184 37 17MB
German Pages 458 [229] Year 2010
T HISTORIA Zeitschrift für Alte Geschichte Revue d'histoire ancienne Journal of Ancient History Rivista di storia antica
Joachim Szidat
Usurpatortanti nominis Kaiser und Usurpator in der Spätantike (337-476 n. Chr.)
EINZELSCHRIFTEN Herausgegeben von Kai Brodersen/Erfurt Mortimer Chambers/Los Angeles MartinJehne/Dresden Fram;:oisPaschoud/Geneve Aloys Winterling/Berlin
HEFT 210
@
Franz Steiner Verlag Stuttgart 2010
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort ............................................................................................................. Hinweise für den Leser ..................................................................................... I.
1.1 I.2 1.3
II. 11.1 ll.2 11.3
25
III.
Der Kaiser......................................................................................
43
III.A
Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschafts~ sicherung im 4. u. 5. Jhd. ............ ............. ................... .................. Herrschaftsform und Herrschaftsübertragung: Allgemeine Überlegungen.................................................................................. Die Mehrkaiserherrschaft................................................................ Die institutionellen Strukturen der Mehrkaiserherrschaft und ihre Auswirkungen auf die Politik ........... ................... .. .. ......... Die Niederlegung der Herrschaft....................................................
IIJ.A. I III.A.2 III.A.3 III.A.4
111.B III.B. I III.B.1.a III.B.t.b Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2010 Franz Steiner Verlag, Stuttgart. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Printed in Germany
13 13 17 18
41
II.5
ISBN978-3-515-09636-2
Einleitung....................................................................................... Usurpation und Machtwechsel. Allgemeine Überlegungen............ Spätantike Usurpationen in der Forschung..................................... Absicht, Inhalt und Methode des Buches........................................
9 12
Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantilee ....... .. Der Staatsstreich und verwandte Phänomene ............................... .. Begrifflichkeit ................................................................................ . Die Bewertung des Staatsstreiches und ihr Niederschlag in Herrscherlisten ........................................................................... . Der Staatsstreich in der politischen Theorie der Spätantike .......... . Die politische Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator..................................................................................
II.4
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. .
IILB.l.c III.B.l.d III.B.2 III.B.2.a III.B.2.b III.B.3
Die Übernahme der Herrschaft ......................... ................. ......... Die Erhebung des Kaisers............................................................... Das Erhebungszeremoniell............................................................. Die Wahlversammlung oder „Das Heer macht den Kaiser''. Macht das Heer den Kaiser? ....................................... ................. .. . Einberufung und Leitung der Wahlversammlung........................... Die Erhebung eines Caesars.............. ............. ................... .............. Nach der Erhebung.......................................................................... Allgemeine Überlegungen: Erhebung, Herrschaftsbeginn, Bestätigungsakte............................................................................. Die Anerkennung des neuen Herrschers am Ort der Erhebung ...... Die Intervalle zwischen dem Tod eines Kaisers und der Erhebung eines neuen ..... .......................... ................... ......
26 27
32 39
43 43
46 58
67 70 70 71
76
8I 83 84
84 88 89
6
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
111.C
Der Vorschlag des Kandidaten .................................................... .
III.C.l III.C.2 III.C.3
Allgemeine Überlegungen ............................................................. . Der Kaiser als auctor eines neuen Herrschers ............................... . Die Führungsgruppe und ihr Kandidat. .......................................... . Die KaisererhebW1gen im 4. Jhd .................................................... . Die Kaisererhebungen im Osten im 5. u. 6. Jhd ............................ . Die Kaisererhebungen im Westen: Petronius Maximus • Erhebung Die Führungsgruppe ....................................................................... . Zusammenfassung .......................................................................... .
III.C.3.a III.C.3.b III.C.3.c III.C.3.d III.C.3.e
111.D lll.D. l III.D.2 III.D.3
IJI.E Ill.E.l 111.E.2
91 91
94 102 103 113 125 130 150
Die Anerkennung und Bestätigung des neu erhobenen Kaisers in seinem Herrschaftsgebiet und im Reich ................................ . 153 Allgemeine Überlegungen ............................................................. . 153 Die Mitteilung an die Amtskollegen .............................................. . 157 Die Anerkennung durch wichtige Gruppen ................................... . 158
Wer kann Kaiser werden? ........................................................... . 165 Das dynastische Prinzip ................................................................. Die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen: Herkunft, Rang, Funktion, Religion ...............................................
. 165 . 182
III.F
Die Sicherung der Herrschaft ..................................................... . 187
III.F.1 III.F.2 III.F.3
III.F.6
Allgemeine Überlegungen ............................................................ .. Die Führungsgruppe und die Sicherung der Herrschaft ................. . Die Soldaten und die Mitglieder der Verwaltung außerhalb der Zentrale ................................................................... . Die Bevölkerung der Städte ........................................................... . Die Kirche ..................................................................................... .. Die Sicherung der Herrschaft gegen mögliche Prätendenten ........ .
IV.
Der Usurpator ............................................................................. .. 205
IV.A
Allgemeine Überlegungen ........................................................... .. 205
IV.A. l IV.A.2
Die Usurpation als Teilhabe an der Herrschaft .............................. Usurpation und gewaltsame Auseinandersetzungen unter Kaisern .................................................................................. Alternativen zur Usurpation .......................................................... Die unterschiedlichen Formen einer Usurpation ........................... Usurpationsversuche und Mordanschläge ..................................... Die Zahl der Usurpationen. Ihre chronologische und geographische Verteilung ........................................................
III.F.4 III.F.5
IV.A.3 IV.A.4 IV.A.5 IV.A.6
187 189 195 196 197 200
. 205 . .. . .
211 213 215 219
IV.C.l.c IV.C.2 IV.C.2.a IV.C.2.b IV.C.3
IV.D
Die Gründe der Usurpationen .................................................... . 224
IV.C
Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator .......... . 232
lV.C.1 IV.C.l.a IV.C.l.b
Planung und Vorbereitung .............................................................. Usurpator und führende Gruppe .................................................... Die militärische Basis ....................................................................
. 232 . 236 . 237
240 242 242 250 251
Wer kann erfolgreich usurpieren? ...............................................
JV.D.1 IV.D.2
257 Allgemeine Überlegungen .. .. ........... .. .. .. ........... ..................... ......... 257 Generäle und zivile Amtsträger....................................................... 261
IV.E
Der vom Usurpator bedrängte Kaiser und seine Anhänger...... 268
IV.E.l IV.E.2
Das Schicksal des entmachteten Kaisers .......... .............................. Die Anhänger des bedrängten oder gestürzten Kaisers...................
IV.F
Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators ............. 272
IV.EI IV.F.2 IV.F.3
Allgemeine Überlegungen ...... ............... ........... .. ................... .. ....... Die Inbesitznahme des Territoriums ..................... ..................... ..... Zwei Territorien von besonderer Bedeutung: Africa und Illyrien........................................................................... Die Legitimierung der Herrschaft gegenüber den Untertanen........ Die Vortäuschung der Anerkennung durch die Amtskollegen ........ Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen .. ................... .. ..... Der Aufbau einer eigenen Verwaltung und Führungsgruppe .......... Die Besetzung der zivilen Ämter.................................................... Senatoren im Dienst des Usurpators............................................... Der Aufbau einer militärischen Kommandostruktur....................... Die Begründung einer eigenen Dynastie . .. .. .. ........... .. .. ..................
IV.F.4 IV.F.5 IV.F.6 IV.F.7 IV.F.7.a IV.F.7.b IV.F.7.c
IV.F.8
IV.G
268 269 272 276 280 282 283 286 299 301 306 309
310
Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator ..... ... 312 312 Die Verhandlungen um Anerkennung.............................................
IV.G.l IV.G.2
Die militärische Auseinandersetzung..............................................
IV.ff
Absetzung, Bestrafung, Tod ........... ............... ............... ................ 322
IV.H.1 IV.H.2 IV.H.3 IV.H.4
Die Bestrafung des Usmpators ......... .. .............................. .............. Bestrafung der Anhänger und Verwandten ..................... .. .. .. .......... Bestrafung der Soldaten und Offiziere ............................................ Der Triumph des siegreichen Kaisers .............. ............... .. .. .. ..........
IV.I
Usurpator und Kaiser im 5. Jhd, Die Krise des Reiches und ihre Folgen für Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung. ................. ........... ..................... .......... 341
IV.I. I IV.1.2 IV.I.3
Kaiser und Usurpatoren in der Krise des Reiches........................... 341 Generäle erheben den Kaiser .......................................................... 347 Usurpatoren und Barbaren ....... ............... ............. ............. .... .. ........ 357
V.
Versuch einer Bilanz .....................................................................
. 222
IV.B
Die Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel.................... Die Erhebung des Usurpators ......................................................... Das Erhebungszeremoniell . .... ........... .... ......... ................... .. .. ..... .... Die Anerkennung des Usurpators am Ort der Erhebung................. Wer schlägt den Usurpator vor? Die Bestimmung des Kandidaten................................................................................
7
3 17 322 328 338 339
361
8
VI.
Inhaltsverzeichnis
Anhang ...........................................................................................379
A.
