen Akten festgestellte Kriegstrauma belastete das soziale Umfeld aber so stark, dass die Ehe einvernehmlich geschieden wurde (NLA StA OS, Rep 701 I, Nr. 676 und Rep 205, Nr. 23). Nicht alle Ehen wurden aufgelöst, vielfach lebte der Ehepartner mit den Schwierigkeiten einer solchen Situation, die durch Arbeitsunfälle und Kriegsversehrung auftraten und als solche auch wahrgenommen wurden (Eckart 2005; Kroll 2006, 489– 501). Abgesehen von Krankheit und Unfällen konnte auch die hohe Kinder- und Säuglingssterblichkeit eine große Herausforderung für die eheliche Beziehung darstellen. Neben der beträchtlichen emotionalen Belastung – die entgegen des früheren Paradigmas der emotionalen Gleichgültigkeit gegenüber Säuglingen und Kleinkindern in der jüngeren Forschung deutlich betont wird (Schnell 2002, 206-210; Dülmen 2005, 81–100) – brachte jeder Sterbefall für die Familien auch eine finanzielle Belastung, gerade in ökonomisch schwierigen Zeiten. So hatte sich das Osnabrücker Ratsgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit das Ehepaar Walter, das als Perückenmacher nur notdürftig über die Runden kam, die vollen Stolgebühren für das Geläut anlässlich der Beerdigung ihres fünf Tage alten Kindes zu zahlen hatte. „Ist die Ehefrau des Perückmacher Walter auf geschehene Citation ihres Mannes erschienen, und zeigte wegen des Geläuts ihres Kindes an, daß solches Kind 5 Tage alt gewesen, und vor 11 Wochen gestorben wäre. Weil ihnen nun schon vorhin 2 Kinder abgestorben wären, wofür sie fürs Geläut 8 ß [Schillinge] 3 d [Pfennige] bezahlet hätten; so hätte sie auch dies mal so viel durch Dreyer [Gerichtsdiener, ISV] hingeschickt, nämlich 4 ß 3 d. an den Küster und 4 ß an den Werkmeister, u. habe desfalls den Herrn Bürgermeister Gerding durch die Ehefrau des diener Jantzen fragen lassen, ob es nicht erlaubt sey, daß das Kind ohne Erlegung einiger Gelder begraben werden könne? Welcher darauf die Antwort gebracht, ganz ohne Entgeltniß könnte er die Beerdigung nicht zulassen, u. müßte er sonst davon an den Magistrat referieren; wenn sie aber die halben iura fürs Geläut erlegten, so könnte es geschehen.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 243). Das für heutige Leser recht unemotional-ökonomische Bedenken spiegelte alles in allem die Belastungen wider, die nicht nur die Haushaltskasse, sondern auch die ehelichen Beziehungen strapazierten. Typisch und häufig anzutreffen ist in den Akten, dass vielfach die Ehefrauen ihre vor das Gericht zitierten Männer vertraten: einerseits, weil sie oft die Bücher führten und in Zahlungsangelegenheiten den Überblick hatten, andererseits, weil die Män-
140 Inken Schmidt‐Voges
ner aus beruflichen Verpflichtungen oft unabkömmlich waren und die Regelung solcher Angelegenheiten ihren Frauen übertrugen. Eine solche Arbeitsteilung setzte Vertrauen und positive Emotionalität voraus, deren Erschütterung eben auch das Funktionieren der Beziehungen insgesamt in Frage stellen konnte. 3.1.4 Religiöse/konfessionelle Meinungsverschiedenheiten▀Eine solche gemeinsame emotionale Basis konnte auch durch Meinungsverschiedenheiten und konfligierende Ansichten hinsichtlich der konfessionellen Orientierung auftreten. Dies galt in besonderer Weise für gemischtkonfessionelle Ehen, die in einer Zeit des Anspruchs auf größtmögliche konfessionelle Konvergenz ganz erheblichen Abstimmungsbedarf zwischen den Eheleuten und zumeist auch ihren jeweiligen Herkunftsfamilien hervorrief. Das betraf zum einen die Organisation der möglicherweise sehr unterschiedlichen Frömmigkeitspraktiken, zum anderen galt es aber vor allem im Hinblick auf die religiöse Erziehung der Kinder zu einem modus vivendi zu kommen (Freist 2009). In der Frühen Neuzeit war die konfessionelle Zugehörigkeit jedoch nicht nur eine Entscheidung bezogen auf ganz individuelle Ansichten, Frömmigkeit und Spiritualität. Konfessionelle Zugehörigkeit entschied zumindest bis in das 17. Jahrhundert hinein auch maßgeblich die Identität und Integration in soziale Gruppen. Entscheidend wurde die konfessionelle Konvergenz da, wo sich mit dem sozialen Status Herrschaftsrechte verbanden – insofern waren insbesondere adelige Ehen in erheblichem Maße auf konfessionelle Konvergenz angewiesen, da die eingegangene Eheverbindung nicht nur der Statussicherung der beiden Eheleute diente, sondern auch der der gesamten Dynastie innerhalb des Territoriums. Bestand in konfessioneller Hinsicht Uneinigkeit, konnte dies schnell den Ehealltag dominieren und sich mit anderen Konfliktfeldern verknüpfen, wie sich anhand der ‚Startschwierigkeiten‘ der ehelichen Beziehung von Catharina von Borgholz, genannt Kerstapell und Cord von Amelunxen zeigen lässt. Im Februar 1609 – vor dem Dreißigjährigen Krieg und damit in einer Zeit großer konfessioneller Aufladung – heirateten der katholische Adelige aus dem Fürstbistum Osnabrück und seine aus einem ebenfalls im Fürstbistum verwurzelten, aber protestantisch geprägten Adelshaus stammende Frau, wobei im Ehevertrag die Konversion der Catharina zum katholischen Glauben verabredet worden war. Doch bereits kurze Zeit später klagte der Bruder der Braut als deren Rechtsvertreter auf Scheidung der Ehe, da diese trotz eines gelungenen Hochzeitsfestes „unlengst hernacher ungezweiffelt durchh anstifftung böser Leute & Eheteuffell sich dazwischen gemengett; Also daß bemeltter Amelunxen nit allein unfridsam und gar arglicher Weise mit Ihr sich verhaltten, dieselb gar ubell tractiret, gestossen, geschlagen mit bloßen messern sie zu stechen gedreuwett. Und auch sich aussändlich und rotunde ereleret. Er hatte und wollte sie nit bei sich gedulden, sonder muste und wollte sich von ihr scheiden.“
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 141
Dass die hier geschilderte Gewalt im Kontext des sie provozierenden Konfliktes sich gar nicht so roh und unangemessen mehr darstellte, darauf legte Cord von Amelunxen Wert: „Dann es wissen Ihr supplicant und dessen Schwester ohnweittleuffiges andeuten sich wohl zu berichten, daß vor der Ehethedigungk, ehe und bevor zu einiger Handelungk geschritten vereinbarret, verabredet und meine haußfrauwe sich guttwilligk verpflichtet, daß sie sich meines glaubens, der Catholischen Religion bequemen, mich underthan sein, und wie einem getreuwen weibe gezimmet und gebürt, gehorsamb leisten solte und wolte. […] So ist gleichwohl in facto wahr, daß deme zu entgegen sie sich der Catholischen Religion nicht allein bequemen wollen, sondern auff dieselbe auch auffs hefftigste zu schimpfen, sich unterstanden Ihrer Religion lieber bei sich behalten, und mir zum trotze dieselben täglich gelesen.“ Von Amelunxen sah in der Weigerung seiner Frau, zum katholischen Glauben überzutreten, einen klaren Verstoß nicht nur gegen den Ehevertrag, sondern vor allem gegen seine eheherrlichen Befugnisse und gegen die eheliche Gehorsamspflicht von seiner Frau, die er folglich auch mit entsprechenden Züchtigungsmaßnahmen ahnden zu dürfen glaubte. Diese Perspektive unterstrich er durch die Bemerkung: „Dan Ich Ihr auß heiliger schrifft […] mich zimblicher massen zu berichten weiß, wie sich ein Man gegen sein Eheweib zuverhalten, daß mich nicht nöthight solches von supplicanten eben erst zu erlehrnen.“ Es ist nicht ganz eindeutig aus den Akten zu entnehmen, ob nun der konfessionelle Dissens oder die unerfüllten Erwartungen im Hinblick auf den Ehealltag als Konfliktauslöser zu sehen ist – zumal im Hintergrund noch eine Auseinandersetzung um einen vom Bruder nicht gezahlten Brautschatz und die von der Braut gleich nach der Hochzeit zugunsten ihres Bruders verpfändete Morgengabe schwelte. In jedem Fall waren beide Aspekte so eng miteinander verbunden, dass sie Anlass und Ansatzpunkt eines Rechtsstreites werden konnten. Doch trotz der aggressiven Rhetorik schien sich das Ehepaar auf einen modus vivendi geeinigt zu haben, denn vier Jahre später verklagte Catharina nun ihren Bruder auf Herausgabe des Brautschatzes, da sie „deßhalber bey meinem lieben Junckherrn Cord von Amelunxen offenhalb wiederwillen erspüren muß.“ Zumindest in der Außendarstellung dieser Beziehung schien nun alles in vertretbaren Bahnen zu laufen (NLA StA OS, Dep 6b, Nr. 9). Nicht nur in gemischtkonfessionellen Ehen konnten verschiedene Ansichten in Religionssachen zu Konflikten führen und längere Krisenphasen einläuten, sondern auch dann, wenn einer der Eheleute im Laufe der Zeit zu anderen Überzeugungen gelangte, die innerhalb der eigenen Konfessionen etwa neue Frömmigkeitspraktiken oder Andachtsformen propagierten. Wie belastend eine solche Situation werden konnte, geht aus der Darstellung eines angesehenen Goldschmieds aus der Osnabrücker Neustadt hervor, der im Herbst 1777 die Auseinandersetzungen zwischen seiner Schwester und ihrem Ehemann gerichtlich zu unterbinden suchte (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 244):
142 Inken Schmidt‐Voges
„Ohngefehr vor 3 jahren, wie mein schwager daß kreutz auß dem fenster gehalten, und dabey gesagt der jüngste Tach wollte kommen, von der zeit an ist er seyner frau beständich zornig zu gewesen, und auch nicht beysammen geschlafen, wan sie nuhr ein wort gesacht, so hätte geheisen, ihr könt daß maul halten oder ihr bekompt ohrfeigen, und dabey so gleich die thür gewiesen, welches sie alles mit geduldt hatt leiden müsen.“ Dem neuartigen Verhalten des Ehemannes lag offenbar ein gesteigertes religiöses Empfinden zugrunde, das stark auf die Umkehr der Familie ausgerichtet war. So drohte er etwa der Frau den Vollzug eines Strafrituals mit Peitschenhieben an, das ihr „könnte leyt thun, daß währe in zeit von 6 wogen [Wochen, ISV] wiederum curiert, sie konnte in bette so lange liegen bleiben und Essen solange warmbier.“ Den Kindern predigte er jeden Abend aus der Bibel „von ars lieben, was daß währe“, während seine Frau sich demonstrativ von diesen Bibelstunden fernhielt und stattdessen an der Kommunion anlässlich des Schutzengelfestes [2. Oktober, ISV] teilnahm. Als sie nach Hause kam, erwartete sie ein häusliches Strafgericht: „so muß die frau gleich vor ihm nieder knien, so gibt er sie gleich 2 derbe ohrfeigen die frau schriegt auff und fraget, warum er sie schlüge, waß sie gethan hätte, die antwort sie hätte ihm gestern abent wiedersprochen [während der Bibelstunde, ISV], sie macht daß wieder auß der stube kompt, so folget er sie nach und gibt ihr noch eine ohrfeige, und die dienstmaget auch.“ Deutlich kommt auch hier die enge Verflochtenheit von ehelicher Herrschaft und Gehorsamspflicht zum Ausdruck, die vom Ehemann auch im Hinblick auf die religiösen Gefühle und Bedürfnisse eingefordert wurde, während die Ehefrau dies rundheraus ablehnte. Da hier aus der Sicht des Mannes ein Verstoß gegen den ehelichen Gehorsam vorlag, schienen ihm seine Sanktionsmaßnahmen durchaus probat. Die Frau hingegen sah teilweise sowohl ihr Leben, ganz besonders aber ihre Ehre und ihr soziales Ansehen gefährdet, was sich in einem Streit um die Kleider ausdrückte. Denn um seinen Willen zu erzwingen, schloss er immer wieder ihre „besten Kleider“ weg, riss ihr öffentlich die Haube vom Kopf und ähnliches. Folgerichtig forderte die Frau in der Bittschrift ihres Bruders, „daß er sie gantz mit frieden und ruhe laß und daß er sich nicht darff an ihre Kleider vergreifen, sonst wan er sie nicht schlagen darft, so quelet er sie damit.“ In den Akten lässt sich deutlich nachvollziehen, wie die durch den religiösen Wandel des Mannes eingeleitete Veränderung von beiden wahrgenommen und artikuliert wurde. Der Hinweis des Mannes, dass nach der vollzogenen Strafe alles so sein solle wie früher und er sie wieder so lieben wolle wie früher (und damit wohl auch die unterbrochene gemeinsame Sexualität einbezog), ist ein deutliches Indiz für weit auseinandergehende religiöse Ansichten. Der stark rituelle Charakter der Strafaktion, die täglichen Bibelstunden und der Hinweis auf chiliastische Vorstellungen zu Beginn deuten auf eine religiöse Radikalisierung hin, deren Erfüllung in den Augen des Mannes ganz maßgeblich durch die Widerständigkeit seiner Frau in Frage gestellt wurde.
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 143
Gleichzeitig wird die Bedeutung der emotionalen Grundlage der Ehe in gegenseitiger affektiver Liebe und gemeinsam gelebter Sexualität deutlich, nach deren Wiederherstellung sich offenbar beide Eheleute sehnten – wenngleich unter gänzlich verschiedenen Bedingungen. Die unterschiedlichen Aspekte des Alltagslebens wie das gemeinsame Wirtschaften, die Erziehung der Kinder, der Umgang mit Krankheit und ökonomischer Not sowie die Ausübung religiöser Überzeugungen charakterisierten die ehelichen Bestandsphasen. Im Idealfall ergänzten sich die Partner – und lösten ihre Meinungsverschiedenheiten auf nachhaltige, konstruktive Weise, wie es in der Eheliteratur immer wieder dargestellt wurde – und stabilisierten somit ihre Beziehung. Bleibende oder wachsende Uneinigkeit wirkten dagegen desintegrierend, vielfach waren Konfliktfelder miteinander verwoben und beschädigten im Laufe der Zeit auch immer stärker das gegenseitige Vertrauen und die affektive Liebe, deren Schwinden oft mit der Aufkündigung der sexuellen Beziehung oder dem Ausbleiben kleiner, alltäglicher Zärtlichkeiten sprachlich von den Beteiligten markiert wurde (Lutz 2005, 188–239). Solche Krisen führten aber nicht zwangsläufig zur Aufhebung der ehelichen Beziehungen durch eigenmächtige oder richterliche Trennungen. In vielen Fällen lassen sich die Ehepaare noch viele Jahre später zumindest als gemeinsam wirtschaftender Haushalt in den Quellen wieder finden – wenngleich das natürlich nichts über die Qualität der Beziehungen aussagt. 3.2 Persönliches Fehlverhalten▀Während die bisher betrachteten Konflikte aus den Alltagserfordernissen und -fährnissen frühneuzeitlicher Ehen erwuchsen, konnte der Bestand derselben auch durch charakterliche Eigenschaften, die im Laufe der Zeit deutlicher und nachhaltiger zum Tragen kamen oder durch unterschiedliche persönliche Entwicklungen beider Eheleute herausgefordert werden, die sich nicht mehr so gut miteinander vertrugen wie zur Zeit der Eheschließung. Solche Veränderungen konnten sich in „persönlichem Fehlverhalten“ ausdrücken, das vor allem durch die äußere Wahrnehmung als solches klassifiziert wurde. Solches Fehlverhalten wurde in der Frühen Neuzeit auf „charakterliche Schwäche“ zurückgeführt, die auf mangelnde Selbstzucht und Gottesfurcht zurückzuführen war und in der Moralliteratur breit diskutiert, plastisch illustriert und ausgemalt wurde: sei es der „Sauff-Teuffel“, der „Spiel-Teuffel“, Faulheit, Geiz, Verschwendungssucht – das bekannte Spektrum der Todsünden. Im Laufe der Frühen Neuzeit entwickelte sich aber auch die Anwendung verbaler und körperlicher Gewalt zunehmend zu einem immer öfter markierten „Fehlverhalten“. 3.2.1 Trunksucht▀In zahlreichen Ehekonflikten wurde immer wieder das übermäßige Trinken als Symbol, Ursache oder verschärfendes Moment in Krisen genannt. Ob es sich dabei jederzeit auch um einen problematischen Konsum handelte, bleibt fraglich. Zwar hat die Literatur wiederholt darauf hingewiesen, dass übermäßiger Alkoholkonsum und Alkoholabhängigkeit
144 Inken Schmidt‐Voges
mit Kontrollverlust und deviantem Sozialverhalten auch in der Frühen Neuzeit ein geschlechter- und ständeübergreifendes Phänomen war, das als eine Bedrohung für die gesellschaftliche Ordnung auf verschiedenen Ebenen wahrgenommen wurde (Frank 1998; Tlusty 2001; Schaller 2007). Doch da der allgemeine Alkoholkonsum im Laufe der Zeit zurückging, fiel auch regelmäßiges Trinken stärker auf, das mit einem kontinuierlichen, langfristigen Nachlassen im Hinblick auf Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit in der Erledigung der täglichen Aufgaben in Landwirtschaft, Werkstatt, Haushalt und Erziehung einhergehen konnte. Wenn hinzukam, dass das spärlicher werdende Einkommen öfter und unmittelbarer für den zumeist billigen Branntwein ausgegeben wurde, entwickelte sich häufig eine Spirale von materieller Not und persönlicher Unberechenbarkeit, die für alle Beteiligten sehr nachhaltige Folgen zeitigen konnte. Fragile Machtbalancen in einer Ehe gerieten vor allem dann ins Wanken, wenn die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation zu gegenseitigen Schuldvorwürfen führte, wenn individuelle Ehrgefühle den Blick auf die Realität verstellten und sich die Spannungen in ehelicher und häuslicher Gewalt entluden. Gleichzeitig waren das Trinken und der „SaufTeuffel“ aber auch ein tradiertes, fest verankertes Erzählschema, um Verhalten als unehrenhaft zu charakterisieren, was in der Lektüre von Gerichtsakten immer mitberücksichtigt werden sollte (Lutz 2005). Gleichwohl lässt sich oft eine enge Verknüpfung von singulären Ausbrüchen und langfristigem Abstieg in die Armut feststellen, so etwa in dem kurzen Protokolleintrag der Osnabrücker Gerichtsherren aus dem Jahre 1751: „Klagte uxor Niebaums, daß ihr Mann in spielen und sauffen ein liederliches leben führete, und sie und seine kinder mit schlägen übel tractirte. Beklagter gestand die Klage ein, seine Frau aber wäre schuld daran, weilen sie vieles von seinen Sachen versetzte. Klägerinne sagte, daß sie solches auß noth thuen müsste, weilen sie kein brodt vor die kinder hätte. Worauff partes […] mit einander außgesöhnet, und bei exemplarer straffe bedeutet, friedlich zu leben.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 234, fol. 48v) Diese Notiz im Protokollbuch der Osnabrücker Gerichtsherren zeigt zweierlei: Auf der einen Seite war es durchaus möglich, dass Frauen den „schlechten Lebenswandel“ ihres Mannes vor der weltlichen Obrigkeit anklagen konnten. Damit stellten sie den Konflikt als eine Gefährdung der gesellschaftlichen Ordnung durch drohende Armut und körperliche Gewalt gegen Schutzbefohlene dar und nicht als eine moralische Verfehlung, die von kirchlicher Seite zu klären wäre. Auf der anderen Seite zeigt sich letztlich die Hilflosigkeit der Obrigkeit, mit solchen Konflikten und Problemen umzugehen. Man konnte wohl Ermahnungen aussprechen, auf Besserung dringen und einen Ausgleich zwischen den Ehepartnern herbeiführen, aber eine konkrete Handhabe zur nachhaltigen Lösung gab es nicht. Dennoch machte ein solches Vorgehen für die Klagenden Sinn, da sie bei der erneuten Klage auf eine härtere Strafe und sogar eine zeitweilige Trennung hoffen konnten – der Konflikt war also „ak-
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 145
tenkundig“. Aber nicht nur Männer, auch Frauen konnten durch übermäßigen Alkoholkonsum ihre Ehe stark belasten. Neben der Trunksucht als primärem Erzählmuster zur Charakterisierung von krisenhaften Beziehungen finden sich andererseits auch Konflikte, in denen Alkoholabusus erst als sekundäres Problem in den Verhandlungen auftauchte, während sich der eigentliche Prozessgrund an Folgephänomenen zeigte. Aus den Akten der Auseinandersetzung der bereits bekannten Eheleute Westerkamp (siehe Kap. 3.1.1) wird deutlich, dass beide mehrmals wegen der offenbaren Alkoholabhängigkeit der Frau vor Gericht erschienen waren und es bereits gerichtlich angeordnete zeitweilige Trennungen gegeben hatte. Gleichwohl hatte die Ehefrau Westerkamp wegen des unabgestimmten Verkaufs von Land aus ihrem Ehegut mit ihrer Klage Erfolg, woraufhin sich der Ehemann schriftlich beim Rat über dessen Kurzsichtigkeit beschwerte: „Ich erstaunte, als am Montag, den 10ten dieses [Monats, ISV] Gerichtsdiener Meyer mir ein Decret vorzeigte vermöge dessen mir um aller Thätlichkeiten und Verkaufung einiger Sachen mich zu enthalten, verboten worden, beydes leugne ich mit dem reinsten Gewissen, und wenn meine Frau beweisen kann, daß ich die geringste Thätlichkeit an ihr verübt habe, so bin ich bereitwillig der schwersten und schärfsten Strafe dafür zu leiden, da sie aber solches nicht wird beweisen können, so bitte ich, damit derselben nachdrücklich möge anbefohlen werden, mit dergleichen Lügenschriften in Zukunft nicht wieder klagend auf zutreten. Sachen werde ich nicht verkaufen, solange als die äusserste Noth mich darzu nicht zwingt, oder ich müste von einer solche Gesinnung haben, wie die Frau hat, die alles was sie mir erwischen kann, verklüngelt, und für das verdammte Gesöff hingiebt. Meine Hochgeehrten Herren, so bin ich nicht gesinnt! Unsere Nahrung ist bekanntermaßen schlecht und die Einnahmen gering, das Geld, welches ich einnehme, lege ich hin und wende es mitgleich in der Haushaltung wider an, dasjenige aber, was die frau erwischet und eincassiert behält sie für sich und sagt: Es kähme von dem ihrigen, sie könne damit thun was sie wollte, auf solche Art kann die haußhaltung nicht bestehen, sondern ich muß zugrunde gehen, es gehet selber kaum ein tag vorüber, da unserer dienstmagd ihr nicht Wein und branntwein hohlen muß, und zwar den letzeren bey keiner halben, sonder ganzen ort, ja gar bey halber kanne [Alte Osnabrücker Raummaße: 1 Orth = 0,35 l, 1 Kanne = 0,7 l, ISV], ist sie dann betruncken, so habe ich dann das größte spectacul im Hause, so fluchet und sacramentirt sie dergestalt, daß das Haus zittert als dann singet und betet sie, bald weinet bald tanzet sie, kurzum sie hat flüchen, schweren, schelten, weinen, tanzen, singen und beten insgesammet in einer taschen.“ Da dieser Streit schon lange nicht mehr auf den Binnenraum der Ehe oder des Hauses beschränkt geblieben und sowohl den Nachbarn als auch der Obrigkeit hinlänglich bekannt war, äußerte Johann Henrich Westerkamp, der als Gildemeister für das Krämeramt in der städtischen Führungsschicht integriert und angesehen war, Kritik am Vorgehen des Rates:
146 Inken Schmidt‐Voges
„[D]er Vorfall, da ich [wegen der Bezahlung des Branntweines, ISV] mit der Witwe Tepen gehabt, und deswegen bey der GerichtsCommission angeklagt worden binn, [giebt] gnugsame Probe ab […]. Mich giebt es aber wunder, daß bey diesen bekandten Umständen Eurer Wohl- und HochEdelgebohrne die frau mit ihrer falschen und unwahren querulieren, nicht abweisen, sondern noch Gehör geben, wodurch die in ihrer boßheit nur noch mehr gestärket wird, ich habe es ja ehedem durch die Ehefrau Jakob Westerkamp und die Ehefrau Bolten bewiesen, und wird sich in dem Protocoll finden, wie sich die frau, wann sie besoffen ist, aufführt.“ Die besonderen Belastungen durch die Alkoholsucht, die auch die Kinder und Nachbarn zu tragen hatten, illustrierte er nicht nur durch die Darstellung des Kontrollverlustes, sondern vor allem durch Ereignisse, die die existenzielle Bedrohung seiner Familie unterstreichen: „Caspar Mönster kann und muß es bezeugen, daß ich ihm bey spater Nacht Zeit aus dem Bette gehohlet, um mir behülflich zu seyn, damit ich die frau ins bette kriegen, denn sie war dermassen besoffen, daß sie das kleine kind vom schoß herunter auf die erde fallen ließ. Wenn sie besoffen ist, so will sie auch delicat traciret seyn, so soll man ihr gerührte Eyer und Schincken vorsetzen, so stoßt sie die allerempfindlichsten Scheltworte wieder mich aus, als Schelm, Spitzbube, Hallunque, Hurenjäger, Ehebrecher, fauler, schlechter Kerl etc.“ Neben den materiellen Bedrohungen war auch die Ehre der Haushaltung insgesamt bedroht, wiederum durch die symbolische Verletzung der Kleidung: „Die frau läuft darauf zum hause hinaus auf die Gassen, reißt sich selbsten die Mütze vom Kopfe, die welche ihr Anton Meyers Tochter und Mönsters Dienstmagd zum Spott […] verkehrt wieder aufgesetzt haben.“ Die existentielle Bedrohung aus dieser Spirale von Kontrollverlust und einem die Umwelt massiv gefährdenden Verhalten, die der Ehemann hier entwirft, führte aber weder seitens des Mannes noch der durch das Ratsgericht vertretenen Obrigkeit zu Lösungsansätzen – etwa in Form einer zeitweiligen Trennung. Vorrangig scheint dem Ehemann erst einmal zu sein, dass die kostenverschlingenden Klagen seiner Frau nicht mehr von den Richtern akzeptiert werden. Das belegt indirekt, dass Ehefrauen, die sich in der ihnen zustehenden Position und Ehrbarkeit durch ihren Ehemann eingeschränkt sahen, auch am Ende des 18. Jahrhunderts, als die Neuorientierung im Recht und in den Rechtskodifikationen andernorts bereits zu greifen begannen, noch auf die unterstützende Wirkung der Obrigkeit hoffen konnten. „Eure Wohl und HochEdelgebohrne können aus obangeführten wahren umständen gnugsam schon bemercken, daß ich bey einer solchen Wirthschafft kein Mann bleiben kann, sondern nothwendig zu grunde gehen muß, endlich werden Eu. Wohl und HochEdelgeborne es ein mahl einsehen daß ich wegen der frauen ihr fugloses querulieren so manche reproche bey Rathhause ohnverschuldeter dinge habe Vorlieb nehmen und einschlucken müßen, und daher ihr keinen fromen beyfalt geben, Endlich auch werden Hochdieselben ernstlich erwegen die Vielen Kosten, welche vorhin wegen des querulierens
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 147
der frauen versplittert war, den sind nämlich beinahe 300 Rthlr. Welche meine Kinder dereinst, wenn die zu ihrem Verstand kommen, besorgen werden. Es ist in meinen Vermögen nicht, daß ich ferner noch Kosten auf diese weise versplittern soll, die 3 pf. welche ich ministro pro citatione geben muß, schwechen mich schon, sintemahlen meine Kinder darunter leyden müsse. Ich verabscheue daher aller Schriftwechsel, ich verabscheue daß ich vor der GerichtsCommission erscheinen und über das unwahre vorbringen der frauen mich verantworten soll, um deswillen bitte Eurer Wohl- und HochEdelgebohrne rechtlich als gehorsambst die wollen mich doch in Zukunft damit verschonen, der frauen kein gehör geben, sondern dieselbe mit einem derben Verweis wegen ihrer schlechten Aufführung und übermäßiges gesöff abweisen.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 252, fol. 74–83) Die heftigen Äußerungen des Johann Westerkamp verweisen auf seine Verzweiflung und Hilflosigkeit im Umgang mit der Alkoholsucht seiner Frau. Er forderte den Rat nachdrücklich auf, hinter den fortgesetzten manifesten Konflikten den für die Personen seines Haushaltes, aber auch für die soziale Ordnung der Stadt insgesamt viel bedrohlicheren latenten Konflikt zu erkennen und ernst zu nehmen. Während in anderen Ehekonflikten das beständige Auftreten vor Gericht eher stabilisierend wirken konnte, indem Konflikte isoliert und verglichen wurden, trat hier das genaue Gegenteil ein, nämlich die zusätzliche finanzielle Belastung der Haushaltskasse, ohne dass dadurch der Konflikt handhabbar geworden wäre. Westerkamps Argumentationen machen deutlich, dass Form und Verlauf von Gerichtsverfahren nicht nach dem institutionellen Aspekt, sondern nach deren Lösungspotenzial beurteilt wurden. Eine im heutigen Sinne ‚Heilung‘ des Alkoholismus war in der Vorstellungswelt des 18. Jahrhunderts nicht möglich – die zunehmenden Zuchthausstrafen änderten das Verhalten der Frau nicht. In den 1790er Jahren fiel sie auf, weil sie für mehrere Monate von ihrem Mann getrennt und im Armenhaus untergebracht wurde. Offensichtlich heftigste Entzugserscheinungen und darauf folgender Vandalismus produzierten einige Ratsprotokolle – jedoch ohne das bekannte Muster von zeitlicher Trennung, Rückkehr in den Haushalt, Eskalation und wiederum Trennung zu durchbrechen. Im Falle des Ehepaares Westerkamp zielten die Äußerungen und Argumentationen ausgesprochen stark auf die Beschreibung der Konsequenzen für Ehe und Hauswirtschaft ab, was auch auf den Bildungs- und sozialen Status der Familie zurückzuführen sein mag. Die Thematisierung von Alkoholkonsum, von übermäßigem, gesellschaftlich nicht mehr akzeptablem Alkoholkonsum bzw. auch Alkoholabhängigkeit, findet sich in zahlreichen Akten, die sich mit Konflikten und krisenhaften ehelichen Beziehungen auseinandersetzen. Sie sind, wie gesehen, durchaus ambivalent zu lesen, in jedem Fall werden an der Thematisierung des ‚Saufens‘ die vielfältig verwobenen Konfliktlinien und – potenziale ehelicher Beziehungen in der Frühen Neuzeit offenbar (Lutz 2005; Möhle 1997, 94–97).
148 Inken Schmidt‐Voges
3.2.2 Verbale Gewalt▀In den bisher dargestellten Konflikten ist deutlich geworden, dass die aus den Prozessakten bekannten Konflikte immer mit einer Form der Gewaltanwendung einhergehen – was zum einen auf das Problem der Quellengattung verweist (die meisten Ehekonflikte waren dann justiziabel, wenn die Anwendung unmäßiger Gewalt vorlag), zum anderen auch auf die in der Forschung diskutierte Frage verweist, inwiefern Gewalttätigkeiten innerhalb der Familie als Symptome, ja gar als ‚Medien‘ konflikthafter Beziehungen oder eher als Konfliktursache gelesen werden können. Der Kern liegt sicherlich in der Doppelkonstruktion des Gewaltbegriffs in der Frühen Neuzeit, der zum einen die legitime Gewaltanwendung als Herrschaftsmittel des Ehemanns und Hausvaters beinhalten konnte. Die dann mit potentia bezeichnete Gewalt sah die Möglichkeit vor, Ungehorsam oder Vergehen der Untergebenen mit einer angemessenen Form und Intensität (auch) körperlicher Züchtigung zu sanktionieren. Zum anderen konnte er aber bestraft werden, überschritt der Ehemann dabei die Grenze des sozial akzeptierten Maßes an Züchtigung und hatte somit eine violentia begangen. Die Ansicht darüber, was angemessen war und was nicht, unterlag der Beurteilung der sozialen Umwelt und nicht selten differierten die Auffassungen der Beteiligten heftig (Hohkamp 2003; Luef 2010; Nolde 2003). Denn das Vorhandensein von violentia berechtigte die Untergebenen zum Widerstand, zur Gegenwehr gegen einen offensichtlichen Verstoß gegen die Normen und Werte und letztlich gegen die göttliche Ordnung der Ehe. Die Handlungsspielräume, solchermaßen wirksam Widerstand zu leisten, bestanden darin, Nachbarn und andere Personen aus dem sozialen Umfeld zur Schlichtung oder als Zuflucht hinzuzuziehen, Klage einzureichen – und häufig auch darin, selbst Gewalt im Sinne der Notwehr anzuwenden. Vielfach lassen sich in den Konflikten aber auch verbale Auseinandersetzungen verfolgen, die durch gegenseitige Beleidigungen, Ehrverletzungen und Reizungen auf die Herabsetzung des Gegenübers abzielten. Und doch kam es auch vor, dass diese verbalen Auseinandersetzungen eine eigene Qualität und Dynamik erhielten und damit zum eigentlichen Zentrum des Konfliktaustrags avancierten. So jedenfalls lesen sich die unterschiedlichen Protokolle, die über die gegenseitigen Beschwerden der Eheleute Vogt beim Osnabrücker Ratsgericht zu finden sind (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 241). Als am Montagmorgen Mitte September des Jahres 1774 die Vorfälle und Arretierungen des vergangenen Wochenendes bearbeitet wurden, erschien „auf vorfordern“ Christina Margaretha Büdelers, die Ehefrau des Johann Hermann Vogt. Sie sollte zu den Vorgängen Stellung nehmen, welche den Rat veranlasst hatten, ihren Mann am Sonntagabend von den Ratsdienern in der Wache arretieren zu lassen. Ihre Schilderungen belegen die Eskalation eines Konfliktes, der offenbar nicht unbekannt war – diesmal aber eine Qualität erreichte, die ein offizielles Einschreiten notwendig erscheinen ließ. Der Ehefrau Vogts zufolge habe ihr Mann am Sonntagmorgen gegen 10 Uhr von Lindemanns drei Hälbchen [Altes Osnabrücker Raummaß für etwa
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 149
0,261 l, ISV] Branntwein holen lassen. Als kurz darauf Lindemann eine abermalige Bestellung von drei Hälbchen abgelehnt hatte, sei ihr Mann selbst zu einer anderen privaten Schankstube gegangen, von wo er gegen Mittag volltrunken nach Hause gekommen sei: „Hier habe er sofort, wie er ins Haus getreten, angefangen auf sie comparentinn zu schelten, und sie canaille, domherren Hure, Luder und dergleichen genannt, und hätte er zugleich verschiedene domherren und noch eine andere Person laut genannt, mit welchen sie huren sollte, Er sey in die Stube gekommen und habe ihr die Mütze vom Kopf gerissen.“ Es war eine Schlägerei gefolgt, bei der sich beide Seiten wohl gegenseitig verletzt hatten. Auffällig ist auch die Verknüpfung verbaler Gewalt, die ganz gezielt auf die körperlich konnotierte Ehre der Frau zielte und durch die symbolische Gewalt des „Mütze herunterreißens“ noch zusätzlich markiert wurde. Drei Jahre später haben sich die häuslichen Verhältnisse der Vogts kaum geändert, die Anzahl der Verhandlungen aber war deutlich gestiegen. Nach einer neuerlichen Arretierung des Ehemannes wurden die Hausbewohner und die Nachbarschaft systematisch über den Leumund des Ehepaares und deren alltäglichen Umgang miteinander befragt. Sowohl der einquartierte Soldat als auch der benachbarte Pförtner sagten aus: „Die Aufführung in Vogts Hause zwischen beyden Eheleuten tauge auf beyden Seiten nichts; jedoch sey es auf Seiten des Mannes am schlimmsten, indem er sich in Brantwein oftmals betrinken; […] Von der frau aber könne er nichts weiter Ungebührliches sagen, als daß sie, wenn der Mann lerme, sie dagegen nicht schweige, sondern dagegen anlerme.“ Ganz klar tritt der normative Maßstab für weibliches Konfliktmanagement zu Tage, der das „dagegen anlermen“ nicht vorsah. Welcher Art dieser „lerm“ der Frau war, wird im Verhör des Angeklagten deutlich, wenn er „die Ursache ihres Zanckes“ beschreibt: „Er sey über die bosheit seiner frau gar zu erbittert gewesen. Klagte sonst über sie, daß sie ihm allerley Verdruß anthue, sie sage ihm ungeschäut, sie habe bey dem u. dem gelegen, nenne sie oft mit Namen, das sey ein ander Kerl als er! Der ---- ! Sogar habe sie sich nicht geschämt zu sagen, sie habe bey dem Schinder gelegen. Seine Person sey ihr ganz verächtlich!“ In diesen Darlegungen des Ehemannes zeichnet sich eine vermeintliche Strategie seiner Frau ab, diejenigen Verleumdungen und Beleidigungen ihres Mannes aufzugreifen, zu überhöhen und ihrerseits gegen ihn zu verwenden. Nun stand nicht länger die Ehrbarkeit der Frau in Form ihrer sexuellen Integrität zur Debatte, sondern die Ehre des Mannes, der seine Frau weder sexuell zufrieden zu stellen vermochte noch ihr ein ‚gebührliches‘ Benehmen aufzuzwingen im Stande war (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 244). Die Reaktion des Rates verweist abermals auf das letztendliche Unvermögen, mit Rechtsmitteln einen Beziehungskonflikt zu regeln, der in erster Linie die Obrigkeit und nicht so sehr die Betroffenen selbst störte. Zwar war der Rat der Geltung des stren-
150 Inken Schmidt‐Voges
gen Normenkomplexes verpflichtet, konnte aber kaum etwas zu dessen Durchsetzung beitragen. So blieb es wieder bei einer strengen Ermahnung: „Weil nun Vogt schon 8 tage gesessen, und sonst keine erheblichen Thätlichkeiten an dem Tage der Arretierung vorgefallen, so ist er dimittiret, und ihm die Warnung gegeben, sich gebührend aufzuführen; der frau wurde aber auch zugleich durch den diener Jantzen vorerst befohlen, sich bescheiden gegen ihren Mann aufzuführen.“ Die besondere Bedeutung der verbalen Gewalt lag in der enormen Bedeutung der persönlichen Ehre und des Ansehens für den Ruf einer Person, so dass verbale Gewalttätigkeiten als ebenso verletzend wahrgenommen wurden wie körperliche Schläge (Lutz 2005, 303–312; Krug–Richter 1999). 3.2.3 Physische Gewalt und Misshandlungen▀Inwieweit sich instabile eheliche Beziehungen im gegenseitigen Austausch von verbalen Beleidigungen und Verletzungen äußerten und vielleicht in gewissem Maße bei manchen auch aus dem kulturellen Eheerfahrungshorizont der elterlichen oder nachbarlichen Eheführung ‚normal‘ erschienen, kann letztlich schwer beurteilt werden, zumal sie nur in wenigen Fälle gerichtsanhängig wurden. Anders stellte sich die Sache im Falle der Anwendung von körperlicher Gewalt dar, durch die Gesundheit und Leben von Bürgern bedroht sein konnten. Hier war die Obrigkeit zur Intervention verpflichtet und besaß Eingriffsrechte in die sonst sehr weitreichende Autonomie des eheherrlichen Regiments. Ehefrauen kannten die Konsequenzen und Chancen eines Gerichtsganges sowie mögliche Folgeszenarien durchaus, wussten sie abzuschätzen und für die Vertretung ihrer Interessen einzusetzen, wie sich in der Ehesache Back aus dem Jahre 1765 ablesen lässt: „Fiscus denunzierte daß die Eheleute Johann Herman Conrad Backs sehr unfriedsahm mit einander lehben sollten begehrete deshalb untersuch- und obrigkeitliche Verordnunge. Hierauf ad citationem erschien Anna Margaretha Butken von Hikern uxor Backs und sagte auf Befragen aus: wie daß ihr Mann zum öfteren betrunken wäre und sie beständig für einen Satan schölte, anbey ihr mit harten Schlägen tractiere, auch ihre Nachbarn bezeugen würde, daß sie des öfteren dazwischen gekommen wären und ihren Mann, der sie solcher gestalt jämmerlich tractiret, von ihr gerissen. Gleich er dann sowohl gestern Abend als heute früh gesaget: daß er sie fort schlagen würde, wie er nun in verwichenem jahre sie beym haar auß dem bette gezogen und sie geprügelt habe, so daß sie tages darauf mit einem Kinde so noch nicht zur halbscheid [Hälfte, i. e. 20. Schwangerschaftswoche, ISV] gewesen, in wehe gekommen wäre, und da sie in solchen Leibesumständen sich gegenwärtig wieder befände, so befürchtete sie ein gleiches, bath, ihr also ruhe und friede im Hauße zu verhelfen, oder aber ihr zu gestatten, daß sie sich von ihrem Manne begeben und er ihr die alimente reichen müsse.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 235) Das Bemerkenswerte hieran ist zweierlei: Zum einen trat die Obrigkeit als Ankläger auf, offenbar auf gezielten Hinweis der Ehefrau hin. Zum anderen
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 151
begehrte die Ehefrau eine förmliche Trennung mit Alimentenzahlung des Ehemanns, wenn „Ruhe und Frieden“ – in diesem Falle eine sichere Existenz der Frau und der Kinder – nicht hergestellt werden könnten; sehr viel Zuversicht spricht nicht daraus. Der Rat verurteilte den – gerichtsnotorisch bekannten – Ehemann zu einer vierwöchigen Turmstrafe. Hier sind die sonst sehr selten anzutreffenden Diskussionsbeiträge der Ratsherren überliefert, die den Ernst und auch die Hilflosigkeit bzw. Skepsis gegenüber den möglichen Maßnahmen zum Ausdruck bringen: „Bey so heuffigen delictis und des Backs verwegenheit bin der meinung, daß derselbe erst wenigstens 4 tage in das zibürcken, und dann 4 Wochen in thurm gesetzet werde, denn wenn der die straffe nicht recht fühlet, mögte es arger werden, dazu muß er bey gelassung die urphede [Beeideter Fehdeverzicht, ISV] leisten.“ Tatsächlich wurde Back nach einigen Tagen aus dem Turm entlassen, nachdem er die Urfehde geleistet hatte. Dem vorausgegangen war ein offizielles Bittgesuch der Frau, die aber von ihrer Schwiegermutter wie ihrer Schwägerin zuvor massiv in der Öffentlichkeit bedroht worden war. Die Tatsache, dass der Ehemann tatsächlich die Urfehde leisten musste, was im 18. Jahrhundert in Osnabrück kaum noch vorkam, zeigt, wie wenig Vertrauen man in eine grundlegende Läuterung des Angeklagten hatte. Ausprägungen physischer Gewalt lassen sich in vielen verschiedenen Facetten auffinden, meist in Form einer Eskalationsstufe als Mittel des Konfliktaustrags. Dabei waren nicht nur Männer diejenigen, die Gewalt einsetzten, auch Frauen wurden genannt, die ihre Männer verprügelten und mit gefährlichen Gegenständen lebensbedrohlich verletzten. Gleichwohl stellte weibliche Gewalt stets ein Moment der „Unordnung“ dar und war nicht legitimiert (Nolde 2003, 153–157). Aber auch über die Beurteilung von männlicher Gewalt gab es immer Auseinandersetzungen, die sich stark daran orientierten, inwiefern eine ernsthafte Schädigung durch die Sichtbarwerdung von Blut zu konstatieren war (Hohkamp 2003) – wobei im späten 18. Jahrhundert auch Hämatome eine solche Grenzüberschreitung markieren konnten. Viele Studien, die sich mit ehelichen Konflikten auseinandergesetzt haben, verweisen immer wieder auf den in den Verhandlungen zentralen Aspekt der Gewalttätigkeit eines oder beider Eheleute (Lutz 2005; Nolde 2003; Hohkamp 2003; Möhle 1997). 3.2.4 Ehebruch und Untreue▀Der Ehebruch galt als einer der signifikantesten Verstöße gegen das Gebot der ehelichen Treue und gegenseitiger Unterstützung. In den allermeisten Fällen führte Ehebruch, auch das eigenmächtige Auflösen einer Ehe und Beginnen einer neuen Paarbeziehung, zu einer Scheidung bzw. zu einer lebenslänglichen Trennung von Tisch und Bett. Konflikthaft für eine eheliche Beziehung konnte schon allein der Verdacht außerehelicher Vergnügungen sein. Entsprechend ungehalten reagierte ein Ehemann, der dem Rat im Jahre 1781 anzeigte, dass seine Frau ihn seit längerer Zeit fälschlicherweise des sexuellen Umgangs mit einem Dienstmädchen bezich-
152 Inken Schmidt‐Voges
tigte – und das in rufschädigender Weise auch noch bei den Nachbarn und beim zuständigen Gemeindepastor. Während der Anhörung sagte das vormalige Dienstmädchen aus, „daß sie jene Anzeige, daß Westerkamp ihr nach dem Bette gefolget sey, der Ehefrau Westerkamp [nicht, ISV] gethan; wohl aber habe einstmals, als sie in Westerkamps Hause gedienet, nämlich vor 3 Jahren, ihr damalige Gehülfin ihr gesagt, ihr Herr, der Westerkamp, welcher etwas im Kopfe gehabt, habe zu ihr gesagt, sie solle bey ihm bleiben; und sey dieses Abends auf dem Steinwerk gewesen; sie hätte nicht gewollt; worauf er gesagt, so wolle er zu ihr kommen; worauf Comparentinn versetzt, wenn sie merkte, daß er zu ihr kommen wolle, so solle sie zu ihr in der Stube kommen, wo sie bey Kindern geschlafen. Gegen 12 Uhr sey das Mädchen im bloßen Hemde zu ihr gekommen, u habe sich bey ihr gelegt; u. gesagt, sie habe gehört, daß Westerkamps sich auf dem Steinwerke gerühret (?), deswegen habe sie aus dem Bette sich entfernt. Dies wäre bloß die Historie, die ihre ehemalige Frau vor schon 14 Tagen von ihr gehört.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 248) Wenngleich sich im Verlaufe der Verhandlungen herausstellte, dass es zu keinerlei Unzucht oder Ehebruch gekommen war, wurde die Magd doch wegen übler Nachrede mit fünf Schillingen Geldbuße belegt. Dass die gemeinsam geteilte Sexualität nicht nur für die Beurteilung der Qualität der eigenen ehelichen Beziehungen wichtig war, sondern sexuelle Treue als ‚Exklusivrecht‘ von den Eheleuten vehement verteidigt wurde, erklärt sich nicht nur aus der Funktion des Ehebruchs als einem der wenigen Gründe für eine Scheidung bzw. Trennung. Eifersucht und der Verdacht der Untreue spielten entsprechend den seriellen Untersuchungen zu ehelichen Konflikten eine so große Rolle, dass diesem Moment sicherlich auch eine wichtige emotionale Komponente zuzurechnen war, die direkt an die Grundfesten der Beziehung ging (Lutz 2005; Möhle 1997). 3.3 Konflikte, die von „außen“ in die Beziehung hineingebracht werden▀Es waren freilich nicht nur ‚dritte‘ Sexualpartner, die in eine Beziehung ‚eindrangen‘ und für Unruhe sorgten. Einen sehr wichtigen Stellenwert nahmen auch Konflikte ein, die sich aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld und den verwandtschaftlichen bzw. nachbarschaftlichen Netzwerken ergaben. 3.3.1 Stiefkinder – Stiefeltern▀Ruft man sich in Erinnerung, dass in der Frühen Neuzeit eine Ehe selten ein Leben lang hielt, sondern oft durch den Tod eines Ehepartners aufgelöst wurde, bevor die Kinder selbstständig waren, wird das hohe Konfliktpotenzial deutlich, das aus solchen ‚Patchwork-Familien‘ erwuchs. Inwieweit es gelang, den neuen Elternteil als Autorität anzuerkennen, möglichen Stiefgeschwistern einen ebenbürtigen Rang einzuräumen oder alle Kinder aus unterschiedlichen Ehekonstellationen gerecht am Erbe zu beteiligen, stellte eine hohe Herausforderung an die emotionale und
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 153
soziale Kompetenz aller Beteiligten, allen voran an die Eheleute. Dieser durchaus problematischen Grundbedingung waren sich die Zeitgenossen sehr bewusst, wie zwei unterschiedliche Fälle zeigen. Welche Bedingungen die Ehepartner im Falle einer Wiederverheiratung zu erwarten hatten, wurde offen vor der Eheschließung besprochen und abgewogen. So erwiderte Maria Abkemeyer aus Hunteburg auf die gerichtliche Einforderung eines gegebenen Eheversprechens im Jahre 1772: „Maria Abkemeyer gestand zwaren Klägern die Ehe versprochen zu haben, jedoch unter der Bedingung wan Kläger seine Kinder nicht wieder bekäme und er keine Schulden hatte. Da nun Kläger diese Bedingung nicht erfüllen könnte, so meinte sie nicht an ihr gethanes Versprechen […] verbunden zu seyn.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 239) Von der anderen Seite aus schilderte der katholische Maurermeister Dieterich Aegidius Bahel aus der Osnabrücker Neustadt 1772 das Problem: „Schon 2mahl hat auswärts rubricirter Supplicant geheyrathet; schon zweymahl ist er aber auch zum Witwer geworden. Aus beyden Ehen sind ihm Kinder übriggelieben, die noch alle minderjährig sind, In der ersten Ehe hat er ein Kind gezeuget, welches ungefehr 8 Jahr alt ist; und aus der zwoten Ehe sind noch zwey Kinder, das eine von 4 und das ander von 1 ½ Jahren am Leben. Da nun diese Kinder noch sehr jung und unmündig sind, folglich eine genaue Aufsicht und Verpflegung nöthig haben, indem Supplicant selbst wegen seines Handwerks ganze Tage außer Hause seyn muß und die Erziehung nicht besorgen kann, jede Frauensperson aber recht grosses bedencken trägt 3 Stiefkinder aus zweyerley Ehen anzunehmen, er also so nothwendig es ihm auch ist zur dritten Ehe zu schreiten eine Ehefrau die es mit ihm und seinen Kinder gut meynet, zu erhalten keine Gelegenheit vor sich siehet.“ Ein Ausweg bot sich in der Person der Schwägerin an, der Schwester seiner verstorbenen zweiten Frau, die bereits seit drei Jahren mit im Haushalt lebte und die Umstände beurteilen konnte. Er schloss sein Gesuch um Dispens vom verbotenen Verwandtschaftsgrad mit einem Appell, der noch einmal die immense Bedeutung dieser seiner Heirat für das Gemeinwesen aufzeigt. Die Richter möchten sich in ihrer Entscheidung leiten lassen „in betracht er ein geringer Handwercksmann ist, der sein Brod sauer verdienen muß und ohne eine gute Gehülfin nicht fertig werden kann.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 239) Die Dringlichkeit, nicht nur eine gute Frau zu finden, sondern vor allem auch Stiefkinder und Stiefgeschwister anzunehmen, machte die Lage nicht nur für den Maurermeister, sondern für recht viele Menschen prekär, wenn ein Ehepartner gestorben war. Gleichwohl war die Erfahrung allgegenwärtig, was sich ereignen konnte, wenn die Beziehungen sich nicht nur zum neuen Partner, sondern auch zu dessen Kindern schwierig gestalteten. „Kam Ehefrau Schuster Brinks mit einer bluthenden Wunde im Gesicht und mit zerkratzeten Armen u. verschiedenen blauen Flecken auf demselbigen und klagte, daß ihr Mann sie zur Erde gerissen und ihr die Wunden mit Krat-
154 Inken Schmidt‐Voges
zen und Kneipen gemacht hätte. Ihre Stieftochter habe ebenfalls Antheil daran genommen, und sie dabey geschlagen.“ Im weiteren Verlauf der Anhörungen wurden immer mehr Tätlichkeiten angesprochen, die sich im ‚Vierergespann‘ zwischen dem Ehemann, der Ehefrau und deren jeweiligen Töchtern abspielten. Die Befragung eines Nachbarn ergab den lapidar klingenden Befund: „nur klage die frau gegen sie wol, daß ihr Mann mit seiner Tochter mehr vertraut als mit ihr rede, u. daß sie die Tochter gerne aus dem Hause bey Leuten haben wolle, so würde sie wohl Ruhe haben.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 244) Sehr deutlich kommen hier die emotionalen Verhältnisse zum Ausdruck, die seitens der Ehefrau eine tiefe Enttäuschung gegenüber der Beziehung und Eifersucht gegenüber der Tochter erkennen lassen, die sie für das als mangelhaft empfundene Vertrauen ihres Mannes verantwortlich macht. Gerade wenn die Kinder nicht mehr minderjährig waren, sondern als Erwachsene und Heranwachsende eigenständige Positionen im Haushalt wahrnahmen, schienen Hierarchie- und Autoritätsprobleme nicht auszubleiben. So versuchte auch die Ehefrau Bechhaus, den ihr ihrer Meinung nach gebührenden Respekt durch willkürliche Ausnutzung ihrer Position als Leiterin des Haushaltes zu erzwingen: „Uxor Bechhaus wiederholte ihre Klage, daß ihr Stiefsohn ihr ungebührlich begegne, und sie für eine alte Canaille, Diebespack gescholten, und ihr den Hintersten gezeiget, und gesagt, er wolle sie zerreißen. Ferner, daß ihr Mann sie neulich mit der Faust auf den Arm geschlagen, daß er braun und blau geworden. Bechhaus beschwehrte sich mehr über seine Frau, daß sie die ärgesten Schimpfworte gegen ihn aus gestoßen, sie selbst vorhin wol ihm eine Ohrfeige gegeben, ja sonst gar ihn vorhin mit einer Stulpe an der hand verwundet hätte. Diesmal habe er seine frau bloß mit den händen auf den Stuhl gedrückt, weil sie wegen des Sohns wieder in Streit gerathen, und sie ihn in dem Gesichte gekratzet hätte. Sie sey auch immer die erste Anfängerinne gewesen, welche durch die ungezogenste Worte seinem Sohn Gelegenheit zu Wider worten geben, und käme der Streit davon her, daß sie dem Sohn, der fleißig zur Arbeit wäre, und sich außerhalb hauses nicht einmal aufhielte, nicht gehörig Essen u. Trinken gönne. Es ist hierauff der Bechhaus der Verwarnung gegeben, daß sie sich gebührlich gegen Mann u. Sohn zu verhalten, und daß sonst bey erster gegründeter Beschwerde wieder den Schuldigen die Gefängniß-strafe würde erkannt werden, und hat Bechhaus angenommen, dahin zu sehen, daß sein Sohn sich nicht ungebührlich bezeige.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 241) Wie bereits zuvor lässt sich anhand der knappen Ausführungen zum Hintergrund des Konfliktes kaum dessen primäre Ursache ermitteln. Auch hier scheinen sich Ungleichgewichtigkeiten innerhalb der ehelichen Beziehung schnell auf das Verhältnis zu den Stiefkindern auszudehnen. Die grundsätzliche Problematik, dass die noch im Hause wohnenden, erwachsenen Kinder eine neue Autoritätsperson „vor die Nase gesetzt“ bekamen, deren Autorität
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 155
aber nicht durch die elterliche Beziehung gewachsen war, führte immer wieder zu zahlreichen Konflikten. Die Obrigkeit konnte dabei, solange nicht Leib und Leben in Gefahr waren, nur eine Mediationsfunktion übernehmen. 3.3.2 Schwieger und Schwager▀Wenn für die Wahl der Ehepartner immer wieder darauf verwiesen wurde, sorgsam auf die „Uebereinstimmung der Gemuether“ zu achten, blieb in allen Eheschriften und Diskursen die Frage unthematisiert, wie man mit der angeheirateten Familie auskommen sollte. Der Umgang mit den Schwiegereltern fiel unausgesprochen unter den elterlichen Respekt, der im vierten Gebot zentral formuliert war. Auch wenn die jeweiligen Eltern selten im selben Haushalt lebten, so wohnten sie doch oft in unmittelbarer Nachbarschaft und waren als Mitglied derselben ein besonderer Teil des engeren sozialen Umfeldes. Zugleich bereitete jedoch die Tatsache, dass sich die Kinder mit der Gründung eines eigenen Haushaltes dem direkten Zugriff entzogen, durchaus Anpassungsprobleme. Die Empörung darüber ist der Schlachtersfrau Beverförden anzumerken, die sich im Sommer 1750 beim Rat der Stadt Osnabrück beklagte, „[…] daß ihr Sohn Gerd Beverförden sie auß dem Hauße geschoben und geschlagen, und Ihr Schwiegertochter hätte ihr vor eine alte Bestie und alten Teufel gescholten. Beklagter antwortete darauff, daß wie seine Mutter vors Hauß gekommen und seine frau vor eine Frantzosen Huere gescholten, hätte er drey mahl die thur zugemachet um keinen lärmen zu haben, seine Mutter aber hätte alle mahl die thür aufgeschoben, worauff er seine Mutter vor die Handt genommen und auß die thur geschoben, er negirte aber daß er seine Mutter geschlagen, und seine frau ihre gescholten.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 234) Wenn es sich hier vordergründig um die beiderseitige Anwendung von Gewalt verbaler und physischer Art handelte, so zeigt der Kontext, dass diese Beschimpfungen und Tätlichkeiten als Ausdruck eines Autoritätskonfliktes anzusehen sind, bei dem die (Schwieger)Mutter in den Augen des jungen Ehepaares Beverförden eindeutig ihre Kompetenzen überschritt. Auch wenn aus der kurzen Notiz nicht hervorgeht, inwiefern Gerd Beverförden dabei „zwischen die Fronten“ eines Konfliktes zwischen Schwiegermutter und tochter geriet, so zeigt seine Reaktion doch deutlich, dass er sich in seiner Verantwortung als Ehe- und Hausmann stehend sah. Die Reaktion der Obrigkeit in Person des Gerichtsherrn legt nahe, dass es hier gar nicht so sehr um eine Klärung von Schuldfragen ging, sondern darum, den Konflikt aus dem Alltagsgeschehen zu isolieren und damit für die Beteiligten handhabbar zu machen. So setzte der Gerichtsherr eine zweite Verhandlung mit geladenen Zeugen an und hat „beyden theilen bey arbitrairer straffe hand und Mund verbohten, und daß sie sich auß dem Hauße bleiben solle und ferner Verdrießlichkeit vorzubeugen welches nachzukommen partes mediante stipulatione angenommen.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 234)
156 Inken Schmidt‐Voges
Ganz ähnlich dürften die Dinge in einem Fall aus dem Jahre 1751 gelegen haben, wobei hier noch erschwerend hinzukam, dass das junge Paar mit der (Schwieger)Mutter gemeinsam in einem Haus wohnte. Denn es „klagte Brinckmanns Sohn, daß seine Mutter ihme und seiner frauen täglich for Canaillen außschölte und auß dem Hauße wiese. Beklagtinne fatebur. Es ist darauff beklagtinne sub poena carceris handt und Mundt verbothen.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 234, fol. 44v) Nicht nur die Schwieger-, auch die Schwagerverwandtschaft konnte eheliche Beziehungen durcheinanderbringen. Die Ehefrau des Michel Weber sah sich 1769 offensichtlich in ihren Hoffnungen auf ein ansehnliches Erbe enttäuscht, als ihre Schwägerin einen Großteil des Erbes für sich beanspruchte: „Wie nun meine Seel. Mutter alt war und sich selber nicht mehr verpflegen konte, sagte sie zu mir: Catharina, ich solle nicht dienen, sondern bey ihr bleiben sie zu verpflegen. Das ich mich begab bey ihr zu bleyben nach meinem vermögen sie zu verpflegen welches mich von mir als eine tochter gethan und täglich auf taglohn ging meine Mutter im Lebensunterhalth zu versorgen, wie mein jüngster Bruder in der fremde [war].“ Aus diesem Pflegeverhältnis erwuchs eine besondere mündliche Verfügung der Mutter, die sie im Beisein all ihrer Kinder verkündete. Danach sollte Catharina einen Großteil der Mobilien erben, besagter Michel ging mit einem Bett relativ leer aus. Auf das Insistieren seiner Frau, dass ja der jüngste Sohn erbe, musste sie sich der Antwort der Schwägerin beugen, die ausführte: „Da meine seel. Mutter expresse zu meiner schwiegerinne als Michels frau sagte, da mein Sohn in der fremde seye und keine Wohlthaten in meinem hohen 72jährigen Alter von sie geniesen oder bekommen soll meine Tochter Catharina alledas dasjenige an und sonstigen mobilien alleine behalten.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 237) Ganz ähnlich zeigten sich eheliche Probleme nach dem Tod von (Schwieger)Müttern auch auf dem Lande, wie eine kurze Notiz aus dem Sendgerichtsprotokoll des Dorfes Alfhausen aus dem Jahre 1741 zeigt: „Uxor Meyers klaget da ihr Manns schwester Anna Marg. wie die alte Meyersche noch ohnbehinderet in Geiste gewesen zu ihr gekommen ins Haus, viele unheyl und larme gemachet ihr vorgerücket ihre abgelebte schwiegermutter hette ihr flachs zu geteilet, so sie sollte gesagt haben. Sie, uxor Meyersche, aber hette darauff repetieret sie hette sich mit ihr vertragen und sollte ihr mit frieden lassen.“ (NLA StA OS, Rep 100, 386, Nr. 34) Da Flachs ein wertvoller Rohstoff war, mit dessen Verspinnen sich insbesondere unverheiratete Frauen ihren Unterhalt verdienen konnten, waren solche Auseinandersetzungen um mündliche Zusagen vor dem Tod allzu oft an der Tagesordnung, gerade wenn nicht verheiratete Geschwister ihre weitaus prekärere Existenz gegenüber ihren verheirateten Geschwistern geltend machen wollten.
