Usurpator tanti nominis: Kaiser und Usurpator in der Spätantike: Kaiser und Ursupator in der Spätantike (337–476 n. Chr.) 3515096361, 9783515096362

Die römische Kaiserzeit kannte kein institutionalisiertes Verfahren, das die Übergabe der Macht an der Spitze des Reiche

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German Pages 458 [460] Year 2010

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Hinweise für den Leser
I. Einleitung
I.1 Usurpation und Machtwechsel. Allgemeine Überlegungen
I.2 Spätantike Usurpationen in der Forschung
I.3 Absicht, Inhalt und Methode des Buches
II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike
II.1 Der Staatsstreich und verwandte Phänomene
II.2 Begrifflichkeit
II.3 Die Bewertung des Staatsstreiches und ihr Niederschlag.
in Herrscherlisten
II.4 Der Staatsstreich in der politischen Theorie der Spätantike
II.5 Die politische Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator
III. Der Kaiser
III.A Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung
im 4. u. 5. Jhd..
III.B Die Übernahme der Herrschaft
III.C Der Vorschlag des Kandidaten
III.D Die Anerkennung und Bestätigung des neu erhobenen Kaisers
in seinem Herrschaftsgebiet und im Reich
III.E Wer kann Kaiser werden?
III.F Die Sicherung der Herrschaft
IV. Der Usurpator
IV.A Allgemeine Überlegungen
IV.B Die Gründe der Usurpationen
IV.C Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator
IV.D Wer kann erfolgreich usurpieren?
IV.E Der vom Usurpator bedrängte Kaiser und seine Anhänger
IV.F Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators
IV.G Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator
IV.H Absetzung, Bestrafung, Tod
IV.I Usurpator und Kaiser im 5. Jhd. Die Krise des Reiches
und ihre Folgen für Herrschaftsübertragung
und Herrschaftssicherung
V. Versuch einer Bilanz
VI. Anhang
A. Exkurse
B. Übersichten
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Indizes
Sachen und Begriffe
Personennamen
Geographische Namen
Stellen
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Usurpator tanti nominis: Kaiser und Usurpator in der Spätantike: Kaiser und Ursupator in der Spätantike (337–476 n. Chr.)
 3515096361, 9783515096362

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Joachim Szidat

Usurpator tanti nominis Kaiser und Usurpator in der Spätantike (337–476 n. Chr.)

Geschichte Franz Steiner Verlag

Historia Einzelschriften - 210

Joachim Szidat Usurpator tanti nominis

HISTORIA Zeitschrift für Alte Geschichte Revue d’histoire ancienne Journal of Ancient History Rivista di storia antica –––––––––––––––––– EINZELSCHRIFTEN Herausgegeben von Kai Brodersen/Erfurt Mortimer Chambers/Los Angeles Martin Jehne/Dresden François Paschoud/Genève Aloys Winterling/Berlin

HEFT 210

Joachim Szidat

Usurpator tanti nominis Kaiser und Usurpator in der Spätantike (337–476 n. Chr.)

Franz Steiner Verlag Stuttgart 2010

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-09636-2

Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2010 Franz Steiner Verlag, Stuttgart. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis Vorwort............................................................................................................... 9 Hinweise für den Leser....................................................................................... 12 I. Einleitung........................................................................................ I.1 Usurpation und Machtwechsel. Allgemeine Überlegungen............. I.2 Spätantike Usurpationen in der Forschung...................................... I.3 Absicht, Inhalt und Methode des Buches.........................................

13 13 17 18

II. II.1 II.2 II.3

25 26 27

II.4 II.5 III.

Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike.......... Der Staatsstreich und verwandte Phänomene.................................. Begrifflichkeit.................................................................................. Die Bewertung des Staatsstreiches und ihr Niederschlag . in Herrscherlisten............................................................................. Der Staatsstreich in der politischen Theorie der Spätantike............ Die politische Auseinandersetzung zwischen Kaiser . und Usurpator...................................................................................

41

Der Kaiser....................................................................................... 43

III.A

Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung im 4. u. 5. Jhd................................................................ III.A.1 Herrschaftsform und Herrschaftsübertragung: Allgemeine . Überlegungen................................................................................... III.A.2 Die Mehrkaiserherrschaft................................................................. III.A.3 Die institutionellen Strukturen der Mehrkaiserherrschaft . und ihre Auswirkungen auf die Politik............................................ III.A.4 Die Niederlegung der Herrschaft..................................................... III.B III.B.1 III.B.1.a III.B.1.b

32 39

Die Übernahme der Herrschaft.................................................... Die Erhebung des Kaisers................................................................ Das Erhebungszeremoniell.............................................................. Die Wahlversammlung oder „Das Heer macht den Kaiser“. . Macht das Heer den Kaiser?............................................................ III.B.1.c Einberufung und Leitung der Wahlversammlung............................ III.B.1.d Die Erhebung eines Caesars............................................................. III.B.2 Nach der Erhebung........................................................................... III.B.2.a Allgemeine Überlegungen: Erhebung, Herrschaftsbeginn, . Bestätigungsakte.............................................................................. III.B.2.b Die Anerkennung des neuen Herrschers am Ort der Erhebung....... III.B.3 Die Intervalle zwischen dem Tod eines Kaisers . und der Erhebung eines neuen.........................................................

43 43 46 58 67 70 70 71 76 81 83 84 84 88 89

6

Inhaltsverzeichnis

III.C Der Vorschlag des Kandidaten...................................................... 91 III.C.1 Allgemeine Überlegungen............................................................... 91 III.C.2 Der Kaiser als auctor eines neuen Herrschers................................. 94 III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat............................................. 102 III.C.3.a Die Kaisererhebungen im 4. Jhd...................................................... 103 III.C.3.b Die Kaisererhebungen im Osten im 5. u. 6. Jhd.............................. 113 III.C.3.c Die Kaisererhebungen im Westen: Petronius Maximus’ Erhebung. 125 III.C.3.d Die Führungsgruppe......................................................................... 130 III.C.3.e Zusammenfassung............................................................................ 150 III.D

Die Anerkennung und Bestätigung des neu erhobenen Kaisers in seinem Herrschaftsgebiet und im Reich.................................. 153 III.D.1 Allgemeine Überlegungen............................................................... 153 III.D.2 Die Mitteilung an die Amtskollegen................................................ 157 III.D.3 Die Anerkennung durch wichtige Gruppen..................................... 158 III.E III.E.1 III.E.2

Wer kann Kaiser werden?............................................................. 165 Das dynastische Prinzip................................................................... 165 Die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen: . Herkunft, Rang, Funktion, Religion................................................ 182

III.F Die Sicherung der Herrschaft....................................................... 187 III.F.1 Allgemeine Überlegungen............................................................... 187 III.F.2 Die Führungsgruppe und die Sicherung der Herrschaft................... 189 III.F.3 Die Soldaten und die Mitglieder der Verwaltung . außerhalb der Zentrale..................................................................... 195 III.F.4 Die Bevölkerung der Städte............................................................. 196 III.F.5 Die Kirche........................................................................................ 197 III.F.6 Die Sicherung der Herrschaft gegen mögliche Prätendenten.......... 200 IV.

Der Usurpator................................................................................ 205

IV.A IV.A.1 IV.A.2

Allgemeine Überlegungen............................................................. 205 Die Usurpation als Teilhabe an der Herrschaft................................ 205 Usurpation und gewaltsame Auseinandersetzungen . unter Kaisern.................................................................................... 211 IV.A.3 Alternativen zur Usurpation............................................................. 213 IV.A.4 Die unterschiedlichen Formen einer Usurpation............................. 215 IV.A.5 Usurpationsversuche und Mordanschläge....................................... 219 IV.A.6 Die Zahl der Usurpationen. Ihre chronologische . und geographische Verteilung.......................................................... 222 IV.B

Die Gründe der Usurpationen...................................................... 224

IV.C IV.C.1 IV.C.1.a IV.C.1.b

Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator............ 232 Planung und Vorbereitung................................................................ 232 Usurpator und führende Gruppe...................................................... 236 Die militärische Basis...................................................................... 237

Inhaltsverzeichnis

IV.C.1.c IV.C.2 IV.C.2.a IV.C.2.b IV.C.3

7

Die Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel.................... 240 Die Erhebung des Usurpators.......................................................... 242 Das Erhebungszeremoniell.............................................................. 242 Die Anerkennung des Usurpators am Ort der Erhebung.................. 250 Wer schlägt den Usurpator vor? Die Bestimmung . des Kandidaten................................................................................. 251

IV.D Wer kann erfolgreich usurpieren?............................................... 257 IV.D.1 Allgemeine Überlegungen............................................................... 257 IV.D.2 Generäle und zivile Amtsträger........................................................ 261 IV.E IV.E.1 IV.E.2

Der vom Usurpator bedrängte Kaiser und seine Anhänger....... 268 Das Schicksal des entmachteten Kaisers......................................... 268 Die Anhänger des bedrängten oder gestürzten Kaisers.................... 269

IV.F Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators.............. 272 IV.F.1 Allgemeine Überlegungen............................................................... 272 IV.F.2 Die Inbesitznahme des Territoriums................................................ 276 IV.F.3 Zwei Territorien von besonderer Bedeutung: . Africa und Illyrien............................................................................ 280 IV.F.4 Die Legitimierung der Herrschaft gegenüber den Untertanen......... 282 IV.F.5 Die Vortäuschung der Anerkennung durch die Amtskollegen......... 283 IV.F.6 Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen............................. 286 IV.F.7 Der Aufbau einer eigenen Verwaltung und Führungsgruppe........... 299 IV.F.7.a Die Besetzung der zivilen Ämter..................................................... 301 IV.F.7.b Senatoren im Dienst des Usurpators................................................ 306 IV.F.7.c Der Aufbau einer militärischen Kommandostruktur........................ 309 IV.F.8 Die Begründung einer eigenen Dynastie......................................... 310 IV.G IV.G.1 IV.G.2

Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator......... 312 Die Verhandlungen um Anerkennung.............................................. 312 Die militärische Auseinandersetzung............................................... 317

IV.H IV.H.1 IV.H.2 IV.H.3 IV.H.4

Absetzung, Bestrafung, Tod.......................................................... 322 Die Bestrafung des Usurpators........................................................ 322 Bestrafung der Anhänger und Verwandten...................................... 328 Bestrafung der Soldaten und Offiziere............................................. 338 Der Triumph des siegreichen Kaisers.............................................. 339

IV.I IV.I.1 IV.I.2 IV.I.3

Usurpator und Kaiser im 5. Jhd. Die Krise des Reiches und ihre Folgen für Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung............................................................. 341 Kaiser und Usurpatoren in der Krise des Reiches............................ 341 Generäle erheben den Kaiser........................................................... 347 Usurpatoren und Barbaren............................................................... 357

V.

Versuch einer Bilanz...................................................................... 361

8

Inhaltsverzeichnis

VI.

Anhang............................................................................................ 379

A. 1. 2. 3. 4. 5.

Exkurse........................................................................................... 379 hJ suvgklhto~..................................................................................... 379 Usurpationsversuche........................................................................ 388 Maiorians Erhebung am 1. April 457............................................... 393 illustris............................................................................................. 395 Die Teilnehmer an den Beratungen über Theodosius’ II. . Nachfolge 450.................................................................................. 397 porfurogevnnhto~............................................................................. 400 Procopius und der Wechsel der herrschenden Dynastie.................. 401

6. 7.

B. Übersichten..................................................................................... 402 1. Chronologische Übersicht................................................................ 402 2. Übersicht über die Kaiser und Usurpatoren . zwischen 284 und 532...................................................................... 413 3. Chronologische Übersicht der Usurpatoren..................................... 414 4. Übersicht über die Usurpatoren mit ziviler Laufbahn..................... 416 Abkürzungsverzeichnis....................................................................................... 417 Literaturverzeichnis............................................................................................ 418 Indices................................................................................................................ 435 Sachen und Begriffe . ......................................................................................... 435 Personennamen .................................................................................................. 439 Geographische Namen ....................................................................................... 450 Stellen................................................................................................................. 452 Lateinische .................................................................................................. 452 Griechische und syrische . ........................................................................... 456

Vorwort Usurpationen bilden ein Grundproblem vieler, aber keineswegs aller staatlichen Ordnungen. Als historisches Problem der Spätantike sind sie schon vor langer Zeit in das Blickfeld des Verfassers geraten. Die eingehende Beschäftigung mit der Darstellung, die Ammianus Marcellinus von der Auseinandersetzung Iulians mit Constantius II. in den Büchern 20 und 21 gibt, hatte den Verfasser nämlich schon vor vielen Jahren zur Auseinandersetzung mit den Usurpationen im 4. Jhd. n. Chr. geführt. Daraus entstand die Absicht, die Problematik der Staatsstreiche in der Spätantike generell zu untersuchen. Sie nahm nach einem Kolloquium von 1996 zu den Usurpationen in der Spätantike, das vom Verfasser zusammen mit François Paschoud geplant und durchgeführt wurde und das sich überwiegend mit denen im 4. Jhd. beschäftigte, festere Formen an und führte zum Entschluß, die Usurpationen zwischen 337 und 476 eingehender zu untersuchen, weil in diesem Zeitraum die institutionellen, politischen und gesellschaftlichen Bedingungen relativ unverändert blieben. An den spätantiken Usurpationen hatte sich zudem ein größeres allgemeines Interesse der Forschung entwickelt, das sich in einer Reihe von Abhandlungen seit der Mitte der neunziger Jahre ausdrückt. Diese betreffen aber vorwiegend nur einzelne Staatsstreiche oder Gruppen von ihnen, die chronologisch oder auf andere Weise miteinander zusammenhängen. Es bestand nicht die Absicht, die Staatsstreiche im Zeitraum zwischen 337 und 476 im einzelnen zu beschreiben, sondern ihre institutionellen, politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen, die Bedingungen für ihre erfolgreiche Durchführung und ihre möglichen Abläufe darzustellen, um sie mit denen anderer Epochen vergleichbar zu machen. Wegen der engen Parallelen zu den Erhebungen der Kaiser, die als legitim gelten, mußten auch diese eingehend erörtert werden. Der Verfasser wollte keine Theorie entwickeln, die der Verifizierung an den historischen Fakten vorausging, sondern aus diesen allgemeine Einsichten gewinnen, die die Vorgänge klar erkennen und schlüssig zu erklären vermögen, soweit dies bei historischen Prozessen, die vorwiegend durch das Besondere und Überraschende, durch Anomalien also, gekennzeichnet sind, möglich ist. Dieses wird deutlicher erfaßbar, wenn die normalen Abläufe erkannt sind. Die Erklärungen für die Anomalien sind dann weniger beliebig. Auf eine vollständige Berücksichtigung der Sekundärliteratur wurde verzichtet. Soweit sie zur Kenntnis des Verfassers gelangt ist, wird sie zitiert, wenn sie neue Erkenntnisse bietet, besonders auch zum Verständnis der Überlieferung. Vor allen Dingen diese soll besser verstanden und unter anderen Fragestellungen als bisher zum Reden gebracht werden. Mit der ausführlichen Dokumentation der Überlieferung ist das Buch mindestens teilweise lege artis gestaltet, obwohl das besonders der zahlreichen Anmerkungen wegen durchaus abschreckend wirken wird und die Akzeptanz des Buches

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Vorwort

bei Lesern, die dieser historischen Epoche ferner stehen oder gar nichts mit Geschichte zu tun haben, mindert. Eine fundierte Diskussion ist aber ohne hinreichende Dokumentation nicht denkbar, besonders wenn viele Belege unter anderen Fragestellungen als bisher interpretiert werden. Der Entschluß, ein solches Buch in fachlich angemessener Form zu schreiben, ohne unter äußeren Zwängen dazu zu stehen, bildete sich aus der Überzeugung, daß eine so entstandene Untersuchung vielleicht weniger als üblich an die aktuelle Tagesdiskussion gebunden ist. Ob es als solches wahrgenommen wird, bleibt abzuwarten und liegt nur zu einem kleinen Teil in der Hand des Verfassers. Gezieltere Vorarbeiten zum vorliegenden Buch begannen unmittelbar nach dem Kolloquium von 1996. Zu ihnen gehörte die Erstellung einer Datenbank zu den bekannten Usurpationen. Sie wurde nach den Vorgaben des Verfassers durch Christian Raschle, jetzt Montréal, erstellt und bildete eine Grundlage, um eine Übersicht über das vorhandene Material zu gewinnen. Es zeigte sich bald, daß umfangreiche weitere Untersuchungen zu einzelnen Fragen nötig waren, die sich bei der Abfassung des Manuskriptes bis in seine letzte Phase stellten. Die Arbeit am Manuskript begann während eines Aufenthaltes 1998/1999 am Institute for Advanced Study in Princeton / New Jersey (USA). Sie wurde durch die dort möglichen Kontakte wesentlich gefördert, und diese führten auch zur Klärung konzeptioneller Probleme. Für ein besseres Verständnis der Usurpationen zwischen 337 und 476 erwies sich der Einbezug der Zustände während der Tetrarchie und der Kaisererhebungen und Staatsstreiche im Osten bis ins 6. Jhd. als notwendig. In den folgenden Jahren führten andere Arbeiten zu großen Verzögerungen bei der Fertigstellung des Manuskriptes, gaben dem Verfasser aber auch neue Impulse. Hier sei besonders die Bewertung des Silberschatzes von Kaiseraugst aus historischer Perspektive erwähnt. Sie verlangte eine eingehende Beschäftigung mit der Periode von 337–353 und der Usurpation des comes rei militaris Magnentius (350– 353) sowie mit Fragen des spätantiken Largitionswesens. In der Anfangsphase wurden die Arbeiten durch finanzielle Beiträge verschiedener Institutionen unterstützt. So übernahm der Kanton Solothurn die Kosten für die Erstellung der Datenbank. Der Lotteriefonds des Kantons Solothurn und die Hochschulstiftung der Universität Bern gewährten namhafte Beiträge für zusätzliche Ausgaben für die Zeit unmittelbar nach dem Aufenthalt am Institute for Advanced Study. Die umfangreichen Recherchen wurden wesentlich erleichtert durch den sehr großzügig gewährten Zugang zur Bibliothek des Deutschen Archäologischen Institutes in Rom. Hierfür sei dem Bibliothekar Herrn Dr. Horst Blanck und seinem Nachfolger Herrn Dr. Th. Fröhlich sehr herzlich gedankt. Für die Durchsicht einzelner Teile des Manuskriptes und kritische Hinweise dazu möchte der Verfasser seinen Kollegen Anne Kolb und Beat Näf vielmals danken, ebenso Stefan Rebenich und François Paschoud, die beide das ganze Manuskript lasen. Sie alle bewahrten den Verfasser vor mancher Ungeschicklichkeit und manchem Irrtum. Über einzelne Fragen konnte der Verfasser unter anderen mit R. S. Bagnall, F. A. Bauer, G. W. Bowersock, H. Brandenburg, B. Brenk, Alain Cameron, C. Cla-

Vorwort

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vadetscher, St. Förster, W. Heinrichs, R. Lizzi Testa, K. Trampedach und E. Zimmermann sprechen. Auch mein Doktorand M. Beyeler gab mir manchen nützlichen Hinweis. Chr. Raschle unterstützte den Verfasser bei Problemen mit der Informatik. Der Verfasser möchte auch denen danken, die sich als Fachfremde für den Gegenstand interessierten, so unter anderem Eduard Tschachtli, der das Manuskript ganz durchsah, und Dr. Alfred Wyser, der Teile davon las. Durch ihr Interesse blieb dem Verfasser immer bewußt, keine allzu fachspezifische Sprache zu verwenden. Besonderer Dank gilt auch meiner Frau Elisabeth Szidat, die für die jahrelange Arbeit großes Verständnis aufbrachte. Ihr sei daher auch dieses Buch gewidmet. Die Publikation in den Historia Einzelschriften wurde möglich durch das Interesse von François Paschoud und Stefan Rebenich am Manuskript. Daß am Ende der Arbeit neben der Freude über deren Abschluß sich auch ein Gefühl des Ungenügens einstellte, möchte der Verfasser nicht verschweigen. Aus einer kaum überschaubaren Materialfülle allgemeine Folgerungen zu ziehen, macht es fast unmöglich, keine größeren Irrtümer zu begehen. Riedholz, im September 2008

Joachim Szidat

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Hinweise für den Leser

Hinweise für den Leser 1. Zu den Abkürzungen und zu den Zitaten der wissenschaftlichen Literatur vgl. das Abkürzungsund Literaturverzeichnis (S. 417–434). 2. Die lateinischen Panegyriker sind nach der Ausgabe von Galletier zitiert.

3. Iulians Werke sind nach der Ausgabe von Bidez und Lacombrade zitiert.

4. Für eine Übersicht und erste Information über die Autoren der byzantinischen Zeit sei auf Karayannopulos / Weiss 1982, die PLRE 1, XI–XX; PLRE 2, XIII–XXX; PLRE 3, XIII–XL; Demandt 2007, 8–43 und auf das Quellenverzeichnis bei Bleckmann 1992, 421–425 verwiesen.

5. Bei den Autoren der byzantinischen Zeit wird nach dem Autor und dem Werk der Herausgeber angegeben, wenn verschiedene Ausgaben vorliegen oder von der geläufigen Zitierweise abgewichen wird.

6. Für alle im Text erwähnten Personen ist im Register vermerkt, wo sich die vollständigen Hinweise über diese Person finden. 7. Zu den erwähnten Ereignissen vgl. die „Chronologische Übersicht“ im Anhang (S. 402–412).

8. Die Quellenbelege sind nach Möglichkeit soweit vollständig erfaßt, wie sie eigenständige Traditionen der Überlieferung widerspiegeln. Ansonsten werden sie in Auswahl gegeben. 9. Die Sekundärliteratur wurde soweit wie möglich eingearbeitet. Dabei wurde bewußt darauf verzichtet, sie zu einzelnen Fragen vollständig zusammenzustellen, sondern es wurden nur die entscheidenden Positionen, die sich in ihr finden, belegt.

Auf die grundlegenden Werke zum Ablauf der Ereignisse wie Seeck und Stein wird in der Regel nur dann verwiesen, wenn ihre Positionen nicht übernommen werden oder wenn sie wichtige Deutungen zu einzelnen Problemen gegeben haben. Sonst sind sie stillschweigend als Referenzpunkte vorausgesetzt.

Um die Lesbarkeit des Textes zu erhalten, finden sich die Hinweise auf die wissenschaftliche Diskussion und die Belege sowie die Diskussion wichtiger Einzelprobleme weitgehend in den Fußnoten und den Exkursen.

I. Einleitung I.1 Usurpation und Machtwechsel. . Allgemeine Überlegungen Herrschaft und die Art ihrer Ausübung haben sehr große Bedeutung für das Leben der Menschen, die davon betroffen sind. Wer sie übernimmt und auf welche Weise, ist eine zentrale Frage und durch sehr verschiedene historische und gesellschaftliche Bedingungen bestimmt. Beides kann mehr oder weniger geregelt sein. Wenn sich solche Regeln entwickelt haben, können sie in unterschiedlichem Ausmaß beachtet werden, und in vielen politischen Systemen kommt es mehr oder weniger häufig zu einer Übernahme der Herrschaft anders als vorgesehen. Oft handelt es sich dabei um einen Staatsstreich. Bei ihm geht es um die Übernahme der Herrschaft in einem Staat, in dem sie schon von jemandem ausgeübt wird, jemand anderes dafür vorgesehen ist oder institutionelle Regelungen für ihre Weitergabe mißachtet werden. Es geht also um einen Machtwechsel, für den besondere Charakteristika gelten1. Dabei können Regelungen, geschriebene oder ungeschriebene, für den Wechsel an der Spitze des Staates oder die Weitergabe der Herrschaft verletzt werden wie etwa Wahlen oder Nachfolgeordnungen oder, wenn solche institutionellen Regelungen für einen Wechsel nicht vorhanden sind, kann auch nur der Anspruch des jeweiligen Inhabers der Herrschaft auf deren weitere unbeschränkte Ausübung mißachtet werden. Von seinem Wesen her zielt der Staatsstreich nicht notwendigerweise auf die Veränderung des politischen und gesellschaftlichen Systems ab. Er ist nicht durch Unzulänglichkeit und Fehler der menschlichen Natur bedingt, wie etwa durch Ehrgeiz, Hab- oder Machtgier, denn sie sind nur individuelle Voraussetzungen, die ein Usurpator mitbringen muß, sondern er ist durch die Art des politischen und gesellschaftlichen Systems möglich. Er ist also an bestimmte historische Bedingungen gebunden. Oft tritt er auch nur bei besonderen Belastungen, denen ein solches System ausgesetzt ist, auf. In einem politischen und gesellschaftlichen System, das die Usurpation nicht kennt, wird sie niemals ernsthaft in Erwägung gezogen. In einem solchen kann sie erst stattfinden, wenn es sich gewandelt hat. Ebenso ist auch der umgekehrte Weg denkbar, nämlich daß ein System sich zu einem entwickelt, in dem keine Usurpationen mehr auftreten. Die Usurpation ist 1 Zu einer weit verbreiteten modernen Definition, die den Staatsstreich als „irregular executive transfer“ definiert, vgl. etwa Zimmermann 1985, 315; 1997, 165/166 oder Weede / Muller 1998, 45. Beide greifen dabei auf C. L. Taylor / D. A. Jodice, World Handbook of Political and Social Indicators, New Haven 31983, 88 zurück. Sie ist ein Beispiel für eine Definition, die in einem modernen Handbuch verwendet wird, das eine solcher Art benötigt, damit sich Listen erstellen lassen. Zu einer Übersicht über verschiedene komplexere Definitionen, die vorgeschlagen wurden, vgl. Zimmermann 1981, 79–83; 1983, 241–246.

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I. Einleitung

daher ein Problem vieler, aber keineswegs aller staatlicher Ordnungen. Ihr Auftreten oder ihr Ausbleiben läßt sich rückblickend bei genügender Breite der Überlieferung relativ leicht konstatieren und in einzelnen Fällen auch oft hinreichend erklären, aber niemals voraussehen. Das gilt nicht nur für die einzelne Usurpation, sondern auch für ihr generelles Auftreten. Die Übernahme der Herrschaft muß bei einem Staatsstreich nicht unter Anwendung oder Androhung von Gewalt erfolgen. Dieses Element, das sich sehr oft in modernen Betrachtungen findet, ist besonders aus Erfahrungen der jüngeren Geschichte abgeleitet2, aber kein notwendiger Bestandteil eines Staatsstreiches. Es kann zuweilen genügen, dem Inhaber der Herrschaft Loyalität und Gehorsam aufzusagen. Im Unterschied zu einer Revolution oder einem Aufstand handelt es sich bei einem Staatsstreich nicht um eine Massenbewegung. Es ist eine kleine Gruppe, die ihn trägt. Die Usurpation tritt als historische Erscheinung allerdings häufig in Verbindung mit anderen Phänomenen auf, so besonders mit der Revolution oder anderen Formen der Empörung. Diese gehören aber nicht notwendigerweise zu ihrem Wesen und charakterisieren sie nicht. Wenn der Staatsstreich mit einer Revolution oder einer anderen Form des Aufstandes verbunden ist, geht es nicht nur mehr um die Übernahme der Herrschaft im Staat, sondern um die Änderung der staatlichen Ordnung oder auch um die Umgestaltung der Gesellschaft. Solche Veränderungen können einer Usurpation folgen oder direkt mit ihr verbunden sein. Oft dienen sie auch zu ihrer Rechtfertigung. Sie bilden aber keinen notwendigen Bestandteil. Ein Staatsstreich kann auch die Übernahme der Herrschaft in einem Teil des Territoriums eines Staates bedeuten. Von modernen Vorstellungen her handelt es sich dann um eine Verbindung einer Usurpation mit separatistischen Bestrebungen. Diese anderen politischen Phänomene, die mit einer Usurpation verbunden oder ihr folgen können, sind für deren Ablauf und Erscheinungsbild wichtig und müssen bei ihrer Beschreibung und Erklärung berücksichtigt werden. Sie bestimmen auch, welche Funktion und Stellung die Usurpation in der jeweiligen historischen Epoche hat und spiegeln wider, in welchem Ausmaß verschiedene Gruppen der Gesellschaft an den politischen Veränderungen beteiligt oder von ihnen betroffen sind. Ist die Usurpation als Möglichkeit in einem politischen System vorhanden, werden von denen, die die Herrschaft innehaben, andere krisenhafte Erscheinungen sehr schnell als ihre Vorläufer betrachtet, und man reagiert entsprechend heftig auf sie, so etwa auf Gehorsamsverweigerungen wichtiger Amtsträger wie z. B. von Generälen oder auf Unruhen an Orten, die für die Sicherung der Herrschaft von besonderer Wichtigkeit sind wie z. B. in Residenzstädten, oder an solchen von besonderer politischer oder strategischer Bedeutung. Der Staatsstreich gehört nicht notwendigerweise zu jedem politischen System, ist aber in sehr vielen zu beobachten. Er ist nicht mit einer bestimmten verfassungs2 Er wird dabei mit dem Militärputsch gleichgesetzt, eine zwar sehr häufige, aber nicht die einzig mögliche Form des Staatsstreiches. Vgl. n. 5 u. n. 1057.

I.1 Usurpation und Machtwechsel. Allgemeine Überlegungen

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mäßigen und politischen Ordnung verknüpft, sondern kann in jeder auftreten. In einzelnen ist er aber häufiger anzutreffen als in anderen. Die historischen Rahmenbedingungen sind entscheidend. Die Kenntnis seiner Voraussetzungen, seines Ablaufs und seiner Wirkungen führt zu einer vertieften Einsicht in das politische System, in dem er zu beobachten ist. Sein Auftreten und die Form seiner Erscheinung sind gebunden an die jeweilige staatliche und gesellschaftliche Ordnung. Die Kenntnis seiner konkreten historischen Formen bildet die Voraussetzung für eine vertiefte Einsicht in sein Wesen. Usurpationen bilden so ein Grundproblem vieler, aber keineswegs aller staatlichen Ordnungen in verschiedenen Epochen. Ihr Auftreten hängt in hohem Maße unter anderem davon ab, unter welchen Bedingungen eine auf diese Weise übernommene Herrschaft durch die, die von ihr betroffen sind, anerkannt wird und ihr gehorcht wird, denn mit bloßer Gewaltanwendung läßt sich auf die Dauer nur regieren, wenn man die weitgehende Zerstörung der gesellschaftlichen Strukturen in Kauf nimmt, also im äußersten Fall mit der Herrschaft über einen Friedhof zufrieden ist. Findet Herrschaft, die auf usurpatorische Weise übernommen wurde, keine Anerkennung, wird ihre Übernahme auf diesem Weg nicht stattfinden, oder ist nur um den Preis weitgehenden oder totalen gesellschaftlichen Wandels möglich. Es muß dann zu einer Revolution kommen. In der modernen Welt sind Staatsstreiche, versuchte wie gelungene, ein sehr häufiges Phänomen. Sie waren sogar in der zweiten Hälfte des 20. Jhd. wesentlich verbreiteter als andere Formen des Machtwechsels3. Sie treten aber in den verschiedenen Weltgegenden mit ganz unterschiedlicher Häufigkeit auf und fehlen in einer Reihe von Ländern ganz. So kennen die USA und Kanada den Staatsstreich in ihrer Geschichte seit ihrer Gründung überhaupt nicht. Unbekannt war er auch in der Zeit der Sowjetunion bis kurz vor ihrer Auflösung. Unbekannt ist er in einer Reihe Mittel- und Westeuropäischer Länder, wie der Schweiz und England, in den Skandinavischen Ländern sowie in Deutschland und Italien seit ihrer politischen Neugestaltung nach dem zweiten Weltkrieg. Der Staatsstreich ist aber nicht nur ein Phänomen der modernen Welt, sondern eine Erscheinung, die seit dem Auftreten staatlicher oder staatsähnlicher politischer Organisationsformen häufig zu beobachten ist. Die römische Republik der klassischen Zeit z. B. kannte den Staatsstreich nicht. Er fand erst Eingang, als sich die gesellschaftliche Struktur dieser Republik änderte, als sich die Homogenität der senatorischen Führungsschicht nicht mehr hinreichend bewahren ließ und die Armee ihren Charakter als Milizarmee zu verlieren begann4. Unbekannt ist der Staatsstreich auch der athenischen Demokratie in der zweiten Hälfte des 5. Jhd., bevor sie durch den peloponnesischen Krieg bis in ihre Grundfesten hinein erschüttert wurde. Unbekannt war er auch in der Zeit des französischen Absolutismus. Die römische Kaiserzeit ist eine Epoche, in der der Staatsstreich ein sehr kennzeichnendes Element ist, ohne daß damit auch nur der geringste Anspruch auf eine 3 Zimmermann 1985, besonders 322. 4 Zur Bedeutung dieser Entwicklung etwa für Sullas Marsch auf Rom 88 v. Chr. vgl. Dahlheim 1993, 100.

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I. Einleitung

Veränderung des politischen und gesellschaftlichen Systems verbunden gewesen wäre. Nachdem der Prinzipat als Form der Herrschaftsausübung nicht mehr bestritten war, ging es ausschließlich um die Ersetzung des Herrschers und seiner engsten Anhänger, nicht des Kaisertums oder der Schicht, zu der jene gehörten. An den Staatsstreichen der römischen Kaiserzeit lassen sich daher Mechanismen erfassen und Kategorien erkennen, die bei Staatsstreichen, die weniger beschränkt in ihren Zielen sind und revolutionäre Elemente enthalten, nicht so klar greifbar sind. In der römischen Kaiserzeit kann man untersuchen, welche Bedingungen für eine Usurpation in einem System gelten, das die Usurpation als extreme Krise kennt, ohne daß sie aber dessen Veränderung erstrebt. Man kann fragen, warum es nicht gelang, diese Form der Krise zu beseitigen und das System zu einem usurpationsfreien zu machen, denn wenn auch der Staatsstreich Element dieses Systems ist, so bildet er doch zugleich eine entscheidende Bedrohung von dessen politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stabilität und dessen Funktionieren, und er kann den Bestand des Staates an sich infrage stellen, wie die zahllosen Usurpationen im 3. Jhd. und ihre Folgen zeigen. Es gab daher auch ein eindeutiges Interesse der Personen, die die Herrschaft ausübten, nicht nur um ihrer selbst willen den Staatsstreich zurückzudrängen. Letztlich bleibt er, weil es nicht gelang, ein eindeutiges und allgemein akzeptiertes Verfahren, die Herrschaft weiterzugeben, zu entwickeln und damit möglichen Prätendenten andere Wege zu ihr zu eröffnen. Der Grund für dieses Mißlingen liegt offensichtlich darin, daß das Kaisertum nie zu einer eigentlichen Institution, zu einem Amt etwa im Sinn des Konsulates der röm. Republik, wurde, so daß sich Regelungen mit konstitutionellem Charakter für seine Übernahme hätten herausbilden können. Es blieb seinem Ursprung verhaftet und stand neben den Institutionen. In der wissenschaftlichen Diskussion und in der öffentlichen Wahrnehmung ist dem Staatsstreich in älteren Geschichtsepochen nur begrenzte Beachtung geschenkt worden. Große Beachtung haben dagegen sein Auftreten und seine Erscheinungsformen in der modernen Welt gefunden, und von ihnen her ist auch sein Verständnis im allgemeinen Bewußtsein bestimmt worden, nämlich das des Staatsstreiches als Militärputsch5. In älteren Epochen ist er entweder nicht thematisiert worden oder vorwiegend unter anderen Aspekten als historisch-soziologischen betrachtet worden, so daß seine älteren Erscheinungsformen kaum mit modernen vergleichbar sind oder mit modernen Kategorien an moderne Erscheinungsformen einfach angeglichen wurden. 5 Vgl. etwa die grundlegenden Arbeiten von Zimmermann (Zimmermann 1981, 1983, 1985, 1997, dort mit Bezug auf die Alte Geschichte) zu militärischen Staatsstreichen in der Moderne aus soziologischer und politikwissenschaftlicher Sicht mit umfassendem Überblick über die Forschung und die Handbücher. Man vgl. auch Weede / Muller 1998. Auch in der Alten Geschichte herrscht diese Sicht vor (vgl. etwa Flaig 1997). So ist auch der Vergleich mit dem modernen Militärputsch beliebt (vgl. z. B. Drinkwater 1998a, 306). Das Bewußtsein, daß es auch nicht militärische Staatsstreiche gibt, ist zwar vorhanden (vgl. z. B. Zimmermann 1985, 322; 1997, 168/169), aber Zusammenstellungen und Untersuchungen dazu sind dem Verfasser nicht bekannt.

I.2 Spätantike Usurpationen in der Forschung

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I.2 Spätantike Usurpationen in der Forschung Die Usurpationen in der römischen Kaiserzeit haben durch Tacitus’ Bericht in den Historien über das Vierkaiserjahr 68/69 schon immer beträchtliches Interesse erweckt. Die Ereignisse dieses Jahres sind es auch gewesen, die bisher vor allem die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Dazu traten mit zunehmendem Interesse an der Historia Augusta und dem 3. Jhd. die Staatsstreiche in den Wirren der Soldatenkaiserzeit6 und etwas später die der Spätantike7. In allen diesen Gebieten wurden beachtliche Fortschritte in der Bereitstellung und Aufarbeitung der Quellen erzielt, obwohl dieser Prozeß noch keineswegs abgeschlossen ist. Hier sei z. B. nur an die numismatischen Arbeiten zum 3. Jhd., die Fortschritte in der Forschung zur Historia Augusta und in der Kommentierung spätantiker Geschichtsschreiber erinnert8. Soweit man über die Darstellung der Ereignisse hinausging und zu deuten, zu vergleichen und erklären versuchte, dominierten in der älteren Forschung staatsrechtliche Fragen und die Sicht der Usurpation als Nachfolgeproblem. Offensichtlich haben bei der Betonung der Nachfolgefrage Tacitus’ Schilderungen ihre Wirkung nicht verfehlt. Staatsstreiche wollen aber nicht die Frage der Nachfolge lösen, das können sie zwar auch bewirken, sondern generell einen Wechsel in der Führung des Staates erreichen. In der modernen Forschung zu den Usurpationen in der römischen Kaiserzeit bedeutet das Buch von Flaig eine wichtige Etappe, auch wenn Methode, Begrifflichkeit und Ergebnisse sehr kontrovers beurteilt werden9. Er sucht konsequent die Usurpation als Aussage über das Funktionieren eines politischen und gesellschaftlichen Systems zu gebrauchen, wendet sich gegen den bisher weitgehend vorherrschenden staatsrechtlichen Ansatz, sondern gebraucht stattdessen einen politischsoziologischen. Er betrachtet den Prinzipat als Akzeptanzsystem. Die Stellung des Prinzeps beruht bei Flaig auf der Zustimmung der politisch entscheidenden gesell6 Hartmann 1982. 7 Elbern 1984. Generell zu Usurpationen in der Spätantike vgl. auch Wardman 1984; Elton 1996, 193–198; 227–233; Flaig 1992, 200–202, und besonders 1997 und dazu den kritischen Hinweis von Nippel in seiner Rezension in Zeitschrift für antikes Christentum 3, 1999, 305– 308, dort 306; Paschoud / Szidat 1997; Shaw 1999, 145–152; Seibel 2006. Sie erfreuen sich zunehmenden Interesses, und besonders zu den Usurpatoren des 5. Jhd. sind eine Reihe von Einzeluntersuchungen erschienen. Man vgl. auch die Arbeiten von Henning 1999 und Lütkenhaus 1998. 8 Vgl. etwa H. R. Baldus, Uranius Antoninus. Münzprägung und Geschichte, Bonn 1971; den Boeft 1987–2008 (Amm. 20–26); Histoire Auguste. Tome V, 2ème partie: Vies de Probus, Firmus, Saturnin, Proculus et Bonose, Carus, Numérien et Carin. Texte établi, traduit et commenté par F. Paschoud, Paris 2001. 9 Flaig 1992. Vgl. dazu etwa die Rezensionen von M. H. Dettenhofer, Gnomon 71, 1999, 651– 653; Th. Späth, Die Althistorie herausfordern. Zu Egon Flaig, Den Kaiser herausfordern, Historische Anthropologie 4, 3, 1996, 461–470, und den Versuch einer Einordnung in die althistorische Forschungstradition von Th. Späth, Nouvelle histoire ancienne? Sciences sociales et histoire romaine (note critique), Annales 54, 1999, 1137–1156, dort besonders 1138–1140, 1147, 1151–1153, 1155. Zu einem knappen Überblick über die Bedeutung und Gründe der Usurpationen sowie die Gegenmaßnahmen in der gesamten röm. Kaiserzeit vgl. Szidat 1989a.

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I. Einleitung

schaftlichen Gruppen, nämlich des Volkes, der Armee und des Senates. Diese Zustimmung muß immer wieder neu bekräftigt werden. Ein Usurpator stellt sie in Frage und sucht diese Gruppen für sich zu gewinnen. Hat er damit Erfolg, ist er der neue Prinzeps. Mit dieser Sichtweise betont Flaig die Bedeutung des Zusammenspiels der entscheidenden gesellschaftlichen Gruppen. Er versteht dabei die Usurpation als extreme Krise des staatlichen Systems und stellt ihren Aussagewert für dessen Verständnis und für die gesellschaftlichen Voraussetzungen in den Mittelpunkt. Während mit Flaigs Buch ein wichtiger Ansatz zur Diskussion für das l. Jhd. gegeben ist, haben die Usurpationen in der Spätantike nach der Tetrarchie und der Regierungszeit Konstantins weniger Aufmerksamkeit erfahren. Daß Usurpationen in dieser Zeit einen anderen Charakter haben, ist schon zuweilen vermutet und für das 4. Jhd. schon zum Teil gezeigt worden. So hat darauf etwa schon A. Pabst in ihrer Studie über die divisio regni10 beiläufig aufmerksam gemacht. In dieser und in ihrem Buch über die comitia imperii11 hat sie die Sicht der Zeitgenossen zu zwei zentralen Themen aufgearbeitet, nämlich zur sogenannten Teilung des Reiches und zur Wahlversammlung, vor der der Kaiser erhoben wird, und viel Material, das bisher unbeachtet geblieben war, für die Diskussion erschlossen. Einige Merkmale dieses besonderen Charakters hat das Kolloquium von 1996 zu den Usurpationen in der Spätantike für das 4. Jhd. schon klarer erkennen lassen. Vorherrschend bleibt dabei aber die Bewertung der spätantiken Usurpationen als vorwiegend militärisches Phänomen12. I.3 Absicht, Inhalt und Methode des Buches Die Reformen, die unter Diokletian und Konstantin beginnen, bringen dem römischen Reich eine grundlegende Umgestaltung von Staat und Gesellschaft. Eine gewisse Konsolidierung ist 337, dem Todesjahr Konstantins, erreicht. Sie dauert fast 140 Jahre bis zum Untergang Westroms 476 an. Die Zeit von 337–476 wird im Mittelpunkt der Untersuchung stehen, weil sie institutionell und von den Gruppen her, die in ihr die entscheidende Rolle spielen, eine Einheit bildet. Während die Tetrarchie ihrer absonderlichen Konstruktion wegen immer großes Interesse auf sich gezogen hat, gilt dies für die Zeit nach dem Tode Konstantins weniger. In ihr nimmt aber die Auseinandersetzung um die Herrschaft in einem ganz anderen politischen und gesellschaftlichen Umfeld neue Formen an, die sich am Phänomen der Usurpation zeigen lassen. Die entscheidende Änderung nach der 10 Pabst 1986, 129/130. 11 Pabst 1997. Vgl. dazu etwa die Besprechung von U. Lambrecht, BJhb. 199, 1999, 561–567. 12 Zur generellen Bewertung vgl. etwa Demandt 2007, 271–273; Flaig 1997; ähnlich Jones 1973, 322–329, aber vorwiegend beschreibend; Seibel 2006, 183–192 u. passim. Paschoud / Szidat 1997. Zur Aufnahme dieses Kolloquiums in der Forschung vgl. z. B. G. A. Cecconi, Latomus 62, 2003, 471–473; J. F. Drinkwater 1998a, 304–306; W. Nippel, Zeitschrift für antikes Christentum 3, 1999, 305–307; R. Rollinger, Anzeiger für die Altertumswissenschaft 54, 2001, 67–69; D. Schlinkert, ZSavR 117, 2000, 804–807.

I.3 Absicht, Inhalt und Methode des Buches

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Tetrarchie im gesellschaftlichen Bereich ist die Neubildung der Führungsschicht. Sie beginnt erst nach Konstantin, ihre neue Form anzunehmen. Ihre Entwicklung ist besonders durch zwei Elemente gekennzeichnet, nämlich die Trennung militärischer und ziviler Laufbahnen und die größeren Möglichkeiten, durch den Dienst beim Kaiser direkt in die neu gestaltete senatorische Führungsschicht aufzusteigen13, in die im Laufe des 4. Jhd. der frühere Ritterstand integriert wurde. Die Eingliederung der Mitglieder der senatorischen Familien mit längerer Tradition, die vorwiegend im Westen des Reiches ihren Sitz hatten, führt zu unterschiedlicher Gestalt der neuen Führungsschicht im Osten und im Westen des Reiches. Durch die Zentralisierung der Verwaltung und der politischen Entscheidungen am comitatus können die Mitglieder der neuen Führungsschicht, die dort versammelt sind, großen Einfluß gewinnen. Der comitatus wird der entscheidende Ort, um politische Macht auszuüben und höheren sozialen Rang zu erhalten. Im institutionellen Bereich erfährt das Kaisertum nach 337 eine wichtige Veränderung gegenüber dem 3. Jhd. und der Zeit der Tetrarchie. Es entsteht eine Mehrkaiserherrschaft auf vorwiegend dynastischer Grundlage. Sie gewinnt durch die Entstehung zweier zentraler Verwaltungen auch eine feste institutionelle Grundlage. Aufgrund dieser Mehrkaiserherrschaft entwickeln sich neue Verfahren für die Weitergabe der Herrschaft und für die Regelung des Verhältnisses der Kaiser zueinander. Der Charakter des Kaisertums ändert sich also gegenüber der Zeit der Tetrarchie. Mit ihm ändern sich auch das Wesen der Usurpationen sowie die Bedingungen und Voraussetzungen für ihre erfolgreiche Durchführung. Vor diesem ganz anderen gesellschaftlichen und institutionellen Hintergrund gilt es, die Übertragung der kaiserlichen Herrschaft und deren Infragestellung durch eine Usurpation zu betrachten. Mit dem Ende des westlichen Kaisertums 476 gibt es zwar keine Mehrkaiserherrschaft mehr, aber die Fortdauer der Führungsschichten in der Gestalt, die sich seit Konstantins Reformen entwickelt hatte, im Osten bis in die Zeit Iustinians und im Westen bis zum Ende der Gotenzeit und die fortdauernde Vorstellung, daß ein Kaiser Mitherrscher einsetzen kann, verändern die Bedingungen für die Weitergabe der kaiserlichen Herrschaft oder deren Infragestellung durch einen Usurpator nicht grundlegend. Diese Zeit kann daher zur Erhellung der Mechanismen der Herrschaftsübertragung zwischen 337–476 durchaus herangezogen werden. Der spätantike Staatsstreich nach der ersten Tetrarchie strebt wie der der vergangenen Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit keine Änderung des politischen und sozialen Systems an. Das Kaisertum und seine gesellschaftliche Grundlage werden nicht in Frage gestellt. Im Unterschied zum Prinzipat hat aber jetzt in der Regel mehr als eine Person die kaiserliche Stellung inne. Ein Usurpator hat es also mit mehr als einem Kaiser zu tun. Er kann versuchen, einen oder alle amtierenden Kaiser zu stürzen oder auch nur den Herrschaftsbereich eines einzigen zu beschränken und in diesem Fall sich als weiterer Kaiser in einem eigenen Territorium einzurichten. Um im gesamten Reich als legitimiert zu gelten, muß er die Anerkennung seiner Amtskollegen finden. Das Ziel ist daher das gleiche wie bei einem normalen 13 Vgl. etwa Löhken 1982; Vittinghoff 1990, besonders 349–356.

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I. Einleitung

Herrschaftswechsel. Im Unterschied zu diesem ist aber kein Platz mehr für einen weiteren Kaiser frei. Der Usurpator kommt zu spät. Weil der Usurpator bei der Übernahme der kaiserlichen Stellung keine institutionellen Regeln verletzt, stehen Verhalten und Vorgehen des Usurpators in engem Zusammenhang mit dem Prozeß, wie sich eine Übernahme der Herrschaft vollzieht, die als legitim angesehen wird. Kaisererhebung und Usurpation können daher nicht getrennt voneinander dargestellt werden14. Es sind Kaiser und Usurpator, die betrachtet werden müssen. Dabei soll nicht die Deutung von Kaisererhebung, kaiserlicher Stellung und Usurpation, wie sie uns unsere Quellen beschreiben, im Mittelpunkt stehen, es soll nicht die Sicht der Zeitgenossen dargestellt, es soll also keine Mentalitätsgeschichte geschrieben werden, sondern die historischen Vorgänge sollen rekonstruiert und die sie bestimmenden Kräfte und Personen sollen deutlich gemacht werden. Es stehen dabei aber nicht die einzelnen Kaisererhebungen oder Usurpationen im Vordergrund, sie bilden nur die Grundlage, sondern deren Abläufe generell und ihre möglichen Varianten, die sich aus den überlieferten Fällen gewinnen lassen. Deren genaue Erfassung bildet die notwendige Grundlage, um zu allgemeinen Aussagen zu gelangen. Dargestellt werden sollen die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen und Bedingungen für die Übernahme und Sicherung der Herrschaft und die einzelnen Schritte dabei. In diesen Rahmen werden die handelnden Gruppen und politischen Kräfte eingeordnet. So lassen sich Kaisererhebung und Usurpation sowie Sicherung und Bewahrung der Herrschaft in beiden Fällen vergleichend gegenüberstellen und die möglichen Unterschiede erkennen. Sind die Leitlinien erfaßt, die die jeweiligen Vorgänge bei der Erhebung eines Kaisers oder eines Usurpators bestimmten, können die Abweichungen davon im Einzelfall deutlicher erkannt und erklärt werden. Kaisererhebung und Usurpation laufen nicht in einem isolierten Raum ab, sondern sind durch Rituale, gesellschaftliche, rechtliche und moralische Bedingungen und Wertungen bestimmt, die soweit notwendig zur Sprache gebracht werden sollen. Auch bei der Untersuchung der Gründe, die zu Usurpationen führten, soll es nicht darum gehen, sie für jede einzelne aufzuzeigen, sondern im allgemeinen darzulegen, was einen möglichen Prätendenten und seine Gefolgsleute veranlassen konnte, einem regierenden Kaiser die Loyalität aufzukündigen. Das ist durch das politische und gesellschaftliche System bedingt, in dem eine Usurpation stattfindet. Voraussetzung für das Auftreten von Staatsstreichen ist allerdings, daß sie in einem politischen System möglich sind. In einem, das sie nicht kennt, führt kein noch so guter Grund zu ihm. Er wird niemals ernsthaft in Erwägung gezogen, sondern es wird ein anderer politischer Weg gesucht. Zentral werden die folgenden Fragen sein: Wer kann Kaiser werden, wie wird man es und wie kann man die Herrschaft sichern? Wer kann mit Aussicht auf Erfolg eine Usurpation durchführen, wie kann er sich der Herrschaft bemächtigen und, 14 Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu vielen antiken und modernen Staatsstreichen. Diese mißachten bestehende Regelungen zur Übernahme der Herrschaft und streben bald danach häufig auch eine Änderung der Institutionen an oder die Schaffung neuer, um ihre Stellung auf die Dauer zu sichern.

I.3 Absicht, Inhalt und Methode des Buches

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einmal in ihren Besitz gelangt, sich wenigstens für eine gewisse Zeit dort halten und Anerkennung finden? Dabei sind besonders die Gruppen, deren Zustimmung notwendig ist, die Rituale sowie rechtliche und ideologische Voraussetzungen und Sicherungen zu bedenken. Es wird also um die Regeln gehen, die eine spätantike Kaisererhebung und eine Usurpation in ihrem Ablauf bestimmen, Regeln, die selbstverständlich niemals niedergeschrieben wurden, sondern sich nur greifen lassen, wenn man den Ablauf der historischen Prozesse analysiert. Dann wird auch sichtbar werden, warum die zeitlichen Grenzen dieser Untersuchung so gesetzt worden sind. Der Ablauf der Erhebungen scheint mehr als hinreichend behandelt, gibt aber häufig zu Unklarheiten15 Anlaß und bedarf einer gründlichen neuen Analyse. Der rechtliche Aspekt der Usurpationen, der lange Zeit die Diskussion beherrscht hat, wird nicht im Vordergrund stehen, sondern deren Einbettung in soziale Normen und Verhaltensmuster. Dargestellt werden sollen der Ablauf von Kaisererhebungen und Usurpationen sowie deren Bedingungen politischer und gesellschaftlicher Natur. Sie sollen damit vergleichbar gemacht werden. Antike und moderne Erklärungsmuster werden sich dabei nicht ausschließen lassen, aber sie sollen benannt werden und dort zu Worte kommen, wo Abläufe und Typisierung der Usurpationen von ihnen abhängen. Antike Begrifflichkeit ist zum Verständnis und zur Erklärung von Usurpationen nicht geeignet. Sie muß zu einem guten Teil durch moderne ersetzt werden. Deren Bezug zur antiken Darstellung soll aber erkennbar und nachprüfbar bleiben16. Der Begriff Caesar etwa kann einen Unterkaiser wie Iulian, einen Mitherrscher wie Valentinian III., der nur für eine kurze Übergangszeit diesen Titel trägt, eine ernstgemeinte Nachfolgedesignation wie die von Leo II. oder eine scheinbare wie die von Patricius, Aspars Sohn, bezeichnen. Jedesmal ist auch die politische Funktion eine andere. Iulian wurde nicht Mitaugustus, sondern nur Caesar, um ihm nicht einen Platz als Constantius’ II. Nachfolger zu sichern, Valentinian III. wurde nur Caesar im Osten des Reiches, um nach der Niederwerfung des Usurpators Iohannes Mit­ augustus in Italien zu werden, Leo, der Sohn Zenons und spätere Leo II., wurde nur zum nominellen Caesar gemacht, um keinen zweiten Augustus, auch keinen nominellen, in Konstantinopel zu haben, und Patricius, der Sohn Aspars, wurde von Leo I. 470/471 zum nominellen Caesar erhoben und so ein möglicher Kandidat für die Nachfolge, damit sich der Kaiser vom Druck Aspars entlasten konnte. Mit seines Vaters Sturz verlor dann die Erhebung ihre Bedeutung. Jedesmal aber wird nur der Begriff Caesar gebraucht, und keineswegs werden der unterschiedliche Inhalt und die jeweils andere politische Funktion dem Leser erklärt. Entweder waren sie dem Autor selbstverständlich, und er glaubte dies auch von seinen Lesern, oder er nahm 15

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Man vgl. z. B. Henning 1999, 53/54 mit der Vorstellung einer möglicherweise aufgeteilten Erhebung für Nepos 474. Er denkt dabei an eine Zeremonie in Portus bei Rom sowie eine in Ravenna. Er verkennt damit die Bedeutung einer korrekt gestalteten Erhebung und die Grenzen, die ihrer Umgestaltung gesetzt sind. Die Verwendung antiker Begrifflichkeit läßt häufig die eigentliche Struktur eines politischen Vorgangs und die an ihm beteiligten Personen im Dunkeln. Man vgl. etwa die Darstellung, die Jones 1973, 322–325 von der Rolle des Senates bei der Kaisererhebung gibt.

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I. Einleitung

die verschiedenen Inhalte und Funktionen nicht bewußt wahr. Der Begriff suvgkl­ hto~ z. B. bezeichnet sehr häufig nicht den Senat als Körperschaft, sondern auch Gruppen von Senatoren, deren Umfang und Mitglieder jeweils vom Kontext her zu bestimmen sind, sofern dieser es erlaubt17. Antike Quellen sind beim Wort zu nehmen, solange sie glaubwürdig Vorgänge und Handlungen wiedergeben und rekonstruierbar machen. Wenn sie deuten und erklären oder auf Topisches zurückgreifen, wird zu fragen sein, welche Erklärungsmuster gebraucht werden, welche Realität sich hinter den Aussagen verbirgt, welche Wirklichkeit hinter dem jeweiligen Topos steht. Der Usurpator Magnus Maximus stammte sicher nicht aus dem Sklavenstand, und Constantinus III. war vor seiner Erhebung kaum ein gemeiner Soldat. Usurpatoren aber hatten mindestens in stark rhetorisch geprägten Texten aus den untersten Schichten zu stammen18. Ablauf und Regeln, die Kaisererhebungen und Usurpationen bestimmen, sollen aus dem Vergleich der verschiedenen Usurpationen gewonnen werden. Antike Autoren geben nie vollständige Beschreibungen, weil sie noch weniger als moderne Betrachter an Vollständigkeit interessiert sind und viel stärker literarischen Kriterien folgen. Was interessiert einen Panegyriker die exakte Abfolge der Ereignisse bei einer Usurpation? Dazu kommt, daß viele Quellen bei verkürzender Beschreibung nur Ergebnisse wiedergeben und einen stark wertenden Charakter haben19. Die Verhaltensnormen, die man gewinnt, müssen den Handelnden durchaus nicht bewußt gewesen sein, obwohl sie handlungsbestimmend gewirkt haben. Sie aus dem Handeln zu erschließen bedeutet nicht historische Interpretation ex eventu. Selbstverständlich lassen sich nicht genug Fälle beibringen, um statistisch relevante Regeln erschließen zu können. Ihre Einhaltung über einen hinreichend langen Zeitraum und ihre dauerhafte Änderung zu bestimmten Zeitpunkten müssen als Beweis für ihr Vorhandensein genügen. Zwingend erklären wird man diese Regeln nicht in jedem Fall können, aber verständlich machen und begreifen lassen sie sich schon. Wenn der Patriarch in Konstantinopel von einem bestimmten Zeitpunkt an immer an den Beratungen über den Kandidaten für das Kaisertum teilnimmt, läßt sich daraus eine Regel ableiten, ebenso aus der Tatsache, daß kein Heermeister mit Ausnahme des jüngeren Theodosius, Constantius’ III. und Zenons für den Kaiserthron vorgeschlagen wurde20. Wer trotzdem danach strebte, mußte usurpieren. Im günstigsten Fall kann man die Entstehung dieser Regeln begreifen, Abweichungen von ihnen oder ihr schließliches Verschwinden erklären. Als Verhaltensnormen müssen sie niemals wahrgenommen oder als Recht müssen sie niemals formuliert worden sein. Die bisherige Sammlung, Aufarbeitung und Interpretation der Quellen, die sich in den modernen Darstellungen finden, genügen keineswegs für die Beantwortung der gestellten Fragen. Neben neuem Material, das es zu berücksichtigen gilt, ist vor 17 Vgl. den Exkurs „hJ suvgklhto~“, S. 379–387. 18 Vgl. S. 260. 19 Vgl. S. 71. 20 Zur Teilnahme des Patriarchen vgl. S. 131. Theodosius’ Erhebung ist die einzige, die nicht zugleich auch mit einer verwandtschaftlichen Bindung verknüpft war.

I.3 Absicht, Inhalt und Methode des Buches

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allen Dingen die eingehende Interpretation der vorhandenen Quellen notwendig. Diese sind häufig zu punktuell und nicht im Quervergleich betrachtet worden. Das ist in einzelnen Fällen schon korrigiert worden, wie z. B. für den Ausdruck Caes­ arem ordinare, der nicht notwendigerweise eine Erhebung zum Caesar bezeichnen muß, sondern auch die zum Augustus meinen kann21. Diese Arbeit ist aber keineswegs als abgeschlossen zu betrachten. Um nicht schon vielfach zusammengestellte und publizierte Belege erneut abzudrucken, wird die Dokumentation zu den einzelnen Usurpationen und Kaisererhebungen, die dem Buch zugrunde liegt, diesem nicht beigefügt. Solche Zusammenstellungen des Materials finden sich in der Literatur und auf sie wird verwiesen werden. Sie umfassen selten den gesamten Zeitraum, der erörtert werden soll, oder größere Abschnitte davon, sondern in der Regel nur einzelne Kaisererhebungen oder Usurpationen oder sogar lediglich einzelne Probleme davon, so z. B. die Amtsträger, die unter Usurpatoren dienten22. Wo sie ergänzt werden können, wird dies getan und dokumentiert. Zu vielen Fragen gibt es keine Zusammenstellungen, und oft schon gar keine, die mehrere Usurpationen vergleichend erfassen23. In diesen Fällen findet sich die notwendige Dokumentation in den Anmerkungen oder den Anhängen24. Weil nicht die einzelnen Kaisererhebungen oder Usurpationen im Vordergrund stehen, sondern generelle Abläufe und ihre möglichen Varianten, die sich aus den überlieferten Fällen gewinnen lassen, werden die Belege für das Vorgehen der Kaiser und Prätendenten in Auswahl gegeben, wenn dies als Beweis genügt, um ein bestimmtes Vorgehen, das sich immer wiederholte, zu dokumentieren, und eine weitergehende Quantifizierung nicht notwendig oder nicht möglich ist. Daß z. B.

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Daß die Wendung Caesar (sc. Maiorianus) est ordinatus (Marcell. com. 457, 2 = Chron. min. 2, 87) nicht „zum Caesar erheben“ bedeuten muß, wie noch Seeck 6, 339, 478 dachte, hat schon Stein 1959, 596 n. 49* (dt. 554 n. 1) unter Hinweis auf Baynes 1922, 223/224 erkannt und richtiggestellt. Baynes verweist zum Vergleich auf Marcell. com. 461, 2 = Chron. min. 2, 88: Maiorianus Caesar … interemptus. Vgl. auch etwa Marcell. com. 402, 2 = Chron. min. 2, 67: Theodosius iunior in loco quo pater patruusque suus Caesar creatus est; Marcell. com. 392, 1 = Chron. min. 2, 63: Eugenio Caesare facto. Zu Belegen außerhalb von Marcellinus vgl. etwa Iordan. Rom. 338: Nepotem … apud Ravennam per Domitianum clientem suum Caesarem ordinavit. Selbstverständlich kann ein solcher Ausdruck auch die Erhebung zum Caesar bezeichnen, wie Cassiod. chron. s. a. 424 = Chron. min. 2, 155 zeigt: His conss. Theodosius Valentinianum consobrinum Caesarem fecit et cum Augusta matre ad recipien­ dum occidentale mittit imperium. Die Entscheidung kann nicht vom Ausdruck her gefällt werden, sondern muß aufgrund anderer Kriterien getroffen werden. 22 Vgl. z. B. Delmaire 1997 oder Wiebe 1995, 41–43 zu den Offizieren des Usurpators Procopius. 23 Z. B. zur Reaktion der Städte und Provinzen bei der Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator. Diese wird in der Regel gar nicht in unseren Quellen erwähnt. Zur Verwendung des Diadems bei der Investitur findet sich z. B. eine Zusammenstellung (vgl. Kolb 2003; Sickel 1898, 513/514, besonders 515–519). Sie ist aber notwendigerweise lückenhaft, weil für viele Erhebungen eines Kaisers diese Details nicht überliefert sind. 24 Dabei ist Vollständigkeit dort, wo entsprechende Vorarbeiten fehlen, nicht immer erreichbar, aber auch nicht immer notwendig, weil statistisch hinreichend belegbare Schlußfolgerungen meistens kaum möglich und auch nicht immer nötig sind.

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I. Einleitung

jedesmal am Abschluß einer Erhebungszeremonie ein Donativ gegeben wird, muß nicht für jede belegt werden. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Dieses Verfahren, in der Regel lediglich ausgewählt und beispielhaft zu dokumentieren, hängt nicht nur mit der Absicht des Buches zusammen, keine fortlaufende Darstellung der Kaisererhebungen und Usurpationen zu geben, sondern auch mit der Quellensituation und mit dem Forschungsstand. Unsere Quellen geben niemals genug Hinweise, um für eine bestimmte Usurpation oder Kaiserhebung auch nur die entscheidenden Etappen belegen zu können. Ein Rückgriff auf analoge Vorgänge, über die wir besser informiert sind, ist daher notwendig.

II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches . in der Spätantike Wie die Usurpationen in der Spätantike wahrgenommen und nach welchen Kriterien sie bewertet wurden, wäre Thema eines eigenen Buches. Hier sollen nur einzelne ausgewählte Aspekte behandelt werden, die von größerer Bedeutung scheinen. Die Frage der Wahrnehmung wird aber immer wieder zur Diskussion stehen, denn aus antiker Begrifflichkeit, antikem Verstehen und Darstellung einzelner Usurpationen soll ja ein Bild der Usurpationen insgesamt gewonnen werden. In den Quellen bieten die Darstellung des Staatsstreiches aus antiker historischer Perspektive und die aktuelle politische Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator, wie sie uns etwa in der Panegyrik greifbar ist, zwei verschiedene Bilder. Von diesen soll vor allem dem ersten Aufmerksamkeit geschenkt werden, wo sichtbar wird, welche Kategorien dem späteren Betrachter zur Verfügung standen, nach denen er die Staatsstreiche bewertete. Historische Bewertung können nicht nur antike Historiographie, sondern ebenso Chroniken oder Listen bieten, ja jede Literaturgattung oder Äußerung, die nicht mehr unmittelbar von der aktuellen politischen Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator geprägt ist. Entscheidender als die Gattung ist der Zeitpunkt der Entstehung eines Werkes. Bewertung aus historischer Perspektive wird in der Regel frühestens erst dann möglich, wenn ein Dynastiewechsel stattgefunden hat, vorher nur, wenn eine bewußte Absetzung vom Vorgänger aus der gleichen Dynastie vollzogen worden ist, wie es Iulian gegenüber der constantinischen Linie tat. Sie fand ihren Ausdruck in der Kritik an Konstantin25. Die antiken Autoren sind sich sehr bewußt, daß sich im Prinzip die Übernahme der Herrschaft bei einer Erhebung, die als legitim gilt, und die bei einer Usurpation nicht unterscheiden. Sie versuchen daher, das Vorgehen bei der Erhebung eines Usurpators in einzelnen Punkten als nicht korrekt darzustellen26. Er wendet etwa ein gültiges Zeremoniell an, kann es jedoch nicht so durchführen, wie es notwendig wäre. So fehlen ihm z. B. häufig die Insignien für die Investitur, und er muß zu einem Ersatz greifen.

25 Zur Kritik Iulians an Konstantin vgl. Iul. or. 7, 227c-228d; Caes. 315d; 328d-329d; 336a–c; Vogt 1955. 26 Iordan. Get. 239: Glycerius apud Ravennam plus praesumptione quam electione Caesar fac­ tus est und die identische Formulierung Marcell. com. 473 = Chron. min. 2, 90. Zur Darstellung der Zeremonie vgl. besonders Abschnitt IV.C.2.a Das Erhebungszeremoniell – Allgemeine Überlegungen, S. 242/243.

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II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike

II.1 Der Staatsstreich und verwandte Phänomene Die Zeit nach 337 kennt selbstverständlich den Staatsstreich als Phänomen und unterscheidet ihn meistens recht eindeutig von verwandten Erscheinungen wie bloßen Aufständen oder dem Ungehorsam einzelner Amtsträger, auch wenn ein Begriff, der ausschließlich den Staatsstreich oder den Usurpator bezeichnet, nicht vorhanden war. Als Staatsstreich wird aus historischer Perspektive in den antiken Quellen der gelungene Versuch betrachtet, sich zum Augustus erheben zu lassen und unter diesem Titel Gehorsam einzufordern, obwohl ein Kaiser vorhanden ist und damit in dessen Herrschaft eingegriffen wird. Usurpator ist der, der später erhoben wird, und das Herrschaftsrecht dessen bestreitet, der an der Macht ist27. Daß man aus historischer Perspektive einen Usurpator von einem Kaiser unterscheiden konnte, bedeutet nicht, daß man es auch regelmäßig tat. So werden in Herrscherlisten und Texten verschiedenster Gattungen beide häufig nicht begrifflich unterschieden, sondern einfach als Kaiser betrachtet und so bezeichnet28. Ein Grund dafür ist nicht in jedem Fall ersichtlich. Nur in ganz wenigen Fällen verbirgt sich dahinter eine andere Bewertung eines Herrschers, der eigentlich als Usurpator zu betrachten ist. Sidonius spricht z. B. niemals von Petronius Maximus als Usurpator, obwohl er weiß, auf Grund welcher Kriterien ein Herrscher als solcher zu bestimmen ist29. Antike Darstellungen, besonders in verkürzenden Beschreibungen, lassen nicht immer ganz klar erkennen, ob eine Erhebung zum Augustus wirklich stattfand oder ob es sich um eine bloße Rebellion handelte, die nicht mit der Annahme des Kaisertitels verbunden war30. Die Vorstellungen für eine solche Unterscheidung waren aber durchaus vorhanden, wie etwa Orosius (Oros. hist. 7, 42, 15) zeigt, der einen catalogus manifestorum tyrannorum vel inoboedientium ducum überliefert. Für ihn gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Rebellion oder Ungehorsam und Usurpation, und er unterscheidet auch klar zwischen Prätendenten, die sich erheben lassen konnten (manifesti), und solchen, bei denen es beim Versuch geblieben ist. Für sie wird bei Orosius der Begriff tyrannus nicht gebraucht. Der ungehorsame General Gildo beansprucht lediglich Africa für sich. Er strebt nicht nach der Stellung eines Augustus31. Gleiches wird auch in Orosius’ Darstellung für Heraclian deutlich, der nur ein inoboediens dux, also ein ungehorsamer militärischer Führer

27 Ambr. epist. 30[24], 10: usurpator bellum infert, imperator ius suum tuetur. 28 Vgl. z. B. Iul. Caes. 316a. Zu Herrscherlisten vgl. II.3 Die Bewertung des Staatsstreiches und ihr Niederschlag in Herrscherlisten im Abschnitt Herrscherlisten. 29 Zu Petronius Maximus’ Beurteilung durch Sidonius vgl. S. 34/35. Zu seinem Wissen um die Kriterien vgl. etwa Sidon. carm. 5, 385–387; vgl. auch carm. 2, 18–24. 30 Um die Unterscheidung zwischen einem Aufstand und einer Usurpation bemühte sich schon die Antike, wie die kurze Diskussion in der Historia Augusta zeigt (vgl. Hist. Aug. trig. tyr. 2, 2–4), auch wenn die offizielle Propaganda in der politischen Auseinandersetzung Usurpatoren gerne als Räuber bezeichnet und sie mit bloßen Aufständischen gleichsetzt. 31 Oros. hist. 7, 36, 3/4.

II.2 Begrifflichkeit

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war, sich aber nicht zum Augustus erheben ließ. Ebenso sagte sich Marcellinus32, der in Dalmatien herrschte, nach Aetius’ Ermordung 454 von der kaiserlichen Autorität los, und Aegidius, der magister militum per Gallias, war niemals bereit, Libius Severus zu gehorchen33. Usurpationen und Bürgerkriege werden als ständige innere Bedrohung wahrgenommen. Als ihre Gründe werden vor allem der persönliche Ehrgeiz34 oder äußere Faktoren wie die Größe des Reiches betrachtet, institutionelle Mängel werden in der Regel nicht gesehen. Zeichen eines erfolgreichen Herrschers ist auch der Sieg über die inneren Feinde des Staates35. II.2 Begrifflichkeit Nur der gescheiterte Usurpator gilt als Usurpator, und er wird in der Regel in literarischen Texten, auch in griechischen, mit dem Substantiv tyrannus bezeichnet. Dazu wird auch das Adjektiv tyrannicus für ihn gebraucht36. Tyrannus und tyrannicus 32 Zu Heraclian vgl. PLRE 2, 539/540 s. v. Heraclianus 3; S. I. Oost, The Revolt of Heraclian, Classical Philology 61, 1966, 236–242; Lütkenhaus 1998, 67–72, besonders 69 dazu, daß er sich nicht zum Augustus erheben ließ, also kein tyrannus war. Er wird bei Orosius zu den duces inoboedientes, nicht zu den tyranni gezählt, prägte keine Münzen und wird in den Gesetzen, die ihn betreffen, nicht als tyrannus bezeichnet (Oros. hist. 7, 42, 10–14). Zu Marcellinus vgl. PLRE 2, 708–710 s. v. Marcellinus 6; Henning 1999, 277/278. 33 Vgl. n. 1548. 34 Zur antiken Sicht der Gründe vgl. S. 224–226. Zur ständigen Bedrohung durch innere Kriege auf Grund der Größe des Reiches vgl. Aug. civ. 19, 7: quibus transactis (Schaffung des Reiches durch Eroberungskriege), non est tamen eorundem malorum finita miseria. Quamvis enim non defuerint neque desint hostes exterae nationes, contra quas semper bella gesta sunt et geruntur, tamen etiam ipsa imperii latitudo peperit peioris generis bella, socialia scilicet et civilia, quibus miserabilius quatitur huma­ num genus, sive cum belligeratur ut aliquando conquiescant, sive cum timetur ne rursus ex­ surgant. Augustin spielt auf Usurpatoren und revoltierende Generäle wie z. B. Gildo an. 35 Vgl. z. B. Aug. civ. 5, 24; 5, 25. Vgl. auch IV.H.4 Der Triumph des siegreichen Kaisers, S. 339/340. 36 Vgl. Barnes 1996; T. Grünewald, Constantinus Maximus Augustus. Herrschaftspropaganda in der zeitgenössischen Überlieferung, Stuttgart 1990, 63–71; Neri 1997; Seibel 2006, 24–38; M. Vielberg, Untertanentopik. Zur Darstellung der Führungsschichten in der kaiserzeitlichen Geschichtsschreibung, München 1996, 88; Wickert 1954, 2123–2127. Zu einigen Beispielen zu tyrannus vgl. etwa. Amm. 15, 8, 5; Oros. hist. 7, 9, 1 (Vierkaiserjahr); 7, 43, 17 (allgemein); Polemius Silvius verwendet in seiner Liste der Kaiser und Usurpatoren immer tyran­ nus (Chron. min. 1, 520–523); Symm. ep. 1, 2, 3: principibus, quorum viguisti tempore, doc­ tus| aut calcaria ferre bonis aut frena tyrannis mit der Gegenüberstellung von principes und tyranni; Soc. 2, 27, 1; 3, 1, 26; 5, 12, 9; Soz. 4, 1, 2; Theodor. 5, 24, 10 (Eugenius). Tyrannus kann auch praedikativ zu imperator gesetzt werden (vgl. Ann. Rav. s. a. 423: … et defunctus est Honorius VI kal. Sep. Et levatus est imperator Iohannes tyrannus XII kal. Decemb.). Häufig wird auch das Adjektiv tyrannicus verwendet, um das Vorgehen des Usurpators zu kennzeichnen. Vgl. Aug. civ. 5, 25: Gratianum ferro tyrannico permisit (sc. Gott) interimi; Auson. Commemoratio Professorum Burdigalensium 5, 23/34 (= Peiper p. 53, 23/24): nec inquieto temporis tyrannici palatio te adtolleres; Coll. Avell. 46, 5: tyrannici iudicii (sc. Constantinus III.); Cod. Iust. 1, 23, 6 (27.3.470): tyrannico spiritu; Iordan. Rom. 338: Glycerium,

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II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike

werden aber auch in offiziellen Dokumenten der Kaiser und Päpste37 und in Rechtstexten verwendet. Der tyrannus hat den Augustustitel beansprucht, ohne damit Anerkennung zu finden38. Die Verwendung des Wortes tyrannus zur Kennzeichnung eines legitimen Herrschers mit tyrannischem Verhaltens gilt daneben weiterhin39. Der Hinweis auf solches Verhalten kann daher auch dazu verwendet werden, die Herrschaftsberechtigung eines Kaisers in Frage zu stellen und ihn in die Nähe eines Usurpators zu rücken40. Die Herrschaft eines tyrannus kann mit dem Begriff tyrannis bezeichnet wer41 den . Mit tyrannus können aber auch ungehorsame Inhaber hoher Ämter wie die Generäle Gildo, Illus oder Vitalianus bezeichnet werden, die nicht die Augustuswürde qui sibi tyrannico more regnum imposuisset; Paneg. 12, 31, 2: tyrannici nominis; Soc. 1, 2, 2: Maxevntio~ de; kakw`~ tou;~ ÔRwmaivou~ ejpevtriben, turannikw`/ ma`llon h] basilikw`/ trovpw/ crwvmeno~ kat∆ aujtw`n, moiceuvwn ajnevdhn ta;~ tw`n ejleuqevrwn gunai`ka~ kai; pollou;~ ajnairw`n kai; poiw`n ta; touvtoi~ ajkovlouqa. In griechischen Texten findet sich auch turannevw. Vgl. Philost. 10, 8; Soc. 2, 34, 1; 5, 12, 11. 37 Vgl. z. B. den Brief des Kaisers Honorius an den PPO Galliarum Agricola aus dem Jahre 418 (Epist. Arel. 8 = MGH ep. 3, 8 S. 13–15). Dort heißt es S. 14, 25–29: Siquidem hoc rationa­ bili plane probatoque consilio iam et vir inlustres, praefectus Petronius, observari praebere praeciperit, quod, interpolatum vel incuria temporum vel desidia tyrannorum, reparari solita prudentiae nostrae auctoritate decernimus, Agraecola, …; das Schreiben des Papstes Simplicius vom 9.10.477 an den Kaiser Zenon (Epist. pontif. Sim. 6, 4): ut sicut rem publicam vestram a tyrannica dominatione (sc. Basiliscus) purgastis (sc. Zenon), ita ubique ecclesiam Dei ab haereticorum latrociniis atque contagiis exuatis, nec id potius praevalere patiamini, quod iniquitas temporum per eos quos non solum in vestrum imperium sed et in Deum quoque rebellis spiritus concitavit, quam quod tot tantique pontifices et cum egregiis orthodoxisque pontificibus universalis Ecclesiae decrevit assensus; die Inschrift am Goldenen Tor in Konstantinopel: Haec loca Theodosius decorat post fata tyranni| aurea saecla gerit qui portam construit auro (CIL 3, 735; B. Meyer-Plath / A. M. Schneider, Die Landmauer von Konstantinopel, 2. Teil, Berlin 1943, 125 nr. 8). Zum Gebrauch in Rechtstexten vgl. etwa Cod. Theod. 15, 14, 1–12 passim. 38 Vgl. Soc. 5, 12, 11: ouj mh;n hjneivceto periora`n turannoumevnhn th;n ÔRwmaivwn ajrch;n pro­ schvmati basilikou` ojnovmato~. … (Übersetzung: indessen ertrug er (sc. Theodosius) es nicht, einfach mitanzusehen, wie das Reich der Römer unter dem Deckmantel des Kaisertitels von einem Usurpator beherrscht wurde.) Vgl. auch Iul. or. 3, 77c: th`~ basileiva~ uJpokrithv~ (Heuchler der Herrschaft, sc. Vetranio). 39 Barnes 1996, Neri 1997. 40 Vgl. Amm. 21, 16, 12; Szidat 1996, 23, 209 u. passim. Constantius II. wird von Ammian als tyrannus charakterisiert, aber nicht als solcher bezeichnet. Zos. 2, 42, 1 (Constans); Paschoud 2000, 267. Vgl. auch n. 95. Zur Bezeichnung des legitimen Kaisers als tyrannus in der christlichen Herrscherpolemik vgl. n. 94. 41 Vgl. z. B. Amm. 27, 6, 2: tempus anceps metuens tyrannidis (sc. Magni Maximi); Chron. Gall. 452, 68 = Chron. min. 1, 654: Iovinus tyrannidem post Constantinum (sc. Constantinus III.) invadit; Iordan. Rom. 335/336: loco eius (sc. Maiorianus) sine principis iussu Leonis Severianus (sc. Libius Severus) invasit: sed et ipse tyrannidis sui tertio anno expleto Romae occubuit. CIL 6, 1158 = ILS 731: exstinctori (sc. Constantius II.) pestiferae tyrannidis (sc. Magnentii). Zu Ehren Constantius’ II. gesetzt vom PVR Naeratius Cerealis; Iul. or. 1, 1a; Theodor. 5, 24, 1 (Eugenius).

II.2 Begrifflichkeit

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anstrebten. Diese Verwendung ist aber eher selten42. Ebenso kann damit auch die Herrschaft von barbarischen Führern auf römischem oder ehemals römischem Gebiet bezeichnet werden, ohne daß diese sich als Kaiser bezeichneten oder nach dieser Würde strebten43. Ihre Herrschaft galt als unrechtmäßig. Der Kennzeichnung als tyrannus allein kann also nicht als Beleg für eine Usurpation verwendet werden. Zu beachten ist der historische Kontext und der Sprachgebrauch der Quelle. Der Begriff usurpator zur Bezeichnung eines Usurpators im modernen Sinn ist erstmals in valentinianischer Zeit 368/369 in Symmachus’ Reden belegt. Er findet sich dann bei Ambrosius in Briefen offiziellen Charakters an Theodosius. In der Historiographie ist er zuerst bei Ammian belegt. Seine Verwendung bei Ambrosius in einem Schreiben an den Kaiser, die zu der bei Ammian zeitlich voraufgeht, läßt erkennen, daß es nicht nur ein Wort ist, das in Texten historiographischen Charakters und in der Panegyrik zu finden war, und macht damit seinen verbreiteten Gebrauch deutlich. Es wird erkennbar, daß Ammian auf eine recht übliche Verwendung zurückgreifen konnte. Das Wort war aber kein Terminus technicus und diente nicht ausschließlich zur Bezeichnung eines Usurpators. Im Unterschied zu tyrannus war es weniger verbreitet und hatte weniger moralische Konnotationen. Es konnte daher nicht wie tyrannus auch für einen legitimen Kaiser verwendet werden44, um dessen Verhalten zu kennzeichnen. Inschriftlich oder in Texten der kaiserlichen Kanzlei scheint das Wort nicht belegt. 42 Vgl. Claud. 15, 5/6 (De Bello Gild.) und dazu Cameron 1970, 102–105; Barnes 1996, 64. Dieser Gebrauch findet sich auch in Chroniken oder Geschichtswerken. Er ist aber selten. Offensichtlich kommen in diesen Fällen andere Kriterien zur Anwendung. Man vgl. Marcell. com. 488, 1 = Chron. min. 2, 93: Leontius interrex et Illus tyrannus; Proc. BP 1, 8: ejturavn­ nhse (sc. Vitalianus). Heraclianus wird des Strebens nach der tyrannis bezichtigt und mit Iovinus verglichen, obwohl er sicher kein Usurpator war. Auch daß er auf Honorius’ Sturz ausging, ist unwahrscheinlich. Er wollte sich seiner Gegner am Hof in Ravenna entledigen (Hyd. Lem. 51 = 43 Burgess = Chron. min. 2, 18: Iovinus et Sebastianus fratres intra Galliam et in Africa Heraclianus pari tyrannidis inflantur insania). Zu Heraclianus vgl. n. 32. Auch das Erstreben und die Bekleidung eines sehr hohen zivilen Amtes wie der Praefektur kann als tyrannis betrachtet werden. Man vgl. etwa die Geschichte Typhons, der für das Streben nach der Praefektur steht (vgl. Syn. Prov. 1, 15, 110CD u. passim und dazu Cameron 1993 passim; Schmitt 2001, 306/307 u. passim). 43 Vgl. z. B. Proc. BG 1, 1, 7: Odoaker; 1, 1, 29: Theoderich; Proc. BV 1, 2, 37/38: fremde Herrscher in Britannien nach Constantinus III. Nach Chrysos 1991, 271 betont Procopius mit dem Ausdruck tyrannus die fehlende Legitimität der Herrschaft in Britannien. Der Begriff bezeichnet in diesem Fall die Herrschaft von Fremden auf römischem Gebiet. Er bezeichnet keine Usurpatoren im eigentlichen Sinn (vgl. Drinkwater 1998, 296). Zu dieser Verwendung des Wortes auch in der späteren byzantinischen Zeit vgl. Cheynet 1990, 178. 44 Symm. or. 1, 22: usurpator tanti nominis (sc. Procopius); zur Datierung vgl. Pabst 1989, 49, 137; zum Begriff del Chicca 1984, 209; Pabst 1989, 138; 1997, 220 n. 132. Beide ohne Überlegungen zur Entwicklung der Verwendung des Wortes. Ambr. epist. 30[24], 10: usurpator bellum infert, imperator ius suum tuetur (zur Datierung vgl. n. 80); Ambr. epist. 74[40], 22: usurpatorem (sc. Magnus Maximus) imperii (an Theodosius, Sommer 388); Ambr. epist. extra coll. 2[61], 2: caeleste auxilium … quo Romanum imperium a barbari latronis immanitate et ab usurpatoris indigni (sc. Eugenius) solio vindicares (an Theodosius, Ende Sept. 394); Amm. 26, 7, 12: usurpator (sc. Procopius) indebitae potestatis (Szidat 1977, 12/13: sicher

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II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike

Der Begriff usurpatio zur Bezeichnung der Herrschaft eines Usurpators ist ebenfalls um diese Zeit zu finden45. Das Verb usurpare mit entsprechender Ergänzung wird anscheinend weniger häufig verwendet46, um die widerrechtliche Ergreifung der höchsten Stellung zu bezeichnen. Es kann auch die Übernahme anderer Formen der Herrschaft als der kaiserlichen meinen oder nur die unrechtmäßige Aneignung des Augustustitels durch einen Caesar (Unterkaiser)47. Neben tyrannus und tyrannis sowie usurpator gibt es eine Reihe weiterer Begriffe, um den Usurpator, seine Herrschaft oder den Vorgang der Usurpation als solchen zu kennzeichnen48. Sie sind aber im Gegensatz zu tyrannus weitaus weniger auf diesen Bedeutungsbereich begrenzt. Zu ihnen gehört hostis, seltener inimi­ cus, das auch in Rechtsquellen verwendet wird. Hostis ist aber nicht auf einen Usurpator beschränkt, sondern bezeichnet den Staatsfeind allgemein, so etwa auch ungehorsame militärische Führer wie Gildo und Heraclianus49. Weiter werden defector oder latro, dessen Gebrauch verbreitet ist, und damit verwandte Wörter wie latrunculus, grassator, praedo, pirata, archipirata vorwiegend in der politischen Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator für diesen50 verwendet. Ihr Gebrauch in offiziellen Dokumenten ist aber nicht ausgeschlossen. Ebenso kann er purpuratus mit negativer Konnotation genannt werden51. Der Usurpator kann auch als novator oder perduellis bezeichnet werden. Per­ duellis meint in literarischen Texten den Usurpator oder die Teilnehmer an einer Usurpation oder an hochverräterischen Machenschaften. Das Wort ist aber nicht

nach 390; Matthews 1989, 24: 388/389 oder später). Man vgl. auch die frühe Verwendung des Verbs usurpare (n. 46). 45 Vgl. Cod. Theod. 15, 14, 8 (389): tyranni (sc. Maximus) usurpatione. 46 Vgl. Ambr. epist. 30[24], 10: imperium … usurpandum (an Valentinian II., Ende 384, bezeichnet wird damit Magnus Maximus); Eutr. 9, 17, 1; Oros. hist. 7, 8, 1: Galba … usurpavit impe­ rium, Paneg. 7, 16, 1: usurparet imperium (Maximians Erhebung 310). Der Panegyrikus ist auf 310 zu datieren (Müller-Rettig 1990, 10/11). 47 Vgl. Oros. hist. 7, 36, 3: Africam excerptam a societate rei publicae sibi usurpare ausus est, gentili magis licentia contentus quam ambitu regiae affectionis inflatus (sc. Gildo); 7, 29, 16: his elatus successibus fastigium usurpavit Augusti et mox Italiam Illyricumque pervadens Constantium Parthicis proeliis occupatum regni parte privavit (sc. Iulianus). 48 Zu einer, wenn auch unsystematischen Zusammenstellung verschiedener Begriffe vgl. etwa MacMullen 1963, 221; Pabst 1986, 370 n. 75; besonders zu latro del Chicca 1984, 203; Th. Grünewald, Räuber, Rebellen, Rivalen, Rächer. Studien zu latrones im römischen Reich, Stuttgart 1999, 117–124. 49 Cod. Theod. 7, 8, 7 (sc. Gildo); 9, 40, 21 (sc. Heraclianus); 10, 8, 4 (Magnentius?). Cod. Theod. 11, 12, 1 (29. April 340, Constantius II): publicus ac noster inimicus (sc. Constans). 50 Vgl. Amm. 26, 9, 5 (grassator); Amm. 14, 9, 3 (latro); Auson. ord. urb. nob. 9, 8–9 (latro); Paneg. 12, 26, 2 (latro); Symm. or. 1, 21 (latro); Paneg. 9, 17, 1 (latrocinium). Cod. Theod. 9, 42, 22 vom 22.11.408 (praedo publicus sc. Stilicho); Paneg. 12, 25, 5 (Magnus Maximus als praedo insatiabilis). 51 Amm. 15, 5, 27 (Silvanus); 25, 9, 13 (Procopius); Paneg. 7, 16, 1. Zu weiteren Belegen, besonders in der Panegyrik, vgl. Müller-Rettig 1990, 226.

II.2 Begrifflichkeit

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ausschließlich darauf beschränkt, sondern kann auch den Feind generell oder feindliche Gesinnung bezeichnen52. Seltener, aber recht spezifisch für einen Usurpator oder eine Usurpation, werden praesumptio, praesumptor und praesumere, auch in Rechtstexten53 verwendet. Rebellis kann einen Usurpator bezeichnen, hat aber einen weiteren Bedeutungsbereich und kann auch adjektivisch gebraucht werden54. Der Staatsstreich selbst kann neben tyrannis mit verschiedenen Wendungen bezeichnet werden, wie res novae, casus novi, motus internus, tumultus civilis oder bellum civile bzw. certamen civile. Sie werden unterschiedlich spezifisch verwendet, am ausschließlichsten für eine Usurpation res novae55. Einen Umsturz machen oder eine Usurpation kann im Griechischen auch mit den traditionellen Begriffen newterivzein oder newterismov~ bezeichnet werden56. Bei der Beurteilung der Begrifflichkeit aus historischer Sicht ist zu beachten, daß zuweilen auch für den Usurpator einer der für den Kaiser üblichen Begriffe wie etwa imperator, Caesar oder Augustus verwendet wird, ohne daß dies als Zeichen schwankender Bewertung angesehen werden darf. Während dies für Zitate kaum unterstrichen werden muß, hat es in anderen Fällen durchaus zu Fehlschlüssen geführt, besonders bei der Schilderung des Erhebungszeremoniells. Wenn z. B. Euge52 Zur Verwendung von novator vgl. etwa Amm. 26, 10, 15: hoc novatore adhuc superstite (sc. Procopius). Zur Bezeichnung eines Usurpators selbst als perduellis vgl. Amm. 15, 5, 19; 20, 8, 21; 22, 14, 4; 26, 5, 11; 29, 5, 36. 5, 52. 5, 55; zur Bezeichnung generell als Feind vgl. Amm. 16, 9, 3; als feindlich, aufständisch, hochverräterisch, aber nicht im Sinn einer Usurpation vgl. Amm. 14, 2, 1. Bei Amm. 21, 6, 2 bezeichnet perduellis Amphilochius als Teilnehmer an hochverräterischen Machenschaften, indem er Constans gegen Constantinus II. aufhetzte. Zur Kennzeichnung der Teilnehmer an einer Usurpation vgl. Amm. 26, 7, 13. 8, 1. Zu perduellio vgl. Amm. 21, 16, 10. 53 Iordan. Get. 239: Glycerius apud Ravennam plus praesumptione quam electione Caesar fac­ tus est und die identische Formulierung Marcell. com. 474 = Chron. min. 2, 90; Const. Sirmond. 6: infaustus praesumptor (sc. Iohannes); Auctar. Prosp. Haun. s. a. 455 = Chron. min. 1, 304 nennt Avitus ausdrücklich einen Usurpator: Italiamque cum praesumpti honoris collegiis (scr. insignibus?) ingressus (sc. Avitus) XI k. Oct. 54 Zu rebellis vgl. del Chicca 1984, 190/191. Amm. 26, 9, 10 (Procopius); 29, 5, 20 (Firmus); Amm. 15, 8, 6: post interitum rebellium tyrannorum; epist. pontif. Sim. 6, 4: rebellis spiritus; Symm. or. 1, 17: rebellis exsul (sc. Procopius). 55 Amm. 25, 10, 7: finxitque (sc. ex actuario ratiociniis scrutandis) Iuliano superstite in res no­ vas quendam medium surrexisse; Amm. 25, 8, 9: si casus novi quidam exsurgerent (nach der Erhebung Iovians); Amm. 22, 9, 1: nec motibus internis est concitus (sc. Iulianus); CIL 6, 526 = 6, 1664: tumultus civilis (sc. die Kämpfe zwischen Anthemius und Rikimer 472. Vgl. n. 1222); Aug. civ. 19, 7: ipsa imperii latitudo peperit peioris generis bella, socialia scilicet et civilia; Symm. or. 1, 22: civile certamen. Bellum civile oder civile certamen werden nur dann gebraucht, wenn es wirklich zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen ist. Im Griechischen wird für bellum civile ejmfuvlio~ povlemo~ verwendet, so für die Auseinandersetzung Constantius’ II. mit dem Usurpator Magnentius (z. B. Soc. 2, 25, 7). 56 Vgl. z. B. Soc. 2, 34, 1: Tau`ta pravxa~ oJ Gavllo~ th;n eutucivan oujk h[negken, ajll∆ eujqu;~ newterivzein kata; tou` proceirisamevnou kai; turannei`n ejbouleuveto; Zos. 4, 8, 5: newte­ rismov~.

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II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike

nius einmal als Caesar und nicht wie sonst als tyrannus bezeichnet wird, so besagt dies in diesem Fall lediglich, daß Eugenius zum Kaiser erhoben wurde. Es wird nämlich das Ergebnis der Erhebungszeremonie umschrieben57. Ob er als Kaiser oder als Usurpator, als Caesar oder Augustus zu betrachten ist, kann daraus nicht abgeleitet werden. II.3 Die Bewertung des Staatsstreiches . und ihr Niederschlag in Herrscherlisten Ein Usurpator, der sich auf die Dauer auf dem Thron halten kann, gilt in der antiken Tradition als rechtmäßiger Kaiser. Das klassische Beispiel bietet Vespasian, der durch eine Usurpation an die Macht kam, aber als legitimer Augustus betrachtet wird. Weil die dauerhaft errungene Herrschaft in der historischen Betrachtung nicht mehr als usurpierte galt, kann der Gedanke daher auch umgekehrt formuliert werden, nämlich daß die Niederlage jemand zum tyrannus macht58. Im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft gilt ein Herrscher aus historischer Perspektive als legitim, wenn er nach seiner Usurpation von seinen Kollegen als Mitherrscher anerkannt wird und diese Anerkennung ihm erhalten bleibt. Für das 4. Jhd. trifft das für Konstantin zu. Es gilt auch für Iulian, der Constantius’ II. Herrschaft in Frage stellte und nach dessen überraschendem Tod 361 von den hohen Würdenträgern im östlichen Reichsteil, die weitgehend Constantius’ II. Anhänger waren, als ihr Kaiser anerkannt wurde und somit legitimiert war. Im 5. Jhd. trifft es auf Marcian zu. Magnus Maximus dagegen konnte nur vorübergehend seine Anerkennung durch Theodosius erreichen und gilt daher als Usurpator. Auch Vetranio wurde lediglich für eine begrenzte Zeit anerkannt und galt später als tyrannus59. Die antiken Betrachter, die aus historischer Perspektive schreiben, unterscheiden in der Regel keine Kaiser, die durch eine Usurpation dauerhaft auf den Thron gelangt sind, von anderen. Es werden daher Usurpatoren aufgelistet, aber keine Usurpationen. Vollständigkeit darf man allerdings in antiken Verzeichnissen oder Listen von Usurpatoren nicht erwarten. So erscheinen etwa Otho oder Vetranio überhaupt nicht in der wichtigen Liste, die Polemius Silvius verfaßte. 57

Marcell. com. 392, 1 = Chron. min. 2, 63: Eugenio Caesare facto. Dasselbe gilt etwa auch für Glycerius. Man vgl. Marcell. com. 473, 1 = Chron. min. 2, 90: Glycerius … Caesar factus est. 58 Vgl. Hist. Aug. Pesc. 1, 1: quos tyrannos aliorum victoria fecerit. Zur Kommentierung der Stelle vgl. D. den Hengst, The Prefaces in the Historia Augusta, Amsterdam 1981, 23/24. Dort werden auch die verschiedenen Versuche erörtert, diese Bemerkung als Reaktion auf historische Ereignisse zur Zeit der Abfassung der Historia Augusta darzustellen und kritisch gewürdigt. Vgl. auch Aur. Vict. Caes. 33, 24, der eine solche Bewertung allerdings als verwerflich ablehnt. 59 Soc. 2, 25, 9; Zon. 13, 7, 16. Eine gewisse Ausnahme bildet ein Teil der Überlieferung über Iulian, der zwar normalerweise nicht als Usurpator zählt, aber von seinen christlichen Gegnern als solcher verunglimpft wird (vgl. Greg. Naz. or. 4, 46). In diese Richtung polemisiert auch Theodoret. Man vgl. dazu Leppin 1996, 158/159. Valentinians II. Erhebung hatte usurpatorischen Charakter. Er wurde jedoch sehr bald als Amtskollege anerkannt, aber er war nur ein nomineller Herrscher, der erst nach Gratians Sturz zu regieren begann.

II.3 Die Bewertung des Staatsstreiches und ihr Niederschlag in Herrscherlisten

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Die antike Tradition bietet fast keine Widersprüche, wen man aus historischer Perspektive als Usurpator zu betrachten hat60. Es gibt auch keinen generellen Graben zwischen östlicher und westlicher Überlieferung in dieser Frage, denn für beide Seiten war die Anerkennung durch die Amtskollegen ein unverzichtbares Element für die Legitimierung der Herrschaft61. Es gibt nur wenige Fälle, in denen einzelne Autoren rückblickend einem Herrscher ausdrücklich die Anerkennung durch seinen Kollegen zuschreiben, auch wenn er sie nicht hatte, Fälle, die ohne weiteres erklärbar sind. Für das 4. Jhd. und 5. Jhd. bis einschließlich Iohannes, der 425 gestürzt wurde, sind sich die Quellen historischen Charakters darüber einig, wer als Usurpator zu betrachten ist, soweit sie solche von legitimen Herrschern in ihrer Darstellung unterscheiden. Für die Kaiser, die danach als Usurpatoren angesehen werden, ist die Überlieferung weniger reich, die Beurteilung schwankender, aber lediglich für Maiorian nicht ganz eindeutig. Petronius Maximus wird allgemein als Usurpator betrachtet62. Bei Avitus ist die Überlieferung widersprüchlich63. Es handelt sich aber bei ihm eindeutig um einen Usurpator. Avitus’ Nachfolger Maiorian wird von den Autoren, die aus historischer Perspektive schreiben, nicht als Usurpator bezeichnet, sondern es wird fälschlicherweise hervorgehoben, daß er mit Leos Einverständnis erhoben worden sei64. Libius Severus und Glycerius gelten wiederum eindeutig als Usurpatoren65. Romulus Augustulus und Olybrius werden nicht Usurpatoren genannt, müssen aber als solche betrachtet worden sein66. 60

Die Antike weiß genau, wen sie als Usurpator zu betrachten hat. Vgl. dagegen Bagnall 1987, 91–94, in dessen Liste der Kaiser und Usurpatoren Avitus als der letzte Usurpator im Westen erscheint. 61 Vgl. III.D.2 Die Mitteilung an die Amtskollegen, S. 157/158. 62 Vgl. etwa Iordan. Get. 235: Maximus (sc. Petronius Maximus) tyrannico more regnum inva­ sit. Für weitere Belege vgl. Henning 1999, 193 n. 28. 63 Auctar. Prosp. Haun. s. a. 455 = Chron. min. 1, 304 nennt Avitus ausdrücklich einen Usurpator: Italiamque cum praesumpti honoris collegiis (scr. insignibus?) ingressus XI k. Oct., während Hydatius von einer Anerkennung spricht. Vgl. Hyd. Lem. 169 = 162 Burgess = Chron. min. 2, 28: Marcianus et Avitus concordes principatu Romani utuntur imperii. Zu weiteren Belegen vgl. Henning 1999, 194–196. 64 Vgl. Marcell. com. 457, 1 u. 2 = Chron. min. 2, 87: 1 … Leo eidem defuncto (sc. Marcianus) successit. 2 Cuius voluntate Maiorianus aput Ravennam Caesar est ordinatus; Iordan. Rom. 335: iussu Leonis; Iordan. Get. 236: iussu Marciani. Maiorians Herrschaft und ihre Anerkennung im Osten bilden ein Problem, zu dem eine befriedigende Lösung bisher fehlt. Die Quellen bezeichnen ihn nicht als Usurpator, als der er aber für den Osten galt. Zu den Kontakten zwischen Ost- und Westreich unter Maiorian vgl. ausführlich Henning 1999, 196– 198, zu ergänzen ist Bagnall 1987, 451, der das gemeinsame Konsulat Leos und Maiorians, das Marcell. com. 458 = Chron. min. 2, 87; Chron. Pasch. 1, 593 ed. Dindorf = Chron. min. 2, 87 für den Osten überliefert, nicht als Beleg anerkennt. 65 Iordan. Rom. 335/336: loco eius (sc. Maiorianus) sine principis iussu Leonis Severianus inva­ sit: sed et ipse tyrannidis sui tertio anno expleto Romae occubuit. Zu Glycerius vgl. z. B. Iordan. Get. 239: Glycerius apud Ravennam plus praesumptione quam electione Caesar factus est und die identische Formulierung Marcell. com. 474 = Chron. min. 2, 90; Iordan. Rom. 338: qui Nepus regno potitus legitimo Glycerium, qui sibi tyrannico more regnum imposuisset, ab imperio expellens in Salona Dalmatiae episcopum fecit. 66 Zur Überlieferung zu Olybrius und Romulus Augustulus vgl. Henning 1999, 202/203,208/209;

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II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike

Die wenigen Nachrichten nach dem Sturz des Usurpators Petronius Maximus sind weitgehend eine Folge der Situation unserer Überlieferung. Soweit sie nämlich aus der Perspektive von Byzanz spricht, nimmt sie die westlichen Kaiser nach 455 weniger wahr oder spricht gar nicht von ihnen.66 Bei der Beurteilung verschiedener Usurpatoren im 5. Jhd. wie Constantinus III., Iovinus. Petronius Maximus, Avitus und Maiorianus läßt sich in Gallien, besonders bei Sidonius, eine abweichende Sicht aus historischer Perspektive beobachten, die Beachtung verdient. Sie werden alle nicht als tyranni gebrandmarkt und teilweise sogar ausdrücklich als Kaiser bezeichnet, obwohl Sidonius sich der Spielregeln der Mehrkaiserherrschaft bewußt war67. Weil diese Beurteilung auf Gallien beschränkt ist, greift sie offensichtlich nicht auf die eigene Darstellung dieser Herrscher als legitime Kaiser in ihrem Herrschaftsbereich zurück, die man in der Phase der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator findet68, sondern hat andere Wurzeln. Petronius Maximus69 wurde in den Kreisen der gallischen Aristokratie aus historischer Perspektive ganz eindeutig nicht als Usurpator betrachtet, sondern als Kaiser, wie Sidonius’ Brief an Serranus zeigt, ein Brief, der auf 369 zu datieren ist. Schon im Panegyrikus für Avitus kennzeichnet Sidonius70 Petronius Maximus nicht als Usurpator. Auch Maiorian wird ausdrücklich Augustus genannt. Ebenso spricht Sidonius im Zusammenhang mit Constantinus III. und Iovinus, den gallischen Prätendenten, nicht ausdrücklich von Usurpatoren71. Sidonius ist auch in der Beurteilung der Anhänger der gallischen Usurpatoren sehr positiv und hat für einen Mann wie Dardanus, der als PPO Galliarum Honorius die Treue hielt, nicht viel übrig. Sidonius’ Haltung zu Dardanus wird von Rutilius Claudius Namatianus geteilt72. Sidonius ist zu eng mit der gallischen Aristokratie verbunden und ihren Interessen, um diese Herrscher negativ zu kennzeichnen73. Er bildet ein Beispiele für einen Autor, der aus historischer Perspektive schreibt, sich aber aus persönlichen Gründen und wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, hier der gallischen Aristokratie, nicht an die allgemeine historische Bewertung hält, die in 66

vgl. besonders Paul. Diac. hist. Roman. 15, 3, 4: Olibrius … vivoque adhuc Anthemio regiam adeptus est potestatem. Hier wird ausdrücklich erwähnt, daß er zu Anthemius’ Lebzeiten erhoben worden sei, ohne diesen Vorgang zu werten. 67 Sidon. carm. 5, 385–387; vgl. auch carm. 2, 18–24. 68 Vgl. IV.F.5 Die Vortäuschung der Anerkennung durch die Amtskollegen, S. 283–286. 69 Zu Petronius Maximus vgl. PLRE 2, 749–751 s. v. Petronius Maximus 22; Delmaire 1989, 190–194. Sidonius’ Brief an Serranus (epist. 2, 13) enthält keinen Hinweis daß es sich um eine Usurpation handelte. 70 Sidon. carm. 7, 376 u. 450. 71 Sidon. epist. 9, 13, 4: temporibus Augusti Maioriani; zu Constantinus III. und Iovinus vgl. Sidon. epist. 5, 9, 1. 72 Vgl. Sidon. epist. 5, 9, 1 zu Rusticus, der dagegen noch von Renatus Profuturus Frigeridus, dessen Text Greg. Tur. Franc. 2, 9 wiedergibt, als praefectus tyrannorum bezeichnet wird, und zu Dardanus. Zu Dardanus vgl. auch Rut. Nam. 1, 307–312 und dazu Rutilius Claudius Namatianus, De reditu suo sive Iter Gallicum, Herausgeg., eingeleitet und erklärt von E. Doblhofer, 2. Bd.: Kommentar, Heidelberg 1977, 147. 73 Vgl. dagegen Renatus Profuturus Frigeridus bei Greg. Tur. Franc. 2, 9. Zu Frigeridus vgl. n. 1408.

II.3 Die Bewertung des Staatsstreiches und ihr Niederschlag in Herrscherlisten

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seiner Zeit galt, sondern ihr widerspricht oder sie mit Schweigen übergeht. In anderen antiken Quellen und bei anderen Autoren hinterließ aber seine Bewertung keine Spuren. Der Staatsstreich wird wie die Rebellion als Störung der politischen Stabilität und als Element der Unruhe gesehen74. Er wird mehrheitlich negativ bewertet, wenn der Usurpator scheitert. Die Usurpation wird als gewaltsame Übernahme der Herrschaft oder fehlende Respektierung der Rechte eines regierenden Kaisers betrachtet. Rechtliche oder allgemein anerkannte institutionelle Regelungen, die erlauben würden, eine Usurpation als illegal im staatsrechtlichen Sinn zu bezeichnen, gibt es aber in der antiken Beurteilung der Usurpationen nicht. Der Begriff legitimus etwa bezeichnet die formal korrekt verlaufene Erhebung75 oder einen als rechtmäßig zu betrachtenden Herrscher76, verknüpft damit aber nicht die Vorstellung, daß es ausgeschlossen ist, eine so erlangte Herrschaft in Frage zu stellen. Er dient allerdings andererseits dazu, die Stellung eines Kaisers von der eines Usurpators zu unterscheiden, ohne daß deutlich gesagt wird, wodurch sie sich unterscheiden77. Er bezeichnet damit die Bewertung eines Herrschers aus historischer Sicht. 74 Vgl. z. B. Amm. 26, 9, 10: rebellem et oppugnatorem internae quietis (sc. Procopius). Zu diesem Gedanken bei Ammian vgl. etwa R. Blockley, Ammianus Marcellinus. A Study of His Historiography and Political Thought, Brüssel 1975, 57. Diese Vorstellung für Usurpatoren begegnet schon in der Panegyrik (vgl. etwa Them. or. 2, 12/13, 33D für die Zeit Constantius’ II.). Ihren bildhaften Ausdruck findet sie etwa in der Gleichsetzung von Usurpatoren oder Hochverrätern, die ebenfalls die Ordnung stören, mit dem Titanen Typhon (vgl. z. B. Iul. or. 3, 56d; Them. or. 2, 13, 34A/B; Syn. Prov. 1, 15, 110 CD und passim zu Gainas und den Goten. Vgl. Cameron 1993, 177 sqq. zur Identifizierung von Typhon mit Caesarius.). Als Element der Unruhe kann der Staatsstreich auch mit Naturkatastrophen in Beziehung gesetzt werden, wie es bei Procopius’ Usurpation geschah (vgl. Them. or. 7, 4, 86B und dazu Baudy 1992, besonders 82/83). Bisweilen kann der Staatsstreich aber als gerechtfertigt betrachtet werden. Man vgl. Amm. 26, 7, 8: et impetratum est facile id (sc. hinreichende Rekrutierung von Soldaten), quod in publi­ cis turbamentis aliquotiens ausa ingentia vel iustis exordia primordiis impedivit und dazu Brandt 1999, 291, der zu Recht Iulian als gutes Beispiel dafür ansieht. Ein eingeschränkt positives Urteil wie das von Orosius (hist. 7, 34, 9) zu Magnus Maximus’ Erhebung oder das von Libanius (or. 18, 33) zu Magnentius’ Regierungsweise geht sicher in die gleiche Richtung, um so mehr, als beide schließlich scheiterten. Solche Urteile zeigen zugleich, daß die Beurteilung des Staatsstreiches aus historischer Sicht als Störung der Ordnung immer cum grano salis zu verstehen ist und besonders bei stärkerer Berücksichtigung der politischen Perspektive weniger stark gewichtet werden kann. 75 Vgl. z. B. Amm. 25, 5, 3; 30, 10, 5 und Pabst 1997, 121, 13, 198 u. passim. 76 Vgl. Amm. 15, 8, 21 (Iulian im Gegensatz zu Magnentius, auch wenn dieser nicht erwähnt wird); 19, 12, 17; 26, 9, 10. 77 Vgl. etwa Amm. 27, 5, 1 (aus der Sicht von Valens verwendet); Aug. civ. 5, 26: alium tyran­ num Eugenium, qui in illius imperatoris (sc. Valentinian II.) locum non legitime fuerat subro­ gatus; Aug. c. ep. Parm. 1, 17: ad persequendum Rogatum Maurum ab eis per Firmum bar­ barum gesta sunt, et illum licet hostem immanissimum Romanorum in legitimis potestatibus numerent (sc. Donatisten); Iordan. Rom. 338: qui Nepus regno potitus legitimo Glycerium, qui sibi tyrannico more regnum imposuisset, ab imperio expellens in Salona Dalmatiae epis­ copum fecit; Rufin. hist. 11, 16: Maximus qui se exuere tyranni infamia et legitimum princi­ pem gestiret ostendere. Ähnlich wird iustus verwendet, vgl. Oros. hist. 7, 40, 5: imperatori

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II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike

Es gibt zwar Vorstellungen davon, wie die Herrschaft ordnungsgemäß weitergegeben werden soll78, aber diese sind politischer und nicht rechtlicher Natur. Unter ihnen spielt die Verfügungsgewalt eines amtierenden Augustus eine wichtige Rolle. Er allein kann den Anspruch geltend machen, andere Kaiser erheben zu lassen oder eine Rangerhöhung vorzunehmen79. Daß die Übernahme der Herrschaft gegen den Willen des regierenden Kaisers und dessen Tötung ein moralisches Unrecht sind, ist dagegen eine Überzeugung, die sich immer wieder findet80. Sich gegen einen regierenden Prinzeps zu erheben und ihm die Herrschaft zu entreißen kann als Raub gedeutet werden. Die Übernahme der Macht in dieser Form bleibt auch dann ein Unrecht, wenn sie als politisch gerechtfertigt dargestellt wird81. Die Ermordung eines Kaisers wird immer wieder als besonders schweres Verbrechen bewertet und als verwerflich geschildert82. Dagegen versuchten die Usurpatoren, sie möglichst als Selbstmord erscheinen zu lassen83. Nicht zufällig wurden die, die den Mord ausführten, besonders belohnt84. Der Staatsstreich ist auch deshalb ein moralisches Unrecht, weil er einen abgelegten Eid verletzt85. iusto (sc. Honorius) adversus tyrannum (sc. Constans, dem Mitaugustus Constantinus’ III.) et barbaros tueri sese patriamque suam moliti sunt (sc. Didymus und Verenianus). 78 Greg. Naz. or. 4, 46. Zur Interpretation der Begriffe vgl. Kurmann 1988, 156–158. 79 Vgl. III.C.2 Der Kaiser als auctor eines neuen Herrschers, S. 94–102. 80 Vgl. z. B. Aug. civ. 5, 25: Gratianum ferro tyrannico permisit (sc. Gott) interimi und Ambr. epist. 30[24], 10: nisi fallor (sc. Ambrosius.), usurpator bellum infert, imperator ius suum tuetur – noch zu Maximus’ Lebzeiten geschrieben, aber erst nach Valentinians Tod veröffentlicht. Vgl. ed. Zelzer; Ambr. obit. Theod. 39: Illic nunc complectitur (sc. Theodosius) Gratia­ num iam sua vulnera non maerentem, quia invenit ultorem; qui (sc. Gratianus) licet indigna morte praereptus sit, requiem animae suae possidet und weiter unten docentes (sc. Maximus und Eugenio in inferno) exemplo miserabili quam durum sit arma suis principibus inrogare); Oros. hist. 7, 29, 17: Constantius Iuliani scelere comperto. Vgl. auch Lib. or. 18, 33, der trotz einer positiven Bewertung von Magnentius’ Regierungsweise davon spricht, daß dieser sich einer fremden Herrschaft bemächtigt habe (ajllotrivan ajrchvn). Zur Usurpation als Raub vgl. Ambr. obit. Theod. 39; ep. 30[24], 10 (vgl. oben); Oros. hist. 7, 8, 3: imperia simul atque arma rapuerunt. Er stellt Vespasian mit Otho und Vitellius auf eine Stufe und sagt es von ihnen allen. 81 Vgl. Anm. 21, 16, besonders 16, 12 und dazu Szidat 1996, 207–209. Ammian setzt sich hier mit dem Konflikt auseinander, daß Constantius II. eigentlich nicht Kaiser hätte bleiben sollen, aber andererseits niemand erwarten konnte, daß er einem Usurpator freiwillig Platz machte. 82 Vgl. z. B. Ambr. in psalm. 61, 23–25 zur Ermordung Gratians (Raschle 2005, besonders 55– 61). Man vgl. auch Ambr. epist. 30[24], 10. 83 Vgl. die Selbstmordversion, die Ioh. Chrys. hom. 15, 5 in Phil. = PG 62, 295 von Constans’ Tod gibt und die der Ermordung durch Gaiso entgegensteht, oder die Auseinandersetzung in der Überlieferung um den Tod Valentinians II. Zur Diskussion und den Belegen vgl. Croke 1976. Der beabsichtigten Täuschung der Zeitgenossen wegen ist die Wahrheit schwer herauszufinden. 84 Vgl. z. B. Gaiso, der den gestürzten Constans 350 auf dessen Flucht tötete. Er wurde dafür mit dem Konsulat von 351 belohnt. Zu Gaiso vgl. PLRE 1, 380–381 s. v. Gaiso. 85 Vgl. Oros. hist. 7, 34, 9 zu Maximus’ Erhebung: Maximus vir quidam strenuus et probus at­ que Augusto dignus nisi contra sacramenti fidem per tyrannidem emersisset, in Britanniam invitus propemodum ab exercitu imperator creatus in Galliam transiit. Zum Eid vgl. n. 245.

II.3 Die Bewertung des Staatsstreiches und ihr Niederschlag in Herrscherlisten

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Auch aus christlicher Sicht unternimmt der Usurpator einen verwerflichen Akt, denn er widerstreitet Gott, der dem Herrscher das Kaisertum anvertraut hat86, und widerstrebt dem Willen Gottes, der für Frieden und Ordnung ist. Für die Christen ist die vorgegebene soziale Ordnung und deren Respektierung ein wichtiger Wert. Mit der errungenen sozialen Stellung zufrieden zu sein ist daher gottgefällig87. Daß sich ein Kaiser gegen Usurpatoren erfolgreich verteidigen kann, gilt als Erfolg und zeichnet auch einen idealen christlichen Herrscher aus88. Die Rechtfertigung, die jede Usurpation durch den Erfolg erfährt, schließt nicht aus, daß darauf verwiesen werden kann, daß ein Kaiser durch einen Staatsstreich dauerhaft die Herrschaft übernahm und daß dieser kritisch betrachtet werden kann. Die Hinweise, daß jemand durch eine Usurpation auf den Thron kam, der später als legitimer Kaiser galt, sind allerdings wenig zahlreich und nicht zu einer eigenen Kategorie entwickelt. Sie finden sich in Ansätzen etwa bei Orosius (Oros. hist. 7, 8, 3), wenn er Vespasian mit Otho und Vitellius auf eine Stufe stellt und von ihnen allen sagt: imperia simul atque arma rapuerunt. Orosius sagt leider wenig später nicht, ob er Vespasian zum Sturm der Tyrannen, wie er die Ereignisse des Vierkaiserjahres nennt, hinzurechnet89. Ebenso betrachtet er Iulians Vorgehen gegen Constantius II. als Usurpation90. Auch sonst wird Iulian in einem Teil der christlichen Überlieferung als Usurpator gekennzeichnet, so etwa bei Theodoret und bei Gregor von Nazianz91. Die Kategorie wird aber von Orosius nicht für christliche Kaiser entwickelt, denn Konstantins Übernahme der Herrschaft 306 wird nicht als Usurpation geschildert, obwohl sie auch nach den Kriterien der Zeit als solche bis zu dem Augenblick zu gelten hat, als Galerius Konstantin wenigstens als Caesar (Unterkaiser) anerkannte. In der Bewertung aus historischer Perspektive gibt es keinen Hinweis darauf, daß ein Kaiser, der nicht durch einen Staatsstreich auf den Thron gekommen war, als Usurpator im modernen Sinn des Wortes bezeichnet wird92. Es gibt aber ein86 Als allgemeine Regel z. B. ausgedrückt in Ossius’ Schreiben an Constantius II. Vgl. Athan. hist. Ar. 44, 7. 87 Diese Haltung findet sich etwa beim Kirchenhistoriker Socrates (vgl. Szidat 2001 passim), aber auch sonst (vgl. z. B. Greg. Naz. or. 19, 10 = PG 35, 1053C u. D). Dabei wird in der Regel auf 1 Korinth. 14, 33 verwiesen. 88 Vgl. Aug. civ. 5, 24: vel hostes rei publicae domuerunt vel inimicos cives adversus se insur­ gentes et cavere et opprimere potuerunt (sc. imperatores); Aug. civ. 5, 25: in tyrannis oppri­ mendis per omnia prosperatus (sc. Constantinus). 89 Oros. hist. 7, 9, 1: brevi illa quidem sed turbida tyrannorum tempestate discussa. 90 Oros. hist. 7, 29, 16: fastigium usurpavit Augusti … Constantium … regni parte (sc. Italien und Illyricum) privavit (sc. Iulianus). 91 Theodor. 3, 11, 1.16, 6; 4, 1, 3 (alle Stellen stehen in Zusammenhang mit Iulian als Christenverfolger); Greg. Naz. or. 4, 1.2; 5, 3. Beide Stellen sind in Verbindung mit der Kennzeichnung Iulians als Christenverfolger und könnten daher auch lediglich als Beleg für tyrannisches Verhalten betrachtet werden. Vgl. aber Greg. Naz. or. 4, 48, 1, wo tyrannus eindeutig dazu dient, Iulians Erwerb der Herrschaft zu kennzeichnen. Vgl. auch 4, 46: profavsei me;n ajpo­ loghsovmeno~ uJpe;r tou` diadhvmato~, e[ti ga;r ejdovkei kruvptein eJautou` th;n ajpovnoian, to; de; ajlhqe;~ wJ~ metasthvswn eij~ eJauto;n a{pan to; kravto~. Danach beabsichtigte Iulian, die ganze Macht an sich zu reißen. 92 Als mögliches Gedankenspiel vgl. aber n. 58.

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II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike

zelne Versuche, solche Herrscher wenigstens in die Nähe von Usurpatoren zu rükken. Dieses Vorgehen wurde durch die doppelte Bedeutung von tyrannus möglich93. Ein Beispiel dafür bietet die christliche Polemik gegen Constantius II. In ihr wird Constantius II. als tyrannus gekennzeichnet94. Diesen Vorwurf übernahm dann der heidnische Historiker Ammian und verwendete ihn gegen Constantius II. Er übertrug ihn unmerklich auch auf Constantius’ II. Stellung als Herrscher95. Ein ähnliches Vorgehen läßt sich auch bei der Bewertung Gratians durch den Kirchenhistoriker Philostorgius beobachten. Weil diesem96 Gratians Bekenntnis zur Orthodoxie nicht gefiel, vergleicht er ihn mit Nero und rückt ihn damit durch die Kennzeichnung als tyrannus in die Nähe eines Usurpators97. Herrscherlisten In der antiken Beurteilung aus historischer Sicht gibt es keine Diskussionen darüber, wer als Usurpator zu gelten hat. Der siegreiche Usurpator wird nicht mehr als solcher bezeichnet. Kaiser und Usurpatoren kann man daher in Listen zusammenstellen, von denen es eine ganze Reihe gegeben haben muß98. Eine sehr anschau93 Vgl. S. 28. 94 Vgl. z. B. Hil. c. Const. 7: tyrannus non iam humanorum, sed divinorum, u. 11: neque ego alia potius quam quae gesta sunt in ecclesia refero aut tyrannidem aliam praeter quam dei refer­ rem. Zu den Belegen bei Lucifer von Calaris vgl. I. Opelt, Formen der Polemik bei Lucifer von Calaris, VChr 26, 1972, 200–226, dort 217. Generell zur Bezeichnung tyrannus in der christlichen Herrscherpolemik vgl. I. Opelt, Die Polemik in der christlich-lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, Heidelberg 1980, 90. Zwar wird tyrannus in der christlichen Herrscherpolemik nicht im Sinn der klassischen Invektive verwendet, sondern zur Bezeichnung eines, der die Religion verfolgt (I. Opelt, Hilarius von Poitiers als Polemiker, VChr 27, 1973, 203–217, dort 211), aber Hil. c. Const. 11 baut in seinem Text eine Brücke, den Begriff auch auf das sonstige Verhalten Constantius’ II. übertragen zu können, indem er sagt, daß er nur von der tyrannis gegen Gott sprechen wolle. Bei den Kirchenhistorikern Socrates, Sozomenus und Theodoret finden sich diese Vorwürfe gegen Constantius II. nicht (vgl. Leppin 1996, 159 n. 95). 95 Vgl. Amm. 21, 16, 8 sqq.; Szidat 1996, 207 sqq. Libanius bezeichnet sogar in seiner Rede „Für Aristophanes“ (Lib. or. 14, 17) aus dem Jahr 362 Constantius’ II. Herrschaft wegen dessen Vorgehen gegen Aristophanes als turanniv~, wobei er sich bei Iulian, an den die Rede gerichtet ist, für diesen Ausdruck entschuldigt, denn der Apostat war ja als dessen Nachfolger und von ihm erhobener Caesar durch ihn legitimiert (vgl. Wiemer 1995, 137). 96 Philost. 10, 5: th`~ ejkeivnou pivstew~ to; ojrqovdoxon. 97 Vgl. auch Zos. 2, 42, 1, wo Constans seines Verhaltens wegen als tyrannus bezeichnet wird; Zon. 14, 2, 2: Von Zenon wird gesagt, daß er nicht wie ein Augustus, sondern wie ein Tyrann die Herrschaft ausgeübt habe. 98 Zur Liste des Polemius Silvius vgl. Th. Mommsen, Polemii Silvii Laterculus, Gesammelte Schriften 7. Bd., Berlin 1909, 633–667, dort 642–648; K. Ziegler, RE 21, 1(1951) s. v. Polemius 9, 1260–1263, dort 1262. Ein Versuch, die Quellen der Liste näher zu bestimmen, findet sich bei Burgess 1993, 491– 493, der mit guten Gründen die EKG als Quelle für die Liste annimmt (vgl. Histoire Auguste, Tome V, 1ère partie: Vies d’Aurelien, Tacite. Texte établi, traduit et commenté par F. Paschoud, Paris 1996, XLI/II). Für Honorius’ Zeit gibt es eine Reihe von Aufzählungen der Usurpatoren, die listenartigen Charakter haben und auf eine Liste zurückzugehen scheinen. Vgl. n. 1462.

II.4 Der Staatsstreich in der politischen Theorie der Spätantike

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liche Liste, die die Usurpatoren den verschiedenen Kaisern zuordnet, ist die, die sich bei Polemius Silvius findet. Diese Listen spiegeln die historische Bewertung wider und lassen erkennen, welche Herrscher als Usurpatoren betrachtet wurden. Es gibt kein Schwanken der Überlieferung, die aus historischer Perspektive urteilt. Solchen listenartigen Charakter haben auch viele Aufzählungen von Herrschern, die sich in Texten verschiedenster Gattungen finden. Jenen lag offenbar eine einheitliche Überlieferung zugrunde, die sich in den Listen gut fassen läßt. Herrscherlisten oder solche Aufzählungen unterscheiden aber nicht notwendigerweise zwischen Kaisern und Usurpatoren. Es gibt solche, die diese Unterscheidung nicht machen oder eher zufällig darauf hinweisen99. In keinem Fall wird aber ein Kaiser, der als legitim gilt, als Usurpator aufgeführt, ein solcher muß dagegen nicht immer als tyrannus bezeichnet oder so gewertet werden. Diese mangelnde Konsequenz darf nicht als Beleg für eine abweichende Wertung genommen werden, denn sie bezieht sich nicht auf einen bestimmten Herrscher, sondern ist Kennzeichen der Liste oder Aufzählung insgesamt. II.4 Der Staatsstreich in der politischen Theorie . der Spätantike In der politischen Theorie der Spätantike ist das Bewußtsein der unrechtmäßigen Übernahme der Herrschaft durchaus vorhanden, und die Usurpation wird als Problem erkannt. Die Vorstellung einer legitimen Erhebung100, einer Erhebung, die institutionell geregelt ist, findet sich ausgeführt im Dialogus peri; politikh`~ ej­ pisthvmh~, der vom patricius Menas und dem späteren QSP Thomas vor 526/527 verfaßt wurde101. Eine solche Erhebung wäre von besonderer Bedeutung für die

Kaisern konnten auch in Listen numeriert werden. Zum Gebrauch solcher Listen in historischen Werken vgl. z. B. Oros. hist. 7, 36, 1: quadragesimo secundo loco commune imperi­ um, divisis tantum sedibus, tenere coeperunt (sc. Honorius und Arcadius); mit anderer Zählung Hyd. Lem. 27 = 24 Burgess = Chron. min. 2, 16, wo von beiden „Romanorum XL“ gesprochen wird. Eine generelle Untersuchung zu Kaiserlisten und ihrem Gebrauch in historischen Werken scheint es nicht zu geben.   99 Vgl. z. B. Prosp. Tiro, Index imperatorum = Chron. min. 1, 492; Laterculus imperatorum ad Iustinum I = Chron. min. 3, 419–423, in dem z. B. Iohannes als Usurpator aufgeführt wird – invasit imperium –, aber etwa Eugenius und Petronius Maximus gar nicht erwähnt werden, und z. B. Euagr. HE 2, 16 = PG 86, 2, 2545 A. Auch etwa Ennodius in seiner Vita Epiphanii (vgl. z. B. 79/80) unterscheidet nicht zwischen beiden Gruppen, ebenso nicht Sidonius bei seinen Aufzählungen römischer Herrscher aus dem frühen Prinzipat bis Traianus (vgl. Sidon. carm. 5, 314–326; 7, 100–115; ep. 5, 7, 6) und Hieronymus nicht deutlich in seinem Trostbrief an Heliodor (Hier. ep. 60, 15). Hieronymus führt zwar Procopius, Magnus Maximus und Eugenius gesondert auf, bezeichnet sie aber nicht als tyranni, während Ioh. Chrys. vid. 4 = PG 48, 605 in einem vergleichbaren Text für eine junge Witwe zwar keine Liste bietet, aber in seiner Argumentation Kaiser und Usurpatoren deutlich auseinanderhält. 100 Menas (Menae patricii cum Thoma referendario De scientia politica dialogus) 5, 46: novmimo~; 5, 52: hJ tou` basilevw~ ajnavrrhsi~ nomivmw~ givgnoito. 101 Vgl. PLRE 2, 755 s. v. Menas 5 und PLRE 3, 1314/1315 s. v. Thomas 3 und dazu Burgarella 1998, 411, 412/413, der sich mit anderen Identifikationen und der Forschung auseinandersetzt. Zur Datierung vgl. Burgarella 1998, 415.

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II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike

kaiserliche Herrschaft und muß vorrangig geregelt werden102. Die Übertragung des Kaisertums wird an ein besonderes Wahlverfahren gebunden103. Die Ersten aller Stände104 benennen (ojnomavzw) Kandidaten, die sie für die Kaiserherrschaft geeignet halten, aus den Besten, die im suvgklhto~ zusammengefaßt sind. Darauf wird sechs Tage lang in der Stadt gebetet, und dann wird der Kandidat für den Kaiserthron aus den benannten durch das Los bestimmt. Auf diese Weise nehmen die Bürger ihre Rechte wahr, und der Wille Gottes kann zur Geltung kommen. Daß die Herrschaft durch die Bürger angeboten wird und nicht aus eigenem Antrieb ergriffen wird, wird mehrfach als notwendige Voraussetzung für die legitime Übernahme des Kaisertums betont105. Die institutionell geregelte Form der Erhebung schließt nach dem Dialogus den unrechtmäßigen Erwerb der kaiserlichen Stellung nicht aus106, macht aber deren Rechtfertigung unmöglich. Der Erfolg gilt in diesem Fall nicht als solche. Gefährlich für die Fortdauer der Herrschaft eines Kaisers, der legitim erhoben worden ist, ist der politische Ehrgeiz dessen, der nach dem Kaisertum strebt, ohne das nötige Wissen zu haben107. Als besonders unruhige Elemente werden die Fraktionen des Volkes angesehen108. In ihnen liegt der Keim zum Bürgerkrieg. Dem Militär wird keine besondere Rolle bei der unrechtmäßigen Übernahme der Macht zugeschrieben, politische Machenschaften haben keine geringere Bedeutung109. Politische Stabilität und die Fortdauer der legitimen Herrschaft werden dadurch erreicht, daß der Kaiser vor dem sechzigsten Altersjahr zurücktritt110 und sein Nachfolger nach dem vorgesehenen Verfahren bestimmt wird111 oder daß ihm ein Helfer zur Seite tritt, der sein Nachfolger wird112. Dabei wird nicht gesagt, wer diesen Helfer bestimmt. Die Autoren haben dabei das von Leo II. und von Iustinus I. geübte Verfahren, zu Lebzeiten einen Mitherrscher (Mitaugustus) zu ernennen, in eine theoretische Form gegossen. Dynastische Überlegungen spielen im Dialogus für die Weitergabe der Herrschaft keine Rolle. Es wird mehr oder weniger von einer Wahlmonarchie ausgegangen. Das Problem der Besetzung des Thrones im Rahmen 102 Menas 5, 17: oujkou`n ejpi; touvtoi~ tw`n me;n novmwn – w\ Qwmavsie – prw`to~ qetevo~ aujth/` uJp∆ aujth`~ th/` basileiva/ th`~ ejnnovmou cavrin ajnarrhvsew~, wJ~ a]n oJ o{moio~ aujth/` kai; ejpwvnumo~ ajnh;r suggivnesqai mevllwn dikaivw~, wJ~ proerrhvqh, para; qeou` te didomevnhn kai; tw`n politw`n devxoito prosferomevnhn. 103 Menas 5, 50–53. 104 Menas 5, 50: tw`n th`~ povlew~ pavntwn … tagmavtwn oiJ prwteuvonte~ trei`~. Zu den tavgmata vgl. auch Menas 5, 29. 105 Menas 5, 46: ajll∆ uJpo; tw`n politw`n prosagomevnhn te kai; oi|on ejpitiqemejnhn devcesqai th;n basileivan (sc. der zukünftige Herrscher); vgl. auch Menas 5, 17. 106 Zur Legitimität und zum unrechtmäßigen Erwerb der kaiserlichen Macht vgl. Menas 5, 46– 49. Zu den Möglichkeiten des unrechtmäßigen Erwerbs der Herrschaft vgl. 5, 46. 107 Menas 5, 218–222. 108 Menas 5, 106: oJ eij~ mevrh … dih/rhmevno~ dh`mo~. 109 Menas 5, 46. 110 Menas 5, 162. 111 Menas 5, 161–163. 112 Menas 5, 164/165.

II.5 Die politische Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator

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der Mehrkaiserherrschaft stellte sich nicht mehr. Dafür wäre das vorgesehene Verfahren ungeeignet gewesen. Daß die Weitergabe der Herrschaft ein politisches Problem werden kann, war den antiken Autoren auch sonst bewußt. Sie machten sich aber dazu keine grundlegenden Gedanken wie der Dialogus, sondern stellten es nur fest. So lobt der Kirchenhistoriker Sokrates Theodosius’ I. Sorge um die Regelung seiner Nachfolge im Westen des Reiches kurz vor seinem Tod 395 ausdrücklich. Er sorgt für einen reibungslosen Übergang der Herrschaft an seinen Sohn Honorius, denn er weiß, welche Übel seine Untertanen erwarten, wenn ein Kaiser stirbt113. Durch die Einsetzung seines Sohnes Honorius als Kaiser im Westen des Reiches bringt er die politischen Angelegenheiten in einen guten Zustand114. II.5 Die politische Auseinandersetzung . zwischen Kaiser und Usurpator Die politische Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator und deren Terminologie sind ein weites Feld und nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Die Auseinandersetzung ist vor allen Dingen in der Panegyrik, den Inschriften, der Münzprägung und anderen Medien, die sich an die Öffentlichkeit wenden, greifbar. Diese wird oft bewußt falsch informiert. Der Usurpator täuscht in der Regel die Anerkennung durch seine Amtskollegen vor115. Ob sie tatsächlich erfolgt war, war normalerweise nur für die oberste Führungsschicht nachprüfbar. Den meisten Untertanen des Usurpators wurde die fehlende Anerkennung erst bewußt, wenn es zur militärischen Konfrontation kam. Soweit die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator etwas über die Beurteilungskategorien einer Usurpation offenbart, kann sie von genereller Bedeutung sein. Als historische Quelle für eine bestimmte Usurpation ist sie nur mit größter Vorsicht zu gebrauchen, weil sie Nachrichten schafft und verbreitet, die nicht vertrauenswürdig sind, die aber in die historische Überlieferung eingegangen sind116. In der politischen Auseinandersetzung stellen Usurpatoren den amtierenden Herrscher als seiner Stellung unwürdig dar. Er ist der Gewaltherrscher, den es zu beseitigen gilt. So unterstreicht etwa Magnentius mit dem Motiv der Libertas auf seinen Münzen und Meilensteinen, daß er die Freiheit (liberator rei publicae, restitutor liberta­

113 Soc. 5, 26, 1: logizovmeno~ (Theodosius) o{sa katalambavnei kaka; tou;~ ajnqrwvpou~ basi­ levw~ teleuthvsanto~. 114 Soc. 5, 26, 2: katasth`sai ta; eJspevria mevrh boulovmeno~. 115 Vgl. IV.F.5 Die Vortäuschung der Anerkennung durch die Amtskollegen, S. 283–286. 116 Zur Verformung der historischen Überlieferung über einen Usurpator vgl. generell Hist. Aug. Pesc. 1, 1. Zu einem Kommentar vgl. n. 58.

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II. Die Wahrnehmung des Staatsstreiches in der Spätantike

tis) nach der Regierung eines Tyrannen, d. h. des Kaisers Constans, wiederhergestellt habe117. Der Usurpator wiederum saugt nach Darstellung des legitimen Kaisers die Untertanen finanziell aus118 und führt sich auch sonst als tyrannus auf. Solange der Usurpator an der Macht ist und man mit ihm Kontakt aufnehmen muß, wird ihm selbstverständlich die Anrede als Kaiser zugestanden, und er gilt als solcher119. Vermag sich der Usurpator langfristig nicht durchzusetzen, was zwischen 337 und 476 mit Ausnahme Iulians und Marcians für alle gilt, besteht die Gefahr, daß das historische Bild des Usurpators von der öffentlichen Auseinandersetzung negativ beeinflußt wird. Sein Andenken wird entehrt, und die ihm wohlgesinnte Tradition bleibt nicht erhalten. Dieser Prozeß muß allerdings nicht in jedem Fall und bei jeder Nachricht eintreten, wie etwa die positive Wertung zeigt, die Iohannes bei Procop erfährt, Magnentius bei Libanius oder Magnus Maximus bei Orosius120. Die Möglichkeit einer positiven Bewertung einer Usurpation aus historischer Sicht zeigt, daß Usurpationen an sich kein Tabu sind.

117 Vgl. Jeločnik 1967, 226; Kellner 1968, besonders 55/56; zu Münzen und Meilensteinen vgl. E. Banzi, Miliari e propaganda politica nel mondo Romano: esempio della XI regio (Transpadana), Sibrium 22, 1992/1993, 259–293, dort 273/274 und I miliari come fonte topografica e storica. L’esempio della XI Regio (Transpadana) e delle Alpes Cottiae, Roma 1999, 179/180; zu Meilensteinen vgl. P. Basso, I miliari della Venetia romana, Padua 1987, nr. 64 (in situ) und 88. Valens wird von Procopius sogar vorgeworfen, die Herrschaft unberechtigterweise übernommen zu haben (Amm. 26, 7, 16). 118 Vgl. z. B. Oros. hist. 7, 35, 4: Magnus Maximus saugt die gallischen Provinzen aus; Paneg. 12, 25/26: zu Magnus Maximus’ Habgier generell. 119 Wenn er nach seinem Sturz noch als imperator bezeichnet wird, handelt es sich um Zitate aus Dokumenten (vgl. z. B. Aug. brevic. 3, 34; c. Don. 17). Eher eine Ausnahme bildet Athan. hist. Ar. 74, 4 (784 a 10), wo 357/358 von Vetranio, Magnentius und Gallus als basilei`~ gesprochen wird, obwohl sie schon nicht mehr herrschten. Opitz zur Stelle S. 224 sieht das als gewagt an und als mögliche Grundlage einer Anklage wegen laesae maiestatis. 120 Proc. BV 1, 3, 6/7: 6 h\n de; ou|to~ ajnh;r (sc. ∆Iwavnnh~) pra`/ov~ te kai; xunevsew~ eu\ h{kwn kai; ajreth`~ metapoiei`sqai ejxepistavmeno~. 7 pevnte gou`n e[th th;n turannivda e[cwn metrivw~ ejx­ hghvsato, kai; ou[te toi`~ diabavllousi th;n ajkoh;n uJpevscen ou[te fovnon a[dikon eijrgavsato eJkwvn ge ei\nai ou[te crhmavtwn ajfairevsei ejpevqeto. Zu Magnentius vgl. Lib. or. 18, 33: meta; fulakh`~ tw`n novmwn. Vgl. auch Zos. 2, 54, 2, der auf eine positive Bewertung dieser Usurpation anspielt und sie zurückweist. Iulians positive Stellungnahme zu Magnentius’ Usurpation (Caes. 15, 315d–316a) gehört in den Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Constantius II. Zu Maximus vgl. Oros. hist. 7, 34, 9.

III. Der Kaiser III.A Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung im 4. u. 5. Jhd. III.A.1 Herrschaftsform und Herrschaftsübertragung: Allgemeine Überlegungen Im Unterschied zu vielen anderen historischen Epochen läuft die Usurpation in der römischen Kaiserzeit formal in gleicher Weise ab wie eine normale Übernahme der Herrschaft. Es werden keine institutionellen Regelungen umgangen wie z. B. eine Wahl als Voraussetzung, um das Amt übernehmen zu können. Eine Usurpation richtet sich auch niemals gegen das Kaisertum an sich. Wenn ein Usurpator sich des Thrones bemächtigt hatte, strebte er nicht danach, den Charakter des Kaisertums zu verändern oder seine Herrschaft auf eine andere Grundlage zu stellen. Er möchte Kaiser werden und bleiben. Es gilt daher, die Erhebung des Kaisers, die Form seiner Herrschaft und deren Sicherung sowie die zugrundeliegenden Vorstellungen genauer zu erfassen, um die Ausgangslage für die Übernahme der kaiserlichen Stellung durch einen Usurpator und dessen Ziele zu verstehen. Als Augustus die Herrschaft als princeps 27 v. Chr. übernommen hatte, stützte er sich auf kein vorhandenes republikanisches Amt als institutionelle Grundlage oder schuf ein neues mit umfassenderer Macht, denn das hätte die res publica aufgehoben, die wiederhergestellt zu haben und zu erhalten er vorgab, sondern er bediente sich der Stellung des princeps. Der Prinzipat war keine Institution, die zu den vorhandenen Magistraturen trat und über ihnen stand. Diese blieben erhalten. Der princeps zeichnete sich vor den Magistraten durch seine größere auctoritas aus121. Für die Übernahme des Prinzipates122 gab es daher auch keine institutionellen Regeln. Er wurde von dem beansprucht, der sich für den princeps hielt. Der Anspruch wurde durch die Akklamation der Heeresversammlung bestätigt. Weil diese in keiner Weise in ihrer Zusammensetzung bestimmt war, konnte jede militärische Einheit als solche auftreten. Die Akklamation mußte aber von den anderen Einheiten der Armee auch als für sie gültig betrachtet werden. Dies war ein informeller Akt. Ob der Anspruch auch von diesen als gerechtfertigt betrachtet wurde, hing von verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Faktoren ab. Trat ein designierter Nachfolger vor die Wahlversammlung oder sonst ein Kandidat, der die Voraussetzungen erfüllte, um princeps werden zu können, wie etwa eine entsprechende Herkunft oder 121 R. Gest. div. Aug. 34. 122 Die Diskussion und der Stand der Forschung werden im folgenden Abschnitt nur sehr selektiv wiedergegeben werden. Es geht vor allen Dingen darum, die Entwicklung zu zeigen, die zur Mehrkaiserherrschaft führt, wie sie sich zwischen 337 und 476 als politische und institutionelle Ordnung darbietet. In diesem Rahmen spielen sich Kaisererhebungen und Usurpationen ab. Zum spätantiken Kaisertum vgl. den Forschungsüberblick bei Martin 1995, 199–202.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

politische und militärische Leistung, und wurde er von entscheidenden Persönlichkeiten unterstützt, erlangte er ohne Schwierigkeiten auch die Zustimmung der Armee insgesamt. Wenn mehrere Personen zu gleicher Zeit mit dem Anspruch auftraten, princeps zu sein, was sich nur in Situationen mit ungeklärten politischen Machtverhältnissen ereignen konnte, mußte auf politischem Weg oder gewaltsam entschieden werden, wessen Anspruch gelten sollte. Der Unterlegene galt als Usurpator. Bis zur Entscheidung galt der als solcher, der seinen Anspruch vor einer Heeresversammlung später öffentlich machte. Der Makel, sich durch eine Usurpation des Thrones bemächtigt zu haben, konnte aber für den, der sich später hatte erheben lassen, dann aber gesiegt hatte, in einem wenn auch kleinem Teil der Überlieferung durchaus bestehen bleiben, was etwa bei Vespasian zu beobachten ist123. War der Anspruch eines Kandidaten, princeps zu sein, auch in Rom vom Senat anerkannt, so erhielt der von den Soldaten erhobene im frühen Prinzipat eine Reihe von Kompetenzen übertragen, und zwar durch Senatsbeschlüsse, die bald in einer lex de imperio zusammengefaßt wurden. Diese Übertragung erfolgte nur, wenn der Senat den neu erhobenen als princeps betrachtete, d. h. seinen Anspruch aufgrund der informellen Zustimmung der Armee als gerechtfertigt ansah. Das war eine politische Entscheidung des Senates, die die Grundlage für den Senatsbeschluß bildete. Der Senat gab mit diesem formellen Beschluß dem princeps die rechtlichen Instrumente zum Handeln und verlieh damit diesen Handlungen Legitimität124. Er gab aber dem princeps nicht seine eigentliche Macht. Sie beruhte auf dessen Anerkennung als princeps durch die Armee und danach durch die Gruppen, die von seinem Handeln in erster Linie betroffen waren, nämlich die Senatoren und die stadtrömische Bevölkerung, die plebs urbana. Seit dem Ende des 3. Jhd. wurde der Senatsbeschluß unnötig125. Die rechtlichen 123 Vgl. n. 80. 124 Vgl. die nachträgliche Billigung der Akte Vespasians (CIL 6, 930, 30–34 = ILS 244) und dazu Flaig 1992, 555–560. 125 Seit dem Ende des 3. Jhd. war die Übertragung der kaiserlichen Kompetenzen in Form eines Senatsbeschlusses nicht mehr nötig (Aur. Vict. Caes. 37, 5: abhinc militaris potentia convaluit, ac senatui imperium creandique ius principis ereptum ad nostram memoriam; vgl. Straub 1938, 7sq.; Bleckmann 1992, 307–309). Es ist umstritten, wie lange sie dem Kaiser durch eine lex de imperio gegeben wurden, die den comitia vorgelegt wurde. Für die Zeit der Severer kann aber durchaus noch damit gerechnet werden, möglicherweise sogar noch später (vgl. Brunt 1977, 107 sq.; Parsi 1963, 92 sqq.; zu beiden Castritius 1982, 109). Auf jeden Fall muß aber deren Übertragung bis 282 in der Hand des Senates geblieben sein, in welcher rechtlichen Form auch immer. Wenn nämlich Aur. Vict. Caes. 37, 5 davon spricht, daß mit Carus’ Erhebung 282 dem Senat das Recht genommen wurde, den Kaiser zu wählen (creandique ius principis), kann er dabei nur auf die Übertragung der Kompetenzen Bezug nehmen. Von einer eigentlichen Wahl durch den Senat konnte nie die Rede sein (creare ist in seiner präzisen Bedeutung nicht festzulegen. Vgl. Pabst 1997, 38 sq.). Der Zustand nach 282 ist dadurch gekennzeichnet, daß der Kaiser nach seiner Investitur sofort regieren kann und den Senat von seiner Erhebung nur informiert, die dieser selbstverständlich begrüßt. Durch die von Rom weit entfernten Erhebungsorte der Kaiser im 3. Jhd. und deren schnellen Wechsel wird der Einschnitt von 282 sich schon vorher in der Praxis entwickelt haben, dies um so mehr, als die Bedeutung der Übertragung der Kompetenzen für den Herrschaftsbeginn schon immer ein Problem bildete. Zu den Unklarheiten über den Beginn der Herrschaft im frühen Prinzipat, wo die Einsetzung in das Amt zeitlich nicht genau

III.A.1 Herrschaftsform und Herrschaftsübertragung: Allgemeine Überlegungen

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Kompetenzen wurden unmittelbar nach der Investitur des Kaisers126 als ihm zur Verfügung stehend betrachtet. Sie wurden nicht mehr gesondert durch einen Senatsbeschluß übertragen. Er konnte danach sofort als Kaiser mit allen Kompetenzen handeln, wenn sein Anspruch auf den Thron als gerechtfertigt betrachtet wurde und man ihm gehorchte. Nach unserer Überlieferung war Carus (282/283) der erste Augustus, dem die Kompetenzen nicht mehr durch einen gesonderten Senatsbeschluß übertragen wurden. Erklärt wird dieser Wandel vorwiegend mit der zurückgehenden Bedeutung des Senates, dessen Mitglieder nicht mehr die höchsten militärischen Kommandoposten innehatten, und mit der wachsenden Bedeutung der Armee aufgrund der Krise des Reiches im 3. Jhd.127. Rom war aber auch nicht mehr Sitz des Kaisers und das Zentrum der Macht. Dessen Fähigkeit zu handeln mußte sofort gegeben sein. Der Umweg über einen Senatsbeschluß in Rom war dazu zu langwierig und erforderte zuviel Zeit. Möglich wurde diese Entwicklung vor allem dadurch, daß die Kompetenzen des Kaisers schon vom 2. Jhd. an immer mehr als Einheit aufgefaßt wurden, nicht als ein Bündel einzelner Rechte, und mit seiner Stellung als princeps verschmolzen. Er übernahm das Recht des Volkes und des Senates, wie es in den Novellen Justinians heißt128. Es mußte ihm nicht mehr gesondert übertragen werden. Die rechtliche Grundlage für die Herrschaft des Kaisers ist also kein Kompetenzbündel mehr wie im frühen Prinzipat, das durch einen Senatsbeschluß und ein Gesetz übertragen werden muß. Zugleich mit seiner Investitur, dem Anlegen der Insignien, gelangt der Kaiser auch in den Besitz aller rechtlichen Instrumente zum Handeln. Er bedarf keines zusätzlichen Entscheides, mit dem ihm diese verliehen werden. Seine Investitur wird als hinreichende Grundlage zur Wahrnehmung der Herrschaft angesehen. Er kann diese sofort ausüben. Dies wird daran deutlich, daß seine Maßnahmen keiner späteren Bestätigung bedürfen, wie es etwa bei Vespasian noch nötig war, dessen acta zwischen seiner Ausrufung zum Kaiser am 1.7.69 und dem Senatsbeschluß am 21.(22.?) 12.69 zu seinen Gunsten ausdrücklich für legitim erklärt werden mußten129. Der Anspruch, die Herrschaft zu übernehmen, mußte jetzt nur von den entscheidenden politischen und militärischen Kräften akzeptiert werden, was sich in deren Gehorsam ausdrückte. Weitere Verfahren waren nicht mehr nötig. Es entwickelte sich lediglich ein mehr oder weniger einheitliches Erhebungszeremoniell, und zwar in Anlehnung an die Form der hohen Kaiserzeit. Daß das Kompetenzbündel nicht mehr in einem gesonderten Akt verliehen wurde, schloß eine Form der Nachfolgeregelung aus, bei der einzelne Kompetenzen schon vor dem Eintreten des Nachfolgefalles übertragen wurden, um eine reibungsfixierbar ist, weil der Beginn der Ausübung der Herrschaft und die Übertragung der rechtlichen Kompetenzen nicht gleichzeitig erfolgen müssen, vgl. Scheid 1992, 234. 126 Vgl. III.B.1.a Das Erhebungszeremoniell, S. 71–75. 127 Straub 1938, 7/8. 128 Nov. Iust. 62 pr.: postea vero quam ad maiestatem imperatoriam ius populi Romani et senatus felicitate rei publicae translatum est, evenit, ut … Zum Weg zu dieser Formulierung vgl. etwa Gaius lib. 1, 2, 5: …, cum ipse imperator per legem imperium accipiat. Zur Aussage Justinians vgl. etwa Burgarella 1998, 399–402. 129 Vgl. n. 124.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

lose Weitergabe der Herrschaft zu sichern. So erhielt etwa Trajan im Oktober 97 zugleich mit seiner Adoption durch Nerva und seiner Erhebung zum Caesar die tribunicia potestas. Auf diese Weise war seine Nachfolge nicht mehr in Zweifel zu ziehen130. Obwohl dem Kaiser die Kompetenzen mit Carus’ Antritt der Herrschaft 282 nicht mehr durch einen Senatsbeschluß übertragen werden mußten, blieb es dem Senat wie jeder anderen Gruppe auch vorbehalten, seiner Zustimmung zur Wahl des neuen princeps Ausdruck zu geben und Beschlüsse zu dessen Gunsten zu fassen. Weil diese Beschlüsse des hohen politischen und sozialen Ansehens wegen, das der Senat auch im 3. Jhd. und in der Spätantike hatte, für bedeutend gehalten wurden, erscheinen sie in den Quellen oft wie Wahlakte. Es handelt sich aber lediglich um Bestätigungsakte für den neuen princeps131. III.A.2 Die Mehrkaiserherrschaft Die Stellung des princeps kann ihrem Wesen nach nur von einer einzelnen Person ausgeübt werden132. Es kann aber einen Teilhaber an der Prinzipatsstellung geben, um im Todesfall die Rolle des princeps als Nachfolger übernehmen zu können wie etwa Agrippa oder Tiberius. Er ist durch seine Teilhabe an der Prinzipatsstellung jedoch immer nur als Nachfolger designiert, niemals aber zu Lebzeiten schon Mitherrscher. Einen eigentlichen Doppelprinzipat gab es erstmals mit Lucius Verus und Marc Aurel während einiger Jahre 133, wobei aber die deutliche Machtabstufung oft zu wenig unterstrichen wird. Keiner von beiden trägt jedoch den Augustustitel nur nominell. Ein erneuter Versuch mit einem wirklichen Doppelprinzipat wurde 238 unternommen, als Pupienus und Balbinus erhoben wurden. Deren gemeinsame Herrschaft dauerte aber nur rund drei Monate, nämlich von Anfang Mai bis Anfang 130 Kienast 1996, 122. 131 Vgl. III.D.3 Die Anerkennung durch wichtige Gruppen – Der Senat –, S. 160–162. 132 Vom Kompetenzbündel her ist Kollegialität möglich, aber nicht ohne weiteres von der sozialen Stellung des princeps her. Die theoretische Möglichkeit einer kollegialen Herrschaft hat etwa schon Bury 1930, 107/108 gesehen und dabei auf das imperium proconsulare verwiesen, das an mehrere Personen zugleich vergeben werden kann. Er hat zugleich unterstrichen, daß wirkliche Kollegialität erst mit der Tetrarchie beginnt. Ähnlich, wenn auch allgemeiner und stärker unter staatsrechtlichen Aspekten, Mommsen, Röm. St. 32, 1145–1171. 133 Zum Doppelprinzipat vgl. generell Kornemann 1930 und Pabst 1997, 144–152, passim. Zu dem von Lucius Verus und Marc Aurel vgl. Kornemann 1930, 191/192 und passim sowie Pabst 1997, 144–147 und dazu I. König, Rezension zu Pabst 1997, Iura 47, 1996, 265–280, dort 276/277, der im Anschluß an Kornemann gegen Pabst die Abstufung innerhalb der Augusti stärker betont und dazu besonders darauf verweist, daß die Stellung als pontifex maxi­ mus Marc Aurel vorbehalten blieb. Ab 238 (Pupienus und Balbinus) führen die Herrscher beim Doppelprinzipat jeweils auch den pontifex maximus-Titel. Generell hat Kornemann den nominellen Doppelprinzipat nicht vom wirklichen unterschieden und keine Kriterien dafür entwickelt, obwohl die Vorstellung des nominellen Kaisers sich bei ihm findet (Kornemann 1930, 143).

III.A.2 Die Mehrkaiserherrschaft

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August134. Dieser folgten die Doppelprinzipate von Valerianus und Gallienus 253– 260 und von Carus zusammen mit Carinus als Augustus und Numerianus (282/283) sowie von Carinus und Numerianus (283/284)135. Alle diese Doppelprinzipate waren nur vorübergehende Lösungen und bildeten Ausnahmen. Zudem waren nur Pupienus und Balbinus nicht miteinander verwandt. Vom Doppelprinzipat zu unterscheiden sind die Erhebungen zu nominellen Mitaugusti, die lediglich der Nachfolgeregelung dienen und seit dem Ende des 2. Jhd. zu beobachten sind. Sie haben keine gemeinsame Herrschaft zum Ziel. Die Mitaugusti sind nur nominell Inhaber der kaiserlichen Stellung. Typisch dafür ist die Erhebung von Caracalla und Geta durch ihren Vater Septimius Severus zu Mitaugusti. Nach außen hin wird allerdings deren Stellung als nominelle Herrscher bewußt nicht deutlich gemacht. Erst am Ende des 3. Jhd. entsteht mit der Tetrarchie unter der Herrschaft Dio­ kletians (284–305) dauerhaft die Möglichkeit, die Stellung des princeps von mehreren Personen zugleich als wirkliche Herrschaft wahrnehmen zu lassen. Während sich die Tetrarchie in den Kämpfen Konstantins mit seinen Widersachern auflöste, entwickelte sich auf der Grundlage des dynastischen Prinzips eine neue Form der Herrschaft mehrerer Kaiser. Dies hatte zur Folge, daß zwischen 337 und 476 mit Ausnahme der Regierungszeit Iulians und Iovians (361–364)136 das Reich von mehr als einem Kaiser zugleich regiert wurde. Die kaiserliche Herrschaft wird dabei als Einheit betrachtet, auch wenn sie auf mehrere Personen aufgeteilt ist. Die Kaiser erkennen ihre Stellung gegenseitig an. Formaler Ausdruck dafür ist, daß sie immer gemeinsam als deren Repräsentanten auftreten, so z. B. in den Überschriften von Gesetzen. Die Anerkennung durch die Mitherrscher ist in der Mehrkaiserherrschaft die notwendige Ergänzung zur Erhebung zum Kaiser137. Die Inhalte ihrer Politik müssen nicht übereinstimmen. Die Befugnisse der einzelnen Kaiser fallen bei ihrem Ausscheiden an die verbleibenden oder den verbleibenden Herrscher zurück, und ihr Thron kann neu vergeben werden.

134 Zur Chronologie des Jahres 238 vgl. zusammenfassend H. Brandt, Kommentar zur Vita Maximi et Balbini, Bonn 1996, 88–91. 135 Vgl. Kienast 1996, 258–262. Zum Ende der Herrschaft von Carinus und Numerianus vgl. Kuhoff 2001, 17–27. 136 Die zum Teil recht langen Intervalle bei der Neubesetzung des Thrones im westlichen Reichsteil nach dem Tod des Amtsinhabers bleiben dabei außer Betracht. Die dauernde Herrschaft eines Kaisers allein war dabei nicht beabsichtigt (vgl. III.B.3 Die Intervalle zwischen dem Tod eines Kaisers und der Erhebung eines neuen, S. 89–91). Unberücksichtigt bleibt auch die Zeit zwischen Gallus’ Beseitigung im Oktober 354 und dem 6. Nov. 355, als Iulian zum Caesar für die gallische Praefektur erhoben wurde. Constantius II. regierte während dieser Zeit allein, und Ammian überliefert Diskussionen am Hof (Amm. 15, 8, 1–4) über die Notwendigkeit, einen Caesar als Kollegen zu erheben, nachdem das Experiment mit Gallus gescheitert war. 137 Zur Bedeutung der Anerkennung schon Seeck 6, 336, ohne aber Zuwahl durch einen Augustus und Anerkennung durch weitere Mitherrscher als zwei verschiedene Akte zu trennen und sie als Grundelemente der Mehrkaiserherrschaft zu sehen.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

Weil immer mehrere Kaiser zugleich regierten, bedeuteten der natürliche Tod oder die Beseitigung eines von ihnen keine Unterbrechung der Ausübung der kaiserlichen Herrschaft. Diese stand nicht zur Verfügung. Die Quelle der kaiserlichen Herrschaft ist bei diesem Verfahren in der Regel ein Kaiser, und zwar immer ein regierender Augustus, der sie durch die Erhebung von Mitherrschern nicht nur aufteilt, sondern auch weitergibt. Die Wahlversammlung bestätigt dabei seinen Vorschlag138. Ihm nicht zu folgen wäre Ungehorsam und hätte als Hochverrat zu gelten. Die Mehrkaiserherrschaft ist also ein Kooptationsverfahren, wenn man von der formellen Billigung durch die Wahlversammlung absieht. Die so übertragene kaiserliche Stellung kann auch wieder entzogen und zurückgegeben werden, und zwar von dem oder an den, der sie verliehen hat. Die Erhebung weiterer principes wird daher häufig mit denselben Begriffen wie die Einsetzung eines Amtsträgers geschildert und ihre Rolle zum Teil auch so gewertet139. Solche Bemerkungen wollen etwas über den politischen Einfluß aussagen, bezeichnen einen so charakterisierten aber nicht als nominellen Herrscher. Verliehen wird die Stellung des Kaisers durch die Übergabe der Insignien140 bei der Investitur. Mit ihnen empfängt man sie, mit ihnen kann man sie auch wieder ablegen. Wird jemand erhoben, ohne von einem regierenden Augustus vorgeschlagen worden zu sein, und findet er keine Anerkennung durch die Mitherrscher, hat die übernommene kaiserliche Stellung usurpatorischen Charakter. Lediglich wenn sie von niemandem im Reich wahrgenommen wird, steht sie zur Verfügung, und ihre Inanspruchnahme gilt nicht als Usurpation. Man kann in der röm. Kaiserzeit nicht usurpieren, wenn es keinen Kaiser gibt. Man usurpiert gegen eine Person, nicht gegen eine Institution. Der Kandidat, der auf die kaiserliche Stellung erfolgreich Anspruch erheben will, wenn es keinen Kaiser im Reich gibt, muß von einer hinreichend einflußreichen Gruppe ausgewählt und der Wahlversammlung präsentiert werden. Das Ansehen dieser Gruppe sichert seine folgende Anerkennung im Reich. Die Mehrkaiserherrschaft in dieser Form ist offensichtlich eine singuläre Erscheinung in der europäischen Geschichte. Entscheidend für die Entstehung der spätantiken Mehrkaiserherrschaft war die Tetrarchie, die Diokletian schuf. Weil die Konzeption Diokletians scheiterte, wird oft übersehen, daß sie eine dauerhafte Umgestaltung des römischen Kaisertums in der Form der Mehrkaiserherrschaft zur Folge hatte. Die Tetrarchie beinhaltete in ihrer entwickelten Form die Herrschaft von zwei Augusti (Oberkaisern) und zwei Caesares (Unterkaisern)141. Das von Diokletian geschaffene System wurde von sei138 Vgl. III.B.1.b Die Wahlversammlung oder „Das Heer macht den Kaiser“. Macht das Heer den Kaiser?, S. 76–81. 139 Vgl. z. B. Amm. 26, 4, 3: participem (sc. Valens) quidem legitimum potestatis, sed in modum apparitoris morigerum. 140 Vgl. III.B.1.a Das Erhebungszeremoniell, S. 71–75. 141 Zur Tetrarchie vgl. umfassend Kolb 1987. Zur weiteren Diskussion Kuhoff 2001, 107–135. Zur Literatur zum Problem der Schaffung der Tetrarchie vgl. Kuhoff 2001, 108.

III.A.2 Die Mehrkaiserherrschaft

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nen Trägern als gemeinsame Herrschaft gepriesen und wird in der modernen wissenschaftlichen Literatur im Anschluß an Mommsen142 als Sammtherrschaft bezeichnet. In diesem System herrschte eine strenge hierarchische Ordnung. Sie ergab sich daraus, daß alle Mitglieder des regierenden Kollegiums ihre Erhebung zum Herrscher und damit ihre Legitimation letztlich dem amtsältesten Augustus Diokletian verdankten. Auf seinen Vorschlag hin waren sie von den Truppen erhoben und von den Mitherrschern anerkannt worden. Die Tetrarchie machte die Kooptation zum grundlegenden Prinzip der Kaiserernennungen143. Mit dieser verbunden war die automatische Anerkennung durch die Mitherrscher. Erhebungen, die nur nominell sind und daher lediglich eine Designierung für die Nachfolge bedeuten, kennt sie nicht. Sie paßten nicht in das System der Tetrarchie, während derer es infolgedessen auch keine Kinderkaiser gab144. Die Tetrarchie führte zur Entwicklung verschiedener Verwaltungszentren wie Mailand, Trier oder Nicomedia und gab damit der Herrschaft mehrerer Kaiser auch einen institutionellen Rückhalt. Es konnte sich jetzt ein Polyzentrismus entwickeln, der nach mehr als einem Kaiser verlangte. Nach Diokletians Rücktritt 305 zerfiel die Mehrkaiserherrschaft in der Form der Tetrarchie, als die nachfolgenden Kaiser sich die Herrschaft gegenseitig streitig machten und das Reich durch einen Kampf, der nicht enden wollte, erschüttert wurde. Erst Konstantins endgültiger Sieg über Licinius 324 setzte dieser Periode voll innerer Kämpfe ein Ende. Mehrkaiserherrschaft an sich garantiert keinen Frieden und keine stabilen Verhältnisse. Wenn die grundlegenden Prinzipien, Zuwahl und Anerkennung des neu erhobenen durch seine Kollegen, an Wert verlieren und nicht mehr respektiert werden, funktioniert sie nicht mehr. Es findet ein Kampf um die Herrschaft statt. Mit der Zerstörung der Tetrarchie durch Konstantins Streben nach Alleinherrschaft war die Mehrkaiserherrschaft nicht beseitigt, sondern sie wurde erneut die vorherrschende Form nach Konstantins Tod 337. In den Jahren zwischen 324 und 337 gab es zwar immer mehr als einen Herrscher, nämlich den Augustus Konstantin und die von ihm erhobenen Caesares. Sieht man von Crispus ab, der im Kampf gegen Licinius 324 eine wichtige Rolle als Kommandant der Flotte spielte und da142 Th. Mommsen, Röm. St. 32, 1167–1171. 143 Die Darstellung der Tetrarchen in Romuliana zeigt dies ganz deutlich. Die regierenden Kaiser verdanken ihre Herrschaft den zurückgetretenen. Vgl. Srejovič 1994, 145/146; Mayer 2002, 86 Abb. 32, zur Interpretation vgl. S. 85/87. Die Kooptation bleibt auch das grundlegende Prinzip in byzantinischer Zeit (Treitinger 1938, 19). Anstelle einer nachträglichen Anerkennung wurden alle Amtskollegen bei der Weitergabe der Herrschaft genannt, auch die, die nicht anwesend waren. So verkündete Diokletian 305 in Nicomedia bei Maximinus Daias Erhebung zum Caesar auch die des Caesars Severus, obwohl dieser in Mailand von Maximian erhoben wurde (Lact. mort. pers. 19, 4: pronuntiavit Severum et Maximinum Caesares; 26, 9 zu Severus’ Erhebung durch Maximian). 144 Wie Galerius ohne eine Erhebung zum nominellen Kollegen im Amt die Nachfolge seines Sohnes Candidianus (PLRE 1, 178 s. v. Candidianus 1), der 305 neunjährig war, zu sichern suchte, zeigen die Überlegungen, die Lactanz ihm unterschiebt (Lact. mort. pers. 20, 4), nachdem er die Nachfolge Diokletians angetreten hatte. Candidianus schon damals zu erheben war im System der Tetrarchie unmöglich.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

her vielleicht mehr als nur eine nominelle Stellung hatte, ohne daß sich diese genau umschreiben läßt, aber dann im Frühjahr 326 beseitigt wurde, so bleiben noch die vier Caesares Constantinus, Constantius, Constans und Dalmatius. Sie verfügten sicher erst in den letzten Jahren vor Konstantins Tod nicht nur über eigene Höfe145, sondern auch über eigene zentrale Verwaltungen und übten Herrschaft in beschränktem Rahmen aus. Die Mehrkaiserherrschaft, die seit 337 im römischen Reich die vorherrschende Form war, unterschied sich grundlegend von der der Tetrarchie. Die Ausgestaltung dieser Mehrkaiserherrschaft war in keiner Weise geregelt. Sie entwickelte sich nach den jeweiligen politischen Bedürfnissen und Notwendigkeiten. Man orientierte sich dabei an den vorhandenen institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen wie etwa bestehenden comitatus, den Senaten in Rom und Konstantinopel als Mittelpunkte der westlichen und östlichen Führungsschicht und an überkommenen Regeln wie der Hierarchie nach dem dies imperii. Die Mehrkaiserherrschaft konnte in der Theorie jederzeit aufgegeben werden, um zur Herrschaft eines einzigen Kaisers zurückzukehren. Die vorhandenen institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen ließen dies aber ohne grundlegende Änderungen nur für kürzere Zeit und unter besonderen Umständen zu. Der Inhalt der Mehrkaiserherrschaft war lediglich, daß die Stellung des Kaisers von mehreren Personen gleichzeitig wahrgenommen werden konnte, die sich gegenseitig als Herrscher anerkannten und damit legitimierten146. Jeder neu erhobene Kaiser mußte um die Anerkennung durch seine Kollegen nachsuchen. Sie erfolgte nicht automatisch. Wie die Tetrarchie wurde auch die Mehrkaiserherrschaft als gemeinsame Herrschaft verstanden147, nicht als solche jedes einzelnen Kaisers über einen Teil des Reiches. Die Einheit der kaiserlichen Herrschaft und des regierten Territoriums wird etwa daran sichtbar, daß wie in der Tetrarchie jeweils alle Herrscher im Reich zusammen als Kaiser auftreten. Sie stellen ihre Bildnisse zusammen mit denen der anderen auf148 oder prägen Münzen jeweils auch im Namen der Mitherrscher. 145 Crispus’ Rolle als Kommandant der Flotte im Krieg gegen Licinius 324 bedeutet nicht zwingend, daß er als Caesar mehr als nur eine nominelle Stellung hatte (vgl. n. 160). Zu den Höfen und zentralen Verwaltungen der Caesares vgl. n. 172. 146 Vgl. dazu etwa Oros. hist. 7, 36, 1: (Arcadius und Honorius) commune imperium, divisis tan­ tum sedibus, tenere coeperunt. 147 Vgl. die ständige Betonung der concordia oder den Hinweis auf die koinwniva th`~ ajrch`~. Vgl. z. B. Lib. ep. 369, 4–5: ejpeidhv se (sc. Iulianus) basileu;~ (sc. Constantius II.) ejkavlhsen eij~ koinwnivan th`~ ajrch`~ vom Frühjahr 358; Theophan. A. M. 5856 = 1, 54: Oujavlenta, to;n i[dion ajdelfo;n, koinwno;n th`~ aujtou` basileiva~ ajnhgovreusen (sc. Valentinianus). 148 Zur Bedeutung des Kaiserbildes in der Spätantike generell vgl. Kruse 1934, 23–50, Ando 2000, 250–253, zu seiner Bedeutung als Zeichen der Mitherrschaft und der gegenseitigen Anerkennung vgl. Kruse 1934, 23–34; Ando 2000, 250–253. Vgl. C. P. 1, 87 S. 395/396 zu Anthemius’ Anerkennung durch den Mitkaiser in Konstantinopel und der Aufstellung seiner Bilder auch im Osten des Reiches (zur Stelle vgl. Gillett 2003, 223/224). Die Stelle ist der einzige Beleg für das Vorgehen bei der gegenseitigen Anerkennung. Zur praktischen Bedeutung der Übersendung der Bilder vgl. Prosp. Tiro s. a. 452 = Chron. min. 1, 490: Iconica (sc. imago imperatoris) Marciani imperatoris Romam ingressa III kal. Aprilis zu Marcians Anerkennung in Rom am 30.3.452.

