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German Pages 387 Year 2016
Schriften zur Rechtsgeschichte Band 177
Investitionen und ihre Risiken Zur Lage nicht geschäftsführender Anleger in Unternehmen des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit in Italien und Deutschland
Von
Clemens Butzert
Duncker & Humblot · Berlin
CLEMENS BUTZERT
Investitionen und ihre Risiken
Schriften zur Rechtsgeschichte
Band 177
Investitionen und ihre Risiken Zur Lage nicht geschäftsführender Anleger in Unternehmen des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit in Italien und Deutschland
Von
Clemens Butzert
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D30 Alle Rechte vorbehalten © 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-14945-2 (Print) ISBN 978-3-428-54945-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-84945-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die vorliegende Arbeit stellt meine Dissertation dar, die ich unter dem Titel „Verlustrisiken nicht geschäftsführender Investoren im Späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit in Italien und Deutschland“ im Juni 2015 am Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main zur Prüfung vorgelegt habe. Im Rahmen dessen habe ich anhand von archivalischen und editierten gesellschaftsrechtlichen Regelungen, Gesellschaftsverträgen, Registerauszügen, Handelsbüchern, Chroniken, Urteilssprüchen und Prozessmitschriften einige herausstechende Unternehmensund Beteiligungsmodelle samt der betreffenden Verlustrisiken für Investoren herausgearbeitet und einander gegenübergestellt. Einen Schwerpunkt nahm dabei zusätzlich die Erforschung von Herkunft und Entstehung dieser Investitionsmodelle ein, wobei ich hier vor dem Hintergrund weitverzweigter Handelsverbindungen sowohl in sowie zwischen Italien und Deutschland als auch in darüber hinausreichende Gebiete eine Analyse vorgenommen habe. Betreut wurde meine Forschungsarbeit durch Herrn Prof. Dr. Albrecht Cordes, dem ich für seine stets wertvollen Ratschläge, nicht zuletzt zur Themengestaltung, und die gute Begleitung sehr herzlich danke. Maßgeblich ermöglicht wurde die Anfertigung meiner Dissertation insbesondere auch durch ein Stipendium der International Max-Planck-Research School (IMPRS) for Comparative Legal History. Für diese großzügige Förderung sowie die hilfreiche fachliche Beratung durch die Mitglieder des Leitungsgremiums der IMPRS im Rahmen des begleitenden wöchentlichen Doktorandenkolloquiums, das immer wieder für hilfreiche Impulse sorgte, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Herrn Prof. Dr. Louis Pahlow danke ich über seine Tätigkeit im Leitungsgremium hinaus für die Erstellung des Zweitgutachtens zu meiner Arbeit. Schließlich bedanke ich mich bei meinen Eltern, Frau Wiltraud Feigl und Herrn Karl-Heinz Butzert, die mir als wichtige Unterstützer und Berater während der Arbeit an meiner Dissertation zur Seite gestanden haben. Darüber hinaus bin ich besonders Herrn Philipp Höhn, Frau Dr. Katrin Lack und Frau Tanja Schäfer für wertvolle Anregungen, Korrekturlesen, Übersetzungen oder Formatierungsarbeiten sehr dankbar sowie allen anderen Menschen, die mich fachlich oder persönlich auf dem Weg meiner Promotion begleitet haben. Langen, im April 2016
Clemens Butzert
Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Bisherige Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Das auf das römische mutuum zurückgehende Darlehen . . . . . . . . . . . 25 II. Der Rentenkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Das Seedarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Das depositum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 V. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Grundsätzliches zur commenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Einzelne Ausgestaltungen der commenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Historische Einordnung von commenda-Unternehmen . . . . . . . . . . 57 2. Die Handlungsvereinigung aus dem Constitutum Usus (Pisa) . . . . 59 3. Die venezianische collegantia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Die Handlungsvereinigung der colonna (Tabula di Amalfi) . . . . . . 66 5. Die entega (Ragusa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 6. Die Handlungsvereinigung aus den Statuten von Piacenza . . . . . . . 70 7. Die Handlungsvereinigung des Consolat de Mar . . . . . . . . . . . . . . 73 8. Ähnliche Unternehmensformen im deutschen Raum . . . . . . . . . . . . 78 9. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Das Anlagerisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Besonderheiten in mehrseitigen commendae . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) Commenda-Unternehmen auf dem Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 d) Die Kapitalanleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 e) Der gesellschaftsrechtliche Status von commenda-Formen . . . . 85 f) Auseinandersetzung mit der älteren Forschung . . . . . . . . . . . . . 86 D. Verlustrisiken in der compagnia Italiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Die Vereinigung der compagnia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung und Entstehung . . . . . . . . . . 90 2. Gründe für die Entwicklung der compagnia auf dem Land . . . . . . 95 3. Rechtsperson und Haftungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4. Vergleich der compagnia mit der commenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
8 Inhaltsverzeichnis II.
Investitionen nicht Geschäftsführender als Darlehens- und Depositengeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 III. Investitionen nicht Geschäftsführender als Gesellschafter . . . . . . . . . . 103 1. Beispielfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Ursprüngliches Fehlen einer Beschränkung des Anlagerisikos . . . . 108 3. Die acomandigia (Florenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Gesetz über die accomandita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Gesetzessystematischer Ursprung der accomandita . . . . . . . . . . 118 c) Gründe und Absichten in der Einführung der accomandita . . . 122 d) Hintergründige Situation in Florenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 e) Vergleich mit der Situation in Siena von 1298 . . . . . . . . . . . . . 130 f) Praktische Anwendung der accomandita . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Frühzeit der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Eintragungen im florentinischen Register . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4. Haftungsbeschränkungen in weiteren italienischen Städten . . . . . . . 146 a) Lucca . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Genua . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Bologna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 d) Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 e) Siena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 f) Fehlen von Haftungsbeschränkungen andernorts . . . . . . . . . . . . 155 5. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I. Gesellschaften in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung und Haftungsverhältnisse . . 159 2. Gesellschaften in Norddeutschland und Süddeutschland im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 II. Investitionen nicht geschäftsführender Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . 169 III. Anfänge von Haftungsbeschränkungenfür nicht geschäftsführende Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Erste Risikobeschränkungen in Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Haftung in der Gesellschaft der Familie Meuting (Augsburg) . . . . 172 3. Haftung in der Halbysen-Gesellschaft (Basel) . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 4. Haftung in der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft . . . . . . . 177 5. Haftung in der Gesellschaft der Popplau (Breslau) . . . . . . . . . . . . . 179 6. Haftung in der Diesbach-Watt-Gesellschaft (St. Gallen) . . . . . . . . . 180 7. Haftung in der Ruland-Gesellschaft (Ulm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 8. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 . . . 182 1. Die Regelungen und ihre Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Beteiligungsverhältnisse – Bedeutung des gedings . . . . . . . . . . 184
Inhaltsverzeichnis9 b) Haftungsumfang der nicht geschäftsführenden Gesellschafter . . 193 c) Außenhaftung der nicht geschäftsführenden Gesellschafter . . . . 197 d) Zwischenbetrachtung – Vergleich mit der florentinischen accomandita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Beweggründe und Interessen bezüglich der Haftungsbeschränkung . 203 a) Einleitend zur wirtschaftlichen Situation in Nürnberg . . . . . . . . 203 b) Allgemeine Motive der Stadt Nürnberg zu einer Haftungs beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 c) Beeinflussung des Erlasses des Privilegs durch den Streit Arzt-Paumgartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 aa) Verlauf der Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 bb) Bezug des Privilegs zur Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 cc) Bestrebungen und Interessen der Beteiligten . . . . . . . . . . . . 223 (1) Bestrebungen und Interessen der Familie Paumgartner . 224 (2) Bestrebungen und Interessen der Stadt Nürnberg . . . . 227 d) Zwischenbetrachtung – Vergleich mit der florentinischen accomandita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Herkunft der Regelung zur Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . 231 a) Mögliche unabhängige Entwicklung in Nürnberg . . . . . . . . . . . 232 aa) Inhalt der Entwürfe und des späteren Privilegs . . . . . . . . . . 232 bb) Die Haftungsbeschränkung als situationsgemäßes Erfordernis und individuelle Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 b) Möglicher Transfer des Gesellschaftsmodells aus Italien – Florenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 aa) Andere Rechtsübernahmen aus Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 bb) Andere Rechtsübernahmen aus Florenz . . . . . . . . . . . . . . . . 238 cc) Mögliche Übernahme der beschränkten Haftung aus Florenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (1) Wortlaut des Privilegs im Vergleich mit dem Gesetz aus Florenz von 1408 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (2) Handelsverbindungen zwischen Süddeutschland und Norditalien – Florenz und Nürnberg . . . . . . . . . . . . . . . 242 (a) Warenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (b) Finanzgewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (3) Verbindungen über die Ausbildung in Italien . . . . . . . . 251 (a) Ausbildung in Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (b) Ausbildung in Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (4) Deutsche Handwerker in Norditalien . . . . . . . . . . . . . . 257 (5) Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (6) Beziehungen einzelner Nürnberger Ratsmitglieder zu Norditalienern – Florentinern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (a) Familien Rummel und Kress . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (b) Familie Paumgartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (c) Familie Imhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
10 Inhaltsverzeichnis (d) Familie Pirckheimer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (e) Familie Tetzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (f) Familie Tucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (g) Familie Mendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (h) Andere Italienkaufleute aus dem Rat . . . . . . . . . . . 271 (i) Nicht im Rat sitzende Kaufleute . . . . . . . . . . . . . . 272 (7) Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (8) Indirekter Transfer der Haftungsbeschränkung aus Florenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (a) Beeinflussung Nürnbergs aus Augsburg, Breslau oder anderen Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (b) Herkunft der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . 278 dd) Ergebnis zur Rechtsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 V. Gesetzliche Ausformungen nach Erlass des Privilegs in Nürnberg . . . 283 1. Reformation von 1479 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 2. Reformation von 1564 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 VI. Anwendung der normierten Haftungsbeschränkung in Nürnberg . . . . 290 1. „Zufällige“ Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Aktiv investierende Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 a) Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Produktionsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 3. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 VII. Normierung und Anwendung einer Haftungsbeschränkung in anderen Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Frankfurt am Main . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Lüneburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 VIII. Nicht geschäftsführende Gesellschafter in Städten ohne eine Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 1. Fälle aus Süd- und Mitteldeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) „Zufällige“ Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Aktiv investierende Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 aa) Augsburger Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 bb) Die Gesellschaft der Popplau (Breslau) . . . . . . . . . . . . . . . . 326 cc) Pruner-Rietwieser Gesellschaft (Leipzig / Antwerpen) . . . . . 327 dd) Eine Handwerksgesellschaft aus Straßburg . . . . . . . . . . . . . 328 ee) Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft . . . . . . . . . . . 328 ff) Einlage des Professors Christoph Kuppener (Leipzig / Meißen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 2. Fälle aus Norddeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 3. Gründe für die Ablehnung der Kodifikation einer Haftungs beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 IX. Ergebnis zu den deutschen Regelungen bis ins 16. Jahrhundert . . . . . 337 F. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
Inhaltsverzeichnis11 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 I. Nicht editierte Handschriftenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 II. Drucke und Quelleneditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 III. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Gemälde (Öl auf Leinwand) von Leandro Bassano: Der Wechsler Orazio Lago, seine Frau und ein Klient, Venedig um 1590 / 1600, in: Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. GG_343 (Abgedruckt mit Genehmigung des KHM-Museumsverbands Wien. Die weitere Vervielfältigung dieses Abdrucks ist untersagt.).
Das Bild zeigt eine bankbetriebliche Situation, in der ein Wechselgeschäft, also eine Finanz- beziehungsweise Geldanlagetransaktion, abgewickelt wird.1 Der Klient übergibt dem Wechsler Orazio Lago mit der rechten Hand einen an diesen adressierten Brief. Gleichzeitig greift seine linke Hand einen Beutel, der vermutlich Geldmünzen enthält, wobei neben und unter dem Beutel weitere einzelne Münzen liegen. Orazio Lago hat gerade einen Eintrag in sein vor ihm liegendes Kontoführungsbuch getätigt oder ist im Begriff, etwas einzutragen.2 Möglicherweise ist die Situation so zu interpretieren, dass der Klient einen zuvor erworbenen Wechselbrief einlöst und dafür von Lago einen Bargeldbetrag erhält, das sich in dem Beutel befindet. Mit den offen liegenden Einzelmünzen wollte der Künstler wohl die bankgeschäftliche Szenerie anschaulich verdeutlichen. 1 Zum
Wechselgeschäft, siehe unten S. 31–35. Art & Accounting, S. 28; vgl. Coliva, The Sanpaolo Banco di Napoli art collection, S. 98. 2 Yamey,
A. Einführung Die Untersuchung, die dieser Arbeit zugrunde liegt, behandelt die Risikogestaltung für nicht geschäftsführende Investoren in Unternehmungen hauptsächlich im italienischen und deutschen Raum1 in der Zeit des Spätmittelalters bis in die frühe Neuzeit, die auf Zusammenschlüssen von Personen basierten. Bezüglich des deutschen Raums wird im Schwerpunkt der Süden erforscht.
I. Fragestellung Ein vermögender Bürger musste Vermögenswerte, die er gewinnbringend anlegen wollte, einem Kaufmann übergeben, damit dieser das Vermögen gewinnbringend einsetzt, wenn der Anleger nicht selbst geschäftlich aktiv werden wollte. Der handelnde Kaufmann sollte dem nicht geschäftsführenden Geldgeber nach Abschluss der Unternehmung möglichst einen höheren als den eingesetzten Betrag auszahlen. Der Kapitalanleger wählte ein Anlageinstrument vorrangig nach dessen Gewinnaussichten und dem damit verbundenen Verlustrisiko, dessen Höhe noch heute bei Geldanlagen dafür maßgeblich ist, wie hoch der mögliche Gewinn ausfällt. Das Verlustrisiko war für einen Investor als das zentrale Element ausschlaggebend für die Entscheidung, welche Anlageform er für seine Investition wählte. Das Risiko der Unternehmung des Kaufmanns, der das Investitionskapital annahm und einsetzte, bestimmte sich zunächst nach Art und Weise des geplanten Geschäfts. Das jeweilige Geschäftsrisiko wurde im Rahmen des ausgewählten Anlagemodells inklusive einer Aussicht auf einen Gewinnanteil dann an den nicht geschäftsführenden Anleger weitergegeben. Das Interesse der Anleger an einem möglichst niedrigen Investitionsrisiko verknüpft mit dem auf den Unternehmern lastenden Druck, für ihre expandierenden Handelsund Produktionsbetriebe stetig frisches Geld zu generieren, führte zu großer Kreativität und Experimentierfreudigkeit in der Erfindung von Anlagemodellen. So wurden im Handelsverkehr des ausgehenden Mittelalters die verschiedensten Unternehmensmodelle erprobt. Zunächst die Kaufleute des Mittelmeerraums nutzten verschiedene Investitionsinstrumente für ihre See1 Unter „Italien“ und „Deutschland“ werden in dieser Arbeit nicht die heutigen Staaten verstanden, sondern der geografische Großraum der italienischen Halbinsel beziehungsweise das Gebiet des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation.
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A. Einführung
handelsunternehmungen, in denen das Risiko aufgrund der Reisen in oft noch unbekanntes Terrain und der allgemeinen Gefahren auf See durch Wetter und Piraten stets hoch ausfiel und die entscheidende Rolle in der Gestaltung von Gewinn und Verlust des Anlegers spielte.2 Hier erprobten die Handelsgesellschaften im Übrigen schon solche Kapitalanlagemodelle, die im Rahmen des Kolonialhandels, der ab dem 16. Jahrhundert einsetzte, erforderlich wurden. Diese Arbeit beschäftigt sich daher elementar mit der Frage, wie Konstruktionsmöglichkeiten der Kapitalanlage und insbesondere das diesbezügliche Verlustrisiko für den Anleger in Theorie und Praxis gestaltet waren. Dazu wird eine Vielzahl von Investitions- und Unternehmensmodellen aufgeführt und einander gegenüber gestellt und die jeweiligen Merkmale dieser Modelle herausgearbeitet und miteinander verglichen. Der nicht geschäftsführende Kapitalanleger könnte unter den jeweiligen Bedingungen eines Anlagemodells nur den Verlust seiner Einlage oder überhaupt keine Einbußen zu befürchten gehabt haben. Andererseits könnte er dazu verpflichtet gewesen sein, Einlagevermögen nachzuschießen, wenn das Kapital des Unternehmens aufgebraucht war. Nicht an der Geschäftsführung beteiligt zu sein, wird dabei so verstanden, dass der Investor keine Aufgabe übernimmt, die der alltäglichen Führung und Arbeit des Unternehmens dient. Ausnahmen können sich in Einzelfällen ergeben, wenn der Investor Hilfsaufgaben weit unter der Ebene der Unternehmenssteuerung wahrnimmt, keinen Einfluss auf Geschäftsabläufe ausübt und keinen Einblick in die Geschäftsunterlagen als Ganzes hat, wobei sein Status mit dem eines nicht geschäftsführenden Beteiligten vergleichbar ist.3 Die Arbeit behandelt im Zuge dessen alleine Investitionsverhältnisse unter natürlichen Personen, beziehungsweise Personengesellschaften. Investitionen in Kapitalgesellschaften werden nicht untersucht. Personen und Personenvereinigungen konnten in vielerlei Weise in Unternehmen investieren. So konnte zum Beispiel Geld gegen einen Gewinn an einen Kaufmann verliehen oder in anderer Weise in eine irgendwie geartete institutionalisierte Unternehmensform investiert werden. Zu erforschen sind 2 Beispielvereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 56 f. (Nr. 517), 69 f. (529), 301 f. (776). 3 Hier kann auf Souchay verwiesen werden, der in seinem Kommentar von 1848 zur Frankfurter Reformation einem nicht geschäftsführenden Gesellschafter „eine gelegentliche Einsicht in die Führung des Geschäfts, die Ertheilung eines Rathes dieserhalb, die Verrichtung einer oder der anderen Arbeit für die Handlung“ zugestand, ohne dass dadurch die Geschäftsleitung „in seine Hand gebracht“ und er zum „gewöhnlichen Theilhaber“ würde. Souchay, Anmerkungen zur Reformation der Stadt Frankfurt, Bd. 1, S. 502.
I. Fragestellung17
zunächst Darlehens- und Kreditverhältnisse, wie Seedarlehen4 und Depositeneinlagen5, die im Untersuchungszeitraum gebräuchlich waren. Da nicht immer klar ist, ob der Geldgeber in jedem Fall, also auch bei Fehlschlagen des Handelsunternehmens, seinen Rückzahlungsanspruch behielt, wird genau herausgearbeitet, ob der Rückzahlungsanspruch dem Investor bei einer verlustreichen Unternehmung als eine Art Konkursforderung erhalten blieb und wie genau das Investitionsrisiko ausfiel. Die Untersuchungen beschäftigen sich dabei zunächst grundsätzlich mit dem italienischen Wirtschaftsraum und dann erst mit dem deutschen, da sich in Italien die für nahezu ganz Europa vorbildlichen wirtschaftlichen Geschäftsabläufe inklusive der handels- und gesellschaftsrechtlichen Grundlagen entwickelten. In den Handelsstädten Norditaliens wie Venedig, Florenz, Genua, Bologna, Siena und Pisa waren als Zentren des wirtschaftlich prosperierenden Mittelmeerraums die fortschrittlichsten Handelspraktiken zu beobachten. In einem Schwerpunkt der Arbeit werden also Unternehmensformen untersucht, die aus dem Mittelmeerraum stammten und im Hochmittelalter bis in die frühe Neuzeit angewendet wurden. Diese waren strukturell und regio nal verschieden ausgeprägt. Das bezieht sich insbesondere auf eine Unternehmensform, die zum Beispiel in Genua „accommenda“ genannt wurde, und auf die Handelsgesellschaft der „compagnia“ oder „societas“.6 Es soll hauptsächlich erforscht werden, wie das einzugehende Investitionsrisiko in institutionalisierten Unternehmensformen, die auf Zusammenschlüssen von Personen basierten, gestaltet war. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der Entstehung der am ehesten mit der heutigen offenen Handelsgesellschaft der §§ 105 ff. HGB vergleichbaren compagnia, die im Vergleich zu den eher lockeren Unternehmenszusammenschlüssen der commenda ab dem 15. Jahrhundert einschneidender weiterentwickelt wurde. Darin, wie möglicherweise auch in Formen der commenda, könnten Hinweise auf frühe Strukturen der Kommanditgesellschaft zu entdecken sein, die im heutigen Gesellschaftsrecht das Risiko des finanziellen Engagements nicht geschäftsführender Gesellschafter auf die Höhe des jeweiligen Anlagebetrags beschränkt. Nach 4 Beispielvereinbarungen, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 17 (Nr. 32), S. 56 f. (Nr. 104, 106), S. 63 (120), S. 95 f. (179, 180), S. 119 f. (Nr. 224), S. 193 f. (Nr. 370). 5 Beispielvereinbarungen zu deposita, in: Regesten Nr. 119, 124, in: Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 550 f. 6 Die Ausdrücke „commenda“ und „compagnia“ werden in dieser Arbeit zur besseren Darstellung als Synonyme und allgemeine wissenschaftliche Ordnungsbeziehungsweise Oberbegriffe für die betreffenden Unternehmensverhältnisse verwendet, sind aber nicht als historisch allgemeingebräuchliche Bezeichnungen zu verstehen.
18
A. Einführung
§ 161 Abs. 1 HGB haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. Die Kommanditisten sind mit den Beträgen ihrer Einlagen nach § 162 Abs. 1 S. 2 HGB zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden und treten insgesamt als Gesellschafter, im Gegensatz zu stillen Gesellschaftern gemäß den §§ 230 ff. HGB, nach außen in Erscheinung. Die moderne Struktur des Gesellschaftsrechts wurzelt in den Regelungen des ADHGB von 1861. Die heutige Kommanditgesellschaft entstammt den Art. 150 ff. ADHGB und beispielsweise die stille Gesellschaft den Art. 250 ff. ADHGB, wobei sich die Kommanditgesellschaft wie auch die stille Gesellschaft seitdem kaum verändert haben. In dieser Arbeit wird geklärt, ob und wann Vorstufen dieser modernen Gesellschaftsformen, obgleich diese nicht in ihrer heutigen Prägung in die Zeit des Mittelalters und der frühen Neuzeit zurückprojeziert werden dürfen, als erste Anzeichen in italienischen und deutschen Regelungen zu entdecken waren. Nach ihrer ursprünglichen Form hatten in der italienischen compagnia alle Gesellschafter7 eines Unternehmens wohl gleichermaßen für Verbindlichkeiten einzutreten, die im Namen der Gesellschaft eingegangen worden waren. Dabei war unerheblich, wie groß ihr Gesellschaftsanteil ausfiel und ob sie in der Geschäftsführung der Gesellschaft mitwirkten oder nicht.8 Für die nicht in die Geschäftsführung involvierten Gesellschafter ergab sich ein unkalkulierbares Risiko finanzieller Verluste, die bis zum persönlichen Bankrott führen konnten. Um diesem Problem zu begegnen, entwickelte zuerst die norditalienische Handelsstadt Florenz eine Form einer Haftungsbeschränkung. Im Rahmen dieses Anlagemodells namens „accomandita“ musste ein nicht geschäftsführender Gesellschafter nur noch in der Höhe seines Anteils für Schulden der Gesellschaft aufkommen.9 Seine „Haftung“ gegenüber Gläubigern der Gesellschaft war dabei also beschränkt. Darin könnten, abhängig von der vorzufindenden Form der nach außen gerichteten Zahlungsverpflichtung, die heute als „Haftung“ bezeichnet wird, bereits grundlegende Elemente eines Kommanditisten der heutigen Kommanditgesellschaft vorliegen. Im deutschen Sprachraum wurde eine der italienischen accomandita ähnliche Form zur Begrenzung der Zahlungsverpflichtung aus vergleichbaren 7 Mit dem Ausdruck „Gesellschafter“ sind in dieser Arbeit, ähnlich dem heutigen Sinn, Anteilsinhaber eines aus mehreren nach außen auftretenden Personen bestehenden Unternehmenszusammenschlusses gemeint, die im Verhältnis ihrer eingelegten Vermögensanteile zueinander an Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt sind. 8 Siehe dazu zum Beispiel eine Regelung in Lib. 2, Rubr. 9 der Statuten aus Lucca von 1376, Regelung, in: Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [446 f.]. 9 Regelung, in: Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 10–13.
I. Fragestellung19
Gründen für nicht geschäftsführende Gesellschafter zuerst im Jahr 1464 in einem kaiserlichen Privileg an die Stadt Nürnberg generell normiert.10 Die Ursprünge, die Entstehung und die praktische Anwendung dieser Regelung zur Risiko- und Haftungsbeschränkung werden in einem weiteren Schwerpunkt dieser Arbeit erforscht. Insbesondere ist zunächst auch der Inhalt des Privilegs für Nürnberg von 1464 ausführlich hinsichtlich seiner wörtlichen Bedeutung zu interpretieren, da sein Regelungsinhalt bisher umstritten war. Im Rahmen dessen wird zudem darauf eingegangen, welche Interessen und Ziele hinter dieser im deutschen Raum völlig neuen Haftungsregelung standen und welche Personen an dessen Entstehung mitgewirkt hatten. Von Interesse ist dabei nicht zuletzt ein konkreter Rechtsstreit, der zum Erlass der Haftungsbeschränkung von 1464 beigetragen haben könnte. Dieser handelte von dem Nürnberger Kaufmann Anton Paumgartner, der gegen die Stadt Nürnberg auf Zahlung von einigen tausend Gulden klagte. Dies begründete er damit, dass die Stadt ihn zur Zahlung von Schulden einer Gesellschaft, an der seine Ehefrau als nicht geschäftsführende Gesellschafterin beteiligt war, gezwungen habe. Da es hier gerade um einen Sachverhalt ging, auf den die Haftungsbeschränkung des Privilegs von 1464 anwendbar gewesen wäre, liegt ein Zusammenhang nahe.11 Zusätzlich werden Regelungen anderer deutscher Städte und vertragliche Haftungsbeschränkungen einzelner Gesellschaften untersucht. So haben nach der Stadt Nürnberg auch Frankfurt am Main12 und Lüneburg13 ähnliche Regelungen zur Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Investoren erhalten. Außerdem waren in einigen Gesellschaftsverträgen von Unternehmen aus anderen deutschen Handelsstädten, die nicht über generelle Haftungsbeschränkungen verfügten, solche Regelungen in privatschriftlicher Form vorhanden.14 Es ist im Einzelnen für jede dieser generell normierten und privat geregelten Gesellschaftsformen gesondert zu betrachten, wie zwischen den Beteiligten die Haftungsverhältnisse ausgeprägt waren, und insbesondere, welches Anlagerisiko nicht geschäftsführende Gesellschafter zu tragen hatten. Aufgrund seiner Vorreiterrolle in der Normierung des Gesellschaftsrechts im deutschen Raum und der Vielzahl an dort vor10 Privileg
im Original, in: Staatsarchiv Nürnberg, Kaiserprivilegien Nr. 475a, b. in: Hofbibliothek und Stiftsbibliothek Aschaffenburg, Stiftsbibliothek, Ms. Pap. 9; Vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [252 f.]. 12 Regelung, in: Der Statt Franckenfurt erneuwerte Reformation, S. 128 b. 13 Regelung, in: Pufendorf, Observationes Juris Universi, Bd. 4, Appendix, S. 697 f. 14 Siehe z. B. eine solche Regelung im Gesellschaftsvertrag des Unternehmens der Familie Höchstetter von 1524, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 39 [42 f.]. 11 Prozessmitschrift,
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A. Einführung
handenen Handelsgesellschaften wird dabei besonders die Situation in Süddeutschland betrachtet.15 Weiter wird bezüglich der Herkunft der deutschen Risikobeschränkung umfangreich untersucht, ob und inwieweit die italieni sche Regelung der accomandita im Reich rezipiert und weiterentwickelt wurde beziehungsweise ob die Haftungsbeschränkung des Nürnberger Privilegs von 1464 in irgendeiner Weise auf der florentinischen basierte. Für einen solchen denkbaren Transfer bestehen einige Anhaltspunkte, wobei bereits die ausgeprägten wirtschaftlichen Beziehungen der Nürnberger Kaufleute in den norditalienischen Raum anzuführen sind. Auch ließ sich die Stadt Nürnberg auf rechtlicher Ebene von italienischen Juristen beraten.16
II. Quellenlage Als themenrelevanter Quellenbestand werden für diese Forschungsarbeit vornehmlich solche gesellschaftsrechtlichen Regelungen einiger Städte und Territorien, Gesellschaftsverträge, handelsgerichtlichen Registerauszüge, Handelsbücher, Chroniken, Urteilssprüche und Prozessmitschriften verwertet. Darunter finden sich einerseits Quellen, die regelmäßig in der wirtschaftsrechtsgeschichtlichen Forschung herangezogen werden, da diese in vielerlei Hinsicht grundlegende Entwicklungsschritte enthalten. Andererseits werden aber auch einige Primär- und Sekundärquellen betrachtet, die in der bisherigen Forschung noch keine oder wenig Beachtung gefunden haben. Es wird dabei großen Wert darauf gelegt, einen möglichst umfangreichen und breit gefächerten Quellenbestand zu analysieren, um letztlich aussagekräftige und stichhaltige Ergebnisse zu erhalten, die zudem zeitlich und regional vergleichend gegenüber gestellt werden können. Die Grundlage bilden, nicht zuletzt da sie heute gut verfügbar sind, die Gesetze selbst, die jeweils den rechtlichen Rahmen der untersuchten Kapitalanlagemodelle und ihrer Verlustrisiken enthalten. Hier werden die einschlägigen italienischen, deutschen und anderen städtischen und territorialen Normierungen und Rechtssammlungen verwendet, wie für Italien und den Mittelmeerraum zum Beispiel die Gesetzessammlungen von Jean Marie Pardessus, Francesco Bonaini oder Guiseppe Maria Casaregi. Außerdem wird auf Gesellschaftsverträge und andere privatschriftliche Vereinbarungen zurückgegriffen, insbesondere wenn mancherorts, wie speziell im deutschen Raum, keine generellen Regelungen bestanden. Von Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 14–16. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [253 f.]. 15 Vgl. 16 Vgl.
II. Quellenlage21
solchen Übereinkommen ist für die großen deutschen Handelsunternehmen eine Vielzahl in editierter Form überliefert. Unter anderem im zweiten Band von Elmar Lutz über die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften in der Zeit der Fugger von 1976 finden sich Gesellschaftsverträge, die aus verschiedenen Städten und Handelsunternehmen stammen. Nicht weniger relevante Vereinbarungen zu Nürnberg und anderen Städten enthalten Schriften von Gisela Möncke (1982), Klaus Kammerer (1977), Josef Strieder (1908), Max Jansen (1910), Werner Schultheiß (1968), Hans Rott (1936) oder das Urkundenbuch der Historischen Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt (1915). Zu Frankfurter Gesellschaften sind bei Anja Amend-Traut (2009 und 2013) oder Georg Ludwig Kriegk (1871) Quellen zu finden. Diese Unterlagen dienen auch dazu, den Handelsalltag und die gesellschaftsrechtliche Praxis der Kaufleute in der Anwendung der Normen und der verschiedenen Investitions- und Unternehmensmodelle zu erforschen. Für die italienischen Städte, die alle schon im 13. oder spätestens im 14. Jahrhundert über eine ausgeprägte Gesellschaftsrechtsgesetzgebung verfügten, wird unter anderem die Edition des Registers des genuesischen Notars Giovanni Scriba von Mario Chiaudano, Mattia Moresco und Federico Patetta (1935) zu Rate gezogen, die Vereinbarungen über verschiedene Darlehensformen und Unternehmen als commenda oder compagnia enthält. Unternehmensspezifische Entscheidungen der Rota von Genua sind bei Benevenuto Straccha (1669) verfügbar. Weitere editierte Unternehmensübereinkommen aus Venedig sind zu finden bei Raimondo Morozzo della Rocca und Antonino Lombardo (1940) und Henry Simonsfeld (1887) oder aus anderen Orten in der Schriftensammlung des Revue de l’Orient Latin (1893) und bei Louis Blancard (1884). An nicht editierten Unternehmensvereinbarungen sind zum Beispiel digitalisierte Unterlagen aus den Staatsarchiven Messina und Palermo verfügbar. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Register über die haftungsbeschränkte Anlageform der accomandita, das ab dem Jahr 1444 geführt wurde, aus dem Staatsarchiv in Florenz. Andere editierte Unterlagen zum Geschäftsleben in Florenz können eingesehen werden zum Beispiel bei Alfred Doren (1901) und Robert Davidsohn (1901). Zur gewerblichen Praxis im deutschen Raum sind vielfältige Dokumente über einzelne Handelsgesellschaften hilfreich, so zum Beispiel die Regestenbände des Bayerischen Hauptstaatsarchivs über Entscheidungen des Reichskammergerichts, die Rechtsstreitigkeiten von Nürnbergern und Kaufleuten anderer bayrischer Handelsstädte betreffen. Für Frankfurt ist hier auf das von Inge Kaltwasser (2000) zusammengestellte Inventar der Akten des Reichkammergerichts, die die Reichsstadt Frankfurt am Main betreffen, hinzuweisen. Auch die von Wilhelm Ebel gesammelten Lübecker Ratsurtei-
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A. Einführung
le (1956–1967) helfen weiter. Andere offizielle Unterlagen sind zum Beispiel bei Martin Schieber (1995) in den Nürnberger Ratsverlässen, im Urkundenbuch der Stadt Frankfurt von Johann Friedrich Böhmer (1836) oder in den Bänden der Reihe der Regesta Imperii zu finden. An außergerichtlichen und nicht offiziellen Quellen, die über das Handelsleben und die Unternehmen der Kaufleute Aufschluss geben, werden unter anderem allgemeine Chroniken untersucht, wie die Augsburger Chronik des Clemens Sender, die in Band 4 (Augsburg) der Chroniken der schwäbischen Städte überliefert ist (1894) oder die Nürnberger Schedel’sche Weltchronik von 1492. Zu individuellen Geschäften und innergesellschaftlichen Verhältnissen der Unternehmen werden des Weiteren interne Handelsbücher und Geschäftsunterlagen der einzelnen Gesellschaften eingesehen. Dafür sind jeweils Bücher zu den verschiedenen Handelsfamilien relevant, wie von Franz Bastian zum Runtingerbuch (1935), Konrad Dieterich Hassler zu Ott Rulands Handlungsbuch (1843), Benedict Greiff zum Tagebuch des Lukas Rem (1861) und das in Band 4 (Nürnberg) der Chroniken der fränkischen Städte (1872) überlieferte Büchel von meim geslechet und von abentewr Ulman Stromers. Informationen zu anderen Familiengesellschaften sind zu finden bei Hermann Konrad Wilhelm Hering (1845) über die Familie Loitz, Eugen Nübling (1917) über die Lauginger-Gesellschaft, Gerhard Hirschmann (1950) über die Familie Muffel, Christa Schaper (1973) über die Familie Hirsch vogel, Helga Jahnel (1950) über die Familie Imhoff, Hermann Nehlsen (1967) über die Familie Snewlin, Ludwig Petry (1935) über die Familie Popplau, Franz Lerner (1953) über die Familie Holzhausen und Wilhelm Krag (1919) und Karl Otto Müller (1955) über die Familie Paumgartner. Zur Familie Paumgartner wird zudem eine vorliegende Prozessmitschrift aus der Hofbibliothek und Stiftsbibliothek Aschaffenburg untersucht. Das betreffende Verfahren handelte von dem schon erwähnten Streitfall des Anton Paumgartner gegen die Stadt Nürnberg, der mit dem Erlass der Haftungsbeschränkung in dem Privileg für Nürnberg von 1464 in Verbindung gestanden haben könnte. Zur Entstehung des Privilegs werden des Weiteren einige Entwürfe dessen aus dem Staatsarchiv Nürnberg betrachtet. Außer den genannten und anderen Quellen wird, nicht zuletzt bezüglich nicht überlieferter oder schwer zugänglicher Quellen, auf Sekundärliteratur zurückgegriffen, die Quellenauszüge mitenthält.
III. Bisherige Forschung Wie sich Anlage- und Gesellschaftsmodellen samt ihren Haftungsverhältnissen historisch entwickelt hatten, wurde zunächst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgiebig erforscht, als diese Themen wegen des neuen
III. Bisherige Forschung23
deutschen Handels- und Gesellschaftsrechts verstärkt in den Blick geraten waren. Darlehensverhältnisse fanden sich in mehr und mehr gefestigten Regelungen wieder und das ADHGB von 1861 revolutionierte das Gesellschaftsrecht. Im ADHGB waren bereits die heute gebräuchlichen Gesellschaftsformen normiert, wobei nicht zuletzt auch die Kommanditgesellschaft in Art. 150 ff. zum ersten Mal geregelt wurde. Die Fortschritte in der deutschen Gesetzgebung im Handels- und Gesellschaftsrecht uferten schließlich in das HGB von 1897. Angesichts der neuen Normen fragte man mehr und mehr nach den historischen Hintergründen und Entwicklungsschritten von Darlehensverhältnissen, stiller Gesellschaft, offener Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft. So suchten Rechtshistoriker, wie in erster Linie Paul Laband (1864 / 1885), Achilles Renaud (1881 / 1885), Friedrich Gustav Adolf Schmidt (1883), Max Weber (1889), Levin Goldschmidt (1891), Gustav Lastig (1879–1907), Max Hacman (1911), Paul Rehme (1913) und Willy Silberschmidt (1915) im mittelalterlichen und früh-neuzeitlichen Gesellschaftsrecht in depositum, Seedarlehen, commenda, compagnia, societas, accomandita und anderen Rechtsfiguren nach Vorläufern der aktuellen deutschen Investitions- und Unternehmensbeteiligungsformen. Es entbrannten Diskussionen zum Beispiel darüber, ob und in welchem südeuropäischen oder deutschen Unternehmensmodell bereits die moderne Kommanditgesellschaft vorgeprägt gewesen, beziehungsweise, aus welchem sie entstanden wäre. Die Hauptcharakterisierungsmerkmale wurden dabei in der Art der Teilhabe an der Geschäftsführung und an Gewinnen und Verlusten des Unternehmens gesucht. Im Laufe des 20. Jahrhunderts veränderte sich die Forschungsdiskussion weitgehend und man versuchte nicht mehr, den aktuellen Unternehmenstypen einen konkreten historischen Vorläufer zuzuordnen. Insgesamt schwand überhaupt etwas das historische Interesse am handels- und gesellschaftsrechtlichen Bereich. Umso mehr waren und sind die Ergebnisse der älteren Forschung als wesentliche Grundlagen einzuschätzen, auf die in vielen Punkten immer noch zurückgegriffen werden kann, trotzdem dabei überholte Ansichten aussortiert werden müssen. Umfassend ging in der Folgezeit Clemens Bauer (1936) konkreter darauf ein, in welcher Form mittelalterliche und frühneuzeitliche Unternehmensformen ausgestaltet waren, wobei er sich neben dem deutschen Rechtsbereich ausgiebig mit dem italienischen Gesellschaftsrecht beschäftigte. Einen weit gefassten Überblick über die gesellschaftsrechtliche Entwicklung Italiens und Deutschlands lieferte auch Richard Ehrenberg (1963). Speziell für den italienischen Raum sind unter anderem Armando Sapori (1935 / 1967) zur allgemeinen Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte, Ageo Arcangeli (1903) und Corrado Pecorella (1990) zur Geschichte von Gesellschaft und Kommanditgesellschaft, Frederic C. Lane (1944) zu Unternehmensformen in Venedig, Elisabeth von Roon-
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A. Einführung
Bassermann (1912) zu sienesischen Handelsgesellschaften, Bruno Dini (1995 / 2000) und Richard A. Goldthwaite (2009) zu florentinischen Handelsgesellschaften und Gernot Schmitt-Gaedke zu Unternehmensformen in Pisa (2009) zu beachten. Elmar Lutz (1976) betrachtete anhand von Gesellschaftsverträgen die rechtlichen Strukturen insbesondere süddeutscher Handelsgesellschaften und ging dabei auf ein breites Spektrum verschiedener Familienunternehmen ein. Weiter beschäftigte er sich unter anderem mit der Bedeutung des schon angesprochenen Privilegs für Nürnberg aus dem Jahr 1464 eingehend und lieferte eine Interpretation, auf die in dieser Arbeit einzugehen ist. Auf einem ähnlichen Forschungsfeld bewegte sich Klaus Kammerer (1977), der sein Augenmerk ebenfalls auf Strukturen und Haftungsverhältnisse von Handelsgesellschaften und auch auf das Nürnberger Privileg richtete. Sein Forschungsschwerpunkt lag auf der Bergbauindustrie. Speziell die Strukturen von Augsburger Handelsgesellschaften untersuchte Joachim Riebartsch (1987). Noch relativ neu sind die Arbeiten von Justus Meyer (2000) und Frank Thomas (2003), die sich insbesondere mit den inneren und äußeren Haftungsverhältnissen und Haftungsbeschränkungen in deutschen Handelsgesellschaften der frühen Neuzeit befassten. Mit den organisatorischen und rechtlichen Verhältnissen in einzelnen süddeutschen Familiengesellschaften beschäftigten sich aktuell auch Mechthild und Eberhard Isenmann (2014), die zudem im Rahmen dessen als Letzte eine Interpretation zu dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 geliefert haben. Die Unternehmensformen insbesondere des Hanseraums inklusive ihrer Prinzipien zur Haftung erforschte umfassend Albrecht Cordes (1998). Cordes (2001) beschäftigte sich darüber hinaus mit der Frage, ob das Modell der Haftungsbeschränkung des kaiserlichen Privilegs von 1464 aus dem florentinischen Gesetz zur accomandita nach Nürnberg transferiert worden sein könnte. Dabei wurde auch auf einen bewiesenen Transferfall eines anderen Gesetzes aus Venedig nach Nürnberg verwiesen. Bezüglich Übernahmen weiterer Regelungen aus Italien in den deutschen Raum und insbesondere nach Nürnberg haben Hans Lentze (1964), Karl Heinz Bartels (1966) und Manfred Heße (1994) Thesen aufgestellt, in denen ein Transfer jeweils bejaht wurde.
B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“ Die schlichteste Anlagemöglichkeit macht aus, einem Unternehmer einen gewissen Geldbetrag zu übergeben, damit dieser damit gewerblich tätig wird, und die Summe später wieder mit einem gewissen Gewinn, insbesondere als Zinsen, zurückzahlt. Als ein solches Darlehensverhältnis1 waren im Untersuchungszeitraum verschiedene ausgeprägt, wie die ursprünglich römischrechtlichen Institute des mutuums und des depositums, und das aus dem griechischen Raum stammende Seedarlehen. In diesen Konstrukten, die unter anderem in Italien und Deutschland genutzt wurden, ist jeweils herauszustellen, inwieweit ein Kapitalgeber seinen Einsatz riskierte oder ob er diesen auch, wenn die Unternehmung fehlging, möglicherweise als eine Art von Konkursanspruch, zurückfordern konnte.
I. Das auf das römische mutuum zurückgehende Darlehen „Mutuum heißt ein solcher Contract, wodurch jemanden eine Sache gegeben wird, die er zur andern Zeit in gleicher Art, wieder zu geben versprochen hat.“2 Das aus dem römischen Recht stammende mutuum bildete die Grundlage für alle späteren allgemeinen Darlehensvereinbarungen. Es enthielt die realvertragliche, grundsätzlich zinslose Hingabe, von vertretbaren, austauschbaren Gütern in das Eigentum des Darlehensnehmers, wobei die Darlehenssumme in Waren gleicher Menge und gleicher Art und Güte zurückzuerstatten war.3 Die daraus folgende Rückzahlungspflicht bestand unabhängig von dem Verbleib der Darlehenssumme und dem Erfolg der
1 Ein Darlehen wird hier grundsätzlich nicht als ein solches im Sinne der §§ 488 ff. BGB verstanden, sondern schlicht als ein Verhältnis, in dem ein Anleger einem Unternehmer Vermögen in Form von Geld übergibt, und zu einem späteren Zeitpunkt das übergebene Kapital samt einem irgendwie ausgestalteten Gewinn zurückerhält. Der Begriff Darlehen wird nur aus praktischen Erwägungen als Oberbegriff für solche Verhältnisse verwendet. 2 Definition Lahners für das mutuum, in seinem Kommentar von 1770 zur Nürnberger Reformation von 1564, Ad Tab. XVII & XVIII. 3 Siehe Paulus (28. Buch zum Edikt) D. 12.1.2, in: Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, CIC, Bd. 3, S. 49 f.; Engel, Realverträge, in: Santos / Baldus / Dedek, Vertragstypen in Europa, S. 45 [45–47, 53]; Zimmermann, The Law of Obligations, S. 153; Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 213.
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
Unternehmung, in die investiert worden war, sodass dem Darlehensnehmer das alleinige Risiko des Verlusts der Darlehenssumme oblag.4 Wollte man für die eigentlich unentgeltliche Darlehenshingabe im Sinne des mutuums einen Gewinn, also Zinsen, erlangen, musste dieses in einer als abstraktem Schuldversprechen fungierenden stipulatio gesondert vereinbart werden,5 da mit dem mutuum für sich alleine nur der Rückforderungsanspruch des Darlehensgebers bezüglich des Darlehens geregelt war.6 Mittels der stipulatio wird dem eigentlich formlosen mutuum auch eine förmliche Wirkung verliehen, in deren Rahmen das Darlehen im Geschäftsverkehr meist auch befristet wurde.7 Die Zinshöhe war in Rom gemäß eines Senatsbeschlusses von 51 vor Christus auf 12 Prozent pro Jahr beschränkt.8 Mit der Zeit wurden die beiden, eigentlich voneinander getrennten, Vereinbarungen über das mutuum und die stipulatio zunehmend als eine Vereinbarung verstanden, wie aus Paulus (2. Buch der Rechtsfragen) D. 45.1.126.2 hervorgeht.9 Im Frühmittelalter wurde die Darlehensvereinbarung ebenfalls als ganzes in einer Schuldvereinbarung zusammengefasst.10 Zu dieser Zeit wurde das Darlehen aber zunächst als Unterfall der allgemeinen Verleihung von Sachen und anderen Vermögensgegenständen verstanden, woher auch der deutsche Name des „Darle(i)hens“ stammt. Mit dem vordringenden rezipierten römischen Recht wurde es jedoch im Sinne des römischen mutuums zunehmend von der Leihe, die vom römischen commodatum umfasst war, abgegrenzt.11 So wurde das Darlehen zum Beispiel in Genua im 12. Jahrhundert unter der Bezeichnung mutuo verwendet, wie sich aus den in notariellen Urkunden des Genuesen Giovanni Scriba festgehaltenen Vereinbarungen ergibt.12 In Vene4 Hausmaninger / Selb,
Römisches Privatrecht, S. 215. Realverträge, in: Santos / Baldus / Dedek, Vertragstypen in Europa, S. 45 [61]; Kaser, Mutuum und Stipulatio, in: Eranion Maridakis, Bd. 1, S. 155 [155–157]. 6 Zimmermann, The Law of Obligations, S. 154 f. 7 Die Funktion eines formgebundenen Darlehensvertrages hatte zuvor das nexum erfüllt. Da dieses nicht mehr angewendet wurde, kam man zur Benutzung des mutuums in den vormaligen Anwendungsgebieten des nexums, wofür das mutuum umgestaltet werden musste. Kaser, Mutuum und Stipulatio, in: Eranion Maridakis, Bd. 1, S. 155 [181]. 8 Mayer-Maly, Römisches Recht, Bd. 2, S. 129; Theisen, Der Darlehensvertrag, in: Bauer / Theisen / Welker, Studien zur Rechts- und Zeitgeschichte, S. 11 [17]. 9 Regelung, in: Spruit / Feenstra / Wubbe, CIC, Bd. 4, S. 272–274; Engel, Realverträge, in: Santos / Baldus / Dedek, Vertragstypen in Europa, S. 45 [62–65]. 10 Kaser, Mutuum und Stipulatio, in: Eranion Maridakis, Bd. 1, S. 155 [182]. 11 Neschwara, Art. Darlehen, in: HRG, Bd. 1, Sp. 930 [930 f.]; zum commodatum, siehe: Honsell, Römisches Recht, S. 120 f. und Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 232 f., Rn. 10–13. 12 Siehe Beispiele zum genuesischen mutuo, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 5 (Nr. 10), S. 108 (Nr. 204), S. 287 f. (Nr. 535), und, 5 Engel,
I. Das auf das römische mutuum zurückgehende Darlehen
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dig dagegen war die Bezeichnung als mutuo zu dieser Zeit eher unüblich und wurde nur sporadisch verwendet.13 Meist taucht in venezianischen Unterlagen ein Darlehen auf, das ganz ohne eine namentliche Bezeichnung auskam14 und doch im Vergleich mit dem mutuum weitestgehend deckungsgleich mit jenem ausgestaltet war.15 Dennoch schien es wegen der schwerpunktuellen Orientierung der Venezianer zum Seehandel größtenteils auch an das Seedarlehen, das in venezianischen Unterlagen übrigens auch größtenteils namenlos auskam,16 angelehnt gewesen zu sein.17 Beiden Geldleihekonstruktionen, dem mutuum und dem Seedarlehen, war zwar der Grundgedanke der Geldleihe gegen einen Zinsgewinn gemeinsam. Bei einem Seedarlehen hatte der Anleger aber das Risiko des Verlusts seiner Einlage aufgrund von typischen Seegefahren selbst zu tragen und konnte keinen Anspruch gegen den Geschäftsführer geltend machen.18 Da in der unbenannten Darlehensgruppe die Handelsgefahr aber nur in Einzelfällen dem Anleger auferlegt wurde,19 ist zu vermuten, dass hier zwar beide Darlehenstypen vermischt wurden, es sich in Venedig zum Großteil aber um Darlehen nach dem Muster des in der konkreten Bezeichnung dort grundsätzlich nicht üblichen mutuums handelte. Dieser Umstand beruht darauf, dass einmal wohl einige der vorliegenden Darlehen ortsfesten Betrieben oder landgestützten Handelsunternehmen zu Gute kamen, wo das Risiko anders als im Seehandel ausgestaltet war. Außerdem war bewusst eine Darlehensform gewollt, in deren Rahmen der Anleger keine Handelsgefahren mitzutragen hatte, weil die Darlehensgewährung oft auch
in: Chiaudano / Patetta, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 2, S. 80 (Nr. 970), S. 194 (Nr. 1193), S. 197 (Nr. 1198). 13 Siehe Vereinbarungen über ein mutuo, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 104 f. (Nr. 561), 196 (659). 14 In Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, 2 in den Einleitungen zu den Vereinbarungen von den Herausgebern jeweils als prestito bezeichnet. 15 Beispielvereinbarung, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 169 (Nr. 171). 16 Beispielhafte Vereinbarungen über Seedarlehen aus Venedig, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 64 f. (Nr. 61), 66 f. (63), 128 f. (128), 134 f. (135). 17 So finden sich Vereinbarungen, nach denen ein Darlehen wie ein Seedarlehen für eine bestimmte Reise gewährt wurde. Beispielvereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 28 (Nr. 25), 148 f. (150), 187 f. (188), 336 (340). 18 Siehe zum Seedarlehen, unten ab S. 39. 19 Siehe eine Vereinbarung, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 244 (Nr. 714), in der als landgestütztem Äquivalent der Seegefahr die Gefahr von Brand oder Feuer und Raub dem Darlehensgeber auferlegt wurde.
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
an gar keine bestimmte Unternehmung geknüpft20 und variabler ausgeprägt war. Nur selten wurde, wie im Beispiel Nr. 714, wo es um einen landgestützten Betrieb ging, dem Darlehensgeber die Gefahr von Brand oder Feuer und Raub auferlegt. Die Laufzeit der Darlehen betrug in Venedig meist 30 Tage, einige Monate oder ein Jahr.21 Weitere Anwendungsbeispiele für das mutuum stammen aus Florenz. Die Wollverarbeitungszunft lieh ihren Mitgliedern im 14. Und 15. Jahrhundert jeweils für mehrere Jahre Geld per viam mutui, oft für den Betrieb von Färbereien.22 Der Zinssatz lag bei um die sechs Prozent.23 Auch im deutschen Raum nutzten Handwerksbetriebe Darlehen, die von der zuständigen Zunft, dem Rat der Stadt oder Kaufleuten vermittelt oder ausgezahlt wurden. Die geliehenen Gelder dienten zur Ausstattung und zum Betrieb der Unternehmen, so zum Beispiel um die Produktion vorfinanzieren zu können.24 Weiter wurden in Deutschland oft befristet eingegangene Darlehensvereinbarungen im überregionalen Handelsverkehr angewendet. Beispielsweise empfing der Augsburger Hans Paumgartner in den Jahren 1526 und 1532 jeweils ein Darlehen von Renhart von Neuneck zu Glatt zu fünf Prozent Zinsen in Höhe von 3.000 fl. und 1.000 fl.25 Die Handelsgesellschaft des Hans Fürleger aus Nürnberg arbeitete um 1503 mit einem Darlehen des Heinrich Roth in Höhe von 1.200 fl. zu einem Zinssatz von 7 Prozent.26 Die Augsburger Christoph und Leonhard Welser liehen Ulrich Fugger im Jahr 1553 5.000 fl. zu zehn Prozent Zinsen. Auch 1553 übergaben Ulrich Welser und Hieronymus Rehlinger 2.000 fl. an das Unternehmen Anton Fuggers.27 Die Nürnberger Andreas und Jakob Imhof gewährten der Handelsgesellschaft der Neumayr im Oktober 1572 ein Darlehen von 20 Beispielvereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 165 (Nr. 168), 172 f. (173), 263 f. (269), und, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 74 (Nr. 534), 92 f. (549), 124 f. (583), 210 f. (674). 21 Siehe, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 170 f. (Nr. 173), 217 f. (220), 263 f. (269), 272 (277), 407 f. (416), und, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 319 f. (Nr. 796). 22 Regest Nr. 119, in: Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 550; Regesten Nr. 137e, 137f, in: Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 556. 23 Regesten Nr. 77, 78, in: Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 543. 24 Holbach, Kredit in der gewerblichen Produktion, in: North, Kredit, S. 133 [140–146, 150–155]. 25 Müller, Quellen zur Handelsgeschichte der Paumgartner, S. 233 (Nr. 569). 26 Regest, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 9, S. 451 f. (Nr. 3711). 27 Häberlein, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 223 [235].
I. Das auf das römische mutuum zurückgehende Darlehen
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1.000 fl. für ein Vierteljahr.28 Neben den Kaufleuten finanzierten sich der Adel und andere hoch gestellte Persönlichkeiten, wie aus Kirchenkreisen, rege über Darlehen.29 Üblich war es auch, wie in Antwerpen, für die Zeit zwischen mehreren Messen über einige Monate Geld für einen fest bestimmten Zinssatz, dessen Höhe sich nach der jeweiligen Marktlage richtete, zu verleihen.30 Die Frankfurter Brüder Beer und Samuel zur Krone gaben dem Johann David Wunderer und seiner Ehefrau im Jahr 1607 den Betrag von 200 fl. zum Zinssatz von vier Prozent. Die Rückzahlung sollte zur Frankfurter Ostermesse von 1609 erfolgen.31 Peter Mutuir lieh der Gesellschaft des Augsburger Seidenhändlers Sebastian Zorzi im Jahr 1585 2000 fl. zu 3,5 Prozent Zinsen, die jeweils für den Zeitraum zwischen zwei Frankfurter Fastenmessen zu zahlen waren.32 Im Rahmen des Darlehensempfangs stellte der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber regelmäßig eine Schuldverschreibung aus, in der er sich verpflichtete, Zinsen zu zahlen und den Darlehensbetrag zurückzuerstatten.33 Um die Rückzahlung eines Darlehens zusätzlich zu sichern und um das Risiko des Anlegers weiter zu beschränken, wurden oft auch Immobilien oder andere Sache oder Forderungen belastet, wobei der Darlehensgeber im Fall einer ausbleibenden Rückzahlung unmittelbar in die Pfandsache vollstrecken konnte und sich nicht anderweitig an der unbestimmten, allgemeinen, Vermögensmasse des Darlehensnehmers befriedigen musste.34 So stellte Graf Ludwig zu Stolberg-Königstein 1553 über Burgschaft und Statt Ursel dem Heinrich Haas von Lauffen, der ihm ein Darlehen in Höhe von 5.000 fl. zum Zinssatz von 250 Reichstalern ausgezahlt hatte, eine Schuldverschreibung in Hö28 Siehe Regest einer RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 13, S. 24 f. (Nr. 5302). 29 So lieh wiederum Hans Paumgartner dem Grafen Friedrich von Fürstenberg im Jahr 1530 zweimal 200 fl., das eine Darlehen befristet auf einen Monat, das andere auf drei Wochen. Müller, Quellen zur Handelsgeschichte der Paumgartner, S. 235 (Nr. 577); weitere Beispiele, in denen solche Persönlichkeiten Darlehen gegen Zinsen aufnahmen, in Regesten, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 6, S. 19 f. (Nr. 1856), 30 f. (1873), 156–158 (2003). 30 Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 2, S. 24 f. 31 Kaltwasser, Frankfurter RKG-Akten, S. 1083 f. (Nr. 1607). 32 Kaltwasser, Frankfurter RKG-Akten, S. 1101 f. (Nr. 1630). 33 Siehe Beispielfälle in Regesten von RKG-Akten, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 3, S. 189 f. (Nr. 1092) und S. 421 f. (Nr. 1369); Bayerisches HStA, RKG, Bd. 4, S. 451 (Nr. 1767) und S. 506 f. (Nr. 1827). 34 Beispielsweise hatte der Fürther Tobias Bischof ohne ein solches Sicherungsmittel als Darlehensgeber im Jahr 1627 gegen die Darlehensnehmerin Juliana Barth bei Gericht eine Exekution zu beantragen, um die nicht zurückgezahlte Darlehenssumme bei der Schuldnerin einzutreiben. Bayerisches HStA, RKG, Bd. 2, S. 455 f. (Nr. 860).
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
he von ebenfalls 5.000 fl. aus.35 Christoph Angerer aus Nürnberg verpfändete der Anna Gräf 1625 für ein Darlehen in Höhe von 625 fl. seine Fischgründe in der Pegnitz.36 Der Frankfurter Johann Lucas Morell verpfändete dem Constantin Stellmacher sein Gasthaus zur Sicherung einer Darlehensrückzahlungsforderung in Höhe von 3.700 Reichstalern.37 Auch einige Jahrhunderte früher in Venedig wurde diese Praxis zur Sicherung der Darlehensrückzahlung angewendet.38 Zur weiteren Sicherstellung der Rückzahlung des Darlehens und der Zinszahlung wurde in Venedig und in ähnlicher Weise auch andernorts für den Fall, dass ein Darlehensnehmer die Darlehensvereinbarung nicht einhielt, eine erhöhte Rückzahlung, beziehungsweise eine Strafzahlung in Höhe von fünf Pfund Gold, vereinbart.39 Gebremst wurde die Vergabe von Darlehen gegen Zinsen jedoch zeitweise durch das von Lukas 6, 3540 ausgehende kirchliche Zinsverbot, wonach für eine Geldleihe kein Lohn erwartet werden durfte. Dieses Verbot wich aber mit den zunehmenden Bedürfnissen der Geldleihe und dem wachsenden Bankwesen bald den wirtschaftlichen Gegebenheiten.41 Kaufleute versteckten Zinsen in Rückzahlungssummen, die höher ausfielen als die ursprünglich ausgezahlten Summen,42 oder höhlten das Zinsverbot in anderer Weise, wie mit Hilfe des Wechselgeschäfts, nach und nach aus.43 So wurde das Zinsverbot immer weiter aufgeweicht. Kaiser Karl V. gestattete den Kaufleuten für schwierige Zeiten für ein deposito immerhin einen Höchstzinssatz von 12 Prozent, um größere Übel zu vermeiden.44 Das ursprüngli35 Kaltwasser,
Frankfurter RKG-Akten, S. 428 f. (Nr. 520). HStA, RKG, Bd. 1, S. 86–88 (Nr. 101). 37 Kaltwasser, Frankfurter RKG-Akten, S. 760 (Nr. 1079). 38 Siehe Beispielfälle, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 171–173 (Nr. 174), 217 f. (220), 407 f. (416), 39 Siehe Beispielvereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 74 (Nr. 534), 104 f. (561), 196 (659), 319 f. (796). 40 Verumtamen diligite inimicos vestros: benefacite, et mutuum date, nihil inde sperantes: et erit merces vestra multa, et eritis filii Altissimi, quia ipse benignus est super ingratos et malos. [Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.] Die Bibel (Vulgata [Einheitsübersetzung]), Evangelium nach Lukas, Kap. 6, Vers 35. 41 Mehr, Societas und universitas, S. 36. 42 Nach einer genuesischen Vereinbarung vom 16.07.1161 sollte der Darlehensnehmer 100 Pfund Denare empfangen und 120 Pfund Denare zurückzahlen. Chiaudano / Patetta, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 2, S. 24 f. (Nr. 855). 43 Siehe unten, S. 34. 44 Siehe dahingehend ein Zitat Guicciardinis, in: Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 2, S. 24. Darin wird zwar von einem „deposito“ gesprochen. Eher ist aber die grundlegende Geldleihe gemeint, da die Anordnung des Kaisers auf die 36 Bayerisches
I. Das auf das römische mutuum zurückgehende Darlehen
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che Zinsverbot war damit zu einem Wucherverbot geworden. Die Reichs polizeiordnung Karls V. von 1530 sah explizit für die Geldleihe gemäß dem Abschnitt „Von wucherlichen Contracten“, Abs. 1, S. 2 grundsätzlich einen Höchstzins von fünf Prozent vor, um nicht als wucherisch zu gelten.45 Höhere Zinssätze als die gesetzlichen Richtlinien es vorschrieben konnten als wucherisch angesehen werden, wie in einem Frankfurter Rechtsstreit Vorwürfe des Peter Knopf gegen den Johann Jacob Knauff zeigten, der dem Peter Knopf um 1632 600 fl. zu einem Zinssatz von acht Prozent geliehen hatte.46 Ebenfalls zu acht Prozent Zinsen hatte 1562 die Augsburgerin Magdalena Freer dem Hans Georg von Baumgarten ein Darlehen von 3.500 fl. übergeben. Sie sollte nach einem langen Rechtsstreit gemäß der Entscheidung des Reichskammergerichts von 1576 aber nur Zinsen in Höhe von fünf Prozent erhalten.47 Die Augsburger Haug-Gesellschaft ging 1582 gerichtlich gegen einen Zins von 10 Prozent vor, den sie aus einem Darlehen des Ludwig Hörmann in Höhe von 30.000 fl. zahlen sollte.48 David Nack führte ab 1597 gegen die Frankfurter Juden Joseph zum weißen Löwen, Mosche zum Schwert, Salman zur Leuchte und Samuel und Beer zur Krone einen Rechtsstreit, in dem er sich gegen eine Zinshöhe von zwölf Prozent wehrte.49 Zinssätze um die sechs Prozent wurden selten angegriffen und anscheinend gerade noch akzeptiert.50 Der Wechsel als Darlehen Ein Modell des Geldverleihs, das dem gewöhnlichen Darlehen des mutuums ähnelte und dessen Grenzen mit denen des auf dem mutuum basierenden Darlehens hinsichtlich der noch uneinheitlichen Rechtsformen und Namensgebungen der verschiedenen Anlagemodelle verflossen, verbarg sich hinter dem spätmittelalterlichen Wechselgeschäft. Nach der eigentlich für ihn vorgesehenen Verwendung stellte der Wechsel kein Darlehens- oder Kreditverhältnis dar, sondern ermöglichte es, eine Geldsorte gegen eine andere zu tauschen, und allgemein, Geld von einem Hingabe einer Geldsumme auf bestimmte Zeit bezogen war und eine Depositenvereinbarung regelmäßig keine Befristung beinhaltet. Vgl. Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 2, S. 24. 45 Römischer Keyserlicher Maiestat Ordnung und Reformation guter Pollicey; S. 21. 46 Kaltwasser, Frankfurter RKG-Akten, S. 667 f. (Nr. 934). 47 Bayerisches HStA, RKG, Bd. 3, S. 65 f. (Nr. 938). 48 Siehe Regest, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 11, S. 165 f. (Nr. 4688). 49 Kaltwasser, Frankfurter RKG-Akten, S. 774 f. (Nr. 1102). 50 Siehe dazu zwei Fälle, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 4, S. 481 f. (Nr. 1800) und S. 482 f. (Nr. 1801).
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
Ort zu einem anderen zu transferieren.51 Zum Beispiel konnte ein Kaufmann, um seine Handelsreise zu erleichtern, an einem Ort, seinem Heimatort, Geld bei einem Geldwechsler einzahlen und dafür eine Urkunde, einen Wechselbrief, erhalten. Unter Vorlage des Wechselbriefs konnte er sich an einem auswärtigen Ort, dem Ziel seiner Handelsreise, bei einem anderen Geldwechsler den eingezahlten Betrag in dortiger Münzwährung wieder auszahlen lassen. Dadurch konnte Geld innerhalb von Handelsnetzwerken an weit entfernte Orte, die zudem über andere Währungssysteme verfügen konnten, transferiert werden, ohne dass der Reisende das Geld persönlich mit sich führen und dabei einer Verlustgefahr aussetzen musste. Der Aussteller des Wechselbriefs und der Auszahler der Wechselsumme konnten dabei dieselbe Person oder Handelsgesellschaft darstellen.52 Wechselbriefe wurden oft notariell beurkundet53 und solche ausgestellten Wechselbriefe konnten größtenteils an den Börsen der Handelsstädte gehandelt und als Zahlungsmittel verwendet werden.54 Den börslichen Handel ermöglichte eine auf der Urkunde vermerkte Übertragungsermächtigung oder ein Indossament, was jedoch zum Beispiel in Italien und dem deutschen Raum zunächst so nicht praktiziert wurde.55 Durchgeführt wurden Wechselgeschäfte meist durch die großen Handelsgesellschaften oder überhaupt Kaufleute, die ansonsten ohnehin mit Waren handelten und in bedeutenden Handelsstädten Repräsentanzen unterhielten, die sich für ein Wechselzahlungssystem nutzen ließen.56 Ein Wechselbrief diente also dem Zweck, Geld zu transferieren. Da der Transferbetrag dabei dem Empfänger aber regelmäßig für einen längeren Zeitraum, der naturgemäß zwischen Ein- und Auszahlung lag, überlassen wurde, gewährte man durch einen Wechsel immer auch ein Darlehen. Daher 51 Denzel, Art. Wechsel, -brief, Wechsler, Art. Wechsel, -brief, Wechsler, in: Lexikon des Mittelalters, Rn. 2086 [2086]; Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 101. 52 Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 101 f., 110; Felloni, Kredit und Banken, in: North, Kredit, S. 9 [12]; vgl. Wirtz, Köln und Venedig, S. 59 f. 53 Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 51. 54 Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 106; Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 51; Denzel, Art. Wechsel, -brief, Wechsler, in: Lexikon des Mittelalters, Rn. 2086 [2088]. In zwei beispielhaften Wechselbriefen der Handelsgesellschaft des Martin Lauginger vom 26.12.1462 wird, dazu passend, ausdrücklich versprochen, dass die Wechselsumme dem direkten Geldgeber oder einer anderen Person, die den Wechselbrief später besitzt, ausgezahlt werde. Siehe den Wortlaut der betreffenden Wechselbriefe, in: Nübling, Der Bankbruch der Lauginger-Gesellschaft, S. 10; vgl. Rothmann, Die Frankfurter Messen, S. 484. 55 Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 110. 56 Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 108; Felloni, Kredit und Banken, in: North, Kredit, S. 9 [14 f.].
I. Das auf das römische mutuum zurückgehende Darlehen
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wurde der Wechsel oft vordergründig oder zumindest nebensächlich auch als ein Darlehensgeschäft benutzt. Auf den Darlehensgeber wurde durch den Darlehensnehmer ein Wechselbrief ausgestellt, wobei der eigentliche Zweck des Wechselgeschäfts, der Umtausch von Geldsorten in Verbindung mit Reisen in Gegenden mit fremden Währungssystemen, bald stark in den Hintergrund trat.57 In einem Beispielfall erhielt der Kaufmann Dominicus Ciprianus de Dorsoduro von Iohannes Mauro Bucca im Juli 1142 in Venedig 50 Pfund veronesischer Denare und sollte dafür in Akkon dem Iohannes oder dessen dortigen Vertretern 80 Goldmünzen der Sorte Bizancio Saracenato auszahlen. Im Rückzahlungsbetrag war ein Gewinn als Gegenleistung für das Darlehen enthalten.58 Der Wechsel glich einmal in dem ihm zu Grunde liegenden Anlagerisiko dem althergebrachten Darlehen, wobei aber Wechsel, die einen Transport von Geld über den Seeweg erforderlich machten, wegen des höheren Transportrisikos teils gesondert zu betrachten sind. So trug im Rahmen eines solchen „Seewechsels“ in der Seehandelsstadt Venedig der Kapitalanleger und nicht der Kapitalempfänger das Risiko des Verlusts des Geldes aufgrund von Seegefahren, wie auch im oberen Beispiel.59 Diese Seegefahr wurde oft, wie in Seedarlehens- und commenda-Vereinbarungen, als „periculo maris et gentis“60 bezeichnet und durch den Anleger übernommen.61 Auch die Sanktionierung einer Nichtbeachtung der Vereinbarung durch den 57 Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 51, 52 f. Nach Lahner, in seinem Kommentar zur Nürnberger Reformation von 1564, Ad Tab. XVII & XVIII, enthielt der Wechselbrief (cambium) ein „Darlehen an Geld“ oder „eine andere in Geld verwandelte Schuld“. 58 Vereinbarung, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 84 f. (Nr. 81); ähnliche Vereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 242 f. (Nr. 247), 252 f. (257), 284 f. (289), und, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 40 f. (Nr. 500). In einem späteren deutschen Beispiel erhielt der Nürnberger Hans Trostberg im Dezember 1403 von dem Regensburger Matthäus Runtinger in Wien 300 ungarische Gulden, die er dem Runtinger zur nächsten Frankfurter Fastenmesse in 342 rheinischen Gulden zurückzahlte, wobei sich in einer Differenz zwischen beiden Beträgen ein Zinsgewinn verbarg. Bastian, Das Runtingerbuch, Bd. 2, S. 211; siehe aber einen späteren deutschen Beispielfall aus dem 17. Jahrhundert, in dem der Wechsel nach Absicht der Beteiligten immerhin gleichzeitig gezielt eine Reise erleichtern und als Darlehen dienen sollte, Bayerisches HStA, RKG, Bd. 3, S. 445 (Nr. 1400). 59 Siehe die schon genannten Beispiele, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 242 f. (Nr. 247), 252 f. (257), 284 f. (289), und, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 40 f. (Nr. 500). 60 Beispielvereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 56 f. (Nr. 517); 69 f. (529), 301 f. (776). 61 Vergleiche zum Seedarlehen, S. 40, und zur commenda, S. 64.
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
Kapitalempfänger durch eine erhöhte Rückzahlung von Kapital und Gewinn oder eine zusätzliche Strafzahlung hatte der Wechsel in Venedig mit der commenda und dem Seedarlehen gemeinsam, wodurch das Anlagerisiko bezüglich der Vorbeugung von Missbrauch und Untreue reduziert werden sollte.62 Weiter abgesichert wurde die Auszahlung des Kapitals an den Begünstigten des Wechsels nach einigen Vereinbarungen, wie auch in anderen Darlehensformen, dadurch, dass ein Pfand bestellt wurde.63 Um den Wechsel als Darlehensgeschäft zu nutzen, wurden die Zinsen, die auf einen Darlehensbetrag regelmäßig zu zahlen waren, im Rahmen des Wechseltransfers von der am Ausgangsort eingezahlten Währung in die Währung am Auszahlungsort anfallenden, schwankenden, Wechselkursen verborgen. Durch diese verschleierte Zinszahlung, die hier möglich war, konnte der Wechsel auch dazu genutzt werden, um das kirchliche Wucherverbot zu umgehen.64 Diese Praxis blieb der Kirche aber nicht verborgen. Nach verbreiteter kirchlicher Ansicht stellten die hoch spekulativen Gewinne, die auf Währungsschwankungen beruhten, wegen ihrer Unsicherheit und Ungewissheit jedoch keine Gewinne aus Geldverleih im Sinne des Wucherverbots dar.65 Andere innerkirchliche Ansichten begriffen den Spekulationsgewinn dagegen als wucherisch. Da die kirchlichen Gelehrten sich aber lange Zeit darüber nicht auf einen einheitlichen Standpunkt hinsichtlich der wucherischen Eigenschaften des Wechselzinses verständigen konnten, blieb der Wechsel als Darlehensgeschäft von dieser Seite zunächst unangetastet.66 Das erscheint insoweit erstaunlich, als ein gewöhnliches Darlehen sehr unkompliziert als ein Wechselgeschäft getarnt werden konnte. Bis auf einen ausgestellten Wechselbrief bestand in der Praxis kein grundlegender Unterschied zum Darlehen, besonders wenn an dem Wechselgeschäft nur zwei Personen beteiligt waren und als Ein- und Auszahlungswährung dieselbe gewählt wurde, obgleich in einem solchen Fall bei näherem Hinsehen selbstverständlich kein Wechsel im eigentlichen Sinne mehr vorlag, sondern ein reines Darlehensgeschäft. In einem deutschen Beispiel schloss Matthäus Runtinger im Rahmen der Frankfurter Herbstmesse von 1403 einen Wechsel mit drei Kaufleuten, denen er 200 rheinische Gulden lieh und dafür in Frankfurt später 220 rhei62 Beispielvereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 69 f. (Nr. 529); 185 (646); 301 f. (776). 63 Beispielvereinbarung, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 279 f. (Nr. 284); und, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 301 f. (Nr. 776). 64 Felloni, Kredit und Banken, in: North, Kredit, S. 9 [11 f.]; Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 53. 65 Denzel, Art. Wechsel, -brief, Wechsler, in: Lexikon des Mittelalters, Rn. 2086 [2088]. 66 Felloni, Kredit und Banken, in: North, Kredit, S. 9 [16 f.].
II. Der Rentenkauf35
nische Gulden zurückerhalten sollte.67 Eigentlich auch reine Darlehensgeschäfte und keine herkömmlichen Wechsel mehr stellten einige überlieferte Wechselverpflichtungen der Lauginger-Gesellschaft dar, in denen sie sich in einem schultbrief schlicht verpflichteten, einen jeweils empfangenen Geldbetrag an den venezianischen Darlehensgeber zurückzuzahlen. Teils bestand eine Zahlungsfrist.68 Ausgehend von seinem Ursprungsland Italien69 wurde der Wechsel in einer vorrangigen Funktion als Darlehen zuerst dort, im Mittelmeerraum und später in Deutschland, oftmals von Messebesuchern, insbesondere auf französischen Messen und später auch in Frankfurt, benutzt, um Waren auf Kredit zu kaufen. Die Waren wurden mit auf den Verkäufer ausgestellten Wechselbriefen bezahlt, die im Falle eines Messekaufs auf der jeweils nächsten Messe einlösbar waren.70 Neben Kaufleuten nutzten aber regelmäßig auch Landesherrscher und Stadträte den Wechsel als Möglichkeit zur kreditmäßigen Kapitalgewinnung.71
II. Der Rentenkauf Dem aus dem mutuum herrührenden Darlehen teilweise ähnlich war die zuerst im Frankreich und Spanien des 12. Jahrhunderts, kurz darauf und sehr ausführlich aber auch im deutschen Raum, aufgetretene Figur des Rentenkaufs. Dabei übergab ein Anleger einer Person, Institution oder einem Unternehmen eine Vermögenssumme oder eine Sache zur „Nutzung“ und erhielt im Gegenzug von dem Empfänger eine Zahlung. Der Unterschied zum mutuum lag darin, dass dieser Gewinn, „Rente“ genannt, aus fruchtbringenden sachlichen Gegenständen heraus, auf die die Renten jeweils gelegt waren, gezahlt wurden. Es wurde beim Rentenkauf also eine Reallast erworben, aus der der Anleger dann die Erträge erhielt.72 So bekam der 67 Bastian,
Das Runtingerbuch, Bd. 2, S. 216. der betreffenden Wechselbriefe, in: Nübling, Der Bankbruch der Lauginger-Gesellschaft, S. 13 f. 69 Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 110; vgl. Rothmann, Die Frankfurter Messen, S. 479. 70 Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 110; Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 54; Felloni, Kredit und Banken, in: North, Kredit, S. 9 [20]; Auf der Frankfurter Messe ist die erste Bezahlung mit einem Wechsel für das Jahr 1391 belegt. Rothmann, Die Frankfurter Messen, S. 481, 483 f.; siehe auch zwei Wechsel der Augsburger Lauginger-Gesellschaft vom 24.11.1463 und vom 10.12.1463 zur Bezahlung von bei Italienern in Venedig außerhalb einer Messe gekaufter Wolle. Wortlaut der betreffenden Wechselbriefe, in: Nübling, Der Bankbruch der LaugingerGesellschaft, S. 9 f. 71 Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 53 f. 72 Trusen, Art. Rentenkauf, in: HRG, Bd. 4, Sp. 897 [898 f.]; Winter, Der Rentenkauf, S. 7; vgl. Redenius, Strukturwandel und Konzentrat.-prozesse, S. 57 f. 68 Wortlaut
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
Anleger im Rahmen der anfangs hauptsächlich durch kirchliche Einrichtungen verkauften Renten landwirtschaftliche Erzeugnisse von kircheneigenen Anbauflächen und Betrieben. Bald wurden von nun weltlichen und geistlichen Schuldnern aber überwiegend Renten in Geld gezahlt.73 Man nutzte zwei Arten von Renten, einmal die Leibrente, die dem Erwerber bis zu dessen Tod zustand,74 und zweitens die Ewigrente, die meist auch vererbt werden konnte.75 Die Höhe der Zahlungen bemaß sich an den Verhältnissen des Kapitalmarkts und lag immer bei circa 5 bis 15 Prozent des Anlagebetrags, während der Ertrag um 1300 und allgemein in Norddeutschland im Gegensatz zu späteren Zeiten und insgesamt zu Süddeutschland durchschnittlich höher ausfiel.76 Dadurch, dass der Rentenverkäufer das Vermögen, das ihm der Rentenkäufer überlassenen hatte, meist inklusive eines zusätzlichen Betrages, zurückzahlte, konnte er die Rentenzahlung ablösen.77 Dem Anleger war es zunächst dagegen nicht möglich, sein investiertes Vermögen von sich aus zurückzufordern.78 Genutzt wurde der Rentenkauf zur Kapitalerzeugung im deutschen Raum neben der Kirche hauptsächlich durch die Städte. Da man über Immobilien von einigem Umfang verfügen musste, an die die Renten geknüpft werden konnten, war diese Möglichkeit, Kapital zu generieren, jedoch nicht für alle Städte und zum Beispiel auch nur begrenzt für Kaufleute und Handelsunternehmen interessant. Lediglich wohlhabende Kaufleute konnten auf
73 Seinen Ursprung fand der Rentenkauf in der Seelgerätestiftung für kirchliche Institutionen. Wohlhabende Personen stifteten dabei auf ewig den Ertrag, also die Rente, aus einem ihnen gehörenden Gut zur Unterhaltung eines Klosters, einer Pfarrkirche, einer Kapelle oder einer anderen kirchlichen Einrichtung, um ihr Seelenheil nach dem Tod sicherzustellen. Winter, Der Rentenkauf, S. 8–10; Trusen, Art. Rentenkauf, in: HRG, Bd. 4, Sp. 897 [898 f.]. 74 Zum Beispiel erwarb Wilhelm Runtinger 1384 gegen die Hingabe von 700 ungarische Gulden von der Stadt Dingolfing für Matthäus Runtinger und dessen Tochter eine Leibrente von 100 Gulden. Bastian, Das Runtingerbuch, Bd. 2, S. 10 f. 75 Um eine von Barbara Tuchscherer an ihren Neffen vererbte Ewigrente in Höhe von 12 fl. aus einem Gebäude ging es in einem im Jahr 1501 begonnenen Nürnberger Streitfall. Regest, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 6, S. 143 f. (Nr. 1987); Winter, Der Rentenkauf, S. 7, 20. 76 Siehe dazu die Tabelle mit Angaben über den jeweiligen Rentenfuß deutscher Städte im Zeitraum von 1215 bis 1620, in: Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 266–273. 77 Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 233–243. 78 Konrad Peutinger stellte dies 1522 in einem Gutachten des Augsburger Rats klar. Ein Gutachten Conrad Peutingers, in: ZHVS(N), Bd. 2 (1875), S. 188 [212]; vgl. Felloni, Kredit und Banken, in: North, Kredit, S. 9 [16].
II. Der Rentenkauf37
diesem Weg Kredite erlangen.79 Kaufleute waren jedenfalls eher als Rentenkäufer als als -verkäufer tätig.80 Eine weitere Nutzergruppe des Rentenverkaufs, die über Immobilien verfügte, stellten Bauern dar, die Land unabhängig von Lehen bewirtschafteten.81 Für die freien Bauern bestand der Vorteil, dass sie aus ihrem meist einzigen größeren Vermögen, dem Hof und den Ländereien, Kapital generieren und dieses trotzdem weiter für sich nutzen konnten.82 Doch auch als im 14. Jahrhundert die Renten meist nicht mehr an bestimmte Sachen gebunden waren83 und diese aus allgemeinen Einkünften gezahlt werden konnten, wurde der Rentenverkauf im großen Stil weiter hauptsächlich von den Städten und auch Territorien verwendet.84 Zum Beispiel verschrieb Graf Philipp I. von Katzenelnbogen der Stadt Frankfurt eine Rente von 900 fl. aus den Zolleinnahmen zu Boppard.85 Ein weiterer entscheidender Unterschied des Rentenkaufs zum mutuum bestand darin, dass das Zins-, beziehungsweise Wucherverbot, für die Rente nicht galt, da man dieses Anlagemodell als gerechten Kauf von Nutzungen, die sich aus bestimmten Gegenständen ergaben, betrachtete. Trotzdem lag im Rentenkauf aber wohl kein bloßes Umgehungsgeschäft, um das verzinste Darlehen zu ersetzen.86 Im Übrigen griff für den Rentenkauf später wohl auch die Reichspolizeiordnung von 1530 mit ihrer Begrenzung des Zinses auf fünf Prozent.87 79 So belastete der Augsburger Wilhelm Rehlinger 1476 ein Haus mit Krautgarten in Landsberg mit einer Ewigrente in Höhe von 4,5 fl. Bayerisches HStA, RKG, Bd. 2, S. 15 f. (Nr. 450); Lorenzen-Schmidt, Kaufmannskredite, in: North, Kredit, S. 121 [126 f.]. 80 Lorenzen-Schmidt, Kaufmannskredite, in: North, Kredit, S. 121 [129 f.]; siehe beispielhaft eine aus dem Jahr 1516 stammende längere Liste der Zinseinkünfte der Nürnberger Familie Muffel aus einigen Immobilien, in: Hirschmann, Die Familie Muffel, in: MVGN, Bd. 41 (1950), S. 257 [354 f.]. 81 Boelcke, Der Agrarkredit, in: North, Kredit, S. 193 [194–198]. 82 Vgl. Nehlsen, Die Freiburger Familie Snewlin, S. 123 f.; siehe auch die hier angeführten Beispiele für den Verkauf von Renten auf landwirtschaftliche Betriebe, wobei im Rahmen dieses Anlagemodells im 13. Jahrhundert im hier behandelten Breisgau regelmäßig im Zuge des Rentenverkaufs noch das Eigentum an der belasteten Immobilie auf den Rentenkäufer übertragen wurde. 83 Zum Beispiel in Teil 6, Nr. 63 der Breslauer Statuten von 1527, in: Wendroth, Statuten der Stadt Breslau, in: ZVGSchlesien, Bd. 4 (1862), S. 39 [99], war noch die Bindung des Zinses an eine bestimmte Immobilie festgeschrieben. 84 Winter, Der Rentenkauf, S. 21; Trusen, Art. Rentenkauf, in: HRG, Bd. 4, Sp. 897 [900]; Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 245. 85 Kaltwasser, Frankfurter RKG-Akten, S. 449 (Nr. 561). 86 Trusen, Art. Rentenkauf, in: HRG, Bd. 4, Sp. 897 [898 f.]. 87 Boelcke, Der Agrarkredit, in: North, Kredit, S. 193 [199].
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
Das Anlagerisiko war wegen der Bindung an das Kaufrecht anders gestaltet als beim mutuum und fiel, zumindest in der Grundform des Rentenkaufs, ungleich höher aus. Gemäß den üblichen Rechtsanschauungen zum Kauf ging die Gefahr des zufälligen Verlusts der Kaufsache auf den Erwerber über, was sich beim Rentenkauf auf die Nutzungen und die Sachen, aus denen sie resultieren, bezieht. Ging nämlich die Sache unter, auf der die Reallast lag, konnte daraus keine Rente mehr gezahlt werden. Der Anleger hatte sein eingesetztes Vermögen ersatzlos verloren. Um dieses hohe Risiko zu minimieren, ging man dazu über, die Rente nicht mehr nur mit einer Sache des Schuldners, sondern mehreren, oder gar mit einer persönlichen Haftung des Schuldners oder einer Bürgschaft zu verbinden.88 Bei mehreren Bezugssachen für die Rentenzahlung war das Risiko nun zwar verringert, bestand aber weiter. Der Preis der Akzeptanz der Rentenzahlungen durch das kanonische Recht, das demgegenüber die Zinszahlungen für das Darlehen ablehnte, bestand also in einem verglichen mit anderen Anlage instituten höheren Anlagerisiko. Das hohe Risiko trug bedeutend dazu bei, dass die Rente bald zunehmend nicht mehr an bestimmte Immobilien gebunden wurde.89 Nur persönliche Sicherheiten, die die Regel geworden sein mussten, nachdem die Renten nicht mehr an bestimmte Sachen gebunden wurden, boten den höchsten Schutz vor Verlust der Anlage, der in dieser Form grundsätzlich immer beim mutuum gegeben war. Dadurch näherte sich die Ausgestaltung des Rentenkaufs, insbesondere im Anlagerisiko, letztlich in der Praxis dem Darlehen des mutuums an, wenn der Rentenverkäufer mit allen seinen Gütern persönlich für die Rentenzahlung, beziehungsweise die Rückzahlung der Einlage, haftete.90 Ein bedeutender Unterschied zum mutuum bestand zwar zunächst weiter darin, dass allein der Kapitalempfänger, der Rentenverkäufer, die Rentenvereinbarung kündigen konnte. Dieses wurde mit der Zeit aber komplett aufgeweicht. So erlaubte der Rat von Zürich in einem Beschluss bereits im Jahr 1419, dass ein Rentenkäufer seine Einlage zurückfordern durfte.91 Die Danziger Willkür von 1580 normierte unter Teil 2, 88 Trusen, Art. Rentenkauf, in: HRG, Bd. 4, Sp. 897 [899 f.]; Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 243. 89 Vgl. Winter, Der Rentenkauf, S. 21. 90 Das zeigt sich deutlich in einer Erklärung zu einem Rentenverkauf der Stadt Danzig vom 09.08.1454, in: Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 277 f., nach der Danzig von Jurgen Buck 1.200 Gulden empfing und ihm dafür in den nächsten drei Jahren jeweils einen Zins von 100 Gulden zahlen sollte. Im Falle der Nichtzahlung sollte Buck sich an den Gütern der Kaufleute und Bürger der Stadt schadlos halten. Vgl. Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 274–278; vgl. Nehlsen, Die Freiburger Familie Snewlin, S. 124. 91 Beschluss, in: Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 247 f.
III. Das Seedarlehen39
Cap. 7, eine Kündigungsfrist und setzte dabei das Kündigungsrecht des Rentenkäufers indirekt voraus.92 Auf Reichsebene dagegen oblag noch nach Titel 17, § 9 der Reichspolizeiordnung von 1577 die Kündigung der Sultverschreibung allein dem Verkäufer.93 Gemäß Abschnitt 35 des Reichsabschieds von 1600 konnte der Verkäufer dann aber immerhin im Falle versäumter Rentenzahlungen kündigen.94
III. Das Seedarlehen Das speziell für den Handel über den Seeweg geschaffene Seedarlehen bot über das allgemeine Darlehen hinaus eine weitere Möglichkeit, Geld zu verleihen, die sich vom mutuum zudem im Punkt der Risikotragung grundlegend unterschied. Obwohl im Laufe des Spätmittelalters mit den Unternehmensinstituten der commenda und der compagnia der überwiegende Teil des Fernhandels abgewickelt wurde,95 wendete man das Seedarlehen bereits im frühen Mittelalter, wahrscheinlich nahezu seit dem Beginn von Seehandelsunternehmungen, in Italien an. Es ging dabei darum, einem Kaufmann Geld, Vermögensgegenstände oder Waren zur Durchführung einer Handelsreise gegen hohe und unbeschränkt vereinbarte Zinsen zu überlassen. Im Gegenzug trug der Darlehensgeber das Seerisiko. Das Seedarlehen stammte aus dem griechischen Raum und wurde als faenus nauticum in das römische Recht übernommen,96 wobei auch germanische Einflüsse auf diese römische Rechtsfigur denkbar sind, da die dem Seedarlehen zugrunde liegende Rechtsidee auch in germanischen Gebieten bekannt war.97 Grundsätzliche Regelungen zum faenus nauticum fanden sich in den römischen Digesten unter Modestin (10. Buch der Pandekten) D. 22.2.98 Es wurde in fast unveränderter Form bis in das 12. Jahrhundert verwendet, wie 92 Regelung, in: Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 248–250; Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 248. 93 Regelung, in: Schmauß / Senckenberg, Sammlung der Reichs-Abschiede, S. 387. 94 Abschiedt Der Rö. Kay. Mt. zu Speyer im Jahr MDC, Abschnitt 35, Fol. 15v. 95 Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 174. 96 Honsell, Römisches Recht, S. 120; Engel, Realverträge, in: Santos / Baldus / Dedek, Vertragstypen in Europa, S. 45 [54 f.]; Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 348 f.; Schuster, Das Seedarlehen, S. 175 f., 188 f. 97 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 348 f.; Schuster, Das Seedarlehen, S. 188 f. 98 Regelungen, in: Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, CIC, Bd. 4, S. 107–110; vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 157 f.; vgl. Schuster, Das Seedarlehen, S. 202.
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
sich nicht zuletzt in Genua zeigte.99 Dort wurde es in der auf dem römischen, beziehungsweise ursprünglich griechischen, faenus nauticum beruhenden Form namens „prestito marittimo“ genutzt.100 Zahlreiche Vereinbarungen über solche Seedarlehen sind beispielsweise zu finden in den Urkunden des genuesischen Notars Giovanni Scriba aus dem 12. Jahrhundert.101 Ein Unterschied des prestitio marittimo zum faenus nauticum bestand nur darin, dass das Seedarlehen nun nicht mehr auf einheitlichen Rechtsnormen beruhte, die auf dem Römischen Reich gründeten, das sich auf den nahezu gesamten Mittelmeerraum erstreckte, sondern in den verschiedenen Partikularrechtsordnungen der einzelnen Handelsstädte verankert war. So war es dienlich, ein Seedarlehen stets im Rechtsbereich der gleichen Stadt ein- und zurückzuzahlen, um Rechtskollisionen oder Anerkennungsprobleme zu vermeiden.102 Insgesamt behielt das Seedarlehen aber seine ursprüngliche Form. Im oströmischen Recht wurde das römische Seedarlehen sogar bis zur Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 unverändert angewendet.103 Im westlichen Mittelmeerraum war man wegen der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse lediglich gezwungen, das römisch geprägte Seedarlehen den verschiedenen Geschäftsverhältnissen anzupassen, wobei je nach Verwendungszweck nach den Wünschen der Vertragspartner die unterschiedlichsten Formen entstanden. So wurde es als Warendarlehen, als Kreditkauf, als Wechselgeschäft oder zu Versicherungszwecken gebraucht.104 Zum Beispiel regelte Art. 27 des pisanischen Constitutum Usus von 1190 eine Art von Kreditkauf, wobei der Gläubiger für die Auslieferung des Darlehensbetrags oder der Darlehenswaren die Seegefahr zu tragen hatte. Dabei wurde der Darlehensnehmer schuldenfrei, wenn das Schiff aufgrund meeresspezifischer Gefahren mitsamt dem gewährten Darlehen, beziehungsweise den Waren, verloren ging.105 99 Schuster,
Das Seedarlehen, S. 204. Il Diritto delle Assicurazioni, Bd. 1, S. 16, 24. 101 Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 17 (Nr. 32), S. 56 f. (Nr. 104, 106), S. 63 (120), S. 95 f. (179, 180), S. 119 f. (Nr. 224), S. 193 f. (Nr. 370), u. a. 102 Rossetti, Il Diritto delle Assicurazioni, Bd. 1, S. 16, 24. 103 Beispielvertrag über ein Seedarlehen aus Konstantinopel von 1158, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 169 f. (Nr. 78). 104 Schuster, Das Seedarlehen, S. 203–205. 105 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 235–237, und Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 909–911; vgl. Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 255 f.; vgl. Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 348; Dass der Kapitalanleger die Seegefahr zu tragen hatte, ergeben Vereinbarungen über Seedarlehen aus Venedig. Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 64 f. (Nr. 61), 66 f. (63), 128 f. (128), 134 f. (135), 183 f. (183), 211 f. (213), 212 (214), 212 f. (215), 213 f. (216), 214 f. (217). 100 Rossetti,
III. Das Seedarlehen41
Grundsätzlich umschloss eine Vereinbarung zwischen Darlehensgeber und -nehmer in einem Seedarlehensverhältnis zunächst das Risiko der Unternehmung, die „Seegefahr“, die sich in Verbindung mit dem geplanten Handelsweg und den denkbaren seespezifischen Gefahrenszenarien herleitete. Diese Gefahrenrisiken übernahm der Kapitalanleger mit. Als Gegenleistung wurde ein fester, meist hoher, Zinssatz für die Darlehenssumme vereinbart, den der Kapitalanleger mit dem gewährten Darlehen nach den dafür bestimmten Rückzahlungsmodalitäten ausgezahlt bekam.106 Der Zinssatz richtete sich insbesondere nach der durchschnittlichen Reisedauer und war teilweise auch gesetzlich normiert, wie in Art. 25 Constitutum Usus, der eine Liste von Reisezielen mit dazugehörigen unterschiedlichen Zinssätzen, hier proficuum maris genannt, enthielt.107 Die Rückgabe des Darlehensgutes in Geld oder Sachwerten inklusive Zinsen wurde vereinbart für den Zeitpunkt der Rückkehr von der Handelsreise, wobei teils speziell festgelegt war, dass Darlehensgegenstände unversehrt zurückgebracht werden müssten. Für den Fall, dass sich der Darlehensnehmer nicht an die Vertragsbedingungen hielt, verpflichtete sich er sich zu einer höheren Rückzahlung, notfalls unter Duldung der Zwangsvollstreckung in seine Eigentumsgegenstände, wobei er mit seinem kompletten persönlichen Eigentum einzutreten hatte.108 Verwirklichte sich aber ganz oder teilweise die durch den Gläubiger übernommene Seegefahr und ging dadurch ein gewisser Wert des Darlehens verloren, konnte der Darlehensgeber keine oder nur eine verminderte Zahlung vom Darlehensnehmer verlangen. Das Seedarlehen ist also als Kreditgeschäft mit bedingter Pflicht zur Rückzahlung des Darlehenswertes und zur Zinszahlung zu charakterisieren.109 Es stellte für den Anleger ein Spekulationsgeschäft mit oft hohem Risiko dar, wobei er im Erfolgsfall umso höhere Zinsen erwarten konnte. Für den Unternehmer verkörperte das Seedarlehen eine Art von Versicherung, mit der er das Verlustrisiko bezüglich der überlassenen Mittel auf den Investor ableiten konnte.110 Darin liegt der entscheidende Unterschied zum allgemeinen, aus dem mutuum abgeleiteten Darlehen, dessen Betrag sogar 106 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 348 f.; vgl. Thume / de la Motte, in: Thume / de la Motte / Ehlers, Transportversicherungsrecht, Einführung, Rn. 32 f. 107 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 230 f., und Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 905 f.; siehe auch Goldschmidt, der für das Seedarlehen Zinssätze von 24 bis 36 Prozent nannte, Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 55. 108 Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 168–173, siehe auch die hier abgedruckten Beispielvereinbarungen; Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 354. 109 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 348 f. 110 Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 69 f.
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
dann von dem Darlehensnehmer zurückzuerstatten war, wenn das Kapital unverschuldet verloren ging. Das Anlagerisiko fiel beim Seedarlehen bedeutend höher aus, obgleich damit auch höhere Gewinnaussichten einher gingen.111 Normiert sind Formen von Seedarlehensverhältnissen beispielhaft in Lib. 3, Cap. 5 unter „De pignore dato in navibus pro aliqua pecunia“ des Statut de Marseille de 1253 a 1255,112 in den Rôles d’Oléron des 13. Jahrhunderts113 und in Art. 24 des Constitutum Usus unter der Überschrift „De his que dantur ad proficuum maris“114. Weiter sprechen auch die 1099 durch Gottfried von Bouillon für das Königreich Jerusalem erlassenen und im Folgenden weiterentwickelten Regelungen der Assisen von Jerusalem unter Kap. 45 ein Seedarlehen an.115 Die seedarlehensrechtlichen Regelungen des Art. 24 des Constitutum Usus waren jedoch größtenteils in einer Weise formuliert, die auch, beziehungsweise eher, zu einer gesellschaftsähnlichen commenda passen würden,116 welche für Pisa eigentlich in Art. 22 111 Vgl. Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 17; siehe beispielhaft den deutschfranzösischen Fall eines 1573 in Marseille an französische Seefahrer ausgezahlten Seedarlehens der Memminger Handelsgesellschaft Dettigkhofer, wobei der gesamte Investitionsbetrag wegen Verlust des Schiffes verloren ging, Strieder, Levantische Handelsfahrten, S. 27, 29 f. 112 Regelung des Extrait du Statut de Marseille de 1253 a 1255, in: Pardessus, Collection de Lois Maritimes, Bd. 4, S. 265 f. Auch süddeutsche Kaufleute, wie die Handelsgesellschaft der Manlich, nutzten das Seedarlehen als Mittel zur Kapitalbeschaffung für Seehandelsreisen. So führten die Augsburger Manlich im Jahr 1572 von Marseille aus mit zum Teil eigenen Schiffen mehrere Handelsfahrten nach Ägypten, Konstantinopel und Syrien durch, an denen sich der Memminger David Dettigkhofer und seine Gesellschaft mit Seedarlehen beteiligten. Strieder, Levantische Handelsfahrten, S. 21–26. 113 Rooles ou Jugemens d’Oléron, in: Pardessus, Collection de Lois Maritimes, Bd. 1, ab S. 323; vgl. Schuster, Das Seedarlehen, S. 203 f. 114 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 225–230, und Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 900–905. 115 Regelung, in: Zeller, Das Seerecht in den Assisen von Jerusalem, S. 20 f.; Schmidt, Gesetze finden – Gesetze erfinden, in: Schmidt, Tradition, Innovation, Invention, S. 295 [297]; Warnkönig / Warnkönig / Stein, Französische Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 51 f.; vgl. Schug, Der Versicherungsgedanke, S. 371, 391 f. 116 Siehe zum Beispiel in der Vorschrift in der Fassung Bonainis (1233) den griechischstämmigen Begriff hentica, der für eine Einlage steht (Siehe, Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 259 f), bereits in der zweiten Zeile oder siehe bezüglich der Aufnahme von Vermögenswerten in eine societas maris folgende Formulierung der Regelung. Si quis pecuniam vel rem aliquam in societatem vel prestantiam maris ab aliquot lingo navicabili ad risicum sive fortunam ipsius ligni deferendam susceperit, […]. Regelung, in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 903 f.; vgl. Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 347, 348.
III. Das Seedarlehen43
des Constitutum Usus näher beschrieben war.117 So hatte der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber gemäß Art. 24, wie nach vielen commenda-Verträgen, dreiviertel des Gewinns zu übergeben.118 Verluste, die auf der Seegefahr beruhten, wurden nach Art. 24 im Verhältnis der Höhen ihrer Anteile auf beide Parteien aufgeteilt, wenn auch der Darlehensnehmer Vermögen zu der Unternehmung beigetragen hatte.119 Daher sprach Goldschmidt bei dem Seedarlehen des Constitutum Usus von einem „societätsmäßig modifizierten Seedarlehen“.120 Insgesamt stellte das Seedarlehen, das im Landhandel nach Art. 26 des Constitutum Usus ähnlich wie auf See angewendet wurde, um Handelsreisen durchzuführen oder ortsfeste Produktionsstätte oder Geschäfte zu betreiben,121 neben der commenda im Seehandel das bedeutendste Spekulationsgeschäft dar. Dennoch wurde es nicht nur in Pisa insbesondere ab dem 13. Jahrhundert zunehmend weniger gebraucht, da das kirchliche Verbot, sich für ein gewährtes Darlehen Zinsen auszahlen zu lassen, aus dem die Wuchergesetze hervorgingen, nun auch das Seedarlehen erfasste.122 Zunächst war es, wie ursprünglich im römischen Recht,123 noch davon ausgenommen gewesen, da man die Übernahme der Seegefahr als ausreichende Gegenleistung für die Zinszahlung und das Geschäft insgesamt nicht als wucherisch ansah. Letztlich konnte sich das Wucherverbot aber nie ganz durchsetzen und das Seedarlehen behielt zumindest eine geringe Bedeutung. Es verschwand dann aber in seiner ursprünglichen Form nahezu komplett zugunsten der neu entwickelten Seeversicherung, die somit auch als ein 117 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 205–222, und Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 883–897. 118 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 227, und, Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 902; vgl. Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 252. 119 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 226, und Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 901; vgl. Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 251. 120 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 351; begrifflich geht das am Deutlichsten aus dem Constitutum Usus in der Fassung Bonainis (1233) hervor, die Goldschmidt seinen Untersuchungen zugrunde gelegt hatte. 121 Art. 26 (De his que dantur ad proficuum de terra in botteca vel alio loco), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 232–235, und, in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 906–909; vgl. Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 254 f.; vgl. Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 347. 122 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 346. 123 Siehe dazu Labeo (3. Buch zum Edikt) D.22.2.7, in: Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, CIC, Bd. 4, S. 107–110; Schuster, Das Seedarlehen, S. 189; Erxleben, Göschen, Vorlesungen, S. 114; Honsell, Römisches Recht, S. 120.
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
Ersatz- oder Umgehungsgeschäft für das Seedarlehen gesehen werden kann.124 In Venedig trat an die Stelle des Seedarlehens schon Mitte des 13. Jahrhunderts größtenteils die commenda.125 Vorrangig in der Gestalt der aus ihm entwickelten Bodmerei bestanden wesentliche Elemente des römisch geprägten Seedarlehens aber vielerorts gewissermaßen weiter, nun nicht mehr als Versicherung, sondern vornehmlich um Kapital für eine Unternehmung zu erzeugen. Die Modifikation der Bodmerei zum römischen Seedarlehen bestand darin, dass der Darlehensnehmer, meist der Schiffskapitän, für die Darlehensrück- und Zinszahlung nicht mehr mit seinem persönlichen Vermögen haftete. Um den Zahlungsanspruch zu sichern, wurden das Schiff, Handelsware oder andere Sachen verpfändet, wobei das Schuldverhältnis sich alleine darauf bezog und der Darlehensgeber sich nur daraus befriedigen konnte. Bezüglich der Übernahme der Seegefahr für die betreffenden Gegenstände ergaben sich zum römischen Seedarlehen aber keine Ände rungen.126 In dieser Form wurde die Bodmerei in weiten Teilen des Mittelmeerraums und des nördlicheren Europas angewendet. Goldschmidt zog schon für das Seedarlehen aus Art. 24 der Fassung des Constitutum Usus von 1233 in Erwägung, dass darin eine Bodmerei vorläge127 und auch Lib. 3, Cap. 5 des Statut de Marseille de 1253 a 1255 erwähnte laut Schuster ein Rechtsgeschäft, „das den Regeln der Bodmerei folgt“.128 Im deutschen Raum wurde das Seedarlehen als Bodmerei erstmals ausdrücklich und umfassend geregelt im Hamburger Stadtrecht von 1603 in Teil 2 Titel 18,129 während die Bodmerei bereits 1527 in den Statuten von Amsterdam normiert war.130 In früherer Zeit war sie schon in einzelvertraglichen Regelungen feststellbar, wie das erste Mal im Jahr 1387 in einer Vereinbarung des Seemanns Johannes Boye mit Bernardo Kropelin, der dem Boye 80 Nobel Bodemgheldes übergab.131 124 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 354; Schuster, Das Seedarlehen, S. 205 f. 125 González de Lara, The secret of Venetian success, in: European Review of Economic History, Bd. 12 (2008), S. 247 [253, 276]. 126 Schuster, Das Seedarlehen, S. 206, 211 f. Der Begriff der Bodmerei bezieht sich wegen der Sachbezogenheit auf das Schiff, den „Boden“ des Schiffes, als Pfandsache. Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 70. 127 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 350 f, 352. 128 Schuster, Das Seedarlehen, S. 209. 129 Der Stadt Hamburg Gerichtsordnung und Statuta, S. 399–404; vgl. Schuster, Das Seedarlehen, S. 210. 130 Regelung aus Amsterdam vom 13.08.1527, in: Pardessus, Collection de Lois Maritimes, Bd. 4, S. 121 f. 131 Vereinbarung, in: Pauli, Lübeckische Zustände, Urkundenbuch, S. 247 (Nr. 247); weitere Nachweise für Bod mereien, in: Pauli, Lübeckische Zustände,
IV. Das depositum45
IV. Das depositum Das wiederum in Italien beheimatete depositum des Mittelalters, eine andere Art eines Darlehensverhältnisses, erschien in zwei Formen, wobei der Geldgeber in der einen Version Zinsen erhielt und in der anderen proportional nach der Höhe seines Einsatzes am Gewinn beteiligt wurde. In seiner ursprünglich römischen Form bezeichnete dieses Einlageinstrument grundsätzlich eine Hingabe beweglicher Sachen in kostenlose Verwahrung, wobei die gleiche Sache wieder zurückgegeben werden musste.132 Im Rahmen der verzinsten Form des mittelalterlichen depositums, die für das römische Recht in der Literatur als depositum irregulare bezeichnet wird, das neben Geld alle austauschbaren Güter umfassen konnte,133 wurde ein Darlehen gegen feste Zinsen an einen Unternehmer gewährt, der das eingezahlte Kapital als sein Eigentum zum Betrieb eines Gewerbes verwendete. Der Geldgeber erhielt im Gegenzug einen Anspruch auf Rückzahlung der Summe inklusive des sich für den Anlagezeitraum ergebenden Zinsertrags, wobei das depositum grundsätzlich jederzeit kündbar war. Von der römischen Ursprungsform ausgehend erlaubte das depositum wegen des Rechts des Darlehensgebers auf jederzeitige Rückforderung nicht, die Rückzahlung zu befristen.134 Für den Zinsanspruch musste, wie in der Antike, wegen der eigentlich unentgeltlichen Deponierung, vergleichbar mit der Situation beim mutuum, bis ins Mittelalter in einer stipulatio noch separat vereinbart werden, die Höhe der Zinsen an einen bestimmten Einlagezeitraum zu knüpfen.135 Die Zinszahlung war dabei, wie jene aus dem mutuum, von dem kirchlichen Wucherverbot umfasst. Daher wurden die Zinsen zeitweise als „Geschenk“ bezeichnet, um zu verschleiern, dass das Geld aus
Urkundenbuch, S. 247–249. (Nr. 248, 249); vgl. Pauli, Lübeckische Zustände, S. 94–97. 132 Honsell, Römisches Recht, S. 121; Engel, Realverträge, in: Santos / Baldus / Dedek, Vertragstypen in Europa, S. 45 [59]. 133 Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 234, Rn. 20; Mühlhäuser, Ueber Umfang und Geltung des Depositum irregulare, S. 23–25. Der Rückzahlungsanspruch bestand hier jedoch, wie beim mutuum, zunächst nur hinsichtlich des übergebenen Geldbetrages. Eine Zinsvereinbarung für einen bestimmten Zeitraum musste in einer stipulatio gesondert getroffen werden. Engel, Realverträge, in: Santos / Baldus / Dedek, Vertragstypen in Europa, S. 45 [59]; Honsell, Römisches Recht, S. 121. 134 Mühlhäuser, Ueber Umfang und Geltung des Depositum irregulare, S. 54; Honsell, Römisches Recht, S. 122; Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 233, Rn. 14. 135 Mühlhäuser, Ueber Umfang und Geltung des Depositum irregulare, S. 45–47; zur römischen Stipulation siehe Honsell, Römisches Recht, S. 116 f.
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
einem Zinsgewinn stammte.136 Mit der schrittweisen Auflockerung des Zinsverbots wurde die Zinshöhe in gleichem Sinne, wie für das mutuum, beschränkt, zum Beispiel nach einer Anordnung Kaiser Karls V. für die Kaufleute auf höchstenfalls 12 Prozent.137 In der Geschäftspraxis lag der Zinssatz, abhängig von den Verhältnissen des Finanzmarktes, beispielsweise in Florenz um 1247 bei 12,5 Prozent138 oder Anfang des 14. Jahrhunderts bei norditalienischen Unternehmen, wie den Bardi und Peruzzi, bei sechs bis acht Prozent.139 Der Rückzahlungsanspruch und der Anspruch auf die Zinsen140 bestanden beim depositum unabhängig vom Verlauf und eines möglichen Fehlschlags der Unternehmung, in die investiert worden war. Der Investor hatte für entstandene Verluste nicht mitzuhaften.141 Diese Merkmale vereinten das depositum wiederum mit dem auf das mutuum zurückgehenden Darlehen. Während aber das depositum als investiertes Kapital in einem Unternehmen „lag“ und dafür Zinsen gezahlt wurden, erhielt das Darlehen eine Person losgelöst von dem Verwendungszweck des Geldes. Dennoch hatte es der Darlehensnehmer, genau wie das depositum, verzinst zurückzuzahlen. Ein Darlehen wurde jedoch im Gegensatz zum depositum grundsätzlich von vorne herein befristet gewährt und enthielt strukturell nicht den Charakter einer längerfristigen Deposition oder Aufbewahrung in einem Unternehmen. Die Motivation zur Anlage als depositum beruhte für den Investor neben der Gewinnaussicht auf den Zinsertrag darauf, das Geld bei dem Unternehmer zu verwahren, um es vor verschiedenen Verlustgefahren der damaligen Zeit, wie durch Überfälle oder Naturkatastrophen, in Sicherheit zu wissen.142 So deponierte ein bolognesischer Händler im Jahr 1304 nach einem Pferde136 Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 204; siehe auch die Angaben über die Ernennung von Vertretern der Beatrix, Tochter des Markgrafen Opizo von Este und Gattin des Galeazzo Visconti von Mailand, zur Eintreibung ihres donums für bei den Spini, Peruzzi, Accialiuoli und Pazzi eingelegte deposita vom 17.02.1306, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 96 (Nr. 496). 137 Siehe dahingehend ein Zitat Guicciardinis, in: Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 2, S. 24; vgl. Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 22. 138 Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 206. 139 Siehe Angaben aus dem Geheimbuch der Bardi, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 201–203 (Nr. 984). 140 Die Abwicklung einer Depositenrückzahlung, deren Gegenstand bestritten wurde, war beispielsweise geregelt in Cap. 90 der Statuti dell’università de’mercanti e della Corte degli officiali della mercantia della città dei Siena von 1644, in: Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 17, S. 84. 141 Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 15. 142 Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 15.
IV. Das depositum47
verkauf auf der Messe in der Stadt Provins (Champagne) den Erlös daraus bei einem dort anwesenden florentinischen Kaufmann zu einem festen Zinssatz, anstatt ihn selbst mit in die Heimat zu führen.143 Die Vorteile für den Unternehmer lagen bezüglich der Aufnahme von Geld per viam depositi,144 wie bei allen Darlehen, darin, dass er sich Kapital beschaffen konnte, ohne dem Geldgeber nähere Einblicke in seine Geschäftsführung verschaffen oder sich in der Geschäftsführung durch Fremde in irgendeiner Form leiten lassen zu müssen. Auch war der auszuzahlende Zinsbetrag bereits im Vorhinein festgelegt, sodass von einem gegebenenfalls höher ausfallenden Unternehmensgewinn kein weiterer Anteil proportional an den Investor abzuleiten war. Im Falle eines Teilhabers, der als Geldgeber in das Gefüge des Unternehmens integriert war, konnten diese beiden Punkte nicht gelten.145 Ein Nachteil des depositums bestand dennoch darin, dass es kurzfristig von dem Deponenten abgezogen werden konnte und es somit eigentlich nicht dazu zu gebrauchen war, eine Firma planmäßig und langfristig organisiert und ausgerichtet zu betreiben. Da jederzeit befürchtet werden musste, dass der Investor seine Einlage plötzlich zurückfordert, musste ständig flüssiges Kapital vorgehalten werden. Andernfalls boten sich durch nicht zu befriedigende Rückzahlungsforderungen Bankrottgefahren für die Unternehmen.146 Diese Punkte galten auch für die zweite Form des depositums, dessen Gewinn anstatt in Form einer Zinszahlung in vorher festgelegter Höhe in einer proportionalen Gewinnbeteiligung ausgezahlt wurde. Dieses gewinntragende oder „partiarische“ depositum ist aus überlieferten Texten aufgrund fehlender charakterisierender Angaben und uneinheitlicher Namensbezeich nungen schwer von dem zinstragenden zu unterscheiden. Ein Hinweis auf ein gewinnbeteiligtes depositum kann in einer Depositenvereinbarung darin bestehen, dass kein Zinssatz genannt ist, falls er nicht einfach vorausgesetzt und daher nicht genannt wurde. Auch in der, wenn auch oft un durch sichtigen, Namensgebung der jeweiligen Konstruktion können sich Hinweise verbergen. Das bezieht sich auf eine Vereinbarung über ein Konstrukt aus Genua, das Merkmale eines depositums erfüllte, aber accomendacio genannt 143 Regest Nr. 621, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 122 f. 144 Siehe Beispiele zur Beschaffung von Betriebskapital über deposita durch die Wollverarbeitungszunft aus Florenz, in: Regesten Nr. 119, 124, in: Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 550 f. 145 Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 71; vgl. Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 232. 146 Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 23; Silberschmidt, Beteiligung und Teilhaberschaft, S. 71.
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
wurde.147 Da dieser Begriff gewöhnlich für eine Form der commenda stand, könnten die Vertragsparteien bewusst Elemente der commenda, hier die Art der Gewinnbeteiligung, einbezogen gewollt haben, um das depositum als gewinnbeteiligtes zu charakterisieren. Ein fester Zinssatz ist zudem nicht genannt. Andererseits könnte die Namensgebung hier schlicht damit zu erklären sein, dass man teils willkürlich die gleiche Bezeichnung für verschiedene Unternehmensmodelle wählte, da das Handelsrecht und seine Rechtsinstitute noch unzureichend systematisch normiert waren. Die Identifikation und Abgrenzung der beiden Typen von Depositeneinlagen bleibt bezüglich der Gewinnbeteiligung, auch in der Abgrenzung zur commenda und anderen gesellschafterlichen Unternehmensbeteiligungen, letztlich uneindeutig.148 Zudem existierten Mischformen beider deposita-Typen. So erhielten die vielen Depositeneinleger in der Bankgesellschaft der Bardi aus Florenz neben einem auf sechs oder sieben Prozent festgesetzten Zins einen Gewinnanteil,149 der, je nach der jähr lichen Geschäfts lage des Unternehmens, variabel gestaltet war. Davidsohn nannte diesen Zusatzgewinn, den auch die Gesellschaft der Peruzzi kannte, „Superdividende“.150 Das Risiko des Depositengebers, seine Einlage zu verlieren, beschränkte sich bei beiden Formen des depositums jedenfalls auf einen möglichen Bankrottfall des Unternehmers, in dem dieser derart zahlungsunfähig war, dass er nicht mehr alle seine Gläubiger, zu denen ein Depositengeber ge147 Genuesische Beispielvereinbarung vom 07.11.1300 über ein depositum, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 214 (Nr. 103). Rolando Generificio übergab dem Bankier Oberto de Pollanexi lb. 50 genuesischer Währung in accomendacio und konnte diesen Betrag inklusive des entstandenen Gewinns acht Tage nach einer Rückzahlungsaufforderung zurückerhalten. Vgl. Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 212; Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 15. Lopez und Raymond, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 212, waren der Ansicht, dass der Kapitalgeber Eigentümer des übergebenen Vermögens blieb und in Höhe dessen sogar gegenüber Dritten, Gläubigern des Geldempfängers, haftete. In der Folge müsste der depositum-Geber als Eigentümer des Geldes gleichzeitig Mitteilhaber, beziehungsweise Mitgesellschafter, des Unternehmers sein. Das kann jedoch nach dem Zweck und Inhalt des depositums nicht beabsichtigt gewesen sein. Der Unternehmer erwarb die freie Verfügungsgewalt über das übergebene Geld und musste keine Rechenschaft über dessen Verwendung ablegen, was nicht zu einem Verhältnis unter Mitteilhabern passt. Scheinbar hat bei Lopez / Raymond eine Vermischung des depositums mit dem Konstrukt eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters stattgefunden. 148 Vgl. Davidsohn, in: Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 2, Teil 2, S. 416 f., und, in: Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 204–206, der sich mit einer Identifikation schwer tat. 149 Angaben aus dem Geheimbuch der Bardi, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 201–203 (Nr. 984). 150 Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 208 f.; Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 2, Teil 2, S. 416.
IV. Das depositum49
hört, befriedigen konnte.151 Die verschiedenen Depositenmodelle unterschieden sich allein in der verschiedenen Gewinnerwartung, wobei die Arten des depositums hinsichtlich der Risikogestaltung an dieser Stelle also gar nicht untergliedert werden müssen. Neben den norditalienischen Unternehmen bestand auch das Kapitalvermögen der süddeutschen Handelsgesellschaften zu einem Großteil aus Depositeneinlagen.152 Wie in Italien wurde das Gesellschaftskapital auf diesem Weg neben verwandten größtenteils auch durch Investoren ergänzt, die außerhalb der in familiären Beziehungen organisierten Gesellschaft standen.153 Als Anwendergruppen des depositums traten Frauen, Kinder und Erben von Gesellschaftern und Personen, die aus dem Unternehmen als Gesellschafter ausgeschieden waren, und externe Investoren auf.154 Zum Beispiel hatte Hans Auslasser im Jahr 1545 in der Augsburger Gesellschaft des Hans Paumgartner 2.500 fl. zu fünf Prozent als externer Anleger ligen.155 Endres Imhof blieb, nachdem er seine Gesellschafterstellung aufgegeben hatte, in der Familiengesellschaft mit einem depositum in Form seiner vormaligen Gesellschafter einlage an dieser beteiligt und erhielt eine fünfprozentige Verzinsung.156 In einem anderen Beispiel hatte der Nürnberger Mediziner Antonius Fuchs bis in das Jahr 1586 den Betrag von 700 fl. in der Han delsgesellschaft der Gebrüder Werdemann zu einem Zins von sechs Prozent angelegt.157 Verhältnismäßig häufig kamen Depositeneinlagen, die im Übrigen durch die Ähnlichkeiten beider Anlageinstrumente nicht immer deutlich von Darlehen zu trennen sind, in Unternehmen vor, die sich mit spekulativen Finanzgeschäften beschäftigten. Weniger waren sie in Solchen anzutreffen, die nur Warenhandel betrieben, da dafür die Einlagen der vorhandenen Gesellschafter eher ausreichten und keine solche großen Geldmengen angehäuft werden mussten, die für umfangreiche Finanzspekulationen erforderlich waren.158 151 Vgl. Hartung, Geheimbuch eines deutschen Handelshauses, in: Zeitschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 6 (1898), S. 36 [72]. 152 Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 243–246. 153 North, Kommunikation, Handel, Geld und Banken, S. 25. 154 Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 382. 155 Quittung über eine Zinszahlung in Höhe von 125 fl. vom 10.11.1545, in: Müller, Quellen zur Handelsgeschichte der Paumgartner, S. 240 (Nr. 596). Zu weiteren Quittungen über Zinszahlungen aus deposita bezüglich der Augsburger PaumgartnerGesellschaft, siehe in: Müller, Quellen zur Handelsgeschichte der Paumgartner, S. 243 (Nr. 604a), S. 244 (Nr. 608 f). 156 Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 238 f. 157 Siehe Regest einer RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 9, S. 290 f. (Nr. 3554); siehe ein Beispiel aus Memmingen, in Regest einer RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 10, S. 325–327 (Nr. 4194). 158 Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 72.
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
Im Laufe des 16. Jahrhunderts bemühte man sich in den meisten süddeutschen Gesellschaften, an Anlagekapital ausschließlich fest verzinste deposita aufzunehmen und alle Anlagen auf Gewinn und Verlust, die neben denen der Geschäftsführer in der Gesellschaft lagen, an die Einleger zurückzuzahlen. Dabei sollte die Zahl der Gesellschafter verringert werden, um das Mitspracherecht in der Gesellschaft auf möglichst wenige Personen zu konzentrieren und den Gewinn nur unter wenigen proportional aufteilen zu müssen.159 Die den Deponenten auszuzahlenden Zinserträge strapazierten mögliche hohe Geschäftsgewinne weit weniger, da sie vorher schon festgelegt waren, mussten jedoch andererseits auch im Fall ausbleibender Gewinne gezahlt werden. Jedenfalls beschlossen zum Beispiel die geschäftsführenden Gesellschafter der Haug-Langnauer-Linck-Gesellschaft 1557, keine anderen als ihre eigenen Einlagen zu Gewinn und Verlust mehr aufzunehmen und alle bestehenden solchen Einlagen zurückzuzahlen oder in deposita umzuwandeln.160 Nachdem in der Vermögensaufstellung der Firma von 1551 noch hauptsächlich Einlagen zu Gewinn und Verlust vorhanden waren, wurden in einer Auflistung von 1561 alle Einlagen nur noch als deposita, meist zu 5 Prozent Zinsen, geführt.161 Die betreffenden Einlagen gehörten jedoch nur Unternehmensangestellten, also geschäftsführenden Investoren und keinen externen Anlegern im Sinne der Fragestellung dieser Arbeit, da man zu dieser Zeit Einlagen von nicht mitarbeitenden Investoren schon nur noch als verzinste deposita annahm.162 Ähnlich entwickelte sich auch der Kapitalgeberbestand in der Welser-Vöhlin-Gesellschaft.163
159 Hildebrandt, Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, S. 93 [96–98]. 160 Beschluss wörtlich zitiert, in: Hartung, Geheimbuch eines deutschen Handelshauses, in: Zeitschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 6 (1898), S. 36 [77 f.]. Im Beschluss wurde die Einlage als Fürlegung bezeichnet. Eine nur am Gewinn teilhabende Einlage, die die Fürlegung eigentlich verkörpert, war hier aber nicht gemeint, da ausdrücklich von der Teilhabe an Gewinn und Verlust gesprochen wurde. Hildebrandt, Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, S. 93 [100]. 161 Vermögensauflistung aus einem Geheimbuch der Firma, als Tabelle VIII, in: Hartung, Geheimbuch eines deutschen Handelshauses, in: Zeitschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 6 (1898), S. 36 [82 f.]; vgl. Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 173 f. 162 Hartung, Geheimbuch eines deutschen Handelshauses, in: Zeitschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 6 (1898), S. 36 [66]. 163 Hildebrandt, Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, S. 93 [101].
IV. Das depositum51
Die Fürlegung Auch waren Kapitalanlagen vorzufinden, die dem depositum ähnelten, den Investor aber nur am Gewinn, nur selten auch am Verlust, teilhaben ließen.164 Diese so genannten „Fürlegungen“ waren hauptsächlich als Anlagen von Angestellten oder Gesellschaftern, die meist mitarbeiteten, vorgesehen, die diesen von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden. Die Fürlegung diente dazu, den Empfänger stärker an das Unternehmen zu binden und ihn zu motivieren, sich besonders arbeitsam für die Firma einzusetzen.165 Im Genauen stellte sie eine Zusatzvergütung dar, zum Beispiel um Reisekosten und eine unterlassene Konkurrenztätigkeit des Angestellten auszugleichen. Dabei konnte die Fürlegung jedoch jederzeit von der Unternehmensleitung einseitig wieder eingezogen werden.166 Sie verblieb stets meist im Eigentum der Gesellschaft. Beispiele für Fürlegungen waren in der Haug-Langnauer-Linck-Gesellschaft zu finden, von der Ulrich Link und Hans Langnauer gemäß Gesellschaftsvertrag vom 01.09.1531 jeweils zusätzlich zu ihrer Einlage eine Fürlegung erhielten, um deren zu erwartenden Gewinnanteil gegenüber dem des Anton Haug, der über eine höhere eigene Einlage verfügte, anzugleichen. Es sollte Linck und Langnauer vonn dem furgelegten gelt allain die nutzung [und kein Verlust] zugeteylt werden […]. Dafür, dass ihnen Fürlegungen zugestanden wurden, übernahmen beide Gesellschafter in diesem Fall zusätzliche Aufgaben in der Geschäftsführung.167 Da derjenige, dem eine Fürlegung zu Gute kam, aber meist kein nicht mitarbeitender und „stiller“ Investor im Sinne der Fragestellung dieser Arbeit war, wird die Fürlegung an dieser Stelle nicht ausführlicher betrachtet. Im Übrigen stellte sich die Frage nach einem Verlustrisiko hier gar nicht, da die Einlage einer Fürlegung nicht von demjenigen, der den Zinsgewinn daraus erhielt, eingesetzt werden musste. Der Nutznießer aus der Fürlegung erhielt nur einen Zugewinn und konnte andererseits kein persönliches Vermögen verlieren.
164 Silberschmidt,
Beteiligung und Teilhaberschaft, S. 72. Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, S. 93 [100]; Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 382 f. 166 Silberschmidt, Beteiligung und Teilhaberschaft, S. 72 f. 167 Strieder, Die Fürlegung, in: VSWG, Bd. 10 (1912), S. 521 [521–524]; Regelung im Gesellschaftsvertrag der Haug-Langnauer-Link-Gesellschaft, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 76 [77]. 165 Hildebrandt,
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B. Verlustrisiken in „Darlehensverhältnissen“
V. Zwischenbetrachtung Die Verlustrisiken in Darlehensverhältnissen, deren Ausprägungen strukturell teils fließend ineinander übergingen,168 waren unterschiedlich zu bewerten. Zunächst bestand die Rückzahlungsforderung, die sich aus der Verleihung von Geld im Sinne eines mutuums oder eines depositums ergab, wobei der Gläubiger Zinsen oder eine Gewinnbeteiligung erhielt, unabhängig von den übrigen Verhältnissen des Schuldners. Sie konnte unabhängig von dessen Geschäftserfolg, auch im Bankrott, geltend gemacht werden. Darin bestand das denkbar geringste Verlustrisiko, das einen Geldverleiher treffen konnte. Wurde aber der Zinsgewinn für verliehenes Geld von dem Schuldner als Rente aus einer bestimmten Immobilie oder einem konkreten Gewerbebetrieb gezahlt, konnte das Risiko weitaus höher liegen. Das war davon abhängig, wie wahrscheinlich es war, dass der Bezugsgegenstand, an den die Rentenforderung inklusive der Darlehensrückzahlungsforderung geknüpft war, untergehen und damit auch die Zahlungsforderung erlöschen konnte. Eine ungleich noch bedrohlichere Risikokulisse enthielt das Seedarlehen, da der Kapitalanleger aufgrund der grundlegend anderen Konstruk tion dieser Darlehensform stets das in der Seegefahr enthaltene Risiko eines Fehlschlags der Handelsunternehmung mittrug und seine Forderung auf Gewinnzahlung und Rückzahlung des verliehenen Vermögens ersatzlos verlor, wenn sich das Risiko verwirklichte.
168 Insbesondere bei ähnlich gestalteten Anlageinstrumenten, wie dem Darlehen und dem depositum, ist eine Identifikation aus den verfügbaren Unterlagen, nicht zuletzt mangels stringenter Namensbezeichnungen, oft nicht möglich. Aufgrund der mit einer ähnlichen Gestaltung einher gehenden vergleichbaren Risikogestaltung ist dieses Problem für die Fragestellung dieser Arbeit jedoch letztlich nicht ausschlaggebend.
C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen Weiter sind die aus dem Seehandel des Mittelmeerraumes stammenden Unternehmensformen der commenda daraufhin zu untersuchen, welchem Verlustrisiko nicht geschäftsführende Investoren darin mit ihrer Vermögens einlage ausgesetzt waren. In diesen Konstrukten waren Kapitalanleger bereits ansatzweise in das Unternehmens- und Betriebsgefüge des Kapitalempfängers eingebunden und fungierten im Gegensatz zu Darlehensverhältnissen nicht mehr als rein externe Geldgeber.
I. Grundsätzliches zur commenda Für die Unternehmensform der commenda existierten mehrere regional verschiedene Bezeichnungen und Ausprägungen. So wurde das dahin gehende Unternehmenskonstrukt zum Beispiel in Pisa „societas“,1 in Ragusa „entega“,2 in Ancona „recomandigio“,3 in Marseille „com(m)anda“,4 in Venedig „collegantia“5, in der weit verbreiteten Seerechtssammlung des Consolat de Mar „comandita“6 und in Genua „accommenda“7 in der offi ziellen Normierung und in einigen Verträgen „comendacio“,8 „comenda 1 Siehe einen Vertrag aus Pisa vom 11.11.1264, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 180 f. (Nr. 86). 2 Siehe Lib. 7, ab Cap. 42 der Statuta Ragusii von 1272, in: Bogišić / Jireček, Liber Statutorum Civitatis Ragusii, ab S. 165. 3 Siehe Rubr. 50 der Statuten von Ancona von 1397, in: Pardessus, Collection de Lois Maritimes, Bd. 5, S. 162–164. 4 Lib. 3, Cap. 19 Statut de Marseille de 1253 a 1255, in: Pardessus, Collection de Lois Maritimes, Bd. 4, S. 266; siehe Beispielvereinbarungen, in: Blancard, Documenti inédits sur le commerce, Bd. 1, S. 6 (Nr. 3 ff). 5 Siehe beispielhaft die Regelungen über die collegantia nach Lib. 3, Cap. 1–3 der venezianischen Statuten in der Fassung des Dogen Jacomo Tiepolo von 1242, in: Novissimum Statutorum ac Venetarum Legum Volumen, Fol. 33v. 6 Siehe Regelungen der Cap. 207 ff., in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 199–210, beziehungsweise die gleichen Regelungen in Cap. 210 ff., in: Pardessus, Collection de Lois Maritimes, Bd. 2, S. 186–201. 7 Die accomenda ist geregelt zum Beispiel in den Statuten von 1588, in: Lib. 4, Cap. 13, in: Statutorum civilium reipublicae Genuensis, S. 142–146. 8 Siehe genuesische Beispielvereinbarungen, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 37 (Nr. 68), S. 71 (Nr. 137), S. 56 (Nr. 105), S. 62 f. (Nr. 68).