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 157
3.3.3 Konflikte mit dem Gesinde, Mietern und Nachbarn▀Nicht nur die Verwandtschaft, auch die Nachbarschaft und Hausbewohnerschaft war ein dichtes soziales Netzwerk, in dessen Rahmen sich eheliche Konflikte nicht nur abspielten, wie bereits deutlich wurde, sondern auch heraufbeschworen wurden. Dabei konnten unterschiedliche Ansichten über den Umgang und die Arbeitsbelastung des Gesindes eine wichtige Rolle spielen, wie Catharina Elsabein Kremers aus Lübeck 1782 berichtete: „Wie sie in der Stube ihrer Herrschaft heute morgen gesessen und gesponnen hätte, so hätte ihre Frau gesaht, sie sollte mit dem Haspel aus der Stube gehen und haspeln, welches sie auch gethan. Wie sie aber durch die Kälte daran verhindert worden, so sey ihr Herr herausgekommen, welcher ihr geheißen wieder in die Stube zu kommen. Diß habe ihre frau nicht haben wollen, wie letztere sich nachdrücklich mit ihrem Mann gezankt. So habe dieselbe gesagt, er könne das Aergerniß nicht länger ausstehen und habe ihr Ehrenlohn gegeben, welchen sie auch angenommen.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 249) Diese kurze Notiz deutet an, dass aus dem engen persönlichen Miteinander mit dem manchmal sogar halbjährlich wechselnden Gesinde durchaus punktuelle Konflikte entstehen konnten, wenngleich sich daraus selten andauernde Krisen entwickelten. Schwierig wurde es vor allem dann, wenn das Gesinde im Hause selbst verheiratet war und gewissermaßen als dienendes Paar in Auseinandersetzungen ihrer Herrschaften geriet, wie das Ehepaar Meyer, das bei dem Schulmeister Reinhold in Anstellung war: „Klagte die Ehefrau Herman Henr. Meyer, daß M. Reinhold vor ohngefehr 14 Tagen, als sie des Morgens um halb 7 aufgestanden, und was in den Ofen geleget, sie mit den Füßen in die Seite gestoßen, u. dabey gesagt: das verfluchte Schlafen! Nachher habe er ihr mit der Faust zweymal in den Rücken geschlagen. Sie sey darauf aus dem haus gelaufen, Als ihr Mann, der unterdessen Milch geholt, zu hause gekommen, habe er gesagt, deine Huhre habe ich weggejagt, und habe auch diesem auf den Rücken geschlagen. Zeigte an, daß sie als dienstmädchen das Lohn von verwichenenm Michael zu fordern hätte. Das Lon sey sonst zu 9 pf bezahlt. Weinkauf habe sie auch zu 12 mgr. Von einem Viertel Jahr zu fordern habe noch 1 ß für Zuckerkringeln und 10 ½ Pf. für Tand zu fordern. Herm. Henr. Meyer, der als diener bey M. Reinhold gestanden, erklärte das an ihr geschehene Schlagen daß es zweymal mit der flachen Hand geschehen. Lohn habe er seit Ostern zu fordern, u. sey ihm jährlich 15 G. versprochen. Bloß habe er auf den Lohn empfangen 2 G 27 mgr.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 247) Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Möglichkeiten für die unterständischen Schichten in Stadt und Land immer geringer, sich durch Heirat eine eigene Bauernstelle oder Haushaltung zu erwerben. So nahmen Ehen von Tagelöhnern und Dienstboten immer mehr zu und erhöhten damit offensichtlich das Konfliktpotenzial. Da es keine quantifizierenden Untersuchungen darüber gibt, lassen sich hier nur Vermutungen anstellen, wieviele Leute
158 Inken Schmidt‐Voges
ihre Ehe unter solchen Bedingungen wie die Meyers führen mussten. Denn eheliche Intimität war hier – wie gesehen – kaum möglich, während ländliche Tagelöhner oft mindestens eine kleine Behausung für sich und ihre Kinder hatten. Wenn sie diese mit anderen Familien teilten, war auch hier die Frage von Intimität recht obsolet. Immerhin war das Verhältnis nicht noch durch ein Herrschaftsverhältnis zusätzlich belastet. Nicht nur Angestellte, auch Mieter konnte man in den Häusern frühneuzeitlicher Städte recht häufig antreffen. Dementsprechend konnten diese auch für gehörigen Ärger und Lärm bei den vermietenden Herrschaften sorgen, was in zahlreichen Fällen überliefert ist. Von besonderer Bedeutung für die ehelichen Beziehungen sind aber immer auch die Nachbarschaften gewesen, in die sie sich mit all ihren Stärken und Schwächen einfügen mussten.Eine Beschwerde darüber, dass Nachbarn ihre eigenen Kinder auf der Straße prügelten und sich einmischten, weil sie sie für nicht „in der nöthigen Zucht“ gehalten befanden, vertrat beispielsweise eine Mutter allein vor Gericht, da sie sich mit ihrem Mann offenbar nicht einig darüber war, ob der Vorwurf gerechtfertigt war (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 234). Aber auch im Hinblick auf die Ehe selbst konnten allzu intime Kenntnisse der Nachbarschaft nicht immer förderlich sein, wie die Klage der Ehefrau Brinkmann von 1792 zeigt: „Erschien die Ehefrau Brinkmanns und klagte wieder den Zimmermeister Schulzen, daß dieser veranlasset daß sie von ihrem Mann beschuldiget würde, wie sie vor der verheyrathung mit ihm bereits schwanger gewesen sey und daß sie darüber mit ihrem Mann in stetem Unfrieden lebe; so bath sie den Schulzen vorfordern zu lassen, und die vereinigung zwischen sie und ihren mann demnachst so bald möglich zur vorbeugung weiterer folgen zu versuchen. Demnächst erschien auf erfordern der Zimmermeister Schulze und der Brinckmann. Der Schulze sagte auf befragen aus, daß er sich nicht erinnern, zum Nachtheil der Ehefrau Brinckmanns was gesagt zu haben. Es sey ihm von derselben nicht übels bewußt und sollte es ihm leid seyen wenn etwa der Brinckmann aus einem in seinem Hause getriebenen Spaße Verdacht geschöpfft haben mögte. Da nun dem Brinckmann bedeutet worden, daß er auf die weise keine Ursache habe seiner Frau Vorwürfe zu machen. So habe dieser sodann mit seiner frau sich wieder auszusöhnen.“ (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 256) Obschon der Vorfall im Vergleich zu anderen Konflikten eher geringfügig scheint, so zeigt er doch, wie rasch eheliches Vertrauen zu erschüttern war, wie sehr die Wahrnehmung und Erfahrung der eigenen Paarbeziehung auch durch die Reaktionen der Umwelt geprägt werden konnte und wurde. So konnten sich leicht „Dahergesagtes“ und „Späße“ schnell zu Injurien- und veritablen Beleidigungsklagen auswachsen.
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 159
3.3.4 Informelles Zusammenleben▀Nicht nur die Tatsache an sich, dass informelles Zusammenleben bis weit in das 18. Jahrhundert hinein verbreitet war, spricht für eine eher großzügige Auslegung obrigkeitlicher Normen. Wie sehr hier die Obrigkeit zwischen den eigenen Ansprüchen aus den Verordnungen und dem eigenen Dafürhalten gespalten war, zeigt die Zwangstrauung der Anna Nagelmöller, verwitwete Schlüter, mit dem Knecht und Reiterei-Soldaten Johann Linnemeyer in Iburg. Nachdem die beiden eingestandenermaßen zusammengewohnt hatten (concubitum et cohabitione), klagte Anna Nagelmöller auf Einlösung eines gegebenen Eheversprechens. Johann Linnemeyer wollte die Beziehung wegen des „liederlichen Lebens“ und der vorgeblichen Promiskuität seiner „Verlobten“ beenden und nahm eine jüngst erhaltene Bestallung zum Reiter in den Hannoverschen Truppen zum Anlass einer räumlichen Trennung. Das Königliche Konsistorium, vor dem Anna klagte, musste Johann Linnemeyer aufgrund des tatsächlich gegebenen Versprechens zur Vollziehung der Ehe verurteilen. Gleichzeitig deutete der Iburger Amtmann in seinem Brief an den Regimentsleiter an, dass dies in seinen Augen die denkbar schlechteste Möglichkeit war: „Wann nun aber dieser Reuter bemeltes Weib gar nich anstehet, sondern sich derselbe sehr verfluchet, Er wolte Ihr oder sich selbst Leid anthun, ja Er wolte lieber sein Leben verlieren, ehe sie heyrathen, auß Ursach, weil sie jederzeit ein sehr liederliches Leben geführet, auch überdem mit einem andern Kerl in gleichmäßigem process gelegen und 50 Thlr. ihren Abstand genommen, Ja noch mit einem in dergleichen sache so lange gerchtet, biß Er darüber gestorben. Will also bei Eurer Exzellenz [der „GeneralFeldtMarchal“, ISV] vernehmen, ob diesen Reuter nach dem Consistorio schicken soll, umb Ihm alda daß weib per force anzutrauen, denn ich nicht gerne Ihme mit Gewalt darzu zwingen wollte, weil ich befürchte, daß ein Unglück daraus entstehen möge.“ (NLA StA OS, Rep 110 I, Nr. 560) Wenn aus den Akten auch nicht hervorgeht, wie diese Auseinandersetzung endete (nur eine Beschwerde des Konsistorialrats Derenthal beim Herzog liegt vor, dass seine Generäle den „Eheflüchtlingen“ Schutz gewährten und damit der „hießigen justitz allerley confusiones“ zufügten), zeigt sich doch zum einen, dass auch informelle Paarbeziehungen ganz ähnliche Konfliktpotenziale aufwiesen und dass das informelle Trennen in diesem Falle keineswegs so einfach war. Zum anderen wird an diesem Beispiel die Ambivalenz obrigkeitlicher Regelungspflicht deutlich, da die vorgeschriebenen Prozeduren den Konflikt keineswegs lösten – eher verschärften –, und das Gerechtigkeitsempfinden und die Sinnhaftigkeit der handelnden Konsistorialräte genau dieser Vorschrift widersprachen. Auf der anderen Seite lassen sich auch immer wieder Hinweise finden, dass etwa städtische Obrigkeiten dann und wann die offenbaren unehelichen Familienleben der in der Stadt sesshaften Soldaten zu sanktionieren bestrebt waren. So hielt der Osnabrücker Rat offenbar auf Gerücht oder gezielte Information hin fest,
160 Inken Schmidt‐Voges
„daß sich einige Soldaten besondere Wohnungen gemiethet und mit Weibspersonen womit sie doch nicht copuliret darin haushalten und als Eheleute leben sollen. Sie aber Amts- und gewissenshalber solches nicht zugeben können und solche weibsstücke aus der stadt zu schaffen sich verpflichtet sehen. Indem aber neuen blosen Gerüchten nicht sehr vertraut werden kann, so wolle Sr. Excellence den Hr. GeneralLieutenant von Schele hurtig zu ersuchen, uns gefällig eine Nachricht ertheilen zu lassen, ob nach benannten mit denen bey sich habenden Frauenspersonen ordentlich verehelicht seyn oder nicht.“ Die Nachfrage förderte nicht weniger als zehn Paare zu Tage, die unverheiratet zusammenlebten, teilweise mit vier Kindern. Die Mütter werden in der Mehrzahl als Osnabrücker Bürgerinnen benannt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese Lebensverhältnisse inoffiziell schon länger bekannt gewesen sein müssen. Leider ist der Auslöser für die Untersuchung des Rates nicht zu eruieren, aber ein deutliches Indiz für den ambivalenten Umgang mit solchen „uneigentlichen“ Ehen (NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 238). Denn gerade für Soldaten, die nur selten die formalen Voraussetzungen für eine Eheschließung und Hausstandsgründung vorweisen konnten, stellte das Zusammenleben in „wilder Ehe“ eine durchaus nicht unübliche Verhaltensweise dar (Pröve 1993; Kroll 2006). 4. Fazit▀Nähert man sich dem Beziehungs- und Ehealltag in der Frühen Neuzeit aus der Perspektive von Prozessakten und Gerichtsdokumenten, erhält man ein stark reguliertes, im Hinblick auf die Konflikthaftigkeit durchaus auch verzerrtes Bild ehelicher Beziehungsgestaltungen in der Frühen Neuzeit. Dies hängt zum einen damit zusammen, weil natürlich längst nicht alle Konflikte vor Gericht ausgetragen wurden, sondern sich tendenziell nur schwere, das Leben oder Gemeinwohl gefährdende Konflikte und Krisen in den überlieferten Akten niederschlugen. Zum anderen unterlagen die Darstellungen und Schilderungen spezifischen Strategien der Streitparteien, die Chancen auf die Durchsetzung ihres Interesses durch Überzeichnung von Normkonvergenz bzw. Normverstoß zu erhöhen. Dennoch ermöglichen solche Quellen oft – gefilterte – Einblicke in den Verlauf ehelicher Bestandsphasen, indem vielfach eine Konfliktgeschichte erzählt wird, Bezüge und Sinnstiftungen durch die Beteiligten hergestellt werden, die sich aus Selbstzeugnissen, EgoDokumenten oder Briefen nicht in dieser Weise immer erschließen lassen. Solche Quellen hingegen bieten sehr viel mehr Potenzial im Hinblick auf die Introspektion der Eheleute, auf Wahrnehmungen, Erfahrungen und auf interne Aushandlungs- und Abstimmungsprozesse, die möglicherweise gerade im Sinne eines konstruktiven Konfliktmanagements funktionierten (Völker-Rasor 1993; Dülmen 1990; Bastl 1999; Habermas 2000; Greyerz 2010). Dazu kommt die unterschiedliche soziale Kontextualisierung der solchermaßen betrachteten ehelichen Beziehungen. Während in den Gerichtsakten die Anzahl der Angehörigen der mittleren und unteren sozialen Schichten größer ist als die der oberen Schichten (die gleichwohl nicht gänzlich fehlen), sind Selbstzeug-
„Weil der Ehe‐Stand ein ungestümmes Meer ist…“ 161
nisse und Ego-Dokumente eher aus großbürgerlichen und adeligen Kreisen überliefert. Was sich trotz dieser spezifischen ‚Filter‘ feststellen lässt, sind drei Aspekte, die für die Bestands- und Krisenphasen frühneuzeitlicher Ehen als charakteristisch angesehen werden mögen. Die Herausforderungen, die aus der langen, gemeinsam geteilten Intimität, den notwendigen Abstimmungsprozessen in wirtschaftlichen oder erzieherischen Fragen oder aus den emotionalen und charakterlichen Eigenschaften der beiden Eheleute resultierten, sind dabei nicht unbedingt als epochenspezifische, sondern eher als anthropologische Konstanten anzusehen. Vielmehr waren es die normativen und sozialen Rahmenbedingungen, die den Umgang mit diesen Herausforderungen und die möglichen Handlungsspielräume der Eheleute in epochenspezifischer Weise prägten. Hierzu zählte erstens die ambivalente Konstellation, die sich aus den theologischen und rechtlichen Ehenormen ergab, nämlich die Ehe einerseits als ein deutlich asymmetrisches Herrschafts- und Machtverhältnis zu konstituieren (das auf der „natürlichen Schwachheit“ des Frauenbildes in der christlichen Anthropologie aufbaut), andererseits aber durch die christliche Sozialethik eine Gleichheit im Umgang miteinander einzufordern. Eine solche Ehevorstellung eröffnete eine Vielfalt von Handlungsspielräumen für die beiden Eheleute, wie sie in ihrer ganz konkreten, ganz individuellen Beziehung den Herausforderungen des Alltags begegnen konnten und wollten. Zugleich eröffnete diese Ambivalenz die Möglichkeit, Konflikte und Unstimmigkeiten vor Gericht zu bringen, da bis in das 18. Jahrhundert hinein auch moralisches Fehlverhalten justiziabel war. Zweitens stand den relativ eng formulierten Regularien über eine „ordentlich christlich friedsambe Ehe“ eine große Vielfalt an sozialen Ehepraktiken gegenüber, deren Anerkennung sich ganz wesentlich aus den kulturellen Prägungen und Erfahrungshorizonten des sozialen Umfeldes speiste. In Form der Verwandtschaft, Nachbarschaft und Freundschaft begleitete es die einzelnen ehelichen Beziehungen im Spannungsfeld von Unterstützung und Kontrolle durchaus kritisch. Selbst die Interventionen von Amtspersonen wie etwa der Pastoren, Kirchendiener, Gerichtsdiener oder Ratsherren ließen sich oft auch im Kontext dieses sozialen Netzes verorten. Das Ehemodell, das sich in der Moralliteratur etablierte, konnte also nur in sehr abstrakter Weise die sozialen Praktiken formieren. Gleichwohl bestimmte es aufgrund seiner hohen normativen Autorität das Erzählen und Sprechen über die eigene oder fremde eheliche Beziehung ganz maßgeblich – was sich insbesondere in den Gerichtsakten zeigen ließ. Schließlich war drittens für die Gestaltung der ehelichen Beziehungen im frühneuzeitlichen Alltag maßgebend, dass die Eheschließung nicht (nur) auf der Basis emotionaler Gestimmtheit geschlossen („Liebesheirat“), sondern oftmals aus ökonomischer Notwendigkeit eingegangen wurde. Die Ehe war eine knappe Ressource, um Ansehen, sozialen Aufstieg, Eigentum und Exis-
162 Inken Schmidt‐Voges
tenzsicherung zu erhalten und zu vermehren. Allein schon aufgrund dieser Konstellationen konnten sich die Interessen der einzelnen Ehepartner durchaus deutlich voneinander unterscheiden und ein hohes Konfliktpotenzial enthalten. Zieht man noch die hohe Dynamik des Heirats- und Ehemarktes durch Tod und Wiederverheiratung in Betracht, lassen sich die Herausforderungen erahnen. Dennoch ist bemerkenswert, dass die meisten dieser Gerichtsakten nicht im Zusammenhang mit einer Scheidung oder einer offiziellen Trennung entstanden sind, sondern ein Großteil der Ehepaare auch nach den gerichtlichen Auseinandersetzungen weiterhin als solche zusammenlebten und als gemeinsamer Haushalt in den Steuerlisten geführt wurden, wenngleich das nichts über die Qualität der Beziehung aussagen kann.
Westphal▀Die Auflösung ehelicher Beziehungen in der Frühen Neuzeit.
▀Siegrid
1. Eheauflösung durch Tod und Scheidung▀In seiner Schrift „Vom ehelichen Leben“ setzt sich Martin Luther nicht nur ausführlich mit der Scheidung und den Scheidungsgründen auseinander, sondern stellt bereits Überlegungen darüber an, welchen Status die geschiedenen Personen in der frühneuzeitlichen Gesellschaft haben sollen. In Anlehnung an die Bibel und vor dem Hintergrund, dass in der christlichen Mehrheitsgesellschaft keine Erfahrungswerte mit dieser Situation existierten, kommt er zu folgender Differenzierung: „Wer seine Ehe bricht, der hat sich schon selbst geschieden und ist für einen tot Menschen geachtet. Darum mag sich das andere verändern, als wäre ihm sein Gemahl gestorben“ (Luther WA, 28). Die Obrigkeit sollte dafür sorgen, dass die Ehebrecher hingerichtet werden, die Betrogenen sollten dann so agieren als seien ihre Ehepartner verstorben. Nicht zuletzt dieses Beispiel zeigt, dass in der Frühen Neuzeit der Tod eines der beiden Ehepartner den Normalfall einer Auflösung ehelicher Beziehungen darstellte. Scheidungen bzw. die Trennung von Tisch und Bett, die gerichtlich ausgetragen wurden, waren dagegen seltener und nahmen erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu, als sich ein neues Eheverständnis und ein kodifiziertes Eherecht in weiteren Teilen der Bevölkerung durchzusetzen begannen. Bis ins 19. Jahrhundert lag die Quote derjenigen Ehepaare, die eine amtliche Konfliktlösung suchten, offenbar bei unter fünf Prozent, rechnet man lokale Untersuchungsergebnisse hoch (Gestrich 2003, 536). Das heißt jedoch nicht, dass es in frühneuzeitlichen Ehen harmonischer zugegangen ist als heute. Neueste Untersuchungen, die eheliche Beziehungen als eine verhandelbare Ressource betrachten, betonen die vielfältigen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Aushandlungsprozesse, die sich innerhalb und im Umfeld von Ehen vollzogen und häufig vor Gericht ausgetragen wurden (Hardwick 2009). Damit ist vor allem die breite Palette an zivilrechtlichen Konflikten angesprochen, die von der Schuldenaufnahme bis hin zu vertragsrechtlichen Auseinandersetzungen reichen konnte. Eine andere Perspektive, die Ehekonflikte in die Streitkultur speziell im 18. Jahrhundert einordnet und neben den dominierenden ökonomischen Konflikten auch Streitigkeiten um die Ehre und das Erbe einbezieht, spricht sogar von einem „vergällten Alltag“ (Haack 2008). Betrachtet man zudem die während der Verlaufsphase auftauchenden innerehelichen emotionalen Beziehungskonflikte, dann wird deutlich, dass Krisen zum Ehealltag gehörten und das eheliche Leben prägten, aber nicht so schnell zu Scheidungen führten, wie es heute der Fall ist. Offenbar gelangten nur dann Fälle vor die Ehegerichte und damit an die Öffentlichkeit, wenn alle anderen Mediationsmöglichkeiten ausgeschöpft waren. Und selbst in solchen schweren Fällen bemühten sich die zuständigen Personen bzw. Institutionen darum, die Ehepartner zunächst wieder miteinander zu versöhnen. Das unbedingte obrigkeitliche Festhalten an der Institution Ehe, der man religions-
164 Siegrid Westphal
und konfessionsübergreifend eine zentrale Ordnungsfunktion innerhalb der Gesellschaft zuwies, führte offenbar auch dazu, dass Ehepartner lieber getrennt lebten, sogar teilweise wieder neue Beziehungen eingingen und eine mögliche Anklage wegen Bigamie in Kauf nahmen, als sich offiziell scheiden zu lassen. Vor diesem Hintergrund besitzt die Gruppe derjenigen, welche die Mühen eines aufwendigen, teuren und öffentlichen Scheidungsverfahrens nicht scheuten, besondere Aufmerksamkeit, denn hier muss der subjektiv wahrgenommene Leidensdruck im Gefolge ehelicher Krisen besonders hoch gewesen sein. Heute erscheint es selbstverständlich, dass von der Auflösung einer Ehe eher im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung gesprochen wird als beim Tod einer der beiden Beziehungspersonen, auch wenn in Deutschland immer noch mehr Ehen durch den Tod des Partners als durch Scheidung aufgelöst werden (Nave-Herz 2006, 175). Seit den 1970er Jahren ist die Instabilität von Ehen kontinuierlich angestiegen (Bodenmann 2009). Das auch im gesamteuropäischen Rahmen hohe Niveau der Scheidungsraten deutet auf einen grundsätzlichen Einstellungswandel gegenüber der Ehe hin. So verwundert es auch nicht, dass die soziologische Forschung – mithin Karl Lenz in seiner Soziologie der Zweierbeziehung – nur dann von der Auflösung einer Zweierbeziehung spricht, wenn sie durch einen Willensakt erfolgt sei, der „im wesentlichen eine Reaktion auf einen subjektiv wahrgenommenen Zustand der Beziehung“ darstellt. Der Tod – die Fälle der Tötung durch den Beziehungspartner bzw. die Beziehungspartnerin ausgenommen – wird hingegen als ein auf die Beziehung zukommender „Schicksalsschlag“ verstanden (Lenz 2009, 159). Andreas Gestrich verweist zudem darauf, dass der Tod auch eine durchaus harmonische Ehe trennen könne, eine Scheidung jedoch Ausdruck der Krise einer Ehe sei (Gestrich 2003, 535). Für Rosemarie Nave-Herz besteht der zentrale Unterschied darin, dass beim Tod eines Partners die Auflösung endgültig sei und keine Hoffnung mehr auf eine Rückkehr oder Wiederherstellung der früheren Beziehung bestehe (Nave-Herz 2006, 176). Wichtige Faktoren der Scheidung, die es in diesem Kontext zu beachten gilt, sind Fragen nach den Scheidungsursachen, den Scheidungsauslösern, scheidungserleichternden und scheidungserschwerenden Bedingungen. Zu den heute am häufigsten genannten Scheidungsursachen zählen beispielsweise störende Verhaltensweisen des Partners, enttäuschte Erwartungen und Kommunikationsschwierigkeiten, Sucht- und Geldprobleme sowie Gewalttätigkeit und Untreue, wobei ein Teil dieser Gründe – wie beispielsweise die Untreue – auch konkreter Auslöser einer Scheidung sein kann (Bodenmann 2009). Interessanterweise finden sich viele der genannten Faktoren auch in der Frühen Neuzeit, weshalb bei Scheidungsursachen und Scheidungsauslösern von einer gewissen Kontinuität ausgegangen werden kann. Scheidungserleichternde und -erschwerende Bedingungen sind dagegen stärker kulturell beeinflusst und unterliegen einem historischen Wandel. Das sieht man insbesondere daran, dass heute vor allem gesamtgesellschaftliche
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 165
Wandlungsprozesse wie der Bildungsgrad und die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen sowie liberale gesellschaftliche Normen, vorhandene Alternativen und eine höhere Individuation der Menschen für die hohen Scheidungsraten in Industriegesellschaften verantwortlich gemacht werden. Als scheidungshemmende Faktoren gelten die Existenz von Kindern sowie die Angst vor finanziellen Schwierigkeiten, während der Einfluss von Kirche, Staat oder Gesellschaft und Familie beziehungsweise Verwandtschaft so gut wie keine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine Scheidung spielt. Auch wenn die Quantität der Scheidungen sowie scheidungshemmende und befördernde Faktoren einen anderen Stellenwert besitzen, können Ergebnisse der heutigen Scheidungsforschung (Bodenmann 2009) für die Untersuchung von Scheidungen in der Frühen Neuzeit in verschiedener Hinsicht erkenntnisleitend sein. Insbesondere die Vorstellung, dass die Ehescheidung als sozialer Prozess zu begreifen ist und eine rechtliche Scheidung lediglich den Endpunkt einer längeren Auflösungsphase darstellt, kann auch ein wichtiger Ausgangspunkt für die Betrachtung frühneuzeitlicher Scheidungsprozesse sein. Vielfach stellt sich der Auflösungsprozess als ein schleichender Zerfall der Beziehung dar, der auch von den Betroffenen so wahrgenommen wird. Dabei können Krisen- und Auflösungsphase zusammenfallen, aber auch hintereinander folgen. Damals wie heute scheint ein „mehrmaliges Hin- und Herschwanken zwischen Konflikt- und Auflösungsphase“ (Lenz 2009, 162) durchaus verbreitet gewesen zu sein. Beziehungsauflösungen unterliegen zudem einer Eigendynamik und sind nicht frei von äußeren Zwängen oder Beeinflussungen, beispielsweise durch die Herkunftsfamilien, die jedoch erst in einer späten Phase des Auflösungsprozesses einsetzen. Zuvor hat einer der beiden Beziehungspartner ein starkes Gefühl der Unzufriedenheit mit dem Verhalten des Partners entwickelt, das aus bestimmten Rollenerwartungen und gesellschaftlichen Vorstellungen von einer „guten Ehe“ gespeist wird. Wenn sich diese Unzufriedenheit verdichtet und der Auflösung der Beziehung ein höherer Stellenwert beigemessen wird als der Beibehaltung, dann erst kommt es zur Konfrontation des unzufriedenen Partners mit dem anderen Partner und beziehungsinternen Aushandlungsprozessen. Wenn diese scheitern und der Weg der Trennung beschritten wird, besteht die Notwendigkeit, eine „öffentliche Geschichte“ über die Ursachen der Trennung und den Beziehungsverlauf zu entwickeln, auf welche das soziale Umfeld reagiert. Die Sanktionsmacht sozialer Gruppen kann eine Beziehung zusammenhalten oder die Auflösung verlangsamen. Dieser Aspekt ist insbesondere für die Frühe Neuzeit von großer Relevanz, da Ehen als zentrale soziale, wirtschaftliche, religiöse und politische Einheiten betrachtet wurden, die Ordnung, Sicherheit und Stabilität der Gesellschaft garantieren sollten. Nicht zuletzt deshalb waren viele soziale Gruppen – von der Verwandtschaft bis zur Nachbarschaft, vom Pfarrer bis zum Stadtrat bzw. des Landesherrn – daran interessiert, Ehen zu erhalten und als Mediatoren zu agieren. Wenn Ehen trotzdem
166 Siegrid Westphal
scheiterten, dann bedeutete dies eine Störung der Ordnung und der sozialen Netzwerke, die neu ausgerichtet werden mussten. Die Geschiedenen standen dann unter Generalverdacht und Beobachtung durch das soziale Umfeld. Die Verarbeitung der Scheidung durch die Betroffenen, aber auch die konkreten Scheidungsfolgen sind erst in den letzten Jahren stärker in den Blickpunkt der Forschung (Mächler 2002) gerückt, wobei gerade für diese Phase der Beziehungsauflösung die größten Parallelen zwischen Auflösung durch Tod und Auflösung durch Scheidung anzunehmen sind. Denn in beiden Fällen geht es darum, sich mit dem Verlust des Partners auseinanderzusetzen und den Trennungsschmerz bzw. die Trauer zu bewältigen, wobei die emotionale Bindung an den ehemaligen Partner sehr beständig sein kann, insbesondere dann, wenn Kinder vorhanden sind. Parallel zur Bewältigung der hohen emotionalen Belastung gilt es zudem, den Statuswechsel zu verarbeiten, ein Leben ohne den Partner aufzubauen und den Alltag entsprechend zu reorganisieren. Die Forschung spricht von einer Kettenreaktion von Lebensveränderungen, die in eine Krise münden können (Nave-Herz 2006, 176). Ökonomische Probleme, Besitzteilungen bzw. Erbschaften, der veränderte Status und die Neuausrichtung der sozialen Netzwerke nach Auflösung einer Ehe durch Tod oder Scheidung wirken in hohem Grade belastend. Während die heutige Scheidungsforschung vor allem die Auswirkungen der Eheauflösung auf die Kinder in den Mittelpunkt rückt, betont die Frühneuzeitforschung die Auflösung der Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft, wurden Ehen doch vorwiegend aus sozioökonomischen Gründen geschlossen und als gemeinsame Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft verstanden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass geschiedene oder verlassene Personen sich selbst als verwitwet ansahen und insbesondere bei vermögensrechtlichen Fragen und der Versorgung entsprechend behandelt werden wollten. Auch die Forschung spricht von „Quasiwitwen“ (Spieß 2003, 107) und hat dabei vor allem Frauen des Hohen Adels im Blick, die von ihren Männern aus verschiedenen Gründen getrennt lebten (Kühn 2009; Geyken 2010). Auch für geschiedene Frauen von Handwerksmeistern gibt es ähnliche Befunde (Werkstetter 2001). Im jüdischen Kontext werden Auflösungen durch Tod und durch Scheidung ebenfalls als gleichberechtigte Varianten der Auflösung einer ehelichen Beziehung behandelt. Da die Möglichkeit der Scheidung zwar bekannt war, aber in der sozialen Praxis möglichst verhindert werden sollte, mangelte es offenbar an Erfahrungen im Umgang mit geschiedenen Personen und ihren Rechten. Entsprechende normative Regelungen waren noch nicht vorhanden und wurden erst im Falle eines Konflikts am jeweiligen Einzelfall entwickelt. So ist es nicht zuletzt aufgrund dieser zeitgenössischen Wahrnehmung unerlässlich, für die Frühe Neuzeit die Eheauflösung durch Tod neben der Eheauflösung durch Scheidung zu behandeln.
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 167
2. Forschung▀ 2.1 Witwenschaft in der Frühen Neuzeit▀Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass im Vergleich zur heutigen Forschungssituation das Thema Witwenschaft in der Frühen Neuzeit deutlich intensiver bearbeitet worden ist als das Thema Scheidung. Mittlerweile liegt eine Reihe von Forschungsüberblicken vor, die einen Einblick in die Vielfalt der Forschungsbereiche gibt (Blom 1991; Schattkowsky 2003; Forster/Lanzinger 2003; Ingendahl 2006). Schon seit den 1980er Jahren hat sich die internationale sozialgeschichtlich ausgerichtete Forschung mit spezifischen Themenfeldern befasst, die bis heute die Witwenforschung prägen. Dazu zählen folgende Bereiche: 1. Historisch-demographische und kulturanthropologische Untersuchungen, die sich dem Thema Wiederheirat und Mortalität widmen und sich auf entsprechende Faktoren wie Alter, Anzahl der Kinder, verfügbare Partner/innen und geschlechtsspezifische Unterschiede fokussieren; 2. Sozial-, alltags- und rechtsgeschichtliche Untersuchungen, die sich mit dem Familien- und Erbrecht beschäftigen; 3. Literaturgeschichtliche Arbeiten mit Blick auf die theologischen und philosophischen Vorstellungen von Witwenschaft, wobei es sowohl um Stereotypen als auch um religiöskonfessionell geprägte Leitbilder einer guten, in Abgrenzung zur bösen Witwe geht; 4. Geschlechtergeschichtliche Studien, die eine mikrohistorische Perspektive einnehmen und die emanzipatorischen Aspekte der historischen Witwenschaft betonen, indem sie die in Mittelalter und Früher Neuzeit vorhandenen rechtlichen Freiräume hervorheben. In diesem Kontext wurden neben den Bürgers- und Pfarrfrauen insbesondere die Handwerker- und Kaufmannswitwen und ihr selbstständiges Agieren in Folge des Witwenrechts (Werkstetter 2001; Lanza 2007) untersucht. Auch unternehmerische Witwen fanden größeres Interesse, ging es doch hier um ihre Möglichkeiten, sich nach dem Tod des Partners eine eigenständige Existenz aufbauen zu können. Witwen aus bäuerlichen Kreisen und dem Niederen Adel (Sommerfeld 2006) sind dagegen nur in Ansätzen in den Blick genommen worden, während Witwen des Hohen Adels in ihrer Funktion als vormundschaftliche Regentin oder Inhaberin eines Wittums größere Aufmerksamkeit erfahren haben. Unabhängig vom jeweiligen Stand fehlen jedoch immer noch Arbeiten, die sich intensiver mit den Witwern und ihren Problemen beschäftigen, die ganz anders gelagert waren als bei den Witwen. Ein weiteres Forschungsdefizit betrifft die emotionalen Gefühlslagen und Krisenerfahrungen von Witwen und Witwern, auch wenn diese schwer über die Quellen zu erfassen sind. Lediglich hinsichtlich des Hohen Adels wurde die Vermutung geäußert, dass der Übergang in den Witwenstatus möglicherweise emotional als weniger belastend empfunden wurde als wir heute vermuten, denn die ehelichen Bindungen waren nicht so eng und die Ehepaare hielten sich in weitgehend getrennten Lebensbereichen auf (Spieß 2003, 111). Ähnliche Überlegungen existieren für jüdische Ehen, bei denen die Männer häufig aus geschäftlichen Gründen auf Reisen waren (Liberles 2003, 34 f.). Dabei scheinen sie wenig Verständnis für die Belastungen
168 Siegrid Westphal
der zurückbleibenden Familien bewiesen zu haben (Hödl/Keil 1999). Möglicherweise gestaltete sich deshalb das jüdische Familienleben weniger intensiv als dies autobiographische Schriften des 18. Jahrhunderts suggerieren. Die häufigen Reisen der Männer führten jedoch letztlich auch dazu, dass jüdische Frauen gezwungen waren, die heimischen Geschäfte (Kredit- und Wechselgeschäfte, Währungsumtausch, Pfandleihgeschäfte, Handel) während ihrer Abwesenheit alleinverantwortlich weiterzuführen. Nicht zuletzt deshalb verfügten die Frauen über große wirtschaftliche Selbstständigkeit und ökonomisches Geschick, was ihnen die Übernahme der Geschäfte nach dem Tod des Ehemannes ermöglichte. Dies konnte sich bis auf die Tätigkeit als Hofjude erstrecken (Liberles 2003, 58). Die Frage der Witwenversorgung stellte mithin ein Kernproblem der Frühen Neuzeit dar, zumal es noch keine institutionalisierten bzw. staatlich-obrigkeitlichen Versorgungssysteme gab. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Witwen, solange es ihnen möglich war, einer Erwerbstätigkeit nachgingen und erst bei Arbeitsunfähigkeit um die Hilfe der Obrigkeit bzw. um ein kirchliches Almosen nachsuchten (Ingendahl 2006). Für Ravensburg wurde festgestellt, dass rund ein Drittel der Witwen ein Almosen empfing, weil sie nicht in der Lage waren, sich selbst zu versorgen. Zahlreiche Beispiele dafür, auf welche Art und Weise sich Witwen ihren Lebensunterhalt verdienen konnten, sind für die Reichsstadt Nürnberg bekannt (Kruse 2007, 309–361). Die Tätigkeiten reichten hier von Hilfsdiensten im Bereich Handel und Gewerbe bis hin zu Pflegeleistungen im medizinischen Sektor. Es konnte insbesondere gezeigt werden, dass es für Witwen spezielle Berufsfelder gab, die ihnen eine eigenständige Existenz ermöglichten. Dazu zählten beispielsweise Berufe wie die Zubringerin, die weibliche Dienstboten vermittelte, oder die Stuhlwärterin in der Kirche. Für Witwen von Handwerkern bestand auch in Nürnberg und Ravensburg die Möglichkeit, die Werkstatt weiterzuführen, wobei dies in Ravensburg an die Existenz eines Gesellen gekoppelt war, der für die Qualität der Produkte bürgen sollte. Während das Witwenrecht im Handwerksbereich auch im 18. Jahrhundert noch galt, zeichnete sich bei anderen Berufsständen, insbesondere den Beamten und Pfarrern, ein neues bürgerlich geprägtes Verständnis des Ehemannes als „Alleinernährer“ ab, womit die Stellvertreterfunktion der Witwe nicht mehr vereinbar schien. Außerdem erachtete man es für das Ansehen des Pfarrstandes als nachteilig, wenn sich Pfarrwitwen ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen sollten. Nicht zuletzt deshalb wurden von obrigkeitlicher Seite im 18. Jahrhundert Pensionskassen errichtet, die zunächst nur den Pfarrwitwen eine Grundversorgung sichern sollten (Wunder 1985). Diese Pfarrwitwenkassen scheinen dann das Vorbild für allgemeine Pensionskassen für Witwen gewesen zu sein, die ab Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden, aber zunächst an finanztechnischen Mängeln scheiterten. Die Witwen- bzw. Witwerschaft war häufig nur ein vorübergehender Status. So gehörten Wiederverheiratungen aufgrund der existenziellen Notwendig-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 169
keit einer Paarbeziehung – sei es, dass kleine Kinder versorgt oder der Lebensunterhalt gesichert werden musste – zum individuellen Erfahrungshorizont der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Auch im Adel waren Mehrfachehen keine Seltenheit, wobei hier die Sicherung der Dynastie im Vordergrund stand. Die Forschung hat in diesem Kontext einen interessanten geschlechtsspezifischen Unterschied herausgearbeitet. Während beispielsweise im 17. Jahrhundert 80 Prozent der verwitweten Männer nach einem Jahr bereits wieder verheiratet waren, traf dies nur auf 40 Prozent der Witwen zu (Hufton 1995, 219). Die Entscheidung zur Wiederverheiratung unterlag dabei einem komplexen Entscheidungsfindungsprozess, der sich aus der Kombination von Möglichkeiten, der Notwendigkeit sowie spezifischen Präferenzen speiste, und sich nicht nur auf demographische Faktoren zurückführen lässt (Todd 1994). Häufig spielten die Vermögensverhältnisse eine wichtige Rolle (Wunder 1992). Während Witwen mit geringem Vermögen mit ledigen Frauen konkurrierten und kaum Aussicht auf eine Wiederheirat hatten, waren die Chancen für vermögende Witwen größer, jedoch auch die wirtschaftliche Notwendigkeit nicht mehr so hoch. Eine Ausnahme bildete im städtischen Bereich die Heirat von Witwen mit häufig jüngeren Gesellen, weil sie nur auf diese Weise die Sicherung und den Fortbestand des ehemals gemeinsam mit dem nun verstorbenen Ehemann geführten Handwerksbetriebs erreichen konnten. Für Gesellen war dies dagegen vielfach die einzige Möglichkeit, zu einem eigenen Betrieb zu gelangen und sozial aufzusteigen, weshalb das Heiraten einer älteren Handwerkerwitwe gesellschaftlich akzeptiert und normativ sogar in den Zunftordnungen geregelt war. Die Gruppe der Witwen und Witwer war in quantitativer Hinsicht durchaus keine Randgruppe, allerdings betonen neuere Untersuchungen, dass gerade Witwen als Störfaktor der Gesellschaft (Lanza 2007, 5) wahrgenommen wurden. Andere Studien bezeichnen Witwen als „deutlich definierte Grenzgängerinnen zwischen der sozialen und der Geschlechterrolle“ (Ingendahl 2004, 183) oder als „liminars“ (Buitelaar 1995, 16). In einer patriarchal strukturierten Kultur, in welcher die Ehe als zentrale Ordnungsinstitution angesehen wurde, repräsentierten Witwen Instabilität und Schwäche, symbolisiert beispielsweise durch die Metapher der „armen frommen Witwe“. Im Kontext eines christlich-religiösen Verhaltenskodex, der durch zahlreiche Schriften wie Witwentrostbücher (Kruse 2007) oder Leichenpredigten (Arnold 2003) vermittelt wurde, wurde von ihnen erwartet, dass sie ein zurückgezogenes, gottesfürchtiges Leben führten (Kruse 2007), dem verstorbenen Mann die Treue hielten und auf eine Wiederheirat verzichteten. Zumindest sollten sie ein Jahr warten, damit unter anderem die Vaterschaft eines Kindes aus einer neuen Verbindung zweifelsfrei belegbar war (Cavallo/Warner 1999). Die katholische Kirche sah dabei eine Wiederheirat sehr viel weniger gern als die protestantische (Hufton 1998; Freist 1999). In den jüdischen Bevölkerungsteilen war eine Wiederheirat ebenfalls verbreitet,
170 Siegrid Westphal
jedoch auch hier bei den Witwern häufiger als bei den Witwen (Liberles 2003, 58). Gleichzeitig agierten Witwen wie Männer, sei es innerhalb der Familie als Oberhaupt, sei es als Repräsentantin der Familie im Gemeinwesen und gegenüber der Obrigkeit, sei es bei der Verwaltung des Vermögens oder der Fortführung des Betriebs (Beauvalet-Boutouyrie 2001), auch wenn sie dies nur in einer Stellvertreterfunktion taten (Ingendahl 2006). Gleichzeitig wurden in einer Vielzahl von religiösen und moralisch-didaktischen sowie literarischen Werken Vorstellungen von der promiskuitiven, gefährlichen und zügellosen Witwe als Schreckgespenst entworfen, worin sich nicht zuletzt die Angst vor „unkontrollierten“ Frauen spiegelt. Das Witwenbild der Frühen Neuzeit (Jussen 2000; Ingendahl 2003) war also ein sehr ambivalentes, zumal sich der Witwenstatus auch im Erscheinungsbild niederschlagen sollte. Das Ablegen der bisherigen Alltagskleidung und das Tragen einer spezifischen Witwentracht (Abb. 9) stellten nicht nur eine ritualisierte Form des Übergangs vom Status einer verheirateten Frau zu einer Witwe dar, sondern sollten auch dem Umfeld eine Neujustierung der sozialen Netzwerke ermöglichen (Dura 2006). Ein mit der Versorgung zusammenhängendes Problem stellt die Besitz- und Vermögensweitergabe nach dem Tod eines der Partner dar, womit auch die Frage der Haftung für Schulden des verstorbenen Ehemannes verbunden war. Gerade dieser Bereich hat in jüngster Zeit größeres Interesse der Forschung gefunden, wobei neben dem Erbrecht vor allem die kulturhistorische Dimension des Schenkens und Erbens betont wurde (Medick/Sabean 1984; Sabean 1990). In der Frühen Neuzeit bestand kein einheitliches und systematisches Erbrecht. Vielmehr unterschieden sich die Regelungen nicht nur von Rechtsraum zu Rechtsraum, sondern auch innerhalb eines Rechtsraums konnten mehrere Rechtsquellen nebeneinander existieren. Da ein gegenseitiges Erbrecht der Gatten nicht gesetzlich verankert war, musste die Versorgung der Hinterbliebenen und die Vermögensverteilung rechtzeitig geregelt werden. Entscheidende Weichenstellungen wurden dabei bereits in den Heiratsverträgen vorgenommen (Lanzinger 2010a), die jedoch durch ein Testament noch abgeändert werden konnten. Je nach Ehegüterrechtssystem – Gütergemeinschaft, Zugewinn- bzw. Errungenschaftsgemeinschaft oder Gütertrennung – wurde ein Teil des Vermögens für die Versorgung der Witwe oder des Witwers eingesetzt, wobei die Gütergemeinschaft die günstigsten Absicherungsmöglichkeiten bot. Heiratsgut bzw. Mitgift, Aussteuer, Morgengabe und Widerlage besaßen in diesem Zusammenhang die größte Bedeutung, sollte doch die vom Mann für den Witwenstand zu leistende Vermögenszuwendung (Widerlage) dem von der Frau eingebrachten Heiratsgut entsprechen. Daneben bestand die Möglichkeit, in den Heiratsverträgen ein Vorbehaltsgut festzulegen, worunter das Einbehalten von Vermögen zur individuellen Nutzung verstanden wird.
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 171
Abb. 9: François Clouet, Brustbild einer vornehmen Dame in Witwentracht, um 1550.