III.A.2 Die Mehrkaiserherrschaft

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Ebenso wird der Tod eines Kaisers reichsweit gemeldet und betrauert149. Dadurch wird auch die Einheit des Raumes sichtbar, in dem sie regierten. Trotz der seit 364 vorherrschenden Aufteilung in einen östlichen und westlichen Reichsteil kann man daher nicht von Teilreichen sprechen. Formal wird wie in der Tetrarchie eine strikte hierarchische Ordnung beachtet, die sich nach der Stellung als Augustus oder Caesar und dem dies imperii richtet. Sie hatte aber geringe Bedeutung für die Gestaltung der praktischen Politik. Zusammenarbeiten mußte man nur in sehr wenigen Fragen, so etwa bei der Bestimmung der Jahreskonsuln150. Eine wirkliche Koordination der Politik war nur sehr bedingt möglich und auch nicht nötig. Zu einer solchen war das Kollegium lediglich dann imstande, wenn die hierarchische Ordnung mehr als formal respektiert wurde und eine minimale Bereitschaft zur Zusammenarbeit vorhanden war. In der neuen Form der Mehrkaiserherrschaft spielte die Vorstellung einer regierenden Dynastie eine wichtige Rolle und hatte eine große Bedeutung für die Bestimmung weiterer Herrscher und die Regelung der Nachfolge. Die Zahl der Kaiser war nicht mehr festgelegt und konnte variieren. Dabei überwog ein System mit zwei Augusti, weil sich seit der Mitte des 4. Jhd. zwei ständig vorhandene und vollständige zentrale Verwaltungen herausbildeten. Diese waren jeweils für ein festumrissenes Territorium zuständig. Es gab also eine institutionelle Vorgabe, die Gewicht hatte. Sieht man von den Usurpationen ab, die die Einrichtung weiterer Höfe und zentraler Verwaltungen nötig machten, blieb diese Vorgabe nur bei Con­ stantius’ III. Erhebung 421 zum Mitaugustus unberücksichtigt, ebenso als Leo II. 474 seinen Vater Zenon zum Mitaugustus machte151. Für beide wurden keine eigenen zentralen Verwaltungen eingerichtet. Caesares einzusetzen, die regierten, über eine eigene zentrale Verwaltung verfügten und nicht nur nominelle Kollegen waren, hatte mit Iulians Erhebung zum Caesar 355 ein Ende152. Es gab nicht mehr die festgelegte Ordnung von zwei Augusti und zwei Caesares, die zu einem bestimmten Zeitpunkt die Stelle der Augusti übernahmen, sondern die Zahl der Kaiser war frei. Es mußte keine Caesares geben, Zum Empfang der Kaiserbilder generell vgl. Kruse 1934, 38–45, Lehnen 1997, 307–312; Ando 2000, 250–253 und das Enkomion zur Ankunft des Kaiserbildes Iustinus’ II. in Antinoopolis in Ägypten bei Dioscor. 4, 17 mit dem Kommentar dazu von Fournet 1999, 2, 567–578; zu weiteren Belegen für den feierlichen Empfang der kaiserlichen Bilder vgl. besonders Ando 2000, 251 n. 202. Die Ankunft des kaiserlichen Bildes und die des Kaisers sind von gleicher Bedeutung, denn Kaiser und Bild des Kaisers sind als identisch zu betrachten (Ando 2000, 238/239 mit Belegen). 149 Als Honorius’ Tod 423 in Konstantinopel gemeldet wurde, wurde die Stadt sieben Tage geschlossen (Theophan. A. M. 5915 = 1, 84, 15/16: kai; ejkleivsqh hJ povli~ hJmevra~ z∆). 150 Zur Zusammenarbeit bei der Vergabe des Konsulates vgl. umfassend Lütkenhaus 1998, 165/166. 151 Eigene zentrale Verwaltungen sind weder für Constantius III. noch für Zenon während der gemeinsamen Herrschaft mit Leo II. nachzuweisen, obwohl beide sicher nicht als nominelle Augusti anzusprechen sind. 152 Die vorübergehende aktive Rolle als Caesar, die bei Valentinian III., Anthemius und Iulius Nepos greifbar ist, bleibt dabei außer Betracht. Sie diente nur als Zwischenstation bis zur Erhebung zum Augustus, nachdem sie im Westen des Reiches angekommen waren.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

es gab nicht mehr die vorher festgelegten Regierungszeiten und einen koordinierten Wechsel der Herrscher wie den von 305. Wenn ein Kaiser nicht gestürzt wurde, blieb er wie vor der Tetrarchie solange im Amt, bis er starb. Damit fiel die Weitergabe der Herrschaft nicht mehr auf den gleichen Zeitpunkt. Sie unterlag jetzt unterschiedlichen politischen Konstellationen. Die hierarchische Stellung der Kaiser zueinander verschob sich jetzt nicht mehr koordiniert. Anders als bei der ersten Tetrarchie fehlen bei der Mehrkaiserherrschaft auf dynastischer Grundlage nach 337 Regelungen für die Erhebung weiterer Herrscher. Deren Anerkennung durch die Amtskollegen ist damit nicht gesichert. Weil die Kooptation weiterer Herrscher nicht notwendigerweise abgesprochen und damit koordiniert war wie beim Übergang von der ersten zur zweiten Tetrarchie 305, bedeutete die Erhebung durch einen regierenden Augustus nicht automatisch wie damals die Anerkennung durch die übrigen Mitherrscher. Um sie mußte nachgesucht werden153. Sie hing von der politischen Situation ab. Waren die Beziehungen zwischen den Kollegen gespannt, konnte sie ausbleiben. Ihre Verweigerung konnte als Waffe gegen unliebsame Erhebungen von Mitherrschern und zur Einflußnahme auf die Politik eines Kollegen eingesetzt werden. Während z. B. Gratians Erhebung durch Valentinian I. von Valens ohne weiteres anerkannt wurde154, fand Constantius III., der von Honorius 421 zum Mitherrscher gemacht worden war, keine Anerkennung durch Theodosius II. Beide, Valentinian I. und Honorius, waren ranghöher als ihre Kollegen, die aber unterschiedlich auf die Erhebung eines weiteren Kaisers reagierten. Constantius III. wurde offensichtlich aus dynastischen Überlegungen vom östlichen Reichsteil abgelehnt155. Eine ähnliche Situation läßt sich schon bei Arcadius’ Erhebung am 19.1.383 beobachten. Er wurde von seinem Vater Theodosius I. zum Augustus gemacht, jedoch von Gratian nicht beachtet. Es brach aber über die Anerkennung seiner Erhebung keine offene Krise aus156. Der neu erhobene wurde selbstverständlich in dem Gebiet, dem er zugeordnet war, anerkannt und galt dort als Mitglied des Herrscherkollegiums. Die fehlende Anerkennung wurde für die Untertanen, die über keine besonderen Informationsquellen verfügten, nicht sichtbar und wurde vorgegeben. So galt Constantius III. im westlichen Reichsteil auch als Amtskollege Theodosius’ II.157. 153 Zur Anerkennung durch auctor und Mitherrscher vgl. III.D.2 Die Mitteilung an die Amtskollegen, S. 157/158. 154 Auch Theodosius II. etwa wurde im Westen anerkannt. Er konnte seinem Vater Arcadius 408 nachfolgen und fand weiter Honorius’ Anerkennung (Chron. Pasch. 1, 568 ed. Dindorf = Chron. min. 2, 67). Zu Theodosius’ II. Anerkennung im Westen vor 408, als er im Osten die Herrschaft übernahm, vgl. ILS 798 (= CIL 6, 1196); 799. Zu beiden Inschriften und zur Datierung ausführlich CIL 6, 8, 2, Addenda et corrigenda p. 4334/4335. Zu Prägungen für Theodosius II. im Westen in demselben Zeitraum vgl. Kent 1994, 130/131. 155 Detailliert dazu Lütkenhaus 1998, 166/167. 156 Die Münzprägung Gratians bietet keinen Hinweis, daß dieser Arcadius anerkannte. Er prägte nicht für diesen (vgl. Pearce 1951 [RIC 9], 19–21, 204). Ebenso wurde Arcadius auch nicht in Gratians Gesetzen erwähnt. 157 Zur Bedeutung der Anerkennung und den damit verbundenen Zeremonien vgl. vgl. III.D.2 Die Mitteilung an die Amtskollegen, S. 157/158.

III.A.2 Die Mehrkaiserherrschaft

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Die ausbleibende Anerkennung machte aus dem neu erhobenen keinen Usurpator, denn er war ja von einem regierenden Augustus vorgeschlagen und in dessen Reichsteil erhoben worden. Er wird auch niemals als solcher bezeichnet. Die fehlende Anerkennung durch einzelne Amtskollegen war aber ein partieller Ausschluß aus dem Herrscherkollegium. Sie bedeutete, daß der neu erhobene in einem Teil des Reiches nicht als Kaiser galt. Dies konnte dann von Bedeutung werden, wenn der Augustus, der ihn erhoben hatte, verstarb oder ihm die weitere Unterstützung versagte. Er wäre dann in der gleichen Situation wie ein Usurpator gewesen, und es hätte die Gefahr bestanden, daß ihm seine Untertanen oder seine politischen Gegner unter diesen unter Hinweis auf die fehlende Anerkennung die Loyalität verweigert hätten. Dieser Fall trat allerdings niemals ein. Weil Constantius III. vor Honorius starb und Arcadius Gratian überlebte, läßt sich keine Aussage darüber machen, was geschehen wäre, wenn beide alleine die Herrschaft in ihrem Gebiet übernommen hätten. Man muß vermuten, daß es zu einem zähen Ringen um die Anerkennung und zu Versuchen, ihre Stellung zu untergraben, gekommen wäre. Eine allgemein anerkannte Regelung für die Erhebung weiterer Herrscher, die diese Probleme berücksichtigte, bildete sich nicht heraus. Wenn mehr als ein Augustus im Gesamtreich regierte, blieb es offen, welcher von ihnen weitere Herrscher erheben lassen konnte und wann. In diesem Fall wurde die Erhebung weiterer Kaiser nicht mehr im Hinblick auf das Gesamtreich vorgenommen, sondern nach 364 im Rahmen des sich festigenden östlichen oder westlichen Reichsteiles, auch wenn eine Koordination das Ideal blieb158. Weil innerhalb des Herrscherkollegiums kein Augustus für die Bestimmung weiterer Kaiser einen Vorrang hatte, der allgemein akzeptiert war, erfolgte die Erhebung eines neuen Kollegen unkoordiniert. Dies erschwerte eine zielstrebige dynastische Politik159. Dabei bevorzugte man die Erhebung von nominellen Herrschern. Ihnen wurden alle Ehren eines Kaisers zuteil, sie regierten aber nicht und verfügten nicht über die Instrumente dazu, vor allen Dingen nicht über eine eigene zentrale Verwaltung. Es waren ausschließlich nominelle Herrscher160. Solche gab es im Rahmen der Tetrarchie nicht. Sie sind ein typisches Zur Vortäuschung der Anerkennung Constantius’ III. sei auf ein Beispiel verwiesen: Als Petronius Maximus 421 eine Statue auf dem Trajansforum erhielt (ILS 809), erfolgte deren Aufstellung im Namen von Honorius, Theodosius II. und Constantius III., obwohl der letztere niemals von Theodosius II anerkannt wurde. 158 Pabst 1997, 36 und n. 337. Sie wertet dieses Phänomen als Verselbständigung der Reichsteile. Sie spricht von Teilreichen. Zur Konzeption der Koordination vgl. Them. or. 9, 12, 128A von 369, anders Pabst 1997, 36, 251 n. 337. 159 Vgl. III.E.1 Das dynastische Prinzip, S. 165–182. 160 Nominell bedeutet, daß sie Anteil an den Ehren eines Kaisers haben, aber selbst keine Herrschaft ausüben oder solche in ihrem Namen ausgeübt wird (zu anderen Begriffen dafür vgl. etwa Pabst 1997, 35: inaktiv; Pabst 1989, 222, 231/232: Titularaugusti; Palanque 1944, 59/60 empereur „fictif“, von Valentinian II. gesagt). Dies ist in der Spätantike besonders am Fehlen einer eigenen zentralen Verwaltung erkennbar. Versagt dieses Kriterium wie im Fall von Constantius III., für den keine eigene zentrale Verwaltung nachzuweisen ist, oder in dem von Zenon während der Zeit seiner gemeinsamen Herrschaft mit Leo II., müssen andere herangezogen werden wie die eigene Verantwortlichkeit für den Erlaß von Gesetzen (vgl. für Con­ stantius III. Nov. Val. 35, 11, wo auf Cod. Theod. 3, 16, 2 Bezug genommen wird.). Sie deutet auf den eigenen Zugriff auf die zentrale Verwaltung hin und auf die Möglichkeit, eigene Ent-

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

Element der Mehrkaiserherrschaft nach 337 und bleiben es über deren Ende 476 hinaus. Der erste nach 337 war Gratian161. Im Unterschied zu nominellen Herrschern im Prinzipat, die erst zu Beginn des 3. Jhd. auftauchen, sind sie formal einfacher bestimmbar. Mitaugusti, die nicht nur nominelle Herrscher waren, wurden innerhalb des westlichen und östlichen Reichsteiles nur zwei Mal erhoben, nämlich 421 mit Constantius III. und 474 mit Zenon162. Man mied dieses Vorgehen offensichtlich, weil sich dabei das Problem der Abgrenzung der Herrschaftsbereiche stellte und eine Konkurrenzsituation entstand. Jeder regierende Augustus konnte für seinen Herrschaftsbereich durch die Erhebung von nominellen Mitkaisern seine Nachfolge regeln und die Entstehung einer Vakanz verhindern. Sie hätte nämlich den Weg freigemacht für die Erhebung eines Kaisers durch einen anderen amtierenden Augustus, der möglicherweise andere politische und dynastische Vorstellungen hatte. So ließ nach 337 erstmals Valentinian I. seinen gerade achtjährigen Sohn Gratian 367 zum Augustus erheben, nicht als Mitregenten, sondern lediglich als nominellen Herrscher, um seine Nachfolge zu regeln. Dieses Vorgehen blieb dann das vorherrschende und führte zum scheidungen zu treffen. Zu denken ist auch an eigene personalpolitische Entscheidungen, wie sie für Constantius III. faßbar sind (vgl. Lütkenhaus 1998, 161, 163/164). Die selbständige Erledigung größerer Aufgaben wie z. B. die Führung eines Feldzuges (zu den Beispielen unter Konstantin vgl. Seeck 4, 3–6) ist nicht unbedingt Zeichen dafür, daß ein Herrscher mehr als nur nominellen Status hat. Man kann nicht davon ausgehen, daß er ein eigenes Entscheidungszentrum repräsentiert. Kinderkaiser sind dagegen keine nominellen Kaiser, auch wenn alle Entscheidungen von anderen getroffen werden. Ihnen steht eine zentrale Verwaltung zur Verfügung. Sie verkörpern ein eigenes Entscheidungszentrum. In ihrem Namen wird regiert. In den Quellen werden nominelle Herrscher nicht deutlich von solchen unterschieden, die Herrschaft ausübten. Man unterscheidet in historischer Perspektive nach dem tatsächlichen Einfluß eines Kaisers, nicht nach formalen Kriterien. Nominelle Erhebungen ließen sich von den Zeitgenossen, die nicht der politischen Elite angehörten, nur schwer erkennen, weil die offiziellen Ehrenbezeugungen (z. B. Inschriften, Münzen, Statuen) sich nicht von denen eines Kaisers, der regiert, unterscheiden lassen. Nominelle Herrscher trugen dieselben Titel und hatten die damit verbundenen Ehrenrechte. Die Kaiser, die nominelle Herrscher als Mitregenten erheben ließen, suchten zudem aus politischen Gründen oft, eine klare Unterscheidung zu erschweren. Vor der Tetrarchie sind eindeutige formale Kriterien zur Bestimmung eines nominellen Herrschers noch schwerer zu finden. Caracalla und Geta etwa sind ursprünglich nur nominelle Herrscher, handeln aber dann bei einzelnen Aktionen selbständig. So führte Caracalla 210 den zweiten Feldzug in Britannien selbständig (vgl. E. Birley, Septimius Severus. The African Emperor, London 21988, 186). Ob damit schon ein von Septimius Severus unabhängiges Entscheidungszentrum geschaffen war, ist nicht festzustellen. Ursprünglich als nominelle Herrscher wurden zwischen 337 und 476 die folgenden Augusti erhoben, die später die Regierung übernahmen: Gratian, Valentinian II., Arcadius, Honorius, Theodosius II. und Leo II. 161 Vgl. n. 667. 162 Zu denken ist auch an Iustinianus, der am 1.4.527 in Konstantinopel von Iustinus I. zum Mitaugustus erhoben wurde und sicher kein nomineller Herrscher war. Weil Iustinus’ I. Tod voraussehbar war, stellte sich das Problem der Abgrenzung der Herrschaftsbereiche höchstens vorübergehend.

III.A.2 Die Mehrkaiserherrschaft

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Phänomen der Kinderkaiser, und zwar dann, wenn der so bestimmte Nachfolger zu früh wirklich die Herrschaft antreten mußte. Die Erhebung eines nominellen Kollegen oder auch eines regierenden zur Regelung der Nachfolge konnte aber durchaus unterbleiben. Dies war besonders dann der Fall, wenn keine direkten männlichen Nachkommen vorhanden waren. So sicherten Iulian, Theodosius II., Marcian und Anastasius ihre Nachfolge nicht. Honorius, der keinen Sohn hatte, erhob nach Constantius’ III. Tod keinen neuen Kollegen. Sogar Anthemius, der männliche Nachkommen hatte, machte keinen von ihnen zum Kollegen im Amt163. Kein Augustus erhob einen nominellen Mitherrscher für die Nachfolge im Gebiet eines regierenden Kollegen. Die Übernahme der Herrschaft durch einen nominellen Kaiser in einem anderen als dem Machtbereich, für den er erhoben worden war, wäre natürlich nach der Vorstellung von der Mehrkaiserherrschaft möglich gewesen. Die Gelegenheit dafür ergab sich aber nur nach Valens Tod 378. Damals wurde jedoch Valentinian II., der als nomineller Augustus im Westen zur Verfügung stand, nicht im östlichen Reichsteil regierender Kaiser, sondern übergangen. An seiner Stelle gelangte Theodosius auf den Thron in Konstantinopel. Herrschte im Reich nur noch ein Augustus, so lag die Bestimmung eines Kollegen in seiner Hand. Das Kaisertum stand ja nicht zur Verfügung. Dennoch wurde dieser Anspruch in der Mehrzahl der Fälle von der politisch führenden Schicht nach der Herausbildung zweier Reichsteile nicht mehr ohne weiteres akzeptiert, was eine ständige Quelle der Instabilität bei der Erneuerung des Kollegiums war. Der nicht von einem regierenden Augustus Erhobene galt als Usurpator, wenn er keine Anerkennung durch jenen fand, was die Regel war. Unbestritten war allerdings, daß ein Augustus, der allein im Reich verblieb, als solcher über seinen eigenen Herrschaftsbereich hinaus anzuerkennen war und administrativ auch im Reichsteil des verstorbenen Kollegen tätig werden konnte. Dies zeigen unter anderem die Ernennungen einzelner Würdenträger164. Die Bestimmung eines Kollegen wurde aber offensichtlich erwartet, ohne daß eine bestimmte Frist dafür festgesetzt war. Die Situation, daß nur noch ein Augustus im gesamten Reich herrschte, drohte nach 364, als die Teilung des Reiches festere Formen angenommen hatte, erstmals 367 im Westen, als Valentinian I. schwer erkrankte. Dessen Umgebung wollte nicht Valens’ Entscheid abwarten, falls Valentinian I. stürbe, und einigte sich insgeheim auf einen Nachfolger. Als Valens 378 in der Schlacht von Adrianopel umkam, entschied der westliche Reichsteil, in dem Gratian als Augustus regierte, über einen Nachfolger für Valens im Osten. Theodosius wurde 379 erhoben. 392 beim Tod Valentinians II. war im Westen kein Kaiser vorhanden. Im Osten gab es zwar neben Theodosius I. dessen Sohn Arcadius als nominellen Augustus, er wurde aber als Nachfolger seines Vaters im Ostteil des Reiches betrachtet. Der Westen entschied sich 392 nach dreimonatigem Abwarten dafür, Eugenius zu erhe163 Anthemius’ Söhne waren Anthemiolus, Marcianus 17, Procopius Anthemius, Romulus 3 (PLRE 2, 96). Von diesen sind nur die beiden ersten in Italien nachweisbar (Henning 1999, 44 n. 91). 164 Vgl. n. 1500.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

ben und nicht länger darauf zu warten, daß Theodosius einen Kandidaten benannte. Es hätte dessen Sohn Honorius sein müssen, was Theodosius zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht als opportun ansah. Diese Situation, daß kein Nachfolger benannt war, wiederholte sich 423 bei Honorius’ Ableben, 455 beim Tod Valentinians III. und in den folgenden Jahren bei den sich häufenden Thronvakanzen im Westen. Bei Libius Severus’ Ableben 465 klappte die Regelung der Nachfolge durch Leo I. Er schickte Anthemius als Nachfolger. Als Theodosius II. am 28.7.450 starb, konsultierte der östliche Reichsteil Valentinian III. nicht, sondern schritt zur Erhebung eines eigenen Kandidaten. Marcian wurde am 25.8.450 Kaiser. Der Vorschlag eines Kandidaten bei einer Vakanz in einem anderen Reichsteil, der über eine eigene zentrale Verwaltung verfügte, durch den verbleibenden Augustus bildet ein zentrales Problem der Mehrkaiserherrschaft. Die langen Intervalle, die mit Ausnahme von 455 im Westen jeweils eintraten, ehe es zur Erhebung eines eigenen Kandidaten kam165, zeigen aber deutlich, daß ein Vorschlag, den der verbleibende Augustus im Osten vornehmen sollte, durchaus erwartet wurde und daß dessen Anspruch nicht grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Es waren die unterschiedliche Interessenlage in den verschiedenen Reichsteilen und das Vorhandensein zweier Bezugspunkte in Form von zwei comitatus und zwei Senaten für die reichsumspannende politische Elite, die eine einvernehmliche Lösung so schwierig machten. Das dynastische Prinzip schuf für die Erhebung und Eingliederung neuer Herrscher in das Kollegium zusätzliche Schwierigkeiten. Da gab es Mitglieder einer Dynastie, die nicht auf den Thron gelangten, und Mitkaiser, die nicht zur regierenden Dynastie gehörten. Das erste Problem zeigte sich etwa 337 beim Übergang der Herrschaft von Konstantin auf seine Söhne. Die Halbgeschwister Konstantins und deren Nachkommen, von denen einer, nämlich Dalmatius, schon zum Caesar erhoben war, sollten nicht zur Herrschaft gelangen. Sie wurden beseitigt166. Die Frage der Mitglieder einer Dynastie, die nicht zum Kaisertum gelangten, stellte sich auch beim Übergang der Herrschaft von einer Dynastie auf eine andere, und zwar erstmals 364, als Valentinian Kaiser wurde. Damals blieb Procopius als entfernter Verwandter Iulians unberücksichtigt, ja er wurde sogar bewußt ausgeschlossen. Er usurpierte schließlich 365. Anthemius, der Schwiegersohn Marcians, wurde nicht dessen Nachfolger im östlichen Reichsteil, sondern von Leo I. als Herrscher in den Westen geschickt. Auch Anastasius’ Neffen wurden nicht für die Thronfolge in Betracht gezogen. Mitglieder der herrschenden oder einer vorausgegangenen Dynastie waren als potentielle Kandidaten für den Thron immer persönlich gefährdet. Ihr individuelles Schicksal war aber unterschiedlich. Es hing davon ab, ob sie schon im Vorfeld eines Machtwechsels als mögliche Kandidaten aufgebaut worden waren und die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten wie Procopius oder ob sie von vornherein nicht zur Nachfolge vorgesehen waren wie Anastasius’ Neffen Hypatius 6, Pompeius 2 und Probus 8, die außer dem Konsulat keine weitere besondere Auszeich165 Vgl. Kapitel III.B.3 Die Intervalle zwischen dem Tod eines Kaisers und der Erhebung eines neuen, S. 89–91. 166 Vgl. Szidat 1996, 211/212 mit der älteren Literatur; Demandt 2007, 103–105.

III.A.2 Die Mehrkaiserherrschaft

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nung erfahren hatten. Anastasius hatte keinen von ihnen zum nominellen Caesar oder Augustus gemacht. Alle drei setzten nach dessen Tod 518 ihre Karrieren fort. Hypatius wurde dann während des Nika-Aufstandes im Januar 532 vom Volk zum Augustus gegen Iustinian erhoben und riß bei seinem Sturz Pompeius und Probus mit. Es kam aber niemals mehr zu einer so radikalen Bereinigung der Situation wie 337, als man nach Konstantins Tod die Angehörigen der Nebenlinien mit Ausnahme von Gallus und Iulian einfach beseitigte. Die Frage, wer von den Familienmitgliedern zur Herrschaft gelangen sollte oder wie bei verschiedenen Zweigen einer Familie oder entfernten Verwandten vorzugehen sei, wurde nie grundsätzlich gelöst. Lediglich der zuerst geborene männliche Nachkomme wurde niemals hintangesetzt, wenn man die Nachfolge regelte. Sonst ging man von Fall zu Fall unterschiedlich vor, und oft entschied der Zufall. So starb Valentinianus Galates167, Valens’ Sohn, der schon kurz vor Vollendung seines dritten Lebensjahres 369 consul wurde, vor seiner vorgesehenen Erhebung zum nominellen Mitaugustus168, und von den Kaisern nach Arcadius’ und Honorius’ Tod bis Tiberius (578–582) hatte mit Ausnahme des westlichen Augustus Anthemius und des Usurpators Petronius Maximus niemand einen direkten männlichen Nachkommen. Personen auf den Thron zu bringen, die nicht zur Dynastie gehörten, stellte dagegen das dynastische Prinzip und damit die weitere unangefochtene Herrschaft der regierenden Dynastie in Frage. Man vermied es nach Möglichkeit. Die Aufnahme eines Mitherrschers aus einer anderen Familie als der herrschenden brachte nämlich das Problem mit sich, auf welche Weise dessen Nachkommen am Kaisertum zu beteiligen waren, und konnte zu einer Verdrängung der regierenden Dynastie führen. So wurde Valentinian II. nach Gratians Tod 383 von Theodosius sehr bald an den Rand gedrängt. Ein Mitglied einer anderen Familie an der Herrschaft zu beteiligen blieb daher auch die Ausnahme. Außer Theodosius I. im 4. Jhd. wurden im 5. Jhd. noch Constantius III. und Zenon auf diesem Weg Kaiser. Constantius III. war allerdings durch seine Heirat mit Galla Placidia schon vorher in Verbindung mit der theodosianischen Dynastie getreten, ebenso war Zenon mit Ariadne, der älteren Tochter Leos I., verheiratet. Um die Aufnahme von Herrschern aus einer anderen Familie zu vermeiden, kam es zur Erhebung unmündiger Kinder zu Kaisern wie etwa Gratians169, des Sohnes Valentinians I. Das dynastische Prinzip bildete verbunden mit der Anerkennung durch die Mitherrscher zugleich die Grundlage dafür, in der Mehrkaiserherrschaft über den eigenen Herrschaftsbereich hinaus auf die Erhebung weiterer Herrscher Einfluß zu nehmen. Trotz der Probleme bei der Regelung der Nachfolge und der Erhebung neuer Mitherrscher war die Mehrkaiserherrschaft auf dynastischer Grundlage viel stabiler 167 PLRE 1, 381 s. v. Galates. Valentinianus Galates wurde am 18.1.366 geboren. 168 Them. or. 9, 12, 127C/D. Die Rede wurde 369 aus Anlaß des Antrittes des Konsulates gehalten. Vgl. Pabst 1986, 85/86. 169 Zu weiteren Beispielen vgl. S. 171.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

und hielt sich als herrschende Form des Kaisertums viel länger als die Tetrarchie, nämlich fast 140 Jahre170. Die Mehrkaiserherrschaft, die sich nach 337 entwickelte, war keine zwingende Notwendigkeit oder festes Konzept, wie die Zeiten zeigen, während derer nur ein Kaiser an der Macht war wie etwa Iulian von 361–363 und Iovian 363/364 oder wenn die Alleinherrschaft angestrebt wurde wie von Procopius 365. Sie bot aber große Vorteile, weshalb man auf sie immer wieder zurückgriff. Ihr entscheidender Vorteil war das Vorhandensein mehrerer Herrscher, das ein Machtvakuum verhinderte und Usurpationen im Gesamtreich praktisch unmöglich machte. Dazu kam die notwendige Anerkennung durch die Kollegen im Amt. Auch sie bildete einen wirksamen Schutz gegen Usurpatoren. Diese hatten große Mühe, sich vor ihren Untertanen zu legitimieren. Die Mehrkaiserherrschaft berücksichtigte zudem die verschiedenen Schwerpunkte im Reich. Als es die Machtverhältnisse im Westreich gegen Ende des 5. Jhd. Ostrom nicht mehr erlaubten, dort einen Kaiser seiner Wahl durchzusetzen, verzichtete es auf die Weiterführung der Mehrkaiserherrschaft, achtete aber argwöhnisch darauf, den Anspruch, einen Kaiser oder einen sonstigen Herrscher erheben oder wenigstens durch nachträgliche Anerkennung legitimieren zu können, als diplomatische Waffe weiter aufrecht zu erhalten und durchzusetzen. Die Mehrkaiserherrschaft war daher eine gelebte Wirklichkeit, die Bestand hatte und auf die immer wieder zurückgegriffen wurde. Insofern ist sie mit vielen politischen Regelungen zu vergleichen, die nirgends einen schriftlichen oder gar institutionellen Niederschlag gefunden haben, aber an die man sich trotzdem so lange hält, bis sie von der Zeit überholt sind. So bekleideten etwa in der Sowjetunion und anderen kommunistischen Diktaturen die Parteichefs mit ganz wenigen Ausnahmen nicht zugleich das Amt des Minister- oder Staatspräsidenten. So schien es nach außen, als ob die Herrschaft durch eine kollektive Führung wahrgenommen würde, während die Entscheidungen doch überwiegend vom Parteichef abhingen. III.A.3 Die institutionellen Strukturen der Mehrkaiserherrschaft . und ihre Auswirkungen auf die Politik Mit der Mehrkaiserherrschaft waren gewisse institutionelle Strukturen verbunden, und sie lag im Interesse der Gruppen, die die hohen Ämter beim comitatus und in der Verwaltung innehatten. Beides waren wesentliche Voraussetzungen ihrer Dauerhaftigkeit und ihrer Ausgestaltung. Zudem war die Mehrkaiserherrschaft im Bewußtsein der wichtigen Gruppen verankert. Deshalb konnte sie auch nicht einfach abgeschafft werden. Sie bedeutete aber nicht, daß Politik und Verwaltung der verschie-

170 Während die gesamte Epoche von 284–476 schon immer als besondere Epoche verstanden wurde (vgl. z. B. Bury 1930, 108), ist die Zeit von 337–476 trotz ihrer ganz anderen institutionellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen nicht so gesehen worden.

III.A.3 Die institutionellen Strukturen der Mehrkaiserherrschaft und ihre Auswirkungen

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denen Herrschaftsbereiche einträchtig oder wenigstens koordiniert erfolgen mußten171. Im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft entwickelte sich im Unterschied zur ersten Tetrarchie eine eindeutige Aufteilung der Herrschaftsgebiete. Dabei sind am Anfang die Verwaltungskompetenzen der einzelnen Herrscher nicht klar umschrieben und gegeneinander abgegrenzt. Gebietsaufteilung bedeutete 337 wahrscheinlich noch nicht Verwaltungsaufteilung. Eingriffe, sich konkurrenzierende Maßnahmen und Anmaßung von Kompetenzen im Gebiet der Amtskollegen sind noch möglich. Eine eindeutigere Aufteilung der Verwaltungskompetenzen entwickelt sich erst in der zweiten Hälfte des 4. Jhd. Die ranghöheren, aber auch die amtsälteren oder mächtigeren Kaiser suchten Einfluß auf die Gebiete der anderen zu nehmen wie z. B. Constantinus II. im Herrschaftsbereich seiner Brüder172, aber offensichtlich ohne größeren Erfolg. Theodosius I. regelte vieles im Gebiet Valentinians II. nach der Niederwerfung des Usurpators Magnus Maximus, obwohl er in der Hierarchie unter ihm stand, denn er war später zum Kaiser erhoben worden. Deutlich faßbar und vom Rangunterschied gegeben war Constantius’ II. Einflußnahme im Gebiet seiner Caesares Gallus und Iulian. Sie standen rangmäßig unter ihm und waren durch ihn in ihr Amt gekommen. Er setzte ihre Kompetenzen fest. Nur ihm stand es zu, diese zu erweitern. Er war für die Besetzung der entscheidenden Ämter zuständig173. Die im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft getroffene Aufteilung von Herrschaft und Herrschaftsgebieten war durchaus nicht immer stabil und unbestritten, auch wenn sich keine Nachfolgeprobleme stellten. Dies zeigte sich besonders gleich nach 337 bei der Auseinandersetzung zwischen Constans und Constantinus II.174, in deren Folge dieser im Frühjahr 340 umkam und die seit 337 geltende Aufteilung der Territorien beseitigt wurde. Dieser gewaltsame Sturz eines gleichrangigen Mitherrschers bildete nach 337 eine Ausnahme. Er stellte die gegenseitige Anerkennung in Frage und damit ein ganz wesentliches Element der Mehrkaiserherrschaft. Auch später war das Verhältnis zwischen den Partnern häufig sehr gespannt, wobei territoriale Probleme neben der Frage, wessen Politik bestimmend sein sollte, eine wichtige Rolle spielten. Die Situation von 340 wiederholte sich aber nicht mehr. Selbst etwa während des zeitweise sehr gespannten Verhältnisses zwischen Westrom und Konstantinopel zwischen 395 und 408 ging es nicht um die Beseitigung der Mehrkaiserherrschaft, sondern um Einfluß auf dem Balkan, um die Auseinandersetzung mit Alarich und die Ausschaltung unliebsamer Persönlichkeiten 171 Vgl. schon De Martino 5, 239–241. Zum Phänomen der getrennten Gesetzgebung etwa vgl. Pabst 1986, 144–150. 172 Vgl. Szidat 2003, 203. Vgl. n. 174. 173 Zu den Kompetenzen, die Iulian von Constantius II. zugestanden bekam, und den weiteren Regelungen vgl. Szidat 1977, 76–80. Zu Gallus vgl. etwa Coşkun 2004, 307–309. 174 Zu dieser Auseinandersetzung vgl. Szidat 2003, 203–207; Bleckmann 2003. Zu Constantinus II. vgl. Moreau 1959, 160/161.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

am jeweils anderen Hof175. Auch während der langen Intervalle, während derer der Thron im Westen im 5. Jhd. nicht besetzt war, war die Mehrkaiserherrschaft niemals in Gefahr176. Die institutionellen und gesellschaftlichen Vorgaben erlaubten es vor 476 nicht, auf sie zu verzichten. Solange die Mehrkaiserherrschaft bestand, wurden Kontrolle und Beeinflussung des anderen Kaisers versucht, aber nicht Alleinherrschaft gesucht. Die Mehrkaiserherrschaft war kein starr reglementiertes Herrschaftssystem177, sondern wurde je nach politischer Situation gehandhabt. Die Aufteilung des Reichsgebietes in zwei große Herrschaftsbereiche, die in den Jahren nach Konstantins Tod 337 und nach der Auseinandersetzung von 340 zwischen Constans und Constantinus II. begonnen hatte, sich herauszubilden, blieb im wesentlichen bestehen178. Sie hatte ihre Grundlage in historisch bedingten Unterschieden zwischen dem Ost- und dem Westteil des Reiches. Sie wurde aber auch durch den historischen Zufall verfestigt, so etwa durch die Tatsache, daß Theodosius I. zwei Söhne hatte179 und Valentinian II. wegen seines Todes 392 nicht mehr berücksichtigt werden mußte. So gab es zwei Kandidaten für die Herrschaft im Reich. Die Territorien, die zu einem Reichsteil gehörten und in seinem Rahmen verwaltet wurden, blieben nach 340 weitgehend stabil. Nur auf dem Balkan gab es immer wieder Differenzen zwischen den Reichsteilen und Verschiebungen der Grenzen. Über die Aufteilung in einen östlichen und einen westlichen Reichsteil hinaus und damit zu mehr als zu zwei Herrschaftsgebieten schritt man nur in besonderen Situationen wie beim Auftreten von Usurpatoren oder bei der Einsetzung von Unterkaisern für besondere Gebiete. So wurde Iulian 355 Caesar für die gallische

175 Zur Loyalität Stilichos gegenüber dem Zweig des Herrscherhauses, der in Konstantinopel regierte, vgl. schon Stein 1959, 247 (dt. 377) u. passim. Auch als Arcadius starb, ging es Honorius und Stilicho darum, das Kaisertum für Theodosius II. zu erhalten (vgl. Soz. 9, 4, 5/6; Zos. 5, 31, 5/6 u. Paschoud 1986, 227; zur Wertung der Vorgänge insgesamt vgl. Stein 1959, 253). Selbstverständlich schließt eine solche Haltung nicht den Versuch aus, Einfluß in Konstantinopel zu gewinnen. 176 Nagy 1990/1991, besonders 86–89 vertritt die generelle These, daß der oströmische Kaiser mehrfach die alleinige Herrschaft suchte und deshalb mit der Ernennung eines Kaisers im Westen abwartete. Eigentliche Belege dafür gibt es aber nicht. Die Intervalle und die ihnen folgenden Erhebungen im Westen zeigen dagegen deutlich, daß der Westen einen eigenen Kaiser wollte, für den er die Anerkennung durch Konstantinopel suchte. Man benötigte einen eigenen comitatus, um die soziale Stellung aufrechterhalten zu können, indem man die dafür notwendigen Ämter dort bekleiden konnte. Auch der oströmische Kaiser zeigte immer wieder seine Bereitschaft, das Kaisertum im Westen zu besetzen und zu stabilisieren. Selbstverständlich versuchte er dabei, seinen Einfluß zu verstärken. 177 Vgl. etwa Henning 1999, 198/199. 178 Zur Terminologie dafür vgl. Pabst 1986, 172–175; Pabst 1997, 33, 230 n. 304. 179 Ambr. epist. extra coll. 11[51], 17 erwähnt noch einen Gratianus, der als Theodosius’ und Gallas Sohn zu betrachten ist, aber nicht lange genug lebte (388/389–394), um für die Nachfolge in Frage zu kommen. Vgl. auch Ambr. obit. Theod. 40. Vgl. Biermann 1995, 186; S. Rebenich, Gratian, a Son of Theodosius, and the Birth of Galla Placidia, Historia 34, 1985, 373–385; Idem, Gratianus redivivus, Historia 38, 1989, 376–379.

III.A.3 Die institutionellen Strukturen der Mehrkaiserherrschaft und ihre Auswirkungen

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Prae­fektur. Die zwei großen Herrschaftsbereiche bildeten also keine absolut zwingende Vorgabe. Die Mehrkaiserherrschaft erfuhr durch die Entwicklung eines eigenen ständigen comitatus verbunden mit je einer zentralen Verwaltung in den verschiedenen Reichsteilen eine entscheidende Stärkung und bekam eine institutionelle Grundlage180. Dabei wurde an die Ausbildung ständiger comitatus schon unter der Tetrarchie und danach angeknüpft. Die Periode der Alleinherrschaft Konstantins (324– 337) bedeutete nur eine kurze Unterbrechung. Schon vor dessen Tod verfügten seine Söhne über ihren eigenen comitatus, mit denen wenigstens ansatzweise auch eigene zentrale Verwaltungen verbunden waren181. Die Entwicklung mehrerer selbständiger comitatus wurde bis 364 allerdings immer wieder unterbrochen, indem man zu Zusammenlegungen oder Neubildungen schritt. Nach Constantinus’ II. Sturz 340 wurden die Mitglieder seines comitatus, von wenigen Ausnahmen vielleicht abgesehen, offenbar in den seines Bruders Constans integriert182. Constans’ comitatus wurde zwar von Magnentius übernommen, aber dann brach die Entwicklung eines eigenen comitatus im westlichen Reichsteil bis zu Iulians Erhebung zum Caesar 355 erst einmal ab. Dessen comitatus und der seines Bruders Gallus, der zwischen 351 und 354 amtete, wurden aus Personen gebildet, die Constantius’ II. Vertrauen hatten. Als Iulian und Iovian zwischen 361 und 364 alleine herrschten, reduzierte sich die zentrale Verwaltung auf einen comitatus. Die Würdenträger aus aufgehobenen comitatus konnten durchaus ihre Karrieren fortsetzen. So wurde Germanianus, der schon in Iulians comitatus gedient hatte,

180 Zum Problem der eigenen Verwaltungszentralen unter der Tetrarchie vgl. Corcoran 1996, 268–270. Kontinuität ist in der Zusammensetzung der comitatus nicht festzustellen. Die Bildung eigener comitatus geht der strikten Aufteilung der Gebiete deutlich voraus und ist ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung verschiedener Machtzentren. Dies ist in der wissenschaftlichen Diskussion weitgehend unbeachtet geblieben. 181 Vgl. etwa Aug. epist. 88, 4 zu eigenständigen comitatus von Konstantin und Licinius. Zu den comitatus der Söhne Konstantins vor dessen Tod vgl. Eus. VC 4, 51, 3. Unerwähnt bleiben an dieser Stelle selbstverständlich der Caesar Dalmatius und sein comitatus. Wir wissen aber etwa, daß er über einen PPO verfügte, der zusammen mit Dalmatius 337 beseitigt wurde. Nach der opinio communis war es Valerius Maximus (vgl. PLRE 1, 590/591 s. v. Valerius Maximus 49; Barnes 1982, 135; vgl. auch Szidat 2003, 203), nach Coşkun 2004, 289, 327 Timonianus. Zum comitatus Constantinus’ II. vgl. Moreau 1959, 161. Zu Constans’ comitatus und der wichtigen Rolle einzelner Mitglieder vgl. den tribunus Amphilochius. Er war höchstwahrscheinlich tribunus et notarius, verfügte über großen Einfluß bei Constans und schürte die Zwietracht zwischen Constans und Constantinus II. sowie später auch die zwischen Constans und Constantius II. Zu Amphilochius vgl. Amm. 21, 6, 2/3 und PLRE 1, 57 s. v. Amphilochius 1 sowie besonders Szidat 1996, 51–53. 182 Barnes 1993, 51 nimmt eine Entfernung der Anhänger Constantinus’ II. aus dem Dienst oder gar deren Beseitigung an. Er schließt dies im Anschluß an PLRE 1, 51 s. v. Ambrosius 1 aus Ambrosius’ Schicksal. Ambrosius, der Vater des späteren Bischofs von Mailand, war unter Constantinus II. PPO Galliens und soll beseitigt worden sein. Außer ihm ist kein Würdenträger Constantinus’ II. aus dessen näherer Umgebung oder von dessen zentraler Verwaltung im Jahre 340 bekannt.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

unter Valentinian I. PPO Galliens183. Mamertinus, dessen Aufstieg ebenfalls unter Iulian noch vor dem Tod Constantius’ II. als CSL begonnen hatte, wurde 361 PPO für Italien, Africa und Illyrien184. Er blieb es bis 365. Saturninius Secundus Salutius, der schon unter Constans an dessen comitatus gedient hatte, wurde unter Iulian PPO für den Orient und setzte seine Karriere bis 367 fort185. Iovius, der später unter Iulian noch während des Zuges gegen Constantius II. 361 in Kaiseraugst QSP wurde, spielte schon unter Constans und dann unter Magnentius am comitatus eine wichtige Rolle. Für seine damalige Stellung wird man an eine in der zentralen Verwaltung zu denken haben, etwa als magister memoriae186. Seine Position unter Constans ist unbekannt. Welche Regelungen auf der Ebene der officia bei den Neubildungen und Zusammenlegungen getroffen wurden, bleibt uns verborgen. Ständig vorhanden waren zwei kaiserliche Zentralen, nachdem das Heer und die Verwaltung 364187 zu Beginn der Herrschaft Valentinians I. und Valens’ geteilt worden waren. Es kam danach zu keinen Zusammenlegungen mehr, sondern nur noch zu kurzen Unterbrüchen, während derer ein comitatus nicht funktionsfähig war, so z. B. nach der Schlacht von Adrianopel 378, als der östliche comitatus sich erst einmal zerstreute, oder nach Petronius Maximus’ Sturz 455 und dem Einfall der Vandalen in Rom, als der comitatus sich nicht versammeln konnte, und zwar für mindestens zwei Monate188. Nach dem Sturz von Usurpatoren, die die Zentrale eines ganzen Reichsteiles in ihre Gewalt gebracht hatten, konnte es zu einem weitgehenden Wechsel der Inhaber der höchsten Ämter kommen. Die Zentrale an sich bestand weiter189. Zwei zentrale Verwaltungen bleiben über das Ende des weströmischen Kaisertums hinaus bestehen, und zwar bis zum Ende der Gotenherrschaft. Die vorübergehend vorhandenen drei zentralen Verwaltungen kann man vernachlässigen. Diese gab es recht lange während der Zeit, als der Usurpator Magnus Maximus nur in der gallischen Praefektur herrschte (383–387) und seine Residenz Trier war. Valentinian II. verfügte damals über eine eigene in Mailand und Theodosius I. über eine in Konstantinopel. Für kürzere Zeit konnte dieser Zustand auch bei längeren Feldzügen eintreten wie beim Quadenzug Valentinians I. 375, als ein Teil der wichtigen Amtsträger in Trier blieb. Die, die mit Valentinian I gezogen waren,

183 Amm. 26, 5, 5; Szidat 1996, 74. 184 PLRE 1, 540. 185 PLRE 1, 814–817 s. v. Saturninius Secundus Salutius 3; Diesner 1983, 53–64. 186 Vgl. Amm. 20, 8, 1: Iovio quaesturam commisit (sc. Iulian), cuius in actibus Magnenti memi­ nimus. Iovius wird bei Ammian noch 21, 8, 3 u. 22, 8, 49 erwähnt. Zu Iovius vgl. PLRE 1, 464 s. v. Iovius 2; de Bonfils 1981, 203–210; Harries 1988, 171 u. passim; Szidat 1996, 76/77. 187 Amm. 26, 5, 4: diviso palatio. Vgl. Lenski 2002, 26/27; den Boeft 2008, 104–106. 188 Vgl. Amm. 31, 16, 2. Vgl. 31, 12, 10.15, 2; zur Situation in Italien nach Petronius Maximus’ Tod am 31.5.455 vgl. Stein 1959, 367 (dt. 543). Zur Flucht des comitatus vgl. Ioh. Ant. fr. 201, 6 = Exc. de ins. 85 S. 128, 7–9 = Prisc. fr.[30, 1] Blockley. Avitus wurde am 9. oder 10. Juli 455 in Beaucaire bei Arles erhoben. 189 Zu den comitatus der Usurpatoren vgl. IV.F.7 Der Aufbau einer eigenen Verwaltung und Führungsgruppe, S. 299–310.

III.A.3 Die institutionellen Strukturen der Mehrkaiserherrschaft und ihre Auswirkungen

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konstituierten sich nach dem Tod des Kaisers vorübergehend als eine eigene Gruppe um Valentinian II. in Aquincum190. Eine besondere Situation ist bei den nominellen Herrschern anzunehmen, die nicht erhoben worden waren, um zu regieren, sondern um sie als Nachfolger zu designieren. Hier ist z. B. an Gratian zu denken, als Valentinian I. noch lebte, oder an Valentinian II., als Gratian noch an der Macht war, ebenso an Arcadius zwischen 383–395. Mitglieder dieser Verwaltungen sind nicht faßbar, und es ist daher in der Forschung umstritten, ob es sie überhaupt gab, was kein Zufall ist191. Es gab sicher Würdenträger, die für die Hofhaltung und die Repräsentation zuständig waren192. Eigene Amtsträger für die zentrale Verwaltung eines Gebietes waren nicht vorhanden, weil nominelle Kaiser über keines verfügten. Sie sind erst belegbar, wenn die Herrschaft wirklich übernommen wurde oder in einer Übergangsphase dazu, wie es sich bei Arcadius gut zeigen läßt. Der in der Regel mindestens zweifach vorhandene comitatus, der eine zentrale Verwaltung miteinschloß, war eine wesentliche institutionelle Stütze der Mehrkaiserherrschaft. In dieser Zentrale konnte die Führungsschicht des jeweiligen Reichsteiles, die in den Senaten von Rom und Konstantinopel ihr Zentrum hatte, die erstrebte dignitas erreichen. Für den Erhalt zweier comitatus und damit der Mehrkaiserherrschaft war das Interesse derer bedeutsam, die die Ämter am Hof und in der zentralen Verwaltung besetzten. Die Mehrkaiserherrschaft garantierte eine größere Zahl von Posten, besonders in der zivilen Verwaltung. Mit der Entwicklung unterschiedlicher Strukturen in der führenden Schicht im Osten und Westen des Reiches war die Erhaltung eines eigenen comitatus von noch größerer Bedeutung. Die Rekrutierung erfolgte im Osten und Westen aus Kreisen, die nicht völlig identisch waren. Im östlichen 190 Vgl. III.C.3.a Die Kaisererhebungen im 4. Jhd. – Valentinians II. Erhebung, S. 108–112. Matthews 1975, 64/65. spricht vom Hof in Trier und dem an der Donau. 191 So nahm die ältere Forschung mehrheitlich an, daß Valentinian II. ein eigenes Herrschaftsgebiet hatte (vgl. Zos. 4, 19, 2; Kornemann 1930, 143; anders schon Palanque 1944, 59/60, der sich gegen ein eigenes Territorium ausspricht) und unter der Leitung seiner Mutter regierte. Schon Paschoud 1979, 370 n. 140 hat sich dann kritisch zu der Zosimusstelle geäußert, und Errington 1996, 441/442 hat in Auseinandersetzung mit den älteren Auffassungen sehr deutlich gemacht, daß Valentinian II. nach seiner Erhebung zusammen mit seiner Mutter und seinen Schwestern am Hof in Trier nur residierte. Er hat auch Paul. Med. vita Ambr. 11 als Beleg für eine eigene Regierungstätigkeit widerlegen können. Zu Valentinian II. als ausschließlich nominellem Herrscher vgl. auch Pabst 1986, 99. Lib. ep. 18, 3 (388 n. Chr.) spricht davon, daß Calliopius 3 der gemeinsame magister epistu­ larum der Augusti Arcadius und Theodosius war, was nur bedeuten kann, daß Arcadius über keine eigene Verwaltungszentrale verfügte. Er erhielt sie teilweise erst nach dem Aufbruch seines Vaters im Mai 394 gegen Eugenius. So verfügte er dann über einen eigenen QSP, während der vorherige mit Theodosius zog (Honoré 1998, 79 sq.; vgl. schon Stein 1959, 207 zur eigenen Gesetzgebung von Arcadius, noch ohne den Nachweis eines eigenen QSP). Alle seine Maßnahmen wurden aber von Theodosius durch den PPO Rufinus kontrolliert, so daß erst im Fall von Theodosius’ Tod Arcadius dem freien Spiel der politischen Kräfte am comitatus ausgesetzt gewesen wäre (Zos. 4, 57, 4; vgl. Paschoud 1979, 466). 192 Noethlichs 1991, 1125 spricht von Innenbereich. Die Ausstattung dieser Höfe ist vergleichbar mit dem Personal, das den Augustae für ihre Hofhaltung zur Verfügung stand (vgl. n. 551).

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

Reichsteil garantierte die zentrale Verwaltung mehr Stellen für die Aufsteiger. Im Westen bewahrte sie die Chancen für die Mitglieder der senatorischen Aristokratie, ihren sozialen Status aufrecht zu erhalten und politischen Einfluß am Hof auszuüben. Ohne diese Möglichkeit war der Senat in Rom trotz seines Prestiges in Gefahr, zu einem städtischen Gremium abzusinken. So lag die Erhaltung wenigstens zweier Höfe und zentraler Verwaltungen durchaus im Interesse der jeweils führenden Schicht. Nicht zufällig blieb ein eigener comitatus auch nach 476 bestehen, als es keinen Kaiser mehr im Westen gab, sondern einen Vertreter des Kaisers, nämlich Odoaker und dann Theoderich193. Damit war den Interessen der Aristokratie Genüge getan. Die Situation für die führenden Kreise änderte sich nach 476 aber grundlegend. Indem Odoaker de facto die Stellung des weströmischen Kaisers und des ersten Heermeisters zugleich einnahm und sich unter Theoderich und den Ostgoten daran nichts änderte, außer daß dessen Stellung besser legitimiert war, war im Westen die militärische Führung nicht mehr in die römische politische Elite integriert und die Besetzung des Kaisertums bzw. die Erhebung eines Usurpators deren Einfluß völlig entzogen. Erst mit der Wiedereroberung Italiens durch Iustinian verschwand der zweite comitatus gänzlich und damit die institutionelle Grundlage für einen eigenen westlichen Reichsteil. Er war auch nicht mehr nötig, denn eine funktionierende und einflußreiche Senatorenschicht gab es im Westen nicht mehr, die die hohen zivilen Ämter benötigte, um ihren sozialen Status aufrechtzuerhalten. So ist es auch kein Zufall, daß nach der Niederwerfung der Gotenherrschaft in Italien die eigene zentrale Verwaltung aufgehoben werden konnte. Die Mehrkaiserherrschaft war im Bewußtsein der Zeitgenossen194 verwurzelt. Dafür lassen sich zahlreiche Belege finden. So drängten etwa die Soldaten unmittelbar nach Valentinians I. Erhebung 364 auf die sofortige Benennung eines weiteren Kaisers, um die Kontinuität der Herrschaft zu sichern und zu verhindern, daß eine reichsweite Vakanz entstehen konnte195. Aufgrund der Mehrkaiserherrschaft und der institutionellen Organisation, die damit verbunden war, schlossen sich die Reichsteile zwar stärker gegeneinander ab, aber nie gänzlich. Das Reich wurde weiterhin als politische Einheit betrachtet, das auch als solche verwaltet werden konnte und in dem man frei zirkulieren konnte. So konnte etwa im Verlauf einer Karriere von einem comitatus zum anderen gewechselt werden196. Das galt auch noch für die Zeit der Gotenherrschaft. Ein 193 Vgl. Henning 1999, 319 zusammenfassend zur Situation unter Odoaker und Theoderich. Wichtig ist noch der Hinweis bei Chrysos 1981, 459, daß auch unter der Ostgotenherrschaft der Kaiser die Konsuln im Westen ernennt, d. h. er bestätigt den von Theoderich vorgeschlagenen Kandidaten. 194 Zur Mehrkaiserherrschaft im Bewußtsein der Zeitgenossen vgl. Pabst 1986, 33–36, 128 u. passim. 195 Amm. 26, 2, 3–5. Vgl. Lenski 2002, 23. 196 Pabst 1986, 111 beachtet dieses Element zu wenig. Sie betont zu sehr, daß jeder Reichsteil nur auf seinen comitatus schaute. Eine spezielle Untersuchung zu diesem Problem gibt es offen-

III.A.3 Die institutionellen Strukturen der Mehrkaiserherrschaft und ihre Auswirkungen

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Beispiel bietet Liberius197, der im Westen seine Laufbahn begann und im Osten fortsetzte. Verwaltungsmaßnahmen, darunter auch Personalentscheide, konnten für das Gesamtreich getroffen werden, auch wenn zwei Augusti im Amt waren. Man vgl. z. B. die Karriere des römischen Senators Anicius Acilius Glabrio Faustus, der ofsichtlich nicht. Zu beachten ist auch, daß solche Karrieren nicht gleichmäßig über die Zeit der Mehrkaiserherrschaft verteilt sind, sondern stark an gewisse Perioden und politische Konstellationen gebunden sind. Als Möglichkeit gab es sie aber immer. Vgl. z. B. Aristophanes aus Korinth (PLRE 1, 106/107 s. v. Aristophanes; Wiemer 1995, 127–134). Er war Sohn eines einflußreichen Mannes aus Korinth, der von Constans’ magister officiorum Eugenius in Korinth bedrängt wurde und sich deshalb gegen Ende der Regierungszeit des Kaisers Constans entschloß, unter Constantius II. im Osten eine Karriere zu machen, während seine Familie in Korinth blieb. Dazu gibt es einzelne Amtsträger im Westen, die einen Teil ihrer Karriere im Osten machten, so z. B. Placidus (PLRE 1, 705/706 s. v. Placidus 2), der 340/341 comes Ori­ entis war und 342/343 praefectus praetorio Italiens, oder Rufinus (PLRE 1, 782/783 s. v. Rufinus 25), der 342 comes Orientis war und 344/347 praefectus praetorio Italiens. Umgekehrt kam wiederum Anatolius, der von 357–360 praefectus praetorio Illyrici war, aus dem Osten. Er setzte seine Karriere im Westen fort. Ob dieser Anatolius von einem Namensvetter, der um 343/346 praefectus praetorio Illyrici gewesen sein soll, zu unterscheiden ist, ist umstritten. Coşkun 2004, 316–318 lehnt dies in Auseinandersetzung mit der bisherigen Forschung ab, in der Barnes 1992, 258 mit umfassender Darlegung den entgegengesetzten Standpunkt vertreten hat. PLRE 1, 59/60 s. v. Anatolius 3 unterscheidet nicht zwischen zwei Personen und erwähnt auch die erste Praefektur gar nicht. Ämter in beiden Reichsteilen bekleideten der praefectus urbis Romae Limenius (PLRE 1, 510 s. v. Limenius 2) und wahrscheinlich auch der praefectus urbis Romae Hermogenes (PLRE 1, 423 s. v. Hermogenes 2; vgl. Chastagnol 1960, 416 sq.; 1962, 130; Callu 1992, 57). Am Ende des 4. Jhd. sei auf Palladius 17 verwiesen, der als consularis Venetiae et Histriae 379/380 amtete, und dann an Theodosius’ comitatus als CSL 381 und als mag. off. 382/384 wirkte (Pellizzari 1998, 181/182, anders PLRE 1, in der der consularis Venetiae et Histriae gesondert als Palladius 19 aufgeführt wird), oder auf Neoterius (PLRE 1, 623 s. v. Flavius Neoterius) oder Romulus (PLRE 1, 771/772 s. v. Flavius Pisidius Romulus 5). Man denke auch an Nicomachus Flavianus 14, der 382/383 proconsul Asiae war, und an den mag. mil. Richomeres, der comes domesticorum unter Gratian war, enge Beziehungen zur senatorischen Aristokratie in Rom hatte und als Theodosius’ Feldherr vor der militärischen Auseinandersetzung mit Eugenius starb (PLRE 1, 765/766 s. v. Flavius Richomeres). Auch Varanes (vgl. PLRE 2, 1149/1150 s. v. Varanes 1) machte in beiden Reichsteilen Karriere. Er kam aus dem Osten und wurde 408 nach dem Tod Stilichos mag. ped. im Westen und ist 409 als MVM wieder in Konstantinopel. Seine vorübergehender Einsatz im Westen zeigt die Zusammenarbeit beider Reichsteile und geht möglicherweise auf Olympius zurück (Lütkenhaus 1998, 29; vgl. auch PLRE 2, 801). Man vgl. auch Anthemius’ Karriere und die seiner Kinder in beiden Reichsteilen, ebenso die von Messius Phoebus Severus, der aus Rom stammte, lange in Alexandria lebte und mit Anthemius nach Rom kam, um dort Karriere zu machen (cos. 470, PVR zwischen Anfang 471 und 11.7.472). Nach dessen Sturz kehrte er nach Alexandria zurück und betätigte sich nicht mehr politisch (vgl. PLRE 2, 1005/1006 s. v. Severus 19; Henning 1995, 145–158; Henning 1999, 88 n. 96; Orlandi 2004, 509 n. 156, unter anderem zu seinem Platz im Kolosseum). Generell zu den senatorischen Familien, die im Westen und Osten des Reiches Besitz und Wohnsitz haben, vgl. T. S. Brown, Gentlemen and Officiers. Imperial Administration and Aristocratic Power in Byzantine Italy A. D. 554–800, Rom 1984, 28/29. 197 PLRE 2, 677–681 s. v. Liberius 3.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

fensichtlich ein Parteigänger der theodosianischen Familie war198. Er begleitete Valentinian III. im Oktober 437 zur Hochzeit nach Konstantinopel und wurde von beiden Kaisern zum PPO Italiae, Illyrici et Africae ernannt. Bald darauf erhielt er Kopien des Codex Theodosianus, die er am 25.12.438 dem Senat in Rom zur Publikation zur Kenntnis brachte. Der Heermeister Aspar, der im Osten diente, wurde 434 westlicher Konsul199. Der spätere MVM Merobaudes erhielt 437 den PatriciusTitel von Theodosius II. verliehen, und zwar wahrscheinlich auch anläßlich eines Aufenthaltes in Konstantinopel200. Formal wurden Personalentscheide wahrscheinlich für wichtige Ämter ohnehin als gemeinsame Beschlüsse dargestellt. Für die Einsetzung des PVR läßt sich dies in einem Fall deutlich greifen. Symmachus dankt Valentinian II. und Theodosius für seine Ernennung zum PVR, obwohl diese faktisch durch Valentinian II. erfolgt war, was auch das an ihn gerichtete Schreiben erkennen läßt. Vergleichbare schriftliche Belege fehlen mit Ausnahme der leeren Formeln in den Variae Cassiodors201. Einen Hinweis auf dieses gemeinsame Vorgehen bietet auch die Darstellung zweier Kaiser auf den Codicilli der hohen Amtsträger202. Ebenso wurde auch auf die Zusammensetzung des comitatus Einfluß genommen, wenn der eines schwächeren Kollegen gebildet werden mußte. So wurden die Würdenträger Valentinians II., nachdem Magnus Maximus besiegt worden war, offensichtlich von Theodosius eingesetzt oder von diesem übernommen, was sehr bald zu Loyalitätsproblemen führte. Der Heermeister Arbogast, der durch Theodosius in sein Amt gekommen war, war nicht bereit, Valentinian II., seinem neuen Herrn, zu gehorchen203. Ebenfalls war die Wahrnehmung von Regierungsaufgaben im gesamten Reichsgebiet, wenn vorübergehend nur ein Herrscher im Amt war, durch diesen selbstverständlich und wurde von comitatus, der ohne Kaiser war, akzeptiert. Die Ernennung Rikimers zum magister utriusque militiae et patricius und damit zum ersten Heermeister sowie Maiorians zum magister militum204 durch den oströmischen Kaiser nach Avitus’ Sturz und vor Maiorians Erhebung ist ein deutlicher Hinweis darauf. Es war eine sehr folgenreiche Entscheidung. Eine wirkliche Alternative zur Mehrkaiserherrschaft gab es nach ihrer immer stärkeren Verankerung seit der Mitte des 4. Jhd. nicht mehr. Durch sie war die Ein198 PLRE 2, 452–454 s. v. Anicius Acilius Glabrio Faustus 8. 199 PLRE 2, 166; Bagnall 1987, 403. 200 Merob. pros. frg. 2A 2–5: ad honoris maximi nomen ille nascenti soli proximus imperator (sc. Theodosius II.) und dazu PLRE 2, 758 (anders Barnes ebendort, der bei honoris maximi no­ men an ein Ehrenkonsulat denkt, das aber nach Bagnall 1987, 9/10 erst von Zenon eingeführt worden ist.) 201 Vera 1981, 3/4. 202 Symm. rel. 1 (Dank an Valentinian II.); Symm. rel. 2 (Dank an Theodosius). R. Delbrueck, Die Consulardiptychen und verwandte Denkmäler, Berlin/Leipzig 1929, 5 möchte in den Darstellungen auf den Codicilli eher Personifikationen als Kaiserbildnisse sehen. 203 Vgl. n. 798. Vera 1981, XXXIII nimmt für Neoterius an, daß er 390 PPO für Gallien wurde, um Valentinian II. zu kontrollieren. Er folgte auf Constantianus (PLRE 1, 222 s. v. Constantianus 2), der ebenfalls von Theodosius eingesetzt worden war. 204 Vgl. S. 351.

III.A.4 Die Niederlegung der Herrschaft

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heit des Reiches gewahrt, und zugleich wurde den unterschiedlichen Interessen der führenden Schicht im Osten und Westen des Reiches und den kulturellen Unterschieden Genüge getan. Erst als im westlichen Reichsteil sich nach den Gotenkriegen die führende Schicht grundlegend verändert hatte und sich auch das Territorium entscheidend verkleinert hatte, entfiel die Notwendigkeit, beim System zweier Reichsteile mit je eigener zentraler Verwaltung zu bleiben. III.A.4 Die Niederlegung der Herrschaft Die Möglichkeit, die Herrschaft niederzulegen, wie es in der Tetrarchie vorgesehen war und stattfand, blieb auch während der Zeit der Mehrkaiserherrschaft bestehen. Kaiserliche Herrschaft kann dabei nicht an sich niedergelegt werden, sondern immer nur weitergereicht und auf diese Weise niedergelegt werden. Eine Abdankung ohne Weitergabe der Herrschaft war auch in der Spätantike mit der Ausbildung des tetrarchischen Systems nicht möglich. Sie konnte immer nur vor einer Wahlversammlung an einen Amtskollegen oder Nachfolger übergeben werden205. Es galt nämlich weiterhin die Regel des Prinzipates, daß die kaiserliche Herrschaft nicht zurückgegeben werden kann, auch nicht an die Wahlversammlung und schon gar nicht an den Senat206. Die Rückgabe der Herrschaft hätte nur dann eine besondere Form annehmen müssen, wenn lediglich ein Herrscher im Amt gewesen wäre. Er hätte erst einen neuen Kaiser erheben lassen müssen, um ihm dann den Purpur und damit das Kaisertum zu übergeben. Ein solcher Fall ist im 4. u. 5. Jhd. nicht überliefert. Die Herrscher, die ihr Amt niederlegten, hatten immer einen Kollegen. Als Gedankenspiel findet sich aber diese Situation bei Euagrius’ Schilderung der Ereignisse von 512, als Anastasius’ Herrschaft in Gefahr war207. Die Rückgabe der Herrschaft ist parallel zu ihrer Übergabe bei der Investitur gestaltet. Der auctor und sein Kollege, der die Herrschaft niederlegen will, besteigen das Tribunal. Der auctor wendet sich mit einer Rede an die Versammelten. 205 Szenen, die Abdankungsversuche scheinen oder als solche geschildert werden, aber keine Weitergabe der Herrschaft beinhalten, sind anders zu interpretieren. Als Honorius 408 während der Unruhen in Ticinum ohne seine Insignien erscheint (Zos. 5, 32, 5), will er nicht abdanken, sondern lediglich zeigen, daß er vorübergehend auf die Wahrnehmung seiner Befugnisse verzichtet, d. h. hier besonders auf die Bestrafung der Unruhestifter. Daß Anastasius 512 anläßlich religiöser Unruhen vor dem Volk im Hippodrom ohne Insignien erschien, wird in der Forschung als Angebot einer Abdankung interpretiert (vgl. Euagr. HE 3, 44 und dazu Dovere 1995, 552–555; Jones 1973, 234). Es handelt es sich aber lediglich um eine Geste, die einen vorübergehenden Verzicht auf die Ausübung der Herrschaft darstellt und das Volk beruhigen sollte wie im Fall von Honorius. Euagrius’ Text macht nämlich deutlich, daß sofort eine Person gefunden werden müßte, an die die Herrschaft weitergegeben werden könnte, damit es zu einer Abdankung kommen könnte. Zur Ablegung der Insignien durch Constans auf seiner Flucht vor Magnentius vgl. n. 1345. 206 Zum Problem der Abdankung in der römischen Kaiserzeit vgl. Flaig 1992, 561–568; König 1984. 207 Vgl. n. 205.

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III. Der Kaiser, A. Herrschaftsform, Herrschaftsübertragung und Herrschaftssicherung

Dann wird ihm der Purpur zurückgegeben, oder er nimmt ihn selber ab. Die Weitergabe der kaiserlichen Herrschaft verbunden mit ihrer Niederlegung zeigt sehr deutlich der Wechsel von der ersten zur zweiten Tetrarchie im Jahre 305 in Nicomedia und Mailand. Der amtsälteste Augustus Diokletian und sein Kollege, der Caesar Galerius, besteigen bei Nicomedia das Tribunal. Der erstere hält eine Rede, dann nimmt er seinen Purpur ab und legt ihn Maximinus Daia, dem neuen Caesar, um und zieht sich nach Split zurück208. Derselbe Vorgang muß sich in Mailand abgespielt haben, wo Maximian seine Herrschaft an Constantius Chlorus weitergab und Severus zum Caesar erhob209. Nicht hinreichend überliefert ist der erneute Verzicht auf die Stellung als Kaiser durch Maximian im Jahre 308210. Es wird zu Recht angenommen, daß er in Carnuntum vollzogen wurde211. Er mußte vor einer Heeresversammlung geschehen und im Beisein eines Kollegen, an den der Purpur zurückgegeben werden konnte. Dabei hat man an einen Augustus zu denken. Der Kaiser, der auf seine Stellung verzichtet hatte, konnte offiziell als senior Augustus bezeichnet werden. Er war ein privatus oder veteranus rex. Sichtbares Zeichen dafür ist, daß er nicht mehr das paludamentum trägt, sondern eine Toga212. Weil die Mehrkaiserherrschaft nach 337 einen Rücktritt nicht mehr vorsah, wurde zwischen 337 und 476 von der Möglichkeit, die Herrschaft niederzulegen, indem man sie zurückgab, nur unter besonderen Umständen und mit einer bestimmten Absicht Gebrauch gemacht, nämlich um einen Rücktritt zu erzwingen. Dafür sind uns zwei Fälle hinreichend faßbar213. Ein recht ausführlich überliefertes Beispiel eines solchen Vorganges ist die Niederlegung des Purpurs durch Vetranio am 25.12.350 in Naissus. Die Szene ist leider nicht in einer Beschreibung historiographischen Charakters überliefert, und der Ablauf der Ereignisse nicht ganz eindeutig

208 Lact. mort. pers. 19 und dazu Creed 1984, 99–101; Rougé 1992; Oros. hist. 7, 25, 14. Zu weiteren Belegen vgl. W. Ensslin, RE VIIA, 2 (1948), 2490 s. v. Valerius (Diocletianus) 142. Zum Problem der Abdankung vgl. Kolb 1987, 144/145, der ihre Unmöglichkeit vor der Tetrarchie zu wenig betont. Dies hat König 1984 getan. Lactanz’ Schilderung bietet eine verkürzte Darstellung der Ereignisse. Galerius’ Erhebung zum Augustus etwa wird garnicht erwähnt. Sie war unumstritten und mußte nicht geschildert werden. 209 Zu Severus’ Investitur durch Maximian vgl. Lact. mort. pers. 18, 12: et eum (sc. Severus) misi (sc. Galerius) ad Maximianum, ut ab eo induatur (sc. purpura). 210 Lact. mort. pers. 29, 3: deponit regiam vestem. 211 Anders Moreau 1954, 368/369, der vermutet, daß sie in Gallien vollzogen wurde. Konstantins umstrittene Stellung eignete sich für die Durchführung eines solchen Aktes nicht. 212 ILS 646: seniores Augg. (Diokletian und Maximian); Paneg. 6, 12, 2: privatus; Lact. mort. pers. 19, 6: veteranus rex. Zur Toga vgl. Srejović 1994, 145. 213 Ein Rücktritt ist deutlich von einer Absetzung zu unterscheiden, auch wenn die Quellen es nicht immer tun. Zu jener vgl. S. 322/323. Um eine Abdankung oder Niederlegung der Herrschaft von einer Absetzung zu unterscheiden, reichen oft die Quellen nicht aus. So läßt z. B. Oros. hist. 7, 29, 10 (deponere iussus imperium) nicht erkennen, ob es sich um eine Niederlegung der Herrschaft oder eine Absetzung handelte, als Vetranio sich ins Privatleben zurückzog. Dies wird erst durch die Parallelüberlieferung deutlich.

III.A.4 Die Niederlegung der Herrschaft

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zu erkennen214. Vetranio und Constantius II. besteigen gemeinsam das Tribunal. Der letztere hält eine Ansprache an die Truppen, nach der diese lediglich ihn durch Zurufe als Kaiser bestätigen. Daraufhin legt Vetranio die Herrschaft nieder. Er gibt sie an Constantius II. zurück, indem er ihm die Insignien überreicht. Constantius II. hatte sie ihm nämlich übersandt, sie ihm so gültig verliehen und ihn anerkannt215. Er war so zu Vetranios auctor geworden, nachdem vorher die Augusta Constantina diesen zum Kaiser hatte erheben lassen. Ein gescheiterter Versuch, einen Rücktritt zu erzwingen, ist für 308 überliefert. Maximian versuchte im Frühling dieses Jahres in Rom216, seinen Sohn Maxentius zum Rücktritt zu zwingen. Er berief eine Versammlung der Soldaten und des Volkes ein, um über die schlechte Situation des Staates zu sprechen, und nahm während dieser Versammlung seinem Sohn, der mit ihm auf dem Tribunal stand, den Purpur weg. Dieser sprang in die Menge, die Maximians Vorgehen mißbilligte. Es kam zu einem Tumult, und Maximian mußte Rom verlassen. Er war nicht nur unbeliebt bei den Truppen, sondern seinem Sohn auch untergeordnet, weil er diesem seine Stellung verdankte217. Er hatte also nach den Vorstellungen der Zeit gar nicht das Recht, seinem Sohn die Herrschaft zu entziehen. In beiden Fällen griff man auf die Form der Rückgabe der Herrschaft vor der Heeresversammlung zurück, weil eine Absetzung des Kontrahenten unter dem Vorwurf des Hochverrates, wie sie bei Usurpatoren angewendet wurde218, nicht durchsetzbar war oder vermieden werden sollte. Unklar bleibt in beiden Fällen die Ausgangssituation. Wie kam es zum gemeinsamen Auftritt beider Herrscher auf dem Tribunal vor der Heeresversammlung, obwohl das Verhältnis zwischen ihnen gespannt oder sogar sehr gespannt war219? 214 Aur. Vict. Caes. 42, 1–5; Euagr. HE 3, 41: kai; wJ~ touvtwn ajkouvsante~ oiJ stratiw`tai to;n Betranivwna th`~ ejsqh`to~ gumnwvsante~ kathvgagon tou` bhvmato~ ijdiwthvn. Euagrius schildert den Vorgang verkürzend und interpretierend. Die Soldaten nahmen ihm den Purpur weg, obwohl er ihn sicher selbst zurückgab; Iul. or. 1, 30a–1, 32, besonders 1, 31b–1, 32; 3, 76b–77d, besonders 3, 77c; Chron. Pasch. 1, 539 ed. Dindorf = Chron. min. 1, 237; Oros. hist. 7, 29, 10; Soc. 2, 17/18, der die Ereignisse fälschlicherweise nach Sirmium verlegt; Zos. 2, 44 und dazu Paschoud 2000, 270. 215 Constantius II. übersandte ihm ein Diadem (diavdhma) und erkannte ihn damit als Mitherrscher an (Philost. 3, 22). 216 Nach dem 20. April. Vgl. Creed 1984, 108; Moreau 2, 1955, 364. 217 Vgl. Lact. mort. pers. 28, 1: et maior filii potestas, qui etiam patri reddiderat imperium. Hauptquelle der Vorgänge ist Lact. mort. pers. 28, 3 u. 4. Die Versammlung ist auch durch Eutr. 10, 3, 1 bezeugt und die Abnahme des Purpurs durch Paneg. 9, 3, 4. Die übrigen Quellen sagen nichts über den Hergang im einzelnen (Zos. 2, 11; Zon. 12, 33). Vgl. auch Paschoud 2000, 210. 218 Vgl. S. 322/323. 219 Vergleichbar ist auch Licinius’ Rücktritt 324, dessen Umstände aber noch viel weniger eindeutig faßbar sind. Es handelt sich jedoch formal nicht um eine Absetzung. Der in Nicomedia belagerte Licinius ergibt sich Konstantin und übergibt ihm den Purpur (Zos. 2, 28, 1: th;n aJ­ lourgivda prosagagw;n …. Vgl. auch Ps. Aur. Vict. epit. 41, 7: Licinius’ Frau übergibt den Purpur; Zon. 13, 1, 22/23: Licinius, der seine Stellung bewahren wollte, übergibt nach Verhandlungen den Purpur. Zu einer ausführlichen Diskussion der Parallelüberlieferung vgl. Paschoud 2000, 233/234. Von einer Heeresversammlung wird nichts berichtet.). Noch weniger

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III. Der Kaiser, B. Die Übernahme der Herrschaft

III.B Die Übernahme der Herrschaft III.B.1 Die Erhebung des Kaisers Die Übertragung der Herrschaft mit der Vorstellung des Kandidaten vor der Wahlversammlung, die im 4. Jhd. und bis in die Mitte des 5. Jhd. ausschließlich durch militärische Einheiten gebildet wird, und mit den verschiedenen politischen Kräften, die daran beteiligt waren, ist in unseren Quellen nur selten genauer beschrieben. Die ausführlichsten Darstellungen, über die wir verfügen, finden sich bei Ammianus Marcellinus für das 4. Jhd. und bei Constantinus Porphyrogenitus für das 5. und 6. Jhd.220. deutlich sind die Vorgänge erkennbar, als sich der in Ravenna belagerte Severus Maximian übergab, der ihm einst in Mailand die Herrschaft übertragen hatte. Severus gab ihm den Purpur zurück. Auch hier handelt es sich formal nicht um eine Absetzung. Vgl. Lact. mort. pers. 26, 9: vestemque purpuream eidem (sc. Maximianus) a quo acceperat, reddidit (sc. Severus). Zur komplexen Überlieferung der Ereignisse, die mit Severus’ Tod verbunden sind, vgl. Paschoud 2000, 209/210. 220 Amm. 15, 8; 25, 5; 26, 2; 27, 6; C. P. 1, 91, 92, 93, 94, 95. Dazu kommt noch die Schilderung, die Corippus von der Erhebung Iustinus’ II. gibt (vgl. besonders Coripp. laud. 2, 84–430 = Ende des 2. Buches). Die bei Constantinus Porphyrogenitus überlieferten Beschreibungen stammen von Petrus Patricius aus dem 6. Jhd. Er war mag. off. von 539–565. Zu ihm und den von ihm überlieferten Protokollen vgl. PLRE 3, 994–998 s. v. Petrus 6; Stein1949, 723–734; knapp B. Baldwin, The Oxford Dictionary of Byzantium 3, 1991, 1641 s. v. Peter Patrikios; ausführliche Erörterung der gesamten Frage bei Sode 2004, 27–62 u. passim. Die Berichte der anderen Autoren sind nicht nur weniger detailliert, sondern unterscheiden sich auch erheblich in ihrem Quellenwert voneinander, ohne daß dies für die Mehrheit von ihnen untersucht worden ist. Sie erwähnen zuweilen auch Elemente einer Erhebung, die sich nicht so abgespielt haben können. So spricht z. B. das Chronicon Paschale im Bericht über die Erhebung Iovians 363 (1, 552, 19–22 ed. Dindorf) von dessen Ansprache an Heer und Würdenträger danach, weil dies üblich war, obwohl wir durch Ammian (Amm. 25, 5, 5) wissen, daß die außergewöhnlichen Umstände bei Iovians Erhebung eine feierliche Rede, eine adlo­ cutio, kaum zugelassen hätten. Solche Berichte geben aber in der Regel das übliche Zeremoniell wieder und lassen dessen prägende Kraft auch für die Darstellung eines solchen Vorganges erkennen. Das spätantike Erhebungszeremoniell ist in seinen Einzelheiten und seinem Ablauf vielfach erörtert worden. Einen knappen Überblick über die Literatur bis 1940 bietet O. Treitinger, ByzZ 41, 1941, 197–210 (Rezension zu Straub 1939). Für das 4. Jhd. ist Straub 1939 grundlegend, für die byzantinische Zeit Treitinger 1938, 7–32 und Cameron 1976, besonders 154– 179. Eine schematische Übersicht bieten Kolb 2001, 98/99 und für das 5. Jhd. Martin 1995, 103. Dennoch sind wesentliche Elemente nicht immer klar erfaßt, weil eine durchgehende Bewertung der Erhebungen vom 4.–6. Jhd. im Detail niemals vorgenommen wurde (zu einer knappen Skizze vgl. etwa Kolb 2001, 98 sqq.). Es fehlen auch eindeutige Aussagen über die politischen Kräfte, die es tragen und seinen Ablauf geformt haben. Um den Ablauf einer Erhebung zu erfassen, spielt die Valentinians I. am 25.2.364 und der Bericht, den Ammian davon gibt (Amm. 26, 2), in der Forschung eine besondere Rolle. Sie ist die erste ausführlich dargestellte Erhebung nach 337 und ist auch mehrfach eingehend behandelt worden. Zur Sprache der Erhebungsschilderungen im Lateinischen vgl. besonders Pabst 1997, 37–45 u. passim in Ergänzung zu Straub 1939, 19/20 u. passim.

III.B.1 Die Erhebung des Kaisers

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Unsere Quellen legen keinen Wert auf eine vollständige Wiedergabe der Vorgänge, sondern gehen selektiv vor, auch dann, wenn sie ausführlich berichten. In der Regel bieten sie aber lediglich eine sehr verkürzende Beschreibung, bei der der Autor etwa die politischen Gruppen oder Personen benennt, die er für die entscheidenden hält, oder sie machen nur eine Mitteilung über die vollzogene Erhebung zum Kaiser221. Dabei wird ein Element der Erhebungszeremonie stellvertretend für die ganze genannt, so etwa die feierliche Anrede als Herrscher oder ein Element der Investitur wie das Anlegen des Purpurs222. III.B.1.a Das Erhebungszeremoniell Für die Erhebung des Kaisers wird in der Regel223 eine Wahlversammlung einberufen, und zwar auf einem Platz mit offiziellem Charakter wie etwa einem Appellplatz, der einen geordneten Ablauf der Versammlung ermöglicht. Der zu Erhebende besteigt das Tribunal (bh`ma)224. Er ist dabei von den militärischen und zivilen Wür221 In verkürzender Darstellung nennen die Autoren häufig nur die Personen, die sie für die Bestimmung eines Kandidaten und seine Erhebung verantwortlich halten, und lassen nicht den Prozeß und die daran Beteiligten erkennen. So heißt es etwa Cassiod. chron. s. a. 461 = Chron. min. 2, 157: Severum succedere fecit in regnum (Rikimer) oder bei der Erhebung Marcians, daß Pulcheria ihn erheben ließ (Zon. 13, 24). Bei Eugenius’ Erhebung wird berichtet, daß Arbogast ihn zum Herrscher machte, obwohl es nicht seine alleinige Entscheidung gewesen sein kann (vgl. S. 265/266). Ebenso wird Iustinus I. nach Johannes Malalas (Ioh. Mal. 17, 1 S. 410) von den excubitores gewählt. Die wichtige Funktion des mag. off. Celer bleibt unerwähnt. Solche Aussagen können die realen Machtverhältnisse widerspiegeln oder aber auch nur die Meinung des Autors oder seiner Quelle. Ebenso wird die Auswahl des Kandidaten als der entscheidende Akt in verkürzender Darstellung oft nicht als Vorschlag beschrieben, sondern schon als Erhebung oder Bekleidung mit den Insignien. So wird bei der Erhebung Marcians der Vorschlag durch die Führungsgruppe von Johannes Malalas (Ioh. Mal. 14, 28 S. 367) mit: ajpo; th`~ sugklhvtou stefqeiv~ wiedergegeben. 222 Zur feierlichen Anrede als Herrscher vgl. n. 240. Zum Anlegen des Purpurs vgl. z. B. Art. Pass. 13 Kotter = Philost. 3, 28a: ÔO de; Gavllo~ th;n tou` kaivsaro~ ajmfiasavmeno~ aJlourgivda kai; h[dh tw`n prwvtwn th`~ basileiva~ ajrxavmeno~ ejpibaivnein ajnabaqmw`n oujk e[menen ejpi; th`~ aujth`~ gnwvmh~ kai; pivstew~, … . 223 Erhoben, ohne vor einer normalen Wahlversammlung aufzutreten, sondern vor einem besonderen Gremium und von diesem als Herrscher gefordert zu werden, wurden Iovian, Iustinian und Iustinus II. 224 Zu den zahlreichen Belegen und dem offiziellen Charakter vgl. Pabst 1997 s. v. tribunal und Szidat 1996, 35/36 mit weiteren Belegen. Der Begriff tribunal kann dabei zu einer Art Ortsbezeichnung werden und nicht nur das Tribunal an sich bezeichnen. Vgl. z. B. Cons. Const. s. a. 367 = Chron. min. 1, 241: et ipso anno levatus est Gratianus Aug. in Galliis apud Ambi­ anis in tribunali (der Ort läßt sich nicht lokalisieren) a patre suo Aug. Valentiniano die VIIII kal. Sept.; Cons. Const. s. a. 383 = Chron. min. 1, 244: levatus est Arcadius Aug. Constantino­ polim in miliario VII in tribunali (sc. auf dem Hebdomon) a Theodosio Aug. patre suo XVII kal. Feb. Die Bedeutung des Platzes konnte später unterstrichen werden, wie es Valens mit seiner baulichen Ausgestaltung des Hebdomon tat, wo er erhoben worden war (Them. or. 6, 16, 83A). Vgl. auch die Errichtung einer Jupiterstatue auf dem Appellplatz bei Nicomedia (Lact. mort. pers. 19, 2).

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III. Der Kaiser, B. Die Übernahme der Herrschaft

denträgern umgeben, wozu sich im 5. Jhd. in Konstantinopel auch der Patriarch225 und die Augusta226 gesellen, sofern es gerade eine gibt. Er wird der Wahlversammlung vorgestellt und empfohlen (commendatio)227, die durch Akklamation ihr Einverständnis mit dem Vorschlag bekundet und ihn als Augustus fordert. Neben der Präsentation auf dem Tribunal kann die zeremonielle Erhöhung auch noch zusätzlich durch die Schilderhebung erfolgen228. Wenn der Kandidat sein Einverständnis gegeben hat, Kaiser zu werden, folgt seine Investitur. Sie besteht aus verschiedenen Akten, bildet aber zeitlich und örtlich eine Einheit. Der Tag der Investitur gilt als dies imperii229. Sie bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an die Herrschaft ausgeübt werden kann230. Durch sie erfolgt nach der bloßen Aufforderung, Kaiser zu werden, die Übernahme der Herrschaft. Bei der Investitur werden ihm die Insignien übergeben. Sie verkörpern die kaiserliche Stellung und deren Einheit231. Er wird mit dem Purpur, dem paludamen­ tum, bekleidet, und es werden ihm das Diadem232 und später auch noch der torques 225 Für Leos I. Erhebung 457 erstmals belegt (C. P. 1, 91 p. 410, 10). Er nahm aber sicher schon an der Investitur Marcians 450 teil, bei dessen Bestimmung als Kandidat er anwesend war. 226 Zu den Augustae vgl. S. 138/139. 227 Zur Begrifflichkeit vgl. etwa Amm. 27, 6, 5: destinatum imperatorem (sc. Gratian) exercitui commendabat (sc. Valentinianus I.). 228 Vgl. Szidat 1977, 133, 152 mit der älteren Literatur. Zur Schilderhebung bei einem Kaiser, der als legitim gilt, vgl. etwa C. P. 1, 92 S. 423, 6/7. Zur Deutung der Schilderhebung als Ersatz für das Tribunal vgl. Lib. or. 13, 34. 229 In der frühen Kaiserzeit gibt es keine eigentliche Investitur, eine einheitliche Zeremonie, in der die Herrschaft übertragen wird. Die Ausrufung zum imperator oder ein vergleichbarer Akt (vgl. n. 286 zur Erhebung Vespasians) und die Übertragung der rechtlichen Kompetenzen durch den Senat erfolgen nämlich nicht gleichzeitig in einer Zeremonie, sondern an verschiedenen Orten und mit zeitlichem Abstand (zur Unterscheidung verschiedener Akte der Investitur, die nicht an einem Ort zur gleichen Zeit stattfanden, vgl. z. B. Scheid 1992, 232 und zu Elementen und Etappen Scheid 1992, 233/234). Als man nach Vespasian dazu überging, den Tag der Ausrufung durch die Truppen als dies imperii zu verwenden, bedurfte es noch einer langen Zeit, ehe sich daraus eine eigentliche Investiturzeremonie entwickelte, wie sie uns in der Spätantike entgegentritt und die den Zeitpunkt der Übernahme der Herrschaft genau festlegte. Die Entwicklung dazu ist nicht im einzelnen untersucht. 230 Die unklare Situation in der frühen und hohen Kaiserzeit, wann der Zeitpunkt gekommen ist, von dem an die Herrschaft allgemein anerkannt ausgeübt werden kann, führt zu Unterscheidungen zwischen deren tatsächlicher Übernahme und der Investitur (vgl. etwa Scheid 1992, 234). Dabei bleibt unbeachtet, daß eine eigentliche Investiturzeremonie fehlt. Der zu Erhebende gilt in der Spätantike schon nach dem ersten Akt der Investitur als erhoben, und die übertragene Macht kann noch vor den Akklamationen ausgeübt werden. So wurde Leo I. schon nach dem Aufsetzen des torques als Augustus akklamiert, noch bevor er Purpur und Diadem erhielt (C. P. 1, 92 S. 411, 5–21). Ihm wurden dann erneut Akklamationen zuteil. Iustinus II. beförderte Armatus zum tribunus, nachdem ihm dieser den torques aufgesetzt hatte, noch bevor ihm als Augustus akklamiert worden war (Coripp. Iust. 2, 130–135). 231 Vgl. z. B. Zos. 4, 4, 3 u. dazu Paschoud 1979, 341: Procopius gibt Iovian das kaiserliche Gewand zurück, um zu zeigen, daß er das Kaisertum nicht beansprucht. 232 Nach 325. Vgl. Kolb 2001, 76–79 u. passim; Kolb 2003. Seit 325 wird es von Konstantin eindeutig als Herrschaftsinsignie verwendet (Eus. VC 4, 62), spielte aber bei seiner Investitur 306 offensichtlich noch keine Rolle. Von der Bedeutung des Diadems im Investiturakt und als

III.B.1 Die Erhebung des Kaisers

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aufgesetzt. Dazu wird er im 5. Jhd. auf den Schild erhoben233. Häufig wird in den Schilderungen nur der Purpur erwähnt, um auf die Investitur zu verweisen. Die Übergabe des Purpurs als Übergabe der Herrschaft wird im Übergang von der ersten zur zweiten Tetrarchie besonders deutlich und später wieder bei Vetranios Rücktritt234. Das Ablegen des Purpurs bei der Niederlegung und Weitergabe des Kaisertums wird auch in Darstellungen sichtbar. Diokletian und Maximian werden nach ihrem Rücktritt als togati dargestellt, sie sind nicht mehr mit dem paludamentum bekleidet235. Das Diadem kann in gleichem Sinn verwendet werden. Es spielt in unseren Berichten aus dem 4. Jhd. eine geringere Rolle, es wird aber in den Quellen des 5. Jhd. häufig an Stelle des Purpurs erwähnt236.

Herrschaftsinsignie deutlich zu unterscheiden ist sein sonstiger Gebrauch, der schon vor Konstantin belegt ist (vgl. z. B. Ps. Aur. Vict. epit. 3, 8; 25, 5). Auf Besonderheiten wird hier nicht eingegangen. So wurde wahrscheinlich den Caesares Gallus und Iulian bei ihrer Investitur nicht das Diadem aufgesetzt. Sie trugen es jedenfalls als Caesares nicht (vgl. Kolb 2003, 55). 233 Zur Investitur vgl. die Arbeiten von Sickel 1898; W. Enßlin, Zur Torqueskrönung und Schilderhebung bei der Kaiserwahl, Klio 35, 1942, 268–298; Trampedach 2005. Die einzelnen Elemente der Investitur variieren in den Schilderungen, und auch ihre Reihenfolge liegt nicht fest (vgl. dazu etwa Cameron 1976, 155/156). Die Schilderhebung ist erstmals bei der Erhebung Iulians zum Augustus 360 belegt (Amm. 20, 4, 18), aber dort offensichtlich noch ein außergewöhnlicher Akt (vgl. Szidat 1977, 152). Wie stark der Ablauf der Investitur geregelt war, wie er sich entwickelte und welche Elemente unabdingbar dazugehörten, ist schwer zu fassen, weil die Beschreibungen der Zeremonie in der Regel nur einzelne Elemente erwähnen, um damit den ganzen Vorgang auszudrücken. Wenn ein einzelnes Element nicht erwähnt wird, dürfen daraus keine Schlüsse auf dessen Fehlen oder gar auf die Gültigkeit der Investitur gezogen werden. Wenn sie aber als unangemessen betrachtet wird, wird dies deutlich gesagt. Dies gilt in der Regel dann, wenn es um die Investitur eines Usurpators geht. Auch wenn eine solche als gültig verteidigt wird, ist dies unschwer erkennbar (vgl. S. 242). Zur sogenannten Krönung vorwiegend unter der Perspektive des Zeremoniells vgl. MacCormack 1981, 240–247. Zur Krönung durch den Patriarchen vgl. Demandt 2007, 264; Ensslin 1947; Kolb 2003, 59. Sie ist kein Element der eigentlichen Investitur. Der Patriarch übergibt nie mit dem Aufsetzen des Diadems die Herrschaft, weil der Kaiser auch ohne die Krönung Kaiser ist. Diese Einsicht Steins 1959, 311 (dt. 466), bei dem sich auch die Auseinandersetzung mit der älteren Literatur findet, bleibt oft unerwähnt oder unbeachtet. Zu einer weiteren Zusammenfassung zum Problem der Krönung durch den Patriarchen vgl. Cameron 1976, 163/164. Die Krönung durch den Patriarchen wird erstmals bei Marcian erwähnt (Leo Gramm. 111). 234 Lact. mort. pers. 19 (Übergang von der ersten zur zweiten Tetrarchie); zu Vetranio vgl. n. 214. 235 Vgl. die Darstellung der Tetrarchen der zweiten Tetrarchie und der zurückgetretenen Augusti Diokletian und Maximian in Romuliana (Srejović 1994, 145–147; Mayer 2002, 86 Abb. 32, zur Interpretation vgl. S. 85/87). 236 Vgl. z. B. Zon. 13, 24, 3: Pulcheria setzte Marcian das Diadem auf; vom Purpur spricht Zonaras nicht. Philost. 3, 22: Constantius II. schickte Vetranio ein Diadem als Anerkennung seiner Kaiserherrschaft; Soc. 7, 24, 5: Theodosius II. ließ Valentinian III. das Diadem durch den mag. off. Helion überbringen.

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III. Der Kaiser, B. Die Übernahme der Herrschaft

Von wem die Investitur vorgenommen wurde, wird in der Regel nicht ausdrücklich gesagt. Wenn ein Augustus einen Amtskollegen erheben läßt, legt er diesem selbst oder der, der ihn bei der Investitur vertritt, die Insignien an237. Lassen hohe Würdenträger einen neuen Herrscher erheben, kann man aufgrund der Beschreibungen bei Constantinus Porphyrogenitus vermuten, daß jener es selber tat238. Die Investitur ist der entscheidende Akt im Rahmen des Erhebungszeremoniells. Sie wird niemals wiederholt. Das unterscheidet sie von allen anderen Akten bei der Erhebung und erlaubt es, diese und die ihr folgenden Akte der Bestätigung am Ort der Thronbesteigung und anderswo deutlich voneinander zu unterscheiden. Für die Investitur mußten die notwendigen Insignien vorhanden sein. Dies schuf für Usurpatoren große Probleme239. Sollte ihre Erhebung als spontan gelten, duften die Insignien nicht zu Verfügung stehen. Verfügten sie darüber, war es ein Zeichen geplanten Vorgehens. Nach der Investitur folgen die feierliche Anrede als Herrscher (nuncupatio) 240 und Akklamationen241. Im Anschluß daran hält der neu Erhobene eine Ansprache an die Wahlversammlung. Wenn ein Augustus einen Amtskollegen erhebt, ist er es, der sich noch einmal an die Versammlung oder den gerade Erhobenen wendet242. In dieser Rede oder unmittelbar danach wird auch das Geschenk zum Amtsantritt, das Donativ, versprochen, das vom 4.–6. Jhd. für gewöhnliche Soldaten immer 237 Vgl. z. B. Amm. 27, 6, 11; C. P. 1, 94 S. 432, 10/11. Zur Vertretung vgl. S. 97/98. 238 C. P. 1, 91 S. 411, 14/15; 1, 92 S. 423, 12; 1, 93, S. 429, 8. Lediglich der torques wurde ihm von einem campidoctor vorher aufgesetzt (vgl. z. B. C. P. 1, 91 S. 411, 5–7). Die Bemerkung von Ioh. Mal. 13, 28 S. 337, 14: uJpo; th`~ sugklhvtou prohvcqh (sc. Valentinian) kai; ejstevfqh basileu;~ uJpo; Saloustivou zur Erhebung Valentinians I. ist zu allgemein, um daraus auf eine tatsächliche Investitur durch Salutius schließen zu können. Man vgl. aber den Boeft 2005, 188, der dies annimmt. 239 Vgl. z. B. den Ersatz für die Insignien bei Procopius’ Erhebung (Amm. 26, 6, 15). Bei den spontanen Erhebungen nach Anastasius’ Tod 518 scheitert die Investitur an den nicht vorhandenen Insignien. Sie wurden jeweils an der elfenbeinernen Pforte des Palastes gefordert, aber von den cubicularii nicht herausgegeben (C. P. 1, 93 S. 428, 7–10). Vgl. S. 247/248. 240 Der Begriff für die feierliche Anrede als Herrscher nach der Investitur ist nuncupatio (ajnavr­ rhsi~) oder nuncupare. Man vgl. z. B. Amm. 23, 6, 5; 26, 2, 10.5, 1; 29, 1, 7 zu nuncupatio; zu nuncupare Amm. 26, 2, 3.7, 17; 27, 6, 16. Zur Begrifflichkeit vgl. Pabst 1997, 41–43; Straub 1939, 19–21. Die nuncupatio ist das akustische Gegenstück der optischen Versinnbildlichung des Herrschaftsantrittes durch das Anlegen der Insignien (Pabst 1997, 11). Sie besteht für Straub 1939, 21 allein in den Akklamationen der Soldaten. Es muß ungewiß bleiben, ob eine besondere Erklärung dessen, der die Erhebung leitete, den Akklamationen vorausging, wie es Kolb 2001, 98 postuliert. Den überlieferten Schilderungen läßt sich das nicht ohne weiteres entnehmen. Wenn ein Augustus einen Kollegen erhebt, wendet er sich nach der Investitur noch einmal an diesen und die Versammlung. Vgl. n. 242. 241 Zu diesen vgl. etwa Cameron 1976, 165–167. 242 Vgl. z. B. Amm. 15, 8, 12–16 (Rede Constantius’ II. an die Wahlversammlung nach der Erhebung Iulians zum Caesar); 27, 6, 12/13 (Rede Valentinians I. an die Wahlversammlung nach der Erhebung Gratians zum Augustus); C. P. 1, 94 S. 432, 16/17 (Rede Leos I. nach der Erhebung Leos II.). Zur Ansprache des neu erhobenen selbst an die Wahlversammlung vgl. etwa C. P. 1, 92 S. 423, 18 sqq. (Ansprache des Kaisers Anastasius).

III.B.1 Die Erhebung des Kaisers

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fünf solidi und ein Pfund Silber betrug243. Das versprochene Antrittsgeschenk wurde nicht nur den anwesenden Truppen und weiteren Berechtigten gegeben, sondern sofort im gesamten Herrschaftsbereich ausgezahlt, denn die Würdenträger, Funktionäre und Soldaten, die nicht bei der Erhebung anwesend waren, warteten nicht darauf, bis der neue Kaiser irgendwann bei ihnen vorbeireiste244. Das Antrittsdonativ ist eine Grundvoraussetzung, damit der neue Herrscher überhaupt Anerkennung fand. Nach Abschluß des Erhebungszeremoniells legte man einen Treueid auf den neuen Herrscher ab245. Die recusatio Zum Erhebungszeremoniell gehört nach allgemeiner Auffassung die recusatio, die Ablehnung des angetragenen Amtes246. Sie erfolgte offensichtlich nach der Aufforderung durch die Wahlversammlung, die Herrschaft zu übernehmen. Sie wird aller243 Zum Antrittsdonativ von 5 solidi und einem Pfund Silber vgl. die ausführlichen Belege bei Delmaire 1989, 548–552, 558; Jones 1973, 623/624. Bei Amm. 20, 4, 18 anläßlich der Erhebung Iulians zum Augustus im Februar 360 wird diese Summe erstmals genannt (vgl. Szidat 1977, 159/160). 244 Zur dezentralen Verteilung der Donative vgl. Szidat 2003, 227/228. 245 Der Treueid im Anschluß an die Erhebung, der schriftlich festgehalten wird, ist in spätantiker und byzantinischer Zeit sehr selten überliefert (vgl. C. P. 1, 91 S. 416, 5–7 anläßlich der Erhebung Leos I.; vgl. Sode 2004, 177). Möglicherweise erwähnt auch Amm. 27, 6, 14: his dictis (nach den Worten im Anschluß an die Investitur) sollemnitate omni firmatis einen Treueid auf den jungen Gratian. Sollemnitas bezeichnet das Herkommen, die Gewohnheit und Einhaltung der vorgeschriebenen juristischen Form. Vgl. Cod. Iust. 3, 32, 21: A possidentibus vindicata mancipia quorum dominium ad vos pertinere intenditis, si, posteaquam impleveritis intentio­ nem haec non restituantur, iuris iurandi sollemnitate secuta condemnatio procedere debet. Hier wird sollemnitas noch durch den Genitiv erklärt. Zum Kaiser- oder Treueid im Prinzipat vgl. grundlegend Herrmann 1968. Der Eid auf den Kaiser ist bis zum Beginn des 3. Jhd. gut faßbar (vgl. Hdn. 2, 2, 10 – Eide für Pertinax –; Tert. coron. 11, 1). In Ergänzung zu Herrmann vgl. auch Le Gall 1985, 767–777 (= 1990, 165–180); Scharf 2003. Amm. 21, 5, 7.5, 10–12 (vgl. den Boeft 1991, 61; Szidat 1996, 42, 44/45) bietet nach Herrmann 1968, 115 das späteste Beispiel eines Kaisereides. Es handelt sich dabei allerdings um einen Eid, der im Anschluß an eine Usurpation geleistet wird, nämlich als Iulian Constantius’ II. Herrschaft in Frage stellte. Zu vergleichen ist damit der Eid auf den Usurpator Procopius (Amm. 26, 7, 9), den die Truppen schworen, die jeweils neu zu ihm übertraten. Eine systematische Untersuchung der Stellen in der Historia Augusta, die sich auf den Kaisereid im 3. Jhd. beziehen, fehlt offensichtlich. Zum Eid in byzantinischer Zeit vgl. L. Burgmann, The Oxford Dictionary of Byzantium 3, 1991, 1509 s. v. Oath. Treueide wie bei der Erhebung werden auch wiederholt. Sie können auch bei anderen Anlässen geschworen werden. Als etwa Anastasius um seine Herrschaft der theologischen Auseinandersetzung wegen mit Macedonius, dem Patriarchen von Konstantinopel (zu dieser vgl. Stein 1949, 169/170) fürchtete, ließ er vor dessen Verhaftung am 7.8.511 seine Würdenträger und Soldaten erneut einen Treueid schwören (vgl. Zach. HE 7, 8 und dazu Delmaire 1989, 557). 246 Vgl. z. B. Paneg. 12, 11 u. 12 (Theodosius); Sidon. carm. 2, 22–28: Fateor, trepidavimus om­ nes,| ne vellet collega pius permittere voto| publica vota tuo. Credet ventura propago?|; 210– 212 (Anthemius); Symm. or. 1, 10 (Valentinian I.). Vgl. del Chicca 1984, 126 sqq.; Pabst 1989, 133. Zu weiteren Belegen aus der Panegyrik vgl. Henning 1999, 39 n. 67 mit neuerer Literatur.

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III. Der Kaiser, B. Die Übernahme der Herrschaft

dings bei den Erhebungen, die uns von Ammian oder Constantinus Porphyrogenitus detailliert geschildert werden, in der Regel nicht als besonderer Schritt erwähnt247. Sie ist auch im Fall der Erhebung nomineller Herrscher in einem sehr jugendlichen Alter wie etwa bei Theodosius II., der gerade neun Monate alt war, nicht vorstellbar und fehlt auch normalerweise248. Die recusatio ist besonders ein Element der Darstellung der Panegyrik, das dazu dient, das Verhalten des rechtmäßigen Kaisers von dem des Usurpator, der als machthungrig dargestellt wird, zu unterscheiden. Rechtmäßig erhobene Kaiser weisen auch in offiziellen Verlautbarungen auf die recusatio hin, um ihre Erhebung als gegen ihren Willen geschehen darzustellen. So betont Iustinus in seinem Schreiben an Papst Hormisdas, daß er gegen seinen Willen auf den Thron gekommen sei249. III.B.1.b Die Wahlversammlung oder „Das Heer macht den Kaiser“. Macht das Heer den Kaiser? Die Zusammensetzung der Wahlversammlung und ihre Rolle werden weitgehend unter dem Schlagwort „Das Heer macht den Kaiser“250, das einem Hieronymusbrief entnommen ist, gesehen. Die Akklamation durch das Heer scheint dabei im 4. u. 5. Jhd. der entscheidende Akt bei der Erhebung des spätantiken Kaisers. Die begrenzte Bedeutung der Wahlversammlung bei der Erhebung eines Kaisers bleibt bei dieser Betrachtungsweise weitgehend unbeachtet, ebenso wie die Tatsache, daß sie im Osten nach der Mitte des 5. Jhd. keine bloße Heeresversammlung mehr ist251. Zur recusatio generell vgl. Béranger 1948; 1953, 137–169; Wickert 1954, 2258–2264; 1974, 70/71; mit speziellerem Bezug auf die Spätantike Elbern 1984, 104, 194; Huttner 2004, zur recusatio des Augustustitels durch Iulian besonders 267–295; Kolb 2001, 99. 247 Dies veranlaßte Kolb 2001, 99 zu bezweifeln, ob sie fester Bestandteil des Erhebungszeremoniells gewesen sei. Man vgl. aber den Hinweis, den Anastasius nach seiner Wahl in seiner Ansprache an die Wahlversammlung macht, daß er gegen seinen Willen zum Kaiser bestimmt worden sei (C. P. 1, 92 S. 424, 5) oder C. P. 1, 93 S. 428, 7 (Iustinianus weist die Aufforderung, Anastasius’ Nachfolger zu werden, zurück) und Iulians Widerstreben 361, sich zum Augustus erheben zu lassen (Amm. 20, 4, 15 u. 17; vgl. den Boeft 1987, 88/89, 91; Szidat 1977, 151). Dies ist anscheinend der einzige Beleg, wo die recusatio sich zeremoniell genau einordnen läßt. Nicht zufällig handelt es sich dabei um die usurpatorische Übernahme des Augustustitels. In diesem Fall kam es besonders darauf an, sich der Norm entsprechend zu verhalten, was Ammian durch die Erwähnung der recusatio unterstreicht. 248 Béranger 1953, 141/142; Pabst 1989, 198. Bei Ammian und Constantinus Porphyrogenitus fehlt sie in diesen Fällen. Vgl. aber Symm. or. 3, 5, wo Valentinian I. sich den Forderungen des Heeres anfänglich widersetzt, Gratian auf den Thron zu heben. 249 Coll. Avell. 141: licet nolentes ac recusantes. 250 Hier. ep. 146, 1: exercitus imperatorem facit und dazu Pabst 1997, XII, 9, 17. 251 Die Vorstellungen zur Rolle der spätantiken Heeresversammlung sind weitgehend von der Idee Mommsens bestimmt, daß das römische Kaisertum als Spielball der Laune der Soldaten zu gelten habe, daß jede Gruppe von Soldaten ihren Kaiser erheben könne, und daß der Zuruf der Heeresversammlung und die Übernahme des Purpurs überall möglich seien, wo sich römische Soldaten befänden (Mommsen, Abriß des Staatsrechtes 1893, 194 u. 194, 352; zur Spätantike vgl. etwa Sickel 1898, 512/513, 531 n. 11, 12). Schon Straub 1938, 9 sqq. hat aber erkannt, daß Regeln galten. Es bleibt zudem oft unberücksichtigt, daß das Problem eines

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Um als Wahlversammlung legitimierende Wirkung zu haben, der Herrschaft des Erhobenen Anerkennung zu verschaffen, muß sie geleitet sein und in geordneter Form ablaufen, sonst wird ihr Beschluß in Frage gestellt und hat hochverräterischen Charakter. Ihr wird keine Auswahl unter mehreren Kandidaten überlassen. Sie hat lediglich die Möglichkeit, einem Kandidaten, der ihr vorgestellt wird, zu akklamieren. Die Ablehnung eines solchen Kandidaten ist undenkbar. Sie ist auch niemals belegt252. Sie würde bedeuten, daß das Recht des Vorschlagenden in Frage gestellt wird. Ebenso können aus der Versammlung heraus keine Kandidaten vorgeschlagen werden. Solche Versuche gelten als Zeichen einer ungeordneten Versammlung. Der Zwang, dem Vorschlagenden zu folgen und nicht unter mehreren Vorschlägen wählen zu können, unterscheidet die spätantike Heeresversammlung deutlich von republikanischen comitia, die zwar auch keinen Vorschlag machen, aber zwischen mehreren vorgeschlagenen Kandidaten wählen können. Die spätantike Wahlversammlung ist die Instanz, vor der der Anspruch auf Herrschaft öffentlich gemacht und von der er anerkannt wird. Nicht das Heer oder besser: die Wahlversammlung macht den Kaiser, sondern sie billigt den Anspruch des Kandidaten, der ihr vorgestellt wird, auf die kaiserliche Stellung. Die Soldaten oder auch später das Volk im Hippodrom in Konstantinopel zusammen mit diesen erheben nur in Zusammenkünften, die unkontrolliert oder außer Kontrolle geraten sind, eigene Kandidaten. Ihr Verhalten gilt dann als ungeordnet und, wenn sie Kandidaten erheben, als aufständisch253. Solche ungeordneten Versammlungen sind selten, weil auch die, die erhoben werden sollten, kein Interessse an ihnen hatten und, wenn sie sich erheben ließen, keine Aussicht hatten, Anerkennung und Gehorsam zu finden254. Usurpatoren strebten nicht zufällig nach einer Erhebung, die möglichst geordnet verlief. Die Entscheidung der Wahlversammlung für den vorgestellten Kandidaten erfolgt immer einstimmig und gilt als überlegt255. Das Gleiche gilt übrigens auch für Usurpators nicht die Erhebung an sich ist, sondern Anerkennung als Herrscher zu finden. Dies zwingt zur Einhaltung gewisser Regeln. 252 Amm. 26, 2, 4/5. Die Forderung der Soldaten an Valentinian I., sofort einen Mitherrscher erheben zu lassen, zeigt deutlich, daß die Wahlversammlung keine Initiative ergreifen kann, ohne als ungeordnet zu gelten. Es handelt sich nicht um eine Wahlversammlung im republikanischen Sinn. Die These von Frau Pabst (Pabst 1997), diese Wahlversammlungen als comi­ tia imperii zu betrachten, mag vom Begriff her naheliegend sein, hat aber mit der politischen Wirklichkeit nichts gemein. Die Wahlversammlung legitimiert, indem sie den vorgeschlagenen Kandidaten akzeptiert. Kritisch zur These von Pabst schon die Rezensionen wie etwa U. Lambrecht BJhb. 199, 1999, 561–567 und die Forschung (vgl. z. B. Kolb 2001, 97). 253 Typisches Beispiel einer ungeordneten Versammlung ist die, die der schließlichen Erhebung Iustinus’ I. vorausgeht (vgl. III.C.3.b Die Kaisererhebungen im Osten im 5. u. 6. Jhd. – Iustinus’ I. Erhebung, S. 120–124). 254 Vgl. etwa zu Iohannes’ Erhebung 518 C. P. 1, 93 S. 427, 14–17. Zu Iohannes vgl. PLRE 2, 609 s. v. Ioannes 65. 255 Vgl. Szidat 1977, 150/151 mit der älteren Literatur. Der Grundsatz gilt auch für das 5. Jhd. Vgl. z. B. C. P. 1, 92 S. 424, 6/7: nachdem Ariadne 491 Anastasius durch ihre diavkrisi~ zum

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jede weitere Versammlung, die die Erhebung bestätigt. Zu fragen ist daher nach den Regeln, die für die Bestimmung des Kandidaten gelten, und wer ihn bestimmt. Damit fällt die Entscheidung über den zukünftigen Herrscher. Für die Wahlversammlung werden die anwesenden militärischen Einheiten auf einem Platz versammelt, der offiziellen Charakter hat. Im 4. und 5. Jhd. ist es ein Appellplatz, der in der Regel außerhalb der Stadt lag. Im östlichen Reichsteil ist es seit Valens Erhebung das Hebdomon, das Marsfeld vor Konstantinopel. Im westlichen Reichsteil läßt sich ein bestimmter Ort weniger gut fassen256. Nach der Mitte des 5. Jhd. trat in der Zusammensetzung der Wahlversammlung im Osten des Reiches eine wichtige Veränderung ein. Das Volk nahm an der Wahlversammlung teil. Die Soldaten standen nicht mehr allein im Mittelpunkt der Handlung257. Bei Leos II. Erhebung zum Augustus Anfang Januar 474 wird erstmals die Teilnahme des Volkes an der Wahlversammlung erwähnt258. Diese Änderung der Zusammensetzung hatte notwendigerweise eine Verlegung ihres Ortes zur Folge. Sie wurde vom Hebdomon, dem Marsfeld, das sieben Meilen vor der Stadt beim heutigen Bakırköy lag und auch als kavmpo~ bezeichnet wird259, in das Hippodrom Kaiser bestimmt hatte, folgten die Führungsgruppe (proceres und senatus) mit der ejkloghv und Soldaten und Volk mit der sunaivnesi~ (consensus). 256 Man vgl. etwa Galerius’ Erhebung zum Augustus und Maximinus Daias zum Caesar am 1.5.305, die außerhalb von Nicomedia stattfand. Vgl. Lact. mort. pers. 19, 2: Erat locus altus extra civitatem (sc. Nicomedia) ad milia fere tria. Dieser Ort war schon einmal für eine Erhebung benutzt worden. Bei den Erhebungen etwa in Ravenna ist ein Platz vor der Stadt zu vermuten, ohne daß über seine Lage berichtet wird und er sich bestimmen ließe. Anthemius’ und Nepos’ Erhebung fanden beide vor Rom statt. 257 MacCormack 1981, 241/242. 258 C. P. 1, 94 S. 431, 10–14. Der Wechsel fand nach der Erhebung Leos I. 457 statt. Vgl. C. P. 1, 91 S. 417, 8/9: nu`n de; ejpenohvqh kai; … Deshalb werden auch Anastasius’ und Iustinus’ I. Erhebung ausführlich geschildert. Beide fanden im Hippodrom statt und spielten sich wegen des anderen Erhebungsortes unter anderen Bedingungen ab. Die Erhebungen Leos II. und Zenons, die auch schon im Hippodrom unter Beteiligung des Volkes stattfanden, wurden offenbar außer Betracht gelassen, weil nicht die führende Gruppe den Kandidaten vorschlug, sondern ein amtierender Herrscher. 259 Zur Bezeichnung als kavmpo~ vgl. etwa C. P. 1, 91 S. 410, 8; Zon. 14, 2, 6. Bisweilen spricht man auch weder vom Hebdomon noch vom kavmpo~, sondern es wird stattdessen die Entfernung nach Konstantinopel angegeben. Zum Hebdomon und zu seiner Rolle bei den Kaisererhebungen bis 457 vgl. Dagron 1974, 100/101 mit der älteren Literatur; Müller-Wiener 1977, 64–71. Auf dem Hebdomon wurde als erster Valens (Cons. Const. s. a. 364, 3: in miliario VII; vgl. Chron. Pasch. 1, 556 ed. Dindorf: ejn tw`≥ ÔEbdovmw≥ = Chron. min. 1, 240; Them. or. 6, 16, 83A), der wesentlich zu seiner baulichen Ausgestaltung beitrug, dann auch Arcadius erhoben (Cons. Const. s. a. 383, 1: in miliario VII; vgl. Chron. Pasch. 1, 562/563 ed. Dindorf: ejn tw`≥ tribouna­ livw≥ tou` ÔEbdovmou = Chron. min. 1, 244), ebenso Honorius (Fast. Vind. Prior. s. a. 393 = Chron. min. 1, 298: et levatus est Honorius imp. Constantinopoli in miliario IIII [scr. VII] a Theodosio patre suo X kal. Febr.) und Theodosius II. (vgl. Chron. Pasch. 1, 568 ed. Dindorf = Chron. min. 2, 67; Marcell. com. 402, 2 = Chron. min. 2, 67: Theodosius iunior in loco quo pater pa­ truusque suus Caesar creatus est. Das Chronicon Paschale spricht ausdrücklich vom Hebdomon und dem Tribunal.). Auch Marcian wurde auf dem Hebdomon erhoben (Chron. Pasch. s. a. 450 = 1, 590 ed. Dindorf = Chron. min. 2, 83), ebenso Leo I. (C. P. 1, 91 S. 410, 8).

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verlegt, denn sonst hätte das Volk nicht an ihr teilnehmen können. Leo II. und alle ihm folgenden Herrscher bis zur Erhebung Iustinians 527, dessen Investitur nicht im Hippodrom stattfand, wurden dort erhoben260. Das Volk ist jetzt direkt an der Erhebung beteiligt, denn es versammelt sich zugleich mit den Soldaten im Hippodrom und erhebt zusammen mit ihnen den Kaiser261. Dessen Investitur findet in der kaiserlichen Loge statt262. Ein Grund für die Teilnahme des Volkes wird nicht überliefert. Sie bedeutete aber eine weitere Stärkung der zivilen Würdenträger und eine größere Unabhängigkeit des Kaisers von den militärischen Kommandanten, denn die Erhebungen wurden weniger von den Soldaten kontrolliert. Die Beteiligung des Volkes an der Erhebung erschwerte andererseits aber die Kontrolle durch die politische Führung erheblich, wie die Vorfälle bei Iustinus’ I. Erhebung 518 zeigen. Deshalb wählte man ein anderes Vorgehen bei Iustinianus’ und Iustinus’ II. Erhebung 527 und 565. Iustinianus’ Erhebung spielte sich 527 ganz innerhalb des Palastes ab. Iustinus I. designierte Iustinianus im Triclinium der 19 Ruhebetten zum Mitaugustus und vollzog die Investitur auf dem Heliakon des Delphax (Tribunal) vor den im Palast anwesenden hohen Würdenträgern der Verwaltung, des Hofes und des Senates sowie vor den Mitgliedern der officia und Angehörigen der Scholen, die eine Art Wahlversammlung bildeten. Von ihnen und den amtierenden und ehemaligen Würdenträgern wurde ihm zugejubelt263. Iustinus II. wurde 565 ebenfalls im Palast erhoben, mit dem Purpur bekleidet und von den anwesenden Amtsinhabern und Senatoren als Augustus begrüßt, die als Wahlversammlung amteten. Die gesamte Zeremonie spielte sich höchstwahrscheinlich Leo II. wurde im Hippodrom zum Augustus erhoben (C. P. 1, 94 S. 431, 10). Wo er zum Caesar erhoben wurde, ist ungewiß. 260 C. P. 1, 94 (Leo II.); Theophan. A. M. 5967 = 1, 120, 5/6: Leo II. macht seinen Vater Zenon im Kathisma im Hippodrom zum Kaiser, und zwar unter Beteiligung von Verina und Ariadne; vgl. auch Leo Gramm. 116, 8; irrtümlich neben anderen etwa Janin 1964, 447, Heucke 1994, 216, nach denen Zenon im Hebdomon erhoben wurde. 261 Vgl. zu Anastasius’ Erhebung C. P. 1, 92 S. 423, 9/10. 262 Vgl. z. B. Theophan. A. M. 5983 = 1, 136, 20–23: ejstevfqh de; ∆Anastavsio~ … ejn tw/` kaqivs­ mati tou` iJppodromivou. 263 C. P. 1, 95. Vgl. 1, 43 und Guilland 1969, 1, 71. Zum Triclinium der 19 Ruhebetten vgl. C. P. 1, 95 S. 433, 1: ejn tw`/ megavlw/ triklivnw/; zum Delphax vgl. n. 475. Probleme bietet der Begriff strateuvmata, den Reiske mit ordines militares wiedergibt, was nicht eindeutig ist. Mit den strateuvmata werden Abteilungen bezeichnet, die aber spätantikem Sprachgebrauch entsprechend keinen militärischen Charakter haben müssen. Man vgl. etwa den Gebrauch von stratiw`tai, um auch zivile Würdenträger zu bezeichnen (zum Sprachgebrauch vgl. z. B. Proc. BV 1, 3, 5: oiJ de; th`~ ejn ÔRwvmh/ basilevw~ aujlh`~ tw`n tina ejkeivnh/ stratiwtw`n, ∆Iwavnnhn o[noma, basileva aiJrou`ntai). Weil die zivilen Würdenträger (dignitates) schon in dem Begriff silevntion kai; komevnton (silentium cum conventu) eingeschlossen sind, müssen mit den strateuvmata Mitglieder der militia palatina gemeint sein. Gegen das Verständnis von stra­ teuvmata als militärische Abteilungen sprechen auch historische Gründe. Nach der Beteiligung des Volkes an der Wahlversammlung vom Ende des 5. Jhd. an und der wachsenden Bedeutung ziviler Würdenträger ist eine Versammlung, die sich ausschließlich aus Militärpersonen zusammensetzt, um die nuncupatio vorzunehmen, nicht denkbar. Deshalb ist auch die Interpretation von Sode 2004, 217 nicht überzeugend. Sie sieht in den strateuvmata Vertreter der regulären Truppen, und zwar vermutlich nur der in Konstantinopel stationierten. Auf Parallelen verweist sie nicht.

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im Triclinium der neunzehn Ruhebetten ab264. Im Hippodrom nahm er nur noch die Akklamationen des Volkes entgegen. Es war lediglich ein Bestätigungsakt. Das Volk handelte nicht mehr als Wahlversammlung. Die Erhebung Iovians 363, ohne ihn einer Wahlversammlung vorzustellen265, war in den besonderen Umständen begründet. Er wurde mitten im Krieg gegen die Perser in Feindesland erhoben, wo die Einberufung einer Versammlung nicht möglich war. Eine normale Wahlversammlung konnte also durch ein anderes Gremium ersetzt werden. Während bei Erhebungen auf dem Hebdomon der Kaiser die Soldaten mit sich führen konnte, wie es bei Valens’ Erhebung geschah, Einheiten der Palasttruppen kommen lassen konnte wie Leo I., an dessen Wahlversammlung auch Scholen teilnahmen, oder die beim Hebdomon stationierten Truppen verwenden konnte, stellt sich bei Erhebungen im Hippodrom die Frage, welche Einheiten dafür herangezogen wurden, denn in Konstantinopel waren keine Soldaten außer den Palasttruppen stationiert. Es kommen dort also vor allem Teile der excubitores und der Scholen in Betracht. Sie sind auch zu belegen266. Von außen dürften höchsten einzelne Einheiten beigezogen worden sein, um die politischen Gewichte nicht zu verschieben. Im Westen kam es offensichtlich nicht zu einer Änderung in der Zusammensetzung der Wahlversammlung. Sie blieb eine Heeresversammlung. Die als legitim betrachteten Kaiser wurden im 5. Jhd. vor Rom erhoben. Dies legen die beiden Erhebungen in der zweiten Hälfte des 5. Jhd. nahe, bei denen wir darüber informiert sind. So wurde Anthemius 467 drei Meilen vor Rom zum Augustus erhoben und Nepos 474 in Portus267. Die Versammlung wurde dabei von den Einheiten gebildet, die jeweils mit dem Kandidaten zogen und zum Heer des östlichen Reichsteiles 264 Coripp. Iust. 2, 84–277. Vgl. Cameron 1976, 156/157, 162–165; Stache 1976, 292. 265 Amm. 25, 5, 5. Iovian tritt mit den Insignien bekleidet an die Öffentlichkeit. Ammian kritisiert interessanterweise dieses Vorgehen auch nicht. Die Entscheidung für Iovian unter ungeordneten Umständen macht ihm mehr Mühe. 266 Amm. 26, 4 (Valentinian I. zog mit einem Teil des Heeres bis vor Konstantinopel); C. P. 1, 91 S. 410, 9 (Leo I.); zu den beim Hebdomon stationierten Truppen vgl. Dagron 1974, 108, der dort eine stärkere Truppenpräsenz annimmt, und zwar von Einheiten, die den beiden magistri militum praesentales unterstehen. Zu Umfang und Art der Truppen äußert sich Dagron nicht. Janin 1964, 447 versucht, eine dort stationierte Einheit zu identifizieren, und zwar die Theodosiani (vgl. Theophan. A. M. 6101 = 1, 297, 14 (607/608): kastevllin Qeodosianw`n. Nach Cod. Vatican. 978 ist allerdings: Qeodosianovn zu lesen, womit diese Einheit hinfällig würde. Zu Konstantinopel als Stadt, in der keine Truppen stationiert sind, wenn man von den Scholen im Palast absieht, vgl. Dagron 1974, 108–115, etwas nuancierter Paschoud 1986, 158 aufgrund der Vorgänge um Gainas. Zur Teilnahme der Scholen und excubitores an der Wahlversammlung im Hippodrom vgl. III.C.3.b Die Kaisererhebungen im Osten im 5. u. 6. Jhd. – Iustinus’ I. Erhebung, S. 120–124. 267 Vgl. Cassiod. chron. s. a. 467 = Chron. min. 2, 158: His conss. Anthemius a Leone imp. ad Italiam mittitur, qui tertio ab urbe miliario in loco Brontotas suscepit imperium; irrtümlich Hyd. Lem. 235 = 231 Burgess = Chron. min. 2, 34: octavo miliario de Roma. Henning 1999, 45, 20 lokalisiert Anthemius’ Erhebung überzeugend an der via Labicana auf dem kaiserlichen fundus ad duas lauros, drei Meilen vor Rom, wo sich auch ein Paradeplatz befand und

III.B.1 Die Erhebung des Kaisers

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gehörten. Dasselbe Vorgehen muß man für Valentinians III. Erhebung zum Augus­ tus 425 vermuten. Sie muß bei Rom vollzogen worden sein. In Ravenna wurde im 5. Jhd. kein Herrscher, der als legitim galt, erhoben. Es gibt aber auch keinen Hinweis darauf, daß die Prätendenten von einer anderen Versammlung als einer, die aus Soldaten bestand, gewählt wurden. Die verschiedene Zusammensetzung der Wahlversammlung und sogar ihre Ersetzung durch ein anderes Gremium, die bei Iovians, Iustinians und Iustinus’ II. Erhebung ganz sicher ist, zeigen, wie wenig festgelegt die einzelnen Elemente des Erhebungszeremoniells waren. Zwar ist der Dreischritt, nämlich die Aufforderung, Herrscher zu werden, verbunden mit der zeremoniellen Erhöhung beim Einverständnis des Kandidaten, die Investitur und die Zurufe mit dem erworbenen Titel, die nuncupatio, immer vorhanden, die Gruppen, die an ihm beteiligt sind, und der Ort wechseln aber durchaus und können aktuellen politischen Umständen oder Bedürfnissen recht kurzfristig angepaßt werden. III.B.1.c Einberufung und Leitung der Wahlversammlung Im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft ist es Angelegenheit eines regierenden Augustus, nicht eines nominellen, eine Wahlversammlung einzuberufen. Übergeht man seinen Anspruch, handelt es sich um einen Usurpationsversuch. Erst wenn im gesamten Reich kein Augustus mehr im Amt ist, kann eine Wahlversammlung auch von anderen einberufen werden. In diesem Fall trat sie normalerweise erst auch dann zusammen, wenn die Entscheidung über den Kandidaten gefallen war. Dies wird in unseren Quellen bei der Erhebung Valentinians I. sichtbar, aber auch bei der Leos 457268. Dies ist auch für die Erhebung Marcians zu vermuten, weil die Zeit zwischen dem Tod des Amtsvorgängers und der Erhebung des neuen Kaisers mehr als vier Wochen betrug. Theodosius II. starb am 28.7.450, Marcian wurde am 25.8.450 erhoben. Interessanterweise berichten unsere Quellen bei Anastasius’ und Iustinus’ Erhebung so, als ob die Truppen und das Volk sich schon von sich aus zur selben Zeit im Hippodrom versammelten, als man im Palast über den Kandidaten zu beraten begann. Bei Iustinus’ Erhebung 518 ist der Bericht ganz eindeutig. Das Volk fand sich im Hippodrom ohne besondere Aufforderung ein. Dadurch konnten die Beratungen nicht mit der nötigen Ruhe durchgeführt werden. Man beriet unter einem gewissen Druck. Bei Anastasius’ Erhebung 491 wurden in der Nacht nach wo auch Valentinian III. getötet worden war. Seine Identifikation beruht auf der Angabe der drei Meilen. Zu Nepos’ Erhebung vgl. PLRE 2, 777 s. v. Iulius Nepos 3. Bei aller Unsicherheit der Überlieferung kann wegen des Ortes der Erhebung eine Teilnahme des Volkes an der Wahlversammlung beider ausgeschlossen werden. Beide Erhebungen belegen auch hinreichend, daß im Westen die Wähler außerhalb Roms zusammentraten. Dabei ist Anthemius’ Erhebung außerhalb der Stadt besonders aussagekräftig. Sie war von keiner Seite bestritten. Anthemius wurde um den 27.3.467 erhoben. Dieses Datum nach Henning 1999, 44 auf Grund von Prisc. fr.[64, 1] Blockley = Ioh. Ant. fr. 209, 1 = Exc. de ins. 93 gegen die Angabe in den Fast. Vind. Prior s. a. 467 = Chron. min. 1, 305 (12. April 467). 268 Amm. 26, 2, 2; C. P. 1, 91 S. 410, 8.

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III. Der Kaiser, B. Die Übernahme der Herrschaft

Zenons Tod am 9.4.491 die führenden Würdenträger in den Palast zur Beratung gerufen, während sich das Volk und die Soldaten am anderen Morgen im Hippodrom versammelten269. Auf wessen Veranlassung wird nicht gesagt. Anastasius wurde dann am Abend des 10.4.491 als Kandidat vorgeschlagen und in den Kaiserpalast gerufen, aber seine Erhebung wurde auf den 11.4.491 verschoben, um Zenon vorher beisetzen zu können. Im Westen ist bei den Beratungen über die Nachfolge Valentinians III. 455 ein deutlicher Druck der Soldaten, die die Wahlversammlung bildeten, auf die Beratenden erkennbar270. Eine Wahlversammlung, die ohne einberufen zu sein, zusammentrat, hat als ungeordnet zu gelten, bis ein Leiter vor sie hintrat. Bei solchen Versammlungen zeigen sich politische Kräfte, die unkontrolliert vorgehen und die auf diese Weise ihre Interessen durchsetzen wollten. Geleitet wird die Wahlversammlung normalerweise von dem Augustus, der einen Mitkaiser erheben will. Er stellt ihr den Kandidaten vor. Er kann sich aber dabei vertreten lassen. So ließ sich Theodosius II. bei der Erhebung Valentinians III zum Caesar in Thessalonike 424 und zum Augustus in Rom 425 durch Helion, seinen mag. off., und Leo II. bei der von Iulius Nepos zum Augustus im Juni 474 durch einen gewissen Domitianus vertreten271. Beide leiteten die Versammlung. War kein Herrscher im Amt, wurde sie von einem Vertreter der Gruppe geleitet, die den Kandidaten bestimmt hatte. So hatte bei Valentinians Erhebung 364 höchstwahrscheinlich der PPO Secundus Salutius den Vorsitz der Versammlung272 inne und stellte den Kandidaten vor. Leider gibt es für keine andere Wahlversammlung, in der ein Kandidat der führenden Würdenträger erhoben wurde, eine einigermaßen sichere Nachricht über den Leiter. Helions Rolle bei Valentinians III. Erhebung und Hinweise auf die wichtige Funktion einzelner magistri officiorum bei anderen lassen vermuten, daß auch ein magister officiorum für diese Aufgabe in Frage kam. Er scheint sie vom 5. Jhd. an übernommen zu haben273. 269 C. P. 1, 92 S. 418, 2–5. 270 Vgl. III.C.3.c Die Kaisererhebungen im Westen: Petronius Maximus’ Erhebung, S. 125–129. 271 Vgl. S. 97. 272 Wer von der Führungsgruppe nach ihrem Entscheid den Kandidaten der Heeresversammlung zur Erhebung vorstellt, ist uns für das 4. Jhd. nur in einem Fall überliefert, nämlich für die Erhebung Valentinians I. Vgl. Ioh. Mal. 13, 28 S. 337, 14: uJpo; th`~ sugklhvtou prohvcqh (sc. Valentinianus) kai; ejstevfqh basileu;~ uJpo; Saloustivou. Schon Straub 1939, 15 n. 97 äußerte die Vermutung, daß Salutius die Heeresversammlung geleitet habe, anders Pabst 1997, 216/217, die Iohannes Malalas’ Nachricht nicht für glaubwürdig hält. 273 Die namentliche Erwähnung des mag. off. Martialis neben dem Patriarchen Anatolius vor dem Beginn der Heeresversammlung, in der Leo I. erhoben wurde (C. P. 1, 91 S. 410, 11), läßt den Schluß zu, daß Martialis als ziviler Würdenträger die Versammlung leitete. Martialis’ Anwesenheit nimmt auch Sode 2004, 134/135 an, auch wenn sie zurecht darauf hinweist, daß seine Erwähnung im Genitivus absolutus auch den protokollarischen Bericht zeitlich einordnen sollte. Bei Anastasius’ Erhebung läßt der magister officiorum diesen in den Palast holen (C. P. 1, 92 S. 422, 7), was auf die Führung der gesamten Zeremonie schließen läßt. Ebenso scheint der mag. off. Celer die Wahlversammlung bei Iustinus’ I. Erhebung geleitet zu haben, denn er führte offensichtlich schon den Vorsitz bei den Beratungen der führenden Gruppe (C. P. 1, 93 S. 427, 9).

III.B.1 Die Erhebung des Kaisers

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Generell läßt die Rolle, die die zivilen Amtsträger häufig bei der Auswahl der Kandidaten spielten, und die Tatsache, daß der Kaiser bei der Ausübung seines Vorschlagsrechtes von einem zivilen Würdenträger vertreten werden konnte, den Schluß zu, daß ein solcher den zukünftigen Kaiser der Wahlversammlung vorstellte. Ein militärischer Kommandant als Vorsitzender wird jedenfalls niemals überliefert274. Auch im Prinzipat war nicht geregelt, durch wen die Vorstellung des Kandidaten vor der Wahlversammlung erfolgte. Wenn der Kandidat in Rom erhoben wurde, übernahm diese Aufgabe der Prätorianerpraefekt275. III.B.1.d Die Erhebung eines Caesars Bei der Erhebung eines Caesar wird im 4. und sicher noch zu Beginn des 5. Jhd. in gleicher Weise wie bei der eines Augustus vorgegangen. Die Zeremonie wird von dem Augustus, der einen Caesar zu erheben beabsichtigt, oder einem Stellvertreter geleitet276. Der Caesar kann danach auf jeden Fall die ihm zukommenden Ehren beanspruchen. Die mit seiner Würde verbundenen Kompetenzen unterscheiden sich aber erheblich. Die nach Iulian erhobenen Caesares sind mit Ausnahme Valentinians III. und Anthemius’ ohne jede Macht und regieren nicht277. Im Westen wurden im 5. Jahrhundert keine Caesares mehr erhoben278. Eine besondere Situation ergab sich bei der Erhebung einzelner Caesares im 5. Jhd. im Osten des Reiches. Sie erfolgt nicht immer in Konstantinopel wie Valentinians III. Erhebung zum Caesar am 23.10.424 in Thessalonike deutlich zeigt, ohne daß äußere Umstände dafür verantwortlich waren. Solche lassen sich bei Basiliscus’ Erhebung, des Sohnes des Heermeisters Armatus, zum Caesar beobachten. Er wurde von Zenon 476 in Nicaea erhoben, weil in Konstantinopel der Usurpator Basiliscus herrschte. Unklar bleiben auch die Zusammensetzung und der Ort der Wahlversammlung für die Caesares, die in Konstantinopel selber zu dieser Würde gelangten. Wo Leo, der spätere Leo II., am 17.11.473 durch seinen Vater Leo I. erhoben wurde und von wem die Wahlversammlung gebildet wurde, ist nicht überliefert. 274 Daß sie von einer Augusta geleitet wurde, wird zwar überliefert, findet sich aber immer im Zusammenhang von Erhebungen mit usurpatorischem Charakter. Man vgl. Zon. 13, 24, 3: Pulcheria setzt Marcian das Diadem auf (Holum 1982, 208). Siehe auch die Erhebung des Usurpators Leontius durch Verina (n. 1020). Kolb 2001, 98/99 spricht von der Rolle der Generäle bei der nuncupatio, wenn kein Augustus im Amt war, und bezieht dies wohl auch auf die Leitung der Versammlung. Er gibt aber keinen Beleg. 275 Vgl. z. B. Tac. ann. 12, 69: der Prätorianerpräfekt Burrus begleitet Nero nach Claudius’ Tod ins Lager der Prätorianer. 276 Vgl. Amm. 15, 8 (Erhebung Iulians zum Caesar); Helion ließ Valentinian III. in Theodosius’ II. Auftrag zum Caesar erheben (Olymp. fr. 43, 1 Blockley). 277 Möglicherweise gilt diese Ausnahme auch für Nepos (vgl. n. 676). 278 Zu Palladius, Petronius Maximus’ Sohn, und zu Thela, Odoakers Sohn, vgl. n. 1281, 860. Beide waren Söhne von Usurpatoren.

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III. Der Kaiser, B. Die Übernahme der Herrschaft

Als Patricius, Aspars Sohn, 470/471 zum Caesar erhoben wurde, war es aus politischen Gründen naheliegend, die Erhebung nicht im Hippodrom unter der Beteiligung des Volkes durchzuführen. Sie war beim Volk nicht geschätzt279 und auch von Leo I. nicht erwünscht. Was lag näher, als sie innerhalb des Palastes stattfinden zu lassen. Ob sie schon im Tribunal (Delphax) ohne Teilnahme des Volkes stattfand, wie Constantinus Porphyrogenitus’ Bericht zur Caesarerhebung von 769 nahelegt, ist zu vermuten, aber kaum zu sichern280. Um einem Caesar den Augustustitel zu geben, also eine Rangerhöhung vorzunehmen, die die Möglichkeit gibt, als Augustus zu herrschen, ist eine erneute Erhebungszeremonie nötig. Eine ausführliche Schilderung davon wird nur bei der Übertragung des Augustustitels an den Caesar Leo im Januar 474 gegeben281. Sie entspricht einer normalen Erhebungszeremonie. Der Herrschaftsdauer wurde aber weiter nach dem Tag der Erhebung zum Caesar gezählt. Wahrscheinlich waren es die Notwendigkeit einer erneuten Zeremonie und die damit verbundenen Unsicherheiten, die in der Mittte des 4. Jhd. dazu führten, einen Mitherrscher gleich zum Augustus zu erheben. III.B.2 Nach der Erhebung III.B.2.a Allgemeine Überlegungen: Erhebung, Herrschaftsbeginn, Bestätigungsakte Alle weiteren Akte, wie ein Auftritt im Senat oder vor dem Volk, solange dies noch nicht Teil der Wahlversammlung bildete, verändern die Stellung des neu erhobenen Herrschers nicht. Sie drücken nur aus, daß diese Gruppen seine Erhebung billigen und unterstützen. 279 Zon. 14, 1, 4/5. 280 C. P. 1, 43. 281 C. P. 1, 94. Die Erhebung muß im Januar 474 stattgefunden haben. Zur Erhebung Leos II. zum Augustus vgl. Stein 1959, 361 und n. 60. Er datiert die Erhebung auf den 17.11.473, was zu C. P. 1, 94 S. 431, 8–10 im Gegensatz steht, wo die Ereignisse auf den 17.11. unter Leos d. J. Konsulat datiert werden, d. h. auf 474, was nicht stimmen kann, weil Leo I. schon am 18. Januar 474 starb. Auf den 17.11. 473 ist Leos Caesarerhebung zu datieren und damit sein dies imperii. Dieses Datum ist bei Constantinus Porphyrogenitus fälschlicherweise auf die Erhebung zum Augustus bezogen worden, die aber korrekt auf 474 zu datieren ist, und zwar zwischen dem 1. und dem 18.1.474 (so Bagnall 1987, 483). Zu sonstigen Übertragungen des Augustustitels auf einen Caesar vgl. die auf den Caesar Valentinian III. oder auf die Söhne Konstantins am 9. September 337. Valentinian III. wurde am 23. Okt. 424 in Thessalonike zum Caesar und am 23. Okt. 425 in Rom zum Augustus erhoben (zum Tag der Caesarerhebung vgl. CIL I2, 275, zum Vorgang auch in Rom vgl. besonders Olymp. fr. 43, 1 Blockley. Höchstwahrscheinlich wurde auch Anthemius zum Caesar erhoben, bevor er nach Italien gesandt wurde. Vgl. n. 676). Zur Erhebung der Söhne Konstantins vgl. Cons. Const. s. a. 337, 2 = Chron. min. 1, 235: et ipso anno (337) nuncupati sunt tres Augusti Constantinus et Constantius et Constans V idus Septemb.; Hier. chron. s. a. 2353: post quem (sc. Konstantin) tres liberi eius ex Caesaribus Augusti appellantur. Angaben ohne Ort und weitere beteiligte Personen.

III.B.2 Nach der Erhebung

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Was Bestandteil einer Erhebungszeremonie ist und wie sie abzulaufen hat, war allgemein bekannt und nicht umstritten282. In Zweifel gezogen werden kann nur der tatsächliche Ablauf einer Erhebung. Dies geschieht in der Regel bei Erhebungen von Usurpatoren. Sie werden als unangemessen geschildert. Eine korrekt und geordnet durchgeführte Erhebungszeremonie kann mit dem Begriff legitimus bezeichnet werden283. Sie gehört zu einem rechtmäßig erhobenen Kaiser, verleiht ihm aber keinen unverlierbaren Anspruch auf Herrschaft während einer vorgesehenen Dauer, d. h. bei einem Monarchen in der Regel auf Lebenszeit. Sie sagt auch nichts darüber aus, ob er die Rechte anderer respektiert hat und die Anerkennung seiner Amtkollegen findet, wie etwa Valentinians II. Erhebung zeigt, die erst nachträglich von Gratian und Valens anerkannt wurde. Hat die Investitur eines Augustus stattgefunden und ist er danach als solcher begrüßt worden, kann er die Ehren, die ihm zukommen, beanspruchen und die ihm übertragene Herrschaft wahrnehmen. Sie ist ihm wie eine Sache übergeben, über die er nun verfügen kann. Der Anspruch anderer darauf gilt von diesem Moment an als Usurpation. Die Nichtanerkennung seiner Stellung etwa durch Beleidigung seines Bildes hat Hochverratscharakter. Die Wahrnehmung der übertragenen Stellung muß sich nicht unmittelbar an die Erhebungszeremonie anschließen. Die Möglichkeit, nominelle Mitherrscher zu erheben, bedeutet, daß der neue Kaiser nicht sogleich Herrschaft ausübt und über die notwendigen Instrumente dazu nicht verfügt. Der Übergang zum regierenden Kaiser kann in kleinen Schritten erfolgen, wie es im Fall von Arcadius 394/395 zu beobachten ist284. Dies geschah aber offenbar selten. Wann die Herrschaft ausgeübt werden kann und in welchem Umfang, hängt zu Lebzeiten des Kaisers, der den Kollegen erhoben hat, von dessen Willen ab. Für die Wahrnehmung der übertragenen Stellung bedarf es aber keiner neuen Erhebung. Spätestens nach dem Tod des auctor erfolgt die tatsächliche Übernahme der Herrschaft durch den bisher nominellen Kaiser, der für die Nachfolge vorgesehen ist. Valentinian II., der nach Valens’ Tod nicht nachrückte, stellt einen Sonderfall dar. Er wurde nicht von Gratian der Nachfolgesicherung wegen zum Mitaugustus erhoben, sondern von führenden Würdenträgern und von diesem und Valens lediglich als nomineller Herrscher anerkannt. Erst nach dem Erhebungszeremoniell, d. h. nach Investitur und Begrüßung als Augustus (nuncupatio, nuncupare), beginnt der Anspruch auf Gehorsam und die Pflicht zum Gehorsam. Dessen Verweigerung wird dann zum crimen laesae maiesta­ tis. Das Erhebungszeremoniell setzt normalerweise den Zeitpunkt dafür fest. Die Bestimmung des Kandidaten ist zwar politisch der entscheidende Akt, aber erst mit seiner Erhebung wird allen deutlich gemacht, wer der neue Kaiser ist. Auch hier geben die Vorgänge bei Valentinians I. Erhebung die entscheidenden Hinweise. Als dieser als Kandidat bestimmt, aber noch nicht erhoben worden ist, hat er die Herr282 Vgl. z. B. den Begriff oJ th`~ ajnarrhvsew~ novmo~ bei Lib. or. 13, 34. 283 Vgl. n. 75, 76. 284 Vgl. n. 191.

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III. Der Kaiser, B. Die Übernahme der Herrschaft

schaft noch nicht übernommen. Solange ist jeder Versuch eines anderen, sich erheben zu lassen, zwar politisch höchst unerwünscht und mit allen Mitteln zu verhindern, aber möglich und keine Usurpation. Daß erst mit der Investitur, nicht mit der Bestimmung des Kandidaten die Herrschaft übernommen wird, zeigt sich auch daran, daß unmittelbar danach die ersten Bitten an ihn gerichtet werden. Er wird zum Handeln in seiner neuen Funktion aufgefordert285. Das Erhebungszeremoniell ist keine formelle Amtseinsetzung wie die eines modernen Amtsträgers. Es errichtet keine institutionelle Hürde, deren Übertretung einen Tabubruch bedeutet. Stellte jemand das Herrschaftsrecht des Erhobenen in Frage, konnte er mit dem gleichen Zeremoniell seinen Anspruch deutlich machen. Dennoch bedeutet dessen vorgegebene Form eine Schwelle für den, der nach dem Thron greifen will. Der vorgegebene Ablauf der Zeremonie war nicht ohne weiteres zu sichern. Sie konnte auch nicht durch eine beliebige andere Form ersetzt werden, wie es im frühen Prinzipat möglich war, als es kein eigentliches Erhebungszeremoniell gab. So wurde von Vespasian die Vereidigung der Truppen auf ihn in Ägypten am 1. Juli 69 durch den praefectus Aegypti Tiberius Alexander, ohne daß er persönlich anwesend war, als dies imperii betrachtet286 und nicht seine Ausrufung durch die Truppen in Iudaea am 3. Juli. Bei ihr handelt es sich nur um seine Anerkennung als Augustus287. Soweit unsere Quellen in verkürzter Form über Erhebungen berichten, unterscheiden sie terminologisch nicht deutlich zwischen der eigentlichen Erhebung, bei der Investitur und die folgenden Begrüßung als Augustus (nuncupatio) die zentralen Elemente sind, und den ihr folgenden Bestätigungszeremonien288. Sie unterscheiden meistens auch in ihrer Ausdrucksweise nicht zwischen der Investitur mit der folgenden nuncupatio und der ihr voraufgehenden Aufforderung, die Herrschaft zu übernehmen. Dazu kommt, daß bei den Erhebungen im 5. Jhd. in Konstantinopel die wesentlichen Bestätigungsakte dem Erhebungszeremoniell unmittelbar folgen und daher von diesem nur schwer zu trennen sind und zu Mißverständnissen in der Forschung geführt haben, wie z. B. die Diskussionen über die Krönung durch den Patriarchen oder Procopius’ Erscheinen vor dem Volk zeigen289. Solche Szenen der Bestätigung der Erhebung können den Eindruck einer mehrfachen Erhebung erwecken und erscheinen in einzelnen Quellen durch verkürzende Darstellung auch als solche. Dieser Eindruck ist aber irreführend. Entscheidend ist die Investitur verbunden mit der feierlichen Begrüßung als Herrscher. Nach ihr kann Gehorsam verlangt werden. Sie 285 Vgl. Amm. 26, 2, 3–11: Bitte des Heeres um Ernennung eines Mitkaisers. Man vgl. auch die Bitten nach Iulians Erhebung zum Augustus (Amm. 20, 5, 9). 286 Tac. hist. 2, 79, 1; Suet. Vesp. 6, 3. Diese Vereidigung wird von Kienast 1996, 108 als Erhebung bezeichnet, ist es aber formal nicht. 287 Auf dieses Phänomen hat schon Pabst 1998, 19, 162, 169 u. passim verwiesen. 288 Für die Anrede als Augustus nach der Erhebung kann z. B. statt des korrekten nuncupare etwa auch appellare gebraucht werden, besonders in verkürzender Darstellung der Ereignisse, und die eigentliche Erhebung und die folgenden Bestätigungszeremonien müssen nicht getrennt aufgeführt werden. Ob jeweils die eigentliche Erhebung bzw. nur eine Bestätigung gemeint ist, muß dann aufgrund anderer Kriterien entschieden werden. Vgl. auch n. 1019. 289 Vgl. n. 233 zur Krönung; n. 997 zu Procops Erscheinen vor dem Volk.

III.B.2 Nach der Erhebung

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wird nicht in den Bestätigungszeremonien wiederholt. Diese zeigen nur, wie der Raum dieses Anspruchs, der an und für sich immer für den Reichsteil gilt, für den der Herrscher erhoben worden ist, politisch in Besitz genommen wird und die Personen, die im Dienst des Kaisers stehen, sich dazu bekennen. Die Zeilen, in denen Hydatius von Avitus’ Erhebung spricht, bieten für die oben dargelegte Problematik ein interessantes Beispiel290. Nimmt man Hydatius beim Wort, wurde Avitus in Toulouse und in Beaucaire als Augustus begrüßt (Avitus … ab exercitu Gallicano et ab honoratis primum Tolosa, dehinc apud Arelatum Au­ gustus appellatus.). Hydatius läßt in seiner verkürzten Darstellung nicht erkennen, wo die Investitur stattfand. Die Nennung von Arles an zweiter Stelle läßt sogar vermuten, daß Avitus schon in Toulouse erhoben wurde. War Avitus ein Kaiser, der bei den Goten erhoben wurde? Sidonius bietet die Lösung291. Er erwähnt kennzeichnenderweise nur eine Erhebung in Beaucaire bei Arles, um Avitus keinesfalls als Kaiser erscheinen zu lassen, der von den Goten erhoben wurde, macht aber deutlich, daß die Goten in Toulouse ihn schon dazu drängten, sich zum Augustus erheben zu lassen292. Zu denken ist an einen Ablauf der Ereignisse, wie er sich bei der Annahme des Augustustitels durch Iulian im Februar 360 beobachten läßt293. Das Heer forderte ihn während der Nacht auf, sich zum Augustus erheben zu lassen. Er aber setzte durch, daß das Erhebungszeremoniell erst am nächsten Morgen durchgeführt wurde, mit einer erneuten Aufforderung, sich zum Augustus erheben zu lassen, der dann folgenden Investitur, d. h. der Annahme der Insignien und der Schilderhebung, sowie der anschließenden Begrüßung als Augustus. Man wird daher davon auszugehen haben, daß die Goten Avitus in Toulouse aufforderten, sich zum Augustus erheben zu lassen (Augustum appellare), er aber diesem Begehren nicht nachgab und sich nicht mit den Insignien bekleiden ließ. Es fanden keine Investitur und keine Begrüßung als Herrscher statt (nuncupatio). Avitus ließ dann das Zeremoniell in Beaucaire bei Arles durchführen294. Vergleichbar den Vorgängen in Toulouse und Paris 360 sind auch solche Ausrufungen zum Augustus, denen keine Investitur und Annahme des Titels und die Übernahme der Herrschaft folgte, obwohl eine solche von denen, die die Ausrufung vornahmen, beabsichtigt war. Wer auf keinen Fall erhoben werden will, verweigert es. Zu einer solchen Ausrufung kam es nach der Schlacht bei Straßburg im Jahre 357. Die Truppen forderten Iulian als Augustus295. Iulian wies diesen Titel zurück, 290 Zwar gilt Avitus als Usurpator, aber er wurde auf den vakanten Thron im Westen erhoben, so daß keine Gewaltanwendung nötig war und er wie ein Kaiser, der als legitim gilt, zur Herrschaft kam. 291 Sidon. carm. 7, 573–580. 292 Sidon. carm. 7, 508/509. 293 Amm. 20, 4, 14. 4, 15–19. 294 Hyd. Lem. 163 = 156 Burgess = Chron. min. 2, 27: Ipso anno in Galliis Avitus Gallus civis ab exercitu Gallicano et ab honoratis primum Tolosa, dehinc apud Arelatum Augustus appellatus Romam pergit et suscipitur. Die Wendung Augustus appellatus kann von der bloßen Aufforderung, sich zum Augustus erheben zu lassen, wie für die feierliche Begrüßung als Kaiser (nuncupatio) nach der Investitur gebraucht werden. 295 Amm. 16, 12, 64. Vgl. auch Amm. 20, 8, 8.

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III. Der Kaiser, B. Die Übernahme der Herrschaft

und es kam zu keiner Erhebung. Die gleiche Situation liegt 518 bei den tumultartigen Vorgängen vor, die Iustinus’ Erhebung vorausgingen. So wurde Iustinianus als Augustus gefordert, lehnte aber eine Erhebung ab. Vergleichbar ist auch Areobindus’ Verhalten 512. Er wurde während religiöser Unruhen in Konstantinopel vom Volk, das die katholische Orthodoxie gegen den Monophysitismus unterstützte, als Kaiser gefordert. Er verbarg sich aber und ließ sich nicht erheben296. Amantius, der nach Iustinus’ Erhebung 518 das Volk offensichtlich veranlaßte, seinen domesticus Theocritus als Augustus zu fordern, bezahlte dafür mit seinem Leben297. III.B.2.b Die Anerkennung des neuen Herrschers am Ort der Erhebung Am Ort der Erhebung folgen unmittelbar auf die Übernahme der Herrschaft deren Anerkennung und Bestätigung durch andere Gruppen, die nicht an der Wahlversammlung und Investitur teilgenommen haben. Dieser Vorgang ist nur in größeren Orten von Bedeutung, d. h. besonders in Residenzstädten, wo eine ablehnende Reaktion Schwierigkeiten hätte bereiten können. Für Usurpatoren ist er dagegen immer von größter Wichtigkeit298. Weil bei keiner Erhebung eines als legitim geltenden Kaisers Anerkennung und Bestätigung an dem Ort, wo sie stattfand, umstritten waren, wird dieser Vorgang nur von Constantinus Porphyrogenitus eingehender beschrieben. Anerkennung und Bestätigung durch andere Gruppen sind für die Erhebungen in Konstantinopel gut in der Schilderung greifbar, die Constantinus Porphyrogenitus von der Leos I. gibt. Leo I., der auf dem Hebdomon sieben Meilen vor der Stadt erhoben worden war, ging in den Senat und zeigte sich in einem Zug durch die Stadt und im Hippodrom dem Volk, das damals noch nicht Teil der Wahlversammlung bildete299. Dasselbe Vorgehen ist bei allen Erhebungen anzunehmen, die auf dem Hebdomon stattfanden. Nachdem das Volk an der Wahlversammlung teilnahm, war eine besondere Anerkennung der Herrschaft durch dieses nicht mehr nötig. Der Neuerhobene mußte nur noch in den Senat gehen. Weil das Volk im Westen des Reiches nie an der Wahlversammlung teilnahm, fand eine Anerkennung durch es wahrscheinlich notwendigerweise immer statt. Es berichtet aber keine Quelle darüber. Deshalb wissen wir auch nicht, wo sie etwa in

296 Zu Iustinianus’ Ausrufung vgl. C. P. 1, 93 S. 428, 5–7; zu Areobindus PLRE 2, 143/144 s. v. Areobindus 1; zu den Vorgängen von 512 Ioh. Mal. 16, 19 S. 408; Marcell. com. 512 = Chron. min. 2, 98: Areobindam sibi imperatorem fieri clamitabant (sc. die Menge); Theophan. A. M. 6005 = 1, 159 und Jones 1973, 234; Stein 1949, 177/178. 297 Vict. Tonn. s. a. 519 = Chron. min. 2, 196. 298 Vgl. IV.C.2.b Die Anerkennung des Usurpators am Ort der Erhebung, S. 250/251. 299 C. P. 1, 91 S. 414, 15/16; 417, 5/6. Der Bericht über den Einzug in die Stadt ist zwar offensichtlich nicht dem Protokoll über die Erhebung entnommen, sondern entstammt einer anderen Quelle (Sode 2004, 151–183 passim), spiegelt aber doch die Stationen wieder. Die Begegnung mit dem Volk im Hippodrom ist auf den folgenden Tag nach dem Einzug verlegt und findet anläßlich von Spielen im Hippodrom statt.

III.B.3 Die Intervalle zwischen dem Tod eines Kaisers und der Erhebung eines neuen

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Ravenna oder Rom stattfand. Es kann nur der Circus gewesen sein300. In den Senat konnte der in oder bei Rom erhobene sich sofort begeben. III.B.3 Die Intervalle zwischen dem Tod eines Kaisers . und der Erhebung eines neuen Bis zur Erhebung eines neuen Herrschers konnte nach dem Tod des alten unterschiedlich viel Zeit vergehen, bis man sich auf einen neuen geeinigt hatte. Das Vorgehen war in keiner Weise geregelt. Es waren keine Fristen vorgegeben, und keine Übergangsregelungen vorgesehen. Das war politisch von größter Bedeutung. Man war darauf bedacht, die Vakanzen möglichst kurz zu halten, um Erhebungen, die unerwünscht waren, zu verhindern. Dies hatte Einfluß auf die Auswahl der Kandidaten. So wurde z. B. Ianuarius nach dem Tod Iovians 364 nicht weiter in Erwägung gezogen, weil er zu weit weg war301. Unsere Quellen berichten niemals, daß während dieser Intervalle Usurpationsversuche stattfanden oder Unruhen größeren Ausmaßes ausbrachen. Die Truppen und später auch das Volk in Konstantinopel wurden streng kontrolliert, und zwar insoweit erfolgreich, daß spontane Erhebungen nicht gelangen. Legen keine äußeren Schwierigkeiten wie etwa die Abwesenheit wichtiger Personen eine länger dauernde Übergangszeit nahe, deutet eine längere Vakanz des Thrones auf Auseinandersetzungen über den Kandidaten hin. Äußere Umstände waren dagegen der Grund dafür, daß die Erhebung Valentinians nicht sofort nach Iovians Tod erfolgte302. Nachdem dieser am 17. Februar 364 überraschend gestorben war, vergingen nämlich 10 Tage303, ehe Valentinian am 25. Februar304 erhoben wurde. Die lange Zeitspanne erklärt sich durch die besonderen äußeren Umstände. Iovian war in Dadastana, einem kleinen Ort an der Straße zwischen Ankara und Nicaea verstorben, und das Heer zog bis Nicaea weiter, um dort die Entscheidung über die Nachfolge zu treffen. Dazu benötigte es drei bis vier Tage305. Nach der Wahl Valentinians mußte dieser, der sich im etwa 210 m. p. entfernten Ankara306 300 Die Lage des Circus in Ravenna ist unbekannt. Er wird lediglich einmal im Liber pontificalis (Lib. pont. 75, 2) ausdrücklich erwähnt, und zwar im Zusammenhang mit dem Putsch des chartularius Mauricius im Jahre 643 oder 644 (PLRE 3, 851/862 s. v. Mauricius 8), dessen Kopf im Circus zur Schau gestellt wurde. Zu einer umfangreichen Erörterung der Frage vgl. Heucke 1994, 384–390. 301 Amm. 26, 1, 4/5. 302 Die Vorgänge von 337 zu diskutieren, als die Söhne Konstantins zu Augusti erhoben wurden, ist nicht sinnvoll, weil wir über sie nicht hinreichend informiert sind. 303 Amm. 26, 1, 5: diebusque decem, anders Philost. 8, 8, der von 12 Tagen spricht. 304 Seeck 1919, 214: 26.2. Der 25.2. ist offensichtlich vorzuziehen. Der 24.2. muß dabei doppelt gezählt werden. Vgl. den Boeft 2008, XV, 24–26 und n. 387. 305 Die Entfernung zwischen diesen beiden Orten beträgt zwischen 90 und 100 m. p. Vgl. Itin. prov. 141, 1–142, 1; Itin. Burdig. 573, 4–574, 5; Miller 1916, 657/658. Seeck 5, 1 nimmt drei Tage an, Soc. 4, 1 überliefert sieben Tage, was zu lange ist. 306 Die Entfernung zwischen Ankara und Nicaea beträgt etwa 210 m. p. Vgl. Itin. prov. 141, 1– 143, 1; Itin. Burdig. 573, 4–575, 4; Miller 1916, 657–659. Vgl. den Boeft 2008, 22, die auf 220 m. p. kommen.

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III. Der Kaiser, B. Die Übernahme der Herrschaft

aufhielt, benachrichtigt werden und herbeieilen. Wegen der Zeit, die für Valentinians Benachrichtigung und für seine Reise von Ankara nach Nicaea notwendig war, hat man einen Entscheid für Valentinian I. unmittelbar nach der Ankunft des Heeres in Nicaea anzunehmen. Die Zeit zwischen dem 17. und 25. Februar war also sehr kurz. Weil er am frühen Morgen des 24. Februar, einem Schalttag, ankam, der als Unglückstag galt, mußte er noch einen weiteren Tag warten307, ehe er am 25. Fe­ bruar erhoben werden konnte. Die zehn Tage waren also durch die äußeren Umstände bedingt und nicht durch langwierige Auseinandersetzungen bei der Bestimmung des Kandidaten. Die Vorgänge zeigen, wie man um eine möglichst schnelle Regelung der Nachfolge bemüht war und keinen Tag unnötig verstreichen ließ. Dennoch wagte niemand, während dieser Zeit die Herrschaft an sich zu reißen, was auf eine vollkommene Kontrolle der Truppen und möglicher Anwärter auf den Thron schließen läßt. Diese zehn Tage, während derer das ganze Reich ohne Kaiser war, was Ammian für besonders erwähnenswert hält308, blieben keine Ausnahme. Auch 457 war das Reich insgesamt 11 Tage ohne Herrscher. Marcian starb am 27.1.457309, Leo I. wurde am 7.2.457 erhoben, im Westen gab es keinen Kaiser. Damals waren es aber eindeutig innere Auseinandersetzungen, die einen raschen Entschluß unmöglich machten, denn unseres Wissens waren alle entscheidenden Personen in Konstantinopel versammelt. Daß Leo höchstwahrscheinlich aus Selymbria herbeigeholt werden mußte, führte höchstens zu einer Verzögerung von drei Tagen. Ist der Thron nur in einer Reichshälfte nicht besetzt, bietet sich eine etwas andere Situation. Eine längere Vakanz deutet dann auf eine Respektierung des Anspruches des regierenden Kaisers hin, wenn sie so lang war, daß die Zeit für eine Kontaktaufnahme mit ihm gereicht hätte, und man ihn während der Vakanz ausdrücklich anerkannte. Problemlos wurde etwa nach Valens Tod am 9. Aug. 378 in der Schlacht bei Adrianopel die Entscheidung für Theodosius, der am 19. Jan. 379 in Sirmium erhoben wurde, im Osten abgewartet. Die Regel gilt auch dann, wenn es schließlich zur Erhebung eines eigenen Kandidaten kam wie z. B. im Fall von Eugenius oder Iohannes. Vor Eugenius’ Erhebung wartete man rund drei Monate, vom 15.5.–22.8.392, auf Theodosius’ Reaktion, vor der des Usurpators Iohannes ebenfalls drei, vom 15.8.–20.11.423310. Nach Avitus’ Sturz am 17. oder 18.10.456 bis zu Maiorians Erhebung am 28.12.457 vergingen mehr als vierzehn Monate, ebenso etwa drei von Maiorians Sturz am 2.8.461 bis zur Übernahme der Herrschaft durch Libius Severus am 19.11.461. Nach dessen Tod am 14.11.465 verstrichen rund sechzehn Monate, ehe Anthemius um den 27.3.467 vor Rom zum Augustus erhoben wurde. Nachdem Anthemius am 11.7.472 in Rom umgekommen war, kam es zu Kontakten mit dem Kaiser in Konstantinopel um die Anerkennung eines Augustus erst wieder etwa zwei Monate nach Romulus’ Erhebung im Januar 476. Nach Romulus’ Sturz im September 476 wandte sich der Westen erneut an Kon307 Amm. 26, 1, 7; 26, 2. Vgl. n. 387. 308 Amm. 26, 1, 5. 309 Seeck 1919, 403: 26.1. 310 Zu den Interregna nach Petronius Maximus’ Tod am 31.5.455 vgl. Henning 1999, 331 n. 10.

III.C.1 Allgemeine Überlegungen

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stantinopel, diesmal aber nicht mehr, um über die Einsetzung eines Augustus zu verhandeln311. Erhob man dagegen sofort einen eigenen Kandidaten wie im Fall von Petronius Maximus, der am Tag nach der Ermordung Valentinians III. am 17. März 455 auf den Thron kam, so wird erkennbar, daß man eine Respektierung des Anspruchs des Kaisers in Konstantinopel gar nicht in Erwägung zog. Dies galt auch für das kurze Intervall nach Petronius Maximus’ Tod am 31.5.455. Avitus wurde schon am 9. oder 10.7.455 in Beaucaire bei Arles erhoben. Die kurze Zeitspanne und das Durcheinander in Italien machen Konsultationen mit dem Kaiser in Konstantinopel undenkbar. Olybrius’ Erhebung, die auf April 472 während Anthemius’ Auseinandersetzung mit Rikimer zu datieren ist, und Glycerius’ Herrschaftsantritt am 3. März 473 erfolgten ebenfalls sicher ohne Absprache mit Konstantinopel. Zwar vergingen zwischen Olybrius’ Tod am 2.11.472 und Glycerius’ Übernahme der Herrschaft am 3. oder 5. März 473 vier Monate, aber die politische Situation in Italien schließt eine Kontaktnahme mit dem Kaiser in Konstantinopel aus. Im Osten zog man beim Wechsel von Theodosius II. zu Marcian 450 keine Konsultation Valentinians III. in Betracht, der eigentlich hätte beanspruchen können, den Kandidaten vorzuschlagen, aber man benötigte doch fast vier Wochen312, ehe man sich auf Marcians Erhebung einigen konnte. Dies spricht sehr deutlich für innere Spannungen. III.C Der Vorschlag des Kandidaten III.C.1 Allgemeine Überlegungen Entscheidend ist bei einer Erhebung im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft, wer den Kandidaten bestimmt und der Wahlversammlung vorschlägt. Diese selbst kann nur einem Vorschlag zustimmen, aber keinen machen, wenn sie als geordnet gelten will. Daß ein regierender Augustus einen Kandidaten zur Erhebung vorschlägt, ist die häufigste und normale Form, weitere Herrscher zu erheben. Er geht dabei davon aus, daß die Versammlung seinem Vorschlag folgt313, auch wenn er dessen Annahme natürlich vorbereitet. Wenn kein Kaiser im gesamten Reich mehr im Amt ist wie z. B. nach dem überraschenden Tod Iovians 364, gibt es keine Instanz mehr, die über die Herrschaft verfügt, sie weitergeben oder Anteil an ihr geben kann und der Loyalität und Gehorsam geschuldet wird. Der Vorschlag eines Kandidaten und die Einberufung einer 311 Zur rein formalen Natur der Anerkennung des im Exil in Dalmatien lebenden Kaisers Iulius Nepos bis zu dessen Tod 480 durch Odoaker vgl. Henning 1999, 331. 312 Theodosius II starb am 28.7.450, Marcianus wurde am 25.8.450 erhoben. 313 Amm. 26, 2, 8 (zur Parallelüberlieferung vgl. den Boeft 2008, 53): id mihi (sc. Valentinianus I.), quod mearum est partium, concesserit libens (sc. patientia militum). Valentinian I. beansprucht nach seiner Investitur die Entscheidung über die Erhebung eines Amtskollegen und dessen Auswahl.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Wahlversammlung können jetzt von jedem vorgenommen werden, ohne daß es sich um eine Usurpation handelt314. Beides kann aber erfolgreich und sinnvoll nur von einer Instanz durchgeführt werden, die auf Grund ihres Einflußes sicherstellen kann, daß ihr Kandidat auch Kaiser wird und vor allen Dingen nachher Anerkennung und Gehorsam findet. Sie muß zudem verhindern können, daß andere Kandidaten auftreten und erhoben werden oder sich eine ungeordnete Wahlversammlung bilden kann. Weil die Mißachtung ihres Vorschlages nicht als Usurpation oder Hochverrat betrachtet werden kann, muß er daher von ihr besonders gesichert und durchgesetzt werden. Um die Wahl eines geeigneten Kandidaten und eine geordnete Wahlversammlung in einer solchen Situation zu sichern, ergriffen nach 337 regelmäßig die führenden Würdenträger die Initiative. Sie konnten auf Grund ihres Einflusses dafür sorgen, daß ihr Kandidat auch erhoben wurde und Anerkennung und Gehorsam fand. Sie müssen sich aber auf einen Kandidaten einigen und darauf bedacht sein, daß keine Konkurrenten auftreten. Man kann sie als führende Gruppe bezeichnen. Wie die Erhebung eines Kandidaten, auf den sich die einflußreichsten Würdenträger geeinigt hatten, gesichert wurde, zeigt Ammian in seiner Darstellung, die er von der Erhebung Valentinians 364 gibt, sehr eindrücklich. Als man sich auf Valentinian als Nachfolger Iovians geeinigt hatte, suchte man zu verhindern, daß sich ein anderer vorher den Truppen präsentieren konnte. Man fürchtete nicht eine beliebige Person, sondern daß ein ernstzunehmender Anwärter sich von den Truppen erheben lassen könnte, und suchte dem durch Überwachung der Soldaten entgegenzuwirken315. Von den hohen Würdenträgern wurden von den als legitim geltenden Kaisern im 4. Jhd. Iovian und Valentinian I. sowie der nachträglich legitimierte Valentinian II. zur Erhebung vorgeschlagen, im 5. Jhd. Marcian, Leo I. und Anastasius, zu Anfang des 6. Jhd. Iustinus I. Beim Vorschlag Marcians mißachtete man im östlichen Reichsteil den Anspruch Valentinians III., einen Kandidaten zu benennen. Marcians Erhebung hatte dadurch usurpatorischen Charakter, er wurde aber nach einiger Zeit von Valentinian III. anerkannt. Um einen Kandidaten vorzuschlagen, der nicht von vornherein als Usurpator betrachtet wird, kommen also nur ein amtierender Augustus oder, wenn es einen solchen im gesamten Reich nicht gibt wie z. B. nach dem Tod Iovians 364, die führenden Würdenträger in Frage. Der Anspruch des Kaisers, einen Kandidaten vorzuschlagen, schließt also einen Vorschlag der führenden Würdenträger aus. Mißachten diese diesen Grundsatz, hat ihr Vorschlag usurpatorischen Charakter.

314 Nach Amm. 26, 2, 7 (zur Parallelüberlieferung vgl. den Boeft 2008, 51): quod erat igitur in manu positum vestra (sc. die Wahlversammlung) nondum electo imperii formatore entscheidet die Wahlversammlung über den Kandidaten, wenn kein Kaiser im Amt ist. Weil deren Einberufung und Zusammensetzung aber für diesen Fall nicht geregelt ist, trifft der die Entscheidung, der eine geordnete Wahlversammlung einberufen kann. 315 Amm. 26, 1, 6.2, 1. Vgl. auch Anastasius’ Erhebung. Als die führenden Würdenträger ihn als Kandidaten bestimmt hatten, wurde er sofort in den Palast geholt und dort bewacht, bis Zenon beerdigt worden war (C. P. 1, 92 S. 422, 7).

III.C.1 Allgemeine Überlegungen

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Daß die Bestimmung des Kandidaten, der der Wahlversammlung vorgestellt wird, der politisch entscheidende Akt ist, wird auch daran deutlich, daß in verkürzenden Darstellungen von einer Wahl oder Ernennung des neuen Herrschers durch einen Augustus oder durch die führenden Würdenträger bzw. eine aus ihrem Kreis stammende Person gesprochen wird. Dies unterstreicht die Bedeutung dessen, der den Vorschlag machte oder als dafür verantwortliche Person betrachtet wird. Für die Terminologie spielt es dabei keine Rolle, ob es ein Herrscher oder ein Usurpator ist, dem das Amt übertragen wird316. Die Bestimmung der Kandidaten für den Thron durch einen regierenden Augustus oder durch die einflußreichen Mitglieder der führenden Gruppe ist das eigentlich stabilisierende Element im spätantiken Mehrkaisertum und in der weiteren Geschichte von Byzanz. Alle auf diese Weise vorgeschlagenen Kandidaten wurden im 4., 5. und 6. Jhd. auch erhoben. Die führende Gruppe geht dabei davon aus, daß ihr Vorschlag angenommen wird, und zwar auf Grund ihrer politischen und sozialen Stellung. Diese gibt ihr die Möglichkeit, Gehorsam ihrem Vorschlag gegenüber einzufordern. Daß im 4. und 5. Jhd. die Bestimmung eines Kandidaten erfolgreich nur noch vom regierenden Kaiser oder hohen amtierenden oder ehemaligen Würdenträgern wahrgenommen wird, soweit es sich um geordnete Erhebungen handelt und nicht um Usurpationen, ist eine neue Situation, denn für die Bestimmung des Kandidaten hatte sich in der Prinzipatszeit vorher kein Verfahren herausgebildet, dem generell gefolgt wurde. Alles war der aktuellen politischen Situation überlassen. So konnte Agrippina 54 die Erhebung Neros steuern, wobei sie vom Prätorianerpräfekten Burrus unterstützt wurde, Claudius wurde 41 zufällig von den Prätorianern gefunden und 238 bei der Erhebung von Balbinus und Pupienus beriet der Senat über den Vorschlag eines Kandidaten. Auch dabei handelte es sich um eine Ausnahme, und die Gruppe, die damals im Senat dafür tätig wurde, ist recht gut faßbar317. In der Spätantike schlug der Senat in Rom als Körperschaft keinen Kandidaten zur Erhebung vor, der nicht als Usurpator galt, was auf besondere Umstände hin316 Vgl. z. B. C. P. 1, 93 S. 426, 3: mhde; basilevw~ tou` ceirotonou`nto~; Procop. BV 1, 3, 4: ba­ sileva (sc. Iohannes) aijrou`ntai … (sc. die führende Gruppe); Soc. 7, 24, 2: basileu;~ ajna­ deicqeiv~ (sc. Constantius III. durch Honorius); Iordan. Rom. 336: Caesarem (sc. Anthemius) ordinare (sc. Leo I.); Lact. mort. pers. 26, 7: patri suo (sc. Maximian) post depositum imperi­ um in Campania moranti purpuram mittit et bis Augustum nominat (sc. Maxentius). Zu den umstrittenen historischen Vorgängen bei der erneuten Erhebung Maximians (Ende? 306) vgl. Paschoud 2000, 209/210. 317 Vgl. zur Erhebung von Balbinus und Pupienus 238 Hdn. 7, 10; besonders 7, 10, 5, wo von drei Schritten die Rede ist, nämlich dem Vorschlag als Kandidaten – ceirotoniva –, der Erhebung – ajnhgoreuvqhsan – und einem Senatsbeschluß – dovgma –; Hist. Aug. Max. Balb. 1–3. Dabei spielte die Kommission der vigintiviri aus den Reihen der Konsulare eine wichtige Rolle. Sie war eingesetzt worden, um die Verteidigung Italiens gegen Maximinus Thrax zu organisieren. Vgl. Dietz 1980, 21, 326–340, besonders 330/331 u. passim. Zur Wahl von Balbinus und Pupienus und zur Interpretation von Hdn. 7, 10, 3–5 vgl. auch X. Loriot, Les premières années de la grande crise du IIIe siècle: De l’avènement de Maximin le Thrace (235) à la mort de Gordien III (244), ANRW II, 2, Berlin / New York 1975, 657–787, dort 703, der das Außergewöhnliche und die Einmaligkeit der Wahl durch den Senat unterstreicht. Beide wurden auch bei ihrem Sturz wegen ihrer Wahl durch den Senat als Senatskaiser beschimpft (Hdn. 8, 8, 6).