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
tio“,9 „accomendacio“,10 oder „societas“11 genannt. Die vielen verschiedenen Namensbezeichnungen, hinter denen sich nicht immer unterschiedliche Rechtsfiguren verbargen, zeigen, dass alle diese Unternehmensverhältnisse heute nur schwer unter einem universellen Begriff zu fassen sind. Auch selbst wenn für verschiedene Gegenden einmal gleiche Bezeichnungen festzustellen sind, konnte damit jeweils eine andere Form eines commendaVerhältnisses oder teils eine ganz andere Rechtsfigur, wie ein depositum oder eine Einlage als nicht geschäftsführender Gesellschafter, gemeint gewesen sein. Umgekehrt konnten verschiedene Namen die gleiche Rechts figur umfassen.12 Daher wird in dieser Arbeit nur aus praktischen Erwägungen der von der in der zeitgenössischen Handelswelt weit verbreiteten genuesischen Bezeichnung acommenda abgeleitete Begriff commenda, der auch in der übrigen Literatur größtenteils als solcher gebraucht wird,13 als Oberbegriff für die Unternehmensverhältnisse des Teils B) verwendet. In der älteren Literatur dagegen wurde mit „commenda“ ein Unternehmensmodell bezeichnet, das über alle Herrschaftsgrenzen hinweg grundsätzlich einheitlich gewesen sein sollte.14 Sie habe als eine „Gelegenheitsgesellschaft“ fungiert15 und einen kurzfristigen gesellschaftlichen Zusammenschluss für eine bestimmte Handelsunternehmung dargestellt. Insgesamt umfasste die commenda gemäß der älteren Forschung ein Geschäft, bei dem ein meist in der Heimat verbliebener Kapitalanleger einem, anfangs per Schiff und später auch im Binnenland, umherreisenden Unternehmer, beziehungsweise Geschäftsführer, auf eigenes Risiko einen Kapitalwert in Form von unter anderem Geld, Waren oder einem Schiff übergab.16 Das Wort 9 Siehe eine genuesische Beispielvereinbarung, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 48 (Nr. 89). 10 Siehe eine Urkunde eines genuesischen Notars über eine Vereinbarung aus Famagusta, in: Revue de l’Orient Latin, Bd. 1, S. 324 f. (Nr. 465). 11 Siehe commenda-Vereinbarungen, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 6 (Nr. 11 und Nr. 12); S. 52 (Nr. 98), S. 395 (Nr. 733) und andere. 12 Auch die Literatur tut sich schwer mit konkreten Deutungen der verschiedenen Begriffe. Die Definitionen in: Edler, Glossary of Medieval Terms, S. 20–22, 78–81, spiegeln insgesamt die uneinheitliche und oft undurchsichtige Namensgebung bezüglich depositum, Darlehen, commenda und compagnia wider. 13 Vgl. Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 174; vgl. Fouquet, Netzwerke, in: Fouquet / Gilomen, Netzwerke, S. 9 [12]. 14 Vgl. Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 15–17. 15 Dieser Ausdruck stammt aus der älteren Literatur. Vgl. Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 254. 16 Der Unternehmer wurde in der älteren Forschung meist als „Tractator“ und der Kapitalgeber als „Commendator“ bezeichnet. Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 259; Renaud, Commanditgesellschaften, S. 3 f.
II. Einzelne Ausgestaltungen der commenda55
„commenda“ entstammte in diesem Zusammenhang dem lateinischen Wort „commendare“, das für „anvertrauen“, „anempfehlen“ oder „übergeben“ stehen kann. Mit den übergebenen Kapitalwerten habe der Unternehmer spekulieren und also ein Handelsgeschäft ausführen sollen, wobei ihm oft die Art des Geschäfts, der Handelsort oder andere Merkmale nach der Vereinbarung der commenda genau vorgegeben gewesen sei und er nicht völlig selbstbestimmt habe agieren dürfen, um mit dem anvertrauten Gut oder Geld einen möglichst hohen Gewinn erwirtschaften zu können.17 Der Kapitalgeber sei neben dem Geschäftsführer an Gewinn und Verlust des Geschäfts nach Maßgabe im Rahmen der commenda getroffener Vereinbarungen oder aufgrund gesetzlicher Regelungen beteiligt gewesen.18 Möglich war laut Lübbert zudem, dass der Geschäftsführer anstatt eines Gewinnanteils eine zuvor vereinbarte Entlohnung erhalten habe.19 Nach Goldschmidt habe eine commenda außerdem nicht nur von einem, sondern mehreren Kapitalgebern gespeist werden können.20
II. Einzelne Ausgestaltungen der commenda Um näher zu erforschen, welche Risiken in commenda-Unternehmen zu erwarten waren, sind einzelne Ausgestaltungen von auf der commenda basierenden Verhältnissen und deren weitere Entwicklung ab dem 13. Jahrhundert individuell zu betrachten. In diesem Rahmen kann auch überprüft werden, ob die Annahmen der älteren Forschung bezüglich eines allerorts einheitlichen commenda-Modells zutreffen. In der Handelspraxis und den Statuten hauptsächlich italienischer Handelsstädte fanden sich unterschiedliche Variationen von commendae. Das betrifft zunächst commenda-Unternehmen, an denen sich nur ein Kapitalanleger beteiligte, so zum Beispiel in Genua. In einem Fall ließ Anselmo Bufferio am 23.02.1259 in Genua beurkunden, dass er von Enrico Nepitella lb. 50 genuesischer Währung in accomendacio erhalten hat. Bufferio sollte in Richtung des Gebiets um Syrien eine Handelsreise unternehmen und an deren Gewinn zu einem Viertel beteiligt werden.21 Eine weitere Urkunde eines genuesischen Notars über eine Vereinbarung aus Famagusta vom 04.12.1300 umfasste eine Handelsreise nach Layacium (Kleinarmenien), für die der Geschäfts17 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 264 f.; Renaud, Commanditgesellschaften, S. 6 f. 18 Renaud, Commanditgesellschaften, S. 5. 19 Lübbert, Stille Gesellschaft, in: ZHR, Bd. 58 (1906), S. 464 [467]. 20 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 260. 21 Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 146 f. (Nr. 62).
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
führer namens Nicolinus de Signago 2.031 Bissantios albos von Conrado de Sancto in accomendacio erhielt und wiederum zu einem Viertel am Gewinn des Unternehmens beteiligt werden sollte.22 Dass der Geschäftsführer ein Viertel des Gewinns erhalten sollte, wurde in den betreffenden genuesischen Vereinbarungen oft mit ad quartam proficui umschrieben.23 Seltener kam in Genua aber auch vor, dass der Geschäftsführer ein Drittel des Gewinns erhielt.24 Strukturell handelte der Unternehmer nach außen im eigenen Namen. Allein er war aus abgeschlossenen Geschäften verpflichtet, nicht der Kapitalgeber. Manchmal war dem Geschäftsführer die Art und Weise seines Handelns sogar komplett freigestellt.25 Der Kapitalgeber trat gegenüber Dritten nicht in Erscheinung. Wenn die Unternehmung nicht erfolgreich verlief, musste er nur fürchten, das dem Geschäftsführer überlassene Gut oder Geld zu verlieren, nicht aber sein übriges Vermögen. Nach Lib. 4 Cap. 13 Abschnitt 3 der genuesischen Statuten von 1588 wurde dem Kapitalanleger jedoch das Recht zugesprochen, direkt gegenüber dem Handelspartner des Geschäftsführers aufzutreten, um seine Forderungen gemäß der commenda-Vereinbarung geltend zu machen.26 Neben der Möglichkeit nur eines Kapitalgebers in der einseitigen commenda, konnten sich in einer mehrseitigen commenda, wie in der älteren Forschung zutreffend festgestellt, auch zwei oder mehr Kapitalgeber oder ein Kapitalgeber und der Unternehmer selbst mit Kapital beteiligen.27 Dabei wurde das von mehreren Seiten eingebrachte Kapital zu einer einzigen Ver22 Urkunde, in: Revue de l’Orient Latin, Bd. 1, S. 327 (Nr. 455); weitere Urkunden aus Genua, in: Chiaudano / Patetta, Il Cartolare di Giovanni Scriba Bd. 2, S. 162 f. (Nr. 1130), 163 (1132), beide in englischer Übresetzung, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 179 (Nr. 84, 85); in einem außergewöhnlichen Fall einer commenda-Vereinbarung vom 23.01.1359 aus Syrakus erhielt ein Seefahrer aus Barcelona 60 fl. zur Ausübung der Piraterie zur Beschaffung griechischer Sklaven. Urkunde, in: ASM, Fondo Pergamene (F70222), Provenienze incerte (UD38000560). 23 Siehe genuesische Urkunden vom 01.09.1156, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 69 (Nr. 132), vom 03.07.1157, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 112 f. (Nr. 213) und vom 19.08.1157, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 132 f. (Nr. 245); vgl. Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 50; vgl. Ashburner, The Rhodian Sea-Law, S. CCXXXIX. 24 Beispielvereinbarung in einer genuesischen Urkunde vom 16.09.1191, in: Chiaudano, Contratti Commerciali Genovesi, Bd. 1, S. 77 (Nr. 45). 25 Siehe dazu zwei Beispielvereinbarungen über eine commenda aus Genua, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 415 (Nr. 772 und Nr. 773). 26 Regelung, in: Statutorum civilium reipublicae Genuensis, S. 143. 27 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 165; Servos, Personenhandelsgesellschaften und stille Gesellschaft, S. 10.
II. Einzelne Ausgestaltungen der commenda57
mögensmasse vermischt. In der wohl ursprünglich einseitigen commenda28 war es dem Unternehmer anscheinend noch untersagt gewesen, die eingebrachten Vermögenswerte eines Kapitalgebers mit anderem Vermögen zu vermischen.29 Unter anderem war nach den Statuten von Marseille mit der dortigen societas30, der venezianischen collegantia31 und den genuesischen Statuten von 1588 mit der dortigen accomenda32 eine mehrseitige commenda möglich. Einige bedeutende Ausführungen weiterer Statuten, die ein- und mehrseitige commendae zuließen, sind im Folgenden dargestellt, wobei deren jeweilige, durch Gesetzgeber, zeitgenössische Händler oder die spätere Forschung verliehene, Namen nur hilfsweise und sehr bedingt dazu heranzu ziehen sind, um die Rechtsfiguren zu identifizieren. Vorrangig ist auf den tatsächlichen Inhalt der Regelungen zu achten. 1. Historische Einordnung von commenda-Unternehmen Die ersten Formen der commenda wurden zunächst in den Stadtrechten von Hafenstädten des Mittelmeers, wie Venedig, Pisa, Genua, Ancona, Mar28 Dilcher / Lepsius,
Max Weber, S. 165. Stille Gesellschaft, in: ZHR, Bd. 58 (1906), S. 464 [479, 487]. 30 Geregelt, in: Lib. 3, Cap. 19–24 (De societatibus et commandis) Statut de Marseille de 1253 a 1255, in: Pardessus, Collection de Lois Maritimes, Bd. 4, S. 266–268. Die societas wurde hier als eine Mehrheit von Investoren verstanden. Dass damit Investoren in einer commenda gemeint waren, ist dadurch belegt, dass die Regelung beider hier geregelter Institute, der societas und der commanda, gleich ausfiel und insgesamt eine commenda darstellte. Begrifflich wurde bei der Bezeichnung des Rechtsinstituts stets von einer societate vel commanda gesprochen und damit beide Begriffe gleichgesetzt. 31 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 165; Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 260; Servos, Personenhandelsgesellschaften und stille Gesellschaft, S. 10; Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 175; Karsten, Geschichte Venedigs, S. 36. 32 Regelung, in: Statutorum civilium reipublicae Genuensis, S. 142–146. In früherer Zeit wurde die mehrseitige commenda in Genua auch als societas bezeichnet, wie einige Beispielvereinbarungen aus den Akten des Notars Giovanni Scriba zeigen. Nach einer Vereinbarung vom März 1155, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 6 (Nr. 12), zwischen einem Otobonus und einem Aucellus legte Otobonus lb. 62 und Aucellus lb. 31 genuesischer Währung ein, womit Aucellus in Salerno und Sizilien Handel treiben sollte. Weitere Beispiele für eine bilaterale commenda, bzw. societas, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 52 (Nr. 98), S. 395 (Nr. 733); an einer anderen Vereinbarung vom 20.08.1156, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 61 (Nr. 115), waren drei Personen beteiligt. Der Bankier Ingo und Eribertus von Rapallo legten in die societas des Iohannis Christhianus zusammen lb. 60 ein. 29 Lübbert,
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
seille und Barcelona ausgeprägt.33 Sie wurzelten in den stark angewachsenen Warenströmen des Seehandels, insbesondere zwischen der westitalienischen mit der spanischen Küste, und ist seit dem 11. Jahrhundert in Italien belegt.34 Das römische Recht kannte die Gesellschaftsform und insbesondere den Namen einer commenda noch nicht,35 wobei das Wort „commendare“ im Corpus Iuris noch allgemein und untechnisch ein „Anvertrauen“ bezeichnete.36 Es ist aber anzunehmen, dass die einer commenda zugrunde liegende, für den Seehandel elementare Idee, einem Geschäftsmann für ein bestimmtes Handelsgeschäft Waren oder Geld gegen eine Gewinnbeteiligung zur Verfügung zu stellen, in vergleichbarer Form bereits in der Wirtschaftswelt des europäischen Altertums im römischen Reich sowie in Griechenland umgesetzt wurde.37 Dennoch haben altertümliche Praktiken die Entstehung der commenda im Mittelalter aber nicht entscheidend beeinflusst, da die Unterschiede zur commenda in wirtschaftlicher wie rechtlicher Struktur, zum Beispiel bezüglich der Verlustverteilungsverhältnisse, zu groß erscheinen. Vermutlich waren insgesamt mehrere Quellen und Einflüssen kulturell unterschiedlicher Regionen dafür verantwortlich, dass sich Formen von commendae entfalteten. Diese Entwicklung wurde von den Bedürfnissen des expandierenden Seehandels und den daraus resultierenden Bedürfnissen der Kaufleute in den einzelnen Handelsstädten angetrieben. Alle Bestrebungen basierten auf dem einfachen Prinzip der Verbindung von Kapital und Arbeit. Im Handel zwischen den italienischen Städten und anderen europäischen Gebieten glichen sich aber trotzdem die jeweils vorherrschenden unterschiedlichen Modelle einer commenda in gewissem Umfang an, wodurch sich die Kaufleute den Handel erleichterten.38 33 Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 48 f.; Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 170– 182; vgl. aus der älteren Forschung, Lübbert, Stille Gesellschaft, in: ZHR, Bd. 58 (1906), S. 464 [466]; Rehme, Geschichte, in: Ehrenberg, Handbuch, Bd. 1, S. 28 [166]. 34 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 157; vgl. Renaud, Commanditgesellschaften, S. 3. 35 Renaud, Commanditgesellschaften, S. 13. 36 Lübbert, Stille Gesellschaft, in: ZHR, Bd. 58 (1906), S. 464 [470]. 37 Vgl. Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 255. Rehme war sogar der Ansicht, dass die commenda aus dem römischen Recht übernommen worden sei, obgleich er dafür keine konkreten Belege aufführte. Rehme, Geschichte, Ehrenberg, Handbuch, Bd. 1, S. 28 [102]. 38 Vgl. Amend-Traut, Art. Handelsgesellschaften, in: HRG, Bd. 2, Sp. 703 [704]. Eine in der älteren Literatur angenommene universale Rechtsentwicklung bezüglich der commenda im Mittelmeerraum kann aber nicht angenommen werden. Vgl. Lübbert, Stille Gesellschaft, in: ZHR, Bd. 58 (1906), S. 464 [467]; vgl. Rehme, Geschichte, in: Ehrenberg, Handbuch, Bd. 1, S. 28 [95, 102].
II. Einzelne Ausgestaltungen der commenda59
Als eine elementare Grundlage alter Vereinbarungen über eine Art von commenda, die die Entwicklung in Italien beeinflusst hat, wird überwiegend das „pseudo-rhodische“ Seerecht aus dem 10. Jahrhundert angesehen.39 Darin ist die byzantinische Rechtsform der chreokoinonina überliefert, die wie später die commenda dazu benutzt wurde, um Seehandelsunternehmungen zu finanzieren. Wenn auch die chreokoinonina in ihrer konkreten Form noch nicht späteren commenda-Formen entsprach, ist eine Beeinflussung durch sie doch zu vermuten, auch weil zwischen Byzanz und Venedig, wo sich im 10. Jahrhundert die collegantia als eine der ersten Formen einer commenda entwickelte, traditionell enge Handelsverbindungen bestanden.40 Weiter ist vorstellbar, dass das Gesellschaftsmodell der commenda ursprünglich sogar aus dem arabischen Raum stammte und aus Babylon in das byzantinische Reich nach Europa gelangt war. Speziell die jüdische Rechtsform isqua und ihr islamisches Gegenstück kirad weisen in Struktur, Haftungsverhältnissen und Gewinnverteilung Parallelen zur commenda auf, wobei auch zu beachten ist, dass jüdische Kaufleute den europäischen Handel in weiten Teilen mitprägten und auch arabische Kaufleute zeitweise den Handel im Mittelmeerraum dominierten. Für eine direkte Beeinflussung der Entwicklung der commenda durch die beiden gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen oder andere aus dem arabischen Raum finden sich aber letztlich keine konkreten Hinweise.41 2. Die Handlungsvereinigung aus dem Constitutum Usus (Pisa) Der Constitutum Usus aus Pisa wurde ab 1161 gesetzlich gefasst und verwendet,42 war aber wahrscheinlich bereits Gegenstand früherer Normie39 Meyer,
Haftungsbeschränkung, S. 48. Origins of the Commenda, in: Speculum, Bd. 52 (1977), S. 5 [23–26]; vgl. Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 20–22; vgl. Amend-Traut, Art. Handelsgesellschaften, in: HRG, Bd. 2, Sp. 703 [705 f.]; zur collegantia, Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 173 f. 41 Pryor, Origins of the Commenda, in: Speculum, Bd. 52 (1977), S. 5 [26 f., 29 f., 36 f.]. Vgl. Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 48 f. Schon Goldschmidt war der Auffassung, dass keine Einflüsse aus dem arabischen Raum bestanden hätten. Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 255. 42 Vorrede der Regelungen (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 129 f., und, Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 813 f. Die Ursprungsfassung des Constitutum Usus wie auch die des Constitutum Legis sind nicht überliefert. Für die älteste verfügbare Version wurde lange die von Bonaini editierte gehalten, die aus dem 1233 stammt und Ergänzungen bis zum Jahr 1281 enthält, bis in der Bibliothek des Sir Thomas Phillipps eine Fassung gefunden wurde, die aus der Zeit um 1190 stammt. Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 5–8. 40 Pryor,
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rungen.43 Vermutlich wurden hier erstmals in Europa seerechtliche Regelungen in moderner Form normiert.44 Gemäß der Vorrede der Fassungen von 1190, wie von 1233, enthielt der Consitutum Usus eine Sammlung des Rechts der Kaufleute, das sich gewohnheitsrechtlich entwickelt hatte und aus römischen, langobardischen und anderen Rechtselementen bestand und im Constitutum von 1161 nun aus der vorher größtenteils mündlichen Überlieferung in einem schriftlichen Gesetzeswerk neu geordnet wurde.45 Diese Regelungen enthielten in Art. 22 unter der Überschrift De societate facta inter extraneos46 insbesondere eine Art mehrseitiger See-commenda, die vergleichsweise stabil institutionalisiert war.47 Der Gesamtheit aller daran beteiligten Kapitalgeber, die aus verschiedenen Familien stammen konnten,48 stand ein capitaneus vor, der in der Regel der Geschäftsführer war, aber auch ein Kapitalgeber sein konnte. Dieser konnte über die gesamte Unternehmung und das eingebrachte Vermögen unabhängig von den Kapitalgebern Dispositionen treffen und entschied auch über die Annahme oder Ablehnung einzelner Kapitalgeber. Er war der Geschäftsführer der Handelsunternehmung und liquidierte diese, wenn sie abgeschlossen war. Trotzdem behielten die Investoren, da sie im Innenverhältnis gegenüber dem Geschäftsführer gleichberechtigte Teilhaber waren, ihre grundlegende Stellung als Kapitalgeber aus der herkömmlichen commenda und hatten Kontroll- und Verfügungsrechte bezüglich der Vermögenswerte, die sie an den Geschäftsführer übergeben hatten.49 Unter allen Beteiligten bestand nach Art. 22 eine Gemeinschaft gleichberechtigter Teilhaber, vergleichbar mit einer Gesellschaft, die nur in einem Innenverhältnis existierte. Der Geschäftsführer erhielt dafür, dass er die Geschäfte führte, je nach Höhe seines Kapitalanteils ein Drittel oder ein Viertel des Gewinns. Der Rest verteilte sich auf die nicht handelnden Teilhaber. Für Verluste hatten alle Beteiligten 43 Pardessus,
Collection de lois maritimes, Bd. 4, S. 546–553. Europäische Rechtsgeschichte, Rn. 817. 45 Vorrede (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 129 f., und Vorrede (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 813 f.; vgl. Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 124–127. 46 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 205–222, und, Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 883–897. 47 Gleichfalls wurden in Pisa aber auch Unternehmungen mit nur einem Kapitalanleger durchgeführt. Laut einer Notariatsurkunde aus Pisa von 1264 erhielt ein Kaufmann namens Ranieri, Sohn des Ottaviano, von dem Kapitalanleger Sigieri, Sohn des Bianco de San Miniato, lb. 25 pisanischer Währung als Investition in eine societas maris. Vereinbarung vom 11.11.1072, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 180 f. (Nr. 86). 48 Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 241. 49 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 259–261. 44 Hattenhauer,
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anteilig einzutreten. Der nach außen auftretende Geschäftsführer hatte gegenüber seinen Gläubigern unbeschränkt und die Kapitalgeber auf die Höhe ihrer Einlage beschränkt aufzukommen.50 Vor einer fehlerhaften und selbst verschuldeten Geschäftsführung durch den Geschäftsführer waren die Kapitalanleger durch Schadensersatzansprüche gegen ihn geschützt.51 Dadurch wurde das allen Unternehmensbeteiligungen zugrunde liegende Problem, dass die nicht geschäftsführenden Teilhaber von der konkreten Geschäftsführung des Handelnden keine Kenntnis haben und sie im Zuge dessen nicht geringen Verlustgefahren wegen betrügerischen Vorgehens des Geschäftsführers ausgesetzt sind, etwas abgeschwächt. Der Geschäftsführer war durch angedrohte Schadensersatzansprüche dazu angehalten, die Geschäfte ordnungsgemäß zu führen und abzurechnen. Für Landgeschäfte, also Handelsreisen oder den Betrieb von ortsfesten Unternehmen, wurde nach Art. 23 des Constitutum Usus die compagnia de terra benutzt, die spiegelbildlich die Strukturen der See-commenda enthielt.52 Im Rahmen dessen beteiligten sich Kapitalanleger entweder an einer Handelsreise über Land53 oder an einer bottega, dem Handels- und Produktionsstützpunkt eines Kaufmanns.54 Insgesamt stellten die Unternehmensformen des Constitutum Usus, selbst wenn man die Vereinigung der Kapitalgeber als gesellschaftlichen Zusammenschluss betrachtet und sie in der Praxis auch sogar societas oder compagnia genannt wurde, keine Personengesellschaft dar. Sie besaßen lediglich die Form einer herkömmlichen commenda, da auch nach außen aus dem Kreis der Teilhaber nur ein Unternehmer und nur im eigenen Namen auftrat. Bis zu einer möglichen Zwangsvollstreckung gegen den Geschäftsführer traten die nicht handelnden Teilhaber im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Unternehmers nach außen nicht auf, wobei sie in der Zwangsvollstreckung ihre Einlagen gegenüber Gläubigern des Geschäftsführers zu 50 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 205–222, und, Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 883–897. 51 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 213 f., und, Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 887–889; Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 245 f. 52 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 222–225, und, Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 897–900; Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 247–249. 53 Beispielvereinbarung über eine landgebundene Handelsunternehmung in einer genuesischen Urkunde vom 21.10.1191, in: Chiaudano, Contratti Commerciali Genovesi, Bd. 1, S. 86 (Nr. 65). 54 Beispielvereinbarung in einer genuesischen Urkunde vom 24.09.1191, in: Chiaudano, Contratti Commerciali Genovesi, Bd. 1, S. 83 (Nr. 58); Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 281 f.
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schützen hatten. Auch wenn die Investoren untereinander gesellschaftlich verbunden gewesen sein sollten, waren sie gewöhnliche Kapitalgeber einer commenda. Andererseits kann bereits angezweifelt werden, dass die Kapitalgeber untereinander verbunden waren, da eine organisierte Gesellschaftsstruktur fehlte. Sie konnten schon daher nur Teilhaber einer mehrseitigen commenda und keine Gesellschafter darstellen.55 Die Begriffe der „societas“ und der „compagnia“ dürfen hier nicht als „Gesellschaft“ im heutigen Sinne verstanden werden. Der Begriff täuscht nur eine Gesellschaft vor, meint aber eine commenda. Auch der Begriff compagnia, der eigentlich eine Gesellschaft bezeichnete, wurde teils für Formen der commenda verwendet.56 Parallelen und Übereinstimmungen zu den Regelungen des Constitutum Usus weisen die Statuten von Bari und Rimini aus dem 14. Jahrhundert auf, die daneben aber auch byzantinisch beeinflusst worden waren.57 Parallel zum Gesetzbuch des Constitutum Usus entstand die Gesetzessammlung des Constitutum Legis, das wohl auf die gleichen Ursprünge zurückgeht. Es enthielt das Familien-, Personen- und Immobiliarsachenrecht, worüber der pisanische Gerichtshof der Curia legis urteilte.58 Obgleich darin weniger zu Kapitaleinlagen in Unternehmen geregelt war, normierte der Constitutum Legis in der Fassung von 1233 mit Ergänzungen bis aus dem Jahr 1281 nach Art. 39 die Vermögensanlage durch Ehefrauen apud ydoneos mercatores, also bei geeigneten Kaufleuten, in compagnia.59 In Art. 19 wurde allgemein die allgemeine Übergabe von Vermögen an Kaufleute gegen eine spätere Gewinnauszahlung geregelt („[…] collocare alicui mercatori vel mercatoribus in societatem pro eo qui pecuniam rece55 Vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 264 f.; vgl. Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 243–246, der die Seeunternehmensform des Art. 22 offenbar nicht als eine commenda, sondern eine Personengesellschaft im heutigen Sinne auffasst. 56 So umfasst exemplarisch auch das Unternehmenskonstrukt, das unter „De compagnia de terra“ in Art. 23 des Constitutum Usus geregelt ist, keine Gesellschaft, sondern verkörpert eine Form der commenda zur Anwendung im Landhandel. Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 222–225, und, Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 897–900. 57 Wagner, Handbuch des Seerechts, Bd. 1, S. 62. 58 Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 3, 120–123. 59 Regelung des Art. 39, Ergänzung Nr. 5, in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 783 f.; vgl. Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [420]; vgl. Renaud, Commanditgesellschaften, S. 22. Im Art. 36 der Fassung von 1190, der unter der gleichen Überschrift, wie Art. 39 der Version von 1233 firmierte, war eine solche Regelung noch nicht enthalten, da es sich um eine Ergänzung handelte. Art. 36 (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 96–101.
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pit, […]“).60 Entgegen den in den Vorschriften genannten Begriffen com pagnia und societas, die im Gegensatz zu einer commenda scheinbar eine Handelsgesellschaft meinten, wurde der Kapitalgeber hier aber wieder nicht Gesellschafter in diesem Sinne. Er legte nach den Normen allgemein Geld ein, um es später mit einem Gewinnanteil zurückzuerlangen. Näher ausgestaltet wurde diese Bestimmung nicht. An keiner Stelle der Statuten ist jedenfalls die Rede davon, dass die externen Kapitalgeber oder die Ehefrauen und Kinder, selbst Gesellschafter werden sollten. Dass stattdessen nur allgemeine Angaben über die Weggabe von Vermögen in ein Unternehmen gemacht wurden und nichts über die Rolle gesagt wurde, die die Kapitalanleger in dem Unternehmen spielen sollten, weist darauf hin, dass der Anleger anders als in der See- und Land-commenda des Constitutum Usus in das Unternehmen gar nicht involviert war. Er stand mit dem Geschäftsführer in keiner Innengesellschaft oder einer ähnlichen Verbindung. Das investierte Vermögen des Kapitalgebers ging komplett in das Vermögen des Geschäftsführers über, der unabhängig und losgelöst von Vorgaben des Kapitalgebers, denen der Geschäftsführer in anderen Formen der commenda streng verpflichtet war, seine Unternehmung durchführen konnte. Der Kapitalgeber behielt nur ein Forderungsrecht bezüglich seines eingesetzten Kapitalwerts und eines Gewinnanteils, nicht aber Eigentums- oder Verfügungsrechte über seinen Anteil. Damit einhergehend wurde Kapital in diese Unternehmen oftmals durch nicht geschäftlich tätige Personen eingelegt, wobei zum Beispiel geerbtes Vermögen durch Witwen oder Kinder investiert wurde.61 Die Verlustgefahr der Kapitalanleger bezog sich, wie in der ursprünglichen commenda, nur auf den eingelegten Kapitalanteil. 3. Die venezianische collegantia Die älteste überlieferte Urkunde über eine commenda-Vereinbarung überhaupt stammt aus dem Venedig des Jahres 1072.62 Das älteste überlieferte Seerecht aus Venedig wurde im Jahr 1229 durch den Dogen Pietro Ziani erlassen63 und von nachfolgenden Dogen jeweils teils grundlegend überar60 Regelung des Art. 19, Ergänzung Nr. 1, in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 720; vgl. Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [420]; vgl. Renaud, Commanditgesellschaften, S. 22; auch diese Passage war im Constitutum Legis von 1190 noch nicht enthalten. 61 Renaud, Commanditgesellschaften, S. 21 f. 62 Vereinbarung, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 11 f. (Nr. 12) und in englischer Übersetzung, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 178 (Nr. 83); vgl. Condanari-Michler, Früh venezianische Collegantia, S. 7–9. 63 Siehe Norm, in: Predelli / Sacerdoti, Gli Statuti Maritimi Veneziani, S. 50 f.
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beitet, wie 1255 durch den Dogen Rainieri Zeno.64 Diese Regelungen enthielten mit der collegantia ähnlich dem Constitutum Usus eine Organisationsform einer Seehandelsunternehmung, die durch einen oder mehrere Kapitalgeber gespeist und durch einen „Patron“ als Geschäftsführer beherrscht wurde. In einem Beispielfall aus Venedig von 1073 investierten Sevasto Orefice lb. 200 venezianischer Währung und der Geschäftsführer Giovanni Lissado de Luprio selbst lb. 100 in eine collegantia.65 In einem anderen Fall von 1072 investierten der Kapitalgeber lb. 25 und der Geschäftsführer lb. 50.66 Mehrseitige commenda-Beteiligungen wurden in Venedig über die Finanzierung von Seehandelsreisen hinaus auch zum Beispiel von Banken eingesetzt, um Kapital zu beschaffen.67 Mögliche Verluste zwischen den Kapitalgebern wurden bei teilweisem Verlust anteilig im Verhältnis der Höhen ihrer Anteile zueinander und bei komplettem Verlust der Unternehmung und der Einlagen in der Höhe ihrer Anteile verteilt.68 Im Rahmen der collegantia wurden aufgrund der venezianischen Regelungen aber auch Unternehmungen mit nur einem Kapitalgeber durchgeführt. Der Geschäftsführer erhielt dabei, wie nach den Regelungen der meisten anderen Seehandelsstädte, einen Gewinnanteil von einem Viertel.69 Hinsichtlich des Risikos, das der Anleger übernahm, wurde in venezianischen commenda-Vereinbarungen stets gesagt, dass der Einleger sein Kapital in periculo maris et gentis, also „auf die Gefahr des Meeres und der Menschen“, womit unter anderem Räuber gemeint waren, an den Geschäftsführer übergibt.70 Nach dieser Art und Weise hatten die Anleger gemäß den meisten 64 Venezianisches Seerecht von 1255, in: Predelli / Sacerdoti, Gli Statuti Maritimi Veneziani; ab S. 77; vgl. Wagner, Handbuch des Seerechts, Bd. 1, S. 60; vgl. Pohlmann, Quellen des Handelsrechts, in: Coing, Handbuch der Quellen, Bd. 1, S. 807. 65 Vereinbarung von 1073, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 12 f. (Nr. 13) und in englischer Übersetzung, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 176 f. (Nr. 82). 66 Vereinbarung von 1072, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 11 f. (Nr. 12) und in englischer Übersetzung, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 178 (Nr. 83). 67 Siehe das Venezianische Bankengesetz, insbesondere Nr. 12, in: Lattes, La libertà delle banche a Venezia, S. 26 [44 f.]. 68 Siehe die Gewinnverteilung in Lib. 3, Cap. 3 der Statuten Venedigs von 1242, in: Novissimum Statutorum ac Venetarum Legum Volumen, Fol. 33v. 69 Venezianische Statuten in der Fassung des Dogen Jacomo Tiepolo von 1242 über die collegantia nach Lib. 3, Cap. 1–3, in: Novissimum Statutorum ac Venetarum Legum Volumen, Fol. 33v. 70 Siehe zum Beispiel Vereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 36 (Nr. 495), 63 (522), 205 f. (668), 208 f. (671), 246 f. (717). Auch zum Beispiel in Palermo wurde die Seegefahr in ähnlicher Weise beschrieben. Siehe eine Vereinbarung vom 28.05.1386, in: ASP (Sezione della Gan-
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commenda-Vereinbarungen des Mittelmeerraums Unternehmensverluste mitzutragen. Man beschrieb hier nun aber explizit, unter welchen Bedingungen das eingelegte Vermögen an den Investor nicht zurückgezahlt werden musste. Für Unternehmungen auf dem Land übertrug man in Venedig, um die Gefahren auf die Beteiligten zu verteilen, schlicht die Maßstäbe aus der See-commenda. Bei Investitionen in ortsfeste venezianische Betriebe gab der Anleger sein Kapital nun nicht auf seine periculo maris et gentis, also auf die Gefahr durch Meer und Räuber, in den Handel, sondern in periculo latronum et incendii […]71 oder in periculo ignis et latronum […]72, also auf die Gefahr durch Brand oder Feuer und Raub. Da der Verlauf von landgebundenen Unternehmungen aber weitaus besser zu kalkulieren war, weil man keine Meeresgefahren, die aus Wetter und Gezeiten herrührten, einplanen musste, gestalteten sich diese Unternehmen jedoch bedeutend weniger riskant als Seeunternehmungen. Die eigentlich kurzfristig angelegte commenda wurde daher nicht zuletzt im ländlichen Bereich zunehmend zum Ende ihrer Anwendungszeit im 15. und 16. Jahrhundert auch verwendet, um institutionalisierte und längerfristige Geschäftsunternehmen zu betreiben.73 Ebenfalls wegen des geringeren Risikos, Kapital zu verlieren, fiel der Gewinnanteil des Geschäftsführers mit einem Drittel74 oder der Hälfte75 des Gewinns höher aus als in der See-commenda.76 Hinsichtlich dieser unterschiedlichen Risikogestaltung erscheint erstaunlich, dass dem Geschäftsführer in einigen commenda-Vereinbarungen freigestellt war, ob er seine Handelsreise über Land oder See durchführte.77 Wahrscheinlich führten die betreffenden Unternehmungen über Land wie über See durch hinlänglich becia), Super Fondo Diplomatico (SIAS-LIVELLO-GERARCHICO-ASPA-10325), Fondo Tabulario del monastero di Santa Maria di Malfinò poi Santa Barbara (SIASLIVELLO-GERARCHICO-ASPA-10332), TSMM 354 (SIAS-DOCUMENTO-16590); vgl. González de Lara, The secret of Venetian success, in: European Review of Economic History, Bd. 12 (2008), S. 247 [252]. 71 Beispielvereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 315 f. (Nr. 791), 336 f. (810), 371 (846). 72 Beispielvereinbarung, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 346 f. (Nr. 821). 73 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 183 f.; Renaud, Commanditgesellschaften, S. 16; Silberschmidt, Beteiligung und Teilhaberschaft, S. 135 f. 74 Beispielvereinbarung in einer genuesischen Urkunde vom 30.10.1191, in: Chiaudano, Contratti Commerciali Genovesi, Bd. 1, S. 87 (Nr. 67). 75 Beispielvereinbarung vom 08.02.1333 aus Messina, in: ASM, Fondo Pergamene (F70222), Ospedale di Santa Maria la Pietà (UD38000269). 76 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 282; vgl. Lastig, Handelsgeschichte und Handelsrecht von Marseille, in: Bekanntmachung akademische Preisverleihung, S. 3 [15 f.]. 77 Siehe eine Vereinbarung aus Marseille, in: Blancard, Documents inédits sur le commerce, Bd. 1, S. 417 (Nr. 371). In Venedig erhielten Geschäftsführer Vermögenseinlagen in commenda meist für den Handel per mare [oder per aquam] et per
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
kannte Gebiete, sodass das Reiserisiko aufgrund von Erfahrungen aus früheren Reisen gut minimiert oder wenigstens einkalkuliert werden konnte und also auch der Handelsweg über See nicht mehr so gefahrenreich ausfiel. 4. Die Handlungsvereinigung der colonna (Tabula di Amalfi) Als eine weitere Form der commenda war die colonna um das 13. Jahrhundert in das Seerecht von Amalfi eingeflossen, wobei an anderen Orten ähnlich ausgestaltete Zusammenschlüsse existierten. So vertrat Goldschmidt die Ansicht, dass solche Unternehmensformen in Genua zu finden gewesen seien.78 Die Unternehmensform der colonna wurde im 14. Jahrhundert in der Tabula di Amalfi ausführlich geregelt.79 In einer colonna erhielt der Unternehmer als „patron“, der meist der durch die Inhaber der Schiffsanteile nach Art. 7 der Tabula di Amalfi bestimmte Kapitän eines Schiffes war,80 von mehreren Kapitalgebern, mit denen er jeweils einzelne commenda-Vereinbarungen abschloss, Kapitalgüter, die er gemäß Art. 6 Tabula di Amalfi zu einem gemeinsamen Fond unter seiner Kontrolle vereinigte.81 Alle Bestandteile dieser Vermögensmasse wurden mit ihrem Wert und ihrem Kapitalgeber samt der Namen der Seeleute des Schiffes, die ihre Arbeitskraft einbrachten, in einer offiziellen Liste Namens „columna“ verzeichnet. Aus dem italienischen Namen dieser Liste, der colonna lautet, ergab sich der Name dieses Rechtsinstituts.82 Zwischen allen Interessenten der Handelsreise, also den Kapitalgebern inklusive den Schiffseignern, dem Unternehmer und anderen Beteiligten, wie den Matrosen des Schiffs, bestand dabei für die Zeit der Reise eine Art Gesellschaft,83 da zum Beispiel Kapitalgeber aus der terram. Siehe Beispielvereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 203 f. (Nr. 666), 205 f. (668), 245 f. (716), 262 f. (735). 78 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 270 f. Rehme sah in der colonna starke Parallelen zu einer Unternehmensform des alten pseudo-rhodischen Seerechts. Rehme, Geschichte, Ehrenberg, Handbuch, Bd. 1, S. 28 [100 f.]. 79 Renaud, Commanditgesellschaften, S. 17; Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [303, 305], hier die Regelungen. 80 Regelung, in: Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [312 f.]; Ashburner, The Rhodian Sea-Law, S. CCXLIV. 81 Regelung, in: Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [311]. Bei Targa, Ponderazioni sopra le Contrattazioni Marittime, S. 135 f., findet sich als Formular ein Muster für eine Vereinbarung über eine colonna. 82 Ashburner, The Rhodian Sea-Law, S. CCXLV; vgl. Lastig, Die Accomendatio, S. 191. 83 Wagner, Wagner, Handbuch des Seerechts, Bd. 1, S. 8 f.; Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 271; Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [305]; La Torre, Cinquant’anni col diritto, Bd. 2, S. 36.
II. Einzelne Ausgestaltungen der commenda67
colonna ausscheiden und neue eintreten konnten, ohne dass sich die colonna auflöste.84 Mit den Vermögenswerten des Fonds als Gesamtheit durfte der Schiffskapitän auf der Seereise, die vorher mit den Kapitalgebern festgelegt worden war, Handel treiben wie in einer gewöhnlichen commenda, allerdings etwas freier. Er konnte, um Gewinn für sich und die Kapitalgeber zu erwirtschaften, über Art und Weise seiner Spekulationsgeschäfte nach seinem Ermessen entscheiden und war damit nicht so stark auf bestimmte Geschäfte festgelegt wie in herkömmlichen commenda-Vereinbarungen.85 Der Geschäftsführer schloss im Sinne der Art. 7, 17 der Tabula di Amalfi im Rahmen der Handelsreise aber nach wie vor alle Verträge in seinem Namen ab und hatte nach außen gegenüber Geschäftspartnern persönlich und unbeschränkt für Verluste einzutreten, obgleich er im Innenverhältnis auf Rechnung der Beteiligten der colonna agierte.86 Das in einem Fond zusammengeschlossene Vermögen der colonna haftete nach Art. 6 für alle Verluste aus Handelsgeschäften des Geschäftsführers solidarisch.87 Nachdem die Unternehmung beendet war, wurden Gewinn und Verlust des Geschäfts im Verhältnis der jeweiligen Einlagen gemäß Art. 23 der Tabula di Amalfi unter den Gesellschaftern aufgeteilt.88 In diesem Gesellschaftstyp konnte ein Kapitalgeber, wie in anderen Formen der commenda, nur sein eingesetztes Vermögen verlieren. Er hatte gegenüber der colonna somit nur in der Höhe des Wertes seiner Einlage für Verluste des Geschäftsführers einzutreten, wobei der Geschäftsführer nach außen unbeschränkt zu haften hatte.89 Weiter war das Verlustrisiko der Anleger dadurch gemindert, dass der Schiffskapitän für Verluste, die er selbst verschuldet hatte, nach Art. 44 alleine aufzukommen hatte.90 Letztlich enthielt die colonna durch den Zusammenschluss des eingelegten Vermögens in einem Fond, ähnlich wie insbesondere nach dem Constitutum Usus, jedoch wahrscheinlich in strukturierterer Form als in Pisa, ein 84 Renaud,
Commanditgesellschaften, S. 18. Ponderazioni sopra le Contrattazioni Marittime, S. 133–136; Renaud, Commanditgesellschaften, S. 17–21. 86 Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [312, 317], hier auch die Regelungen; vgl. Targa, Ponderazioni sopra le Contrattazioni Marittime, S. 133; vgl. Lastig, Die Accomendatio, S. 184. 87 Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [311 f.], hier auch die Regelung. 88 Regelung, in: Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [319]. 89 Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [305, 307]. 90 Regelung, in: Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [326]. 85 Targa,
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
gewisses Gesellschaftskonstrukt. Sie stellte jedoch letztendlich wieder nur eine Form der traditionellen einseitigen commenda dar, wobei die Kapitalgeber, die durch den Kapitalfond zusammengeschlossen waren, als Gesamtheit einen Kapitalgeber verkörperten. Trotz den bereits verfestigteren gesellschaftsähnlichen Strukturen stellte die colonna, wie alle Formen der commenda, noch keine Handelsgesellschaft im eigentlichen Sinne dar, nicht zuletzt auch, da die Gesellschafter nur im Innenverhältnis zusammengeschlossen waren und gegenüber einander hafteten. Nur der Geschäftsführer trat bei Geschäftsabschlüssen nach außen in Erscheinung.91 Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Ansicht der älteren Forschung zu widersprechen, die colonna stehe mit der modernen Kommanditgesellschaft in Verbindung. Diese Ansicht wurde auf Art. 6 der Statuten von Amalfi gestützt. Danach hafteten die Investoren mit der eingelegten Gesamtmasse nur für die Verbindlichkeiten, die der Geschäftsführer im Rahmen der Unternehmung verursachte, wobei sonstige Gläubiger einzelner Kapitalgeber nicht auf das eingelegte Vermögen zugreifen durften.92 Die colonna ähnelte aber nicht der modernen Kommanditgesellschaft, da allein der Geschäftsführer und nicht die übrigen Kapitalanleger gegenüber externen Handelspartnern des Unternehmens in Erscheinung traten und der Geschäftsführer nur im eigenen Namen handelte. Die Kapitalanleger sind daher nicht mit Kommanditisten in Verbindung zu setzen. Zwar wurden auch mit den Vermögensgütern der nicht geschäftsführenden Kapitalanleger nach außen Handelsgeschäfte getätigt. Alle eingelegten Güter standen als Teil der gesamten Unternehmensmasse aber unter der alleinigen Verfügungsmacht des Geschäftsführers und nicht mehr unter der der Kapitalgeber, wobei der Geschäftsführer allein damit Handel trieb. Nur er trat als Geschäftspartner auf. Die Kapitaleinleger blieben unbekannt. Die colonna stellte zudem schon gar keine Gesellschaft dar, da sie auf einzelnen Rechtsgeschäften des Geschäftsführers mit den Kapitalgebern in Form „sukzessiver Übereinkünfte“ und nicht auf einem Gesellschaftsvertrag beruhte. Auch war die colonna im Regelfall nur für die Zeit einer Handelsreise und nicht für ein dauerhaftes Gewerbe vorgesehen.93 Weiter existierten in der colonna im Gegensatz zu den Komplementären und Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft oft mehr als nur zwei Arten von Beteiligten, wobei sich neben dem Geschäftsführer und den gewöhnlichen Kapitalgebern, die Vermögenswerte für den Handel einbrach91 Anderer Ansicht war Targa, in: Ponderazioni sopra le Contrattazioni Marittime, Cap. 37 („Riflessioni sopra il Contratto di Colonna“), S. 136, der allein wegen der gegenseitigen Teilung von Gewinn und Verlust eine enge Verwandtschaft der colonna mit einer Gesellschaft sah. 92 Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [312]; Lastig, Die Accomendatio, S. 190 f. 93 Renaud, Commanditgesellschaften, S. 18 f.
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ten, Personen beteiligten, die nur ein Schiff oder, wie die Schiffsbesatzung, ihre eigene Arbeitskraft einbrachten.94 5. Die entega (Ragusa) Die vorangegangenen Ausführungen zur colonna gelten bezüglich der Verlustverteilung und der gesellschaftsrechtlichen Struktur auch für eine leichte Abwandlung der colonna namens „entega“. Diese gesellschaftsähnliche Konstruktion von 1272 stammte aus den Statuten der dalmatinischen Stadt Ragusa, dem heute kroatischen Dubrovnik. Da Ragusa seit 1205 unter dem Schutz Venedigs stand und daher zwischen beiden Städten ausgeprägte Handelsbeziehungen bestanden, nahm die Stadt am kompletten Seehandel des Mittelmeerraums teil.95 Im Zuge dessen lernten die Kaufleute aus Ragusa nicht zuletzt auch das Seerecht von Amalfi kennen. In der entega, die in Lib. 7, Cap. 42 ff. der Statuta Ragusii von 1272 geregelt ist,96 bestanden daher starke Parallelen zur colonna der Tabula di Amalfi, aber auch anderen Unternehmensformen. So bezeichnet sie einen Zusammenschluss von Vermögenswerten, einem Schiff und den dazugehörigen Seeleuten.97 Es wurde im Rahmen einer entega jeweils vereinbart, dass der Geschäftsführer die von den Kapitalanlegern überlassenen Vermögenswerte in einer Vermögensmasse vereinigte und damit auf dem Seeweg handelte. Nach der Handelsreise wurden gemäß Lib. 7, Cap. 42 der Statuta Ragusii von 127298 die Gewinne oder gegebenenfalls die Verluste zu je einem Drittel den Kapitalanlegern, dem Schiffseigner und der Schiffsbesatzung angerechnet, wenn die Reise komplett im „Golf“, mit dem die Adria gemeint war, abgewickelt wurde. Verlief die Handelsreise außerhalb der Adria, entfiel nach Lib. 7, Cap. 43 der Statuten99 auf die Kapitalanleger die Hälfte und auf den Schiffseigner und die Besatzung zusammen die andere Hälfte. Im Gegensatz zur colonna konnten die Anteile aber nicht variabel aufgeteilt werden.100
94 Renaud,
Commanditgesellschaften, S. 18 f. The Rhodian Sea-Law, S. CCXLVIII–CCLI; Kretschmayr, Geschichte von Venedig, Bd. 2, S. 57. 96 Vorschriften, in: Bogošić / Jireček, Liber Statutorum Civitatis Ragusii, ab S. 165. 97 Vorschrift, in: Bogišić / Jireček, Liber Statutorum Civitatis Ragusii, S. 420. 98 Vorschrift, in: Bogišić / Jireček, Liber Statutorum Civitatis Ragusii, S. 165. 99 Vorschrift, in: Bogišić / Jireček, Liber Statutorum Civitatis Ragusii, S. 165. 100 Ashburner, The Rhodian Sea-Law, S. CCXLVIII–CCXLX. 95 Ashburner,
C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
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6. Die Handlungsvereinigung aus den Statuten von Piacenza Zunächst umfassten die Statuta antiqua mercatorum aus Piacenza von 1321,101 wobei die früheste Ausgabe dieser Normen wohl aus der Mitte des 12. Jahrhunderts stammte,102 in ausführlicher Weise eine weitere Form der commenda, in der die Kapitalgeber in einer strukturierten Gesellschaft zusammengeschlossen waren. Einen unter ihnen wählten die Gesellschafter aus, der als voll haftender Geschäftsführer die einer commenda üblichen Handelsaktivitäten unternehmen sollte. Den Handelnden konnte bei jeder Unternehmung eine andere Person darstellen. Die anderen Kapitalgeber blieben jeweils in Piacenza zurück, wo das jeweilige Unternehmen wohl eine feste Niederlassung unterhielt, die längerfristig angelegt sein konnte.103 Die damit einhergehenden normierten Gesellschaftsstrukturen waren weitaus gefestigter als die der colonna, obgleich sie, verglichen mit späteren Normierungen, noch lückenhaft und nicht ausgereift erscheinen. Die Stabilität bestand einmal darin, dass die Kapitalgeber in einem Gesellschaftsverhältnis zusammengefasst waren. Weiter waren nicht nur rudimentäre gegenseitige Rechtsbeziehungen normiert, die vor allem die Verteilung von Gewinn und Verlust betrafen. So hatte ein Gesellschafter nach Cap. 76 S. 1 Vermögen, das er von seinem eingesetzten Kapital zurückerlangt hatte, innerhalb von acht Tagen per libram unter allen Gesellschaftern aufzuteilen hat. Der Ausdruck „per libram“ kann übersetzt werden als „mit der Waage“ und beschrieb, dass der Gewinn im Verhältnis der Anteile zueinander verteilt wurde. Wenn einem Gesellschafter von einem Schuldner Vermögen, beziehungsweise ein gewährtes Darlehen, zurückgegeben wurde, war es nach Cap. 76 S. 2 ebenfalls in dieser Weise unter allen Kapitalgebern aufzuteilen. Das galt nach Cap. 76 S. 3 auch für Vermögen, das ein Teilhaber von einem auswärtigen Schuldner beigetrieben hatte. Andererseits haftete die gesamte Gesellschaft nach Cap. 78 für Verluste eines Beteiligten, wenn dieser für die Gesellschaft etwas beigetrieben, dieses aber wieder unverschuldet verloren hatte.104 Dennoch musste jeder Gesellschafter in der Höhe immer nur auf den Wert seiner Einlage beschränkt für Verluste eintreten. Weiter waren nach Cap. 145 Gewinn und Verlust gleichmäßig unter den Teilhabern zu verrechnen, wobei das gemäß dieser Norm für Handelsgut galt, welches ein Geschäftsführer ohne Wissen der anderen Teilhaber bei einer Unternehmung mitgeführt hatte. Nach Cap. 144 hatte ein Kapitalgeber, der von einem auswärtigen Teilhaber einen Brief erhalten hatte, diesen 101 Statuta
antiqua mercatorum, in: Statuta Varia Civitatis Placentiae, ab S. 3. Max Weber, S. 184 f. 103 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 186. 104 Regelungen, in: Statuta Varia Civitatis Placentiae, S. 3 [24]. 102 Dilcher / Lepsius,
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unverzüglich seinen Mitteilhabern vorzulegen. Hatte er zuvor ein Geschäft abgeschlossen, musste er zusätzlich seine Mitteilhaber am Gewinn dessen beteiligen.105 Diese Vorschriften sollten konkret die nicht Geschäftsführenden, zumindest informativ, in die Geschäftsführung einbeziehen und damit verhindert, dass der Handelnde betrügerisch vorgeht und insbesondere vorsätzlich falsch abrechnet. Das Anlagerisiko sollte verringert und sichergestellt werden, dass der Anleger stets den Betrag zurückerhielt, der ihm nach der Geschäftslage zustand. In dieser Gesellschaftsform, die Max Weber „Kommandite“ nannte, waren mehrere Gesellschafter derart organisiert zusammengeschlossen, wie es den anderen Ausprägungen der commenda noch fehlte. Auf die Parallelen zu einer Handelsgesellschaft, die zu dieser Zeit meist „compagnia“ hieß, weist laut Weber auch hin, dass in den Regelungen über Familiengesellschaften in Cap. 509, 582, 583 verglichen mit den eben dargestellten Regelungen von derselben Spezies von Sozietät gesprochen worden sei.106 Noch deutlicher trat die Gesellschaft der Kapitalanleger später in den revidierten Statuten von 1323, den Statuta Mercatorum Recentiora, hervor, wo zum Beispiel im Abschnitt „De racione reddenda fienda contra et adversus dominos societatum“ explizit von einer societas auf gemeinsame Rechnung gesprochen wurde.107 Ein Unternehmensinstitut, das dahingehend gut mit diesen Statuten vergleichbar ist, fand sich in den Statuta civilia domus mercatorum Veronae von 1318. Darin war in Lib. 3, Cap. 85 unter der Überschrift, „Qui reperirentur esse socii palam teneantur unus pro altero de mercandaria“, die gemeinsame Gesellschaft aller Kapitalanleger geregelt. Die Anleger hatten danach auf die Höhe ihrer Einlage begrenzt für Unternehmensverluste einzutreten.108 In den Gesellschaftskonstruktionen aus Piacenza und Verona sind letztlich Merkmale der beschränkten Haftung einer Kommanditgesellschaft festzustellen. Jeder Kapitalgeber setzte einen Vermögensanteil ein, wurde damit Teil einer Gesellschaft, hier der Gesellschaft der Anleger, und wurde gleichmäßig an Gewinn und Verlust aus den Geschäften beteiligt, die der Geschäftsführer mit dem Gesellschaftsvermögen vornahm. Weiter war jeder 105 […] et insuper si aliquam negociacionem fecerit postquam illud breve receperit et antequam illud ostenderit ut supra dictum est, compellam eum de illa negociacione partem dare sociis suis secundum quod quilibet debet de negocio comuni si michi fuerit requisitum. Cap 144 der Statuta antiqua mercatorum, in: Statuta Varia Civitatis Placentiae, S. 3 [40]. 106 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 184, 186; Regelungen, in: Statuta Varia Civitatis Placentiae, S. 3 [135, 152]. 107 Regelung, in: Statuta Varia Civitatis Placentiae, S. 3 [187 f.]. 108 Regelung, in: Arcangeli, La Società in Accomandita Semplice, S. 33, vgl. auch S. 34; vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 240.
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
Gesellschafter in seinem Anlagerisiko auf den Wert seines Anteils beschränkt, wogegen der jeweils handelnde Geschäftsführer mit seinem kompletten Vermögen für Verluste eintreten musste. Dabei könnte bereits von einer Anfangsform eines Komplementärs, hier der Unternehmer, und der eines Kommanditisten, hier die als Gesamtheit organisierten Kapitalgeber, gesprochen werden. Der betreffende Abschnitt der Fassung der Statuta Mercatorum Recentiora aus Piacenza von 1323 scheint sogar auch die Außenhaftung aller Kapitalanleger explizit zu regeln. Nach der betreffenden Vorschrift unter „De racione reddenda fienda contra et adversus dominos societatum“ in Satz 3 sollte das Gericht alle zusammengeschlossenen Kapitalanleger zur Zahlung verurteilen können, wenn Privaturkunden dahingehend belegten, dass eine Gesellschaft bestand.109 Diese Haftungsverpflichtung bezog sich wohl aber nach wie vor lediglich auf das Innenverhältnis, da die Statuten ansonsten keine Hinweise auf eine Außengesellschaft der Anleger, gar mitsamt einer beschränkten Außenhaftung, enthielten.110 Als großer Unterschied der Gesellschaften aus Piacenza und Verona zu späteren Gesellschaften, in denen wie in der Kommanditgesellschaft die Haftung einzelner Gesellschafter beschränkt war, bleibt es dabei, dass allein der Unternehmer nach außen auftrat und auch nicht im Namen der Gesellschaft handelte, wobei die eigentliche Gesellschaft nur im Innenverhältnis bestand. Die Geschäfte wurden, wie in der herkömmlichen commenda, von einem einzelnen Unternehmer geführt, der zwar aus dem Kreis der in der compagnia organisierten Kapitalgeber stammte, nach außen aber nicht im Namen der Gesellschaft handelte. Vielmehr stand die Gesellschaft der Kapitalgeber dem Unternehmer wie unter anderem in der colonna als ein einheitlicher Kapitalgeber gegenüber. Die commenda hat sich in Piacenza daher nicht, wie in der älteren Literatur angenommen, zu einer nach außen handelnden Gesellschaft entwickelt, sondern es lag, ähnlich wie in der colonna, nur eine Mischform aus der traditionellen Form der commenda und einer Gesellschaft vor.111 Diese Gesellschaftsstruktur wäre allenfalls mit der einer stillen Gesellschaft vergleichbar. Gegen Parallelen zur Kommanditgesellschaft wie auch zur stillen Gesellschaft spricht aber zusätzlich die unterschiedliche Rollenverteilung der Beteiligten. In späteren Kommanditgesellschaften und stillen Gesellschaften stellte der Handelnde im Gegensatz zum Kapitalgeber 109 Regelung, in: Statuta Varia Civitatis Placentiae, S. 3 [187 f.]; vgl. Arcangeli, La Società in Accomandita Semplice, S. 32–35, der in den Statuten aus Piacenza, insbesondere in den revidierten Regelungen von 1323, und in Statuten aus Verona von 1318 erste Formen einer nach außen gerichteten beschränkten Gesellschafterhaftung sah. 110 Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [863]. 111 Vgl. Lübbert, Stille Gesellschaft, in: ZHR, Bd. 58 (1906), S. 464 [478]; Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 184, 186.
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den Hauptakteur dar, wogegen in den Gesellschaften von Piacenza und Verona die Kapitalgeber die Hauptakteure waren und der Geschäftsführer nur ein ausführendes Organ unter ihrer Kontrolle verkörperte.112 Dass diese Gesellschaftsform weiter der alten commenda verhaftet blieb, zeigte sich auch nicht zuletzt daran, dass unter anderem in Cap. 76 der Statuten aus Piacenza von 1321 die Einlage weiter als „Darlehen“ oder „Kredit“ („creditum in denariis velaliis rebus“) bezeichnet wurde.113 Das war wiederum zudem ein Zeichen dafür, dass die commenda als Ersatz für ein Darlehensverhältnis verwendet worden sein könnte, um das Wucherverbot zu umgehen.114 7. Die Handlungsvereinigung des Consolat de Mar Die private Seerechtssammlung des Llibre del Consolat de Mar wurde als Gesamtwerk das erste Mal um 1350 in Barcelona im Zusammenhang mit dem dortigen Seegerichtshof schriftlich gefasst, wobei der Verfasser unbekannt ist.115 Diese Rechtssammlung bestand aus drei Teilen. Der erste Teil116 umfasste eine Gerichtsordnung für das Seegericht von Valencia und Mallorca, die König Jacob von Aragon im Jahr 1270 erlassen hatte.117 Wie alt der zweite Teil ist, der von den gebräuchlichen „guten Seerechten“ handelte, ist unbekannt, aber wohl älter als der erste. Er war von umherreisenden spanischen Kaufleuten, keinen Juristen, aus der praktischen Anwendung zusammengetragen worden.118 Der dritte Teil ist lediglich als Anhang zu verstehen und enthielt Regelungen für Situationen, in denen heimische und feindliche Schiffe zusammentrafen.119 Schon vor der Fassung von 1350 waren die im Consolat de Mar enthaltenen Regelungen weit über den Mittelmeerraum verbreitet, wobei sie ursprünglich möglicherweise gar nicht aus dem spanischen, sondern dem italienischen Raum, stammten. In der Gesetzesfassung Casare112 Dilcher / Lepsius,
Max Weber, S. 187 f. in: Statuta Varia Civitatis Placentiae, S. 3 [24]. 114 Siehe S. 82. 115 Landwehr, Art. Seerecht, in: HRG, Bd. 4 (1990), Sp. 1596 [1599]. 116 Der erste Teil reicht in der Ausgabe Casaregis (1720) bis Cap. 43, Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 23. In der Ausgabe von Pardessus (1824), die den ersten Teil nicht enthält, beginnt der zweite Teil mit Cap. 46, Pardessus, Collection de Lois Maritimes, Bd. 2, S. 49. 117 Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. VI, IX; Schweitzer, Schiffer und Schiffsmann, 19 f. 118 Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. VI, Cap. 44 ff., ab S. 202; Schweitzer, Schiffer und Schiffsmann, S. 20 f. 119 Regelungen, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, ab S. 441, und in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, ab S. 368; Schweitzer, Schiffer und Schiffsmann, S. 20. 113 Regelung,
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
gis ist aufgelistet, dass die Regelungen schon 1075 in Rom und dann 1111 in Akkon zu geltendem Recht wurden und danach von den Pisanern für Mallorca und die Stadt Pisa selbst aufgegriffen wurden. Erst danach folgen in der Liste Casaregis unter anderem spanische und weitere italienische Hafenstädte. So werden zum Beispiel Almeria, Valencia, Barcelona, nochmals Mallorca, Genua, Brindisi und Messina genannt.120 Auch nach Engelbrecht sei daher diese Gesetzessammlung nicht erst mit der Fassung aus Barcelona von 1350 entstanden.121 Jedenfalls ist davon auszugehen, dass insbesondere der zweite Teil des Consolats aus Regelungen bestand, die als Rechtsbräuche im Seeverkehr des Mittelmeerraums angewendet und durch Kaufleute gesammelt worden waren. Das belegt die Überschrift des zweiten Teils, „Qui cominciano i buoni costumi del Mare“, in Verbindung mit der Beschreibung, die sich im ersten Kapitel dieses Teils befindet und die dort folgenden Regelungen behandelt. Laut der Beschreibung sind gute Gesetze und Gebräuche enthalten, quali gli sapienti huomini, che vanno per il mondo cominciarono dare alli nostri antepassati, […], das heißt, die den Vorfahren von klugen Menschen, die die Welt bereist haben, mitgeteilt wurden.122 Das Consolat de Mar kann also als Gemenge von Seehandelsgesetzen verschiedener Herkunft aus Regionen des Mittelmeerraums gesehen werden. Da diese Rechtssätze, die später im Rahmen des Consolat de Mar zusammengefasst wurden, aus einem derart großen Handelsraum stammten, ist wohl davon auszugehen, dass einige Hafenstädte Italiens, wie auch andere Handelsorte, Elemente aus dieser Rechtssammlung in ihr Recht übernommen oder umgekehrt sie selbst die Sammlung des Consolats bereichert haben. Das spiegelt sich auch in oben dargestellten Ausprägungen der commenda wider. Um Investitionen nicht geschäftsführender Personen zu erleichtern normierte das Consolat de Mar ab Cap. 207 ein Konstrukt, das meist „comandita“, teils „comanda“, genannt wurde. Es basierte auf einer Vereinbarung, nach der ein Kaufmann, der selbst nicht tätig werden wollte, einem anderen Kaufmann Waren,123 ein Schiff124 oder Geld125 übergab, damit dieser damit 120 Casaregi, Il Consolato del Mare, S. – ohne –, zu finden in der Einleitung; Deutsche Übersetzung, in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. VII f. 121 Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. IX. 122 Cap. 44, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 24, und, in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. 202 f.; vgl. Schweitzer, Schiffer und Schiffsmann, S. 19. 123 Die Einlage von Vermögen als Waren behandeln insbesondere die Cap. 207– 213. Siehe Regelungen, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 199–208, und, in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. 278–282. 124 Siehe Cap. 215, 216, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 210–214, und, in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. 283–285. 125 Siehe Cap. 214, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 208–210, und, in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. 283.
II. Einzelne Ausgestaltungen der commenda75
gemäß seinen Vorgaben verfahre und an einem bestimmten Ort oder in einer Region Ware einkaufe oder veräußere. In einer leicht variierten Ausprägung dieses Unternehmenskonstrukts konnte der Geschäftsführer nach Cap. 210 mit der Ware komplett nach eigenem Ermessen verfahren, wie wenn er selbst Eigentümer der Ware wäre und an einem beliebigen Ort die Ware verkaufen, beziehungsweise Ware einkaufen.126 Ein Geschäftsführer konnte im Rahmen der comandita Einlagen mehrerer Investoren gleichzeitig aufnehmen. Zwischen den nicht geschäftsführenden Kapitalanlegern bestanden aber keine rechtlichen Beziehungen, anders als zum Beispiel im Rahmen der Unternehmensmodelle aus Pisa, Amalfi, Ragusa und Piacenza. Das Risiko des Anlegers, seine dem Geschäftsführer übergebene Einlage zu verlieren, war, wie in den meisten commenda-Verhältnissen üblich, derart ausgestaltet, dass der Anleger keine Rückzahlungsansprüche gegen den Geschäftsführer geltend machen konnte, wenn er sein Vermögen aufgrund seespezifischer Gefahren ohne Verschulden des Geschäftsführers verloren hatte. In Cap. 252 wurde die Investition in der comandita explizit als „a risico di mare & di cattive genti“ bezeichnet.127 Nach Cap. 208 hieß es näher, dass der Geschäftsführer keinen Ersatz zu leisten hätte, wenn er die Einlage, hier auf Waren bezogen, aufgrund äußerer Einwirkungen verloren hätte, zum Beispiel durch feindliche Schiffe, und wenn die Gefahr nicht vorhersehbar und nicht vermeidbar gewesen wäre.128 Weiter hatte er dem Investor nach Cap. 207 nichts zu ersetzen, wenn die Waren ohne Schuld des Geschäftsführers verloren gegangen war, wobei er sich aber an die vorgegebene Reiseroute und andere Vereinbarungen zwischen ihm und dem Anleger gehalten haben musste.129 Cap. 211 bestimmte demgegenüber spiegelbildlich, dass der Geschäftsführer die eingelegte Ware zu ersetzen hätte, wenn er sie durch eigenes Verschulden eingebüßt hätte.130 In diesem Sinne besagte weiter Cap. 276, dass der Geschäftsführer, wenn er die eingelegte Ware zu einem zu geringen Preis verkauft oder allgemein nicht nach den getroffenen Vereinbarungen gehandelt hätte, dem Einleger den durch den geminderten Erlös entstandenen Schaden zu ersetzen hätte.131 126 Cap. 210, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 205 f., und, Corpus iuris nautici, S. 281. 127 Cap. 252, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 281 f., und, Corpus iuris nautici, S. 316. 128 Cap. 208, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 200 f., und, Corpus iuris nautici, S. 279. 129 Cap. 207, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 199 f., und, Corpus iuris nautici, S. 278. 130 Cap. 211, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 206 f., und, Corpus iuris nautici, S. 281 f. 131 Cap. 276, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 339–342, brecht, Corpus iuris nautici, S. 341–342.
in: Engelbrecht, in: Engelbrecht, in: Engelbrecht, in: Engelbrecht, in: Engelbrecht, und, in: Engel-
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Für investiertes Geld regelte Cap. 214 die Risikoverteilung in gleicher Weise, wobei der Geschäftsführer die Einlage zurückzuerstatten hatte, wenn sie durch sein Verschulden verloren gegangen war, beziehungsweise, wenn er den Vorgaben des Investors zuwider gehandelt hatte und die Geldeinlage oder die damit gekauften Güter in diesem Zusammenhang eingebüßt worden waren.132 Aufgrund der Charakteristika dieses Unternehmenstyps schien darin ein commenda-Verhältnis vorzuliegen. Diesen als commenda einzustufen, gestaltet sich jedoch nicht einfach und ist umstritten. Schon Engelbrecht bezeichnete das vorliegende Unternehmensmodell in seiner Übersetzung des Consolats immer als „Commißion“ und nicht als eine commenda.133 Das Kommissionsgeschäft dieser Zeit zeichnete sich dadurch aus, dass ein Kapitalgeber einem Kaufmann eine Geldsumme übergab, damit dieser für ihn, also auf fremde Rechnung, vorher bestimmte Geschäfte abschließe. Der Kaufmann erhielt für den Geschäftsabschluss eine festgelegte Provision von circa zwei bis vier Prozent.134 Bis auf die Art der Entlohnung des Handelnden erschienen das Kommissionsgeschäft und die commenda gleich, wobei sie insbesondere das gleich ausgestaltete Anlagerisiko vereinte. Wegen Gemeinsamkeiten in diesem Punkt ist es schwierig, beide Geschäftsmodelle zu unterscheiden. Fest steht, dass eine Provision, mit der der Geschäftsführer belohnt wurde und die gleichzeitig das Kommissionsgeschäft von der commenda unterschied, im Consolat nicht ausdrücklich normiert war. Zwar wurde in Cap. 252 bemerkt, dass die Vergütung des Geschäftsführers im Vorhinein vereinbart werden sollte, um spätere Unklarheiten und Streitigkeiten darüber zu vermeiden.135 Hier wurde aber nicht gesagt, ob der Kaufmann eine Provision nach Art einer Kommission oder einen Gewinnanteil 132 Cap. 214, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 208–210, und, in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. 283. 133 Siehe die vorhergehend zitierten Vorschriften des Consolat de Mar in der deutschen Übersetzung Engelbrechts. Siehe auch Scherner, Art. Kommissionsgeschäft, in: HRG, Bd. 2 (2012), Sp. 1988 [1988 f.]. Scherner versteht das betreffende Unternehmensmodell als Kommissionsgeschäft. 134 Laband, Seerecht von Amalfi, in: ZHR, Bd. 7 (1864), S. 296 [306]; Lastig, Die Accomendatio, S. 168 f.; Scherner, Art. Kommissionsgeschäft, in: HRG, Bd. 2 (2012), Sp. 1988 [1988]; siehe dazu eine notarielle Vereinbarung über ein Kommissionsgeschäft aus Montpellier vom 07.08.1387, derzufolge Pierre Solaces für Jacob Jourdan Waren in commanda erhielt und diese in Rhodos oder Alexandria verkaufen und neue Waren einkaufen und wiederum mit diesen handeln sollte. Für die Ausführung der Geschäfte auf Gewinn und Verlust des Jacob Jourdan sollte der Kommissionär zwei Prozent des Gewinns der Unternehmung erhalten. Urkunde vom 07.08.1387, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 218 f. 135 Cap. 252, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 281 f., und, in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. 316.
II. Einzelne Ausgestaltungen der commenda77
nach Art einer commenda-Vereinbarung erhalten sollte. Auch der Umstand, dass ein Geschäftsführer in einer commenda viel umfangreicher bevollmächtigt war Vollmachten als ein Kommissionär im Rahmen dessen eng umgrenzten Handlungsauftrags,136 lassen daran zweifeln, dass das Consolat allein ein Kommissionsgeschäft regelte. Nach den Regelungen des Consolats stand dem Geschäftsführer nämlich ein weiter und freier Handelsspielraum mit oft wenigen Vorgaben zu. Insbesondere Cap. 210 gestattete ihm, nach eigenem Ermessen mit der Handelsware zu verfahren, wie wenn diese in seinem Eigentum stände. Da insbesondere die Art der Entlohnung, beziehungsweise die Art der Beteiligung, des Geschäftsführers, an der in erster Linie die Kommission von der commenda unterschieden werden könnte, nicht genau normiert wurde, war es wohl möglich, das Unternehmensmodell der comandita des Consolat de Mar im Einzelfall entweder als Kommission oder aber als commenda auszugestalten. Es war für die Geschäftspraxis nicht nötig, nach heutigen Maßstäben normativ zu differenzieren. In zeitgenössischen Anwendungsbeispielen sind einige Unternehmensverhältnisse feststellbar, die aufgrund ihrer Gewinnverteilung zwischen Geschäftsführer und Kapitalanleger jeweils als commenda zu identifizieren sind. So empfing der Seehändler Filippo de Peregrino aus der Stadt Messina, für die Kaiser Friedrich II. die Regelungen des späteren Consolat de Mar im Jahr 1225 zu geltendem Recht erhoben hatte,137 im Jahr 1286 Geld, um damit in Sizilien Weizen einzukaufen und diesen an einem Ort nach seinem Ermessen wieder zu veräußern. Die Einlage war innerhalb von 15 Tagen nach der Rückkehr mitsamt Dreivierteln des Gewinns zurückzuzahlen.138 Im Jahr 1300 vereinbarte Filippo de Peregrino in gleichem Sinne mit einem Kapitalanleger eine Seeunternehmung zum Handel mit Lebensmitteln.139 Ein anderer Händler aus Messina, Antonio de Aldierio, empfing 1424 eine Einlage in Form von Waren, die er „im Osten“ verkaufen und den Erlös erstatten sollte. Auch er durfte, wie in einer commenda üblich, ein Viertel des Gewinns behalten.140 Ein anderer Kaufmann empfing in Messina im Jahr 1424 aufgrund einer ähnlichen Abmachung Waren und Geld, um damit im Orient tätig zu wer136 Renaud,
Commanditgesellschaften, S. 12. Il Consolato del Mare, S. – ohne –, zu finden in der Einleitung; Deutsche Übersetzung, in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. VIII. 138 Vereinbarung vom 27.06.1286, in: ASM, Fondo Pergamene (F70222), Ospedale di Santa Maria la Pietà (UD38000120). 139 Vereinbarung vom 08.12.1300, in: ASM, Fondo Pergamene (F70222), Ospedale di Santa Maria la Pietà (UD38000143). 140 Vereinbarung vom 06.10.1424, in: ASM, Fondo Notarile (F70000), „R. Tommaso Andriolo A.1416–1418 Vol. 2“, manca (UD36000575). 137 Casaregi,
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den.141 In ähnlicher Form wurde das Unternehmensmodell der comandita des Consolat de Mar auch im landgebundenen Gewerbe eingesetzt. So investierte im Jahr 1333 ein Kapitalanleger 100 Unzen für sechs Monate in einen stadtinternen Handelsbetrieb und erhielt dafür die Hälfte des Gewinns.142 Ein anderer erhielt 1426 für ein Jahr einen Geldbetrag, um ihn in seinen Handwerksbetrieb in Messina einzulegen. Den Investor hatte er mit der Hälfte des Gewinns aus der Einlage zu beteiligen.143 8. Ähnliche Unternehmensformen im deutschen Raum In Deutschland waren Unternehmensformen, die den commenda-Formen des Mittelmeerraums ähnelten insbesondere im norddeutschen Seehandel zu finden, vor allem in lübischen Regelungen. Diese norddeutschen und südeuropäischen Unternehmensformen dürfen jedoch nicht gleichgesetzt werden und unterschieden sich grundlegend beispielsweise in der Art der Gewinnteilung. Sie vereinte zwar ihre ähnlichen Grundstrukturen, sie beruhten aber auf unterschiedlichen Ursprüngen und Einflüssen.144 Im Handelsalltag der Hanse wurde für Handelsunternehmen die Form der Widerlegung verwendet, die auch als „societas“ oder „vera societas“ firmierte. Diese Unternehmensform ist insbesondere aus dem societates-Register des Lübischen Niederstadtbuchs abzulesen, das zum größten Teil dahingehende Eintragungen enthält. Dieses Register, dessen Eintragungen aus der Zeit von 1311 bis 1361 stammen, funktionierte als ein Schuldbuch, in dem die Einlagen der Kapitalanleger verzeichnet wurden, um die Rückzahlung der Einlage und die Gewinnauszahlung sicherzustellen.145 Die Widerlegung umfasste einen Geschäftsführer und einen bloßen Kapitalanleger, wobei sich aber auch der Geschäftsführende mit Kapital beteiligte. Nur selten kam es vor, dass das Unternehmen nur von einem Investor gespeist wurde.146 Darin bestand ein Unterschied zu den südeuropäischen commenda-Verhältnissen, in denen der Geschäftsführer meistenteils nicht 141 Vereinbarung vom 09.10.1424, in: ASM, Fondo Notarile (F70000), „R. Tommaso Andriolo A.1416–1418 Vol. 2“, manca (UD36000587). 142 Vereinbarung vom 08.02.1333, in: ASM, Fondo Pergamene (F70222), Ospedale di Santa Maria la Pietà (UD38000269). 143 Vereinbarung vom 05.11.1426, in: ASM, Fondo Notarile (F70000), „R. Tommaso Andriolo A.1416–1418 Vol. 2“, manca (UD36000889). 144 Cordes, Gewinnteilungsprinzipien, in: Köbler / Nehlsen, Festschrift für Kroeschell, S. 135 [147 f.]. 145 Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 119–122; Cordes, Rechtshistorische Einführung, in: Cordes / Friedland / Sprandel, Societates, S. 11 [17 f.]. 146 Cordes, Art. Widerlegung, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, Sp. 64; Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 119–122, 315.
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mit Kapital an der Unternehmung beteiligt war, sondern nur seine Arbeitskraft einbrachte.147 Weiter verteilte man den Gewinn in Norddeutschland anders als in Südeuropa nicht im Verhältnis der Höhen der eingebrachten Anteile zueinander, sondern nach „Mannzahl“, das heißt, nach Anzahl der beteiligten Investoren. Es wurde also stets hälftig geteilt. Allein die Verluste verteilte man nach „Markzahl“, also nach den Anteilshöhen.148 Ab dem Zeitraum um 1340 variierte man die Unternehmensform der Widerlegung etwas.149 Die bisher vorherrschende Struktur, die aus einem nur geschäftsführenden und einem nur Kapital anlegenden Teilhaber bestand,150 wurde nicht mehr streng eingehalten. Zum Beispiel wurden auch zuvor schon einzelne Widerlegungen aneinander geknüpft und zu größeren Unternehmen zusammengefasst.151 Nun konnten auch mehrere als nur ein Beteiligter die Geschäfte führen.152 Zum ersten Mal unterschied Hildebrand Veckinchusen in seinen Handlungsbüchern Unternehmensformen mit einseitiger und zweiseitiger Kapitalführung, wobei er die erste Form weiter als „wedderlegghinge“ und die zweite jetzt als „selschap“ bezeichnete.153 Auch teils im Binnenland waren Unternehmensformen anzutreffen, die der commenda des Mittelmeerraumes ähnelten. Zum Beispiel waren unter § 15 des Stadtrechts von Medebach von 1165 Belange der Gewinnauszahlung geregelt, wie sie zu einem commenda-Verhältnis gehört haben dürfte. Es wird in dieser Norm von einem Kapitalgeber gesprochen, der einem Kaufmann Geld zur Verfügung stellt, damit jener eine Handelsreise nach Dänemark, Russland oder nach anderen Orten unternehmen könnte.154 Dass man die commenda auch im süddeutschen Binnenraum anwendete, zeigen Beispiele von Handelsgeschäften der Familie Runtinger aus Regensburg, die zwischen Vater und Sohn oder anderen Teilhabern jeweils in der Form einer commenda organisiert waren. Zeitweise bestand dabei eine längerfristige institutionalisierte Handelsvereinigung, die auf dieser Unter147 Cordes,
Wie verdiente der Kaufmann sein Geld?, S. 7. Wie verdiente der Kaufmann sein Geld?, S. 6 f.; Cordes, Art. Widerlegung, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, Sp. 64. 149 Cordes, Wie verdiente der Kaufmann sein Geld?, S. 6 f.; Cordes, Art. Widerlegung, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, Sp. 64; Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 315. 150 Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 140 f. 151 Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 302 f., 322. 152 Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 163 f. 153 Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 308 f., 323. 154 § 15 des Medebacher Stadtrechts, in: Dusil, Die Soester Stadtrechtsfamilie, S. 333 und Gengler, Deutsche Stadtrechte, S. 284; vgl. Dusil, Die Soester Stadtrechtsfamilie, S. 84; vgl. Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 59–62. 148 Cordes,
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nehmensform basierte.155 Im Umkehrschluss bestand in den betreffenden Geschäftsverhältnissen keine Handelsgesellschaft, die der heutigen ähnelte und die in anderen süddeutschen Familienunternehmen dieser Zeit üblich war.156 9. Zwischenbetrachtung Alle Formen der commenda waren in ihren Grundstrukturen ähnlich. Der oder die Kapitalanleger vereinbarten mit dem Geschäftsführer, bestimmte Kapitalmengen einzulegen, mit denen dieser in einer bestimmten Weise zu wirtschaften hatte. Nachdem der Geschäftsführer zurückgekehrt war, hatte er Gewinn und Verlust nach einem jeweils verschiedenen Schlüssel unter den Beteiligten aufzuteilen. Dabei kam ein regional oder individuell verschieden ausgestaltetes Unternehmenskonstrukt zum Tragen, in das die Anleger in irgendeiner Weise involviert waren, teils als einzelne Geldgeber in einer einseitigen commenda oder in einer mehrseitigen commenda als Gesamtheit von Kapitalgebern, die in einer Innengesellschaft zusammengeschlossen waren. a) Das Anlagerisiko Das Risiko der Kapitalgeber, Vermögen zu verlieren, beschränkte sich in allen commenda-Verhältnissen auf ihre Einlage. Diesbezüglich wurde die Unternehmung auf Risiko des Anlegers durchgeführt,157 worin im Übrigen eine Parallele zum Seedarlehen zu sehen ist. Es konnte nur die Einlage verloren gehen und kein weiteres Privatvermögen. Das vollständige Risiko, seine Einlage zu verlieren, trug der jeweilige Kapitalgeber jedoch nur im Falle verschuldensfreien Verhaltens des Unternehmers, wie es zum Beispiel in Amalfi und Pisa bestimmt war. Das Verlustrisiko des Anlegers beschränkte sich genau genommen auf spezifische Gefahren der Handelsfahrt. Neben diesen Verlustrisiken war hinsichtlich des investierten Betrages aber stets auch damit zu rechnen, dass der Geschäftsführer durch falsche Geschäftsführung oder Abrechnung bewusst oder unbewusst den zurückzuzahlenden Kapitalanteil des Anlegers verringert oder sich in betrügerischer Absicht mit der Kapitaleinlage absetzt. Insbesondere einem Seehändler standen hier über 155 Eikenberg,
Das Handelshaus der Runtinger, S. 153 f., 160–166. Das Handelshaus der Runtinger, S. 151–153. 157 Vgl. eine Vereinbarung über eine commenda vom 20.08.1156 aus Genua, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 62 (Nr. 118). Danach nahm Guglielmo di Sori Vermögen des Ugone di Baldezone in comendacionem […] ad risicum del medesimo. 156 Eikenberg,
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den Seeweg umfangreiche Alternativen zur Flucht offen.158 Um solchem Missbrauch vorzubeugen, verpflichtete sich der Kaufmann in einer commenda-Vereinbarung oft, ordnungsgemäß zu handeln. So wurden Geschäftsführern in Venedig für Fälle des Zuwiderhandelns Strafzahlungen angedroht.159 Wenn man aber bedenkt, dass Geschäftsführer mit vorsätzlich veruntreutem Anlagekapital in ein anderes Herrschaftsgebiet fliehen konnten, erscheint aber fraglich, ob ein Geschäftsführer sich später wieder auf den Weg rechtmäßigen Handelns begab, zurückkam und die Strafe bezahlte und inwieweit diese Strafsanktion in der Praxis funktionierte. In einem Beispiel aus Messina bekam eine Kapitalanlegerin durch Entscheidung der Magna Regia Curia di Messina vom 25.03.1359 immerhin einen Weinberg des Geschäftsführers zugesprochen, da dieser ihr das Anlagevermögen nicht fristgemäß zurückgezahlt hatte.160 Als andere Zwangssanktion sah die Seerechtssammlung des Consolat de Mar vor, dass ein Geschäftsführer, der nicht zahlen wollte oder konnte, in Schuldhaft genommen werden konnte, bis er die Einlage und den Gewinn an den Kapitalanleger auszahlte, beziehungsweise bis man sich anderweitig einigte.161 Insgesamt ähnelte die commenda bezüglich des Anlagerisikos einem Darlehensverhältnis, wobei das Rechtsverhältnis anfangs im Seehandel wahrscheinlich als eine Art Seedarlehen angesehen wurde. Nicht zuletzt in Venedig hatten die Vereinbarungen über Seedarlehen und jene bezüglich der collegantia einige Gemeinsamkeiten. So war in beiden Gruppen von Verträgen unter anderem geregelt, dass der Anleger die Handelsgefahr zu tragen hatte und der Geschäftsführer eine Strafe zu zahlen hatte, wenn er der Vereinbarung zuwider handelte.162 Dabei ist für Venedig zu beobachten, 158 González de Lara, The secret of Venetian success, in: European Review of Economic History, Bd. 12 (2008), S. 247 [257]. 159 In Venedig war bei Nichtbeachtung einer Vereinbarung über eine collegantia entweder der doppelte Einlagebetrag inklusive des doppelten Gewinns auszuzahlen (z. B. Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 370 f. (Nr. 377), 381 f. (388), Bd. 2, S. 31 f. (Nr. 491)), fünf Pfund Gold als Schadensersatz zu leisten (z. B. Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 330 f. (Nr. 334), 405 f. (414), Bd. 2, S. 284 f. (Nr. 757)) oder ein doppelter Schadensersatz und fünf Pfund Gold zu zahlen (zum Beispiel Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 341 f. (Nr. 816)). Vgl. González de Lara, The secret of Venetian success, in: European Review of Economic History, Bd. 12 (2008), S. 247 [257]. 160 Siehe Unterlagen, in: ASM, Fondo Pergamene (F70222), Ospedale di Santa Maria la Pietà (UD38000410). 161 Siehe Cap. 218, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 216, und, in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. 286 f. 162 Vgl. Vereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 64 f. (Nr. 61), 66 f. (63), 128 f. (128), 134 f. (135), 183 f. (183), 211 f. (213), 212 (214), 212 f. (215), 213 f. (216), 214 f. (217).
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
dass in den bei Morozzo und Lombardo überlieferten Handelsvereinbarungen bis circa in das Jahr 1200 viele collegantiae und gleichfalls viele Darlehens- und Seedarlehensvereinbarungen auftauchten. Nach 1200 wurde kaum noch eine Unternehmenskonstruktion als collegantia bezeichnet und es traten auch weniger Darlehensvereinbarungen auf.163 Demgegenüber sind nun vermehrt unbenannte Vereinbarungen festzustellen, nach denen ein Geschäftsführer Kapital empfing, um damit an einem bestimmten Ort164 oder ohne Ortsvorgabe165 zu handeln. Da aus solchen Vereinbarungen nicht hervorgeht, ob jeweils eine commenda oder ein Seedarlehen gemeint war, könnte davon ausgegangen werden, dass beide Institute miteinander verschmolzen waren. Dafür spricht, dass, wie zuvor beim Seedarlehen und der collegantia, nun die Vereinbarungen wieder Regelungen darüber enthielten, dass der Anleger die Handelsgefahr zu tragen hatte und dem Geschäftsführer eine Strafzahlung drohte. Die Art der Gewinnverteilung nach Anteilen und die Tatsache, dass auch das Seedarlehen im 13. Jahrhundert zunehmend durch das Wucherverbot bedroht war, sprechen eher für die commenda, für die das Wucherverbot nicht galt. Auch Yadira González de Lara ist der Auffassung, dass hier commenda-Vereinbarungen zu finden seien.166 Das herkömmliche Seedarlehen könnte in diesem Sinne nach und nach verschwunden sein.167 Andererseits könnten die Unternehmensformen in Venedig bewusst nicht mehr ausdrücklich spezifiziert worden sein. Die Namensgebung war ohnehin für den Handel nicht bedeutsam. Hinsichtlich größerer Flexibilität zur Förderung des Handels erschien es nicht sinnvoll, an starren Unternehmensformen festzuhalten. Dennoch wird diese unbenannte vene zianische Unternehmensform der commenda zuzuordnen gewesen sein, die das Seedarlehen verdrängte. Es ist anzunehmen, dass die commenda in Anbetracht des kirchlichen Zins-, beziehungsweise Wucherverbots, mit der Zeit immer mehr einen Ersatz für alle Arten von Darlehensverhältnissen darstellte. Man wich vom Darlehen darauf aus, einem Kaufmann einen Vermögenswert zur Verfügung zu stellen und im Gegenzug von ihm am Gewinn des Unternehmens beteiligt zu werden. Eine solche Kapitalanlage war zwar weitaus unsicherer, da sie nicht wie ein Darlehen mit einer fest vereinbarten und unbedingten Zinszahlung einherging und das eingesetzte Vermögen komplett verloren gehen konnte. Auf diese Weise konnte aber das Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1 und 2. in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 41 f. (Nr. 501), 63 (522), 142 f. (602), 183 f. (644), 244 (715). 165 Beispielvereinbarungen, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 36 (Nr. 495), 37 (496), 201 f. (663), 208 (671). 166 González de Lara, The secret of Venetian success, in: European Review of Economic History, Bd. 12 (2008), S. 247 [252]. 167 Vgl. Rehme, Geschichte, in: Ehrenberg, Handbuch, Bd. 1, S. 28 [107]. 163 Vgl.
164 Beispielvereinbarungen,
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Wucherverbot umgangen werden. Nicht zuletzt daher stand die commenda weiter in der Tradition der Darlehensgeschäfte und nahm eine bankähnliche Funktion ein.168 Dass die commenda aus Seedarlehensformen entwickelt worden war, zeigt sich auch anhand der teilweisen Modifikation des Seedarlehens in ein „sozietätsähnlich“ organisiertes Darlehen, so zum Beispiel im Constitutum Usus.169 b) Besonderheiten in mehrseitigen commendae Die commenda-Gemeinschaften, die von mehreren Kapitalgebern gespeist wurden, entstanden, da die Wirtschaftskräfte norditalienischer Handelsstädte immer weiter zunahmen. Eine commenda sollte nicht mehr nur aus einem oder zwei Geldgebern, sondern noch mehreren bestehen, um mehr Betriebskapital zu generieren und das größere Handelsvolumen einer Unternehmung und das damit einhergehende Risiko des größeren Kapitalverlusts auf mehrere Kapitalgeber zu verteilen.170 Es kam auch vor, dass ein Kaufmann für eine Handelsreise mehrere commendae mit verschiedenen Anlegergruppen zugleich abschloss, die er getrennt voneinander verwaltete und abrechnete.171 Doch auch für Kapitalanleger gestaltete sich eine solche commenda dadurch attraktiver, dass ein Anleger in einer Gruppe mehrerer Anleger auch eine kleinere Summe investieren konnte. Einmal konnten somit auch nicht sehr vermögende Personen investieren. Andererseits konnte ein reicher Anleger dadurch sein Vermögen auf mehrere commendae aufteilen, sodass Gewinn und Verlust seiner Kapitalanlage nicht nur von einer Unternehmung abhingen und er sein Investitionsrisiko insgesamt etwas beschränken konnte.172 Aus diesen Bedürfnissen entwickelten die Kauf leute und Regierenden jeder einzelnen Stadt eigene Statuten, wobei zum Teil sehr unterschiedliche Formen einer weiterentwickelten commenda entstanden. Allen diesen aus mehreren Investoren bestehenden commenda-Formen war gemeinsam, dass mehrere Kapitalgeber, die meist in irgendeiner vereinbarten Weise miteinan168 Vgl. Endemann, Das deutsche Handelsrecht, S. 235 f.; vgl. Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [398]; vgl. Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 96. 169 Siehe S. 43. 170 La Torre, Cinquant’anni col diritto, Bd. 2, S. 36; Lindemann, Die Gefahrengemeinschaft, 146 f. 171 Lastig, Handelsgeschichte und Handelsrecht von Marseille, in: Bekanntmachung akademische Preisverleihung, S. 3 [13 f.]. 172 La Torre, Cinquant’anni col diritto, Bd. 2, S. 36; Cordes, Wie verdiente der Kaufmann sein Geld?, S. 17, 19; vgl. Lübbert, Stille Gesellschaft, in: ZHR, Bd. 58 (1906), S. 464 [478]; vgl. Kulischer, Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 291.
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
der verbunden waren, einem handelnden Kaufmann Einlagen in unter schiedlicher Höhe übergaben. Dieser Unternehmer vereinigte das eingelegte Vermögen zu einer Gesamtmasse und durfte damit mehr oder weniger frei nach seinem Ermessen handeln. Der Unternehmer verfügte meist über einen weiteren Handlungsspielraum als in einer einseitigen commenda. Die Gewinne wurden in einer mehrseitigen commenda nach den Höhen der Anteile unter den Beteiligten aufgeteilt. Verlief die Unternehmung des Geschäftsführers erfolglos, wurden die entstandenen Verluste ebenfalls nach dem Verhältnis der Anteilshöhen zueinander auf alle Beteiligten verteilt und von den Einlagebeträgen subtrahiert. Die Differenz erhielt der Einleger zurück. Bei einem kompletten Fehlschlag der Unternehmung wurde folglich nichts zurückgezahlt. c) Commenda-Unternehmen auf dem Land Im Binnenland wurden commenda-Formen später als in Seeunternehmen eingesetzt. Sie waren ursprünglich auf den Seehandel zugeschnitten. Für die Land-commenda wurde dann jedoch das gleiche Geschäftsmodell wie im Seehandel angewendet.173 Die Land-commenda unterschied sich nur darin von der See-commenda, dass im Seehandel das Verlustrisiko aufgrund natürlicher Gefahren eine ungleich größere Rolle spielte als im Binnenhandel. Die Land-commenda war wegen des geringeren Risikos der Unternehmung, und weil lohnende Handelsreisen über weite Strecken auf dem Landweg in Mitteleuropa ohnehin nicht durchgeführt wurden,174 meist nicht nur auf eine bestimmte Handelsreise angelegt. Stattdessen beteiligte sich der Kapitalgeber für einen bestimmten Zeitraum auf Gewinn und Verlust am kompletten Gewerbebetrieb des Unternehmers, wie zum Beispiel an dem Handels- und Produktionsstützpunkt eines Kaufmanns oder an einem Handwerksbetrieb.175 d) Die Kapitalanleger Im Zuge dessen ist zu klären, welche gesellschaftlichen Gruppen von Personen überhaupt in eine commenda investierten. Die nicht selbst han173 Eine deutliche Gleichstellung der Land-commenda mit der See-commenda normiert Lib. 3, Cap. 25 Statut de Marseille de 1253 a 1255, in: Pardessus, Collec tion de Lois Maritimes, Bd. 4, S. 268 f.; vgl. Lastig, Handelsgeschichte und Handelsrecht von Marseille, in: Bekanntmachung akademische Preisverleihung, S. 3 [6]. 174 Lübbert, Stille Gesellschaft, in: ZHR, Bd. 58 (1906), S. 464 [495]. 175 Siehe eine Beispielvereinbarung vom 06.11.1422 aus Messina über die Investition in den Betrieb eines Schuhmachers, in: ASM, Fondo Notarile (F70000), „R. Tommaso Andriolo A.1416–1418 Vol. 2“, „Pro Philippo Campulo“ (UD36000465).
II. Einzelne Ausgestaltungen der commenda85
delnden Geldeinleger waren oft ehemalige Händler, die, nachdem sie selbst mehrere Seeunternehmungen durchgeführt und viel Geld verdient hatten, sich nun nicht mehr selbst den persönlichen Risiken einer Seehandelsreise aussetzen wollten. Die Unternehmer dagegen waren meist junge Kaufleute, die sich erst in eigenen Handelsunternehmungen das nötige Kapital verdienen musste, um später in der Heimat die bequemere Position von Kapitalgebern einzunehmen und nicht mehr selbst zur See zu fahren. Da ein Kapitalgeber in der Seehandelsbranche über bedeutend mehr Erfahrung verfügte als ein noch junger Unternehmer riet der Anleger diesem oft oder schrieb ihm gar vor, wie die Handelsreise verlaufen und welche Ware er an welchem Ort einkaufen und an welchem die Ware verkaufen sollte. Dennoch stellten nicht alle Kapitalgeber ehemalige Seekaufleute dar, sondern waren auch Kapitalanleger aus dem geistlichen, adeligen oder bürgerlichen Umfeld, wie zum Beispiel in Genua und Venedig.176 Auch vereinzelte weibliche Anleger traten in commenda-Vereinbarungen in Erscheinung.177 e) Der gesellschaftsrechtliche Status von commenda-Formen Keine der commenda-Ausprägungen war als eine Art von Handelsgesellschaft zu charakterisieren, obwohl die commenda manchmal schon im längerfristigen Betrieb eingesetzt wurde und auch wenn sie teils als societas bezeichnet wurde und Kosten und Verlustrisiko anteilsmäßig verteilt wurden.178 Unter anderem dass die commenda erst mit Übergabe des eingesetzten Geldes oder Gutes durch den Kapitalgeber an den Geschäftsführer wirksam wurde, macht deutlich, dass sie lediglich eine zweckmäßig und zeitlich beschränkte Verbindung darstellte. Dabei war der Kapitalgeber nicht dazu verpflichtet, die Einlage zu leisten, und die commenda konnte grundsätzlich jederzeit widerrufen werden. Das zeigt sich daran, dass die Widerrufbarkeit in Art. 22 des pisanischen Constitutum Usus eingeschränkt wur176 Edler de Roover, Partnership Accounts, in: Bulletin of the Business Historical Society, Bd. 15 (1941), S. 87 [88 f.]; Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 230, 244; González de Lara, The secret of Venetian success, in: European Review of Economic History, Bd. 12 (2008), S. 247 [256, 274]; Karsten, Geschichte Venedigs, S. 36 f.; vgl. Cordes, Wie verdiente der Kaufmann sein Geld?, S. 10. 177 Beispielvereinbarung aus Marseille, in: Blancard, Documenti inédits sur le commerce, Bd. 1, S. 347 (Nr. 196), nach der eine Witwe für ihre Töchter Vermögen investiert; für Venedig siehe Vereinbarungen z. B., in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 36 (Nr. 495), 51 f. (512), 128 f. (588), 293 f. (767); für den Hanseraum siehe einen Beispielfall, in: Schroeder, Der Stralsunder Liber memorialis, Bd. 5, Nr. 369, S. 133; vgl. Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 161. 178 Siehe zur Handelsgesellschaft ab S. 89; Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 163.
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
de.179 Dieser Ansicht steht nicht entgegen, dass in Italien wohl teils bereits der bloße Vertragsschluss über eine commenda Rechte und Pflichten zwischen Kapitalgeber und Geschäftsführer begründen konnte. So war der Geschäftsführer dazu verpflichtet, das commenda-Gut anzunehmen. Auf der anderen Seite konnte er aber teils gegen den Kapitalgeber Ersatz für seine vergeblichen Auslagen und für den Gewinnausfall geltend machen, wenn der Kapitalgeber das Handelsgut oder -kapital aus eigenem Verschulden nicht wie vereinbart für die Handelsunternehmung ablieferte. Das regelte zum Beispiel Cap. 212 des Llibre del Consolat de Mar aus dem 14. Jahrhundert.180 Da der Unternehmer aber für seine Geschäfte alleine haftete, konnte er gegen den Kapitalgeber bezüglich der Handelsreise als solche jedoch keine Verwendungs- oder Schadensersatzansprüche geltend machen.181 Weiter spricht dagegen, dass die commenda eine Gesellschaft war, dass die Kapitalgeber in einer mehrseitigen commenda untereinander nicht in rechtlichen Beziehungen zueinander standen.182 So konnte die commenda höchstens ein gesellschaftsähnliches Verhältnis darstellen, wobei höchstens der erwirtschaftete Gewinn, der noch aufzuteilen war, nicht aber die durch die Geschäftsparteien eingesetzten Vermögenswerte und -güter, gemeinsames Gut darstellten.183 f) Auseinandersetzung mit der älteren Forschung Trotz der angesprochenen Merkmale, die die commenda-Formen vieler Städte vereinte, kann nicht, wie nach den Ergebnissen älterer Untersuchungen, von einer über allem stehenden commenda-Form gesprochen werden. Zwar sind Grundstrukturen erkennbar, die allen commenda-Unternehmen gemeinsam sind. Trotzdem finden sich nicht nur minimale Differenzen, wie in der inneren Organisation und den Handlungsbefugnissen, der Gewinnund Verlustverteilung und regional bedingter Gegebenheiten. Die vielen Ausprägungen in den Seerechten der Handelsstädte sind individuell zu beurteilen. Die ältere Forschung sah über alle Unterschiede hinweg, da sie das Ziel verfolgte, alle Erscheinungen der commenda unter einem allgemeinen Gesellschaftstyp zu fassen. 179 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 208, und, Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 884. 180 Siehe Cap. 212, in: Casaregi, Il Consolato del Mare, S. 207, und auf Deutsch, in: Engelbrecht, Corpus iuris nautici, S. 282. 181 Vgl. Renaud, Commanditgesellschaften, S. 11. 182 Vgl. Renaud, Commanditgesellschaften, S. 14 f. 183 Vgl. Renaud, Commanditgesellschaften, S. 12.
II. Einzelne Ausgestaltungen der commenda87
Des Weiteren sind entgegen den Annahmen älterer Untersuchungen184 aus keiner Form der commenda Anzeichen dafür ersichtlich, dass von commendae ausgehend die Entwicklung der Kommanditgesellschaft beeinflusst wurde, beziehungsweise erscheinen diesbezüglich höchstens sehr vage Hinweise. Die beschränkte Haftung einer späteren Kommanditgesellschaft insgesamt war nicht in den beschriebenen Formen der commenda vorgeprägt.185 Der Geschäftsführer handelte zunächst im Geschäftsbetrieb in allen Ausprägungen der commenda, einseitig oder mehrseitig, nicht im Namen des Unternehmens als Rechtsperson, sondern im eigenen Namen. Das Vermögen, dass die Kapitalgeber eingebracht hatten, erschien dadurch nach außen, wie das des Geschäftsführers selbst. Die Vereinbarungen über eine commenda waren im Rechtsverkehr für Handelspartner des Geschäftsführers auf einer Handelsreise nicht erkennbar. Es wurde nicht deutlich, dass hinter dem Kaufmann eine Gesellschaft von Kapitalgebern stand und er im Rahmen einer darauf bezogenen Vereinbarung agierte, da die Rechtsbeziehungen zwischen Geschäftsführer und Kapitalanlegern weiter in Form einer commenda abgewickelt wurden und grundsätzlich nur im Innenverhältnis zu Tage traten.186 Das kam zwar auch den Kapitalgebern zu Gute, da sie wegen der Verschleierung ihrer Identitäten gegenüber den Gläubigern des handelnden Geschäftsführers nicht befürchten mussten, dass auf ihr Privatvermögen zugegriffen würde. Es wird aber auch deutlich, dass die hier vorliegende Unternehmensform bereits überhaupt keine Handelsgesellschaft darstellen konnte. Darin besteht die größte Diskrepanz zwischen der commenda und späteren Formen einer Kommanditgesellschaft, da die Kommanditgesellschaft sehr wohl eine Gesellschaft darstellt. In der commenda konnten folglich auch keine nach außen auftretenden Gesellschafter in ihrer Haftung beschränkt werden, da nur der Geschäftsführer als in eigenem Namen handelnder Kaufmann auftrat und wirkliche Gesellschafter, die Teil einer durch alle Beteiligten nach außen auftretenden Gesellschaft hätten sein können, nicht existierten. Letztendlich leitet daher auch die Ähnlichkeit der Namen der Kommanditgesellschaft und der commenda, die scheinbar auf eine systematische Verbindung der beiden gesellschaftsrechtlichen Institute hinweist, in die Irre und es bestanden unterschiedliche Entwicklungswege.187 Die Formen der commenda, in der der Geschäftsführer das ihm anvertraute Vermögen zu einem Fond vereinigte, wie in der colonna aus der Tabula 184 Goldschmidt,
Geschichte des Handelsrechts, S. 254. Lastig, Die Accomendatio, S. 95; vgl. Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 94 f. 186 Vgl. Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 95. 187 Vgl. Galgano, Art. Società in Accomandita semplice, in: Azara / Eula, Novissimo Digesto Italiano, Bd. 17, S. 565 [566]; vgl. Arcangeli, La Società in Accomandita Semplice, S. 1–3. 185 Vgl.
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C. Verlustrisiken in commenda-Verhältnissen
di Amalfi, wobei die Kapitalanleger, wenn überhaupt, nur über wenige Verfügungsrechte über die eingelegten Vermögenswerte verfügten, blieben letztlich der traditionellen Form der commenda verhaftet und können allenfalls als Anfänge der stillen Gesellschaft gesehen werden, wie schon Lübbert vermutete.188 Die Unternehmen aus Piacenza von 1321 oder aus Verona von 1318 enthielten zwar bereits geordnete Gesellschaften, in denen die Kapitalgeber organisiert waren. Auch diese Unternehmensform, die im Übrigen im damaligen gewerblichen Umfeld eine Ausnahme darstellte,189 hatte letztlich nur einen Entwicklungsschritt in die Richtung der späteren stillen Gesellschaft vollzogen, da nur eine Innengesellschaft gegeben war.
188 Lübbert,
Stille Gesellschaft, in: ZHR, Bd. 58 (1906), S. 464 [479]. Max Weber, S. 188.
189 Dilcher / Lepsius,
D. Verlustrisiken in der compagnia Italiens Weiter konnte sich ein Investor in einer mit der heutigen offenen Handelsgesellschaft im Sinne der §§ 105 ff. HGB ansatzweise vergleichbaren, langfristig konstituierten, Unternehmensform namens „compagnia“ mit Kapital engagieren. Er konnte in verschiedener Weise investieren, was gleichfalls mit verschieden hohen Verlustrisiken einherging.
I. Die Vereinigung der compagnia Der Begriff „compagnia“ stammt aus dem Italienischen und steht für eine gewerbliche Personengesellschaft, wobei dieses Wort ursprünglich auf das lateinische Verb „compaginare“ zurückgeht, das für „sich vereinigen“ oder „sich zusammenschließen“ stehen kann.1 Im Deutschen ist damit einhergehend im 14. Jahrhundert die aus dem Französischen stammende Bezeichnung „Kompagnie“, „Kompanie“ oder „Kumpanie“ entstanden.2 Doch nicht alle Unternehmensformen, die in Normierungen als „compagnia“ bezeichnet wurden, stellten immer auch solche dar, wobei wieder die unstetige Namensgebung für handelsrechtliche Institute hervortritt. So stellte zum Beispiel das schon erwähnte Unternehmenskonstrukt aus Art. 23 des Constitutum Usus („De compagnia de terra“),3 keine compagnia im Sinne einer Personengesellschaft dar, sondern eine Form der commenda.4 Auch 1 Nach weit verbreiteter Ansicht, so zum Beispiel Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 185 und Santarelli, Mercanti e società tra mercanti, S. 127 f., lägen die sprachlichen Ursprünge der compagnia in dem mittelalterlich-lateinischen Wort „cumpanis“, das Personen beschreibe, die dasselbe Brot essen würden. Dabei wird auf den lateinischen Ausdruck „cum panem“ Bezug genommen. Dies ist jedoch mit der etymologisch näher liegenden Abstammung von dem lateinischen Wort „compaginare“ nicht zu vereinbaren. Kluge / Seebold, Etymologisches Wörterbuch, S. 518; Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 21. 2 Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch; S. 225; Kluge / Seebold, Etymologisches Wörterbuch, S. 518. 3 Regelung (1190), in: Vignoli, I Costituti della Legge e dell’Uso di Pisa, S. 222–225, und, Regelung (1233), in: Bonaini, Statuti Inediti della Città di Pisa, Bd. 2, S. 897–900. 4 Vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S 281 f.; Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 186. Auch die wechselseitige societas oder compagnia, welche Lastig, in: Lastig, Die Accomendatio, S. 93–95, beschrieb, bezeichnete
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D. Verlustrisiken in der compagnia Italiens
darf die compagnia nicht unbedingt mit dem Begriff „societas“ gleichgesetzt werden, der zwar auch für eine Personengesellschaft, aber auch für andere Unternehmensformen, wie eine mehrseitige commenda, verwendet wurde.5 In Genua stand er beispielsweise für ein commenda-Verhältnis.6 Mit „societas“ konnte in Genua aber auch eine Personengesellschaft gemeint sein. So gründeten Oberto Spinule und Wuilielmi de Medolico im Jahr 1160 ein Unternehmen namens „societas“, in das jeder Beteiligte Vermögen einlegte. Es war vereinbart, dass die societas in der Provence und Spanien gewerblich tätig werden sollte, wobei offensichtlich beide Beteiligten gleichsam die Geschäfte führen und hälftig am Gewinn beteiligt werden sollten. Keiner der beiden Beteiligten sollte als alleiniger Geschäftsführer nach dem Muster einer commenda fungieren.7 Da diese Gesellschaftsform also nicht einheitlich benannt wurde, wird der Begriff der „compagnia“ in dieser Arbeit nur zur besseren Darstellung als Oberbegriff verwendet. Er darf nicht als historisch allgemeingültige Bezeichnung für eine Personengesellschaft verstanden werden, obgleich der Begriff wohl dennoch die am weitesten verbreitete zeitgenössische Bezeichnung für eine Personengesellschaft darstellte. 1. Gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung und Entstehung Die aus dem italienischen Raum stammende compagnia stellte eine Verbindung mehrerer Personen dar, die grundsätzlich einen bestimmten Vermögenswert und ihre Arbeitskraft der Vereinigung zur Verfügung stellten. Sie übten im Namen der Vereinigung ein Gewerbe aus und hafteten gemeinsam und in unbeschränkter Höhe persönlich für Verbindlichkeiten, die im Namen der Gesellschaft eingegangen wurden.8 Mit der compagnia wurde im Gegensatz zur commenda nicht nur kurzfristig ein Gewerbe betrieben. Stattdessen war sie als einzige echte Gesellschaft der damaligen Zeit umfassend institutionalisiert und auf mittel- bis langfristige Zeiträume angelegt.9 Im keine Form einer Gesellschaft, sondern eine Art einer bilateralen commenda oder societas maris. 5 Vgl. Lib. 3, Cap. 19 (De societatibus et commandis) Statut de Marseille de 1253 a 1255, in: Pardessus, Collection de Lois Maritimes, Bd. 4, S. 266. 6 Siehe S. 54. 7 Vereinbarung in einer notariellen Urkunde vom 16.01.1160, in: Chiaudano / Moresco, Il Cartolare di Giovanni Scriba, Bd. 1, S. 327 (Nr. 603). 8 Bauer, Unternehmensformen, S. 29–31; Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 200. 9 Als Beispiele für Gesellschaften dieses Typs ganz ohne eine Befristung dienen die späteren deutschen Saigerhandelsgesellschaften. Silberschmidt, Beteiligung und Teilhaberschaft, S. 86.
I. Die Vereinigung der compagnia91
Abstand von circa zwei bis drei Jahren oder länger erfolgte jeweils eine Rechnungslegung, auf deren Grundlagen die Gewinne und Verluste auf die Gesellschafter und die übrigen Investoren verteilt wurden. Auch stammte diese Gesellschaftsform nicht aus dem Seehandel, sondern aus binnenländischen Handwerks- und Fabrikationsbetrieben.10 Die ersten compagniae stellten ausgehend von familiären Handwerksbetrieben hauptsächlich Wirtschaftsgemeinschaften enger Verwandter als Familiengesellschaft oder fortgesetzter Erbengemeinschaft dar,11 wobei hier wegen Parallelen auch auf die deutsche fortgesetzte Erbengemeinschaft verwiesen werden kann.12 Unter anderem Cap. 582 f. der Statuta antiqua mercatorum aus Piacenza von 1323 regelte die gesellschaftliche Verbindung mehrerer Söhne einer Familie.13 In der venezianischen fraterna compagnia war speziell eine ungeteilte Erbengemeinschaft unter Brüdern geregelt.14 Auch in Lib. 3, Cap. 111 der Statuten von Spalato von 1312 war eine aus verwandten Männern bestehende Vermögensgemeinschaft geregelt, die zum Beispiel aus einer Erbmasse entstanden sein konnte. In einer solchen Gesellschaft hatten alle Teilhaber, die oft gleichzeitig zusammen wohnten, gleichermaßen für Verbindlichkeiten zu haften, die im Rahmen der Gemeinschaft eingegangen worden waren.15 Die Familiengesellschaft beruhte anfangs ausschließlich auf der Haushaltsgemeinschaft der Familienmitglieder inklusive der Hausangestellten, deren Schwerpunkt auf dem gemeinsamen Haushalten und der gemeinsamen Lebensführung lag.16 In Venedig, wo sich nun im 15. Jahrhundert die compagnia als häufigste Unternehmensform durchsetzte, wurde daher sogar nor10 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 271 f.; Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 25; Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 382; Hägermann / Schneider, Das Mittelalter, S. 185. 11 Eine Gemeinschaft, die auf einer commenda-Vereinbarung beruhte, setzte sich dagegen größtenteils aus nicht familiär verbundenen Personen zusammen. Vgl. für Venedig und Genua, González de Lara, The secret of Venetian success, in: European Review of Economic History, Bd. 12 (2008), S. 247 [256, 258]. 12 Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 154; Arlinghaus, Io, noi und noi insieme, in: Scharff / Behrmann, Bene vivere in communitate, S. 131 (132); Goldschmidt, Alte und neue Formen der Handelsgesellschaft, S. 9 f.; Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 186. 13 Statuta antiqua mercatorum, in: Statuta Varia Civitatis Placentiae, S. 3 [152 f.]. 14 Regelungen nach Lib. 3, Cap. 4 ff. der venezianischen Statuten in der Fassung des Dogen Jacomo Tiepolo von 1242, in: Novissimum Statutorum ac Venetarum Legum Volumen, Fol. 34v; Regelungen darüber auch, in: Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 222 f., 225; vertragliche Regelungen aus Venedig über eine fraterna compagnia zum Beispiel, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 253 f. (Nr. 253) und S. 391 f. (Nr. 399). 15 Regelung, in: Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [446]. 16 Vgl. Amend-Traut, Art. Handelsgesellschaften, in: HRG, Bd. 2, Sp. 703 [705].
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D. Verlustrisiken in der compagnia Italiens
miert, dass alle Mitglieder derselben Familie, die zusammen lebten und ein Gewerbe ausübten, im Rechtsverkehr automatisch als compagnia anzusehen seien.17 Speziell für Venedig erscheint das umso mehr erstaunlich, da es eine Seestadt ohne bedeutende Wurzeln einer als Ganzes auftretenden Familiengesellschaft war.18 Mit der Entwicklung kleiner Handwerksbetriebe zu fabrikartigen Werkstätten trat die familiäre Haushaltsgemeinschaft jedoch überall bald in den Hintergrund und die Familiengesellschaft wurde zu einer Erwerbsgemeinschaft umgestaltet, die auf dem gemeinsamen Gewerbe beruhte.19 In eine solche Gesellschaft wurden nun auch außerhalb der Familie stehende Gesellschafter aufgenommen, um mehr Kapital zu generieren und um das Geschäftsrisiko breiter zu verteilen. Trotzdem nahm man aber weiter lieber Verwandte oder wenigstens eigene Angestellte als Gesellschafter auf, da man diese besser kannte als Fremde und ihnen instinktiv höheres Vertrauen entgegenbrachte.20 Im Übrigen blieb die Verwurzelung der Gesellschaft im gemeinsamen Haushalt oft in der Gesellschaftsstruktur zunächst weiter erkennbar,21 bevor bald immer mehr Gesellschaften frei und losgelöst von familiären Banden zusammengeschlossen wurden.22 Gesellschaftliche Zusammenschlüsse außerhalb von Familien wurden dadurch begünstigt, dass Handelsgeschäfte ausschließlich mittels Bargeld abgewickelt wurden, aber das Vertrauen fehlte, um Bargeld zum Einkauf von Waren oder um Waren zum Verkauf einem familienfremden Kaufmann zu übergeben.23 Ein einzel17 Lane, Familiy Partnerships and Joint Ventures, in: The Journal of Economic History, Bd. 4 (1944), S. 178 [178 f.]. 18 González de Lara, The secret of Venetian success, in: European Review of Economic History, Bd. 12 (2008), S. 247 [274 f.]. 19 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 201 f., 237 f.; vgl. Amend-Traut, Art. Handelsgesellschaften, in: HRG, Bd. 2, Sp. 703 [705]. Goldschmidt vermutete keine ausschließliche Entwicklung der Handelsgesellschaft aus der traditionellen familiären Hausgemeinschaft, da das Familiengut neben einem entstandenen Familiengeschäftsbetrieb, vermögensmäßig getrennt, fortbestanden habe. „Daß für die Gesellschaftsschulden über das Gesellschaftsvermögen hinaus die einzelnen Gesellschafter […] haften, kann somit nicht Ausfluß einer nicht mehr bestehenden Schuldengemeinschaft der alten Hauswirthschaft sein.“ Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 287 f. Dem ist aber entgegenzusetzen, dass in einem Familienbetrieb trotz einer Trennung des Vermögens die Familiengemeinschaft tonangebend war und sich dabei zwangsläufig die Struktur der familiären Hausgemeinschaft auf die Handelsgesellschaft übertrug. 20 v. Stromer, Struktur deutscher Unternehmen, in: Tradition, Bd. 13 (1968), S. 29 [33]; vgl. Rothmann, Marktnetze und Netzwerke, in: Fouquet / Gilomen, Netzwerke, S. 135 [137]; vgl. Strieder, Kapitalistische Organisationsformen, S. 105; vgl. Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 380 f. 21 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 302 f. 22 Vgl. Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 40 f. 23 Schmidt, Handelsgesellschaften, S. 7.
I. Die Vereinigung der compagnia93
ner Kaufmann oder eine Kaufmannsfamilie war jedoch in einem geografisch und voluminös ausgedehnten Unternehmen bald nicht mehr dazu in der Lage, alle Geschäfte persönlich durchzuführen. Mit einer compagnia wurde maßgeblich bezweckt, in ihr die volle Arbeitskraft und das volle Kapital aller Gesellschafter zu vereinigen, um mit gestärkten wirtschaftlichen Ressourcen einen weitaus größeren Handlungsspielraum zu erlangen, als er einem Einzelkaufmann zur Verfügung steht, und somit auch um mehr Gewinn zu erwirtschaften.24 Durch mehrere Gesellschafter, die jeweils oft aus verschiedenen Orten stammten und daher über Kenntnisse der dortigen Marktsituationen verfügten, konnten die Handelsaktivitäten breiter aufgefächert werden. Zudem erwies sich als nützlich, dass die Gesellschafter dabei jeweils für eine andere Stadt das Bürgerrecht besaßen, was wiederum den Zugang zum dortigen Handelsmarkt erleichterte.25 Die ersten Gesellschaften dieses Typs entwickelten sich in Italien, wobei die ältesten noch heute verfügbaren Vereinbarungen, die eine compagnia erwähnen,26 aus dem Venedig des 12. Jahrhunderts stammen.27 Es ist aber 24 Bauer, Unternehmensformen, S. 24 f.; Schmidt, Handelsgesellschaften, S. 7; Strieder, Kapitalistische Organisationsformen, S. 100 f. 25 Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 39. 26 Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 185–187. 27 Siehe zum Beispiel eine Vereinbarung von 1175 über die Gründung einer Compagnia, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 265 f. (Nr. 270); eine Vereinbarung von 1111 über die Annahme von Vermögen in eine compagnia, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 35 f. (Nr. 33) und Teilungserklärungen bezüglich Beteiligten einer compagnia aus dem Zeitraum von 1109 bis 1139, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 1, S. 34 f. (Nr. 32), 56 f. (54), 75 f. (72), 77 f. (74). Es ist aber nicht ganz klar, ob hier bereits jeweils eine compagnia im späteren Sinne oder noch eine Art einer commenda gemeint war. In einer Gründungsvereinbarung, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 73 f. (Nr. 533), ist bestimmt, dass das gesamte Gesellschaftskapital gleichermaßen den Gefahren des Seehandels ausgesetzt ist (Verum suprascriptum habere totum debet esse in nostro periculo maris et gentis […]). In einer anderen Vereinbarung, in: Morozzo / Lombardo, Documenti del Commercio Veneziano, Bd. 2, S. 388 f. (Nr. 862), findet sich eine ähnliche Ausdrucksweise ([…] nostro communi periculo clarefacto maris et gentis). Diese Formulierung der Gefahr wurde in Venedig sonst für die zu dieser Zeit weitaus häufigeren commenda- und Seedarlehensvereinbarungen gebraucht. Weiter geht nach beiden Beispielen nur ein Beteiligter auf Handelsreise und hat bei seiner Rückkehr den Gewinn aufzuteilen, wobei ihm für den Fall eine Strafzahlung drohte, dass er die Vereinbarung nicht beachtete. Die Strafsanktion stammte wiederum aus commenda-Vereinbarungen. Für eine commenda oder ähnliches spricht auch, dass nur in Nr. 33 der Beispiele ein Hinweis auf eine Familiengesellschaft, auf der die compagnia ursprünglich beruht, gegeben ist, da hier Brüder beteiligt sind. In allen anderen Beispielen sind ausschließlich keine Verwandten miteinander verbunden. Zudem beschäftigten sich alle diese Unternehmungen mit mit dem Handel, auf dem
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D. Verlustrisiken in der compagnia Italiens
denkbar, dass unabhängig vom italienischen Entstehungsweg auch in anderen Gebieten Modelle einer solchen Gesellschaft bestanden.28 So entstanden wohl im deutschen Raum unabhängig von Italien ähnliche Formen solcher Familiengesellschaften, deren Ursprünge auf germanische Rechtsinstitute und die ungeteilte Erbengemeinschaft als Ganerbschaft zurückgingen. Folglich könnten in die Entwicklung der compagnia neben den hauptsächlich italienischen auch germanische Rechtsgedanken eingeflossen sein.29 Zum Beispiel waren im langobardischen Italien Familiengemeinschaften vorhanden, die aufgrund traditioneller, ursprünglich germanischer, Strukturen verbunden waren und auch solidarisch im Rahmen einer Familiengesellschaft hafteten.30 Insgesamt wurde die compagnia also geprägt aus einer Kombination von Einflüssen aus wachsenden handwerklichen Betrieben und traditionellen familiären Haushaltsgemeinschaften. Sie beruhte auf dem Grundsatz, dass alle Beteiligten in der Gesellschaft mitarbeiten, wogegen eine commenda aus arbeitenden und nicht arbeitenden Beteiligten bestand.31 Eine Verwandtschaft mit der römischen societas, die man aufgrund einer Bedeutung dieses Begriffs als „Gesellschaft“ annehmen könnte, ist aber nicht vorhanden. Obgleich die societas und die spätere compagnia auf den ersten Blick ähnlich gestaltet waren, hatten sie sich doch unabhängig voneinander entwickelt. Die römische societas stellte nur eine Innengesellschaft dar. Die Gesellschafter traten als Gesamtheit nicht nach außen auf und konnten als Gesellschaft gegenüber Dritten keine Rechtsfolgen bewirken.32 Trotzdem entstanden wohl beide Zusammenschlüsse aus dem Familienverband beziehungsweise nach dem Tod des Familienoberhaupts aus der ungeteilten Erbengemeinschaft.33 Land- oder Seeweg, und weniger mit stationären Handwerksbetrieben, was andererseits einer Eigenart der Fernhandelsstadt Venedig gezollt sein könnte. Das Vorliegen von compagniae im Sinne des ausgehenden Spätmittelalters ist in Venedig für das 12. Jahrhundert trotzdem denkbar, wobei hier einige Kapitalanleger als nicht geschäftsführende Gesellschafter vorhanden gewesen wären. Wegen der damals noch überragenden Rolle des Seedarlehens und der commenda und dem davon auf die compagnia vermutlich ausgegangenen Einfluss lag in der venezianischen compagnia des 12. Jahrhunderts wohl im Schwerpunkt aber eine Innengesellschaft vor, in deren Rahmen nur der Geschäftsführer nach außen handelte und haftete. 28 Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [862]. 29 Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 25; vgl. Rehme, Geschichte, in: Ehrenberg, Handbuch, Bd. 1, S. 28 [103 f., 168 f.]. 30 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 286. 31 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 295. 32 Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 268, Rn. 7; Jörs / Kunkel / Wenger, Römisches Recht, S. 332; Honsell, Römisches Recht, S. 148. 33 Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [427]; Jörs / Kunkel / Wenger, Römisches Recht, S. 331.
I. Die Vereinigung der compagnia95
Die compagnia wurde als Gesellschaftsform letztlich im gesamten Großhandels-, Produktions- und Bankensektor Italiens eingesetzt, wobei berühmte Beispiele von in dieser Weise organisierten Unternehmen das Bankhaus der Medici34 und die Handelsfirma der Peruzzi in Florenz darstellten.35 2. Gründe für die Entwicklung der compagnia auf dem Land Es ist zu klären warum die compagnia hauptsächlich aus expandierenden binnenländischen Handels- und Handwerksbetrieben entstand und warum sie sich in dieser Weise nicht im Seehandel entwickeln konnte, beziehungsweise warum die commenda dort noch länger einer Personengesellschaft vorgezogen wurde. Die unterschiedliche Entwicklung beruhte auf den unterschiedlichen Gegebenheiten im See- und im Landhandel. Während im Seehandel das See risiko das größte Problem darstellte, das die gesellschaftsrechtliche Entwicklung bestimmte und dem meist mit Formen der commenda begegnet wurde, herrschten auf dem Land andere Verhältnisse. Im mitteleuropäischen Landhandel wurden seit circa 1300 keine mit Seehandelsunternehmungen vergleichbaren Karawanenhandelszüge mehr durchgeführt, die als genossenschaftliche Gefahrengemeinschaften organisiert waren. Ein Händler bevorzugte für eine seegebundene Unternehmung eine kurzfristig angelegte commenda, um das mit Seereisen einhergehende hohe Verlustrisiko auf einen einzigen Unternehmenszusammenschluss zu beschränken, der von anderen Unternehmungen unabhängig war. Ansonsten hätte ein verlustreiches Handelsunternehmen den Fortbestand einer dauerhaft installierten Seehandelsgesellschaft gefährden können. Im Binnenland waren dagegen dauerhaft agierende Familiengesellschaften etabliert, deren Umsätze, die nicht geringer ausfielen als im Seehandel, sich statt aus einigen großen Handelsreisen aus einer Vielzahl von kleineren Geschäften zusammensetzten. Für diese vielen kleineren Geschäfte musste jeweils wegen des geringeren Risikos im Handel über Land kein eigenständiges Unternehmen konstituiert werden. Es war ein zentral jeweils von Familiengesellschaften organisierter ländlicher Fernhandel vorzufinden, der wiederum von expandierenden Handwerksbetrieben, Bergwerksunternehmen, Banken und anderen angewachsenen Gewerbebetrieben gespeist wurde, die ebenfalls wegen des geringeren Risikos an Land als dauerhafte Gesellschaften tätig waren.36 Diese Produktionsbe34 Siehe Beispielverträge über Gesellschaften der Medici ab dem Jahr 1426, in: Richards, Florentine Merchants, ab S. 229. 35 Hunt, The medieval super-companies, S. 11–13. 36 Vgl. v. Stromer, Struktur deutscher Unternehmen, in: Tradition, Bd. 13 (1968), S. 29 [31 f.].
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D. Verlustrisiken in der compagnia Italiens
triebe, die naturgemäß im Seehandel nicht vorhanden waren, wuchsen zudem heran aus ursprünglich familiär betriebenen Handwerksbetrieben, denen bereits daher eine spätere Entwicklung zu gesellschaftsrechtlichen Strukturen nahe stand. 3. Rechtsperson und Haftungsverhältnisse Die compagnia stellte im Gegensatz zur commenda annähernd eine Gesellschaft nach dem heutigen Verständnis dar. Ihre Teilhaber traten unter dem Mantel der compagnia auf, wobei die italienische Gesellschaft, wie später auch die deutsche, aber noch kein einheitlich verwendeter Firmenname, sondern alle Namen der Gesellschafter, ein Wappen oder ein Handelszeichen repräsentierte.37 Die compagnia zeichnete sich dadurch aus, dass sich alle Gesellschafter gleichberechtigt gegenüber standen, grundsätzlich alle in der Gesellschaft mitarbeiteten und solidarisch und in der Höhe unbeschränkt für Schulden solidarisch zu haften hatten, die auf Geschäften der Gesellschaft basierten. Die solidarische Haftung bedeutete, dass jeder Gesellschafter auf Ansprüche aus einem Geschäft zahlen musste, das ein Gesellschafter im Namen der Gesellschaft geschlossenen hatte. Das bestimmte zum Beispiel Lib. 3, Cap. 123 der Statuten von Spalato von 1312.38 Diese Eintrittspflicht, die auch für nicht geschäftsführende Gesellschafter galt, wenn die zuerst beanspruchten Geschäftsführer nicht zahlen wollten oder konnten,39 umfasste für jeden Beteiligten eine erhebliche Verlustgefahr.40 Davon waren teils auch Angestellte betroffen, die nur über ihren Arbeitseinsatz als Familienfremde 37 Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 197 f.; Schmidt, Handelsgesellschaften, S. 51 f.; Kischka, Ausscheiden eines Gesellschafters; S. 51 f. 38 Regelung, in: Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [446]. 39 Dass ansonsten in erster Linie der Gesellschafter für die durch ihn geschlossenen Geschäfte zahlte, wird deutlich zum Beispiel aus Lib. 1, Cap. 46 des florentinischen Statuto dell’arte di calimala von 1332. Regelung, in: Emiliani-Giudici, Storia die comuni italiani, Bd. 3, S. 231 f.; Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [66]. 40 Daher war in den Statuten der florentinischen Geldwechslerzunft von 1349 unter Cap. 123 (Quod unus sociorum sine consensu alterius non possit alium obligare) noch bestimmt, dass ein Gesellschafter ohne Zustimmung eines anderen Gesellschafters kein für alle Gesellschafter verbindliches Geschäft eingehen konnte. Regelung, in: Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [447 f.]. In späteren Statuten aus Florenz, wie in Lib. 2, Cap. 26 der Statuten der Kaufleute von 1393, in: Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [441 f.], aber auch früheren, wie in Lib. 1, Cap. 58 der Statuten der Tuchhändlerzunft von 1332, in: Emiliani-Giudici, Storia die comuni italiani, Bd. 3, S. 241, war eine solche Regelung aber nicht zu finden, sodass sie in den Statuten der Geldwechsler wohl einen Einzelfall darstellte.
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der Gesellschaft angehörten, was zum Beispiel Cap. 96 der Statuten von Brescia von 1429 regelte.41 Die Angestellten waren dabei aber meist nicht durch eigene Einlagen am Vermögen der Gesellschaft beteiligt und verfügten daher auch nicht über ein Mitbestimmungsrecht.42 Dieses Prinzip der solidarischen Haftung aller Gesellschafter stammte einerseits aus dem familiären Bereich, wobei nicht zuletzt germanische Einflüsse aus dem langobardischen Bereich eine Rolle spielten. Alle Mitglieder des Familienverbandes standen in einem gesellschaftlichen gegenseitigen Haftungsverhältnis, insbesondere die Söhne mit dem Familienoberhaupt, gerade wenn sie gemeinsam in einem Haushalt wohnten. Zum Beispiel regelte Cap. 150 des Liber juris civilis urbis Veronae von 1228 die gesamtschuldnerische Haftung von Vater und Sohn in einer Familie.43 Nach Cap. 96 der Statuten von Brescia hatten alle Verwandten und auch sonstige Personen, die mit einem geflüchteten Schuldner innerhalb der letzten sechs Monate in einem Haushalt gelebt hatten, für dessen Verbindlichkeiten in solidum zu haften.44 Dieses innerfamiliäre Haftungsverhältnis des einen für den anderen konnte sich in einer Erbengemeinschaft fortsetzen,45 wie die venezianischen Normen über die fraterna compagnia zeigen. Danach haftete die gesamte Gesellschaft mit ihrem Vermögen für Schulden, die ein einzelner Gesellschafter verursacht hatte.46 Andererseits stammte die solidarische Haftung zu großen Teilen nicht nur aus den Strukturen der traditionellen familiären Haushaltsgemeinschaften, da das Familiengut und eine gewerbliche Familiengesellschaft, die ihrerseits auf einem Gesellschaftsvertrag beruhte und unter eigenem Namen firmierte, voneinander getrennt existierten und eigene Entwicklungswege beschritten. Dabei hatte sich die familiäre Handelsgesellschaft mit der Zeit von der Haushaltsgemeinschaft gelöst und prägte ihre eigenen Rechtsbräuche. Das Prinzip der solidarischen Haftung beruhte in diesem Sinne auch auf der allgemein anerkannten Annahme, dass jeder Gesellschafter unter der Firma der gemeinsamen Gesellschaft und ihrer Firma unbeschränkt nach außen handeln dürfe und damit auch jeweils für Handlungen anderer Mitgesellschafter im Rahmen des Geschäftsbetriebs unbeschränkt solidarisch zu 41 Regelung, in: Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [67]. 42 v. Stromer, Struktur deutscher Unternehmen, in: Tradition, Bd. 13 (1968), S. 29 [31 f.]. 43 Liber juris civilis urbis Veronae, S. 112 f. 44 Regelung, in: Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [63]. 45 Vgl. Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [427, 436 f.]. 46 Regelungen, in: Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 222 f., 225.