Dadurch war es auch Frauen in einer Gütergemeinschaft möglich, über eigenes Vermögen frei zu verfügen und für die Zeit der Witwenschaft vorzusorgen. Das sächsische Recht sah zudem mit der Gerade ein besonderes Erbrecht in der weiblichen Linie vor. Geradestücke (Hausrat, persönliche Gegenstände) galten – wie bereits gesehen – als Eigentum von Frauen und wurden nach ihrem Tod an die nächste weibliche Verwandte weitergegeben (Gottschalk 2003). Nach jüdischem Recht waren Frauen grundsätzlich nicht erbberechtigt, allerdings existierten verschiedene Möglichkeiten der Umgehung, die ebenfalls im Kontext von Heiraten praktiziert wurden.Entscheidend war in jedem Rechtsraum, welches Gewicht dem überlebenden Ehepartner und den Kindern oder aber der Herkunftsfamilie und nahen Verwandten beigemessen wurde. Nicht zuletzt die Testierfreiheit und die vielfältigen Möglichkeiten, den Vermögenstransfer – trotz gewisser Rahmenregelungen und Absicherungsmechanismen – individuell zu regeln, haben in der sozialen Praxis eine
172 Siegrid Westphal
Fülle an Konflikten und gerichtlich ausgetragenen Erbstreitigkeiten hervorgerufen. Die Forschung spricht in diesem Zusammenhang von einer großen Kluft zwischen normativen Regelungen und der praktischen Umsetzung, die auf eine Reihe von Faktoren zurückgeführt werden kann. Gerade für hinterbliebene Ehefrauen stellte die prekäre ökonomische Lage ein Schlüsselproblem dar, die durch Forderungen von Gläubigern des verstorbenen Ehemannes noch verschärft werden konnte. Sehr häufig waren es deshalb sie, die vor Gericht um ihre existenzielle Grundlage kämpften. Während viele Aspekte des Witwendaseins bereits erforscht worden sind, fehlt es an Untersuchungen dieser zivilrechtlichen Prozesse, die ein Licht auf die Kettenreaktion von Lebensveränderungen infolge der Eheauflösung durch Tod werfen könnten. Welche Aspekte bisher erforscht wurden und welche nicht, hängt vom jeweiligen Erkenntnisinteresse der Forschungen ab. Im Wesentlichen dominieren Untersuchungen, die einen spezifischen Stand der Frühen Neuzeit in den Blick nehmen, da es doch erhebliche Unterschiede zwischen den Ständen in Bezug auf den Witwenstatus gab. 2.2 Scheidungen in der Frühen Neuzeit▀ 2.2.1 Scheidungsursachen und Scheidungsauslöser▀Seit der Reformationszeit und der neuen reformatorischen Ehelehre entwickelten sich Scheidungen zu einem legitimen Weg, im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation Ehen aufzulösen. Dies führte zu schweren Belastungen, nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Gesellschaft. Denn Scheidungen stellten die gesamte göttlich gestiftete Ordnung in Frage. Die internationale Sozialgeschichte hat sich intensiv mit diesen Entwicklungen auseinandergesetzt. Zu nennen wären hier beispielsweise alle Arbeiten und Sammelbände, die aus dem großen Forschungsprojekt von Silvana Seidel Menchi (Trient) über Eheprozesse an bischöflichen Gerichten in Italien hervorgegangen sind. Auch für die reformierte Schweiz existieren bereits entsprechende Arbeiten mit einem Schwerpunkt im 16. Jahrhundert (Burghartz 1999). Gerade in den Ländern, in denen eine Scheidung nicht oder nur unter äußerst schweren Bedingungen möglich war, ist das Thema Trennung bzw. Scheidung gut erforscht. Eine große Bedeutung besitzen die Untersuchungen von Roderick Philipps über das Frankreich der Revolutionszeit und insbesondere Rouen, deren Ergebnisse in mehreren wichtigen Arbeiten verwertet wurden. Für England sind die Arbeiten des „Pioniers“ Lawrence Stone (Stone 1990; 1993; 1995) zu nennen, der die Veränderungen im Bereich von Ehe und Familie – ausgehend von der These einer great transformation – auf den gesamtgesellschaftlichen Wandel hin zu einer kapitalistischen Gesellschaft zurückführt. Auch noch in jüngster Zeit hält in England das Interesse am Thema Scheidung ungebrochen an. So hat Joanne Bailey Ehen und gescheiterte Ehen im langen 18. Jahrhundert untersucht (Bailey 2003). Die Faszination, die das Thema Scheidung für die englische Forschung besitzt, resultiert vor allem daraus, dass im frühneuzeitlichen England bei gescheiterten Ehen nur eine
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 173
Trennung von Tisch und Bett, aber keine Scheidung mit der Möglichkeit zur Wiederverheiratung erlaubt war. Obwohl das Heilige Römische Reich deutscher Nation nicht nur unterschiedliche Religionen, sondern seit der Reformationszeit auch zwei unterschiedliche Konfessionskulturen und damit auch vielfältige und konkurrierende Ehegesetzgebungen aufwies, existieren nur wenige Arbeiten, die sich explizit dem Thema Scheidung widmen. Neben der bloßen Darstellung vor allem der Scheidungspraxis in der Reformationszeit dominiert dabei allgemein die Frage nach den Ursachen von Scheidungen, während die Folgen – wenn überhaupt – nur marginal abgehandelt werden. Die bisherigen Forschungen kommen zusammengefasst zu folgenden Ergebnissen: In den aus sozioökonomischen Gründen geschlossenen Ehen der Frühen Neuzeit traten eine Reihe von Konflikten auf und gerichtliche wie außergerichtliche Trennungsbemühungen gehörten deshalb zum Alltag, wie auch das Kapitel über die Bestands- und Krisenphase der Ehe gezeigt hat. Die Ehescheidung als Konfliktlösungsmöglichkeit war vertraut und wurde von der weltlichen Obrigkeit nach den üblichen Versöhnungsbemühungen durchaus gewährt (Möhle 1997, 85). Auch die Ursachen überraschen wenig: Betont wird grundsätzlich, dass die Hauptkonfliktpunkte aus den ökonomischen Schwierigkeiten und dem Kampf um die in der sozialen Praxis unklaren Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern resultierten. Konfliktauslösende Faktoren und Scheidungsursachen waren in der Regel deckungsgleich. Gewalt und Misshandlungen in allen Formen sowie der Vorwurf des schlechten Haushaltens häufig verbunden mit Trunksucht sowie der klassische Ehebruch oder anderes sexuelles Fehlverhalten finden sich über alle Stände und Religionen wie Konfessionen hinweg nicht nur als Ehekrisen, sondern auch als Scheidungsbegehren auslösende Faktoren (Beck 1992; Haack 2008). Eine Rolle spielten zudem unerfüllte gesellschaftliche und individuelle Erwartungen, die mit dem Eheleben und dem spezifischen Partner verbunden worden waren. Damit ist nicht die Liebe im heutigen Sinne gemeint, sondern frühneuzeitliche Werthaltungen wie Achtung, Respekt oder Freundlichkeit (Beck 1992, 190). Insofern kommt den Vorstellungen davon, wie eine gute Ehe und das Verhalten des Ehepartners auszusehen hat, auch hier ein hoher Stellenwert zu. In engem Zusammenhang mit ehelichen Krisen ist ferner der Vorwurf der „böslichen Verlassung“ (Desertion oder auch Quasidesertion) zu sehen, der einerseits von den Ehepaaren als Weg gesehen wurde, Krisen durch eigenständig vorgenommene Trennungen zu entschärfen. Andererseits galt die unerlaubte Desertion aber auch als obrigkeitlich anerkannter Scheidungsgrund über die Konfessionen und Religionen hinweg. Gerade bei den ärmeren Schichten wie den Tagelöhnern, christlichen und insbesondere jüdischen Kaufleuten und Händlern war es zudem üblich, dass sich Ehemänner längere Zeit von ihren Familien entfernten, weil sie an einem anderen Ort auf eine Arbeit oder die Möglichkeit zum Handel und auf Geschäfte hofften. Diese Abwesenheiten konnten sich über Monate und sogar Jahre hinziehen. Erst
174 Siegrid Westphal
wenn eheliche Konflikte in Verbund mit einer über das übliche Maß hinausgehenden Abwesenheit des Ehepartners der Obrigkeit auffielen und/oder für die zurückbleibende Familie zu einer größeren Belastungsprobe wurden, dann scheint die Obrigkeit bzw. der zurückgelassene Partner aktiv geworden zu sein. Für katholische Ehepaare, die allenfalls eine Auflösung der Ehe oder Trennung von Tisch und Bett ohne die Möglichkeit zur Wiederheirat erreichen konnten, ist darüber hinaus überliefert, dass davongelaufene Ehepartner am neuen Lebensmittelpunkt oft eine weitere Beziehung eingingen, die laut Kirchenrecht jedoch als Bigamie strafrechtlich verfolgt werden konnte (Siebenhüner 2006). Ähnliche Verhaltensweisen sind auch für England und den Einflussbereich der anglikanischen Kirche bekannt (Bailey 2003). Insofern ist es bei der Betrachtung von Fällen „böslicher Verlassung“ wichtig, wer aus welchem Grund klagte bzw. verklagt wurde. Entscheidend für das Einschalten der Obrigkeit war letztlich, inwiefern die krisenhaften Erscheinungen über ein bestimmtes zeitlich und gesellschaftlich akzeptiertes Maß hinausgingen und von den Betroffenen nicht mehr toleriert wurden. In der Regel waren es schon in der Frühen Neuzeit überwiegend die Frauen, die das aus ihrer Sicht unerfreuliche Eheleben beenden wollten. Die jüngsten Arbeiten zum Thema Scheidung legen einen kulturhistorisch ausgerichteten Schwerpunkt auf die Innenwelt der Beziehung sowie die Betrachtung von handlungsleitenden Werten und kulturellen Orientierungen in ehelichen Krisensituationen (Lutz 2005; 2006). Dabei stehen am Beispiel der im westlichen Holstein gelegenen protestantischen Propstei Münsterdorf (1650–1770) vor allem die unteren Schichten der Bevölkerung im Zentrum. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf den krisenhaften Erscheinungen einer frühneuzeitlichen Ehe, während die Scheidungen und ihre Folgen nicht im Mittelpunkt stehen. Insgesamt handelt es sich um 421 Fälle, bei denen in 107 Fällen die Scheidung ausgesprochen und bei 14 Fällen die Ehe annulliert wurde. In 34 Fällen kam es zu einer Trennung von Tisch und Bett und in 28 Fällen gelang die Versöhnung des Paares (Lutz 2006, 128). Als Scheidungsgründe wurden nur der nachgewiesene Ehebruch und die „bösliche Verlassung“ anerkannt, Annullierungen wurden bei nachgewiesener Impotenz und vorehelichen Schwängerungen der Ehefrau durch einen anderen Partner als den Ehemann ausgesprochen. Lutz hebt im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen von Rublack (Rublack 1998) hervor, dass keineswegs nur wohlhabende Ehepaare vor Gericht gingen, die es sich finanziell leisten konnten zu klagen. Ehepaare der Unterschicht zogen bei einer ‚schlechten Ehe‘ schneller die Konsequenzen und trennten sich eigenmächtig, was die Obrigkeit als „bösliche Verlassung“ interpretierte. Paare der Mittel- und Oberschicht sollen zögerlicher reagiert haben, weil es bei ihnen immer auch um die Verteilung von Besitz und Vermögen ging. Im Unterschied zu vielen anderen Studien betont Lutz deshalb, dass nicht ökonomische Motive Ursache von Konflikten und Trennungsbegehren waren, sondern vielmehr die emotionalen Beweggründe überwogen, die je-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 175
doch eng mit den Fragen um den Besitz verwoben waren. So kann sie im Unterschied zu den anderen Untersuchungen zeigen, dass innereheliche Konflikte insbesondere über den Bereich der Sexualität ausgetragen wurden. Einen weiteren Akzent setzt Sylvia Möhle mit ihrer Untersuchung von Scheidungen im Handwerksbereich aus dem im Kurfürstentum Hannover gelegenen Göttingen für den Zeitraum von 1740 bis 1840 (Möhle 1997). Zwar betont auch sie die ökonomischen Verhältnisse und die Gefahr drohender Verarmung, die insbesondere bei Handwerksfamilien zu einem Wandel der Arbeitsrollen und damit verbundenen Ehekrisen geführt haben. Aber die in Göttingen praktizierte strenge Auslegung des protestantischen Scheidungsrechts stützte die eheherrliche Macht der Männer. Die weltliche und kirchliche Obrigkeit habe kein Bündnis mit der klagenden Ehefrau geschlossen, um den Ehemann zu disziplinieren, sondern habe weiterhin auf die hausväterliche Herrschaft als zentrales Ordnungselement gebaut. Mit der Untersuchung von Scheidungsfällen im Adel rückt ein Stand ins Blickfeld, der bei den bisherigen Analysen von Ehekonflikten nur am Rande eine Rolle gespielt hat. Dies hängt vor allem mit dessen spezifischer Rechtssituation und den Besonderheiten des adeligen Familienrechts zusammen. Scheidungen bzw. die Trennung von Tisch und Bett innerhalb des Adels konnten erhebliche Konsequenzen haben, da für diesen Stand die Ehe zentrale strategische Bedeutung besaß. Wie eine Reihe von Arbeiten zeigt, konnten sich die aus der prinzipiellen Nachordnung persönlicher Interessen ergebenden emotionalen Spannungen zu einer „Ehehölle“ entwickeln, aus der es – zumindest für den Mann – in Grenzen tolerierte Auswege gab. Während von den Frauen eine keusche und tugendhafte Lebensweise erwartet wurde, wurde der Ehebruch des Mannes stillschweigend geduldet und durch das Mätressenwesen quasi institutionalisiert. Mit den in den vorherigen Beiträgen näher in den Blick genommenen unstandesgemäßen Beziehungen, der Ehe zur linken Hand oder Mehrfachehen, liegen weitere Formen von Geschlechterbeziehungen des Adels vor, die jedoch für die Dynastien eher Belastungen darstellten und in der Regel zu schweren Auseinandersetzungen führten. Für adelige Frauen gab es dagegen so gut wie keine tolerierte Alternative einer zerrütteten Ehe zu entfliehen. Weiblicher Ehebruch stellte die legitime Kontinuität der Dynastie in Frage und wurde deshalb schwerer geahndet als der Ehebruch des Mannes. Was blieb, war für den katholischen Adel eine Trennung von Tisch und Bett bzw. für den protestantischen Adel eine Scheidung. Aber selbst wenn das Verhalten des Ehemannes eine schwere Demütigung darstellte und dem Ansehen der Frau und der Dynastie schadete, scheuten – laut neuesten Erkenntnissen – Frauen vor diesem Schritt zurück, weil sie um ihre Witwenversorgung, ihr Ansehen und ihre gesellschaftliche Existenz fürchteten. Schuldhaft geschiedene adelige Frauen verloren sogar „alle Ansprüche auf einen weiteren standesgemäßen Unterhalt, auf alle in die Ehe eingebrachten Güter (Mitgift, Aussteuer) sowie auf die von der Mannesseite anlässlich der Eheschlie-
176 Siegrid Westphal
ßung gegebenen Widerlage und Morgengabe.“ (Marra 2007, 128 f.) Deshalb scheint es gar nicht so selten gewesen zu sein, dass Männer des Adels versuchten, ihren Frauen auf vielerlei Wegen die Schuld am Scheitern der Ehe anzulasten, um deren Versorgungsansprüche zu unterlaufen. Weil mit den Scheidungen von Adeligen nicht nur die Belange von zwei Familien bzw. Dynastien betroffen waren, sondern damit auch politische Konsequenzen verbunden sein konnten, sind gerade für den Adel längere Vermittlungsphasen und intensive Versöhnungsversuche durch verschiedene Parteien und Institutionen charakteristisch. Prinzipiell funktionierte das Scheidungsverfahren aber ähnlich wie bei nichtadeligen Ehepartnern. Auch hier ging es in erster Linie darum, die Ehe zu erhalten und die Situation zunächst durch eine Trennung von Tisch und Bett zu entspannen, wobei in der Regel die Frau auf einem Nebengut oder einem städtischen Adelssitz der Familie untergebracht wurde und auf Kosten des Mannes einen eigenen Haushalt führen konnte. Falls sich die Ehe nicht mehr retten ließ, bildete bei protestantischen Adeligen schließlich die Ehescheidung den letzten Akt eines längeren Auflösungsprozesses. Es galten die protestantischen Ehescheidungsgründe, die ebenfalls erwiesen sein mussten. Austräge, Konsistorien und gegebenenfalls Gutachten von juristischen und theologischen Fakultäten bildeten den rechtlichen Rahmen. Mit Ausnahme des jüdischen Eherechts waren Ehegesetzgebung und Eherechtsprechung also eine territoriale oder dynastische Angelegenheit, Ehekonflikte wurden vor territorialen Gerichten oder gütlichen Austrägen des Adels verhandelt und waren durch die beiden Konfessionskulturen unterschiedlich ausgeprägt. Dennoch hat sich die Forschung in jüngster Zeit den beiden höchsten Gerichten des Alten Reichs zugewendet. Auch Scheidungen gelangten auf verschiedenen Wegen an die höchsten Gerichte, wobei es sich zum Teil um Appellationsverfahren oder zivilrechtliche Streitigkeiten in Folge von Scheidungen handelte (Westphal 2008). Vertreter der Reichsritterschaft, des Niederen oder Hohen Adels wandten sich bei massivem Ehestreit und Scheidungsbegehren häufiger auch direkt an die höchsten Gerichte. Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang die sogenannte Selbstscheidung bei protestantischen Reichsständen dar (Westphal 2009). Ein protestantischer Landesherr war gleichzeitig oberster Kirchenherr in seinem Territorium und wäre demnach bei einem Scheidungswunsch zum Richter in eigener Sache geworden, was laut den Grundgesetzen der Reichsverfassung aber nicht zulässig war. Trotzdem versuchten einige protestantische Reichsstände diese Lücke des protestantischen Eherechts zu ihren eigenen Gunsten zu nutzen, was jedoch Kaiser und die höchste Gerichtsbarkeit des Alten Reiches zu Gegenmaßnahmen provozierte. Es handelt sich hierbei zwar nur um einige wenige Fälle. Allerdings besaßen diese eine hohe gesellschaftliche Sprengkraft. Selbstscheidungen gingen – entgegen der allgemeinen Scheidungspraxis – in der Regel vom Ehemann aus, der sich das nicht eindeutige protestantische Scheidungsrecht zunutze mach-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 177
te. Ziel einer Selbstscheidung war in der Regel, sich erneut verheiraten zu können, sei es aus politischen, dynastischen oder persönlichen Gründen. Es lag in der Logik des protestantischen Scheidungsrechts, dass die Ehefrauen dabei als die Schuldigen dargestellt werden mussten, damit einer Wiederheirat des Mannes nichts im Wege stand. Reichshofrat und Reichskammergericht wurden deshalb vor allem von den betroffenen Frauen im Sinne einer Appellationsinstanz angerufen, die das Scheidungsverfahren überprüfen sollte. Dabei ging es nicht so sehr darum, die Scheidung rückgängig zu machen, sondern die Rechte der Frauen wiederherzustellen, ihren Unterhalt zu sichern und auch ihre Ehre zu retten. Zu Scheidungsfällen innerhalb der jüdischen Bevölkerung des Alten Reiches existieren im Prinzip keine größeren Arbeiten, weil es sich bei Scheidungen aufgrund der jüdischen Rechtsautonomie um eine innerjüdische Angelegenheit handelte, die zudem nicht gerichtlich ausgetragen, sondern als Sache der beiden Ehepartner betrachtet wurde. Einblicke gewährt jedoch der Aufsatz von Lois C. Dubin (Dubin 2007), der das Scheidungsbegehren einer jüdischen Frau aus dem habsburgischen Triest Ende des 18. Jahrhunderts in den Blick nimmt, als die habsburgische Obrigkeit, konkret Joseph II., mit dem Ehepatent (1783) und dem ersten Teil des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (1787) auf die Einführung der Zivilehe drängte und damit die jüdische Rechtsautonomie in Frage stellte. Offenbar versuchte die aus einer bedeutenden Familie stammende Rachele Luzzatto die für Jüdinnen günstigeren Bestimmungen der zivilrechtlichen Scheidung für sich in Anspruch zu nehmen, um sich aus einer schwierigen Ehe zu lösen. Sie wandte sich neben dem Rabbiner an das Triester Gericht und warf ihrem Mann klassische Ehescheidungsgründe vor, nämlich dass er die Familie ökonomisch ruiniert, sie verlassen und entehrt habe und er aufgrund seiner Geschlechtskrankheit eine Gefahr für ihr Leben darstelle. Dass sich Jüdinnen und Juden in bestimmten innerjüdischen Angelegenheiten auch an nichtjüdische Gerichte wandten, um entweder jüdische Gerichte zu umgehen oder unter Druck zu setzen, ist insbesondere für Erbschafts- und Mitgiftstreitigkeiten belegt. Außer dem Triester Scheidungsfall nennt Dubin noch ein fast zeitgleiches Trennungsverfahren von Lady D’Aguilar vor Englands Konsistorialgericht (Dubin 2007, 84). Ansonsten sind gegenwärtig keine ähnlichen Fälle bekannt. Mit dem Blick auf diesen spezifischen Triester Fall gilt daher, dass hier im Prinzip zum ersten Mal eine nichtjüdische Obrigkeit auf der Basis des Zivilrechts mit einem innerjüdischen Ehekonflikt und Scheidungsbegehren von Seiten der Ehefrau befasst wurde, was nach jüdischem Scheidungsrecht nicht möglich gewesen wäre. Auch wenn Dubin darauf verweist, dass sich auf dem hochsensiblen Feld der Ehegerichtsbarkeit hybride Systeme herausbildeten, die religiöse mit staatlich-obrigkeitlichen Rechtsprinzipien in Übereinklang bringen wollten, so hat doch der Triester Gerichtshof zugunsten der Klägerin entschieden. Die Ehe wurde zivilrechtlich geschieden, wobei ihr sowie ihrer Tochter Unterhalt zugesprochen wurde. Das hieß aber
178 Siegrid Westphal
aus jüdischer Sicht noch nicht, dass die Ehe aufgelöst war, denn dafür benötigte die Frau den Scheidungsbrief aus den Händen ihres Mannes. Darüber ist jedoch nichts überliefert. Letztlich schlussfolgert Dubin, dass die staatliche Intervention bei ehegerichtlichen Verfahren ein Stück Emanzipation für jüdische Frauen darstellte. Von der neuen zivilrechtlichen Option in Scheidungsangelegenheiten scheinen dann im 19. Jahrhundert auch viele Frauen Gebrauch gemacht zu haben (Dubin 2007, 104). 2.2.2 Scheidungsfolgen▀Eine der wenigen Arbeiten für das Alte Reich, die sich auch mit den Folgen von Scheidungen beschäftigt, ist die Untersuchung von Sylvia Möhle über Scheidungen in Göttingen von 1740 bis 1840 (Möhle 1997, 189–191). Sie skizziert das Leben nach der Trennung und liefert damit einige Hinweise, die Ausgangspunkt einer Untersuchung von Scheidungsfolgen für den protestantischen Raum sein können. Demnach wurden Ehen hier häufig nicht sofort geschieden, sondern auch von protestantischen Ehegerichten eine Trennung von Tisch und Bett im selben oder in getrennten Haushalten verordnet. Nach einem bis drei Jahren initiierte die territoriale Ehegerichtsbarkeit einen erneuten Versöhnungsversuch, nach dessen Scheitern erst die völlige Scheidung ausgesprochen werden konnte. Entscheidend war das Schuldprinzip auch für die vermögensrechtliche Seite der Scheidung. „Ein Schuldspruch mit völliger Trennung der Ehe hatte für Frauen neben dem Verbot der Wiederverheiratung den Verlust ihres Brautschatzes, d. h. gewöhnlich ihres gesamten Besitzes zur Folge.“ (Möhle 1997, 189) Schuldig gesprochene Frauen waren deshalb auch selten in der Lage, die Gerichtskosten oder die Strafe für Ehebruch zu zahlen. Und selbst, wenn das Verbot der Wiederverheiratung durch Gnadenerweis aufgehoben wurde, besaßen sie aufgrund einer fehlenden Mitgift eine schwierige Position auf dem Heiratsmarkt. Wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen konnten, dann gerieten sie ins soziale Abseits. Männer waren dazu verpflichtet, schon während des Prozesses und der Trennung von Tisch und Bett Alimente und einen Prozesskostenvorschuss an die Frau zu zahlen, selbst wenn diese Ehebruch begangen hatte. Wenn der Mann der Schuldige war, verlor auch er einen Teil seines Vermögens. Nach der Scheidung mussten Männer Frau und Kinder angemessen ernähren. Obwohl die Kinder rechtlich dem Vater zustanden, wurden sie bei männlichem Fehlverhalten häufig von der Mutter erzogen. Verbreitet findet sich auch die Regelung, dass die Jungen vom Mann und die Mädchen von der Frau erzogen werden sollten, wobei der schuldlos geschiedenen Frau dafür Unterhalt vom Mann zustand. Dabei zählten jahrelange Verhandlungen über die Zahlung von Alimenten zum Alltag an den Ehegerichten. Bei den von Sylvia Möhle vorgestellten Maßnahmen handelt es sich teilweise um normative Regelungen auf territorialer Ebene, die nichts über die soziale Praxis aussagen. Zahlreiche Zahlungsaufforderungen und Bittschriften, die
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 179
sich in den Göttinger Akten fanden, weisen jedoch darauf hin, dass insbesondere Frauen große Schwierigkeiten hatten, ihre vermögens- und unterhaltsrechtlichen Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Das Fazit von Sylvia Möhle lautet: Frauen nahmen sich durchaus als Opfer von Scheidungen wahr. Insbesondere, wenn sie schuldig gesprochen wurden, bedeutete die Scheidung für sie „Verlust ihrer Kinder, Verlust ihres Besitzes, Verlust des sozialen Status“ (Möhle 1997, 191). Christine Werkstetter, die sich im Rahmen ihrer Arbeit über Frauen im Augsburger Zunfthandwerk mit Ehekonflikten und vier Scheidungen von Meisterpaaren auseinandersetzt (Werkstetter 2001, 128–138), gelangt zu teilweise anderen Schlussfolgerungen. Alle von ihr untersuchten Scheidungen stammen aus dem Schneiderhandwerk, einem stark übersetzten Handwerk, das sich in einer schwierigen ökonomischen Lage befand. Damit zeigen sich gewisse Parallelen zur Arbeit von Möhle, die ebenfalls auf einen überproportional hohen Anteil von Ehekonflikten im Textil- und Schustergewerbe verweist und damit die ehelichen Auseinandersetzungen in Beziehung zur sozioökonomischen Konstellation des Handwerks bringt. Die Quellengrundlage bei Christine Werkstetter bilden Handwerkerakten, denen zum Teil Abschriften von Akten des Ehegerichts beigelegt waren. In allen Fällen war das ökonomische (Vorwurf des „liederlichen Haushalters“) und moralische Fehlverhalten (Ehebruch) der Ehemänner Auslöser von massiven Ehekrisen, die schließlich dazu führten, dass die Männer ihre Frauen verließen und sich vorübergehend oder ganz aus der Stadt begaben. Dies ermöglichte den Ehefrauen wiederum, bei der Obrigkeit eine Edictal-Citation, eine gerichtliche Vorladung für Personen mit unbekanntem Aufenthaltsort, zu beantragen. Wenn sich die Ehemänner trotz dieser Aufforderung nicht wieder bei ihren Ehefrauen einfanden, konnten letztere ein Scheidungsbegehren wegen böswilligen Verlassens einreichen, womit alle vorgestellten Frauen auch erfolgreich waren. Den Männern drohten damit der Entzug des Bürgerrechts und der Handwerksgerechtsame. Interessant ist nun bei diesen Fällen, dass den geschiedenen Frauen ebenso wie Witwen erlaubt wurde, das Handwerk ihres Ehemannes nach der Scheidung fortzuführen, obwohl das Handwerk fürchtete, dass ihm dadurch ein Schaden entstehen könnte. Die größte Sorge bestand darin, dass der geschiedene Ehemann zurückkommen und wieder die Ausübung des Handwerks beanspruchen könnte, aus der eine sogenannte Verdopplung der Werkstätten resultierte. In der Tat geschah dies auch in einem Fall. Aber entscheidend war aus Sicht des Handwerks wohl letztlich, dass zum einen der Handwerksbetrieb aufrecht erhalten blieb, zum anderen die geschiedenen Frauen sich selbst und ihre Familien ernähren konnten.
180 Siegrid Westphal
3. Normative Leitbilder und Normen▀ 3.1 Normative Leitbilder für den Witwenstand▀Wenn man von normativen Leitbildern spricht, dann kann sich dies im Prinzip nur auf den Witwenstand beziehen, denn geschiedene Personen existierten in der christlichjüdischen Vorstellungswelt eigentlich nicht. Von unschuldig Geschiedenen dürften jedoch ähnliche Verhaltensweisen wie von verwitweten Personen erwartet worden sein. Aufgrund der ambivalenten Haltung gegenüber Witwen, die zwischen Mitleid mit ihrer prekären Situation und der Angst vor ihrer Freiheit schwankte, entfaltete sich in der Frühen Neuzeit eine breite, ausschließlich auf den Witwenstand bezogene, religiös fundierte Erbauungsliteratur, die maßgebliche Leitbilder für das richtige Verhalten von Witwen vorgab. Den Hintergrund dafür bildeten „Erfahrungen konkurrierender Pluralität und spaltender Divergenz“, ein krisenhaftes „Gefühl von Labilität und Unsicherheit – zu dem auch eine gesteigerte Angst vor der Sünde, der Stunde des Todes und der Strenge des Gerichts gehört“ (Kruse 2007, 643 f.). Witwen sollte eine klar definierte Stellung in der Gesellschaft zugewiesen werden, um die Ordnung nicht zu gefährden. Zur normierenden Literatur zählten Witwentrostbücher, spezifische Gebetund Gesangbücher, Witwenspiegel und gedruckte Predigten mit Schwerpunkt auf den Leichenpredigten. Inwiefern sich die normativen Leitbilder in diesen literarischen Gattungen je nach Stand, Konfession oder Religion der Witwen unterschieden, wurde bisher von der Forschung noch nicht vergleichend untersucht. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich das Bild von der Witwe ebenso wandelte wie die Vorstellungen von der Ehe. Auch hier bildeten die Bibel und das christlich-mittelalterliche Weltbild den Ausgangspunkt. Insbesondere der Paulus zugeschriebene erste Timotheusbrief (1. Tm 5, 3–16) und die Briefe des Kirchenvaters Hieronymus wurden in den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schriften für Witwen häufiger zitiert. „3. Ehre die Wittwen/welche rechte Wittwen sind […] 5. Das ist aber eine rechte Wittwe/die einsam ist/die ihre Hoffnung auf Gott stellet/und bleibet am Gebet und Flehen Tag und Nacht. 6. Welche aber in Wollüsten lebet/die ist lebendig todt“ (zitiert nach Ingendahl 2006, 31). Damit war ein klarer Verhaltenskodex umrissen, der sich unter dem Begriff der Frömmigkeit fassen lässt. Die Schutzbedürftigkeit der Witwen und ihre direkte Unterstellung unter Gott riefen nicht nur die besondere Fürsorgepflicht von weltlicher und kirchlicher Obrigkeit hervor, sondern verlangten den Witwen ebenfalls ab, die Normen und Werte der christlichen Gesellschaft in besonderem Maße zu befolgen. Konkret gesprochen forderte man von ihnen ein höheres Maß an Frömmigkeit und Tugend. Bernhard Jussen konnte zeigen, wie sich ab dem 4. Jahrhundert mit der Sinnfigur „Jungfrau – Witwe – Verheiratete“ eine Semantik gesellschaftlicher Moral herausbildete, die bis ins 13. Jahrhundert Teil eines geschlossenen, hierar-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 181
chischen Gesellschaftsmodells war (Jussen 1999). Jussen spricht in diesem Kontext in Bezug auf die Witwe von der „Erfindung“ eines neuen sozialen Typs, „in dem die Trauer und Totensorge der hinterbliebenen Frau zu einer eigenen Lebensform“ erklärt wurden (Jussen 2000, 32). Inwiefern sich dies auch auf die jüdische Religion übertragen lässt, ist schwer zu sagen. Einerseits war der Status der Witwen als besonders schutzbedürftige Personen vergleichbar und eine Reihe von christlichen Ritualen finden sich auch bei den jüdischen Trauerritualen (Rothschild 2009), andererseits wurde offenbar nicht von ihnen erwartet, dass sie eine besondere Rolle im Bereich der Totensorge einnehmen und ihr Leben der Trauer widmen sollten. Der soziale Typus existierte in dieser spezifischen Ausprägung bis ins Spätmittelalter, wandelte sich jedoch bereits vor der Reformationszeit, indem ab dem 14. Jahrhundert unter den drei Bezeichnungen „Jungfrau, Witwe und Verheiratete“ nun stärker die Lebensalter von Frauen verstanden wurden. In der Frühen Neuzeit erfuhr der Witwenstand nach Ingendahl einen großen Bedeutungszuwachs, indem er sich zu einem rechtlich institutionalisierten Stand entwickelte, dem Grenzüberschreitungen in männlich dominierte Lebensbereiche zugestanden wurden. Der Reformation kam dabei eine gewisse Scharnierfunktion zu, auch wenn sich die Veränderungen im Witwenbild schon zuvor abzeichneten. Während im mittelalterlichen Memorialsystem die Fürsorge für das Seelenheil des verstorbenen Ehemannes und anderer Verwandter eine Hauptfunktion der Witwen darstellte und sie deshalb aus Sicht der Theologen nicht wieder heiraten sollten, sah Luther in entsprechenden Handlungen eine Form der Werkgerechtigkeit, die mit seiner Lehre von Gesetz und Gnade nicht vereinbar schien. In dieser Hinsicht unterscheiden sich katholische und protestantische Witwentrostschriften der Frühen Neuzeit, denn im katholischen Bereich blieb die Sorge für das ewige Seelenheil der Verstorbenen zentrale Aufgabe der Witwen. Eine Wiederheirat wurde dementsprechend kritisch bewertet. Ein keusches Leben galt als ideale Lebensform, der man eine besondere spirituelle Kraft zubilligte. Im protestantischen Bereich, in dem die Ehe eine grundsätzlich höhere Wertigkeit besaß, gab es weniger Vorbehalte gegen eine Wiederheirat. Ebenso sah es für den jüdischen Bevölkerungsteil aus. Unabhängig von Religion und Konfession konzentrierten sich die normativen Vorgaben jedoch auf das richtige Verhalten im Witwenstand. Thematisiert wurden im christlichen Kontext vor allem die Räume, in denen sich Witwen bewegen durften (Abb. 10). So heißt es immer wieder, dass sie ein zurückgezogenes, auf das Haus ausgerichtetes Leben führen sollten. Öffentliche Auftritte, auffällige Kleidung, gesellige Veranstaltungen oder ein Verhalten, das als unsittlich interpretiert werden konnte, waren demnach verpönt. Ein gottesfürchtiger Lebensstil, der durch Beten, Fasten, häufige Gottesdienstbesuche und die Reflexion über das eigene sündhafte und gute Tun geprägt sein sollte, erscheint überkonfessionell als zentrales normatives Leitbild. Auch wenn im protestantischen Bereich das zölibatäre Leben als Form
182 Siegrid Westphal
der Werkgerechtigkeit nicht vorgesehen war, so wurde doch auch hier von den Witwen ein keuscher Lebensstil erwartet. Sie sollten ein Beispiel für ein tugendreiches Leben abgeben und der Gemeinde als Vorbild dienen. Demzufolge wurde dieses Ideal auch immer wieder in den Leichenpredigten von Witwen gezeichnet. Verstärkt wurde die Aufforderung zu einer sittlichen Lebensführung durch die in Schwänken und Sprichwörtern in didaktischer Absicht vorgenommene Kontrastierung von Tugenden und Lastern sowie Armut und Reichtum (Ingendahl 2006, 25). Weitere Eigenschaften, die mit dem Witwenstand verbunden wurden, betrafen karitatives Engagement, die Sorge um die Armen und Kranken in der Verwandtschaft und in der Gemeinde. Je nach Vermögensstand wurde von Witwen erwartet, dass sie einen Teil ihres Kapitals für Frauen in ähnlicher Lebenssituation sowie für Waisen einsetzten. So blieb das Stiftungswesen eine im protestantischen Bereich weiterhin häufig geübte Praxis, selbst wenn damit keine Erwartungen an das eigene Seelenheil verbunden werden sollten. Auch über die emotionale Befindlichkeit von Witwen wurde von Seiten der Theologen reflektiert, und zwar vor allem im Kontext von Trostbüchern. Die Forschung spricht in diesem Zusammenhang von einer spezifischen selbstreferentiellen „Wahrnehmung des Mangels, den eine hinterbliebene Ehefrau vom Blickpunkt der männlich-ehemännlichen Autorschaft nach dem Tod ihres Mannes erlebte“ (Ingendahl 2006, 25). So sollte der Schmerz über den Verlust des Ehepartners im Gebet und durch die intensive Zwiesprache mit Gott aufgefangen werden. Von einer solchermaßen praktizierten Frömmigkeit versprachen sich die Verfasser Trost für die Witwen. Verinnerlichung und nicht der Austausch mit anderen über den erlittenen Verlust galten als richtige Verhaltensweise. Die Trauer wurde quasi als Pflicht der Witwe gegenüber ihrem verstorbenen Ehemann gesehen, die lebenslang anhalten, jedoch maßvoll und nicht exzessiv geschehen sollte. Häufig zeigt sich in diesem Kontext Mitgefühl und Verständnis der Verfasser für die schwierige Situation der Witwen, die in der Regel als schutzlose Personen und leichte Opfer ihrer Umwelt, insbesondere von habgierigen Verwandten und potentiellen Heiratskandidaten gezeichnet werden. Eine gebräuchliche Metapher war dafür das Bild des niedrigen Zaunes, über den jeder hinweg steigen oder den jeder niederreißen könne (Arnold 2003, 45; Kruse 2007, 213). Auch die Einsamkeit, die Sorge um die Waisen und die prekäre finanzielle Situation vieler Witwen nach dem Tod des Haupternährers werden thematisiert (Abb. 11). In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Topos der armen Witwe bemüht, der eine Verknüpfung von materiellen wie immateriellen Mangelerscheinungen ermöglichte. Bis auf wenige Ausnahmen finden sich jedoch keine praktischen Handlungsanweisungen, die auf eine Veränderung dieses Zustandes zielen.
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 183
Abb. 10: Wilhelm Jury, Ehelose Freyheit, Frankfurt am Main 1804.
Obwohl es in der sozialen Praxis durchaus üblich war, dass Witwen durch verschiedene Formen der Berufstätigkeit den Unterhalt der Familie sichern konnten, beschränken sich die Vorschläge zur Lösung der ökonomischen Probleme auf den häuslichen Bereich und die dort geübten Tätigkeiten. Die Hauptsorge sollte vor allem der Erziehung der unmündigen Kinder gelten. Auch in diesem Zusammenhang wurden Witwen vor einer Wiederheirat gewarnt, indem die Verfasser davon ausgingen, dass der Stiefvater ein geringeres Interesse am Wohlergehen der Kinder und der Verfolgung ihrer Rechte besitze. 3.2 Normen▀ 3.2.1 Witwenschaft▀Hinsichtlich der Witwenschaft existierte eine Reihe von Grundregeln, die vor allem mit der sozioökonomischen Ausrichtung von Eheschließungen und einer fehlenden obrigkeitlichen bzw. staatlichen Witwenrente in Zusammenhang stehen.
184 Siegrid Westphal
Abb. 11: Gottlieb F. Riedel, Witwe weint beim Anblick ihres Kindes. Augsburg 1793.
Witwenversorgung, Fragen der Widerlage des Heiratsguts und Weitergabe des Erbes waren deshalb die entscheidenden Regelungsbereiche. Bemerkenswert ist jedoch, dass entsprechende normative Vorgaben der Obrigkeit genauso vielfältig waren wie Abweichungen in der Rechtspraxis durch Herkommen und die Testierfreiheit des Einzelnen. Eine Vereinheitlichung geschah in verschiedenen Rechtsräumen erst im Zusammenhang mit den Kodifikationsbemühungen des Rechts ab Ende des 18. Jahrhunderts.
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 185
Aufgrund dieser Konstellation verwundert es auch nicht, dass bis heute umfassende Forschungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Witwenschaft im städtischen deutschsprachigen Raum ebenso fehlen wie europäische vergleichende Untersuchungen (Kruse 2007, 649). Erst in jüngster Zeit hat sich die Forschung intensiver mit bäuerlichen und adeligen Witwen in unterschiedlichen Kontexten auseinandergesetzt, wobei schon der Jurist Johann Jacob Moser 1775 konstatierte, dass sich der Adel in Bezug auf die Absicherung der Witwenversorgung an den Regelungen der bäuerlichen Untertanen orientiert habe. Für bürgerliche Witwen existieren jedoch nur Lokalstudien, die keine Systematisierung erlauben. 3.2.1.1 Normen für bäuerliche Witwen▀Im Kontext der Untersuchung von Heiratsverträgen aus dem österreichischen Raum wurden die erbrechtlichen Aspekte überwiegend ländlicher Gegenden mit in den Blick genommen. Betrachtet man die einzelnen Regelungen, so fällt auf, dass eher das güterrechtliche Herkommen als der Stand oder das Geschlecht entscheidend waren. Dies deckt sich mit der Untersuchung anderer zivilrechtlicher Fälle, bei denen um Besitz- und Eigentumsrechte in der Frühen Neuzeit gerungen wurde (Westphal 2005; Carius 2010). Wie bereits im Kapitel über Eheverträge ausgeführt, besaß die Mitgift einen zentralen Stellenwert. Entscheidend war dabei der Gedanke, dass Töchter auf diese Weise vorzeitig für ihre Ansprüche auf das väterliche Erbe abgefunden wurden. Die Mitgift bestand bei Töchtern in der Regel aus einem Geldbetrag, bei wiederheiratenden Witwen zum Teil auch aus Immobilien (Lanzinger 2010b, 485). Die in Relation zur Mitgift zu sehende Widerlage des Bräutigams wurde nur „im Fall des früheren Todes des Ehemannes wirksam“ (Lanzinger 2010b, 470). Aufgrund ihrer Funktion als Witwenversorgung musste sie gesichert werden, indem Immobilien bzw. Liegenschaften des Mannes hypothekarisch belastet wurden. Im Todesfall des Ehemannes sollte die Mitgift an die Witwe zurückfallen, was eine erhebliche Belastung für die Erben darstellte. Daher wurde häufig die Regelung bevorzugt, die Mitgift auf dem ehemännlichen Besitz liegenzulassen und die Witwe mit einem bestimmten Betrag oder einem Nießbrauch am männlichen Vermögen abzufinden, wobei auch die Existenz von Kindern und deren Alter berücksichtigt werden musste. Wenn unmündige Kinder vorhanden waren, gab es die Möglichkeit, den Hof bis zur Volljährigkeit des Erben weiterzuführen und die Arbeitskraft des Mannes auf verschiedene Weise zu ersetzen, sei es durch die Einstellung von Gesinde, sei es durch die Einbeziehung älterer Kinder oder auch durch eine Wiederheirat (Langer-Ostrawsky 2010). Allerdings war die Stellung von einheiratenden Männern, die wenig Vermögen einbrachten, problematisch. Gleichwohl finden sich auch im bäuerlichen Umfeld Heiraten von Witwen mit wesentlich jüngeren Männern, die auf diese Weise einen sozialen Aufstieg vollzogen. Wenn Kinder aus der ersten Ehe vorhanden waren, waren deren Erbrechte vielfach vorrangig. Je nach Rechtsraum konnten aber auch Kinder
186 Siegrid Westphal
aus der zweiten oder dritten Ehe erben. Die Forschung spricht sogar von regelrechten Wiederverheiratungsketten, die dazu führen konnten, „dass ganze Generationen an ursprünglich Erbberechtigten übersprungen wurden“ (Langer-Ostrawsky 2010, 72). Bei erwachsenen Kindern blieb häufig nur der Weg, dass die Witwe bei Wiederheirat den ehemännlichen Hof verließ und durch eine entsprechende Regelung eine Witwenversorgung entweder in Form der Ausbezahlung der Mitgift oder einer Rente erhielt. Diese Mittel dienten in der Regel als Grundlage für Kleinkredite, die den Unterhalt langfristig sichern sollten. Insofern bildeten die Mitgift und die daraus resultierenden Rentenzahlungen eine zentrale Grundlage des frühneuzeitlichen Kredit- und Finanzwesens auf lokaler Ebene, wobei entsprechende Abmachungen auf einem nichtformalisierten Weg geschlossen wurden (Hardwick 2009). Witwen wussten dabei sehr wohl ihr Geld gut und strategisch einzusetzen und traten selbstbewusst als Geschäftsfrauen auf. Da sie nicht mehr der Geschlechtsvormundschaft unterstanden, waren sie in weitaus größerem Maße geschäftsund rechtsfähig als ledige oder verheiratete Frauen. Den Anspruch auf die Mitgift konnte die Ehefrau nur dann verlieren, wenn sie Ehebruch beging und schuldhaft geschieden wurde. 3.2.1.2 Normen für adelige Witwen▀Im Unterschied zu den bäuerlichen Witwen gelten die Rechte adeliger Witwen zwar als besser erforscht, doch beziehen sich die Arbeiten vornehmlich auf die spätmittelalterliche Epoche (Spieß 2003) und den sächsischen Raum (Essegern 2007). Aus diesen Arbeiten geht hervor, dass der Witwenstand für den Adel eine besondere Bedeutung besaß, da Witwen auf den ihnen zugedachten Witwensitzen auch Herrschaftsrechte ausüben konnten. Beim Vorhandensein unmündiger Kinder stand Witwen des regierenden Hochadels im Heiligen Römischen Reich zudem die Möglichkeit zu, bis zur Volljährigkeit des ältesten Sohnes die Regentschaft in Vormundschaft zu führen und damit auch entscheidenden politischen Einfluss auf Reichsebene zu gewinnen. Nicht zuletzt deshalb kam der rechtlichen Absicherung des Witwenstandes von jeher ein zentraler Stellenwert zu, was sich zum einen auf der Ebene der Eheverträge, zum anderen auf der Ebene der Testamente im Kontext von dynastischen Hausverträgen niederschlug. Beim Tod einer adeligen Ehefrau stellten sich für den Witwer dagegen deutlich weniger Probleme, weshalb dieser Fall sowohl in der zeitgenössischen Literatur als auch in der Forschung so gut wie gar nicht behandelt wird. In der Regel kam es zur Wiederverheiratung des Witwers, über dessen Versorgung nicht eigens nachgedacht werden musste. Allenfalls galt es, die Erbansprüche in Bezug auf den persönlichen Besitz der Verstorbenen zu klären, wenn dies nicht schon im Ehevertrag oder in einem Testament geschehen war. Die Frage der Witwenversorgung stand dagegen im Zentrum des Ehevertrages. Dabei konnte es – je nach Ansehen und finanziellen Möglichkeiten des
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 187
Adelsgeschlechts – erhebliche Unterschiede beim Lebensunterhalt von Witwen geben. Auch die politische und rechtliche Stellung von Witwen variierte von Adelsgeschlecht zu Adelsgeschlecht bzw. von Dynastie zu Dynastie erheblich. Hausverträge und Testamente gaben dabei zwar einen gewissen Rahmen vor, aber auch individuelle Lösungen waren möglich. Zum Teil spielten die territorialen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle, beispielsweise mussten in einigen Territorien die Landstände in die Nachfolgeregelungen der Dynastie mit einbezogen werden, waren sie doch an der Landesherrschaft beteiligt. Die grundsätzlichen Regelungen von Eheverträgen wurden bereits im Kontext der Eheanbahnungsphase ausführlich geschildert. Hinsichtlich der Witwenversorgung ist dabei entscheidend, dass die im Ehevertrag als Widerlage verschriebene Burg „als Witwensitz dienen sollte“, während „die Einkünfte aus den Sicherungspfändern die Witwenrente“ darstellten (Spieß 2003, 93). Hinzu kamen die Aussteuer der Braut, die sogenannte Heimfahrt und die Morgengabe des Mannes. Für eine ausreichende Witwenversorgung waren die Höhe der Mitgift und der Zinssatz für das aus Mitgift und Widerlage gebildete Kapital entscheidend, aber auch die Beschaffenheit des Witwensitzes, die damit verbundenen Herrschaftsrechte, und die Regelungen für die Auflösung des gemeinsamen Haushalts bildeten wichtige Eckpunkte. Weitere Regelungen der Eheverträge hinsichtlich des Witwenstandes betrafen die Wiederheirat. Während im Spätmittelalter die Mitnahme des Witwensitzes in die zweite Ehe vorherrschte, bildete sich in der Frühen Neuzeit die Praxis der Auszahlung von Mitgift und Widerlage heraus, wobei die Widerlage als Rente verzinst wurde, damit der Witwensitz und die damit verbundenen Ländereien auf Mannesseite verblieben. Trotzdem verfügten die Witwen auf diese Weise über ein größeres Vermögen als ledige adelige Töchter, was ihre Chancen auf eine Wiederheirat deutlich erhöhte. Für den Bereich des Hohen Adels gab es überterritoriale Bemühungen, die normativen Regelungen für den Witwenstand zu sammeln und den rechtsprechenden Personen und Institutionen zur Orientierung an die Hand zu geben. Dafür spielte sicherlich auch die politische Bedeutung des Witwenstandes im Hochadel eine zentrale Rolle, musste doch im Konfliktfall auf die Dynastien und ihre Interessen Rücksicht genommen werden. Johann Jacob Moser hat im Kontext des „Familien-Staats-Rechts“ (Moser 1775) die Rechte von Witwen des deutschen Hochadels gesammelt und systematisiert. Entscheidender Ausgangspunkt war für ihn, die bereits existierenden Werke über Spezialfragen auszuwerten und zusammenzuführen. Dabei sah er hinsichtlich des frühzeitigen Tods der Ehefrau, der zweiten Verehelichung eines Reichsstandes und der Regelung der Hinterlassenschaft der verstorbenen Ehefrau einen deutlich geringeren Regelungsbedarf. „Von dem Fall hingegen, wann der Gemahl zuerst stirbt und eine Wittwe hinterläßt, ist sehr viles zu berühren“ (Moser 1775, 450), wobei für ihn die Fragen nach der Widerlage des Heiratsguts und dem rechtlich-politischen Status der Witwe im
188 Siegrid Westphal
Zentrum standen. Wie schwierig es auch ihm fiel, einen Überblick zu vermitteln, zeigt sich an der Struktur seines Systematisierungsversuchs, denn letztlich dominieren in seiner Darstellung Auszüge aus den Hausverträgen bzw. Regelungen der einzelnen reichsständischen Dynastien, während die übergeordneten Aspekte der Thematik nur sehr knapp behandelt werden. Moser betont mehrfach, wie wichtig es sei, im Streitfall immer die jeweiligen Hausverträge bzw. das Herkommen zu berücksichtigen, denn ohne sie könne man „vollends aus disem Irrgarten keinen Weg mehr finden“ (Moser 1775, 664). Zu den Punkten, die er systematisch abzuhandeln versucht, zählen zunächst der Status der Witwe und die Frage der Regentschaft bzw. Ausschließung von der Regierung. Dabei vertritt Moser die Meinung, dass die recht- und standesgemäßen Witwen den Stand und die Würde ihres verstorbenen Mannes behalten. Besonders weist er darauf hin, dass sich in vielen Hausverträgen Hinweise auf den den Witwen geschuldeten gebührenden Respekt finden, was er letztlich im Zusammenhang mit diversen Konflikten innerhalb der Dynastien sieht. Hinsichtlich des juristischen Forums bei Streitfällen unterscheidet er in Angelegenheiten, die aus dem Witwenstand resultieren und Konflikten, die aus der Herrschaft der Witwe in ihrem Wittum entstehen. Je nachdem seien unterschiedliche Gerichte zuständig, wobei die Reichsgerichte bei Streit im Zusammenhang mit dem Wittum angerufen werden könnten. Ausführlich setzt sich Moser zudem mit der Frage auseinander, was die Witwe außer ihrem Wittum erhalten solle. Entscheidend ist hier für ihn die Vorstellung, Reichsständen bei der Abfassung von künftigen Eheverträgen Leitfragen an die Hand zu geben. So komme es seiner Meinung nach auf folgende Umstände an: „1. auf das Heurathgut, 2. auf die Wiederlage, 3. auf die Ausfertigung, 4. auf die in die Ehe gebrachte Paraphernalien, 5. auf die Morgengabe, 6. auf die Hochzeit-Geschencke, 7. auf das Handgeld, 8. auf das währender [sic!] Ehe vom Manne überkommene, angeschaffte, oder von denen Handgeldern erspahrte, oder selbst erkauffte, oder 9. sonst Erbs- oder in andere Weise erhaltene, 10. auf des Gemahls Verlassenschaft.“ (Moser 1775, 669) Hinsichtlich der Bestellung des Wittums empfiehlt Moser, dies noch vor der Vollziehung der Ehe abzusprechen, wobei der Ehegemahl für das Wittum verantwortlich sei und es selbst verschreiben müsse. Der Konsens anderer sei dafür nicht notwendig, auch wenn in Territorien mit Erstgeburtsrecht der Erstgeborene die Wittume aller Witwen regierender Herren allein übernehmen müsse. Moser empfiehlt jedoch – wohl angesichts einer Reihe ihm bekannter Konflikte – zur Absicherung der Rechte der Witwen den Konsens der nächsten Agnaten für alle Fälle einzuholen. Wenn dies geschehe, dann seien im Konfliktfall alle Vorteile auf ihrer Seite: „Die Wittwe hat klare Hand und Sigel, daß sie ein Wittum haben solle, für sich.“ (Moser 1775, 686) Weitere Ausführungen Mosers befassen sich mit der Inbesitznahme des Wittums, der Frage des konkreten Wohnsitzes der Witwe und diverser Alternativen zum Wittum. Den größten Unterschied bei der Analyse der Eheverträge von Reichsständen erkennt Moser bei der Behandlung der Frage, welche Rechte die Witwe über die Un-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 189
tertanen des Wittums haben solle. Er sieht hier Handlungsbedarf und glaubt, dass die Rechte immer mehr eingeschränkt werden. Er plädiert selbst dafür und empfiehlt letztlich, anstelle des Wittums einen ausreichenden Geldbetrag festzusetzen, dessen Zahlung sichergestellt werden müsse. Sämtliche Ausführungen Mosers zu den Witwen von Reichsständen enthalten Beispiele von Konfliktfällen. Den Hauptstreitpunkt sieht er dabei in der Frage nach dem Umgang mit dem Leibgedinge, wenn die Witwe wieder heiraten wolle. Auch wenn Moser diesen Punkt anders regeln würde, gibt er die üblichen und herkömmlichen Regeln der Reichsstände wieder. Die Witwe solle für den Fall der Wiederheirat auf das Wittum und die damit verbundenen Einkünfte verzichten und sich – neben den Paraphernalien (persönliches Eigentum der Braut) – mit dem eingebrachten Heiratsgut, der Morgengabe, dem Kapital der Widerlage oder einer lebenslangen Zahlung von 10 Prozent Zinsen auf die Widerlage abfinden lassen. „Da es nun einmal so ist; so kann ich es nicht anderst machen und müßte in dubio darnach sprechen.“ (Moser 1775, 719 f.) 3.2.1.3 Normen für jüdische Witwen▀Auch über die Normen für den Witwenstatus im jüdischen Kontext ist wenig für die Frühe Neuzeit bekannt. Grundlegend für das Heilige Römische Reich sind hier die Arbeiten von Marion Kaplan, Claudia Ulbrich und Birgit Klein. Ihren Ausführungen nach ist auch im jüdischen Rechtsraum eine große Diskrepanz zwischen Norm und Praxis festzustellen, insbesondere für das ashkenasische Judentum des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Eine der Haupterklärungen dafür wird in sozioökonomischen Veränderungen gesehen, die quasi eine Anpassung des auf sakralen Grundsätzen basierenden jüdischen Rechts an die soziale Praxis notwendig machten. So waren Frauen nach biblischen Grundlagen prinzipiell nicht erbberechtigt und vom Vermögenstransfer ausgeschlossen (Klein 2008, 230). Sie erhielten bei Verheiratung durch eine Heiratsverschreibung, die sogenannte Ketubba, eine Art geringfügige Mitgift, die als Kompensation vom Ausschluss des väterlichen Erbes betrachtet wurde. Der im antiken rabbinischen Judentum von Mannesseite zu zahlende Brautpreis war dagegen erst bei Auflösung der Ehe durch Tod oder Scheidung an die Frau zu leisten. Dafür existierte die Mindestsumme von 200 Denar, was etwa den Unterhaltskosten für ein Jahr entsprach. 100 Denar mussten für eine Frau gezahlt werden, die bei ihrer Heirat keine Jungfrau mehr gewesen war. Diese Mindestsumme bedurfte einer Sicherstellung, und zwar als Hypothek auf dem Gesamtvermögen des Mannes. Die Ketubba konnte auch erhöht werden, damit sie dem Wert der Mitgift entsprach. Starb eine Frau vor ihrem Mann, dann sollten ausschließlich die Söhne erben und auch die Ketubba erhalten. Der Begriff Ketubba bezeichnete sowohl die Mindestsumme als auch die Heiratsurkunde, die seit der Antike für eine jüdische Ehe das wichtigste Dokument darstellte. Die Mischna, die früheste Sammlung jüdischer Rechtsnor-
190 Siegrid Westphal
men, legte die normativen Regelungen für eine Eheschließung für fast zwei Jahrtausende fest. Hauptziel war auch hier wie im christlichen Kontext die Absicherung der Ehe als einziger legitimer Ort von Sexualbeziehungen zur Zeugung von Kindern. Zudem galt es insbesondere für das ashkenasische Judentum, Scheidungen zu verhindern. Seit dem Bann „cherem derabbenu gerschom“ (vor 1030) waren im deutschen Judentum die Polygamie und die Scheidung gegen den Willen der Frau untersagt. Mit diesen gravierenden Veränderungen gingen zusätzlich sozioökonomische Verschiebungen einher. So entwickelte sich der Geldhandel zunehmend zur einzigen Erwerbsquelle von Juden. Dieses Geschäft wurde in der Regel von Männern und Frauen gemeinsam betrieben, wobei die Frauen häufig als Geldhändlerinnen (Kaltwasser 2002; Staudinger 2005) fungierten. Zunehmend trat deshalb auch die Notwendigkeit auf, dass das in der Regel aus Mobilien (Geld) bestehende Vermögen ungeteilt in einer Familie weitergegeben wurde, wobei die Witwen als Haushaltsvorstände eine immer stärkere Rolle spielten. Deshalb sollte die Ketubba nicht mehr nur dazu dienen, eine Minimalversorgung der Witwe zu leisten, sondern sie sollte ihren Anspruch auf den gesamten Nachlass sichern und sie damit quasi zur Erbin machen. Zu diesem Zwecke wurde die antike Mindestsumme der Ketubba um weitere Zahlungen des Ehemannes erhöht, so dass insgesamt die hohe Standardsumme von 100 Mark bzw. Pfund Silber (50 Mark Mitgift, 50 Mark Widerlegung) bei Auflösung der Ehe zu zahlen war, außer die Ehefrau hatte ausdrücklich einer geringeren Summe zugestimmt. Bei vermögenden Ehepaaren konnte die Summe aber auch erhöht werden. Umgerechnet entsprach die Standardsumme in der Frühen Neuzeit ungefähr 600 Gulden bzw. 400 Reichstalern; dies war im Spätmittelalter ungefähr das Doppelte des durchschnittlichen Vermögens einer jüdischen Familie (Klein 2008, 232). Diese Summe lastete seit der Eheschließung als Hypothek auf dem gesamten Vermögen des Ehemannes und wurde bei Auflösung der Ehe fällig, wodurch der Ehefrau im Prinzip das männliche Gesamtvermögen als Erbe zufiel. Auch die eigentlich nicht erbberechtigten Töchter wurden mit Hilfe der Konstruktion einer fiktiven Schuldverschreibung des Vaters auf den Namen der Tochter, die kurz vor seinem Tod fällig sein sollte, nun am Erbe beteiligt. Allerdings waren die Ansprüche der Witwe vorrangig zu behandeln, so dass das Erbe erst nach ihrem Tod geteilt werden konnte. Da die in der Ketubba festgelegte Standardsumme nicht mehr das eingebrachte Vermögen der Ehefrau widerspiegelte, wurde in sogenannten Bedingungen die tatsächliche Mitgift festgehalten. Aufgrund der veränderten ehelichen Machtverhältnisse, die in der Frühen Neuzeit eher einer „Verwaltungsgemeinschaft“ ähnelten, musste nicht nur die Braut eine Mitgift einbringen, sondern auch der Bräutigam. Idealerweise sollten sich beide Summen entsprechen. Nicht zuletzt die möglichst gleichwertige Mitgift symbolisiert die sozioökonomischen Verschiebungen und die in Folge dessen praktizierte partnerschaftliche Auffassung des ehelichen Lebens mit gleichen Rechten und Pflich-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 191