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

weist318. Der Senat in Konstantinopel wurde als Körperschaft sogar nie in diesem Sinn tätig319. Zu Mißverständnissen über die Rolle des Senates hat teilweise die Sprache der Quellen geführt. Einige sprechen von einer Mitwirkung des Senates bei der Erhebung von Kaisern. Sie projizieren aber anachronistisch spätere Verhältnisse zurück und meinen mit dem Begriff suvgklhto~, den sie für Senat verwenden, nicht diesen als Körperschaft320. Es kam dazu, daß die nicht deutliche Trennung zwischen eigentlicher Erhebung und Bestätigung in den Quellen zu solchen Aussagen verleitete. III.C.2 Der Kaiser als auctor eines neuen Herrschers Wenn ein Augustus einen Kandidaten bestimmt und erheben läßt, wird er zu dessen auctor, zu dem, der ihn in dieses Amt gebracht hat. Einen Kollegen im Rang eines Caesars oder Augustus zu erheben ist für jeden Kaiser, der den Augustustitel nicht nur nominell trägt, möglich321 und der normale Weg, weitere Herrscher auf den Thron zu bringen, seien es nominelle oder solche, die sofort zu regieren beginnen. 318 Vgl. IV.C.3 Wer schlägt den Usurpator vor? Die Bestimmung des Kandidaten, S. 251–257. 319 Vgl. den Exkurs „hJ suvgklhto~“, S. 379–387. 320 Vgl. den Exkurs „hJ suvgklhto~“, S. 379–387. 321 Zur Vorstellung des auctor vgl. z. B. Amm. 14, 1, 1; 21, 10, 7; Greg. Naz. or. 4, 46: yh`fo~ basilevw~; Lib. ep. 369, 4–5; Paneg. 12, 31, 2: ambitu imperatoris; Them. or. 6, 4, 73D–74A; 14, 4, 182D–183A; 15, 4, 187D; 15, 16, 198A; 18, 6, 220D. Besonders zum zwingenden Charakter der Designation durch den auctor auch für den Kandidaten vgl. Paneg. 12, 11, 6. 12, 1. Eine Reihe weiterer Belege findet sich bei Pabst 1986, 309/310. Ihre Auffassung vom auctor steht aber in einer eher staatsrechtlich orientierten Betrachtung des Kaisertums, die das Wesen der gemeinsamen Herrschaft verkennt, insbesondere deren strikte hierarchische Ordnung (Pabst 1986, 70/71). Das Wort auctor kann auch für die Rolle des Herrschers bei der Einsetzung von Würdenträgern verwendet werden (vgl. z. B. Amm. 25, 8, 11; Symm. rel. 1, 3; 21, 4; generell zu dieser Rolle vgl. Migl 1994, 203–208). Statt des Begriffes auctor sind auch andere möglich. So verweist Soc. 3, 1, 37 darauf, daß Iulian Constantius II. gegenüber als seinem eujergevth~ zu entsprechendem Verhalten verpflichtet war, d. h. ihm die nötige Achtung und Anerkennung zu erweisen hatte. Offiziell kann der auctor auch als pater bezeichnet werden (ILS 646: patres impp. et Caess. – sc. Diocletia­ nus et Maximianus). Die Vorstellung gilt für das 5. Jhd. in gleicher Weise, vgl. etwa C. P. 1, 93 S. 426, 3; Mich. Syr. II p. 122 Chabot (Mich. Syr. 8, 14): „C’était une loi dans l’empire, que quand l’empereur de Rome mourait, celui de Constantinople établissait à sa place celui qu’il voulait choisir et in­ stituer; et quand celui de Constantinople mourait, celui de Rome choisissait et établissait qui bon lui semblait“ und auf Marcian bezogen Mich. Syr. II p. 122 Chabot (Mich. Syr. 8, 14): „… Marcianus commença à régner sans l’assentiment de celui de Rome … Ainsi donc pour ce motif l’unité de l’empire fut brisée par Marcianus, les Romains et toute la région occidentale ne furent plus d’accord avec les empereurs qui regnaient dans la ville de Constantinople.“ Vgl. auch Mich. Syr. II p. 38 Chabot (Mich. Syr. 8, 10): „Le second (motif) est que Marcianus redoutait Valenti[nia]nus, parce qu’il régnait sans son autorité; car, la coutume était que quand l’empereur de l’Orient, c’est-à-dire de Constantinople, mourait, l’empereur de l’Occident,

III.C.2 Der Kaiser als auctor eines neuen Herrschers

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Nachdem die Herausbildung zweier Reichsteile mit der Teilung von 364 weitere Fortschritte gemacht hatte, wurde die Erhebung von Kollegen durch den auctor nicht nur im Rahmen des Gesamtreiches vom amtsältesten Augustus beansprucht und wahrgenommen, sondern auch im östlichen oder westlichen Teil des Reiches von den jeweils dort regierenden Augusti322. Damit wurde der Anspruch des auctor auch eine Frage der Beziehungen zwischen dem Westen und dem Osten des Reiches. Die Wahlversammlung muß den Entscheid des auctor respektieren und folgte ihm auch immer323. Bei einer Ablehnung seines Vorschlages würden sein Anspruch, einen Kandidaten vorzuschlagen, und damit seine Herrschaft in Frage gestellt sein. Die Loyalität der Wahlversammlung bildet einen Teil davon. Wenn sie einen anderen Kandidaten als den vorgeschlagenen forderte, würde dies als unangemessen gelten. Es käme ihr nicht zu. Einem anderen zu akklamieren hätte als Usurpationsversuch zu gelten. Der Augustus, der die Wahlversammlung leitet, geht daher immer davon aus, daß sie seinem Vorschlag zustimmt, auch wenn er dies natürlich politisch und schließlich in der Rede vor der Versammlung vorbereitet. Als etwa Valentinian I. seinen Sohn Gratian zum Augustus erheben läßt, bittet er zwar die c’est-à-dire de Rome, choisissait et établissait son successeur. Marcianus et Pulcheria étaient donc plongés dans la crainte, car ils régnaient non par l’assentiment de Valenti[nia]nus, mais par l’autorité de leur propre maison. Ils s’appliquaient donc à lui plaire et à lui être agréables, afin qu’il leur accordât l’empire et qu’il demeurât en paix avec eux; …“ Bei Michael dem Syrer wird in Verbindung mit Marcian auf die Verletzung der Regel verwiesen, daß der überlebende Kaiser in Rom oder Konstantinopel jeweils beanspruchen kann, einen Kandidaten für den Thron im anderen Teil des Reiches vorzuschlagen. So wie Marcian die Kirche gespalten habe, habe er auch die concordia (das syrische Wort wird bei C. Brockelmann, Lexikon Syriacum, Halle 21928 mit concordia glossiert) unter den Kaisern zerstört, indem er diese Regel mißachtet und nicht die Zustimmung Roms zu seiner Erhebung eingeholt habe. Michaels Formulierungen lassen sich nicht auf einen bestimmten griechischen Text zurückführen, obwohl seine Darlegungen ganz in dieser sprachlichen Tradition stehen. So wird etwa der Kaiser als basileuv~ bezeichnet, die Regel mit dem griechischen Wort novmo~ und die eigene Machtvollkommenheit mit aujqentiva. Michael spricht von einer Regel (novmo~) für die Besetzung des Thrones in Rom und Konstantinopel und widerspiegelt damit die Mehrkaiserherrschaft in der Form, wie sie nach der Mitte des 4. und im 5. Jhd. sich darbot. Daß er die Verletzung dieser Regel mit der Glaubensspaltung vergleichen kann, macht deutlich, wie sehr er sie im allgemeinen Bewußtsein verankert sah. Sie spiegelte die gelebte politische Praxis wider, deren Verletzung heftig kritisiert werden konnte. Für die Interpretation des syrischen Textes danke ich Wolfhart Heinrichs. Vgl. dazu etwa auch Sidon. carm. 2, 21/22: collegaque (sc. Leo) misit| te (sc. Anthemius) nobis regnumque tibi;…| und 210 sqq., besonders 2, 223: ante tamen quam te socium collega crearet,|… 322 Vgl. n. 158. 323 Amm. 26, 2, 6/7 und auch Philost. 8, 8; Soz. 6, 6, 8; Theodor. 4, 6, 2. Vgl. dazu Neri 1985, 169 sqq.; Zon. 13, 10, 21. Vgl. auch Szidat 1997, 66 n. 10. Zum auctor imperii vgl. ausführlich auch Pabst 1997, 34/35. Aufgrund ihrer Vorstellung von einem wirklichen Wahlakt der comitia bei der Erhebung eines Kaisers sieht sie nicht den zwingenden Charakter, den der Vorschlag des auctor hat. Ihn nicht anzuerkennen bedeutet, seine Stellung in Zweifel zu ziehen. Es ist der erste Schritt zur Usurpation.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Soldaten um ihre Zustimmung, ist sich ihrer aber völlig sicher und hat sie davon auch schon überzeugt324. Die Ablehnung seines Vorschlages durch die Heeresversammlung würde einen Eingriff in seine Herrschaftsrechte darstellen325. Für die Erhebung eines Mitherrschers wird im Rahmen der gemeinsamen Herrschaft normalerweise das Einverständnis des mitregierenden Kollegen gesucht oder vorausgesetzt, um dem Neuerhobenen die reichsweite Anerkennung zu sichern. Die­se erfolgt im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft nicht mehr automatisch wie während der Tetrarchie, sondern es muß um sie nachgesucht werden. Sie kann durchaus ausbleiben. So wurde etwa Constantius III., der auf Honorius’ Vorschlag hin am 8. Februar 421 erhoben worden war, von Theodosius II. niemals anerkannt. Eine solche Situation ist nur möglich im System der Mehrkaiserherrschaft, wie es sich nach der Tetrarchie entwickelte326. In der hierarchischen Ordnung stehen die neu erhobenen Kollegen unter ihrem auctor. Auch Veränderungen ihrer Stellung sind an seine Zustimmung gebunden, d. h. die Erhebung eines Caesars zum Augustus muß er vorschlagen. Wird sie eigenmächtig vorgenommen, ist die concordia, das geregelte Verhältnis der Kaiser zueinander im Rahmen der gemeinsamen Herrschaft, nicht mehr ohne weiteres gegeben, und eine politische Krisensituation vorhanden327. Die Verfügungsgewalt des auctor findet ihren zeremoniellen Ausdruck in der Vorstellung des Kandidaten vor der Wahlversammlung und in dessen Investitur. In der Regel stellt er persönlich den Kandidaten der Wahlversammlung vor, wie es schon unter der Tetrarchie geschehen war328. So stellte Constantius II. seinen Cousin Iulian den Truppen vor und empfahl seine Erhebung zum Caesar. Valentinian I. empfahl den Soldaten, seinen Bruder Valens zum Augustus zu erheben, ebenso stellte er seinen Sohn Gratian den Truppen vor. Leo I. schlug Leo den Jüngeren der Wahlversammlung im Hippodrom zur Erhebung zum Augustus vor, und Iustinus I. ließ Iustinian zum Augustus erheben, ein Vorgang, der sich aber nicht vor der Wahlversammlung im Hippodrom, sondern innerhalb des Palastes im Delphax (Tribunal) abspielte, und zwar vor einer kleinen Versammlung von vorwiegend zivilen Würdenträgern und Mitgliedern der Scholen329.

324 Zu Gratians Erhebung vgl. besonders Amm. 27, 6, 4–16. Vgl. auch Symm. or. 3, 4–5, bei dem Valentinian nicht als Antragsteller (auctor) erscheint, was aber durch Symmachus’ Interpretation der Szene bedingt ist und von Pabst nicht beachtet worden ist (Pabst 1989, 198/199; 1997, 12, 34). Zur Vorbereitung der Soldaten auf die Erhebung Gratians vgl. Amm. 27, 6, 5: militeque firmato, ut … Zu weiteren gut bezeugten Erhebungen vgl. auch die Iulians durch Constantius II. zum Caesar (Amm. 15, 8) und die Leos des Jüngeren zum Augustus (C. P. 1, 94). Vor Iulians Erhebung zum Caesar findet eine Beratung im engeren Kreis statt (Amm. 15, 8, 2/3), bei der Constantius II. seine nähere Umgebung davon überzeugt. Leo I. handelt auf Veranlassung der führenden Gruppe. Vgl. C. P. 1, 94 S. 431, 7/8 und n. 757. 325 Amm. 26, 2, 6/7. 326 Vgl. S. 47/48. 327 Vgl. n. 829. 328 Man vgl. die bekannte Szene vom Machtwechsel in Nicomedia 305 (Lact. mort. 19, 4/5). 329 Amm. 15, 8 (Iulian); Amm. 26, 4, 3 (Valens); C. P. 1, 94 S. 431/432 (Leo der Jüngere); C. P. 1, 95 S. 432/433 (Iustinianus).

III.C.2 Der Kaiser als auctor eines neuen Herrschers

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Der auctor muß den Kandidaten aber nicht persönlich der Wahlversammlung vorschlagen, sondern kann sich vertreten lassen330. Der Vertreter nimmt dann auch die Investitur vor. Ein sehr klares Beispiel dafür bietet im 5. Jhd. Valentinian III.331. Um dessen Erhebung zum Caesar in Thessalonike durchzuführen, schickt Theodosius II. Helion, seinen mag. off. Dieser läßt Valentinian zum Caesar erheben, leitet also die Wahlversammlung, und nimmt die Investitur vor, indem er ihm den Purpur anlegt. Dies alles selbstverständlich in Theodosius’ Auftrag. Im Auftrag desselben nimmt Helion dann auch in Rom die Erhebung zum Augustus vor. Helion ist der einzige zivile Beamte, der ganz sicher als Leiter einer Wahlversammlung im Auftrag eines auctor überliefert ist332. In der Beschreibung der Vorgänge, die sich bei Philostorgius findet333, wird von Helions Rolle nichts berichtet, sondern Theodosius II. erscheint als die handelnde Person, obwohl er weder in Thessalonike noch in Rom anwesend war. Eine solche verkürzte Schilderung ist der Normalfall in unserer Überlieferung. Ob der auctor selber anwesend war oder nicht, wird dabei nicht deutlich. Eine Zwischenstufe bildet eine Fassung zur Erhebung Valentinians III. bei Prosper334, wo es heißt: Valen­ tinianus decreto Theodosii Augustus appellatur. Hier wird zwar der handelnde Würdenträger nicht namentlich genannt, aber Theodosius schlägt den Kandidaten schriftlich vor. Ebenso ließ sich Leo II. bei Nepos’ Erhebung am 19. oder 24.6.474 zum Augustus per Domitianum clientem vertreten335, eine Person, über die wir keine weiteren Informationen haben. 330 Die praktische Ausübung des Vorschlagsrechtes ist offensichtlich in der Literatur nicht im Detail untersucht worden. Man geht von schriftlich übermittelten Willensentscheidungen aus, wenn eine persönliche Anwesenheit des auctor ausgeschlossen scheint. Man vgl. z. B. Kuhoff 2001, 39 zur Erhebung Maximians zum Augustus in Mailand, bei der er Diokletians Präsenz der großen Entfernung wegen als unmöglich ansieht. Diokletian hielt sich im Reichsosten auf. Maximian wurde am 1. April 286 (Kienast 1996, 272) oder eher schon im Dezember 285 (Kuhoff 2001, 35) zum Mitaugustus erhoben. 331 Olymp. fr. 43, 1 (Blockley); unscharf Soc. 7, 24, 5. Er spricht nur von Helion als Überbringer des basiliko;~ stevfano~. 332 Zu einem zivilen Würdenträger als Leiter einer Heeresversammlung, die einen Kaiser erhebt, vgl. auch Secundus Salutius bei Valentinians I. Erhebung. Vgl. n. 238, 272. 333 Philost. 12, 13/14 = Olymp. fr. 43, 2 Blockley. 334 Prosp. Tiro s. a. 425 = Chron. min. 1, 471. Die zweite Fassung lautet: Valentinianus ab exer­ citu Augustus appellatur. Sie ist wesentlich undifferenzierter. Zum Verhältnis beider Fassungen vgl. die unterschiedlichen Auffassungen von Mommsen, Chron. min. 1, 380 und Muhlberger 1990, 59/60. 335 Iordan. Rom. 338: Nepotem … apud Ravennam per Domitianum clientem suum Caesarem ordinavit. Domitianus war höchstwahrscheinlich ein ziviler Beamter. Über seine Person haben wir keine weiteren Informationen. Die Bezeichnung als cliens läßt auf einen Würdenträger des kaiserlichen comitatus schließen (zu diesem Gebrauch von cliens vgl. Coripp. Iust. 2, 165 und dazu Cameron 1976, 165; Stache 1976, 292). Weil Leo II. Iulius Nepos keine Truppen zur Verfügung stellte, ist ein militärischer Kommandant, d. h. ein Heermeister, aus der Umgebung des Kaisers auszuschließen. Zu Nepos’ Erhebung vgl. Henning 1999, 53/54. Er vertritt eine Aufteilung der Erhebungszeremonie auf Rom und Ravenna, die sich durch keine Parallele belegen läßt und die Bedeutung der korrekten Investitur für die Handlungsfähigkeit des neu erhobenen Herrschers außer acht läßt.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Über Anthemius’ Erhebung berichten die Quellen nur sehr verkürzend. Weil seine Erhebung zum Augustus ohne Zweifel vor Rom erfolgte336, ist anzunehmen, daß er vorher zum Caesar erhoben worden war. Zugleich muß er bei der Erhebung in Rom von einem Vertreter Leos I. der Wahlversammlung vorgestellt worden sein, denn Leo I. begleitete ihn nicht nach Rom. Bei seiner Erhebung ist ein weiterer Beleg dafür faßbar, daß sich der auctor vertreten lassen konnte. Die Vertretung des Kaisers als auctor war wahrscheinlich häufiger, als die Überlieferung vermuten läßt. Sie muß überall dort angenommen werden, wo eine Erhebung stattfand, der auctor aber sicher nicht anwesend war337. In der bildenden Kunst hat die Wahrnehmung der Rechte des auctor möglicherweise einen Niederschlag auf einem Sardonyx aus der Ermitage in St. Petersburg (Leningrad) aus dem frühen 5. Jhd. gefunden338, auf dem ein zukünftiger Amtskollege von einem Kaiser zu seiner Linken mit dem kaiserlichen Gewand bekleidet wird, während ein Mann zu seiner Rechten, der kein Kaiser ist, dabei ist, ihm einen Lorbeerkranz auf den Kopf zu legen. Eine eindeutige historische Zuordnung der dargestellten Szene ist nicht möglich. Die Initiative zur Wahrnehmung der Rechte des auctor geht formal von diesem selbst aus. Er kann dazu aber aufgefordert werden. Eine solche Aufforderung durch die führende Gruppe ist im östlichen Reichsteil für die Erhebung Leos II. zum Augustus 474, für die Zenons durch Leo II. und für die Iustinians während Iustinus’ schwerer Krankheit belegt339. Für das 5. Jhd. ist eine Initiative des westlichen Reichsteiles überliefert, der nach Libius Severus’ Tod einen Kaiser benötigte. So 336 Vgl. Henning 1999, 43. Für die Erhebung zum Augustus in Italien spricht eindeutig auch, daß er von dort aus um die Annahme seiner Bilder durch Leo I. nachsuchte. Vgl. die Übersendung der imagines laureatae an Leo und deren Aufstellung im Reichsosten (C. P. 1, 87 S. 395, 10–396, 7). 337 Vgl. z. B. Lact. mort. pers. 26, 7: patri suo (sc. Maximian) post depositum imperium in Cam­ pania moranti purpuram mittit et bis Augustum nominat (sc. Maxentius). Zu den historischen Vorgängen vgl. n. 316. Bei Maximians Erhebung zum Augustus am 1. April 286 oder eher schon im Dezember 285 (Kuhoff 2001, 35) war Diokletian nicht anwesend (Kuhoff 2001, 39). Vgl. n. 330. 338 Vgl. MacCormack 1981, 229 und Plate 43 unter Ablehnung der Deutung von R. Delbrück, Spätantike Kaiserporträts von Constantinus Magnus bis zum Ende des Westreichs, Berlin / Leipzig 1933, 211 sqq., der darin die Erhebung von Valentinian III. zum nobilissimus durch Honorius und den späteren Constantius III. sehen wollte. Er sieht im Lorbeerkranz einen Palmzweig. MacCormack bezieht Delbruecks Belege und dazu C. P. 1, 43 S. 218/219 ein. Zum Text von Constantinus Porphyrogenitus ist allerdings anzumerken, daß er Zustände aus dem 8. Jhd. widerspiegelt. Man vgl. Constantin VII Porphyrogénète, Le livre des cérémonies, Tome II. Commentaire, par A. Vogt, Paris 1940 (21967), 47, was MacCormack nicht beachtet. Zu vergleichbaren Szenen in byzantinischer Kunst wird auf C. Walter, The Coronation of a Co-Emperor in the Skyllitzes Matritensis, Actes du XIVe Congrès international des Études Byzantines 2, Bukarest 1975, 453–458 = Studies in Byzantine Iconography 1977, XI, 453– 458 verwiesen. Walter nimmt aber nicht auf den Stein aus der Ermitage Bezug, und die von ihm besprochenen Darstellungen haben einen anderen Charakter. Die opinio communis folgt weiter der Meinung von Delbrueck. Vgl. dazu P. Zazoff, Die antiken Gemmen, München 1983, 323 n. 108. Gegen diese neuerdings wieder Girardet 2004, 138–140. 339 Vgl. C. P. 1, 94 und n. 757 zur Aufforderung der führenden Gruppe an Leo I., Leo II. zu erheben; zu der an Leo II., Zenon zum Kollegen im Amt zu machen, vgl. n. 759. C. P. 1, 95: Iusti-

III.C.2 Der Kaiser als auctor eines neuen Herrschers

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bat Westrom um einen Augustus, eine Bitte, der Leo I. durch Anthemius’ Erhebung entsprach340. Formal war es eine Gesandtschaft des Senates. Vergleichbar ist Odoakers Vorgehen 476. Bald nach Orestes’ Sturz veranlaßte er die Mitglieder des Senates341, Zenon mitzuteilen, daß ein zweiter Kaiser im Westen nicht nötig sei. Die Gesandtschaft traf im Spätherbst 476 in Konstantinopel ein. Mit ihr, an der auch Vertreter Odoakers teilnahmen, verzichtete die führende Gruppe und damit auch die gesamte politische Elite im Westen darauf, einen eigenen Kaiser zu haben. Das Verfahren, nach dem Tod eines Herrschers im Westen Verhandlungen mit Ostrom aufzunehmen und um einen Kaiser zu bitten, ist als Regel zu betrachten. Dies machen die langen Intervalle bis zur Erhebung eines neuen Herrschers nach einer Vakanz des Thrones deutlich. Sie lassen keine andere Erklärung zu342. Ein regierender Augustus kann eine Erhebung, die er nicht als auctor veranlaßt hat, die aber in dem von ihm beanspruchten Herrschaftsbereich stattfand und daher usurpatorischen Charakter hatte, nachträglich billigen. Damit scheint die Erhebung mit seinem stillen Einverständnis vollzogen worden zu sein, und er wird zum auc­ tor des Erhobenen. Er stellt diesen aber nicht erneut einer Wahlversammlung vor, sondern läßt ihm die Insignien zukommen. Der auctor nimmt damit gleichsam eine gültige Investitur vor. Dieses Verfahren ist eindeutig für Konstantin und Vetranio überliefert343. Ob die Übersendung der Insignien auch sonst stattfand, ist nicht belegt. Sie käme nur noch für Magnus Maximus, Marcian im 5. Jhd. und Valentinian II. in Frage. Valentinian II. wurde als nomineller Augustus anerkannt. Marcian als regierender Augustus für dauernd, und Magnus Maximus fand für eine begrenzte Zeit Anerkennung344. Wahrscheinlich wird die Übersendung der Insignien in allen drei Fällen deshalb nicht ausdrücklich erwähnt, weil dieser nachträglichen Billigung der Erhebung ohnehin die Anerkennung als Mitherrscher unmittelbar folgte. Sie drückte sich etwa in der Aufstellung der Bilder des neuen Kollegen im gesamten Reich und in der Prägung von Münzen für ihn aus345. Weil die Anerkennung als nus I. bestimmt am 1.4.527 Iustinianus auf Aufforderung des suvgklhto~ im Triclinium der 19 Ruhebetten zum Mitherrscher und nimmt dessen Investitur im Tribunal vor. 340 Prisc. fr.[50] Blockley = Euagr. HE 2, 16. Theophan. A. M. 5957 = 1, 114, 21–24 spricht von einer Gesandtschaft des suvgklhto~ (th`~ sugklhvtou Rwvmh~), was auf eine Gesandtschaft des Senates hindeutet, wenn auch nicht zwingend (vgl. den Exkurs „hJ suvgklhto~“, S. 379–387). Henning 1999, 41 spricht interpretierend von Gesandten Rikimers, was einen falschen Eindruck vermittelt. Rikimer mußte sich nicht wie Arbogast für den Tod eines Herrschers rechtfertigen. Ihm mußte an einem Vorgehen gelegen sein, wie es üblich war und ihn nicht in den Mittelpunkt stellte. 341 Malch. fr. 14 Blockley = Exc. de leg. gent. 3. Vgl. Henning 1999, 61, auch zum Datum der Gesandtschaft. 342 III.B.3 Die Intervalle zwischen dem Tod eines Kaisers und der Erhebung eines neuen, S. 89– 91. 343 Lact. mort. pers. 25, 3: Galerius schickte 306 Konstantin den Purpur; generell zu seiner Anerkennung als Mitherrscher vgl. Paneg. 7, 8, 2; Philost. 3, 22: Constantius II. schickte 350 Vetranio ein Diadem. 344 Zu Valentinian vgl. III.C.3.a Die Kaisererhebungen im 4. Jhd. – Valentinians II. Erhebung, S. 108–112; zu Marcian und Magnus Maximus vgl. IV.G. 1 Die Verhandlungen um Anerkennung, S. 312–317. 345 Zur Aufstellung und Bedeutung der Bilder vgl. n. 148.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Mitherrscher die der Erhebung einschloß, muß die letztere nicht unbedingt gesondert erwähnt werden. Erhebung und Anerkennung durch die Mitherrscher sind zwar in der Mehrkaiserherrschaft zwei verschiedene Vorgänge346, aber mit der Anerkennung durch die Kollegen gilt auch jede Erhebung als ordnungsgemäß. Die nachträgliche Billigung einer Erhebung durch den auctor ist selbstverständlich gegen den Sinn, als auctor aufzutreten, zeigt aber die politische Bedeutung der Legitimierung durch einen regierenden Kaiser. Ohne diese nachträgliche Billigung durch den auctor werden Bestimmung und Erhebung eines neuen Herrschers dagegen zweifellos als Usurpation betrachtet347. Die Anerkennung war für die Stellung des Neuerhobenen von größter Bedeutung. Sie stärkte sie gegenüber seinen Untertanen und machte diese weniger anfällig gegenüber Versuchen, sie in Frage zu stellen348. Die nachträgliche Anerkennung ist ebenfalls für die usurpatorische Aneignung des Augustustitels durch einen Caesar möglich. So suchte Konstantin erfolgreich darum nach349, als er seit dem Spätsommer 307 den Augustustitel führte und dessen Anerkennung erstrebte. Das gleiche gelang Maximinus Daia. Constantius II. verweigerte dagegen die Anerkennung des von Iulian usurpierten Augustustitels350. Die Übertragung der Herrschaft auf Vorschlag des zuständigen Kaisers oder mit dessen nachträglicher Billigung hat also legitimierenden Charakter. Daß dieses Prinzip im allgemeinen nicht in Frage gestellt wird, offenbart sich unwiderlegbar darin, daß in der Regel die Prätendenten im 4. und 5. Jhd. um die nachträgliche Anerkennung ihrer Erhebung durch den Augustus, der für ihr Gebiet zuständig ist, nachsuchen. Sie treten nicht von vornherein als dessen Feind auf und stellen einen Kampf mit diesem als aufgezwungen dar. Ebenso suchen sie um die Anerkennung der anderen Augusti nach, falls es solche gibt. Schwierigkeiten, den Anspruch als auctor durchzusetzen, zeigten sich immer wieder beim Vorschlag eines Kandidaten, wenn nach 364 eine Vakanz in einem der beiden Reichsteile auftrat, aber kein Amtskollege vorhanden war, der direkt nachfolgen konnte wie Gratian 375 seinem Vater Valentinian I. im Westteil des Reiches. Dann war der verbleibende Augustus in der anderen Reichshälfte für die Besetzung des Thrones zuständig. Dabei ergaben sich aber fast immer Probleme. Dennoch verzichtete man aber keineswegs darauf, durch den Vorschlag eines eigenen Kandidaten Einfluß im anderen Reichsteil zu gewinnen. Es entstand dabei jedesmal eine Konkurrenzsituation zwischen dem verbleibenden, allein herrschenden Kaiser und der führenden Gruppe in dem Reichsteil, in dem kein Augustus mehr an der Macht war. Diese stellte zwar die Herrschaft des verbleibenden Augustus im gesamten Reich nicht in Frage, war aber häufig nicht bereit, seinen Vorschlag für die Erhebung eines Kollegen abzuwarten und anzunehmen. 346 Vgl. III.D.2 Die Mitteilung an die Amtskollegen, S. 157/158. 347 Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Urheber einer solchen mißbräuchlichen Designierung auch als auctor bzw. auctores bezeichnet werden können (Amm. 26, 6, 16). 348 Vgl. etwa IV.F.5. Die Vortäuschung der Anerkennung durch die Amtskollegen, S. 283–286. 349 Lact. mort. pers. 32, 5. 350 Amm. 20, 9, 4.6. Zur Parallelüberlieferung vgl. Szidat 1981, 37.

III.C.2 Der Kaiser als auctor eines neuen Herrschers

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Die Situation, daß der Augustus im anderen Reichsteil den Kandidaten zu bestimmen hatte, trat erstmals im Osten 378 auf, nachdem Valens in der Schlacht von Adrianopel Anfang August umgekommen war. Theodosius’ Erhebung im Januar 379 begegnete im Osten aber keinem Widerstand. Schwierigkeiten traten erstmals im Westen 392 beim Tod Valentinians II. auf, als es mit Eugenius zur Erhebung eines eigenen Kandidaten kam. Diese Situation wiederholte sich dann mehrfach im 5. Jhd. 351. Im Osten trat dieser Fall nur einmal ein. Als Theodosius II. 450 starb, konsultierte der östliche Reichsteil Valentinian III. nicht, sondern schritt zur Erhebung eines eigenen Kandidaten. Marcian wurde Kaiser. Valentinian III. zog ein militärisches Eingreifen im Osten in Betracht. Die führende Gruppe im Westen wartete zusammen mit der politischen Elite bei einer Vakanz fast immer auf einen Vorschlag352. Sie erkannte währenddessen den in Konstantinopel regierenden Kaiser auch als den ihren an, entschied sich aber oft doch für einen eigenen Kandidaten, und zwar in der Mehrzahl der Fälle, nämlich 392 mit Eugenius’ Erhebung, 423 mit Iohannes, 455 mit Avitus, 457 mit Maiorianus und 461 mit Libius Severus. Erst 467 mit Anthemius folgte man dem Vorschlag des in Konstantinopel regierenden Augustus, um 472 mit Olybrius und 473 mit Glycerius wieder eigene Wege zu gehen, denen sich Konstantinopel durch Nepos’ Entsendung 474 versperrte. Es war dreimal notwendig, die Anerkennung der Kandidaten, die von Konstantinopel in den Westen geschickt wurden, mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Eugenius, Iohannes und Glycerius, obschon der letzte mit wesentlich geringerem Aufwand, wurden gewaltsam gestürzt. Aber auch wenn man sich im Westen dem Vorschlag nicht widersetzte, genügte es nicht, den Kandidaten lediglich mit einem Schreiben des östlichen Kaisers im Westen als Augustus zu installieren. Das Beispiel dafür bietet Anthemius, der sogar vom Westen erbeten mit einem großen Heer nach Italien kam. Sicher sollte dieses die Vandalen bekämpfen, was Anthemius’ Anerkennung erleichterte. Ohne dessen Präsenz hätte aber Anthemius die Herrschaft wohl kaum ohne Probleme übernehmen können. Die Frage, inwieweit der Kaiser, der einen Kandidaten zur Erhebung vorschlägt, seine Beschlüsse selbständig fassen konnte oder von anderen beeinflußt wurde, ist nicht immer eindeutig zu beantworten. Wie Galerius353 in seinem Sinn auf Diokletian einzuwirken versuchte, als der Wechsel von 305 anstand, ist ein kennzeichnendes Beispiel, wie man sich die Entscheidungsfindung des Kaisers in manchen Kreisen vorstellte oder wie man sie darstellte. Während der Herrschaft von Kinderkaisern oder schwachen Kaisern wurde der Kandidat, der den Truppen zur Erhebung vorgestellt wurde, selbstverständlich von 351 Vgl. S. 148. 352 Eine deutliche Ausnahme bildete Petronius Maximus’ Erhebung 455. Er wurde am 17.3.455 unmittelbar nach Valentinians III. Ermordung erhoben, ohne daß Marcian in Konstantinopel konsultiert wurde. Rund sechs Wochen nach Petronius Maximus’ Tod am 31. Mai 455 gelangte Avitus am 9. oder 10. Juli in Beaucaire bei Arles auf den Thron, ohne daß der Kaiser in Konstantinopel vorher angefragt wurde. Damals entschied dies aber nicht die Führungsgruppe im Westen, sondern die einflußreichen gallischen Aristokraten. 353 Lact. mort. pers. 18.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

anderen als dem Amtsinhaber ausgewählt. Unsere Quellen sind sich dessen sehr bewußt. Der Augustus trat aber auch in diesen Fällen als auctor auf. Sichtbar wird dies unter anderem etwa daran, daß er auch die Erhebung selbst vornahm. So setzte der erst siebenjährige Leo II. seinem Vater Zenon das Diadem auf354. Weitgehend selbständig als auctor tätig werden zu können hängt von der Kontrolle ab, die der Kaiser über die höchsten zivilen Würdenträger und militärischen Kommandanten hat, die seit der Mitte des 4. Jhd. eine Art Führungsgruppe am jeweiligen comitatus bilden. Sie müssen seine Entscheidung mittragen und zu ihr stehen oder sich ihr fügen. Der Einfluß dieser Gruppe bei der Erhebung von Mitherrschern ist selten genau zu bestimmen. Er wird aber in einzelnen Situationen unbestreitbar faßbar, und zwar entweder durch direkte Nachrichten oder eine Richtung der Politik der führenden Gruppe, die nicht im Interesse des Kaisers lag. So war 364 die Führungsgruppe nicht in ihrer Gesamtheit mit Valentinians I. Vorschlag, seinen Bruder Valens zum Augustus im östlichen Teil des Reiches zu machen, einverstanden, wie eine Bemerkung des Heermeisters Dagalaifus zeigt, als der Kaiser die Gruppe konsultierte355, widersetzte sich aber dessen Erhebung nicht. Ammian will diese Bemerkung des magister militum als Ausdruck der Auffassung mehrerer verstanden wissen. Als Theodosius 379 zum Mitaugustus Gratians gemacht wurde, mußte sich dieser der Führungsgruppe fügen. Trotz der harmonisierenden Darstellung bei Theodoret356 muß man vermuten, daß Theodosius Gratian aufgedrängt wurde, und zwar von einer starken Gruppe in seiner unmittelbaren Umgebung. Die Umstände haben sogar zu der Vermutung Anlaß gegeben, daß es sich bei Theodosius’ Erhebung um eine verdeckte Usurpation handelte357. Wie wenig Theodosius’ Erhebung Gratian und seiner Familie diente, zeigt spätestens das Verhalten, das jener nach Gratians Sturz durch Magnus Maximus gegenüber Valentinian II. an den Tag legte. Dieser wurde systematisch an den Rand gedrängt, und Theodosius festigte die Vormachtstellung seiner Familie358. III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat Ist kein Kaiser im Amt, um einen Kandidaten zur Erhebung vorzuschlagen und die­se durchzuführen, wird diese Aufgabe von einer Gruppe wahrgenommen, die mehrheitlich aus den höchsten zivilen Würdenträgern und militärischen Kommandanten gebildet ist, nicht durch irgendeinen Personenkreis, der ad hoc entsteht, oder einzelne beliebige Personen. Die Rolle sowie die Bildung und Zusammensetzung dieser Gruppe lassen sich deutlich bei einer Reihe von Herrschaftswechseln im 4., 354 Cedren. 1, 615: kai; stevya~ to;n i[dion patevra Zhvnwna (und er – Leo II. – krönte seinen eigenen Vater Zenon.). 355 Amm. 26, 4, 1. 4, 3. Vgl. Lenski 2002, 23; den Boeft 2008, 78/79. 356 Theodor. 5, 5 u. 6. 357 Schon Barnes 1990, 162 hat sich in diesem Sinn geäußert. Vgl. Sivan 1996 mit der Vermutung einer verdeckten Usurpation. 358 Vgl. S. 174.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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5. und 6. Jhd. erkennen, die als legitim gelten, bei denen aber kein Kaiser, der im Amt war, für die Erhebung eines Mitherrschers sorgen konnte359. Diese Gruppe kann aber im Unterschied zum Kaiser nicht als auctor betrachtet werden und wird auch niemals so bezeichnet, weil sie nicht an der kaiserlichen Herrschaft teilhat und daher nicht über sie verfügen kann. Ihre Ämter haben die Würdenträger vom Kaiser erhalten, und sie handeln in seinem Auftrag. Die Gruppe kann Herrschaft daher nicht weitergeben und auch nicht nachträglich legitimieren, also eine usurpatorisch übernommene Herrschaft als von ihr übertragen bestätigen und etwa die Insignien schicken. Sie kann sie nur anerkennen. Deshalb ist der Anspruch dieser Gruppe, einen Kandidaten vorzuschlagen, auch kein von allen selbstverständlich anerkannter. Die Mißachtung ihres Vorschlages kann nicht als Usurpation betrachtet werden. Er muß daher von ihr besonders gesichert und durchgesetzt werden. Diese Gruppe war keineswegs nur für die Weitergabe der kaiserlichen Stellung von Bedeutung, sondern für die gesamte Politik eines Kaisers und die Sicherung seiner Herrschaft360. Unsere Überlieferung läßt nicht immer die Rolle der Führungsgruppe klar erkennen, weil die Quellen dazu neigen, Entscheidungen an einzelne Persönlichkeiten zu binden361. Eine genaue Analyse macht aber deutlich, daß diese sich innerhalb dieser Gruppe durchsetzen mußten. Auf keinen Fall sind alle Personen, die am Entscheidungsprozeß beteiligt waren, für uns ohne weiteres faßbar, weil sie in dieser Rolle gar nicht in den Quellen erscheinen362. III.C.3.a Die Kaisererhebungen im 4. Jhd.

Die Anerkennung Iulians als Herrscher im Reichsosten

Zum ersten Mal wird beim Tod Constantius’ II. 361 diese führende Gruppe in der Überlieferung deutlich faßbar363. Als Constantius II. auf seinem Zug gegen Iulian am 3.11.361 in Mobsucrenae unerwartet gestorben war, ging es darum zu entschei359 Zu diesen Herrschern vgl. S. 92. 360 Das Wirken dieser Gruppe bei der Bestimmung eines Kaisers ist in den antiken Quellen entweder nicht thematisiert worden (vgl. z. B. Greg. Naz. or. 4, 46) oder erscheint vorwiegend unter dem Begriff suvgklhto~. Zur Bedeutung der Gruppe für die Politik eines Kaisers vgl. den Abschnitt III. F. 2 Die Führungsgruppe und die Sicherung der Herrschaft, S. 189–194. 361 Instruktiv ist dafür Anastasius’ Erhebung. Ohne die detaillierte Überlieferung bei Constantinus Porphyrogenitus scheint allein der PSC Urbicius die entscheidende Rolle zu spielen. Vgl. Cedren. 1, 626; Leo Gramm. 118; aber auch Zon. 14, 3, 1. 362 Dies ist etwa bei Marcians Erhebung deutlich erkennbar, wo sie nur durch einen Zufall der Überlieferung einigermaßen greifbar sind. Vgl. III.C.b Die Kaisererhebungen im Osten im 5. u. 6. Jhd. – Marcians Erhebung, S. 113–117. 363 Amm. 21, 15, 4; 22, 2, 3. Vgl. Szidat 1996, 189/190. Wahrscheinlich übte sie schon 337 Einfluß aus. Sie ist für uns aber der schlechten Quellenlage wegen nicht faßbar. Hinweise auf einen solchen Kreis finden sich in der wissenschaftlichen Diskussion, aber ohne dessen Zusammensetzung und Tätigkeit genauer und durchgehend zu betrachten. Vgl. z. B. E. A. R. Boak, Imperial Coronation Ceremonies of the Fifth and Sixth Centuries, HSPH 30, 1919, 37–47, dort 42; Jones 1973, 338/339; Clauss 1981, 63 zur Erhebung von 518.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

den, ob man einen neuen Kaiser erheben und den Krieg gegen Iulian fortsetzen oder diesen als Augustus auch im Reichsosten anerkennen sollte. Die Beratungen darüber begannen unmittelbar nach Constantius’ II. Tod. An ihnen nahmen der PSC Eusebius, die Spitzen der zentralen Verwaltung, von der die Inhaber der vier großen Hofämter, d. h. der quaestor sacri palatii Leonas, der comes rei privatae Euagrius, der comes sacrarum largitionum Ursulus und der magister officiorum Florentius, nachweisbar sind, von der militärischen Führung der Heermeister Agilo und wahrscheinlich drei Prätorianerpräfekten teil364. Man entschied sich schließlich dafür, Iulian auch im Osten als Augustus anzuerkennen365. Daß es ein Beschluß offiziellen Charakters war, wird daran ganz deutlich, daß er als Entscheid des östlichen Reichsteiles Iulian mit autorisierten Boten überbracht wird. Dessen Erhebung zum Augustus in Paris wird damit anerkannt. Bei der Begründung, die nach Ammians Darstellung366 die Gesandten geben, nämlich daß Constantius II. unmittelbar vor seinem Tod Iulian zum Nachfolger gemacht habe, geben die führenden Mitglieder des comitatus vor, lediglich den Willen des Verstorbenen zu beachten. Die Bedeutung des Beschlusses der Mitglieder des comitatus wird bewußt nicht hervorgehoben. Die Erhebung Iovians Iovians Erhebung am 27. Juni 363 bildet eine gewisse Ausnahme, weil sie sich in Feindesland nach dem Tod Iulians in einer kritischen militärischen Situation vollzog367. Dies hatte zur Folge, daß an den Beratungen neben den Würdenträgern des comitatus368 auch die Kommandanten der einzelnen Einheiten des Heeres beteiligt wurden369. Deren Teilnahme setzt voraus, daß sämtliche Würdenträger des comita­ tus, die im Rang über den Kommandanten der Einheiten standen, ebenfalls an den Beratungen teilnahmen. Der Kreis der Beratenden war also größer als gewöhnlich. Es herrschte auch ein gewisser Zeitdruck. Vorgeschlagen wurden der PPO Secun364 Von den praefecti praetorio war sicher Taurus dabei und wahrscheinlich auch Helpidius (vgl. Lib. or. 37, 11, wo erwähnt wird, daß Iulian ihn vor den Soldaten rettet). Florentius’ Anwesenheit, der zu Constantius geflohen war (Amm. 21, 9, 4; Zos. 3, 10, 4) und während Iulians Herrschaft untertauchte (Amm. 22, 3, 6), kann ebenfalls vermutet werden. Bei Mobsucrenae handelt es sich um eine Itinerarstation zwischen Tarsus und der Kilikischen Pforte (Itin. Burdig. 579, 2). Sie lag 12 m. p. oder etwa 18 km von Tarsus entfernt. 365 Zu den Einzelheiten vgl. Szidat 1996, 189–191. 366 Amm. 22, 2, 1. 367 Amm. 25, 5. Zu einer positiven Bewertung im Gegensatz zu Ammian vgl. Them. or. 5, 4/5, 64D–66D. Zu Iovians Erhebung vgl. etwa Straub 1939, 11–14; Fontaine 1977, 245; R. von Haehling, Ammians Darstellung der Thronbesteigung Iovians im Lichte der heidnisch-christlichen Auseinandersetzung, A. Lippold / N. Himmelmann (Hrsgg.), Bonner Festgabe Johannes Straub, Bonn 1977, 347–358; Wirth 1984; Neri 1985, 154–157; Pabst 1997, 6–9; Lenski 2000; den Boeft 2005, 169–196. Zum Tag der Erhebung vgl. den Boeft 2005, 170; zur Parallelüberlieferung den Boeft 2005, 169–196 u. passim. 368 Amm. 25, 5, 1 spricht nur von den duces exercitus. Ammians Aussage macht deutlich, wie einzelne seiner Formulierungen in die Irre führen können, wenn der Kontext nicht hinreichend berücksichtigt wird. 369 Amm. 25, 5, 1: advocatisque legionum principiis et turmarum.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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dus Salutius, der eine Übernahme des Amtes ablehnte, und, wenn auch nur von wenigen, der primicerius notariorum Iovianus370. Die Wahl fiel schließlich auf den gleichnamigen Iovianus, den primicerius domesticorum371. Ammian372 schildert die Beschlußfassung für Iovian als ungeordnet und von wenigen Personen niedriger sozialer Herkunft, die aber nicht näher bestimmbar sind, erzwungen. Die Beratungen wurden also nicht geordnet zu Ende geführt, und es gab keine Übereinstimmung unter denen, die an der Wahl teilnahmen. Dieser Mängel wegen hat für Ammian Iovian eine geringere Legitimation zur Herrschaft. Ihrer ist er unwürdig. Iovian behielt vorerst mindestens einen Teil der Würdenträger Iulians in seinem Dienst, so etwa den CRP Helpidius 6, der wie andere erst bei Iovians Rückkehr nach Antiochia im Herbst 363 durch Caesarius ersetzt wurde373. Helpidius’ spätere Unterstützung für den Usurpator Procopius läßt vermuten, daß er kein Parteigänger Iovians war. Procopius nahm an Iovians Erhebung nicht teil. Er war nicht anwesend, denn er befand sich mit einer Heeresgruppe von 30000 Mann374 zusammen mit dem comes rei militaris Sebastianus im Norden, um die Tigrislinie zu schützen. Er hatte zwar seine Fürsprecher in der beratenden Gruppe375, aber sein und Sebastianus’ Fehlen nahm ihr etwas von ihrem repräsentativen Charakter und wertete ihre Entscheidung zusätzlich ab376. Er wurde als möglicher Usurpator von Iovian und seiner Umgebung gefürchtet377.

370 Amm. 25, 5, 3; 25, 8, 18; 26, 6, 3. Vgl. den Boeft 2005, 276/277 zum primicerius notariorum Iovianus. 371 Vgl. den Boeft 2005, 185 zu Iovians Rang und Funktion. Der von Lenski 2000 versuchte Nachweis, daß die Soldaten der Garde der beratenden Gruppe Iovian aufzwangen, ist als nicht gelungen zu betrachten. 372 Amm. 25, 5, 4: tumultuantibus paucis, ut in rebus extremis saepe est factum. Die pauci werden Amm. 25, 5, 8 von einem Überläufer zu den Persern bei deren König Sapor II. als calones bezeichnet, was auf ihren geringen sozialen Stand aufmerksam machen soll. Mit calones können nämlich Sklaven bezeichnet werden. Wer die pauci wirklich waren, sagt Ammian nicht. Zu den erwogenen Möglichkeiten vgl. den Boeft 2005, 183, 276/277. 373 Vgl. PLRE 1, 415 s. v. Helpidius 6; Delmaire 1989a, 39–45; Wintjes 2005, 59, 154/155. Helpidius war wahrscheinlich Anhänger der unterlegenen Partei bei der Wahl Iovians (Neri 1985, 162). 374 Vgl. den Boeft 1998, 42 zur Diskussion über die Stärke dieser Abteilung und zu den Belegen. 375 Wiebe 1995, 21. 376 Amm. 25, 5, 3. Bei Ammian wird von den vereinigten Stimmen beider Heere gesprochen, die für die Erhebung eines legitimus princeps notwendig seien. Weil die Zusammensetzung der Wahlversammlung aber nicht von Bedeutung ist, sind offensichtlich die Führer der Heere gemeint. 377 Amm. 25, 7, 10.9, 2.

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Die Erhebung Valentinians I. Als Iovian am 17.2.364 in Dadastana überraschend gestorben war, zog das Heer am folgenden Tag weiter bis Nicaea378, wo es zwischen dem 20. und 22.2. eintraf. Dort wurde der Kandidat, der der Wahlversammlung als neuer Augustus vorgeschlagen werden sollte, von den höchsten zivilen und militärischen Führern in geheimer Beratung bestimmt379. Von der militärischen Führung waren Arinthaeus und Dagalaifus anwesend380, von den zivilen Würdenträgern mit Sicherheit der PPO Orientis Secundus Salutius. Die Anwesenheit des comes rei militaris Sebastianus ist zu vermuten381. Gegen die Teilnahme der anderen hohen Würdenträger beim comitatus spricht nichts, auch wenn wir ihre Rolle bei der Wahl Valentinians nicht erkennen können. So wird man etwa mit der Anwesenheit von Caesarius, dem CRP, und Iovinus, dem CSL, zu rechnen haben, die beide mit Iovian zogen382. Vorgeschlagen wurde erneut Secundus Salutius, der seines Alters wegen ablehnte und sich auch gegen die Kandidatur seines Sohnes aussprach, weil er noch zu jung sei383. Als weitere Kandidaten wurden Equitius, der damals tribunus primae scolae Scutariorum war, und Ianuarius, ein Verwandter Iovians (Ioviani adfinis), der wahrscheinlich eine zivile Funktion ausübte, kurz in Erwägung gezogen, aber übergangen384. Dann einigte man sich auf Valentinian, den tribunus secundae scolae Scuta­ riorum. Dabei wird der consensus omnium betont385.

378 Zum Todestag vgl. Seeck 1919, 214; Lenski 2002, 20; den Boeft 2005, 333; zu den Belegen zum Ort der Beratungen Lenski 2002, 20 n. 42. 379 Vgl. hauptsächlich Amm. 26, 1, 3–6 zum Wahlvorgang. Der so zum Herrscher Bestimmte war princeps designatus (Amm. 26, 1, 6). Amm. 26, 1, 3: potestatum civilium militiaeque rectores. Zu Interpretationen der Wahl Valentinians vgl. Straub 1939, 14–16; Neri 1985; Pabst 1997, besonders 1–9; Lenski 2002, 20–22; H. Leppin, Der Reflex der Selbstdarstellung der valentinianischen Dynastie bei Ammianus Marcellinus und den Kirchenhistorikern, J. den Boeft / J. W. Drijvers / D. den Hengst / H. C. Teitler (Hrsgg.), Ammianus after Julian: the Reign of Valentinian and Valens in Books 26–31 of the Res Gestae, Leiden 2007, 33–51, dort 34–46; H. Teitler, Ammianus on Valentinian. Some Observations, J. den Boeft / J. W. Drijvers / D. den Hengst / H. C. Teitler (Hrsgg.), Ammianus after Julian: the Reign of Valentinian and Valens in Books 26–31 of the Res Gestae, Leiden 2007, 53–70, dort 56–65, besonders 56–59; den Boeft 2008, 16–58. 380 Philost. 8, 8. 381 Amm. 25, 8, 16. 382 Zu beiden vgl. Delmaire 1989, 47 und 41–45, 50/51. Höchstwahrscheinlich nahmen auch der QSP und der mag. off. Iovians teil, die Lenski 2002, 56/57 mit Viventius und Ursacius identifiziert. 383 Zon. 13, 14; Zos. 3, 36, 1/2. Paschoud 1979, 239 n. 105 diskutiert eingehend den bei Zosimus und Zonaras vorhandenen Überlieferungszweig und betrachtet den erneuten Vorschlag des PPO Secundus Salutius als glaubhaft, so auch Lenski 2002, 20 n. 43 mit zusätzlichem Hinweis auf Them. or. 9, 7, 125A. 384 Zu Ianuarius vgl. n. 712. Er wurde nicht berücksichtigt, weil er zu weit weg war (Amm. 26, 1, 4/5). Er befand sich in Illyrien. 385 Amm. 26, 1, 5: nulla discordante sententia. Daß Valentinian ein Kompromißkandidat war, muß kaum betont werden. Ob er vorwiegend als Illyrer zur Herrschaft kam, wie Lenski 2002,

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Equitius, der tribunus primae scolae Scutariorum, und Leo, rationes numero­ rum militarium tractans, d. h. er war numerarius des Heermeisters Dagalaifus, sorgten dafür386, daß man sich an den getroffenen Beschluß hielt, während Valentinian davon benachrichtigt wurde und aus Ankara anreiste. Schließlich ließ der prae­fectus praetorio Secundus Salutius am Abend vor der Erhebung beschließen, daß sich niemand der Mächtigen am anderen Morgen in der Öffentlichkeit zeigen dürfe, um somit möglicherweise das Heer zu veranlassen, ihn zum Kaiser auszurufen. Nach dem Beschluß wurden die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um ihn auch durchzusetzen, was ohne größere Schwierigkeiten gelang, weil die entscheidenden Persönlichkeiten in der Gruppe vertreten waren und die Erhebung Valentinians unterstützten. Verhindern mußte man einen Versuch einzelner, die sich nicht an den Beschluß zu halten gedachten oder unerwartete Vorschläge von Kandidaten aus den Reihen der Armee. Valentinian wurde am 25. Februar 364 erhoben387. In allen drei Fällen besteht die Gruppe, die Iulian 361 als Herrscher auch im Osten anerkennt oder Iovian und Valentinian 363 und 364 als Kandidaten bestimmt, aus den höchsten zivilen und militärischen Beamten und Mitgliedern des Hofes, bei den Beratungen über die Anerkennung Iulians ist die Teilnahme des PSC Eusebius ausdrücklich erwähnt. Er spielte dabei eine sehr wichtige Rolle. Die Teilnahme der PSC bei den Beratungen über die Nachfolge Iulians und Iovians kann man voraussetzen. Die militärischen Führer hatten in ihr nicht das Übergewicht, sondern die zivilen Amtsträger und die Mitglieder des Hofes waren durchaus gleichberechtigt oder hatten sogar das größere Gewicht. Dies wurde häufig gar nicht oder zu wenig klar erkannt388. Der starke Einfluß der Würdenträger mit einer zivilen Laufbahn gerade bei der Wahl Valentinians wird noch deutlicher, wenn man daran denkt, daß erfolgreich Einfluß auf die Wahl aus der Ferne der patricius Datianus389 nahm. Er schlug Valentinian in einem Brief als neuen Kaiser vor. Sein Vorschlag wurde von Secundus Salutius, Arinthaeus und Dagalaifus unterstützt. Datianus war ein sehr wichtiger 21 glaubt, ist nicht zu sichern, wenn man seinen bevorzugten Mitbewerber Salutius und Datianus’ Rolle bei Valentinians Wahl betrachtet. 386 Amm. 26, 1, 4. Zu Leo, dem späteren mag. off. Valentinians I., vgl. Clauss 1981, 165/166. 387 Zum dies imperii Valentinians vgl. Amm. 26, 1, 7.2, 1/2; Kienast 1996, 327; Lenski 2002, 22 n. 53; den Boeft 2008, XV, 24–26. 388 Die Zusammensetzung der Führungsgruppe bei der Erhebung Valentinians I. ist in der wissenschaftlichen Diskussion häufig nicht klar erkannt worden. So sprechen Straub 1939, 15 bei der Wahl Valentinians vom Rat der Offiziere und ihm folgend Demandt 1989, 111 vom Offiziersrat (Demandt 2007, 139 von den höchsten zivilen und militärischen Amtsträgern, betont aber danach die Bedeutung der Offiziere), ebenso Pabst 1997, 8, während Stein 1959, 172 und Pabst 1989, 9 die Teilnahme der Zivilisten gesehen und schon stärker gewichtet haben, so auch Neri 1985. Lenski 2002, 20, 23 nimmt die Teilnahme der zivilen Würdenträger wahr, betont aber die Bedeutung der militärischen Kommandanten für die Wahl Valentinians I. 389 Vgl. PLRE 1, 243/244 s. v. Datianus 1; Wintjes 2005, 101/102 n. 25 mit der neueren Literatur. Zu seiner Einflußnahme vgl. Philost. 8, 8. Zu seiner Rolle bei Valentinians Wahl vgl. Olariu 2005.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Berater Constantius’ II. gewesen. Zur Zeit der Wahl Valentinians I. befand er sich nicht beim comitatus, sondern war in Galatien zurückgeblieben. Er dürfte unter Iulian keine Bedeutung gehabt haben, gewann sie aber nach Iovians Erhebung sofort zurück. Seine Einflußnahme zeigt, daß schon im 4. Jhd. auch ehemalige Würdenträger große Bedeutung haben konnten. Procopius nahm an der Wahl Valentinians I. wie schon an der Iovians nicht teil. Er war nach der Bestattung Iulians untergetaucht und hielt sich bis zu seiner Usurpation im Gebiet von Chalkedon verborgen. Iovian und später Valens390 suchten seiner habhaft zu werden. Procopius’ Schicksal zeigt, daß man sich der von ihm drohenden Gefahr bewußt war, denn er war mit Iulian verwandt391. Neben der Einbindung möglicher Konkurrenten wird bei Procopius deutlich, daß man auch versuchen konnte, sich ihrer durch physische Beseitigung zu entledigen. Die Wahl Valentinians I. enthielt durch Procopius’ Nichtbeachtung den Keim zu dessen zukünftiger Usurpation. Valentinians II. Erhebung Die Beratungen nach Valentinians I. Tod bieten ein gutes Beispiel für den erfolgreichen Versuch eines Teiles der Führungsgruppe, durch die Erhebung eines Kaisers ihren politischen Einfluß aufrechtzuerhalten und sich gegen ihre Konkurrenten zu sichern392. Als Valentinian I. auf einem Feldzug gegen die Quaden am 17.11.375 überraschend in Brigetio gestorben war, fürchteten nach Darstellung Ammians die höchsten zivilen und militärischen Würdenträger393, die Valentinian I. nach Pannonien begleitet hatten, daß die gallischen Truppen, die schon gegen den Feind vorgerückt waren, einen Kaiser ihrer Wahl ausrufen würden394. Dies hätte die Erhebung eines Usurpators bedeutet, denn in Trier gab es mit dem jungen Gratian als nominellem 390 Wiebe 1995, 6 verweist auf Amm. 26, 4, 4, wo von einer Untersuchung gegen Freunde Iulians berichtet wird, nachdem Valentinian und Valens erkrankten. Er glaubt, daß sich diese Untersuchung auch gegen Procopius richtete. Zu den Versuchen, dessen habhaft zu werden, vgl. Amm. 25, 9, 13; 26, 6, 3–5. Zu den abweichenden Berichten von seinem Aufenthalt nach der Bestattung Iulians vgl. Zos. 4, 4, 3–4, 6, 2 und dazu Paschoud 1979, 340/341; Wiebe 1995, 6. 391 Procopius war mit Iulianus Apostata verwandt, höchstwahrscheinlich über die Mutter (Amm. 23, 3, 2; 26, 6, 1.6, 18.7, 10; 27, 5, 1; Lib. or. 24, 13; Eun. fr. 34, 3 Blockley = Exc. de sent. 33; Philost. 9, 5 – weist auf Einheirat in die Familie Iulians hin –; Zos. 4, 4, 2.7, 1). 392 Amm. 30, 10; Rufin. hist. 11, 12. Zur umfangreichen Literatur vgl. Girardet 2004, 110 n. 5 u. 10 sowie passim. Zum genauen Verlauf vgl. schon Szidat 1989. 393 Amm. 30, 10, 2: summatum consilio. Die zivilen Würdenträger können bei Ammian ebenfalls als summates bezeichnet werden. Vgl. Amm. 28, 6, 17; 29, 1, 23. Zur Anwesenheit ziviler Würdenträger vgl. auch Rufin. hist. 11, 12: Valentinianus … diem obiit, relictis heredibus in imperio filiis Gratiano Augusto Valentianoque admodum parvulo et nondum regiis insignibus initiato. Quem tamen necessitas eorum qui tamquam vacuum imperii locum conabantur inva­ dere, compulit etiam absente fratre purpura indui, Probo tunc praefecto fideliter rem gerente. 394 Amm. 30, 10, 1. Zum Motiv, daß die gallischen Truppen zur Erhebung von Usurpatoren neigen, vgl. z. B. Aur. Vict. Caes. 42, 17; Philost. 4, 2 und generell Urban 1999. Vgl. auch Szidat 1996, 159/160.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Augustus einen Nachfolger für Valentinian I. und somit einen Herrscher für den Westen des Reiches. Rufin läßt im Gegensatz zu Ammian deutlich erkennen, daß es eine Gruppe gab, die der Fortdauer der valentinianischen Dynastie nicht wohlgesinnt war und einen Wechsel wollte. Deren Mitglieder sind nicht faßbar, denn ihr Kandidat, der comes rei militaris Sebastianus, ist offensichtlich nur vorgeschoben. Diese Gruppe wird dann bei Theodosius’ Erhebung wieder erkennbar, als Valentinian II. als Valens’ Nachfolger übergangen wurde. Es wurde beschlossen, die Situation eingehend zu beraten. Man ließ dazu auch den damaligen magister peditum Merobaudes kommen, der sich bei den vorrückenden Truppen befand395. Bewußt ausgeschlossen von den Vorberatungen und der späteren Entscheidung über die Erhebung Valentinians II. wurde dagegen Sebastianus, der zusammen mit Merobaudes gegen die Quaden geschickt worden war396. Man fürchtete, daß er der mögliche Kandidat der Soldaten sei, weil er bei ihnen sehr beliebt war397. Nach Merobaudes’ Ankunft begannen die Beratungen. Eine zentrale Rolle bei ihnen spielte wie bei den voraufgegangenen Entscheidungen der PPO Illyrici, Ita­ liae, Africae Probus398. Von den militärischen Führern war neben Merobaudes Equi­tius, der damals schon Heermeister in Illyricum war, von großer Bedeutung399. Weitere Teilnehmer sind nicht namentlich überliefert. Sicher abwesend waren der PPO Maximinus, der mag. off. Leo400 und der QSP Ausonius401, die sich in Trier aufhielten. Der magister equitum, der ältere Theodosius, befand sich damals in Nordafrika und wurde deshalb nicht um seine Meinung gefragt402. An den Diskussionen über die Erhebung nicht persönlich beteiligt war Iustina403, Valentinians I. zweite Frau und Mutter Valentinians II. 395 Amm. 30, 10, 2. Vgl. Amm. 30, 5, 13. 396 Amm. 30, 5, 13. 397 Amm. 30, 10, 3. 398 Rufin. hist. 11, 12. Zu seiner Bedeutung bei der Erhebung vgl. etwa Lizzi Testa 2004, 442. Zu Probus vgl. PLRE 1, 736–740 s. v. Probus 5; zu weiterer Literatur und seinem Sitz im Kolosseum vgl. Orlandi 2004, 261. Zu seinen Praefekturen vgl. auch A. Cameron 1985, 178–182; Lizzi Testa 2004, 316–319. Er war auch in Zukunft Valentinian II. und der regierenden Dynastie treu ergeben und floh mit ihm 387 nach Thessalonike, als Maximus Italien besetzte (Soc. 5, 11, 11/12). Er war damals seit 3 Jahren nicht mehr im Amt. Sein Eintreten für Valentinian II. wurde ihm wohl auch dadurch leicht gemacht, daß er mit Iustina verwandt war (vgl. Lizzi Testa 2004, 314/315). 399 Ps. Aur. Vict. epit. 45, 10 und Zos. 4, 19, 1 mit Paschoud 1979, 369/370. Ammian schweigt von seiner Rolle. 400 PLRE 1, 498 s. v. Leo I. 401 PLRE 1, 140/141 s. v. Decimus Magnus Ausonius 7; Matthews 1975, 66/67; Girardet 2004, 122. 402 Sein Gegensatz zu Merobaudes (Demandt 1969, 620–622) dürfte keine Rolle für seine Abwesenheit gespielt haben. Er war einfach zu weit weg. 403 Anders Philost. 9, 16; Theophan. A. M. 5867 = 1, 62, 6/7. Philostorgius läßt sie sogar Valentinian II. zum Kaiser erheben, d. h. daß sie ihn als Kandidaten vorschlug. Ammian spricht weder von ihrer Rolle noch von der des PPO Probus bei den Beratungen. Sein Text spricht sogar gegen ihre Teilnahme, denn er sagt ausdrücklich, daß sich der junge Valentinian bei ihr

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Ob der Bruder Iustinas, der tribunus stabuli Cerealis, an den Beratungen teilnahm und so auf Valentinians II. Erhebung direkten Einfluß hatte, muß seines Ranges wegen ungewiß bleiben404. Man beschloß, den vierjährigen gleichnamigen Sohn Valentinians I., der sich 100 m. p. entfernt zusammen mit seiner Mutter Iustina auf einem Landgut aufhielt, herbeizuholen, womit Cerealis beauftragt wurde, und zum Augustus auszurufen405. Die Erhebung geschah schon am sechsten Tag nach Valentinians Tod, am 22. November 375, in Aquincum406. Sie bedeutete vor allem eine Mißachtung Gratians407, aber auch von Valens408. Beide akzeptierten aber den Entscheid, wenn auch widerwillig409. Ihr Einverständnis mit der Erhebung zeigt sich deutlich daran, daß Valentinian II. 376 den Konsulat zusammen mit Valens bekleidete, obwohl sicher ursprünglich eine andere Regelung für 376 vorgesehen war410. Valens’ Stellung als amtsältester Kaiser wurde zudem von Gratian offensichtlich zu wenig berücksichtigt, indem sich vorwiegend dieser mit Valentinian II. arrangierte, was zu einer dauernden Verstimmung führte, aber nicht dazu, Valentinian II. nicht als Kollegen anzuerkennen411. Gratian blieb kaum eine andere Wahl, als Valentinian II. als Augustus anzuerkennen. Weil dieser zur Dynastie gehörte, der Heermeister Merobaudes über die Armee verfügte, die mit Valentinian I. gezogen war, und der PPO Probus politisch hinter ihm stand, hätte eine Auseinandersetzung einen ungewissen Ausgang gehabt. Militärisch war sie ohnehin kaum zu gewinnen. Der junge Valentinian war zuvor in keiner Weise von seinem Vater als Kandidat für eine Erhebung zum Augustus vorgesehen. So war ihm nicht der Titel nobilissi­ 100 m. p. entfernt aufhielt (Amm. 30, 10, 4: degensque cum Iustina matre). Weil sie durch Valentinians II. Erhebung an Einfluß gewann und dessen Politik nach Gratians Sturz stark beeinflußte, kann ihre persönliche Teilnahme durchaus auf einer späteren Konstruktion beruhen, um ihre Rolle schon bei seiner Erhebung sichtbar werden zu lassen. Dies ist um so wahrscheinlicher, als für Philostorgius und Theophanes ein größerer öffentlich erkennbarer Einfluß einer Augusta und deren Einbezug in die Beratungen über die Nachfolge eines Kaisers eine Selbstverständlichkeit waren. Die eher informelle Rolle Iustinas, die nicht den Augustatitel trug, war ihnen weniger vertraut. 404 Man geht in der Regel seiner verwandtschaftlichen Beziehungen wegen, die er zu Iustina hatte, davon aus. Vgl. z. B. Lizzi Testa 2004, 313/314. 405 Amm. 30, 10, 4. 406 Vgl. Seeck 5, 39, 439; Kienast 1996, 335. 407 Amm. 30, 10, 6: absque sui permissu. 408 Soc. 4, 31, 7; Soz. 6, 36, 5. 409 Zum Unwillen beider vgl. Rufin. hist. 11, 12; Ps. Aur. Vict. epit. 45, 10; Soc. 4, 31; Soz. 6, 36, 5; Zos. 4, 19; Zon. 13, 17. Vgl. zu den möglichen Folgen Philost. 9, 16; Theophan. A. M. 5867 = 1, 62, 7, 7–10; Zon. 13, 17, 2–6 und dazu Demandt 1970, 616/617, 621. Gratian soll zwar die Urheber der Erhebung bestraft haben, aber für uns ist mit Ausnahme von Probus, der eine leichte Zurückstufung erfuhr, nicht erkennbar, daß Merobaudes oder Equitius eine Benachteiligung erlitten. 410 Zum offensichtlich schwierigen Prozeß der Anerkennung Valentinians durch Gratian und Valens vgl. Girardet 2004. Zur Frage der Besetzung des Konsulates vgl. ibid. 123, 127. 411 Vgl. besonders Eun. fr. 42, 15–19 Blockley und dazu Pabst 1986, 99/100, die als erste dieses Problem deutlich herausgearbeitet hat; anders Girardet 2004, 132 n. 128, 134 n. 140, der nicht an Spannungen zwischen beiden glaubt.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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mus verliehen worden, und er hatte noch keinen Konsulat bekleidet. An seiner Aufwertung dürfte Iustina sehr gelegen gewesen sein. Jene diente auch den Interessen anderer, so daß sie sich trotz der damit verbundenen Risiken leicht durchsetzen ließ. Innerhalb der führenden Gruppe gab es nämlich starke Spannungen. So hatten Probus zum mag. off. Leo und der Heermeister Equitius zum PPO Maximinus kein gutes Verhältnis412. Durch Valentinians II. Erhebung wurde Probus’ und Equitius’ Position gestärkt, und ihre Stellung blieb weiterhin legitimiert. Damit konnten sie sich erfolgreich mit ihren Gegnern um Maximinus am Hof in Trier auseinandersetzen. Dort war zudem mit dem QSP Ausonius ein Gegner des PPO Maximinus im Amt. Es gelang ihnen innerhalb eines halben Jahres, die Gruppe um Maximinus der Macht zu berauben und neben ihm Leo, den mag. off., Simplicius413, den VVR, und Doryphorianus414, Simplicius’ Nachfolger in diesem Amt, zu stürzen. Gratian war durch die Erhebung seines Halbbruders stärkerem Druck ausgesetzt und schneller zu einer Revision der Politik seines Vaters, besonders auch gegenüber dem Senat, bereit. Die Rolle, die Probus spielte, zeigt die Bedeutung der zivilen Amtsträger, aber auch die Notwendigkeit, mit den militärischen Kommandanten zusammenzuarbeiten. Ohne deren Mitwirkung war eine Erhebung Valentinians II. nicht möglich. So ging auch nicht zufällig Merobaudes gestärkt aus diesen Ereignissen hervor. Probus und wichtige Mitglieder des Senates konnten dann später nach Maximus’ Usurpation 383 auf Valentinian II. zurückgreifen und dadurch den Einflußbereich des Usurpators Maximus eine Zeit lang auf die gallische Praefektur begrenzen. Valentinians II. Erhebung verlief zwar formal wie die eines Kaisers, der als legitim gilt. Bis zu ihrer dauernden Billigung durch Gratian und Valens hatte sie aber usurpatorischen Charakter, weil er ohne Ermächtigung Gratians erhoben worden war, der nach dem Tod seines Vaters als regierender Augustus im Westen anzusehen ist. Gratians Anspruch, weitere Mitherrscher einzusetzen, war übergangen worden. Im Unterschied zu jedem anderen sozusagen normalen Usurpator machte aber Valentinian II. von seinen Herrschaftsrechten als Kaiser keinen Gebrauch. Er blieb bis zum Sturz Gratians ein nomineller Augustus415. Er beanspruchte keine Teilhabe an der Herrschaft und am Gebiet Gratians, sondern nur an den Ehren. Dies war sicher das Ergebnis der Verhandlungen, die seiner Erhebung folgten. Sie bedeutete aber auf jeden Fall eine Zurücksetzung für einen möglichen Nachkommen Gratians. Die Mitglieder der Führungsgruppe, die Valentinian zum Kaiser machten, handelten eigenmächtig, um ihre Position in der Auseinandersetzung mit einzelnen Amtsträgern des Hofes in Trier zu sichern. Weil mit Valentinian ein Mitglied der regierenden Dynastie erhoben worden, war dieser für Gratian und Valens akzeptabel. Ob das angegebene Motiv, die Situation unter Kontrolle zu halten und einer möglichen Usurpation zuvorzukommen, das eigentliche war, muß man daher be412 Vgl. Amm. 30, 5, 10; 29, 6, 3. 413 PLRE 1, 844 s. v. Flavius Simplicius 7. 414 PLRE 1, 270 s. v. Doryphorianus. 415 Vgl. auch S. 85.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

zweifeln. Es war offensichtlich vorgeschoben. Mit ihm ließ sich aber die Erhebung gut begründen. Theodosius’ I. Erhebung Für Theodosius’ Erhebung am 19.1.379 verfügen wir über keinen Bericht, der die Beratungen der führenden Gruppe wiedergibt, die eine entscheidende Rolle gespielt haben muß416. Die Beratungen fanden in Sirmium statt, wohin sich Gratian, der von Trier in den Osten gezogen war417, um Valens zu helfen, nach der Nachricht von dessen Niederlage bei Adrianopel begeben hatte. Er ist dort seit dem Herbst 378 sicher bezeugt. Die zivilen Würdenträger von Valens’ comitatus und der PPO Orientis waren nach der Niederlage von Adrianopel nicht mehr als beschlußfähige Gruppe vorhanden, sondern hatten sich nach Serdica und Macedonien begeben. Sie spielten offensichtlich bei Theodosius’ Erhebung in Sirmium keine Rolle418. Bezeugt als anwesend am Hof in Sirmium und damit auch als Teilnehmer an den Beratungen ist Richomeres, der als comes domesticorum Gratians 377 und 378 von Gallien in den Osten entsandt worden war und die Schlacht von Adrianopel überlebte. Er trat in Theodosius’ Dienst über419. Ebenso nahmen der mag. equitum Victor, der die Nachricht von der Niederlage bei Adrianopel Gratian überbrachte, und Saturninus, der ebenfalls Reitertruppen befehligt hatte, an den Beratungen teil420. Anwesend waren in Sirmium auch Olybrius, der PPO Illyrici und cos. 379, womit die gens Anicia bei der Vorbereitung von Theodosius’ Erhebung eine wichtige Rolle spielte, und Flavius Eucherius, Theodosius’ Onkel, als CSL421. Theodosius wurde offenbar von wichtigen Mitgliedern des Senates in Rom unterstützt, wie Olybrius’ Anwesenheit und die späteren Karrieren bedeutender römischer Senatoren im Osten vermuten lassen422. Theodosius’ Anhänger kamen insgesamt offensichtlich aus dem westlichen Reichsteil. Dies zeigt die Tatsache, daß die Verwaltung des östlichen Reichsteiles 416 Zur Erörterung der Vorgänge in der wissenschaftlichen Literatur vgl. Matthews 1975, 88–100; Sivan 1996; Lizzi Testa 1997; Errington 1996, zur Chronologie der Ereignisse nach Adrianopel dort 439/440. 417 Zu Gratians Zug in den Osten vgl. Szidat 1996, 70. 418 Amm. 31, 16, 2. Vgl. 31, 12, 10.15, 2. Es bleibt aber unklar, ob etwa der CSL Tatianus, der bis zu Theodosius’ Einzug in Konstantinopel im November 380 im Amt blieb, nicht schon bald an den Hof in Sirmium kam und bei Theodosius’ Erhebung anwesend war. Zu Tatianus vgl. PLRE 1, 876–878 s. v. Fl. Eutolmius Tatianus; Delmaire 1989a, 62–67, 72. 419 Vgl. PLRE 1, 765/766 s. v. Flavius Richomeres; Pelizzari 1998, 187/188. 420 Zu Victor vgl. PLRE 1, 957–959 s. v. Victor 4; zum Überbringen der Nachricht vgl. Zos. 4, 24, 3; zu Saturninus vgl. PLRE 1, 807/808 s. v. Flavius Saturninus 10; zu seiner Stellung Amm. 31, 8, 3 u. Sabbah/Angliviel de la Beaumelle 1999, 268/269 n. 465. 421 Zu Olybrius vgl. PLRE 1, 642–644 s. v. Q. Clodius Hermogenianus Olybrius 3; zur Anwesenheit zwischen Ende 378 und Anfang 379 in Sirmium am Hof vgl. Auson. Grat. act. 12, 55. Zur Bedeutung der gens Anicia bei der Vorbereitung von Theodosius’ Erhebung vgl. Pellizzari 1998, 43. Zu Eucherius vgl. Delmaire 1989a, 48/49, 68/69; Pellizzari 1998, 37. 422 Vgl. z. B. Nicomachus Flavianus 14, der 382/383 proconsul Asiae war, und Volusianus, der vicarius Asiae vor 390 war (PLRE 1, 976 s. v. Ceionius Rufius Volusianus 3).

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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nach einer kurzen Übergangsphase bis 388 fast ausschließlich in den Händen von Würdenträgern lag, die aus dem Westen stammten423. Theodosius’ Erhebung, die von der führenden Gruppe am Hof in Sirmium durchgesetzt wurde, bedeutete eine Mißachtung Valentinians II.424, der weiterhin nomineller Augustus blieb, aber auch Gratians, der immerhin 19 Jahre alt war, und der Dynastie Valentinians I. insgesamt. Mögliche Nachkommen beider wurden durch die Kinder Theodosius’ I. konkurrenziert. Arcadius war schon 377 geboren. Theodosius mußte nicht aus militärischen Gründen Kaiser werden, wie zuweilen gesagt wird. Er hätte auch unter den jugendlichen Herrschern Gratian und Valentinian II. als General seine Aufgabe wahrnehmen können. Er und seine Befürworter waren offenbar nicht bereit, das Risiko auf sich zu nehmen, sich gegen mögliche Gegner am Hof in Trier und Konstantinopel, wo Valentinian II. geherrscht hätte, durchzusetzen und um den Einfluß auf die jungen Herrscher zu kämpfen. Sie zogen es vor, Gratian zu zwingen, ihnen durch die Erhebung eines weiteren Herrschers ein eigenes Machtzentrum zu verschaffen. Valentinian II., der als nomineller Augustus zur Verfügung gestanden hätte, war ihnen wegen seiner Jugend, des Einflusses seiner Mutter Iustina und deren arianischen Neigungen nicht genehm. III.C.3.b Die Kaisererhebungen im Osten im 5. u. 6. Jhd. Auch im 5. Jhd. und im Anfang des 6. Jhd. sind Beratungen der Führungsgruppe faßbar, dabei muß man aber die Entwicklung im Westen und Osten des Reiches gesondert betrachten. Im Osten sind die Beratungen, die vor Anastasius’ Erhebung (491) und vor der Iustinus’ I. (518) stattfanden, detailliert beschrieben, und und zwar von Constantinus Porphyrogenitus425. Dieser gibt auch für die vor Leos Erhebung (457) nützliche Hinweise. Dazu kommt noch die Regelung der Nachfolge Iustinians 565, die von Corippus ausführlich dargestellt worden ist. Für die anderen Thronwechsel lassen sich die Vorgänge wenigstens teilweise erschließen. Marcians Erhebung Im Osten verfügen wir für die Vorgänge nach Theodosius’ II. Tod 450 und die Wahl Marcians zwar über keine eingehende Schilderung, die rund vier Wochen aber, die von Theodosius’ II. Tod am 28.7.450 bis zur Erhebung Marcians am 25.8.450 vergingen, ohne daß äußere Umstände dafür verantwortlich waren, deuten auf eine lange dauernde Auseinandersetzung in der entscheidenden Gruppe hin426. Marcians 423 Delmaire 1989a, 72/73. 424 Zu einem Versuch, Theodosius’ Anhänger insgesamt aufzulisten, vgl. Matthews 1975, 93–98. Er unterscheidet nicht die in Sirmium anwesenden von den anderen. 425 Zu den Erhebungen, die Constantinus Porphyrogenitus schildert, vgl. etwa generell Lilie 1995a; Sode 2004. 426 Holum 1982, 208 erklärt das lange Intervall damit, daß Pulcheria selbst die Herrschaft ausgeübt habe und erst dann zur Erhebung Marcians geschritten sei. Auf eine parallele Situation

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Wahl war offensichtlich nicht unbestritten, auch wenn ein Gegenkandidat zu ihm sich nicht erkennen läßt. In der Überlieferung lassen sich über das Vorgehen im wesentlichen zwei Versionen unterscheiden, die einander aber nicht ausschließen. In einer wird berichtet, daß die Augusta Pulcheria, Theodosius’ II. Schwester, unmittelbar nach dem Tod ihres Bruders Marcian habe kommen lassen. Sie nimmt ihm das Versprechen ab, ihre Jungfräulichkeit zu respektieren, weil sie ihn nach seiner Erhebung heiraten will. Dann ruft sie die Führungsgruppe, th;n suvgklhton427, und den Patriarchen Anatolius zusammen und präsentiert ihnen Marcian als Kandidaten428. Nach der anderen429 ergreift der durch einen Sturz vom Pferd tödlich verletzte Theodosius II. selbst noch die Initiative. Dies ist der wesentliche Unterschied zur ersten Version. Er läßt Pulcheria und dann Marcian rufen und bezeichnet diesen im Beisein von Aspar und den Würdenträgern als seinen Nachfolger. Zwei Tage später stirbt er. Pulcheria vollstreckt dabei Theodosius’ letzten Willen, wodurch auch ihr Vorgehen legitimiert wird. Das Chronicon Paschale wie auch Johannes Malalas betonen, daß alle Würdenträger anwesend waren430, unterstreichen also den con­ sensus omnium. Cedrenus bietet beide Versionen hintereinander. Er berichtet zuerst, daß Theodosius Marcian und Pulcheria habe kommen lassen und ihn in Gegenwart Aspars und der Würdenträger zum Kaiser bestimmt habe, und dann, daß Pulcheria Marcian habe rufen lassen, um ihm mitzuteilen, daß sie ihn als zukünftigen Kaiser auserwählt habe431. Beide Versionen dienen vorwiegend dazu, Marcians Erhebung und Pulcherias Rolle dabei zu legitimieren, und können keinen Anspruch erheben, die wirklichen Vorgänge angemessen wiederzugeben. Sie erklären vor allem nicht die lange Zeit, die zwischen Theodosius’ II. Tod und Marcians Erhebung verging. Gerade sie läßt erkennen, daß Marcians Wahl umstritten war. Eine hinreichende spätere Legitimierung war also notwendig. Die erste Version legitimiert Marcians Erhebung mit dem Wunsch Pulcherias, daß er Augustus wird, eine Rolle, die sie als Augusta spielen kann und die sich etwa bei Anastasius’ Erhebung 491 wiederholte, als die Augusta Ariadne diesen auswählte. Der andauernde politische Einfluß Pulcherias während Marcians Herrschaft läßt einen wahren Kern in dieser Version erkennen. Die zweite Version legitimiert kann er nicht verweisen. Zur Erhebung Marcians vgl. auch Burgess 1993/1994; Jankowiak 2002. Beide stützen sich vor allem auf die monophysitischen Quellen in Syrisch. 427 Vgl. den Exkurs „hJ suvgklhto~“, S. 379–387. 428 Theophan. A. M. 5942 = 1, 103, 8–16; Zon. 13, 24, 1–4. Vgl. auch Euagr. HE 2, 1 = PG 86, 2, 2489 B. 429 Zu dieser Version vgl. Chron. Pasch. 1, 589/590 ed. Dindorf; Leo gramm. 109, 4–11; Ioh. Mal. 14, 27/28 S. 366/367. Das Chronicon Paschale betont dabei noch stärker Pulcherias Rolle. Theodosius II. spricht nach seinem Sturz vom Pferd zuerst mit ihr allein über Marcian als seinen Nachfolger. Erst dann wiederholt er diese Aussage vor dem herbeigerufenen Marcian in Gegenwart Aspars und aller anderen Mitglieder der Führungsgruppe (sugklhtikoiv). 430 Chron. Pasch. 1, 590, 2 ed. Dindorf: ejpi; “Asparo~ kai; tw`n loipw`n sugklhtikw`n pavntwn; Ioh. Mal. 14, 27 S. 387, 2–4. 431 Cedren. 1, 602, 8–15; 602, 18–603, 3.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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noch eindeutiger Marcians Erhebung. Theodosius II. schlägt Marcian dem Gremium vor, das sonst den Kandidaten bestimmt, und wirkt so gleichsam als sein auctor432. Diese Darstellung ist unwahrscheinlich und als erfunden zu betrachten. Ein so bestimmter Kandidat hätte niemals Probleme mit seiner Erhebung gehabt und so lange warten müssen. In beiden Versionen wird erstmals die Teilnahme des Patriarchen an den Beratungen erwähnt, eine Mitteilung, an der keine Zweifel angebracht sind433. Offensichtlich wurden die Beratungen der Gruppe und ihre schließliche Entscheidung nicht von Unruhen in Konstantinopel beeinflußt. Marcian wurde dann auf dem Hebdomon erhoben434. Eine sehr bedeutende Rolle spielte zweifellos die Augusta Pulcheria435. Als ihren Gegenspieler muß man den spatharius Chrysaphius, ihren alten Gegner, vermuten. Sie beseitigte ihn nach der Erhebung Marcians436. Um seinen Sturz geht es letztlich bei der Wahl Marcians. Chrysaphius’ Kandidat und die Gruppe, die ihn unterstützte, lassen sich nicht mehr fassen. Ob Chrysaphius persönlich bei den Beratungen anwesend war, läßt die Überlieferung nicht erkennen. Seine Teilnahme ist wegen seiner Bedeutung für Theodosius’ II. Politik im letzten Jahrzehnt vor dessen Tod anzunehmen. Von den militärischen Kommandanten war besonders Aspar wichtig und trat für Marcian ein, wie die Überlieferung erkennen läßt. Man sollte seine Rolle aber nicht überbewerten. Er war nicht der Kaisermacher437. 432 Theodosius II. erklärte gleichsam Marcian zu seinem Nachfolger, erhob ihn aber nicht zum Augustus, was mit einem Stellvertreter vor der Wahlversammlung durchaus noch möglich gewesen wäre, solange er lebte. 433 Cedren. 1, 602/603; Theophan. A. M. 5942 = 1, 103. Vgl. auch Euagr. HE 2, 1 = PG 86, 2, 2489 B, dessen Schilderung parallel ist. 434 Chron. Pasch. 1, 590, 8/9 ed. Dindorf. 435 Daß es in den Quellen so dargestellt wird, als ob sie seine Erhebung allein und in eigener Entscheidung durchgeführt habe, beruht auf verkürzender Darstellung. Man vgl. etwa Theophan. A. M. 5942 = 1, 103; Zon. 13, 24, 1–4; Vgl. auch Euagr. HE 2, 1 = PG 86, 2, 2489 B, dessen knappe Schilderung den Einfluß Pulcherias betont. 436 Zu den Belegen vgl. Demandt 2007, 218. Stein 1959, 312 vertritt die opinio communis. Er nimmt an, daß Chrysaphius nach dem Tod Theodosius’ II. von Pulcheria beseitigt wurde. Dagegen steht die Ansicht von Holum 1982, 207, daß er schon vor Theodosius’ II. Tod, nämlich zwischen März und Juli 450, umgebracht wurde. Chrysaphius’ Teilnahme an den Beratungen über Theodosius’ Nachfolger ist nicht zu sichern, aber sehr wahrscheinlich. Seine Einbindung in den Kreis der Mächtigen war nicht nur informeller Natur, sondern hatte institutionellen Charakter. So wird ihm neben anderen Würdenträgern, darunter dem PSC Urbicius, im April 449 beim Einzug in Edessa im Rahmen einer Untersuchung gegen den Metropoliten Ibas akklamiert (vgl. PLRE 2, 296; zur Übersetzung der Akklamationen vgl. auch O. Seeck, Libanius gegen Lucanius, Rh. Mus. 73, 1920, 84–101, dort 86/87). 437 So könnte es etwa aufgrund von Proc. BV 1, 4, 7 scheinen, nach dem Marcian viele Jahre Aspars domesticus war. Ein guter Teil dieser Vermutungen dürfte eine Rückprojektion von der Macht Aspars sein, die er zur Zeit der Erhebung Leos I. hatte. In der Forschung wird Aspars Rolle besonders von Burgess 1993/1994, 64/65 vertreten. Die besondere Erwähnung Aspars neben dem suvgklhto~ ist natürlich ein Zeichen für seine Bedeutung bei der Wahl. Als han-

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Wahrscheinlich nahm auch Urbicius, der 449 als PSC bei Theodosius II. belegt an den Beratungen teil. Unter Marcian hatte er offensichtlich kein Amt inne, und er erscheint auch 451 am Konzil von Chalkedon nicht als ehemaliger PSC in der Liste der weltlichen Teilnehmer, zwei seiner Vorgänger hingegen schon. Möglicherweise minderte der Wechsel in der Religionspolitik vorübergehend seinen Einfluß. Dank der Akten des Konzils von Chalkedon können wir bei Marcians Erhebung noch eine Reihe weiterer Persönlichkeiten, deren Teilnahme als sicher gelten kann, namentlich fassen439, nämlich den MVM Anatolius, den mag. off. Martialis, den ehemaligen mag. off. Nomus, den ehemaligen mag. off. Placitus und den comes domesticorum Sporacius. Anatolius war 450/451 MVM. Er war bedeutend für die Politik gegenüber Persien zu Beginn der Herrschaft Marcians. Martialis440 war seit Anfang 449 magister officiorum, d. h. er bekleidete schon unter Theodosius II. das wichtigste Amt der zentralen Verwaltung. 451 war er nicht mehr im Amt. Er spielte aber noch bei Leos I. Erhebung 457 als ehemaliger Würdenträger und Mitglied des Senates eine wichtige Rolle441. Nomus war cos. 445 und mag. off. 443–446. Er hatte zusammen mit dem MVM Anatolius 450 an einer Gesandtschaft zu Attila teilgenommen, die vor Theodosius’ Tod zurückgekehrt war. Sein Einfluß dauerte nach Theodosius’ II. Tod fort, obgleich er vorher offensichtlich auch zu Chrysaphius gute Beziehungen gehabt hatte. Placitus war mag. off. vor 449, aber schon 450 nicht mehr im Amt. Sporacius (Sporacius 3) war mindestens seit 448 comes domesticorum. Er bekleidete 452 den Konsulat unmittelbar nach Marcian. Sie alle dürften Marcian als Kandidaten unterstützt haben. Darauf deutet die Kontinuität ihres Einflusses über den Machtwechsel hinaus hin. Zudem läßt ihr Itinerar die Möglichkeit zu, sich im August 450 in Konstantinopel aufgehalten zu haben. Eine schriftliche Äußerung zur Person des neuen Herrschers ist für keinen von ihnen nachweisbar. Unberücksichtigt blieb der Anspruch Valentinians III. Ihm hätte es eigentlich zugestanden, den Kandidaten für die Neubesetzung des Thrones vorzuschlagen. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß sein Anspruch bei den Beratungen der Führungsgruppe in Konstantinopel vertreten wurde. Valentinian III. zeigte dann auch seine Verstimmung und erkannte Marcian erst im März 452 als Mitherrscher an. Dessen Erhebung hatte für ihn usurpatorischen Charakter, was durchaus den geltenden Vor-

ist438,

delnde Person wird aber immer Pulcheria genannt. Aspar war bei Marcians Erhebung auch noch nicht prw`to~ th`~ sugklhvtou, denn z. B. Florentius, der Konsul von 429, lebte noch und spielte auch nach Marcians Erhebung noch eine bedeutende politische Rolle (zum prw`to~ th`~ sugklhvtou vgl. n. 463). Aspars überragender Einfluß am Ende von Theodosius’ II. Regierungszeit wird auch in der Überlieferung bezweifelt (vgl. Prisc. fr. 14 Blockley). 438 Vgl. Scholten 1995, 206. 439 Vgl. auch den Exkurs „Die Teilnehmer an den Beratungen über Theodosius’ II. Nachfolge 450“, S. 397–400, mit der Bedeutung der einzelnen Persönlichkeiten und der Begründung für ihre Teilnahme an Marcians Wahl. 440 Zu Flavius Areobindas Martialis vgl. PLRE 2, 729 s. v. Fl. Areobindas Martialis; Clauss 1981, 170. Das Problem, wie lange Martialis als mag. off. amtete, wird umgangen und ist nicht gelöst. Es ist nicht bekannt, wer im August 450 mag. off. war. 441 C. P. 1, 91 S. 410, 11.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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stellungen entsprach. Das Verhältnis blieb auch danach etwas gespannt, denn Valentinian III. erkannte 455 Marcians Konsul nicht an442. Leos I. Erhebung Die führenden Beamten und die ehemaligen Amtsträger443 des östlichen Reichsteiles beschließen nach Marcians Tod am 27.1.457, Leo, den comes et tribunus Mattiariorum, die in Selymbria stationiert waren, zum Kaiser erheben zu lassen. An den Beratungen nahmen der ehemalige mag. off. Martialis444 und der Heermeister Aspar teil, der Leos Erhebung durchgesetzt haben soll445. Ihn unterstützte dabei sein Sohn Ardabur, der consul von 447446. Die Teilnahme des consul Constantinus kann man mit großer Sicherheit vermuten447. Wahrscheinlich nahm auch der Patriarch Anatolius wie schon bei Marcians Erhebung wieder teil448. Gegenkandidat Leos war Anthemius449. Aspar, dem man die Nachfolge Marcians angetragen hatte, lehnte ab, und zwar mit dem bekannten Hinweis, daß er keinen Präzedenzfall schaffen wolle. Ein Heermeister sollte nicht Kaiser werden450. 442 Bagnall 1987, 445. 443 C. P. 1, 91. Zum Beschluß, Leo zu erheben, vgl. ibid. S. 410, 8. Zu Leos Erhebung vgl. etwa Anastos 1975, 189–192; Bury 1923a, 314–316 mit teilweiser Übersetzung von C. P. 1, 91; Lilie 1998, 395–408. Zum sogenannten Senat vgl. den Exkurs „hJ suvgklhto~“, S. 379–387. 444 C. P. 1, 91 S. 410, 11. Der dort erwähnte Martialis wird mit dem mag. off. Flavius Areobindas Martialis gleichgesetzt. Vgl. Clauss 1981, 170 mit der älteren Literatur. 445 Daß Aspar ihn zum Herrscher machte (vgl. Stein 1959, 353/354), wird bei Theophanes (Theophan. A. M. 5961 = 1, 116) als Gerücht berichtet, bei Leon Gramm. 113, 2 sqq.; Prisc. fr.[19] Blockley = Suda A3803 als Tatsache. Zon. 14, 1, 1–6 verknüpft die Erhebung Leos mit der späteren von Aspars Sohn Patricius zum Caesar (kata; th;n uJpovscesin), was deutlich macht, daß Aspar Leo erhob, um auf einem Umweg die eigene Familie an die Macht zu bringen. Es muß sich dabei um eine verkürzende Interpretation handeln, denn Leo I. hätte kaum von vornherein einem möglichen männlichen Nachkommen die Chancen erheblich vermindert, auf den Thron zu kommen. 463 wurde ihm ein Sohn von Verina geboren (PLRE 2, 664; G. Dagron, Le fils de Léon Ier [463]. Témoignages concordants de l’hagiographie et de l’astrologie, An. Boll. 100, 1982, 271–275), der allerdings im Alter von 5 Monaten starb. 446 Vgl. PLRE 2, 135–137 s. v. Ardabur iunior 1. Vgl. Theophan. A. M. 5961 = 1, 116, der es als Meinung einiger darstellt. Als Tatsache überliefert ist Ardaburs Rolle bei Leo Gramm. 113, 2 sqq.; Prisc. fr.[19] Blockley = Suda A3803). 447 PLRE 2, 317/318 s. v. Constantinus 22. Er war unter Theodosius II., Marcian und Leo PPO Orientis (446/447, – vgl. Delmaire 1984, 170 –; 456; 459) und wurde 457 Konsul. Sein Einfluß dauert nach Marcians Tod noch unter Leo fort, für den er 464/465 eine Gesandtschaft zu den Persern unternahm. 448 C. P. 1, 91 S. 410, 10. Er findet sich jedenfalls auf dem Hebdomon ein. 449 Vgl. Henning 1999, 43. Sidon. carm. 2, 210–212 führt Anthemius’ Widerstreben gegen die Herrschaft als Grund dafür an, daß dieser nicht Kaiser wurde, was kaum der wahre Grund gewesen sein dürfte. 450 Acta synhodorum habitarum Romae a. DI, 5 = MGH AA XII, 425. Agnosticum regis (sc. Theoderich): Aliquando Aspari a senatu (sc. in Konstantinopel) dicebatur, ut ipse fieret impe­ rator: qui tale refertur dedisse responsum: Timeo (sc. Aspar), ne per me consuetudo in regno nascatur! ita dico (sc. Theoderich), ut modo ne irascantur sancti patres nostri: ne per eos, cum non discusserint et ita iudicaverint, consuetudo peccandi omnibus sacerdotibus genera­

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Unbestritten kann Leos Erhebung nicht gewesen sein, denn sie fand erst am 7.2.457 statt, mehr als zehn Tage nach Marcians Tod. Daß Leo höchstwahrscheinlich aus Selymbria herbeigeholt werden mußte, führte höchstens zu einer Verzögerung von drei Tagen. Weil im Westen des Reiches kein Augustus vorhanden war, war Leo im gesamten Reich Kaiser. Darauf, daß die Situation von 457 eine Parallele zu der von 364 bildet, wird von keinem antiken Autor hingewiesen. Im Westen reagierte die führende Gruppe auf die Nachricht von Marcians Tod nicht mit der Erhebung eines Augustus, obwohl man nach Avitus’ Sturz am 17.10.456 keinen Kaiser mehr hatte und bisher nicht zur Erhebung eines eigenen geschritten war. Anastasius’ Erhebung Nach Zenons Tod am 9.4.491 versammelten sich in der folgenden Nacht die Amtsinhaber und ehemaligen Würdenträger451 im Portikus vor dem großen Triclinium452, während sich das Volk am anderen Morgen im Hippodrom einfand. Weil dort Unruhe herrschte, begab sich die Augusta Ariadne453, Zenons Witwe, mit einigen der höchsten Amtsinhaber dorthin und beruhigte das Volk454. Danach begannen die Beratungen über Zenons Nachfolger, an denen die Augusta aber nicht teilnahm455. Als man sich nicht auf einen Kandidaten einigen konnte, schlug der PSC Urbi456 cius vor, die Entscheidung der Augusta Ariadne zu überlassen, und man bat den mitberatenden Patriarchen Euphemius457, der Augusta dies mitzuteilen. Sie schlug dann Anastasius vor, was von den beratenden Würdenträgern gebilligt wurde.

liter detur. Zum Kontext vgl. von Haehling 1988, 88, 99. Es wird nicht gesagt, welchen Präzedenzfall Aspar vermeiden wollte. Der Satz wird deshalb verschieden interpretiert. Die Lösung, die Demandt 1970, 770/771 vorschlägt, nämlich daß Aspar glaubte, daß ein Heermeister das Kaisertum selbst nicht anstrebten solle, hat alle Wahrscheinlichkeit für sich. Schon Stein 1959, 353/354 vertrat die Meinung, daß bei Marcians Tod der Senat Aspar den Purpur angeboten habe und daß am ehesten damals das berühmte Wort gefallen sei. 451 C. P. 1, 92. Vgl. Bury 1923a, 429–432 mit teilweiser Übersetzung; Capizzi 1969, 71–81; Lilie 1995a und 1995b. Nach Treitinger 1938, 17 sind in Auseinandersetzung mit der älteren Literatur die a[rconte~, die „höchsten Militär- und Zivilbeamten, Würdenträger, Führer der Palasttruppen, die Mitglieder des kaiserlichen Consistoriums“ anwesend. Er fügt hinzu „gemeinsam mit ihnen berät der Senat“. Er listet damit nur die Angaben der Quelle auf, ohne sie inhaltlich präziser zu fassen. 452 C. P. 1, 92 S. 418, 1/2. Vgl. C. P. 1, 93 S. 427, 4–6. 453 PLRE 2, 140/141 s. v. Aelia Ariadne. 454 C. P. 1, 92 S. 418, 5–421, 17. 455 Sie hält sich im Augustaeum auf (C. P. 1, 92 S. 421, 17). 456 Vgl. C. P. 1, 92 S. 421, 20–422, 2. Zur wichtigen Rolle, die Urbicius bei Anastasius’ Erhebung spielte, vgl. auch Cedren. 1, 626; Leo Gramm. 118; Zon. 14, 3, 1. Zu Urbicius vgl. PLRE 2, 1188–1190 s. v. Urbicius 1; Clauss 1984, 1245–1257. Zu seiner Rolle bei Anastasius’ Erhebung vgl. 1251/1252. 457 C. P. 1, 92 S. 422, 1: to;n ejpivskopon.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Nachdem also Ariadne Anastasius durch ihre diavkrisi~ zum Kaiser bestimmt hatte, folgten die Führungsgruppe (proceres und senatus) mit der ejkloghv und dann Soldaten und Volk als Wahlversammlung mit der sunaivnesi~ (consensus)458. Ariadne legitimierte Anastasius’ Herrschaft zusätzlich dadurch, daß sie ihn heiratete. Neben ihr spielte der PSC Urbicius die entscheidende Rolle459. Er soll nach Zonaras Ariadne zu Anastasius’ Wahl veranlaßt haben. Anastasius war sein Untergebener. Der Patriarch verlangte vor Anastasius’ Investitur eine schriftliche Erklärung, daß dieser rechtgläubig sei460. Durch die Parallelüberlieferung wird deutlich, daß es einen Gegenkandidaten gab. Es handelte sich um den Bruder Zenons, den Heermeister Longinus461, der sich auf viele Isaurier stützen konnte und vom mag. off. Longinus462, der an den Beratungen teilnahm, unterstützt wurde. Der Heermeister Longinus war zudem zweifacher Konsul und der prw`to~ th`~ sugklhvtou, der Erste des Senates463. Daß sich Ariadne und Urbicius innerhalb der Führungsgruppe gegen den Heermeister Longinus und den mag. off. Longinus durchsetzen konnten, zeigt die Bedeutung der zivilen Amtsträger. Der Heermeister Longinus wagte es nicht, seinem Anspruch mit militärischen Mitteln Nachdruck zu verleihen. Sein erfolgloses Bemühen um den Thron bestätigt die Regel, daß die Heermeister nicht zum Kaiser erhoben werden und erfolglos bleiben, wenn sie es versuchen. Ihnen bleibt dann nur die Usurpation. Er wie der mag. off. scheitern später auch beim Versuch, durch eine Revolte an die Macht zu kommen. Mit Anastasius’ Erhebung wird der Einfluß der Isaurier in Konstantinopel zurückgedrängt und findet bald sein Ende.

458 C. P. 1, 92 S. 424, 6/7. Zur entscheidenden Rolle Ariadnes bei Anastasius’ Erhebung vgl. auch Euagr. HE 3, 29.32. 459 Zon. 14, 3, 1. 460 Zon. 14, 3, 3. 461 PLRE 2, 689–690 s. v. Fl. Longinus 6. Euagr. HE 3, 29 berichtet, daß Longinus, Zenons Bruder und mag. mil. praes., hoffte, das Kaisertum zu erlangen, aber daß Ariadne Anastasius erheben ließ. Theophan. A. M. 5983 = 1, 135, 33–35 u. 136, 1–5: pai`da me;n mh; katalipwvn, Loggi`non de; ajdelfovn, di;~ me;n uJpateuvsanta kai; th`~ sugklhvtou boulh`~ pavsh~ hJgouvmenon, ajnovhton de; kai; baru;n kai; ajkovlaston o[nta… oJ~ kai; pollou;~ ∆Isaurou;~ ejn Buzantivw/ e[cwn kai; to;n Loggi`non, to;n mavgistron o[nta kai; fivlon aujtou`, kai; touvtoi~ qarrhvsa~ ajponohti; th;n basileivan e[cein w/[eto. th`~ de; ∆Areavdnh~ kai; th`~ sugklhvtou boulh`~ kai; tou` strateuv­ mato~ panto;~ ∆Anastavsion to; silentiavrion ajnagoreusavntwn basileva, th`~ ejlpivdo~ oJ Loggi`no~ hjstovchsin. 462 PLRE 2, 688 s. v. Longinus 3. Zu seiner Teilnahme vgl. C. P. 1, 92 S. 422, 5. 463 Theophan. A. M. 5983 = 1, 135: th`~ sugklhvtou boulh`~ pavsh~ hJgouvmenon. Zum prw`to~ th`~ sugklhvtou vgl. Stein 1949, 788/789. Aspar ist 471 als erster belegt. Vgl. Chron. Pasch. 1, 596 ed. Dindorf. Prw`to~ th`~ sugklhvtou war derjenige Patrizier, der am frühesten den eponymen Konsulat bekleidet hatte. Longinus machte 492 einen Aufstand gegen Anastasius, wurde nach Aegypten verbannt und zum Priester geweiht. Er starb sieben Jahre später (Theophan. A. M. 5984 = 1, 137, 1–5; Zon. 14, 3, 20).

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Iustinus’ I. Erhebung Während der Beratungen der führenden Gruppe im Palast in Konstantinopel, die schließlich Iustinus I. am 10. Juli 518 auf den Thron brachten464, geriet die Situation im angrenzenden Hippodrom durch spontane Erhebungen außer Kontrolle. Solche Unruhen hatte man bisher immer verhindern können. Lediglich bei den Beratungen vor Iovians Erhebung 363 war es bei der Beschlußfassung zu Unordnung gekommen. Constantinus Porphyrogenitus unterstreicht am Anfang seiner Schilderung, daß bei Anastasius’ Tod weder eine Augusta vorhanden war, die die Bestimmung eines Nachfolgers in die Hand nehmen konnte, noch der verstorbene Kaiser für dessen rechtzeitige Erhebung gesorgt hatte465. Die Rolle der Augusta hatte Constantinus Porphyrogenitus in seiner Schilderung von Anastasius’ Erhebung 491466 erkennen lassen, und die Bestimmung eines Nachfolgers durch den regierenden Augustus wird bei Leos II. Erhebung zum Augustus durch Leo I. deutlich467. Anders als in anderen Fällen468 hatte auch die Führungsgruppe nicht auf die Regelung der Nachfolge durch die Erhebung eines Mitherrschers gedrängt. Das läßt darauf schließen, daß sie uneinig war, und daß einige in ihr sich bei einer ungeregelten Nachfolge größere Chancen ausrechneten. Man muß vermuten, daß es die Gruppen um den mag. off. Celer, den comes excubitorum Iustinus und den PSC Amantius waren469. Die Beratungen fanden zudem in einer gespannten innenpolitischen Gesamtlage statt, denn Anastasius’ Position war seit 513 durch den Ungehorsam des Heermeisters Vitalianus in Thrakien geschwächt. Die Zentrale kontrollierte Thrakien nicht, als Anastasius starb. Der mag. off. Celer und der comes excubitorum Iustinus bereiteten unmittelbar nach Anastasius’ Tod in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 518 die Beratungen über einen Kandidaten vor. Am Morgen versammelten sich die hohen Würdenträger und der Patriarch Iohannes II. im Palast, das Volk und die Soldaten, darunter auch excu­ bitores und Mitglieder der Scholen, im Hippodrom.

464 Zu einem abweichenden Datum vgl. die Belege in PLRE 2, 650 s. v. Iustinus 4. 465 C. P. 1, 93 S. 426, 4/5. 466 Vgl. C. P. 1, 92. Ariadne, die damals eine wichtige Rolle gespielt hatte, war 515 gestorben. 467 C. P. 1, 94. 468 Vgl. den Druck der Führungsgruppe auf Leo I. und auf Iustinus I. Vgl. n. 757, 339. 469 Vasiliev 1950, 82 interpretiert die Tatsache, daß Celer nach Iustinus’ Wahl krank ist, als Hinweis, daß er dessen Erhebung nicht wollte. Vasiliev betrachtet Iustinus’ Wahl als unerwartet und nicht geplant (Vasiliev 1950, 75). Celers baldiges Ausscheiden aus dem Amt des mag. off. nach dem Machtwechsel und sein Verschwinden aus der Überlieferung deuten darauf hin. Proc. Anecd. 6, 10 ist der Auffassung, daß Iustinus’ Wahl durch sein Amt als comes excubito­ rum bedingt gewesen sei, was sicher eine Deutung ex eventu darstellt. Während Stein 1949, 219/220 die Interessen und den Einfluß der einzelnen Gruppen sehr differenziert sieht, reduziert etwa Demandt 2007, 232 die Vorgänge auf eine Auseinandersetzung zwischen Celer und Iustinus um den Thron, was sicher zu einfach ist.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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An den Beratungen im Palast nahmen sicher neben Celer und Iustinus der PSC Amantius und der MVM Patricius teil470. Patricius begab sich mindestens kurz­ fristig von den Beratungen ins Hippodrom, wo ihn die excubitores zu erheben versuchten. Es fehlte Hypatius, der mag. mil. per Orientem, der nicht in Konstantinopel war. Er hätte als Neffe des verstorbenen Kaisers, er war der Sohn der Schwester, gewisse Aussichten auf den Thron gehabt471. Während des Nika-Aufstandes im Januar 532 erinnerte man sich dann seiner und erhob ihn zum Kaiser, wofür er mit seinem Leben bezahlte. Ob die beiden anderen Neffen des Verstorbenen, nämlich Pompeius 2 und Probus 8, anwesend waren, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen472. Man beriet wie bei Anastasius’ Erhebung im Portikus vor dem großen Triclinium473, womit das Triclinium der 19 Ruhebetten gemeint ist474. Das große Triclinium lag am Tribunal, dem großen Hof und Zentrum des konstantinischen Palastes475. Die Beratungen zogen sich lange Zeit hin, während Celer auf einen raschen Beschluß drängte. In der Zwischenzeit geriet die Situation außerhalb des Palastes im Hippodrom außer Kontrolle476. Die Truppen, die im Stama standen477, das sich

470 Zu Amantius vgl. Zon. 14, 5, 2/3; zu Patricius C. P. 1, 93 S. 427, 19 sqq. Zu Patricius vgl. PLRE 2, 841/842 s. v. Fl. Patricius 14. 471 PLRE 2, 577–581 s. v. Flavius Hypatius 6. Zu seinen Aussichten vgl. Stein 1949, 219. Man darf diese aber nicht überschätzen, weil er außer der Bekleidung des Konsulates keine weitere besondere Förderung durch Anastasius erfahren hatte und im Kampf gegen Vitalianus kürzlich unterlegen war. Zudem war er Heermeister, was keine gute Voraussetzung für den Thron war. 472 Für Probus 8 ist es auch unwahrscheinlich, weil er zusammen mit Hypatius Anfang 519 sicher in Apamea in Syrien belegt ist (PLRE 2, 912). 473 C. P. 1, 93 S. 427, 4–6; zu Anastasius’ Erhebung vgl. 1, 92 S. 418, 1/2. 474 Guilland 1969, 1, 75. 475 Zum Palast Konstantins vgl. Müller-Wiener 1977, 229–337 und den Plan ibid. 229 sowie die Untersuchungen von Guilland 1969, 1 passim. Das Tribunal ist identisch mit dem Delphax (vgl. Guilland 1969, 1, 70). 476 C. P. 1, 93 S. 427, 14 sqq. Daß sich die im folgenden geschilderten Ereignisse (C. P. 1, 93 S. 427, 14–428, 11) außerhalb des Palastes abspielten, läßt der Text deutlich erkennen (vgl. etwa C. P. 1, 93 S. 427, 14: a[nw ejn tw`≥ iJppikw`≥ und S. 428, 8), ist aber bisher nicht klar erkannt worden. Man vgl. schon die irreführende lateinische Erläuterung in der Ausgabe von Reiske im Bonner Corpus zu S. 427, 21: mediumque super accubitum [seu mensam magni triclinii]. Zum Ausdruck a[nw ejn tw`≥ iJppikw`≥ vgl. auch C. P. 1, 95 S. 433, 9, wo mit derselben Wendung nur unter Nachstellung des a[nw das Hippodrom dem Palast gegenübergestellt wird. 477 Zur Aufstellung der Truppen im Hippodrom im Stama vgl. etwa C. P. 1, 92 S. 418, 2/3; 1, 94 S. 431, 12. Belegt sind excubitores (C. P. 1, 93 S. 427, 14 sqq.) und scholarii (C. P. 1, 93 S. 427, 19 sqq.). Weil die Kommunikation mit denen, die im Palast berieten, nicht ohne weiteres möglich war, wie etwa das Klopfen an die elfenbeinerne Tür zeigt (C. P. 1, 93 S. 428, 8), muß man davon ausgehen, daß ein Teil der excubitores und scholarii sich im Hippodrom im Stama befanden, während ein anderer Teil im Palast die Bewachungsaufgaben wahrnahm. Zur Aufteilung dieser Truppen auf verschiedene Orte vgl. z. B. C. P. 1, 91 S. 415, 16/17, wo deutlich gesagt wird, daß ein Teil der scholarii bei der Erhebung Leos I. mit zum Hebdomon gezogen war, während die anderen zur Bewachung des Palastes zurückgeblieben waren.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

auf dem Niveau der Arena unterhalb des Kathisma befand478, nahmen spontane Erhebungen vor. Die excubitores erhoben einen tribunus Iohannes479 auf den Schild, was von der Zirkuspartei der Blauen mißbilligt wurde. Iohannes’ Erhebung wird als tumultuarisch gekennzeichnet. Man nahm aber an, daß sie mit seiner Einwilligung geschehen sei. Dies muß man aus seiner nachfolgenden Einsetzung als Bischof von Perinthos vermuten, die als Exilierung zu gelten hat. Es kam zu weiteren spontanen Ausrufungen und Versuchen, einen Kaiser zu erheben, nämlich des Heermeisters Patricius480 durch Mitglieder der Scholen und des candidatus Iustinianus, des späteren Kaisers, durch excubitores. Patricius wird gegen seinen Willen auf ein Speisesofa481 gestellt, was als Ersatz für das Tribunal dient. Er kommt durch die excubitores, die mit dem Vorgehen der Mitglieder der Scholen nicht einverstanden waren, in Lebensgefahr, wird aber durch Iustinianus gerettet und ins ejxkouvbiton482 in Sicherheit gebracht und dort bewacht. Er wurde nicht als erhoben betrachtet und konnte seine Karriere fortsetzen. Als die excubi­ tores daraufhin Iustinianus selbst unter Androhung von Gewalt erheben wollen, kann dieser seine Erhebung verhindern. Jedesmal wurden bei den Versuchen, einen Augustus zu erheben, an der elfenbeinernen Tür des Palastes483 die kaiserlichen

Die Abteilungen der excubitores und scholarii, die sich im Hippodrom befanden, standen nicht unter der völligen Kontrolle ihrer Kommandanten, wie die spontanen Erhebungsversuche zeigen. 478 Vgl. Guilland 1969, 1, 60; Müller-Wiener 1977, 65. 479 C. P. 1, 93 S. 427, 14–17. Vgl. PLRE 2, 609 s. v. Iohannes 65. 480 PLRE 2, 840–842 s. v. Patricius 14, dort 842; anders Anastos 1975, 186, der das Wort nicht als Namen ansieht. 481 C. P. 1, 93 S. 427, 21. Das Mißverständnis von ajkkouvbito~ an dieser Stelle als Bezeichnung des großen Tricliniums hat zu der Vorstellung geführt, daß Patricius mitten im Palast erhoben worden sei. Zu Verwendung von ajkkouvbito~ als Kline bei Constantinus Porphyrogenitus vgl. C. P. 1, 91 S. 416, 11 u. 14. An diesen Stellen werden damit das Liegebett des Kaisers und der erhöhte Teil des Tricliniums der 19 Ruhebetten bezeichnet. Zur Örtlichkeit vgl. Guilland 1969, 1, 501. 482 C. P. 1, 93 S. 428, 5. Das ejxkouvbiton ist als Wachlokal und Teil eines Bauwerkes zu betrachten, von dem in den Quellen unter den Bezeichnungen Prandiavra, Calkh` tou` IJppikou`, Nouvmera, Zeuxivppou fulakhv gesprochen wird. Dieses grenzte an die Nordfassade des Hippodroms, und zwar im Osten, und befand sich außerhalb des Palastes. Es enthielt ein Gefängnis, das ursprünglich unter der Bewachung der Excubitores stand, wie der Bericht über die Gefangenschaft des Papstes Martin (649–655) zeigt (zum Text vgl. Guilland 1969, 1, 46). Dieses Gefängnis muß hier gemeint sein. Von diesem Bauwerk aus hatte man durch die Portiken, die an das Hippodrom angrenzten, und die Porta Karea Zugang zum konstantinischen Palast (zum Bauwerk vgl. Guilland 1969, 1, 46–52, der aber nicht auf C. P. 1, 93 verweist). Patricius’ Verbringung an diesen Ort außerhalb des Palastes ist ein weiterer Hinweis darauf, daß die spontanen Versuche, einen Kaiser zu erheben, sich außerhalb des Palastes abspielten. 483 C. P. 1, 93 S. 428, 8: ta;~ quvra~ ta;~ ejlefantivnou~. Nach Guilland 1964, 333 und 1969, 1, 60 befinden sich die elfenbeinernen Türen innerhalb des Palastes und trennen das Quartier der Wachen vom Zentrum, wo die Beratungen stattfanden. Er unterscheidet des Plurales wegen diesen Zugang von einem sonst erwähnten elfenbeinernen Tor, das vom Hippodrom in den Palast führte und in der Nähe des Kathisma lag (Guilland 1969, 1, 120, 166). Der Kontext legt aber nahe, daß alle spontanen Erhebungen außerhalb des Palastbezirkes im Hippodrom stattfanden und die Truppen innerhalb des Palastes unter Kontrolle waren. Lediglich einige Mit-

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Insignien gefordert, aber von den cubicularii nicht herausgegeben. Keine der spontanen Erhebungen konnte also zu Ende geführt werden. Es kam zu keiner Investitur. Bei den Unruhen im Hippodrom wird eine Auseinandersetzung zwischen den Mitgliedern der Scholen und den excubitores deutlich, die jeweils eigene Kandidaten durchsetzen wollten. Schließlich einigten sich alle, die sich zur Beratung im Palast versammelt hatten, auf Iustinus. Gegen ihn wurden im Palast einige Mitglieder der Scholen gewalttätig484. Sie mußten aber schließlich nachgeben und konnten seine Erhebung nicht verhindern. Für die Unordnung (ajtaxiva), die die excubitores und Mitglieder der Scholen bei der Regelung von Anastasius’ Nachfolge durch ihre willkürliche Erhebungen im Hippodrom auslösten, wurden sie offensichtlich nicht zur Rechenschaft gezogen. Im Unterschied etwa zu Valentinians I. Erhebung 364 gelang es bei Iustinus’ Erhebung nicht, die Truppen unter Kontrolle zu halten, ebensowenig wie die Zirkusparteien und das Volk. So kam es zu einer Reihe von Versuchen, Kandidaten zu erheben, ohne den Vorschlag der Führungsgruppe abzuwarten. Nur weil die kaiserlichen Insignien nicht zur Verfügung standen und offensichtlich kein rascher Ersatz beschafft werden konnte, kam es nicht zu einer eigentlichen Erhebung mit einer Investitur. Die Uneinigkeit der Führungsgruppe ließ zu, daß andere Gruppen Entscheidungen an sich rissen, die ihnen sonst nicht zugebilligt wurden. Constantinus Porphyrogenitus verweist in seinen einleitenden Worten nicht auf vergleichbare Beratungen innerhalb der führenden Gruppe wie etwa auf die vor der Erhebung Valentinians I., Marcians oder Leos I., sondern betont besonders die ajta­ xiva, bevor schließlich Iustinus I. erhoben wurde485. Die modernen Darstellungen486 unterstreichen wie der antike Autor vor allen Dingen, daß die Erhebung ungeregelt ablief, übersehen aber, daß sich letztlich die führende Gruppe durchsetzte. Möglicherweise war die Unruhe auch inszeniert, um die Beratenden zu einem schnellen Entschluß zu zwingen und damit den gewünschten Kandidaten durchzubringen. Marcians Erhebung zeigt dagegen deutlich, daß man sich durchaus viel Zeit für die Beratungen nehmen konnte, wenn man sie benötigte. Nicht einverstanden mit Iustinus’ Wahl war der PSC Amantius487, der seinen domesticus Theocritus zum Kaiser hatte machen wollen488. Er gab sein Bestreben nicht auf, auch nachdem Iustinus erhoben worden war, und wurde dabei von den glieder der Scholen verloren offensichtlich im Palast nach Iustinus’ Wahl die Beherrschung (vgl. C. P. 1, 93 S. 428, 13/14). Zur Weigerung der cubicularii, die kaiserlichen Insignien herauszugeben, vgl. C. P. 1, 93 S. 428, 7–10. 484 C. P. 1, 93 S. 428, 11 unterstreicht den consensus der Versammelten (oiJ sugklhtikoi; pavnte~). Der Vorgang muß sich im Palast abgespielt haben. Iustinus’ Wahl kam für die Zeitgenossen unerwartet. Man vgl. etwa Euagr. HE 4, 1: pavsh~ uJpevrteron ejlpivdo~. 485 C. P. 1, 93 S. 426, 2. 486 Vgl. z. B. Stein 1949, 219/220. 487 Vgl. PLRE 2, 67/68 s. v. Amantius 4. 488 Euagr. HE 4, 2.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

cubicularii Andreas, Misael und Ardabur489 unterstützt. Er wiegelte das Volk auf490. Iustinus griff sofort ein, und kurz nach seiner Erhebung491 wurden Amantius und Theocritus getötet, während Misael und Ardabur ins Exil nach Serdica geschickt wurden492. Der Heermeister Vitalianus493 wurde zwei Jahre nach Iustinus’ Erhebung auf Veranlassung Iustinians ermordet, weil er als möglicher Konkurrent gefürchtet wurde. Die Unruhe, die sich im Hippodrom bei Iustinus’ Erhebung bemerkbar gemacht hatte, wurde auf diese Weise erneut geschürt, konnte aber von Iustinus weiterhin kontrolliert werden, offensichtlich weil die führende Gruppe hinter ihm stand. Iustinus’ II. Erhebung Als Justinian in der Nacht vom 14. auf den 15. November 565 gestorben war, wurde Iustinus, der die cura palatii innehatte, noch während der Nacht durch eine Delegation der führenden Gruppe unter der Leitung des PSC Callinicius in den Palast geholt, den Tiberius, der comes domesticorum oder excubitorum, hatte sichern lassen. Iustinus war der Kandidat der führenden Gruppe. Im Palast wurde seine Investitur zum Augustus vorgenommen, und er wurde von den Anwesenden als Augustus begrüßt (nuncupatio). Die gesamte Zeremonie spielte sich höchstwahrscheinlich im Triclinium der neunzehn Ruhebetten ab494. Eine eigentliche Wahlversammlung trat nicht zusammen. Erst nach Abschluß der Erhebungszeremonie begab er sich ins Hippodrom, wo er die Akklamationen des Volkes entgegennahm. Das Volk hatte sich dort erst eingefunden, als die Herrschaft schon übergeben worden war. Die Darstellung der Erhebung Iustinus’ II. 565495 läßt die wichtige Rolle erkennen, die der PSC Callinicius und der comes excubitorum Tiberius bei der Übernahme der Herrschaft und in der Führungsgruppe spielten. Nach der Überlieferung vollzog Callinicius den Willen Iustinians, der Iustinus als Nachfolger wollte. Iustinus’ Erhebung ist in gewisser Weise ein Beispiel dafür, wie die Thronfolge vom Vorgänger geregelt werden kann, ohne daß er den gewünschten Nachfolger zum Mitherrscher macht. Iustinianus tat das offensichtlich nicht, um keine Spannungen mit Iustinus’ Konkurrenten, dessen Namensvetter Iustinus, entstehen zu lassen. Weiterhin läßt sie die Kontrolle erkennen, die die Führungsgruppe ausübte und die ganz der besonderen Situation angepaßt war. Die zivilen Würdenträger der Führungsgruppe beherrschten die Situation. 489 Vgl. PLRE 2, 88 s. v. Andreas 10; 2, 137 s. v. Ardaburius 2; 2, 763/764 s. v. Misael. 490 Vict. Tonn. s. a. 519 = Chron. min. 2, 196: Amantius praepositus seditiones in populo susci­ tans imperator alius postulatur, qui Iustini praecepto principis una cum Andrea cubiculario occiditur et in Rheuma iactatur. 491 Innerhalb von 10 Tagen. Vgl. Proc. Anecd. 6, 26. 492 Vgl. besonders Marcell. com. s. a. 519 = Chron. min. 2, 101. 493 PLRE 2, 1171–1176 s. v. Vitalianus 2. 494 Coripp. Iust. 2, 84–277. Vgl. Cameron 1976, 156/157, 162–165; Stache 1976, 292. 495 Vgl. besonders Coripp. Iust. 1 u. 2 und die Darstellung bei Stein 1949, 744–746; vgl. auch Cameron 1976, 165; Burgarella 1998, 437. Zu Callinicius’ Rolle vgl. besonders Coripp. Iust. 1, 76–88; 4, 325 sqq.; zu Tiberius’ Rolle Coripp. Iust. 1, 202–225.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Sorgfältig geplant war die Kontrolle möglicher Mitbewerber und des Volkes496. Iustinus hatte offenbar auch eine Vereinbarung mit seinem gefährlichsten Konkurrenten, Iustinus 4, Germanus’ Sohn, getroffen, ihm die zweite Stelle nach dem Kaiser zu überlassen, um dessen Kandidatur abzuwenden497. Der Palast war durch die excubitores militärisch gesichert498, und Iustinians Tod wurde dem Volk erst bekannt gemacht, als Iustinus schon erhoben worden war499. Man suchte auf diese Weise die Möglichkeit auszuschalten, mittels des Volkes, das im Hippodrom versammelt war, Druck auf die Führungsgruppe auszuüben und die Erhebung des vorgesehenen Kandidaten zu verhindern. Deshalb ließ man auch Iustinus nicht im Hippodrom zum Augustus erheben, sondern im Palast, was vorher lediglich bei Iustinians Thronbesteigung 527 geschehen war500. Die sorgfältige Planung und Kontrolle verhinderte, daß es zu Unruhen kam, deren Vermeidung in der Überlieferung mehrfach betont wird501. Hierbei spielte sicher eine Rolle, daß man eine Wiederholung der Unruhen von 560 verhindern wollte, die entstanden waren, als sich ein Gerücht von Iustinians Tod verbreitet hatte502. Als Teilnehmer an den Beratungen werden nur Callinicius und Tiberius namentlich erwähnt. Die Teilnahme des Patriarchen wird man annehmen können, weil er die Krönung vornahm. Es war der sehr orthodoxe Iohannes Scholastikus. Sicher fehlten Apion, der cos. von 539503, und Narses, der das Heer in Italien befehligte. III.C.3.c Die Kaisererhebungen im Westen: Petronius Maximus’ Erhebung Für den Westen fehlen für das 5. Jhd. detaillierte Berichte, wie sie Constantinus Porphyrogenitus gibt, über die Vorgänge innerhalb der Führungsgruppe, wenn sie über die Kandidaten beriet und der zu Erhebende nicht von einem amtierenden Augustus vorgeschlagen wurde. Es ist aber klar erkennbar, daß auch im Westen eine solche Gruppe tätig war. 496 Coripp. Iust. 1, 299–313. 497 Euagr. HE 5, 1. Vgl. PLRE 3, 750–754 s.v. Iustinus 4. 498 Coripp. Iust. 1, 202–211. 499 Euagr. HE 5, 1. 500 Coripp. Iust. 1, 225 sqq. u. passim; Euagr. HE 5, 1. Zu Iustinians Erhebung vgl. S. 79/80. Die Investitur wurde auch bei Tiberius 578 und Mauricius 582 im Palast vollzogen. Man vgl. Trampedach 2005, 282/283, der dieses Vorgehen als eigene Etappe in der Entwicklung der Investitur sehen möchte. 501 Coripp. Iust. 1, 1–3; Euagr. HE 5, 1; Vict. Tonn. s. a. 567 = Chron. min. 2, 206 = PL 68, 962C: Iustinus iunior Vigilantiae sororis Iustiniani Augusti filius, patre Dulcissimo natus, cum tran­ quillitate populi maxima imperii sumit sceptra. Huius coniunx Sophia Theodorae Augustae neptis asseritur. 502 Theophan. A. M. 6053 = 1, 234, 20 sqq. 503 Zur Krönung durch den Patriarchen und der Bedeutung seiner orthodoxen Haltung vgl. Coripp. Iust. 2, 160–165 und dazu Cameron 1976, 163/164. Zu Apion vgl. PLRE 3, 96–98 s. v. Fl. Apion 3 und E. R. Hardy, The Large Estates of Byzantine Egypt, New York 1931, 32–34, der Apions Absenz eingehend begründet.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Bei allen Bestimmungen eigener Kandidaten im Westen im 5. Jhd. durch die Führungsgruppe wurde zwar der Anspruch des Kaisers in Konstantinopel, den zu Erhebenden zu benennen, mißachtet. Die Erhebungen hatten daher usurpatorischen Charakter. Das Vorgehen bei den einzelnen Beratungen entsprach aber weitgehend demjenigen bei der Bestimmung eines Kaisers, der nicht in usurpatorischer Absicht erhoben wurde. Dies ist bei Petronius Maximus’ Erhebung 455 in Rom, die hinreichend bezeugt ist, deutlich erkennbar. Valentinian III. wurde am 16. März 455 ermordet, Petronius Maximus tagsdarauf erhoben. Bei den Beratungen um die Nachfolge Valentinians III. holte man nicht erst die Meinung Marcians in Konstantinopel ein oder wartete gar ab, bis ein Kandidat von Konstantinopel vorgeschlagen wurde. Petronius Maximus’ Benennung als zukünftiger Kaiser vollzog sich so, als ob es sich um eine Vakanz des Thrones im ganzen Reich wie etwa nach Iovians Tod 364 handelte. Petronius Maximus’ Erhebung kann daher Aufschluß über das Verhalten und die Zusammensetzung der Gruppe geben, die im Westen sich das Recht nahm, den Kandidaten bei einer Vakanz vorzuschlagen. Der Westen kümmerte sich offensichtlich nicht um den Anspruch Marcians in Konstantinopel, weil man dort bei dessen Erhebung den weströmischen Kaiser Valentinian III. nicht um seine Meinung gefragt hatte und es zu einer schweren Verstimmung mit ihm gekommen war504. Marcian konnte zudem 455 nach Pulcherias Tod weder als Vertreter der Interessen der theodosianischen Dynastie noch der der römischen Aristokratie betrachtet werden. Der Historiker Priscus berichtet von Unruhen in Rom und von einer Spaltung unter den Truppen505 nach dem Tod Valentinians III. Er erwähnt verschiedene Gruppierungen, die er als unterschiedliche Gruppen der Truppen darstellt. Dies wird man als verkürzende Darstellung zu betrachten haben. Priscus unterscheidet in seinem Bericht nicht zwischen den Soldaten, die nicht unter Kontrolle waren und sich lautstark für verschiedene Kandidaten aussprachen, und der Gruppe, die beriet und die die verschiedenen Strömungen unter den Truppen widerspiegelte. Die Gruppe traf aber schließlich die Entscheidung, der man sich mindestens vorerst loyal unterzog. Die Situation war also ganz vergleichbar mit den Vorgängen bei Iustinus’ Erhebung 518. Auch dort waren die Truppen gespalten, sie fügen sich aber schließlich dem Entscheid der führenden Gruppe. Anders als bei den Beratungen über Iustinus’ I. Erhebung lassen sich aber deren Aufenthaltsort und der der Truppen nicht genauer bestimmen. Die Unruhe unter den Soldaten, die Beratungen und Petronius Maximus’ schließliche Erhebung sind offensichtlich in Rom zu lokalisieren. Dort beriet man im Innern des Palastes, während die Truppen außerhalb lärmten und ihre Forderungen stellten. Bei den Beratungen wird von drei Gruppen506 berichtet, die verschiedene Kandidaten unterstützen, nämlich eine, die Petronius Maximus, eine andere, die einen 504 Vgl. S. 345/346. 505 Ioh. Ant. fr. 201, 6 = Exc. de ins. 85 S. 127, 19–28 = Prisc. fr.[30, 1], 73–80 Blockley. 506 Ioh. Ant. fr. 201, 6 = Exc. de ins. 85 S. 127, 19–28 = Prisc. fr.[30, 1], 73–80 Blockley. Es ist ernsthaft zu erwägen und wird auch diskutiert, ob sich nicht nur zwei Kandidaten gegenüberstanden und Maximianus lediglich eine Verschreibung für Maiorian ist. Zur Diskussion vgl.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Maximianus erheben wollte, und eine dritte, die Maiorian auf den Thron bringen wollte. Die führenden Persönlichkeiten zweier werden genannt, nämlich die Kreise, die früher auf Aetius’ Seite gestanden hatten und nun wieder einen der ihren auf den Thron bringen wollten, und die Augusta Licinia Eudoxia, die Witwe Valentinians III. Sie unterstützte den comes domesticorum Maiorian, der einige Jahre vorher als Verlobter ihrer Tochter Placidia vorgesehen war507. Diese wurde dann aber 454 mit Gaudentius, Aetius’ Sohn, verlobt. Nach Aetius’ Ermordung wurde diese Verlobung aufgelöst, und Placidia mit Olybrius verlobt. Eigentlich wäre daher Olybrius der Kandidat der theodosianischen Dynastie gewesen. Er war aber 455 nicht in Rom, als es um die Erhebung eines neuen Kaisers ging, sondern hielt sich in Konstanti­ nopel auf und war auch in keiner Weise als möglicher Nachfolger vorbereitet worden. Eudoxias Verhalten legt nahe, daß sie sich jetzt wenigstens durch einen Kandidaten ihrer Wahl, der nicht Petronius Maximus sein konnte, ihren Einfluß in Zukunft sichern wollte508. Nach Priscus’ Aussage unterstützten auch ehemalige Anhänger des Heermeisters Aetius Maiorian, aber keineswegs alle, denn ein Teil stand auf Petronius Maximus’ Seite. Die Kräfte, die hinter Petronius Maximus’ Kandidatur standen, sind uns auch nicht im einzelnen faßbar. Seine lange, ungebrochene und außergewöhnliche Karriere sowie sein großer Einfluß machten ihn zu einem Kandidaten, dem Maiorian wenig entgegenzusetzen hatte. Von den Soldaten stand mindestens ein Teil der Bucellarier, die Aetius gedient hatten, auf Petronius Maximus’ Seite, wie das Verhalten von Optila und Thraustila509 zeigt. Nachdem sie Valentinian III. ermordet hatten, um Aetius’ Tod zu rächen, brachten sie Petronius Maximus Diadem und Pferd des getöteten Kaisers, offensichtlich weil er damals über das größte politische Ansehen und Gewicht verfügte, auch wenn er kein Amt innehatte510.

Blockley 1983, 393 n. 134 und etwa Krautschick 1994, 277 n. 39 mit der älteren Literatur. PLRE 2, 739 spricht sich gegen die Gleichsetzung aus. Zu Maiorianus als Kandidat vgl. auch Sidon. carm. 5, 312–314. 507 Henning 1999, 37; Stickler 2002, 78. 508 Zu Olybrius’ Aufenthalt am Hof in Konstantinopel vgl. F. M. Clover, The Family and Early Career of Anicius Olybrius, Historia 27, 1978, 169–196 passim. Das eigentliche Motiv Eudoxias, Maiorianus zu unterstützen, ist nicht erkennbar. Geht man davon aus, daß Olybrius Placidia erst 456/457 in Karthago heiratete (vgl. Henning 1999, 48), wäre es durchaus vorstellbar, daß Eudoxia an eine erneute Verbindung Placidias mit Maiorianus dachte, auch wenn die antiken Quellen keinen Hinweis darauf geben. Dies muß nicht verwundern, denn durch den baldigen Einfall der Vandalen, Petronius Maximus’ Sturz und die Entführung Eudoxias und ihrer Tochter nach Africa veränderte sich die Situation grundlegend. 509 Zu Optila vgl. PLRE 2, 810 s. v. Optila und zu Thraustila vgl. PLRE 2, 1117/1118 s. v. Thraustila 1. 510 Man könnte in Erwägung ziehen, daß er damals princeps senatus war, auch wenn es dafür keinen Beleg gibt. Zur Stellung des princeps senatus im 4. und 5. Jhd. vgl. Chastagnol 1960, 69–72.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Petronius Maximus hatte auch gute Verbindungen zur gallischen Aristokratie, wie Avitus’ Ernennung zum MVM zeigt, der schon unter Aetius gedient hatte. Ebenso muß man vermuten, daß führende Mitglieder des comitatus und der römischen Aristokratie auf seiner Seite standen. Deren Teilnahme an den Beratungen ist als gesichert zu betrachten. Petronius Maximus selbst liefert den entscheidenden Beleg dafür, daß ehemalige zivile Würdenträger anwesend waren, denn er hatte damals kein Amt inne und lebte als Mitglied der römischen Aristokratie in Rom. Weitere ehemalige Würdenträger lassen sich nicht benennen. Von den damaligen Amtsinhabern ist nur Maiorianus faßbar. Er steht für die Teilnahme von Mitgliedern des comitatus an den Beratungen. Daß Petronius Maximus sich selbst durch Intrigen und die Ermordung Valentinians III. auf den Thron brachte, wie Priscus glauben machen will, ist eine Deutung, die auf die Feindschaft Eudoxias und auf Maximus’ Konkurrenten in der römischen Aristokratie zurückgehen dürfte. Auch Priscus’ Behauptung, daß Petronius Maximus die Krone durch Bestechung der Soldaten erhielt, ist ein Topos aus der Historiographie, dessen fast klassische Ausformung sich in der Schilderung findet, die Herodian von der Erhebung des Kaisers Didius Iulianus 193 gibt511. Das Kaisertum wird versteigert. Die Bestechung der Soldaten in ihrer Gesamtheit ist in der Spätantike des einheitlich ausgerichteten Antrittsdonativs wegen, das immer 5 solidi und ein Pfund Silber für gewöhnliche Soldaten umfaßte512, unwahrscheinlich. Hinweise auf Bestechung der Truppen sind selten belegt. Sie hätte auch einer Erhebung viel von ihrer legitimierenden Kraft genommen. Man wird vor allem an Zuwendungen an einzelne, besonders an Offiziere, zu denken haben. Priscus’ Schilderung zeigt deutlich, daß es sich um vertrauliche Beratungen innerhalb einer Gruppe und nicht im Senat handelte. Hierfür spricht auch der Einbezug der Augusta. Die Stellungnahme der Augusta für Maiorian wird andererseits auch nicht als Intrige im Hintergrund geschildert. Die Augusta war in welcher Form auch immer an den Diskussionen beteiligt. Ebenso blieb Maiorian unter Petronius Maximus im Amt513. Er trug also den Beschluß mit. Auch dies spricht für vertrauliche Beratungen und nicht für ein öffentliches Zerwürfnis. Petronius Maximus’ Wahl war keine eigentliche Entscheidung gegen die theodosianische Dynastie, wie sie sonst mehrfach im Westen so etwa bei Eugenius’ und Iohannes’ Erhebung zu beobachten ist, sondern eine Entscheidung gegen Eudoxias bevorzugten Kandidaten. Petronius Maximus hatte sich nämlich immer durch enge 511 Hdn. 2, 6. Zur eigentlichen Versteigerung des Thrones vgl. 2, 6, 6–12. Auf diese Parallele hat schon Stevens 1933, 26 ohne Beleg aufmerksam gemacht, ohne aber daraus Schlüsse für die Glaubwürdigkeit zu ziehen. Die Wendung th/` tw`n crhmavtwn corhgiva/ bei Priscus ist in Herodians Darstellung der Erhebung Didius Iulians nicht belegt. Sie wird aber Hdn. 7, 3, 3 für Zahlungen an die Soldaten verwendet, weitere Belege scheint es nicht zu geben. Auch bei Iustinus’ Erhebung findet sich ein Hinweis auf die Bestechung der Truppen. Er dient deutlich dazu, den Bestechenden als Intriganten zu kennzeichnen und seine geplante Erhebung als usurpatorisch zu kennzeichnen (vgl. Zon. 14, 5, 2 u. 3.). Bestechung der Truppen ist auch Motiv der Panegyrik (vgl. z. B. Paneg. 12, 12, 1: empta legionum suffragia). 512 Vgl. n. 243. 513 Vgl. Henning 1999, 73.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Verbindungen zur regierenden Dynastie ausgezeichnet und war ihr gegenüber sehr loyal514. So hatte er viele Jahre als Erzieher Valentinians III. gewirkt und war nicht in die Dienste des Usurpators Iohannes getreten. Nach seiner Erhebung suchte er sofort die Verbindung zur theodosianischen Dynastie. So zwang er Eudoxia, die Witwe Valentinians III., zur Heirat, was seine Stellung aber nicht aufbesserte515, sondern ihn als roh erscheinen ließ. Sein Ansinnen war jedoch durchaus nicht ungewöhnlich, wenn man etwa an Pulcherias Heirat mit Marcian oder an die Ariadnes mit Anastasius denkt. Zugleich verheiratete er wahrscheinlich seinen Sohn Palladius, den er zum Caesar gemacht hatte, mit Eudocia, der älteren Tochter Valentinians III.516. Die Diskussion um die Nachfolge Valentinians III. offenbart zwei charakteristische Elemente. Deutlich greifbar wird hier erstmals bei einer Nachfolgeregelung, die den ganzen westlichen Reichsteil betraf, der Einfluß der Augusta, die sich mit ihren Anhängern und ihrem Kandidaten allerdings damals noch nicht durchsetzen konnte. Erst nach Maximus’ und Avitus’ Tod wird Maiorian Ende Dezember 457 auf den Thron gelangen. Weiterhin wird deutlich, daß ein Kandidat mit einer militärischen Laufbahn keine besseren Aussichten hatte, Kaiser zu werden als einer mit einer zivilen. So wie die Beratungen über Valentinians III. Nachfolger hat man sich die über Iohannes Ende 423 vorzustellen, auch wenn sie offensichtlich in einer ruhigeren Atmosphäre abliefen. Es wird ausdrücklich gesagt, daß die Mitglieder des comita­ tus ihn erhoben. Es war nicht der Senat als Körperschaft517. Man wird aber mit der Teilnahme ehemaliger Amtsträger, also mit der von Senatoren, zu rechnen haben, die Gegner Galla Placidias waren. Anzunehmen ist die Rolle der führenden Gruppe auch für Eugenius, der von den Arbogast zugeneigten Mitgliedern des comitatus in Gallien erhoben wurde518. Für die anderen Erhebungen, die eine Vakanz im westlichen Reichsteil betrafen, aber den Anspruch des Kaisers im Osten auf die Erhebung eines Kollegen unberücksichtigt ließen, spielte die führende Gruppe in jedem Fall dann eine wichtige

514 Panciera 1996. 515 Vgl. n. 1040. 516 PLRE 2, 407. 517 Vgl. Proc. BV 1, 3, 5: oiJ de; th`~ ejn ÔRwvmh/ basilevw~ aujlh`~ tw`n tina ejkeivnh/ stratiwtw`n, ∆Iwavnnhn o[noma, basileva aiJrou`ntai. Mit oiJ de; th`~ ejn ÔRwvmh/ basilevw~ aujlh`~ werden Mitglieder des comitatus bezeichnet. Zu Belegen vgl. etwa Paschoud 1989, 205, 208. Die Stelle wurde von Seeck 6, 90 und anderen mißverstanden, der darin Mitglieder des Senates sah. Daß auch ehemalige Amtsinhaber an den Beratungen teilnahmen, kann man als selbstverständlich annehmen, weil die Beratungen in Rom stattfanden und einflußreiche Senatoren Iohannes’ Regierung offensichtlich als hinreichend legitimiert betrachteten (vgl. n. 1268). Ioh. Mal. 13, 50 S. 350, der von sugklhtikoiv, spricht, ist kein Gegenbeweis, weil er den Begriff aus der Sicht seiner Zeit verwendet und ihn damit auch für Mitglieder des comitatus verwenden kann. Vgl. den Exkurs „hJ suvgklhto~“, S. 379–387. 518 Dabei wird davon ausgegangen, daß Arbogast Valentinian II. nicht beseitigen ließ, um die Herrschaft übernehmen zu können. Vgl. S. 221, 269. Zu den Verhältnissen am comitatus Valentinians II. vgl. n. 1071.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Rolle, wenn sie sich konstituieren konnte. Dies gilt sicher für die Erhebung Maiorians und wohl auch für die seines Nachfolgers Libius Severus. Dadurch, daß die Kaiser, die im Westen erhoben wurden, ohne von Konstantinopel vorgeschlagen zu sein, alle als Usurpatoren angesehen wurden, die politischen Umstände ihrer Erhebung sehr verschieden waren und sich keine eigentliche Residenzstadt im Westen herausbildete, waren neben der führenden Gruppe auch noch andere Personen und Institutionen für den Vorschlag des jeweiligen Kandidaten von Bedeutung. Dabei war die legitimierende Wirkung der Vorschlagenden neben der führenden Gruppe von Wichtigkeit519, so etwa der Beschluß des Senates als Körperschaft zu Gunsten Maiorians. III.C.3.d Die Führungsgruppe Die Entstehung der führenden Gruppe und die Amtsträger in ihr Nach 337 zeigt sich bei der Erhebung von Kaisern eine Gruppe, die vorher in dieser Form nicht existierte. Sie war für das Kaisertum von großer Bedeutung, auch für die Ausübung und Sicherung der übertragenen Herrschaft. Sie besteht aus den Inhabern der höchsten zivilen und militärischen Ämter beim comitatus, der gerade den Kandidaten bestimmte, wie dem mag. off., QSP, CSL, CRP, dem PSC und den zwei comites domesticorum, den Heermeistern, die sich gerade beim comitatus befanden, und den höchsten regionalen Amtsträgern wie dem PPO oder dem PVC oder PVR, soweit sie jeweils anwesend sein konnten. Dazu kommen ehemalige Amtsträger und später die Augusta. Die Zusammensetzung bei den Beratungen im 4. Jhd., als der Kaiser dauernd herumzog, ist stärkeren Schwankungen unterworfen als im 5. Jhd. Ungewiß muß die regelmäßige Teilnahme weiterer Würdenträger, die sich beim comitatus befanden, bleiben wie etwa der Kommandanten der Scholen, des primi­ cerius notariorum oder des tribunus stabuli. Ob man aus der Tatsache, daß auch sie als Kandidaten für den Kaiserthron in Frage kamen, auf ihre persönliche Teilnahme schließen kann, ist nicht zu sichern. Eine solche Gruppe konnte sich nach der Herausbildung der zentralen Verwaltung und Militärführung und deren sozialer Aufwertung gegenüber der bisherigen Aristokratie, die ihren sozialen Vorsprung verlor, bilden. Sie ist eine Folge der Zentralisierung der Verwaltungs- und Kommandofunktionen seit den Reformen Kon­ stantins. Erst durch sie sind in der Regel die führenden Persönlichkeiten aus Verwaltung und Militär zusammen mit dem Hof an einem Ort versammelt oder nicht weit voneinander entfernt. Nur einzelne hohe Kommandanten, die mit einem Kommando fern von der Regierungszentrale betraut sind, können abwesend sein. Ihre militärische Macht ist aber wegen der Konzentrierung der Truppen beim comitatus mindestens im Augenblick einer Erhebung nicht entscheidend. Die Zusammensetzung der Gruppe läßt sich im einzelnen Fall nicht genau bestimmen. Zu ihr können alle hohen Amtsträger und die militärischen Führer gehö519 Vgl. IV.C.3 Wer schlägt den Usurpator vor? Die Bestimmung des Kandidaten, S. 251–257.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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ren, soweit diese sich gerade in der unmittelbaren Umgebung des Kaisers aufhalten. Die Entscheidungen der Gruppe können daher auch erfolgreich durchgesetzt werden. Neben den militärischen Führern und der Spitze der zivilen Verwaltung nehmen auch der PSC und wahrscheinlich einzelne andere einflußreiche Hofeunuchen wie etwa der spatharius Chrysaphius in dieser Gruppe eine wichtige Position ein520. Im Osten war dazu seit der Mitte des 5. Jhd. regelmäßig der Patriarch anwesend, und die Augusta wurde an den Beratungen beteiligt521. Ebenfalls anwesend sind die PPO, sofern sie sich beim comitatus befinden oder dieser in der Nähe ihres Amtssitzes tagt. Das gleiche gilt für den PVR oder den PVC. Letzterer konnte etwa bei den Beratungen der Gruppe in Konstantinopel immer anwesend sein. Seine Präsenz ist aber niemals ausdrücklich bezeugt. Ebenso ist die Teilnahme des PVR zu vermuten, wenn die Beratungen in Rom stattfanden wie 455, als über Valentinians III. Nachfolge diskutiert wurde. Andere hohe regionale Amtsträger wie die vicarii sind niemals faßbar. Die Teilnahme der Kommandanten der einzelnen Einheiten bei Iovians Erhebung 363 ist außergewöhnlich. Die Gruppe war Teil der politischen Elite des Reiches. Sie konnte je nach der historischen Situation, in der ein Kandidat zu bestimmen war, jene in ihrer Gesamtheit repräsentieren wie bei der Erhebung Valentinians I. oder nur die des Teiles des Reiches, dessen comitatus gerade ihren Bezugspunkt bildete wie bei der Wahl Leos I. Bei dieser bestimmten die führenden Mitglieder des Teiles der politischen Elite, der auf Konstantinopel ausgerichtet war, den Kaiser, der auch der für das gesamte Reich war, weil es im Westen keinen gab. Die ehemaligen Amtsträger Neben Personen, die gerade ein Amt innehatten, nahmen auch ehemalige Würdenträger an den Beratungen über einen Kandidaten teil oder beeinflußten sie direkt. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß auch Würdenträger, die gerade keine Funktion ausübten, zu Sitzungen des consistorium beigezogen werden konnten522. Zwischen 337 und dem Beginn des 5. Jhd. befand sich der comitatus bei den Beratungen über die Anerkennung Iulians als Augustus und über die Erhebung Io520 Die Teilnahme einzelner anderer Hofeunuchen neben dem PSC ist für keine Erhebung ausdrücklich belegt, aber wahrscheinlich, wenn sie hinreichend einflußreich waren. In der täglichen Politik spielen sie nämlich neben dem PSC eine wichtige Rolle. Vgl. etwa Amm. 20, 2, 4 (die Eunuchen verleumden den Heermeister Ursicinus) sowie die Bedeutung des primiceri­ us sacri cubiculi Heraclius (PLRE 2, 541 s. v. Heraclius 3) bei der Beseitigung des Heermeisters Aetius 454 und für die weitere Politik. Zur Bedeutung der Untergebenen des PSC vgl. generell Scholten 1995, 53–74 u. passim. 521 Es muß ungewiß bleiben, ob sie an den Beratungen direkt teilnahm. Die ausführliche Beschreibung, die Constantinus Porphyrogenitus von Anastasius’ Erhebung bietet, legt nahe, daß sie nicht direkt daran teilnahm, aber daran beteiligt wurde (vgl. III.C.3.b Die Kaisererhebungen im Osten im 5. u. 6. Jhd. – Anastasius’ Erhebung, S. 118/119). Alle anderen Berichte sind zu pauschal, um ein Urteil zuzulassen. 522 Vgl. z. B. Ursicinus’ Beizug zu den Beratungen in Mailand im August 355 über Silvanus’ Usurpation (Amm. 15, 5, 18). Vgl. generell Delmaire 1995, 31.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

vians und Valentinians I. außerhalb der großen Zentren, wo sich viele der ehemaligen Amtsträger in der Regel aufhielten. Dabei handelte es sich offensichtlich nicht nur um einen Zufall, sondern man strebte einen Ort, der einem größeren Kreis als den Amtsinhabern eine direkte Einflußnahme auf die Beratungen ermöglicht hätte, offensichtlich nicht an, weil die Zeit drängte. Es war daher für die ehemaligen Amtsträger schwierig, persönlich anwesend zu sein oder ihre Auffassung zur Geltung zu bringen. So nahmen an den Diskussionen, ob Iulian auch als Herrscher im Osten anerkannt werden sollte und über die Nachfolge Iulians und Iovians nach unserer Überlieferung nur Personen teil, die gerade ein Amt innehatten und sich beim comitatus befanden. Eindeutig belegt ist nur die Einflußnahme des patricius Datianus, der kein Amt bekleidete und sich nicht beim comitatus befand, auf die Erhebung Valentinians I. durch ein Schreiben. In welchem Maß und auf welche Weise sonstige ehemalige Amtsträger in diesen Situationen dennoch angemessen berücksichtigt wurden, ist quellenmäßig kaum faßbar. Es ist anzunehmen, daß einzelne Personen, die jeweils als Inhaber hoher Ämter anwesend waren, die Interessen ihrer Gruppe wahrnahmen so wie etwa Olybrius als PPO Illyrici die der einflußreichen Senatoren in Rom bei der Erhebung Theodosius’ I. Im Osten wurde im 5. Jhd. die Anwesenheit ehemaliger Würdenträger ganz selbstverständlich, wie die bei Constantinus Porphyrogenitus überlieferten Beratungen zeigen. Es war auch einfacher, weil diese sich alle in Konstantinopel abspielten. So nahm bei den Diskussionen um Marcians Nachfolge 457 der ehemalige mag. off. Martialis teil und konnte seinen Einfluß geltend machen. Er war am Ende der Regierungszeit Theodosius’ II. magister officiorum gewesen und hatte seitdem offensichtlich kein Amt mehr bekleidet. Ehemalige Amtsträger waren sogar in recht großer Zahl bei den Beratungen anwesend523. Im Westen ist im 5. Jhd. die Teilnahme oder direkte Einflußnahme aus dem Amt geschiedener Würdenträger schwerer zu belegen. Mit Ausnahme des Kaisers Avitus wurden alle Herrscher in oder bei Rom bzw. in oder bei Ravenna erhoben. Petronius Maximus nahm mit Sicherheit 455 in Rom an den Beratungen über Valentinians III. Nachfolge teil, bei denen er sich durchsetzte. Er hatte zu dieser Zeit kein Amt inne. Das bedeutet, daß auch im Westen mit der Teilnahme ehemaliger hoher Amtsträger zu rechnen ist oder daß sie wie Datianus durch ein Schreiben auf die Beratungen Einfluß zu nehmen suchten. Für einzelne ehemalige hohe Würdenträger, die in Rom residierten, gab es im 5. Jhd. bei Erhebungen in Ravenna sicher Schwierigkeiten, an der Entscheidung teilzunehmen. Bei Maiorians Erhebung zeigt sich, wie sich diese Frage lösen ließ. Man ließ den Senat als Körperschaft einen Beschluß zu dessen Gunsten fassen. Ehemalige Würdenträger konnten also weiterhin eine wichtige Rolle spielen, auch wenn sie schon längere Zeit aus dem Amt geschieden waren oder unter einem anderen Kaiser als dem, dessen Nachfolger zu bestimmen war, gedient hatten. Beides trifft für den mag. off. Martialis zu. Selbst eine vorübergehende Distanz zum

523 Vgl. S. 134/135.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Kaiserhof wie sie sich etwa bei Datianus beobachten läßt524, bedeutet nicht automatisch den dauernden Verlust des Einflusses. Die Manipulierung des Teilnehmerkreises An den Beratungen der Gruppe über einen Kandidaten für das Kaisertum nahmen alle Personen teil, deren Rang, politische Bedeutung und politischer Einfluß groß genug waren. Es bestand aber offenbar die Tendenz, die Zusammensetzung des Teilnehmerkreises zu manipulieren, d. h. einzelne von den Beratungen fern zu halten, sei es daß sie mögliche Kandidaten waren, sei es daß man von ihnen die Unterstützung mißliebiger Kandidaten erwartete. Der Ausschluß einzelner kann sehr selten eindeutig mit praktischen Schwierigkeiten erklärt werden, weil immer auch die schriftliche Einholung der Meinung möglich war, wenn die Zeit reichte, wie Datianus’ schriftliche Stellungnahme für Valentinians Wahl zeigt. Es geschah häufig in bestimmter Absicht, jemand nicht beizuziehen. So wartete man nicht auf Procopius, damit er an den Beratungen nach Iovians Tod teilnehmen konnte, und als Valentinian I. gestorben war, wurde der comes rei militaris Sebastianus mit Absicht von denen, die zu Valentinians II. Erhebung führten, ferngehalten. Bei den angeführten Beispielen erwies sich mit Sicherheit Procopius’ Ausschluß als Fehler, weil er später durch eine Usurpation zur Herrschaft gelangte. Weil unsere Überlieferung zu schmal ist, können wir nicht beurteilen, in welchem Ausmaß einzelne Mitglieder der Führungsgruppe gezielt von solchen Beratungen ferngehalten wurden. Die Gruppe der Wähler, consistorium, Senat und comitatus Die Gruppe, die sich zur Bestimmung des Kandidaten für den Thron versammelte, entsprach nicht dem consistorium im engeren oder weiteren Sinn oder dessen besonderen Formen525. Sie schloß nämlich Personen ein, die normalerweise auch nicht in besonderen Situationen zur Teilnahme an einer Sitzung des consistorium eingeladen wurden. Hier sei an die ad hoc zur Bestimmung der Nachfolge Iulians beigezogenen Kommandanten der Einheiten erinnert oder an die im 5. Jhd. in Kon­ stantinopel regelmäßig befragte Augusta oder den seit der Mitte des 5. Jhd. immer eingeladenen Patriarchen. Im Unterschied zum consistorium umfaßte die Gruppe auch die Mächte hinter dem Thron. Sie darf auch nicht mit dem Senat als Körperschaft gleichgesetzt werden. Im 4. Jhd. ist sie ohne Schwierigkeiten vom Senat zu unterscheiden. Bei den Erhebungen Iovians, Valentinians I., Valentinians II. und des Usurpators Eugenius ist sie schon durch den Ort der Erhebung klar vom Senat zu unterscheiden, weil dieser für eine Beteiligung am Beschluß über den Kandidaten zu weit entfernt war. Umge524 Vgl. n. 389. 525 Z. B. Lenski 2000, 494 u. passim gebraucht den Begriff consistorium für das Wahlgremium Iovians. Sie entspricht auch nicht dem silentium cum conventu (Delmaire 1995, 34) ihres etwas anderen Teilnehmerkreises wegen.

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kehrt war kein Mitglied des comitatus bei der Erhebung des Usurpators Nepotianus 350 bei Rom anwesend. Im Westen sind die Gruppe, die den Kaiser oder einen Usurpator vorschlägt, und der Senat auch im 5. Jhd. meistens deutlich zu unterscheiden. Einen Hinweis auf eine gemeinsame Beratung gibt es nicht. Beide befanden sich zudem bei einigen Erhebungen an verschiedenen Orten, nämlich der Senat in Rom und der comi­ tatus mit den Würdenträgern in Ravenna. Dies gilt sicher für die Wahl der Usurpatoren Attalus, Maiorianus und Libius Severus. Lediglich bei Attalus’ Erhebung bestimmte der Senat als Körperschaft diesen als Kandidaten, wenn auch auf Betreiben Alarichs. Für diese Rolle des Senates waren aber besondere Umstände verantwortlich526. Der Senat als Körperschaft schlägt im Westen wie im Osten nie einen als legitim anerkannten Kaiser vor. Der Senat spielte dagegen im Westen bei Verhandlungen mit dem Kaiser im Osten, die einer Vakanz des Thrones folgten, eine wichtige Rolle. In dieser Situation war er für die Gesandtschaften zuständig, die der Einsetzung eines neuen Herrschers vorausgingen. Dafür sprechen die Gesandtschaften an Leo I., nachdem Libius Severus gestorben war, und an Zenon nach Romulus’ Sturz 476. Die Rolle des comitatus ist während dieser Vakanzen nicht faßbar, was nicht verwundern muß. Er ist nicht als Körperschaft konstituiert. Für ihn können immer nur einzelne tätig werden. So veranlaßte z. B. Arbogast nach Valentinians II. Tod eine Gesandtschaft an Theodosius I.527, um seine Unschuld daran zu beteuern. Wenn der comitatus nicht funktionsfähig ist, kann sich die Gruppe nicht versammeln und ihren Einfluß nicht wahrnehmen. Das zeigt sich deutlich nach Petronius Maximus’ Sturz und dem Einfall der Vandalen in Rom 455, als der comitatus durch den Überfall der Vandalen auf Rom zerstreut war und sich nicht versammeln konnte, und zwar für rund zwei Monate528. Während dieser Zeit nahm die gallische Aristokratie das Heft in die Hand und erhob Avitus. Dadurch war aber auch schon der Keim zu dessen Sturz gelegt. Sein Rückhalt in Italien war zu schwach. Vom Ende des 4. Jhd. an wird Konstantinopel im Osten zur ständigen Residenz des Kaisers und seines comitatus, und die aus dem Amt geschiedenen Würdenträger residieren mehrheitlich in der Stadt529. Im Osten nehmen daher seit der Mitte des 5. Jhd.530 regelmäßig wichtige Senatsmitglieder, d. h. vorwiegend illustres531, an den Beratungen für den Vorschlag eines Kandidaten teil, aber nicht der Senat als Körperschaft. Damit ist der Einfluß der ehemaligen Würdenträger auf die Besetzung des Kaiserthrones gesichert. Bedeutsam für diese Entwicklung war auch, daß 526 Vgl. auch Kapitel IV.C.3 Wer schlägt den Usurpator vor? Die Bestimmung des Kandidaten, S. 251–257. 527 Zur Gesandtschaft an Leo I. vgl. n. 1507; zu der an Zenon n. 1525. Zu Arbogasts Gesandtschaft vgl. n. 857. 528 Vgl. n. 187. 529 Vgl. Dagron 1974, 85/86. 530 Seit Marcians Erhebung 450 kann man das als gesichert annehmen. Ausdrücklich belegt ist es zuerst bei Leos I. Erhebung 457. 531 Vgl. den Exkurs „illustris“, S. 395/396. Zu der Aussage, daß nicht der Senat als Körperschaft zusammentritt, vgl. den Exkurs „hJ suvgklhto~“, S. 379–387.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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alle Beratungen über einen Kandidaten in Konstantinopel stattfanden. Hier waren die Mitglieder von comitatus und Senat versammelt. Wer von den Mitgliedern die Leitung der Beratungen der Gruppe hatte, wird nicht ausdrücklich mitgeteilt. Sie tritt ja ohne den Kaiser in dieser Funktion sonst nie zusammen, denn dies müßte als Verschwörung betrachtet werden. Bei den Erhebungen Iovians und Valentinians I. können wir vermuten, daß der PPO Secundus Salutius den Vorsitz führte, bei der Iustinus’ I. 518 der mag. off. Celer, also die jeweils einflußreichste Persönlichkeit532. Die Zusammensetzung der Gruppe im Osten und Westen . und ihre unterschiedliche Bedeutung in beiden Reichsteilen Die Gruppe unterscheidet sich von der zweiten Hälfte des 4. Jhd. an im Osten und im Westen zunehmend durch die soziale Herkunft ihrer Mitglieder. Diese unterschiedliche Entwicklung wird dann im 5. Jhd. immer deutlicher. Im Westen werden ein sehr großer Teil der höchsten zivilen Posten in der zentralen Verwaltung und die Praefekturen Italiens und Roms, aber auch höchste militärische Kommandostellen von Mitgliedern der italischen Aristokratie, besonders der römischen, eingenommen, einer Aristokratie, die zu einem guten Teil ihre soziale Stellung ihrem Herkommen und nicht nur ihrem Dienst beim Kaiser verdankt533. Durch die starke Vertretung der italischen Aristokratie in der zentralen Verwaltung und wegen ihrer gesellschaftlichen Bedeutung ist deren Einfluß größer als der aus anderen Gebieten. Sehr gute Beispiele dafür bieten im 4. Jhd. Nicomachus Flavianus der Ältere534 und im 5. Jhd. Petronius Maximus mit Karrieren, die Hofämter und Präfekturen umfaßten. Die hohe gallische Aristokratie besetzt zeitweise ebenfalls eine Reihe dieser Ämter, so lange die politischen Bindungen zu Italien aufrechterhalten bleiben. Es waren um 450 etwa 20% der Ämter. Sie begann aber erst im 5. Jhd. in größerem Ausmaß in Rom hohe Ämter zu besetzen, und ihre Vertreter verschwanden dann wieder, als die Bindungen nach Italien schwächer wurden. Hier sei besonders an Apollinaris Sidonius und Rutilius Claudius Namatianus erinnert535. Als am Anfang des 5. Jhd. sich Constantinus III. 407 und Iovinus 411 erhoben, war die gallische Aristokratie in der Gruppe nicht so vertreten, daß sie auf der Seite

532 Vgl. n. 554. 533 Zu dieser gut belegten opinio communis vgl. schon Stein 1959, 375/376 (dt. 555) für das 5. Jhd.; zusammenfassend zur Bedeutung der Aristokratie in Italien für die Besetzung der hohen Posten im comitatus Chastagnol 1982, 189. Ein vergleichender Gesamtüberblick über Karrieren wie bei Kuhoff 1983 ist für das 5. Jhd. nicht vorhanden. Zu Heermeistern senatorischer Herkunft vgl. Demandt 1980, 611. Vgl. Szidat 1991 zu einem weiteren. 534 PLRE 1, 347–349 s. v. Nicomachus Flavianus 15. 535 Man muß sich aber im klaren sein, daß die Zahl unserer Belege für viele Ämter sehr klein ist. So kennen wir etwa nur wenige mag. off. im 5. Jhd. (vgl. Clauss 1981, 140/141), und vergleichende Laufbahnstudien wie für das 4. Jhd. fehlen (vgl. Kuhoff 1983 zum 4. Jhd.).

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der Zentrale gehalten werden konnte. Wichtige Vertreter schlossen sich Constantinus III. und Iovinus an536. Die zentrale Verwaltung und der Hof im Westen und damit die Führungsgruppe erfuhren im Verlauf des 5. Jhd. einen empfindlichen Rückgang ihrer Bedeutung durch die allgemeine politische und militärische Schwäche der westlichen Reichshälfte und die Dominanz von Konstantinopel. Sie machte sich auch bei den Thronvakanzen deutlich bemerkbar. Lediglich nach Libius Severus’ Tod 465 kam es bei einer Thronvakanz zu einer Lösung, die nicht von schweren politischen oder sogar militärischen Auseinandersetzungen begleitet war. Leo I. schickte Anthemius, womit der Westen einverstanden war. Die Bedeutung der führenden Gruppe nimmt dann in den letzten zwanzig Jahren des weströmischen Reiches erneut in dramatischer Weise weiter ab, und es kam nach Anthemius’ Sturz im Juli 472 zu keiner Erhebung mehr, an der die führenden Kräfte maßgeblichen Anteil hatten. Es drohte die Gefahr, daß sie neben ihrem Einfluß auf die Kaiserwahl auch den eigenen comitatus verloren, der für den Erhalt der sozialen Stellung ihrer Mitglieder wesentlich war. Schon nach Honorius’ Tod 423 spielte diese Überlegung offensichtlich eine Rolle. Bei einer längeren Alleinherrschaft Theodosius’ II. schien die zentrale Verwaltung im Westen, aus deren Mitgliedern sich die Gruppe weitgehend bildete, in ihrer Existenz bedroht. Man suchte sich durch Iohannes’ Erhebung 423 zu retten. Eine erneute Bedrohung für den Fortbestand eines eigenen comitatus kam mit Petronius Maximus’ Sturz 455 und der in Italien herrschenden Unordnung. Der comitatus war zerstreut und nicht in der Lage, einen eigenen Kandidaten zu erheben537. Die zurückgehende Bedeutung der Führungsgruppe hängt selbstverständlich auch mit dem wachsenden Einfluß des magister peditum und patricius Rikimer in ihr zusammen und mit seiner Sonderstellung538. Sie beruhte zu einem guten Teil aber zusätzlich auf Rikimers persönlicher Legitimierung durch den Kaiser im Os536 Vgl. Drinkwater 1998, 292, 294/295 u. passim. Sie traten von dem einen in den Dienst des anderen über. Das beste Beispiel bietet Decimius Rusticus (Stroheker 1948, 211; PLRE 2, 965 s. v. Decimius Rusticus 9; Bleckmann 1997, 583). Er war unter Constantinus III. mag. off. und dann PPO in Gallien, ein Amt, das er unter Iovinus weiter bekleidete. 537 Vgl. Stein 1959, 282/283 (dt. 427) zur Absicht, nach Honorius’ Tod den Thron im Westen nicht mehr zu besetzen. Den Gedanken von Stein hat Nagy 1990/1991, besonders 86–89, zu der generellen These erweitert, daß der oströmische Kaiser mehrfach die alleinige Herrschaft suchte und deshalb mit der Ernennung eines Kaisers im Westen immer abwartete. Zur möglichen Bedeutung, die die Angst um die eigene Karriere und um den Fortbestand des westlichen comitatus nach Honorius’ Tod für Iohannes’ Erhebung hatte, vgl. auch Oost 1968, 178 sqq.; Lippold 1973a, 972 sqq.; von Haehling 1988, 96; Stickler 2002, 34. Zur Situation nach Petronius Maximus’ Tod vgl. Stein 1959, 367 (dt. 543). 538 Vgl. Sidon. epist. 1, 9, 2 (468): seposita praerogativa partis armatae. H. Koehler (C. Sollius Apollinaris Sidonius Briefe Buch I: Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar von Helga Köhler, Heidelberg 1995, 269/270) spricht sich anders als Demandt 2007, 292 gegen eine allgemeine, auch institutionelle Vorrangstellung des Militärs aus. Nach Koehler kann bei Sidonius nur Rikimer persönlich gemeint sein. Zu einer neuen Interpretation, die über Koehler hinausführt, vgl. Henning 1999, 253/254. Er bezieht die Aussage auch auf konkrete militärische Macht, verbindet sie aber nicht nur mit Rikimer, sondern mit der Anwesenheit einer großen Armee in Italien Ende 467 und dem gleichzeitigen Aufenthalt von Fl. Basiliscus, dem

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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ten, der ihn am 28.2.457 während des Interregnums nach Avitus’ Tod zum patricius und damit zum ersten Heermeister gemacht hatte539. Er konnte wie ein Vertreter des Kaisers in Konstantinopel handeln, wenn er auch noch nicht wie Odoaker und später Theoderich der Vertreter des Kaisers war. Noch war ein Kaiser auch im Westen zu erheben. Mit Odoaker fällt dann diese Aufgabe dahin und damit auch eine wichtige Aufgabe der führenden Gruppe. Als nämlich das Kaisertum im Westen nicht mehr besetzt wird und Generäle wie Odoaker und Theoderich als Vertreter des ost­ römischen Kaisers regieren, bleiben zwar der comitatus und die Ämter bestehen, die Amtsträger aber haben nicht mehr die Möglichkeit, einen Kaiser oder Usurpator zu erheben und politische Kontrolle auszuüben. Sie schlagen niemand mehr zur Erhebung vor und können nicht mehr um die Entsendung eines Herrschers wie im Fall von Anthemius bitten. Den Stellvertreter des Kaisers ernennt der Kaiser. Der regierende General steht deutlich über den zivilen Amtsträgern. Er ist nicht mehr in ihre Gruppe eingebunden. Im Westen gab es zudem unter den Mitgliedern der führenden Gruppe größere Wechsel durch die verschiedene Herkunft der Herrscher. So bevorzugte Avitus Würdenträger gallischer Herkunft, und Anthemius brachte eine Reihe von ihnen aus dem Osten mit. Der Einfluß der verschiedenen Personengruppen Selbstverständlich war der Einfluß der einzelnen Mitglieder innerhalb der führenden Gruppe nicht gleich groß. Es gab aber mehrere Personengruppen, die kraft ihrer Stellung besondere Bedeutung hatten und die in unserer Überlieferung auch besonders genannt werden. Der Einfluß dieser Gruppen und einzelner Persönlichkeiten ist in verschiedenen Epochen unterschiedlich540.