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haften habe.47 Jeder Gesellschafter konnte durch die Geschäftsführung eines anderen Gesellschafters Rechte und finanzielle Gewinne erlangen und sollte auf der anderen Seite auch die aus dem Handeln entstehenden negativen Folgen zu tragen haben.48 Immerhin war auch jeder Gesellschafter, da er an der Geschäftsführung beteiligt war, theoretisch in der Lage, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens richtig einzuschätzen und Verluste zu vermeiden, auch wenn sie ein anderer Gesellschafter bewirkte.49 Bevor diese Rechtsansicht aber in der Praxis ausreichend etabliert war, legitimierten sich die Gesellschafter noch im 13. Jahrhundert nach außen im Rahmen von Gesellschaftsverträgen durch gegenseitige Handlungsvollmachten.50 Gesetzlich manifestiert wurde das Prinzip, dass Kaufleute, die erkennbar für eine Gesellschaft handeln, auch solidarisch für sie haften, zum Beispiel in Lib. 1, Cap. 58 des Statuto dell’arte di calimala von Florenz von 1332 unter der Überschrift „Che ciascuno compagno sia costretto in tutto per li debiti del compagno“.51 Ein Gesellschafter hatte, um einen Haftungseintritt der übrigen Gesellschafter zu erreichen, bei einem Geschäftsabschluss jeweils nur zu verkünden, dass er im Namen der Gesellschaft handelt, und die Verbindlichkeit in das Geschäftsbuch der Gesellschaft einzutragen.52 In Lib. 1 Cap. 62 des Statuto dell’arte di calimala unter „Della esecuzione delle sentenze e comandamenti e condannagioni“ war damit einhergehend geregelt, dass eine Vollstreckung gegen die Gesellschaft gegen alle Beteiligten zu erfolgen hat.53 Diese allgemeinen Grundsätze, nach denen das Handeln für die Gesellschaft mit der solidarischen Haftung für die Gesellschaft verknüpft waren, herrschten aber wiederum naturgemäß auch in traditionellen Haushaltsgemeinschaften. Das zeigt, dass die Solidarhaftung in Haushaltsgemeinschaften und in Gesellschaften, die sich vom Familienverband gelöst hatten, letztlich auf den gleichen Grundlagen basierte.54 47 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 287–290; Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 88. 48 Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [90]. 49 Vagts, Beschränkte Haftung der Aktionäre, in: ZGR, Bd. 23 (1994), S. 227 [228 f.]. 50 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 282; Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 106 f.; Mehr, Societas und universitas, S. 144 f. 51 Statuto dell’arte di calimala, in: Emiliani-Giudici, Storia die comuni italiani, Bd. 3, S. 241. Die arte di calimala war die mächtige Zunftvereinigung der florentinischen Tuchveredler und -händler. Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 20–23. 52 Vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 298. 53 Statuto dell’arte di calimala, in: Emiliani-Giudici, Storia die comuni italiani, Bd. 3, S. 245; vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 292 f. 54 Vgl. Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [445]. Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [81–92],
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In Unternehmen führte man die gemeinsame Außenhaftung aller Gesellschafter zudem im Interesse von Gesellschaftsgläubigern ein, damit diese solche Verbindlichkeiten, die durch einen geflüchteten Gesellschafter verursacht worden waren, bei den verbliebenen Gesellschaftern eintreiben konnten. In einem dementsprechenden Sachverhalt ersuchte zum Beispiel im Jahr 1279 die Messepolizei der Messen in der Champagne bei der florentinischen Wollweberzunft darum, dass diese gegen den in Florenz ansässigen Kaufmann Lappus Rustichi und seine Mitgesellschafter vorgehe, da dieser in Frankreich eine Geschäftsschuld nicht beglichen habe.55 Die Messepolizei stützte sich dabei auf eine gegenseitige Bevollmächtigung der Gesellschafter, aus der zu schließen war, dass jeder Gesellschafter durch Geschäfte, die von anderen Gesellschaftern abgeschlossenen worden waren, verpflichtet war und solidarisch zu haften hatte.56 In der Champagne herrschte ohnehin das Gewohnheitsrecht, dass jeder Gesellschafter die übrigen Gesellschafter durch einen Geschäftsabschluss mitverpflichten konnte.57 Im Jahr 1329 ersuchte die Messepolizei die florentinische Handelsbehörde der Mercanzia zum Beispiel darum, alle Gesellschafter der Scali-Gesellschaft festzunehmen und deren Güter und Immobilien zu beschlagnahmen, da die Gesellschafter vor Verbindlichkeiten in der Champagne geflüchtet waren.58 Die solidarische Haftung der Gesellschafter explizit für Schulden, die ein geflüchteter Gesellschafter verursacht hatte, regelten später zum Beispiel die Statuti de Mercanti della Città di Cremona von 1388 unter der Überschrift „Delle persone, che sono obligate sotto li creditori del fugitivo per causa d’esso fugitivi.“59 und die Statuten von Bergamo von 1428 in Coll. 5, Cap. 60 unter „De sociis et defensoribus fugitivorum. Item quod socii ejusdem negotiationis et defensores teneantur ad debitum“.60 Die allgemeine, gegenseitige Haftung zwischen Beteiligten einer Handelsgesellschaft für Geschäfte, die ein Beteiligter eingegangen hatte, normierten zum Beispiel Cap. 550 der Statuten von Piacenza von sah die Ursprünge der gesellschaftlichen Solidarhaftung zwar hauptsächlich nicht in der Familiengemeinschaft, erkannte aber immerhin Einflüsse daraus an. 55 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 289. 56 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 282; vgl. Mehr, Societas und universitas, S. 144 f. 57 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 285; vgl. Mehr, Societas und universitas, S. 145. 58 Ersuchen der Messepolizei der Champagne, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 190 (Nr. 957). 59 Regelung, in: Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [442]. 60 Regelung, in: Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [75].
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1323 unter „Quod socii teneantur in solidum etc.“61 und die Statuten aus Lucca von 1376 unter Lib. 2, Rubr. 9.62 Bezüglich des Haftungsumfangs wurde der geschuldete Betrag gleichermaßen auf alle Gesellschafter nach der Maßgabe der Gesellschafteranzahl umgelegt, wenn das Gesellschaftskapital nicht ausreichte. Trotzdem waren die einzubringenden Anteile der Gesellschafter in einer compagnia stets variabel und es war kein fester Beitrag zu erbringen.63 Die Gesellschaftsbeiträge konnten unterschiedliche Kapital-, Waren- oder auch Arbeitsleistungen darstellen,64 wobei aber die Gesellschafter mit der höchsten Einlage wohl meist die Regierer, also Entscheidungsträger, einer Gesellschaft waren.65 Alle Gesellschafter wurden ab dem 14. Jahrhundert oft in Gesellschaftsregistern vermerkt, die zum Beispiel in Florenz die Zünfte führten. Daraus sollten die Gläubiger einer Gesellschaft deutlich erkennen können, wer zur Gesellschaft gehörte und wen sie also für Gesellschaftsschulden heranziehen konnten.66 Nach den Höhen der Einlagen unterschied man die Gesellschafter bezüglich ihrer Haftungspflicht meist noch nicht. In Siena aber zum Beispiel hatte nach Cap. 100, 4 der Statuten von 1308 jeder Gesellschafter per la sua parte solamente, la quale li toccarà per rata de’ sui capitali, also in der prozentualen Höhe seines Anteils am Gesellschaftsvermögen für Schulden der Gesellschaft, zu haften.67 Doch auch hier war eine Haftungspflicht in unbeschränkter Höhe anzunehmen, da eine Haftungsobergrenze bezüglich des zu zahlenden Betrags fehlte und weil für einen zahlungsunfähigen Gesellschafter stets die übrigen einzutreten hatten.68 Die Sienesen änderten 61 Statuta antiqua mercatorum, in: Statuta Varia Civitatis Placentiae, S. 3 [145]; vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 228 f. 62 Regelung unter der Überschrift „Che luno compagno per laltro per li facti della compagnia sia tenuto et possa di mandare et rispondere alla corte“, in: Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [446 f.]. 63 Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [862]. 64 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 271 f. 65 Vgl. v. Stromer, Struktur deutscher Unternehmen, in: Tradition, Bd. 13 (1968), S. 29 [34]. 66 Lastig, Florentiner Handelsregister, S. 7 f., 14 f., 27 f. 67 Vorschrift, in: Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [77 f.], 68 Vgl. Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [77 f.], der hier aber eine solidarische Haftung ablehnte, weil jeder Gesellschafter grundsätzlich nur prozentual für seinen Anteil gehaftet habe. Dem ist entgegenzusetzen, dass diese Form der Haftung nur für den Fall galt, dass alle Gesellschafter zahlungsfähig und -willig waren. War das nicht gegeben, griff die auch diesem Haftungssystem zugrunde liegende Solidarhaftung, da der Schuldenanteil des ausgefallenen Gesellschafters von den anderen übernommen werden musste.
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diesen Ansatz einer Haftungsbeschränkung im Jahr 1342 in Dist. 2 Rubr. 20 des Statuto dell’arte della mercanzia von 1342 ohnehin wieder in eine nach außen unbeschränkte Solidarhaftung.69 4. Vergleich der compagnia mit der commenda Als die compagnia immer verbreiteter verwendet wurde, trat die commenda, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts nicht zuletzt in Venedig noch das Seedarlehen in seiner ursprünglichen Form verdrängt hatte, mehr und mehr in den Hintergrund.70 In Venedig und Genua verschwand die commenda oder collegantia, wie sie in Venedig genannt wurde, im 14. Jahrhundert zusehends aus der Handelspraxis. Ihre Funktion wurde einmal wegen des steigenden Kapitalbedarfs und des größeren Ausmaßes der Unternehmungen, die mit einer commenda nicht mehr zu bestreiten waren, von der compagnia übernommen, da diese eine aus mehreren gleichberechtigten Kaufleuten bestehende Personengesellschaft darstellte. Solche Handelsgesellschaften verfügten regelmäßig über mehr geschäftsführende und über Kapital gebende Teilhaber. Zusätzlich konnten sie Darlehen, Depositeinlagen und Einlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter aufnehmen, um weiteres Kapital zu generieren. In Venedig beschleunigte zusätzlich die staatlich forcierte höhenmäßige Beschränkung von Investitionen in Seehandelsunternehmen aus dem Capitulare Navigantium, dass man sich immer mehr von der commenda abwendete. Die staatlich verordnete Einschränkung, die einem Überangebot an Waren auf dem venezianischen Markt begegnen sollte, war zwar nur in den Jahren um 1324, 1338 und 1361 und stets nur für einige Monate und ein bis zwei Jahre in Kraft.71 Sie bewirkte aber, dass eine commenda nur noch schwer in sinnvoller Weise gebildet werden konnte, da nun wegen der Beschränkung der Anlagehöhen der einzelnen Investoren bedeutend mehr Investoren nötig waren, um rentabel wirtschaften zu können. Zudem war das Argument der vorteilhafteren Risikogestaltung für Handelnde sowie Kapitalanleger in der kurzfristig angelegten commenda, durch die das unternehmerische Risiko auf eine Handelsreise beschränkt werden konnte, nicht mehr ausschlaggebend. Die unternommenen Seehandelsreisen spielten sich in mittlerweile besser erschlossenen Gefilden ab, in denen das Risiko einer Reise und der mögliche Verlust des Anlagevermögens gut zu kalkulieren waren. So konnte der nun regelmäßig 69 Vgl. Senigaglia, Statuto Dell’ Arte Della Mercanzia Senese, in: Bullettino Senese, Bd. 14 (1907), S. 211 [245 f.]; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 140. 70 González de Lara, The secret of Venetian success, in: European Review of Economic History, Bd. 12 (2008), S. 247 [253, 276]. 71 Kedar, Merchants in crisis, S. 27 f.; Karsten, Geschichte Venedigs, S. 37.
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auf den gleichen Strecken stattfindende Seehandel, zum Beispiel in Venedig, von dauerhaft bestehenden Handelsgesellschaften durchgeführt werden.72 Die commenda war nur für Seereisen in unbekanntes Terrain nützlich. Neben der Risikogestaltung war hier von Vorteil, dass der Hauptgeschäftsführer selbst auf die Reise mitfuhr und vor Ort über die konkreten Handelsgeschäfte entscheiden konnte, da im Vorhinein nicht voraussehbar und organisierbar war, wie die Geschäfte verlaufen würden. Die Reisen in bekanntes Gebiet konnten und wollten jetzt im Vorhinein durch die Mehrheit der Personen einer Gesellschaft, die grundsätzlich auf die persönliche Beherrschung und Kontrolle aller Geschäfte fixiert waren,73 geplant werden. Die Reise selbst führte ein weisungsgebundener Geschäftsführer oder ein Angestellter durch. Die Figur eines alleine und in seinem Ermessen agierenden Geschäftsführers hatte folglich ausgedient. Die commenda konnte gegen eine Handelsgesellschaft nur noch dort ihre Vorteile ausspielen, wo eine Handelsunternehmung mit nicht vorhersehbarem Ausgang, zum Beispiel wegen unbekannten Gebieten und Handelswegen, neuen Handelspartnern und Absatzmärkten, unklaren politischen Verhältnissen und nicht kalkulierbaren Wetterlagen, durchgeführt wurde. So wählte der Seidenhändler Andrea Banchi die Unternehmensform der commenda, um in Paris und Brügge und im heute griechisch-türkischen Raum neue Absatzmärkte zu erschließen. Auf eine Handelsreise in den Raum um Konstantinopel sendete er 1459 versuchsweise Piero di Niccolò di Piero Popoleschi,74 dorthin noch einmal im Jahr 1460 Niccolò di Niccolò Dietifeci,75 und nach Paris und Brügge 1461 Niccolò d’Andrea de’ Greci, um dort nach dem Ermessen des jeweils Handelnden Textilwaren verkaufen zu lassen.76 Um Waren in Aquila abzusetzen, wurde stattdessen gleich eine Gesellschaft gegründet, die durch die beschränkt haftende Beteiligungsform der accomandita ergänzt wurde, da die Banchi-Gesellschaft den Ausgang dieser Unternehmung aufgrund vorangegangener Handelsreisen des Mit gesellschafters des Andrea Banchi Namens Bernardo Dati im Vorhinein ausreichend kalkulieren konnte. Dati hatte 1454 in Aquila mehrere erfolgreiche Geschäfte getätigt,77 sodass man sich über ein geringes Risiko für 72 Kedar,
Merchants in crisis, S. 25–29. Geschichte Venedigs, S. 37. 74 Edler de Roover, Andrea Banchi, in: Bowsky, tory, Bd. 3, S. 223 [270–272]. 75 Edler de Roover, Andrea Banchi, in: Bowsky, tory, Bd. 3, S. 223 [272]. 76 Edler de Roover, Andrea Banchi, in: Bowsky, tory, Bd. 3, S. 223 [269 f.]. 77 Edler de Roover, Andrea Banchi, in: Bowsky, tory, Bd. 3, S. 223 [231 f.]. 73 Karsten,
Medieval and Renaissance HisMedieval and Renaissance HisMedieval and Renaissance HisMedieval and Renaissance His-
III. Investitionen nicht Geschäftsführender als Gesellschafter 103
das Filialunternehmen bewusst sein konnte und keine „Versuchshandelsreise“ in Gestalt einer commenda durchführen musste.
II. Investitionen nicht Geschäftsführender als Darlehens- und Depositengeber In eine compagnia wurde zunächst in Form von Darlehen, beziehungsweise Depositeinlagen, investiert, wobei die Investoren externe Gläubiger der Gesellschaft verkörperten. Depositeinlagen stellten in Italien den Hauptteil der Anlagen nicht mitarbeitender Investoren in einer Gesellschaft dar.78 Insbesondere in Florenz verfügten alle einschlägigen Handelsgesellschaften über Depositeinleger.79 In einer Beispielvereinbarung über ein depositum aus Genua von 1277 bestätigte Nicolò di Fiesco in Vertretung der Gesellschaft des Giovanni de Pistoia gegenüber dem Ferruccio, Sohn des Giacomo de Pistoia, den Empfang von lb. 1080 genuesischer Währung als accomendacio.80 Im Übrigen kann auf die obigen Ausführungen und die dargestellten Beispiele zu Darlehens- und Depositeinzahlungen an Kaufleute verwiesen werden.81
III. Investitionen nicht Geschäftsführender als Gesellschafter Ein Kapitalanleger konnte sich dagegen auch mit einer Vermögenseinlage beteiligen, durch die er den Status eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters erlangte und an Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt wurde. Darin bestand die intensivste Form, an einer Unternehmung beteiligt zu sein, die als nicht mitarbeitender Investor möglich war. Mit der Intensivität der Beteiligung stieg jedoch auch das Verlustrisiko des Investors. Während der Darlehens- oder Depositanleger nur seine Einlage verlieren konnte, musste der nicht geschäftsführende Gesellschafter auch fürchten, für Gesellschaftsschulden über seinen Anlagebetrag hinaus haften zu müssen. Er hatte grundsätzlich, wie die geschäftsführenden Gesellschafter, auch mit 78 Davidsohn,
Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 204. beispielhaft, in: Regesten Nr. 672, 706, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 133, 140, sowie in den oben dargestellten Nachweisen. 80 Urkunde vom 27.10.1277, in: Lopez / Raymond, Medieval trade in the Mediterranean World, S. 214 f. (Nr. 104). Der Begriff „accomendacio“ kann anstatt für eine commenda auch, wie hier, für eine Depositeinlage stehen. Siehe S. 47. 81 Zu gewöhnlichen Darlehensverhältnissen, siehe ab S. 25, zu Depositeinlagen, ab S. 45. 79 Siehe
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seinem Privatvermögen für Gesellschaftsverluste einzutreten, da die Haftungshöhe nicht beschränkt war. 1. Beispielfälle Wie für andere Anlagen in eine Gesellschaft traten als nicht geschäftsführende Gesellschafter in erster Linie familienangehörige Gesellschafter auf, die zum Beispiel als Frauen und Kinder nicht an der Geschäftsführung teilnahmen oder wegen Alters oder aus anderen Gründen aus dem aktiven Geschäft ausgeschieden waren. Außerdem investierten in dieser Form externe Personen in Gesellschaften gezielt, um ihr Vermögen zu mehren. Wegen der nahezu willkürlichen Namensgebung sind Beispielfälle aus der Zeit vor der gesetzlichen Fassung und Ordnung dieses Anlagemodells jedoch schwer aufzuspüren beziehungsweise zu identifizieren. Da das Anlagemodell zudem nicht häufig angewendet wurde, können ohnehin nur sporadische Hinweise verfolgt werden. Die Hauptrolle bei der Investition in Gesellschaften spielte das depositum, das im 13. Jahrhundert den überwiegenden Teil aller Einlagen nicht geschäftsführender Investoren in Unternehmen ausmachte.82 Die Einlage nur zu Gewinn und Verlust, verbunden mit einem Gesellschafterstatus, dagegen war als Investitionstyp noch nicht weit ausgebildet. Wegen der Dominanz des depositums in dieser Zeit könnte die Einlage des nicht geschäftsführenden Gesellschafters im Zusammenhang mit dem depositum, bei dem der Anleger am Gewinn beteiligt war, ursprünglich aufgetreten, beziehungsweise sogar aus diesem entstanden sein. Ein an dem Gewinn einer Gesellschaft beteiligter Deponent könnte mit der Zeit als Beteiligter und Mitgesellschafter verstanden worden sein, der im Gegenzug zur Gewinnteilhabe auch am Verlust teilnehmen sollte,83 was man mit einem Verweis auf die commenda auszudrücken versucht haben könnte. Darauf weisen Mischformen aus Florenz hin, die für Depositeinlagen einerseits feste Zinsen und andererseits einen zusätzlichen Gewinnbeteiligungsanspruch gewährten, dessen Höhe sich, wie in der commenda, nach dem Geschäftsergebnis richtete. An diesen Formen ist auch gut erkennbar aufge82 Edler de Roover, Andrea Banchi, in: Bowsky, Medieval and Renaissance History, Bd. 3, S. 223 [231 f.]. 83 Diese Tendenz veranschaulicht eine Anordnung Herzog Karls von Kalabrien an die jetzigen und früheren socii, factores, procuratores und discipuli, sowie Frauen, Kinder und sonstige Descendenten derselben der zahlungsunfähigen Gesellschaft der Scali, sich noch vier Monate unbehelligt in Florenz aufhalten zu dürfen, um Vereinbarungen mit ihren Gläubigern zu treffen. Nach Ablauf der Frist bestehe die Möglichkeit der Gefangennahme. Folglich konnten grundsätzlich alle greifbaren irgendwie an der Gesellschaft Beteiligten für Gesellschaftsschulden in Haftung genommen werden. Regest Nr. 865, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 175.
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schlüsselt, was den verzinsten und den gewinnbeteiligten Teil des depositums charakterisierte. In einem Fall von 1302 aus Florenz übergaben zwei Anleger der Gesellschaft der Mozzi lb. 126 in depositum et accomandigiam.84 Zunächst könnte die Benennung der Einlage eigentlich darauf hinweisen, dass sie als depositum verbucht wurde. Die gleichzeitige Verwendung mit dem Wort accomandigia weist aber auf eine Einlage hin, die zwar deponiert wurde, aber auch eine accomandigia, also eine auf der commenda beruhende Konstruktion, darstellen sollte. Der Einleger erhielt in dieser Mischform einmal eine aus dem depositum bekannte, festgelegte, Verzinsung und bezüglich der accomandigia aus dem gleichen Einlagebetrag noch eine schon aus der commenda bekannte Gewinnbeteiligung. Das wird auch deutlich aus dem Fall der Markgrafen Azzo und Francesco, die in der Gesellschaft der Mozzi über eine Einlage verfügten, aus der sie 1295 den Betrag von 200 fl. pro lucro et donamento, also als Gewinn und Zinsen, seu remuneratione certe quantitatis pecunie, quam ipsa sotietas et sotii habent et tenent in depositum seu accomandigiam ausbezahlt bekamen.85 In einem anderen Fall von 1315 erhielt ein in Florenz ansässiges Mitglied der florentinischen Familie Gianfigliazzi von einem in Avignon ansässigen Familienmitglied 3.000 fl. in depositum seu comanda.86 Auch die Gesellschaften der Bardi und der Peruzzi verfügten zur Zeit ihres Bankrottes um 1345 über Einlagen in accomandigia e in deposito, die einheimischen und fremden Anlegern gehörten.87 Die accomandigia, die auch „accomanda“ genannt wurde, bezeichnete in Florenz später gemäß dem Gesetz von 1408 eine Einlage eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters, die im Gegensatz zu einem depositum mit einer Gewinn- und Verlustteilnahme nach Maßgabe der Verhältnisse der Einlagen verbunden war88 und die folglich auch in diesen Beispielen schon vorgelegen haben könnten. Nicht zuletzt Vollmachten, die die Gesellschafter der Scali aus Florenz ihrem Mitgesellschafter Andreas Minerbetti und den Prokuratoren Paulus condam Cabbri Beraldi und Sandrus condam Talani 84 Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 83 (Nr. 408). Die Verwendung beider Begriffe zur Benennung von Einlagen in dieser Weise kam des Öfteren vor. Vgl. Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 205. 85 Angaben über die Urkunde vom 22.06.1295 mit dem zitierten Inhalt, in: Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 2, Teil 2, S. 416. 86 Regest Nr. 669, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 133. Auch der Templerorden in Arles nahm um das Jahr 1300 Einlagen als depositum seu comanda an. Carraz, L’emprise économique d’une commanderie urbaine, in: Baudin / Brunel / Dohrmann, L’économie templière en Occident, S. 141 [167]. Die Benennung als comanda anstatt der in Florenz üblichen accomandigia ist auf französische Einflüsse zurückzuführen. 87 G. Villani, Cronica, Bd. 6, Lib. 11, Cap. 88, S. 170. 88 Siehe unten, S. 113.
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Lapi Petri unter anderem zur Annahme von […] mutua, deposita, et acomandigia […] von 1322 ausstellten,89 spricht dafür, dass das herkömmliche depositum und die accomandigia auch vor 1408 bereits unterschiedliche Investitionsmodelle darstellten. Auch wenn die accomandigia in Florenz anfangs noch für ein gewinnbeteiligtes depositum, das auf Elementen der commenda beruhte, gestanden haben könnte, hat sie sich dort bis zu ihrer Fassung im Gesetz von 1408 zur Einlage eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters weiterentwickelt.90 Spätestens aus der Situation der Gesellschaften im 14. Jahrhundert wird klar, dass die Anleger in accomandigia nicht nur Depositeinleger gewesen sein können. Stattdessen müssen sie, wie die geschäftsführenden Gesellschafter, am Verlust teilgenommen haben,91 da eine Beschränkung der Haftung dieser Einleger auf den Einlagebetrag im Gesetz von 1408, die florentinische Wirtschaftsgelehrte gefordert hatten,92 sonst unnötig gewesen wäre. Unter anderer Bezeichnung finden sich für die Existenz dieser Anlageform vor 1408 zudem keine Belege. Nur als accomandigia trat die Einlage zu Gewinn und Verlust zum Beispiel schon im 14. Jahrhundert in der Wollweberzunft regelmäßig als Instrument zur Gründung von Unternehmen zum Import von benötigtem Färbematerialien und dem Betrieb von Färbereien zutage. Die Zunft legte Geld per viam accomandigie93 neben dem Kapital des Geschäftsführers oder als alleinige Finanziererin in das Unternehmen ein und nahm im Gegenzug zu einem festgelegten Satz an Gewinn und Verlust teil. So eröffneten drei Personen im Juni 1377 eine Färberei, die über ein Startkapital von 560 fl. verfügte, zu dem die Zunft 2.000 fl. als nicht handelnde Gesellschafterin einlegte. Gewinn und Verlust entfielen je zur Hälfte auf die drei Färber als Gesamtheit und die Zunft. Weiter durften die drei Geschäftsführer bei Bedarf eine weitere Einlage der Zunft von bis zu 2.500 fl. fordern, für die dann die gleiche Gewinn- und Verlustverteilung gelten würde, wie für die bestehende Einlage.94 Um Färberwaid und Pottasche zu importieren, wurde ebenfalls im Jahr 1377 ein finanzstarkes Unternehmen gegründet, das aus der Zunft als nicht 89 Davidsohn,
Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 156 f. (Nr. 767). diesem Sinne könnte nach Edler, in: Edler, Glossary of Medieval Terms, 21 f., die accomandigia entweder ein depositum beziehungsweise ein Darlehen oder eine commenda darstellen. 91 Vgl. Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 204 f., 208, der das depositum und die accomandigia jedoch sehr stark vermischte und beide als „voneinander nicht wesentlich unterschieden“ darstellte. Beide Kapitalanleger waren nach seiner Ansicht auch keine Gesellschafter. 92 Vorbringen der sei Consiglieri della Università della Mercanzia abgedruckt in: Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 10–13. 93 Regest Nr. 137f, in: Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 556. 94 Regest Nr. 56, in: Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 537. Weitere ähnliche Vereinbarungen über die Gründung von Färbereien aus den Jahren 1377, 90 In
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handelnder Teilhaberin und einem Unternehmen der Gesellschaft des Thomasi Ricchi und der des Soldi Lippi bestand. Das Unternehmenskapital von 25.000 fl. legten je zur Hälfte die Zunft und das Unternehmen der Geschäftsführer ein. Dementsprechend sollten auch Gewinn und Verlust verteilt werden.95 Abseits von der Einlage nicht geschäftsführender Gesellschafter in Florenz war ein solches Modell auch in Genua feststellbar. So legten insgesamt 3.008 Kaufleute zwischen 1296 und 1310 vor einem genuesischen Notar in Zypern zusammen eine Summe von 600.275 Bissantios albos in eine Gesellschaft ein, die Seehandelsreisen im Mittelmeerraum, wie nach Genua, Ancona, Marseille und in die heutige Türkei unternahm. Die meisten der Gesellschafter waren mittels accomandita an der Gesellschaft beteiligt und arbeiteten also nicht aktiv im Unternehmen mit.96 Von einem anderen Fall ist eine notarielle Bestätigung vom 03.12.1300 überliefert, nach der An dreas Donati Fortis in Vertretung der Gesellschaft der Mozzi aus Genua 1450 fl. von Bonino Grasso in Famagusta in accomendacio empfing.97 Die für diese genuesischen Beispiele verwendete Bezeichnung „accomendacio“ stand hier nach der Ansicht Davidsohns nicht für eine commenda, wie andere genuesische Konstrukte solchen Namens, sondern für eine „kommanditistische Einlage“.98 In der Tat ist vorstellbar, dass eine Einlage als nicht geschäftsführender Gesellschafter vorliegt, nicht zuletzt wenn man davon ausgeht, dass dieses Einlagemodell auf dem gewinnbeteiligten depositum beruhte, da das depositum in Genua ebenfalls als accomendacio bezeichnet wurde.99 Nicht nur die Kaufleute aus Genua verwendeten wegen des noch unzureichend ausgebildeten Gesellschaftsrechts und aus Unkenntnis keine systematischen Bezeichnungen für ihre Unternehmenskonstrukte, sodass Namen teils willkürlich vergeben wurden. Für die Handelspraxis waren die Namen der Anlagemodelle im Gegensatz zu ihrer materiellen Bedeutung ohnehin nicht ausschlaggebend. Die nur gewinnbeteiligte Einlage könnte in Genua als commenda bezeichnet worden sein, da Gewinne bezüglich einer commenda und einer gewinnbeteiligten Einlage nach dem jeweiligen Einlage 1382 und 1385, in: Regesten Nr. 57, 74a, 80, in: Doren, Die Florentiner Wollen tuchindustrie, S. 537 f., 542, 543. 95 Regest Nr. 61, in: Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 538; Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 354 f. 96 Dini, L’economia fiorentina e l’Europa centro-orientale nelle fonti toscane, in: Gensini, Viaggiare nel Medioevo, S. 195 [206]. 97 Urkunde, in: Revue de l’Orient Latin, Bd. 1, S. 326 (Nr. 454). 98 Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 205. 99 Siehe S. 47.
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anteil einander ähnlich verteilt wurden. Auch die Fälle aus Florenz legen eine solche Ansicht nahe, wobei die Geldanlage gemäß dem Gesetz über die florentinische Haftungsbeschränkung von 1408, wie eine commenda, als „accomandigia“ oder „accomanda“ bezeichnet wurde. Auf den ersten Blick lagen in der nur gewinnbeteiligten Einlage als Gesellschafter und der Einlage in eine commenda tatsächlich ähnliche Beteiligungsstrukturen vor. Das betraf vorrangig die Verteilung des Gewinns nach einem bestimmten Anteil. Auch die der commenda inne wohnende Beschränkung des Verlusts auf die gezahlte Einlage musste im Rahmen einer Einlage in eine Gesellschaft meist zum Tragen gekommen sein, da regelmäßig die nach außen handelnden Geschäftsführer für Gesellschaftsschulden zahlten. Nur im Bankrottfall trat die zur commenda andere Rechtsstruktur der compagnia zutage. Wenn die geschäftsführenden Gesellschafter nicht mehr für die Gesellschaftsschulden aufkommen konnten, wurden auch die nicht geschäftsführenden Teil haber der compagnia, wie die Geschäftsführer, als unbeschränkt Haftende herangezogen. Sie wurden also insgesamt, wie die Geschäftsführer, als Gesellschafter verstanden, weshalb man sich in Florenz später auch dafür einsetzte, ihre Haftung zu beschränken, was in das Gesetz von 1408 uferte. Die Einlage und die Stellung des nicht geschäftsführenden Investors in der compagnia wurde wegen deren Strukturen als Außengesellschaft inklusive der Solidarhaftung aller Beteiligten anders ausgeprägt als in der commenda, wo nur der Unternehmer nach außen handelte und verpflichtet war. Die Namensbezeichnung der commenda für das neue Einlagemodell blieb dennoch erhalten. Die gleiche Namensgebung erschwert jedoch heute für die Zeit des italienischen Spätmittelalters, insbesondere in Florenz vor der Normierung von 1408, die Identifikation der verschiedenen Anlagemodelle, auch da wegen der im 14. Jahrhundert noch fehlenden gesellschaftsrecht lichen Spezifizierung die Übergänge in der Praxis fließend waren. Das bedeutet, dass sich hinter zahlreichen vermeintlichen gewinnbeteiligten Depositeinlagen oder Einlagen als commenda solche Einlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter verbergen. 2. Ursprüngliches Fehlen einer Beschränkung des Anlagerisikos Mindestens bis weit in das 13. Jahrhundert war die Haftung in Gesellschaften in keiner Weise beschränkt. Alle Gesellschafter hatten gleichermaßen für Gesellschaftsschulden mitzuhaften. Dass vor der großen Verlustgefahr für geschäftsführende und nicht geschäftsführende Gesellschafter, die die unbeschränkte Haftung mit sich brachte, kein normierter Schutz bestand, zeigte sich insbesondere an Geschehnissen in Siena. Dort stand im Jahr 1298 die als Gesellschaft orga-
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nisierte Bank der Magna Tavola dei Bonsignori,100 deren Existenz ab den 1240er Jahren belegt ist101 und die bisher zu den wichtigsten europäischen Geldhäusern gezählt hatten,102 kurz vor dem Zusammenbruch. Da auch die Gesellschafter untereinander zerstritten waren, musste jeder Gesellschafter nun fürchten, dass die Gläubiger auf sein persönliches Vermögen zugreifen. Vierzehn Gesellschafter, die an der Geschäftsführung wohl nicht beteiligt waren, forderten daher von den Stadtoberen Sienas festzulegen, dass die Handlungsvollmachten der Geschäftsführer auf die Höhe von deren Gesellschaftsanteilen beschränkt würden und kein Anleger über die Höhe seines Gesellschaftsanteils hinaus in Anspruch genommen werden könnte. Er sollte nur pro rata für Verbindlichkeiten zu haften haben, also im Verhältnis seiner Anteilshöhe zu den anderen Anteilen.103 Die Antragsteller wollten kein weiteres Geld an die Gesellschaft zahlen. Sie waren keine Familienmitglieder der Bonsignori und so waren für sie das Wohlergehen und die Ehre der Familiengesellschaft nicht ausschlaggebend.104 Ihr Vorbringen begründeten sie einmal mit der Unverhältnismäßigkeit und Ungerechtigkeit, unbeschränkt für Gesellschaftsschulden aufkommen zu müssen, trotzdem sie gemäß den Angaben der Neukonstituierung der Gesellschaft im Jahr 1289 nur Anteile in geringer Höhe hielten. Die Anteile der geschäftsführenden Gesellschafter aus der Familie der Bonsignori fielen wohl bedeutend höher aus.105 Zudem verlangten einige Gläubiger nach Ansicht der Kapitalanleger aus Neid gezielt nur von manchen Teilhabern eine Zahlung, wobei andere Gesellschafter wegen Flucht vor den Gläubigern gar nicht mehr verfügbar waren.106 Weiter sollte sich die Stadt gemäß dem 100 Martini, Siena da Montaperti alla caduta dei Nove, in: Bullettino Senese, Bd. 68 (1961), S. 75 [79, 112]. 101 v. Roon-Bassermann, Sienische Handelsgesellschaften, S. 48. 102 North, Art. Banken, Bankwesen, in: HRG, Bd. 1, Sp. 421 [422]. 103 Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [862]; v. Roon-Bassermann, Sienische Handelsgesellschaften, S. 12. 104 Sapori, Studi di storia economica, Bd. 3, S. 126. 105 v. Roon-Bassermann, Sienische Handelsgesellschaften, S. 11, 12 f. Senigaglia betrachtete, in: Senigaglia, Le compagnie bancarie senesi, Teil 1, in: Studi Senesi, Bd. 24 (1907), S. 149 [195 f.], die Neukonstituierung der Bonsignori-Gesellschaft 1289 als Gründung einer Kommanditgesellschaft und verortete die Entstehung der beschränkten Gesellschafterhaftung bereits im 13. Jahrhundert. Er führte dazu einige wenige Unternehmensunterlagen an, die vermeintlich die Existenz von zwei verschiedenen Arten von Gesellschaftern in der Bonsignori-Gesellschaft belegen, unbeschränkt haftende geschäftsführende und beschränkt haftende und nicht geschäftsführende Gesellschafter. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Hätte eine Kommanditgesellschaft existiert, hätte sich die Gruppe der vierzehn Gesellschafter 1298 nicht wegen einer Haftungsbeschränkung an den Rat Sienas wenden müssen. v. RoonBassermann, Sienische Handelsgesellschaften, S. 12, 17–21. 106 v. Roon-Bassermann, Sienische Handelsgesellschaften, S. 11, 12 f.
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Vorbringen dieser Gesellschaftergruppe um einen Zahlungsaufschub für die Gesellschaft bei den Gläubigern, unter anderem an der Römischen Kurie, bemühen. Der Generalrat von Siena, nachdem er sich nur widerwillig mit dem Thema beschäftigt hatte, lehnte diese Bestrebungen ab, da er bezüglich einer beschränkten Gesellschafterhaftung die Kreditwürdigkeit und den guten Ruf der Kaufleute Sienas gefährdet sah.107 Die bisherige unbegrenzte gegenseitige Haftung aller Gesellschafter gemäß Dist. 2 Cap. 22 der Statuti de’lanajuoli von Siena von 1292 unter der Überschrift „In che modo si convento l’uno compagno per l’altro“108 sollte gegenüber auswärtigen Handelspartnern die finanzielle Sicherheit der Handelsgeschäfte gewährleisten. Eine Beschränkung der Haftung auf die Gesellschaftsanteile hätte nach Auffassung der Stadtregierung Sienas möglicherweise die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaften in Siena gefährdet und damit auswärtige Handelspartner abgeschreckt und den Außenhandel der gesamten Stadt Siena geschwächt.109 Immerhin gestand der Rat den protestierenden Gesellschaftern aber 1303 in einem Zusatz zu den städtischen Statuten dahingehend eine neue Regelung zu, dass die einzelnen Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvermögen, das zuvor noch nicht von dem Privatvermögen der Gesellschafter unterschieden worden war, nur noch subsidiär mit ihrem Privatvermögen einzutreten hatten. Auch die verschieden hohen Anteile der Gesellschafter fanden nun Beachtung110 und das Gesellschaftsvermögen wurde nicht mehr als eine homogene Masse gesehen,111 obgleich die Gesellschafter mit ihren Anteilen nicht in ein öffentliches Register eingetragen wurden.112 Jeder Gesellschafter sollte nach Cap. 100, 4 der städtischen Statuten von 1308 gleichermaßen per rata de sui capitali in der prozen tualen Höhe seines Anteils haften, jedoch dann mit seinem gesamten Privatvermögen in unbegrenzter Höhe. Konnte ein Gesellschafter nicht mehr zahlen, hatten nach Cap. 103, 4 die anderen Gesellschafter seinen
107 Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [862]; Sapori, Studi di storia economica, Bd. 3, S. 126. 108 Regelung, in: Collezione di opere inedite o rare, S. 215. Auch das Constituto del Comune di Siena von 1262 kannte keine Form einer Differenzierung der Haftung der einzelnen Gesellschafter und zog alle gleichermaßen in voller Höhe zur Zahlung heran. Vgl. Dist. 2, Cap. 80 ff., in: Zdekauer, Il Constituto del Comune di Siena, S. 229–234. 109 Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [862]. 110 v. Roon-Bassermann, Sienische Handelsgesellschaften, S. 8. 111 In diesem Sinne, die spätere Regelung, in: Dist. 2, Cap. 104 der Statuten von 1309, in: Archivio di Stato in Siena / Lisini, Il Costituto del Comune di Siena, Bd. 1, S. 431–433; vgl. Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [77]. 112 v. Roon-Bassermann, Sienische Handelsgesellschaften, S. 10.
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Anteil zu übernehmen.113 Wirklich begrenzt wurden die Zahlungspflichten der Gesellschafter also nicht, da alle Gesellschafter im ungünstigsten Fall letztlich doch in unbeschränkter Höhe für Gesellschaftsschulden zu haften hatten.114 Die Stadtoberen sahen noch keine Notwendigkeit für Haftungsbeschränkungen in Gesellschaften. Offensichtlich stellte das unter den Gesellschaftern der Magna Tavola dei Bonsignori aufgekommene Problem der unbeschränkten Gesellschafterhaftung, die einen kompletten persönlichen Bankrott von nicht geschäftsführenden Kapitalanlegern bewirken konnte, noch keine entscheidungserhebliche Größe dar. Noch wogen Zahlungsfähigkeit, Kreditwürdigkeit und Ansehen der Handelsgesellschaften Sienas schwerer,115 wobei die solidarische Haftung aller Gesellschafter in ganz Italien und darüber hinaus traditionell einen elementaren und nicht wegzudenkenden Bestandteil einer funktionierenden Gesellschaftsfinanzierung darstellte. Doch hätte die Pleite der Bonsignori wahrscheinlich verhindert werden können, wenn gerade eine Möglichkeit zur Kapitaleinlage nicht geschäftsführender und beschränkt haftender Gesellschafter normiert worden wäre. Das Vermögen dieser Gesellschaft bestand größtenteils aus Depositeinlagen, die jederzeit zurückgefordert werden konnten. Im Zuge der Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten, die in der Zeit vor dem Bankrott unter den Gesellschaftern aufgekommen waren, verloren die Depositgläubiger das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der Bonsignori und forderten ihre Einlagen zurück. Diese geballten Rückzahlungsforderungen konnten die Bonsignori nicht befriedigen, sodass es zum Bankrott kam.116 Hätte die Gesellschaft über mehr Einlagenkapital von beschränkt haftenden Gesellschaftern verfügt, wäre sie womöglich nicht zusammengebrochen, da Gesellschafter ihre Einlagen im Gegensatz zu Depositengläubigern nicht jederzeit hätten zurückfordern dürfen. Dennoch waren die Bedenken Sienas, dass das Ansehen der Unternehmen bedroht wäre, wenn man die Gesellschafterhaftung beschränkte, berechtigt. Das zeigte sich daran, dass das Nachdenken über eine Haftungsbeschränkung und der Erlass der neuen Haftungsregelung von 1308 als Kompromiss bereits ausreichten, um andere italienische Handelsstädte zu veranlassen, 113 Vorschriften von 1308, in: Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [77 f.]. 114 v. Roon-Bassermann, Sienische Handelsgesellschaften, S. 8–13; Hacman, Offene Handelsgesellschaft, in: ZHR, Bd. 69 (1911), S. 47 [77 f.]. 115 Lopez, Italian Leadership, in: The Journal of Economic History, Bd. 8 (1948), S. 63 [66 f.]. 116 Strieder, Große Vermögen im älteren Europa, in: Historisches Jahrbuch, Bd. 55 (1935), S. 325 [327 f.]; Bowsky, A medieval italian commune, S. 248–250.
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ihre Handelsbeziehungen mit Siena abzubrechen oder einzuschränken. Ein Großteil der Geschäftspartner der nach der Pleite der Bonsignori verbliebenen Unternehmen wendete sich nun an florentinische Betriebe, die mit den Unternehmen Sienas konkurrierten, und Florenz übernahm die herausragende Position Sienas im Finanzhandel. Diese Entwicklung wurde dadurch begünstigt, dass der Handel in Florenz mit Goldgulden, dem Fiorino d’oro, durchgeführt wurde, während Siena, wie in vergangenen Zeiten, nur Silbermünzen akzeptierte.117 Insgesamt wurde Siena im 14. Jahrhundert infolge dieser Umstände wirtschaftlich tiefgreifend geschwächt, was sich noch heute sichtbar darin zeigt, dass der dortige Dom nicht zuletzt mangels Finanzmitteln nicht fertig gebaut wurde.118 In einer späteren Regelung aus Siena, unter Dist. II Rub. 20 des Statuto dell’arte della mercanzia von 1342, wurde dann unmissverständlich wieder alleine die nach außen unbeschränkte Solidarhaftung normiert. Das heißt, die beschränkte und nach dem Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen nur subsidiäre Haftung per rata der Gesellschafter nach den Höhen ihrer Gesellschaftsanteile aus den Statuten von 1309 wurde weggelassen.119 Die neue beziehungsweise alte Haftungsregelung wurde in einem spektakulären Gerichtsverfahren von 1344 angewendet, in dem Papst Clemens VI. eine Forderung in Höhe von 80.000 Gulden gegen die inzwischen abgewickelte Bonsignori-Gesellschaft bei deren Erben eintrieb. Diese hatten letztlich in unbeschränkter Höhe mit ihrem Privatvermögen solidarisch für die gesamte Gesellschaftsschuld einzutreten.120 Die Kehrtwende Sienas in der haftungsrechtlichen Gesellschaftsgesetzgebung kam jedoch bereits zu spät, sodass die Stadt nicht zu alter wirtschaftlicher Stärke zurückfinden konnte.121 Es bleibt festzuhalten, dass sich die Stadtoberen Sienas letztlich gegen Haftungsbeschränkungen in Gesellschaften entschieden. Trotzdem hatten sie sich als erste eingehender mit der Frage beschäftigt, ob das Anlagerisiko in Gesellschaften gemindert werden sollte. Den Sienesen musste klar geworden sein, dass die unbeschränkte Haftung aller Gesellschafter künftig nicht mehr überall akzeptiert werden würde und demnächst in Frage gestellt werden könnte. Damit rückte die Entwicklung anderer Gesellschaftsmodel117 Sapori, Studi di storia economica, Bd. 3, S. 126; Vagts, Beschränkte Haftung der Aktionäre, in: ZGR, Bd. 23 (1994), S. 227 [228]; Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 278; Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 180. 118 Vgl. Vagts, Beschränkte Haftung der Aktionäre, in: ZGR, Bd. 23 (1994), S. 227 [228]. 119 Senigaglia, Statuto Dell’ Arte Della Mercanzia Senese, in: Bullettino Senese, Bd. 14 (1907), S. 211 [245]; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 140. 120 v. Roon-Bassermann, Sienische Handelsgesellschaften, S. 11–13. 121 Sapori, Studi di storia economica, Bd. 3, S. 126 f.
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le, in denen Gesellschafter beschränkt haften könnten, in den Bereich des Möglichen.122 Da auch in anderen Regionen zu dieser Zeit die Gesellschafterhaftung noch unbeschränkt war, stellt das ausgehende 13. Jahrhundert, als Siena eine Haftungsbeschränkung ablehnte, den Startpunkt für Untersuchungen bezüglich Möglichkeiten der Risikominderung für nicht geschäftsführende Gesellschafter dar. 3. Die acomandigia123 (Florenz) Auf Grundlage der compagnia wurde, verbunden mit dem florentinischen Gesetz über die accomandita von 1408, die erste Form einer wirklichen Risikobegrenzung für nicht geschäftsführende Gesellschafter entwickelt. a) Gesetz über die accomandita Das gesellschaftsrechtliche Gesetz über die accomandita, die auch „societas per viam accomanditae“ genannt wurde,124 erließ die Republik Florenz am 30. November 1408 für ihren Machtbereich, was auf Anregung der sechs consiglieri der Università della Mercanzia geschah.125 Es enthielt zunächst den Grundsatz einer traditionellen compagnia, dass alle in einem gesellschaftlichen Vertragsverhältnis verbundenen Kaufleute nach außen in Erscheinung treten und solidarisch für Schulden, die auf Geschäften der Handelsgesellschaft beruhen, einzustehen haben.126 Danach hatten alle, die Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [862]. alttoskanische Ausdruck „acomandigia“ wurde sprachlich bald in das gleichbedeutende Wort „accomandita“ umgeprägt. Siehe dazu, Horning, Ty und Cy, in: ZrP, Bd. 24 (1900), S. 545 [547]; Die modernere Bezeichnung „accomandita“ wird daher nicht zuletzt in der heutigen Literatur vornehmlich für das florentinische Haftungsmodell von 1408 benutzt und daher auch in der vorliegenden Arbeit gebraucht. Weiter ist darauf zu achten, dass die für die accomandita verwendeten Begrifflichkeiten nicht allein dieser vorbehalten waren und deren Bezeichnungen auch für commenda-Verhältnisse verwendet wurden. So kann aus dem Vorliegen von Begriffen wie „accomandita“, „comandita“ oder „acomandigia“ nicht unbedingt auf einen beschränkt haftenden Gesellschafter geschlossen werden. Siehe S. 53 124 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 270. 125 Vorbringen der sei Consiglieri della Università della Mercanzia, in: Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 10–13. Das Gesetz vom 30.11.1408 wurde offensichtlich nahezu wortgleich daraus entnommen und durch die Stadt Florenz erlassen, da bei Fierli das Gesetz nicht mehr gesondert abgedruckt ist, sondern ab S. 13 schon die neue Fassung des Gesetzes vom 21.05.1495 folgt. Gesetz in der Fassung des Vorbringens auch in: Selectarum Rotae Florentinae, Bd. 1, S. 209–213. 126 Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 12. Daher ist bei Fierli der Regelung beziehungsweise dem Antrag von 1408 auf S. 9 f. vorangestellt die Regelung über die Solidarhaftung aus Statuta Populi et Comunis Florentiae, Bd. 2, 122 Vgl. 123 Der
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an der Gesellschaft beteiligt waren, geschäftsführend oder nicht, nach allgemeiner Ansicht in unbegrenztem Umfang solidarisch zu haften.127 Die unbeschränkte solidarische Haftung aller Gesellschafter für Gesellschaftsschulden war in Florenz in der Zeit vor 1408 geregelt in Lib. 2, Rubr. 54 („Quod omnes socii teneantur debitis contractis ab uno socio“) der Statuta Populi Fiorentini von 1324,128 in Lib. 1, Cap. 58 („Che ciascuno compagno sia costretto in tutto per li debiti del compagno“) des Statuto dell’arte di calimala von 1332129 oder in Lib. 2, Cap. 26 („Quod quilibet sotiorum teneatur in solidum ad debita contracta“) der Statuta Mercatorum Florentiae von 1393.130 Das Gesetz über die accomandita bewirkte darauf aufbauend, dass nicht geschäftsführende Kapitalanleger von der Haftung für die Gesellschaft ausgenommen wurden beziehungsweise die Haftung auf ihre gezahlte Einlage beschränkt wurde. Im Einzelnen war geregelt, dass jeder nur Kapital anlegende Gesellschafter namentlich samt der Höhe seiner Einlage und der Gesellschaft, in die investiert wurde, in einem Buch vermerkt wurde, das der Kanzler der Università della Mercanzia an dem zur Università gehörenden Handelsgericht führte.131 Die Eintragung geschah, wie die bisherige Eintragung der geschäftsführenden Gesellschafter in den Registern,132 die die Zünfte führten, zu Publizitätszwecken und zur Absicherung des Vertragspartners des Gesellschafters. Das wurde aber nicht ausdrücklich im Vorbringen der consiglieri erwähnt, warum Lastig davon ausging, dass die Eintragung nicht geschah, „um der Gesellschaftsfirma und damit den geLib. IV (Tractatus et materia consulum artium et mercatorum), Rubr. XVI (Quod quilibet sociorum teneatur in solidum ad debita contracta), S. 171. Die Norm stammt zwar in dieser Form von 1415 und ist also jünger als das Gesetz von 1408. Die Regelung über die Solidarhaftung, auf der die Regelung über die beschränkte Haftung aufbaute, existierte jedoch auch schon im 14. Jahrhundert und wurde hier nur aus systematischen Gründen dem Gesetz von 1408 vorangestellt. Vgl. Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [441]. 127 Vgl. Mehr, Societas und universitas, S. 174. 128 Statuta Populi Fiorentini, in: Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [ab 438]. 129 Statuto dell’arte di calimala, in: Emiliani-Giudici, Storia dei comuni italiani, Bd. 3, S. 241. 130 Statuta mercatorum Florentiae, in: Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [441 f.]. 131 Che chalunque persona per alcun tempo trafficasse in suo nome proprio, ovvero con altri, […] ed avesse per lavorare alcuna quantita di enari di alcuna persona, che glieli mettessi nelle mani in Accomandigio per trafficare, o mercanzia fare, […], siano tenuti, […], far scrivere in un Libro per mano del Cancelliere della detta Università, […], il nome, ovvero il nomi di quello, e quelli, che ricevesse in Accomandigia. Regelung, in: Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 11 f. 132 Lastig, Florentiner Handelsregister, S. 7 f., 14 f., 27 f.
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schäftsführenden Socien die angeblich nöthige Publicität zu verleihen“.133 Nach ihm erfolgte die Eintragung nur, um die gesellschaftsrechtlichen Vertragsparteien gegenüber einander abzusichern. Lastigs Ansicht ist mit darauf zurückzuführen, dass er die Haftungsbeschränkung der accomandita fälschlicherweise in der Tradition der commenda vermutete und weiter kein nach außen geregeltes Haftungsverhältnis sah, da nur der unbeschränkt haftende Gesellschafter, der im Dienste der übrigen beschränkt haftenden Kapitaleinleger stehe, nach außen auftrete und hafte. Da das Sozietätsverhältnis, das dieser einseitigen Arbeitsgesellschaft zugrunde liege, nach außen nicht in Erscheinung trete, erfolge die Eintragung nicht zu Publizitätszwecken.134 Dazu ist zu sagen, dass die Eintragung zwar dazu geeignet ist, Anleger und Kaufmann abzusichern. Eine Absicherung müsste jedoch nicht durch ein öffentlich geführtes Register geschehen. Stattdessen hätten auch notariell beglaubigte Vertragsurkunden ausgereicht. Somit wurden die Eckpunkte der Einlage in ein Unternehmen hauptsächlich aufgrund der Publizität eingetragen. Jeder Außenstehende, der mit einem trafficatore, einem Kaufmann, einen Vertrag schließt, sollte die Menge des in die Gesellschaft eingelegten Geldes erkennen können, insbesondere wenn manche Gesellschafter auf die Höhe ihrer Einlage beschränkt hafteten.135 In dem offiziellen Buch der Università della Mercanzia ist im Übrigen ein Vorläufer der Handelsregister zu sehen, die heute immer noch der Publizität dienen.136 Die Höhe der jeweiligen Einlage der accomandita beschränkte die Haftungspflicht eines Kapitalanlegers für Gesellschaftsschulden, wobei aber weiter auch unbeschränkt haftende Geschäftsführer vorhanden waren. Nach dem etwas umständlichen Gesetzeswortlaut wurde der Kapital gebende Gesellschafter inklusive der Menge seines eingelegten Geldes vor dem Hintergrund in das Register eingetragen, dass der Kapitalgeber nicht weiter verpflichtet werden konnte, als bezüglich des Betrags, den er laut der Eintragung im Register dem trafficatore in die accomandita übergeben hat. Weitere Forderungen gegen den Anleger könnten von keiner Seite aus durchgesetzt werden, auch nicht aufgrund anderer Gesetze oder Rechtsbräu133 Lastig,
Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [401]. Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [414]. 135 Vgl. dazu auch die Regelung im römischen Editto del Cardinal Barberini von 1626, die für den Fall, dass die beschränkte Haftung eines Accomanditisten nicht innerhalb von 30 Tagen angezeigt und publiziert wird, für alle an der Gesellschaft Beteiligten die solidarische unbeschränkte Haftung vorsah. Diese Regelung zeigt, dass die Publikation vornehmlich für das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Gläubigern relevant sein sollte. Regelung, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 346 f. 136 Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 12; Cordes, Art. Kommanditgesellschaft, in: HRG, Bd. 2, Sp. 1966 [1967]; Rehme, Geschichte, in: Ehrenberg, Handbuch, Bd. 1, S. 28 [217]. 134 Lastig,
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che.137 Der Haftungsumfang eines bloßen Kapitalanlegers beschränkte sich folglich auf das Vermögen, das er schon in die Gesellschaft eingelegt hatte. Es konnte nicht verlangt werden, dass der Anleger weiteres Geld einzahlt.138 Die Regelung dieses Sachverhalts stellte eine Premiere dar. Nicht ganz klar wird aus der Vorschrift aber, ob sie sich auch auf das Außenverhältnis bezog oder ob der nicht geschäftsführende Gesellschafter nur gegenüber dem trafficatore zu haften hatte und die Regelung für den Accomanditisten daher nur für das Innenverhältnis relevant war. Der Kapitalanleger wäre dabei nicht als ein zum Geschäftsführer gleichwertiger Gesellschafter zu sehen gewesen, sondern als eine Art „stiller“ Gesellschafter. Der Schlussabschnitt der Regelung besagt, dass allein der trafficatore gegenüber den Gesellschaftsgläubigern […] in tutto, […] e per tutto, […], also unbeschränkt, einzutreten hat, wie in einer Situation, in der die Regelung über die accomandita nicht erlassen worden wäre.139 Damit könnten die bloßen Kapitalgeber von einer Außenhaftung ausgeschlossen gewesen sein. Andererseits könnten die Florentiner nur klargestellt haben wollen, dass die unbeschränkte Haftung des Geschäftsführers weiter unberührt bleibt, während für die Kapitaleinleger in der Haftungsbeschränkung eine Ausnahme von der grundsätzlichen Rechtslage normiert wurde. Praktisch bewirkte diese Ausnahme den137 E scritto nel detto Libro, di mano di detto Cancelliere di volontà di chi metterà nelle mani, e chi riceverà le sopradette cose per detto effetto, non sia tenuto, nè obligato quel tale, che gli avesse messo nelle mani al detto trafficatore, ovvero esercitante mercanzia, o niun’ altra cosa per quell’ esercizio, e traffic, o per cosa da quello dipendente, se non solo il più in tutto in quella quantità di pecunia, e guadagno di essa, come detto, e la quale avesse messo nelle mani, al detto Trafficatore in accomandigia, e non possa il ditto per più esser convenuto, o molestato in alcun modo, non ostante alcuno Statuto, Ordine, e Riformazione del Popolo, e Comune di Firenze, e della detta Università, e non ostante alcuna Consuetudine per addietro osservata, e non ostante qualunque altra cosa, alle quali s’ intende espressamente derogato, eziandio se di quella si dovesse fare espressa menzione. Regelung, in: Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 12 f. 138 In dem haftbaren Vermögen war regelmäßig auch der mögliche, auf den Anteil des nicht handelnden Gesellschafters entfallende und noch nicht ausgezahlte, Gewinn enthalten. Der Gewinn wurde mit dem Einlagevermögen erwirtschaftet, ist ihm als Erhöhung dessen anzurechnen und bis zur Auszahlung wie die anfangs geleistete Einlage zu behandeln. Daher wurde im Register zur accomandita im Rahmen der Haftungsbeschränkung stets erwähnt, dass die Haftung des Kapitalanlegers seinen Anteil und den daraus entstandenen Gewinn umfasst. Siehe unten, S. 139. Gemäß der Regelung aus Florenz von 1408, in: Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 12, hatte der Anleger bis zur Höhe der Einlage inklusive des darauf anzurechnenden Gewinns zu haften. So rechnete zum Beispiel auch das römische Editto del Cardinal Barberini von 1626 ausdrücklich die auf den Kapitalanteil entfallenden Gewinne zu dem Haftungsanteil des nicht geschäftsführenden Anlegers. Regelung, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 346. 139 Regelung abgedruckt, in: Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 13.
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noch tatsächlich, dass nur der unbeschränkt haftende Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftsgläubigern haftete und der beschränkt Haftende als Gesellschafter, außer im Register zur accomandita, nicht erschien, wenn er seine Einlage geleistet und komplett in die Hände des Geschäftsführers gegeben hatte.140 Der Investor haftete nur noch mit der Einlage, die sich im Gesellschaftsvermögen befand. Wäre die Einlage aber noch nicht geleistet oder zurückgezahlt oder wäre die Haftungsbeschränkung nicht wirksam beim Handelsgericht registriert gewesen, wäre nicht zu vermeiden gewesen, dass der Accomanditist direkt in Anspruch genommen wird. Darauf wies auch die Vorschrift selbst hin, in der gesagt wurde, dass der Kapitalgeber nur dann nicht belangt werden könne, solange der Einlagebetrag samt daraus resultierenden Gewinnen in die Hände des trafficatore eingelegt sei.141 Da der Investor im Gegensatz zu anderen „stillen Kapitalgebern“ aus commenda-, Darlehens- oder depositum-Verhältnissen zudem in einem öffentlich einsehbaren Register genannt war und also in gewisser Weise doch nach außen auftrat, wäre eine Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger gut in die Wege zu leiten gewesen und war wohl allgemein vorgesehen. Im Gesetz von 1408 war also die Haftung auch nach außen beschränkt, da der nicht geschäftsführende Gesellschafter grundsätzlich durch Gesellschaftsgläubiger angreifbar gewesen wäre. Dem Accomanditisten wurde dahingehend ein zum Geschäftsführer gleichberechtigter Gesellschafterstatus zuerkannt. In der accomandita wurde damit zum ersten Mal das Außenverhältnis einer Handelsgesellschaft in der Weise geregelt worden, dass für manche Gesellschafter die Haftung nach außen beschränkt sein konnte und sie nicht über die bereits geleistete Kapitaleinlage hinaus für Gesellschaftsschulden einzutreten hatten. Dadurch waren zwei Arten von Gesellschaftern entstanden, solche, die in der Gesellschaft mitarbeiten und unbeschränkt solidarisch für Gesellschaftsschulden hafteten und solche, die nicht mitarbeiten und deren solidarische Haftung auf die Höhe ihrer Einlage beschränkt war.142 Die erste Form eines Gesellschafters wäre dem heutigen Komplementär und die zweite Form dem heutigen Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft ähnlich. Die Statuten von 1408 wurden ab dem Ende des 14. Jahrhunderts unter Führung der Stadt Florenz weiterentwickelt,143 sodass im Jahr 1495 eine reformierte Fassung dieses Gesetzes erschien, woran die weitere Entwick140 In diesem Sinne auch eine Entscheidung der Rota von Rom unter Dec. 125, Nr. 3, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 245 f. 141 […], e la quale avesse messo nelle mani, al detto Trafficatore in accomandigia, e non possa il ditto per più esser convenuto, o molestato in alcun modo, […]. Regelung, in: Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 12; vgl. Mehr, Societas und universitas, S. 180 f. 142 Vgl. Goldthwaite, Economy of Florence, S. 67. 143 Lastig, Entwickelungswege, S. 327.
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lung anknüpfen konnte.144 Im Statuto della corte della mercanzia von 1585 des Großherzogtums Toskana, auf das sich die Herrschaft der Stadt Florenz, die nun auch seit 1531 nicht mehr die Gestalt einer Republik annahm, unter erheblichen Gebietszuwächsen inzwischen ausgeweitet hatte,145 war die Regelung der accomandita in Libro sec. Rub. 10 zu finden. Diese Vorschrift normierte unter der Überschrift, „De Compagni, & in que modo l’un Compagno sia tenuto per l’altro“, wie geschäftsführende und nicht geschäftsführende Gesellschafter zu haften hatten.146 b) Gesetzessystematischer Ursprung der accomandita In der früheren Forschung, insbesondere des 19. Jahrhunderts, wurden die Wurzeln der beschränkten Gesellschafterhaftung im Sinne einer Kommanditgesellschaft, die in der florentinischen accomandita ihren Anfang nahm, größtenteils in der commenda vermutet. Das betrifft unter anderem Goldschmidt.147 So bezeichnete er die colonna, die commenda-Ausgestaltung aus der Tabula di Amalfi, als „eine sehr eigenthümliche, der heutigen Kommanditgesellschaft auf Aktien verwandte Art der commenda“148. Auch aus Endemanns Ansicht habe sich die Kommanditgesellschaft „aus derjenigen Gesellschaft entwickelt, welche im Gegensatz zu der nur durch die Vereinigung der Arbeit Mehrer gebildeten Sozietät, theils Arbeit und theils Kapital vereinigt“149. Weber sah die Grundlage der Kommanditgesellschaft insbesondere in der societas maris, also der commenda mit mehrseitiger Kapitalbeteiligung.150 Silberschmidt vermutete den Ursprung der Kommanditgesellschaft in den in der Form einer commenda, einer „Heimatkommenda“, geführten Landbetrieben.151 Auch Renaud beschrieb die colonna als einen Ursprung der Kommanditgesellschaft.152 Rehme vermutete zwar in der 144 Fierli, Della Società Chiamata Accomandita, S. 13; Melis / Dini, Storia economica di Firenze e della Toscana, S. 48. 145 Reimann, Florenz und Toskana, S. 18 f., 39–42. 146 Lib. sec. Rub. 10 des Statuto della Corte della Mercanzia, in: Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 11, S. 284–287. 147 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 269; Goldschmidt, Alte und neue Formen der Handelsgesellschaft, S. 10. 148 Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 270. 149 Endemann, Das deutsche Handelsrecht, S. 233 f.; vgl. auch Lastig, Geschichte des Handelsrechts, in: ZHR, Bd. 24 (1879), S. 387 [400–403, 414]. 150 Dilcher / Lepsius, Max Weber, Einleitung, S. 51–53. Weber sah die Grundlage der Kommanditgesellschaft in Beteiligungen an fremden Gesellschaften zu Gewinn und Verlust. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 187 f., 267, 326–329. 151 Silberschmidt, Beteiligung und Teilhaberschaft, S. 135 f. 152 Renaud meinte, dass sich „in der Colonna die wesentlichen Elemente der späteren Commanditgesellschaft“ fänden. Renaud, Commanditgesellschaften, S. 18.
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commenda „die Keime der heutigen Kommanditgesellschaft und der heutigen stillen Gesellschaft“, erkannte aber immerhin an, dass die accomandita mit ihrer für einige Gesellschafter beschränkten Haftung mindestens unter Einwirkung von Ausprägungen der compagnia gestaltet wurde.153 Zutreffend ist, dass die Einlage als nicht geschäftsführender Gesellschafter auf die Einlage als depositum in Verbindung mit einer Investition in ein Unternehmen im Sinne der commenda zurückgeht. Das zeigt sich vor allem auch an der Namensgebung, wobei teils Begriffe der commenda verwendet wurden. Im Gesetz von 1408 ist zwar von der accomandigia die Rede, was auf einen Unterschied zur commenda hindeuten mag. Im Register über die accomandita wurde das Anlagemodell aber meist, sowie in der Anfangszeit ausschließlich, als accomanda bezeichnet, was den Bezeichnungen für die commenda sehr nahe kommt. Namentlich sind die Anlagemodelle der commenda und der compagnia letztlich nicht zu unterscheiden. Alle Begriffe entstammen dem lateinischen Verb commendare, das für „anvertrauen“ oder „übergeben“ steht. Aus dieser ähnlichen Namensgebung wird klar wird, dass in den Anlagemodellen depositum, commenda und accomandita ähnliche Konstrukte verstanden wurden. Da die Anleger in der accomandita letztlich, wie die Geschäftsführer für Gesellschaftsschulden haftbar gemacht wurden, nahmen sie aber eine zur commenda veränderte Stellung ein, in der auch die aus der commenda bekannte Haftungsbeschränkung auf das eingezahlte Vermögen nicht mehr gegeben war. In einer commenda trat nach außen nur ein handelnder Kaufmann gegenüber Geschäftspartnern auf und nicht die commenda als eine Gesellschaft. Die compagnia aber handelte bald schon als eine Gesellschaft, da sie auf der früheren Familiengesellschaft beruhte und daher aus einer ganz anderen Ursprungsrichtung stammte als die commenda, wo stets eine Einzelperson nach außen auftrat und Geschäftspartnern gegenüber alleine haftete. Auch ein nicht handelnder Teilhaber musste also in der compagnia ganz anders charakterisiert werden und konnte in der Haftung nicht zurückstehen. Die accomandita als beschränkt haftende Einlage konnte folglich nicht in der commenda wurzeln, sondern baute auf dem bestehenden Gesellschaftstyp der compagnia, der auch societas, beziehungsweise Gesellschaft, genannt wurde, auf.154 Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass die commenda-Verhältnisse, nachdem die accomandita normiert worden war, in ihren ursprünglichen Formen weiter existierten, wenn sie auch an prakti153 Rehme, Geschichte, in: Ehrenberg, Handbuch, Bd. 1, S. 28 [103, 217 f.]. Es bleibt dabei zu beachten, dass Rehme, wie andere seiner Zeitgenossen, die Kommanditgesellschaft in der commenda verwurzelt sah, da die Kommanditgesellschaft meist mit der stillen Gesellschaft gleichgesetzt wurde, deren Ursprünge im Gegensatz zur Kommenditgesellschaft sehr wohl in der commenda liegen könnten. 154 Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [863].
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scher Bedeutung verloren.155 Beachtet werden muss auch, dass die accomandita im Gegensatz zur commenda keine eigenständige Gesellschaftsform, sondern aufgrund der florentinischen Statuten von 1408 eine Art Modifikation einer bestehenden Gesellschaftsform darstellte. In den Statuten war zunächst die herkömmliche compagnia geregelt mit dem Zusatz, dass die Haftung für nicht geschäftsführende Gesellschafter beschränkt werden könnte.156 Das Gesetz über die accomandita modifizierte die compagnia also dahingehend, dass Gesellschafter, die nicht an der Geschäftsführung der Gesellschaft beteiligt waren, nicht mehr voll, sondern auf die Höhe ihres Gesellschaftsanteils, der in den Handelsbüchern der Università della Mercanzia vermerkt war, beschränkt hafteten. Die Gesellschaftereigenschaften in der compagnia wurden also schlichtweg verändert. Die accomandita stellte dabei den „Beginn des Abspaltungsprozesses von der Compagnia“ und den Weg zur selbständigen Kommanditgesellschaft dar,157 wobei bereits das heutige Verhältnis zwischen der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft vorgeprägt wurde. Die heutige Kommanditgesellschaft verkörpert ebenfalls eine modifizierte offene Handelsgesellschaft und die Kommanditisten sind nach § 161 Abs. 1 HGB im Gegensatz zu den nach § 128 HGB unbeschränkt haftenden persönlichen Gesellschaftern in der Haftung auf die Höhe ihrer Einlage beschränkt.158 Die entgegenstehenden Sichtweisen einiger deutscher Rechtsgelehrter des ausgehenden 19. Jahrhunderts zur Entstehung der accomandita auf Basis der commenda und nicht der compagnia könnten darin begründet gewesen sein, dass zu deren Wirkenszeiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Unterscheidung zwischen heutiger Kommanditgesellschaft und stiller Gesellschaft gerade noch neu war. Das heutige Gesellschaftsrecht war erst zum Teil ausgebildet.159 Im Allgemeinen Preußischen Landrecht waren in Teil 2, Titel 8, § 651 die Kommanditgesellschaft und die stille Gesellschaft noch gleichgesetzt, wobei ein stiller Gesellschafter seltsamerweise als „Associé en commendite“ bezeichnet wurde.160 Dabei ist aber zu beachten, dass der 155 Cordes,
Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 17. Cordes, Art. Kommanditgesellschaft, in: HRG, Bd. 2, Sp. 1966 [1967]; vgl. Lehmann / Hoeniger, Lehrbuch des Handelsrechts, Halbbd. 1, S. 279. 157 Cordes, Art. Kommanditgesellschaft, in: HRG, Bd. 2, Sp. 1966 [1967]. 158 Vgl. Galgano, Art. Società in Accomandita semplice, in: Azara / Eula, Novissimo Digesto Italiano, Bd. 17, S. 565 [566]. 159 Nach Condanari-Michler standen die damaligen Rechtshistoriker „im Banne der Dogmatik des geltenden Rechts“, als sie die Wurzeln der stillen Gesellschaft und der Kommanditgesellschaft in der Commenda sahen. Condanari-Michler, Frühvenezianische Collegantia, S. 1. 160 Derjenige, welcher der Societät ein bestimmtes Capital mit der Bedingung anvertrauet hat, daß er, statt der Zinsen, am Gewinne oder Verluste nach Verhältniß 156 Vgl.
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preußische Gesetzgeber darin nicht die beiden Gesellschaften nach dem heutigen Verständnis regeln wollte. Er hatte zwar anscheinend die separate Kommanditgesellschaft aus dem französischen Recht übernommen. Letztlich versuchte er aber nur, die fertig entwickelt übernommene Kommanditgesellschaft mit dem bekannten deutschen Rechtsinstitut der stillen Gesellschaft zu verknüpfen. Einige Ansichten gehen daher davon aus, dass hier ausschließlich die stille Gesellschaft und nicht die in Frankreich normierte Kommanditgesellschaft geregelt werden sollte, da im allgemeinen Landrecht das gesellschaftliche Innenverhältnis noch die Hauptrolle spielte.161 Diese Ansicht wird dadurch bestätigt, dass Koch im Jahr 1863 die nun in den Beratungen zum ADHGB von 1861 im Sinne ihres französischen Typs getrennt von der stillen Gesellschaft herausgebildete Kommanditgesellschaft162 als „neue stille Gesellschaft“ bezeichnete.163 Tatsächlich findet sich im allgemeinen Landrecht kein Kommanditist im französischen Sinne, anders als der Name „Associé en commendite“ glaubhaft machen wollte, der in Klammern hinter die Regelung gesetzt worden war. Nach § 652 haftete der hier beschriebene nicht geschäftsführende Teilhaber den Gesellschaftsgläubigern nämlich nur auf die Höhe seines eingelegten Betrages begrenzt, wenn er nicht als Gesellschafter bekannt gemacht worden war. War er aber als solcher öffentlich bekannt gemacht worden, griff § 651 im Umkehrschluss nicht und der Kapitalanleger hatte unbeschränkt zu haften. Ein Kommanditist stellte aber nach dem damaligen französischen und unserem heutigen Verständnis einen nach außen bekannt gemachten Gesellschafter dar, der hier nicht erkennbar ist. Der Kapitalanleger haftete andererseits, wie § 652 regelte, mit seiner Einlage direkt gegenüber den Gesellschaftsgläubigern, was wiederum gegen eine stille Gesellschaft spricht, sodass bei dem Gesellschafter nach Teil 2, Titel 8, §§ 651 f. wohl von einer Mischform auszugehen ist, die aus einer Verknüpfung der übernommenen französischen Regeln zur Kommanditgesellschaft mit dem im deutschen Raum vorhandenen Recht zur beschränkten Gesellschafterhaftung entstanden war. Jedenfalls gingen Rechtshistoriker so lange davon aus, dass sich die Kommanditgesellschaft aus der stillen Gesellschaft entwickelt hatte, da sie diese aus Deutschland kannten. Sie beachteten nicht ausreichend, dass die Kommanditgesellschaft dieses Capitals Theil nehmen wolle, wird ein stiller Gesellschafter (Associé en commendite) genannt. Teil 2, Titel 8, § 651; vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [248]. 161 Lehmann / Hoeniger, Lehrbuch des Handelsrechts, Halbbd. 1, S. 280; Gummert / Weipert, Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 1, Rn. 3; Re naud, Commanditgesellschaften, S. 35–37; Lastig, Stille Gesellschaft, in: Endemann, Handbuch, Bd. 1, S. 704 [726]. 162 Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1530; Lutz, ADHGB-Protokolle, Bd. 3, S. 1077–1115, 1152–1184. 163 Koch, ADHGB, S. 217.
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eine aus Frankreich übernommene Rechtsfigur darstellte und auf dortigen und möglicherweise italienischen Gesellschaftsformen beruhte und als solche nicht mit der in Deutschland herrschenden stillen Gesellschaft zu vereinbaren war und sich auch nicht auf deren Grundlage entwickelt haben konnte. c) Gründe und Absichten in der Einführung der accomandita Die beschränkte Gesellschafterhaftung entstand in Florenz durch ein Zusammenspiel von Sicherheitsinteressen der Kapitalanleger und Kapitalbedarf der Unternehmen. Dass man die Haftung beschränkte, stellte zunächst eine fast logische Konsequenz aus der damaligen Situation der nicht geschäftsführenden Gesellschafter dar. Sie hatten nur eine Kapitaleinlage an die Gesellschaft geleistet, wurden aber an Gewinn und Verlust in unbeschränkter Höhe beteiligt. Dieser Typ von Gesellschaftern war in Italien ab dem 14. Jahrhundert in Abwandlung zum geschäftsführenden Gesellschafter vermehrt aufgetreten, zum Beispiel in zahlreicher Form in Florenz. Das Prinzip der solidarischen und unbeschränkten Haftung beruhte zu großen Teilen auf der Annahme, dass jeder mitarbeitende Gesellschafter gleichermaßen im Namen der Gesellschaft tätig werden dürfe und daher auch alle arbeitenden Gesellschafter solidarisch und unbeschränkt gegenseitig für ihre im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verpflichtungen zu haften hätten.164 Arbeitete nun aber ein Gesellschafter nicht in der Geschäftsführung der Gesellschaft mit, sondern hatte nur Kapital eingelegt und dabei nicht einmal Einblick in die konkrete Geschäftsführung der übrigen Handelsgesellschaft, konnte dieses Prinzip nicht mehr zum Tragen kommen. In dieser Situation liegt die Ausgangslage der institutionsökonomischen Theorie der Prinzipal-Agenten-Beziehung vor. Diese geht von einem Interessenkonflikt aus, der darin besteht, dass ein Agent, hier der Geschäftsführer, bezüglich unternehmenserheblicher Punkte über umfangreichere Informationen als der Prinzipal, hier der nicht geschäftsführende Gesellschafter, verfügt und den bloßen Kapitalanleger in unterstelltem opportunistischen Verhalten täuschen und benachteiligen kann.165 Diesem Interessenkonflikt, der auch in der commenda vorlag, wurde in der compagnia zunächst damit begegnet, dass Geschäftsführer und Investor in gleicher Weise an Gewinn und Verlust beteiligt wurden und der Geschäftsführer, der Agent, also daran interessiert war, das Unternehmen möglichst gewinnbringend zu führen, was auch im Interesse des Anlegers, 164 Vgl.
Goldschmidt, Geschichte des Handelsrechts, S. 287–290. Organisation, S. 360 f.
165 Schreyögg,
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des Prinzipals, lag.166 Vollumfänglich schützte eine solche Gewinn- und Verlustteilung vor missbräuchlichem Verhalten dennoch nicht, insbesondere wenn der Kapitaleinsatz oder das vorhandene Privatvermögen des nicht Geschäftsführenden deutlich höher ausfiel als das des Geschäftsführers und der nicht Geschäftsführende folglich mehr zu verlieren hatte. Es war möglich, dass der Geschäftsführer der Gewinn- und Verlustverteilung vorsätzlich falsche Abrechnungen zugrunde legte und auch wenn er Verluste nicht vorsätzlich verursachte, war der nicht geschäftsführende Gesellschafter immer mitverpflichtet. Das gesamte Vermögen des Kapitalgebers, die Gesellschaftseinlage sowie das Privatvermögen, waren den Entscheidungen des Geschäftsführers auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Da es dem nur Kapital anlegenden im Gegensatz zu dem geschäftsführenden Gesellschafter unmöglich war, fehlerhaften und verlustreichen Unternehmensentscheidungen entgegenzuwirken beziehungsweise eine sich verschlechternde Wirtschaftslage des Unternehmens zu erahnen, war schon daher das Unternehmensrisiko ungleich verteilt. Der Kapitalanleger war benachteiligt. Diesen Problemen konnte mit der Haftungsbeschränkung etwas abgeholfen werden. Missbräuchlichem Verhalten des Geschäftsführers war dadurch weitgehend vorgebeugt, da der geschäftsführende Agent, gegebenenfalls mit anderen Geschäftsführern, im Verlustfall alleine und in unbeschränkter Form zu haften hatte und nicht auf die anderen Kapitalanleger verweisen konnte. Dem Handlungs- und Informationsdefizit seitens des bloßen Kapitalanlegers wurde durch die Begrenzung seiner Haftung begegnet. Andererseits waren damit nur die größten Risiken, nämlich der mögliche Angriff auf das Privatvermögen, ausgeräumt, da im Fall von Haftungsbeträgen, die nicht über die geleisteten Einlagen hinausreichten, weiter die Gefahr bestand, dass der Geschäftsführer höhere Verluste verursachte oder vortäuschte und dem Anleger fälschlicherweise zu wenig Kapital zurückzahlte. Besonders dringend bedurfte man einer Neuregelung der Haftung für nicht geschäftsführende Gesellschafter in Florenz zu Beginn des 15. Jahrhunderts zusätzlich aufgrund einer gravierenden städtischen Wirtschaftskrise, die insbesondere die Textilindustrie, aber auch den Bankensektor betraf. Damit waren mehreren Unternehmenspleiten verbunden, wobei mit den betreffenden Kaufleuten teils ganze Familiengesellschaften in den Bankrott gerieten, was der Gesamtwirtschaft der Stadt Florenz einen harten Schlag zufügte.167 Zudem wirkten noch die Bankrotte der beiden großen Banken der Bardi und der Peruzzi aus der Zeit um das Jahr 1345 nach, die durch Schreyögg, Organisation, S. 361. Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [863]; Mueller, Wirtschaftliche Lage Italiens, in: Seibt / Eberhard, Europa 1400, S. 221 [225 f.]. 166 Vgl. 167 Vgl.
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den Ausfall ihres Schuldners König Edward III. von England, aber auch einen allgemeinen innerstädtischen Wirtschaftsabschwung, in Zahlungsschwierigkeiten geraten waren. Das verursachte in Florenz eine tiefgreifende Wirtschaftskrise, die andere Firmen, wie die Banken der Acciaiuoli, Antellesi und Bonacorsi ebenfalls in die Pleite trieb. Von diesem wirtschaftlichen Absturz hatte sich der Bankensektor um 1400 noch nicht komplett wieder erholt.168 Der akute gesellschaftsrechtliche Handlungsbedarf zielte darauf ab, die Unternehmen auf eine stärkere Kapitalbasis zu stellen, um sie besser vor Pleiten zu schützen. Auf der anderen Seite benötigten die Unternehmen immer mehr Eigenkapital, da sie seit Jahrzehnten immer weiter expandierten. Insbesondere die Betriebe der Tuchhändler und Wollweber, die ursprünglich in einer handwerklich geprägten Wirtschaftsform organisiert waren, hatten sich in Florenz im 14. Jahrhundert schrittweise zu kapitalistischen Unternehmen entwickelt, die nur noch wenig mit einem überschaubaren Familienbetrieb gemeinsam hatten. Ähnliche Entwicklungen innerhalb einer Zunft des Handwerks, das die hauptsächliche Wirtschaftsform des mittelalterlichen Gewerbes darstellte, fanden zu dieser Zeit auch in anderen Städten statt, wobei das Textilhandwerk vielerorts, wie in Genua, ein exportorientiertes Schlüsselgewerbe war.169 Um also weiter expandieren zu können, bedurften die ohnehin kriselnden florentinischen Großunternehmen unbedingt frischen Eigenkapitals. Es zeichnete sich ab, dass die florentinische Gesamtwirtschaft ohne neues Kapital sogar schrumpfen würde.170 Im Handelssektor könnte mit der Erhöhung des Eigenkapitals speziell auch bezweckt worden sein, durch einen vergrößerten Finanzspielraum Waren in größeren Mengen, beziehungsweise gar den gesamten Bestand einer bestimmten Handelsware, der im Spätmittelalter meist nicht sehr groß war, aufzukaufen, um eine Monopolstellung zu erreichen und im Zuge dessen die Marktpreise frei bestimmen zu können.171 Kapital über Depositeinlagen zu beschaffen, war hier keine Alternative, da diese Investitionen von vorne herein nur kurzfristig angelegt waren und ohnehin von den Anlegern jederzeit wieder abgezogen werden konnten. 168 Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 287; Davidsohn, Florentiner Tuchindustrie, in: ZgS, Bd. 85 (1928), S. 225 [239 f.]; Strieder, Große Vermögen im älteren Europa, in: Historisches Jahrbuch, Bd. 55 (1935), S. 325 [328 f.]; Cronica Cronica di G. Villani, Lib. 12, Cap. 55, in: G. Villani / M. Villani / F. Villani, Croniche storiche, Bd. 4, S. 92 f. 169 Vgl. Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd. 1, 2. Hälfte, S. 868; Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd. 1, 1. Hälfte, S. 262, 272 f.; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 31; vgl. Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 13 f., 64. 170 Vgl. Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [863]. 171 Kulischer, Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 293.
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Zudem mussten sie unter den Bedingungen des sich stets verändernden Kapitalmarktes beschafft werden. Daher war mit solchem Vermögen nur schwer eine langfristig geplante Unternehmensführung zu betreiben. Da Investoren keine am Unternehmen beteiligten Gesellschafter waren, sondern nur externe Gläubiger, waren Depositeinlagen sinnvollerweise nicht fest in das Firmenvermögen einzubinden. Es mussten stets große Mengen an Kapital für den Fall bereit gehalten werden, dass die deposita zurückgefordert wurden, was nur schwer zu leisten war. Mit den praktischen Auswirkungen dieser Nachteile des depositums war man in Florenz sehr gut vertraut. Besonders im Zeitraum von 1302 bis 1310 gerieten einige Gesellschaften, wie die der Ardinghelli, der Monsiri,172, der Nerli173, der Mozzi174, der Ammanati und der Abati-Bacherelli, deren Geschäftskapital größtenteils aus De positeneinlagen bestand, in den Bankrott, da die Anleger unerwartet ihr Kapital abgezogen hatten.175 Diese Entwicklung wiederholte sich 1326 im Bankrott der Scali176 und in der Pleite der Bardi und der Peruzzi um 1345, deren Kapital auch zu großen Teilen aus Depositeinlagen bestanden hatte, auch wenn die Rückforderungen der deposita nicht hauptursächlich für den Bankrott dieser beiden Firmen war. Zum Beispiel auch der Zahlungsausfall König Edwards III. trug seinen Teil bei.177 Um den florentinischen Handelsgesellschaften und Manufakturen nun zu ermöglichen, dass sie eine breitere Kapitalbasis erlangen und dadurch besser vor Pleiten geschützt sind, musste also die Position nicht mitarbeitender Personen als Gesellschafter unterstützt werden, damit diese mehr Geld in 172 Unterlagen über den Bankrott der Ardinghelli und ihre vielen Depositengläubiger, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 92 (Nr. 472), S. 111 (Nr. 558), S. 170 (Nr. 835); Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 217. 173 Unterlagen über den Bankrott der Nerli, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 83 (Nr. 406); Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 215. 174 Unterlagen über den Bankrott der Mozzi, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 114 (Nr. 575), S. 152 (Nr. 747); Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 217. 175 Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 214, 216; Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 23 f. 176 Unterlagen über den Bankrott der Scali und ihre vielen Depositengläubiger in folgenden Regesten, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 175 (Nr. 865), S. 175 f. (Nr. 868), S. 176 (Nr. 871), S. 177 (Nr. 876, 877), S. 178 f. (Nr. 884), S. 179 (Nr. 888), S. 191 f. (Nr. 965, 967); Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 24. 177 Sapori, Storia interna Peruzzi, S. 48; G. Villani, Cronica, Bd. 6, Lib. 11, Cap. 88, S. 170; Cronica di G. Villani, Lib. 12, Cap. 55, in: G. Villani / M. Villani / F. Villani, Croniche storiche, Bd. 4, S. 92; Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 23 f.; Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 201–203 (Nr. 984); Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 203.
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die Gesellschaften einbringen. Diese Art der Kapitalanlage mussten attraktiver gestaltet werden, um eine wirkliche Alternative zum depositum zu schaffen. Aufgrund des hohen Verlustrisikos, das die unbeschränkte Haftung für arbeitende wie nicht in der Gesellschaft mitarbeitende Gesellschafter bezüglich ihres gesamten Privatvermögens bereithielt, entschieden sich die meisten Anleger bisher für ein depositum als Anlagemodell. Um nun eine andere Kapitalanlage zu fördern musste der Ruf der nicht geschäftsführenden Gesellschafter nach einer Minimierung des Anlagerisikos befriedigt werden und daher die Gesellschafterhaftung in der accomandita für sie beschränkt werden. Immerhin konnten Kapitalanleger, die nicht an der Geschäftsführung beteiligt waren, ja zudem ihr Anlagerisiko gar nicht in allen Genauigkeiten einschätzen, auch da die Gesellschaften zu großen und unübersichtlichen Unternehmen mit einer Vielzahl von Sparten gewachsen waren. Ein Kapitalanleger, der sich nur in einem Teilbereich des Unternehmens engagieren wollte, konnte dabei im Übrigen für Verluste anderer Sparten des Gesamtunternehmens einzutreten haben.178 Um das hohe Risiko einer Beteiligung als Gesellschafter etwas zu mindern, investierten wohl habende Florentiner um 1400 neben ihren Unternehmensbeteiligungen vermehrt in Immobilien. Das ging zwar mit einem Bauboom einher und verhalf den betreffenden Handwerksbetrieben zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Den kriselnden Gesellschaften der Großhändler und Bankiers als Hauptstützen der städtischen Wirtschaft nützte das aber nicht.179 Letztlich bewirkte die beschränkte Gesellschafterhaftung also, dass das Investitionsrisiko verringert und damit die hohe Hemmschwelle zur Beteiligung an einer Gesellschaft beseitigt wurde. Trat ein Investor in eine Gesellschaft ein, drohte nicht mehr die Gefahr, das gesamte persönliche Vermögen zu verlieren. Durch die neue Haftungsbeschränkung sollte sich der geschäftsführende Gesellschafter auch nicht mehr auf eine unbeschränkte Haftung aller Kapitalanleger verlassen können. Das sollte wiederum bewirken, dass er in der Geschäftsführung umsichtiger agiert, da ansonsten Gläubiger der Gesellschaft vor allem auf sein unbeschränkt haftendes Privatvermögen zugreifen könnten.180 So konnten sich nun auch Personen in Gesellschaften geschäftlich engagieren, die nicht über ein großes Vermögen ver178 Das Problem zögernder Investitionen in spartenreiche und daher unübersichtliche Unternehmen konnte neben der Einführung der beschränkten Gesellschafterhaftung auch durch die Aufspaltung der großen Gesellschaften in mehrere kleine Unternehmen gelöst werden. Goldthwaite, Economy of Florence, S. 76–79. 179 Mueller, Wirtschaftliche Lage Italiens, in: Seibt / Eberhard, Europa 1400, S. 221 [225 f.]; Goldthwaite, The Building of Florence, S. 48 f. 180 Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [863]; Galgano, Art. Società in Accomandita semplice, in: Azara / Eula, Novissimo Digesto Italiano, Bd. 17, S. 565 [566].
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fügten. Es entwickelte sich eine neue soziale Schicht gemäßigten Reichtums, wobei das traditionelle Prinzip, dass der Großteil des Volksvermögens bei wenigen Familien der höchsten finanziellen Oberschicht verankert war, durchbrochen wurde. Ohnehin schon reiche Kaufleute konnten sich auf der anderen Seite nun einfacher in mehreren Gesellschaften gleichzeitig engagieren. Insgesamt stärkte die neue Regelung einerseits die Position nicht an der Geschäftsführung der Gesellschaft beteiligter Gesellschafter, die nach der alten gesellschaftsrechtlichen Lage stets unbeschränkt hafteten, obwohl sie noch weniger als die geschäftsführenden Gesellschafter die Risiken und Verlustgefahren von Unternehmungen einschätzen konnten und daher mit ihrem gesellschaftlichen Engagement hohe geschäftliche Risiken eingingen.181 Andererseits sollten die florentinischen Industriebetriebe und die Gesamtwirtschaft von dem Kapitalzufluss, der dadurch gesteigert wurde, profitieren und weiter expandieren, wobei demzufolge kleinere, nicht so stark wachsende Betriebe meist in der alten Form der compagnia ohne eine beschränkte Gesellschafterhaftung organisiert waren.182 d) Hintergründige Situation in Florenz Florenz war um das Jahr 1300 eine der größten Städte Europas.183 Obwohl es nicht über einen direkten Zugang zum Meer und also keinen Seehafen verfügte, mit dem es hätte am Seefernhandel, durch den im 13. und 14. Jahrhundert Städte wie Genua, Venedig oder Amalfi reich wurden, teilnehmen können, war Florenz sehr wohlhabend.184 Da den Kaufleuten der Stadt der Handelsweg zum nahen Hafen von Pisa lange Zeit versperrt war, beziehungsweise auch kein anderer Seehafen über zollfreie Zugänge zu erreichen war, beruhte dieser Reichtum in Florenz auf einer ganz anderen wirtschaftlichen Entwicklung als in den großen Seefahrerstädten. In erster Linie wuchs die Wirtschaft im 13. Jahrhundert durch den florierenden Geldhandel mit kirchlichen Institutionen oder mit in- und auswärtigen Handelsfirmen, insbesondere aus Süditalien.185 Es bildeten sich einige Bankgesellschaften, wie die der Capponi, Scali, Frescobaldi, Franzesi, oder 181 Vgl. Galgano, Art. Società in Accomandita semplice, in: Azara / Eula, Novissimo Digesto Italiano, Bd. 17, S. 565 [566]. 182 Vgl. Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 216. 183 Zorzi, ‚Material Constitution‘ of the Florentine Dominion, in: Connell / Zorzi, Florentine Tuscany, S. 6 [9]. 184 Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 2, Teil 2, S. 429. 185 Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 2, Teil 2, S. 403, 418; Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 270.
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der Ardinghelli, sodass Florenz nach dem Bankrott der sienesischen Bonsignori zur mächtigsten Bankmetropole Italiens heranwuchs.186 Die drei größten Banken der Stadt stellten zunächst die der Bardi, Peruzzi und Acciaiuoli dar, die zwischen 1300 und 1345 nicht zuletzt Finanztransaktionen des Papstes abwickelten. Nachdem nun alle vorgenannten Unternehmen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts in die Pleite geraten waren, übernahm zunächst die Bank der Alberti deren Geschäfte, die ihrerseits bald von den Banken der Medici, Pazzi, Rucellai und Strozzi ersetzt wurde. Insbesondere die seit 1397 vornehmlich in Florenz ansässige Bank der Medici sollte für die folgenden Jahrzehnte in der Finanzwelt Italiens und darüber hinaus den Ton angeben.187 Dass Florenz die europäischen Finanzmärkte dominierte, zeigte sich an der Goldmünze „Fiorino d’oro“ oder „Florin“, die die Stadt im Jahr 1252 eingeführt hatte. Diese Münze wurde bald darauf in ganz Europa als Standardwährung gebraucht,188 in Deutschland als „Florentiner Gulden“.189 Neben den Banken beruhte das übrige städtische Gewerbe einerseits auf wachsenden Handelsunternehmen, in denen in Florenz im 13. Jahrhundert die ersten kapitalistischen Wirtschaftsstrukturen feststellbar waren.190 Andererseits schlossen sich dieser kapitalistischen Entwicklung bald die örtlichen Produktionsbetriebe an, die bereits industriell organisiert waren und zum Beispiel Textilien und Waffen herstellten. Ihre Waren verkauften sie meist über den Exportweg und kooperierten dabei eng mit den florentinischen Handelsgesellschaften oder waren institutionell ganz mit ihnen verbunden. Die Zünfte der einzelnen Handwerkszweige spielten im wirtschaftlichen Aufschwung eine herausragende Rolle. Zunächst wuchs die Zunft der calimala zu einer öffentlich-rechtlichen Institution heran, die das städtische Tuchgewerbe kontrollierte, das konkurrenzlos hochwertige Waren produzierte. Im 14. Jahrhundert folgte parallel ein beispielloser Aufstieg der Wollweber und ihrer Zunft, der arte della lana. Später expandierte noch die Seidentuchindustrie, wobei die florentinische Textilindustrie überhaupt mit ihren Waren aufgrund der qualitativ hochwertigen Rohstoffe und Produk tionsprozesse Weltniveau erreichte. Die Herstellung von Stoffen und der Handel mit Textilprodukten, die bald den Status von Luxusprodukten er186 Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 2, Teil 2, S. 412– 514; de Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 2; Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 286 f.; Strieder, Große Vermögen im älteren Europa, in: Historisches Jahrbuch, Bd. 55 (1935), S. 325 [328]. 187 de Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 2 f. 188 Goldthwaite, The Building of Florence, S. 32; Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 278. 189 Petry / Weisenstein, Münzprägung und Geldumlauf, S. 25. 190 Davidsohn, Florentiner Tuchindustrie, in: ZgS, Bd. 85 (1928), S. 225 [226].
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reichten, erhielt im Laufe der Zeit eine überragende Stellung im florentinischen Wirtschaftsleben,191 während aber auch die Banken, wie die der Medici, im 15. Jahrhundert als zweite volkswirtschaftliche Stütze weiter expandierten und bald in vielen Städten Europas Filialen unterhielten.192 Bedeutende Seehandelsunternehmungen spielten indessen mangels eigenen Seehafens in Florenz noch keine Rolle. Florentinische Betriebe mussten ihre Waren und Rohstoffe über auswärtige Seehandelsunternehmen und fremde Häfen, zum Beispiel in Pisa, Ancona oder Genua, oder über den Landweg ein- und verkaufen.193 Auch das städtische Handelsrecht stand somit ganz im Zeichen landgebundener Unternehmen. Es enthielt nur sehr begrenzte Regelungen über die hauptsächlich im Seefernhandel gebräuchliche commenda in Lib. 1, Cap. 59 des Statuto dell’arte di calimala, das einen speziellen Punkt aus dem Haftungsrecht des Unternehmers betraf.194 In Florenz war vielmehr die Handelsgesellschaft beziehungsweise die compagnia ausgeprägt geregelt, in deren Organisationsform sich wegen der landhandelsspezifischen Verhältnisse aus familiären Betrieben teils große Unternehmen entwickelt hatten. Da auf familiären Handwerks-, Handelsoder Bankbetrieben die komplette Wirtschaftskraft der Stadt beruhte, kam dieser Gesellschaftsform große Bedeutung zu.195 Für diese Unternehmen wurde gezielt das Anlagemodell der accomandita entworfen. Dass in der Binnenstadt Florenz, wo die commenda im Vergleich zur compagnia kaum eine Rolle spielte, im Jahr 1408 die elementare Entwicklung der compagnia zur accomandita, also von der komplett unbeschränkten 191 Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 20 f., 199, 400 f.; Goldthwaite, The Building of Florence, S. 50 f.; Edler de Roover, Andrea Banchi, in: Bowsky, Medieval and Renaissance History, Bd. 3, S. 223 [223 f.]; Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 134–136; Davidsohn, Florentiner Tuchindustrie, in: ZgS, Bd. 85 (1928), S. 225 [226 f.]. 192 Goldthwaite, The Building of Florence, S. 38 f. 193 Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 287 f.; Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 2, Teil 2, S. 419 f.; Kellenbenz, Wirtschaft und Gesellschaft, in: Kellenbenz, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 3, S. 1 [235]; Goldthwaite, The Building of Florence, S. 48; siehe ein Beispiel für eine lange Landhandelsreise mit Maultieren von Florenz nach Neapel von 1329, in: Regest Nr. 948, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 188 f. 194 Statuto dell’arte di calimala, in: Emiliani-Giudici, Storia die comuni italiani, Bd. 3, S. 241 f.; vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 288. 195 Vgl. Arcangeli, La Società in Accomandita Semplice, S. 30 f. Florenz erhielt erst, nachdem es Pisa erworben hatte und nun über den dortigen Hafen eigene Seeunternehmungen durchführte, seerechtliche Statuten. Diese griffen die Normen des Constitutum Usus auf. Siehe zum Beispiel die Seestatuten von 1457, in: Pardessus, Collection de Lois Maritimes, Bd. 4, ab S. 594; zum Erwerb Pisas, siehe, Reimann, Florenz und Toskana, S. 18.
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zur teilweise beschränkten Gesellschafterhaftung, vollzogen wurde, ist im Übrigen ein weiterer Beleg dafür, dass die accomandita aus der compagnia entwickelt wurde und nicht aus der commenda, wie früher oft behauptet wurde. e) Vergleich mit der Situation in Siena von 1298 Es stellt sich die Frage, warum gerade in Florenz die Haftung für nicht geschäftsführende Gesellschafter beschränkt wurde und nicht in Siena, wo eine Haftungsbeschränkung bereits über 100 Jahre zuvor im Gespräch gewesen, aber damals von den Stadtoberen abgelehnt worden war. Siena liegt wie Florenz im Landesinneren und musste seine Wirtschaftskraft aus örtlichen Unternehmen schöpfen, die jeweils als compagnia organisiert waren. Beide Städte verfügten über keinen Seehafen. Doch bedurfte man in Siena anscheinend noch nicht dringend genug einer Veränderung des gesellschaftlichen Haftungsrechts. Die Hinderungsgründe, insbesondere in der Angst um die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen und das Ansehen der Kaufleute Sienas, überwogen. Möglicherweise wurde die Wirtschaft von Florenz durch die Bankrotte der Gesellschaften, die mit zum Erlass des Gesetzes von 1408 beitrugen, da die accomandita den kriselnden Unternehmen vermehrt neues Kapital zufließen ließ, auch härter getroffen als es in Siena durch den 1298 drohenden Zusammenbruch der ortsansässigen Gesellschaft der Bonsignori zu erwarten gewesen wäre, beziehungsweise vom Rat erwartet wurde. Immerhin spielten die Geschäftsführer der Bonsignori, wie es in einer solchen Situation allerdings für gewöhnlich zu erwarten ist, ihre Zahlungsschwierigkeiten herunter und spiegelten vor, bald wieder zahlungsfähig zu sein.196 Der Rat Sienas könnte seinerseits die Tragweite eines Bankrotts der Bank der Bonsignori schlichtweg unterschätzt haben, da man ähnlich schwere Krisenfälle in Sie na, im Gegensatz zu Florenz noch nicht erlebt hatte. Von der tiefgreifenden toskanischen Finanzkrise, die Florenz in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit voller Wucht getroffen hatte, war Siena bis zur Pleite der Bonsignori nicht wesentlich betroffen gewesen.197 Der florentinische Rat war hinsichtlich solcher Wirtschaftsprobleme wegen den Bankenbankrotten und ihren Folgen, die man im 14. Jahrhundert erfahren hatte, eindringlicher sensibilisiert, insbesondere im Rückblick auf die Pleiten der beiden größten Banken der Bardi und der Peruzzi um das Jahr 1346, die auch Bankrotte anderer Betriebe nach sich gezogen und der florentinischen Wirtschaft ins196 Strieder, Große Vermögen im älteren Europa, in: Historisches Jahrbuch, Bd. 55 (1935), S. 325 [327 f.]. 197 Bowsky, A medieval italian commune, S. 247–249.
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gesamt großen Schaden zugefügt hatten. Für diese Pleiten waren maßgeblich Depositeinlagen und fehlende Anreize für Anlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter verantwortlich gewesen.198 Andererseits könnte Siena gerade durch die unbeschränkte Haftung aller Gesellschafter, in die die Gläubiger vertrauten, beabsichtigt haben, den Fortbestand der Gesellschaft zu gewährleisten. Im 13. Jahrhundert war Siena, das als Binnenstadt wie Florenz abseits des Seehandels in anderen Wirtschaftssektoren tätig war, größtenteils durch die Bankgesellschaft der Bonsignori noch die führende Finanzmetropole und vermeintlich wirtschaftsstark gewesen. Ihre Führungsposition in der Toskana verlor die Stadt nach dem Bankrott der Bonsignori, der im Zeitraum von 1300 bis 1303 mit Bankrotten anderer Unternehmen einherging, an Florenz.199 Dass die Bedenken des Rates von Siena bezüglich einer Haftungsbeschränkung aber berechtigt waren, zeigte sich daran, dass viele Geschäftskontakte sienesischer Unternehmen nach dem Erlass einer neuen Haftungsregelung in den Statuten von 1308, die als späte Reaktion auf die Proteste der bloßen Kapitalanleger der Bonsignori und die Unternehmenspleiten der vergangenen Jahre zu werten ist, regelrecht wegbrachen. Obwohl diese Regelung die Haftung nicht in der Höhe beschränkte, sondern die Kapitalanleger gegenüber den Geschäftsführern nur subsidiär und alle Gesellschafter lediglich in der prozentualen Höhe ihrer Anteile haften ließ, verunsicherte sie viele Geschäftspartner Sienas derart, dass diese schließlich nach Florenz abwanderten, obgleich dem auch Währungsgründe zugrunde lagen.200 In Florenz dagegen bedurften die expandierenden Unternehmen, die fast schon industriell produzierten, in der Folgezeit immer mehr Kapital, sodass die Stadtoberen schließlich die beschränkte Gesellschafterhaftung ermöglichen mussten, um Kapitalisten zur vermehrten Vermögensanlage zu motivieren und die schon, wohl auch zahlreicher als in Siena, vorhandenen Anleger in accomandita besser vor Verlusten zu schützen. Die Gefahr einer verminderten Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit der Unternehmen und der gesamten Stadt, die in Siena 1298 noch befürchtet wurde, trat in Anbetracht des ausgezeichneten Rufs und der damit verbundenen guten Bonität, die Florenz durch seine große wirtschaftliche Macht erlangt hatte, in den Hintergrund.201 Andererseits wurden der Schutz und das Vertrauen der 198 Vgl. Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 407; vgl. Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [863]; Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 23 f. 199 de Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 2. 200 Siehe S. 112; vgl. Sapori, Studi di storia economica, Vol. 3, S. 126; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 140. 201 Vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [251 f.]; Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von
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Gläubiger in die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaften durch das öffentliche Register zur accomandita erhalten, das eingerichtet wurde. Diesem wurde zudem höheres Ansehen und stärkere Geltung verliehen, da es nicht wie bisherige Gesellschaftsregister durch einzelne Zünfte, sondern den Kanzler des Handelsgerichts der Università della Mercanzia geführt wurde.202 Ausschlaggebend könnte auch der Unterschied zwischen den Situationen in Siena und Florenz gewesen sein, dass Siena mehr als Florenz auf den Seehandel und weniger auf die Landbetriebe und deren gesellschaftsrechtliche Gestaltung setzte. Siena gelang es im Jahr 1303 nach langen Bemühungen, den nahen Seehafen von Talamone zu kaufen und für eigene Seefernhandelsaktivitäten zu nutzen.203 Florenz erhielt dagegen erst im Jahr 1406 durch den Erwerb von Pisa einen eigenen Seehafen und blieb bis dahin eine landgebundene Stadt und im Export über den Seeweg auf fremde Häfen und Schiffe angewiesen, was den eigenen Gewinn schmälerte.204 Nachdem es Pisa erobert hatte, führte Florenz von Porto Pisano aus, ab 1421 auch über das von Genua erworbene Livorno,205 zwar regelmäßig auch eigene Seehandelsunternehmungen im Liniendienst durch, so zum Beispiel nach Konstantinopel, Nordafrika und dem nahen Osten.206 Vorrangig investierte man aber weiter in das binnenländische Gewerbe und kaufte für den Seehandel lieber Schiffskapazitäten Genuas, Venedigs und anderer Seestädte ein.207 Auch wenn der Handel über den Hafen von Talamone letztlich nicht den erhofften Erfolg brachte,208 hatte Siena seine wirtschaftliche ZuFlorenz, Bd. 2, Teil 2, S. 420–422; Pecorella, Art. Societá, in: Enciclopedia del diritto, Bd. 42, S. 860 [863]. 202 Lastig, Florentiner Handelsregister, S. 35 f. 203 Bowsky, A medieval italian commune, S. 175; Bowsky, The Finance of the Commune of Siena, S. 27 f.; Philalethes, Dante Aligheri’s Goettliche Comoedie, Bd. 2, 129. 204 Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 115–118, 400, 411 f.; Goldthwaite, The Building of Florence, S. 48. Eigene Pläne zum Erwerb des Hafens von Talamone waren im Jahr 1251 und solche zum Bau eines Hafens in der Maremma bei Volterra 1284 fehlgeschlagen. Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 260 f. 205 Reimann, Florenz und Toskana, S. 18. 206 Beer, Welthandel, Bd. 1, S. 209 f.; Edler de Roover, Andrea Banchi, in: Bowsky, Medieval and Renaissance History, Bd. 3, S. 223 [272]; Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 354. 207 Kellenbenz, Wirtschaft und Gesellschaft, in: Kellenbenz, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 3, S. 1 [235]; Tenenti, Italien 1378–1499, in: Kellenbenz, Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 3, S. 662 [675]. 208 Bowsky, A medieval italian commune, S. 175 f.; Quirin, Friedrich III. in Siena, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Aus Reichstagen, S. 24 [41].
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kunft vermehrt im Seehandel gesehen,209 worauf der finanziell aufwändige Ausbau von Talamone hinwies.210 Durch eine zusätzliche wirtschaftliche Stütze im Seehandel hätten sich möglicherweise nach Ansicht des Rats künftige Pleiten im Landhandel für die Gesamtwirtschaft Sienas auch nicht mehr so einschneidend ausgewirkt wie die Pleite der Bonsignori. So könnte man es für unnötig gehalten haben, eine Haftungsbeschränkung zu erlassen, um für Anleger in Gesellschaften das Verlustrisiko zu mindern und dadurch die Kapitalerhöhung der Unternehmen zu fördern. Da die Unternehmensrisiken an Land und auf See unterschiedlich ausfielen, ist überhaupt denkbar, dass landgebundene Betriebe für Pleiten anfälliger waren als Seehandelsunternehmen. Im Landhandel beruhte das Geschäftsrisiko nicht wie im Seehandel hauptsächlich auf der Transportgefahr, da hier schon die wetterbedingten Gefahren des Meeres wegfielen. Insbesondere in Florenz, das über viele Banken verfügte, basierte das gewerbliche Risiko größtenteils auf den Gefahren des Kredit- und Spekulationsgeschäfts und den allgemeinen Schwankungen des Marktes.211 Die florentinische Wirtschaft baute im 14. Jahrhundert im Gegensatz zu Siena notgedrungen komplett auf den Erfolg der ortsansässigen Betriebe, insbesondere der Banken und Textilmanufakturen, und war daher mehr als Seestädte von Unternehmensbankrotten bedroht. Zu dieser Bedrohung trug auch die gefährliche unbeschränkte Haftung der compagnia ihren Teil bei, die in Seestädten in der im Seehandel vorherrschenden commenda in dieser Form nicht gegeben war. Siena verfügte zwar als traditionelle Binnenstadt im 14. Jahrhundert noch über keine Regelungen zur commenda.212 Die veränderte Risikogestaltung wirkte sich aber als grundlegendes Element auch in anderen Gesellschaftsmodellen aus. Das Investitionsrisiko blieb stets auf eine Seehandelsreise beschränkt. Trotz den negativen Erfahrungen, die man im Jahr 1308 mit den ersten Versuchen einer Haftungsbeschränkung gemacht hatte, erließ zwei Jahrhunderte nach Florenz schließlich auch Siena unter Cap. 114 seiner Statuten von 1644 eine Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter.213 Das ist darauf zurückzuführen, dass Siena seit 1557 zum von 209 v. Malan, Hl. Katharina von Siena, Bd. 1, S. 55; Philalethes, Dante Aligheri’s Goettliche Comoedie, Bd. 2, 129. 210 Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 2, S. 260. 211 Vgl. v. Stromer, Struktur deutscher Unternehmen, in: Tradition, Bd. 13 (1968), S. 29 [33]. 212 Auch in Florenz war die commenda zu dieser Zeit nur bruchstückhaft in Lib. 1, Cap. 59 des Statuto dell’arte di calimala vorhanden. Statuto dell’arte di calimala, in: Emiliani-Giudici, Storia die comuni italiani, Bd. 3, S. 241 f.; vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 288. 213 Cap. 114 der Statuti dell’università de’mercanti e della Corte degli officiali della mercantia della città dei Siena, in: Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 17,
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Florenz beherrschten Großherzogtum Toskana gehörte.214 Im Zuge dessen wurden die in Florenz geprägten gesellschaftsrechtlichen Vorschriften auf Siena übertragen, wie auch auf andere erworbene Städte in der Toskana. Schon ab 1585 war die Haftungsbeschränkung in der accomandita im Statuto della corte della mercanzia für das ganze Großherzogtum Toskana normiert, sodass die Haftung in Gesellschaften seitdem ohnehin schon auch ohne eine eigene städtische Regelung in Siena beschränkt werden konnte.215 f) Praktische Anwendung der accomandita Die accomandita stellte auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts zwar eine revolutionäre Neuerung dar, insbesondere da sie aus heutiger Sicht einen Grundstein für die Kommanditgesellschaft legte. Von ihr als Mittel zur Steigerung der Unternehmensvermögen und als Schutz vor privatem Bankrott, den die beschränkte Haftung gewährte, wurde jedoch zunächst wenig Gebrauch gemacht. Zwar ist das florentinische Register über die accomandita für den Zeitraum bis 1444 nicht überliefert, sodass die konkreten Daten nicht geprüft werden können. In Anbetracht der niedrigen Anwendungszahlen ab dem Jahr 1444216 und anderen Einzelbelegen217 kann aber vorausgesetzt werden, dass die Anlage in accomandita in der Anfangszeit noch nicht vermehrt, sondern anscheinend auf dem zahlenmäßig niedrigen Niveau, auf dem Anlagen zu Gewinn und Verlust auch vor 1408 schon vorhanden gewesen waren, nur wenig und unbeständig genutzt wurde. Man schenkte der neuen Anlagemöglichkeit wohl noch wenig Vertrauen. Möglicherweise wurde deswegen auch noch gar kein Register geführt. Vorzugsweise wurde immer noch in Form eines depositums oder Darlehens in ein Unternehmen investiert. Bei Darlehen als Mittel der Kapitalerzeugung bestand gegenüber der Aufnahme von Teilhabern zu Gewinn und Verlust zudem der Vorteil, dass der Zinssatz im Vorhinein festgelegt werden konnte und der Schuldner dem Darlehensgeber daher nicht seine Gewinne und Verluste belegen musste, um den Anteil des Anlegers zu ermitteln, da diese insoweit nicht in die Vereinbarung über die Geldleihe einbezogen waren. Abgesehen von der vereinfachten Abrechnung für den Geld aufnehmenden Kaufmann lief der Geldgeber dabei nicht Gefahr, um die Höhe seines Gewinnanteils betrogen zu werden. Auch wenn der Schuldner dem Kapitalanleger genau darlegte, S. 113–123; vgl. Lammel, Handelsrecht, in: Coing, Handbuch der Quellen, Bd. 2, Teil 2, S. 949. 214 Reimann, Florenz und Toskana, S. 55 f. 215 Regelung, in: Lib. sec. Rub. 10 des Statuto della Corte della mercanzia, in: Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 11, S. 284–287. 216 Siehe S. 137. 217 Siehe S. 135 f.
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wie die Geschäfte verlaufen waren, waren die betreffenden Nachweise nicht unbedingt einfach zu überprüfen, zumal für einen gewerblich Unkundigen. Ohnehin hatte der Anleger keinen Einblick in die Betriebsführung des Kaufmanns.218 Zwar konnte dem Prinzipal-Agenten-Problem, das einer Beteiligung an einer Gesellschaft stets inne wohnte, mit der Haftungsbeschränkung abgeholfen werden, sodass der Anleger nicht mehr Gefahr lief, mehr Vermögen als seine Einlage zu verlieren. Es bestand jedoch weiter die Gefahr, dass der Kaufmann das tatsächliche Geschäftsergebnis verschleierte, es zum Beispiel verlustreicher darstellte, und den nicht geschäftsführenden Gesellschafter über die Höhe des ihm an Gewinn beziehungsweise Verlust zustehenden Anteils täuschte. aa) Frühzeit der Anwendung Verwendet wurde die Haftungsbeschränkung in der ersten Zeit ab 1408, für die kein offizielles Register überliefert ist, aber zum Beispiel schon in den Gesellschaften der Medici. Neben dem Stammsitz der Bank der Medici in Florenz bestanden Niederlassungen in Venedig und Rom, wobei die römische Filiale ab dem Jahr 1400 in Neapel und Gaeta Filialen betrieb, die ihr untergeordnet waren. Die Niederlassung in Neapel, die rechtlich eine eigene Gesellschaft darstellte, wurde im Jahr 1415 mit Hilfe der beschränkten Gesellschafterhaftung umgestaltet, sodass die Muttergesellschaft in Florenz selbst nur noch eine Position als nicht geschäftsführende und beschränkt haftende Gesellschafterin einnahm, während die beiden Geschäftsführer Jacopo di Tommaso di Bartoli und Rosso di Giovanni de Medici unbeschränkt hafteten.219 In dieser Weise wurden auch später vermehrt Unternehmen konstruiert.220 Nach dem Tod von Jacopo di Tommaso di Bartoli im Jahr 1422 wurde die bestehende Accomandita aufgelöst und neu gegründet. Rosso di Giovanni de Medici wurde in der Geschäftsführung Schmitt-Gaedke, Die Constituta legis et usus, S. 232. Geschäftsunterlagen der Medici, in: ASF, Mediceo Avanti il Principato, Filza No. 153, Doc. 1, C. 86r, 86v, 95r, 95v. Die accomandita wird in diesen Unterlagen schlicht „acomanda“ genannt. de Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 43, 256. 220 Zum Beispiel übergab eine Gesellschaft von Seidenwebern laut Eintrag im Register zur accomandita vom 23.01.1450 einem Kaufmann eine Vermögenseinlage, um damit in Mailand und dem zugehörigen Herrschaftsraum nach seinem Ermessen zu handeln. Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 20r. Für einen produzierenden Betrieb war die accomandita von Vorteil beim Absatz seiner Waren, die mit wenig Aufwand in weit entfernten Gebieten abgesetzt werden konnten, ohne dass der Hersteller selbst ein zu großes Risiko im Rahmen einer eigenen Handelsunternehmung einzugehen oder damit verbundene Beschwerlichkeiten auf sich zu nehmen hatte. 218 Vgl.
219 Betreffende
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durch Fantino di Fantino de Medici ergänzt. Als Kapitaleinleger fungierten wieder die Muttergesellschaft in Florenz und des Weiteren Ilarione de Bardi.221 Danach beschränkte sich die Haftung der Muttergesellschaft für die Niederlassungen auf die anfängliche Einlage von 3.200 fl., während Rosso di Giovanni de Medici und Fantino di Fantino de Medici unbeschränkt hafteten.222 Dadurch wollte man hauptsächlich die Hauptgesellschaft in Florenz vor einem Bankrott schützen, der durch die unbeschränkte Haftung drohte. Eine mögliche Pleite der Niederlassung hätte die Muttergesellschaft dann nicht gefährdet. Die Sammlung von Einlagekapital stellte dabei höchstens ein nebensächliches Ziel dar, da diesbezüglich noch andere Möglichkeiten, wie Depositeinlagen herangezogen werden konnten.223 Vielmehr verfolgten die Medici, so unter Cosimo di Medici, mit Einlagen familienfremder Investoren in ihren Gesellschaften auch das Ziel, bedeutende Unternehmer in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit an sich zu binden,224 obgleich die Teilhaber der Bank der Medici meist vorzugsweise aus den Familien Medici und Bardi stammten.225 So waren Averardo de Medici und Bardo di Francesco di Messer Alessandro de Bardi die nur Kapital anlegenden Gesellschafter der Filialgesellschaften der Bank des Averardo di Francesco de Medici in Barcelona und Valencia, die dieser ab 1420 jeweils als accomandita strukturiert hatte.226 Ein anderer florentinischer Investor zum Beispiel, Carlo die Marco degli Strozzi, gründete 1429 mit Hilfe der accomandita ein Unternehmen zusammen mit dem Glasbläser, Bartolomeo di Bernardo Benzi, um Trinkgläser zu produzieren. Strozzi, der nicht im Betrieb mitarbeitete, stellte dem Handwerker Benzi 300 fl. und ein Haus als Werkstatt zur Verfügung.227 Auch Andrea di Francesco Banchi nutzte die accomandita zur Filialgründung für seine Seidenproduktions- und Handelsgesellschaft. Er sendete seinen Mitarbeiter Benvenuto di Francesco Nuti 1455 nach Aquila, um dort eine Niederlassung zu eröffnen, um in den Abruzzen neue Absatzmärkte zu erschließen. Das Gründungskapital stammte zu gleichen Teilen von Banchi 221 Vertragsvereinbarung in den Geschäftsunterlagen der Medici, in: ASF, Mediceo Avanti il Principato, Filza No. 153, Doc. 2, C. 8v-9v. 222 de Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 89 f. 223 de Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 89; Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [253]. 224 Meltzing, Das Bankhaus der Medici, S. 108. 225 de Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 38 f.; vgl. Kent, The Rise of the Medici, S. 73. 226 de Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 38 f.; vgl. Kent, The Rise of the Medici, S. 73. 227 Goldthwaite, Economy of Florence, S. 361.
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persönlich und seiner Gesellschaft, während sich Nuti nur mit seiner Arbeitskraft beteiligte. An Gewinn und Verlust entfielen auf Nuti ein Viertel und von den verbleibenden drei Vierteln jeweils die Hälfte auf Banchi persönlich und seine Gesellschaft.228 Im Handwerkssektor nutzte die Wollverarbeitungszunft, wie schon in der Zeit vor 1408, die accomandita bei der Gründung von Färbereien. So erhielt Veri Filippi 1.500 fl. per viam accomandigie zum Aufbau eines solchen Betriebes.229 bb) Eintragungen im florentinischen Register Das erst ab dem Jahr 1444 überlieferte Register über Anlagen beschränkt haftender Gesellschafter gibt konkreter darüber Aufschluss, wie dieses Anlagemodell angewendet wurde. Für den Zeitraum von 1444 bis 1530 sind nur wenige 461 Gründungen einer accomandita eingetragen.230 Zunächst findet sich auf der ersten Seite des ersten Bandes des Registers die nachfolgend (s. S. 138) abgedruckte kurze Einleitung zum Inhalt des Buches, zu den einzutragenden accomanditae, und darüber, in welcher Art und Weise der Kanzler des Handelsgerichts der Università della Mercanzia die Eintragungen vorzunehmen hatte.231 Die ersten Einträge des florentinischen Registers enthalten strukturell zunächst die Namen der Unternehmer und der Anleger232 und den in accomanda übergebenen Betrag, der meist in Geld, seltener auch in Waren,233 geleistet wurde. Weiter folgen weniger oder mehr konkrete Angaben dar über, in welcher Weise der Unternehmer mit der Einlage zu handeln hatte, das heißt zum Beispiel, an welchem Ort in welche Art von Gewerbe er 228 Edler de Roover, Andrea Banchi, in: Bowsky, Medieval and Renaissance History, Bd. 3, S. 223 [232 f., 259]. 229 Regest Nr. 137f, in: Doren, Die Florentiner Wollentuchindustrie, S. 556. 230 Vgl. Dini, L’economia fiorentina, in: Archivio Storico Italiano, Bd. 153 (1995), S. 633 [638]. 231 Einleitung des Registers zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 1r. 232 In späteren Einträgen wurde zuerst der Anleger und dann der Unternehmer genannt, wie in jeweils einer Eintragung vom 08.08.1483 und vom 22.02.1499, in: Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 90r, 117r. 233 Laut Eintrag vom 23.01.1450 empfing ein Kaufmann von dem im florentinischen Seidengewerbe tätigen Matheo di Morello di Paolo Morelli und dessen Mitgesellschaftern eine Einlage in Form von Bargeld und Tuchwaren und sollte damit in Mailand und dem dazugehörigen Herrschaftsraum nach seinem Ermessen Handel treiben. Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 20r.
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Einleitung des Registers zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 1r (Abgedruckt mit Genehmigung des italienischen Ministeriums für Kulturgüter, kulturelle Tätigkeiten und Tourismus. Die weitere Vervielfältigung dieses Abdrucks ist untersagt.)
investieren sollte. Auch falls im Einzelfall eine genaue Handelsvorgabe vorlag, war dem Unternehmer aber freigestellt, wie er genau das Geschäft ausführte. Danach sind in den Einträgen die Laufzeiten der Einlagen, die meist bei drei bis fünf Jahren lagen, und jeweils deren Beginn festgehalten. Die Höhe des Gewinns, der dem Anleger zustand, wurde nicht genannt, was aber auch nicht nötig war. Die Gewinnhöhen waren aus dem Gesamtgewinn der Gesellschaft über das Verhältnis der Höhen der Gesellschaftsanteile zueinander zu errechnen. Weiter ist auch feststellbar, dass teils mehrere geschäftsführende Gesellschafter gemeinsam eine Einlage annahmen.234 Auch auf Seiten des Kapitalgebers konnten mehrere Personen oder gar eine Gesellschaft stehen.235 234 Laut Eintrag vom 14.11.1446 empfing ein Florentiner in seinem Namen und im Namen seines Bruders in accomanda von Giuliano di Giovanni di Lippo Alberti für eine Laufzeit von fünf Jahren 325 fl., um damit in Venedig mit bleihaltigen Metallen zu handeln (unter anderem Minio / Bleioxid). Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 11r. 235 Nach einem Eintrag vom 31.10.1446 nahm Lodouvicho di Niccolo di Lodouvicho Dossi im Namen des Florentiners Piero di Benedetto Dossi, der in Sevilla in Spanien wohnte, von Giovanni Tastore di Niccolo di Gherardino Gianni und Mitgesellschaftern aus Florenz 1.000 fl. und von Filippo di Stoldo di Luca di Piero Ranieri und Piero di Jacopo di Francescho Neretti und deren Mitgesellschaftern 1.500 fl. in accomanda, um über eine Laufzeit von drei Jahren in Sevilla und dem übrigen Königreich Spanien oder an anderen Orten nach dem Ermessen des Piero di Be-
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Die elementarste Passage in allen Einträgen betrifft die Haftung des nur Kapital anlegenden Gesellschafters. Dieser hatte danach nur mit dem Vermögen für Gesellschaftsschulden einzutreten, dass er in accomanda gegeben hat, ergänzt durch den daraus entstandenen Gewinn.236 Hier findet sich also die eigentliche Haftungsbeschränkung des Gesetzes von 1408, die zur deutlichen Klarstellung der beschränkten Haftung gegenüber allen Parteien in jedem Registereintrag vermerkt ist, obwohl der eindeutig bekannte Bezug des Registers zum Gesetz von 1408 und die darin enthaltene Haftungsbeschränkung der im Register genannten Personen rechtlich ausgereicht hätte. Der erste Eintrag des ersten Registerbandes stammt vom 19.04.1444. Danach empfing Barone di Ricchuomo di Barone Balduco von den Schneidern Bernardo di Piero di Cardinale Rucellai und Antonio di Piero Mathei, die zusammen eine Gesellschaft unterhielten, den Betrag von 1.500 fl. in accomanda. Er sollte damit über einen Zeitraum von drei Jahren in der römischen Zunft der Schneider, der arte del ritaglio, handeln und des Weiteren ihm freigestellte Geschäfte ausführen.237 In dem nachfolgend abgedruckten Beispielregistereintrag (s. Abb. S. 140) ist zunächst (1) vermerkt, dass der florentinische Wollweber Francescho, Sohn des Cristofano di Francescho, von dem ebenfalls in Florenz ansässigen Fruosino D’Andrea da Panzano den Geldbetrag von 750 fl. in accomanda entgegennimmt, um damit ab dem 1. November über eine dreijährige Laufzeit in der florentinischen Wollweberzunft (arte dalla lana) tätig zu werden. Die zweite elementare Regelung (2) betrifft die Haftungsbeschränkung für Fruo sino, der aus dem Anlagevertrag allein mit der Menge seines an Francescho in die accomanda gegebenen Vermögens und des daraus entstehenden Gewinns für Unternehmensverluste haften soll (Fruosino […] non intende ne vuole esse tenuto ne obligato se non solamente per la detta quantita accomandandata et pel guadagno […]). Im nächsten Abschnitt (3) dieser Registereintragung, wie auch in jeder anderen Eintragung im Register zur accomandita, wird bestätigt, dass der Inhalt der getroffenen Unternehmensvereinbarung über die accomanda in das Buch des cancelliere des Handelsgerichts der Università della Mercanzia von Florenz offiziell eingetragen worden ist. Am Ende (4) jeder Eintragung werden des Weiteren die Personen aufgeführt, unter deren Zeugnis die Unternehmenseintragung jeweils zustande gekommen ist. nedetto Dossi zu handeln. Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 10v. 236 […] esso Carlo [, der Anleger,] non intende ne vuole essere tenuto ne obligato se non solamente per la detta quantita accomandata et pel guadagno di quella […]. Passage beispielhaft aus einem Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 20v. 237 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 7r.
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Beispieleintrag vom 20.10.1450 im Register zur accomandita (Erläuterung hierzu auf S. 139), Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 18v. (Abgedruckt mit Genehmigung des italienischen Ministeriums für Kulturgüter, kulturelle Tätigkeiten und Tourismus. Die weitere Vervielfältigung dieses Abdrucks ist untersagt.)