Exkurse .......................................................................................... 379
1. 2. 3. 4.
TlO'U)'X:A.f\'tOuxoaµevoi; mi i\611,:Ö}v 1tpcimov rlir;lkx(Jll.eirn;äp!;aµevoi;em!kxivetv ava!Ja8µ6iv0\Jl('.i:µEVEV Eltl tiii; U\ltllat:o;. Vgl. auch C. P. l. 93 S. 427, 581 C. P. 1. 92 S. 421, 18: nOe:vtmvOKaµvirov 4/5. Der Delphax ist identisch mit dem Tribunal. 582 Dies zeigt sich sehr deutlich beim Einzug Lcos I. in Konstnntinopel. nachdem er auf dem Hcbdomon erhoben worden war. Er begrüßt den Senat in seiner Gesamtheit, d. h. als Körper-
Die Führungsgruppe im Westen und Osten des Reiches und die Wahl des Kaisers Die Entwicklung der Mehrkaiserherrschaft zu einem System mit zwei führenden Gruppen im Westen und Osten des Reiches und zwei regierenden Augusti. das mit der Übernahme der Herrschaft durch Valentinian 1. und Valens 364 dauerhaft Gestalt annimmt, führte zu keinen Problemen bei der Bestimmung des Kandidaten für den Thron, wenn eine reichsweite Vakanz auftrat wie 364 und dann noch einmal 457, als nach dem Tod Marcians am 27. Januar kein Kaiser mehr im Amt war. Es kam allerdings zu Schwierigkeiten, wenn nur noch in einem Reichsteil ein Augustus herrschte und für den anderen kein Nachfolger bestimmt war. Dieser Fall schuf erstmals im Sommer 392 nach Valentinians II. Tod Probleme und dann mehrfach im 5. Jhd. Einem regierenden Augustus stand es zu. in seinem Herrschaftsbereich weitere Kaiser erheben zu lassen. Das lag in seiner Verfügungsgewalt. Sich dagegen zu stellen war Hochverrat. Eine Abstimmung mit der jeweiligen Führungsgruppe darf man aber voraussetzen.
S78
583
schaft. im Senatsgebäude am Forum Konstantins (C. P. 1. 91 S. 414, 15-18). Wenn der Senat als Körperschaft über seine Erhebung beraten hätte, wäre eine gesonderte Begriißung im Senatsgebäude und damit eine Anerkennung der Übernahme der kaiserlichen Stellung nicht notwendig gewesen. Auf keinen Fall handelt es also sich bei der Gruppe, die über die Nachfolge berät, um den Senat als Körperschaft und damit um eine förmliche Senatssitzung, in der ein Senatsbeschluß gefaßt wird. Nicht nur Constantinus Porphyrogenitus' Sprachgebrauch (vgl. den Exkur.-..fl cn'.ryK1crrmC S. 379-387) und die Teilnehmer der Beratungen, soweit sie für uns faßbar sind, schließen ei~ zur Bezeichnung der Körperschaft aus, sondern auch der nen Gebrauch von it auyKA.T)tOu1etot). Rufinus wird des Streben~ nach Umsturz verdächtig! und von Philostorgius auf eine Stufe mit Stilicho gestellt. Rufinus will direkt usurpieren. Stilicho durch die Heirat seines Sohnes mit der Kaisertochter seine Familie auf den Thron bringen. Man vgl. etwa S. Döpp, 2.eitgeschichte in den Dichtungen Claudians, Wiesbaden 1980, 1980. 87/88 n. 8 zur Diskussion über die Frage, ob Rufinus wirklich usurpieren wollte. Man bestrafte ihn wie einen Hochverräter. Vgl. Marcell. com. 395, 5 ,;,Chron. min. 2, 64; Rufinus ... anteportas urbis meriw trucidatus est. caput eius manusq11edexrra per totam Constantinapolimdemonstrata.
715 Zu lltcodoms vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche·•.S. 390/391. Gratianus, ein Usurpator aus der muni1;ipalenAristokratie Britanniens. bildet eine deutliche Ausnahme. Vgl. n. 1028. 716 Vgl. C. P. l. 92 S. 422. 2. Zu weiteren Belegen vgl. PLRE 2. 78n9 s.v. Anastasius 4. 717 Euagr. HE 3, 29. Es muß unsicher bleiben, ob Euagrius damit auch Anastasius' Zugehörigkeit zum Senatorenstand (vir darissimus) oder nur zum Senat als Körperschaft meint. Diesem gehörte er aufkeinen Fall an. Vgl. n. 735. 718 Zu beiden Longini vgl. n. 461. 462, 463. 719 Vgl. III.C.3.b Die Kaisererhebungen im Osten im 5. u. 6. Jhd. - Anastasius' Erhebung. S. 118/119. Zur Hypothese. daß Anastasius Ariadnes Liebhaber war und deshalb von ihr vorgeschlagen wurde. vgl. Capizzi 1969. 74--76. 720 PLRE 2, 739 s. v. Maximianus 5. Zu ihm als zivilem Amtsträger vgl. Schmitt 1994. 154. Es ist allerdings umstritten, ob er nicht möglicherweise mit Maiorianus gleichzusetzen ist. Vgl. n. 506.
184
serthron, der als ziviler Amtsträger zu betrachten ist, und Petronius Maximus, der zwar als Usurpator zu gelten hat, schaffte es bei dieser Gelegenheit auf den Thron. Die Erhebung einer Reihe ziviler Würdenträger vom Ende des 4. Jhd. an zu Kaisern, sei es, daß sie als Usurpatoren betrachtet wurden, sei es, daß sie wie Anastasius legitime Herrscher waren, ohne daß ein militärischer Kommandant die entscheidende Rolle dabei spielte, kann daher nicht nur damit erklärt werden, daß die barbarischen Heermeister nicht selbst dieses Amt übernehmen wollten oder aus politischen Gründen nicht konnten 721 • Es ist vielmehr ein klarer Hinweis darauf, daß ein röm. Kaiser vom Ende des 4. Jhd. an auch eine reine Verwaltungskarriere durchlaufen haben kann. Die Bedingung für seine Erhebung ist lediglich, daß er eine entsprechende dignitas erreicht hat. Kaiser zu werden als Höhepunkt einer zivilen Laufbahn war erst in der Spätantike möglich, ohne eine Ausnahme zu sein, als die Trennung der militärischen und zivilen Karrieren, die Konstantin eingeführt hatte, deutlich greifbar wurde, die enge Zusammenarbeit der hohen zivilen Beamten mit den militärischen Amtsträgern sich eingespielt hatte und die zivilen Laufbahnen zum gleichen Prestige und zum gleichen Rang führten, ja sogar bis in die Zeit Valentinians I. höher bewertel wurden. In der hohen Kaiserzeit wurden dagegen hohe Zivilbeamte niemals ernsthaft für das Kaisertum in Erwägung gezogen. Zwar gab es für Ritter und Senatoren eigentlich keine Karrieren, in denen nur zivile oder nur militärische Ämter zu durchlaufen waren, aber doch solche mit überwiegend zivilen Charakter wie z.B. die der berühmten Juristen Papinianus oder Ulpianus als Praetorianerpraefekten unter den Severern. Sie hatten nie eine Chance, Kaiser zu werden. Eine erfolgreiche militärische Karriere war Voraussetzung, um nach der Krone greifen zu können. Auch als sich nach dem Ausschluß der Senatoren von den Posten als Legionskommandanten 268 eine Art reiner ziviler Karriere für die Mitglieder des Senatorenstandes herausbildete, bot diese nonnalerweise keine Voraussetzung für das Kaisertum, weil sie in einer Sackgasse endete. Ausnahmen von dieser Regel sind kaum auszumachen. Möglicherweise bietet der Senator und gallische Usurpator Tetricus (271-274) 722 eine solche. Er hatte offensichtlich vor seiner Erhebung niemals ein militärisches Kommando inne und setzte nach der Niederlegung der Herrschaft seine Karriere als ziviler Würdenträger fort. Tacitus (275-276), der sogenannte Senatskaiser, ist dagegen keine Ausnahme. Er war kein an den politischen und militärischen Ereignissen unbetei1igter Zivilist, dessen kurze Herrschaft ein letztes Aufflackern des alten Einflusses des Senates bedeutete, wie es insbesondere die Historia Augusta darstellt 723, sondern ein vir militaris, der dem Heer wohlbekannt war. Vennutlich nach langer ritterlicher Laufbahn war er durch adlectio in den Senat gekommen, und deshalb war er erst im hohen Alter von über siebzig Jahren zum ersten Mal Konsul (273 n. Chr.)724• 721 722 723 724
III.E.2 Die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen
III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?