ten für beide Seiten. Rechtskonstruktionen ermöglichten es auf diese Weise, dass die normativen halachischen „Bestimmungen der Antike mit Zusatzverträgen modifiziert und umgangen“ wurden (Klein 2008, 235). 3.2.2 Scheidungsrecht▀ 3.2.2.1 Kanonisches Scheidungsrecht▀Das sich im Mittelalter herausbildende kanonische Eherecht ging aufgrund des sakramentalen Charakters der Ehe von der Unauflöslichkeit des einmal gültig geschlossenen ehelichen Bandes aus. Grundlage bildete der biblische Grundsatz: „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ (Mt. 19, 6; Mk. 10, 9) Das wichtigste Werk, in dem das Eherecht zusammenhängend behandelt wurde, war das Decretum Gratiani, das einen zentralen Teil des Corpus iuris canonici bildete (Stolz 1983). In dieser Rechtsstoffsammlung wurde festgelegt, dass die kirchlichen den weltlichen Gesetzen vorzuziehen seien, in kirchlichen Angelegenheiten sollten sogar ausschließlich die kirchlichen Bestimmungen gelten. Dazu zählte unter anderem die Ehe, die laut Gratian nur durch den Tod oder das Privilegium Paulinum (das Trennungsbegehren eines nichtchristlichen von einem christlichen Partner) geschieden werden konnte. Andere Gründe fanden keine Berücksichtigung. Bei schwerwiegenden ehelichen Belastungen wurde lediglich die Möglichkeit eingeräumt, die eheliche Gemeinschaft durch die Trennung der Ehegatten von Tisch und Bett (divorcium oder separatio a thoro et mensa, in der deutschen Kirchengerichtssprache auch als Scheidung bezeichnet) aufzuheben, wobei die Trennung an eng begrenzte Voraussetzungen geknüpft wurde. Als wichtigster Grund galt der Ehebruch. Allerdings konnte die Ehe wieder fortgesetzt werden, wenn der Ehebrecher entsprechende Buße geleistet und sich der unschuldige Ehepartner mit der Fortsetzung der Ehe einverstanden erklärt hatte. Die Trennung konnte dementsprechend dauerhaft oder zeitlich befristet sein, je nach Belieben des unschuldigen Teils. Andere, dem Ehebruch gleich gestellte Trennungsgründe waren Sodomie und weitere geschlechtliche Sünden, bei denen jedoch nur auf eine zeitlich befristete Trennung erkannt wurde. Eine vollständige Trennung war möglich, wenn beide Ehepartner mit Genehmigung des Bischofs ins Kloster eintreten wollten. Zudem konnten beide Partner im Einvernehmen jederzeit auf den Geschlechtsakt verzichten (separatio a coitu). Sogenannte unfreiwillige Übel (Impotenz, Unfruchtbarkeit, ansteckende Krankheiten u. ä.) wurden ebenso wenig als Trennungsgrund akzeptiert wie Lebensnachstellungen. Eigenmächtige Trennungen waren grundsätzlich verboten. Nur das zuständige kirchliche Gericht durfte entsprechende Maßnahmen anordnen. Zudem bestand im kanonischen Recht die Möglichkeit, aufgrund eines Ehehindernisses in einem Ehenichtigkeitsverfahren eine Eheschließung anfechten und für ungültig erklären zu lassen, um so die Ehe aufzuheben. „Hierbei handelte es sich aber nicht um die Trennung einer rechtlich bestehenden Ehe und damit nicht um eine Trennung des Ehebandes, sondern um die Auflö-
192 Siegrid Westphal
sung einer nur tatsächlichen Ehegemeinschaft […] durch den Ausspruch der Feststellung, dass nie eine Ehe bestanden habe.“ (Scholz-Löhnig 2006, 53) Nach der Annullierung einer ungültigen Ehe, die nur durch ein kirchliches Gericht erfolgen konnte, war eine Wiederheirat möglich. Diese Möglichkeit wurde deshalb vor allem von Herrscherhäusern ergriffen, die aufgrund dynastisch-politischer Gesichtspunkte neue Eheverbindungen eingehen wollten. In den katholischen Territorien wurde der Macht- und Geltungsanspruch der Kirche in der Ehegesetzgebung und Ehegerichtsbarkeit durch die Reformation zwar schwer erschüttert, aber das Trienter Konzil stützte 1563 mit dem Dekret „Tametsi“ das kanonische Eherecht. In Reaktion auf die reformatorischen Ehevorstellungen wurde der Grundsatz der Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe festgeschrieben, der bis heute Gültigkeit beansprucht. Ausdrücklich wurde festgehalten, dass die Ehe als ein von Gott eingesetztes und Gnade vermittelndes Zeichen anzusehen sei, welches die Verbindung zwischen Christus und der Kirche symbolisiere und den Gläubigen Heil in Aussicht stelle. „Nach der Präambel [des Tridentinums, SW] war sie von Gott im Paradies angeordnet, von Christus bestätigt worden und durch die Tradition als Sakrament legitimiert. Wer anderes behauptete, befand sich im Glaubensirrtum.“ (Siebenhüner 2006, 37 f.) Ausdrücklich wurde der reformatorischen Auffassung widersprochen, dass Häresie, häusliche Zerrüttung, die böswillige Verlassung oder der Ehebruch ein Scheidungsgrund seien. Als einzig legitimer Grund der Auflösung einer gültig geschlossenen Ehe galt nur der Tod eines der beiden Ehepartner. Auch Bigamie wurde in Reaktion auf reformatorische Vorstellungen eigens verboten, wodurch Bigamisten als Häretiker verfolgt werden konnten. Da die Kirche aber nun anerkannte, dass sich das Ideal einer gottgefälligen Ehe nicht in jedem Fall umsetzen ließ, wurde bei schwerwiegenden Gründen die Möglichkeit der „Trennung von Tisch und Bett“ erstmals ausdrücklich gestattet. Eine dauerhafte Trennung (separatio perpetua) war nur bei der massivsten Verletzung der ehelichen Pflichten, dem Ehebruch, möglich. Bei anderen Verletzungen wie Lebensnachstellungen, Misshandlungen, Glaubensabfall oder Ketzerei konnte lediglich eine Trennung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit (separatio temporaria) erfolgen. Problematisch war die „böswillige Verlassung“, die es von der zeitweiligen Abwesenheit des Ehepartners aus ökonomischen Gründen oder anderen Verpflichtungen zu trennen galt. So oder so erkannte das Tridentinum dieses Verhalten im Gegensatz zu früheren Entscheidungen nicht als Scheidungsgrund an. Der Nachweis des Gattentodes wurde zur ausschließlichen Voraussetzung für eine Wiederheirat, was sich nicht immer leisten ließ. Erschwert wurde auch die Möglichkeit der Annullierung von Ehen, indem formale Kriterien für die Gültigkeit einer Ehe eingeführt wurden, um die Unsicherheiten über den Status einer Ehe zu reduzieren. Die Schließung wie die Trennung einer Ehe unterlagen weiterhin ausschließlich der Kirche und kirchlichen Instanzen. Dass sich aber auch katholische
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 193
Obrigkeiten der Indienstnahme der Kirche zu weltlichen Zwecken nicht entziehen konnten, zeigt zum einen das Beispiel Frankreich, wo die Beschlüsse des Tridentinums offiziell nicht verkündet wurden, weil der französische König eine Beschneidung der Vorrechte der gallikanischen Kirche befürchtete. Auch wenn die Beschlüsse letztlich durch eine Reihe königlicher Verfügungen eingeführt wurden, so ging doch damit die Gesetzgebungskompetenz in Ehesachen in weltliche Hände über. Unter naturrechtlichem Einfluss kam es auch an katholischen Ehegerichten zu einer weiteren Auslegung der Trennungsgründe. So genügten schon geringere Ursachen, um eine zeitweilige Trennung von Tisch und Bett auszusprechen. Naturrechtliche Vorstellungen zeigen sich auch in dem von Joseph II. 1783 erlassenen österreichischen Ehepatent, wodurch die Ehe im katholischen Österreich vollständig zur Angelegenheit der weltlichen Obrigkeit gemacht wurde. Bereits Maria Theresia hatte 1753 unter Einfluss des Naturrechts und im Zusammenhang mit Tendenzen der Rechtsvereinheitlichung versucht, Entscheidungen über rein zivilrechtliche Fragen bezüglich der Ehe von den geistlichen an die weltlichen Gerichte zu ziehen. Unter Joseph II. kam es nun zu einer klaren Trennung der Zuständigkeiten. Ehen gründeten demnach auf bürgerlich-rechtlichen Verträgen, über die der Staat Regelungskompetenz beanspruchte. Während die Kirche weiterhin über das Ehesakrament zu wachen hatte, sollte der Staat für die Einhaltung der Eheverträge sorgen. Geistliche wurden in erster Linie als Staatsbeamte angesehen, die staatliches Recht anzuwenden hatten. Folgerichtig verlagerte sich die Ehegerichtsbarkeit von den Diözesangerichten auf die staatlichen Gerichtshöfe. Nach einem langen Kodifizierungsprozess mündeten diese Tendenzen in das österreichische ABGB. Damit vollzogen katholische Territorien die Entwicklungen in protestantischen Territorien zumindest in Bezug auf die Zuständigkeit mit einer zeitlichen Verzögerung nach. Welche Konsequenzen dies in der Rechtspraxis hatte, wurde erst in jüngster Zeit untersucht. Auch wenn eine Scheidung mit der Möglichkeit zur Wiederheirat in katholischen Territorien wie Österreich weiterhin nicht möglich war, so existierte für zerstrittene Ehepaare über alle sozialen Schichten hinweg mit der eigenmächtigen Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft eine Alternative, die von der Obrigkeit und den Gerichten toleriert wurde, solange die Unterhaltsfrage als geklärt galt. 3.2.2.2 Protestantisches Ehescheidungsrecht▀Ausgangspunkt des sich neben dem kanonischen Eherecht in der Frühen Neuzeit entwickelnden protestantischen Ehescheidungsrechts war die Auffassung der Reformatoren vom Charakter der Ehe. Die Ehe blieb zwar ein heiliger Stand, wurde aber nicht mehr als Sakrament angesehen, weil ihr die göttliche Verheißung, die Einsetzung sowie der Schriftbeweis fehlten und „die Alte Kirche die Löslichkeit der Ehe dem Bande nach gekannt hatte“ (Stolz 1983, 38). Dies hatte zur Konsequenz, dass die Reformatoren immer wieder mit der Frage nach der Auflösung von Ehen konfrontiert wurden, wobei sie zu teils widersprüchlichen, teils schwan-
194 Siegrid Westphal
kenden Auffassungen gelangten – je nach individueller Konstellation des Falles. Nicht zuletzt deshalb bildete sich kein geschlossenes protestantisches Eherecht heraus, vielmehr bestimmte eine Vielzahl von territorial ausgerichteten Eheordnungen das Bild. Ursache dafür war die Auffassung Luthers, die Zuständigkeit in Ehefragen in zwei Bereiche zu teilen, nämlich in das forum externum und das forum internum (Michaelis 1968). Das forum externum umfasste zum einen die Art und Weise, wie eine Ehe geschlossen werden sollte, zum anderen die Eherechtsprechung. Dafür sollte die weltliche Obrigkeit vorrangig verantwortlich sein. Das forum internum, die inneren Angelegenheiten einer Ehe, sollten jedoch weiterhin der Kirche unterstellt bleiben. Dies bedeutete, dass insbesondere die Seelsorge in Ehesachen und die geistliche Beurteilung des Wesens der Ehe weiterhin der Kirche oblagen. Luther selbst verstand sich als Seelsorger, der rechtliche Ratschläge erteilte, aber kein Recht setzen wollte. So behielt er sich die Möglichkeit offen, interne Eheprobleme auch abweichend von äußerem Recht zu regeln. Das forum internum musste nicht an externe Rechtssätze gebunden sein, was ihm eine gewisse Selbstständigkeit verlieh. Widersprüche ergaben sich insbesondere dann, wenn seelsorgerliche Ratschläge Luthers, die aus pragmatischen Gesichtspunkten in Einzelfällen erteilt wurden, im Widerspruch zu seinen schriftlichen Äußerungen standen. Den Geboten des forum internum wollte Luther im forum externum dadurch Geltung verschaffen, dass bei Entscheidungen über Ehekonflikte nicht nur die weltliche Obrigkeit, sondern auch Theologen hinzugezogen werden sollten. Sie sollten durch die Einbringung seelsorgerlicher Gesichtspunkte auf die Rechtsprechung der Juristen einwirken. Hinsichtlich einer Scheidung stand dabei die Sorge im Vordergrund, dass der an einer Scheidung unschuldige Teil vor der Sünde der Unkeuschheit bewahrt werden sollte. Denn Luther ging davon aus, dass der Geschlechtstrieb etwas Natürliches sei und der Mensch nicht geschlechtlich enthaltsam leben könne. Auf diese Weise wurde „die Unfähigkeit zur geschlechtlichen Enthaltsamkeit […] ein Argument für die Löslichkeit der Ehe zugunsten des Unschuldigen“ (Stolz 1983, 39). Das Verbot der Wiederheirat für den am Scheitern der Ehe schuldigen Teil ist deshalb als Kirchenstrafe anzusehen. Aus theologischer Sicht war dies durchaus problematisch, denn der schuldig Erklärte war auf diese Weise zur Ehelosigkeit verurteilt und konnte dadurch noch tiefer in Sünde fallen. Die Wiederheirat eines unschuldig Geschiedenen blieb die ultima ratio und sollte in aller Stille erfolgen (Scholz-Löhnig 2006, 53), stellte aber in jedem Fall einen gesellschaftlichen Problemfall dar. Luther selbst tat sich mit der Frage der Löslichkeit des ehelichen Bandes und der Wiederheirat nach einer Scheidung zunächst schwer und favorisierte in Gutachten für König Heinrich VIII. von England (1531) sowie den Landgrafen Philipp von Hessen (1539) die Polygamie gegenüber einer Scheidung, was ihm heftige Kritik und den Vorwurf der Unaufrichtigkeit einbrachte. Ursache
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 195
dafür war seine Auffassung, dass das Eherecht für die Menschen bestehe, woraus sich eine flexible Anwendung des Eherechts ableiten ließ. In seinen Eheschriften, die in erster Linie zur Orientierung für die protestantische Geistlichkeit gedacht waren, gelangte Luther jedoch spätestens ab 1530 („Von Ehesachen“) zu eindeutigeren Aussagen. Gestützt auf das MatthäusEvangelium (5, 31; 19, 3–9) und den 1. Korintherbrief (7, 15) erklärte er die Scheidung für zulässig, allerdings wurde die Trennung des Ehebandes als Ausnahmefall angesehen und an Bedingungen geknüpft. So mussten gravierende Ehevergehen im Sinne eines sittlichen Verschuldens vorhanden sein, wobei über die Anzahl und den Inhalt der Scheidungsgründe kontrovers diskutiert wurde. Die größten Differenzen entbrannten innerhalb des protestantischen Lagers über die Definition der sogenannten Quasidesertion, worunter alle der „böswilligen Verlassung“ vergleichbaren Handlungen gebündelt wurden. Darunter verstand man den Fall, „daß ein Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft aufhob, oder sich beharrlich weigerte, seine Ehepflichten zu leisten, ohne sich außer Landes zu begeben“ (Jensen 1984, 91). Luther selbst ist einer strengeren Richtung zuzuordnen, welche die biblischen Scheidungsgründe eng auslegte. Demnach zählten dazu unangefochten der Ehebruch, das faktisch nicht mehr vorkommende Privilegium Paulinum sowie die Desertion einschließlich weniger genau definierter Fälle von Quasidesertion. Die „böswillige Verlassung“ war dann gegeben, wenn ein Ehepartner heimlich weglief und den anderen mit der Familie zurückließ, wobei dies eher einem männlichen Verhaltensmuster entsprach (Siebenhüner 2006, 111). Entscheidend war, dass sich bestimmte Verhaltensweisen eines Partners gegen die eheliche Gemeinschaft richteten (Stolz 1983, 40). Eine weniger strenge Richtung diskutierte weitere Scheidungsgründe wie die Verweigerung der ehelichen Pflicht, Abtreibung, Impotenz und Unfruchtbarkeit, in Anlehnung an das römische Recht die Scheidung wegen schwerer, Ekel erregender Krankheiten oder Geisteskrankheit, die Nötigung zu kriminellen und gottwidrigen Handlungen durch den Ehepartner, lasterhafter Lebenswandel, die Stäupung und Landesverweisung infolge eines Verbrechens, schwere Misshandlungen (Saevitien) und Lebensnachstellungen (Insidien). Diese Scheidungsgründe wurden jedoch nicht nur von Luther, sondern auch den anderen Reformatoren überwiegend abgelehnt. Bloße Unverträglichkeit war bei keinem von ihnen ein Scheidungsgrund. Waren die Ehekonflikte zu gravierend, dann gestand schon Luther eine dauernde oder zeitlich befristete Trennung ohne Möglichkeit zur Wiederheirat zu, womit er dem gängigen kanonischen Recht folgte. Die Forschung geht davon aus, dass in solchen Fällen auch in der Rechtspraxis eine zeitlich befristete Trennung von Tisch und Bett verordnet wurde (Lutz 2006, 134). Grundsätzlich wurden Ehepartner dazu aufgerufen, sich gegenseitig zu verzeihen und trotz der Schwierigkeiten in der Ehe zusammenzubleiben. Eine Scheidung durfte auch nicht aus eigenem Willen geschehen, vielmehr sollten der Pfarrer und die Obrigkeit hinzugezogen werden. Um Scheidungen zudem
196 Siegrid Westphal
in Grenzen zu halten, schlug Luther für den unschuldigen Teil bis zur Wiederheirat eine Wartezeit von mindestens einem halben Jahr vor. Die weitere Entwicklung der Eherechtslehre und speziell des Scheidungsrechts nahm dann jedoch einen Verlauf, der Luthers Vorstellungen von flexiblen Regelungen wenig entsprach. Die Ehe wurde in den protestantischen Landeskirchen zunehmend rechtlich normiert, wodurch die seelsorgerlichen Entscheidungen im forum internum immer weniger ins Gewicht fielen. In protestantischen Territorien regelten seit dem 16. Jahrhundert die Landesherren, die sich als christliche Obrigkeiten verstanden, das kirchliche Eherecht in territorialen Kirchen- und Konsistorialordnungen sowie in eigenen Eheordnungen. Dabei wurden die in der Bibel getroffenen Aussagen über die Scheidung als verbindliches Recht angesehen. Bemerkenswert ist, dass nicht alle Ordnungen ein Ehescheidungsrecht behandelten, was dafür spricht, dass solche Fälle gegenüber Fragen der Gültigkeit von Eheschließungen weniger ins Gewicht fielen. Auch die Möglichkeiten, eine Ehe annullieren zu lassen, wurden gegenüber dem kanonischen Recht deutlich eingeschränkt. Ehesachen wurden in protestantischen Territorien zunächst auf einer seelsorgerlichen Ebene vor dem Pfarrer, bei nicht erfolgter Versöhnung auf einer rechtlichen Ebene vor dem Konsistorium oder dem Kirchenrat behandelt, in dem Theologen und weltliche Räte gleichermaßen vertreten waren. Ursache dafür war die von Luther ausgelöste und durch die Suspendierung der geistlichen Gerichtsbarkeit in protestantischen Territorien geschaffene Situation, welche in die causa-mixta-Lehre mündete. Demnach sollte die Regelung der geistlichen Angelegenheiten kirchliche Aufgabe bleiben, „auch wenn die weltliche Obrigkeit des landesherrlichen Kirchenregiments tätig wurde“ (Seehase 1999, 18). Johann Jacob Moser definierte 1775 treffend, dass bei den Protestanten „eigentliche Ehesachen pro causis mixti fori angesehen werden, welche etwas von der natura negotiorum ecclesiasticorum und etwas von der natura negotiorum civilium participiren, dahero sie auch fast überall von Theologen und Rechtsgelehrten gemeinschafftlich tractiret und entschiden, so dann, wann Acta in dergleichen zu verschicken seynd, selbige an eine Theologische und Juristenfacultät zugleich verschicket werden“ (Moser 1775, Bd. 12/2, 38). Eine verfahrensrechtliche Besonderheit des protestantischen Ehescheidungsprozesses stellte in diesem Zusammenhang das Güteverfahren dar, sollte die Scheidung doch immer nur das letzte Mittel sein (Scholz-Löhnig 2006, 57). Dass sich die Ehe aber immer stärker als eine weltliche Ordnungsaufgabe abzeichnete, hat nicht nur mit dem Diktum Martin Luthers zu tun, dass die Ehe ein „weltliches Ding“ sei, sondern hängt auch mit den dynamischen Territorialisierungsprozessen der Frühen Neuzeit zusammen. Die weltliche Obrigkeit entwickelte ein gesteigertes Interesse daran, potentiell krisenhafte Erscheinungen der Gesellschaft, wie die Ehe, über normative und administrative Steuerung in den Griff zu bekommen. Die Forschung spricht vom „Genehmigungsvorbehalt“ der Obrigkeit, nicht nur bei Eheschließungen, sondern
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 197
auch bei Scheidungen (Blasius 1997). Die Ehe war eben kein Rechtstitel, auf den alle Anspruch hatten, sondern ein Privileg, das nur von der weltlichen Obrigkeit vergeben werden konnte. Dass ein Teil der Bevölkerung aus diversen Gründen überhaupt nicht heiraten konnte, spielte dabei keine Rolle. Konsequent setzte die protestantische weltliche Obrigkeit im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts ihren Anspruch auf Rechtskompetenz in Ehesachen durch, indem sie Eheschließungs- und Scheidungsbestimmungen in die territoriale Policeygesetzgebung eingliederte. Das Eherecht und die Scheidungspraxis wurden auf diese Weise mit einem rigorosen Strafrecht verbunden, das für Ehebrecher schwere Schandstrafen, die Landesverweisung oder sogar die Todesstrafe vorsah. Die Folge war die Herausbildung einer strengen Sittengerichtsbarkeit. Schon an der mit der Ehegesetzgebung und Eherechtsprechung verbundenen Ordnungs- und Steuerungsfunktion lässt sich erahnen, dass auch die protestantischen Obrigkeiten lange Zeit kein Interesse daran hatten, Ehen zu scheiden, selbst wenn dies theoretisch möglich gewesen wäre. Oberste Priorität besaß der Grundsatz, dass Ehen unbedingt erhalten werden mussten. Dabei spielten sicherlich ökonomische Erwägungen mit hinein. Juristischer Rigorismus dominierte deshalb bis in das 18. Jahrhundert die protestantische Scheidungspraxis, gekennzeichnet durch die strenge Auslegung der beiden biblischen Scheidungsgründe – Ehebruch und „böswilliges Verlassen“. Ab Anfang des 18. Jahrhunderts setzte sich dann mehr und mehr die mildere Richtung hinsichtlich der Scheidungsgründe durch, wobei seelsorgerliche Argumente die größte Rolle spielten. Einblick gewähren insbesondere die Ausführungen Justus Henning Böhmers zum „Jus ecclesiasticum protestantium“ (1714–1737), die in einer Reihe von Territorien zur Erweiterung der Scheidungsgründe führten (Lutz 2006, 135 f.). Natur- und vernunftrechtliche Einflüsse, wonach die Ehe eher als vertragsrechtliche Verbindung zur Erfüllung bestimmter Ehezwecke angesehen wurde, führten zur Akzeptanz weiterer Scheidungsgründe, worunter nun auch Lebensbedrohung, Verweigerung der ehelichen Pflicht oder Landesverweisung bzw. lebenslange Haft gerechnet werden konnten. Eine Scheidung auf beiderseitigen Wunsch war jedoch noch undenkbar, am Schuld- bzw. Verschuldensprinzip wurde lange Zeit strikt festgehalten. Im späten 18. Jahrhundert deutete sich unter Einfluss der Aufklärung und der Französischen Revolution auch hier eine Veränderung an, die 1794 im Allgemeinen Landrecht Preußens (ALR) dann zu einem liberalen Scheidungsrecht führte. Die Idee der Liebesheirat wurde intensiv diskutiert und damit zusammenhängend auch die einvernehmliche Ehescheidung aufgrund von Unverträglichkeit der Ehepartner. Eine Abkehr vom rigorosen protestantischen Scheidungsrecht war die Folge, auch wenn die konfessionelle Bindung weiterhin bestand. Hier ist besonders die Arbeit von Dirk Blasius über die Scheidungspraxis nach der Einführung des Allgemeinen Landrechts in Preußen im Jahre 1794
198 Siegrid Westphal
hervorzuheben (Blasius 1987). Er kommt zu dem Ergebnis, dass Ehescheidungen in den Territorien des ALR im frühen 19. Jahrhundert erstaunlich häufig vorkamen. Die hohen Scheidungszahlen verweisen auf die großen Spannungen und die zahlreichen Schwierigkeiten des ehelichen Lebens um 1800, die er vor allem auf sozioökonomische Probleme zurückführt. Insbesondere die Scheidung aufgrund beidseitiger Einwilligung und wegen „unüberwindlicher Abneigung“ stellte laut Blasius eine wesentliche Neuerung des Scheidungsrechts dar. Vor allem betont er aber die Sympathie, welche die Gerichtsbehörden Ehefrauen entgegenbrachten. Er hebt den Zusammenhang zwischen der zunehmenden Inanspruchnahme der Eherechtsprechung durch Frauen und einer Frauen begünstigenden Scheidungspraxis der Obrigkeit hervor, weil deren Ordnungsbemühungen offenbar mit den individuellen Interessen der Frauen konform gingen. Mitte des 19. Jahrhunderts sei es jedoch in Reaktion auf die liberale Scheidungspraxis wieder zu einer deutlichen Verschärfung des Scheidungsrechts gekommen (Blasius 1997). Ein rein weltliches Ehescheidungsrecht, bei dem weltliche Institutionen ohne Ansehung von Konfession oder Religion und unter Zulassung einer Wiederheirat die Ehe dem Bande nach schieden, wurde erstmals im Code civil (1804) festgelegt. Damit griff die französische Gesetzgebung unter Napoleon zum einen Ideen der französischen Revolution auf, die vom rein vertragsrechtlichen Charakter der Ehe ausgingen und den sakramentalen Charakter leugneten, zum anderen reagierte sie auf die in der Rechtspraxis eingetretene große Unsicherheit aufgrund der völligen Freiheit der Ehegatten, die Ehe scheiden zu lassen. Der Code civil grenzte diese Freiheit durch eine Reihe von Regelungen wieder ein, hielt jedoch am vertragsrechtlichen Charakter der Ehe und der einvernehmlichen Scheidung fest. Als Scheidungsgründe galten Ehebruch (beim Mann nur, wenn er den Ehebruch in der gemeinsamen ehelichen Wohnung begangen hatte), grausame Misshandlungen und grobe Beleidigungen sowie die Verurteilung zu einer entehrenden Strafe. Zur Zeit der Restauration wurde das Scheidungsrecht des Code civil 1816 zugunsten des kanonischen Rechts jedoch wieder aufgehoben und wie zuvor lediglich die Trennung von Tisch und Bett zugelassen. 3.2.2.3 Jüdisches Scheidungsrecht▀In vielerlei Hinsicht ähneln sich die Auffassungen von Juden und Christen in Bezug auf den Stellenwert einer Ehe für die Gesellschaft. So ist die Ehe im Idealfall ein Bund für das ganze Leben, der gleichgesetzt wird mit dem Bund zwischen Gott und Israel. Eine Scheidung kam auch in den Augen von Juden einer Tragödie gleich und sollte durch verschiedene Hindernisse unterbunden oder zumindest erschwert werden. Nicht zuletzt die hohe Ketubba ist Ausdruck dieses Denkens. Aber auch rechtliche Vorgänge und die Bemühungen zur Versöhnung sollten dazu dienen, eine Scheidung möglichst zu verhindern, denn eine Scheidung war nicht nur ein gesellschaftliches Problem, sondern auch ein religiöses Übel, weil sie den Bruch einer geheiligten Verbindung darstellte. Deshalb waren auch im
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 199
jüdischen Bevölkerungsteil des Alten Reiches Scheidungen zwar eher selten, aber prinzipiell möglich. Gravierende Unterschiede zum christlichen Bereich existierten jedoch beim Scheidungsrecht, sowohl hinsichtlich der institutionellen Zuständigkeit als auch im Bereich der normativen Regelungen. Die im katholischen und protestantischen Bereich geltenden eherechtlichen Normen betrafen Juden nicht. Sie unterlagen in der Regel ihrem eigenen Religionsgesetz, was von den jeweiligen territorialen Obrigkeiten toleriert und anerkannt wurde. Dies änderte sich erst, als im Zuge der Kodifikationsbemühungen Ende des 18. Jahrhunderts vielerorts die Zivilehe und die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit in Ehesachen durchgesetzt werden sollten. Letztliche Konsequenz davon war, dass im Judentum bis heute jüdisches Recht und Zivilrecht des jeweiligen Landes gleichermaßen Geltung beanspruchen, je nachdem, wie stark sich der Einzelne an religiöse Vorschriften gebunden fühlt (Rothschild 2009, 311). Der wichtigste Unterschied zu christlichen Trennungs- bzw. Scheidungsverfahren, der im Prinzip ebenfalls bis heute existiert, bestand darin, dass eine Scheidung nicht durch ein Gericht oder einen behördlichen Akt, sondern durch die Parteien selbst vollzogen wurde, indem der Mann der Frau eine Verstoßungsverfügung (Get) ausstellte. Frauen waren dazu nicht berechtigt. Ursprünglich handelte es sich also um einen einseitigen Akt, der Frauen nur einen passiven Part zuwies und sie damit deutlich schlechter stellte als Männer. Im ashkenasischen Judentum konnten Frauen jedoch seit dem Mittelalter infolge der von Rabbi Gerschom ben Juda von Mainz in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts eingeführten Bestimmungen die Annahme des Scheidungsbriefs verweigern, allerdings war es ihnen nicht möglich, den Mann zur Überreichung zu zwingen. Einvernehmlichkeit der Ehepartner gilt seitdem als zentrale Voraussetzung, ein Scheidungsgrund bzw. die Frage nach der Schuld sind im Prinzip keine Notwendigkeit für eine Scheidung. Sie wird deshalb als „Rechtsakt freier Willensentscheidung zwischen den beiden Parteien“ (Homolka 2009, 113) gesehen. Nicht zuletzt deshalb war es wichtig, dass beide Parteien persönlich oder in Stellvertretung anwesend waren, denn die Anwesenheit und die gemeinsame Scheidungshandlung gelten als konstitutive Akte einer Scheidung. Dem jüdischen Gericht oblagen lediglich die Aufsicht und die Aufgabe zu bezeugen, dass das Scheidungsverfahren ordnungsgemäß vollzogen wurde. Trotz dieser normativen Regelungen finden sich jedoch schon in der Frühen Neuzeit Fälle, bei denen sich Jüdinnen und Juden auch an nichtjüdische Gerichte und Obrigkeiten wandten, um in der Regel Druck auf die jüdischen Autoritäten auszuüben, damit diese im Sinne der Kläger entschieden (Dubin 2007, 84). Die grundlegende Basis des jüdischen Rechts auch in Bezug auf die Scheidung ist die Bibel, wobei die Bestimmungen nicht sehr ausführlich sind. Deshalb wurden sie bereits seit der Antike kontinuierlich ausgeführt und auf die konkrete Situation bezogen.
200 Siegrid Westphal
Die entscheidende Stelle steht im Deuteronomium 24, 1–4. Sie bezieht sich auf den Wunsch eines Mannes auf Wiederheirat seiner geschiedenen Frau nach dem Tod ihres zweiten Mannes, was untersagt wird. In diesem Kontext heißt es: „Wenn jemand eine Frau nimmt und sie ehelicht, sie verliert aber nachher seine Gunst, indem er etwas Schändliches (erwat dawar) an ihr wahrgenommen hat, er ihr einen Scheidebrief schreibt, ihr in die Hand gibt und sie aus seinem Haus lässt, sie verlässt sein Haus, geht hin und wird eines anderen Frau, dieser zweiter Mann wird ihr auch gram, schreibt ihr einen Scheidebrief, gibt solchen ihr in die Hand und lässt sie aus seinem Haus, oder der zweite Mann stirbt, der sie zur Frau genommen hat, dann darf sie der erste Mann, der sie von sich gelassen hat, nicht wieder zu sich nehmen, dass sie seine Frau werde, nachdem sie sich hat verunreinigen lassen, denn dies ist vor dem Ewigen ein Gräuel.“ Aus dieser Textstelle in der Tora wurde die gesamte Struktur des rabbinischen Scheidungsrechts entwickelt. Aufgrund der Offenheit der Stelle, insbesondere in Bezug auf die Deutung von „Schändlichkeit“, entstand seit der Antike eine intensive Auseinandersetzung mit Schwerpunkt auf den Scheidungsgründen, wobei sich eine liberalere Perspektive (Hillel) durchsetzte, die eine größere Anzahl an Scheidungsgründen zuließ. Letztlich ist es einem Mann aus fast jedem Grund möglich, von seiner Frau die Scheidung zu begehren. Ausnahme ist zum einen die nachweislich falsche Beschuldigung der Frau, sie sei bei der Eheschließung nicht jungfräulich gewesen, zum anderen die Verführung einer Jungfrau, was zur Eheschließung und Unauflöslichkeit der Ehe verpflichtete. Zu typischen Scheidungsgründen von Seiten des Mannes zählen beispielsweise der Ehebruch der Frau, unsittliches Verhalten, Abfall vom Judentum, Verweigerung des ehelichen Verkehrs, Unfruchtbarkeit oder andere physische Mängel, die bereits vor der Eheschließung bestanden, dem Mann aber verheimlicht worden waren. Unter bestimmten Voraussetzungen konnte auch eine Frau eine Scheidung fordern, zum Beispiel bei regelmäßiger Untreue, Abfall vom Judentum, unerträglichem Verhalten oder widerwärtigen Krankheiten, die Ekel erregen bzw. den Geschlechtsverkehr unmöglich machen. Auch mangelnde Unterstützung der Ehefrau oder wirtschaftliches Versagen des Mannes konnten als Auslöser eines Scheidungsbegehrens fungieren. Hintergrund bildete die biblisch begründete Verpflichtung des Mannes (Ex. 21, 10: Er darf ihre Nahrung, ihre Kleidung und den ehelichen Umgang mit ihr nicht kürzen), seine Frau mit Kleidung und Nahrung zu versorgen, ihr beizuwohnen, für Krankheitskosten aufzukommen, sie aus der Gefangenschaft auszulösen und für ihre Beerdigung zu sorgen. In Fällen, bei denen dies nicht gewährleistet schien, konnten sich Frauen an ein jüdisches Gericht wenden, damit dieses Druck auf den Ehemann ausübt, bis er einer Scheidung zustimmt (Dubin 2007, 85). Eine durch das Gericht erzwungene Scheidung war jedoch seit dem 12. Jahrhundert nur in ganz wenigen Fällen möglich, aus-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 201
schlaggebend blieb die Bereitschaft des Mannes, in eine Scheidung einzuwilligen. Der eigentliche Scheidungsakt unterlag einem streng formalen Verfahren, bei dem die Überreichung der Scheidungsurkunde (Get) vom Mann an die Frau das zentrale rechtliche Element darstellt. Ursprünglich handelte es sich um ein einfaches Dokument, das nur aus einem Satz bestand. Im Laufe der Zeit bildete sich jedoch ein feststehender Text heraus, der in der Regel in aramäischer Sprache verfasst war. Nach genauer Angabe von Zeit, Ort und Person des Ehemannes erklärt dieser dabei, dass er aus freiem Willen und ohne Zwang eingewilligt habe, seine Frau zu entlassen, loszulösen und zu scheiden: „Du bist bisher mein Weib gewesen, jetzt aber sei losgelöst, entlassen und geschieden von mir, sodass dir erlaubt sei, über dich künftighin selbst zu verfügen und jeden Mann, den du willst, zu heiraten. Und niemand soll dich hieran hindern, und du seist von nun an für alle Zukunft erlaubt für jedermann. So erhältst du von mir den Scheidebrief, die Urkunde der Entlassung und den get der Loslösung nach dem Gesetze Moses und Israels.“ (Homolka 2009, 122) Es folgen die Unterschriften von zwei Zeugen. Aufgrund der hohen Bedeutung des Get dürfen nur bestimmte Personen (ein Scheidungsbeauftragter oder ein autorisierter Schreiber) dieses Dokument ausstellen, damit es für den rituellen Gebrauch koscher ist. Der Schreiber handelt auf Anweisung des Mannes, der zuvor die Schreibutensilien erworben haben muss, die er als Geschenk vom Schreiber überreicht bekommt, damit sie in sein Eigentum übergehen. Vor der Niederschrift muss der Mann das Sündenbekenntnis sprechen, um der ernsten Situation angemessen Rechnung zu tragen. Nach der Niederschrift des Get muss die Frau den Scheidebrief freiwillig aus den Händen des Mannes erhalten. Wenn dies geschehen ist, ist die verheiratete Frau wieder unverheiratet und frei, eine andere Beziehung bzw. Heirat einzugehen. Die Übergabe muss vor den Zeugen, dem Rabbiner, dem Schreiber sowie einem Quorum von Männern geschehen. Der Get wird anschließend an den Rabbiner überreicht, der ihn durch das Einschneiden der Ecken „entwertet“. An seine Stelle tritt eine Bestätigung des Scheidungsakts. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Scheidung nicht von dritter Seite angefochten werden kann. 4. Prozessbeispiele▀Im Folgenden werden Prozessbeispiele mit einem Schwerpunkt auf der höchsten Gerichtsbarkeit des Alten Reiches vorgestellt, die zum einen für den jeweiligen Stand typische Konfliktfelder pars pro toto anschaulich vorstellen und dadurch verdeutlichen, dass die Konflikte in der Auflösungsphase ehelicher Beziehungen häufig ein standesspezifisches Profil aufweisen. Zum anderen soll aber auch gezeigt werden, dass zwischen der Auflösung durch Tod oder Scheidung und den dadurch hervorgerufenen Krisenerfahrungen durchaus Parallelen bestehen, die von den Betroffenen zum Teil sogar selbst gezogen wurden. Besonders signifikant tritt dies im Bereich
202 Siegrid Westphal
von bürgerlichen Handwerksfrauen und adeligen Frauen aus dem protestantischen Umfeld zu Tage. Bei beiden Ständen konnten Witwen vorteilhafte Regelungen für sich in Anspruch nehmen, die in engem Zusammenhang mit ihrer ökonomischen Absicherung zu sehen sind. Geschiedene Frauen, für die in der frühneuzeitlichen Gesellschaft eigentlich kein Platz vorgesehen war, bezogen sich in ihrer Argumentation auf deren Status und hofften, von den für Witwen konzipierten Regelungen profitieren zu können. Sowohl über erbrechtliche Abmachungen als auch über Scheidungsregelungen entstanden heftige Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Personen oder Gruppen, die nicht mehr gütlich, sondern gerichtlich geklärt werden mussten. Je höher der Streitwert war und je grundsätzlicher die einem Konflikt zugrunde liegenden Streitfragen ausgetragen wurden, desto höher wanderte der Konflikt im Instanzenzug. Nicht zuletzt deshalb können aus diesen Quellen die gesellschaftlich vorherrschenden Vorstellungen herausgelesen werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass zum einen in den Prozessakten eine nach den Regeln der juristischen Rhetorik konstruierte Geschichte erzählt wird, die zu großen Teilen auf stereotypen Argumentationsmustern basiert. Zum anderen ist es jedoch auch richtig, dass vielfach Argumente vorgebracht wurden, die keine Prozessrelevanz besaßen, aber von Klägern und Beklagten für bedeutsam und sagenswert gehalten wurden (Werkstetter 2008, 213; Carius 2010). Insofern kann den Gerichtsakten durchaus ein erheblicher Aussagewert für eheliche Beziehungen in der Auflösungsphase beigemessen werden. 4.1 Witwen▀ 4.1.1 Konflikte nicht besitzender Witwen und von Witwen der ländlichen Gesellschaft▀Welche Ausprägung und welchen Stellenwert der Witwenstatus bei den nichtbesitzenden Schichten besaß, ist nicht zuletzt aufgrund mangelnder Quellen schwer zu untersuchen. Daher kann auch kaum etwas Generelles darüber gesagt werden, ob Armut als spezifische Folge der Verwitwung anzusehen ist oder eher als Ausdruck einer strukturell armen Bevölkerung. Witwen finden sich in größerer Zahl als Almosenempfängerinnen und Bittstellerinnen, wobei sie nur von ledigen Frauen übertroffen wurden (Ingendahl 2006, 224). Häufig ist über ihren sozialen Hintergrund wenig bekannt. „Arme Witwe“ zu sein, reichte jedoch in der Regel nicht aus, in den Genuss von Unterstützungsleistungen zu gelangen. Krankheit und Gebrechlichkeit, die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatten, mussten mit einem würdigen Lebenswandel gekoppelt sein, um Unterstützung zu erhalten. Diese Kriterien galten aber auch für Ehepaare oder Witwer. Aufgrund der schlechten Quellenlage lassen sich auch kaum Aussagen über Konflikte nicht besitzender Schichten im Zusammenhang mit der Witwenschaft, der Verteilung der persönlichen Habe des Verstorbenen oder der Witwenversorgung treffen, zumal sich solche nicht an den höchsten Gerichten des Alten Reiches niederschlugen. Da jedoch Erbschaftsstreitigkeiten zu den häufigsten Konflikten der frühneuzeitlichen Gesellschaft zählten – wobei sich
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 203
bisher nur wenige Studien intensiver damit beschäftigt haben –, ist zu vermuten, dass auch Witwen ohne Besitz in derartige Auseinandersetzungen gerieten. In einer Knappheitsgesellschaft konnten wohl selbst die geringsten Vermögenswerte wie persönliche Kleidungsstücke Verteilungskämpfe auslösen. Hier zeichnet sich noch ein breites Forschungsfeld ab. Das gilt auch für den in dieser Hinsicht bisher wenig erforschten ländlichen Raum. Erste Arbeiten im Zusammenhang mit der Untersuchung von Gutsherrschaften verweisen häufig sehr pauschal darauf, dass es hier ebenfalls zahlreiche Auseinandersetzungen über Erbrezesse und Erbvergleiche gegeben habe, wobei die Konflikte wohl erst auftraten, wenn der oder die Hinterbliebene wieder zu heiraten gedachte. „Subjektive Animositäten wie objektive Notlagen standen Pate, wenn Bräute oder Witwen derlei Rechte erst auf dem Gerichtsweg durchsetzen mußten.“ (Enders 1996, 127) Konstatiert wird zudem, dass solche Konfliktlagen seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts zunahmen. Im Zusammenhang mit Fragen des Besitztransfers (Štefanová 2009) und der Generationengerechtigkeit (Brakensiek 2006) rückten zwar auch Auseinandersetzungen über die Weitergabe des Erbes im ländlichen Raum in den Blick, aber in der Regel wurde – vor dem Hintergrund des jeweiligen Erbrechts – stärker auf das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern als auf die Position der Witwe geachtet. Als grundsätzlich konfliktträchtig gelten kinderlose Ehen und Fälle von Wiederverheiratung, wenn aus der ersten Ehe noch Kinder lebten. Für beide Konstellationen fehlen jedoch eingehendere Untersuchungen, die den Fokus auf die Frühe Neuzeit richten. 4.1.2 Konflikte bürgerlicher Witwen▀Über Konflikte bürgerlicher Witwen ist mehr bekannt. Dazu zählt – neben kleineren Aufsätzen (Fußbahn 1996) – die Einzelfallstudie von Christine Werkstetter (2008) über die Augsburger Unternehmerin Anna Barbara Gignoux, die gleichermaßen als Beispiel für eine Witwe als auch für eine geschiedene Frau herangezogen werden kann. Die aus einer Goldschlagerfamilie stammende Anna Barbara heiratete 1748 zunächst den Formschneider und Kattundrucker Johann Friedrich Gignoux, mit dem sie zwei Kinder bekam und eine offenbar harmonische Ehe führte. Werkstetter bezeichnet sie als Ehe- und Arbeitspaar par excellence und verweist insbesondere darauf, dass Anna Barbara Gignoux in alle Arbeitsprozesse der erfolgreichen Kattunfabrik eingeweiht war, so dass sie nach dem Tod ihres Mannes 1760 die Geschäfte allein weiterführen konnte. Noch im gleichen Jahr heiratete sie ein zweites Mal, und zwar den Kaufmann Georg Christoph Gleich, der sie jedoch – trotz eines anders lautenden Ehevertrages – aus der Leitung der Manufaktur verdrängte und das Unternehmen innerhalb von zehn Jahren in den Ruin führte. Den Folgen entzog er sich durch Flucht. Erst zu diesem Zeitpunkt (1779) hatte das zweite Scheidungsgesuch der Ehefrau Erfolg, wurden doch ihre Vorwürfe des schlechten Wirtschaftens und der Verschwendungssucht ihres Mannes eindrücklich durch den betrügerisch herbeigeführten Konkurs bestätigt. Ihr gelang es dann, bis zu ihrem Tod
204 Siegrid Westphal
(1796) die Kattunmanufaktur wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Damit steht dieser Prozess stellvertretend für die wirtschaftlichen Möglichkeiten und Freiräume, die verwitwete und geschiedene Frauen in der Frühen Neuzeit haben konnten. Dies zeigt sich auch am Beispiel von Witwen in Ravensburg (Ingendahl 2004), denn Frauen tauchen hauptsächlich als Witwen in den administrativen Schriftstücken auf. Denn je nach Art der Geschlechtsvormundschaft besaßen Ledige und Ehefrauen in einigen Territorien des Alten Reiches keine oder nur eingeschränkte Möglichkeiten, ihre eigenen Angelegenheiten vor Gericht oder Amtspersonen auseinanderzusetzen. In der Regel mussten sie sich durch einen Geschlechtsvormund vertreten lassen. Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass auch Handwerkerwitwen im Rahmen von beispielsweise Verträgen oder Bittschriften alle rechtlichen Möglichkeiten auszureizen wussten, um ihre Position durchzusetzen. Mitunter griffen sie sogar über den ihnen zugebilligten normativen Rahmen hinaus und schufen sich Freiräume, indem sie den Topos der armen und bedürftigen Witwe instrumentalisierten (Stretton 1998). Damit rekurrierten sie auf ihr göttlich legitimiertes Schutzbedürfnis und forderten die Obrigkeit offensiv auf, ihrer Verantwortung nachzukommen. Sie formulierten gewissermaßen im Sinne einer gegenseitigen Abmachung einen Rechtsanspruch auf obrigkeitliche Unterstützung und bestätigten damit gleichzeitig die Herrschaftsansprüche der Obrigkeit. Dass der Eintritt der Witwenschaft in der Anfangsphase durch den Streit um das hinterlassene Vermögen und die getroffenen Absicherungsstrategien (Heiratsverträge, Testamente) bestimmt und dadurch eine Krise ausgelöst werden konnte, wurde am Beispiel eines Streites einer Ravensburger Witwe um den Anteil an der Errungenschaft gezeigt (Ingendahl 2006, 182–184). Dabei bestand offenbar ein Gegensatz zwischen gelehrtem, verschriftlichtem Recht und mündlich tradiertem Herkommen bzw. Gewohnheitsrecht, wobei die Bevölkerung – auch entgegen städtischen Statuten – lange Zeit an ihren Gewohnheiten festhielt. Im Streitfall war der Rat bereit, eher zu vermitteln als das gelehrte bzw. gesatzte Recht durchzusetzen. Der Witwenstand von Bürgerfrauen scheint jedoch insbesondere gegen Ende des 18. Jahrhunderts „hoch prekär“ (Ingendahl 2006, 327) gewesen zu sein, denn im Laufe des Verrechtlichungs- und Verschriftlichungsprozesses der Frühen Neuzeit sei der Witwenstand immer stärker ausdifferenziert und schriftlich fixiert worden. Auch im Konfliktfall erwiesen sich bestimmte Rollenvorstellungen für Witwen als bedeutsam, wie sich an einem langwierigen Rechtsstreit gegen Ende des 16. Jahrhunderts zeigt, der sich um die Witwenversorgung der Nürnberger Patrizierwitwe Katharina Teschler drehte (Kruse 2007). Sie war nach dem Tod ihres Mannes auf dem Schlachtfeld 1592 und fünfjähriger Ehe zusammen mit ihrem unmündigen Sohn unzureichend versorgt. Die Ersparnisse waren aufgebraucht und offenbar hinterließ ihr Ehemann hohe Schulden, so dass sich die Ravensburger Handelsgesellschaft, bei der die im Ehevertrag festgelegte Mitgift und Widerlage angelegt waren, sechs Jahre lang weigerte, die
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 205
Forderungen der Witwe zu begleichen. Problematisch war hier vor allem, dass der Ehemann kein Testament hinterlassen hatte, das die Ansprüche der Witwe und des Sohnes bestätigte. In den Stadtrechten von 1564 war zwar festgelegt worden, dass eine Ehefrau, deren Mann sich verschuldet hatte, trotzdem Anspruch auf ihr Heiratsgut, alles während der Ehe erworbene sowie im Heiratsvertrag festgelegte Vermögen erheben könne. Allerdings musste sie für die Klage vor Gericht die Verschuldung ihres Mannes glaubhaft dokumentieren, was unter anderem durch die Erstellung eines Inventars sowie der detaillierten Auflistung der Schulden und Gegenschulden des Verstorbenen geschah. Die Witwe sah sich im Verfahren eher als Gläubigerin denn als Erbin, denn sie verlangte Mitgift sowie Widerlage und den Gegenwert von der Hälfte aller Hochzeitsgeschenke zurück. Sie scheint dabei nicht in jeder Hinsicht erfolgreich gewesen sein, denn noch ihr zweiter Ehemann, Anton IX. Tucher, versuchte 1598 vergeblich, die Ansprüche seiner Frau gegenüber den Ravensburger Verwandten des ersten Ehemannes durchzusetzen. Wie häufig bei Prozessen, ist auch hier nicht bekannt, wie dieser Konflikt letztlich ausgegangen ist. Immerhin scheint die Witwe – trotz der Verschuldung ihres ersten Mannes – eine attraktive Heiratskandidatin gewesen zu sein, denn der aus der bekannten Nürnberger Patrizierfamilie stammende Anton Tucher suchte 1596 um ihre Hand an, was sie als besondere göttliche Fügung empfand. Nach Rücksprache mit ihrer Familie stimmte sie der Ehe zu. Die Ehe scheint ruhig verlaufen zu sein und blieb kinderlos. Auch ihr zweiter Mann verstarb vor ihr und hinterließ ihr ein umfangreiches Vermögen, das sie testamentarisch mehreren Witwen und unverheirateten Töchtern von Verwandten vererbte. Damit agierte sie wie viele vermögende Witwen der städtischen Oberschicht, die dem normativen Leitbild für den Witwenstand entsprechend einen Teil oder das Gesamtvermögen für die Versorgung von Frauen in ähnlicher Lebenssituation einsetzten. Teilweise geschah dies in Form von Stiftungen, teilweise in direkten Legaten. An die höchsten Gerichte des Alten Reiches gelangten Streitigkeiten über Erbschaftsfragen und die in den Heiratsverträgen festgelegte Witwenversorgung von bürgerlichen Frauen in Form von Appellationen, und zwar dann, wenn entweder die Witwe oder die anderen Erben bzw. Erbanwärter mit bestimmten Entscheidungen der Vorinstanzen nicht einverstanden waren. In der Regel handelte es sich um komplizierte und teilweise widersprüchliche Regelungen, die erhebliche Interpretationsspielräume ermöglichten, insbesondere wenn kein Testament vorhanden war. Einen gewissen Sonderfall stellen sicherlich die von Irene Jung vorgestellten 108 Fälle (Jung 1998) dar, die von Wetzlarer Frauen am Reichskammergericht angestrengt wurden, als dieses seinen Sitz in Wetzlar hatte und den Stadtbürgern eher als Appellationsinstanz gegen Entscheidungen des Stadtgerichts Wetzlar diente. Rund 60 Prozent der Fälle wurden von Witwen angestrengt, die Mehrzahl davon betraf das Familien- und Erbrecht, wobei am Reichskammergericht auch Testamente hinterlegt werden konnten. Viele der Wit-
206 Siegrid Westphal
wen waren nicht vermögend und klagten im Armenrecht. Die vielfältigen Konstellationen von Erbschaftsstreitigkeiten lassen sich kaum differenzieren, aber auch hier zeichnet sich ab, dass insbesondere Wiederverheiratungen und bei kinderlosen Ehen im Todesfall eines Ehepartners Konflikte der Hinterbliebenen mit Angehörigen der Herkunftsfamilie der Verstorbenen einen Schwerpunkt bilden. Ein Beispiel dafür ist die Appellation von Catharina Augustin gegen ihre Schwiegermutter Agnes Augustin (BayHStA München, Reichskammergericht 2821) im Jahr 1754 am Reichskammergericht. Schon drei Urteile waren in dieser Erbsache der Appellation vorausgegangen, und zwar des Magistrats zu Burglengenfeld, des Landgerichts und der Regierung zu Neuburg. Catharina und ihr Mann Joseph, ein Bürger und Fleischhacker zu Burglengenfeld, hatten einen Ehevertrag (2. September 1731) geschlossen, der folgende Regelungen enthielt: Wenn einer der beiden Brautpersonen „unter Jahr und Tag“ ohne Hinterlassung von ehelichen Erben stirbt, soll die Hälfte des von selbigem eingebrachten Heiratsgutes an dessen Verwandtschaft bezahlt werden. Wenn der Tod über kurz oder lang danach geschehe, sollte „das beederseitig zusammen gebrachte Heurathguths-Vermögen, nothfolglich also auch, was immer durante Matrimonio damit gewonnen wurde, ein Vermischt- und Vermengtes Guth heissen, sofort dann auch, dieser Bedungenschafft nach, ermelder überlebender Theil des abgelebten gesamte Vermögens Portion, alleinig an sich zu bringen und zu erben haben.“ Beide hatten die Abmachung unterschrieben. Er brachte ein Feld, den sogenannten Striglacker im Wert von 150 Gulden in die Ehe ein, während sie ein Heiratsgut von 400 Gulden in Form einer Krämerei und Waren beisteuerte, mit denen sie Handel betrieb. Der Mann kam während einer Handelsreise nach Wien in den Donaustrudeln unterhalb von Linz um. Seine Eltern und drei Geschwister machten darauf im August 1748 sogleich beim Stadtmagistrat in erster Instanz geltend, dass Ihnen als Noterben ihres Sohnes und Bruders dessen gesamtes Vermögen zugesprochen werden sollte. Der Magistrat entschied am 13. März 1749, dass die Witwe den dritten Teil des von Joseph eingebrachten Heiratsgutfeldes an die Eltern zu bezahlen habe. Die anderen Erben wurden abgewiesen. Die Eltern und drei Geschwister legten dagegen Appellation ein. In zweiter Instanz wurden die Geschwister wieder abgewiesen, die Eltern erhielten jetzt aber nicht nur ein Drittel des Feldes, sondern auch den daraus erzielten Zugewinn. Die dritte Instanz bestätigte zunächst die Vorinstanzen, in der Leuterung (Rechtsmittel in zivilrechtlichen Verfahren, mittels dessen vor derselben Instanz eine Urteilsänderung angestrengt werden konnte), kippte das Verfahren jedoch. Laut eines Regierungsbescheides sollte jetzt ein Drittel des beim Tode vorhandenen Gesamtvermögens an seine Familie gezahlt werden (Judicantium vom 12. September 1753). Die Appellantin verwies darauf, dass dies in keinem in Neuburg vorhandenen Ehevertrag üblich sei. In der Exzeptionsschrift (prozessrechtliches Mittel der Einrede) der Schwiegermutter an
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 207
das Reichskammergericht wurde jedoch darauf behauptet, dass aus dem Heiratsvertrag nicht hervorgehe, dass das gemeinschaftliche Vermögen allein an die Witwe gehen solle. Hier setzten also die Ansprüche der Schwiegermutter ein, zumal der Sohn kein Testament hinterlassen hatte. Das Hauptargument bestand darin, dass der Ehevertrag die „legitimam successionem ab intestato“ nicht aufheben könne. Die Schwiegermutter gab zudem vor, dass sie mit den vorherigen Bescheiden der Regierung durchaus zufrieden gewesen sei, da aber die Schwiegertochter nun die Appellation an das Reichskammergericht genommen habe, fühle sie sich nicht mehr daran gebunden, sondern beanspruche jetzt die ganze Erbschaft. Catharina Augustin übergab dann ihr Vermögen aus Krankheitsgründen an ihren Vetter Caspar Schayrer, der für sie den Prozess weiterführen sollte. Dabei handelte es sich einschließlich des Hauses um ein Gesamtvermögen von 3 188,13 Gulden. Wie häufig bei Reichskammergerichtsappellationen üblich, fehlt ein Urteil. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Parteien unter Druck des Verfahrens am Reichskammergericht einvernehmlich geeinigt haben. 4.1.3 Konflikte adeliger Witwen▀Trotz der vielfältigen rechtlichen Mechanismen, welche der Absicherung der Ansprüche von adeligen Witwen dienen sollten, kam es im Falle des Todes des Ehemannes häufig zu Konflikten. Dazu trugen zum einen die zeitliche Diskrepanz zwischen Abfassung des Ehevertrags und dem Eintreten des Witwenfalls bei. Warf beispielsweise ein als Wittum gedachtes Gut anfänglich ein ausreichendes Quantum ab, konnten Kriege oder Misswirtschaft die Rente im Verlauf der Jahre schmälern. Dann musste die Witwe auf die ursprünglich berechnete Geldsumme pochen. Zudem stellten Auseinandersetzungen darüber, was zum Besitz der Witwe gehörte, eine weitere Belastungsprobe dar. All diese Konfliktfelder sind zwar bekannt, haben aber ebenso wie die Herrschaft der Witwe über ihr Wittum bisher nur in Ansätzen das Interesse der Forschung (Kuhlbrodt 2009) gefunden. Der neue Rechtsstatus der Witwe als Inhaberin eines Wittums musste häufig erst ausgehandelt werden. Insbesondere die Frage, welche Herrschaftsbefugnisse von ihr ausgeübt werden durften und welche nicht, bot den Anlass zum Streit mit dem Regierungsnachfolger. Da dieser in der Regel nur eingeschränkte Rechte über den Witwensitz hatte und zusätzlich zur Zahlung der Witwenrente verpflichtet war, gehörten Konflikte zwischen einer verwitweten Mutter und ihrem regierenden Sohn zur Tagesordnung. Wenn eventuell sogar noch die verwitwete Großmutter unterhalten werden musste, dann konnte die Witwenversorgung für den neuen Regenten eine ernsthafte finanzielle Belastungsprobe bedeuten. Auch das wirtschaftliche Verhalten oder die geübte Herrschaftspraxis der Witwe boten mitunter Anlass zu Auseinandersetzungen, vor allem, wenn sich über den ausgehandelten finanziellen und politischen Rahmen immer wieder hinweggesetzt wurde.