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Die im Register eingetragenen Investitionen sind zu unterscheiden in solche, die auf Geschäfte in Florenz ausgerichtet waren, und solche, die Geschäften zu Gute kommen sollten, welche an anderen Orten auszuführen waren. Die Einträge, nach denen größere Beträge ab 1.000 fl. in accomanda gegeben wurden, betrafen meist Investitionen in Geschäfte außerhalb von Florenz. Dabei war genau vereinbart, in welcher Stadt oder Region der betreffende Unternehmer tätig werden sollte. So empfing Jacopo, Sohn des Matheo Corretani, gemäß Eintrag vom 27.01.1445 in accomanda von dem florentinischen Kaufmann Francescho di Neri 1.000 fl., um in Neapel und dem dortigen Königreich, das Apulien umfasste, und an anderen Orten nach seinem Ermessen über eine Laufzeit von vier Jahren Geschäfte abzuschließen. Die Art der Geschäfte war dem Jacopo freigestellt.238 Ähnlich waren im Register eingetragene Vereinbarungen gestaltet, nach denen der oder die jeweiligen Geschäftsführer zum Beispiel in den Räumen um Pisa239, Trani und Barletta240, L’Aquila241 und Palermo242 gewerblich tätig werden soll-
238 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 9v; nach einem weiteren Eintrag bezüglich Neapel vom 17.07.1452 nahmen zwei florentinische Kaufleute von einem Mitbürger 500 fl. für eine Laufzeit von drei Jahren in accomanda, um damit in Neapel und an anderen Orten zu handeln. Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 28r. 239 Beispieleintrag vom 27.11.1450. Danach empfingen die florentinischen Kaufleute Hugholino und Antonio, Söhne des Niccolo Hugholino Martelli, und Matheo di Cristofano Maxi in accomanda von Cosimo di Giovanni di Bicci di Medici und Messi Carlo di Messi de Marsoppini da Rezo für den Zeitraum von fünf Jahren 4.000 fl., um damit nach ihrem Ermessen in Pisa zu handeln. Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 19v; weiterer Eintrag bezüglich Pisa vom 06.08.1462, nach der der florentinische Kaufmann Prospero di Ghoio von Piero di Bartholomeo Partini 3.750 fl. in accomanda nahm, um damit über fünf Jahre in Pisa und anderen Orten zu handeln. Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 48r. 240 Beispieleintrag vom 17.08.1444. Danach erhielt ein Florentiner von der gleichfalls florentinischen Wollwebergesellschaft des Antonio di Bartolomeo Corbinelli und des Antonio di Lorenzo di Piero Lenzi in accomanda 1.500 fl., um über eine Laufzeit von drei Jahren in Trani, Barletta und dem Herrschaftsgebiet von Apulien nach seinem Ermessen zu handeln. Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 7v. 241 Beispieleintrag vom 08.08.1455. Benvenuto di Francescho Nuti nahm hier von einem Florentiner und dessen Gesellschaft von Seidenwebern für drei Jahre 1.600 fl. in accomanda, um damit in L’Aquila oder in der Region um Neapel und an anderen Orten der Welt zu handeln. Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 34r. 242 Siehe einen Eintrag vom 24.01.1445. Demgemäß empfing Giovanni di Piero di Ricci, als Vertreter zweier Brüder, in accomanda von Antonio di Lodouvicho dalla Casa 1500 fl., um damit in Palermo und der übrigen Insel Sizilien und anderen
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ten.243 Außerdem sind in dem Register sogar Einträge zu finden, die Handelsunternehmungen in Gebieten weit nördlich der Alpen betrafen. Zum Beispiel nahm ein florentinischer Kaufmann gemäß Registereintrag vom 21.01.1454 für drei Jahre den Betrag von 3.000 fl. von den florentinischen Kaufleuten Antonio di Michele da Rabatta und Bernardo di Giovanni und ihren Mitgesellschaftern aus Brügge auf. Er sollte nach seinem Ermessen eine Handelsunternehmung nach London und in andere Teile del mondo ausführen.244 Ziel eines anderen Unternehmens, das sich mit dem Textilhandel und anderen Handels- und Finanzgeschäften beschäftigen sollte, waren später sogar explizit Nürnberg und andere unbenannte Teile des deutschen Raums. Dafür nahmen Raffaello di Iacopo Vecchietti und Iacopo di Stefano Bertoni laut Eintrag vom 18.12.1499 von Niccolò di Tommaso di Bernardo Antinori 400 fl. ein.245 Häufiger sind im Register aber Investoren und Reiseziele mit Bezug zum außeritalienischen Mittelmeerraum, so zu Spanien, feststellbar. Nach einem Eintrag vom 24.01.1445 erhielt der Kaufmann Jacopo Adrieto di Piero Baroncelli 2.000 fl. von Bartolomeo Manelli aus Barcelona, um damit in Sevilla zu handeln.246 Laut einer anderen Eintragung vom 04.12.1460 nahm ein florentinischer Kaufmann von Filippo di Antonio Pierozi, wohnhaft in Barcelona, und dessen Mitgesellschaftern aus Barcelona 1.150 fl. und von Francescho und Carolo di Niccolo di Francescho aus Rom ebenfalls 1.150 fl. an, um damit drei Jahre lang Handel zu treiben.247 Viel Kapital wurde andererseits nicht in städte- und länderübergreifende Unternehmungen, sondern auch in Produktions- und Handelsbetriebe auf florentinischem Territorium investiert.248 Die Anlagebeträge waren hier niedriger als im auswärtigen Handel und lagen jeweils meist unter 1.000 fl. Die größtenteils höheren Einlagen im auswärtigen Handel waren wahrscheinlich in dem höheren Kapitalbedarf von großen Handelsreisen begründet. Kleinere Beträge in eine kostenintensive Reiseunternehmung anzulegen hätte keinen lohnenswert hohen Gewinn ergeben. Orten nach dem Ermessen der jeweiligen Geschäftsführer zu handeln. Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 8v. 243 Zu weiteren späteren Einträgen ab 1492 über Beteiligungen an Handelsunternehmungen außerhalb von Florenz siehe Vereinbarungen der Bankiers und Kaufleute der Strozzi, in: Melis / Dini, Storia economica di Firenze e della Toscana, S. 49–54. 244 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 32r. 245 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 116v. 246 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 9r. 247 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 44r. 248 Goldthwaite, Economy of Florence, S. 67.
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Um 1450 kamen die unmittelbar in ortsfeste Betriebe investierten Einlagen meist der Textilbranche zu Gute. So erhielt der Wollweber Francescho, Sohn des Cristofano di Francescho, laut Eintrag vom 20.10.1450 von Fruosino D’Andrea da Panzano 750 fl. in accomanda, um damit über die Zeit von drei Jahren in der florentinischen Wollweberzunft (arte dalla lana) tätig zu werden.249 Ein anderer florentinischer Wollhändler beziehungsweise -hersteller, namens Francescho, Sohn des Vexpasano di Francescho, empfing gemäß einem Eintrag vom 17.10.1450 in accomanda von Carlo di Jacopo di Guasconi 750 fl. und von Giovanni di Francescho di Bartolo di Vanni 450 fl., um damit ebenfalls über eine Laufzeit von drei Jahren in Florenz in der Wollweberbranche zu investieren.250 Außerdem sind Investitionen in Gesellschaften von Seidenhändlern belegt. Laut Eintrag vom 11.03.1450 empfing der florentinische Seidenhändler Filippo di Michele di Tura in seinem Namen und im Namen seiner Mitgesellschafter in accomanda von Carlo di Jacopo di Messi Niccolo Guasconi 600 fl., um sie über eine dreijährige Laufzeit in der florentinischen arte della seta, also in seinem Seidenhandwerksbetrieb, einzusetzen.251 Weiter empfing die Gesellschaft des Filippo di Michele di Tura zu diesem Zweck und über die gleiche Laufzeit gemäß Eintrag vom 12.03.1450 in accomanda von Jacopo Lodovicho di Jacopo Villini 600 fl.252 Im gleichen Jahr erhielt Bernardo di Giovanni di Francescho di Giannozo degli Strozi von zwei Florentinern 300 fl. in accomanda für drei Jahre, um in der Region um Prato in der Toskana in der arte della tinta, der Zunft der Textilfärber, zu investieren.253 Ein anderer Florentiner, der selbst Färber war, empfing laut Eintrag vom 23.11.1453 in accomanda von Luca di Lorenzo und dessen Mitgesellschaftern von Färbern aus Florenz 500 fl. und sollte damit über die Laufzeit von fünf Jahren ebenfalls in der florentinischen Färberzunft tätig wer249 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 18v, abgedruckt auf S. 140. 250 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 18r. Ein weiterer Eintrag über eine Investition in diesen Wollweberbetrieb stammt vom 22.10.1450. Danach empfing Francescho, Sohn des Vexpasano di Francescho, von dem Kaufmann Allexandro di Messi Giovanni Miraballi 750 fl. für die Dauer von drei Jahren in accomanda. Von Alexandro wurde genau vorgegeben, mit welchem Florentiner er handeln sollte, und dass er in der florentinischen Wollweberzunft tätig werden sollte. Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 19r. 251 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 21v. 252 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 22r. 253 Eintrag vom 04.09.1450 im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 25r.
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den.254 In einen Teilsektor, unter anderem der Wäscher, der Seide herstellenden und verarbeitenden Zunft (arte della seta)255 in Pisa investierte der Florentiner Piero di Bartolomeo di Piero Capponi gemäß Registereintrag vom 27.01.1458 bei Gioriani di Francescho di Domenico Speciale für drei Jahre den Betrag von 300 fl.256 Die Seidenfärber Giovanni di Piero Husini und Andrea di Maso di Lorenzo erhielten nach Eintrag vom 28.06.1446 für die Laufzeit von fünf Jahren 150 fl., um diese direkt in der Stadt Florenz in der mestiere e arte di tinta di seta, also in ihrem eigenen Betrieb, einzusetzen.257 Neben dem Textilsektor wurde die Anlagemöglichkeit der accomandita aber auch in anderen ortsfesten Branchen gebraucht. Zum Beispiel empfingen die Brüder Matheo und Giovanni, Söhne des Benvenuto di Giusto, laut Eintrag vom 15.10.1450 den Betrag von 300 fl. in accomanda von Giovanni di Baroncino Baroncini und seiner im Gewürzhandel tätigen Gesellschaft für eine Laufzeit von 5 Jahren, um damit in Florenz mit Gewürzen zu handeln.258 Der in Florenz ansässige Schmied Giovanni Balzaccino empfing gemäß Eintrag vom 05.03.1450 in accomanda von Mariano di Giorgio di Niccolo di Dante 400 fl., um sie für 5 Jahre in der arte del fabro in Florenz einzusetzen.259 Aus einem anderen Beispieleintrag vom 24.07.1459 geht hervor, dass der Gerber Antonio di Nico Vecato Fertino aus Empoli bei Florenz und seine Söhne Andrea und Filippo 500 fl. in accomanda nahmen, um damit für drei Jahre in der Zunft und dem Handwerk der Gerber (arte del ghalighaio) in Empoli und an anderen Orten tätig zu werden.260 Seltener sind im Register für die frühesten Zeiten der überlieferten Aufzeichnungen Investitionen in Unternehmen zu finden, die sich mit Finanzgeschäften beschäftigen. Zum Beispiel betraf ein Eintrag vom 22.04.1466 Benedecto di Leonardo di Benedecto di Como, der auf dem florentinischen mercato vecchio als banchiere und tavoliere, also als Wechsler,261 tätig war. 254 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 30r. 255 Staley, Guilds of Florence, S. 213 f. 256 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 38r. 257 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 10r. 258 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 17v. 259 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 21r. 260 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 40r. 261 Unter anderem auf dem mercato vecchio, einem von zwei großen Marktplätzen in Florenz, saßen neben den Verkaufsständen die Geldwechsler an ihren Tischen
III. Investitionen nicht Geschäftsführender als Gesellschafter 145
Er nahm von Bruno di Bernardo dagli da Staggia 200 fl. für vier Jahre in accomanda, um diese in Florenz in der arte e mestiere della banca e tavola zu investieren, womit also das Bank- und Wechslergewerbe gemeint war.262 cc) Zwischenbetrachtung Das neue Anlagemodell des Gesetzes von 1408 wurde während der ersten fünfzig Jahre seiner Existenz vornehmlich in Handwerks- und Warenhandelsbetrieben benutzt. Zunächst benutzte man das eingelegte Kapital, um Waren zu produzieren, die die Handelsunternehmen auf dem Landweg außerhalb der Stadt vertreiben konnten, wobei dafür wiederum Kapital benötigt wurde, um einen erfolgreichen Handel anzustoßen. Neben dem Absatz von florentinischen Erzeugnissen beschäftigten sich die von Florenz aus agierenden Handelsgesellschaften, die die accomandita nutzten, außerdem mit dem Einkauf von Waren, um die Stadt zu versorgen, und als Zwischenhändler für Produkte auf dem Weg vom Norden in den Süden und in umgekehrter Richtung. Die große Zahl der Betriebe aus der Textilbranche, die in dem Register über die accomandita genannt werden, zeigt dabei, dass die neue Anlageform insbesondere in diesem florierenden Wirtschaftssektor genutzt wurde, um die Unternehmen auf eine stärkere Kapitalbasis zu stellen. Dadurch sollten sie gegen Krisen gerüstet sein und weiter expandieren können. Dieses war bei der Normierung der accomandita mit beabsichtigt gewesen. Überhaupt wurde die neue Unternehmensform zu großen Teilen innerhalb des Territoriums der Republik Florenz in ortsfesten Betrieben der bestehenden Zünfte eingesetzt. Neben dem Textilsektor, in den im 15. Jahrhundert überwiegend investiert wurde, sind darunter Unternehmen der verschiedensten Handwerksbranchen vertreten. Ein weiterer potenzieller Nutznießer der accomandita, der Geldhandel, wie ihn die Medici praktizierten, spielte hinsichtlich der vorliegenden Belege dagegen nur eine untergeordnete Rolle in der Anwendung des Anlagemodells eines beschränkt haftenden und nicht geschäftsführenden Gesellschafters. Das könnte einmal damit zusammenhängen, dass gegenüber der Vielzahl an Handwerks- und Handelsbetrieben aller verschiedenen Branchen überhaupt weitaus weniger Bankunternehmen vorhanden waren und daher auch im Register nicht zahlreich auftauchen. Zweitens vertrauten Bankgesellschaften eher auf andere Alternativen, um Kapital zu beschaffen, und (ital.: tavole) und führten Bankgeschäfte aus. Davidsohn, Geschichte von Florenz, Bd. 4, Teil 3, S. 260; Staley, Guilds of Florence, S. 172. 262 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 60r.
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benutzten weniger die accomandita, als, wie gehabt, verzinste Depositeinlagen. Die Möglichkeit, die nachteilbehaftete Depositeinlage durch die accomandita zu ersetzen, wurde in diesem Sektor letztlich in der Praxis zunächst noch wenig genutzt, obgleich gerade die Banken während der Pleiten des 13. Jahrhunderts ihre Krisensituationen den Eigenarten der Depositeinlage zu verdanken hatten. Im Zuge dessen und wegen ihrer schleppenden praktischen Umsetzung insgesamt konnte nicht davon die Rede sein, dass die Haftungsbeschränkung während der ersten fünfzig Jahre nach dem Erlass die mit ihr bezweckten Ziele erreichte. Erst im 16. Jahrhundert nahmen die Anlagen in accomandita merklich zu,263 weil die accomandita wohl nun im Geschäftsleben mehr und mehr anerkannt war und die Kaufleute zu der normierten Haftungsbeschränkung Vertrauen gewonnen hatten. Die vermehrte Anlage in der Form der accomandita könnte auch darauf beruht haben, dass Gewerbe treibende Bürger ihr Vermögen zunehmend nicht mehr durch eigene Arbeit, sondern mittels Investitionen in fremde Unternehmungen vermehren wollten. Es fand dahingehend ein Umdenken statt, um Vermögen ohne großen Aufwand steigern zu können.264 Zudem fielen die Gewinnchancen bei einer Anlage zu Gewinn und Verlust höher aus als bei einer im Vorhinein fest verzinsten Anlage, obgleich andererseits ein höheres Verlustrisiko einzugehen war und der Gewinn nicht garantiert wurde. 4. Haftungsbeschränkungen in weiteren italienischen Städten Nachdem die Florentiner ihr Gesetz von 1408 erlassen hatten, regelten auch andere Städte eine Haftungsbeschränkung für nur Kapital anlegende Gesellschafter, in den meisten Fällen unter Rückgriff auf die accomandita aus Florenz. a) Lucca In Lucca fand eine Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter Eingang in die Statuti de la Corte de Mercadanti von 1554, die nahezu wörtlich genauso später auch in Lib. 1 Cap. 20 der Statuten von 1610 enthalten war.265 Nach Lib. 1 Cap. 21 waren zunächst alle geschäftsführenden oder nicht geschäftsführenden Gesellschafter von Unternehmen, die in Lucca ansässig waren, in ein öffentlich einsehbares Register am Melis / Dini, Storia economica di Firenze e della Toscana, S. 48 f. Economy of Florence, S. 67. 265 Statuti de la Corte de Mercadanti de la eccellentissima repubblica di Lucca von 1610, auszugsweise in: Bauer, Unternehmensformen, S. 171. 263 Vgl.
264 Goldthwaite,
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städtischen Handelsgericht einzutragen. Für Einlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter wurde die auch in Florenz gebräuchliche Bezeichnung „accomandita“ verwendet. Zusätzlich wurde in den Normen auf die Existenz weiterer, nicht näher definierter, Möglichkeiten zur Beschränkung der Haftung hingewiesen.266 Während die Gesellschafter, für die keine Haftungsbeschränkung im Register eingetragen war, unbeschränkt solidarisch hafteten, hatte die andere Gruppe von Gesellschaftern nur gemäß der sie betreffend eingetragenen Haftungsbeschränkung für Schulden des Unternehmens einzutreten.267 Die Motivation zur Normierung der accomandita beruhte in Lucca wie schon in Florenz vorrangig darauf, die nicht geschäftsführenden Gesellschafter vor einem hohen Anlagerisiko zu bewahren und zu unterbinden, dass Gesellschaftsgläubiger auf ihre Vermögensteile zugriffen, die über die geleistete Einlage hinausreichten. In diesem Sinne wurden die Anleger in accomandita in Lib. 1 Cap. 21 als Investoren charakterisiert, die „nicht mehr verlieren können als ihre Einlage“.268 Die accomandita wurde im Gesellschaftsrecht Luccas letztlich aber nur knapp beschrieben. Möglicherweise unterstellte man, dass die zugrunde liegende Konstruktion aus anderen Rechtsquellen ohnehin bekannt war, insbesondere aus florentinischen. In diesem Sinne spricht einiges dafür, dass die luccesische Haftungsbeschränkung sogar aus dem nahe gelegenen Florenz übernommen worden war.269 Darauf weisen zum Beispiel die Namensgebung und die Eintragung der Gesellschafter und der unternehmenserheblichen Daten in ein öffentliches Register hin. Auch waren Handelsunternehmen aus Florenz und Lucca miteinander verbunden, wenn auch sich die Regierungen beider Städte im ausgehenden Spätmittelalter teils feindlich gesinnt waren.270 So waren die Medici aus Florenz um 1500 mit dem luccesischen Unternehmen der Buonvisi geschäftlich und freundschaftlich eng verbunden, unter anderem da die Medici zu dieser Zeit aus Florenz vertrie266 Regelung, in: Busdraghi, Li statuti de la Corte de Mercadanti de la magnifica citta di Lucca, S. 47. 267 E tutti i compagni di cialcuna delle compagnie preditte liberi e uon ristretti da alcuna conditione, o limitatione come di sopra, nominati, ouero non nominati, deseritti, o non deseritti come di sopra, siano tenuti et obligati in solido e l’uno per l’altro, e ciascuno per lo tutto, per tutti i fatti, e negotii di tale compagnia. Regelung, in: Busdraghi, Li statuti de la Corte de Mercadanti de la magnifica citta di Lucca, S. 49; vgl. Rintelen, Entwicklung des Handelsregisters, S. 8. 268 […] le alcuno de compagni […] o nome come fa dice di accomandita, cioe con conditione di non potere perdere piu della sua missa, […]. Regelung, in: Busdraghi, Li statuti de la Corte de Mercadanti de la magnifica citta di Lucca, S. 47. 269 Vgl. Melis / Dini, Storia economica di Firenze e della Toscana, S. 48. 270 Walter, Die Strozzi, S. 10; Tewes, Kampf um Florenz, S. 793, 795.
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D. Verlustrisiken in der compagnia Italiens
benen worden und auf auswärtige Unterstützer und Geschäftspartner angewiesen waren.271 Die Kaufleute der Medici kannten das Haftungsmodell der accomandita und wendeten es in ihrem weit verzweigten Unternehmensnetzwerk an. Es erscheint gut vorstellbar, dass sie es im Zuge dessen an ihre luccesischen Geschäftspartner weitergaben. Dass die Haftungsbeschränkung in Lucca erst fast 150 Jahre nach der florentinischen normiert wurde, ist darauf zurückzuführen, dass dort zuvor noch kein wirtschaftlicher Bedarf dafür bestanden hatte. b) Genua Deutlich unterschieden wurden Gesellschafter in unbeschränkt und beschränkt haftende in Entscheidungen der Rota von Genua, die in einer viel zitierten Urteilssammlung zusammengefasst wurden272 und später in den genuesischen Statuten von 1588 ihren Niederschlag fanden. Darin war eine Gesellschaft als eine juristische Person unter einer Firma geregelt, wobei die Gesellschafter nach außen solidarisch hafteten. Gleichzeitig enthielt die in Genua geprägte Form der Gesellschaft Teilhaber, die nicht an der Geschäftsführung der Gesellschaft beteiligt waren und nur mit ihrer Einlage mithafteten.273 Ausdrücklich in mitarbeitende Gesellschafter und bloße Kapitaleinleger, hier „participes & socios“, unterschieden wurde unter anderem in der 14. Entscheidung der handelsgerichtlichen Rota von Genua in dem Fall Pallavicini gegen Grimaldi.274 Die Kapitaleinleger, die nach dieser Entscheidung trotz der verschiedenen Bezeichnungen neben den Geschäftsführern vollwertige Gesellschafter waren,275 hatten weiter nach Ansicht des 271 Tewes,
Kampf um Florenz, S. 792–797. Ascheri, Italien, in: Coing, Handbuch der Quellen, Bd. 2, Teil 2, S. 1153; vgl. Mehr, Societas und universitas, S. 73. 273 Vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, Einleitung, S. 51–53; vgl. Dilcher / Lepsius, Max Weber, S. 326–329, der die Handelsgesellschaften aber im Geiste der herrschenden Rechtsansicht des 19. Jahrhunderts grundsätzlich nicht als juristische Personen ansah. Zudem betrachtete er die nicht mitarbeitenden Kapitalanleger eher als Teilhaber an Gewinn und Verlust eines fremden Rechtsgeschäfts und weniger im Sinne der geschäftsführenden Gesellschafter als Beteiligte an einer Gesellschaft, für die sie nur beschränkt hafteten. Nach der Ansicht Webers stammten die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft in diesem Sinne aus unterschied lichen Entwicklungswegen. 274 […] differentia constituenda esse videbatur inter participes & socios, […], 14. Entscheidung der Rota von Genua, in: Straccha, De Mercatura Decisiones & Tractatus, S. 62 [66], Rn. 22. 275 14. Entscheidung der Rota von Genua, in: Straccha, De mercatura decisiones & Tractatus, S. 62 [83], Rn. 128 f.; so auch die 39. Entscheidung der Rota von Genua, in: Straccha, De mercatura decisiones & Tractatus, S. 148 [148], Rn. 2, […] quoniam cum unus ex sociis nil gessit & traficum non exercuit, dedit tamen pecu272 Vgl.
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Gerichts nur in der Höhe ihres Einlagewertes zu haften, was wie folgt wieder die 14. Entscheidung enthielt. Postremo non possunt socii, quorum nomen non expenditur, majus damnum sentire, quam sit illa summa, quam in societate exposuerunt.276 Danach hafteten die Personen beschränkt, deren Namen beim Geschäftsabschluss und in den Abrechnungen nach außen nicht genannt wurden, was in dieser Form später auch die Genueser Statuten aufnahmen.277 Dabei könnte von einer Art stillen Gesellschaft auszugehen sein. Die Kapitalanleger, die participes, waren aber neben den socii vollwertige Gesellschafter, da auch Lib. 4, Cap. 12 der späteren genuesischen Statuten von 1588 mit „De societatibus seu rationibus mercatorum“ überschrieben war und die participes in die Gesellschaft einschloss,278 auch wenn sie namentlich zunächst nur nach innen bekannt waren. In Genua war im Gegensatz zur florentinischen Regelung von 1408 keine Eintragung solcher Gesellschaftsteilhaber in ein öffentlich einsehbares Register vorgesehen. Nach Lib. 4, Cap. 12, Abschnitt 1 hafteten zunächst alle Gesellschafter nach außen unbeschränkt solidarisch, wenn ihr Namen bei Geschäftsabschlüssen nach außen genannt wurden. Dabei konnten nicht nur Geschäftsführer (socii), sondern auch nicht geschäftsführende Gesellschafter (participes) genannt werden, die dann diese Art der Haftung traf.279 So fungierte ein Gesellschafter, der im Rahmen eines Geschäfts der Gesellschaft nicht genannt wurde, automatisch als beschränkt haftender.280 In diesem Sinne bestimmte Lib. 4, Cap. 12 der genuesischen Statuten von 1588, dass die Gesellschafter, deren Namen nicht genannt wurden, nicht weiter verpflichtet sind als in der Höhe ihres Einlagebetrages.281 Diese konnten wiederum geschäftsführende oder nicht geschäftsführende Gesellschafter darstellen. Die fehlende Nennung bedeutete aber nicht, dass mindestens im Konkursfall niam societati & alii administrarunt ipso consentiente, vel patiente, illi tantum, qui gesserunt rationem reddere tenetur, […]. Es werden zwei Arten von Gesellschaftern angesprochen, die geschäftsführenden und die, die nur Kapital einlegen, das wiederum durch die geschäftsführenden Gesellschafter verwaltet wird. 276 14. Entscheidung der Rota von Genua, in: Straccha, De mercatura decisiones & Tractatus, S. 62 [82], Rn. 120 f.; vgl. Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 67. 277 Socii vero seu participes, quorum nomen non expenditur […], nec sint, in aliquo obligati ultra participacionem seu quantitatem, pro qua participant, […]. Regelung, in: Lib. 4, Cap. 12, in: Statutorum civilium reipublicae Genuensis, S. 140. 278 Lib. 4, Cap. 12, in: Statutorum civilium reipublicae Genuensis, S. 139–142. 279 Socii, sive participes societatis, vel rationis quorum nomen in ea expenditur, teneantur insolidum pro omnibus gestis, & erga omnes, & singulos creditores rationis, sive societatis. Regelung, in: Lib. 4, Cap. 12, in: Statutorum civilium reipublicae Genuensis, S. 139 f. 280 Vgl. Mehr, Societas und universitas, S. 171; vgl. Lammel, Handelsrecht, in: Coing, Handbuch der Quellen, Bd. 2, Teil 2, S. 950. 281 Regelung, in: Lib. 4, Cap. 12, in: Statutorum civilium reipublicae Genuensis, S. 140.
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auch diese Teilhaber von Gesellschaftsgläubigern zur Haftung herangezogen wurden, obgleich die Beschränkung auf ihre Einlage sie dann rettete. Sie hafteten grundsätzlich, wie die namentlich Genannten, gegenüber Gesellschaftsgläubigern, da die Regelung der Haftungsbeschränkung in Lib. 4, Cap. 12, Abschnitt 2, systematisch direkt nach der Vorschrift über die unbeschränkte solidarische Außenhaftung der namentlich genannten Gesellschafter im ersten Abschnitt folgte.282 Bis auf die Haftungsbeschränkung waren die beschränkt und die unbeschränkt Haftenden als gleichwertige Gesellschafter anzusehen, da auch die Statuten die Bezeichnungen „participes“ und „socii“ stets als gleichgesetzt verwendeten und Gesellschafter nur darin unterschied, ob ihre Namen genannt wurden oder nicht, wobei nach Lib. 4, Cap. 12, Abschnitt 2, auch Kapitalanleger (participes), existieren konnten, die namentlich genannt wurden.283 Der Aufbau des genuesischen Haftungsrechts und die Ausrichtung nach der namentlichen Nennung unterschieden sich also stark von der florentinischen accomandita. Beide Modelle der haftungsbeschränkten Gesellschafter differierten hauptsächlich in ihrer Erscheinung nach außen, wobei in Genua ein einsehbares Register fehlte und eher eine Art „stille“ Gesellschaft vorlag. Dennoch ähnelten sich beide Modelle darin, wie die Anleger zur Haftung gegenüber den Gläubigern herangezogen werden konnten. So knüpfte die genuesische Haftungsbeschränkung auch als Ausnahmeregelung zur grundsätzlichen Solidarhaftung an die compagnia an. Das zeigt sich auch daran, dass die betreffenden Regelungen zu den Gesellschaften in den Statuten von 1588 zusammen mit der beschränkten Haftung der Kapitalanleger als Sonderform der grundsätzlich unbeschränkten solidarischen Gesellschafterhaftung innerhalb des Cap. 12 separat von der commenda, die unter Cap. 13 geregelt war und keine Personengesellschaft war, dargestellt wurden. Dabei wird an den genuesischen Statuten im Übrigen einmal mehr deutlich, dass die Kommanditgesellschaft aus der compagnia, der Personengesellschaft, entwickelt wurde und nicht aus der commenda.284 Somit ist auch die Ansicht Renauds zu entkräften, wonach die Personengesellschaft aus Genua auf eine Entwicklung der Kommanditgesellschaft aus der colonna, die eine Abwandlung der ursprünglichen commenda darstellte, hinweise.285 282 Regelung, in: Lib. 4, Cap. 12, in: Statutorum civilium reipublicae Genuensis, S. 139 f. 283 Regelung, in: Lib. 4, Cap. 12, in: Statutorum civilium reipublicae Genuensis, S. 139 f. 284 Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 68. 285 Siehe S. 118.
III. Investitionen nicht Geschäftsführender als Gesellschafter 151
Im Gegensatz zur älteren colonna, die noch mehr Formen von Beteiligten als geschäftsführende und nicht geschäftsführende enthalten habe, seien nach Renaud nun nur noch zwei Formen vorhanden gewesen, die socii die nach Lib. 4, Cap. 12 gemeinsam unbeschränkt hafteten und die, die beschränkt hafteten.286 Nicht zuletzt aber aufgrund der Bezeichnungen „socii“ für die Beteiligten und „societas“ für die Gesellschaft ist in den Entscheidungen der Rota, sowie in den Regelungen von 1588, eine Gesellschaft zu sehen, die die colonna noch nicht verkörperte. c) Bologna In der Provisione der Università de mercanti aus Bologna von 1583 war die compagnia palese geregelt.287 Sie stellte eine Gesellschaft dar, die aus geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Gesellschaftern bestand, wobei die nicht mitarbeitenden Gesellschafter wie in Florenz namentlich mit ihrem Einlagebetrag in den Handelsbüchern der Gesellschaft, aber auch in einem öffentlich einsehbaren Buch am städtischen Handelsgericht zu Publizitätszwecken, vermerkt wurden. Dazu waren eine Kopie des Gesellschaftsvertrags und Niederschriften über sämtliche Regelungen der Gesellschaft einem am Handelsgericht sitzenden Notar zu übergeben. Der Notar übertrug die Vereinbarung in ein archivalisch aufbewahrtes Register namens „campione delle accomandite“ und in ein öffentlich ausliegendes Buch.288 Aus dem Namen des jeweiligen Unternehmens gingen die nicht geschäftsführenden Kapitalanleger nicht unbedingt hervor, wobei das Gebilde der compagnia palese insgesamt der accomandita aus Florenz glich.289 Die Eintragung der Gesellschafter diente daher, wie in Florenz und den anderen 286 Renaud, Commanditgesellschaften, S. 19; Statutorum civilium reipublicae Genuensis, Lib. 4 Cap. 12, S. 139. 287 Lehmann / Hoeniger, Lehrbuch des Handelsrechts, Halbbd. 1, S. 279; Lastig, Stille Gesellschaft, in: Endemann, Handbuch, Bd. 1, S. 704 [719–722]. 288 Regelung, in: Lastig, Bologneser Quellen des Handelsrechts, S. 29; vgl. Mehr, Societas und universitas, S. 174 f.; vgl. Rintelen, Entwicklung des Handelsregisters, S. 6. 289 Vgl. Renaud / Laband, Stille Gesellschaften, S. 9 f.; vgl. Ebert, Stille Gesellschaft, S. 58 f. Lastig sah, in: Lastig, Stille Gesellschaft, in: Endemann, Handbuch, Bd. 1, S. 704 [720 f.], die Geldeinlage der comandita in einer compagnia palese nicht in der Nachfolge der florentinischen accomandita, da der Einleger hier, anders als angeblich im Modell aus Florenz, direkt gegenüber Gesellschaftsgläubigern hafte. Auch in Florenz wurde der Kapital einlegende Gesellschafter aber in einem öffentlichen Register nach außen bekannt gemacht. Gleichzeitig galten für ihn die Haftungsvorschriften der compagnia, außer dass seine Haftung auf den Einlagebetrag beschränkt war. (Siehe S. 117) Für die Verwandtschaft der Rechtsinstitute aus Florenz und Bologna spricht auch die nahezu gleiche Namensgebung.
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D. Verlustrisiken in der compagnia Italiens
Städten, in denen eine Registereintragung vorgesehen war, dazu, die Unternehmensgläubiger abzusichern.290 In seiner Haftung für Gesellschaftsschulden riskierte der nicht geschäftsführende Anleger nur, seine Einlage zu verlieren, und konnte nicht darüber hinaus in Anspruch genommen werden.291 Ob er dabei mit seiner Einlage nur gegenüber dem Unternehmer oder auch den Gesellschaftsgläubigern gegenüber auftrat und zu haften hatte, wird aus der Vorschrift nicht ganz klar. Zur Motivation für den Erlass der Regelung verlautete aber, dass nicht mitarbeitende Gesellschafter es ablehnten, im Rahmen der allgemeinen solidarischen Haftung an der Gesellschaft beteiligt zu sein.292 Das bedeutet, dass sie grundsätzlich unbeschränkt solidarisch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft in gleicher Weise wie die Geschäftsführer hafteten, wenn die Haftungsbeschränkung in Verbindung mit dem bereits eingelegten Betrag nicht wirksam am Handelsgericht verzeichnet war. Für beide Arten von Gesellschaftern galt grundsätzlich die gleiche Haftungsregelung. Ein Hinweis darauf ergibt sich auch aus der ebenfalls in den Statuten von 1583 enthaltenen Regelung der compagnia secreta.293 Bei dieser „geheimen“ compagnia blieben die Kapitalgeber nach außen unbekannt und wurden nur in den Geschäftsbüchern mit ihrer Einlage als Gläubiger vermerkt, sodass sie anders als in einer compagnia palese keine Gesellschafter darstellten. In diesem Konstrukt war nach den nachvollziehbaren Ansichten Lehmanns und Lastigs als eine Art fortgesetzter commenda die Form einer stillen Gesellschaft zu sehen.294 Nur der geschäftsführende Unternehmer trat nach außen in Erscheinung nicht aber der Investor. Die Norm besagte, dass der Anleger nicht Gefahr laufe, gegenüber den Gesellschaftsgläubigern über sein Einlagekapital hinaus zu haften, wenn er alle Vorschriften zu Geheimhaltung und 290 Entsprechende Regelung der Statuten von 1583, in: Lastig, Bologneser Quellen des Handelsrechts, S. 29; vgl. Rintelen, Entwicklung des Handelsregisters, S. 6 f., 8 f. 291 Ci siamo risoluti di proporre et ordinare il modo della comandita […] che è di dar denari o robbe palesemente a traffico di Compagnia, senza pericolo di perdere niente piu di quello che vi sia dato: […]. Regelung der Statuten von 1583, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 344. 292 […], dubitando di non essere compressi dalla dispositione di uno statuto di questo Foro de Mercanti, dove è statuito che un Compagno sia in solido obbligato per l’altro compagno. Regelung, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 344. 293 Regelung, in: Lastig, Stille Gesellschaft, in: Endemann, Handbuch, Bd. 1, S. 704 [722]; Regelung, auch in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 344 f.; vgl. Mehr, Societas und universitas, S. 174 f. 294 Lehmann / Hoeniger, Lehrbuch des Handelsrechts, Halbbd. 1, S. 279; Lastig, Stille Gesellschaft, in: Endemann, Handbuch, Bd. 1, S. 704 [722]; vgl. Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 69.
III. Investitionen nicht Geschäftsführender als Gesellschafter 153
Geldverbuchung im Unternehmen einhalte.295 Das bedeutete wiederum auch für den „geheimen“ Kapitalanleger, dass er grundsätzlich im Außenverhältnis für Verbindlichkeiten aus Geschäften der Geschäftsführer der Gesellschaft zu haften hatte, was er nun dadurch verhinderte, dass er seine Einlage nach außen geheim hielt. Nur auf den eingelegten Betrag konnten die Gläubiger zugreifen. Beide Arten von Kapitalanlegern, die die Provisione der Università de mercanti aus Bologna von 1583 kannte, hatten also grundsätzlich gegenüber den Gesellschaftsgläubigern einzutreten, jedoch beschränkt auf ihre gezahlte Einlage. Nur der „öffentliche“ Anleger konnte dabei aber von den Gläubigern direkt angegriffen werden, da er im Register verzeichnet war und dadurch gewissermaßen nach außen in Erscheinung trat. Weil die Bologneser ihr Anlagemodell in der compagnia palese, der „öffentlichen“ Gesellschaft, „comandita“ nannten, ergibt sich begrifflich eine Verbindung zur florentinischen accomandita. Auch das Normierungsziel der Haftungsbeschränkung in Bologna, der Schutz der Anleger, die nicht mehr als ihr Einlagevermögen riskieren wollten, hatte in Florenz eine Rolle gespielt hatte. Da zwischen Bologna und Florenz seit dem 13. Jahrhundert sehr enge Handelsbeziehungen bestanden, ist gut vorstellbar, dass die Bologneser ihre comandita aus Florenz übernommen hatten, beziehungsweise sich durch die florentinische Regelung zu einer eigenen Normierung motivieren ließen.296 Immerhin wurde in den Statuten aus Bologna selbst gesagt, dass das darin enthaltene Haftungsmodell auch andernorts angewendet würde.297 Wie in Florenz wurde die accomandita auch in Bologna, vor allem in der Anfangszeit, aber nicht sehr oft genutzt. Das zeigt der erste Registerband, der als ein einziges Buch für die Eintragungen aller comanditas der langen Zeit von 1583 bis 1669 ausreichte.298 Möglicherweise wollten die Kaufleute auch hier die Neuerung erst genauer kennenlernen und erproben, bis sie sie im großen Rahmen einsetzten.
295 Et servandosi questo modo, il datore non stara a rischio che del suo sia obbligato a creditori se non quel tanto che da lui sara dato e posto per suo capitale. Regelung der Statuten von 1583, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 345. 296 Lastig, Bologneser Quellen des Handelsrechts, S. 6 f. 297 […] che si usa di fare in altri luoghi […], Passage aus den Statuten von 1583, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 344. 298 Lastig, Bologneser Quellen des Handelsrechts, S. 30 f., ab S. 32 einige Auszüge aus den Eintragungen.
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D. Verlustrisiken in der compagnia Italiens
d) Rom In dem römischen Editto del Cardinal Barberini vom 30.06.1626 war eine gesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung in der Weise geregelt, dass eine Kopie der Vereinbarung über die Kapitalanlage als beschränkt haftender und nicht geschäftsführender Investor am städtischen Generalarchiv einzureichen und dort zu verwahren war.299 Dieser Gesellschafter hatte somit nicht über die eingelegte Summe hinaus für Gesellschaftsschulden zu haften.300 Direkt daran anschließend wurde im gleichen Satz der Regelung klargestellt, dass die geschäftsführenden Gesellschafter, die beim Geschäftsabschluss namentlich auftraten, weiterhin solidarisch für alle Gesellschaftsschulden zu haften hätten.301 Aus dieser Systematik ergibt sich wiederum, wie für die anderen dargestellten ähnlichen Regelungen, dass die nicht geschäftsführenden Gesellschafter, wie die geschäftsführenden, solidarisch gegenüber den Gesellschaftsgläubigern hafteten, wenn die Beschränkung auf die Einlage nicht formal wirksam beim Generalarchiv verzeichnet war. Die Haftungsbeschränkung galt also auch für das Außenverhältnis. Die Motivation zum Erlass der Haftungsregelung lag in Rom, wie in Florenz und den anderen Städten, darin, dass die Anleger nicht über ihren Einlagebetrag hinaus haften mochten.302 e) Siena In den sienesischen Statuten von 1644 war unter Cap. 114 der Status nicht geschäftsführender Gesellschafter geregelt.303 Allgemein waren nach dem ersten Satz des Cap. 114 bei der Bildung einer Gesellschaft zunächst die Namen der nach außen genannten, also der handelnden, und der nicht genannten, der nicht nach außen handelnden, Gesellschafter an die Behörde 299 Regelung, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 346; vgl. Rintelen, Entwicklung des Handelsregisters, S. 6 f. 300 E se tali conventioni d’accomandite si troveranno portate in detto archivio e non saranno amministrate o governate da chi le dà ma da chi le riceve, non sia tenuto chi l’haverà date o darà in accomandita se non a quella somma o cosa che vi haverà messa, utili e guadagni di quella e ad altro non possa astretto o convenuto, […]. Regelung, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 346. 301 […], restando nondimeno sempre obbligato in solido alli debiti contratti quelli uno o più che haranno il nome in detti negotii. Regelung, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 346. 302 Regelung, in: Mehr, Societas und universitas, Quellenanhang, S. 346. 303 Cap. 114 der Statuti dell’università de’mercanti e della Corte degli officiali della mercantia della città dei Siena, in: Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 17, S. 113–123.
III. Investitionen nicht Geschäftsführender als Gesellschafter 155
der Mercanzia zur Eintragung zu melden. Als nicht geschäftsführende Gesellschafter kannte Cap. 114 Ehefrauen der Geschäftsführer, die mit ihrem Heiratsgut beteiligt waren, und externe Kapitalanleger. Ehefrauen konnten dabei gemäß Cap. 114 innerhalb einer Monatsfrist Widerspruch einlegen, wenn sie im Rahmen ihrer Beteiligung nicht mit ihrem Heiratsgut für die Gesellschaft haften wollten. Das Heiratsgut wurde im Widerspruchsfall als eine Art Darlehen an die Gesellschaft gesehen. Widersprach eine Ehefrau nicht, haftete sie für die gesamte Gesellschaft, also für das Handeln der Geschäftsführer, und nahm die Position einer nicht geschäftsführenden Gesellschafterin ein, deren Haftung auf die Höhe ihres Heiratsguts als ihre Einlage beschränkt war.304 Diese Praxis galt nach Cap. 114 auch für einen bewussten Kapitalanleger.305 Dieser legte aktiv einen bestimmten Geldbetrag in accomodita in die Gesellschaft ein, wobei neben dieser Summe die Namen des Anlegers und des Geldempfängers, der Ort des Geschäfts, die Umstände, unter denen der Anleger haften sollte, sowie weitere mögliche Bedingungen von einem Notar der Behörde der Mercanzia in ein öffentliches Register eingetragen wurden. Weiter sollte der Kapitalanleger nach Cap. 114 in Anlehnung an die Regelung aus Florenz nur mit seinem Einlagebetrag haften.306 Im Rahmen dessen wirkte der Haftungsausschluss, wie in den Regelungen anderer Städte, auch nach außen. f) Fehlen von Haftungsbeschränkungen andernorts Letztlich ist das Wort „accomandita“ in die heutige italienische Bezeichnung der Kommanditgesellschaft eingeflossen, die „societa in accomandita semplice“ lautet. Es erschiene trotzdem voreilig, anzunehmen, dass sich von der accomandita ausgehend, beginnend mit der florentinischen Norm von 1408, geradlinig in ganz Italien die heutige Kommanditgesellschaft entwickelt hat. In der Republik Venedig und den meisten anderen Seestädten beispielsweise wurde nie eine Haftungsbeschränkung eingeführt, vielleicht 304 Sieno anco tenuti i compagni far notificare alle donne degli amministratori con politia in persona, che fra un mese comparischino alla Corte della mercantia a contradire, e dichiarare che non vogliano che le dote loro sieno obbligate alla compagnia, e non contraddicendo fra detto tempo, restino obbligate ai compagni die detti amministratori. Regelung, in: Cap. 114 der Statuti dell’università de’mercanti e della Corte degli officiali della mercantia della città dei Siena, in: Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 17, S. 113 [113]. 305 Cap. 114 der Statuti dell’università de’mercanti e della Corte degli officiali della mercantia della città dei Siena, in: Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 17, S. 113 [113]. 306 Cap. 114 der Statuti dell’università de’mercanti e della Corte degli officiali della mercantia della città dei Siena, in: Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 17, S. 113 [122 f.].
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weil in den dortigen Handelsgesellschaften keine nicht geschäftsführenden Gesellschafter in relevanter Anzahl vorhanden waren oder man vor einer Haftungsbeschränkung aus den Gründen scheute, die für Siena um das Jahr 1300 ausschlaggebend gewesen waren.307 Speziell in Venedig, wo Großbetriebe mit einer Vielzahl von Gesellschaftern sehr wohl vorhanden waren, behalfen sich Gesellschaften bei der Kapitalschöpfung, indem sie für einzelne Großunternehmungen beziehungsweise Handelsreisen jeweils ein kurzfristiges „Joint Venture“ gründeten, das sich nur auf das jeweilige Vorhaben bezog. In eine solche Tochtergesellschaft konnten Kapitalanleger als Gesellschafter eintreten, ohne sich dem unüberschaubaren Geschäftsrisiko der gesamten Muttergesellschaft aussetzen zu müssen.308 Eine Gesellschaft für eine bestimmte Unternehmung zu gründen, erinnert an die im venezianischen Seehandel traditionell gebrauchte collegantia, wobei die Idee, das Risiko auf eine Handelsunternehmung zu beschränken, wohl in der Nachfolge der collegantia stand. Insbesondere Venedig entwickelte keine über die einfache Personengesellschaft hinausgehenden Gesellschaftsformen, da es sich wirtschaftlich als Handelsstadt, Tor zum Mittelmeer und Finanzmetropole, aber auch in geringem Maße als Warenproduzent, derart vielfältig betätigte, dass keine spezielleren Gesellschaftsformen nötig oder sinnvoll gewesen wären. Die beschränkte Gesellschafterhaftung wäre in Einzelfällen zwar wohl nützlicherweise anwendbar gewesen. Da die Gewerbetreibenden für die betreffenden Situationen aber auch über andere Lösungen verfügten, wie Depositeinlagen und Darlehen, war das Bedürfnis einer Haftungsbeschränkung anscheinend nicht sehr groß. Andererseits beabsichtigten die Venezianer, indem sie allein die einfache und allgemeine Personengesellschaft nutzten, flexibler auf Veränderungen des vielseitigen Wirtschaftssektors Venedigs und des dadurch unruhigeren Marktes reagieren zu können. Deshalb führten sie später auch keine Kapitalgesellschaften ein.309 5. Zwischenbetrachtung Ausgehend von dem florentinischen Gesetz über die accomandita von 1408 wurde gemäß den Statuten Luccas (1554), Bolognas (1583), Genuas (1588), Roms (1626) und Sienas (1644) die Haftung für nicht geschäftsführende Gesellschafter beschränkt. In diesen italienischen Handelsstädten wurden damit erstmals Formen der mit der heutigen Kommanditgesellschaft 307 Siehe
S. 111. Familiy Partnerships and Joint Ventures, in: The Journal of Economic History, Bd. 4 (1944), S. 178 [186 f.]. 309 Lane, Familiy Partnerships and Joint Ventures, in: The Journal of Economic History, Bd. 4 (1944), S. 178 [194–196]. 308 Lane,
III. Investitionen nicht Geschäftsführender als Gesellschafter 157
vergleichbaren beschränkten Gesellschafterhaftung normiert. Um einem Vertrauensverlust bei Unternehmensgläubigern entgegenzuwirken, der durch die Beschränkung der Haftung einiger Gesellschafter drohte, führten damit einhergehend alle genannten Städte außer Genua die Eintragung der Anleger in accomandita in ein Register ein, womit die Haftungsbeschränkung wirksam werden sollte.310 Mit der Haftungsbeschränkung wollte man in erster Linie im Interesse der nicht geschäftsführenden Gesellschafter das Anlagerisiko beschränken. Dass diese Kapitalanleger nicht über ihr Einlagevermögen hinaus haften wollten, wurde ausdrücklich gesagt im Vorbringen der consiglieri von Florenz, das zu dem Gesetz von 1408 geführt hatte, im römischen Editto del Cardinal Barberini und in den bolognesischen Statuten. Für Siena ist dieses Motiv auch zu bejahen, da das dortige Gesetz von 1644 durch die florentinischen Statuten beeinflusst worden war. Warum Genua eine Haftungsbeschränkung einführte, ist dagegen den Statuten oder anderen offiziellen Unterlagen nicht zu entnehmen. Zu der jeweiligen Intention, das Verlustrisiko zum Schutz der nicht geschäftsführenden Gesellschafter zu verringern, folgte als zweiter Beweggrund für die Haftungsbeschränkung, dass sie ermöglichen sollte, leichter und mehr flüssiges Kapital zu erzeugen. Die expandierenden Unternehmen benötigten mehr und mehr Betriebskapital. Das Anlagemodell des depositums, das zuvor hauptsächlich zur Kapitalerzeugung genutzt wurde, hatte seine Schwächen gezeigt und schien ungeeigneter, um Kapital zu erzeugen. In der Praxis des florentinischen Wirtschaftslebens zeigte sich dieser Motivationsfaktor in der Anfangszeit der Geltungszeit des Gesetzes von 1408 dennoch als nicht ausschlaggebend. Das Interesse der Kapitalgeber, sich vor Verlustrisiken zu schützen, war hier insbesondere im 15. Jahrhundert im Gegensatz zu den Interessen der Unternehmen an der Kapitalerzeugung als relevanter einzuordnen. Zwar war von städtischer Seite mit der Haftungsbeschränkung bezweckt worden, den Unternehmen eine neue Möglichkeit zur Kapitalschöpfung zu verschaffen. Insbesondere die Banken, und auch Unternehmen anderer Branchen, nutzten jedoch zunächst weiter die Depositeinlage. Die accomandita wurde in ihrer ersten Zeit meist im Handelsund Handwerkssektor angewendet, wenn auch in geringer Zahl. Anscheinend musste sich die accomandita erst Vertrauen erwerben, wie die nun im 16. Jahrhundert ansteigenden Anwendungszahlen zeigten. Im größeren Rahmen gesehen bestand in den italienischen Handelsstädten aber kein allgemeines Bedürfnis nach einer Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter. Das zeigt sich daran, dass eine Haftungs310 Vgl.
Rintelen, Entwicklung des Handelsregisters, S. 6 f., 8 f.
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D. Verlustrisiken in der compagnia Italiens
beschränkung nur in Florenz und wenigen anderen Städten normiert wurde. Ohnehin entwickelte sich das Gesellschaftsrecht in den einzelnen Städten jeweils aufgrund sich verändernder lokaler Bedürfnisse. Es bestand kein grundlegendes und überregionales Ziel zur Entwicklung einer Haftungsbeschränkung.311 Regelungen zur beschränkten Haftung und überhaupt wirtschaftsrechtliche Normen wurden aus individuellen Bedürfnissen in einzelnen Städten in verschiedenen Situationen erlassen. So lag auch der italienischen accomandita kein homogener Entwicklungsstrang zugrunde.312 Wenn im Herrschaftsbereich einer Stadt die Gesellschafterhaftung beschränkt wurde, beruhte das immer auf praktischen und individuellen Erwägungen der jeweiligen Handelsstadt.313 Wo das neue Haftungsmodell jedoch gebraucht wurde, war es in Normen verfestigt und man wendete es regelmäßig an, obgleich nur in dem begrenzten Herrschaftsbereich der jeweiligen Stadt. Einfluss und Anwendung der normierten italienischen Rechtsideen blieben wegen unterschiedlicher Rechtsordnungen in den Stadtstaaten Italiens und einer daher fehlenden allgemeinen Entwicklung des Wirtschaftsrechts, die von einem größeren geografischen Herrschaftsbereich getragen wird, begrenzt. Parallel zu der aufkommenden Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter in Italien im 15. Jahrhundert stockte dort im Übrigen allmählich die wegweisende wirtschaftssystematische Entwicklung, die Europa geprägt hatte. Italien verlor diesbezüglich seine monopolistische Vormachtstellung.314 So bildete der vereinigte Nationalstaat Italien später sein Gesellschaftsrecht nicht aufgrund selbst entwickelter Rechtsformen aus, sondern aufgrund des französischen Code de Commerce, obgleich dies nicht zuletzt auch auf Drängen Napoleons geschah.315
Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 69. Sapori, Studi di storia economica, Bd. 3, S. 127. 313 Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 69. 314 Vgl. Sapori, Studi di storia economica, Bd. 3, S. 127. 315 Schioppa, Handelsrecht Italien, in: Coing, Handbuch der Quellen, Bd. III / 3, S. 3209 [3211 f.]. 311 Vgl.
312 Vgl.
E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften In Deutschland konnte sich ein nicht geschäftsführender Investor wie in Italien als Darlehens- oder Depositgeber oder mittels einer Einlage als Gesellschafter an einer Personengesellschaft beteiligen. Hier waren ebenfalls verschieden hohe Verlustrisiken einzugehen. Größtenteils beteiligten sich Investoren in einer Gesellschaft im deutschen Raum wie im italienischen mithilfe von Depositeinlagen.1
I. Gesellschaften in Deutschland Im ausgehenden Mittelalter entstanden im deutschen Raum mit der italie nischen compagnia vergleichbare Handelsgesellschaften, die auf der Familiengemeinschaft basierten und aus mehreren nach außen auftretenden Gesellschaftern bestanden. Man erkannte auch hier die erweiterten Handlungsmöglichkeiten einer von mehreren Kaufleuten gespeisten Kapitalmasse und überhaupt die Vorteile eines arbeitsteiligen Vorgehens.2 1. Gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung und Haftungsverhältnisse Bezüglich der Haftungsverhältnisse wurden auf die insbesondere im Süden beheimateten deutschen Gesellschaften im ausgehenden Mittelalter mangels ausreichend normierter Haftungsregelungen3 die Strukturen der gebräuch lichen Praxis aus der Gesamthandsgemeinschaft angewendet, die aus der Ganerbschaft stammte.4 Danach konnte sich ein Gläubiger mit der gesamten Forderung, die sich gegen die Gesamtheit aller Gesellschafter richtete, anstatt an alle, auch nur an einen Gesellschafter wenden. Man tat dies meist, wenn ein Gesellschafter zahlungsfähiger erschien als andere. Dabei hatten zahlungsfähige Teilhaber in Gesamtschuldnerschaft für nicht zahlungsfähige Teilhaber miteinzutreten, bis die Schuld bezahlt war, da die Gesamtheit der Gesellschafter als eine einheitliche Person gesehen wurde, die durch jeden 1 Schimke,
Unterbeteiligungsgesellschaft, S. 56–58. Lerner, Gestalten, S. 43. 3 Vgl. Peterka, Gesellschaftsverträge Jakob Fuggers, in: ZHR, Bd. 73 (1913), S. 387 [420]. 4 Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 240; Schmidt, Handelsgesellschaften, S. 66–68. 2 Vgl.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
Gesellschafter verkörpert werden konnte. Daraus entwickelte sich die im deutschen Sprachraum oft normierte Regel, dass der Gläubiger sich an einen beliebigen Schuldner wenden dürfe, was zum Beispiel in Cap. 389 des Augsburger Stadtrechts von 1276 oder Cap. 52 der Soester Stadtrechte normiert war.5 Die Zahlungspflicht, die in ihrer Höhe unbeschränkt war, drohte grund sätzlich auch einem nur Kapital einlegenden Gesellschafter. Hatte ein Gesellschafter an einen Gesellschaftsgläubiger mehr gezahlt, als es sein Anteil verlangte, musste er versuchen, im Innenverhältnis gegenüber den anderen Gesellschaftern den zu viel gezahlten Betrag zurückzuerlangen. In diesem Sinne war bald grundsätzlich anerkannt, dass, wenn zunächst nach außen gegenüber den Gläubigern nur ein Gesellschafter für gemeinsame Schulden gezahlt hatte, im Innenverhältnis ein Ausgleich stattzufinden hatte. Spätestens im Laufe des 15. Jahrhunderts verfestigte sich im Geschäftsleben der sich bildenden großen Handelsgesellschaften das Verständnis von einer Art solidarischen Haftung, nach der alle Gesellschafter gemeinsam nach ihrer Personenanzahl zu gleichen Teilen für Gesellschaftsschulden zu zahlen hatten. Dass jeder einzelne Gesellschafter durch sein Handeln jeden anderen Gesellschafter mitverpflichtete, wurde über gegenseitige Vertretungsvollmachten hergeleitet. Diese Vollmachten mussten in der Praxis nicht im Einzelnen vorliegen, sondern konnten über die Fiktion einer Gesamthandsgemeinschaft aus dem gemeinsamen Geschäftsbetrieb hergeleitet werden. Dadurch wurde stets unterstellt, dass alle Gesellschafter gemeinsam tätig werden, wenn auch nur einer handelte.6 Explizit in dieser Form schriftlich niedergelegt war dieser Grundsatz aber erst im Fuggervertrag von 1494.7 In der Gesellschaft des Jakob Fugger wurden zum ersten Mal die mithaftenden Gesellschafter bei Geschäftsabschlüssen wenigstens mündlich dargestellt, nicht zuletzt da sie im Namen des Unternehmens enthalten waren.8 Die Höhe der Zahlungen infolge der gemeinsamen Haftung der Gesellschafter war in allen Gesellschaften jeweils unbeschränkt.9 Spätestens in Bankrottfällen zeigte sich diese unbeschränkte Haftung aller Gesellschafter, da die Gläubiger aufgrund höherer 5 Stobbe, Geschichte des Vertragsrechts, S. 157 f., dort auch die Augsburger und Soester sowie weitere Regelungen; Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 240 f.; vgl. Amend-Traut, Brentano, Fugger und Konsorten, S. 17. 6 Schmidt, Handelsgesellschaften, S. 35 f.; Kischka; Ausscheiden eines Gesellschafters; S. 44–46; Stobbe, Geschichte des Vertragsrechts, S. 161; Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 247; Peterka, Gesellschaftsverträge Jakob Fuggers, in: ZHR, Bd. 73 (1913), S. 387 [400]. 7 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Jansen, Jakob Fugger, S. 263 [264]. 8 Winker, Jacob Fugger, S. 76 f.; Jakob Fugger könnte die Struktur der compagnia im Rahmen seiner Studien des Handels- und Gesellschaftssystems in Italien kennengelernt haben. Winker, Jacob Fugger, S. 46 f. 9 Poppe, Handelsgesellschaft Oesterreicher, S. 10; Strieder, Zwei Handelsgesellschaftsverträge, 55–57.
I. Gesellschaften in Deutschland161
Erfolgschancen gegenüber allen Gesellschaftern gleichermaßen ihre Forderungen geltend machten.10 Die Forderungen mussten, insbesondere wenn sie das eingelegte Gesellschaftsvermögen übertrafen, mit Privatvermögen bezahlt werden.11 Während die gemeinsame Haftung der Gesellschafter aber in italienischen Städten meist generell normiert war, sucht man sie in deutschen Stadtstatuten des 15. Jahrhunderts vergebens. Sie kann nur im Gewohnheitsrecht verortet werden. Frühe schriftliche Hinweise auf eine solidarische Haftung finden sich in einzelnen Gesellschaftsverträgen, wie über den Fuggervertrag von 1494 hinaus im Weißhaupt-Schreiber-Dietmar-Vertrag von 149112 und dem Haug-Linck-Vertrag von 1547.13 Weiter kann die Passage, „[…] daß wir sollen vor allen dingen dye schuldt so wir schuldig seyenn zallen […]“, aus den Gesellschaftsverträgen der Rehlinger von 1522 und 1526,14 wie auch Kischka meint,15 eine vereinbarte Solidarhaftung enthalten.16 Dass die 10 Als Beispiel dient der Bankrott der Augsburger Höchstetter von 1529, in dem die Gläubiger sich an alle verfügbaren geschäftsführenden Gesellschafter wandten. Siehe dazu, Chronik des Clemens Sender, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 4, S. 1 [222]. 11 Beispielsweise im Bankrottfall des Memminger Zweigs der Zangmeister-Gesellschaft im Jahr 1560 zahlten die drei Hauptgesellschafter neben Teilen ihres Privatvermögens letztlich sogar mit dem in der Gesellschaft liegenden Heiratsgut ihrer Frauen. Westermann, Handelsgesellschaft der Zangmeister, in: VSWG, Bd. 6 (1908), S. 460 [476–483, 498 f., 502]; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 171. 12 […] dar inn söllen und wöllen wir unnd unnser erben ain annder uff unnser aller gemain gesellschafft costen und schaden byständig berauten unnd beholffen sein, […], Regelung im Gesellschaftsvertrag von 1491, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 9 [17]. Diese Regelung betraf zwar speziell die Zahlung für Forderungen aus gerichtlichen Verurteilungen und demnach nicht den Regelfall. Die Regelung kann dennoch, auch wegen fehlender abweichender Regelungen, eine innerhalb der Gesellschaft allgemein anerkannte Rechtsauffassung widerspiegeln. 13 […] die all [Schulden] sollen wir samentlich zu bezallen verpunden bliben gantzlich abzuzallen biß auff den losen pfenning also manigcklich verclagpar hallten. Passage aus dem Gesellschaftsvertrag von 1547, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 123 [126]. Auch hier ist zwar zunächst nur eine Sonderregelung, vorliegend für den Fall der Liquidation der Gesellschaft gegeben, wie auch Kischka einwendet, in: Kischka, Ausscheiden eines Gesellschafters, S. 45. Aber, wie im Weißhaupt-Schreiber-Dietmar-Vertrag, kann darin ein Ausfluss der regelmäßigen Rechtsanwendung in der Gesellschaft zu sehen sein. Vgl. zu diesem Vertrag auch Strieder, Zwei Handelsgesellschaftsverträge, S. 56 f. Strieder bejahte hier eine solidarische Haftung. 14 Regelungen in den Gesellschaftsverträgen von 1522 und 1526, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 37 f. [37 f.] und 38 [38]. 15 Vgl. Kischka, Ausscheiden eines Gesellschafters, S. 46. 16 Riebartsch, in: Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 247, sah hier wegen der Formulierung „wir sollen“ keine verpflichtende Bestimmung, sondern nur
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
meisten anderen Verträge die gemeinsame Haftung nicht regelten, kann bedeuten, dass solche Regeln in einer von engen Familienbanden beherrschten Gesellschaft nicht explizit festgeschrieben werden mussten, sondern als geltend vorausgesetzt wurden.17 Um eine gemeinsame Haftung zu belegen, können auch Regelungen über die Bürgschaft herangezogen werden. In den Handelsgesellschaften des 15. Jahrhunderts fand sich eine der Bürgschaft ähnliche Situation, wobei alle Gesellschafter dafür eintraten, gemeinsame Geschäftsschulden zu begleichen. Sie bürgten sozusagen für die diesbezügliche Zahlung an den betreffenden Gläubiger. Beispielsweise enthielt der Schwabenspiegel aus der Zeit vor dem Jahr 1276 unter Landrecht Nr. 9 eine Regelung der gemeinsamen anteiligen Haftung, nach der ein Gläubiger alle [Bürgen] an sprechen solle.18 Dass generelle Regelungen fehlten, die sich explizit auf die Gesellschafterhaftung bezogen, und dass Haftungsfragen höchstens in Gesellschaftsverträgen geregelt waren, beruhte auf der Ausrichtung der Gesellschaftsstrukturen nach innen, die im deutschen Raum im Gegensatz zu Italien vorherrschte.19 Zwar hafteten in den Gesellschaften alle Beteiligten solidarisch. Da aber nur der jeweils Geschäftsführende gegenüber einem Geschäftspartner der Gesellschaft auftrat, ohne unbedingt die Namen der anderen Gesellschafter zu nennen, haftete in der Praxis regelmäßig nur dieser.20 Er allein zahlte für die Verbindlichkeiten aus „seinem“ Geschäft, obgleich auch die anderen Gesellschafter, wenn man sie kannte, beansprucht werden durften. Das zeigte sich in Fällen, in denen ein Geschäftsführer aufgrund eines Bankrotts zahlungsunfähig wurde. Die Außenerscheinung der Gesellschaftereine Willensäußerung. Diese Sichtweise ist jedoch wohl einer Rechtsauslegung nach heutigen Maßstäben, die jedoch nur unter größter Vorsicht auf frühneuzeitliche Regelungen angewendet werden sollten, geschuldet und daher in Zweifel zu ziehen. 17 Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 248. 18 Unde ist daz ein man des andern bürge wirt oder ein wip, unde wirt mer liute mit im bürge, unde werden si unverscheidenlichen bürgen: jener klaget wol under in us swelhen er wil. Aber ein meister, heizet Adrianus, der des lantrehtes vil gemachet hat, der sprichet er sülle si alle an sprechen. Wan ez diuhte die liute, da waer gesaerde bi, ob er einen an spraeche unde den andern niht. unde ist einer dar under der niht ze gelten hat, des sullen die andern alle schaden haben. Regelung, in: Wackernagel, Der Schwabenspiegel, Teil 1, S. 13. 19 Winker, Jacob Fugger, S. 66 f., 76 f. Als weiterer Unterschied zwischen Handelsgesellschaften in Italien und in Süddeutschland ist anzumerken, dass man süddeutsche Unternehmen meist gemäß der zentral auf einen Hauptsitz ausgerichteten Faktoreiverfassung und italienische gemäß der dezentral ausgerichteten Filialverfassung ausrichtete. v. Stromer, Struktur deutscher Unternehmen, in: Tradition, Bd. 13 (1968), S. 29 [35]; Bauer, Unternehmensformen, S. 33–36. 20 Winker, Jacob Fugger, S. 66 f., 76 f.
I. Gesellschaften in Deutschland163
strukturen änderte sich im deutschen Raum erst zum Ende des 15. Jahrhunderts, wie der Gesellschaftsvertrag der Fugger von 1494 zeigte, gemäß dem alle Gesellschafter bei einem Geschäftsabschluss genannt wurden.21 In diesem Sinne setzte sich die Außenhaftung aller Gesellschafter mit der Zeit gegen die nur nach innen wirkenden Regelungen zum Gesellschaftsverhältnis, die im gemeinen Recht verhaftet waren, durch.22 2. Gesellschaften in Norddeutschland und Süddeutschland im Vergleich Im Norden tauchte zum Ende des 15. Jahrhunderts im lübischen Rechtsbereich als eine der compagnia ähnliche Gesellschaftsform die „vulle mascopey“ oder „vulle selschap“ auf. Zum ersten Mal findet sie sich in 11 Lübecker Ratsurteilen, wobei sie als „vulleselschopp“ als erstes in einem Verfahren von 1465 zutage trat, wenn auch in noch vage ausgestaltet.23 In dieser Art von Handelsgesellschaft hafteten grundsätzlich wie in der compagnia alle Gesellschafter nach außen gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Das betraf auch solche, die nicht an der Geschäftsführung beteiligt waren.24 Doch wendete man sich trotzdem sehr selten an nicht mitarbeitende Gesellschafter,25 da im gesamten deutschen Raum die Gesellschafterstrukturen nach außen noch nicht in dem heutigen Maße verstanden und kommuniziert wurden.26 Trotzdem zeigte sich in einigen Rechtsstreitigkeiten, dass die grundlegende solidarische Haftung bereits als Rechtsprinzip anerkannt war. So betrafen mehrere Lübecker Ratsurteile die Haftung einer Person wegen der behaupteten Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft. In einem frühen Streitverfahren von 1486 forderte Mattis Lucke den Lübecker Bürger Hinrich Vinke auf, Kupfer zu bezahlen, dass Otto Brakel bei ihm in Schweden gekauft hatte. Er begründete die Forderung damit, dass Vinke mit Brakel in vuller selschop verbunden sei, was Vinke leugnete. Letztlich durfte Vinke seine Gegenbehauptung wegen der unklaren Beweislage beeiden und musste nicht für die Kaufpreiszahlung haften.27 21 Winker,
Jacob Fugger, S. 76 f. Gründungsvoraussetzungen von Handels- und Aktiengesellschaften, S. 24 f.; Amend-Traut, Art. Handelsgesellschaften, in: HRG, Bd. 2, Sp. 703 [704]; vgl. Westphalen, Commentar zum Hamburgischen Stadtrecht, Bd. 1, S. 346. 23 Ratsurteil (Nr. 69) vom 15.07.1465, in: Ebel, Lübecker Ratsurteile, Bd. 4, S. 49 f.; vgl. Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 308. 24 Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 324. 25 Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 266. 26 Cordes, Wie verdiente der Kaufmann sein Geld?, S. 14. 27 Cordes, Kupfer aus Schweden, in: Falk / Luminati / Schmoeckel, Fälle aus der Rechtsgeschichte, S. 164 [167–170], hier auch das Ratsurteil vom 13.09.1486. 22 Söhnchen,
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
Andere Streitigkeiten um die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft entstanden oft, wenn ein Schuldner verstarb und dessen Gläubiger sich an eine andere Person wendeten, da diese mit dem Verstorbenen angeblich in einer Gesellschaft gestanden und nun solidarisch für dessen Schulden zu haften habe.28 Zum Beispiel wehrte sich Johann Koep in einem Verfahren vor dem Lübecker Rat aus dem Jahr 1528 mit einem Drittwiderspruch gegen die Vollstreckung durch die Gläubiger des verstorbenen Hans Mensing in sechs Stücke Wachs, die er selbst käuflich erworben hatte. Die Gläubiger behaupteten, Johann Koep habe mit Hans Mensinck in fuller masschup gestanden und habe daher solidarisch für dessen Schulden mit seinem Vermögen zu haften.29 Wenn wie in diesen Fällen die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft streitig war, konnte der Beklagte vor Gericht stets beeiden (Eineid), dass er nicht Gesellschafter sei, und konnte damit der Solidarhaftung für die Gesellschaft ausweichen.30 Somit funktionierte das theoretisch eigentlich anerkannte Prinzip der Solidarhaftung in der Praxis nicht beziehungsweise konnte sich in der Rechtswirklichkeit vor Gericht nicht durchsetzen. Die vulle mascopey hatte noch nicht die Bedeutung einer Gesellschaft, die über eine funktionierende solidarische Außenhaftung aller Gesellschafter verfügte.31 Ein einzelnes Beispiel für eine wirkliche Außengesellschaft stellte die um 1409 gegründete venedyesche selscop dar, die sich aus mindestens zehn Lübecker Kaufleuten um Hildebrand Veckinchusen zusammensetzte und die größte überlieferte Gesellschaft des Hanseraums darstellte. Diese Handelsgesellschaft agierte nicht auf den üblichen hansischen Seehandelswegen von Flandern in den Ostseeraum, sondern handelte hauptsächlich über Land zwischen Venedig und dem Hanseraum im Norden mit Waren des Orients, 28 Cordes,
Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 265. vom 18.03.1528, in: Ebel, Lübecker Ratsurteile, Bd. 3, S. 60 f. Die Vollstreckung in das Eigentum des Johann Koep wurde letztlich wegen Unzuständigkeit des Lübecker Rats für ungültig erklärt, da Johann Koep Hamburger Bürger war. In einem anderen Lübecker Verfahren von 1543 des Claws Wiltfang als Gläubiger des verstorbenen Wilhelm Stalhot gegen Hans thor Klus verneinte der Rat eine vullenkamene masschuppie zwischen Wilhelm Stalhot und Hans thor KluS. Urteil vom 16.06.1543, in: Ebel, Lübecker Ratsurteile, Bd. 3, S. 347, weiteres Urteil zu dieser Thematik vom 09.02.1544 auf S. 376. 30 So geschehen im genannten Lübecker Ratsurteil von 1486. Siehe S. 163. In einem anderen Fall, in dem der Beklagte die vulle mascopey nicht leugnete, wurde dieser dagegen zur Haftung für die Schulden des Mitgesellschafters verurteilt. Urteil vom 04.08.1503 (Nr. 128), in: Ebel, Lübecker Ratsurteile, Bd. 2, S. 69; vgl. Cordes, Kupfer aus Schweden, in: Falk / Luminati / Schmoeckel, Fälle aus der Rechtsgeschichte, S. 164 [169]; vgl. Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 265. 31 Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 96 f., 308; Cordes, Kupfer aus Schweden, in: Falk / Luminati / Schmoeckel, Fälle aus der Rechtsgeschichte, S. 164 [172]. 29 Urteil
I. Gesellschaften in Deutschland165
wie Gewürzen und Weihrauch aus Venedig und Rosenkränzen aus Bernstein, Pelzen und Tuch aus Flandern und dem Ostseeraum.32 Um die Handelsströme effektiv lenken zu können, verteilten sich die Gesellschafter entlang des Handelswegs, unter anderem auf die Hauptniederlassungen der Gesellschaft in Augsburg, Brügge, Köln, Lübeck und Venedig.33 Der Handel auf der Nord-Süd-Achse gestaltete sich erfolgreich und gewinnbringend, bis die Gesellschaft im Jahr 1412 letztlich wegen Fehlinvestitionen des in Venedig residierenden Gesellschafters Peter Karbow in den Bankrott geriet.34 Die venedyesche selscop stellte die erste bekannte norddeutsche Handelsgesellschaft dar, in der alle Gesellschafter solidarisch nach außen hafteten, wenn auch noch nicht aufgrund eines Gesetzes, sondern aufgrund von einzelvertraglichen Vollmachtbriefen. Die aus Vollmachtbriefen hergeleitete Außenhaftung wurde aus italienischen Handelsbräuchen übernommen, mit denen man den Ein- und Verkauf von Waren auf Kredit abwickelte. Im Gegensatz zu Italien waren Handelsvollmachten im norddeutschen Raum bis dahin nur verwendet worden, um die Hinterlassenschaft eines in der Fremde verstorbenen Kaufmanns einzutreiben.35 Eine erste norddeutsche Regelung zu einer Gesellschaft mit ihren Haftungsverhältnissen enthielt der Segeberger Kodex von 1532. Dessen Abteilung 4, § 7 regelte, dass welck man mydt enem anderen selschop makenn will de se wol to weme he sines gudes belouet wente wat de ene kofft offte vorgifft dat mot de ander betalenn so verne alse sin gudth kerth […].36 Nach dieser Norm hatte jeder Gesellschafter solidarisch mit seinem Privatvermögen für alle Verbindlichkeiten einzutreten, die ein Gesellschafter im Namen der Gesellschaft eingegangen war. Die Formulierung, so verne alse sin [privates] gudth kerth, wies darauf hin, dass in unbeschränkter Höhe solidarisch zu haften war, auch mit dem gesamten Privatvermögen eines Gesellschafters. Es war nach dem weiteren Regelungstext aber möglich, vertraglich zu vereinbaren, dass die Gesellschafter die Gesellschaft in Geschäften nicht höher als zum Betrag des gesamten Gesell32 Kluge, Handelsgesellschaft der Kaufleute Veckinchusen, in: Hansische Geschichtsblätter (2013), S. 33 [42 f.]; Hammel, Art. Veckinchusen, in: Biograph. Lexikon Schleswig-Holstein u. Lübeck, S. 358 [360 f.]. 33 Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 254; Kluge, Handelsgesellschaft der Kaufleute Veckinchusen, in: Hansische Geschichtsblätter (2013), S. 33 [41]. 34 Kluge, Handelsgesellschaft der Kaufleute Veckinchusen, in: Hansische Geschichtsblätter (2013), S. 33 [36 f., 43–45]; Hammel, Art. Veckinchusen, in: Biograph. Lexikon Schleswig-Holstein u. Lübeck, S. 358 [361]. 35 Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 255–257; Cordes, Wie verdiente der Kaufmann sein Geld?, S. 17. 36 Regelung, in: Hach, Das Alte Lübische Recht, S. 553 f.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
schaftsvermögens, also der Einlagen, verpflichten durften.37 Damit bezweckte man jedoch nicht, die Gesellschafter gegenüber Dritten vor Nachzahlungen zu schützen. Vielmehr weist diese Norm darauf hin, dass hier noch keine eigenständige Gesellschaft geregelt war, da das Handeln der Gesellschaft noch überwiegend von den Beteiligten und deren Vermögen und weniger von der Gesellschaft als einer institutionellen Einrichtung abhing.38 Es sollte in diesem Sinne nur mit dem Vermögen gehandelt werden, dass bei den Teilhabern vorhanden war. Eine wirkliche Gesellschaft war erstmals im revidierten lübischen Stadtrecht von 1586 normiert, dass die Möglichkeit der Beschränkung des Geschäftsumfangs auf das Gesellschaftsvermögen nun nicht mehr enthielt.39 Lib. 3, Titel 9, Nr. 5 des Stadtrechts regelte ansonsten im Kern genau wie der Segeberger Kodex, dass Waren, die der eine kaufft, mus der ander bezalen, so fern sein Gut reichet.40 Für Verluste haftete man im Lübecker Raum konkret dann im Innenverhältnis in der Höhe nach Markzahl, also im Verhältnis der Gesellschaftsanteile zueinander. Die Gewinne teilte man aber im Verhältnis der Anzahl der Gesellschafter zueinander (nach Mannzahl).41 Das bestimmte unter anderem bereits das Lübecker Stadtrecht nach dem Bardewikschen Codex von 1294 unter „van kvmpanye“.42 Die Formel „nach Markzahl“ wurde als gesellschaftsrechtliches Teilungsprinzip zu dieser Zeit hauptsäch37 Darumme se malck woll to wem he fines gudes beloueth ane dat were sake dat se under ein ander beschedenheit hebben gemaketh also myt stroffen edder breuen erer ein up dem anderen to vorschele also dat de ene nicht hoger kopenn moghe wen erer beider gudt wert sy, edder enenn summen geldes mer, wen ere gudt wert sy […]. Regelung aus Abteilung 4, § 7 Segeberger Kodex, in: Hach, Das Alte Lübische Recht, S. 553 f.; vgl. Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 94 f.; vgl. Keutgen, Hansische Handelsgesellschaften, in: VSWG, Bd. 4 (1906), S. 567 [604 f.]. 38 Vgl. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 94 f. 39 Die neue Lübecker Regelung war nun auch mit „Von Gesellschafften und Marscopeyen.“ und nicht mehr mit der Formulierung „Welck man mydt dem anderenn Selschopp maket.“ des Segeberger Kodexes überschrieben. Regelungen, in: Hach, Das Alte Lübische Recht, S. 553 f. und Balhorn, Statuta und Stadtrecht Lübecks, S. 125. 40 Regelung, in: Balhorn, Statuta und Stadtrecht Lübecks, S. 127. Nicht ganz klar ist aber, ob die Regelung schon eine grundsätzlich verbindliche Wirkung entfaltete. Fraglich ist, wie die normierte Gesellschaft in der Praxis umgesetzt wurde und ob sich ein Gesellschafter, der wegen Gesellschaftsschulden verklagt wurde, vor Gericht nun nicht mehr, wie in den beschriebenen Fällen, nur durch eine eigene beeidete Aussage der Haftung entziehen konnte. Cordes, Kupfer aus Schweden, in: Falk / Luminati / Schmoeckel, Fälle aus der Rechtsgeschichte, S. 164 [172]. 41 DRW, Bd. 9, Sp. 299; Cordes, Wie verdiente der Kaufmann sein Geld?, S. 6. 42 Wederleget iemen den anderen in cvmpanie. So wanne se schichten scholen. is dar houetgvt vnde winninge. So scal he to voren vp boren. dat he to voren heuet vt geleget. dat andere scolen se like delen. Is dar min den houetgvt. So scholen se
I. Gesellschaften in Deutschland167
lich in Norddeutschland normiert, wurde aber auch im Süden zum Beispiel in Frankfurt und Basel verwendet.43 Nach Cap. 90 (Von den, die da geselschafft haben an weydtkauffen) des Erfurter Zuchtbriefs von 1351 sollten Gewinne nach der Personenanzahl (noch der manzal) und nicht noch der Marckzale verteilt werden.44 Im Vergleich zum Norden sind aus Süddeutschland mehr Handelsgesellschaften überliefert, die mit einer italienischen compagnia annähernd vergleichbar waren. Städte wie Augsburg, Frankfurt, Nürnberg oder Ravensburg stellten nicht zuletzt wegen ihrer zentralen Lage in Mitteleuropa wichtige Ausgangspunkte für den Fernhandel dar. Die dort beheimateten Gesellschaften waren dauerhafter und größer angelegt und erzielten auch höhere Umsätze, während nördliche Gesellschaften meist zeitlich kurz befristet waren oder sich gar auf ein einziges Geschäft beschränkten, da man damit das wirtschaftliche Risiko verringern wollte. Überhaupt verstanden die damaligen norddeutschen Kaufleute eine Gesellschaft noch nicht als dauerhaft etablierte Einheit, sondern betrachteten sie aus der Tradition der commenda heraus eher noch als eine „Gelegenheitsgesellschaft“. Das zeigt sich daran, dass Kaufleute wie Hildebrand Veckinchusen oder Hermann Morneweg an mehr als einer Gesellschaft gleichzeitig beteiligt waren.45 Da das Kapital auf mehrere Unternehmungen aufgesplittert wurde, konnten keine großen und dauerhaften Handelsgesellschaften entstehen.46 Die Aufteilung des Vermögens widersprach auch dem einer Gesellschaft eigentlich inne wohnenden Grundsatz eines Konkurrenzverbots unter den Gesellschaftern, um nur der einen Gesellschaft zu möglichst hohem Gewinn zu verhelfen. Ein allgemeines Konkurrenzverbot war aber noch nicht etabliert. Italienische compagniae unterlagen dagegen bereits um das Ende des 13. Jahrhunderts einem Konkurrenzverbot.47 Dieses setzte sich auch in Süddeutschland allmählich durch, wobei ein Konkurrenzverbot zum Beispiel im Gesellschaftsdat gvt schichten. alse se it to samene geleget. na marktale. Vorschrift, in: Korlén, Norddeutsche Stadtrechte, Bd. 2, S. 132. 43 Siehe beispielsweise eine Frankfurter Vereinbarung über die Vererbpachtung von Kaufläden an mehrere Händler von 1290, in: Loersch / Schröder, Urkunden zur Privatrechtsgeschichte, S. 112 f., Nr. 155 (155); zu Basel siehe S. 171. 44 Regelung, in: Förstemann, Erfurter Zuchtbrief, in: NMittThürSächs, Bd. 7 (1846), S. 101 [117]. 45 Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 14–16; Cordes, Wie verdiente der Kaufmann sein Geld?, S. 14; Engel, Städtisches Leben, S. 165 f.; Heße, Wettbewerbsverbote, S. 48–50; Strieder, Kapitalistische Organisationsformen, S. 97– 99; Hagedorn, Emder Seehandelsverkehr, in: Hansische Geschichtsblätter (1910), S. 187 [265–267], siehe auch die hier beschriebenen Beispielfälle aus Emden. 46 Strieder, Kapitalistische Organisationsformen, S. 97 f. 47 Bauer, Unternehmensformen, S. 28, 136 f.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
vertrag der Augsburger Meuting von 143648, dem Weißhauptvertrag von 1491 zwischen Biberacher und Ulmer Kaufleuten49 oder dem Vertrag zwischen den Nürnbergern Georg Koler und Jörg Kress mit Ambrosius von Saranno von circa 150050 explizit normiert war. Für die heutige offene Handelsgesellschaft, die vage Ursprünge in den Gesellschaften des Spätmittelalters findet, ist es geregelt in § 112 HGB. Auch wegen ihrer bereits meist sehr stabilen Institutionalisierung51 sind daher die süddeutschen Gesellschaften des Spätmittelalters, wie die der Fugger und die der Welser aus Augsburg oder die der Paumgartner aus Nürnberg, am ehesten als Gesellschaften im heutigen Sinne anzusehen. Diese Gesellschaften sind daher nicht zuletzt wegen ihrer Größe und stabilen Struktur bis heute allgemein bekannt geblieben52 und gestalteten süddeutsche Städte wie Augsburg, Nürnberg und Ulm zu Zentren des deutschen Frühkapitalismus.53 Begünstigt wurde die ungebremste Entwicklung der Handelsgesellschaften auch durch das Handelsgesetz Karls V. vom 10.03.1525. Bevor dieses Gesetz erlassen worden war, hatten dagegen einige Machthaber noch gefordert, die Ausdehnung der Gesellschaften und ihr Kapital zu begrenzen, auch um Monopolbildungen zu verhindern.54 Letztlich garantierte Karl V. in dem Handelsgesetz von 1525 aber, dass sich die kaufmännischen Handelsgesellschaften weiter frei und ungebremst entfalten durften.55
48 Es sol auch unser dhainer uns dhainerley kauffmanschafft noch gewerbe tryben durch sich selber noch durch ander lewt im selbs zunutz und ze fromen unerlaubt unser gesellschaft so lang die weret […]. Regelung im Gesellschaftsvertrag von 1436, in: Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 292 [293]. 49 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 9 [13]. 50 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 21 [23 f.]. 51 Trotzdem gilt dies auch nicht für den gesamten süddeutschen Raum. So ließ die Grosse Gesellschaft aus Basel noch zum Ende des 15. Jahrhunderts private Handelsgeschäfte ihrer Gesellschafter zu und enthielt also kein strenges Konkurrenzverbot. Hagemann, Basler Handelsgesellschaften, in: Festschrift für F. Vischer, S. 557 [564]. 52 Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 14–16. 53 Strieder, Kapitalistische Organisationsformen, S. 95 f. 54 Siehe dazu ein Schreiben Kaiser Karls V. vom 06.11.1522 an den Augsburger Rat, in: Ein Gutachten Conrad Peutingers, in: ZHVS(N), Bd. 2 (1875), S. 188 [190]. 55 Kohler, Karl V., S. 151; Strieder, Kapitalistische Organisationsformen, S. 77– 79.
II. Investitionen nicht geschäftsführender Gesellschafter 169
II. Investitionen nicht geschäftsführender Gesellschafter Im Gegensatz zur früheren Entwicklung in Italien, wo ohnehin ein fortschrittlicheres Gesellschaftsrecht galt, wurden im deutschen Raum erst ab dem 15. Jahrhundert in Süddeutschland vermehrt Einlagen in Handelsgesellschaften aufgenommen, die von Anlegern stammten, die nicht in der Gesellschaft mitarbeiteten, sondern nur ihr Vermögen gewinnbringend anlegen wollten. Die Kaufleute wollten dadurch jeweils ihr Gesellschaftsvermögen aufstocken, um ihre Unternehmungen auszubauen. Dennoch existierten früher schon nicht geschäftsführende Gesellschafter als familiäre Erben von Gesellschaftsanteilen. Um solche nicht geschäftsführenden Gesellschafter ergaben sich nun ähnliche Probleme wie zuvor in Italien. Eigentlich verfolgte eine Handelsgesellschaft den Zweck einer gegenseitigen Arbeitsgemeinschaft. Beteiligte sich jemand aber nur mit Kapital, ohne mitzuarbeiten, erschien nicht mehr ganz klar, wie diese Gesellschaftergruppe nach außen zu haften hatte. Nach den bestehenden Haftungsregelungen hatten auch die nicht Geschäftsführenden, wie die Geschäftsführer, in voller Höhe zu haften, wobei wie zuvor in Italien unverhältnismäßig gestaltete Haftungsverhältnisse im Raum standen. Obwohl die Anleger nicht an der Geschäftsführung der Gesellschaft beteiligt waren, hatten sie mangels anderslautender Regelungen, genau wie die Geschäftsführer, unbeschränkt solidarisch für Gesellschaftsschulden miteinzutreten.56 Letztlich war man sich zwar wohl nicht ganz sicher, ob und wie man gegen nur Kapital anlegende Gesellschafter vorgehen sollte. In jedem Fall wendeten sich die Gläubiger aber im Bankrott einer Gesellschaft, wenn die geschäftsführenden Hauptgesellschafter nicht zahlten, an alle Personen, die sie in einer Teilhaberrolle mit der betreffenden Gesellschaft in Verbindung bringen konnten, um ihre Forderungen noch einzutreiben.57 So versuchten zum Beispiel einige Gläubiger der Augsburger Weyer-Gesellschaft bei deren Bankrott im Jahr 1557, dem Sebastian Weyer eine Gesellschaftereigenschaft nachzuweisen und ihn neben seinen geschäftsführenden Brüdern Hans und David haftbar zu machen.58 Grundsätzlich liefen also die nicht geschäftsführenden Gesellschafter wie die geschäftsführenden stets Gefahr, auch mit ihrem Privatvermögen für Gesellschaftsschulden eintreten zu müssen und möglicherweise weit mehr als ihr in der Gesellschaft liegendes Kapital zu verlieren. Doch nicht nur die Haftung der nicht geschäftsführenden Gesellschafter, sondern ihr Status überhaupt, war noch nicht speziell geregelt. In wiederum 56 Strieder,
Kapitalistische Organisationsformen, S. 101–103. Haftung von Gesellschaftern, S. 45 f., 50–53. 58 Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 168–170, 265. 57 Thomas,
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
zeitlicher Verzögerung zu italienischen Städten bestimmte man nur langsam ab dem 15. Jahrhundert in einzelnen deutschen Stadtrechten und privaten Verträgen deutlicher die Merkmale geschäftsführender und nicht geschäftsführender Gesellschafter.
III. Anfänge von Haftungsbeschränkungen für nicht geschäftsführende Gesellschafter Erste Formen von Haftungsbeschränkungen für Gesellschafter tauchten in Süddeutschland Anfang des 15. Jahrhunderts in einzelnen Handelsbräuchen auf, wobei man die Höhe der Haftung vereinzelt schon von der Höhe des Gesellschaftsanteils abhängig machte. Man unterschied in der Haftung aber grundsätzlich noch nicht zwischen geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Gesellschaftern. Erstmals schriftlich geregelt wurden Haftungsbeschränkungen wohl in vereinzelten nicht überlieferten Gesellschaftsverträ gen,59 wobei schriftliche Vereinbarungen über Gesellschaften überhaupt um 1400 noch eine Ausnahme darstellten und sich die Gesellschafter noch fünfzig Jahre später oft ausschließlich auf mündliche Absprachen, gute Leumunde und Eide verließen, da für deutsche Gesellschaftsverträge im Übrigen im 15. Jahrhundert Schriftlichkeit nicht vorgeschrieben war.60 So finden sich nur spärliche Hinweise auf Haftungsbeschränkungen für die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts, als in Deutschland zu diesem Rechtsbereich noch keine generellen Normierungen vorhanden waren. Nur aus einzelnen Geschäftsunterlagen und Gesellschaftsverträgen einiger Gesellschaften und Gerichtsentscheidungen zu Gesellschaftern, die für Gesellschaftsschulden zahlen sollten, sind erste Ansätze von Haftungsbeschränkungen herauszulesen. Problematisch ist des Weiteren, dass die Strukturen der deutschen Gesellschaften noch stark nach innen ausgerichtet und nicht mit der italienischen compagnia zu vergleichen waren.61 Dabei blieb das Verhältnis der Gesellschaftsanteile zueinander, wenn es im Innenverhältnis überhaupt geregelt war, im Außenverhältnis noch unbeachtet, sodass diesbezüglich nur im Innenverhältnis ein Ausgleich unter den in verschiedener Höhe haftenden Gesellschaftern stattfinden konnte, wenn die jeweilige Innenregelung im Außenverhältnis nicht etwa gewohnheitsrechtlich anerkannt wurde.
59 v. Stromer, Struktur deutscher Unternehmen, in: Tradition, Bd. 13 (1968), S. 29 [33 f.]. 60 Bernard, Handel und Geldwesen, in: Cipolla / Borchardt, Europäische Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 177 [205]; Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 160–162. 61 Winker, Jacob Fugger, S. 66 f., 76 f.
III. Anfänge von Haftungsbeschränkungen171
1. Erste Risikobeschränkungen in Gesellschaften Eine erste Begrenzung des Risikos für Gesellschafter überhaupt, die über die ursprüngliche anteilige Haftung nach der Anzahl der Gesellschafter hinausreichte, ergab sich schon dadurch, dass Gesellschaftsschulden nach den Höhen ihrer Anteile auf die Gesellschafter verteilt wurden. Der prozentuale Anteil an den Schulden, die ein Gesellschafter zu bezahlen hatte, errechnete sich nicht mehr nur nach der Anzahl der zahlenden Gesellschafter, sondern nach den Höhen der eingelegten Anteile zueinander.62 Gleichwohl bezog sich die Teilung der Schulden im Verhältnis der Geschäftsanteile zu dieser Zeit wieder nur auf das Innenverhältnis. Diese Verteilungspraxis war insbesondere im norddeutschen Raum bereits um 1300 als Zahlung nach Markzahl normiert.63 Aber auch in Süddeutschland verteilte man Geschäftsverluste auf diese Weise.64 So ergibt sich beispielsweise aus vorliegenden Gerichtsurteilen aus Basel, dass zunächst alle Gesellschafter, die hier alle zusammen die Geschäfte führten, gemeinsam zur gesamten Hand ungeachtet der Höhen ihrer Einlagen im Außenverhältnis zu solidarischer Zahlung verurteilt wurden, ihnen aber vorbehalten blieb, später den zu viel bezahlten Betrag im Innenverhältnis im Sinne ihrer Einlagehöhe gegenüber den anderen Gesellschaftern geltend zu machen. Zum Beispiel hatten die drei geschäftsführenden Hauptgesellschafter der Halbysen-Gesellschaft je ein Drittel von 700 Gulden an den Gesellschaftsgläubiger Imer Bogkess, der als ehemaliger Gesellschafter seine Einlage zurückforderte, zu zahlen, obwohl ihre Einlagen verschieden hoch waren. Den drei Gesellschaftern wurde aber in dem betreffenden Urteil von 1432 vorbehalten, falls nach dem inneren Verhältnis der Einlagenhöhen zu viel gezahlt wurde, den zu viel gezahlten Teil von den Mitgesellschaftern zurückfordern zu dürfen, wie sich aus dem folgenden Wortlaut ergibt. Wenne daz beschicht, da mag under inen drynen yeglichem an den andern sin recht behalten sin, wer me oder minder geben und tragen sol an den egen. VII C guldinen; […].65 In einem anderen Fall von 1419 hatte Wilhelm Diethelm an Benz Keller 42 Gulden zu zahlen, wobei ihm im Urteil ein Ausgleichsanspruch gegenüber seinem ehemaligen Mitgesellschafter Muspach vorbehalten blieb.66 Langsam bildete sich, wenn auch nur für das Innenverhältnis der Gesellschafter, die allgemeine Ansicht
Stobbe, Geschichte des Vertragsrechts, S. 162. aus dem Bardewikschen Codex von 1294, in: Korlén, Norddeutsche Stadtrechte, Bd. 2, S. 132. 64 Siehe S. 167. 65 Protokoll, in: Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 134–137, 140, Entscheidung auf S. 141; siehe auch S. 83 f. 66 Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 85. 62 Vgl.
63 Vorschrift
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heraus, dass die Gesellschafter nach dem Verhältnis der Höhen ihrer Anteile zueinander haften sollten. Dennoch war die Höhe der Haftung in den vorgenannten Fällen aber nur prozentual im Verhältnis der Schuldner beziehungsweise Gesellschafter untereinander beschränkt, wobei der Haftungsbetrag in seiner Höhe noch nicht beschränkt war und höher ausfallen konnte, also auch höher als der Einlagebetrag. In diesen Fällen war die Haftung also nicht im eigentlichen Sinne beschränkt. 2. Haftung in der Gesellschaft der Familie Meuting (Augsburg) Deutlichere Anzeichen für eine Risikobeschränkung als eine Haftungsbeschränkung im eigentlichen Sinne, eine wertmäßige Beschränkung des Geldbetrags, erscheinen aus dem Vertrag vom 04.10.1436 zur Verlängerung und Erneuerung der Augsburger Gesellschaft der Familie Meuting zwischen den Augsburger Bürgern Hans Meuting dem älteren, Ulrich Meuting, Hans Meuting dem jüngeren, Claus Grander, genannt Meuting, Connrat Raud und Ludwig Horlin. Regierer der Gesellschaft war Hans Meuting, der jüngere. Diese Gesellschaft wurde um das Jahr 1430 gegründet und bestand sehr früh schon nicht nur aus Familienmitgliedern, sondern auch aus fremden Kapitalgebern. Sie handelte mit den üblichen über Venedig importierten Waren, wie Safran, war aber auch verstärkt im Handel mit Tiroler Erz und Silber aktiv.67 Die Summe, die jeweils ein Gesellschafter in die Gesellschaft einlegte, wurde durch den jeweiligen Gesellschafter mit im selbs hantschrifft in einem Gesellschaftsbuch notiert. Dieser Betrag sollte in gemainer gesellschafft ze gewin und ze verlust sten und unser yeglichs ander und übrig gut, daz in der gesellschaft buch nit yngeschriben ist, sol in gemain gesellschaft nit dienen noch darein gehören in dhainer weis noch wege ungevarlichen.68 Das heißt, jeder Gesellschafter war mit seiner Einlage an Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt. Das übrige Vermögen eines Gesellschafters, das über die eingelegte Summe hinausging und nicht im Gesellschaftsbuch erwähnt war, sollte aber nicht zur Haftung für Gesellschaftsschulden herangezogen werden können. Darin lag eine Beschränkung der Haftung auf den Wert der Einlage, anders als in der Basler Halbysen-Gesellschaft, wo nur 67 Strieder, Genesis des Kapitalismus, S. 98; vgl. zur Familie Meuting auch iebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 100 f., 123 f.; v. Ciriacy-Wantrup, R Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 132. 68 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 292 [292 f.] und in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 1 [2].
III. Anfänge von Haftungsbeschränkungen173
eine prozentual verschiedene Haftung der Gesellschafter bestand, aber keine Beschränkung in der Höhe. Die Art der Haftungsbeschränkung bei den Meuting ist nun mit der der accomandita vergleichbar. Sie unterschied sich lediglich darin, dass sie für alle Gesellschafter galt und nicht zwischen geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden unterschieden wurde, da anscheinend alle genannten an der Geschäftsführung beteiligt waren, was einen großen Unterschied zu einem „accomanditistisch“ haftenden Beteiligten darstellte.69 Wie in der Baseler Halbysen-Gesellschaft konnte die Haftungsbeschränkung der Gesellschaft der Familie Meuting im Gegensatz zur accomandita aber nur im Innenverhältnis zum Tragen gekommen sein, da eine gesetz liche Regelung fehlte und in Frage steht, ob die innere Haftungsbeschränkung im Außenverhältnis gewohnheitsrechtlich anerkannt wurde.70 Nach Cap. 389 des circa 200 Jahre lang geltenden Augsburger Stadtrechts von 1276 zum Beispiel konnte sich ein Gläubiger im Gegensatz zur Situation aus den Basler Urteilen, wo üblicherweise wohl alle bekannten Gesellschafter zusammen als Gesellschaft verklagt wurden, im Sinne des Bürgschaftsrechts mit einer Forderung zwar auch an alle Gesellschafter, aber genauso gut in unbeschränkter Höhe an einzelne Gesellschafter wenden.71 Es galt das Prinzip aus der Gesamthandsgemeinschaft. Die Höhe des eingelegten Kapitals und eine damit verbundene Haftungsbeschränkung aus einem Gesellschaftsvertrag oder wenigstens ein nach der Zahl der Gesellschafter bestimmter Gesellschaftsanteil musste dabei im Außenverhältnis durch einen Gesellschaftsgläubiger nicht beachtet werden, außer es bestand diesbezüglich eine Vereinbarung mit dem Gläubiger, sodass der Grundsatz „Geding bricht alles recht.“ galt. Ansonsten war gegenüber Dritten die Gesetzeslage und nicht der Gesellschaftsvertrag ausschlaggebend. Somit konnte ein Ausgleich zwischen den unbeschränkt und den beschränkt haftenden Gesell69 Zwar konnte die Gesellschaft auch nicht geschäftsführende Gesellschafter enthalten. Das bezog sich auf Erben der Gründer der Gesellschaft, die zumindest bis zur nächsten Rechnungslegung deren Stellung als Gesellschafter einnahmen, nicht aber die Geschäfte führen durften, was aus dem Meuting-Vertrag herauszulesen war. Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Möncke, Quellen zur Wirtschaftsund Sozialgeschichte, S. 292 [293]. Da für die als Erben eintretenden Gesellschafter aber die gleichen Haftungsmaßstäbe galten wie für die im Gründungsvertrag genannten Gesellschafter, ist für sie keine gesonderte Bewertung der Haftungssitua tion vorzunehmen. 70 Vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [250]. 71 Wenn Bürgen gesetzt sind mit den Selbstschollen unverscheidenlich, da hat Jener wohl gewald, dasz er beklagt under den bürgen, welchen er wil. Vorschrift, in: Stobbe, Geschichte des Vertragsrechts, S. 157 f.; vgl. Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 240.
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schaftern wieder nur im Innenverhältnis erfolgen.72 Im Gesellschaftsbuch der Meuting waren zwar die Namen aller Gesellschafter inklusive ihrer Einlagebeträge vermerkt, wobei eine solche Praxis in vielen Gesellschaften, wie der der Augsburger Höchstetter73, der Gesellschaft zwischen den Nürnbergern Georg Koler und Jörg Kress mit Ambrosius von Saranno74 und der Augsburger Rehlinger-Gesellschaft75 üblich war. Ein Gesellschaftsbuch diente jedoch, anders als das öffentlich einsehbare florentinische Handelsregister nur zur Absicherung der Gesellschafter untereinander und nicht zur Information der Gläubiger, da dieses wie alle Geschäftsunterlagen dem internen Gebrauch vorbehalten war. Die bei den Meuting vereinbarte eigenhändige Eintragung in das Buch der Gesellschaft sollte dabei möglicherweise als Vertrauen schaffende Maßnahme jeglichem Misstrauen bezüglich falscher Einträge entgegenwirken. Es bestand also für alle Gesellschafter die Gefahr, trotz einer Haftungsbeschränkung im Innenverhältnis nach außen mit dem Privatvermögen gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger eintreten zu müssen. Erst im Nachhinein konnten gezahlte Beträge gegenüber den übrigen Gesellschaftern zurückgefordert werden, sodass die im Gesellschaftsvertrag normierte Haftungsbeschränkung teilweise wirkungslos war. Mit der Zeit könnten Haftungsbeschränkungen auf die Einlage im Außenverhältnis zwar gewohnheitsrechtlich anerkannt worden sein.76 Jedenfalls wenn alle Gesellschafter zahlungsfähig waren, wird es einem Gläubiger gleichgültig gewesen sein, wer seine Forderung gegen die Gesellschaft bezahlt. Es ist aber wieder zu beachten, dass die Konzentration auf das Innenverhältnis gerade gewollt war, da die Strukturen deutscher Gesellschaften allgemein noch eher nach innen ausgerichtet waren. Zwar konnten dadurch alle Gesellschafter im Außenverhältnis unbegrenzt in Anspruch genommen werden. Das kam aber im täglichen Geschäftsverkehr üblicherweise nicht vor, da nur die jeweils 72 Vgl. Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 240 f.; vgl. v. CiriacyWantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 254. 73 Regelung im Gesellschaftsvertrag von 1524, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 39 [40]. 74 Regelung im Gesellschaftsvertrag von circa 1500, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 21 [21]. 75 Regelung im Gesellschaftsvertrag von 1511, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 29 [29]. 76 Vgl. Westermann, Handelsgesellschaft der Zangmeister, in: VSWG, Bd. 6 (1908), S. 460 [493], der aber fälschlicherweise von der Einlage eines beschränkten Betrags auf die Haftung nur mit diesem Betrag schloss. Die Einlage eines naturgemäß in der Höhe beschränkten Betrags durch einen geschäftsführenden oder nicht geschäftsführenden Gesellschafter kann nicht auf die Haftung für Verluste nur mit der Einlage übertragen werden.
III. Anfänge von Haftungsbeschränkungen175
Handelnden für Schulden eintraten.77 Beträge, die ein Gesellschafter im Sinne einer Haftungsbeschränkung zu viel gezahlt hatte, wurden dann im Innenverhältnis erstattet. Dabei ist darauf zu verweisen, dass viele gesellschaftliche Probleme aufgrund einer intakten und engen familiären Verbundenheit der Geschäftsführer, durch die sich speziell Augsburger Gesellschaften auszeichneten, bereits im Innenverhältnis gelöst werden konnten.78 So konnte eine Haftungsbeschränkung praktisch nur in einem Bankrott der Gesellschaft nicht mehr greifen, wenn sämtliche Verluste von allen Gesellschaftern ohne Rücksicht auf ihre Einlagehöhen, auch unter Einsatz ihres Privatvermögens, getragen werden mussten.79 Neben den im Gesellschaftsvertrag genannten Teilhabern engagierten sich in der Meuting-Gesellschaft aber auch externe Personen, allerdings auf unterer Ebene. So trat Burkard Zink im Jahr 1441 für drei Jahre als Diener der Gesellschaft bei und legte gleichzeitig 500 fl. auf Gewinn und Verlust ein, sodass er auch Gesellschafter wurde. Abgesehen von seiner weisungsgebundenen Tätigkeit als Diener, für die er eine Fürlegung von 200 fl. und einen jährlichen Lohn von 60 fl. erhielt, nahm er dabei nicht an der übergeordneten Geschäftsführung der Gründungsgesellschafter teil. Trotzdem unterschied sich seine Mitarbeit in der Gesellschaft, die eigenständig durchgeführte Handelsreisen als Faktor umfasste, nicht wesentlich von der Geschäftsführung durch die Hauptgesellschafter. Daher war Zink nicht als nicht geschäftsführender und nur Kapital einlegender Gesellschafter im Sinne der Fragestellung dieser Arbeit anzusehen. Im Übrigen ist ohnehin unklar, inwieweit er für Gesellschaftsschulden mitzuhaften hatte und ob auch seine Haftung wie die der Hauptgesellschafter auf die Höhe seiner Einlage beschränkt war.80
77 Winker,
Jacob Fugger, S. 66 f., 76 f. v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 212 f. 79 Vgl. dazu diesen im Bankrott der Memminger Zangmeister-Gesellschaft eingetretenen Fall von 1560, in dem die drei Hauptgesellschafter der Familie Zangmeister unter Protest mit ihrem gesamten Privatvermögen zu haften hatten und sich sogar ihre Ehefrauen notgedrungen zur Haftung mit ihrem Heiratsgut bereit erklärten, da eine Vielzahl an Gläubigern und Bürgen zu befriedigen war, Westermann, Handelsgesellschaft der Zangmeister, in: VSWG, Bd. 6 (1908), S. 460 [476–483, 498 f., 502]; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 171. 80 Chronik des Burkard Zink, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 2, S. 1 [133 f.]; Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 67. 78 Vgl.
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3. Haftung in der Halbysen-Gesellschaft (Basel) Im Gegensatz zur Meuting-Gesellschaft enthielt die Halbysen-Gesellschaft auch nicht geschäftsführende Gesellschafter,81 die Vermögen zu Gewinn und Verlust eingelegt hatten und für Gesellschaftsschulden mithafteten. Für sie galt dabei eine gewisse Haftungsbeschränkung, die aber wieder nur das Innenverhältnis betraf. Nach außen hatten die nicht geschäftsführenden Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern aber grundsätzlich gar nicht zu haften. Das belegt ein Streitfall von 1438 um eine Forderung des Jan Lobieri in Höhe von 700 Gulden gegen die Halbysen-Gesellschaft, die die Hauptgesellschafter nicht alleine begleichen wollten und daher versuchten, die nicht geschäftsführenden Gesellschafter, zum Haupt, Bogkess, Schach, Stützenberg und Gurli, mithaftbar zu machen. Die nicht Geschäftsführenden wendeten ein, sie seien erstens keine Gesellschafter mehr, hätten auch nie mitgearbeitet und es stehe noch eine Gewinnzahlung an sie aus. Trotzdem erklärten sie sich bereit, durch größere oder kleinere Teilhabe an Gewinn und Verlust, gegenüber den Gläubigern für Schulden einzustehen, die entstanden seien, während sie Gesellschafter waren. Da diese Gesellschafter aber nicht in der Gesellschaft mitarbeiteten und daher nach außen nicht auftraten, hatten sie für das Gericht keine Bedeutung und es verurteilte letztlich nur die Hauptgesellschafter zur gesamtschuldnerischen Zahlung.82 Das Gericht behielt den Verurteilten aber das Recht vor, untereinander im Innenverhältnis nach dem Höhenverhältnis der Einlagen möglicherweise zu viel gezahltes Vermögen von den beschränkt Haftenden zurückzufordern.83 Man ging dabei von einer Haftung nach markzal aus.84 81 Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 98 f.; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 142. 82 Protokoll, in: Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 151 f.; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 142. Apelbaum sah die Herren, zum Haupt, Bogkess, Schach, Stützenberg und Gurli nicht als Gesellschafter an. Sie stünden mit der Gesellschaft nur in einem commenda-Verhältnis. Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 100 f.; der Wortlaut der Aussage des Conrat zum Haupt erwähnt aber ausdrücklich eine frühere Zugehörigkeit zur gesellschafft und dessen eingelegtes höptgüt. Vgl. Hagemann, Basler Handelsgesellschaften, in: Festschrift für F. Vischer, S. 557 [558 f.]. 83 Hettint si aber utzit miteinander ze sprechend, […] daz einer me sölte abtragen denne der ander, […], daz möchtent si harnach under einandern usstragen, und da sölte öch yederman red und widerred und wazz recht wer behalten sein. Protokoll, in: Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 145. 84 Vgl. den folgenden Auszug aus dem Vortrag des Conrat zum Haupt im Protokoll, in: Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 152. […] wer denne daz verlust da wer, bekannte er sich wol, daz er den nach markzal billich sölte helffen tragen. Vgl. Hagemann, Basler Handelsgesellschaften, in: Festschrift für F. Vischer, S. 557 [560].
III. Anfänge von Haftungsbeschränkungen177
Da das aber eine Haftung nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile zueinander bedeutete, waren die nicht geschäftsführenden Gesellschafter in der Haftungshöhe, wie auch die Hauptgesellschafter, nicht wertmäßig, sondern nur prozentual, beschränkt. Die Haftung war nicht wie in der florentinischen accomandita auf den Wert der Einlage beschränkt. Ein weiterer Unterschied zur accomandita bestand darin, dass die nicht geschäftsführenden Gesellschafter nach allgemeiner Ansicht nach außen gar nicht auftraten. Alle ihre Rechte und Pflichten gegenüber Außenstehenden sowie der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer betrafen im Sinne des damaligen Charakters der deutschen Personengesellschaften allein das Innenverhältnis. Das erinnert teils an eine heutige stille Gesellschaft. Trotzdem wurden die nicht Handelnden in den Baseler Gerichtsakten allgemein als Gesellschafter angesehen und bezeichnet. Einen Status, der mit späteren Kommanditisten vergleichbar gewesen wäre, erreichten sie dadurch aber auch nicht. Zwar waren zwei Arten von Gesellschaftern vorhanden, die nicht arbeitenden und die arbeitenden, die sich durch eine unterschiedliche Außenhaftung auszeichneten. Letztendlich wurden aber die Haftungshöhen beider gleich berechnet. In welcher Höhe ein Gesellschafter zu haften hatte, bestimmte sich nach dem prozentualen Verhältnis der Anteilshöhen zueinander. Folglich waren die Haftung und das Anlagerisiko auch für die nicht geschäftsführenden Gesellschafter in der wertmäßigen Höhe praktisch nicht beschränkt. Spätestens in einem Bankrott der Gesellschaft hätten sie unabsehbar hohe Beträge an Gesellschaftsgläubiger zahlen müssen, was nicht einer Gesellschaft im Sinne der florentinischen accomandita oder einer späteren Kommanditgesellschaft entsprach, die das Anlagerisiko eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters tatsächlich beschränken könnten.85 Ohnehin erscheint zweifelhaft, ob das Baseler Gericht im dargestellten Fall auch abgelehnt hätte, dass der Gesellschaftsgläubiger die nicht Geschäftsführenden direkt in Anspruch nimmt, wenn sich, beispielsweise in einem Gesellschaftsbankrott, alle geschäftsführenden Gesellschafter vor ihrer Haftung geflohen wären und nur noch die nicht geschäftsführenden greifbar gewesen wären. 4. Haftung in der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Nicht geschäftsführende Gesellschafter sind auch für die Große Ravensburger Gesellschaft belegt. Dieses verhältnismäßig große Unternehmen, das eine Vielzahl auswärtiger Niederlassungen besaß, bestand seit circa 1380 und wuchs bis ungefähr 1420 zu seiner endgültigen Form als ein Zusammenschluss der Familien Humpis, Muntprat und Mötteli, wobei diese Kauf85 Vgl. Hagemann, Basler Handelsgesellschaften, in: Festschrift für F. Vischer, S. 557 [558, 560].
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mannsfamilien zuvor noch einzeln Handel getrieben hatten.86 Die Ravensburger Gesellschaft unterhielt einen weiten Handelsraum. Nach Süden pflegte sie einerseits enge Handelsbeziehungen nach Venedig, Florenz und Pisa, aber auch nach Siena und Mailand mit dem dazugehörigen Genua, das den am nächsten gelegenen Seehafen besaß und Handelsreisen in den weiteren Mittelmeerraum eröffnete, so zum Beispiel nach Spanien.87 Speziell pflegte sie Verbindungen zur Bank der Martelli und zur einflussreichen Bank der Medici.88 Trotzdem engagierte sich die Gesellschaft wohl vorrangig im Waren- und weniger im Finanzhandel.89 In der Zeit ihres Wirkens bis zum Jahr 1530 bestand die Große Ravensburger Gesellschaft aus Personen aus über 100 Familien neben Ravensburg aus einigen anderen Städten Süddeutschlands, wie Konstanz, Nürnberg und Lindau.90 Über ihr innere Ordnung ist wenig bekannt, unter anderem da ein Gesellschaftsvertrag nicht überliefert ist.91 Jos Humpis war zumindest der 86 Heyd, Die Ravensburger Gesellschaft, S. 7–14; Schulte, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1, S. 17, 21, 96 f.; Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 627 f. 87 Ulrich Frei aus Konstanz war Vertreter der Ravensburger Gesellschaft in Italien. Das wird aus einer Quelle bekannt, die besagt, dass sich der Konstanzer Bürgermeister und der Rat für Frei bei Papst Pius II. Verwendeten. Frei war unter anderem mit der Eintreibung von Forderungen in Siena betraut. Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 299 (Nr. 432). Mit Schreiben vom 20.10.1456 gewährte Herzog Francesco Sforza von Mailand dem Jos Humpis und seinen Gesellschaftern Rechtshilfe in einem Fall zur Schuldeneintreibung bei Italienern. Siehe, in: Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 281 f. (Nr. 375). In Como stellte der Notar Antonio Stoppani am 28.03.1459 zugunsten des Jos Humpis eine Schuldverpflichtung des Valacus de Masnago aus. Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 289 (Nr. 401). In einem anderen Fall verpflichtete sich Andriolus de Paradixo del Val Saxina am 28.04.1459 bei dem Notar Stoppani zur Bezahlung von Kupfer- und Zinnlieferungen an die Ravensburger Gesellschaft. Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 290 (Nr. 402); Heyd, Die Ravensburger Gesellschaft, S. 14–18, 23; Kulischer, Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 295; Böninger, Deutsche Einwanderung nach Florenz, S. 262. 88 de Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 270. So ließ der Mailänder Faktor der Gesellschaft, Leonhard Frei, am 14.07.1459 durch die Mailänder Medici-Filiale zugunsten des Otmar von St. Gallen und seiner Gesellschaft eine Wechselüberweisung ausstellen. Weiter empfing Frei in Mailand wenig später einen Großteil der Summe eines durch den Konstanzer Konrad Mesner bei den Medici aufgenommenen Kredits zu seiner Verfügung als Vertreter der Gesellschaft. Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 290 f. (Nr. 405). 89 Kulischer, Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 295, schloss Geldgeschäfte ganz aus. Nach Böninger, Deutsche Einwanderung nach Florenz, S. 262 f., sind aber einige Kredit- und Wechselverbindungen bewiesen. 90 Kulischer, Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 295. 91 Vgl. Schulte, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1, S. 87–90.
III. Anfänge von Haftungsbeschränkungen179
„erste Regierer“, also der Hauptgeschäftsführer des Unternehmens.92 In der ersten Zeit nach seiner Gründung nahm es zunächst wohl die Form einer gewöhnlichen Gesellschaft an und verfügte höchstens über wenige vereinzelte nicht geschäftsführende Teilhaber.93 So könnten Anna Lütin und ihre Kinder im Jahr 1422 mit ihrer Einlage von 400 fl. solche Gesellschafter geworden sein.94 Wahrscheinlich aber spätestens in der fortgeschrittenen zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kamen vermehrt nicht mitarbeitende Kapitaleinleger hinzu. Größtenteils waren dies Ehefrauen und Kinder, die von einem verstorbenen Gesellschafter dessen Anteil geerbt hatten.95 Als Beispiel dient die Witwe oder Tochter des Jorg Flück, die 1480 aus der Gesellschaft austrat und ihre Einlage von 1.200 fl. ausbezahlt erhielt.96 Ob die nicht geschäftsführenden Gesellschafter bei den Ravensburgern aber anders als die Geschäftsführer mitzuhaften hatten oder ob ihr Anlagerisiko speziell beschränkt war, ist nicht überliefert. 5. Haftung in der Gesellschaft der Popplau (Breslau) Auch die langfristig angelegte reine Familiengesellschaft97 der Popplau aus Breslau enthielt nicht geschäftsführende Gesellschafter. Die Popplau handelten mit Waren und hatten sich im 15. Jahrhundert eine Vormachtstellung im schlesischen Textilexport- und -importgeschäft erarbeitet. Sie verkehrten mit Geschäftspartnern in Handelsmetropolen wie Amsterdam, Antwerpen, Brügge und Brüssel, im Süden nach Wien und Graz, über Prag und Regensburg in Richtung Süddeutschland und im Norden nach Danzig und Stralsund. Ihre Hauptabsatzmärkte fand die Gesellschaft der Familie Popplau in nordöstlichen Städten wie Krakau, Lemberg, Thorn und Warschau.98 Neben zahlreichen Männern der Familie, die meist mehr oder weniger an der Geschäftsführung beteiligt waren, bestand die Gesellschaft aus nicht weniger Frauen, die im Gegensatz zu den Männern nicht im Unternehmen 92 Kulischer,
Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 294. Rehme, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, in: ZRG, Bd. 60 (GA, Bd. 47) (1927), S. 487 [539]; vgl. Schulte, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1, S. 17–20. 94 Schulte, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1, S. 157. 95 Schulte, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1, S. 88 f.; Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 632–636; Kulischer, Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 295. 96 Schulte, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1, S. 161. 97 Petry, Die Popplau, S. 76, 83. 98 Miller, Urban Societies, S. 227; Petry, Die Popplau, S. 91, 105, 167. 93 Vgl.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
mitarbeiten durften. Zunächst erbten die Töchter verstorbener Gesellschafter neben ihren Brüdern in gleicher Weise Gesellschaftsanteile und behielten diese auch später in der Ehe.99 So waren zur Mitte des 15. Jahrhunderts die Schwestern von Hans und Jeronimus Popplau, der auch seine Ehefrau Cäcilia als Gesellschafterin aufgenommen hatte, beteiligt. Als Ehefrauen anderer Gesellschafter waren Barbara Krebil und Marta Rotchin Gesellschafterinnen geworden.100 Von weiteren Gesellschafterinnen ist belegt, dass sie in den Jahren 1473, 1486 und 1490 die Gesellschaft verließen.101 Die Haftungsstruktur in der Gesellschaft ist für das 15. Jahrhundert nicht konkret überliefert. Ausgehend von der später gebräuchlichen Struktur102 ist aber damit zu rechnen, dass Gewinn und Verlust sich jeweils nach den Höhen der Anteile richteten und der nicht geschäftsführende Anleger nicht mehr als sein eingelegtes Vermögen einbüßen konnte. Für den Fall eines Bankrotts des Unternehmens, der die Popplau-Gesellschaft nie traf, da sie schlichtweg von den Gesellschaftern aufgelöst wurde,103 hätte eine weitergehende Haftung jedes einzelnen Gesellschafters im Raum gestanden, wie in der Meuting-Gesellschaft.104 6. Haftung in der Diesbach-Watt-Gesellschaft (St. Gallen) Die Diesbach-Watt-Gesellschaft stammte aus St. Gallen. Unter anderem in Nürnberg unterhielt sie eine Niederlassung, wobei sie dort durch Peter von Watt vertreten vertreten wurde, der nach Nürnberg umgesiedelt war.105 An der Diesbach-Watt-Gesellschaft waren neben den Geschäftsführern schon früh auch nur Kapital einlegende Gesellschafter beteiligt, wie zum Beispiel Klaus Schmidlin.106 Nicht zuletzt aber, da ein Gesellschaftsvertrag dieser Gesellschaft nicht überliefert ist, kann nicht klar gesagt werden, ob die bloßen Kapitalanleger neben der anteiligen Haftung beschränkt auf ihre Einlage oder unbeschränkt nach innen wie außen für Gesellschaftsschulden miteinzutreten hatten.107
99 Petry,
Die Popplau, S. 123. Die Popplau, S. 107, 112 f. 101 Petry, Die Popplau, S. 121 f. 102 Petry, Die Popplau, S. 82. 103 Petry, Die Popplau, S. 130 f., 133. 104 Siehe S. 174. 105 Ammann, Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, S. 52–54; Hack, Gewürzhandel, S. 82. 106 Ammann, Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, S. 104. 107 Ammann, Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, S. 102. 100 Petry,
III. Anfänge von Haftungsbeschränkungen181
7. Haftung in der Ruland-Gesellschaft (Ulm) Ein Eintrag aus dem Geschäftsbuch des Ulmer Kaufmanns Ott Ruland enthielt folgende Angaben zu einem nicht mitarbeitenden Kapitalanleger. Item daz ich Ott Ruland enpfangen hab von dem Walthasar Ramstainer zu Nurnberg 200 reynisch gulden, die sol ich ihm anlegen zu gewin und verlust auf sein wagnuss. Diesen Einlagebetrag für seine Gesellschaft erhielt Ruland von Ramstainer im Rahmen der Frankfurter Herbstmesse des Jahres 1452.108 Nicht aus dem Eintrag geht aber hervor, ob Ramstainer unbeschränkt oder beschränkt auf seine Einlage für Gesellschaftsschulden haften sollte. Der nicht mit einer Begründung versehenen Annahme Strieders, es handle sich hier um eine Haftungsbeschränkung auf die Einlage,109 kann daher, obgleich dies auch nicht auszuschließen ist, nur eine nicht bewiesene Vermutung zugrunde liegen. Eine Anlage zu gewin und verlust bedeutete jedenfalls, dass der Investor mit seiner Einlage zu einem bestimmten Prozentsatz an Gewinn und Verlust an der Gesellschaft beteiligt war,110 sagt jedoch nichts über eine Haftungshöchstgrenze aus. Ramstainer hatte wohl in gleicher Form wie die geschäftsführenden Teilhaber für Gesellschaftsschulden einzutreten. 8. Zwischenbetrachtung Das Prinzip, nach dem Gesellschaftsschulden prozentual nach den Anteilshöhen auf die Gesellschafter aufgeteilt wurden, etablierte sich in Süddeutschland in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Darin kann die erste Form einer Haftungsbegrenzung gesehen werden, wenn sie auch, außer bei den Meuting, keine mengenmäßige darstellte und daher nicht sehr wirksam war. Auch wenn die Gesellschafter nach außen weiter unbeschränkt haf teten, konnten sie gegenüber ihren Mitgesellschaftern aufgrund des tra ditionellen Grundsatzes, „Geding bricht alles Recht.“111, einzelvertragliche Haftungsbeschränkungen geltend machen und einen Ausgleich für zu viel gezahlte Beträge verlangen. Zwischen geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Gesellschaftern unterschied man in der Haftung aber noch nicht, obgleich nicht geschäftsführende Gesellschafter schon weit verbreitet vorhanden waren, bevor deren Haftungspflichten generell normiert wurden. 108 Eintrag im Handlungsbuch des Ott Ruland, in: Hassler, Ott Rulands Handlungsbuch, S. 15 f.; Einzelheiten zur Person Ott Rulands, in: Hassler, Ott Rulands Handlungsbuch, S. V–IX. 109 Strieder, Kapitalistische Organisationsformen, S. 103. 110 Vgl. S. 190. 111 Winker, Jacob Fugger, S. 175.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
Trotzdem schienen nach der Rechtslage beide Gesellschaftergruppen gleichermaßen nach der prozentualen Höhe ihres Anteils gehaftet zu haben, nämlich in der mengenmäßigen Höhe unbeschränkt. Für die bloßen Kapitalanleger bestanden keine anderen Haftungspflichten. Insbesondere existierten dahingehend zunächst wohl noch keine gesellschaftsvertraglichen Regelungen. Die Haftung des nicht geschäftsführenden Gesellschafters könnte in der Praxis dennoch anders ausgefallen sein, als die eines Geschäftsführers. Der bloße Kapitalanleger haftete im Geschäftsalltag anscheinend stets nur mit seiner geleisteten Einlage für die Verluste der Gesellschaft, wie die Beispiele aus der der Popplau zeigten. Die damalige nach innen ausgerichtete Struktur einer Gesellschaft, in deren Rahmen ein Geschäftsführer im täglichen Geschäftsverkehr seine Mitgesellschafter nicht nannte, bewirkte, dass die Kapitalanleger niemals nach außen auftraten. Es scheint daher mancherorts die allgemeine Rechtsansicht bestanden zu haben, dass sie nach außen gar nicht hafteten, wie nach der Aussage der Gerichtsentscheidung in dem beschriebenen Baseler Fall von 1438.112 Im Zuge dessen wurden die nicht geschäftsführenden Gesellschafter von Gesellschaftsgläubigern auch nicht beansprucht und sie hatten für die Gesellschaft letztlich nie mehr zu zahlen als die geleistete Einlage. Daher stellte sich auch die Frage nach einer besonderen Ausgestaltung ihrer Außenhaftung im Regelfall in der Praxis nicht. Ausnahmen von dieser Art der Haftungsbegrenzung galten nur für den Fall eines Gesellschaftsbankrotts, wenn die Gesellschaftsgläubiger sich wegen zahlungsunfähiger Geschäftsführer auch an den weiteren Teilhaberkreis wendeten und auch die Kapitalanleger, nun gegebenenfalls in unbeschränkter Höhe, beanspruchten. Die Inanspruchnahme nicht geschäftsführender Gesellschafter stellte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts aber noch keinen oft auftretenden Fall und kein relevantes Problem dar. Die einzelvertraglichen schriftlichen oder mündlichen Abmachungen der jeweiligen Gesellschaften reichten aus, um das Anlagerisiko eines Kapitalanlegers auf seine Einlage zu beschränken.
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 Kaiser Friedrich III. erließ am 23.06.1464 für die Reichsstadt Nürnberg ein Privileg, das sich gezielt mit dem Haftungsrecht in Handelsgesellschaften befasste.113 Da es zudem die Ermächtigung zum Erlass prozessrechtli112 Siehe
S. 176. im Original, in: Staatsarchiv Nürnberg, Kaiserprivilegien Nr. 475a, b; Text, in: v. Wölkern, Historia Norimbergensis Diplomatica, S. 680–683, und, in: Bauer, Unternehmensformen, S. 127–129. 113 Privileg
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 183
cher Vorschriften enthielt und die Appellation, sowie die vermögensrechtliche Bevormundung von Waisenkindern regelte, ist es als eine „kleine Stadtrechtsreformation“ zu sehen.114 Das Privileg galt im gesamten Reich. Dazu wurden gemäß seinem Wortlaut alle Herrschenden angewiesen, die Nürnberger überall im Reich nach den Regelungen des Privilegs zu behandeln. Die Regelungen wirkte reichsweit als Lex specialis, da alle ihm widersprechenden Gesetze und Normen kein crafft noch macht haben, sunder aufgehebt und abgetan sein sollten115 und waren, wie alle kaiserlichen Privilegien nach 1460, zeitlich unbefristet und unwiderruflich.116 Das Privileg von 1464 kam zustande durch eine Botschaft des Nürnberger Bürgermeisters und Ratsherrn Jobst Tetzel an den Kaiser, auf die hin das Privileg erging, wie im Folgenden die narratio der Privilegsurkunde besagt. Und hat uns der vermelt Jobs Tetzell demuticlich gebeten, dieselben burgermeister und rat zu Nurmberg und ir nachkomen gnadiclichen darinen zu versehen. Hier ging es um die Regelungen über die Vormundschaft, die Appellation und die beschränkte Gesellschafterhaftung, die Tetzel bereits ausformuliert aus Nürnberg nach Wiener Neustadt mitgebracht hatte und um deren Erlass er für Nürnberg bat.117 Am kaiserlichen Hof, zu dem die Stadt Nürnberg gute Beziehungen unterhielt,118 wurden die Normen nur geringfügig in einigen Formulierungen redaktionell geändert und praktisch in der Nürnberger Fassung am 23.06.1464 erlassen.119 1. Die Regelungen und ihre Interpretation Das Privileg regelte zum ersten Mal im deutschen Sprachraum generell eine Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter. Es 114 Isenmann, Gelehrte Juristen, in: Arlinghaus / Baumgärtner / Colli / Lepsius / Wetzstein, Praxis der Gerichtsbarkeit, S. 305 [325]. 115 v. Wölkern, Historia Norimbergensis Diplomatica, S. 683; vgl. v. Stromer, Struktur deutscher Unternehmen, in: Tradition, Bd. 13 (1968), S. 29 [34]. 116 Isenmann, Stadt im Mittelalter, S. 180. 117 Narratio der Privilegsurkunde, in: Bauer, Unternehmensformen, S. 127; Hirschmann, Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 553. 118 Isenmann, Stadt im Mittelalter, S. 180. 119 Siehe die zwei gleichlautenden, am Kaiserhof handschriftlich abgeänderten, Fassungen des Privilegsentwurfs, die aus Nürnberg überbracht worden waren, in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, D-Laden, Akten-Nr. 1808; Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [244 f.]. Dass Nürnberg den Entwurf einer kaiserlichen Anordnung, die man erlassen haben wollte, selbst ausarbeitete, war kein Einzelfall. So brachten Nürnberger Juristen im Jahr 1498 auch den Entwurf eines kaiserlichen Mandats zur Austreibung der Juden aus der Stadt in die Verhandlungen mit dem kaiserlichen Hof ein. Toch, Austreibung der Nürnberger Juden, in: ZHF, Bd. 11 (1984), S. 1 [2 f.].
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
minderte signifikant deren Anlagerisiko und stellte überhaupt die erste normierte Haftungsregelung für Gesellschaften dar. Zuvor galt nicht nur in Nürnberg allgemein für jeden Gesellschafter die unbeschränkte Haftung als ungeschriebene Pflicht. Das bisherige schriftlich gefasste Gesellschaftsrecht des Nürnberger Satzungsbuchs aus dem 14. Jahrhundert hatte sich auf Verbote zur Führung einer Handelsgesellschaft mit auswärtigen Kaufleuten und ihrem Gut beschränkt.120 Die entscheidende Passage zur Haftungsbeschränkung von 1464 lautete wie folgt. Mer so ordnen wir von des handels und kauffmanschaft wegen, welich person, burger oder burgerin der vorgemelten stat Nurmberg, ein nemlich summa geltz mit geding in ein geselschafft legen, das sy solich geding hallten und dem nachkomen sullen. Welich obgemelt person aber ir gut und gelt in geselschafft tun und legen an geding, sunder zu gewynn und verlust, und doch fur sich selbs die hanttirung der geselschafft nicht phlegen zu handeln, ob und wann dann dieselben geselschafften durch ungefelle oder sunst verlust leyden und in schulde vaallen wurden und dieselb schulde von dem haubtgut, das sy alle in der geselschafft hetten, nit mochte bezallt werden, so sollten dieselben person, die, als vor stet, ir gut und gelt unverdingt in geselschafft hetten, nit mer zu bezalen phlichtig noch schuldig sein dann allain sovil, als sich nach anzal ihres zugelegten haubtguts gepuren und damit der uberigen schulde gantz entledigt und auch aller ander ir hab und gut, wo sy hetten, deshalben von allermaintlichen unangelangt, unaufgehalten und unbekumbert sein […].121 a) Beteiligungsverhältnisse – Bedeutung des gedings Die Bestimmungen regelten zwei Sorten von Teilhabern einer Gesellschaft. Über die einen, die die Geschäfte der Gesellschaft führten, wurde gesagt, dass sie ein nemlich summa geltz mit geding in ein geselschafft legen, das sy solich geding hallten und dem nachkomen sullen und die anderen, dass sie ir gut und gelt unverdingt in geselschafft hetten. Frühere Rechtshistoriker erkannten in der Regelung des Privilegs bisher teils unterschiedliche Beteiligungsformen und Vertragsverhältnisse, wobei man sich stets in der Bedeutung des Worts „geding“ uneinig war.122 Dieses Wort 120 Regelungen, in: Nürnberger Satzungsbuch III / C von 1320 / 23 – circa 1360, in: Stadtarchiv Nürnberg, Satzungsbücher und Satzungen, Lieferung 1, S. 81 [106– 109, 143 f.]. In den nachfolgenden Satzungsbüchern IV / E, ab S. 207, und V / D, ab S. 257, war auch diese einzige Normierung zum Gesellschaftsrecht nicht mehr vorhanden. 121 Regelung, in: Bauer, Unternehmensformen, S. 127 [129]. 122 Ausführliche Darstellung des Streits, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 73–81.