Bruder der Kaiserin Verina und Heermeister, sowie von Marcellinus, der als Heermeister Anthemius begleitet hatte, und von Rikimer in Rom. 539 Vgl. n. 1500. 540 Die Tendenz, Entscheidungen an Personen zu binden, führt nicht nur in der Historiographie zur unterschiedlichen Bewertung der Macht einzelner Amtsträger in verschiedenen Situationen. Deshalb sollte man sich vor dem Irrtum hüten, einzelnen Aussagen zuviel Gewicht beizulegen und besonders die Macht der militärischen Kommandanten zu überschätzen. Vgl. z. B. ACO 2, 3, 2 S. 35[294], 20–23 (vgl. griech. ACO 2, 1, 2 S. 20[216], 37/38), wo es im Libellus Athanasii heißt, der auf der Sitzung vom 13.10.451 von Bedeutung war: tam ab ini­ quae memoriae Chrysaphio quam etiam et a magnificentissimo et gloriosissimo Nomo tunc res totius orbis habenti prae manibus, und den Brief Leos an Basilius, den Bischof von Antiochia, vom 1.9.457, in dem die Bedeutung Aspars unterstrichen wird, vgl. Leo M. epist. 90 (ACO 2, 4 S. 98, 18–20: certus enim sum quod clementissimus imperator – Leo I. – et vir magnificus patricius – Aspar – cum omni coetu illustrium potestatum nihil in perturbationem ecclesiae patientur haereticos optinere, si pastorales animos in nullo viderint fluctuare. Vgl. auch Leo M. epist. 107 (ACO 2, 4 S. 139, 2/3), wo aber nur der Kaiser und Aspar erwähnt werden.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Große Bedeutung hatten die Augustae541. Sie wurden von einem regierenden Herrscher erhoben und von diesem wie ein Augustus gekrönt542. Constantinus Porphyrogenitus nähert ihre Rolle der des Kaisers als auctor an und sieht in ihnen ein wesentliches Element der Stabilität. Er ist sich aber bewußt, daß sie bei einer Erhebung die Herrschaft nicht wie der auctor weitergeben können. Sie haben keinen Teil an der Herrschaft, auch wenn sie zuweilen wie ein Kaiser amten und verehrt werden543. Als Anastasius den Thron bestieg, weist Constantinus Porphyrogenitus der Augusta Ariadne eine zentrale Rolle zu. Ihr wird die Bestimmung des Kandidaten überlassen544. Die Bedeutung der Augusta für die Übertragung der Herrschaft wird in der Mitte des 5. Jhd. in den Quellen deutlich faßbar. Sie ist aber schon älter, wie Con­ stantinas Rolle bei Vetranios Erhebung 350 zeigt545. 455 unterstützte die Augusta Eudoxia, die Witwe Valentinians III., Maiorians Kandidatur, auch wenn es erfolglos war, und 450 brachte Pulcheria, Theodosius’ II. Schwester und Augusta seit 414, Marcian auf den Thron546. Diese Tradition, daß die Augusta durch ihren Einfluß die Herrschaft weitergibt, dauerte fort547. Der Einfluß der Augusta bei den Kaisererhebungen war auf zwei541 C. P. 1, 93 S. 426, 2: mhde; aujgouvsth~ ou[sh~ mhde; basilevw~ tou` ceirotonou`nto~. Zur Bedeutung der Augustae vgl. Holum 1982, besonders 30/31, 97, 213; Kent 1994, 52/53. Zu ihrer Erhebung im 4. u. 5. Jhd. vgl. Holum 1982, 30/31, 127/128. Nachdem Galerius seiner Frau Galeria Valeria und Konstantin seiner Mutter Helena und seiner Frau Fausta den Titel einer Augusta verliehen hatten (vgl. Barnes 1982, 9), kam diese Gewohnheit mit Ausnahme Con­ stantinas (anders Holum 1982, 31) bis zur Verleihung des Titels an Flaccilla, der ersten Frau Theodosius’ I., wieder außer Gebrauch (Holum 1982, 31). Erst von der zweiten Hälfte des 5. Jhd. an sind die Frauen der Kaiser im Osten auch regelmäßig Augustae. Dennoch müssen es nicht nur die Frauen der Herrscher sein, die als Augusta eine besondere Bedeutung haben. So spielte Theodosius’ Schwester Pulcheria als Augusta bei Marcians Erhebung eine entscheidende Rolle, während Theodosius’ Frau Aelia Eudocia zwar auch Augusta war, aber sich seit 443 in Jerusalem aufhielt. 542 Zu den Belegen vgl. Sickel 1898, 543 n. 66 sqq. Für das 4. u. 5. Jhd. ist eine detaillierte Beschreibung nicht überliefert. 543 Als z. B. nach Zenons Tod kein Kaiser im Amt war, ernannte die Augusta Ariadne auf Bitten des Volkes einen neuen PVC (C. P. 1, 92 S. 421, 1 sqq.). 400 wurde erstmals das Bild einer Kaiserin, und zwar Aelia Eudoxias, Arcadius’ Frau, in die Provinzen versandt. Honorius kritisierte diese Neuerung (Coll. Avell. 38, 1; zum Schreiben vgl. Seeck 5, 317 sq.). Wegen Mangel an Nachrichten läßt sich nicht entscheiden, ob bereits im 5. Jhd. dies zur Gewohnheit wurde. Erst für den Beginn des 7. Jhd. ist die Sitte gemeinsamer Publikation der Bilder des Kaiserpaares nachweisbar (vgl. Kruse 1934, 31/32). Weitere Belege für die Augustae aus der theodosianischen Familie finden sich bei Holum 1982 passim. 544 C. P. 1, 92 S. 421, 21–422, 5. 545 Vgl. S. 246. 546 Vgl. III.C.3.b Die Kaisererhebungen im Osten im 5. u. 6. Jhd. – Marcians Erhebung, S. 113– 117. 547 Vgl. z. B. Sophia (565–601), die Frau Iustinus’ II. (565–578), die besonders den Weg für Tiberius (578–582), aber dann auch noch für Mauricius (582–602) ebnete. Sie ließ am 7.12. 574 Tiberius durch Iustinus zum Caesar erheben und ebnete ihm so den Weg zur Herrschaft. Zur Caesarerhebung vgl. Averil Cameron, An Emperor’s Abdication, Byzantinoslavica 37, 1976, 161–167. Zu diesem und zu weiteren Beispielen vgl. B. Hill, L. James, D. Smythe, Zoe: The Rhythm Method of Imperial Renewal, P. Magdalino (Hrsg.), New Constantines. The Rhythm

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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fache Weise möglich. Sie konnte ihre Meinung bei den Beratungen der führenden Gruppe geltend machen, und sie konnte den Kandidaten durch Heirat in die regierende Dynastie aufnehmen548. Erstmals wurde Marcians Weg auf den Thron 450 durch beides gesichert. Pulcheria, die ihren Einfluß zu seinen Gunsten geltend gemacht hatte, heiratete ihn nach seiner Erhebung. Die Aufwertung der Rolle der Augustae ist bedingt durch die Bedeutung der dynastischen Legitimation bei der Weitergabe der Herrschaft. Die Augusta konnte durch ihren Vorschlag und durch eine eventuelle Ehe einen abrupten Wechsel der regierenden Familie verhindern. Damit war eine Reihe von Risiken ausgeschaltet. Informell konnten die Frauen der Kaiser oder einflußreiche Frauen am Kaiserhof, ob sie nun den Titel Augusta trugen oder nicht, natürlich schon immer einen Kandidaten unterstützen. So spielte Eusebia, die Frau Constantius II., die niemals Augusta war, 355 eine wichtige Rolle bei Iulians Erhebung zum Caesar. Dieses Vorgehen unterscheidet sich aber nicht grundsätzlich von den Möglichkeiten im frühen Prinzipat. Auch Agrippina wirkte hinter den Kulissen für Neros Erhebung. Im Unterschied zum Vorschlag eines Kandidaten durch einen regierenden Kaiser wird der durch eine Augusta für einen vakanten Platz nicht als bindend betrachtet und kann durchaus in Frage gestellt werden, wie etwa Maiorians Erhebung zeigt oder der Widerstand gegen Marcians Erhebung. Im 4. Jhd. sind die Augustae in dieser institutionalisierten Rolle noch nicht erkennbar. Es ist offensichtlich die besondere Vertrautheit mit den Verhältnissen am Hof, die immer stärkere Angleichung an die amtierenden Herrscher, die zuerst im Osten erfolgt549, und besonders die Möglichkeit, durch Heirat des neuen Kaisers eine dynastische Verbindung herzustellen und die Herrschaft zusätzlich zu legitimieren, die den Augustae diese Rolle ermöglicht550. Ein zwingender Grund für die Institutionalisierung der Rolle der Augusta in der führenden Gruppe fehlt. Ihre wachsende Bedeutung und institutionelle Einbindung läßt sich aber auch sonst beobachten551. Eine bedeutende Rolle spielen im ganzen Zeitraum der PSC, aber auch einzelne andere Eunuchen wie z. B. der spatharius Chrysaphius. Der Einfluß des PSC ist zwar nach der Diskussion um die Bestätigung Iulians 361 im Osten des Reiches, bei der der PSC Eusebius eine zentrale Rolle spielte, bei den Erhebungen Valentinians I. und Valens nicht mehr belegt, er wird aber dann im 5. Jhd. im Osten, besonders in der Person von Urbicius, ganz deutlich faßbar. Dessen Eingreifen ist für Anastasius’ Erhebung überliefert. Er nahm offensichtlich auch an den Zeremonien of Imperial Renewal in Byzantium, 4th–13th Centuries, Aldershot 1994, 215–229, dort 216/217). 548 Vgl. S. 176. 549 Holum 1982, 127. 550 Vgl. S. 176. 551 Zur Bedeutung der Kaiserin in der Spätantike vgl. Holum 1982; Wieber-Scariot 1998, 103– 131; Wieber-Scariot 1999. Zu einem kurzen Überblick vgl. Jones 1973, 314–347. Die Augusta gewinnt in der Spätantike auch durch ihre institutionelle Einordnung an Gewicht. Sie verfügt über einen eigenen Hofstaat mit einem eigenen PSC (Cod. Iust. 12, 5, 5; vgl. auch Cod. Iust. 12, 5, 3 zu eigenen cubicularii) und lebt zum Teil in einem eigenen Palast. Vgl. Noethlichs 1998, 23; Noethlichs 1991, 1128; Wieber-Scariot 1999, 63.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

bei der Investitur Leos I. und der des Kaisers Anastasius teil552. Callinicius’ Einfluß im 6. Jhd. war ebenfalls groß, aber zeitlich begrenzter. Er spielte nur in den letzten Jahren Iustinians und beim Übergang der Herrschaft zu Iustinus II. eine wichtige Rolle553. Von den Würdenträgern der zentralen Verwaltung haben die mag. off. große Bedeutung bei den Beratungen über die Erhebung eines Kaisers, wie Celers Rolle bei Iustinus’ Erhebung 518 zeigt. Aus ihr läßt sich auf eine sehr ähnliche anderer mag. off. schließen. Sie organisierten die Beratungen und leiteten sie wohl auch, wenn auch nicht in jedem Fall554. Andere Amtsträger der zentralen Verwaltung wie etwa der QSP oder der CSL etc. sind zwar nicht namentlich als Teilnehmer an den Beratungen erwähnt, aber ihre Anwesenheit darf man als sicher annehmen, wenn nicht ausdrücklich etwas dagegen spricht. Regionale Beamte wie der PPO Secundus Salutius bei Valentinians I. oder Iovians Erhebung oder der PPO Probus bei der Valentinians II. spielten im 4. Jhd. ebenfalls eine wichtige Rolle. Ihre Präsenz hängt weitgehend davon ab, ob sie mit dem comitatus zogen oder dort residierten, wo man über die Erhebung eines Kaisers beriet. Im 5. Jhd. sind sie nicht mehr an führender Stelle bei den Beratungen nachzuweisen. Von den militärischen Kommandanten spielen zwar die Heermeister bei allen Erhebungen eine wichtige Rolle, so etwa Aspar bei Leos Erhebung 457. Sie ist aber oft weniger zentral und dominant, als generell angenommen wird555. Andere militärische Führer wie die comites rei militaris oder die tribuni sind weniger bedeutend, werden aber durchaus in einzelnen Situationen als wichtig bewertet. So wurde 552 C. P. 1, 91 S. 413, 414; 1, 92 S. 418. Vgl. Scholten 1995, 173. 553 Zu Urbicius vgl. n. 456 und zu Callinicius PLRE 3, 260/261 s. v. Callinicius 2. Zu denken ist auch an den PSC Amantius, der mit Iustinus’ I. Erhebung nicht einverstanden war (vgl. n. 490). Urbicius spielte bei mehreren Thronwechseln eine bedeutsame Rolle. Man vgl. Theodosius, De situ terrae sanctae 28 (CSLE 39, 148, 13–17). Statt castigabat (Z. 17) ist fastigabat zu lesen. Vgl. E. Honigmann, Le cubiculaire Urbicius, Revue des études byzantines 7, 1949, 47– 50, dort 48, der übersetzt: « et de présider au rite de l’élévation à l’empire. » und sich auf ThlL 3, 532, 30–32; 6, 1, 324, 64–66 beruft. Selbstverständlich waren nicht alle Eunuchen mächtig. So konnte sich z. B. Rhodanus (PLRE 1, 764 s. v. Rhodanus) nicht im Amt behaupten, und Probatius (PLRE 1, 733 s. v. Probatius 2) konnte keinen größeren Einfluß erlangen. 554 Vgl. Clauss 1981, 63. Das einzige eindeutige Beispiel ist Celers Rolle bei Iustinus’ I. Erhebung 518. 555 Die Bedeutung der militärischen Kommandanten für Herrschaftsübernahme und Sicherung von Kaiser und Usurpator ist hinreichend dargestellt und überbewertet worden (vgl. z. B. Demandt 2007, 210, 218, 312; Lenski 2002, 23 zu Valentinians I. Erhebung, obwohl er sich der Teilnahme der zivilen Amtsträger bei den Beratungen bewußt ist). Deren Einbindung in die Führungsgruppe und die Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf andere politische Kräfte ist zu wenig beachtet worden. Deutlicher Ausdruck dafür ist auch der Verzicht einflußreicher Heermeister darauf, sich selbst auf den Thron zu schwingen. Daß eine einfache Gleichsetzung von militärischer und politischer Macht nicht zulässig ist, können faschistische wie kommunistische Diktaturen zeigen. Zur Bedeutung und zur Rolle der militärischen Kommandanten vgl. auch die Kapitel IV.D.2 Generäle und zivile Amtsträger und IV.I.2 Generäle erheben den Kaiser, S. 261–268 u. 347–356.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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etwa der comes rei militaris Sebastianus als möglicher Kandidat nach Valentinians Tod 374 von den Beratungen ausgeschlossen, die zur Erhebung Valentinians II. führten. Pauschal läßt sich sagen, daß ein militärischer Kommandant, der Kaiser werden kann, eventuell auch bei den Beratungen eine Rolle spielen kann. Im 4. Jhd. können die Heermeister die Gruppe nicht dominieren, sondern die zivilen Beamten sind ihnen durchaus gewachsen. Auch wenn am Ende des 4. Jhd., als Stilicho seine herausragende Machtstellung aufgebaut hatte, keine Kaisererhebung vorzunehmen war, zeigt doch sein Sturz 408 durch Hofintrigen, die durch einen zivilen Würdenträger, nämlich den späteren mag. off. Olympius, in Szene gesetzt wurden, daß militärische Macht allein nicht genügte, um die eigene Stellung zu wahren und seine Anhänger zu schützen556. Die zivilen Würdenträger können also innerhalb der vorgegebenen Strukturen des comitatus sehr erfolgreich sein. Das institutionelle Übergewicht, das im 5. Jhd. der mag. ped. und patricius im Westen bekommt557, darf man für seine Stellung in der Gruppe nicht überbewerten. Rikimers Rolle in der zweiten Hälfte des 5. Jhd. beruht erst nach seinem gewaltsamen Vorgehen gegen Anthemius auf bloßer militärischer Macht und einem Verzicht, sich politisch in der führenden Gruppe durchzusetzen, die in diesem Moment der militärischen Lage wegen auch gar nicht zusammentreten und aktiv werden konnte. Rom war belagert. Anthemius’ comitatus war in der eingeschlossenen Stadt und löste sich nach der Niederlage auf. Von erheblicher Bedeutung sind im 5. Jhd. die Kommandanten der excubitores in Konstantinopel. Seit der Mitte des 5. Jhd. spielte für die Sicherung eines geordneten Ablaufes der Erhebungen im Osten der comes excubitorum eine wichtige Rolle, wie die Erhebungen von Iustinus I. und Iustinus II. zeigen558. Dessen Amt wurde unter Leo I. (457–474) geschaffen559. Er ist unter den einflußreichen zivilen Würdenträgern der einzige militärische Kommandant, der seine Stellung auch zu seinen Gunsten ausnutzen konnte, wie Iustinus’ I. Erhebung 518 zeigt. Die führende Gruppe sucht immer wieder mit Erfolg, den Einfluß der militärischen Kommandanten, besonders der Heermeister wie Aspar, Rikimer, Zenon und Basiliscus zurückzudrängen, wobei nicht deren ethnische Zugehörigkeit die entscheidende Rolle spielt560. Die zivilen Würdenträger wollen die politische, nicht 556 Zu einer knappen modernen Übersicht über die Ereignisse vgl. Paschoud 1986, 222–244. Zu Olympius und seiner zivilen Laufbahn vgl. grundlegend Paschoud 1986, 229/230, wo auch die ältere Literatur aufgeführt ist. Sein Amt vor Stilichos Sturz am comitatus ist nicht genau bestimmbar. Man vgl. auch den Sturz des älteren Theodosius durch den PPO Maximinus (vgl. Lizzi Testa 2004, 39–41) oder die Rolle des Eunuchen Heraclius nach Aetius’ Ermordung (Stickler 2002, 71–73, 81–83). 557 Vgl. etwa die Zusammenfassung der Entwicklung seit den Kanzleireformen Stilichos bis zur Stellung von Aetius bei Stickler 2002, 62–65. 558 Vgl. die Rolle der comites excubitorum Iustinus und Tiberius. 559 Vgl. Jones 1973, 658. 560 Vgl. Basiliscus, der wohl Römer war. Vgl. Redies 1997, 214 n. 29, der sich überzeugend mit W. Brandes, Familienbande? Odoaker, Basiliskos und Hermatios, Klio 75, 1993, 407–437 gegen die skirische Herkunft, d. h. ostgermanische Herkunft, von Basiliscus und Verina und damit gegen die besonders von S. Krautschick, Die unmögliche Tatsache. Argumente gegen Johannes Antiochenus, Klio 77, 1995, 332–338 erneut vorgetragene These wendet.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

die militärische Kontrolle der Macht. Deshalb erheben sie auch keine Heermeister zu Kaisern. Dies gilt für den Westen wie den Osten des Reiches. Im Westen kommt es deshalb zur Erhebung von Usurpatoren, die eine zivile Laufbahn hinter sich haben. Sie gelten nur deshalb als Usurpatoren, weil der Kaiser in Konstantinopel als auctor übergangen wurde. Im Osten zeigt sich dasselbe Phänomen. Der ehemalige mag. off. Patricius (Patricius 8) suchte 474 mit Hilfe der Augusta Verina zu usurpieren, der silentarius Anastasius wurde 518 Kaiser, oder es kam zur Erhebung von untergeordneten Militärs wie im Fall von Leo I. oder Marcianus. Im Westen gelingt es schließlich nach 476 den barbarischen Heerführern Odoaker und dann Theoderich, die von außen kommen, sich der Kontrolle der zivilen Würdenträger zu entziehen. Ohne das Einverständnis und die Unterstützung Ostroms wäre ihnen dies aber niemals gelungen. Um zu einer Entscheidung über den Kandidaten zu gelangen, gab es offensichtlich kein vorgegebenes Prozedere, sondern man diskutierte bis zu einer Einigung. Dabei suchte man mindestens bei einem Teil der uns hinreichend bekannten Beratungen, deren Verlauf durch äußeren Druck zu beeinflussen, wie es für Iovian und Iustinus I. überliefert ist. Solches Vorgehen wird von den antiken Autoren negativ bewertet. Eine ungeordnete Form wird in gewisser Weise immer bei der Bestimmung durch die führende Gruppe als mögliche Gefahr betrachtet561. Der Teil der Gruppe, der sich schließlich durchsetzte, ist höchstens in einzelnen ihrer Repräsentanten greifbar, nicht aber in ihrer Zusammensetzung im einzelnen. Die Mitglieder der Gruppe als Repräsentanten politischer . und gesellschaftlicher Kräfte Die Teilnehmer an den Beratungen über einen Kandidaten für den Thron übten ihren Einfluß aufgrund ihrer Amtsstellung und ihres persönlichen Ansehens aus. Sie repräsentierten offiziell keine politischen oder gesellschaftlichen Gruppen. Dennoch brachten sie selbstverständlich deren Interessen aufgrund der Zugehörigkeit zu ihnen zur Geltung. Ganz deutlich ist dies beim Patriarchen von Konstantinopel erkennbar, der den Kandidaten unter dem Gesichtspunkt der korrekten Lehre begutachtete. So verlangte der Patriarch erstmalig vor Anastasius’ Investitur 491 eine schriftliche Erklärung über die Rechtgläubigkeit vom zukünftigen Kaiser562. Die Bedeutung des Patriarchen bei den einzelnen Erhebungen ist abgesehen von seiner zeremoniellen Rolle aber unterschiedlich. So scheint er sich z. B. bei Iustinus I. Erhebung eher zurückgehalten zu haben, denn er mußte sich von seiner monophysitischen Position entfernen, um seinen Posten über den Wechsel des Herrschers hinaus zu retten563. 561 C. P. 1, 93 S. 426, 4/5. 562 Zon. 14, 3, 3. Es ist unbekannt (vgl. Bury 1930, 114), ob und seit wann diese Erklärung vor jeder Erhebung abgegeben werden mußte, wie es bei Codinus überliefert ist (Codin. off. 7, B85–88). Martin 1997, 55 nimmt unter Bezug auf W. Ensslin, Der Kaiser in der Spätantike, HZ 177, 1954, 449–468, dort 460/461 an, daß es seit Anastasius’ Erhebung der Fall war. 563 Vgl. Stein 1949, 223/224.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Die Mitglieder der römischen Aristokratie spielten eine entscheidende Rolle bei den Entscheidungen der Führungsgruppe, sei es, daß sie als Amtsträger direkt in ihr vertreten waren, sei es daß sie als ehemalige Amtsträger Einfluß ausübten, oder, was in jedem Fall zutrifft, daß sie als Mitglieder einer sehr wichtigen sozialen Gruppe schon vor einer Erhebung Stellung nahmen oder einen erhobenen Herrscher in seiner Politik unterstützten oder ihm die Unterstützung versagten564. Ihre Beziehungen zum Kaiser waren entscheidend für die Wahrung ihrer Interessen, bei denen die Möglichkeit zu Karrieren am comitatus oder hohen Positionen in der regionalen Verwaltung von besonderer Bedeutung war. So wird wohl zu Recht die Karriere, die Nicomachus Flavianus der Ältere unter Theodosius machte, als Gegenleistung für die Unterstützung betrachtet, die der Kreis um Symmachus diesem bei seiner Erhebung gewährte565. Ebenso wurden die Interessen der regionalen Aristokratien wie der norditalischen oder der gallischen durch ihre Mitglieder in der Führungsgruppe wahrgenommen. Die Vertreter einzelner Familien können bei der Auswahl der Kandidaten und deren späterer Unterstützung von Bedeutung sein. Überlegungen dazu sind in der wissenschaftlichen Literatur recht verbreitet, aber die Probleme werden häufig kontrovers diskutiert. Der Grund liegt in der begrenzten Kenntnis der Personen, die im Dienst eines Herrschers standen, und in den wenig differenzierten Aussagen der Quellen zum Einfluß einzelner Personen und Gruppen. Anthemius’ Herrschaft in Rom wurde von den Aconii, Rufii und Decii unterstützt, die von ihm auch besonders gefördert wurden, während die Anicii sich zu ihm eher distanziert verhielten. Sie setzten sich später für Olybrius ein566. Am deutlichsten ist die Vertretung der Interessen der Armee durch die hohen Kommandanten in der Führungsgruppe erkennbar. Hier besteht ein direkter Zusammenhang zwischen einzelnen Personen und der Gruppe, für die sie stehen. So wurde etwa der comes rei militaris Sebastianus als möglicher Vertreter der Interessen der gallischen Truppen betrachtet 567. Neben den regionalen Aristokratien spielen die Kontakte der kirchlichen Hierarchie zur führenden Gruppe beim comitatus eine bedeutende Rolle, auch wenn sie bei der Auswahl eines Kandidaten für den Thron sehr schwer zu fassen sind. Anders

564 Ihre generelle Rolle im Verhältnis zum kaiserlichen Hof ist für die Zeit von 364–425 von Matthews 1975 und von 455 bis zum Ende der Herrschaft Odoakers von Henning 1999 dargestellt worden und wird an einzelnen Fällen immer wieder thematisiert. So wird für Theodosius’ Erhebung 379 die Unterstützung wichtiger Kreise des Senates um Symmachus und Nicomachus Flavianus 15 angenommem, die zu den entsprechenden Hofkreisen Kontakte unterhielten und durch Gratians Politik enttäuscht waren. Bei diesen Kontakten soll der Historiker Eutropius (Eutropius 2) eine wichtige Rolle gespielt haben. Vgl. Pellizzari 1998, 42–48 u. passim. 565 Vgl. Pellizzari 1998, 46. 566 Henning 1999, 168 u. passim. 567 Amm. 30, 10 (Erhebung Valentinians II.).

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

als im Osten568 ist aber im Westen bei den Beratungen über die Neuwahl eines Kaisers niemals ein kirchlicher Würdenträger direkt beteiligt. Die führende Gruppe ist normalerweise in Fraktionen gespalten, die um den entscheidenden Einfluß auf den Kaiser ringen. Ein gewisser Gegensatz besteht zwischen den zivilen und militärischen Amtsträgern, der sich z. B. in den Prozessen von Chalkedon offenbart und von Iulian genutzt wurde, um seine Gegner zu bestrafen, oder beim Sturz des PSC Eutropius 399 und weiterer Würdenträger durch Gainas, der kurzfristig die Politik in Konstantinopel bestimmte und die ihm feindliche Gruppe von der Macht fernhielt569. Die Gegensätze können aber durchaus auch zwischen gemischten Gruppen bestehen, wie die Auseinandersetzungen zeigen, die zum Sturz des älteren Theodosius und später des PPO Maximinus führen570. Die fast ständigen Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppe führten niemals zu einem völligen Zerfall der Gruppe. Die Ausrichtung auf den Herrscher gibt ihr eine gewisse Geschlossenheit. Usurpatoren können daher in der Regel nur mit der Unterstützung einzelner rechnen und bleiben dann erfolglos. Die jeweilige Zusammensetzung der Gruppe Die führende Gruppe wechselt in ihrer Zusammensetzung durch die kurzen Amtszeiten der zivilen Beamten stark571. Dazu kamen Wechsel und Beförderungen beim Amtsantritt eines neuen Herrschers. Sie waren aber in ihrem Ausmaß recht unterschiedlich und sind der Quellenlage wegen nicht immer gut erkennbar. Eine Ausnahme bilden die zahlreichen Umbesetzungen beim Übergang der Herrschaft von Constantius II. zu Iulian, über die wir sehr gut unterrichtet sind572. Die Führungsgruppe schlägt daher niemals mehrere Kandidaten in derselben Zusammensetzung hintereinander vor. 568 Vgl. z. B. Ambr. epist. extra coll. 10[57], 3 zu Kontakten mit dem comitatus. Zur Bedeutung kirchlicher Verbindungen für die Wahl eines Kaisers vgl. z. B. Eutropius’ Rolle bei Theodosius’ Erhebung 379 und seine Unterstützung durch die Vertreter des Nicaenums im Osten (Lizzi Testa 1997, 140–142, auch 1996, 323–361, passim zur Rolle der Kirche). Zur Teilnahme des Patriarchen an den Beratungen bei der Wahl eines neuen Kaisers im Reichsosten vgl. n. 433. 569 Zu Chalkedon vgl. Amm. 22, 3 und dazu den Boeft 1995, 17–35; Szidat 1996, 126/127, 190, 197; zu Eutropius’ Sturz Zos. 5, 18, 6–9 (vgl. Paschoud 1986, 143–158). Zu Gainas’ politischer Rolle in Konstantinopel 399/400 vgl. generell Albert 1984; Cameron 1993. 570 Cameron / Garnsey 1998, 229 wird auf die Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Amtsträgern aufmerksam gemacht und dabei auf R. Tomlin, Notitia dignitatum omnium, tam civilium quam militarium, R. Goodburn / P. Bartholomev (Hrsgg.), Aspects of the Notitia Dignitatum, Oxford 1976, 189–209, dort 193/194 verwiesen. Die Entwicklung der Gruppe ist aber nicht durchgehend dargestellt und auch für das 5. Jhd. nicht wahrgenommen worden. 571 Eine Übersicht über die Zusammensetzung des comitatus im einzelnen ist für die meisten Herrscher nicht vorhanden und auch der Quellenlage wegen oft nur sehr begrenzt möglich. Zu den üblichen Wechseln beim Amtsantritt eines neuen Herrschers vgl. etwa die pauschalen Äußerungen bei C. P. 1, 91 S. 417, 2/3; 1, 92 S. 425, 20/21. 572 Vgl. Szidat 1996 passim.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Kontinuität wurde besonders durch die ehemaligen Amtsträger erreicht und zusätzlich durch einzelne Persönlichkeiten verstärkt, die längere Zeit wichtige Ämter bekleideten, in ihnen sehr einflußreich waren und häufig auch noch nach dem Ende ihrer Karriere als Persönlichkeiten mit großem Einfluß nachzuweisen sind. Hier sei an Secundus Salutius erinnert, der mit einer ganz kurzen Unterbrechung von 361– 367 PPO Orientis unter Iulian, Iovian und Valens war, an Datianus, dessen Karriere schon unter Konstantin begonnen hatte und der nach seinem Ausscheiden aus dem comitatus schon vor dem Ende der Regierungszeit Constantius’ II. noch bei Valentinians’ I. Wahl 364 eine wichtige Rolle spielte, an die lange Karriere von Petronius Maximus zwischen 416 und 441, nach deren Ende er weiter bestimmend in der Politik des westlichen Reichsteiles blieb, an die mag. off. Helion und Martialis, an den PSC Urbicius, der fast 50 Jahre lang, wenn auch mit Unterbrechungen, im Osten großen Einfluß ausüben konnte und an den PPO Orientis Constantinus573, der unter Theodosius II., Marcian und Leo I. als solcher belegt ist (447, 456, 459). Die Amtszeit der militärischen Kommandanten waren im Durchschnitt länger. So war Aspar rund 40 Jahre lang im Amt574. Auch sie konnten wie z. B. Arbitio noch nach ihrem Rücktritt entscheidenden Einfluß ausüben. Die Mitglieder der Führungsgruppe hatten zudem die Tendenz, ihre Familien an der Macht zu halten, so daß trotz aller Offenheit für Neuaufsteiger, besonders im Osten, die Kontinuität eine bedeutende Rolle spielte575. Zahlenmäßig überwogen in der führenden Gruppe die zivilen Würdenträger eindeutig. Die Zahl der Mitglieder der über einen Kandidaten beratenden Gruppe Mit Namen werden immer nur wenige Teilnehmer an den Beratungen über den Vorschlag eines Kandidaten erwähnt. Die Quellen nennen nur die, die sie für die Meinungsführer halten. Aufgrund der beim comitatus anwesenden Amtsinhaber und der Zahl der ehemaligen Würdenträger läßt sich aber eine ungefähre Teilnehmerzahl erschließen576. Sie beträgt etwa zwischen 10 bis höchstens 70 Personen. Anwesend bei den Diskussionen um einen Kandidaten für das Herrscheramt konnten sicher die Inhaber der vier zentralen Hofämter (mag. off., QSP, CSL, CRP), der PSC und die zwei comites domesticorum sein. Dazu kamen mindestens ein Heermeister und ein praefectus praetorio, die sich beim comitatus aufhielten. Man kann also auf Seiten der aktiven Würdenträger von wenigstens neun Personen ausgehen577. Die Zahl der teilnehmenden ehemaligen Würdenträger war im 4. Jhd.

573 Zu Urbicius’ langem Einfluß vgl. Clauss 1984, 1254/1255. Zu Constantinus vgl. den Exkurs „Die Teilnehmer an den Beratungen über Theodosius’ II. Nachfolge 450“, S. 397–400. 574 Vgl. Clauss 1984, 1254. 575 Vgl. z. B. Demandt 1980. 576 Vgl. etwa Delmaire 1984, 153 und Delmaire 1995, 31–45, besonders 31–35. 577 Vgl. die Zahl der Anwesenden bei der Entscheidung über die Anerkennung Iulians als Augustus im Osten (III.C.3.a Die Kaisererhebungen im 4. Jhd. – Die Anerkennung Iulians als Herrscher im Reichsosten, S. 103/104).

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

klein, oder sie waren überhaupt abwesend578, weil die Beratungen außerhalb der großen Zentren stattfanden579. Als im 5. Jhd. im Osten alle Erhebungen bei oder in Konstantinopel stattfanden, konnten die ehemaligen Amtsinhaber leichter an den Beratungen teilnehmen. Es kamen dafür vor allem die in Frage, die den Rang eines illustris und im Senat Sitz und Stimme hatten. Auch im Westen wechselte der comitatus nur noch selten seinen Aufenthaltsort. Die Kaiser hielten sich überwiegend in Ravenna oder Rom auf. Die ehemaligen Würdenträger konnten also auch im westlichen Teil des Reiches leichter an der Bestimmung des Kandidaten teilnehmen, soweit sie sich gerade in einer der beiden Städte aufhielten. In den Akten des Konzils von Chalkedon sind maximal 28 Teilnehmer als ehemalige Amtsträger im Rang eines illustris erwähnt580. Weil nur ein Teil von diesen am Konzil vertreten war, wird man insgesamt mit 40–60 Personen zu rechnen haben, die sich für die Bestimmung eines Kandidaten hätten versammeln können, wenn die Beratungen in Konstantinopel stattfanden, im Westen mit etwas weniger, wenn man in Rom zusammenkam, weil die hohen ehemaligen Amtsträger nicht so weitgehend auf Rom konzentriert waren. Eine deutlich geringere Zahl wird man bei Beratungen in Ravenna erwarten dürfen. Für die Anwesenheit einer größeren Anzahl ehemaliger Amtsträger in Konstantinopel spricht auch die Aufstellung von Bänken im Portikus vor dem großen Triclinium, wo man beriet581. Ihre besondere Erwähnung ist auffällig. Offensichtlich gab es im Palast keinen anderen Ort, der für die Versammlung als angemessen betrachtet wurde und zugleich die nötige Ausstattung bot oder entsprechend hergerichtet werden konnte wie in diesem Fall. Sie tagte bei der Bestimmung des Kandidaten niemals im consistorium. Durch die Anwesenheit der ehemaligen Würdenträger sind im 5. Jhd. im Osten, aber auch im Westen, die zivilen noch deutlicher in der Überzahl, als wenn sich nur die amtierenden versammelt hätten. Die Tendenz, wie sie sich besonders bei den Beratungen in Konstantinopel aufzeigen läßt, möglichst viele Amtsträger, amtierende und ehemalige, am Prozeß der Bestimmung des Kandidaten für den Thron zu beteiligen, läßt vermuten, daß sehr viele beigezogen wurden, andererseits ist es eindeutig, daß keineswegs alle ehemaligen Würdenträger teilnahmen, auch nicht alle von denen, die am Ort der Beratung anwesend waren oder ihn mühelos rechtzeitig hätten erreichen können582. Für 578 Wir kennen keinen ehemaligen Würdenträger, der 364 an den Beratungen über Iovians Nachfolge teilnahm, sondern wissen lediglich von Datianus’ Brief, in dem er Valentinians’ I. Erhebung vorschlug (vgl. n. 389). Auch als teilnehmende Gruppe werden die ehemaligen Würdenträger nicht erwähnt. 579 Es handelt sich um die Anerkennung Iulians 361 in oder in der Nähe von Mobsucrenae, um die Erhebung Iovians auf dem Feldzug gegen die Perser, um die Valentinians I. in Nicaea und Valentinians II. in Aquincum. 580 Vgl. die Exkurse zu „hJ suvgklhto~“, S. 379–387 und „illustris“, S. 395/396. 581 C. P. 1, 92 S. 421, 18: tiqevntwn skamnivwn pro; tou` devlfako~. Vgl. auch C. P. 1, 93 S. 427, 4/5. Der Delphax ist identisch mit dem Tribunal. 582 Dies zeigt sich sehr deutlich beim Einzug Leos I. in Konstantinopel, nachdem er auf dem Hebdomon erhoben worden war. Er begrüßt den Senat in seiner Gesamtheit, d. h. als Körper-

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Konstantinopel wird man von einer Zahl auszugehen haben, die über der der am Konzil von Chalkedon erwähnten Würdenträger, amtierenden wie ehemaligen, aber unter der der theoretisch möglichen liegt. Auf jeden Fall überwog aber die Zahl der ehemaligen Amtsträger, denn sonst hätte die Gruppe nicht eine gewisse Größe erreicht, wie sie die Quellen nahelegen. Immer waren sicher einige Würdenträger, amtierende wie ehemalige, verhindert, weil sie gerade nicht in der Nähe des Beratungsortes waren wie z. B. Hypatius, der 518, als Anastasius starb, nicht in Konstantinopel war, oder man hielt sie in bestimmter politischer Absicht fern, so etwa um wichtige gegnerische Meinungsträger oder mögliche Kandidaten nicht dabei zu haben583. Daß das letztere auch in Konstantinopel geschah, ist wahrscheinlich, aber mit keinem konkreten Fall belegbar. Andere Kriterien für die Abwesenheit sind nicht faßbar. Sie sind aber anzunehmen wie etwa eine zu geringe Bedeutung eines ehemaligen Amtsträgers, der sich deshalb gar nicht erst zu den Beratungen begab. Die Führungsgruppe im Westen und Osten des Reiches und die Wahl des Kaisers Die Entwicklung der Mehrkaiserherrschaft zu einem System mit zwei führenden Gruppen im Westen und Osten des Reiches und zwei regierenden Augusti, das mit der Übernahme der Herrschaft durch Valentinian I. und Valens 364 dauerhaft Gestalt annimmt, führte zu keinen Problemen bei der Bestimmung des Kandidaten für den Thron, wenn eine reichsweite Vakanz auftrat wie 364 und dann noch einmal 457, als nach dem Tod Marcians am 27. Januar kein Kaiser mehr im Amt war. Es kam allerdings zu Schwierigkeiten, wenn nur noch in einem Reichsteil ein Augustus herrschte und für den anderen kein Nachfolger bestimmt war. Dieser Fall schuf erstmals im Sommer 392 nach Valentinians II. Tod Probleme und dann mehrfach im 5. Jhd. Einem regierenden Augustus stand es zu, in seinem Herrschaftsbereich weitere Kaiser erheben zu lassen. Das lag in seiner Verfügungsgewalt. Sich dagegen zu stellen war Hochverrat. Eine Abstimmung mit der jeweiligen Führungsgruppe darf man aber voraussetzen. schaft, im Senatsgebäude am Forum Konstantins (C. P. 1, 91 S. 414, 15–18). Wenn der Senat als Körperschaft über seine Erhebung beraten hätte, wäre eine gesonderte Begrüßung im Senatsgebäude und damit eine Anerkennung der Übernahme der kaiserlichen Stellung nicht notwendig gewesen. Auf keinen Fall handelt es also sich bei der Gruppe, die über die Nachfolge berät, um den Senat als Körperschaft und damit um eine förmliche Senatssitzung, in der ein Senatsbeschluß gefaßt wird. Nicht nur Constantinus Porphyrogenitus’ Sprachgebrauch (vgl. den Exkurs „hJ suvgklhto~“, S. 379–387) und die Teilnehmer der Beratungen, soweit sie für uns faßbar sind, schließen einen Gebrauch von hJ suvgklhto~ zur Bezeichnung der Körperschaft aus, sondern auch der Tagungsort legt nahe, daß nicht der Senat als ganzer tagte. Die Gruppe tagte nämlich nicht in einem der Senatslokale (zu ihnen vgl. etwa Dagron 1974, 138/139), sondern im Palast (C. P. 1, 91 S. 412, 17; 1, 92 S. 418, 1; 1, 93 S. 427, 3; zu den Lokalen vgl. auch Dagron 1974, 95; Noethlichs 1998, 24/25), und dort niemals im consistorium. 583 Vgl. III.C.3.d Die Führungsgruppe – Die Manipulierung des Teilnehmerkreises, S. 133.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Von der Einheit der kaiserlichen Stellung her gesehen war jeder Augustus auch Kaiser im gesamten Reich und konnte außerhalb seines eigenen Herrschaftsbereiches weitere Herrscher erheben, wenn dort keiner mehr regierte. Das nicht zu akzeptieren war ebenfalls Hochverrat. Weil er aber eine andere Führungsgruppe mit anderen Interessen und Verbindungen nicht ohne weiteres in seinem Sinn beeinflussen konnte, ergab sich eine Konkurrenzsituation zwischen ihm und der führenden Gruppe in dem Reichsteil, in dem kein Kaiser mehr die Herrschaft innehatte. Die dortige Gruppe stellte zwar seine Herrschaft im Gesamtreich nicht in Frage, war aber nicht ohne weiteres bereit, seinen Vorschlag für die Erhebung eines Mitherrschers zu akzeptieren oder abzuwarten, bis eine Lösung gefunden war, auch wenn ein eigenmächtiges Vorgehen eine Usurpation war. Dieses Problem stellte sich im Westen erstmals 392 beim Tod Valentinians II. Es wiederholte sich 423 bei Honorius’ Ableben und 455 beim Tod Valentinians III. und in den folgenden Jahren bei den Thronvakanzen nach Avitus’ und Maiorians Tod. Bei Libius Severus’ Ableben am 14.11.465 schuf die Regelung der Nachfolge durch Leo I. keine Probleme. Er schickte im Frühjahr 467 Anthemius im Einverständnis mit der dortigen Führungsgruppe in den Westen. Im Osten trat diese Situation 450 nach dem Tod Theodosius’ II. ein, als man den westlichen Kaiser Valentinian III. nicht vor der Erhebung Marcians konsultierte. Der größeren politischen Instabilität wegen war man im Westen in größerer Sorge, den eigenen Herrscher und den eigenen comitatus verlieren zu können und unter die Herrschaft des anderen Reichsteiles zu geraten. Beides zu bewahren war das zentrale Anliegen. Nur dadurch blieb die Möglichkeit, den sozialen Status zu erhalten und zu steigern. Der Senat in Rom allein als Körperschaft war zwar vom Prestige her und als Sprachrohr seiner Mitglieder ein bedeutsamer Beziehungspunkt, aber politisch erfolgreiche Einflußnahme über den regionalen Rahmen hinaus wurde über die kaiserliche Verwaltungszentrale erreicht584. Sie bedeutete den Erhalt von Ämtern, die institutionelle Macht einschlossen. Auf diese waren die zivilen Würdenträger besonders angewiesen, denn ohne jene waren sie ohnmächtig. Die Frage der Erhebung eines Kaisers bei der Vakanz in einem Reichsteil zeigte sich aber schon vor 392, und zwar zum ersten Mal 367, als Valentinian I. schwer erkrankte und man im geheimen am comitatus über einen Nachfolger nachdachte585. Dabei blieb Valens’ Anspruch, einen Kandidaten im Falle des Todes Valentinians I. dafür vorzuschlagen, völlig unbeachtet. Eine vergleichbare Situation herrschte nach Valens’ Tod in der Schlacht bei Adrianopel 378. Als Folge der Niederlage gab es aber keinen funktionierenden östlichen comitatus mehr. Die Mitglieder des westlichen und die verbliebenen des östlichen comitatus versammelten sich gemeinsam und erhoben Theodosius. Offiziell schlug Gratian ihn vor und war sein auctor. 584 Vgl. z. B. Nicomachus Flavianus’ Rehabilitierung 431 und dazu Grünewald 1992. Sie wurde von seinem Sohn Nicomachus Flavianus, der PPO in Ravenna war, und Appius Nicomachus Dexter, der PVR war, angeregt und durchgesetzt. Nicomachus Flavianus wurde öffentlich in einer Rede Valentinians III., die im Senat verlesen wurde, rehabilitiert (vgl. ILS 2948 = CIL 6, 1783). Die Rede zeigt das Gewicht der Senatoren am comitatus (vgl. Matthews 1997, 213). 585 Amm. 27, 6, 1–3; Zos. 4, 12, 2. Vgl. Lizzi Testa 2004, 310.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

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Wenn im Gesamtreich nach 364 kein Kaiser mehr an der Herrschaft war, eine Situation, die lediglich 457 nach dem Tod Marcians in Konstantinopel am 27. Januar eintrat, ging man vor wie bei einer Vakanz in einem Reichsteil. Allerdings war der dann bestimmte Augustus Herrscher im gesamten Reich. Von ihrem Selbstverständnis her zuständig für die Bestimmung des Kandidaten war die führende Gruppe im Osten, weil im Westen der in Konstantinopel als Usurpator betrachtete Kaiser Avitus am 17.10.456 gestürzt worden war und die Bestellung eines Nachfolgers noch nicht geregelt war. Marcian hätte ihn vorschlagen müssen. Soweit wir wissen, konsultierte die führende Gruppe im Osten die im Westen nicht und ließ am 7.2.457 Leo I. erheben, der zu Recht beanspruchte, Kaiser im gesamten Reich zu sein und auch im Westen anerkannt wurde, der aber darauf mit der westlichen Führungsgruppe keine Lösung für einen Augustus im westlichen Reichsteil fand. Dort wurde dann Maiorian von dieser am 28.12.457 ohne Leos Zustimmung erhoben586. Vor 364 bietet sich ein anderes Bild, wenn eine reichsweite Vakanz auftrat oder eine in einem Teil des Reiches, d. h. wenn gar kein Kaiser oder nur noch einer im Reich an der Herrschaft war, und zwar deshalb, weil sich die zwei Reichsteile noch nicht herausgebildet hatten und nicht ständig zwei Führungsgruppen vorhanden waren, auch wenn es Ansätze dazu gab. Nachdem der Usurpator Magnentius 353 gestürzt worden war, stand die gesamte politische Führungsschicht im Reich unter der Kontrolle Constantius’ II. und hatte in ihm ihren Bezugspunkt, denn Gallus’ und Iulians comitatus hingen auch von ihm ab. Mit Iulians Übernahme der Alleinherrschaft 361 zu Anfang des Winters änderte sich die Situation nicht. Er trat in Con­ stantius’ II. Stellung ein. Als Iulian auf dem Feldzug gegen die Perser am 26. Juni 363 umkam, bestimmte die führende Gruppe tagsdarauf Iovian zu dessen Nachfolger. Als dieser schon am 17.2.364 starb, bestimmte sie um den 21./22. Febr. 364 Valentinian I. zum neuen Kaiser, der bald darauf seinen Bruder Valens zum Mitherrscher machte. Iovian erhob keinen Kollegen, weil bei seinem Amtsantritt kein naher Verwandter zur Verfügung stand. Daß er seinen Sohn Varronianus, der noch kein Jahr alt war, für die Nachfolge vorbereitete, läßt den Schluß zu, daß er an eine Mehrkaiserherrschaft dachte, wenn auch vorerst nur mit einem nominellen Kollegen. Die Führungsgruppe drängte ihn offensichtlich auch nicht, sofort einen Mitaugustus zu erheben, der mehr als ein nomineller Herrscher war. Auch Iulian ließ keinen Kollegen erheben. Ob das nur daran lag, daß er dem dynastischen Prinzip gegenüber sehr kritisch war und auch kein Nachkomme zur Verfügung stand, ist kaum zu entscheiden. Er mußte vorerst vor allem an eine Sicherung seiner Herrschaft denken, die ein Mitaugustus, der nicht eng mit ihm verwandt war, nur gefährdet hätte. Sein früher Tod im Krieg gegen die Perser löste dann dieses Problem. Nach 476 kam mit dem Ende der Mehrkaiserherrschaft nur noch der comitatus in Konstantinopel für den Vorschlag des Kandidaten in Frage, so bei Anastasius’ und Iustinus’ I. Erhebung.

586 Vgl. S. 254.

150

III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

III.C.3.e Zusammenfassung587 Die Gruppe, die den Kandidaten vorschlägt, wenn kein Kaiser mehr im Amt ist, und die für einen geordneten Ablauf der Erhebung sorgt, ist erstmals bei den Beratungen nach Constantius’ II. Tod 361 faßbar, als sie darüber entschied, ob man Iulian als Augustus auch im Osten anerkennen sollte, und dann wieder bei der Erhebung Iovians 363. Beide Beratungen fanden in einer Notsituation und unter militärischem Druck statt. Bei Valentinians Erhebung 364 lag dagegen eine völlig normale Situation vor. Danach wird die Gruppe mehrfach bei Erhebungen während des 5. und 6. Jhd. in beiden Reichsteilen erkennbar. Im Westen wird ihr Wirken auch bei der Erhebung mehrerer Kaiser sichtbar, die als Usurpatoren gelten, weil man den Anspruch des Kaisers in Konstantinopel, den Kandidaten vorzuschlagen, außer acht ließ588. Im Ablauf deutlicher erkennbar sind dabei aber nur die Beratungen über die Nachfolge Valentinians III. 455. Im Osten trat diese Situation bei Theodosius’ Tod 450 ein, als die Gruppe über dessen Nachfolge beriet, ohne einen Vorschlag Valentinians III. einzuholen. Die Gruppe hat informellen Charakter und keine festen Mitglieder. Damit aber ihre Entscheidungen Anerkennung finden, können mächtige Würdenträger nicht unberücksichtigt bleiben. Sie repräsentiert in beiden Reichsteilen die Personen, die über die meiste institutionelle oder informelle Macht verfügen. Diese wirken am jeweiligen comitatus, in den Spitzen der regionalen Verwaltung wie der PPO oder sind als ehemalige hohe Amtsinhaber Mitglieder der Senate in Rom oder in Kon­ stantinopel. Zu ihrem Kreis gehörte von Anfang an auch der PSC, obwohl er gesellschaftlich ein Außenseiter und auch im 6. Jhd. noch nicht ständiges Mitglied im consisto­ rium war589. Er verfügte aber aufgrund seiner Nähe zum Kaiser über Informationen und Einflußmöglichkeiten, die andere nicht hatten. Auch Prätorianerpräfekten nahmen an den Beratungen teil, sofern sie sich beim comitatus aufhielten oder in einer Stadt wie z. B. in Konstantinopel beraten wurde, wo der PPO Orientis seinen Amtssitz hatte590. Nach der Mitte des 5. Jhd. ist besonders in Konstantinopel der Einbezug der Augusta591 in die Beratungen gesichert, sofern es gerade eine gibt. Die Rolle der Augusta ist wesentlich stärker institutiona587 Zu informellen Gruppenbildungen in unmittelbarer Umgebung des Kaisers an spätantiken Höfen vgl. generell Gizewski 1997, 113–149. 588 Vgl. die Erhebungen von Eugenius, Iohannes, Petronius Maximus und Maiorianus. Zur Rolle der Gruppe bei Usurpationen vgl. das Kapitel IV.C.3 Wer schlägt den Usurpator vor? Die Bestimmung des Kandidaten, S. 251–257. 589 Delmaire 1995, 152/153; Noethlichs 1998, 33. Zur Stellung des PSC noch immer grundlegend Hopkins 1963. Eine Übersicht über die seitdem stattgefundene Diskussion bietet Scholten 1998, 51–73. 590 Grundsätzlich war der Prätorianerpräfekt nicht in die höfische Organisation integriert (vgl. Gutsfeld 1998, 87–89), was manche Probleme schuf. Er war offensichtlich auch nicht ordentliches Mitglied des consistorium (Delmaire 1995, 33). Zur Diskussion darüber vgl. Gutsfeld 1998, 87. 591 So war bei Anastasius’ Tod 518 keine vorhanden (C. P. 1, 93 S. 426, 2). Vgl. n. 551 zu ihrer Bedeutung.

III.C.3 Die Führungsgruppe und ihr Kandidat

151

lisiert als im frühen Prinzipat, wo es häufig zu Intrigen um die Nachfolge kam, an denen die Augusta beteiligt war592. Ebenso nimmt in Konstantinopel seit der Mitte des 5. Jhd. der Patriarch offensichtlich jedesmal an den Beratungen der Gruppe teil. Weiterhin sind ehemalige Amtsträger an den Diskussionen beteiligt oder geben schriftlich ihre Meinung kund. Dadurch, daß der comitatus sich im 4. Jhd. oft fern von den großen Zentren aufhält, in denen sich die ehemaligen Amtsträger befinden, spielen sie zu dieser Zeit eine geringere Rolle bei der Bestimmung des Kandidaten. Sie müssen aber dennoch angemessen berücksichtigt worden sein, weil sie für die Anerkennung des neuen Herrschers wesentlich waren. Die zivilen Würdenträger senatorischen Standes in der Gruppe im Westen sind zu einem großen Teil Angehörige der römischen Aristokratie, die stärker durch Geburt und Besitz als durch Dienst bestimmt war. Indem sie die höchsten Ämter in der zentralen Verwaltung bekleideten oder Prätorianerpräfekten (PPO) oder Stadtpräfekten (PVR) waren, um ihren Rang aufrechtzuerhalten, stellten sie eine nicht unbedeutende Zahl von Mitgliedern in dieser Gruppe. Der Zutritt zu ihr war aber auch im Westen seit den Reformen Konstantins nicht mehr vorwiegend durch eine Karriere bestimmt, die eine hohe soziale Herkunft voraussetzte. Die Gruppe ist ihrer Zusammensetzung und der Stellung ihrer Mitglieder wegen keine Kamarilla. Sie darf daher nicht mit den Freigelassenen etwa unter Claudius verglichen werden, deren institutionelle Macht beschränkt war und die vom Rang her weit unter den senatorischen Würdenträgern standen. Die Einflußmöglichkeiten dieser Freigelassenen lassen sich dagegen gut mit denen einer Kamarilla vergleichen. Institutionell ist die Gruppe nicht einzuordnen. Feste Regelungen, wer zu ihr gehörte, sind für das 4. Jhd. nicht faßbar. Ihre Mitglieder sind jedenfalls im 4. Jhd. nicht völlig identisch mit denen des consistorium593, soweit diese festgelegt sind. Die Gruppe umfaßt einen weiteren Kreis und hat informellen Charakter. Auch nach den späteren Erweiterungen des Teilnehmerkreises am consistorium im 5. und 6. Jhd. sind bei Beratungen über einen Kandidaten für die Besetzung des Thrones immer auch Personen anwesend, die nicht an den Sitzungen des consistorium teilnehmen. Die Gruppe muß darum besorgt sein, daß ihre Beschlüsse von ihren Mitgliedern und auch sonst eingehalten und anerkannt werden. Ihre Beratungen müssen in Ruhe stattfinden, die Entscheidung muß ausgewogen sein und die Zustimmung aller Mitglieder finden (consensus omnium), damit der vorgeschlagene Kandidat eine hinreichende Legitimation hat und als legitimus bezeichnet werden kann594. 592 Vgl. z. B. den Einsatz Agrippinas für Nero. Zur Literatur zu diesen Machtkämpfen im Hintergrund vgl. Wieber-Scariot 1998, 125 n. 125. Daß die Rolle Agrippinas als Kaisermacherin später auch öffentlich herausgestellt wurde, ist eine andere Sache. Zu dieser öffentlichen Her­ ausstellung vgl. Wieber-Scariot 1999, 190. 593 Zu den Mitgliedern des consistorium vgl. die klaren Darlegungen von Delmaire 1995, 31– 35. 594 Amm. 25, 5, 3/4.

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III. Der Kaiser, C. Der Vorschlag des Kandidaten

Die Gruppe ist auch dann wichtig, wenn der Kaiser einen Mitherrscher erheben will, um die Nachfolge zu sichern. Er wie dieser brauchen dazu deren Einverständnis, das aber informell ist595. Ihre Entwicklung war nur durch die Reformen Konstantins möglich, durch die sich die wichtigsten zivilen Beamten und die höchsten militärischen Kommandanten in der unmittelbaren Umgebung des Kaisers befanden. Deren Rang wurde im Laufe des 4. Jhd. angeglichen, und sie wurden deutlich aus dem Kreis der übrigen senatorischen Aristokratie herausgehoben. Die Bedeutung der Gruppe beruht auf dem Willen der führenden Mitglieder des comitatus, die Entwicklungen in Krisensituationen in der Hand zu behalten, was auch in der Mehrzahl der Fälle gelang. Die führende Gruppe ist in ihrer Funktion durchaus mit dem Politbüro in kommunistischen Regimen zu vergleichen, gerade auch wegen der Bedeutung der zivilen Amtsträger. Das Recht, das sich diese Gruppe nahm, nämlich den Kandidaten für den Thron zu bestimmen und erheben zu lassen, war nicht unbestritten. Es hing von ihrer Fähigkeit ab, den Ehrgeiz einzelner sowie konkurrierende Gruppen innerhalb der Wahlversammlung zu kontrollieren. Das sind ursprünglich nur die Soldaten, deren sich einzelne bedienen konnten, und später in Konstantinopel auch das Volk, seitdem die Wahlversammlungen im Hippodrom stattfanden. Erfolgreiche Erhebungen, die den Willen der Führungsgruppe mißachteten und nicht als Usurpationen zu betrachten sind, sind bis über die Mitte des 6. Jhd. hinaus nicht belegt. Dennoch war man sich bewußt, daß bei der Regelung der Nachfolge durch die führende Gruppe die Situation weniger voraussehend gesteuert werden konnte und deshalb größere Risiken für Unruhen barg596. Diese Rolle einer führenden Gruppe neben dem Kaiser für den Vorschlag eines Thronkandidaten bedeutet einen wesentlichen Unterschied zur Zeit bis Diokletian. Außer vom Kaiser als auctor oder von der führenden Gruppe wird das Vorschlagsrecht bei den Kaisererhebungen im 4. u. 5. Jhd., die als legitim betrachtet wurden, von niemandem ausgeübt. Der Vorschlag durch die Gruppe schafft so wenig wie der durch den auctor eine grundsätzlich unverlierbare und unbestrittene Stellung für eine vorgegebene Zeit, d. h. in der Mehrkaiserherrschaft für die Lebenszeit. Die Gruppe, die den Kaiser vorschlägt oder seine Erhebung unterstützt, ist auch für die Sicherung der Herrschaft des Erhobenen von entscheidender Bedeutung. Daß sie in ihrer Zusammensetzung nicht gleich blieb, war kein Hindernis dafür.

595 Auf die Bedeutung des comitatus in byzantinischer Zeit hat z. B. schon Toynbee 1973, 13/14 aufmerksam gemacht. Er spricht von ihm als beständigem und bewahrendem Element gegenüber den wechselnden Kaisern und betont damit die institutionelle Seite. 596 C. P. 1, 93 S. 426, 5/6.

III.D.1 Allgemeine Überlegungen

153

III.D Die Anerkennung und Bestätigung . des neu erhobenen Kaisers in seinem Herrschaftsgebiet und im Reich III.D.1 Allgemeine Überlegungen Nach der Erhebung bedarf es keines weiteren Aktes, damit der Kaiser als solcher galt. Der Tag der Erhebung ist sein dies imperii597. Er mußte aber im Reich als Herrscher Anerkennung und Gehorsam finden. Unsere Quellen betrachten dies offensichtlich mit der Erhebung als gegeben und berichten darüber nur in besonderen Situationen. Für die tatsächliche Übernahme der Herrschaft im Reich benötigte der neu erhobene mehrere Wochen, bis sich die Nachricht verbreitet hatte, daß er auf den Thron gelangt war598. Bei nominellen Herrschern folgt die Übernahme der Herrschaft nicht unmittelbar auf die Erhebung, sondern erst in größerem zeitlichen Abstand. Weil sie der Form nach als Mitherrscher mit allen dazugehörigen Ehren galten, wurde selbstverständlich im gesamten Reich Mitteilung von ihrer Erhebung gemacht, um ihre Anerkennung wurde nachgesucht, Münzen wurden für sie geprägt und ihre Bilder wurden ausgesandt. Sie erhielten alle Ehren, die einem Kaiser zukamen, aber sie übernahmen in der Regel erst beim Tod des Kollegen, dem sie nachfolgen sollten, die Herrschaft im vorgesehenen Territorium und verfügten erst von da an über eine eigene Verwaltungszentrale. Gratian z. B., der am 24.8.367 erhoben wurde, übernahm die Herrschaft erst nach dem Tod seines Vaters Valentinians I. am 17.11.375. Bei Honorius war die Zeitspanne kürzer, und Eugenius’ Usurpation wegen war das Verfahren komplizierter. Honorius wurde am 23.1.393 in Konstantinopel Augustus für den westlichen Reichsteil und nomineller Mitherrscher neben seinem Vater. Seine Anerkennung im Westen erfolgte erst nach der Niederlage des Usurpators Eugenius im Herbst 394. Unmittelbar bevor er die Herrschaft tatsächlich im Westen nach dem Tod seines Vaters am 17.1.395 übernehmen mußte, ließ Theodosius, der sein Ende nahen sah, ihn aus Konstantinopel nach Mailand kommen, weil er im Westen Schwierigkeiten bei der Übernahme der Herrschaft durch Honorius befürchtete. Dieser nahm am Tag vor seines Vaters Tod zusammen mit ihm im Hippodrom an Pferderennen teil. Als Theodosius am Nachmittag nicht mehr die Kraft hatte, im Hippodrom anwesend zu sein, wurden die Rennen unter Honorius’ Vorsitz weitergeführt, sozusagen ein vorweggenommener Übergang zur tatsächlichen Übernahme der Herrschaft durch Honorius am folgenden Tag599. Wenn die nominellen Kollegen tatsächlich ihr Amt antraten, wandten sie sich in Schreiben an die wichtigen Gruppen600 oder stellten sich ihnen persönlich vor. 597 Versuche, die Anerkennung durch den Senat als entscheidenden Akt und damit als dies impe­ rii zu betrachten, sind mit den Quellen nicht zu stützen. Zu solchen Versuchen vgl. die Diskussion bei Tantillo 1997, 431 zum 9. Sept. 337, als die Söhne Konstantins zu Augusti erhoben wurden. 598 Vgl. etwa Bagnall 1987, 26–35 zur benötigten Zeit. 599 Soc. 5, 26, 2. 600 Zu Gratian vgl. n. 632.

154

III. Der Kaiser, D. Die Anerkennung und Bestätigung des neu erhobenen Kaisers

In der Phase der Übernahme der Herrschaft bestand nicht nur die Gefahr von Usurpationen, sondern es konnten auch Zweifel aufkommen, ob die Erhebung ordnungsgemäß verlaufen war oder ob es sich nicht vielmehr um einen Staatsstreich handelte und der neue Kaiser gar nicht legitimiert war. Die Phase der Übernahme der Regierungsgewalt wird generell als kritisch betrachtet601. Der Kaiser muß darauf bedacht sein, daß sein Herrschaftsanspruch überall bekannt und anerkannt wird und keine weitere Erhebung stattfindet, die ihm einen Konkurrenten schafft. Es läßt sich allerdings kein Versuch zu einem Staatsstreich oder gar ein gelungener unmittelbar nach der Übernahme der Regierungsgewalt durch einen Augustus belegen, der als legitim galt. Es gab aber Probleme bei der Anerkennung der Herrschaft Iovians und bei der Nachfolge des nominellen Augustus Gratian nach Valentinians I. Tod 375, als Valentinian II. innerhalb von dessen Gebiet erhoben wurde. Ebenso konnte der nominelle Augustus Valentinian II., der im Westen residierte, nach Valens’ Tod 378 nicht die Herrschaft im Ostteil des Reiches übernehmen. Von der Erhebung zum Kaiser deutlich zu trennen sind daher die Mitteilung des neu erhobenen von seiner Wahl an verschiedene Gruppen und die Anerkennung und damit Bestätigung seiner Herrschaft durch diese. Die Erhebung macht den Anspruch auf Ausübung der Herrschaft und auf Gehorsam deutlich, die Bestätigung durch wichtige Gruppen zeigt die Anerkennung dieses Anspruches. Es geht um die Gruppen und Personen, die nicht unmittelbar an seiner Erhebung beteiligt oder am Ort der Erhebung gegenwärtig waren, aber für die Ausübung der Herrschaft entscheidend waren. Dies gilt für seine Kollegen, für die Einheiten des Bewegungsheeres und für die bedeutenden Amtsträger, die sich nicht beim co­ mitatus aufhielten, für die Senate in Rom und Konstantinopel, für das Volk in den Residenzstädten, besonders in Konstantinopel, solange es dort als Teil der Wahlversammlung noch nicht an der Erhebung direkt beteiligt war, und für die Kirche, d. h. ihre entscheidenden Vertreter. Selten erwähnt werden die foederati, aber ohne deren Anerkennung war ein neu erhobener Herrscher im 5. Jhd. kaum regierungsfähig. Anerkennung finden mußte er auch bei auswärtigen Völkern, wenn er mit ihnen Verträge abschloß602. Die Zustimmung wichtiger Gruppen und Personen zur Erhebung eines Kaisers kann dieser mit großer Verspätung folgen. Die Bestätigung einer unbestrittenen Erhebung im vorgesehenen Herrschaftsbereich ist zwar in der Regel eine bloße Formsache, aber eine notwendige Ergänzung zu jener, ohne die sie in politischer Hinsicht ohne Wirkung bliebe. Der Ablauf der Bestätigung läßt zugleich die Mechanismen der Übernahme der Herrschaft erkennen und die Bedeutung, die eine unbestrittene Legitimierung des neu erhobenen Kaisers hat. Wenn diese auch nur die geringsten Zweifel erweckt, wie etwa beim Herrschaftsantritt Iovians 363, oder die Person des 601 Vgl. z. B. Amm. 25, 8, 9: si casus novi quidam exsurgerent; 25, 10, 7. Vgl. Soc. 5, 26, 1 zur Übergabe der Herrschaft als generell kritischer Phase. 602 Sidon. epist. 5, 6, 2. Iulius Nepos’ gerüchteweise geplante Anerkennung im Herbst 474 durch die Stadt Vaison geschieht gegen den Willen der Burgunder. Vgl. Kaufmann 1995, 194. Zu Nepos’ Anerkennung im Westen als Kaiser durch die Vandalen im Friedensvertrag von 474 vgl. Lippold 1972, 159.

III.D.1 Allgemeine Überlegungen

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neuen Augustus umstritten ist, wie z. B. Marcian 450, ist die Bestätigung keine bloße Formsache mehr. Die Anerkennung des Herrschaftsanspruches findet ihren Ausdruck in Ritualen, die Zustimmung zur Übernahme des kaiserlichen Amtes ausdrücken, besonders in Akklamationen603, und im Gehorsam gegenüber den Maßnahmen, die der neue Kaiser trifft wie z. B. Ernennungen604, oder dem Ablegen des Eides auf ihn. Um sich der Zustimmung zu seiner Erhebung und des Gehorsams zu versichern, machte der, der neu auf den Thron gelangt war, sofort davon Mitteilung. Es wurden Schreiben an die Provinzstatthalter, wichtige Städte und die Truppenkommandanten geschickt, die die Erhebung mitteilten, und es wurde erwartet, daß der neue Herrscher mit Akklamationen freudig begrüßt wurde. Um 390 waren Johannes Chrysostomus’ Zuhörer in Antiochia mit einer Zeremonie vertraut, bei der die Bevölkerung Mitteilungen des Kaisers entgegennahm. Man versammelte sich im Theater und hörte stehend und schweigend deren Verlesung durch den Statthalter oder den comes Orientis zu. Jede Störung konnte als Majestätsbeleidigung mit dem Tode bestraft werden. Am Schluß folgten Akklamationen. Honorati und decuriones waren verpflichtet, bei der Verlesung eines Schreibens anwesend zu sein. Die Mitteilung vom Amtsantritt eines Herrschers dürfte ganz ähnlich verlaufen sein605. Für die Regelung wichtiger Fragen schickte er gleich nach seiner Erhebung Gesandte aus606. Wichtige Gruppen oder Städte suchte er selber auf, um sich als Herrscher begrüßen zu lassen. Diese Mitteilungen des Amtsantrittes haben auch ein spätes Zeugnis in den Schreiben des Gotenkönigs Athalaricus hinterlassen, in denen er verschiedene Gruppen und Personen darüber informiert607. Neben die direkte Mitteilung durch Schreiben und Gesandte treten andere wie die durch die Münzprägung und die über die Vergabe der Donative. Ebenso werden seine Bilder (imagines laureatae) überall hin geschickt und feierlich empfangen. 603 Vgl. zu solchen Akklamationen für Iulian, besonders auch nach seiner Anerkennung als Augustus Szidat 1996, 97/98. Solche acclamationes können auch inschriftlich erfolgen. Vgl. zu Iulian Szidat 1996, 97; S. Conti, Die Inschriften Kaiser Julians, Stuttgart 2004, Nr. 6, 9, 11. Vgl. generell auch Ando 2000, 203 n. 147. 604 Vgl. z. B. die Ernennungen Iovians Amm. 25, 8, 9–12. Zum Ablegen des Eides vgl. n. 245. 605 Vgl. Ioh. Chrys. hom. 19, 9 in Mt. = PG 57, 285; Lib. or. 1, 157. Iohannes Chrysostomos spricht von den Statthaltern (u{patoi) oder dem comes Orientis (u{parcoi). Zu u{pato~ vgl. H. J. Mason, Greek Terms for Roman Institutions, Toronto 1974, 96, 196, zu u{parco~ vgl. Petit 1955, 170 n. 9. Zum Verfahren bei der Verlesung kaiserlicher Mitteilungen vgl. etwa Ando 2000, 108–117, 181 (zu Ioh. Chrys. hom. 19, 9 in Mt. = PG 57, 285). Allgemein zu weiteren Belegen für das Zusammenspiel von Vertretern des Kaisers und der Volksversammlung vgl. Jones 1973, 722/723. 606 Überliefert ist deren Absendung für Iovian nach seiner Erhebung, weil er sich der Anerkennung seiner Herrschaft, besonders im Westen, nicht sicher war (Amm. 25, 8, 7 sqq.; 25, 10, 6–11). 607 Cassiod. var. 8, 1–8. Cassiod. var. 8, 1 etwa ist an den Kaiser in Konstantinopel gerichtet (vgl. zu diesem Schreiben B. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft bei Cassiodor: Leben und Ethik von Römern und Germanen in Italien nach dem Ende des West­ römischen Reiches, Bern 1992, 165–167); 8, 2 an den Senat in Rom. Athalaricus trat am 30.8.526 die Herrschaft an.

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III. Der Kaiser, D. Die Anerkennung und Bestätigung des neu erhobenen Kaisers

Dabei wurde eine Botschaft des Kaisers verlesen608. Die Bilder wurden in der Regel durch die Provinzstatthalter in die einzelnen Städte eingeführt. Die Aussendung der Bilder insgesamt veranlaßte und überwachte der PPO609. Die Mitteilung von der Übernahme der Herrschaft konnte im eigenen Herrschaftsgebiet durch den neu erhobenen selbst erfolgen, wie man es für Valentinian I. vermuten muß, oder durch den Kaiser, der ihn ins Amt gebracht hatte. In den Herrschaftsgebieten der Kollegen erfolgte sie durch diese. Die Quellen historiographischen Charakters berichten in der Regel gar nicht über diese Bestätigungsakte, weil sie selbstverständlich waren und sich meistens keine Probleme dabei stellten. Ihre Erwähnung ist immer als Zeichen einer besonderen Situation zu werten. Unsere Quellen unterscheiden in der Regel nicht deutlich zwischen Erhebung und Anerkennung durch wichtige Gruppen. Sehr deutlich zeigt sich dies im Panegyrikus, den Sidonius Apollinaris für Maiorian verfaßte. Dort heißt es: ordo omnis regnum dederat, plebs, curia, miles| et collega simul610. Der auctor (collega) schlägt vor611, d. h. der Kaiser in Konstantinopel, und das Heer (miles) erhebt. Der Senat (curia) anerkennt und das Volk (plebs) drückt seine Zustimmung durch acclama­ tiones aus. Senat und Volk werden aber ohne Bedenken mit ihrer Zustimmung auf die gleiche Ebene wie der auctor und das Heer gestellt, obwohl nur diese die Erhebung vollziehen. Wie wichtig für die antiken Quellen die Bestätigungsakte sein konnten, die zugleich ja auch immer Legitimierungsakte waren, zeigt der Bericht, den Hydatius über Avitus’ Erhebung gibt. Er erwähnt darin neben der Erhebung zweimal die Anerkennung seiner Herrschaft in Rom612. Weil Bestätigungsakte sich im Laufe der Regierung eines Herrschers immer wiederholten wie etwa bei seinem adventus in einer Stadt oder bei einem persönlichen Auftreten im Senat, obwohl schon lange vorher die offizielle Mitteilung des Amtsantrittes erfolgt und dieser freudig begrüßt worden war, ist es oft nicht möglich, die erste Bestätigung chronologisch festzulegen und damit die Übernahme der 608 Vgl. n. 148, 605. 609 Zur Rolle der Provinzstatthalter (a[rconte~) vgl. Kruse 1934, 42–44. In Aegypten sind es die duces, die auch als leitende Organe der kaiserlichen Provinzverwaltung zu betrachten sind. Zu den Belegen vgl. etwa Cod. Theod. 15, 4, 1 = Cod. Iust. 1, 24, 2; Cod. Theod. 8, 11, 4 = Cod. Iust. 12, 63, 1; Ioh. Damas. or. 3 (PG 94, 1409A = Die Schriften des Johannes von Damaskos, ed. B. Kotter, 3. Bd. Berlin / New York 1975, 194). Zur Rolle des PPO vgl. Kruse 1934, 44 und etwa Zos. 4, 37, 3 (vgl. Paschoud 1979, 423– 426). 610 Sidon. carm. 5, 387/388. Vgl. auch Sidon. carm. 2, 18–24: te (sc. Anthemius) prece ruricola expetiit, te foedere iunctus| adsensu, te castra tubis, te curia plausu,| te punctis scripsere tri­ bus collegaque misit| te nobis regnumque tibi; suffragia tot sunt| quanta legit mundus. 611 Dies stimmt in Maiorians Fall nicht. Vgl. S. 253–255. 612 Vgl. Hyd. Lem. 163 = 156 Burgess = Chron. min. 2, 27: Ipso anno in Galliis Avitus Gallus civis ab exercitu Gallicano et ab honoratis primum Tolosa, dehinc apud Arelatum Augustus appellatus Romam pergit et suscipitur; und Hyd. Lem. 166 = 159 Burgess s. a. 455 = Chron. min. 2, 28: Per Avitum, qui a Romanis et evocatus et susceptus fuerat imperator, legati ad Marcianum pro unanimitate mittuntur imperii.

III.D.2 Die Mitteilung an die Amtskollegen

157

Herrschaft in einem bestimmten Gebiet sicher zu datieren. Erfolgte z. B. die Anerkennung von Avitus’ Kaisertum in Rom schon vor seiner Ankunft in der Stadt gegen Mitte Oktober 455? Man wird es annehmen können613, obwohl Hydatius jene erst mit dessen persönlichem Erscheinen in Rom verbindet. Die Bestätigung der Erhebung wird im vorgegebenen Herrschaftsgebiet gesucht, auf der Ebene des Reiches bei den Mitherrschern, dem Senat im anderen Reichsteil und den höchsten kirchlichen Würdenträgern wie dem Papst. Die Zustimmung wichtiger Gruppen bedeutete nicht die Zusage dauernder Loyalität. Diese konnte durch einen Usurpator in Frage gestellt werden. Sie mußte daher immer neu erprobt und gesichert werden. III.D.2 Die Mitteilung an die Amtskollegen Der neu erhobene Kaiser unterrichtet seine Kollegen davon, daß er die Herrschaft übernommen hat, und sucht um ihre Anerkennung nach. Sie erfolgt nicht automatisch. Nach dieser verkünden sie ihn als Kaiser in ihrem Herrschaftsgebiet614. Es folgen die Aufstellung der Bilder und die Prägung von Münzen615. Die Anerkennung durch die Mitherrscher vollzog sich meistens ohne Probleme und recht schnell. Deshalb wird in der Regel auch in den Quellen nicht darüber gesprochen. Sie war aber nicht selbstverständlich, und sie zu bekommen konnte auch viel Zeit beanspruchen616. Es war vor allen Dingen für Usurpatoren kaum möglich, sie zu erhalten. Über deren Bemühungen wird recht eingehend berichtet617. Das Vorgehen bei der Information der Mitherrscher und der Anerkennung durch diese ist ausführlich für 467 beschrieben, nachdem Anthemius bei Rom die Herrschaft im westlichen Reichsteil übernommen hatte. Obgleich er von Leo I. zum Kaiser für den Westen bestimmt worden und in dessen Auftrag dort zum Augustus erhoben worden war, läßt er seine imagines laureatae durch den hohen Amtsträger Heliocrates nach Konstantinopel überbringen. Leo erkennt Anthemius als Herrscher 613 Vgl. in diesem Sinn Henning 1999, 34/35 n. 42. Avitus’ Ankunft in Rom wird man nicht vor Mitte Oktober ansetzen dürfen. Henning 1999, 35 hält sie frühestens um den 5. Oktober für möglich, zwei Wochen nach Avitus’ Ankunft in Italien am 21.9.455. Dies würde eine sehr hohe Reisegeschwindigkeit voraussetzen. Obgleich Avitus wie Maiorian im Osten als Usurpatoren galten, können sie hier durchaus als Beispiel für ein normales Anerkennungsverfahren verwendet werden, weil ihre Amtsübernahme im Westen nicht bestritten war. 614 Das Nachsuchen um die Anerkennung ist in jedem Fall anzunehmen, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil belegt ist, was aber bei keinem Herrscher, der als legitim gilt, zutrifft. Die Auffassung Hennings (Henning 1999, 188), daß Marcian Valentinian III. seine Erhebung nicht mitgeteilt habe, ist daher unbegründet. Vgl. z. B. die Verkündigung der Erhebung Valentinians III. in Rom zum Augustus in Konstantinopel (Seeck 6, 410; vgl. Soc. 7, 25, 23: hJ ajnagovreu­ si~ … ejmhnuvqh peri; th;n trivthn kai; eijkavda tou` aujtou` mhno;~ ∆Oktwbrivou.). 615 Vgl. n. 148. 616 Constantius III. z. B. wurde von Theodosius II. nicht anerkannt, und zu den offensichtlichen Schwierigkeiten bei der Anerkennung Valentinians II. durch Gratian und Valens und zur Dauer dieses Verfahrens vgl. Girardet 2004. 617 Vgl. Abschnitt IV.G.1 Die Verhandlungen um Anerkennung, S. 312–317.

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III. Der Kaiser, D. Die Anerkennung und Bestätigung des neu erhobenen Kaisers

im Westen an und läßt dessen Bilder auch im Osten aufstellen. Anthemius’ Anerkennung erfolgt also nicht automatisch nach seiner Erhebung, wie es im Rahmen der ersten Tetrarchie geschah, sondern bedurfte eines besonderen Verfahrens. Man wird das Vorgehen, den Vorschlag durch den auctor und die Anerkennung durch diesen in zwei getrennten Zeremonien vorzunehmen, bei den Thronbesteigungen während der Mehrkaiserherrschaft immer dann annehmen dürfen, wenn der Kollege in einem anderen Reichsteil als dem seines auctor herrschen sollte. Nach der Übernahme der Herrschaft suchte er um Anerkennung nach618. Nur wenn er für denselben Bereich als Kollege eingesetzt wurde, war eine besondere Anerkennung in diesem nicht nötig619. Die Anerkennung durch weitere Mitherrscher erfolgte offensichtlich nach dem gleichen Verfahren, wie es für Anthemius geschildert ist. III.D.3 Die Anerkennung durch wichtige Gruppen Armee und Verwaltung Für die Anerkennung und Bestätigung eines neuen Kaisers waren nicht alle gesellschaftlichen Gruppen von gleicher Bedeutung. Im Vordergrund stehen die Soldaten des Bewegungsheeres und deren Kommandanten, die Würdenträger in der Verwaltung außerhalb des comitatus, der Senat und die Vertreter der Kirche sowie das Volk der Residenzstädte oder anderer wichtiger Städte. Sie drücken mit den vorgegebenen Zeremonien ihre Anerkennung des Kaisers aus und unterstellen sich so seiner Herrschaft. Zwei wichtige Gruppen bilden die Offiziere des Bewegungsheeres sowie die Amtsträger außerhalb des comitatus wie die PPO und die Statthalter in den Provinzen. Das Personal der officia, der Büros der Führungskräfte, oder die Soldaten der 618 Vgl. C. P. 1, 87 generell zur Anerkennung durch den Kollegen und besonders 1, 87 S. 395, 10–396, 7 zu der von Anthemius durch Leo I., die als Beispiel angeführt wird. Zur Stelle vgl. Ando 2000, 250; Gillett 2003, 223/224. Heliocrates (C. P. 1, 87 S. 395, 13) ist sonst unbekannt. Es muß sich um einen hohen Amtsträger handeln. C. P. 1, 87 S. 394, 1–7 erwähnt als mögliche Gesandte einen PPO, den mag. off. oder den CSL. Für die Anerkennung durch den Mitherrscher gebraucht Constantinus Porphyrogenitus das Verb bebaiovw (C. P. 1, 87 S. 395, 5: eja;n d;e; bebaiwvsei – sc. der anerkennende Kaiser – th;n basileivan). 619 Dies kann man etwa bei Gratians Erhebung zum Augustus voraussetzen, dessen Bild Valentinian I. in seinem Herrschaftsgebiet verbreiten lassen konnte. Mindestens formell wird Valens Gratian in einem gesonderten Verfahren anerkannt haben und dessen Thronbesteigung in seinem Reichsteil verkündet haben. Amm. 27, 6, 12: ut patris patruique collega (aus der Rede Valentinians I. nach der Investitur Gratians) und Amm. 27, 6, 15: consurrectum est … in lau­ des (sc. Akklamationen der Wahlversammlung nach der Rede Valentinians I.) maioris princi­ pis (sc. Valentinianus I.) et novelli (sc. Valens) maximeque pueri (sc. Gratianus) lassen erkennen, daß Valentinian I. und die Wahlversammlung die Anerkennung durch Valens als selbstverständlich voraussetzen. Auch als Constantius III. von Honorius in dessen Reichsteil als Kollege eingesetzt wurde, erübrigte sich eine besondere Anerkennung durch diesen. Die Meinung Bruuns (vgl. Bruun 1976, 125), daß die Bilder nur an den zuständigen Augustus geschickt werden, nicht an alle im Amt befindlichen und somit lediglich er anerkennt, greift zu kurz. Bei Constantius’ III. Erhebung war der zuständige Augustus Honorius, der ihn zum Kaiser machte, aber Theodosius II. verweigerte die Anerkennung (vgl. n. 155).

III.D.3 Die Anerkennung durch wichtige Gruppen

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Einheiten trafen in der Regel keine selbständige Entscheidung. Sie folgten ihren Vorgesetzten. Normalerweise befindet sich die Hauptmacht des Heeres beim comitatus, hat an der Erhebung teilgenommen, den neuen Kaiser anerkannt, ihr Donativ erhalten und den Eid geleistet. Das gleiche Verfahren galt für die Amtsinhaber am comita­ tus. Den militärischen Einheiten, die nicht mit dem comitatus zogen, und ihren Kommandanten wird die Übernahme der Herrschaft durch Gesandte mitgeteilt620. Sie werden durch ihre Befehlshaber vereidigt, zu treuem Dienst aufgefordert621 und erhalten ein Donativ. Abgesandte bestätigen ihre Verpflichtung auf den neuen Kaiser622. Zugleich konnten neue Kommandanten eingesetzt werden623. Das gleiche Verfahren kam bei den Angehörigen der regionalen Verwaltung und der Provinzverwaltung zur Anwendung. Auch ihnen wird die Erhebung durch Gesandte und Schreiben mitgeteilt624. Sie werden auf den Kaiser vereidigt und erhalten ein Donativ. Den wichtigen Verwaltungszentren wird dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt625. Die Bereitschaft der hohen Amtsträger und der militärischen Kommandanten zum Gehorsam wurde unter normalen Umständen als gegeben betrachtet und konnte etwa bei einem adventus des Kaisers persönlich, seines Bildes oder seiner Beamten626 erneut bekundet werden. Es gab aber Situationen, wo sich der Kaiser unmittelbar nach seiner Erhebung ihrer Bereitschaft, seine Herrschaft anzuerkennen, besonders versichern mußte. So hielt es Iovian 363 für notwendig, die Herrschaft über die Verwaltungszentrale in Mailand und die Armee in Gallien zu sichern sowie ihm loyale Kommandanten einzusetzen. Dazu wollte er generell im Westen die Meinung über die Übernahme der Herrschaft durch ihn einholen, wo er nicht zu Unrecht Anhänger Iulians vermutete, die seinem Amtsantritt nicht wohlwollend gegenüberstanden627. Deshalb wird das ganze Vorgehen bei der Übernahme der Herrschaft durch ihn von Ammian auch in einer gewissen Ausführlichkeit überliefert. Iovian betrachtete seine Anerkennung im Westen nicht als hinreichend gesichert, weil dort zahlreiche Anhänger Iulians in entscheidenden Positionen im Amt waren wie etwa Flavius Sallustius, der PPO Galliarum, Claudius Mamertinus 2, der PPO Italiae, Africae et Illyrici und Iovinus, der mag. mil. per Gallias. Zudem war mit 620 Vgl. z. B. Amm. 25, 8, 12. 621 Vgl. z. B. Amm. 15, 6, 3. 622 Vgl. z. B. Amm. 25, 10, 8. 623 Vgl. z. B. Amm. 25, 8, 9.10. 624 Vgl. z. B. Amm. 25, 8, 12. 625 Vgl. z. B. Amm. 25, 8, 9: Iovian läßt seinem Schwiegervater Lucillianus (vgl. den Boeft 2005, 264–266), der in Sirmium im Ruhestand lebt, durch Abgesandte die Ernennung zum Heermeister mitteilen und ihn nach Mailand eilen, um möglichen Umsturzversuchen entgegenzuwirken. 626 Zum adventus des Kaisers persönlich vgl. MacCormack 1972 u. 1981; Lehnen 1997 passim; Delmaire 1997a, 42/43; zu dem seiner Amtsträger Lehnen 1997, 318–341; zu dem seiner Bilder vgl. n. 148. 627 Amm. 25, 8, 8–13; 25, 8, 12; zu den Reaktionen in Gallien vgl. Amm. 25, 10, 6–11. Sie zeigen, daß Iovians Herrschaft nicht als gesichert zu betrachten ist.

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III. Der Kaiser, D. Die Anerkennung und Bestätigung des neu erhobenen Kaisers

Iovians Erhebung ein Wechsel in der Dynastie eingetreten. Auch im Osten war Iovians Herrschaft keineswegs unumstritten und wurde in Frage gestellt. Dazu trug besonders der Friedensvertrag bei, den er mit den Persern abschließen mußte628. Der Senat629 Bei der Betätigung der Erhebung spielen der Senat in Rom und der in Konstantinopel eine besondere Rolle. Seiner besonderen politischen und sozialen Bedeutung wegen ist seine Zustimmung zur Wahl, die sich in entsprechenden Akklamationen äußert, von großer Wichtigkeit. Sie ändert aber an der Stellung des Kaisers nichts. Die Bestätigung muß auch nicht die erste oder einzige Kontaktaufnahme zwischen Senat und Herrscher nach dessen Erhebung sein630, sie hat aber offensichtlich den Charakter eines Rituals. Die Zustimmung wird bei einem Kaiser, dessen Erhebung als legitim betrachtet wird, niemals verweigert. Das ging schon wegen der bestehenden Machtverhältnisse nicht. Änderten sich diese aber und erlaubten einen offeneren Ausdruck der eigenen Meinung, so konnte deutlich werden, daß die Zustimmung auf keinen Fall dauerhaft sein mußte und entzogen werden konnte. Als deutlich von der Erhebung getrennter Akt ist die Bestätigung durch den Senat dann besonders gut zu fassen, wenn die Erhebung nicht in Rom oder Konstantinopel stattfand. Die Verwendung des Senates zur Legitimierung steht in einer langen Tradition. So ließ sich Konstantin vom Senat 312 nach seinem Sieg über Maxentius zum amts­ ältesten Kaiser erklären, und Stilicho ließ mit Hilfe des Senates Gildo zum hostis publicus erklären631. Der neu erhobene Herrscher teilt dem Senat in Rom632 und seit der Mitte des 4. Jhd. auch dem in Konstantinopel seine Erhebung förmlich mit. Sie nehmen die Erhebung zustimmend auf und bestätigen sie damit. Diese Bestätigung ist jedoch für die Ausübung der Herrschaft nicht notwendig. Sie bildet keinen Bestandteil seiner Einsetzung als Kaiser. Der Kaiser kann ohne sie regieren und benötigt sie nicht, um über die notwendigen rechtlichen Kompetenzen zu verfügen. Dies ist ein 628 Vgl. Seeck 1916, 2010; Zos. 3, 34, 3; Paschoud 1979, 233 n. 101. 629 Zur Rolle des Senates vgl. sehr knapp und ohne Differenzierung Demandt 2007, 255. Er vertritt irrtümlicherweise die These, daß nur noch Iulian dem Senat seine Erhebung angezeigt habe. Dies blieb aber gängige Praxis. Zur Bestätigung der Usurpatoren und der Kaiser im Westen nach 455, die als Usurpatoren zu betrachten sind, durch den Senat vgl. IV.F.6 Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen – Der Senat als Bestätigungsorgan, S. 290/291. 630 Eutropius 2 wurde nach Theodosius’ Herrschaftsantritt nach Rom geschickt, um dort dessen Politik bei Symmachus und seinem Kreis, die seine Erhebung unterstützt hatten, zu vertreten (Symm. ep. 3, 50 und Pellizzari 1998, 46, 178). Eutropius scheint nicht offiziell die Nachricht von Theodosius’ Erhebung überbracht zu haben. Diese Interpretation von Eutropius’ Rolle hängt davon ab, ob man Symmachus’ Brief auf 379 datiert und den dort erwähnten comitatus (dum Roma comitatum repetis) mit dem von Theodosius gleichsetzt. 631 Lact. mort. pers. 44, 11; PLRE 1, 396. 632 Vgl. z. B. die Botschaft Gratians an den Senat, die am 1. Jan. 376 verlesen wurde und einen Wandel der Politik ankündigte (vgl. Symm. ep. 1, 13 und dazu Seeck 5, 41/42; Seeck 1919, 246; Pabst 1989, 266.).

III.D.3 Die Anerkennung durch wichtige Gruppen

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deutlicher Unterschied zum frühen Prinzipat. Diese Bestätigung ist aber politisch von großer Bedeutung. Sie war als feierlicher Akt der Anerkennung selbstverständlich nicht notwendigerweise mit dem persönlichen Erscheinen vor dem Senat verbunden, sondern erfolgte, nachdem die Erhebung durch eine förmliche schriftliche Mitteilung dem hohen Haus zur Kenntnis gebracht worden war. Ihr kann eine informelle Benachrichtigung vorangehen, wie man aus der Tatsache vermuten muß, daß die Bestätigung oft erst recht spät erfolgte. Die Kenntnisnahme von der Erhebung durch den Senat zeigt wie die durch andere Gruppen auch, welche für den Kaiser wichtig sind und durch ihre Akklamation die Zustimmung zu seiner Erhebung geben633. Die Bestätigung durch den Senat in Rom und Konstantinopel konnte durchaus mit großer Verspätung folgen. Dies ergab sich im 4. Jhd. schon zwangsläufig daraus, daß kein Kaiser in Rom und nur Valens, Arcadius und Honorius in unmittelbarer Nähe von Konstantinopel erhoben wurden. Sie waren dennoch sofort handlungsfähig, und ihre Entscheidungen mußten nicht wie im frühen Prinzipat nachträglich legitimiert werden, wenn eine Übertragung der Kompetenzen durch den Senat nicht sofort möglich war634. Der Kaiser ist auch ohne die Bestätigung durch den Senat Kaiser, was man z. B. an den späten Anerkennungen durch den Senat im 4. und 5. Jhd. sieht. Valentinian starb am 17.11.375, die offizielle Mitteilung Gratians von der Übernahme der Herrschaft erreichte den Senat in Rom am 1.1.376 eineinhalb Monate später635. Man denke auch an die von Theodosius636. Er wurde zuerst durch den Senat in Konstantinopel anerkannt. Eine Gesandtschaft überbrachte die Mitteilung davon im Frühjahr 379 nach Thessalonike. Theodosius selbst kam erst am 24.11.380 nach Konstantinopel. Wenn die Bestätigung in Zusammenhang mit einem persönlichen Auftritt des Herrschers vor dem Senat berichtet wird und erst sehr viel später als die Erhebung erfolgt wie z. B. bei Avitus, ist es denkbar, daß es sich um eine Wiederholung der Anerkennung handelt. Ein Bericht darüber ist aber immer als Betonung der Bedeutung des Ereignisses zu betrachten. Die Bestätigung wurde auch wiederholt, wenn die Anerkennung eines Herrschers unterbrochen worden war. So wurde Konstantin 312 nach seinem Sieg über 633 Der Senat in Rom spricht keine „offizielle“ Anerkennung des Kaisers bis Theodosius aus (I. König, Kleine römische Geschichte, Stuttgart 2001, 279). Es handelt sich auf keinen Fall um einen rechtswirksamen Akt. 634 Vgl. n. 124. 635 Vgl. n. 632. 636 Vgl. Them. or. 14, 3, 182A: bebaiou`sa prwvth (sc. früher als Rom) th;n yh`fon th`~ ajnarrhv­ sew~. Gerade die Wendung bebaiou`sa zeigt sehr deutlich, daß es nur um eine Bestätigung geht und nicht um Theodosius’ Erhebung durch den Senat (zum Gebrauch von bebaiovw in diesem Sinn vgl. C. P. 1, 87 S. 395, 5.). Die Bestätigung erfolgte auch sehr viel später, während Theodosius sofort handlungsfähig ist. Zur 14. Rede und den Umständen der Anerkennung vgl. Dagron 1974, 196. Er sieht darin generell eine Meinungsäußerung zu den Problemen des Reiches. Sicher ist auf jeden Fall die formelle Rolle der Bestätigung.

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III. Der Kaiser, D. Die Anerkennung und Bestätigung des neu erhobenen Kaisers

Maxentius erneut von Senat und Volk bestätigt637. Der Senat brachte damit zum Ausdruck, über den Wechsel von Maxentius zu Konstantin erfreut zu sein, und anerkannte ihn erneut als Herrscher an. In solchen Fällen wurde der Senat offenbar selbst aktiv, wie unsere Überlieferung erkennen läßt, wenn sie detailliert genug ist. So schickte der Senat nach Constantinus’ II. Sturz eine Gesandtschaft an Constans, die Titianus, der PVR, leitete, ebenso nach Magnentius’ Fall an Constantius II., der der PVR Vitrasius Orfitus vorstand638. Der Senat als Körperschaft spielte aber nicht nur eine Rolle bei der Erhebung eines Kaisers, sondern auch bei der dauerhaften Sicherung der Herrschaft. Kein Usurpator konnte sich einen länger dauernden Erfolg erhoffen, wenn er nicht wenigstens einen der beiden Senate dazu veranlassen konnte, ihn als Kaiser anzuerkennen. Die Kirche Im Westen des Reiches war die Kirche im 4. u. 5. Jhd. an der Erhebung und Einsetzung des Kaisers nicht direkt beteiligt. Eine Mitteilung an die Kirche, d. h. an die Bischöfe und besonders an den Papst, von seiner Erhebung, so wie er sie an den Senat machte, wird in den Quellen erst spät überliefert, ist aber wohl recht früh anzunehmen639, denn wenn aktueller Anlaß geboten war, teilte auch der Kaiser aus dem anderen Reichsteil seine Erhebung wichtigen kirchlichen Würdenträgern mit, wie es Marcian in einem Schreiben an Papst Leo tat oder Leo I. an denselben Papst oder der oströmische Kaiser Iustinus I., der Papst Hormisdas in einem Brief vom 1.8.518 seine Erhebung anzeigte640. Ebenso ist es seit der Mitte des 4. Jhd. sogar 637 Lact. mort. pers. 44, 10: susceptus imperator. 638 Zu Titianus’ Gesandtschaft im Mai 340, die Constans die Glückwünsche des Senats zur Niederwerfung Constantinus’ II. überbrachte, vgl. Chronogr. a. 354 s. a. 340 = Chron. min. 1, 68: ex die III non. Maias in IIII id. Iun. Iunius Tertullus vicarius cognovit, eo quod ad Augustum (sc. Constans) profectus est, postea reversus Fabius Titianus praefectus urbis. Zu Vitrasius Orfitus’ Gesandtschaft vgl. Chastagnol 1962, 142. 639 Sprechen unsere Quellen vom Erhebungs- und den Bestätigungsakten im Westen, wird die Kirche nicht erwähnt (vgl. z. B. Sidon. carm. 5, 387/388). Erst der Brief an den Bischof Victorinus, dessen Sitz unbekannt ist, von 526, der den Amtsantritt des Gotenkönigs Athalaricus mitteilt, ist ein Beleg dafür (Cassiod. var. 8, 8). Der Brief steht wohl stellvertretend für die Mitteilung der Herrschaftsübernahme an kirchliche Würdenträger überhaupt (vgl. S. Krautschick, Cassiodor und die Politik seiner Zeit, Bonn 1983, 87). Auch Usurpatoren informieren die Kirche über ihre Erhebung. Vgl. n. 1167. 640 Leo M. epist. 73. Vgl. ACO 2, 1, 1 S. 10, 5–18 (griech.); 2, 3, 1 S. 17, 17–28 (lat.). Marcian teilt Papst Leo Ende August/Anfang September 450 mit, daß er electione senatus excellentis­ simi cunctaeque militiae erhoben worden sei und meint damit den Wahlvorschlag durch die führende Gruppe und die Erhebung durch die Wahlversammlung. Als Absender des Briefes nennen sich Valentinian III. und Marcian. Nach Seeck 6, 270 ist es das erste Mal, daß ein ost­ römischer Kaiser Mitteilung von seiner Erhebung an den Papst macht. Man wird eher sagen müssen, daß unsere Überlieferung uns vorher im Stich läßt, und darf annehmen, daß seit den Söhnen Konstantins dies üblich war. Zu Leos I. Mitteilung vgl. Leo M. epist. 87 vom 11.7.457 (ACO 2, 4 S. 95/96). Zu Iustinus’ Mitteilung vgl. Coll. Avell. 141: Iustinus spricht von seiner Wahl durch die amplissimi proceres sacri nostri palatii und den sanctissimus senatus, womit

III.D.3 Die Anerkennung durch wichtige Gruppen

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üblich, Bischöfe selbst über kaiserliche Jubelfeiern zu informieren, was Mitteilungen über Erhebungen fast als selbstverständlich erscheinen läßt641. Im Osten dagegen ist seit der Mitte des 5. Jhd. die Beteiligung des Patriarchen an der Auswahl und Erhebung eines neuen Kaisers belegt. Der Patriarch konnte eine entscheidende Rolle spielen. Er mußte nicht mehr gesondert informiert werden. Dazu kommt, daß im 5. Jhd. die Kaiser in Konstantinopel erhoben werden, also keine räumliche Trennung gegeben war. Er übergibt aber nie mit dem Aufsetzen des Diadems die Herrschaft, weil der Kaiser auch ohne die Krönung durch den Patriarchen Kaiser ist642. Von der Beteiligung der Kirche an den Zeremonien bei der Anerkennung des Kaisers, besonders bei der Mitteilung einer Erhebung, beim adventus und beim Empfang der Bilder, berichten unsere Quellen sehr selten. Der öffentlichen Bedeutung der Kirche wegen muß man von deren Teilnahme etwa am adventus und beim Empfang der Bilder ausgehen643. Seit wann die Kirche daran beteiligt wird, ist uner die Führungsgruppe meint und den Begriff im Sinne des griechischen suvgklhto~ verwendet (vgl. den Exkurs „hJ suvgklhto~“, S. 379–387). Der Papst betrachtet die Mitteilung der Wahl als selbstverständlich, wie Coll. Avell. 142 zeigt. 641 343 macht Constantius II. den in Serdica versammelten Bischöfen Mitteilung von den Feiern aus Anlaß seiner Tricennalia, was jenen einen Vorwand zur Abreise gab (Athan. hist. Ar. 16, 2: wJ~ basilevw~ aujtoi`~ ejpinivkia kata; Persw`n gravyanto~). Während der Grund des Schreibens und seine Datierung umstritten sind (vgl. Libanios, Kaiserreden. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von G. Fatouros, T. Krischer, W. Portmann, Stuttgart 2002 [or. 59 Portmann], 41; McCormick 1986, 39/40, 105/106), ist die offizielle Mitteilung eines zu feiernden Anlasses gesichert. Wie kaiserliche Würdenträger oder Städte werden also auch Bischöfe durch Schreiben über wichtige Ereignisse informiert. 642 Vgl. n. 233. 643 Dies liegt am Genus der Panegyrik, die in der heidnischen Tradition steht, und bei einem heidnischen Historiker wie Ammian darf man davon ausgehen, daß er über die Präsenz der Kirche etwa bei Constantius’ II. Einzug in Rom 357 einfach schweigt. Kruse 1934, 46 verweist zurecht darauf, daß die Einführung der Kaiserbilder in die Kirche und vielleicht ihre dauernde Aufstellung darin in christlicher Zeit üblich geworden zu sein scheint, daß aber sichere Belege selten sind. Zu einem solchen aus dem Anfang des 7. Jhd. vgl. Kruse 1934, 45/46 (Empfang der Bilder des Usurpators Phocas durch Klerus und Senat in Rom). Honorius’ erster adventus in Rom im Herbst 403 (Anfang November) mit dem Besuch der Peterskirche zeigt die Bedeutung der Kirche beim adventus (Aug. serm. Dolbeau 22, 4 u. 25, 26; zur Datierung vgl. Dolbeau 1996, 245/246, 626, 640). Noch McCormick 1986, 102/103 glaubte, daß Honorius’ Einzug 404 (nach Dolbeau 403) in Rom keine christlichen Elemente enthielt. Ebenso skeptisch ist auch Dufraigne 1994, 249–268. Er lehnt eine Integration christlicher Elemente in den adventus für Honorius’ Einzug 403 und Valentinians 450 ab (S. 256) und glaubt (S. 267), daß eine solche erst 500 nachzuweisen ist, als Theoderich Rom besuchte. Für eine Teilnahme der Kirche vgl. man aber auch ärchäologische Zeugnisse wie etwa die Lage der Basilica Apostolorum an der via Romana (via porticata) in Mailand. Jene war damit direkt verbunden mit den zeremoniellen Aktivitäten. Ihre Errichtung in dieser Lage kann als Versuch gedeutet werden, der adventus-Zeremonie eine besondere christliche Dimension zu geben (vgl. McLynn 1994, 232). Man vgl. auch Valentinians III. Einzug in Rom am 21.2.450. Der Besuch am folgenden Tag zusammen mit Galla Placidia in der Peterskirche, wo er mit Papst Leo zusammentraf, ist zwar kein eigentlicher adventus mehr, weil er schon am Vortag in Rom eingezogen war, zeigt aber die Bedeutung, die der Kirche zugemessen wird (Leo M. epist. 55, 1 = PL 54 S. 858 = ACO 2, 3, 1 S. 13/14).

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III. Der Kaiser, D. Die Anerkennung und Bestätigung des neu erhobenen Kaisers

gewiß. Wahrscheinlich geht der Usus auf das Ende der Regierungszeit Konstantins zurück. Das Volk Im gesamten Reichsgebiet wurde die Erhebung eines neuen Herrschers dem Volk zur Kenntnis gebracht und dabei besonders in Form von Akklamationen bestätigt. In seinem Herrschaftsgebiet sind der neu erhobene selbst oder sein auctor dafür verantwortlich, während sonst seine Kollegen im Amt, die ihn anerkannten, es veranlaßten. Eine politisch sehr wichtige Rolle spielte das Volk bei der Bestätigung der Übernahme der Herrschaft vor allen Dingen in Konstantinopel. Bis zu seiner Teilnahme an der Wahlversammlung, die anläßlich der Erhebung Leos II. zum Augustus im Januar 474 erstmals faßbar ist, begrüßte es den neu erhobenen Kaiser, der vom Hebdomon in die Stadt einzog, im Hippodrom mit Akklamationen und anerkannte somit seine Herrschaft644. Die Rolle des Volkes bei der Bestätigung der Erhebung ist im Westen und in den Städten der Provinz generell von weniger großer Bedeutung, weil es keine Stadt gab, in der der Kaiser ständig residierte und seine Stellung durch Unruhen bedroht werden konnte. Die Bestätigung ist daher auch in der Überlieferung nur selten faßbar. Das Einverständnis des Volkes mit seinem Kaiser wurde aber auch im Westen nicht gering geachtet und keineswegs nur als formaler Akt betrachtet. So hielt es Theodosius I. für notwendig, seinen Sohn Honorius, der in Konstantinopel am 23. Jan. 393 als Herrscher für den Westen erhoben worden war, als der Usurpator Eugenius noch in Italien regierte, kurz vor seinem Tod am 17.1.395 aus dem Osten kommen zu lassen und dem Volk in der Residenzstadt Mailand vorzustellen, um Schwierigkeiten bei der Übernahme der Herrschaft durch jenen zu vermeiden645. Die Zustimmung des Volkes zur Übernahme der Herrschaft wurde einem Kaiser, der als legitim galt, nicht verweigert. Daß es sich auch in Zukunft loyal verhielt, spielte bei der Sicherung der Herrschaft im Westen wie im Osten eine wichtige Rolle646.

644 Vgl. C. P. 1, 91 S. 412, 17/18 zu Leo I. Die Erwähnung der Rede des libellarius läßt auf einen Auftritt im Hippodrom schließen. Die Schilderung, die Ammian (26, 6, 17/18. Vgl. n. 997) vom Vorgehen des Usurpators Procopius gibt, läßt dies ebenfalls erkennen. Nach der Erhebung folgt die Bestätigung durch das Volk im Hippodrom. 645 Vgl. Soc. 5, 26, 2. 646 Vgl. III.F.4 Die Bevölkerung der Städte, S. 196/197.

III.E.1 Das dynastische Prinzip

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III.E Wer kann Kaiser werden? III.E.1 Das dynastische Prinzip Bei der Erhebung von Amtskollegen spielte die Zugehörigkeit zur jeweils regierenden Familie im 4. u. 5. Jhd. wieder eine herausragende Rolle. Jene versuchte in der Regel, alle im Reich regierenden und nominellen Kaiser zu stellen, was aber nicht immer gelang. Es entstand jedoch keine Form der Erbmonarchie, denn eine solche hätte das Verbleiben der Familie auf dem Thron generell vorausgesetzt. Für den Fall, daß keine direkten Nachkommen vorhanden waren, wäre zu regeln gewesen, welche Verwandten Anspruch auf den Thron hatten. Ebenso hätte auch eine generelle Regelung der Reihenfolge für die Nachfolge der direkten Nachkommen getroffen werden müssen. Deren Stellung blieb aber ungeregelt. So wurde etwa der nachgeborene Sohn und spätere Kaiser Valentinian II. von seinem Vater Valentinian I. gar nicht als Herrscher in Betracht gezogen, weil sein älterer Halbbruder Gratian schon zum nominellen Augustus gemacht worden war. Wäre dieser überraschend verstorben, hätte Valentinian I. seinen jüngeren Sohn zuvor zum Mitherrscher erheben lassen müssen, damit dessen Nachfolge gesichert gewesen wäre. Die Regelung der Nachfolge auf der Grundlage des dynastischen Prinzips war eine Rückwendung zu der Zeit vor der Tetrarchie. Mit dem tetrarchischen System hatte Diokletian versucht, vom dynastischen Prinzip bewußt Abstand zu nehmen. Nachdem sein Versuch gescheitert war, eine Mehrkaiserherrschaft aufzubauen, ohne auf die Familienzugehörigkeit Rücksicht zu nehmen, griff Konstantin auf die­se bei der Erhebung von Kollegen im Amt zurück und machte daraus ein grundlegendes Prinzip. Seine Nachfolger blieben diesem treu und entwickelten es weiter647. Die erneute Bedeutung der Zugehörigkeit zur regierenden Familie für die Übernahme der Herrschaft führte aber durch das System der Mehrkaiserherrschaft zu anderen Regeln für die Nachfolge und für die Teilhabe an der Herrschaft als in der Zeit vor der Tetrarchie. Um den Verbleib der Familie auf dem Thron zu sichern, beteiligte man die Familienmitglieder, die für die Nachfolge vorgesehen waren, zu Lebzeiten an der kaiserlichen Stellung. Man erhob sie zu Mitherrschern, zu Caesares oder Augusti, wenn auch seit Gratians Erhebung 367 bis zu der Iustinians mit zwei Ausnahmen nur zu nominellen648. Damit griff man auf eine Lösung zurück, die sich seit dem Ende des 2. Jhd. entwickelt hatte. So hatte etwa Septimius Severus seine Söhne Caracalla und Geta noch zu seinen Lebzeiten zu Augusti erhoben, und später im 3. Jhd. findet sich dieses Vorgehen häufiger, so etwa bei Philippus Arabs und seinem Sohn M. Iulius Philippus, der aber von seinem Alter her nur ein nomineller

647 Kritisch gegenüber dem dynastischen Prinzip war dagegen Iulian (vgl. Wiemer 1995, 113– 118). 648 Zum Problem der nominellen Herrscher vgl. n. 160. Eine Ausnahme bilden Constantius III. und Zenon. Der erste wurde 421 von Honorius und der zweite von Leo II. 474 zum mitregierenden Augustus erhoben.

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III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?

Herrscher gewesen sein kann, oder Trebonianus Gallus und Volusianus 251649. Das Verfahren sicherte aber damals die jeweilige Dynastie nicht im gewünschten Maß, weil das System der Mehrkaiserherrschaft und ihre gesellschaftlichen und institu­ tionellen Vorgaben noch nicht existierten. Um sicherzustellen, daß das Mitglied der Dynastie, das für die Nachfolge vorgesehen war, diese auch antreten konnte, mußte also zur Zugehörigkeit zur Dynastie noch zu Lebzeiten des regierenden Kaisers eine Beteiligung an der kaiserlichen Stellung treten, eine Erhebung zum Mitherrscher, die sich in der Ernennung zum Caesar oder Augustus ausdrückte. Sie hatte in der überwiegenden Zahl der Fälle nominellen Charakter, garantierte aber die Übernahme der Herrschaft, wenn der Nachfolgefall eintrat. Die bloße Zugehörigkeit zur regierenden Familie bot im 4. und 5. Jhd. keine Gewähr dafür, auf den Thron zu gelangen. Man mußte vorher zum Mitherrscher ernannt worden sein. War kein Kaiser vorhanden, der als auctor tätig werden konnte, stand es nämlich jedem frei, sich auf den Thron zu schwingen, ohne als Usurpator zu gelten. Hier griff zwar die Führungsgruppe ein und bestimmte einen Kandidaten für den Thron, aber sie war in ihrer Entscheidung nicht an die Dynastie gebunden. Sie mußte auch nicht einen männlichen Nachkommen des Kaisers, der als erster oder im Purpur geboren, der nobilissimus puer war und schon das Konsulat übernommen hatte, also für die Erhebung zum Mitherrscher vorgesehen war, berücksichtigen. Sie tat es auch niemals. Das zeigt sich etwa an Varronianus, Iovians Sohn, der nach dem Tode seines Vaters am 17.2.364 in keinem Moment als dessen Nachfolger in Erwägung gezogen wurde, obwohl er 364 zusammen mit seinem Vater den Konsulat bekleidete und zum nobilissimus puer erhoben worden war. Iovian hätte zu seinen Lebzeiten ihn durchaus zum nominellen Augustus erheben lassen können. Daß er noch ein Säugling war, hätte dabei keine Rolle gespielt, wie Theodosius’ II. Erhebung zum nominellen Augustus im Alter von 9 Monaten durch seinen Vater Arcadius zeigt650. Man muß vermuten, daß die führenden Würdenträger ihn nicht ohne weiteres bei der Regelung der Nachfolge seines Vaters übergangen hätten. Das wäre eine Usurpation gewesen.

649 Zur Bedeutung des dynastischen Prinzips und seiner Handhabung im 3. Jhd. vgl. Hartmann 1982, 185–188 mit Beispielen unter Rückgriff auf Kornemann 1930, 78 sqq. Zu Philippus Arabs und Trebonianus Gallus vgl. Kienast 1996, 198–201; 209–211. 650 Philost. 8, 8; Theophan. A. M. 5856 = 1, 54, 17/18: ejpifanevnta to;n aujto;n (sc. Varronianus) ajgoreuvsa~ (sc. Iovian) a[neu tou` ejndu`sai aujtw`/ porfuvran. Theophanes verweist ausdrücklich darauf, daß Iovian ihn nicht zum Mitherrscher machte. Daß er auch als Nachfolger und Mitherrscher vorgesehen war, zeigt Them. or. 5, 3, 65A. Sein Konsulat wird als basileiva~ … prooivmion bezeichnet. Er kam später, wohl um 380, seiner Herkunft wegen höchstwahrscheinlich in Lebensgefahr (vgl. PLRE 1, 946 s. v. Varronianus 2) oder wurde sogar geblendet (Ioh. Chrys. hom. 15, 5 in Phil. = PG 62, 295). Zu Varronianus’ Alter, als er den Konsulat antrat, vgl. Amm. 25, 10, 11.10, 17; Them. or. 5, 3, 65A; 11, 71B; den Boeft 2005, 331; W. Hartke, Römische Kinderkaiser. Eine Strukturanalyse römischen Denkens und Daseins, Berlin 1951, 222 n. 2. Hartke meint, daß er sechs Monate alt war, den Boeft ist überzeugt, daß er auf jeden Fall noch kein Jahr alt war. Schon Valentinian I. hatte seinem Sohn Gratian vor dessen Erhebung zum Augustus den Titel nobilissimus puer verliehen (vgl. Pabst 1989, 219/220).

III.E.1 Das dynastische Prinzip

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Schon gar nicht genügte die Zugehörigkeit zur regierenden Familie für entferntere Verwandte. Deutlich erkennen lassen dies etwa Ianuarius, Iovians Verwandter, der zwar für dessen Nachfolge 364 in Betracht gezogen wurde651, aber dann doch chancenlos blieb, oder der General Hypatius, Anastasius’ Neffe, der bei Beratungen über dessen Nachfolge 518 nicht in Erwägung gezogen wurde. Ebenso blieben seine beiden anderen Neffen, nämlich Pompeius 2 und Probus 8, unberücksichtigt. Alle drei hatten den Konsulat bekleidet652. Ebenso konnte sich Longinus, Zenons Bruder, bei dessen Tod nicht als Nachfolger durchsetzen, obwohl er der nächste Verwandte war653. Antike Autoren und moderne Historiker haben diesem Phänomen zu wenig Beachtung geschenkt, wohl auch deshalb, weil die Familie des Kaisers insgesamt in Form von Statuen und bildlichen Darstellungen überall gegenwärtig war und dabei Kinder, die noch nicht Mitherrscher waren, ebenfalls zu sehen waren654. Die antiken Autoren lassen nicht durchgängig mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß die Zugehörigkeit zur kaiserlichen Familie keineswegs für die Nachfolge ausreichte655. Zwar wurden Verwandte eines Herrschers wie Anastasius’ Neffen immer als mögliche Kandidaten für dessen Nachfolge betrachtet, sie galten daher auch als mögliche Usurpatoren und konnten sehr schnell persönlich in Gefahr geraten, aber ohne eine Erhebung zum Mitherrscher durch den regierenden Kaiser schaffte es im 4. oder 5. Jhd. kein Angehöriger einer regierenden Dynastie, bei einem Thronwechsel die Herrschaft zu übernehmen. Ihnen blieb nur die Usur651 Amm. 26, 1, 4. 652 Zu Anastasius’ Neffen als möglichen Nachfolgern vgl. Euagr. HE 4, 1, der betont, daß nach Auffassung vieler einer der drei Neffen des Kaisers Anastasius ihm hätte nachfolgen sollen. Vgl. auch Proc. BP 1, 11, 1. Auch Anastasius selbst soll einen von ihnen anfänglich als Nachfolger habe auswählen wollen (Anon. Val. 13, 74 und dazu König 1997, 179–182). 653 Zu Longinus vgl. n. 461, 463. 654 Vgl. z. B. Lib. or. 22, 8, der die 387 in Antiochia gestürzten Statuen der Familie des Kaisers Theodosius aufzählt (Theodosius, Arcadius, Honorius, Aelia Flaccilla, die Frau des Kaisers, Theodosius der Ältere, der Vater des Kaisers). Honorius war nobilissimus puer und 386 con­ sul gewesen, aber noch nicht zum Mitherrscher erhoben worden. Zu sonst bezeugten Statuen von Mitgliedern der kaiserlichen Familie, die nicht Amtskollegen waren, vgl. auch die Statue Theodosius des Älteren vor dem Hadrianstempel in Ephesus neben den Statuen von Kaisern (Bauer 1996, 288/289; S. Mratschek, Et ne quid coturni terribilis fabulae relinquerent intemp­ tatum … (Amm. 28, 6, 29). Die Göttin der Gerechtigkeit und der comes Romanus, J. den Boeft / J. W. Drijvers / D. den Hengst / H. C. Teitler (Hrsgg.), Ammianus after Julian: the reign of Valentinian and Valens in Books 26–31 of the Res Gestae, Leiden 2007, 245–270, dort 266/267). Man vgl. ebenso die Statuen Gratians und seiner ganzen Familie, die Iustinus’ I. und Iustinus’ II mit deren Angehörigen in der Chalke, der Rhegia und dem Milion (Bauer 1996, 165/166) sowie auch die statuarischen Darstellungen der Kaiser und ihrer Familienangehörigen auf dem Arcadiusforum (Bauer 1996, 211). 655 Vgl. n. 652, ebenso etwa auch Greg. Naz. or. 4, 46: crovno~ und dazu Kurmann 1988, 157; Proc. BP 1, 11, 5–19, wo mit einem Anspruch von adoptierten Familienmitgliedern auf den Thron argumentiert wird, den Iustinus beachten müsse. Zur Stelle vgl. Burgarella 1998, 406/407. Vgl. dagegen C. P. 1, 93 S. 426, 4/5, der darauf hinweist, daß bei Anastasius’ Tod weder eine Augusta die Erhebung eines Nachfolgers in die Hand nehmen konnte noch ein Kaiser als auctor tätig werden konnte und damit eine offene Ausgangslage für die Nachfolge geherrscht habe. Anastasius’ Neffen, nämlich Hypatius 6, Pompeius 2 und Probus 8, spielen in seinen Überlegungen keine Rolle.

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III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?

pation, wie Procopius’ Beispiel am eindeutigsten belegt. Eine gewisse Ausnahme bildet lediglich Valentinian II., der unmittelbar nach dem Tod seines Vaters Valentinians I. zum Mitherrscher erhoben wurde, und zwar durch einflußreiche Mitglieder der führenden Gruppe und mit der Billigung und Teilnahme Iustinas, der Gattin des Verstorbenen. Dieser usurpatorische Akt fand dann die Anerkennung Gratians, wodurch er legitimiert wurde656. Valentinian II. war zwar nur nomineller Herrscher, seine Erhebung und die folgende Anerkennung durch Gratian bedeuteten aber, daß diesem die Möglichkeit genommen wurde, einen nominellen Mitaugustus nach seinem Gutdünken zu bestimmen. Sollte er einen Sohn gehabt haben, lebte dieser offensichtlich nicht lange genug, daß sich dieses Problem stellte657. Im Verhalten der wählenden Gruppe, Valentinian II. zum nominellen Herrscher zu machen, zeigt sich deutlich die Grenze des dynastischen Prinzips und der Respektierung des kaiserlichen Willens. Gratian war der von Valentinian I. bestimmte Nachfolger. Dieses Vorgehen blieb aber ein Ausnahmefall im 4. und 5. Jhd. Unterließ der Kaiser eine solche Erhebung zum Mitherrscher oder kam er widriger Umstände wegen, so etwa durch seinen vorzeitigen Tod, nicht mehr dazu, war die Fortdauer der Herrschaft der Dynastie nicht gesichert. So starb Iovian, bevor er seinen Sohn Varronianus zum Kollegen im Amt machen konnte. Sein Nachfolger wurde Valentinian I., der nicht aus Iovians Familie stammte. Ebenso wurde der spätere Valentinian III., der Sohn Constantius’ III., nach dem Tod seines Vaters nicht weiter für die Nachfolge im Westen vorbereitet, obwohl Honorius keinen männlichen Nachkommen hatte658. Seine Mutter, Galla Placidia, ging mit ihm nach Konstantinopel, nachdem sie sich mit Honorius überworfen hatte. Auch Marcian verzichtete darauf, den Verbleib seiner Familie auf dem Thron zu sichern. Er erhob Anthemius, den Mann seiner Tochter Aelia Marcia Euphemia (Euphemia 6), der sein nächster Verwandter war, nicht zum Amtskollegen, obwohl er ihn 455 zum consul gemacht hatte. Weil die rechtzeitige Einsetzung als Mitherrscher die Voraussetzung war, daß mit Sicherheit das dafür vorgesehene Mitglied der Familie auf den Thron gelangte,

656 Vgl. III.C.3.a Die Kaisererhebungen im 4. Jhd. – Valentinians II. Erhebung, S. 108–112. 657 Zu einem Sohn Gratians vgl. PLRE 1, 401; Chausson 2007, 113; Kienast 1996, 334. Ob er einen Sohn hatte, der vor 379 geboren wurde, dann aber vor ihm, d. h. vor 383, starb, ist aber nicht ganz sicher. Der entscheidende Beleg dafür ist Aug. civ. 5, 25. Nur wenn man der Lesart cum parvulum haberet (sc. Gratian) et fratrem (ed. Hoffmann) folgt, wie es in der Regel getan wird, hatte Gratian einen Sohn. In Verbindung mit dieser Augustinstelle läßt sich Theodor. 5, 12 (Gratian paivda~ me;n ouj katalipw;n klhronovmou~ th`~ basileiva~, ajdelfo;n de; komidh`≥ nevon oJmwvnumon tou` patrov~.) so verstehen, daß der Sohn vor seinem Vater Gratian starb. 658 Der spätere Valentinianus III. wurde auf Veranlassung Galla Placidias nobilissimus puer (Olymp. fr. 33, 1 Blockley), und zwar wahrscheinlich vor der Erhebung seines Vaters zum Augustus (Lütkenhaus 1998, 156 n. 91), aber erst für 425 consul, also nicht vor Honorius’ Tod und nicht vor Iohannes’ Usurpation. Lütkenhaus 1998, 161 weist daraufhin, daß Valentinians Erhebung zum Caesar durchaus denkbar gewesen wäre. Er vergißt dabei, daß eine nominelle Erhebung zum Caesar aber zu dieser Zeit unüblich gewesen wäre. Zu Galla Placidias Flucht oder Verbannung vgl. Lütkenhaus 1998, 172/173 und besonders Olymp. fr. 38 Blockley. Auch Zenons gleichnamiger Sohn verstarb vor seiner Erhebung zum Amtskollegen. Vgl. n. 689.

III.E.1 Das dynastische Prinzip

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bestimmte der regierende Kaiser über die Anwendung des dynastischen Prinzips und über seine Nachfolger. Er mußte als auctor tätig werden. Seine Freiheit bei der Wahl des Familienmitgliedes, das Kollege im Amt werden sollte, war allerdings beschränkt. Er konnte den Erstgeborenen nicht hintansetzen oder ihm folgende direkte männliche Nachkommen unberücksichtigt lassen, wenn dieser verstarb. Dies ergab sich nicht auf Grund einer ungeschriebenen Erbfolgeordnung, sondern weil er durch die frühzeitige Bestimmung eines Nachfolgers dafür sorgen konnte, daß die Familie die Möglichkeit hatte, den Thron weiterhin innezuhaben. So wurde Arcadius vor Honorius erhoben und Arcadius’ Sohn Theodosius, der spätere Theodosius II., vor Vollendung seines ersten Lebensjahres nomineller Augustus. Den Erstgeborenen unberücksichtigt zu lassen hätte zudem bedeutet, einen Kandidaten für eine Usurpation zur Verfügung zu stellen. Bei der Auswahl anderer Familienmitglieder für die Nachfolge, was keineswegs eine Ausnahme bildete659, war deren Stellung innerhalb der Dynastie zu berücksichtigen und die Gefahr, eigenen Kindern, die später geboren wurden, den Weg zu versperren. Die vorgesehene Erhebung eines Sohnes zum Amtskollegen wurde in der Regel vorbereitet und war für alle erkennbar. Sie wurden zu nobilissimi pueri gemacht und sehr bald mit dem Konsulat ausgezeichnet. Dies läßt sich etwa bei Gratian, Valentinian Galates und Varronianus beobachten. Es konnte aber auch unterbleiben wie z. B. im Fall von Theodosius II. 660, der sofort zum nominellen Augustus erhoben wurde. Die Erhebung eines Angehörigen der Dynastie zum Amtskollegen wurde immer respektiert und führte im Fall der Nachfolge jedesmal zu einer Übernahme der Herrschaft, wie sie vorgesehen war. Lediglich der Caesar Dalmatius wurde nach Konstantins Tod gewaltsam beseitigt661. Die Erhebung zum Mitaugustus, in der Regel zum nominellen662, war die Lösung, die jede Schwierigkeit im Fall der Nachfolge ausschloß. Alle Mitglieder der regierenden Dynastien, die zu Mitaugusti erhoben worden waren, wurden im 4., 5. und 6. Jhd. auch als solche anerkannt und konnten die Nachfolge ohne Schwierig-

659 Als direkte männliche Nachkommen wurden Gratian, Arcadius, Honorius und Theodosius II. erhoben. Gallus und Iulian waren Cousins des Kaisers Constantius II., Constantius III. war Honorius’ Schwager, Leo II. war Enkel Leos I. und sein Vater Zenon dessen Schwiegersohn. 660 Gratian 366, vgl. Pabst 1989, 239. Zu Valentinian Galates und Varronianus vgl. n. 167, 650. Zu den Konsulaten vgl. Bagnall 1987. Theodosius II. wurde vor seiner Erhebung zum nominellen Augustus nicht zum consul gemacht, was sicher damit zusammenhängt, daß sie sehr früh und überraschend kam. Weil er im Purpur geboren wurde, galt er als nobilissimus puer. Im Purpur geborenen Mitgliedern der kaiserlichen Familie wird nämlich von Geburt an der Titel nobilissimus zuteil (Dagron 1994, 108 n. 15.). Auch Arcadius, der am 19.1.383 zum nominellen Augustus gemacht wurde, trat sein erstes Konsulat erst 385 an. Daß Theodosius ihn nicht schon 382 zum consul machte, wird von Themistios lobend erwähnt (Them. or. 14, 8, 204B–205B und dazu Chausson 2007, 214–216). 661 Zu Dalmatius vgl. PLRE 1, 241 s. v. Dalmatius 7 u. König 1987, 181. 662 Ausnahmen bilden Constantius’ III. und Zenons Erhebung. Vgl. n. 151, 162.

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III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?

keiten antreten. Die jeweilige Führungsgruppe unterstützte auch vorbehaltlos diese Herrscher663. Der zum Augustus erhobene Mitherrscher konnte nach dem Tod des regierenden Amtsträgers sofort die Herrschaft in dessen Gebiet übernehmen. Er bedurfte keiner weiteren Vorstellung mehr vor den Truppen, womit jedes Risiko ausgeschlossen war. Ein Caesar dagegen hätte noch vor einer Wahlversammlung zum Augustus ausgerufen werden müssen. Auch die Erhebung Valentinians II. 375 zum nominellen Augustus unmittelbar nach Valentinians I. Tod durch Mitglieder der führenden Gruppe stellte die Nachfolge des nominellen Augustus Gratian nicht in Frage. Sie war zwar ein Affront gegenüber Gratian, sie gefährdete aber die Übernahme der Herrschaft durch diesen nicht und schränkte dessen Herrschaftsgebiet nicht ein. Valentinian II. blieb ein nomineller Augustus. Er verfügte über keine eigene zentrale Verwaltung und kein eigenes Herrschaftsgebiet. Die Respektierung eines schon im Amt befindlichen nominellen Mitherrschers bei einem Herrscherwechsel erklärt auch das Phänomen der Kinderkaiser. Man hielt an ihnen erst einmal fest, und nicht häufiger als anderen Kaisern sagte man ihnen später Gehorsam und Loyalität auf. Dies unterscheidet das 4. und 5. Jhd. wesentlich vom 3. Jhd, in dem man auch Dynastien zu schaffen versuchte, ohne damit deren Herrschaft und die Nachfolge sichern zu können. Damals gab es aber die Mehrkaiserherrschaft in ihrer entwickelten Form und die führende Gruppe noch nicht. Die Lösung, den vorgesehenen Nachfolger direkt zum Mitaugustus zu erheben, entwickelte sich nicht sofort, sondern erst nach der Mitte des 4. Jhd., wofür die besonderen historischen Umstände verantwortlich sind. Konstantin hatte zur Bestimmung seiner Nachfolge lediglich den Caesartitel auf seine Söhne und Dalmatius664, den Sohn seines gleichnamigen Halbbruders, übertragen, offensichtlich in der Tradition der Tetrarchie. Diese Caesares erreichten erst in Konstantins letzten Lebensjahren eine Stellung, die über die eines nominellen Herrschers hinausging665. Mit dieser bloßen Erhebung zu Caesares machte man schlechte Erfahrungen, weil ihre sofortige Handlungsfähigkeit nach Konstantins Tod nicht gewährleistet war, wie die Ereignisse von 337/338 zeigten, denn ein Caesar mußte, wie schon erwähnt, noch in einer besonderen Zeremonie zum Augustus erhoben werden, wobei es 337 Schwierigkeiten gab. Dennoch blieb Constantius II. bei diesem Prinzip. Hierzu veranlaßten ihn aber persönliche Gründe. Weil er keine eigenen Söhne hatte, griff er auf Mitglieder der constantinischen Nebenlinie zurück, d. h. auf Gallus und Iulian, die Kinder seines Onkels waren, machte aber beide nicht zu Augusti, sondern zu Caesares, Gallus 351 und nach dessen Sturz 354 Iulian 355. Er tat dies, um möglichen eigenen Söhnen den Weg zum Thron nicht zu versperren. Diese hätte er so663 Stilichos Absicht, nach Arcadius’ Tod 408 nach Konstantinopel zu reisen, richtete sich nicht gegen die Übernahme der Herrschaft durch Theodosius II., sondern gegen die Mitglieder des comitatus, die im Osten an der Macht waren. Zu den Quellen vgl. Zos. 5, 31, 3–6; Soz. 9, 4, 5. 6; Paschoud 1986, 227–229. 664 Vgl. n. 661. 665 Vgl. n. 145, 172.

III.E.1 Das dynastische Prinzip

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fort zum Augustus erheben können, und damit in der Nachfolge vor Gallus oder später Iulian setzen können. Constantius’ II. Vorgehen berücksichtigte den Ehrgeiz der beiden Caesares zu wenig, die nicht nur nominelle Herrscher waren und nicht auf eine Erhebung zum Augustus warten wollten, und unterschätzte den inneren Konflikt in der konstantinischen Familie. Gallus bereitete eine Erhöhung seiner Stellung vor, wurde aber vor einer eigentlichen Usurpation beseitigt, während es Iulian gelang, sich zum Augustus erheben zu lassen und allein die Herrschaft im Reich zu übernehmen, weil Constantius II. zur rechten Zeit starb. Nach Iulian und Gallus wurden auch Mitherrscher, die als amtierende Kollegen, nicht nur als nominelle, vorgesehen waren, nicht mehr zu Caesares erhoben. Valentinian I. machte seinen Bruder Valens, den er als Kollegen im östlichen Teil des Reiches wollte, gleich zum Augustus. Über den Grund dafür schweigen die Quellen. Constantius’ II. Erfahrungen mit seinen Caesares dürften den Ausschlag gegeben haben. Valentinian I. hatte zwar kaum Valens’ Ehrgeiz zu fürchten, aber den Unwillen der Truppen, unter einem rangniedrigen Herrscher zu dienen, der ihnen weniger Vergünstigungen gewähren konnte666. Danach erhob man Familienmitglieder, die für die Nachfolge vorgesehen waren, direkt zu Augusti, allerdings nur zu nominellen. Diese Entwicklung beginnt mit der Erhebung des achtjährigen Gratian667 noch zu Valentinians I. Lebzeiten, der als auctor walten konnte, obwohl mit Valens noch ein Mitherrscher vorhanden war. Damit bestimmte Valentinian I. seinen Nachfolger. Man scheute bei der Erhebung zu Augusti also nicht davor zurück, durch das nominelle Mitkaisertum minderjähriger Söhne die dynastische Nachfolge zu sichern. Dieses Vorgehen wird daran besonders deutlich, daß Arcadius seinen neun Monate alten Sohn Theodosius am 10. Jan. 402 zum Augustus erheben ließ. Er regierte dann später als Theodosius II. von 408–450. Arcadius und Honorius wurden mit sechs bzw. neun Jahren, Valentinian III. mit sechs Jahren und Leo II. mit sieben Jahren zum Augustus erhoben668. Ganz neu war dieses Vorgehen allerdings nicht. Septimius Severus hatte es schon vorgemacht. Sein älterer Sohn Caracalla wurde 197 mit 9 Jahren zum Augustus erhoben669. 666 Zu diesem Aspekt vgl. Amm. 20, 8, 7: secundique impatiens (sc. die Soldaten des Caesars Iulian) loci rectorem. 667 Amm. 27, 6, 16 bemerkt, daß Valentinian I. mit der sofortigen Erhebung seines Bruders und später seines Sohnes zum Augustus von der bisherigen Praxis abgewichen sei, und macht darauf aufmerksam, daß nur Marc Aurel dies vorher mit Lucius Verus’ Erhebung zum Mitaugustus getan habe. Ammian gibt für dieses neue Vorgehen keinen Grund an. 668 Die Herrschaft der jungen Kaiser aus Theodosius’ Haus wurde nach dem Abgang der Familie von der Macht deutlich kritisiert (vgl. Sidon. carm. 7, 533–543). Valentinian II., der mit vier Jahren am 22. Nov. 375 von einem Teil der Führungsgruppe erhoben wurde, nimmt eine besondere Stellung ein. Er wurde nicht von einem an der Herrschaft befindlichen Augustus erhoben, sondern von einem Teil der Führungsgruppe. Seine Erhebung in jungen Jahren folgt dem Vorgehen bei der Nachfolgesicherung, ohne eine solche zu sein. 669 Kienast 1996, 162. Ihm folgte Philippus Arabs, der seinen 237 oder 238 geborenen Sohn M. Iulius Philippus 244 zum Caesar und 247 zum Augustus erheben ließ (Kienast 1996, 200).

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III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?

Die Ernennung zum Caesar spielte erst wieder nach Honorius’ Tod 423 eine Rolle. Von nun an dient sie aber bis zu Tiberius’ Erhebung 574670 wieder wie im Prinzipat zur Designierung eines zukünftigen Augustus671, nicht zur Erhebung eines regierenden Mitherrschers wie im Fall von Gallus und Iulian. Die Stellung als Caesar ist nominell und dient jetzt wieder eindeutig als Durchgangsstadium. Sie bedeutet die Anwartschaft auf die Stellung als Augustus. Der zum Caesar Erhobene wurde nach 423 nicht auf unbestimmte, längere Zeit mit der Verwaltung eines Gebietes betraut. Er war ein nomineller Herrscher, beanspruchte aber die einem Kaiser zustehenden Ehren672. Auf diese Weise verfuhr Leo I. bei der Regelung seiner Nachfolge in Konstantinopel. Er erhob seinen Enkel Leo, den späteren Leo II., am 17.11.473 zum Caesar. Er ist der einzige im 5. Jhd. erhobene Caesar, der dann auch noch zu Lebzeiten seines auctor zum Mitaugustus, wenn auch nur zum nominellen, erhoben wurde und bald darauf die alleinige Herrschaft antrat. Im Unterschied zu Leo II. wurden nach ihm Iustinian und Zenon sofort zum regierenden Augustus und damit zum Mitregenten erhoben. Iustinianus wurde am 1.4.527 von Iustinus I. in Konstantinopel zum Mitaugustus erhoben, weil Iustinus schwer erkrankt war. Iustinus starb am 1.8.527. Leo II. erhob auf Veranlassung der Augusta Verina, der Witwe Leos I., und der Augusta Ariadne, seiner Mutter, sowie der Führungsgruppe am 9.2.474 seinen Vater Zenon zum Augustus673. Eine besondere Stellung nehmen im 5. Jhd. die Caesares ein, die im östlichen Teil des Reiches erhoben wurden, um im westlichen als Augusti die Herrschaft zu übernehmen. Sie trugen den Caesartitel nicht nur nominell. Sie waren zwar nicht wie Iulian oder Gallus für ein bestimmtes Gebiet verantwortlich, sondern für die Führung des Zuges nach Westen und wurden dort zu Augusti erhoben. In ihrem Namen wurde regiert und ihre Stellung schloß Kompetenzen ein, aber sie war nur ein Durchgangsstadium. So ließ Theodosius II. den jungen Valentinian III., den er im Westen nach Honorius’ Tod 423 zum Kaiser einsetzen wollte, am 23.10.424 in Thessalonike erst zum Caesar und dann nach Iohannes’ Sturz am 23. Okt. 425 in Rom zum Augustus erheben674. Er wollte offensichtlich durch dessen Erhebung zum Caesar vermeiden, daß es im östlichen Reichsteil einen zweiten Augustus gab,

670 Zu Tiberius’ Erhebung zum Caesar vgl. Averil Cameron, An Emperor’s Abdication, Byzantinoslavica 37, 1976, 161–167. 671 J. Straub, Dignatio Caesaris, Legio VII Gemina, Leon 1970, 156–179, abgedr. in: J. Straub, Regeneratio imperii. Aufsätze über Roms Kaisertum und Reich im Spiegel der heidnischen und christlichen Publizistik, Darmstadt 1972, 36–63. Konstantin und Licinius hatten nach der Tetrarchie am 1. März 317 mit der Erhebung ihrer Söhne Crispus, der etwa 17 Jahre alt war, Constantinus, der höchstens einige Monate alt war, und Licinius (Licinius Iunior), der keine zwei Jahre alt war, zu Caesares darauf zurückgegriffen (vgl. Kienast 1996, 296, 306, 310). Danach kam man bis nach 423 nicht mehr darauf zurück. 672 So zog etwa Patricius, Aspars Sohn, feierlich in Alexandria ein (Theophan. A. M. 5961 = 1, 116). 673 Vgl. S. 193. 674 Valentinian III. verfügte spätestens nach Iohannes’ Sturz im Frühjahr 425 schon als Caesar über einen eigenen comitatus und erließ Gesetze, die den Westen betrafen. Vgl. z. B. Cod. Theod. 16, 5, 62. Zu weiteren Belegen vgl. Seeck 6, 410.

III.E.1 Das dynastische Prinzip

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der aber dort nicht als Nachfolger vorgesehen gewesen wäre675. Höchstwahrscheinlich ging Leo I. 467 ebenso bei Anthemius vor, als er ihn nach Italien sandte. Für Leo II. kann dieses Vorgehen nur vermutet werden, als er Nepos 474 in Italien als Herrscher einsetzen ließ676. Die Erhebung zum Caesar als Designation eines zukünftigen Augustus wurde im 5. Jhd. auch verwendet, um einem Anwärter aus einer anderen Familie einen Anspruch auf den Thron zu verschaffen. So versuchte Aspar, seiner Familie den Eintritt ins Herrscherkollegium zu öffnen, indem er seinen Sohn Patricius 470 durch Leo zum Caesar erheben ließ. Aspars Sturz 471 führte auch zu dem seines Sohnes. Leo I. hatte auf diese Weise Zeit gewonnen und konnte Aspars Druck ausweichen. Ebenso erzwang während Basiliscus’ Usurpation der Heermeister Armatus von Zenon 476 die Erhebung seines Sohnes Basiliscus zum Caesar. Als solcher trug er den 675 Oost 1968, 184 weist darauf hin, daß im Fall des Scheiterns der Unternehmung Valentinians III. und dessen Rückkehr nach Konstantinopel sich das Problem gestellt hätte, welcher Platz diesem im politischen Gefüge hätte zugewiesen werden können. 676 Zu verschiedenen Versuchen, eine Caesarerhebung Anthemius’ zu belegen, vgl. Seeck 6, 360 und in seiner Nachfolge etwa Demandt 2007, 208. Henning 1999, 43 bringt eine etwas erweiterte Interpretation. Ein ganz eindeutiger Beleg ist nicht vorhanden. Anthemius soll von Leo I. zum Herrscher im Westen bestimmt worden sein (Proc. BV 1, 6, 5; Iordan. Rom. 336) und vor Rom die Herrschaft als Augustus übernommen haben (Cassiod. chron. s. a. 467 = Chron. min. 2, 158: His conss. Anthemius a Leone imp. ad Italiam mittitur, qui tertio ab urbe miliario in loco Brontotas suscepit imperium; Hyd. Lem. 235 = 231 Burgess = Chron. min. 2, 34: oc­ tavo miliario de Roma). Mit Sicherheit auszuschließen ist, daß Leo I. Anthemius schon vor dessen Abfahrt nach Italien in Konstantinopel zum Augustus erheben ließ, denn dieser suchte erst nach seiner Ankunft in Italien und nach seiner Erhebung dort um seine Anerkennung als Augustus durch Leo und um die Aufstellung seiner Bilder nach (C. P. 1, 87 S. 395, 10–396, 7). Vor Rom fand also nicht nur ein Bestätigungsakt statt. Anthemius wurde höchstwahrscheinlich schon in Konstantinopel zum Caesar erhoben. Dafür spricht das Vorgehen bei der Einsetzung Valentinians III. und eine Nachricht in den Patria Constantinopolitana, die deutlich macht, daß Leo ihn nicht ohne Designation zum Herrscher nach Italien schickte. Weil es nicht die zum Augustus sein kann, muß es die zum Caesar gewesen sein. Man vgl. Patria Const. 3, 106: o}n (sc. Anthemius) e[steyen (sc. Leo I., nach dem Text Marcian) ejn th`≥ povlei kai; ajpevsteilen eij~ ÔRwvmhn basileva. Vgl. zum Text A. Berger, Untersuchungen zu den Patria Konstantinupoleos, Bonn 1988, 507/508; Guilland 1969, 2, 99. Die Aussage, daß Marcianus Anthemius erhoben habe, ist eindeutig irrtümlich. Sie geht darauf zurück, daß unmittelbar darauf von Anthemius’ Ehe mit Marcians Tochter aus erster Ehe gesprochen wird und diese Nachricht nicht deutlich von der von seiner Erhebung in Konstantinopel getrennt wird. Ein weitgehend paralleles Vorgehen ist für Iulius Nepos’ Einsetzung als Augustus 474 in Italien zu vermuten. Er wurde in Portus bei Rom als Kaiser durch Domitianus, der als Vertreter Leos II. amtete, der Wahlversammlung vorgestellt und erhoben. Leo II. ist als amtsälterer Herrscher formal als auftraggebende Person anzunehmen, obwohl sicher Zenon die Entscheidung traf. Weil Nepos direkt aus Dalmatien kam, ist eine voraufgehende Erhebung zum Caesar nur unter der Annahme möglich, daß Leo II. ihn dort vor der Abreise ebenfalls durch Domitianus dazu machen ließ. Zur Landung und Erhebung zum Augustus in Portus vgl. n. 1323. Dagegen ließ Theodosius, als er 394 gegen Eugenius zog, seine beiden Söhne Arcadius und Honorius als Augusti in Konstantinopel zurück (Soc. 5, 25, 10). Ihre Rollen waren aber festgelegt. Arcadius war für die Nachfolge im Osten, Honorius für die im Westen vorgesehen.

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III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?

Namen Leo. Nach dem Sturz seines Vaters Armatus 478 wurde er gezwungen, in den kirchlichen Dienst einzutreten677. Obwohl die Einsetzung eines Kollegen aus der regierenden Familie die beste Garantie für eine problemlose Weitergabe der Herrschaft bildete und die Erhebung von Mitgliedern anderer Familien oder Nebenlinien nur Probleme schuf, wie die Ereignisse nach Konstantins Tod 337, als Dalmatius beseitigt wurde, und die Auseinandersetzungen Constantius’ II. mit Gallus und Iulian zeigen, wurden auch nach 337 Kandidaten aus anderen Familien als der, deren Mitglieder das Kaisertum innehatten, zu Mitherrschern erhoben. Dafür waren allerdings immer besondere Umstände verantwortlich. Hier ist an Theodosius’ Erhebung durch Gratian 379 und an die Constantius’ III. 421 durch Honorius zu denken. Als Gratian Theodosius zum Herrscher im Osten machte, verminderte er die Chancen seiner Familie, an der Macht zu bleiben, eindeutig, und es kam schließlich auch zu ihrer Verdrängung vom Thron. Theodosius hatte schon einen Sohn, nämlich Arcadius, und damit bestand die Möglichkeit, daß dieser vor einem Sohn Gratians678 zum Augustus erhoben wurde und damit im Reichsosten sich eine neue Dynastie bildete. Dazu drängte Theodosius dann auch nach Gratians Sturz 383 Valentinian II. an den Rand. Dies wird an der Darstellung auf der Basis des Obelisken im Hippodrom sichtbar679, oder auch daran, daß man unterstrich, daß Honorius und Arcadius im Purpur geboren seien680. Damit wurde der Weg für die Übernahme der Herrschaft durch Theodosius’ Familie im ganzen Reich vorbereitet. Wegen der ungünstigen Auswirkungen, die Theodosius’ Erhebung für die valentinianische Dynastie hatte, fehlt auch nicht der begründete Verdacht, daß Theodosius seine Erhebung zum Kaiser erzwang681. Auch Constantius’ III. Erhebung 421 zum mitregierenden Augustus durch Honorius war aus der Sicht der Mitglieder der theodosianischen Dynastie, die in Kon­ stantinopel die Politik bestimmten, ungünstig. Zudem hatte Constantius III. schon einen Sohn, den späteren Valentinian III. Die Erhebung erscheint in der Überlieferung mehrheitlich als nicht von Honorius gewollt, sondern aufgezwungen682. Constantius III. wurde von Theodosius II. auch niemals anerkannt. 677 Zu Patricius vgl. Seeck 6, 369 u. 489/490 und PLRE 2, 842/843 s. v. Patricius 15. Zu Basiliscus vgl. PLRE 2, 211/212 s. v. Basiliscus (qui et Leo) 1; Kent 1994, 116. 678 Ob Gratian schon 379 oder überhaupt einen Sohn hatte, der dann vor ihm starb, ist unsicher und eher unwahrscheinlich (vgl. n. 657). Man muß zudem bedenken, daß sich auch für jedes später geborene Kind Gratians das Problem der Konkurrenzierung durch Arcadius gestellt hätte. Errington 1996, 452 bedenkt die Gefahren für die valentinianische Dynastie, die durch Theodosius’ Erhebung entstanden, nicht. 679 Daß das dynastische Prinzip bei Theodosius’ Erhebung unberücksichtigt blieb, unterstreicht schon Themistios als etwas besonderes (Them. or. 14, 3, 182B). Zum Obelisken vgl. Rebenich 1991; Ritzerfeld 2001. Mayer 2002, 122 glaubt, daß Valentinian II. auf dem Obelisk weniger an den Rand gedrängt dargestellt werde. 680 Dagron 1994, 108. Vgl. den Exkurs „porfurogevnnhto~“, S. 400/401. 681 Sivan 1996. 682 Olymp. fr. 33, 1 Blockley; Chron. Gall. 452, 88 = Chron. min. 1, 656; Philost 12, 12 = Olymp. fr. 33, [2]. Blockley dagegen spricht nicht von Honorius’ Unwillen, gibt aber eine wenig überzeugende Begründung für Constantius’ III. Erhebung zum Mitherrscher. Zur Wertung der Belege vgl. Lütkenhaus 1998, 156.

III.E.1 Das dynastische Prinzip

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Anthemius’ Bestimmung zum Mitherrscher in Italien 467 bedeutete ebenfalls die Beteiligung einer anderen Dynastie am Kaisertum. Weil Anthemius keinen seiner Söhne zum Kollegen erhob und vor Leos I. Tod Thron und Leben verlor, stellte sich die Frage nicht, wie sich zwei Familien das Kaisertum auf die Dauer geteilt hätten. Bei Anthemius’ Erhebung dachte Leo I. kaum so weit, sondern wollte vor allen Dingen diesen als möglichen Konkurrenten aus Konstantinopel entfernen. Um in die herrschende Dynastie zu kommen und eine Chance auf den Thron zu erhalten, suchte man auch männliche Nachkommen durch Heirat in die kaiserliche Familie zu bringen, ein Vorgehen, das im 5. Jhd. zu beobachten ist und das unterschiedlichen Erfolg hatte683. Die Initiative zu solchen Heiraten konnte auch von der herrschenden Familie ausgehen, wenn männliche Nachkommen in ihr fehlten, um den Thron für die Familie zu sichern. So erhoffte Stilicho für seinen Sohn Eucherius eine Heirat mit Galla Placidia, der Tochter Theodosius’ I. und Honorius’ Halbschwester684. Wegen Stilichos Sturz 408 kam das Vorhaben nie zur Ausführung. Galla Placidia wurde dann 417 mit dem Heermeister Constantius verheiratet, womit eine wichtige Grundlage für dessen Erhebung zum Mitaugustus durch Honorius im Jahre 421 gelegt war. Aetius verlobte 454 seinen Sohn Gaudentius mit Placidia, der jüngeren Tochter Valentinians III., der keinen Sohn hatte685. Die ältere Tochter Valentinians III., Eudocia, war schon mit Geiserichs Sohn Huneric verlobt. Möglicherweise bestand vorher ein Projekt, Placidia mit Maiorianus zu verheiraten686, das Aetius zu verhindern wußte. Gaudentius wurde 455 von den Vandalen nach Africa entführt, Placidia heiratete 454 oder 456/457687 Olybrius, den späteren Usurpator. Sie wurde ebenfalls von den Vandalen nach Africa entführt. Patricius, der Sohn Aspars, heiratete nach seiner Erhebung zum Caesar688 Leontia, die jüngere Tochter Leos I., um den Anspruch auf eine Erhebung zum Augustus zu verstärken. Der Kaiser Marcian verheiratete seine Tochter Aelia Marcia Euphemia mit Anthemius, dem zukünftigen Kaiser im Westen (467–472). Anthemius wurde zwar nicht Marcians Nachfolger, weil Aspar es offensichtlich nicht wollte, sondern Leo I. (Leo 6, 457–474). Dieser setzte Anthemius aber als Kaiser im westlichen Reichsteil ein und entledigte sich damit eines möglichen Konkurrenten. Leo I. selbst wurde nicht durch Heirat in eine Dynastie eingebunden, sondern begründete eine neue, die aber von kurzer Dauer war. Ihm folgten nur sein Enkel Leo als Leo II. und sein Schwiegersohn Zenon. Anthemius’ Biographie zeigt deutlich, daß durch die Heirat mit einer Tochter des Kaisers eine Nachfolge nicht automatisch gesichert war. Hier galten dieselben Regeln wie für leibliche Kinder des Kaisers. Nur wenn sie zu Mitherrschern erhoben wurden, war ihre Nachfolge gesichert. Dies traf für Zenon zu. Leos I. Tochter 683 Zu den Beispielen vgl. Oost 1964, 24, 27/28. 684 Claud. 22, 352–359 (De cons. Stil. 2). 685 Prosp. Tiro s. a. 454 = Chron. min. 1, 483. Vgl. PLRE 2, 494 s. v. Gaudentius 7. 686 Henning 1999, 16, 37. 687 Vgl. S. 127. 688 Vgl. S. 172.

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III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?

Ariadne, die vor dessen Amtsantritt 457 geboren worden war, wurde mit Zenon, dem späteren Kaiser, im Jahre 466/467 verheiratet und öffnete ihm dadurch den Weg zum Thron im Jahre 474. Erst wurde ihr gemeinsamer Sohn als Leo II. im Januar 474 Nachfolger Leos I. Leo II. machte seinen Vater Zenon bald danach, am 9. Februar 474, zum Mitaugustus. Nach Leos II. frühem Tod im November 474 wurde Zenon Alleinherrscher. Dessen gleichnamiger Sohn verstarb vor seiner Erhebung zum Kollegen im Amt. Dieser Sohn muß für die Nachfolge vorbereitet worden sein, als sein Vater schon Kaiser war und Leo II. schon tot war689. Eine Augusta, die den Kaiser überlebte, konnte den Neuerhobenen durch Heirat in die Herrscherfamilie aufnehmen und ihn dadurch zusätzlich legitimieren. Erstmals geschah dies 450, als Pulcheria den gerade erhobenen Marcian heiratete. Als Zenon 491 starb und Anastasius auf den Thron gekommen war, heiratete Ariadne ihn, nachdem sie vorher seine Kandidatur unterstützt hatte. Einen neu erhobenen Kaiser durch die Heirat mit der überlebenden Augusta zusätzlich zu legitimieren wird dann auch von Usurpatoren verwendet, um ihre Stellung zu sichern690. Sie mußten noch stärker als legitim erhobene Herrscher auf eine Anknüpfung an die Dynastie bedacht sein. Die Bedeutung der Frauen und Mütter der Herrscher stieg insgesamt auf Grund des dynastischen Prinzips. Ihre Rolle als Mutter für die Weitergabe der Dynastie steht am Anfang ihres wachsenden Einflusses im 4. und 5. Jhd.691. Daß dazu ein institutioneller Rahmen trat, nämlich ihre Erhebung zu Augustae und die ständig fortschreitende Aufwertung dieser Stellung, hing sicher mit der individuellen historischen Situation zusammen. So erwies Konstantin seiner Mutter Helena besondere Verehrung, und die Kinderkaiser am Ende des 4. Jhd. erleichterten direktes politisches Eingreifen ihrer Mütter und eine Aufwertung von deren eigener Stellung. Notwendig war aber diese Entwicklung nicht, wie etwa der Fall Iustinas, der Mutter Valentinians II., zeigt, die nie zur Augusta erhoben wurde. Die eindeutige Bevorzugung von Mitgliedern der eigenen Familie bei der Weitergabe der Herrschaft war für Usurpatoren ein entscheidendes Hindernis, Anerkennung durch den regierenden Kaiser zu finden. Langfristig wurden nämlich die Chancen für dessen eigene Dynastie, weiterhin zu regieren, empfindlich geschmälert. Deshalb war kein Kaiser ohne weiteres bereit, einen Usurpator anzuerkennen. Obwohl das dynastische Prinzip allein nicht die Nachfolge sicherte, betonte die Familie, die regierte, diesen Gedanken durchaus und legitimierte sich mit ihren Vorgängern. Dabei blieb die constantinische Dynastie von besonderer Bedeutung 689 Malchus fr. 8 Blockley; PLRE 2, 1198 s. v. Zenon 4. Die Annahme, daß Zenon ihn schon in die Ehe mit Ariadne brachte, setzt voraus, daß er ursprünglich für den Thron vorgesehen war und starb, bevor Zenons und Ariadnes Sohn Leo als Leo II. erhoben wurde (zu den Diskussionen um seine Mutter Arcadia vgl. PLRE 2, 130 s. v. Arcadia 2), oder man muß davon ausgehen, daß er erst nach dessen Tod für die Nachfolge vorbereitet wurde, wie es offensichtlich Lippold 1972, 189 annimmt, der den Tod des jungen Zenon unmittelbar vor 486 ansetzt, als Longinus, der Bruder des Kaisers, den Konsulat bekleidete. Die Heirat Zenons mit Ariadne wird neuerdings von Feld 2005, 240 erst auf 469 angesetzt. 690 Vgl. S. 129. 691 Vgl. Holum 1982, 27–31.

III.E.1 Das dynastische Prinzip

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im 4. u. 5. Jhd., aber auch noch danach, und zwar besonders in der Person Konstantins. Constantius II. versuchte etwa auf jede Weise, seine herausragende Stellung in der constantinischen Dynastie zu unterstreichen und sich als direkter Erbe seines Vaters Konstantin darzustellen, und der Usurpator Nepotianus griff am Ende seiner kurzen Regierungszeit ebenfall darauf zurück692. Die neue Dynastie, die mit Valentinian I. und Valens zur Herrschaft gelangte, knüpfte an die Familie Konstantins an. Valentinian I. stellte die Verbindung dadurch her, daß er Iustina, die aus Konstantins Familie stammte, in zweiter Ehe heiratete und Constantius’ II. posthum geborene Tochter Constantia mit seinem Sohn Gratian verehelichte. Auf die Verbindung zur Familie Konstantins legte auch Gratian besonderen Wert, wie eine Mitteilung zeigt, die er Ausonius anläßlich von dessen Erhebung zum consul für 379 zusammen mit einer toga palmata zukommen ließ und die Ausonius zitiert: Palmatam, inquis, tibi misi, in qua divus Constantius pa­ rens noster intextus est693. Theodosius stellte wiederum durch seine Heirat mit Galla 387, der Tochter Valentinians I. und dessen zweiter Frau Iustina, den Anschluß an die voraufgegangene Dynastie her694. Seine Tochter aus dieser Ehe, Galla Placidia, unterstrich ebenfalls ihre Zugehörigkeit zur Dynastie Valentinians, wie der Mosaikenzyklus römischer Kaiser in San Giovanni Evangelista in Ravenna, der um 440 entstand, deutlich zeigt695. Sie stellte in diesem Zyklus ihre Familie auch in die Tradition Konstantins696, aber nicht in die seiner Dynastie, sondern Konstantins 692 Zu den Belegen für Constantius’ Rückgriff auf seinen Vater Konstantin vgl. Humphries 1997, 450/451. Nepotianus war als Mitglied der constantinischen Familie bekannt. Seine Mutter war Eutropia (PLRE 1, 316 s. v. Eutropia 2), eine Halbschwester Konstantins. Er betonte seine Verbindung zu Konstantin auch auf seiner Münzprägung (vgl. n. 1034). Er stellt sich also ganz in die Tradition Konstantins. 693 Generell zum Rückgriff auf die constantinische Familie durch Valentinian I. vgl. Drinkwater 1997, 11; Chausson 2007, passim. Zu Gratians Worten vgl. Auson. Grat. act. 11, 53 und dazu Callu 1999, 89. 694 Nach Zos. 4, 44, 2–4 (vgl. Paschoud 1979, 436–438) ging die Initiative dazu von Galla aus. Zosimus weist auf das dynastische Element nicht hin. Zu einer Übersicht der Verbindungen mit der Familie Konstantins bis hin zu Theodosius’ Dynastie vgl. Chausson 2007, 166. 695 Grundlegend ist die Beschreibung, die Deichmann 1974, 107–124 von den Mosaiken und der Ausstattung des Sanktuariums gibt, ebenso seine Lesung der Inschrift S. 109 und deren Kommentierung (zum Text der Inschrift vgl. Deichmann 1974, 109 = CIL 11, 276, besonders 276c u. d mit den Namen = ILS 818, 3 u. 4 = Diehl ILCV 20c u. d). Zum Zyklus und der Auseinandersetzung mit ihm Deichmann 1974, 114–117; Scharf 1996a, 21–23; A. Amici, Imperatori divi nella decorazione musiva della chiesa di San Giovanni evangelista, Ravenna. Studi e Ricerche 7, 1, 2000, 13–55, zu den Inschriften vgl. besonders 29 sqq. Zur Betonung, daß Galla Placidia auch zur Dynastie Valentinians enge Beziehungen hatte, vgl. auch die Namen ihrer Kinder Grata Honoria und Valentinianus, des späteren Valentinianus’ III., und dazu Lütkenhaus 1998, 157. 696 Man wird Konstantin keineswegs nur als Lückenbüßer betrachten dürfen, wie Scharf 1996a, 21 es möchte. Vgl. dagegen schon die überzeugende Deutung bei Deichmann 1974, 116. Der Zyklus sei eine Galerie der rechtgläubigen Kaiser, deren leuchtendes Vorbild der rechtgläubige Konstantin sei. Chausson 2007 sucht Galla Placidia mit der Familie Konstantins auch direkt zu verbinden, indem er ihre Großmutter Iustina, die zweite Frau Valentinians I., aus

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als des ersten christlichen Kaisers. In diese Tradition hatte sich auch schon Theodosius gestellt697. Der Rückgriff auf die Dynastie Konstantins blieb auch weiterhin von besonderer Bedeutung. So nahm der Usurpator Constantinus III. den Namen Konstantins an und gab seinen Söhnen neu die Namen Constans und Iulianus698. Später stieg Theodosius’ Familie zu einer ähnlichen Bedeutung auf, auch wenn sie nie die der constantinischen erreichte. Sie wurde dennoch für die dynastische Legitimation sehr wichtig699. Zur Betonung der Dynastie entsteht am Ende des 4. Jhd. die Vorstellung des im Purpur Geborenen, des Porphyrogennetos. Bezeichnet wird damit ein Sohn oder eine Tochter, die geboren wurden, nachdem der Vater Kaiser geworden war. Damit soll der Anspruch auf eine besondere Rolle bei der Nachfolge unterstrichen werden700. Die Stabilität dynastisch begründeter Herrschaft im 4. und 5. Jhd. unterscheidet sich deutlich von der im 3. Jhd., wo man vergeblich den Thron über die Bildung von Dynastien zu sichern suchte. Ein Kaiser wie Honorius hätte sich dort nicht so lange an der Macht halten können701. Das gleiche gilt für Arcadius. Schon Philostorgius702 gibt seiner Verwunderung darüber Ausdruck, indem er den PPO Orien­ tis Rufinus zu der Fehleinschätzung kommen läßt, daß das Heer ihn allein schon seiner äußeren Erscheinung wegen, durch die er sich so vorteilhaft von Arcadius unterschied, zum Herrscher erheben und Arcadius absetzen würde. Rufinus wurde dann unmittelbar darauf von den Truppen, die aus dem Westen zurückkehrten, vor Konstantinopel auf dem Hebdomon im Beisein des Kaisers Arcadius am 27.11.395 erschlagen. Philostorgius gibt sicher damit auch der Verwunderung seiner Zeitgenossen Ausdruck, daß ein Mann wie Arcadius sich auf dem Thron halten konnte. Die Bedeutung der dynastischen Legitimation bei der Auswahl der Amtskollegen oder Nachfolger sowie für die Sicherung von deren Herrschaft beruhte weitgehend auf der Bereitschaft und dem Willen der führenden Gruppe, den Anspruch der regierenden Familie auf den Thron zu unterstützen. Dies zeigt sich darin, daß die dessen Familie stammen läßt. Er sieht in ihr (160–163) die Tochter einer Tochter des Halbbruders Konstantins, Iulius Constantius, und seiner ersten Frau Galla. 697 Ambr. obit. Theod. 40. Vgl. dazu Biermann 1995, 186. Vgl. Ritzerfeld 2001. 698 Zu Fl. Claudius Constantinus, Usurpator in Britannien 407–411, vgl. PLRE 2, 316–317 s. v. Constantinus 21; PLRE 2, 310 s. v. Constans 1 und PLRE 2, 638 s. v. Iulianus 7. Zum Namen vgl. Ehling 1996, 2/3 (nach Stevens 1957, 318): Constantinus III. übernahm wohl praenomen und / oder nomen gentile erst später, um das Namensomen zu verstärken. Seeck vermutet (RE 4, 1 [1900], 1024), daß er sich als Nachkomme Konstantins ausgab. Zum Namen der Söhne vgl. Olymp. fr. 13, 1 Blockley. Ihre Namen verweisen auf Erfolge der beiden Kaiser Constans und Iulianus an der Rheingrenze (Stevens 1957, 318). Es handelt sich sicher um eine nachträgliche Übernahme der Namen. Zu den Namen des Vaters und der Söhne und der nachträglichen Annahme dieser Namen vgl. Paschoud 1989, 21; Drinkwater 1998, 272. Beide mit der älteren Literatur. 699 Henning 1999, 189. 700 Vgl. den Exkurs „porfurogevnnhto~“, S. 400/401. 701 Vgl. zu dieser Beobachtung Drinkwater 1998a, 305/306. 702 Philost. 11, 3. Zu Rufinus’ Tod auf dem Hebdomon vgl. ebendort: ejn tw`≥ legomevnw≥ tribouna­ livw≥.

III.E.1 Das dynastische Prinzip

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Übernahme der Herrschaft durch die Kaiser, die aus der amtierenden Dynastie zu nominellen Augusti erhoben worden waren, nie in Frage gestellt wurde, wenn der Nachfolgefall eintrat, und später nicht ohne Not in Zweifel gezogen wurde. Eine scheinbare Ausnahme bildet lediglich das Jahr 337, als der Caesar Dalmatius beseitigt wurde. Er war nur Caesar, mußte sich also für die Erhebung zum Augustus erneut einer Wahlversammlung stellen. Vor allem aber stammte er aus einer Nebenlinie, war also kein Sohn Konstantins. Gerade das wurde ihm zum Vorwurf gemacht. Aber auch das Verbleiben auf dem Thron hing vom Willen der führenden Gruppe ab, die Herrschaft des jeweiligen Kaisers mitzutragen. Hier zeigt etwa Constans’ Sturz 350, wie einem Kaiser, der den Rückhalt in der Führungsgruppe verloren hatte, auch die vorherige Erhebung und die dynastische Zugehörigkeit nicht nützten. Das Gleiche gilt für Valentinian II., als er im Westen als Kaiser im comitatus isoliert und von Theodosius I. an den Rand gedrängt Herrschaft und Leben verlor. Ließ die führende Gruppe den Herrscher fallen, war es um ihn geschehen. Der Kaiser war für die gesellschaftliche Stellung und den sozialen Aufstieg der Mitglieder der führenden Gruppe die entscheidende Instanz703, und somit bestand an der Stabilität der Besetzung dieses Amtes größtes Interesse. Dabei spielten vor allem die zivilen Amtsträger eine wichtige Rolle. Sie bedürfen funktionierender Institutionen, um ihre Aufgabe und ihren Einfluß ausüben zu können, und der Legitimation, die nur vom Kaiser kommen kann, wenn sie sich nicht in Abhängigkeit von einem militärischen Kommandanten und dessen Truppen begeben wollen. Die Kontinuität der Herrschaft ist für sie wesentliche Voraussetzung ihrer Stellung und des damit verbundenen Einflusses. Institutionell stützten sie sich auf die zentrale Verwaltung und ihre ihnen dort zustehenden Kompetenzen, mit denen sie auch die Armee mindestens teilweise kontrollieren konnten. Mit der Unterstützung der Dynastie kommen sie auch den Wünschen der Soldaten entgegen. Sie unterstützen eine Usurpation, die zum Sturz eines Kaisers aus der regierenden Familie führt, nur dann, wenn sie ihre Interessen nicht durchsetzen konnten und daraus Gefahr für ihre Stellung erwuchs oder die Dynastie, aus der ein Kaiser kam, keinen Rückhalt mehr hatte wie im Fall Valentinians II. 392. Mit dem dynastischen Prinzip gelang es, die Herrschaft einer Familie im ganzen Reich zu sichern, wenn direkte männliche Nachkommen oder Verwandte vorhanden waren und zu Kaisern erhoben wurden, bevor der Nachfolgefall eintrat. Die Nachfolge wurde aber keineswegs in allen Fällen rechtzeitig gesichert, auch wenn diese Voraussetzungen vorhanden waren. Iovian starb zu früh und überraschend. Er kam nicht mehr dazu, seinen Sohn Varronianus zum Mitherrscher zu machen, obwohl er dessen Nachfolge vorbereitet hatte. Anthemius erhob keinen seiner Söhne zum Kollegen im Amt, Iulian und Honorius nach Constantius’ III. Tod 421 keinen ihrer Verwandten, die dafür in Frage gekommen wären. In allen diesen Fällen mit Ausnahme Iovians war es kein zu früher Tod, sondern spielten persönliche Entscheidungen und politische Überlegungen eine Rolle.

703 Löhken 1982.

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III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?

Wurde die Nachfolge nicht rechtzeitig geregelt und kein Mitherrscher erhoben, der sie antreten konnte, entschied bei einer reichsweiten Vakanz wie 364 die Führungsgruppe am damals einzigen comitatus oder 457 die des östlichen Reichsteiles, der sich am besten legitimiert fühlte und zu einer Wahl politisch fähig war. Bei einer Vakanz in einem Reichsteil, die recht häufig auftrat, gewannen die Interessen der jeweiligen politischen Elite oder derer, die sie vertraten, häufig die Oberhand. Dies zeigen die Versuche im Westen bei Eugenius’ und Iohannes’ Erhebung, sich der theodosianischen Dynastie zu entledigen, oder das Vorgehen bei Petronius Maximus’ und Avitus’ Wahl, das einem möglichen Vorschlag Marcians keinen Raum ließ. Im Osten wird dies deutlich an der Ablösung der Familie des Kaisers Theodosius durch Marcian und der Zurückdrängung von dessen Familie durch Leo I. Um die Nachfolge und die Erhebung von Mitherrschern im Rahmen des dynastischen Prinzips regeln zu können, mußte ein regierender Augustus auf eigene Kinder oder nahe Verwandte zurückgreifen können. Dabei setzte eine Regelung, die möglichst wenig Konflikte schuf, voraus, daß die Zahl möglicher Kandidaten mit der der Amtskollegen, die zu erheben waren, übereinstimmte. Weil sich dies nicht planen ließ, war ein ständiges Element der Unsicherheit gegeben. Wurde ein direkter männlicher Nachkomme von der Nachfolge ausgeschlossen, weil er überzählig war wie der spätere Kaiser Valentinian II., bot er sich als Kandidat für eine usurpatorische Erhebung geradezu an. Auch für Theodosius I. wäre die Regelung seiner Nachfolge sehr viel schwieriger geworden, wenn Gratianus, Gallas Sohn, nicht 394 im Alter von fünf oder sechs Jahren gestorben wäre704. Hatte der Kaiser keine eigenen Söhne, stellte sich die Frage, wer seiner Verwandten als Kollege in Frage kam. Die Situation wurde in diesem Fall noch schwieriger, wenn die Geburt eigener Kinder nicht ausgeschlossen war. Die Lösung, die Constantius II. versuchte, nämlich Gallus und Iulian, die Söhne seines Onkels, in der Position eines Unterkaisers (Caesar) auf eine endgültige Lösung so lange warten zu lassen, bis sicher war, daß ihm keine eigenen Söhne mehr geboren würden, erwies sich politisch als nicht praktikabel705. Die Zugehörigkeit zur regierenden Dynastie bewirkte zusammen mit der Erhebung zum Kollegen eine starke Legitimation. Sie führte aber nicht dazu, daß Usurpationen völlig aussichtslos wurden. Die Wirkung lag aber doch darin, daß die feste Verbindung der herrschenden Dynastie mit dem Thron eine zusätzliche große Hürde für jeden Usurpator bildete, wenn er nicht aus der regierenden Dynastie stammte oder irgendeine Verbindung zu ihr hatte. Die Ablösung einer ganzen Dynastie durch einen Usurpator auf einen Schlag wurde auch nur von Procopius versucht, und zwar ohne Erfolg. Zu einer Erbfolgeregelung wie in den europäischen Monarchien der frühen Neuzeit kam es nie, weil sich das Kaisertum niemals zu einer eigentlichen Institution entwickelte und kein Amt etwa im Sinn von Ämtern in der römischen Republik wurde. Die monarchische Herrschaft in Rom war in einer Republik entstanden. Das bestimmte auch noch in der Spätantike ihren Charakter. Deshalb entwickelten sich 704 Zu ihm vgl. n. 179. 705 Vgl. S. 170/171.