208 Siegrid Westphal
Noch komplizierter gestalteten sich die Verhältnisse, wenn unmündige Kinder vorhanden waren. Ein Teil der Dynastien des Reiches sah für diesen Fall vor, dass die Mütter das Herrschaftsterritorium bis zur Volljährigkeit des ältesten Sohnes in Vormundschaft regieren sollten (Puppel 2004; Joachim Berger 2003). Dann kam es auch nicht zu einer Abtrennung des Witwenhaushalts, sondern zur Fortführung des gemeinsamen Hofes. Allerdings gab es keine einheitlichen reichsrechtlichen Regelungen. Vielmehr konnte die vormundschaftliche Regierung in sehr unterschiedlicher Form erfolgen, je nachdem, welche Regelungen in den Hausverträgen und Testamenten vorgesehen waren. Neben der Alleinregierung der Witwe gab es die gemeinsame Regierung von Witwe und männlichen Vormündern, die teils Verwandte, teils Räte der Regierung waren. Mitunter wurde die Witwe von der Regierung auch ganz ausgeschlossen. Vormundschaftliche Regentinnen erlitten oft Anfeindungen. Häufig mussten sie ihre Herrschaft nach innen und außen verteidigen, sei es, dass sie mit den Landständen in Auseinandersetzungen gerieten, sei es, dass die nächsten männlichen Verwandten Möglichkeiten sahen, ihren eigenen Einflussbereich auf Kosten der Regentin und ihrer Familie auszudehnen. Die Forschung hat sich bereits mit einigen sehr prominenten Regentinnen beschäftigt und ihre Rahmenbedingungen sowie ihr Wirken in den Blick genommen. Dabei kam es zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen, was sicherlich auch mit der jeweiligen Persönlichkeit der Witwe zusammenhängt. Entscheidend bleibt jedenfalls, dass Herrschaftsausübung durch Frauen des Hochadels keine Seltenheit war, auch wenn die zeitgenössische staatsrechtliche Literatur die sogenannte „Weiberherrschaft“ sehr zwiespältig beurteilte, da sie nicht in das patriarchale System passte. Im Konfliktfall waren Frauen des Hochadels bis ins Spätmittelalter allein auf sich gestellt. Allenfalls hätten sie die Hilfe des Kaisers als Beschützer von Witwen und Waisen in Anspruch nehmen können (Spieß 2003, 106). Mit der Gründung des Reichskammergerichts und Reichshofrats Ende des 15. bzw. zu Beginn des 16. Jahrhunderts änderte sich ihre Situation jedoch. Die Forschung hat die Funktion der höchsten Gerichtsbarkeit im Reich als Beschützer von Witwen und Waisen nur am Rande zur Kenntnis genommen (Jung 1998). Allenfalls bei bekannten Konflikten wurde die Rolle der Gerichte zur Kenntnis genommen. Hier eröffnet sich jedenfalls ein großes Untersuchungsfeld, wie ein Fall aus der Familie von Rechberg beispielhaft zeigt (HHStA Wien, RHR, den. ant. 30). Die verwitwete Gräfin Isabella Katharina von Rechberg, deren Ehemann am 1. Juni 1676 verstorben war, reichte 1677 beim Reichshofrat in Wien eine Klage gegen den Erben Bernhard Freiherr von Rechberg ein. Entsprechend ihres Heiratsvertrags meldete sie Ansprüche an, die von der Auszahlung der Morgengabe (2 000 Reichstaler) über einen jährlichen Betrag von 800 Reichstalern für die insgesamt 23 zurückliegenden Ehejahre (18 400 Reichstaler) bis zur völligen Nutznießung der Herrschaft Hohenrechberg bis zur Heirat ihrer Tochter reichen. Wittum und Leibgedinge sollten aus den
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 209
Einkünften dieser Herrschaft genommen werden. Bernhard hatte aber in Absprache mit dem Obervogt nach dem Ableben des Grafen das Schloss sowie die gesamte Herrschaft gewaltsam an sich gerissen und einbehalten. Dabei berief er sich darauf, dass die Herrschaft Hohenrechberg ein Fideikommiss der Familie Rechberg sei. Der Anwalt der Witwe verwies dagegen darauf, dass in der Vergangenheit immer wieder mit kaiserlicher Bestätigung davon abgewichen worden sei, um Heiratsverträge zu schließen. Die Gräfin warf Bernhard vor, dass er die Angelegenheit zuerst vor einer kompetenten Institution hätte anbringen sollen, statt sich gewaltsam in den Besitz der Herrschaft zu bringen. Zudem stehe es ihr aufgrund der Heiratsverträge und wegen ihres eingebrachten Heiratsgutes zu, die Administration auszuüben und jährlich eine bestimmte Geldsumme einzunehmen. Dies sei auch in den Hausverträgen festgelegt worden. Bernhard wollte diese Ansprüche jedoch nicht akzeptieren, was durchaus typisch für Erben war, die nicht in einem direkten verwandtschaftlichen Verhältnis zur Witwe standen. Er empfahl das Allodialgut Aichen, das der Witwe zugewiesen werden sollte. Die Witwe brachte dagegen vor, dass dieses Gut schon verschrieben und außerdem hoch verschuldet sei. Ferner betonte sie ausgesprochen nachdrücklich ihre Rechte auf das Erbe. Sie habe ein sehr ansehnliches Heiratsgut in Höhe von 20 000 Reichstalern in die Ehe eingebracht und durch Meliorationes die Erhebung der Herrschaft Rechberg zu einer freien Reichsherrschaft erzielt, wodurch der Zugang zum Reichs- und Kreiskonvent erreicht worden sei. Deshalb habe sich Bernhard auch gewaltsam in den Besitz der Herrschaft gebracht. Zudem sei er lediglich Fideikommisserbe und verhalte sich ganz unrechtmäßig gegenüber der Witwe und der noch unmündigen Tochter. Er verstoße gegen die Familienverträge und gegen den Ehevertrag. Aus diesem Grund bat die Witwe den Reichshofrat um ein Mandatum poenale, das der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand dienen sollte. Zur Durchsetzung dieses Mandats verlangte sie außerdem die Einsetzung einer Kommission, die auf den Schwäbischen Reichskreis übertragen werden sollte. Am 31. August 1677 wurde tatsächlich ein Mandat erlassen, dem ein Auszug der kaiserlich bestätigten Rechbergischen Familienverträge beilag, wonach jeder Inhaber des Schlosses Rechberg dazu berechtigt sei, seine Ehefrau zur Absicherung von Heiratsgut und Morgengabe in die Güter des Schlosses einzuweisen. Auch der verstorbene Inhaber sei dazu befugt gewesen. Obwohl Bernhard dies gewusst habe und ihm auch die Familienverträge zugestellt worden seien, sei er gleich nach dem Tod in das Schloss und die Herrschaft eingedrungen und habe diese gewaltsam okkupiert. Im Mandat wird festgelegt, dass Bernhard das Schloss und die Herrschaft Hohenrechberg bis zur Befriedigung der Morgengabe und des Wittums an die Witwe auszuhändigen habe, ohne sie dabei weiter zu behelligen. Er hatte zudem schriftlich anzuzeigen, ob er dem kaiserlichen Gebot genüge getan habe. Sollte er etwas Erhebliches dagegen einzuwenden haben, wurde ihm die
210 Siegrid Westphal
Möglichkeit zur Erwiderung gewährt. Eine Kommission wurde noch nicht ernannt. Damit stellten sich Kaiser und Reichshofrat auf der Basis der kaiserlich bestätigten Heirats- und Familienverträge hinter die Witwe, um auf diese Weise ihre Rechte zu schützen. Bernhard hielt sich jedoch zunächst nicht an das Mandat und warf der Klägerin vor, dasselbe mit falschen Angaben erschlichen zu haben – ein durchaus üblicher Vorwurf. Zudem verwies er auf die besondere Funktion eines Fideikommisses, der auf keine Weise angetastet oder geschmälert werden dürfe, weil er der Bewahrung des männlichen Stammes diene. Durch die von der Witwe geforderte Summe werde der Fideikommiss jedoch so verringert, dass er als Fideikommisserbe nichts mehr davon genießen könne. Schon zu Lebzeiten des Grafen seien deshalb das Schloss und die Güter ruiniert worden. Die Witwe habe seine Einsetzung in den Fideikommiss niemals bestritten, sondern ihm dazu gratuliert. Er habe seinen Besitz nicht mit Gewalt eingenommen. Außerdem sei der Graf verpflichtet gewesen, ihr bei der Heirat das Allodialgut zu verschreiben und keinesfalls die Güter des Fideikommisses. Dann werden noch die vorgelegten Abschriften in Frage gestellt und die Höhe der Heiratsgelder, die er als völlig unüblich beschreibt. Sie dürften keinesfalls so hoch sein, dass der Fideikommiss dadurch ausgeschöpft würde. Bernhard scheint sich – wie auch andere Erben – massiv gegen die Umsetzung der in den Heiratsverträgen festgelegten Absicherung der Witwe gewehrt zu haben, weil er darin eine übermäßige Belastung des Erbes sah. Kaiser und Reichshofrat nahmen sich der Rechte der Witwe an, weil der Graf die Heirats- und Familienverträge kaiserlich hatte bestätigen lassen, wodurch im Konfliktfall automatisch die Zuständigkeit des Reichshofrats gegeben war. Wie schwierig es sich jedoch gestaltete, die Rechte von Witwen in der rechtlichen Praxis gegen konkurrierende Ansprüche durchzusetzen, zeigt sich daran, dass der Reichshofrat außer dem Erlass eines Mandats oder der Einsetzung einer Kommission kaum eine Handhabe hatte, gegen Verstöße vorzugehen. Allerdings haben bisherige Forschungen gezeigt, dass allein schon die Einschaltung der höchsten Gerichtsbarkeit in vielen Fällen zur Kompromissbereitschaft der Kontrahenten geführt hat. Typisch scheinen zudem Konflikte von Witwen mit ihren Stiefsöhnen gewesen zu sein, da auch in diesen Fällen die familiäre Bindung zwischen den Beteiligten nicht so eng war und wohl zum Teil auch hoch problematisch sein konnte. Für diese Situation ist eine ganze Reihe von Fällen in unterschiedlicher Konstellation bekannt. Ein Beispiel aus der Mitte des 18. Jahrhunderts betrifft die Familie von Gebsattel (BayHStA München, Reichskammergericht 2327). Es handelt sich um eine Appellation am Reichskammergericht in einer Wittumsangelegenheit, die von den Brüdern Constantin Wilhelm Friedrich Freiherr von Gebsattel, fürstlich fuldaischer Hauptmann, und Franz Philipp Freiherr von Gebsattel, fürstbischöflich würzburgischer Hofrat und Oberamtmann zu
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 211
Homburg am Main (Beklagte in der ersten Instanz), gegen ihre Stiefmutter Anna Margaretha Lioba Antonetta Freifrau von Gebsattel, geborene Freiin von Reiffenberg, Witwe von Carl Friedrich Freiherr von Bastheim sowie von Johann Gottfried Christoph Freiherr von Gebsattel zu Lebenhan angestrengt wurde. Die Freifrau hatte Anfang 1755 den Vater der Kläger geheiratet, der bereits im Mai 1756 verstarb. Der Ehevertrag sah folgendes vor: Witwensitz sollte das Pfeiffersche Haus sein, die Witwe sollte ein Wittumsgeld von jährlich 500 Gulden erhalten, außerdem die Hälfte des auf den Höfen zu Bronnzell und Kohlhaus vorhandenen Viehs, falls der Mann vor ihr stirbt. Im Testament ordnete der Vater an, dass die Söhne das Haus instand setzen sollen. Nach dem Tod hielten sich die Söhne jedoch nicht daran, mit dem Argument, dass die Übergabe des Heiratsguts an die klägerische Familie nicht erfolgt sei. Durch die eigenmächtige Inbesitznahme des Bronnzeller Hofs habe die Witwe zudem ihren Anspruch auf das Wittum verwirkt. Absicht der Stiefsöhne war es, den Ehevertrag für ungültig erklären zu lassen, zum einen weil die Ehefrau gleich nach dem Tod des Mannes ihr in die Ehe eingebrachtes Gut Bronnzell wieder in Besitz genommen hatte. Zum anderen weil sie im Ehevertrag eine deutliche Beschneidung ihres Pflichtteils sahen. Grundsätzlich fühlten sie sich an den Ehevertrag nicht gebunden. Die Witwe hatte deshalb bei der Fuldaischen Regierung gegen ihre Stiefsöhne geklagt und am 15. Juli 1756 Recht erhalten. Im Urteil wurde der Ehevertrag für gültig erklärt. Der festgelegte Unterhalt sollte der Witwe gereicht werden, es sei denn, die Söhne könnten durch eine Aufstellung der Kosten und Einnahmen nachweisen, dass ihr Pflichtteil geschmälert werde. Das Pfeiffersche Haus sollte innerhalb von drei Monaten instand gesetzt werden, für diesen Zeitraum sollte ihr ein Mietzins gereicht werden. Vieh und Geschirr auf den beiden Höfen sollten geteilt werden, was den Vorgaben des Ehevertrages entsprach. Gegen dieses Urteil appellierten die Stiefsöhne nun am Reichskammergericht. Die Beklagte berief sich in ihrer am 6. Juni 1757 vorgelegten Exzeptionsschrift erneut auf den Ehevertrag, worin sie ihrem Mann weder eine dos noch andere Vermögensanteile versprochen habe, die seinen Söhnen im Falle seines Todes zufallen sollten. Laut ihrer Aussage hatten sie vereinbart, dass ihr Mann den Hof und die Felder lebenslang nutzen könne, sollte er vor ihr sterben. Falls er aber vor ihr sterbe, müssen seine Erben ihr lebenslang 500 Gulden zahlen und ihr eine Wohnung einräumen und überlassen. Die Söhne seien darüber informiert gewesen. Allerdings unterschlägt sie die Tatsache, dass der Ehevertrag die Aufteilung des Viehs und Geschirrs der beiden Güter Bronnzell und Kohlhaus, was den Gebsattels gehört, für den Fall seines Todes vor ihrem Ableben vorsieht. Aus Sicht der Freifrau waren die Stiefsöhne darüber erbost, dass sie nach einer so kurzen Ehe in den vollen Genuss der in dem Ehevertrag und dem Tes-
212 Siegrid Westphal
tament festgelegten Witwenversorgung gelangen sollte, ohne dass die Familie von ihrem Vermögen einen Vorteil gehabt hatte. Dagegen wendete sie ein: „Nach unseren Teutschen Rechten muß daßjenige gelten, waß beyde Theile schlüssig worden seynd, derentwegen hat auch die Fürstlich Fuldische Regierung die Ehepacten vor gültig erkennt“ (BayHStA München, Reichskammergericht 2327) und die dagegen vorgebrachten Einwände verworfen. Die Freifrau betont, dass sie beim Abschluss des Ehevertrags nur auf ihre Personen bedacht gewesen seien und Sorge dafür tragen wollten, dass sie im Falle des Todes abgesichert sind und standesgemäß leben können. Mit Blick auf die Vorwürfe der Stiefsöhne, die vor allem die kurze Dauer der Ehe betonen, hebt die Witwe die emotionale Qualität hervor, indem sie auf die gegenseitige Liebe und die durch den Ehemann gezeigte Anerkennung ihrer Fähigkeiten als Haushalterin verweist. Das Verhalten der Stiefsöhne beschreibt sie dagegen als „wiederwillig, zancksüchtig und vergeßen“. Den Klägern unterstellt sie die Absicht, ihre Stiefmutter in einen Prozess zu ziehen, um ihr das Wittum nicht zahlen zu müssen. Die Stiefsöhne reagierten auf diese Behauptungen damit, die Rechtmäßigkeit des Ehevertrags in Frage zu stellen und zu behaupten, dass er gar nicht von Anfang 1755 stammen könne. Der Vertrag sei erst nach der Vermählung von der Ehefrau ersonnen worden. Die Formulierungen im Testament werden heruntergespielt und als gängige Floskeln beschrieben. Die Brüder erklärten, sie wollen den Unterhalt nur zahlen, wenn der Bronnzeller Hof inkorporiert und zum Erbe mitgezählt werde. Die Witwe bat schließlich beim Reichskammergericht um eine vorläufige Zahlung von Unterhalt mit dem Argument, dass ihre Stiefsöhne sie durch den Appellationsprozess von der Nutznießung der Ehepakte abhalten wollen. Das Reichskammergericht schloss sich ihrer Argumentation an und gewährte ihr 300 Gulden. Die Stiefsöhne verweigerten sich jedoch der Zahlung und warfen ihrer Stiefmutter Verschwendung und schlechte Haushaltsführung vor. Das ganze Verfahren entwickelte sich bis zur Quadruplik, der letzten Möglichkeit einer Stellungnahme für die beklagte Partei vor Urteilsverkündung. Es wurde erschwert durch den Siebenjährigen Krieg, der Fulda und die Gebsattels belastete. Die Brüder versuchten zudem noch den Reichshofrat einzuspannen, zumal das Reichskammergericht wegen des nicht bezahlten Unterhalts ein Mandat erließ. Leider bleibt auch hier offen, wie das Verfahren ausging. Entscheidend ist jedoch, dass Witwen in Konfliktfällen Unterstützung bei den höchsten Gerichten des Alten Reiches finden konnten, was nicht selten zu Vergleichen zwischen den Kontrahenten führte. Das Beispiel hat auch gezeigt, dass Ehevertrag und Testament für die gerichtliche Entscheidungsfindung die zentrale Grundlage bildeten. Die dort getroffenen Regelungen wurden vom Gericht nicht in Frage gestellt. Vielmehr standen problematische Auslegungen der Erben zur Diskussion, welche die Hauptlast der Witwenversorgung zu tragen hatten. Im Konfliktfall hatten die Witwen aber häufig das Recht auf ihrer Seite.
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 213
4.1.4 Konflikte jüdischer Witwen▀In der Regel wurden Konflikte, die Juden untereinander hatten, mit Hilfe ihres Vorstehers und innerjüdischer Institutionen geregelt. Häufig fehlen dafür die Quellen, zumal die Überlieferung aus diesem Bereich für die Frühe Neuzeit insgesamt schlecht ist. Nur wenn sich jüdische Witwen bei Verfahren der innerjüdischen Gerichtsbarkeit ungerecht behandelt fühlten, dann scheinen sie sich offenbar auch an andere Gerichte gewandt zu haben. Einige Beispiele hat Barbara Staudinger für Prozesse von Jüdinnen am Reichshofrat angeführt (Staudinger 2005), wobei sie sich auf jüdische Geldleiherinnen konzentriert, worunter eben in erster Linie Witwen vertreten waren. In der Regel ging es dabei um Verfahren wegen Schuldangelegenheiten, die aus der Tätigkeit der Juden im Pfand- und Geldleihgeschäft resultierten. Ein prominenter Erbstreit unter Juden, der vor nichtjüdischen Gerichten verhandelt wurde, wird von Birgit Klein analysiert (Klein 2007). Dabei ging es um die fiktive Schuldverschreibung (Vertrag über einen halben männlichen Erbteil) des Josef von Geldern für seine Tochter Fradt, die mit Jost Liebmann verheiratet war. Als Josef von Geldern 1727 verstarb, versuchte sein Schwiegersohn Jost Liebmann, die hohe fiktive Schuldverschreibung von 20 000 Reichstalern über nichtjüdische Gerichte als realen Schuldschein geltend zu machen. Beklagte war die Witwe von Gelderns, Bräunchen, die entsprechend jüdischer Tradition gegen den Verzicht auf Auszahlung ihrer Ketubba von ihrem Mann als Verwalterin des Vermögens eingesetzt worden war, was eine Teilung des Nachlasses erst nach ihrem Tod implizierte. In Unkenntnis der spezifischen jüdischen Rechtskonstruktionen und der Fiktivität der Schuldverschreibung urteilten die obrigkeitlichen Gerichte einschließlich des Reichskammergerichts und des Reichshofrats nach römischen Rechtsprinzipien zugunsten Jost Liebmanns. Nicht zuletzt deshalb wurde die Familie von Geldern in den finanziellen Ruin getrieben. Klein verweist auf eine Reihe ähnlich gelagerter Fälle, die hauptsächlich von Schwiegersöhnen vor obrigkeitlichen Gerichten ausgetragen wurden, weil die fiktiven Schuldverschreibungen für Töchter niemals vor jüdischen Gerichten hätten eingeklagt werden können. Weitere Fälle schildert Claudia Ulbrich in ihrer Arbeit über den Ort Steinbiedersdorf (Reichsgrafschaft Kriechingen), der in der Frühen Neuzeit eine größere jüdische Gemeinde besaß (Ulbrich 1999). Sie setzt sich intensiv mit dem Ende des 18. Jahrhunderts stattfindenden Konflikt zwischen der Witwe Perle Levy und ihrer Magd Särle auseinander, die von ihrer Dienstherrin nach einem heftigen Streit entlassen worden war. Hintergrund des Konflikts war der Wunsch der vermögenden und angesehenen Witwe, eine zweite standesgemäße Ehe mit Samson Meyer, dem Sohn des Vorstehers aus Rappoltsweiler, eingehen zu wollen. Im Zuge der Eheanbahnung scheint es zum Geschlechtsverkehr gekommen zu sein, denn die Witwe war bereits vor der Hochzeitsfeier schwanger. Der Bräutigam bzw. dessen Vater weigerten sich deshalb, die Hochzeit zu schließen, woraufhin die Witwe eine Ehe- und Va-
214 Siegrid Westphal
terschaftsklage gegen Samson Meyer beim Kriechinger Regierungsadvokaten Braun anstrengte. Samson Meyer weigerte sich zwar, die Angelegenheit vor einer nichtjüdischen Institution behandeln zu lassen und verwies auf den jüdischen Vorsteher als zuständige Person. Letztlich konnte sich die Witwe jedoch mit Unterstützung nichtjüdischer Behörden als ihre Interessenvertreter durchsetzen und ihre Ehre retten, denn Samson Meyer heiratete schließlich doch Perle Levy. Schlechter erging es dagegen der Magd Särle, die als mögliche Mitwisserin des vorehelichen Verhältnisses aus dem Dienst entlassen worden war und auch einem Knecht, der die Witwe in aller Öffentlichkeit eines unsittlichen Lebenswandels bezichtigt hatte. Beide wurden in ihre Schranken verwiesen und bestraft. Bei diesem Beispiel gilt es – wie bei vielen anderen auch – zu beachten, dass der Status, das Ansehen und auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten im Konfliktfall eine große Rolle spielten. Denn sowohl nach jüdischem als auch christlichem Rechtsverständnis war die voreheliche Schwangerschaft ein schweres Delikt, das in der jüdischen Religion sogar noch härter bestraft wurde. Dass sich Perle Levy dennoch mit ihren Forderungen durchsetzen konnte und dabei sogar die Unterstützung der Obrigkeit gewann, ist letztlich nur auf ihre privilegierte Stellung in der gesamten Gemeinde zurückzuführen. In einem weiteren Fall schildert Ulbrich Erbstreitigkeiten, die nach dem Tod des Rabbiners Abrahm Jacob zwischen seiner vierten Ehefrau, Hentla Samuel Willstätt, und seinen Verwandten über die Verteilung des Erbes entbrannten. Das Kernproblem bestand darin, dass Abraham Jacob sein Testament vor der vierten Eheschließung gemacht und sein Vermögen unter den Verwandten verteilt hatte, ohne seine Ehefrau ausreichend abzusichern. Die Verwandten boten der Witwe zwar Geld an, was ihr vermutlich ohnehin zustand, aber Hentla gab sich damit nicht zufrieden und schaltete ebenfalls den Regierungsadvokaten Braun ein. Der Fall wurde – trotz der Versuche der Gegenseite, den Streit vor dem Metzer Rabbinatgericht nach jüdischem Recht zu entscheiden – vor dem gräflich-kriechingischen Gericht verhandelt, wobei sich die Witwe als demütige Bittstellerin an den Grafen als Beschützer der Witwen und Waisen wandte. Ulbrich betont, dass in diesem Fall die Interessen der Witwe auf Statusbewahrung mit den obrigkeitlichen Interessen auf Zurückdrängung der Rabbinatsgerichtsbarkeit übereinstimmten und sie deshalb im Vorteil war. Wenn ein jüdischer Ehevertrag notariell beglaubigt worden war, war es im Prinzip wohl immer möglich, im Konfliktfall auch die nichtjüdische Gerichtsbarkeit anzurufen, trat doch hier die weltliche Obrigkeit als Garant des Vertrags auf. Beispiele dafür werden jedoch bei Ulbrich nicht aufgeführt. 4.2 Die Folgen von Scheidungen an den höchsten Gerichten▀Während die Forschung bisher den Fokus auf die Ursachen von Scheidungen und die Scheidungspraxis gelegt hat, soll der Blick stärker auf die Folgen von Scheidungen und damit die gesellschaftlichen Herausforderungen und individuellen Krisen der Betroffenen gelenkt werden. Dafür eignen sich
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 215
die Prozesse an den höchsten Gerichten des Alten Reiches besonders gut (Westphal 2008; 2009), auch wenn Scheidungsfälle aus dem jüdischen Bevölkerungsteil hier keine Rolle spielen. Zwar standen vermögensrechtliche Aspekte im Vordergrund, aber auch hier lässt sich eine enge Verzahnung mit emotionalen Gesichtspunkten und daraus resultierenden Krisenerfahrungen feststellen. In quantitativer Hinsicht handelt es sich nur um eine kleine Gruppe, wobei Verfahren zum Komplex Scheidung auf verschiedenen Wegen an die höchsten Gerichte gelangen konnten. Im Zusammenhang mit Fällen von strittigen Jurisdiktionsrechten, worunter die Ehegerichtsbarkeit fiel, lassen sich Informationen über Scheidungen von Untertanen unterer Schichten gewinnen. Allerdings decken sich diese Erkenntnisse in der Regel mit den Forschungsergebnissen über territoriale Scheidungsgerichte und sollen deshalb nur am Rande behandelt werden. Der Großteil von Scheidungsfällen kam auf dem Wege der Appellation an die höchste Gerichtsbarkeit, wobei die eigentliche Scheidung nicht mehr thematisiert, sondern das erstinstanzliche Verfahren überprüft werden sollte. Diese Fälle wurden von Klägern bzw. Klägerinnen aus dem städtisch-bürgerlichen Bereich angestrengt. Dabei standen Fragen von Unterhaltsleistungen, die Herausgabe des Heiratsguts an die Frau, die Vermögensaufteilung, der Streit um Einkünfte aus gemeinsamem Vermögen oder die Bezahlung von Schulden im Zentrum. Einen spezifischen Komplex bilden Appellationen, welche die Fortführung eines Handwerksbetriebs durch die geschiedene Frau thematisieren, wobei sich dezidiert auf das Witwenrecht bezogen wurde. Ein solcher Fall wird pars pro proto ausführlich dargestellt. Besondere Relevanz besaßen auch die Fälle, die in erster Instanz an den höchsten Gerichten anhängig gemacht werden konnten. Dazu zählen zum einen Scheidungen von Gerichtsangehörigen, die möglichst unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt werden sollten, um die Würde des Gerichts nicht zu beschädigen. Zum anderen gehören Scheidungen von Angehörigen eines Reichsstandes oder der Reichsritterschaft dazu, die unmittelbar dem Kaiser unterstanden. Da bei solchen Prozessen politische Gesichtspunkte eine gewichtige Rolle spielten, werden aus diesem Bereich zwei Fälle mit besonders gravierenden Folgen vorgestellt. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass ein zeitlicher Schwerpunkt auf dem 18. Jahrhundert liegt. 4.2.1 Bäuerliche Untertanen▀Am Beispiel des Streits zwischen dem Fürsten Carl Albrecht von Hohenlohe-Schillingsfürst und dem Bürgermeister bzw. Rat der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber vom Ende des 18. Jahrhunderts (BayHStA München, Reichskammergericht 1273) lassen sich Aussagen über die Scheidungspraxis im ländlichen Raum treffen. Im Zentrum des Mandatsprozesses stand die Auseinandersetzung um die Landes- und Kirchenhoheit über die rothenburgischen Vogteiuntertanen im Oberamt Schillingsfürst. Als Beispiel für die Einmischung der Stadt Rothenburg in die fürst-
216 Siegrid Westphal
lichen Jurisdiktionsrechte werden verschiedene Scheidungsprozesse aus der ländlichen Lebenswelt angeführt (Westphal 2008). In den Beilagen finden sich deshalb Abschriften von Protokollen des Hof- und Justizrats zu Schillingsfürst. Daraus geht beispielsweise hervor, dass am 28. September und 15. November 1780 der Fall Anna Maria Körber gegen ihren Ehemann Johann Michael Neber, Bestandsbauern zu Diebach, wegen Ehebruchs dort verhandelt worden war. Die Eheleute hatten sich getrennt, die Frau lebte wieder bei ihrem Vater und wollte die Scheidung von ihrem Mann. Auf Befragen des Hof- und Justizrates gab sie an, dass ihr Mann nur kurz bei ihrem Vater auf dessen Hof in Diebach Knechtdienste abgeleistet, sich dann aber woanders verdingt habe und nicht wieder zu ihr gekommen sei. Während seines Fortseins habe er sich mit einer anderen Magd eingelassen, die mit ihm sogar verwandt sei. Aus diesem Ehebruch sei ein Kind hervorgegangen, für das er die Vaterschaft anerkannt habe. Dies sei die Ursache dafür, dass sie mit ihm nicht mehr zusammenleben wolle. Überdies sei er ein liederlicher Mensch, saufe sich alle Woche etliche Räusche und verschwende das Seinige. Ihr Vater sei auch dagegen, dass sie ihm verzeihen solle. Sie könne sich ohnehin nicht dazu entschließen. Außerdem habe sie anstatt der versprochenen 700 nur 400 Gulden bei der Verheiratung erhalten. Der Mann wurde daraufhin vom Hof- und Justizrat wegen der sogenannten Selbstscheidung – ein außergerichtlicher Vergleich, der einer rechtswidrigen Trennung gleichkam – befragt: „Er gedencke seine Frau zu behalten, sie habe sich auch schon einmahl durch den Friederich Wengert gegen ihne verlauten lassen, daß sie ihne seines ersteren Vergehens ungeachtet behalten wolle; Jhr Vatter aber seye gar entgegen, wann er nur die Gnade haben könnte, daß man seiner Frau von seinem lezten anheute erst einbekannten Vergehen nichts bekandt mache; so mögte doch seyn, daß er selbe wieder zu sich bringe, und mit Jhr leben und hausen könne.“ Seinen Wunsch begründete er damit, dass er bei „seinem Gewörb ohnmöglich ohne Frau subsistiren“ könne. Gerade in den unteren Bevölkerungsschichten war das von Heide Wunder sogenannte Arbeits- und Ehepaar die Regel und sicherte die Existenzgrundlage (Wunder 1992). Eine Scheidung unterhöhlte nicht nur die gesellschaftliche Ordnung, sondern stellte neben der emotionalen Belastung auch eine existenzgefährdende Bedrohung für die Betroffenen dar (Lutz 2006, 255–270). Die Hoffnungen des Mannes auf Aussöhnung wurden jedoch enttäuscht. Trotz nochmaliger Befragung und starken Insistierens durch die fürstlichen Räte blieb die Frau bei ihrer Haltung. Beide Ehepartner wurden abschließend befragt, ob sie nach dem ersten und letzten Ehebruch noch einmal miteinander geschlafen hatten, denn dies wäre einer Versöhnung gleichgekommen. Beide verneinten jedoch und wurden von den fürstlichen Räten gerügt, dass sie die landesherrliche Kompetenz umgangen hatten, indem sie nach Rothenburg gegangen waren. Der Rothenburger Scheidungsbrief wurde kassiert und durch den landesherrlichen Scheidungsbrief ersetzt. Die Ehe wurde schließlich aufgrund doppelten Ehebruchs des Mannes, seines üblen Lebenswandels,
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 217
seiner schlechten Qualitäten als Haushälter und der Zurückweisung seiner Ehefrau als Ehemann am 14. Dezember 1780 geschieden. Dabei wurde dem unschuldigen Teil, in diesem Falle der Frau, die Wiederheirat erlaubt. Das genannte Prozessbeispiel bestätigt für den ländlichen Raum die von Sylvia Möhle für Göttingen gemachten Beobachtungen bezüglich des Verfahrens und der Scheidungsgründe (Möhle 1997, 85). Die Ehescheidung als Konfliktlösungsmöglichkeit war auch hier vertraut und wurde von der weltlichen Obrigkeit nach den üblichen Versöhnungsbemühungen durchaus gewährt. Zu offensichtlich waren die Vergehen des Mannes, als dass man den Scheidungswunsch der Frau hätte ablehnen können. Damit bieten Auseinandersetzungen über strittige Jurisdiktionsrechte am Reichskammergericht durchaus interessante Einsichten in Scheidungsverfahren unterer Instanzen, vermitteln aber keine Einsichten über die Einstellung der höchsten Gerichtsbarkeit zu Scheidungen und Scheidungsfolgen. 4.2.2 Frauen im Handwerk▀Beim vorgestellten Beispiel handelt es sich um eine Appellation bzw. Zitation einer geschiedenen Frau am Reichskammergericht gegen die vorinstanzliche Entscheidung von Rat und Tuchmacherzunft in Nürnberg (Westphal 2008), weil sie sich in ökonomischer Hinsicht benachteiligt fühlte (BayStA München, Reichskammergericht 4162). Ähnlich den für das Augsburger Handwerk bekannten Fällen (Werkstetter 2001) ging es um die zentrale Frage der Fortführung des Handwerks durch die geschiedene Ehefrau und ihren rechtlichen Status. Während den geschiedenen Handwerksfrauen in Augsburg analog zum Witwenrecht erlaubt wurde, das Handwerk ihres Ehemannes nach der Scheidung fortzuführen, vertrat die Tuchmacherzunft in Nürnberg einen anderen Standpunkt. Das Handwerk wandte sich gegen eine sogenannte Verdopplung der Werkstätten und befürchtete wirtschaftliche Nachteile für die anderen Zunftmitglieder, während die geschiedene Handwerksfrau den Standpunkt vertrat, dass sie wie eine Witwe behandelt werden müsste. Kompliziert wurde der Streitfall dadurch, dass es sich bei der Appellantin Appollonia Bittelmayr tatsächlich auch um eine Witwe handelte, die nach dem Tod ihres ersten Mannes aufgrund des Witwenrechts zuerst das Tuchmacher- und Garnfärbergewerbe fortgeführt hatte, was im frühneuzeitlichen Handwerk die gängige Regel bildete. Da die Mitarbeit von Familienmitgliedern konstitutiv für das Handwerk war, um die materielle Grundlage zu sichern, besaßen Ehefrauen in der Regel die Fertigkeiten, das Handwerk in Abwesenheit oder auch ganz ohne den Mann zu betreiben. Inwiefern dieser Zeitraum eingeschränkt war oder andere Restriktionen und Verbote existierten, die für eine Ausgrenzung von Frauen aus dem Handwerk sprechen, geht aus den Akten nicht hervor. In diesem Fall heiratete die Witwe 1761 Hermann Jakob Bittelmayr, den Sohn eines Tuchmacher- und Garnfärbemeisters, der nicht nur in das Haus der Witwe zog und das Gewerbe fortführte, sondern auch den Namen und das Professionszeichen des ersten Mannes übernahm.
218 Siegrid Westphal
1765 geschahen nun gleichzeitig zwei Dinge, wobei schwer zu beurteilen ist, inwiefern diese miteinander in Verbindung stehen. Einerseits suchten die Eheleute Bittelmayr beim Stadt- und Ehegericht Nürnberg um eine Trennung der Ehe nach. Andererseits starb der Vater von Hermann Jakob Bittelmayr, so dass sich für letzteren die Möglichkeit ergab, den Betrieb seines Vaters weiterführen zu können. In den Akten des Ehegerichts heißt es jedenfalls, die Eheleute seien „in solche harte Ehezwistigkeiten gerathen und gekommen, daß durch die weitere Beisammen Wohnung in einem Hauß und Umgang miteinander es gar leicht geschehen könnte, daß nicht nur die größte Leibs- und Lebens-Gefahr hieraus entstehen dürfte, sondern auch die Nahrung selbsten und das Gewerb, wie es leider! allschon durch die Abnahm solcher erfolget ist, der größesten Schaden erleiden würde.“ Das Ehegericht verfügte – wie es üblich war – zur Beruhigung der Gemüter zunächst eine Trennung von Tisch und Bett. Beide Eheleute verglichen sich dahingehend, dass der Ehemann das von seinem Vater hinterlassene Haus durch Auszahlung der Miterben käuflich erwerben, bei seiner Frau ausziehen und seine erlernte Profession für sich betreiben sollte. Seine Frau sollte dagegen zu ihrem Unterhalt und dem ihrer unmündigen Kinder aus erster Ehe die Garnfärberei unter dem Zunftzeichen ihres ersten Mannes in ihrem Haus weiter betreiben. Die Frau verzichtete auf Unterhalt von ihrem Mann, dafür wollte sie aber auch von ihrem erarbeiteten Geld nichts abgeben, sondern dieses allein für sich verwenden dürfen. Schließlich wurde zur Inventur des Vermögens geschritten und dem Mann das eingebrachte Gut sowie der Zugewinn ausgehändigt. Man könnte sicherlich von einer einvernehmlichen Trennung der ehelichen Beziehung sprechen, wenn sich nicht die Tuchmacherzunft beim Rugamt über die getroffenen Regelungen beschwert hätte. Ende Juni 1766 erteilte das Rugamt Appollonia Bittelmayr den Bescheid, dass sie ihre Werkstatt schließen, die Gesellen beurlauben und das Professionszeichen ihres verstorbenen Mannes in die Zunftlade legen oder einem anderen Meister übergeben müsse, bis die Töchter aus erster Ehe es durch die Heirat mit einem Meister wieder erlangen könnten. Die Begründung lautete, dass das Meisterrecht durch die Wiederverheiratung auf ihren zweiten Mann übergegangen sei. Die Trennung habe in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Vielmehr sahen die Tuchmachermeister in der Fortführung der Garnfärberei durch die getrennt lebende Bittelmayr eine nicht bewilligte und schädliche Vermehrung der Handwerksbetriebe, was auf die wirtschaftlich schwierige Stellung der Zünfte im 18. Jahrhundert verweist. Zwar ist sich die heutige Forschung durchaus unschlüssig darüber, ob wirklich von einer allgemeinen Krise der Zunftordnungen im 18. Jahrhundert die Rede sein kann, aber die spezifische Entwicklung in Nürnberg spricht durchaus dafür, dass der Niedergang des Exportgewerbes im 17. Jahrhundert und die zunehmende Handwerkerdichte in Nürnberg als kritisch empfunden wurden (North 2000, 146). Vor diesem Hintergrund gewann die Auseinandersetzung mit Bittelmayr einen grundsätzlichen Cha-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 219
rakter. Letztlich ging es darum, das Auskommen der Zunftmitglieder durch Verbot oder Einschränkung jeglicher Konkurrenz zu schützen. Appollonia Bittelmayr appellierte bei Bürgermeister und Rat der Stadt Nürnberg gegen den Bescheid des Rugamtes, wurde dort aber Ende Januar 1766 abgewiesen. Nachdem sie 1767 die Scheidung erhalten hatte, wandte sie sich 1768 dann an das Reichskammergericht mit einem Appellationsgesuch und einer Zitation, verbunden mit der Bitte um Wiederherstellung in den vorherigen Stand. Durch diesen geschickten Schachzug erreichte sie es zum großen Verdruss der Tuchmachermeister, dass sie während der gesamten Laufzeit des Prozesses bis 1772 die Garnfärberei weiterhin betreiben konnte. Sie hatte also einen Vorteil davon, den Prozess mit ungewissem Ausgang nicht allzu sehr zu beschleunigen. Die Nichteinhaltung von Fristen und das Verzögern der einzelnen Prozessschritte sprechen hier eine deutliche Sprache. Konkret warf Appollonia Bittelmayr den Tuchmachermeistern folgendes vor: das Versagen der Appellation durch den Magistrat der Reichsstadt Nürnberg, wofür sie den Einfluss des Tuchmachers Kaltenbach im Äußeren Rat verantwortlich macht. Auf dem Rugamt sei ihr der Bescheid erteilt worden, dass ihr Begehren gegen die Gewohnheit sei und deshalb abgelehnt werde. Der Rugamtsbescheid sei zu ihrem und dem Schaden ihrer Kinder bestätigt worden. Eine Partei könne nicht durch einen einzigen Spruch einer unteren Instanz, in der noch nicht einmal ein Gelehrter sitze, ohne vorherige rechtliche Belehrung und ohne Zuziehung eines Juristen verurteilt werden. Sie hoffe auf Annahme der Appellation am Reichskammergericht, weil das Verfahren des Rats widerrechtlich gewesen sei. Sie erhebt also den Vorwurf versagter Justiz. Der Einwand, dass seit dem Jüngsten Reichsabschied von 1654 nicht von einer Handwerkssache appelliert werden könne, wird von ihr abgelehnt, denn auf solche Weise müsste sie mit ihren unmündigen Töchtern die erlittenen größten Beschwerden stillschweigend ertragen. Sie würde dem Neid und Eigennutz der Tuchmacher, mit denen sie doch eigentlich nichts zu tun habe, weil sie nur die Garnfärberei betreibe, unschuldig aufgeopfert werden. Sie verweist vor allem auf ihr Geschlecht und ihre juristische Unwissenheit, was eine Ausnahme von der Reichsgesetzgebung rechtfertige. Ihr Anwalt betont zudem, dass es ja kein neues Gewerbe sei, sondern das alte nur fortgeführt werde. Hermann Jakob Bittelmayr habe das Gewerbe seines Vaters übernommen. Die Appellantin hingegen sei in dem zuvor gemeinsam bewohnten Haus geblieben, weil das Haus nicht ihm gehörte und er deshalb auf gerichtlichen Befehl hin hatte ausziehen müssen. Es sei weder eine neue Garnfärberei noch ein neues Handwerkszeichen entstanden. Es sei lediglich „hässlicher Handwerksneid“, welcher sich im Verhalten der Tuchmachermeister zeige, denn ihnen erwachse keinesfalls ein Schaden. An der Reaktion des Stadtrats wird deutlich, dass das Thema Scheidung durchaus bei der Entscheidung des Rugamts eine Rolle gespielt hatte und moralische Gesichtspunkte für die Korporation eine wichtige Bedeutung be-
220 Siegrid Westphal
saßen (Lesemann 1994, 65 f.). Der Nürnberger Stadtrat musste in erster Linie beweisen, dass die Appellation an das Reichskammergericht unrechtmäßig erfolgt war. Deshalb betonte er einerseits das kaiserliche Verbot in Handwerkssachen, andererseits beharrte er darauf, dass aufgrund der Scheidung aus einem Handwerksbetrieb zwei neue entstanden seien. Zur Strategie des Rats gehörte es auch, in stereotyper Manier Appollonia Bittelmayr anzugreifen und zu diskreditieren: Sie und ihr Mann hätten ein einziges Meisterrecht und eine Werkstatt besessen. „Diese hat er als Mann und Meister, nach ihrer Separation, behalten, und mit sich genommen. Das Weib hat weder ein besonderes Meister-Recht, noch Werckstatt für sich gehabt, und ist ihr also nichts entgangen.“ Der Schaden sei ihr „durch ihre Unehe, durch die Veränderung des Zeichens und vornemlich die erfolgte Separation geschehen; keineswegs aber durch den Rugs-Amtlichen Bescheid, und die abgeschlagene appellation. […] Alleine es sind dergleichen Unehen vielmehr einer Obrigkeitlichen ernstlichen Ahndung als Belohnung würdig. Es würde damit bösen Weibern zur rühmlichen Nachfolge ein schönes Beyspiel gegeben werden, sich mit ihren Männern ebenfalls zu entzweyen, von ihnen hinwegzulauffen; da sie als dann gleich den wircklichen Wittiben als personae miserabiles angesehen würden, und deßhalb eigene Werckstätte haben, und führen dörften.“ Scheidungen sollten also aus Sicht des Rats und der Zunft nicht auch noch belohnt werden! „Und wenn sie auch ihres Orts gantz- und gar unschuldig wäre, und der Mann nicht nur die mehreste, sondern gantz alleine alle Schuld der Uneinigkeit hätte; So ist darum das Handwerck nicht schuldig, sie, durch Abweichung von ihrer jederzeit beobachteten Ordnung und Gewohnheit schadloß zu halten; sondern der Mann ist verpflichtet, ihr den nöthigen Unterhalt zu geben. Dazu aber ist die Frau Appellantin zu groß und zu stoltz. Es mögten auch wol die von dem Mann abzureichende alimenta sich bey weitem nicht so hoch belauffen, als sie durch die eigene Werckstatt des Garnfärbens profitiren könnte.“ Die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Sorge vor Nachahmung und letztlich wohl auch ein gewisser Neid auf den wirtschaftlichen Erfolg und das Vermögen der Bittelmayr dürften bei der Argumentation des Rats die größte Rolle gespielt haben. Immer wieder taucht zudem der Hinweis darauf auf, dass ein solcher Fall bisher noch nie vorgekommen sei und man sich niemals habe vorstellen können, dass es soweit kommen könnte, „das den uneinigen abgesonderten Eheleuten, ein mehreres und größeres Recht als sie vorhero, da sie friedlich mit einander gelebet und gehauset, gehabt, zu begünstigung derselben, zum Nachtheil anderer Personen, Handwercker, und Gesellschafften und zu Abbruch deren guten Ordnungen und Gewohnheiten zu eignen und zugestehen solte.“ Die Klägerin reagierte auf diese Vorwürfe äußerst selbstbewusst, was sich kaum mit den Vorstellungen von Frauen als Scheidungsopfern in Übereinstimmung bringen lässt. Entscheidend war für sie der Vermögensverlust, den
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 221
sie und ihre Töchter erleiden müssten, wenn dem Bescheid des Rugamts stattgegeben würde. Die Anspielungen des Rats auf die Umstände der Scheidung werden dagegen völlig abgelehnt, da sie mit der eigentlichen Frage nichts zu tun hätten: „Meynen die Tuchmacher daß hier jura personarum miserabilium unerfindlich an geführet worden sind; so irret man ex adverso gewaltig: es ist die Bittelmeyerin in effectu eine Wittib und nicht ein insolens und intolerabilis conjux welche nothgedrungene ad separationem klagen müssen.“ Anwalt und Klägerin sahen in dem Bemühen der Stadt und der Tuchmacherzunft, die Klägerin moralisch zu diskreditieren, lediglich eine Strategie, die Kundschaft der Bittelmayr einem andern Meister zuzuführen und das gut eingeführte und renommierte Handwerkszeichen in Vergessenheit geraten zu lassen. Während Rat und Tuchmacherzunft darauf beharrten, dass sie lediglich eine geschiedene Frau ohne Rechte auf Fortführung des Gewerbes sei, betonte sie den Witwenstatus, der es ihr erlaube, für sich und ihre Kinder ein einträgliches Auskommen zu finden. Interessant ist nun, dass das Reichskammergericht – offenbar ungeachtet der moralischen Diskreditierung der geschiedenen Frau durch den Stadtrat – eine Appellation zuließ, obwohl doch die Argumente des Stadtrats aus obrigkeitlicher und ordnungserhaltender Perspektive durchaus ihre Berechtigung besaßen. Die Richter am Reichskammergericht entschieden in diesem Fall allein auf der Basis der rechtlichen Situation. Ob und wie das Verfahren letztlich beendet wurde, geht aus den Akten nicht hervor. Für die Klägerin dürfte jedoch entscheidend gewesen sein, dass sie während der Dauer des Verfahrens das Gewerbe völlig legitim weiter ausüben durfte. So erstaunt es nicht, dass die letzten Schriftstücke in der Reichskammergerichtsakte Bitten um Fristverlängerungen sind. 4.2.3 Reichsritterschaft▀Bei diesem Beispiel dienen detaillierte Informationen über den Lebenswandel des Klägers dazu, dessen Integrität, Ehre und Ansehen in Frage zu stellen (Westphal 2008). Diese Werthaltungen waren vor allem für Angehörige der Reichsritterschaft von zentraler Bedeutung, sahen sich diese doch im 18. Jahrhundert massiver Kritik an ihrem Verhalten ausgesetzt. Ausgangspunkt bildete keinesfalls eine Scheidungsklage, sondern eine durch den Ritterkanton Steigerwald angedrohte und schließlich durchgeführte Exekution wegen Steuerschulden (78 Gulden), Kanzleigebühren und Exekutionskosten. Der betroffene Carl Friedrich Freiherr von Crailsheim war hoch verschuldet, sah in der Exekution jedoch eine unrechtmäßige Vorgehensweise und klagte dagegen 1769 am Reichskammergericht (BayStA München, Reichskammergericht 4427/I–II). Er beschuldigte den Ritterkanton der willkürlichen Gebührenforderungen. Daraufhin betonte der Ritterkanton die Rechtmäßigkeit seiner Forderungen und warf dem Kläger einen unangemessenen und liederlichen Lebenswandel sowie permanente Renitenz gegenüber den Anordnungen des Ritterkantons vor, eine Strategie, um die Position des Klägers
222 Siegrid Westphal
zu schwächen. Dabei spielten gleich zwei Scheidungen des Freiherrn von Crailsheim eine besondere Rolle, über die in den Parteischriften und Beilagen ausführlich berichtet wird und die teilweise das bis 1782 dauernde Verfahren am Reichskammergericht dominierten. Der Ritterkanton warf seinem Mitglied, dem Freiherrn von Crailsheim vor, dass er nach dem Tod seiner ersten Ehefrau zwar wieder standesgemäß geheiratet habe, die Ehe aber – trotz mehrmaliger Versöhnungsversuche durch den Ritterkanton – sehr schnell gescheitert sei. Schuld daran soll der Freiherr gewesen sein, der seine zweite Ehefrau nur deshalb so schnell loswerden wollte, um seine langjährige Mätresse, die Löppertin, des „Altenschönbachers Jägers Tochter [...] zu sich ins Schloß nach Fröhestockheim zu nehmen, welches dann auch gleich nach Abzug vorgedacht seiner 2ten Ehe-Consortin geschehen, und der Baron von Craylßheim sich mit jener Dirne durch mit derselben unter andern unternommenes Herumfahren in benachbarte Orthschafften und Wirthshäußer, auf das schändlichste prostituirt, derselben, da er sie mit sich über Tisch essen lassen, das Zimmer und den herrschafftlichen Kirchenstand zu Fröhestockheim eingegeben, die Kleidung von seiner ersten verstorbenen Ehe Consortin, einer gebohrnen Freyin von Lyncker, zum Schaden seiner mit lezterer erzeugten Kinder, angehänget, und überhaupt selbigen durch sein üble Aufführung das größte Ärgernis gegeben hat“ (BayStA München, Reichskammergericht 4427/I, fol. 85–86). Die Ritterschaft habe ihn mehrmals ermahnt, er habe sich aber nicht daran gehalten und sein schändliches Leben entgegen der Ritterordnung fortgesetzt. Im letztlich durch Mithilfe des Ritterkantons erzielten Vergleich, der zunächst die Trennung des Ehepaares von Tisch und Bett regelte, sei festgesetzt worden, dass die zweite Ehefrau auf einem Nebengut eine eigene Haushaltung errichten und dafür jährlich 600 Rheinische Gulden in vier Raten erhalten solle. Das Geld sei aber nicht gezahlt worden. Er habe sich vielmehr sehr unanständig und schändlich gegenüber seiner Frau gezeigt und trotz mehrmaliger richterlicher Verfügungen nicht gezahlt, bis eine Exekution ausgewirkt worden sei. Seine zweite Ehefrau sei aber so zermürbt (defatigiret) worden, dass sie sich zu einer völligen Scheidung mit einer Abfindungssumme von 6 000 Gulden einverstanden erklärt habe, „um nur noch mehren Verdruß und Kummer auszuweichen“ (BayStA München, Reichskammergericht 4427/I, fol. 88). Aus den Beilagen, insbesondere den Kopien von Briefen der zweiten Frau von Crailsheim an Familienmitglieder und den Ritterkanton, wird deutlich, dass sie zunächst weniger unter der finanziellen Situation als unter dem ungebührlichen Verhalten des Freiherrn litt. Vor allem das öffentliche Auftreten des Freiherrn mit seiner Geliebten Löppertin und deren Behandlung als standesgemäße Person riefen ihre Empörung hervor. In der Regel sprach die Freifrau von ihr nur als „das Mensch“, eine typische Bezeichnung für Frauen zur moralischen Diskreditierung (Gleixner 1994). Auffällig sind vor allem die detaillierten Schilderungen der Kleidungsstücke, welche die Geliebte aus dem Nachlass der ersten verstorbenen Frau von Crailsheim getragen haben soll.