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 185
wurde als fester Terminus ohne nähere Bestimmung mehrfach im Privileg verwendet. Strieder betrachtete das geding als die „Verabredung eines festen Zinses auf das geliehene Kapital“. Daher seien die Personen, die Geld mit geding einlegten, nur Depositengläubiger der Gesellschaft gewesen und keine Gesellschafter und hätten deshalb nicht für Gesellschaftsschulden zu haften gehabt. Die andere Gruppe von Beteiligten, die Geld ohne geding, sondern zu gewinn und verlust einlegte, habe Geld investiert ohne mitzuarbeiten. Diese Personen wären aber wohl nach der Ansicht Strieders als Gesellschafter anzusehen.123 Rehme teilte diese Ansicht und verstand „geding“ ebenfalls als Zinsen. Er sah im Privileg solche Teilhaber, die beschränkt hafteten und mit Gewinn und Verlust beteiligt waren, und solche, die unbeschränkt hafteten und feste Zinsen erhielten.124 Insgesamt bezeichnete er das Rechtsinstitut als „Kommanditgesellschaft“.125 Keutgen, dagegen ganz anders, sah die Investoren mit geding als stille Gesellschafter und diese ohne geding als Kommanditisten an, wofür der Privilegswortlaut aber keine Belege liefert.126 Im zeitgenössischen Wortschatz wurde „geding“ oder „ding“ in Franken, wo der Text entstanden war, als universeller Ausdruck verwendet, der in der heutigen Sprache ebenfalls als „Ding(e)“ oder als „Angelegenheit“, „Problem“, „Sache“, „Umstand“ oder schlicht „etwas“ verstanden wird.127 Wenn das Wort „geding“ wie in dem Privileg in einer Rechtsnorm erscheint, ist es nach dem Deutschen Rechtswörterbuch als eine Übereinkunft rechtlicher Art zu verstehen. Im Speziellen wird „gesellschaftsgedinge“ dort als „Ver123 Strieder,
Kapitalistische Organisationsformen, S. 103 f. Große Ravensburger Handelsgesellschaft, in: ZRG, Bd. 60 (GA, Bd. 47) (1927), S. 487 [530, 532–534]. 125 Rehme, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, in: ZRG, Bd. 60 (GA, Bd. 47) (1927), S. 487 [537 f.]. 126 Keutgen, Hansische Handelsgesellschaften, in: VSWG, Bd. 4 (1906), S. 567 [606]. Keutgens Theorie wurde abgelehnt von Lutz, sie finde „keine Stütze im Text“. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 74; vgl. auch Bauer, Unternehmensformen, S. 170 und Rehme, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, in: ZRG, Bd. 60 (GA, Bd. 47) (1927), S. 487 [533]. 127 Siehe einige Passagen (Fol. 282v, 283v, 310r, 311v, 312r, 314r, 317r, 326v, 334r, 340r, 343r, 346v, 347v, 348r, 350r, 355v f., 384r, 392r, 408v, 413r, 420v, 423v) aus der 866 Seiten starken Mitschrift aus dem Gerichtsprozesses, der einen Streit um die Handelsgesellschaft der Familie Arzt behandelte und im Jahr 1472 seinen Abschluss fand. Die Mitschrift fand über Seyfried Plaghal ihren Weg von Nürnberg nach Aschaffenburg und ist daher, in: Hofbibliothek und Stiftsbibliothek Aschaffenburg, Stiftsbibliothek, Ms. Pap. 9, zu finden (in der Literatur und daher auch in dieser Arbeit „Aschaffenburger Codex“ genannt, vgl. M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [450 f.]). 124 Rehme,
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
trag über eine Gesellschaft“ übersetzt.128 In der späteren Formulierung der Stadtrechtsreformation Nürnbergs, die ab 1479 entworfen und 1484 gedruckt wurde,129 war explizit von einem „geding einer gesellschaft“ die Rede.130 Unter anderem auch Bauer und Lutz typisierten das geding grundsätzlich als eine Vereinbarung.131 Fraglich ist aber, was mit dieser im Privileg genannten „Vereinbarung“ konkret gemeint war. Zunächst könnte darunter der gesamte Gesellschaftsvertrag verstanden worden sein, was bedeuten würde, dass die Kapitalanleger ohne geding keine Gesellschafter gewesen wären. Diese Ansicht vertrat Bauer und betrachtete nur die Teilhaber mit geding als „wirkliche Gesellschafter“.132 Da die nicht mitarbeitenden Teilhaber nur ohne geding beteiligt und daher nicht vom Gesellschaftsvertrag umfasst gewesen wären, seien sie nur als Kapitalanleger zu sehen.133 Auch Kammerer folgte dieser Ansicht. Nach seiner Auffassung sondere sich von dem grundlegenden Status des Prinzipalgesellschafters der des Teilhabers ab, der zwar Kapital zu Gewinn und Verlust einlege, aber keinen Gesellschaftsvertrag abschließe.134 Lutz sah das Rechtsverhältnis der beschränkt Haftenden noch als ungeklärt an und bezeichnete die beschränkt Haftenden als „in den Gesellschaftsvertrag nicht mit einbegriffen“, stellt sie aber gleichzeitig im Sinne einer heutigen Terminologie widersprüchlich als „Kommanditisten“ dar.135 Dieser Ansicht schloss sich Kischka an. Auch nach ihrer Auffassung stünden die Teilhaber zu Gewinn und Verlust, die man heute als Kommanditisten bezeichnen würde, „außerhalb des Vertrages“.136 Dagegen spricht jedoch, dass ein heutiger Kommanditist im Sinne des § 161 Abs. 1 HGB den gleichen Status eines Gesellschafters wie 128 DRW,
Bd. 3, Sp. 1354–1360; DRW, Bd. 4, Sp. 512. Nürnberger Stadtrecht, in: Juristisches Magazin, Bd. 1 (1782), S. 314 [329 f.]. 130 30. Titel, 2. Gesetz, Nürnberger Stadtrechtsreformation, in: Wolgemut, Reformacion der Statut und gesetze, S. 378; Auszug des Gesellschaftsrechts, auch in: Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 364–366. Auch beispielsweise in einer Passage der Mitschrift aus dem Nürnberger Arzt-Paumgartner-Prozess, „[…] yetliche bericht und geding […]“, war „geding“ als vertragliche Vereinbarung gemeint. Aschaffenburger Codex, Fol. 319r. Zum Arzt-Paumgartner-Prozess siehe ab S. 211. 131 Bauer, Unternehmensformen, S. 170; Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 73–76. 132 Bauer, Unternehmensformen, S. 170. 133 Bauer, Unternehmensformen, S. 170. 134 Kammerer, Unternehmensrecht, S. 137 f. 135 Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 75, 78. Auch Grote sah in der Teilhabe zu Gewinn und Verlust eine „kommanditistische Beteiligung“. Grote, Die Tucher, S. 30. 136 Kischka; Ausscheiden eines Gesellschafters, S. 49 f. 129 Siebenkees,
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 187
der Komplementär einnimmt und daher keineswegs außerhalb des Gesellschaftsvertrags einzuordnen ist. Die Privilegsregelung kann vielmehr bezüglich der Formulierungen „an“ und „mit geding“ nicht anhand einer so allumfassenden Bedeutung interpretiert werden. Das „geding“ bezog sich nicht auf den gesamten Gesellschaftsvertrag, sondern vielmehr auf eine besondere, einzelne Vertragsvereinbarung, die typischerweise zunächst nicht von der Vereinbarung der Parteien im Sinne des üblichen Vertragstyps umfasst war.137 Der Kommentar des Nürnberger Konsulenten Lazarus C. von Wölkern138 aus dem Jahr 1737 zur Nürnberger Reformation von 1564, die fast die gleichen Formulierungen enthielt wie das Privileg, bezeichnete das geding als „ganz besondern casu“ und betrachtete auch die Kapitalanleger als „Socios“.139 Diese Ansicht vertrat auch Orth in seinem Kommentar von 1742 zur Frankfurter Reformation von 1578, die die Regelung des Privilegs von 1464 inhaltlich und nahezu wörtlich übernahm. Die Teilhaber ohne geding seien, auch wenn sie nicht mitarbeiteten, neben den Hauptgesellschaftern Teil des „Gesellschaftscontracts“, wobei ausnahmsweise eine „uneigentliche Art der Teilhabung an der Gesellschaft“ vorliege. Eine Kapitalanlage sei nur nicht als Teilhabe zu sehen, sondern als Anleihe, wenn der Anleger kein Kapitalverlustrisiko trage. Der Anleger musste tatsächlich allerdings nach den Nürnberger Regelungen die Verluste der Gesellschaft mittragen helfen, wenn auch nur im Verhältnis der Höhe seiner Einlage zu den anderen.140 In der betreffenden Passage des Privilegs kann mit dem Ausdruck „geding“ jedenfalls nicht die grundlegende Eigenschaft als Gesellschafter gemeint gewesen sein. Nach dem ersten Halbsatz der narratio der Privilegsurkunde im Übrigen geschah die Einlage des nicht handelnden Teilhabers in die Gesellschaft zunächst einmal mit gedinge und vorwort.141 Das weist wiederum darauf hin, dass das Vermögen grundsätzlich auf Basis des Gesellschaftsvertrags und seiner vielen Bedingungen in die Gesellschaft eingelegt wurde und alle Teilhaber also Gesellschafter wurden. „gedinge“ könnte dabei hier, da dieses Wort an allen anderen Stellen im Privilegstext als „geding“ ausgedrückt wurde, möglicherweise bewusst als Mehrzahl gemeint gewesen sein, um zu verdeutlichen, dass in diesem Halbsatz zunächst keine einzelne Regelung, sondern grundlegend der ganze Gesellschaftsvertrag mit allen Regelungen, gemeint war. Nur die weitere Ausgestaltung der Einlage geschah, in der narratio weiter unten gesagt, an geding und an vorwort und nur auf Gewinn und 137 Hagemann,
Art. Gedinge, in: HRG, Bd. 1, Sp. 1980 [1980]. Siebenkees, Nürnberger Stadtrecht, in: Juristisches Magazin, Bd. 1 (1782), S. 314 [358]. 139 v. Wölkern, Nuernbergische Reformation, Bd. 2, S. 157. 140 Orth, Anmerckungen über der Franckfurter Reformation, S. 535 f. 141 „Vorwort“ beschreibt, in vergleichbarem Sinne wie „geding“, eine Vereinbarung, Absprache oder Abmachung. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 26, Sp. 1960. 138 Vgl.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
Verlust und betraf nur eine einzelne Vertragsbedingung.142 Folglich umfasste das geding eine spezielle Vertragsvereinbarung des Gesellschaftsverhältnisses. Dieser Begriff kann im Genaueren eine Art von zusätzlicher Sonderbedingung bedeutet haben. Das Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache übersetzt den Passus „mit geding“ als „unter Bedingungen“, wobei oft ein Nebensatz angefügt sei, der mit dem Wort „dass“ beginne.143 Im Privileg wurde eine solche Bedingung, die in einem Nebensatz anzuführen gewesen wäre, jedoch nicht beschrieben. In der Passage „mit geding“ wurde stets nur auf eine nicht näher beschriebene Bedingung Bezug genommen. Auch der Nebensatz, das sy solich geding hallten und dem nachkomen sullen, enthielt nur die Pflicht zur Einhaltung des gedings, ohne es zu spezifizieren. Der Gegenstand des gedings, dass nur als eine Sonderbedingung aus dem Gesellschaftsvertrag gemeint gewesen sein kann, ist also aus anderen Bezügen herzuleiten. Grundsätzlich ist vorstellbar, dass sich hinter der Sonderbedingung, wie von einigen genannten Rechtshistorikern befürwortet, eine Zinsvereinbarung verbirgt.144 Dagegen spricht, dass in der damaligen Zeit grundsätzlich Darlehenszinsen anders bezeichnet wurden. Die Reformation aus Nürnberg von 1564 erlaubte im 13. Titel, 3. Gesetz die Verleihung von Geld und benannte den Lohn des Verleihers direkt als Zins.145 Andererseits verwendeten die Kaufleute in früherer Zeit, um nicht von dem noch geltenden Wucherverbot erfasst zu werden, andere Begriffe für den verdeckt vereinbarten Darlehenszins. So wurde ein Darlehensverhältnis, also die „Geldverleihung“, als Kauf von Geld gegen Geld gestaltet. Das heißt, man kaufte mit der eigentlichen Darlehensauszahlung eine Rente auf Wiederkauf und Rückerlangung des an den Darlehensnehmer gezahlten Kapitals, wobei die Rente aus den Zins142 So auch ettlich burger und burgerin daselbst zu Nurmberg ein summa geltz mit gedinge und vorwort in ein geselschafft legen und auch ir ettlich ir hab und gut an geding und an vorwort zu gewynn und verlust in geselschafft tun und legen und doch den hanndel der geselschafft selbs nit hantiren noch hanndeln und so die haubtleut und regierer der geselschafft oder ir dienner tzu zteitten schulde machen und endtrynnen oder weichen, daz dann die vermelten person zu bezalung der gemachten schuld furgenomen und beswert werden. narratio, in: Bauer, Unternehmensformen, S. 127. 143 Kirschstein / Schulze, Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, Bd. 1, S. 579–581; vgl. die ausschließliche Verwendung von „mit geding“ als „unter der Bedingung“, auch in der nicht nur Bezug nehmenden Form „mit geding das […]“ als „unter der Bedingung, dass […]“, in der Weltchronik des Nürnbergers Hartmann Schedel von 1493, Fol. 204r, 215r, 216r; vgl. weiter beispielhaft die Übersetzung von „mit geding“ als „unter Bedingungen“, in: Gemeiner, Stadt Regensburgische Jahrbücher (1430–1496), S. 691. 144 DRW, Bd. 3, Sp. 1359. 145 Regelung, in: Der Stat Nurmberg verneute Reformation, Fol. 80v.
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 189
und Darlehensrückzahlungen bestand. Das Wort „Zins“ wurde in dieser Konstruktion nicht erwähnt.146 Zum Beispiel wurden in Basel im Geschäftsverkehr des 14. Jahrhunderts die Zinsen als „Geld“ und das Darlehenskapital als „Gut“ bezeichnet.147 Kapitalzinsen wurden im Deutschen aber auch als „Rente“, „Wucher“, „Interesse“ oder „Schaden“ benannt.148 Gegen die Interpretation des Wortes „geding“ als Zinsen spricht auch die Passage des Privilegs, dass die Gesellschafter mit geding das geding hallten und dem nachkomen sullen und ihnen also eine aktive Rolle zur Einhaltung der fraglichen Vertragsvereinbarung und der diesbezüglichen Handlungsweise zukam,149 der ein passiver Empfang von Zinsen nicht entspricht. Die Teilhaber mit geding legten ihr Geld mit [besonderem] geding ein, wobei sie sich an ihre besonderen Verpflichtungen aus dem Gesellschaftsvertrag aktiv zu halten und ihnen nachzukommen hatten. Da die zweite im Privileg geregelte Sorte von Gesellschaftern fur sich selbs die hanttirung der geselschafft nicht phlegen zu handeln, waren die Gesellschafter mit geding im Umkehrschluss die Geschäftsführer der Gesellschaft, deren besondere Verpflichtungen darin bestanden, die Geschäfte zu führen und in unbeschränkter Höhe für Gesellschaftsschulden zu haften.150 Sie sollten sich nicht mehr wie in vergangenen Bankrottfällen, worauf die narratio ansprach, ihrer Zahlungspflicht entziehen, sondern dieser nachkomen.151 Für die Beteiligten an geding dagegen galten diese besonderen Vertragsbedingungen nicht.152 Das zeigt sich auch in der klarstellenden Neuregelung der Bestimmung in der Nürnberger Reformation von 1564, wo es in Titel 18, Gesetz 4, Abs. 2 hieß, dass ainer sein gut oder gelt / in ain Gesellschaft zu gewyn und verlust / on besondere geding oder verpflichtung gelegt het.153 Diese Personen waren an der Geschäftsführung der Gesellschaft nicht beteiligt und konnten keinen Einfluss darauf ausüben, wie mit ihrer Einlage verfahren 146 Sprandel, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, Sp. 622; Ochs, Geschichte von Basel, Bd. 2, S. 200. 147 Ochs, Geschichte von Basel, Bd. 2, S. 200. 148 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 31, Sp. 1486. 149 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, Sp. 2027. 150 Bezüglich des gedings als Geschäftsführungspflicht ist auch die Bedeutung des mit diesem Wort verwandten Ausdrucks „verdingen“, das für eine vertragliche Verbindung steht, zu beachten. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, Sp. 2027 f.; siehe dazu die Verwendung dieses Ausdrucks in diesem Sinne zum Beispiel in einer Verpflichtungserklärung eines Frankfurter Steinmetzes gegenüber dem Frankfurter Rat vom 30.11.1399, in: Böhmer, Urkundenbuch Frankfurt, Bd. 1, S. 780 f. 151 Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 75 f.; vgl. Kischka, Ausscheiden eines Gesellschafters, S. 49. 152 Vgl. die Übersetzung von „an geding“, in: Kirschstein / Schulze, Wörterbuch der mittelhochdt. Urkundenspr., Bd. 1, S. 579–581. 153 Regelung, in: Der Stat Nurmberg verneute Reformation, Fol. 107v.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
wurde.154 Sie legten nur einen begrenzten Vermögenswert zu Gewinn und Verlust ein, wobei ihre Haftung für Gesellschaftsschulden diesbezüglich beschränkt war.155 Die Formulierung „an geding“ meinte also nicht, dass diese Kapitalanleger nicht am Gesellschaftsvertrag beteiligt und keine Gesellschafter waren, sondern, dass bestimmte Vertragspflichten, die für die Geschäftsführer galten, für sie nicht heranzuziehen waren.156 Bezüglich der Form der finanziellen Beteiligung nahmen die Geschäftsführer mit ihrer summa geltz grundsätzlich, wie die bloßen Kapitalanleger, auf Gewinn und Verlust an der Gesellschaft teil.157 Das wurde für sie aber nicht ausdrücklich gesagt und war nur aus der Beschreibung der nicht Geschäftsführenden zu schließen, die sich ausschließlich dadurch beteiligten, dass sie Vermögen zu Gewinn und Verlust einlegten, wobei dieser Umstand deshalb bei ihnen speziell genannt wurde. Für die geschäftsführenden Gesellschafter wurde dies vorausgesetzt und nicht explizit gesagt, da diese ohnehin durch ihre Pflichten in Geschäftsführung und unbeschränkter Haftung in vollem Umfang an der Gesellschaft beteiligt waren.158 Deutlicher 154 Laut dem Kommentar zur Reformation von 1564, in: v. Wölkern, Nuernbergische Reformation, Bd. 2, S. 156, kontrahierten die Gesellschafter ohne geding bei Geschäften der Gesellschaft nicht mit. Sie seien keine Geschäftsführer, was sie von den anderen Gesellschaftern mit geding unterscheide. 155 Vgl. Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 365; vgl. Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 70 f. 156 Vgl. M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [447 f.]; vgl. Isenmann, Stadt im Mittelalter, S. 907. 157 Vgl. Kammerer, Unternehmensrecht, S. 253; der Ausdruck „zu Gewinn und zu Verlust“ wurde in Nürnberg auch im außerwirtschaftlichen Bereich im Sinne von „auf Gedeih und Verderb“ verwendet. Siehe eine Passage der Prozessmitschrift des späteren, die Arzt-Gesellschaft behandelnden, Gerichtsprozess, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 427v. 158 Vgl. den Gesellschaftsvertrag der Nürnberger Familie Imhoff von 1481, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 5 f., wonach alle Beteiligten mit ainer nemlichen suma gelts In hanndierung und geselschaft ains kauffschlagenhanndels zugewyynn und zuverlust mit und beyeinander sind […]. Das bedeutet, hier waren alle Teilhaber geschäftsführende Gesellschafter und wurden an Gewinn und Verlust beteiligt, mangels anders lautender Regelungen in unbeschränkter Höhe. Vgl. dazu auch den Gesellschaftsvertrag der Augsburger Familie Meuting von 1436, wonach ebenfalls jeder der ausschließlich geschäftsführenden Gesellschafter eine summe geltz einlegte, die ze gewin und ze verlust stand. Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 292 [292 f.]; vgl. auch die Vereinbarung vom 29.10.1455 über den Eintritt des Hans Starck in die Landauer-Gesellschaft, gemäß der er 1.400 Gulden zu gewin und verlust in der Gesellschaft liegen haben soll und auch mitarbeitet. Vereinbarung, in: Neukam, Ulrich Starck, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 177 [220].
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 191
regelte Teil 2, Titel 23, § 12 der Frankfurter Reformation von 1578, dass sich die bloßen Kapitalanleger mit ihrem Vermögen bloßlich zu Gewin und verlust beteiligten. Die andere Sorte von Gesellschaftern war im Umkehrschluss nicht bloßlich an Gewinn und Verlust beteiligt.159 Insgesamt erscheint es, nicht zuletzt wegen systematischen Sinneszusammenhängen der Regelungen des Privilegs mit anderen Quellen, als nicht möglich, das Wort „geding“, wie von einigen Rechtshistorikern vorgeschlagen, als Vereinbarung über „Zinsen“ zu interpretieren. Einige Passagen des Privilegs würden mit einer solchen Übersetzung nur sehr schwer einen Sinn ergeben, wobei die Interpretation des gedings als besondere, von den Geschäftsführern einzuhaltende, Vertragsbedingung sehr plausibel erscheint. Es würde zum Beispiel nicht einleuchten, warum die nicht geschäftsführenden Kapitaleinleger an geding keine Zinsen erhalten haben, aber an Gewinn und Verlust beteiligt gewesen sein sollten, und die im Umkehrschluss geschäftsführenden Teilhaber dagegen für ihren Arbeitseinsatz nur Zinsen erhalten und im Erfolgsfall nicht am Gewinn beteiligt sein sollten, im Verlustfall aber unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen zu haften gehabt hätten.160 Fraglich erscheint weiter nur, warum in der Privilegsregelung die Einlage der Gesellschafter mit geding als „summa geltz“ und die der Gesellschafter an geding als „hab und gut“, beziehungsweise „gut und gelt“, benannt wurde. Die Formulierungen „hab und gut“ und „gut und gelt“ klingen dabei umfassender als nur „eine Summe Geldes“. Doch schiene es dann unlogisch, dass ein Kapitaleinleger mehrere oder verschiedene Vermögenswerte einlegte und ein Geschäftsführer nur eine Geldsumme. Hinter den verschiedenen Formulierungen könnten sich tatsächlich verschiedene Inhalte verborgen haben, wobei Ochs für Basel im 14. Jahrhundert zum Beispiel für „gelt“ eine Bedeutung als Zinsen oder Gewinn erkannte.161 Die Gewinne aus den Anteilen waren also in die Einlagen inbegriffen. Andererseits könnte für die Kapitalanleger mit den Begriffen „hab und gut“ und „gut und gelt“ möglicherweise bewusst eine längere, ausführlichere und umfassendere Form der Beteiligung gemeint gewesen sein, da hauptsächlich ihre Haftungsverhältnisse in der Privilegsregelung zur Sprache kamen. Die Kapitalanleger sollten durch das Privileg vor unüberschaubaren Verlustrisiken geschützt werden, wogegen sich an der Position der Geschäftsführer nichts änderte und diese kurz abgehandelt werden konnten, wobei „summa gelts“ als Beschreibung für deren Ein lage ausgereicht haben mag. Um diese Begriffe noch genauer auszulegen, 159 Sie sind daher nicht, wie in: Bader / Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 673, als Darlehensgeber ohne Teilnahme an Gewinn und Verlust, zu charakterisieren. 160 Vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [244 f.]. 161 Ochs, Geschichte von Basel, Bd. 2, S. 200.
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kann hier auch einmal mehr die deutlicher formulierte Frankfurter Reformation von 1578 herangezogen werden. Nach deren Teil 2, Titel 23, § 12 legte der nicht geschäftsführende Kapitalanleger „ein namliche Summa Gelts“ ein, wobei die Formulierung „hab und gut“ nicht auftauchte.162 Im Gesellschaftsvertrag der Augsburger Rehlinger von 1511 war dagegen die Rede davon, dass jeder sein habt gutt unnd annzall gelltz in die Gesellschaft einlegt, wobei alle Gesellschafter die Geschäfte führten.163 In diesen beiden Beispielen wurden die Ausdrücke „summa gelts“ und „gut und gellt“, verglichen mit dem Privileg, genau in umgekehrter Weise verwendet. Ein Kapitalanleger legte eine „Summe Geldes“ ein und ein Geschäftsführer sein „Gut und Geld“, wobei hier ansonsten auch keine inhaltlich anderen rechtlichen Ausprägungen der beiden Sorten von Gesellschaftern als im Privileg erkennbar sind. Das legt nahe, dass, auch wenn eine bewusst unterschiedliche Formulierung im Privileg möglich erscheint, beide Ausdrücke im Allgemeinen alternativ mit einer im Großen und Ganzen gleichen Bedeutung verwendet wurden und gegen einander ausgetauscht werden konnten. So wurde auch der Ausdruck „ein suma gelts“ in der Passage, „Welich obgemelt person aber ein suma gelts in geselschafft tun und legen an geding“, in beiden Fassungen des Nürnberger Privilegsentwurfs am Kaiserhof in „ir gut und gelt“ geändert und das Privileg in dieser Form schließlich erlassen.164 Letztlich hat die unterschiedliche Formulierung der Bezeichnung der Einlagen also für die Auslegung des Privilegs keine Bedeutung.165 Insgesamt waren beide Typen von Beteiligten gleichwertige Gesellschafter zu Gewinn und Verlust, die sich nur durch die ausgeübte oder nicht ausgeübte Beteiligung an der Geschäftsführung unterschieden.166 Dement162 Regelung,
in: Der Statt Franckenfurt erneuwerte Reformation, S. 128 b. im Gesellschaftsvertrag von 1511, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 29 [29]. 164 In vergleichbarer Weise änderten die kaiserlichen Bediensteten in dem vor der Haftungsregelung liegenden Textteil, der von der Vormundschaft handelt, die Passage des Privilegs „[…], das sol derselben hab ir erben, […], nit pinden, […]“ in beiden Entwurfsfassungen in „[…], das sol derselben person hab und gut und ir erben, […], nit pinden, […]“. Siehe die beiden gleichlautenden, am Kaiserhof handschriftlich abgeänderten, Fassungen des Privilegsentwurfs, die aus Nürnberg überbracht worden waren, in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, D-Laden, Akten-Nr. 1808; vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [244 f.]; vgl. die betreffende Passage des Privilegstextes, in: v. Wölkern, Historia Norimbergensis Diplomatica, S. 682. 165 Vgl. dazu auch die Bezeichnung der Einlage eines Gesellschafters in der Prozessmitschrift des späteren, die Arzt-Gesellschaft behandelnden, Gerichtsprozesses, wo in nicht stringenter Ausdrucksweise an einer Stelle „hab und gut“ und an einer anderen „gut und habe“ verwendet wurde. Aschaffenburger Codex, Fol. 358r, 398v. 166 Beispielsweise war an der Nürnberger Handelsgesellschaft des Georg Fütterer um 1498 Georg Koler mit 1.600 fl. auf Gewinn und Verlust beteiligt, wirkte aber als 163 Regelung
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sprechend äußerte sich auch Souchay im Jahr 1848 in seinem Kommentar zur seit 1578 unveränderten Fassung der Haftungsbegrenzung der Frankfurter Reformation, die der des Privilegs von 1464 inhaltlich entsprach.167 b) Haftungsumfang der nicht geschäftsführenden Gesellschafter In Handelsgesellschaften des 15. Jahrhunderts war insbesondere nach den Gesellschaftsverträgen zunächst kein Gesellschafter, Geschäftsführer oder nicht, zur Nachzahlung aus seinem Privatvermögen verpflichtet, wenn Verluste im Geschäftsverkehr seine Einlage geschmälert hatten.168 Auch zum Beispiel Kupfer produzierende Saigergesellschaften wirtschafteten bald nach diesem Grundsatz,169 obwohl die meisten wegen ihres im Verhältnis zu Handelsgesellschaften höheren Kapitalbedarfs wohl darauf angewiesen waren, Geschäftsverluste sofort auszugleichen.170 In Bankrottfällen konnte dieses System, das Nachzahlungen ausschloss, ohnehin nicht zum Tragen kommen, wenn weitere Schulden getilgt werden mussten, aber das gesamte Einlagekapital der Gesellschaft bereits verbraucht war. Es musste weiteres Privatvermögen der Gesellschafter eingesetzt werden. Die Gesellschafter, die ohne mitzuarbeiten nur ihr Gut und Geld auf Gewinn und Verlust in die Gesellschaft eingelegt hatten, sollten dabei jedoch nach dem Privilegstext nit mer zu bezalen phlichtig noch schuldig sein, als sich nach Anzahl ihres zugelegten Hauptguts gebührte. Das heißt, sie hatten für Gesellschaftsschulden nur in der „Anzahl ihres zugelegten Hauptguts“ zu haften und wurden durch diese Haftungsbeschränkung gegenüber den im Umkehrschluss unbeschränkt haftenden Geschäftsführern privilegiert.171 Bereits aus der narratio Buchhalter an der Geschäftsführung mit. Siehe Regest einer RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 9, S. 465 f. (Nr. 3724). 167 Souchay, Anmerkungen zur Reformation der Stadt Frankfurt, Bd. 1, S. 502; ein weiterer Kommentator der Frankfurter Reformation, Bender, verband die Eigenschaft „unverdingt“ in gleicher Weise mit der fehlenden Beteiligung an der Geschäftsführung. Bender, Handbuch des Frankfurter Privatrechts, S. 750. 168 Vgl. Kammerer, Unternehmensrecht, S. 254; vgl. zum Beispiel die betreffende Regelung im Meuting-Vertrag von 1436, in: Gesellschaftsvertrag, in: Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 292 [292 f.] und in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 1 [2]. 169 Nach dem Gesellschaftsvertrag der Hütte Arnstadt von 1532 zum Beispiel sollten erlittene Geschäftsverluste yedem an seinem hawbtgelde nach anzall abzuschreiben sein oder bis auf die neheren rechnung stehen gelassen werden. Regelung im Gesellschaftsvertrag der Arnstädter Gesellschaft vom 01.04.1532, in: Kammerer, Unternehmensrecht, Urkundenanhang, S. 1 [3]. 170 Kammerer, Unternehmensrecht, S. 253, 255. 171 v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 163; Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 49 f.
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der Privilegsurkunde ging als Hauptintention für die Regelung hervor, dass das Privileg die nicht geschäftsführenden Kapitaleinleger vor einer Haftung für Schulden schützen sollte, die die Geschäftsführer verursacht, vor dem Zugriff der Gläubiger aber geflohen waren.172 Ganz eindeutig erscheint jedoch nicht, wie genau diese Schutzfunktion beziehungsweise die Haftungshöhe der Kapitalanleger ausgestaltet war. Schmied sah in der Regelung nur eine subsidiäre Haftung der nicht geschäftsführenden Teilhaber, wobei die Geschäftsführer vorrangig gehaftet haben sollten. Er stützt sich in dieser Ansicht darauf, dass die Regelung angeblich besagte, dass die Kapitalanleger erst hätten haften müssen, wenn das Hauptgut, das sy alle in der geselschafft hetten, nicht zur Schuldentilgung ausreichte.173 Schmid verkannte aber, dass das Hauptgut nicht nur aus den Einlagen der Geschäftsführer bestand, sondern aus denen aller Teilhaber. Im Übrigen weist im Wortlaut des Privilegs nichts auf eine nur subsidiäre Haftung der Kapitalanleger, die erst nach erfolgloser Heranziehung der Geschäftsführer zu zahlen hätten, hin.174 In der Ausgestaltung der Haftungsbeschränkung erscheint die Formulierung, „nach anzal ihres zugelegten haubtguts“, insoweit unklar, als nach der Wortbedeutung die Wortkombination „nach anzal“ entweder als „proportional nach dem Verhältnis der Anteilshöhen“ oder als „nach der absoluten Höhe des Einlagewertes“ verstanden werden kann.175 Gegen eine Verteilung der Schulden nach Quoten spricht, dass in anderen Regelungen anstatt der Wörter „nach anzal“ meist die Formulierung „nach markzal“ verwendet wurde, wenn ein prozentuales Verhältnis gemeint war.176 Auch die ebenfalls hier nicht vorliegende Verwendung beider Begriffe oder die Zusätze „per cento“ und „nach dem hundert“ wurden für diesen Fall angewendet, wie im 2. Gesetz des 30. Titels der Nürnberger Reformation von 1479.177 Aber auch wenn im Privileg eine Verteilung der Schulden nach aus den Höhen der Einlagen berechneten Quoten gemeint gewesen sein sollte,178 172 Bauer, Unternehmensformen, Unternehmensformen, S. 127; Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 75; eine Flucht von Schuldnern vor ihren Verpflichtungen kam regelmäßig vor. Siehe zum Beispiel folgende RKG-Regesten, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 11, S. 60 (Nr. 4564), 435 f. (4983), 462 f. (5011). 173 Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 64. 174 Vgl. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 76. 175 DRW, Bd. 1, Sp. 790 f. 176 Siehe S. 166, 171. 177 Regelung, in: Wolgemut, Reformacion der Statut und gesetze, S. 378; auch im Auszug der gesell schaftsrechtlichen Regelungen, in: Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 364–366. 178 Vgl. dazu die Verteilung von Gewinn und Verlust im Fuggervertrag von 1494 zu gleichen Teilen, doch nach anzall unsers yedes haubtguts, so unser yeder im
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hätte diese letztlich ihre Beschränkung in der Höhe des Wertes der Ein lagesumme als Haftungshöchstsumme gefunden, die dann ausschlaggebend gewesen wäre. Dahingehend bestimmte das Privileg explizit, dass aller ander ir hab und gut […] von allermaintlichen unangelangt, unaufgehalten und unbekumbert sein sollten. Das bedeutet, dass nur mit der Summe der Einlage für die Gesellschaft gehaftet werden sollte.179 Wenn eine solche Haftungsbeschränkung gefehlt hätte, wäre im Übrigen das in der narratio bestimmte Ziel nicht erreicht worden, nicht geschäftsführende Gesellschafter vor Zugriffen von Gesellschaftsgläubigern auf ihr nicht eingebrachtes Vermögen zu schützen und vor unüberschaubaren Haftungsforderungen zu bewahren, da eine quotenmäßige Haftungsbeschränkung das nicht leisten konnte.180 Fraglich ist aber, ob mit der Haftungsbeschränkung die schon an die Gesellschaft bezahlte Einlage gemeint war oder ob ein Einleger noch einmal diesen Betrag zu zahlen hatte. Die herrschende Meinung ging bisher von der ersten Variante aus.181 Für die Haftungsgrenze in der Höhe einer nochmaligen Zahlung eines Betrags in Höhe der Einlage spricht andererseits der Wortlaut des Privilegs für den Fall, dass Gesellschaftsschulden von dem haubtgut […] nit mochte bezallt werden. In einem solchen Fall wäre das gesamte Gesellschaftsvermögen, das aus allen Einlagen bestand, durch die Tilgung von Gesellschaftsschulden verbraucht gewesen. Dennoch wären in einem solchen gedachten Fall weitere Schulden vorhanden, die bezahlt werden müssten. Da aber alle Einlagen aufgebraucht wären, müsste notgedrungen Vermögen nachgeschossen werden. Nach den traditionellen gesellschaftsrechtlichen Haftungsregelungen war in einem solchen Fall auf das Privatvermögen aller Gesellschafter zuzugreifen, wobei dieses grundsätzliche Verständnis wohl auch bei den Verfassern des Privilegs erhalten geblieben war. Die Geschäftsführer hatten mangels anderer Vorschriften aus dem Privileg wie gehabt unbeschränkt persönlich zu haften. Der nicht geschäftshandel hat […], worin eine prozentuale Verteilung zu sehen ist. Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Jansen, Jakob Fugger, S. 263 [263]. 179 Vgl. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 78 f. 180 Vgl. Bauer, Unternehmensformen, Unternehmensformen, S. 170, der auch eine Beschränkung auf den Betrag der Einlage sah. Vgl. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 78; vgl. v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 164; vgl. Isenmann, Stadt im Mittelalter, S. 907. 181 Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 78; Kammerer, Unternehmensrecht, S. 136; Isenmann, Stadt im Mittelalter, S. 907; v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 163 f.; Westermann, Die Nürnberger Welser, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 240 [242]; Bauer, Unternehmensformen, Unternehmensformen, S. 170; Rehme, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, in: ZRG, Bd. 60 (GA, Bd. 47) (1927), S. 487 [537], der die bloßen Einleger als Kommanditisten bezeichnete; Mayer, Die „Fürlegung“, S. 47, 49.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
führende Teilhaber aber war nit mer zu bezalen pfhlichtig noch schuldig als nach Anzahl seines Hauptguts. Daraus folgerte Thomas, dass auch der nicht Geschäftsführende zunächst mit weiterem privaten Vermögen für die Gesellschaft zu haften hatte, seine Haftung dann aber auf die Höhe seiner Einlage beschränkt gewesen sei. Der Kapitalanleger hätte danach diesen Betrag zusätzlich zum eingelegten noch einmal zu bezahlen.182 Auch der Kommentar Orths von 1742 zur Frankfurter Reformation von 1578, der im Wesentlichen der Nürnberger Regelung gleichkam, spricht eher für eine Nachschusspflicht bis zur Höhe der Einlage, indem dieser besagte, dass ein nicht geschäftsführender Gesellschafter Verluste der Gesellschaft auch wegen des Verlusts an seinem Capital, nach proportion [der Höhe seines Anteils], mit tragen helfen muß […].183 Tatsächlich könnte, wie auch Thomas annahm, ein zu leichtfertiger Vergleich mit der heutigen Kommanditgesellschaft, der diese wörtliche Auslegung der Privilegsregelung nicht entspricht, einige Rechtshistoriker zu der anderslautenden Auslegung fehlerhaft verleitet haben. Dennoch ist nicht außer Acht zu lassen, dass der Privilegsregelung eine unglückliche und undeutliche Formulierung zugrunde liegt und dessen tatsächliche Aussage redaktionell so nicht gemeint gewesen sein könnte. Auch ist denkbar, dass der Frankfurter Kommentar eine Zahlung mit dem schon eingelegten Kapital meinte. Zweck der Privilegsvorschrift war gemäß der narratio immerhin, zu verhindern, dass ein nicht mitarbeitender Gesellschafter als alleiniger Schuldner zur Bezahlung aller Gesellschaftsschulden verpflichtet wird, falls keine anderen Gesellschafter mehr greifbar sind. Durch eine Beschränkung der Haftung der bloßen Kapitalanleger auf einen zu zahlenden Betrag in Höhe der bereits gezahlten Einlage konnte dieses Ziel jedoch nicht unbedingt erreicht werden. Die Kapitaleinleger hätten in den persönlichen Bankrott geraten können, wenn der noch einmal zu entrichtende Einlagebetrag höher als das Privatvermögen ausgefallen wäre. Letztlich ergibt also eine solche Auslegung der Privilegsregelung keinen Sinn und die Norm kann so nicht gemeint gewesen sein. Diese Sichtweise wird unterstützt durch die spätere Fassung der Haftungsbeschränkung in der Nürnberger Stadtrechtsreformation von 1564. Die hier in Titel 18, Gesetz 4, Abs. 2184 normierte beschränkte Haftung richtete sich fast wörtlich nach dem Privileg von 1464. Im Abs. 3 war aber klarstellend Folgendes hinzugefügt worden. So aber der Gesellschaft vermügen / zu volliger bezalung nit Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 77 f. Anmerckungen über der Franckfurter Reformation, S. 535 f. 184 So aber ainer sein gut oder gelt / in ain Gesellschaft zu gewyn und verlust / on besondere geding oder verpflichtung gelegt het / und die Gesellschaft in ainen verlust kommen were / So soll Er weiter nit / dann nach anzal seines gelegten gelts oder guts / mitzubezalen schuldig sein. Regelung, in: Der Stat Nurmberg verneute Reformation, Fol. 107v. 182 Vgl.
183 Orth,
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 197
raichen oder gnugsam sein wurde / So soll doch der / so zu gewyn oder verlust zugelegt het / weiter nit verpflicht sein / dann so weit sich sein hauptgut erstreckt.185 Das heißt, die Haftung des nicht Geschäftsführenden erstreckte sich ausschließlich auf das bereits in das Gesellschaftsvermögen eingelegte Kapital und der Anleger hatte in dem Fall, dass das Gesellschafts vermögen samt seiner Einlage verbraucht war, nichts mehr nachzuzahlen. Der gegenüber dem Privileg veränderte Wortlaut ist damit zu erklären, dass die Reformation von 1564 unter dem Ziel entstand, […] Ordnungen und Gesetz […] an etlichen orten einzuziehen / zuleutern / zupesern / und mit ettlichen notwendigen satzungen zumeeren / und souil müglich / in ain richtige / verstentliche / kurtze Ordnunge zupringen […], da sie dem gemainen Man / zu weitleufftig und irsam erschien.186 Das spricht einmal mehr dafür, dass auch schon im Privileg ein solcher Haftungsumfang beabsichtigt war187 und der entgegenstehende Wortlaut des Privilegs auf redaktionellen Formulierungs- und Ausdrucksschwierigkeiten beruht. Letztendlich bleiben jedoch bezüglich dieser Sichtweise Zweifel bestehen und es erscheint wegen seiner Undeutlichkeit insgesamt nicht mit aller Sicherheit möglich, den im Privilegstext enthaltenen Umfang der beschränkten Haftung genau zu erfassen.188 c) Außenhaftung der nicht geschäftsführenden Gesellschafter Von Wölkern blieb in seiner Interpretation des Privilegs noch unklar, ob die Haftung der nicht geschäftsführenden Gesellschafter, beziehungsweise deren Beschränkung gegenüber „Extraneos“, also Gesellschaftsgläubigern, oder nur gegenüber anderen „Socios“ im internen Ausgleich griff.189 Im täglichen Geschäftsverkehr wurden nicht Geschäftsführende nicht von externen Gläubigern haftbar gemacht, da die Geschäftsführer, die gegenüber den Gläubigern auftraten, von diesen vorrangig in Anspruch genommen wurden, da den Gläubigern die Kapitalanleger vielleicht gar nicht bekannt waren, nicht zuletzt weil öffentliche Register nicht existierten.190 Amend-Traut 185 Regelung,
in: Der Stat Nurmberg verneute Reformation, Fol. 107v. in: Der Stat Nurmberg verneute Reformation, Fol. A_008. 187 Vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [245]. 188 Vgl. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 78, dem letztendlich auch mangels weiterer Quellen und Nachweise keine eindeutige Aussage zum Haftungsumfang möglich erscheint. 189 v. Wölkern, Nuernbergische Reformation, Bd. 2, S. 156 f. 190 Ein öffentliches Register, in dem alle Gesellschafter eines Unternehmens enthalten waren, wurde in Nürnberg erst im Rahmen der neuen Bankoordnung von 1621 errichtet. Vorrangig ging es hier aber nicht um die Veröffentlichung der Ge186 Text,
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sieht hier daher eine stille Gesellschaft,191 von der auch zum Beispiel Gedeon ausging,192 und schließt eine Haftung des nur Kapital einlegenden Gesellschafters gegenüber Gesellschaftsgläubigern aus.193 Tatsächlich waren die Gesellschaftsstrukturen im 15. Jahrhundert im deutschen Raum weitgehend nach innen gewandt gestaltet, sodass auch von den Geschäftsführern im Geschäftsverkehr meist nur derjenige zahlte, der das betreffende Geschäft abgeschlossen hatte. Die Identitäten der anderen Geschäftsführer, geschweige denn die der nicht geschäftsführenden Mitgesellschafter, wurden bei Geschäftsabschlüssen bis zum Ende des 15. Jahrhunderts einem Geschäftspartner nicht unbedingt mitgeteilt.194 Ein Gläubiger, besonders ein ortsfremder, konnte die Identitäten der Kapitalanleger, insbesondere der kleineren, nur durch Spezialwissen oder Nachforschungen erfahren. Doch auch wenn die Kapitalanleger bekannt waren, wurden sie regelmäßig nicht zur Zahlung herangezogen, wie sich in dem beschriebenen Baseler Fall von 1438195 zeigte, in dem das Gericht eine Außenhaftung der nicht Geschäftsführenden verneinte und deren Haftung auf das Innenverhältnis verwies. Auch Bender sah in seinem Handbuch zum Frankfurter Privatrecht von 1848 eine Gesellschaftereigenschaft des nicht Geschäftsführenden nur gegenüber dem Geschäftsführer, nicht aber im Verhältnis zu Gesellschaftsgläubigern.196 Demgemäß ist für Deutschland kein Fall bekannt, in dem nicht geschäftsführende Gesellschafter im täglichen Geschäftsverkehr nach außen haften mussten, was tatsächlich bedeuten würde, dass alle damaligen nicht geschäftsführenden Gesellschafter grundsätzlich als eine Art stille Gesellschafter zu sehen waren. Fraglich ist dann aber, warum die Regelung überhaupt in einem offiziellen Privileg erlassen wurde, wenn sie nur nach innen wirken sollte. Stattdessen hätten privatschriftliche Haftungsbeschränkungen ausgereicht, die zu dieser Zeit in internen Gesellschaftsverträgen bereits vorhanden waren. sellschafter, sondern um die namentliche Bekanntmachung der Prokuratoren, denen sie Vollmacht erteilt hatten und die ermächtigt waren im Rechtsverkehr für die Gesellschaft zu handeln. Rintelen, Entwicklung des Handelsregisters, S. 333 f. In der Entwicklung der notariellen Beurkundung war Norditalien führend vor dem nördlicheren Europa, das dahingehend dann von Italien aus beeinflusst wurde. Schmoeckel, Die Reichsnotariatsordnung von 1512, in: Schmoeckel / Schubert, Geschichte des Notariats, S. 29 [30 f.]. 191 Amend-Traut, Art. Handelsgesellschaften, in: HRG, Bd. 2, Sp. 703 [708]. 192 Gedeon, Rezeption des römischen Privatrechts, S. 38. 193 Amend-Traut, Brentano, Fugger und Konsorten, S. 17. 194 Winker, Jacob Fugger, S. 66 f., 76 f.; vgl. M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [445]. 195 Siehe S. 176. 196 Bender, Handbuch des Frankfurter Privatrechts, S. 750.
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Dafür, dass neben einer Wirkung nach innen auch eine Außenwirkung der Regelung beabsichtigt war, spricht dagegen auch, dass insbesondere im Bankrott einer Gesellschaft, wenn auch nicht im täglichen Zahlungsverkehr, eine Außenhaftung der Kapitalanleger sehr wohl möglich war,197 da die Gesellschaftsgläubiger alle Möglichkeiten ausnutzen und alle Teilhaber ansprechen mussten, um ihre Forderungen einzutreiben. Es wird deutlich, dass die nicht Geschäftsführenden in gleicher Weise wie die Geschäftsführer bei Geschäftsabschlüssen im Namen der Gesellschaft verpflichtet wurden. Ein stiller Gesellschafter kann im Privileg nicht gemeint gewesen sein, da ein solcher niemals, nicht einmal in Ausnahmefällen, nach außen zu haften hatte. Vielmehr zeigte sich im Verständnis der damaligen Zeit, dass bereits die bloßen Kapitalanleger selbst sich im Wirtschaftsleben als gleichwertige nach außen haftende Gesellschafter verstanden und auch als solche angesehen wurden, da Gläubiger der Gesellschaft sie spätestens im Rahmen eines Gesellschaftsbankrotts haftbar machten. Dieser Umstand machte überhaupt erst die Normierung der beschränkten Haftung und den Erlass des Privilegs erforderlich.198 Wenn es auch für solche Fälle nur verschwindend wenige Beispiele gibt,199 sprach doch das Privileg in seiner narratio diese Art von Situation als Motivation für den Erlass der Haftungsbeschränkung selbst an.200 In der Pleite eines Unternehmens, die die narratio konkret meinte, kam es vor, dass sich die Geschäftsführer der Haftung durch Flucht entzogen, so zum Beispiel in der Pleite der Arzt-Handelsgesellschaft.201 Die Gläubiger wendeten sich daher direkt an alle anderen noch verfügbaren Gesellschafter, Geschäftsführer oder nicht, die in Erfahrung gebracht werden konnten, um ihre Forderungen beglichen zu bekommen. In einem Fall aus Augsburg, dem Weyer-Bankrott von 1557, probierten einige Gläubiger, sogar auch ohne dass die Geschäftsführer geflohen waren, den Sebastian Weyer neben seinen geschäftsführenden Brüdern Hans und David haftbar zu machen. Sie versuchten anhand einer Schuldverpflichtung, die er angeblich mitunterschriebenen hatte, zu beweisen, dass er auch Gesellschafter sei und mitzuhaften habe.202 Sebastian Weyer war allem Anschein nach tatsächlich 197 Thomas,
Haftung von Gesellschaftern, S. 58 f. Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 71; vgl. Rehme, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, in: ZRG, Bd. 60 (GA, Bd. 47) (1927), S. 487 [532 f.]. 199 Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 61. 200 Narratio, in: Bauer, Unternehmensformen, S. 127. 201 Siehe unten, ab S. 211. Die als nicht geschäftsführende Gesellschafterin an der Arzt-Gesellschaft beteiligte Clara Paumgartner hatte im Bankrott der Gesellschaft gegenüber, in diesem Fall aber internen, Gesellschaftsgläubigern zu haften, wobei alle geschäftsführenden Gesellschafter vor ihrer Zahlungspflicht geflohen waren. Krag, Die Paumgartner, S. 19–22. 202 Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 168–170, 265. 198 Vgl.
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ein nicht geschäftsführender Gesellschafter. Bis auf die Unterzeichnung der besagten Schuldverpflichtung, die eine grundlegende Angelegenheit der Gesellschaft und nicht die eigentliche regelmäßige Geschäftsführung betraf, trat er nach außen überhaupt nicht in Erscheinung. Letztlich konnte seine Gesellschaftereigenschaft anscheinend aber nicht bewiesen werden. Seine Einlage wurde schlussendlich als depositum angesehen und er durfte damit auf Seiten der Gläubiger stehen.203 Wie intensiv Gesellschaftsgläubiger nach Personen suchten, die möglicherweise Gesellschafter waren und als solche ihre Forderungen bezahlen könnten, zeigte auch der Bankrott der HaugLangnauer-Linck-Gesellschaft von 1574. Mangels greifbarer Geschäftsführer wendeten sich die Gläubiger an die Neffen des einen Geschäftsführers, des verstorbenen David Haug, die der Augsburger Rat als vermeintliche Mitgesellschafter in Schuldhaft nehmen ließ.204 David Haugs Neffen Ludwig, Hans Konrad und Anton Haug erfüllten verschiedene Aufgaben für die Gesellschaft, wie als Schreiber in der Firmenzentrale oder in ausländischen Niederlassungen in England, und wurden dabei zu künftigen Hauptgeschäftsführern des Unternehmens herangezogen und ausgebildet. Letztlich stellte sich aber heraus, dass die drei keine Gesellschafter waren, obgleich sie durch ihr Auftreten den Anschein solcher erzeugten, wobei nicht zuletzt das Unternehmenspersonal sie als Gesellschafter ansah und Ludwig Haug sich sogar selbst als Gesellschafter verstand. Die drei Personen als Gesell203 Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 269, 273. Wegen der Zahlungsaufforderung von externen Gesellschaftsgläubigern gegen solche nicht geschäftsführende Beteiligte erscheint es nicht einleuchtet, dass Kischka es in Zweifel zieht, dass nach den Regelungen des Privilegs Wirkungen für das Außenverhältnis vorgesehen waren. Kischka, Ausscheiden eines Gesellschafters, S. 50 204 Haßler, Zusammenbruch der Handelsgesellschaft David Haug, S. 32 f.; siehe auch folgende Regesten von RKG-Akten, die den Fall behandelten. Bayerisches HStA, RKG, Bd. 11, S. 163 f. (Nr. 4686), 164 f. (4687). Die Verhaftung der drei Brüder war möglich, obwohl ihre Gesellschaftereigenschaft noch unklar war, aufgrund der Augsburger Fallitenordnung von 1574. Diese bestimmte, dass beim Auftreten eines Firmenbankrotts neben anderen Maßnahmen alsbald die Diener zuverstriken seien, um einen Bankrottfall aufzuklären und zu regulieren, wobei die Gebrüder Haug mindestens Diener der Gesellschaft ihres Onkels David Haug darstellten. Augsburger Fallitenordnung vom 03.07.1574, in: Haßler, Zusammenbruch der Handelsgesellschaft David Haug, S. 52 f.; vgl. Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 309; vgl. Ringling, The Haug-Langnauer-Linck & Relatives, S. 269 f. Auch in Norditalien konnte man wohl regelmäßig alle Personen und Familienangehörige, sogar Kinder und Frauen, die mit einer bankrotten Gesellschaft in irgendeiner Form in Verbindung standen, in Gewahrsam nehmen, um zahlungspflichtige Gesellschafter ausfindig zu machen und von ihnen die Gesellschaftsschulden einzutreiben oder zumindest Druck auf die Gesellschafter auszuüben. Siehe eine dahingehende Anordnung Herzog Karls von Kalabrien für den Bankrottfall der Florentiner Scali vom 09.08.1326, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 175 (Nr. 865).
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schafter vertraglich aufzunehmen, war auch tatsächlich einmal vorgesehen gewesen, wurde aber nie umgesetzt.205 Folglich waren die drei Neffen Angestellte des Unternehmens und konnten nicht für Gesellschaftsschulden in Anspruch genommen werden.206 Grundsätzlich konnten Gesellschaftsgläubiger aber folglich die nicht geschäftsführenden Gesellschafter haftbar machen. Deren Haftungspflicht wurde jedoch schon aus praktischen Gegebenheiten meist lediglich im Innenverhältnis gegenüber den Geschäftsführern relevant, sodass sich die Wirkung der Haftungsbeschränkung zwangsläufig vorrangig auf den internen Ausgleich unter den Gesellschaftern konzentrieren musste. Spätestens in Bankrottfällen, wenn keine geschäftsführenden Gesellschafter zur Inanspruchnahme mehr verfügbar waren, wendeten sich die Gläubiger aber direkt an die nicht geschäftsführenden Gesellschafter. Zwar wurden nicht geschäftsführenden Gesellschaftern in Süddeutschland letztlich nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen, die vor 1464 offensichtlich noch keine so großen Probleme verursacht hatten, dass ein Rat einer Stadt sich zu einer wirklichen Haftungsbeschränkung veranlasst sah. Der Stadt Nürnberg erschienen aber gerade diese Ausnahmesituationen eines Bankrotts, wie aus der narratio der Privilegsurkunde von 1464 hervorging, relevant genug, um eine generellen Regelung zur Beschränkung der Haftung für die Kapitalanleger zu erlassen. Diese Haftungsbeschränkung musste nach innen wie nach außen wirken, um die bloßen Kapitalanleger vollumfänglich zu schützen.207 Letztlich wirkte die Haftungsbeschränkung also immer dann, wenn ein nicht geschäftsführender Gesellschafter zur Zahlung für Gesellschaftsschulden herangezogen wurde. Das konnte sich auf das interne Verhältnis zu Mitgesellschaftern oder das Außenverhältnis zu Gesellschaftsgläubigern beziehen.
205 Haßler, Zusammenbruch der Handelsgesellschaft David Haug, S. 26 f.; vgl. Ringling, The Haug-Langnauer-Linck & Relatives, S. 242. 206 Haßler, Zusammenbruch der Handelsgesellschaft David Haug, S. 27, 32–37, 40 f. 207 Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 58 f., 61; Lastig schloss, in: Lastig, Stille Gesellschaft, in: Endemann, Handbuch, Bd. 1, S. 704 [718], dagegen die Außenhaftung der nur Kapital anlegenden Gesellschafter komplett aus. Zu dieser Auffassung stellt sich aber wieder die Frage, warum das Privileg von 1464 gemäß seinem Wortlaut die Außenhaftung von Kapitalanlegern einschränken sollte. Die Ansicht Lastigs ist nur durch den Umstand zu deuten, dass er die Kapitalanleger auf Gewinn und Verlust, entsprechend einer damals weit verbreiteten Ansicht, in der Tradition der späteren stillen Gesellschaft verortete.
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d) Zwischenbetrachtung – Vergleich mit der florentinischen accomandita „Im großen und ganzen entspricht dies auch dem modernen Begriff der Kommanditeinlage.“, so Robert Schmied im Jahr 1936 über die im Nürnberger Privileg von 1464 geregelte Investitionsform.208 Oberflächlich ist dem zuzustimmen, obwohl im Einzelnen differenziert werden muss. Aus der Interpretation bleibt festzuhalten, dass beide im Privileg angesprochenen Sorten von Teilhabern an Gewinn wie Verlust beteiligt wurden. Die Teilhaber mit geding führten die Geschäfte und hafteten unbeschränkt für Gesellschaftsschulden. Die andere Gruppe von Teilhabern ohne geding arbeitete nicht in der Gesellschaft mit und haftete auf ihre Einlage beschränkt, wobei sich die Haftung höchstwahrscheinlich auf die schon gezahlte Einlage bezog und keine Nachschusspflicht bestand. Beide Sorten von Teilhabern sind als Gesellschafter und keine der beiden Gruppen als Depositengläubiger oder ähnliches zu sehen. Die Gesellschafter waren im Gegensatz zur florentinischen accomandita von 1408 mit ihren Einlagen nicht in einem öffentlich einsehbaren Register, sondern nur in internen Gesellschaftsbüchern vermerkt. In erster Linie wurden von Gesellschaftsgläubigern die Geschäftsführer haftbar gemacht, nicht die Kapitalanleger. Daher war die Haftungsregelung des Privilegs, die sich laut der narratio von 1464 vorrangig auf das Außenverhältnis bezog, nur für solche Fälle von Gesellschaftsbankrotten praktisch relevant, in denen die Kapitalanleger mangels Verfügbarkeit der bekannten Geschäftsführer wirklich zur Außenhaftung herangezogen wurden. Regelmäßig hatten die bloßen Kapitalanleger in Nürnberg nur nach innen gegenüber ihren Mitgesellschaftern, nicht aber gegenüber Gesellschaftsgläubigern, für Gesellschaftsschulden einzutreten. Im gesellschaftlichen Innenverhältnis schienen bisher jedoch keine Probleme mit dem Haftungsrecht aufgetreten zu sein, sodass nicht aus diesem Grund die Haftungsbeschränkung normiert wurde, obgleich die Regelung nun im Innen- und im Außenverhältnis wirkte. In Florenz dagegen war das Auftreten der Gesellschaft nach außen im 15. Jahrhundert bereits weiter ausgeprägt. Dort wurden im Geschäftsverkehr regelmäßig wohl geschäftsführende und nicht geschäftsführende Gesellschafter durch externe Gesellschaftsgläubiger zur Haftung für die Gesellschaft herangezogen. Dafür spricht auch, dass man sich in Florenz für ein öffentliches Register entschieden hatte, um auch die nur Kapital anlegenden und ansonsten nicht in Erscheinung tretenden Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern publik und damit haftbar zu machen. 208 Schmied,
Kapitalbeschaffungsformen, S. 64.
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2. Beweggründe und Interessen bezüglich der Haftungsbeschränkung Nach der offiziellen Begründung aus der narratio der Privilegsurkunde sollten nicht geschäftsführende Gesellschafter vor einer alleinigen Inanspruchnahme wegen Gesellschaftsschulden geschützt werden, wenn die Geschäftsführer selbst sich der Haftung durch Flucht entzogen hatten. Es liegt aber nahe, dass zumindest mit dieser Begründung verknüpft oder noch zusätzlich andere Beweggründe Nürnbergs bezüglich der wirtschaftlichen und politischen Situation der Stadt oder in Bezug auf die Streitigkeit des Anton Paumgartner mit der Gesellschaft der Familie Arzt eine Motivation zum Erlass des Privilegs darstellten. Dazu ist zunächst zu beachten, dass das Privileg zwar von Kaiser Friedrich III. erlassen wurde, dessen Wortlaut aber vom Nürnberger Rat ausgearbeitet und beim Kaiser eingereicht wurde, der diese Fassung im Juni 1464 nur mit geringen redaktionellen Änderungen erließ.209 Nürnberg hatte den Erlass der selbst verfassten Privilegsregelungen am Kaiserhof angeregt und ausgehandelt, wobei dieser dann wahrscheinlich, wie damals üblich,210 gegen eine Geldzahlung vollzogen wurde. Die Motivation zum Erlass der Regelung zur Haftungsbeschränkung ist also vorrangig in der Stadt Nürnberg und nicht am kaiserlichen Hof zu suchen. a) Einleitend zur wirtschaftlichen Situation in Nürnberg Der Astronom Regiomontanus sagte 1471 über die Stadt Nürnberg, dass „dieser Ort wegen seines ausgebreiteten Handels […] für den Mittelpunkt Europas angesehen werden kann.“211 Nürnberg war zunächst wegen seiner zentralen Lage als Verkehrsknotenpunkt in Mitteleuropa begünstigt und daher wirtschaftlich fortschrittlicher als andere Städte. Die Stadt eignete sich eine Vorrangstellung in der Weiterverteilung von Waren aus dem Mittelmeerraum in Richtung Osten und Norden und Waren des Nordens nach Italien an, obgleich es auch selbst über umsatzstarke und exportorientierte Handwerksbetriebe verfügte.212 Die Stadtbevölkerung musste ihre Gewerbe209 Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [244 f.]. 210 Isenmann, Recht, Verfassung und Politik in Rechtsgutachten, in: Boockmann / Grenzmann / Moeller / Staehelin, Recht und Verfassung, Teil 2, S. 47 [136–138, 140]. 211 Fleischmann, Nürnberg im 15. Jahrhundert, S. 109. Regiomontanus zog es nach Nürnberg wegen der dortigen Hersteller herausragender astronomischer und geografischer Messinstrumente. Zinner, Nürnbergs wissenschaftliche Bedeutung, in: MVGN, Bd. 50 (1960), S. 113 [113]. 212 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [401 f.]; vgl. Waldmann,
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aktivitäten notgedrungen auf Handwerk und Handel konzentrieren, da der Nürnberger Boden für Landwirtschaft und Bergbau wenig geeignet war. Zur Versorgung der Stadt bestanden zunächst sehr ausgeprägte Handelsbeziehungen nach Böhmen und Mähren, woher neben der Oberpfalz213 Rohstoffe für die Metallverarbeitung, in der die städtischen Handwerker führend waren, und landwirtschaftliche Erzeugnisse bezogen wurden.214 Auch waren die Nürnberger mit Mitteldeutschland verbunden, das ebenfalls Bergbauerzeugnisse lieferte, so zum Beispiel das kupferreiche Mansfelder Land.215 Neben dem böhmischen war der sächsische Teil des Erzgebirges für die Nürnberger zum Beispiel als Silberlieferant besonders relevant.216 Im Zuge der günstigen Lage und des Versorgungsbedürfnisses der Stadt entwickelten sich Nürnbergs Kaufleute schon im Hochmittelalter im Vergleich zu denen aus Städten wie Frankfurt oder Regensburg zu besonders aktiven und fähigen Fernhändlern, die in verschiedenste Richtungen unterwegs waren. Bald nahm die Stadt daher auch bezüglich der Fähigkeiten ihrer Kaufleute gegenüber den anderen süddeutschen Städten eine herausragende Stellung ein. Der Nürnberger Kaufmann wurde oft als „Inbegriff des deutschen Kaufmanns“ angesehen.217 Die Haupthandelsgüter der Nürnberger stellten stets Metallwaren dar, einmal Rohstoffe aus den Bergbaurevieren und auf der anderen Seite die Produkte, die daraus in Nürnberg hergestellt wurden. Die Stadt verfügte über besonders versierte Handwerker in der Metallbearbeitung, die in ihren Entstehung der Nürnberger Reformation 1479, in: MVGN, Bd. 18 (1908), S. 1 [9]. Diese wirtschaftlich überragenden Stärken Nürnbergs beschrieb auch der spätere Papst Pius II., Enea Silvio Picolomini, Mitte des 15. Jahrhunderts nach mehreren Besuchen der Reichsstadt. Stauber, Nürnberg und Italien, in: Neuhaus, Nürnberg, S. 123 [126]. Auch im Nachrichten- und Postverkehr bekleidete Nürnberg aufgrund seiner zentralen Lage, sowie der ausgeprägten Handelskontakte, eine wichtige Verteilungsstellung. Polívka, Nürnberg als Nachrichtenzentrum, in: Heimann / Hlaváček, Kommunikationspraxis, S. 165 [167–173]. 213 Endres, Nürnberg und Amberg, in: Bestmann / Irsigler / Schneider, Festschrift für von Stromer, Bd. 2, S. 679 [680 f.]. 214 Kraus, Beziehungen zur Römischen Kurie, in: MVGN, Bd. 41 (1950), S. 1 [24]; Waldmann, Entstehung der Nürnberger Reformation 1479, in: MVGN, Bd. 18 (1908), S. 1 [9 f.]; Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 656 f. 215 Kellenbenz / Walter, Das Deutsche Reich, in: Kellenbenz, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 3, S. 822 [868, 872]; Stahlschmidt, Messinggewerbe, in: MVGN, Bd. 57 (1970), S. 124 [127]. 216 Werner, Fusion der Zechen um den Rappolt, in: MVGN, Bd. 56 (1969), S. 214 [215–217]; Werner, Regesten und Urkunden, in: MVGN, Bd. 59 (1972), S. 40 [45]. 217 Bens, Warenfernhandel im Mittelalter, S. 7 f.; Isenmann, Stadt im Mittelalter, S. 919.
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Werkstätten die verschiedensten Produkte herstellten, wobei das Angebot von filigranen technischen Instrumenten über Werkzeuge und Waffen bis zu hochwertigem Schmuck reichte. Der gute Ruf der Nürnberger Waren in ganz Europa begünstigte das Gewerbe der Kaufleute und so stellten die Nürnberger Handwerker neben den Händlern eine nicht weniger relevante Grundlage des wirtschaftlichen Erfolgs Nürnbergs im Spätmittelalter dar.218 Um das Gedeihen der in alle Himmelsrichtungen exportorientierten Handwerksbereiche sicherzustellen, regulierte der Nürnberger Rat diese wie den gesamten Handwerkssektor bereits seit der Mitte des 14. Jahrhunderts nach Art einer Planwirtschaft, wobei sich die Exportwarenherstellung nach den damaligen Gewerbepolizeiordnungen wegen ihrer hohen Relevanz für die städtische Wirtschaft in einer Sonderstellung befand. Die städtischen Regelungen betrafen zum Beispiel die Zulassung zu den Handwerksberufen, den Absatz der Waren und die Überwachung ihrer Qualität. Zünfte existierten nicht mehr.219 Dass Nürnberg seine Waren auch absetzen und durch seine günstige geografische Lage überhaupt eine handelsstarke Stadt werden konnte, wurde im Weiteren in nicht wesentlich dadurch begünstigt, dass die Stadt spätestens seit dem Erwerb des Nürnberger Reichszollamtes 1396 durch den Stadtrat unabhängig von umliegenden Landesherren, die durch Verpfändungen die Macht über die kaiserlichen Ämter in vielen Reichsstädten erlangt hatten, agieren konnte. Für den Nürnberger Rat, in dem zudem die meisten großen Kaufmannsfamilien vertreten waren, hatte die Verbesserung der Handelsverhältnisse stets höchste Priorität. Die Ratsherren lenkten „im Rate sitzend zugleich ihre eigenen Geschäfte wie die Wirtschaftspolitik des Rates.“220 Das Ziel, die zu entrichtenden Zölle als übliche Hindernisse des Außenhandels in den zahlreichen Territorien, die die Händler passieren mussten, zu reduzieren, spielte dabei eine Hauptrolle.221 Ob und in welcher Höhe Nürnberger Händler jeweils Zölle zahlen mussten, richtete sich nach den handelspolitischen Verhältnissen Nürnbergs zu den von den Kaufmannszügen 218 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [378]; Endres, Nürnberg und Amberg, in: Bestmann / Irsigler / Schneider, Festschrift für von Stromer, Bd. 2, S. 679 [683 f.]. 219 Vgl. Stahlschmidt, Messinggewerbe, in: MVGN, Bd. 57 (1970), S. 124 [141 f.]; Lentze, Gewerbeverfassung, in: JfL, Bd. 24 (1964), S. [252 f.]; Stauber, Nürnberg und Italien, in: Neuhaus, Nürnberg, S. 123 [130]. 220 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [394]. 221 Müller, Handelspolitik Nürnbergs, in: JBNST, Bd. 93 (1909), S. 597 [597 f.]. Im Jahr 1385 war schon das Amt des städtischen Reichsschultheißes erworben worden. Fleischmann, Nürnberg im 15. Jahrhundert, S. 13.
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zu durchquerenden Territorien und anderen Reichsstädten, die den Handel fremder Kaufleute in ihrem Machtbereich reglementierten.222 Nürnberg profitierte nun aber durch den Erwerb seines reichsstädtischen Zollamts selbst von den Zolleinnahmen der Stadt und konnte die Nürnberger Zölle auch selbst festlegen. Dadurch besaß die Stadt eine gute Verhandlungsposition zur Vereinbarung gegenseitiger Zollfreiheiten beziehungsweise günstiger Zolltarife und zum Abbau anderer Handelsschranken im Handelsverkehr mit den Nachbarterritorien und Städten und darüber hinaus.223 Nürnberg gelang es letztlich auch durch die traditionell guten Kontakte seiner Kaufleute und Ratsherren, über mehrere Jahrhunderte ein weitreichendes, durch Verträge und Privilegien gebildetes, Netz zollfreier Städte und Landstraßen für sich aufrecht zu erhalten,224 um einen funktionierenden Fernhandel seiner Handelsgesellschaften, zum Beispiel nach Italien,225 zu ermöglichen. b) Allgemeine Motive der Stadt Nürnberg zu einer Haftungsbeschränkung In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gingen in Nürnberg einige größere Handelsunternehmen Bankrott, so die Koler, Kress und Ortlieb im Jahr 1430, die Hauptlinie der Stromer 1433 und die Mendel 1448. Schließlich ergaben sich auch wirtschaftliche Probleme in der Gesellschaft der Paumgartner, die nach dem Erlass des Privilegs von 1464 im Jahr 1465 in die Pleite geriet.226 Die Ursachen der Bankrotte waren vielfältig, wobei Schödl sie allgemein in einer „Überforderung durch Finanzierung von Politik und Krieg in Ostmitteleuropa“ ausmachte.227 In Anbetracht dessen könnte für den Erlass der Haftungsbeschränkung zunächst, wie in Florenz, die Inten tion eine Rolle gespielt haben, den städtischen Unternehmen durch risikolosere Anlagemöglichkeiten für beschränkte Gesellschafter einen vermehrten Kapitalzufluss zu ermöglichen und die Unternehmen dadurch gegen wirt222 Müller, Hauptwege des Nürnbergischen Handels, in: AKG, Bd. 5 (1907), S. 1 [9]. 223 Müller, Handelspolitik Nürnbergs, in: JBNST, Bd. 93 (1909), S. 597 [597 f.]. 224 Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 658 f.; Stauber, Nürnberg und Italien, in: Neuhaus, Nürnberg, S. 123 [131]; v. Stromer, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 215 [220]. 225 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [387, 391, 392 f.]. 226 Isenmann, Stadt im Mittelalter, S. 755; zu Ortlieb vgl. Haller v. Hallerstein, Der Handelsprozess Jacob Hallers, in: MVGN, Bd. 50 (1960), S. 85 [86]; zu Stromer vgl. Sporhan-Krempel / v. Stromer, Handelshaus der Stromer, in: VSWG, Bd. 47 (1960), S. 81 [97]. 227 Schödl, Vorbild und Vormacht, in: Neuhaus, Nürnberg, S. 219 [227].
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schaftliche Turbulenzen widerstandsfähiger zu machen und ihnen einen vergrößerten Handlungsspielraum zu schaffen. Die sonstigen Möglichkeiten zur Kapitalbeschaffung durch deposita und Darlehen, die weitaus umfangreicher genutzt wurden, enthielten eine große Schwäche, da sie kurzfristig von den Investoren zurückgefordert werden konnten und das betreffende Unternehmen plötzlich große Kapitalsummen auszahlen musste.228 Das führte zwangsläufig zu Zahlungsschwierigkeiten und entzog dem Unternehmen grundlegendes Handlungskapital, das man schnellstmöglich erneut über den sich stetig verändernden Kapitalmarkt beschaffen musste. Man lief also Gefahr, in den Bankrott zu geraten. In Norditalien waren solche Bankrottfälle bereits im 14. Jahrhundert eingetreten und hatten in Florenz mit zum Erlass der beschränkten Gesellschafterhaftung in Form der accomandita im Jahr 1408 beigetragen. Auch süddeutsche Gesellschaften bauten grundlegend auf kurzfristige Depositeinlagen und waren mit den daraus resultierenden Nachteilen konfrontiert. Bis in das 16. Jahrhundert gingen sie sogar dazu über, an Fremdkapital nur noch Depositeinlagen anstatt Einlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter aufzunehmen, da man einmal die Anleger nicht an möglicherweise höher ausfallenden Unternehmensgewinnen beteiligen musste wegen des im Vorhinein festgelegten Zinssatzes. Andererseits musste man den Anlegern kein irgendwie geartetes Mitspracherecht in der Gesellschaft gewähren.229 Nun drohte aber wie in Italien bereits die kleinste Krise eines Unternehmens die Deponenten dazu zu verleiten, ihre Einlagen aus Angst vor Verlusten sofort zurückzufordern und erst recht eine Kapitalkrise des Unternehmens zu bewirken oder zu vergrößern.230 Geschützt war ein Unternehmen vor Kapitalflucht nur insoweit, als deposita von Verwandten stammten, die ein Interesse am Fortbestand des Unternehmens verfolgten und ihre Einlagen nicht schon bei dem kleinsten Anzeichen einer Krise zurückforderten.231 Einlagen auf Gewinn und Verlust konnten dagegen meist frühestens zum Ende einer Abrechnungsperiode, also nach zwei bis drei Jahren, gekündigt und zurückgefordert werden.232 Letztlich waren die Nachteile des deposi228 Zum Beispiel forderte der Nürnberger Hans Külsner, der dem Kaufmann Hans Geiger, Geld geliehen hatte, im Jahr 1576 dieses Vermögen kurzfristig zurück. Dazu war er motiviert worden durch Gerüchte um die angeblich schlechte wirtschaftliche Situation Geigers. Regest, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 7, S. 16 f. (Nr. 2148). 229 Hildebrandt, Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, Bd. 1, S. 93 [96–98]. 230 Hildebrandt, Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, Bd. 1, S. 93 [105]; vgl. Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 244. 231 Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 245 f. 232 Hildebrandt, Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, Bd. 1, S. 93 [101].
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tums aber für die Einführung der beschränkten Haftung in Nürnberg nur nachrangig ausschlaggebend, da im Gegensatz zu Florenz auch nach mehreren Unternehmenspleiten im Zeitraum um 1560 bis 1580, die durch die Staatsbankrotte mehrerer Länder angestoßen worden waren,233 die auf deposita und Darlehen beruhenden Finanzierungsmodelle der Unternehmen insgesamt beibehalten und noch ausgebaut wurden.234 Ein relevanterer Beweggrund für die Einführung der beschränkten Gesellschafterhaftung lag dagegen darin, dass die bestehenden nur lückenhaften gesellschaftsrechtlichen Regelungen für die expandierenden Handelsunternehmen, die den einfachen Familiengesellschaften entwachsenen waren, nicht mehr ausreichten. In der Anwendung auf immer komplexer werdende Sachverhalte ergaben sich mehr und mehr Unklarheiten, die langwierige Streitigkeiten bewirken konnten. Da den daraus resultierenden Behinderungen des städtischen Wirtschaftssystems abgeholfen werden musste, ergab sich im Endeffekt ein „Zwang“ zur Überarbeitung und Neufassung gesellschaftsrechtlicher Regelungen,235 der in diesem Fall das Haftungsrecht in Gesellschaften betraf. Außerdem mussten, wie in der narratio von 1464 als Hauptgrund für die Haftungsregelung des Privilegs angesprochen, die bloßen Kapitalanleger wirksamer geschützt werden, die nicht in der Gesellschaft mitarbeiteten, letztendlich aber trotzdem unbeschränkt für Gesellschaftsschulden haftbar gemacht werden konnten.236 Nach der narratio entzogen sich dabei zudem die Geschäftsführer oft sogar ganz ihrer Haftungspflicht, sodass die Kapitalanleger alleine eintreten mussten. Die nicht geschäftsführenden Gesellschafter waren dabei teils gar keine Investoren, die ihr Geld bewusst angelegt hatten, sondern hatten ihren Gesellschaftsanteil von einem Verwandten geerbt und waren zwangsweise in die Gesellschaft geraten. Das ergab sich aus den ursprünglichen Eigenschaften der Unternehmen als Familiengesellschaften, die auch in größeren Unternehmen in Grundzügen noch erhalten blieb, wobei die Gesellschaft nun familiäre und außenstehende Gesellschafter enthielt. Die männlichen Nachkommen führten dabei die Geschäfte der 233 Süddeutsche Kaufleute hatten Ländern, wie Spanien, Frankreich und den Niederlanden, hohe Geldbeträge geliehen, die sie sich selbst von ihren Anlegern als deposita geliehen hatten. Als die Bankrotte dieser Länder eintraten, forderten die Deponenten ihrer Gläubiger das eingelegte Vermögen zurück, das die Kaufleute nun nicht mehr auszahlen konnten. Die hoch spekulativen Finanzierungssysteme vieler süddeutscher Kaufleute aus Augsburg, Nürnberg oder Ulm endeten im Bankrott. Strieder, Zeitalter der Fugger, in: Deininger, Das reiche Augsburg, S. 46–49. 234 Hildebrandt, Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, Bd. 1, S. 93 [105]. 235 Kammerer, Unternehmensrecht, S. 142 f. 236 Vgl. Nübling, Ulm’s Kaufhaus, S. 263.
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Gesellschaft weiter. Die Töchter aber, deren Heiratsgut dann der Gesellschaftsanteil darstellte, wurden zu bloßen nicht mitarbeitenden Kapitalanlegern.237 Um genau diesem Problem der unbeschränkten Inanspruchnahme und finanziellen Gefährdung solcher nur Kapital anlegender Gesellschafter abzuhelfen, hatte man laut der narratio die Haftungsregelung von 1464 angestrebt. Die ungleich gewichtete und für Kapitalanleger nachteilige Haftungssituation stellte den Hauptgrund für den Erlass der Haftungsbeschränkung dar. Wie dieser Punkt wegen seiner negativen wirtschaftspolitischen Folgen für die Stadt Nürnberg zu einer solchen übermächtigen Entscheidungserheblichkeit erwachsen konnte, ist im Folgenden noch zu zeigen. Weiter könnten als Nebeneffekt auch politische Motive der Beschränkung der Gesellschafterhaftung zugrunde gelegen haben. Die Stadt Nürnberg könnte durch die eigene neue Regelung aus dem ihr allein erteilten kaiserlichen Privileg ihre Unabhängigkeit gegenüber umliegenden Territorialstaaten dokumentiert gesehen haben wollen. Nürnberg befand sich damals in ständigen Konkurrenzstreitigkeiten mit verschiedenen Markgrafen, insbesondere mit Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach, wobei es nicht zuletzt um die beiderseitigen rechtlichen Kompetenzen ging.238 Diesen Streitigkeiten war der erste Markgrafenkrieg von 1449 bis 1450 vorausgegangen, in dem Achilles, der seinen Machtbereich in Franken ausdehnen wollte, die Stadt Nürnberg angegriffen hatte, die er als Erzfeind betrachtete. Der Krieg, der durch einen von Kaiser Friedrich III. vermittelten Waffenstillstand beendet wurde, brachte ihm jedoch wegen des abschließenden Friedensvertrags vom 27.04.1453 keine Geländegewinne oder sonstige Vorteile.239 Die Feindschaft zwischen dem Territorialherrscher und der Reichsstadt bestand weiter. Jede durch den Kaiser erteilte rechtliche Kompetenz, so auch ein Privileg, kam dabei den Nürnbergern gelegen, um sich gegenüber dem Erzfeind Albrecht Achilles abzugrenzen und die eigene Position 237 Vgl. Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 669; vgl. Kischka, Ausscheiden eines Gesellschafters, S. 142 f. Dass Frauen, die mit ihrem Heiratsgut beteiligt blieben, als Gesellschafter mitzuhaften hatten, kann möglicherweise der Augsburger Höchstetter-Bankrott von 1529 zeigen. Die Gesellschaftsgläubiger wendeten im Hinblick auf solche Beteiligungen von Frauen ein, dass sie, wenn sie am Gewinn beteiligt gewesen seien, nun auch die Gesellschaftsschulden mit tragen müssten […] nach laut des kaiserlichen rechtens. Damit ist die Haftung von nicht geschäftsführenden Gesellschaftern, die auch dem Nürnberger Privileg Kaiser Friedrichs III. zugrunde liegt, gemeint. Auch ein Schreiben des Rats von Augsburg an den bayrischen Herzog betonte, dass über die Mithaftung der Ehefrauen stets nach kaiserlichem Recht entschieden werde. Auszug des Schreibens des Augsburger Rats, in: Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 335. 238 Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 138, 146; Liermann, Nürnberg als Mittelpunkt deutschen Rechtslebens, in: JfL, Bd. 2 (1936), S. 1 [5]. 239 Fleischmann, Nürnberg im 15. Jahrhundert, S. 49.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
zu stärken. Damit steht auch in Verbindung, dass Nürnberg die Haftungsbeschränkung in einem kaiserlichen Privileg erlassen haben wollte und nicht im Rahmen einer Nürnberger Stadtrechtsreformation, da das Privileg aufgrund des Erlasses durch das Reichsoberhaupt durch eine überterritoriale Ebene legitimiert war und reichsweit galt, während die Wirkung einer Stadtreformation auf den Herrschaftsbereich der Stadt beschränkt blieb. Dem kam entgegen, dass Nürnberg und der Königshof spätestens seit dem 14. Jahrhundert überaus enge Beziehungen unterhielten, wobei Nürnberg als zentral gelegene und wirtschaftlich einflussreiche Reichsstadt den Kaiser mit Nachrichten versorgte und einen Großteil seiner postalischen Kommunikation abwickelte. Aufgrund dieser traditionell engen Verbundenheit des Königs mit Nürnberg galt es bis weit in das 15. Jahrhundert als „königsnahe Stadt“. Zwar büßte die Stadt diese herausragende Position während der Regierungszeit Friedrichs III. zusehends ein. Sie bewahrte sich jedoch als mächtige Reichsstadt am Kaiserhof auch weiterhin eine Stellung von gewissem Einfluss.240 Dass aber auch Stimmen gegen den Erlass der Haftungsregelung vorhanden waren, sprach Nübling an, indem er sagte, die Nürnberger Kaufleute hätten „trotz alles Widerspruchs das Privileg erhalten, Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu errichten“.241 Zwar belegte Nübling diese Ansicht nicht. Es ist aber vorstellbar, dass gegen den Erlass der beschränkten Haftung Vorbehalte in- und auswärtiger Handelspartner bezüglich des Gläubigerschutzes eine Rolle spielten. Möglicherweise befürchteten Gläubiger, ihre Forderungen künftig nur erschwert gegenüber den Gesellschaftern von Nürnberger Unternehmen eintreiben zu können, da außerhalb einer Gesellschaft nicht unbedingt bekannt war, wer beschränkt und wer unbeschränkt haftete. Die neue Regelung bezweckte aber letztlich hauptsächlich den Schutz der nicht geschäftsführenden Gesellschafter. Auf den Schutz der Gesellschaftsgläubiger wurde wenig Rücksicht genommen, wobei zum Beispiel ein öffentliches Gesellschaftsregister fehlte. Aufgrund dieser denkbaren Befürchtungen von Handelspartnern der Nürnberger Gesellschaften könnten andererseits manche Stadtoberen oder Handelsherren selbst einen Vertrauensverlust gegenüber Nürnberger Firmen und einen dadurch künftig behinderten Handel vermutet haben. Solche Gegenstimmen dürften aber angesichts der überwiegenden Vorteile nicht wesentlich zur Sprache gekommen sein.
240 Heinig,
Reichsstädte, freie Städte und Königtum, S. 42–44, 139, 141. Ulm’s Handel, S. 356.
241 Nübling,
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c) Beeinflussung des Erlasses des Privilegs durch den Streit Arzt-Paumgartner Durch die Verknüpfung der näheren Umstände des Erlasses des Privilegs mit denen des Streits um die Handelsgesellschaft der Familie Arzt im Zeitraum von 1450 bis 1472 lässt sich möglicherweise der konkrete Anlass für die generelle Regelung der Haftungsbeschränkung herausfiltern und erklären, warum das Privileg gerade zu diesem Zeitpunkt erlassen wurde. Aus der Streitigkeit könnte hervorgehen, warum der Nürnberger Rat mit der Haftungsbeschränkung vorrangig die Kapitalanleger schützen wollte, wie in der narratio verlautete. Einen Zusammenhang zwischen dem Arzt-Paumgartner-Streit und der Haftungsbeschränkung von 1464 hielten bisher vor allem Elmar Lutz242 und Albrecht Cordes243 für möglich. Mechthild und Eberhard Isenmann lehnten eine Verbindung ab.244 Nach ihrer Auffassung könne „mit Bestimmtheit gesagt werden, dass der als Ausgangspunkt vermutete Fall der Jahre 1447–1453 […] von der Sache her keinen Anhaltspunkt für den zehn Jahre späteren Privilegienerwerb“ liefere.245 aa) Verlauf der Streitigkeit Die Ehefrau des Nürnberger Kaufmanns und Ratsmitglieds Anton Paumgartner, Clara Paumgartner, um die sich die Streitigkeit maßgeblich drehte, entstammte der Augsburger Familie Arzt. Ihr Vater, Ulrich Arzt, war im Jahr 1426 nach Nürnberg umgezogen und dortiger Bürger geworden.246 Als der Vater 1436 starb, blieb Clara Paumgartner neben ihren Geschwistern als Erbin an der Gesellschaft ihrer Familie beteiligt, ohne aber an der Ge242 „Der Streit Paumgartner-Arzt war Anlass für das Privilegienansuchen zum Gesellschaftsrecht. Hätte die Stadt Nürnberg das Privileg schon 1453 erhalten, wäre dieser Streit nicht entstanden.“ Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 146, vgl. S. 141, 149. 243 Cordes hielt Clara Paumgartner für „die Nürnberger Bürgerin, die [gemäß der narratio] ohne „Geding und Vorwort“ und ohne Beteiligung an der Geschäftsführung Geld auf Gewinn und Verlust in eine Handelsgesellschaft investiert hatte und, nachdem die „Regierer“ Schulden gemacht und sich abgesetzt hatten, von den Gläubigern der Gesellschaft in Anspruch genommen wurde“. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [252]. 244 M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [485–487]; siehe in diesem Artikel auch die neue detaillierte Darstellung der gesamten Vorgänge in der Arzt-Gesellschaft seit dem Jahr 1447, M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [452–484]. 245 M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [485]. 246 Hirschmann, Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 394.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
schäftsführung der Gesellschaft beteiligt zu sein. Nachdem sie im Jahr 1442 Anton Paumgartner geheiratet hatte, wandelte sich der geerbte Gesellschaftsanteil in ihr in die Ehe eingebrachtes Heiratsgut um, sodass sie weiter Gesellschafterin blieb.247 Ihre Beteiligung belief sich wohl auf 10.000 Gulden.248 Anton Paumgartner selbst hatte auf seinen Namen keine Einlage in der Gesellschaft.249 Die übrigen Gesellschafter waren Claras Brüder Ulrich und Hans Arzt, sowie ihre Schwester Justina Ulstatt, ihr Schwager Sigmund Gossembrot, außerdem ihr Schwager Hans Ulstatt und Thoman Oheim. Die Letztgenannten traten aber schon 1447 wegen Uneinigkeiten mit Hans Arzt aus der Gesellschaft aus. Die Geschäfte führten die männlichen Gesellschafter, wobei Hans Arzt das Unternehmen leitete. Die weiblichen Gesellschafter waren nicht an der Geschäftsführung beteiligt waren und erhielten keinen ausführlichen Einblick in die Buchführung.250 Um das Jahr 1450 ergaben sich Ungereimtheiten in der Rechnungslegung, die Hans Arzt vorgenommen hatte und damit Streitigkeiten zwischen Hans Arzt und seinen Mitgesellschaftern. Die Mitgesellschafter wollten, um den Sachverhalt aufzuklären, weitere Nachforschungen anstellen. Sie beauftragten dazu den geschäftlichen Vertreter des in Augsburg weilenden Sigmund Gossembrot und Handelsdiener der Arzt-Gesellschaft, Kaspar Nagel, ihnen die betreffenden Geschäftsunterlagen des Hans Arzt, auf die er zugreifen konnte, zu übergeben. Diesen Auftrag führte Nagel aus und überbrachte ihnen die Papiere, die tatsächlich eine unrichtige Geschäftsführung des Hans Arzt bewiesen.251 Es kann als bewiesen angesehen werden, dass Nagel im Zuge dessen in krimineller Weise in die Schreibstube des Hans Arzt eingedrungen war und die Unterlagen widerrechtlich entwendet hatte.252 Anton 247 Krag,
Die Paumgartner, S. 19–22, siehe hier zur gesamten Streitigkeit. Vorbringen des Nürnberger Rats in dem späteren, die Arzt-Gesellschaft behandelnden Gerichtsprozess, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 395r, 414v; siehe Vorbringen des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 342r. 249 Siehe Vorbringen des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 360v, 364r. 250 M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [452 f., 454 f.]. 251 Krag, Die Paumgartner, S. 19 f.; M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [458 f.]. 252 Siehe dazu die Behauptungen des Nürnberger Rats in dem späteren Gerichtsprozess im Rahmen seiner Klageerwiderung, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 9v ff.; siehe zum Beispiel auch das Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 231r f. Kaspar Nagel hat die Tat auch selbst gestanden, wie in der „Landshuter Richtung“ vermerkt, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 33v. Vgl. auch den Zwischenbericht über die Zeugenvernehmung, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 105r., 106r f. Ulrich Arzt hat die Tat des Kaspar Nagel wohl auch zugegeben. Siehe Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 245r f. Auch 248 Siehe
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Paumgartner behauptete dagegen später, er wisse nichts von einem Einbruch, falls er überhaupt stattgefunden habe253 und hätte nichts damit zu tun gehabt.254 Gegen die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens sprach aber die Tatsache, dass in seinem Haus die dem Hans Arzt entwendeten Geschäftsunterlagen gefunden wurden.255 Auf Grundlage der entwendeten Geschäftsunterlagen wurde Hans Arzt jedenfalls dazu gezwungen, ein Schuldanerkenntnis zu unterschreiben. Hans Arzt wiederum wendete sich daraufhin an den Nürnberger Rat, der Kaspar Nagel wegen des Einbruchsdiebstahls verhaften ließ.256 Andererseits bemühte sich die Stadt Augsburg auf die Bitte Gossembrots hin um die Freilassung des Augsburger Bürgers Kaspar Nagel und brachte die Angelegenheit sogar auf dem Ulmer Städtetag vor. Die Städte hielten sich aber aus dem Streit heraus und entschieden, dass Nürnberg über diese eigene Angelegenheit selbst richten sollte. Weiter wendeten sich die Gegner Hans Arzts an Herzog Albrecht III. von Bayern-München, der sich dann ebenfalls für die Freilassung Kaspar Nagels einsetzte,257 da er insbesondere Ulrich Arzt, Sigmund Gossembrot und Justina Ulstatt, die daher in der späteren „Landshuter Richtung“ als eine Partei genannt wurden, vertrat.258 Hans Arzt wiederum erbat sich Unterstützung bei Herzog Ludwig dem Reichen von Bayern-Landshut. Beide der nun involvierten Herzöge drohten Nürnberg, dessen Warenzügen die Durchreise durch ihre Territorien zu verweigern, und übten damit Druck auf die Handelsstadt zur Lösung der Streitigkeit aus. Nicht zuletzt auf Betreiben Herzog Ludwigs, der inzwischen den Nürnberger Warenzügen die Durchfahrt verwehrte,259 schaltete sich zusätzlich Markgraf die Zeugenvernehmungen haben die durch den Nürnberger Rat behauptete Tat insgesamt bestätigt. Zwischenbericht über die Zeugenvernehmungen, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 100r. 253 Vorbringen des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 14r ff., 27r. 254 Vorbringen des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 198v, 211r. 255 Siehe Aussage des Zeugen Mendlein, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 90r; Aussage des Zeugen Tallner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 164v. 256 Krag, Die Paumgartner, S. 20; M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [458–461, 466]. Der Einbruch durch Kaspar Nagel wurde zum Beispiel in der Landshuter Richtung erwähnt, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 33v ff.; siehe auch einen Zwischenbericht über die Zeugenvernehmung, in: 109v. 257 Krag, Die Paumgartner, S. 20 f., Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 4, S. 198; siehe auch in einem Zwischenbericht über die Zeugenvernehmung, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 106v. 258 Siehe Zeugenfrage Nr. 35 von Seiten der Verteidigung Paumgartners und die Antworten, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 92r f. 259 Erwähnt in der Klage des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 9r; siehe auch die Aussage des Zeugen Adelman, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 89r und das Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 222r, 231r.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
Albrecht Achilles ein und untersagte gleichfalls Nürnberger Kaufleuten mit sofortiger Wirkung, sein Territorium zu durchqueren.260 Am 13.03.1453 erklärte der Nürnberger Rat die streitgegenständlichen Eintragungen Hans Arzts in den Geschäftsunterlagen der Arzt-Gesellschaft für unwirksam,261 wobei Hans Arzt zwischenzeitlich verstorben war.262 Nach Verhandlungen Herzog Ludwigs des Reichen mit den Bevollmächtigten Nürnbergs, Konrad von Heideck, Wernher von Parsperg, Gregor von Heimburg und Hans Koler und Ulrich Starck, auf dem „Tag zu Landshut“, den Kurfürst Friedrich II. von Sachsen zur Beilegung des Streits einberufen hatte, wurde am 15.04.1453 die „Landshuter Richtung“ bekannt gegeben. Die „Landshuter Richtung“ stellte eine Art von Vertrag dar, der die Ergebnisse der Verhandlungen zusammenfasste. Gemäß den Vereinbarungen wurden Justina Ulstatt, Clara Paumgartner, beziehungsweise ihr Ehemann Anton Paumgartner, sowie Ulrich Arzt und Sigmund Gossembrot verpflichtet, 28.700 fl. an die Ehefrau des mittlerweile verstorbenen Hans Arzt, Anna Arzt, und ihre beiden Söhne zu zahlen. Der zu zahlende Betrag von 28.700 fl. setzte sich zusammen aus 20.000 fl. als Schadensersatz und 8.700 fl. als Ersatz für weitere Ausgaben der Anna Arzt im Zuge des Streits. Der Schadensersatz von 20.000 fl. war als Entschädigung für ihre Gesellschaftsbeteiligung zu zahlen, wenn die Verpflichteten die Geschäftsbücher der Arzt-Gesellschaft nicht wie in der Landshuter Vereinbarung festgelegt, in Landshut zur Überprüfung und genauen Berechnung der Anteile, Gewinne und Verluste der Anna Arzt und ihrer Söhne vorlegten. Letztlich legten die Gesellschafter die Geschäftsunterlagen den Prüfern nicht vor, sodass der Schadensersatz zu zahlen war. Die Stadt Nürnberg wurde verpflichtet, die Zahlung der 28.700 fl. an Anna Arzt zu gewährleisten,263 was im Sinne ei260 Dazu Paumgartner in der Prozessmitschrift, S. 305r; siehe Aussage des Zeugen Rottenhan, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 89r f. 261 Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 4, S. 198. 262 Krag, Die Paumgartner, S. 21; Hirschmann, Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 498; M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [470]. 263 Landshuter Richtung, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 33v ff.; siehe auch den Zwischenbericht über die Zeugenvernehmung, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 102v f., 105v, 107r, 108v f.; vgl. Hirschmann, Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 499. Nicht zuletzt Herzog Ludwig setzte sich wiederum vehement für die Zahlung an Anna Arzt ein, wie zum Beispiel dessen Briefverkehr mit der Stadt Nürnberg zeigte. Siehe dementsprechend, in: Rübsamen, Das Briefeingangsregister, unter anderem einen clagbrief Ludwigs (S. 263, Nr. 4234, April / Mai 1453), einen Brief […] das verpot von Anna Ertzin wegen, […] (S. 265, Nr. 4269, April / Mai 1453), womit wohl die Handelssperre für Nürnberg gemeint war, einen […] brief von hertzog Otto dem jungen, darinn er uns das geleit von hertzog Ludwig
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ner Bürgschaft zu verstehen war.264 Wegen dieser Zahlung auf die Landshuter Richtung wendete sich der Rat schließlich an Anton Paumgartner und dessen Vater, nicht zuletzt da außer Clara Paumgartner alle Gesellschafter der Arzt-Gesellschaft aus Nürnberg entwichen waren.265 Der Nürnberger Rat behauptete später, Paumgartner habe die Haftung für die Forderungen aus der Landshuter Richtung freiwillig angenommen266 und es sei diesbezüglich eine Zahlungsvereinbarung zwischen den Paumgartnern und der Stadt Nürnberg zustande gekommen.267 Anton Paumgartner sei neben Ulrich Arzt, Hans Ulstatt und Sigmund Gossembrot mit dem Streitgegenstand verwandt gewesen.268 Obwohl Anton Paumgartner stets eingewendet hatte, dass er mit der Gesellschaft der Familie seiner Ehefrau nichts zu tun habe269 und nie eingewilligt habe, auf die Landshuter Richtung für die Gesellschaft zu zahlen, schon gar nicht alleine,270 übernahmen die Paumgartner letztlich 18.350 fl. als Teilbetrag der Forderung und die Stadt Nürnberg den Rest in Höhe von 10.350 fl.271 Der Nürnberger Rat übernahm diesen Teil der Forderung, da Anton Paumgartner im Gegenzug zusagte, mit dem aufgebrachten Herzog Albrecht von Bayern-München zu verhandeln, damit dieser in seinem Territorium die Handelszüge der Nürnberger wieder ungehindert passieren ließe.272 Diese Abmachung zwischen Paumgartner und Nürnberg geschah im Stillen,273 was sich auch daran zeigte, dass Anton Paumgartner, begerung wegen in der Ertztin sach abschreibt, womit das Geleit zu Verhandlungen in der Arzt-Streitigkeit oder eine Handelssperre gemeint war (S. 265, Nr. 4275, April / Mai 1453), einen Brief von hertzog Ludwig in Beyrn, von der frist und bezalung wegen der 20.000 gulden der ertzin (S. 279, Nr. 4532, Juni / Juli 1453) und einen furderbrief von herzog Ludwig, von Hannsen Ertztin wegen an die Stadt Nürnberg (S. 299, Nr. 7870, November / Dezember 1453). 264 Isenmann, Höhere und Höchste Gewalt in Rechtsgutachten, in: Dilcher / Quaglioni, Anfänge des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 197 [225]. 265 Krag, Die Paumgartner, S. 21. 266 Siehe das Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 256r, 398v, 399r f., 422r. 267 Siehe die in Nürnberger Ratsakten neben den in diesem Fall eingeholten Juristengutachten dort enthaltenen Darstellungen des Paumgartner-Arzt-Streits, die der Nürnberger Rat für erwiesen hielt, in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, D-Laden, Akten-Nr. 327, Fol. 25v, 28v. 268 Siehe Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 412v f. 269 Erwähnt in der Klage des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 8v ff.; siehe zum Beispiel auch sein Vorbringen, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 340v f. 270 Siehe Vorbringen Anton Paumgartners, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 335v. 271 Krag, Die Paumgartner, S. 20–22. 272 Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 4, S. 198. 273 Vgl. Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 4, S. 198.
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wie sich aus den beiden Quittungen vom 28.05.1453 und vom 24.08.1453 ergibt, zunächst den gesamten Betrag von 28.700 fl. an Anna Arzt bezahlte.274 Den Beitrag Nürnbergs erhielt er nach der Zahlung im Geheimen von der Stadt erstattet.275 Die Motivation für Anton Paumgartner, für die Gesellschaft der Familie Arzt zu zahlen, könnte auf verschiedenen Umständen beruht haben. „[…] wer wolle gelauben das sich der vorgenannt anthoni pawngärtner oder ain ander zugeben mer erbietten solle denne er habe oder vermoge des er nicht schuld seye […]“, meinte Anton Tucher dazu in dem späteren Gerichtsprozess, der die Angelegenheit behandelte.276 Paumgartner selbst behauptete in dem Prozess, er habe lediglich seiner Frau Beistand leisten wollen, ohne selbst mit den Angelegenheiten der Arzt-Gesellschaft verwandt zu sein.277 Im Übrigen habe ihn die Stadt Nürnberg zur Zahlung gezwungen.278 Trotzdem habe er nur vorläufig zahlen wollen,279 da er an den Angelegenheiten der frembden Gesellschaft nicht beteiligt gewesen sei,280 um das gezahlte Geld im Nachgang von den wirklichen Gesellschaftern zurückzuerhalten. Möglicherweise fühlte sich Paumgartner aber trotz seiner ablehnenden Haltung unausweichlich zur Zahlung verpflichtet, da man in seinem Haus die dem Hans Arzt entwendeten Geschäftsunterlagen gefunden hatte281 und seine Aussage, er hätte nichts mit der Gesellschaft und dem Einbruch bei Hans Arzt zu tun, dadurch als unglaubhaft entlarvt wurde. Andererseits nahm er vielleicht an, dass ein breiter Teil der öffentlichen Meinung statt 274 Die Zahlung von insgesamt 28.700 fl. erfolgte getrennt in die Zahlung des Ausgabenersatzes von 8.700 am 28.05.1453 und die Schadensersatzzahlung von 20.000 fl. am 24.08.1453. Quittung vom 28.05.1453, in: StA Nürnb., Rep. 2 b, Rst. Nürnberg, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 2321, als Abschrift, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 119v; Quittung vom 24.08.1453, in: StA Nürnb., Rep. 2 b, Rst. Nürnberg, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 2341, als Abschrift, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 119r; vgl. M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [475]. 275 Siehe Zeugenfrage Nr. 44 von Seiten der Verteidigung Paumgartners und die Antworten, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 95r; siehe Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 409. 276 Aussage des Zeugen Tucher, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 146r. 277 Siehe Vorbringen des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 159r, 330v. 278 Vorbringen des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 15r f., 17r, 340v; Schlussplädoyer des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 430r. 279 Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 406r. 280 Vorbringen des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 341r f. 281 Krag, Die Paumgartner, S. 21 f.; siehe Aussage des Zeugen Mendlein, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 90r; Aussage des Zeugen Tallner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 164v.
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seiner Frau ihn selbst als der Ehefrau gesellschaftlich übergeordneten Ehemann und Familienoberhaupt, das das Ehevermögen und insbesondere das Heiratsgut der Ehefrau im Besitz hat und verwaltet,282 als Gesellschafter betrachtete.283 Auch wenn er nach außen immer wieder vehement abstritt, Gesellschafter zu sein, schien es für Außenstehende doch so, dass sich Anton Paumgartner derart offensiv in die Streitigkeit in der Gesellschaft der Familie seiner Frau einschaltet hatte,284 dass er den Eindruck eines Gesellschafters vermittelt haben musste. Dahingehend argumentierte auch der Nürnberger Rat, der im Übrigen bestritt, auf Paumgartner Druck zur Zahlung ausgeübt zu haben.285 Vielmehr habe Paumgartner die Zahlungsaufforderung aus der Landshuter Richtung aus eigenem Antrieb angenommen, da er persönlich in die Angelegenheit involviert gewesen sei. Seine Zahlung wäre das Ergebnis einer durch Paumgartner angestoßenen Kausalkette gewesen, die von der Beteiligung an dem Einbruch Kaspar Nagels, weswegen die Nürnberger Handelswege blockiert wurden und der Rat daher die Landshuter Richtung eingehen musste, auf die dann in logischer Folge Paumgartner zahlte, gereicht habe.286 Er sei folglich dadurch, dass er seiner Ehefrau Beistand geleistet hatte, Partei des Streits geworden.287 Kaspar Nagel wurde letztlich im Jahr 1455 aus der Nürnberger Haft entlassen,288 worauf Markgraf Albrecht den Weg durch sein Herrschaftsgebiet für die Nürnberger Kaufmannszüge wieder freigab.289 Die Gesellschafter Ulrich Arzt, Sigmund Gossembrot und Justina Ulstatt verpflichteten sich gegenüber dem Nürnberger Rat, den Unfrieden in der Sache um Kaspar 282 Forster,
[386].
Stadtbrauch der „Gerennten Heirat“, in: ZBLG, Bd. 73 (2010), S. 385
283 Dass die Tochter eines Kaufmanns als Heiratsgut einen Anteil als nicht geschäftsführende Gesellschafterin an der väterlichen Gesellschaft erhielt, war zwar üblich. Gesellschafter wurde an ihrer Stelle meist aber der Ehemann, wie im Fall des Endres Tucher, der nach der Heirat der Margaretha Paumgartner mit 2.000 fl. an der Gesellschaft der Paumgartner beteiligt war. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 147; Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 2, v. Kern (Einleitung), S. 3 [4 f.]. Siehe auch den Fall des Hans Starck, der nach der Heirat der Cecil Landauer im Jahr 1455 an der Gesellschaft deren Vaters, Marx Landauer, beteiligt wurde. Vereinbarung, in: Neukam, Ulrich Starck, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 177 [219 f.]. 284 Aussage des Zeugen Muffell, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 91r. 285 Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 220v f., 223r f. 286 Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 222r, 231r f. 287 Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 241v, 247r ff. 288 Krag, Die Paumgartner, S. 22. 289 Hirschmann, Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 498.
218
E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
Nagel zu beenden. Weiter verzichteten sie darauf, Forderungen gegen die Stadt geltend zu machen.290 Anton und Konrad Paumgartner verpflichteten sich auch dazu, die Vereinbarung zur Streitbeilegung einzuhalten. In der Vereinbarung erkannten die Paumgartner gleichzeitig die Rechtmäßigkeit ihrer Zahlung an Anna Arzt an und versicherten keine Forderungen gegen die Stadt Nürnberg zu stellen.291 Mit diesen beiden gegenseitigen kaiserlich bestätigten Verpflichtungserklärungen292 endete der Streit um die Arzt-Gesellschaft vorläufig. Nachdem Anton Paumgartner nun rund zehn Jahre seine Geschäfte weiter fortgeführt hatte, ging er Bankrott und flüchtete im Jahr 1465 aus Nürnberg nach Schwabach in das Territorium des Markgrafen Albrecht Achilles, der Nürnberg feindlich gesinnt war. Von diesem erhielt Paumgartner Schutz vor seinen Gläubigern und rechtliche Unterstützung.293 Albrecht stellte ihm den Stadtschreiber von Schwabach, Berchttolt Nordlinger, als Anwalt zur Verfügung.294 Von Schwabach aus rollte Paumgartner nun nicht zuletzt die scheinbar abgeschlossene Arzt-Streitigkeit wieder auf und klagte im Jahr 1466 gegen die Stadt Nürnberg am kaiserlichen Kammergericht auf Rückzahlung des an Anna Arzt geleisteten Betrages, da er eine dahingehende Zahlungsverpflichtung in keiner Weise übernommen und die Stadt ihn viel290 Verpflichtungserklärung vom 16.06.1455, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 112v f. 291 Verpflichtungserklärung vom 18.06.1455, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 112r f. 292 Kaiserliche Bestätigung der Urkunden, erlassen 08.03.1456 in Graz, in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, D-Laden, Akten-Nr. 1808, als Abschrift auch, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 115v-116v; vgl. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 145 f.; vgl. Isenmann, Höhere und Höchste Gewalt in Rechtsgutachten, in: Dilcher / Quaglioni, Anfänge des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 197 [225]. In einer solchen Bestätigung oder „Konfirmation“ bestätigte der Kaiser den Inhalt einer Urkunde, wodurch sie rechtlich nicht mehr angreifbar und für alle Betreffenden bei Strafe verpflichtend war. Isenmann, Höhere und Höchste Gewalt in Rechtsgutachten, in: Dilcher / Quaglioni, Anfänge des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 197 [225 f.]. 293 Krag, Die Paumgartner, S. 24; Hirschmann, Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 559 f.; Aschaffenburger Codex, Fol. 72v. Als Motiv für die Flucht gerade nach Schwabach bestanden engere Beziehungen zwischen der Familie Paumgartner und dem dort herrschenden Markgrafen Albrecht Achilles und vorher zu dessen Vater Friedrich I., den Konrad Paumgartner streckenweise beraten hatte. So hatte Konrad Paumgartner als Nürnberger Ratsherr im Zeitraum von 1431 bis 1440 auch einen Großteil der Gesandtschaften des Nürnberger Rates zu den Markgrafen durchgeführt und maßgeblich auf dem Tag zu Lauf vom 27.04.1453 den Friedensschluss im ersten Markgrafenkrieg der Nürnberger gegen Albrecht Achilles ausgehandelt. Sander, Die reichsstädtische Haushaltung, S. 112; Isenmann, Die Paumgartner, in: Westermann / v. Welser, Person und Milieu, S. 181 [184 f., 187 f.]. 294 Aschaffenburger Codex, Fol. 45r, 48v ff.
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 219
mehr zu dieser Zahlung gezwungen habe. Nürnberg erhob Gegenklage wegen Schulden Paumgartners bei der Stadt Nürnberg in Höhe von 644 fl. Der folgende Prozess wurde von 1466 bis 1469 ergebnislos am königlichen Kammergericht geführt. Daraufhin beauftragte Kaiser Friedrich III. mit Zustimmung der Parteien ein Schiedsgericht unter der Leitung Melchior von Neunecks, das von 1469 bis 1472 verhandelte. In diesem Verfahren unterlag Anton Paumgartner.295 Paumgartner blieb dennoch bei seiner Ansicht, dass ihn keine Zahlungspflicht getroffen habe. Nicht nur in seinem Schlussplädoyer brachte er Zweifel an der Wahrhaftigkeit der für ihn nachteiligen Zeugenaussagen zum Ausdruck, die die Gerichtsentscheidung stützten.296 Die Zeugen, die aus dem Nürnberger Rat oder dessen Umfeld stammten, hätten parteiisch auf Seiten des Rates gestanden.297 bb) Bezug des Privilegs zur Streitigkeit Das im Jahr 1464 erlassene Privileg könnte in seiner Regelung zur Haftungsbeschränkung zu großen Teilen auf den Umständen der Arzt-Paumgartner-Streitigkeit beruht haben. Die Regelung über die Haftung hätte genau einen solchen Fall betroffen, wie den der Clara Paum gartner als Gesellschafterin in der Arzt-Gesellschaft. Sie war wie andere Gesellschafter als nicht geschäftsführende Kapitalanlegerin beteiligt, während ihr Bruder, Hans Arzt, die Geschäfte führte. Clara Paumgartner beziehungsweise ihr Ehemann, der ihr finanziell aushalf und an ihrer Stelle zahlte, hatte, wie damals üblich, in unbeschränkter Höhe über ihren schon in der Gesellschaft liegenden Betrag von 10.000 fl. hinaus zu haften. Um Gesellschaftsschulden zu bezahlen, musste ein hoher Betrag von 18.350 fl. zugeschossen werden. Clara Paumgartner hatte die komplette Verbindlichkeit zu übernehmen, da die anderen Gesellschafter, wie Justina Ulstatt und Ulrich Arzt, sich nicht beteiligen wollten oder konnten.298 Hätte das Privileg mit seiner Haftungsbeschränkung auf die schon geleistete Einlage zu diesem Zeitpunkt schon bestanden, hätten die Paumgartner nichts mehr für die Arzt-Gesellschaft zahlen müssen.299 Anderer Ansicht war an dieser Stelle Thomas. Er bestritt, dass ein Anlass für die Privilegsregelung in der Streitigkeit lag, da der in 295 Urteil, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 433r ff.; Krag, Die Paumgartner, S. 24; Hirschmann, Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 559 f. 296 Schlussplädoyer des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 428r ff. 297 Siehe Vorbringen Anton Paumgartners, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 272v ff., 276v. 298 Vorbringen des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 299v, 344v f. 299 Vgl. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 141, 146, 149; vgl. Kammerer, Unternehmensrecht, S. 142 f.; vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [252 f.].
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
der narratio beschriebene Fall hier überhaupt nicht vorgelegen habe. Er begründet seine Ansicht damit, dass die Zahlung des Anton Paumgartner auf keine Verbindlichkeit der Arzt-Gesellschaft, sondern lediglich auf eine gegen Clara Paumgartner persönlich gerichtete Schadensersatzforderung erfolgt sei.300 Dem ist aber zu entgegnen, dass die Zahlung dennoch auf einer Verpflichtung der Gesellschaft beruhte. In der Landshuter Richtung, die die Grundlage der Zahlung darstellte, waren als Schuldner zunächst justina ulstettin hannsen ulstatt seligen wittuben, clawra pawngärternin anthonien pawngärtners eliche wirttin unnd annderen Burgern zu Nürnberg die ihres tails der sachenn verwannt sein […] genannt.301 Mit den „annderen Burgern“ waren neben den namentlich bezeichneten Justina Ulstatt und Clara Paumgartner die weiteren Gesellschafter namens Sigmund Gossembrot und Ulrich Arzt gemeint. So waren aus der Landshuter Richtung alle Gesellschafter der Arzt-Gesellschaft dazu verpflichtet, der Anna Arzt, Witwe des verstorbenen Gesellschafters und Geschäftsführers Hans Arzt, und ihren beiden Söhnen einen Schadensersatz in Höhe von 28.700 fl. bezüglich ihrer von Hans Arzt geerbten Gesellschaftsbeteiligung zu zahlen. Den Betrag von 20.000 fl. erhielten sie als Entschädigung für ihren geerbten Gesellschaftsanteil und den darauf entfallenen Gewinn, da die Schuldner nicht der in der Landshuter Richtung genannten Verpflichtung nachgekommen waren, Geschäftsunterlagen zur Berechnung des konkreten Gesellschaftsanteils und Gewinns der Anna Arzt und ihrer Söhne externen Prüfern vorzulegen.302 Ursprünglich sollten die Gesellschafter den aus den Unterlagen ermittelten Anteil inklusive des daraus entstandenen Gewinns der Anna Arzt und ihren Söhnen auszahlen. Die restlichen 8.700 fl., die die Paumgartner gemäß der Landshuter Richtung zahlten, hatten die Gesellschafter als Ersatz für übrige Schäden und Aufwendungen der Anna Arzt im Rahmen der Streitigkeit um die Arzt-Gesellschaft, beziehungsweise um den Anteil der Anna Arzt, zu erstatten.303 Anton Paumgartner selbst brachte vor, dass er nicht aufgrund einer individuellen Forderung gegen ihn oder seine Frau gezahlt habe, sondern wegen einer Verbindlichkeit aller Gesellschafter. Zudem sei er selbst gar kein Teil der Gesellschaft gewesen und habe daher ohnehin nicht zahlen 300 Thomas,
Haftung von Gesellschaftern, S. 59 f. Richtung, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 33v ff. 302 Siehe, in: Landshuter Richtung, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 34r ff.; siehe Quittung vom 28.05.1453, in: StA Nürnb., Rep. 2 b, Rst. Nürnberg, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 2321, als Abschrift, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 119v. 303 Siehe Quittung vom 28.05.1453, in: StA Nürnb., Rep. 2 b, Rst. Nürnberg, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 2321, als Abschrift, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 119v; siehe auch, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 31r, 32r; Aussage des Zeugen Mendlein, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 90v. 301 Landshuter
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 221
müssen, sondern die übrigen Gesellschafter.304 Er habe nicht aus einer Pflicht heraus an Anna Arzt gezahlt.305 Daher habe er den geforderten Betrag von zunächst 28.700 fl. nach seiner Ansicht nur vorläufig für die anderen Gesellschafter gezahlt. Wie aus den betreffenden beiden Quittungen hervorgeht, zahlte Paumgartner für die Gesellschafterinnen Justina Ulstatt und seine Ehefrau, Clara Paumgartner.306 Trotzdem Justina Ulstatt hier alleine genannt wurde, waren in den Quittungen aber vermutlich auch Sigmund Gossembrot und Ulrich Arzt gemeint, da diese Gruppe von Gesellschaftern ausgehend von der Landshuter Richtung stets als eine Partei benannt wurden, wobei namentlich immer nur Justina Ulstatt genannt wurde („[…] unnd annderen Burgern zu Nürnberg die ihres tails der sachenn verwannt sein […]“).307 Auch zum Beispiel in einem Zwischenergebnis zur Zeugenvernehmung ist ein solcher Sprachgebrauch festzustellen.308 Damit zahlte Paumgartner aufgrund einer Verbindlichkeit der Arzt-Gesellschaft. Dennoch schließen Mechthild und Eberhard Isenmann einen Zusammenhang zwischen der Privilegsregelung und dem Arzt-Paumgartner-Streit aus, da in der Arzt-Gesellschaft ein rein innergesellschaftlicher Streit vorgelegen habe und keine Schulden der Gesellschaft gegenüber Außenstehenden zu begleichen gewesen seien.309 Sie nehmen an, dass die Haftungsbeschränkung nur gegenüber Dritten galt und damit für Clara Paumgartner nicht eingegriffen habe.310 Selbst wenn man unterstellt, dass tatsächlich nur ein interner Konflikt bestand, wobei Mechthild und Eberhard Isenmann richtig erkennen, dass Anna Arzt und ihre Kinder wohl zur Gesellschaft keine Außenstehenden darstellten,311 wäre die Nürnberger Haftungsbeschränkung aber auch für diesen Sachverhalt relevant gewesen. Mechthild und Eberhard Isenmann verkennen, dass die Regelung von 1464 nach ihrem Wortlaut 304 Vorbringen
des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 14r f., 17r. des Paumgartner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 342v f. 306 Quittung vom 28.05.1453, in: StA Nürnb., Rep. 2 b, Rst. Nürnberg, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 2321; Quittung vom 24.08.1453, in: StA Nürnb., Rep. 2 b, Rst. Nürnberg, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 2341. 307 Siehe Zeugenfrage Nr. 35 von Seiten der Verteidigung Paumgartners und Antworten, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 92r f.; Landshuter Richtung, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 33v ff. 308 Zwischenbericht über die Zeugenvernehmung, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 100r f. 309 M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [485 f.]. 310 M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [445, 447 f., 485]. 311 M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [486]. 305 Vorbringen
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
auch im internen Ausgleich zwischen den Gesellschaftern zum Tragen kam.312 Sie verweisen in ihrer Argumentation auf die narratio.313 Diese sprach zwar tatsächlich nur das Außenverhältnis an. Es konnte aber auch im Innenverhältnis zu Situationen kommen, in denen Verbindlichkeiten zu begleichen waren, zum Beispiel wenn ein Geschäftsführer seine Ausgaben abrechnete oder wenn Vermögen an ausscheidende Gesellschafter zurückgezahlt werden musste, wie es im Streit um die Arzt-Gesellschaft vorlag. Alle Gesellschafter hatten nach innen wie nach außen unbeschränkt zu haften. Das führt zu einem Erst-Recht-Schluss, indem man sagen kann, dass die nach außen wirkende Haftungsbeschränkung genauso nach innen gewirkt haben muss. Unlogisch erschiene im Übrigen, warum die Haftungsbeschränkung nur nach außen und nicht auch nach innen eine Wirkung hätte entfalten sollen, da doch der nicht geschäftsführende Gesellschafter geschützt werden sollte, was vollumfänglich nur mit einer nach außen und innen wirkenden Regelung gewährleistet werden konnte. Clara Paumgartner hätte also, obwohl sie im Innenverhältnis beansprucht wurde, gemäß dem Privileg nicht zu haften gehabt, was von dem Wortlaut der konkreten Haftungsregelung gedeckt war. Wegen anderer Hinweise aus der narratio erscheint ein Zusammenhang zwischen dem Erlass der Haftungsbeschränkung und dem Arzt-PaumgartnerStreit dennoch fraglich. Die narratio des Privilegs erwähnte zunächst, dass die Haftungsbeschränkung nicht geschäftsführenden Gesellschaftern, burger oder burgerin, zu Gute kommen sollte. Lutz erklärte diese Verwendung der weiblichen neben der männlichen Form eines Gesellschafters damit, dass die Regelung speziell auf Clara Paumgartner hinweise,314 was jedoch zu verneinen ist. In dem Teil des Privilegs, der die Vormundschaft behandelt, wurde auch zweimal die „burgerin“ erwähnt,315 was für eine grundsätzliche Verwendung beider Geschlechtsformen in diesem Schriftstück spricht, die auf einer anderen Motivation beruhte.316 Des Weiteren war die Haftungsbeschränkung laut der narratio für Fälle gedacht, in denen Geschäftsführer Schulden gemacht hatten, vor ihrer Zahlungsverpflichtung geflohen waren und die Gläubiger sich an die verbliebenen nicht geschäftsführenden Gesellschafter wendeten. Darin wurde eigentlich nicht der Fall der Clara Paumgartner beschrieben, da die Gesellschaftsschulden, die sie letztlich abzutra312 Siehe
S. 197–201. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [443, 485 f.]. 314 Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 141, 146. 315 Regelungen, in: Bauer, Unternehmensformen, S. 127 f. 316 Vgl. M. u. E. Isenmann, Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft, in: VSWG, Bd. 101 (2014), S. 432 [485]. Mechthild und Eberhard Isenmann betrachten die Nennung von burger und burgerin schlicht als Pluralform. 313 M.
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 223
gen hatte, nicht durch einen Geschäftsführer verursacht worden waren. Vielmehr schieden mit Anna Arzt und ihren Kindern Beteiligte aus der Gesellschaft aus, die ihre Einlage und ihren Gewinn herausverlangten. Andererseits wäre nicht zu erwarten gewesen, dass die Beweggründe in der narratio konkret den kompliziert ausgestalteten Arzt-Paumgartner-Streit beschrieben, sondern sie mussten allgemeingültiger formuliert werden. Dass der Paumgartner-Fall hier nicht dargelegt wurde, spricht nicht gegen einen Zusammenhang zwischen diesem Fall und der neuen Haftungsbeschränkung. Im Übrigen hätte die konkrete Regelung zur Haftungsbeschränkung sehr wohl für Clara Paumgartner gegolten. Somit ist trotz den Aussagen der narratio gut vorstellbar, dass die Haftungsbeschränkung aufgrund des Streits um die Arzt-Handelsgesellschaft erlassen wurde, obgleich Zweifel bestehen bleiben und sich dies nicht eindeutig belegen lässt. Weiter spräche aber dafür, dass der Erlass der Haftungsbegrenzung zumindest teilweise auf den Erfahrungen aus der Arzt-Paumgartner-Streitigkeit beruhte, dass Kaiser Friedrich III., der das Privileg erließ, schon bevor die Nürnberger Delegation unter Tetzel 1464 zu ihm kam, um das Privileg zu erwirken, im Jahr 1456 von dem Streit um die Arzt-Gesellschaft gehört hatte. Ihm wurden 1456 nämlich die Urkunden über die beiden Verpflichtungserklärungen der beteiligten Parteien zur Beilegung der Streitigkeit aus dem Jahr 1455 zur Bestätigung vorgelegt wurden, die er auch vornahm, obgleich die Konfirmation in Nürnberg vorformuliert worden war. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Bestätigung im Nürnberger Staatsarchiv in der gleichen Aktenmappe zu finden ist, wie die beiden gleichlautenden Fassungen des Nürnberger Privilegsentwurfs von 1464, die daneben nur noch eine kaiserliche Bestätigung eines Privilegs für Nürnberg zur Prägung von Gold- und Silbermünzen von 1464 und eine Anordnung zur Gewährleistung der freien Entfaltung der Juden in Nürnberg von 1464 enthält.317 Das weist wiederum auf einen Zusammenhang zwischen der Entstehung der Haftungsbeschränkung und der Arzt-Paumgartner-Streitigkeit hin. cc) Bestrebungen und Interessen der Beteiligten Deutlicher sind Bezüge der Streitigkeit zu dem Erlass der Haftungsbeschränkung von 1464 aus den vorgebrachten Bestrebungen und Interessen der Parteien anlässlich des Streits herzustellen. 317 Kaiserliche Bestätigung der Urkunden, erlassen am 19.04.1456 in Graz, in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, D-Laden, Akten-Nr. 1808, auch, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 115v-116v; vgl. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 145 f.; vgl. Isenmann, Höhere und Höchste Gewalt in Rechtsgutachten, in: Dilcher / Quaglioni, Anfänge des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 197 [225].