III.E.1 Das dynastische Prinzip

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auch keine klaren Regeln für Übernahme des Kaisertums und für die persönlichen Voraussetzungen, um es bekleiden zu können. Dort wäre z. B. auch der Platz für eine Erbfolgeregelung gewesen706. Nach Theodosius’ II. (450) und Valentinians III. überraschendem Tod (455) verlor die dynastische Legitimation an Bedeutung. Beide hatten keine männlichen Nachkommen, die sich als Amtskollegen aufdrängten und die Herrschaft in beiden Reichsteilen übernehmen konnten, und beide hatten keine sonstigen Regelungen für ihre Nachfolge getroffen. Es gab keine Dynastie, die in beiden Reichsteilen die Kaiser stellen konnte. Es war nicht mehr notwendig, auf einen dynastisch legitimierten Nachfolger aus dem anderen Reichsteil Rücksicht zu nehmen707. Diese Situation blieb im Westen bis zum Ende des Kaisertums 476 bestehen, und im Osten gab es auch keine Familie, die sich länger an der Herrschaft halten konnte. Leo II. starb schon nach wenigen Monaten, und Zenons dynastische Legitimation war nicht sehr wirkungsvoll. Mit dem Zurücktreten der dynastischen Legitimation als wichtigen Elementes der Mehrkaiserherrschaft wurde auch deren System, wie es seit Konstantin gegolten hatte, geschwächt. Daß man schließlich auf dieses ganz verzichtete, wie es 476 geschah, hat nicht nur einen äußeren Grund in der Übernahme der Macht durch Odoaker. Zwar hatten Valentinian III. und Theodosius II. keine Kinder, die die Herrschaft in beiden Reichsteilen übernehmen konnten, aber die Führungsschicht war nicht bereit, einer neuen Dynastie, die für längere Zeit herrschen konnte, den Weg zu bahnen. Das behinderte nur ihre Interessen und ihre Entscheidungsfreiheit, eine Haltung, die schon bei Valens’ Erhebung erkennbar ist und die eine gegenläufige Tendenz zur Mehrkaiserherrschaft auf dynastischer Grundlage bildete. Die führende Gruppe tendierte zu einer Wahlmonarchie, mit der die Mehrkaiserherrschaft auf dynastischer Grundlage nur schwer in Übereinstimmung zu bringen war. Dagalaifus formulierte es bei den Beratungen über die Erhebung eines Kollegen für Va706 Zu solchen Überlegungen vgl. etwa A. Winterling, Vergleichende Perspektiven, A. Winterling (Hrsg.), Zwischen „Haus“ und „Staat“. Antike Höfe im Vergleich, München 1997, 151–169, dort 168. 707 Ob Leo I. mit Anthemius’ Einsetzung im Westen dort eine Dynastie schaffen wollte, die ihm verpflichtet war (Henning 1999, 200/201) oder West und Ost unter eine Dynastie bringen wollte, indem er Marcianus 17, Anthemius’ Sohn, mit seiner Tochter Leontia 1 verheiratete (J. M. O’Flynn, A Greek on the Roman Throne. The Fate of Anthemius, Historia 40, 1991, 122–128, dort 125), muß offenbleiben. Beide Absichten sind eher unwahrscheinlich. Zwei verschiedene Familien in West und Ost hatten sich in der Vergangenheit nicht als ideale Lösung erwiesen. Die Bestimmung der Nachfolger im gegenseitigen Einverständnis und deren Rangordnung bereitete Probleme, und es konnte zu Verdrängungsprozessen wie bei der Ablösung der valentinianischen Dynastie durch die theodosianische kommen (vgl. S. 174). Im Unterschied zu anderen Kaisern bereitete Anthemius auch seine Nachfolge im Westen nicht vor, obwohl er direkte männliche Nachkommen hatte (vgl. n. 163). Er machte seinen Sohn Marcianus nur 469 zum consul im Westen, und dieser kehrte um 470/471 in den Osten zurück, wo er Leontia, die Tochter Leos I., heiratete, nachdem deren Ehe mit dem Caesar Patricius nach dessen Sturz nicht mehr bestand. 472 wurde er consul iterum im Osten (PLRE 2, 717; Henning 1999, 44 n. 91). Marcianus wurde nie zum Mitherrscher erhoben. Er unternahm 479 einen Usurpationsversuch.

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III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?

lentinian I. in den Worten des Prinzipates als Gegensatz zwischen Leistungs- und dynastischem Prinzip708. III.E.2 Die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen: . Herkunft, Rang, Funktion, Religion Für die Kaiser in der Spätantike, die als legitim gelten, und nicht durch die Zugehörigkeit zur kaiserlichen Familie und eine Erhebung als Mitherrscher auf den Thron kamen, lassen sich bestimmte gesellschaftliche Voraussetzungen feststellen. Eine militärische Karriere war anders, als man vermuten könnte und wie es immer wieder in der Forschung in den Vordergrund gestellt wird709, keine Voraussetzung. Zwar gelangt in der Spätantike bis zur Erhebung des Usurpators Eugenius 392 kein Kandidat mit einer zivilen Karriere auf den Thron, aber die Möglichkeit dazu wird als gegeben betrachtet. Bei den hinreichend ausführlich überlieferten Beratungen über mögliche Nachfolger eines Kaisers werden immer nämlich auch Kandidaten aus dem zivilen Amtsbereich ernsthaft in Erwägung gezogen. Beim Tode Iulians 363 wird der PPO Secundus Salutius vorgeschlagen und, wenn auch ohne Chancen, der primicerius notariorum Iovianus710. Nach dem Tod Iovians 364 dachte man ebenfalls an Secundus Salutius711. Damals wurde auch Ianuarius, ein Verwandter Iovians (Ioviani adfinis), für die Nachfolge in Betracht gezogen, der wahrscheinlich als Amtsträger mit ziviler Tätigkeit zu gelten hat712. Bei den geheimen Beratungen über einen möglichen Nachfolger während der schweren Er708 Amm. 26, 4, 1: „Si tuos (sc. Familienmitglieder) amas“, inquit (sc. Dagalaifus), „imperator optime (sc. Valentinian I.), habes fratrem (sc. Valens), si rem publicam, quaere, quem vestias (sc. purpura)“. Zur Parallelüberlieferung vgl. Cedren. 1, 541; Leo Gramm. 97 und dazu den Boeft 2008, 78/79. 709 Vgl. z. B. Seeck 5, 244 im Zusammenhang mit Eugenius’ Usurpation; Straub 1939, 32; Elbern 1984, 65. 710 Die Erhebung des mag. off. Martinianus zum Augustus durch Licinius im Sommer 324 nach der Niederlage von Adrianopel bildet einen isolierten Sonderfall, dessen Hintergründe schwer faßbar sind. Martinianus’ voraufgegangene Karriere ist zudem nicht bekannt. Zu Martinianus vgl. PLRE 1, 563 s. v. Martinianus 2; Clauss 1981, 171; Paschoud 2000, 230 n. 35. Zu Salutius vgl. Amm. 25, 8, 18. Aus Ammians Text geht nicht ganz deutlich hervor, ob er bei den Beratungen der Führungsgruppe vorgeschlagen und unterstützt wurde. Die Wendung no­ minatus spricht dafür. Zu Iovianus vgl. PLRE 1, 460/461 s. v. Iovianus 1; den Boeft 2005, 276/277. 711 Vgl. Neri 1985, vgl. etwa 157/158 zu Salutius’ Kandidatur und ihrer Bedeutung. Vgl. n. 383. 712 Amm. 26, 1, 4. Er war zwar der opinio communis nach ein regionaler Heermeister in Illyrien oder comes rei militaris (PLRE 1, 454 s. v. Ianuarius 5). Demandt 1970, 686 hat aber daran schon Zweifel geäußert und ihn als Mitglied der Militärverwaltung, als actuarius, betrachtet, ohne daß man dieser Auffassung gefolgt wäre. Durch den Begriff castrensis ist Ianuarius’ Tätigkeitsbereich zwar deutlich als militärischer gekennzeichnet (vgl. z. B. Amm. 21, 16, 2; 25, 10, 8; 30, 3, 5; 31, 4, 9); es ist aber sprachlich nicht ohne weiteres zu entscheiden, ob er als militärischer Führer oder in der Militärverwaltung tätig war. Gegen eine Spitzenposition in der militärischen Führung spricht, daß zu gleicher Zeit ein Heermeister per Illyricum belegt ist und die Tätigkeit eines solchen anders bezeichnet wird. So käme vor allen Dingen die Stellung als princeps im officium des mag. mil. per Illyricum in Frage (vgl. Not. dign. or. 9,

III.E.2 Die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen

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krankung Valentinians I. 367 war der magister memoriae Sextius Rusticus Iulianus im Gespräch713. Ebenso wurden Usurpationsvorwürfe auch gegen Zivilisten erhoben, und zwar unbestrittene, nicht nur solche, die vielleicht nur ein politisches Kampfmittel waren wie der gegen den PPO Rufinus714. So wurde Theodorus 13, der secundicerius no­ tariorum, eines gefährlichen Usurpationsversuches für fähig gehalten. Dies ist die tiefste dignitas in der Verwaltung, von der aus der Sprung auf den Thron mit guten Aussichten versucht worden sein soll, soweit wir wissen715. Im 5. Jhd. gelangte Anastasius von der Stellung eines silentarius aus zum Kaisertum716. Er gehörte also vor seiner Erhebung nicht einmal dem Senat an717. Als Zenon 491 gestorben war, wollte der Heermeister Longinus Kaiser werden. Er konnte sich aber trotz der Unterstützung durch den mag. off. Longinus718 nicht durchsetzen. Erhoben wurde der silentarius Anastasius, der nicht als Marionette der militärischen Kommandanten, sondern als Exponent einer politischen Gruppe anzusehen ist, die von der Kaiserin Ariadne und dem Eunuchen Urbicius angeführt wurde719. Er ist der einzige zivile Beamte, der es, ohne als Usurpator zu gelten, auf den Thron schaffte. Zivile Amtsträger als Kandidaten gab es ebenfalls im Westen im 5. Jhd. Nach Valentinians III. Ermordung 455 war ein Maximianus720 Kandidat für den Kai51), obwohl diese vom Rang her im 4. Jhd. zu niedrig ist (vgl. Delmaire 1995, 114), um für die Wahl zum Kaiser in Frage zu kommen. 713 Amm. 27, 6, 1. Vgl. PLRE 1, 479/480 s. v. Sextius Rusticus Iulianus 37. Sein Gegenkandidat ist der mag. ped. Severus (PLRE 1, 833 s. v. Severus 10). 714 Vgl. PLRE I, 778–781 s. v. Rufinus 18, dort 780 zu den Belegen für Usurpationsabsichten; Gutsfeld 1998, 100. Zu den Usurpationsvorwürfen vgl. besonders Philost. 11, 3; Soc. 6, 1, 4–7, aber auch Soz. 8, 1, 2, der ganz deutlich sagt, daß Rufinus selbst Herrscher werden wollte (wJ~ turannei`n bouvletai). Rufinus wird des Strebens nach Umsturz verdächtigt und von Philostorgius auf eine Stufe mit Stilicho gestellt. Rufinus will direkt usurpieren, Stilicho durch die Heirat seines Sohnes mit der Kaisertochter seine Familie auf den Thron bringen. Man vgl. etwa S. Döpp, Zeitgeschichte in den Dichtungen Claudians, Wiesbaden 1980, 1980, 87/88 n. 8 zur Diskussion über die Frage, ob Rufinus wirklich usurpieren wollte. Man bestrafte ihn wie einen Hochverräter. Vgl. Marcell. com. 395, 5 = Chron. min. 2, 64: Rufinus … ante portas urbis merito trucidatus est. caput eius manusque dextra per totam Constantinopolim demons­ trata. 715 Zu Theodorus vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 390/391. Gratianus, ein Usurpator aus der munizipalen Aristokratie Britanniens, bildet eine deutliche Ausnahme. Vgl. n. 1028. 716 Vgl. C. P. 1, 92 S. 422, 2. Zu weiteren Belegen vgl. PLRE 2, 78/79 s. v. Anastasius 4. 717 Euagr. HE 3, 29. Es muß unsicher bleiben, ob Euagrius damit auch Anastasius’ Zugehörigkeit zum Senatorenstand (vir clarissimus) oder nur zum Senat als Körperschaft meint. Diesem gehörte er auf keinen Fall an. Vgl. n. 735. 718 Zu beiden Longini vgl. n. 461, 462, 463. 719 Vgl. III.C.3.b Die Kaisererhebungen im Osten im 5. u. 6. Jhd. – Anastasius’ Erhebung, S. 118/119. Zur Hypothese, daß Anastasius Ariadnes Liebhaber war und deshalb von ihr vorgeschlagen wurde, vgl. Capizzi 1969, 74–76. 720 PLRE 2, 739 s. v. Maximianus 5. Zu ihm als zivilem Amtsträger vgl. Schmitt 1994, 154. Es ist allerdings umstritten, ob er nicht möglicherweise mit Maiorianus gleichzusetzen ist. Vgl. n. 506.

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III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?

serthron, der als ziviler Amtsträger zu betrachten ist, und Petronius Maximus, der zwar als Usurpator zu gelten hat, schaffte es bei dieser Gelegenheit auf den Thron. Die Erhebung einer Reihe ziviler Würdenträger vom Ende des 4. Jhd. an zu Kaisern, sei es, daß sie als Usurpatoren betrachtet wurden, sei es, daß sie wie Ana­ stasius legitime Herrscher waren, ohne daß ein militärischer Kommandant die entscheidende Rolle dabei spielte, kann daher nicht nur damit erklärt werden, daß die barbarischen Heermeister nicht selbst dieses Amt übernehmen wollten oder aus politischen Gründen nicht konnten721. Es ist vielmehr ein klarer Hinweis darauf, daß ein röm. Kaiser vom Ende des 4. Jhd. an auch eine reine Verwaltungskarriere durchlaufen haben kann. Die Bedingung für seine Erhebung ist lediglich, daß er eine entsprechende dignitas erreicht hat. Kaiser zu werden als Höhepunkt einer zivilen Laufbahn war erst in der Spätantike möglich, ohne eine Ausnahme zu sein, als die Trennung der militärischen und zivilen Karrieren, die Konstantin eingeführt hatte, deutlich greifbar wurde, die enge Zusammenarbeit der hohen zivilen Beamten mit den militärischen Amtsträgern sich eingespielt hatte und die zivilen Laufbahnen zum gleichen Prestige und zum gleichen Rang führten, ja sogar bis in die Zeit Valentinians I. höher bewertet wurden. In der hohen Kaiserzeit wurden dagegen hohe Zivilbeamte niemals ernsthaft für das Kaisertum in Erwägung gezogen. Zwar gab es für Ritter und Senatoren eigentlich keine Karrieren, in denen nur zivile oder nur militärische Ämter zu durchlaufen waren, aber doch solche mit überwiegend zivilen Charakter wie z. B. die der berühmten Juristen Papinianus oder Ulpianus als Praetorianerpraefekten unter den Severern. Sie hatten nie eine Chance, Kaiser zu werden. Eine erfolgreiche militärische Karriere war Voraussetzung, um nach der Krone greifen zu können. Auch als sich nach dem Ausschluß der Senatoren von den Posten als Legionskommandanten 268 eine Art reiner ziviler Karriere für die Mitglieder des Senatorenstandes herausbildete, bot diese normalerweise keine Voraussetzung für das Kaisertum, weil sie in einer Sackgasse endete. Ausnahmen von dieser Regel sind kaum auszumachen. Möglicherweise bietet der Senator und gallische Usurpator Tetricus (271–274)722 eine solche. Er hatte offensichtlich vor seiner Erhebung niemals ein militärisches Kommando inne und setzte nach der Niederlegung der Herrschaft seine Karriere als ziviler Würdenträger fort. Tacitus (275–276), der sogenannte Senatskaiser, ist dagegen keine Ausnahme. Er war kein an den politischen und militärischen Ereignissen unbeteiligter Zivilist, dessen kurze Herrschaft ein letztes Aufflackern des alten Einflusses des Senates bedeutete, wie es insbesondere die Historia Augusta darstellt723, sondern ein vir militaris, der dem Heer wohlbekannt war. Vermutlich nach langer ritterlicher Laufbahn war er durch adlectio in den Senat gekommen, und deshalb war er erst im hohen Alter von über siebzig Jahren zum ersten Mal Konsul (273 n. Chr.)724. 721 Zur Situation der Forschung vgl. grundlegend von Haehling 1988. 722 Zu Tetricus vgl. n. 1353. 723 Vgl. dazu Bleckmann 1992, 304–309. 724 Dieses korrigierte Bild von Tacitus geht im wesentlichen auf Syme zurück. Vgl. R. Syme, Emperors and Biography. Studies in the Historia Augusta, Oxford 1971, 237–247; vgl. ferner K. P. Johne, Veränderungen in den Oberschichten: Kaiser, Senat und Ritterstand, K. P. Johne

III.E.2 Die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen

185

Die Entwicklung, daß zivile Amtsträger nach dem Kaiserthron mit Aussicht auf Erfolg streben konnten, wurde Ende des 4. und im 5. Jhd. dadurch erleichtert, daß die Kaiser im Ostteil des Reiches nach Theodosius’ Tod 395 bis zu Mauricius (582– 602) keine Kriege mehr persönlich führten und damit keine militärische Erfahrung haben mußten. Für den Westteil des Reiches gilt dies zwar nicht durchgehend von 395–476, aber doch für große Zeitabschnitte, so für die Zeit von Honorius’ und Valentinians III. Herrschaft. Schon Iohannes Lydos ist dies für Theodosius’ Söhne aufgefallen. Er erklärt es damit, daß Theodosius der trägen Natur seiner Söhne wegen Regelungen getroffen habe, daß sie nicht mehr persönlich an Feldzügen teilnehmen mußten725. Selbstverständlich bot eine militärische Karriere im 4. und 5. Jhd. eindeutig die größeren Chancen, um auf den Kaiserthron zu kommen, wie die Wahl Iovians oder Valentinians I. zeigt. Beide waren aber keine Heermeister oder comites rei militaris, sondern standen im Rang unter diesen. Iovian war primicerius domesticorum und Valentinian I. tribunus secundae scolae Scutariorum. Valens wurde von seinem Bruder Valentinian I. zum tribunus stabuli befördert, bevor dieser ihn zum mitregierenden Augustus erheben ließ726. Diese Erscheinung, Kandidaten zu bestimmen, die nicht Heermeister oder co­ mes rei militaris waren, läßt sich auch im 5. Jhd. beobachten, und zwar bei Marcian727, der zur Zeit seiner Erhebung 450 tribou`no~ oder oJ ajpo; tribouvnwn728, also Kommandant einer militärischen Einheit, war. Das Gleiche gilt für Leo I.729, der zur Zeit seiner Erhebung 457 comes und tribunus Mattiariorum730 war, also auch eine Einheit kommandierte. Mit dem comes excubitorum Iustinus, der 518 erhoben wurde, beginnen die Kommandanten der Palasttruppen in eine gute Ausgangslage für den Sprung auf den Thron zu kommen, eine Entwicklung, die aber nicht mehr Gegenstand dieser Untersuchung ist731. Der tiefste militärische Rang, der als Voraussetzung für eine Erhebung angesehen wurde, war offensichtlich die Stellung eines tribunus als Kommandant einer Einheit. Magistri militum wurden dagegen von der Führungsgruppe niemals zur Erhebung vorgeschlagen, auch wenn sie gerne auf den Thron wollten732. Theodosius, Constantius III. und Zenon, die als Heermeister zum Kaisertum gelangten, wurden nicht von der Führungsgruppe vorgeschlagen, sondern kamen durch den Vorschlag (Hrsg.), Gesellschaft und Wirtschaft des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert. Studien zu ausgewählten Problemen, Berlin 1993, 187–244, dort 236–238; A. Chastagnol, Histoire Auguste. Les empereurs romains des IIe et IIIe siècles. Édition bilingue latin-français. Traduction du latin par A. Chastagnol, Paris 1994, 1030 sq.; anders M. Christol, Essai sur l’évolution des carrières sénatoriales dans la deuxième moitié du IIIe siècle, Paris 1986, 111–113, 183 sq. 725 Ioh. Lyd. de mag. 2, 11; 3, 41; vgl. Diefenbach 1996, 41. 726 Amm. 26, 4, 2/3. 727 PLRE 2, 714/715 s. v. Marcianus 8. 728 Vgl. Theod. Lect. Epit. 354; Chron. Pasch. 1, 590 ed. Dindorf. 729 PLRE 2, 663/664 s. v. Leo 6. 730 C. P. 1, 91 S. 411, 4. 731 Jones 1973, 638. 732 Vgl. Longinus 3. Vgl. n. 461, 463.

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III. Der Kaiser, E. Wer kann Kaiser werden?

eines regierenden Augustus zur Macht. Dabei war dieser Vorschlag jeweils durch besondere politische Umstände bedingt und nicht unbestritten733. Anders sieht dagegen die Situation bei den bedeutenden Usurpatoren des 4. Jhd. im Westen aus. Hier sind es mehrfach die höchsten Kommandanten, die nach der Krone greifen. Es sind Heermeister wie Silvanus und Vetranio oder comites rei militaris wie Magnentius und Magnus Maximus734. Im Osten gab es im 4. Jhd. nur Procopius’ Erhebung. Im 5. Jhd. griff mit Basiliscus 475 ein Heermeister nach der Krone. Zusammenfassend läßt sich sagen: Wer den Sprung auf den Kaiserthron schaffte, ohne als Usurpator zu gelten, ohne enge verwandtschaftliche Beziehungen zur regierenden Dynastie zu haben und ohne als Mitherrscher erhoben worden zu sein, hatte vorher einen Posten in der zivilen Verwaltung oder am Hof bekleidet oder hatte im Militär der zweithöchsten Kommandoebene angehört. Lediglich Theodosius I., Constantius III. und Zenon kamen als Heermeister auf den Thron, ohne zu usurpieren. Sie wurden jeweils von einem amtierenden Kaiser der Wahlversammlung vorgeschlagen. Von ihnen war aber lediglich Theodosius nicht mit der regierenden Dynastie verschwägert. Constantius war dagegen mit Galla Placidia, Honorius’ Schwester, verheiratet, und Zenon mit Ariadne, der Tochter Leos I. Ihn erhob sein eigener Sohn. Bei allen anderen Heermeistern, die im 4. Jhd. auf den Thron gelangten, handelt es sich um Usurpatoren. Im Osten kam es bis zur Usurpation des Heermeisters Basiliscus 475 gar nicht zum Griff nach der Krone durch einen hohen militärischen Kommandanten. Er war zudem der erste Usurpator im Osten seit Procopius’ Erhebung 365. Die Zugehörigkeit zur Führungsgruppe oder zum Senat als Körperschaft, seit der Mitte des 5. Jhd. als illustris, war nicht nötig, um Kaiser zu werden, wie Iovian, Valentinian I, Marcian, Leo I. oder Anastasius erkennen lassen. Ob man wenigstens vir clarissimus sein mußte, ist der Überlieferungslage wegen nicht zu sichern. Von den erwähnten Kaisern war Anastasius möglicherweise bei seiner Wahl nicht vir clarissimus. Bei Iovian und Valentinian I. muß es ebenfalls unsicher bleiben, ob sie schon durch ihre Herkunft viri clarissimi waren. Iovian war der Sohn eines comes domesticorum, Valentinian der eines comes rei militaris. Durch das Amt, das sie zum Zeitpunkt ihrer Erhebung bekleideten, waren sie es nicht735. Zur dynastischen Herkunft oder anderen sozialen Voraussetzungen, um zum Kaiser erhoben werden zu können, muß das christliche Bekenntnis kommen. Nach 337 muß jeder Kandidat für den Thron Christ sein, und zwar rechtgläubig oder besser: die Auffassung vertreten, die in dem Gebiet, das er regieren soll, vorherrscht736. 733 Vgl. S. 102, 174. 734 Bei den geheimen Beratungen über einen möglichen Nachfolger während der schweren Erkrankung Valentinians I. 367 war der Heermeister Severus (n. 713) im Gespräch. Man vgl. auch die Usurpationsversuche verschiedener Heermeister im Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 388–393. 735 Vgl. generell Jones 1973, 525–530, 1221; Delmaire 1995, 40; PLRE 2, 79 (Anastasius gehörte nicht zum Senat als Körperschaft); Szidat 1996, 197. Vgl. n. 717. 736 Die Entscheidung, das Kaisertum nach dem Tod Iulians und wiederum nach dem Iovians Salutius anzutragen, bildet keine eigentliche Ausnahme. Es ist auch kein Hinweis darauf, daß das religiöse Bekenntnis zu diesem Zeitpunkt noch unwichtig gewesen sei (so Wirth 1984, 355 n. 4). Salutius war zwar Heide, wäre aber offensichtlich wegen seiner Zurückhaltung und

III.F.1 Allgemeine Überlegungen

187

Untrüglicher Beleg dafür ist Iulians Verhalten. Bevor er 361 die Alleinherrschaft in Konstantinopel übernahm, verbarg er sein Heidentum. Er unterstrich dagegen sein Christentum. Erst nach der Erringung der Alleinherrschaft wagte er, sein Heidentum offen zu bekennen737. Im 5. Jhd. wird die Voraussetzung, rechtgläubig sein zu müssen, formalisiert. Bei Anastasius’ Wahl 491 verlangte der Patriarch erstmals eine schriftliche Erklärung über die Rechtgläubigkeit vom Kandidaten, der erhoben werden sollte738. Ob die geschilderten sozialen Voraussetzungen zwingend waren, ist natürlich bei der geringen Zahl der Fälle regulärer Thronbesteigungen und auch der kleinen Zahl von Usurpationen nur begrenzt mit Sicherheit zu behaupten. Unsere Quellen sprechen jedenfalls von keinen anderen Fällen, und auch die überlieferten Usurpationsversuche zeigen kein anderes Bild. Die geschilderten sozialen Voraussetzungen begrenzen zusammen mit der Bedeutung der dynastischen Legitimation den Kreis möglicher Thronanwärter. Sie wirken daher politisch durchaus stabilisierend. III.F Die Sicherung der Herrschaft III.F.1 Allgemeine Überlegungen Die Kaiser waren sich der ständigen Gefährdung ihrer Herrschaft durch mögliche Prätendenten durchaus bewußt, und die Überlieferung läßt dieses Problem auch immer wieder erkennen, indem sie den einen oder anderen Kaiser übertriebener Furcht vor Usurpationen bezichtigte739. Darum sorgen mußten sich aber alle. Der generell prekäre Charakter der kaiserlichen Stellung hatte nämlich eine stärkere Bedrohung der Herrschaft zur Folge als in einem System mit festen institutionellen Regelungen zur Übernahme und Weitergabe des Kaisertums. Das jeweilige tatsächliche Ausmaß der Bedrohung wurde von verschiedenen Faktoren bestimmt, so etwa ausgleichenden Einstellung für die Christen erträglich gewesen (Greg. Naz. or. 4, 91; Soc. 3, 19; Soz. 5, 10, 13; 5, 20, 1 sqq.; Theodor. 3, 11, 1; Rufin. hist. 10, 37; Eun. vit. Soph. 7, 5, 3 sqq. Er vermißte bei Salutius den kämpferischen Einsatz für den Polytheismus.). Zum heidnischen Bekenntnis des Usurpators Attalus vgl. n. 1045. 737 Vgl. Szidat 1996, 34/35. 738 Vgl. n. 562. 739 Dies gilt etwa für Constantius II. (vgl. z. B. Amm. 21, 16, 8 und Szidat 1996, 207–210), Iovian (Amm. 25, 9, 8) und Theodosius II. Dieser soll in ständiger Furcht vor Personen gelebt haben, die der kaiserlichen Stellung für würdig gehalten wurden oder an eine Usurpation dachten. Es werden auch zwei Namen von Personen überliefert, die als mögliche Usurpatoren galten und deshalb verbannt wurden, nämlich Daniel und Baudo. Sie sind sonst unbekannt, und auch über ihren Rang und ihre Funktion wissen wir nichts. Ebenso fürchtete er den General Zenon als möglichen Usurpator (Ioh. Ant. fr. 199, 1 = Exc. de ins. 84 = Prisc. fr. 16 Blockley; Prisc. fr. 15, 4 Blockley = Exc. de leg. Rom. 5). Als Honorius starb, fürchtete Theodosius II. eine Usurpation im Westen und ergriff politische und militärische Maßnahmen (Soc. 7, 23, 1/2). Vgl. auch die Usurpationsversuche unter Theodosius II. im Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 391. Zum prekären Charakter der kaiserlichen Stellung und ihrer ständigen Bedrohung vgl. Ioh. Chrys. hom. 15, 5 in Phil. = PG 62, 295; Ioh. Chrys. vid. 4 = PG 48, 605.

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III. Der Kaiser, F. Die Sicherung der Herrschaft

durch Herkunft, Charakter, Bildung und Alter des Kaisers, vom Grad seiner Legitimation und selbstverständlich von der Politik, die er führte. Unter den repressiven Maßnahmen zur Sicherung der Herrschaft spielten die Majestätsprozesse eine wichtige Rolle, die hinreichend Interesse bei antiken Autoren und in modernen Darstellungen gefunden haben. Organisatorische Vorkehrungen größeren Ausmaßes wie der Aufbau paralleler Geheimdienste oder die Schaffung konkurrenzierender Gruppierungen der Armee scheint es nicht gegeben zu haben740. Deutlich greifbar sind dagegen vorbeugende Maßnahmen politischer Art wie das Bestreben des Kaisers, sich das Wohlwollen verschiedener wichtiger Gruppen zu erhalten, um seine Herrschaft zu sichern. Diese sind in der Spätantike oft noch regional gegliedert wie etwa der Senatorenstand. Dafür sind sie als einzelne von geringerem Gewicht, denn gegen eine geschlossene Gegnerschaft der führenden Gruppe um den Kaiser können sie sich nicht durchsetzen, und die großen Provinzialarmeen gibt es nicht mehr. Größere Gruppierungen von Einheiten der Bewegungsarmee außerhalb des comitatus sind selten. Im frühen Prinzipat hing dagegen das Schicksal des Kaisers im wesentlichen von der Armee, d. h. anfänglich den Prätorianern und später besonders von den großen Verbänden in einigen Provinzen, ab, in geringerem Maß von den Mitgliedern des Senates in Rom und der plebs urbana. Die Befriedigung der materiellen und anderen Interessen der verschiedenen Gruppen wie Ansehen, Aufstiegschancen, Macht und Einfluß spielen eine entscheidende Rolle. An die Loyalität der entscheidenden Gruppen wird immer wieder appelliert. Um jene zu festigen und zu bewahren, erhalten die zivilen und militärischen Würdenträger, die Soldaten und die Mitglieder der Verwaltung reichsweit, d. h. nicht nur dort, wo gerade der Kaiser ist, regelmäßig Gaben741, und zwar zu den verschiedensten Gelegenheiten wie zu Konsulatsantritten, Regierungsjubiläen oder Siegen, aber auch zur Entgeltung besonderer Taten. Dabei sind die Geschenke je nach Rang und Funktion abgestuft. Je wichtiger ein Amtsträger für den Kaiser war, desto mehr erhielt er. Bei der Vergabe werden sie zur Treue dem Kaiser gegenüber aufgefordert. Als z. B. Silvanus in Köln am 7. Aug. 355 ein Donativ an die Soldaten anläßlich des Geburtstages Constantius’ II. in dessen Namen verteilte742, forderte er sie auf, tapfer und treu zu sein. Diese Vergabungen stellten eine große wirtschaftliche Belastung dar und konnten so wiederum zu einer Gefahr werden, wenn sie zu 740 Vgl. etwa die Zusammenfassung bei Demandt 2007, 273. Zu modernen Maßnahmen, um Usurpationen in Staaten zu verhindern, die vom System her ihnen ausgesetzt sind, und ihrem Erfolg vgl. etwa Belkin 2003, 596 u. passim. 741 Vgl. zur kaiserlichen Freigebigkeit und besonders zur dezentralen Verteilung der Geschenke Szidat 2003, 225–229; zu einer Darstellung aus vorwiegend verwaltungstechnischer Sicht Delmaire 1989, 535–593. Zu einer Untersuchung der aus dem 4. Jhd. noch erhaltenen Gegenstände vgl. die Dissertation von M. Beyeler, Geschenke des Kaisers. Studien zur Chronologie, zu den Empfängern und zu den Gegenständen der kaiserlichen Vergabungen im 4. Jhd. n. Chr. (Arbeitstitel), die nächstens in Druck gehen wird. 742 Amm. 15, 6, 3 (fortis esset et fidus) und dazu Delmaire 1989, 538. Es handelt sich um eine Gabe anläßlich des Geburtstages Constantius’ II. Irrtümlich Jones 1973, 1259 wie auch Kent 1981, 54, die von einem verspäteten Donativ anläßlich der Tricennalien sprechen.

III.F.2 Die Führungsgruppe und die Sicherung der Herrschaft

189

zusätzlichen Steuern führten und in deren Folge zu Unruhen wie 387 in Antiochia743. Der Kaiser sieht darauf, daß mögliche Konkurrenten keine Gelegenheit finden, sich durch Vergabungen einen größeren Anhängerkreis zu schaffen, oder finanzielle Mittel für eine Usurpation bereitstellen können744. Die entscheidende Gruppierung bildeten die Mitglieder der Gruppe, die ihn erhoben hatten oder seine Erhebung gebilligt und damit ihre Macht reichsweit bewiesen hatten. Soweit sie nicht zu dieser gehörten, sind auch die hohen Offiziere der Armee bis hinab zu den Kommandanten der einzelnen Einheiten wie etwa den tribuni und die Würdenträger in der regionalen Verwaltung von Bedeutung. Ebenso sind die führenden Vertreter der Kirche von Wichtigkeit. Die Herrschaft des Kaisers war mit Ausnahme der Residenzstädte von unteren sozialen Schichten nicht gefährdet. Dabei ist aber lediglich in Konstantinopel dieses Phänomen greifbar. Solange die entscheidenden Leute zum Kaiser hielten, spielten andere Gruppen keine Rolle. Erst wenn im Rahmen einer Usurpation die normalen Loyalitätsverhältnisse in Frage gestellt wurden, gewannen auch andere Schichten an Bedeutung. Zugleich mußte es darum gehen, sich gegen Kandidaten zu sichern, die von ihrer Stellung und Herkunft her als Anwärter auf den Thron in Frage kamen. Im folgenden soll nicht die Politik der einzelnen Kaiser dargestellt werden, sondern die Rahmenbedingungen und Strukturen, die ihnen zur Verfügung standen, um ihre Herrschaft zu sichern. Beides reichte nicht zu deren absoluter Sicherung aus, weil die Usurpation Teil des Systems bildete. Warum sich diese trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zuweilen doch ereignete, ist nicht zwingend zu begründen, sondern nur im einzelnen Fall erklärbar. III.F.2 Die Führungsgruppe und die Sicherung der Herrschaft Die Gruppe, die den Kandidaten vorgeschlagen und hatte erheben lassen oder die einen Vorschlag eines Kaisers, der als auctor tätig geworden war, gebilligt hatte, sicherte auch die Stabilität und Kontinuität der Herrschaft des Erhobenen und seiner Familie. Sie war in der Regel daran interessiert, daß er seine Stellung bewahren konnte, und kümmerte sich auch um die Nachfolge745. 743 Zum Zusammenhang zusätzlicher Steuern mit den Vergabungen und den Unruhen von 387 vgl. Lib. or. 22, 4, auch wenn die Stelle nicht ausdrücklich von der dafür bestimmten Steuer, dem aurum coronarium, spricht, sondern generell vom Finanzbedarf des Kaisers und dabei auch die anstehenden Regierungsjubiläen erwähnt. Man vgl. etwa Downey 1961, 427; Liebeschuetz 1972, 164 im Anschluß an Petit 1955 detailliert zu den verschiedenen geforderten Steuern in den Jahren um 387; Wintjes 2005, 213/214. Zu den Unruhen in Antiochia generell vgl. n. 780. 744 Vgl. IV.C.1.c Die Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel, S. 240/241. 745 Auf die Bedeutung dieser Gruppe hat z. B. schon Toynbee 1973, 13/14 aufmerksam gemacht. Er spricht von ihr als beständigem und bewahrendem Element gegenüber den wechselnden Kaisern und betont damit die institutionelle Seite. Die Zusammensetzung der Gruppe hat er nicht vollständig erkannt, weshalb er vom comitatus spricht, und es blieb ihm verborgen, daß sie sich schon im 4. u. 5. Jhd. entwickelt.

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III. Der Kaiser, F. Die Sicherung der Herrschaft

Die Macht des Kaisers beruhte vor allem auf der Loyalität der Mitglieder der führenden Gruppe. Dabei handelte sie schon bald nicht mehr in derselben personellen Zusammensetzung wie bei der Erhebung. Auch die Würdenträger, die jeweils an der direkten Meinungsbildung über die aktuelle Politik des Kaisers beteiligt sind, wechselten. Das hing nicht nur von ihren Funktionen ab, sondern auch von den Möglichkeiten, miteinander in Verbindung zu treten. Zog der comitatus von Ort zu Ort, waren ehemalige Amtsträger kaum immer anwesend, ebenso nicht immer alle, die eine wichtige Aufgabe ausübten746. Je stabiler die Residenz war, um so stärker war die fortdauernde Kommunikation innerhalb der Gruppe gewährleistet. Für die Sicherung der Herrschaft eines Kaisers spielt diese auch dann noch eine Rolle, wenn sich ihre personelle Zusammensetzung seit seiner Erhebung weitgehend verändert hatte747. Entscheidend ist nur, daß sie die verschiedenen politischen Kräfte weiterhin angemessen repräsentiert, ihren Einfluß bewahren kann und den regierenden Augustus auf dem Thron halten will. Weil sie auf den Kaiser ausgerichtet war und ihre Stellung und die Macht ihrer Mitglieder durch ihn legitimiert wurde, unterstützte sie ihn und von ihm bestimmte Kollegen im Amt. Weil diese fast immer Mitglieder der Dynastie waren748, trug dies auch zur Stabilisierung der dynastischen Legitimation und zur Herrschaft der Familie bei, zu der die Kaiser gehörten. Dadurch, daß die Gruppe aus zivilen und militärischen Würdenträgern bestand, konnte sich eine Prätorianermentalität in ihr nicht durchsetzen. Von entscheidender Bedeutung waren in ihr die zivilen Amtsträger. Für sie war die einzige Machtgrundlage ihre Amtsstellung, die auf der Legitimierung durch den Kaiser beruhte. Stürzte er, konnten sie sich nur mittels der Erhebung eines neuen Herrschers wieder legitimieren. Es gab ohne Rückhalt in den Institutionen keine Macht für die zivilen Amtsträger. Deshalb sind sie stärker als die militärischen Kommandanten an der Aufrechterhaltung dieser Strukturen interessiert. Die militärische Führung hatte Macht allein schon durch die Möglichkeit, physische Gewalt anwenden zu können. Sie war weitaus weniger auf funktionierende Institutionen und institutionelle Macht angewiesen. Die Kontinuität der kaiserlichen Bezugsperson ist daher für die zivilen Mitglieder der Führungsgruppe wichtiger als die Person des Herrschers selbst, weil der Kaiser vor allen Dingen als legitimierende Instanz entscheidend war. Deshalb spielen sein Alter und seine persönlichen Qualitäten nur eine untergeordnete Rolle. Mit dieser Haltung entsprach die Führungsgruppe auch einem öffentlichen Bedürfnis. Für die Soldaten und das Volk in Konstantinopel war der Name des Kaisers wichtiger als der Kaiser selbst. Diese Situation ermöglichte auch schwachen Kaisern 746 So nahm z. B. der QSP Ausonius nicht am Feldzug Valentinians I. gegen die Quaden 375 teil (vgl. n. 401), und der mag. off. Eugenius war nicht bei Constans’ Sturz 350 in Autun anwesend, sondern war höchstwahrscheinlich in Mailand geblieben (vgl. Szidat 2003, 209). Eine regestenartige Übersicht über die Aufenthaltsorte wichtiger Amtsträger, soweit jene überliefert sind, fehlt. Die PLRE berücksichtigt diesen Aspekt wenig oder ist nicht präzise genug. 747 Zum Problem der Kontinuität der Führungsgruppe vgl. III.C.3.d Die Führungsgruppe – Die jeweilige Zusammensetzung der Gruppe, S. 144/145. 748 Zur Erhebung von Kollegen aus anderen Familien vgl. S. 174.

III.F.2 Die Führungsgruppe und die Sicherung der Herrschaft

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und Kinderkaisern im Gegensatz zum 3. Jhd. an der Macht zu bleiben. Im 3. Jhd. existierte eine vergleichbare Gruppe nicht, und es gab keine ausschließlich zivilen Amtsträger von gleicher sozialer und administrativer Bedeutung. Daher bestimmten die führende Gruppe bzw. die Persönlichkeiten mit dem größten Einfluß in ihr auch dann die Politik, wenn der Kaiser zu jung oder zu schwach war. Nur so läßt sich erklären, daß etwa Honorius nicht gestürzt wurde749. Die Führungsgruppe kontrollierte die zentrale Verwaltung und die mit dem co­ mitatus ziehenden militärischen Einheiten. Ohne die Loyalität ihrer Mitglieder war die Herrschaft nicht zu sichern. Wandte sie sich vom Kaiser ab, war es um ihn geschehen. Durch ihre zentrale Stellung kontrollierte sie auch die übrigen politischen Kräfte und Gruppen. Entscheidend sind von diesen die Einheiten der Bewegungsarmee, soweit sie nicht mit dem comitatus ziehen und damit direkt durch die Führungsgruppe kontrolliert werden, der Senat in Konstantinopel und Rom, einzelne regionale Aristokratien wie die in Gallien und Italien, die in die norditalische und die um Rom zerfällt, das Volk in Konstantinopel vom Ende des 4. Jhd. an und die Kirche. Diese spricht bedingt durch ihre Struktur nicht mit einer Stimme. Die Führungsgruppe blieb nach einer getroffenen Entscheidung für einen Kandidaten loyal, auch die Mitglieder, die andere Auffassungen geäußert hatten wie Dagalaifus bei Valens Erhebung oder die als Kandidaten in Erwägung gezogen worden waren wie Equitius bei Valentinians I. Erhebung. Der Kaiser benachteiligte solche Leute in der Regel auch nicht. Wer es allerdings an Loyalität fehlen ließ, wurde sehr rasch beseitigt, wie Iovianus’ und Amantius’ Schicksal750 zeigen, ohne daß er Rückhalt bei den anderen fand. Die internen Auseinandersetzungen innerhalb der Führungsgruppe führten in der Regel nicht zu Parteiungen, die die Herrschaft des Kaisers in Frage stellten. Interne Konflikte werden nicht bevorzugt durch die Erhebung eines neuen Kaisers, also eines Usurpators, gelöst751. Dies ist nur eine mögliche Variante. Selbst wenn die internen Streitigkeiten selbstzerstörerische Ausmaße annahmen wie 408, als Olympius die Führungsgruppe weitgehend umgestaltete, indem er die Anhänger Stilichos beseitigte, wurde der Kaiser geschont, weil er zur Legitimierung der eigenen Stellung benötigt wurde. Dies wäre im Fall einer Usurpation viel schwieriger gewesen752. Auch Auseinandersetzungen militärischen Charakters innerhalb der führenden Gruppe zwischen Truppenführern wie Bonifatius und Aetius, weil der Kaiser zu schwach war, führten nicht zwangsläufig zur Erhebung eines Usurpators. 749 Vgl. zum negativen Urteil über Theodosius’ Söhne Philostorgius HE, ed. Bidez-Winkelmann S. CXXXI. Vgl. auch n. 702. 750 Vgl. zum Usurpationsversuch des primicerius notariorum Iovianus nach der Erhebung Iovians 363 den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 390; zum PSC Amantius vgl. n. 490. 751 Vgl. Abschnitt IV.A.3 Alternativen zur Usurpation, S. 213/214. 752 Zu Olympius vgl. n. 556. Zur Fortsetzung der Auseinandersetzungen nach Stilichos Sturz vgl. Lütkenhaus 1998, 24–38. Eine große innere Auseinandersetzung ist auch nach Valentinians I. Tod zu beobachten, als im Kampf um den Einfluß auf den jungen Gratian Anfang 376 die Gruppe um den Pannonier Maximinus entmachtet und dieser hingerichtet wurde. Vgl Lizzi Testa 2004, 39/40, 295–297.

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III. Der Kaiser, F. Die Sicherung der Herrschaft

Der PSC und die Hofeunuchen dienten als eine Art Schutzwall gegen zu mächtige Würdenträger753. Sie kontrollierten den Zugang zum Herrscher und schirmten ihn ab. Aetius’ Beseitigung 454 etwa oder die Aspars 471 waren nur dadurch möglich. Die Schonung des Kaisers und seine Unterstützung durch die führende Gruppe erklären sich weitgehend damit, daß eine Usurpation ein großes Risiko bedeutete und sie von vielen ihrer Mitglieder nicht mit Erfolg hätte unternommen werden können. Es gab nur wenige Personen, die an eine erfolgreiche Usurpation denken konnten, auch wenn der Kreis der Anwärter theoretisch nicht so klein war und das Risiko auch vom Kaiser aus gesehen als größer empfunden wurde. Die Bedeutung der führenden Gruppe für die Sicherung der Herrschaft ist daran deutlich erkennbar, daß Usurpatoren sich nur dann lange halten und auf große Loyalität zählen können, wenn wichtige Mitglieder der Führungsgruppe auf ihre Seite wechseln wie bei Magnentius’ Usurpation754 oder jene entscheidende politische Kräfte nicht einschloß. Dies läßt sich bei Anthemius beobachten. Er war nicht von der westlichen Führungsgruppe vorgeschlagen worden, und seine Personalpolitik konnte wichtige stadtrömische Familien und die norditalische Aristokratie nicht auf seine Seite ziehen755. Ein Usurpator, der zum ernsthaften Konkurrenten eines regierenden Herrschers werden will, bedarf der Unterstützung wichtiger Persönlichkeiten bei seiner Erhebung und bei der Sicherung seiner Stellung. Kaiser, deren Weg zur Herrschaft und deren Legitimierung umstritten waren, wurden von der Führungsgruppe weniger deutlich gestützt. Schwierigkeiten mit der Führungsgruppe hatte z. B. Zenon. Sie unterstützte seine Erhebung nicht geschlossen, und einzelne ihrer Mitglieder konnten sich mit seiner Herrschaft nicht abfinden. Das gilt besonders für die Augusta Verina, die Witwe Leos I., für Patricius, den ehemaligen mag. off. Leos I., aber zeitweise auch für den PSC Urbicius und für einzelne militärische Kommandanten wie Basiliscus, Marcianus und Leontius. Ebenso gilt es für Illus, der zuerst als mag. off. zwischen 477 und 481 und dann ab 481 als MVM per Orientem in mehrere Komplotte gegen Zenon verwickelt war. Bei Zenon spielte offenbar eine Rolle, daß er sich als Heermeister zum Kaiser hatte erheben lassen, was unüblich war756.

753 Scholten 1995, 203/204. Der Einfluß der Eunuchen verhinderte sicher eine Feudalisierung und diente der Zentralisierung der Macht im Kaisertum. Im Westen schwindet ihr Einfluß nicht, wie Scholten glaubt, wenn man nur an Valentinian III. denkt, sondern die Fehler der kaiserlichen Politik schwächen auch die Macht der Eunuchen. Zu Aetius’ Beseitigung vgl. n. 800; zu Aspars vgl. Seeck 6, 370, 490 und etwa Marcell. com. 471 = Chron. min. 2, 90. 754 Vgl. Szidat 2003, 208–210. 755 Henning 1999, 162–164. 756 Vgl. Demandt 1970, 781. Er berücksichtigt allerdings nicht Theodosius’ Erhebung 379 und die Constantius’ III. 421. Beide bilden aber Ausnahmen. Heermeister treten sonst nur als Usurpatoren auf. Beide wurden formal nicht von der Führungsgruppe, sondern vom regierenden Kaiser vorgeschlagen, aber auf Drängen der führenden Gruppe, von der Gratian und Honorius abhingen.

III.F.2 Die Führungsgruppe und die Sicherung der Herrschaft

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Auch die Sicherung der Nachfolge liegt im Interesse der führenden Gruppe. Als Leo der Ältere schwer erkrankte757, sorgte diese für die Erhebung Leos des Jüngeren zum Augustus. Er war zwar schon Caesar, aber erst sieben Jahre alt. Die Gruppe unterstützte damit die Dynastie. Nach dem Tode Leos I. sorgte sie zusammen mit Verina, der Witwe Leos I. und Ariadne, seiner Tochter, die mit Zenon verheiratet war, dafür, daß Leo II. seinen Vater Zenon zum Mitherrscher erhob758. Ebenso sorgte sie für die Erhebung Iustinians während Iustinus’ I. schwerer Krankheit759. In allen diesen Fällen war damit der reibungslose Übergang der Herrschaft im Fall des Todes gesichert. Bei der Regelung der Nachfolge folgte die führende Gruppe sonst den Vorgaben, die der jeweils regierende Augustus für seinen Reichsteil gemacht hatte und die sich am dynastischen Prinzip orientierten760. Diese Vorgaben waren aber nicht immer vorhanden. Eine ganze Reihe von Kaisern unterließ es, einen Nachfolger zu Lebzeiten zu bestimmen. Dazu gehören Iulian, Honorius nach Constantius’ III. Tod 421, Theodosius II., Marcian, Anthemius und Anastasius. Die Gründe dafür waren persönlicher und politischer Art und sind oft auch nicht eindeutig zu fassen. So hat man etwa bei Theodosius II. übergroße Usurpationsfurcht vermutet. Generell war mit einem nominellen Mitherrscher die Gefahr verbunden, daß er gegen den Willen seines auctor zum regierenden gemacht wurde. Er war dann sehr gut legitimiert und ein nicht zu unterschätzender Konkurrent. Unterließ es der Kaiser, einen Nachfolger rechtzeitig zu bestimmen, bestand für die führende Gruppe die Möglichkeit, die Frage der Nachfolge bei günstiger Gelegenheit zu regeln oder im Fall des Todes des Herrschers zu einer über die zukünftige Richtung der Politik zu machen. So wird ein Wechsel in der Dynastie im Westen 367 von Mitgliedern der Führungsgruppe während Valentinians I. schwerer Erkrankung761 angestrebt. Man beriet schon über einen möglichen Nachfolger. Dies hätte Valens die Möglichkeit genommen, einen Kandidaten vorzuschlagen. Es war mehr als ein unfreundlicher Akt gegenüber Valens, aber er war auf die Gallier innerhalb dieser Gruppe beschränkt.

757 C. P. 1, 94 S. 431, 7/8, auch wenn dort hJ suvgklhto~ nicht genannt wird, aber in der lateinischen Übersetzung richtig ergänzt ist (hortatu senatorum). Es wird davon gesprochen, daß Leo der Ältere aufgefordert wurde, den Caesar Leo, seinen Enkel, zum Augustus zu machen (pareklhvqh). Damit kann nur hJ suvgklhto~ gemeint sein. 758 V. Dan. Styl. 67 betont die Rolle der Führungsgruppe. Cedren. 1, 615 spricht nur von der Rolle Verinas und Ariadnes (Bhrivnh~ kai; ∆Ariavdnh~ sunaramevnwn aujtw/`). Der gleiche Wortlaut findet sich auch bei Theophan. A. M. 5966 = 1, 120, während Ioh. Mal. 14, 47 S. 376 lediglich Ariadne erwähnt. 759 C. P. 1, 95 S. 433, 3: kai; parekalei`to (sc. Iustinus) ajpo; th`~ sugklhvtou eij~ to; poih`sai aujto;n basileva. Hortatu senatorum heißt es in der lateinischen Übersetzung. Vgl. Vict. Tonn. s. a. 525 = Chron. min. 2, 197: Iustinus Augustus Iustinianum nepotem suum ad senatorum supplicationem invitus Caesarem facit. 760 Vgl. III.E.1 Das dynastische Prinzip, S. 165–182. 761 Zur übergroßen Usurpationsfurcht Theodosius’ II. (vgl. Ioh. Ant. fr. 199, 1 = Exc. de ins. 84 = Prisc. fr. 16 Blockley; vgl. auch n. 739) als Grund dafür, die Regelung der Nachfolge zu unterlassen, vgl. Jankowiak 2002, 90. Zu den Ereignissen von 367 vgl. Amm. 27, 6, 1–4.

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III. Der Kaiser, F. Die Sicherung der Herrschaft

Sehr kritisch eingestellt war die führende Gruppe auch bei der Erhebung von Aspars Sohn Patricius zum Caesar. Sie mißbilligte sie762, offensichtlich weil dadurch Aspar zuviel Macht erhielt. Damit erleichterte sie Leo I. sicher Aspars späteren Sturz. Dies zeigt deutlich, daß auch ein mächtiger General nicht beliebig verfahren kann. Im Westen wandte sich die führende Gruppe mehrmals von der Dynastie ab, wenn das weitere Bestehen eines eigenen comitatus nicht gesichert schien oder besondere Interessen die Erhebung eines Kaiser nahelegten, der sich für diese einsetzte763. Einige Mitglieder der führenden Gruppe unterstützten den Kaiser und die Regelung, die er für seine Nachfolge traf, in besonderem Maß, weil sie selbst auf Grund objektiver Gegebenheiten nicht Kaiser werden können und nur über den regierenden ihren Einfluß bewahren können. Dies gilt besonders für die Eunuchen764, aber auch für Frauen wie die Augustae Galla Placidia oder Pulcheria765. Insgesamt sind die zivilen Würdenträger stärker darauf angewiesen, daß ihre Stellung durch eine bestehende Herrschaftsstruktur legitimiert ist und bleibt. Erst die institutionelle Stellung gibt ihnen die Möglichkeit, Macht auszuüben. Außerhalb dieser haben sie nur informellen Einfluß. Die politische Wirksamkeit der führenden Gruppe bleibt gebunden an das Vorhandensein einer Zentrale, in der die entscheidenden Leute versammelt sind. Nur so kann sie sich artikulieren. Durch die Mehrkaiserherrschaft und die Herausbildung von mindestens zwei zentralen Verwaltungen, die ständig vorhanden waren, gab es mehr als einen Bezugspunkt für die reichsumspannende politische Elite, die zivile Ämter und militärische Kommandoposten besetzte. Durch den häufigen Ortswechsel des comitatus im 4. Jhd. im Osten wie im Westen ist es für die ehemaligen Würdenträger schwer, ihre Auffassung zur Geltung zu bringen. Vom Ende des 4. Jhd. an wird Konstantinopel im Osten zur ständigen Residenz der Kaiser und ihres comita­ tus766, und die aus dem Amt geschiedenen Würdenträger bleiben in der Stadt. Aber auch im Westen gab es eine Tendenz, nicht ständig den Ort des comitatus zu wechseln. Die bevorzugten Residenzen werden Rom und Ravenna. Hielt sich der comi­ tatus in Rom auf, war der Kontakt zwischen den Mitgliedern des Senates, die gerade kein Amt bekleideten, und denen des comitatus wesentlich einfacher.

762 Zon. 14, 1, 4: th`/ sugklhvtw/ e[doxen ajpoquvmion. 763 Zu denken ist an Eugenius’ oder Iohannes’ Erhebung oder auch an die des römischen Aristokraten Petronius Maximus. 764 Dies hat schon Philost. 11, 4 bemerkt, wenn er darauf hinweist, daß Eutropius Arcadius stützte, weil er als Eunuch nicht Kaiser werden konnte. 765 Frauen können erst wesentlich später auf den Thron gelangen. Die erste war Irene (797–802). Auch Würdenträger arianischer Glaubensausrichtung wie der Heermeister Aspar hätten große Hürden überwinden müssen. Zu Aspars arianischer Glaubensausrichtung vgl. von Haehling 1978, 275/276; Id. 1988, 98; zu einem möglichen Glaubenswechsel vgl. Proc. BV 1, 6, 3 und dazu von Haehling 1988, 98. Dazu, daß er als Barbar durchaus hätte Kaiser werden können, vgl. von Haehling 1988, 90–95. 766 Vgl. Dagron 1974, 85/86.

III.F.3 Die Soldaten und die Mitglieder der Verwaltung außerhalb der Zentrale

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III.F.3 Die Soldaten und die Mitglieder der Verwaltung außerhalb der Zentrale Es waren nicht nur die Kommandanten größerer Verbände wie die magistri militum oder die comites rei militaris, deren Illoyalität zu fürchten war, sondern jede militärische Abteilung konnte durch eine Usurpation eine Lawine auslösen, wenn sich der geeignete Kandidat fand, wie Procopius’ Erhebung zeigen und Constantius’ II. Furcht, daß sein Caesar Gallus mit irgendwelchen Einheiten in Kontakt treten könnte767. Die Einheiten waren nicht nur ihrer militärischen Macht wegen wichtig, sondern auch weil jede von ihnen als Wahlversammlung für die Erhebung eines Usurpators dienen konnte. Die Loyalität der Einheiten und ihrer jeweiligen Kommandanten war schwierig zu sichern. Die Einheiten selbst schritten mit einem geringen Risiko zu Erhebungen. Sie wurden in der Spätantike selten dafür schwerer bestraft768. Eine professionelle Haltung der Kommandanten und der Soldaten sowie ein Anspruch des Herrschers auf Gehorsam, der durch eine eindeutige Legitimation und Regelung der Übernahme der Herrschaft wenigstens formal nicht anfechtbar gewesen wäre, wären die beste Sicherung gegen willkürliche Erhebungen gewesen. Beides war unter den gegebenen historischen Voraussetzungen nicht erreichbar. So blieb als einzige Möglichkeit die Sicherung der materiellen und sonstigen Interessen der Soldaten und ihrer Führer769. Ebenso wie die Loyalität der Soldaten mußte auch die der Mitglieder der Verwaltung außerhalb des comitatus immer wieder gefestigt werden. Dabei waren die einzelnen Ämter und die Gruppen, die sie innehatten, selbstverständlich von unterschiedlicher Bedeutung. Von besonderem Gewicht waren die Mitglieder des Senatorenstandes, besonders im Westen, unter denen die der röm. Aristokratie eine herausragende Rolle spielten, und zwar ihres Reichtums, ihres sozialen Prestiges und des daraus resultierenden Einflusses wegen. So galt es z. B. in schwierigen Situationen die Loyalität wichtiger Mitglieder des Senates zu sichern. Valentinian II. ernannte daher nach Maximus’ Erhebung lauter vornehme Heiden zu PVR, um diese und die Senatoren in Rom auf seiner Seite zu halten770. Die hohen Würdenträger der regionalen Verwaltung wie die praefecti praeto­ rio, aber auch die Provinzstatthalter waren für die Bewahrung der Loyalität des beherrschten Territoriums von entscheidender Bedeutung. In ihrer Hand lag es weitgehend, Mitteilungen von der Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator und dessen Anspruch auf Gehorsam öffentlich bekannt machen zu lassen oder sie zu unterdrücken771.

767 Amm. 14, 11, 13. 768 Vgl. IV.H.3 Bestrafung der Soldaten und Offiziere, S. 338. 769 Vgl. S. 188/189. 770 Vgl. Chastagnol 1960, 439/440. 771 Vgl. S. 155/156.

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III. Der Kaiser, F. Die Sicherung der Herrschaft

III.F.4 Die Bevölkerung der Städte Die Bevölkerung der Städte war im 4. Jhd. bis zu Theodosius’ Regierungszeit wegen der häufig wechselnden Aufenthaltsorte der Kaiser nicht von besonderer Bedeutung für die Sicherung der Herrschaft, so lange sich noch kein Prätendent erhoben hatte. Äußerungen des Unwillens der Bevölkerung wichtiger Städte, besonders in denen, wo sich der Kaiser länger aufhielt, wurden aber von diesem durchaus ernst genommen und führten zu negativen Reaktionen, besonders wenn daraus eine Bedrohung für seine Herrschaft entstehen konnte. Es bestand die Gefahr, daß Unruhen mögliche Prätendenten ermutigten. In Konstantinopel, wo sich der Kaiser des östlichen Reichsteiles nach Theodosius’ Tod 395 ständig aufhielt, mußte er die Zustimmung des Volkes zu seiner Herrschaft immer wieder neu erringen, war sich dafür aber auch des Volkes als Stütze sicher, einer Stütze, die ihn besonders auch vor der Macht der Militärs schützte wie bei der Auseinandersetzung mit Aspar772. Um das Volk auf seiner Seite zu halten, mußte er etwa auch seine Frömmigkeit vor dem Volk immer wieder unter Beweis stellen, so z. B. bei Reliquientranslationen und Kirchenstiftungen773. Um sich vor den Schwankungen der Volksgunst zu schützen, wurde der Palast zu einem eigentlichen Bollwerk der Macht ausgestaltet, hinter dessen Mauern sich manche Krise aussitzen ließ, wie etwa die Unruhen bei der Wahl von Anastasius’ Nachfolger im Juli 518 oder der Nika-Aufstand im Januar 532 zeigen774. Die verbreitete Annahme, daß das Volk für die Kaiserherrschaft im Westen von geringer Bedeutung war775, geht sehr wahrscheinlich auf einen Mangel in unserer Überlieferung zurück, der der Wahrnehmung dieses Phänomens im Wege steht. So wurde etwa Anthemius 472 in Rom durch die Volksmenge in seiner Auseinandersetzung mit Rikimer unterstützt776. Er hätte sich sonst nie mehrere Monate gegen diesen halten können. Petronius Maximus’ Tod ging dagegen auf seine Unbeliebtheit beim Volk zurück, ebenso Avitus’ Sturz, der in Rom seinen Anfang nahm777. Im Unterschied zu Konstantinopel konnte aber der Palast in Rom nicht als eigentliches Bollwerk der Macht gegen den Willen des Volkes gebraucht werden. Vorfälle, bei denen sich der Kaiser wie während des Nika-Aufstandes im Palast gegen das Volk verschanzen konnte, sind für Rom nicht nachzuweisen. 772 Zu Aspar vgl. S. 356. 773 Das Verhältnis des Kaisers zur Stadtbevölkerung von Konstantinopel ist mehrfach dargestellt und untersucht worden. Zusammenfassend dazu etwa Martin 1997, 54–56 und die Literatur unter n. 35; zu ergänzen ist Dagron 1974, 294–367 passim. Zur Darstellung der Frömmigkeit des Kaisers gegenüber dem Volk vgl. zusammenfassend Diefenbach 1996, 35–66. Diefenbach 1996, 42/43 bietet eine Zusammenstellung von Stellen zur Begegnung der plebs mit dem Kaiser im Hippodrom. 774 Zum Palast als Stadt in der Stadt vgl. Dagron 1974, 108, 113. 775 Vgl. n. 1490. 776 Ioh. Ant. frag. 209, 1 = Prisc. fr.[64, 1] Blockley = Exc. de ins. 93. Zur Unterstützung des Usurpators Nepotianus in Rom 350 vgl. n. 1000. 777 Zu Petronius Maximus’ Tod vgl. Henning 1999, 31; zu Avitus’ vgl. n. 1223. Beide gelten zwar als Usurpatoren, aber sind als Herrscher des westlichen Reichsteiles dort unbestritten und ohne den Sturz eines Kaisers auf den Thron gelangt.

III.F.5 Die Kirche

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Städte, in denen der Kaiser nicht residierte, waren für die Sicherung der Herrschaft ohne größere Bedeutung. Sie konnten aber schnell zur Stütze eines Usurpators werden und bei der Auseinandersetzung mit diesem rasch entscheidendes Gewicht bekommen, wie z. B. Aquileia 361 zeigt, das sich auf Constantius’ II. Seite stellte und für den usurpierenden Iulian zu einer großen Belastung wurde778. Eine ähnliche Situation entwickelte sich in der Zeit, als Magnus Maximus’ Herrschaft im Westen von Theodosius anerkannt war, für diesen in Alexandria und Antiochia, auch wenn sie sich schließlich als weitaus weniger gefährlich erwies als befürchtet. In Alexandria forderten die Alexandriner Maximus öffentlich auf, nach Ägypten zu kommen, als während antiheidnischer Maßnahmen 385/386 Unruhen entstanden779, und suchten dadurch Theodosius’ Stellung zu schwächen. Das Gleiche gilt für Antiochia. Theodosius reagierte 387 auf die Unruhen in Antiochia, die im Februar ausbrachen und zum Sturz seiner Statuen führten, sehr ungehalten780. Er sah sie offensichtlich im Zusammenhang mit der Gefahr, die von Maximus für seine Herrschaft ausging, auch wenn keine Quelle ausdrücklich darauf aufmerksam macht. Die Reaktion der Alexandriner auf Cynegius’ Auftritt in Alexandria, die nach Maximus riefen, legt diesen Zusammenhang nahe. Die Bedeutung der Bevölkerung der Städte in der Auseinandersetzung mit einem Usurpator macht verständlich, warum die Kaiser auf die Mitteilung der Übernahme der Herrschaft und die formale Bewahrung der Loyalität so großen Wert legten. Jede Form der Verweigerung in diesem Bereich war ein Signal für Prätendenten, daß sie gute Chancen für die Gewinnung eines städtischen Territoriums hatten. Der Kaiser machte die städtische Oberschicht dafür verantwortlich, daß die Loyalität ihm gegenüber gewahrt blieb. So wurden in Antiochia die Kurialen für die Unruhen verantwortlich gemacht. Umgekehrt ging Iulian nach dem Fall von Aquileia gegen die führenden Kurialen vor, weil sie den Kaiser unterstützt hatten. III.F.5 Die Kirche Wesentlich für die Sicherung der Herrschaft des Kaisers war nach seiner Anerkennung die fortdauernde Unterstützung durch die Kirche781. Sie erscheint neu als sehr wichtige Gruppe für den Kaiser seit der öffentlichen Hinwendung Konstantins zum 778 Vgl. S. 297. 779 Lib. or. 19, 14. Vgl. Paschoud 1979, 425. 780 Zu einer knappen Gesamtschilderung der Vorgänge aus der sehr umfangreichen Überlieferung vgl. etwa Lib. or. 19, 25–31. Zum Aufstand vgl. Sievers 1868, 172–187; Petit 1955, 238–244; Downey 1961, 426–433. Zum Datum vgl. ibid. 426. Zu weiteren Untersuchungen vgl. Wintjes 2005, 213 n. 77. Zu einer Aufzählung der Mitglieder der kaiserlichen Familie, deren Statuen gestürzt wurden, vgl. Lib. or. 22, 8 (Theodosius, Arcadius, Honorius, Aelia Flaccilla, die Frau des Kaisers, Theodosius der Ältere, der Vater des Kaisers). Man muß annehmen, daß sich auch Statuen des Usurpators Magnus Maximus in Antiochia befanden, die offensichtlich nicht gestürzt wurden. Dies bedeutete eine Verschärfung der Situation für Theodosius. 781 Vgl. etwa Bellen 1994, 6 sqq. Zur Bedeutung der Kirche als legitimierender Institution im 5. Jhd. im Westen vgl. grundsätzlich Henning 1999, 117, zum Verhältnis der einzelnen Kaiser zur Kirche nach 455 vgl. Henning 1999, 116–187. Dabei sind die Aussagen auf Grund der unterschiedlichen Quellensituation nicht von gleicher Sicherheit.

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III. Der Kaiser, F. Die Sicherung der Herrschaft

Christentum, und einzelne ihrer Vertreter spielten eine sehr bedeutende Rolle in der Politik des Reiches. Man denke hier etwa an Athanasius oder Ambrosius. Die dauernde Zustimmung der Kirche zur Herrschaft eines Kaisers hing von seiner Rechtgläubigkeit ab. Um diese festzustellen, gab es aber keine bestimmte Instanz, sondern es hing vom Spiel der gegensätzlichen Kräfte ab, welche Gruppe sich als rechtgläubig durchsetzen konnte. In diese Auseinandersetzungen war auch der Kaiser involviert. Weil der Kaiser in theologische Auseinandersetzungen eingreift und die Mittel des Staates zur Durchsetzung der als richtig angesehenen Glaubensrichtung einsetzt, richten sich die Hoffnungen der unterlegenen Partei auf einen Herrscherwechsel. Sie steht daher der Herrschaft des regierenden Kaisers nicht loyal gegenüber und nimmt jede Gelegenheit wahr, um ihre Interessen durchzusetzen. Man denke z. B. an die Unruhen, die die Arianer in Konstantinopel auslösten, als sich im Frühsommer 388 die Nachricht verbreitete, daß Theodosius gegen Magnus Maximus verloren habe782. Der Kaiser erwartete, daß die Kirche die Loyalität der Bevölkerung zu ihm förderte. Man denke z. B. an Athanasius’ ausdrücklichen Hinweis in seiner Verteidigungsschrift an Constantius II. darauf, daß er das Volk zum Gebet für ihn aufgefordert habe783. Die Kirche war wichtig für die Kontrolle des Herrschaftsgebietes. Die Haltung der Kirche konnte bei einer Auseinandersetzung mit einem Usurpator auf lokaler Basis zu einem wichtigen Faktor für den Kaiser werden. Leider ist unsere Überlieferung darüber recht dürftig. So scheint die Kirche von Aquileia beim Abfall der Stadt zu Constantius II. 361 und bei ihrem hartnäckigen Widerstand gegen den usurpierenden Iulian eine wichtige Rolle gespielt zu haben784. Im Osten war die kirchliche Situation in Konstantinopel von besonderer Bedeutung für den Kaiser, seitdem er dort ständig residierte. Er mußte sich als Hüter der Orthodoxie erweisen und seine Frömmigkeit immer wieder unter Beweis stellen. Die Bedeutung der Rechtgläubigkeit des Herrschers für die Kirche in Konstantinopel zeigt sich auch darin, daß der Patriarch seit der Mitte des 5. Jhd. eine immer größere Rolle bei der Erhebung eines Kaisers spielte und an den Beratungen über dessen Nachfolge teilnahm. Auseinandersetzungen mit der Kirche in Konstantinopel konnten zu einer Gefahr für die Stellung des Kaisers werden. So fürchtete Anastasius um seine Herrschaft der theologischen Auseinandersetzung wegen mit Macedonius, dem Patriarchen von Konstantinopel. Um seine Stellung zu festigen, ließ er vor Macedonius’ Verhaftung am 7.8.511 seine Würdenträger und Soldaten erneut einen Treueid schwören und gab ihnen ein Donativ, und im November 512 kam es in der Folge religiöser Unruhen zum Versuch der Menge, einen neuen Kaiser zu erheben785. 782 Soc. 5, 13; Soz. 7, 14, 5; Seeck 5, 220, 528. 783 Athan. Ap. Const. 10. 784 Vgl. Szidat 1996, 118/119. 785 Zu Anastasius’ theologischen Auseinandersetzungen mit Macedonius vgl. Stein 1949, 169/170. Zum neuen Treueid und dem Donativ an seine Soldaten vgl. Zach. HE 7, 8 und dazu Delmaire 1989, 557. Zu den Ereignissen von 512 vgl. Stein 1949, 177/178.

III.F.5 Die Kirche

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Die Bischöfe anderer Städte im Reichsosten stellten eine geringere direkte Gefährdung für die kaiserliche Herrschaft dar. Eine abweichende theologische Haltung wurde aber vom Kaiser durchaus ernst genommen, der bei einem Verdacht auf Illoyalität sofort eingriff, besonders wenn seine Stellung von einem Usurpator in Frage gestellt war. So ließ Constantius II. den abgesetzten Patriarchen von Kon­ stantinopel, Paulus, der sich in Gefangenschaft in Cappadocia, befand, umbringen, als bekannt wurde, daß der Usurpator Magnentius an ihn geschrieben hatte786. Von besonderer Bedeutung war Alexandria. So war etwa Constantius II. während Magnentius’ Usurpation immer wieder zu einer vorsichtigen Politik gegenüber Athanasius gezwungen. Anders und komplizierter stellte sich die Situation im Reichswesten dar, der weniger auf ein einzelnes kirchliches Zentrum ausgerichtet war, weil sich der Kaiser auch im 5. Jhd. nicht immer an demselben Ort aufhielt. So gelang es Constantius II. trotz seiner Interventionen nicht, die kirchliche Doktrin durchzusetzen, die seinen Vorstellungen entsprach. Seine Herrschaft war daher von kirchlicher Seite nicht immer akzeptiert. Athanasius suchte Kontakte zum Usurpator Magnentius, die durchaus hochverräterischen Charakter hatten. Die gallische Kirche, die orthodox war und in Gegensatz zu Constantius II. stand, unterstützte Iulians Streben nach der Herrschaft787, und in der publizistischen Auseinandersetzung wurde Constantius II. von Seiten seiner Gegner in der Kirche mit den Attributen eines Usurpators dargestellt788, wodurch seine Berechtigung zur Herrschaft in Zweifel gezogen wurde. Die Kaiser oder ihre Beauftragten förderten auch einzelne Bischöfe, die sie als besonders wichtig betrachteten. So brachte der Heermeister Constantius, der spätere Constantius III., z. B. Patroclus, seinen amicus et familiaris, 412 als Bischof von Marseille in sein Amt und förderte ihn, um den eigenen Einfluß in Gallien zu stärken. Derselbe Constantius sorgte 417 für Zosimus’ Wahl zum Papst und griff auch in die Regelung von dessen Nachfolge ein789. Die Bedeutung der Kirche für die Sicherung der Stellung des Kaisers kann daher auch im Westen seit der Zeit der Söhne Konstantins kaum überschätzt werden. Sie wird im 5. Jhd. noch wichtiger, als die Stellung des westlichen Herrschers insgesamt schwächer wird. So konnte z. B. im 5. Jhd. Anthemius das Vertrauen der römischen Kirche nicht gewinnen790, blieb aber politisch durchaus auf sie angewiesen, besonders auch, weil er immer in Rom residierte. Der Papst Himerius konnte ihn sogar zu einem Eid gegen die Einführung arianischer Lehren durch Anthemius’ 786 Vgl. Barnes 1993, 102, 166. 787 Vgl. Szidat 1996, 18, 23. 788 Vgl. Szidat 1996, 24, 212, 228. 789 Prosp. Tiro s. a. 412 = Chron. min. 1, 466. Vgl. Lütkenhaus 1998, 56/57, 122; Cameron / Garnsey 1998, 250. Lütkenhaus 1998, 57 bezweifelt, daß Patroclus’ Erhebung dazu dienen konnte, Südgallien gegen den Usurpator Iovinus zu sichern. Selbstverständlich hätte der Usurpator ihn absetzen können; es war aber auch denkbar, daß er die Stadt zum Widerstand veranlassen konnte. Zu Zosimus’ Wahl vgl. Bleckmann 2004, 164; Lütkenhaus 1998, 137– 143. 790 Vgl. Henning 1999, 163.

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III. Der Kaiser, F. Die Sicherung der Herrschaft

Freund Philotheos zwingen, was seine Macht zeigt791. Anders als Anthemius hatte dagegen sein Vorgänger Libius Severus ein gutes Verhältnis zur Kirche und erfreute sich ihrer Unterstützung792. III.F.6 Die Sicherung der Herrschaft gegen mögliche Prätendenten Mögliche Prätendenten mit guten Aussichten auf Erfolg sind vor allem Mitglieder der herrschenden Dynastie oder einer voraufgegangenen und hohe militärische Kommandanten. Die ersteren mußten eingebunden oder mindestens politisch kalt gestellt werden. Ein hervorragendes Beispiel für dieses Verfahren bzw. die Versäumnisse bietet die Usurpation Procops. Als Verwandter Iulians stellte er eine Gefahr für jeden Kaiser dar, der nicht aus der constantinischen Dynastie stammte. Weil man seiner bei Valentinians I. Erhebung nicht habhaft werden konnte und ihn unterschätzte, konnte er sich auf den Thron schwingen und zu einer Gefahr für Valens’ Herrschaft werden. Er gebrauchte zu seinen Zwecken auch die Frauen der constantinischen Dynastie, d. h. Faustina, die dritte Frau Constantius II., und dessen posthum geborene Tochter Constantia. Um dieser Gefahr auf die Dauer zu entgehen und zugleich eine dynastische Kontinuität herzustellen, heiratete Valentinian I. Iustina, die aus Konstantins Familie stammte, in zweiter Ehe und gab Constantius’ II. Tochter Constantia seinem Sohn Gratian zur Frau793. Eine Verbindung von Frauen des Kaiserhauses mit möglichen Usurpatoren suchte man zu vermeiden. So wurde die ehrgeizige und machtbewußte Iusta Grata Honoria, eine Tochter Galla Placidias und Constantius’ III., 449 mit dem Senator Herculanus, dem consul von 452, verheiratet, damit sie sich nicht ohne weiteres mit einem Usurpator verbinden konnte794. Pulcheria, Theodosius’ II. Schwester, soll durch ihre und die Jungfräulichkeit ihrer Schwestern habe verhindern wollen, daß die Herrschaft ihres Bruders in Gefahr gerate795, wenn jemand in die Familie einheiraten könne. Dynastische Konkurrenten waren klar erkennbar, wenn auch ihr politischer Einfluß nicht vorher abzuschätzen war. Er zeigte sich erst, wenn die Probe aufs Exempel gemacht wurde. Schwieriger war es, sich gegen alle die zu sichern, die sonst noch für eine Usurpation in Frage kamen. Es waren vor allen Dingen die hohen militärischen Kommandanten, die selbst nach dem Purpur greifen bzw. andere dabei unterstützen konnten. Die Sicherung gegen sie gelang trotz aller Vorsicht niemals. Trotz der beschränkten Größe der Heere, die sie kommandierten, trotz der Trennung von ziviler und militärischer Karriere und der Abhängigkeit der militärischen Kommandanten von der Verwaltung, über die sie nicht ohne weiteres verfügen konnten, gelang es 791 Vgl. Gelas. ep. 26, 11 und Henning 1999, 168 n. 271. 792 Vgl. Henning 1999, 153/154. 793 Vgl. S. 177. 794 Zu Iusta Grata Honoria vgl. PLRE 2, 568/569. Vgl. Wieber-Scariot 1999, 61 n. 87 und Prisc. fr. 17 Blockley sowie Stickler 2002, 126–129. 795 Soz. 9, 1, 3.

III.F.6 Die Sicherung der Herrschaft gegen mögliche Prätendenten

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nicht, das System gegen Umsturzversuche von dieser Seite zu feien. Sie werden auch immer wieder als mögliche Usurpatoren betrachtet796. Beschränkte sich die militärische Führung auf die ihr zugewiesenen Aufgaben und stand sie unter der Kontrolle des Kaisers, so war die Gefahr einer Usurpation geringer. Constantius II. behandelte die Generäle als Funktionsträger und setzte seine Entscheidungen bei der Zuweisung der Kommandoposten durch. So rief er den Heermeister Ursicinus aus dem Osten an den Hof zurück, um seine strategische Konzeption durchzusetzen. Trotz dieser Politik konnte auch er Silvanus’ Usurpation nicht verhindern und nahm den Usurpationsvorwurf gegen Barbatio797 sehr ernst. Die Beschränkung der Generäle auf ihre militärischen Aufgaben und ihre politische Kontrolle wurde gegen Ende des 4. Jhd. zunehmend schwieriger. Es sind verschiedene Entwicklungen, die dazu führen, deren Gründe für uns aber oft im einzelnen Fall nicht erkennbar sind798. Der Kaiser wurde unfreier in der Auswahl der Kommandanten. Gildos Erhebung 385 zum comes et magister utriusque mili­ tiae per Africam bildet einen deutlichen Hinweis darauf. Theodosius sah sich durch die unsichere Lage, die Maximus’ Usurpation im Westen geschaffen hatte, dazu veranlaßt, einer Persönlichkeit mit großem politischem Gewicht das Kommando in Africa zu geben, um es auf seiner Seite zu halten. Hier bot sich Gildo zwangsläufig an, der schon im Krieg gegen Firmus die Römer unterstützt hatte, der andererseits aber seiner verwandtschaftlichen Beziehungen und seines politischen Einflusses wegen zu fürchten war. Daß Theodosius’ Hoffnungen sich nicht erfüllten und sich Africa so nicht unter Kontrolle halten ließ, zeigte dann die Zukunft799. Mit der steigenden Bedeutung der Foederaten für die Kriegsführung konnten deren Führer die Übertragung römischer Amtstitel erzwingen und damit in die römische Generalität aufsteigen, wenn sich dies auch in unterschiedlicher Weise politisch auswirkte. Alarich, der erstmals 399 Heermeister wurde, stieg nicht in römische Führungszirkel auf, war niemals integriert, während Gainas es sehr wohl versuchte und besonders durch die Politik des Hofes seine Macht verlor. Aetius dagegen setzte gestützt auf seine guten Beziehungen zu den Hunnen dreimal gegen den Willen des Hofes seine Bestallung als Heermeister durch, erwarb großen politischen Einfluß und zwang den Kaiser 454 zum Austausch von Treueschwüren, was 796 So fürchtete etwa Theodosius II. den General Zenon als möglichen Usurpator (Prisc. fr. 15, 4 Blockley = Exc. de leg. Rom. 5). Vgl. n. 739. 797 Zur Versetzung von Ursicinus vgl. Amm. 20, 2; Szidat 1977, 103–111; Szidat 1991. Vgl. Amm. 18, 3, 1–5 zum Usurpationsvorwurf gegen Barbatio und den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 389. 798 Als zentrales Beispiel für die Unfreiheit des Kaisers, militärische Kommandanten nach seinem Gutdünken zu ernennen, gilt Arbogast. Mit ihm wird auch immer wieder argumentiert (vgl. etwa Demandt 1970, 610; Flaig 1997, 22, 27/28; von Haehling 1988, 95 u. passim). Nach der opinio communis (Demandt 2007, 165) ist er ohne die Zustimmung des Kaisers von der Armee zum Heermeister gemacht worden. Paschoud 1979, 452–454 weist dagegen in einer sorgfältigen Interpretation von Zos. 4, 53, 1–3, auch unter Verweis auf Philost. 10, 8; Zos. 4, 47, 1, nach, daß Arbogast nicht von den Truppen, sondern von Theodosius sein Amt erhalten habe und unter dieser Begründung Valentinian II. den Gehorsam verweigert habe. 799 Vgl. S. 280/281.

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III. Der Kaiser, F. Die Sicherung der Herrschaft

vorher undenkbar war800. Dennoch gelang es ihm nicht, Hof und Verwaltung vollständig zu beherrschen, wie seine Beseitigung und die einer Reihe seiner Anhänger, darunter des PPO Italiae Boethius, im Rahmen einer sorgfältig geplanten Aktion im Palast in Rom am 21. oder 22. Sept. 454 zeigt. Ob Rikimer seine Stellung als Heermeister letztlich seinen eigenen Verbänden verdankte, ist nicht klar ersichtlich. Eine wichtige Grundlage seiner Macht bildeten sie aber. So konnte er sich bei seiner militärischen Auseinandersetzung 472 mit Anthemius auf sie stützen801. Arbogast gehört auf jeden Fall nicht in diese Gruppe, weil er eine normale militärische Karriere machte802. Vor der Schlacht am Frigidus 394 spielen die Foederatenverbände auch noch keine entscheidende militärische Rolle und sind für den politischen Einfluß und für die Stellung ihrer Kommandanten in der militärischen Hierarchie nicht bedeutsam. Die Kommandanten begannen gegen Ende des 4. Jhd. eigene Privatarmeen aufzubauen. Von Augustus bis Valentinian und Valens war Anwerbung und Unterhalt von privaten Truppenverbänden in Rom verboten. Unter Theodosius und unter seinen Nachfolgern änderte sich die Situation grundlegend. Man begann Privatsoldaten anzuwerben. Stilicho hielt sich als erster Feldherr seit der späten Republik wieder eine Leibgarde. Der bekannteste Typ dieser Privatsoldaten, die Bucellarier, wurde legalisiert. Ihr Dienst wurde als eine militia anerkannt. Für ihren Unterhalt kam der Staat auf, der auch indirekt ihre Besoldung garantierte803. 800 Demandt 1980, 633/634. Zu Aetius’ Aufstieg vgl. ausführlich Stickler 2002, 20–85 u. passim. Zum Austausch der Treueschwüre vgl. Prosp. Tiro s. a. 454 = Chron. min. 1, 483: Inter Valen­ tinianum Augustum et Aetium patricium post promissae invicem fidei sacramenta, post pac­ tum de coniunctione filiorum, dirae inimicitiae convaluerunt. Zu den Belegen für Aetius’ Ermordung vgl. PLRE 2, 28; zum Ort Henning 1999, 17, zum Vorgang vgl. etwa Stickler 2002, 71, der auf die besondere Form, nämlich daß man sie einen nach dem anderen tötete, nicht aufmerksam macht. Ein Hinweis darauf fehlt offensichtlich generell in der wissenschaftlichen Diskussion. Stickler 2002, 74/75 beschränkt den von Aetius nicht kontrollierten Bereich des comitatus auf den allerengsten Umkreis Valentinians III., das sacrum cubiculum, weil der Mord von Valentinian III., dem Eunuchen Heraclius und weiteren Mitgliedern des Hofgesindes durchgeführt worden sei. Stickler überschätzt dabei Aetius’ Einfluß. Dessen Beseitigung und die einer Reihe seiner Anhänger, darunter des PPO Italiae Boethius, ließ sich in der gewählten Form, bei der man diese einzelnd hereinrief und dann tötete, nur im Rahmen des Hofes insgesamt durchführen (Hyd. Lem. 160 = 152 Burgess = Chron. min. 2, 27: Aetius dux et patricius fraudulenter singularis accitus intra palatium manu ipsius Valentiniani imperatoris occiditur et cum ipso per spatharium eius aliqui singulariter intromissi iugulantur honorati.). Etwa in einer Sitzung des consistorium wäre dies nicht möglich gewesen. Gerade daß auch ständige Mitglieder des consistorium wie der CSL von Aetius’ Bestrebungen, seinen Einfluß auszudehnen, betroffen waren (Stickler 2002, 299/300), legt zudem nahe, daß Aetius jene nicht völlig unter seiner Kontrolle hatte. Daß der Senat erst nachher informiert wurde, muß nicht verwundern. Vorherige Kontakte mit einflußreichen Mitgliedern wie Petronius Maximus wären nicht ratsam gewesen und sind auch nicht zu belegen. Dessen Beteiligung an der Planung für Aetius’ Beseitigung ist nämlich nicht anzunehmen (Henning 1999, 16; Stickler 2000, 74). 801 Ioh. Ant. frag. 209, 1 = Prisc. fr.[64, 1] Blockley = Exc. de ins. 93 S. 131, 5: to; tw`n oijkeivwn barbavrwn plh`qo~. Zur Anwerbung von Privatsoldaten generell vgl. Demandt 1980, 631/632. 802 Vgl. n. 798. 803 Zu Stilichos Leibgarde vgl. Zos. 5, 34, 1. Schmitt 1994, 168.

III.F.6 Die Sicherung der Herrschaft gegen mögliche Prätendenten

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Die Kaiser suchten zwar dieser Entwicklung entgegenzutreten. So blieb die Erlaubnis, Bucellarier zu unterhalten, auf Militärpersonen beschränkt804. Außerdem war die zahlenmäßige Stärke der Gefolgschaftsverbände meist gering. Kein hoher Offizier besaß je genug Bucellarier, um auf sie allein gestützt einen Umsturz wagen zu können805. Dennoch bedeuten aber die Bucellarier eine deutliche Minderung der kaiserlichen Verfügungsgewalt über die Generäle. Die Schwierigkeiten Valentinians III., die er nach Aetius’ Beseitigung 454 mit dessen Gefolge hatte und die schließlich zu seiner eigenen Ermordung führten, zeigen deutlich die eingeschränkten Möglichkeiten des Kaisers, die Generäle nach funktionalen Gesichtspunkten einzusetzen. Es gab eine weitere Entwicklung, die die Kontrolle des Kaisers über die Führung der Armee einschränkte, nämlich die Besetzung von Posten in der Armee durch eigene Gefolgsleute der Kommandanten. Indem ein hoher Offizier weitere Kommandostellen mit seinen domestici besetzte, konnte er das Heer zu einem gefügigen Werkzeug machen806. In der Forschung wird Arbogast als der erste genannt, der die Armee und die Zivilverwaltung mit seinen Vertrauensleuten unterwandert und eine Machtposition erlangt habe, wie sie erst Rikimer wieder erreichte807, der auch zivile Würdenträger auf seine Seite brachte wie etwa Romanus808. Auch Aetius wird in diese Gruppe eingereiht und im Reichsosten Gainas und Aspar809. Bei hinreichend einflußreichen Heermeistern ist eine solche Politik generell zu vermuten. Sie ist aber an die Zustimmung des Kaisers und an die wichtiger Mitglieder des comitatus gebunden und darf nicht isoliert von der historischen Gesamtsituation betrachtet werden. Arbogast konnte am Ende des 4. Jhd. nicht ohne Theodosius’ Duldung so vorgehen. Eine weitere Entwicklung betraf die Bildung großer Vermögen, die es einzelnen Kommandanten erlaubten, politische Ziele durch den Einsatz eigener finanzieller Mittel zu erreichen. So zwang Rikimer seinen Konkurrenten Marcellinus 461 zum Rückzug von Sizilien nach Dalmatien, indem er ihm Truppen abwarb810. 804 Zu den Bucellariern vgl. den Forschungsüberblick bei Demandt 2007, 312/313; Martin 1995, 188. Zivile Würdenträger, die über Bucellarier verfügen, treten offenbar erst unter Iustinian auf (Schmitt 1994, 169). 805 Schmitt 1994, 169. 806 Domestici sind freie persönliche Bedienstete meist gehobener sozialer Herkunft von zivilen Würdenträgern und Offizieren. Anfänglich standen sie selbst offenbar nicht im Dienst des Staates. Zu den domestici vgl. Seeck, RE V, 1 (1903) 1296 s. v. domesticus; Schmitt 1994, 154. Zur Auswirkung der Besetzung wichtiger Posten im Heer auf dessen politische Verfügbarkeit vgl. Schmitt 1994, 169. 807 Schmitt 1994, 169/170. 808 Henning 1999, 256. 809 Schmitt 1994, 170. Vgl. auch Constantius III. und seine Personalpolitik zur Sicherung seiner Stellung zwischen 414–417 und dazu Lütkenhaus 1998, 130–133. Zu Aetius’ Personalpolitik vgl. Stickler 2002, 67. Zivile Würdenträger lassen sich nicht fassen, obwohl Aetius’ Einfluß auch dort wahrscheinlich ist. Den Hof vermochte er sicher nicht zu kontrollieren (Stickler 2002, 70). 810 Zu den Vermögen der Heermeister, die seit der Mitte des 4. Jhd. belegt sind, vgl. Demandt 1980, 630/631; ergänzend vgl. zu Gildos Reichtum Romanelli 1959, 606; Y. Modéran, Gil-

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III. Der Kaiser, F. Die Sicherung der Herrschaft

Die direkte Bedrohung oder Beeinflussung politischer Entscheidungen durch die militärische Macht der Generäle und ihrer Gefolgsleute wurde dadurch erheblich eingeschränkt, daß sie keinen Zugang zum Kaiser in Begleitung von Soldaten hatten und man unbewaffnet erscheinen mußte811. Aetius’ oder Aspars Ermordung wäre anders nicht möglich gewesen. Ungehorsam gegenüber dem Kaiser, ohne zu usurpieren, war keineswegs auf die höchste militärische Führungsebene, die Heermeister, beschränkt, sondern es gab ihn auch mit erheblichen Konsequenzen auf tieferer Ebene, so etwa bei den comites rei militaris in Africa. Bonifatius, der 422 möglicherweise sogar noch als tribunus dem Heermeister Castinus den Gehorsam verweigerte und nicht mit ihm nach Spanien gegen die Vandalen zog, begab sich nach Africa, wo er sich militärisch einen Namen gemacht hatte. Er agierte dort unabhängig812, bis seine Stellung nach Honorius’ Tod im August 423 wahrscheinlich durch Theodosius II. legitimiert wurde. 427 kam es erneut zu einer Auseinandersetzung zwischen Bonifatius und der Zentrale, zu deren Beginn jener wie Gildo 397 zum hostis publicus erklärt wurde. Weil Bonifatius militärisch nicht zu besiegen war, kam es 429 zu einer Einigung, und er wurde wieder offiziell in seinen Status als comes Africae eingesetzt. Dieser Ungehorsam mußte nicht selbstverständlicherweise öffentlich sichtbar werden, denn dann stellte sich das Problem, vor der Bevölkerung, den Soldaten sowie der lokalen Oberschicht und Administration legitimiert zu sein. Die rebellierenden Kommandanten versuchten daher in der Regel, von der Zentrale ihre Stellung bestätigt zu bekommen. Dem Problem der Legitimierung wird keine große Aufmerksamkeit geschenkt, weder von den antiken Autoren noch der modernen Forschung. Wie sich etwa die Provinzverwaltung gegenüber einem solchen Kommandanten verhielt, entzieht sich weitgehend unserem jetzigen Kenntnisstand813.

don, les Maures et l’Afrique, Mefra 101, 1989, 821–872, dort 860–865; zu dem Rikimers Krautschick 1994, 285; Henning 1999, 249, 251. 811 Zu Aetius’ Ermordung vgl. n. 800. 812 PLRE 2, 238; Stickler 2002, 27/28. Zu den Ereignissen von 427–429 vgl. PLRE 2, 239/240; Stickler 2002, 44–47. 813 Als Heraclianus, der comes Africae, 413 der Zentrale den Gehorsam verweigerte, arbeitete der proconsul Africae Apringius offensichtlich mit ihm zusammen. Vgl. n. 1388.

IV. Der Usurpator IV.A Allgemeine Überlegungen IV.A.1 Die Usurpation als Teilhabe an der Herrschaft Seitdem Carus 282 die Herrschaft angetreten hatte, war die Investitur für den, der beanspruchte, Kaiser zu sein, hinreichend, um als solcher zu gelten. Die entscheidenden Gruppen mußten ihn nur noch anerkennen. Die Übertragung der Kompetenzen durch einen Senatsbeschluß war nicht mehr nötig. Die kaiserliche Stellung wurde jetzt als Einheit betrachtet. So konnte das Kaisertum in einem einzigen Investiturakt übertragen werden. Dennoch wurde die kaiserliche Stellung selbst nie in konstitutioneller Form gefaßt. Es war kein Amt im Sinne einer Magistratur der römischen Republik. So war nicht festgelegt, wie und wann das Kaisertum übertragen wird. Wenn kein Kaiser im Amt war, konnte es daher keine Usurpation geben. Wer in diesem Moment nach der Krone griff, war kein Usurpator. Er beanspruchte keinen Platz, den schon jemand innehatte. Wenn es keinen Kaiser gab, gab es kein Kaisertum. Gab es keinen consul in der Republik, konnte man dagegen das Amt usurpieren. Man beanspruchte die Stellung des Kaisers, wenn man die Voraussetzungen für erfüllt hielt, princeps zu sein. Es entwickelte sich lediglich ein Erhebungszeremoniell, das jedoch erst in der Spätantike verbindlichere Form bekam. Dies schloß aber die Erhebung eines weiteren Kaisers, eben eines Usurpators, nicht aus, und machte sie nicht zu einem Akt, bei dem vorgegebene Regelungen übertreten wurden. Das Herrschaftsrecht eines Kaisers ist daher nicht grundsätzlich für eine vorgegebene Zeit, d. h. für die Lebenszeit, unverlierbar. Es kann jederzeit in Frage gestellt werden. Die Usurpation bildete einen festen Bestandteil des politischen Systems. Die Stellung des princeps konnte jederzeit von einem anderen beansprucht werden. Er mußte eine militärische Einheit finden, die ihn erhob, und erproben, ob man ihm gehorchte und ob er als princeps anerkannt wurde. Er bestritt so den Anspruch des Kaisers, der gerade regierte. Er mußte dabei keine anerkannten Regelungen für die Übernahme und Weitergabe der kaiserlichen Stellung verletzen, weil es diese nicht gab, sondern nur dasselbe Vorgehen durchlaufen wie der princeps, der gerade den Thron innehatte. Usurpatorisch war an diesem Vorgehen, daß sie die Stellung dessen, der die Herrschaft ausübte, in Frage stellte. Ein Usurpator in der römischen Kaiserzeit greift also immer in das Herrschaftsrecht eines regierenden Kaisers ein. Er braucht deshalb zwar im konkreten Fall für sein Vorgehen eine Rechtfertigung, um es politisch zu legitimieren und Anerkennung zu finden. Es ist aber an und für sich gestattet, die Stellung als Kaiser zu beanspruchen, auch wenn ein solcher schon im Amt ist. Dieser wesentliche Zug der Usurpation in der römischen Kaiserzeit, der schon seit Mommsen beobachtet wor-

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IV. Der Usurpator, A. Allgemeine Überlegungen

den ist und der auch für die Spätantike gilt814, macht es notwendig, Kaiser und Usurpator parallel zu betrachten. Sie erstreben dasselbe Ziel, nämlich die kaiserliche Stellung. Der Unterschied liegt vor allem darin, daß der Usurpator zu spät kommt. Der Thron ist schon vergeben. Diese zeitliche Differenz bedeutet für den, der die kaiserliche Stellung usurpieren will, wesentliche Unterschiede in der politischen, sozialen und moralischen Ausgangslage. Zudem galt sein Vorgehen auch über den engeren Kreis seiner politischen Gegner hinaus als moralisch verwerflich. Die Übernahme der Herrschaft, die in der Spätantike allein durch die Investitur vollzogen wurde, mußte Anerkennung finden. Diese wurde einem Kaiser, der durch Kooptation durch einen Kollegen oder auf den Vorschlag der führenden Gruppe hin auf den Thron gelangt war, ohne weiteres zuteil. Bei einer Usurpation zögerten die Mitglieder der politischen Elite zudem, in den Dienst des neuen Herrschers zu treten. Wie schon vorher richten sich Usurpationen auch in der Spätantike nicht gegen das Kaisertum an sich. Die Usurpatoren suchen niemals, nach der Übernahme des Kaisertums dessen Charakter zu verändern oder sich eine neue Institution als Grundlage ihrer Herrschaft zu schaffen. Der Usurpator möchte Kaiser werden und bleiben. Dieses Ziel des Staatsstreiches in der römischen Kaiserzeit und auch der Spätantike bildet einen wesentlichen Unterschied zu den Usurpationen in der späten Republik. In ihr mußten Regelungen, die für Übernahme und Bekleidung der für die Herrschaft als entscheidend betrachteten Magistratur vorgesehen waren, mißachtet werden, und, wenn eine dauerhafte Übernahme der Macht erstrebt wurde, mußten neue Ämter oder Möglichkeiten geschaffen werden, die die Stellung des Usurpators sicherten. Wäre der Versuch Catilinas, durch einen Staatsstreich consul zu werden, gelungen, hätte er seine persönliche und politische Zukunft sichern müssen815. Sulla816 oder Caesar übernahmen die Herrschaft im Staat, gaben aber dann der errungenen eine neue institutionelle Gestalt. So suchte Sulla die Diktatur als Amt in 814 Vgl. z. B. Mommsen 21907, 152; Röm. St. 32, 842–845. Vgl. etwa auch Sickel 1898, 512/513, 531 n. 11 u. 12; Toynbee 1973, 12/13; P. Lemmerle, Histoire et civilisation de Byzance, Annuaire du College de France, Résumé de cours 1971/1972, 72, 1972, 519–531, Résumé de cours 1972/1973, 73, 1973, 493–506, dort 494/495. 815 Der Versuch Catilinas, durch einen Staatsstreich consul zu werden, war eine Usurpation, die lediglich auf die Übernahme des Konsulates abzielte. Um aber straflos zu bleiben und sein politisches Überleben zu sichern, hätte er jedoch institutionelle Änderungen zu seinen Gunsten anstreben müssen. Zum Staatsstreich Catilinas vgl. K. Christ, Krise und Untergang der römischen Republik, Darmstadt 52007, 260–268. 816 Dahlheim 1993, 97–104 u. passim; J. von Ungern-Sternberg 1998, 612–614 zur gewaltsamen Übernahme des Oberbefehls gegen Mithradates 88 v. Chr.; Christ (n. 815), 210–230 zur Inbesitznahme der Exekutivgewalt 83 v. Chr. und deren Umgestaltung. Bei Sulla sind also zwei hochverräterische Aktionen zu unterscheiden, nämlich der Marsch auf Rom 88 v. Chr., um die Aberkennung des Oberbefehls gegen Mithradates rückgängig zu machen, und der Angriff auf Rom von 83 v. Chr., der zur direkten und dauerhaften Übernahme der Exekutivgewalt durch Sulla und deren institutioneller Umgestaltung führte. Die Ereignisse von 83 v. Chr. bieten ein ganz eindeutiges Beispiel für die Usurpation eines militärischen Kommandanten.

IV.A.1 Die Usurpation als Teilhabe an der Herrschaft

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neuer Form wiederherzustellen, und auch Caesar griff darauf zurück. In beiden Fällen war dann allerdings die führende Schicht nicht in ihrer Gesamtheit bereit, dieses Vorgehen auf die Dauer zu dulden. Augustus fand dann die Lösung, indem er sich eine Stellung neben den Institutionen, nämlich die des princeps, schuf. Usurpationen in der römischen Kaiserzeit erstreben nie grundlegende Veränderungen in der gesellschaftlichen Struktur oder eine weitgehende personelle Umgestaltung der politischen Elite. Das erstere haben sie mit denen der Republik gemeinsam, das zweite nicht. Proskriptionen oder Verwandtes waren der Kaiserzeit fremd, der späten Republik nicht. Diese Ausgangslage bewirkt, daß die Usurpationen in der römischen Kaiserzeit sich grundlegend von denen in der späten Republik, aber auch von denen in vielen anderen Epochen der Geschichte, so besonders auch von denen in der Gegenwart, unterscheiden. Sie streben nicht die regelwidrige Besetzung eines Amtes an, suchen nicht die Schaffung eines neuen und gehen nicht auf eine strukturelle oder personelle Umgestaltung der politisch führenden Schicht aus. Die Usurpation in der Form, wie sie in der römischen Kaiserzeit auftrat, bot die Möglichkeit, persönliche oder Gruppeninteressen durchzusetzen, die sonst nicht erreichbar waren, weil der Kaiser oder die ihn beherrschenden Personen es nicht wollten und ein Herrschaftswechsel nicht möglich war. Die Usurpatoren erstrebten einen Wechsel in der Führung und des engsten Kreises um den Kaiser. Die damit verbundenen politischen Zielvorstellungen hatten niemals den Charakter moderner politischer Utopien und Visionen wie etwa Gleichheit oder Freiheit oder wirtschaftliche Entwicklung. Kein Usurpator strebte institutionelle oder gesellschaftliche Veränderungen an. Alle handelten im Rahmen der vorgegebenen Institutionen und der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung. Eine Änderung der Politik war auf andere Weise als durch den Staatsstreich gegen den Willen des Kaisers nicht zu erzwingen, ein Herrschaftswechsel zu Lebzeiten war nach dem Ende der Tetrarchie nicht vorgesehen, und die Absetzung eines Kaisers auf institutionellem Weg war nicht möglich817. Mit der Mehrkaiserherrschaft in der Form, die sie nach 337 hatte, änderten sich einige Bedingungen für eine Usurpation und deren Ziel. Während der ersten Tetrarchie war die Situation noch nicht verschieden von der Zeit davor. Erfolgreich zu usurpieren war nur schwerer oder fast unmöglich geworden. Weil die Zahl der Kaiser gegeben war, Übernahme und Weitergabe der Herrschaft gleichzeitig und zu einem im voraus festgelegten Zeitpunkt erfolgten und die Kandidaten dafür vorher bestimmt wurden, konnte kein Usurpator auf nachträgliche Anerkennung durch seine Kollegen hoffen. Er mußte die Herrschaft aller zugleich in Frage stellen, was keinen Erfolg versprach. Die Zahl der Usurpationen ist daher auch nach der Ausbildung des tetrarchischen Systems im Frühjahr 293 sehr gering. Von einer gewissen Bedeutung sind nur die Erhebungen von Allectus 293 und Domitius Domitianus 297. Als sich Konstantin 306 erheben ließ, nutzte er die Lücke, die durch den Tod seines Vaters in der Ordnung der zweiten Tetrarchie entstanden war und suchte mit 817 Zur Möglichkeit der Absetzung in byzantinischer Zeit durch die führenden Amtsinhaber und Senatoren vgl. Beck 1966, 43 sqq. Es handelt sich dabei um eine politische Entscheidung.

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IV. Der Usurpator, A. Allgemeine Überlegungen

Erfolg um Anerkennung bei Galerius nach. Er mußte sich jedoch mit der Stellung als Caesar begnügen. Die Anerkennung seiner Erhebung bedeutete aber den Anfang der Auflösung des tetrarchischen Systems. Von diesem her war sie nämlich eigentlich unmöglich. Weil nach 337 die Zahl der Kaiser und deren Wechsel nicht mehr festlagen, bot sich für einen Usurpator die Möglichkeit, sich in einem Teilgebiet des Reiches erheben zu lassen und zu versuchen, als Kollege anerkannt zu werden, auch wenn er nicht von einem Augustus vorgeschlagen worden war. Im Fall einer dauerhaften Anerkennung durch seine Amtskollegen war seine Herrschaft gesichert, und er galt nicht mehr als Usurpator. Im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft nach 337 bedeutet daher usurpieren nicht mehr notwendigerweise, die Herrschaft im gesamten Reich von Anfang an anzustreben, an die Stelle eines regierenden Kaisers zu treten, ihn aus seiner Stellung zu entfernen, wie es vom 1.–3. Jhd. üblich war, wenn man von den Sonderreichen absieht818, sondern erst einmal Teilhabe an der Herrschaft zu suchen, die Herrschaft in einem Teilgebiet ohne vorherige Zustimmung dessen, der über sie verfügt, zu übernehmen und dann reichsweit als Kollege anerkannt zu werden. Diese Form der Usurpation wird die Regel. Sie eröffnete für einen Prätendenten und für die im Amt befindlichen Kaiser eine politische Lösung. Diese Möglichkeit unterscheidet die Spätantike nach 337 wesentlich von der voraufgehenden Zeit. Sie wurde fast immer gesucht, auch wenn sie fast nie zum Erfolg führte. Der Versuch, gleich die Herrschaft im gesamten Reich zu übernehmen, wird zur Ausnahme. Eindeutig nachzuweisen ist ein solcher Versuch nur für Procopius819. Dieser bestritt die Legitimation der regierenden Dynastie Valentinians I. insgesamt. Er suchte daher sofort nicht nur den militärischen Konflikt mit Valens, sondern ging zugleich darauf aus, auch in Valentinians I. Herrschaftsgebiet Fuß zu fassen820. Wenn Teilhabe an der kaiserlichen Stellung zum Ziel einer Usurpation wird, stellt sich die Frage, was mit einem gestürzten Kaiser geschieht. Wurde im Prinzipat dieser fast regelmäßig zum hostis publicus erklärt und konnte getötet werden, wurde dessen Beseitigung im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft zu einer poli818 Bei den Sonderreichen handelt es sich nicht um eine Mehrkaiserherrschaft wie im 4. und 5. Jhd. Es findet keine gegenseitige Legitimierung durch Anerkennung statt, und die Vorstellung, daß die Stellung des Kaisers durch mehrere Herrscher zugleich eingenommen wird, fehlt. 819 Die Versuche anderer Usurpatoren, die Herrschaft im gesamten Reich anzustreben, die Bleckmann 1997, 591/592 anführt, sind nicht überzeugend. Olymp. fr. 13 Blockley z. B. kann nur als Beleg dafür dienen, daß Constantinus III. die Herrschaft im Westen des Reiches übernehmen wollte, was für einen Usurpator ganz normal ist, und Attalus’ großspurige Worte werden von Olympiodor und Zosimus nicht ernst genommen (Olymp. fr. 10, 1 Blockley; Zos. 6, 7, 3). Sie stellen ein ideologisches Programm dar (vgl. dazu Paschoud 1989, 45), sagen aber nichts über die praktische Politik aus. Keine Maßnahme des Usurpators Attalus belegt, daß er mehr als die Herrschaft im Westen wollte, wenn überhaupt. Teilhabe des Usurpators an der Herrschaft ist nicht einfach Herrschaft in einem Teilbereich (Flaig 1997, 27), weil damit die eigene Stellung gegenüber den Untertanen nicht hinreichend legitimiert ist. 820 Vgl. den Exkurs „Procopius und der Wechsel der herrschenden Dynastie“, S. 401/402.

IV.A.1 Die Usurpation als Teilhabe an der Herrschaft

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tischen Belastung. Er war Kollege der anderen im Amt befindlichen Kaiser und von diesen anerkannt. Sein Tod mußte gerächt werden. Dies stand erfolgreichen Verhandlungen um Teilhabe an der Herrschaft im Weg. Der gewaltsame Tod eines amtierenden Herrschers wird also stärker als früher zum politischen Problem. Die Möglichkeit oder sogar die weitgehende Notwendigkeit, Teilhabe an der Herrschaft zu suchen, die sich auf Grund der Mehrkaiserherrschaft für einen Usurpator ergab, erlaubte auch einem amtierenden Kaiser oder seinen Vertrauten, sich der Usurpation als politisches Mittel zu bedienen. Für Vetranios Erhebung 350 ist dies durchaus eine mögliche Erklärung. Constantina habe im Interesse Constantius’ II. und vielleicht sogar mit seiner Einwilligung Vetranio erheben lassen, um Magnentius einen Zugriff auf Illyricum unmöglich zu machen. Auch wenn man von Vetranios Fall absieht, war dieses Vorgehen als Möglichkeit im politischen Bewußtsein vorhanden. So fürchtete Gallus 354 eine von seinem auctor Constantius II. begünstigte Usurpation, durch die er aus seiner Stellung verdrängt werden sollte821. Der Rückgriff auf die Usurpation als Mittel gegen einen mißliebigen Kollegen oder Usurpator ist nur in Constantius’ II. Regierungszeit faßbar. Im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft bedeutete Teilhabe an der Herrschaft erreichen zu wollen meistens den Versuch, sich des gesamten westlichen Reichsteiles zu bemächtigen. So ging Magnentius 350 darauf aus, Constans’ Herrschaftsgebiet zu übernehmen, um dann von Constantius II., dem Augustus im Osten, anerkannt zu werden. Im Westen wurde Teilhabe an der Herrschaft aber auch im Rahmen einer Präfektur angestrebt, wie in der ersten Phase von Maximus’ Usurpation 383–387. Er übernahm nur die Herrschaft in der gallischen Präfektur. Im östlichen Reichsteil kam es nie zu einer Usurpation, die darauf abzielte, nur in einem Teilgebiet Kaiser zu werden. Dies dürfte seinen Grund in der Verwaltungsgliederung und der überragenden Stellung von Konstantinopel gehabt haben. Eine Teilherrschaft etwa nur in der Präfektur Illyricum anzustreben wurde niemals in Erwägung gezogen. Teilhabe an der Herrschaft zu suchen muß dabei nicht unbedingt die eigentliche Absicht der Usurpatoren gewesen sein, wurde aber diesen vom System der Mehrkaiserherrschaft nahegelegt, ja in einem gewissen Sinn aufgezwungen, wenn man nicht sofort eine direkte Konfrontation mit allen Kaisern im Reich auf sich nehmen wollte. Teilhabe an der Herrschaft als politisches Ziel wird daran erkennbar, daß man mit den Kaisern, deren Sturz nicht durch die Erhebung bewirkt wurde, Verhandlungen suchte, um als Mitherrscher anerkannt zu werden. Wo immer sich solche Gespräche nachweisen oder wahrscheinlich machen lassen, ging es erst einmal um Teilhabe an der kaiserlichen Stellung822. 821 Zu dieser Erklärung der Usurpation Vetranios vgl. etwa Stein 1959, 139 (dt. 215), kritisch dazu Bleckmann 1994, 43/44. Zu Gallus’ Furcht vor einer Usurpation vgl. Amm. 14, 7, 18– 20; 14, 9, 5. 822 Das Streben nach Teilhabe generell nur als Etappe zu betrachten, der immer der Kampf um die Alleinherrschaft folgte (vgl. M. R.-Alföldi, Bild und Bildersprache der römischen Kaiser. Beispiele und Analysen, Mainz 1999, 108; ähnlich schon Pabst 1986, 129), verkennt die prägende Kraft der Mehrkaiserherrschaft. Sie gab die einzelnen Schritte vor und bestimmte den Ablauf. Der abschließende Kampf um die Alleinherrschaft, zu dem der Usurpator gezwungen

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IV. Der Usurpator, A. Allgemeine Überlegungen

Der Anspruch auf Teilhabe an der Herrschaft wird sichtbar durch die öffentliche Annahme des Kaisertitels und die Einforderung von Gehorsam und Loyalität in einem begrenzten Gebiet. Die Übernahme des Kaisertitels gibt zu erkennen, daß man reichsweit akzeptiert und als Kollege anerkannt werden möchte. Ohne die Beanspruchung des Kaisertitels handelt es sich lediglich um Ungehorsam innerhalb eines Gebietes, der bisweilen als eine Form von Separatismus aufgefaßt werden kann. Die Teilhabe an der Herrschaft war durch die Annahme des Kaisertitels und die Übernahme der Herrschaft in einem Gebiet des Reiches noch nicht erreicht. Erst die Anerkennung als Mitherrscher gab der Stellung des neuen Kaisers eine Legitimation im Rahmen des gesamten Reiches, und ein Angriff auf ihn wurde zu einem auf die gemeinsam ausgeübte Herrschaft. Der Prätendent gilt als Usurpator, wenn er mit seinem Anspruch, Mitherrscher zu sein, keine Anerkennung findet und ihn auch mit Gewalt nicht durchsetzen kann. Er gilt als Kaiser, wenn ihm dies gelingt. Für eine vergleichende Betrachtung der Usurpationen sind vor allem die heranzuziehen, die kein bloßer Versuch waren und daher als gelungen zu gelten haben. Eine Usurpation ist dann als gelungen zu betrachten, wenn nach der Erhebung zum Kaiser, d. h. nach der Investitur, Gehorsam gefordert und geleistet wird. Die Dauer der Herrschaft und der Umfang des beherrschten Territoriums spielen dabei keine Rolle. Von dieser Bestimmung her gibt es keine Grenzfälle. So kann der tribunus Iohannes, der 518 während der Unruhen bei Anastasius’ Nachfolge als Augustus gefordert wurde823, nicht als Usurpator betrachtet werden. Er ließ sich zwar auf den Schild erheben, es kam aber zu keiner Investitur, und er beanspruchte keinen Gehorsam. Es blieb also bei ihm bei einem Versuch, ihn zum Kaiser zu machen. Bezeichnenderweise findet er sich auch nicht in den antiken Listen der Usurpatoren und in modernen Übersichten. Anders steht es dagegen mit Marcellus, dem Nachfolger Procops. Er regierte zwar nur sehr kurze Zeit und herrschte über ein sehr begrenztes Gebiet, forderte aber Gehorsam ein, und dieser wurde ihm auch geleistet824. Als Usurpatoren sind daher Personen zu betrachten, die nach der Investitur den Kaisertitel führten, den damit verbundenen Gehorsam einforderten und erhielten. Sie bestreiten damit zugleich den Herrschaftsanspruch eines regierenden Kaisers in wurde, wenn seinem Streben nach Anerkennung als Kollege nicht stattgegeben wurde, ist eine Folge der Ablehnung, Teilhabe an der Herrschaft zuzugestehen, und weitgehend durch das dynastische Prinzip bestimmt, das die gleichzeitige Herrschaft von mehr als einer Familie im Reich der Regelung der Nachfolge wegen schwierig machte. 823 C. P. 1, 93 S. 427, 14–18; Vict. Tonn. s. a. 520: Iohannes, qui ante Iustinum ad imperium erat electus, Heraclia Thraciae episcopus ordinatur. Victor läßt nicht klar erkennen, daß Iohannes nicht von einer geordneten Versammlung erhoben wurde und daß es zu keiner Investitur kam. Vgl. S. 122/123. 824 PLRE I, 551 s. v. Marcellus 5; Paschoud 1979, 344/345 n. 118; 349 n. 122. Marcellus erhob sich unmittelbar, nachdem er von Procopius’ Tod erfahren hatte, in Nicaea und brachte auch noch Chalkedon in seine Gewalt (Amm. 26, 10, 1–6). Das von ihm beherrschte Gebiet war also sehr klein. Seine Herrschaft dauerte wahrscheinlich weniger als einen Monat, denn Equi­ tius, Valentinians I. Heermeister in Illyrien, der sich bei Philippopolis aufhielt, schickte sofort von dort Soldaten aus, die Marcellus ergriffen und töteten.

IV.A.2 Usurpation und gewaltsame Auseinandersetzungen unter Kaisern

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einem Territorium, wie klein es auch immer sein mag. Die lediglich nominelle Beanspruchung des Kaisertitels, ohne Herrschaft auszuüben, wird von Usurpatoren selbstverständlich nicht angestrebt. Sie ist auch bei ihnen ein Element der Nachfolgesicherung825. Wenn der Kaisertitel nicht angestrebt wurde, handelte es sich lediglich um einen Aufstand oder um rebellierende Amtsträger. So führte z. B. ein Mann namens Tibatto 435 einen Aufstand der Bagauden in Gallien an. Rebellierende Amtsinhaber waren etwa die Generäle Gildo und später Heraclianus826 in Africa. Solche Rebellionen konnten auch dazu dienen, ein Territorium zu verselbständigen, wie es etwa 454 im Fall von Dalmatien geschah, ohne daß dabei die Stellung eines Augustus angestrebt wurde827. Die Anführer dieser Bewegungen beanspruchten niemals, Kaiser zu sein, und führten auch keine entsprechenden Titel. Der Usurpator dagegen will Kaiser sein, was er durch Annahme und Führung des Augustustitels klar zu erkennen gibt. So war Firmus ein Usurpator und kein Rebell. Er führte den Augustustitel. IV.A.2 Usurpation und gewaltsame Auseinandersetzungen unter Kaisern Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Kaisern, die gemeinsam als Herrscher im Reich auftreten, werden von antiken Autoren nicht als Besonderheit wahrgenommen, sondern in der Begrifflichkeit mit den Kämpfen zwischen Kaisern und Prätendenten auf eine Stufe gestellt. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Kaisern, die als Augusti gemeinsam die Herrschaft ausübten und deren Verhältnis zueinander geregelt war, d. h. die mit gegenseitiger Anerkennung gemeinsam herrschten, handelte es sich um die Infragestellung des Systems der Mehrkaiserherrschaft durch einen regierenden Kaiser, was nicht als Usurpation aufzufassen ist. Es geht um interne Auseinandersetzungen. Die antiken Autoren, die sich in historischer Perspektive dazu äußern, verfügen über keine eindeutigen Kriterien. Solche gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen regierenden Augusti, die sich gegenseitig anerkannt hatten, waren zwischen 337 und 476 eine Ausnahme, während sie in der Periode der Kämpfe Konstantins mit seinen Amtskollegen um die Alleinherrschaft zwischen 312 und 324 die Regel bildeten. Dies ist leicht erklärlich, weil es Konstantin um die Herrschaft seiner Familie ging. Sie durfte nicht durch Mitherrscher aus einer anderen Dynastie und deren Nachkommen gefährdet werden.

825 Eine gewisse Ausnahme bildet lediglich Valentinians II. Erhebung, der keine Herrschaft ausübte und kein Territorium beanspruchte, sondern sich mit der nominellen Führung des Augustustitels begnügte und als nomineller Kaiser anerkannt wurde. Vgl. den Abschnitt III.C.3.a Die Kaisererhebungen im 4. Jhd. – Valentinians II. Erhebung, S. 108–112. 826 Vgl. zu Tibatto PLRE 2, 1118/1119 s. v. Tibatto. Ein anderes Beispiel wäre etwa Patricius, der Anführer eines Aufstandes der Juden 352 (vgl. PLRE 1, 673 s. v. Patricius 2); zu Gildo vgl. S. 280/281; zu Heraclianus n. 32. 827 Vgl. S. 282.

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IV. Der Usurpator, A. Allgemeine Überlegungen

Zwischen 337 und 476 gab es lediglich die Auseinandersetzung zwischen den Augusti Constans und Constantinus II.828, die im Frühjahr 340 die 337 geschaffene Ordnung für den Westen des Reiches beseitigte und mit dem Tod Constantinus’ II. endete. Der Angriff Constantinus’ II. auf Constans ist nicht als Usurpation zu betrachten. Es geht um die Ordnung innerhalb der Mehrkaiserherrschaft und letztlich um diese selbst. Sie wird in Frage gestellt, weil zwei gut legitimierte Augusti über ihre Herrschaftsgebiete streiten. Anders zu werten ist Julians Angriff auf Constantius II. Iulians Erhebung zum Augustus im Februar 360 war noch keine Usurpation, sondern lediglich die Aufwertung seiner bisherigen Stellung als Caesar, mit der er nicht zufrieden war, ohne Constantius’ II. Einwilligung dazu einzuholen. Es war der Versuch, dessen Kompetenzen im westlichen Reichsteil einzuschränken. Kennzeichnenderweise wird auch nicht versucht, die Loyalität der Beamten, die von Constantius II. eingesetzt worden waren, formell durch einen Eid auf Iulian zu übertragen. Iulians Vorgehen stellte Constantius’ II. Herrschaft nicht in Frage, sondern minderte nur dessen Führungsanspruch im Westen. Es bedeutete allerdings einen Bruch der concordia829. Erst mit dem Eid, der Mitte April 361 auf Iulian zu leisten war und sich gegen Constantius II. richtete, und mit dem Vorstoß in Constantius’ II. Herrschaftsgebiet, wird Iulian zum Usurpator, auch wenn er behauptete, Constantius II. nur erschrecken zu wollen830. Das gleiche gilt für den Caesar Gallus, der sich größere Kompetenzen anzumaßen suchte, als ihm zustanden. Er gelangte nur weniger weit als Iulian, weil Constantius II. ihn schon während des Versuches, seine Kompetenzen zu erweitern, aus dem Amt entfernte und töten ließ. Constantius II. interpretierte Gallus’ Verhalten als Vorbereitung zu einer Usurpation, wobei ihm die antike Überlieferung folgte, und ließ ihn als Hochverräter beseitigen831. In beiden Fällen handelte es sich um Auseinandersetzungen zwischen rangniederen Herrschern (Caesares) mit einem ranghöheren (Augustus). Beide Caesares hatten schon Teil an der kaiserlichen Stellung, aber sie wollten ihren Anteil vergrößern und nahmen in Kauf, als Hochverräter betrachtet zu werden.

828 Zu Constantinus II. vgl. Moreau 1959, 160/161. Zur Auseinandersetzung zwischen Constans und Constantinus II. vgl. Szidat 2003, 203/204, 206/207, 325. 829 Zum Bruch der concordia vgl. Amm. 20, 8, 17 (vgl. Amm. 20, 8, 11); 21, 1, 1; 21, 10, 7; den Boeft 1987, 211; 1991, 4; zum Eid vgl. Amm. 21, 5, 7.9–11; den Boeft 1991, 61, 65/66; Szidat 1996, 42, 45/46. 830 Vgl. Amm. 21, 5; Szidat 1996, 14/15, 31/32 u. passim. 831 Vgl. Amm. 14, 11, 13; 21, 13, 11 sqq. und dazu Szidat 1996, 158 u. passim. Die Überlieferung spricht zu einem Teil ausdrücklich von einem Usurpationsversuch. Vgl. Soc. 2, 34, 1: Tau`ta pravxa~ oJ Gavllo~ th;n eujtucivan oujk h[negken, ajll∆ eujqu;~ newterivzein kata; tou` proceiri­ samevnou kai; turannei`n ejbouleuveto: w{ste oujk eij~ makra;n oJ skopo;~ aujtou` katavfwro~ uJpo; Kwnstantivou ejgevneto.

IV.A.3 Alternativen zur Usurpation

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IV.A.3 Alternativen zur Usurpation Wollte man die Politik verändern, ohne selbst Kaiser werden zu wollen, gab es vor allem drei Möglichkeiten. Die eine bestand darin, entscheidenden Einfluß auf den Herrscher auszuüben und ihn im eigenen Sinn zu lenken. Dabei benötigte man keine eigene Legitimation, womit eine große Hürde entfiel. Dafür waren ständig Mitbewerber zu fürchten, die unerwartet besseren Zugang zum Kaiser fanden832. Um den eigenen Einfluß zu stabilisieren, war eine Umgestaltung der führenden Gruppe der Weg, der sich anbot. Diese Alternative zur Usurpation war gesucht und erklärt, warum gerade schwache Herrscher wie Honorius zwar von Usurpationen bedroht waren, aber nicht ihretwegen stürzten. Die mächtigen Mitglieder der führenden Gruppe, besonders die zivilen Würdenträger, verteidigten die Stellung des Herrschers, weil durch ihn ihre eigene und ihr Einfluß legitimiert waren. Hätten sie sich zu einer Usurpation entschlossen, hätten sie die Übernahme der Herrschaft rechtfertigen und Anerkennung finden müssen833. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, daß eine mächtige Gruppe sich ein eigenes Machtzentrum schuf, indem sie einen Herrscher erhob, der ihren Interessen entsprach, die aber vorgab, im Interesse der regierenden Augusti zu handeln, und die deren Einverständnis wenigstens formal hatte oder ohne große Schwierigkeiten erhalten konnte. Die Gelegenheit dazu ließ sich aber nicht planen, sondern konnte im Gefolge einer Krise kommen. Auch sie setzte einen schwachen Herrscher voraus. Sie bot sich zweimal im 4. Jhd., nämlich nach dem Tod Valentinians I. 375 und nach Valens’ Tod in der Schlacht bei Adrianopel 378. 375 erhob man ohne vorherige Zustimmung der Augusti Gratian und Valens Valentinian II. zum Augustus und Anfang 379 mit Gratians Einverständnis Theodosius. Eine dritte häufig genutzte Möglichkeit waren Gehorsamsverweigerungen oder selbstherrliches Vorgehen der höchsten militärischen Kommandanten834, um der kaiserlichen Politik eine andere Richtung zu geben, ohne daß die betreffenden selbst nach der Herrschaft strebten oder einen bestimmten Kandidaten auf den Thron bringen wollten. Zuweilen wollten sie auch nur ihre eigene Stellung retten. Dieser Verzicht auf eine eigentliche Usurpation hängt mit den geringen Chancen und dem hohen Risiko für die Heermeister zusammen, sich selbst auf den Thron zu schwingen. Der Gehorsamsverweigerung bedienten sich z. B. Arbogast, Gildo, Heraclia-

832 Zu den Machtkämpfen hinter dem Thron vgl. grundsätzlich Jones 1973, 341–346. Er betont stärker das Trennende als das Einigende der führenden Gruppe und beschränkt sie auch weitgehend auf die amtierenden Würdenträger. 833 Vgl. S. 141 zu Olympius und n. 752 zu Maximinus. Seeck 6, 98/99, 116 hat offenbar zuerst darauf aufmerksam gemacht. Er sieht darin einen Grund für eine Reihe von Bürgerkriegen, so etwa die Auseinandersetzung zwischen den Heermeistern Felix und Bonifatius (Seeck 6, 104– 108). Er betont zu sehr den Kampf unter den „Reichsfeldherrn“. Diese sind aber weitgehend nur die Exponenten verschiedener Gruppen innerhalb der politischen Elite. 834 Nicht unbedingt in diesen Rahmen gehört die Entwicklung, sich eigene Territorien zu schaffen, wie es Marcellinus 454 in Dalmatien tat, sofern damit nicht die Stellung eines Kaisers in seinem sonstigen Herrschaftsbereich in Frage gestellt wurde.

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IV. Der Usurpator, A. Allgemeine Überlegungen

nus, Rikimer, Illus oder Vitalianus835. Sie erkannten die Autorität des Kaisers, in dessen Dienst sie standen, nicht an, und einige von ihnen nahmen dessen Sturz in Kauf. Ihr Vorgehen war Hochverrat. Sie mußten aber die Zusammenarbeit mit anderen politischen Kräften suchen, darunter auch dem Kaiser im anderen Reichsteil, so lange die Mehrkaiserherrschaft bestand, denn sie konnten lediglich auf ihre Truppen zählen. Dabei war ungewiß, wie lange diese ihnen folgten. Sie hatten nämlich die Legitimation ihrer Stellung durch den Kaiser verloren, weil sie ihm nicht mehr gehorchten. Sie benötigten eine politische Instanz, die ihre Stellung erneut legitimierte. Arbogasts Auseinandersetzung mit Valentinian II. führte schließlich zu Eugenius’ Usurpation, und Rikimers Probleme mit Anthemius zu dessen Sturz und zu Olybrius’ Erhebung. Vitalianus’ Verhalten hatte dagegen nicht Anastasius’ Sturz zur Folge. Der Heermeister Illus sagte Zenon 484 den Gehorsam auf, ließ aber dann Leontius, der gegen ihn geschickt worden war, durch die Augusta Verina erheben und trat in dessen Dienst. Gildo nutzte 397 den Zwist zwischen Arcadius und Honorius und unterstellte sich Konstantinopel. So blieb er legitimiert. Heraclianus suchte 413 seiner Entmachtung durch den Hof in Ravenna nach Olympius’ Sturz zuvorzukommen. Ihm fehlte eine Legitimation seiner Herrschaft. Die Verweigerung des Gehorsams wird erst eine Alternative zur Usurpation, als die politische Kontrolle des Kaisers über die Generäle vom Ende des 4. Jhd. an schwächer wird. Die Lösung der Streitigkeiten um Einfluß und Macht auf diese Arten ließ aber die Usurpationen nicht verschwinden. Gerade bei einem starken Herrscher gab es außer der Usurpation keine gute Möglichkeit, die eigenen politischen Vorstellungen und Interessen durchzusetzen.

835 Gainas gehört nicht sicher in diese Gruppe. Er wollte zwar seine Politik durchsetzen und seine Feinde am comitatus entmachten, aber anerkannte Arcadius’ Stellung. Er strebte nicht dessen Sturz an oder nahm ihn in Kauf (vgl. etwa Syn. Prov. 1, 15, 110 CD und dazu Cameron 1993, 370 n. 179, 181; allgemein vgl. Cameron 1993, 335/336; Paschoud 1986, 152–159; Seibel 2006, 122–128, besonders 126–128). Seibel 2006, 186/187 u. passim spricht von Usurpationen der Heermeister, indem sie Usurpation mit Machtergreifung gleichsetzt (S. 192). Dabei bleibt von ihr unbeachtet, daß ein Heermeister immer eine Instanz benötigt, die sein Handeln legitimiert. Diese ist entscheidend, denn daß die tatsächliche Macht oft nicht bei dem liegt, der die Stellung des Herrschers innehat, ist eine wohlbekannte Erscheinung, die nicht auf spätantike Kaiser beschränkt ist. Mommsen in seiner Kaiserliste (Chron. min. 3, 474–492) unterscheidet nicht aufständische Generäle wie Heraclianus, Illus oder Vitalianus von Usurpatoren. Sie werden bei ihm als ty­ ranni aufgeführt. Interessanterweise werden Firmus und Gildo nicht erwähnt. Die Kriterien, nach denen Mommsen jemand als tyrannus einordnet, sind nicht ganz klar. Illus wird offenbar unter sie eingereiht, weil er (Marcell. com. 488, 1 = Chron. min. 2, 93) als solcher bezeichnet wird (Chron. min. 3, 489). Vitalianus wird von Mommsen auch dazu gezählt (Chron. min. 3, 489), obwohl er nie als solcher genannt ist. Eugenius wird unter die tyranni gezählt (Chron. min. 3, 484), während Iohannes und die ihm folgenden westlichen Kaiser, die als solche betrachtet wurden, nicht darunter eingeordnet werden (Chron. min. 3, 486).

IV.A.4 Die unterschiedlichen Formen einer Usurpation

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IV.A.4 Die unterschiedlichen Formen einer Usurpation Eine Usurpation konnte mit dem Sturz eines der regierenden Kaiser verbunden sein, um an dessen Stelle die Herrschaft zu übernehmen, wie es im Prinzipat ganz üblich war, oder man konnte sich im Gebiet eines Augustus erheben lassen, ohne ihn stürzen zu wollen. Beide Vorgehensweisen, der Sturz eines Kaisers oder die Erhebung eines Kaiser im Herrschaftsgebiet eines anderen, sei es, daß ein freier Platz zu besetzen ist oder ein Teil des Gebietes beansprucht wird, sind nach spätantikem Selbstverständnis als Usurpation zu betrachten, auch wenn es Vorgänge sind, die verschieden ablaufen. Sie werden in den antiken Quellen in rückblickender Betrachtung gleichermaßen als Usurpation bewertet. Dahinter steht die Vorstellung einer einheitlichen kaiserlichen Stellung, auch wenn sie auf mehrere Personen aufgeteilt ist. Schloß die Übernahme der Herrschaft den Sturz eines Herrschers ein, lassen sich nach 337 n. Chr. im 4. u. 5. Jhd. im wesentlichen zwei verschiedene Vorgehensweisen beobachten, nämlich dessen comitatus direkt zu übernehmen oder von der Peripherie her zu versuchen, sich der Regierungszentrale zu bemächtigen. Das erste war nur möglich, wenn es gelang, den Kaiser von den anwesenden Mitgliedern des comitatus zu isolieren, und wenn ihm diese die Loyalität aufsagten. Dies geschah im 4. Jhd. nur einmal, nämlich Anfang 350 bei Magnentius’ Usurpation836, und kostete, soweit wir wissen, nur den regierenden Kaiser Constans das Leben. Die Mitglieder des comitatus wollten sich Ende 349 Constans’ Herrschaft entledigen. Marcellinus, der comes rei privatae (oder sacrarum largitionum)837 und Magnentius, comes rei militaris, übernahmen dabei die Führung838. Weil die führenden Mitglieder des comitatus an Constans’ Sturz mitwirkten, widersetzten sich auch die anwesenden Truppen nicht. Als Constans auf der Jagd war, wurde Magnentius während eines Gelages zum Kaiser erhoben. Constans leistete keinen Widerstand, sondern flüchtete sofort nach Süden. Er war offensichtlich völlig isoliert. Er wagte es auch nicht, sich zu den am Rhein stationierten Truppen zu begeben. Augenscheinlich fand er auch in dem Gebiet, das er auf seiner Flucht durcheilte, keine Unterstützung. Am Fuß der Pyrenäen erreichten ihn seine Verfolger und töteten ihn. Damit war Magnentius der Herrscher über Gallien und Spanien geworden und konnte sich auch rasch Italiens und Africas bemächtigen. Im 5. Jhd. ist ein ähnliches Vorgehen bei Basiliscus’ Erhebung839 gegen Zenon im Januar 475 zu beobachten. Es wird ausdrücklich auf das Mitwirken einiger Mitglieder der führenden Gruppe aufmerksam gemacht840. Sie ließen Zenon an der 836 Bei Eugenius’ Usurpation lagen die Dinge anders. Arbogast nutzte die weitgehende Isolierung Valentinians II. dazu, um ihm den Gehorsam zu verweigern, aber nicht, um ihn sofort durch einen neu erhobenen Herrscher zu ersetzen. Eugenius übernahm erst drei Monate später die Herrschaft. 837 Während es Delmaire 1997, 113 offen läßt, ob Marcellinus comes rei privatae oder sacrarum largitionum war, war er für Paschoud 2000, 267 comes rei privatae. 838 Vgl. Zos. 2, 42, 2. 839 PLRE 2, 212–214 s. v. Fl. Basiliscus 2. 840 Vgl. Zon. 14, 2, 4: th`~ Bhrivnh~ sunairomevnh~ aujtw/` kajk th`~ sugklhvtou tinw`n (Verina und einige Mitglieder des suvgklhto~ unterstützten ihn). Vgl. auch V. Dan. Styl. 68.

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IV. Der Usurpator, A. Allgemeine Überlegungen

Möglichkeit zweifeln, seine Stellung bewahren zu können, und er floh aus Konstantinopel. Basiliscus konnte die Herrschaft übernehmen, aber Zenons nicht habhaft werden, weil sich dieser nach Isaurien zurückziehen konnte, wo er herkam und wo er seine Machtbasis hatte. Die Entmachtung eines regierenden Kaisers in dieser Art ist sonst im 4. u. 5. Jhd. nicht so eindeutig zu fassen. Die Übernahme der Herrschaft auf diese Weise war nur möglich, weil seit den Verwaltungsreformen Konstantins die zentralen Funktionen ziviler und militärischer Natur auf den comitatus konzentriert waren. Mit größeren Auseinandersetzungen verbunden waren die Erhebung eines Prätendenten und dessen Versuch, einen Herrscher zu entmachten und sich dessen Verwaltungszentrale zu bemächtigen. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet Maximus’ Erhebung im Frühjahr 383. Er ließ sich von den Truppen, die ihm in Britannien zur Verfügung standen, zum Augustus ausrufen und zog dann gegen Gratian. Beide Seiten trafen im Sommer 383 in der Nähe von Paris aufeinander. Es gelang Maximus, Gratians Truppen und deren Führer zum Abfall zu bringen. Der Heermeister Merobaudes spielte dabei eine wichtige Rolle. Gratian flüchtete, und sein comitatus geriet in Maximus’ Hand. Nur ganz wenige blieben Gratian treu wie etwa der Heermeister Vallio, die rasch ausgeschaltet werden konnten. Gratian verlor durch die militärische Niederlage jegliche weitere Unterstützung in Gallien, und sein Versuch, sich nach Italien zu retten, scheiterte in Lyon. Gallien fiel ohne weiteren Kampf Maximus anheim. Valentinian II., der sich in Norditalien als nomineller Kaiser aufhielt, übernahm dort die Herrschaft. Er konnte sich in Italien halten und einen ihm ergebenen comitatus bilden. Dieser Vorstoß aus der Peripherie in das Zentrum erinnert an viele Usurpationen im frühen Prinzipat. Es fällt aber auf, daß die Kämpfe weitaus weniger blutig sind und mit dem Gewinn des comitatus die Auseinandersetzung vorerst beendet ist. Kämpfe dieser Art setzen voraus, daß die Mitglieder des comitatus des angegriffenen Kaisers nicht mehr völlig loyal sind und veranlaßt werden können, ihn im Stich zu lassen. Anders als man erwarten könnte, ist diese Art des Vorgehens aber wenig häufig. Im 4. Jhd. ging außer Magnus Maximus nur noch Procopius 365 so vor, ohne aber sein Ziel zu erreichen. Weil die wichtigsten Beamten mit Valens auf dem Marsch nach Antiochia waren, bemächtigte sich Procop in Konstantinopel des PPO Orien­ tis Nebridius und des PVC Caesarius und hielt sie voneinander getrennt gefangen. Damit war ein wichtiger Teil der Verwaltung in seiner Hand. Beide Beamten mußten in seinem Sinn an ihre Untergebenen schreiben841. Ihm gelang aber trotz großer Anfangserfolge nicht die Übernahme des comitatus des Kaisers Valens, sondern bei den Kämpfen wurde er von den Truppen im Stich gelassen und Valens’ Anhängern ausgeliefert. Ihm widerfuhr das Schicksal Gratians, nur daß es diesmal dem Usurpator und nicht dem regierenden Kaiser zustieß. Es war Procopius nicht gelungen, die Mitglieder des comitatus, die mit ihm zusammenarbeiteten, wirklich zu gewinnen. Als sich die Gelegenheit dazu bot, ließen sie ihn im Stich. Für das 5. Jhd. ist keine einzige Usurpation, bei der man so vorging, eindeutig zu belegen, auch wenn nicht immer klar zu entscheiden ist, ob ein Usurpator sich 841 Zos. 4, 6, 2.

IV.A.4 Die unterschiedlichen Formen einer Usurpation

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wirklich des comitatus bemächtigen und den Herrscher stürzen wollte, wenn er schon vorher scheiterte, oder ob er nur seine Anerkennung als weiterer Herrscher erstrebte. Die Usurpatoren, die aus Britannien kamen wie Marcus, Gratian und Constantinus III. zusammen mit den von ihm erhobenen Constans und Iulianus, sowie Iovinus oder Maximus trachteten offensichtlich nicht danach, sich Honorius’ comitatus zu bemächtigen. Sie waren sich bewußt, Honorius nicht stürzen zu können. Auch bei Usurpationen, die im Gefolge eines anderen Staatsstreiches auf einem Territorium durchgeführt werden, das von einem Usurpator kontrolliert wird, kann von der Peripherie ins Zentrum vorgestoßen werden, um dann den an der Macht befindlichen Herrscher zu stürzen. Hier ist besonders an Nepotianus’ Staatsstreich zu denken. Er wurde am 3. Juni 350 vor Rom erhoben. Seine Usurpation richtet sich gegen den Usurpator Magnentius, den er der Herrschaft berauben wollte. Nepotianus profitierte davon, daß Magnentius nicht den gesamten Reichsteil des gestürzten Constans, d. h. das Gebiet bis zum Paß von Succi, unbestritten für sich sichern konnte. Sie erfolgte daher auch sehr bald nach Magnentius’ Erhebung am 18. Januar 350 und stellte dessen Herrschaft im Westen insgesamt in Frage, wie Magnentius’ Reaktion zeigt. Dieser schickte sofort Truppen von Norditalien, die vom mag. off. Marcellinus, einem seiner engsten Vertrauten, geführt wurden. Schon am 30. Juni 350 wurde Nepotianus zusammen mit seiner Mutter in Rom getötet. Sein abgeschlagener Kopf wurde auf einer Stange durch die Stadt getragen. Nach Nepotianus’ Niederwerfung verfolgte Magnentius die stadtrömische Aristokratie842. Eine neue Form der Usurpation besteht darin, eine solche durchzuführen, ohne einen regierenden Augustus zu stürzen. Sie wurde erst mit der Mehrkaiserherrschaft möglich. Diese Art der Usurpation macht etwa zwei Drittel aller Usurpationen in der Spätantike aus. Hierfür gab es zwei Möglichkeiten. Die eine bestand darin, den Platz eines Kaisers zu besetzen, der durch dessen natürlichen Tod frei geworden war, obwohl noch ein Kollege im Amt war, der den Anspruch erheben konnte, einen Kandidaten dafür zu benennen, die andere, innerhalb des Territoriums eines Augustus einen Teil davon zu beanspruchen, ohne aber jenen gänzlich der Herrschaft zu berauben. Bei der ersten Möglichkeit ging es immer um einen der beiden Reichsteile, und zwar mit einer Ausnahme jeweils um den westlichen. Dabei ist niemals die Absicht erkennbar, die eigene Herrschaft auf das ganze Reich auszudehnen. Durch die Erhebung eines Mitherrschers, ohne daß der überlebende seinen Willen äußern kann, wird diesem ein Teil seines Gebietes und seiner Verfügungsgewalt genommen. Nach der Vorstellung der Mehrkaiserherrschaft fiel das Gebiet des verstorbenen an den überlebenden zurück. Es lag deshalb bei ihm, zu entscheiden, ob er einen Kollegen wollte, und diesen zu erheben oder die Herrschaft im gesamten Gebiet in Zukunft alleine auszuüben. Mißachtet wurde also die Verfügungsgewalt des überlebenden Herrschers auch über das Gebiet des verstorbenen. Diese Usurpationen sind recht zahlreich. Sie bilden etwa ein Drittel der uns bekannten zwischen 337–476843. 842 Hier. chron. s. a. 2366: Nepotiani caput pilo per urbem circumlatum multaeque proscriptiones nobilium et caedes factae. Vgl. auch Prosp. Tiro s. a. 350 = Chron. min. 1, 454. 843 Zu ihnen zählen die Usurpationen von Eugenius, Iohannes, Petronius Maximus, Avitus, Maiorianus, Libius Severus und Glycerius. Auch Marcian kam so an die Macht, fand aber später

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IV. Der Usurpator, A. Allgemeine Überlegungen

Ein signifikantes Beispiel bietet Eugenius’ Erhebung. Nach Valentinians II. Tod wartete man im Westen drei Monate lang (15.5.–22.8.392) auf die Bestimmung eines neuen Herrschers durch Theodosius und erhob dann Eugenius. Dessen Erhebung mißachtete Theodosius’ Anspruch, einen Herrscher zu ernennen844. Dieselbe Situation wiederholte sich im 5. Jhd. mehrfach. So etwa bei Iohannes’ Usurpation 423, als der comitatus nach Honorius’ Tod keinen Vorschlag aus dem Osten abwartete, sondern Iohannes erhob. Die folgenden Usurpationen im Westen haben in der Mehrzahl diesen Charakter845. Man berücksichtigt das Vorschlagsrecht des Ostens nicht, sondern erhebt einen eigenen Kaiser. Konstantinopel nutzte die politische und militärische Schwäche des Westens aus, um Druck auszuüben, aber schritt nicht mehr militärisch ein wie bei Iohannes. Dieselbe Situation zeigt sich umgekehrt beim Amtsantritt Marcians 450, als man in Konstantinopel Valentinians III. Anspruch auf den Vorschlag eines Kandidaten nicht berücksichtigte. Der Westen intervenierte nicht militärisch, sondern begnügte sich damit, Marcian vorerst die Anerkennung zu verweigern. Die zweite Möglichkeit, eine Usurpation durchzuführen, ohne einen Augustus zu stürzen, bestand, wie gesagt, darin, von dessen Territorium einen Teil als eigenes Herrschaftsgebiet zu beanspruchen. Sie ist nur im Reichswesten zu beobachten. Ein eindeutiges Beispiel dafür bietet Vetranio, der 350 Illyrien zu seinem Herrschaftsgebiet machte, ohne einen Mitherrscher vom Thron zu stoßen. Zu denken ist auch an Silvanus’ Erhebung von 355. Bei ihm ist allerdings wegen der kurzen Dauer der Herrschaft nicht klar erkennbar, welche Ziele er eigentlich verfolgte. Im 5. Jhd. trifft dies etwa auf die Erhebung Constantinus’ III. zu. Er wurde 407 in Britannien erhoben und gewann die Herrschaft in Gallien und Spanien. Er anerkannte Honorius’ Herrschaft und suchte um dessen Anerkennung für seine nach und erhielt sie auch vorübergehend846. Das unmittelbare Ziel seiner Erhebung war also nicht Honorius’ Sturz, sondern die gemeinsame Machtausübung mit diesem. Auch Firmus’ die Anerkennung auch im Westen und wird daher nicht zu den Usurpatoren gezählt. War die Nachfolge in einem Reichsteil nicht geregelt, war sich der Kaiser im anderen der Möglichkeit einer Usurpation durchaus bewußt (Soc. 7, 23, 1/2). 844 Valentinian II. starb zwar keinen natürlichen Tod, aber hinter diesem stand nicht die Absicht, Platz für einen Usurpator zu schaffen. Vgl. S. 265/266. Auch Valentinian III., Petronius Maximus, Avitus und Maiorian kamen nicht um oder wurden umgebracht, um eine Usurpation vorzubereiten. 845 Lediglich Olybrius und Romulus Augustulus bilden Ausnahmen. Olybrius wurde im April 472 von Rikimer erhoben, als Anthemius noch Kaiser im Westen war, und Romulus Augustulus wurde am 31.10.475 von seinem Vater Orestes zum Kaiser gemacht, nachdem dieser den Augustus Iulius Nepos vom Thron verdrängt hatte. Er hatte am 28.8.475 Ravenna verlassen, um nach Dalmatien zurückzukehren. Pirrus, der am 23.7.428 in Rom umkam, war höchstwahrscheinlich kein Usurpator. Vgl. n. 1469. 846 Vgl. Kent 1994, 143–149 etwa zur Prägung von Solidi, deren Legende auf alle jeweils herrschenden Augusti Bezug nimmt, sowie Zos. 5, 43, 1/2 (vgl. Olymp. fr. 13 Blockley) und dazu Paschoud 1986, 288 n. 100 zu einer Gesandtschaft um Anerkennung an Honorius. Der spätere, aber abgebrochene Versuch, Honorius’ Herrschaft in Italien zu destabilisieren (Olymp. fr. 15, 1 Blockley; Soz. 9, 12, 4–6 = Olymp. fr. 15, 2 Blockley), gehört in eine andere Phase der Auseinandersetzung mit diesem. Er erfolgt erst nach dem Scheitern der dauerhaften Anerkennung durch Honorius.

IV.A.5 Usurpationsversuche und Mordanschläge

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Erhebung ist in diesem Rahmen zu sehen. Sie bildet aber unter den Usurpationen des 4. und 5. Jhd. einen deutlichen Sonderfall. Es handelt sich um einen lokalen Aufstand, dessen Führer den Augustustitel annahm und daher als Usurpator zu betrachten ist847. Firmus suchte jedoch niemals um seine Anerkennung als Mitherrscher nach. Er beschränkte sich ganz auf Africa. Im 4. Jhd. blieb Firmus’ Erhebung die einzige dieser Art. Als Folge von Firmus’ Usurpation blieb eine Schwächung der Zentralgewalt in Africa. Es ist nicht immer klar zu erkennen, ob ein Usurpator einen Kaiser aus dem Amt bringen wollte oder ob er nur seine Anerkennung als weiterer Herrscher erstrebte. Deutliches Anzeichen dafür, daß der Sturz eines Herrschers von vornherein beabsichtigt war, sind etwa ein sofortiger militärischer Angriff auf diesen, der Verzicht, mit ihm in Verhandlungen einzutreten, oder der Versuch, das eigene Gebiet nach der Erhebung immer weiter auszudehnen und somit dem anderen die Grundlage seiner Herrschaft zu entziehen. Usurpatoren, die sich im Gefolge anderer Prätendenten erheben, haben dieselben Möglichkeiten. Sie können versuchen, einen an der Macht befindlichen Usurpator zu verdrängen, wie es Nepotianus’ Absicht 350 war, als er sich gegen Magnentius erhob, oder Maximus, der sich 409 gegen Constantinus III erhob848, oder die Herrschaft in einem Teil des Herrschaftsgebietes beanspruchen, wie es Vetranio tat, als durch seine Erhebung am 1.3.350 Illyrien Magnentius’ Zugriff entzogen wurde. Allerdings konnte auch Constantius II. nicht mehr darüber verfügen. Die Mehrkaiserherrschaft mit einer offenen Zahl von Kaisern und mit der Möglichkeit, Teilhabe an der Herrschaft zu suchen, eröffnete wesentlich mehr Varianten für Usurpatoren. Deren Absicht und Vorgehen können dadurch sehr stark variieren. IV.A.5 Usurpationsversuche und Mordanschläge Für das 4. u. 5. Jhd. ist eine ganze Reihe von Usurpationsversuchen belegt. Man muß aber damit rechnen, daß sie weniger vollständig in der Überlieferung faßbar sind als die bekannten Usurpationen849. Dazu kommen andere Unsicherheiten. Die 847 Matthews 1989, 367–376; Sabbah / Angliviel de la Beaumelle 1999, 197 n. 149. Zu einer eingehenden Erörterung der Usurpation des Mauren Firmus vgl. J. W. Drijvers, Ammianus on the Revolt of Firmus, J. den Boeft / J. W. Drijvers / D. den Hengst / H. C. Teitler (Hrsgg.), Ammianus after Julian: the Reign of Valentinian and Valens in Books 26–31 of the Res Ges­ tae, Leiden 2007, 129–155. Er sieht ihn mit einem Teil der Forschung nicht als Usurpator an, sondern betrachtet seine Bewegung als Aufstand mit separatistischen Tendenzen. Firmus’ Investitur ist aber nicht wegzuinterpretieren. 848 Ob dies auch für Iovinus’ Erhebung von 411 gilt, ist unsicher. Nach Drinkwater 1998, 289 (mit Auseinandersetzung mit der Forschung) erhob sich Iovinus erst unmittelbar nach Constantinus’ III. Fall. Im Bewußtsein der Zeitgenossen war diese Form der Usurpation durchaus vorhanden. So betont Orosius ausdrücklich (Oros. hist. 7, 40, 5/6), daß Verenianus und Didymus (vgl. n. 1227) keine Usurpation beabsichtigten, sondern dem legitimen Kaiser Honorius zur Hilfe kamen. 849 Vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 388–393. Erfolgreiche Usurpatoren haben in der Regel mehr Spuren hinterlassen, so etwa allein schon durch ihre Münzprägung. Es gibt viele

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IV. Der Usurpator, A. Allgemeine Überlegungen

Quellen lassen in der Regel nicht deutlich erkennen, welche Ziele bei einem Usurpationsversuch verfolgt wurden. Es bleibt auch häufig ungewiß, ob es sich nur um hochverräterische Machenschaften handelte oder aber um wirkliche Vorbereitungen zu einer Erhebung zum Augustus. Weiterhin ist oft nicht zu entscheiden, ob die Beschuldigung des Hochverrates oder einer versuchten Usurpation nicht aus der Luft gegriffen ist und anderen politischen Zwecken diente850. Solche Vorwürfe wurden bisweilen recht leichtfertig erhoben, wenn man etwa an die gegen Dioscorus oder Barbatio denkt851. Dies hat seinen Grund sicher auch in der mit dem römischen Kaisertum an sich verbundenen Usurpationsgefahr, deren man sich wohlbewußt war. Sie führte zu einer ständigen Furcht vor Staatsstreichen, zu entsprechenden Kontrollen und Überreaktionen852. Die Möglichkeit zu einer Usurpation gibt Unruhen und Spannungen eine andere Bedeutung, als wenn sie sich in einem politisch-sozialen System ereignen, das den Staatsstreich nicht kennt. Sie können nämlich immer den Ausgangspunkt einer Erhebung bilden. Diese Gefahr ist um so größer, je weniger institutionelle oder andere Sperren das politisch-soziale System vorsieht, wie es gerade in der römischen Kaiserzeit der Fall war. Eine quantitative Wertung der überlieferten Usurpationsversuche ist all dieser Unsicherheiten wegen nicht möglich. Die recht zahlreichen Versuche unterstreichen lediglich, daß der Staatsstreich eine immer vorhandene Bedrohung der kaiserlichen Stellung bildete. Dessen wirkliche Bedeutung läßt sich aber nur an den bekannten Usurpationen erkennen. Diese wurden auch in der Antike als Bewertungsmaßstab der Herrschaft eines Kaisers betrachtet. So preist Ammian Iulians Herrschaft, weil sie nie von Usurpationen erschüttert wurde, obwohl es eine Reihe von Usurpationsversuchen gegen ihn gab853. Augustin preist Konstantins irdisches Hinweise auf hochverräterische Machenschaften und versuchte Usurpationen, die zu wenig eindeutig überliefert sind, um sich klassifizieren zu lassen. So könnte man z. B. vermuten, daß es sich bei Philippus und Sallustius, die 423 getötet wurden, um Hochverräter handelt, auch wenn sie bei Marcellinus Comes s. a. 423 (vgl. PLRE 2, 875 s. v. Philippus 3; PLRE 2, 971 s. v. Sallustius 3) als Philosophen bezeichnet werden und an einer Krankheit sterben. Die Form des Eintrages in den Annalen von Ravenna (Ann. Rav. s. a. 423: His consulibus occisi sunt Philippus et Salustius inter Claternis et Bononia), die ganz parallel zu dem über die Hochverräter Pirrus und Heraclianus ist, und ihr gewaltsamer Tod auf der via Aemilia in der Nähe von Ravenna in Honorius’ Todesjahr lassen aber vermuten, daß auch sie in hochverräterische Aktionen verwickelt waren, dies um so mehr, weil sie als Philosophen völlig unbekannt sind und der Eintrag des Todes zweier Philosophen schon in Marcellinus’ Chronik schwer zu erklären ist. Zu diesem Eintrag bei Marcellinus Comes vgl. B. Croke, The Chronicle of Marcellinus. Translation and Commentary, Sydney 1995, 43. 850 Vgl. z. B. Dynamius’ Intrige, um den Heermeister Silvanus durch den Vorwurf, eine Usurpation zu planen, zu stürzen (Amm. 15, 5, 3–15). 851 Vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 389, 391. 852 Vgl. z. B. Tert. apol. 2, 8 (et in reos maiestatis et publicos hostes omnis homo miles est, ad socios, ad consocios usque inquisitio extenditur). Vgl. auch S. 188. 853 Amm. 22, 9, 1: nec motibus internis est concitus (sc. Iulianus). Zu den Usurpationsversuchen unter Iulian vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 389. Daneben gab es politischen Widerstand verschiedenster Art und Anschläge. Vgl. Bliembach 1976, 83 zum Anschlag von Pessinus und Szidat 1996, 19, 135, 137, 145/146. Zu modernen Überlegungen zum Usurpa­

IV.A.5 Usurpationsversuche und Mordanschläge

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Glück unter anderem deshalb, weil er alle Usurpatoren niederwerfen konnte. Dagegen macht es Ammian Constantius II. zum Vorwurf, daß unter seiner Herrschaft mehrere Usurpationen stattfanden, und Zenon wird vorgeworfen, auf Grund der erfolgreichen Niederwerfung von Usurpatoren übermütig geworden zu sein und viele aus bloßem Verdacht verfolgt und beseitigt zu haben854. Nicht immer klar zu trennen von Usurpationsversuchen sind in unserer Überlieferung die zahlreichen Anschläge auf einzelne Herrscher, so die auf Iulian und Valens855. Der Mord am Herrscher als Auftakt zu einem Staatsstreich ist im 4. und 5. Jhd. aber nicht eindeutig zu belegen. Er wird von manchen für die Beseitigung Valentinians II. durch Arbogast angenommen856, was aber wenig wahrscheinlich ist, denn Arbogast hätte sonst kaum so lange mit Eugenius’ Erhebung gewartet und sich nicht von einer Schuld an Valentinians II. Tod zu entlasten versucht857. Daß Petronius Maximus Valentinian III. am 16.3.455 beseitigen ließ, um an die Macht zu kommen, ist ebenfalls recht unwahrscheinlich, auch wenn es von Johannes von Antiochia858 behauptet wird und Petronius Maximus’ Erhebung am Tag nach dem Tod Valentinians III. ein Indiz dafür zu sein scheint859.

tionsrisiko und dessen möglicher Quantifizierung, die sich aber nicht ohne weiteres auf antike Verhältnisse übertragen lassen, vgl. etwa Belkin 2003. 854 Aug. civ. 5, 25; Amm. 21, 16, 8–17 (vgl. Szidat 1996, 209–221); Theophan. A. M. 5983 = 1, 135, 25–31: oJ de; Zhvnwn ejparqei;~ th/` tw`n turavnnwn ajnairevsei pro;~ dhmeuvsei~ kai; fovnou~ ajdivkou~ cwrei`, pavnta a[nqrwpon aijtiwvmeno~ wJ~ ejkeivnoi~ h] summachvsanta h] sumbouleuv­ santa th;n ejpivqesin. Theophanes fährt dann weiter, daß Zenon Cottais (wohl: Cottomenes mag. mil.; vgl. PLRE 2, 327) ohne Grund (ajlovgw~) getötet habe, der Illus und Leontius durch eine Belagerung überwunden hatte, und den Patrizier Pelagius, einen bewundernswerten Mann und bemerkenswerten epischen Dichter. Vgl. zu den Usurpationen und Usurpationsversuchen unter Zenon die „Chronologische Übersicht“, S. 411/412, und den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 392/393. 855 Bliembach 1976, 82/83, 124/125. Vgl. den Exkurs zu den Usurpationsversuchen, S. 389–391. Zu den Anschlägen auf Valens vgl. Amm. 29, 1, 15 u. 16; Lenski 2002, 224–227, 229/230; Wiebe 1995, 86–130. 856 Croke 1976, 243/244 zur Mord- und Selbstmordthese. Die antike Überlieferung ist schwankend. Sie spricht von Mord, Selbstmord oder sucht beides zu verbinden. Vgl. etwa Ambr. de obit. Valent. 33; Ps. Aur. Vict. epit. 48, 7; Oros. hist. 7, 35, 10. Vgl. n. 1085. 857 Valentinian II. starb am 15.5.392, und Eugenius wurde am 22.8.392 erhoben. Arbogast suchte durch eine oder mehrere Gesandtschaften, Theodosius von seiner Unschuld an Valentinians II. Tod zu überzeugen. Vgl. Rufin. hist. 11, 31. Die dort erwähnte Absendung von Bischöfen, die Arbogasts Unschuld beteuern sollten, hat nur Sinn als Gesandtschaft des Heermeisters, nicht als die des Usurpators Eugenius, wie schon Seeck 5, 537 gesehen hat. 858 Ioh. Ant. fr. 201, 6 = Prisc. fr.[30, 1] S. 329, 47–330, 57 Blockley = Exc. de ins. 85 S. 126, 25–127, 3. 859 Valentinian wurde am 16.3.455 ermordet, Petronius Maximus am 17.3.455 erhoben. Henning 1999, 118/119 nimmt ohne nähere Begründung die Ermordung Valentinians III. durch Petronius Maximus als gegeben an. Zu einem möglichen Versuch des Usurpators Basiliscus, Zenon vor der Übernahme der Herrschaft umzubringen, vgl. V. Dan. Styl. 69.

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IV. Der Usurpator, A. Allgemeine Überlegungen

IV.A.6 Die Zahl der Usurpationen. . Ihre chronologische und geographische Verteilung Zwischen 337 bis 476 ereigneten sich insgesamt etwa 26 Usurpationen860. Ihnen steht der Amtsantritt von 21 Kaisern gegenüber. Die geographische und chronologische Verteilung der Usurpationen ist aufschlußreich. Von 337 bis 395 gab es neun Usurpationen, von denen sich fünf in Gallien (Magnentius, Silvanus, Iulianus, Magnus Maximus, Eugenius) ereigneten und jeweils eine in Italien (Nepotianus), eine auf dem Balkan (Vetranio), eine in Africa (Firmus) und eine in Konstantinopel (Procopius und direkt damit verbunden Marcellus). Der gallische Raum ist also eindeutig am meisten gefährdet. Im gleichen Zeitraum herrschten elf Kaiser, die als legitim galten861. In den Jahren 395 bis 476 steigt die Zahl der Usurpationen im Westen des römischen Reiches stark an, nämlich auf 17, während es im Osten lediglich 475 eine gab (Basiliscus), hundert Jahre nach der Procops. Von den 17 Usurpationen fanden acht in Italien statt, nämlich die der Usurpatoren Attalus, Iohannes, Petronius Maximus, Maiorian, Libius Severus, Olybrius, Glycerius und Romulus. Die übrigen Erhebungen betrafen Britannien, Gallien und Spanien. Sechs Usurpationen nahmen ihren Ausgang in Britannien und Gallien. In Britannien erhoben sich Marcus, Gratianus und Constantinus III., in Gallien Iovinus und Attalus zum zweiten Mal im Jahre 414, im Jahre 455 Avitus. Zwei fanden in Spanien statt, nämlich Maximus’ erste Erhebung von 409 in Tarraco, die sich 860 Die Gesamtzahl der Usurpationen ist recht zuverlässig zu ermitteln, aber nicht mit absoluter Gewißheit, und zwar nicht nur wegen der Ungewißheit über den Charakter einzelner Unruhen, weil wir nicht immer wissen, ob es sich lediglich um eine Gehorsamsverweigerung oder einen bloßen Aufstand handelt, sondern auch, weil man mit Überlieferungslücken rechnen muß. Zur Zahl der Usurpationen vgl. im Anhang die „Übersicht über die Kaiser und Usurpatoren zwischen 284 und 532“, S. 413–416, und die „Chronologische Übersicht der Usurpatoren“. Ernennungen von Mitaugusti und Caesares sind nicht berücksichtigt, weil sie in den Rahmen derselben Usurpation gehören. Ebenso findet die Übernahme der Macht im Westen durch Odoaker nach 476 keine Beachtung. Er nahm niemals den Augustustitel an. Nicht als Usurpator mitgezählt wird auch Thela (PLRE 2, 1054 s. v. Thela), der Sohn Odoakers, den dieser in den letzten Jahren seiner Herrschaft (c. 490/493) zum Caesar erhob (Ioh. Ant. fr. 214a). Es muß unsicher bleiben, ob Odoaker dabei an die Wiederherstellung des westlichen Kaisertums dachte (zur Bewertung der Position Thelas vgl. Henning 1999, 68, 111, 212, 333). Pirrus, der 428 in Rom als Hochverräter hingerichtet wurde, und Carausius II. (zu diesem vgl. Casey 1994, 165–167) sind nicht mitgezählt, weil wir nicht wissen, ob es sich wirklich um Usurpationen handelt. Mehrfache Erhebungen eines Usurpators sind mitgezählt. Von ihnen sind nur zwei bekannt, nämlich sicher Attalus’ Erhebungen in den Jahren 409 und 414 sowie Maximus’ Erhebungen 409 und 419. Bisweilen wird erwogen, daß es sich bei Maximus’ Erhebungen um Usurpationen von zwei verschiedenen Personen handelt (vgl. PLRE 2, 744/745). Für die Identität beider vgl. etwa Lütkenhaus 1998, 171/172; Scharf 1992. Zu etwas abweichenden Zahlen wegen anderer Kriterien oder Zeitgrenzen vgl. z. B. Demandt 2007, 271/272. Er zählt zwischen 284–455 fast 40 Fälle von Hochverrat. 861 Arcadius und Honorius, die bis 395 nur nominell den Titel trugen, sind nicht mitgezählt. Mitgezählt ist Iulian, weil er als Caesar in Gallien und Herrscher im Gesamtreich Ende 361 als legitimer Kaiser zu betrachten ist. Ebenso ist Gallus mitgezählt, weil er nicht nur nominell Caesar war.

IV.A.6 Die Zahl der Usurpationen. Ihre chronologische und geographische Verteilung

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gegen den Usurpator Constantinus III. richtete, der aus Britannien stammte, und die zweite von 419. Die Herrschaftsgebiete der Prätendenten blieben auch auf diese Gebiete, also die gallische Praefektur, beschränkt. Lediglich Avitus’ Erhebung von 455 bildet eine Ausnahme. Sie war aber von vornherein dazu gedacht, den vakanten Thron im Westteil des Reiches zu besetzen. Avitus zog daher auch nach seiner Erhebung sofort nach Rom. Die Usurpationen im Westen beschränkten sich auf die Jahre 406 bis 423 und 455 bis 476. Das deutliche Überwiegen der Usurpationen in Gallien und Britannien862 hat schon die Antike wahrgenommen und aus ihrer Sicht auf den Charakter der Gallier zurückgeführt. Sieht man von der Randlage beider Gebiete gegenüber den kaiserlichen Residenzorten ab, die auch für andere Regionen gilt, ohne zu Usurpationen zu führen, lag eine wesentliche Ursache sicher in der äußeren Bedrohung beider Gebiete. Sie führte zu einer Stationierung größerer Heere in Gallien, was eher Usurpationen ermöglichte, weil ein Usurpator damit über bessere Voraussetzungen für eine militärische Auseinandersetzung mit dem Kaiser verfügte. Diese Erklärung genügt aber nicht, denn auch im Osten waren immer wieder größere Verbände stationiert, ohne daß der Kaiser anwesend war863. Dennoch kam es nicht zu Usurpationen, bei denen man sich auf diese Einheiten stützte. Bedeutsamer ist, daß die Barbaren ihrer andersartigen politischen Struktur wegen für die Usurpatoren eine sehr gute Rekrutierungsbasis boten864. Diese konnten damit ihre militärische Unterlegenheit ausgleichen, wie es etwa Magnentius und Magnus Maximus taten865. Im Osten stand dagegen mit den Sassaniden ein Reich mit einer Rom politisch vergleichbaren Struktur gegenüber, in dem man nicht rekrutieren konnte und das sich nicht in die inneren Auseinandersetzungen Roms hineinziehen ließ, sondern diese nur zu seinem eigenen Vorteil nutzte. Der Einsatz der Barbaren war aber nicht auf den Usurpator beschränkt. Der legitime Kaiser setzte diese in der Regel auch gegen seinen Widersacher ein, was zu einer noch größeren Destabilisierung der Region führte866. Dies verstärkte die schon gegebene Ausgangslage, daß in Britannien und Gallien durch die Einfälle der Bar862 Zur Usurpationsfreudigkeit gallischer Truppen vgl. n. 394. Zur Usurpationsfreudigkeit Britanniens vgl. die fast sprichwörtliche Wendung von Hieronymus: Britannia fertilis provincia usurpatorum (Hier. ep. 133, 9, 4 von 414). Zum sprichwörtlichen Charakter vgl. den ganz ähnlichen Gebrauch von fertilis bei Hier. ep. 46, 10, 2: iuxta Aegyptum fertilem monachorum. Weil Hieronymus Aussage 414 gemacht wurde, kann sie sich mit Sicherheit nur auf die Usurpationen von Marcus (406–407), Gratianus (407, 4 Monate), Constantinus III. 407–411 (März od. Mai 407 – Herbst 411) beziehen, möglicherweise schließt sie auch noch die von Magnus Maximus (383 Frühjahr – 28.8.388) ein. Sie zeigt den Eindruck, denn diese Serie von Usurpationen machte. 863 Man vgl. z. B. die Stationierung größerer Verbände durch Constantius II. in der Auseinandersetzung mit den Persern, ohne daß er selbst im Osten anwesend war. Vgl. zu den Einzelheiten Szidat 1977, 70–74. 864 Vgl. zu dieser Überlegung Shaw 1999, 150. 865 Iul. or. 1, 34c–d (Magnentius rekrutiert Barbaren); Ambr. epist. 30[24], 8 (Magnus Maximus); vgl. auch Oros. hist. 7, 35, 11 (Eugenius). 866 Zum Vorgehen Constantius’ II. gegen Magnentius und zu Constantius’ II. Versuch, Iulians Herrschaft durch Barbareneinfälle zu destabilisieren, vgl. S. 317/318.

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IV. Der Usurpator, B. Die Gründe der Usurpationen

baren die Strukturen des Staates geschwächt waren und die Kontrolle des Gebietes durch Rom ungenügend war. Man fühlte offensichtlich einen Gegensatz zwischen den eigenen finanziellen Leistungen für den Staat und dem, was Rom dafür bot. Es konnte nicht vor den Übergriffen der Barbaren schützen. Es war also die Nähe der Barbaren, die Gefahren, die von ihnen ausgingen und die Möglichkeiten, die ihre politische Struktur boten, um sie in die inneren Auseinandersetzungen hineinzuziehen, die Gallien und Britannien so anfällig für Usurpationen machten. Die chronologische und geographische Verteilung der Usurpationen, die deutliche Schwerpunkte erkennen läßt, macht sichtbar, daß der Staatsstreich nicht der normale Fall ist, die Herrschaft zu übernehmen. Daß Usurpationen oft gehäuft auftreten, erklärt sich aber nicht nur durch die Krisensituationen an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit, sondern auch dadurch, daß es weniger risikoreich schien, an diesem Spiel teilzunehmen, wenn erst einmal die bestehenden Loyalitäten durch eine Usurpation erschüttert und aufgelöst waren. IV.B Die Gründe der Usurpationen Nicht die Gründe einzelner Usurpationen sollen hier erörtert werden. Es soll hingegen im allgemeinen aufgezeigt werden, was mögliche Usurpatoren und die entscheidenden Gruppen dazu bringen konnte, einem amtierenden Kaiser die Loyalität aufzukündigen. Dabei ist selbstverständlich kein Grund zwingend. So usurpierte der in die Enge getriebene Heermeister Silvanus, während es der ältere Theodosius, ebenfalls Heermeister, in einer vergleichbaren Situation nicht tat und wegen Hochverrates hingerichtet wurde. Über die Gründe einzelner Usurpationen findet eine sehr ausgedehnte Diskussion statt, die in der Regel mit recht beliebigen Argumenten arbeitet867. Dabei gelangt man kaum über mehr oder weniger wahrscheinliche Vermutungen hinaus. Ein gutes Beispiel dafür bietet die Diskussion über Magnentius’ Erhebung. Mazzarino etwa sieht den eigentlichen Grund seiner Usurpation in der Rebellion der humiliores gegen Constans’ verfehlte Wirtschaftspolitik, Solari und Levi in einem Unbehagen des Heeres und der Provinzialen über die christenfreundliche Politik und über die harte Disziplin den Soldaten gegenüber und Laffranchi im bloßen Wunsch der Soldaten nach Magnentius als neuem Herren, nachdem er den Sieg über die Barbaren davongetragen hatte. Unsere Überlieferung bezeichnet der antiken historiographischen Tradition entsprechend vor allem moralisches Fehlverhalten der Herrschenden, so z. B. Constans’ Homosexualität oder Zenons Habgier, als Grund für Usurpationen868. Bis867 Vgl. z. B. die Auflistung der verschiedenen Gründe für Magnentius’ Usurpation bei Basso 1987, 168, die von ganz unterschiedlichem Wert sind. Unter den aufgeführten Autoren vgl. etwa S. Mazzarino 1980, 702; L. Laffranchi, Commento numismatico alla storia dell’impe­ra­ tore Magnenzio e del suo tempo, Atti e Memorie dell’Istituto Italiano di Numismatica 6, 1930, 134–205, dort 192/193. 868 Zos. 2, 42, 1. Zur Interpretation und den Parallelstellen vgl. Paschoud 2002, 67. Zur Habgier Zenons, die Verina zu seiner Ersetzung durch Leontius veranlaßte, vgl. etwa Theophan. A. M. 5974 = 1, 129, 10–21 = Exc. de ins. 35 S. 165, 31–166, 5 = Ioh. Mal. fr. 35.