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 223
Hier zeigt sich die besondere Bedeutung von Kleidung als sozialem Distinktionskriterium, was vor allem für den Adel eine hervorgehobene Rolle spielte. Mit dem Tragen von Kleidungsstücken einer Adeligen maßte sich die Geliebte in den Augen der Umwelt einen Status an, der ihr in der ständischen Gesellschaft nicht zustand. Durch ihr Äußeres, aber auch durch ihr Verhalten an zentralen öffentlichen Orten wie dem Schloss, dem Dorf, dem Wirtshaus oder der Kirche störte sie das subtile Ranggefüge der frühneuzeitlichen Gesellschaft auf das Empfindlichste. Nach der Scheidung von der zweiten Frau (1766) setzte der Freiherr sein Verhältnis mit der Löppertin fort, heiratete aber offenbar auf Druck des Ritterkantons und der Familie 1769 ein drittes Mal ein standesgemäßes Fräulein von Hanstein. In der Beziehung scheint es schon kurz nach der Trauung zu massiven Unstimmigkeiten gekommen zu sein, sofern man den Aussagen Crailsheims Glauben schenkt und darin kein Manöver sieht, seiner Frau die Schuld am Scheitern der Ehe zuzuschieben. Der Freiherr warf seiner Ehefrau Ehebruch mit einem Reiter vor, setzte deswegen eine Untersuchungskommission ein und verstieß sie, worauf diese sich zunächst an den Ritterkanton und schließlich an den Reichshofrat wandte (HHStA Wien, Reichshofrat, Decisa 1443–1449). Ihr Wunsch war es, den ärgerlichen Lebenswandel ihres Mannes offenzulegen, damit die ihr gemachten Vorwürfe entkräftet und eine rechtmäßige Scheidung ermöglicht würde. Auch der Ritterkanton erstattete offiziell Anzeige gegen den Freiherrn beim Kaiser, wobei er nicht nur das ungebührliche Verhalten Crailsheims monierte, sondern auch dessen Nachlässigkeiten bei der Erziehung der Kinder aus erster Ehe sowie dessen permanente Renitenz gegenüber dem Ritterkanton. Der Reichshofrat untersagte ihm daraufhin am 6. November 1770 dieses Verhalten und drohte ihm bei weiteren Übertretungen die in der Ritterordnung dafür vorgesehene Bestrafung an, die letztlich den Verlust der Güter und der Reichsstandschaft vorsah (Mauchenheim-Bechtolsheim 1972, 271). Zudem wurde der Ritterkanton mit einer Untersuchung der Vorwürfe gegen den Freiherrn beauftragt. Auf einen Bericht des Kantons hin erfolgte schließlich die Scheidung von der dritten Frau. Gleichzeitig forderte der Reichshofrat den Ritterkanton dazu auf, eine Spezialinquisition gegen die Löppertin durchzuführen, die schließlich die Vorwürfe der dritten Ehefrau bestätigte. Es ging vor allem um die Frage, ob die bereits vorhandenen vier Kinder der Löppertin während einer der Ehen oder zwischen den Ehen des Freiherrn gezeugt worden waren. Zumindest in einem Fall, beim letzten Kind, traf der Vorwurf der Unzucht zu. Deshalb verurteilte der Reichshofrat den Freiherrn am 16. Juli 1771 zu vier Monaten und seine Geliebte zu vier Wochen Festungshaft, die der Ritterkanton vollstrecken sollte. Der Löppertin wurde zudem auferlegt, nach Abbüßung der Gefängnisstrafe einen Eid abzulegen, die Crailsheimischen Güter nie mehr zu betreten und jeglichen Kontakt mit dem Freiherrn zu meiden.
224 Siegrid Westphal
Der Freiherr zeigte sich reumütig und bat darum, die Gefängnisstrafe zumindest in eine Geldstrafe umzuwandeln (HHStA Wien, Reichshofrat, Vota 10c, Crailsheim). Als Begründung gab er an, dass diese Art des Verbrechens beim Adel „sehr gemein“ geworden sei. Vor allem zeigte er Unverständnis darüber, dass man ihm ein solches Verhältnis überhaupt zum Vorwurf machte. Weil der Freiherr damit aber offenbar auf einen immer deutlicher ins Bewusstsein der Öffentlichkeit tretenden Wertewandel verwies, der nicht im Sinne des Kaisers war, lehnte der Reichshofrat ein Entgegenkommen ab. Er verwies darauf, dass der Freiherr schon viele Jahre – trotz zahlreicher Abmahnungen des Ritterkantons – „mit der Löppertin öffentlich zum Ärgernuß des Publici und seiner Kinder erster Ehe“ einen unzüchtigen Lebenswandel getrieben habe, der nicht ungeahndet bleiben solle. „Vielmehr ob Satisfactionem publicam auch eine dem Publico in die Augen fallende andere abschreckende Strafe um so mehr verdiene, als diese Art von Verbrechen selbst nach dem, was Supplicant in Actis, diesfalls zu seinem Vermeintlichen Behuff angeführet, bey dem unmittelbaren Reichs-Adel sehr gemein zu werden beginnet.“ (HHStA Wien, Reichshofrat, Vota 10c, Crailsheim, Reichshofratsgutachten vom 6. September 1771) Zwar war der Reichshofrat bereit, einen Teil der Haftstrafe in eine Geldstrafe umzuwandeln, weil man den Abschreckungseffekt auch bei einer kürzeren Haft gegeben sah, aber Kaiser Joseph II. hielt unnachgiebig an seinem einmal gefällten Urteil fest. Handschriftlich vermerkte er auf dem Gutachten des Reichshofrats: „Die Rechtlich erkannte viermonathliche Gefängniß Straf ist, ohne Nachsicht noch Abänderung zu vollstrecken.“ Damit war das Gnadengesuch abgeschlagen und dem Kanton Steigerwald wurde die Vollstreckung der Haftstrafe befohlen. Der Freiherr wollte sich jedoch den ritterschaftlichen Anweisungen noch immer nicht fügen und versuchte auf verschiedenen Wegen, die Haftstrafe zu umgehen, unter anderem dadurch, dass er sich freiwillig in Arrest begab. Ritterschaft und Reichshofrat sahen darin jedoch nur renitentes Verhalten bzw. eine Verweigerung des Gehorsams gegenüber Kaiser und Reich. Da der Freiherr zudem den verbotenen Umgang mit der Löppertin fortgesetzt hatte, empfahl der Reichshofrat, „sowohl zu dessen [Crailsheims, SW] eigener Besserung, als auch zur heilsamen Spiegelung anderer – in gleichen sträflichen Ausschweifungen befangenen Mitglieder“ die Strafe endlich zu vollstrecken, was von Joseph II. voll und ganz unterstützt wurde (HHStA Wien, Reichshofrat, Vota 10c, Crailsheim, Reichshofratsgutachten vom 1. April 1773). Trotzdem wehrte sich der Freiherr weiter gegen die ritterschaftliche Kommission, die zur Exekution der Strafe eingesetzt worden war und beschimpfte die Abgeordneten auf übelste Weise. Gekrönt wurde das Fehlverhalten des Freiherrn dadurch, dass er seine Geliebte 1773 zunächst zur linken (morganatische Ehe), dann aber 1776 auch zur rechten Hand heiratete, obwohl der Reichshofrat dies ausdrücklich verboten hatte. Auf Antrag des Ritterkantons empfahl der Reichshofrat deshalb dem Kaiser, „Craylsheim der Immediätät
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 225
für seine Person zu entsetzen und für verlustigt zu erklären, sofort gedachtem Ritterort die Administration und Sequestration seiner Güter, auch die einsweilige Bestimmung einer Competenz für ihn“ und seine Söhne aus erster Ehe festzulegen, sowie die beiden jüngsten Kinder aus erster Ehe unter Vormundschaft zu stellen. Offenbar befürchteten die rechtmäßigen Erben, dass der Vater das Familienvermögen auf die Kinder aus seiner Verbindung mit der Löppertin übertragen könnte. Der Kaiser schloss sich diesem Gutachten an und verschärfte es sogar noch, indem er der Ritterschaft auftrug, Vorkehrungen zu treffen, „womit Er [Crailsheim, SW] führohin dem publico nicht zur Last und Gefahr bleibe, sondern extra Statum nocendi gesetzet werde“ (HHStA Wien, Reichshofrat, Vota 10c, Crailsheim, Reichshofratsgutachten vom 6. November 1777). Der Ritterkanton ließ sich nicht lange bitten und interpretierte diese Aufforderung so, dass den Mitgliedern der Verlust der Reichsstandschaft verkündet wurde, Crailsheim selbst sofort in Arrest genommen und seine Güter sequestriert wurden. Obwohl renitentes Verhalten und unstandesgemäße Ehen in der Ritterschaft durchaus öfter vorkamen, ist dies „der einzige greifbare Fall bei Steigerwald, in dem ein immatrikuliertes Ortsmitglied die Zugehörigkeit zum Corpus equestre abgesprochen wird, zugleich einziger Fall des Mitgliedschaftsverlustes insgesamt“ (MauchenheimBechtolsheim 1972, 275). Damit hatten die Selbstscheidung von der dritten Ehefrau und das dadurch beim Reichshofrat ausgelöste Verfahren für den Freiherrn dramatische Konsequenzen, die nur durch den Kaiser hätten wieder rückgängig gemacht werden können. Möglicherweise lenkte Crailsheim deshalb ein und schloss mit seinen Söhnen erster Ehe und den Agnaten einen Vergleich, der folgenden Inhalt hatte: Er und die Löppertin sowie ihre gemeinsamen Kinder sollten lebenslang jährlich 800 Gulden sowie das verschuldete Gut Rauschenberg (4 000 Gulden) als einmalige Abfindung erhalten. Des Weiteren sollte er einige Mobilien und 3 000 Gulden Bargeld bekommen, wovon nach seinem Tod 2 000 wieder zurückgezahlt werden mussten. Die Söhne erklärten sich dagegen bereit, die gesamten Schulden, außer denen auf dem Gut Rauschenberg, zu übernehmen. Dafür sollten sie alle Güter und das übrige Allodialvermögen erhalten. Voraussetzung für den Vollzug des Vergleichs war jedoch, dass die Ehe zur linken Hand mit der Löppertin als rechtmäßig anerkannt und Crailsheim aus dem Arrest entlassen wurde. Zudem äußerte der Freiherr den Wunsch, dass seine Kinder aus der Ehe mit der Löppertin den Namen Herren von Rauschenberg annehmen dürften. Alle Parteien und der Ritterkanton erklärten sich mit dem Vergleich einverstanden und übersandten ihn dem Kaiser zur Bestätigung. Nicht zuletzt aufgrund dieses einmütigen Vergleichs und der erheblichen Zugeständnisse, die Crailsheim gegenüber seinen Kindern aus der ersten Ehe gemacht hatte, mag er gehofft haben, dass er die Reichsstandschaft wieder zurückerhalten könnte und stellte einen entsprechenden Antrag beim Kaiser.
226 Siegrid Westphal
Der Reichshofrat bestätigte den Vergleich, erkannte die Ehe zur linken Hand mit der Löppertin als rechtmäßig an und forderte den Ritterkanton auf, Crailsheim aus dem Arrest zu entlassen. Die Reichsstandschaft wurde ihm jedoch nicht wieder verliehen, weil der Reichshofrat der Meinung war, dass er „diese dem Kai. Poenal-patent vom 29ten Jenner 1728 gemäse Strafe der privation der immedietät gar wohl verdienet hat“ (HHStA Wien, Reichshofrat, Vota 10c, Crailsheim, Reichshofratsgutachten vom 16. September 1779). Hinsichtlich seines Wunsches, seinen Kindern mit der Löppertin den Namen Herren von Rauschenberg zu verleihen, wurde Crailsheim darauf verwiesen, einen separaten Antrag zu stellen. Der Kaiser schloss sich letztlich diesem Votum an und blieb damit bei seiner harten Haltung gegenüber Crailsheim. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Alles deutet aber darauf hin, dass sich die im Zuge aufklärerischen Denkens gewandelten Moralvorstellungen auch an höchster Stelle niederschlugen. Waren außereheliche Verhältnisse bzw. die „Mätressenwirtschaft“ von Männern des Adels lange Zeit toleriert worden, scheint dies Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr der Fall gewesen zu sein. Crailsheims harte Bestrafung sollte andere Mitglieder seiner Korporation vor ähnlichem Verhalten abschrecken. An ihm wurde somit ein Exempel statuiert. Ob dieser Abschreckungseffekt tatsächlich erzielt wurde, sei dahingestellt. Verschiedene andere Fälle weisen jedoch darauf hin, dass sich der Adel nicht von diesem als Privileg wahrgenommenen Verhalten abbringen ließ. Über all diesen Entwicklungen verlor der Ritterkanton jedoch den noch am Reichskammergericht schwebenden Prozess gegen Crailsheim nicht aus den Augen. Sobald der Freiherr seine Reichsstandschaft verloren hatte, gab man dem Reichskammergericht am 28. August 1780 zu verstehen, dass Crailsheim beim noch schwebenden Zitationsprozess nicht mehr der Kläger sein könne, vielmehr seien es jetzt seine Söhne. Der Prozess wurde wohl tatsächlich zunächst noch fortgesetzt, da die Gegenseite die Meinung vertrat, dass erst über die Kosten gesprochen werden könne, wenn in der Hauptsache entschieden worden sei. Die Akte endet jedoch am 25. September 1781 ohne ersichtliches Urteil. Ein Vergleich mit den Söhnen des Freiherren und Rechtsnachfolgern ist zu vermuten. 4.2.4 Scheidungen und ihre Folgen im hohen Adel▀Aber nicht nur für die Reichsritterschaft konnten Scheidungen gravierende Folgen haben, auch der hohe Adel musste sich vor Kaiser und Reich für sein Verhalten verantworten, wobei der folgende Fall den Charakter einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über die kaiserlichen Kompetenzen bei Eheauflösungen protestantischer Reichsstände gewann (Westphal 2009). Johann Jacob Moser bemerkt zum Verhältnis der beiden betroffenen Standespersonen in ironischer Manier, dass Karl Leopold von Mecklenburg-Schwerin mit seiner Ehefrau ebenso freundlich umgegangen sei, „als hernach, da er zur Regierung kame, mit seinen Unterthanen“ (Moser 1775, Bd. 12/2, 22). Damit spielt er auf einen zentralen landständischen Konflikt an, der mit dem Namen
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 227
Karl Leopolds in der Frühneuzeitforschung verbunden wird (Troßbach 1986; Jahns 2000). Kaum bekannt ist bisher, dass der mecklenburgische Herzog Karl Leopold zeitgleich zum Ständekonflikt in einen weiteren Prozess am Reichshofrat verwickelt war, der die von ihm erwirkte Trennung von seiner ersten Ehefrau betraf (HHStA Wien, Reichshofrat, den. rec. 700/7; HHStA Wien, RHR, Vota 34 M 1). Karl Leopold hatte 1708 Fürstin Hedwig Sophie von Nassau-Dietz geheiratet (LA Schwerin, Altes Archiv-Internum, 2.12–1/2, 544–551). Die Ehe scheint von vornherein katastrophal verlaufen zu sein, was sicherlich auch auf das nicht gezahlte Heiratsgut durch die Herkunftsfamilie zurückzuführen ist. Letztlich dürfte für die Trennung der Ehe ausschlaggebend gewesen sein, dass sich kein Nachwuchs einstellte und damit der Fortbestand der Dynastie gefährdet schien. Gleichzeitig trachtete der Herzog danach, eine Neuvermählung mit einer Nichte des Zaren als machtpolitisches Instrument einzusetzen, um die Annäherung an Russland durch eine Heiratsverbindung zu festigen. Der Herzog glaubte auch, alles gut eingefädelt zu haben, indem er zunächst seine Ehefrau dazu brachte, am 9. Mai 1709 einen Vergleich zu unterschreiben, worin sie sich selbst als unfruchtbar bezeichnete und der Auflösung der Ehe zustimmte, wenn für ihren Unterhalt gesorgt werde. Des Weiteren erklärte sie sich bereit, in das Kloster zu Herford zu gehen, wo sie schon vor ihrer Hochzeit einen Platz erlangt hatte. Die Abmachung ist von beiden Eheleuten unterschrieben und durch einen Kurator (Dr. Conrad Bernhard Schwaben, Advokat aus Rostock) und Notar bezeugt (LA Schwerin, Altes Archiv-Internum, 2.12–1/9, 548). Dann ließ der Herzog vermutlich zur gleichen Zeit durch seine Räte eine sogenannte Species facti, den Verlauf der Sache, entwerfen, die als Vorlage für die Institutionen gedacht war, die in der Ehesache begutachten oder entscheiden sollten. Dabei handelt es sich um eine konstruierte Geschichtserzählung, die letztlich nur einen Zweck hatte, nämlich die Auflösung der Ehe juristisch zu begründen und entsprechende Argumentationshilfen zu leisten. Obwohl die betroffenen Personen anonymisiert werden, ist der Tenor doch sehr deutlich darauf ausgerichtet, der Ehefrau mit Hilfe einer Reihe von klassischen juristischen Topoi die Schuld zuzuweisen. So wird beispielsweise auf römisches Recht und die dort vorhandene Option angespielt, sich bei ansteckenden, Ekel erregenden oder unheilbaren Krankheiten scheiden lassen zu können. Im protestantischen Eherecht wurde dies zwar abgelehnt, weil Krankheiten als Prüfung oder Strafe Gottes aufgefasst wurden. Allerdings war es möglich, „eine Ehe für nichtig erklären zu lassen, wenn die Krankheit schon bei der Eheschließung vorhanden, aber verschwiegen worden war“ (Jensen 1984, 93). Daher verwundert es nicht, dass ein Großteil der Argumentation darauf hinausläuft zu beweisen, dass die Ehefrau schon vor der Verheiratung unfruchtbar und krank gewesen sei. Ihre schwache Konstitution unmittelbar nach der Hochzeit sowie übler, in Anlehnung an römisches Recht als Ekel er-
228 Siegrid Westphal
regend bezeichneter Mundgeruch, der auf eine Schädigung der Leber und der Lungen zurückgeführt wird, dienen dabei als Belege. Während die Ehefrau angeblich aufgrund einer langjährigen Krankheit als ausgemergelt bezeichnet wird, wird der Ehemann als stark und kräftig charakterisiert. Allerdings habe er sich nach der ehelichen Beiwohnung von seiner Frau eine gefährliche Krankheit zugezogen. Damit wird erneut auf römisches Recht und die Ansteckungsgefahr durch die Krankheit der Frau verwiesen. Die Berufung auf einen graduierten Arzt, der angeblich im Beisein von Notaren und Zeugen die schwache Leibesverfassung, Impotenz und Unfruchtbarkeit der Ehefrau schriftlich festgestellt habe, soll der Argumentation mehr Nachdruck verleihen. Da die Ehefrau jedoch auf Basis des protestantischen Eherechts die Krankheit auch für die Aufrechterhaltung der Ehe hätte geltend machen können und die Bereitschaft zur Behandlung eine Auflösung bzw. Scheidung hätte verhindern können, musste ihr aus Sicht des Ehemannes unterstellt werden, dass sie kein Interesse an der Wiederherstellung ihrer Gesundheit habe. Dementsprechend wird behauptet, dass sie diesbezügliche Bemühungen ihres Mannes abgelehnt habe und sich nicht kurieren ließ, sondern vielmehr gegenüber ihrem Kurator erklärt habe, sie wolle lieber das Eheband aufheben und sich von ihrem Mann gänzlich scheiden lassen. Diese Argumentation lief darauf hinaus, der Ehefrau die Verweigerung der ehelichen Pflichten anzulasten, was im Sinne einer sogenannten Quasidesertion interpretiert und als zusätzlicher Scheidungsgrund hätte herangezogen werden können. Da dies einer Scheinehe gleichgekommen wäre und bei dem Verlassenen die Gefahr bestand, aufgrund seiner natürlichen Bedürfnisse in Sünde zu verfallen, waren protestantische Theologen durchaus bereit, in solchen Fällen eine Scheidung zuzugestehen, auch wenn es sich nicht um eine offensichtliche Desertion handelte. Auf die Gefahr der Sünde wird deshalb als nächstes Argument hingewiesen, wobei der Mann ihr nicht nur bereits verfallen, sondern von seiner Frau sogar dazu aufgefordert worden sei. Sie habe ihrem Mann geraten, sich die eine oder andere Mätresse zuzulegen. Dies habe er zwangsläufig tun müssen, weil er eine völlige Aversion entwickelt habe, seiner Frau beizuwohnen. Er habe schließlich – nolens volens – in die Ehescheidung einwilligen müssen, um im Verständnis der Zeit nicht weitere Sünde auf sich zu laden. Immerhin war es ja das Ziel des Herzogs, sich wieder zu verheiraten. Aus dieser Logik heraus musste er als unschuldig erscheinen, unabhängig davon, ob er tatsächlich außereheliche Verhältnisse eingegangen war, oder nicht. Diese aus Sicht des Herzogs verfasste Geschichtserzählung, welche die Schuld folgerichtig der Ehefrau zuwies, wurde dann mit Hilfe von Mittelsmännern an die juristische und medizinische Fakultät in Greifswald weitergeleitet, die jeweils Gutachten verfassten, die sich fast wortwörtlich an die herzoglichen Species facti anlehnten (LA Schwerin, Altes Archiv-Internum, 2.12–1/9, 548). In beiden wird die Auflösung der Ehe aufgrund von Zeugungsunfähigkeit der Ehefrau befürwortet. Dass es sich dabei keinesfalls um eine unparteiische Stel-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 229
lungnahme handelt, wird auch durch die Abrechnung von sogenannten ‚Geschenken‘ an die Fakultätsmitglieder belegt. ‚Nachgeholfen‘ wurde auch bei der letztlich entscheidenden Institution, dem damals schwedischen Greifswalder Konsistorium, das sich trotz einiger Bedenken an der Argumentation der Gutachten anschloss und die Ehe am 2. Juni 1710 für null und nichtig erklärte. Allerdings wurde nur dem Herzog erlaubt, wieder zu heiraten, obwohl ursprünglich für beide eine entsprechende Möglichkeit eingeräumt werden sollte. Da das Paar nicht persönlich vor dem Konsistorium erscheinen wollte, war es wichtig, dass der Beichtvater attestierte, alles getan zu haben, um die beiden wieder zusammenzubringen. Damit hatte man das Scheitern aller Versöhnungsbemühungen dokumentiert. Durch die Einschaltung eines auswärtigen Ehegerichts wollte der Herzog dem Vorwurf zuvorkommen, er habe das Verfahren beeinflusst. Ihm bzw. seinen Räten war durchaus bewusst, dass die juristische Zuständigkeit bei Scheidungen protestantischer Reichsstände umstritten war. Allerdings vertraten alle die Meinung, dass es auch einem nachgeborenen „apanagierten“ Reichsstand unter Hinzuziehung von Gutachten erlaubt sei, sich selbst scheiden zu lassen. Eine gemeinsame Erklärung beider Eheleute sollte ebenfalls dazu dienen, Kritik an der Vorgehensweise im Keim zu ersticken (LA Schwerin, Altes ArchivInternum, 2.12–1/9, 548). Darin ist die Rede vom vermeintlichen Ehestand und dem Zweck, der aus zuvor vorhandenen, aber verborgen gewesenen Ursachen nicht erfüllt worden sei, womit auf die ausgebliebenen Kinder angespielt wird. Allerdings fehlen hier die einseitigen Schuldzuweisungen aus den Species facti bzw. Gutachten. Viele berühmte Theologen, Juristen und Mediziner hätten bestätigt, dass die Ehe nie verbindlich geworden und von Anfang an nichtig gewesen sei. Eine Fortsetzung sei wegen der Wohlfahrt sehr gefährlich. Daher gebe es kein anderes Mittel, als dass die Ehe öffentlich für null und nichtig erklärt werde, „dannenhero wir beyderseits fürstliche Persohnen Protestantischer Religion seyn, also nach Gegenwärtiger Verfassung des Teutschen Reichs wir kein Forum legale competens in Ehesachen zu finden haben, unangesehen der daher habenden trifftigen Uhrsachen Unß, alß fürstliche Persohnen, die hierin kein Menschliches Iudicium über Sich erkennen können und dürfen, nach dem Exempel anderer Fürstlichen Persohnen und Häuser in dergleichem falle, Unß selbsten, wie mit beyderseits wohl vor her bedachten Einwilligung, also von selbsten ohne einigen Richterlichen Außspruch Unß gäntzlich zu scheiden“ (LA Schwerin, Altes Archiv-Internum, 2.12–1/9, 548). Aus diesen Zeilen wird deutlich, dass offiziell beide Ehepartner das Recht der Selbstscheidung für sich beanspruchten und sich dabei auf die Rechtspraxis beriefen. Um diese – laut Erklärung – von Anfang an unverbindliche Ehe wieder aufzuheben, haben sie sich nach dem Rat protestantischer Gelehrter an ein unverdächtiges protestantisches Konsistorium gewendet. Dies sei besser als ein Austrag, Schiedsmänner oder ein willkürlich gewähltes Arbitrium.
230 Siegrid Westphal
Der völlig andere Tenor von Vergleich und Erklärung, die auf eine einvernehmliche Auflösung der Ehe mit entsprechenden Absicherungen für die Frau verweisen und von beiden unterzeichnet wurden, und den Species facti, die einseitig aus der Perspektive des Herzogs verfasst wurden und ihm alle Vorteile einräumten, verweist darauf, dass der Herzog und seine Räte offenbar ein doppeltes Spiel trieben, was spätestens seit Verkündung des Greifswalder Urteils auch der Herzogin nicht verborgen geblieben sein dürfte. Denn Hedwig Sophie war es als Schuldige weder erlaubt, wieder zu heiraten noch waren für sie Unterhaltszahlungen vorgesehen, was bei Auflösung der Ehe und dem Nachweis, dass bei der Ehefrau schon vor der Eheschließung Zeugungsunfähigkeit bestanden hatte, juristisch legal war. Damit waren ihr jedoch alle Perspektiven der Absicherung genommen. Deshalb informierte sie unmittelbar nach der Scheidung ihre Herkunftsfamilie, die sich wiederum mit den engsten Angehörigen des Herzogs in Verbindung setzte. Auch hier war niemand über die Absichten von Karl Leopold informiert worden. Trotz der bereits ausgesprochenen Auflösung der Ehe versuchten die nächsten Angehörigen des Herzogs zwar, das Verfahren anzufechten und eine Verständigung zu erzielen, blieben dabei aber erfolglos (LA Schwerin, Altes Archiv-Internum, 2.12–1/9, 551). Auch andere Vermittlungsversuche von befreundeten Reichsständen scheiterten, wobei es geteilte Meinungen über das Vorgehen von Karl Leopold gab. Zwischen der Mutter von Hedwig Sophie und Karl Leopold entbrannte schließlich ein heftiger Streit, wobei von Seiten der Mutter der Vorwurf erhoben wurde, dass der Herzog Hedwig Sophie zur Unterschrift des Vergleichs und der Erklärung gezwungen und sie aufgrund ihrer Unkenntnis der deutschen Sprache in Unwissenheit über die tatsächlichen Regelungen gelassen habe. Karl Leopold beharrte jedoch darauf, dass der Mutter schon vor der Eheschließung bekannt gewesen sein müsse, dass die Tochter aufgrund einer Krankheit unfruchtbar sei. Relativ rasch zeichnete sich ab, dass es zu keiner einvernehmlichen Lösung kommen würde und die Herzogin deshalb beabsichtigte, den Kaiser und dessen Reichshofrat anzurufen. Dies geschah am 10. November 1712 mit einem Schreiben an den Kaiser, in dem sie ihm die Situation aus ihrer Perspektive schilderte (HHStA Wien, Reichshofrat, den. rec. 700/7). Insbesondere wehrte sie sich gegen den Vorwurf der Unfruchtbarkeit und warf dem Konsistorium Parteilichkeit vor, weil es sich einseitig an die Species facti des Herzogs gehalten habe. Deshalb forderte sie zum einen sofortige Unterhaltszahlungen, zum anderen die Wiederherstellung der Ehe und das Verbot der Neuvermählung des Herzogs mit einer Nichte des Zaren. Dafür bot sie sogar an, sich medizinisch untersuchen zu lassen. Während Kaiser und Reichshofrat Mitte des 17. Jahrhunderts in einer vergleichbaren Konstellation noch davor zurückschreckten (Jensen 1984), einen Scheidungsfall eines protestantischen Reichsstandes an sich zu ziehen, nah-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 231
men sie sich nun der Sache an. Dies verweist zum einen auf den Wiederaufstieg des Kaisertums nach dem Dreißigjährigen Krieg. Zum anderen besaß der Konflikt vor dem Hintergrund des Nordischen Krieges und der internationalen politischen Verflechtungen erhebliche Sprengkraft. Am 21. November 1712 wurde dem Herzog von Sachsen-Gotha und dem Landgrafen von Hessen-Kassel eine kaiserliche Kommission übertragen, welche die wahre Beschaffenheit der Ehesache erkunden und die Ehepartner nach den Prinzipien des protestantischen Eherechts gütlich wieder miteinander versöhnen sollte. Darüber musste ein Gutachten verfasst werden. Außerdem sollten sie den Herzog auffordern, keine Standesveränderung vorzunehmen und seiner Frau Unterhalt zu leisten. Dies brachte den Herzog in ernsthafte Schwierigkeiten, weil die bereits eingeleitete Neuvermählung mit der Zarennichte reichsrechtlich nicht anerkannt worden wäre. Angesichts der sich abzeichnenden Regierungsübernahme in Mecklenburg-Schwerin hätte dies zur Konsequenz gehabt, dass die Nachkommen aus dieser Beziehung nicht hätten belehnt werden können und damit der Verlust des Territoriums gedroht hätte. Deshalb wandte sich der Herzog im März und April 1713 an den Kaiser und legte Einspruch ein (LA Schwerin, Altes Archiv-Internum, 2.12–1/9, 552). Er bestritt die Zuständigkeit des Kaisers in Ehesachen und erklärte, dass er lediglich schuldig sei, sich einem Konsistorium zu unterwerfen. Der Kaiser habe unlängst die Ehesachen der geistlichen Jurisdiktion des Papstes übertragen. Ein Kaiser könne nicht einmal in seinen Erblanden in strittigen Sachen wie der Auflösung des ehelichen Bandes handeln, sondern müsse dies der katholischen Geistlichkeit überlassen. Erst recht nicht könne er diese Sachen bei den protestantischen Reichsständen verfolgen, „weil Sie all Jhr Recht ehemahls, an die Römische Geistlichkeit transferiret haben.“ Dies sei aber durch den Westfälischen Frieden bei den Protestanten suspendiert worden. Deshalb gebe es keinen judex competens, außer wenn sich beide Teile auf ein Konsistorium verständigen. Ein ähnliches Schreiben schickte der Herzog an die mit der Kommission beauftragten Reichsstände, worin die Kommission als höchst schädlich für das Corpus Evangelicorum, dem Zusammenschluss der protestantischen Reichsstände auf dem Regensburger Reichstag, bezeichnet wird. Diese Hinweise scheinen beide Kommissare beeindruckt zu haben, denn sie lehnten unter verschiedenen Vorwänden die Übernahme der Kommission ab. Karl Leopold hoffte daraufhin, dass der Herzogin kein Gehör mehr geschenkt werde. Falls aber der Reichshofrat eine neue Kommission ernennen sollte, was in der Tat der Plan des kaiserlichen Gerichts war, dann baute Karl Leopold darauf, dass ihn das Corpus Evangelicorum unterstützen und intervenieren würde. Der Kaiser sah sich schließlich mit der Situation konfrontiert, Stellung zur Frage der Zuständigkeit des Reichshofrats bei Ehesachen zu beziehen: Denn der Mecklenburger Herzog hatte nicht nur die Kompetenz des Kaisers und seines Gerichts in Fragen der ehelichen Gerichtsbarkeit bei protestantischen Reichsständen offensiv angefochten und damit gleichzeitig die kaiserliche
232 Siegrid Westphal
Autorität in Frage gestellt, sondern auch die Einschaltung des Corpus Evangelicorum betrieben. Er beauftragte die evangelischen Reichshofräte (Graf Wurmbrand, Baron Danckelmann, Graf Stein, Baron Lyncker, Herr von Berger, Herr von Bode) des überwiegend mit Katholiken besetzten Reichshofrats damit, ein schriftliches Partikularvotum über folgende Frage zu verfassen: „Ob nemb. der Kayser in causis matrimonialibus Evangelicorum Statuum cognosciren könne?“ (HHStA Wien, Reichshofrat, den rec. 700/7) Alle evangelischen Reichshofräte sprachen sich in ihren meist ausführlichen Voten einhellig dafür aus, dass der Kaiser in der Tat in Ehesachen von protestantischen Reichsständen entscheiden könne, „und könten ja Jhro kay. Mayt. kein glimpflichren noch sichren modum dabey gebrauchen, als wen selbige sothane obberührte matrimonial Sache, ein oder anderem Evangelischen Stand, nach denen principiis Augustanae Confessionis, zu untersuchen committirten“ (HHStA Wien, Reichshofrat, den rec. 700/7). Zentral dabei war die Überlegung, die kaiserliche Zuständigkeit in Ehesachen aus der historischen Entwicklung von geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit abzuleiten und in Übereinklang mit den Grundgesetzen des Reiches zu formulieren. Der Kaiser wird dabei als derjenige verstanden, der Quelle allen Rechts im Reich ist und von dem deshalb alle Jurisdiktion ausgeht. Basis der Überlegungen der Reichshofräte bildete die Vorstellung von der unteilbaren Natur der kaiserlichen Machtvollkommenheit, die auf göttlichen Auftrag zurückgeführt wird. Der geistliche Stand sei lediglich zur Verwaltung der Spiritualia bestimmt gewesen (Ordination der Bischöfe, Verwaltung der Sakramente, Verbreitung des göttlichen Wortes). Alle anderen Sachen gebührten demnach der weltlichen Macht. Belegt wird dies mit dem Alten und Neuen Testament sowie den Entwicklungen im Urchristentum und unter den ersten christlichen Kaisern, die alle ihre Verordnungen und Gesetze der Kirche und der Geistlichkeit gegeben hätten. Erst mit Kaiser Phokas und dessen despotischer Herrschaft im Oströmischen Reich sei eine Wende eingetreten. Die Päpste und die Geistlichkeit hätten die kaiserlichen Rechte in geistlichen Fragen mehr und mehr in Zweifel gezogen. Karl der Große habe noch einmal alle Rechte unter sich vereinen können, mit Kaiser Heinrich IV. und dem Investiturstreit sei jedoch endgültig eine Veränderung eingetreten. Der Verzicht auf die Investitur habe den kaiserlichen Rechten einen unwiederbringlichen Schaden zugefügt. Die Päpste und der Klerus hätten es dadurch geschafft, ihre Macht auf Kosten der kaiserlichen Macht zu erhöhen und den Kaisern fast alle geistlichen Rechte zu nehmen. Nicht zuletzt deshalb seien die Gravamina der deutschen Nation formuliert worden, wodurch der Reformation der Boden bereitet worden sei. Die protestantischen Reichsstände lehnen in Folge dessen die geistliche Jurisdiktion des Papstes ab und erkennen keinen anderen Richter als die kaiserliche Majestät. Durch den Passauer Vertrag und den Augsburger Religionsfrieden seien die geistlichen Rechte in protestantischen Territorien suspendiert worden und die Territorialherren hätten die geistli-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 233
chen Rechte erhalten, wonach sie all dasjenige vermögen, was vorher den katholischen Bischöfen zustand. Den Protestanten sei es also gelungen, diese vom Papst beanspruchten Rechte wieder zurückzuerlangen und selbst auszuüben. Da die Protestanten die geistliche Gerichtsbarkeit jedoch in einem weltlichen Sinne verstehen und praktizieren, seien der Kaiser und sein Gericht als höchste Instanz des Rechts auch für Ehesachen von protestantischen Reichsständen zuständig. Diese vehemente Behauptung der Zuständigkeit durch den Reichshofrat diente auch der Legitimation einer weiteren kaiserlichen Kommission, die selbst durch die Einschaltung des Corpus Evangelicorum nicht verhindert werden konnte. Nachdem nämlich die protestantischen Reichsstände festgestellt hatten, dass keine Unterhaltsregelung für die Versorgung der ehemaligen Ehefrau vorgesehen war, schien sich das Blatt zu wenden. Hinzu kam, dass der Herzog, ohne das kaiserliche Verbot der Wiederverheiratung zu beachten, 1716 eine Ehe mit einer Nichte des russischen Zaren einging und damit die kaiserliche Autorität aufs Höchste angriff. Von kaiserlicher Seite aus drohte man deshalb, die Ehe nicht anzuerkennen, was zu großen Irritationen mit dem Zaren geführt hätte. Um eine politische Eskalation des weiterhin am Reichshofrat anhängigen Verfahrens zu verhindern, zeigte sich der Kaiser schließlich kompromissbereit. Mit seiner Billigung und durch Vermittlung des Zaren kam es schließlich 1717 zu einem Vertrag, durch den die neue Ehe des Herzogs anerkannt und der ehemaligen Ehefrau eine Abfindung sowie Alimente gezahlt wurden. Die Mecklenburger Eheangelegenheit führte also dazu, dass sich der Reichshofrat angesichts der Lücke im Eherecht bezüglich der Selbstscheidung von protestantischen Reichsständen als zuständige Instanz erklärte und in der Folge auch immer wieder in solchen Fällen angerufen wurde, selbst wenn die Reichspublizisten in der Frage der Zuständigkeit weiterhin uneins blieben. 4.2.5 Die Auflösung ehelicher Beziehungen▀In der Frühen Neuzeit bildete der Tod den Normalfall einer Auflösung einer Ehe. Auch wenn es keine flächendeckenden quantitativen Analysen für diese Annahme gibt, so verweisen doch Einzelfallstudien darauf, dass Scheidungsverfahren nur einen geringen Prozentsatz aller Fälle an Kirchengerichten und Konsistorien in den protestantischen Territorien ausmachten. Für die katholischen Ehegerichte, die zumindest eine Trennung von Tisch und Bett aussprechen konnten, sowie für jüdische Scheidungen fehlen weitgehend Angaben. Aber auch hier ist zu vermuten, dass die Zahlen nicht besonders stark ins Gewicht fielen. Umso verwunderlicher ist es jedoch, dass sich die frühneuzeitliche Gesellschaft im Umgang mit Witwen schwer tat, insbesondere wenn es um ihren Status, ihren Stellenwert und ihre Rechte ging. Auch wenn die mit dem Übergang von der Ehefrau zur Witwe verbundenen Krisenerfahrungen und emotionalen Belastungen durchaus gesehen wurden und seelsorgerische Unterstützung angeboten wurde, so zeigt die gleichzeitig ausgedrückte Angst vor
234 Siegrid Westphal
einer zu freien Gestaltung des Witwenlebens doch, dass Witwen als potentielle Störfaktoren der Gesellschaft galten. Ihr Verhalten wurde bestimmten Regeln unterworfen und von ihnen wurde eine fromme und gottesfürchtige Lebensweise erwartet, die sich auf das Haus beschränken sollte. Die soziale Praxis gestaltete sich jedoch anders. Nur vermögende und abgesicherte Witwen konnten diesem Rollenbild entsprechen. Die häufig schwierige wirtschaftliche Lage und ungesicherte Existenz von Witwen erforderte ihr Heraustreten aus der Zurückgezogenheit des Hauses. Konflikte entstanden einerseits aus finanziellen Verpflichtungen, die während der Ehe eingegangen worden waren, aus Eheverträgen und Testamenten, die von um das Erbe konkurrierenden Personen und Gruppen gerichtlich angefochten wurden. Andererseits rief die Notwendigkeit, den Unterhalt verdienen zu müssen, die Angst vor wirtschaftlicher Konkurrenz hervor, wie vor allem im Bereich des städtischen Handwerks und in dem umstrittenen Witwenrecht deutlich wurde. Witwen des Hohen Adels, die sogar als Regentin wirken konnten oder auf ihrem Witwensitz Herrschaftsrechte ausübten, passten noch weniger in das hierarchisch strukturierte, auf die Ehe fokussierte und auf der Geschlechterdifferenz basierende Gesellschaftsmodell der Frühen Neuzeit. Der Übergang zum Witwenstatus musste ausgehandelt werden und die in diesem Zusammenhang zu regelnden Konfliktfelder stellten eine Gemengelage unterschiedlichster Probleme dar, die teilweise emotional aufgeladen waren. Witwen befanden sich dabei in einer schwachen Ausgangssituation, gleichzeitig instrumentalisierten sie diese aber auch, in dem sie unter Verweis auf den Status als „arme Witwe“ den Schutz von weltlichen und geistlichen Obrigkeiten einforderten. An den verschiedenen Prozessbeispielen wurde jedenfalls ersichtlich, dass Witwen keinesfalls davor zurückscheuten, sich der Gerichte zu bedienen und ihre Rechte – häufig mit Erfolg – offensiv zu vertreten. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erklärt sich die große Bedeutung von Eheverträgen, wollten doch im Grunde alle an einer Eheschließung beteiligten Verbände und Personen solche Konflikte vermeiden. Scheidungen oder Trennungen von ehelichen Beziehungen, die von einem oder beiden Ehepartnern bewusst herbeigeführt wurden, waren zwar im Prinzip möglich und wurden in der sozialen Praxis auch durchgeführt, fanden jedoch keine gesellschaftliche Reflexion und noch weniger Akzeptanz als eine legitime Form der Eheauflösung. Scheidungen und Trennungen galten als absolute Ausnahmen. Gleichwohl mussten sich die Gerichte nicht nur mit konkreten Scheidungs- und Trennungsbegehren auseinandersetzen, sondern auch die daraus entstehenden Folgen behandeln. Weil kein gesellschaftlicher Ort für geschiedene Personen vorgesehen war, blieb nur die Orientierung an akzeptierten Rollen wie der Witwe oder dem Witwer, die jedoch nur den unschuldig Geschiedenen zugebilligt wurden. Dass gerade bei Scheidungen ständische Differenzierungen zu berücksichti-
Die Auflösung ehelicher Beziehungen 235
gen sind, zeigt sich nicht nur bei geschiedenen Handwerksfrauen, die für sich das Witwenrecht beanspruchten, sondern auch am Scheidungsverhalten des männlichen protestantischen Adels, der sich im Verlauf der Frühen Neuzeit immer weniger an ein gesellschaftlich erwartetes Rollenverhalten gebunden fühlte und die Selbstscheidung als Herrschaftsrecht für sich beanspruchte. Ab welchem Zeitpunkt der Status einer geschiedenen Person zu einer gesellschaftlich akzeptierten Realität wurde, muss noch geklärt werden.
Fazit und Ausklang▀ Angesichts der Komplexität von Erfahrungen, Erwartungen, Normen und Notwendigkeiten, die eheliche Beziehungen in der Frühen Neuzeit kennzeichneten, scheint ihre Konflikthaftigkeit beinahe strukturell angelegt gewesen zu sein. Konflikte konnten in jeder Phase dieser Beziehung auftreten, ja sogar schon vor dem Vollzug der Ehe einsetzen – insofern verwundert die Beliebtheit von „Venus und Vulcanus“ als Sinnbild dieses basso continuo discordiae kaum, während die erotischen Eskapaden von Venus und Mars eher auf das Reich der Utopie verwiesen und nicht mit der harten Realität des ehelichen Alltags in Übereinklang zu bringen waren. Eheliche Beziehungen in der Frühen Neuzeit nach ihren verschiedenen Phasen zu betrachten, eröffnet die Möglichkeit, Forschungsergebnisse ganz unterschiedlicher Kontexte zusammenzuführen. Dadurch kann die Erkenntnis, dass in Abgrenzung zur Moderne die Ehe – und häufig mit ihr zusammengedacht Haushalt und Familie – als Dreh- und Angelpunkt der frühneuzeitlichen Gesellschaft anzusehen ist, bestätigt und weiter differenziert werden. Durch die makrohistorischen Wandlungsprozesse um 1500 (Humanismus, Reformation) wurde die Institution Ehe aufgewertet. Die in diesem Zusammenhang entwickelten Ehekonzepte, die erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine Neuakzentuierung erfuhren, werden im vorliegenden Band als Fundament jeglicher frühneuzeitlicher Ordnung greifbar, gleichwohl in unterschiedlichen Ausprägungen. Dass hierbei nicht nur standes- und bildungsspezifische Aspekte eine Rolle spielten, sondern sich der Wandel von Praktiken auch in den diversen Phasen ehelicher Beziehungen unterschiedlich deutlich und rasch vollzogen hat, ist durch die Neuperspektivierung dieses Bandes herausgearbeitet worden. Der im Verlauf der Frühen Neuzeit konstant hohe Stellenwert der Ehe hat oft dazu verleitet, eher die stabilisierende Wirkung der Institution Ehe für die Gesellschaft zu betonen, als auf die mit den ehelichen Beziehungen verbundenen Dynamiken und auf die potentielle Krisenanfälligkeit von Ehen zu achten. Auch die neueste Untersuchung, orientiert am Modell der Lebensstufen, erzeugt den Eindruck eines geregelten Verlaufs des Ehelebens, wobei bestimmte Phasen der Ehe an ein bestimmtes Lebensalter rückgebunden werden (Greyerz 2010). Dies mag für die Eheschließung eingeschränkt noch gelten, aber vor allem die Auflösung einer ehelichen Beziehung durch einen Todesfall kann in der Frühen Neuzeit nicht mit einem Lebensalter verbunden werden. Die hohe Sterblichkeitsrate unter anderem auch bei jüngeren Menschen – gerade von Frauen im Kindbett – sorgte dafür, dass nur ein Teil der Ehepaare gemeinsam alt wurde und annähernd gleichzeitig starb. Der überlebende Ehepartner, insbesondere die verwitweten Männer, heirateten – wenn möglich – nach einer kurzen Frist wieder, so dass Mehrfachehen, bei denen häufig
238 Siegrid Westphal
größere Altersunterschiede zwischen den Ehepartnern bestanden, keine Seltenheit darstellten. Hier stimmt das Modell der Lebensstufen nicht mit der gelebten Praxis überein. Die Konzentration auf den Eigenwert der Ehe und die mit ihr verbundenen Phasen hat den Blick dafür geschärft, dass Ehen zwar eine wichtige gesellschaftliche Ordnungsfunktion besaßen und nach dem Willen der Obrigkeiten und der sozialen Umwelt stabil sein und funktionieren sollten. Es ist jedoch auch ersichtlich geworden, dass de facto von der Anbahnung über den Verlauf bis hin zur Auflösung alle Phasen einer ehelichen Beziehung krisenanfällig waren. Dies ist zum einen vor dem Hintergrund einer Knappheitsgesellschaft zu sehen, in der Ehepaare als Arbeitspaare nicht nur ihre eigene Existenz, sondern auch die aller zum Haus gehörenden Personen zu sichern hatten. Zum anderen sollte die Ehe auch eine bestimmte Qualität besitzen, die in zahlreichen moralischen Eheschriften bzw. Ehespiegeln, normativen Regelungen und Eheordnungen oder auch von der Kanzel und im Beichtstuhl vermittelt wurde. Wenn die gelebten Beziehungen nicht dem Eheideal und den individuellen Vorstellungen und Erwartungen entsprachen, dann konnten sich Konflikte entwickeln, die nicht nur temporär, sondern latent die ehelichen Beziehungen gefährdeten und in eine Krise mündeten. Dies konnte in letzter Konsequenz auch eine Auflösung der Ehe zur Folge haben. Erst in diesen Konstellationen werden die Ehepaare in den Quellen sichtbar, da Selbstzeugnisse von Ehepaaren der Frühen Neuzeit nur sehr punktuell und einseitig überliefert sind, für eine große Masse jedoch fehlen. Aus den hier herangezogenen Quellen, die überwiegend aus Gerichtsakten und in ihnen befindlichen Beilagen bestehen, wird Folgendes deutlich: Die Konflikte stellen immer eine Gemengelage von wirtschaftlich-sozialen, rechtlich-politischen, theologisch-moralischen und individuellen emotionalen Aspekten dar. Selbst wenn aus juristischen Gesichtspunkten ein bestimmtes Anliegen in den Vordergrund gerückt wird, spielen die anderen Aspekte mit hinein und überlagern mitunter im Verlauf des Prozesses den ursprünglichen Anlass der Klage. Es erscheint für die Frühe Neuzeit symptomatisch, dass der juristisch einklagbare Aspekt zwar häufig rechtlich geregelt werden konnte, aber die dahinter stehende Gesamtkonstellation eben nicht. Nicht zuletzt deshalb treten einmal aktenkundig gewordene Paare in den Quellen immer wieder auf. Neben dieser Überlagerung vielfacher Ursachen von Konflikten fällt auf, dass jede eheliche Phase ein mehr oder weniger eigenes Konfliktprofil aufweist. Während der Eheanbahnung stehen naturgemäß Fragen des Ehevertrags und der wirtschaftlichen Ausgewogenheit der ehelichen Verbindung aus Sicht der Herkunftsfamilien im Vordergrund, wobei emotionale Aspekte im Zusammenhang mit gebrochenen Eheversprechen ebenfalls eine Rolle spielen. Während der Bestandsphase zeigt sich die potentielle Krisenanfälligkeit von ehelichen Beziehungen am deutlichsten, da sich die Ehe im Alltag angesichts zahl-
Fazit und Ausklang 239
reicher Herausforderungen und unter dem Blick von Verwandtschaft, Nachbarschaft, Kirche und Obrigkeit als belastbar erweisen musste. Konflikte, bei denen einem Partner aus verschiedensten Gründen schlechtes Haushalten vorgeworfen wurde, machen einen großen Teil der Klagen aus. Häufig wurden diese Vorwürfe in Zusammenhang mit moralischem Fehlverhalten und Gewaltausbrüchen erhoben. Gelang es nicht, die hinter dem Konflikt stehende Gemengelage an Ursachen zumindest teilweise einzuhegen, dann blieb häufig nichts anderes übrig, als zunächst eine vorübergehende Trennung und bei mehrfachen Wiederholungen eine dauerhafte Trennung von Tisch und Bett bzw. eine Scheidung zuzulassen. Bestands- und Krisenphase sind deshalb von der Auflösungsphase schwer zu trennen und gehen im Prinzip ineinander über. Erst wenn eine Ehe durch Scheidung oder Tod aufgelöst worden war, ergaben sich daraus wiederum bestimmte Konflikte, die in erster Linie die Versorgung und Absicherung des Lebensunterhalts sowie die Verteilung des Vermögens betrafen. Auch hier spielen emotionale Aspekte stark hinein, weshalb der Übergang von der Rolle des Ehepartners zur allein lebenden Person mit einer starken Krisenerfahrung verbunden sein konnte. Gerade in diesem Zusammenhang erweist sich das dem Band zugrunde liegende soziologische Modell der Paarbeziehungen von Karl Lenz als hilfreich. Es kann nicht nur zentrale Unterschiede zwischen frühneuzeitlichen und heutigen Paarbeziehungen deutlich machen, die vom säkularen Charakter der Ehe bis hin zum besonderen Stellenwert von Liebe als alleinigem Eheschließungsgrund und neuen Beziehungsformen reichen. Dieses Modell ermöglicht es auch, die engen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Phasen ehelicher Beziehungen aufzuzeigen. Auffällig ist für die Frühe Neuzeit insbesondere die durch die Eheverträge geschaffene Verbindung zwischen Anbahnung und Auflösung von ehelichen Beziehungen, die vor allem durch die fehlende Witwenversorgung begründet war. Das bedeutete jedoch auch, dass bei jeder Eheschließung das Ende mitbedacht werden musste, gleichzeitig aber auch die Basis für die Bestandsphase gelegt wurde. Schon vor dem Vollzug der Ehe galt es also auszuhandeln, wer wieviel in die Ehe einzubringen und wer den „Mehrwert“ von dieser Beziehung zu erwarten hatte. Der Erfolg einer Ehe wurde daran gemessen, wie gut es einem Paar gelang, das in die Ehe eingebrachte Vermögen zu mehren, wobei beide Ehepartner gleichermaßen in der Verantwortung standen. Wich ein Ehepartner von der im Ehevertrag eingegangenen gegenseitigen Verpflichtung zur Absicherung ab, so brachte ihm oder ihr dies stereotyp den Vorwurf des „schlechten Haushalters“ ein. Dahinter verbarg sich die Angst, dass das gemeinsame Vermögen und damit die gemeinsame Existenz gefährdet sein könnten. Erwies sich eine Frau als gute Wirtschafterin und treue Ehefrau, dann konnte die im Ehevertrag festgelegte Witwenversorgung auch während der Ehe schon heraufgesetzt werden. Spätestens das Testament ermöglichte hier Korrekturen, an denen auch die emotionale Qualität einer Ehe
240 Siegrid Westphal
abgelesen werden konnte. Gerade Testamente und die Witwenversorgung, die von den Erben geleistet werden musste, führten in der sozialen Praxis häufig zu Konflikten, die nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional begründet waren. Der Blick auf die Verlaufsphasen einer Beziehung hat es somit ermöglicht, die vielfachen Forschungen zum Witwenstand in der Frühen Neuzeit an die Forschungen zu den Eheverträgen und zu den Konflikten innerhalb einer Ehe rückzubinden. Was jedoch immer noch fehlt, ist eine dezidierte Betrachtung des Witwerstandes, der anderen Prämissen unterlag. Das Modell hat freilich auch den Blick für den besonderen Stellenwert von Scheidungen in der Frühen Neuzeit geschärft. Während heute die Auflösung einer Ehe durch Scheidung eher zum Alltag gehört, war dies in der Frühen Neuzeit eine Ausnahmeerscheinung, mit der das betroffene Paar, aber auch die rechtsprechenden Institutionen und das soziale Umfeld kaum umzugehen wussten. Nicht zuletzt deshalb behalf man sich damit, geschiedene Frauen mit Witwen zu vergleichen und ihnen einen entsprechenden Status zuzubilligen, wie vor allem am Beispiel des zünftisch organisierten Handwerks und des Witwenrechts deutlich geworden ist. Auch geschiedene Frauen des Adels wurden wie Witwen versorgt, allerdings besaßen Scheidungen in diesem Stand – über die rein ökonomischen Aspekte hinaus – eine politische Dimension, die mit der reichsrechtlich umstrittenen Option zur Selbstscheidung beim protestantischen Adel besondere Brisanz gewinnen konnte. In diesem Bereich hat sich gezeigt, dass gerade bei den ehelichen Beziehungen die ständische Differenzierung der frühneuzeitlichen Gesellschaft immer mitbedacht werden muss. Gleiches gilt für die konfessionelle Situation. Die für heutige Vorstellungen fast nicht mehr nachvollziehbare Präsenz konfessionell geprägter Normen, Rollenerwartungen und Wahrnehmungsmuster ist in den frühneuzeitlichen Ehen ausgesprochen prägend, wobei sich auch hier eine deutliche Differenzierung im Hinblick auf Divergenzen zwischen Norm und Praxis einerseits, aber eben auch auf die unterschiedlichen Beziehungsphasen andererseits gezeigt hat. Ehenormen, Ehevorstellungen und Ehekonzepte waren aber nicht nur für die Lebensplanung und Ressourcenschöpfung auf der individuellen Ebene und für gesellschaftliche Prozesse auf der kollektiven Ebene von zentraler Bedeutung, sie avancierten gar zu kulturellen Paradigmen, anhand derer man fundamentale kulturelle Differenzen festmachen zu können meinte. Während jüdische und christliche Ehevorstellungen auf eine gemeinsame Tradition zurückgeführt werden konnten, dienten muslimische Ehekonzepte und Ehepraktiken in der Frühen Neuzeit zur kulturellen Abgrenzung. Ihre Wirkmächtigkeit ist nur vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Konstruktion der „Türken“ als Feinde des christlichen Abendlandes zu verstehen, deren kulturell-religiöse Andersartigkeit sich vorrangig an dem als „sittenwidrig“ dargestellten Eheleben demonstrieren ließ.