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
(1) Bestrebungen und Interessen der Familie Paumgartner Anton Paumgartner verfügte als Nürnberger Ratsherr und Kaufmann über einige Kontakte, die es ihm ermöglicht hätten, die Ausarbeitung und den kaiserlichen Erlass einer Rechtsnorm innerhalb eines Privilegs anzustoßen. Die Familie Paumgartner hatte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine erfolgreiche Handelsgesellschaft etabliert, die Konrad Paumgartner um 1430 gegründet hatte, wobei er sich ab 1402 schon als Geschäftsführer und Gesellschafter in dem Handelsunternehmen seines Schwiegervaters stark engagiert hatte.318 Als angesehener Kaufmann gehörte Konrad Paumgartner dem Nürnberger Rat an und wurde durch den Rat um 1458 zusammen mit Anton Tucher sogar damit betraut, eine Stadtrechtsreform auszuarbeiten.319 Ein anderer Ratsverlass aus dem gleichen Jahr beauftragte Paumgartner mit der Ausarbeitung eines Gesetzes bezüglich der Schöffen.320 Auch hatte man ihn dieser Zeit mit überdurchschnittlich vielen weiteren Aufgaben betraut, die verschiedene Belange des städtischen Lebens, insbesondere Wirtschaftsfragen, betrafen.321 So könnten die Paumgartner auch den Erlass der Haftungsbeschränkung in dem Privileg von 1464 maßgeblich befördert haben. Im Übrigen war Jobst Tetzel, der als Delegierter das Privileg beim Kaiser erwirkte, mit der Familie Paumgartner verschwägert,322 wobei Hans Tetzel, der Sohn seines Cousins Stefan Tetzel, mit Brigitta Paumgartner, Tochter des Konrad Paumgartner, verheiratet war.323 Die Familie Paumgartner pflegte zudem selbst einen guten Kontakt zu Kaiser Friedrich III. und nahm Aufgaben als Verhandlungsführer in politischen Belangen war.324 Aber auch als Geschäftsleute agierten sie gegenüber dem Kaiser. Insbeson318 Riebartsch,
Augsburger Handelsgesellschaften, S. 106 f. Ratsverlass circa aus dem Geschäftsjahr 1458 („Item der stat bucher zu reformiren. Conrat Bawmgartner. Anthoni Tucher.“), in: Schieber, Die Nürnberger Ratsverlässe, Bd. 2, S. 10. Vgl. Merkel, Nürnberger Stadtrecht, in: Göttinger Juristen-Fakultät, Festgabe Regelsberger, S. 57 [60 f.]; vgl. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 147. 320 Betreffender Ratsverlass circa aus dem Geschäftsjahr 1458, in: Schieber, Die Nürnberger Ratsverlässe, Bd. 2, S. 11. 321 Siehe weitere Ratsverlässe um die Geschäftsjahre 1458–1461, in: Schieber, Die Nürnberger Ratsverlässe, Bd. 2, S. 36–49, in denen es zum Beispiel um städtische Baumaßnahmen und Grundstückskäufe, die Ordnungen und Arbeitsbedingungen verschiedener Handwerksberufe, Außenkorrespondenz und die laufende Stadtverwaltung ging. 322 Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [253]. 323 Wolf, Sächsische Weltchronik, S. 313. 324 Zum Beispiel verlieh Friedrich III. als Lehnsherr auf Vermittlung Konrad Paumgartners dem Hans Schürstab am 29.09.1448 die Mühle zum Doß an der Nürnberger Steinbrücke über die Pegnitz, die er von Hartmann Schedel gekauft hatte. 319 Betreffender
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 225
dere führten die Paumgartner regelmäßig Geldüberweisungen mittels Wechseln an den Kaiserhof durch.325 Gegen Bemühungen der Familie Paumgartner zum Erlass der Haftungsbeschränkung spricht aber, dass die Haftungsbeschränkung ihnen nicht unmittelbar nützen konnte. Insbesondere in den Gerichtsverhandlungen gegen den Nürnberger Rat um die Rückzahlung der von den Paumgartnern für die anderen Gesellschafter gezahlten Haftungssumme stützte sich Anton Paumgartner gemäß der Prozessmitschrift nicht auf die neue Haftungsregelung. Gegebenenfalls betrachtete er eine solche Argumentation berechtigterweise als wenig erfolgversprechend, da das Privileg zur Zeit der Streitigkeit und der Zahlung an Anna Arzt noch nicht erlassen war und er eine Rückwirkung der Norm als chancenlos ansah.326 So argumentierte er in seiner Klagebegründung vorrangig mit den Einwendungen, dass er nicht Gesellschafter der Arzt-Gesellschaft sei, mit dem Einbruch bei Hans Arzt nichts zu tun gehabt habe und zur Zahlung an Anna Arzt aufgrund der Landshuter Richtung durch den Nürnberger Rat gezwungen worden sei. Er sei nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen. Weiter seien die Zeugenaussagen rechtswidrig erfolgt, da die Zeugen aus dem Rat oder dessen Umfeld stammten und daher befangen gewesen seien. Anton Paumgartners Motivation in dem Prozess bestand darin, in irgendeiner Weise das verlorene Geld wiederzuerlangen, das er seiner Ansicht nach der Anna Arzt nur vorläufig in Vertretung der übrigen Gesellschafter und als Beistand für seine Frau gezahlt hatte.327 Er forderte, das Geld an ihn zurückzuzahlen, um dadurch seinem akut drohenden Bankrott entgegenzuwirken. Der Bankrott beruhte im Zuge dessen aber, entgegen der DarstelUrkunde, in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Heiliggeistspital Nürnberg, Nr. 283. 325 Zum Beispiel bestätigt ein Brief vom 27.07.1451 an die Nürnberger Ratsmitglieder Niklas Muffel und Georg Derrer, dass Konrad Paumgartner 1.000 fl., die er von Hans Nix von Hoheneck zur Überweisung empfangen hatte, am Kaiserlichen Hof auszahlen ließ. Belegt aus Nürnberger Briefbüchern, in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Briefbücher, Nr. 21, Fol. 346r-v; siehe auch eine hochwertige Überweisung aus Lüneburg und Hamburg aus dem Jahr 1459 an den kaiserlichen Hof, in: Heinig / Lackner / Niederstätter, Regesten Kaiser Friedrichs III., Teil 3, S. 108 (Nr. 148), 133 f. (196). Weiter wickelten die Paumgartner wohl regelmäßig Überweisungen für die Stadt Frankfurt ab. So bereitete Anton Paumgartner auf Anweisung Frankfurts im Jahr 1463 die Überweisung einer Stadtsteuerzahlung Frankfurts an den Kaiser vor, die letztlich aber nicht durchgeführt wurde. Siehe dazu im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt / Main, Reichssachen I, Nr. 5824, Fol. 5–11. 326 Lutz hatte, ohne die Prozessmitschrift untersucht zu haben, eine Berufung Anton Paumgartners in seiner Klage auf das Privileg für möglich gehalten. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 149. 327 Siehe Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 406r.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
lung Paumgartners, anscheinend nicht oder nicht unmittelbar auf der hohen Entschädigungszahlung an Anna Arzt, da dessen Vorboten erst einige Jahre nach dieser Zahlung auftraten.328 Durch die Rückzahlungsforderung sollte im Rahmen des Prozesses nur eine lukrative Geldquelle erschlossen werden, um den Bankrott doch noch abzuwenden. Um seine Forderungen im Rechtsstreit mit Nürnberg zu untermauern, suchte Paumgartner die Gründe für seinen Bankrott neben der Stadt Nürnberg bei seinen Gläubigern, die nicht mehr an seine Kreditwürdigkeit glauben würden, offensiv und aggressiv ihr Geld zurückfordern und ihm keine Möglichkeiten einräumen würden, die Schulden in angemessener Frist zu begleichen oder Vergleiche zu schließen.329 In erster Linie wurde die Pleite tatsächlich aber verursacht durch die Situation im eigenen Unternehmen und eine unvorteilhafte Geschäftsführung Anton Paumgartners selbst.330 Negativ unterstützt wurde die verlustreiche Geschäftsführung durch die Pleite eines Bruders von Anton Paumgartner, Martin Paumgartner, im Jahr 1460. Dadurch geriet Anton Paumgartner 1461 spürbar in Zahlungsschwierigkeiten. Bald konnte er seine Außenstände nicht mehr bedienen und blieb zum Beispiel dem Herzog Wilhelm von Sachsen aus einem Wechselbrief 881 fl. schuldig, woraufhin dieser der ganzen Stadt Nürnberg die Fehde ankündigte und deren Kaufmannszüge in seinem Territorium blockierte. Dem Pfalzgrafen Friedrich bei Rhein schuldete er 2.400 fl.331 Weiter war Paumgartner Wilhelm von Sachsen laut dessen Schreiben vom 05.12.1465 10.000 Kronen aus einem Wechsel an die Paumgartner-Gesellschaft schuldig. An den Pfalzgraf Friedrich hatte er 1466 noch 1.679,50 fl. zu zahlen.332 Auch wenn dies nicht aus dem Gerichtsprotokoll oder anderen Unterlagen um die Arzt-Paumgartner-Streitigkeit hervorgeht, ist dennoch denkbar, dass Anton Paumgartner den Erlass der Haftungsbeschränkung und des Privilegs von 1464 aus den schmerzlichen Erfahrungen aus der Streitigkeit beabsichtigt hatte, obgleich sich die Haftungsbeschränkung nicht mehr auf diesen Fall auswirken konnte und das an Anna Arzt gezahlte Geld unwiederbringlich verloren war. Paumgartners Absicht konnte darin bestanden haben, sich vor künftigen ähnlichen Zahlungsforderungen zu schützen. Trotzdem er328 Krag,
Die Paumgartner, S. 23 f. Die Paumgartner, in: Westermann / v. Welser, Person und Milieu, S. 181 [188 f., 190 f.]. 330 Darauf weisen auch die Aussagen der Zeugen Pirckheimer und Tucher in der Gerichtsverhandlung hin. Siehe, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 101v, 105r; vgl. Isenmann, Die Paumgartner, in: Westermann / v. Welser, Person und Milieu, S. 181 [198]. 331 Krag, Die Paumgartner, S. 23 f. 332 Isenmann, Die Paumgartner, in: Westermann / v. Welser, Person und Milieu, S. 181 [192]. 329 Isenmann,
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 227
scheint es wegen dieses geringen unmittelbaren Nutzens als wenig wahrscheinlich, dass die Paumgartner sich um den Erlass der Haftungsregelung bemüht hatten. (2) Bestrebungen und Interessen der Stadt Nürnberg Umso weniger der Erlass der Haftungsbeschränkung von 1464 auf Interessen der Paumgartner zurückzuführen ist, desto mehr dürfte er auf Motiven des Nürnberger Rates beruhen, die aus der Arzt-Paumgartner-Streitigkeit herrühren. Bereits dass Nürnberg im Prozess gegen Anton Paumgartner ab um 1466 ganze 33 Gutachten von deutschen und italienischen Rechtsprofessoren und Juristen anforderte,333 zeigte die große Relevanz des Falles für den Rat. Der wirtschaftliche Wohlstand von Städten wie Nürnberg, Regensburg, Ulm oder Augsburg beruhte hauptsächlich auf den Geschäften der örtlichen Handelsgesellschaften. Deren Schicksal war stets mit dem der Heimatstadt verbunden. Wirtschaftliche Misserfolge, Rechtsstreitigkeiten und ohnehin der Bankrott einer Handelsgesellschaft konnten die komplette Wirtschaftskraft, verbunden mit der politischen Macht und dem Ansehen, einer Stadt bedrohen. Daher mussten negative Entwicklungen in einem städtischen Wirtschaftsunternehmen stets ernst genommen werden, um angemessen darauf zu reagieren und dadurch den städtischen Wirtschaftskreislauf stabil zu halten. So erließ der Augsburger Rat als Reaktion auf die Pleite der Gesellschaft der Manlich, der der Schorer und der Unternehmen anderer Familien334 am 03.07.1574 eine Fallitenordnung. Diese regelte, wie Bürgermeister und Rat im Falle eines Firmenbankrotts vorzugehen hatten, um den betreffenden Bankrott möglichst reibungslos abzuwickeln, die Unternehmensgläubiger zu befriedigen und mögliche Schäden für die städtische Wirtschaft abzuwenden.335 Der Streit um die Arzt-Gesellschaft in den 1450er Jahren zog einschneidende insbesondere außenpolitische Folgen nach sich. Die Herzöge umliegender Territorien inklusive des gegenüber Nürnberg feindlich gesinnten Markgrafen Albrecht, die von den Streitparteien um Unterstützung angeru333 Darunter waren zum Beispiel Gutachten der Professoren Bartolomeus Cepolla und Baptista de Sancto Blasio von der Universität in Padua. Isenmann, Gelehrte Juristen, in: Arlinghaus / Baumgärtner / Colli / Lepsius / Wetzstein, Praxis der Gerichtsbarkeit, S. 305 [321]; siehe eine Auflistung in den Nürnberger Ratsakten, in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, D-Laden, Akten-Nr. 327, Fol. 1r – 2r und im Katalog der Bibliothek Konrad Peutingers, in: Brüning / Gier / Kießling / Müller / Schimmelpfennig, Die Bibliothek Konrad Peutingers, Bd. 2, S. 136–141. 334 Haßler, Zusammenbruch der Handelsgesellschaft David Haug, S. 32. 335 Augsburger Fallitenordnung vom 03.07.1574, in: Haßler, Zusammenbruch der Handelsgesellschaft David Haug, S. 52 f.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
fen worden waren, unterbrachen die für den Nürnberger Handel so wichtigen Fernstraßen, die durch ihre Herrschaftsgebiete führten. Damit sollte Druck auf den Rat ausgeübt werden, um den Streit schnellstmöglich aufzulösen und unter anderem den inhaftierten Kaspar Nagel aus der Nürnberger Haft freizupressen. Die Wirtschaft Nürnbergs beruhte auf einer größtenteils externen Rohstoffversorgung ihrer Handwerksbetriebe aus zum Beispiel Böhmen und Mähren und noch mehr auf den weitreichenden Handelstätigkeiten seiner Kaufleute. Auch um landwirtschaftliche Produkte zur Versorgung der Stadtbevölkerung importieren zu können, war die Stadt daher auf gut vernetzte und frei zugängliche Verkehrsverbindungen in alle Himmelsrichtungen dringend angewiesen.336 Daher ist es verständlich, dass das höchste wirtschaftspolitische Ziel des Rates, der zudem alleine aus Kaufleuten bestand, darin bestand, einen reibungslosen Ablauf der Reisen der Nürnberger Kaufleute zu gewährleisten. Durch die Arzt-Paumgartner-Streitigkeit war dieses Ziel zeitweise nicht zu erreichen. Nürnberg war an seinem wundesten Punkt getroffen, da die beteiligten einflussreichen Personen den Streit auf eine hohe außenpolitische Ebene gehoben hatten, indem sie sich an umliegende Territorialherrscher gewandt hatten. Der Nürnberger Rat war also gezwungen, die Streitigkeit zu lösen, um damit die elementare Gefahr für seinen Außenhandel zu beseitigen, was er mit der Landshuter Richtung schließlich erreichte.337 Die Stadt verbürgte sich für die Entschädigungszahlung, um die Erfüllung der Landshuter Richtung um jeden Preis sicherzustellen und dadurch im Arzt-Paumgartner-Streit die Wogen zu glätten und der Gefährdung seiner Handelsverkehrswege durch Herzog Albrecht III. und Herzog Ludwig dem Reichen und andere zu entgehen. Damit war der Frieden wieder hergestellt und die Handelswege durch die umliegenden Territorien gesichert.338 Für künftige Zeiten musste die Stadt aber vor solchen politisch brisanten Streitigkeiten unter einflussreichen Kaufleuten geschützt werden. Unter diesem Vorsatz dürfte man erwogen haben, das Haftungsrecht der Gesellschaften umzugestalten, da die gerade überstandene ArztPaumgartner-Streitigkeit in der unbeschränkten Haftung eines Gesellschafters, hier der Clara Paumgartner, motiviert gewesen war. Die passende Lösung war in einer Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende, sondern nur Kapital einlegende, Gesellschafter zu finden, die schließlich in dem reichsweit geltenden Privileg des Kaisers von 1464 auf Anregung des 336 Vgl. Kraus, Beziehungen zur Römischen Kurie, in: MVGN, Bd. 41 (1950), S. 1 [24 f.]. 337 Vorbringen des Nürnberger Rats, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 222r. 338 Vgl. die Aussage des Zeugen Tallner, in: Aschaffenburger Codex, Fol. 91r f, die darauf hinweist, dass die Stadt Nürnberg sich wegen der durch den Streit blockierten Handelswege an Paumgartner wendete und ihn im Rahmen der Landshuter Richtung zur Zahlung heranzog.
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Nürnberger Rates erlassen wurde. Wenn die Haftung für nicht geschäftsführende Gesellschafter schon zur Zeit des Streits um die Arzt-Gesellschaft beschränkt gewesen wäre, hätte dieser Streit weitaus glimpflicher aufgelöst werden können. Weder Clara Paumgartner noch andere nicht geschäftsführende Gesellschafter hätten für die Gesellschaft über ihre Einlage hinaus für Gesellschaftsschulden zahlen müssen. Nur die Geschäftsführer unter der Führung von Hans Arzt, dessen Ehefrau Anna die Forderungen gegen die Mitgesellschafter geltend gemacht hatte, hätten für weitergehende Schulden der Gesellschaft unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen zu haften gehabt. Die streitgegenständliche Frage nach einer Mithaftung Clara Paumgartners hätte sich nicht gestellt. Nürnberg erwirkte regelmäßig kaiserliche Privilegien, insbesondere wenn es um Belange des Handels ging. Da die vielen Nürnberger Kaufleute weit über die Grenzen des eigenen Territoriums hinaus handelten, benötigten sie unbedingt ein Handels- und Gesellschaftsrechts, das reichsweit galt. Bereits im Jahr 1459 hatte sich der Nürnberger Rat beim Kaiser aus aktuellem Anlass um ein Privileg bemüht, bei dem der Handel betroffen war und sogar wieder die Paumgartner beteiligt waren. Konrad Paumgartner war neben Jobst Tetzel, Anton Tucher und Hans Volckamer vor „Westfälische Gerichte“ geladen.339 Eine mögliche Verurteilung bedrohte die Bewegungsfreiheit und die Handelstätigkeiten dieser Kaufleute in Westfalen, wobei auch die Vorbildwirkung für andere Territorien zu bedenken war. Der Streit tangierte, wie später die Paumgartner-Streitigkeit, wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung der betroffenen Handelsunternehmen den gewerblichen Wohlstand Nürnbergs. Der Rat wollte daher, die freyhet der westvelischen gericht wieder anbrengen, wie aus einem Ratsverlass von 1458 hervorgeht.340 Kaiser Friedrich III. erließ in diesem Fall schließlich im Juni 1459 ein Privileg, das bestimmte, dass kein Nürnberger vor ein westfälisches oder ein anderes fremdes Gericht geladen werden könne.341 In einem anderen Fall bewirkte Jobst Tetzel, der auch das Privileg von 1464 erwirkt hatte, beim Kaiser ein Mandat gegen die Beschlagnahme von Waren der Nürnberger Kaufleute 339 Hirschmann, Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 528. Mit der Bezeichnung „Westfälische Gerichte“ waren die nahezu nur in Westfalen anzutreffenden Femegerichte gemeint. Saar / Roth, Holzhauer, Beiträge zur Rechtsgeschichte, Femegerichte, S. 198 [199 f.]. 340 Betreffender Ratsverlass aus dem Geschäftsjahr 1458, in: Schieber, Die Nürnberger Ratsverlässe, Bd. 2, S. 10. 341 Privileg vom 22.06.1459, in: v. Wölkern, Historia Norimbergensis Diploma tica, S. 668 f.; begleitende kaiserliche Anordnung dazu vom 30.06.1459, in: Regest, in: Heinig / Lackner / Niederstätter, Regesten Kaiser Friedrichs III., Teil 3, S. 124 f. (Nr. 179); vgl. Hirschmann, Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 528.
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Anton Paumgartner, Hans Gertner, Lorenz Egen und anderen durch Graf Johann zu Wertheim.342 d) Zwischenbetrachtung – Vergleich mit der florentinischen accomandita Vordergründig beabsichtigte Nürnberg, die nicht geschäftsführenden Gesellschafter vor einer unbeschränkt hohen Haftungssumme zu schützen. Mittelbar sollte mit der Haftungsbeschränkung des Privilegs den wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen begegnet werden, die mit einer unbeschränkten Inanspruchnahme der Kapitalanleger und möglicherweise daraus resultierenden Bankrotten einhergingen. Als Beispiel für die Fallgruppe, für die die neue Haftungsbeschränkung künftig griff, diente der Arzt-Paumgartner-Streit, den der Nürnberger Rat als Anlass verstanden haben könnte, das Haftungsrecht nicht geschäftsführender Gesellschafter umzugestalten. Darauf kann hinweisen, dass die wirtschaftlichen Interessen Nürnbergs durch diesen Streit, in dem Haftungsfragen eine elementare Rolle spielten, verstärkt bedroht worden waren. Dennoch ergeben sich auch Zweifel daran, dass die Haftungsbeschränkung auf der Streitigkeit beruhte, da dieser Fall nicht unter die in der narratio beschriebene Fallgruppe zu fassen ist. Von Seiten der Familie Paumgartner, die für Clara Paumgartner nach dem alten Haftungsrecht noch unbeschränkt für Gesellschaftsverbindlichkeiten zu zahlen hatte, gingen dagegen sicher weniger aktive Bestrebungen zur Beschränkung der Haftung aus. Einen unmittelbaren Nutzen konnten sie für ihren Haftungsfall aus der später erlassenen Regelung nicht mehr ableiten, was vor dem Erlass des Privilegs schon klar gewesen sein musste. Dass Anton Paumgartner bezüglich des Streits ab 1466 einen Gerichtsprozess gegen Nürnberg anstrengte, beruhte auf anderen Erwägungen und nicht auf Vorteilen, die er in der neuen Haftungsbeschränkung witterte. Das Ziel, die nur Kapital anlegenden Gesellschafter schützen zu wollen, vereinte Nürnberg mit Florenz in der Motivation zur Normierung einer Haftungsbeschränkung. In Florenz spielte aber im Gegensatz zu Nürnberg die haftungsbeschränkte Gesellschaftereinlage als Mittel zur Kapitalerzeugung zusätzlich eine Rolle, um den Unternehmen eine ertragreiche Geldquelle zu erschließen. Dieser speziell florentinische Motivationsgrund dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Unternehmen in Florenz wegen ihrer Größe und Expansionen mehr fremdes Kapital benötigten als Nürnberger Betriebe, die den fortschrittlicheren italienischen Unternehmen in Handelsvolumen und Umsatzstärke noch nachstanden.343 So wollten die Nürnberger mit der 342 Hirschmann, 343 Vgl.
Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 546 f. Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, Bd. 1, S. 395.
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Haftungsbeschränkung höchstens nebensächlich die Kapitaleinlagen der Unternehmen steigern. Auch hatten sich die Nachteile der Depositeinlagen und der Darlehen im Nürnberger Wirtschaftsleben bisher nicht so gravierend ausgewirkt, wie in den Bankrotten zahlreicher florentinischer Unternehmen im 14. Jahrhundert, in deren Folge man das Gesetz über die accomandita erließ, um eine alternative Anlagemöglichkeit zu etablieren. In Nürnberg war im Zuge dessen im Gegensatz zu Florenz, wegen des Schutzes der Kapitalanleger als Hauptgrund für die Haftungsbegrenzung keine Eintragung in ein Register vorgeschrieben, da eine Publizität zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger keine solche Rolle spielte wie in Florenz, wo die neue Anlagemöglichkeit vornehmlich auch dem Wohlergehen der Unternehmen dienen sollte. 3. Herkunft der Regelung zur Haftungsbeschränkung Nach der Vorrede der Nürnberger Reformation von 1564 haben frühere Nürnberger Bürger „[…] etliche Ordnungen und Satzungen / wie es in Gerichten und Burgerlichen policeiischen hendeln gehalten werden solt / aus den kayserlichen geschribnen Rechten und alten gepreuchen / wie es nach gelegenhait dieser Stat / am füglichsten geschehen moegen / vor vil Jaren / in ain Begriff und Reformationbuch […]“ zusammengetragen.344 Das bedeutet, in das ursprüngliche Stadtrecht, das im Jahr 1564 zum wiederholten Mal reformiert wurde, waren römisches Recht des Corpus Juris Civilis, kanonisches Recht, Reichsgesetze und Nürnberger Gewohnheitsrecht eingegangen.345 Die beschränkte Haftung der Gesellschafter wurde aus dem Privileg von 1464 als kaiserliches geschriebenes Recht erstmals durch die Normierung von 1564 in die Stadtrechtsreformation übernommen. Wie die damals neuartige Rechtsidee der beschränkten Gesellschafterhaftung aber in das Privileg gelangt war beziehungsweise woher sie stammte, ist zu klären. Das Rechtsmodell könnte dabei unabhängig in Nürnberg entwickelt oder aus Italien, insbesondere in Form der florentinischen accomandita, übernommen worden sein. Nach Norditalien war damals der Schwerpunkt des Handels süddeutscher Kaufleute ausgerichtet, die sich bald dem dortigen Kaufmannsleben anpassten und zum Beispiel in ihre Sprache einige aus dem Italienischen stammende Begriffe, wie „Bank“, „Firma“, „Bankrott“ oder „Valuta“, übernahmen.346 344 Text, 345 Vgl.
S. 19.
in: Der Stat Nurmberg verneute Reformation, Fol. A_007. Winter, Geschichte und Recht der Nürnberger verneuten Reformation,
346 Leiser, Rezeption des römischen Rechts, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 25 [27 f.].
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
a) Mögliche unabhängige Entwicklung in Nürnberg Für die Zeit vor dem Jahr 1464 finden sich im deutschen Raum keine Hinweise auf eine normierte beschränkte Gesellschafterhaftung, wobei die Haftungsbeschränkung des Privilegs von 1464 im Fall einer deutschen Eigenentwicklung komplett neu erarbeitet worden sein müsste. Eine andere Situation ergab sich beispielsweise für das Nürnberger Vollstreckungsrecht, das wie das im gesamten deutschen Raum angewendete Vollstreckungsrecht von dem germanischen Fehderecht abstammte und somit auf eine jahrhundertelange deutsche Rechtstradition zurückging.347 Zur Ausarbeitung der Privilegsregelungen von 1464 bestehen dagegen nur wenige Anhaltspunkte. Sicher ist nur, dass Jobst Tetzel durch eine Ratsbotschaft an den Kaiser den in Nürnberg vorformulierten Text eingereicht hatte und der Kaiser diesen fast unverändert als Privileg erließ. Um die mögliche autonome Entwicklung der dahinter stehenden Rechtsidee in Nürnberg zu erforschen, kann in erster Linie auf die durch Jobst Tetzel beim Kaiser eingereichten Urkunden und den späteren Wortlaut des Privilegs zurückgegriffen werden. aa) Inhalt der Entwürfe und des späteren Privilegs In Nürnberg sind die zwei gleichlautenden Fassungen des in Nürnberg entstandenen Entwurfs für das Privileg von 1464 überliefert, die die Delegation um Jobst Tetzel an den Hof Kaiser Friedrichs III. überbracht hatte. Dort wurden sie von kaiserlichen Rechtsgelehrten geprüft und schließlich in fast der Entwurfsfassung durch den Kaiser erlassen.348 Ein Verfasser oder andere Umstände zur Entstehung der Entwürfe, wie zur Herkunft der Formulierungen und der Idee der Haftungsbeschränkung, gehen aus ihnen jedoch nicht hervor. Neben dem eigentlichen Entwurfstext wurden die Urkunden lediglich durch einige Bemerkungen im Text und an den Seitenrändern der Urkunden durch die kaiserlichen Gelehrten ergänzt, beziehungsweise einzelne Textstellen geändert. In diesen Kommentaren, die nur aus wenigen Wörtern bestehen, wurde die Formulierung des Textes aber nur geringfügig redaktionell geändert. Auch der eigentliche Privilegstext bietet keine eindeutigen Hinweise auf seine Herkunft. So resultiert die Formulierung „burgerin“, die wegen eines vermeintlichen Hinweises auf die Nürnbergerin Clara Paumgartner und den 347 Schorr,
Zwangsvollstreckung und Konkurs, S. 9. Kaiserhof handschriftlich abgeänderte Fassungen des Privilegsentwurfs, die aus Nürnberg überbracht worden waren, in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, D-Laden, Akten-Nr. 1808; vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [244 f.]. 348 Am
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Arzt-Paumgartner-Streit als einzige einen wörtlichen Bezug zu einem Nürnberger Sachverhalt herstellen könnte, nicht aus diesem Fall.349 Der Text selbst belegt nicht konkret, dass die Haftungsregelung aufgrund der Streitigkeit Arzt-Paumgartner erlassen wurde und daher auch die weibliche Form umfassen sollte. Zwar wurde der Text in Nürnberg verfasst. Woher die Idee dieser Haftungsregelung stammte und ob sie möglicherweise auf eine Nürnberger Schöpfung zurückgeht, ist aus der wörtlicher Formulierung jedoch nicht zu ersehen. bb) Die Haftungsbeschränkung als situationsgemäßes Erfordernis und individuelle Idee Weiter kann aber die wirtschaftliche, politische und juristische Situation speziell in Nürnberg daraufhin untersucht werden, ob Nürnberger Ratsherren, Kaufleute, Juristen oder andere das Rechtsmodell der beschränkten Gesellschafterhaftung als eigene individuelle Idee erarbeitet haben. Denkbar erscheint, dass Nürnberger Ratsherren, die gleichzeitig oftmals Kaufleute waren, damit, wie die Florentiner mit der accomandita, auf die verschlechterte Wirtschaftslage reagierten, die mit Unternehmenspleiten einherging und der Situation im Florenz des beginnenden 15. Jahrhunderts glich. Die Unternehmen benötigten in Florenz wie in Nürnberg einerseits stets große Kapitalmengen, um ihren Handlungsspielraum auszuweiten und ihren Gewerbebetrieb im bisherigen Umfang aufrecht zu erhalten. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht abwegig, dass der Nürnberger Rat neben anderen Möglichkeiten zur Kapitalerzeugung, wie Depositeinlagen oder Darlehen, als weiteres naheliegendes Mittel die Aufnahme nicht mitarbeitender Kapitaleinleger unterstützte. In dieser Weise wurde auch die florentinische accomandita von 1408 entwickelt. Der Nürnberger Rat fand eine gesellschaftsrechtliche Situation vor, die der florentinischen des 14. Jahrhunderts glich. Die Gesellschaften beruhten in Florenz wie in Nürnberg auf ähnlichen rechtlichen Grundlagen bezüglich der Verteilung von Gewinnen und Verlusten aus Geschäften, die ein Gesellschafter im Namen der Gesellschaft getätigt hatte. Auch basierten die Gesellschaftstypen beider Städte mit der Familiengesellschaft auf dem gleichen Ursprung. Im Übrigen entstanden nicht geschäftsführende Gesellschafter ohnehin schon automatisch in den Fällen, in denen Frauen und Kinder eines verstorbenen geschäftsführenden Gesellschafters dessen Anteil erbten, die Geschäfte nicht weiterführten und damit zu passiven Gesellschaftern wurden. Als Beispiel dient einmal mehr das der Clara Paumgartner. Wie aus der Arzt349 Siehe
S. 222.
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Paumgartner-Streitigkeit deutlich wurde, konnte ein Erbfall die Gesellschafterstruktur einer Handelsgesellschaft derart verändern, dass sich in der Gesellschaft ganz alleinständig eine Situation entwickeln konnte, der das Konfliktpotenzial um die unbeschränkte Haftung aller Gesellschafter inne wohnte. Spätestens in der Pleite der jeweiligen Gesellschaft trat solches Konfliktpotenzial dann offen zutage. Die Situation, dass ein bloßer Kapitalanleger nicht unbeschränkt haften wollte, stellte gegenüber anderen Beweggründen, wie der Kapitalbeschaffung, das Hauptmotiv für das Tätigwerden des Nürnberger Rats dar, wie aus der narratio des Privilegs hervorgeht. Der Rat hatte auf das Problem der unbeschränkten Haftung der nicht geschäftsführenden Gesellschafter angemessen zu reagieren, wie es bereits der Rat von Florenz im Jahr 1408 getan hatte, als er seinerzeit durch Unternehmenspleiten auf dieses Problem aufmerksam gemacht worden war. Die nicht geschäftsführenden Gesellschafter, von denen Gesellschaftsgläubiger jeweils Zahlungen verlangten, waren mit ihrer Zahlungsverpflichtung nicht einverstanden und beschwerten sich. Es ist nachvollziehbar, dass der Nürnberger Rat im Zuge dessen zu dem nahe liegenden Schluss gelangte, die Haftung der bloßen Kapitalanleger in irgendeiner Form zu beschränken. Unter Beachtung der Höhe des Gesellschaftsanteils eines Kapitalanlegers, der oft bedeutend kleiner ausfiel als der eines Geschäftsführers, und des daraus möglichen Gewinns im Erfolgsfall musste es sinnvoll und verhältnismäßig erschienen sein, die Verlustbeteiligung des Anlegers auf die Höhe seiner Einlage zu beschränken. Andere Alternativen, die Kapitalanleger am Verlust zu beteiligen, hätten zu einem Missverhältnis zwischen den Höhen der Zahlungspflichten von geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Gesellschaftern geführt, das im Sinne funktionierender Unternehmen und einer florierenden Gesamtwirtschaft nicht beabsichtigt gewesen sein konnte. Somit erscheint gut vorstellbar, dass man in Nürnberg unabhängig von äußeren Einflüssen die Haftungsbeschränkung von 1464 erarbeitet hatte. Im Übrigen fiel die diesbezügliche Regelung nicht besonders komplex aus. Möglicherweise war eine Haftungsbeschränkung auf die Einlage sogar bereits vor dem Erlass des Privilegs in einzelnen Nürnberger Handelsgesellschaften im Innenverhältnis praktiziert worden, wie in den Gesellschaften der Familien Meuting aus Augsburg und Popplau aus Breslau. Letztlich bestehen zwar keine eindeutigen Belege dafür, dass die Nürnberger ihre Haftungsbeschränkung tatsächlich selbst entwickelt hatten. Es erscheint aber naheliegend, dass aus dem Personenkreis, der die Haftungsregelung als Privileg beim Kaiser beantragt hatte, auch die Idee zum Entwurf der konkreten Regelung stammte.
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b) Möglicher Transfer des Gesellschaftsmodells aus Italien – Florenz Obgleich plausibel und gut möglich erscheint, dass Nürnberger Rechtskundige die Haftungsbeschränkung selbständig entwickelt haben, könnte der Erlass des Privilegs, zumindest ergänzend, aus Italien beeinflusst worden sein. Dafür kommt das florentinische Gesetz über die accomandita in Frage, das fast 60 Jahre vor dem Privileg erlassen worden war.350 Gelegentliche Rechtsübernahmen aus Italien oder anderen Gegenden entsprachen dem Zeitgeist. Deutsche Gerichte und Gesetzgeber verwendeten mangels ausreichender eigener Handels- und Gesellschaftsgesetze oftmals Regelungen aus Italien als Muster für die eigene Arbeit. Nach Italien bestanden speziell aus Süddeutschland ausgedehnte Handelsverbindungen.351 Insbesondere die gut vernetzten Nürnberger sammelten vielfältige Erfahrungen in der Handelspraxis anderer Städte und lernten deren Handelsund Gesellschaftsgesetze kennen.352 Falls die gesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung letztlich tatsächlich aus Norditalien nach Nürnberg transferiert worden sein sollte, bleibt aber zu beachten, dass die Haftungsbeschränkung nicht wie andere Regelungen der damaligen Zeit aus dem in Italien rezipierten römischen Recht übernommen worden sein könnte, da das römische Recht eine Außengesellschaft und damit eine Haftungsbeschränkung gegenüber Gesellschaftsgläubigern nicht kannte. Vielmehr könnte die Haftungsbeschränkung nur aus Erfahrungen der norditalienischen Geschäftspraxis entwickelt worden sein. Ähnlich stellte sich nach Heßes nachvollziehbarer Ansicht die Situation des nach Deutschland transferierten Wettbewerbsverbots dar, das das gemeine Recht, insbesondere das rezipierte römische Recht, ebenfalls nicht kannte oder das höchstens durch Textinterpretationen aus dem römischen Recht herauszulesen war.353 Vielmehr wurde das Wettbewerbsverbot im Wirtschaftsalltag norditalienischer Handelsstädte entwickelt, wobei erste Konkurrenzverbote in Briefen sienesischer Kaufleute von 1283 nachweisbar sind.354
350 Cordes hielt diesbezüglich, in: Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 17 und, in: Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [253 f.], eine Rechtsübernahme für denkbar. 351 Lastig, Stille Gesellschaft, in: Endemann, Handbuch, Bd. 1, S. 704 [725]; Rehme, Geschichte, in: Ehrenberg, Handbuch, Bd. 1, S. 28 [96, 132 f.]. 352 Gassert, Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, S. 236 f. 353 Heße, Wettbewerbsverbote, S. 55 f. 354 Bauer, Unternehmensformen, S. 136 f.
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aa) Andere Rechtsübernahmen aus Italien Deutlich bewiesen sind zunächst einige Rechtsübernahmen Nürnbergs aus Venedig, die grundsätzlich belegen, dass Nürnberg aus dem rechtlich fortschrittlicheren Norditalien ganze Gesetze oder Gutachten empfing und eine langjährige Rechtsberatung Nürnbergs durch dortige Juristen stattfand. Die Vermutung von Bergius, dass Nürnberg bereits die im 14. Jahrhundert in der Stadt eingeführte Losung als Vermögenssteuer „im Jahr 1306, da sie von der Republik Venedig ihre Gesetze und Einrichtungen mitgetheilt erhalten, zugleich mit abgeborget hat“,355 ist zwar nicht eindeutig zu belegen. Bewiesen ist aber, dass der Nürnberger Rat im Jahr 1506 durch eine Delegation unter Führung von Willibald Pirckheimer in Venedig ein Gutachten über eine neue Vormundschaftsgesetzgebung einholte. Die Republik Venedig übersendete ihr Vormundschaftsgesetz dann 1506 an Nürnberg.356 Zu diesem Vorgang ist ein Brief des venezianischen Dogen Leonhardus Lauredanus vom 08.11.1506 an die Nürnberger überliefert, in dem er auf deren Anfrage positiv reagierte und gerne zur Beratung bereit war. Im Rahmen dessen schrieb er sinngemäß, dass Venedig zu allen Zeiten bereit gewesen sei, der Stadt Nürnberg einen Gefallen zu tun, und sei das nun auch in der Gegenwart.357 Diese Formulierung weist darauf hin, dass Nürnberg bereits in der Zeit vor 1506 Unterstützung aus Venedig erhalten hatte. Zwar sind dabei Hilfeleistungen verschiedenster Art denkbar. So bestand ein reger Kontakt, um den gegenseitigen Handel aufrechtzuerhalten, wobei sich viele Beispiele finden, 355 Bergius,
[279].
Polizey und Cameralmagazin, Bd. 6, Abt. 1, Art. Losung, S. 279
356 Ab Indagine, Beschreibung der Stadt Nürnberg, S. 824; Stobbe, Geschichte des Rechts, Bd. 1, Abt. 2, S. 302 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 193 f.; Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [243]. 357 Brief des Leonhardus Lauredanus vom 08.11.1506, in: Wagenseil / Ebner von Eschenbach, Theses Miscellaneae Confusaneaeque, S. 25 f. Dass die Venezianer sich in der Rolle des Rechtsgebers für andere Städte gefielen, zeigt besonders anschaulich ein Gemälde von Carletto und Gabriele Cliari im Venezianer Dogenpalast, worauf Nürnberger Gesandte von dem über ihnen thronenden Dogen 1508 die Schrift zum Vormundschaftsrecht entgegennehmen. Wagenseil / Ebner von Eschenbach, Theses Miscellaneae Confusaneaeque, S. 24 f.; Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [243]. Zwischen Nürnberg und Venedig bestand eine besonders enge und auf großem Vertrauen basierende Verbindung. Dass damit einhergehende Unterstützungsleistungen aber nicht nur Nürnberg von Venedig erhielt, zeigt eine Anfrage Venedigs von 1509, in der es Nürnberg bat, sich für Venedig beim Kaiser in einer bestimmten Angelegenheit einzusetzen. Siebenkees, Kleine Chronik von Nürnberg, S. 52; auch die Nürnberger Stadtrechtsreformation wurde in Venedig mit Aufmerksamkeit studiert. Bartels, Drogenhandel, S. 119.
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in denen sich der Nürnberger Rat bei dem venezianischen Rat für seine dort tätigen Kaufleute einsetzte und um Hilfe bat.358 In Anbetracht der Anfrage bezüglich des Vormundschaftsgesetzes ist es aber gut möglich, dass es auch in früheren Hilfeersuchen Nürnbergs schon um rechtliche Beratungen gegangen war. Schließlich beriet Venedig die Stadt Nürnberg auch nach 1508, wie im Jahr 1518, als Nürnberg sich nach den venezianischen Regelungen über ein Leihhaus erkundigte, obgleich sich der Stadtrat letztlich doch nicht von der venezianischen Leihhausordnung inspirieren ließ, sondern der Augsburger.359 Insbesondere im gesellschaftsrechtlichen Bereich fehlt es aber an solchen deutlichen Beweisen für Rechtsübernahmen, wie sie für den Fall des Vormundschaftsgesetztes vorliegen. Dementsprechend verneinte schon Köhler im Jahr 1721 weitere Gesetzesübernahmen, da in den Gesetzen beider Städte, Venedig und Nürnberg, keine Ähnlichkeiten zu finden seien.360 In diesem Sinne nahm 1782 auch Siebenkees an, dass bis auf die genannten keine weiteren Nürnberger Gesetze aus Venedig oder von anderen Orten übernommen worden seien.361 Trotzdem verschafft der Brief des Dogen Lauredanus einen, wenn auch ungenauen, Verdacht, dass vor dem Vormundschaftsgesetz bereits gegebenenfalls mehrmals Rechtsnormen aus Städten Norditaliens und besonders aus Venedig nach Nürnberg transferiert worden waren. Besonders deutliche Hinweise auf einen weiteren Transfer zusätzlich zu den genannten Fällen ergeben sich im Apothekenrecht. Auch wenn es dazu an schriftlichen Anfragen, Beschlüssen oder sonstigen Beweisunterlagen fehlt, übernahm Nürnberg mit großer Sicherheit apothekenrechtliche Regelungen aus Venedig, die passend zu den heimischen Verhältnissen umformuliert und als eigene Apothekengesetze angewendet wurden.362 Die Nürnberger Pflicht von 1442 entsprach nämlich in fast allen Teilen der venezianischen Apothekenordnung. Bereits im Jahr 358 Mit Schreiben vom 28.12.1460 ersuchte der Nürnberger Rat um Freigabe von Waren Heinrich Meichsners, die in Venedig fälschlicherweise von Gläubigern Martin Paumgartners beschlagnahmt worden waren. Simonsfeld, Fondaco dei Te deschi, Bd. 1, S. 269 f. Mit Schreiben vom 23.02.1496 bat der Nürnberger Rat darum, den Nürnberger Kaufmann Johannes Preunlin in einer Streitsache zu unterstützen. Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1, S. 326 f.; weitere zwei Unterstützungsbitten Nürnbergs an den Venezianischen Rat vom 09.01.1507 und vom 20.02.1507, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1, S. 354–356. 359 Bartels, Drogenhandel, S. 118. 360 Koeler, Historia Codicis Iuris Statutarii sive Reformationis Norimbergensis, S. 29 f. 361 Siebenkees, Nürnberger Stadtrecht, in: Juristisches Magazin, Bd. 1 (1782), S. 314 [315 f.]. 362 Bartels, Drogenhandel, S. 165; vgl. Leiser, Rezeption des römischen Rechts, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 25 [34].
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1410 hatte Venedig zusätzlich eine apothekenrechtliche Anfrage aus Basel erhalten.363 Weiter vermutete Lentze, dass Nürnberg bezüglich seiner Gewerbeverfassung, die ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts galt, aus Venedig beeinflusst worden war, was jedoch nicht zu beweisen ist. Das Nürnberger Gewerberecht unterschied sich stark von dem venezianischen, insbesondere in den Normen über das in Nürnberg engmaschiger als in Venedig reglementierte Handwerksgewerbe. Da aber in Nürnberg wie in Venedig das grundsätzliche Konzept einer staatlich von oben gesteuerten Wirtschaft herrschte, könnten die Nürnberger jedoch im Rahmen der engen Beziehungen beider Städte trotzdem in der Ausarbeitung ihrer eigenen Gewerbeordnung von den Venezianern inspiriert worden sein.364 bb) Andere Rechtsübernahmen aus Florenz Für Rechtsübernahmen aus Florenz insbesondere nach Deutschland bestehen dagegen nur wenige Anhaltspunkte. Bewiesen ist, dass die Stadt Rom im Jahr 1338 aus Florenz die Ordnungen der Gerechtigkeit übernahm, die in Florenz einen Ausgleich zwischen dem einfachen Volk und dem bisher machtvoll und unterdrückend herrschenden Adel darstellen sollten.365 Hinweise auf offizielle Anfragen oder rechtliche Beratungen deutscher Herrscher finden sich aber nicht. Florenz stellte zwar eine bedeutende Handelsstadt und als solche einen wichtigen Partner süddeutscher Kaufleute dar. Venedig war für den süddeutschen Handel jedoch weitaus relevanter, da es als Seestadt über einen Zugang zum Handelsraum des gesamten Mittelmeeres verfügte und Florenz für deutsche Handelsreisende zudem aufgrund der weiteren Entfernung umständlicher zu erreichen war.366 Daher pflegten die süddeutschen Städte nach Venedig engere Kontakte und wendeten sich auch in Rechtsfragen vorrangig an die Venezianer. Auch die bedeutende Universität Venedigs in Padua und die zahlreichen dortigen gelehrten Juristen, die großes Ansehen genossen, stellten einen Anreiz dar. Zudem könnte eine Rolle gespielt haben, dass zwischen den Räten von Nürnberg und Florenz wegen ähnlicher Wirtschaftsinteressen, zum Beispiel im Bergbau, als Binnenstädte eher ein Konkurrenzverhältnis bestand als zwischen Nürnberg und Venedig, das im Gegensatz zu Nürnberg nahezu vollständig auf den Seehandel ausgerichtet war.367 Selbst 363 Bartels,
Drogenhandel, S. 144 f. Gewerbeverfassung, in: JfL, Bd. 24 (1964), S. 207 [253 f.]. 365 Hegel, Ordnungen der Gerechtigkeit, S. 3, 7. 366 Vgl. Böninger, Deutsche Einwanderung nach Florenz, S. 259 f. 367 Um 1400 zum Beispiel entmachteten Nürnberger Kaufleute die Florentiner im Konkurrenzkampf um ungarische Bergwerke. v. Stromer, Deutsch-italienische 364 Lentze,
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wenn Unternehmen aus Florenz und Nürnberg geschäftlich oft eng miteinander verbunden waren, dürfte wegen der gleichsam vorhandenen Konkurrenz beider Städte auf politischer Ebene, anders als im Verhältnis zwischen Nürnberg und Venedig, keine unterstützende Zusammenarbeit zu erwarten gewesen sein. Im Rahmen dessen könnte man auch einen offiziellen rechtlichen Austausch blockiert haben. cc) Mögliche Übernahme der beschränkten Haftung aus Florenz Auch wenn es an Beweisen für andere Rechtsübernahmen fehlt, könnte Nürnberg trotzdem Normen aus dem florentinischen Gesellschaftsrecht übernommen haben. Zunächst aus einem Vergleich der wörtlichen Formulierungen der Haftungsregelungen des Privilegs und des florentinischen Gesetzes von 1408 könnte eine Rechtsübernahme aus Italien belegt werden. Schon Bartels hatte über diese Methode einen apothekenrechtlichen Transfer von Venedig nach Nürnberg nachgewiesen.368 Als weitere Alternative um festzustellen, ob zumindest die grundlegende Rechtsidee einer Haftungsbegrenzung nach Nürnberg transferiert wurde, ist in den Bereichen, in denen Nürnberg und Florenz Verbindungen unterhielten, nach Hinweisen zu suchen, die eine von Florenz ausgehende Rechtsübernahme oder zumindest eine Art von Beeinflussung plausibel erscheinen lassen. Dieser Einfluss könnte von Florenz aus vielleicht auch indirekt über weitere italienische oder deutsche Orte nach Nürnberg gelangt sein. In gesellschaftsrechtlichen Belangen ist in erster Linie der Handelsverkehr zu betrachten. Nürnberger wie andere deutsche Kaufleute, die zudem als Ratsherren im Rat als höchstem städtischen Herrschaftsorgan bezüglich Gesetzesvorhaben ein Mitspracherecht besaßen, mussten in Norditalien im Rahmen ihrer Vertragsverhandlungen und Geschäftsabschlüssen mit Italienern zwangsläufig mit dem dortigen Recht in Verbindung geraten.369 Weiter kann die Ausbildung von jungen Nürnbergern als Studenten und Lehrlinge in Italien untersucht werden. In einem gegebenenfalls ähnlichen gut nachvollziehbaren Transferfall legte Heße bereits für das gesellschaftsrechtliche Konkurrenzverbot dar, dass süddeutsche Kaufleute auf ihren Handelsreisen nach Norditalien, wohin aus Süddeutschland intensive Verbindungen bestanden, die dort kennengelernten Regelungen über das Konkurrenzverbot in ausformulierter oder Handelsgesellschaften, in: Rachewiltz / Riedmann, Kommunikation und Mobilität im Mittelalter, S. 135 [152 f.]. 368 Bartels, Drogenhandel, S. 128–137. 369 Waldmann, Entstehung der Nürnberger Reformation 1479, in: MVGN, Bd. 18 (1908), S. 1 [1 f.].
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nur im Gedächtnis gebliebener Weise mit in die Heimat brachten. Das Konkurrenzverbot, das wie die Haftungsbeschränkung nicht auf dem rezipierten römischen Recht, sondern der italienischen Handelspraxis beruhte, ging über den Einflussweg der Handelsverbindungen in verschiedene süddeutsche Gesellschaftsverträge ein. Eine generelle Normierung des Konkurrenzverbots hielt man in den Reformationen Nürnbergs, Frankfurts oder anderer Handelsstädte zwar noch nicht für nötig. Diese war jedoch auch nicht erforderlich, wenn man ein Konkurrenzverbot bereits in einem Gesellschaftsvertrag wirksam vereinbarte.370 Letztlich erscheint es, wie im Falle des Wettbewerbsverbots oder der venezianischen Apothekengesetze, denkbar, dass auch die Haftungsbeschränkung, wenigstens als ungefähre Rechtsidee, die ein deutscher Kaufmann von einem italienischen aufgeschnappt hatte, nach Deutschland und insbesondere in den Nürnberger Rat gelangt war und die Stadt auf diesem Weg einmal mehr von italienischem Recht beeinflusst wurde. Gleichfalls könnten deutsche Studenten, die im 15. Jahrhundert sehr zahlreich an ita lienischen Universitäten studierten, oder Handwerksgesellen in Italien mit der Haftungsbeschränkung in Kontakt gekommen sein und diese Idee mit nach Hause gebracht haben. (1) W ortlaut des Privilegs im Vergleich mit dem Gesetz aus Florenz von 1408 Zunächst sind die beiden Regelungen in Wortlaut, Struktur und Regelungsinhalt zu vergleichen. Das Ergebnis dieses Vergleichs könnte eine Übernahme der accomandita aus Florenz nach Nürnberg als möglich erscheinen lassen. Unterschiede ergeben sich aber bereits aus der Formulierung, wobei das Gesetz aus Florenz insgesamt deutlicher und verständlicher, dadurch auch länger, ausfällt. Die Nürnberger Privilegsregelung erscheint kurz und teils missverständlich, wie die heutigen Interpretationsschwierigkeiten zeigen.371 Um eine Haftungsbeschränkung darzustellen, fand man in Florenz und Nürnberg vollkommen verschiedene Formulierungen. Nach dem florentinischen Gesetz, dass nur den nicht geschäftsführenden Gesellschafter behan370 Heße, Wettbewerbsverbote, S. 52, 62 f.; siehe beispielhaft, Meuting-Vertrag (1436), in: Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 292–295, betreffende Passage, S. 293; Regelung im Weißhauptvertrag (1491), in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 9 [13]; Regelung im Koler / Kress / v. SarannoVertrag (circa 1500), in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 21 [23 f.]. 371 Siehe ab S. 183.
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delte, sollte in wörtlichem Sinne Geld in accomandigia in die Hände eines Handelnden gegeben und Name und Summe in ein öffentliches Register eingetragen werden. Man stellte klar, dass der Kapitalgeber nicht mehr zahlen musste, als er bereits in die Gesellschaft eingelegt hatte. Im Nürnberger Privileg dagegen wurden zwei Typen von Gesellschaftern definiert, die einen, die die Geschäfte führten und unbeschränkt hafteten und die anderen, die unverdingt Geld in die Gesellschaft einlegten und beschränkt darauf hafteten und nicht mitarbeiteten. Trotz dieser grundlegend unterschiedlichen Formulierungen ähnelten sich dennoch die jeweils in den Normierungen festgehaltenen Grundintentionen zur Normierung einer Haftungsbeschränkung. Grundsätzlich sollten beide Normen die bloßen Kapitalanleger schützen. Mittelbar wurde in Florenz damit aber hauptsächlich eine risikolosere Anlagemöglichkeit zur Steigerung der Kapitalanlagen zu Gunsten der Unternehmen bezweckt. In Nürnberg wollte man die Anleger dagegen vorrangig deswegen schützen, um die Schäden für die Betroffenen selbst und die städtische Wirtschaft abzumildern, die aus möglichen Bankrotten der Investoren und ihrer Unternehmen resultieren könnten. Somit hatten die Regelungen beider Städte nur den inhaltlichen Sinn einer Haftungsbeschränkung für eine Sorte von Gesellschaftern gemeinsam. Ein nur Kapital gebender Gesellschafter sollte allein mit dem bereits eingelegten Betrag für die Gesellschaft haften. Weiterhin war jedoch unterschiedlich, dass in Nürnberg eingezahlte Beträge im Gegensatz zu Florenz nur aus Geschäftsunterlagen ersehen werden konnten und nicht in einem öffentlichen Register vermerkt waren. Den Grundsatz „Eintragung belegt Haftungshöhe.“ kannte man zwar auch im süddeutschen Raum, er wurde aber nur intern angewendet. So waren gemäß dem Augsburger Meuting-Gesellschaftsvertrag ausdrücklich die Einlagen in die Gesellschaftsbücher einzutragen.372 Die Höhe des Anlagebetrags wie in Florenz auch gegenüber außenstehenden Geschäftspartnern und anderen zu kommunizieren, war in Süddeutschland nicht üblich. Letztlich lässt sich aus dem Vergleich der Normierungen aus Nürnberg und Florenz keine Rechtsübernahme herleiten. Der florentinischen und der Nürnberger Regelung fehlte es an wörtlichen und strukturellen Gemeinsamkeiten, sodass beiden Normierungen nur der inhaltliche Sinn einer Haftungsbeschränkung für eine spezielle Sorte von Gesellschaftern gemeinsam war. Dennoch ist zu beachten, dass die Unterschiede andererseits auf notwendigen Anpassungen aufgrund regionaler kultureller Verschiedenheiten beruht haben könnten. Sie belegen jedenfalls nicht, dass die Nürnberger 372 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 292 [292 f.] und, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 1 [2].
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Idee zur Haftungsbeschränkung in Deutschland erarbeitet worden war, ohne dass Einfluss oder ein Transfer aus Florenz eine Rolle gespielt hätte. Vorschriften, die aus fremden Rechtsordnungen stammten, wurden meist nicht wörtlich in eigene Normierungen übernommen. Vielmehr wurden nur die Inhalte der Vorschriften und diese auch nur insoweit aufgegriffen, „als sie nach praktischen Gesichtspunkten geeignet waren, das einheimische Recht zu vervollkommnen“, wie Waldmann anhand der Ausarbeitung der römischrechtlich geprägten Prozessordnung der Nürnberger Reformation von 1479 gezeigt hat.373 Dabei konnte eine übernommene Regelung nach einigen Überarbeitungen und Anpassungen gegenüber ihrer ursprünglichen Formulierung teils sehr entfremdet erscheinen. Trotz der augenscheinlich fehlenden Gemeinsamkeiten ist es also denkbar, dass sich wenigstens einzelne inhaltlich übernommene Fragmente der Haftungsregelung aus Florenz in dem Nürnberger Privileg von 1464 wiederfanden, wobei ein Rechtstransfer allerdings umso schwerer nachzuweisen ist. (2) H andelsverbindungen zwischen Süddeutschland und Norditalien – Florenz und Nürnberg Als ein möglicher Einflussweg aus Italien beziehungsweise Florenz nach Nürnberg sind die gegenseitigen Handelsverbindungen zu untersuchen. In der damit einher gehenden Kommunikation eines deutschen Kaufmanns, der mit der Problematik um die geltende unbeschränkte Haftung nicht geschäftsführender Gesellschafter konfrontiert war, mit einem italienischen Kaufmann, der wiederum von der florentinischen Haftungsbeschränkung wusste, könnte dieses Wissen transferiert worden sein.374 Dass die Kommunikation der Kaufleute einen einträglichen Transferweg für Gesetzesregelungen und andere Informationen darstellte, zeigte nicht zuletzt die Nürnberger Anfrage an den venezianischen Dogen Leonhardus Lauredanus wegen des Vormundschaftsgesetzes Venedigs. In der Anfrage schrieb der Nürnberger Rat, dass er durch seine Kaufleute von dem Gesetz Kenntnis erlangt hätte.375
373 Waldmann, Entstehung der Nürnberger Reformation 1479, in: MVGN, Bd. 18 (1908), S. 1 [23]. 374 Zum Grundprinzip des Wissenstransfers, siehe: Weinreich, Textsortenspektrum im fachinternen Wissenstransfer, S. 24 f. 375 „Cum igitur a Mercatoribus subditis nostris intelleximus, hac de re […] sapienter ab illustribus Dominacionibus in Civitate Vestra provisum esse.“ Auszug aus der Anfrage, in: Silberschmidt, die Entstehung des deutschen Handelsgerichts, S. 73; Gassert, Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, S. 119.
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(a) Warenhandel Für Italiener war Deutschland wirtschaftlich zunächst weit weniger lohnend als der Handel über Frankreich und seine Messen, Brügge oder England und lag abseits der Haupthandelsrouten. So unterhielten zum Beispiel florentinische Kaufleute bis weit in das 15. Jahrhundert keine dauerhaft institutionalisierte Niederlassung in Deutschland.376 Italienische Kaufleute wie die Bueri kamen aber zum Beispiel wegen der Messen in Basel, Frankfurt oder Nördlingen nach Deutschland und besuchten auch andere Handelsstädte, wie Köln, Lübeck und Nürnberg, um dort Geschäfte abzuschließen.377 Eher zogen jedoch die deutschen Kaufleute im Spätmittelalter nach Italien und schlossen dort mit Italienern Geschäfte ab.378 Der Waren- und Geldhandel süddeutscher Städte wie Augsburg, Regensburg, Basel und Nürnberg war neben weniger bedeutenden Handelsverbindungen nach Flandern, Böhmen oder das Rheinland schon früh stark nach Süden ausgerichtet, wobei die Hauptziele der meisten süddeutschen Kaufleute in Norditalien, genauer in Venedig und Mailand, lagen.379 Beispielsweise die Regensburger Gesellschaft der Runtinger handelte schon Ende des 14. Jahrhunderts über die Routen zwischen Böhmen, Regensburg und Venedig sowie der Frankfurter Messe, die die meisten süddeutschen Gesellschaften besuchten. Die Runtinger kauften und verkauften Tuche, Seidenstoffe, Baumwolle, Gewürze und Metallprodukte wie Silber,380 wobei sich diese Waren im Handelsportfolio aller süddeutschen Kaufleute befanden. Importiert wurden aus Venedig nach Deutschland einmal venezianische Waren, wie Stoffe, Glasartikel, Waffen und Papier, und Waren, die aus dem Mittelmeerraum nach Venedig eingeführt wurden, wie Gewürze, Tabak, Öl, Seife, Wachs, Salpeter, Zucker sowie feines Tuch aus Florenz und Verona. Aus dem deutschen Raum nach Italien wurden größtenteils Gold, Silber und andere Metallprodukte, Pelze und Häute, Getreide, Holz und Pferde und deutsche Webstoffe und Bekleidungs gegenstände exportiert.381 Alle deutschsprachigen Kaufleute waren dabei in 376 Goldthwaite,
Economy of Florence, S. 194–196. I mercanti toscani, in: Istituto Iinternazionale di economica, Fiere e mercati, S. 887 [890–892]. 378 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [380]; Bartels, Drogenhandel, S. 97. 379 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [380, 385]. 380 Bastian, Das Runtingerbuch, Bd. 2, S. 44–51, 68–87, 88–104, 185–200, und andere; Rothmann, Marktnetze und Netzwerke, in: Fouquet / Gilomen, Netzwerke, S. 135 [185]. 381 Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 2, S. 103 f.; Goldthwaite, Economy of Florence, S. 195. 377 Weissen,
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Venedig dazu verpflichtet, ihre Geschäfte über den Fondaco dei Tedesci abzuwickeln. Dieser stellte eine Art allgemeine deutsche Handelsniederlassung dar, anfangs die einzige deutsche in Italien, in der die deutschsprachigen Kaufleute während ihres Aufenthalts in Venedig arbeiteten und wohnten.382 Neben den verschiedensten in Italien produzierten und dort angelieferten Waren waren für die Deutschen die Handelsmöglichkeiten in den Mittelmeerraum über italienische Häfen interessant. Besonders der Mailänder Hafen in Genua war neben dem venezianischen hoch frequentiert, da Deutsche im Territorium Mailands im Unterschied zu Venedig freier agieren durften. Es boten sich günstige Möglichkeiten zum Handel über den Seeweg nach Süditalien und Katalonien.383 Dabei ist sogar ein Deutscher namens Konrad Misner belegt, der Gesellschafter oder Faktor eines Mailänder Unternehmens war, das unter anderem mit englischer Wolle handelte.384 Neben den größtenteils Ravensburgern waren verhältnismäßig viele Nürnberger Handelsgesellschaften in Mailand und Genua vertreten, wie die der Imhof, Rummel und Paumgartner, obwohl Venedig ihr Haupthandelsplatz war.385 Die ersten Nürnberger Kaufleute in Italien kamen schon im 13. Jahrhundert und vermehrt dann im 14. Jahrhundert nach Venedig.386 Ihre südlichen Handelsverbindungen führten sie von Nürnberg aus, oft über die Nördlinger Messe, bis nach Italien.387 Sie handelten mit allen in der süddeutschen Handelsbranche gängigen Waren und kauften in Norditalien, hauptsächlich in Venedig, zum Beispiel Gewürze wie Safran, Seide und andere Textilien ein. In Italien verkauften die Nürnberger meist selbst hergestellte Metall- und Edelmetallwaren in verarbeiteter Form oder als Rohstoffe.388 An nicht eigenen Produkten setzte Nürnberg die 382 Israel, Art. Fondaco, in: HRG, Bd. 1, Sp. 1614 [1614 f.]; Ertl, Das Seidennetzwerk, in: Fouquet / Gilomen, Netzwerke, S. 263 [277]. 383 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [382–384]; vgl. Heyd, Die Ravensburger Gesellschaft, S. 23 f.; Bartels, Drogenhandel, S. 92. 384 Notarieller Vermerk darüber, in: Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 2, S. 143 (Nr. 244). 385 Zum Beispiel geht aus Akten des Mailänder Notars Antonio Sartirana vom 06.04.1464 hervor, dass die Brüder Bernhard und Kaspar von Nürnberg in Mailand Messing kauften. Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 300 f. (Nr. 439); Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [382–385]; vgl. Heyd, Die Ravensburger Gesellschaft, S. 23 f.; Bartels, Drogenhandel, S. 92. 386 Stauber, Nürnberg und Italien, in: Neuhaus, Nürnberg, S. 123 [131]; Hack, Gewürzhandel, S. 88. 387 Rothmann, Marktnetze und Netzwerke, in: Fouquet / Gilomen, Netzwerke, S. 135 [167–169]. 388 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [387, 391, 392 f.]; siehe dazu, in: Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 279 (Nr. 369), zum Beispiel eine
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Güter des Nordens wie Pelze, Hering und Bernstein im Süden ab.389 Als einer der ersten nach Italien handelnden Nürnberger verkaufte Konrad Stromer IV. im Jahr 1346 Kupfer an den Mailänder Gallolus de Restis.390 Unter anderem Peter Stromer handelte auch schon im 13. Jahrhundert mit Mailand, Ulman Stromer mit Genua.391 In Venedig engagierte sich 1383 zum Beispiel Philipp Groß im Textilhandel.392 Wegen der geografisch zentralen Schlüsselstellung Nürnbergs als starke Handelsstadt in der Weiterverteilung von Waren aus dem Mittelmeerraum in Richtung Osten, Westen und Norden und Waren des Nordens nach Norditalien waren dort im 15. Jahrhundert insbesondere in Venedig die meisten großen Nürnberger Fernhandelsgesellschaften aktiv. Das betraf unter anderem die Unternehmen der Kress, Imhoff, Paumgartner, Rummel und Tucher, die ein weitläufiges Wirtschaftsnetzwerk unterhielten und für einen hohen Handelsumsatz Nürnbergs sorgten.393 Der Verkauf von italienischer Seide in Deutschland lag dabei hauptsächlich in den Händen von Nürnberger Handelsgesellschaften wie der der Kress, die bereits aus dem Geldhandel reiche Erfahrungen im italienischen Gewerbeumfeld herleiten konnte.394 Über Venedig, Mailand und Florenz hinaus reichte der Handelsraum der Nürnberger im Süden mindestens bis nach Rom.395 Über den Handel deutscher Kaufleute mit Florentinern, die als potenzielle Informationsquelle für die Haftungsbeschränkung vorrangig zu betrachten sind, ist jedoch im Gegensatz zum Handel mit Venedig, Mailand und Genua wenig überliefert.396 Häufig waren süddeutsche Kaufleute in Florenz ab dem 15. Jahrhundert anzutreffen, jedoch erst ansteigend zu dessen Mitte. Schuldverpflichtung des Mailänders Aluysius de Vaylate gegenüber dem Nürnberger Ziriach Hoffmann über den Kauf von Kupfer und anderen Waren vom 01.02.1455. 389 Gömmel, Vermittlerrolle Nürnbergs, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 39 [41–44]. 390 Zum diesbezüglichen Schriftverkehr siehe Unterlagen, in: Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 148 f. (Nr. 108, 110); vgl. Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 62 f. 391 Siehe zu Dokumenten von 1388 über Peter Stromer, in: Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 164 f. (Nr. 145–147); zu Ulman Stromer, siehe dessen Aufzeichnungen von 1385–1390 bezüglich Genua, in: Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 161–163 (Nr. 140). 392 Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 161 (Nr. 138). 393 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [395]; vgl. Goldthwaite, Economy of Florence, S. 43 f. 394 Ertl, Das Seidennetzwerk, in: Fouquet / Gilomen, Netzwerke, S. 263 [277]. 395 Esch, Nürnberg und Rom, in: AGNM 2002, S. 128 [130–135]. 396 v. Stromer, Deutsch-italienische Handelsgesellschaften, in: Rachewiltz / Riedmann, Kommunikation und Mobilität im Mittelalter, S. 135 [138 f.]; vgl. beispiels-
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Zuvor engagierten sich dort im Gegensatz zu Venedig nur wenige bis gar keine Deutschen.397 Der zaghaft schon im 14. Jahrhundert begonnene Handelsaufschwung wurde befördert durch den Warenexport der expandierenden florentinischen Seidenproduktionsbetriebe, sodass Nürnberger und Florentiner langfristige Beziehungen zueinander entwickelten. Dennoch gestalteten sich die Beziehungen Nürnbergs nach Florenz nie so eng wie die nach Venedig und Mailand, nicht zuletzt wegen des vergleichsweise langen Anreiseweges.398 Deutsche Kaufleute besuchten Florenz weitaus seltener. Die Stadt stellte für sie keine bedeutende Handelsmetropole dar, wobei deutsche Handelsunternehmen dort auch keine Niederlassungen unterhielten, anders als zum Beispiel in Venedig. In Florenz waren nur wenige deutsche Kaufleute aktiv.399 Hauptsächlich die Große Ravensburger Handelsgesellschaft und Händler aus Nürnberg engagierten sich in dieser Stadt, wo sie Seide einkauften und deutsche Stoffe und vorrangig Metallwaren verkauften. In diesem Zusammenhang ist in Florenz ein dort als Seidenhändler ansässiger Tuchscherer namens Konrad von Schaffhausen nachgewiesen, der ausgeprägte Verbindungen zu den Nürnbergern Johannes Praun und Franz Hirschvogel pflegte. Neben anderen Nürnbergern engagierten sich in Florenz unter anderem auch Kaufleute der Familie Petz, der Händler Hans Schürstab und die Gesellschaft der Rummel, die bis zu ihrer Pleite im Jahr 1472 Messingund Silberwaren dorthin verkaufte und Seide nach Nürnberg importierte. Handelspartner der Nürnberger und der Ravensburger in Florenz waren meist die Medici.400 In Nürnberg waren im 15. Jahrhundert andererseits auch kaum florentinische Kaufleute aktiv. Unter anderem aber, wenn ein mit Seide handelnder Florentiner im 15. Jahrhundert nach Deutschland zog, was selten geschah, ließ er sich immerhin in Nürnberg nieder.401 Aus dem florentinischen Register zur accomandita ergibt sich zu den Handelsaktivitäten von Florentinern in Deutschland, dass im Zeitraum von 1450 bis weit in das 16. Jahrhundert nur vereinzelte Unternehmen in der Form einer accomandita gegründet wurden, die gemäß ihren Registereintragungen explizit mit Nürnberg und anderen Teiweise zum Handel mit Mailand und Genua, Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 62–67. 397 Dementsprechend fand Davidsohn für das 13. Jahrhundert bezüglich des deutschen Textilexports nur drei Nachweise in florentinischen Urkunden. Regest Nr. 894, in: Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 3, S. 180. 398 Böninger, Deutsche Einwanderung nach Florenz, S. 259 f., 266; Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 341; Weissen, Florentiner Bankiers, S. 17–20. 399 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 18 f. 400 Böninger, Deutsche Einwanderung nach Florenz, S. 262–268. 401 Böninger, Deutsche Einwanderung nach Florenz, S. 271.
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len della Magnia, also Deutschlands, Handel treiben sollten. Vor dem Jahr 1464, in dem das Nürnberger Privileg erlassen wurde, sind überhaupt keine dementsprechenden Einträge zu finden. Erst im Jahr 1483 gründete Lorenzo di Giovanni Villani in Nürnberg eine Handels- und Bankgesellschaft namens „Lorenzo di Giovanni Villani e compagni di Norimbergo“,402 in die der Florentiner Tommaso di Gino Capponi laut Registereintrag vom 14.07.1483 mit 1.200 fl. mit seiner Gesellschaft eintrat.403 Diese Anlage in accomandita wurde über den zunächst vereinbarten Zeitraum von drei Jahren hinaus mehrfach verlängert.404 Ein anderer Eintrag von 1499 betraf die mit Wollprodukten, Geld und anderen Dingen handelnde Gesellschaft der Geschäftsführer Raffaello di Iacopo Vecchietti und Jacopo di Stefano Bertoni sowie des nicht geschäftsführenden Investors Niccolo di Tommaso di Bernardo Antinori. Dieser legte im Übrigen nur den verhältnismäßig kleinen Betrag von 400 fl. ein,405 wobei Anlagebeträge für Fernhandelsunternehmungen üblicherweise eigentlich höher ausfielen. Des Weiteren legte im Jahr 1512 Zanobi di Bartolo Saliti 4.000 fl. in die Gesellschaft des Bernardo di Nofri Acciaioli, die nach dem Registereintrag nelle parti della magnia, also in nicht näher definierten deutschen Gebieten, Handel treiben sollte.406 Um 1515 ist damit einhergehend unter den Namen des Acciaioli und des Sohnes des Zanobi di Bartolo Saliti eine in Nürnberg ansässige Seidenhandelsgesellschaft belegt, die einige Jahre bestand407 und ab 1527 unter „Piero Saliti e compagni“ firmierte.408 Im Jahr 1520 ging der Florentiner Giovanni di Piero Olivieri nach Nürnberg, um mit Seidenprodukten zu handeln.409 402 Weissen, I mercanti toscani, in: Istituto Iinternazionale di economica, Fiere e mercati, S. 887 [895]. 403 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 92r. 404 Weissen, I mercanti toscani, in: Istituto Iinternazionale di economica, Fiere e mercati, S. 887 [896]. 405 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 116v; Dini, L’economia fiorentina, in: Archivio Storico Italiano, Bd. 153 (1995), S. 633 [638 f.]. 406 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 145v. 407 Bruscoli, Drappi di seta e tele di lino tra Firenze e Norimberga, in: Archivio Storico Italiano, Bd. 159 (2001), S. 359 [360 f.]; Bruscoli, Handel mit Seidenstoffen und Leinengeweben zwischen Florenz und Nürnberg, in: MVGN, Bd. 86 (1999), S. 81 [81 f.]. 408 Weissen, I mercanti toscani, in: Istituto Iinternazionale di economica, Fiere e mercati, S. 887 [898]; Spallanzani, Le compagnie Saliti a Norimberga, in: Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd. 1, S. 603 [611–615]. 409 Goldthwaite, Economy of Florence, S. 75; Bruscoli, Handel mit Seidenstoffen und Leinengeweben zwischen Florenz und Nürnberg, in: MVGN, Bd. 86 (1999), S. 81 [89].
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Zusätzlich zu Handelsreisen der Nürnberger und der florentinischen Kaufleute in die Heimatstadt der jeweils anderen kamen sie oft über ihre Filialen in anderen Städten in Kontakt, was besonders auf Venedig oder auch Mailand zutraf. Größtenteils spielte sich der Warenhandel zwischen Nürnbergern und Florentinern letztlich nicht in Florenz oder Nürnberg selbst, sondern in anderen Handelsmetropolen ab. Dabei sind auch Zusammenkünfte auf Messen in Betracht zu ziehen, worüber viele Händler verschiedener Herkunft regelmäßig in Kontakt kamen und neben Gütern unter anderem auch Informationen austauschten, die ihre Gewerbetätigkeiten betrafen.410 Beispielsweise vertrieben die Kaufleute der Spinelli über die Messen in Genf um die 1460er Seidenprodukte nach Süddeutschland.411 Auch die Gesellschaften des Andrea Banchi verkauften von circa 1435 bis 1456 durch einen Cousin Banchis namens Priorozzo di Giovanni di Lodovico Banchi Seide über die Genfer Messe, wobei wegen der zentralen Lage dieser Stadt die meisten florentinischen und anderen norditalienischen Unternehmen in Genf präsent waren, um mit deutschen Kaufleuten in Kontakt zu treten.412 (b) Finanzgewerbe Auch im Geldhandel, der teils eng mit dem Warenhandel verknüpft war, bestanden weitreichende Verbindungen von Norditalien nach Süddeutschland, zum Beispiel nach Basel.413 Dabei ist aber zu beachten, dass der deutsche Markt für italienische Banken im 15. Jahrhundert aufgrund des geringen Geschäftsaufkommens nur wenig bedeutend war, auch da die Rechtsauffassungen beider Länder voneinander abwichen. Daher unterhielten italienische Banken bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts mit einzelnen Ausnahmen bei den Medici und den Alberti um 1400 in Köln noch keine ständigen Filialen in Deutschland. Allein während der Konzile von Konstanz von 1414 bis 1418 und Basel von 1431 bis 1443 wurde der deutsche Raum wegen Geldgeschäften der päpstlichen Kurie relevanter, wobei das 410 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 18 f.; Gassert, Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, S. 230 f., 233–235. 411 Caferro, Tommaso Spinelli, in: Renaissance Studies, Bd. 10 (1996), S. 417 [436 f.]. 412 Edler de Roover, Andrea Banchi, in: Bowsky, Medieval and Renaissance History, Bd. 3, S. 223 [264–268]. 413 Zum Beispiel schon im Jahr 1399 transferierte Giovanni di Medici Servitien gelder des Baseler Bischofs und 1401 des Bischofs von Freising über die MediciFiliale in Venedig nach Rom und wickelte in der Folge weitere Geldgeschäfte deutscher Kaufleute in Venedig ab. Weissen, Florentiner Bankiers, S. 275–277, 279–282; Esch, Überweisungen an die Apostolische Kammer, in: QFIAB, Bd. 78 (1998), S. 262 [262 f.].
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dabei eingerichtete Bankwesen der florentinischen Medici aber jeweils nach Ende des Konzils wieder abgebaut wurde.414 Bei diesen Bankgeschäften in Basel arbeiteten die Medici eng mit einheimischen Kaufleuten zusammen. So errichteten die Medici ihre Filiale in Basel direkt im Wohnhaus des Heinrich Halbysen, wo sie zum Beispiel im Geschäftsjahr 1436 / 37 für deutsche Kaufleute einige Wechselüberweisungen nach Venedig ausstellten.415 Die Medici unterhielten eine der Kurienbanken, die vom Papst dazu ermächtigt war, den Zahlungsverkehr an die römische Kurie durchzuführen, was mit Hilfe von Wechseln geschah.416 In jedem Fall für den Geldtransfer aus Deutschland zur päpstlichen Kurie, der über Basel und Konstanz und die Zeiträume der Konzile hinausging, benötigten Banken wie die Medici dabei in Deutschland im Gegensatz zu zum Beispiel Frankreich mangels eigener Filialen örtliche Partner,417 mit denen sie das päpstliche Geld einsammeln und transferieren konnten. Allgemein konnten Wechselüberweisungen im Zuge dessen vereinfacht werden. Institutionalisierte Bankverbindungen fehlten damals auch noch zwischen Nürnberg und Florenz, da keine florentinischen Bankiers in Nürnberg oder Nürnberger Bankiers in Florenz ständig anwesend waren, die diese hätten betreiben können. Bis in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts waren noch keine regelmäßigen Fernüberweisungen überhaupt aus und nach Nürnberg möglich.418 Erste Anfänge ermöglichte die Bank der Medici. Die Medici, die wegen ihres Monopols für Überweisungen an die Kurie im Spätmittelalter das florentinische Bankwesen dominierten, pflegten wegen solcher Überweisungen erste Verbindungen nach Franken, so zu den Gesellschaften der Kress und der Rummel Anfang des 15. Jahrhunderts.419 Auch Bonifazio 414 Weissen, Das deutsche Handelsnetzwerk der Florentiner Banken in Rom, in: Fouquet / Gilomen, Netzwerke, S. 213 [224, 254]; Dini, L’economia fiorentina, in: Archivio Storico Italiano, Bd. 153 (1995), S. 633 [636]; Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 104. 415 Auflistung, in: Weissen, Florentiner Bankiers, S. 298 f. Die Bankfiliale des Florentiners Tommaso Spinelli, der zunächst Direktor der Bank der Borromei war, dann bald aber seine eigene Bank gründete, wurde im Haus des Wernlin von Kilchen eingerichtet, der Geschäftsführer der Halbysen-Gesellschaft war. Weissen, Das deutsche Handelsnetzwerk der Florentiner Banken in Rom, in: Fouquet / Gilomen, Netzwerke, S. 213 [222 f., 226 f.]; Hagemann, Basler Handelsgesellschaften, in: Festschrift für F. Vischer, S. 557 [558]. 416 Weissen, Das deutsche Handelsnetzwerk der Florentiner Banken in Rom, in: Fouquet / Gilomen, Netzwerke, S. 213 [222 f., 226 f.]. 417 Esch, Überweisungen an die Apostolische Kammer, in: QFIAB, Bd. 78 (1998), S. 262 [262 f.]. 418 Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 336–338. 419 Weissen, Das deutsche Handelsnetzwerk der Florentiner Banken in Rom, in: Fouquet / Gilomen, Netzwerke, S. 213 [219].
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
Gozzadini überwies mit den Rummel Gelder nach Italien, wobei der Transfer stets über Venedig verlief.420 Venedig stellte im Finanz- wie im Warenhandel den Dreh- und Angelpunkt des deutsch-italienischen Handelsverkehrs dar. Die meisten Überweisungen nach Italien, speziell an die päpstliche Kurie in Rom, passierten zunächst die Lagunenstadt. Die Medici betrieben dazu dort neben ihrer Zentrale in Florenz eine große Filiale und waren wegen des kurialen Geldverkehrs auch mit einer Niederlassung in Rom verstärkt präsent.421 Falls die florentinische Idee der Haftungsbeschränkung tatsächlich ihren Weg nach Nürnberg gefunden hatte, musste folglich nicht zwingend ein Kontakt direkt nach Florenz bestanden haben, da die großen Gesellschaften aus Florenz, die die accomandita anwendeten, ohnehin in Venedig präsent waren und meist dort und nicht in Florenz mit deutschen Geschäftspartner zusammentrafen. Nürnberg hatte bereits im 13. Jahrhundert begonnen, die Stellung einer in alle Himmelsrichtungen agierenden süddeutschen Hauptstadt des Geldhandels einzunehmen.422 Der Stadt kamen, wie im Warenhandel, ihre zentrale Lage und die nicht zuletzt dadurch begründete starke Wirtschaft zugute, sodass sich ihre Handelsgesellschaften im Finanzverkehr vor allem an die Kurie weitreichend engagieren konnten. Der Zahlungsverkehr dorthin verlief stets über die Banken der Toskana, insbesondere der Medici.423 Für den vor allem anfangs noch spärlichen Geldverkehr von Deutschland nach Italien nutzten die Florentiner Nürnberg als zentralen Knotenpunkt. In der Stadt liefen die Zahlungen aus allen deutschen Handelsstädten zusammen und wurden nach Italien weitervermittelt.424 Die erste Überweisung von Nürnberg an die Kurie wurde durchgeführt von Johannes und Conradus de Chrina über Francessco di Bicci de Medici und datiert vom 10.11.1380. Deutsche und vor allem Nürnberger Kaufleute nutzten die Dienste der Medici in der Folge mehr und mehr für Überweisungen vom Norden in den Süden oder in umgekehrter Richtung. Solche Überweisungen verliefen besonders reibungslos über die während des Baseler Konzils von 1431 bis 1443 dort installierte Filiale der Medici. Zum Beispiel überwiesen die Nürnberger Mendel und Hirschvogel Geldbeträge über Basel nach Venedig.425 Enge Verbindungen zu den Medici pflegte aus Nürnberg zuerst die 420 Weissen,
Florentiner Bankiers, S. 272. Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 43; Esch, Nürnberg und Rom, in: AGNM 2002, S. 128 [129]. 422 Goldthwaite, Economy of Florence, S. 195. 423 v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 193 f.; Esch, Überweisungen an die Apostolische Kammer, in: QFIAB, Bd. 78 (1998), S. 262 [266 f., 273]. 424 Weissen, I mercanti toscani, in: Istituto Iinternazionale di economica, Fiere e mercati, S. 887 [893]. 425 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 299 f. 421 de
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Gesellschaft der Familie Rummel.426 Die Rummel führten im Jahr 1419 eine der ersten Wechselüberweisungen von Italien nach Süddeutschland durch, wobei sie in Venedig von den Medici Geld empfangen hatten und dieses in Heidelberg auszahlten, wo es zur Auslösung des durch Ludwig von der Pfalz gefangen gehaltenen abgesetzten Gegenpapstes Balthasar Cossa benötigt wurde.427 In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts konnte Geld in verschiedener Weise überwiesen werden. Am einfachsten gestaltete sich die Variante, in internationalen Finanzhandelsstädten wie Venedig oder Brügge als Kunde bei italienischen Bankiers auf die Überweisungsempfänger einfache Wechsel ausstellen zu lassen. Eigene Filialen deutscher Kaufleute in der betreffenden auswärtigen Handelsstadt ermöglichten eine weitergehende Zusammenarbeit mit dortigen italienischen Bankniederlassungen, da diese deutschen Kaufleute den Italiener kreditwürdiger erschienen. Wechselüberweisungen konnten dabei in weiter entfernte Regionen durchgeführt werden, die außerhalb des deutschen Zahlungssystems lagen, was zum Beispiel die römische Kurie betraf. Die intensivste Form der Zusammenarbeit aber, die zum Beispiel zwischen den Rummel und den Medici bestand, stellte ein direktes Korrespondenzverhältnis zwischen einer deutschen und einer italienischen Bankfiliale dar. In einer solchen Beziehung herrschte eine derart ausgeprägte gegenseitige Kreditwürdigkeit, dass Überweisungen ohne sonst nötige Zwischenstationen oder Bankgarantien vorgenommen werden konnten.428 (3) Verbindungen über die Ausbildung in Italien Ein weiterer möglicher Transferweg florentinischen Rechts nach Nürnberg ist in der Ausbildung und dem Universitätsstudium deutscher Kaufmannssöhne in italienischen Handelsstädten zu suchen. Die Lehrlinge und Studenten könnten die Idee der beschränkten Gesellschafterhaftung bei ihrer Heimkehr nach Nürnberg mitgebracht haben. (a) Ausbildung in Unternehmen Die Söhne der Nürnberger wie der meisten süddeutschen Kaufmannsfamilien erlernten das Kaufmannshandwerk in Venedig während eines längeren 426 de
Roover, The rise and decline of the Medici Bank, S. 209, 282. Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 340 f.; Schultheiß, Geldgeschäfte Nürnberger Bürger, in: Stadtarchiv Nürnberg, Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 1, S. 49 [93]. 428 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 264 f., 291. 427 Schulte,
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Aufenthalts im Fondaco dei Tedeschi oder später in anderen deutschen Kaufmannsniederlassungen in Italien. Sie eigneten sich die internationale Handelssprache Italienisch und die italienischen Handelsbräuche an.429 In diesem Zusammenhang stammen die ältesten italienisch-deutschen Sprachlehrbücher aus dem Jahr 1424 von einem in Venedig ansässigen Jörg von Nürnberg, der allerdings keine Deutschen sondern Italiener in der deutschen Sprache unterrichtete.430 Schon für das Jahr 1308 sind Lernaufenthalte mehrerer pueros Theotonicos, filios bonorum hominum mercatorum in Venedig nachgewiesen.431 In der Lagunenstadt hielten sich in Italien die meisten Nürnberger Lehrlinge auf und lernten die dort herrschenden Gesetze kennen, so zum Beispiel Albrecht Kress, Endres Tucher der jüngere und Michael Behaim.432 Der Nürnberger Ulman Stromer, der später von 1385 und 1390 in Genua tätig war,433 befand sich in der Mitte des 14. Jahrhunderts dagegen unter anderem in Mailand und in Genua in der kaufmännischen Lehre.434 In der Lombardei lernte Stromer dabei die Technik der Papierherstellung kennen, die er später in seiner Nürnberger Papiermühle anwenden ließ.435 Nach Florenz gingen nur wenige Kaufmannssöhne, um Italienisch und die italienischen Handelstechniken zu lernen. Zu nennen ist der bei seiner Ankunft dort erst elfjährige Franz Hirschvogel aus Nürnberg, der sich von 1460 bis 1465 in Florenz aufhielt.436 429 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [396, 400]; siehe dazu, Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1, S. 483 f. Nach dortiger Nr. 801 wurde 1342 ein Regensburger Kaufmann bestraft, weil er seinem jungen Begleiter, der in Venedig die italienische Handelssprache erlernen wollte ([…], qui est Veneciis causa adiscendi linguam, […]) den unbefugten Zutritt zum Fondaco dei Tedeschi ermöglicht hatte. Vgl. Lang, Fremdsprachenkompetenz, in: Häberlein / Kuhn, Fremde Sprachen in frühneuzeitlichen Städten, S. 75 [76–81, 91]; beispielhaft für die Tucher, Grote, Die Tucher, S. 28 f. 430 Stauber, Nürnberg und Italien, in: Neuhaus, Nürnberg, S. 123 [133 f.]. 431 Siehe einen Straferlass vom 01.08.1308 für einige Venezianer, die für die Aufnahme deutscher Lehrlinge in ihre Häuser bestraft worden waren, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1, S. 8. 432 Bartels, Drogenhandel, S. 103–107; Grote, Die Tucher, S. 28 f. 433 Aufzeichnungen des Ulman Stromer, in: Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 161 (Nr. 140). 434 Sporhan-Krempel / v. Stromer, Handelshaus der Stromer, in: VSWG, Bd. 47 (1960), S. 81 [81 f.]; Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 1053. 435 Sporhan-Krempel / v. Stromer, Handelshaus der Stromer, in: VSWG, Bd. 47 (1960), S. 81 [82]. 436 Schaper, Die Hirschvogel, S. 124 f., 179; Weissen, Florentiner Bankiers, S. 232. Als erster deutscher Kaufmannslehrling kam im Juli 1434 ein junger Lü becker nach Florenz in die Bank der Medici. Er sollte später in der Firma von Gherardo Bueri im Handelsverkehr zwischen Norddeutschland und Italien eingesetzt werden. Weissen, Florentiner Bankiers, S. 232.
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Ebenfalls in Florenz ließ sich Wilhelm Rem ausbilden, jedoch erst ab dem Jahr 1478.437 Insbesondere aus ihrer kaufmännischen Ausbildung in Italien übertrugen die Nürnberger Lehrlinge und späteren Kaufleute einige Kenntnisse und Fähigkeiten in die Heimat und in ihre Familienbetriebe. In erster Linie stach hier der Wechselbrief als Mittel zur Geldüberweisung heraus.438 Auch elementar waren die Übernahme der Buchführung anhand der Saldierung sowie der Transfer der im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts ausgeprägten doppelten Buchführung, deren Anfänge in Venedig um 1380 belegt sind und die bald auch von Nürnberger Unternehmen angewendet wurde.439 So führten zum Beispiel die Unternehmen der Nürnberger Holzschuher, Kress, Mendel, Schürstab, Stark und Tucher ausgehend von ihren italienischen Niederlassungen in der heimatlichen Zentrale und dem kompletten Unternehmen ein geordnetes Buchführungssystem nach italienischem Vorbild ein.440 Außer den verschiedenen neuen Buchführungsarten hatte man sich die Technik der Giralgeldschöpfung zur Steigerung des Handelsvolumens und neue kaufmännische Rechenmethoden für die Anwendung im heimatlichen Unternehmen abgeschaut. Die Nürnberger wurden bezüglich dieser fortschrittlichen Geschäftsführung gegenüber anderen Städten zu Vorreitern. Sie konnten mit größeren Geldvolumina agieren und ihre Handelsbetriebe effektiver führen und dadurch größere und erfolgreichere Geschäfte unternehmen. Die seit 1476 in Nürnberg bekannte doppelte Buchführung fand 1549 ihre schriftliche Ausprägung im ältesten deutschen Lehrbuch über diese Technik, das von dem in Venedig ansässigen Nürnberger Wolffgang Schweicker verfasst wurde.441 Durch die zunehmend bessere Schulung süddeutscher Kaufleute in den modernen italienischen Handelstechniken kam es nun sogar vor, dass italienische Banken sich bei der Abwicklung deutschsprachiger Wechsel mit der Beschäftigung von Deutschen in ihren italienischen Filialen behalfen, um sprachlichen Verständnisproblemen entgegenzuwirken.442 437 Bruchhäuser,
Kaufmannsbildung, S. 184. Stromer, Welser Augsburg und Welser Nürnberg, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 215 [220]. 439 v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [759, 793]. 440 v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [770 f., 772 f., 792 f., 795–797]. 441 Schweicker, Zwifach Buchhalten sampt seine Giornal / des selben Beschlus / auch Rechnung zuthun; Gömmel, Vermittlerrolle Nürnbergs, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 39 [45]; Schultheiß, Geschichte des Nürnberger Ortsrechts, S. 14; v. Stromer, Deutsch-italienische Handelsgesellschaften, in: Rachewiltz / Riedmann, Kommunikation und Mobilität im Mittelalter, S. 135 [152]. 442 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 233. 438 v.
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(b) Ausbildung in Universitäten An italienischen Universitäten waren deutsche Rechtsstudenten vermehrt ab 1450 anzutreffen.443 Wollten junge Deutsche, meist städtische Patriziersöhne, das rezipierte römische Recht studieren, schrieben sie sich hauptsächlich an norditalienischen Hochschulen ein, nicht zuletzt da deutsche Juristenschulen bis in das 15. Jahrhundert kein römisches Recht lehrten.444 Andererseits wählten Deutsche italienische Universitäten, um dort das kanonische Recht zu studieren.445 Die Nürnberger waren im 15. Jahrhundert vorrangig an der Universität von Padua eingeschrieben, die zur Republik Venedig gehörte. Da Nürnberg im norditalienischen Raum zu Venedig die engsten Wirtschaftsbeziehungen unterhielt, richtete man sich zum Nutzen ausgeprägter Verbindungen und verbesserter Zusammenarbeit vorrangig nach dem dortigen Recht.446 Zudem durften in Padua im Gegensatz zu Bologna oder Rom nach der Reformation auch Protestanten studieren.447 An Nürnberger Persönlichkeiten waren in Padua zum Beispiel Konrad Pfinzing ab 1404,448 Andreas Rummel ab 1441,449 Johannes Sensenschmid ab 1442,450 Hans Pirckheimer I. und II. ab 1449, beziehungsweise ab 1458451 und Konrad Schütz ab 1460 eingeschrieben.452 Aber auch andere Studienorte wurden frequentiert, wobei die Nürnberger teils mehrere italienische Universitäten nacheinander besuchten. Zum Beispiel Thomas Pirckheimer studierte ab 1441 in Padua, ab 1442 in 443 Isenmann, Reichsrecht und Reichsverfassung in Konsilien, in: Schnur, Die Rolle der Juristen, S. 545 [551]; Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 69. 444 Dotzauer, Deutsches Studium und deutsche Studenten an europäischen Hochschulen, in: Maschke / Sydow, Stadt und Universität, S. 112 [133]. Trotzdem ging dem Studium in Italien oft ein Studium im deutschsprachigen Raum voraus. Nürnberger studierten zum Beispiel in Erfurt, Freiburg, Ingolstadt, Köln, Leipzig und Wien. Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 10–17. 445 Sottili, Nürnberger Studenten an italienischen Renaissance-Universitäten, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 49 [54]. 446 Walther, Italienisches gelehrtes Recht in Nürnberg, in: Boockmann / Grenzmann / Moeller / Staehelin, Recht und Verfassung, Teil 1, S. 215 [219]. Liermann, Nürnberg als Mittelpunkt deutschen Rechtslebens, in: JfL, Bd. 2 (1936), S. 1 [9 f.]. 447 Bartels, Drogenhandel, S. 107 f. 448 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 13. 449 Schaper, Die Ratsfamilie Rummel, in: MVGN 68 (1981), S. 1 [74 f.]; Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 51. 450 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 57. 451 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 16. 452 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 56; vgl. Sottili, Nürnberger Studenten an italienischen Renaissance-Universitäten, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 49 [54, 64]; Stauber, Nürnberg und Italien, in: Neuhaus, Nürnberg, S. 123 [127, 148].
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Perugia und ab 1443 noch in Pavia.453 In Pavia, das von deutschen Studenten zwar rege, aber weniger von Nürnbergern besucht wurde,454 waren zu dieser Zeit die Nürnberger Franz Pirckheimer ab 1438455 und Sebald von Ploben ab 1466 anzutreffen.456 Des Weiteren besuchten einige Nürnberger im 15. Jahrhundert auch die Universität Bologna,457 wo noch im 13. und 14. Jahrhundert die meisten Nürnberger aber auch viele Augsburger Patri ziersöhne studiert hatten,458 und die noch immer als die herausragendste Universität Italiens galt.459 In Bologna waren im Jahr 1412 nach einem Studium an der Universität in Padua Lorenz Wendelstein,460 1448 Hans Pirckheimer I., der neben Padua zudem 1449 in Perugia weilte,461 und ab 1448 bis 1450 Lorenz Schaller eingeschrieben.462 Auch an der eher kleinen und unbedeutenden florentinischen Universität „Studium Florentinum“ studierten im 15. Jahrhundert einige wenige Deutsche. Da die Matrikelbücher aber nicht überliefert sind, ist deren genaue Herkunft nicht zu klären.463 An allen italienischen Universitäten organisierten sich die deutschen Studenten jeweils in einer „deutschen Nation“ und bekleideten aus dieser „Studentenfraktion“ heraus teils auch universitäre Posten. In Pavia war es Brauch, dass der Universitätsrektor für die Juristen in regelmäßigen Abständen ein Ausländer sein musste. So wurde im Jahr 1440 der Nürnberger Peter Knorr studentischer Universitätsrektor der Juristen.464 Thomas Pirckheimer war 1443 Rektor in Perugia,465 während Hans Pirckheimer 1464 das Amt des Consiliarius der deutschen Nation in Padua bekleidete.466 Ein weiterer Nürnberger, Lorenz Schaller, war an der Universität von Bologna 453 Strack,
Thomas Pirckheimer, S. 35–54. Rezeption Paduaner Rechtswissenschaft, in: Baumgärtner, Consilia, S. 207 [213 f.]; Sottili, Nürnberger Studenten an italienischen Renaissance-Universitäten, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 49 [52–54]. 455 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 15. 456 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 18. 457 Sottili, Nürnberger Studenten an italienischen Renaissance-Universitäten, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 49 [49]. 458 Dotzauer, Deutsches Studium und deutsche Studenten an europäischen Hochschulen, in: Maschke / Sydow, Stadt und Universität, S. 112 [132–134, 136]. 459 Zonta, Schlesier an italienischen Universitäten, S. 82. 460 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 60. 461 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 16. 462 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 52. 463 Zonta, Schlesier an italienischen Universitäten, S. 83. 464 Sottili, Nürnberger Studenten an italienischen Renaissance-Universitäten, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 49 [55 f., 57]. 465 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 17; Strack, Thomas Pirckheimer, S. 44. 466 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 16. 454 Walther,
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1449 Procurator substitutus und wurde 1450 Procurator.467 In Pavia konnten Graduierte zudem bis zum Professor aufsteigen, insbesondere für die juris tische Professur der Transalpinen, die meist mit Deutschen besetzt wurde.468 Juristische Beratung Im Rahmen der Kontakte zu norditalienischen Universitäten konsultierten auch deutsche Machthaber auf offizieller Ebene die dort ansässigen Juristen in bestimmten Rechtsfragen. So holte unter anderem der Nürnberger Rat in rechtlichen Streitfällen neben Gutachten eigener Rechtskonsulenten auch Gutachten fremder Rechtsgelehrter ein. Oft fiel die Wahl auf die Universität von Padua, wie im Streit mit dem Kaiser um den Verbleib der Reichskleinodien in Nürnberg 1443.469 Insbesondere mit einem der dortigen Gutachter, Professor Barto lomeus Cepolla, war Nürnberg enger verbunden.470 Im Prozess gegen Anton Paumgartner holte der Nürnberger Rat sogar ganze 33 Gutachten von Rechtsgelehrten aus dem italienischen und deutschen Raum ein, wobei unter anderem die Universitäten von Padua, Bologna, Erfurt, Heidelberg und Köln sowie Rechtsgelehrte weiterer kirchlicher und weltlicher Institutionen angefragt wurden.471 Die empfangenen Gutachten verwendete man nicht nur im Einzelfall, sondern übernahm sie in die städtischen Ratschlagbücher, um auf deren Argumente in vergleichbaren Streitfällen künftig zurückgreifen zu können.472 Zusätzlich setzten die eigenen Rechtskonsulenten Nürnbergs wie Gregor von Heimburg, die ihre Fähigkeiten im Studium in Norditalien ausgebaut hatten, die Argumentationslinien der italienischen Juristen fort und entwickelten deren Rechtsauslegung weiter. Eine Leitrichtung in den Gutachten stellte zum 467 Wachauf,
Nürnberger Bürger als Juristen, S. 52. Nürnberger Studenten an italienischen Renaissance-Universitäten, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 49 [49, 54–56, 60]; Stauber, Nürnberg und Italien, in: Neuhaus, Nürnberg, S. 123 [127]. 469 Walther, Rezeption Paduaner Rechtswissenschaft, in: Baumgärtner, Consilia, S. 207 [215, 218 f.]; Isenmann, Rezeption des römisch-kanonischen Rechts, in: Aertsen, „Herbst des Mittelalters“?, S. 206 [217]. 470 Die „Rubrica de verborum significatione in ff. nouo Cepollas“, die Schriften Cepollas enthält, in der 1477 verfassten Nr. 5 der Nürnberger Ratschlagbücher wurde um die Notiz „cuius anima requiescat in pace“ ergänzt. Isenmann, Gelehrte Juristen, in: Arlinghaus / Baumgärtner / Colli / Lepsius / Wetzstein, Praxis der Gerichtsbarkeit, S. 305 [321]. 471 Auflistung, in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, D-Laden, Akten-Nr. 327, Fol. 1r – 2r; Isenmann, Rezeption des römisch-kanonischen Rechts, in: Aertsen, „Herbst des Mittelalters“?, S. 206 [217 f.]. 472 Joachimsen, Gregor Heimburg, S. 114 f.; Walther, Rezeption Paduaner Rechtswissenschaft, in: Baumgärtner, Consilia, S. 207 [213]. 468 Sottili,
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Beispiel das Modell der autonom agierenden italienischen Kommune dar, das die Ratsjuristen auf die Reichsstadt Nürnberg übertrugen und in dutzenden Rechtsstreitigkeiten, wie um die Rechtssetzungsbefugnis bezüglich des Judenstatuts, gegen den Kaiser vertraten.473 Mit den Rechtsprinzipien, die man aus Norditalien übernommen hatte, breitete sich über Nürnberg und andere große Handelsstädte auch das dort rezipierte römische Recht immer weiter im deutschen Raum aus.474 Es fand Eingang in territoriale und städtische Rechtsreformationen, in denen nun das römische Recht, dessen Auslegung man sich größtenteils von italienischen Rechtsgelehrten, wie Petrus de Ancharano, abschaute,475 mit dem bestehenden einheimischen verknüpft werden musste.476 Neben dem juristischen Bereich ließ sich der Nürnberger Rat auch auf anderen Wissensgebieten von Italienern und speziell Florentinern beraten. Neben anderen italienischen und deutschen reichten zum Beispiel florentinische Baumeister im Jahr 1595 einen Entwurf zur Ausschreibung für den Neubau der Nürnberger Fleischbrücke ein, wobei man sich letztlich aber für den venezianischen Entwurf entschied.477 In Florenz direkt war der aus Nürnberg stammende Schriftsteller Heinrich Schlüsselfelder, genannt „Arigo da Norimberga“, tätig und übersetzte dort in den Jahren 1472 / 73 das Werk „Decamerone“ von Giovanni Boccaccio ins Deutsche. Auch erarbeitete er in Florenz bis 1490 einen Kodex aus Landkarten der Welt, Europas und Deutschlands, wobei in diesem Fall nun in umgekehrter Richtung herausragendes astronomisches und geografisches Wissen aus Nürnberg nach Florenz transferiert wurde.478 (4) Deutsche Handwerker in Norditalien Es ist nicht außer Acht zu lassen, dass auch im produzierenden Sektor Kenntnisse und Fähigkeiten von Italien nach Süddeutschland übernommen wurden, was wiederum die damalige Vorbildfunktion der Italiener für die deutsche Wirtschaft belegt. Beispielsweise hatte Ulman Stromer während seiner Lehrzeit in der Lombardei das Handwerk der Papierherstellung kennengelernt und eröffnete mit diesem Wissen um 1390 in Nürnberg eine Papiermühle. Um den Betrieb in der „Gleißmühle“ einzurichten, engagierte 473 Walther, Rezeption Paduaner Rechtswissenschaft, in: Baumgärtner, Consilia, S. 207 [219–223]. 474 Heße, Wettbewerbsverbote, S. 53. 475 Joachimsen, Gregor Heimburg, S. 116, 119. 476 Heße, Wettbewerbsverbote, S. 53. 477 Bartels, Drogenhandel, S. 120. 478 Fleischmann, Nürnberg im 15. Jahrhundert, S. 109 f.
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er zwei fachkundige Italiener. Da diese ihre Arbeit jedoch nicht zufriedenstellend ausführten, stellte Stromer stattdessen bald deutsche Arbeiter ein, die die Produktion erfolgreich fortführten.479 Neben technischen Fähigkeiten könnten im handwerklichen Bereich auch rechtliche Normen vom ita lienischen in den deutschen Raum gelangt sein. Zum Beispiel ist das für das venezianische Patentgesetz, Parte Veneziana sulle Invenzioni,480 denkbar. Dieses wurde 1474 erlassen, wobei in Venedig zuvor bereits aufgrund von Gewohnheitsrecht Patente für technische Erfindungen ausgestellt worden waren. Ein solches Patent erhielt im Jahr 1469 Johann von Speyer zur alleinigen Anwendung einer neuen Buchdrucktechnik, die er in Venedig eingeführt hatte.481 Da ein paar Jahrzehnte später unter anderem auch Nürnberg ein Gesetz zum Schutz von Erfindungen erließ,482 ist denkbar, dass patentrechtliche Ideen über Johann von Speyer oder andere deutsche Handwerker aus Venedig in den deutschen Raum gelangt waren. Zunächst der wirtschaftliche Wohlstand Venedigs zog neben deutschen Kaufleuten auch Handwerker verschiedener Berufsgruppen an, die sich in der Stadt niederließen. Zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert praktizierten die ersten deutschen Bäcker in Venedig, die dort mit den Schustern zunächst die größte deutsche Handwerkergruppe darstellten. Die Bäckergesellen unterhielten zu religiösen Zwecken eine eigene Bruderschaft, deren Bestehen der venezianische Rat am 23.07.1422 erneut genehmigte.483 Als weiteres Beispiel für die Anwesenheit deutscher Handwerker in Venedig steht ein Erlass des dortigen Rates vom 08.01.1410, durch den Wollarbeiter aus Süddeutschland wegen eines Aufruhrs gegen ihre Meister bestraft wurden.484 In einem anderen Fall wurde dem deutschen Schachtelmacher Georg aus Laibach der Warenverkauf auf der Rialtobrücke nur an Feiertagen gestattet.485 Während in Florenz die Händler eine Minderheit unter den dort ansässigen Deutschen ausmachte, stellten vor allem im frühen 15. Jahrhundert die meisten dortigen Deutschen Handwerker dar. Viele von ihnen arbeiteten als 479 Ulman Stromers Büchel von meim geslechet und von abentewr, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 1, S. 23 [78–80]; Sporhan-Krempel, Papiererzeugung, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 726 [729]. 480 Regelung vom 19.03.1474, in: Schippel, Anfänge des Erfinderschutzes, in: Lindgren, Technik im Mittelalter, S. 539 [539 f.]. 481 Schippel, Anfänge des Erfinderschutzes, in: Lindgren, Technik im Mittelalter, S. 539 [539]. 482 Gassert, Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, S. 118. 483 Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 2, S. 269 f., Bestätigung der Bruderschaft, S. 320 f. 484 Erlass, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 2, S. 318. 485 Erlass, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 2, S. 319.
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Schneider, Weber und Färber in der florentinischen Textilverarbeitungsindus trie,486 wie der Tuchscherer Konrad von Schaffhausen. Befördert wurde die Ansiedlung deutscher Handwerker in Städten wie Venedig und Florenz durch den im 14. Jahrhundert aufgekommenen Brauch der Gesellenwanderungen, die sich bis nach Italien hinzogen, so unter anderem nach Venedig und Florenz, wo deutsche Gesellengruppen verschiedener Fachrichtungen daher Niederlassungen und Anlaufstationen gründeten.487 Trotz der vielen deutschen Handwerker, die im 15. Jahrhundert in der Entstehungszeit des Gesetzes über die accomandita von 1408 in Florenz angesiedelt waren, steht aber in Frage, ob Handwerker für einen Transfer der gesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung nach Deutschland und Nürnberg überhaupt in Frage kamen. Obgleich sie durch ihre Aktivitäten im florentinischen Geschäftsleben und den Verbindungen zu den großen Textilbetrieben, die die Haftungsbeschränkung anwendeten, von der accomandita erfahren haben mussten, war die accomandita für Handwerker letztlich nicht derart interessant wie für Händler. Die Betriebe der deutschen Handwerker in Florenz, wenn sie überhaupt selbständig arbeiteten, waren in der Mehrzahl nicht sehr groß und nicht so kapitalbedürftig wie die zu dieser Zeit schon teils sehr gewachsenen süddeutschen Handelsunternehmen. Vorrangig die Handelsgesellschaften interessierten sich für zusätzliches Kapital, das die accomandita mittelbar verschaffen konnte, oder verfügten bereits über nicht geschäftsführende Gesellschafter, auf die die beschränkte Haftung der accomandita anwendbar gewesen wäre. Für die meisten deutschen Handwerksbetriebe in Florenz, wie auch für solche in der Heimat, war eine Haftungsbeschränkung aber nicht relevant, sodass die Aktivitäten deutscher Handwerker in Italien zur möglichen Herkunft der Regelung des Nürnberger Privilegs aus Florenz nicht näher zu untersuchen sind. (5) Zwischenbetrachtung Über teils intensive Handels-, Lehr- und Studienverbindungen kamen Nürnberger in verschiedener Weise mit Norditalienern in persönlichen Kontakt. Ein Transfer der beschränkten Gesellschafterhaftung aus Florenz scheint daher gut vorstellbar, kann aber aufgrund der bisher herausgestellten vagen Anhaltspunkte nur gemutmaßt werden. Sicher jedoch war unter den deutschen Akteuren besonders den Nürnbergern zuzutrauen, dass sie das Haftungsmodell der accomandita in Norditalien kennengelernt und in die Heimat transferiert hatten. Nürnberg konnte auf eine Vorrangstellung im 486 Weissen,
Florentiner Bankiers, S. 18; Wirtz, Köln und Venedig, S. 92 f. Deutsche Handwerker in Italien, in: Rachewiltz / Riedmann, Kommunikation und Mobilität, S. 115 [116 f.]. 487 Schulz,
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
süddeutschen Handel und hervorragende Beziehungen nach Norditalien bauen. Auch auf offizieller Ebene arbeitete Nürnberg eng mit einigen norditalienischen Städten zusammen, deren Juristen die Nürnberger berieten. Mit den speziell zu betrachtenden Florentinern verband die Nürnberger insbesondere der gemeinsame Handel. Zum Beispiel fand mit der Gesellschaft der Medici, die die Wirtschaft und Politik der Republik Florenz dominierte, ein reger Austausch an Waren und Informationen statt. Der deutsch-italienische Handel spielte sich dabei hauptsächlich aber nicht in Florenz selbst, sondern zum Beispiel in Venedig und Mailand ab, wobei auch eine mögliche Rechtsübermittlung dort zu verorten wäre. Die Nürnberger Kaufleute sammelten auf ihren Reisen die unterschiedlichsten Kenntnisse, die später in der Heimat verwertet wurden, sodass eine „musterhafte Verwaltung“ und eine vorbildliche Handwerksverfassung entstehen konnten.488 In Italien lernende Kaufmannssöhne studierten die dortigen Handelsgesetze und brachten sie mit nach Hause. Als spätere einflussreiche Ratsherren entschieden sie, ihre Väter, Großväter, Brüder oder andere Verwandte dann mit über neue Gesetze und ließen die kennengelernten vorbildhaften Regelungen aus Italien in die Nürnberger Gesetzesvorhaben einfließen, wie Bartels am Beispiel der Apothekengesetze gezeigt hat.489 Zur Unterstützung der Transfertheorie können noch andere Beispiele für Rechtsübernahmen aus Italien nach Nürnberg, wie bezüglich der doppelten Buchführung und den genannten Regelungen aus dem Vormundschafts- und Wettbewerbsrechts angeführt werden. Auszuschließen ist dabei, dass Italiener die neue Haftungsregelung nach Nürnberg gebracht hatten, da in Anbetracht der vielen Deutschen die nach Italien kamen verschwindend wenige Italiener über die Alpen nach Norden reisten. Zwar wurde die Anlage in accomandita durchaus schon vor dem Erlass des Nürnberger Privilegs für Unternehmungen genutzt, die im Norden über die Alpen hinaus, beispielsweise in Brügge und London, gewerblich tätig waren,490 wobei das Anlagemodell der accomandita unter anderem deutschen Kaufleuten, die auch in den betreffenden Gebieten handelten, bekannt geworden worden sein könnte. Es ist aber, nicht zuletzt auch da florentinische Registereinträge zur accomandita mit konkretem Deutschlandbezug aus der Zeit vor 1464 fehlen, eher zu vermuten, dass die Nürnberger die accomandita direkt in Italien kennengelernt und nicht von reisenden Italienern in Nürnberg oder dem übrigen deutschen und ausländischen Raum davon erfahren hatten. 488 Schultheiß,
Geschichte des Nürnberger Ortsrechts, S. 13. Drogenhandel, S. 105–113. 490 Eintrag im Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 32r. 489 Bartels,
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(6) B eziehungen einzelner Nürnberger Ratsmitglieder zu Norditalienern – Florentinern Um eine mögliche Rechtsbeeinflussung hinsichtlich der Haftungsbeschränkung konkreter und wahrscheinlicher darzulegen und sich nicht auf allgemeine Beziehungen zwischen Nürnbergern und Florentinern verlassen zu müssen, sind im Weiteren die Verbindungen einzelner Personen zu untersuchen, die am Erlass des Privilegs von 1408 beteiligt waren. Sie könnten Norditaliener gekannt haben, die über Kenntnisse zur florentinischen accomandita verfügten. Hier sind Kontakte der in Nürnberg tonangebenden und einflussreichen Rats- und Kaufmannsfamilien zu den Medici, Strozzi, Rucellai und anderen florentinischen Unternehmen, die die beschränkte Gesellschafterhaftung anwendeten, ausschlaggebend. Die meisten der Nürnberger Ratsmitglieder verfügten als Fernhandelskaufleute oder Bankiers durch ihr über viele Länder Europas gespanntes Netz an Niederlassungen über weitreichende Beziehungen zu den herrschenden und einflussreichen Personenkreisen und konnten sich auf diesem Weg vielfältige Informationen beschaffen.491 Sie und ihre Vertreter trafen viele italienische Kaufleute an den wichtigen Handelsplätzen Italiens wie vor allem in Venedig, aber auch in Mailand, Genua oder Florenz. Zudem pflegte man außerhalb Italiens Kontakte zu Italienern, wobei einige italienische Kaufleute in Brügge oder direkt im deutschen Raum anzutreffen waren.492 Bereits unterwegs auf den Handelsstraßen zwischen den Handelsstädten trafen Kaufleute verschiedener Regionen aufeinander und kamen im Rahmen reisebedingter Gegebenheiten direkt auf der Straße, an Raststätten und in Übernachtungsherbergen ins Gespräch über Umstände der gemeinsamen Lebens- und Handelswirklichkeit, sicher auch über rechtliche Aspekte.493 Besonders oft trafen deutsche Kaufleute wegen der gemeinsamen Handelswege und -interessen naturgemäß auf andere deutsche Kaufleute. Unter anderem mussten alle Deutschen in Venedig aus dem Fondaco dei Tedesci heraus handeln und auch dort wohnen. Das garantierte, dass die deutschen Italienhändler regelmäßig zusammenkamen, wobei ein ausgeprägter gegenseitiger Informationsaustausch stattgefunden haben musste, insbesondere zwischen den Kaufleuten derselben Stadt oder Region. Daher war mindestens unter diesen regional miteinander verbundenen Personen von einem im Großen und Ganzen einheitlichen Informationsstand auszugehen. Das bezog sich ein491 v.
Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 193. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 200; Weissen, Florentiner Bankiers, S. 198 f.; Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [395]. 493 Gassert, Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, S. 238–244. 492 v.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
mal auf aktuelle Alltagsgeschehnisse, aber auch auf die fachspezifische Wirtschaftslage und die italienischen Handelsbedingungen, wozu auch das geltende Handels- und Gesellschaftsrecht zählte. So hätte es ausgereicht, wenn auch nur wenige Nürnberger Kaufleute oder nur ein einziger von dem Modell der accomandita direkt aus Florenz erfahren hätten, da sie diese Idee leicht unter der Nürnberger Kaufmannschaft verbreitet haben könnten. Im Zuge dessen könnte die Rechtsidee zu den herrschenden Ratsherren gelangt sein. Selbstverständlich hätte die Information aber gar nicht in dieser Weise weitergeleitet worden sein, wenn die betreffende Person selbst im Rat gesessen hätte. Dem Nürnberger Rat gehörten im Zeitraum von 1460 bis 1464, in dem der Ratsbeschluss bezüglich des Privilegstextes in Nürnberg vermutlich ausgearbeitet wurde, zumindest zeitweise die in der Fußnote genannten Kaufleute an.494 Einige von ihnen, die besonders stark in Norditalien engagiert waren, könnten die Idee der beschränkten Gesellschafterhaftung dort von Kaufleuten erfahren und auf den verschiedensten Wegen im Nürnberger Rat zur Sprache gebracht haben, sodass die Regelung Zwecks Erlass letztlich an den Kaiser weitergeleitet wurde. (a) Familien Rummel und Kress Um das Jahr 1370 formierten Fritz Kress und Heinrich Rummel I. eine Fernhandels- und Bankgesellschaft, die bereits bis nach Venedig und Mailand agierte. Aus diesem Unternehmen trat Rummel aber schon 1388 wieder aus und beschritt den Weg eigener Handels- und Finanzgeschäfte.495 Ab 494 Martin Behaim (1461–1464), Wilhelm Derrer (1460–1463), Anton Ebner (1464), Endres Geuder (1459–1464), Leonhard Groland I. (1460–1464), Leonhard Groland II. (1462), Nikolaus Groß (1460–1464), Paul Grundherr (1460, 1461), Ulrich Grundherr (1460–1464), Jobst Haller (1464), Paul Haller (1460–1463), Ruprecht Haller (1460–1464), Peter Harsdörffer (1462–1464), Karl Holzschuher (1460– 1464), Martin Holzschuher (1460–1464), Hans Imhoff (1460–1464), Erkenbrecht Koler (1460–1464), Hans Koler (1460–1464), Hieronymus Kress (1460–1464), Hans Lemmel (1460–1464), Wilhelm Löffelholz (1460–1464), Heinrich Meichsner (1460– 1464), Gabriel Mendel (1460, 1462, 1463), Peter Mendel (1460–1464), Nikolaus Muffel (1460–1464), Berthold Nützel (1460, 1461, 1463–1464), Gabriel Nützel (1464), Anton Paumgartner (1462–1464), Konrad Paumgartner (1460–1461), Berthold Pfinzing (1460–1464), Ludwig Pfinzing (1460–1464), Hans Pirckheimer (1461–1464), Paul Rieter (1464), Sebald Rieter (1461), Franz Rummel (1463), Erasmus Schürstab (1461–1464), Erhard Schürstab (1460), Hans Schürstab (1460, 1462–1464), Ulrich Stark (1460, 1461), Hans Tetzel (1460–1462), Jobst Tetzel (1460–1464), Anton Tucher (1460–1464), Endres Tucher (1460–1464), Gottlieb Volckamer (1460–1464) und Hans Volckamer (1460–1464), in Klammern jeweils Jahre der Ratsgänge im Zeitraum von 1460 bis 1464; Daten zu den Ratsgängen, aus: Fleischmann, Rat und Patriziat, Bd. 3, S. 1306–1310. 495 Krag, Die Paumgartner, S. 5 f.; Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 586.
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circa 1400 führten die Rummel in Zusammenarbeit mit toskanischen Banken Geldüberweisungen per Wechsel an die Kurie aus und standen nicht zuletzt daher auch mit den Medici in enger Verbindung.496 Selbst während der ab 1412 geltenden Handelssperre König Sigismunds gegen Venedig führten die Rummel ihre meist über diese Stadt abgewickelten Finanz- und Warenhandelsgeschäfte mit Italien im Verborgenen weiter durch. In Venedig unterhielten sie zumindest in den 1460er Jahren auch eine Kammer im Fondaco dei Tedesci.497 Über die Medici führten die Rummel im Jahr 1419 die bereits angesprochene erste Wechselüberweisung von Venedig nach Süddeutschland durch.498 Es folgten weitere Überweisungen über die Medici.499 Auch schon seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts hatten die Rummel enge Geschäftsverbindungen zu den Medici gepflegt, zum Beispiel zu deren Filialen in Venedig und in Rom wegen Überweisungen aus Deutschland an die Kurie. Wilhelm Rummel hatte im Zuge dessen Giovanni di Medici persönlich kennengelernt.500 Als Beispiel für eine hochwertige Zahlung führten die Rummel 1429 über die Medici die Servitienzahlung des Regensburger Bischofs Konrad VII. von Soest an die römische Kurie durch.501 Die Gesellschaft der Rummel stellte eine der wenigen deutschen Banken und die einzige aus Nürnberg stammende Bank dar, die bereits seit den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts mit florentinischen Bankiers in einem längerfristigen und gleichfalls engen Kontakt stand. Sie wickelte daher überhaupt die meisten Geldüberweisungen nach Italien ab.502 Im Jahr 1429 stellten die Banken der Rummel und der Kress, die inzwischen unter Beteiligung des Konrad Paumgartner vom Sohn des Fritz Kress, Konrad Kress, geleitet wurde,503 die einzigen Nürnberger Korrespondenten der Medici dar.504 Die umsatzstarke Gesellschaft der Kress und Paumgartner, die zum Warenhandel über Venedig dort auch eine Kammer im Fondaco dei Tedesci unterhielt, löste sich jedoch mit dem Tod des Konrad Kress, der 496 v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 197 f.; Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 916. 497 Wirtz, Köln und Venedig, S. 34, 37, 54. 498 Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 340 f. 499 v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [760]. 500 v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 200; Weissen, Florentiner Bankiers, S. 198 f., 279; Schultheiß, Geldgeschäfte Nürnberger Bürger, in: Stadtarchiv Nürnberg, Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 1, S. 49 [93 f.]. 501 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 66, 228 f. 502 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 219 f., 290. 503 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 290, 298, 321; Krag, Die Paumgartner, S. 6 f.; v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 199. 504 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 291, siehe auf S. 440–444 auch Überweisungslisten der Medici-Bank aus dem Zeitraum März 1429 bis März 1430.
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auch ihr Hauptgesellschafter war, 1430 auf.505 Das Unternehmen der Rummel arbeitete weiter und auch das enge Verhältnis zu den Medici hatte Bestand. So liehen sich die Rummel und die Medici über die Jahre gegenseitig immer wieder größere Geldsummen.506 Die permanent starke Position der Rummel in der venezianischen Geschäftswelt wurde auch dadurch bestätigt, dass Heinrich Rummel II. mit Fritz Kress, Kunz Imhoff und Erkenbrecht Koler einer der ersten Verwalter der Gelder war, die Nürnberger Kaufleute, die in Venedig handelten, im Jahr 1434 für eine ewige Messe am St. Sebaldus Altar der venezianischen Bartholomäuskirche gestiftet hatten.507 Die vorerst letzte Überweisung der Rummel über Venedig datiert von 1436, wobei die Gesellschaft der Rummel sich wegen der Pleite des Hermann Reck aus dem Jahr 1431 in Venedig nun zunächst weniger engagierte. Hermann Reck war ein bedeutender deutscher Bankier in Venedig und auch der Handelsbevollmächtigte der Rummel in Venedig gewesen, sodass die Rummel nun wegen früherer Geschäfte mit Hermann Reck bezüglich päpstlicher Überweisungen den Großteil der Schulden Recks zu tragen hatten.508 Nach 1431 erholte sich ihr Handelsgeschäft nach Italien wieder etwas. Sebald Rummel engagierte sich in der Folgezeit in Venedig, was dadurch bewiesen ist, dass venezianische Gläubiger im Jahr 1460 gegen ihn, Martin Paumgartner und Heinrich Eberhard wohl eine Klage anstrengten.509 Im Jahr 1441 sendete die Familie den Andreas Rummel an die venezianische Universität in Padua, um dort schließlich bis 1447 zu studieren.510 505 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 290, 297; Krag, Die Paumgartner, S. 8; Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 586; Schultheiß, Geldgeschäfte Nürnberger Bürger, in: Stadtarchiv Nürnberg, Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 1, S. 49 [92]. 506 v. Stromer, Deutsch-italienische Handelsgesellschaften, in: Rachewiltz / Riedmann, Kommunikation und Mobilität im Mittelalter, S. 135 [138 f.]. 507 Hirschmann, Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Teil 2, S. 316; Schaper, Die Hirschvogel, S. 174; v. Kress, Stiftung der Nürnberger Kaufleute für den Skt. Sebaldsaltar, in: MVGN, Bd. 11 (1895), S. 201 [201 f.]. Der heilige Sebald ist der Schutzpatron der Stadt Nürnberg und wurde in der venezianischen Bartholomäuskirche, der Kirche der deutschen Kaufleute, an dem ihm geweihten Altar durch regelmäßige heilige Messen eines von den Stiftungsgeldern der Kaufleute bezahlten deutschen Kaplans verehrt. v. Kress, Stiftung der Nürnberger Kaufleute für den Skt. Sebaldsaltar, in: MVGN, Bd. 11 (1895), S. 201 [204]; Sprusansky, Das Haupt des Hl. Sebald, in: MVGN, Bd. 68 (1981), S. 109 [109–112]. 508 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 297, 280, siehe auf S. 445 f. Auszüge aus dem Rechnungsbuch der venezianischen Filiale der Medici von 1436; v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 197. Der Bruder des Hermann Reck, Konrad Reck, dagegen war um 1420 Faktor der Kress-Gesellschaft in Venedig gewesen. v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 197 f.; Weissen, Florentiner Bankiers, S. 297. 509 Dementsprechende Antwort des Nürnberger Rates auf eine Anfrage des venezianischen Dogen Pasquale Malipiero, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1, S. 268 f.
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(b) Familie Paumgartner Die Paumgartner, die unter anderem von 1431 bis 1461 durch Konrad und von 1462 bis 1465 durch Anton Paumgartner im Nürnberger Rat vertreten waren,511 nahmen nach dem Niedergang der Rummel deren Position im Zahlungsverkehr mit der Medici-Bank ein.512 Konrad Paumgartner hatte bereits während seiner Beteiligung an der Kress-Gesellschaft, die zustande kam, da er die Tochter des Fritz Kress geheiratet hatte, seit 1402 Verbindungen zu den Medici geknüpft.513 Nach der Auflösung dieser Gesellschaft, die seit 1406 sogar unter den Namen Kress und Paumgartner firmiert hatte,514 im Jahr 1430 führte Konrad Paumgartner seine Geschäfte mit seinen Söhnen Konrad und Anton in einer eigenen Gesellschaft fort und knüpfte unmittelbar an die Geschäftsverbindungen der vorherigen KressPaumgartner-Gesellschaft an. Das Unternehmen der Paumgartner sollte sich später sogar zum wichtigsten Geschäftspartner der Medici im deutschen Raum entwickeln. Der Italienhandel der Paumgartner verlief wie in anderen Handelsgesellschaften schwerpunktmäßig über Venedig.515 Ein beispielhafter Nachweis über den Warenhandel der Paumgartner belegt, dass diese von 1434 bis 1439 die städtischen Nürnberger Schreibstuben mit Papier aus Venedig versorgten.516 Aus dem Jahr 1456 ist ein Streitfall um einen in Venedig tätigen Diener des Konrad Paumgartner überliefert, weswegen der Nürnberger Rat bei der venezianischen Regierung intervenierte.517 Im Jahr 1460 zum Beispiel transportierte Anton Paumgartner Waren des Heinrich Meichsner nach Venedig, die dort fälschlicherweise von Gläubigern seines Bruders, Martin Paumgartner, beschlagnahmt wurden.518 Der in den Bankrott geratene Martin Paumgartner wurde 1460 wohl zudem von veneziani-
510 Wachauf,
Nürnberger Bürger als Juristen, S. 51. von 1431–1465, in: Fleischmann, Rat und Patriziat, Bd. 3, S. 1277–
511 Ratsgänge
1311.
512 Weissen,
Florentiner Bankiers, S. 321. Die Paumgartner, S. 5–7; Weissen, Florentiner Bankiers, S. 298, 321; v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 199. 514 Nordmann, Nürnberger Großhändler, S. 10. 515 Krag, Die Paumgartner, S. 6–10; Weissen, Florentiner Bankiers, S. 298, 321; v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 199. 516 Sander, Die reichsstädtische Haushaltung, S. 446; Sporhan-Krempel / v. Stromer, Handelshaus der Stromer, in: VSWG, Bd. 47 (1960), S. 81 [91]. 517 Diesbezügliche Schreiben des Nürnberger Rates an Venedig, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1, S. 263–266. 518 Ersuchen des Nürnberger Rates an den venezianischen Rat vom 28.12.1460 zur Freigabe dieser Waren Meichsners, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1, S. 269 f. 513 Krag,
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schen Gläubigern verklagt.519 Namentlich handelten die Paumgartner in Venedig Mitte des 15. Jahrhunderts neben den Medici und weiteren schon genannten mit dem Venezianer Niccolò Foscarari520 und anderen Kaufleuten. In Venedig war Anton Paumgartner in den Jahren 1460 bis 1464 außerdem mit der Sammlung und Verrechnung der Stiftungsgelder für die ewige Messe der Nürnberger Venedig-Kaufleute in der venezianischen Bartholo mäuskirche betraut.521 Zwischen der Gesellschaft des Konrad Paumgartner und den Medici, auf die die Paumgartner im Italienhandel besonders bauten, ist für das Jahr 1442 ein erster geschäftlicher Kontakt aus dem Geschäftsbuch der Medici-Filiale in Brügge nachgewiesen.522 Das bedeutendste Projekt in der Zusammenarbeit der Paumgartner und der Medici bestand in Geldüberweisungen von Deutschland über Venedig und Florenz nach Rom. Die Paumgartner wickelten in den Jahren 1456 bis 1460 mit ihrem mittlerweile international bedeutenden Bankhaus auf Anordnung von Papst Calixtus III. und seinem Nachfolger Pius II. den Transfer der Einnahmen aus der päpstlichen Türkensteuer aus einigen deutschen und den skandinavischen Bistümern an den päpstlichen Stuhl ab. Dazu überwiesen sie die von dem im Norden tätigen päpstlichen Kollektor Marinus de Fregano empfangenen Gelder zunächst an die Bank der Medici, die die transferierten Gelder an die Kurie weiterleiteten.523 Viel mehr als die großen Überweisungsgeschäfte um die Sammlung der Türkensteuer war zwar für diese Zeit an bankgeschäftlichen Verbindungen zwischen den Paumgartnern und den Medici nicht festzustellen.524 Trotzdem war die Kompetenz der Paumgartner für Fernüberweisungen dadurch einmal mehr allgemein bekannt geworden. Im Zuge dessen regte Thomas Pirckheimer 1461 in einem Brief an die Herzöge Johann und Sigismund an, dass das Geld für die durch Pirckheimer beim Papst für die Herzöge Alb519 Antwort des Nürnberger Rates an den Dogen Pasquale Malipiero, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1, S. 268 f. 520 Rübsamen, Briefeingangsregister des Nürnberger Rates, S. 171 (Nr. 2595). 521 Schaper, Die Hirschvogel, S. 174; v. Kress, Stiftung der Nürnberger Kaufleute für den Skt. Sebaldsaltar, in: MVGN, Bd. 11 (1895), S. 201 [201 f., 203]. 522 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 321 f. 523 Krag, Die Paumgartner, S. 12–14; Isenmann, Stadt im Mittelalter, S. 949; v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 199; Überweisungen der Paumgartner an die apostolische Kammer, in: Esch, Überweisungen an die Apostolische Kammer, in: QFIAB, Bd. 78 (1998), S. 262 [325–327]; siehe dazu auch einen Brief des Johannes Lochner, päpstlicher Kubikular, von 1462 an Barbara von Brandenburg, Markgräfin von Mantua, in dem Lochner den Kontakt des Anton Paumgartner zu den Medici nennt und Paumgartner als „des Pabst in theutzschen landen depositarius“ bezeichnet, Auszug aus dem Brief, in: Esch, Überweisungen an die Apostolische Kammer, in: QFIAB, Bd. 78 (1998), S. 262 [273]. 524 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 322.
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recht, Wolfgang und Christoph von Bayern erwirkten Bullen und Dispense über Wechselüberweisungen durch Anton Paumgartner nach Rom transferiert werden sollte.525 Stets führten die Paumgartner im Rahmen ihrer Bankgeschäfte auch ohne die Medici Überweisungsaufträge deutscher Kunden auf Routen von Italien in den deutschen Raum durch.526 Vor der Pleite seines Unternehmens wickelte Anton Paumgartner in den Jahren 1464 und 1465 zum Beispiel noch einen großen Geldtransfer bezüglich der Servitienzahlung des Kölner Erzbischofs Ruprecht von der Pfalz an den Papst ab. Diese Überweisung wurde ausgeführt über die Kölner Filiale der Paum gartner und deren venezianische Niederlassung, die Hans Tucher leitete, bis das Geld schließlich zur Bank der florentinischen Familie der Spinelli gelangte, deren römische Filiale es an den Papst weiterleitete.527 (c) Familie Imhof Mitglieder dieser Patrizierfamilie engagierten sich schon Ende des 14. Jahrhunderts im Geldüberweisungsverkehr mit Italien528 und im Warenhandel und unterhielten in Venedig ab 1441 eine Niederlassung im Fondaco dei Tedeschi, worüber sie vornehmlich die typischen Nürnberger Waren aus der Metallverarbeitung absetzten.529 Im Einkauf konzentrierten sie sich neben Textilprodukten auf Gewürze und Safran, die sie neben Venedig auch direkt in den italienischen Anbauregionen unter anderem in Aquila in den Abruzzen und dem apulischen Bari, erwarben.530 Konrad Imhoff, der wohl 525 Krag, Die Paumgartner, S. 13; Schultheiß, Geldgeschäfte Nürnberger Bürger, in: Stadtarchiv Nürnberg, Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 1, S. 49 [94 f.]; Strack, Thomas Pirckheimer, S. 142–144, dort auch der Ratschlag im Wortlaut, S. 297 f. 526 Zum Beispiel nahm der kaiserliche Kaplan Michael Paldauf bei einer Bank in Rom, wohl der Filiale der Medici, für den Egerer Bürger Hans von Mor einen Kredit auf. Die Rückzahlung des Geldes sollte laut eines Schreibens Friedrichs III. vom 23.06.1458 an die Stadt Eger durch Konrad Paumgartner abgewickelt werden, wobei wohl auch der Transfer des Geldes von Rom nach Deutschland von ihm durchgeführt worden sein dürfte. Regest Friedrichs III. vom 23.06.1458 im Staatlichen Kreisarchiv Eger (Státní okresní archiv Cheb), Sign.: Archiv města Cheb, kartón 2, fasc. 2 B 34 / 3. 527 Weitere Geschäfte der Paumgartner mit den Spinelli sind nicht belegt. Weissen, Florentiner Bankiers, S. 325–331, 339. 528 v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [759]. 529 Jahnel, Die Imhoff, S. 29, 33, 53; Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 470. 530 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [385]; Jahnel, Die Imhoff, S. 32; Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 470.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
wie schon andere Familienmitglieder in Venedig in der kaufmännischen Buchführung ausgebildet worden war,531 wurde 1478 wie andere Kaufleute im Zusammenhang mit der Bestallung des neuen Kaplans für die Messstiftung am St. Sebaldsaltar als Stifter erwähnt.532 Am Safran- und dem übrigen Gewürzhandel von Italien nach Süddeutschland in dem Nürnberg wie in anderen Bereichen eine Vormachtstellung inne hatte, waren neben den Imhoff die meisten Nürnberger Kaufleute beteiligt, so zum Beispiel die Holzschuher, Hirschvogel, Tucher und Stromer.533 Umgekehrt versorgten die gleichen Handelsfamilien, wie die Imhoff, Kress, Rummel, Pirckheimer und andere den norditalienischen Raum und besonders Venedig mit Nürnberger Metallwaren.534 (d) Familie Pirckheimer Neben den üblichen Handelsgeschäften traten die Pirckheimer in Norditalien besonders als Studenten und Gelehrte hervor. Thomas Pirckheimer studierte in Padua, Perugia und Pavia.535 Dessen Bruder Franz Pirckheimer studierte im fortgeschrittenen Alter in den Jahren von 1457 bis 1460 Recht in Padua und wurde danach Stadtrichter in Nürnberg.536 Ein weiterer Bruder, Hans Pirckheimer I., der später als Ratsherr zeitweise Gesandter Nürnbergs beim Kaiser war,537 hatte von 1447 bis 1450 in Perugia, Bologna und Padua studiert. Dessen Sohn, Hans Pirckheimer II., wiederum studierte von 1458 bis 1465 Recht in Padua und erlangte dort 1463 sogar den Posten des Consiliarius der deutschen Nation an der Universität.538
531 v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [773]. 532 Urkunde, in: v. Kress, Stiftung der Nürnberger Kaufleute für den Skt. Sebaldsaltar, in: MVGN, Bd. 11 (1895), S. 201 [207–211]. 533 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [387–389]. 534 Braunstein, Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 377 [392 f.]. 535 Strack, Thomas Pirckheimer, S. 35–54. 536 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 15. 537 Siehe zum Beispiel ein Regest, in: Heinig / Lackner / Niederstätter, Regesten Kaiser Friedrichs III, Teil 3, S. 103 (Nr. 138). 538 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 16.