IV. Der Usurpator, B. Die Gründe der Usurpationen

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weilen wird der Amtsträger auch generell als ungeeignet beschrieben wie etwa Valentinian III.869, dessen Herrschaft aber dennoch niemals ernstlich durch einen Usurpator bedroht war. Die Usurpation wird dabei als Reaktion auf einen ungeeigneten Amtsträger aufgefaßt870. Die Usurpatoren hingegen werden durch Ehrgeiz und Machtgier geleitet wie etwa Arbogast, der dann Eugenius vorgeschoben haben soll, oder Petronius Maximus871. Sie finden bereite Aufnahme ihrer Ideen bei Gruppen, die zur Rebellion geneigt sind, wie etwa den gallischen Truppenteilen872. Grund einer Usurpation bilden also nach antiker Auffassung vor allen Dingen Persönlichkeiten und deren Fehlverhalten. Nur selten wird in sehr allgemeinen Wendungen auf politische oder soziale Probleme aufmerksam gemacht, wie auf Spannungen mit den Provinzialen und den Soldaten oder auf eine drückende Herrschaft873. Von einer modernen Betrachtungsweise her läßt sich sagen, daß es keine Probleme sozialer oder wirtschaftlicher Art breiterer Bevölkerungskreise sind, die direkt zu Usurpationen führen874. Solche Probleme bewirken erst einmal nur lokale Unruhen, so etwa den Sturz von Theodosius’ Statuen 387 in Antiochia. Der Kaiser geht selbstverständlich gegen sie vor, weil sie eine politische Atmosphäre schaffen könnten, die für einen Usurpator günstig ist, so etwa zu Mißstimmung unter den 869 Sidon. carm. 7, 538–543. 870 Vgl. Hist. Aug. trig. tyr. 12, 2: … debere aliquem principem fieri et quidem optimum ne quis­ quam tyrannus existeret. 871 Zu Petronius Maximus vgl. Sidon. epist. 2, 13, 3; Ioh. Ant. fr. 201, 6 = Exc. de ins. 85 S. 127, 20–28 = Prisc. fr.[30, 1], 73–80 Blockley. So spricht auch der Kirchenhistoriker Sokrates von der Unzufriedenheit einzelner mit ihrer Stellung. Man vgl. Soc. 2, 34, 1: th;n eujtucivan oujk h[negken (Gallus); 5, 25, 2: th;n tuvchn metrivw~ oujk h[negken (Eugenius); 7, 23, 3: mh; ejnegkw;n th;n eujtucivan (Iohannes. Zur Bedeutung von eujtuciva als Stellung, gesellschaftliche Position vgl. etwa Proc. BV 1, 4, 12); Art. Pass. 19 Kotter = Philost. 6, 5a: Iulian ist mit seiner Stellung als Caesar unzufrieden. Eine Usurpation vor allem mit dem Ehrgeiz einzelner zu erklären findet sich auch in der modernen Literatur, so etwa z. B. bei Urban, BJb 195, 1995, 693 oder P. Veyne, L’Empire grécoromain, Paris 2005, 46. Dabei wird verkannt, daß eine Usurpation, die wirklich bedrohlich wird, ohne die Bereitschaft entscheidender Gruppen, sich dem Prätendenten anzuschließen, nicht durchzuführen war. Das ehrgeizige Individuum genügt nicht, auch wenn die fehlenden verbindlichen Regelungen für die Übernahme und Weitergabe der Herrschaft in der römischen Kaiserzeit für einzelne eine Verlockung darstellen mochten. Über eine lokale Meuterei, bei der auch ein Augustus ernannt wurde, kam man dabei nicht hinaus. Ein gutes Beispiel bietet Eugenius’ Erhebung im Sommer oder Herbst 302 in Seleucia, der Hafenstadt Antiochias (vgl. PLRE 1, 291, s. v. Eugenius 1; Barnes 1982, 15; Wintjes 2005, 45/46; Eus. HE 8, 6, 8; Lib. or. 11, 58–162; 19, 45–46; 20, 18–20 und angedeutet in or. 1, 3). 872 Zum Hang der gallischen Einheiten zu rebellieren vgl. n. 394. 873 Vgl. etwa Eutr. 10, 9, 3: cum intolerabilis provincialibus, militi iniucundus esset (sc. Constans). Vgl. auch Aur. Vict. Caes. 41, 23: adhuc ministrorum pravitate exsecrabilis, atque praeceps in avaritiam despectumque militarium, …; Ioh. Ant. fr. 172; Zos. 2, 42, 1: pa`san ajfovrhton uJperballovmeno~ turannivda. Vgl. Didu 1977, 25. Zu einer drückenden Herrschaft vgl. Amm. 26, 8, 14: taedio asperioris imperii (sc. des Kaisers Valens). 874 Vgl. etwa H. Brandt, Zeitkritik in der Spätantike. Untersuchungen zu den Reformvorschlägen des Anonymus De rebus bellicis, München 1988, 45–47.

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IV. Der Usurpator, B. Die Gründe der Usurpationen

Truppen, oder in Konstantinopel, Rom oder einer anderen wichtigen Residenzstadt zu Unruhen führen könnten, die ein Prätendent nutzen könnte. Zu Usurpationen führen die politischen, wirtschaftlichen und religiösen Interessen der Gruppen, auf die sich das Kaisertum in erster Linie stützt. Es sind dies die hohen zivilen und militärischen Amtsträger in der Armee, in der Verwaltung und am Hof und deren Anhängerschaft. Diese umfaßt die militärischen Kommandanten, die nicht zur Generalität gehörten, die Soldaten, die Standesgenossen der zivilen Amtsträger, besonders die illustres in den Senaten in Rom und Konstantinopel, und die viri clarissimi, die einen großen Teil der Großgrundbesitzer stellen. Weiterhin bilden die kirchlichen Würdenträger von besonderer Bedeutung und mit großem Einfluß eine besondere Gruppe. Dazu kommt das Volk, besonders in der Residenzstadt Konstantinopel, aber auch in anderen Städten, in denen der Herrscher sich längere Zeit aufhielt wie in Rom und überall dort, wo Unruhen direkte Auswirkungen auf die Stellung des Kaisers haben konnten, indem sich eine Basis für einen Usurpator bilden konnte. Von unzufriedenen Kurialen nahmen offenbar keine Usurpationen ihren Ausgang. Jene spielten aber für die Aufrechterhaltung der Ordnung eine wichtige Rolle und wurden dafür verantwortlich gemacht. Entspricht ein Kaiser den Vorstellungen und Interessen dieser Gruppen oder einzelner von ihnen nicht und bietet sich eine Alternative zu ihm an, kann ein Prätendent hinreichenden Anhang und politische Unterstützung finden und mit Aussicht auf Erfolg usurpieren. Im Fall des Augustus Constans war sich offenbar fast der gesamte comitatus über eine Ablösung einig und nahm das Risiko einer Usurpation auf sich. Die römische Aristokratie stand dagegen in ihrer Mehrheit nicht hinter diesem Vorgehen, wie Nepotianus’ Staatsstreich in Rom, der Magnentius’ Herrschaft bedrohte, zeigt. Im Fall Procops waren es die Nachteile für Konstantinopel, die viele Mitglieder des Senates auf seine Seite brachten. Man fürchtete um die Sicherheit von Konstantinopel und die eigenen Güter und Privilegien875. Für das Auftreten von Usurpatoren entscheidend sind in zunehmendem Maß auch die Barbaren im Westen des Reiches, und zwar nicht nur als Helfer der Parteien in der inneren Auseinandersetzung um die Herrschaft876 oder als Angreifer, die das politische System destabilisieren, sondern auch als Gruppe, die ihre eigenen Interessen durch die Erhebung eines Usurpators oder die Drohung damit durchzusetzen versuchten. So ließen sie Attalus vor Rom 409 erheben und waren für Maximus’ zweite Erhebung 419877 verantwortlich. Untypisch für das 4. Jhd. und 5. Jhd. sind Usurpationen, die lediglich dazu dienten, einer lokalen Bewegung einen Kopf zu geben. Hier ist vor allem an die des Mauren Firmus zu denken. Usurpationen werden auch durch eine Legitimation des Amtsinhabers nahegelegt, die von entscheidenden Gruppen als ungenügend angesehen wird. So war etwa 875 Vgl. Amm. 26, 6, 6–9.6, 12; Soc. 4, 38. Vgl. etwa Dagron 1974, 197. 876 Vgl. Shaw 1999, 150. Vgl. S. 223. 877 Scharf 1992. Vgl. auch S. 343.

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Zenon gegen den Willen der Augusta Verina Kaiser geworden878. Er hatte auch Schwierigkeiten mit der führenden Gruppe. Sie unterstützte seine Erhebung nicht geschlossen, und einzelne ihrer Mitglieder konnten sich daher mit seiner Herrschaft nicht abfinden. Zenon galt zudem als ein aufgestiegener Heermeister, was ihn für die Führungsschicht unannehmbar machte. Sich als Heermeister zum Kaiser erheben zu lassen war unüblich und wurde offensichtlich nicht geschätzt879. Seine Herrschaft war daher viel stärker Usurpationen ausgesetzt als die Leos I., obwohl dieser von einzelnen Quellen negativer beurteilt wird880. Eine wesentliche Frage für die politischen Eliten war das Verhältnis von Sicherheit der sozialen Stellung und des Besitzes und dem Preis dieser Sicherheit. Dieses Problem stellte sich jeweils bei den Einfällen der Barbaren in besonderer Weise, und die kaiserliche Politik wurde unter diesem Aspekt beurteilt, schon im 4. Jhd. Dies zeigt etwa Iulians Sorge um die Großgrundbesitzer und ihren Besitz, den er gegen die Barbaren zu schützen versucht, bevor er im Frühjahr 361 zur Auseinandersetzung mit Constantius II. aufbricht881. Standen Sicherheit und Preis der Sicherheit in keinem angemessenem Verhältnis mehr, verloren der Kaiser oder auch der Usurpator, der an dessen Stelle getreten war, ihren Rückhalt. Es konnte dabei auch zu Abfallbewegungen kommen, wenn man mit der Zentralgewalt nicht mehr zufrieden war882. Die unzureichende Lösung des Sicherheitsproblems führte im 5. Jhd. im Westen zu einer Reihe von Usurpationen. Sie sind ein Element der Auflösung des Westreiches. Die Zentrale konnte nicht mehr die Kontrolle über große Teile des westlichen Reichsteiles aufrechterhalten und die politischen und militärischen Repräsentanten hinter der Person des Kaisers vereinigen. Seltener zeigt sich das Problem der Sicherheit auf einer anderen Ebene als der der führenden Schichten in unseren Quellen. Bei Petronius Maximus’ Sturz und Tod 455 wird allerdings die Bedeutung der Sicherheit für das Volk sichtbar. Seine Flucht aus Rom wird von der Bevölkerung als Preisgabe ihrer Interessen empfunden. Sie sehen sich den Vandalen ausgeliefert, die vor Rom stehen und die Stadt plündern wollen. Sie töten ihn daher, reißen ihn in Stücke und werfen ihn in den Tiber883. Es ist dann Papst Leo, der mit den Vandalen verhandelt und sie vom Plündern abgebracht haben soll. Petronius Maximus zahlte mit Amt und Leben für die nicht erbrachte Sicherheit. Ebenso schuf die nicht erbrachte Sicherheit Valens in Konstantinopel Schwierigkeiten mit der Bevölkerung884. 878 Vgl. Lippold 1972, 196, der die Auffassung vertritt, daß Verina und Ariadne Zenon fühlen ließen, daß er ein Emporkömmling war. 879 Vgl. S. 192. 880 Vgl. Malch. fr. 16,[2] Blockley. Er vergleicht Leo I. mit Zenon und beurteilt den ersteren schlechter. 881 Vgl. Amm. 20, 10, 2 und dazu Szidat 1981, 46/47. 882 Vgl. z. B. Zos. 6, 5, 3 und dazu Paschoud 1989, 41 (Abfall Britanniens und einzelner gallischer Provinzen); Lütkenhaus 1998, 100. 883 Zu den Belegen vgl. Henning 1999, 31 n. 21. Zwar ist die Überlieferung nicht einer Meinung darüber, wer ihn tötete, das Volk oder die eigenen Soldaten, die Rolle des Mobs bei der Behandlung seiner Leiche ist aber eindeutig. 884 Vgl. Soc. 4, 38 zum Unwillen der Bewohner von Konstantinopel, daß Valens die Barbaren nicht abwehren kann. Vgl. auch n. 818.

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Verbunden mit dem Problem der Sicherheit ist das der mangelnden Fürsorge für bedrängte Gebiete. Exemplarisch ist hier der Fall Galliens885. Die Einfälle der Barbaren von 406/407 sind nicht der einzige Grund für die Usurpationen, denn mindestens Marcus erhob sich vor deren Angriffen886. Der Übergang Constantinus’ III. von Britannien nach Gallien wurde dann durch den Zusammenbruch der Rheinfront erleichtert. Seit Magnentius’ Erhebung 350 läßt sich im Norden Galliens ein Niedergang erkennen, der sich etwa im Abbruch der Siedlungskontinuität vieler villae zeigt. Dieser Niedergang ist aber nicht nur durch die Einfälle der Barbaren zu erklären. Der Norden Galliens und Britannien wurden vom Hof mit geringerer Aufmerksamkeit bedacht. Schon Pacatus beklagte 389 das mangelnde Interesse des Kaisers Theodosius an Gallien insgesamt, einen Vorwurf, den Apollinaris Sidonius 458 wiederholte. Die Herrscher hätten sich nicht um Gallien gekümmert887. Kein Kaiser kam nach Theodosius’ I. Tod 395 bis zu Maiorians Besuch 460 mehr nach Gallien, der Kaiser residierte nicht mehr in Trier, sondern in Mailand und später in Ravenna. Der Sitz des PPO Galliens kam von Trier nach Arles, wo er sich sicher nach 418 befindet888. Die mangelnde Präsenz des Kaisers wird selbstverständlich nur in bedrohten Gebieten zum Problem, sonst ist sie nicht entscheidend. Aufgrund dieser Entwicklung ist es wenig verwunderlich, wenn die Usurpatoren Constantinus III. und Iovinus zuerst im Norden Galliens ihre Position ausbauten. Die Vernachlässigung, die der Norden Galliens erfuhr, hatte auch zur Folge, daß die civitates ihre Aufgaben weiter wahrnahmen, die höheren Verwaltungsebenen aber nicht. Die Usurpatoren suchten diese zu ersetzen, womit sie den Bedürfnissen der lokalen Aristokratie entgegenkamen889. Es sind daher vor allen Dingen deren Interessen, die durch die Usurpatoren wahrgenommen wurden. So muß es auch nicht verwundern, daß sich Vertreter der gallischen Aristokratie den Usurpatoren Constantinus III. und Iovinus anschlossen und Sidonius den Usurpatoren in Gallien nicht kritisch gegenübersteht, aber einen Mann wie Dardanus nicht mag, der dem Kaiser Honorius gegenüber loyal blieb890. Auch die Usurpationen in Britannien sind mit der Vernachlässigung abgelegener Provinzen zu erklären891. Die Soldaten in Britannien bekamen offensichtlich keinen Sold mehr, wenn man den negativen numismatischen Befund in Britannien richtig deutet. So könnte es zu Meutereien gekommen sein. Mit einem eigenen Kai885 Vgl. zusammenfassend Lütkenhaus 1998, 95/96, zu den Usurpationen in Britannien vgl. besonders Drinkwater 1998, 271/272. 886 Zur Chronologie vgl. grundlegend mit eingehender Analyse der Quellen und Auseinandersetzung mit der Forschung Paschoud 1989, 19–23, dem etwa Lütkenhaus 1998, 95 folgt. Kulikowski 2000, 341 (Rheinübergang der Barbaren 31.12.405) und Bleckmann 2004 datieren wieder alle Usurpationen in Britannien nach den Einfällen der Barbaren. 887 Paneg. 12, 23, 1 sqq.; 12, 47, 5; Sidon. carm. 5, 354–360. Vgl. Stroheker 1948, 43. 888 Vgl. Drinkwater 1998, 274 zur Verlegung des Sitzes des PPO; Bleckmann 2003a, 165 sqq., der die Verlegung als Prozeß beschreibt, der aber bis 418 abgeschlossen gewesen sei. 889 Zu allem vgl. Lütkenhaus 1998, 95–97; Stroheker 1948, 43–83. 890 Vgl. n. 1100. 891 Vgl. P. J. Casey, A Coin of Valentinianus III from Wroxeter. A Note, Britannia 5, 1974, 383– 386; Chrysos 1991, 261/262 zur Auseinandersetzung mit der Forschung.

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ser hoffte man, über den Ertrag der Steuern direkt verfügen zu können. Der Usurpator Marcus entsprach den Erwartungen nicht und wurde beseitigt. Dann wurde Gratian erhoben, der als curialis mit den Steuern zu tun hatte. Auch er scheiterte. Als Constantinus III. sich zum Kaiser gemacht hatte, ernannte er sofort zwei ma­ gistri militum892, Iustinus und Nebiogastes, der ein Franke war. Als beide in Gallien gefallen waren, ernannte Constantinus III. zwei neue magistri militum, nämlich den Franken Edobichus und den Britannier Gerontius893. In beiden Ernennungen zeigt sich die Bedeutung germanischer Soldaten, die sich offensichtlich vernachlässigt fühlen und daher ihr Schicksal mit dem des Usurpators verbanden. Die Vernachlässigung durch die kaiserliche Verwaltung zeigt sich auch darin, daß die Britannier ihre Städte von den Barbaren selbst befreiten und daß die unwirksame Verwaltung der kaiserlichen Amtsträger durch die Städte selbst übernommen wurde894, und 410 schlug auch Honorius selbst den Städten vor, sich mit eigenen Kräften zu verteidigen895. Nach dem Abzug Constantinus’ III. aus Britannien kümmerte sich die kaiserliche Zentrale nicht mehr um Britannien, womit sie auf dieses Gebiet verzichtete896. Mangelnde Fürsorge für ein Gebiet macht den Weg auch für die Mißachtung des Anspruches des auctor frei. Bei Eugenius’ Erhebung etwa wollte der Westen offensichtlich keine längere Führungslosigkeit der Einfälle der Barbaren wegen. Er deutete Theodosius’ I. langes Zögern als mangelndes Vertrauen in seine eigenen Söhne und als fehlende Bereitschaft, einen fähigen Herrscher einzusetzen. Die religiöse Motivierung der Erhebung, nämlich die Stärkung des Heidentums, ist eine nachträgliche Deutung nach Eugenius’ Sturz897. Sie hat ihre Ursache darin, daß ein Teil der römischen Aristokratie, die sich Eugenius zur Verfügung stellte, Heiden waren und versuchten, ihre religiösen Interessen wahrzunehmen, so die Wiederaufstellung des Altares der Victoria in der curia und eine beschränkte Finanzierung der heidnischen staatlichen Kulte in Rom. Mit einer Verfolgung des Christentums hatte das nichts zu tun. Dieses politische Ziel, dem Eugenius nur sehr beschränkt nach-

892 Olymp. fr. 13 Blockley. 893 Zos. 6, 2, 4 u. Paschoud 1989, 25/26 n. 117. 894 Vgl. Zos. 6, 5, 2–3 und dazu Chrysos 1991, 262/263; Paschoud 1989, 38–42. 895 Zos. 6, 10, 2 und dazu Chrysos 1991, 264; Paschoud 1989, 57–60. 896 Chrysos 1991, 274. Drinkwater 1998, 296 unterstreicht, daß es nach Constantinus III. und Iovinus keine Usurpatoren mehr in Britannien und im nördlichen Gallien gab. Britannien hatte seine „tyrannischen“ Könige, d. h. Herrscher, die dem Tyrannenbild entsprachen, aber keine Usurpatoren waren (vgl. Proc. BV 1, 2, 37/38 und Chrysos 1991, 269–271 mit weiteren Belegen), und in Nordgallien übten Aegidius und dann sein Sohn Syagrius nach Maiorians Tod 461 die Herrschaft bis 486 aus, aber es gab keine kaiserliche Autorität mehr. 897 Vgl. Szidat 1979. Die religiösen Interessen der heidnischen röm. Aristokratie werden auch sonst immer wieder als Argument für die Unterstützung eines Usurpators ins Feld geführt, so z. B. für den Übergang wichtiger heidnischer Aristokraten zu Magnus Maximus. Nach Pellizzari 1998, 47 fürchteten sie die Entstehung einer neuen katholischen Front. In den Quellen, die nicht christlicher Provenienz sind, sind diese Interessen kaum faßbar, jedenfalls nicht mit solcher Gewichtung, daß sie den Anschluß an einen Usurpator, der mit hohen Risiken verbunden war, nahelegen.

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gab, wurde dann von den Christen als willkommener Vorwand gebraucht, um sich von ihm zu distanzieren und ihn später als tyrannus zu verdammen. Die mangelnde Vertretung der eigenen Interessen als Grund für die Mißachtung des Anspruchs des auctor läßt sich auch im 5. Jhd. beobachten, und zwar in den Fällen, wo der Kaiser im Reichsosten seinen Anspruch im Westen zu spät oder mit Kandidaten wahrnehmen wollte, die dem Westen ungeeignet schienen. Dann war man sich bei aller Zerrissenheit der westlichen Führungsschicht, wie sie sich etwa nach Valentinians III. Tod 455 zeigt898, einig, nicht auf einen Kandidaten aus dem Osten zu warten, sondern selbst zu handeln. Daß dann später in allen diesen Fällen die inneren Gräben aufbrachen und die Nichtanerkennung eines Kandidaten durch den Kaiser im Osten als politische Waffe gegen jenen im Westen gebraucht wurde, spricht nicht dagegen. Es bedeutete nicht unbedingt, daß man einen Kandidaten aus Konstantinopel hatte haben wollen, sondern daß man einen anderen Herrscher aus dem westlichen Reichsteil wollte, der den eigenen Interessen besser entsprach. Der umgekehrte Fall ereignete sich lediglich einmal, nämlich als nach Theodosius’ II. Tod 450 der östliche Reichsteil den Anspruch Valentinians III. überging und Marcian als eigenen Kandidaten erheben ließ. Die mangelnde Vertretung der eigenen Interessen, die im Westen häufig dazu führte, einen eigenen Kandidaten zu erheben und den Anspruch Konstantinopels unberücksichtigt zu lassen, kann auch mit der Auseinandersetzung innerhalb der führenden Gruppe verknüpft sein. So war diese z. B. schon vor Honorius’ Tod gespalten und mußte nach Galla Placidias Flucht nach Konstantinopel damit rechnen, einen Herrscher zu erhalten, der deren Interessen und denen ihrer Anhänger entsprach899. Eine verfehlte kaiserliche Personalpolitik ist ein wesentliches Element der Unzufriedenheit, die zu Usurpationen führen kann. Dies läßt sich besonders gut im Westen des Reiches beobachten. Zur Personalpolitik gehört im weiteren Sinn auch der Erhalt eines eigenen comitatus im Westen. Ihn wollte die italische Aristokratie auf jeden Fall, denn er bot ihren Mitgliedern die Garantie, die Ämter zu besetzen, die ihren sozialen Status sicherten. Schien ein eigener comitatus gefährdet, schritt man zur Erhebung eines eigenen Herrschers oder stemmte sich ihr nicht entgegen. Die kaiserliche Personalpolitik bestimmte entscheidend das Verhältnis des Kaisers zu den Kreisen, die für die Bekleidung der hohen Ämter in Frage kommen, nämlich den verschiedenen Gruppen der senatorischen Aristokratie. Deutlich scheiterte hier z. B. Anthemius900. An seinem guten Verhältnis zur stadtrömischen Aristokratie muß man Zweifel haben. Dies läßt seine Personalpolitik vermuten, die die­se Gruppe zuwenig berücksichtigte. In den Quellen deutlich faßbar ist dagegen Anthemius’ Konflikt mit der norditalischen Aristokratie, die bei der Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser und Rikimer den letzteren unterstützte, auch wenn sie nach außen für einen Ausgleich eintrat901. Zur gallischen Oberschicht waren Anthe898 Ioh. Ant. fr. 201, 6. Vgl. III.C.3.c Die Kaisererhebungen im Westen: Petronius Maximus’ Erhebung, S. 125–130. 899 Vgl. Lütkenhaus 1998, 170–175. 900 Vgl. Henning 1999, 154–169. 901 Vgl. Ennod. V. Epiph. 53–55.

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mius’ Beziehungen gut. Sie versuchte auch, den in Rom von Rikimer belagerten Kaiser 471/472 zu unterstützen902, denn die in Italien stationierte weströmische Armee, die ihm nach dem Abzug der oströmischen Truppen nach dem gescheiterten Vandalenfeldzug und nach der Niederlage gegen die Westgoten 471 allein geblieben war, war in der Hand Rikimers. Dieser konnte sich daher bei seiner offenen Auseinandersetzung mit Anthemius auf die Unzufriedenheit der senatorischen Führungsschicht stützen. Er mußte nur den Bruch mit Konstantinopel in Kauf nehmen. Ebenso entfremdete sich Valens die Anhänger Iulians, weil er ihnen ihren Einfluß nahm oder sie sogar bestrafte903. Religiöse Differenzen sind als entscheidender Grund für eine gelungene Usurpation nicht faßbar, hätten es aber durchaus werden können, wie der Versuch der aufgebrachten Volksmenge 512 in Konstantinopel zeigt, den Heermeister Areobindus zum Kaiser zu erheben und Anastasius zu stürzen, als dieser sich monophysitischen Bestrebungen zu wenig entgegenstellte904. Die Kirche oder wichtige Gruppen in ihr unterstützten aber Usurpatoren mehr oder weniger verdeckt, um nicht als Hochverräter bestraft zu werden905, und nährten Zweifel an der Legitimität eines Herrschers. Dies konnte etwa durch die unvorteilhafte Beurteilung eines Kaisers geschehen, wie sich bei Constantius II. zeigt. Er wurde als tyrannus in Hinblick auf sein Verhalten gekennzeichnet. Die Legitimität seiner Herrschaft wurde deswegen in Frage gestellt906. Einer der wesentlichen Gründe für die Entstehung von politischer Unzufriedenheit, die geeignete Voraussetzungen für eine Usurpation schuf, war die Erhebung zusätzlicher oder zu hoher Steuern oder die Eintreibung von Steuerschulden. Zu hohe oder als zu hoch empfundene steuerliche Belastung wirkte destabilisierend auf die Herrschaft jeden Kaisers. Dessen vielfache finanzielle Verpflichtungen, unter anderem auch zur Zahlung der Donativa, um die Loyalität der Armee und zivilen Würdenträger zu bewahren, zwangen ihn andererseits zur Einziehung großer Summen. Die Quellen stellen zwar sehr selten einen direkten Zusammenhang zwischen der Steuerbelastung und der Erhebung eines Prätendenten her907, aber jene dürfte einer der entscheidenden Gründe für den Ausbruch einer Usurpation gewesen sein. Es läßt sich nämlich beobachten, daß die steuerliche Belastung sehr rasch zu Unruhen führen kann, die hochverräterischen Charakter annehmen. Ein wohlbekanntes Beispiel bieten die Unruhen in Antiochia im Frühjahr 387. Diese gehen auf Steuer902 Henning 1999, 164–166. 903 Lenski 2002, 109–111. 904 Vgl. S. 88. 905 Vgl. z. B. die von den Arianern in Konstantinopel 388 verursachten Unruhen. Vgl. S. 198. 906 Vgl. Szidat 1996, 111, 209 u. passim. Zu einem vergleichbaren Vorwurf gegen Gratian vgl. Philost. 10, 5. Dabei muß aber ungewiß bleiben, ob er schon zu Gratians Lebzeiten erhoben wurde und nicht lediglich eine historische Bewertung des Kaisers darstellt. Zu Zweifeln der Kirche an Anthemius und ihrer daher mangelnden Unterstützung für ihn in der Auseinandersetzung mit Rikimer vgl. Henning 1999, 168/169. 907 Zu einer Auflistung vgl. Elbern 1984, 47/48, ohne eindeutige Bezeugungen und moderne Spekulation klar zu trennen. Zu bezeugten Zusammenhängen zwischen Usurpation und Steuerbelastung vgl. etwa Amm. 26, 6, 6–9 zu Procopius’ Usurpation (vgl. Lenski 2002, 72, 108/109, 291/292); Zos. 4, 16, 1–4 (vgl. Paschoud 1979, 364) für Firmus’ Usurpation.

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forderungen zurück, die als übertrieben empfunden wurden. Die Unruhen führten zum Sturz der kaiserlichen Statuen908. Andererseits zeigen die Versuche Iulians, bei der Steuererhebung und Einziehung in Gallien der Bevölkerung entgegenzukommen, eindeutig die Absicht, die eigene Stellung zu festigen909. Die politische Bedeutung der Steuerpolitik zeigt auch das Schicksal Stilichos, der sich durch seine finanziellen Forderungen die italische Aristokratie zum Feind machte. Honorius konnte sich dagegen sicher auch durch sein Entgegenkommen den Grundbesitzern gegenüber an der Macht halten910. Auch wenn man keine monokausale Erklärung für den Ausbruch einer Usurpation sucht, bleibt es schwierig, jeweils die hauptsächlichen Gründe für eine bestimmte Usurpation zu erkennen. Auf jeden Fall waren die Bewahrung der Sicherheit und die steuerliche Belastung entscheidende Faktoren für das Auftreten eines Usurpators. Ihnen wird man bei der Darstellung einzelner Usurpationen größere Aufmerksamkeit schenken müssen, auch wenn die Überlieferung zu diesen Fragen sehr schmal ist. Ebenso klar erkennbar ist die Bedeutung der kaiserlichen Personalpolitik. War sie verfehlt und berücksichtigte sie nicht angemessen die Interessen verschiedener Gruppen, konnte sie zur Bereitschaft führen, einen Usurpator zu unterstützen. IV.C Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator IV.C.1 Planung und Vorbereitung Zu usurpieren war selten eine spontane Entscheidung, wie sie etwa bei Silvanus’ Usurpation zu beobachten ist, sondern einem solchen Vorhaben ging in der Regel eine kürzere oder längere Planungsphase voraus, wenn es Erfolg haben sollte. Dabei mußten politische, militärische und finanzielle Aspekte berücksichtigt werden. Über die Planung wird meistens wenig oder gar nicht berichtet, weil die Usurpation als Folge großen Ehrgeizes, der für vorausschauende Überlegungen im positiven Sinn keinen Platz läßt, und als Werk eines Intriganten erscheinen soll911. Wird ein Staatsstreich positiv geschildert, muß er spontan und aufgezwungen erscheinen, so daß auch in diesem Fall nicht über die Planung berichtet wird.

908 Vgl. n. 780. 909 Zu den Maßnahmen Iulians in Gallien vgl. Pack 1986, 65–103; zu ihrem politischen Zweck besonders 88/89. 910 Zur beträchtlichen Steuerbefreiung der viri illustres, der Kirche und der palatini durch Honorius ab 412 vgl. G. Gera / S. Giglio, La tassazione dei senatori nel tardo impero romano, Roma 1984, 53–57; Giglio 1990, 117–121. Zu Stilicho vgl. etwa Zos. 5, 29, 9 u. Demandt 2007, 176; Paschoud 1986, 220/221. 911 Zur Planung als Werk eines Intriganten vgl. etwa Paneg. 7, 16, 1 (Erhebung Maximians 310) und dazu Müller-Rettig 1990, 224/225. Das Bewußtsein von der Notwendigkeit einer Planung und heimlichen Vorbereitung war aber durchaus vorhanden. Man vgl. z. B. Oros. hist. 7, 40, 6: nam tyrannidem nemo nisi celeriter maturatam secrete invadit …

IV.C.1 Planung und Vorbereitung

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Man kann davon ausgehen, daß die verschiedenen Formen der Usurpationen912 unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Planung mit sich brachten. Eine ganz besondere Situation ergab sich, wenn ein Reichsteil den Vorschlag eines Kandidaten durch den Augustus, der im anderen regierte, nicht abwartete oder nicht berücksichtigte. Hier ging es darum, daß sich die führende Schicht dieses Reichsteiles entschied, ob sie den eigenen Herrscher selbst bestimmen oder auf einen Vorschlag warten wollte. Die wenigen Informationen über die Planung, die uns zur Verfügung stehen, lassen es aber nicht sinnvoll erscheinen, diese bei den verschiedenen Formen der Usurpationen zu unterscheiden. Weil unsere Nachrichten über Planung und Vorbereitung einer Usurpation und die dabei beteiligten Personen mehr als bruchstückhaft sind, läßt sich nur durch die Kombination der Berichte über verschiedene Usurpationen ein Bild der einzelnen Phasen gewinnen. Die wenigen Nachrichten über die Planung, die das Wirken einzelner Personen erkennen lassen, zeigen deutlich, daß Mitglieder der führenden Gruppe, seien es Amtsträger oder ehemalige Inhaber von bedeutenden Ämtern, dabei eine wichtige Rolle spielten. Die Planung der Erhebung des Usurpators Magnentius 350 schildert Zosimus913. Die Mitglieder des comitatus, die mit Constans unzufrieden sind, überlassen dem CRP Marcellinus und dem comes rei militaris Magnentius die Führung und Planung des Staatsstreiches, durch den Constans aus dem Amt gebracht werden soll. Als dieser auf die Jagd geht, lädt Marcellinus zu einem Bankett zum Geburtstag seines Sohnes ein, bei dem Magnentius gegen Mitternacht mit dem kaiserlichen Gewand bekleidet erscheint, nachdem er sich vorher entfernt hatte. Er wird von den Anwesenden zum Augustus ausgerufen und am anderen Tag den Truppen vorgestellt. Zosimus’ Bericht kann durchaus als glaubwürdig gelten, denn Marcellinus spielte auch später eine entscheidende Rolle, und Constans’ Isolierung unmittelbar nach der Usurpation zeigt, daß sich die anwesenden Mitglieder des comitatus einig waren. Zosimus’ Bericht ist trotz vieler Details recht lückenhaft. Er läßt z. B. nicht erkennen, wie langfristig die Planung war. Er schweigt auch über das Verhalten wichtiger Persönlichkeiten. Wir erfahren nicht, wie sich der zuständige magister militum verhielt, und Zosimus berichtet nicht vom mag. off. Eugenius. Zum Zeitpunkt der Usurpation war er offensichtlich nicht in Autun anwesend, weil er als Freund des Kaisers bekannt war. Er konnte sich in Constantius’ II. Machtbereich zurückziehen914. Umfangreiche Hinweise über eine Vorbereitung erhalten wir auch zu Procopius’ Erhebung. Dabei wirkten der Senator Strategius und der ehemalige Palasteunuch Eugenius mit. Durch Strategius’ Hilfe915, der beim comitatus in einer hohen 912 Vgl. IV.A.4 Die unterschiedlichen Formen einer Usurpation, S. 215–219. 913 Zos. 2, 42; Paschoud 2000, 267/268. Vgl. Zon. 13, 6. 914 Vgl. Szidat 2003, 209. 915 PLRE 1, 858 s. v. Strategius 2; Amm. 26, 6, 5: Strategium quendam ex palatino milite senato­ rem; Zos. 4, 5, 3. Er kann nicht, wie Wiebe 1995, 49 glaubt, Mitglied der kaiserlichen Leibgarde gewesen sein, denn sonst wäre er nicht Senator geworden, sondern er muß eine zivile Karriere gemacht und einen hohen Posten in der zentralen Verwaltung bekleidet haben (pala­ tinus miles), der senatorischen Rang mit sich brachte (zu Ämtern mit senatorischem Rang in

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zivilen Position gedient haben muß, und durch die des ehemaligen Palasteunuchen Eugenius, der von Valens entlassen worden war, gewann er die Unterstützung der Kommandanten der legiones Divitenses und Tungricani, die an die Donau abkommandiert waren916. Der Anhomöer Eunomius917 und Strategius gewährten ihm Aufnahme auf ihren Besitzungen. Es handelt sich dabei vorwiegend um ehemalige Anhänger Iulians. Diese wenigen Nachrichten über die Planung, die das Wirken einzelner Personen erkennen lassen, zeigen deutlich, daß Mitglieder der Führungsgruppe, seien es Amtsträger oder ehemalige Inhaber entscheidender Ämter, dabei eine wichtige Rolle spielten. Auch die Schilderung, die Ammian von Iulians Erhebung zum Augustus 360 gibt, läßt deutlich erkennen, wie Iulian durch den Übergang von einer offensiven zu einer defensiven Politik den Barbaren gegenüber die notwendigen militärischen Kräfte für eine spätere militärische Auseinandersetzung mit Constantius II. freibekommt, mit der nach seiner Erhebung zum Augustus zu rechnen war. Ebenso wird deutlich, wie vor der Erhebung in Paris Amtsträger, bei denen die Gefahr bestand, daß sie sich ihr entgegenstellen würden, mit Aufträgen entfernt wurden. So wurde der Heermeister Lupicinus nach Britannien entsandt918. Von Planung wird ebenfalls bei Petronius Maximus gesprochen, und zwar in der Schilderung, die Priscus von Maximus’ Vorbereitungen zum Sturz Valentinians III. gibt919. Sein Bericht entbehrt allerdings weitgehend der Glaubwürdigkeit, weil Maximus’ Ehrgeiz im Mittelpunkt steht und Priscus’ Überzeugung, daß Maximus Valentinians III. Ermordung geplant habe. Sicher ist dagegen lediglich, daß verschiedene Gruppen am Hof um die Macht rangen. Zu ihnen gehörten auch zwei mit Senatoren, die im kaiserlichen Dienst standen, nämlich die um den getöteten PPO Italiae Boethius und die um Petronius Maximus. Nachdem Valentinian III. überraschend ermordet worden war, gelang es Petronius Maximus und seinen Anhängern, sich im Rahmen der führenden Gruppe durchzusetzen. Von langfristiger Planung einer Usurpation wird man nur sprechen können, wenn man Priscus’ Mordthese folgt. Ebenso lassen sich umfangreiche Vorbereitungen zu einer Usurpation gegen Zenon greifen920, auch wenn sich die Situation schließlich anders entwickelte als der zentralen Verwaltung um die Mitte des 4. Jhd. vgl. Delmaire 1995, 14/15). Zu Strategius’ Stellung ähnlich jetzt auch den Boeft 2008, 137. 916 Amm. 26, 6, 12–14; Zos. 4, 5, 4.6, 3. 917 Zu Eugenius vgl. PLRE 1, 292 s. v. Eugenius 4: cubicularius; Zos. 4, 5, 3. Zu Eunomius’ Rolle vgl. besonders Philost. 9, 8 und Lenski 2002, 109, 245 u. passim. Zu denken ist etwa auch an Helpidius, den ehemaligen CRP unter den Kaisern Iulian und Iovian (vgl. n. 373), als Helfer, auch wenn er in der Planungsphase nicht namentlich erwähnt wird und unter Procopius offensichtlich kein Amt bekleidete, aber nach dem Scheitern der Usurpation bestraft wurde. Zu Procopius’ Unterstützung durch ehemalige Anhänger Iulians vgl. S. 236/237. 918 Zur gewandelten Politik den Barbaren gegenüber vgl. Szidat 1977, 83/84; zu Lupicinus’ Entfernung aus Gallien vgl. ibid. 97 u. passim. 919 Ioh. Ant. fr. 201, 6 = Prisc. fr.[30, 1] S. 329, 47–330, 57 Blockley = Exc. de ins. 85 S. 126, 25–127, 3. 920 Clauss 1981, 178/179; 1984, 1248–1250; Lippold 1972, 159–161; PLRE 2, 838/839 s. v. Patricius 8; Redies 1997, 214/215.

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geplant. Nachdem Leo II. im November 474 gestorben war, kam es zu einer Verschwörung gegen Zenon, als deren treibende Kraft Candidus die Augusta Verina, die Witwe Leos I., nennt921. Mit ihr arbeiteten ihr Bruder Basiliscus922 und Illus923 zusammen. Beide nahmen über Verinas Vetter Armatus Kontakt mit der Augusta auf, die beabsichtigte, den früheren mag. off. Patricius zu heiraten und ihn zum Kaiser erheben zu lassen924. Auch Urbicius, der PSC Zenons, unterstützte den Anschlag925 sowie weitere Mitglieder der Führungsgruppe926. Am 9.1.475 floh Zenon mit seiner Frau, der Augusta Ariadne, aus der Hauptstadt, gewarnt von Verina und zugleich von ihr getäuscht927. Verinas Konzept scheiterte, als sich Basiliscus zum Kaiser erheben ließ928 und nicht Patricius erhoben wurde, der wenig später hingerichtet wurde. Damit verlor Basiliscus Verinas Unterstützung. Sie floh in ein Kloster929. Basiliscus’ Vorgehen wurde so zur Usurpation eines Heermeisters. Basiliscus verfügte als mag. mil. praes. über Truppen in der Nähe der Hauptstadt und konnte so Zenon zum Abzug zwingen930. Diese Möglichkeit, über die theoretisch alle mag. mil. praes. im Osten verfügen, wird aber in der Regel nicht wahrgenommen. Die Verbreitung von Informationen über die Vorbereitung der Erhebung und über diese selbst in der Anfangsphase suchte der Usurpator streng zu kontrollie921 Cand. fr. 1. Vgl. auch Marcell. com. 475 = Chron. min. 2, 91: Zeno imperator Verinae socrus suae et Basilisci fratris eius insidiis circumventus cum Ariadne uxore sua profugus in Isauri­ am tetendit. regnum Zenonis Basiliscus tyrannus invasit. 922 Vgl. not. 839. 923 PLRE 2, 586–588 s. v. Illus 1. Vgl. zu Illus auch E. W. Brooks, The Emperor Zenon and the Isaurians, English Historical Review 8, 1893, 208–238; Lippold 1972, 164, 196. Illus war Isaurier wie Zenon und möglicherweise mit ihm verwandt (so Clauss 1981, 161/162, anders PLRE 2, 586). Nur so läßt sich sein langdauernder Einfluß bei Zenon erklären; anders H. Elton, Illus and the Imperial Aristocracy under Zeno, Byzantion 70, 2000, 393–407. Er spricht sich gegen eine Überbewertung ethnischer Bindungen aus. 924 Irrtümlich Clauss 1984, 1249, der annimmt, daß man Ariadne vorgeschlagen habe, Patricius zu heiraten und ihn dann zum Kaiser zu erheben. Zum Verständnis von Ioh. Ant. fr. 210 = Exc. de ins. 94 vgl. Lippold 1972, 160: Man soll ihr vorgeschlagen haben, den früheren mag. off. Patricius (irrtümlich Cand. fr. 1 amtierender mag. off.) zu heiraten und ihn dann zum Kaiser zu erheben. 925 Clauss 1984, 1249. 926 Vgl. Theophan. A. M. 5967 = 1, 120, 28: kaiv tinwn th`~ sugklhvtou und Jos. Styl. 12. Dieser spricht allgemein von den Palastangehörigen. Vgl. zur Übersetzung A. Luther, Die syrische Chronik des Josua Stylites, Berlin / New York 1997, 41: Die Angehörigen des Palastes haßten nämlich den Kaiser Zenon, weil er seiner Abstammung nach Isaurier war. Gegen ihn erhob sich Basiliscus und herrschte an seiner statt. Von der zentralen Verwaltung nahm der CSL Epinicus (PLRE 2, 397 s. v. Epinicus; Delmaire 1989a, 226) an der Verschwörung teil. Er wurde unter Basiliscus PPO. Nach Clauss 1984, 1250 war auch der PSC Urbicius daran betei­ligt. 927 Cand. fr. 1. Redies 1997, 214 n. 36 möchte dagegen unter ajpatavw und ajpavth Verrat verstehen. 928 Er wurde von Teilen der Führungsgruppe unterstützt (Cand. fr. 1: oiJ ejn tevlei). 929 V. Dan. Styl. 69; Cand. fr. 1. 930 Vgl. Demandt 1970, 778. Dagron 1974, 108 knapp zu den Truppen in der Nähe von Konstantinopel.

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IV. Der Usurpator, C. Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator

ren. Es gehört zu einer erfolgreichen Usurpation, daß ihm das weitgehend gelingt931. Den Ort der Erhebung vorher zu bestimmen lag häufig nicht in der Hand des Usurpators, sondern ergab sich aus den Umständen. Für einzelne Usurpationen wird man aber mit einem bewußten Entscheid zu rechnen haben. Für Procopius’ Erhebung mit seinem Mangel an Truppen lag Konstantinopel auf der Hand, wenn der Kaiser abgezogen war. Magnentius’ Wahl von Autun ermöglichte eine Kontrolle der Informationen932. Ein einem Prätendenten wohlgesinnter Autor versucht auch bei der Wahl des Ortes jeglichen Verdacht auf eine Planung zu verwischen933. Ein besonders bevorzugter Zeitpunkt für eine Usurpation läßt sich nicht greifen. Die antiken Autoren sehen zwar die Übernahme der Herrschaft durch einen neuen Kaiser als besonders gefährdet an934, unsere Quellen lassen aber bei keiner Erhebung eines neuen Herrschers den Versuch zu einer Usurpation erkennen. Es läßt sich lediglich beobachten, daß die Abwesenheit des Herrschers genutzt wird. Dies taten etwa Magnentius und Procopius935. Eine mehr oder weniger gezielte und langfristige Planung wird man für die meisten Erhebungen als Regel annehmen dürfen. Sicher eine Ausnahme bildet Silvanus’ Usurpation, der noch vier Tage vor seiner Erhebung ein Donativ in Constantius’ II. Namen verteilte936. Er ließ sich offenbar aus einer Notlage erheben, aber auch bei Silvanus’ Usurpation wurden vorher die Offiziere ins Vertrauen gezogen937. IV.C.1.a Usurpator und führende Gruppe Ein Usurpator bedarf der Unterstützung wichtiger Persönlichkeiten bei seiner Erhebung. Nur sie können durch ihr Verhalten ein Signal für die anderen geben. Die schlechte Überlieferung über die Vorgeschichte der Usurpationen läßt nur selten erkennen, ob Mitglieder der Führungsgruppe schon vor einer solchen einem Herrscher nicht mehr loyal waren, ohne es offenkundig werden zu lassen, und die Erhebung eines Konkurrenten mit vorbereitet hatten oder sich erst ihm anschlossen, als die vollzogene Erhebung diese Entscheidung nahelegte. Langfristige Zusammenarbeit mit ehemaligen hohen Würdenträgern unter Iulian und dessen Freunden ist für Procopius anzunehmen938. Als dieser nach Iovians 931 Vgl. z. B. die folgende nota und Amm. 30, 10, 2 zu Valentinians II. Erhebung; Zos. 5, 27, 3 zur Verbreitung der Nachricht von der Usurpation Constantinus’ III. 932 Zon. 13, 6, 5. 933 Vgl. Amm. 20, 4, 11 und dazu den Boeft 1987, 78–80. 934 Vgl. z. B. Amm. 25, 8, 9.10, 7. 935 Zos. 2, 42 (sc. Constans); Amm. 26, 6, 12: dimoto itaque longius principe (sc. Valens) 936 Amm. 15, 6, 3. Vgl. n. 742. 937 Amm. 15, 5, 16: et sensim cum principiorum verticibus erectius collocutus isdemque magni­ tudine promissae mercedis accensis. Zu principia vgl. den Boeft 1995, 21. 938 Vgl. Lenski 2002, 109/110; Schon Wiebe 1995, 6 verweist auf Amm. 26, 4, 4, wo von einer Untersuchung gegen Freunde Iulians berichtet wird, nachdem Valentinian und Valens zu An-

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Erhebung untertauchte, mußte er sich die Unterstützung einzelner sichern, wenn er je wieder eine politische Rolle spielen wollte. Auf sie konnte er auch bei der Besetzung wichtiger Ämter zurückgreifen. Wie viele Mitglieder der Führungsgruppe sich schon vorher auf die Seite eines Usurpators stellten, bleibt in der Regel ungewiß. Ein gewisses Indiz bietet jeweils der sofortige Anschluß an diesen. Bei Magnentius’ Erhebung war es eine große Gruppe, aber keineswegs alle, wie die spätere Zurückhaltung der Senatsaristokratie und die Flucht des mag. off. Eugenius bezeugen. Er versagte sich Magnentius939. Magnus Maximus hatte bedeutende Freunde am Hof Gratians, wie dessen zunehmende Isolierung zeigt, nachdem beider Heere bei Paris zusammengetroffen waren und sich gegenüber lagen. Uns sind lediglich militärische Kommandanten greifbar, die ihn schließlich verrieten, nämlich die Heermeister Merobaudes, Andragathius und der comes rei militaris Nannienus940. Eugenius’ Erhebung wurde von einer Reihe von Mitgliedern seines comitatus mitgetragen, aber keineswegs von allen941. Die Motive dafür, sich schon während der Vorbereitungen einer Erhebung dem späteren Usurpator zur Verfügung zu stellen, lassen sich nicht generell darstellen. Es handelt sich dabei um individuelle Entscheidungen, die nicht nur von unbefriedigtem Ehrgeiz, Macht- oder Geldgier abhängen. Es ist auffällig, daß keineswegs alle, die einen Usurpator unterstützten, später als Amtsträger unter ihm dienten. Dies ist kaum nur durch die mangelhafte Überlieferung bedingt. So hören wir z. B. nichts davon, daß Strategius oder Helpidius Ämter unter Procopius bekleideten. IV.C.1.b Die militärische Basis Eine wesentliche Voraussetzung einer erfolgreichen Usurpation ist das Vorhandensein einer hinreichenden militärischen Basis oder die Möglichkeit, diese in möglichst kurzer Zeit schaffen zu können. Während für die eigentliche Erhebung wenige Truppen genügten, um als Wahlversammlung zusammentreten zu können, oder diese Funktion auch von anderen Personen wahrgenommen werden kann, besonders im Osten nach der Mitte des 5. Jhd.942, müssen für die Sicherung der übernommenen Herrschaft und für eine mögliche Auseinandersetzung mit dem Kaiser, desfang ihrer Regierung erkrankten. Er glaubt, daß sich diese Untersuchung auch gegen Procopius richtete. Man vgl. etwa Helpidius (Delmaire 1989a, 40/41), der unter Iulian comes rei pri­ vatae war und es unter Iovian bis zu dessen Rückkehr nach Antiochia blieb. Er unterstützte dann Procopius, ohne unseres Wissens ein Amt zu erhalten. 939 Vgl. n. 746. 940 Merobaudes’ Verrat ist mehrheitlich unbestritten und kaum zu bezweifeln (vgl. Raschle 2005, 59 u. passim). Zu Nannienus vgl. n. 1279. 941 Vgl. n. 1069. 942 Im 4. Jhd. ist nur für Nepotianus überliefert, daß er nicht von einer militärischen Einheit erhoben wurde (Zos. 2, 43, 2–4; vgl. Paschoud 2000, 269). Vgl. n. 966. Im 6. Jhd. wurde Hypatius während des Nika-Aufstandes im Januar 532 vom Volk im Hippodrom erhoben (PLRE 2, 577–581 s. v. Fl. Hypatius 6, dort 580).

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IV. Der Usurpator, C. Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator

sen Position in Frage gestellt wurde, hinreichend Soldaten zur Verfügung stehen oder rechtzeitig aufgeboten werden können. Ging es darum, diesen in seinem Herrschaftsbereich zu stürzen, war es im 4. und 5. Jhd. schwieriger als vorher, die nötigen Truppen zur Hand zu haben, weil durch die Schaffung des Bewegungsheeres die Kommandos über mehrere Legionen in den Provinzen nicht mehr vorhanden waren, die in der hohen Kaiserzeit und im 3. Jhd. als Machtgrundlage für die Erhebungen gedient hatten. Man denke etwa an Vespasians Kommando im Osten. Die Truppen waren jetzt mehrheitlich beim comitatus konzentriert. Um dennoch über Einheiten des Bewegungsheeres zu verfügen, waren für einen Kommandanten, der usurpieren wollte, ein Rang und eine Funktion nötig, die nicht tiefer als die eines comes rei militaris war. Die Usurpatoren, die sich auf Truppen, die unter ihrem eigenen Kommando standen, stützen konnten, sind daher vom Rang her höher, als es Iovian oder Valentinian vor ihrer Wahl zum Kaiser waren. Sie sind in keinem Fall unter einem comes rei militaris. Ein niederer Kommandoinhaber, etwa ein tribunus, der durch die Zusammenarbeit mit einem höheren Befehlshaber sich den notwendigen militärischen Rückhalt verschafft hätte, ist nicht bekannt943. Auch ein höherer militärischer Rang garantierte nicht, daß der Usurpator genügend Truppen in seine Hand bringen konnte. So gelang es dem comes rei militaris Magnentius, der sich direkt des comitatus des Kaisers Constans bemächtigen konnte, nicht, die Soldaten des ganzen westlichen Reichsteiles in seine Verfügung zu bekommen, denn Vetranio, der mag. mil. per Illyricum, trat nicht zu ihm über. Ein Usurpator, der keine Truppen kommandierte, bedurfte der Unterstützung militärischer Befehlshaber. Dies gilt z. B. für Procopius, der keine Einheiten zum Zeitpunkt seiner Erhebung befehligte. Er berief sich auf seine Verwandtschaft mit Iulian und suchte erst nach seiner Erhebung, Truppen in größerem Umfang zu gewinnen. Dies war für ihn ein sehr risikoreicher Akt, weil der Erfolg ungewiß bleiben mußte. Für einen Mann ohne seine dynastischen Verbindungen zur constantinischen Familie wäre es ein aussichtsloses Unterfangen gewesen. In einer vergleichbaren Situation war Nepotianus. Wer ihn militärisch unterstützte, bleibt uns der Quellenlage wegen verborgen. Für die Kaiser waren Usurpatoren, die eine zivile Stellung bekleideten und keine Truppen kommandierten, durchaus jederzeit denkbar. So wurde der ehemalige mag. off. Romanus944 470 von Anthemius als ernsthafte Gefahr empfunden. Zugleich zeigt der Hochverratsprozeß gegen Theodorus 372, daß der Kaiser auch Hochverrat, der von Amtsträgern mit ziviler Laufbahn ohne erkennbare militärische Unterstützung ausging, durchaus ernstnahm945. 943 Vgl. dagegen die Putsche der Mittelklassenoffiziere in der Moderne, bei denen gemäßigte Kommandanten der alten Oligarchie vorgeschoben werden können. Solche Staatsstreiche verlaufen oft in mehreren Phasen. Vgl. dazu Huntington 1968, 204/205, 206/207 u. passim. 944 PLRE 2, 974 s. v. Romanus 4. Seine Bestrebungen gehen auf eine Entmachtung des Kaisers Anthemius aus (Cassiod. chron. s. a. 470: affectans imperium). Er rechnete mit dem militärischen Beistand Rikimers oder war sogar dessen Marionette. 945 Zu Theodorus vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 390/391.

IV.C.1 Planung und Vorbereitung

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Einfacher war die Situation, wenn das Kaisertum in einem Reichsteil nach dem Tod des Herrschers zur Disposition stand und der Anspruch des verbleibenden Herrschers, einen Kandidaten vorzuschlagen, mißachtet wurde. Dann standen die Truppen eines ganzen Reichsteiles zur Verfügung, und es war auch mehr Zeit vorhanden. Ein Truppenkommandant war dann als Usurpator noch viel weniger notwendig. Die militärischen Befehlshaber mußten nur zur Zusammenarbeit bereit sein und den Neuerhobenen anerkennen. Das war nicht von vornherein selbstverständlich und mußte vorbereitet werden. Eugenius fand in Arbogast einen ihm loyalen Kommandanten. Die weiteren erfolgreichen zivilen Usurpatoren konnten sich ebenfalls immer mit Unterstützung eines hohen militärischen Kommandanten erheben. Es war immer ein Heermeister. Andere Fälle sind nicht überliefert, und man wird sie auch ausschließen können. Es käme nur noch ein comes rei militaris in Betracht, der über eine hinreichende Anzahl von Einheiten des Bewegungsheeres verfügte. So hatte Iohannes 423 nur dank der neutralen Haltung des Heermeisters Castinus die Herrschaft antreten können. Bonifatius, der comes Africae, unterstützte ihn nicht. Selbstverständlich war allerdings die Unterstützung auch dann nicht, wenn der Usurpator einen ganzen Reichsteil übernahm. Dies hing von der innenpolitischen Situation ab. Petronius Maximus hatte Probleme, den nötigen Rückhalt bei den Truppen in Rom zu finden. Als Folge der Ereignisse um Valentinians III. Ermordung waren sie offensichtlich seit seiner Erhebung gespalten, hatten jede Disziplin verloren und verteidigten Rom gegen den Angriff des Vandalenkönigs Geiserich nicht946. Die Truppen, die der Usurpator unter seine Verfügung bringen konnte, reichten häufig nicht für eine erfolgreiche militärische Auseinandersetzung mit dem regierenden Kaiser aus, sondern er mußte zu weiteren Aushebungen schreiten. Etwa Magnentius und Iulian befanden sich dabei in einer guten Ausgangslage, weil sie ein hinreichend großes Heer zur Verfügung hatten, was besonders für Magnentius gilt, und mit Gallien über ein gutes Rekrutierungsgebiet verfügten, während sich Procopius vor seiner Erhebung in einer wesentlich schlechteren Lage befand. Es gelang ihm dann überraschend gut, diesen Mangel auszugleichen. Insgesamt blieb die Bereitstellung der notwendigen Truppen ein zentrales Problem für das politische Überleben eines Usurpators. Dessen sind sich auch die antiken Autoren bewußt947. Keiner war dabei ganz erfolgreich. Ein Staatsstreich wie der Vespasians im Jahre 69, bei dem der Usurpator ein überlegenes militärisches Potential in seiner Hand vereinigen konnte, ist zwischen 337 und 476 nicht zu belegen. 946 Sidon. epist. 2, 13, 5: ipsam aulam turbulentissimam rexit (sc. Petronius Maximus) inter tu­ multus militum, popularium foederatorum. Vgl. auch Henning 1999, 121/122. Zur Spaltung der Truppen schon bei der Erhebung vgl. III.C.3.c Die Kaisererhebungen im Westen: Petronius Maximus’ Erhebung, S. 125–130. 947 Amm. 26, 7, 8. Zu Anwerbungen außerhalb des Reichsgebietes vgl. Amm. 26, 10, 3 oder Aetius’ Entsendung zu den Hunnen, um zusätzliche Soldaten für den Usurpator Iohannes zu beschaffen (Prosp. Tiro s. a. 425: data venia Aetio eo quod Chuni, quos per ipsum Iohannes acciverat, eiusdem studio ad propria reversi sunt = Chron. min. 1, 471; Greg. Tur. Franc. 2, 8; vgl. auch Philost. 12, 14 = Olymp. fr. 43, 2 Blockley).

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IV. Der Usurpator, C. Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator

IV.C.1.c Die Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel Um mit Erfolg usurpieren zu können, bedurfte es erheblicher finanzieller Mittel. Diese sind auch in der Phase unmittelbar nach der Erhebung notwendig, bis der Usurpator auf Reserven zurückgreifen konnte, die vorher dem legitimen Herrscher zur Verfügung standen. Der häufig gegen Usurpatoren erhobene pauschale Vorwurf, geldgierig zu sein und sich die notwendigen finanziellen Mittel auf jede Art zu beschaffen, läßt deren Bedeutung erkennen948. Im Prinzip tat der Prätendent aber nichts anderes als jeder Kaiser. Er dürfte auch kaum mehr von den Untertanen genommen haben als dieser, um seine Herrschaft nicht zu gefährden. Schon bei der Planungsphase wird von antiken Autoren darauf hingewiesen, daß die Bestechung eine wichtige Rolle spielte, um die nötige Gefolgschaft zu gewinnen. Dabei darf man aber nicht von einem Kauf aller späteren Gefolgsleute ausgehen, weil ein solcher die finanziellen Möglichkeiten jedes Usurpators bei weitem überstiegen hätte, sondern nur der als wichtig erachteten Personen. So soll Procopius einzelne Mitglieder der Einheiten, die ihn später erhoben, durch das Versprechen großer Belohnungen auf seine Seite gebracht haben949. Die Bestechung setzte voraus, daß die entsprechenden finanziellen Mittel vorhanden waren. Sie waren auch notwendig, um unmittelbar nach der Erhebung das Antrittsdonativ und weitere Geschenke zahlen zu können950. Dabei durfte der Usurpator mit seinen Gaben nicht hinter denen eines regulär erhobenen Kaisers zurückstehen951. Die nötigen Summen für das Antrittsdonativ mußten nicht in jedem Fall vorher bereit stehen. Ereignete sich die Usurpation in einem Gebiet, in dem man rasch auf Schatzdepots zurückgreifen konnte, war das Problem ohne Schwierigkeiten zu lösen. Von der Bereitstellung dieser Mittel, um die Erhebung vorbereiten zu können, und Überlegungen, sich danach schnell in Besitz weiterer bringen zu können, wird bei der Vorbereitung der Usurpationen erstaunlich selten gesprochen. Es handelte sich für die Zeitgenossen dabei offensichtlich um eine Selbstverständlichkeit. Ausdrücklich erwähnt wird ihre Beschaffung bei Procopius’ Usurpation. Dieser kann bei den Vorbereitungen auf das Vermögen des Eunuchen Eugenius zurückgreifen, der von Valens entlassen worden war952. Die führende Rolle des CRP oder CSL 948 Paneg. 12, 26 sq. bietet insgesamt eine Parodie auf die Beschaffung der notwendigen Mittel für die Ausübung der kaiserlichen Freigebigkeit durch einen Usurpator. Zu Procopius’ Geschick dabei und den dazu ergriffenen Maßnahmen vgl. Lenski 2002, 84. 949 Amm. 26, 6, 13: pellecti spe praemiorum ingentium. Vgl. z. B. auch Amm. 15, 5, 16: isdem­ que magnitudine promissae mercedis accensis (sc. principiorum vertices – Silvanus’ Usurpation –); Ioh. Ant. fr. 201, 6 = Exc. de ins. 85 S. 127, 27/28 = Prisc. fr.[30, 1], 79/80 Blockley – Petronius Maximus’ Usurpation –. Bestechung der Truppen ist auch Motiv der Panegyrik (Paneg. 12, 12, 1: empta legionum suffragia), die den Sieg des legitimen Kaisers über einen Usurpator feiert. 950 Grundsätzlich zur Bedeutung der finanziellen Mittel MacMullen 1985, 70–72. 951 Zu Vergabungen z. B. durch Magnentius vgl. Guggisberg 2003 passim; Szidat 2003, 229 u. passim. Sie zeigen nichts Außergewöhnliches. 952 Vgl. Zos. 4, 5, 4 und Lenski 2002, 83.

IV.C.1 Planung und Vorbereitung

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Marcellinus bei der Vorbereitung von Magnentius’ Erhebung zeigt eine andere Möglichkeit, eine Erhebung zu finanzieren. Der Usurpator konnte im Gegensatz zu einem regulär erhobenen Kaiser nicht in jedem Fall davon ausgehen, daß er nach seiner Erhebung gleich Zugriff auf die Mittel haben würde, die der comes sacrarum largitionum und der comes rei priva­ tae verwalteten. Das war nur möglich, wenn er Münzstätten und Schatzdepots in seine Hand bringen konnte. Dieses Verfahren wandte Procopius besonders erfolgreich an953. Es ist nicht zufällig, daß Constantius II. bei den Untersuchungen nach Silvanus’ Sturz sofort Remigius954, den für die Buchhaltung zuständigen Beamten, eingehend verhören ließ. Der Kaiser ließ untersuchen, warum gewisse Beträge aus den gallischen Schatzdepots entnommen worden waren, wie er fälschlicherweise glaubte. Offensichtlich hatte er den Verdacht, daß Silvanus sich dort die nötigen Mittel hatte verschaffen wollen und über Verbindungen verfügte, die über den Personenkreis hinausgingen, die direkt in seine Verschwörung verwickelt waren. Das von Silvanus kontrollierte Gebiet, wohl vornehmlich die Germania secunda, gestattete ja höchstens einen direkten Zugriff auf die Schatzdepots in den angrenzenden Gebieten, nämlich in Trier und vielleicht noch in Reims. Constantius II. wollte offensichtlich in Erfahrung bringen, wer sonst noch Silvanus begünstigt hatte. Remigius wurde nach dem Verhör nicht bestraft und konnte seine Karriere fortsetzen. Die Bedeutung finanzieller Zuwendungen, um Anhänger für eine mögliche Erhebung zu gewinnen, wird in Constantius’ II. Bemühungen sichtbar, Iulian während seiner Zeit als Caesar in Gallien jede Möglichkeit zu nehmen, sich den Soldaten gegenüber materiell erkenntlich zu zeigen, um seine Stellung mit ihrer Hilfe eines Tages verbessern zu können. Er gestand ihm deshalb auch keinen eigenen comes sacrarum largitionum zu, auch der Caesar Gallus verfügte nicht über einen solchen955. 953 Vgl. n. 1115. 954 PLRE I, 763 s. v. Remigius. Rationarius apparitionis armorum magistri (Amm. 15, 5, 36), numerarius nach PLRE. Zu Remigius vgl. auch Clauss 1981, 186. Remigius wird in der Regel als Silvanus’ Rechnungsführer betrachtet (vgl. z. B. de Jonge 1972, 127; Clauss 1981, 186). Daran muß man aber Zweifel haben, denn über sein Verhör wird nicht im Rahmen der Verfolgung der Anhänger des Heermeisters Silvanus berichtet (Amm. 15, 6), sondern zusammen mit Ammians Stellungnahme zu Constantius’ II. Verhalten gegenüber Ursicinus, dessen Erfolg bei der Niederschlagung der Usurpation jener nicht hinreichend gewürdigt habe. Remigius ist daher als Ursicinus’ Rechnungsführer zu betrachten, dessen Verhör ein Ausdruck des kaiserlichen Mißtrauens war und eine indirekte Verdächtigung, daß Ursicinus in die Erhebung verwickelt war oder Personen schützen wollte, die an ihr beteiligt waren. Schon Delmaire 1989, 273 spricht davon, daß Ursicinus angeklagt worden sei, Beträge aus den gallischen Schatzdepots zweckentfremdet zu haben. Er bestimmt aber Remigius’ Stellung nicht. Remigius setzte seine Karriere nach 355 fort und wurde c. 367–c. 372 mag. off. 955 Amm. 20, 8, 7 (zur fehlenden Möglichkeit Iulians, Donative geben zu können). Zur Stelle vgl. den Boeft 1987, 193/194; Szidat 1981, 27/28. Vgl. auch Amm. 17, 9, 4–7 (de Jonge 1977, 240/241); 22, 3, 7 (den Boeft 1995, 30/31). Zu den fehlenden finanziellen Kompetenzen Iulians vgl. auch Iul. ep. Athen. 277d; Lib. or. 12, 43; 18, 37. Zum fehlenden comes sacrarum largitionum vgl. Delmaire 1989a, 23; Szidat 1977, 79, 178.

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IV. Der Usurpator, C. Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator

IV.C.2 Die Erhebung des Usurpators IV.C.2.a Das Erhebungszeremoniell Allgemeine Überlegungen Der Usurpator war bemüht, daß seine Erhebung der eines Kaisers, der regulär auf den Thron kam, entsprach, denn die geregelte und vorgegebene Form der Übernahme der Herrschaft hatte legitimierende Wirkung. Dennoch gab es beim Ablauf einer Erhebung je nach dem Charakter der Usurpation deutliche Unterschiede. Erfolgte sie nach dem Tod eines Herrschers und griff sie nur in den Anspruch des überlebenden ein, einen Nachfolger vorzuschlagen, also als auctor tätig zu werden, stand dem Prätendenten meistens comitatus und Armee eines ganzen Reichsteiles zur Verfügung. Die Erhebung konnte dann den Regeln entsprechend durchgeführt werden. Dies gilt sicher z. B. für Iohannes’ Usurpation 423. Die Ausgangslage war aber eine ganz andere, wenn man mit einem Staatsstreich einen regierenden Kaiser vom Thron zu stürzen oder seinen Herrschaftsbereich zu beschränken versuchte. Entsprechend unterschied sich auch der Ablauf der Erhebung. Ihn zu erfassen wird durch die Überlieferungslage sehr erschwert, so daß der wahre Sachverhalt oft nicht mehr auszumachen ist, sondern nur noch topische Elemente aufgezeigt werden können. Schilderungen der Erhebung eines Usurpators sind fast ausschließlich aus der Sicht des Siegers geschrieben und daher nur bedingt aussagekräftig. Darstellungen, die einem Usurpator wohlgesinnt sind, sind deutlich in der Minderzahl. Sie sind nur dann überliefert, wenn es nicht zu einer weitgehend einheitlichen Traditionsbildung zu Ungunsten des Usurpators kam. Dafür waren außergewöhnliche Überlieferungsumstände notwendig. Dies gilt in besonderem Maße für Iulians Erhebung zum Augustus, der in Ammian einen Bewunderer fand, der Iulians Aueinandersetzung mit Constantius II. zu rechtfertigen suchte. Er läßt Iulians Erhebung zum Augustus zur rechten Zeit, bei Tag, am rechten Ort, auf dem Appellplatz vor den versammelten Truppen, und in der richtigen Reihenfolge stattfinden. Lediglich die benötigten Insignien für die Investitur sind nicht vorhanden. Diese Darstellung Ammians aus historischer Perspektive war möglich, weil Iulian sich trotz seiner Usurpation gegen Constantius II. wegen dessen überraschendem Tod an der Macht halten konnte. Nach Iulians Ableben konnte dann seine Usurpation kontrovers diskutiert werden, weil mit ihm der letzte Vertreter der konstantinischen Familie gestorben war. Eine positive Überlieferung findet sich auch für einzelne Erhebungen im Reichswesten, wenn kein Kaiser im Amt war und nur der Anspruch des auctor übergangen wurde, den Mitherrscher zu bestimmen. In diesen Fällen konnte sich eine eigene westliche Tradition bilden und manchmal erhalten. So wird als ganz den Regeln entsprechend Avitus’ Erhebung geschildert. Im Panegyrikus, den Sidonius Apollinaris auf Avitus 456 zum Antritt des Konsulates in Rom hielt956, wird das Zeremoniell knapp geschildert. Es wird vorher geplant und läuft völlig geordnet

956 Zu diesem Panegyrikus insgesamt vgl. Henning 1999, 123–128.

IV.C.2 Die Erhebung des Usurpators

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ab957. Im Panegyrikus auf Maiorian wird dessen Erhebung nicht beschrieben, aber auf ihren ordentlichen Ablauf wird aufmerksam gemacht958. Die Reihenfolge der an der Erhebung beteiligten Personen wird in aufsteigender Linie richtig wiedergegeben. Die Aussage, daß auch der Kaiser in Konstantinopel seine Zustimmung gegeben habe, ist falsch. Daß in der Überlieferung zu beiden Usurpationen Lobreden, die uns erhalten sind, eine wichtige Rolle spielen und im westlichen Reichsteil die Herrschaft beider mindestens teilweise auch nach ihrem gewaltsamen Ende als legitim galt, ist für die korrekte Beschreibung des Zeremoniells verantwortlich. Von den erwähnten Ausnahmen abgesehen bietet die Überlieferung über das Erhebungszeremoniell, durch das Usurpatoren an die Macht gelangten, ein recht einheitliches Bild. Soweit die Erhebung eines Usurpators überhaupt etwas ausführlicher beschrieben wird, wird sie in den Quellen als nicht ganz oder überhaupt nicht der Norm entsprechend geschildert, um sie als Usurpation zu kennzeichnen959. Das bedeutet etwa, daß der richtige Ablauf der Erhebung nicht gewahrt ist, der Platz oder die Zeit ungeeignet sind, nicht die richtigen Insignien vorhanden sind oder das Donativ als Bestechungssumme dargestellt wird. Es wird deutlich zum Ausdruck gebracht, daß der Usurpator sich die Herrschaft nimmt, der legitime Kaiser sie bekommt. Die Überlieferung hat also nicht die Absicht, die Erhebung eines Usurpators als regulär erscheinen zu lassen. Sie wird daher zuweilen auch karikiert und etwa mit einer Theateraufführung verglichen960. Den Ablauf der Thronbesteigung eines Prätendenten als ungewöhnlich zu schildern ist aber nicht nur dadurch bedingt, daß solche Erhebungen als nicht konformer Akt dargestellt werden, um sie als solche eines Usurpators zu kennzeichnen961, sondern sicher waren es auch praktische Probleme, die sie so erscheinen ließen. Ein Usurpator konnte in der Regel nicht ohne weiteres die Soldaten zum Appell auf dem Campus zusammenrufen und auf dem Tribunal vor ihnen auftreten. Zudem verstieß dies auch gegen die Verpflichtung, die Übernahme des Kaisertitels als ungewollt erscheinen zu lassen. Auch dies war rhetorische Konvention wie gelebte Wirklichkeit. Sie war aber nicht zwingend, wie etwa der Fall des Usurpators Procopius zeigt, der offen nach der Herrschaft strebte. Die Schilderungen, die von der Erhebung von Usurpatoren gegeben werden, sind daher nur sehr beschränkt als Darstellung der eigentlichen Vorgänge zu betrachten.

957 Sidon. carm. 7, 576–580. 958 Sidon. carm. 5, 385–387: … postquam ordine vobis| ordo omnis regnum dederat, plebs, cu­ ria, miles| et collega simul … 959 Ein kennzeichnendes Beispiel bietet etwa die Schilderung, die Ammian von Procopius’ Erhebung bietet (Amm. 26, 6, 13–20 und dazu etwa Wiebe 1995, 34/35). 960 Amm. 26, 6, 15/16; Zos. 4, 5, 5 (Procopius); Zos. 2, 42, 3 (Magnentius). 961 Vgl. auch die kritischen Bemerkungen Ammians zur Erhebung Iovians (Amm. 25, 5), die dessen Erhebung ihrer nicht ganz korrekten Form wegen in die Nähe der eines Usurpators rücken.

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IV. Der Usurpator, C. Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator

Die Wahlversammlung Im Unterschied zur Erhebung eines Kaisers ist schon die Einberufung einer Wahlversammlung für einen Usurpator ein Problem, wenn ihm keine dafür geeigneten Truppen zur Verfügung stehen oder das Zusammenrufen der Soldaten ihm nicht günstig erscheint. Dazu kommt, daß die Überlieferung, die in der Regel dem Usurpator nicht gewogen ist, die Versammlung, die ihn erhebt, als unangemessen kennzeichnet. So ist eine eigentliche Wahlversammlung der Überlieferung nach bisweilen gar nicht zusammengetreten. So soll Magnentius auf einer Trinkgesellschaft zum Kaiser gemacht worden sein962. Oder sie trat auf einem dafür nicht vorgesehenen Platz zusammen wie die des Usurpators Procopius, der in den Thermen der Anastasia (Anastasianae balneae) erhoben wurde. Basiliscus ließ sich auf dem Hebdomon erheben963, obwohl das die Kaiser im östlichen Reichsteil zu dieser Zeit nicht mehr taten. Die Usurpatoren im Westen, die nicht den Sturz oder die Vertreibung eines regierenden Kaisers beabsichtigten, sondern erhoben wurden, weil man nicht bereit war, Ostrom den Vorschlag eines Kandidaten zu überlassen, wurden mit Ausnahme von Eugenius, der in Lyon auf den Thron kam, und Avitus, der in Beaucaire bei Arles die Herrschaft antrat, alle in Rom oder Ravenna erhoben. Eine Beteiligung des Volkes an der Wahlversammlung ist dabei im Westen wie bei der Erhebung eines Kaisers, der als legitim gilt, nicht auszumachen. Ebenso kennt man nicht den genauen Ort, an dem sie stattfand. Man kann eine Erhebung außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes vermuten. Für Nepotianus und Attalus ist dies überliefert964, auch wenn ihre Usurpationen nicht dazu dienten, einen freien Thron zu besetzen und deshalb nicht ganz vergleichbar sind. Daß dem Usurpator Truppen zur Verfügung stehen mußten, um eine Wahlversammlung bilden zu können, war dem regierenden Kaiser durchaus bewußt. So suchte Constantius II. auf jede Weise zu verhindern, daß Gallus auf seiner Reise von Antiochia nach Westen mit Truppen in Kontakt treten konnte, und Procopius nutzte den Durchzug zweier Einheiten durch Konstantinopel, um sich von ihnen ausrufen zu lassen965. Im 4. Jhd. sind die Truppen, zuweilen sogar die einzelnen Einheiten, die Usurpatoren erhoben, dank der günstigen Quellenlage recht gut zu fassen. Ein eigentliches Problem besteht nur bei Nepotianus, der von Gladiatoren erhoben worden sein soll966. Es handelt sich dabei möglicherweise um einen Topos, um die Erhebung als illegitim zu kennzeichnen. 962 Vgl. etwa Them. or. 2, 16, 36A/B; Zos. 2, 42, 3 und dazu Paschoud 2000, 267/268. 963 Amm. 26, 6, 14 (Procopius). Die Thermen lagen in der neunten Region 250m nördlich des Eleutherius-Hafens (Müller-Wiener 1977, 270). Procopius zog offensichtlich nicht zum Hebdomon hinaus, weil er sich der Haltung der Stadtbevölkerung nicht sicher war und befürchten mußte, nach seiner Rückkehr vor verschlossenen Toren zu stehen. Theophan. A. M. 5967 = 1, 121 (Basiliscus); Zon. 14, 2, 6 (Basiliscus). 964 Zos. 2, 43, 2; 6, 7, 1. 965 Amm. 14, 11, 13 (Gallus); 26, 6, 12–15 (Procopius). 966 Vgl. Aur. Vict. Caes. 42, 6; Eutr. 10, 11, 2; Oros. hist. 7, 29, 11; Soc. 2, 25; Soz. 4, 1, 2. Zu sonstigen abwertenden Äußerungen über die Teilnehmer der Wahlversammlung, die ihn erho-

IV.C.2 Die Erhebung des Usurpators

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Die zur Wahl versammelten Truppen können einzelne Einheiten sein, wie bei Magnentius oder Procopius, oder können zu einem größeren Verband gehören wie bei Silvanus, Iulian oder Eugenius. Für einzelne Erhebungen im Westen im 5. Jhd., hinter denen die Führungsgruppe stand, ist dies ebenfalls zu vermuten. Zu denken ist an die von Iohannes, Petronius Maximus, Maiorian und Libius Severus. Bekannte Einheiten dürften eine Signalwirkung auf andere Truppenteile gehabt haben, sich an einer Erhebung zu beteiligen. Die führende Rolle der Petulanten und Celten bei der Usurpation des Augustustitels durch Iulian läßt dies erkennen. Im 5. Jhd. können auch Verbände der Barbaren eine Wahlversammlung bilden. Hier bietet Avitus’ Erhebung ein gutes Beispiel. Sie erfolgte in Beaucaire bei Arles wohl ausschließlich durch die westgotischen Foederatenverbände. Sie werden von Hydatius erwähnt, aber nicht durchgängig als solche bezeichnet, sondern auch als exercitus Gallicanus, und Sidonius spricht gar nicht von ihrer Rolle967. Verbände der Barbaren bildeten auch die Wahlversammlung bei Attalus’ Erhebung 409 und bei der des Usurpators Iovinus968. Die Erhebung eines Mitherrschers, sei es eines Caesars oder eines Augustus, wird niemals im Detail geschildert. Weil sie immer im Bestreben erfolgte, eine Dynastie aufzubauen, muß man annehmen, daß die Form der Versammlung und der Ort gewählt wurden, die eine entsprechende Publizität sicherten. Die Vorstellung des Kandidaten vor der Wahlversammlung Bei der Erhebung eines Kaisers, der als legitim gilt, sorgen ein amtierender Herrscher oder ein Mitglied der Führungsgruppe für die Vorstellung des Kandidaten vor der Wahlversammlung. Bei einer Usurpation ist die Situation je nach der Ausgangslage sehr unterschiedlich, wozu noch die Besonderheiten und bewußten Verzerrungen der Überlieferung kommen. Diese läßt fast niemals genau erkennen, wie die Vorstellung des Usurpators vor der Wahlversammlung erfolgte. Sie legt häufig nahe, daß der Usurpator selber vor die Truppen trat969. Man wird aber davon ausgehen ben, vgl. Zos. 2, 43, 2 und dazu Paschoud 2000, 269 mit Diskussion der Parallelstellen. Wer Nepotianus erhob, muß ungewiß bleiben. Lizzi Testa 2004, 44 hält die Nachricht, daß Gladiatoren seine Wahlversammlung bildeten, für historisch und sieht darin ein Zeichen der Unterstützung, die Nepotianus von einem Teil der Aristokratie erfuhr, die enge Verbindungen zur Welt des Zirkus hatte (vgl. etwa auch Lizzi Testa 2004, 133 n. 134.). Hält man die Nachricht nicht für historisch, handelt es sich offenbar darum, durch diese Kennzeichnung der Mitglieder der Wahlversammlung Nepotianus zu delegitimieren und als gewöhnlichen Unruhestifter zu kennzeichnen. 967 Zur Rolle der Petulanten und Celten vgl. Szidat 1977, 138/139. Zur Bedeutung der Goten für Avitus’ Erhebung vgl. Hyd. Lem. 183 = 176 Burgess = Chron. min. 2, 30: postquam a Gallis et a Gothis factus fuerat imperator (sc. Avitus). Vgl. dagegen Hyd. Lem. 163 = 156 Burgess = Chron. min. 2, 27, wo Hydatius vom exercitus Gallicanus spricht. Zu Sidonius vgl. S. 87. 968 Zu Attalus vgl. Zos. 6, 7, 1. Bei Iovinus’ Erhebung waren es Verbände des Alanenkönigs Goar und des Burgunderkönigs Guntiarius. Vgl. Olymp. fr. 18 Blockley und dazu Scharf 1993, 1, 10. 969 Amm. 20, 4, 17 (Iulian. Bei ihm ist zu bedenken, daß er schon Caesar war und so als Herrscher legitimiert war. Ihn hätte eigentlich nur Constantius II. selbst oder ein Beauftragter von diesem den Truppen zur Rangerhöhung vorschlagen können.); 26, 6, 14/15 (Procopius);

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können, daß wie bei der Erhebung eines Kaisers der Usurpator der Wahlversammlung vorgestellt und empfohlen wird. Die Quellen, die im negativen Sinn über eine Usurpation berichten, haben dagegen alles Interesse, die Übernahme der Herrschaft wie einen Raub zu schildern. Dazu passt die Version, daß der Usurpator sozusagen selber nach der Macht greift. Sind sie ihm gewogen wie Ammianus Marcellinus im Fall Iulians, schildern sie den Vorgang als spontane Reaktion der Wähler, die eine besondere Empfehlung an diese überflüssig macht. Eine klare Aussage findet sich nur bei Leontius’ Erhebung 484. Damals übernahm die Augusta Verina die Aufgabe, ihn den Truppen vorzustellen, weil sie Leontius bewußt als Gegenkandidaten gegen Zenon unterstützte970. Höchstwahrscheinlich übernahm schon 350 Constantina, Constantius’ II. Schwester, die den Titel einer Augusta trug971, erstmals diese Aufgabe, als sie Vetranio in Sirmium erhob972. Sie verstand sich als Teilhaberin des Erbes Konstantins und in gewisser Weise als Mitglied des Herrscherhauses. Die Augusta übernimmt also hier die Aufgabe des auctor. Bei Attalus’ Erhebung 409 läßt die Investitur durch einen Beauftragten des Senates vermuten, daß auch die Vorstellung vor der Wahlversammlung durch diesen erfolgte973. Die Instanz, die den Usurpator der Wahlversammlung vorstellte, ist wichtig für dessen Legitimierung. Von den Versammelten wurde der Prätendent aufgefordert, sich zum Augustus erheben zu lassen. Um mit den Insignien bekleidet zu werden (Investitur) und als erhoben zu gelten, bedarf es auf jeden Fall aber mehr als nur dieser Aufforderung des Kandidaten durch eine Wahlversammlung, sich zum Augustus erheben zu lassen. Daß sie allein nicht gilt, zeigt die Ausrufung Iulians durch die Truppen zum Augustus nach der Schlacht bei Straßburg974. Die Truppen rufen Iulian zum Augustus aus. Iulian weist diesen Titel und damit ihr Ansinnen zurück, und es kommt zu Zos. 2, 42, 3 (Magnentius), vgl. Paschoud 2000, 267. Daß ein Beauftragter den Vorschlag vornahm, der vorgeschoben war, ist in keinem Fall überliefert, wäre aber denkbar, wenn mit der Usurpation nicht der Sturz eines regierenden Kaisers verbunden war. 970 Zu den Vorgängen vgl. n. 1020. Die Überlieferung, daß Verina schon Basiliscus habe erheben lassen (Chron. Pasch. 1, 600 ed. Dindorf; Ioh. Mal. 15, 3 S. 378, 4), liegt zwar in der Logik des Systems, ist aber unwahrscheinlich wegen des gespannten Verhältnisses zwischen Basiliscus und Verina (vgl. schon Ensslin 1958, 1547). 971 Constantinas Erhebung zur Augusta wird lediglich bei Philostorgius (Philost. 3, 22 u. 28) überliefert. Sie ist aber als historisch zu betrachten. Vgl. dazu Bleckmann 1994, 36–43. 972 Philost. 3, 22. Zur Stelle vgl. Bleckmann 1994, 42/43. Philostorgius’ Text sagt zwar nicht ausdrücklich, daß Constantina ihn der Wahlversammlung vorstellte, sondern nur, daß sie ihn zum Herrscher machte (kaqivsthsi Kaivsara). Der folgende Text und die Betonung ihrer Rolle als Augusta lassen aber erkennen, daß es um mehr als nur darum ging, Vetranio in der Führungsgruppe als Kandidaten durchzusetzen. Wenn bei Eugenius’ Erhebung davon gesprochen wird, daß ihm Arbogast den Purpur umlegte, kann das auch nur heißen, daß dieser seine Erhebung letztlich veranlaßte. Auffällig ist allerdings, daß die Bestimmung zum Augustus vorher ausdrücklich erwähnt wird. Vgl. n. 993. 973 Zos. 6, 7, 1. 974 Amm. 16, 12, 64. Vgl. Amm. 20, 8, 7 zur Unzufriedenheit der Soldaten mit seiner Stellung als Caesar.

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keiner eigentlichen Erhebung. Vergleichbar ist auch sein Verhalten vor seiner Erhebung in Paris. Das Heer rief ihn während der Nacht zum Augustus aus. Er aber setzte durch, daß das Erhebungszeremoniell erst am nächsten Morgen durchgeführt wurde, mit einer erneuten Akklamation zum Augustus und der dann folgenden Annahme der Insignien, der Investitur975. Der Prätendent muß also sein Einverständnis dazu geben, daß man zur Vorbereitung der Investitur und deren Durchführung schreitet976. Dieses Einverständnis galt offenbar schon mit der Duldung einer zeremoniellen Erhöhung als gegeben. So ließ der Tribun Iohannes während der tumult­ artigen Vorgänge nach Anastasius’ Tod 518 zu, auf den Schild gehoben zu werden, nachdem er als Augustus durch Akklamationen gefordert worden war. Daß Iohannes’ Verhalten als Einverständnis galt, sich zum Kaiser machen zu lassen, obwohl es nicht zur Investitur kam, muß man aus seiner Einsetzung als Bischof von Perinthos vermuten, die als Exilierung zu werten ist. Iustinianus dagegen, der während derselben Unruhen 518 bei der Suche nach einem Nachfolger für Anastasius die in Akklamationen geforderte Erhebung wie Iulian zurückwies, wurde keine Strafe auferlegt977. Die Investitur Wie die Investitur aus einem Kandidaten einen Kaiser macht, ist sie auch für den Usurpator ein zentraler Akt. Nach der Aufforderung, sich zum Augustus machen zu lassen, folgt die Investitur. Sie ist die Voraussetzung für den Usurpator, um als Herrscher begrüßt zu werden (nuncupare), Gehorsam verlangen und sein Amt wahrnehmen zu können. Durch sie wird sein Anspruch, Kaiser sein zu wollen, für alle erkennbar. Die Insignien für die Investitur stehen in der Regel nicht zur Verfügung. Dies lassen die Fälle vermuten, die hinreichend detailliert überliefert sind. Ob dies eine Fiktion ist, um den spontanen Charakter einer Usurpation zu unterstreichen, oder der Wirklichkeit entspricht, kann wenn überhaupt nur am einzelnen Fall entschieden werden, sofern die Quellen es erlauben. So wird bei Iulians Erhebung 360 zum Augustus fast verzweifelt nach einem geeigneten Ersatz für die fehlenden Insignien gesucht. Der Ersatz für die Insignien bei Procopius’ Erhebung wird als unpassend geschildert, und bei den spontanen Erhebungen während der Beratungen um Anastasius’ Nachfolge 518 wird das Bemühen der Soldaten erwähnt, in den Besitz der 975 Amm. 20, 4, 14.15–19; den Boeft 1987, 86–88, 92–101; Szidat 1977, 149/150, 152–159. 976 Auch wenn beide Parallelen nur eine Titelerhöhung betreffen, sind sie doch zutreffend. Gehorsam mußte nicht mehr eingefordert werden, weil Iulian als Caesar schon ein Gebiet beherrschte. 977 Zu Iohannes vgl. C. P. 1, 93 S. 427, 15–17; zu Iustinianus vgl. C. P. 1, 93 S. 428, 5–11. Vgl. auch die Vorgänge bei der Erhebung Vespasians, wie sie Flavius Josephus schildert. Die Ausrufung zum Augustus als Aufforderung, das Amt zu übernehmen, und Vespasians Zustimmung werden deutlich unterschieden (vgl. Flav. Ioseph. 4, 10, 4, 601 sqq.). Auch wenn Josephus’ Schilderung die historischen Vorgänge nicht korrekt wiedergibt, indem er die Vereidigung der Truppen auf Vespasian in Alexandria, die der Erhebung in Iudaea vorausging (vgl. n. 286), dieser folgen läßt, zeigt sein Bericht doch, wie man sich den Ablauf normalerweise vorstellte.

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Insignien zu gelangen. Sie wurden jeweils an der elfenbeinernen Pforte des Palastes gefordert, aber von den cubicularii nicht herausgegeben978 Die Investitur der von den Soldaten geforderten Kandidaten scheitert dann an den nicht vorhandenen Insignien. Bei Magnentius’ Erhebung fand überhaupt keine Investitur in der Öffentlichkeit statt. Er trat schon mit dem Purpur bekleidet vor die Trinkgesellschaft979, die als Wahlversammlung diente. Es war ein sichtbares Zeichen dafür, daß er sich das Kaisertum genommen hatte. Bei Erhebungen, die verkürzend dargestellt werden, wird zuweilen die Investitur mit den Insignien erwähnt, ohne daß dies aber ohne Prüfung als Beleg dafür gewertet werden darf, daß es keine Schwierigkeiten mit den Insignien gab980. Die Bedeutung der Insignien für die Erhebung eines Usurpators wird auch daran deutlich, daß die geheime Herstellung solcher Gegenstände, die als Insignien verwendet werden konnten, als Majestätsverbrechen betrachtet und streng bestraft wurde. Es wird allerdings immer nur vom Purpurgewand gesprochen, niemals aber vom Diadem.981. Wer die Investitur vornahm, wird wie die Leitung der Versammlung in der Regel nicht überliefert. Bei Iulians Erhebung setzt ihm der draconarius Maurus als Diademersatz seinen Torques aufs Haupt. Bei Attalus’ Investitur scheint es ein Vertreter des Senates gewesen sein982. Nach der Investitur und der Nennung als Augustus (nuncupatio) hält der Usurpator eine Rede vor der Wahlversammlung und verspricht ein Donativ. Die Reden an die Wahlversammlung werden nicht ausführlich wiedergegeben, aber zuweilen negativ charakterisiert. Eine hervorstechende Ausnahme bildet die Rede Iulians nach seiner Erhebung zum Augustus in Paris983. Sie ist wie die adlocutio eines Herrschers gestaltet, dessen Erhebung als legitim galt. Das Donativ wird häufig als übertrieben dargestellt984, um zu zeigen, daß der Usurpator seinen Erfolg dem Appell an die Habgier verdankt, aber auch um seinen schlechten Charakter zu unterstreichen, der sich gar keine anderen Motive seiner Anhänger vorstellen kann. Um diesen Eindruck zu verstärken, läßt man den Usur-

978 Amm. 20, 4, 17/18 (Iulianus); Amm. 26, 6, 15 (Procopius); C. P. 1, 93 S. 428, 7–10 (Anastasius’ Nachfolger). Vgl. auch Eugenius’ Erhebung von 302. Den notwendigen Purpurmantel nahmen die Soldaten von einer Götterstatue (Lib. or. 11, 159). 979 Zos. 2, 42, 3. 980 Vgl. z. B. Zos. 6, 2, 1.7, 1. 981 Vgl. z. B. Amm. 14, 7, 20; 14, 9, 7/8; 16, 8, 4/5; 22, 9, 10/11 mit den Boeft 1995, 169/170; Cod. Theod. 10, 21, 3. Zum Gebrauch von Purpurtinte vgl. Cod. Iust. 1, 23, 6 (27.3. 470): tyrannico spiritu. 982 Zu Iulians Erhebung vgl. Amm. 20, 4, 18; zu Attalus’ Zos. 6, 7, 1: aJlourgivda kai; stevfanon periqevnte~ (sc. die Senatoren). 983 Vgl. Amm. 26, 6, 16: ancillari adulatione beneficii allocutus (sc. Procopius) auctores (sc. die Soldaten); Amm. 20, 5, 3–8 (Rede Iulians, die auf den der Investitur folgenden Tag verschoben ist). 984 Vgl. z. B. Amm. 26, 6, 16: opes pollicitus (sc. Procopius) amplas et dignitates; Lact. mort. pers. 29, 5 zu Maximians Erhebung gegen Konstantin: donat ut solet large.

IV.C.2 Die Erhebung des Usurpators

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pator verbunden mit der Vergabe des Donativs auch Beförderungen versprechen985. Schilderungen, die dem Usurpator gewogen sind, betonen dagegen den normalen Umfang des Donativs oder erwähnen es lediglich, ohne es als übertrieben darzustellen. Ebenso weist der neu Erhobene das Verlangen nach Beförderungen von sich. So lehnt Iulian den Wunsch der Soldaten nach solchen ausdrücklich ab und macht auf Leistungen als Voraussetzungen dafür aufmerksam986. Daß die Schilderungen übertriebener Donative nicht unbesehen geglaubt werden dürfen, legen schon finanzielle Überlegungen nahe. Der Usurpator verfügte in der Regel nicht über außerordentliche Mittel. Den normalen Umfang des Donativs zeigen z. B. aber auch die verteilten Gegenstände wie Silberbarren und anderes. Sie unterscheiden sich in keiner Weise von denen eines regulär erhobenen Kaisers987. Wie einem gerade erhobenen Kaiser wird dem Usurpator ein Treueid geschworen988. Von nun an werden ihm auch die einem Herrscher zukommenden Ehren wie etwa die adoratio erwiesen, was auch als unangemessen kritisiert werden kann, weil sie ihm eigentlich nicht zukommen989. Die recusatio Usurpatoren wollen nach der Vorstellung der Zeit um jeden Preis an der Herrschaft teilhaben. So erscheinen sie in den Zeitdokumenten wie etwa in den Schilderungen der Panegyriker als machtgierig. Sie lehnen das angetragene Amt nicht ab, sie begehren es990. Die Darstellungen der Historiker entsprechen diesem Topos weitgehend. Die Kandidaten lehnen die angetragene Stellung nicht ab und suchen sich nicht auf jede Weise, der Erhebung zu entziehen. Sobald die Überlieferung dem Usurpator wohlgesinnt ist, wird aber auch von ihr betont, daß er sich gegen die Übertragung des Amtes aussprach und sich ihr widersetzte. So wird von Silvanus gesagt, daß er sich nur notgedrungen habe erheben lassen991, und Magnus Maximus wird zugestanden, fast gegen seinen Willen zum Herrscher gemacht worden zu

985 Vgl. Amm. 26, 6, 16 (Procopius). 986 Zum normalen Umfang des Donativs vgl. Amm. 20, 4, 18 und dazu n. 243. Zu einer bloßen Erwähnung vgl. etwa Zon. 13, 6, 5 zu Magnentius’ Donativ. Zu den Beförderungen vgl. Amm. 20, 5, 7 (Iulian) und dazu den Boeft 1987, 124–126; Szidat 1977, 175/176. 987 Vgl. z. B. zu Magnentius’ Silberbarren H. A. Cahn, H. A. Cahn / A. Kaufmann-Heinimann (Hrsgg.), Der spätrömische Silberschatz von Kaiseraugst, Derendingen 1984, 324–329; Szidat 2003, 225/226; Wiegels 2003, 102–104 oder etwa den Barren von einem römischen Pfund, der in Magnentius’ Namen verteilt wurde (vgl. dazu The New York Sale, Auction III, 7.12, 2000, nr. 789; Wiegels 2003, 117). Zu denken ist auch an Maxentius’ Zwiebelknopffibel (Kuhoff 2001, 887/888). 988 Zum Eid vgl. n. 245. 989 Vgl. z. B. Amm. 21, 9, 8; Szidat 1996, 92/93. Vgl. Amm. 15, 5, 27, der die adoratio für Silvanus als unangemessen darstellt. 990 Paneg. 12, 12. Dort wird Theodosius’ Verhalten mit dem des Usurpators Magnus Maximus verglichen. Zum Begehren des Amtes durch Procopius etwa vgl. Amm. 26, 6, 10. 991 Amm. 15, 6, 2: non cupiditate, sed necessitate compulsum.

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sein992. Das gleiche gilt für Eugenius und Avitus993. Bei Iulians Erhebung zum Augustus im Februar 360 wird von Ammian besonders ausführlich dessen recusatio geschildert, ehe er schließlich nachgibt994. Der Usurpator selbst unterstreicht, daß angetragene Amt nur widerwillig übernommen zu haben995. Seine Erhebung soll ja wie die eines als legitim betrachteten Kaisers abgelaufen sein, zu der die recusatio gehörte. Die Behauptung, die recusatio der Usurpatoren sei immer nur ein Vorwand, ist daher als rhetorischer Topos zu betrachten. Um wenigstens im eigenen Herrschaftsbereich Anerkennung zu finden und als legitim zu gelten, muß er die recusatio vorgenommen haben996. IV.C.2.b Die Anerkennung des Usurpators am Ort der Erhebung Nachdem der Usurpator sich auf den Thron geschwungen hatte, folgte seine Anerkennung als Herrscher durch die wichtigen Gruppen, die nicht an der Wahlversammlung teilgenommen hatten, aber unmittelbar am Ort der Erhebung vertreten waren. Sie waren die ersten, die ihm Gehorsam leisteten. Die Anerkennung der Erhebung unmittelbar danach durch wichtige Gruppen bedeutet eine zusätzliche Legitimierung und Stärkung der Stellung des Usurpators. Es ist die erste erfolgreiche Erprobung des Anspruches auf Gehorsam. Sie war besonders wichtig in bedeutenden Städten. Im Osten des Reiches spielte Konstantinopel als Residenz und bevölkerungsreichste Stadt dabei eine besondere Rolle. Bei einer Erhebung in dieser Stadt ging es um die Gewinnung von Volk und Senat, die beide sehr wichtig für die weitere Ausbreitung der Herrschaft eines Usurpators und für deren Erhalt waren. Das wird im Vorgehen Procops sehr deutlich erkennbar. Unmittelbar nach seiner Erhebung stellt er sich dem Volk im Hippodrom vor und eilt in den Senat. Darauf begibt er sich in den Palast und ergreift davon Besitz997. Die Gegnerschaft des Volkes spielte 992 Oros. hist. 7, 34, 9: Maximus vir quidam strenuus et probus atque Augusto dignus nisi contra sacramenti fidem per tyrannidem emersisset, in Britanniam invitus propemodum ab exercitu imperator creatus in Galliam transiit; Sulp. Sev. dial. 2, 6, 2. 993 Ioh. Ant. fr. 187 = Exc. de ins. 79 S. 119, 8–10: to;n de; Eujgevnion oJ bavrbaro~ (sc. Arbogast) basileva tw`n ejsperivwn ajpodeivxa~ a[kontiv ge peritivqhsi to; sch`ma; Sidon. carm. 7, 577– 580. 994 Amm. 20, 4, 15 u. 17. Vgl. S. 75/76. 995 Novell. Maior. 1: non voluntate mea, sed obsequio; Sulp. Sev. Mart. 20, 3 (Magnus Maximus). 996 Vgl. etwa Huttner 2004, 410: Die recusatio demonstriert die Normverbundenheit des Usurpators. 997 Amm. 26, 6, 17/18; vgl. auch Lib. or. 19, 15. Guilland 1969, 1, 479 identifiziert das tribunal (Zos. 4, 6, 3: bh`ma) zu Recht mit dem Kathisma im Hippodrom (anders, aber irrtümlich den Boeft 2008, 169), wodurch Procopius’ Anerkennung in Konstantinopel ein ganz anderes Gewicht bekommt, als Ammian erkennen läßt. Mit dem Senat ist offensichtlich der am Forum Konstantins gemeint, wie ein Vergleich mit der Erhebung Leos I. und seinen Stationen beim Einzug in die Stadt nahelegt (C. P. 1, 91 S. 414, 13–16).

IV.C.3 Wer schlägt den Usurpator vor? Die Bestimmung des Kandidaten

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dagegen eine wesentliche Rolle beim Niedergang der Macht des Usurpators Basiliscus998. Erfolgreiche Usurpationen im Osten außerhalb von Konstantinopel sind bis 476 nicht belegt, und auch nachher selten. Wie die Bewohner von Tarsus auf Leontius’ Erhebung reagierten, wird nicht überliefert999. Im Westen sind die Erhebungen auf verschiedene Orte verteilt, aber Rom spielt dabei doch ein wichtige Rolle. Nepotianus’ Erhebung wurde vor allen Dingen wohl deshalb von Magnentius als sehr gefährlich beurteilt, wie die Entsendung von Marcellinus, seines engsten Vertrauten, zeigt, weil sie bei Rom stattfand und durch den Senat anerkannt wurde. Sie wurde auch vom Volk unterstützt1000. Magnentius fand in Autun sofort die Unterstützung der Stadtbevölkerung und der des angrenzenden Landes1001. Silvanus wurde in Köln von der zusammengelaufenen Bevölkerung unterstützt. Iulians Erhebung zum Augustus wurde auch von der Bevölkerung von Paris und Galliens zusammen mit den Soldaten gegenüber Constantius’ II. Abgesandten mehrere Monate später bekräftigt1002. IV.C.3 Wer schlägt den Usurpator vor? Die Bestimmung des Kandidaten Bei der unbestrittenen Erhebung eines Kaisers schlagen ein regierender Augustus oder, wenn ein solcher im gesamten Reich nicht im Amt ist, die Führungsgruppe den Kandidaten vor und sorgen für dessen Erhebung durch die Wahlversammlung. Die Situation bei einer Usurpation unterscheidet sich deutlich davon. Der Usurpator benötigt eine Instanz, die ihn als Kandidaten bestimmt und ihn dadurch legitimiert oder zusätzliche Legitimation verleiht. Es gab eine ganze Reihe von verschiedenen Persönlichkeiten oder Gruppen, die dafür in Frage kamen. Häufig sind aber die Verantwortlichen auf Grund der Überlieferungslage nicht faßbar1003. Soweit dies nicht Zufall ist, geht es auf die Absicht zurück, die Erhebung eines Usurpators nicht als regulär erscheinen zu lassen. Waren die Verantwortlichen nämlich politisch bedeutende Persönlichkeiten, hätten sie dem jeweiligen Staatsstreich auch in historischer Sicht eine gewisse Legitimierung gegeben. Ebenso kann der Usurpator ein Interesse daran haben, die Personen, die für seine Erhebung die Verantwortung   998 Vgl. Redies 1997.   999 Bis zum Tod Iustinians 565 ließ sich lediglich Leontius am 19. Juli 484 bei Tarsus durch die Augusta Verina erheben. 1000 Zos. 2, 43, 2; Prosp. Tiro s. a. 350 = Chron. min. 1, 454; vgl. auch Hier. chron. s. a. 2366. 1001 Zos. 2, 42, 4/5. 1002 Amm. 15, 5, 24/25 zur Unterstützung des Usurpators Silvanus; 20, 9, 6/7 zu Iulian. Vgl. Szidat 1981, 39–42; den Boeft 1987, 228–230. 1003 Vgl. z. B. die Usurpatoren in Britannien am Anfang des 5. Jhd. wie Marcus oder Gratianus. Damit bleibt oft auch verborgen, wie sich ein Usurpator gegenüber seinen Untertanen legitimierte. Die Verantwortlichen für den Vorschlag des Kandidaten müssen nicht in jedem Fall identisch sein mit denjenigen, die eigentlich eine Usurpation veranlaßten. Über sie kann man allerdings in der Regel nur spekulieren.

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IV. Der Usurpator, C. Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator

trugen, nicht zu nennen, um diese nicht als geplant oder als Werk eines Intriganten erscheinen zu lassen. Wenn über die verantwortlichen Personen berichtet wird, handelt es sich um die jeweilige Führungsgruppe oder wichtige Repräsentanten von ihr, die vorgeben, sie in ihrer Gesamtheit zu vertreten, um den Senat als Körperschaft, um Kaiserinnen (Augustae), um einflußreiche Generäle wie Rikimer oder um barbarische Führer. Dabei ist selten eine kleine Gruppe oder eine Person ausschließlich verantwortlich. Die Führungsgruppe oder wichtige Repräsentanten von ihr, die vorgeben, sie in ihrer Gesamtheit zu vertreten, sind von besonderer Bedeutung, weil die führende Gruppe auch beim Vorschlag eines Herrschers, der als legitim gilt, den Kandidaten vorschlägt, wenn kein Augustus mehr im gesamten Reich im Amt ist. Ein Prätendent, der von ihr vorgeschlagen wird, erfreut sich also einer besonderen Legitimation. So kam Magnentius mit der Zustimmung der in Autun anwesenden Mitglieder des comitatus auf den Thron, also eines guten Teiles der Führungsgruppe. Im Osten ist die Rolle der führenden Gruppe bei Basiliscus’ Erhebung 475 faßbar, wenn auch weniger detailliert1004. Er ließ sich 475 nach Zenons Flucht von ihr zur Erhebung vorschlagen und setzte sich dabei gegen den ehemaligen mag. off. Patricius durch, der der bevorzugte Kandidat der Augusta Verina war. Die Mitglieder der führenden Gruppe spielen vor allem im Westen dann eine Rolle bei der Erhebung eines Usurpators, wenn das Vorschlagsrecht des überlebenden Kaisers nach dem Tod seines Kollegen nicht respektiert wurde. Es war eine Gruppe, die hinreichendes Prestige hatte, um den neuen Augustus zu legitimieren, und die aus eigenem Interesse an einem Herrscher ihrer Wahl interessiert war. Gut belegt ist die Bedeutung der Führungsgruppe etwa für Petronius Maximus1005. Anzunehmen ist deren Rolle auch für Eugenius, der von den Arbogast zugeneigten Mitgliedern des comitatus erhoben wurde1006. Ebenso wurde Iohannes von den Mitgliedern des comitatus bestimmt 1007. Im Osten ist diese Rolle der führenden Gruppe bei Marcians Erhebung zu finden. Daß der Senat in Rom als Körperschaft einen Usurpator zur Erhebung vorschlägt, war nicht die Regel, wie es manchmal scheinen könnte1008. Es war jeweils 1004 Cand. fr. 1 Z. 56 Blockley: oiJ ejn tevlei. Ioh. Ant. 210 = Exc. de ins. 94; Marcell. com. s. a. 475 = Chron. min. 2, 91 erwähnen die Mitglieder der führenden Gruppe nicht. 1005 Vgl. III.C.3.c Die Kaisererhebungen im Westen: Petronius Maximus’ Erhebung, S. 125–130. 1006 Dabei wird davon ausgegangen, daß Arbogast Valentinian II. nicht beseitigen ließ, um die Herrschaft übernehmen zu können. Vgl. n. 857. 1007 Proc. BV 1, 3, 5. Dabei scheinen die Anicii seine Machtübernahme unterstützt zu haben. Vgl. Zecchini 1981, 125. 1008 Weniger kritisch etwa Seeck, der häufiger den Senat dabei tätig werden läßt. Vgl. Seeck 6, 339, der allein den Senat Maiorian die Augustuswürde übertragen und das Heer in Ravenna nur bestätigen läßt, oder Seeck 6, 349 u. 6, 482 zu 349, 10, wo von Libius Severus unter Berufung auf Hyd. Lem. 211 = 206 Burgess = Chron. min. 2, 32: Severus a senatu Romae Au­ gustus appellatur behauptet wird, Libius Severus sei vom Senat erhoben worden. Man vgl. auch Seeck 6, 91, wo der Senat als Wahlorgan für Iohannes bezeichnet wird, und zwar wegen eines Mißverständnisses von Proc. BV 1, 3, 5.

IV.C.3 Wer schlägt den Usurpator vor? Die Bestimmung des Kandidaten

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durch besondere äußere Umstände bedingt. Der Senat spielte bei Nepotianus’ Erhebung 350 die entscheidende Rolle, wenn man der schmalen Überlieferung trauen darf1009. Ebenso übernahm er diese Aufgabe bei Attalus’ Erhebung 409, wenn auch eindeutig auf Alarichs Veranlassung. In Rom, das von Alarich belagert war, mußten Ende Oktober/Anfang November 409 der Senat und Attalus, der als PVR der für die Stadt verantwortliche Magistrat war, mit dem Anführer der Goten verhandeln. Dabei betont Zosimus, daß der Senat in seiner Gesamtheit beriet, so daß an eine besondere Gruppe von Senatoren nicht gedacht werden kann. Alarich suchte die Zusammenarbeit mit den Römern, um sie gegen Honorius einzusetzen. Er verlangte, daß sich Rom auf seine Seite stelle und daß ein Kaiser erhoben werde. Die Senatoren entschieden sich auf Veranlassung Alarichs für den PVR Attalus. Erhoben wurde er vor Rom von den gotischen Truppen, die Alarich befehligte. In welcher Form der Vorschlag des Senates gemacht wurde, ist nicht überliefert1010. Während Attalus’ Bestimmung als Kandidat durch den Senat von den besonderen Umständen 409 erzwungen war, sind die Verhältnisse bei Maiorians Erhebung komplizierter. Maiorian wurde am 28.12.457 in Ravenna erhoben, wo sich er und Rikimer aufhielten. Weil die anwesenden Mitglieder der Führungsgruppe und Rikimer offenbar nicht allein die Verantwortung für die Erhebung übernehmen wollten, sondern auch ehemalige Amtsträger, die sicher nicht alle in Ravenna anwesend waren, stärker einbinden wollten, veranlaßten sie den Senat vorher zu einer Stellungnahme. Für Maiorian bedeutete der Vorschlag durch den Senat eine Verstärkung seiner Stellung gegenüber Leo I., aber auch gegenüber Rikimer. Diesem dagegen machte der Entscheid des Senates es einfacher, sich gegenüber Konstantinopel zu rechtfertigen, denn er hätte als patricius, wozu er vom Kaiser im Osten am 28.2.457 ernannt worden war, und damit als erster Heermeister die Interessen Leos I. verteidigen müssen. Das Eingreifen des Senates aus der Ferne durch eine Stellungnahme zu Gunsten Maiorians kann mit dem Schreiben verglichen werden, das Datianus 364 an die Mitglieder des comitatus schickte, die über Iovians Nachfolge berieten. Die Stellungnahme des Senats ließ sich aber anders als Datianus’ Brief auch gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber Leo I. verwenden, konnte also der Legitimierung dienen. 1009 Nach Theophan. A. M. 5849 = 1, 44 soll der Senat Nepotianus mit dem Purpur bekleidet haben (hJ de; suvgklhto~ ejn Rwvmh/ Nepwtiano;n ejnduvvsasa [sc. porfuvran] kata; Magnentivou ajpevlusen). HJ suvgklhto~ muß hier den Senat als Körperschaft meinen, weil sich der comita­ tus damals nicht in Rom aufhielt. Es ist anzunehmen, daß sich der Senat versammelte und einen entsprechenden Beschluß faßte. 1010 Zu Attalus und seiner Karriere vgl. PLRE 2, 180/181 s. v. Priscus Attalus 2; Delmaire 1989a, 175–178. Zu Attalus’ Bestimmung als Kandidat vgl. Zos. 6, 6 u. 7. Zur Beratung des Senates in seiner Gesamtheit vgl. Zos. 6, 6, 3: hJ gerousiva pa`sa. Nach Zos. 6, 7, 1 (vgl. Soz. 9, 8, 1) bestimmte der Senat auf Alarichs Vorschlag hin den Kandidaten, während Philost. 12, 3 die Senatoren allein die Wahl treffen läßt. Paschoud 1989, 43sq. spricht sich mit guten Gründen für die erste Version aus. Formal nahm aber sicher der Senat den Vorschlag vor. Er ließ auch die Investitur vollziehen (aJlourgivda kai; stevfanon periqevnte~ [sc. die Senatoren]).

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IV. Der Usurpator, C. Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator

Maiorian läßt in seinem Schreiben vom 11. Januar 457 an den Senat keinen Zweifel, daß ihm auf dessen einhelligen Vorschlag die Herrschaft übertragen worden sei. Es handelt sich nicht um die Bestätigung einer schon errungenen Stellung durch den Senat. Maiorian spricht nämlich von seiner Erhebung, daß sie vestrae electionis arbitrio1011 geschehen sei. Electio bezeichnet dabei den Vorschlag des Kandidaten, der die Erhebung durch das Heer, d. h. die Wahlversammlung, gegenübergestellt wird (fortissimi exercitus ordinatione). Mit electio kann ausdrücklich das Vorgehen bei einer Erhebung bezeichnet werden, die nicht als Usurpation galt1012. Sicher gebrauchte Maiorian gerade deshalb das Wort electio, um seiner Bewertung als Usurpator entgegenzutreten. Dazu kommt, daß die Wendungen prin­ cipi quem fecistis und imperium quod mihi vobis adnitentibus datum est auf mehr als eine Bestätigung einer vollzogenen Erhebung hinweisen. Eine bloße Bestätigung der Erhebung durch den Senat als Körperschaft, wie sie sonst üblich war, wäre auch von der Chronologie her schwierig zu begründen, wenn man kein sehr rasches Verfahren annehmen will. Bei einer Bestätigung müßte man mit zwei Reisen zwischen Rom und Ravenna innerhalb von 14 Tagen rechnen. Maiorian, der am 28. Dezember 457 in Ravenna zum Augustus erhoben worden war, informierte den Senat in Rom davon, dieser beriet und bestätigte. Die Bestätigung wurde nach Ravenna überbracht, und dann übersandte Maiorian seine Novelle nach Rom. Zeitlich wäre dies nur knapp möglich gewesen, denn für die Reise von Rom nach Ravenna benötigte man mindestens 5 Tage1013, und besondere Eile wäre bei einer bloßen Bestätigung nicht notwendig gewesen. Maiorian verspricht den Senatoren, ihrem Urteil auch durch den Gehorsam Leo I. gegenüber (obsequio collegae) gerecht zu werden, d. h. dessen nachträgliche Billigung seiner Erhebung zu erhalten, ohne die sie ihr Urteil über ihn revidieren dürfen1014. Damit übernimmt er die Verantwortung für seine Erhebung. Daß Maiorian sich der besonderen Rolle der ehemaligen Amtsträger im Senat, soweit sie sich in Rom aufhielten, bewußt war, zeigt seine Bemerkung, daß er Gefährte ihres Lebens und ihrer Gefahren gewesen sei (vitae et periculorum quondam socius). Das trifft auf die Senatoren zu, die hohe Ämter, auch militärische, bekleidet hatten. Diese Gruppe wird durch die illustres repräsentiert. Die Zahl der Ämter, die diesen Rang zur Folge hatten, betrug um 450 etwa 20–25. Sie allein durften zu die1011 Novell. Maior. 1. Zum Ausdruck electio zur Bezeichnung der Wahl vgl. etwa auch das Schreiben, das Marcianus im Jahre 450 an Papst Leo richtete (Leo M. epist. 73): electione senatus excellentissimi (ejpiloghv). Electio bezeichnet im Schreiben Maiorians den Vorschlag des Kandidaten, der die Erhebung durch das Heer gegenübergestellt wird (fortissimi exercitus ordina­ tione). Als Parallele dazu vgl. man Cod. Iust. 1, 27, 5: Optamus ergo, ut omnes iudices nostri secundum voluntatem et timorem dei et nostram electionem atque ordinationem sic suas ad­ ministrationes gubernare studeant. Hier wird zwischen der Auswahl des Kandidaten und seiner Einsetzung deutlich unterschieden. 1012 Man vergleiche die Gegenüberstellung von electio und praesumptio bei Iordan. Get. 239: Glycerius … plus praesumptione quam electione Caesar factus und die identische Formulierung Marcell. com. 473 = Chron. min. 2, 90. 1013 Bagnall 1987, 28. 1014 Vgl. dagegen Pharr 1952, 551, der collegae auf Maiorian als Kollege der Senatoren bezieht.

IV.C.3 Wer schlägt den Usurpator vor? Die Bestimmung des Kandidaten

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ser Zeit im Senat ihre Meinung äußern1015. Die Gesamtzahl der aktiven und ehemaligen Amtsträger betrug nicht mehr als 60–80. Spectabiles und clarissimi konnten nur noch als Zuhörer an den Sitzungen teilnehmen. Wir wissen nicht, wie viele der zu aktiver Teilnahme berechtigten Senatoren sich in Rom aufhielten und im Senat anwesend sein konnten oder aber in Ravenna oder auf ihren Gütern lebten, als der Senat über Maiorians Erhebung Beschluß faßte1016. In welcher Form der Vorschlag des Senates gemacht wurde, an wen er gerichtet war und wann er gefaßt wurde, ist nicht überliefert. Man könnte an einen formellen Beschluß denken, der den Mitgliedern des comitatus ìn Ravenna mitgeteilt wurde. Sie führten dann Maiorians Erhebung durch, über die sie entschieden hatten. Daß der Senat alleine für den Vorschlag Maiorians zuständig war und dieser in dessen Namen der Wahlversammlung vorgestellt wurde, ist wegen Rikimers Einfluß und wegen der Entfernung zwischen Rom und Ravenna undenkbar. Es ist davon auszugehen, daß Rikimer Maiorian auswählte und ihn den Truppen zur Erhebung vorstellen wollte. Er benötigte den Senatsentscheid zur zusätzlichen Legitimierung. Die formelle Beteiligung des Senates war für diesen zugleich eine Entschädigung für die mangelnde Berücksichtigung, die die Mitglieder der römischen Aristokratie unter Avitus erfahren hatten, und für die bedeutende Rolle, die Rom bei Avitus’ Sturz gespielt hatte1017. Daß die in Ravenna anwesenden Mitglieder der Führungsgruppe und Rikimer mit Maiorians Erhebung lediglich einen Vorschlag des Senates vollzogen, ist von den Machtverhältnissen her undenkbar und durch keine Parallele belegbar. Denkbar wäre ein Vorschlag des Senates auch bei Libius Severus’ Erhebung, um dessen Wahl zusätzlich zu legitimieren. Dieser wird zwar immer als Kreatur Rikimers bezeichnet, hatte aber ein gutes Verhältnis zu den Senatoren1018. Severus wurde am 19. Nov. 461 in Ravenna erhoben, wobei die Rolle Rikimers in der Chronik Cassiodors betont wird1019. 1015 Vgl. den Exkurs „illustris“, S. 395/396. 1016 Prosopographische Untersuchungen wie von Schäfer 1991 für die Zeit von 490–540, die zum Teil den Aufenthaltsort einflußreicher Personen erkennen lassen, sind für den größten Teil des 5. Jhd. nicht vorhanden und von der Quellenlage her auch nicht möglich. 1017 Vgl. n. 1223. 1018 Henning 1999, 149–151. 1019 Fast. Vind. Prior. s. a. 461 = Chron. min. 1, 305: 19. Nov.; Cassiod. chron. s. a. 461 = Chron. min. 2, 157: … Severum … succedere fecit in regnum (sc. Rikimer in Ravenna); Marcell. com. s. a. 461 = Chron. min. 2, 89; Chron. Gall. 511, 636 = Chron. min. 1, 664: et levatus est Seve­ rus; Mar. Avent. s. a. 461 = Chron. min. 2, 232: Ravenna; Paul. Diac. hist. Rom. 15, 1: … statimque Severus apud Ravennam imperator efficitur atque Augustus appellatur; Vict. Tonn. s. a. 461 = Chron. min. 2, 187: 7. Juli; Theoph. A. M. 5955 = 1, 112 (7. Juli). Das Datum des 7. Juli kann nicht stimmen, weil es noch vor Maiorians Tod liegt (vgl. Henning 1999, 41 gegen Scharf 1996, 186–188). Severus wurde in Ravenna erhoben, denn Hyd. Lem. 211 = Burgess 206 = Chron. min. 2, 32: Severus a senatu Romae Augustus appellatur kann so verstanden werden, daß der Senat ihn als Augustus begrüßte (vgl. etwa Amm. 16, 10, 9; zu dieser Verwendung von appellare vgl. auch Szidat 1996, 98) und so seine Erhebung bestätigte. Die besondere Erwähnung der Bestätigung durch den Senat ist nicht ungewöhnlich (vgl. Hyd. Lem. 163 = 156 Burgess = Chron. min. 2, 27 und dazu n. 612, 613), so daß keine voneinander abweichende Überlieferung ange-

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IV. Der Usurpator, C. Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator

Ebenso spielten die Augustae eine wichtige Rolle. Leontius ließ sich am 19. Juli 484 bei Tarsus durch die Augusta Verina erheben1020, obwohl der Heermeister Illus, der sich gegen Zenon aufgelehnt hatte, mit seinen Truppen eine wesentliche Machtgrundlage für Leontius bildete. Verina trat wie ein auctor auf und übergab ihm das Kaisertum. In einem Edikt begründet sie ihr Vorgehen1021. Sie betrachtete sich als Besitzerin der kaiserlichen Macht (to; basivleion … hJmevterovn ejstin), kraft derer sie Zenon erhoben habe, der jetzt ersetzt werden müsse, weil er sich als ungeeignet erwiesen habe. Die Rolle lhres Enkels Leo II., der formal Zenon zum Kaiser gemacht hatte, übergeht sie. Die Bürger von Antiochia waren mit dieser Legitimierung zufrieden. Leontius zog dort am 27. Juli ein. Greifbar ist diese Rolle einer Augusta erstmals in der Mitte des 4. Jhd.’s, als sich Vetranio durch Constantina legitimieren ließ1022. Daß Heermeister einen Kandidaten erheben lassen, ohne innerhalb der führenden Gruppe und in Übereinstimmung mit dieser vorzugehen, ist zwar keine Ausnahme, aber schuf nur eine schwache Legitimation. Die Erhobenen blieben weitgehend von ihnen abhängig. Dies gilt auch für Usurpatoren, die ihre Würde barbarischen Führern verdankten. So wurde Maximus 409 von Gerontius, dem abtrünnigen Heermeister des Usurpators Constantinus III., Olybrius 472 vom Heermeister Rikimer, Glycerius 473 von dessen Neffen, dem Heermeister Gundobad, und Romulus Augustulus 476 von seinem Vater, dem Heermeister Orestes, eingesetzt. Der Alanenkönig Goar und der Burgunderkönig Guntiarius ließen den gallischen Adligen Iovinus 411 zum Kaiser erheben. Maximus wurde erneut 419 von Gunderich, dem König der asdingischen Vandalen, im Krieg gegen die Goten und Sueben zum Kaiser ausgerufen1023. nommen werden muß. Zudem wurden offensichtlich die ersten Münzen in Ravenna geprägt (Kent 1994, 189). Die Erhebung in Ravenna deutet darauf hin, daß Libius Severus sich damals in Ravenna befand und ein Amt beim comitatus bekleidete. 1020 Vgl. Ioh. Mal. fr. 35 = Exc. de ins. 35 S. 165, 23–25: kai; e[peisen (sc. Illus) aujth;n stevyai basileva eij~ to;n a{gion Pevtron e[xw th`~ povlew~ Tarsou` th`~ Kilikiva~ to;n patrivkion Leovn­ tion peivsa~ kai; aujto;n stefqh`nai oJ ∆Illou`~. Zu Leontius’ Erhebung durch Verina zusammen mit Illus vgl. auch Cand. fr. 1. Zu weiteren Belegen für die Erhebung vgl. PLRE 2, 671 s. v. Leontius 17. Vgl. auch W. Ensslin, RE 8A, 2 (1958), 1546–1548 s. v. Verina, dort 1548. Zur Richtigstellung des Jahres vgl. Lippold 1972, 186. Vgl. auch Downey 1961, 494/495; Stein 1949, 29. Ensslin spricht irrtümlicherweise von einer Krönung in einer Petruskirche in der Nähe von Tarsus. Es handelt sich lediglich um die Angabe des Versammlungsplatzes der Truppen, von denen Leontius erhoben wurde. Dieser Platz war in der Nähe der Kirche. 1021 Theophan. A. M. 5974 = 1, 129, 10–21 = Exc. de ins. 35 S. 165, 31–166, 5 = Ioh. Mal. fr. 35. 1022 Vgl. S. 246. 1023 Zu Olybrius vgl. Ioh. Mal. 14, 45 S. 375, 4/5: kai; e[steyen oJ ÔRekivmer basileva ∆Oluvbrion meta; gnwvmh~ th`~ sugklhvtou ÔRwvmh~. Beim suvgklhto~ handelt sich um die bei Rikimer vor Rom versammelten Senatoren, deren Zahl nicht faßbar ist, nicht aber um Anthemius’ comita­ tus, der sich im belagerten Rom befand und auf Seiten des Kaisers stand (Ioh. Ant. 209, 1 = Prisc. fr.[64, 1] Blockley = Exc. de ins. 93). Die politische Führungsschicht war also gespalten und eine führende Gruppe, die sie repräsentieren konnte, nicht vorhanden. Der bei Rikimer versammelte Teil der Senatoren hatte gegenüber dessen Wünschen sicher keine Einwände, weil es sich um Anthemius’ Gegner handelte, aber auch kaum Gewicht gegenüber dem Heer-

IV.D.1 Allgemeine Überlegungen

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Einen Sonderfall bildet Avitus’ Erhebung. Nach der Einnahme Roms durch die Vandalen waren Führungsgruppe und Senat handlungsunfähig1024. Avitus ließ sich durch eine Versammlung der nobilitas Galliens, die als senatus bezeichnet wird und die seine Erhebung forderte und vorbereitete, vorschlagen. Dabei spielte höchstwahrscheinlich der PPO Galliarum eine sehr wichtige Rolle1025. Dieses Vorgehen geschah in Absprache und mit Billigung der Westgoten. IV.D Wer kann erfolgreich usurpieren? IV.D.1 Allgemeine Überlegungen Erfolgreich usurpieren kann nicht jedermann. Er muß eine Chance haben, als Kaiser akzeptiert zu werden, d. h. man muß bereit sein, ihm zu gehorchen. Im 4. und 5. Jahrhundert werden erfolgreiche Usurpationen oder als gefährlich betrachtete Usurpationsversuche in der Regel von Leuten unternommen, die am comitatus eine höhere Stellung bekleideten oder innegehabt hatten oder Einheiten des Bewegungsheeres bzw. der scholae palatinae kommandierten1026. Funktion und dadurch erworbener Rang sowie die Beziehungen zum comitatus und zur Bewegungsarmee sind entscheidend. Kommandoposten auf lokaler oder regionaler Ebene genügen nicht. Es ist nicht belegt, daß duces oder Kommandanten von Limitaneinheiten Usurpationen erfolgreich durchführten oder versuchten. Ebenso reicht die bloße Zugehörigkeit zum Senatorenstand nicht, um mit Erfolg usurpieren zu können. Diese geänderten Voraussetzungen entstanden durch die Zentralisierung der Verwaltung beim comitatus und deren politischer und gesellschaftlicher Aufwertung sowie durch die Schaffung der Bewegungsarmee. Lediglich für die Usurpatoren in Gallien und Britannien zu Anfang des 5. Jhd. sind enge Kontakte zum co­ mitatus und zum Bewegungsheer weniger eindeutig zu belegen. Marcus war aber offensichtlich militärischer Kommandant und vielleicht comes Britanniarum, kommeister, weil man sich im Krieg befand. Anders scheint Chron. Pasch. 1, 594 ed. Dindorf die Vorgänge zu bewerten, nach dessen Darstellung Olybrius von den Römern, nicht von Rikimer gezwungen wurde, Kaiser zu werden (biasqei;~ uJJpo; tw`n ejkei`se ÔRwmaivwn, ejkei`se ceirotonei`tai basileu;~). Das Chronikon spricht aber lediglich kollektiv von den Römern, womit es Anthemius’ Feinde meint, und schließt darin Rikimer ein. Zu Maximus vgl. Chron. Gall. 452, 85 = Chron. min. 1, 656: Maximus tyrannus Hispaniarum dominatum vi optinet. 1024 Vgl. n. 188. 1025 Sidon. carm. 7, 521–573; zur Versammlung der nobilitas Galliens vgl. Sidon. carm. 7, 524– 530, zu deren Bezeichnung als senatus vgl. Sidon. carm. 7, 572. Vgl. auch Hyd. Lem. 163 = 156 Burgess = Chron. min. 2, 27: Avitus … ab exercitu Gallicano et ab honoratis primum Tolosa, dehinc apud Arelatum Augustus appellatus … Dazu daß der PPO Galliarum Avitus aufforderte, die Herrschaft zu übernehmen, vgl. Sidon. carm. 7, 530: procerum tum maximus unus und Gillett 2003, 106 n. 99. Wer damals PPO Galliarum war, ist nicht bekannt. 1026 Lizzi Testa 2004, 310 spricht davon, daß jedes Mitglied des commilitium principis ein potenzieller Usurpator war. Dies gilt aber nur theoretisch. Für einen PSC z. B. trifft es sicherlich nicht zu.

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IV. Der Usurpator, D. Wer kann erfolgreich usurpieren?

mandierte also Einheiten des Bewegungsheeres1027. Vornehme Herkunft und entsprechender Rang, wie wir etwa von Iovinus und Sebastianus wissen, sind dagegen besser zu sichern. Usurpatoren wie Firmus, ein Stammesführer, der einer Stammesrevolte vorstand und dessen Erhebung auf Africa beschränkt blieb, oder Gratianus, ein Usurpator aus der munizipalen Aristokratie Britanniens1028, bildeten dagegen deutliche Ausnahmen. Eine Gestalt wie Maternus zur Zeit des Commodus, der als desertierter Soldat und Hauptmann einer Räuberbande nach dem Thron greifen wollte, ist zwischen 337–476 nicht belegt1029. Im zivilen Bereich stehen am unteren Ende der Stufenleiter der dignitates der primicerius notariorum Iohannes, der 423 usurpierte, und der secundicerius notari­ orum Theodorus1030, der 371/372 des Strebens nach dem Kaisertum verdächtigt wurde. Dies ist die tiefste dignitas beim comitatus, von der aus der Sprung auf den Thron versucht wurde, soweit wir wissen1031. Bei den militärischen Kommandanten sind die Anwärter auf den Thron mindestens Einheitskommandanten, tribuni. Dabei sind solche der Scholen und möglicherweise der excubitores belegt. So strebten Romanus und Vincentius, tribuni scolae Scutariorum primae et secundae, zu Beginn der Regierung Iulians nach der Herrschaft1032. Diese zu übernehmen gelang aber keinem. Demgegenüber traten tribuni scholarum oder andere tribuni bei einer regulären Besetzung des Thrones als erfolgreiche Kandidaten auf wie Valentinian I., der vor seiner Erhebung 364 tribunus scholae Scutariorum secundae war. Einer seiner Mitbewerber war Equitius, der zu dieser Zeit tribunus scolae Scutariorum primae war. 1027 Elbern 1984, 32, so schon A. R. Birley, The Fasti of Roman Britain, Oxford 1981, 341–344. 1028 Zu Firmus vgl. n. 847. Zu Gratianus vgl. PLRE 2, 518/519 s. v. Gratianus 3. Vgl. Oros. hist. 7, 40, 4: municeps eiusdem insulae. Mit Lütkenhaus 1998, 100 ist Gratianus als curialis zu betrachten. Constantinus’ III. niedrige Herkunft darf nicht beim Wort genommen werden. Vgl. n. 1050. 1029 In Anbetracht einer Usurpation wie der des Eugenius 302 (PLRE I, 291 s. v. Eugenius 1), der zwar Kommandant einer Einheit von 500 Mann war, dessen Herrschaft aber sehr kurz war (einen Tag?) oder des Calocaerus 334 auf Zypern, eines magister pecoris camelorum, dessen Erhebung mehr an einen lokalen Aufstand einer wenig bedeutenden Person als an einen Griff nach dem Thron erinnert, sind ähnliche Erscheinungen nicht auszuschließen, aber offensichtlich ohne Bedeutung geblieben und nicht der Erwähnung für Wert befunden worden. Zu Maternus vgl. Kienast 1996, 148; Hdn. 1, 10; besonders 1, 10, 3; 11, 5. Seine tiefe soziale Stellung entspricht offensichtlich den Tatsachen und ist keine spätere Erfindung, um seine Verschwörung abzuwerten. Zu Calocaerus vgl. PLRE 1, 177 s. v. Calocaerus; König 1987, 179–181; Seibel 2006, 197. Bei Calocaerus ist nicht ganz zu sichern, ob er mehr als ein Rebell war. Für den Sprung auf den Thron spricht, daß er in Polemius Silvius’ Liste tyrannus genannt wird, was offensichtlich unbeachtet blieb (Pol. Silv. Lat. Princ. Rom. 63: Calocaerus Cypro tyrannus fuit), und der Begriff specie regni (Aur. Vict. Caes. 41, 11) für seine Übernahme der Herrschaft auf Zypern verwendet wird. 1030 Zu Theodorus vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 390/391. 1031 Gratianus, ein Usurpator aus der munizipalen Aristokratie Britanniens, bildet eine deutliche Ausnahme. Er hatte keine Beziehungen zur zentralen oder regionalen Verwaltung und daher auch keine Chance, reichsweite Anerkennung zu finden. Vgl. n. 1028. 1032 Amm. 22, 11, 2 und dazu den Boeft 1995, 200. Vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 389, und die notae 479 u. 823.

IV.D.1 Allgemeine Überlegungen

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Sehr gute Voraussetzungen, um eine Usurpation erfolgreich durchzuführen, hatten Mitglieder oder Verwandte der Familie, die gerade regierte oder einer, die früher an der Macht gewesen war und sich so einen Namen gemacht hatte. Angehörige oder Verwandte kaiserlicher Dynastien waren bekannt und konnten sich auf ihre Herkunft berufen. So war es für sie leichter, ihren Anspruch auf den Thron zu rechtfertigen. Während der Herrschaft einer bestimmten Familie konnten Mitglieder oder Seitenlinien, die nicht auf den Thron gelangt waren, nach diesem greifen, wenn sich die Chance bot. Zu denken ist etwa an Nepotianus, der sich 351 gegen den Usurpator Magnentius erheben ließ. Er war als Mitglied der constantinischen Familie bekannt. Seine Mutter war Eutropia, eine Halbschwester Konstantins1033. Er betonte seine Verbindung zu Konstantin, so z. B. auf seiner Münzprägung1034. Iulians Usurpation gegen Constantius II. oder Gallus’ Versuch, sich gegen diesen zu erheben, haben ähnliche Voraussetzungen. Beide waren Cousins des regierenden Augustus. Ein sehr bekanntes Beispiel für einen Usurpator, der auf Grund seiner Verwandtschaft zu einer ehemals herrschenden Dynastie das Herrschaftsrecht der neuen in Frage stellte, bietet Procopius, der als Verwandter Iulians mütterlicherseits1035 nach der Übernahme der Macht durch die Familie Valentinians 364 im folgenden Jahr usurpierte und den Anspruch der neuen Dynastie auf das Kaisertum in Zweifel zog. Er verwies zugleich auf seine Verbindungen zur Familie Kon­ stantins, die er dadurch unterstrich, daß er sich mit Constantius II. letzter Frau Faus­ tina und dessen posthum geborener Tochter Constantia zeigte1036. Der Heermeister Marcianus, der Sohn des Kaisers Anthemius und der Tochter des Kaisers Marcian, Aelia Marcia Euphemia 6, der 479 in Konstantinopel einen Usurpationsversuch unternahm, machte auf seine besseren dynastischen Voraussetzungen als Zenon aufmerksam1037. Er verwies darauf, daß seine Frau Leontia, Tochter Leos I., im Purpur geboren worden sei, während Zenons Frau Ariadne, ebenfalls eine Tochter Leos I., zur Welt gekommen sei, bevor dieser Kaiser geworden war. Verwandtschaftliche Beziehungen zur regierenden oder einer früheren Dynastie ließen sich auch nach einer gelungenen Usurpation herstellen oder vorgeben. So heiratete Magnentius Ende 350/Anfang 351 Iustina, die höchstwahrscheinlich zur 1033 PLRE 1, 316 s. v. Eutropia 2. 1034 Auf einem Teil der Billonprägung (vgl. z. B. RIC VIII, Nr. 203, S. 266) ist Nepotianus’ Titulatur geändert, und zwar in: FL NEP CONSTANTINUS AUG. Den dynastischen Hintergrund seiner Usurpation insgesamt hat Bleckmann 1994, besonders 58/59 gezeigt. 1035 Zu den Belegen und zur Diskussion vgl. Lenski 2002, 69. 1036 Amm. 26, 7, 16 (Infragestellung der neuen Dynastie); 26, 6, 18.10, 3; 27, 5, 1 (Verbindung zur Familie Konstantins); 26, 7, 10.9, 3 (gemeinsames Auftreten mit Faustina und ihrer Tochter). Die Hinweise auf die Verwandtschaft mit der Familie Konstantins haben Chausson 2007, 146–148 dazu veranlaßt, eine direkte Verbindung Procops mit der Familie Konstantins anzunehmen. Nach Chausson stammte Procopius wohl nicht direkt von einem der Söhne Theodoras ab, der Frau Constantius’ I., sondern von einer Frau aus der Dynastie. 1037 Vgl. PLRE 2, 717; Diefenbach 1996, 38 n. 8. Vgl. etwa Theophan. A. M. 5971 = 1, 126: ejpa­ nivstatai kata; to; Buzavntion Zhvnwni tw/` basilei`, wJ~ meta; th;n basileivan Levonto~ gen­ nhqeivsh~ Leontiva~, th`~ aujtou` gameth`~.

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IV. Der Usurpator, D. Wer kann erfolgreich usurpieren?

konstantinischen Dynastie gehörte1038. Der Vorteil, der sich aus einer Verbindung zur regierenden oder früheren Dynastie ergab, wurde offenbar als so stark empfunden, daß man seinetwegen sogar hohe politische Risiken einging. So zwang Petronius Maximus Eudoxia, die Witwe Valentinians III., zur Heirat, weil er so seine Herrschaft für besser legitimiert hielt1039, und nahm dafür den Verlust manchen Gefolgsmannes in Kauf. Magnus Maximus soll großsprecherisch auf eine verwandtschaftliche Beziehung mit Theodosius verwiesen haben, wie seine Gegner behaupten. Der gallische Usurpator Constantinus III. nahm den Namen Konstantins an und gab seinen Söhnen neu die Namen Constans und Iulianus. Er wollte so an die konstantinische Dynastie anknüpfen1040. Die Notwendigkeit, eine hinreichend hohe Herkunft zu haben und von einem hohen Rang aus nach der Krone zu greifen, führt zu einem deutlichen Rückgang der Zahl möglicher Kandidaten für eine erfolgreiche Usurpation im 4. Jhd. Militärisches Können und Professionalität allein wie häufig im 3. Jhd. genügen nicht mehr. In unserer Überlieferung werden Herkunft und Rang (dignitas) der Usurpatoren wenn immer möglich als tief beschrieben. Sie erscheinen dadurch des Amtes, das sie erstreben, unwürdig. Ganz offensichtlich dürfen wir aber den Angaben der Überlieferung nicht trauen. Sie läßt häufig mindestens dort, wo sie polemisch ist, erkennen, daß die soziale Herkunft eines Usurpators umstritten war. Besonders in der Panegyrik wird die Herkunft eines Usurpators verächtlich gemacht1041, wie die Auseinandersetzung um Magnus Maximus’ Herkunft in Paneg. 12 oder die Verächtlichmachung von Procopius’ Herkunft bei Themistios zeigen1042. Procopius wird als Schreiber bezeichnet ejk tou` mevlano~ kai; th`~ kalamivdo~ und als o[leqro~ ejx ojlevqrwn, ein Nichtswürdiger, der von Nichtswürdigen abstammt. Seine Verbindung mit der constantinischen Dynastie wird zwar nicht bestritten, aber sein ständiger Verweis darauf lächerlich gemacht. Von Seiten dessen, der nach der Herrschaft strebte, bestand die Absicht, eine vornehme Herkunft oder verwandtschaftliche Beziehungen mit der herrschenden oder einer voraufgegangenen Dynastie herauszustellen, um sich der angestrebten Stellung würdig zu erweisen und deren Übernahme als gerechtfertigt erscheinen zu 1038 Zu Magnentius’ Hochzeit mit Iustina vgl. Ioh. Ant. fr. 187 = Exc. de ins. 79 S. 117, 29–32; Zos. 4, 19, 1.43, 1. Sie gehörte höchstwahrscheinlich zur konstantinischen Dynastie (Barnes 1972, 44: ihre Mutter war Crispus’ und Helenas’ Tochter; Chausson 2007, 160–163 sieht in ihr die Tochter einer Tochter des Halbbruders Konstantins, Iulius Constantius, und seiner ersten Frau Galla. Iustina sei also die Nichte des Caesars Gallus.). Andererseits suchte man solche Möglichkeiten einzuschränken. So begründet Soz. 9, 1, 3 das Gelöbnis der Jungfräulichkeit, das Pulcheria und ihre Schwestern Arcadia und Marina ablegen, mit der Gefährdung, die durch deren Ehemänner oder mögliche Nachkommen für Theodosius II. entstehen könnte. 1039 Ioh. Ant. fr. 201, 6 = Prisc. fr.[30, 1] Blockley = Exc. de ins. 85 S. 127, 27/28; 128, 1–3. Zu weiteren Belegen vgl. Seeck 6, 473 zu 323, 7 u. 17. 1040 Zu Magnus Maximus vgl. Paneg. 12, 24, 1; zu Constantinus’ III. Vorgehen vgl. n. 698. 1041 Vgl. den Hinweis auf Magnentius’ tiefe Herkunft in der Panegyrik (Iul. or. 1, 34a; Them. or. 2, 13, 33D). 1042 Zu Magnus Maximus vgl. Paneg. 12, 31, 1; Zos. 4, 35, 3; zu Procopius vgl. Them. or. 7, 4, 86C; vgl. auch Them. or. 7, 4, 86C; 7, 13, 92B.

IV.D.2 Generäle und zivile Amtsträger

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lassen, während nach dem Scheitern der Usurpation mindestens die offiziöse Überlieferung ihn sozial möglichst tief einstufen wollte. Diese gegenläufige Tendenz macht es häufig unmöglich, zu klaren Aussagen über die soziale Herkunft eines Usurpators und seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu gelangen. Zu den geschilderten Voraussetzungen, um mit Aussicht auf Erfolg als Usurpator erhoben werden zu können, muß das christliche Bekenntnis kommen. Nach 337 muß jeder Kandidat für den Thron Christ sein, und zwar rechtgläubig, oder besser: die Auffassung vertreten, die in dem Gebiet, in dem er Kaiser sein will, vorherrscht1043. Die Usurpatoren erfüllen fast alle diese Bedingung, auch wenn ihre Gegner dies zuweilen in Zweifel zu ziehen versuchten und den jeweiligen Herrscher als heidenfreundlich darstellten. Das eindeutigste Beispiel dafür bietet Eugenius1044. Eine klare Ausnahme bildet Attalus. Er hing dem Heidentum an und ließ sich nach seiner Erhebung durch einen arianischen Bischof der Goten taufen1045. Damit war er politisch weitgehend isoliert und nur für Mitglieder der römischen Aristokratie, die dem Heidentum gewogen waren, und für die Goten wirklich akzeptabel. IV.D.2 Generäle und zivile Amtsträger Die Meinung, daß Usurpatoren immer militärische Kommandanten seien oder, wenn es zivile Würdenträger sind, dann deren Marionetten, ist eine gängige und verbreitete Vorstellung1046. Sie wird durch Erfahrungen der Gegenwart besonders in den Ländern der dritten Welt nahegelegt, obwohl gerade ein Blick auf die noch nicht so fernen faschistischen und kommunistischen Diktaturen auch andere Möglichkeiten aufzeigt, nämlich die politische Kontrolle der militärischen Führung und der Armee, die nur in ganz seltenen Fällen daraus auszubrechen vermögen. Unbestreitbar war eine große Zahl der Usurpatoren hohe militärische Kommandanten, nämlich ca. neun von 28. Sie bildeten aber nicht die Mehrheit. Sie hatten insofern gute Voraussetzungen, weil sie über die notwendige militärische Basis verfügten. Im 4. Jhd. waren Silvanus und Vetranio Heermeister, Magnentius und Magnus Maximus waren comites rei militaris. Auch Severus, der während der schweren Krankheit Valentinians 367 als dessen Nachfolger im Gespräch war, war 1043 Zu dieser Voraussetzung für das Kaisertum vgl. S. 186/187. 1044 Zu Eugenius vgl. Szidat 1979. Auch Magnentius scheint nach den literarischen Quellen dem Heidentum nahegestanden zu haben. Schon Ziegler 1970, 73/74 hat aber klar gezeigt, daß er Christ war. Bei Procopius z. B. versuchte man es nicht, obwohl seine enge Verbindung zu Iulian einen guten Vorwand geboten hätte. Vgl. n. 1186. 1045 Soz. 9, 9, 1. Zu Attalus’ Heidentum vgl. auch Philost. 12, 3; Zos. 6, 7, 3 sqq.; von Haehling 1978, 403/404; Paschoud 1989, 45/46 n. 126. Der religiöse Aspekt der Usurpation des Senators Attalus spielt bei der Beurteilung seiner Erfolgsaussichten in einem Teil der Literatur keine Rolle. Man vgl. z. B. Lütkenhaus 1998, 31–38, der mit keinem Wort davon spricht, oder Seibel 2006, 119–121. 1046 Für die römische Kaiserzeit und die Spätantike hat sie auch in der modernen Forschung keine Abschwächung erfahren. Vgl. z. B. Flaig 1997; Lenski 2002, 68, 82.

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IV. Der Usurpator, D. Wer kann erfolgreich usurpieren?

Heermeister. Iulian konnte erfolgreich seine Erhebung zum Augustus und seine spätere Auseinandersetzung mit Constantius II. vorbereiten, nachdem er den Oberbefehl über die Armee in Gallien erhalten hatte. Das Bild der erfolgreich usurpierenden Generäle hat sogar dazu geführt, daß man Iulians Erhebung zum Caesar (Unterkaiser) in Gallien als Alternative, wenn auch eine, die sich als falsch erwies, zur erneuten Einsetzung eines hohen militärischen Kommandanten deutete, mit der die Gefahr einer weiteren Usurpation verbunden gewesen sei1047. Im 5. Jhd. läßt sich die Reihe usurpierender Heermeister im Westen mit Avitus 455 und im Osten mit Basiliscus 475 fortsetzen1048. Sie wurden auch immer der Usurpation verdächtigt wie etwa Ursicinus, Barbatio, Aspar oder Zenon1049. Neben den Generälen haben die Kommandanten der Palasttruppen gute Chancen. So unterlag Maiorian als comes domesticorum zwar 455 Petronius Maximus, schaffte es aber dann 457, nachdem er noch als comes domesticorum bei Avitus’ Sturz mitgewirkt hatte, und Glycerius bestieg 473 als comes domesticorum den Thron. Bei beiden war aber nicht ihre militärische Stellung für die Übernahme der Macht entscheidend. Ob Constantinus III. als einfacher Soldat usurpierte und eine wirkliche Ausnahme von seiner sozialen Stellung her bildete, ist sehr fraglich1050. Offensichtlich handelt es sich um die übliche möglichst tiefe soziale Einstufung eines Usurpators. Die hohen militärischen Kommandanten konnten aber nicht nach Belieben usurpieren und von vornherein mit einem Erfolg rechnen. Wenn sie keinen Rückhalt bei Mitgliedern wichtiger Gruppen wie etwa der Führungsgruppe, einflußreichen Exponenten regionaler Aristokratien oder der Kirche fanden und von diesen nicht unterstützt wurden, war der dauerhafte Erfolg einer Erhebung sehr fraglich. So verlor z. B. Basiliscus die Unterstützung der Kirche und den Thron1051. Der Usurpationsversuch des Heermeisters Marcianus scheiterte 479, weil er nach anfänglichen Erfolgen zögerte und seine Anhänger, das Volk und barbarische Gruppen, sich von ihm abwandten. Die Mehrheit der hohen militärischen Kommandanten verhielt sich loyal und unterschätzte das Risiko eines Staatsstreiches nicht. Dies kann man daraus schließen, daß die Quellen nicht von ihnen sprechen oder keine Staatsstreichgelüste erwähnen wie etwa im Fall des sehr einflußreichen und 1047 Drinkwater 1997, 8. 1048 Nach 476 ist im Reichsosten auch etwa noch auf Leontius 17 zu verweisen, der sich 484 erheben ließ. Marcus, der 406 usurpierte, war vielleicht comes Britanniarum. Vgl. n. 1056. 1049 Zu den Anschuldigungen gegen Ursicinus vgl. Amm. 14, 11, 2/3; 15, 2; 15, 5, 19; gegen Barbatio Amm. 18, 3, 1–5; zu den Belegen für Aspar vgl. PLRE 2, 168. Der General Zenon wurde von Theodosius II. als möglicher Usurpator gefürchtet (Prisc. fr. 15, 4 Blockley = Exc. de leg. Rom. 5). 1050 Oros. hist. 7, 40, 4: ex infima militia; anders Proc. BV 1, 2, 31: oujk ajfanh;~ ajnhvr, der durchaus verläßlich ist. In der modernen Forschung spricht sich etwa Sanz Huesma 2005, 323/324 gegen eine niedrige Herkunft aus, weil die Usurpation sehr geschickt geplant und durchgeführt worden sei (anders z. B. PLRE 2, 316, die Procopius’ Angabe nicht für verläßlich hält, ohne einen Grund anzugeben.). Zur üblichen tiefen sozialen Einstufung eines Usurpators vgl. S. 260/261. 1051 Vgl. n. 1201.

IV.D.2 Generäle und zivile Amtsträger

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mächtigen Heermeisters Arbitio, der als enger Vertrauter des Kaisers Constantius II. keineswegs die Gunst des Historikers Ammian genoß, aber weder von diesem noch sonst jemals ernsthaft hochverräterischer Machenschaften beschuldigt wurde1052. Wenn sie nach Höherem als ihrer Stellung strebten, versuchten sie es meistens wie Stilicho oder Aspar auf andere Weise wie durch eine verwandtschaftliche Verbindung mit der regierenden Dynastie. Daß ihr weitgehender Verzicht auf die Übernahme der Herrschaft im Westen als Usurpator damit zusammenhängt, daß sie diese nicht zugunsten einer kaiserlichen Pseudomacht, im 5. Jhd. geschützt durch die Sümpfe um Ravenna, aufgeben wollten, beruht auf einem Mißverständnis1053. Es wird verkannt, daß Herrschaft vor allen Dingen politisch legitimiert sein und Anerkennung finden muß. Dazu genügt militärische Macht nicht. In dieses Bild der usurpierenden militärischen Würdenträger passen nicht die Usurpatoren mit ziviler Laufbahn1054. Im Zeitraum von 337–476 hatten von 28 Usurpatoren1055 mindestens sieben, nämlich Eugenius, Gratianus, Attalus, Iohannes, Petronius Maximus, Libius Severus und Olybrius1056 eine zivile Karriere durchlaufen. Weil sie dem gängigen Bild widersprechen, daß ein Usurpator ein militärischer Kommandant sein muß, einem Bild, das sich von modernen Usurpationen in der dritten Welt herleitet1057, werden sie als Strohmänner barbarischer 1052 Die gegen ihn 356/357 vorgebrachten Vorwürfe dieser Art werden sogar von Ammian als Ausdruck des Neides gekennzeichnet und erwiesen sich als haltlos (Amm. 16, 6, 1–3). 1053 Vgl. dazu von Haehling 1988, 95, der annimmt, daß Arbogast nicht nach dem Purpur griff, um die Bindung an das Heer nicht aufzugeben. Er vertritt generell die These (ibid. 102/103), daß die germanischen Heermeister aus diesem Grund nicht Kaiser werden wollten. 1054 Einer anderen Bestimmung eines zivilen Usurpators folgt MacCormack 1981, 244, die von Hypatius’ Usurpation 532 im Rahmen des Nika-Aufstandes „as a civilian usurpation“ spricht und sie als fast einzigartig in der spätrömischen Geschichte betrachtet („this one is almost unique in late Roman history“). Sie nimmt diese Einordnung vor, weil Hypatius von den Volksmassen im Hippodrom erhoben wurde, und bestimmt damit seine Usurpation nach der Zusammensetzung der Wahlversammlung, die ihn auf den Thron brachte. Seine militärische Laufbahn bleibt dabei unbeachtet. 1055 Zu Zahlen und Zählweisen vgl. n. 860. 1056 Gratianus und Marcus, die beiden Usurpatoren von 406 oder 407 aus Britannien, sind in ihrer Herkunft und Laufbahn umstritten. Gratianus’ zivile Laufbahn wird aber nicht angezweifelt, während Marcus als militärischer Kommandant (vielleicht comes Britanniarum) gilt (Stein 1959, 251; A. R. Birley, The Fasti of Roman Britain, Oxford 1981, 341–344; et alii). Libius Severus’ Herkunft und Laufbahn sind zwar unsicher, aber seine guten Verbindungen zur stadtrömischen Aristokratie legen für ihn eine zivile Laufbahn nahe. Vgl. Henning 1999, 40, 41, 151 mit eingehenden Verweisen auf die wissenschaftliche Diskussion und vorsichtigem Schluß auf eine stadtrömische senatorische Herkunft. Iovinus scheint seinem Umfeld und seinem Verhalten nach keine militärische Karriere gemacht zu haben (vgl. zu ihm besonders Scharf 1993). Das gleiche gilt für seinen Bruder Sebastianus. Romulus, der letzte weströmische Kaiser, bleibt außer Betracht, weil seine Erhebung ganz von seinem Vater abhängt. 1057 Vgl. z. B. Weede / Muller 1998, 44 n. 1. Sie unterscheiden bei Staatsstreichen zwar zwischen „elite and military rebellions“, kommen aber doch zu der Aussage, daß die Rolle des Militärs auch bei Rebellionen, die von gemischten Führungsgruppen getragen werden, entscheidend sei. Etwa Zimmermann 1985, 322 ist sich dagegen bewußt, daß auch andere als militärische Staatsstreiche in der Moderne zu beobachten sind, auch wenn sich bei ihnen Probleme bei der Datenerhebung stellen.

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IV. Der Usurpator, D. Wer kann erfolgreich usurpieren?

Generäle betrachtet, die ihrer Herkunft wegen nicht selber Kaiser werden konnten1058. Zivile Amtsträger1059 hatten aber seit den Reformen Konstantins gute Chancen, auf den Thron zu gelangen. Die Diskussionen um die Nachfolge Iulians und Iovians zeigen dies deutlich. Bei beiden wurde der PPO Secundus Salutius als ernsthafter Kandidat in Erwägung gezogen1060, und auch Iovianus, der primicerius notario­ rum, wurde bei den Beratungen um die Nachfolge Iulians als Kandidat genannt. Er wurde sehr bald eines Usurpationsversuches verdächtigt, weil er Militärpersonen eingeladen hatte, und beseitigt1061. Die Möglichkeit, zivile Würdenträger seit der Mitte des 4. Jhd. als ernsthafte Kandidaten für den Thron zu betrachten, schließt aus, daß es sich bei ihnen grundsätzlich nur um Marionetten handelt, wenn sie usurpieren. Dies müßte daher in jedem einzelnen Fall bewiesen werden. Auch als Kandidaten für eine Usurpation wurden zivile Amtsträger schon vor Eugenius in Erwägung gezogen. Hier sei an den magister memoriae Sextius Rusticus Iulianus während Valentinians I. schwerer Erkrankung1062 367 erinnert, oder an Theodorus, der im Osten während Valens Regierungszeit einen Usurpationsversuch unternahm1063. Einzelne zivile Amtsträger wie der PPO Ablabius1064 oder der PPO Rufinus1065 wurden verdächtigt, die Herrschaft an sich reißen zu wollen. Solche Verdächtigungen sind selbstverständlich politische Waffen und müssen keinen re1058 Zur opinio communis vgl. z. B. Jones 1973, 327; Henning 1999, 60. Ihrer Wahrnehmung als besondere Gruppe stand auch die Vorstellung von Senatskaisern entgegen. So wurden Petronius Maximus, Avitus, Libius Severus und Olybrius, die nach 455 im Westen auf den Thron kamen, in der älteren Literatur als senatorische Kaiser betrachtet (vgl. Mazzarino 31980, 804/805 zu Petronius Maximus, Avitus, Libius Severus und Olybrius). Henning 1999, 272 spricht nur noch davon, daß Petronius Maximus und Libius Severus als Senatsmitglieder auf den Thron gelangten. Für das Ende des 4. und den Beginn des 5. Jhd. spricht etwa Demandt 1980, 624 von Eugenius, Attalus und Iohannes als von Senatskaisern. Alle so genannten sind aber vor allem Kaiser geworden, weil sie im comitatus oder in der regionalen Verwaltung hohe Ämter bekleidet hatten, auch wenn wir es für Olybrius und Libius Severus nicht im einzelnen belegen können (vgl. zuletzt Henning 1999, 41 u. 47. Zu Petronius Maximus und Avitus vgl. zuletzt Henning 1999, 28–30, 32–34), nicht weil sie Mitglieder des Senates waren oder von diesem gewählt wurden. Ebenso blieb der oft ganz andere Charakter der Usurpationen im 4. und 5. Jhd. unbeachtet. So wurde z. B. Magnentius’ Erhebung mit den Usurpationen des 3. Jhd. in Parallele gesetzt (vgl. z. B. Mazzarino 31980, 702, der dabei Zosimus’ Angaben über die führende Rolle der Mitglieder des comitatus beiseite geschoben hat; vgl. Zos. 2, 42, 2). 1059 Unberücksichtigt bleiben Mitglieder der herrschenden Familie, die keine militärische Karriere gemacht hatten wie Nepotianus. Einen Vorläufer zu dieser Entwicklung bildet die Erhebung des mag. off. Martinianus 324 zum Mitaugustus durch Licinius. Wir kennen dessen vorangehende Ämterlaufbahn nicht. Vgl. n. 710. 1060 Vgl. n. 711. 1061 Amm. 25, 8, 18; 26, 6, 3. 1062 Amm. 27, 6, 1/2. 1063 Vgl. zu Theodorus den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 390/391. 1064 Vgl. PLRE 1, 4 s. v. Fl. Ablabius 4; Gutsfeld 1998, 100. Vgl. besonders Eun. vit. Soph. 6, 3, 9–13. 1065 Vgl. n. 714.

IV.D.2 Generäle und zivile Amtsträger

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alen Hintergrund haben, sie können aber nur verwendet werden, wenn sie glaubhaft scheinen. Die Reihe der erfolgreichen zivilen Usurpatoren wird mit Eugenius eröffnet1066, der ursprünglich Rhetoriklehrer und zur Zeit seiner Erhebung 392 magister (scrinii) war. Er wird in der Regel als Marionette des Heermeisters Arbogast bezeichnet1067. Weil Arbogast Germane gewesen sei, habe er keine Chance gehabt, sich selbst zum Kaiser aufzuschwingen. Eugenius’ Usurpation ist aber kaum so einfach zu charakterisieren. Arbogast strebte die verdeckte Übernahme der Macht offensichtlich niemals an und wollte keinen Bruch mit Theodosius I., wie sein langes Abwarten nach dem Tode Valentinians II. zeigt. Er handelte erst, als deutlich wurde, daß Theodosius ihm die Verantwortung für dessen Tod anlasten wollte. Weil er jeden Verdacht vermeiden mußte, selbst die Macht gewollt und deshalb Valentinian II. getötet zu haben, mußte er einen Kandidaten finden, der breite Unterstützung hatte. Arbogast konnte daher nicht ohne Rücksicht auf andere Gruppen und ohne deren Zustimmung vorgehen. Zwar hatte er die Armee durch eine entsprechende Besetzung der Kommandoposten unter seine Kontrolle gebracht, aber auch die zivilen Amtsträger wechselten zu ihm über1068. Jedoch war es Arbogast nicht gelungen, alle Mitglieder des comitatus Valentinians II. auf seine Seite zu ziehen, was auf komplexe Verhältnisse am Hof in Vienne hindeutet1069. Als Kandidat mit breiter politischer Unterstützung bot sich Eugenius an, der Arbogasts Vertrauen und das wichtiger Mitglieder der senatorischen Aristokratie hatte. Eugenius’ enge Beziehungen zu wichtigen Persönlichkeiten der italischen Aristokratie legten nahe, daß man ihm als Kandidaten aus dem westlichen Reichsteil nicht ablehnend gegenüberstehen würde1070. Eugenius war schon lange vor Valentinians II. Tod, höchstwahrscheinlich nach Theodosius’ Sieg über Maximus, vom Heermeister Richomeres an Arbogast, der dessen Neffe war, empfohlen worden und hatte offensichtlich spätestens seit 385 gute Kontakte zu Mitgliedern der sena1066 Wenn man Procopius außer acht läßt, der bei seiner Erhebung zwar kein militärisches Kommando innehatte, aber durch seine Verwandtschaft mit der constantinischen Dynastie in einer besonderen Situation war. Seeck 5, 244 nimmt einen zivilen Amtsträger als Usurpator schon 100 Jahre vor Eugenius an und denkt dabei offensichtlich an Aurelius Achilleus (vgl. Kienast 1996, 270), dessen Rolle und genaue Stellung nicht faßbar sind. Es handelt sich bei ihm eher um den Führer eines lokalen Aufstandes als um einen wirklichen Usurpator. 1067 Vgl. etwa Seeck 5, 243/244; Lippold 1973, 897; von Haehling 1988, 94/95; Goltz 2002, 550. 1068 Greg. Tur. Franc. 2, 9: militaris rei cura satellitibus tradita, civilia quoque officia transgressa in coniurationem Arbogastis. 1069 Vgl. Ambr. epist. extra coll. 10[57], 12. Der Bischof setzt sich für Leute ein, die zu Valentinian II. gute Beziehungen hatten und jetzt in Sorge um ihre Aussichten waren (zur Interpretation der Stelle vgl. McLynn 1994, 343.). Ioh. Ant. fr. 187 = Exc. de ins. 79 S. 118, 15–23 berichtet von der Beseitigung eines gewissen Armonius durch Arbogast im consistorium, weil er sich für Valentinian einsetzte. Armonius war der Sohn des consul von 361, Taurus. Es muß sich um einen zivilen Würdenträger handeln, denn sein Vater und seine Brüder durchliefen alle zivile Karrieren. Die Stelle läßt erkennen, daß im consistorium vor Valentinians II. Tod Auseinandersetzungen zwischen Arbogasts Anhängern und denen des Kaisers stattfanden, was zeigt, daß der comitatus keineswegs ganz auf Arbogasts Seite war. 1070 Vgl. Cecconi 2002, 63–67.

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torischen Aristokratie. Bezeugt sind solche zu Symmachus. Richomeres wiederum pflegte Kontakte zu Symmachus. Es ist belegt, daß Eugenius in zwei Fällen Symmachus’ Briefe an Richomeres überbrachte1071. Von den zivilen Usurpatoren des 5. Jhd.1072 können Iohannes und Petronius Maximus auf keinen Fall als Marionetten von Heermeistern betrachtet werden. Attalus’ Erhebung 409 hing dagegen eindeutig vom Führer der Goten Alarich ab1073, ebenso ist Olybrius als Marionette Rikimers zu betrachten. Die Erhebung des primicerius notariorum Iohannes wurde von der Führungsgruppe am comitatus beschlossen1074. Der Heermeister Castinus widersetzte sich der Erhebung nicht. Er stand ohnehin in Gegensatz zu Galla Placidia1075. Daß Iohannes einen Heermeister als Stütze benötigte, ist selbstverständlich1076. Er brauchte Truppen, die ihn erheben konnten. Petronius Maximus kam 455 nach einer glänzenden zivilen Karriere mit den Stimmen der Führungsgruppe im Westen auf den Thron. Er wurde trotz seines mächtigen Konkurrenten Maiorianus, der die Unterstützung der Augusta hatte, erhoben. Nach unserer Überlieferung war er keinesfalls die Strohpuppe eines Heermeisters. Bei ihm kennen wir nicht den militärischen Kommandanten, der mit ihm zusammenarbeitete. Ebenso hatten im 5. Jhd. auch bei Usurpationsversuchen zivile Kandidaten gute Chancen. So war etwa 474/475 der ehemalige mag. off. Patricius Kandidat Verinas, der Witwe Leos I. Sie wollte ihn anstelle von Zenon auf den Thron bringen, und 480 unternahmen der ehemalige PPO Epinicus und der PPO Dionysius einen Umsturzversuch, bei dem der Offizier Thraustila nur als Helfer und nicht als Anstifter teilnahm1077. Im Westen gehen die Bestrebungen des mag. off. Romanus auf eine Entmachtung des Kaisers Anthemius aus1078. Er konnte mit dem militärischen Beistand Ri1071 Zur Empfehlung an Arbogast vgl. Ioh. Ant. fr. 187 = Exc. de ins. 79 S. 119, 3–6; Zos. 4, 54, 1. Sie muß nach Magnus Maximus’ Niederlage erfolgt sein, als Richomeres als Heermeister zusammen mit Theodosius in Italien war und die Stellen am comitatus Valentinians II. besetzt wurden. Zu Richomeres’ Kontakten schon vor Eugenius’ Erhebung zu Symmachus vgl. Symm. ep. 3, 60/61 und dazu Pellizzari 1998, 198–200; Cecconi 2002, 62. Symm. ep. 3, 61 ist eindeutig auf 385 zu datiere. 1072 Vgl. weiter unten. 1073 Für Gratianus und Libius Severus sind die Quellen so wenig aussagekräftig, daß nach der einen oder anderen Seite hin nur Spekulationen möglich sind. 1074 Proc. BV 1, 3, 5. Vgl. n. 517. 1075 Vgl. Lütkenhaus 1998, 173/174; Scharf 1996a, 86/87. 1076 Nur Prosp. Tiro s. a. 423 = Chron. min. 1, 470: Honorius moritur et imperium eius Iohannes occupat conivente, ut putabatur, Castino, qui exercitui magister militum paeeerat und 1, 471 s. a. 425: Castinus autem in exilium actus est, quia videbatur Iohannes sine coniventia ipsius regnum non potuisse praesumere belegt ausdrücklich die Unterstützung durch Castinus. Castinus wird aber nur exiliert, nicht getötet, d. h. er duldete die Erhebung, inszenierte sie aber nicht. 1077 Zu Patricius als Kandidat Verinas vgl. Cand. fr. 1; Ioh. Ant. 210 = Exc. de ins. 94. Zu Epinicus’ Umsturzversuch vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 393. 1078 Cassiod. chron. s. a. 470 = Chron. min. 2, 158: affectans imperium. Zu Romanus vgl. PLRE 2, 974 s. v. Romanus 4.

IV.D.2 Generäle und zivile Amtsträger

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kimers rechnen. Ob er lediglich als dessen Marionette zu betrachten ist, muß offenbleiben. Rikimer überließ ihn seinem Schicksal. Usurpatoren mit ziviler Laufbahn sind also keine Ausnahme im 5. Jhd. und bilden eine Entsprechung zu den Kaisern oder Kandidaten für den Thron, die eine vergleichbare Karriere hinter sich hatten. Grundsätzlich ist mit der Möglichkeit, daß Persönlichkeiten mit ziviler Laufbahn wie Anastasius Kaiser werden konnten, auch für sie die Chance gegeben, erfolgreich zu usurpieren. Zivile Usurpatoren sind auch nicht generell oder in ihrer Mehrzahl als Verlegenheitslösung zu betrachten, bei der man jemand vorschob, um nicht die Verantwortung übernehmen zu müssen. Vermeintliche oder wirkliche Drahtzieher im Hintergrund konnten nicht dadurch der Bestrafung entgehen, daß sie andere erheben ließen. Dies zeigt Arbogasts oder Marcellinus’ Schicksal deutlich. Sie suchten keine Übereinkunft mit dem Sieger, wie es Aetius oder Castinus nach dem Scheitern der Verschwörung von Iohannes taten, sondern den Tod. Daß zivile Usurpatoren dennoch in der Minderzahl sind, hängt in der Spätantike wie in der Moderne damit zusammen, daß Staatsstreiche, die einen Kaiser oder sonstigen Inhaber der Exekutive stürzen wollen, nur mit der Androhung oder mit der Anwendung von Gewalt, die sofort einsatzbereit sein muß, durchgeführt werden können. So liegt es nahe, daß die militärischen Kommandanten auch die führende Rolle übernehmen, wenn keine persönlichen oder politischen Gründe dagegen sprechen. Die Erhebung eines Kaisers, bei der der Anspruch eines regierenden Herrschers, einen Kollegen für einen freigewordenen Platz vorzuschlagen, nicht beachtet wurde, gab dagegen mehr Zeit für die Planung der militärischen Aktionen, so daß sich hier die Erhebung eines zivilen Würdenträgers eher anbot. Zudem waren die Interessen der zivilen Amtsträger bei Thronvakanzen stärker bedroht als die der militärischen Kommandanten, ein Phänomen, das der historischen Entwicklung wegen vor allen Dingen für den Westen des Reiches im 5. Jhd. gilt. Der Verzicht des herrschenden Kaisers, einen Kollegen in angemessener Zeit zu benennen, konnte die Auflösung des comitatus bedeuten und betraf damit die zivilen Würdenträger, denn die Posten der militärischen Kommandanten blieben erhalten. Damit waren die Interessen der führenden Schicht betroffen, die am Hof und in der Verwaltung tätig war und die im Westen zu einem großen Teil aus alten Senatorenfamilien bestand. Ein ziviler Amtsträger, der sich erheben ließ, verteidigte also seine eigenen Interessen und die der Gruppen, die hinter ihm standen. Das gilt auf jeden Fall für die Erhebungen von Iohannes1079 und Petronius Maximus. Auch die Person des Augustus, dessen Ernennung durch einen regierenden Herrscher zu erwarten war, war für die zivilen Amtsträger und die senatorischen Familien von größerer Bedeutung als für die militärischen Kommandanten, die nur mit einem deutlich größeren Risiko für den Kaiser von ihrem Posten zu entfernen waren. Eugenius war daher durchaus eine Alternative zu Honorius. Warum man in einzelnen Fällen einem zivilen Kandidaten den Vorzug gab, hing also von der jeweiligen politischen Situation und den Interessen der einzelnen Gruppen und Personen ab. Auszuschließen ist selbstverständlich nie, daß ein Usur1079 Vgl. n. 537.