Zur Situation der Forschung vgl. grundlegend von Haehling 1988. Zu Telricus vgl. n. 1353. Vgl. dazu Bleckmann 1992, 304-309. Dieses konigierte Bild von Tacitus geht im wesentlichen auf Syme zurück. Vgl. R. Syme, Emperors and Biography.Studies in lhe HistoriaAugust.a,Oxford 1971. 237-247; vgl. ferner K. P. Johnc, Veränderungenin den Oberschichten: Kaiser, Senat und Ritter.;tand,K. P. Johne
185
Die Entwicklung, daß zivile Amtsträger nach dem Kaiserthron mit Aussicht auf Erfolg streben konnten, wurde Ende des 4. und im 5. Jhd. dadurch erleichtert. daß die Kaiser im Ostteil des Reiches nach Theodosius' Tod 395 bis zu Mauricius (582602) keine Kriege mehr persönlich führten und damit keine militärische Erfahrung haben mußten. Für den Westteil des Reiches gilt dies zwar nicht durchgehend von 395-476, aber doch für große Zeitabschnitte, so für die Zeit von Honorius' und Valentinians III. Herrschaft. Schon Johannes Lydos ist dies für Theodosius' Söhne aufgefallen. Er erklärt es damit, daß Theodosius der trägen Natur seiner Söhne wegen Regelungen getroffen habe, daß sie nicht mehr persönlich an Feldzügen teilnehmen mußten 725• Selbstverständlich bot eine militärische Karriere im 4. und 5. Jhd. eindeutig die größeren Chancen, um auf den Kaiserthron zu kommen, wie die Wahl Iovians oder Valentinians I. zeigt. Beide waren aber keine Heermeister oder comites rei militaris, sondern standen im Rang unter diesen. Iovian war primicerius domesticorum und Valentinian I. tribunus secundae scolae Scutariorum. Valens wurde von seinem Bruder Valentinian 1. zum tribunus stabuli befördert, bevor dieser ihn zum mitregierenden Augustus erheben ließ 726 • Diese Erscheinung, Kandidaten zu bestimmen, die nicht Heermeister oder comes rei militaris waren, läßt sich auch im 5. Jhd. beobachten, und zwar bei Mar728 cian727,der zur z.eit seiner Erhebung 450 -cptßouvrn;oder 6 ci1tö-rptßo\lvrov , also 729 Kommandant einer militärischen Einheit, war. Das Gleiche gilt für Leo I. , der zur Zeit seiner Erhebung 457 comes und tribunus Mattiariorum 730 war, also auch eine Einheit kommandierte. Mit dem comes excubitorum lustinus, der 518 erhoben wurde, beginnen die Kommandanten der Palasttruppen in eine gute Ausgangslage für den Sprung auf den Thron zu kommen, eine Entwicklung, die aber nicht mehr Gegenstand dieser Untersuchung ist 731• Der tiefste militärische Rang, der als Voraussetzung für eine Erhebung angesehen wurde. war off ensich!lich die Stellung eines tribunus als Kommandant einer Einheit. Magistri militum wurden dagegen von der Führungsgruppe niemals zur Erhebung vorgeschlagen, auch wenn sie gerne auf den Thron wollten 7~2• Theodosius, Constantius III. und Zenon, die als Heermeister zum Kaisertum gelangten, wurden nicht von der Führungsgruppe vorgeschlagen, sondern kamen durch den Vorschlag
725 726 727 728 729 730 731 732
(Hrsg.), Gesellschaft und Wirtschaft des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert. Studien zu ausgewählten Problemen, Berlin 1993, 187-244. dort 236-238; A. Chastagool, Histoire Auguste. Les empereurs romains des Ile et Ille sieclcs. Edition bilingue latin-fran~ais.Trnduction du latin par A. Cha.~tagnol,Paris 1994, l 030 sq.; anders M. Christo!, Essai sur I'evolution des carrieres s6natorialesdans !a deuxieme moitie du Ille siecle, Paris 1986, 111-113. 183 &I· loh. Lyd. de mag. 2, 11: 3, 41; vgl. Diefenbach 1996, 41. Amm. 26, 4, 2/3. PLRE 2, 7141715s. v. Marcianus 8. Vgl. Theod. Lect. Epit. 354; Chron. Pasch. l, .590ed. Dindorf. PLRE 2, 663/664 s. v. Leo 6. C. P.1,91 S.411,4. Jones 1973, 638. Vgl. Longinus 3. Vgl. n. 461,463.
186
187
III. Der Kaiser. E. Wer kann Kaiser werden'?
III.F.1 Allgemeine Übcrkgungen
eines regierenden Augustus zur Macht. Dabei war dieser Vorschlag jeweils durch besondere politische Umstände bedingt und nicht unbestritten 733. Anders sieht dagegen die Situation bei den bedeutenden Usurpatoren des 4. Jhd. im Westen aus. Hier sind es mehrfach die höchsten Kommandanten, die nach der Krone greifen. Es sind Heermeister wie Silvanus und Vetranio oder comites rei militaris wie Magnentius und Magnus Maxirnus 734• Im Osten gab es im 4. Jhd. nur Procopius • Erhebung. Im 5. Jhd. griff mit Basiliscus 475 ein Heermeister nach der Krone. Zusammenfassend läßt sich sagen: Wer den Sprung auf den Kaiserthron schaffte, ohne als Usurpator zu gelten, ohne enge verwandtschaftliche Beziehungen zur regierenden Dynastie zu haben und ohne als Mitherrscher erhoben worden zu sein, hatte vorher einen Posten in der zivilen Verwaltung oder am Hof bekleidet oder halte im Militär der zweithöchsten Kommandoebene angehört. Lediglich Theodosius L, Constantius III. und Zenon kamen als Heermeister auf den Thron, ohne zu usurpieren. Sie wurden jeweils von einem amtierenden Kaiser der Wahlversammlung vorgeschlagen. Von ihnen war aber lediglich Theodosius nicht mit der regierenden Dynastie verschwägert. Constantius war dagegen mit Galla Placidia, Honorius' Schwester, verheiratet, und Zenon mit Ariadne, der Tochter Leos I. Ihn erhob sein eigener Sohn. Bei allen anderen Heermeistem, die im 4. Jhd. auf den Thron gelangten, handelt es sich um Usurpatoren. Im Osten kam es bis zur Usurpation des Heermeisters Basiliscus 475 gar nicht zum Griff nach der Krone durch einen hohen militärischen Kommandanten. Er war zudem der erste Usurpator im Osten seit Procopius' Erhebung 365. Die Zugehörigkeit zur Führungsgruppe oder zum Senat als Körperschaft, seit der Mitte des 5. Jhd. als illustris, war nicht nötig, um Kaiser zu werden. wie Iovian, Valentinian 1, Marcian, Leo I. oder Anastasius erkennen lassen. Ob man wenigstens vir clarissimus sein mußte, ist der Überlieferungslage wegen nicht zu sichern. Von den erwähnten Kaisern war Anastasius möglicherweise bei seiner Wahl nicht vir clarissimus. Bei Iovian und Valentinian 1. muß es ebenfalls unsicher bleiben, ob sie schon durch ihre Herkunft viri clarissimi waren. Iovian war der Sohn eines comes domesticorum, Valentinian der eines comes rei militaris. Durch das Amt, das sie zum Zeitpunkt ihrer Erhebung bekleideten, waren sie es nicht 735 . Zur dynastischen Herkunft oder anderen sozialen Voraussetzungen, um zum Kaiser erhoben werden zu können, muß das christliche Bekenntnis kommen. Nach 33 7 muß jeder Kandidat für den Thron Christ sein. und zwar rechtgläubig oder besser: die Auffassung vertreten, die in dem Gebiet, das er regieren soll, vorherrscht7 36 .
Untrüglicher Beleg dafür ist Iulians Verhalten. Bevor er 361 die Alleinherrschaft in Konstantinopel übernahm, verbarg er sein Heidentum. Er unterstrich dagegen sein Christentum. Erst nach der Erringung der Alleinherrschaft wagte er, sein Heidentum offen zu bekennen 737 • Im 5. Jhd. wird die Voraussetzung, rechtgläubig sein zu müssen, formalisiert. Bei Anastasius' Wahl 491 verlangte der Patriarch erstmals eine schriftliche Erklärung über die Rechtgläubigkeit vom Kandidaten, der erhoben werden sollte 738. Ob die geschilderten sozialen Voraussetzungen zwingend waren, ist natürlich bei der geringen Zahl der Fälle regulärer Thronbesteigungen und auch der kleinen Zahl von Usurpationen nur begrenzt mit Sicherheit zu behaupten. Unsere Quellen sprechen jedenfalls von keinen anderen FäUen, und auch die überlieferten Usurpationsversuche zeigen kein anderes Bild. Die geschilderten sozialen Voraussetzungen begrenzen zusammen mit der Bedeutung der dynastischen Legitimation den Kreis möglicher Thronanwärter. Sie wirken daher politisch durchaus stabilisierend.