Fazit und Ausklang 241
Das Bild von Venus und Vulcanus, das neben der Konflikthaftigkeit der ehelichen Beziehungen auch die Hoffnung auf Beständigkeit und das Bedürfnis nach Liebe und Harmonie vermittelt, hat heute gegenüber dem Bild von Venus und Mars an Sinnhaftigkeit eingebüßt. Die Ehe ist nur noch eine unter vielen Beziehungsformen, ihre gesellschaftliche Bedeutung schwindet zusehends. Aber, das hat der Blick in die Vergangenheit gezeigt, sie hat sich in ihren Erscheinungsformen schon vielfach gewandelt und wird dies auch weiterhin tun.
Abbildungsverzeichnis
▀ Abb. 1:
Unbekannter Autor, Newer Korb voll Venuskinder, Einblattdruck um 1650, http://de.wikisource.org/wiki/Newer_Korb_voll_Venuskinder. Abb. 2: William Hogarth, Die Heirat à la Mode – der Ehevertrag – 1. Tafel der sechsteiligen Folge. Kupferstich von Ernst Ludwig Riepenhausen nach einem Gemälde von William Hogarth, 1797, bpk. Abb. 3: Pieter Brueghel d. Ä., Bauernhochzeit, Gemälde/Öl auf Holz 1565, bpk, Lutz Braun. Abb. 4: Daniel Chodowiecki, Unterhaltungen zur Beförderung der häuslichen Glückseligkeit, Titelkupfer zu Heinrich Matthias August Cramer, Leipzig 1781. Universitätsbibliothek Osnabrück, Signatur: OEC 8512-798 2. Abb. 5: Spiegel einer christlichen und friedsamen Haushaltung, Nürnberg 1645. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur: IE 30. Abb. 6: Von den neun Häuten der Weiber. Nürnberg 16. Jahrhundert. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Signatur: WB 24132/1292. Abb. 7: Samuel Sturm, Instrumentum Pacis. Venus und Vulcanus Kriegs- und Friedenstractaten. Bremen 1660. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur: 572.15 Quod. (1). Abb. 8: Eheordnung der Stadt Osnabrück, 1648. Niedersächsisches Landesarchiv Staatsarchiv Osnabrück, Signatur: Dep 3b VI, Nr. 5 o. fol. Abb. 9: François Clouet, Brustbild einer vornehmen Dame in Witwentracht, um 1550. Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Inv.-Nr. 1213, Bildarchiv Foto Marburg: Aufnahme-Nr. 84.102. Abb.10: Wilhelm Jury, Ehelose Freyheit, Frankfurt am Main 1804, Pictura Paedagogica Online, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, http://www.bbf.dipf.de/cgi-opac/bil.pl?t_direct=x&f_IDN=b0019538berl. Abb. 11: Gottlieb F. Riedel, Witwe weint beim Anblick ihres Kindes, In: Paul von Stetten, Briefe eines Frauenzimmers aus dem XV. Jahrhundert, Augsburg 1793, S. 25. Pictura Paedagogica Online, Standort: Universität Hildesheim, http://www.bbf.dipf.de/cgi-opac/bil.pl?t_direct=x&f_IDN=b0006754hild.
Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen
▀
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München BayHStA München, Kasten blau 444/220. BayHStA München, Kurbayern, Äußeres Archiv 3079. BayHStA München, Kurbayern, Äußeres Archiv 3263. BayHStA München, Kurbayern, Äußeres Archiv 3264. BayHStA München, Kurbayern, Äußeres Archiv 3309. BayHStA München, Reichskammergericht 1273. BayHStA München, Reichskammergericht 2327. BayHStA München, Reichskammergericht 2821. BayHStA München, Reichskammergericht G 169 rot. BayHStA München, Reichskammergericht G 178 rot. BayHStA München, Reichskammergericht, Nr. 5427. BayStA München, Reichskammergericht 4162. BayStA München, Reichskammergericht 4427/I‐II.
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem GehStA Berlin, I. Rep. 12 (Kaiserwahlen, Kollegialtage, Friedens‐ und Allianztraktate), 81b, 1 (Frankfurter Kompositionstag 1631).
Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien
HHStA Wien, MEA Friedensakten 34. HHStA Wien, MEA Friedensakten 35. HHStA Wien, MEA Friedensakten 36. HHStA Wien, MEA Friedensakten 37. HHStA Wien, MEA Friedensakten 38. HHStA Wien, MEA Friedensakten 40. HHStA Wien, MEA Friedensakten 42. HHStA Wien, MEA Friedensakten 43. HHStA Wien, MEA Friedensakten 45. HHStA Wien, MEA Friedensakten 46. HHStA Wien, MEA Friedensakten 47. HHStA Wien, MEA Friedensakten 48. HHStA Wien, MEA Friedensakten 49. HHStA Wien, RHR, Decisa 1443‐1449. HHStA Wien, RHR, den. ant. 30. HHStA Wien, RHR, den. rec. 700/7. HHStA Wien, RHR, Vota 10c. HHStA Wien, RHR, Vota 34 M1 HHStA Wien, RHR, Friedensakten 63a. HHStA Wien, RHR, Friedensakten 63c. HHStA Wien, RHR, Decisa 895. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 141. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 143. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 145. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 147. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 149a. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 150. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 152. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 154. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 156. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 158.
246 Quellen‐ und Literaturverzeichnis HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 159. HHStA Wien, RHR, Protocolla rerum resolutarum XVII, Nr. 160.
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
HStA Wiesbaden, Reichskammergericht Nassau, Nr. 2082, Nr. 1205.
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
StA Darmstadt E1 B13 (Ergangene Schreiben und Handlungen der Stadt Augsburg, Religion Sachen betr., 1628/29). StA Darmstadt, Bestand Reichskammergericht, Nr. 209. StA Darmstadt 180/1: (Landgraf Georg II., Politische Korrespondenz mit Kursachsen, 1629). StA Darmstadt E1 B 22/2 (Restitution der geistlichen Güter, 1629/30). StA Darmstadt E1 C 26/8: (Regensburger Kurfürstentag).
Hessisches Staatsarchiv Marburg
StA Marburg, Bestand 118a, Nr. 1569. StA Marburg, Bestand 140, Nr. 91–94. StA Marburg, Bestand 121, Nr. 3307 und Nr. 3310.
Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main
ISG Frankfurt, Bestand Reichskammergericht, Nr. 143, 526, 591, 927, 951, 1019.
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Hauptstaatsarchiv Düsseldorf NWHStA Düsseldorf, Jülich-Berg 299.
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Staatsarchiv Münster StA Münster, Kleve-Märkische Regierung, Landessachen 155. StA Münster, Kleve-Märkische Regierung, Landessachen 158. StA Münster, Minden Ravensberg, Konsistorium, I 98a.
Landesarchiv Schwerin
LA Schwerin, Altes Archiv-Internum, 2.12-1/2. LA Schwerin, Altes Archiv-Internum, 2.12-1/9.
Niedersächsisches Landesarchiv, Staatsarchiv Osnabrück
NLA StA OS, Dep 3b IV, Nr. 220-257 (Gerichtsherrenprotokolle der Stadt Osnabrück). NLA StA OS, Dep 6b, Nr. 9 (Akten des Historischen Vereins, Osnabrück). NLA StA OS, Erw. F 100 Akz. 35/97, Nr. 16. NLA StA OS, Rep 100, Nr. 380 (Synodalprotokolle). NLA StA OS, Rep 100, Abschnitt 367, Nr. 11. NLA StA OS, Rep 100, Bd. 3. NLA StA OS, Rep 110 I, Nr. 560 (Welfisches Hausarchiv). NLA StA OS, Rep 205, Nr. 23 (Hann. Organisationskommission für Osnabrück). NLA StA OS, Rep 701 I, Nr. 676 (Königliches Konsistorium für Osnabrück).
Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden SächHStA Dresden, Geh. Archiv 8095/1. SächHStA Dresden, Geh. Archiv 8095/2. SächHStA Dresden, Geh. Archiv 8095/4. SächHStA Dresden, Geh. Archiv 8096/3. SächHStA Dresden, Geh. Archiv 8097/1. SächHStA Dresden, Geh. Archiv 8098/1.
Staatsarchiv Lübeck
Reichskammergericht F 6.
Gedruckte Quellen 247 Gedruckte Quellen
▀ Boehmer (1714–1737), Justus Henning: Ius ecclesiasticum Protestantium usum hodier-
num iuris canonici. Halle. Carpzov (1649), Benedikt: Jurisprudentia Ecclesiastica. Seu Consistorialis Rerum & Quaestionum In Serenissimi Ac Potentissimi Principis Electoris Saxon. Senatu Ecclesiastico & Consistorio; Supremo Probè ventilatarum, maturô consilio deliberatarum [...] Definitiones succintas, Jure Divino, canoni, civili, Constitutionibus & Ordinationibus eclesiasticic probatas [...] exhibens; Libr. III. Quorum I. Materiæ de juribus Episcopalibus: Ministris Ecclesiæ; eorumq́ ̧vocatione ac confirmatione [...]; II. Causis matrimonalibus: ritibus, Ceremoniis: Bonis allisq ̧rebus ecclesiastisic [...]; III. Judicio & foro ecclesiastico, Pœnis ac coërcitione Clericorum &c. pertractatæ visuntur, Leipzig. Hohberg (1701), Wolfgang Helmhard von: Georgica curiosa Aucta. Adeliches Landund Feldleben durch ein Mitglied der hochlöbl. Fruchtbringenden Gesellschafft zum vierdten mal ans liecht gegeben I, Nürnberg [Erstausgabe 1682]. Kreittmayr (1758), Wiguläus Aloysius Xaverius Frhr. von: Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum civilem: worin derselbe sowol mit d. gemein- als ehemalig-chur-bayr. Land-Recht genau collationirt, sohin d. Unterschied zwischen d. alt- u. neueren Recht, samt d. Urquellen, woraus d. letztere geschöpft worden ist, überall angezeigt, u. dieses dadurch in e. helleres Licht gesetzt wird; u. d. Publico in 5 Theilen samt e. vollst. Indices sowol über d. Codicem selbst, als d. Anm. mitgetheilt, München. Mathesius (1672), Johann: Oeconomia Oder Bericht vom Christlichen Haußhalten. Sampt schönen andächtigen kurtzen Haus-Gebettlein, Tübingen, URL: http://diglib.hab.de/wdb.php?dir=drucke/216-20-theol [06.04.2008]. Oberländer (1753), Samuel: Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum. Das ist vollständiges Lateinisch-Deutsches Juristisches Hand-Lexicon, Nürnberg [ND Köln 2000]. Pufendorf (1673), Samuel: De officio hominis et civis juxta legem naturalem libri duo. London. Rebhun (1559), Paul: Haußfried. Was für vrsachen den Christlichen Eheleuten zubedencken, den lieben Haußfride in der Ehe zu erhalten, [s.l.]. Reformacion (1611): Der Statt Franckfurt am Mayn erneuerte Reformacion. Frankfurt/Main. Sanchez (1706), Thomas: De Santo Matrimonii Sacramento Disputationum Tomi Tres. Nürnberg [Erstausgabe 1590]. Wolff (1721), Christian: Vernünftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen, und insonderheit dem gemeinen Wesen zu Beförderung der Glückseeligkeit des menschlichen Geschlechts. Halle. Zedler (1732–1754), Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste. 64 Bde., Halle et al. Quelleneditionen, Repertorien, Findbücher
▀ Augustinus (1911), Aurelius: Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat. Übers. von
Alfred Schröder (Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus ausgewählte Schriften 1–3, Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 1, 16, 28), Kempten. Findbuch Darmstadt (1990): Reichskammergerichtsakten im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt und Gräflich Solmsischen Archiv in Laubach. Bearb. von Andrea KorteBöger und Cornelia Rösner-Hausmann unter Mitwirkung von Friedrich Battenberg, Darmstadt. Findbuch der Reichskammergerichtsakten (1987) im Archiv der Hansestadt Lübeck. Bearb. von Hans-Konrad Stein-Stegemann (Veröffentlichungen des Schleswig-Holsteinischen Landesarchivs, Bd. 18 Titelaufnahmen A–R, Bd. 19 Titelaufnahmen S–Z, Indices), Schleswig.
248 Quellen‐ und Literaturverzeichnis Findbuch Frankfurt (2000): Inventar der Akten des Reichskammergerichts 1495–1806. Frankfurter Bestand, bearb. von Inge Kaltwasser (Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission XXI), Frankfurt/Main. Findbuch Hessen-Homburg (1984): Abt. 1: Reichskammergericht, Teil 2: Prozeßakten der Landgrafschaft Hessen-Homburg. Bearb. von Jost Hausmann (Repertorien des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden, hrsg. von dem Hessischen Hauptstaatsarchiv in Verbindung mit der Historischen Kommission für Nassau), Wiesbaden. Findbuch München (2006): Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht Bd. 10, Nr. 3884-4491 (Buchstabe J). Bearb. von Manfred Hörner (Bayerische Archivinventare. Hrsg. von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns 50/13), München. Grimm (1838–1971), Jakob und Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. 33 Bde., Leipzig [ND Leipzig 1984]. Harms (1998), Wolfgang/Schilling, Michael (hg.): Das illustrierte Flugblatt in der Kultur Frühen Neuzeit. Wolfenbütteler Arbeitsgespräch 1997, Frankfurt/Main et al. Kartschoke (1996), Erika (Hg.): Repertorium deutschsprachiger Ehelehren der Frühen Neuzeit. Bd. I: 1. Handschriften und Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (Haus 2), Berlin. Kneschke (1870), Ernst Heinrich: Neues allgemeines deutsches Adels-Lexikon. Leipzig [ND Hildesheim 1996]. Luther (WA 1883–2009), Martin: D. Martin Luthers Werke. 120 Bde., Weimar. Sehling (1902–2004), Emil (Hg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. 16 Bde., Tübingen. Stambaugh (1970–1980), Ria: Die Teufelbücher in Auswahl. 5 Bde., Berlin. Sturm-Heumann (2004/2007), Margarete (Bearb.): Die Eheberedungen des Amts Stadthagen. Ein analytisches Verzeichnis, Bückeburg. Literatur
▀ Arnold (2003), Marina: Der Tod und die Witwe. Die Darstellung verwitweter Frauen in
Leichenpredigten aus dem Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel (1600–1725), in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 30, S. 39–51. Bachorski (1991), Hans-Jürgen (Hg.): Ordnung und Lust. Bilder von Liebe, Ehe und Sexualität in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Trier. Backmann (1998), Sibylle (Hg.): Ehrkonzepte der Frühen Neuzeit. Identitäten und Abgrenzungen (Colloquia Augustana 8), Berlin. Bailey (2003), Joanne: Unquiet Lives. Marriage and Marriage Breakdown in England, 1660–1800, Cambridge. Bake (2001), Kristina (Hg.): Ein neuer Korb voll Venuskinder. Die „Weibermacht“ auf illustrierten Flugblättern des 16. und 17. Jahrhunderts, Halle. Bake (2004), Kristina: Geschlechterrollen und häusliche Ökonomie in illustrierten Flugblättern des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Labouvie, Eva (Hg.): Ökonomien des Lebens. Zum Wirtschaften der Geschlechter in Geschichte und Gegenwart, Münster, S. 35–62. Bast (1997), Robert James: Honor your Fathers. Catechisms and the emergence of a patriarchal ideology in Germany, c. 1400–1600, Leiden et al. Bastl (1996), Beatrix: Eheliche Sexualität in der Frühen Neuzeit zwischen Lust und Last. Die Instruktion des Fürsten Karl Eusebius von Liechtenstein, in: Archiv für Kulturgeschichte 78, S. 277–301. Bastl (1999), Beatrix: Caritas Conjugalis. Der Begriff des Friedens in der Ehe, in: Wiener Geschichtsblätter 54, S. 221–233. Bastl (2000), Beatrix: Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit, Wien. Baumann (2005), Anette: Klagen auf Unterhaltssicherung von Frauen vor dem Reichskammergericht. Caroline Sophie von Massenbach gegen die Prinzessinnen von Nassau-Weilburg, in: Westphal, Siegrid (Hg.): In eigener Sache. Frauen vor den höchsten Gerichten des Alten Reiches, Köln et al., S 107–118. Beauvalet-Boutouyrie (2001), Scarlett: Etre veuve sous l’Ancien Régime. Paris.
Literatur 249 Becher (2004), Oliver: Haare als Symbole in frühneuzeitlichen Hochzeitsritualen. In: Janecke, Christian (Hg.): Haar tragen. Eine kulturwissenschaftliche Annäherung, Köln et al., S. 139–155. Beck (1992), Rainer: Frauen in Krise. Eheleben und Ehescheidung in der ländlichen Gesellschaft Bayerns während des Ancien régime, in: Dülmen, Richard van (Hg.): Dynamik der Tradition. Studien zur historischen Kulturforschung IV, Frankfurt/Main, S. 137–212. Becker (1988), Hans-Jürgen: Artikel „Ring“. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 4/29, Sp. 1069–1070. Becker-Cantarino (1986), Barbara: Vom „ganzen Haus“ zur Familienidylle. Haushalt als Mikrokosmos in der Literatur der Frühen Neuzeit und seine spätere Sentimentalisierung, in: Daphnis 15, S. 509–533. Bepler (2003), Jill: „Zu meinem und aller dehrer die sichs gebrauchen wollen, nutzen, trost undt frommen“. Lektüre, Schrift und Gebet im Leben der fürstlichen Witwen in der Frühen Neuzeit, in: Schattkowsky, Martina (Hg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, Leipzig, S. 303–319. Berger (1965), Pieter: Die Ehe und die Konstruktion der Wirklichkeit. In: Soziale Welt 16, S. 220–235. Berger (1993), Eva: Van chesaken, wertschoppen und tohopegeven. Veränderung von Hochzeit und Ehe am Übergang zur Neuzeit, in: Kaster, Karl Georg (Hg.): 450 [Vierhundertfünfzig] Jahre Reformation in Osnabrück. V.D.M.I.Æ, Gottes Wort bleibt in Ewigkeit, Bramsche, S. 413–438. Berger (2003), Joachim: Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739–1807). Denkund Handlungsräume einer „aufgeklärten“ Herzogin, Heidelberg. Berger (2003), Ruth: Sexualität, Ehe und Familienleben in der jüdischen Moralliteratur (900–1900). Wiesbaden. Blasius (1987), Dirk: Ehescheidung in Deutschland 1794–1945. Göttingen. Blasius (1997), Dirk: Reform gegen die Frau. Das preußische Scheidungsrecht im frühen 19. Jahrhundert, in: Gerhard, Ute (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München, S. 659–669. Blom (1991), Ida: The History of Widowhood. A Bibliographical Overview, in: Journal of Family History 16/2, S. 191–210. Blood (1960), Robert/Wolfe, Donald: Husbands and Wives. New York. Bodenmann (2009), Guy: Paare in der Auflösungsphase. In: Lenz, Karl/Nestmann, Frank (Hg.): Handbuch Persönliche Beziehungen. Weinheim et al., S. 241–258. Borgolte (2004), Michael: Kulturelle Einheit und religiöse Differenz. Zur Verbreitung der Polygynie im mittelalterlichen Europa, in: Zeitschrift für Historische Forschung 31, S. 1–36. Brakensiek (2006), Stefan (Hg.): Generationengerechtigkeit? Normen und Praxis im Erbund Ehegüterrecht 1500–1850 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 37), Berlin. Braun (2001), Manuel: Ehe, Liebe, Freundschaft. Semantik der Vergesellschaftung im frühhochdeutschen Prosaroman, Tübingen. Braun (2002), Manuel: Disziplinierung durch disziplinlose Texte? Der moraltheologische Ehediskurs und ein Leitparadigma der Frühneuzeitforschung, in: Daphnis 31, S. 413–467. Breit (1991), Stefan: „Leichtfertigkeit” und ländliche Gesellschaft. Voreheliche Sexualität in der Frühen Neuzeit, München. Buchholz (1988), Stephan: Recht, Religion und Ehe. Orientierungswandel und gelehrte Kontroversen im Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert (Ius commune Sonderheft 36), Frankfurt/Main. Buchholz (2004), Stephan: Die Doppelehe des Landgrafen. In: Braasch-Schwersmann, Ursula (Hg.): Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen 1504–1567. Hessen im Zentrum der Reform, Begleitband zu einer Ausstellung des Landes Hessen, Marburg et al., S. 113–116. Buchholz (2007), Stephan: Artikel „Ehe“. In: Handwörterbuch der zur deutschen Rechtsgeschichte. 2. Aufl., Sp. 1192–1213.
250 Quellen‐ und Literaturverzeichnis Buitelaar (1995), Marjo: Widows’ Worlds. Representations and Realities, In: Bremmer, Jan Nicolaas/van den Bosch, Lourens (Hg.): Between poverty and the pyre. Moments in the history of widowhood, London, S. 1–18. Burghartz (1995), Susanna: Ehen vor Gericht. Die Basler Ehegerichtsprotokolle im 16. Jahrhundert, in: Wunder, Heide (Hg.): Eine Stadt der Frauen. Studien und Quellen zur Geschichte der Baslerinnen im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit (13.– 17. Jahrhundert), Frankfurt/Main, S. 167–188. Burghartz (1999), Susanna: Zeiten der Reinheit – Orte der Unzucht. Ehe und Sexualität in Basel in der Frühen Neuzeit, Paderborn. Burghartz (2003), Susanna: Umordnung statt Unordnung? Ehe, Geschlecht und Reformationsgeschichte, in: Puff, Helmut/Wild, Christopher (Hg.): Zwischen den Disziplinen? Perspektiven der Frühneuzeitforschung, Göttingen, S. 165–185. Burschel (2003), Peter (Hg.): Vorbild, Inbild, Abbild. Religiöse Lebensmodelle in geschlechtergeschichtlicher Perspektive, Freiburg. Carius (2010), Hendrikje Johanna: Recht durch Eigentum. Eigentums- und Besitzrechtskonflikte vor dem Jenaer Hofgericht (1648–1806), Jena. Carstensen (2005), Iris: „Zum Zeigen meiner Liebe“. Über eine Ehe im holsteinischen Landadel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Lutz, Alexandra (Hg.): Geschlechterbeziehungen in der Neuzeit. Studien aus dem norddeutschen Raum, Neumünster, S. 43–61. Cavallo (1998), Sandra: Proprietà o possesso? Composizione e controllo dei beni delle donne a Torino (1650–1710), in: Calvi, Giulia/Chabot, Isabel (Hg.): Le ricchezze delle donne. Diritti patrimoniali e poteri familiari in Italia (XIII–XIX), Torino, S. 187–207. Cavallo (1999), Sandra/Warner, Lyndan (Hg.): Widowhood in Medieval and Early Modern Europe. Halow. Cerman (1997), Markus: Mitteleuropa und die „europäischen Muster“. Heiratsverhalten und Familienstruktur in Mitteleuropa 16.–19. Jahrhundert, in: Ehmer, Josef et al. (Hg.): Historische Familienforschung. Ergebnisse und Kontroversen, Frankfurt/Main et al. Classen (2005), Albrecht: Der Liebes- und Ehediskurs vom hohen Mittelalter bis zum frühen 17. Jahrhundert. Münster. Conrad (1999), Anne: „In Christo ist weder man noch weyb“. Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform, Münster. Crawford (2007), Katherine: European Sexualities 1400–1800. Cambridge. Dieterich (1970), Hartwig: Das Protestantische Eherecht in Deutschland bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts (Jus Ecclesiaticum Band 10). München. Dietz (1970), Alexander: Frankfurter Handelsgeschichte. Bd. 1–4, Glashütten im Taunus [ND der Ausg. Frankfurt/Main 1910]. Doller (2007), Carolin: Bürgerliche Gattinnen. Standesungleiche Verbindungen im Hause Anhalt-Bernburg, in: Labouvie, Eva (Hg.): Adel in Sachsen-Anhalt. Höfische Kultur zwischen Repräsentation, Unternehmertum und Familie, Köln, S. 17–48. Dubin (2007), Lois C.: Die Zivilscheidung einer jüdischen Frau im Habsburgischen Triest des späten 18. Jahrhunderts. In: Gotzmann, Andreas/Wendehorst, Stephan (Hg.): Juden im Recht. Neue Zugänge zur Rechtsgeschichte der Juden im Alten Reich (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 39), Berlin, S. 81–108. Dülmen (1988), Richard van: Fest der Liebe. Heirat und Ehe in der frühen Neuzeit, in: Dülmen, Richard van (Hg.): Armut, Liebe, Ehre. Studien zur historischen Kulturforschung, Frankfurt/Main, S. 67–106. Dülmen (1990), Richard van: Heirat und Eheleben in der Frühen Neuzeit. Autobiographische Zeugnisse, in: Archiv für Kulturgeschichte 72/1, S. 153–171. Dülmen (2005), Richard van: Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit. Bd. 1: Das Haus und seine Menschen, 4. Aufl., Frankfurt/Main. Duncker (2001), Arne: Justus Möser – Ehe und Rechtsgeschichte. In: Woesler, Winfried (Hg.): Möser-Forum 3/1995–2001. Osnabrück, S. 127–177. Duncker (2003), Arne: Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe. Persönliche Stellung von Frau und Mann im Recht der ehelichen Lebensgemeinschaft 1700–1914, Köln. Dura (2006), Ulrike: Zur Darstellung von Witwen auf Leipziger Epitaphen des 16. Jahrhunderts. In: Neues Archiv für sächsische Geschichte 77, S. 193–200.
Literatur 251 Eckart (2005), Wolfgang U.: Artikel „Arbeitsmedizin“. In: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 1, Sp. 545–549. Eibach (2003), Joachim: Frankfurter Verhöre. Städtische Lebenswelten und Kriminalität im 18. Jahrhundert, Paderborn. Eibach (2007), Joachim: Der Kampf um die Hosen und die Justiz. Ehekonflikte in Frankfurt im 18. Jahrhundert, in: Kesper-Biermann, Sylvia (Hg.): Kriminalität in Mittelalter und Früher Neuzeit. Wiesbaden, S. 167–189. Enders (1996), Lieselott: Bürde und Würde. Sozialstatus und Selbstverständnis frühneuzeitlicher Frauen in der Mark Brandenburg, in: Wunder, Heide/Vanja, Christina (Hg.):Weiber, Menschen, Frauenzimmer. Frauen in der ländlichen Gesellschaft 1500– 1800, Göttingen, S. 123–153. Engel (2002), Gisela/Kern, Ursula/Wunder, Heide (Hg.): Frauen in der Stadt. Frankfurt im 18. Jahrhundert, Königstein/Taunus. Engel (2004), Gisela/Hassauer, Friederike (Hg.): Geschlechterstreit am Beginn der europäischen Moderne. Die Querelle des Femmes, Königstein/Taunus. Essegern (2003), Ute: Kursächsische Eheverträge in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Schattkowsky, Martina (Hg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, Leipzig, S. 115–135. Farge (1982), Arlette/Foucault, Michel: Le désordre des familles. Lettres de cachet des Archives de la Bastille au 18eme siècle, Paris. Febvre (1941), Lucien: La sensibilité et l’histoire. Comment reconstituer la vie affective d’autrefois?, in: Annales d’Histoire Social 3, S. 5–20. Flüchter (2006), Antje: Der Zölibat zwischen Devianz und Norm. Kirchenpolitik und Gemeindealltag in den Herzogtümern Jülich und Berg im 16. und 17. Jahrhundert, Köln. Forster (2003), Ellinor/Lanzinger, Margareth: Stationen einer Ehe. Forschungsüberblick, in: L´Homme 14/1, S. 141–155. Foyster (2005), Elizabeth A.: Marital violence. An English family history 1660–1857, Cambridge. Frank (1998), Michael: Trunkene Männer und nüchterne Frauen. Zur Gefährdung von Geschlechterrollen duch Alkohol in der Frühen Neuzeit, in: Dinges, Martin (Hg.): Hausväter, Priester, Kastraten. Zur Konstruktion von Männlichkeit in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Göttingen, S. 187–212. Frassek (2005), Ralf: Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit. Der Aufbau neuer Rechtsstrukturen im sächsischen Raum unter besonderer Berücksichtigung der Wirkungsgeschichte des Wittenberger Konsistoriums, Tübingen. Freise (2010), Fridrun: Das Etikett der idealen Ehe und Familie. Wie Gelegenheitsgedichte im 18. Jahrhundert einen neuen Wertekanon repräsentieren, in: Schmidt-Voges, Inken (Hg.): Ehe – Haus – Familie. Soziale Institutionen im Wandel 1750–1850, Köln. Freist (1999), Dagmar: Religious Difference and the Experience of Widowhood in Seventeenth- and Eighteenth-Century Germany, in: Cavallo, Sandra/Warner, Lyndan (Hg.): Widowhood in Medieval and Early Modern Europe. Halow, S. 164–177. Freist (2005), Dagmar: Der Fall von Albini. Rechtsstreitigkeiten um die väterliche Gewalt in konfessionell gemischten Ehen, in: Westphal, Siegrid (Hg.): In eigener Sache. Frauen vor den höchsten Gerichten des Alten Reiches, Köln et al., S. 245–270. Fußbahn (1996), Heinrich: Der Prozeß der Witwe Elisabeth Straub – kurmainzische Justiz im Aschaffenburg des 17. Jahrhunderts. In: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 5, S. 93–98. Gerhard (1997), Ute (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München. Gersmann (2005), Gudrun: Artikel „Adelshochzeit“. In: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 1, Sp. 56–57. Gestrich (2003), Andreas: Neuzeit. In: Gestrich, Andreas/Krause, Jens-Uwe/Mitterauer, Michael: Geschichte der Familie. Stuttgart, S. 364–653. Geyken (2010), Frauke: „Ohne seiner frau todt witwer zu werden, ist doch etwas rares“. Folgen des ehelichen Ungehorsams – Sophie Dorotheas Verbannung nach Ahlden, in:
252 Quellen‐ und Literaturverzeichnis Bomann-Museum Celle, Abteilung Residenzmuseum im Celler Schloss (Hg.): Mächtig verlockend. Frauen der Welfen, Celle, S. 167–185. Gillis (1988), John R.: From Ritual to Romance. Toward an Alternative History of Love, in: Stearns, Carol Z./Stearns, Peter N. (Hg.): Emotion and Social Change. Towards a new Psychohistory, New York et al. Gleixner (1994), Ulrike: „Das Mensch“ und „der Kerl“. Die Konstruktion von Geschlecht in Unzuchtsverfahren der frühen Neuzeit (1700–1760), Frankfurt/Main et al. Gottschalk (2003), Karin: Eigentum, Geschlecht, Gerechtigkeit. Haushalten und Erben im frühneuzeitlichen Leipzig, Frankfurt/Main. Greyerz (2010), Kaspar von: Passagen und Stationen. Lebensstufen zwischen Mittelalter und Moderne, Göttingen. Groebner (1995), Valentin: Außer Haus. Otto Brunner und die „alteuropäische Ökonomik“, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 46, S. 69–80. Günther (2005), Maike: Ehe als gesellschaftliches Ordnungsmodell. Die Dresdner Eheordnung von 1556 im historischen Kontext, in: Tanner, Klaus (Hg.): „Liebe“ im Wandel der Zeiten. Kulturwissenschaftliche Perspektiven, Leipzig, S. 95–105. Gvozdeva (2005), Katja: Rituale des Doppelsinns. Zur Ikonologie der Charivari-Kultur im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Wulf, Christoph/Zirfas, Jörg (Hg.): Ikonologie des Performativen. München. Haack (2008), Julia: Der vergällte Alltag. Zur Streitkultur im 18. Jahrhundert, Köln. Haas (2004), Stefan: Die kommunikative und performative Generierung von Sinn in Initiationsritualen der frühen Neuzeit am Beispiel der Eheschließung. In: Althoff, Gerd (Hg.): Zeichen, Rituale, Werte. Internationales Kolloquium des Sonderforschungsbereichs 496 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Münster, S. 535–555. Haas (2005), Stefan: Der Körper als Medium symbolischer und performativer Praktiken. Eheschließungen als Übergangsrituale im 16. und 17. Jahrhundert, in: Burkhardt, Johannes (Hg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit. München, S. 499517. Habermas (2000), Rebekka: Frauen und Männer des Bürgertums. Eine Familiengeschichte (1750–1850), Göttingen. Hagemann (1995), Hans Rudolf/Wunder, Heide: Heiraten und Erben. Das Basler Ehegüterrecht und Ehegattenerbrecht, in: Wunder, Heide (Hg.): Eine Stadt der Frauen. Studien und Quellen zur Geschichte der Baslerinnen im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit (13.–17. Jahrhundert), Basel et al. Hahn (2005), Hans-Werner: Bürgerliche Werte um 1800. Entwurf – Vermittlung - Rezeption, Köln et al. Hajnal (1965), John: European marriage patterns in perspective. In: Glass, David Victor/Eversley, David Edward Charles (Hg.): Population in history. Essays in historical demography, London, S. 101–143. Hansert (2002), Andreas: Die Stellung der Frau im Frankfurter Patriziat. In: Engel, Gisela/Kern, Ursula/Wunder, Heide (Hg.): Frauen in der Stadt. Frankfurt im 18. Jahrhundert, Königstein/Taunus, S. 211–228. Hardwick (2009), Julie: Family business. Litigation and the political economies of daily life in early modern France, Oxford. Hassauer (2008), Friederike (Hg.): Heißer Streit und kalte Ordnung. Epochen der Querelle des femmes zwischen Mittelalter und Gegenwart, Göttingen. Hausen (1976), Karin: Die Polarisierung der „Geschlechtercharaktere“. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben, in: Conze, Werner (Hg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart, S. 367–393. Hausen (1977), Karin: Historische Familienforschung. In: Rürup, Reinhard (Hg.): Historische Sozialwissenschaft. Beiträge zur Einführung in die Forschungspraxis, Göttingen, S. 59–95. Hausen (1998), Karin/Medick, Hans: Geschlechtergeschichte und allgemeine Geschichte. Herausforderungen und Perspektiven, Göttingen. Herzig (2001), Arno: Jüdische Hochzeiten im Barockzeitalter. In: Carnecka, Miroslawa/Szafarz, Jolanta (Hg.): Hochzeit als Ritus und Casus. Warschau, S. 59–66.
Literatur 253 Hessische Landeszentrale (1995) für politische Bildung und WEIBH e. V. (Hg.): FrauenStadtGeschichte. Königstein/Taunus. Hödl (1999), Sabine/Keil, Martha (Hg.): Die jüdische Familie in Geschichte und Gegenwart. Berlin et al. Hofer (1993), Roland E.: „Üppiges, unzüchtiges Lebwesen“. Schaffhauser Ehegerichtsbarkeit von der Reformation bis zum Ende des Ancien Régime 1529–1798, Bern et al. Hoffmann (1959), Julius: Die „Hausväterliteratur“ und die „Predigten über den christlichen Hausstand“. Lehre vom Hause und Bildung für das häusliche Leben im 16., 17. und 18. Jahrhundert, Weinheim. Hohkamp (1995), Michaela: Häusliche Gewalt. Beispiele aus einer ländlichen Region des mittleren Schwarzwaldes, in: Lüdtke, Alf/Lindenberger, Thomas (Hg.): Physische Gewalt. Studien zur Geschichte der Neuzeit, Frankfurt/Main, S. 276–302. Hohkamp (2003), Michaela: Grausamkeit blutet – Gerechtigkeit zwackt. Überlegungen zu Grenzziehungen zwischen legitimer und nicht-legitimer Gewalt, in: Krug-Richter, Barbara/Eriksson, Magnus (Hg.): Streitkultur(en). Studien zu Gewalt, Konflikt und Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft (16. bis 19. Jahrhundert), Köln et al., S. 59–79. Holtz (1993), Sabine: Theologie und Alltag. Lehre und Leben in den Predigten der Tübinger Theologen 1550–1750, Tübingen. Holzem (2000), Andreas: Religion und Lebensformen. Katholische Konfessionalisierung im Sendgericht des Fürstbistums Münster 1570–1800, Paderborn. Homolka (2009), Walter: Das jüdische Eherecht. Berlin. Hörander (1985), Edith: „Ganz in Weiß“. Anmerkung zur Entwicklung des weißen Hochzeitkleides, in: Völger, Gisela/Welk, Karin von (Hg.): Die Braut. Geliebt – verkauft – getauscht – geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln, S. 330–335. Hufschmidt (2004), Anke: „den Krieg im Braut-Bette schlichten“. In: Fleming, Jens et al. (Hg.): Lesarten der Geschichte. Ländliche Ordnungen und Geschlechterverhältnisse, Festschrift für Heide Wunder zum 65. Geburtstag, Kassel. Hufton (1995), Olwen: The prospect before her. A history of women in Western Europe, London. Hufton (1998), Olwen: Frauenleben. Eine europäische Geschichte 1500–1800, Frankfurt/Main. Huggel (1979), Samuel: Die Einschlagsbewegung in der Basler Landschaft. Gründe und Folgen der wichtigsten agrarischen Neuerung im Ancien Régime, Liestal. Ingendahl (2003), Gesa: Elend und Wollust. Witwenschaft in kulturellen Bildern der Frühen Neuzeit, in: Schattkowsky, Martina (Hg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, Leipzig, S. 265–279. Ingendahl (2004), Gesa: „Eigen-Sinn“ im „Fremd-Sinn“. Ravensburger Witwen in städtischen Verwaltungsakten des 18. Jahrhunderts, in: Hacke, Daniela (Hg.): Frauen in der Stadt. Selbstzeugnisse des 16. –18. Jahrhunderts, Ostfildern, S. 165–185. Ingendahl (2006), Gesa: Witwen in der frühen Neuzeit. Eine kulturhistorische Studie, Frankfurt/Main et al. Jahns (2000), Sigrid: „Mecklenburgisches Wesen“ oder absolutistisches Regiment? Mecklenburgischer Ständekonflikt und neue kaiserliche Reichspolitik (1658–1755), in: Heinig, Paul-Joachim (Hg.): Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw, Berlin, S. 323–351. Jarzebowski (2007), Claudia: Artikel „Kindheit“. In: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6, Sp. 570–579. Jarzebowski (2008), Claudia: Artikel „Liebe“. In: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 8, Sp. 896–905. Jensen (1984), Jens: Die Ehescheidung des Bischofs Hans von Lübeck von Prinzessin Julia Felicitas von Württemberg-Weiltingen AD 1648–1653. Ein Beitrag zum protestantischen Ehescheidungsrecht im Zeitalter des beginnenden Absolutismus, Frankfurt/Main et al. Jung (1998), Irene: „Ihrem Herzen und Charakter Ehre machen“. Frauen wenden sich an das Reichskammergericht, Wetzlar.
254 Quellen‐ und Literaturverzeichnis Junghans (1999), Helmar: Die evangelische Ehe. In: Treu, Martin (Hg.): Katharina von Bora, die Lutherin. Aufsätze anläßlich ihres 500. Geburtstages, Wittenberg, S. 83–92. Jussen (1999), Bernhard: „Jungfrauen“, „Witwen“, „Verheiratete“. Das Ende der Konsensformel moralischer Ordnung, in: Jussen, Bernhard (Hg.): Kulturelle Reformation. Sinnformationen im Umbruch 1400–1600, Göttingen, S. 97–127. Jussen (2000), Bernhard: Der Name der Witwe. Erkundungen zur Semantik der mittelalterlichen Bußkultur, Göttingen. Kaltwasser (2002), Inge: Ehen vor Gericht. Kriminalfälle und zivilrechtliche Ehesachen aus den Akten der Frankfurter „Criminalia“ und dem Reichskammergericht, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 68, S. 235–273. Kapl-Blume (2005), Edeltraut: Liebe im Lexikon. Zum Bedeutungswandel des Begriffes „Liebe“ in ausgewählten Lexika des 18. und 19. Jahrhunderts. Ein Forschungsbericht, in: Tanner, Klaus (Hg.): „Liebe“ im Wandel der Zeiten. Kulturwissenschaftliche Perspektiven, Leipzig, S. 107–129. Karant-Nunn (1999), Susan C.: „Fragrant Wedding Roses“. Lutheran Wedding Sermons and Gender Definition in Early Modern Germany, in: German History 17, S. 25–40. Kessler-Aurisch (1985), Helga: Hochzeitsmode als Spiegel der sozialen Wirklichkeit. In: Völger, Gisela/Welk, Karin von (Hg.): Die Braut. Geliebt – verkauft – getauscht – geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln, S. 316–329. Kizik (2001), Edmund: Hochzeit, einige Taufen und Begräbnisse. Familienfeste in den Hansestädten vom 16. bis 18. Jahrhundert, Danzig et al. Klein (2004a), Birgit: Nach jüdischem Recht oder „Puderhähner Gesezen“? Frauen im Kampf um ihr Vermögen im frühneuzeitlichen Aschkenas, in: Hödl, Sabine/Rauscher, Peter/Staudinger, Barbara (Hg.): Hofjuden und Landjuden. Jüdisches Leben in der Frühen Neuzeit, Wien, S. 143–184. Klein (2004b), Birgit: „Der Mann – ein Fehlkauf“. Entwicklungen im Ehegüterrecht und die Folgen für das Geschlechterverhältnis im spätmittelalterlichen Aschkenas, in: Müller, Christiane E./Schatz, Andrea (Hg.): Der Differenz auf der Spur. Frauen und Gender in Aschkenas, Berlin, S. 69–100. Klein (2006), Birgit: Artikel „Judentum – Ehe“. In: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 3, Sp. 44–50. Klein (2007), Birgit: Erbinnen in Norm und Praxis. Fiktion und Realität im Erbstreit der Familien Liebmann – von Geldern, in: Gotzmann, Andreas/Wendehorst, Stephan (Hg.): Juden im Recht. Neue Zugänge zur Rechtsgeschichte der Juden im Alten Reich, Berlin, S. 175–2005. Klein (2008), Birgit: „Angleichung der Geschlechter“. Entwicklungen im Jüdischen Ehegüter- und Erbrecht des Mittelalters, in: Holzem, Andreas/Weber, Iris (Hg.): Ehe – Familie – Vewandtschaft. Vergesellschaftung in Religion und sozialer Lebenswelt, Paderborn, S. 225–242. Kocka (1973), Jürgen: Klassengesellschaft im Krieg. Deutsche Sozialgeschichte 1914– 1918, Göttingen. Kroll (2006), Stefan: Soldaten im 18. Jahrhundert zwischen Friedensalltag und Kriegserfahrung. Lebenswelten und Kultur in der kursächsischen Armee 1728–1796, Paderborn. Krug-Richter (1999), Barbara: Schlagende Männer, keifende Frauen? Geschlechterspezifische Aspekte von Konflikt und Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Köhle-Hezinger, Christine (Hg.): Männlich. Weiblich. Zur Bedeutung der Kategorie Geschlecht in der Kultur, Münster, S. 271–281. Kruse (2007), Britta-Juliane: Witwen. Kulturgeschichte eines Standes in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Berlin et al. Kubach-Reutter (1985), Ursula: Rituale zur Offenkundigmachung der Ehe. In: Völger, Gisela/Welk, Karin von (Hg.): Die Braut. Geliebt – verkauft – getauscht – geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln, S. 294-298. Kühn (2009), Helga-Maria: Eine „unverstorbene Witwe“. Sidona, Herzogin zu Braunschweig-Lüneburg, geborene Herzogin zu Sachsen 1518–1575, Hannover. Kuhlbrodt (2009), Peter: Clara von Schwarzburg. Eine geborene Herzogin von Braunschweig-Lüneburg in Heringen (Helme), Auleben.
Literatur 255 Labouvie (2007), Eva (Hg.): Adel in Sachsen-Anhalt. Höfische Kultur zwischen Repräsentation, Unternehmertum und Familie, Köln. Langer-Ostrawsky (2010), Gertrude: Vom Heiraten der Güter. Bäuerliche und kleinbäuerliche Heiratsverträge im Erzherzogtum Österreich unter der Enns, in: Lanzinger, Margareth et al. (Hg.): Aushandeln von Ehe. Heiratsverträge der Neuzeit im europäischen Vergleich, Köln et al., S. 27–119. Lanza (2007), Janine M.: From Wives to Widows in Early Modern Paris. Ashgate. Lanzinger (2010a), Margareth/Barth-Scalmani, Gunda/Forster, Ellinor/LangerOstrawsky, Gertrude: Aushandeln von Ehe. Heiratsverträge der Neuzeit im europäischen Vergleich, Köln et al. Lanzinger (2010b), Margareth: Variationen des Themas. Mitgiftsysteme, in: Lanzinger, Margareth et al. (Hg.): Aushandeln von Ehe. Heiratsverträge der Neuzeit im europäischen Vergleich, Köln et al., S. 469–492. Lenz (2006), Karl: Soziologie der Zweierbeziehung. Eine Einführung, 3. Aufl., Wiesbaden. Lenz (2009), Karl: Soziologie der Zweierbeziehung. Eine Einführung, 4. Aufl., Wiesbaden. Lesemann (1994), Silke: Arbeit, Ehre, Geschlechterbeziehungen. Zur sozialen und wirtschaftlichen Stellung von Frauen im frühneuzeitlichen Hildesheim, Hildesheim. Lesemann (2000), Silke: Liebe und Strategie. Adelige Ehen im 18. Jahrhundert. In: Historische Anthropologie 8/2, S. 189–207. Liberles (2003), Robert: An der Schwelle zur Moderne 1618–1780. In: Kaplan, Marion (Hg.): Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland. München, S. 22–124. Lischka (2006), Marion: Liebe als Ritual. Eheanbahnung und Brautwerbung in der frühneuzeitlichen Grafschaft Lippe (Forschungen zur Regionalgeschichte 55), Paderborn. Lorenz (1978), Dagmar (Hg.): Martin Luther. Vom ehelichen Leben und andere Schriften über die Ehe, Stuttgart. Lorenz (1995), Sabine: „Es ist ein Ewiges in jedem Gesicht“. Ehepaarporträts des 16. Jahrhunderts als historische Quelle, in: Wunder, Heide (Hg.): Eine Stadt der Frauen. Studien und Quellen zur Geschichte der Baslerinnen im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit, 13.–17. Jahrhundert, Basel et al., S. 188–214. Luef (2010), Evelyne: „und vom Drohen sey noch niemand gestorben…“. Häusliche Gewalt im 18. Jahrhundert, in: Schmidt-Voges, Inken (Hg.): Ehe – Haus – Familie. Soziale Institutionen im Wandel 1750–1850, Köln et al., S. 99–120. Luhmann (2007), Niklas: Liebe als Passion. 9. Aufl., Frankfurt/Main. Lutz (2006), Alexandra: Ehepaare vor Gericht. Konflikte und Lebenswelten in der Frühen Neuzeit (Geschichte und Geschlechter 51), Frankfurt/Main et al. Mächler (2002), Ruth: Soziale Unterstützung nach Trennung und Scheidung. Eine Untersuchung zur Tragfähigkeit und Dynamik von Beziehungsnetzen, Hamburg. Maier (1985), Johann: Die Stellung der Frau im jüdischen Recht. In: Völger, Gisela/Welk, Karin von (Hg.): Die Braut. Geliebt – verkauft – getauscht – geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln, S. 164–171. Margraf (2007), Erik: Die Hochzeitspredigt der Frühen Neuzeit. München. Marra (2007), Stephanie: Allianzen des Adels. Dynastisches Handeln im Grafenhaus Bentheim im 16. und 17. Jahrhundert, Köln et al. Mauchenheim-Bechtolsheim (1972), Hartmann Freiherr von: Des Heiligen Römischen Reichs unmittelbar freie Ritterschaft zu Franken Ort Steigerwald im 17. und 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Gesellschaftsgeschichte des reichsunmittelbaren Adels, Würzburg. Medick (1978), Hans/Sabean, David Warren: Einleitung. In: Medick, Hans/Sabean, David Warren (Hg.): Emotionen und materielle Interessen. Sozialanthropologische und historische Beiträge zur Familienforschung, Göttingen. Medick (1984), Hans/Sabean, David Warren: Emotionen und materielle Interessen. Sozialanthropologische und historische Beiträge zur Familienforschung, Göttingen. Mehlitz (1992), Walter: Der jüdische Ritus in Brautstand und Ehe. Frankfurt/Main et al. Michaelis (1968), Karl: Über Luthers eherechtliche Anschauung und deren Verhältnis zum mittelalterlichen und neuzeitlichen Eherecht. In: Brunotte, Heinz et al. (Hg.): Festschrift Erich Ruppel. Zum 65. Geburtstag am 25. Januar 1968, Hannover, S. 43–62.
256 Quellen‐ und Literaturverzeichnis Möhle (1997), Sylvia: Ehekonflikte und sozialer Wandel. Göttingen 1740–1840 (Geschichte und Geschlechter 18), Frankfurt/Main et al. Moser (1775), Johann Jacob: Neues Teutsches Staatsrecht. Bd. 12/2, 1. Hälfte, 20 Teile [Neudruck Osnabrück 1967/68]. Müller (1988), Maria E.: Eheglück und Liebesjoch. Bilder von Liebe, Ehe und Familie in der Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts, Weinheim et al. Münch (1996), Paul: Lebensformen in der Frühen Neuzeit. 1500 bis 1800. Frankfurt/Main et al. Mutschler (2004), Thomas: Haus, Ordnung, Familie. Wetterauer Hochadel im 17. Jahrhundert am Beispiel des Hauses Ysenburg-Büdingen, Darmstadt et al. Nave-Herz (2006), Rosemarie: Ehe- und Familiensoziologie. Eine Einführung in Geschichte, theoretische Ansätze und empirische Befunde, Weinheim/München. Nolde (2003), Dorothea: Gattenmord. Macht und Gewalt in der frühneuzeitlichen Ehe, Köln. North (2000), Michael: Von der atlantischen Handelsexpansion bis zu den Agrarreformen (1450–1815). In: North, Michael (Hg.): Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick, München, S. 107–191. Nowosadtko (2006), Jutta: Stand und Ehre. In: Wendehorst, Stephan/Westphal, Siegrid (Hg.): Lesebuch Altes Reich (Bibliothek Altes Reich 1). München, S. 146–153. Oestmann (2004), Peter: Lübecker Rechtspraxis um 1700. Der Streit um die Entführung der Catharina Lefever, in: Oestmann, Peter (Hg.): Aus den Akten des Reichskammergerichts. Prozeßrechtliche Probleme im Alten Reich, Hamburg, S. 69–104. Opitz (2002), Claudia: Aufklärung der Geschlechter, Revolution der Geschlechterordnung. Studien zur Politik- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Münster. Opitz (2005), Claudia: Um-Ordnungen der Geschlechter. Einführung in die Geschlechtergeschichte, Tübingen. Ortlieb (2005), Eva: Eine Fürstin verteidigt sich vor dem Kaiser. Die Anzeige wegen Ehebruchs gegen Jakobe Herzogin von Jülich-Kleve-Berg, in: Westphal, Siegrid (Hg.): In eigener Sache. Frauen vor den höchsten Gerichten des Alten Reiches, Köln et al., S. 183–217. Ozment (1983), Steven: When Fathers Ruled. Family Life in Reformation Europe, Cambridge/Massachusetts. Plessen (1985), Marie-Louise von: Brautlauf und Bettsprung. Begriffe und Redensarten im Umfeld der Hochzeit, in: Völger, Gisela/Welk, Karin von (Hg.): Die Braut. Geliebt – verkauft – getauscht – geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln, S. 321–315. Pleticha-Geuder (1983), Eva: Adel und Buch. Studien zur Geisteswelt des fränkischen Adels am Beispiel seiner Bibliotheken vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, Neustadt/Aisch. Pröve (1993), Ralf: Zwangszölibat, Konkubinat und Eheschließung. Durchsetzung und Reichweite obrigkeitlicher Ehebeschränkungen am Beispiel der Göttinger Militärbevölkerung im 18. Jahrhundert, in: Schlumbohm, Jürgen (Hg.): Familie und Familienlosigkeit. Fallstudien aus Niedersachsen und Bremen vom 15. bis 20. Jahrhundert, Hannover, S. 81–95. Puppel (2004), Pauline: Die Regentin. Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen 1500– 1700, Frankfurt/Main. Rehbinder (1994), Manfred: Artikel „Recht“. In: Hillmann, Karl-Heinz (Hg.): Wörterbuch der Soziologie, 4. Aufl., Stuttgart, S. 721. Reinhardt (1995), Wolfgang (Hg.): Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte, Gütersloh. Riis (1998), Thomas (Hg.): Tisch und Bett. Die Hochzeit im Ostseeraum seit dem 13. Jahrhundert, Frankfurt/Main et al. Rödel (2002), Walter G.: Leben, Lieben, Sterben. Die Mainzer Familie im 17. und 18. Jahrhundert, in: Dumont, Franz (Hg.): Moguntia medica. Das medizinische Mainz: Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Wiesbaden, S. 223–229.