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IV. Der Usurpator, E. Der vom Usurpator bedrängte Kaiser und seine Anhänger

pator nur vorgeschoben ist oder mindestens die Macht mit anderen teilen muß. Es muß aber nicht nur ein militärischer Kommandant im Hintergrund stehen, sondern es konnte auch ein ziviler Würdenträger wie der comes Marcellinus sein. Dieser und der comitatus brachten 350 den Usurpator Magnentius an die Macht, und Marcellinus spielte bis zu seinem Tod in der Schlacht bei Mursa während Magnentius’ Regierungszeit eine entscheidende Rolle1080. Usurpatoren mit ziviler Laufbahn sind erst in der Spätantike möglich, als man mit einer solchen auch Kaiser werden konnte. In der hohen Kaiserzeit wurden dagegen hohe Amtsträger mit vorwiegend ziviler Karriere niemals ernsthaft als Usurpatoren in Erwägung gezogen. Sie gelangten in der Regel auch nicht auf den Thron1081. IV.E Der vom Usurpator bedrängte Kaiser . und seine Anhänger IV.E.1 Das Schicksal des entmachteten Kaisers Verfolgt eine Usurpation die Absicht, einen Kaiser der Herrschaft zu berauben, wie etwa Constans 350 oder Gratian 383, so ist dessen physische Beseitigung nicht das vorrangige Ziel eines Usurpators. Spätantike Staatsstreiche beginnen nicht mit der Ermordung eines Herrschers. Der Mord am Herrscher als Auftakt zu einem Staatsstreich ist im 4. und 5. Jhd. nicht eindeutig zu belegen1082. Der Usurpator erstrebt Teilhabe an der Herrschaft. Die Ermordung des Kaisers ist nicht das erste Ziel, sondern seine Entmachtung. Diese war aber in der Regel auch mit der späteren Beseitigung des gestürzten Kaisers verbunden, denn ein Rücktritt ließ sich nicht erzwingen1083, ohne daß die Gefahr der Wiederaufnahme der Herrschaft bestand, und für eine Absetzung fehlte jede politische oder formale Grundlage. Die Erklärung des bedrängten Kaisers zum hostis publicus durch den Senat, die dessen Tötung formal gerechtfertigt hätte, wie es im Prinzipat üblich war, wurde nach 337 nicht mehr verwendet. Der Grund liegt offenbar darin, daß kein Usurpator außer Nepotianus, Procopius und Basiliscus auf einen der beiden Senate sofort zugreifen konnte. Den drei erwähnten hätte eine solche Erklärung nichts genützt, weil sie ihres Gegners nicht habhaft werden konnten. Die Ermordung des gestürzten Herrschers stellte für den Usurpator eine große politische Belastung dar. Sie erschwerte die Anerkennung durch die verbleibenden 1080 Zos. 2, 42, 2. Zu seiner wichtigen Rolle bei Magnentius’ Erhebung vgl. schon Iul. or. 2, 57d. 58a.c. 1081 Vgl. S. 184. 1082 Vgl. IV.A.5 Usurpationsversuche und Mordanschläge, S. 219–221. 1083 Für die Entmachtung eines amtierenden Herrschers im Rahmen einer Usurpation durch einen erzwungenen Rücktritt gibt es kein Beispiel. Der erzwungene Rücktritt Vetranios erfolgte nicht im Rahmen einer Usurpation, sondern wurde von dessen auctor Constantius II. durchgesetzt.

IV.E.2 Die Anhänger des bedrängten oder gestürzten Kaisers

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Kaiser. Diese sind aus politischen Gründen zur Rache verpflichtet1084, wenn das Prinzip der Legitimierung durch Anerkennung nicht zur Farce werden sollte. Die Beseitigung eines amtierenden Herrschers wurde den Usurpatoren in der innenpolitischen Auseinandersetzung immer wieder zum Vorwurf gemacht und gegen sie ins Feld geführt. Der beabsichtigten Täuschung der Zeitgenossen wegen und der großen politischen Bedeutung wegen ist die Wahrheit kaum herauszufinden. Dem Usurpator und der ihm freundlichen Überlieferung mußte daran liegen, den Tod des Kaisers als freiwillig oder zufällig erscheinen zu lassen, sein Gegner mußte daran interessiert sein, ihn als Mörder erscheinen zu lassen. In der Regel darf man wohl davon ausgehen, daß die Version von der Ermordung stimmt1085. Weil sich kein Usurpator durchsetzen konnte, der einen Herrscher entmachtet hatte, setzte sie sich auch als offizielle durch. Die Version von der Ermordung ließ sich noch dadurch in ihrer propagandistischen Wirkung steigern, wenn sie in einem sakralen Raum vollzogen wurde wie bei Constans’ oder Anthemius’ gewaltsamem Tod 350 und 472. IV.E.2 Die Anhänger des bedrängten oder gestürzten Kaisers Die Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator brachte die bisherigen Würdenträger des entmachteten Kaisers in Schwierigkeiten, weil sie sich entscheiden mußten, dem neuen Herrn zu dienen oder nicht. Dies gilt auch für die militärischen und politischen Führungskräfte der mittleren Ebene wie etwa die tribuni, die militärische Einheiten befehligten. Sie gehörten zwar zu den führenden Schichten, aber nicht zur eigentlichen Führung und konnten sich nur schwer dem weiteren Dienst 1084 Zum Motiv der Rache vgl. etwa Rufin. hist. 11, 32: Sed ille (Theodosius) nihilo segnius, in­ flammatus ad ultionem, arma contra Eugenium qui in locum defuncti (sc. Valentinian II.) substitutus est, corripit. 1085 Zu Constans’ Beseitigung vgl. Amm. 15, 5, 16. Vgl. PLRE 1, 495 s. v. Laniogaisus; Ps. Aur. Vict. epit. 41, 23; Cons. Const. s. a. 350 = Chron. min. 1, 237; Hier. chron. s. a. 2366; Iul. or. 1, 26c; 3, 55d; Soc. 2, 25, 7; Soz. 4, 1, 1; Zos. 2, 42, 5. Nach Zon. 13, 6, 11 wurde er in einer Kirche getötet, wohin er sich geflüchtet hatte. Vgl. auch Anthemius, der 472 in die Kirche S. Crisogono im Trastevere flieht, in der er getötet wird (Ioh. Ant. fr. 209, 1). Es gibt daneben zwei andere Versionen des Todes des Kaisers Constans. Nach Zon. 13, 6, 10 wurde er im Schlaf, von der Jagd ermüdet, getötet, nach Ioh. Chrys. hom. 15, 5 in Phil. = PG 62, 295 beging er Selbstmord. Zu den Vorwürfen gegen Magnus Maximus, Gratian nach seinem Sturz 383 getötet zu haben, vgl. Ambr. ep. 30[24], 9/10; in psalm. 61, 23–25. Vgl. auch die reservierte Haltung Martins von Tours gegenüber Maximus, die als Folge der Beseitigung Gratians zu betrachten ist (Sulp. Sev dial. 3, 11, 4–5; Mart. 20, 2). Die gleichen Vorwürfe wurden nach dem gewaltsamen Tod Valentinians II. 392 gegen den Heermeister Arbogast erhoben, die sich wie bei Constans in unserer Überlieferung in verschiedenen Versionen über dessen Tod niedergeschlagen haben. Man vgl. dazu Croke 1976, 235–244; Paschoud 1979, 457, der sich vorsichtig für einen Mord ausspricht. Zu den verschiedenen Versionen vgl. jetzt Biermann 1995, 156. Die These von Arbogasts Schuld am Tod Valentinians II. entwickelt sich erst in dem Moment, als Eugenius von Theodosius I. nicht anerkannt und als Usurpator gebrandmarkt wurde. Vgl. auch S. 221. Zu Gratians und Constans’ Beseitigung vgl. auch Raschle 2005, 56–58 n. 48–51; zu Valentinians II. Tod Seibel 2006, 105 n. 707.

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IV. Der Usurpator, E. Der vom Usurpator bedrängte Kaiser und seine Anhänger

beim Usurpator entziehen, ohne gravierende Nachteile zu haben. In Schwierigkeiten geraten konnten auch die Mitglieder der Führungsschicht der Städte und ehemalige Würdenträger, honorati. Die Loyalitätskonflikte verschärfen konnte der vom Usurpator verlangte Treueid, wenn er den Bruch eines schon abgelegten Eides mit sich brachte1086. Die Antike war sich deutlich des Loyalitätskonfliktes bewußt, der für die Funktionäre eines Kaisers entsteht, der von einem Prätendenten bedrängt und schließlich gestürzt wird. Seinem Kaiser, princeps suus oder imperator suus, während der Auseinandersetzung die Treue gehalten zu haben, galt daher durchaus als angemessene und verständliche Haltung, auch dann noch, wenn der Usurpator wie Iulian oder vorübergehend Magnus Maximus schließlich gesiegt hatte und seine Herrschaft anerkannt war. Die Loyalität der Funktionäre, die sie ihrem unterlegenen Herrn erwiesen haben, anzuerkennen und zu würdigen wird erwartet. Ihre Verurteilung nur der erwiesenen Loyalität wegen gilt als moralisch unangemessen1087. Wer sich einem Usurpator aus Zwang angeschlossen hatte, dessen Bestrafung wurde deshalb nach der Niederwerfung des Usurpators als ungerechtfertigt betrachtet1088, und der Versuch, sich dem Dienst bei diesem durch die Flucht zu entziehen, wurde durchaus nicht als ungerechtfertigt empfunden1089. Alternativen zur Zusammenarbeit mit einem Usurpator, die sich in der Regel aufgedrängt zu haben scheint, waren die Flucht, der Rückzug aus dem öffentlichen Leben oder der Widerstand gegen den neuen Herrscher. Bei der Übernahme der Herrschaft durch einen Usurpator suchten die loyalen Anhänger des betroffenen Kaisers den Schwierigkeiten dadurch auszuweichen, daß sie vorher flohen wie etwa die beiden PPO Florentius und Taurus nach dem Vorstoß Iulians gegen Constantius II. oder der ehemalige PPO Probus, der sich zusammen mit Valentinian II. 387 nach Thessalonike begab, als Maximus sich Italiens bemächtigte1090. 1086 Zum Eid vgl. n. 245. Zum Bruch eines abgelegten Eides vgl. Amm. 21, 5, 7 u. 5, 10–12; 26, 7, 9, ein Problem, das z. B. bei einer Usurpation, die lediglich den Anspruch des auctor, einen Kandidaten vorzuschlagen, mißachtete, weniger drängend war oder sich gar nicht stellte, besonders dann nicht, wenn es zu einer faktischen Duldung wie bei Libius Severus kam. Wurde ein Kaiser gestürzt wie Gratian von Magnus Maximus, konnte nur eine nachträgliche Anerkennung des Usurpators den Bruch des Eides rechtfertigen. 1087 Vgl. z. B. Amm. 22, 3, 4 und dazu den Boeft 1995, 22 sqq.; Ambr. epist. 30[24], 6, der als Quelle benutzt werden kann, weil der Brief geschrieben wurde, als Magnus Maximus von Theodosius und Valentinian II. anerkannt war. 1088 Amm. 14, 5, 6: cum reniti non possent (sc. militares; vgl. n. 1385). Es sind damit keineswegs ausschließlich Militärpersonen gemeint, sondern höhere Amtsträger generell. Dies zeigt auch der folgende Hinweis auf den vicarius Britanniarum Martinus, einen Zivilbeamten, der sich für seine Untergebenen einsetzt (Amm. 14, 5, 8: quibus praeerat [sc. Martinus]). Der zwangsweise Anschluß wurde auch als Argument zur eigenen Rechtfertigung gebraucht. Vgl. Lib. or. 62, 58–60. Amm. 26, 9, 8 betont beim tribunus Barchalba, daß ihn die Notwendigkeit Procopius’ Partei habe ergreifen lassen. Vgl. auch Aug. epist. 151 zum tribunus et notarius Marcellinus. 1089 Vgl. Amm. 22, 3, 2. 1090 Amm. 21, 9, 4; Szidat 1996, 86/87; zu Probus’ Flucht vgl. Soc. 5, 11, 11/12.

IV.E.2 Die Anhänger des bedrängten oder gestürzten Kaisers

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Im 5. Jhd. flohen z. B. der praefectus praetorio Galliarum Limenius und der Heermeister in Gallien Chariobaudes vor Constantinus III. nach Italien. Ob auch Eventius, der Statthalter (consularis) der Viennensis, damals floh, muß ungewiß bleiben1091. Übernahm der Usurpator die Herrschaft im gesamten Reich wie Iulian 361, so blieb nur die Möglichkeit, sich zu verbergen, wie es Florentius tat1092, wenn man sich nicht der Gefahr aussetzen wollte, bestraft zu werden. Im günstigsten Fall wurde den loyalen Würdenträgern, die nicht flohen, auf ihren Wunsch hin erlaubt, sich zurückzuziehen, so z. B. 361 Nebridius, dem PPO Galliarum, von Iulian1093, oder sie wurden einfach ausgewechselt. Sie liefen aber auch Gefahr, bestraft zu werden1094. Es konnte dabei auch zu ihrer Beseitigung kommen wie im Fall von Vallio, dem Heermeister in Gallien, der seiner Loyalität zu Gratian wegen sterben mußte1095. Procopius dagegen setzte einen Teil der Amtsträger von Valens gefangen und bediente sich ihrer1096. Unter Iulians Herrschaft kam es zu einer nachträglichen Abrechnung im Prozeß von Chalkedon im Dezember 361, in dem einige Getreue Constantius’ II. mit Verbannung oder Tod bestraft wurden, ein Vorgehen, das selbst Ammian als Bewunderer Iulians nicht billigt. Dabei wurden auch sonstige ehemalige Würdenträger Constantius’ II. bestraft wie Apodemius1097. Er war agens in rebus gewesen und hatte an Gallus’ Hinrichtung mitgewirkt. Dafür traf ihn die Rache Iulians. Dieser bestrafte auch sonst eine Stellungnahme gegen ihn unerbittlich. Das gilt besonders für die Verteidiger von Aquileia. Die Stadt, die in dem Territorium lag, das Iulian an sich gerissen hatte, war zu Constantius II. abgefallen und hatte sich erst nach langer Gegenwehr den Truppen Iulians übergeben, als dieser schon Constantius’ II. Nachfolge angetreten hatte. Die Anstifter des Abfalles, die als Hochverräter betrachtet wurden, wurden mit dem Tode bestraft. Nigrinus1098, der eine Reitereinheit befehligte und als Hauptanstifter des Abfalles der Stadt Aquileia von Iulian galt, wurde mit dem Tod durch Verbrennen bestraft. Nigrinus’ harte Bestrafung zeigt die Größe der Gefahr, die der Abfall Aquileias für Iulian darstellte. Er wurde zu einer härteren Strafe verurteilt, als sie Usurpatoren selbst erlitten, die in der Regel mit dem Schwert

1091 PLRE 2, 684 s. v. Limenius 2; PLRE 2, 283 s. v. Chariobaudes; vgl. auch Zos. 5, 32, 4; PLRE 2, 413 s. v. Eventius 1; zu dessen Flucht vgl. H. I. Marrou, L’épitaphe vaticane du consulaire de Vienne Eventius, REA 54, 1952, 326–330; Bleckmann 2003a, 167 n. 22; Drinkwater 1998, 276. Ob Eventius wirklich vor dem Usurpator floh, muß ungewiß bleiben. Seine Flucht wäre eines der ganz wenigen oder vielleicht sogar das einzige belegte Beispiel für die Flucht eines namentlich bekannten Provinzstatthalters vor einem Usurpator. 1092 Amm. 22, 3, 6.7, 5. 1093 Amm. 21, 5, 12 und dazu Szidat 1996, 44/45. 1094 Vgl. z. B. Sulp. Sev. dial. 3, 11, 8. Vgl. Matthews 1975, 174. 1095 PLRE 1, 945 s. v. Vallio. Vgl. Ambr. epist. 30[24], 11; Paneg. 12, 28, 4. 1096 Amm. 26, 7, 5. 1097 Zum Prozeß von Chalkedon vgl. Amm. 22, 3; PLRE 1, 82 s. v. Apodemius 1. 1098 PLRE 1, 631 s. v. Nigrinus 1. Vgl. Amm. 21, 11, 2; 21, 12, 19; 22, 8, 49 und dazu Szidat 1996 passim. Er ist sonst nicht bekannt.

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

hingerichtet werden. Die Kurialen Sabostius und Romulus1099wurden dagegen mit dem Schwert hingerichtet. Die erfolgreiche Bewahrung der Loyalität unter der Herrschaft eines Usurpators in dessen Gebiet ist selten belegt. Sie war nur möglich, wenn die Kontrolle des Gebietes durch den Usurpator nicht vollständig war. Eindeutig nachzuweisen ist solche erfolgreiche Bewahrung der Loyalität für Dardanus, der während Iovinus’ Herrschaft 412/413 Honorius’ PPO Galliarum war1100. Er kann sich in Gallien halten, möglicherweise in der Narbonensis secunda oder sogar direkt in Narbonne, wo Iovinus von ihm getötet wurde1101. Ehemalige Würdenträger waren weniger gefährdet, so lange sie nicht zur Mitarbeit vom Usurpator aufgefordert oder auf andere Weise zur Stellungnahme genötigt wurden. Der Fall des ehemaligen comes rei militaris Gratianus, des Vaters Valentinians I., kann die Schwierigkeiten zeigen, in die sie geraten konnten. Vor der Schlacht von Mursa 351 war Magnentius bei ihm zu Gast, wofür er von Constantius II. mit Vermögensentzug bestraft wurde1102. Es bleibt im Dunkeln, ob er Magnentius freiwillig oder gezwungenermaßen aufnahm. IV.F Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators IV.F.1 Allgemeine Überlegungen Nach der Erhebung eines Usurpators sowie seiner Anerkennung durch die wichtigen Gruppen am Ort, wo er zum Kaiser gemacht worden war, war sein weiteres Vorgehen sehr unterschiedlich. Es hing vom Charakter und den Zielen seiner Usur1099 Amm. 21, 12, 20. 1100 Vgl. Chron. Gall. 452, 68 u. 69 = Chron. min. 1, 654: Iovinus tyrannidem post Constantinum invadit. Industria viri strenui, qui solus tyranno non cessit, Dardani Atauvulphus, qui post Alaricum Gothis imperitabat, a societate Iovini avertitur. Zu Dardanus vgl. PLRE 2, 346/347 s. v. Dardanus; Drinkwater 1998, 291/292; Lütkenhaus 1998, 59–61 und Honoré 1998, 233 zu seinem möglichen Amt als Honorius’ QSP 407. Drinkwater 1998, 291/292 bezweifelt, daß Dardanus als Honorius’ PPO per Gallias Verhandlungen mit Athaulf führen konnte, weil Iovinus den Süden beherrschte und Athaulf noch mit ihm verbündet war. Drinkwater glaubt daher, daß Dardanus auf seinem Gut in St.-Geniez nordöstlich von Sisteron im heutigen Departement Basses Alpes gelebt und als Privatmann 412/413 Verhandlungen aufgenommen habe oder sich Iovinus angeschlossen habe und als sein Vertreter mit Athaulf gesprochen und Iovinus schließlich hintergangen habe. Drinkwater muß in diesem Fall die Aussage solus ty­ ranno non cessit auf Dardanus’ aristokratische Freunde beziehen. Dardanus allein blieb als Privatmann standhaft. 1101 Hyd. Lem. 54 = 46 Burgess = Chron. min. 2, 18. Vgl. Matthews 1975, 315. Zur Diskussion über den Ort, ohne Narbonne selbst in Erwägung zu ziehen, vgl. Scharf 1993, 8/9 und n. 38, der als Aufenthaltsort Arles annimmt, weil er davon ausgeht, daß Iovinus das Gebiet südlich von Valence nicht kontrollierte. Das Problem ist schon seit Stein 1959, 264 im Bewußtsein, der Dardanus sich in Spanien aufhalten läßt. Man sollte aber nicht an Dardanus’ Stellung zweifeln, auch wenn man seinen Aufenthaltsort nicht ohne weiteres lokalisieren kann. 1102 Amm. 30, 7, 3.

IV.F.1 Allgemeine Überlegungen

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pation ab1103. Sich am Rande des Reiches zum Augustus ausrufen zu lassen und die Teilhabe an der Herrschaft im Reich durch den Sturz eines regierenden Kaisers zu suchen wie Magnus Maximus 383 oder in der Verwaltungszentrale eines Reichsteiles erhoben zu werden und dabei den Anspruch eines regierenden Kaisers zur Ernennung eines Kollegen zu mißachten wie Iohannes 423 bedeutete einen großen Unterschied für das weitere Vorgehen. Dennoch lassen sich einzelne Etappen deutlich unterscheiden. Der Usurpator muß sofort damit beginnen, seine Herrschaft überzeugend zu legitimieren, um über den unmittelbaren Kreis derer hinaus, die ihn erhoben hatten, Anerkennung und Gehorsam zu finden. Er muß mit den entscheidenden Gruppen der Bevölkerung, wie etwa Senat und Senatorenschicht und der Kirche, sowie den Teilen der Armee, die nicht unmittelbar an seiner Erhebung beteiligt waren, Kontakt aufnehmen und sie zur Anerkennung seiner Herrschaft bewegen. Nur so kann er ein Territorium unter seine Kontrolle bringen und die Verwaltung in diesem organisieren. In dem Gebiet, in dem der Usurpator herrschen und als Kaiser anerkannt werden wollte, war man nicht von vornherein bereit, ihm zu gehorchen, und es stand auch nicht in seinem Umfang fest. Dies war ein wichtiger Unterschied zur Erhebung eines Kaisers, der ein vorgegebenes Territorium und die dazu gehörige Verwaltungsstruktur übernehmen und der mit der Anerkennung der entscheidenden Gruppen rechnen konnte. Die Loyalität seiner Anhänger zu erhalten und immer weitere dazu zu gewinnen bildet das Hauptproblem für einen Usurpator. Der Anschluß an ihn bedeutete nur für wenige ein großes Risiko. Lediglich der engste Kreis seiner Anhänger hatte mit schweren Strafen nach dem Scheitern der Usurpation zu rechnen. Für alle übri­ gen bedeutete eine Usurpation wenigstens in der Anfangsphase eine Möglichkeit zu materiellem Gewinn durch mindestens ein zusätzliches Donativ, das bei der Übernahme der Herrschaft zu vergeben war. Dazu konnte ein sozialer Aufstieg durch Beförderungen kommen, die man erwartete. Der Usurpator war wie der Kaiser gezwungen, durch Vergabungen die Loyalität seiner Anhänger zu sichern. Seine Geschenke unterscheiden sich in keiner Weise von denen eines Kaisers1104. Die Quellen schildern ihn daher gerne als besonders habgierig, um die nötigen Mittel dafür aufzubringen1105. So konfiszierte er Vermögen, verkaufte Ämter und zog zusätzliche Steuern ein1106, Maßnahmen, die eine 1103 Vgl. IV.A.4 Die unterschiedlichen Formen einer Usurpation, S. 215–219. 1104 Zum Donativ der Usurpatoren vgl. n. 986, 987. 1105 Man vgl. z. B. Paneg. 12, 27, 1 zur Bedeutung der Vergabe von Geschenken für einen Usurpator (Magnus Maximus) und Paneg. 12, 27, 5 für einen legitimen Herrscher. In beiden Paragraphen wird die Bedeutung der Gaben des Kaisers für den Erwerb und Erhalt der Herrschaft deutlich. Paneg. 12, 26/27 bietet insgesamt eine Parodie auf die Beschaffung der notwendigen Mittel für die Ausübung der kaiserlichen Freigebigkeit durch einen Usurpator. Die Bedeutung der finanziellen Mittel und deren Beschaffung läßt Lenski 2002, 83/84 an Procopius’ Usurpation sehr deutlich erkennen. 1106 Für Procopius’ Usurpation vgl. Amm. 26, 8, 13 (Konfiskation); Amm. 26, 7, 6 (Ämterverkauf); Them. or. 7, 13, 92B (zusätzliche Steuer).

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

politische Belastung für ihn bedeuteten und erlaubten, ihn als Räuber zu bezeichnen1107. Die Entscheidung, die einmal zugestandene Loyalität zu bewahren oder den Usurpator fallen zu lassen, erfolgte mehrheitlich zu einem späteren Zeitpunkt, meistens in dem Augenblick, wo es zur gewaltsamen Auseinandersetzung kam. In ihrem Vorfeld geschah es bei Iohannes 425, in dessen Umfeld Würdenträger von seinem Gegenspieler gewonnen worden waren und den seine Anhänger schließlich auslieferten1108. Manchmal fiel die Entscheidung zu Gunsten oder Ungunsten des Usurpators sogar erst unmittelbar vor ihr wie bei Procopius. Er scheiterte schließlich, weil er von den militärischen Führern im Stich gelassen wurde1109. Er hatte die Heermeister Gomoar und Agilo wieder in seine Dienste genommen, die ihn vor dem entscheidenden Kampf verrieten und zu Valens überliefen1110. Offensichtlich hatte er zu sehr auf ihre Loyalität zur constantinischen Dynastie vertraut, zu der er gehörte. Zugleich war es Valens gelungen, den Heermeister Arbitio, der im Ruhestand lebte, für seine Sache zu gewinnen. Ihn verwendete er, um für die neue Dynastie zu werben1111. Arbitio war für seine mangelnde Bereitschaft, sich Procopius zur Verfügung zu stellen, mit der Plünderung seines Hauses bestraft worden1112. Procops Schicksal zeigt, wie bedeutsam die Loyalität oder wenigstens wohlwollende Duldung für den schließlichen Erfolg oder Mißerfolg eines Usurpators waren. Ganz anders entwickelte sich die Situation bei Usurpatoren wie Magnentius, Magnus Maximus oder Eugenius, denen Truppen und Zivilbevölkerung auch bei und nach schweren Kämpfen die Loyalität bewahrten. Besonders Magnentius und Magnus Maximus erreichten einen Grad an Zustimmung zu ihrer Herrschaft, der mit dem eines legitimen Kaisers mindestens identisch, wenn nicht sogar höher war. Unmittelbar nachdem der Usurpator sich hatte erheben lassen, mußte er auch die Regelung des Verhältnisses zu seinen Mitherrschern in Angriff nehmen. Dies sind in der Regel die amtierenden Kaiser. Es können aber auch schon andere an der Macht befindliche Usurpatoren sein. Diese Situation trat jedoch selten ein. So kam es am 1. März 350 rund eineinhalb Monate nach Magnentius’ Usurpation zur Erhebung Vetranios, und rund vier Monate nach dieser erhob sich Nepotianus. Mit beiden hatte sich Magnentius auseinanderzusetzen. Vetranio vermochte er nicht auszuschalten. Mit ihm suchte er eine Übereinkunft wie mit Constantius II. 1107 Vgl. n. 50. 1108 Philost. 12, 13: sullambavnetai oJ ∆Iwavnnh~ th`/ tw`n ajmf∆ aujto;n prodosiva/. Am Verrat beteiligt waren die ajpostravthgoi, d. h. in den Ruhestand versetzte Generäle oder Beamte des verstorbenen Augustus Honorius, die, wie man annehmen muß, von Iohannes erneut in Dienst genommen worden waren. Sie waren kurz vorher gegen Iohannes gewonnen worden, und zwar durch den Heermeister Ardabur (vgl. n. 1296), der in Iohannes’ Gefangenschaft geraten war. Sie sind namentlich nicht zu fassen. Iohannes’ Amtsträger, die bekannt sind, waren damals nicht in Ravenna. Die Verbesserung uJpostravthgo~ von Valesius ist unnötig und weniger präzise. Es ist lediglich eine Variante zu oiJ ajmf∆ aujtovn. 1109 Vgl. generell Zon. 13, 16, 30: prodoqei;~ de; para; tw`n oijkeivwn. 1110 Amm. 26, 7, 4; 26, 9, 7. 1111 Amm. 26, 9, 4/5. 1112 Amm. 26, 8, 13.

IV.F.1 Allgemeine Überlegungen

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Bei der Regelung des Verhältnisses zu seinen Amtskollegen können von Anfang an schon bei der Auseinandersetzung um die Inbesitznahme eines eigenen Territoriums diplomatische und militärische Maßnahmen eingesetzt werden und sich überschneiden. Bürgerkriegsähnliche Unruhen in größerem Ausmaß sind mit dieser Phase in der Regel aber nicht verbunden. Die Verhandlungen um die Anerkennung seiner Herrschaft durch den legitimen Kaiser und die schließliche militärische Auseinandersetzung bei deren Scheitern bilden dagegen einen eigenen Bereich der Auseinandersetzung. Dazu kam es nur, wenn es dem Usurpator gelungen war, ein Territorium unter seine Kontrolle zu bringen und seine Herrschaft zu organisieren. Das gelang etwa Magnentius, Magnus Maximus, Eugenius und Iohannes. Silvanus hingegen kam 355 nie zum Erwerb eines hinreichend großen Territoriums und zum Aufbau einer eigenen Verwaltung, Nach Iohannes’ Sturz 425 kam es bei den Erhebungen im Westen des Reiches, die nicht von Konstantinopel anerkannt wurden, zu keiner militärischen Intervention mehr, sondern der Kaiser des östlichen Reichsteiles suchte durch diplomatische Mittel die Herrschaft derer, die er im Westen als Usurpatoren betrachtete wie Avitus oder Maiorian, zu destabilisieren. Die einzelnen Etappen müssen also nicht alle bei jeder Usurpation auftreten. Sie greifen oft ineinander über und können nicht immer deutlich voneinander getrennt werden. So wird die entscheidende militärische Auseinandersetzung in der Regel schon während der Verhandlungen um Anerkennung vorbereitet und ausgelöst, wie es z. B. bei Magnentius’ Usurpation zu beobachten ist. Die einzelnen Etappen unterscheiden sich auch durch ihre Dauer und Bedeutung von Usurpation zu Usurpation. Sie zeigen insgesamt sehr deutlich den Unterschied zu einer normalen Übernahme der Herrschaft. An eine wirkliche Sicherung der Herrschaft, auf die die legitimen Kaiser sehr bedacht waren, konnten die Usurpatoren erst nach einer dauerhaften Anerkennung im gesamten Reich denken, die nur Konstantin, Iulian und Marcian zuteil wurde. Die Stellung der anderen blieb auch trotz zeitweiser Anerkennung wie im Fall von Magnus Maximus während ihrer ganzen Amtsdauer prekär. Ihre Sicherung war zugleich auch immer ein ständiger Kampf, um die eigene Position zu verbessern und sich in der Auseinandersetzung mit dem legitimen Herrscher zu behaupten. Die literarischen Quellen berichten von all diesen Vorgängen immer nur sehr selektiv. So wird die Inbesitznahme des Territoriums eher selten erwähnt und kaum je ausführlich geschildert1113, obwohl man sich der Bedeutung durchaus bewußt war1114. Solange es dem Usurpator nicht gelang, sich eines größeren Gebietes zu bemächtigen, blieben die Auswirkungen einer Usurpation begrenzt, auch wenn eine bedeutende militärische Macht dahinter stand wie z. B. bei Silvanus’ Usurpation 355. Seine Herrschaft blieb auf die Germania secunda beschränkt. Die von Con1113 Sie ist auch in den Untersuchungen zu einzelnen Usurpatoren nur selten im Detail behandelt. Zu einer sehr sorgfältigen Erörterung dieses Problems zu Magnentius’ Usurpation vgl. z. B. I. Didu 1977. Regionalgeschichtliche Forschungen werden in Zukunft möglicherweise die Quellenlage verbessern. 1114 Vgl. z. B. Amm. 26, 8, 14.

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

stantius II. befürchteten größeren Auswirkungen traten nicht ein. Die einzelnen Etappen und die dabei auftretenden Probleme müssen daher durch einen Vergleich der überlieferten Erhebungen gewonnen werden. IV.F.2 Die Inbesitznahme des Territoriums Die Inbesitznahme eines Territoriums war ein sehr wichtiger Akt. Wie groß es war und welche Gebiete es schließlich umfaßte, war für die Bedeutung und die Dauer der Herrschaft des Usurpators entscheidend. Nur so kam er in den Besitz hinreichender militärischer und wirtschaftlicher Ressourcen. Bei den letzteren spielte nicht nur die zu erwartenden Steuereinnahmen eine Rolle, sondern auch die finanziellen Mittel des Staates, die über Münzstätten und Edelmetalldepots verteilt waren. Von ihnen mußte der Usurpator möglichst bald Besitz ergreifen1115. Im 1. und 2. Jhd. mußte ein Usurpator von Anfang an darauf bedacht sein, im gesamten Reich Anerkennung zu finden und die Herrschaft übernehmen zu können. Er mußte den amtierenden Kaiser verdrängen. In der Zeit zwischen 337 und 476 verfolgte nur Procopius von Beginn an sicher dieses Ziel1116, denn er wollte die valentinianische Dynastie stürzen. Für alle anderen Prätendenten bis 4761117, die Teilhabe an der Herrschaft zum Ziel hatten, war das Gebiet beschränkt und recht klar vorgegeben, in dem sie diese mit der Aussicht anstreben konnten, die Anerkennung der Amtskollegen zu finden. Diese hing vom Charakter der Erhebung ab, von ihrem Ort, von den Personen, die sie trugen, und von der Verteilung der Herrschaftsgebiete, die zur Zeit der Usurpation im Reich bestand. Von vornherein die Herrschaft im ganzen Reich zu wollen, hätte jede Anerkennung durch die Mitaugusti von Anfang an unmöglich gemacht. Die Situation änderte sich wieder nach 476, als es bei Erhebungen im östlichen Reichsteil um den Gewinn des gesamten Territo­ riums ging. Am klarsten war das Gebiet umschrieben, wenn der Prätendent den vakanten Posten eines Kaisers besetzte wie etwa Iohannes 423 oder Petronius Maximus 455. Er mußte die Übernahme von dessen Herrschaftsgebiet anstreben. 1115 Bei Procops Usurpation ist besonders gut zu erfassen, wie er sich immer weiterer Münzstätten und Schatzdepots bemächtigte (vgl. Lenski 2002, 83). Er konnte zuerst Münze und Schatzdepot in Konstantinopel in seine Hand bringen (Them. or. 7, 12, 91C/D), dann die Münzstätten und Schatzdepots von Heraclea in Thrakien sowie von Nicomedia und Cyzicus in der Provinz Hellespontus und Bithynia. Zum Kampf um Cyzicus vgl. Amm. 26, 8, 6–11. Zum Rückgriff auf Schatzdepots vgl. auch Lact. mort. pers. 29, 5: thesauros invadit (sc. Maximian 310 bei seiner Erhebung gegen Konstantin. Es handelt sich wohl um das von Arles. Vgl. Müller-Rettig 1990, 227.). Zum Problem der Beschaffung der finanziellen Mittel vgl. auch n. 1105, 1106. 1116 Für keinen anderen Usurpator ist dieses Ziel von Anfang an eindeutig belegbar. Der Versuch, es für Attalus anzunehmen, überzeugt nicht (vgl. n. 819). Es zeigt sich immer erst von dem Augenblick an, in dem die Verhandlungen über die Anerkennung des Usurpators durch die Mitherrscher als gescheitert zu betrachten sind. 1117 Firmus bildet dabei insofern eine weitere Ausnahme, weil er weder die Herrschaft im gesamten Reich übernehmen wollte noch die Anerkennung seiner Kollegen suchte.

IV.F.2 Die Inbesitznahme des Territoriums

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Wollte er einen regierenden Augustus verdrängen, war das Ziel auch der Gewinn von dessen Territorium. Dies gilt z. B. für Magnentius 350 oder Magnus Maximus 383. Bei allen anderen Erhebungen, bei denen kein bestimmtes Herrschaftsgebiet vorgegeben war, war die Situation offen und hing von der Entwicklung des Verhältnisses zum Kaiser ab, in dessen Machtbereich die Usurpation stattgefunden hatte. So konnte Constantinus III., der sich im Frühjahr 407 in Britannien erhoben hatte, seine Herrschaft zwar auf Gallien und Spanien ausdehnen, aber nicht nach Italien vorstoßen. Er beanspruchte auch nicht von vornherein den gesamten westlichen Reichsteil, sondern suchte eine Übereinkunft mit Honorius. Erstrebt werden mußte wenigstens der Gewinn eines Territoriums, das eine hinreichende Machtgrundlage bildete. Ob der Usurpator sein Ziel erreichte, hing davon ab, welchen Widerstand er vorfand und welche Gruppen er für sich gewinnen konnte. Selbstverständlich war im Unterschied zu einem legitim erhobenen Kaiser die Übernahme des Territoriums nicht. Gesetzmäßigkeiten lassen sich in keinem Fall erkennen, aber einzelne Regeln gelten. Wenn der Usurpator nach dem Tod eines Herrschers die verwaiste Stellung einfach übernahm und nicht die Erhebung eines neuen Mitkaisers durch den noch regierenden Augustus abwartete, unterstellten sich ihm die Gebiete, die von seinem Vorgänger kontrolliert worden waren, und zwar mehrheitlich ohne zu zögern. Dies gilt aber nicht für die Territorien, die von Personen beherrscht wurden, die eine solche Erhebung nicht unterstützten, oder in denen sich sonst Widerstand bemerkbar machte. Dies ist etwa der Fall bei Iohannes’ Usurpation 423. Africa kam nicht unter seine Kontrolle, weil Bonifatius, der comes Africae, sich ihm nicht anschloß, und Gallien konnte er nicht völlig für sich sichern1118. Stürzte der Usurpator einen regierenden Augustus und konnte er sich sofort oder recht bald dessen comitatus bemächtigen, so hatte er gute Aussichten, auch dessen Territorium weitgehend in seinen Besitz zu bringen. Es gelang allerdings keinem Prätendenten gänzlich. Widerstand dagegen war besonders in entfernteren Gebieten erfolgreich und in solchen, die von besonderer Bedeutung waren wie Afri­ca und Illyrien. Konnte sich der Usurpator sofort des comitatus bemächtigen und den Herrscher stürzen, wie es bei Magnentius’ Usurpation am 18.1.350 geschah, kamen große Teile des Herrschaftsbereiches gleich in seine Hand. Magnentius kontrollierte offenbar von Anfang an große Teile Galliens, denn der gestürzte Constans hatte keine andere Wahl als von Autun nach Süden zu fliehen1119. Bei der Übernahme der Herrschaft in Gallien war von besonderer Bedeutung, daß Titianus, der PPO Galliens unter Constans, auf Magnentius’ Seite trat. Der Rest der westlichen Reichshälfte fiel diesem erst nach der Entsendung von Gesandtschaften und Beamten in die 1118 PLRE 2, 237–240 s. v. Bonifatius 3; zu Africa unter Iohannes vgl. 238; Stickler 2002, 27–29 läßt anders als die PLRE Bonifatius’ Stellung in Africa noch durch Honorius legitimieren. Die PLRE nimmt eine Legitimierung durch Theodosius II. an. Zu Iohannes’ Problemen in Gallien vgl. Pawlak 2003, 137. 1119 Vgl. Szidat 2003, 208/209.

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

Hände, und zwar unterschiedlich rasch. Zu Kämpfen kam es dabei aber nicht1120. Magnentius’ Herrschaft war dabei nicht überall in gleicher Weise unangefochten wie in Gallien. So war die Loyalität des römischen Senates und eines Teiles der Stadtbevölkerung nicht von Dauer, wie Nepotianus’ Usurpation im Juni 350 zeigt. Die Inbesitznahme Illyriens, das auch zu Constans’ Gebiet gehört hatte, gelang Magnentius nie1121. Eines großen Teils des comitatus bemächtigen konnte sich auch Magnus Maximus, allerdings erst nach seinem Sieg über Gratian bei Paris im Sommer 383. Er übernahm danach ohne Schwierigkeiten die Herrschaft über die gallische Präfektur. Keine Stadt war mehr bereit, den nach Süden flüchtenden Gratian aufzunehmen1122. Der Zugriff auf Italien und Africa blieb Maximus allerdings vorerst verwehrt, weil hier mit Valentinian II., der bis zu Gratians Sturz nur nomineller Augustus war, ein eigener Herrscher vorhanden war, um den sich die verbliebenen Amtsinhaber und Maximus’ Gegner scharen konnten. Maximus beschränkte sich dann solange auf die gallische Praefektur, wie ihm eine Einigung mit Theodosius möglich schien. Erst als diese endgültig scheiterte, marschierte er im Frühsommer 387 in Italien ein. Eine ähnliche Etappierung läßt sich bei Iulian beobachten. Nachdem er sich im Februar 360 zum Augustus hatte ausrufen lassen, beschränkte er sich weiterhin auf die gallische Praefektur, die er schon als Caesar regiert hatte. Als eine Einigung mit Constantius II. nicht zustande kam, fiel er im Frühjahr 361 in dessen Herrschaftsgebiet ein und bemächtigte sich in einem überraschenden Vorstoß Italiens und Illyriens bis zum Paß von Succi, ohne allerdings die Gebiete sicher unter seine Kontrolle bringen zu können, wie der Aufstand in Aquileia und die abweisende Haltung des Senates erkennen lassen. Dieser verweigerte ihm die Anerkennung als Augustus. War es einem Usurpator nicht möglich oder von ihm nicht beabsichtigt, einen regierenden Kaiser zu entmachten, sich dessen comitatus zu bemächtigen und an dessen Stelle zu treten, entwickeln sich ganz verschiedene Situationen. Sie lassen sich besonders im Raum der gallischen Praefektur beobachten. Weil es nie zu einer länger dauernden Anerkennung eines solchen Prätendenten kam, ist die tatsächliche Durchdringung und Ausgestaltung eines solchen Herrschaftsraumes häufig nicht gut faßbar. Im 4. Jhd. gelang dem Heermeister Silvanus nicht, im Raum der gallischen Praefektur ein hinreichend großes Territorium unter seine Kontrolle zu bringen. Grund dafür war sicher die kurze Dauer seiner Herrschaft. Es wäre nötig gewesen, die zivile Verwaltung Galliens zu gewinnen. Im 5. Jhd. gelang es von den Usurpatoren, die sich in Britannien erhoben, nur Constantinus III. die gallische Praefektur in seine Hand zu bringen. In Spanien blieb aber seine Herrschaft prekär und ging durch den Abfall des Heermeisters Gerontius, der seinen domesticus Ma1120 Zu den Einzelheiten vgl. Szidat 2003, 210/211, 327/328. 1121 Magnentius suchte allerdings seinen Einfluß in das Gebiet Illyriens auszudehnen. Dieser ist bis Carnuntum nachzuweisen, ohne daß sich jedoch sein Charakter fassen läßt (vgl. Szidat 2003, 213, 328). 1122 Vgl. Hier. ep. 60, 15: Gratianus ab exercitu suo proditus et ab obviis urbibus non receptus ludibrio hosti fuit.

IV.F.2 Die Inbesitznahme des Territoriums

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ximus zum Augustus erheben ließ, schließlich bald wieder verloren1123. Iovinus, der sich im Gebiet von Mainz auf den Thron schwang, konnte nur einen kleinen Teil Galliens unter seine Kontrolle bringen. Beide konnten aber eine zivile Verwaltung aufbauen1124. Bei Erhebungen im Gebiet der gallischen Praefektur war es notwendig, den Besitz Italiens, besonders der Poebene anzustreben, wenn sich dort ein Herrscher halten konnte, der nicht zur Anerkennung des Usurpators und zur Zusammenarbeit mit diesem bereit war. Die wenigen Usurpationen im Reichsosten, bei denen es aber niemals um Teilhabe an der Herrschaft innerhalb des östlichen Reichsteiles ging, lassen erkennen, daß der Besitz Konstantinopels entscheidend ist. Ohne ihn war die Position des legitimen Kaisers nicht wirklich zu bedrohen. Die Hauptstadt verkörperte den östlichen Reichsteil. Hier residierte der Kaiser. Dies gilt auch für einen Usurpator. Procopius, der Valens stürzen wollte, beherrschte nach seiner Erhebung praktisch nur Konstantinopel. Er suchte auf Valens’ Kosten sein Gebiet Schritt für Schritt zu erweitern und konnte damit Valens in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Er setzte dazu politische und militärische Mittel ein1125. Ohne den sicheren Besitz Konstantinopels hätte er sich nicht so lange und erfolgreich gegen Valens behaupten können. Das gleiche gilt für Basiliscus. Er konnte im Januar 475 die Herrschaft in Konstantinopel übernehmen, aber Zenons nicht habhaft werden, weil dieser fliehen und sich nach Isaurien zurückziehen konnte, wo er herkam und wo er seine Machtbasis hatte. Basiliscus konnte sich bis zum August 476 in Konstantinopel halten1126. Leontius dagegen blieb erfolglos. Er ließ sich am 19. Juli 484 bei Tarsus durch die Augusta Verina erheben1127. Er beherrschte das Gebiet zwischen Tarsus und Antiochia. Er konnte es nicht weiter ausdehnen und sich gegen Zenon nicht durchsetzen. Er wurde schon im September 484 geschlagen und floh nach dem Kastell 1123 Vgl. n. 1529. 1124 Zu Amtsträgern Constantinus’ III. vgl. Delmaire 1997, 124. Zu denen des Usurpators Iovinus vgl. n. 1238. Zu Iovinus’ Territorium vgl. Seibel 2006, 168. Nach ihr erstreckte sich das von Iovinus beherrschte Territorium zunächst nur auf die Gebiete entlang der Heerstraße von Köln nach Arles. Dies ist daraus zu schließen, daß nachweislich Trier, Lyon, Valence und Arles von ihm kontrolliert wurden. Den Kernbereich dürften die Provinzen Narbonensis, Viennensis und Lugdunensis I gebildet haben. Valence war seine Residenz. Möglicherweise gehörten auch die Aquitania I sowie die Novempopulana zu seinem Herrschaftsbereich. Dies ist aber nicht zu belegen. Zudem können die beiden Germanien und die Belgica I, die durch Iovinus’ germanische Verbündete beherrscht wurden, auch zu seinem Herrschaftsbereich gezählt werden. Der Umstand, daß der gegenüber Honorius loyale PPO Dardanus sich weiterhin in Gallien halten konnte, zeigt, daß die Region nicht gänzlich von Iovinus kontrolliert werden konnte. Sicher außerhalb der Einflußsphäre des Usurpators Iovinus lagen die Provinzen Nordwestgalliens sowie Spanien und Britannien. 1125 Procops Auseinandersetzung mit Valens ist gut überliefert (vgl. besonders Amm. 26, 7–9). Hier wird um das Territorium mit politischen (vgl. Illyrien), aber auch militärischen Mitteln gerungen und beim Kampf um einzelne Städten kann man durchaus von bürgerkriegsähnlichen Vorgängen sprechen. 1126 Lippold 1972, 175. 1127 Vgl. n. 1020.

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

Papyrius in Isaurien, wo er nach vier Jahren Belagerung 488 verraten, gefangen und enthauptet wurde. Der Gewinn eines Territoriums garantierte keineswegs dessen sichere und dauerhafte Beherrschung. Der Usurpator mußte immer damit rechnen, daß man ihm die Gefolgschaft aufsagte, auch ohne daß sich seine Stellung wesentlich verändert hatte. Hier spielte die Einschätzung seiner Erfolgsaussichten eine wesentliche Rolle, aber auch, ob man seine Legitimation als hinreichend ansah. IV.F.3 Zwei Territorien von besonderer Bedeutung: Africa und Illyrien In der Auseinandersetzung um das Territorium mit dem Mitherrscher vor der eigentlichen Konfrontation spielten zwei Gebiete für die Usurpatoren wie für den Kaiser eine besondere Rolle, nämlich Africa und Illyrien. Von Africa aus konnte Italien bedroht werden, konnte die Kornversorgung Roms und in geringerem Maße auch Konstantinopels gefährdet werden, und es bot sich die Möglichkeit, über Libyen nach Ägypten vorzustoßen. Umgekehrt konnte man auch von Ägypten nach Africa gelangen. Africa spielte daher für die Kaiser und für alle Usurpatoren, die die Herrschaft im westlichen Reichsteil erlangt hatten, eine zentrale Rolle1128. Magnentius konnte sich Africas bemächtigen und bedrohte von dort her auch Ägypten1129, Iulian konnte sich Africas nicht bemächtigen und konnte von dort bedroht werden. Constantius II. war sich der Bedeutung Africas bei seiner Auseinandersetzung mit Iulian bewußt und sicherte es besonders1130. Valentinian I. ließ Africa gegen einen möglichen Vorstoß Procops sichern1131. Am Ende des 4. Jhd., d. h. von 385–398, stand Africa unter dem Kommando von Gildo, der aber vom Hof nicht völlig kontrolliert wurde. Gildo, ein Bruder des Rebellen Firmus, hatte Theodosius d. Ä. geholfen, diesen zu stürzen und danach die kaiserliche Autorität in Africa wiederherzustellen1132. Als Maximus sich aber 387 Italiens bemächtigt hatte, hatte Gildo diesen in Africa anerkannt und ihm weiter Getreide wie vorher Valentinianus II. zukommen lassen1133. Ein Papyrus vom 14.6.388 zeigt, daß Theodosius I. bei der militärischen Auseinandersetzung mit Maximus daran dachte, von Ägypten aus Africa anzugreifen, um Maximus’ Herr-

1128 Dies war auch den antiken Autoren bewußt. Vgl. Amm. 21, 7, 2: Africa … ad omnes casus principibus opportuna. Zu den Usurpationen und Rebellionen in Africa zwischen L. Domitius Alexander und Heraclianus vgl. die umfassende Bibliographie bei Gaggero 1998, 1521–1523 in den Anmerkungen. 1129 Zu einem möglichen Angriff des Usurpators Magnentius auf die Cyrenaica vgl. Athan. Ap. Const. 9; Soc. 2, 25, 8. 1130 Amm. 21, 7, 2–6. Vgl. Szidat 1996, 63–67 1131 Amm. 26, 5, 14. Vgl. Szidat 1996, 64–66. 1132 Amm. 29, 5, 6.21.24. 1133 Paneg. 12, 38, 2: peto Africam quam exhausi (sc. Maximus). Zur Stelle vgl. Romanelli 1959, 607/608. Zur Anerkennung von Maximus als Herrscher in Africa vom Sommer 387 an vgl. generell Salama 1987a, 8, 86/87.

IV.F.3 Zwei Territorien von besonderer Bedeutung: Africa und Illyrien

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schaft zu bedrohen1134. Der Papyrus läßt deutlich erkennen, daß Truppenverschiebungen von Aegypten nach Africa möglich waren und vorgenommen wurden1135. Nach dem Sieg über den Usurpator vergab Theodosius I. Gildo und verheiratete dessen Tochter Salvina mit Nebridius, dem Neffen der Kaiserin Flaccilla, um sie als Geisel für die Loyalität ihres Vaters zu gebrauchen und Africa auf seiner Seite zu halten1136. Eugenius bekam Africa nicht in seinen Besitz1137. Gildo wandte sich 397 dem Ostreich zu. 398 wurde er vom Westreich aus beseitigt. Den Schwierigkeiten mit ihm folgten die mit Heraclian, der von 408–413 comes Africae war und Anfang 413 der Zentrale in Ravenna den Gehorsam aufsagte, als sich die Machtverhältnisse dort nach Olympius’ Sturz zu seinen Ungunsten geändert hatten und er seine Entfernung aus dem Amt fürchten mußte1138. 422 übernahm Bonifatius, ohne dazu berechtigt zu sein, die Macht in Africa. Seine Stellung wurde nach Honorius’ Tod im August 423 wahrscheinlich durch Theodosius legitimiert. Dem Usurpator Iohannes gelang es nicht, Africa unter seine Kontrolle zu bringen1139. Die Gründe für die oft mangelnde Loyalität Africas liegen offensichtlich in den Möglichkeiten, die es aufgrund seiner Bedeutung für Rom und Italien bot, aber auch im Vorhandensein der Donatisten, die sich als politische Kraft verwenden liessen, die mit der kaiserlichen Zentrale nichts im Sinn hatte. Ab 429 kam Africa unter die Herrschaft der Vandalen, die von dort aus dem westlichen Kaisertum ständig Schwierigkeiten bereiten konnten. Sie spielten eine entscheidende Rolle in der Geschichte des Westreiches. Von ähnlicher Bedeutung in der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator war Illyrien, das aus den Diözesen Pannonia, Dacia und Macedonia gebildet wurde, als Durchgangsgebiet zwischen Ost- und Westreich und damit als 1134 Vgl. L. Mitteis, Griechische Urkunden der Papyrussammlung zu Leipzig, Leipzig 1906, 1, Nr. 63, 197–200, dort 199 (P. Lips. 63). Theodosius hielt sich damals in Stobi auf, wie Cod. Theod. 16, 5, 15 zeigt. Ein Angriff auf Maximus’ Gebiet auch von Aegypten aus entspricht der von Pacatus geschilderten Strategie, Maximus’ Herrschaft im Westen von drei verschiedenen Seiten zu bedrohen, nämlich zu Lande durch einen Vormarsch auf dem Balkan und gegen Africa sowie zur See mit einem Vorstoß über die Adria (vgl. Paneg. 12, 32, 3: tunc copias tuas trifariam dividis [sc. Theodosius I.]). 1135 Man vgl. auch den Versuch von Soldaten, die Maxentius kritisch gesinnt waren, von Africa über Libyen nach Alexandria auszuweichen (Zos. 2, 12, 1; Paschoud 200, 213–215) oder den Angriff von 468 auf die Vandalen unter anderem von Ägypten aus (Seeck 6, 366). 1136 Hier. ep. 79, 2: ita carus fuit (sc. Nebridius dem Kaiser Theodosius) ut ei coniugem nobilissi­ mam quaereret, et bellis civilibus Africam dissidentem hac velut obside sibi fidam redderet. Zu Salvina als Gildos Tochter vgl. Hier. ep. 123, 17. Die Hochzeit ist nicht genau zu datieren. Vgl. Romanelli 1959, 607/608; Gaggero 1998, 1527/1528. 1137 Zu Africa während Eugenius’ Usurpation gibt es drei verschiedene Positionen, nämlich daß es Eugenius unterstand (vgl. etwa Matthews 1970, 70), zwischen beiden Seiten lavierte (Gaggero 1998, 1530–1532) oder auf Theodosius’ Seite blieb (vgl. etwa Vera 1983, 55–57). Diese dritte Position ist durch Coşkun 2002 weiter überzeugend begründet worden und wird hier vertreten. Gaggero 1998 passim zeigt die Bedeutung Gildos in Africa während der Usurpationen von Maximus und besonders von Eugenius. Vgl. auch Romanelli 1959, 601–624. 1138 Zu einer Aufzählung der Persönlichkeiten, mit denen in Africa aus welchen Gründen auch immer die Zentrale Schwierigkeiten hatte, vgl. Demandt 1980, 633/634. 1139 Vgl. Pawlak 2003, 137 und etwa Prosp. Tiro s. a. 424 = Chron. min. 1, 470.

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

Aufmarschgebiet sowie als Stationierungsort wichtiger Truppenverbände. Wer im 4. Jhd. als Usurpator im Westen Illyrien nicht in seine Hand bekam, verfügte über weniger Truppen. Dies wird deutlich bei Magnentius’ Usurpation. Die Inbesitznahme Illyriens, das auch zu Constans’ Herrschaftsbereich gehört hatte, gelang Mag­nentius nie, weil sich der PPO Vulcacius Rufinus und der Heermeister Vetranio, die sich beide in Illyrien befanden1140, seiner Erhebung nicht anschlossen. Ihm fehlten so die in Illyrien stationierten Truppen, und damit war seine spätere Niederlage gegen Constantius II. vorbereitet. Iulian konnte sich 361 in einem raschen Vorstoß Illyriens bemächtigen1141. Während Eugenius’ Usurpation wurde Illyrien vom Westen wie vom Osten beansprucht. Wahrscheinlich blieb die Diözese Pannonia vorerst beim Westen, während Dacia und Macedonia unter der Herrschaft von Theodosius standen1142. Auch für einen Usurpator im Osten war Illyrien wichtig. Procopius scheiterte unter anderem auch daran, daß er sich Illyriens nicht bemächtigen konnte1143. Auch im 5. Jhd. nach der Teilung Illyriens spielte der Besitz des westlichen Teiles für Usurpatoren eine wichtige Rolle. Iohannes konnte es nicht gänzlich kon­ trollieren. Theodosius II. konnte Salona in Dalmatien besetzen und von dort Truppen nach Italien übersetzen lassen. Nach der Sezession Dalmatiens 454 spielte dieses unter Marcellinus eine wichtige Rolle für die Politik des westlichen Reichsteiles1144. IV.F.4 Die Legitimierung der Herrschaft gegenüber den Untertanen Damit der Usurpator Zustimmung zu seiner Herrschaft, den nötigen Gehorsam und ihm loyale Beamte findet sowie ein Territorium gewinnen kann, muß die Übernahme der Macht durch ihn so legitimiert sein, daß ihm die Anerkennung der entscheidenden Gruppen zuteil wird. Als Kaiser anerkannt zu werden ist das Hauptproblem jedes Usurpators. Nur so konnte er regieren und Loyalität und Gehorsam erreichen. Militärische Macht kann Legitimation niemals ersetzen. Sehr wichtig, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Instanz, die seine Erhebung unterstützt und ihn dazu vorgeschlagen hat. Dabei ist die Führungsgruppe von besonderer Bedeutung, weil sie auch bei der Erhebung eines als legitim geltenden Kaisers diese Rolle wahrnimmt, wenn kein Augustus mehr im Reich vorhanden ist. Sie kann dabei auch durch eine Reihe wichtiger Persönlichkeiten repräsentiert sein, 1140 Zu Vulcacius Rufinus vgl. PLRE 1, 782/783 s. v. Vulcacius Rufinus 25. Zum Charakter seiner Praefektur vgl. Migl 1994, 116. Er geht von einem Zusammenwirken mit Vetranio aus. Zu Vetranio vgl. PLRE 1, 954 s. v. Vetranio 1. Für Vulcacius Rufinus’ Aufenthalt in Illyrien spricht unter anderem auch, daß ihn Vetranio im Sept./Okt. 350 im Rahmen einer gemeinsamen Delegation, an der auch zwei Vertreter des Usurpators Magnentius beteiligt waren, als Gesandten zu Constantius II. schickte. Er wurde als einziger nicht gefangengesetzt. Vgl. Szidat 2003, 329. 1141 Amm. 21, 5 sqq. Vgl. Szidat 1996, 40/41 u. passim. 1142 Vgl. dazu Kulikowski 2000, 337. 1143 Amm. 26, 7, 12. 1144 Vgl. Olymp. fr. 43, 2 Blockley = Philost. 12, 13/14; Soc. 7, 23, 1/2; zu Marcellinus’ Rolle vgl. Henning 1999, 278–282.

IV.F.5 Die Vortäuschung der Anerkennung durch die Amtskollegen

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denn wer zu ihr gehört, liegt ja ohnehin nicht fest. Daneben kommen der Senat, einzelne Kaiserinnen (Augustae), einflußreiche Generäle wie Rikimer oder barbarische Führer wie Gunderich, der König der asdingischen Vandalen, in Frage. Eine Ausnahme bildete Avitus’ Erhebung, die durch die gallische Aristokratie getragen wurde1145. Er war deren Kandidat, aber nicht nur für Gallien, sondern den westlichen Reichsteil insgesamt. Den Anspruch auf die Legitimität der Herrschaft unterstreichen eine Reihe weiterer formaler und politischer Elemente, die von unterschiedlicher Bedeutung und leichter zu erfüllen sind als die Zustimmung von Personen und Gruppen zu haben, die über ein entsprechendes institutionelles und politisches Gewicht verfügen. Ein sehr wesentliches formales Element ist dabei eine geordnet abgelaufene Erhebung. Sie läßt den Anspruch auf den Thron deutlich erkennen. Ebenso kann der Usurpator seine Zugehörigkeit zur regierenden Dynastie unterstreichen, sein besseres Recht auf die Herrschaft betonen oder bei einem Wechsel der Dynastie die Herrschaft der neuen in Frage stellen. Sich damit politisch zu legitimieren versuchte während der Mehrkaiserherrschaft nur Procopius. Der Usurpator kann auch generell das Recht des regierenden Kaisers auf die weitere Ausübung der Herrschaft bestreiten1146. IV.F.5 Die Vortäuschung der Anerkennung durch die Amtskollegen Ein sehr häufig verwendetes und sehr wesentliches Element, um sich gegenüber der Bevölkerung im angestrebten Herrschaftsraum zu legitimieren, war die Vortäuschung der Anerkennung durch die Kollegen im Amt1147, so lange diese nicht tatsächlich erfolgte, was eine Ausnahme blieb. Die Anerkennung wurde als so wesentlich für die Ausübung der Herrschaft angesehen, daß die Usurpatoren sie gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung vorgaben, so lange bis der Bruch nicht mehr zu verbergen war. Die Eintracht (concordia, concordes) mit dem Kollegen nicht vorzugeben bedeutete den öffentlichen Verzicht auf eine friedliche Übereinkunft mit ihm und zeigte ein so weitgehendes Zerwürfnis an, daß eine Auseinandersetzung unmittelbar bevorstand. Wurden die Anerkennung und eine gewisse Zusammenarbeit von vornherein nicht gesucht wie im Fall des Usurpators Procopius, ist dies ein deutliches Zeichen dafür, daß die Übernahme der Herrschaft im gesamten Reich angestrebt wurde. Die Vortäuschung der Anerkennung wurde selbstverständlich nicht mit der Perfektion moderner Verwaltungen durchgeführt. Sie blieb nicht ohne Einfluß auf die spätere Überlieferung historischen Charakters, die nicht selten von einer Anerkennung durch den Mitherrscher spricht, obwohl sie sicher nicht stattgefunden hatte1148. 1145 Vgl. S. 257. 1146 Vgl. z. B. Amm. 26, 7, 16 zu Procopius. Zur Erklärung Verinas zugunsten von Leontius gegen Zenons bisherige Amtsführung vgl. den Beleg unter n. 1208. 1147 Eine Zusammenstellung der Belege fehlt. Man wird davon ausgehen können, daß sie jedesmal erfolgte, wenn ein Usurpator sich für längere Zeit auf dem Thron etablieren konnte. 1148 Vgl. etwa die Überlieferung in den Chroniken über Avitus’ und Maiorianus’ Verhältnis zum Kaiser in Konstantinopel, die teilweise der Selbstdarstellung beider Kaiser ihren Untertanen

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

So darf die Mitteilung des Chronisten Marcellinus, daß Maiorianus mit dem Einverständnis Leos I. erhoben worden sei1149, in Anbetracht der sonst dafür fehlenden Zeugnisse nicht beim Wort genommen werden. Sie wird damit zu erklären sein, daß Maiorian seine Anerkennung durch Leo vorgab und der Chronist dies überlieferte. Marcellinus’ Nachricht kann nämlich auf eine westliche Tradition zurückgehen, denn er verwendete die Consularia Italica1150, die wiederum auf Maiorianus’ Selbstdarstellung zurückgegriffen haben könnten, wie sie sich etwa bei Sidonius Apollinaris findet1151. Für Avitus ist die Situation ganz eindeutig. Der Chronist Hydatius erweckt zwar den Eindruck, daß Avitus von Marcian anerkannt wurde, wenn er davon spricht, daß beide einträchtig (concordes) regierten1152. Er folgt dabei offensichtlich Avitus’ Selbstdarstellung. Alle östlichen Quellen machen aber deutlich, daß Marcian Avitus niemals anerkannte. Wenn der Usurpator sich mit dem oder den Kollegen in einem offiziellen Dokument zusammen nennt, wird es in der Forschung fast ausschließlich als Signal dafür gewertet, daß er jenem gegenüber deutlich werden läßt, dessen Herrschaftsbereich anzuerkennen und zu respektieren1153. Diese Annahme gilt nur für die Dokumente, die mit Sicherheit zur Kenntnis seiner Kollegen gelangen konnten. Für die Mehrheit trifft dies nicht zu. Inschriften z. B. im Herrschaftsbereich des Usurpators, auf denen der Kollege im Amt genannt wird, gelangten sicher nicht zu dessen Kenntnis. Ebenso ist die Münzprägung im Namen des Mitherrschers nicht in erster Linie ein Signal für diesen, sondern für die eigene Bevölkerung. Sie vor allem kam in den Besitz dieser Münzen durch Lohnzahlungen und Donative. gegenüber folgt. Die Eintragungen in den Chroniken sind vielfachen Beeinflussungen ausgesetzt und nicht ohne weiteres als objektiv zu bewerten. Vgl. n. 1152. 1149 Marcell. com. s. a. 457 = Chron. min. 2, 87: Cuius (sc. Leo) voluntate Maiorianus aput Ra­ vennam Caesar est ordinatus. Zu den Belegen im Westen in den Fasti für ein gemeinsames Konsulat Maiorians und Leos 458 vgl. Bagnall 1987, 450. Ab 459 scheint die Anerkennung der westlichen consules im östlichen Reichsteil nach Bagnall teilweise vorhanden, ist aber nicht völlig sicher (vgl. auch Camilli 1997, 488). Im Osten fehlt vor allem ein sicherer inschriftlicher Beleg oder eine Eintragung in einem Papyrus. Zum Verhältnis von Leo I. und Maiorian vgl. auch Henning 1999, 197, 198. Maiorian ließ im Westen offiziell die Version von seiner Anerkennung durch Leo verbreiten. Man vgl. Sidon. carm. 5, 385–387: … postquam ordine vobis / ordo omnis regnum dederat, plebs, curia, miles / et collega (sc. Leo) simul. 1150 Vgl. Chron. min. 2, 46; 1, 252. 1151 Auch Croke 2001, 189 schließt den Gebrauch einer italischen Quelle generell nicht aus, auch wenn er ihm kritisch gegenübersteht. Stein 1959, 596 (dt. 554) n. 1 dagegen glaubt ohne nähere Begründung, daß die Nachricht östlicher Herkunft sei. 1152 Hyd. Lem. 169 = 162 Burgess = Chron. min. 2, 28: Marcianus et Avitus concordes principatu Romani utuntur imperii. Hydatius überliefert als einziger Chronist diese Nachricht (Muhlberger 1990, 233). Zu Avitus’ Selbstdarstellung vgl. CIL 6, 41405 und dazu n. 1157. 1153 Grünewald 1988, 247 spricht etwa von einer „Propaganda der Verständigungsbereitschaft“. Vgl. aber etwa zu Avitus und der Frage seiner Anerkennung durch Marcian schon Stein 1959, 594 n. 22, der von einer Propagandalüge des Usurpators Avitus spricht. Ähnlich als Vermutung auch Henning 1999, 195.

IV.F.5 Die Vortäuschung der Anerkennung durch die Amtskollegen

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Die Mittel, um die Anerkennung vorzugeben, waren sehr verschieden, wie allein schon die Überreste aus nicht vergänglichem Material, die uns erhalten sind, zeigen1154. So setzten die Usurpatoren Inschriften, auf denen sie sich zusammen mit dem Mitherrschern nannten. Magnentius etwa täuschte auf diese Weise die Anerkennung durch Constantius II. vor. Auf afrikanischen Inschriften ließ er nur Constans’ Namen durch seinen ersetzen, der Constantius’ II. wurde nicht entfernt1155. Eugenius nennt auf seinen Inschriften neben sich Theodosius und Arcadius, und zwar auch noch nach seinem Einmarsch in Italien im Frühjahr 3931156. Avitus wird auf einer Inschrift auf dem Forum Romanum1157 zusammen mit Marcian genannt. Die Inschrift, die offenbar 456 vom PVR Vettius Iunius Valentinus gesetzt und Marcian und Avitus gewidmet wurde, hat zweifellos offiziellen Charakter und dokumentiert gegenüber dem Publikum, daß Avitus Marcians Vorrang und seine Herrschaft anerkennt. Die Betrachter sollten selbstverständlich annehmen, daß Marcian Avitus als Kollegen akzeptiert hat. Auch Inschriften, die keinen offiziellen oder offiziösen Charakter haben wie z. B. Grabinschriften, können als Beleg für die Vortäuschung der Anerkennung dienen. Wenn z. B. Constantinus III. auf einem Grabstein aus Trier aus dem Jahre 409 als Konsul zusammen mit Honorius genannt wird1158, so zeigt dies deutlich, daß er in seinem Machtbereich zusammen mit dem Kaiser genannt werden wollte. Weil außerhalb seines Machtbereiches der gemeinsame Konsulat mit Honorius nicht erwähnt wird, wird ganz deutlich, daß es sich um eine einseitige Maßnahme Constantinus’ III. handelt. Die Prätendenten prägten Münzen auch für ihre Mitherrscher. Diese zirkulierten vorwiegend in ihrem Herrschaftsbereich. Sie konnten etwa auch als Donative vergeben werden. Der Name des Usurpators erschien auch auf anderen Dokumenten offiziellen Charakters zusammen mit dem seiner Kollegen1159. 1154 Ob die Anerkennung auch durch die gemeinsame Aufstellung der Bilder vorgetäuscht wurde, ist in der Überlieferung offensichtlich nicht faßbar, aber selbstverständlich vorauszusetzen. 1155 Vgl. Salama 1987a, 111 u. passim. Magnentius’ Vorgehen ist sehr gut erkennbar auf dem Forum in Mustis (Salama 1987b, 205 = ILTun. 1557). In der Mauretania Caesariensis gibt es 6 Meilensteine (Salama 1987b, 205), auf denen Magnentius, der die Stelle des eradierten Constans einnimmt, zusammen mit Constantius II. genannt ist. Die Erasion fand nicht systematisch statt (vgl. Salama 1987b, 212/213). So blieb bisweilen Constans’ Name, aber ohne Hinzufügung von Magnentius’ Namen, oder er wurde eradiert, aber nicht ersetzt. Nach dem Fall des Usurpators 353 wurden Magnentius’ und Decentius’ Namen nur auf dem Forum in Mustis beseitigt, sonst blieben ihre Namen und ihre Meilensteine erhalten. 1156 Vgl. CIL 13, 8262 = ILS 790 (Köln); CIL 19, 1693 = ILS 791 (Pozzuoli); AE 1948, 127 (Ostia). Honorius, der am 23. Jan. 393 in Konstantinopel zum Augustus erhoben wurde, wird aber nicht als weiterer Augustus genannt. Epigraphische Quellen in Italien datieren ab Mitte April 393 nach Theodosius’ und Eugenius’ Konsulat. Der Einmarsch fand vor dem 14.4.393 statt. Vgl. ICUR N. S. 1, 1449 und dazu Seeck 5, 246 mit 540. 1157 CIL 6, 41405; Henning 1996. 1158 IG 14, 2595 = Rec. Inscr. Chrét. Gaule 1, 93 (12.7.409): Honorius VIII, Constantinus I. Der Beleg für diesen Konsulat ist singulär. Vgl. auch Kulikowski 2000, 337. 1159 Zu Münzprägungen für die Mitherrscher vgl. man etwa Magnentius’ Prägungen für Constantius II. oder Eugenius’ für Theodosius. Etwa im Mai 458 ließ Maiorian solidi prägen, deren

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

Statt der Anerkennung durch Valentinian I. täuschte Procopius, der die Alleinherrschaft anstrebte, dessen Tod vor, indem er die Nachricht davon verbreiten ließ1160. Zudem gab er seinen Untertanen gegenüber vor, auch in den anderen Gebieten des Reiches als Kaiser die Herrschaft übernommen zu haben. So ließ er fiktive Gesandtschaften aus allen Teilen des Reiches auftreten und brachte sogar Münzen in Umlauf, die seine Anerkennung als Kaiser im Westen des Reiches belegen sollten1161. Die Vortäuschung der Anerkennung kann aufgegeben werden, wenn es schließlich zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Usurpator und Kaiser kam. So setzte Maximus nach der Eroberung Italiens und der Vertreibung Valentinians II. im Sommer 387 keine Inschriften mehr, auf denen er sich zusammen mit diesem oder Theodosius nannte, sondern nur noch solche mit seinem und dem Namen seines Sohnes Victor. Ebenso stellte er die Bronzeprägung für Theodosius ein1162. Ungewiß bleibt, welche Gruppen der Bevölkerung dieser Vortäuschung Glauben schenkten. Die Quellen geben darüber keine Auskunft, weil selbstverständlich diese Politik des Usurpators eine Vorgabe bildete, die zu befolgen war. Die Datierung etwa auf Inschriften durch die Konsuln hatte sich selbstverständlich nach denen zu richten, die im Machtbereich des Usurpators als solche betrachtet wurden. Einen Hinweis gibt aber die Überlieferungslage bei den Chroniken, die auch nach dem Ende der Herrschaft eines Prätendenten die Vortäuschung der Anerkennung als Tatsache überliefern, auch wenn jene nie tatsächlich erfolgte. Dies zeigt, daß auch die gebildeten und besser informierten Gruppen der Bevölkerung dem Usurpator Glauben schenkten oder seiner Darstellung aus Überzeugung folgten, auch wenn sie es besser wissen konnten. IV.F.6 Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen Die Personengruppen, die für die Anerkennung der Herrschaft eines Usurpators gewonnen werden, entscheiden über den weiteren Verlauf und Erfolg einer Erhebung und über die dafür notwendige Gewinnung eines eigenen Territoriums. Unsere Quellen unterscheiden in der Regel wie bei der Erhebung eines Kaisers nicht Revers ihn und Leo gemeinsam als amtierende Konsuln zeigen (vgl. Kent 1994, 184 sq., 399 Nr. 2601–2603). Marcian, der zu Anfang seiner Regierung keine Anerkennung im Westen durch Valentinian III. fand, schlug von Beginn an für diesen Münzen (vgl. Kent 1994, 96). Zu anderen Dokumenten vgl. ILS 810 und 811 = CIL 15, 7107 u. 7108 aus dem Westen des Reiches, auf denen Maiorianus zusammen mit Leo genannt wird. Es handelt sich um exagia, also um Dokumente mit offiziellem Charakter. Zu exagia im 5. Jhd. vgl. Kent 1994, 8–11. 1160 Vgl. Amm. 26, 7, 3: Procopius läßt die Nachricht vom Tod Valentinians I. verbreiten; vgl. Them. or. 7, 13, 92C. 1161 Amm. 26, 7, 3; Them. or. 7, 12, 91D u. 92A. Zu Münzen Procops, die den Prägeort Arles vorgeben, vgl. Ando 2000, 225/226 unter Verweis auf RIC 9, 215 n. 18; RIC 8, Arles nos. 309– 311; Wiebe 1995, 76/77. 1162 Zu den Beispielen vgl. Salama 1987a, 86/87 n. 26. Für Italien läßt sich etwa auf AE 1985, 345 verweisen. Eine zusammenfassende Untersuchung zu dieser Problematik scheint nicht vorhanden zu sein.

IV.F.6 Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen

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klar zwischen Erhebung und Anerkennung durch wichtige Gruppen. Sehr deutlich zeigt sich dies etwa im Panegyrikus, den Sidonius Apollinaris für Maiorian verfaßte. Dort heißt es: ordo omnis regnum dederat, plebs, curia, miles| et collega si­ mul1163. Der auctor (collega) schlägt vor1164, d. h. der Kaiser in Konstantinopel, und das Heer (miles) erhebt. Der Senat in Rom (curia) anerkennt, und das Volk (plebs) drückt seine Zustimmung aus. Wie der Kaiser wandte sich auch der Usurpator unmittelbar nach seiner Erhebung an die verschiedenen Gruppen, die für ihn im angestrebten Territorium von Bedeutung waren. Sofern sie nicht unmittelbar in seinem Einflußbereich waren wie die Bevölkerung der Stadt, in der er erhoben worden war, oder der Senat, wenn er in Rom oder Konstantinopel die Herrschaft übernommen hatte, mußten an sie Gesandte mit Schreiben geschickt werden, die ihnen den neuen Kaiser bekannt machten und sie zu dessen Anerkennung aufforderten. Dabei konnte im günstigen Fall das übliche Verfahren zur Anwendung kommen. Man wandte sich an die hohen Beamten wie den PPO und ließ sie die Nachricht weiterverbreiten oder richtete direkt die Briefe an größere oder bedeutendere Städte. Damit man so vorgehen konnte, mußten die bisherigen Amtsträger von vornherein zum Übertritt auf die Seite des Usurpators bereit sein. So kann man etwa die Gewinnung eines PPO wie Titianus, der 350 PPO in Gallien war, für die Sache von Magnentius kaum hoch genug einschätzen. Ein Schreiben von ihm an eine Stadt oder einen Provinzstatthalter war von großer Bedeutung für Magnentius’ Anerkennung als Herrscher. Waren die zivilen Amtsträger nicht bereit, zu einem Usurpator überzugehen und mit ihm zusammenzuarbeiten, konnte er in einer ersten Phase, so lange sich die Nachricht von der Usurpation noch nicht verbreitet hatte, in einzelnen Fällen versuchen, ihre Zusammenarbeit vorzutäuschen. So ließ z. B. Procopius, der sich in Konstantinopel aufhielt, den comes rei militaris Iulius aus Thrakien mittels eines Briefes des inhaftierten PPO Orientis Nebridius herbeirufen und festsetzen. Es wird also so getan, als ob Nebridius als Würdenträger des Kaisers Valens diesen Brief abgesandt habe1165. Dieses Vorgehen war nur begrenzt möglich. Möglichst bald mußte der Usurpator die entscheidenden Amtsträger, die nicht zur Zusammenarbeit bereit waren, ablösen und durch solche ersetzen, die ihm ergeben waren1166. Gelang dies nicht, blieb nur noch der Einsatz militärischer Macht, um das eigene Territorium zu erweitern. Er läßt sich gut an der Usurpation Procops beobachten. Ebenso wandte sich der Usurpator an die Bischöfe, um sie zur Stellungnahme für sich zu bewegen. So schrieb Eugenius unmittelbar, nachdem er die Herrschaft übernommen hatte, an Ambrosius1167.

1163 Sidon. carm. 5, 387/388. Vgl. auch Sidon. carm. 2, 18–24: te (sc. Anthemius) prece ruricola expetiit, te foedere iunctus| adsensu, te castra tubis, te curia plausu,| te punctis scripsere tri­ bus collegaque misit| te nobis regnumque tibi; suffragia tot sunt| quanta legit mundus. 1164 Dies stimmt im Fall von Maiorian nicht. Vgl. Bagnall 1987, 448. 1165 Amm. 26, 7, 5. Zu Iulius vgl. PLRE 1, 481 s. v. Iulius 2. 1166 Zu Beispielen vgl. S. 301–310. 1167 Ambr. epist. extra coll. 10 [57], 11. Vgl. Paul. Med. vita Ambr. 27; 31.

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

Auch die militärischen Einheiten, die nicht an der Erhebung teilgenommen hatten, aber im angestrebten Herrschaftsbereich stationiert waren, mußten gewonnen werden. Sofern der Usurpator nicht in Rom oder Konstantinopel auf den Thron gekommen war und sich sofort der Zustimmung des Senates hatte versichern können, mußte er darum bemüht sein, dessen Anerkennung zu erhalten, der in seinen Einflußbereich kam. Dieses Problem stellte sich im 4. und 5. Jhd. nur im Westen des Reiches, weil im Osten Procopius’ und Basiliscus’ Usurpation jeweils in Konstantinopel stattfand, während Leontius, der 484 bei Tarsus in Kilikien erhoben wurde, nie bis dorthin sein Gebiet ausdehnen konnte. Während die Kirche mehr oder weniger der Entscheidung der zivilen und militärischen Amtsträger folgte, waren diese von ungefähr gleicher Bedeutung. Nur die militärischen Kräfte von überregionaler Bedeutung wie die Armee in Gallien oder Illyrien hatten ein größeres Gewicht als die Städte und Provinzen. Waren die verschiedenen Gruppen nicht zum Anschluß an den Usurpator bereit, kam es zu einer längeren Auseinandersetzung, in der politische und auch militärische Mittel eingesetzt wurden. Der Usurpator konnte mit den verschiedenen Gruppen nach einer vorherigen militärischen Besetzung des Gebietes Kontakt aufnehmen, wie es z. B. Iulian 361 nach seinem Einmarsch in Illyrien tat, oder sich schon vorher an sie wenden, wie es für Maxentius überliefert ist. Iulian wandte sich von Naissus aus an eine ganze Reihe von Körperschaften1168. Er schrieb an eine Reihe von Städten in Illyrien und Griechenland und an die militärischen Einheiten in Italien. Den Städten dürfte er Versprechungen gemacht haben1169. Sein Vorgehen zeigt, daß er auch nach der militärischen Besetzung keineswegs auf politische Maßnahmen verzichtete und ohne diese sich der Loyalität nicht sicher war1170. Maxentius wandte sich, ohne Africa besetzt zu haben, an die dortigen Städte1171. Seine Anerkennung scheiterte aber, weil die dort stationierten Truppen sie nicht zuließen. Erreichte der Usurpator die gewünschte Anerkennung der wichtigen Gruppen, mußte sie immer wieder erneut gesichert werden, besonders wenn es zur Auseinandersetzung mit einem Mitherrscher kam, der als legitim galt. Der Gewinn eines Territoriums und der dortigen wichtigen Gruppen garantierte keineswegs dessen sichere und dauerhafte Beherrschung. Die Loyalität war immer gefährdet. Dies gilt für einen Usurpator in weitaus stärkerem Maß als für einen legitimen Kaiser. Der Usurpator mußte immer damit rechnen, daß man ihm die Loyalität aufsagte, auch 1168 Vgl. besonders Zos. 3, 10, 3 u. 4; Lib. or. 12, 64; Paneg. 11, 9, 4. Zosimus überliefert fälschlicherweise, daß Iulian die Schreiben von Sirmium aus absandte. So schickte er Briefe nach Athen (Iul. ep. Athen. 270 b), Korinth und Sparta (zu den Zeugnissen vgl. Iulian ed. BidezCumont 25–27; Pack 1986, 114 n. 188 [unvollständig]). Lediglich der Brief an die Athener ist vollständig erhalten. Zu den Schreiben Iulians vgl. Szidat 1996, 106/107. 1169 Man darf vermuten (vgl. Pack 1986, 113), daß er Constantius’ II. superindictio (vgl. Amm. 21, 6, 6) und die noch ausstehenden Leistungen oder mindestens größere Teile derselben für erledigt erklärte. 1170 Zos. 3, 10, 3: kai; tai`~ ejn ∆Italiva/ dunavmesin e[grafen e[cein ejn ajsfalei` ta;~ povlei~ wJ~ aujtou` basileuvonto~. 1171 Zos. 2, 12 und dazu Paschoud 2000, 213–215.

IV.F.6 Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen

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ohne daß sich seine Stellung wesentlich verändert hatte. Hier spielte die Einschätzung seiner Erfolgsaussichten eine wesentliche Rolle. So zeigte erst die weitere Entwicklung, in welchem Maß sich der neue Herrscher auf seine Untergebenen verlassen konnte. Die Armee Nach der Erhebung waren die Anerkennung bei den Truppen, die nicht an der Wahlversammlung beteiligt waren, und die Gewinnung weiterer Teile der Armee, die sich operativ einsetzen ließen, von zentraler Bedeutung. Sie darf aber nicht überschätzt werden, denn ohne die politische Anerkennung des Prätendenten war an die dauerhafte Beherrschung eines größeren Territoriums nicht zu denken. Sofern der Usurpator schon bei seiner Erhebung einen größeren Verband zu seiner Verfügung hatte wie etwa Iulian als Caesar in Gallien, Vetranio als mag. mil. oder Eugenius, dem der mag. mil. Arbogast mit seinen Truppen zur Verfügung stand, ergaben sich keine Probleme. Auch Magnentius, der nur comes rei militaris war, konnte 350 offensichtlich sofort auf die in Gallien stationierten Einheiten zugreifen und mit ihrem Gehorsam rechnen, ohne daß wir wissen weshalb. Vermutlich trat der Heermeister in Gallien auf seine Seite. Er konnte aber nicht die Soldaten, die sich in Illyrien befanden, in seine Hand bekommen, weil deren Befehlshaber Vetranio sich ebenfalls erheben ließ. Bei Procopius läßt sich beobachten, wie er Einheit um Einheit auf seine Seite bringen konnte. Deutlich scheiterte an dieser Aufgabe Nepotianus, der Magnentius’ Angriff auf Rom, den der mag. off. Marcellinus kommandierte, nichts entgegenzusetzen hatte1172. Generell läßt sich feststellen, daß der Vergrößerung des beherrschten Territoriums die Gewinnung neuer Truppen nur sehr bedingt parallel geht. Dies hängt mit der sehr ungleichen Verteilung der für operative Aufgaben verwendbaren Einheiten über das Reichsgebiet zusammen. Wie groß die Loyalität der gewonnenen Truppen wirklich war, zeigte sich erst in dem Augenblick, in dem es zu einer militärischen Auseinandersetzung kam oder sie sonst auf die Probe gestellt wurden. Den Unterschied in seinem ganzen Ausmaß zeigen Silvanus’ und Magnentius’ Usurpationen. Während jenen die Eliteeinheiten der Bracchiati und Cornuti1173 schon nach 28 Tagen verrieten, hielten die Soldaten auch noch nach der Niederlage von Mursa am 28. Sept. 351 noch fast zwei Jahre zu Magnentius, der erst nach der Niederlage am Mons Seleucus Anfang August 353 alle Hoffnungen aufgeben mußte und am 10.8.353 in Lyon Selbstmord beging. Constantius II. mußte also Territorium um Territorium zurückerobern und konnte Magnentius’ Truppen nicht zum Abfall bringen. Die Anerkennung eines Usurpators konnte durch den Widerstand militärischer Einheiten in einem Gebiet verhindert werden. So sandte Maxentius 308 seine Bilder nach Africa, um seine Herrschaft auch dorthin auszudehnen. Sie wurden aber nicht akzeptiert, weil sich die dort stationierten Soldaten der Aufnahme der Bilder 1172 Zu Procopius vgl. Amm. 26, 7, 8–11. 1173 Amm. 15, 5, 30/31.

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

widersetzten. Jene gaben den Widerstand erst auf, als Maxentius mit militärischer Macht drohte. Maxentius konnte Africa aber dennoch nicht in seine Hand bekommen, weil es zur Usurpation von Domitius Alexander kam1174. Der Widerstand militärischer Einheiten gegen die Anerkennung eines Usurpators darf nicht überschätzt und isoliert gesehen werden. Er kann nicht nur militärisch überwunden werden, sondern ist auch sonst nicht unüberwindbar. Wenn er längerfristig Bestand haben sollte, mußte er durch politische Maßnahmen ergänzt werden. Der Senat als Bestätigungsorgan Für die Usurpatoren war der Senat in Rom oder Konstantinopel wichtig für die Bestätigung ihrer Erhebung. Sie bedeutete die Anerkennung durch eine Institution1175, die sehr großes politisches und gesellschaftliches Prestige hatte. Der Senat erfüllte dabei die gleiche Funktion wie bei der unbestrittenen Erhebung eines Kaisers. Die Usurpatoren suchten daher auch möglichst rasch um eine Bestätigung ihrer Erhebung nach. Sie war einfach zu erlangen, wenn sich eine Usurpation in Rom oder Konstantinopel ereignet hatte und die Stadt vom Usurpator beherrscht wurde. So begab sich Procopius sofort nach seiner Erhebung in den Senat in Konstantinopel. Die Anerkennung des Senates in Rom fand ebenso Nepotianus im Sommer 350. Theophanes’ Bemerkung, daß der Senat Nepotianus mit dem Purpur bekleidet habe, läßt sogar eine aktive Rolle bei dessen Erhebung erkennen1176. Fand eine Usurpation außerhalb Roms oder Konstantinopels statt, war es nur dann möglich, eine Anerkennung zu erlangen, wenn der jeweilige Senat in den Einflußbereich des Prätendenten kam. Dies ereignete sich im Reichsosten niemals. Im Westen suchte man um die Anerkennung schriftlich nach oder zog nach Rom. Avitus begab sich im Herbst 455 von Gallien nach Rom und ließ sich dort vom Senat bestätigen1177. Maiorian teilte dem Senat am 11.1.458 seine Erhebung in Ravenna schriftlich mit1178. Weil er schon mit Beteiligung des Senates als Kandidat vorgeschlagen worden war, muß dessen Bestätigung nicht verwundern. Libius Severus wurde in Ravenna erhoben und durch den Senat in Rom anerkannt1179. 1174 Vgl. n. 1171. 1175 Deutlich zu trennen von der Anerkennung eines Usurpators durch den Senat als Körperschaft ist die Bereitschaft der einzelnen Senatoren zur Zusammenarbeit mit dem Usurpator. 1176 Zu Procopius vgl. Amm. 26, 6, 18. Zu Nepotianus Theophan. A. M. 5849 = 1, 44: hJ de; suvg­ klhto~ ejn ÔRwvmh/ Nepwtiano;n ejnduvvsasa kata; Magnentivou ajpevlusen. 1177 Zu Avitus vgl. Hyd. Lem. 163 = 156 Burgess = Chron. min. 2, 27: dehinc apud Arelatum Au­ gustus appellatus (sc. Avitus) Romam pergit et suscipitur und Hyd. Lem. 166 = 159 Burgess = Chron. min. 2, 28: Per Avitum, qui a Romanis et evocatus et susceptus fuerat imperator, legati ad Marcianum pro unanimitate mittuntur imperii. Avitus wurde am 9.7.455 in Beaucaire bei Arles erhoben, zog am 21.9. in Italien ein und dürfte gegen Mitte Oktober nach Rom gelangt sein. Vgl. n. 612, 613. 1178 Novell. Maior. 1 (11.1.458). Zu seiner Bestätigung durch den Senat vgl. auch Sidon. carm. 5, 387. 1179 Vgl. n. 1019.

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Eugenius’ Anerkennung durch den Senat wird zwar nicht ausdrücklich überliefert, geht aber daraus hervor, daß der Senat noch 392 nach Gallien eine Gesandtschaft schickte, und zwar wegen des Altars der Victoria und der Privilegien für die heidnischen Kulte1180. Nach 455 hatte der Senat in Rom für die Kaiser im Reichswesten, die nicht von Ostrom anerkannt wurden, eine besondere Bedeutung. Die Anerkennung durch ihn verschaffte ihnen eine wesentliche zusätzliche Legitimation1181. Daß der Senat es ablehnen konnte, eine Erhebung zu bestätigen, wenn er in den Herrschaftsbereich eines Usurpators gekommen war, war nur unter besonderen politischen und militärischen Konstellationen möglich. Berühmt ist die Ablehnung der Erhebung Iulians zum Augustus1182 im Sommer 361. Iulian hatte von Naissus aus einen Brief an den Senat gerichtet, in dem er seinem Gegner Constantius II. schwere Vorwürfe machte. Der Senat weist Iulian darauf hin, daß er das Recht seines auctor Constantius II. mißachtet habe und erkennt ihn damit nicht als Augustus an. Als der Brief Iulians im Senat verlesen wurde, war der Abfall Aquileias von Iulian, der seine rückwärtigen Verbindungen nach Gallien und Italien bedrohte, auf jeden Fall schon in Rom bekannt. Er brachte Iulian in erhebliche Schwierigkeiten. Die abweisende Haltung des Senats wird dadurch verständlich. Er mußte kein militärisches Vorgehen Iulians befürchten. Für viele Usurpatoren wird eine ausdrückliche Bestätigung durch den Senat nicht überliefert. Man kann sie aber annehmen, wenn der Senat sich lange genug im Herrschaftsbereich des Usurpators befand. Das Verhältnis zur Kirche Um überhaupt erhoben werden zu können und danach auf dem Thron bleiben zu können, hatte der Usurpator sich wie der amtierende Kaiser der Zustimmung der Kirche zu versichern. Mit einem heidnischen Bekenntnis waren nach Konstantins Tod Erwerb und Erhalt der Herrschaft in der Regel unmöglich. Der Usurpator mußte wie sein kaiserlicher Gegenspieler sich zu der christlichen Richtung bekennen, die in dem Gebiet, das er zu gewinnen trachtete, die herrschende war. Ohne eine solche Haltung hatte er nicht die Unterstützung oder mindestens Duldung der Kirche. Die­se war nicht nur als Organisation wichtig, sondern auch wegen ihrer Möglichkeiten, das Volk zu beeinflussen1183. Daß die Kirche als entscheidend auch auf heidnischer Seite für den Erwerb der Herrschaft betrachtet wurde, zeigt sich sehr deutlich an Iulians Verhalten, nachdem er den Rang eines Augustus beansprucht hatte, schließlich in Constantius’ II. Gebiet eingefallen war und nach dessen überraschendem Tod Alleinherrscher im Reich geworden war. Er hielt sein Heidentum bis nach Constantius’ II. Begräbnis Ende 361 geheim. Er unterstrich dagegen sein Christentum durch einen Besuch in der 1180 Ambr. epist. extra coll. 10[57], 6. Vgl. n. 1266. 1181 Vgl. Henning 1999, 272–274. 1182 Vgl. Amm. 21, 10, 7/8 und dazu Szidat 1996, 108–111. 1183 Vgl. Ziegler 1970; Elbern 1986.

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

Kirche in Vienne am 6.1. 3611184. Erst nach der endgültigen Übernahme der Alleinherrschaft wagte er also, sein Heidentum offen zu bekennen, was ihm politisch nur Probleme schuf. Der Usurpator Procopius, von dem das Gerücht umlief, von Iulian durch Übergabe des Purpurs zum Nachfolger designiert worden zu sein1185, stellte sich als Angehöriger der Familie Konstantins dar, indem er sich mit der Witwe Constantius’ II. und dessen Tochter zeigte, und er vermied jeden Hinweis auf Verbindungen zum Heidentum. Dies glaubte man ihm auch. Sichtbares Zeichen dafür ist die Tatsache, daß ihm keine Quelle solche Verbindungen vorwirft1186. Die Usurpatoren suchten die Unterstützung der Kirche in ihrem Herrschaftsgebiet zu bekommen und zu festigen. So bemühte sich Iulian, die orthodoxe Gruppe der Bischöfe im Westen des Reiches auf seiner Seite zu halten. Ihnen gewährte er mannigfache Unterstützung1187. Usurpatoren nahmen dazu auch auf die Besetzung der Bischofsstühle Einfluß, um ihre Position zu sichern. Auf diese Weise suchte z. B. Constantinus III. seine Herrschaft in Gallien zu festigen1188. Der Usurpator informierte wie der legitime Kaiser wichtige kirchliche Würdenträger von seiner Erhebung. So wandte sich Eugenius unmittelbar nach seiner Erhebung an Ambrosius1189. Ebenso suchte der Usurpator den ständigen Kontakt zu kirchlichen Würdenträgern, wobei die auch vom Kaiser verwendeten Kanäle wie etwa Bankette verwendet wurden1190. Jene suchten wiederum diese Kontakte auch zum Nutzen von Personen einzusetzen, die durch eine Usurpation in Schwierigkeiten geraten waren1191. Einzelne Usurpatoren suchten innerkirchliche Konflikte zur Ausdehnung ihres Herrschaftsgebietes zu verwenden. So nahm Magnentius mit Athanasius, dem Bischof von Alexandria, Kontakt auf, um Constantius’ II. Herrschaft in Ägypten zu destabilisieren1192. Niemals wurde einem Usurpator die Anerkennung als Kaiser in seinem Einflußbereich generell verweigert. Man arbeitete mit ihm in seinem Gebiet politisch 1184 Szidat 1996, 34/35 zur Haltung Iulians während der Auseinandersetzung mit Constantius II. Zum Besuch der Kirche in Vienne vgl. Amm. 21, 2, 3; Szidat 1981, 86–88. 1185 Amm. 23, 3, 2. Zum Auftreten zusammen mit der Witwe Constantius’ II. vgl. Amm. 26, 7, 10. 9, 3. 1186 Dagron 1974, 381. Ausführlicher in demselben Sinn Lenski 2002, 110/111. 1187 Vgl. Barnes 1993, 153 u. passim; H. C. Brennecke, Hilarius von Poitiers und die Bischofsopposition gegen Konstantius II. Untersuchungen zur dritten Phase des arianischen Streites (337–361), Berlin / New York 1984, 360–367; Szidat 1981, 86–88. 1188 Lütkenhaus 1998, 121/122. Er erklärt diese Politik mit der damaligen speziellen Situation in Gallien. Sie ist aber als Möglichkeit bei jeder Usurpation anzunehmen, wenn sich damit die Kontrolle über ein Gebiet festigen ließ. 1189 Vgl. Ambr. epist. extra coll. 10[57], 11; obit. Valent. 39. Der letzte Beleg ist umstritten. Vgl. Biermann 1995, 157 n. 24, der die Stelle nicht auf Eugenius beziehen möchte, ebenso McLynn 1994, 341 n. 163. 1190 Vgl. Sulp. Sev. Mart. 20 zu einem Bankett, das Magnus Maximus 385/386 in Trier gab, zu dem auch Bischöfe eingeladen waren. Zur politischen Bedeutung solcher Bankette generell vgl. McCormick 1986, 104/105. 1191 Vgl. z. B. Sulp. Sev. dial. 3, 11, 8; Mart. 20, 2. 1192 Vgl. Barnes 1993, 103.

IV.F.6 Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen

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zusammen, wenn auch zuweilen mit Vorbehalten in der Loyalität, die an der Grenze des Hochverrates waren. Dabei ist besonders an das Verhalten der Kirche gegenüber Constantius II. und der Monophysiten gegenüber Marcian zu denken1193 Eine deutliche Ausnahme bildeten nur die kirchlichen Gruppen, die von einem Usurpator gewaltsam verfolgt wurden wie Priscillianus’ Anhänger von Magnus Maximus. Anerkennung und Zusammenarbeit mit einem Usurpator schufen für die Kirche keine Probleme, besonders wenn er den Wünschen der Kirche entgegenkam. Loyalität gegenüber der weltlichen Macht war für die Kirche ein grundsätzliches Prinzip, sogar wenn jene ihr Wirken beeinträchtigte oder sie verfolgte1194. Der Usurpator unterschied sich für die Kirche nicht von einem Kaiser. Er war der Herrscher. Er hatte die Macht. Das schließt bei einzelnen Entscheidungen eine Distanzierung nicht aus. Damit war es auch im Fall des Scheiterns einer Usurpation, das die Regel war, leichter, die Beziehungen zum siegreichen Herrscher neu zu ordnen. So kritisierte die Kirche moralisches Fehlverhalten wie die Ermordung eines gestürzten Herrschers oder Maßnahmen, die die Interessen der Kirche zu gefährden schienen1195. Wenn es möglich war, suchte man auch aus der Herrschaft eines Usurpators Vorteile zu ziehen. Das gilt für die orthodoxe Gruppe wie für Häretiker. So scheuten sich die Donatisten nicht, Firmus für den Kampf gegen ihre Gegner zu gebrauchen, was Augustin ihnen vorwirft1196. Die Kirche nahm auch Vermittlungsfunktionen zwischen Kaiser und Usurpator wahr. Dies drückt sich besonders in der Übernahme von Gesandtschaften aus oder in der Teilnahme an diesen1197. Stürzte ein Usurpator, begann die Kirche sich von ihm zu distanzieren. Das war die Konsequenz aus der Haltung, den jeweiligen Machthaber anzuerkennen. Es kam daher in der späteren kirchlichen Überlieferung immer zur Verurteilung der Usurpatoren. Sie wurden als unrechtmäßige Herrscher betrachtet1198. Es fehlte fast nie an Versuchen von kirchlicher Seite, die Rechtgläubigkeit eines Usurpators nach seinem Sturz in Zweifel zu ziehen oder wenigstens seine Politik und Lebensweise als unchristlich zu qualifizieren. Ein eindrückliches Beispiel dafür bietet Eugenius, dessen Politik in den kirchlichen Quellen als heidenfreundlich gekennzeichnet wurde. Nachdem er Theodosius unterlegen war, konnte seiner Herrschaft so nach1193 Vgl. Stein 1959, 352, vgl. auch n. 1203. 1194 Zu einer Zusammenstellung der Belege vgl. Elbern 1986, 26/27. 1195 Vgl. Ambrosius’ Kritik an der Ermordung Gratians durch Magnus Maximus (Ambr. ep. 30 [24], 9/10; in psalm. 61, 23–25) und an der angeblichen Bevorzugung der Heiden durch Eugenius (Ambr. epist. extra coll. 10[57]). 1196 Elbern 1986, 32. Vgl. z. B. Aug. c. ep. Parm. 1, 17; ep. 87, 10. Während Magnus Maximus’ Usurpation suchten die katholischen Bischöfe von ihm gegen Priscillianus und dessen Anhänger scharfe Maßnahmen zu erreichen und waren damit erfolgreich. Priscillianus wurde hingerichtet. Sulpicius Severus tadelt das kriecherische Vorgehen, das die Bischöfe dabei zeigten, und entschuldigt Maximus in gewisser Weise (Sulp. Sev. chron. 2, 50, 7; 2, 51, 9; dial. 3, 11, 2). Er tadelt überhaupt den zu engen und willigen Kontakt der Kirche mit den Mächtigen, wie ihn etwa Ambrosius pflegte (Sulp. Sev. dial. 1, 26, 6). 1197 Vgl. IV.G.1 Die Verhandlungen um Anerkennung, S. 315. 1198 Vgl. Ziegler 1970, 105 u. passim.

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träglich jede Rechtfertigung entzogen werden. Diese Überlieferung bewirkte, daß seine Usurpation in der älteren Forschung als letzter Aufstand des Heidentums gekennzeichnet werden konnte1199. Im 5. Jhd. wurde im Westen nach 455 die Zusammenarbeit der Kirche mit den Kaisern, die von Konstantinopel nicht als Herrscher anerkannt wurden, von dieser Entscheidung nicht beeinflußt. Ihre jeweilige Stellung zur Kirche im Westen und ihre Glaubenshaltung waren entscheidend. So erfreute sich Libius Severus, der nie von Konstantinopel anerkannt wurde, der Unterstützung durch die Kirche, die sein vom Osten eingesetzter Nachfolger Anthemius in diesem Ausmaß nicht fand1200. Im Reichsosten spielte die Haltung des Usurpators wie die des Kaisers innerhalb der theologischen Auseinandersetzungen eine wesentliche Rolle für seine Stellung. So schwächte Basiliscus durch seine monophysitischen Neigungen seine Herrschaft in Konstantinopel entscheidend und machte sich die Kirche und das Volk zum Gegner1201. Hierbei spielte Daniel der Stylit neben dem Patriarchen eine entscheidende Rolle1202. Marcian, der anfangs ohne Anerkennung Valentinians III. regierte, wurde von seinen kirchlichen Gegnern, den Monophysiten, dies zum Vorwurf gemacht, und seine Herrschaft damit, wenn auch erfolglos, in Frage gestellt1203. Ob die Opposition seiner Gegner in der Kirche auch zu Versuchen führte, ihn im östlichen Reichsteil nicht als Kaiser anzuerkennen, ist schwer zu entscheiden. Der Vorwurf des Hochverrates, den man Dioscorus auf dem Konzil von Chalkedon 451 machte, deutet auf ein entsprechendes politisches Klima hin. Dioscorus, der 444 Nachfolger von Cyrillus in Alexandria geworden war, wurde auf der zweiten Sitzung des Konzils von Chalkedon am 13.10.451 im Schreiben eines Sophronius beschuldigt, die Vertreibung der Kaiserbilder aus Alexandria vorbereitet zu haben und dazu Geld durch Würdenträger der Kirche verteilt haben zu lassen. Er habe es nur schwer ertragen, daß ein solcher Herrscher bekannt gemacht werden sollte. Dioscorus wurde damit des Majestätsverbrechens und des Aufruhrs bezichtigt1204. Es muß sich dabei um die Bilder Marcians gehandelt haben1205.

1199 Vgl. Szidat 1979 passim. 1200 Vgl. Henning 1999, 153/154, 163/164. 1201 Vgl. Redies 1997 passim. Vgl. besonders auch das Schreiben des Papstes Simplicius vom 9.10.477 an den Kaiser Zenon (Epist. pontif. Sim. 6 = Coll. Avell. 60), das die Technik der Verurteilung eines Usurpators, hier des Augustus Basiliscus, nach seinem Sturz abweichender theologischer Meinungen wegen exemplarisch erkennen läßt. 1202 Vgl. V. Dan. Styl. 71–85. 1203 Vgl. Stein 1959, 312–315, 352. 1204 ACO 2, 1, 2 S. 24[220], 5–17 (griech.); ACO 2, 3, 2 S. 39[298], 26 – S. 40[299], 6 (lat). Zu Sophronius vgl. ACO 4, 3, 2 S. 435: laicus, navicularius annonarius eccl. Alexandrinae, Ae­ gypt. 1205 Kruse 1934, 37.

IV.F.6 Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen

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Die Anerkennung des Usurpators durch die Bevölkerung und die Verwaltung Für die Gewinnung eines Herrschaftsgebietes war die Stellungnahme der Bevölkerung und der Amtsträger in der Verwaltung außerhalb des comitatus von großer Bedeutung1206. Das Einverständnis beider mit der Übernahme des Amtes durch den Usurpator diente zugleich dessen Legitimation1207 und war für die Sicherung von dessen Herrschaft entscheidend. Den Amtsträgern und dem Volk wurde die Erhebung eines Usurpators wie die eines legitim erhobenen Kaisers durch Schreiben mitgeteilt. So wandte sich die Kaiserin Verina nach Leontius Erhebung 484 an die Bewohner von Antiochia, die Provinzstatthalter im Osten, in Libyen und Ägypten und forderte sie auf, Leontius als Herrscher anzuerkennen und sich ihm nicht entgegenzustellen1208. Sie war damit weitgehend erfolgreich, aber Chalkis und Edessa wiesen ihr Schreiben zurück1209. Beide konnten nicht dazu gezwungen werden, auf die Seite des Usurpators zu wechseln. Weil die Schreiben an die Städte mindestens zum Teil vorher an die Provinzstatthalter gerichtet waren und in den Städten verlesen wurden, mußte die Entscheidung, sich an die Seite eines Usurpators zu stellen oder nicht, sehr rasch gefällt werden. Bei der Verlesung der Schreiben mußten decuriones und honorati anwesend sein und stehend zuhören, um dann mit Akklamationen die Nachricht zu begrüßen1210. Die Kenntnis von der Erhebung verbreitete sich zugleich auch durch die Münzen, die durch die Vergabungen an die Soldaten und zivilen Würdenträger in Umlauf kamen. Von Procopius wissen wir, daß er nach Illyrien, das zu Valentinians I. Herrschaftsbereich gehörte, Leute aussandte, die Goldmünzen mit seinem Bild verteilen sollten1211. Diese dienten sicher der Bestechung, um Anhänger zu gewinnen, aber auch zur Bekanntmachung des neuen Herrschers. Man ging sofort in Illyrien gegen diese Leute vor. 1206 Zum Verhältnis von Usurpator und Zivilbevölkerung und besonders zu dieser Problematik vgl. Szidat 1982, besonders 18–21. 1207 Vgl. z. B. Amm. 20, 9, 7 und dazu Szidat 1981, 40–42; Paneg. 12, 31, 2: consensu provin­ ciarum (von Theodosius gesagt). 1208 Theophan. A. M. 5973 = 1, 129, 2–6: kai; e[grayen hJ devspoina Berivna savkran toi`~ ∆Antioceu`si Suvroi~ eij~ to; devxasqai to;n Leovntion basileva, kai; pro;~ pavnta~ de; tou;~ th`~ ajnatolh`~ a[rconta~ kai; th`~ Aijguvptou kai; Libuvh~ ejpoivhse savkra~ w{ste devxasqai Leovnti­ on basileva kai; mh; ajntisth`nai. Vgl. Ioh. Mal. 15, 13 S. 388, 17–389, 1; zum ausführlichen Text vgl. Exc. de ins. 35 S. 165, 15–167, 20 und Ioh. Mal. ed. Thurn S. 313,*1–316,*75. Vgl. Downey 1961, 494/495; Stein 1949, 29 mit den vollständigen Belegen. 1209 Exc. de ins. 35 S. 166, 12/13 zu Chalkis. Gleich erfolgreich war etwa der Usurpator Attalus 409. Die Städte der Aemilia und Liguriens weigerten sich, auf seine Seite zu treten, so daß Alarich militärisch gegen sie vorgehen mußte. Die meisten gaben dem Druck nach, während er sich Bolognas nicht bemächtigen konnte. Vgl. Zos. 6, 10, 2; Paschoud 1989, 57 n. 132; Lütkenhaus 1998, 34/35, der annimmt, daß die Städte eher freiwillig auf Attalus’ Seite getreten seien. Er verkennt dabei, daß der Erfolg eines Usurpators bei der Gewinnung eines Territoriums keineswegs gesichert ist. 1210 Vgl. S. 155. 1211 Amm. 26, 7, 11.

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

Die Reaktion der Bevölkerung der Städte und der Amtsträger war nicht ohne weiteres vorauszusehen, wie die unterschiedliche Stellungnahme der Städte zu Leontius’ Erhebung zeigt. Sie konnte auch durch die Reaktion anderer Gruppen eine unerwartete Wendung nehmen. So sandte Maxentius seine Bilder 308 nach Africa. Ihr Empfang wurde aber durch die dort stationierten Soldaten unmöglich gemacht1212. Der Entscheid, sich auf die Seite eines Usurpators zu stellen oder ihm Widerstand zu leisten, hing nicht nur von der militärischen Situation und der politischen Opportunität ab, wie es etwa nach Gratians Niederlage bei Paris 383 zu beobachten ist. Keine Stadt war damals mehr bereit, den nach Süden flüchtenden Gratian aufzunehmen1213. Es gab häufig auch Entscheidungen, bei denen andere Überlegungen eine Rolle gespielt haben müssen. Die Entscheidungen der civitates, die gegen die Opportunität getroffen werden, wie etwa die von Chalkedon gegen Valens oder von Trier gegen Decentius lassen erkennen, daß Loyalitäten nicht auf legitime Kaiser fixiert sind, sondern auch von der Person des jeweiligen Herrschers abhängen1214. Daß die Bevölkerung mit dem neuen Herrscher einverstanden war, konnte sie auf verschiedene Weise ausdrücken. Die offizielle Form war die Begrüßung des neuen Kaisers oder seines Bildes beim adventus. Hier sei etwa auf den Einzug Iulians in Sirmium Mitte Mai 361 verwiesen1215. Die Bevölkerung kann ihre Zustimmung aber etwa auch auf Versammlungen kundtun oder spontan im privaten Bereich. Zu fassen ist dies in Inschriften, die keinen offiziellen Charakter haben1216. Der Prätendent mußte darauf bedacht sein, die Loyalität der Bevölkerung zu ihm aufrechtzuerhalten. Deshalb versuchte er, seine Herrschaft immer wieder zu rechtfertigen und seiner Sorge um die Bevölkerung Ausdruck zu geben1217. So ließ sich Magnentius als Befreier der römischen Welt (liberator orbis Romani), Wiederhersteller der Freiheit und des Staates (restitutor libertatis et rei publicae) und Bewahrer der Soldaten und Provinzbewohner (conservator militum et provincialium) feiern, Themen, die sich zum Teil auch auf seinen Münzen finden. Sie wurden auch 1212 Zos. 2, 12. Vgl. n. 1171 1213 Vgl. Hier. ep. 60, 15: Gratianus ab exercitu suo proditus et ab obviis urbibus non receptus ludibrio hosti fuit. 1214 Zu Chalkedon vgl. n. 1428; zu Trier vgl. n. 1330. 1215 Amm. 21, 10, 1; vgl. Szidat 1996, 96–98 mit weiteren Belegen. Zur Begrüßung des Bildes und deren Bedeutung vgl. n. 148. 1216 Zu Versammlungen vgl. n. 1002. Zu spontanen Äußerungen vgl. n. 1218. 1217 Vgl. z. B. AE 1987, 433 (conservator militum et provincialium, sc. Magnentius) und dazu Basso 1987, 167/168. Vgl. Banzi 1992/1993, 259–293, bes. 273 zu Magnentius’ Meilensteinen; Dies., I miliari come fonte topografica e storica. L’esempio della XI Regio (Transpadana) e delle Alpes Cottiae, Rom 1999, 179 sq.; P. Basso 1987, 167–171 und Dies., I miliari della Venetia romana. Archeologia Veneta 9, 1986, Padua 1987, Nr. 64 (Museo Civico di Oderzo, in situ gefunden) und Nr. 88. Zu den Meilensteinen, die Magnentius und Decentius setzen ließen, vgl. generell A. G. Bianchi, Dizionario epigrafico di antichità romana 5, fasc. 12/13, 1996, 366–386, dort besonders 379 sq. s. v. Magnentius. Dabei bildet Norditalien einen deutlichen Schwerpunkt, der nicht nur mit dem Zufall der Überlieferung erklärt werden kann. Zudem haben Banzi und Basso zeigen können, daß die Meilensteine in Norditalien vorwiegend politisch-propagandistischen und nicht praktischen Zwecken dienten.

IV.F.6 Der Usurpator und die entscheidenden Gruppen

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von seinen Untergebenen aufgenommen1218, wurden wahrgenommen und sind als Zeichen der Zustimmung zu werten. Es sind dieselben Themen, die sich auch in der kaiserlichen Propaganda finden und von Constantius II. im Kampf gegen Magnentius eingesetzt wurden1219. Der Usurpator suchte also im wesentlichen mit denselben politischen Vorstellungen seine Herrschaft zu legitimieren wie der Kaiser. Trotz der wenigen Belege darf man annehmen, daß dies die Regel war. Alternative politische Programme sind kein Kennzeichen spätantiker Usurpationen. In schwierigen politischen Situationen und an strategisch wichtigen Orten konnte die Haltung der Bevölkerung sehr wichtig werden. So entschied sich die Bevölkerung Aquileias 361 gegen Iulian, nachdem sie ihn anfänglich anerkannt hatte, und ermöglichte damit den Truppen, die von ihm abgefallen waren, einen langdauernden Widerstand gegen ihn in der Stadt. Dagegen leisteten die Bewohner der Stadt Philippopolis, die sich Procop angeschlossen hatten, Valens’ Truppen lange Widerstand, ehe sie vom Tod Procops überzeugt werden konnten1220. Chalkedon sagte sich von Valens los, was für Procopius’ Usurpation von Bedeutung war1221. Der Widerstand der Stadt gegen Valens’ Belagerung im Herbst 365 war entscheidend dafür, daß sich Procopius noch länger an der Macht halten konnte. Er war nur möglich, weil die Stadtbevölkerung ganz auf der Seite des Usurpators stand und damit der Garnison einen erfolgreichen Abwehrkampf ermög­ lichte. Als der Heermeister Rikimer 472 den Kaiser Anthemius zu stürzen suchte, kam es zur Belagerung Roms und zur gewaltsamen Eroberung durch die Truppen des magister militum. In dieser Auseinandersetzung ergriff das Volk für Anthemius Partei1222. Deshalb dauerten die Kämpfe sehr lange, 5 oder 9 Monate, und führten of1218 Das Thema des Befreiers (liberator) und des Wiederherstellers (restitutor) findet sich auf Magnentius’ Münzen (vgl. Bastien 1983, Index «Legendes des revers» s. v. liberator, restitu­ tor; Jeloćnik 1967, 226; W. Kellner, Libertas und Christogramm. Motivgeschichtliche Untersuchungen zur Münzprägung des Kaisers Magnentius, 350–353, Karlsruhe 1968, 18 sq.). Zur Aufnahme dieser Themen durch die Bevölkerung vgl. AE 1997, 525 und P. Fortini, Flavius Magnus Magnentius in una iscrizione da Monte Romano, in: Etrusca et Italica. Scritti in ricordo di Massimo Pallottino 2, Pisa / Rom 1997, 315–321. Es handelt sich um eine Inschrift privaten Charakters aus einer Villa bei Monte Romano, Provincia di Viterbo, deren Formular dem der Meilensteine fast völlig entspricht und die damit alle Propagandathemen der Meilensteine widerspiegelt. Zu denken ist auch an acclamationes, die inschriftlich überliefert sind. Zu solchen für Iulian nach seiner Anerkennung als Augustus auch im Osten vgl. n. 603. Inschriften, die keinen offiziellen Charakter haben und nicht nur Datierungen liefern wie etwa Grabinschriften, sind für Usurpatoren kaum vorhanden. 1219 Vgl. CIL 5, 8073: conservatoribus rei publicae et omnium provincialium (sc. Constantius II. und Gallus). 1220 Zum Widerstand Aquileias vgl. Amm. 21, 11/12; Szidat 1996, besonders 116–119. Zu Philippopolis vgl. Amm. 26, 10, 6; Szidat 1996, 137. 1221 Amm. 26, 8, 2/3. 1222 Vgl. Ioh. Ant. 209, 1 = Prisc. fr.[64, 1] Blockley = Exc. de ins. 93. Zur Dauer der Auseinandersetzung vgl. auch Blockley 2, 1983, 400 n. 198. Zu einer recht detaillierten Beschreibung vgl. auch Paul. Diac. hist. Rom. 15, 3 u. 4 mit sonst nicht überlieferten Details. Die Kämpfe in Rom lassen sich höchstwahrscheinlich auch auf einer Inschrift für die Restaurierung einer Minervastatue bei der Curia (Atrium Minervae), die einen tumultus civilis erwähnt (CIL 6,

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fensichtlich zu Zerstörungen in der Stadt. Sie wurden als tumultus civilis bezeichnet. Umgekehrt hatte Avitus’ Unbeliebtheit beim Volk in Rom zur Folge, daß er im Herbst 456 Rom verlassen mußte und sich der Heermeister Rikimer, der damals noch magister equitum war, gegen ihn stellte1223. Die Bedeutung der Parteinahme der Städte für den Erfolg oder Mißerfolg eines Usurpators war den antiken Historikern durchaus bewußt. So kritisiert Ammian1224, daß Procopius es versäumte, einzelne Städte Asiens auf seine Seite zu bringen und daß er so seine Herrschaft über die östlichen Provinzen hätte ausdehnen können. Der legitime Kaiser verfolgte daher auch die Würdenträger der Städte, die sich für den Anschluß an einen Usurpator ausgesprochen hatten, auch wenn diese ihm offensichtlich keinen militärischen Widerstand geleistet hatten1225. Ebenso war die Parteinahme einzelner sozialer Gruppen, die sich normalerweise nicht artikulierten, nach Ansicht der antiken Autoren wichtig. So wird Procopius kritisiert1226, daß er es versäumte, die thrakischen Minenarbeiter auf seine Seite zu bringen. Die Stellungnahme solcher Gruppen für den Usurpator und ihre Zusammenarbeit mit ihm war offensichtlich für die Gewinnung eines eigenen Territoriums von Bedeutung. Sie sind in unseren Quellen fast nie greifbar. Auch von einzelnen Personen und ihren Anhängern konnte Widerstand gegen den Usurpator geleistet werden. So geschah es während Constantinus’ III. Usurpation. Als dieser seinen Herrschaftsbereich auf Spanien ausdehnen wollte, organisierten dort zwei Verwandte des Kaisers Honorius, nämlich Verenianus und Didymus, den Widerstand1227. Beide boten die Truppen, die in der Lusitania stationiert waren1228, auf und bewaffneten dazu Sklaven und Bauern und lehnten sich gegen Constantinus III. auf. Ihr Widerstand brach 408 zusammen, als beide gefangen ge526 = 1664), greifen. Vgl. PLRE 2, 451/452 s. v. Anicius Acilius Aginantius Faustus iunior 4. Zum Atrium Minervae und der Inschrift vgl. Bauer 1996, 14/15; zur Inschrift Henning 1999, 113/114. 1223 Prisc. fr.[32] Blockley = Ioh. Ant. fr. 202. Vgl. Henning 1999, 35. Der Beleg für die Rolle, die auch die Senatoren dabei spielten (Greg. Tur. Franc. 2, 11), ist zwar sehr spät, wird aber dadurch gestützt, daß Avitus’ Personalpolitik die Mitglieder des römischen Senates ungenügend berücksichtigte. 1224 Amm. 26, 8, 14. 1225 Amm. 14, 5, 3: nobilis inter suos. Vgl. S. 330. 1226 Amm. 26, 8, 14. Vgl. Amm. 31, 6, 6, wo deutlich wird, daß es sich um thrakische Minenarbeiter handelte. Zum Verständnis der Stelle vgl. Marié 1984, 226 n. 118; Ammiano Marcellino Storie. A cura di M. Caltabiano, Mailand 1989, 643 n. 27; den Boeft 2008, 236/237. Wir werden allerdings nicht genau darüber informiert, worin ihre Bedeutung für Procopius lag. Caltabiano a. a. O. glaubt, daß es um die Münzprägung geht. 1227 Zu beiden und deren Widerstand vgl. Paschoud 1986, 288/289 n. 100 und Paschoud 1989, 33/34 n. 121/122. Zu den beiden anderen Cousins von Honorius, Lagodius und Theodosiolus, die nach dem Scheitern des Widerstandes gegen Constantinus III. aus Spanien flohen, vgl. Zos. 5, 43, 2 u. 3 sowie Paschoud 1986, 288 n. 100 und Zos. 6, 4, 4 und dazu Paschoud 1989, 34 n. 121. 1228 Zos. 6, 4, 3.

IV.F.7 Der Aufbau einer eigenen Verwaltung und Führungsgruppe

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nommen und später getötet wurden. Daß man sich auf diese Art Usurpatoren widersetzte, ist sonst nicht belegt. IV.F.7 Der Aufbau einer eigenen Verwaltung und Führungsgruppe Um Herrschaft ausüben zu können, mußte der Usurpator möglichst bald über eine militärische Kommandostruktur und eine eigene Armee, einen comitatus, d. h. eine zentrale Verwaltung und einen Hof, sowie über Würdenträger auf regionaler und provinzialer Ebene verfügen. Es ging um die Besetzung der Führungspositionen1229. Dazu gehörten alle Posten, die mit der Bekleidung einer dignitas verbunden waren1230, d. h. bis zu den Vorstehern von Verwaltungseinheiten wie primicerii oder bis zu den Kommandanten von Truppenteilen hinab wie z. B. tribuni. Das Vorgehen eines Usurpators bei größeren Gruppen wie den notarii, den agentes in rebus und den protectores ist kaum faßbar. Daß ihre Mitglieder mehrheitlich ausgewechselt wurden, ist sehr unwahrscheinlich. Es gibt auch keinen Hinweis darauf. Das Personal der officia, der Büros der Führungskräfte, oder die Soldaten der Einheiten trafen in der Regel keine selbständige Entscheidung. Sie schlossen sich der ihrer Vorgesetzten an und mußten daher nicht ausgewechselt oder bestätigt werden. Für die Besetzung der Führungspositionen genügten die engsten Anhänger des Usurpators und deren Gefolgsleute nicht. Er mußte Leute finden, die in seinem Dienst blieben oder neu in ihn eintraten. Dieser mußte daher für die Mitglieder der sozialen Oberschicht, für Personen mit entsprechender Vorbildung wie dem Besuch der Rhetorenschule oder mit Voraussetzungen für den weiteren Aufstieg wie ein Amt in den officia attraktiv sein1231. Für die Entscheidung, sich einem Usurpator zur Verfügung zu stellen, war wichtig, auf welche Weise er auf den Thron gekommen war, welches Gebiet er mit Aussicht auf Erfolg beanspruchte und welche Chancen er hatte, an der Macht zu 1229 Die zivilen und militärischen Würdenträger der Usurpatoren, ihre Herkunft und ihr weiteres Schicksal sind für die Jahre 306–414 durch Delmaire 1997, der aber z. B. Silvanus’ Anhänger ausläßt und auch sonst nicht vollständig ist, und für die Jahre 454/455–493 durch Henning 1999, 71–112 untersucht worden. Dazu kommt die eingehende Darstellung der Gefolgsleute Procops durch Wiebe 1995, 36–56. Dazu sind sie je nach Amt in den Untersuchungen zu wichtigen dignitates erfaßt wie z. B. bei Chastagnol 1962 (PVR), Clauss 1981 (mag. off.) oder Delmaire 1989a (CSL und CRP). Damit sind aber keineswegs für alle Usurpatoren alle Würdenträger erfaßt. 1230 Vgl. etwa Jones 1973, 377/378; Noethlichs 1981, 23. 1231 Erinnert sei bei den Voraussetzungen für den sozialen Aufstieg z. B. an die actuarii militärischer Einheiten, die im officium des mag. mil. dienten und nach Niederlegung ihres Amtes eine Anwartschaft auf weitere Beförderung im Zivildienst erhielten. So ließen die actuarii der Petulanten und Celten, die Iulian zum Augustus erhoben hatten, um ihre Beförderung zu Provinzstatthaltern nachsuchen (vgl. Amm. 20, 5, 9 und dazu den Boeft 1987, 129/130; Szidat 1977, 178/179). Zur Beförderung eines actuarius zum Provinzstatthalter vgl. z. B. Amm. 15, 5, 14.

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bleiben. Davon hingen zum Teil das Risiko ab, das man einging, aber auch die Möglichkeit, dem Dienst bei einem Usurpator auszuweichen. Das Risiko war von sehr unterschiedlichem Ausmaß. Wurde ein regierender Kaiser gestürzt und beseitigt, mußte man mit einem größeren rechnen, wenn man in den Dienst des Prätendenten trat, als wenn bei der Erhebung eines neuen Herrschers lediglich der amtierende Kaiser nicht um den Vorschlag eines Kandidaten gebeten wurde. Über die Rekrutierung der Würdenträger für die Verwaltung und der militärischen Kommandanten wird in den Quellen in der Regel wenig ausführlich berichtet1232. Sie muß häufig auf Grund sonstiger prosopographischer Daten erschlossen werden. Einen starken Anreiz, in den Dienst eines Usurpators zu treten, bot auf jeden Fall die Karriere, die man beginnen oder fortsetzen konnte. Sie war ein wesentlicher Grund, sich einem Usurpator zur Verfügung zu stellen1233. Eine Usurpation schuf durch die Neubesetzung vieler Stellen ein unerwartetes und zusätzliches Angebot von Posten. Das Risiko für den Fall, daß der Usurpator stürzte, nahm man auf sich. Es war ohnehin schwierig, es genau abzuschätzen, und es bestand durchaus Hoffnung, mit dem Leben davon zu kommen oder sogar die Karriere fortsetzen zu können, wenn man nicht zu den engsten Vertrauten des Usurpators zählte. Einzelne mußten allerdings auch zur Übernahme von Posten gedrängt werden 1234. Man war sich der prekären Situation, einem Usurpator zu dienen, durchaus bewußt1235. Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Besetzung der zivilen Ämter in der Regel einfacher war als die der militärischen Kommandoposten1236. Einzelne Usurpatoren verfügten nie über eine eigene zentrale Verwaltung und eine Kommandostruktur für die Armee. Silvanus z. B. konnte wohl die vorhandenen provinzialen Verwaltungsstrukturen übernehmen, aber keine zentralen aufbauen. Als Heermeister dagegen verfügte er über eine geordnete militärische Kommandostruktur. Für viele andere Usurpatoren, die nur kurz an der Macht waren, müssen wir eine ähnliche Situation vermuten. Sie konnten möglicherweise die pro1232 Recht ausführlich berichtet Ammian dagegen über die Neugestaltung von Iulians comitatus vor dessen Aufbruch gegen Constantius II. (Amm. 21, 8, 1; Szidat 1996, 69, 73–77) und über Procopius’ Versuche, eigene Strukturen aufzubauen (Amm. 26, 7, 4–8). Zosimus führt ziemlich vollständig Attalus’ hohe Würdenträger nach dessen Usurpation 409 auf (vgl. besonders Zos. 6, 7). 1233 Vgl. z. B. Amm. 20, 5, 9; Ambr. epist. extra coll. 10[57], 12. Der Bischof setzt sich bei Eugenius für Leute ein, die zu Valentinian II. gute Beziehungen hatten und jetzt in Sorge um ihre weiteren Aussichten waren (zur Interpretation der Stelle vgl. McLynn 1994, 343). 1234 Zur Rekrutierung von Personal vgl. besonders Amm. 26, 7, 6 (Erhebung Procops 365): ali­ ique plures ad aulae varios actus et administrandas provincias (der Plural ist gerechtfertigt, Procopius hatte mehrere Provinzen in seiner Hand.) sunt admissi, quidam inviti, alii ultro se­ met offerentes cum praemiis. Vgl. auch Amm. 26, 7, 7. 1235 Vgl. Amm. 27, 6, 2: tempus anceps metuens tyrannidis (sc. Iulianus Rusticus, PVR unter Magnus Maximus). 1236 Vgl. IV.F.7.a Die Besetzung der zivilen Ämter, S. 301–306. Beide Gruppen von Ämtern sollen daher auch getrennt behandelt werden, auch wenn sich Überschneidungen nicht vermeiden lassen.

IV.F.7 Der Aufbau einer eigenen Verwaltung und Führungsgruppe

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vinzialen Verwaltungsstrukturen übernehmen und die regionale militärische Kommandostruktur. Das gilt wahrscheinlich für die meisten Usurpatoren während Honorius’ Regierungszeit in Britannien, Frankreich und Spanien zwischen 406 und 423, die sich nicht für längere Zeit an der Macht halten konnten. Von Constantinus III. kennen wir dagegen zwei PPO Galliens1237 und einige hohe militärische Kommandanten. Ebenso sind uns zwei zivile Amtsträger des Usurpators Iovinus bekannt, nämlich der PPO Galliarum Decimius Rusticus und der primicerius notari­ orum Agroecius1238. Allgemeine Aussagen zur Zahl der Posten, die durch einen Usurpator neu zu besetzen waren, lassen sich nicht machen. Die Möglichkeit, vorhandene Strukturen übernehmen und verändern zu können, erleichterte den Aufbau von Verwaltung und militärischer Kommandostruktur erheblich. Die Ausgangslage war für die einzelnen Usurpatoren sehr unterschiedlich. IV.F.7.a Die Besetzung der zivilen Ämter Bei der Besetzung der hohen zivilen Ämter lassen sich gewisse Unterschiede zwischen der zentralen Verwaltung und dem Hof sowie der Posten auf regionaler und provinzialer Ebene feststellen. Über die erstere Ebene informieren unsere Quellen auch etwas eingehender. Das Problem, einen eigenen comitatus aufzubauen, löste sich recht einfach, wenn der Usurpator nach dem Tod eines Herrschers die verwaiste Stellung einfach übernahm und nicht die Erhebung eines neuen Mitkaisers durch den noch regierenden Herrscher abwartete, also ohne Rücksichtnahme auf den auctor erhoben wurde. Ihm stand dann in der Regel ein funktionierender comitatus zur Verfügung, der nur noch nach dem Belieben des Neuerhobenen umgestaltet werden mußte, ebenso konnte er die vorhandene Kommandostruktur der Armee übernehmen. Die­se Situation gilt für Eugenius und Iohannes, dann für einige westliche Kaiser im 5. Jhd., die keine Anerkennung in Konstantinopel fanden, wie Petronius Maximus, Maiorianus und Libius Severus oder für Marcian in Konstantinopel. Der neue Herrscher mußte nur diejenigen ersetzen, die seine Erhebung nicht unterstützen wollten, und hatte dabei eventuell Schwierigkeiten, weil seine Herrschaft weniger gut legitimiert war und die Anerkennung durch seinen Kollegen im Amt offen war. Deshalb übte man zuweilen Zurückhaltung bei der Übernahme von Ämtern1239. Eine gewisse Ausnahme bildete die Situation bei Avitus’ Erhebung, weil durch die Eroberung Roms durch die Vandalen 455 Petronius Maximus’ comitatus zerstreut war. Aber auch Avitus konnte trotz der Katastrophe, die die Einnahme Roms für die zentrale Verwaltung bedeutete, Würdenträger seines Vorgängers übernehmen. Sie hatten Rom vorher verlassen1240. 1237 Delmaire 1997, 124. 1238 PLRE 2, 965 s. v. Decimius Rusticus 9; PLRE 2, 38–39 s. v. Agroecius 1. 1239 Vgl. etwa zu Iohannes S. 308. 1240 Vgl. Henning 1999, 74–78, 131/132. Von Avitus’ 15 belegbaren Amtsträgern wurden sicher zwei von Petronius Maximus übernommen, nämlich Consentius und der MVM per Gallias

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

Größere Schwierigkeiten gab es für die Usurpatoren, die durch eine Erhebung gegen einen regierenden Herrscher an die Macht gelangten. Lediglich in einigen Fällen war es für den Usurpator nach der Erhebung möglich, einen funktionierenden comitatus zu übernehmen. Man mußte dann nur die nötigen Anpassungen vornehmen und diejenigen ersetzen, die nicht dem neuen Herrn dienen wollten. Hierbei gab es für die Usurpatoren offensichtlich Schwierigkeiten, wie allgemeine Aussagen belegen1241 und eine Überprüfung der Amtsträger zeigt. Die Übernahme eines funktionierenden comitatus war besonders für Magnentius 350 möglich, weil dessen Mitglieder zu einem großen Teil die Usurpation unterstützt hatten, und für Iulian, aber in beschränkterem Maß etwa auch für Magnus Maximus. Nach der Niederlage Gratians wechselte ein großer Teil seiner Funktionäre und Kommandanten zu Magnus Maximus über. Ebenso traten nach seinem Einmarsch in Italien Amtsträger Valentinians II. in seinen Dienst1242. Der Prozeß der Umgestaltung eines comitatus im einzelnen läßt sich unmittelbar vor Iulians Zug gegen Constantius II. gut beobachten1243. Iulian vermochte hohe Würdenträger Constantius’ II., die sich in seinem Machtbereich befanden oder bei seinem Vormarsch in ihn gerieten, nicht auf seine Seite zu ziehen. Die beiden PPO Florentius und Taurus flohen schon vor Iulians Aufbruch gegen seinen Cousin, und der PPO Galliarum Nebridius1244 verweigerte ihm den Treueid vor dem Abmarsch nach Illyrien im Frühjahr 361. Ebenso abweisend verhielten sich hohe militärische Kommandanten wie Lupicinus, Lucillianus und Gomoarius. Ganz anders bot sich die Situation für Procopius dar, der sich seinen comitatus und sein Heer völlig neu aufbauen mußte, weil der comitatus und ein großer Teil des Heeres mit Valens auf dem Weg nach Antiochia waren. Für die zentrale Verwaltung konnte Procopius den gebildeten Gallier Eufrasius als magister officiorum gewinnen1245. Eine besondere Situation bot sich für Attalus während seiner ersten Usurpation 409 dar. Sie war die Folge einer Notsituation. Über seine Beamten sind wir etwas besser informiert. Attalus konnte in Rom auf eine Reihe von Amtsträgern zurückgreifen, die gerade keine Funktion hatten und in der damaligen Situation einspringen konnten. Sehr deutlich ist dies greifbar für Iohannes, der sich nach einer Karriere am comitatus 408 ohne Amt in Rom aufhielt und Attalus’ magister officiorum wurde. Er setzte dann später unter Honorius seine Karriere fort und war 412/413 und 422 PPO Italiae1246. Agrippinus. Für Olybrius und Romulus Augustulus ist ungewiß, wie weit sie auf Amtsträger ihrer Vorgänger zurückgriffen. Sie besetzten auch keinen freien Thron im Westen, sondern kamen nach dem gewaltsamen Sturz ihrer Vorgänger an die Herrschaft. Für Glycerius’ Amtsträger ist die Überlieferung sehr schlecht. 1241 Vgl. z. B. Amm. 26, 7, 6/7. Vgl. n. 1235. 1242 Vgl. etwa den tribunus et notarius Alexander. Vgl. S. 336. 1243 Vgl. n. 1232. 1244 Zu Nebridius vgl. PLRE 1, 619 s. v. Nebridius 1; den Boeft 1991, 7; Szidat 1981, 38. 1245 Amm. 26, 7, 4. Zu Eufrasius vgl. PLRE 1, 299 s. v. Eufrasius 2; Clauss 1981, 153. 1246 Zu Attalus’ Amtsträgern bei seiner ersten Usurpation vgl. generell Delmaire 1997, 123–125. Zu Iohannes vgl. PLRE 1, 459 s. v. Iohannes 2; Paschoud 1986, 272/273.

IV.F.7 Der Aufbau einer eigenen Verwaltung und Führungsgruppe

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Neben den Mitgliedern des comitatus ersetzte der Usurpator, soweit es notwendig war, auch die Amtsträger auf regionaler und provinzialer Ebene mit Persönlichkeiten, die ihm geeignet und loyal schienen. Das Ausmaß der Neubesetzungen ist uns dabei nicht greifbar, und wir wissen nicht, ob es Schwierigkeiten gab, die nötigen Bewerber zu finden. Die zivile Verwaltung auf regionaler und provinzialer Ebene war für den Usurpator allein schon deshalb bedeutend, weil er nur durch ihre Vertreter sich seinen Untertanen bekannt machen konnte. Nur sie konnten sein Bild in die Städte bringen. Allgemein berichtet davon Zonaras1247 zu Magnentius’ Usurpation. Dieser läßt bisherige Amtsträger mit fingierten Briefen des gestürzten Kaisers Constans an den Hof rufen und auf der Reise töten. Die Nachricht läßt sich nicht mit einem konkreten Fall belegen, kann aber auch nicht einfach als Tyrannentopos abgetan werden, denn z. B. Procopius ließ bei seiner Usurpation 365 gegen Valens Würdenträger des Kaisers mit fiktiven Briefen herbeirufen und in Gewahrsam nehmen1248. Magnentius wird sicher den einen oder anderen unzuverlässigen Amtsträger in der Regional- oder Provinzverwaltung auf ähnliche Weise entmachtet haben. Die Neubesetzung von Provinzstatthalterposten wurde auch von den Anhängern eines Usurpators erwartet1249. Mit einer Usurpation verbanden sich Hoffnungen auf eine unerwartete Karriere. Namentlich kennen wir nur wenige Provinzstatthalter, die von Usurpatoren eingesetzt wurden. So machte Iulian 361 in Naissus nach der militärischen Besetzung Illyriens Aurelius Victor zum Statthalter (consu­ laris) der Pannonia secunda1250, deren Hauptstadt Sirmium war. Seine Laufbahn und die Umstände seiner Ernennung sind durch den Historiker Ammianus Marcellinus gut dokumentiert und können einen Einblick in den Übergang eines Würdenträgers zu einem Usurpator geben. Aurelius Victor arbeitete von 357–360 im Stab des praef. praet. für Illyrien Anatolius und dann für kurze Zeit, etwa zwei Monate, unter dessen Nachfolger 1247 Zon. 13, 6, 17/18; Szidat 2003, 210. Über die erfolgreiche Einsetzung von neuen Provinzstatthaltern berichtet auch Oros. hist. 7, 40, 5: misit (sc. Constantinus III.) in Hispanias iudices. quos cum provinciae oboedienter accepissent, … Zur Parallelüberlieferung vgl. Paschoud 1989, 33/34. Vgl. etwa auch Sulp. Sev. dial. 3, 11, 8 zu einem praeses Leucadius, einem Provinzstatthalter, der ausgewechselt werden mußte, weil er auf Seiten des gestürzten Gratian stand (PLRE 1, 304 s. v. Leucadius 1). 1248 Vgl. Amm. 26, 7, 5: Procopius, der sich in Konstantinopel aufhält, läßt den comes rei militaris Iulius (PLRE 1, 481 s. v. Iulius 2) aus Thrakien mittels eines Briefes des inhaftierten PPO Orientis Nebridius herbeirufen und verhaften. Es wird also so getan, als ob Nebridius als Würdenträger des Kaisers Valens diesen Brief abgesandt hätte. Iulius’ Schonung läßt vermuten, daß auch Magnentius ähnlich vorging und daß es sich beim Hinweis auf die Tötung um einen Topos handelt, der die crudelitas des Usurpators unterstreichen soll. 1249 Vgl. n. 1231. 1250 Amm. 21, 10, 6. Zur Stelle vgl. Szidat 1996, 108 und zu Aurelius Victor vgl. PLRE 1 s. v. Victor 13; H. W. Bird, Sextus Aurelius Victor. A Historiographical Study, Liverpool 1984; von Haehling 1978, 392/393; Herzog 1989, 198–201; Kuhoff 1983, 307/308 n. 21; R. J. Penella, A Lowly Born Historian of the Late Roman Empire. Some Observations on Aurelius Victor and his De Caesaribus, Thought 55, 1980, 122–131; zum Verhältnis von Aurelius Victor und Iulian vgl. C. E. V. Nixon, Aurelius Victor and Julian, CPh 86, 1991, 113–125, besonders 119–125.

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Florentius. Seine genaue Stellung kennen wir nicht. Er befand sich in Sirmium, als Iulian die Stadt mit einem Handstreich in Besitz nahm. Sein historisches Werk, das wohl schon erschienen war, empfahl ihn als literarisch gebildeten Mann. Ob sein Heidentum eine entscheidende Rolle spielte, ist sehr fraglich. Es war sicher erwünscht, aber in dieser Phase keine Bedingung, denn sonst hätte Iulian sich die Christen als entscheidende Gruppe entfremdet. Offensichtlich wurde Aurelius Victor von Iulian gefördert, weil er sich in einer kritischen Phase diesem zur Verfügung stellte. Dafür wurde er zum Statthalter der Pannonia secunda ernannt. Die Provinz war die wichtigste der Diözese Illyricum, denn lediglich ihr Statthalter war ein consularis. Die anderen Provinzen dieser Diözese standen unter praesides bzw. die Provinz Savia unter einem corrector. Durch die Ernennung von Aurelius Victor zum Statthalter der Pannonia secunda war eine wirksame Kontrolle der wichtigen Residenzstadt Sirmium durch einen Mann mit Erfahrung und Umsicht in der zivilen Verwaltung gegeben. Spätestens mit der Ernennung zum Statthalter dieser Provinz stieg Aurelius Victor in den Senatorenstand auf, denn der consularis, der dieser Provinz vorstand, war ein vir clarissimus. Victors Entschluß, sich in dieser Phase Iulian zur Verfügung zu stellen, war zweifellos risikoreich. Iulians Gegner, der Augustus Constantius II., war noch nicht bezwungen und verfügte über große militärische Mittel. Daß Aurelius Victor unter Iulian offensichtlich keine weitere Karriere machte, aber von Ammian so außerordentlich gelobt wird, läßt darauf schließen, daß er später Vorbehalte gegenüber der forcierten religiösen Politik Iulians und der Expansionspolitik den Sassaniden gegenüber hatte. Aurelius Victor wurde seiner sobrietas wegen von Iulian mit einer ehernen Statue in Sirmium geehrt. Der genaue Zeitpunkt der Ehrung ist nicht bestimmbar. Die sobrietas ist die nüchterne politische Überlegung. Sie läßt auf einen Mann mit Erfahrung und Umsicht in der zivilen Verwaltung schließen. Daß Iulian ihn deswegen ehrte, zeigt, daß nicht dessen historisches Werk der entscheidende Grund für seine Förderung war. Welcher Dienst der Ehrung durch die Aufstellung der Statue wirklich zugrunde lag, läßt Ammians Text nicht klar erkennen. Man wird an eine wichtige Rolle bei der Übernahme der Macht in Sirmium durch Iulian zu denken haben. Daß sich Aurelius Victor, der nicht aus Gallien mitgekommen war und vorher nicht zum engeren Kreis Iulians gehört hatte, für diesen entschied, war ein wichtiges Signal für andere Mitglieder der zivilen Verwaltung in Sirmium. Für Procopius’ Usurpation sind uns zwei Provinzstatthalter bekannt, nämlich Hormisdas1251 und Andronicus. Hormisdas war Proconsul Asiens mit militärischen Befugnissen und wurde 379 comes rei militaris (?) unter Theodosius in Aegypten. Andronicus wurde zuerst Statthalter Bithyniens und dann vicarius von Thrakien1252. 1251 Amm. 26, 8, 12; Zos. 4, 30, 5. PLRE 1, 443 s. v. Hormisdas 3; den Boeft 2008, 231–233. Hormisdas’ Rolle ist allerdings eher als eine militärische zu betrachten. Seine Ausstattung mit einem militärischen Kommando ist für einen Provinzstatthalter zu dieser Zeit ungewöhnlich (more veterum). 1252 PLRE 1, 64/65 s. v. Andronicus 3. Zu einem Provinzstatthalter des Usurpators Magnus Maximus vgl. Antonius Maximinus, Statthalter in Spanien in einer wohl neugeschaffenen Provinz (PLRE 1, 578 s. v. Antonius Maximinus 9).

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Er hatte als Schüler des Rhetors Libanius die nötige Voraussetzung für eine Karriere als Provinzstatthalter. 360/361 war er unter Iulian Statthalter der Provinz Phoenice und hatte danach keinen Posten mehr bekleidet. Procopius’ Usurpation bot ihm dann die ersehnte Chance, die Karriere fortzusetzen. Er bezahlte sie mit seinem Leben. Soweit dies nötig war, wurden auch die wichtigen regionalen Verwaltungsposten neu besetzt wie etwa die Stadtpräfektur in Rom oder in Konstantinopel unter Procopius. Ebenso wurden neue Prätorianerpräfekten ernannt1253. Für die regionalen Prätorianerpraefekturen sei etwa an Sallustius erinnert, der von Iulian 361 zum PPO Galliens ernannt wurde, bevor er gegen Constantius II. aufbrach. Von Procopius wurde Araxius zum praefectus praetorio erhoben. Er war vor 353 Gouverneur in Palestina. Er erhielt sein Amt wahrscheinlich auf Fürsprache seines Schwiegersohnes Agilo, der als ehemaliger Heermeister schon im Ruhestand lebte, sich aber dann von Procopius reaktivieren ließ und ihn schließlich verriet. Phronimius1254 wurde praefectus urbi von Konstantinopel. Ebenfalls wurden vicarii neu ernannt. So wurde Andronicus unter Procopius erst Statthalter Bithyniens und dann vicarius von Thrakien1255. Die Usurpatoren griffen zur Besetzung der Ämter auf denselben Personenkreis zurück, aus dem auch die anerkannten Kaiser ihre Würdenträger nahmen. Dies bestätigt das Grundphänomen der spätantiken Usurpationen, nämlich daß sie keinen grundlegenden politischen oder gesellschaftlichen Gegensatz zum regierenden Herrscher beinhalten. Die Usurpatoren konnten wie jeder Kaiser auch zur Besetzung der zivilen Ämter auf Leute zurückgreifen, die die Rhetorenschulen durchlaufen oder schon eine Verwaltungskarriere begonnen hatten und auf deren Fortsetzung warteten. Gute Beispiele dafür bieten Andronicus, Iovius oder Aurelius Victor. Iovius läßt die Laufbahn eines Aufsteigers erkennen, der entscheidende Karriereschritte unter Usurpatoren machte. So war er unter Magnentius (350–353) wahrscheinlich in der zentralen Verwaltung tätig, wobei man etwa an eine Stellung als magister memoriae zu denken hat. Nach einem Unterbruch wurde er unter Iulian noch während des Zuges gegen Constantius II. 361 in Kaiseraugst QSP. Unter Valens schaffte er es zum PVC1256. Ein ähnliches, wenn auch weniger breites Reservoir bildeten die Leute mit Ausbildungen, die von gleichem Ansehen wie die Rhetorik waren, so z. B. der Medizin. Hier ist an den Arzt der schola palatina Scutariorum Dorus zu denken, der unter Magnentius zum centurio rerum nitentium in Rom befördert wurde und ein eifriger

1253 Zu den Stadtpraefekten in Rom vgl. besonders Chastagnol 1962. Für die Praetorianerpraefekten im 4. Jhd. gibt es eine reiche Spezialliteratur. Man vgl. etwa Coşkun 2004, 280 n. 1. 1254 Zu Sallustius vgl. PLRE 1, 797/798 s. v. Sallustius 5; Szidat 1996, 74; zu Araxius vgl. Amm. 26, 7, 6; PLRE 1, 94 s. v. Araxius; zu Phronimius vgl. n. 1413. 1255 Vgl. n. 1252. 1256 Zu Iovius vgl. PLRE 1, 464 s. v. Iovius 2; de Bonfils 1981, 203–210; Harries 1988, 171 u. passim; Szidat 1996, 76/77. Vgl. S. 62.

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Anhänger von ihm war1257. Als centurio rerum nitentium war er ein Untergebener des PVR. Seine Karriere und soziale Stellung ist vergleichbar mit der der Ärzte, die sonst im kaiserlichen Dienst aufstiegen, wie etwa Caesarius, Gelasius oder Vindicianus1258. Leute mit solcher Ausbildung im Dienst von Usurpatoren sind selten belegt. IV.F.7.b Senatoren im Dienst des Usurpators Ein wichtiges Reservoir für die Besetzung hoher Würden bildete der Senatorenstand seines sozialen Prestiges wegen. Die Übernahme von Ämtern durch seine Mitglieder war ein klares Signal an andere soziale Gruppen, daß die Erhebung eines Usurpators akzeptiert war. Für die Mitglieder des römischen Senatorenstandes mit einer angesehenen und gesicherten sozialen Stellung waren Usurpatoren eine viel stärkere Bedrohung als für Mitglieder anderer Gruppen. Sie mußten Stellung nehmen, um ihre gesellschaftliche Position und die ihrer Familie zu bewahren. Sie konnten viel eher verlieren1259. Dies führte zu sehr unterschiedlichem Verhalten der einzelnen Mitglieder 1257 Vgl. PLRE 1, 270 s. v. Dorus und Amm. 16, 6, 2/3 zur Beförderung zum centurio rerum niten­ tium. Dorus diente unter Constans als medicus in einer schola palatina scutariorum, wenn der Begriff ex medico Scutariorum bei Ammian nicht überhaupt scholae palatinae bezeichnet (vgl. Hoffmann 1969, 292/293), trat in Magnentius’ Dienst über und wurde centurio rerum nitentium in Rom, was eine Beförderung bedeutete (provectum). Sein Amt entsprach dem des tribunus rerum nitentium, der nach der Not. dign. occ. 4, 17 auf dem 15. und letzten Rang unter dem PVR steht. Im Herbst 351 zeigte er nach Magnentius’ Niederlage bei Mursa den PVR Clodius Celsinus signo Adelphius an, einen Umsturzversuch in Rom zu planen (vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 388), ergriff also in einer schwierigen Situation für Magnentius Partei. Darauf wurde Adelphius als PVR ersetzt. Dorus wurde 353 bei Magnentius’ Sturz nicht bestraft. Er hielt sich später als ex medico in der Nähe des Hofes auf, wo er im Winter 356/357 in Mailand eine Intrige gegen den Heermeister Arbitio spann. Eine Funktion hatte er offensichtlich nicht mehr, aber noch Zugang zu den Mächtigen. Nach der Intrige verschwindet er aus der Überlieferung. 1258 Zu Laufbahnen, die der von Dorus vergleichbar sind, vgl. Gelasius (PLRE 1, 387 s. v. Gelasius), der Arzt am Hof war und wahrscheinlich rationalis rei privatae fundorum domus divinae per Africam 380 wurde, Caesarius (PLRE1, 169 s. v. Caesarius 2), der Arzt am Hof in Konstantinopel war und 368 wahrscheinlich comes thesaurorum in Bithynia wurde, und Vindicianus (PLRE1, 967 s. v. Vindicianus 2, Matthews 1975, 72/73), der Arzt am Hof Valentinians I. war und 379/382 proconsul Africae wurde. Auf keinen Fall wird man Dorus mehr wie Grosse 1920, 111 zu den chargierten Gemeinen rechnen dürfen. Auf seine herausgehobene soziale Stellung hat schon J. Korpela, Das Medizinalpersonal im antiken Rom, Helsinki 1987, 107–109, 140–142 verwiesen, ohne sie aber durch einen Laufbahnvergleich genauer zu umschreiben. 1259 Bleckmann 1999, 73/74 spricht von traumatischen Erfahrungen der senatorischen Schicht mit Usurpatoren, Erfahrungen, die etwa das Epos Probas (PLRE 1, 732 s. v. Proba 2), der Frau des PVR Adelphius (PLRE 1, 192–193 s. v. Clodius Celsinus signo Adelphius 6), über Constantius’ II. Auseinandersetzung mit Magnentius widerspiegelt. Im Unterschied zur opi­ nio communis, nach der das Epos Constantius’ II. Sieg verherrlichen und ihm schmeicheln sollte und daher gleich nach Magnentius’ Niederlage verfaßt wurde (vgl. z. B. Herzog 1989,

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der senatorischen Aristokratie. Die Anerkennung eines Usurpators durch den Senat als Körperschaft, was oft auf Grund der tatsächlichen Machtverhältnisse nicht zu umgehen war, und dessen aktive Unterstützung durch einzelne Senatoren, indem man in seinen Dienst trat, muß man daher sorgfältig unterscheiden. Die Angehörigen der stadtrömischen Aristokratie waren in ihrer großen Mehrheit weniger schnell bereit, in den Dienst eines Usurpators zu treten, wie z. B. Mag­ nentius’ Schwierigkeiten bei der Besetzung der Stadtpräfektur zeigen1260. Die großen Herren im Senat stellten sich Magnentius nicht zur Verfügung. Sie versagten ihm offensichtlich ihre Unterstützung. Die generelle Vorsicht, einem Usurpator zu dienen, schloß aber nicht aus, daß einzelne Mitglieder der angesehenen Familien mit verschiedenen Usurpatoren zusammenarbeiteten. Ihr Verhalten und ihr Selbstverständnis von dieser Zusammenarbeit zeigen auch, daß sie den Dienst bei einem Usurpator als eine Aufgabe sehen konnten, die im Interesse des Staates lag1261. Nach Nepotianus’ Erhebung stellte sich der Senat in seiner Mehrheit auf dessen Seite. Er hatte offensichtlich auch seine Erhebung begünstigt1262. Einzelne Senatoren scheinen auch in seinen Dienst getreten zu sein. Wir kennen aber keinen namentlich. Magnentius verfolgte die nobilitas nach Nepotianus’ Beseitigung und ließ einzelne töten1263. Die sehr deutliche Stellungnahme gegen Magnentius während Nepotianus’ Erhebung, eine Stellungnahme, die mit großen Risiken verbunden war, ist eher ungewöhnlich. Es gelang Magnentius auch nach Nepotianus’ Niederwerfung nicht, die Mitglieder des Senates insgesamt für sich zu gewinnen. Für die mangelnde Unterstützung, die Magnentius in Senatskreisen genoß, spricht auch die Flucht einzelner Senatoren noch vor der Schlacht von Mursa zu Constantius II. und der Umsturzversuch des PVR Clodius Celsinus signo Adelphius vom Herbst 351 in Rom1264. Die Mitglieder des Senates stellten sich nach Gratians Sturz ohne Zögern zuerst in den Dienst Valentinians II., arbeiteten also mit der Dynastie zusammen, und wandten sich Magnus Maximus erst zu, als sich dieser Italiens bemächtigt hatte. So hielt Symmachus einen Panegyrikus auf Magnus Maximus, als dieser den Konsulat für 388 antrat und förderte höchstwahrscheinlich die Promotion von Rusticus Iuli-

338), weist Bleckmann überzeugend nach, daß das Epos erst nach Constantius’ II. Tod verfaßt wurde. Sein historischer Gehalt sei gering, obwohl hier kein Panegyrikus auf den Kaiser vorliege, aber dafür ein Anschluß an die Topoi Lucans stattgefunden habe. 1260 Chastagnol 1960, 420. 1261 Symm. ep. 1, 2, 3: aut calcaria ferre bonis aut frena tyrannis. Vom älteren Symmachus um 375 von Aradius Rufinus’ Dienst bei Maxentius und Konstantin als PVR gesagt. 1262 Vgl. n. 1009. 1263 Hier. chron. s. a. 2366: Nepotiani caput pilo per urbem circumlatum multaeque proscriptiones nobilium et caedes factae; Athan. Ap. Const. 6, 604c. Athanasius nennt neben Eutropia, Nepotianus’ Mutter, zwei Personen namens Abureius und Sperantius, die sich aber nicht identifizieren lassen, und weist auf weitere ohne Namensnennung hin. Zur Stelle vgl. mit Übersetzung Barnes 1993, 53. 1264 Iul. or. 3, 36, 97b–d, wo die Flucht ausdrücklich vor die Schlacht von Mursa datiert wird, und dazu Iul. or. 1, 31 u. 39. Zum Umsturzversuch des PVR Clodius Celsinus signo Adelphius vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 388.

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anus zum PVR unter Maximus1265. Der ehemalige PPO Probus dagegen war mit Valentinian II. in den Osten geflohen. Wichtig war der Senat für Eugenius. Jener unterstützte ihn deutlich, indem er sich schon früh der Tempelgüter wegen an ihn wandte und ihn damit anerkannte1266. In seine Dienste traten zwei sehr prominente Mitglieder des Senates, nämlich Virius Nicomachus Flavianus, der PPO Italiae wurde, und dessen Sohn Nicomachus Flavianus, der PVR unter Eugenius war. Mit dem Usurpator Attalus arbeitete 409/410 eine Reihe stadtrömischer Aristokraten zusammen. Die Anicii ignorierten ihn dagegen ostentativ1267. Hierbei spielte offenbar sein heidnisches Bekenntnis die entscheidende Rolle. Mit dem Usurpator Iohannes dagegen verweigerten die Anicii ihre Zusammenarbeit nicht generell, wie Probus’ Prätur unter seiner Herrschaft zeigt. Andere Mitglieder der Familie wie Faustus, der consul von 4381268, oder sonstige vornehme Aristokraten wie Volusianus mieden sie aber. Für den Senat in Konstantinopel stellte sich das Problem der Zusammenarbeit mit einem Usurpator zum ersten Mal bei Procopius’ Usurpation. Seiner Anerkennung durch den Senat, die offensichtlich mehr als nur formal war, folgte auch eine enge Zusammenarbeit vieler Senatoren mit dem Usurpator1269. Sie ist nicht nur mit dem Machtwechsel zu erklären, denn dem neuen Herrscher konnte man sich durch die Flucht entziehen, wie es einige auch taten1270, sondern mit der Unzufriedenheit mit Valens, die besonders in Konstantinopel verbreitet war und die Loyalität zu ihm schwinden ließ 1271.

1265 Zu Rusticus Iulianus vgl. n. 713; Soc. 5, 14, 6; vgl. Symm. ep. 2, 30/31. Zu Symmachus’ Beziehungen zu Rusticus Iulianus vgl. etwa Lizzi Testa 2004, 352 u. passim. 1266 Ambr. epist. extra coll. 10[57], 6. Die erste Gesandtschaft der heidnischen Senatoren suchte Eugenius noch in Gallien auf. Sie ist zwischen August 392 und Dezember 392 zu datieren (nach Dudden 1935, 423 auf jeden Fall noch 392). 1267 Zos. 6, 7, 4. Vgl. Lütkenhaus 1998, 143; Paschoud 1989, 46. 1268 Anders Zecchini 1983, 134, der ihn ohne näheren Nachweis als möglichen PVR des Usurpators ansieht, dagegen aber Chastagnol 1962. Zu Faustus vgl. n. 198 und zu Volusianus PLRE 2, 1184/1185 s. v. Rufius Antonius Agrypnius Volusianus 6. Vgl. auch Olymp. fr. 41, 2 Blockley und dazu Blockley 1983, 220 zu Probus’ Praetur. Petronius Maximus bekleidete allerdings unter Iohannes kein Amt. Vgl. Panciera 1996, 297. 1269 Amm. 26, 6, 18 leugnet eine wirkliche Zustimmung des Senates zu Procopius’ Erhebung und zur Zusammenarbeit mit ihm. Jene läßt aber Themistios erkennen, wenn er Valens dafür dankt, den Senat nach Procopius’ Sturz nicht stark gesäubert zu haben (Them. or. 8, 13, 111A). 1270 Amm. 26, 7, 1/2. Namentlich zu fassen sind Clearchus und Sophronius (vgl. Dagron 1974, 248, 251; PLRE 1, 847/848 s. v. Sophronius 3). Beim ersteren ist aber nicht ganz zu sichern, ob er sich damals in Konstantinopel aufhielt, und beim zweiten kann man zweifeln, ob er schon Mitglied des Senates war. 1271 Zu den Belegen vgl. Dagron 1974, 197.

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IV.F.7.c Der Aufbau einer militärischen Kommandostruktur Der Aufbau einer militärischen Kommandostruktur über die Einheiten hinaus, die den Usurpator erhoben hatten, stellte häufig größere Probleme. Wenn der Usurpator schon eine Gruppe von Einheiten oder den ganzen comitatus übernehmen konnte, wie z. B. Magnentius Constans’ Armee oder Iulian die Truppen, die ihm schon als Caesar zur Verfügung gestanden hatten, konnte er auch deren Offiziere in seinen Dienst nehmen1272. Nur wenige hatten die Möglichkeit und auch den Mut, sich dem neuen Herrn zu verweigern. Wie viele Posten er auch in diesem Fall neu besetzen mußte, ist nicht faßbar. Die höchsten Führungspositionen wie die magistri militum oder die comites rei militaris mußte er mit Leuten seines Vertrauens neu besetzen, soweit ihn diese nicht schon an die Macht gebracht hatten. Als Einheitskommandanten übernahm er offensichtlich mehrheitlich die schon vorhandenen, obwohl auch auf dieser Kommandoebene mangelnde Loyalität große Folgen haben konnte und zu fürchten war1273. Wo die Quellen hinreichend sind, zeigt sich, daß es zu Wechseln auf der oberen Kommandoebene kam. Geleistete Dienste, persönliche Präferenzen und politische Überlegungen spielten eine wichtige Rolle. Soweit der Usurpator neue Offiziere ernennen mußte, bestand gegenüber der Rekrutierung von Amtsträgern für die zivile Verwaltung ein signifikanter Unterschied. Für die Besetzung der hohen Verwaltungsposten gab es neben den vorhandenen Amtsträgern ein Potential an Kandidaten, die gerade kein Amt bekleideten oder erst den Einstieg in eine Karriere suchten, während bei den hohen Offizieren, die gewonnen werden mußten, es sich weitgehend um solche handelte, die im Dienst waren und zum Übertritt auf die Seite des Usurpators bewogen werden mußten. Daneben bestand nur die Möglichkeit, auf solche zurückzugreifen, die schon aus dem Dienst ausgeschieden waren, oder durch forcierte Beförderungen treue Anhänger zu hohen Offizieren zu machen. Sehr deutlich wird dieses Problem bei Procopius’ Erhebung. Er hatte Schwierigkeiten, die hohen militärischen Kommandoposten mit geeigneten Leuten zu besetzen, weil keine größere Gruppe von Einheiten mitsamt ihrem Kommandanten auf seine Seite übergetreten war oder er eine solche übernehmen konnte. Er mußte die Generäle Agilo und Gomoarius, die sich schon im Ruhestand befanden, wieder in Dienst nehmen. Beide verrieten ihn später. Arbitio, der auch schon im Ruhestand war, ließ sich nicht dazu bewegen, in Procopius’ Dienst einzutreten.

1272 Vgl. z. B. Amm. 14, 5, 8: cum tribunis. 1273 Belege für das Auswechseln von Kommandanten einzelner militärischer Einheiten sind anscheinend nicht vorhanden. Bei den bekannten Fällen von tribuni, die im Dienst von Usurpatoren standen und als Einheitskommandanten in Frage kämen, wie z. B. dem tribunus Marcellianus, der unter Constans und später unter Magnentius diente (Szidat 2003, 287–289) oder dem tribunus Barchalba, der gezwungenermaßen auf Procopius’ Seite überwechselte, besteht keine Gewißheit, ob sie das Kommando von Einheiten oder andere Aufgaben übernahmen. Zur Bedeutung fehlender Loyalität vgl. den Verrat des tribunus scholae palatinae armatura­ rum Silvanus an Magnentius. Vgl. n. 1295.

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IV. Der Usurpator, F. Nach der Erhebung: Der weitere Weg des Usurpators

Marcellus1274, ein Verwandter Procops, der protector war, wurde schließlich Kommandant der Garnison in Nicaea, Hyperechius1275, ein Freund Procops und vorher Bediensteter am Hof, wurde Kommandant von Truppen in Bithynien, und Hormisdas, der Enkel des Perserkönigs Hormisdas II. (302–309)1276, wurde pro­ consul Asiens mit militärischen Befugnissen. Er setzte nach Procopius’ Sturz seine Karriere fort. 379 wurde er comes rei militaris (?) unter Theodosius in Aegypten. Diese Ernennungen zeigen, daß Procopius nicht ohne weiteres geeignete und loyale Offiziere fand, die in seinen Dienst treten wollten1277. Bei einer Reihe von Kommandanten der unteren Ebene wissen wir nicht, wie sie in den Dienst Prokops kamen und ob sie erst unter ihm befördert wurden. Das gilt für die Tribunen Aliso und Rumitalca sowie für Florentius, den militärischen Kommandanten der Truppen in Nicaea im Frühjahr 366. Der tribunus Barchalba trat gezwungenermaßen in Procops Dienst1278. Iulian versagten mehrere hohe militärische Kommandanten wie die Generäle Lupicinus, Gomoarius und Lucillianus die Gefolgschaft, als er in Gegensatz zu Constantius II. geriet. Wesentlich besser erging es dagegen Magnus Maximus. Von den höchsten militärischen Kommandanten traten die Heermeister Andragathius, Merobaudes und der comes rei militaris Nannienus1279 in Maximus’ Dienst, nachdem sie Gratian bei Paris im Stich gelassen hatten. IV.F.8 Die Begründung einer eigenen Dynastie Der Inbesitznahme eines Territoriums folgen oder ihr parallel gehen kann der Versuch, eine eigene Dynastie aufzubauen und damit die Nachfolge zu regeln. Diese Absicht war entscheidend und nicht die Angst, einem fremden militärischen Kommandanten größere Verbände anvertrauen zu müssen. Dies wird oft schon durch das teilweise sehr jugendliche Alter der Ernannten ganz deutlich1280. Ob man einen Mitherrscher zum Caesar oder Augustus machte, richtete sich nur zum Teil nach der gerade üblichen Tendenz, die die legitimen Herrscher verfolgten1281, sondern folgte anderen politischen Intentionen. 1274 PLRE I, 551 s. v. Marcellus 5. Vgl. Amm. 26, 10, 1: agens apud Nicaeam praesidium. 1275 PLRE 1, 449/450 s. v. Hyperechius. Vgl. Amm. 26, 8, 5: cellae castrensis apparitor, id est ventris minister et gutturis. 1276 Vgl. n. 1251. 1277 Vgl. auch Wiebe 1995, 41–43. 1278 Amm. 26, 9, 8; Philost. 9, 5. 1279 Delmaire 1997, 121. Bei Andragathius ist nicht gesichert, welche Stellung er vor Maximus’ Usurpation bekleidete. Er war aber offensichtlich mehr als nur ein Einheitskommandant. Zu Nannienus vgl. PLRE 1, 615–616 s. v. Nannienus. Nach Rodgers 1981, 102 n. 57 lief er zu Maximus über. Die Stellung des späteren Heermeisters Quintinus vor Maximus’ Erhebung ist unbekannt. 1280 Anders Elbern 1984, 52/53. 1281 Magnentius erhob seinen Bruder Decentius nur zum Caesar (PLRE I 244 s. v. Decentius 3), während Magnus Maximus seinen Sohn Victor erst zum Caesar und dann zum Augustus machte, obwohl seit Valentinian I. Verwandte legitimer Kaiser, die für die Nachfolge vorgese-

IV.F.8 Die Begründung einer eigenen Dynastie

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Der Kollege des Usurpators war zuweilen nur ein nomineller Teilhaber der Herrschaft. Eine ganz deutlich erkennbare Ausnahme bildet Decentius, Magnentius’ Bruder1282, der hauptsächlich in Trier residierte und die Einfälle der Barbaren an der Rheingrenze abwehrte, während Magnentius in Norditalien und auf dem Balkan gegen Constantius II. kämpfte. Auch Constans, der ältere Sohn Constantinus’ III. und höchstwahrscheinlich Sebastianus, Iovinus’ Bruder, waren mehr als nur nominelle Herrscher. Die Erhebung von Amtskollegen läßt sich im 4. Jhd. bei Magnentius und Magnus Maximus und im 5. Jhd. bei Constantinus III., Iovinus und Petronius Maximus beobachten. Dazu kommt gegen Ende des Jahrhunderts noch Marcus, Basiliscus’ Sohn. Er wurde von seinem Vater zuerst zum Caesar und bald darauf zum Mitaugustus erhoben1283. Mit der Erhebung eines Mitherrschers, meistens eines nahen Verwandten, wurde die Regelung der Beziehungen zu den legitimen Kaisern sehr erschwert, denn damit war die Herrschaft von deren Familie einer Konkurrenz ausgesetzt und in Gefahr. Die Erhebung eines Mitherrschers verminderte also die Chancen, zu einer Übereinkunft zu kommen, erheblich1284. Daß dies eine wesentliche Rolle spielte, zeigt sich daran, daß diese Erhebungen häufig mit erheblicher Verspätung erfolgten, und zwar erst dann, wenn die Chancen für eine friedliche Übereinkunft deutlich geringer geworden waren oder wenn mit dem Kaiser eine Regelung getroffen war. So erhob Magnus Maximus seinen Sohn Flavius Victor zum Augustus erst nach seiner Anerkennung durch Theodosius. Neben der Erhebung eines Mitherrschers versuchte der Usurpator Constantinus III. auch, die Nachfolge für weitere Familienmitglieder zu sichern. Er machte seinen jüngeren Sohn Iulianus zum nobilissimus puer, kurz nachdem er seinen älteren, Constans, zum Caesar gemacht hatte1285. Dieses forcierte Vorgehen zur Sicherung der Herrschaft der eigenen Familie blieb offenbar eine Ausnahme. Es zeigte sich auch darin, daß Constantinus III. sich nach seiner Erhebung im Anschluß an Kon­

hen waren, sofort zum Augustus erhoben werden, jedenfalls bis zum Ende der theodosianischen Dynastie. Victor wurde eindeutig erst zum Caesar und dann zum Augustus erhoben, wie J. Lafaurie, Un nouvel argenteus de Flavius Victor, M. Christol / S. Demougin / Y. Duval / C. Lepelley / Ch. Pietri (Hrsgg.), Institutions, société et vie politique dans l’empire romain au IVe siècle ap. J.-C, Rom 1992, 127–136 gezeigt hat (anders noch PLRE 1, 961 s. v. Fl. Victor 14). Kienast 1996, 342/343 übernimmt Lafauries Meinung nicht. Der Usurpator Constantinus III. machte seinen Sohn Constans erst zum Caesar und dann zum Augustus (vgl. PLRE 2, 310 s. v. Constans 1); Iovinus erhob seinen Bruder Sebastianus gleich zum Augustus, während Petronius Maximus seinen Sohn Palladius (PLRE 2, 821 s. v. Palladius 10) nur zum Caesar machte. 1282 Decentius war Magnentius’ Bruder, wie B. Bleckmann, Decentius, Bruder oder Cousin des Magnentius?, GFA 2, 1999, 85–87 gezeigt hat. 1283 PLRE 2, 720 s. v. Marcus 4; Kent 1994, 114. 1284 Dies wird in der Regel in der Forschung übersehen. Anders als im 3. Jhd., in dem die Versuche, eine Dynastie zu gründen, viel häufiger sind, sind die politischen Folgen nach dem Übergang zur Mehrkaiserherrschaft im 4. Jhd. andere. 1285 PLRE 2, 638 s. v. Iulianus 7.