733 734
735 736
Vgl. S. 102, 174. Bei den geheimen Beratungen über einen möglichen Nachfolger während der schweren Er· krankung Valentinians I. 367 war der Hecnneister Severus (n. 713) im Gespräch. Man vgl. auch die Usurpationsver..uche verschiedener Heermeister im Exkurs .,Usurpalionsversuche". s. 388-393. Vgl. generell Jones 1973, 525---530. 1221: Delmairc 1995, 40: PLRE 2. 79 {Anastasius gehörte nicht zum Senat als Körperschaft); Szidat 1996. 197. Vgl. n. 7 J 7. Die Entscheidung. das Kaisertum nach dem Tod lulians und wiederum nach dem lovians Salulius anzutragen, bildet keine eigentliche Ausnahme. Es ist auch kein Hinweis darauf, daß das religiöse Bekenntnis zu diesem Zeitpunkt noch unwichtig gewesen sei (so Wirth 1984. 355 n. 4). Salutius war zwar Heide, wäre aber offensichtlich wegen seiner Zurilckhaltung und
111.FDIE SICHERUNG DER HERRSCHAFf III.F. l Allgemeine Überlegungen Die Kaiser waren sich der ständigen Gefährdung ihrer Herrschaft durch mögliche Prätendenten durchaus bewußt. und die Überlieferung läßt dieses Problem auch immer wieder erkennen, indem sie den einen oder anderen Kaiser übertriebener Furcht vor Usurpationen bezichtigte 739• Darum sorgen mußten sich aber alle. Der generell prekäre Charakter der kaiserlichen Stellung hatte nämlich eine stärkere Bedrohung der Herrschaft zur Folge als in einem System mit festen institutionellen Regelungen zur Übernahme und Weitergabe des Kaisertums. Das jeweilige tatsächliche Ausmaß der Bedrohung wurde von verschiedenen Faktoren bestimmt. so etwa
737 738 739
ausgleichenden Einstellung für die Christen erträglich gewesen (Greg. Naz. or. 4, 91; Soc. 3, 19; Soz. 5, 10. l3; 5. 20, 1 sqq.; Theodor. 3, 11, l; Rufin. hisL 10. 37; Eun. vit. Soph. 7, 5, 3 sqq. Er vermißte bei Salutius den kämpferischen Einsatz für den Polytheismus.). Zum heid• nischen Bekenntnis des Usurpators Attalus vgl. n. 1045. Vgl. Szidat 1996, 34/35. Vgl. n. 562. Dies gilt etwa für Constantius II. (vgl. 1.. B. Amm. 21. 16. 8 und Szidat 1996, 207-210). Iovian (Amm. 25. 9, 8) und Theodosius II. Dieser soll in ständiger Furcht vor Personen gelebt haben, die der kaiserlichen Stellung für würdig gehalten wurden oder an eine Usurpation dachten. Es werden auch zwei Namen von Personen überliefert, die als mögliche Usurpatoren galten und deshalb verbannt wurden. nämlich Daniel und Baudo. Sie sind sonst unbekannt. und auch [iber ihren Rang und ihre Funktion wissen wir nichts. Ebenso fürchtete er den General Zenon als möglichen Usurpator (loh. Ant. fr. 199, 1 = Exc. de ins. 84 = Prise. fr. 16 Blockley; Prise. fr. 15. 4 Blockley = Exc. de leg. Rom. 5). Als Honorius starb, fürchtete Theodosius II. eine Usurpation im Westen und ergriff politische und militärische Maßnahmen (Soc. 7. 23. 1/2). Vgl. auch die Usurpationsversuche unter Theodosius II. im Exkurs „Usurpationsvcrsuche". S. 391. Zum prekären Charakter der kaiserlichen Stellung und ihrer ständigen Bedrohung vgl. loh. Chrys. hom. 15. 5 in Phil. = PG 62, 295; loh. Chrys. vid. 4 = PG 48, 605.
• 188
189
III. Der Kaiser. F. Die Sicherung der Herrschaft
III.F.2 Die Führungsgruppe und die Sicherung der Herrschaft
durch Herkunft, Charakter, Bildung und Alter des Kaisers, vom Grad seiner Legitimation und selbstverständlich von der Politik, die er führte. Unter den repressiven Maßnahmen zur Sicherung der Herrschaft spielten die Majestätsprozesse eine wichtige Rolle, die hinreichend Interesse bei antiken Autoren und in modernen Darstellungen gefunden haben. Organisatorische Vorkehrungen größeren Ausmaßes wie der Aufbau paralleler Geheimdienste oder die Schaffung konkurrenzierender Gruppierungen der Armee scheint es nicht gegeben zu haben 740 • Deutlich greifbar sind dagegen vorbeugende Maßnahmen politischer Art wie das Bestreben des Kaisers. sich das Wohlwollen verschiedener wichtiger Gruppen zu erhalten, um seine Herrschaft zu sichern. Diese sind in der Spätantike oft noch regional gegliedert wie etwa der Senatorenstand. Dafür sind sie als einzelne von geringerem Gewicht, denn gegen eine geschlossene Gegnerschaft der führenden Gruppe um den Kaiser können sie sich nicht durchsetzen. und die großen Provinzialarmeen gibt es nicht mehr. Größere Gruppierungen von Einheiten der Bewegungsarmee außerhalb des comitatus sind selten. Im frühen Prinzipat hing dagegen das Schicksal des Kaisers im wesentlichen von der Armee, d. h. anfänglich den Prätorianern und später besonders von den großen Verbänden in einigen Provinzen, ab, in geringerem Maß von den Mitgliedern des Senates in Rom und der plebs urbana. Die Befriedigung der materiellen und anderen Interessen der verschiedenen Gruppen wie Ansehen, Aufstiegschancen. Macht und Einfluß spielen eine entscheidende Rolle. An die Loyalität der entscheidenden Gruppen wird immer wieder appelliert. Um jene zu festigen und zu bewahren, erhalten die zivilen und militärischen Würdenträger, die Soldaten und die Mitglieder der Verwaltung reichsweit, d. h. nicht nur dort, wo gerade der Kaiser ist. regelmäßig Gaben 741 , und zwar zu den verschiedensten Gelegenheiten wie zu Konsulatsantritten, Regierungsjubiläen oder Siegen, aber auch zur Entgeltung besonderer Taten. Dabei sind die Geschenke je nach Rang und Funktion abgestuft. Je wichtiger ein Amtsträger für den Kaiser war, desto mehr erhielt er. Bei der v~rgabe werden sie zur Treue dem Kaiser gegenüber aufgefordert. Als z.B. Silvanus in Köln am 7. Aug. 355 ein Donativ an die Soldaten anläßlich des Geburtstages Constantius • II. in dessen Namen verteilte 742• forderte er sie auf, tapfer und treu zu sein. Diese Vergabungen stellten eine große wirtschaftliche Belastung dar und konnten so wiederum zu einer Gefahr werden, wenn sie zu
zusätzlichen Steuern führten und in deren Folge zu Unruhen wie 387 in Antiochia 74 3. Der Kaiser sieht darauf, daß mögliche Konkurrenten keine Gelegenheit finden, sich durch Vergabungen einen größeren Anhängerkreis zu schaffen, oder finanzielle Mittel für eine Usurpation bereitstellen können 744• Die entscheidende Gruppierung bildeten die Mitglieder der Gruppe. die ihn erhoben hatten oder seine Erhebung gebilligt und damit ihre Macht reichsweit bewiesen hatten. Soweit sie nicht zu dieser gehörten, sind auch die hohen Offiziere der Armee bis hinab zu den Kommandanten der einzelnen Einheiten wie etwa den tribuni und die Würdenträger in der regionalen Verwaltung von Bedeutung. Ebenso sind die führenden Vertreter der Kirche von Wichtigkeit. Die Herrschaft des Kaisers war mit Ausnahme der Residenzstädte von unteren sozialen Schichten nicht gefährdet. Dabei ist aber lediglich in Konstantinopel dieses Phänomen greifbar. Solange die entscheidenden Leute zum Kaiser hielten, spielten andere Gruppen keine Rolle. Erst wenn im Rahmen einer Usurpation die normalen Loyalitätsverhältnisse in Frage gestellt wurden, gewannen auch andere Schichten an Bedeutung. Zugleich mußte es darum gehen, sich gegen Kandidaten zu sichern, die von ihrer Stellung und Herkunft her als Anwärter auf den Thron in Frage kamen. Im folgenden soll nicht die Politik der einzelnen Kaiser dargestellt werden, sondern die Rahmenbedingungen und Strukturen, die ihnen zur Verfügung standen. um ihre Herrschaft zu sichern. Beides reichte nicht zu deren absoluter Sicherung aus, weil die Usurpation Teil des Systems bildete. Warum sich diese trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zuweilen doch ereignete, ist nicht zwingend zu begründen, sondern nur im einzelnen Fall erklärbar.
740
743
741
742
Vgl. etwa die Zusammenfassung bei Demandt 2007, 273. Zu modernen Maßnahmen, um Usurpationen in Staaten zu verhindern, die vorn System her ihnen ausgesetzt sind. und ihrem Erfolg vgl. etwa Belkin 2003, 596 u. pnssim. Vgl. zur kaiserlichen Freigebigkeit und besonders zur dezentralen Verteilung der Geschenke S.zidat 2003. 225-229; zu einer DarsteUung aus vorwiegend verwaltungstechnischer Sicht Delmaire 1989. 535-593. Zu einer Untersuchung der aus dem 4. Jhd. noch erhaltenen Gegenstände vgl. die Dissertation von M. Beyeler, Geschenke des Kaisers. Studien zur Chronologie, zu den Empfängern und zu den Gegenständen der kaiserlichen Vergabungen im 4. Jhd. n. Chr. {Arbeitstitel). die nächstens in Druck gehen wird. Amm. 15, 6, 3 (fortis esset etjidus) und dazu Delmaire 1989. 538. Es handelt sich um eine Gabe anläßlich des Geburtstages Constantius' ll. Irrtümlich Jones 1973. 1259 wie auch Kent 198 l. 54, die von einem verspäteten Donativ anläßlich der Tricennalien sprechen.