Literatur 257 Rohden (2008), Frauke von: Jüdische Ehe zwischen religiöser Norm und Alltagswahrnehmung im 16. Jahrhundert. In: Holzem, Andreas (Hg.): Ehe – Familie – Verwandtschaft. Vergesellschaftung in Religion und sozialer Lebenswelt, Paderborn, S. 329–344. Roper (1985), Lyndal: Going to church and street weddings in Reformation Augsburg. In: Past and Present 106, S. 62–101. Roper (1992), Lyndal: Was there a crisis in gender relations in sixteenth century Germany? In: Hagenmaier, Monika/Holtz, Sabine (Hg.): Krisenbewußtsein und Krisenbewältigung in der frühen Neuzeit = Crisis in early modern Europe. Festschrift für Hans-Christoph Rublack, Frankfurt/Main et al., S. 371–386. Roper (1995), Lyndal: Das fromme Haus. Frauen und Moral in der Reformation, Frankfurt/Main. [The holy household, Oxford 1989]. Rosen (2008), Jochai: Masculinity pacified. Women as mothers in the guardroom scenes of Anthonie Palamedes (1602–1673), in: De Zeventiende Eeuw. Cultuur in de Nederlanden in interdisciplinair perspectief 24, S. 181–195. Rosenwein (2002), Barbara: Worrying about emotions in history. In: Historical Review 107/1, S. 821–845. Roth (2004), Detlef: Heinrich Bullingers Eheschriften. In: Zwingliana 31, S. 275–309. Rothschild (2009), Walter L.: Der Honig und der Stachel. Das Judentum – erklärt für alle, die mehr wissen wollen, Gütersloh. Rublack (1998), Ulinka: Magd, Metz oder Mörderin. Frauen vor frühneuzeitlichen Gerichten, Frankfurt/Main. Ruppel (2006), Sophie: Verbündete Rivalen. Geschwisterbeziehungen im Hochadel des 17. Jahrhunderts, Köln et al. Sabean (1990), David Warren (Hg.): Das zweischneidige Schwert. Herrschaft und Widerspruch im Württemberg der Frühen Neuzeit, Frankfurt/Main. Safley (1984), Thomas: Let No Man Put Asunder. The Control of Marriage in the German Southwest. A Comparative Study 1550–1650, Kirksville/Massachusetts. Schad (1989), Martha: Die Frauen des Hauses Fugger von der Lilie. 15.–17. Jahrhundert, Tübingen. Schaller (2007), Sabine: Familie – Geschlecht – Alkoholismus. Geschlechtsspezifische Ausdeutungen und der Blick auf die Familien (1880–1930), in: Labouvie, Eva/Myrrhe, Ramona (Hg.): Familienbande – Familienschande. Geschlechterverhältnisse in Familie und Verwandtschaft, Köln, S. 213–238. Scharffenorth (1991), Gerta: „Im Geiste Freunde werden“. Mann und Frau im Glauben Martin Luthers, in: Wunder, Heide/Vanja, Christina (Hg.): Wandel der Geschlechterbeziehungen zu Beginn der Neuzeit. Frankfurt/Main, S. 97-108. Schattkowsky (2003), Martina (Hg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, Leipzig. Schilling (1990), Michael: Bildpublizistik der frühen Neuzeit. Aufgaben und Leistungen des illustrierten Flugblatts in Deutschland bis um 1700, Tübingen. Schilling (1993), Heinz: Frühneuzeitliche Formierung und Disziplinierung von Ehe, Familie und Erziehung im Spiegel calvinistischer Kirchenratsprotokolle. In: Prodi, Paolo (Hg.): Glaube und Eid. Treueformeln, Glaubensbekenntnisse und Sozialdisziplinierung zwischen Mittelalter und Neuzeit, München, S. 199–235. Schlumbohm (1993), Jürgen: „Wilde Ehen“. Zusammenleben angesichts kirchlicher Sanktionen und staatlicher Sittenpolizei (Osnabrücker Land 1790–1850), in: Schlumbohm, Jürgen (Hg.): Familien und Familienlosigkeit. Fallstudien aus Niedersachsen und Bremen vom 15. bis ins 20. Jahrhundert (Quellen und Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Niedersachsens in der Neuzeit 17), Hannover, S. 63–80. Schmid-Bortenschlager (2005), Sigrid: Liebe, Sexualität und Ehe, Vernunft und Leidenschaft im Roman des 18. Jahrhunderts. In: Bauer, Ingrid et al. (Hg.): Liebe und Widerstand: Ambivalenzen historischer Geschlechterbeziehungen. Wien et al., S 79–88. Schmidt (1984), Georg: Bauernunruhen in Weilmünster (1563–1588). In: Nassauische Annalen 95, S. 91–118. Schmidt (1995), Heinrich Richard: Dorf und Religion. Reformierte Sittenzucht in Berner Landgemeinden der Frühen Neuzeit, Stuttgart.
258 Quellen‐ und Literaturverzeichnis Schmidt (1998), Heinrich Richard: Hausväter vor Gericht. Der Patriarchalismus als zweischneidiges Schwert, in: Dinges, Martin (Hg.): Hausväter, Priester, Kastraten. Zur Konstruktion von Männlichkeit im Spätmittelalter und früher Neuzeit, Göttingen, S. 213–236. Schmidt (2008), Heinrich Richard: „Nothurfft vnd Hußbruch“. Haus, Gemeinde und Sittenzucht im Reformiertentum, in: Holzem, Andreas (Hg.): Ehe – Familie – Verwandtschaft. Vergesellschaftung zwischen Religion und sozialer Lebenswelt, Paderborn, S. 301–328. Schmidt-Voges (2010), Inken: Nachbarn im Haus. Grenzüberschreitungen und Friedewahrung in der „guten Nachbarschaft“, in: Roll, Christine (Hg.): Grenzen und Grenzüberschreitungen. Bilanzen und Perspektiven der Frühneuzeitforschung (Frühneuzeit-Impulse 1), Köln, S. 413–427. Schmidt-Voges (2011), Inken: „Si domus in pace sunt…“. Zur Bedeutung des ‚Hauses‘ in Luthers Vorstellungen vom weltlichen Frieden, in: Lutherjahrbuch 78, im Druck. Schmidt-Wiegand (1985), Ruth: Hochzeit, Vertragsehe und Ehevertrag in Mitteleuropa. In: Völger, Gisela/Welk, Karin von (Hg.): Die Braut. Geliebt – verkauft – getauscht – geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln, S. 264–273. Schnell (1998a), Rüdiger: Geschlechterbeziehungen und Textfunktionen. Studien zu Eheschriften der Frühen Neuzeit, Tübingen. Schnell (1998b), Rüdiger: Frauendiskurs, Männerdiskurs, Ehediskurs. Textsorten und Geschlechterkonzepte in Mittelalter und Früher Neuzeit, Frankfurt/Main. Schnell (2002), Rüdiger: Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe. Köln. Scholz-Löhnig (2006), Cordula: Artikel „Eheauflösung“. In: Enzyklopädie der Neuzeit 3. Bd., Stuttgart; Sp. 52–57. Schorn-Schütte (1991), Luise: „Gefährtin“ und „Mitregentin“. Zur Sozialgeschichte der Pfarrfrau in der Frühen Neuzeit, in: Wunder, Heide/Vanja, Christina (Hg.): Wandel der Geschlechterbeziehungen zu Beginn der Neuzeit. Frankfurt/Main, S. 109–153. Schraut (2000), Sylvia: „Die Ehen werden in dem Himmel gemacht“. Ehe- und Liebeskonzepte der katholischen Reichsritterschaft im 17. und 18. Jahrhundert, in: Opitz, Claudia (Hg.): Tugend, Vernunft und Gefühl. Geschlechterdiskurse der Aufklärung und weibliche Lebenswelten, Münster et al., S. 15–32. Schröder (1994), Christiane: „Die Welt kann das Weibervolk nicht entbehren!“ Geschlechterbeziehungen und Eheleben im Hannover des 17. Jahrhunderts, in: Hauptmeyer, Carl-Hans (Hg.): Hannover und sein Umland in der frühen Neuzeit. Beiträge zur Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bielefeld, S. 147–166. Schulz (1985), Rudolf: Die kirchliche Trauung aus evangelischer Sicht. In: Völger, Gisela/Welk, Karin von (Hg.): Die Braut. Geliebt – verkauft – getauscht – geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln, S. 150–155. Schumann (2003), Jutta: Die andere Sonne. Kaiserbild und Medienstrategien im Zeitalter Leopolds I. (Colloquia Augustana, Band 17), Berlin. Schwab (1993), Dieter: Artikel „Verlöbnis“. In: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 5, Sp. 764–767. Seehase (1999), Hans: Ehesachen vor dem Reichskammergericht. Die Ehe im Spannungsfeld zwischen Recht und Theologie sowie zwischen Reich, Territorien und Kirche am Beginn der Neuzeit, Münster. Segalen (1990), Martine: Die Familie. Geschichte, Soziologie, Anthropologie, Frankfurt/Main et al. Shorter (1977), Edward: Die Geburt der modernen Familie. Reinbeck bei Hamburg [Englische Originalausgabe: The making of the modern family. New York 1975]. Siebenhüner (2006), Kim: Bigamie und Inquisition in Italien 1600–1750. Paderborn et al. Sikora (2005), Michael: Ungleiche Verbindlichkeiten. Gestaltungsspielräume standesverschiedener Partnerschaften im deutschen Hochadel der Frühen Neuzeit, in: Zeitenblicke 4, Nr. 3, [13.12.2005], URL: http://www.zeitenblicke.de/2005/3/Sikora/index_html. Smolinsky (1995), Heribert: Ehespiegel im Konfessionalisierungsprozess. In: Reinhardt, Wolfgang (Hg.): Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte, Gütersloh, S. 311–331.
Literatur 259 Soergel (2008), Philip M.: Baggy pants and demons. Andreas Musculus's condemnation of the evils of sixteenth-century dress, in: Bendlage, Andrea (Hg.): Recht und Verhalten in vormodernen Gesellschaften. Bielefeld, S. 139–154. Sommerfeld (2006), Olga: Handlungsspielräume adeliger Witwen in ihren Familien am Beispiel von Beate Elisabeth von Korff (1706–1767). In: Osnabrücker Mitteilungen. Zeitschrift des Vereins für Osnabrücker Geschichte 111, S. 77–104. Spieß (2003), Karl-Heinz: Witwenversorgung im Hochadel. Rechtlicher Rahmen und praktische Gestaltung im Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit, in: Schattkowsky, Martina (Hg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, Leipzig, S. 87–114. Staehelin (1995), Andreas: Das Ehepaar Anna Maria Falkner und Johann Rudolf Wettstein im Spiegel ihrer Briefe. In: Wunder, Heide (Hg.): Eine Stadt der Frauen. Studien und Quellen zur Geschichte der Baslerinnen im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit (13.-17. Jahrhundert), Frankfurt/Main, S. 241–254. Staudinger (2005), Barbara: In puncto debiti. Prozesse jüdischer Geldleiherinnen am Reichshofrat, in: Westphal, Siegrid (Hg.): In eigener Sache. Frauen vor den höchsten Gerichten des Alten Reiches, Köln et al., S. 153–180. Štefanová (2009), Dana: Erbschaftspraxis, Besitztransfer und Handlungsspielräume von Untertanen in der Gutsherrschaft. Die Herrschaft Frydlant in Nordböhmen, 1558– 1750, München. Stolleis (1985), Michael: Staatsheiraten im Zeitalter der europäischen Monarchien. In: Völger, Gisela/Welk, Karin von (Hg.): Die Braut. Geliebt – verkauft – getauscht – geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln, S. 274–279. Stolz (1983), Joachim: Zur Geschichte der Trennung von Ehegatten. Rechtsinstitut, Versöhnungsmittel, Scheidungsvoraussetzung, Kiel. Stone (1990), Lawrence: Road to Divorce 1530–1987. Oxford. Stone (1993), Lawrence: Broken Lives. Seperation and Divorce in England 1660–1857, Oxford. Stone (1995), Lawrence: Uncertain Unions and Broken Lives. Marriage and Divorce in England 1660–1857, Oxford. Stretton (1998), Tim: Women waging law in Elizabethan England. Cambridge et al. Strohl (2009), Jane: Luther's new view on marriage, sexuality and the family. In: Lutherjahrbuch 76, S. 159–192. Takada (2007), Yasunari: Vulcan cuckolded by Mars. Archetypal Adultery and its subsequent undercurrents, in: Takada, Yasunari (Hg.): Transcendental Descent. Essays in Literature and Philosophy, Tokyo, S. 107–128. Tanner (2005), Klaus (Hg.): „Liebe“ im Wandel der Zeiten. Kulturwissenschaftliche Perspektiven, Leipzig. Tlusty (2001), Beverly Ann: Bacchus and civic order. The culture of drink in early modern Germany, Charlottesville. Todd (1994), Barbara J.: Demographic Determinism and Female Agency. The Remarrying Widow reconsidered … again, in: Continuity and Change 9, S. 421–450. Trepp (1996), Anne-Charlott: Sanfte Männlichkeit und selbständige Weiblichkeit. Frauen und Männer im Hamburger Bürgertum zwischen 1770 und 1840, Göttingen. Trepp (1998), Anne-Charlott: Balanceakt. Bürgerliche Paarbeziehungen zwischen Partnerschaft, Verschiedenheit und Ungleichheit der Geschlechter (1770–1830), in: Historische Mitteilungen 11, S. 170–196. Troßbach (1986), Werner: Fürstenabsetzungen im 18. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Historische Forschung 13, S. 423–454. Ulbrich (1999), Claudia: Shulamit und Margarete. Macht, Geschlecht und Religion in einer ländlichen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, Köln. Ulbrich (2004), Claudia: Shulamit and Margarete. Power, gender and religion in a rural society in eighteenth-century Europe, Boston et al. Ulbrich (2006), Claudia: Artikel „Ehe“. In: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 2, Sp. 38–44. Ulbricht (1995), Otto (Hg.): Von Huren und Rabenmüttern. Weibliche Kriminalität in der Frühen Neuzeit, Köln. Ulbricht (2009), Otto: Mikrogeschichte. Menschen und Konflikte in der Frühen Neuzeit, Frankfurt/Main et al.
260 Quellen‐ und Literaturverzeichnis Vogel (1997), Ursula: Gleichheit und Herrschaft in der ehelichen Vertragsgesellschaft – Widersprüche der Aufklärung. In: Gerhard, Ute (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München, S. 265–292. Völger (1985), Gisela/Welk, Karin von (Hg.): Die Braut. Geliebt – verkauft – getauscht – geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln. Völker-Rasor (1993), Anette: Bilderpaare – Paarbilder. Die Ehe in Autobiographien des 16. Jahrhunderts, Freiburg. Voolen (1985), Edward van: Jüdische Hochzeit in der Kunst. In: Völger, Gisela/Welk, Karin von (Hg.): Die Braut. Geliebt – verkauft – getauscht – geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln, S. 180–185. Wahl (2000), Johannes: Lebensplanung und Alltagserfahrung. Württembergische Pfarrfamilien im 17. Jahrhundert, Mainz. Walther (2007), Stefanie: Zwischen Emotionen und Interessen. Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen als Schwester, Schwägerin und Tante, in: Werkstatt Geschichte 46, S. 25–40. Washof (2007), Wolfram: Die Bibel auf der Bühne. Exempelfiguren und protestantische Theologie im lateinischen und deutschen Bibeldrama der Reformationszeit, Münster. Weber (1998), Wolfgang, E. J.: Dynastiesicherung und Staatsbildung. Die Entfaltung des frühmodernen Fürstenstaates, in: Weber, Wolfgang E. J. (Hg.): Der Fürst. Köln et al., S. 91–136. Weber (2001), Arndt: Affektive Liebe als rechte eheliche Liebe in der ehedidaktischen Literatur der frühen Neuzeit. Frankfurt/Main. Weckel (1998), Ulrike: Zwischen Öffentlichkeit und Häuslichkeit. Die ersten deutschen Frauenzeitschriften des späten 18. Jahrhunderts und ihr Publikum, Tübingen. Wehler (1987), Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 1: 1700–1815, München. Weigand (1986), Rudolf: Artikel „Ehe – kanonisches Recht“. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, Sp. 1623–1625. Weimar (1986), Peter: Artikel „Ehe – Recht“. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, Sp. 1621–1623. Werkstetter (2001), Christine: Frauen im Augsburger Zunfthandwerk. Arbeit, Arbeitsbeziehungen und Geschlechterverhältnisse im 18. Jahrhundert, Berlin 2001. Werkstetter (2004), Christine: Nahrung als Argument im Kontext von Frauenarbeit und Frauenhandeln im städtischen Zunfthandwerk. In: Brandt, Robert (Hg.): Nahrung, Markt und Gemeinnutz. Werner Sombart und das vorindustrielle Handwerk, Bielefeld, S. 201–224. Werkstetter (2008), Christine: „… vorzüglich meiner Cotton-Fabrique und nur secundario meiner Persohn geheurathet worden.“ Die gescheiterte Ehe der Augsburger Unternehmerin Anna Barbara Gignoux (1725–1796) im Spiegel der Scheidungsakten, in: Weber, Wolfgang E. J./Dauser, Regina (Hg.): Faszinierende Frühneuzeit. Reich, Frieden, Kultur und Kommunikation 1500–1800, Berlin, S. 185–217. Westphal (1994), Siegrid: Frau und lutherische Konfessionalisierung. Eine Untersuchung zum Fürstentum Pfalz-Neuburg 1542–1614, Frankfurt/Main. Westphal (1999), Siegrid: Kirchenzucht als Ehe- und Sittenzucht. Die Auswirkungen von lutherischer Konfessionalisierung auf das Geschlechterverhältnis, in: Conrad, Anne (Hg.): „In Christo ist weder man noch weyb“. Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform, Münster, S. 152–171. Westphal (2005), Siegrid (Hg.): In eigener Sache. Frauen vor den höchsten Gerichten des Alten Reiches, Köln et al. Westphal (2008), Siegrid: Ehen vor Gericht. Scheidungen und ihre Folgen am Reichskammergericht (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung 35), Wetzlar. Westphal (2009), Siegrid: Der kaiserliche Reichshofrat als protestantisches „Scheidungsgericht“. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 20/3, S. 59–82. Wettlaufer (1998), Jörg: Beilager und die Bettleite im Ostseeraum (13. bis 19. Jahrhundert). Eine vergleichende Studie zur Wandlung des Eheschließungsrechts im Spätmit-
Literatur 261 telalter und in der frühen Neuzeit, in: Riis, Thomas (Hg.): Tisch und Bett. Die Hochzeit im Ostseeraum seit dem 13. Jahrhundert, Frankfurt/Main et al., S. 81–128. Willoweit (2004), Dietmar: Standesungleiche Ehen des regierenden hohen Adels in der neuzeitlichen deutschen Rechtsgeschichte. Rechtstatsachen und ihre rechtliche Beurteilung unter besonderer Berücksichtigung der Häuser Bayern und Pfalz, München. Würgler (2009), Andreas: Medien in der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie deutscher Geschichte 85). München. Wunder (1985), Bernd: Pfarrwitwenkassen und Beamtenwitwen-Anstalten vom 16.– 19. Jahrhundert. Die Entstehung der staatlichen Hinterbliebenenversorgung in Deutschland, in: Zeitschrift für Historische Forschung 12, S. 429–498. Wunder (1991), Heide/Vanja, Christina (Hg.): Wandel der Geschlechterbeziehungen zu Beginn der Neuzeit. Frankfurt/Main. Wunder (1992), Heide: „Er ist die Sonn‘, sie ist der Mond“. Frauen in der frühen Neuzeit, München. Wunder (1993), Heide/Hoffmann, Barbara/Zöttlein, Helga: Ehepaare, Eheverläufe und Lebenslauf in Leipzig 1580–1730. Bericht über ein Forschungsprojekt, in: Comparativ 5, S. 13–23. Wunder (1995a), Heide (Hg.): Eine Stadt der Frauen. Studien und Quellen zur Geschichte der Baslerinnen im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit, 13.-17. Jahrhundert, Basel et al., S. 167–187. Wunder (1995b), Heide: Von Vermögen und Frömmigkeit. Frankfurter Bürgerinnen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. In: Hessische Landeszentrale für politische Bildung und WEIBH e. V. (Hg.): FrauenStadtGeschichte. Zum Beispiel: Frankfurt am Main, Königstein/Taunus, S. 57–76. Wunder (2002), Heide: Einleitung. Dynastie und Herrschaftssicherung: Geschlechter und Geschlecht, in: Wunder, Heide (Hg.): Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht, Berlin, S. 9–28. Zander-Seidel (2010), Jutta: „Haubendämmerung“. Frauenkopfbedeckungen zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Schwinges, Rainer (Hg.): Fashion and clothing in late medieval Europe = Mode und Kleidung im Europa des späten Mittelalters. Basel, S. 37–43.
262 Register
Register
Ortsregister Aachen 138 Aichen 209 Alfhausen 156 Anhalt 34 Antwerpen 56, 84 Augsburg 35, 184, 203, 217, 232, 243, 246, 257, 260 Bamberg 37 Basel 55, 57, 250, 252, 255, 261 Bayern 49, 64, 245, 248 f., 261 Bologna 64 Brandenburg 34, 251 Brandenburg‐Preußen 20 Braunschweig‐Lüneburg 34 Bremen 115, 243, 256 f. Bronnzell 211 f. Burglengenfeld 206 Burgund 84 Dänemark 34, 79 Darmstadt 45, 246 f., 256 Diebach 216 Dithmarschen 82 England 85, 172, 174, 248, 259 Franken 38, 255 Frankfurt am Main 32, 40 f., 54–57, 59–61, 69, 80, 84, 183, 243, 245 f., 248–261 Frankreich 21, 29, 50, 76, 85 f., 172, 193, 198 Freienseen 45 Fröhestockheim 222
Fulda 210–212 Göttingen 98, 175, 178, 217, 249–252, 254–256, 258 f. Greifswald 228 f. Hannover ‐ Kurfürstentum 138, 159, 175 ‐ Stadt 40 f., 254 f., 257 f. Heidingsfeld 68 f. Herford 227 Hessen 34, 66, 249, 256 Hessen‐Homburg 248 Hessen‐Kassel 34 f. Hohenrechberg 208 f. Holstein 98, 174, 250 Homburg am Main 211 Hunteburg 153 Iburg 159 Italien 172, 258 Jerusalem 81 Joachimsthal 105 Kitzingen 38 Kohlhaus 211 Köln 84, 247–260 Konstanz 37 Kriechingen 213 Kurpfalz 34 Lebenhan 211 Leipzig 108, 126, 243, 247–254, 257, 259, 261 Limburg an der Lahn 38 Linz 206 Lippe, Grafschaft 31, 44 f., 49, 61, 63, 255
Register 263
Livland 103 Lothringen 47, 59 Lübeck 44, 82, 157, 246 f., 256 Lyon 32 Mainz 37, 59, 199, 257, 260 Mecklenburg‐Schwerin 226, 231, 233, 253 Metz 38, 47, 214 Montpellier 57 München 69, 107, 206, 210, 212, 215, 217, 221 f., 245, 247–252, 255–257, 259–261 Münsterdorf 174 Nahetal 59 Nassau 34, 45, 246, 248, 257 Neuburg 206 Niederlande 34, 84 Niedersachsen 31, 243, 246, 256 f. Nierstein 56 Nürnberg 77, 107, 112–114, 168, 205, 217–220, 243, 247 Offenbach 60, 68 Osnabrück ‐ Fürstbistum 23, 111, 130, 140 ‐ Stadt 124, 128, 132 f., 136, 138 f., 141, 144–148, 151, 153, 155, 159 f., 243, 246, 249 f., 256 f., 259 Österreich 20, 32, 38, 63, 83, 127, 185, 193, 255, 260 Passau 232 Prag 22 Preußen 20 f., 127, 197
Rappoltsweiler 213 Rauschenberg 225 Ravensburg 168, 204 f., 253 Rechberg s. Hohenrechberg Regensburg 231, 246 Rhein‐Pfalz 59 Riga 103 Rothenburg ob der Tauber 215 f. Rouen 172 Sachsen 34, 52, 66, 82, 102 f., 111, 119, 171, 186, 250, 254 Schaumburg 62 f., 73 Schaumburg‐Lippe 79 Schillingsfürst 216 Schleswig‐Holstein 34, 125 Schönborn 38 Schweiz 13, 172 Schwerin 44, 227–231, 246 Spanien 76, 85 Speyer 22, 37 Stadthagen 31, 62 f., 78, 248 Steigerwald 221, 224 f., 225 Steinbiedersdorf 213 Thüringen 103 Trier 33, 37, 59, 248 Trient 18, 106, 126, 172, 192 Triest 177, 250 Valencia 102 Veldenz 59 Weilmünster 45, 257 Wetzlar 22, 205, 253, 260 Wien 22, 42, 76 f., 206, 208, 223–227, 230, 232, 245 f., 248, 254, 257
264 Register
Wittenberg 34, 251, 254 Worms 37, 59 Württemberg 34, 257, 260 Würzburg 37, 59, 101, 210, 255 Personenregister Abkemeyer, Maria 153 Albertinus, Aegidius 106 Amelunxen, Cord von 140 f. Anhalt‐Bernburg, Haus 67, 250 Anhalt‐Bernburg, Carl Fried‐ rich, Fürst von 67 Anhalt‐Bernburg, Victor Fried‐ rich von 67 Anhalt‐Dessau, Georg Aribert Fürst von 65 Aragón, Katharina von 102 Arnold, Marina 169, 182, 248 Arnolfini, Giovanna, geb. Cenami 84 Arnolfini, Giovanni 84 Augustin, Agnes 206 f. Augustin, Catharina 206 f. Augustin, Joseph 206 f. Augustinus, Aurelius 117 f., 247 Bachorski, Hans‐Jürgen 248 Back, Anna Margaretha 150 Back, Johann Herman Conrad 150 f. Backmann, Sibylle 120, 248 Baden‐Durlach, Georg Fried‐ rich Markgraf von 65 Bahel, Dieterich Aegidius 153 f. Bailey, Joanne 172, 174, 248 Bake, Kristina 25, 112, 248
Barth‐Scalmani, Gunda 255 Bast, Robert James 95, 101, 248 Bastheim, Carl Friedrich Frei‐ herr von 211 f. Bastl, Beatrix 52, 73–75, 83, 96 f., 160, 248 Baumann, Anette 25, 37, 97, 248 Bayern, Herzog Wilhelm IV. von 102 Beauvalet‐Boutouyrie, Scarlett 170, 248 Bechhaus, Eheleute 154 Beck, Rainer 173, 249 Becker, Hans‐Jürgen 71, 249 Becker‐Cantarino, Barbara 96, 249 Bepler, Jill 249 Berger, Eva 249 Berger, Herr von 232 Berger, Joachim 208, 249 Berger, Peter 93, 249 Berger, Ruth 47 f., 123, 249 Bertram, Maria Margaretha von, verh. Lauterbach 79 f. Beverförden, Frau 155 f. Beverförden, Gerd 155 f. Bittelmayr, Appollonia 217– 221 Bittelmayr, Hermann Jakob 217–221 Blasius, Dirk 21, 197, 198, 249 Blom, Ida 167, 249 Blood, Robert 93, 249 Bocklo, Johan 62 Bocklo, Mettcken 62 Bode, Herr von 232 Bodeck, Arnold von 56 Bodeck, Bonaventura von 56
Register 265
Bodeck, Familie von 55–57 Bodeck, Gottfried von 56 f. Bodeck, Johann von 57 Bodenmann, Guy 164 f., 249 Boehmer, Justus Henning 126, 247 Bolten, Frau 146 Borgholz, gen. Kerstapell, Ca‐ tharina von, verh. von Ame‐ lunxen 140 f. Borgolte, Michael 11, 249 Brakensiek, Stefan 203, 249 Braun, Manuel 95, 111 f., 249 Braun, Regierungsadvokat 214 Breit, Stefan 28, 43 f., 49, 64, 70, 81, 249 Brinkmann, Eheleute 158 Brinkmann, Frau 158 f. Brinks, Eheleute 153 Brockman, Meister 135 Brueghel d. Ä., Pieter 71–73, 83, 243 Brunner, Otto 17, 252 Bruno, Christoph 102 Buchholz, Stephan 32, 34, 67, 249 Büdelers, Christina Margare‐ tha, verh. Vogt 148 f. Buitelaar, Marjo 169, 250 Bullinger, Heinrich 103, 257 Bundeman, Brun 62 Burghartz, Susanna 30, 55, 57, 70, 81, 95, 117, 172, 250 Burschel, Peter 121, 250 Canisius, Petrus 35, 102, 106 Carius, Hendrikje 185, 202, 250 Carpzov, Benedikt 126, 247 Carstensen, Iris 250
Cavallo, Sandra 169, 250 f. Cerman, Markus 250 Chodowiecki, Daniel 107 f., 243 Classen, Albrecht 95, 112, 250 Coler, Johannes 106 f. Conrad, Anne 95, 121, 250, 260 Crailsheim, Carl Friedrich Freiherr von 221–226 Cramer, Heinrich Matthias August 108, 234 Crawford, Katherine 250 D’Aguilar, Lady 177 Danckelmann, Baron von 232 Derenthal, Konsistorialrat 159 Dieterich, Hartwig 34, 250 Dietz, Alexander 56, 60, 250 Dirmstein, Eberhard Heinrich Nael von 57 Doller, Carolin 67, 250 Dreyer, Gerichtsdiener 129, 139 Dubin, Lois C. 177 f., 199 f., 250 Dülmen, Richard van 139, 160, 249 f. Duncker, Arne 100, 124, 127, 131, 250 Dura, Ulrike 170, 250 Eberstein, Sybille Gräfin von 35 Eckart, Wolfgang U. 139, 251 Eibach, Joachim 98, 251 Elisabeth I., Königin von Eng‐ land 85 Enax 129 Enders, Lieselott 203, 251 Engel, Gisela 95, 251 f.
266 Register
Erbach, Maria Charlotta von, verh. von Ysenburg 76 Eriksson, Magnus 253 Essegern, Ute 186, 251 Eyb, Albrecht von 101 f., 104 Eyck, Jan van 84 Farge, Arlette 98, 251 Febvre, Lucien 251 Firnhaber von Eberstein, Fami‐ lie 59 Firnhaber von Eberstein, Maria Christina Louisa Reichsgräfin, verw. Wild‐ und Rheingräfin von Salm‐Grumbach, verh. von und zu Hunolstein, gen. von Callenfels 59 f. Fleischbein von Kleeberg, Fa‐ milie 42 Flüchter, Antje 129, 251 Fornhagen, Johann Wilckening vom 63 f. Forster, Ellinor 12, 93, 167, 251, 255 Foucault, Michel 98, 251 Fourment, Helene 85 Foyster, Elizabeth A. 100, 251 Frank, Michael 144, 251 Frassek, Ralf 124, 251 Freise, Fridrun 115, 251 Freist, Dagmar 35, 140, 169, 251 Fugger, Anton 35, 53 Fugger, Haus 53, 257 Fußbahn, Heinrich 203, 251 Gebsattel, Anna Margaretha Lioba Antonetta Freifrau von,
geb. Freiin von Reiffenberg 211 f. Gebsattel, Constantin Wilhelm Friedrich Freiherr von 210 f. Gebsattel, Familie von 210 Gebsattel, Franz Philipp Frei‐ herr von 210 f. Gebsattel, Johann Gottfried Christoph Freiherr von 211 f. Geldern, Bräunchen von 213 Geldern, Josef von 213 Gerding, Bürgermeister 139 Gerhard, Ute 249, 251, 260 Gersmann, Gudrun 72, 251 Gestrich, Andreas 10, 18, 33, 65, 72, 163 f., 251 Geyken, Frauke 166, 251 Gignoux, Anna Barbara 203, 260 Gignoux, Johann Friedrich 203 Gillis, John R. 29, 252 Gleich, Georg Christoph 203 Gleixner, Ulrike 222, 252 Gottschalk, Karin 52, 56, 171, 252 Gotzmann, Andreas 250, 254 Gratian 191 Greyerz, Kaspar von 160, 237, 252 Grimm, Jakob und Wilhelm 52, 82, 248 Groebner, Valentin 129, 252 Groten, Anna Ilse 63 Günther, Maike 30, 252 Gvozdeva, Katja 128, 252 Haack, Julia 163, 173, 252 Haas, Stefan 72, 83, 252 Habermann, Johann 105
Register 267
Habermas, Rebekka 20, 96, 107, 160, 252 Habsburg, Haus 34, 76 f., 82 Hagemann, Hans Rudolf 252 Hahn, Hans‐Werner 110, 252 Haine, Johann 63 Hajnal, John 13, 252 Hansert, Andreas 41 f., 252 Hanstein, Fräulein von 223 Hardtwig, Wolfgang 93 Hardwick, Julie 15, 22, 99, 136, 163, 186, 252 Harms, Wolfgang 248 Hassauer, Friederike 95, 251 f. Hausen, Karin 18 f., 94, 252 Heinrich IV., Kaiser 232 Heinrich VIII., König von Eng‐ land 194 Hertzfeld, Ruben 68 Herzig, Arno 47, 81, 252 Hessen, Philipp I. Landgraf von 66, 194, 249 Hessen‐Darmstadt, Georg II. Landgraf von 246 Hessen‐Kassel, Karl Landgraf von 231 Hessen‐Marburg, Ludwig IV. Landgraf von 45 Heune, G. 136 f. Hieronymus, Sophronius Eusebius 180 Hillel 200 Hödl, Sabine 168, 253 f. Hofer, Roland E. 29, 253 Hoffmann, Barbara 261 Hoffmann, Julius 107, 253 Hogarth, William 50 f., 243 Hohberg, Wolfgang Helm‐ hardt von 89, 107, 247
Hohenlohe, Haus 38 Hohenlohe‐Schillingsfürst, Carl Albrecht von 215 Hohkamp, Michaela 99, 148, 151, 253 Holtz, Sabine 109, 253, 257 Holzem, Andreas 95, 106, 253 f., 256–258 Homolka, Walter 10, 67, 81, 201, 253 Hörander, Edith 253 Hörner, Manfred 248 Hufschmidt, Anke 34 f., 97, 253 Hufton, Olwen 136, 169 f., 253 Huggel, Samuel 28, 253 Hunolstein, gen. von Callenfels, Christian Philipp Friedrich Vogt von und zu 59 f. Hunolstein, Familie von 59 f. Ingendahl, Gesa 168–170, 180– 182, 202, 204, 253 Jacob, Abrahm 214 Jahns, Sigrid 227, 253 Jakob, Stammvater Israels 109 Jantzen, Diener 139, 150 Jarzebowski, Claudia 31, 137, 253 Jeckelmann, Magdalena 57 Jensen, Jens 195, 227, 230, 253 Joseph II., Kaiser 177, 193, 224 Juda, Gerschom ben 199 Jülich‐Kleve‐Berg, Sibylle von, verh. Kurfürstin von Sachsen 103 Jung, Irene 205, 208, 253 Junghans, Helmar 254
268 Register
Jury, Wilhelm 183, 243 Jussen, Bernhard 170, 180 f., 254 Kaltenbach, Tuchmacher 219 Kaltwasser, Inge 98, 190, 248, 254 Kaplan, Marion 189, 255 Kapl‐Blume, Edeltraut 254 Karant‐Nunn, Susan C. 103, 254 Karl der Große, Kaiser 232 Karl V., Kaiser 53 Karl VII., Kaiser 65 Kartschoke, Erika 101, 106, 248 Kaufmann, Jean‐Claude 89 Keil, Martha 168, 253 Kellenbach, Philipp Wolf von 57 Kern, Ursula 251 f. Kessler‐Aurisch, Helga 84–86, 254 Kizik, Edmund 31, 254 Klein, Birgit 47, 68, 71, 189– 191, 213, 254 Kneschke, Ernst Heinrich 248 Koch, Hans Conrad 57 Koch, Johann 57 Kocka, Jürgen 93, 254 Körber, Anna Maria 216 f. Kösters, Witwe 135 Kreittmayr, Wiguläus 126, 247 Kremers, Catharina Elsabein 157 Kroll, Stefan 139, 160, 254 Krosigk, Johanna Elisabeth von 65 Krug‐Richter, Barbara 150, 253 f.
Kruse, Britta‐Juliane 168 f., 180, 182, 185, 204, 254 Kubach‐Reutter, Ursula 78, 80 f., 254 Kuhlbrodt, Peter 207, 254 Kühn, Helga‐Maria 166, 254 Labouvie, Eva 248, 250, 255, 257 Langer‐Ostrawsky, Gertrude 32, 52, 62, 185, 255 Lanza, Janine M. 167, 169, 255 Lanzinger, Margareth 12, 50, 61, 93, 167, 170, 185, 251, 255 Lauterbach, Adam Friedrich 79 f. Ledebur, August von 138 f. Lefevers, Catharina 44 Lenz, Karl 14 f., 23, 25–28, 31, 36 f., 40 f., 47 f., 50, 72, 86, 89– 91, 164 f., 239, 249, 255 Leopold I., Kaiser 76, 258 Lersner, August Achilles von 42 Lesemann, Silke 97, 220, 255 Levy, Perle 213 f. Liberles, Robert 168 f., 170, 255 Liebmann, Fradt, geb. von Geldern 213 Liebmann, Jost 213 Lindemann, Wirt 148 f. Linnemeyer, Johann 159 Lischka, Marion 29–31, 44–46, 48–50, 70, 72, 255 Löppertin, Frau 222–226 Lorenz, Dagmar 16, 255 Lorenz, Sabine 255 Lothringen, Renata von 84 f.
Register 269
Ludwig XIV., König von Frankreich 76 Luef, Evelyne 95, 148, 255 Luhmann, Niklas 20, 30, 255 Luther, Martin 15–17, 33–35, 72, 94, 102 f., 104 f., 109–112, 119 f., 122, 163, 181, 194–196, 240, 248, 254 f., 257–260 Lutz, Alexandra 97 f., 108, 121, 125, 136, 143 f., 147, 150–152, 174, 195, 197, 216, 243, 250, 255 Luzzatto, Rachele 177 Lyncker, Baron 232 Lyncker, Freiherrin von, verh. von Crailsheim 222 Mächler, Ruth 166, 255 Maier, Johann 255 Margaretha Theresia, Infantin von Spanien 76 f. Margraf, Erik 115, 255 Maria Theresia, Kaiserin 193 Marra, Stephanie 176, 255 Mathesius, Johannes 105, 247 Mauchenheim, gen. Bechtoldsheim, Anna Elisabeth von 56–58 Mauchenheim, gen. Bechtoldsheim, Familie von 56 f. Mauchenheim, gen. Bechtoldsheim, Georg Fried‐ rich von 56 Mauchenheim‐Bechtolsheim, Hartmann Freiherr von 225, 255 Mecklenburg, Friedrich Wil‐ helm Herzog von 43 f.
Mecklenburg‐Schwerin, Karl Leopold von 226–233 Medici, Familie von 84 Medici, Maria von 85 Medick, Hans 18, 29, 96, 170, 252, 255 Mehlitz, Walter 255 Menius, Justus 103 Meyer, Anton 146 Meyer, Eheleute 157 f. Meyer, Gerd 133 Meyer, Gerichtsdiener 145 Meyer, Herman Henr. 156 Meyer, Samson 213 f. Michaelis, Karl 194, 255 Möhle, Sylvia 98, 147, 151 f., 173–175, 178 f., 217, 256 Molsberg, Georg Christoph von 57 Mönster, Caspar 146 Moser, Johann Jacob 66, 185, 187–189, 196, 226, 256 Müller, Maria E. 95, 256 Münch, Paul 48 f., 256 Mutschler, Thomas 36 f., 50– 54, 58–60, 74–76, 83, 256 Nagelmöller, Anna, verw. Schlüter 159 Napoleon I., Bonaparte 21, 198 Nassau‐Dietz, Hedwig Sophie Fürstin von 227–233 Nassau‐Katzenelnbogen, Ju‐ liana von, verh. Wild‐ und Rheingräfin von Salm 76 Nassau‐Siegen, Haus 35 Nassau‐Weilburg, Haus 45 Nassau‐Weilburg‐Ottweiler, Ludwig II. von 45
270 Register
Nave‐Herz, Rosemarie 93, 164, 166, 256 Neber, Johann Michael 216 f. Niebaums, Frau 144 f. Nolde, Dorothea 21 f., 98 f., 148, 151, 256 North, Michael 218, 256 Nowosadtko, Jutta 120, 256 Oberländer, Samuel 247 Oestmann, Peter 256 Opitz, Claudia 94, 96, 256, 258 Ortlieb, Eva 256 Overbeck, Barbara von 57 Overbeck, Maria Margareta von 57 Ozment, Steven 94, 256 Paulus 113, 180 Paumgartner, Kaufmannsge‐ schlecht 53 Pfalz, Sophie Prinzessin von 85 Philipps, Roderick 172 Phokas, Kaiser 232 Platter, Felix 57 f., 81 f. Plessen, Marie‐Louise von 84, 256 Pleticha‐Geuder, Eva 110, 256 Pröve, Ralf 43 f., 160, 256 Pufendorf, Samuel 126, 247 Puppel, Pauline 208, 256 Rauschenberg, Herren von 225 f. Rebhun, Paul 111 f., 119 f., 247 Rechberg, Bernhard Freiherr von 208–210 Rechberg, Isabella Katharina von 208–210
Rehbinder, Manfred 123, 256 Reinhardt, Wolfgang 95, 256, 258 Reinhold, Schulmeister 157 Riedel, Gottlieb F. 184, 243 Riepenhausen, Ernst Ludwig 51, 243 Riis, Thomas 256, 261 Rödel, Walter G. 257 Rohden, Frauke von 47, 123, 257 Roper, Lyndal 12, 94, 101, 257 Rörkaße, Albert 63 Rosen, Jochai 114, 257 Rosenwein, Barbara 257 Roth, Detlef 103, 257 Rothschild, Walter L. 181, 199, 257 Rotterdam, Erasmus von 101 Rubens, Peter Paul 85 Rublack, Ulinka 174, 257 Ruppel, Sophie 34, 37, 257 Rust, Ilsabe 63 Saale, Margarete von der 66 Sabean, David Warren 29, 96, 98, 170, 255, 257 Sachsen, Christina von, verh. Landgräfin von Hessen 66 Sachsen, Johann Friedrich I. der Großmütige von 103 Sachsen‐Gotha‐Altenburg, Friedrich II. Herzog von 231 Safley, Thomas 94, 257 Salm, Adolf Heinrich, Wild‐ und Rheingraf von 76 Salm, Friedrich, Wild‐ und Rheingraf von 76 f.
Register 271
Salm‐Grumbach, Johann Alb‐ recht Ludwig, Wild‐ und Rheingraf von 60 Sanchez, Thomas 126, 247 Sarcerius, Erasmus 103, 124 Särle, Magd 213 f. Schad, Martha 35, 53, 257 Schaller, Sabine 144, 257 Scharffenorth, Gerta 257 Schattkowsky, Martina 167, 249, 251, 253, 257, 259 Schaumburg‐Lippe, Friedrich Christian Graf von 61 Schayrer, Caspar 207 Schele, Generalleutnant von 160 Schilling, Heinz 257 Schilling, Michael 112, 248, 257 Schledehaus, Tabakmacher 128 Schlumbohm, Jürgen 129, 256 f. Schmid‐Bortenschlager, Sigrid 257 Schmidt, Constanine Friederi‐ ke 67 Schmidt, Georg 45, 257 Schmidt, Heinrich Richard 28, 94, 98, 135, 258 Schmidt‐Voges, Inken 89, 99, 103, 251, 255, 258 Schmidt‐Wiegand, Ruth 258 Schnell, Rüdiger 95 f., 101, 139, 258 Scholz‐Löhnig, Cordula 192, 194, 196, 258 Schönborn, Familie 38 f. Schönborn, Johann Philipp von 38 Schorn‐Schütte, Luise 121, 258
Schraut, Sylvia 37 f., 258 Schröder, Christiane 40 f., 258 Schulz, Rudolf 72, 258 Schulze, Zimmermeister 158 Schumann, Jutta 77 f., 258 Schuster, Ittla 68 f. Schuster, Moyses Isaac 68 f. Schwaben, Conrad Bernhard 227 Schwiterings, Frau 128 f. Seehase, Hans 125, 196, 258 Segalen, Martine 29 f., 258 Sehling, Emil 248 Seidel Menchi, Silvana 172 Shorter, Edward 19, 28, 258 Siebenhüner, Kim 174, 192, 195, 258 Sikora, Michael 64 f., 66 f., 97, 258 Smolinsky, Heribert 106, 258 Soergel, Philip M. 259 Solms, Haus 76 Solms‐Laubach, Johann Georg I., Graf von 45 Sommerfeld, Olga 167, 259 Spieß, Karl‐Heinz 166 f., 186 f., 208, 259 Staehelin, Andreas 259 Stambaugh, Ria 111, 248 Staudinger, Barbara 190, 213, 254, 259 Štefanová, Dana 203, 259 Stein, Graf 232 Stolberg, Anna Maria von 76 Stolberg, Ludwig Georg von 76 Stolleis, Michael 53, 259 Stolz, Joachim 191, 193–195, 259
272 Register
Stone, Lawrence 172, 259 Stotz, Elisabeth 65 Stretton, Tim 204, 259 Strohl, Jane 103, 259 Sturm, Samuel 114 f., 243 Sturm‐Heumann, Margarete 31, 44 f., 61–64, 71 f., 79, 248 Stüve, Gerichtsherr 128 f. Takada, Yasunari 259 Tanner, Klaus 252, 254, 259 Telemann, Georg Philipp 80 Tepen, Witwe 146 Teschler, Katharina 204 f. Tlusty, Beverly Ann 144, 259 Todd, Barbara J. 169, 259 Trepp, Anne‐Charlott 20, 96, 107, 259 Troßbach, Werner 227, 259 Tucher, Anton IX. 205 Ulbrich, Claudia 47, 93, 189, 213 f., 259 Ulbricht, Otto 98, 259 f. Vanja, Christina 95, 251, 257 f., 261 Vives, Juan Luis 102, 106 Vogel, Ursula 20, 127, 260 Vogelsang, Friedrich August von 38–40 Vogt, Johann Hermann 148– 150 Völger, Gisela 253–256, 258– 260 Völker‐Rasor, Anette 96, 160, 260 Voolen, Edward van 68, 81, 260
Wahl, Johannes 121, 260 Waldeck, Christian von 35 Waldeck, Haus 35, 38–40 Waldeck, Sophie Elisabeth von 38 f. Waldeck, Wolrad IV. von 35 Walter, Eheleute 139 f. Walter, Schuster 133 Walther, Stefanie 97, 260 Wamscheidt, Johann Werner Köthe von 57 Warner, Lyndan 169, 250 f. Washof, Wolfram 112, 260 Weber, Arndt 96, 117, 260 Weber, Catharina 156 f. Weber, Michel 156 f. Weber, Wolfgang, E. J. 36, 260 Weckel, Ulrike 111, 260 Wehler, Hans‐Ulrich 93, 260 Weigand, Rudolf 33, 260 Weilburg, Albrecht Graf von 45 Weimar, Peter 33, 260 Welser, Kaufmannsgeschlecht 53 Wengert, Friederich 216 Werkstetter, Christine 131, 166 f., 179, 202 f., 217, 260 Westerkamp, Eheleute 134, 145–152 Westerkamp, Jakob 146 Westerkamp, Johann Henrich 145–147 Westphal, Siegrid 9, 54, 95, 121, 163, 176, 185, 215–217, 221, 226, 248, 251, 256, 259–260 Wettlaufer, Jörg 82, 261 Weyda, Marcus von 104
Register 273
Wied‐Runkel, Wilhelm Graf von 45 Willoweit, Dietmar 64–66, 261 Willstätt, Hentla Samuel 214 Wittelsbach, Haus 34 Wolfe, Donald 93, 249 Wolff, Christian 126, 247 Wolffsheimer, Moses Beer 68 f. Wunder, Bernd 168, 261 Wunder, Heide 13, 15, 18, 36, 54, 57, 89, 93, 95, 101, 216, 250– 253, 255, 257–259, 261 Würgler, Andreas 110, 261 Wurmbrand, Graf 232
Ysenburg, Haus 75 f., 80, 256 Ysenburg, Johann Ernst von 76 Ysenburg, Sibylla Juliana von, verh. Wild‐ und Rheingräfin von Salm 75 f. Ysenburg, Wolfgang Ernst von 75 Zander‐Seidel, Jutta 121, 261 Zedler, Johann Heinrich 82, 91 f., 99, 117, 247
bibliothek altes Reich – baR■ herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal Als ein innovatives, langfristig angelegtes Forum für Veröffentlichungen zur Geschichte des Alten Reichs setzt sich die „bibliothek altes Reich – baR“ folgende Ziele: ■ Anregung zur inhaltlichen und methodischen Neuausrichtung der Erforschung des Alten Reichs ■ Bündelung der Forschungsdiskussion ■ Popularisierung von Fachwissen ■ Institutionelle Unabhängigkeit Inhaltliche und methodische Neuausrichtung■An erster Stelle ist die Gründung der Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ als Impuls für die interdisziplinäre Behandlung der Reichsgeschichte und deren Verknüpfung mit neuen methodischen Ansätzen konzipiert. Innovative methodische Ansätze, etwa aus der Anthropologie, der Geschlechtergeschichte, den Kulturwissenschaften oder der Kommunikationsforschung, wurden in den letzten Jahren zwar mit Gewinn für die Untersuchung verschiedenster Teilaspekte der Geschichte des Alten Reichs genutzt, aber vergleichsweise selten auf das Alte Reich als einen einheitlichen Herrschafts-, Rechts-, Sozial- und Kulturraum bezogen. Die Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ ist daher als Forum für Veröffentlichungen gedacht, deren Gegenstand bei unterschiedlichsten methodischen Zugängen und thematischen Schwerpunktsetzungen das Alte Reich als Gesamtzusammenhang ist bzw. auf dieses bezogen bleibt. Bündelung der Forschung■Durch die ausschließlich auf die Geschichte des Alten Reichs ausgerichtete Reihe soll das Gewicht des Alten Reichs in der historischen Forschung gestärkt werden. Ein zentrales Anliegen ist die Zusammenführung von Forschungsergebnissen aus unterschiedlichen historischen Sub- und Nachbardisziplinen wie zum Beispiel der Kunstgeschichte, der Kirchengeschichte, der Wirtschaftsgeschichte, der Geschichte der Juden, der Landes- und der Rechtsgeschichte sowie den Politik-, Literatur- und Kulturwissenschaften. Popularisierung von Fachwissen■Die „bibliothek altes Reich – baR“ sieht es auch als ihre Aufgabe an, einen Beitrag zur Wissenspopularisierung zu leisten. Ziel ist es, kurze Wege zwischen wissenschaftlicher Innovation und deren Vermittlung herzustellen. Neben primär an das engere Fachpublikum adressierten Monographien, Sammelbänden und Quelleneditionen publiziert die Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ als zweites Standbein auch Bände, die in Anlehnung an das angelsächsische textbook der Systematisierung und Popularisierung vorhandener Wissenbestände dienen. Den Studierenden soll ein möglichst rascher und unmittelbarer Zugang zu Forschungsstand und Forschungskontroversen ermöglicht werden. Institutionelle Unabhängigkeit■Zur wissenschaftsorganisatorischen Positionierung der Reihe: Die „bibliothek altes Reich – baR“ versteht sich als ein grundsätzlich institutionsunabhängiges Unternehmen. Unabhängigkeit strebt die „bibliothek altes Reich – baR“ auch in personeller Hinsicht an. Über die Annahme von Manuskripten entscheiden die Herausgeber nicht alleine, sondern auf der Grundlage eines transparenten, nachvollziehbaren peer-review Verfahrens, das in der deutschen Wissenschaft vielfach eingefordert wird. Band 1 Lesebuch Altes Reich Herausgegeben von Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal 2006. VIII, 283 S., 19 Abb. mit einem ausführlichen Glossar. ISBN 978-3-486-57909-3 Band 2 Wolfgang Burgdorf Ein Weltbild verliert seine Welt Der Untergang des Alten Reiches und die Generation 1806 2. Aufl. 2008. VIII, 390 S. ISBN 978-3-486-58747-0 Band 3 Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich Herausgegeben von Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Steffen Wunderlich 2007. 303 S. ISBN 978-3-486-57910-9 Band 4 Ralf-Peter Fuchs Ein ,Medium zum Frieden‘ Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges 2010. X. 427 S. ISBN 978-3-486-58789-0
Band 5 Die Anatomie frühneuzeitlicher Imperien Herrschaftsmanagement jenseits von Staat und Nation Herausgegeben von Stephan Wendehorst 2011. ISBN 978-3-486-57911-6 Band 6 Anette Baumann, Inken Schmidt-Voges, Siegrid Westphal Venus und Vulcanus Ehen und ihre Konflikte in der Frühen Neuzeit 2011. ISBN 978-3-486-57912-3 Band 7 Kaiser und Reich in der jüdischen Lokalgeschichte Herausgegeben von Stefan Ehrenpreis, Andreas Gotzmann und Stephan Wendehorst 2011. ISBN 978-3-486-70251-4 Band 8 Pax perpetua Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit Herausgegeben von Inken Schmidt-Voges, Siegrid Westphal, Volker Arnke und Tobias Bartke 2010. 392 S., 2 Abb., ISBN 978-3-486-59820-9