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 269
(e) Familie Tetzel Die Familie Tetzel war seit der Mitte des 14. Jahrhunderts fest in Nürnberg etabliert.539 Als besonders bedeutende Persönlichkeit dieser Familie stach Jobst Tetzel heraus, der unter anderem das Privileg vom 23.06.1464 beim Kaiser beantragt hatte. Er war neben Nikolaus Muffel, der, wie Tetzel zeitweise Gesandter des Rates am Kaiserhof war,540 und Hans Koler älterer Bürgermeister und Herr und oberster Hauptmann der Reichsstadt Nürnberg.541 Jobst Tetzel zeichnete sich als geschickter Verhandlungsführer aus und hatte bereits 1457 mit Markgraf Albrecht über eine gemeinsame Münz ordnung verhandelt.542 Weiter erreichte Tetzel in den Jahren 1459 bis 1462 wiederholt beim Kaiser, dass das Gebot der Reichshilfe, die durch Nürnberg zu leisten gewesen wäre, aufgeschoben beziehungsweise aufgehoben wurde.543 Auch in anderen Belangen trat er als Gesandter Nürnbergs am kaiserlichen Hof auf.544 Als Kaufmann führte Tetzel bis in das Jahr 1472 eine Gesellschaft mit Endres Harsdorfer.545 Ein anderes Mitglied der Familie Tetzel, Georg Tetzel, studierte Anfang der 1460er Jahre das kanonische Recht in Padua,546 wobei die Familie Tetzel insgesamt anscheinend wie andere Nürnberger Patrizierfamilien ausgeprägte Verbindungen nach Norditalien unterhielt. (f) Familie Tucher Kaufleute der Tucher hielten sich nachweislich ab 1400 regelmäßig in Venedig auf und sendeten ihre Söhne dorthin zur Ausbildung, wie um 1400 Berthold Tucher. Die Tucher unterhielten im Fondaco dei Tedesci eine eigene Kammer.547 Daneben war Hans Tucher um das Jahr 1464 Gesell539 Diefenbacher / Endres,
Stadtlexikon Nürnberg, S. 1068. Die Familie Muffel, in: MVGN, Bd. 41 (1950), S. 257 [322 f.]. 541 Ratsgang von 1464, in: Fleischmann, Rat und Patriziat, Bd. 3, S. 1310. 542 Werner, Das Kupferhüttenwerk des Hans Tetzel, in: VSWG, Bd. 48 (1961), S. 289 [294]. 543 Diesbezügliche kaiserliche Anordnung, in: StA Nürnb., Rep. 2 b Rst. Nürnberg, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden Nr. 2968; weitere Nachweise, in: Heinig / Lackner / Niederstätter, Regesten Kaiser Friedrichs III., Teil 3, S. 179 f. (Nr. 312), 196 f. (361), 200 (367), 203 (375); Werner, Das Kupferhüttenwerk des Hans Tetzel, in: VSWG, Bd. 48 (1961), S. 289 [294]. 544 Siehe Regesten, in: Heinig / Lackner / Niederstätter, Regesten Kaiser Friedrichs III, Teil 3, S. 87 (Nr. 98), 140 (210), 144 (219), 158 (260). 545 Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 146. 546 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 22. 547 Grote, Die Tucher, S. 32. 540 Hirschmann,
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
schafter und in Venedig Bevollmächtigter des Unternehmens der Paumgartner. An allen Überweisungen aus dem Norden nach Italien und umgekehrt hatte er maßgeblichen Anteil und arbeitete im Rahmen dessen am italienischen Hauptfinanzhandelsplatz Venedig eng insbesondere mit florentinischen Banken zusammen, wie den Medici und den Spinelli.548 Anton Tucher trat im Jahr 1474 in Venedig als Verwalter des Vermögens der Stiftung der ewigen Messe am St. Sebaldsaltar in der venezianischen Bartholomäuskirche auf,549 während Hans Tucher neben anderen Nürnberger Stiftern in der Bestallungsurkunde des Kaplans Johannes Kolb für diese ewige Messe genannt war.550 Neben Venedig und anderen italienischen Handelsstädten kamen die Tucher wohl auch im französischen und spanischen Bereich mit italienischen Kaufleuten in Kontakt, wohin sie zur Mitte des 15. Jahrhunderts ihr Betätigungsfeld ausgedehnt hatten und dabei unter anderem die Messen von Genf und Lyon besuchten.551 (g) Familie Mendel Die Familie Mendel unterhielt schon ab 1377 eine Kammer im Fondaco dei Tedesci in Venedig, wo sie seit 1364 Geschäfte tätigte, und führte bis zur Pleite des Unternehmens im Jahr 1448 als eines der bedeutendsten Nürnberger Unternehmen in seinem Gewerbesektor umfangreiche Handelsgeschäfte in Venedig und anderen italienischen Städten durch.552 Hermann Reck war dabei der venezianische Faktor der Mendel-Gesellschaft.553 Ab dem Jahr 1372 sind Geldüberweisungen der römischen Kurie belegt, die die Mendel abwickelten.554 In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts prägte Marquart Mendel maßgeblich die Geschäfte des Familienunternehmens und führte den Italienhandel fort. Sein fortschrittliches Buchhaltungssystem glich dabei venezianischen Methoden, die er in seine Geschäftsführung übernommen hatte. Jeder Posten war daher bereits modern nach Soll und 548 Weissen,
Florentiner Bankiers, S. 328. Kress, Stiftung der Nürnberger Kaufleute für den Skt. Sebaldsaltar, in: MVGN, Bd. 11 (1895), S. 201 [207 f.]. 550 Urkunde, in: v. Kress, Stiftung der Nürnberger Kaufleute für den Skt. Sebaldsaltar, in: MVGN, Bd. 11 (1895), S. 201 [207–211]. 551 Grote, Die Tucher, S. 33 f. 552 Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 688; v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [792]. 553 v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 200; Weissen, Florentiner Bankiers, S. 198. 554 v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [792]. 549 v.
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 271
Haben aufgeschlüsselt, obgleich es an einer voll entwickelten doppelten Buchführung noch fehlte.555 (h) Andere Italienkaufleute aus dem Rat Auch die meisten anderen im Rat sitzenden Kaufleute handelten mehr oder weniger intensiv mit italienischen Kaufleuten und hielten sich zeitweise in Italien auf. Ihre Geschäftsverbindungen waren jedoch für einen möglichen Transfer der Haftungsbeschränkung des Privilegs über italienische Kaufleute aus Florenz weniger relevant. Der Ratsherr Heinrich Meichsner, der sich hauptsächlich in der Herstellung und dem Handel von Metallprodukten engagierte,556 handelte unter anderem nach Venedig557 und auch die Familie Rieter engagierte sich im Fernhandel.558 Die Gesellschaft der Koler unterhielt bereits am Ende des 14. Jahrhunderts eine Kammer im Fondaco dei Tedesci.559 Zu den frühen Italienhändlern des 14. Jahrhunderts gehörte auch das Familienunternehmen der Pfinzing. Zunächst als Mitgesellschafter der großen Handelsgesellschaft der Stromer, die nahezu in ganz Europa tätig war, bis sie im Jahr 1430 in den Bankrott geriet, engagierten sich die Pfinzing in Italien. Darüber hinaus waren Mitglieder der Familie Pfinzing politisch beratend auf höchster Reichsebene tätig.560 Auf universitärer Ebene war der Sohn des Ratsherrn Ludwig Pfinzing, Georg Pfinzing, Anfang der 1460er Jahre als Student in Padua mit Venedig verbunden.561 Im frühen 16. Jahrhundert war die Familie Pfinzing sogar an einem Rechtstransfer aus Venedig beteiligt. Martin Pfinzing und Hans Stark wählten Regelungen aus der nach Nürnberg gebrachten und übersetzten venezianischen Lazarettordnung aus, die dann für die neue Pestordnung des St. Sebald-Spitals von 1518 verwendet wurden.562 555 Auszüge aus den Büchern Marquart Mendels, in: v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [794]; v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [792 f.]. 556 Haller v. Hallerstein, Vermögen von hundert Nürnberger Bürgern, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 117 [124]. 557 Siehe, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1, S. 269 f., das Ersuchen des Nürnberger Rates an den venezianischen Rat vom 28.12.1460 zur Freigabe von festgehaltenen Waren Meichsners. 558 Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 902. 559 Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 556. 560 Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 821, 1054. 561 Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, S. 14. 562 Bartels, Drogenhandel, S. 119.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
(i) Nicht im Rat sitzende Kaufleute Weiter engagierten sich viele andere Nürnberger Kaufleute im Handel nach Italien, die im Untersuchungszeitraum nicht im Rat saßen. Einige von ihnen standen auch mit florentinischen Kaufleuten in Kontakt und kamen gleichfalls für einen Rechtstransfer bezüglich der beschränkten Gesellschafterhaftung in Frage. Einmal ist hier Hans Müllner zu nennen, der zunächst für die Nürnberger Gruber-Podmer-Stromer-Gesellschaft arbeitete und später als eigenständiger Unternehmer zudem Bergwerke in Savoyen betrieb. Er führte viele Überweisungen nach Florenz aus und wickelte erstmals 1443 als Faktor Erhart Schürstabs in Zusammenarbeit mit der Filiale der Medici in Genf eine hochwertige Überweisung von 9.974 fl. an Herzog Ludwig VIII. von Bayern-Ingolstadt von Genf nach Nürnberg ab.563 Auch überwies Müllners Krakauer Filiale im Jahr 1458 Einnahmen aus der Türkensteuer, die der päpstliche Kollektor Marinus de Fregano gesammelt hatte, an die Medici zur Weiterleitung nach Rom.564 Zusätzlich war Müllner der Nürnberger Faktor einer Bank namens „Philippo Pini und Andrea Graziani“, die Kurt Weissen in Genf oder Venedig verortete.565 Über diese Bank und die römische Bank Galeotti verrechnete Müllner im Jahr 1460 die Reisekosten einer Nürnberger Gesandtschaft an die römische Kurie.566 Aus dem Jahr 1465 ist eine Wechselüberweisung aus Frankfurt an Kardinal Francesco Piccolomini in Rom belegt, die Müllner in Zusammenarbeit mit der Bank der Spinelli abwickelte.567 Weiter engagierte sich die Nürnberger Patrizierfamilie Hirschvogel rege im Handel nach Italien. Leonhard Hirschvogel, ein Geschäftsfreund des Ratsherrn Heinrich Meichsner,568 wirkte um das Jahr 1443 als Faktor der im Warenhandel nach Italien aktiven Handelsgesellschaft der Ratsfamilie Behaim in Venedig569 und wurde zum Beispiel 1478 in der erwähnten 563 v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 200; Weissen, Florentiner Bankiers, S. 339. 564 Esch, Überweisungen an die Apostolische Kammer, in: QFIAB, Bd. 78 (1998), S. 262 [267]. 565 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 339 f. 566 v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 199 f.; Weissen, Florentiner Bankiers, S. 339 f. 567 Weissen, I mercanti toscani, in: Istit. internaz. di economica, fiere e mercati, S. 887 [892]. 568 Schaper, Die Hirschvogel, S. 103. 569 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 300; Schultheiß, Geldgeschäfte Nürnberger Bürger, in: Stadtarchiv Nürnberg, Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 1, S. 49 [84].
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Bestallungsurkunde des Kaplans Johannes Kolb als Stifter genannt.570 Zusammen mit dem Handelsunternehmen der Mendel wickelten die Hirschvogel einige Geldüberweisungen nach Venedig ab.571 Franz Hirschvogel stand neben seinem vorrangigen Engagement in Venedig, wo er ab 1471 auch fast permanent wohnte,572 in Verbindung zu dem in Florenz niedergelassenen Seidenhändler Konrad von Schaffhausen, was aber erst für das Jahr 1476 eindeutig nachgewiesen ist. Möglicherweise war dieser Kontakt aber bereits auf Grundlage der von 1460 bis 1465 in Florenz absolvierten Lehrzeit des Franz Hirschvogel geknüpft worden und bestand damit schon länger.573 Die Gesellschaft der Rehlinger war 1459 wohl auf Vermittlung der Familie Paumgartner mit der Sammlung der Türkensteuer in einigen deutschen und osteuropäischen Bistümern betraut.574 Zum Beispiel wurde die Überweisung der Gelder aus Polen im Jahr 1459 an die Medici zur Weitervermittlung an den päpstlichen Stuhl über ihre Filiale in Lübeck abgewickelt.575 Im Rahmen dessen kamen die Rehlinger zumindest 1459 in Kontakt mit dem florentinischen Unternehmen der Familien Spanocchi und Miraballi.576 Speziell die Miraballi sind als Nutzer der accomandita im betreffenden florentinischen Register zu finden577 und könnten das Wissen über das neue Unternehmensmodell an die Nürnberger weitergegeben haben. Als Handelspartner großer süddeutscher Handelsgesellschaften wie der Hirschvogel und der Tucher oder der Großen Ravensburger Gesellschaft trat auch das Handelsunternehmen der Nürnberger Familie Fütterer schon im 15. Jahrhundert im Handelsverkehr nach Italien, genauer nach Venedig und Mailand, auf.578 Andere Nürnberger Bürger, die nach Venedig Handel trieben, waren zum Beispiel Stefan Kolb, Jacob Gartner und Konrad Marstaller, die ebenfalls wiederum im Rahmen der Anstellung des Kaplans Johannes Kolb für die Messstiftung am St. Sebaldsaltar im Jahr 1478 er570 Urkunde, in: v. Kress, Stiftung der Nürnberger Kaufleute für den Skt. Sebaldsaltar, in: MVGN, Bd. 11 (1895), S. 201 [207–211]. 571 Weissen, Florentiner Bankiers, S. 299 f. 572 Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 448 f. 573 Böninger, Deutsche Einwanderung nach Florenz, S. 264; Schaper, Die Hirschvogel, S. 124 f., 179. 574 v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 201. 575 Esch, Überweisungen an die Apostolische Kammer, in: QFIAB, Bd. 78 (1998), S. 262 [267]. 576 Regest über Vorgang vom 24.08.1459, in: Esch, Überweisungen an die Apostolische Kammer, in: QFIAB, Bd. 78 (1998), S. 262 [329]. 577 Siehe S. 143. 578 Diefenbacher / Endres, Stadtlexikon Nürnberg, S. 316 f.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
wähnt wurden.579 Auch engagierten sich Peter von Watt, der in St. Gallen die Diesbach-Watt-Gesellschaft mitbegründet hatte, und dessen gleichnamiger Sohn im Rahmen ihrer Handelsgeschäfte in Venedig und anderen italienischen Orten, wobei sie auch mit den Medici in Kontakt kamen.580 Der Nürnberger Kaufmann Hermann Schlüsselfelder ist ebenfalls im Raum Venedig nachgewiesen. Er wurde im Jahr 1442 von der Ehefrau eines deutschen Wirtes in Padua verklagt.581 Johannes Praun tätigte Geschäfte in Florenz582 und wohl auch an anderen Orten Norditaliens, wie in Palermo und Genua.583 Söhne der Familie Praun sind als Studenten in Bologna nachgewiesen.584 (7) Zwischenbetrachtung Es sind zahlreiche, teils enge und vielversprechende, Verbindungen von Nürnberger Persönlichkeiten zu Personen und Institutionen in Italien belegt, die über Kenntnisse zur accomandita verfügt haben müssen. Zum Beispiel die Familien Rummel und Kress knüpften schon sehr früh Kontakte nach Italien, insbesondere zu den Medici wegen Geldüberweisungen mittels Wechseln. Über die Kress kam Konrad Paumgartner zu einer engen Verbindung nach Venedig. Die Lagunenstadt fungierte als Sammelpunkt von Kaufleuten aus ganz Europa und Süddeutschland und als Tor zu anderen italienischen Handelsstädten, deren Kaufleute in Venedig Niederlassungen unterhielten, was zum Beispiel auf die Medici aus Florenz zutraf. Bereits zum Ende des 14. Jahrhunderts waren neben den Rummel und Kress regelmäßig weitere Nürnberger Kaufmannsfamilien, wie die Imhof, Mendel, Koler und 579 Urkunde, in: v. Kress, Stiftung der Nürnberger Kaufleute für den Skt. Sebaldsaltar, in: MVGN, Bd. 11 (1895), S. 201 [207–211]; vgl. Haller v. Hallerstein, Vermögen von hundert Nürnberger Bürgern, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 117 [130]. 580 Haller v. Hallerstein, Vermögen von hundert Nürnberger Bürgern, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 117 [131]; Ammann, Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, S. 77–79. 581 Mit Schreiben vom 05.10.1442, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 2, S. 322 f., teilte der Nürnberger Rat dem venezianischen Stadthalter von Padua mit, dass Hermann Schlüsselfelder zurzeit nicht in Nürnberg wäre. 582 Siehe S. 246. 583 Aus Akten des genuesischen Notars Toma vom 21.02.1464 wird bekannt, dass ein Johannes Brünlin, womit der Nürnberger Johannes Praun gemeint gewesen sein dürfte, in Genua von Johannes Antonius Boto in Palermo zum Seetransport aufgegebene, aber unterwegs geraubte, Waren zurückerhielt. Unterlagen, in: Schnyder, Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 299 f. (Nr. 436). 584 v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [796].
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 275
Pfinzing, permanent in Venedig und an anderen italienischen Orten anzutreffen. Sie schlossen dort bald routinemäßig ihre Geschäfte ab und lernten die dortigen Handels- und Rechtsgebräuche kennen. Über viele Jahrzehnte gemeinsamen Handelns kamen enge Verbindungen zu italienischen Kaufleuten aus verschiedenen Städten zustande. Naturgemäß schloss man nicht nur miteinander Geschäfte ab, sondern entwickelte auch auf darüber hinausgehender Ebene soziale Beziehungen. Obgleich die deutschen Kaufleute speziell in Venedig von den Italienern getrennt im Fondaco dei Tedesci arbeiten und wohnen mussten, lebte man doch in der gleichen Stadt und verkehrte aufgrund des Handels an den gleichen Orten. Trotz des ausgeprägten Zusammengehörigkeitsgefühls der einzelnen Volksgruppen und dem Leben in einer stückweise „eigenen Welt“, wofür für die Deutschen neben dem Fondaco dei Tedesci die eigene Kirche St. Bartholomäus ein Beleg ist, blieb man auch außerhalb des reinen Berufslebens wohl nicht nur unter sich. Zwangsläufig ergaben sich schon auf den Verkehrswegen auf langen Reisen per Fuhrwerk, zu Fuß oder per Schiff, in Übernachtungsherbergen, unterwegs in Raststätten und in städtischen Gasthäusern mindestens lose Begegnungen. Trotz sprachlicher Barrieren kam man ins Gespräch und redete sicher über die Themen, die die gemeinsame Lebens- und Handelswirklichkeit betrafen. So dürfte man sich unter anderem über die Gesetze ausgetauscht haben, die in der eigenen Heimatstadt für Kaufleute maßgeblich waren. Vergleichbare Situationen und Dialoge im Kontakt mit Italienern ergaben sich neben den aktiven Kaufleuten wohl auch bei den zahlreichen Söhnen von Kaufmannsfamilien, die in italienischen Handelsstädten kaufmännisch ausgebildet wurden oder an Universitäten studierten. Die Lehrlinge verfügten dabei sogar über direkte Einblicke in die Geschäftspraktiken ihres Ausbildungsbetriebs. Wenn sie in einem einheimischen italienischen Unternehmen ausgebildet wurden, ging die kaufmännische Lehre zwangsläufig mit einem Wissenstransfer aus dem italienischen in den deutschen Raum einher, den der Lehrling ausführte. Vertreter der Familien, die um 1460, als der Schutz nicht geschäftsführender Gesellschafter in Nürnberg konkret zur Diskussion stand, im italienischen Raum besonders engagiert waren, wie die Imhof, Tucher, Rehlinger und Hirschvogel oder der Kaufmann Hans Müllner, könnten sich daran erinnert haben, dass ihnen einmal ein Kaufmann aus Florenz von dem dortigen Gesetz über die accomandita von 1408 erzählt hatte. Möglicherweise fragten zum Beispiel die Paumgartner, die die bisher unbeschränkte Haftung nicht geschäftsführender Gesellschafter im Arzt-Paumgartner-Streit im Speziellen betroffen hatte, sogar gezielt nach und informierten sich bei ihren italienischen Geschäftspartnern nach Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung. Bei den Medici, mit denen sie unter anderem über die Überweisungen päpstlicher Gelder regelmäßig zusammenarbeiteten, wurden sie vielleicht
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
fündig. Kaufleute der Medici könnten ihnen von dem florentinischen Anlagemodell berichtet haben, das sie selbst in ihrem Unternehmen nutzten. So könnte die für Nürnberg in der konkreten Situation nützliche Idee zur Haftungsbeschränkung irgendwann von einem heimkehrenden Kaufmann, Lehrling oder Student aus Italien direkt oder indirekt durch einen Ratsherrn in eine Ratssitzung eingebracht worden sein. Die Schlüsselfigur Jobst Tetzel, der konkret den Antrag bezüglich des Privilegs an den Kaiser richtete, könnte dabei im Rat davon erfahren haben. Gleichwohl könnte ihm das Haftungsmodell auch bereits über eigene Informationsquellen in Norditalien bekannt gewesen sein. Tetzel unterstützte den Antrag möglicherweise, da er auch selbst nach Italien Handel trieb und mit italienischen Handelstechniken und -fähigkeiten in Kontakt kam und von deren Fortschrittlichkeit überzeugt war. Es sind einige Beispiele konkret belegt, in denen die Nürnberger in ähnlicher Weise rechtliche Regelungen und handwerkliche und kaufmännische Fähigkeiten über die Grenze der Alpen hinweg in ihren Lebensbereich übernahmen. So nutzten die Unternehmen der Ratsfamilien Mendel und der Stark bereits in den 1430er Jahren Buchführungsmethoden anhand der Saldierung, die aus Venedig bekannt waren.585 Ulman Stromer übernahm zum Beispiel die Technik der Papierherstellung aus Norditalien nach Nürnberg. Im 16. Jahrhundert übernahm der Nürnberger Rat des Weiteren ganze Gesetze aus Venedig. (8) Indirekter Transfer der Haftungsbeschränkung aus Florenz Nürnberg könnte das neue Haftungsmodell auch anstatt direkt von Italienern indirekt über deutsche Städte bezogen haben, die weit südlicher und damit geografisch näher an den damaligen Zentren der europäischen wirtschaftsrechtlichen Entwicklung in Norditalien lagen als Nürnberg. Formen von Haftungsbeschränkungen waren außerhalb Nürnbergs im süddeutschen Raum in der Zeit vor dem Privileg von 1464 schon stellenweise bekannt und fanden ihren Ausdruck in privatschriftlichen Gesellschaftsverträgen. Nicht zuletzt war es damals üblich, dass deutsche Städte auf offizieller Ebene rechtliche Regelungen austauschten, wobei Nürnberg jedoch vorrangig als Rechtsgeber fungierte. Als Beispiele dienen die Übernahme der Nürnberger Bettelordnung von 1478 durch Köln sowie die Annahme der neuen Nürnberger Armenordnung von 1522 durch weitere Städte586, die 585 v. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [794 f.]. 586 Wagner, Armenfürsorge und Bettelbekämpfung, in: Duss / Linder / Kastl / Börner / Hirt / Züsli, Rechtstransfer in der Geschichte, S. 225 [240]; Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 30.
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Rezeption des Nürnberger Gesellschaftsrechts 1578 in Frankfurt und die wörtliche Übernahme dessen in den nicht verwirklichten Augsburger Reformationsentwurf von 1596. Auch auf informeller Ebene zwischen Kaufleuten fand eine weitreichende Kommunikation statt, in deren Rahmen unter anderem rechtliche Regelungen weitergegeben worden sein könnten. (a) B eeinflussung Nürnbergs aus Augsburg, Breslau oder anderen Städten Die italienische Idee einer Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter könnte über Handelsunternehmen großer süddeutscher Städte wie Ulm, Memmingen, Regensburg oder Basel nach Nürnberg gelangt sein. Ein konkreter Verdacht weist darauf hin, dass die Nürnberger zum Beispiel aus dem Augsburger Meuting-Gesellschaftsvertrag, der schon im Jahr 1436 eine Haftungsbeschränkung enthielt,587 beeinflusst worden sein könnten. Des Weiteren könnte das Haftungsmodell aus der Gesellschaft der Breslauer Popplau für die Regelung von 1464 Pate gestanden haben. Auch in die relativ weit nördlich gelegene Heimatstadt der Popplau, Breslau, unterhielten Nürnberger und überhaupt süddeutsche Unternehmen ausgeprägte Verbindungen,588 wobei Breslauer auch selbst schon früh nach Süddeutschland kamen.589 Nachzuweisen ist ein Rechtstransfer aus diesen Städten nach Nürnberg aber wiederum nicht genau, da sich bereits die Formulierungen des MeutingVertrags und des Nürnberger Privilegs unterscheiden. Für die Popplau-Gesellschaft ist schon gar kein schriftlicher Vertrag überliefert. Eine Gemeinsamkeit besteht nur in der Bezeichnung der Einlage des Kapitals als „zu Gewinn und Verlust“, die sich im Privileg und im Meuting-Vertrag findet und wahrscheinlich auch in Breslau und an anderen Orten verwendet wurde. Wie schon gesagt, hafteten jedoch geschäftsführende wie nur Kapital anlegende Gesellschaft gleichermaßen für Gewinn und Verlust. Dieser allgemein gebräuchliche Ausdruck qualifiziert einen Gesellschafter nicht als einen nicht geschäftsführenden. Bezüglich der konkreten Haftungsbeschränkung sollte nach dem Privileg und dem Meuting- Vertrag das nicht eingebrachte Vermögen nicht zur Gesellschaftshaftung herangezogen werden können. Wörtlich gefasst wurde dieser Grundsatz aber verschieden. Während der Meuting-Gesellschaftsver587 Siehe
S. 172. Stromer, Schriftwesen, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 751 [770]; Scholz-Babisch, Oberdeutscher Handel mit dem Osten, in: ZVGSchl, Bd. 64 (1930), S. 56 [57–59, 62, 64]. 589 Petry, Die Popplau, S. 97, 105 f., 167. 588 v.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
trag die Haftung von der im Gesellschaftsbuch eingetragenen Summe abhängig machte, genau wie man sich in Florenz nach den Eintragungen im öffentlichen Register richtete, bestimmten die Nürnberger nur, dass die Kapitalanleger nit mer zu bezalen phlichtig noch schuldig sein […] sollen, als nach Anzahl ihres Hauptguts. Eine Beeinflussung des Privilegs aus Augsburg könnte also bereits daher nur als vage Inspiration verstanden werden. Dass die Nürnberger sich durch den Meuting-Vertrag inspirieren ließen, erscheint aber durchaus möglich, da trotz der gegenseitigen Konkurrenz im Handelsgewerbe im Wege der Zusammenarbeit der Unternehmen, die teils Filialen in Nürnberg und in Augsburg betrieben, mindestens informelle Kontakte zwischen den Handelsstädten und ihren Kaufleuten bestanden.590 Süddeutsche Kaufleute trafen sich schon aufgrund ihrer ähnlichen Handelswege und -interessen zwangsläufig regelmäßig auf ihren Reisen. Engere Verbindungen pflegten Nürnberger Händler zum Beispiel auch zur ursprünglich St. Gallener Diesbach-Watt-Gesellschaft, wobei die Nürnberger auf dem Handelsweg zur iberischen Halbinsel die Niederlassungen der Diesbach-Watt nutzen durften und umgekehrt die Diesbach-Watt in Nürnberg dauerhaft vertreten waren und mit den Niederlassungen der Nürnberger in Richtung Nordosten kooperierten. Auch zur Großen Ravensburger Handelsgesellschaft standen die Nürnberger Kaufleute in einem solchen gegenseitigen Unterstützungsverhältnis.591 Wegen der engen Verbindungen der Handelsgesellschaften anderer Städte zu Nürnberger Kaufleuten ist es neben einem direkten Transfer von Florenz nach Nürnberg also auch vorstellbar, dass die Idee einer Haftungsbeschränkung über Dritte den Weg nach Nürnberg fand. (b) Herkunft der Haftungsbeschränkung Es stellt sich aber wiederum die Frage, ob und in welcher Weise die Rechtsidee der Haftungsbeschränkung überhaupt aus Norditalien in den deutschen Raum gelangt war und ob sie nicht auch in Augsburg oder Breslau entwickelt worden sein könnte. Zunächst können wieder die gleichen Gründe für eine unabhängige Entwicklung wie für die Nürnberger Normierung von 1464 angeführt werden, die auch hier plausibel erscheinen. Es lagen den gesellschaftsvertraglichen Haftungsbeschränkungen keine kompliziert ausgearbeiteten Regelungen zugrunde, die nicht an verschiedenen Orten unabhängig voneinander durch verschiedene Personen hätten entwickelt 590 Vgl. Kellenbenz / Walter, Das Deutsche Reich, in: Kellenbenz, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 3, S. 822 [872]. 591 Stauber, Nürnberg und Italien, in: Neuhaus, Nürnberg, S. 123 [131]; Ammann, Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, S. 53–55.
IV. Haftung gemäß dem kaiserlichen Privileg für Nürnberg von 1464 279
worden sein könnten. Andererseits besteht aber insbesondere für süddeutsche Städte wieder der starke Verdacht, dass die Rechtsidee über ausgeprägte Handelsverbindungen der betreffenden Städte über die Alpen in das nahe Italien in den deutschen Raum und dabei zuerst speziell das südlichste Deutschland gelangt war. Die Augsburger Meuting-Gesellschaft handelte wie die meisten süddeutschen Handelsunternehmen vorrangig auf den üblichen Routen nach Italien, besonders nach Venedig. Die ersten Wechselüberweisungen der Meuting, die über die florentinischen Medici nach Venedig vermittelt wurden, stammten von 1436.592 Schon 1424 und in späteren Jahren ritt der 1441 von den Meuting als Diener verpflichtete Burkard Zink für seine Arbeitgeber nach Venedig, um dort zu handeln.593 Für das Jahr 1446 sind Geschäfte des Lukas Welser in Venedig nachgewiesen. Ein gemeinsames Unternehmen von Lukas Welser und Jakob Meuting tätigte mittels einer venezianischen Bank eine Überweisung über die Brügger Filiale der florentinischen Bank von Bernardo Cambi und Antonio da Rabatta.594 Seit den 1460er Jahren standen die Welser wiederum über Lukas Welser in direkter Geschäftsbeziehung zu den Medici.595 Außerhalb Italiens waren die Welser über Brügge intensiv mit Italienern geschäftlich verbunden. Jakob Welser war in den Büchern der Brügger Filiale der florentinischen Bank von Giovanni Salviati und Giovanni da Rabatta für das Jahr 1462 als Empfänger von Wechselüberweisungen erwähnt.596 Im Jahr 1464 ließen die Welser eine große Geldsumme durch Bankiers der Strozzi aus Venedig nach Brügge an Jakob Welser überweisen.597 Neben anderen Firmen wendeten die Strozzi und die Rabatta das Gesellschaftsmodell der accomandita in ihren Unternehmen an und könnten ihren Augsburger Geschäftspartnern davon und insbesondere der beschränkten Gesellschafterhaftung, die dabei möglich war, berichtet haben. Die Welser und die Meuting könnten das Unternehmensmodell ihrerseits über Handelskontakte in Süddeutschland weiterverbreitet haben. Neben Handelsverbindungen bestand aber auch auf Ratsebene Kontakt 592 Weissen,
Florentiner Bankiers, S. 300. des Burkard Zink, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 2, S. 1 [132 f.]. 594 Geffcken, Die Welser und ihr Handel, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 27 [132 f.]. 595 Geffcken, Die Welser und ihr Handel, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 27 [135, 160]. 596 Geffcken, Die Welser und ihr Handel, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 27 [129]; Lang, Fremdsprachenkompetenz, in: Häberlein / Kuhn, Fremde Sprachen in frühneuzeitlichen Städten, S. 75 [80]. 597 Geffcken, Die Welser und ihr Handel, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 27 [133]. 593 Chronik
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zwischen Augsburg und Venedig, wobei sich der Augsburger Rat wie der Nürnberger und wohl die Räte weiterer Städte wegen gewerblicher Probleme seiner in Venedig weilenden Kaufleute an die venezianische Regierung wendete und um Unterstützung für die jeweilige Person bat.598 Im Fall des Augsburger Bäckergesellen Claus Walther, der im Jahr 1425 in venezianischer Haft einsaß, sollten sich dagegen auf Bitten des Augsburger Rates die Augsburger Kaufleute Ulrich Arzt und Hans Herwart während ihres Aufenthalts in Venedig selbst um dessen Freilassung bemühen.599 Die Breslauer Kaufleute waren im Gegensatz zu ihren Kollegen in süd licheren Städten wie Augsburg, Nürnberg und Ravensburg weniger in den Italienhandel involviert. Auf niedrigerem Niveau handelten aber auch sie mit den an den norditalienischen Handelsplätzen bevorzugten Waren wie Textilien, Metallprodukten und Gewürzen und standen mit italienischen Kaufleuten in Verbindung.600 In späterer Zeit erschien der ursprünglich aus Breslau stammende Drucker Nicholo di Lorenzo della magnia, eigentlich „Nikolaus Lorenz“, der um 1480 in Florenz ansässig war und dort sein Handwerk ausübte,601 sogar in dem florentinischen Register über die accomandita. Er nahm laut Eintrag vom 08.08.1483 einen Florentiner als beschränkt haftenden Gesellschafter in sein Unternehmen auf.602 dd) Ergebnis zur Rechtsübernahme Letztlich ist nicht genau zu sagen, ob und auf welchen Wegen die florentinische accomandita die Nürnberger Regelung zur Haftungsbeschränkung beeinflusst hat. Gegen einen Rechtstransfer sprechen zunächst die teils unterschiedlichen Ziele, die den Normierungen jeweils zugrunde lagen. Zwar bezweckte man damit in Nürnberg und in Florenz vorrangig den Schutz der Anleger. Die Florentiner wollten aber mit der Risikobeschränkung für die Anleger mittelbar auch bewirken, dass die Unternehmen ihr Kapital leichter aufstocken können und im Zuge dessen die städtische Gesamtwirtschaft stärken. Außer598 Siehe das Ersuchen um Freigabe von beschlagnahmten Waren des Augsburgers Peter Schneider vom 27.07.1465, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1, S. 273 f. 599 Bitte des Augsburger Rates vom 21.02.1425, in: Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, Bd. 2, S. 321. 600 Rauprich, Breslaus Handelslage, in: ZVGASchl, Bd. 26 (1892), S. 1 [19 f.]; Spallanzani, Le compagnie Saliti a Norimberga, in: Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd. 1, S. 603 [611 f.]. 601 Jessen, Von Buchdruckern und Verlegern, S. 1. 602 Eintrag vom 08.08.1483, in: Register zur accomandita, Bd. 1, in: ASF, Fondo Mercanzia, No. 10381, Fol. 90r.
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dem waren die florentinische und die Nürnberger Regelung strukturell und wörtlich komplett anders formuliert und ausgestaltet, auch wenn man von den sprachlichen Verschiedenheiten absieht. Diese Unterschiede zerstören aber nicht die These eines Rechtstransfers. Eine Übernahme könnte auch derart ausgestaltet gewesen sein, dass nicht das komplette Gesetz im Wortlaut, sondern nur dessen inhaltliche Regelungen, übernommen wurden. Keine rechtliche Regelung konnte unverändert aus einer italienischen in eine deutsche Stadt verpflanzt und dort angewendet werden. Vielmehr war es unumgänglich, eine transferierte Regelung den lokalen Verhältnissen anzupassen, so den geltenden Rechtsbräuchen und den Wünschen und Interessen relevanter Gruppen. Auch die aus Venedig übernommene Apothekenordnung wurde nur in angepasster Fassung in Nürnberg in Kraft gesetzt.603 Aus dem venezianischen Vormundschaftsgesetz wurden sogar nur einige Bestimmungen in das Nürnberger Vormundschaftsgesetz übernommen, dass ansonsten in Nürnberg selbst erarbeitet worden war.604 Daher muss auch nicht stören, dass nach den deutschen Normierungen der Haftungsbeschränkung keine Register vorgesehen waren, in die die nicht geschäftsführenden Gesellschafter, wie in Florenz und anderen italienischen Städten, eingetragen werden konnten. Die Nürnberger Regelung war vorrangig davon motiviert, die Kapitalanleger schützen zu wollen. Die Gesellschaftsgläubiger mussten dabei nicht unbedingt berücksichtigt werden, da diese sich mit ihren Forderungen nach den gesellschaftsrechtlichen Bräuchen, die im deutschen Raum praktiziert wurden, grundsätzlich an die Geschäftsführer wendeten und äußerst selten gegen nicht geschäftsführende Gesellschafter vorgingen, die nach außen nicht in Erscheinung traten. Ein Register, in dem die nur Kapital anlegenden Gesellschafter aufgelistet gewesen wären, war daher anders als in Florenz in Deutschland nicht erforderlich. Deutlicher sprechen die engen Beziehungen Nürnbergs in norditalienische Städte für eine Rechtsübernahme. Einmal könnten Nürnberger Kaufleute von ihren italienischen Geschäftspartnern von der neuen Haftungsbeschränkung gehört haben. Hier sind teils sehr vielversprechende Kontakte zu namhaften florentinischen Familien wie den Medici und den Miraballi nachgewiesen, die die accomandita in ihren Unternehmen anwendeten und das Rechtsmodell weitergegeben haben könnten. Auch über die ausgeprägten Verbindungen von Nürnberger Familien nach Norditalien zwecks Lehre und Studium könnte Nürnberg beeinflusst worden sein. Auf offizieller Ebene hatte der Nürnberger Rat in späterer Zeit sogar direkt um die Übersendung ganzer Gesetze aus Venedig gebeten, dem die venezianische Regierung 603 Bartels, Drogenhandel, S. 165; vgl. Leiser, Rezeption des römischen Rechts, in: Kapp / Hausmann, Nürnberg und Italien, S. 25 [34]. 604 Bartels, Drogenhandel, S. 118.
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bereitwillig nachkam. Auch wenn es für das 15. Jahrhundert an direkten Belegen für solche Rechtsübernahmen fehlt, wird dadurch doch einmal mehr die starke wirtschaftliche Orientierung der Nürnberger an Italien deutlich. Damit gingen stets mehr oder weniger umfangreiche Einflüsse, auch rechtlicher Art, auf das Wirtschaftsleben in der Reichsstadt Nürnberg einher. Auf irgendeinem der genannten Wege könnte letztlich auch das Privileg von 1464 unter dem Eindruck italienischer Gesetzesvorbilder, hier der accomandita, erarbeitet worden sein. Diese Einflüsse könnten auf Informationen beruht haben, die Nürnberger Bürger selbst aus Italien in die Heimat gebracht hatten, oder auf solchen, die mittelbar über den Kontakt zu Augsburger oder ganz anderen deutschen Kaufleuten von Norditalien nach Nürnberg gelangt waren. So waren neben Nürnbergern auch zum Beispiel Augsburger Kaufleute intensiv mit florentinischen Kaufmannsfamilien wie den Medici, Rabatta und Strozzi verbunden, die die accomandita in ihren Unternehmen anwendeten. Darauf, dass die Idee der Haftungsbeschränkung aus Florenz übernommen worden war, könnte auch hinweisen, dass letztlich nur einzelne wenige deutsche Städten die Haftung beschränkten. Deutsche Kaufleute standen fremden Regelungen grundsätzlich zunächst skeptisch gegenüber, da die fremdsprachigen Gesetze erst zu übersetzen waren und so aufgrund von Sprachschwierigkeiten in der übersetzten Fassung leicht Missverständnisse zuungunsten deutscher Kaufleute zustande kommen konnten. Es herrschte bei aller Bewunderung für die fortschrittliche Gesetzgebung wohl immer auch ein gewisses Maß an Misstrauen gegenüber italienischem Recht. Daher hemmte die Anwendung italienischen Rechts oftmals einzelne Geschäftsabschlüsse und den gesamten Handel, sodass deutsche Kaufleute, falls im Einzelfall möglich und sinnvoll, lieber an ihren alten deutschen Rechtsgewohnheiten festhielten.605 Negativ behaftetes fremdes Recht einzuführen, nahmen die Kaufleute und mit ihnen die Räte der Städte eher nur in unumgänglichen Ausnahmefällen in Kauf. Letztlich scheint zwar gut vorstellbar, dass die Regelung um die accomandita zumindest in ihrem inhaltlichen Sinne in die Haftungsregelung des Nürnberger Privilegs vom 23.06.1464 eingegangen war, wobei verschiedene plausible Transferwege in Betracht kommen. Dennoch ist keine auch nur irgendwie geartete Rechtsübernahme konkret belegbar. Dagegen erscheint auch gut möglich, dass die Nürnberger ihre Haftungsbeschränkung selbst entwickelt hatten. Dementsprechend beruhte die Nürnberger Haftungsbeschränkung wohl auf einer gemischten Grundlage, obgleich die verschiedenen Einflussfakto605 Vgl. Waldmann, Entstehung der Nürnberger Reformation 1479, in: MVGN, Bd. 18 (1908), S. 1 [2].
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ren aus Nürnberg, Florenz und anderen Orten sicher sehr unterschiedlich gewichtet waren. Hauptsächlich ging die Regelung auf eine eigene Idee von Nürnberger Kaufleuten, Ratsmitgliedern oder Rechtsgelehrten zurück und entsprang keiner direkten oder indirekten Übernahme aus Florenz. Man fühlte sich möglicherweise aber bestätigt oder unterstützt in seinem Einfall durch das florentinische Gesetz von 1408, von dem der Nürnberger Rat über seine breit gefächerten Kontakte nach Norditalien zumindest gewusst haben musste. Wahrscheinlich verglichen die Nürnberger den eigenen Regelungsentwurf mit dem florentinischen Gesetz, das sie als Beispielvorlage für die eigene ähnliche Regelung nutzten. Im Übrigen könnte die Regelung über die accomandita im ideellen Sinne Pate gestanden, Mut zur Normierung gemacht und als Vorbild aus der Ferne unterstützend eingewirkt haben. In gleicher Weise könnten auch die frühen Formen einer beschränkten Gesellschafterhaftung in Unternehmen anderer deutscher Städte an der Entstehung der ersten deutschen Normierung einer Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter im Privileg von 1464 mitgewirkt haben. Wie im Verhältnis des florentinischen Gesetzes von 1408 und der Nürnberger Regelung ist es gut vorstellbar, dass man sich durch die in Augsburg, Breslau oder andernorts in der Geschäftspraxis herrschenden Haftungsbeschränkungen im eigenen Vorgehen bestärken ließ. Immerhin entwarfen die Nürnberger ein völlig neues Rechtsmodell, das als Innovation erst einmal gegen Ansichten, die der bisherigen Rechtsübung anhingen, durchgesetzt werden musste. Dazu dürfte es nicht undienlich gewesen sein, konkrete oder auch nur vage ähnliche Beispielregelungen anführen zu können, die an anderen Orten bereits erfolgreich angewendet wurden.
V. Gesetzliche Ausformungen nach Erlass des Privilegs in Nürnberg Nachdem sie in der Nürnberger Stadtrechtsreformation von 1479 noch gefehlt hatte, wurde die beschränkte Haftung des Privilegs von 1464 erstmals ausdrücklich normiert in Titel 18, 4. Gesetz, Absätze 2 und 3 der letzten erneuerten Nürnberger Stadtrechtsreformation von 1564. 1. Reformation von 1479 In Frage steht, warum die Regelung des Privilegs von 1464 nicht schon in die Nürnberger Reformation von 1479 übernommen worden war. In der Reformation normierte man damals nur die gesamtschuldnerische Außenhaftung aller Gesellschafter, wobei die Gesellschafter untereinander nur intern zu viel gezahlte Beträge nach den Höhen ihrer Anteile ausgleichen
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konnten.606 Eine spezielle Regelung zu den Belangen nicht geschäftsführender Gesellschafter fehlte noch komplett. Der Hauptgrund für den Erlass des neuen Stadtrechts, zu dessen Entstehung nur wenige Unterlagen erhalten sind, lag darin, das gemeine Reichsrecht und insbesondere das aus Italien rezipierte römische Recht mit den eigenen, für die Handelsstadt Nürnberg relevanten Regelungen und allgemein, der städtischen gelegenheyt, herkomen und leufte zu vereinbaren.607 Es ging den unbekannten Verfassern vorrangig darum die Prozessordnung nach dem Vorbild des römisch-kanonischen Rechts zu erneuern. Unter anderem das königliche Hofgericht wendete das römische Recht in der schriftlichen Prozessführung zu dieser Zeit bereits an. Das bisher geltende Nürnberger Prozessrecht war damit nicht vereinbar und genügte ohnehin den aktuellen komplexer werdenden wirtschaftlichen Bedürfnissen nicht mehr.608 Andere Rechtsbereiche wie das Gesellschaftsrecht wurden bei dieser Gelegenheit ebenfalls neu gefasst und modernisiert. Dabei wurde zum ersten Mal in einer Stadtrechtsreformation überhaupt das Gesellschaftsrecht ausführlich geregelt,609 jedoch ohne die bereits bekannte Haftungsbeschränkung zu erwähnen. Möglicherweise hielt man es nicht für nötig, die Haftungsbeschränkung in der Stadtrechtsreformation von 1479 und auch in der von 1522 zu normieren, da das Privileg von 1464 gerade noch verhältnismäßig neu und gut bekannt war. Es dürfte im Nürnberger Gesellschaftsrecht bereits gefestigt und im Wirtschaftsleben allgemein anerkannt gewesen sein.610 Ohnehin traten die Haftungsregelungen aus der Stadtrechtsreformation gegenüber denen des Privilegs subsidiär zurück. So wurde die Haftungsbeschränkung auf diesem Weg, obwohl sie nicht in der Stadtrechtsreformation normiert war, dennoch 606 Was die geselschaft eußern personen schuldig ist, darumb sein alle geselschafter in solidum und unverscheidenlich verpunden und verpflicht, das zebezalen und auszerichten, doch also, so sölche ausrichtung beschiht, wie dann die geselschafter sich nach dem hundert oder anders geneinander verpunden oder verschriben haben, das mügen sie sich undereinander auch geprauchen. Regelung des 30. Titels, 6. Gesetz, Nürnberger Stadtrechtsreformation, in: Wolgemut, Reformacion der Statut und gesetze, S. 381; Regelung auch im Auszug der gesellschaftsrechtlichen Regelungen, in: Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 364–366. 607 Textstelle, in: Wolgemut, Reformacion der Statut und gesetze, S. 58; vgl. Köbler, Reformation d. Stadt N., S. XXV; vgl. Eisenhardt, Deutschrechtliche Wurzeln des Handelsrechts, in: Schmidt / Schwark, Unternehmen, Recht und Wirtschaftsordnung, S. 51 [60 f.]. 608 Matthäus, Frankfurter Patriziat, in: AFGK, Bd. 66 (2000), S. 248 [259 f.]; Scherner, Formen der Konfliktlösung, in: Cordes / Dauchy, Eine Grenze in Bewegung, S. 117 [121]. 609 Amend-Traut, Brentano, Fugger und Konsorten, S. 9 f. 610 Vgl. v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 164; vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [245].
V. Gesetzliche Ausformungen nach Erlass des Privilegs in Nürnberg 285
Bestandteil des Nürnberger Stadtrechts.611 Um die Bekanntheit der Haftungsbeschränkung zu erhalten beziehungsweise wieder in Erinnerung zu rufen, nahm man die dahingehende Regelung des Privilegs schließlich in die Stadtrechtsreformation von 1564 auf.612 Dennoch erscheint aber nicht ganz einleuchtend, warum die Haftungsbeschränkung erst 100 Jahre nach dem Erlass des Privilegs in der Stadtrechtsreformation normiert wurde. Auch wenn die Haftungsbeschränkung auch zuvor schon aus dem Privileg allgemein bekannt gewesen sein dürfte, wäre es einer eindeutigen und durchschaubaren Rechtslage zu Gute gekommen, das gesamte gesellschaftliche Haftungsrecht an einem Ort in der Stadtrechtsreformation darzustellen. Clemens Bauer vermutete einen möglichen Grund für die anfänglich fehlende Haftungsbeschränkung darin, dass die Redaktoren der Stadtrechtsreformationen die nicht mitarbeitenden Kapitalanleger gegebenenfalls nicht als Gesellschafter gesehen hätten.613 Diese Vermutung ist aber anzuzweifeln, da die bloßen Kapitaleinleger dann gar nicht in den Reformationen von 1479 und 1522 erwähnt gewesen wären, wenn man sie nicht unter den Oberbegriff aller Gesellschafter subsumiert hätte. Im Übrigen geht entgegen der Ansicht Bauers bereits aus dem Privileg hervor, dass die nicht Geschäftsführenden Gesellschafter waren.614 Andererseits begründete Bauer die noch fehlende Normierung in einleuchtender Weise damit, dass die Räte der Städte die Freiheit der Gesellschaften, ihre Vereinbarungen möglichst in freier Selbstgestaltung abzuschließen, nicht durch neue Regelungen einschränken wollten. Stattdessen sollte die Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts der kaufmännischen Praxis überlassen sein.615 Es herrschte noch die traditionelle Ansicht, dass sich das Recht in erster Linie über ungeschriebene Rechtsbräuche entwickeln sollte, wobei man das althergebrachte geschriebene Recht unverändert lassen wollte. Nach damaliger Ansicht konnte das Recht daher nur durch neue Auslegung des „guten alten Rechts“ fortgebildet werden.616 Hinzu kam, dass als letzte Instanz eine Kommission über die Stadtrechtsreformation entschied, die aus Isenmann, Stadt im Mittelalter, S. 908. v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 164; vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [245]. 613 Bauer, Unternehmensformen, S. 79. 614 Siehe S. 187. 615 Bauer, Unternehmensformen, S. 79 f. Auch begründete Bauer die unterlassene Normierung hier mit einer „Feindschaft“ zwischen dem Gesetzgeber und den Gesellschaften, führte aber keine Belege dafür auf. 616 Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 72; Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 42; vgl. Coing, Die Frankfurter Reformation von 1578, S. 1–3. 611 Vgl.
612 Vgl.
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Ratsherren und Bürgern bestand und wegen ihrer langjährigen Erfahrung in Stadtverwaltung und Rechtsprechung besonders dem alten angewendeten Recht verhaftet war. Nur in der Vorinstanz war der Text von gelehrten Juristen ausgearbeitet worden. Daher erhielt die Reformation von 1479 wie auch deren Revisionen von 1503 oder 1522 auch noch kein deutliches römischrechtliches Gesamtgepräge wie die Reformation von 1564, die nun ausschließlich von Rechtsgelehrten ausgearbeitet wurde.617 Möglicherweise fehlte die Haftungsbeschränkung in den Stadtrechten von 1479 aber auch wegen Rechtssetzungskonkurrenzstreitigkeiten Nürnbergs mit Kaiser Friedrich III., wobei man die Regelung vielleicht als kaiserliche Normierung nicht in die eigene städtische Reformation übernehmen wollte. Darauf weist die Vorrede der Reformation von 1479 hin, die besonders betont, dass der Stadtrat das neue Stadtrecht aus kaiserlicher und küniglicher freyhait autonom und aus eigener städtischer Rechtssetzungskompetenz erlassen hatte.618 Dieses von der Stadt beanspruchte Rechtssetzungsrecht hatte Kaiser Friedrich III. nämlich zuvor in Zweifel gezogen. Der Kaiser hatte in einem Gebotbrief von 1478 ein Judenstatut aufgehoben, das die Stadt Nürnberg erlassen hatte. Er ließ dazu verlauten, „dass die von Nürnberg ohne seiner Majestät als römischen Kaisers Willen, Heißen und Erlauben eine neue Reformation und Gesetz gemacht haben“. Die Stadt wäre gemäß dem Gebotbrief für den Erlass des Statuts ohne die Erlaubnis des Kaisers als Herr über die Reichsstädte nicht zuständig gewesen. Trotzdem nahm der Rat das Judenstatut in die Reformation von 1479 auf. Man fürchtete daher nun, dass der Kaiser gegen die gesamte neue Stadtrechtsreformation, deren erste Abschnitte im Frühjahr 1479 veröffentlicht wurden, vorgehen könnte und sah den allgemeinen Rechtssetzungsanspruch der Stadt bedroht.619 Würde sich der Kaiser durchsetzen, könnte er jegliche reichsstädtische Statuten mit der Begründung angreifen, er hätte ihrem Erlass nicht zugestimmt. Zusätzlich gestaltete sich die Mitwirkung des Kaisers an Gesetzesvorhaben ohnehin aufwändig und teuer, da stets Gesandte an den 617 Schultheiß, Geschichte des Nürnberger Ortsrechts, S. 13; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 194. 618 Laut der Vorrede hat ain erber Rat die Gesetze und die Ordnung Incrafft gemaines Rechten, auch aus gewalt kaiserlicher und küniglicher freyhait und desshalb irer oberkait und regiments, so man zu latein Ius magistratus nennet, mit gutem vorrate, wolbedechtlich und auch mit Rate der hochgelelerten gemainer geschribner Recht erkant, gesetzt und geordent. Vorrede, in: Wolgemut, Reformacion der Statut und gesetze, S. 59; Textstelle als Auszug auch, in: Isenmann, Reichsrecht und Reichsverfassung in Konsilien, in: Schnur, Die Rolle der Juristen, S. 545 [576]. 619 Leiser, Nürnberger Reforamtion, in: MVGN, Bd. 67 (1980), S. 1 [6]; Isenmann, Gesetzgebungs- und Verordnungsrecht, in: Cauchies / Bousmar, „Faire Bans, Edictz et Statuz“, S. 411 [433–435]; vgl. Walther, Rezeption Paduaner Rechtswissenschaft, in: Baumgärtner, Consilia, S. 207 [222 f.].
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Kaiserhof geschickt werden mussten, um in oft langen Verhandlungen gegen hohe Geldzahlungen den Erlass kaiserlicher Privilegien zu erwirken.620 Daher wurden in diesem Fall bei zwei Nürnberger Juristen Rechtsgutachten angefordert, die Argumente für die der Stadt Nürnberg zustehende autonome Rechtssetzungskompetenz lieferten und diese auch als grundsätzliches Recht der Reichsstädte sichern sollten. Die für Nürnberg und nebenbei auch für andere Reichsstädte als präjudizielles Beispiel elementar bedeutungsvolle Grundaussage, die sich aus den Gutachten ergab, wurde dann in die Vorrede der Nürnberger Reformation übernommen und, wie damals zur Gesetzesverkündung üblich, vom Nürnberger Rathaus aus öffentlich ausgerufen.621 Hinsichtlich dieser Proklamation der eigenen gegenüber dem Kaiser behaupteten und gefestigten Rechtssetzungskompetenz erscheint es sehr gut möglich, dass die Stadt Nürnberg keine Regelung aus einem kaiserlichen Privileg in ihre Stadtrechtsreformation von 1479 aufnehmen wollte. Im Übrigen galt die Privilegsregelung ohnehin ohne eine solche Normierung, wobei die städtischen Regelungen subsidiär zurücktraten. 2. Reformation von 1564 Für den Erlass der Reformation von 1564 spielten jedenfalls die Umstände, die im Jahr 1479 noch verhindert hatten, dass die Haftungsbeschränkung in die Stadtrechtsreformation übernommen wurde, keine Rolle mehr. Verglichen mit ihren Vorgängerinnen enthielt die Reformation von 1564, die nun ausgehend von einem Gutachten des Claude Chansonette von 1546 von gelehrten Juristen erarbeitet wurde,622 auch wegen ihrer römisch-rechtlichen Gesamtprägung, grundlegende strukturelle Verbesserungen und vermittelte insgesamt einen vollständigeren Eindruck. Man wollte nun offensichtlich 620 Isenmann, Reichsrecht und Reichsverfassung in Konsilien, in: Schnur, Die Rolle der Juristen, S. 545 [571]; Isenmann, Reichsfinanzen und Reichssteuern, in: ZHF, Bd. 7 (1980), S. 1 [47–49]. 621 Leiser, Nürnberger Reforamtion, in: MVGN, Bd. 67 (1980), S. 1 [7]; Isenmann, Reichsrecht und Reichsverfassung in Konsilien, in: Schnur, Die Rolle der Juristen, S. 545 [570–577]; siehe einen Brief des Nürnberger Rates an einen der Gutachter, Martin Mair, in: Toch, Austreibung der Nürnberger Juden, in: ZHF, Bd. 11 (1984), S. 1 [21], worin der Rat seine Rechtssetzungsbefugnis aufgrund seines Stadtregiments darstellte und Mair diesbezüglich um ein Gutachten bat; Schultheiß, Geschichte des Nürnberger Ortsrechts, S. 9. Andere Reichsstädte wie Basel oder Lübeck erließen wie Nürnberg bezugnehmend auf ihr autonomes Stadtregiment Stadtrechtsordnungen, ohne beim Kaiser als eigentlichem Stadtherrn eine Erlaubnis eingeholt zu haben. Isenmann, Gesetzgebungs- und Verordnungsrecht, in: Cauchies / Bousmar, „Faire Bans, Edictz et Statuz“, S. 411 [424–426]. 622 Eisenhardt, Deutschrechtliche Wurzeln des Handelsrechts, in: Schmidt / Schwark, Unternehmen, Recht und Wirtschaftsordnung, S. 51 [61].
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nicht mehr zusätzlich auf Regelungen zurückgreifen müssen, die außerhalb der Reformation wie beispielsweise auch in Rechtsbräuchen verwurzelt waren. Möglicherweise wollte der Nürnberger Rat mehr Rechtssicherheit schaffen, indem er das Stadtrecht umfassender und deutlicher regelte.623 Aus diesem Grund dürfte auch die Haftungsbeschränkung des Privilegs in die neue Reformation eingefügt worden sein, obgleich sie nicht aus dem rezipierten römischen Recht stammte, da das römische Recht die Außengesellschaft nicht kannte. Ohnehin war es angeraten, die nun 100 Jahre alte Regelung zur Gesellschafterhaftung wieder in Erinnerung zu rufen,624 auch wenn die Regelung schon durch das Privileg von 1464 auch ohne eine Normierung weiter ausreichende Geltung entfaltet hätte.625 Zunächst regelte Titel 8, Gesetz 4, Abs. 1 die grundsätzliche gesamtschuldnerische Haftung aller Gesellschafter nach außen in solidum, wobei zu viel bezahlte Beträge, die über den eigenen Anteil hinausgingen, intern unter den Gesellschaftern ausgeglichen werden konnten.626 Die Regelungen zur Haftung der nicht geschäftsführenden Gesellschafter zu gewyn und verlust folgten in den Absätzen 2 und 3, deren Wortlaut sehr dem des Privilegs ähnelte. Die Aussage, dass jemand Geld in eine Gesellschaft on besondere geding oder verpflichtung gelegt het, bestätigte nun aber deutlicher als im Privilegstext, dass auch der nicht mitarbeitende Teilhaber grundsätzlich vom Gesellschaftsvertrag umfasst und vollwertiger Gesellschafter war. Die Formulierung „an geding“ in dem Privilegswortlaut bezog sich folglich nur auf zusätzliche besondere Vertragsabreden, wobei hier die Vereinbarung über die Mitarbeit in der Gesellschaft gemeint war, die für die unbeschränkt haftenden Gesellschafter nicht galt. Die grundsätzliche Zugehörigkeit zum Geltungsbereich des Gesellschaftsvertrags wurde dabei nicht eingeschränkt. Der entscheidende Unterschied in der Formulierung der Haftungsregelungen findet sich aber in dem Zusatz über die Beschränkung des Haftungsumfangs auf die schon gezahlte Einlage. Anders als noch in der Formulierung des Privilegs wurde darin bestimmt, dass der Kapitaleinleger nicht mehr für Gesellschaftsschulden zu zahlen hatte, dann so weit sich sein hauptgut erstreckt. Dieser Zusatz dürfte gegenüber dem Privilegswortlaut redaktionell ergänzt worden sein, um den vorher noch uneindeutigen Regelungsinhalt 623 Waldmann, Entstehung der Nürnberger Reformation 1479, in: MVGN, Bd. 18 (1908), S. 1 [2]. 624 Vgl. v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 164; vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [245]. 625 Vgl. Kunkel / Thieme / Beyerle, Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte, S. XIX. 626 Regelung, in: Der Stat Nurmberg verneute Reformation, Fol. 107v.
V. Gesetzliche Ausformungen nach Erlass des Privilegs in Nürnberg 289
klarer darzustellen.627 Die Verfasser der neuen Reformation von 1564 hatten nämlich vor, das Regelwerk gemäß dem Zeitgeist systematischer und verständlicher zu gestalten.628 So erteilte der Stadtrat schon im Jahr 1544 dem kaiserlichen rechtsgelehrten Rat Claude Chansonette einen Auftrag, ein Gutachten zur Änderung der Reformation auf Grundlage der bestehenden Regelungen ausgehend von der ersten Reformation von 1479 beziehungsweise deren Revisionen von 1503 und 1522 zu erstellen. Das vorhandene gebräuchliche Recht sollte mit dem gemeinen Recht vereinbart und nach zeitgemäßem Muster der Rechtspraxis am Reichskammergericht gestaltet werden. Chansonette erstattete sein Gutachten im Jahr 1546 und erklärte dem Stadtrat dazu in einem Brief, dass er einige Vorschriften fand, die er als unpassend erachtete und in seinem Gutachten abgeändert hätte.629 Dieses Gutachten bezogen die Nürnberger Rechtsgelehrten maßgeblich in ihre Abfassung der neuen Reformation ein. Erkenntnisse zur Entstehung oder dem Regelungsinhalt der Nürnberger beschränkten Gesellschafterhaftung ergeben sich aus dem Gutachten jedoch nicht. Das Gesellschaftsrecht hatte Chansonette in seinem Gutachten nämlich komplett ausgespart und ließ die Regelungen dazu unangetastet, wahrscheinlich da das rezipierte römische Recht zur Außengesellschaft nichts lieferte. Sein Gutachten bezog sich in ausführlicher Form besonders auf prozessrechtliche Belange und weniger auf materiellrechtliche.630 Bezüglich der Haftungsbeschränkung steht jedenfalls fest, dass deren Haftungsumfang sich nach der neuen Regelung von 1564 nun wörtlich unmissverständlich auf die bereits gezahlte Einlage bezog und kein Vermögen nachgezahlt werden musste. In der folgenden Zeit galt die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung zunehmend über den Einflussbereich Nürnbergs hinaus und wurde wohl auch von Bürgern anderer Städte für sich beansprucht.
627 Siehe S. 197; vgl. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 184 f., der hier wenigstens eine Konkretisierung der ursprünglichen Regelung des Privilegs von 1464 vermutete. Die Bedeutung des Privilegstextes blieb ihm bezüglich des Haftungsumfangs aber weiter unklar. 628 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 194; Winter, Geschichte und Recht der Nürnberger verneuten Reformation, S. 16. 629 Gutachten des Claude Chansonette vom 25.02.1546, in: Bremer, Claudius Cantiunculas Gutachten, in: ZRG 28 (GA 15) (1894), S. 123 [127–155]; Schreiben des Nürnberger Rats vom 12.01.1544, in: Bremer, Claudius Cantiunculas Gutachten, in: ZRG 28 (GA 15) (1894), S. 123 [160 f.]; Schreiben des Claude Chansonette vom 22.12.1545, in: Bremer, Claudius Cantiunculas Gutachten, in: ZRG, Bd. 28 (GA 15) (1894), S. 123 [161]; vgl. Bremer, Claudius Cantiunculas Gutachten, in: ZRG, Bd. 28 (GA 15) (1894), S. 123 [157]. 630 Vgl. Gedeon, Rezeption des römischen Privatrechts, S. 66 f.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
VI. Anwendung der normierten Haftungsbeschränkung in Nürnberg Zur Anwendung der deutschen beschränkten Gesellschafterhaftung des Privilegs sind nur wenige Hinweise zu finden, einmal da alle Arten von Gesellschaften von nicht geschäftsführenden Investoren in erster Linie fest verzinste Depositeinlagen und Darlehen annahmen, um ihren finanziellen Spielraum zu erweitern. Die Einlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter zu Gewinn und Verlust als Mittel zur Kapitalerzeugung folgten erst an zweiter Stelle.631 Sie spielten keine „hervorragende Rolle“,632 bis sie zum Ende des 16. Jahrhunderts sogar noch drastisch an Bedeutung verloren.633 Laut eines Gutachtens Konrad Peutingers von 1522 hätte es sich für wohlhabende Bürger bequemer und risikoärmer gestaltet, ihr Vermögen nicht zu Gewinn und Verlust, sondern zu einem festgelegten Zinssatz als depositum anzulegen, zumal das Geld auch kurzfristig wieder hätte ab gezogen und als Aussteuer von Söhnen und Töchtern verwendet werden können.634 Erschwerend kommt heute hinzu, dass die Existenz von beschränkt haftenden Gesellschaftern nur aus überlieferten Gesellschaftsverträgen und dokumentierten Bankrottfällen nachgewiesen werden kann, da im Gegensatz zu Florenz kein offizielles Register geführt wurde. Dabei ist zu beachten, dass zum Großteil nur Fälle zu belegen sind, in denen eine Haftungsbeschränkung auf die Einlage eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters theoretisch vorgesehen war, nicht aber solche, in denen die Haftungsbeschränkung tatsächlich zum Tragen kam. Bloße Kapitalanleger wurden hauptsächlich im Innenverhältnis und sehr selten von Gesellschaftsgläubigern zur Haftung herangezogen, sondern ausschließlich die Geschäftsführer.635 Die Privilegsregelung war nur für seltenst eintretende Bankrottfälle vorgesehen, in denen alle Geschäftsführer geflohen waren oder anderweitig nicht mehr zur Zahlung zur Verfügung standen und sich die Gläubiger daher an die bloßen Kapitalanleger wendeten. An Bankrottfällen, die so verliefen und in denen eine Haftungsbeschränkung zum Tragen kam, sind jedoch 631 Schimke, Unterbeteiligungsgesellschaft, S. 56–58; siehe beispielhafte Nachweise für in Handelsunternehmen als Darlehen und Depositeinlagen angelegtes Kapital in Regesten von RKG-Akten, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 9, S. 290 f. (Nr. 3554), 451 f. (3711) und, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 10, S. 22–24 (Nr. 3905), 325–327 (4194), 577 f. (4419). 632 Strieder, Kapitalistische Organisationsformen, S. 103. 633 Hildebrandt, Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, Bd. 1, S. 93 [96–100]. 634 Ein Gutachten Conrad Peutingers, in: ZHVS(N), Bd. 2 (1875), S. 188 [211]. 635 Siehe S. 162.
VI. Anwendung der normierten Haftungsbeschränkung in Nürnberg 291
verschwindend wenige überliefert.636 Die Anwendung des Nürnberger Haftungsmodells kann demzufolge in einer ungleich schwierigeren Vorgehensweise nur an solchen Fällen dargestellt werden, in denen die beschränkte Haftung für die betreffenden Einleger zwar galt, aber meist nicht relevant wurde. Nur am Paumgartner-Fall ist eine Haftung direkt nachzuweisen. Um sich über die beschränkte Gesellschafterhaftung einen Überblick zu verschaffen, sind zwei Arten von bloßen Kapitalanlegern zu unterscheiden. Die eine Art von Kapitalanlegern umfasste Personen, die bewusst Kapital in eine Gesellschaft legten, um daraus einen Gewinn zu erlangen. Die zweite Art von Gesellschaftern war nicht oder nicht hauptsächlich aus eigenem Antrieb, sondern durch äußere Umstände oder durch den Nebeneffekt einer anderen Situation Kapitalanleger in einer Gesellschaft geworden. Personen, die zwar als Gesellschafter zu Gewinn und Verlust an einem Unternehmen beteiligt waren, aber gleichzeitig als Angestellte darin mitarbeiteten,637 sind dabei nicht von dem Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit umfasst und werden höchstens nebensächlich beachtet. 1. „Zufällige“ Gesellschafter Personen, die Gesellschafter wurden, ohne selbst Vermögen investiert zu haben, waren Ehefrauen und Kinder von verstorbenen Gesellschaftern, die eine Kapitaleinlage als Erbe oder im Rahmen einer Eheschließung erhalten hatten, aber nicht in der Gesellschaft mitarbeiteten. Der jeweilige Veräußerer war dagegen meist ein Geschäftsführer im Unternehmen gewesen. Solche Fälle betreffen in erster Linie Frauen, die einen Gesellschaftsanteil geerbt hatten und / oder diesen als Mitgift oder Heiratsgut in die Ehe mitgegeben bekamen. Weiter übergab ein Ehemann seiner Frau meist eine Morgengabe als eine Art Geschenk, die auch einen Anteil an einem Unternehmen ausmachen konnte.638 Zum Beispiel brachte Katharina Imhof in ihre Ehe mit Michael Lemmel um 1485 einen Anteil an der väterlichen Gesellschaft in Höhe von 800 fl. ein, der wohl als bloße Kapitaleinlage, verbunden mit einem Gesellschafterstatus, bestehen blieb. Michael Lemmel leistete noch weitere Einlagen an diese Gesellschaft, ohne im Unternehmen 636 Vgl. in: Strieder, Zwei Handelsgesellschaftsverträge, S. 57, zum Beispiel die Situation der nicht geschäftsführenden Gesellschafter nach dem Haug-Linck-Vertrag von 1547. 637 Siehe zum Beispiel den Fall des Paulus Behaim, der viele Jahre in der Imhoff-Gesellschaft mitarbeitete und dabei eine Einlage besaß, die sich im Jahr 1556 auf 3.500 fl. belief, Hildebrandt, Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, Bd. 1, S. 93 [97]. 638 Forster, Stadtbrauch der „Gerennten Heirat“, in: ZBLG, Bd. 73 (2010), S. 385 [387].
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
mitzuarbeiten.639 Margaretha Kaltenberger erbte um 1500 einen Gesellschaftsanteil ihres Großvaters an der Gesellschaft der Hirschvogel.640 Wie der Fall der Clara Paumgartner zeigt, die wie ihre Geschwister einen Anteil an der Gesellschaft ihres Vaters geerbt hatte und als Heiratsgut weiter behielt,641 hatten diese Personen als Gesellschafter in Nürnberg neben den geschäftsführenden Gesellschaftern für Gesellschaftsschulden grundsätzlich mitzuhaften. Auch zum Beispiel in Augsburg war eine solche Tendenz zu beobachten.642 Die Rechte der Personen, die durch eine Erbschaft zu Gesellschaftern geworden waren, hatte man in den meisten Nürnberger Gesellschaftsverträgen geregelt, wenn auch in begrenzter Form. Nach den Imhof-Verträgen von 1481 und 1490 zum Beispiel wurden die Erben mit der geerbten Einlage zu Gewinn und Verlust an der Gesellschaft beteiligt, hatten aber keinen Anspruch auf Rechnungslegung gegen die Geschäftsführer und kein Beschwerderecht gegen die Richtigkeit der Gewinnauszahlungen. Sie hatten sich mit der jeweiligen Abschlussrechnung und der Höhe der möglichen Gewinnauszahlung zu begnügen. Immerhin konnten sie aber die geerbte Einlage heraus verlangen.643 Das war auch möglich nach dem Gesellschaftsvertrag zwischen den Nürnbergern Georg Koler und Jörg Kress und Ambrosius von Saranno aus der Zeit um circa 1500. Die Einlage eines Gesellschaftserben konnte hier ansonsten aber auch auf Gewinn und Verlust bis zum Abschluss der befristeten Gesellschaft liegen gelassen und erst mit einem möglichen Gewinn ausgezahlt werden.644 Nach dem Gesellschaftsvertrag zwischen Michael Behaim, Bernhard Geisler und Jörg und Christoph Scheurl von 1540 hatte eine geerbte Gesellschaftereinlage unbedingt bis zum zeitlichen Ablauf der Gesellschaft zu Gewinn und Verlust in der Gesellschaft zu verbleiben, während eine Beschwerde gegen die Gewinnberechnung wieder nicht gestattet war.645 639 Haller v. Hallerstein, Vermögen von hundert Nürnberger Bürgern, in: Stadtarchiv Nürnberg, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 117 [141]. 640 Siehe Regest einer RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 14, S. 74 (Nr. 5646). 641 Siehe S. 211–219. 642 Siehe unten, S. 319. 643 Regelung im Gesellschaftsvertrag von 1481, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 5 [5 f.]; Regelung im Gesellschaftsvertrag von 1490, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 7 [7 f.]; vgl. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 53. 644 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 21 [24 f.]. 645 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 116 [117].
VI. Anwendung der normierten Haftungsbeschränkung in Nürnberg 293
Dass die Erben im Sinne solcher Regelungen jeweils als Gesellschafter angesehen werden konnten, wurde dadurch konstruiert, dass jeweils der Gesellschafterstatus des Erblassers mit seiner Einlage auf die Erben überging und in ihnen unverändert weiterbestand. Damit einhergehend sollte die Gesellschaft jeweils von den verbleibenden Geschäftsführern mit dem Vermögensanteil des verstorbenen geschäftsführenden Gesellschafters so weitergeführt werden, als würde dieser noch leben, um die gewerbliche Tätigkeit der Gesellschaft nicht vor Ablauf der Laufzeit der Gesellschaft unterbrechen oder umgestalten zu müssen.646 Deutlich wird dies, zumindest für Nürnberg, aus einer Regelung im Gesellschaftsvertrag der Fugger von 1494 über die Situation bei Versterben eines Gesellschafters, worin es speziell heißt, dass […] habe und gut, so er derselben zeit im handel hat, in demselben handel pleiben, […], als ob er noch lebt, […]. Diese Fiktion bezog sich im Fugger-Vertrag von 1494 noch auf den Zeitraum bis zur Rechnungslegung beziehungsweise Kapitalauszahlung an die Erben, die spätestens drei Jahre nach dem Erbfall zu erfolgen hatte.647 Nach dem Fugger-Vertrag von 1502 sollte die Gesellschaft mit dem fiktiven Gesellschafter beziehungsweise dessen Erben über die gesamte restliche Laufzeit der Gesellschaft fortgesetzt werden.648 Die verbleibenden Geschäftsführer sollten die Geschäfte unabhängig nach ihrem Ermessen und so weiterführen können, als ob wir [die drei ursprünglichen Gesellschafter] noch alle drey in leben weren. Die Nachkommen des Verstorbenen sollten mit dem handel nichts thun oder zethuen machte haben noch die andern verhindern in diesem handel […].649 Trotzdem erbten die Nachkommen dessen Anteil und wurden Gesellschafter und der Anteil verblieb nicht etwa vorerst im Eigentum der Gesellschaft, da im Gesellschaftsvertrag von „irem haubtgut“ gesprochen wurde.650 Obgleich sie nicht über das Kapital verfügen dürfen, während es noch in der Gesellschaft lag, traten sie in die weiter bestehende Gesellschafterstellung des Erblassers ein, wenn auch nur als Teilhaber zu Gewinn und Verlust.651 Zu unterscheiden sind Personen, die durch Erbschaft einen Gesellschaftsanteil erlangten und in die Gesellschaftereigenschaft des Erblassers eintraten, jedoch von Personen, genauer Frauen, deren Vermögen in Form von Heiratsgut, Morgengabe oder ähnlichem, das sie aufgrund einer Heirat erKischka, Ausscheiden eines Gesellschafters, S. 86 f., 106. im Gesellschaftsvertrag, in: Jansen, Jakob Fugger, S. 263 [265 f.]. 648 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Jansen, Jakob Fugger, S. 268 [269]. 649 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Jansen, Jakob Fugger, S. 263 [265]. 650 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Jansen, Jakob Fugger, S. 263 [266]. 651 Vgl. Peterka, Gesellschaftsverträge Jakob Fuggers, in: ZHR, Bd. 73 (1913), S. 387 [404, 424]; vgl. Kischka, Ausscheiden eines Gesellschafters, S. 106. 646 Vgl.
647 Regelung
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langt hatten, in der Gesellschaft des Ehemannes investiert wurde.652 Dieses Vermögen übergab die Familie der Ehefrau bei der Heirat dem Ehemann. Es verblieb während der Ehe in dessen Besitz und Verwaltung.653 Ein Ehemann, der Kaufmann war, investierte solches Vermögen für gewöhnlich in sein Unternehmen. Der Ehefrau gestand er im Gegenzug eine Vermögenssumme als Widerlegung zu, die die Rückzahlung des Heiratsguts im Falle seines Todes absichern sollte. Diese Sicherheitsleistung musste folglich genauso hoch ausfallen wie das Heiratsgut selbst.654 Einen Gesellschafterstatus erlangte die Ehefrau in der Regel aber nicht und nahm auch nicht aktiv am Unternehmen teil,655 sondern wurde als Deposit- oder Darlehensgeberin zur Gläubigerin der Gesellschaft.656 Dadurch konnte sie auch noch in einem Bankrottfall ihre Einlage herausverlangen und sich auf ihre „weiblichen Freiheiten“ berufen. Das bedeutete, die Ehefrauen hafteten grundsätzlich nicht für Verpflichtungen, die ihre Ehemänner ohne ihre Mitwirkung eingegangen waren, außer die Ehefrauen verzichteten ausdrücklich auf dieses Schutzrecht, das seine Wurzeln im römischen Recht hatte.657 So erwirkte zum Beispiel Martha Kraus gegenüber den Gläubigern der bankrotten Gesellschaft ihres Ehemannes unter Berufung auf ihre weiblichen Freiheiten ein reichskammergerichtliches Pönalmandat zur Auszahlung ihrer in der Gesellschaft liegenden Güter.658 Auch Margarethe Beheim, Ehefrau des 652 Siehe dazu beispielhaft die Aufzählung solcher in das Unternehmen ihres Ehemannes investierten Vermögensgüter der Memmingerin Gutta Jenisch im Regest einer RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 10, S. 325–327 (Nr. 4194). 653 Forster, Stadtbrauch der „Gerennten Heirat“, in: ZBLG, Bd. 73 (2010), S. 385 [386]. 654 Forster, Stadtbrauch der „Gerennten Heirat“, in: ZBLG, Bd. 73 (2010), S. 385 [386 f.]; v. Mähren / Platz, Haus- und Landbibliothec, Bd. 2, S. 1042. 655 Hier waren immer wieder Ausnahmefälle festzustellen, in denen Ehefrauen sich mehr oder weniger an der Geschäftsführung beteiligten. So war Ende der 1590er Jahre Jakobina Croy, Ehefrau des Wiener Kaufmanns Jobst Croy, mit diesem wegen nicht beglichener Schulden in Nürnberg inhaftiert, da sie Schuldverschreibungen ihres Ehemannes mit unterschrieben hatte. Siehe Regesten, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 6, S. 283 f. (Nr. 2127) und S. 284 f. (Nr. 2128). 656 In einem Beispielfall der Helena Hagelsheimer wurde deren Anfang des 17. Jahrhunderts in die Gesellschaft ihres Mannes investiertes Heiratsgut als depositum betrachtet. Siehe Regest einer RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 11, S. 37 f. (Nr. 4537). 657 Sabean, Allianzen und Listen, in: Gerhard, Frauen in der Geschichte des Rechts, S. 460 [467]. 658 In Wahrheit war sie wohl als Erbin eines väterlichen Anteils selbst Gesellschafterin, konnte die Situation aber anscheinend so darstellen, als ob ihr Vermögen (Heiratsgut und ähnliches) nur durch ihren Ehemann in die Gesellschaft eingelegt worden wäre, während sie selbst mit der Gesellschaft nichts zu tun hätte. Siehe Regest der betreffenden RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 14, S. 444 f. (Nr. 6043).
VI. Anwendung der normierten Haftungsbeschränkung in Nürnberg 295
Hieronymus Beheim, dessen Gesellschaft in den Bankrott geraten war, konnte um 1500 ihr Heiratsgut, das in dem Familienunternehmen investiert war, gerichtlich vor Zugriffen der Gesellschaftsgläubiger schützen.659 Dass es sich für die betroffenen Ehefrauen nicht immer einfach gestaltete, schlüssig nachzuweisen, dass sie selbst nicht an den Geschäften des Ehemannes beteiligt waren, zeigte der Rechtsstreit der Anna Starck gegen die Gläubiger ihres verstorbenen Mannes.660 2. Aktiv investierende Gesellschafter Zu Gesellschaftern, die aktiv Kapital anlegten, ist weit Weniger überliefert. In den meisten Gesellschaftsverträgen wurden Kapital einlegende Gesellschafter, wenn überhaupt, höchstens mit ihren Namen und den Höhen ihrer Einlagen genannt. Konkrete Vereinbarungen über die rechtlichen Eigenschaften der Kapitalanleger zu treffen, die bewusst Geld in die Gesellschaft als nicht geschäftsführenden Gesellschafter einlegten, erachtete man grundsätzlich als unnötig, da diese Personen zur Geschäftsführung in keiner Weise berechtigt waren. In der Unternehmenshierarchie standen sie unbestritten unterhalb aller geschäftsführenden Gesellschaftern. Auch die Haftungsfrage wurde selten erwähnt, da diese in der Praxis nur in wenigen Bankrottfällen relevant werden konnte und diese Sonderfälle seit dem Erlass des Privilegs von 1464 ohnehin unmissverständlich geklärt waren. So wurden die Kapitalanleger, obwohl sie Gesellschafter waren, in den überlieferten Gesellschafsverträgen höchstens beiläufig beachtet. Die Eigenschaften von Kapitalanlegern, die ihre Anteile durch Erbschaft erlangt hatten, wurden dagegen oft und ausführlich in Gesellschaftsverträgen geregelt. Sie hatten zwar genauso wenige Mitspracherechte, wie aktiv investierende Kapitalanleger. Da sie aber ihre Anteile in der Regel von geschäftsführenden Gesellschaftern erbten, wollte man klarstellen, dass die Erben nun im Gegensatz zu den Erblassern kein Mitspracherecht in der Gesellschaft hatten und als nicht geschäftsführende Gesellschafter anzusehen waren. Es war eine Transformation der Gesellschaftereigenschaft vorzunehmen, wogegen die zweite Sorte von Gesellschaftern, die ihr Kapital alleine aus eigenem Antrieb einlegte, von vorne herein keine Geschäftsführereigenschaften besaß. Weiter tauchten Einlagen nicht handelnder Gesellschafter seltener auf, da die Einlage als depositum als Mittel zur Kapitalgenerierung beliebter war. Ein Vorteil der Depositeinlage lag für die geschäftsführenden Gesellschafter darin, dass der dafür zu zahlende Zinssatz, der im Vorhinein festgelegt 659 Bayerisches 660 Regest,
HStA, RKG, Bd. 3, S. 170–172 (Nr. 1068). in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 8, S. 2 f. (Nr. 2678).
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
wurde, bei günstiger Geschäftsentwicklung niedriger ausfallen konnte als eine flexible prozentuale Beteiligung der Anleger am Gewinn ausgefallen wäre. Auch mussten einem Depositeneinleger im Gegensatz zu einem Gesellschafter keine Einblicke in die Geschäftsführung gewährt werden.661 Zudem ist die Form der Kapitaleinlage eines nicht mitarbeitenden Gesellschafters auf Gewinn und Verlust aus den Quellen nicht immer genau als eine solche identifizierbar, da sie zeitlich und regional in verschiedenen Abwandlungen erschien. Diese Anlageform wurde, wie andere auch, nach den wirtschaftlichen Bedürfnissen geprägt und musste in einer kontinuierlichen Weiterentwicklung daher „stets den Erfordernissen des lebendigen Wirtschaftslebens aufs Neue angepasst werden.“662 Nicht geschäftsführende Gesellschafter waren in Nürnberg vornehmlich in Handels- und in kleinerem Umfang in Produktionsgesellschaften anzutreffen. a) Handelsgesellschaften Die Gesellschaftsverträge der Handelsunternehmen enthielten zum Status eines nur Kapital anlegenden Gesellschafters keine speziellen Bestimmungen. Zu den Eigenschaften von Gesellschaftern überhaupt regelte man einzig des Öfteren, welche Gesellschafter wie weitreichende Geschäftsführungsbefugnisse besitzen sollten.663 So regelte der Gesellschaftsvertrag zwischen Georg Koler und Jörg Kress und Ambrosius von Saranno, dass Jörg Koler als Regierer die Geschäfte der Gesellschaft führen und die Gesellschaft seinen Namen tragen sollte. Die anderen beiden Gesellschafter, denen Koler mindestens einmal im Jahr Rechnung zu geben hatte, arbeiteten in der Gesellschaft auf untergeordneten Posten mit. Ambrosius von Saranno sollte die Niederlassung der Gesellschaft in Mailand für die gesamte Lombardei betreiben.664 Zusätzlich war Wolf Löffelholz an der Gesellschaft wohl als nicht geschäftsführender und nur Kapital einlegender Gesellschafter beteiligt.665 Auch in der Imhof-Gesell schaft gemäß den Verträgen von 1481, 1490, 1519, 1527 und Januar und Juli 1531, die zunächst Konrad, Hans und Peter Imhoff und nach deren Tod jeweils sechs bis zehn Söhne der Familie Imhoff umfasste, existierten wohl zeitweise wegen der hohen Zahl an Ge661 Schmied,
Kapitalbeschaffungsformen, S. 71. Kapitalbeschaffungsformen, S. 64. 663 Vgl. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 53 f. 664 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 21 [22]; Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 587; vgl. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 35 f. 665 Schulte, Mittelalterlicher Handel und Verkehr, Bd. 1, S. 587. 662 Schmied,
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sellschaftern ein oder mehrere Geschäftsführer, die gegenüber den anderen Gesellschaftern weisungsbefugt waren. Dennoch führten aber alle Gesellschafter in irgendeiner Form Geschäfte für die Gesellschaft aus und bestimmten über deren Belange mit. So bekannten alle Beteiligten im Vertrag von 1527, dass wir obgenant all geshelschaffter sein und stim haben sollen. Nur Kapital anlegende Gesellschafter sind aus den Gesellschaftsverträgen aber nicht ersichtlich.666 Der Nürnberger Behaim-Geisler-Scheurl-Gesellschaftsvertrag von 1540 bestimmte dagegen, dass Einlagen der besundere lieb und gute freund Albrecht Scheurl, Georg Neusegger des jungen und Johann Neundorffer zu gewin und verlust in die Gesellschaft aufgenommen wurden, wobei die Einleger nicht in der Gesellschaft mitarbeiteten.667 Bereits an der Gesellschaft des Christoph Scheurl, Vater der 1540 beteiligten Jörg und Christoph Scheurl, waren wohl unter anderem um 1480 rein Kapital anlegende Gesellschafter beteiligt.668 In einem anderen Fall gründeten Hans Imland, Vinzenz Mays und Heinrich Waibel 1497 in Nürnberg eine Handelsgesellschaft, deren Geschäfte Mays und Waibel führen sollten. Imland beteiligte sich als Gesellschafter nur mit Kapital.669 Einen Wechsel von einem geschäftsführenden zu einem nicht geschäftsführenden Gesellschafter erfuhr im Jahr 1475 Anton Tucher. Aufgrund seiner übernommenen Tätigkeit als Vorderster Losunger Nürnbergs, die mit der Arbeit als Kaufmann nicht vereinbar war, konnte er nicht länger Geschäftsführer der Handelsgesellschaft der Tucher bleiben.670 Ähnlich verlief die Karriere seines Sohnes Linhart Tucher, der im Jahr 1544 Vorderster Losunger wurde.671 In der Handelsgesellschaft der Tucher dürften regelmäßig auch noch weitere Einlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter auf Gewinn und Verlust vorhanden gewesen sein.672 Gut dokumentiert ist auch, dass der Bildhauer Veit Stoß bei Jacob Boner einen Betrag von 1.000 fl. investierte. Diese Summe erhielt er im Jahr 1500 samt einem Gewinn von 265 fl. wieder zurück und investierte dieses Vermögen sogleich in die Gesellschaft des Hans Starzedel und des Fritz und 666 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 21 [22]; vgl. Bartels, Drogenhandel, S. 76. 667 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 116 [121 f.]. 668 v. Scheurl, Christoph Scheurl, in: MVGN, Bd. 5 (1884), S. 13 [15]. 669 Siehe Regest einer RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 16, S. 212– 214 (Nr. 6920). 670 Grote, Die Tucher, S. 48; vgl. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 147. 671 Grote, Die Tucher, S. 53. 672 Grote, Die Tucher, S. 30.
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des Otto Rußwurm.673 Mit dieser Anlage hatte er jedoch keinen Erfolg, da die Gesellschaft kurze Zeit später in die Pleite geriet und der bankrotte Starzedel vor seinen Gläubigern aus Nürnberg flüchtete und Stoß nur den kleinen Betrag von 144 fl. aus dem Vermögen der Gesellschaft zurückerhielt.674 Bei dieser Investition ist jedoch wohl nicht von einer Einlage zu Gewinn und Verlust, sondern von einer Depositeinlage auszugehen. So war in der Schuldverpflichtung des Starzedel bestimmt, dass Stoß oder seine Erben die Einlage on alle Ir cosst oder scheden zurückerhalten sollten. Der Einlage sollten also keine Verluste angerechnet werden. Obgleich ein Zinssatz dagegen nicht erwähnt wurde, spricht auch die kurze Laufzeit von einem Jahr für eine Depositeinlage. In einem anderen viel späteren Fall wurde in den Gesellschaftsvertrag des Martin Peller und des Bartholomäus Viatis des älteren im Jahr 1609 Bartholomäus Viatis der jüngere aufgenommen. Dessen Position glich laut Kischka „der eines Kommanditisten oder der eines typischen stillen Gesellschafters in Form einer bloßen Beteiligung an Gewinn und Verlust“,675 was aber fraglich erscheint. Wie aus dem Gesellschaftsvertrag hervorging, sollte Bartholomäus Viatis der jüngere seinen altersschwachen Vater, Bartholomäus Viatis den älteren, in der Geschäftsführung unterstützen. So stelt Herr Viatis [der ältere] seinen lieben Sohn Bartholome Viatis den Jungern neben ime in die Handlung […]. Er soll neben allem Gehorsam der Handlung beiwohnen und abwarten.676 Das heißt, er sollte keine eigene Handlungsvollmacht besitzen und eigenständig keine Geschäfte abschließen, sondern nur untergeordnete Hilfstätigkeiten ausführen.677 Dem Sohn sollte dafür der Gewinn aus einem Betrag von 10.000 fl. zustehen, den ihm der Vater aus seiner Gesellschaftseinlage schuldete. Für den Fall, dass sich Viatis der jüngere tatkräftig für das Unternehmen einsetzte, stellte der Vater weitere Gewinnbeteiligungen aus seinem Kapital in Aussicht. Auch durfte der Sohn seinen Lebensunterhalt aus dem Gesellschaftsvermögen bestreiten. Bartholomäus Viatis der Jüngere nahm damit den Status eines Angestellten der Gesellschaft ein, um die Al673 Schuldverpflichtung des Hans Starzedel im Namen der Gesellschaft vom 25.05.1500 in Höhe von 1.265 fl., die dem Veit Stoß in einem Jahr zurückzuzahlen waren, in: Loßnitzer, Veit Stoß, Anhang, S. XXV f.; Loßnitzer, Veit Stoß, S. 94. 674 Loßnitzer, Veit Stoß, S. 94; v. Scheurl, Veit Stoßs Urkundenfälschung, in: MVGN, Bd. 9 (1892), S. 218 [219]. 675 Kischka; Ausscheiden eines Gesellschafters; S. 53. Schultheiß sah in Bartholomäus Viatis dem jüngeren einen stillen Gesellschafter heutigen Rechts. Schultheiß, Gesellschaft Viatis und Peller, in: Scripta Mercaturae 1968, 1, S. 1 [7]. 676 Regelung im Peller-Viatis-Gesellschaftsvertrag vom 09.02.1609, in: Schultheiß, Gesellschaft Viatis und Peller, in: Scripta Mercaturae 1968, 1, S. 1 [12 [18 f.]]. 677 Schultheiß, Gesellschaft Viatis und Peller, in: Scripta Mercaturae 1968, 1, S. 1 [7].
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tersschwäche des Vaters auszugleichen, wobei die Gewinnansprüche aus der Einlage als Entlohnung fungierten. Er kann nicht als „nicht geschäftsführender“ Gesellschafter bezeichnet werden. Da im Gesellschaftsvertrag zudem keine Rede davon war, dass er neben seinen Gewinnansprüchen auch an Verlusten teilhaben sollte, ist die Beteiligung Bartholomäus Viatis des jüngeren in Höhe von 10.000 fl. im Übrigen als gewinntragendes depositum zu verstehen. Eine Einlage zu Gewinn und Verlust verbundenen mit einem Gesellschafterstatus lag nicht vor. Bartholomäus Viatis der jüngere unterzeichnete zwar den Gesellschaftsvertrag mit, was auf eine Gesellschaftereigenschaft hindeuten könnte. Er unterschrieb aber allein deswegen, um sich bezüglich der anderen im Vertrag enthaltenen Punkte, die ihn betrafen, zu verpflichten, wie zur Mitarbeit im Unternehmen.678 b) Produktionsgesellschaften Neben Gesellschaften, die vorrangig Handel trieben, nahmen auch hauptsächlich produzierende Unternehmen bloße Kapitalanleger als Gesellschafter auf. Dies kam jedoch weitaus seltener vor als in Handelsgesellschaften, da Produktionsbetriebe, die für gewöhnlich dem Handwerk entstammten, kleiner waren und nicht solcher großen Kapitalmengen bedurften, wie die gewaltigen Gesellschaften, die auf den Fernhandel ausgerichtet waren. Trotzdem existierten auch größere Handwerksunternehmen, die nicht zuletzt durch Betriebszusammenschlüsse entstanden waren. Diese Gesellschaften nahmen wie Handelsunternehmen solche Gesellschafter auf, die Kapital nur zu Gewinn und Verlust einlegten. Nürnberger, für die das Privileg von 1464 mit seiner Haftungsbeschränkung galt, beteiligten sich als nicht geschäftsführende Gesellschafter im produzierenden Sektor insbesondere an großen Hüttenwerken und anderen Metall verarbeitenden Betrieben, die ihren Kapitalbedarf nicht nur über Depositeinlagen, sondern auch über Einlagen nicht mitarbeitender Gesellschafter und Untergesellschafter decken mussten. Zum Beispiel investierte der Nürnberger Sigmund Fürer der ältere im Jahr 1497 als nicht geschäftsführender Gesellschafter die Summe von 8.000 fl. in die Saigerhandelsgesellschaft zu Gräfenthal, die zu dieser Zeit von seinem gleichnamigen Sohn Sigmund Fürer dem jüngeren und Moritz Bucher betrieben wurde. Er verlangte dafür eine jährliche Gewinnzahlung, verpflichtete sich aber auch dazu, für die Einlage, die ihn allein betraf, verlustes gewertig zu sein.679 Das heißt, er investierte sein Vermögen auf Gewinn 678 Regelung im Peller-Viatis-Gesellschaftsvertrag vom 09.02.1609, in: Schultheiß, Gesellschaft Viatis und Peller, in: Scripta Mercaturae 1968, 1, S. 1 [12 [18 f.]]. 679 Eintrag vom 02.09.1497 im Geheimbuch des Geschlechts Fürer zu Haimendorf, Fol. 304v, in: Historische Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt, Urkundenbuch, S. 8.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
und Verlust. Auch rund 100 Jahre später enthielt die Gräfenthaler Gesellschaft gemäß ihrem Vertrag von 1604 neben Depositeinlagen auch Gesellschafter nur zu Gewinn und Verlust, wie Jakob und Maria Imhof.680 In einem anderen Beispielfall vereinbarten die Nürnberger Konrad Lindner und Heinrich Voit im April 1497, in gemeinsamer Gesellschaft ein Hammerwerk bei Neuhaus an der Pegnitz zu betreiben. Der Hammer stand im Eigentum des Konrad Lindner, der maßgeblich die Geschäfte und die Geschäftsunterlagen führte, sodass Heinrich Voit als nur Kapital gebender Gesellschafter fungierte.681 Die Gesellschafter der Steinacher Hütte nahmen im Jahr 1551 Jürge Hoffmann mit einem Betrag von 2.000 fl. für drei Jahre zu 10 Prozent auf.682 Wegen fehlender Quellenangaben erscheint aber nicht ganz sicher, ob die Einlage als Gesellschafter oder nur als Depositeinleger verstanden wurde. Der im Vorhinein festgesetzte Zins spricht eher für ein depositum, die lange Einlagezeit für eine Einlage als nicht geschäftsführender Gesellschafter. Kammerer sah hier eine Einlage als Gesellschafter.683 In einem anderen Fall erwähnte der Arnstädter Gesellschaftsvertrag von 1532 andere unsere geselschafter, so auch gelt in dieser unser geselschafft zu gewin und verlust haben ligen, […].684 Weitere Eigenschaften der frembden geselschaffter umfasste gemäß dem Vertrag, dass diese keine alten Schulden tragen sollten und ihnen kein Beschwerderecht gegenüber der Geschäftsführung der Hauptgesellschafter zustand.685 Mangels weiterer Angaben ist auch hier nicht sicher zu sagen, ob Kapital anlegende Gesellschafter mit einer „eingeschränkten Rechtsstellung“, wie Kammerer annahm,686 oder lediglich 680 Westermann, Die Nürnberger Welser, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 240 [254]. 681 Regest einer RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 15, S. 400 f. (Nr. 6539). 682 Verpflichtungserklärung der Steinacher Geschäftsführer vom 11.10.1551, in: Historische Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt, Urkundenbuch, S. 322 f. 683 Kammerer, Unternehmensrecht, S. 241. 684 Regelung im Gesellschaftsvertrag zwischen den Nürnbergern Sigmund und Christof Fürer, Albrecht Letscher, Wilhelm Schlüsselfelder und Veit Wolkenstein über den Betrieb der Schmelz- und Saigerhütte Arnstadt vom 01.04.1532, in: Kammerer, Unternehmensrecht, Urkundenanhang, S. 1 [1]; vgl. auch die betreffenden Regelungen im Gesellschaftsvertrag über die Arnstädter Hütte zwischen Graf Hoyer und Graf Philipp von Mansfeld, Sigmund Fürer, Albrecht Letscher, Wilhelm Schlüsselfelder und Veit Wolkenstein vom 12.03.1537, in: Kammerer, Unternehmensrecht, Urkundenanhang, S. 19 [23 f., 26]. 685 Regelung im Gesellschaftsvertrag der Arnstädter Gesellschaft vom 01.04.1532, in: Kammerer, Unternehmensrecht, Urkundenanhang, S. 1 [4]; siehe auch, Historische Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt, Urkundenbuch, S. 167 f. 686 Kammerer, Unternehmensrecht, S. 241.
VI. Anwendung der normierten Haftungsbeschränkung in Nürnberg 301
Unterbeteiligte687 gemeint waren. Für eine Gesellschaftereigenschaft spricht, dass über die Betreffenden gesagt wurde, dass sie Geld in der Gesellschaft als Ganzes liegen haben. Ein zwischengeschalteter Hauptgesellschafter, an den ein Unterbeteiligter hätte angeschlossen werden können, wurde dabei nicht genannt. Auch wurden die „anderen Gesellschafter“ nicht zuletzt in den Regelungen für den Todesfall eines Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag von 1537 in einem Atemzug unmittelbar nach den Geschäftsführern genannt. Zudem wurden auch Vorschriften erwähnt, die sich mit dem Vererben von deren Anteilen beschäftigten.688 Insgesamt deutet daher alles auf gewöhnliche Gesellschafter hin. Ebenfalls nicht geschäftsführende Gesellschafter enthielt der Gesellschaftsvertrag, den die Nürnberger Hans Tetzel, der Geschäftsführer und Betreiber des Unternehmens sein sollte, und Jobst Tetzel, dessen Bruder und Vertreter in der Heimatstadt Nürnberg, mit Gabriel Tetzel, Andreas Ginger, Balthasar Rummel und Lazarus Nürnberger im Jahr 1546 über den Betrieb eines Kupferhüttenwerks bei Santiago de Cuba schlossen. Die letztgenannten Gesellschafter sollten danach nicht zur Geschäftsführung und nicht einmal zur Einforderung von Geschäftsberichten berechtigt sein.689 Die Unterbeteiligung Die Nürnberger Beteiligungsform von 1464 stellte in den Bergwerksgesellschaften eine Ausnahmeerscheinung dar. Diese Unternehmen, insbesondere die Saigerhandelsgesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts, gebrauchten stattdessen vornehmlich die Unterbeteiligungsgesellschaft. Dahinter verbarg sich ein heute noch gebräuchliches Beteiligungsmodell, das schon über einen ähnlichen Vorläufer im römischen Recht verfügt hatte, in dem sich ein Kapitalanleger anstatt an der ganzen Gesellschaft nur an dem Anteil eines Gesellschafters beteiligte. Der Anleger übergab einem Gesellschafter Vermögen, trat innerhalb oder außerhalb der Gesellschaft nicht in Erscheinung und wurde nur am gesellschaftlichen Gewinn und Verlust beteiligt.690 Der jeweilige Hauptgesellschafter hatte den Untergesellschafter dabei an Gewinn und Verlust, die auf seinen Anteil entfielen, zu beteiligen.691 Das Anlagerisiko bestand, wie in der Kapitalanlage nach dem Nürn687 Siehe
zur Unterbeteiligung, S. 301. im Gesellschaftsvertrag der Arnstädter Gesellschaft vom 12.03.1537, in: Kammerer, Unternehmensrecht, Urkundenanhang, S. 19 [23 f.]. 689 Werner, Das Kupferhüttenwerk des Hans Tetzel, in: VSWG, Bd. 48 (1961), S. 289 [317–319]. 690 Schimke, Unterbeteiligungsgesellschaft, S. 19, 38; Silberschmidt, Beteiligung und Teilhaberschaft, S. 86. 691 Möllenberg, Die Eroberung des Weltmarkts, S. 28. 688 Regelung
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
berger Privileg, darin, dass der Einlagebetrag verloren gehen konnte. Die Konstruktion der Unterbeteiligung ist im Unterschied zur Kapitalanlage aus dem Privileg mit der heutigen stillen Gesellschaft aus §§ 230 ff. BGB und der früheren commenda vergleichbar, wobei der Anleger nur im Innenverhältnis gegenüber dem jeweiligen geschäftsführenden Gesellschafter, bei dem er Geld anlegte, nicht aber als Gesellschafter auftrat. Es besteht in dieser Beteiligungsform anders als in der Vermögensanlage eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters keine Gesellschaft, sondern nur ein einzelnes Rechtsgeschäft zwischen Unterbeteiligtem und dem Gesellschafter, der die Einlage empfangen hatte.692 In Abgrenzung zur Beteiligungsform nach dem Nürnberger Privileg bezeichnete Clemens Bauer die Unterbeteiligung folgerichtig als „indirekte“ Beteiligung.693 Zum Beispiel hatten Konrad Drat zieher und seine Frau Helena, geborene Letscher, bei einem Gesellschafter der Arnstädter Saigergesellschaft, Albrecht Letscher, der Helena Drahtziehers Bruder war, einen Betrag von 2.000 fl. auf Gewinn und Verlust angelegt, von denen sie laut Beleg vom 30.06.1522 die Summe von 500 fl. zurückerhielten.694 Außerhalb der Bergbaugesellschaften kamen Unterbeteiligungen in anderen Gesellschaften wie im Handel nur sehr selten vor oder waren in der jeweiligen Gesellschaft sogar ganz ausgeschlossen,695 wie ausdrücklich im Vertrag der Antwerpener Pruner-Rietwieser-Gesellschaft bestimmt war.696 Unterbeteiligungen waren bei den Geschäftsführern aller Arten von Gesellschaften nicht beliebt, da man Mitspracheansprüche der Unterbeteiligten und eine Überfremdung der Gesellschaften befürchtete. Auch fürchtete man 692 Das zeigt das Beispiel des Frankfurters Niklaus Bromm, der 1549 bei zwei Gesellschaftern der Steinacher Gesellschaft, Christoph und Michel Meyenburg, 2000 fl. auf drei Jahre einlegte und dafür, je nach Wirtschaftslage der Gesellschaft, sieben oder acht Prozent Zinsen erhalten sollte. Die Gesellschafter nahmen das Geld in unsern handel zur Steynach zu unserm teil […] und stellten auf der Rückseite der Vereinbarung mit Bromm vom 11.04.1549 noch einmal Folgendes klar. Diese verschreibung 2000 fl. betrifft mich [Meyenburg] und Moshauern alleine. Vereinbarung, in: Historische Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt, Urkundenbuch, S. 299; Schimke, Unterbeteiligungsgesellschaft, S. 19, 60, 63. 693 Bauer, Unternehmensformen, S. 158; diese Bezeichnung verwendete auch Schmied, in: Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 65. 694 Beleg vom 30.06.1522, in: Historische Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt, Urkundenbuch, S. 15 f. 695 Bauer, Unternehmensformen, S. 159; Schimke, Unterbeteiligungsgesellschaft, S. 47 f., 50, 59. 696 Es sol auch ainer allein von vnß peyden nit macht haben, gelt von anderen leutten in diessem vunnseren handel zw legen, anzwnemen, […]. Regelung im Pruner-Rietwieser-Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 49 [51].
VI. Anwendung der normierten Haftungsbeschränkung in Nürnberg 303
Streitigkeiten über die Gewinn- und Verlustverteilung und Gefahren für die Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen, die von Unterbeteiligten weitergetragen werden könnten.697 In den Handelsgesellschaften stammte das Gesellschaftskapital daher aus den Einlagen geschäftsführender und nicht geschäftsführender Gesellschafter. Fremdes Geld wurde höchstens über fest verzinste Depositeinlagen beschafft.698 Auch in der Bergbaubranche setzten sich solche Ansichten bald durch und Unterbeteiligungen wurden auch hier verboten, wie zum Beispiel konkret im Mansfelder Revier.699 Die Bergwerksgesellschaften beschafften sich nun, wie alle anderen Gesellschaften aus der Produktions-, Handels- und Bankenbranche, Kapital lieber über Depositeinlagen und Geldeinlagen der Gesellschafter,700 wobei Depositeinlagen meist bevorzugt wurden.701 Die Einlage eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters war gegenüber der Unterbeteiligung darin bevorteilt, dass der Betrag statt an einen einzelnen Gesellschafter an die gesamte Gesellschaft gezahlt wurde, wobei alle Geschäftsführer gemeinsam über die Annahme eines Kapitalanlegers entscheiden konnten und den Beschluss in der Folge auch mittrugen. Das brachte dieser Form der Kapitalanlage eine höhere Akzeptanz ein als der Unterbeteiligung, die nur ein einzelner Gesellschafter für sich selbst annahm.702
697 Schimke, Unterbeteiligungsgesellschaft, S. 50 f.; Bauer, Unternehmensformen, S. 156 f. 698 Schimke, Unterbeteiligungsgesellschaft, S. 47–50; 51 f. 699 Die Welser verboten im August 1529 den Gesellschaftern ihrer Bergbaugesellschaft, Unterbeteiligte aufzunehmen. Auszug des Beschlusses, in: Bauer, Unternehmensformen, S. 157; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 156 f., 159. Auch die meisten anderen Hüttengesellschaften im Mansfelder Revier erlaubten ab den 1530er Jahren nur eigenes Einlagekapital der Gesellschafter. Bauer, Unternehmensformen, S. 156 f., 159; zum Beispiel die Gesellschaft der Hütte Arnstadt beschloss 1538, alle unterbeteiligten Kapitalanleger los zu werden. Möllenberg, Die Eroberung des Weltmarkts, S. 18 f.; nach dem Luderstädter Saigerhüttenvertrag zwischen Heinrich Scherl, Heironymus Lotter, Hans Reinicke und Wilhelm Reiffenstein vom 27.02.1536 durfte eingelegtes Geld nicht dem Vermögen eines Gesellschaftsanteils zugerechnet werden. Es konnte demzufolge aber als Depositeinlage der ganzen Gesellschaft angenommen werden. Unterbeteiligungen waren damit untersagt. Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Historische Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt, Urkundenbuch, S. 199 [200]. 700 Im 5. Artikel eines Vertragsentwurfs Jakob Welsers zur Gründung der Leutenberger Saigergesellschaft, legte dieser fest, dass fremdes Geld nur über verzinste Einlagen angenommen werden soll. Vertragsentwurf von 1523, in: Historische Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt, Urkundenbuch, S. 17 [18]; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 160. 701 Westermann, Die Nürnberger Welser, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 240 [242]. 702 Schimke, Unterbeteiligungsgesellschaft, S. 58.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
3. Zwischenbetrachtung Einlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter auf Gewinn und Verlust waren in einigen Nürnberger Familiengesellschaften vorhanden. Nicht zuletzt wegen der lückenhaften Überlieferung sind sie jedoch nicht besonders häufig nachweisbar, da zum Beispiel ein öffentliches Gesellschaftsregister in Nürnberg noch nicht geführt wurde. Ansatzweise gut überliefert sind nicht geschäftsführende Gesellschafter dagegen oft durch Berichte, die Streitigkeiten über die Rechnungslegung behandeln. Solche Streitigkeiten entstanden häufig, worauf auch hinweist, dass nach nahezu allen Gesellschaftsverträgen, die Regelungen über nicht geschäftsführende Gesellschafter enthielten, den nicht geschäftsführenden Gesellschaftern kein Beschwerderecht bezüglich der Abrechnung zugestanden wurde und die Abrechnung ohne Widerrede akzeptiert werden sollte.703 Nicht geschäftsführende Gesellschafter waren in Gesellschaftsverträgen vorrangig als Erben für den Fall erwähnt, dass ein Geschäftsführer verstarb. Solche Angaben über einen geerbten Gesellschafterstatus häuften sich, da ein Geschäftsführer zwangsläufig sein Erbe regeln musste. Er hatte zu bestimmen, wer für ihn einmal Gesellschafter werden würde, was alle Arten von Gesellschaften gleichermaßen betraf. Bewusste Einlagen von Investoren waren für Unternehmen dagegen nicht zwangsläufig erforderlich und wurden nur in wenigen Gesellschaftsverträgen angesprochen. Ob man nicht geschäftsführende Gesellschafter annahm, die aktiv Geld investieren wollten, hing von anderen Faktoren ab wie dem Kapitalbedarf eines Unternehmens und der Unternehmensstruktur. In Produktionsgesellschaften waren nicht geschäftsführende Gesellschafter selten anzutreffen, wobei man in Bergbaugesellschaften bei Einlagen durch Gesellschafter in erster Linie auf Unterbeteiligungsverhältnisse zurückgriff. In Handelsgesellschaften nahm man nicht geschäftsführende Teilhaber weitaus öfter auf, da die Geschäftsführer für ihre kostspieligen und ausgedehnten Handelsreisen meist mehr Kapital benötigten. Verglichen mit der relativ großen Menge der Gesellschaftsanteile, die vererbt oder als Heiratsgut vergeben wurden, nahm man bewusste Einlagen von Investoren jedoch nicht zuletzt auch deswegen verhältnismäßig selten an, da diese Investoren oft familienfremde Personen verkörperten. Man wollte externe Einleger zu Gewinn und Verlust nicht unbedingt an Gesellschaften beteiligen, die traditionell von verwandten Personen dominiert waren. Depositeinlagen erschie703 Siehe unter anderem die oben aufgeführten Regelungen in Gesellschaftsverträgen, wie dem Behaim-Geisler-Scheurl-Gesellschaftsvertrag von 1540, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 116 [117], und dem Höchstetter-Vertrag von 1524, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 39 [41 f.].
VII. Normierung und Anwendung einer Haftungsbeschränkung 305
nen aus Sicht der Geschäftsführer als Anlage beliebter, da man weiterhin alle gesellschaftlichen Belange innerhalb familiärer Bande regeln konnte und keine Fremden einbeziehen musste. Die Familie Fugger ging Anfang des 16. Jahrhunderts sogar so weit, dass sie familienfremde Gesellschafter aus ihrem Unternehmen komplett ausschloss, um die Position der Familie in der Handelsgesellschaft und das Ansehen und die Machtposition nach außen zu stärken und diesen Status langfristig zu erhalten.704 Da solche Ziele auch andere Familiengesellschaften verfolgten, gingen Einlagen zu Gewinn und Verlust im 16. Jahrhundert insgesamt stark zurück und man bevorzugte noch vermehrter Depositeinlagen. Ob Einlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter in Nürnberg bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Haftungsbeschränkung des Privilegs von 1464, die ihnen zu Gute gekommen war, zahlenmäßig angestiegen und bevorzugter genutzt worden waren oder ob sich die gesellschaftliche Praxis hier überhaupt verändert hatte, lässt sich wegen der schlechten Überlieferungssituation nicht genau sagen. Alles deutet aber darauf hin, dass kein besonderer Anstieg zu verzeichnen war. Eine höhere Zahl an Einlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter hatte man mit der Nürnberger Haftungsregelung im Gegensatz zur florentinischen accomandita ja auch nicht unbedingt beabsichtigt. Es sollten die nicht geschäftsführenden Gesellschafter, deren Anzahl sich in den Nürnberger Gesellschaften vom 15. bis ins 16. Jahrhundert wahrscheinlich stets auf einem ähnlichen Niveau hielt, lediglich vor einer unbeschränkten Haftung geschützt werden.
VII. Normierung und Anwendung einer Haftungsbeschränkung in anderen Städten Das Haftungsmodell des Nürnberger Privilegs von 1464 wurde bis zum Ende des 16. Jahrhunderts neben dem Nürnberger Stadtrecht in die Stadtrechtsreformationen Frankfurt am Mains und Lüneburgs übernommen. 1. Frankfurt am Main In der erneuer ten Reformation der Messestadt Frankfurt am Main von 1578, die der Rechts gelehrte Johann Fichard verfasst hatte,705 fand sich bezüglich der Haftung der Gesellschafter die gleiche Struktur wie in der 704 Vgl. Peterka, Gesellschaftsverträge Jakob Fuggers, in: ZHR, Bd. 73 (1913), S. 387 [394]. In der Erklärung Jakob Fuggers über den Fortbestand der Gesellschaft von 1510 wurde speziell von einer „fraterna conpagnia et societa“ gesprochen. Betreffende Passage der Erklärung Fuggers, in: Jansen, Jakob Fugger, S. 286 [286]. 705 Karg, Art. Fichard, Johann, in: HRG, Bd. 1, Sp. 1570 [1571].
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
Nürnberger Reformation von 1564. Die Nürnberger Regelungen dürften hier in weiten Teilen übernommen worden sein,706 da auch in der vorherigen Reformation von 1509 noch gar keine Handelsgesellschaften erwähnt waren,707 obgleich in Frankfurt bereits im 14. Jahrhundert einige Handelsgesellschaften wirkten, wie unter anderem die der Familie Holzhausen.708 Die Rechtsgelehrten der Reichsstädte Frankfurt und Nürnberg standen in regem Kontakt miteinander und tauschten ihre Erkenntnisse aus. Zum Beispiel hatte Frankfurt im Jahr 1477 eine Abschrift des Nürnberger Privilegs von 1459 zur Freiheit gegenüber „Westfälischen Gerichten“ und ein Jahr später eine Kopie der Nürnberger Gerichtsordnung angefordert und erhalten. Die Nürnberger ihrerseits sendeten zur Ausarbeitung ihrer Reformation von 1479 Juristen nach Frankfurt, um sich mit den dortigen Stadtjuristen über den Entwurf ihrer neuen Prozessordnung zu beraten.709 Nun ein Jahrhundert später wollte Johann Fichard, der in den Jahren 1536 und 1537 in Italien studiert hatte,710 das Frankfurter Stadtrecht modernisieren und sich dazu auf Nürnberger Vorbildregelungen stützen. Nach einem seiner Grundgedanken wollte er die Stadtrechtsreformation wohl wie in Nürnberg nach dem Vorbild des rezipierten römischen Rechts gestalten. Das Gesellschaftsrecht, das aber nicht an das römische Recht angeknüpft werden konnte,711 enthielt in der Frankfurter Reformation von 1578 in Teil 2 Titel 23 § 11 wie in der Reformation Nürnbergs nun zunächst die grundsätzliche Solidarhaftung aller Gesellschafter nach außen und deren inneren Ausgleich wegen zu viel bezahlter Beträge. Teil 2 Titel 23 § 12 der Reformation von 1578 regelte im Folgenden die beschränkte Haftung der nicht geschäftsführenden Gesellschafter.712 Solche Gesellschafter waren in 706 Coing,
Die Frankfurter Reformation von 1578, S. 5. Reformacion der Stat Franckenfort am Meine des heilge Romische Richs Camer anno 1509. 708 Lerner, Gestalten, S. 43 f. 709 Waldmann, Entstehung der Nürnberger Reformation 1479, in: MVGN, Bd. 18 (1908), S. 1 [5, 22 f.]. 710 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 157, 194. 711 Siehe S. 94. 712 Wvrde jemant ein namliche Summa Gelts / zu einer Gesellschafft / sonder Geding / vn bloßlich / zu Gewin vnd Verlust / wie es sich begeben mochte / legen / doch sonst mit dem Handel nichts zu thun haben wollen / Vnd aber sich zutruge / daß die Gesellschafft durch vngefell / oder sonst / verlust leyden / vn in schaden gerahten wurde / vnd die Schulden / von dem Hauptgut / so gemeyne Gesellschafft zusamen gelegt / nicht mochten bezahlt werden / So sol derselbig / der wie vorgemeldt / sein Gelt vnverdingt in die Gesellschafft gelegt hat / mehr nicht zu bezahle schuldig seyn / dann allein so viel / als sich nach anzahl seines zugelegten Hauptguts geburte / vn damit der vbrigen Schuldte gar entledigt / auch alle andere seine Haab vnd Guter / von meniglich vnangelangt / vnd vnbeschwart gelassen werden 707 Siehe
VII. Normierung und Anwendung einer Haftungsbeschränkung 307
der Reichsstadt Frankfurt dennoch nie in so großer Zahl wie in Nürnberg anzutreffen, da in Frankfurt auch nicht so viele große Handelsgesellschaften saßen.713 Beispielsweise gemäß eines Frankfurter Gesellschaftsvertrags von 1707 zwischen Johann Deutgen und Johann Rungius sollten die Erben eines verstorbenen Geschäftsführers in dessen Gesellschafterstellung eintreten, aber die Geschäftsführung alleine dem verbliebenen Geschäftsführer überlassen. Vielmehr sollten die Erben einen Handelsdiener beschäftigen, der an ihrer Stelle den verbliebenen geschäftsführenden Gesellschafter unterstützt.714 In einem anderen recht späten Frankfurter Fall erbte im Jahr 1746 der zu diesem Zeitpunkt noch minderjährige Dominico Antonio Brentano den Gesellschafterstatus seines Vaters in der Handelsgesellschaft der Familie Brentano.715 Die Frankfurter Regelung zur Haftungsbeschränkung aus Teil 2 Titel 23 § 12 wurde aber trotz der engen Verbindungen beider Städte und des zeitlichen Zusammenfallens erstaunlicherweise nicht aus der Nürnberger Reformation von 1564 übernommen. Vielmehr entsprach sie größtenteils wörtlich der Haftungsbeschränkung des Nürnberger Privilegs von 1464.716 Daher enthielt die Frankfurter Norm auch wieder die undeutliche Regelung des Privilegs bezüglich des Haftungsumfangs der Kapitaleinleger. Wenn die Schulden von dem Hauptgut […]“ der Gesellschaft „[…] nicht mochten bezahlt werden, so sol derselbig, der wie vorgemeldt, sein Gelt vnverdingt in die Gesellschafft gelegt hat, mehr nicht zu bezahle schuldig seyn, dann allein so viel, als sich nach anzahl seines zugelegten Hauptguts geburte. In dieser Passage könnte wie in der Privilegsregelung eine verpflichtende Zuzahlung des Kapitalanlegers bis zur Höhe seiner Einlage gesehen worden sein,717 woge-
[…]. Regelung, in: Der Statt Franckenfurt erneuwerte Reformation, S. 128 b. Coing, Die Frankfurter Reformation von 1578, S. 63, und Schmidt, Handelsgesellschaften, S. 92 f., betrachteten die Vorschrift als Regelung einer stillen Gesellschaft und nicht als kommanditistische Haftungsbeschränkung. Teil 2 Titel 23 § 12 besagt jedoch nur, dass die Einleger zu Gewinn und Verlust mit dem Handel nichts zu thun haben wollen, nicht aber, dass sie keine Gesellschafter seien. Dass sie ihr Geld unverdingt in die Gesellschaft legen, meinte, wie im Privileg, dass für die Kapitalanleger nicht die Vertragsbedingungen der Geschäftsführer gelten, sie aber grundsätzlich vom Gesellschaftsvertrag umfasst sind. 713 Matthäus, Hamman von Holzhausen, S. 30–33. 714 Regelung im Gesellschaftsvertrag von 1707, in: Amend-Traut, Brentano, Fugger und Konsorten, S. 43 [43, 47]. 715 Amend-Traut, Brüder unter sich, in: Cordes / Dauchy, Eine Grenze in Bewegung, S. 91 [94]. 716 Vgl. Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [245 f.]. 717 Vgl. Orth, Anmerckungen über der Franckfurter Reformation, S. 535 f.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
gen wieder die gleichen Argumente einzuwenden sind.718 Frankfurt übernahm seltsamerweise nicht die Regelung aus der neueren Fassung der Nürnberger Reformation von 1564, in der die Haftung eines Kapitalanlegers unmissverständlich auf den einmal gezahlten Einlagebetrag beschränkt war.719 Zwar spricht Manches dafür, dass sich hinter beiden Formulierungen der gleiche Regelungsinhalt verbarg.720 Wegen der dennoch bestehen bleibenden Unklarheiten stellt sich aber die Frage, warum Frankfurt nicht den Wortlaut der neuen Nürnberger Reformation von 1564 übernommen hatte. Möglicherweise wollte man sich lieber auf das Privileg als kaiserliche Anordnung und Primärquelle stützen und nicht nur auf eine Nürnberger Stadtrechtsquelle. Gegebenenfalls wollten die Frankfurter dadurch ausdrücken, dass sie die dem Privileg inne wohnende reichsweite Geltung nun für Frankfurt beanspruchen. Ein solcher räumlich weite Anwendungsbereich wäre durch eine Stadtrechtsreformation alleine nicht gewährleistet gewesen. Die Stadt Frankfurt war zudem nicht wie Nürnberg in einen Streit mit dem Kaiser um die Rechtssetzungskompetenz verwickelt, der die Entscheidung über die Aufnahme der kaiserlichen Privilegsregelung in die eigenen Statuten hätte beeinflussen können. Dabei war das Privileg nicht an die Stadt Frankfurt adressiert und ihr verordnet, sondern die Stadt wählte unabhängig, welcher Regelungswortlaut in die neue Stadtrechtsreformation einfließen sollte. Frankfurt musste sich nicht von Konkurrenz- und Machtstreitigkeiten mit dem Kaiser leiten lassen, die noch Nürnberg insbesondere im Fall der Reformation von 1479 wahrscheinlich maßgeblich daran gehindert hatten, die Privilegsregelung in seine Stadtrechte zu übernehmen. Speziell der Wortlaut der Regelung von 1464, der verglichen mit dem Nürnberger Wortlaut von 1564 anders ausfiel, dürfte in Frankfurt jedenfalls nicht gewollt gewesen sein. Wahrscheinlich war man sich der möglichen unterschiedlichen Deutung der beiden Regelungen gar nicht bewusst und verstand die geänderte Formulierung in der Nürnberger Reformation von 1564 nur als redaktionelle Änderung, wie sie aller Wahrscheinlichkeit nach ja auch gemeint war. Andererseits wäre gerade eine Rechtsübernahme aus der Reformation von 1564 im Gegensatz zu einem Transfer aus dem Privileg von 1464 auch aus anderen Gründen rechtlich reibungsloser verlaufen. Ein kaiserliches Privileg beschränkte sich in seinem Wirkungsbereich als Ausnahmeregelung nämlich eigentlich auf seinen Empfänger, hier also die Stadt Nürnberg. Dass die Stadt Frankfurt sich entgegen der gängigen Praxis auf die Regelung, die explizit aus dem Privileg stammte, stützen durfte, kann nur damit erklärt werden, dass diese Regelung um 1578 als Teil des 718 Siehe
S. 195. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 127 f. 720 Siehe S. 197. 719 Vgl.
VII. Normierung und Anwendung einer Haftungsbeschränkung 309
gemeinen Rechts verstanden wurde, das reichsweit jedem Gesetzgeber zur freien Verfügung stand.721 Zu der sehr wahrscheinlichen Rechtsübernahme aus Nürnberg sah Bothe einen ergänzenden oder zumindest teilweise anderen Entwicklungsweg der beschränkten Gesellschafterhaftung in Frankfurt. Er vermutete, dass die Haftungsbeschränkung für die Reformation von 1578 aus allgemeinem Frankfurter Gewohnheitsrecht übernommen worden war.722 Grundsätzlich ist das vorstellbar. Auch wenn der Wortlaut mit Sicherheit aus den Nürnberger Regelungen stammte, sagt dieser Umstand nichts über die Beweggründe und Hintergründe zu deren Übernahme und der Beschränkung der Gesellschafterhaftung aus. Bothe vermutete, dass schon vor der Normierung von 1578 einer Art von Kommanditgesellschaft in Frankfurt angewendet worden sei. Eine solche Gesellschaft sei zustande gekommen, indem ein beauftragter Kaufmann als Handelsdiener für eine Handelsgesellschaft tätig gewesen sei. Dabei sei es üblich gewesen, dass der Handelsdiener selbst eine Einlage in die Gesellschaft einbrachte. Der Diener habe dabei auf die Höhe der Einlage beschränkt zu haften gehabt.723 Tatsächlich sind aus einzelnen Frankfurter Beispielverträgen724 solche Gesellschaftsformen abzulesen, obgleich zu beachten ist, dass der beschränkt haftende Gesellschafter anders als ein bloßer Kapitalanleger hier ein handelnder Faktor war. Insbesondere in einem Gesellschaftsvertrag von 1502 zwischen Hans Bromm, dem älteren, Hans Bromm, dem jüngeren, und dem Handelsdiener Friderich Heyde wurde dem Diener zugestanden, eigenes Geld in die Gesellschaft einzulegen. Weiter hieß es wörtlich, „Derselbe gewyne oder verlust, so uß synem ingelachten gelde entstunde, […] sal ime Friederiche alleyne zugerechent werden.“.725 Daraus ist zu lesen, dass Heydes Zahlungen für Verluste mit der Höhe seiner Einlage zusammenhingen, die als Fürlegung zu sehen war. Ob die Haftung dabei prozentual oder in der Höhe beschränkt war, bleibt aber uneindeutig. Möglicher erscheint eine prozentuale Beschränkung, da anscheinend alle aus der Einlage entstandenen Verluste dem Anleger zugerechnet werden sollten und eine Beschränkung in der wertmäßigen Höhe nicht bestand. Daher kann die eindeutige Beschränkung der Haftung auf die geleistete Einlage aus der Reforma tion von 1578 auch nicht auf dieser Form einer Haftungsbeschränkung beru721 Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [246]. 722 Bothe, Frankfurter Patriziervermögen, S. 6. 723 Bothe, Frankfurter Patriziervermögen, S. 3 f. 724 Gesellschaftsvertrag der Familien Stalburg und von Botzheim von 1558, in: Kriegk, Bürgerthum im Mittelalter, S. 451–453; Gesellschaftsvertrag der Familie Bromm von 1502, in: Kriegk, Bürgerthum im Mittelalter, S. 446–451. 725 Betreffende Passage des Vertrags der Familie Bromm von 1502, in: Kriegk, Bürgerthum im Mittelalter, S. 448.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
hen. Zudem lagen der Haftungsbeschränkung der Familie Bromm andere Beweggründe zugrunde als der Haftungsbeschränkung des Nürnberger Privilegs, das nicht nur bezüglich seines Wortlauts das Vorbild der Frankfurter Normierung darstellte. Hauptsächlich wollten die Gesellschafter ihren Handlungsdiener an der Gesellschaft beteiligen, um sich seiner sorgfältigen Geschäftsführung zu versichern. Das zeigte sich im Gesellschaftsvertrag zwischen Mitgliedern der Familien Stalburg und Bromm mit dem Handelsdiener Johann Rauchfaß von 1476. Dem Diener wurde nur für die Zeit seiner Tätigkeit ein Gesellschaftsanteil als Fürlegung aus dem Vermögen der Gesellschafter zugeteilt, wovon er die Dividende erhielt.726 Da die gewohnheitsrechtliche Haftungsbeschränkung in Frankfurt also nicht nur bezogen auf die wörtliche Formulierung auf abweichenden Beweggründen beruhte und auch inhaltlich anders ausgestaltet war als die Privilegsregelung, musste die Reformation von 1578 unabhängig von dem in Frankfurt herrschenden Gewohnheitsrecht verfasst worden sein. Vielmehr könnte das Gewohnheitsrecht andererseits selbst durch das Nürnberger Privileg beeinflusst worden sein. Dass die Frankfurter Normierung zu den Handelsgesellschaften aus dem Nürnberger Privileg sowie der Nürnberger Reformation von 1479 übernommen worden war, zeigt sich auch an den ähnlichen Beweggründen, die bezüglich Wirtschaft, politischen Interessen, Bürgertum und Rechtsleben auf gut vergleichbaren Hintergrundsituationen in den beiden freien Reichsstädten beruhten.727 Wie schon in Florenz und anderen Städten benötigten einige expandierende Unternehmen in Frankfurt im 15. Jahrhundert zusätzliche Gesellschaftseinlagen.728 Das betraf in Frankfurt besonders das wachsende Wechselgewerbe, das der Stadtrat zu Beginn des 15. Jahrhunderts in einer Monopolstellung mit eigenen Banken beherrschte. Bei diesen und anderen späteren privaten Banken konnte Kapital in unterschiedlicher Weise angelegt werden.729 So hatte der Nürnberger Hans Imhof IV. in den Jahren 1487 bis 1489 als nicht geschäftsführender Investor Vermögen in einer Frankfurter Gesellschaft, die sich mit dem Handel von Wechseln auf Venedig beschäftigte, zu Gewinn und Verlust liegen. Er dürfte dabei einen Status als Gesellschafter inne gehabt haben.730 Die konkrete Hauptmotivation für die Beschränkung der Haftung in den städtischen Statuten dürfte in Frankfurt, wie schon in Nürnberg und Florenz, 726 Gesellschaftsvertrag der Familien Stalburg und Bromm von 1476, in: Kriegk, Bürgerthum im Mittelalter, S. 439–442. 727 Waldmann, Entstehung der Nürnberger Reformation 1479, in: MVGN, Bd. 18 (1908), S. 1 [22]. 728 Matthäus, Hamman von Holzhausen, S. 30–32. 729 Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 608–615. 730 Jahnel, Die Imhoff, S. 126.
VII. Normierung und Anwendung einer Haftungsbeschränkung 311
in unzureichenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen zu finden gewesen sein. Diese Regelungslücken kamen in einem speziellen Bankrottfall zum Vorschein. Die Stadt Frankfurt selbst verlor durch den Bankrott der Mansfelder Saigerhandelsgesellschaft „Hütte Steinach“, an der sie durch die Frankfurter Ratsherren Claus Stahlberg, Johann von Glauberg, Claus Bromm und Hans Gedern als Strohmänner beteiligt war,731 eine Einlage in Höhe von 150.000 Gulden, die erfolglos zurückgefordert worden war.732 Der zuvor auch schon als nicht geschäftsführender Investor an der Hütte beteiligte Claus Bromm hatte den Ratsherren die Investition in das Kupfer fördernde Unternehmen offeriert und geraten. Bereits im zweiten Jahr, nachdem die Stadt das Vermögen im Jahr 1554 eingelegt hatte, zeichnete sich aber der baldige Konkurs der Steinacher Gesellschaft ab. Der Verlust der hohen Einlage, die außerdem teils nur geliehen war, vergrößerte den ohnehin schon hohen Schuldenberg der Stadt bis zu einem drohenden Bankrott, wobei Frankfurt sich wegen der Verluste an die Familie Bromm wendete und einen langjährigen Rechtsstreit gegen sie führte.733 Die Haftungsregelung griff die Stadt dabei aber nicht an. Die Stadt Frankfurt hatte nur ihre investierte Einlage verloren, wurde aber nicht für weitere Gesellschaftsschulden haftbar gemacht. Das spricht zwar zunächst dagegen, dass dieser Bankrottfall als Motivationsgrund zur Einführung einer beschränkten Gesellschafterhaftung gedient hatte. In der Pleite der Steinacher Gesellschaft könnte aber trotz einer fehlenden Normierung bereits als Gewohnheitsrecht das Nürnberger Haftungsmodell angewendet worden sein, da die Stadt nicht mehr als ihre Einlage verlor. Nach der Verpflichtungserklärung der vier Frankfurter Ratsherren wollten diese bezüglich Schäden, das heißt, Schulden der Gesellschaft, nach anzal unser heubtguter ungesundert gewertig sein,734 also beschränkt auf die Einlage mithaften. Darin findet sich die gleiche Formulierung wie im Nürnberger Privileg von 1464 und der späteren Frankfurter Reformation, sodass die hier schon privatschriftlich vorliegende Formulierung in die Stadtrechte übernommen worden sein könnte. Ob die vier 731 Gesellschaftsverpflichtung der vier Ratsherren aus dem September 1554, in: Historische Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt, Urkundenbuch, S. 368 f. Die Stadt Frankfurt beteiligte sich nur im Geheimen durch die Strohmänner an der Gesellschaft, da die Investition als Akt einer spekulativen Finanzpolitik nicht in die Öffentlichkeit getragen werden sollte. Möllenberg, Die Eroberung des Weltmarkts, S. 109. 732 Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, Bd. 1, S. 300, 304. 733 Bothe, Frankfurter Patriziervermögen, S. 57–62; Kammerer, Unternehmensrecht, S. 142 f.; Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, Bd. 1, S. 305; vgl. Riemer, Frankfurt und Hamburg vor dem RKG, S. 154 f. 734 Gesellschaftsverpflichtung der vier Ratsherren aus dem September 1554, in: Historische Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt, Urkundenbuch, S. 368 f.