III.F.2 Die Führungsgruppe und die Sicherung der Herrschaft Die Gruppe, die den Kandidaten vorgeschlagen und hatte erheben lassen oder die einen Vorschlag eines Kaisers, der als auctor tätig geworden war, gebilligt hatte, sicherte auch die Stabilität und Kontinuität der Herrschaft des Erhobenen und seiner Familie. Sie war in der Regel daran interessiert, daß er seine Stellung bewahren konnte, und kümmerte sich auch um die Nachfolge 745 •
744 745
Zum Zusammenhang zusätzlicher Steuern mit den Vergabungen und den Unruhen von 387 vgl. Lib. or. 22. 4, auch wenn die Stelle nicht ausdrücklich von der dafür bestimmten Steuer, dem aurum coronarium,spricht. sondern generell vom Finanzbedarf des Kaisers und dabei auch die anstehenden Regierongsjubiläcn erwähnt. Man vgl. etwa Downey 1961, 427; Liebe• schuetz 1972, 164 im Anschluß an Petit 1955 detailliert zu den verschiedenen geforderten Steuern in den Jahren um 387: Wintjes 2005, 213/214. Zu den Unruhen in Antiochia generell vgl. II. 780. Vgl. IV.C. l.c Die Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel. S. 240/241. Auf die Bedeutung dieser Gruppe hat z.B. schon Toynhee 1973, 13/14 aufmerksam gemacht. Er spricht von ihr als beständigem und bewahrendem Element gegenüber den wechselnden Kaisern und betont damit die institutionelle Seite. Die Zusammensetzung der Gruppe hat er nicht vollständig erkannt, weshalb er vom comitat11s spricht, und es blieb ihm verborgen, daß sie sich schon im 4. u. 5. Jhd. entwickelt.
191
III. Der Kaiser. F. Die Sicherung der Herrschaft
fU.F.2 Die Führungsgruppe und die Skherung EouyicX11to;ev "Proµu Nenomavov ev6ixmcraKCl'l'a Mayvevriou alti'.J..W€v. 1177 ZuAvitus vgl. Hyd. Lern. 163 = 156 Burgess =-Chrnn. min. 2, 27: dehin,· ClpudAndC1tumAu• gusrus appellurus(sc. Avitus) Romampergit et suscipitur und Hyd. Lem. 166 = 159 Burgess = Chron. min. 2. 28: Per Avitum, qui a Romanis et evocatus et susceptusfuerat imperator, legati ad Marcianum pro unanimitaremittuntur imperii. Avitus wurde am 9.7.455 in Bcaucaire bei Arles erhoben. zog am 21.9. in Italien ein und dürfte gegen Mitte Oktober nach Rom gelangt sein. Vgl. n. 612,613. 1178 Novell. Maior. 1 (ll.1.458). Zu seiner Bestätigung durch den Senat vgl. auch Sidon. carm. 5, 387. 1179 Vgl. n. 1019.
Das Verhältnis zur Kirche Um überhaupt erhoben werden zu können und danach auf dem Thron bleiben zu können, hatte der Usurpator sich wie der amtierende Kaiser der Zustimmung der Kirche zu versichern. Mit einem heidnischen Bekenntnis waren nach Konstantins Tod Erwerb und Erhalt der Herrschaft in der Regel unmöglich. Der Usurpator mußte wie sein kaiserlicher Gegenspieler sich zu der christlichen Richtung bekennen. die in dem Gebiet, das er zu gewinnen trachtete, die herrschende war. Ohne eine solche Haltung hatte er nicht die Unterstützung oder mindestens Duldung der Kirche. Diese war nicht nur als Organisation wichtig, sondern auch wegen ihrer Möglichkeiten, das Volk zu beeinflussen m:i_ Daß die Kirche als entscheidend auch auf heidnischer Seite für den Erwerb der Herrschaft betrachtet wurde, zeigt sich sehr deutlich an lulians Verhalten, nachdem er den Rang eines Augustus beansprucht hatte, schließlich in Constantius' II. Gebiet eingefallen war und nach dessen überraschendem Tod Alleinherrscher im Reich geworden war. Er hielt sein Heidentum bis nach Constantius' II. Begräbnis Ende 361 geheim. Er unterstrich dagegen sein Christentum durch einen Besuch in der
l 180 1181 1182 1183
Ambr. epist. extra coll. 10[57!, 6. Vgl. n. 1266. Vgl. Henning 1999. 272-274. Vgl. Amm. 21. IO,7/8 und dazu Szidat 1996, !08-111. Vgl. Ziegler 1970; Elbcm 1986.
292
293
IV. Der Usurpator. F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators
IV.F.6Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen
Kirche in Vienne am 6.1. 361 1184• Erst nach der endgültigen Übernahme der Alleinherrschaft wagte er also, sein Heidentum offen zu bekennen, was ihm politisch nur Probleme schuf. Der Usurpator Procopius, von dem das Geriicht umlief, von lulian durch Übergabe des Purpurs zum Nachfolger designiert worden zu sein 1185, stellte sich als Angehöriger der Familie Konstantins dar, indem er sich mit der Witwe Constantius' ll. und dessen Tochter zeigte, und er vermied jeden Hinweis auf Verbindungen zum Heidentum. Dies glaubte man ihm auch. Sichtbares Zeichen dafür ist die Tatsache, daß ihm keine Quelle solche Verbindungen vorwirft 1186. Die Usurpatoren suchten die Unterstützung der Kirche in ihrem Herrschaftsgebiet zu bekommen und zu festigen. So bemühte sich Iulian, die orthodoxe Gruppe der Bischöfe im Westen des Reiches auf seiner Seite zu halten. Ihnen gewährte er mannigfache Unterstützungll 87 • Usurpatoren nahmen dazu auch auf die Besetzung der Bischofsstühle Einfluß, um ihre Position zu sichern. Auf diese Weise suchte z.B. Constantinus III. seine Herrschaft in Gallien zu festigen 1188• Der Usurpator informierte wie der legitime Kaiser ""ichtige kirchliche Würdenträger von seiner Erhebung. So wandte sich Eugenius unmittelbar nach seiner Erhebung an Ambrosiusll 89 • Ebenso suchte der Usurpator den ständigen Kontakt zu kirchlichen Würdenträgern, wobei die auch vom Kaiser verwendeten Kanäle wie etwa Bankette verwendet wurden I190• Jene suchten wiederum diese Kontakte auch zum Nutzen von Personen einzusetzen, die durch eine Usurpation in Schwierigkeiten geraten waren 1191• Einzelne Usurpatoren suchten innerkirchliche Konflikte zur Ausdehnung ihres Herrschaftsgebietes zu verwenden. So nahm Magnentius mit Athanasius, dem Bischof von Alexandria, Kontakt auf, um Constantius' II. Herrschaft in Ägypten zu destabilisieren 1192• Niemals wurde einem Usurpator die Anerkennung als Kaiser in seinem Einflußbereich generell verweigert. Man arbeitete mit ihm in seinem Gebiet politisch
zusammen, wenn auch zuweilen mit Vorbehalten in der Loyalität, die an der Grenze des Hochverrates waren. Dabei ist besonders an das Verhalten der Kirche gegenüber Constantius II. und der Monophysiten gegenüber Marcian zu denken 1193 Eine deutliche Ausnahme bildeten nur die kirchlichen Gruppen, die von einem Usurpator gewaltsam verfolgt wurden wie Priscillianus' Anhänger von Magnus Maximus. Anerkennung und Zusammenarbeit mit einem Usurpator schufen für die Kirche keine Probleme, besonders wenn er den Wünschen der Kirche entgegenkam. Loyalität gegenüber der weltlichen Macht war für die Kirche ein grundsätzliches Prinzip, sogar wenn jene ihr Wirken beeinträchtigte oder sie verfolgtem 4 • Der Usurpator unterschied sich für die Kirche nicht von einem Kaiser. Er war der Herrscher. Er hatte die Macht. Das schließt bei einzelnen Entscheidungen eine Distanzierung nicht aus. Damit war es auch im Fall des Scheiterns einer Usurpation. das die Regel war. leichter. die Beziehungen zum siegreichen Herrscher neu zu ordnen. So kritisierte die Kirche moralisches Fehlverhalten wie die Ermordung eines gestürzten Herrschers oder Maßnahmen, die die Interessen der Kirche zu gefährden schienenll 95. Wenn es möglich war, suchte man auch aus der Herrschaft eines Usurpators Vorteile zu ziehen. Das gilt für die orthodoxe Gruppe wie für Häretiker. So scheuten sich die Donatisten nicht, Firmus für den Kampf gegen ihre Gegner zu gebrauchen, was Augustin ihnen vorwirft 1196• Die Kirche nahm auch Vermittlungsfunktionen zwischen Kaiser und Usurpator wahr. Dies drückt sich besonders in der Übernahme von Gesandtschaften aus oder in der Teilnahme an diesen 1197• Stürzte ein Usurpator, begann die Kirche sich von ihm zu distanzieren. Das war die Konsequenz aus der Haltung, den jeweiligen Machthaber anzuerkennen. Es kam daher in der späteren kirchlichen Überlieferung immer zur Verurteilung der Usurpatoren. Sie wurden als unrechtmäßige Herrscher betrachtet 1198• Es fehlte fast nie an Versuchen von kirchlicher Seite, die Rechtgläubigkeit eines Usurpators nach seinem Sturz in Zweifel zu ziehen oder wenigstens seine Politik und Lebensweise als unchristlich zu qualifizieren. Ein eindrückliches Beispiel dafür bietet Eugenius, dessen Politik in den kirchlichen Quellen als heidenfreundlkh gekennzeichnet wurde. Nachdem er Theodosius unterlegen war, konnte seiner Herrschaft so nach-
1184 Szidat 1996, 34/35 zur Haltung Iulians während der Auseinandersetzung mit Constantius II. Zum Besuch der Kirche in Vienne vgl. Amm. 21, 2. 3; Szidat 1981. 86--88. 1185 Amm. 23, 3, 2.ZumAuftreten zusammen mit der Witwe Constantius· II. vgl.Amm. 26, 7, IO. 9, 3. 1186 Dagron 1974, 381. Ausführlicher in demselben Sinn Lcnski 2002, l J0/111. 1187 Vgl. Bames 1993, 153 u. passim; H.C. Brennecke, Hilarlus von Poiticrs und die Bischofsopposition gegen Konslllntius II. Untersuchungen zur dritten Phase des arianischen Streites (337-361 ), Berlin/ New York 1984. 360-367; Szidat 1981, 86-88. 1188 Lütkenhaus 1998. 121/122. Er erklärt diese Politik mit der damaligen speziellen Situation in Gallien. Sie ist aber als Möglichkeit bei jeder Usurpation anzunehmen, wenn sich damit die Kontrolle über ein Gebiet festigen ließ. ll89 Vgl. Ambr. epist. extra coll. 10(57), 11: obit. Valent. 39. Der letzte Beleg ist umstritten. Vgl. Biermann 1995, 157 n. 24, der die Stelle nicht auf Eugenius beziehen möchte, ehenso McLynn I 994. 341 n. 163. J !90 Vgl. Sulp. Sev. Man. 20 zu einem Bankett, das Magnus Maximus 385/386 in Trier gab, zu dem auch Bischöfe eingeladen waren. Zur politischen Bedeutung solcher Bankette generell vgl. McConnick 1986, 104/105. 1191 Vgl. z.B. Sulp. Sev. diaL 3, 11, 8; Mart. 20, 2. 1!92 Vgl. Bames 1993, 103.
1193 Vgl. Stein 1959. 352, vgl. auch n. 1203. 1194 Zu einer Zusammenstellung der Belege vgl. Elbem 1986. 26/27.
1195 Vgl. Ambrosius' Kritik an der Ermordung Gratians durch Magnus Maximus (Ambr. ep. 30 (24], 9/10; in psalm. 61, 23-25) und an der angeblichen Bevorzugung der Heiden durch Eugenius (Ambr. epist. extra coll. 10[57)). 1196 Elbem 1986. 32. Vgl. z.B. Aug. c. ep. Pann. 1. 17: cp. 87, 10. Während Magnus Maximus' Usurpation suchten die katholischen Bischöfe von ihm gegen Priscillianus und dessen Anhänger scharfe Maßnahmen zu erreichen und waren damit erfolgreich. Priscillianus wurde rungerichtet. Sulpicius Severus tadelt das kriecherische Vorgehen, das die Bischöfe dabei zeigten, und entschuldigt Maximus in gewisser Weise (Sulp. Sev. chron. 2, 50, 7: 2. 51. 9; dial. 3, 11, 2). Er tadelt überhaupt den zu engen und willigen Kontakt der Kirche mit den Mächtigen. wie ihn etwa Ambrosius pflegte (Sulp. Sev. dial. l, 26. 6). 1197 Vgl. IV.G.l Die Verhandlungen um Anerkennung, S. 315. 1198 Vgl. Zieg!er 1970, 105 u. passim.
294
295
IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators
IV.F.6Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen
träglich jede Rechtfertigung entzogen werden. Diese Überlieferung bewirkte, daß seine Usurpation in der älteren Forschung als letzter Aufstand des Heidentums gekennzeichnet werden konnte 1199• Im 5. Jhd. wurde im Westen nach 455 die Zusammenarbeit der Kirche mit den Kaisern, die von Konstantinopel nicht als Herrscher anerkannt wurden, von dieser Entscheidung nicht beeinflußt. Ihre jeweilige Stellung zur Kirche im Westen und ihre Glaubenshaltung waren entscheidend. So erfreute sich Libius Severus, der nie von Konstantinopel anerkannt wurde, der Unterstützung durch die Kirche, die sein vom Osten eingesetzter Nachfolger Anthemius in diesem Ausmaß nicht fand 1200• Im Reichsosten spielte die Haltung des Usurpators wie die des Kaisers innerhalb der theologischen Auseinandersetzungen eine wesentliche Rolle für seine Stellung. So schwächte Basiliscus durch seine monophysitischen Neigungen seine Herrschaft in Konstantinopel entscheidend und machte sich die Kirche und das Volk zum Gegner 1201• Hierbei spielte Daniel der Stylit neben dem Patriarchen eine entscheidende Rolle 1202• Marcian, der anfangs ohne Anerkennung Valentinians III. regierte, wurde von seinen kirchlichen Gegnern, den Monophysiten, dies zum Vorwurf gemacht. und seine Herrschaft damit, wenn auch erfolglos, in Frage gestellt 1203• Ob die Opposition seiner Gegner in der Kirche auch zu Versuchen führte, ihn im östlichen Reichsteil nicht als Kaiser anzuerkennen, ist schwer zu entscheiden. Der Vorwurf des Hochverrates, den man Dioscorus auf dem Konzil von Chalkedon 451 machte, deutet auf ein entsprechendes politisches Klima hin. Dioscorus, der 444 Nachfolger von Cyrillus in Alexandria geworden war, wurde auf der zweiten Sitzung des Konzils von Chalkedon am 13.10.451 im Schreiben eines Sophronius beschuldigt, die Vertreibung der Kaiserbilder aus Alexandria vorbereitet zu haben und dazu Geld durch Würdenträger der Kirche verteilt haben zu lassen. Er habe es nur schwer ertragen, daß ein solcher Herrscher bekannt gemacht werden sollte. Dioscorus wurde damit des Majestätsverbrechens und des Aufruhrs bezichtigt 1204• Es muß sich dabei um die Bilder Marcians gehandelt haben 1205•
Die Anerkennung des Usurpators durch die Bevölkerung und die Verwaltung Für die Gewinnung eines Herrschaftsgebietes war die Stellungnahme der Bevölkerung und der Amtsträger in der Verwaltung außeEhalb des comitatus von großer Bedeutung 1206. Das Einverständnis beider mit der Ubemahme des Amtes durch den Usurpator diente zugleich dessen Legitimation 1207 und war für die Sicherung von dessen Herrschaft entscheidend. Den Amt:5trägem und dem Volk wurde die Erhebung eines Usurpators wie die eines legitim erhobenen Kaisers durch Schreiben mitgeteilt. So wand~e si?h d~e Kaiserin Verina nach Leontius Erhebung 484 an die Bewohner von Ant10ch1a,die Provinzstatthalter im Osten, in Libyen und Ägypten und forderte sie auf, Leontius als Herrscher anzuerkennen und sich ihm nicht entgegenzustellen 1208 • Sie war damit weitgehend erfolgreich, aber Chalkis und Edessa wiesen ihr Schreiben zurück 1209. Beide konnten nicht dazu gezwungen werden, auf die Seite des Usurpators zu wechseln. Weil die Schreiben an die Städte mindestens zum Teil vorher an die Provinzstatthalter gerichtet waren und in den Städten verlesen wurden, mußte die Entscheidung, sich an die Seite eines Usurpators zu stellen oder nicht, sehr rasch gefällt werden. Bei der Verlesung der Schreiben mußten decuriones und honorati anwesend sein und stehend zuhören, um dann mit Akklamationen die Nachricht zu begrüßen 1210. • • • • •• Die Kenntnis von der Erhebung verbreitete steh zugleich auch durch die Munzen, die durch die Vergabungen an die Soldaten und zivilen Würdenträger in Umlauf kamen. Von Procopius wissen wir, daß er nach J1lyrien, das zu Valentinians I. Herrschaftsbereich gehörte, Leute aussandte, die Goldmünzen mit seinem Bild verteilen sollten 1211• Diese dienten sicher der Bestechung, um Anhänger zu gewinnen, aber auch zur Bekanntmachung des neuen Herrschers. Man ging sofort in Illyrien gegen diese Leute vor. 1206 Zum Verhältnis von Usurpator und Zivilbevölkerung und hesonders zu dieser Problematik
1199 Vgl. Szidat 1979 passim. 1200 Vgl. Henning 1999. 1531154,163/164. 1201 Vgl. Redie~ 1997 passim. Vgl. besonders auch das Schreiben des Papstes Simplicius vom 9.10.477 an den Kaiser Zenon (Epist. pontif. Sim. 6 ==Co!!. Avell. 60). das die Technik der Veruneilung eines UsUipators. hier des Augustus Basiliscus. nach seinem Sturz abweichender theologischer Meinungen wegen exemplarisch erkennen läßt. 1202 Vgl. V. Dan. Styl. 71-85. 1203 Vgl. Stein 1959, 312-315, 352. 1204 ACO 2, 1, 2 S. 24(220]. 5-17 (griech.): ACO 2. 3. 2 S. 39[2981,26- S. 40[299J, 6 (lat). Zu Sophronius vgl. ACO 4, 3, 2 S. 435: laicus. navicularius annonarius eccl. Alexandrinae, Aegypt. 1205 Kruse 1934, 37.