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Frankfurter Gesellschafter im Sinne des Privilegs aber tatsächlich nicht in der Gesellschaft mitarbeiteten, wird aus dem Gesellschaftsvertrag nicht ganz klar. So sollten die übrigen Gesellschafter, die Erben des Hans Reinicken und des Wilhelm Reiffenstein, Cristoff Moshauer, Michel Meyenburg und Thomas Begman und deren Verwandte, von ihnen jährlich 500 fl. dafür erhalten, dass sie die hutten mid inen brauchn, was für eine Mitarbeit spräche. Andererseits wurden diese anderen Gesellschafter als „principalgeseltschafter“ bezeichnet, sodass die Frankfurter, auch wenn sie entgegen den Bestimmungen des Privilegs und der späteren Frankfurter Reformation für beschränkt haftende Gesellschafter in der Gesellschaft mitgearbeitet haben sollten, in jedem Fall diesen Hauptgeschäftsführern untergeordnet waren.735 Diese Unterordnung ist aber entgegen der Vermutung von Dietz nicht so zu verstehen, dass „die Frankfurter in den Metallhandel der Steinacher Hüttenwerke als unterbeteiligte Gesellschafter auf 12 Jahre aufgenommen wurden“.736 als Unterbeteiligungsverhältnis zu sehen. In dem Vertrag sollte nämlich lediglich klargestellt werden, dass die principalgeseltschafter und nicht die Frankfurter Gesellschafter die Unternehmensleitung darstellten. Die Frankfurter Reformation von 1578 regelte in Teil 2 Titel 23 § 12 letztlich jedenfalls die beschränkte Haftung nur für nicht geschäftsführende Gesellschafter.737 Sieht man von der Unsicherheit über die Mitarbeit der Frankfurter Gesellschafter in der Steinacher Hütte ab, waren in diesem Bankrottfall die hohe Relevanz der beschränkten Haftung und die Erforderlichkeit ihrer generellen Normierung hervorgetreten. Im Rahmen einer generellen Regelung konnte die Wirkung der beschränkten Haftung rechtswirksamer gewährleistet werden als durch einen privaten Vertrag, wobei eine vereinbarte Haftungsbeschränkung in Frankfurt schon gewohnheitsrechtliche Wirkung entfaltet haben könnte, wie zumindest der Bankrottfall der Hütte Steinach zeigte. Daher kann die Pleite dieser Hüttengesellschaft als ein Grund zur Normierung der beschränkten Haftung in Frankfurt angesehen werden. Im Rahmen der Reformation von 1611 wurde das Frankfurter Stadtrecht zum letzten Mal komplett neu gefasst. Es galt nun so lange bis Frankfurt seinen Status als Reichsstadt verlor. Bis dahin folgten nur Änderungen in Form von ergänzenden Gesetzen und Verordnungen.738 Die Vorschrift zur beschränkten Haftung verblieb nach der Reformation von 1611 weiter in 735 Gesellschaftsverpflichtung der vier Ratsherren aus dem September 1554, in: Historische Kommission der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt, Urkundenbuch, S. 368 f. 736 Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, Bd. 1, S. 298. 737 Regelung, in: Der Statt Franckenfurt erneuwerte Reformation, S. 128 b. 738 Bender, Handbuch des Frankfurter Privatrechts, S. 9–12.
VII. Normierung und Anwendung einer Haftungsbeschränkung 313
Teil 2 Titel 23 § 12 und lautete bis auf geringfügige sprachliche Veränderungen stets gleich.739 2. Lüneburg In der Hansestadt Lüneburg arbeitete der Stadtsyndikus Heinrich Husanus in der Zeit von 1577 bis 1583 eine neue Stadtrechtsreformation aus.740 Unsicher waren frühere Rechtshistoriker bezüglich der Lüneburger Reformation, ob diese nach deren Ausarbeitung überhaupt bekannt gegeben wurde und galt.741 Es steht aber mittlerweile fest, dass die fertig gestellten Teile der Reformation jeweils nach und nach publiziert beziehungsweise in anderer Form bekannt gegeben wurden, sodass bis zum Ende des 16. Jahrhunderts der größte Teil der geplanten Normierung, der das Gesellschaftsrecht einschloss, galt und angewendet wurde. Gedruckt wurden alle fertig gestellten Teile später ebenfalls.742 Der Wortlaut der Reformation orientierte sich hauptsächlich, auch bezüglich der Systematik, an der Frankfurter Reformation von 1578 und teilweise an den kursächsischen Konstitutionen von 1472.743 So ist die Gesellschaft in der Frankfurter wie auch in der Lüneburger Reformation in Teil 2 unter Titel 23 geregelt, hier unter der Überschrift „Von Marschkopien oder Gesellschaften“.744 Die enge Verwandtschaft der beiden Regelungen beruht nicht zuletzt darauf, dass Husanus den Verfasser der Frankfurter Reforma tion von 1578, Johann Fichard, persönlich kannte.745 Schon seit dem 14. Jahrhundert bestanden zudem Handelsverbindungen von Lüneburg nach Frankfurt wie auch nach Nürnberg.746 Insbesondere aus dem Gesellschaftsrecht wurde vieles aus den Frankfurter Regelungen in die Lüneburger Reformation übernommen. In dem Abschnitt über die Haftungsbeschränkung fand sich aber nicht wörtlich die umständliche Formulierung aus dem Privileg von 1464 und der Frankfurter Reformation von 1578, die wörtlich so verstanden werden könnte, dass der 739 Regelung, in: Souchay, Anmerkungen zur Reformation der Stadt Frankfurt, Bd. 1, S. 500 f. 740 Rabe, Lüneburger Stadtrechtsreformation, S. 1 f., 7. 741 Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 128. 742 Rabe, Lüneburger Stadtrechtsreformation, S. 15–18; Holzborn, Gesetzespublikation, S. 62. 743 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 192. 744 Regelung, in: Pufendorf, Observationes Juris Universi, Bd. 4, Appendix, S. 697 f. 745 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 192. 746 Witthöft, Das Kaufhaus in Lüneburg, S. 14 f., 77 f.
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beschränkt haftende Gesellschafter bei aufgebrauchtem Gesellschaftsvermögen noch einmal einen Betrag in Höhe seiner Einlage zur Schuldentilgung zu zahlen hätte.747 Für die Lüneburger Reformation griff Husanus zusätzlich zurück auf Titel 18, Gesetz 4, Abs. 2 der Nürnberger Reformation von 1564.748 Er erreichte dabei letztlich eine deutlichere und kürze Regelung zur Beschränkung der Haftung auf die Einlage als in Frankfurt. Die Lüneburger Norm besagte nämlich, dass ein nicht geschäftsführender Gesellschafter nicht schuldig sei, wenn die Marschkopey in Schulden gerath, mehr zu bezahlen, denn sich nach Anzahl seines zugelegten Haupt-Geldes gebühret. Es war nicht wie im Privileg und der Frankfurter Reformation davon die Rede, dass in einem betreffenden Fall das Gesellschaftskapital mit allen Einlagen bereits zur Schuldentilgung verbraucht sein musste. Trotzdem könnte auch diese Regelung noch so verstanden werden, dass der Kapitalanleger noch einmal etwas zu bezahlen gehabt hätte. Die Zahlung wäre nicht höher ausgefallen als nach Anzahl seines zugelegten Haupt-Geldes.749 Trotzdem dürfte hier aber wie im Rahmen des Privilegs von 1464 und der Frankfurter Regelung von 1578 von einer Beschränkung auf den einmal gezahlten Einlagebetrag auszugehen sein, obgleich die Interpretation der Vorschrift teils unklar bleibt.750 Die Motive für die Lüneburger Regelung lagen zunächst darin, dass die fortschreitende Rezeption des römischen Rechts und damit einhergehende Kollisionen dessen mit dem bisher gebräuchlichen sächsischen Prozessrecht und dem alten Stadtrecht von 1401 eine grundlegende Neunormierung erforderlich machten. Die Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen führte vor Gericht, wobei unter anderem das fürstliche Hofgericht sein Verfahren um 1560 bereits hauptsächlich auf das römische Recht stützte, regelmäßig zu Unklarheiten, die zudem für die Parteien erhöhte Prozesskosten verursachten. Das römische Prozessrecht musste in das Lüneburger Stadtrecht eingeflochten werden.751 Im Zuge dessen wollten die Lüneburger, die sich in einem ständigen Kampf um Unabhängigkeit gegen747 Thomas,
Haftung von Gesellschaftern, S. 128–130. in: Der Stat Nurmberg verneute Reformation, Fol. 107v. 749 Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 129 f., zweifelte an einer Haftungsbeschränkung auf die schon gezahlte Einlage, da es in der Lüneburger Haftungsregelung im Gegensatz zur Frankfurter Regelung an der ergänzenden Voraussetzung für die Haftungsbeschränkung fehle, „daß die Schuldverpflichtungen der Gesellschaft nicht aus dem Hauptgut bezahlt werden können“. 750 Rabe, Lüneburger Stadtrechtsreformation, S. 67, sah eine Beschränkung auf die gezahlte Einlage und nannte den Anleger einen „stillen Gesellschafter“. 751 Siehe dazu das Vorwort des ersten Teils der Lüneburger Reformation, der Gerichtsordnung, in: Pufendorf, Observationes Juris Universi, Bd. 4, Appendix, S. 624 f.; Thurich, Lüneburger Stadtrecht, S. 90; vgl. Rabe, Lüneburger Stadtrechtsreformation, S. 1 f., 7. 748 Regelung,
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über dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg befanden, mit dem neuen Stadtrecht auch ein modernisiertes Gegenstück zu dem gleichfalls auf römischrechtliche Normen gestützten territorialen Recht etablieren. Dadurch konnten sie letztlich ihre eigenständige Gesetzgebung innerhalb des Herzogtums langfristig erhalten.752 Nicht zuletzt stand unmittelbar vor dem Entwurf des neuen Gesetzes als Motivationsgrund zudem wie in Nürnberg und Frankfurt eine konkrete wirtschaftliche und politische Krisensituation. Dieser lag ein jahrzehntelanger Streit zwischen dem Lüneburger Rat und den Herrschern des Fürstentums Lüneburg zugrunde, die sich um die Gerichtshoheit über die Stadt und die Einnahmen aus dem Gericht der Stadtvogtei drehte, wobei die Fürsten die Machtausübung der Stadt Lüneburg zurückdrängen wollten. Je nach dem Gewicht der Machtverhältnisse zwischen den Konfliktparteien wechselte die Stadtvogtei im 16. Jahrhundert mehrfach den Eigentümer, bis zwischen der Stadt und Herzog Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg im Jahr 1576 ein Vergleich zustande kam, der der Stadt das erbliche Eigentum an der Vogtei zusprach. Die Stadt Lüneburg hatte für die Rechte über die Vogtei jedoch jährlich hohe Zahlungen an den Herzog zu leisten, die den städtischen Haushalt sehr belasteten und den wirtschaftlichen Gewinn aus dem Gericht der Stadtvogtei bis in den Verlustbereich hinein dezimierten.753 Möglicherweise bezweckte der Rat in Anbetracht dessen eine effektivere Rechtsprechung, indem er im Folgenden die neue Stadtrechtsreformation erließ, um höhere Einnahmen aus dem Stadtgericht zu erlangen und dadurch die Verluste aus den Zahlungen an den Herzog etwas in Grenzen zu halten. Letztendlich gelang das aber nicht.754 Dabei hatte man schon im Jahr 1566 durch ein Regelwerk, das der Lüneburger Jurist Johannes Dutzenraedt erarbeitet hatte, erfolglos versucht, den Prozess des Vogteigerichts, das zu dieser Zeit noch an die Stadt verpfändet war, zu revolutionieren.755 Die neue Lüneburger Reformation zielte vorrangig also nicht auf das Gesellschaftsrecht, sondern auf eine effektivere Gerichtspraxis ab und sollte in erster Linie das Verfahren nach dem Vorbild des rezipierten römischen Rechts neu regeln.756 Zwar war die Hansestadt Lüneburg im Mittelalter 752 Reinhardt, Autonomie Lüneburgs, in: Stadt Stade, Fernhandel und Stadtentwicklung, S. 86 [96, 98]. 753 Friedland, Der Kampf der Stadt Lüneburg mit ihren Landesherren, S. 146– 149; Thurich, Lüneburger Stadtrecht, S. 88; vgl. Rabe, Lüneburger Stadtrechtsreformation, S. 7; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 192. 754 Friedland, Der Kampf der Stadt Lüneburg mit ihren Landesherren, S. 148– 150; Thurich, Lüneburger Stadtrecht, S. 88. 755 Thurich, Lüneburger Stadtrecht, S. 85, 90 f. 756 Haase, Das Lüneburger Stadtrecht, in: Wendland, Aus Lüneburgs Vergangenheit, S. 67 [81].
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zum wichtigsten Ort der Salzproduktion in Nordeuropa und damit zu einer bedeutenden Handelsstadt geworden,757 die als Verkehrsknotenpunkt zwischen Nord- und Süddeutschland auch über andere florierende Handels- und Handwerkszweige verfügte.758 In der Stadt wirkten größere Handelsgesellschaften, wobei zum Beispiel schon an der 1409 gegründeten venedyeschen selscop des Hildebrand Veckinchusen einzelne Lüneburger Kaufleute als Gesellschafter beteiligt waren.759 Lüneburg erlangte das Stapelrecht, wodurch sich im 16. Jahrhundert zum Beispiel ein florierender Kupferhandel ergab, an dem sich unter anderem die Fugger-Gesellschaft und die Leutenberger Saigerhandelsgesellschaft beteiligten.760 Große süddeutsche Handelsgesellschaften wirkten nach Lüneburg herein und beschäftigten dort Faktoren, die die angelieferten Waren als Spediteure und Kommissionäre in Norddeutschland weiterleiteten.761 Unter anderem die Stettiner Handelsgesellschaft der Familie Loitz unterhielt eine große Niederlassung in Lüneburg.762 Somit könnte die Normierung des Gesellschaftsrechts in der neuen Reformation durchaus von Nutzen und gezielt beabsichtigt gewesen sein. Beweggründe dafür, dass man die Gesellschafterhaftung beschränkte, um wie in Nürnberg und Frankfurt auf Unternehmensbankrotte und damit einhergehende Konflikte wegen unzureichender gesellschaftsrechtlicher Regelungen zu reagieren, fanden sich in Lüneburg im Zusammenhang mit dortigen Handelsgesellschaften aber nicht. Daraus ist zu schließen, dass Husanus die Haftungsbeschränkung nur neben anderen Normen als „Gesamtpaket“ aus den Frankfurter Regelungen mit übernommen hatte. Sein Entwurf der neuen Reformation hatte also weniger auf eine Neuregelung des Gesellschaftsrechts, geschweige denn eine Haftungsbeschränkung, als mehr auf ein neues Prozessrecht abgezielt. Nur unter Berücksichtigung dessen ist die Entstehung der Lüneburger Normierung einer Haftungsbeschränkung mit der Entstehung der Nürnberger und der der Frankfurter Regelungen zu vergleichen. 757 Hauptmeyer, Wirtschaftsgeschichte Niedersachsens, in: Gerhard, Struktur und Dimension, Bd. 1, S. 347 [357]. 758 Reinhardt, Autonomie Lüneburgs, in: Stadt Stade, Fernhandel und Stadtentwicklung, S. 86 [89 f.]. 759 Wirtz, Köln und Venedig, S. 42 f. 760 Möllenberg, Die Eroberung des Weltmarkts, S. 39 f. 761 Der Lüneburger Ludwig Reinstorp war um 1470 als erster solcher Faktor überhaupt für die Nürnberger Fugger in Lüneburg tätig und setzte für sie unter anderem große Mengen Kupfer ab. Nordmann, Nürnberger Großhändler, S. 101; Witthöft, Das Kaufhaus in Lüneburg, S. 193 f., 195, 200 f., 202; Reinhardt, Autonomie Lüneburgs, in: Stadt Stade, Fernhandel und Stadtentwicklung, S. 86 [90 f.]. 762 Hering, Die Loytzen, in: Baltische Studien, Bd. 11 (1845), S. 80 [88]; Strieder, Kapitalistische Organisationsformen, S. 100; Kischka, Ausscheiden eines Gesellschafters, S. 156 f.
VIII. Nicht geschäftsführende Gesellschafter in Städten 317
VIII. Nicht geschäftsführende Gesellschafter in Städten ohne eine Haftungsbeschränkung Nicht geschäftsführende Investoren, die Vermögen nur zu Gewinn und Verlust in einer Gesellschaft anlegten, waren in der Zeit nach Erlass des Nürnberger Privilegs von 1464 nicht nur in Nürnberg, Frankfurt und Lüneburg, sondern auch an Orten anzutreffen, wo eine Haftungsbeschränkung nicht generell normiert war. Zum Beispiel legte der Memminger Peter Mendler im Jahr 1496 in die gleichfalls Memminger Handelsgesellschaft des Seitz Meister und des Andreas Hoffischer 1.000 fl. ein, wobei er die Geschäfte der Gesellschaft höchstwahrscheinlich nicht mitführte.763 Es ist zu klären, wie der Status solcher Teilhaber insbesondere bezüglich der Haftung jeweils ausgestaltet war und warum, anders als in Nürnberg, Frankfurt und Lüneburg, keine generelle Normierung diesbezüglich existierte. 1. Fälle aus Süd- und Mitteldeutschland Zunächst ist das Augenmerk auf den schwerpunktmäßig behandelten süddeutschen Raum inklusive dessen Handelspartner in Mitteldeutschland zu legen, wo die weitaus meisten deutschen nicht geschäftsführenden Gesellschafter vorzufinden waren. a) „Zufällige“ Gesellschafter Wie aus Nürnberg sind Gesellschaftsverträge überliefert, in denen der Status der Erben von geschäftsführenden Gesellschaftern reguliert war. Solche Erben konnten zu Gesellschaftern werden, ohne selbst aktiv zu werden. In den betreffenden Verträgen wurde aber wie in Nürnberg keine deutliche Aussage zur Haftungssituation dieser Art von Gesellschaftern getroffen. Nach dem Vertrag der Augsburger Manlich von 1548 sollte jedenfalls nach dem Tod eines Gesellschafters dessen Einlage bis zum Betrag von 5.000 fl. für die Erben zu Gewinn und Verlust in der Gesellschaft verbleiben. Etwaiges darüber hinausreichendes Anlagevermögen sollte zunächst verzinst und dann nach und nach ausbezahlt werden.764 In einem anderen Beispiel war für die Antwerpener Pruner-Rietwieser-Gesellschaft wegen der Einlage des Leipzigers Joachim Pruner bestimmt, wobei dieser mit 2.000 fl. das gesamte Unter763 Siehe Regest einer RKG-Akte, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 16, S. 269– 271 (Nr. 6987). 764 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 131 [134 f.].
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nehmen vorfinanziert hatte, dass in seinem Todesfall seine Kinder als Erben das eingelegte Kapital für ein Jahr zu Gewinn und Verlust weiter in der Gesellschaft liegen zu lassen hatten.765 Für die Erben war dabei anscheinend der Status von nicht geschäftsführenden Gesellschaftern vorgesehen. An der Gesellschaft des Hans Paumgartner war seit dem Jahr 1517 in gleicher Weise die Witwe des Christoph Rehlinger, Felicitas Hanold, mit einer geerbten Einlage in Höhe von 10.000 fl. beteiligt.766 An der Welser-Gesellschaft wiederum war zur Zeit deren Bankrotts im Jahr 1614 die Witwe des Karl Langemantel, Jakobina, mit einer Einlage von 7.200 fl. beteiligt.767 Auch zum Beispiel die Breslauerin Magdalene Krawitz war Gesellschafterin in dem Unternehmen ihres Ehemannes.768 An der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft war die Witwe oder Tochter des Jorg Flück, die 1480 aus der Gesellschaft austrat, mit einer Einlage von 1.200 fl. beteiligt gewesen.769 Magdalene von Roggwil hatte um 1468 und Apolonia Bürgi von 1510 bis 1517 eine geerbte Einlage in dieser Gesellschaft.770 Ein deutlicher Hinweis auf die Gesellschaftereigenschaft von Erben, die den geerbten Gesellschaftsanteil zu Gewinn und Verlust weiter in der Gesellschaft liegen ließen, geht aus dem Augsburger Oesterreicher-StainingerVertrag von 1590 hervor. Darin wurde gesagt, dass, wenn eine Witwe eines Gesellschafters im handel (deß zue irem guetten willen steht) bleiben wollte, so solle ir alle rechnung ir anthail was ir nuzung geburt und fernere Rechnung nicht zue thon anzaigt werden.771 Es wurde explizit ihr anthail an der Gesellschaft angesprochen und damit gesagt, dass eine Witwe Gesellschafterin sein sollte. Gleichsam sollte sie aber nicht mitarbeiten und, wie ein nicht geschäftsführender Gesellschafter nach den meisten anderen Gesellschaftsverträgen, keinen Anspruch auf Rechnungslegung und Beschwerde haben. Auch zum Beispiel Hans Popplau legte ab 1498 fest, dass allen nicht handelnden Kapitalanlegern in seiner Gesellschaft kein Recht auf Mitsprache, Rechnungslegung und keine Beschwerde gegen die Abrechnungen des Hauptgeschäftsführers zustehen sollte.772 Der Augsburger Haug-Linck765 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 49 [54 f.]. 766 Siehe zur Abrechnung wegen Beendigung der Gesellschaft vom 20.02.1521, in: Müller, Quellen zur Handelsgeschichte der Paumgartner, S. 228 f. (Nr. 559). 767 Häberlein, Die Augsburger Welser und ihr Umfeld, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 382 [403 f.]. 768 Petry, Die Popplau, S. 76. 769 Schulte, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1, S. 161. 770 Schulte, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1, S. 155, 196. 771 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 140 [145]. 772 Petry, Die Popplau, S. 78 f.
VIII. Nicht geschäftsführende Gesellschafter in Städten 319
Vertrag von 1547 regelte für den Tod der Geschäftsführer Anton Haug und Ulrich Linck, dass der Handel mit dem bestehenden Gesellschaftsvermögen so weitergeführt werden sollte, als sei der jeweils Verstorbene noch am Leben. Die dadurch zu Gesellschaftern gewordenen Erben traten hier aber anders als in den vorhergehend dargelegten Fällen als Geschäftsführer in die Gesellschaft ein und führten die Geschäfte mit dem verbliebenen Gesellschafter weiter.773 Weiter traten insbesondere in Augsburg Ansichten zu Tage, die auch Frauen, deren Vermögen in Form von Heiratsgut, Morgengabe oder anderem in den Gesellschaften ihrer Ehemänner investiert war, als Gesellschafterinnen zu Gewinn und Verlust verstanden. Grundsätzlich hatten Augsburger Frauen, die in dieser Weise an den Gesellschaften ihrer Ehemänner beteiligt waren, eigentlich nicht als Gesellschafterinnen für Gesellschaftsschulden mitzuhaften. Es bestand dahingehend ein Unterschied zwischen einem geerbten Gesellschaftsanteil wie im Fall der Clara Paumgartner und einer Beteiligung an der Gesellschaft des Ehemannes mit Vermögen, das aufgrund der Heirat erlangt worden war. Die Einlagen von Ehefrauen in Unternehmen ihrer Männer nach der Heirat wurden meist als Depositeinlagen verstanden. Das zeigt der Fall der Ehefrau des Hans Paul Herwart, die nicht als Gesellschafterin, sondern als Gläubigerin der Gesellschaft ihres Mannes gesehen wurde und beim Bankrott der Gesellschaft in den 1570er Jahren ihr als Heiratsgut, Morgengabe und Widerlegung eingelegtes Vermögen zurückerhielt.774 Den Ehefrauen der Geschäftsführer der HöchstetterGesellschaft wurde im Bankrott des Unternehmens dennoch seitens der Gesellschaftsgläubiger keine Rolle als unbeteiligte Darlehens- oder Depositengeber zugestanden, sondern sie wurden im Ergebnis wie Gesellschafterinnen behandelt.775 Als die Gläubiger verlangten, dass die Ehefrauen mit ihrem als Heiratsgut, Widerlegung und Morgengabe776 in der Gesellschaft liegenden Vermögen mithaften, weigerten diese sich. Sie machten gerichtlich Ansprüche auf prioritäre Auszahlung ihrer Depositeinlagen im Rahmen 773 Regelungen im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 123 [126–128]. 774 Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 308; vgl. zur Bedeutung von Heiratsgut, Widerlegung und Morgengabe, Forster, Stadtbrauch der „Gerennten Heirat“, in: ZBLG, Bd. 73 (2010), S. 385 [386]. 775 Ein Schreiben des Augsburger Rats von 1574 an den bayrischen Herzog spricht dahingehend an, dass Ehefrauen sich in Firmenbankrotten vor Gericht stets nur als Gläubiger der Gesellschaften ihrer Ehemänner darstellten, darüber, ob dieses zutrifft oder ob sie Gesellschafter wären, aber gerichtlich nach „den Kaiserlichen gemainen rechten“ entschieden worden wäre. Auszug des Schreibens des Augsburger Rats, in: Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 335. 776 Vgl. zur Bedeutung von Heiratsgut, Widerlegung und Morgengabe, Forster, Stadtbrauch der „Gerennten Heirat“, in: ZBLG, Bd. 73 (2010), S. 385 [386–388].
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der üblichen „weiblichen Freiheiten“ geltend, die in der Masse aber in allen Instanzen abgewiesen wurden, obgleich die Gerichte die Ehefrauen wohl nicht als Gesellschafterinnen ansahen.777 Die Gläubiger wendeten ein, dass die Frauen an dem Gewinn ihrer Ehemänner profitiert und in gleicher Weise wie diese für Gesellschaftsschulden zu zahlen hätten, wobei ihnen praktisch die Stellung von Gesellschafterinnen zugewiesen wurde. In dem Argument der Gläubiger, „Darumb, so sie am gwin anligen und tailhefftig sind, legen sie am verlust auch billich an nach laut des kaiserlichen rechtens.“,778 könnte dabei eine Berufung auf das kaiserliche Privileg für Nürnberg von 1464 oder zumindest die darin vorausgesetzte Haftung von Gesellschaftern zu Gewinn und Verlust gemeint gewesen sein. Letztlich traten die Ehefrauen der Höchstetter nach einem Übereinkommen der Geschäftsführer mit den Gläubigern dann notgedrungen mit für die Schulden ein.779 An der Mithaftung der Ehefrauen als vermeintliche Gesellschafterinnen könnte die hinter dem Nürnberger Privileg stehende Haftungspraxis der nicht geschäftsführenden Gesellschafter beteiligt gewesen sein. Dennoch wäre es bei den Höchstettern nicht um eine Haftungsbeschränkung gegangen, wie sie dem Privileg vorrangig zugrunde lag, sondern zunächst um die Haftung der nicht geschäftsführenden Ehefrauen überhaupt. Das Privileg wäre bei der Aushandlung des Übereinkommens zudem wenn, wohl nur als Argument der Gläubiger für eine Mithaftung der Ehefrauen als Beteiligte zu Gewinn und Verlust und nicht als geltendes Augsburger Recht benutzt worden.780 Dass die Ehefrauen mithafteten, beruhte vorrangig auf moralischen Erwägungen und sollte zudem die Ehemänner finanziell entlasten und vor der Schuldhaft bewahren.781 In anderen Bankrottfällen des 16. Jahrhunderts traten die Ehefrauen der Gesellschafter mit ihren Rückzahlungsforderungen bezüglich Heiratsgut oder ähnlichem auch hinter die übrigen Gläubiger zurück,782 was gleichfalls ihre Chancen auf eine Auszahlung schmälerte und letztlich hinsichtlich ihrer Einlagen einer gesellschafterlichen Mithaftung für die Unter777 Siehe Regesten der betreffenden RKG-Akten, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 11, S. 423 (Nr. 4969), 426 f. (4972), 431 (4978). 778 Vorbringen der Gläubiger in der Chronik des Clemens Sender, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 4, S. 1 [223]. 779 Chronik des Clemens Sender, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 4, S. 1 [225–233]. 780 Vgl. zur Verpflichtung der Ehefrauen der Höchstetter auch Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 300. 781 Vgl. die Chronik des Clemens Sender, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 4, S. 1 [223]. 782 Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger, S. 299 f.
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nehmensschulden gleichkam.783 Wie gesagt war aber eine solche Mithaftung von Ehefrauen, die in dieser Form an Gesellschaften ihrer Männer beteiligt waren, nicht die Regel. Zu allen nicht geschäftsführenden Gesellschaftern ist im Übrigen zu beachten, dass sie gewöhnlich nur in dem Bankrottfall einer Gesellschaft nach außen zu haften hatten. Im täglichen Geschäftsverkehr traten sie gar nicht auf. Vorrangig wurden die Geschäftsführer zur Haftung für Gesellschaftsschulden herangezogen.784 Daher konnten nicht geschäftsführende Gesellschafter auch ohne eine gesetzliche Haftungsbeschränkung im Regelfall nicht mehr Kapital verlieren als die schon geleistete Einlage, wie nicht zuletzt an der in Breslau ansässigen Gesellschaft der Familie Popplau deutlich wurde. An dieser waren auch zum Ende des 15. Jahrhunderts immer noch zu einem Großteil Frauen, Kinder und auch einige männliche Gesellschafter nur zu Gewinn und Verlust beteiligt, wie aus Geschäftsunterlagen aus der Zeit um 1500 hervorgeht. Nach einer von 1502 bis 1512 reichenden Teilhaberliste waren 7 von 18 der wechselnden Gesellschafter aus dieser Zeit Frauen, wobei zu den nicht geschäftsführenden Gesellschaftern an Männern noch der „stumme“ Thomas und manche Kinder zu zählen waren.785 Die Höhen von Gewinn und Verlust dieser Gesellschafter richteten sich jeweils nach den Höhen der Anteile, wobei der Anleger, außer in einem Gesellschaftsbankrott, nicht mehr verlieren konnte, als die bereits gezahlte Einlage.786 b) Aktiv investierende Gesellschafter Neben „zufälligen“ Gesellschaftern investierten nicht wenige Personen in süd- und mitteldeutschen Handelsstädten ihr Vermögen aktiv in ein Unternehmen, um an Gewinn und Verlust teilzunehmen. Da sie aber gleichzeitig nicht an der Geschäftsführung mitwirkten, wurden sie zu nicht geschäftsführenden Gesellschaftern.
783 Einen solchen Verlauf hatte 1560 auch die Situation der an der Memminger Zangmeister-Gesellschaft beteiligten Ehefrauen genommen. Westermann, Handelsgesellschaft der Zangmeister, in: VSWG, Bd. 6 (1908), S. 460 [476–483, 498 f., 502]; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 171. 784 Siehe S. 162. 785 Petry, Die Popplau, S. 78, 94, 166. 786 Als eine Form der Mithaftung für Unternehmensverluste übertrug man den nicht geschäftsführenden Gesellschaftern nicht selten auch offenstehende Forderungen des Unternehmens, wenn eine Gewinnbeteiligung nicht in flüssigen Devisen ausgezahlt werden konnte. Diese Forderungen hatte der Gesellschafter dann auf sein Risiko einzutreiben. Petry, Die Popplau, S. 82.
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aa) Augsburger Handelsgesellschaften Familienexterne Kapitalanleger zu gewinn und verlust beschrieb sogar genauer als in Nürnberger Beispielverträgen der Augsburger HöchstetterVertrag von 1524,787 der insgesamt von allen überlieferten deutschen Gesellschaftsverträgen dieser Zeit die umfangreichsten Regelungen zu nur Kapital anlegenden Gesellschaftern enthielt. Gemeint war hier in erster Linie Hans Ungelter, dem als Gründungsmitglied der Gesellschaft von vorne herein erlaubt wurde, als nicht handelnder Kapitalgeber an dem Unternehmen teilzuhaben. Er legte einen Betrag frey und unverbunden nur zu gewin unnd verlust ein.788 Auch die Aufnahme weiterer möglicher Kapitalanleger war bei den Höchstettern geregelt, wobei sich die dahingehende Bestimmung auf die Berechnung der Gewinnanteile dieser Kapitalanleger bezog. Im Zuge dessen wurden die Gesellschaftereigenschaften näher definiert. So sollte es einmal Personen geben, die […] gelt bey unns haben […] im handl zu gewin unnd verlust […] und folglich als nicht geschäftsführende Gesellschafter zu sehen waren. Über die anderen verlautete, dass sie […] mue und arbaytt auch verpflicht senndt nach ab unnd an ihres hauptgutz […],789 womit die geschäftsführenden Gesellschafter gemeint waren.790 Diese Regelungen weisen darauf hin, dass in der Höchstetter-Gesellschaft verhältnis787 Regelung im Gesellschaftsvertrag der Höchstetter von 1524, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 39 [42 f.]; Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 54. 788 Zwar sollte Ungelter in der Augsburger Geschäftsstelle der Gesellschaft „helfen schreyben“. Darin war aber nur eine untergeordnete Nebentätigkeit zu sehen, die ihn nicht zum Geschäftsführer erhob. Regelung im Gesellschaftsvertrag der Höchstetter von 1524, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 39 [45]. Die Position Ungelters entsprach daher der eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters. Siehe dazu die dementsprechende Definition Souchays für einen „Commanditisten“, in: Souchay, Anmerkungen zur Reformation der Stadt Frankfurt, Bd. 1, S. 500 f. 789 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 39 [42 f.]. 790 Thomas verortete, in: Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 54, diese Passage als Eigenschaft der nicht geschäftsführenden Gesellschafter. Bauer, in: Bauer, Unternehmensformen, S. 159, 165, sah in der Aussage, dass die betreffenden Teilhaber, unter denen er auch die Kapitalanleger vermutete, „auch verpflicht senndt“, eine wörtliche Bestätigung der Außenhaftung der nicht geschäftsführenden Gesellschafter. Zwar hafteten die nicht Geschäftsführenden neben den Geschäftsführern nach außen gegenüber Gesellschaftsgläubigern, wie bereits andere Fälle zeigten. An dieser Stelle passt eine Interpretation des Teilsatzes, „auch verpflicht senndt“, als Eigenschaft der nicht Geschäftsführenden aber nicht in den Sinneszusammenhang des restlichen Satzes und erscheint stark konstruiert. Der Satz kann nur so verstanden werden, dass die Geschäftsführer neben der Haftung zu Gewinn und Verlust zu mue unnd arbayt auch verpflicht senndt, also die Geschäfte zu führen hatten. Eine
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mäßig viele nur Kapital einlegende Gesellschafter vorhanden waren. Dabei investierten wohl sehr reiche bis weniger vermögende Personen. Die Einlagen umfassten kleine Beträge wie 10 fl. bis zu hohen Beträgen,791 wie neben dem des Hans Ungelter den Betrag von 900 fl., den Bartholomeus Rem im Jahr 1511 einlegte. Rem war aber wegen seiner nicht unbedeutenden Buchhaltertätigkeit in der Höchstetter-Gesellschaft eher nicht mehr als nicht geschäftsführender Gesellschafter anzusehen, nicht zuletzt da er aus seiner Arbeit auch umfassend über die Geschäfte des Unternehmens informiert war und diese mitprägte.792 Als ein weiterer nicht geschäftsführender Kapitalanleger mit einer hohen Einlage, der auch unter dem Status eines Gesellschafters firmiert haben dürfte, fungierte der Augsburger Franz Ridler mit 3.950 fl.793 Weiter wurde in dem Höchstetter-Vertrag neben den aus anderen Verträgen bekannten Klauseln über die Vererbung von Gesellschaftsanteilen, zum Beispiel zum fehlenden Mitsprache- und Beschwerderecht der Erben,794 festgeschrieben, dass der Erbe eines Gesellschaftsanteils bis zu 3.000 fl. in die Gesellschaft einlegen darf. Wollte er kein Kapital anlegender Gesellschafter werden, wurde ihm gestattet, das Geld wenigstens als Depositeinlage zu fünf Prozent Zinsen einzulegen.795 Der auch aus Augsburg stammende Vertrag über die Gesellschaft der vier Brüder der Familie Manlich von 1548 sprach die Belange von bloßen Kapitalanlegern immerhin insoweit grundsätzlich an, als dass kain gelt von niemand mit noch one vorteil nit angenomen werden soll ohne die Zustimmung aller Gesellschafter.796 Eine außergewöhnlich lange Liste von Gesellschaftern zu Gewinn und Verlust, die mit Namen und Anlagebetrag vermerkt waren, enthielt der Vertrag der Augsburger Anton Haug, Hans Langnauer, Ulrich Linck und Hans Rosenberger von 1531. Die meisten Anleger waren aber Diener der GesellFestschreibung der Außenhaftung der Kapitalanleger enthielt die Textpassage, wie der gesamte Höchstetter-Vertrag, nicht. 791 Schmoller, Entwicklung der Unternehmung, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, Bd. 17 (1893), S. 359 [389]. 792 Chronik des Clemens Sender, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 4, S. 1 [146–149]; Greiff, Tagebuch des Lucas Rem, S. 92. 793 Siehe Regest, in: Bayerisches HStA, RKG, Bd. 8, S. 398 f. (Nr. 3098). 794 Regelungen im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 39 [41 f.]. 795 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 39 [43]; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 158. 796 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 131 [135].
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schaft und damit keine nicht geschäftsführenden Gesellschafter und Investoren im Sinne des Nürnberger Privilegs.797 Aus Strieders Listen der in dieser Gesellschaft vorhandenen Teilhaber, die er aus Angaben des Geheimbuchs erstellt hatte, ergibt sich jedoch, dass im Zeitraum von 1543 bis 1549 noch weit mehr als die in den Gesellschaftsverträgen dieser Zeit genannten Personen beteiligt gewesen sein mussten. Gemäß den Abrechnungen von 1543 und 1547 waren jeweils 19 und im Jahr 1549 gar 22 Gesellschafter vorhanden.798 Laut Strieder waren die namentlich nicht bekannten Gesellschafter als „eine Art ‚Stille‘ “ zu sehen. Mangels Angaben über deren Haftung vermutete er nur eine Beteiligung am Gewinn, nicht am Verlust, sah aber auch die mögliche Alternative, dass diese Teilhaber mit ihren Einlagen für Gesellschaftsschulden mitgehaftet haben könnten.799 Da nämlich auch die nicht Geschäftsführenden wie die Geschäftsführer einen Gesellschafterstatus besaßen, dürften tatsächlich auch sie wenigstens mit ihrer Einlage für Gesellschaftsschulden mitgehaftet haben. Dass sie nur am Gewinn beteiligt wurden, ist dagegen fernliegend, da eine solche Fürlegung vornehmlich den Unternehmensangestellten zur Steigerung ihrer Arbeitsmotivation zu Gute kam. In die Welser-Vöhlin-Gesellschaft legte Lucas Rem 1502 einen Betrag von 2.000 fl. für drei Jahre ein. In seinem Tagebuch bemerkte er dazu weiter, „Darzuo vertratt ich meyner muotter auch sovil“.800 Das heißt, er trat gegenüber der Gesellschaft für seine Mutter auf, die wie er mit 2.000 fl. als nicht geschäftsführende Gesellschafterin beteiligt war. Im Rahmen einer solchen „Vertretung“ nahm aber im Verhältnis zu der Gesellschaft und Dritten wohl nicht der Vertretene, sondern der Vertreter, hier also Lucas Rem, die Gesellschafterstellung ein. Der Vertretene dagegen war nur im Innenverhältnis mit dem als Gesellschafter auftretenden Vertreter in der Form einer Unterbeteiligung verbunden.801 Wie Lucas Rem verfügten auch die Ulmer Besserer in den 1490er Jahren über eine Einlage in Höhe von 3.000 fl. zu Gewinn und Verlust in der Augsburger Welser-Vöhlin-Gesellschaft.802 Weiter führten Hans Vöhlin und Domenico Naldini von 1507 bis 1508 in Toulouse eine Handelsgesellschaft, an der Konrad Vöhlin, Anton Welser, Francesco Naldini, Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini beteiligt wa797 Regelungen im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 76 [78 ff.]. 798 Tabelle II, in: Strieder, Zwei Handelsgesellschaftsverträge, 17. 799 Strieder, Zwei Handelsgesellschaftsverträge, S. 57. 800 Greiff, Tagebuch des Lucas Rem, S. 30. 801 Geffcken, Die Welser und ihr Handel, in: Häberlein / Burkhardt, Die Welser, S. 27 [155]. 802 Nübling, Ulm’s Handel, S. 371 f.; vgl. Schmied, Kapitalbeschaffungsformen, S. 67.
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ren.803 Möglicherweise stellten diese Teilhaber ebenfalls nicht geschäftsführende Gesellschafter dar. Von der Kapitalanlage nicht geschäftsführender Gesellschafter wurde in Augsburg also rege Gebrauch gemacht. Inwieweit die Gesellschafter zu Gewinn und Verlust in Augsburg für Gesellschaftsschulden einzutreten hatten, ist aber nicht eindeutig zu klären. Spätestens im Bankrott einer Gesellschaft hatten auch die nicht geschäftsführenden Gesellschafter nach außen voll zu haften. Es erscheint sehr fraglich, ob hier gewohnheitsrechtlich etwas Ähnliches wie die Nürnberger Haftungsbeschränkung zum Tragen kam. Nur der Beispielfall des Hans Ungelter als nicht geschäftsführender Gesellschafter in der Pleite der Gesellschaft im Jahr 1529 könnte darauf hindeuten, dass eine Beschränkung der Außenhaftung auf die Höhe der Einlage allgemein anerkannt war. Infolge der Pleite wurden die drei geschäftsführenden Gesellschafter Ambrosius Höchstetter, dessen Sohn Ambrosius Höchstetter und dessen Neffe Joseph Höchstetter in Schuldhaft genommen. Die weiteren Geschäftsführer Joachim Höchstetter und Franz Paumgartner waren zuvor vor einer Haftung aus Augsburg geflohen. Der nur Kapital anlegende Gesellschafter Hans Ungelter blieb aber komplett unbehelligt.804 Er hatte seine Anlage nach dem Gesellschaftsvertrag frey und unverbunden getätigt und war nicht an der Geschäftsführung beteiligt. Ungelter hatte nur in der Höhe seiner Einlage zu haften, wurde aber ansonsten nicht belangt,805 was unter dem Ausdruck „frey und unverbunden“ im Gesellschaftsvertrag so vorgesehen war und anscheinend auch von Außenstehenden anerkannt wurde. Zwar waren im Höchstetter-Bankrott anders als in dem Fall, für den das Nürnberger Privileg hauptsächlich die Haftungsbeschränkung vorsah, nicht alle Geschäftsführer geflohen und die Gläubiger konnten noch die drei genannten haftbar machen. Die Gläubiger wären aber vermutlich ersatzweise auch gegen Ungelter vorgegangen, wenn dies möglich gewesen wäre, da ihnen schon zwei von fünf Geschäftsführern abhanden gekommen waren. Zudem mussten Zahlungen durch die Inhaftierten mit diesen erst langwierig ausgehandelt werden beziehungsweise Druck auf sie ausgeübt werden musste. Davon abgesehen konnten die inhaftierten Geschäftsführer letztlich auch 803 Lang, Fremdsprachenkompetenz, in: Häberlein / Kuhn, Fremde Sprachen in frühneuzeitlichen Städten, S. 75 [80]. 804 Chronik des Clemens Sender, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 4, S. 1 [222]. 805 Mayer, Die „Fürlegung“, S. 120; Kern, Kaufmannshaus der Höchstetter, in: AKG, Bd. 26 (1936), S. 162 [195]; vgl. v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 244 f.; vgl. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 468; Regelung im Gesellschaftsvertrag der Höchstetter von 1524, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 39 [45].
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nicht die geforderte Summe aufbringen.806 Dennoch ist allein aus dem Bankrottfall der Höchstetter mangels weiterer ähnlicher Fälle nicht sicher zu belegen, dass einer Haftungsbeschränkung in Augsburg allgemein anerkannt war. Jedenfalls für Fälle, in denen, wie bei den Höchstettern, eine Haftungsfreiheit im Gesellschaftsvertrag enthalten war, erscheint aber gut denkbar, dass man eine Haftungsbeschränkung auch im Außenverhältnis akzeptierte. Zur Herkunft einer Haftungsbeschränkung in Augsburg ist vorstellbar, dass diese von Nürnberg aus über regelmäßige Handelskontakte ihren Weg nach Augsburg gefunden hatte. Die Haftungsregelung des Privilegs von 1464 ist mit Sicherheit auf irgendeinem Weg von Nürnberg nach Augsburg gelangt, da sie dort im Jahr 1596 in einen letztlich nicht realisierten Entwurf einer neuen Stadtrechtsreformation übernommen wurde. Der die Gesellschafterhaftung betreffende 7. Titel trug sogar die Überschrift aus der Nürnberger Reformation von 1564 „Von Gesellschaften“. Da auch der Inhalt des 7. Titels in allen Unterpunkten, inklusive der Haftungsbeschränkung nicht geschäftsführender Gesellschafter im 4. Gesetz, wörtlich genau dem 18. Titel aus Nürnberg von 1564 entsprach, musste der Verfasser des Augsburger Entwurfs hier von Nürnberg abgeschrieben haben.807 Im Laufe des 16. Jahrhunderts dürfte die Nürnberger Haftungsbeschränkung auch in das gemeine Recht eingegangen sein, sodass spätestens jetzt überall davon Kenntnis erlangt werden konnte.808 Gleichfalls könnte ein hinter dem Privileg stehendes Haftungsmodell aber auch parallel, insbesondere im Hinblick auf die Haftungsbeschränkung des Meuting-Vertrags von 1436, in Augsburg selbst entwickelt worden sein. bb) Die Gesellschaft der Popplau (Breslau) Zwar waren die meisten der nicht geschäftsführenden Gesellschafter dieses Unternehmens Frauen und Kinder der Familie Popplau, die durch Familienmitglieder durch Mitgift, Erbe oder Schenkung einen Gesellschaftsanteil erhalten hatten. Es traten aber auch manche Ehemänner von Töchtern und Erbinnen der Popplau-Geschäftsführer unabhängig von den Anteilen ihrer Ehefrauen mit eigenem Vermögen nur zu Gewinn und Verlust in die Gesellschaft ein, wie Ambrosius Jenkwitz im Jahr 1507. Ihnen standen wie allen 806 Chronik des Clemens Sender, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie, Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 4, S. 1 [223–230, 233 f.]; Safley, „Ambrosius and Hans, the Brothers Höchstetter and Associates“, in: Eigner / Štefanová, Banken und Unternehmenskultur, S. 7 [15 f.]. 807 7. Titel des Augsburger Entwurfs einer Reformation von 1596, in: SuStB Augsburg, 2 Cod. Aug. 253, Fol. 181v-185r; vgl. Kammerer, Unternehmensrecht, S. 141. 808 Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [246].
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nicht handelnden Gesellschaftern keine Rechte auf Mitsprache, Rechnungslegung und Beschwerde gegen die Geschäftsabrechnungen zu.809 Für alle nicht geschäftsführenden Gesellschafter bei den Popplau ist überliefert, dass ihre Haftung wenigstens im täglichen Geschäftsverkehr auf ihre Einlage beschränkt war.810 Zu einem Bankrott, in dem wohl auch die nicht geschäftsführenden Gesellschafter wie die Geschäftsführer hätten unbeschränkt nach außen haften müssen, kam es nie.811 Eine besondere Kapitaleinlage stellte bei den Popplau diese dar, die auf Gewinn und Verlust für Pauperes, also die Armen, in der Gesellschaft angelegt war.812 Jeder Gesellschafter hatte an diesem Vermögensteil einen Anteil, der durch den jeweiligen Gesellschafter aus dessen regulärem Anteil oder dem daraus entstehenden Gewinn zu bestreiten und regelmäßig zu erhöhen war.813 cc) Pruner-Rietwieser Gesellschaft (Leipzig / Antwerpen) Ein Handelsgesellschaftsvertrag zwischen dem Leipziger Kilian Rietwieser und dem Antwerpener Joachim Pruner regelte wiederum die Aufnahme von nicht mitarbeitenden Kapitalanlegern mit vorttayl, womit zu Gewinn und Verlust gemeint gewesen sein könnte. Daneben konnten gemäß dem Vertrag einfache Depositeinleger aufgenommen werden, die Zinsen erhielten. Im Genauen wurde über Geld gesprochen, so wir in diessem vnnseren handel von anderen leutten mit vorttayl vberkumen werden ader auff zynß nehmen mogten […]. Für diese beiden Arten von Geldgebern hieß es aber weiter, dass waß nutzs ader schadens do mit [dem eingelegten Geld] geschafft wurde, sol ein ydem von vntz peyden halb betreffen.814 Das bedeutet, jeder der beiden Gesellschafter haftete nach außen für die Geschäfte, die aufgrund der Einlagen geführt wurden, je zur Hälfte. Die Kapitalgeber hafteten dagegen nicht. Somit konnten hier keine Kapitalgeber zu Gewinn und Verlust im Nürnberger oder Augsburger Sinne, die nach außen mithafteten, gemeint gewesen sein. Eher käme ein Unterbeteiligungsverhältnis nach dem Modell der Saigergesellschaften in Frage.815 809 Petry,
Die Popplau, S. 78 f., 166. Die Popplau, S. 82. 811 Petry, Die Popplau, S. 133. 812 Petry, Die Popplau, S. 166. 813 Petry, Die Popplau, S. 81. 814 Regelung im Gesellschaftsvertrag, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 49 [51]. 815 Bauer verwendete, in: Bauer, Unternehmensformen, S. 160, für die Geldgeber „mit vorttayl“ die Bezeichnung solcher „zu Gewinn und Verlust“ und sah die Aus810 Petry,
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dd) Eine Handwerksgesellschaft aus Straßburg Ein gut überliefertes Beispiel zu einer Gesellschaft, die nicht handelnde Gesellschafter enthielt und ausnahmsweise nicht dem Handels-, sondern dem Handwerkssektor angehörte, stammt aus Straßburg. Dort schlossen sich 1480 die Glaser Peter Hemmel von Andlau, Lienhart Spitznagel, Hans von Morsmünster, Diebolt von Lüxheim und Wernher Störe zu einer Handwerksgesellschaft zusammen, in die sie Jerge Stupfler und dessen Ehefrau mit einer Einlage von 100 fl. als nicht handelnde Gesellschafter zu Gewinn und Verlust aufnahmen. Über eine Haftungshöchstgrenze dieser Gesellschafter ging aus dem Gesellschaftsvertrag wie aus dem Straßburger Stadtrecht nichts hervor.816 Auch über einen möglichen Rechtsbrauch zur Haftungsbeschränkung für nicht handelnde Gesellschafter ist aus Straßburg nichts bekannt, sodass das Ehepaar Stupfler in letzter Konsequenz wie die Geschäftsführer in unbeschränkter Höhe haften musste. ee) Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft In einem anderen Beispiel eines Investors in einer Handelsgesellschaft engagierte sich Hans Imhoff IV. im Jahr 1495 als nur Kapital gebender Gesellschafter mit dem Betrag von 822 fl. bei den Ravensburgern.817 Er war als nicht in der Gesellschaft mitarbeitender Teilhaber über seine Einlage hinaus keinen weiteren Zahlungspflichten bezüglich Gesellschaftsschulden unterworfen. Diese Haftungsbeschränkung traf in der Ravensburger Handelsgesellschaft nicht nur bewusst investierende familienexterne Kapitalanleger, sondern auch Familienmitglieder, die ihren Gesellschaftsanteil geerbt hatten und nun als Frauen und Kinder im Gegensatz zum Erblasser nicht im Unternehmen mitarbeiteten. Mancherlei Ansicht nach hat sich diese Gesellschaft letztlich zu einer Art „Kommanditgesellschaft“ entwickelt.818 Auch hier konnte das gesellschaftliche Haftungssystem aber im Hinblick darauf, dass alle Gesellschafter wegen einer fehlenden normierten Haftungsbeschränkung in Ravensburg im Bankrottfall in unbeschränkter Höhe hätten zahlen müssen, komplett rechtssicher nur im Innenverhältnis zur Geltung gekommen sein. sage zur Haftung der beiden Hauptgesellschafter auf das eingelegte Kapital der Depositeinleger beschränkt. Aufgrund des Sinneszusammenhangs des Satzes können aber beide Beteiligungsformen nicht derart getrennt werden. 816 Regelungen im Gesellschaftsvertrag vom 02.10.1480, in: Rott, Quellen und Forschungen, S. 244 [245]. 817 Jahnel, Die Imhoff, S. 126. 818 Rehme, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, in: ZRG, Bd. 60 (GA 47) (1927), S. 487 [565 f.]; Heyd, Die Ravensburger Gesellschaft, S. 12; Schulte, Große Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1, S. 88 f.
VIII. Nicht geschäftsführende Gesellschafter in Städten 329
ff) Einlage des Professors Christoph Kuppener (Leipzig / Meißen) In eine produzierende Bergbaugesellschaft investierte im Jahr 1497 der Leipziger Professor Christoph Kuppener und legte 2.000 fl. auf Gewinn und Verlust in de gesellschafft des zcynnhandels (societas stanni) in Meißen ein.819 Ungeklärt bleibt aber auch hier, ob eine Haftungsbeschränkung für Kapitalanleger in Sachsen vorgesehen war, wofür keine Anhaltspunkte bestehen. Neumann vermutete daher einleuchtend, dass Gewinn und Verlust gleichmäßig unter allen Gesellschaftern verteilt wurden.820 2. Fälle aus Norddeutschland Auch in norddeutschen Städten entsprangen einige große Handelsgesellschaften, wie die der Familie Loitz aus Stettin.821 Dennoch war das Unternehmensmodell einer Gesellschaft im Süden früher etabliert und wurde vermehrter genutzt und war daher im Norden institutionell im 15. / 16. Jahrhundert noch nicht so verfestigt wie im Süden.822 Nicht zuletzt daher sind für diese Zeit in den weniger zahlreichen Handelsgesellschaften des Nordens auch nur sehr wenige nicht geschäftsführende Gesellschafter nachzuweisen. In Emden zum Beispiel, das keine Hansestadt war,823 bildeten die Kaufleute, wie hansische Gewerbetreibende auch, marschuppien zum Handel über See oder Land, die aus mehreren Gesellschaftern bestanden.824 Dabei führten nicht immer alle Gesellschafter die Handelsgeschäfte, sondern es existierten auch solche, die nur Kapital einlegten.825 Beispielsweise gründeten Johann van Marrienhove und Johannes Lindemius um 1584 eine marschuppie, in deren Rahmen Lindemius nach Rouen reiste, um dort Pferde und Hafer zu verkaufen und dafür andere Waren zu erwerben. Van 819 Muther, Christoph Kuppener, in: Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts, Bd. 6 (1863), S. 149 [166–168]; Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 461 f. Darüber hinaus begutachtete Kuppener 1508 in seiner Schrift, vom Wucher, die Einlage eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters dahingehend, dass in ihr kein Wucher zu sehen wäre, wenn ein Einleger in gleicher Weise an Gewinn wie Verlust beteiligt wäre. Auszüge aus Kuppener, Schrift vom Wucher, in: Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 584 [590]. 820 Neumann, Geschichte des Wuchers, S. 462. 821 Strieder, Kapitalistische Organisationsformen, S. 99 f. 822 Siehe S. 167. 823 de Buhr, Emden im 16. Jahrhundert, in: Stoob, See- und Flusshäfen, S. 161 [165]. 824 Hagedorn, Emder Seehandelsverkehr, in: Hansische Geschichtsblätter (1910), S. 187 [262 f., 266 f.]. 825 Hagedorn, Ostfrieslands Handel und Schifffahrt, S. 263 f.
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Marrienhove verblieb als nicht geschäftsführender Gesellschafter in Emden.826 Für Verluste aus dem Handelsunternehmen hatten in Emden jedoch geschäftsführende wie nicht geschäftsführende Gesellschafter gleichermaßen einzutreten. Etwas Ähnliches wie eine Haftungsbeschränkung kannte man nicht. Überhaupt war ein gesellschaftlicher Zusammenschluss in Emden zu dieser Zeit noch nicht gesetzlich geregelt. Höchstens wurde eine geselschap in Regelungen beiläufig erwähnt, wie in Kap. 26 des Emder Water rechts bezüglich der Entscheidung der geselschap auf einem Schiff über einen Seewurf.827 Näher definiert wurde diese Form eines Zusammenschlusses aber nicht. Dabei war folglich auch nicht dargestellt, wie die Gesellschafter untereinander hafteten. Es war anscheinend aber auch nicht nötig, solche Regelungen zu treffen, da die Emdener Gesellschaften wohl fast nur mit eigenem Kapital agierten und damit keine erheblichen Schulden anhäuften. Das hatte wiederum zur Folge, dass das eingezahlte Gesellschaftskapital grundsätzlich ausreichte und es praktisch nicht passieren konnte, dass ein Gesellschafter Geld nachschießen musste. So stellte sich die Frage nach einer Haftungsbeschränkung auf die schon geleistete Einlage nicht.828 Das Lübecker Recht erlaubte bezüglich der Haftung in einer Handelsgesellschaft gemäß Abteilung 4 § 7 des Segeberger Kodexes von 1532, unter den Gesellschaftern zu vereinbaren, keine Geschäfte im Namen der Gesellschaft vorzunehmen, die in ihrem Wert das in die Gesellschaft eingelegte Kapital überschritten.829 Falls ein Gesellschafter sich nicht daran hielt, hatten die anderen Gesellschafter nur mit ihrem eingelegten Vermögen für die entstandenen Verbindlichkeiten einzutreten. Ein Betrag, der das Gesellschaftskapital überstieg, betraf die Gesellschaft nicht, sondern allein den Gesellschafter, der das jeweilige Geschäft abgeschlossen hatte. Dennoch galt zunächst grundsätzlich die unbeschränkte Haftung und eine solche Haftungsbeschränkung musste erst privatschriftlich festgelegt werden, wobei ein solcher Vertrag auch nur Wirkungen nach innen entfaltete.830 Schon daher stellte diese Regelung keine Haftungsbeschränkung im eigentlichen Sinne dar und war auch nicht mit der Haftungsbeschränkung des süddeutschen und italienischen Raumes vergleichbar. Sinn und Zweck der Regelung 826 Hagedorn, Emder Seehandelsverkehr, in: Hansische Geschichtsblätter (1910), S. 187 [264 f.]. 827 Regelung, in: Deiter, Dat waterrecht, in: Niederdeutsches Jahrbuch (1881), S. 34 [50–52]; Rothweiler / Geyer, Art. Haverei, in: HRG, Bd. 2 (2012), Sp. 839 [840]. 828 Hagedorn, Emder Seehandelsverkehr, in: Hansische Geschichtsblätter (1910), S. 187 [265]. 829 Hach, Das Alte Lübische Recht, S. 553 f. 830 Vgl. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 95; vgl. Keutgen, Hansische Handelsgesellschaften, in: VSWG, Bd. 4 (1906), S. 567 [604 f.].
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aus dem Norden war es auch nicht, Gesellschafter, die nur Kapital einlegten, vor einer unbeschränkten Haftung zu schützen. In der Gesellschaft des Segeberger Kodexes waren nämlich keine solchen Kapitalanleger vorgesehen. Alle Gesellschafter arbeiteten im Handelsbetrieb mit. Die Möglichkeit, die Haftung auf das Gesellschaftskapital zu beschränken, normierte man vielmehr nur, da man die Gesellschaft noch als lose „Gelegenheitsgesellschaft“ und nicht als verfestigte Einheit betrachtete, die sich durch die Gesellschafter verpflichten und haften könnte. Das Handeln einer Gesellschaft hing damit stark von den Gesellschaftern und deren Vermögen ab. Die Unternehmung sollte sich nur im finanziellen Rahmen des Kapitals bewegen, das die Gesellschafter zur Verfügung gestellt hatten. Mit keinem Geschäftsabschluss durfte die Höhe des eingelegten Gesellschaftskapitals überschritten werden. Vor weiteren Forderungen über das eingesetzte Kapital hinaus sollten die Gesellschafter geschützt sein. Daher ist diese Regelung im Gesellschaftsrecht des Lübecker Stadtrechts von 1586, das nun eine vollwertige und eigenständige Gesellschaft enthielt, auch nicht mehr zu finden.831 Es wurde in Lib. 3 Titel 9 Nr. 5 des Stadtrechts von 1586 nur allgemein klargestellt, dass mithilfe individueller Vertragsregelungen von den gesetzlichen Normen abgewichen werden dürfte.832 Wie im Lübecker Stadtrecht, entschied man sich zum Beispiel auch für die Hamburger Stadtrechte von 1603 gegen eine Haftungsbeschränkung nach dem süddeutschen Vorbild. Dabei ist zu beachten, dass Hamburg andererseits eine Vielzahl von Regelungen der Nürnberger Reformation von 1564, zum Beispiel aus dem Pfandrecht, teils wörtlich in seine Stadtrechte übernahm.833 Die Vorschriften zur Haftungsbeschränkung aus dem Nürnberger Titel 18 Gesetz 4 aber fehlten in den Hamburger Normen zum Gesellschaftsrecht unter Part. 2 Titel 10 („Von Gesellschafft oder Mascopey“),834 worin insgesamt die fortgesetzte Erbengemeinschaft als Gesellschaft, aber auch die frei geschlossene Gesellschaft geregelt waren. Bezüglich der Haftung bestimmte Part. 2 Titel 10 Art. 8 nur die uneingeschränkte Solidarhaftung aller Gesellschafter für eine Verbindlichkeit, die ein Gesellschafter im 831 Regelungen, in: Balhorn, Statuta und Stadtrecht Lübecks, S. 125 f.; vgl. Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 255 f. 832 Regelungen, in: Balhorn, Statuta und Stadtrecht Lübecks, S. 127; Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel, S. 95. 833 Der Stadt Hamburg Gerichtsordnung und Statuta, S. XLVIII; vgl. Westphalen, Commentar zum Hamburgischen Stadtrecht, Bd. 1, S. 234–238, 292 f., 300; Regelungen, in: Der Stadt Hamburg Gerichtsordnung und Statuta, S. 269 (Part. II Tit. 4 – Von Pfandschafften und Verpfändungen) und S. 280 (Part. II Tit. 5 (Vom Vorgange der Gläubiger in Pfandschafften, und sonsten). 834 Vgl. Der Stadt Hamburg Gerichtsordnung und Statuta, S. L, siehe darin auch die gesellschaftsrechtlichen Regelungen, S. 342–346.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
Namen der Gesellschaft eingegangen war.835 Eine generell normierte Haftungsbeschränkung enthielt im norddeutschen Raum als Ausnahmefall allein das Lüneburger Stadtrecht.836 3. Gründe für die Ablehnung der Kodifikation einer Haftungsbeschränkung Angesichts der zahlreichen Beispiele nicht geschäftsführender Gesellschafter stellt sich die Frage, warum man in den betreffenden Handelsstädten keine Haftungsbeschränkung normierte. Bedeutende gesellschaftsrechtliche Regelungen fanden, insbesondere hinsichtlich der beschränkten Gesellschafterhaftung, über einen langen Zeitraum nur Eingang in die Reformationen der beiden großen Handelsstädte Nürnberg und Frankfurt sowie Lüneburgs. Wenn man beachtet, dass die Haftungsbeschränkung in Lüneburg nur geradezu zufällig aus der Frankfurter Reformation mit übernommen wurde, stellt sich umso mehr die Frage, aus welchen Gründen im 16. Jahrhundert keine anderen Städte oder Territorien dem Beispiel Nürnbergs und Frankfurts folgten und Haftungsbeschränkungen für nicht mitarbeitende Gesellschafter in Handelsgesellschaften normierten. Man sollte meinen, dass auch andernorts ein wirtschaftspolitischer Bedarf zur Regelung des Statusses nicht geschäftsführender Gesellschafter bestand. Nichtsdestotrotz wurde außerhalb Nürnbergs, Frankfurts und Lüneburgs in den übrigen Städten und Territorien eine gesellschaftliche Haftungsbeschränkung überhaupt nicht geregelt. Bis zu den Normierungen der Neuzeit wurden jeweils selbst in neu verfassten Reformationen die alten gesellschaftsrechtlichen Statuten beibehalten. Zunächst hielt man das vorhandene geschriebene Recht für ausreichend. Die Rechtsfortbildung sollte vorrangig durch neue Auslegungen des alten Rechts erfolgen.837 So wurden nur solche Bereiche punktuell neu normiert, in denen in der Praxis Rechtsstreitigkeiten aufgetreten und Regelungs lücken offensichtlich geworden waren. Diese Entwicklung des Rechts aus dem Gewohnheitsrecht, bei der von einer systematisch planmäßigen Gesetzgebung noch keine Rede gewesen sein konnte, stand noch in der Tradition des Mittelalters.838 Im Rahmen einer solchen rückwärtsgewandten 835 Der Stadt Hamburg Gerichtsordnung und Statuta, S. 344; Westphalen, Commentar zum Hamburgischen Stadtrecht, Bd. 1, S. 346; vgl. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 132. 836 Siehe S. 313. 837 Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 72; Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 42; vgl. Coing, Die Frankfurter Reformation von 1578, S. 1–3. 838 Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 42; vgl. Beutin, Wirtschaftsgeschichte, S. 99.
VIII. Nicht geschäftsführende Gesellschafter in Städten 333
Rechtsentwicklung waren für das Gesellschaftsrecht keine gravierenden Änderungen und Neuerungen zu erwarten. Auch das rezipierte römische Recht, das vermehrt zumindest neben dem regionalen Recht zur subsidiären Anwendung in die Stadtrechtsreformationen einfloss,839 war hier nicht dienlich, da dieses zu einer Außengesellschaft keine Regelungen enthielt. Daher wendete man hauptsächlich die traditionellen deutschen Rechtsinstitute der Gesamthandsgemeinschaft und der Ganerbschaft auf die Handelsgesellschaft an.840 Diese Regelungen reichten in den meisten territorialen und städtischen Wirtschaftssystemen aus, falls nicht wie in Nürnberg und Frankfurt kompliziert gerichtlich zu beurteilende Bankrottfälle auftraten und das vorhandene spärliche Gesellschaftsrecht an seine Grenzen stieß,841 sodass Neunormierungen wie bezüglich einer Haftungsbeschränkung nötig wurden. Andererseits wollte man die kaufmännische Gestaltungsfreiheit möglichst wenig reglementieren und dadurch in hemmender Weise einschränken, um einen erfolgreichen Handel der Kaufleute zu gewährleisten und den dadurch wachsenden städtischen Wohlstand nicht zu gefährden. In gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Belangen bemühte man sich, jegliche potenziell nachteiligen Einwirkungen auf das Kaufmannsgewerbe zu vermeiden.842 Da die Räte der Handelsstädte ohnehin von Kaufmannsfamilien beherrscht waren, hielten die meisten eine umfassende gesellschaftsrechtliche Normierung nicht für nötig. Auch eine Beschränkung der Gesellschafterhaftung wurde dabei ausgeschlossen, obgleich sich Kenntnisse von einer Haftungsbeschränkung seit dem 15. Jahrhundert kontinuierlich verbreiteten. In Augsburg zum Beispiel lernte man die Möglichkeit, die Haftung für Gesellschafter zu beschränken, bereits vor dem Erlass des Nürnberger Privilegs von 1464 kennen, worauf der Gesellschaftsvertrag der Familie Meuting von 1436 hindeutete. Doch auch ohne eine Haftungsbeschränkung, die vertraglich oder gesetzlich festgeschrieben war, wurde die Institution nicht geschäftsführender Gesellschafter im deutschen Raum umfangreich angewendet, wie zum Beispiel die dargestellten Fälle aus Ravensburg, Straßburg oder Breslau zeigten. Auch die Stadt Augsburg erließ schließlich keine gesetzliche Haftungsbeschränkung. Eine Klausel, anhand der die Gesellschafterhaftung hätte beschränkt werden können, war in Augsburg nur in dem Entwurf einer Stadtrechtsreformation enthalten, der auch erst aus dem Jahr 839 Vgl.
Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 193–197. Handelsgesellschaften, S. 35 f.; Kammerer, Unternehmensrecht,
840 Schmidt,
S. 142. 841 Kammerer, Unternehmensrecht, S 142 f.; Amend-Traut, Brentano, Fugger und Konsorten, S. 9; vgl. Bauer, Unternehmensformen, S. 78. 842 Vgl. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 49.
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E. Verlustrisiken in deutschen Handelsgesellschaften
1596 stammte.843 Trotzdem man sich die neuen Regelungen extra aus Nürnberg beschafft hatte, scheuten die Augsburger deren offiziellen Erlass. Der Schutz der Gesellschaftsgläubiger und die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft, die die Haftungsbeschränkung möglicherweise gefährdet hätte, dürften hier schwerer gewogen haben. Die Augsburger Unternehmen agierten nämlich mit besonders viel Fremdkapital und waren mehr als andere darauf angewiesen, Einlagen in ihre Gesellschaften für fremde Anleger attraktiv zu gestalten. So nahm zum Beispiel die Höchstetter-Gesellschaft sogar kleinste Beträge aus allen Schichten der Gesellschaft als festverzinsliche deposita an. Die fremden Gläubiger der Augsburger Unternehmen sollten umfassend gegen alle Gesellschafter vorgehen können, um ihre Forderungen aus Darlehens-, Deposit- oder Handelsgeschäftsverhältnissen einzutreiben. Wie in Siena fürchtete man, dass sich die beschränkte Haftung gegenüber den Anlegern abschreckend auswirken könnte.844 Gegen die Einführung einer Haftungsregelung nach dem Nürnberger Muster sprach auch, dass Einlagen zu Gewinn und Verlust als nicht geschäftsführender Gesellschafter im Laufe des 16. Jahrhunderts stetig an Bedeutung verloren, da die Unternehmen aller Handelsstädte zur Kapitalgenerierung Depositeinlagen bevorzugten. Das war darin begründet, dass man Depositeinleger nicht so hoch am Gewinn einer Gesellschaft beteiligen musste. Die Nachteile des depositums wie die Pflicht, das eingelegte Vermögen kurzfristig wieder auszahlen zu müssen, was bei einer Investition als Gesellschafter nicht drohte,845 wogen dagegen nicht so schwer. Dennoch gerieten insbesondere in Augsburg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts viele Gesellschaften in den Bankrott, was durch die auf Depositeinlagen und Darlehen beruhende Unternehmensfinanzierung mitverursacht worden war.846 Möglicherweise begannen die Augsburger wegen dieser Pleiten über ein neues Gesellschaftsrecht und damit auch eine Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter, die Investitionen solcher Gesellschafter attraktiver gestaltet hätte, überhaupt nachzudenken, was in dem Entwurf einer Stadtrechtsreformation von 1596 uferte. 843 7. Titel des Augsburger Entwurfs einer Reformation von 1596, in: SuStB Augsburg, 2 Cod. Aug. 253, Fol. 181v – 185r; vgl. Kammerer, Unternehmensrecht, S. 141. 844 Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 241; vgl. Kern, Kaufmannshaus der Höchstetter, in: AKG, Bd. 26 (1936), S. 162 [188 f.]. Auch die Zangmeister-Gesellschaft finanzierte sich durch eine Vielzahl fremder Einlagen aus verschiedenen sozialen Gruppen. Westermann, Handelsgesellschaft der Zangmeister, in: VSWG, Bd. 6 (1908), S. 460 [472 f., 511–514]. 845 Vgl. Petry, Die Popplau, S. 79 f. 846 Hildebrandt, Unternehmensstrukturen im Wandel, in: Gerhard, Struktur und Dimension, Bd. 1, S. 93 [96–99, 105]; Strieder, Zeitalter der Fugger, in: Deininger, Das reiche Augsburg, S. 46 f.
VIII. Nicht geschäftsführende Gesellschafter in Städten 335
Auch verzichtete man in Augsburg auf eine allgemeine Normierung, da die dortigen Unternehmen sehr eng in Familiengemeinschaften verankert waren.847 Die Augsburger Kaufleute hatten wie die Händler in anderen deutschen Städten kein Interesse an einer gesetzlichen Regelung, weil sie dadurch Eingriffe in ihre familiären beziehungsweise unternehmerischen Belange fürchteten. Bereits die Geschäftsabsichten und die -abläufe sollten verdeckt bleiben, was nicht mehr gewährleistet gewesen wäre, wenn Gerichte oder Behörden interne Unternehmensangelegenheiten auf Grundlage von gesellschaftsrechtlichen Normen behandelt hätten.848 Das zeigt sich darin, dass viele Gesellschaftsverträge Vereinbarungen über Schiedsgerichte oder Gerichtszuständigkeiten enthielten.849 Wenn die Familienverbindungen intakt waren, konnte eine Gesellschaft alle Belange wie auch die Schuldenhaftung in weiten Teilen intern oder wenigstens durch Schiedsleute regeln. Den Gesellschaften reichte in diesem Sinne ein Vertrag, der nur im Innenverhältnis galt.850 Das galt auch für die als reines Familienunternehmen gegründete Gesellschaft der Popplau,851 die in Breslau ebenfalls in einem Rechtsumfeld ohne normierte Haftungsbeschränkung tätig war, obgleich hier wohl nicht einmal ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag vorhanden war.852 Gleichwohl entfalteten gesellschaftsvertragliche Regelungen, die teils auch die Haftung behandelten, sowieso teils schon nach außen über Rechtsbräuche die gewünschten Wirkungen.853 So wurde der nur Kapital anlegende Hans Ungelter, der seinen Vermögensbetrag zu gewin unnd verlust […] frey und unverbunden investiert hatte, im Bankrott der Höchstetter-Gesellschaft im Jahr 1529 im Gegensatz zu den geschäftsführenden Gesellschaftern nicht zur Haftung über seine Einlage hinaus durch die Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommen. Dennoch ist allein durch diesen Einzelfall nicht sicher zu belegen, dass man eine vertragliche Haftungsbeschränkung in Augsburg auch grundsätzlich im Außenverhältnis anerkannte.854 Nach 847 Jaeger / Puchner,
Veit Stoss, S. 56. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 212 f.; Amend-Traut, Brüder unter sich, in: Cordes / Dauchy, Eine Grenze in Bewegung, S. 91 [98 f.]; vgl. Peterka, Gesellschaftsverträge Jakob Fuggers, in: ZHR, Bd. 73 (1913), S. 387 [392]; vgl. Schmidt, Handelsgesellschaften, S. 35. 849 So im Gesellschaftsvertrag der Familie Höchstetter von 1524, in: Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 2, S. 39 [45 f.] und im Gesellschaftsvertrag der Familie Meuting, in: Möncke, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 292 [294 f.]; vgl. Lutz, Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 469. 850 v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 212 f.; Schmidt, Handelsgesellschaften, S. 35. 851 Petry, Die Popplau, S. 76, 83. 852 Petry, Die Popplau, S. 80 f. 853 Kammerer, Unternehmensrecht, S. 142. 854 Siehe S. 326. 848 v.
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mancherlei anderen unbewiesenen Ansichten musste sogar nicht einmal eine vertragliche Haftungsbeschränkungsregelung getroffen werden, um die Haftung auf den eingelegten Betrag zu beschränken.855 Weiter ist einmal mehr zu erwähnen, dass ein nicht geschäftsführender Gesellschafter nur in Ausnahmefällen zur Schuldentilgung herangezogen wurde. Da also dieser Fall, den die Nürnberger Haftungsbeschränkung unterbinden sollte, wenig praxisrelevant war, erschien die Normierung einer Haftungsbeschränkung auch daher bereits meist unnötig. Nicht zuletzt weil den Gläubigern der Gesellschaft mangels öffentlicher Register die Existenz oder die Namen von Kapitaleinlegern gar nicht bekannt waren, mussten die wenigsten Anleger eine Schuldenhaftung fürchten. Keine deutsche Stadt verfügte über Gesellschaften mit transparenter Gesellschafterstruktur und nur die unbeschränkt haftenden Geschäftsführer wurden nach außen bekannt gegeben. Davon abgesehen spricht vieles für einen allgemeinen Rechtsbrauch, demgemäß nicht geschäftsführende Gesellschafter im täglichen Geschäftsverkehr nicht zur Haftung herangezogen wurden. So waren Zahlungsaufforderungen gegen bloße Kapitalanleger durch Gesellschaftsgläubiger nur in einzelnen Bankrottfällen festzustellen.856 Außerdem wurde meist keine Haftungsbeschränkung normiert, da diese spezielle gesellschaftsrechtliche Materie nur für große Handelsstädte mit kapital- und umsatzstarken Unternehmen relevant war, wobei die meisten Territorialstaaten bereits gar nicht über solche Bank- oder Handelsunternehmen verfügten. Davon abgesehen musste eine Handelsstadt zudem unabhängig über ihre Gesetzgebung verfügen können, um solche Regelungen zu treffen.857 Die beschränkte Gesellschafterhaftung betraf insgesamt einen zu speziellen Sachverhalt, der in vielen Machtbereichen überhaupt nicht vorzufinden war, und stellte kein allgemeinrelevantes Thema dar.858 Andererseits boten sich Probleme mit der Geltung einzelner städtischer Regelungen im gesamten Reichsgebiet, das in eine Vielzahl von selbstständigen Rechtsräumen zersplittert war. Die Regelung eines Gesetzgebers wurde im Rechtsraum eines anderen Gesetzgebers gegebenenfalls nicht anerkannt, wobei ein überregional tätiges Unternehmen aber gerade überregionale Regelungen benötigte. Wahrscheinlich deshalb hatte sich Nürnberg 855 Nach Nübling erwarben sich vom Nürnberger Privileg des Jahres 1464 ausgehend auch die Gesellschaften außerhalb Nürnbergs das gewohnheitsmäßige Recht der Beschränkung der Haftung auf die eingelegte Summe. Nübling, Ulm’s Kaufhaus, S. 263. 856 Vgl. Thomas, Haftung von Gesellschaftern, S. 58 f. 857 Vgl. Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften, S. 41. 858 Vgl. v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen, S. 211 f.
IX. Ergebnis zu den deutschen Regelungen bis ins 16. Jahrhundert 337
um den Erlass der Haftungsregelung in einem reichsweit gültigen Privileg des Kaisers bemüht. Allein in einer Stadtrechtsreformation hätte die Normierung keine reichsweite Wirkung entfaltet. Ein generelles Reichsgesetz, das die Belange aller Handelsgesellschaften einheitlich geregelt und den reichsweiten Handel von der Reichsebene aus hätte unterstützen können, stand im Übrigen nicht zur Diskussion. Vielmehr wurde im Reichstag sogar über die Begrenzung der Vermögen der übergroß erscheinenden Fernhandelsunternehmen nachgedacht. Diese Pläne waren auf die zunehmende Monopol- und Syndikatsbildung und die damit verbundenen Preissteigerungen zurückzuführen.859 Nicht zuletzt auch hinsichtlich der abnehmenden Bedeutung nicht geschäftsführender Gesellschafter erscheint insgesamt verständlich, warum nur so wenige Städte die neue Haftungsidee in ihre Statuten aufnahmen. Bis auf die Frankfurter und die Lüneburger Normierung fand die Nürnberger Haftungsbeschränkung im 17. Jahrhundert keine Abnehmer mehr, obgleich die Stadt Hamburg für ihre Stadtrechte von 1603 sogar weite Teile der Nürnberger Reformation von 1564 übernahm, jedoch nicht die Regelungen zur Haftungsbeschränkung.860 Wie insbesondere auch das Beispiel Augsburgs zeigte, bedurfte es eines Zusammenwirkens vieler wirtschaftlicher, politischer und rechtswissenschaftlicher Faktoren, damit man die beschränkte Gesellschafterhaftung generell regelte. Die Regelungen in Nürnberg, Frankfurt und Lüneburg stellten in Anbetracht dessen nur einzelne Ausnahmeerscheinungen dar. Eine allgemeine Entwicklung zur Regelung der beschränkten Gesellschafterhaftung zeichnete sich im Deutschland der beginnenden frühen Neuzeit nicht ab, obgleich diese Rechtsidee wohl weithin bekannt war und möglicherweise stellenweise sogar über die Grenzen Nürnbergs, Frankfurts und Lüneburgs hinaus über das gemeine Recht subsidiäre Anwendung fand.861
IX. Ergebnis zu den deutschen Regelungen bis ins 16. Jahrhundert Nachdem ursprünglich geschäftsführende wie nicht geschäftsführende Gesellschafter unbeschränkt für Gesellschaftsschulden gehaftet hatten, verfassten Kaufleute erste Haftungsbeschränkungen für nicht geschäftsführende Gesellschafter in privaten Gesellschaftsverträgen, obgleich solche privat859 Peterka, Gesellschaftsverträge Jakob Fuggers, in: ZHR, Bd. 73 (1913), S. 387 [390 f.]. 860 Siehe S. 331. 861 Cordes, Transfer einer Rechtsidee, in: Senn / Soliva, Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, S. 243 [245 f.]; Kammerer, Unternehmensrecht, S. 147.
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schriftlichen Regelungen gegenüber Dritten in letzter Konsequenz, wenn in einer Pleite des Unternehmens die unbeschränkt haftenden Geschäftsführer zahlungsunfähig geworden waren, nicht durchzusetzen waren. Trotz dieser Problematik war das unbeschränkte Haftungsrisiko des nur Kapital anlegenden Gesellschafters im Geschäftsleben des 15. Jahrhunderts noch wenig relevant. Die Gesellschaftsstrukturen waren noch stark nach innen ausgerichtet, wobei die Geschäftsführer bei ihren Handlungen ihre nicht handelnden Mitgesellschafter nach außen gar nicht erwähnten. Daher wurde den Gesellschaftsgläubigern nicht unbedingt die Identität aller Gesellschafter bekannt beziehungsweise war es auch nicht üblich, bei den nicht geschäftsführenden Gesellschaftern Gesellschaftsschulden einzutreiben. Man wendete sich grundsätzlich an die nach außen auftretenden Geschäftsführer. Das dennoch zum Schutz nicht geschäftsführender Gesellschafter erlassene kaiserliche Privileg vom 23.06.1464, dessen Haftungsbeschränkung im Innenund im Außenverhältnis wirken sollte, konnte daher nur auf wenige Einzelfälle ausgerichtet gewesen sein. Es bestehen nicht nur vage Anhaltspunkte dafür, dass die Nürnberger mit der Haftungsbeschränkung auf den Streit in der Arzt-Handelsgesellschaft reagierten, der sich um die Zahlung einer hohen Summe durch die nicht geschäftsführende Gesellschafterin Clara Paumgartner beziehungsweise ihren Ehemann Anton Paumgartner auf Schulden der Gesellschaft drehte. Die Streitigkeit hatte für die Stadt Nürnberg weitreichende wirtschaftliche und politische Konsequenzen nach sich gezogen, da die beteiligten hochgestellten Patrizierfamilien sich insbesondere der Hilfe mehrerer Territorialherrscher bedient hatten, die im Interesse ihrer jeweiligen Streitpartei Druck auf Nürnberg ausgeübt und im Rahmen dessen den für die Stadt so bedeutenden Fernhandel behindert hatten. Mit der neuen Haftungsbeschränkung konnte der Nürnberger Rat selbstverständlich in der Arzt-Paumgartner-Streitigkeit nichts mehr ausrichten. Seine Absicht könnte aber gewesen sein, damit künftigen Streitigkeiten, in denen es um Zahlungen auf Gesellschaftsschulden durch nicht geschäftsführende Gesellschafter ging, vorzubeugen. Wenn die Gesellschafterhaftung für nicht Geschäftsführende schon früher beschränkt gewesen wäre, hätte die ArztPaumgartner-Streitigkeit weitaus reibungsloser beigelegt werden können. Wie die Regelung zur Haftungsbeschränkung in Nürnberg aber genau entstand und woher die dahingehende Idee stammte, kann letztlich nicht genau festgestellt werden. Sicher ist nur, dass der Entwurf für das Privileg in Nürnberg im Umfeld des Rates verfasst worden war, wobei aber schon der konkrete Autor unbekannt ist. Dennoch dürfte auch die Idee zu einer Haftungsbeschränkung aus Nürnberg selbst gestammt haben. Die Nürnberger Ratsherren wollten die nicht geschäftsführenden Gesellschafter vor Zugriffen von Gesellschaftsgläubigern schützen und könnten, um dieses Ziel umzusetzen, leicht auf die nahe liegende Beschränkung der Haftung dieser
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Gesellschafter gekommen sein. Die Nürnberger Haftungsbeschränkung beruhte also vorrangig nicht auf einem Transfer der florentinischen Haftungsbeschränkung der accomandita nach Nürnberg. Es ist aber anzunehmen, dass die Nürnberger Rechtsgelehrten über die weitreichenden Kontakte Nürnbergs nach Norditalien von der florentinischen accomandita Kenntnis erlangt und die ihr zugrundeliegende Regelung von 1408 im Rahmen des Privilegsentwurfs berücksichtigt hatten. Das Gesetz aus Florenz könnte als Vorbild gedient und die Nürnberger in ihrem Vorhaben bestärkt haben. Dabei konnten nicht zuletzt auch praktische Erfahrungen mit der funktionierenden Haftungsbeschränkung aus Florenz in die Planungen mit einbezogen werden. Nachdem die Haftungsbeschränkung zunächst in dem kaiserlichen Privileg von 1464 zur Geltung gekommen war, ging sie im Jahr 1564 in die erneuerte Nürnberger Stadtrechtsreformation ein, um weiter an die Regelung zu erinnern und sie unumstößlich im städtischen Gesellschaftsrecht zu verankern. Dass man die Regelung im Stadtrecht aufgrund einer häufigen Nutzung der Haftungsbeschränkung normierte, kann jedoch ausgeschlossen werden. Die Zahlen nicht geschäftsführender Gesellschafter gingen in ganz Süddeutschland im 16. Jahrhundert sogar zurück,862 obgleich diesbezüglich aufgrund damals fehlender Gesellschaftsregister und also lückenhaft überlieferter Belege für nicht geschäftsführende Gesellschafter in den Nürnberger Unternehmen des 15. Und 16. Jahrhunderts keine genauen Zahlen vorliegen. Sicher ist aber, dass die Unternehmen zunehmend im Verlauf des 16. Jahrhunderts die Depositeinlage gegenüber der Einlage eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters bevorzugt annahmen, um ihr Betriebskapital zu vergrößern. Der in der narratio der Privilegsurkunde von 1464 angesprochene Bedarf einer Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter betraf lediglich Einzelfälle. Auch nach Frankfurt wurde die Nürnberger Haftungsbeschränkung übernommen, da sie im Kreis der zahlreichen dortigen Handelsgesellschaften zwar in irgendeiner Form benötigt wurde. Doch auch für diese zentrale Messestadt können Bedarf und Nutzung nicht individuell konkret belegt werden. Weitaus unklarer erscheint aber, aus welchen Gründen die Lüneburger eine Haftungsbeschränkung für Gesellschafter einführten. Dort agierten zwar auch nicht wenige Handelsgesellschaften, die die Regelung benötigt haben könnten. Es drängt sich jedoch eher der Verdacht auf, dass die Regelung zur Haftungsbeschränkung nur mit anderen Teilen der Frankfurter Reformation in die Lüneburger Stadtrechte mit übernommen wurde, ohne sie konkret benötigt oder gewollt zu haben. Letztlich war die Haftungsbeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter in den deutschen Handelsstädten im Gegensatz zum italieni862 Siehe
S. 290.
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schen Raum nur rudimentär verbreitet. Eine Vielzahl von Argumenten verhinderte vielerorts, dass eine Haftungsbeschränkung generell geregelt wurde. Dennoch muss das Fehlen einer normierten Haftungsbeschränkung nichts darüber aussagen, ob nicht geschäftsführende Gesellschafter in einer Handelsgesellschaft in der jeweiligen Stadt beschränkt hafteten oder nicht, wie manche Beispiele zeigen. Auch ist denkbar, dass die Haftungsbeschränkung über das Gemeine Recht zur Anwendung kam, wenn dafür auch keine eindeutigen Beweise vorliegen. Konkret normierte man eine Haftungsbeschränkung jedenfalls nur, wenn wie in Nürnberg und Frankfurt dringende wirtschaftliche Gegebenheiten es erforderten. Solche Erfordernisse konnten sich zudem eher in Süddeutschland als im Norden ergeben, da die Gesellschaft mit Außenhaftung aller Gesellschafter, die durch die Haftungsbeschränkung von 1464 modifiziert wurde, in Norddeutschland noch weniger verfestigt war. Im hansischen Recht wurde eine solche Gesellschaft dann spätestens im revidierten lübischen Stadtrecht von 1586 normiert. Neben den reichsstädtischen und territorialen Normierungen waren auch auf Reichsebene keine neuen Regelungen im Gesellschaftsrecht zu erwarten. Überhaupt war das Reich allgemein meist untätig und nahm nur punktuell regelnde Eingriffe für Situationen vor, die größere Probleme und Streitigkeiten verursachten, die auch politisch brisant werden konnten oder es bereits waren. So wurde das spätmittelalterliche Gesellschaftsrecht im deutschen Raum insgesamt nur sehr begrenzt normiert.863 Wie der neue Typ eines Gesellschafters, wie ihn die Regelung des Privilegs von 1464 bestimmte, nun rechtlich einzustufen und zu spezifizieren ist, kann nicht nach heute geltenden Maßstäben des Gesellschaftsrechts beantwortet werden, wie es die ältere Forschung versuchte. Die wenigen Normen einer Haftungsbeschränkung, die in Nürnberg, Frankfurt und Lüneburg zur Geltung gelangt waren, sind zunächst nicht mit der stillen Gesellschaft in Verbindung zu bringen, da grundsätzlich eine auch nach außen wirkende Beschränkung der Haftung gemeint war, ein stiller Gesellschafter nach außen jedoch niemals in Erscheinung tritt beziehungsweise gegenüber Gesellschaftsgläubigern nicht zu haften hat. Trotzdem ist das vorliegende Gesellschaftsmodell aber auch nicht mit der heutigen Kommanditgesellschaft zu verwechseln, da der nicht geschäftsführende Gesellschafter formal nicht nach außen auftrat und daher auch im Gegensatz zur späteren Situation kein Gesellschaftsregister geführt wurde. Vorrangig hafteten hier die Geschäftsführer, wobei das „Innere“ einer Gesellschaft nur beiläufig nach außen kommuniziert wurde. Wenn man das Nürnberger Gesellschaftsmodell überhaupt nach diesen Maßstäben spezifizieren möchte, ist folglich von einer Mischform zwischen stiller Gesellschaft und Kommanditgesellschaft auszu863 Lutz,
Süddeutsche Handelsgesellschaften, Bd. 1, S. 79.
IX. Ergebnis zu den deutschen Regelungen bis ins 16. Jahrhundert 341
gehen. Der nicht geschäftsführende Beteiligte wurde nicht als Gesellschafter bekannt gemacht, hatte aber trotzdem grundsätzlich auch im Außenverhältnis zu haften, wenn diese Pflicht meist auch nur Theorie blieb, da nicht geschäftsführende Gesellschafter gewöhnlich nicht von Gesellschaftsgläubigern beansprucht wurden. Die Haftungsregelung des Privilegs von 1464, die nur für die Fallgruppe der nicht geschäftsführenden Gesellschafter vorgesehen war, die im Bankrott einer Gesellschaft von den Gläubigern beansprucht wurden, hatte im Übrigen nicht den Anspruch, einen neuen Gesellschaftstyp zu etablieren. Die neue Haftungsregelung stellte lediglich eine punktuelle Lösung für ein akut aufgetretenes gesellschaftsrechtliches Problem dar, das negative Konsequenzen für ganz Nürnberg mit sich gebracht hatte. Einem solchen Problemfall sollte für die Zukunft begegnet werden. Man kann aber trotzdem sagen, dass mit der Risikobeschränkung für nicht geschäftsführende Gesellschafter aufgrund der zumindest ähnlichen Eigenschaften beider Modelle eine Vorstufe zu einem Kommanditisten im Sinne einer heutigen Kommanditgesellschaft erreicht wurde. Mit späteren deutschen Regelungen, wie Cap. 11 § 2 der Wechselordnung der Stadt Augsburg von 1778864 oder § 4 der bayerischen Wechselordnung von 1785 / 86865, wonach geschäftsführende und nicht geschäftsführende Gesellschafte gegebenenfalls mit ihrer Haftungsbeschränkung in eine Art gerichtliches Register einzutragen waren und für die Gesellschaft nach außen zu haften hatten, schritten die Gesetzgeber weiter fort auf dem Weg zu den heutigen §§ 171 ff. HGB, die die Kommanditgesellschaft umfassen.
864 Regelung,
in: Wechselordnung der Stadt Augsburg, S. 43 f. in: Meißner, Codex der Wechsel-Rechte, Bd. 1, S. 188–190; Lastig, Stille Gesellschaft, in: Endemann, Handbuch, Bd. 1, S. 704 [719 f.]. 865 Regelung,
F. Schlussbetrachtung Für das Spätmittelalter und die beginnende frühe Neuzeit wurde im Rahmen dieses Forschungsprojekts eine Vielzahl verschieden gestalteter Anlage- und Unternehmensmodelle betrachtet, die sich auch in ihren regionalen und zeitlichen Unterarten teils sehr unterscheiden. Eine Investition in ein Unternehmen war in sehr unterschiedlicher Weise möglich. Zunächst standen die vielen Arten von Darlehensverhältnissen zur Verfügung, einmal solche, die in ihrer Entwicklung mit dem römischrechtlichen mutuum verbunden waren, dann solche, die sich aus dem Wechselgeschäft entwickelt hatten, oder der an eine Immobilie geknüpfte Rentenkauf. Sehr relevant war für die Unternehmensfinanzierung in Italien und in Deutschland neben den vorgenannten Darlehensmodellen zusätzlich die Möglichkeit der Einlage in einer Handelsgesellschaft über ein depositum, das wie alle Darlehenskonstrukte meist einen sicheren Zinsgewinn versprach. Gleichfalls verbreitete Anwendung fand das Seedarlehen, jedoch entsprechend seiner Ausrichtung fast ausschließlich im See- und nicht im Landhandel. Weiter konnten Anleger unter dem Status von Unternehmensteilhabern in Formen einer commenda investieren, deren Strukturen in verschiedener Weise in den Statuten vieler Seehandelsstädte des Mittelmeerraums festgeschrieben waren, wobei ähnliche Unternehmensformen insbesondere auch im norddeutschen Seehandel zu finden waren. Außerdem wurden Investoren letztlich als nicht geschäftsführende aber vollwertige Gesellschafter in solchen italienieschen und deutschen Unternehmen aufgenommen, die in der Form von Gesellschaften organisiert waren. Trotz dieser derart verschiedenen Anlage- und Unternehmensmodell ist in der Gesamtmasse aller dieser Konstrukte hinsichtlich der Ausgestaltung des Anlagerisikos aber eine einheitliche Tendenz abzusehen. Ausgehend von den Darlehensverhältnissen über die commenda-Vereinbarungen bis zur Beteiligung als nicht geschäftsführender Gesellschafter in einem Unternehmen stieg das Verlustrisiko stets an. Beim mutuum und depositum ging der Anleger das geringste Verlustrisiko ein, da neben seinem meist schon im Vorhinein festgelegten Zinsgewinn sein Rückforderungsanspruch auch im Bankrott des Schuldners erhalten blieb und als eine Art Insolvenzforderung geltend gemacht werden konnte. Noch wirkungsvoller konnte der Darlehensnehmer den Investor dadurch absichern, dass er ihm einen Pfandgegenstand übergab. Ein gesteigertes
F. Schlussbetrachtung343
Risiko lag in Geldleiheverhältnissen dagegen, wenn das Darlehen an einen Sachgegenstand geknüpft war, aus dem eine Rente gezahlt wurde, da neben der Rentenzahlung auch die Rückzahlung des Darlehens von dem Fortbestand dieser Sache abhing. Das höchste Risiko aller Verhältnisse, in denen Geld gegen einen Zinsgewinn verliehen wurde, war jedoch beim Seedarlehen einzugehen. Dabei verkörperte der Anleger nicht mehr nur einen bloßen komplett externen Darlehensgeber, sondern knüpfte die Rückgabe seines Vermögens an die drohende Seegefahr, obgleich er im Gegenzug einen gesteigerten Gewinn erwarten konnte. Da der Anleger im Falle eines Scheiterns der Unternehmung aufgrund seegebundener Gefahren sein Einlagevermögen aber ganz verlor, konnte er dabei nur darauf hoffen, dass die Unternehmung, in die investiert wurde, erfolgreich verläuft. Dieser Intensitätsgrad in der Beteiligung beim Seedarlehen kam bereits dem der Unternehmensformen der commenda sehr nahe. Im Rahmen einer commenda war der Anleger offiziell an der Unternehmung beteiligt. Wenn er dabei auch im Hintergrund stand und nach außen nicht in Erscheinung trat, war der Investor im internen Verhältnis Teil eines oft schon sehr ausführlich strukturierten Unternehmensgefüges, ähnlich einer Gesellschaft. Dementsprechend hoch fiel in einem commenda-Verhältnis sein Verlustrisiko aus, obgleich auch die Gewinnmöglichkeiten höher waren als in Darlehensverhältnissen nach dem Muster eines mutuums oder depositums. Für alle damaligen Anlagemodelle ist dennoch insgesamt zu sagen, dass man die Höhe des Anlagerisikos stets mit der Höhe der Gewinnmöglichkeit verknüpfte, was sich in heutigen Geldanlagemodellen erhalten hat. Das höchste Verlustrisiko hatte ein Anleger dabei aber als nicht geschäftsführender Gesellschafter eines Unternehmens hinzunehmen. Insbesondere in der Zeit vor dem Jahr 1400 wurde ein Investor hier weder im deutschen noch im italienischen Raum von einer gesetzlichen oder anderweitig allgemein anerkannten Haftungsbegrenzung geschützt. In letzter Konsequenz konnte ein Anleger daher im schlimmsten Fall neben seiner Einlage auch bis zu sein gesamtes Privatvermögen an Gesellschaftsgläubiger verlieren. Der Gesellschafter war eben wie ein Geschäftsführer gleichermaßen an Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt. Diesem haftungsrechtlichen Missverhältnis zwischen dem geschäftsführenden und dem Gesellschafter, der nur Kapital anlegen und nichts mit der Geschäftsführung zu tun haben sollte und wollte, auf das erstmals eindringlich die nicht geschäftsführenden Gesellschafter der sienesischen Firma der Bonsignori um 1298 aufmerksam gemacht hatten, wurde nach und nach mit Haftungsbeschränkungen abgeholfen. Ein nicht geschäftsführender Gesellschafter konnte danach nicht mehr Kapital verlieren, als dieses, welches er schon in die Gesellschaft eingelegt hatte. Der Geschäftsführer, der voll in die Unternehmung involviert war und durch seinen Einblick das Risiko aller Handlungs-
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F. Schlussbetrachtung
schritte abschätzen konnte, haftete dagegen weiter in unbeschränkter Höhe. Diese Form des geminderten Anlagerisikos für nicht geschäftsführende Gesellschafter kam erstmals im florentinischen Gesetz über die accomandita aus dem Jahr 1408 zum Ausdruck. Obgleich es in den Augen der Florentiner nur eine Art Zusatzregelung zur Grundform der damals üblichen Gesellschaft der compagnia darstellte, entfaltete das neue Haftungsmodell weitreichende Wirkungen für das florentinische Geschäftsleben. Es nützte einmal den Investoren, deren Verlustrisiko nun verringert war, und zugleich den Unternehmern, denen dadurch vermehrt neues Anlagekapital zufließen konnte. Wegen dieser Vorteile, die Handel und Handwerk begünstigten, normierten nach Florenz auch einige andere italienische Städte, namentlich Lucca, Genua, Bologna, Rom und Siena, eigene Haftungsbeschränkungen für nicht geschäftsführende Gesellschafter. Letztlich gingen von dieser revolutionären Neuerung in der gesellschaftsrechtlichen Haftungsstruktur insgesamt die Ursprünge eines neuen Gesellschaftstyps aus, auch wenn die Haftungsbeschränkung ursprünglich nur als Ergänzung der compagnia geplant war und das neue Anlagemodell in der florentinischen Geschäftspraxis auch zunächst wenig genutzt wurde. In der accomandita waren hinsichtlich der Haftungsbeschränkung immerhin bereits grundlegende Elemente einer heutigen Kommanditgesellschaft enthalten. Ähnliches gilt im Ergebnis für die Haftungsbeschränkung des Nürnberger Privilegs aus dem Jahr 1464 und die davon ausgegangenen Normierungen in den Stadtstatuten von Nürnberg, Frankfurt und Lüneburg. Die näheren Hintergründe und die Ausgestaltung der Regelungen zur Haftungsbeschränkung in Nürnberg und in Florenz unterschieden sich jedoch deutlich. Zwar war in Florenz und in Nürnberg vorrangig der Schutz der nicht geschäftsführenden Anleger bezweckt worden. Über den Schutz der nicht geschäftsführenden Gesellschafter hinausgehend war die Haftungsbeschränkung in Nürnberg aber weniger als in Florenz zum Nutzen der Unternehmen zur Kapitalbeschaffung vorgesehen, als allein zum reinen Schutz der nicht geschäftsführenden Gesellschafter. Nur in dieser Hinsicht hatte sich in der Nürnberger Geschäftspraxis ein Regelungsbedarf herauskristallisiert. Es ist sehr gut möglich, dass sich dieser in Nürnberg aus den negativen Folgen der Streitigkeit um eine Zahlung der nicht geschäftsführenden Gesellschafterin Clara Paumgartner für Schulden der Arzt-Gesellschaft ergeben hat. Clara Paumgartner hatte letztlich in der Höhe unbeschränkt über ihre vorhandene Einlage hinaus für Gesellschaftsschulden einzutreten, wobei die spätere Haftungsbeschränkung des Privilegs von 1464 eine solche Zahlungspflicht hätte verhindern können. Die Motivation für die Nürnberger Regelung begrenzte sich entsprechend solcher Haftungsfälle letztlich punktuell auf den Zweck, nicht geschäftsführende Gesellschafter vor unbeschränkter Haftung zu schützen. Die Nürnberger Regelung wurde nicht zuletzt auch
F. Schlussbetrachtung345
daher mit keiner weitergehenden gesellschaftsrechtlichen Normierung verbunden, da die damalige Gesetzgebung im Allgemeinen zögerlich agierte und man vorzugsweise auf die bestehenden Regelungen baute und ansonsten nur in Einzelfällen unvermeidliche Normierungen vornahm. Dementsprechend bestanden in Nürnberg und überhaupt im deutschen Raum im 15. Jahrhundert nur knappe gesellschaftsrechtliche Bestimmungen, die sich auf das nötigste beschränkten. So traf die neue Nürnberger Haftungsbeschränkung auf ein nur lose ausgearbeitetes und teils auch schon antiquiertes Gesellschaftsrecht und musste als relativ umfangreiche Regelung für ein einzelnes Problem daneben sehr unterschiedlich und in systematischer Hinsicht wie ein Fremdkörper erschienen sein. In den italienischen Städten Florenz, Lucca, Genua, Bologna, Rom und Siena dagegen wurde die neue Haftungsregelung in ein weitgehend ausgereiftes Gesellschaftsrecht eingefügt und war konzeptionell bedeutend besser ausgearbeitet. Zudem galt in Italien ein etwas anderes Verständnis von einer Gesellschaft. Im Gegensatz zum deutschen Raum, wo die Gesellschaft traditionell stark auf das Innenverhältnis konzentriert war, wirkte die italienische Gesellschaft in ihrem Auftreten und ihrer Haftungsstruktur stärker nach Außen und war eher schon mit einer heutigen offenen Handelsgesellschaft vergleichbar. Die Deutschen holten ihren gesellschaftsrechtlichen Rückstand ab dem ausgehenden 15. Jahrhundert aber mehr und mehr auf. Gut vorstellbar ist, dass sich dabei insbesondere die Stadt Nürnberg in der Ausarbeitung ihrer Haftungsbeschränkung von der florentinischen accomandita von 1408 in irgendeiner Weise hatte beeinflussen lassen, obgleich dies nicht eindeutig zu beweisen ist. Die Nürnberger unterhielten weitreichende politische, wissenschaftliche und besonders wirtschaftliche Beziehungen nach Italien. Zahlreiche Nürnberger Gesandte und Kaufleute, aber auch Studenten und Lehrlinge, hielten sich zeitweise in Städten wie Venedig, Genua und Florenz auf und lernten dabei nicht zuletzt die dortigen Handels- und Rechtsbräuche kennen. Dabei mussten sie fast zwangsläufig über den Kontakt mit Florentinern oder anderen Norditalienern auch von der Haftungsbeschränkung der accomandita erfahren haben. In der Folge könnten die Nürnberger die florentinische acommandita als Anregung für eine eigene gesellschaftsrecht liche Haftungsbeschränkung genutzt haben, obgleich die Nürnberger Haftungsregelung von 1464 letztlich wohl größtenteils auf eine eigene Idee der Nürnberger zurückging, was unter anderem auch an der unterschiedlichen Ausgestaltung der florentinischen und der Nürnberger Regelungen deutlich wird. Im Gegensatz zum italienischen Gesellschaftsrecht blieb im deutschen Raum auch die grundsätzliche Ausrichtung der Gesellschaften auf das Innenverhältnis erhalten. Nicht zuletzt damit ist zu erklären, dass die Haftungsbeschränkung nur von den Städten Frankfurt und Lüneburg und keinen
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F. Schlussbetrachtung
weiteren deutschen Städten und Territorien aufgegriffen wurde. Im Übrigen konnte die Haftungsbeschränkung in Deutschland nur in, wenn auch jeweils bedeutenden, Einzelfällen zum Tragen kommen, da nicht geschäftsführende Gesellschafter regelmäßig nicht gegenüber Gesellschaftsgläubigern zu haften hatten. Grundsätzlich wurden die Geschäftsführer zur Zahlung herangezogen. Nur wenn die geschäftsführenden Gesellschafter zum Beispiel in Unternehmensbankrotten die Gesellschaftsschulden nicht mehr begleichen konnten oder wollten, wendeten sich die Gläubiger an die nur Kapital anlegenden Gesellschafter. Auf dieser Praxis beruhte, dass nicht geschäftsführende Gesellschafter im deutschen Raum in keinen öffentlichen Registern vermerkt wurden, wobei die florentinische accomandita der heutigen Kommanditgesellschaft mit ihrem gerichtlichen Register bereits bedeutend näher kam. Weiter blieben die deutschen Normierungsbestrebungen gering, da Anlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter ab dem 16. Jahrhundert in Gesellschaften Deutschlands ohnehin zunehmend seltener aufgenommen wurden und der Regelung ihrer Rechtsverhältnisse daher nur eine niedrige Priorität zukam. Diese Situation der Anlagen nicht geschäftsführender Gesellschafter hielt für die nächsten Jahrhunderte an. Letztlich veränderte sich die rechtliche Stellung der nicht geschäftsführenden Gesellschafter im deutschen Raum seit der Normierung au dem Jahr 1464 maßgeblich erst wieder mit der Gesetzgebung des 19. Jahrhundert, die erstmals die heutige Kommanditgesellschaft enthielt. Im Gesamtzusammenhang der Entstehung der deutschen Kommanditgesellschaft gesehen wurde mit der Haftungsbeschränkung des Nürnberger Privilegs folglich trotz ihrer anfänglich geringen Relevanz der Grundstein zur Normierung der heutigen Kommanditgesellschaft der §§ 171 ff. HGB gelegt. Die Nürnberger hatten hier, ohne sich der besonderen Tragweite dieses Entwicklungsschritts bewusst zu sein, das erste Mal im deutschen Raum entsprechend der Idee der Kommanditgesellschaft eine Gesellschaftsstruktur bewirkt, nach der für manche Gesellschafter die Haftung beschränkt war und andere Gesellschafter weiterhin unbeschränkt hafteten. Die Regelung von 1464 stellte in diesem Sinne eine Zäsur und einen elementaren Entwicklungsschritt in der Geschichte des deutschen Gesellschaftsrechts dar.
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III. Literatur355 beygefügten sowohl die alte Reichs- als auch Nürnbergische Geist- und Weltliche Geschichte, Geseze und Rechte. wie nicht minder die vielfältig wegen der Münzen sich ereignete Veränderungen insonderheit aber die Historiam Medii Aevi und erläuterte Nürnbergische Reformation nach einem vorgesetzten Prodromo oder Einleitung in dreyen unterschiedenen Periodis und Haupt-Theilen noch mehr erklärenden und bewährenden Anmerckungen. Mit Römisch Kayserlicher Maiestät allergnädigstem Privilegio, Nürnberg 1738.
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Stichwortverzeichnis Acciaiuoli, Familie 124, 128 Adel 29, 85, 238 ADHGB 18, 23, 121 Adria 69 Akkon 33, 74 Alberti, Familie 128, 138, 248 Albrecht Achilles, Markgraf 209, 214, 217, 218, 227, 269 Albrecht III., Herzog von BayernMünchen 213, 215 Almeria 74 Amalfi 66–69, 75, 80, 88, 118, 127 Ammanati, Familie 125 Amsterdam 44, 179 Ancharano, Petrus de 257 Ancona 53, 57, 107, 129 Antellesi, Familie 124 Antwerpen 29, 179, 317, 327 Aquila 102, 141, 267 Ardinghelli, Familie 125, 128 Arzt, Anna 214, 216, 218, 220, 221, 225, 226 Arzt, Familie 186, 190, 192, 199, 203, 211–216, 218–223, 225–230, 233, 275, 280, 338, 344 Arzt, Hans 212–214, 216, 219, 220, 225, 229 Arzt, Ulrich 214, 215, 217, 219, 221 Assisen von Jerusalem 42 Augsburg 22, 24, 28, 29, 31, 35, 36, 42, 49, 160, 161, 165, 167–169, 172–175, 190, 192, 199, 200, 208, 209, 211–213, 227, 234, 237, 241, 243, 255, 277–280, 282, 283, 292, 317–320, 322–327, 333–335, 341 Augsburger Fallitenordnung (1574) 200
Augsburger Stadtrecht (1276) 160, 173 Avignon 105 Babylon 59 Banchi, Andrea 102, 248 Banchi, Familie 102, 248 Bank 30, 64, 83, 95, 109, 123, 124, 126–130, 133, 142, 145, 146, 157, 178, 231, 248–253, 261, 263, 265–267, 270, 272, 279, 310, 336 Barcelona 56, 58, 73, 142 Bardi, Familie 46, 48, 105, 123, 125, 128, 130 Barletta 141 Bartholomäuskirche, Venedig 264, 266, 268, 270, 273 Basel 167, 168, 171, 173, 176, 177, 182, 189, 191, 198, 238, 243, 248, 250, 277, 287 Behaim, Familie 272, 291, 297, 304 Behaim, Martin 262 Behaim, Michael 252, 292 Beheim, Hieronymus 295 Bergamo 99 Bergbau 95, 204, 238, 272, 299, 301, 303, 312 Bodmerei 44 Böhmen 204, 228, 243 Bologna 17, 151, 153, 156, 254–256, 268, 274, 344, 345 Bonacorsi, Familie 124 Bonsignori, Familie 109, 111, 112, 128, 130, 131, 133, 343 Boppard 37 Börse 32 Brescia 97 Breslau 179, 234, 277, 278, 280, 283, 321, 326, 333, 335
380 Stichwortverzeichnis Brindisi 74 Bromm, Familie 302, 309–311 Brügge 102, 142, 165, 179, 243, 251, 260, 261, 266, 279 Brüssel 179 Buchführung 212, 253, 260, 268, 271, 276 Bueri, Familie 243, 252 Buonvisi, Familie 147 Bürgschaft 38, 162, 173, 215 Byzanz 59, 62 Calixtus III., Papst 266 Capponi, Familie 127, 144, 247 Cepolla, Bartolomeus 227, 256 Champagne 47, 99 Chansonette, Claude 287, 289 Clemens VI., Papst 112 Code de Commerce (Frankreich) 158 Consolat de Mar 53, 73, 74, 76, 77, 81, 86 Constitutum Usus 40–44, 59, 61, 62, 64, 67, 83, 85, 89, 129 Cremona 99 Danzig 38, 179 Danziger Willkür (1580) 38 Diesbach-Watt-Gesellschaft 180, 274, 278 Dubrovnik siehe Ragusa Editto del Cardinal Barberini (30.06.1626) 154 Edward III., König 124, 125 Emden 167, 329 England 124, 200, 243, 244 Erfurt 254, 256 Famagusta 54, 55, 107 Fichard, Johann 305, 306, 313 Finanzhandel 112, 127, 145, 178, 243, 245, 248, 250 Flandern 164, 243 Fondaco dei Tedeschi (Venedig) 252, 267
Fondaco dei Tedesci (Venedig) 244, 261, 263, 269–271, 275 Frankfurt 19, 34, 37, 167, 193, 204, 225, 243, 272, 277, 305, 307–317, 332, 333, 337, 339, 340, 344, 345 Frankfurter Reformation (1578) 187, 191, 192, 196, 306, 312, 313 Frankfurter Reformation (1611) 312 Frankreich 35, 99, 121, 208, 243, 249 Franzesi, Familie 127 Fregano, Marinus de 266, 272 Frescobaldi, Familie 127 Friedrich II., Kaiser 77 Friedrich II., Kurfürst von Sachsen 214 Friedrich III., Kaiser 182, 203, 209, 210, 219, 223–225, 229, 232, 267, 286 Fugger, Anton 28 Fugger, Familie 21, 160, 161, 163, 168, 194, 293, 305, 316 Fugger, Jakob 160 Fugger, Ulrich 28 Fürleger, Hans 28 Fürlegung 50, 51, 175, 309, 324 Fütterer, Familie 192, 273 Genf 248, 270, 272 Genua 17, 21, 26, 40, 47, 53, 55–57, 66, 74, 80, 85, 90, 91, 101, 103, 107, 124, 127, 129, 132, 148–150, 156, 157, 178, 244, 245, 246, 252, 261, 274, 344, 345 Genuesische Statuten (1588) 56, 57, 148, 149 Germanen 39, 94, 97, 232 Gesamthandsgemeinschaft 159, 173, 333 Gesellschaftsvertrag 19, 24, 51, 68, 98, 151, 160–162, 168, 170, 172–175, 178, 180, 187, 189, 190, 192, 193, 195, 198, 240, 241, 276–278, 288, 290, 292, 293, 295–301, 303, 304, 307, 309, 310, 312, 317, 318, 322–325, 327, 328, 333, 335, 337
Stichwortverzeichnis381 Gesetz über die accomandita (Florenz, 1408) 113, 114, 120, 156, 231, 235, 275, 344 Gewohnheitsrecht 99, 161, 231, 258, 281, 288, 309, 311, 332 Gossembrot, Sigmund 212–215, 217, 220, 221 Graz 179, 218, 223 Griechenland 25, 39, 40, 58 Große Ravensburger Gesellschaft 177, 178, 246, 273, 278, 318, 328 Gutachten 36, 168, 227, 236, 256, 287, 289, 290 Halbysen, Familie 171–173, 176, 249 Halbysen, Heinrich 249 Hamburg 225, 331, 337 Hamburger Stadtrecht (1603) 331, 337 Handelsbräuche 252 Handelsgesetz Karls V. vom 10.03.1525 168 Handelszeichen 96 Handlungsvollmacht 77, 98, 105, 109, 160, 165, 298 Handwerker 28, 78, 84, 91, 92, 94–96, 124, 126, 129, 144, 145, 203–205, 228, 238, 257–259, 280, 299, 344 Hanse 78, 85, 164, 313, 315, 340 Haug, Anton 51, 319 Haug, Familie 31, 50, 51, 161, 200, 291, 318, 323 Heideck, Konrad von 214 Heidelberg 251, 256 Heimburg, Gregor von 214, 256 Heiratsgut 155, 161, 175, 209, 212, 217, 291, 293, 294, 304, 319 HGB 17, 23, 89, 120, 168, 186, 341, 346 Hirschvogel, Familie 22, 250, 268, 272, 273, 275, 292 Hirschvogel, Franz 246, 252, 273 Hirschvogel, Leonhard 272 Höchstetter, Ambrosius 325
Höchstetter, Familie 19, 161, 174, 209, 304, 319, 320, 322, 323, 325, 326, 334, 335 Höchstetter, Joachim 325 Höchstetter, Joseph 325 Holzschuher, Familie 253, 262, 268 Humpis, Familie 177, 178 Humpis, Jos 178 Husanus, Heinrich 313 Imhof, Endres 49 Imhof, Familie 28, 244, 267, 274, 275, 292, 296, 300, 310 Imhof, Katharina 291 Imhoff, Familie 22, 190, 245, 264, 268, 291, 296, 328 Imhoff, Hans 262 Imhoff, Konrad 267 Immobilie 29, 36, 37, 38, 99, 126 Jacob von Aragon, König 73 Jerusalem 42 Kaiserliches Privileg für Nürnberg (1459) 229 Kaiserliches Privileg für Nürnberg (1464) 19, 20, 24, 183, 187, 193, 196, 201, 202, 206, 224, 226, 229, 231, 232, 242, 276, 282–284, 288, 289, 295, 299, 305, 307, 308, 311, 313, 314, 317, 326, 333, 339, 340, 341, 344 Karl V., Kaiser 30, 31, 46, 168 Kirche 34, 36, 45, 82, 127, 256, 264 Kirchliche Konzile 248, 249, 250 Kolb, Johannes, Kaplan 270, 273 Koler, Erkenbrecht 262, 264 Koler, Familie 206, 214, 240, 271, 274, 296 Koler, Georg 168, 174, 192, 292, 296 Koler, Hans 262, 269 Koler, Jörg 296 Köln 165, 243, 248, 254, 256, 276
382 Stichwortverzeichnis Kommanditgesellschaft 17, 18, 23, 68, 71, 72, 87, 109, 117–120, 148, 150, 155, 156, 177, 185, 186, 195, 196, 298, 309, 328, 340, 341, 344, 346 Kommissionsgeschäft 21, 76, 77, 285 Konkurrenzverbot 167, 168, 235, 239 Konstantinopel siehe Byzanz Konstanz 178, 248 Krakau 179, 272 Kress, Familie 206, 240, 245, 249, 252, 253, 262, 263, 264, 265, 268, 274 Kress, Fritz 262, 263, 265 Kress, Hieronymus 262 Kress, Jörg 168, 174, 292, 296 Kress, Konrad 263 Landwirtschaft 36, 37, 204, 228 Langnauer, Familie 50, 51, 200, 323 Langobarden 60, 94, 97 Lauginger, Familie 22, 32, 35 Lauredanus, Leonhardus, Doge 236, 242 Leipzig 254, 327, 329 Lemberg 179 Lemmel, Michael 291 Liber juris civilis urbis Veronae (1228) 97 Linck, Familie 50, 51, 161, 200, 291, 318 Linck, Ulrich 319, 323 Lindau 178 Loitz, Familie 22, 316, 329 Lombardei 252, 257, 296 Lübeck 21, 163–166, 243, 252, 273, 287, 330, 331 Lübisches Niederstadtbuch 78 Lucca 100, 146, 147, 156, 344, 345 Ludwig der Reiche, Herzog von Bayern-Landshut 213 Lüneburg 19, 225, 305, 313, 315–317, 332, 337, 340, 344, 345 Lüneburger Reformation 313, 314, 315, 339 Lyon 270
Mähren 204, 228 Mailand 46, 135, 137, 178, 243–246, 248, 252, 260–262, 273, 296 Malipiero, Pasquale, Doge 264, 266 Mallorca 73 Manlich, Familie 42, 227, 317, 323 Marseille 42, 44, 53, 57, 58, 65, 84, 85, 107 Martelli, Familie 141, 178 Medebach 79 Medici, Familie 95, 128, 129, 135, 136, 141, 145, 147, 148, 178, 246, 248–252, 260, 261, 263–267, 270, 272–276, 279, 281, 282 Medici, Giovanni di 248, 263 Meichsner, Heinrich 262, 265, 271, 272 Meißen 329 Memmingen 42, 49, 161, 175, 277, 317, 321 Mendel, Familie 206, 250, 253, 262, 270, 273, 274, 276 Mendel, Marquart 270 Messe 29, 34, 35, 47, 99, 181, 243, 244, 248, 270 Messina 65, 74, 77, 81, 84 Meuting, Familie 168, 172–176, 180, 181, 190, 193, 234, 240, 241, 277–279, 326, 333, 335 Meuting, Hans, der jüngere 172 Miraballi, Familie 143, 273, 281 Monsiri, Familie 125 Morneweg, Hermann 167 Mozzi, Familie 105, 107, 125 Muffel, Familie 22, 37, 225, 262, 269 Müllner, Hans 272, 275 Nagel, Kaspar 212, 213, 217, 218, 228 Naldini, Familie 324 Neapel 129, 141 Nerli, Familie 125 Neumayr, Familie 28 Nürnberger Pflicht (1442) 237 Nürnberger Reformation (1464) 278
Stichwortverzeichnis383 Nürnberger Reformation (1479) 194, 242, 283, 284, 286, 287, 289, 306, 308, 310 Nürnberger Reformation (1564) 25, 33, 187–190, 197, 231, 286, 287, 289, 306–308, 314, 326, 331, 337 Oesterreicher-Staininger-Vertrag (1590) 318 Offene Handelsgesellschaft 17, 89, 120, 148, 168, 345 Ortlieb, Familie 206 Ostsee 164, 165 Padua 227, 238, 254–256, 264, 268, 269, 271, 274 Palermo 21, 64, 141, 274 Päpstliche Kurie 110, 248–251, 263, 266, 270, 272, 273 Paris 102 Parsperg, Wernher von 214 Parte Veneziana sulle Invenzioni (1474) 258 Paumgartner, Anton 203, 211–216, 218, 220, 221, 224–226, 230, 256, 262, 265–267, 338 Paumgartner, Clara 211, 219–222, 228–230, 232, 233, 292, 319, 338 Paumgartner, Familie 19, 22, 49, 168, 186, 199, 206, 211–230, 233, 234, 244, 245, 263, 265–267, 270, 273–275, 291, 338, 344 Paumgartner, Franz 325 Paumgartner, Hans 28, 29, 49, 318 Paumgartner, Konrad 218, 224, 225, 229, 262, 265 Paumgartner, Martin 226, 264, 265 Pavia 255, 268 Pazzi, Familie 46, 128 Peregrino, Filippo de 77 Perugia 255, 268 Peruzzi, Familie 46, 48, 95, 105, 123, 125, 128, 130 Pfand 29, 34, 342 Pfinzing, Familie 262, 271, 275
Pfinzing, Georg 271 Pfinzing, Konrad 254 Pfinzing, Ludwig 271 Pfinzing, Martin 271 Piacenza 70, 71, 72, 75, 88, 91, 99 Pirckheimer, Familie 226, 254, 266, 268 Pirckheimer, Franz 255, 268 Pirckheimer, Hans 255, 262, 268 Pirckheimer, Thomas 254–266, 268 Pirckheimer, Willibald 236 Pisa 17, 42, 43, 53, 57, 59, 60, 67, 74, 75, 80, 127, 129, 132, 141, 144, 178 Pius II., Papst 178, 204, 266 Planwirtschaft 205 Polen 273 Popplau, Familie 22, 179, 180, 182, 234, 277, 321, 326, 327, 335 Popplau, Hans 318 Prag 179 Praun, Familie 274 Praun, Johannes 246, 274 Prinzipal-Agenten-Beziehung 122 Provisione der Università de mercanti (Bologna, 1583) 151, 153 Pruner, Joachim 317, 327 Pruner-Rietwieser-Gesellschaft 302, 317 Publizität 115, 231 Rabatta, Familie 142, 279, 282 Ragusa 53, 69, 75 Raub 27, 28, 64, 65 Ravensburg 167, 177, 178, 199, 246, 273, 278, 280, 318, 328, 333 Reallast 35, 38 Rechtsberatung 236–238, 256 Rechtstransfer 242, 271, 272, 277, 280 Reck, Hermann 264, 270 Regensburg 79, 179, 204, 227, 243, 277 Register 18, 21, 78, 110, 114–117, 119, 132, 135, 138–147, 149–151, 153, 155, 157, 174, 197, 202, 210, 231,
384 Stichwortverzeichnis 241, 246, 247, 260, 273, 278, 280, 281, 290, 304, 336, 339, 340, 341, 346 Rehlinger, Christoph 318 Rehlinger, Familie 161, 174, 192, 273, 275 Rehlinger, Hieronymus 28 Rehlinger, Wilhelm 37 Reichsabschied (1600) 39 Reichskammergericht 289 Reichspolizeiordnung (1530) 37 Reichspolizeiordnung (1577) 39 Rem, Familie 22, 253, 323, 324 Rietwieser, Kilian 327 Rôles d’Oléron 42 Rom 26, 74, 117, 142, 154, 156, 238, 245, 248, 250, 254, 263, 266, 267, 272, 344, 345 Römisches Recht 25, 26, 39, 43, 45, 58, 94, 231, 235, 240, 254, 257, 284, 288, 289, 294, 301, 306, 314, 333 Römisches Reich 40 Rouen 329 Rucellai, Familie 128, 139, 261 Ruland, Ott 181 Rummel, Andreas 254, 264 Rummel, Balthasar 301 Rummel, Familie 244–246, 249–251, 262–265, 268, 274 Rummel, Heinrich 262, 264 Rummel, Wilhelm 263 Runtinger, Familie 33, 79, 243 Runtinger, Matthäus 33, 34, 36 Runtinger, Wilhelm 36 Saigergesellschaft 90, 193, 299, 301–303, 311, 316, 327 Saliti, Familie 247 Salviati, Familie 279, 324 Saranno, Ambrosius von 168, 174, 292, 296 Scali, Familie 99, 104, 105, 125, 127, 200 Schaffhausen, Konrad von 246, 259, 273
Scheurl, Familie 292, 297, 304 Schürstab, Familie 253, 262, 272 Schürstab, Hans 224, 246, 262 Schwabenspiegel 162 Scriba, Giovanni 26, 40, 56, 57 Segeberger Kodex (1532) 165, 330 Siena 17, 46, 100, 108–113, 130, 131–133, 154–157, 178, 334, 344, 345 Soest 160 Soester Stadtrechte 160 Spalato 91, 96 Spanien 35, 90, 138, 142, 178, 208, 244 Spinelli, Familie 248, 249, 267, 270, 272 Sprache 89, 185, 188, 253, 275, 281, 282, 313 Stadtrecht von Medebach (1165) 79 Stahlberg, Claus 311 Starck, Ulrich 214 Stark, Familie 253, 262, 276 Stark, Hans 271 Statut de Marseille de 1253 a 1255 42, 44, 53, 57, 84 Statuta antiqua mercatorum (Piacenza, 1321) 70, 71, 91 Statuta civilia domus mercatorum Veronae (1318) 71 Statuta Mercatorum Recentiora (Piacenza, 1323) 71, 72 Statuta Ragusii (1272) 53, 69 Statuten von Bergamo (1428) 99 Statuten von Brescia (1429) 97 Statuten von Lucca (1376) 100 Statuten von Siena (1308) 100, 110, 131 Statuten von Siena (1644) 154 Statuten von Spalato (1312) 91, 96 Statuti de la Corte de Mercadanti (Lucca, 1554) 146 Statuti de’lanajuoli (Siena, 1292) 110 Statuti de Mercanti della Città di Cremona (1388) 99
Stichwortverzeichnis385 Statuto della corte della mercanzia (Großherzogtum Toskana, 1585) 118 Statuto dell‘arte della mercanzia (Siena, 1342) 101, 112 Statuto dell’arte di calimala (Florenz, 1332) 96, 98, 114, 129 Steinacher Gesellschaft 300, 302, 311, 312 Stettin 329 St. Gallen 178, 180, 274 Stille Gesellschaft 23, 72, 88, 119–122, 149, 152, 201, 302, 307, 340 Stoß, Veit 297, 298 Stralsund 179 Straßburg 328, 333 Stromer, Familie 206, 252, 257, 258, 264, 268, 271, 272 Stromer, Konrad 245 Stromer, Peter 245 Stromer, Ulman 245, 252, 276 Strozzi, Familie 128, 142, 261, 279, 282 Studenten 239, 240, 251, 255, 268, 274, 345 Tabula di Amalfi 66, 67, 69 Talamone 132 Tetzel, Familie 183, 223, 224, 262, 269, 276 Tetzel, Gabriel 301 Tetzel, Hans 269, 301 Tetzel, Jobst 183, 224, 229, 232, 262, 269, 276, 301 Thorn 179 Toskana 118, 130, 131, 143, 250, 263 Trani 141 Tucher, Anton 216, 224, 229, 262, 270, 297 Tucher, Endres 217, 262 Tucher, Familie 216, 224, 226, 245, 252, 253, 268–270, 273, 275, 297 Tucher, Hans 267, 269, 270 Tucher, Linhart 297 Türkensteuer 266, 272, 273
Ulm 168, 181, 208, 213, 227, 277, 324 Ulstatt, Hans 215 Ulstatt, Justina 212–214, 217, 219–221 Umgehungsgeschäft 37, 44 Ungelter, Hans 322, 323, 325, 335 Universitäten 227, 238, 240, 254, 255, 256, 264, 268, 275 Unterbeteiligung 301–303, 324 Valencia 73 Veckinchusen, Hildebrand 79, 164, 167, 316 Venedig 17, 21, 23, 24, 27, 28, 30, 33, 35, 40, 44, 53, 57, 59, 63–65, 69, 81, 85, 91, 93, 101, 127, 132, 138, 155, 156, 164, 172, 178, 236–239, 242–245, 248–254, 258– 262, 264–274, 276, 279, 281, 310, 345 Verona 71, 72, 88, 97, 243 Versicherung 40, 41, 43, 44 Viatis, Familie 298, 299 Villani, Lorenzo di Giovanni 247 Vöhlin, Familie 50, 324 Vöhlin, Hans 324 Vöhlin, Konrad 324 vulle mascopey 163, 164 vulle selschap siehe vulle mascopey Warenhandel 49, 145, 243, 248, 250, 263, 265, 267, 272 Warschau 179 Weißhaupt, Familie 161 Welser, Anton 324 Welser, Familie 28, 50, 168, 279, 303, 318, 324 Welser, Jakob 279 Welser, Lukas 279 Welser, Ulrich 28 Werdemann, Familie 49 Westfälische Gerichte 306 Wetter 16, 65, 102, 133 Weyer, Familie 169, 199 Weyer, Sebastian 169, 199
386 Stichwortverzeichnis Widerlegung 78, 79, 294, 319 Wien 33, 179, 254 Wissenstransfer 242, 257, 273, 275 Wucherverbot 31, 34, 37, 43, 45, 73, 82, 188 Zangmeister, Familie 161, 174, 175, 321, 334 Zeno, Rainieri, Doge 64
Ziani, Pietro, Doge 63 Zinsverbot 30, 43, 46 Zoll 205, 206 Zorzi, Sebastian 29 Zunft 28, 99, 100, 106, 114, 124, 128, 132, 139, 143–145, 205 Zürich 38 Zwangsvollstreckung 41, 61, 98, 164, 232