vgl. Szidat 1982, besonders 18-21. _ 1207 Vgl. z.B. Amm.20, 9. 7 und dazu Szidat 1981, 40-42; Paneg.12, 31, 2: consensuprovmciarum (von Tbeodosius gesagt). 1208 Theophan. A. M. 5973 "' 1, 129, 2--6: 1mi. Eypaljlev Tlliiirn:01va Be:piva a67• So konnte ein Heermeister jederzeit seine Stellung verlieren oder zur Usurpation gezwungen werden, wenn er sie bewahren wollte. Der Staatsstreic~ aber wai: eine ~sung, die ~t großen Risiken verbunden war. Zu ihm griff man mcht aus emer gesicherten Pos1tton heraus, sondern nur in einer Lage, die ausweglos war. Es ist daher auch kein Zufall. daß alle Generäle, die usurpieren, scheitern. Die einflußreichen Heenneister, die nicht zum Mitherrscher erhoben wurden wie Stilicho, Aetius. Rikimer oder Aspar, hätten usurpieren müssen, um Kaiser zu ~erden. Daß sie dieses Risiko nicht auf sieb nehmen wollten, zeigen ihre Versuche, ihre Stellung und ihren Einfluß beim Kaiser dauerhaft zu sichern oder für ihre Nachkommen das Kaisertum zu erreichen. Dieses hätte z.B. Aspar471 das Leben gerettet. Auch die These, daß Heenneister durch den Rückhalt im Heer mächtiger sind als der Kaiser. stimmt für den Westen nur manchmal und für den Osten selten. Die Führungsgruppe schlägt nie einen General zum Kaiser vor. Deshalb ist für einen General die Erhebung durch den Kaiser zum Mitherrscher anzustreben. Die Führungsgruppe suchte immer wieder mit Eifolg, den Einfluß der militärischen Kommandanten zurückzudrängen und das Militär in die politische Führungsgruppe um den Kaiser zu integrieren 1568• Das gelang im Osten besser als im Westen. Dabei erleichterten die bessere militärische Situation und die Konzentrierung der wichtigen politischen Entscheidungen auf Konstantinopel, wo die plebs urbana eingreifen konnte, diesen Prozeß. Dennoch mußte auch im Westen der Einfluß wichtiger ziviler Mitglieder der führenden Gruppe respektiert werden wie Petronius Maximus' Erhebung 455 zeigt. '
Weiterleben der neuentstandenen Regeln für die Erhebung von Herrschern
1566 von Haehling 1988. 90-95. 1567 Dies ist die Grundsituation, die für alle zutrifft. Dazu kamen selbstve~tändlich die besonderen Umstände. Für Constantius III. z.B. vgl. für diese Lütkenhaus 1998, J55-161. 1568 F~r den Osten ist schon beobachtet worden. ohne es immer im einzelnen zu belegen und die ~uhnmgsgru~pe zu erkennen, d~ man die militärischen Machtträger in das bestehende poliusche Establishment um den Kaiser zu integrieren und sie zu kontrollieren vennochte (vgl. Cameron 1993. 336; Williams/ Friell 1999. 242).
371
Von den im 4. und 5. Jhd. entwickelten Regeln und deren gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Erhebung eines Herrschers und die Sicherung seiner Stellung erwiesen sich einige als sehr dauerhaft. Den behandelten Zeitraum überdauern in Konstantinopel die führende Gruppe mit ihrer Bedeutung der zivilen Amtsträger, die auch Kaiser werden können, die Erhebung eines in der Regel nominellen Mitherrschers zu Lebzeiten eines Kaisers zur Sicherung der Nachfolge, der Anspruch des regierenden Herrschers, Mitkaiser generell zu erküren oder zu bestätigen, und die Bedeutung der Augustae, die die Möglichkeit eröffnete, daß sogar Frauen Kaiser wurden 1569• Die Mehrkaiserherrschaft und die auctor-Idee dienten als Modell für die byzantinische Politik, fremde Reiche anzuerkennen. Damit ließ sich erfolgreich Politik machen, wie noch Karls des Großen Bestrebungen zeigen, daß sein Titel vom byzantinischen Kaiser anerkannt wurde. Die Usurpation In der römischen Kaiserzeit bildet die Usurpation einen festen Bestandteil des politischen Systems, denn für die Übernahme der kaiserlichen Stellung gibt es keine Regeln, die von den maßgebenden politischen und gesellschaftlichen Gruppen anerkannt sind, wie z.B. Amtszeiten und Wahltermine in republikanischen Staaten oder Erb- und Nachfolgeordnungen in Monarchien. Jeder kann jederzeit nach dem Kaisertum greifen. Wie man die Herrschaft als Kaiser übernimmt, gibt auch vor. wie man sich ihrer als Usurpator bemächtigt. Die Usurpation greift immer in das Herrschaftsrecht eines Kaisers ein. Wenn keiner im Amt ist, kann es keine Usurpation geben. Wer in diesem Moment nach der Krone greift, ist kein Usurpator. Er beansprucht keinen Platz, der schon besetzt ist. Die Usurpation mißachtet keine anerkannten formalen Kriterien und setzt sich über sie hinweg. Sie braucht deshalb zwar im konkreten Fall eine politische Rechtfertigung, ist aber an und für sich gestattet. Die Übertragung der Herrschaft ist nicht hinreichend formalisiert und institutionell festgelegt. Dies unterscheidet die Usurpation in der römischen Kaiserzeit von Usurpationen in vielen anderen Epochen der Geschichte, so besonders auch in der Gegenwart, aber auch in der Antike. Sullas Usurpation von 83 v. Chr. z.B. verletzte eindeutig institutionelle Kriterien. Das monarchische System wurde bei einer Usurpation niemals in Frage gestellt. sondern lediglich die Person des Herrschers. Mit der Mehrkaiserherrschaft und ihren gewandelten gesellschaftlichen und institutionellen Verhältnissen ändern sich die politischen Ziele und die politische Taktik der Usurpatoren. Sie erstrebten nicht mehr von Anfang an die Übernahme der Herrschaft im gesamten Reich, sondern nur in einem Teil des Reichsgebietes und die Anerkennung als Mitherrscher durch die Kollegen im Amt. Teilhabe an der Herrschaft zu erringen wird zum zentralen Ziel der Usurpatoren. 1569 Die Kaiserinnen, die wirklich heJTschten. waren Jrene (797-802). Zoe mit ihrer Schwester Theodora ( 1()42).Theodora allein (10551!056), Eudokia ( 1067).
V. Versuch einer Bilanz
V. Versuch einer Bilanz
Im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft bedeutet daher usurpieren nicht mehr notwendigerweise, an die Stelle des regierenden Kaisers zu treten, ihn aus seiner Stellung zu entfernen wie vom 1.-3. Jhd., wenn man von den Sonderreichen im 3. Jhd. absieht, sondern erst einmal die Herrschaft in einem Teil des Reiches zu erringen, und zwar ohne vorherige Zustimmung dessen. der über sie verfügt, und als Mitherrscher anerkannt zu werden. Diese Form der Usurpation wird die Regel. Der Versuch, gleich die Herrschaft im gesamten Reich allein zu übernehmen, also alle regierenden Kaiser von der Macht zu verdrängen, und nicht die Anerkennung als Mitherrscher zu erstreben, bleibt die Ausnahme. Eindeutig nachzuweisen ist ein solcher Versuch nur für Procopius. Er stellt mit seiner Usurpation 365 die Übernahme des Kaisertums durch die neue Dynastie in Frage. Ausnahmen davon, Teilhabe an der Herrschaft anzustreben, bilden auch Erhebungen mit ganz lokalem Charakter, wie sie uns eindeutig aber nur in Firmus' Usurpation 372 greifbar ist. Er suchte nicht um seine Anerkennung durch die Amtskollegen Valentinian 1. und Valens nach. Der Anspruch auf Teilhabe an der Herrschaft wird sichtbar durch die öffentliche Annahme des Augustustitels und die Einforderung von Gehorsam und Loyalität in einem bestimmten Gebiet. Die Übernahme des Kaisertitels gibt zu erkennen, daß man reichsweit akzeptiert und als Mitherrscher anerkannt werden möchte. Ohne die Beanspruchung des Kaisertitels handelt es sich lediglich um Ungehorsam innerha1b eines Gebietes. Die Teilhabe an der Herrschaft war durch die Annahme des Kaisertitels, durch eine hinreichende Legitimation wie z.B. durch den Vorschlag durch Mitglieder der jeweiligen Führungsgruppe und durch die Leistung von Gehorsam und Loyalität durch die Untertanen in einem Gebiet des Reiches nicht erreicht. Erst die Anerkennung als Augustus durch die Kollegen im Amt gab dem Usurpator eine hinreichend legitimierte Stel1ung in seinem Gebiet und im Rahmen des gesamten Reiches. Ein Angriff auf ihn wurde dann zu einem auf die gemeinsam ausgeübte Herrschaft. Der Anspruch auf Teilhabe an der kaiserlichen Stellung muß also von denen, die schon vorher Kaiser waren. anerkannt werden. Teilhabe an der kaiserlichen Stellung durch die Anerkennung als Mitherrscher zu erreichen wurde damit zum eigentlichen Problem der Usurpatoren. Intensive Verhandlungen um Anerkennung sind daher typisch für spätantike Usurpationen. Der Prätendent gilt als Usurpator, wenn er sich mit seinem Anspruch auf Anerkennung bei seinen Kollegen nicht durchsetzen kann. Er gilt als Kaiser, wenn ihm dies gelingt. Die Anerkennung durch die Mitherrscher war für die Stellung eines Usurpators auch im eigenen Herrschaftsgebiet von entscheidender Bedeutung, denn ohne sie konnte ihm jederzeit unter Berufung auf den anderen Kaiser die Loyalität von seinen Untertanen aufgekündigt werden. Nach der Erhebung zum Augustus stellten sich neben der Anerkennung durch die Mitherrscher dem Usurpator noch andere Probleme, die ein Herrscher, der nicht durch einen Staatsstreich auf den Thron gekommen war, nicht hatte. Der Usurpator konnte nicht selbst verständlicherweise ein vorgegebenes Territorium und eine funktionierende Verwaltung übernehmen. Er mußte versuchen, in einem hinreichend
großen Gebiet die politischen Eliten zur Mitarbeit und die Bevölkerung zu loyalem Verhalten zu bewegen. Usurpatoren mit einer längeren Herrschaftsdauer vermoch~ ten diese Probleme erfolgreich zu lösen. Zu einer dauerhaften Übernahme der Herrschaft, wie es im frühen Prinzipat Vespasian gelungen war. und zu einer mehr als vorübergehenden Anerkennung als Mitherrscher gelangte in der Spätantike außer Konstantin und Iulian im 4. und Marcian im 5. Jhd. niemand. Dies zeigt sehr deutlich, wie viel besser legitimiert und gefestigt die Stellung eines Kaisers war, der zu dieser nicht durch eine Usurpation gelangt war. Die Usurpation führt im 4. und 5. Jhd. nicht zur Bildung von besonderen politischen Einheiten. Der Usurpator will Kaiser werden und als Mitherrscher im gesamten Reich anerkannt werden. Mit dem Ende der Mehrkaiserherrschaft nach 476 ändern sich dann auch die Vorgaben für eine Usurpation im Osten des Reiches. Es ging von nun an nicht mehr um die Teilhabe an der Herrschaft, sondern um den Sturl des regierenden Kaisers. Wie in der gesamten römischen Kaiserzeit waren Usurpationen auch im spätrömischen Reich eine zwar immer vorhandene Möglichkeit, ihre gelungene Durchführung war aber von sehr unterschiedlicher Häufigkeit. So war ihre Zahl im Westen deutlich höher, während sie im Osten zwischen 365 bis 475, wenn man von Marcian absieht, gänzlich fehlen. Sie waren auch chronologisch sehr ungleichmäßig verteilt. Zu Anfang und nach der Mitte des 5. Jhd. sind sie am häufigsten im Westen zu beobachten. Gegenüber dem frühen Prinzipal waren sie zahlreicher, aber im Verhältnis zum 3. Jhd. doch weitaus weniger häufig. Die Zahl der Usurpationsversuche, bei denen es nicht zu einer Investitur mit dem folgenden Versprechen von Gehorsam und Loyalität kam, ist zwar nicht eindeutig quantifizierbar, dürfte aber mit diesem Bild übereinstimmen. Staatsstreiche waren keineswegs die einzige Möglichkeit, bestehende Machtverhältnisse und die mit ihnen verbundene Politik zu ändern. sondern neben ihnen spielen besonders unter schwachen Kaisern Veränderungen in der Machtverteilung innerhalb der führenden Gruppe und deren personelle Umgestaltung eine wichtige Rolle, wie z.B. der Sturz Stilichos 408 zeigt. Er war mit einer weitgehenden Neugestaltung der führenden Gruppe verbunden 1570 und wurde von einem zivilen Würdenträger durchgeführt, dem späteren mag. off. Olympius.
372
373
Formen der Usurpation Teilhabe an der Herrschaft kann der Usurpator dadurch erlangen, daß er einen der regierenden Kaiser stürzt und an seine Stelle tritt. Dabei konnte dieser sofort aus dem Amt gejagt werden wie z.B. Constans 350 oder nach einer militärischen Auseinandersetzung wie etwa Gratian 383. Die Entmachtung war in der Regel auch mit der physischen Beseitigung des gestürzten Kaisers verbunden. Sie war aber im Unterschied zum Prinzipat vom System her nicht notwendig, denn er hätte ja seine Herrschaft auch niederlegen können. Sie stellte für den Usurpator eine große politische Belastung dar. denn sie machte die Anerkennung durch die verbleibenden 1570 Zu weiterenAlternativenvgl. IV.A.3Alternativenzur Usurpation.S. 2131214.
374
V. Versucheiner Bilanz
V. Versucheiner Bilanz
Herrscher eigentlich unmöglich. Diese sind aus politischen Gründen zur Rache verpflichtet. wenn das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung und reichsweiten Legitimierung durch diese nicht zur Farce werden soll. Die physische Beseitigung des amtierenden Herrschers wurde daher Usurpatoren in der innenpolitischen Auseinandersetzung immer wieder zum Vorwurf gemacht und gegen sie ins Feld geführt. Der Versuch, an der Herrschaft teilzuhaben, konnte auch unternommen werden, ohne einen regierenden Kaiser zu stürzen, eine Möglichkeit, die vor der Spätantike nicht existierte. Hierzu gab es zwei Wege. Der Usurpator bemächtigte sich eines Teilgebietes eines Territoriums, über das ein anderer verfügte, und erhob dort den Anspruch, Kaiser zu sein. Ein eindeutiges Beispiel dafür bietet Vetranio. der Illyrien 350 zu seinem Herrschaftsgebiet machte. Er mußte dabei niemanden stürzen. Mit noch wesentlich geringerem politischem Risiko konnte die Teilhabe an der Herrschaft gesucht werden, wenn ein Anwärter auf den Thron nach dem Tod eines regierenden Augustus die verwaiste Stellung einfach übernahm und nicht die Erhebung eines neuen Mitkaisers durch den noch regierenden Augustus abwartete. Ein gutes Beispiel dafür bietet Iohannes' Erhebung 423, aber auch andere Usurpatoren im Westen nach 455. Petronius Maximus oder Libius Severus gehören in diese Gruppe. Im Osten gilt dies nur für Marcians Erhebung 450. der der westliche Kaiser Valentinian IU. zuerst nicht zustimmte. sondern erst nach rund eineinhalb Jahren. Der an der Herrschaft befindliche Augustus betrachtete auch einen solchen Akt als Usurpation, weil sein Anspruch, Mitherrscher zu erheben, mißachtet worden war. Bei Staatsstreichen, bei denen es um die Erringung der kaiserlichen Stellung geht, ohne einen regierenden Augustus zu stürzen, sondern eine verwaiste Stelle einfach zu übernehmen, sind zivile Würdenträger am häufigsten als Usurpatoren zu finden. Durch das dynastische Prinzip wurde der Anspruch eines Prätendenten auf Teilhabe an der Herrschaft von besonderer Bedeutung für den regierenden Kaiser, weil damit in der Regel eine andere Dynastie ins Spiel kam. Dies konnte zur Verdrängung der herrschenden Familie führen. Letztlich scheiterte daran jede dauerhafte Anerkennung als Mitkaiser. Während der Auseinandersetzung mit dem legitimen Herrscher wurde daher ein Kollege des Usurpators immer auch erst dann von diesem erhoben. wenn sich keine Übereinkunft mehr erreichen ließ und die militärische Auseinander..ri1:oi; oder cruy1CATJ'tt1Coi für eine gemeinsam beratende Gruppe von aktiven und ehemaligen Amtsträgern 1606• Nur aus dem Kontext oder zusätzlichen Informationen kann erschlossen werden, welche Personen damit im einzelnen Fall gemeint sind. Auf keinen Fall solite man einfach vom Senat als Körperschaft oder Senatoren allgemein sprechen.
zil von Sirmium von 351 stattfand (vgl. PLRE 1. 198 und mit Präzisienmgcn Barnes 1993, 109). Diese Verwendung von cruy11:1c11nKot ist bei Socrates singulär. 'tOÜ IJcxmlEro.; 1599 Soz. 4, 6, 15: (J\)Ve.).86vt!OV t(ÖV EltHJKOJt