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IV. Der Usurpator, G. Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator

stantin Flavius Claudius Constantinus nannte und seine Söhne höchstwahrscheinlich erst dann die Namen Constans und Iulianus annahmen1286. Alle Usurpatoren, die im Westen erhoben wurden, ohne daß man den Vorschlag Konstantinopels abwartete, versuchten nie, eine eigene Dynastie zu gründen. Zu ihnen gehören Eugenius, Iohannes, Maiorian und Libius Severus, um nur die zu nennen, bei denen keine besonderen Umstände zu berücksichtigen sind. Eine Ausnahme bildet lediglich Petronius Maximus. Als einen wichtigen Grund muß man annehmen, daß die oben erwähnten die Verhandlungen um Anerkennung ihrer Herrschaft nicht gefährden wollten und daß sie größere Rücksicht auf die politischen Kräfte nehmen mußten, denen sie ihre Stellung verdankten. IV.G Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser . und Usurpator IV.G.1 Die Verhandlungen um Anerkennung Der Mehrkaiserherrschaft wegen mußte es nach einem Staatsstreich zu einer Regelung des Verhältnisses zwischen dem betroffenen Kaiser und dem Usurpator kommen. Ob man diesen mit Gewalt entmachten oder als Mitglied in das Herrscherkollegium aufnehmen sollte, war die Frage. Militärische und politische Maßnahmen wurden dabei in gleicher Weise und oft gleichzeitig eingesetzt. Wozu man griff, hing von der jeweiligen politischen und militärischen Situation ab. Ereignete sich die Usurpation fern vom comitatus, so zog man entweder gegen den Usurpator, wie Gratian es 383 gegen Magnus Maximus tat, um ihn niederzukämpfen, oder suchte ihn auf andere Art zu entmachten. So schickte Constantius II. 355 eine Gesandtschaft unter der Leitung des Heermeisters Ursicinus zu Silvanus, der es gelang, die unzuverlässigen Einheiten der Bracchiati und Cornuti durch Bestechung aufzuwiegeln und zu veranlassen, Silvanus zu töten1287. Ursicinus fand leichten Zugang zu Silvanus und seiner Umgebung, weil er vorgab, daß er und seine Begleiter nicht der Erhebung wegen geschickt worden seien, sondern abgereist seien, schon bevor der Kaiser davon erfahren habe, und zwar mit dem Auftrag, daß Ursicinus Silvanus im Kommando ablöse. War es einem Usurpator gelungen, sich eines größeren Territoriums oder gar eines ganzen Reichsteiles zu bemächtigen, suchte er zu einer Übereinkunft mit seinem Kollegen zu kommen, um von diesem als Mitherrscher anerkannt zu werden. Die Anerkennung durch den Kollegen im Amt war für die Stellung eines Usurpators im eigenen Herrschaftsgebiet von entscheidender Bedeutung, denn ohne sie konnte ihm jederzeit unter Berufung auf den anderen Herrscher die Loyalität von seinen Untertanen aufgekündigt werden. Die geringere Stabilität der Herrschaft

1286 Vgl. n. 698. 1287 Amm. 15, 5, 31.

IV.G.1 Die Verhandlungen um Anerkennung

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eines Usurpators war antiken Autoren durchaus bewußt1288. Die Anerkennung durch seine Kollegen war die wirksamste Legitimierung und Festigung seiner Stellung. Die Versuche, zu einer Anerkennung durch die Kollegen zu gelangen, bestimmte die Politik der Usurpatoren weitgehend, wobei die damit verbundenen Risiken in Kauf genommen wurden. Sie bestanden vorwiegend in der Destabilisierung der eigenen Stellung. Das Nachsuchen um die Anerkennung durch die Mitherrscher gibt diesen auch ein Zeichen, daß ihre Herrschaft nicht in Gefahr sei. Bei Erhebungen mit lokalem Charakter, wie sie uns eindeutig in Firmus’ Usurpation greifbar ist, kam es nicht zur Aufnahme von Verhandlungen, ebenso nicht bei zu kurzer Dauer der Herrschaft wie im Fall von Silvanus1289. Er suchte nicht um Constantius’ II. Anerkennung nach. Seine Herrschaft dauerte aber nur 28 Tage, und seine Erhebung erfolgte aus einer Notsituation heraus. Es läßt sich daher nicht entscheiden, ob er Constantius’ II. Herrschaft in Frage stellen wollte oder nur eine Teilhabe daran erstrebte. Von den Machtverhältnissen her ist nur das letztere denkbar. Wahrscheinlich erfolgte sein Sturz, bevor er eine Entscheidung fällte. Die Verhandlungen um Anerkennung sind typisch für spätantike Usurpationen mit ihrem Ziel der Teilhabe an der Herrschaft. Eine wirkliche Ausnahme bildete Procopius1290. Er suchte schon gleich nach seiner Erhebung gegen Valens die Herrschaft im ganzen Reich zu übernehmen und betonte, die regierende Dynastie ablösen zu wollen. Der Grund, sich zuerst gegen Valens zu wenden, liegt darin, daß Procopius nur im Osten eine Chance hatte, die Herrschaft an sich zu reißen. Er begründete seine Usurpation aber nicht nur mit den Mängeln der Herrschaft, die Valens ausübte, sondern stellte die neue Dynastie als unwürdig dar. Er ging also auf deren Sturz aus. So war von vornherein an eine Übereinkunft wenigstens mit Valentinian I. niemals zu denken. Um die Anerkennung des Amtskollegen wurde bald nach einer Usurpation nachgesucht1291. In diplomatischen Formulierungen wird oft nicht direkt um Anerkennung nachgesucht, sondern um Wiederherstellung der Eintracht, der concordia oder unanimitas, deren Verletzung man dem Usurpator vorwerfen konnte1292, wenn er den Anspruch des amtierenden Herrschers, eine Rangerhöhung vorzunehmen oder den Kandidaten zu benennen, nicht berücksichtigt hatte. Die Verhandlungen waren sehr intensiv und wurden häufig auch noch fortgeführt, wenn die militärische Auseinandersetzung unmittelbar bevorstand oder schon 1288 Vgl. Amm. 27, 6, 2: tempus anceps metuens (sc. Rusticus Iulianus als PVR 387) tyrannidis (Magnus Maximus’ Usurpation). 1289 Vgl. PLRE 1, 840/841 s. v. Silvanus 2. 1290 Vgl. den Exkurs „Procopius und der Wechsel der herrschenden Dynastie“, S. 401/402. 1291 Vgl. z. B. Lact. mort. pers. 25, 1–4. Konstantin schickt zu diesem Zweck neben einem Schreiben, das bei Lactantius nicht erwähnt wird, Galerius sein Bild in einem Lorbeerkranz (laure­ ata imago). 1292 Hyd. Lem. 166 = 159 Burgess = Chron. min. 2, 28: Per Avitum, qui a Romanis et evocatus et susceptus fuerat imperator, legati ad Marcianum pro unanimitate mittuntur imperii. Zur con­ cordia als Verhandlungsziel vgl. Julians Verhandlungen mit Constantius II. (vgl. Amm. 20, 8, 17 u. n. 829). Vgl. auch die erreichte concordia zwischen Rom und Konstantinopel, nachdem Anthemius sein Amt angetreten hatte. Vgl. Sidon. carm. 2, 522/523: Finierant; geminas iunxit Concordia partes,| electo tandem potitur quod principe Roma.

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IV. Der Usurpator, G. Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator

im Gang war1293. Die Zusammensetzung dieser Gesandtschaften war sehr unterschiedlich und folgte keinen festen Regeln. Die Teilnehmer waren durchaus der Gefahr ausgesetzt, von der anderen Seite festgehalten zu werden, wie es z. B. bei einer gemeinsamen Gesandtschaft passierte, die Magnentius und Vetranio im Herbst 350 an Constantius II. schickten, oder bei Iohannes’ Gesandtschaft an Theodosius II.1294. Der Austausch der Gesandtschaften wurde von beiden Seiten auch dazu verwendet, die Situation auf der Gegenseite in Erfahrung zu bringen und die Herrschaft des Gegners zu destabilisieren. Die Versuche, durch Verhandlungen zu einer Anerkennung durch den Kollegen zu gelangen, bargen deshalb gerade für die Usurpatoren große Risiken. So gelang es vor der Schlacht von Mursa dem PPO Philippus, der von Constantius II. als Gesandter zu Magnentius geschickt worden war, Silvanus, den tribunus scholae palatinae armaturarum, zum Überlaufen zu Constantius II. zu bewegen1295, was von Bedeutung für den Ausgang der Schlacht war. Ebenso wurde der Sturz des Usurpators Iohannes 425 durch die Politik, zu einer Übereinkunft mit Theodosius II. zu gelangen, eingeleitet. Er ließ Ardabur, dem gefangenen Feldherrn Theodosius’ II., große Freiheit, nur um zu einer Übereinkunft zu kommen. Dieser nahm die Gelegenheit wahr, um Iohannes’ Sturz und Gefangennahme vorzubereiten1296. Führende Persönlichkeiten wechselten während der Verhandlungsphase nur selten die Seite. Constantius’ II. Unterhändler bei Magnentius, der oben erwähnte PPO Philippus1297, wurde dessen verdächtigt. In Wahrheit hatte er aber erfolgreich versucht, Truppenteile von Magnentius auf Constantius’ II. Seite zu bringen. Er wurde deshalb von jenem gefangengesetzt und starb bald darauf, ohne daß sich Constantius II. für seine Freilassung bei Magnentius einsetzte. Constantius II. ehrte später Philippus’ Andenken durch Statuen, nachdem er die Wahrheit erfahren hatte. Iovius, der PPO Italiens im Jahre 409, ging während der Verhandlungen, die er im Auftrag von Honorius mit Attalus führte, zu diesem über1298. Über sein weiteres 1293 Eingehend untersucht sind etwa die Verhandlungen zwischen Magnentius und Constantius II. (vgl. Šašel 1992; Seeck 4, 100–103; Szidat 2003, 211/212, 328/329) sowie zwischen Iulian und Constantius II. (den Boeft 1987, 178–234; Szidat 1977, 85–88; 1981, 1/2, 20–43 u. passim; 1996, 31, 145). 1294 Olymp. fr. 39, 2 Blockley; Philost. 12, 13; Soc. 7, 23, 3/4. 1295 Amm. 15, 5, 33; Aur. Vict. Caes. 42, 15; Iul. or. 3, 97c; Zon. 13, 8, 9. Durch ein Scholion zu Iul. or. 3, 97c Hertlein wird überliefert, daß der PPO Philippus, der von Constantius II. als Gesandter zu Magnentius geschickt worden war, Silvanus zur Desertation veranlaßte. Vgl. dazu J. Bidez, Amiens, Ville natale de l’empereur Magnence, REA 27, 1925, 312–318, dort 314. 1296 Philost. 12, 13. Zu Ardabur vgl. PLRE 2, 137/138 s. v. Fl. Ardabur 3. 1297 PLRE 1, 696/697 s. v. Philippus 7; zur Auseinandersetzung in der Forschung zu Philippus’ Rolle vgl. Coşkun 2004, 306 n. 64. Zu seiner späteren Ehrung durch den Kaiser vgl. auch Pekáry 1985, 36. 1298 PLRE 2, 623/624 s. v. Iovius 3. Zu den Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppen am comitatus um den Einfluß auf Honorius, in deren Rahmen dieser Wechsel gehört, vgl. Lütkenhaus 1998, 24–29.

IV.G.1 Die Verhandlungen um Anerkennung

315

Schicksal wissen wir nichts. Illoyal gegenüber Honorius war auch der Heermeister Allobichus, der mit dem PPO Iovius zusammenarbeitete. Er wurde des Zusammengehens mit Constantinus III. verdächtigt und schließlich auf Honorius’ Befehl umgebracht1299. Er dachte an Constantinus III. als Mitregenten oder Nachfolger von Honorius. Constantinus III. brach daher auch seinen Vormarsch gegen Ravenna ab, als er von Allobichus’ Tod hörte. Als Gesandte tätig waren bei solchen Verhandlungen auch Bischöfe. Ihre Verwendung für solche Aufgaben war nichts außergewöhnliches. So schickte Constantius II. 361 Epiktet, den arianischen Bischof von Centumcellae, in der letzten Phase der Verhandlungen zu Iulian, um ihm seine persönliche Sicherheit zu garantieren1300. An einer Gesandtschaft des Usurpators Magnentius zu Constantius II. im März/April 350 nahmen die Bischöfe Servatius von Tongern und Maximus, dessen Sitz unbekannt ist, teil1301. Sie wurden begleitet von Valens, dem Führer der Gesandtschaft, und Clementius. Beide waren höchstwahrscheinlich militärische Kommandanten1302. Die Gesandtschaft zog über Libyen nach Ägypten. Die Bischöfe hatten hier deutlich die Aufgabe, Athanasius für den Usurpator zu gewinnen und dadurch Constantius’ II. Herrschaft zu destabilisieren. Diese Absicht konnte ihnen aber nicht ohne weiteres unterstellt werden, weil ihre Teilnahme an einer Gesandtschaft nicht ungewöhnlich war. Ambrosius, der Bischof von Mailand, spielte in den Verhandlungen zwischen Valentinian II. und Magnus Maximus eine wichtige Rolle1303. Eine Gesandtschaft gallischer Bischöfe sollte 392 Arbogast bei Theodosius vom Vorwurf des Mordes an Valentinian II. entlasten1304. Wurde die Anerkennung durch den Mitkaiser nicht gewährt oder wurde sie wieder rückgängig gemacht wie im Fall von Magnus Maximus im 4. Jhd. oder Constantinus III. im 5. Jhd., kam es im 4. Jhd. und bis zur Niederwerfung des Prätendenten Iohannes 425 regelmäßig zur militärischen Auseinandersetzung. Lediglich Vetranio wurde mit politischem Druck veranlaßt, auf den Thron zu verzichten. Mit Ausnahme Konstantins, Iulians und Marcians gelang es im 4. Jhd. und 5. Jhd. keinem Usurpator, im gesamten Reich mehr als nur vorübergehend anerkannt zu werden und Kaiser zu bleiben. Konstantins und Iulians Schicksal ist nur durch besondere Umstände erklärbar, wobei der Zufall eine wichtige Rolle spielte. Iulian wurde durch den überraschenden Tod Constantius’ II. 361 gerettet. Die führenden Mitglieder von Constantius’ II. comitatus waren nach dessen Tod bereit, Iulians Herrschaft auch im Osten anzuerkennen. Von der militärischen Macht her war er dem Heer Constantius’ II. eindeutig unterlegen1305. Konstantin konnte die Herrschaft von seinem Vater übernehmen und damit einen freien Platz in der Tetrar1299 Olymp. fr. 15, 1 Blockley; Soz. 9, 12, 5 = Olymp. fr. 15, 2 Blockley. Vgl. Lütkenhaus 1998, 28 zu Allobichus’ Plänen. 1300 Iul. ep. Athen. 286c. 1301 Athan. Ap. Const. 69. 1302 Barnes 1993, 103; Szidat 2003, 328. 1303 Ambr. epist. 30[24]. 1304 Rufin. hist. 11, 31. 1305 Vgl. Szidat 1996, 18/19, 65, 148/149.

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IV. Der Usurpator, G. Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator

chie ausfüllen. Er machte keinem den Platz streitig. So war es für Galerius leichter, ihn anzuerkennen, wenn auch widerwillig. Marcian galt im Westen vorübergehend als Usurpator, wurde aber dann anerkannt. In der syrisch-monophysitischen Tradition wurde er weiterhin als Usurpator betrachtet1306. Die vorübergehende Anerkennung wurde Magnus Maximus von Theodosius und Valentinian II. sicher ab Anfang 384 zuteil1307 und 387 wieder entzogen, nachdem er im Frühsommer in Italien eingefallen und Valentinian II. von der Herrschaft verdrängt hatte. Vetranio erreichte sie 350 von Constantius II. für einige Monate. Constantinus III. wurde sie Anfang 409 ebenfalls für einige Monate von Honorius zuteil, als er Verwandte von diesem in seine Gewalt bekommen hatte und Honorius von Alarich in Italien bedrängt wurde. Im Sommer 409 zog aber Honorius die Anerkennung wieder zurück1308. Attalus wurde von Honorius die Bereitschaft zur Anerkennung und Teilung der Herrschaft übermittelt, aber von ihm nicht angenommen1309. Die vorübergehend gewährte Anerkennung konnte in der Tradition dadurch abgewertet werden, daß man sie als erzwungen darstellte1310. Waren die Teilhabe an der Herrschaft und die Anerkennung als Mitherrscher nicht zu erringen oder gingen wie im Fall von Magnus Maximus wieder verloren, verschob sich das politische Ziel des Usurpators: er mußte danach streben, die Herrschaft im gesamten Reich zu erlangen und seine Legitimierung dafür als überlegen 1306 Vgl. Jankowiak 2002, 95 n. 39. Bei Jankowiak ist nicht ganz klar erkennbar, ob Marcianus als tyrannus bezeichnet wurde, weil er als Usurpator betrachtet wurde, oder seines Verhaltens wegen gegenüber den Monophysiten. 1307 Zu Maximus’ Anerkennung durch Theodosius und zur Aufstellung seiner Bilder vgl. besonders Zos. 4, 37, 2/3 und dazu Paschoud 1979, 422–426 mit weiteren Belegen, so etwa Paneg. 12, 30, 1/2; Rufin. hist. 11, 15. Die Aufstellung der Bilder in Alexandria erfolgte Anfang 384 (Paschoud 1979, 425). Zur Anerkennung des von Maximus ernannten consul Euodius auch im Osten vgl. die Belege bei Bagnall 1987, 306/307. Theodosius ließ für Maximus nur zurückhaltend Münzen prägen (vgl. RIC 9, 28–30). Magnus Maximus fand Theodosius’ Anerkennung, obwohl er Gratian hatte beseitigen lassen (Ambr. epist. 30[24], 10). Zu Maximus’ Anerkennung durch Valentinian II. vgl. Rufin. hist. 11, 15; Soc. 5, 12, 9. Wie üblich ließ auch Maximus in seinem Gebiet Inschriften setzen, auf denen er sich zusammen mit Valentinian II. und Theodosius nennt (zu Beispielen für Africa vgl. Salama 1987a, 86/87). Diese können aber allein kein Beleg für seine Anerkennung durch Theodosius sein, weil die Anerkennung dadurch auch nur vorgetäuscht sein kann. Zur Vortäuschung der Anerkennung vgl. IV.F.5 Die Vortäuschung der Anerkennung durch die Amtskollegen, S. 283–286. Zu Maximus’ Anerkennung durch Theodosius I. und Valentinian II. vgl. auch Ando 2000, 249. 1308 Zur Anerkennung von Vetranio vgl. Philost. 3, 22; zur Anerkennung von Constantinus III. vgl. Zos. 5, 43, 1–2; Olymp. fr. 13, 1 Blockley. Honorius prägte aber für Constantinus III. keine Münzen. Zum Rückzug der Anerkennung vgl. Stevens 1957, 328 nach Zos. 6, 1, 1. 1309 Olymp. fr. 10, 1 Blockley = Soz. 9, 8, 5; Olymp. fr. 14 Blockley; Zos. 6, 8, 1 u. dazu Paschoud 1989, 48/49 n. 48. Nach Seeck RE 2, 2(1896), 2178 s. v. Attalos 19 ließ Honorius Münzen (solidi) für Attalus prägen. Kent 1994, 138 macht deutlich, daß die als Beweis angeführten Münzen nicht in Ravenna geprägt worden sein können. 1310 Vgl. z. B. Soc. 5, 12, 9: (Theodosius) katalabwvn te th;n Qessalonivkhn euJrivskei tou;~ peri; Oujalentiniano;n pollh`/ ajqumiva/ diavgonta~, o{ti di∆ ajnavgkhn to;n tuvrannon wJ~ basileva ejdevxanto (sc. die Umgebung Valentinians II.).

IV.G.2 Die militärische Auseinandersetzung

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darzustellen. Dieses Ziel hatte in seinem Machtbereich zur Folge, daß die Herrschaft seines Kollegen nicht mehr anerkannt wurde und seine Untertanen sich jetzt entscheiden mußten, ob sie ihn weiter unterstützen wollten. In die Auseinandersetzungen zwischen einem Kaiser und Usurpator konnten auch Amtskollegen, die von der Erhebung nicht direkt betroffen waren, hineingezogen werden. Während dies bei Procopius’ Usurpation sich von selbst ergab, weil dieser die Herrschaft im gesamten Reich erstrebte, ist dieser Vorgang auch bei Staatsstreichen zu beobachten, die einen Kaiser in einem Teil des Reiches betrafen. So unterstützte Konstantinopel Honorius in der Auseinandersetzung mit Attalus durch die Entsendung von Truppen nach Ravenna, die den sicheren Verbleib des Kaisers in der Stadt und damit in Italien ermöglichten1311. Während der Verhandlungsphase wurden die Grenzen zwischen dem Gebiet des Usurpators und des amtierenden Kaisers überwacht und die Kontakte eingeschränkt. Mögliche Abgesandte des Usurpators, die für seine Herrschaft Anhänger finden sollten, werden ferngehalten. Diese Überwachung konnte auch dann reichsweit stattfinden, wenn sich der Usurpator nur mit dem Kaiser eines Reichsteiles auseinanderzusetzen hatte. So einigten sich Honorius und Theodosius II. darauf, Abgesandte des Usurpators Attalus nicht in Theodosius’ II. Gebiet einreisen zu lassen1312. IV.G.2 Die militärische Auseinandersetzung Die mögliche militärische Auseinandersetzung wurde meistens schon während der Verhandlungsphase vorbereitet. Eine Ausnahme bildet lediglich Magnus Maximus’ Usurpation, der mehrere Jahre lang von Theodosius als Mitherrscher anerkannt wurde. Der Vorbereitung dienten der Zusammenzug von Truppen, die zusätzliche Aushebung von Soldaten, besonders auf Seiten der Usurpatoren, denen anfangs immer zu wenig davon zur Verfügung standen, und auf Seiten des Kaisers Maßnahmen, um die strategische Stellung des Usurpators zu schwächen. So rief man gegen Magnentius und Iulian im Westen die barbarischen Stämme zur Hilfe. Constantius II., der Ende Februar 350 fern im Osten des Reiches in Edessa von Magnentius’ Usurpation erfuhr, veranlaßte die Germanen, die Rheingrenze anzugreifen und so wenigstens einen Teil der Truppen des Usurpators, für den Oberitalien und die 1311 Zos. 6, 8, 2; Paschoud 1989, 50–52 n. 129; Lütkenhaus 1998, 28/29, 36. 1312 Zu den eingeschränkten Kontakten zwischen dem Gebiet des Usurpators Magnentius und Illyrien, das zuerst unter Vetranios Herrschaft stand und dann unter der Constantius’ II. vgl. Wigg 1991, 160. Zur Einschränkung der Kontakte zwischen dem östlichen und westlichen Reichsteil während Attalus’ Usurpation vgl. Cod. Theod. 7, 16, 2 (24.4.410). Vgl. dazu F. Millar, De la frontière au centre: la monarchie centralisée de Théodose II (408–450 ap. J.-C.), in: C. Moatti (Hrsg.), La mobilité des personnes en Méditerranée de l’antiquité à l’époque moderne: procédures de côntrole et documents d’identification, Rome 2004, 567–589, dort 569/570. Diese Kontrolle war aber offensichtlich weniger streng als die der Außengrenzen des Reiches. Zur Einschränkung der Kontakte, um zu verhindern, daß ein Usurpator sein Territorium ausdehnte, vgl. Amm. 26, 7, 11/12 (Procopius will sich durch Abgesandte Illyriens bemächtigen.).

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IV. Der Usurpator, G. Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator

Grenze zum Balkan hin entscheidend waren, nördlich der Alpen zu binden1313. Auswirkungen hatte diese Maßnahme aber erst 351, denn 350 sind noch keine Germaneneinfälle nachzuweisen1314. Germaneneinfälle von Bedeutung begannen Mitte 351. Sie betrafen zuerst das Gebiet der heutigen Schweiz nördlich der Alpen1315 und dann etwa 352 die Gebiete am Oberrhein. 352/353 erreichten sie die Gegend zwischen Köln und Mainz. Die Germaneneinfälle begrenzten auf die Dauer Magnentius’ Möglichkeit, nach Belieben Truppen aus Gallien für den Einsatz gegen Constantius II. abzuziehen, entscheidend. Er tat es dennoch und überließ damit Gallien weitgehend schutzlos den germanischen Angriffen. Gegen Iulian griff Constantius II. 360/361 zu dem gleichen Mittel1316. Im 5. Jhd. spielen die Barbaren bei inneren Auseinandersetzungen dann eine noch größere Rolle, aber die Beziehungen sind sehr viel komplexer. Es ist nicht nur mehr das einfache Modell, daß der Kaiser sie zur Hilfe ruft und der Usurpator und sein Territorium darunter leiden und daß beide Seiten sie als Rekruten oder Foederaten zur Verstärkung ihrer Truppen heranziehen1317. Häufig kam es auch gar nicht zu einer militärischen Auseinandersetzung, weil es möglich war, den Usurpator auf andere Weise zu stürzen. So gelang es Constantius II. 355, Silvanus durch eine Gesandtschaft unter Führung des Heermeisters Ursicinus, der dessen Vertrauen gewinnen konnte, umbringen zu lassen. 350 konnte er Vetranio mit politischem Druck zum Rücktritt veranlassen, was besonders positiv bewertet wurde1318. Attalus wurde von Alarich, der ihn hatte erheben lassen, abgesetzt. Kam es zu einer militärischen Auseinandersetzung, endete sie in jedem Fall mit der Niederlage des Usurpators. Entschieden wurde sie zum Teil in großen Schlachten wie bei Mursa 351 oder am Frigidus 394 oder durch recht umfangreiche militärische Operationen wie im Fall von Magnus Maximus1319. Die beiden großen Entscheidungsschlachten gehören zu den blutigsten des 4. Jhd. überhaupt. Ihrer außer1313 Vgl. Iul. ep. Athen. 287a; Lib. or. 18, 33; Soc. 3, 1, 26; Soz. 5, 1, 2; 5, 2, 20; Zos. 2, 53, 3. Vgl. dazu den Boeft 1991, 38; Paschoud 2000, 271, 280; Seeck 4, 105; Stein 1959, 140; Szidat 2003, 212. Daß Constantius II. die Barbaren zum Einfall in Gallien veranlasste, wird in der modernen Forschung in der Regel als historisch betrachtet. Eine Ausnahme bildet Barceló, der diese Nachricht als Erfindung der Propaganda Iulians betrachtet. Man vgl. P. A. Barceló, Roms auswärtige Beziehungen unter der Constantinischen Dynastie (306–363), Regensburg 1981, 24. 1314 Wigg 1991, 100–116, 152, 159 u. passim. 1315 Vgl. besonders Wigg 1991, 108, 159. 1316 Vgl. Amm. 21, 3, 4; Szidat 1981, 89/90; den Boeft 1991, 38. 1317 Vgl. Shaw 1999, 150 sowie n. 1313 und Kapitel IV.I.3 Usurpatoren und Barbaren, S. 357– 359. 1318 Zu Rolle von Ursicinus bei Silvanus’ Sturz vgl. S. 312. Bei Vetranios Rücktritt (zu den Belegen vgl. auch n. 214) legt die Panegyrik besonderen Wert darauf, die Rolle der Redekunst bei der Überzeugung des Heeres, das Vetranio kommandierte, zu betonen (vgl. Iul. or. 1, 1; Them. or. 2, 16, 37A/B; vgl. auch Aur. Vict. Caes. 42, 1). Dieses Motiv bleibt auch nach Constantius’ II. Tod ein Element der Überlieferung (vgl. Greg. Naz. or. 4, 34; Lib. or. 1, 81). Zu Attalus’ Absetzung vgl. n. 1341. 1319 Zu den Operationen gegen Magnus Maximus vgl. Paschoud 1979, 442/443.

IV.G.2 Die militärische Auseinandersetzung

319

ordentlichen Verluste wegen ist die Schlacht bei Mursa von besonderer Bedeutung für die Heeresgeschichte des 4. Jhd.1320. Daß Magnentius Constantius II., Magnus Maximus und Eugenius Theodosius unterlagen, war allerdings nicht von vornherein ganz sicher. Ihre militärische und politische Situation war gut und ihre Niederlage keine Notwendigkeit, auch wenn ihrer aller Schwäche in einer leichten militärischen Unterlegenheit lag, die davon herrührte, daß sie Illyrien nicht kontrollierten. Ihre Niederlagen sind daher weitgehend als zufällig zu betrachten. Dieser Zufall hat uns darum gebracht zu erkennen, wie der Sieg eines Prätendenten aus späterer Sicht interpretiert worden wäre, wenn seine Familie nicht mehr an der Macht war. Diese Interpretation wäre von großem Interesse, um zu sehen, ob eine Bewertung einer Usurpation in der Spätantike möglich war, die unabhängig von Sieg oder Niederlage war. In der hohen Kaiserzeit war allein der Erfolg ausschlaggebend, wie Vespasians Usurpation zeigt. Fast niemand warf sie ihm später vor1321. Die Härte der Schlachten und die Intensität des Widerstandes zeigen die Loyalität der Truppen auch auf Seiten des Usurpators bei den erwähnten Staatsstreichen. Dort, wo es im 4. Jhd. zu einer wirklichen militärischen Konfrontation kam, gelang es nur, Procops ohne Entscheidungsschlacht habhaft zu werden. Größere Kämpfe gab es aber auch bei seiner Usurpation. Es kam aber zu keiner großen Entscheidungsschlacht, weil Procop unmittelbar davor verraten wurde1322. Bei der Niederwerfung des Usurpators Iohannes 425 kam es zum letzten Mal zu einer großen militärischen Intervention. Iohannes wurde durch den Aufmarsch eines Heeres aus dem Osten gestürzt. Die Kämpfe waren weitaus weniger verlustreich als die Schlachten bei Mursa 351 und am Frigidus 394. Es gelang nämlich, Iohannes’ Anhänger zum Verrat an ihm zu bewegen. Danach wurde nur noch Glycerius 474 durch eine militärische Intervention Ostroms gestürzt, deren Mittel aber so begrenzt waren, daß sie nicht für eine größere Auseinandersetzung gereicht hätten1323. Die Herrscher im Westen nach dem Mord an Valentinian III. 455 waren wegen der Einfälle der Barbaren stärker von innen her bedroht. Ihre Herrschaft war sehr instabil. Sofern sie für Byzanz als Usurpatoren galten, mußten sie nicht mit großem Aufwand von außen niedergekämpft werden. Petronius Maximus kam 455 beim 1320 Zu den großen Verlusten beider Seiten in der Schlacht von Mursa vgl. Zon. 13, 8, 16/17; Zos. 2, 50/51; Ps. Aur. Vict. epit. 42, 4; Eutr. 10, 12, 1. Zur Bedeutung für die Heeresgeschichte vgl. Hoffmann 1969, 201 u. passim; Paschoud 2000, 278. 1321 Die Überlieferung, die etwas kritisch ist und auf seinen Weg zur Herrschaft durch eine Usurpation verweist, ist sehr schmal. Vgl. S. 36/37. 1322 Zu den größeren Kämpfen vgl. Amm. 26, 8 u. 9, zum Verrat vgl. Amm. 26, 9, 7–9. 1323 Der oströmische Kaiser sandte eine Flotte unter Julius Nepos (PLRE 2, 777–778 s. v. Nepos 3) nach Italien (Ioh. Ant. fr. 209, 2). Nepos landete am 19. oder 24 Juni 474 in Portus (Fast. Vind. Prior. s. a. 474 = Chron. min. 1, 306; Auctar. Prosp. Haun. ordo post. s. a. 474, 3 u. 4 = Chron. min. 1, 307) und ließ sich dort zum Kaiser ausrufen. Glycerius ergab sich ohne Kampf und wurde zum Bischof von Salona ordiniert (Ioh. Ant. fr. 209, 2 = Prisc. fr.[65] Blockley; Iordan. Rom. 338; Get. 239.241; Pasch. Camp. s. a. 475 = Chron. min. 1, 746; Marcell. com. 474, 2 = Chron. min. 2, 91; Mar. Avent. s. a. 474 = Chron. min. 2, 233; Laterculus imperatorum ad Iustinum I = Chron. min. 3, 423; Theophan. A. M. 5965 = 1, 119, 14). Hier soll er durch seine Nachstellungen Nepos’ Ermordung im Jahre 480 herbeigeführt haben (Anon. Val. 7, 36).

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IV. Der Usurpator, G. Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator

Angriff der Vandalen auf Rom um. Avitus verlor jeden politischen Rückhalt in Rom beim Volk und den Senatoren. Er wurde von Flavius Rikimer und von seinem co­ mes domesticorum Maiorian, der ihm als Kaiser 457 folgte, am 17. Okt. 456 in der Schlacht von Placentia geschlagen und abgesetzt1324. Maiorian fiel einer Verschwörung zum Opfer. Wegen der Mißerfolge gegen die Vandalen warfen ihm Rikimer und andere Verschwörer Verrat an der römischen Sache vor. Am 2. Aug. 461 setzte Rikimer Maiorian in Dertona ab und ließ ihn fünf Tage später hinrichten1325. Als Avitus und Maiorian gestürzt wurden, konnten ihre Gegner unter der Führung Rikimers im Namen des östlichen Reichsteiles handeln und vorgeben, das Recht des Kaisers in Konstantinopel zu verteidigen. Dies trifft bei Maiorians Absetzung noch deutlicher zu, weil Rikimer inzwischen am 28.2.457 vom Kaiser in Konstantinopel zum patricius ernannt worden war und damit seine Stellung durch diesen legitimiert war1326. Diese Begründung, im Interesse des legitimen Kaisers zu handeln, ist zwar nicht überliefert, aber auf Grund der politischen Situation die einzige Rechtfertigung ihres Vorgehens. Der Thron im Westen wurde dadurch wieder zur Besetzung durch Konstantinopel frei. Während der Usurpationen in Gallien und Italien zu Anfang des 5. Jhd., die für Honorius’ Herrschaft eine Bedrohung bildeten, kam es besonders in der Folge der Usurpation Constantinus’ III. zu umfangreichen militärischen Auseinandersetzungen, vorwiegend in Gallien, deren genaue Rekonstruktion umstritten ist1327. Auch ihre Folgen für die militärische Situation im westlichen Teil des Reiches sind daher in keiner Weise so präzise faßbar wie die der Schlacht bei Mursa. Die Kämpfe zwischen Kaiser und Usurpator betrafen die Zivilbevölkerung in unterschiedlicher Weise. Unsere literarischen Quellen berichten nur sehr selektiv darüber. Mehr Licht ist lediglich von regionalgeschichtlichen Forschungen zu erwarten1328. Die Zivilbevölkerung war besonders in den Gebieten von den kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen, durch die die Heere zogen. Es wurde geplündert, und Städte, die der gegnerischen Seite als Stützpunkte dienten, wurden eingenommen1329.

1324 Vgl. Henning 1999, 35/36. 1325 Fast. Vind. Prior. s. a. 461 = Chron. min. 1, 306; Chron. Gall. 511, 635 = Chron. min. 1, 664; Ioh. Ant. fr. 203; Euagr. HE 2, 7; Ioh. Mal. 14, 45 S. 375; Theophan. A. M. 5955 = 1, 112, 26/27; Mich. Syr. II p. 126 Chabot (Mich. Syr. 9, 1); Marcell. com. 461 = Chron. min. 2, 88: Maiorianus Caesar apud Dertonam iuxta fluvium qui Hira dicitur, interemptus est. 1326 Vgl. n. 1343, 1500. 1327 Haupt- und in vielen Punkten einzige Quelle für die Kämpfe in Gallien ist Zos. 6, 2, 2–6, 3 (einschließlich). Man vgl. dazu Paschoud 1989, 23–31; zu einer neueren Rekonstruktion der Vorgänge Drinkwater 1998, 275–279. 1328 Vgl. z. B. die von Constantius II. veranlaßten Einfälle der Germanen am Rhein zwischen 351 und 353 im Rahmen seiner Auseinandersetzungen mit Magnentius, deren Auswirkungen literarisch nur sehr pauschal überliefert werden. Vgl. zu ihnen Wigg 1991, 100–116, 152, 159 u. passim. 1329 Vgl. z. B. die Einnahme fester Plätze im Vorfeld der Schlacht von Mursa 351 (Zos. 2, 49; Paschoud 2000, 277 n. 64).

IV.G.2 Die militärische Auseinandersetzung

321

Wenn immer möglich nahm man in Gebieten, die nicht von der Auseinandersetzung direkt betroffen waren, nicht vor der Entscheidung Partei. Ausnahmen bildet der Versuch einzelner Städte, schon vor der endgültigen Niederlage eines Usurpators die Seite zu wechseln oder nach seinem Sturz noch auf seiner Seite zu bleiben. Zu diesen wenigen bekannten Ausnahmen gehört Trier in der Endphase von Magnentius’ Usurpation. Es nahm vor Decentius’ Fall gegen diesen Stellung. Trier erhob sich im Sommer 353 gegen Decentius und verschloß ihm die Tore. Voraufgegangen war offensichtlich Magnentius’ Niederlage Anfang August am Mons Seleucus. Trier wollte nicht Decentius als letzte Residenz und letzte Bastion dienen1330. Eine ähnliche Rolle1331 spielt Philippopolis nach Procops Niederlage im Mai 366 oder Aquileia nach Constantius’ II. Tod im November 361. In beiden Fällen blieb die Zivilbevölkerung auf Seiten des bevorzugten Herrschers und war nur schwer davon zu überzeugen, daß die Entscheidung schon gefallen war. Zur Verheerung ganzer Landschaften, die fern von den militärischen Operationen waren, kam es zuweilen durch den Einbezug barbarischer Gruppen in die Kämpfe, die den Auftrag hatten, gegnerische Kräfte zu binden. Dies ist besonders gut während der Auseinandersetzung zwischen Constantius II. und Magnentius auf Grund einer günstigen Quellenlage und einer eingehenden Analyse faßbar. Als Constantius II. Ende Februar 350 von Magnentius’ Usurpation erfuhr, veranlaßte er die Germanen, die Rheingrenze anzugreifen und Truppen des Usurpators nördlich der Alpen zu binden1332. Für Gallien, und zwar besonders für seine an den Rhein grenzenden Gebiete, blieb als Folge dieser Maßnahme eine weitgehende Zerstörung durch die Alamanneneinfälle zurück. Es dauerte rund zehn Jahre bis 360, ehe der Schaden behoben und die politische und militärische Struktur wiederhergestellt war.

1330 Vgl. Amm. 15, 6, 4. Zum Aufstand in Trier gegen Decentius vgl. P. Bastien, Décence, Poemenius. Problèmes de chronologie, NumAntCl 12, 1983, 177–189; K.-J. Gilles, Die Aufstände des Poemenius (353) und Silvanus (355) und ihre Auswirkungen auf die Trierer Münzprägung, Trierer Zeitschrift 52, 1989, 377–386; J. P. C. Kent, The Revolt of Trier against Magnentius, NumChron19, 1959, 105–108. Gilles rekonstruiert einen etwas anderen Ablauf der Ereignisse. Er hält eine erneute Eroberung der Stadt Trier durch Decentius für möglich, kann sie aber nicht schlüssig beweisen. Poemenius wird nach der opinio communis als Führer des Aufstandes betrachtet. Der Ausdruck ad defendendam plebem bei Ammian ist dafür aber ungewöhnlich. Er paßt eher zu einer Verteidigung des Verhaltens der Bürger im juristischen oder politischen Sinn vor Decentius nach der Wiedereroberung der Stadt durch diesen. Vgl. M. Overbeck / B. Overbeck, Die Revolte des Poemenius zu Trier – Dichtung und Wahrheit, P. Barceló / V. Rosenberger (Hrsgg.), Humanitas – Beiträge zur antiken Kulturgeschichte, München 2001, 235–246, dort 238–242. 1331 Amm. 21, 11 u. 12; 26, 10, 4 u. 6. 1332 Vgl. S. 317/318.

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IV. Der Usurpator, H. Absetzung, Bestrafung, Tod

IV.H Absetzung, Bestrafung, Tod Nach dem Sieg über den Prätendenten begann die Abrechnung mit ihm und seinen Anhängern1333, die weniger systematisch und umfassend war, wie moderne Parallelen erwarten lassen könnten. Sie war aber dennoch eine Zeit der Unsicherheit, weil es keine klaren Regelungen gab und keinen wirklichen Schutz vor willkürlichen Entscheidungen für die politisch aktiven Schichten. Solche Zeiten der Unsicherheit waren auch mit der Aufdeckung von Usurpationsversuchen und der Verfolgung der in ihnen verwickelten Personen verbunden. Dies zeigen sehr deutlich die umfangreichen Untersuchungen und Bestrafungen nach Theodorus’ Usurpationsversuch 371/372, die Ammian ausführlich beschreibt1334. IV.H.1 Die Bestrafung des Usurpators Der besiegte Usurpator oder ein des Hochverrates verdächtigter Mitherrscher wie Gallus wird abgesetzt, bevor er bestraft oder begnadigt wird1335. Die Absetzung geschah nicht vor den Truppen, sie bedurfte nicht der Zustimmung der Heeresversammlung, denn sie beruhte formal auf einem Hochverratsverfahren1336. Sie ist damit ganz deutlich von der Weitergabe oder Niederlegung der kaiserlichen Gewalt zu unterscheiden1337. Veranlaßt wird die Absetzung in der Regel durch den Kaiser, dessen Herrschaft in Frage gestellt worden war, oder durch jemand, der beansprucht, in seinem Namen zu handeln. Ihren äußeren Ausdruck findet die Absetzung in der Wegnahme der kaiserlichen Insignien1338. Eindeutig überliefert ist die Absetzung für eine ganze Reihe von Usurpatoren oder eines Kollegen, der des Hochverrates verdächtigt wurde. Wir dürfen annehmen, daß sie immer vollzogen wurde, wenn der Usurpator sich nicht vorher das Leben nahm wie z. B. 353 Magnentius. 354 ließ Constantius II. Gallus absetzen und

1333 Zu einer ganz knappen Zusammenfassung vgl. Demandt 2007, 272; ausführlich, aber ohne eingehendere Auseinandersetzung mit den Quellen Elbern 1984, 131–144. 1334 Vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 390/391. 1335 Elbern 1984 erwähnt die Absetzung der Usurpatoren im Kapitel über ihr Ende (131–144) nicht. 1336 Gallus’ Absetzung zeigt ganz deutlich, daß es sich um ein Hochverratsverfahren handelte und daß die Absetzung nicht vor der Heeresversammlung stattfand. Vgl. Amm. 14, 11, 20–24. 1337 Vgl. zu Niederlegung und Weitergabe der Herrschaft III.A.4 Die Niederlegung der Herrschaft, S. 67–69. 1338 Maximus’ erste Absetzung 411 in Spanien ist ein Sonderfall, der sich nicht nach römischen Regeln vollzog und in seinem Ablauf nicht faßbar ist. Vgl. Oros. hist. 7, 42, 4 u. 5: Ipse vero Gerontius a suis militibus occisus est. Maximus exutus purpura destitutusque a militibus Gal­ licanis qui in Africam traiecti, deinde in Italiam revocati sunt, nunc inter barbaros in Hispa­ nia egens exulat. Orosius schrieb diesen Text ca. 417.

IV.H.1 Die Bestrafung des Usurpators

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ihm die kaiserlichen Gewänder wegnehmen. Danach ließ er ihn töten1339. Ebenso wurde Magnus Maximus vor seiner Hinrichtung abgesetzt1340. Attalus wurde von Alarich abgesetzt. Dieser nahm ihm Diadem und Purpur und schickte sie Honorius1341. Bei Maiorians Absetzung wurden ihm Purpur und Diadem weggenommen, bevor er getötet wurde. Romulus Augustulus wurde abgesetzt, aber begnadigt1342. Er wurde ins Exil geschickt und bekam eine Rente. Als Attalus abgesetzt wurde, handelte Alarich im Namen von Honorius. An ihn gab er nämlich die Insignien zurück. Als Maiorian abgesetzt wurde, handelte Rikimer im Namen des Ostreiches. Er verteidigte das Recht des Kaisers in Konstanti­ nopel. Das ist zwar nicht überliefert, aber die einzig mögliche Rechtfertigung seines Vorgehens1343. Sonst wäre dieses ein angemaßter und willkürlicher Akt. Als Odoaker Romulus absetzte, konnte er nicht im Auftrag des Kaisers handeln, gab aber vor, zu dessen Vorteil Romulus von der Herrschaft entfernt zu haben, weil es sich um einen Usurpator handelte. Odoaker war diese Rolle möglich, weil er Romulus nur stürzte, aber nicht die Herrschaft als Kaiser übernahm, sondern die Bestimmung der eigenen Stellung Zenon überließ. Die Absetzung eines Usurpators durch einen Augustus oder jemand, der in dessen Namen handelt, ist wie die Weitergabe oder Niederlegung der Herrschaft eine Möglichkeit, die erst im spätantiken Kaisertum zu beobachten ist. Sie ist an eine Instanz gebunden, die über den Abzusetzenden richten kann. Sie gab es, so lange noch ein Augustus im Amt war. Im Prinzipat der hohen Kaiserzeit ging man dagegen meistens anders vor. Der Herrscher, dessen man sich entledigen will, wird vom Senat zum hostis publicus erklärt, wenn er keine politische Unterstützung mehr hat, und kann damit jederzeit getötet werden1344. 1339 Amm. 14, 11, 20: ablatis regiis indumentis; Amm. 14, 11, 23. Vgl. schon die Absetzung Maximians durch Konstantin (Lact. mort. pers. 29, 8: detrahitur ei vestis.). 1340 Die kaiserlichen Insignien wurden ihm weggenommen. Vgl. Paneg. 12, 43, 2 u. 3; Philost. 10, 8: kai; tw`n th`~ basileiva~ ejpishvmwn ajpoduvousi (sc. die Generäle) kai; toi`~ basileu`si (Theodosius I.; Valentinian II.) kata; ijdiwvthn prosavgousin; Zos. 4, 46, 2. 1341 Zos. 6, 12, 2. Zu den Parallelstellen vgl. Paschoud 1989, 63. Attalus’ Absetzung 410 durch Alarich bildet eine gewisse Ausnahme. Dieser verdankte seine Stellung als Heermeister dem Usurpator. Er gibt aber vor, in Honorius’ Auftrag zu handeln, weil er diesem die Insignien schickte. 1342 Zu Maiorians Absetzung vgl. Ioh. Ant. fr. 203. Für Romulus Augustulus wird die Wegnahme der Insignien indirekt überliefert. Vgl. Anon. Val. 12, 63: … et omnia ornamenta palatii quae Odoacer Constantinopolim transmiserat, remittit (sc. Anastasius an Theoderich). Zur Interpretation der Stelle vgl. Henning 1999, 62 n. 193; König 1997, 157/158. Zu Exil und Rente vgl. n. 1374. 1343 So schon von Seeck 6, 334 für Avitus’ Sturz vermutet. Es trifft bei Maiorians Absetzung noch deutlicher zu, weil Rikimer inzwischen am 28.2.457 vom Kaiser in Konstantinopel zum pa­ tricius gemacht worden war. So auch Kent 1994, 184 ohne nähere Begründung. 1344 Nach einer senatsfreundlichen Tradition ließ Konstantin seinen Amtskollegen Licinius nach dessen Niederlage 324 durch den Senat zum hostis publicus erklären und dann von den Soldaten töten (Zon. 13, 1, 24, vgl. Bleckmann 1992, 321.). Dieses Vorgehen ist später in den Quellen nicht mehr faßbar.

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IV. Der Usurpator, H. Absetzung, Bestrafung, Tod

Usurpatoren können nicht abdanken1345. Die für Avitus überlieferte Flucht in eine Kirche verbunden mit der Niederlegung der Insignien und dem Verzicht auf die Herrschaft, wie Johannes von Antiochia schreibt, ist keine Abdankung, sondern der temporäre Verzicht auf die Zeichen der kaiserlichen Stellung und die Ausübung der Herrschaft. Dies war notwendig, weil er in einer Kirche Zuflucht suchte1346. Wie Avitus geht auch Basiliscus vor. Er begibt sich in eine Kirche, legt sein Diadem auf dem Altar ab und geht dann ins Baptisterium1347. Constantinus III. flüchtet sich ebenfalls in eine Kirche und legt die Insignien ab. Er wird dann zum Geistlichen geweiht, schließlich aber doch getötet. Zuflucht in einem kirchlichen Raum zu finden hatte im 4. Jhd. schon Silvanus versucht. Weil er 1345 Man hätte dazu einen auctor gebraucht, der bereit war, die Herrschaft zurückzunehmen, wie etwa im Fall von Vetranio. Er war nachträglich von Constantius II. anerkannt worden und hatte somit einen auctor, dem er sie zurückgeben konnte. Usurpatoren, die keine nachträgliche Anerkennung fanden, hätten höchstens die Herrschaft an einen von ihnen eingesetzten Mitherrscher weitergeben können und so abdanken. Dies tat aber keiner. Die mehrfach überlieferte Niederlegung der Insignien durch einen Usurpator in einer Kirche kann nicht als Abdankung interpretiert werden, sondern muß als temporärer Verzicht auf die Zeichen der kaiserlichen Stellung und die Ausübung der Herrschaft verstanden werden. Dies war notwendig, weil der Herrscher in einer Kirche Zuflucht gesucht hatte. Mit dem Vorgehen einiger Usurpatoren, die Insignien im kirchlichen Raum, wo sie sich hingeflüchtet hatten, nicht zu tragen, ist auch das des Kaisers Constans zu vergleichen. Er flüchtete in eine Kirche und legte die Insignien der Herrschaft ab (Zon. 13, 6, 12). Wahrscheinlich ließ er sich auch noch dort taufen (Athan. Ap. Const. 7). Zur Flucht in einen kirchlichen Raum, dem Problem des Kirchenasyls und dem damit verbundenen Verhalten vgl. Ducloux 1994; Franke 2003; Langenfeld 1977; F. Martroye, L’asile et la législation impériale du IVe au VIe siècle, Mémoires de la Société Nationale des Antiquaires de France 75, 1918, 159–246. In einem kirchlichen Raum Zuflucht zu suchen war mit der Auflage verbunden, keine Waffen zu tragen (vgl. Cod. Theod. 9, 45, 4 = Cod. Iust. 1, 12, 3 vom 23.3.431). In Erläuterung zu dieser Bestimmung bemerkt der Kaiser Theodosius II., daß seine Leibwache vor dem Gottesdienst draußen die Waffen und er sein Diadem ablege, wodurch er die Würde Gottes respektiere (ACO 1, 1, 4 S. 64, 4–13). Hieran wird deutlich, daß der Verzicht auf die kaiserlichen Insignien im kirchlichen Raum keine Abdankung beinhaltet, sondern einen Verzicht auf die Ausübung der Herrschaft und eine Respektierung des besonderen Charakters einer Kirche darstellt. Das Gleiche gilt, wenn man die Absicht hat, in ihr Schutz zu suchen. Das Ablegen der Insignien als Verzicht auf die Ausübung der Herrschaft und als Ausdruck des Respektes ist auch für Arcadius bezeugt. Vgl. Ioh. Chrys. pent. 1 = PG 52, 808; hom. div. 3, 1 = PG 63, 475. Man vgl. auch das Ablegen der Insignien als Zeichen der Buße (vgl. Ambr. ob. Theod. 34, 1: stravit omne, quo utebatur, insigne regium, deflevit in ecclesia publice peccatum suum …; vgl. auch Rufin. hist. 11, 18; Soz. 7, 25). Ebenso können sie auch als Zeichen der Trauer abgelegt werden. So legte sie Iustinus I. 519 nach einem Erdbeben in Antiochia ab (Theophan. A. M. 6019 = 173, 1–5; Ioh. Mal. 17, 16 S. 421, 19). 1346 Henning 1999, 36 n. 48 spricht bei Avitus’ Sturz von einer Absetzung, was möglich, aber nicht überliefert ist. Der tradierte Bericht (Ioh. Ant. fr. 202 = Prisc. fr.[32] Blockley: eij~ tevme­ no~ fugei`n kathnavgkasan, ajpagoreuvonta th`/ ajrch`/, kai; th;n basivleion ajpodusavmenon stolhvn) ist so zu interpretieren, daß Avitus in einer Kirche Zuflucht suchte und vorher oder in der Kirche die Zeichen der Herrschaft ablegte. Ob man danach noch eine Absetzung vornahm, ist auf Grund von kathnavgkasan zu vermuten, aber nicht belegt. Sickel 1897, 538 n. 48 spricht irrtümlicherweise von einer Abdankung. 1347 Theophan. A. M. 5969 = 1, 124, 25–28.

IV.H.1 Die Bestrafung des Usurpators

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nicht bis dorthin kam, stellte sich das Problem der Niederlegung der Insignien nicht1348. Der Usurpator und seine Amtskollegen wurden fast immer getötet, wenn sie nicht schon vorher Selbstmord begangen hatten wie Magnentius und Decentius. Geschont wurden nur wenige wie Vetranio, der in Prusa in Bithynien mit einem Ruhegehalt noch 6 Jahre lebte1349, wie Attalus, der auf die Liparischen Inseln verbannt wurde1350, wie Maximus 4111351 oder Romulus Augustulus, der nach Neapel verbannt wurde. Zum Bischof geweiht wurde Glycerius1352. Schonung war auch schon früher möglich, wie Tetricus’ Schicksal zeigt, der sich Aurelian 273 unterworfen hatte und dann nicht verbannt wurde, sondern sogar als corrector Lucaniae weiter tätig sein konnte1353. Die Gründe für die Schonung sind unterschiedlich und an die jeweilige politische Situation gebunden. Hingerichtet wurden selbstverständlich auch Personen, die eines Usurpationsversuches verdächtigt wurden. Deren Bestrafung veranlassen konnte nicht nur der Kaiser, sondern auch hohe Amtsträger. So übergab der Heermeister Theodosius 368

1348 Zu Constantinus III. vgl. Olymp. fr. 17, 1 Blockley; Soz. 9, 15, 1 = Olymp. fr. 17, 1 Blockley. Folgt man der Lesung ejx eJautou` bei Soz. 9, 15, 1, legte er freiwillig die Insignien ab. Sickel 1898, 539 n. 48 spricht von einer Abdankung. Zu Silvanus vgl. Amm. 15, 5, 31. 1349 Zos. 2, 44, 4. 1350 Attalus war um die Jahreswende 413/414 von den Westgoten in Gallien zum Kaiser erhoben worden. 415/416 ließen sie ihn in Gallien zurück, und er fiel in Honorius’ Hände (Paul. euch. 292–302; Prosp. Tiro s. a. 414 = Chron. min. 1, 467: Attalus Gothorum [consilio et] praesidio tyrannidem sumit in Gallia; ibid. s. a. 415: Attalus a Gothis in Hispanias migranti­ bus neglectus et praesidio carens capitur et Constantio patricio vivus offertur; vgl Philost. 12, 4). Er wurde vor seiner Verbannung in Honorius’ Triumph mitgeführt und damit bestraft, daß man ihm zwei Finger der linken Hand abschlug. Vgl. Olymp. fr. 1, 13 = 14 Blockley (Verbannung und Abschlagen der zwei Finger); Philost. 12, 4–5; Prosp. Tiro s. a. 417 = Chron. min. 1, 468: Honorius Romam cum triumpho ingreditur praeeunte currum eius Attalo, quem Liparae vivere exulem iussit. Vgl. auch Marcell. com. s. a. 412 = Chron. min. 2, 71: truncata manu; Oros. hist. 7, 42, 9: truncata manu; Prosp. Tiro s. a. 414–415, 417 = Chron. min. 1, 467. Irrtümlich Ioh. Mal. 13, 49 S. 350, der berichtet, daß Honorius Attalus habe töten lassen. 1351 Nach dem Scheitern seiner ersten Usurpation 411. Vgl. Prosp. Tiro s. a. 412 = Chron. min. 1, 466: Maximo in Hispania regno ablato vita concessa eo quod modestia humilitasque hominis affectati imperii invidiam non merebatur. Maximus lebte im selbstgewählten Exil unter den Barbaren in Spanien. Zu Romulus Augustulus vgl. Iordan. Get. 242; Marcell. com. 476 = Chron. min. 2, 91. 1352 Zu den Belegen vgl. PLRE 2, 514 s. v. Glycerius. Ob auch Avitus zum Bischof geweiht oder gleich getötet wurde, ist ungewiß. Zur widersprüchlichen Tradition vgl. Henning 1999, 35/36. Der tribunus Iohannes wurde zum Bischof von Perinthos gemacht, was als Exilierung zu gelten hat. Der Versuch, ihn 518 bei den Wirren zu erheben, als man einen Nachfolger für Anastasius suchte, wird als tumultuarisch gekennzeichnet und als mit seinem Willen geschehen betrachtet. Vgl. S. 122, 210. 1353 Vgl. PLRE 1, 885 s. v. Tetricus 1; I. König, Die gallischen Usurpatoren von Postumus bis Tetricus, München 1981, 177–181.

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IV. Der Usurpator, H. Absetzung, Bestrafung, Tod

Valentinus, der in Britannien einen Usurpationsversuch unternommen hatte, und dessen engste Mitverschworene dem dux Dulcitius zur Hinrichtung1354. Bevor der Usurpator getötet wurde, wurde er bisweilen entehrt. So wurde dem Usurpator Iohannes 425 in Aquileia zuerst eine Hand abgeschlagen. Dann wurde er im Hippodrom auf einem Esel zur Schau gestellt1355 und zuletzt dort hingerichtet. Der Leichnam des Usurpators wurde fast immer geschändet, und der Kopf des Getöteten in der Regel öffentlich zur Schau gestellt1356. Dies geschah nicht nur in seinem Herrschaftsgebiet, sondern mindestens zum Teil reichsweit1357. Diese Formen der Entehrung konnten auch beim Verdacht auf eine Usurpation angewendet werden1358, und sie konnten auch Verwandte des Hochverräters oder Helfer betreffen, wenn sie eine entscheidende Rolle gespielt hatten1359. Das Vorgehen, den Leichnam zu schänden, findet sich schon vor der Spätantike. So wurden 238 Maximinus’ und seines Sohnes Leichen Hunden und Vögeln überlassen, und die Köpfe nach Rom geschickt1360. Der gestürzte Usurpator wurde als Staatsfeind betrachtet, und sein Andenken unterlag den Strafen, die unter dem modernen Begriff der damnatio memoriae zusammengefaßt werden. Die damnatio memoriae und die mit ihr verbundenen Maß1354 Amm. 28, 3, 6. Vgl. auch zum Jahr 368 Valentinus’ Usurpationsversuch im Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 390. 1355 Proc. BV 1, 3, 9. Vgl. auch zu Attalus’ Verstümmelung n. 1350. 1356 Vgl. Ambr. in psalm. 61, 26, der von einer Gewohnheit spricht. Seine Aussage wird durch zahlreiche Belege bestätigt. Man vgl. zu Maxentius Paneg. 9, 18, 3: trucidato corpore … suf­ fixum hasta ferebatur (vgl. auch Paneg. 10, 31, 4; Zos. 2, 17, 1); zu Magnentius Amm. 22, 14, 4; Nepotianus’ Haupt wurde auf einer Stange durch die Stadt Rom getragen (Eutr. 10, 11, 2; Ioh. Ant. fr. 174; Prosp. Tiro s. a. 350 = Chron. min. 1, 454). Zu Procopius vgl. Amm. 26, 10, 6; zu Magnus Maximus vgl. Olymp. fr. 20, 1 Blockley; zu Eugenius Olymp. fr. 20, 1 Blockley; Zos. 4, 58, 5; zu Constantinus III. Cons. Const. s. a. 411 = Chron. min. 1, 246; zu Iovinus und Sebastianus Olymp. fr. 20, 1 Blockley; Ann. Rav. s. a. 412. Die Köpfe des Usurpators Leontius und seines Helfers Illus wurden in Konstantinopel auf Stangen zur Schau gestellt (Marcell. com. 488, 1 = Chron. min. 2, 93; Ioh. Mal. fr. 35 = Exc. de ins. 35 S. 166, 23–28). Für Iulian nahm man dieses Schicksal nach einer möglichen Niederlage an (Amm. 22, 14, 4). Den Kopf des getöteten politischen Gegners zur Schau zu stellen war eine alte politische Praxis in Rom. Vgl. zu den Belegen den Boeft 2008, 277. Diese Strafe konnte auch bei denen angewendet werden, die man eines Usurpationsversuches beschuldigte (vgl. n. 1358), und wurde auch sonst für Hochverräter angewendet (vgl. z. B. Gainas und dazu Marcell. com. 401 = Chron. min. 2, 66 sowie Paschoud 1986, 169). 1357 Magnentius (Amm. 22, 14, 4); Procopius (Amm. 26, 10, 6); Constantinus III. (Cons. Const. s. a. 411 = Chron. min. 1, 246). 1358 Vgl. den PPO Rufinus, cos. 392, und dazu Hier. ep. 60, 16; Philost. 11, 3; Marcell. com. 395, 5 = Chron. min. 2, 64: Rufinus … ante portas urbis merito trucidatus est. caput eius manusque dextra per totam Constantinopolim demonstrata. 1359 Es betrifft Mazuca, Firmus’ Bruder, dessen Stellung aber nicht bekannt ist (Amm. 29, 5, 42). Der Hinweis bei Ammian spricht nur vom Entfernen des Kopfes. Man wird aber zu ergänzen haben: um ihn auszustellen. Auch Iulianus, der jüngere Sohn Constantinus III., wurde getötet, und sein Kopf zusammen mit dem seines Vaters zur Schau gestellt (PLRE 2, 638 s. v. Iulianus 7). Zu den Helfern vgl. n. 1356. Die geringe Zahl der Belege läßt nicht erkennen, ob es sich um eine regelmäßig ergriffene Maßnahme handelt oder um Ausnahmefälle. Zu vermuten ist das letztere. 1360 Hdn. 8, 5, 9.

IV.H.1 Die Bestrafung des Usurpators

327

nahmen sind für alle Usurpatoren anzunehmen, auch wenn sie nicht immer zu belegen sind1361. So wurden große Teile der acta des Gestürzten wie Ernennungen von Würdenträgern und Privilegierungen aufgehoben (rescissio actorum), aber etwa personenrechtliche Beschlüsse wie Freilassungen und Privatverträge blieben in Geltung1362. Oft wurde auch ein Teil der Gesetzgebung aufgehoben, um neue Anhänger für den siegreichen Kaiser zu gewinnen. So hob etwa Valentinian III. einige Bestimmungen des gestürzten Usurpators Iohannes auf, die kirchliche Privilegien eingeschränkt hatten1363. Die abolitio nominis, die einen wesentlichen Bestandteil der damnatio memo­ riae bildet, ist für jeden Usurpator anzunehmen. Sie ist besonders auf Inschriften, nur ganz selten auch in Dokumenten und auf Münzen greifbar, wurde aber weitaus weniger konsequent als in der hohen Kaiserzeit durchgeführt1364. Die Erasion auf Inschriften fand nicht systematisch statt1365. So wurden nach dem Fall des Usurpators Magnentius dessen und Decentius’ Namen in Nordafrika nur auf dem Forum in Mustis beseitigt1366. Sonst blieben ihre Namen auf ihren Meilensteinen erhalten. Dies gilt auch für einzelne Meilensteine in Norditalien, auf denen Magnentius’ Name nicht getilgt wurde1367. Die für Avitus zu erschließende damnatio memoriae wird möglicherweise auch durch die Inschrift1368 an der sogenannten rostra Vanda­ lica1369 belegt. Diese weist auf jeden Fall auf die Tilgung eines Namens und damit auf eine damnatio memoriae in der zweiten Hälfte des 5. Jhd. hin. Die abolitio nominis auf Münzen ist für die Spätantike sehr selten belegt und fand offensichtlich praktisch nicht statt. Möglicherweise wurden die Münzen des Usurpators eingeschmolzen, soweit man sie erreichen konnte. Beachtung schenkte 1361 Vgl. zur damnatio memoriae Delmaire 2003; Hedrick 2000; Vittinghoff 1936, 52–63; aber auch Bauer 1996, 346–348, besonders zum Problem der Zerstörung der Bildnisse, die nicht regelmäßig erfolgt. Die Meinung Hennings 1999, 273 n. 131, daß Avitus der letzte Kaiser gewesen sei, den die damnatio memoriae traf, und Magnus Maximus der letzte Usurpator, ist als irrtümlich zu betrachten. 1362 Zu den aufzuhebenden acta und denen, die weiterhin gelten sollten vgl. besonders Cod. Theod. 15, 14, 1–12. Vgl. die Übersicht zu allen Gesetzen, die im Codex Theodosianus zur Aufhebung der acta bewahrt sind, bei Delmaire 2003, 301/302. 1363 Const. Sirmond. 6. Vgl. Pawlak 2003, 134–136 mit Diskussion der Forschung. 1364 Zu einer etwas beliebigen Zusammenstellung vgl. Elbern 1984, 143. Zur abolitio auf Dokumenten vgl. etwa CTh 15, 14, 9 vom 21.4.395. 1365 Zu einer Zusammenstellung ohne kritische Bewertung der abolitio nominis von Usurpatoren auf Inschriften vgl. Elbern 1984, 143 u. 214 n. 140. Zur abolitio von Magnentius’ Namen in Africa vgl. Salama 1987b, 212/213. 1366 Salama 1987b, 205 = ILTun. 1557. 1367 P. Basso, I miliari della Venetia romana, Padua 1987, nr. 64 u. 88; E. Banzi, I miliari come fonte topografica e storica. L’esempio della XI Regio (Transpadana) e delle Alpes Cottiae, Rom 1999, nr. 2, 9, 15. 1368 CIL 6, 32005 und verbessert 41405 (CIL 6, 8, 3); AE 1996, 99. 1369 Zur damnatio memoriae des Kaisers Avitus vgl. Bagnall 1987, 446; Henning 1999, 130, 273. Zur sogenannten rostra Vandalica auf dem Forum Romanum und ihrer Inschrift vgl. Bauer 1996, 24/25; Henning 1996, 259–264 und CIL 6, 41405. Zu den Erasionen auf der Inschrift, die die Tilgung eines Namens belegen, vgl. Henning 1996, 260.

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IV. Der Usurpator, H. Absetzung, Bestrafung, Tod

man ihnen im Umlauf auf jeden Fall1370. Die bildlichen Darstellungen des Usurpators wurden entfernt1371. Die damnatio memoriae ist keine spezielle Bestrafung für Usurpatoren, sondern für Hochverräter generell vorgesehen. Sie kann daher auch auf Beamte angewendet werden, denen Hochverrat vorgeworfen wird, wie z. B. auf den PPO Tatianus, den Eunuchen Eutropius1372, den Heermeister Stilicho oder Heraclianus1373. Das Vermögen des Usurpators wurde meistens eingezogen, wie es für Hochverräter vorgesehen war. Es gab aber Ausnahmen wie Vetranio oder Romulus, zu deren Lebensunterhalt die Sieger beitrugen1374. IV.H.2 Bestrafung der Anhänger und Verwandten Die Familien der Usurpatoren teilten weitgehend nicht deren Schicksal1375. Den Tod fanden vor allem deren Söhne und Verwandte, die schon als Mitherrscher eingesetzt worden waren1376 oder sonstwie als mögliche Prätendenten betrachtet wur1370 Zur Seltenheit der abolitio nominis auf Münzen generell vgl. Vittinghoff 1936, 34sq. Zu einzelnen Münzen mit einer abolitio nominis vgl. Cahn 1987; R. Delmaire, BSFN 34, 1979, 523. Zum möglichen Einschmelzen vgl. Cahn 1987, 202; Howgego 1990, 21. Zur Beachtung, die man ihnen im Umlauf schenkte, vgl. Cassian. conl. 1, 20, der von der Fähigkeit der Wechsler spricht, die Münzen der Usurpatoren zu erkennen. 1371 Vgl. Delmaire 2003, 300/301 zu den Belegen. Bei statuarischen Darstellungen wird in der Regel nur der Kopf ausgewechselt. Soweit die Statuen nicht als individuelle Repräsentation empfunden wurden, wurden sie nicht beseitigt (Bauer 1996, 347/348). 1372 Vgl. die sehr detaillierte Aufzählung der Maßnahmen in Cod. Theod. 9, 40, 17. Zum Verfasser des Gesetzes vgl. Honoré 1998, 90/91. Zur Tilgung von Tatianus’ Namen als PPO auf einer Gruppe von Inschriften für Arcadius, Honorius und Valentinian II., die zwischen Juni 388 und Mai 392 in Aphrodisias gesetzt wurde, vgl. Roueché 1989, 47–52. Es sind die Inschriften Nr. 25, 26, 27. 1373 Zu Stilicho vgl. Cod. Theod. 9, 42, 22; zu Heraclianus Cod. Theod. 9, 40, 21; 15, 14, 13. Zur Tilgung der Namen von Hochverrätern auf Inschriften vgl. Delmaire 2003, 309/310. 1374 Zur Strafe vgl. Mommsen, Strafrecht 592. Zu Belegen vgl. Elbern 1984, 213/214 n. 136 (sehr selektiv). Die Einziehung des Vermögens der Usurpatoren wird in der Regel nicht gesondert berichtet. Zur Unterstützung von Vetranio vgl. Zon. 13, 7, 26–28; zu der von Romulus vgl. Anon. Val. 8, 38: Romulus bekam eine jährliche Pension von 6000 solidi. Nach Philost. 12, 5 unterstützte Honorius auch Attalus, der auf die Liparischen Inseln verbannt worden war. 1375 Zur Bestrafung der Anhänger, ohne einzelne Gruppen differenziert zu betrachten, vgl. Elbern 1984, 139–142. Man vgl. auch Delmaire 1997, der aber nur die Usurpatoren zwischen 306 und 414 behandelt und z. B. Silvanus ausläßt. Eine vergleichende Untersuchung der Strafen fehlt. Zum Schicksal der Familienangehörigen vgl. Elbern 1984, 136–139 ohne Differenzierung. Neuere Arbeiten zu einzelnen Usurpationen haben dazu weitere prosopographische Erkenntnisse gebracht wie z. B. Lenski 2002, 111–113. Sie sind hier nicht alle im einzelnen berücksichtigt. Die gesetzlich vorgesehenen Strafen für Hochverräter und deren Verwandte (Cod. Theod. 9, 14, 3 vom 4.9.397) können hier außer Betracht bleiben, weil es sich um politische Entscheidungen handelte. 1376 Hier ist etwa an Victor, Maximus’ Sohn, zu denken, der zum Augustus erhoben worden war (vgl. n. 1281), oder an den Caesar Decentius, Magnentius’ Bruder (vgl. n. 1281/1282), der Selbstmord beging. Auch Iulianus (n. 1359), der jüngere Sohn Constantinus’ III., der zum nobilissimus gemacht worden war und damit für die Übernahme der Herrschaft vorgesehen,

IV.H.2 Bestrafung der Anhänger und Verwandten

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den. Die anderen überlebten in der Regel. Auch die übrigen Verwandten wurden immer geschont, wenn sie nicht direkt an der Erhebung beteiligt waren1377. Die Entfernung ganzer Familien von der Macht und deren physische Auslöschung wie die Stilichos1378 gehört zu den Machtkämpfen unterhalb des Thrones. Der Kaiser konnte kein Interesse daran haben, die führende Schicht zu dezimieren und sich so zu entfremden. Er beschränkte sich daher auf das unbedingt Notwendige. Der Anschluß an einen Usurpator wurde als Hochverrat betrachtet und konnte daher immer sehr streng bestraft werden1379. Die tatsächlich ausgesprochenen und vollzogenen Strafen variierten aber erheblich. Das gleiche gilt auch für die Bestrafung der Gefolgsleute anderer Hochverräter. Die Bestrafung und Verfolgung der Anhänger der Usurpatoren wurde in der öffentlichen Meinung und Geschichtsschreibung aufmerksam wahrgenommen und erörtert. Dabei war besonders unangemessene Härte und Willkür, die auch vor der Bestrafung Unschuldiger nicht haltmachte, Gegenstand der Kritik und ein beliebter Vorwurf1380 gegen den Herrscher. Milde wurde dagegen als lobenswert erachtet1381. Das Schicksal der engsten Mitarbeiter des Usurpators war mit dessen verknüpft, besonders wenn sie sich noch durch die Ermordung eines Herrschers kompromittiert hatten wie z. B. Gaiso1382, Andragathius oder Arbogast1383. Es handelte sich aber dabei um ganz wenige Personen, die uns häufig in den Quellen faßbar sind. Politische Unterstützung allein, auch eine ganz entscheidende, führte nicht zwangsläufig zur Beseitigung wie Titianus’ Fall zeigt. Er spielte als PPO Galliens eine sehr wichtige Rolle bei Magnentius’ Erhebung 350, wurde aber nur mit Verbannung und Vermögensentzug bestraft1384. Wenn die engsten Mitarbeiter nicht schon vorher wurde beseitigt. Desiderius, ein weiterer Bruder des Usurpators Magnentius, wurde nicht getötet, weil er in keiner Weise hervorgetreten war. Dieser Bruder kann nicht als möglicherweise erfunden betrachtet werden (PLRE 1, 249/250 s. v. Desiderius). Für seine Existenz spricht die gute Überlieferung bei Zon. 13, 9, während Soc. 2, 32, 7 weniger deutlich ist und eine Verknüpfung verschiedener Nachrichten bietet. Silvanus’ Sohn, der sich am Hof in Konstantinopel aufhielt, wurde ebenfalls begnadigt (PLRE 1, 841). 1377 Amm. 18, 3, 5: Assyria, die Frau des Heermeisters Barbatio, wurde zusammen mit ihm hingerichtet, weil sie der Teilnahme an einem Usurpationsversuch beschuldigt wurde. 1378 Stilichos Sohn Eucherius wurde zu derselben Zeit wie sein Vater getötet, seine Tochter Thermantia wurde von ihrem Mann, dem Kaiser Honorius, verstoßen, und seine Frau Serena wurde etwas später unter dem Vorwurf der Verschwörung mit den Goten getötet. 1379 Z. B. zum Vorgehen gegen die Gefolgsleute des Hochverräters Heraclianus vgl. Cod. Theod. 9, 40, 21 (413). Heraclianus kann nicht als Usurpator betrachtet werden. Vgl. n. 32, 42. 1380 Typische Beispiele bieten etwa Amm. 14, 5 und 26, 10, 6–15 (vgl. Zos. 4, 8, 5). 1381 Vgl. die Betonung von Valens Milde gegenüber Procops Anhängern durch Themistios, die Thema der 7. Rede ist, oder durch Libanius (vgl. or. 1, 171). Auch Theodosius’ Milde wird betont. Man vgl. Aug. civ. 5, 26; Claud. 8, 114–116 (De IV cons. Hon.). 1382 Vgl. n. 84. 1383 PLRE 1, 62/63 s. v. Andragathius. Vgl. S. 221, 265. Vgl. auch Iovinus 3 (PLRE 2, 622 s. v. Iovinus 3), der als Truppenkommandant eng mit dem Usurpator Maximus in Spanien zusammenarbeitete. Beide wurden 422 hingerichtet. 1384 Vgl. n. 1401.

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IV. Der Usurpator, H. Absetzung, Bestrafung, Tod

umkamen wie Marcellinus, Magnentius’ mag. off., in der Schlacht bei Mursa 351, begingen sie Selbstmord oder wurden beseitigt. Andragathius und Arbogast begingen Selbstmord, ebenso Nicomachus Flavianus, obwohl seine Rolle als PPO Italiae mit Titianus’ durchaus vergleichbar ist und er nicht durch einen Mord kompromittiert war. Gaisos Ende ist nicht bekannt, aber er überlebte Magnentius’ Erhebung offensichtlich nicht. Der siegreiche Herrscher ließ im gesamten Gebiet des unterlegenen Usurpators dessen Anhänger feststellen, und zwar oft durch spezielle Beauftragte, um über ihr weiteres Schicksal zu entscheiden. Dabei ging es um militärische und zivile Amtsinhaber, um ehemalige Würdenträger und Mitglieder der städtischen Oberschicht1385. Wie viele Personen davon betroffen waren, läßt sich nicht erkennen. Die allgemeinen Aussagen und die recht wenigen, genauer bekannten Einzelfälle stehen in einem gewissen Gegensatz. Die ersteren erwecken bisweilen den Eindruck einer 1385 Vgl. Amm. 14, 5, 3: si quis enim militarium vel honoratorum aut nobilis inter suos … esset insimulatus fovisse partes hostiles, … Ammian spricht von der Verfolgung, der Magnentius’ Anhänger ausgesetzt waren. Das Verständnis der Stelle ist niemals Gegenstand einer gründlichen Untersuchung gewesen. Obgleich die Übersetzungen militares durchgehend mit Offizieren wiedergeben, müssen mit den militares auch höhere zivile, nicht nur militärische Amtsträger gemeint sein. Dafür sprechen die beiden anderen Gruppen, die als Opfer der Verfolgung erwähnt werden, nämlich ehemalige hohe Amtsträger (honorati) und Mitglieder der Oberschicht der Städte, die als nobilis inter suos bezeichnet werden. Nobilis kann von Ammian auch für vornehme Stadtbewohner, also curiales, verwendet werden (Amm. 28, 6, 14), und inter suos unterscheidet hier solche nobiles von denen auf der Reichsebene (vgl. zu einer ähnlichen Verwendung Amm. 14, 7, 6: Euboli cuiusdam inter suos clari und die inschriftlich häufiger belegte Wendung omnibus honoribus apud suos functi, die sich auf die Bekleidung der städtischen Ämter bezieht und bei der sui ganz eindeutig die Gesamtheit der städtischen Bevölkerung meint. Man vgl. ILS III, 2 S. 689 zu den Belegen). Die Aufzählung unterscheidet Würdenträger nach ihrem Status (amtierende, ehemalige, städtische) und nicht militärische und zivile. Der Gebrauch von militaris als Substantiv, um Würdenträger generell zu bezeichnen, findet sich auch Amm. 14, 5, 6. Die dort erwähnten militares quosdam müssen entgegen den Übersetzungen, die von Militärpersonen sprechen, militärische und zivile Amtsträger oder sogar nur zivile umfassen, denn für sie setzt sich der vicarius Martinus ein, der für Militärpersonen eigentlich nicht zuständig ist. Zum Gebrauch von militaris zur Bezeichnung beider Gruppen vgl. auch Amm. 16, 8, 13. Die genannten Personengruppen sind auch sonst immer als Gegenstand der Verfolgungen faßbar und mit konkreten Fällen belegbar. Ammian beschreibt ab 14, 5, 6 Constantius’ II. Maßnahmen in Britannien 353 nach der Niederwerfung des Usurpators Magnentius. Die Stelle spricht für die Verfolgung ehemaliger Anhänger im gesamten Gebiet, das vorher von diesem beherrscht worden war. Constantius II. schickte den notarius Paulus nach Britannien, um dort ehemalige Anhänger des Usurpators abzuholen. Die Verfolgung, die Magnentius’ ehemalige Anhänger in Britannien erfuhren, wird als Beispiel für Constantius’ II. und seiner Würdenträger besondere Willkür und Grausamkeit herausgegriffen und dargestellt. Mit der Verfolgung der Anhänger des Usurpators Eugenius in Mailand wurde der tribunus et notarius Iohannes beauftragt, der später noch eine große Karriere machte und es bis zum PPO Italiae brachte (PLRE 1, 459 s. v. Iohannes 2). Mit der Verfolgung der Anhänger des Hochverräters Heraclianus in Africa wurde der comes Marinus beauftragt, der unangemessen hart vorging und deshalb zurückgerufen wurde (vgl. PLRE 2, 724 s. v. Marinus 1; Lütkenhaus 1998, 70–72).

IV.H.2 Bestrafung der Anhänger und Verwandten

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allgemeinen Verfolgung1386, während die letzteren diesen nicht bestätigen. Es waren sicher mehr als Einzelfälle1387, aber niemals waren alle Anhänger betroffen. Gerade die recht häufige Gewährung von Straflosigkeit, die in einzelnen Fällen überliefert ist, und die recht oft zu beobachtende Fortsetzung der Karriere zeigen, daß es ein Risiko darstellte, unter einem Usurpator ein höheres Amt zu bekleiden, aber daß es zu keiner eigentlichen Umgestaltung der Führungsschichten kam. Die Bestrafung eines Usurpators und seiner Anhänger zeigt deutlich, daß es nur darum geht, die Personen auszuschalten, die sich als gefährlich für die Herrschaft des Kaisers erwiesen hatten, und nicht um die Bekämpfung einer politischen Gruppe, die andere Ziele als die verfolgt, die den regierenden Herrscher stützt. Die Anhänger des Usurpators entstammen derselben sozialen Schicht und haben dieselben Interessen wie die des regierenden Herrschers. Die Verfolgung der Anhänger eines Usurpators darf das Reservoir, aus dem der Herrscher sein Personal nimmt, nicht vernichten und darf die politische Elite in ihrer Gesamtheit oder in einem Reichsteil dem Kaiser und seiner Familie nicht völlig entfremden, weil es dazu keine wirkliche Alternative gab. So muß sich die Bestrafung auf einzelne oder bestimmte Gruppen beschränken, die sich zu sehr exponiert hatten oder deren Bestrafung kein zu großes Aufsehen erregte. Für eine milde Behandlung trat auch die Kirche ein, nicht nur aus grundsätzlichen ethischen Erwägungen, sondern weil auch sie ihr soziales Netz nicht zerstört sehen und ihren gesellschaftlichen Einfluß bewahrt sehen wollte. Dies galt z. B. für Ambrosius’ Eintreten für Eugenius’ Würdenträger in Mailand nach dessen Sturz im September 394. Er gewährte ihnen Zuflucht in der Kirche und setzte sich bei Theodosius für sie ein, dem er ein mildes Vorgehen empfahl1388. Damit blieb auch sein Beziehungsnetz im westlichen Reichsteil intakt. Auch kirchliche Splittergruppen wurden in dieser Richtung tätig, um ihre Verbindungen zu politischen Persönlichkeiten zu bewahren oder aufzubauen, die für sie wichtig sein konnten. So setzte sich Leontius, der Bischof der Novatianer in Rom, bei Theodosius erfolgreich für Symmachus’ Begnadigung ein. Dieser hatte sich nach Magnus Maximus’ Sturz 389 in die Kirche der Novatianer in Rom geflüchtet, weil er für Magnus Maximus einen Panegyrikus gehalten hatte. Die Novatianer waren an einflußreichen Schutzherrn 1386 Vgl. z. B. Amm. 14, 5; 26, 10, 6 u. dazu den Boeft 2008, 275–277. 1387 Vgl. z. B. Amm. 14, 5, 6: militares quosdam und 14, 5, 8: cum tribunis et aliisque pluribus. Ammian berichtet hier nur von Britannien. Quosdam deutet wie tribunis auf eine begrenzte Zahl der in Britannien vorhandenen derartigen Personen hin, aber doch auf Verhaftungen im mittleren Führungsbereich. Man konnte auch bewußt auf eine umfassendere Verfolgung der Anhänger verzichten, wie das Verhalten des Heermeisters Theodosius zeigt, der nach der Niederschlagung von Valentinus’ Usurpationsversuch 368 darauf verzichtet, die Untersuchungen auf einen größeren Kreis von Mitverschworenen auszudehnen (Amm. 28, 3, 6), um keine Unruhe zu schaffen. 1388 Vgl. McLynn 1994, 354/355. Zu Ambrosius’ Bitten um Milde vgl. Ambr. epist. extra coll. 3[62], 3/4; Paul. Med. vita Ambr. 31, 4/5. Vgl. auch Augustins erfolgloses Eintreten für den tribunus et notarius Marcellinus (PLRE 2, 711/712 s. v. Marcellinus 10) und dessen Bruder Apringius, den proconsul Africae von 411–413, sowie für andere nach der Niederwerfung des Hochverräters Heraclianus 413 (Aug. epist. 151, vgl. O. Perler, Les voyages de Saint Augustin, Paris 1969, 318–325). Auch damals suchten viele Zuflucht in der Kirche (Aug. ep. 151, 3.11).

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IV. Der Usurpator, H. Absetzung, Bestrafung, Tod

interessiert. Daß zu ihnen Symmachus zählte, muß man auf Grund seiner Flucht in ihre Kirche vermuten1389. In gleicher Weise nehmen auch senatorische Würdenträger für ihre Standesgenossen Partei und empfehlen Milde1390. Die Schwere der Strafe hing daher nicht von objektiven Gegebenheiten oder Straftatbeständen ab, sondern richtete sich im besten Fall nach der politischen Bedeutung, die ein Anhänger eines Usurpators für diesen gehabt hatte. Die Beziehungen zum siegreichen Herrscher, dessen Persönlichkeit, das Maß der Gewalt, das die Parteigänger des Usurpators angewendet hatten, und die politische Situation spielten eine entscheidende Rolle. Von besonderer Bedeutung war offensichtlich die soziale Stellung. Je höher sie war, um so größer war die Wahrscheinlichkeit mit einer geringen Strafe oder straflos davon zu kommen. Im Rahmen der Verfolgungen nach einer Usurpation spielten selbstverständlich auch Feindschaften innerhalb der führenden Schichten eine Rolle. Persönliche oder politische Gegner ließen sich gut beseitigen, oder man konnte ihnen wenigstens Schwierigkeiten bereiten und zusetzen. Ebenso war die Gier nach fremdem Besitz von Bedeutung1391. Allgemeine Regeln lassen sich daher kaum ableiten. Militärische Kommandanten erfuhren fast immer eine weniger strenge Bestrafung, weil ihre Erfahrung benötigt wurde. Das gleiche gilt für ganze Einheiten. Die Willkürlichkeit der Bestrafung war den antiken Autoren wohl bewußt1392. Gegen die Parteigänger des Usurpators wurde also auf ganz verschiedene Weise vorgegangen. Im besten Fall wurden sie begnadigt, was mit der Mehrzahl geschah, und konnten früher oder später ihre Karriere fortsetzen, im schlimmsten Fall wurden sie getötet. Dazwischen gab es sehr verschiedene Strafen wie die Entfernung aus dem Amt oder den Entzug des Vermögens und die Verbannung1393. Diese Stra1389 Soc. 5, 14, 7. Zur politischen Stellung der Novatianer vgl. knapp Lizzi Testa 2004, 191/192. 1390 Vgl. z. B. Them. or. 7, 18/19, 96C sqq., wo Valens Milde gegenüber Procopius’ Anhängern empfohlen wird. 1391 Vgl. generell dazu Amm. 26, 10, 11/12 im Rahmen der Verfolgung der Anhänger Procops. Als Belege für die Bestechlichkeit von Zeugen oder deren Beeinflußbarkeit vgl. Aug. epist. 151, 4; Oros. hist. 7, 42, 17 im Zusammenhang mit der Hinrichtung des tribunus et notarius Marcellinus 10 (vgl. n. 1388), der als Opfer der Rache der Donatisten von Augustin dargestellt wird (Aug. epist. 151, 10/11), weil er im Religionsgespräch von Carthago als Vorsitzender gegen sie entschieden hatte. Lib. or. 1, 163–165: Libanius wurde nach Procopius’ Sturz von seinen Feinden beschuldigt, für diesen einen Panegyrikus geschrieben zu haben. Die Affäre ging für ihn glimpflich aus (vgl. Wintjes 2005, 167–169). Er wurde auch unter Theodosius mehrfach von seinen Gegnern des Hochverrates beim Kaiser beschuldigt, wobei drei Anzeigen zu unterscheiden sind, die 388 von Theodosius zurückgewiesen wurden (vgl. Lib. or. 32, 27; ep. 840 / or. 1, 265; ep. 845; 855 / or. 54, 40; ep. 844 und zu allen Belegen Wiemer 1995a, 105 n. 88); Symm. ep. 2, 30, 3: Symmachus’ schwierige Lage nach Magnus Maximus’ Sturz wurde von seinen Gegnern ausgenutzt. 1392 Vgl. z. B. Amm. 26, 10, 8/9 und die folgenden Paragraphen. 1393 Zu einer Auflistung möglicher Strafen vgl. etwa Amm. 14, 5, 3: capite vel multatione bonorum aut insulari solitudine damnabatur (Anhänger des Usurpators Magnentius). Zu Beispielen vgl. etwa Helpidius 6, einen Parteigänger Procops. Er wurde mit Vermögensentzug und Gefängnis bestraft. Nach Wiebe 1995, 50, 307 n. 337 ist darunter eine Exekutivhaft zu verstehen, aus der eine lebenslängliche werden konnte (vgl. dazu Mommsen, Strafrecht 913, 961 sqq.). Er starb in der Haft (Philost. 7, 10: tw`n te crhmavtwn gumnwqei;~ kai; eijrktai`~ katabiou;~).

IV.H.2 Bestrafung der Anhänger und Verwandten

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fen konnten selbstverständlich miteinander verbunden werden, so etwa der Vermögensentzug mit der Verbannung. Hochrangige Würdenträger konnten auch die abo­ litio nominis z. B. auf Inschriften erleiden. Betroffen von diesen Strafmaßnahmen waren nicht nur die hohen militärischen und zivilen Würdenträger, sondern auch Mitglieder der städtischen Aristokratie, und zwar nicht nur von Städten, die von besonderer Bedeutung für den Usurpator gewesen waren1394. Auch Personen, die kein Amt während der Herrschaft eines Usurpators bekleidet hatten, aber eine angesehene Stellung aufgrund ihrer im Reichsdienst bekleideten Ämter in der Gesellschaft hatten und sich öffentlich für ihn erklärt hatten, konnten bestraft werden1395. Ebenso wurden kirchliche Würdenträger, die für einen Usurpator Stellung bezogen hatten, zur Rechenschaft gezogen. So wurden Lazarus von Aix und Heros von Arles, die Constantinus III. unterstützt hatten, nach dessen Sturz aus dem Amt entfernt1396. Die häufigsten Strafen waren die abolitio nominis, die Verbannung, der Entzug des Vermögens und die Rückzahlung der vom Usurpator erhaltenen Bezüge. Der abolitio nominis unterworfen werden können wichtige Anhänger eines Usurpators. Sie wurde aber auch nicht systematisch durchgeführt1397. Immer wurden ihre Namen aus den Konsularfasten gestrichen. Zudem verzichteten die Würdenträger, die sich einem Usurpator angeschlossen hatten, ihre unter ihm bekleideten Ämter im cursus aufzuführen oder mitzuzählen1398. Die Gewohnheit, die Ämter nicht mitzuzählen, gilt aber nicht für die Zeit nach 455. So diente z. B. Basilius1399 unter Maiorianus und Libius Severus als PPO Italiae, wobei das Amt unter Maiorianus mitgezählt wurde. Die Verbannung wurde ebenfalls häufig ausgesprochen und bot die Chance, bald wieder in den angestammten sozialen Kreis zurückzukehren1400. Der Entzug des Vermögens und die Rückzahlung der vom Usurpator erhaltenen Bezüge sind häufig angewandte Strafen. So wurde Titianus, Magnentius’ PVR 350– 351, mit dem Einzug seiner Güter bestraft. Das gleiche Schicksal erlitt Gratianus, der Vater Valentinians I.1401. Die Rückzahlung der vom Usurpator erhaltenen Be1394 Vgl. z. B. Amm. 14, 5, 3: nobilis inter suos. Es geht um die Verfolgung der Anhänger des Usurpators Magnentius aus der städtischen Oberschicht durch Constantius II. Vgl. n. 1385. 1395 Vgl. z. B. den älteren Gratian und dazu n. 1444. 1396 Bleckmann 2003a, 163 n. 9. 1397 Vgl. z. B. Fabius Titianus (PLRE I, 918–919 s. v. Fabius Titianus 6), Magnentius’ PVR 350/351 und vorher Constans’ PPO per Gallias von 341 bis 350. Sein Name wurde auf einzelnen Inschriften eradiert. Vgl. etwa CIL 6, 1166 = ILS 741, wo sein Name zusammen mit Magnentius’ eradiert ist. Auf CIL 6, 1167, einem Stein, den Titianus für Magnentius setzte, ist nur Magnentius eradiert. 1398 Zu einer Erörterung dieser Problematik am Beispiel des älteren Nicomachus Flavianus vgl. Matthews 1997, 209–211. 1399 PLRE 2, 216/217 s. v. Basilius 11. 1400 Vgl. z. B. Araxius und Phronimius, die unter Procopius Ämter bekleidet hatten. Vgl. n. 1414. 1401 Zu Titianus vgl. Chastagnol 1960, 422; 1962, 111; zu Gratian Amm. 30, 7, 3.

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IV. Der Usurpator, H. Absetzung, Bestrafung, Tod

züge ist besonders gut in Symmachus’ Briefen belegt, der sich für den Erlaß dieser Strafe für seine Freunde einsetzte1402. Welche Strafen bevorzugt angewendet wurden, war von Usurpation zu Usurpation sehr unterschiedlich und traf auch einzelne Anhänger des Usurpators unterschiedlich hart1403. So wurden etwa Constantinus’ III. und Iovinus’ Anhänger insgesamt besonders streng behandelt1404, soweit man aus den wenigen bezeugten Amtsträgern Schlüsse ziehen kann. Decimius Rusticus1405, der PPO Galliarum unter Constantinus III. und dann unter Iovinus gewesen war und deshalb als praefectus tyrannorum bezeichnet wurde 1406, und der primicerius notariorum Agroecius1407 wurden mit dem gesamten Kabinett zusammen mit anderen vornehmen Galliern durch den Heermeister Constantius, den späteren Constantius III., und durch die anderen Feldherren des Kaisers Honorius 413 hingerichtet1408. Ebenso kam auch Apollinaris1409, Constantinus’ III. PPO Galliarum und wahrscheinlich Decimius Rusticus’ Vorgänger, ums Leben. Von Silvanus’ Anhängern wurden 355 drei comites umgebracht, deren Funktionen allerdings nicht bestimmbar sind, und ein Mann namens Poemenius, dessen Stellung ebenfalls unbekannt ist1410. Einzelne Würdenträger wurden hart bestraft, ohne daß sich immer ein Grund dafür erkennen läßt. So wurde der einzige Provinzstatthalter Procops, den wir außer Hormisdas kennen, nämlich Andronicus, der zuerst Statthalter Bithyniens und dann 1402 Vgl. Symm. epist. 3, 33 und dazu Pellizzari 1998, 130–133 mit ausführlicher Erörterung der Karriere, die Marcianus (PLRE 1, 555/556 s. v. Marcianus 14), der nach einigen unter Eugenius 393/394 proconsul Africas gewesen sein soll (anders Coşkun 2004a, 172), machte, und einer Reihe weiterer Beispiele, darunter auch Symmachus’ Einsatz für den jüngeren Nicomachus Flavianus, so daß dieser nicht das Gehalt seines Vaters, das er unter Eugenius erhalten hatte, zurückzahlen mußte (vgl. PLRE 1, 346). Pellizzari 1998, 132 will auch Ambr. obit. Theod. 5 als generelle Darlegung in diesem Sinn verstehen. Theodosius habe auf die Durchführung dieser Strafe verzichtet, was Ambrosius als Zeichen der clementia des Kaisers interpretiert, anders zu dieser Stelle Biermann 1995, 181 n. 128, der glaubt, es werde hier von einer Senkung der Abgaben allgemein gesprochen. 1403 Alle Aussagen über die Strenge der Bestrafung enthalten große Unsicherheitsfaktoren. Die antike Überlieferung bietet Pauschalurteile und erwähnt einzelne Fälle, die zu wenig zahlreich sind, um das Pauschalurteil verifizieren zu können. 1404 Vgl. auch Delmaire 1997, 124. 1405 PLRE 2, 965 s. v. Decimius Rusticus 9: praef. praet. Gall. (?409–) 411(–?413). Zum Anschluß an Iovinus vgl. auch Bleckmann 1997, 583. 1406 Greg. Tur. Franc. 2, 9. 1407 PLRE 2, 38–39 s. v. Agroecius 1. 1408 Greg. Tur. Franc. 2, 9: praefectus tyrannorum Decimius Rusticus, Agroecius ex primicerio notariorum Iovini multique nobiles apud Avernos a ducibus Honorianis crudeliter interempti sunt. Zu Renatus Profuturus Frigeridus, dessen Text Gregor hier übernommen hat, vgl. PLRE 2, 485/486 s. v. Frigeridus. Vgl. auch Seeck 6, 420; Ph. Wynn, Frigeridus, the British Tyrants, and the Early Fifth Century Barbarian Invasions of Gaul and Spain, Athenaeum 85, 1997, 69–118, dort 85. Die zwei genannten stehen für das höchste und das niedrigste Amt in der Beamtenschaft des Usurpators Iovinus. Vgl. Scharf 1993, 11. 1409 PLRE 2, 113 s. v. Apollinaris 1, PPO Galliarum 408/409. 1410 Amm. 15, 6, 4. Es sind die comites Asclepiodotus, Lutto und Maudio. Zu Poemenius vgl. n. 1330.

IV.H.2 Bestrafung der Anhänger und Verwandten

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vicarius von Thrakien war1411, nach der Niederschlagung der Usurpation getötet1412. Phronimius1413, Procopius’ PVC, wurde auf die Chersones verbannt. Araxius1414 als Procopius’ praefectus praetorio wurde auf Fürsprache seines Schwiegersohnes Agilo ins Exil geschickt, kam aber bald frei. Eufrasius1415, der magister officiorum, wurde sogar sofort freigesprochen. Ebenso wurde Delphidius1416, der in der zentralen Verwaltung diente, der Fürsprache seines Vaters wegen nicht bestraft. Vielen Würdenträgern, die nicht zu den engsten Vertrauten eines Usurpators zählten, war eine Fortsetzung ihrer Karriere durchaus möglich, auch wenn es günstiger Umstände bedurfte. Das gilt z. B. für Iovius1417. Er war an Magnentius’ Usurpation beteiligt1418, ohne daß wir allerdings wissen, in welcher Stellung, und trat dann 361 als QSP in Iulians Dienst, bevor dessen Auseinandersetzung mit Constantius II. entschieden war. Man kann vermuten, daß Iovius, der nach Constans’ Sturz in Magnentius’ Dienst trat, in seiner weiteren Karriere später gehindert war und sich deshalb Iulian anschloß, um rascher voranzukommen1419. Im Frühjahr 364 amtete er als PVC. Romulus, der consularis Flaminiae et Piceni, blieb nach Magnentius’ Sturz Statthalter seiner Provinz1420. Der Verbleib auf seinem Posten ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß keineswegs alle Amtsträger eines Usurpators ausgewechselt wurden. Dies zeigt auch Aradius Rufinus’ cursus. Er war 311 consul unter Maxentius, diente diesem als PVR 312 und blieb nach Konstantins Sieg im Amt1421. Nicomachus Flavianus war unter Eugenius PVR, bekleidete dieses Amt erneut unter Honorius 408 und wurde 431/432 PPO Italiae1422. Romulus, Rufinus und Nicomachus Flavianus gehörten zur röm. Aristokratie. 1411 Vgl. n. 1252. 1412 Lib. or. 62, 58–60. 1413 PLRE 1, 701 s. v. Phronimius; Dagron 1974, 246. Amm. 26, 10, 8 meint wegen seiner Freundschaft zu Iulian. 1414 PLRE I, 94 s. v. Araxius. Zu seiner Begnadigung vgl. Amm. 26, 10, 7. 1415 PLRE 1, 299 s. v. Eufrasius 2; Clauss 1981, 153. Vgl. Amm. 26, 7, 4; 26, 10, 8. 1416 Auson. Commemoratio Professorum Burdigalensium 5 = Peiper p. 53/54. Vgl. PLRE 1, 246 s. v. Attius Tiro Delphidius. Die PLRE läßt ihn unter Magnentius Karriere machen. Vgl. dagegen Lenski 2000, 110. 1417 Ob auch Remigius, der 355 im Zusammenhang mit Silvanus’ Sturz dazugehört, wie in der Regel angenommen wird, muß stark bezweifelt werden. Er war höchstwahrscheinlich nicht Silvanus’ rationarius apparitionis armorum magistri (Amm. 15, 5, 36), sondern der des Heermeisters Ursicinus. Vgl. n. 954. Zu Iovius vgl. PLRE 1 s. v. Iovius 2; de Bonfils 1981, 203–210; Harries 1988, 171 u. passim. 1418 Amm. 21, 8, 1 und dazu Szidat 1996, 76. 1419 Zu dieser Möglichkeit vgl. de Bonfils 1981, 206 n. 196. 1420 Camodeca 1978; Ausbüttel 1988, 168/169, der anders als Camodeca keinen Verbleib annimmt. Camodeca 1978, 157 verweist auf einen weiteren Fall eines Statthalters unter Kon­ stantin, der im Amt blieb, nämlich Valerius Victorinianus, der unter Licinius praeses Thebai­ dos war und unter Konstantin dieses Amt behielt. Er hatte es noch im Nov. 326 inne. PLRE 1, 962 s. v. Valerius Victorinianus gibt kein Datum für das Amt unter Konstantin. 1421 PLRE 1, 775 s. v. Aradius Rufinus 10; Chastagnol 1962, 59–62; Bagnall 1987, 156/157. 1422 PLRE 1, 345–347 s. v. Nicomachus Flavianus 14.

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IV. Der Usurpator, H. Absetzung, Bestrafung, Tod

Dorus, der ehemalige Arzt der Scutarii und centurio rerum nitentium unter Mag­nentius, der sich in Rom 352 zu Gunsten des Usurpators eingesetzt hatte, als dessen Macht schon zu wanken begann, wurde nicht bestraft und konnte seinen Einfluß am Hof bewahren. An ihm zeigt sich, daß auch bei einer deutlichen Stellungnahme für den Usurpator Straflosigkeit und Verbleib in einer einflußreichen Position möglich waren. Dorus konnte offensichtlich nach Magnentius’ Sturz an Constantius’ II. Hof zurückkehren1423. Man konnte sich auch offen für die Fortsetzung der Karrieren solcher Amtsträger einsetzen. So verwendete sich Symmachus 390 bei Neoterius, dem PPO Galliens, für einen Alexander, der unter Valentinian II. tribunus et notarius gewesen, dann in den Dienst des Usurpators Maximus getreten war und seine Stellung verloren hatte1424. Ebenso verwendete er sich für Nicomachus Flavianus den Jüngeren, seinen Schwiegersohn, der schließlich 399 seine Karriere fortsetzen konnte und zum zweiten Mal PVR wurde, diesmal unter einem legitimen Herrscher, nämlich Honorius. Zum ersten Mal war er PVR unter dem Usurpator Eugenius1425. Im 5. Jhd. wurden die Würdenträger, die sich Attalus 410 zugewendet hatten, allesamt amnestiert, wenn sie sich wieder Honorius angeschlossen hatten1426. Häufig sind in der zweiten Hälfte des 5. Jhd. die Mitglieder der großen senatorischen Familien, die im kaiserlichen Dienst standen, von den Veränderungen an der Spitze des Westreiches weniger betroffen. Gute Beispiele dafür bieten Avienus, Basilius und Probianus. Avienus1427 war unter Valentinian III. 450 consul und galt noch 467 als einflußreich. Basilius war unter Maiorianus 458 zum ersten Mal PPO Italiae und unter Libius Severus 463–465 zum zweiten Mal. Unter Anthemius war er ebenfalls noch sehr einflußreich. Probianus war unter Libius Severus PPO Italiae 461/463 und unter Anthemius 471 consul. Auch er war wahrscheinlich Mitglied der senatorischen Aristokratie. Zugleich läßt sich beobachten, daß die Würdenträger zu einem guten Teil auch bei einem Herrscherwechsel ihre Karrieren direkt fortsetzten. So werden Avitus’ Funktionäre zum Teil von Maiorian übernommen oder machen weiter Karriere, und Amtsträger Maiorians können unter Libius Severus die ihre fortsetzen. Der Grund liegt natürlich darin, daß der Senat und seine einflußreichen Mitglieder den Fortbestand eines eigenen comitatus im Westen wollten und sich daher auch den Herrschern, die in Konstantinopel keine Anerkennung fanden, zur Verfügung stellten. Der Kaiser in Konstantinopel wiederum wollte diese Kreise durch eine strenge Bestrafung einzelner Mitglieder nicht vor den Kopf stoßen. Wir kennen niemanden, der für eine Karriere unter einem Usurpator nach 455 bestraft worden wäre. Offensichtlich waren die Karrieren der senatorischen Aristokratie von den Wechseln der Herrscher nach 455 wenig betroffen. 1423 Zu Dorus vgl. n. 1257; 1258. Dorus bekleidete offensichtlich kein Amt mehr, aber verkehrte in Hofkreisen und verfügte über gute Kontakte. 1424 Symm. ep. 5, 39. 1425 Hedrick 2000, 28. 1426 Cod. Theod. 9, 38, 11 vom 12.6.411; Soz. 9, 8, 10 und Delmaire 1997, 125. 1427 PLRE 2, 193/194 s. v. Gennadius Avienus 4; PLRE 2, 216/217 s. v. Basilius 11; PLRE 2, 908 s. v. Caelius Aconius Probianus 4.

IV.H.2 Bestrafung der Anhänger und Verwandten

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Bestraft wurde auch die Loyalität ganzer Gruppen gegenüber einem Usurpator. Faßbar ist uns dies in der Bestrafung von Städten. So wurden die Verteidiger von Philippopolis, die Procopius bis zuletzt die Treue gehalten hatten, bestraft, und die Mauern von Chalkedon wurden geschleift. Konstantinopel erlangte nie wieder Valens’ Gunst. Dieser mied auch längere Aufenthalte in der Stadt1428. Personen oder Gruppen, die ursprünglich bestraft oder ihre Rechte verloren hatten, konnten nach einer gewissen Zeit offiziell rehabilitiert werden. So stellten Honorius und Arcadius die Ehrenrechte der Würdenträger, die Eugenius’ Partei ergriffen hatten, im Frühsommer 395 wieder her1429. Der comes Marinus, der die Verfolgung der Anhänger Heraclianus’ in Africa geleitet hatte, verlor sein Amt, weil er zu eifrig vorgegangen war, und der auf seine Veranlassung hingerichtete tribunus et notarius Marcellinus wurde offiziell rehabilitiert. Die berühmteste Wiedereinsetzung in alle Ehren erfolgte bei Nicomachus Flavianus, der Eugenius’ PPO gewesen war und nach der Niederlage am Frigidus Selbstmord begangen hatte. Sie wurde 431 von seinem Sohn Nicomachus Flavianus, der 431/432 PPO Italiens war, und Appius Nicomachus Dexter, der damals PVR war, angeregt und durchgesetzt. Nicomachus Flavianus wurde öffentlich in einer Rede Valentinians III., die im Senat verlesen wurde, rehabilitiert. Die Rede zeigt das Gewicht der Senatoren aus der röm. Aristokratie am comitatus1430.

1428 Generell Elbern 1984, 142/143, aber undifferenziert. Zur Bestrafung von Philippopolis vgl. Amm. 26, 10, 6; zu Chalkedon vgl. Soc. 4, 8, 1/2; zu Konstantinopel Lenski 2002, 114. Die Bestrafung ganzer Provinzen ist zwischen 337 und 476 nicht eindeutig nachzuweisen. Möglicherweise wurde in Gallien eine Sondersteuer nach Iovinus’ Sturz eingeführt (vgl. Sidon. carm. 7, 206–210). Dazu und zur Zusammenstellung der für die Spätantike vorhandenen Belege vgl. Seibel 2006, 170/171. 1429 Cod. Theod. 15, 14, 11/12. 1430 Zu Marinus und Marcellinus vgl. n. 1385 u. n. 1388. Zu Nicomachus Flavianus’ Rehabilitierung vgl. T. Grünewald, Der letzte Kampf des Heidentums in Rom? Zur posthumen Rehabilitation des Virius Nicomachus Flavianus, Historia 41, 1992, 462–487; Hedrick 2000, 1–89 u. passim; Matthews 1997, 212/213; zu weiteren Abhandlungen vgl. CIL 6, 8, 3 p. 4760/4761. Zum Text der Rede vgl. CIL 6, 1783 = ILS 2948. Daß generell die Mitglieder des Senates in Rom, die zur römischen Aristokratie gehörten und auf die Seite eines Usurpators getreten waren, nach dessen Sturz eine mildere Behandlung als andere erfuhren und schnell wieder zu Amt und Würden gelangten, wie Camodeca 1978, 157 n. 28 meint, ist auf Grund einzelner bekannter Fälle anzunehmen. So wurde etwa Symmachus, der 388 in Mailand einen Panegyrikus bei Magnus Maximus’ Antritt des Konsulates gehalten hatte (Symm. ep. 2, 31/32; Soc. 5, 14, 6; Aurelii Symmachi quae supersunt, ed. O. Seeck, Berlin 1883, LVII), nicht dafür zur Rechenschaft gezogen und erlangte schnell wieder seinen alten Einfluß (Matthews 1975, 229/230).

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IV. Der Usurpator, H. Absetzung, Bestrafung, Tod

IV.H.3 Bestrafung der Soldaten und Offiziere Die gewöhnlichen Soldaten1431 der besiegten Heere wurden im allgemeinen amnestiert und in die Streitmacht des Siegers übernommen. Dies gilt auch für die Einheiten, die einen Usurpator erhoben hatten oder besonderen Widerstand geleistet hatten. Der Grund liegt wohl darin, daß man es sich nicht leisten konnte, an den Truppen, deren Aushebung sehr teuer war, Rache zu üben. Bisweilen versetzte man offenbar einzelne Einheiten, die als unzuverlässig galten, in einen anderen Reichsteil1432. Nur ausnahmsweise wurden einzelne Einheiten bestraft. So wird von der Bestrafung einzelner Verbände nach der Niederwerfung des Usurpators Magnentius 353 berichtet. Sie wurden aus dem Dienst entlassen und wurden zu Räubern in Gallien1433. Welche Truppen diese Maßnahme betraf und wie viele Soldaten es waren, wissen wir nicht. Auf jeden Fall waren es nicht die Ioviani und Herculiani, die Ma­ g­nentius erhoben hatten1434. Große Teile der Einheiten, die Firmus erhoben und sich auf seine Seite geschlagen hatten, wurden niedergemetzelt, eine Maßnahme, die aber schon in der Antike kritisiert wurde1435. Sie blieb unseres Wissens auch eine Ausnahme. Die Bestrafung ungehorsamer Soldaten an sich ist formal identisch mit der Bestrafung derer, die einen Usurpator unterstützt hatten, aber doch davon zu trennen. Ungehorsam stellte den Nutzen einer Einheit generell in Frage und mußte strenger bestraft werden. Dagegen konnte durchaus sehr hart vorgegangen werden1436. Die hohen Kommandanten wie Heermeister und comites rei militaris hatten nicht mit dem Tod zu rechnen, wenn sie nicht zur eigentlichen Kerngruppe um den Usurpator gehörten wie z. B. Arbogast, der Selbstmord beging. So wurde der comes rei militaris Gerontius, der unter Magnentius diente, mit Verbannung bestraft1437, und Castinus1438, der als Heermeister Iohannes’ Usurpation durch seine Duldung ermöglichte und sogar 424 dafür Konsul wurde, wurde ebenfalls nur verbannt. Nicht bestraft wurden nach der Niederschlagung der Usurpation Procops dessen Heermeister Agilo und Gomoarius, weil sie Procop im Stich gelassen und dessen Niederlage dadurch entscheidend mitverursacht hatten1439. 1431 Zum Vorgehen gegen die Soldaten der überwundenen Usurpatoren vgl. für das 4. Jhd. Hoffmann 1970, 11/12 n. 41 mit zahlreichen Belegen, zusätzlich weniges bei Elton 1996, 198. Eine eigene Untersuchung scheint nicht vorhanden. 1432 Vgl. Amm. 18, 9, 3; 19, 5, 2 zu Einheiten des Usurpators Magnentius, die nach seinem Sturz 353 in den Reichsosten versetzt wurden. 1433 Lib. or. 18, 104. 1434 Sie bestanden durchgehend weiter und wurden in Constantius’ II. Armee integriert. Vgl. Hoffmann 1969, 312. 1435 Amm. 29, 5, 20–24. Vgl. Hoffmann 1969, 193; 1970, 73 n. 649. 1436 Dies gilt besonders noch für das 4. Jhd. Vgl. den Boeft 2002, 73–75; Grosse 1920, 236/237, 318–320; Müller 1905, 617–619. 1437 Amm. 14, 5, 1. Vgl. PLRE I, 393 s. v. Gerontius 1 comes (rei militaris?). Seine Funktion ist nicht ganz sicher. 1438 Vgl. PLRE 2, 269/270 s. v. Fl. Castinus 2. Zu den Belegen vgl. n. 1076. 1439 Zu Agilo vgl. Amm. 26, 9, 7. 10, 7; Philost. 9, 5; Zos. 4, 8, 3; während Soc. 4, 5, 3 und Soz. 6, 8, 3 überliefern, daß er hingerichtet wurde. Bei dieser Aussage handelt es sich offensichtlich

IV.H.4 Der Triumph des siegreichen Kaisers

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Gegen die Offiziere, die nicht zur obersten Führungsebene gehörten, ging man ebenfalls auf unterschiedliche Weise vor, ohne daß sich Kriterien fassen lassen. Es überwog die Schonung. Bestraft werden konnten sowohl tribuni, die von sich aus aktiv eine Usurpation gefördert hatten, als auch die, die nur Mitläufer gewesen waren. Valentinian I. zog die tribuni Claudius et Sallustius zur Rechenschaft, die im Westen des Reiches in ihrer Einheit für Procop Stellung genommen hatten1440. Claudius wurde verbannt, Sallustius hingerichtet. Der tribunus Barchalba, der eine lange und erfolgreiche Karriere hinter sich hatte, wurde mit dem Tod bestraft, obwohl er gezwungenermaßen in Procops Dienst getreten war und diesen sogar ausgeliefert hatte. Ebenso erging es Florentius, der an Procops Auslieferung mitgewirkt hatte1441. Warum er vorher auf Procops Seite stand, wissen wir nicht. Der tribunus Aliso, der sich im Dienst Procops ausgezeichnet hatte, wurde dagegen nicht bestraft und konnte seine Karriere fortsetzen1442. Constantius II. wollte einige tribuni zur Rechenschaft ziehen, die in Britannien im Dienst von Magnentius gestanden hatten1443. Auch ehemalige Kommandanten konnten in Gefahr geraten. So wurde Gratianus, Valentinians I. und Valens’ Vater, der als ehemaliger comes rei militaris in Britannien schon im Ruhestand auf seinem Gut in Cibalae lebte, von Constantius II. mit Vermögensentzug bestraft, weil er Magnentius als Gast aufgenommen hatte. Bei ihm fiel erschwerend ins Gewicht, daß er dies unmittelbar vor der Schlacht von Mursa tat und damit ein Signal zugunsten von Magnentius gab1444. IV.H.4 Der Triumph des siegreichen Kaisers Ihre Herrschaft im Innern zu verteidigen war neben der Sicherung des Reiches nach außen eine wichtige Aufgabe der legitimen Kaiser1445. Der Sieg über den Usurpator galt als ihr Sieg insgesamt, auch wenn die Auseinandersetzung nur von einem Herrscher geführt worden war, was die Regel war. Deren Anspruch auf die Ausübung der Herrschaft war insgesamt in Frage gestellt worden1446. Der Sieg über einen

um einen Irrtum. Zu Gomoarius vgl. Amm. 26, 7, 4.9, 2; Philost. 9, 5. Auch bei ihm überliefern Soc. 4, 5, 3 und Soz. 6, 8, 2 offensichtlich irrtümlicherweise, daß er hingerichtet wurde. 1440 Amm. 29, 3, 7: ex Iovianorum numero … quod, cum imperium Procopius affectasset, aliqua pro eo locuti sunt bona. Vgl. Hoffmann 1969, 319; Müller 1905, 596; Wiebe 1995, 37. 1441 Zu Barchalba vgl. Amm. 26, 9, 8–10; den Boeft 2008, 255; zu Florentius PLRE 1, 363/364 s. v. Florentius 4. Er war militärischer Kommandant der Truppen in Nicaea im Frühjahr 366, aber offensichtlich nicht Heermeister (Philost. 9, 5). Er kam zusammen mit Barchalba um (Amm. 26, 9, 8–10). 1442 PLRE 1, 45 s. v. Aliso; Amm. 26, 8, 10. 1443 Amm. 14, 5, 8. 1444 Amm. 30, 7, 2–3. Zu Gratian vgl. PLRE 1, 400/401 s. v. Gratianus 1. 1445 Vgl. etwa Aug. civ. 5, 24; 5, 25; Humphries 2003, 42 u. passim. 1446 Unsere Quellen betonen zwar diesen Aspekt nicht besonders. Er war für sie selbstverständlich, aber eine Reihe von Hinweisen läßt dieses Vorgehen erkennen. So wird etwa die damna­ tio memoriae reichsweit vollzogen und der Sieg über den Usurpator reichsweit gefeiert.

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IV. Der Usurpator, H. Absetzung, Bestrafung, Tod

Usurpator wurde wie andere Siege reichsweit gefeiert1447. Man feierte ihn wie einen Sieg über einen äußeren Feind, d. h. als Triumph. Diese Tradition hatte sich seit Commodus entwickelt und war in heidnischen Kreisen nicht unbestritten1448. So zog Constantius II. 356 in Rom ein, um seinen Sieg über Magnentius zu feiern1449, und Honorius führte 418 in Rom Attalus im Triumph vor und verbannte ihn dann1450. Der Sieg über einen Usurpator konnte auch in Form einer Dankprozession gefeiert werden. Als 425 in Konstantinopel der Sieg über den Usurpator Iohannes bekannt wurde, ließ Theodosius II. ein Wagenrennen unterbrechen und setzte sich an die Spitze einer Dankprozession, weil die Hand Gottes den Usurpator beseitigt habe1451. Der Sieg über den Usurpator wurde auf Münzen bekannt gemacht. Dabei konnte der Besiegte etwa in Form einer Schlange dargestellt werden, auf deren Kopf der siegreiche Kaiser seinen Fuß stellte, so wie er ihn auf den Kopf besiegter Barbaren setzte1452. Ebenso errichtete man Denkmäler. So ließ Constantius II. nach seinem Sieg über Magnentius 353 Triumphbögen errichten. Er stellte auch einen Obelisken in Rom als Siegesdenkmal auf1453, und Theodosius I. feierte seine Siege über die Usurpatoren Magnus Maximus und Eugenius auf mehreren Monumenten in Kon­ stantinopel, so dem Obelisken im Hippodrom, seiner Säule und seinem Reiterstandbild. Er war offensichtlich besonders stolz auf den über Magnus Maximus1454.

1447 Attalus’ Überwältigung nach seiner zweiten Usurpation in Südgallien wurde etwa auch in Konstantinopel am 28. Juni 416 und am 7. Juli 416 gefeiert (Chron. Pasch. 1, 573 ed. Dindorf). Vgl. Heucke 1994, 145/146. Zur reichsweiten Feier des Sieges über einen Usurpator vgl. etwa McCormick 1986, 111–119. 1448 Szidat 1996, 220/221; Wrede 1966, 179. 1449 Amm. 16, 10, 1. Zu den kaiserlichen Siegesfeiern von Konstantin bis Anastasius, auch über Usurpatoren, vgl. zusammenfassend etwa McCormick 1986, 36–64. 1450 Prosp. Tiro. s. a. 418 = Chron. min. 1, 468: Honorius Romam cum triumpho ingreditur pra­ eeunte currum eius Attalo, quem Liparae vivere exulem iussit. Vgl. Lütkenhaus 1998, 171. 1451 Soc. 7, 23, 11/12; Meier 2003, 147. 1452 Vgl. Kent 1994, 55/56. Zur Fortdauer dieser Sitte bei der Triumphfeier vgl. C. P. 2, 19 S. 610, 18/19. 1453 Zu den Triumphbögen vgl. Szidat 1996, 221; zum Obelisken in Rom Ritzerfeld 2001, 176/177 u. passim. Zu den Siegesmonumenten in Rom und Konstantinopel vgl. Bauer 1996, 319/320. 1454 Zos. 4, 50. Vgl. Rebenich 1991; Ritzerfeld 2001 besonders zum Obelisken; Speidel 1995 zur Theodosiussäule. Vgl. auch die Inschrift am Goldenen Tor in Konstantinopel: Haec loca The­ odosius decorat post fata tyranni| aurea saecla gerit qui portam construit auro, in der der Usurpator Iohannes als Tyrann bezeichnet und der Sieg Theodosius’ II. über ihn gepriesen wurde. Vgl. CIL 3, 735; B. Meyer-Plath / A. M. Schneider, Die Landmauer von Konstantinopel, 2. Teil, Berlin 1943, 125 nr. 8. Zur Inschrift und ihrer Datierung vgl. ausführlich Hoffmann 1969, 56–58, der einen Bezug auf Theodosius I. deutlich zurückweist; weniger vorbehaltlos Janin 1964, 269/270.

IV.I Usurpator und Kaiser im 5. Jhd. Die Krise des Reiches und ihre Folgen für Herrschaftsübertragung . und Herrschaftssicherung IV.I.1 Kaiser und Usurpatoren in der Krise des Reiches Im 5. Jhd. ist es vor allen Dingen die außenpolitische Situation, die sich wandelt. Sie wirkt auf die Innenpolitik zurück und dominiert sie über weite Strecken. Es sind die großen Einfälle der Barbaren im Westen des Reiches und besonders der Verlust Africas an die Vandalen, die die Zentrale nicht zur Ruhe kommen lassen, Usurpationen begünstigen oder Usurpatoren den Weg öffnen1455. Ein entscheidendes Kennzeichen des 5. Jhd. ist die steigende Zahl der Usurpatoren, die Zunahme der Zahl ungehorsamer Feldherrn, das Vorhandensein barbarischer militärischer Führer wie Alarich oder Sarus, die Truppenkörper befehligten, die von ihnen abhingen, und der dauernde oder zeitweilige Verlust der Kontrolle über einzelne Gebiete 1456, ein Phänomen, das auf den Westen beschränkt war. Die Herrschaft des Kaisers fand keine uneingeschränkte Anerkennung mehr. Diese Erscheinungen gelten vorwiegend für den Westen des Reiches, und zwar besonders nach Stilichos Tod 408. Aus der Chronologie der Usurpationen in Britannien, die schon zu seinen Lebzeiten begannen, kann man allerdings schließen, daß sich die Situation weniger vorteilhaft als im Osten entwickelt hätte, auch wenn er länger gelebt hätte. Dort gab es zwischen 366 und 475 überhaupt keine Usurpationen, aber selbstverständlich die Furcht des Kaisers vor ihnen1457, und auch Generäle, die sich der politischen Führung und ihren Weisungen zu entziehen suchten. Die geringe Zahl der Usurpationen hat ihren Grund neben der besseren außenpolitischen Situation, durch die das kontrollierte Territorium nicht so eingeschränkt wurde, in der stabilen führenden Gruppe unter Theodosius II. und der Verteilung der Macht in ihr. Sie war von zivilen Würdenträgern mit langen Amtszeiten wie z. B. den magistri officiorum Helion (414–427) und Nomus (442–445) und der Augusta Pulcheria geprägt. Der Einfluß der Heermeister wurde zurückgedrängt1458. In dieser Situation bevorzugten die zivilen Würdenträger einen schwachen Kaiser zur Legitimierung ihrer Stellung und Politik. Eine Usurpation hätte ihnen keine größeren politischen Möglichkeiten geboten1459. Erst unter Zenon gab es dann zwei Usurpationen und mehrere Usurpationsversuche1460, was seinen Grund in der schwachen 1455 Vgl. etwa Drinkwater 1998, 275: Militärischer Mißerfolg Stilichos gegen die Germanen, die über den Rhein vordrangen, öffnete den Weg für Constantinus III. nach Gallien. 1456 Vgl. besonders die Situation in Britannien, Dalmatien, in Teilen Galliens und den Verlust Africas, der sich seit dem Eindringen der Vandalen seit 429 anbahnt und zu einer dauernden Belastung für den Westen wird. 1457 Der Kaiser hatte selbstverständlich ein wachsames Auge auf mögliche Usurpatoren. So soll Theodosius II. in ständiger Furcht vor Usurpatoren gelebt haben. (Vgl. n. 739 und die Usurpationsversuche unter Theodosius II. im Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 391). 1458 Vgl. z. B. Clauss 1981, 124/125. 1459 Vgl. S. 190/191. 1460 Es handelt sich um drei Usurpatoren, nämlich Basiliscus (475/476) und Marcus (475/476), seinen Sohn, der von seinem Vater zum Caesar und dann Augustus erhoben wurde und zusam-

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IV. Der Usurpator, I. Usurpator und Kaiser im 5. Jhd. Die Krise des Reiches

Legitimation dieses Kaisers hatte1461 und nicht in besonderen außenpolitischen Problemen. Die schlechte Situation im Westen für Honorius’ Regierungszeit erkannt und formuliert hat schon Orosius, der unterstreicht, daß Honorius sich in erster Linie gegen die Usurpatoren und nicht gegen die Barbaren wandte1462. Auch offizielle Verlautbarungen aus Honorius’ Zeit verschweigen die Usurpationen in Gallien nicht, zählen sie aber selbstverständlich nicht auf1463. Häufig ist im 5. Jhd. der Typ von Usurpation, bei der der Thron in einem Reichsteil vakant war und der Anspruch der Kaiser im anderen Teil des Reiches, als auctor tätig zu werden, nicht beachtet wurde. Der Fall trat im 5. Jhd. erstmals ein, als nach Honorius’ Tod 423 die theodosianische Dynastie im Westen des Reiches keinen direkten Nachkommen des Kaisers als Nachfolger mehr stellen konnte und Iohan­ nes erhoben wurde. Diese Situation wiederholt sich dann, als Valentinian III. 455 starb. Es kann sich danach im Westen keine kontinuierliche Herrschaft einer Dynastie mehr bilden, und das Problem der Besetzung des Thrones wird ein Dauerthema. Bei den Usurpationen des 5. Jhd. lassen sich im Westen drei Perioden unterscheiden, nämlich von Theodosius’ I. Tod bis Honorius’ Ableben (395–423), die Zeit von Honorius’ Tod bis zu dem Valentinians III. (423–455) und die vom Tode Valentinians III. bis zu Romulus Augustulus’ Absetzung (455–476). Zwischen 395 und 423 konnte sich kein Usurpator direkt der Zentrale in Ravenna oder Rom bemächtigen und Honorius von der Herrschaft in Italien verdrängen. Es handelte sich um Erhebungen, die lokal beschränkt bleiben, wie die in Britannien von Marcus, Gratianus oder Constantinus III., der seine Herrschaft zwar auf Gallien und Spanien ausdehnen, aber nicht nach Italien vorstoßen konnte. Diese men mit ihm stürzte, sowie Leontius (484). Dazu kommen die Usurpationsversuche des mag. off. Patricius 474/475, des Heermeisters Flavius Marcianus 479 und die Verschwörung des ehemaligen PPO Epinicus, des PPO Dionysius und des Offiziers Thraustila 480. Der Ungehorsam des Heermeisters Illus führte zu Leontius’ Usurpation. 1461 Vgl. S. . 226/227. 1462 Oros. hist. 7, 42, 1: Honorius imperator videns tot oppositis tyrannis nihil adversum barbaros agi posse, ipsos prius tyrannos deleri iubet. Ähnlich äußert sich die Narratio de imperatoribus 6 = Chron. min. 1, 630: idem tamen princeps cum adversum externos hostes nihil umquam prospere gesserit, ad excidia tyrannorum felicissimus fuit, von der gerade Honorius’ Erfolge in der Auseinandersetzung mit den Usurpatoren im Gegensatz zu seiner sonstigen Erfolglosigkeit im Kampf gegen äußere Feinde betont werden. Der Gedanke wird offenbar in Anlehnung an die Überlieferung über Constantius II. geäußert (Szidat 1996, 219/220), in der gerade die Niederkämpfung zahlloser Usurpatoren als Gegensatz zur sonstigen Erfolglosigkeit gepriesen wird. Orosius spricht von einem catalogus tyrannorum (hist. 7, 42, 15), auf den er schon 7, 42, 4 (de catalogo tyrannorum) aufmerksam macht, wo er sich der Darstellung der verschiedenen Usurpatoren während Honorius’ Regierungszeit zuwendet. Solche Listen oder Aufzählungen von Usurpatoren unter Honorius finden sich auch bei Ioh. Mal. 13, 49 S. 350, 8–11; Philost. 12, 6; Pol. Silv. Lat. Princ. Rom. 79 = Chron. min. 1, 523; Soz. 9, 15, 3, wenn sie auch weniger umfangreich sind. Vgl. Scharf 1992, 376; Bleckmann 1997, 567, der aber nicht von Listen spricht. Zur Frage der Listen von Herrschern vgl. generell Kapitel II.3 Die Bewertung des Staatsstreiches und ihr Niederschlag in Herrscherlisten im Abschnitt Herrscherlisten, S. 38/39. 1463 Vgl. den Brief an den PPO Galliarum Agricola aus dem Jahre 418 (Epist. Arel. 8 = MGH ep. 3, 8 S. 13–15). Zum Text vgl. n. 37.

IV.I.1 Kaiser und Usurpatoren in der Krise des Reiches

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Usurpationen sind eine Folge des Verlustes kaiserlicher Autorität nach Stilichos gewaltsamem Tod 408, mangelnder Sorge der kaiserlichen Zentrale um einzelne Gebiete und außenpolitischer Probleme wie der Mißerfolge im Kampf gegen die Barbaren an der Rheinfront. Dasselbe gilt für einige Usurpationen in Gallien und Spanien. Unter ihnen sind Usurpatoren, die von barbarischen Stämmen erhoben wurden, um römische Vertragspartner zu haben oder sonstigen Interessen der Barbaren zu dienen. Dies gilt für Iovinus’ Usurpation, wenn auch nur aus der Sicht des Westgotenkönigs Athaulf und nicht seiner gallischen Anhänger1464, und für Maximus’ zweite Usurpation in den Jahren 418–422, ebenso für Attalus zweite Usurpation1465 im Jahr 414. In Italien ist dieses Phänomen nur bei Attalus’ erster Erhebung 409 vor Rom greifbar. Sie diente den Interessen der Barbaren. Attalus wurde durch Alarich auf den Thron gebracht, um so Druck auf Honorius auszuüben. Die Usurpationen in Gallien und Spanien sind zwar deutliches Zeichen der schwindenden Kontrolle Roms über diese Gebiete, sie wurden aber nie zu einer Gefahr für Honorius1466. In den letzten Jahren seiner Herrschaft wurde der Raum der gallischen Praefektur durch den Heermeister Constantius sogar weitgehend stabilisiert. Die Usurpationen in Britannien, Gallien und Spanien während Honorius’ Herrschaft sind nicht mit denen im 3. Jhd. in Gallien oder mit der von Firmus in Africa 372 (oder 370) zu vergleichen. Die Prätendenten beschränkten sich nicht auf ihren lokalen Bereich, sondern wollten als Honorius’ Mitherrscher gelten1467. Constantinus III. griff dazu über den gallischen Bereich hinaus und beherrschte auch Teile Spaniens. Er suchte auch um Honorius’ Anerkennung nach und verzichtete darauf, diesen zu stürzen. Alle konnten Honorius’ Herrschaft nur indirekt bedrohen1468. 1464 Zu Iovinus insgesamt vgl. mit der älteren Literatur Scharf 1993, 1–13; Drinkwater 1998; besonders aus der Perspektive seines Verhältnisses zu den Goten vgl. Lütkenhaus 1998, 52–62. 1465 Zu dieser Deutung der jeweils zweiten Erhebung von Attalus und Maximus vgl. Scharf 1992, 383/384. 1466 Er ist ungewiß, ob uns alle Usurpationen während Honorius’ Regierungszeit bekannt sind. Soz. 9, 15, 3 spricht nach dem Ende der Usurpation Constantinus’ III. von der Niederschlagung der Erhebungen, die Iovianus, der von PLRE 2, 622 mit Iovinus gleichgesetzt wird, Maximus und Sarus, der kein Usurpator war (PLRE 2, 978/979 s. v. Sarus), und viele andere zu derselben Zeit gegen Honorius’ Herrschaft unternommen hatten. 1467 In den Fällen, wo die Quellen hinreichend sind, lassen sie dies klar erkennen. So prägte Maximus 410/411 nach Ehling 1996, 8 (vgl. Kent 1994, 150; Lütkenhaus 1998, 46) Silbermünzen für Honorius und Theodosius II. mit, indem er die Legende in den Plural (AUGGG) setzte (gegen Grierson / Mays 1992, 219). Zu Constantinus’ III. Nachsuchen um Anerkennung durch Honorius, das für kurze Zeit erfolgreich war, vgl. n. 1308. Iovinus schloß höchstwahrscheinlich Honorius nicht in seine Münzprägung ein. Er berücksichtigte ihn bei der Angabe der Anzahl der Augusti nicht (vgl. Lütkenhaus 1998, 55; vgl. auch Kent 1994, 152–154, 352– 354). Ob er um eine Anerkennung nicht nachsuchte, wie Lütkenhaus 1998, 55 annimmt, ist bei der vorhandenen Quellenlage nicht zu sichern und generell unwahrscheinlich. Seibel 2006, 166–171, 182 versucht sogar noch weitergehend aufzuzeigen, daß Iovinus von vorn­ herein keine Anerkennung durch Honorius erstrebte, und sieht hinter seiner Usurpation eine versuchte Abspaltung vom Reich. 1468 Nach Lütkenhaus 1998, 44 strebten die Usurpatoren in Gallien Honorius’ Sturz nicht an, weil sie dazu nicht in der Lage waren. Die Mehrkaiserherrschaft ermöglichte ihnen aber eine poli-

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IV. Der Usurpator, I. Usurpator und Kaiser im 5. Jhd. Die Krise des Reiches

Als Honorius starb, überging der westliche comitatus Theodosius’ II. Anspruch, auctor für einen neuen Kaiser zu sein, und erhob Iohannes. Der Hof in Konstantino­ pel konnte aber seinen Kandidaten Valentinian durchsetzen, dessen Herrschaft im wesentlichen unangefochten blieb1469. Dies beruhte vorwiegend auf der geschickten Politik seines Generals Aetius. Durch dessen Wirken blieb vor allen Dingen die Lage in Gallien unter Kontrolle, und es traten keine Usurpatoren auf. Als Valentinian 455 ermordet wurde, war das östliche Kaisertum wieder in der Position, als auctor auftreten zu können. Dies akzeptierten Hof, Verwaltung und Heer im Westen nicht, und zwar ausnahmslos. Wie nach Honorius’ Tod mißachteten sie den Anspruch des östlichen Herrschers und erhoben Petronius Maximus. Der Grund liegt offensichtlich darin, daß der Osten bei Marcians Erhebung die Meinung der Westens nicht eingeholt hatte und es zu schweren Spannungen gekommen war. Bis zu Anthemius’ Erhebung 467 verfolgte der Westen jetzt immer stärker unter Rikimers Führung diese Politik der Eigenständigkeit und versuchte, mit Anthemius’ Sturz 472 sie wieder aufzunehmen. Die Auseinandersetzungen endeten mit dem Verzicht Odoakers, den Thron nach Romulus Augustulus’ Sturz 476 erneut zu besetzen. Er erkannte damit mindestens der Form nach den Anspruch des Kaisers in Konstantinopel an, Herrscher im gesamten Reich zu sein und Teilhaber an der Herrschaft zu bestimmen, also als auctor tätig zu werden. Damit nahm er dem Kaiser einen möglichen Vorwurf gegen ihn. Der Kaiser in Konstantinopel nahm seine Möglichkeit, einen Mitherrscher erheben zu lassen, allerdings nicht mehr wahr, so daß 476 das Ende der Mehrkaiserherrschaft bedeutete. Auch Iustinian griff nach der Rückeroberung Italiens nicht mehr darauf zurück. Der Anspruch des Kaisers in Konstantinopel, im gesamten Reich zu herrschen, bleibt allerdings dauerhaft bestehen. Er zeigt sich jetzt nur noch darin, daß er Herrschern auf dem Reichsgebiet Anerkennung und damit Legitimierung verweigern oder gewähren kann. tische Lösung im Rahmen des Reiches, nämlich zu versuchen, Honorius’ Anerkennung zu finden und sich so als Mitherrscher zu legitimieren. Constantinus’ III. Versuch, Anfang 410 nach Italien vorzudringen (vgl. n. 846), nachdem Honorius seine Anerkennung rückgängig gemacht hatte, gehört schon in die zweite Phase der Usurpation, als die erreichten Ziele sich nicht bewahren ließen. Daß er auf die Zusammenarbeit mit Honorius’ General Allobichus angewiesen war und den Vormarsch bei dessen Sturz abbrach, zeigt, daß seine eigene politische und militärische Macht auch nicht ausreichte. 1469 Bei Pirrus, der am 23.7.428 in Rom umkam, ist ungewiß, ob es sich um einen Usurpationsversuch, eine erfolgreich durchgeführte Usurpation, einen Aufstand oder andere hochverräterische Machenschaften handelte (zu Pirrus vgl. PLRE 2, 886 s. v. Pirrus; Ann. Raven. s. a. 428: Felice et Tauro. His consulibus occisus est Pirrus Romae X kal. Aug.). Weil er nicht als tyran­ nus bezeichnet wird, aber wie ein Hochverräter hingerichtet wurde (vgl. die Darstellung zur Stelle und dazu W. R. W. Koehler, Eine illustrierte Ausgabe der spätantiken Ravennater Annalen, Medieval Studies in Memory of A. Kingsley Porter I., Cambridge/Mass. 1939, 126, 128, 130; B. Bischof / W. Koehler, Un’ edizione illustrata degli annali ravennati del Basso impero, Studi Romagnoli 3, 1952, 9), handelte es sich eher um einen Aufstand. Dafür spricht auch, daß Heraclianus’ Ende ganz parallel geschildert und seine Leiche ebenso dargestellt wird, nämlich eingewickelt in ein Leintuch (vgl. Ann. Rav. s. a. 413). Heraclianus kann nicht als Usurpator betrachtet werden.

IV.I.1 Kaiser und Usurpatoren in der Krise des Reiches

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Wenn der römische Kaiser in Konstantinopel schon keinen Kollegen mehr erheben läßt, bedarf jeder Herrscher auf dem Boden des Reiches doch seiner Anerkennung, und zum Kaiser darf man sich auf keinen Fall ohne seine Zustimmung machen. Dieser Anspruch wird noch bei der Krönung Karls 800 n. Chr. mit der nachträglichen Zustimmung von Konstantinopel zu ihr deutlich sichtbar. Dort betrachtete man Karl eindeutig als Usurpator des Titels, was auch dieser so empfand, wie sein Streben nach Anerkennung durch Konstantinopel zeigt, die 812 dann auch erfolgte1470. Der Westen war durch die Abfolge der Herrscher mit einer Ausnahme auch nie in der Situation, den Anspruch, auctor des Kaisers im Osten zu sein, erheben zu können. Nur eine einzige Vakanz des Thrones im Osten fiel in eine Zeit, wo im Westen ein Kaiser herrschte, der als legitim galt und der seinen Anspruch als auctor hätte geltend machen können. Eine solche Situation gab es 450, als Marcian in Konstantinopel auf den Thron kam. Die Entscheidung für ihn benötigte einen Monat1471, was die erzählenden Quellen wie Zonaras1472 nicht erkennen lassen. Man konsultierte den Westen nicht. Der dort regierende Valentinian III. betrachtete Marcian als Usurpator, und im Osten war man sich durchaus bewußt, nicht den Regeln entsprechend vorgegangen zu sein1473. Noch 454 warf Valentinian III. Aetius in der Auseinandersetzung, an deren Ende er ihn tötete, nach Priscus’ Darstellung1474 vor, sich geweigert zu haben, gegen Marcian zu ziehen, und daß er dessen Anerkennung erzwungen habe1475. Marcian wurde im Westen bis zum 30.3.452 nicht anerkannt. Erst damals wurde seine Statue in Rom aufgestellt1476, was auf den Einfluß des 1470 Vgl. zur Position von Konstantinopel Einhardt, vit. Caroli 28. Grundlegend J. B. Bury, A His­ tory of the Eastern Roman Empire from the Fall of Irene to the Accession of Basile I (A. D. 802–867), London 1912, 325/326. Eine neuere Übersicht zum Forschungsstand bieten Hans H. Anton, Beobachtungen zum fränkisch-byzantinischen Verhältnis in karolingischer Zeit, R. Schieffer (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte des regnum Francorum, Sigmaringen 1990, 97– 119; Schieffer 2004. Auch wenn man kritisch zur These Burys steht, daß Karl zum Kollegen des byzantinischen Kaisers im Sinne des 4. u. 5. Jhd. wurde, ist deren Kern weiterhin aktuell (vgl. Schieffer 2004, 12), denn das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung und das der Kooptation stehen durchaus hinter den Verhandlungen Karls mit Byzanz, wenn auch in einem ganz anderen historischen Kontext. Zu späteren Beispielen vgl. Cheynet 1990, 178. 1471 Theodosius II. starb am 28.7.450, Marcianus wurde am 25.8.450 erhoben. 1472 Zon. 13, 24, 1–4. Bei verkürzender Darstellung wird dies ohnehin nicht sichtbar (vgl. z. B. Theophan. A. M. 5943 = 1, 103, 105). 1473 Mich. Syr. II p. 122 Chabot (Mich. Syr. 8, 14): «… Marcianus commença à régner sans l’assentiment de celui de Rome … Ainsi donc pour ce motif l’unité de l’empire fut brisée par Marcianus, les Romains et toute la région occidentale ne furent plus d’accord avec les em­ pereurs qui regnaient dans la ville de Constantinople» (vgl. n. 321); Euagr. HE 2, 1 = PG 86, 2, 2489 B. 1474 Ioh. Ant. fr. 201 = Prisc. fr.[30, 1], Z. 15–20 Blockley = Exc. de ins. 85. 1475 So schon Stein 1959, 348 (dt. 517) mit Interpretation von Ioh. Ant. fr. 201, 2 auf S. 586 n. 169. Nach Stein erklärt sich damit vielleicht auch die Tatsache, daß man in Konstantinopel für Aetius und gegen Valentinian III. eingenommen war. 1476 Prosp. Tiro s. a. 452 = Chron. min. 1, 490: Iconica (sc. imago imperatoris) Marciani imperatoris Romam ingressa III kal. Aprilis; vgl. Euagr. HE 2, 1 = PG 86, 2, 2489 B; Seeck 6, 270 behandelt das Problem der Nichtanerkennung nicht. Zur fehlenden Anerkennung Marcians vgl. Bagnall 1987, 436; zur Rolle Galla Placidias Oost 1968, 293/294. Zur Bedeutung des drohenden Einfalls Attilas vgl. Stickler 2002, 79, 148; zu Aetius’ Einfluß vgl. Stickler 2002, 75/76.

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IV. Der Usurpator, I. Usurpator und Kaiser im 5. Jhd. Die Krise des Reiches

Heermeisters Aetius zurückgeht. Dabei spielte der drohende Einfall Attilas von 452 nach Norditalien eine wichtige Rolle. Rom benötigte die Hilfe Konstantinopels. Möglicherweise hatte sich auch noch Galla Placidia für eine Anerkennung eingesetzt. Sie war allerdings schon am 27.11.450 verstorben. Papst Leo erkannte Marcian offenbar sofort an1477, denn Theodosius’ II. Tod bedeutete einen Wechsel in der Religionspolitik1478. Die Situation zeigt sehr deutlich, daß der Westen zu schwach war, um seinen Anspruch, auctor zu sein, durchsetzen zu können. Es kam hinzu, daß durch Marcians Heirat mit Pulcheria eine Verbindung zur voraufgegangenen Dynastie hergestellt war und ein anderer Kandidat mit diesem Vorzug nicht zu finden war. Er konnte auch innenpolitisch nicht vom Westen in Schwierigkeiten gebracht werden. Marcian muß als Usurpator betrachtet werden, dem es erst nach einiger Zeit gelang, die Anerkennung seines Kollegen zu finden1479. Zwar machten ihm kirchliche Kreise im Osten die fehlende Anerkennung zum Vorwurf1480, aber sie konnten damit seine Herrschaft nicht destabilisieren, und der Westen vermochte aus dieser Situation keinen Nutzen zu ziehen. Gerade dies unterscheidet seine Situation von der der Kaiser im Westen, die ohne Zustimmung des oströmischen Kaisers erhoben worden waren und von Konstantinopel mit Erfolg bedrängt werden konnten. In den letzten zwanzig Jahren des weströmischen Reiches stammen die Usurpatoren entweder aus der senatorischen Aristokratie und hatten Verwaltungskarrieren durchlaufen, oder sie waren Heermeister oder comites domesticorum. Keiner von ihnen aber war Heermeister und patricius1481. Petronius Maximus, Olybrius und wahrscheinlich auch Libius Severus entstammten der Senatorenschicht, wobei Petronius Maximus und Olybrius glänzende zivile Karrieren im kaiserlichen Dienst hinter sich hatten und aus berühmten Familien stammten. Mit Avitus und Maiorianus wurde jeweils ein Heermeister zum Kaiser erhoben und mit Glycerius ein co­ mes domesticorum1482. Lediglich Romulus Augustulus war nur der Sohn eines pa­ tricius und magister militum, der anders als Aetius und Stilicho seinen Sohn nicht erst durch Heirat mit der kaiserlichen Familie verbinden wollte oder durch die Erhebung zum Caesar später auf den Thron bringen wollte, sondern ihn direkt zum Augustus erhob. Es war eine Lösung ohne Zukunft. Die östliche Reichshälfte blieb von 395 bis 476 mit Ausnahme der Erhebung, die Basiliscus Anfang 475 machte, von Usurpationen verschont. Dies war sicher eine Folge ihrer besseren außenpolitischen Situation und ihrer Struktur. Sie hatte eine Hauptstadt an zentraler Stelle, in der eine städtische Bevölkerung stabilisie1477 Belegt ist Leos Anerkennung erstmals durch Leo M. epist. 78 vom 13.4.451. 1478 Vgl. Leo M. epist. 75 und dazu St. Leo the Great, Letters, Translated by E. Hunt, New York 1957, 142 n. 3; Stein 1959, 466/467. 1479 Vgl. Stein 1959, 311. Er verwendet den Ausdruck Usurpator aber nicht, offenbar, weil er in der Antike nicht für Marcian gebraucht wird, und interpretiert den Anspruch Valentinians III. allzu juristisch. 1480 Vgl. n. 1204. 1481 Demandt 1970, 683. 1482 Demandt 1970, 683; Henning 1999, 50 sq.

IV.I.2 Generäle erheben den Kaiser

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rend wirkte und ein Gegengewicht zu den Generälen und ihren Soldaten bildete1483. Daneben spielte auch der historische Zufall eine Rolle. Als die theodosianische Dynastie mit Theodosius’ II. Tod 450 in der männlichen Linie erlosch, konnte die Nachfolge Marcians, der beiden Leo und die Zenons ohne gewaltsame Auseinandersetzungen geregelt werden. Basiliscus suchte mit seiner Erhebung im Januar 475 nicht die Teilhabe an der Herrschaft innerhalb der östlichen Reichshälfte, sondern erstrebte Zenons Sturz. Dies war möglich, weil Zenon als Kaiser in der Führungsgruppe nicht unbestritten war1484. Der Verzicht auf die Mehrkaiserherrschaft nach 476 änderte auch die Vorgaben für eine Usurpation im Osten. Es ging von nun an nicht mehr um die Teilhabe an der Herrschaft, sondern um den Sturz des regierenden Kaisers. In den Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und einem Usurpator, der die Teilhabe an der Herrschaft beansprucht, kommt es nach Iohannes’ Niederwerfung 425 bis zur Wiedereroberung Italiens unter Iustinian, die 535 begann, zu keiner militärischen Intervention Ostroms mehr im Westteil des Reiches, um einen Augustus im Westen, der von Ostrom nicht als Mitherrscher anerkannt wird, vom Thron zu stoßen. Umgekehrt verbot sie sich allein schon wegen der fehlenden militärischen Mittel. Dieser Verzicht auf den Einsatz militärischer Macht von Seiten des oströmischen Herrschers hat verschiedene Gründe. Konstantinopel scheute anders als im 4. Jhd. und zu Beginn des 5. Jhd. offensichtlich den großen Aufwand für einen militärischen Einsatz und das damit verbundene Risiko und fand verschiedene politische Möglichkeiten, seinen Einfluß geltend zu machen und Kaiser, die ohne seine Zustimmung auf den Thron gekommen waren, zu stürzen. Hierbei spielte Rikimer eine wichtige Rolle. Dessen Stellung war durch Konstantinopel am 28.2.457 während der Vakanz im Westen nach Avitus’ Sturz im Oktober 456 zusätzlich legitimiert worden. Er war zum patricius gemacht worden1485. IV.I.2 Generäle erheben den Kaiser Eine häufig diskutierte Erscheinung bilden die sogenannten Kaisermacher im 5. Jhd., Generäle, die nach ihrem Belieben Herrscher auf den Thron brachten oder auch stürzten. Sie sind fast ausschließlich im Westen des Reiches zu beobachten. Zu dieser Gruppe sind Rikimer, Gundobad, Orestes im Westen und Aspar im Osten zu zählen. Sie werden immer wieder als Kennzeichen für den Verfall des Weströmischen Reiches angeführt und gehören zum Kreis der sogenannten Hausmeier oder Vizekaiser, die für den Westen des Reiches als kennzeichnend und Grund für dessen Verfall betrachtet werden. Für den Westen ist dabei neben den erwähnten ersten drei selbstverständlich noch an Stilicho, mit dem diese Entwicklung begann,

1483 Vgl. z. B. die Rolle der städtischen Bevölkerung in der Auseinandersetzung mit Gainas und seinen Goten (Albert 1984, 130–137; Cameron 1993, 216–218 u. passim). 1484 Vgl. S. 226/227. 1485 Vgl. n. 1500.

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und Aetius zu denken1486. Beide traten aber nicht als Kaisermacher auf, weil kein Augustus während ihrer Zeit zu erheben war. Das Phänomen ihrer Macht und ihrer Rolle als Kaisermacher ist aber wesentlich komplexer, als angenommen wird. Ihr Einfluß ist generell begrenzter, als es scheint, und ihre Rolle bei der Erhebung oder dem Sturz von Kaisern muß differenzierter gesehen werden. Die gilt besonders für die Erhebung ziviler Würdenträger, aber auch für Kandidaten, die ein militärisches Kommando innehatten. Ehemalige zivile Amtsträger als Augusti sind an sich, wie sich gezeigt hat1487, kein Kennzeichen dafür, daß ein mächtiger General sich eine Strohpuppe suchte, weil er selbst nicht Kaiser werden wollte oder konnte. Der bisherigen Beurteilung liegen Erfahrungen mit dem modernen Prätorianismus und ein Phänomen zugrunde, das sich besonders im Westen des Reiches ent­ wickelt, nämlich die wachsende Bedeutung der magistri peditum seit den Reformen Stilichos1488 und der Verleihung des patricius-Titels an seine Nachfolger seit dem Heermeister Constantius. Dies gab dem magister peditum und patricius innerhalb der Führungsgruppe des Hofes ein gewisses Übergewicht. Dazu kamen für alle hohen Kommandanten die Verfügungsgewalt über eigene Truppen in der Form der buccellarii und allein von ihnen abhängige Soldaten, häufig in Form der Foederatenverbände. Eine solche Stärkung bedeutet aber keineswegs, von den politischen Spielregeln befreit zu sein und tun zu können, was einem beliebt. Es gibt mehrere Faktoren, die die Macht der Heermeister deutlich begrenzen und sie zwar zu einem wichtigen, aber nicht allein entscheidenden Faktor machen. Ein entscheidendes Element bleiben die zivile Verwaltung und der Hof. Aetius’ und Stilichos Beseitigung 454 bzw. 408, Aspars Sturz 471, Iohannes’ und Petronius Maximus’ Wahl 423 bzw. 455 sind die entscheidenden Beispiele. Alle diese Aktio­ nen sind das Werk ziviler Würdenträger des Hofes und der Verwaltung und nicht das militärischer Kommandanten. 1486 Seeck 6, 99/100, 337, 353 u. passim. Vgl. schon Th. Mommsen, Aetius, Hermes 36, 1901, 516–547 = Gesammelte Schriften 4. Bd. Berlin 1906, 531–560, dort 556 (Stilicho als Vizekaiser) und Th. Mommsen, Stilicho und Alarich, Hermes 38, 1903, 101–115 = Gesammelte Schriften 4. Bd. Berlin 1906, 516–530, dort 529/530; Demandt 2007, 312; Henning 1999, 245–248, 257–260 zum Vizekaisertum und zur Rivalität zwischen Kaiser und Heermeister; Goltz 2002. Er versucht, den bisher beliebig gebrauchten Begriff Kaisermacher zu definieren (550 n. 13). Ein Kaisermacher ist eine einzelne Person, die die Erhebung einer von ihr bestimmten und abhängigen Person zum Kaiser veranlassen kann, ohne selbst nach dem Purpur zu greifen. Mehrere maßgeblich beteiligte Personen oder solche, die nicht allein entscheidend sind, sind keine Kaisermacher. Arbogast wird immer wieder als Vorläufer im 4. Jhd. zu dieser Gruppe gezählt, sollte aber doch deutlich von ihr unterschieden werden, weil er seine Stellung und seinen Einfluß Theodosius verdankte und nur aus einer Notlage heraus bei der Erhebung des Usurpators Eugenius eine wichtige Rolle spielte (vgl. etwa n. 798. 1487 Vgl. IV.D.2 Generäle und zivile Amtsträger, S. 261–268. Zum modernen Begriff des Präto­ rianismus im eingeschränkten, aber im normalen Sprachgebrauch üblichen Sinn als direktes Eingreifen des Militärs in die Politik und in der Definition von Huntington 1968 als Terminus für politische Systeme, die einen geringen Institutionalisierungsgrad und ein hohes Partizipa­ tionsniveau haben, d. h. Systeme, in denen soziale Kräfte ihre eigenen Mittel nutzen, um unmittelbar in die politische Sphäre einzugreifen, vgl. etwa Zimmermann 1981, 96–99 u. passim. 1488 Vgl. Jones 1973, 175; Demandt 1970, 619–627.

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Daneben hatte die Bevölkerung in Konstantinopel bei Aspars Entmachtung ein besonderes Gewicht, aber auch die stadtrömische spielte als bedeutende zivile Gruppe eine wichtige Rolle, wie Anthemius’ Abwehrkampf gegen Rikimer, Avitus’ Vertreibung aus Rom und Petronius Maximus’ Ende zeigen1489. Wenn es den Anschein hat, daß diese Rolle eine wesentlich geringere als in der frühen Kaiserzeit war und als die, die die Bevölkerung in Konstantinopel spielte, so ist unser Urteil hier weitgehend durch die Situation der Überlieferung verfälscht1490 und durch die Vorstellung, daß der Kaiser sich vorwiegend in Ravenna aufhält, wo keine Reaktionen der Bevölkerung bekannt sind. Ein weiteres bedeutendes Element bilden nach dem Tod Valentinians III. 455 weiterhin die Beziehungen zu Ostrom. Die oströmischen Augusti Marcian, Leo I., Leo II. und Zenon suchten ihren Anspruch, als auctor für die Besetzung des Thrones im Westen aufzutreten, wenn eine Vakanz auftrat, durchaus wahrzunehmen. Sie verzichteten nicht darauf. Dieses Verhalten wurde im Westen in Rechnung gestellt und schränkte die Freiheit des Handelns ein. Im Osten gelang es durch die Förderung der Isaurier, die Macht der Heermeister gegenseitig zu neutralisieren und damit Raum für die Politik zu schaffen. Als Musterbeispiel eines Kaisermachers wird Rikimer betrachtet1491. Er gilt als unmittelbar entscheidend für Libius Severus’ und Olybrius’ Erhebung. Dazu werden ihm zusammen mit Maiorian Avitus’ Niederwerfung, die Erhebung Maiorians und dessen Sturz sowie Anthemius’ Sturz zugeschrieben. Man darf nicht vergessen, daß dies weitgehend die Sicht unserer Quellen ist, die nur die Personen nennen, die sie für entscheidend hielten, aber nicht das Spiel der Kräfte und die daran Beteiligten ohne weiteres erkennen lassen. Eine Neubewertung der Stellung Rikimers verlangen auch die recht langen Intervalle im Westen nach dem Tod eines Kaisers bis zur Erhebung eines neuen nach der Mitte des 5. Jhd.1492. Wir können sie ziemlich gut erfassen. Einzelne Datie1489 Ioh. Ant. fr. 209, 1 zu Anthemius’ Abwehrkampf; Ioh. Ant. fr. 202 = Prisc. fr.[32] Blockley zu Avitus’ Vertreibung; vgl. Ioh. Ant. fr. 201, 6 zu Petronius Maximus’ Tod. Zu den verschiedenen Versionen seines Todes vgl. Henning 1999, 31. 1490 Cracco Ruggini 1998, 350–357 hat schon für die Zirkusparteien in Rom auf ähnliche Verhältnisse wie in Konstantinopel aufmerksam gemacht. 1491 Vgl. Seeck 6, 331–340, 347–352, 371–375. Kritisch dazu neuerdings Krautschick 1994, dem schon Oost 1970 mit ähnlichen Überlegungen vorangegangen ist. Henning 1999, 248–257 betont wieder stärker die Rolle Rikimers als eines weitgehend frei schaltenden Kaisermachers, läßt aber auch das Auf und Ab in seinem Einfluß deutlich erkennen. Vgl. z. B. Henning 1999, 255. Zu einer Sammlung der Urteile in der Art von Seeck über Rikimer vgl. Krautschick 1994, 275 n. 30. 1492 Vgl. III.B.3 Die Intervalle zwischen dem Tod eines Kaisers und der Erhebung eines neuen, S. 89–91. Die Intervalle haben eine verschiedene Interpretation gefunden. So wurde das lange Intervall nach Maiorians Tod fälschlicherweise als Bestreben Rikimers interpretiert, die Herrschaft ohne neuen Kaiser selbständig auszuüben. Vgl. kritisch dazu Henning 1999, 40/41, der die Intervalle aber S. 331 als Zeichen dafür ansieht, daß die westlichen Eliten auch ohne eigenen Kaiser auskamen. Er übersieht dabei, daß sie einen eigenen comitatus brauchten, um ihren sozialen Rang bewahren zu können. Dafür brauchte man einen Kaiser oder einen Stellvertreter des Kaisers. Rikimer konnte als Heermeister diese Funktion nicht ausüben.

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rungen in den Chroniken sind zwar in ihrem Aussagewert umstritten, wie etwa der Tag, an dem Libius Severus die Herrschaft antrat1493, aber an dem Vorhandensein der Intervalle kann nicht gezweifelt werden. Dies zeigt auch die Münzprägung im Westen für die Kaiser in Konstantinopel während dieser Intervalle1494. Die Münzprägung im Westen1495 für die oströmischen Kaiser zeigt zugleich die Bereitschaft des Westens, die Zusammenarbeit mit Konstantinopel zu suchen und den oströmischen Kaiser während der Intervalle als Herrscher zu akzeptieren1496. Die Intervalle finden auch ihren Ausdruck in der Anerkennung der östlichen Konsuln im Westen. Als Avitus am 17.10.456 bei Placentia geschlagen worden war und es für 457 keine westlichen Konsuln gab, datierte man während dieses Jahres im Westen nach den östlichen Konsuln Fl. Constantinus und Fl. Rufus oder mit dem Postkonsulat von 456, selbstverständlich unter Verwendung der östlichen Konsuln Fl. Varanes und Fl. Iohannes1497. Abwarten, Zusammenarbeit mit Konstantinopel und Berücksichtigung der politischen Situation kennzeichnen daher die Maßnahmen für die Neubesetzung des Kaiserthrones im Westen nach Avitus’ Sturz 456. Sie sind Ausdruck dafür, daß nicht eine einzelne Person nach Belieben schalten und walten konnte. Rikimers Rolle als Kaisermacher wird erstmals bei der Erhebung Maiorians betont. Maiorian hatte aber schon vor dem Aufstieg Rikimers gute Chancen auf den Thron, weil er von der Kaiserin Eudoxia gefördert wurde und fand sich erst später in einer militärischen Allianz mit Rikimer zu Avitus’ Sturz zusammen1498. Maiorians Erhebung kann nicht auf die Entscheidung Rikimers allein zurückgehen. Auffällig ist das lange Intervall bis zur Wiederbesetzung des Thrones. Avitus wurde am 1493 Vgl. Scharf 1996, 182–185. 1494 Vgl. Kent 1994, 193 mit grundlegender Erörterung, 178/179 zu Prägungen für Marcian und 182/183 zu Prägungen für Leo u. passim, anders Grierson / Mays 1992, 166–169, der die westlichen Prägungen für Leo nicht so eindeutig den Intervallen zuweist, eine Auffassung, die J. P. C. Kent, Besprechung zu Ph. Grierson / M. Mays, Catalogue of Late Roman Coins in the Dumbarton Oaks Collection and in the Whittemore Collection. From Arcadius and Honorius to the Accession of Anastasius, Washington D. C. 1992, Numismatic Chronicle 156, 1996, 365–381, dort 373 erneut für irrtümlich hält. 1495 Grundsätzlich ist an der Münzprägung im Westen für die oströmischen Kaiser nicht zu zweifeln. Umstritten ist, wann sie erfolgte. Nach Kent 1994, 193 sqq. wird seit 425 im Westen nicht mehr für Ostrom geprägt, so daß die Prägungen für den Kaiser in Konstantinopel in die Intervalle gehören, in denen kein Kaiser im Westteil des Reiches an der Macht war. Ein entscheidendes Argument dafür ist für Kent, daß Anthemius nicht für Leo prägte, obwohl er seine Zusammenarbeit mit Leo in der eigenen Münzprägung unterstrich. 1496 Das Verständnis der Intervalle als Bestreben des Westens, keinen Kaiser mehr haben zu wollen (Henning 1999, 331; vgl. n. 176, 1492), ist offensichtlich irrtümlich. 1497 Zu den Belegen vgl. Bagnall 1987, 446, 448. Auch für 466 nach Libius Severus’ Tod am 14.11.465 ist dieses Vorgehen zu beobachten (Bagnall 1987, 468/469). 1498 Zu Maiorians Förderung durch Eudoxia vgl. etwa III.C.3.c Die Kaisererhebungen im Westen: Petronius Maximus’ Erhebung, S. 127. Vgl. Ioh. Ant. fr. 201, 6 = Exc. de ins. 85 S. 127, 24– 26 = Prisc. fr.[30, 1], 78/79 Blockley. Schon Seeck 6, 332 zieht in Erwägung, daß Maiorian nicht das Geschöpf Rikimers war, sondern von Anfang an dessen Konkurrent. Zuletzt zur Eigenständigkeit Maiorians bei seiner Erhebung unter Hinweis auf die ältere Literatur und die Quellen Krautschick 1994, 277/278; Henning 1999, 249.

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17.10.456 abgesetzt, während Maiorian erst am 28.12.457 zum Kaiser erhoben wurde1499. Der Aufstieg Rikimers beginnt nach Avitus’ Sturz und noch vor Maiorians Erhebung mit einem anderen Ereignis, das nicht auf seiner militärischen Macht beruhte. Am 28.2.457 wurden der Heermeister Rikimer zum patricius und damit zum ersten Heermeister und Maiorian vom comes domesticorum zum zweiten Heermeister befördert1500. Die Ernennung muß vom öströmischen Kaiser vollzogen worden sein, und zwar von Leo I. oder noch von Marcian1501. Ostrom vermochte auf diese Weise in Italien im Spiel zu bleiben und schwächte die Stellung jedes zukünftigen Herrschers im Westen entscheidend, weil zwei sehr wichtige Mitglieder des comitatus nicht durch ihn legitimiert waren. Die lange Zeit des Abwartens nach Avitus’ Sturz deutet auf Verhandlungen mit dem Hof in Konstantinopel hin. Sie müssen ohne Erfolg gewesen sein, denn mit Maiorians Erhebung wurde der Hof in Konstantinopel übergangen. Hinter seiner schließlichen Erhebung stand auch Rikimer, aber er war nicht allein dafür verantwortlich, wie Maiorians Schreiben an den Senat zeigt1502. Maiorians Absetzung und Hinrichtung erfolgte zwar durch Rikimer, aber sicher im Sinn Konstantinopels, denn der Grund dafür war der schändliche Frieden mit den Vandalen1503. Dazu hatte er auch die Unterstützung der Senatsaristokratie verloren1504. Wieder wartete man im Westen drei Monate, ehe Libius Severus auf Veranlassung Rikimers erhoben wurde1505. Dieser stellte sich nach Libius Severus’ Tod am 14.11.465 nicht gegen Anthemius’ Erhebung, die erst am 25.3.467 erfolgte, und

1499 Zu Avitus’ Absetzung am 17.10.456 vgl. Seeck 1919, 402. Zu Maiorians angeblicher Ausrufung zum Kaiser (imperator) am 1.4.457 vgl. den Exkurs „Maiorians Erhebung am 1.4.457“, S. 393–395. 1500 Fasti. Vind. Prior. s. a. 457 = Chron. min. 1, 305; vgl. auch Sidon. carm. 5, 378.385. Ablehnend, aber nicht überzeugend T. D. Barnes, Late Roman Prosopography: Betweeen Theodosius and Iustinian, Phoenix 37, 1983, 268, der glaubt, daß Maiorian und Rikimer ihre Titel usurpiert haben. Rikimer war zwischen Juli/August und Mitte September 456 von Avitus wohl vom comes rei militaris zum zweiten Heermeister befördert worden (zum Datum Henning 1999, 75; zur Stellung Demandt 1970, 682/683). 1501 Kent 1993, 268 spricht sich für Marcian aus, weil für Leo I. die Zeit etwas knapp war, Henning 1999, 38 für Leo mit der Annahme von Vorverhandlungen. 1502 Novell. Maior. 1. Vgl. S. 253–255. 1503 Ioh. Ant. fr. 203. 1504 Vgl. Krautschick 1994, 282; Henning 1999, 134–137 mit ausführlicher Darlegung der Entwicklung des Verhältnisses zur Senatsaristokratie. 1505 Das Abwarten Rikimers hat schon Oost 1970, 235/236 beobachtet. Er zieht daraus die Konsequenz, daß Rikimer keinen Kaiser gewollt habe, sondern ihn nur erhoben habe, um gewisse Kreise in Italien zu beruhigen. Scharf 1996, 188 bestreitet das Intervall und glaubt an eine Erhebung von Libius Severus etwa gleichzeitig mit Maiorians Tod. Damit hätte sich aber Rikimer der Möglichkeit beraubt, Maiorian auch im Interesse Leos zu töten, weil er das Reich verraten hatte, und sich von vornherein gegen das Ostreich gestellt. Dazu kommt, daß nach Maiorians Tod in Mailand für Leo I. geprägt wurde, wenn auch wenig, was in Anbetracht eines nur dreieinhalbmonatigen Intervalls nicht verwundern muß (vgl. Kent 1994, 182 u. 314).

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zwar wahrscheinlich mit Rikimers Einverständnis1506. Anthemius’ Kandidatur wurde formal durch eine Gesandtschaft des römischen Senats ins Spiel gebracht1507. Auch Rikimer wartete also auf den Entscheid aus Konstantinopel. Erst mit Olybrius’ Erhebung im April 4721508 und Anthemius’ Sturz und Beseitigung am 11. Juli 472 haben wir ein wirkliches Aufbegehren Rikimers gegen einen Kaiser, der von Konstantinopel anerkannt wurde. Höchstwahrscheinlich hatte Rikimer auch in der Auseinandersetzung mit Anthemius lange die persönliche Konfrontation mit Konstantinopel zu vermeiden gesucht, indem er zuerst Romanus 470 zu einem Umsturzversuch ermunterte1509. Rikimer stellte sich persönlich erst offen gegen Anthemius, als dieser keinen Rückhalt mehr in der senatorischen Aristokratie in Norditalien und Rom hatte1510. Rikimers abwartende Haltung zeigt deutlich die Respektierung der anderen Machtfaktoren. Unter ihnen spielt bis zu Anthemius’ Niederwerfung der Kaiser in Konstantinopel eine entscheidende Rolle. Mit ihm suchte Rikimer einen Konsens und auch mit anderen Kräften im Westen, wobei der Senat eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte1511. Rikimers Vorgehen spiegelt ein Problem wieder, daß das Westreich nach dem Tod Valentinians III. 455 hatte, nämlich einen Kaiser zu haben, der die Anerkennung des Ostreiches finden konnte. Der Kaiser in Konstantinopel war nicht bereit, auf seinen Anspruch zu verzichten, als auctor bei einer Vakanz im Westen tätig zu werden. Für jeden, der sich ohne die Zustimmung Ostroms erheben ließ, bedeutete dies, daß er die Anerkennung des Ostens nicht finden würde und damit eine erhebliche politische Angriffsfläche, gerade auch für seine Gegner im Westen bot. Es mangelte ihm an Legitimation. Rikimer war am 28.2.457 durch den Kaiser in Konstantinopel zum patricius gemacht worden und dadurch in einer sehr starken Position. Hätte er sich zum Kaiser erheben lassen und nicht Ostroms Anerkennung gefunden, hätte er diese Position verloren. So blieb er im Hintergrund und ließ sich nicht erheben. Wir müssen annehmen, daß ihm seine Zusammenarbeit mit den Usurpatoren Maiorian und Libius Severus verziehen wurde, so wie auch Aetius für seine Zusammenarbeit mit Iohannes nicht bestraft wurde, sondern seine Karriere fortsetzen durfte1512. Erst mit seinem Vorgehen gegen Anthemius, der von Ostrom eingesetzt worden war, und mit Olybrius’ eigenmächtiger Erhebung setzte er sich in klaren Gegensatz zum Hof 1506 So schon Oost 1970, 236. Vgl. jetzt auch Krautschick 1994, 278/279. 1507 Prisc. fr.[50] Blockley; Theophan. A. M. 5957 = 1, 114: Leo ernannte Anthemius zum Augustus im Westen … kata; presbeivan th`~ sugklhvtou ÔRwvmh~. 1508 Henning 1999, 49. 1509 Vgl. den Exkurs „Usurpationsversuche“, S. 392. 1510 Vgl. Henning 1999, 162–164. 1511 Vgl. Krautschick 1994, 278/279 und besonders 280/281 mit n. 59. Eine eigene Untersuchung zur Rolle des Senates ab 455 gibt es nicht. Eine sorgfältige Erarbeitung zu dessen Rolle aus den Quellen fehlt daher, vgl. jetzt die kurze Darlegung bei Henning 1999, 272–274. 1512 Aetius wurde nach Iohannes’ Sturz begnadigt (Prosp. Tiro s. a. 425 = Chron. min. 1, 471: data venia Aetio eo quod Chuni, quos per ipsum Iohannes acciverat, eiusdem studio ad propria reversi sunt).

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in Konstantinopel. Sein rechtzeitiger Tod am 19. Aug. 472 befreite ihn von diesem Problem. Rikimers Vorgehen gegen Anthemius hatte die politische Elite gespalten1513 und die Führungsgruppe beschlußunfähig gemacht. Die Aufteilung der entscheidenden Persönlichkeiten auf Olybrius’ Gefolgsleute und die des Augustus Anthemius im belagerten Rom erschwerte die Kontaktnahme beider Gruppen und eine politische Lösung der anstehenden Probleme, auch noch nach Anthemius’ Sturz. Rikimers Nachfolger im Amt des ersten Heermeisters war sein Neffe Gundobad1514, der schon vorher unter Anthemius MVM per Gallias gewesen war und diesen nach der Einnahme Roms ermordet hatte. Er hatte dadurch seine Legitimation gegenüber Konstantinopel auf jeden Fall verspielt und war damit auch im Westen politisch angreifbar. Seine Beförderung zum ersten Heermeister und patricius durch Olybrius änderte daran wenig. Olybrius wurde von Konstantinopel nicht anerkannt, und Gundobad blieb der Mörder eines rechtmäßigen Kaisers. Nach Olybrius’ Tod am 2.11.4721515 in Rom wartete man im Westen mit der Erhebung eines neuen Kaisers bis zum 3.3. (oder 5.3.) 473. Damals wurde Glycerius erhoben, und zwar in Ravenna1516. In der Zwischenzeit prägte man in Mailand und Rom für Leo, erkannte also dessen Herrschaft an1517. Wahrscheinlich verhandelte man auch mit ihm. Die rasche Entsendung von Leos Kandidaten Iulius Nepos deutet aber daraufhin, daß noch Leo I. schon vor Glycerius’ Erhebung über seine Reaktion entschieden hatte, und zwar wohl schon nach Anthemius’ Sturz, als er merkte, daß sich Gundobad und die führende Gruppe im Westen nicht einig waren. In Konstantinopel war man daher nicht bereit, Glycerius anzuerkennen, und schickte Iulius Nepos nach Italien, der in Portus landete und am 19. oder 24.6.474 erhoben wurde1518. Gundobad unterstützte Glycerius nicht. Er war offensichtlich schon vor 1513 Henning 1999, 163. 1514 PLRE 2, 524/525 s. v. Gundobadus 1. Zu Gundobads Rückkehr nach Gallien noch vor Nepos’ Landung in Italien vgl. Ioh. Mal. 14, 45 S. 375. Dafür spricht auch, daß er Glycerius nicht unterstützte. 1515 Henning 1999, 50 gegen das Datum des 23.10.472 (Fast. Vind. Prior. s. a. 472 = Chron. min. 1, 306). 1516 Vgl. Fast. Vind. Prior. s. a. 473 = Chron. min. 1, 306; Marcell. com. 473 = Chron. min. 2, 90. Beide Stellen sprechen von Ravenna. Zu Glycerius’ Erhebung und seiner Distanz zur stadtrömischen Aristokratie vgl. Henning 1999, 50 sq. Hinzuzufügen ist, daß er offensichtlich auch in der gallischen Aristokratie keinen Rückhalt hatte, denn Nepos’ Herrschaft wurde von dieser ebenfalls begrüßt, aber nicht von den Burgundern anerkannt (vgl. Sidon. epist. 5, 6, 2: Iulius Nepos’ gerüchteweise geplante Anerkennung im Herbst 474 durch die Stadt Vaison geschieht gegen den Willen der Burgunder. Vgl. F. M. Kaufmann 1995, 194). Olybrius und Glycerius werden bei Sidonius auch nicht erwähnt, sondern übergangen. So spricht Sidon. epist. 5, 16, 2 von Anthemius als Nepos’ Vorgänger (decessoris Anthemii; zu decessor vgl. de Jonge 1980, 152). 1517 Vgl. Kent 1994, 183 u. 397/398. Für Kents Auffassung spricht besonders die Stempelverbindung von Nr. 2536. Vgl. hierzu Kent 1994, 398. 1518 Nepos wurde vor dem 1.6.473 magister militum Dalmatiae, wodurch seine Herrschaft in Dalmatien legitimiert wurde und er zum vir illustris aufstieg (Cod. Iust. 6, 61, 5a). Zwischen dem 1.6.473 und dem 18.1.474, dem Todestag Leos I., heiratete er eine Nichte der Kaiserin Verina (Malch. fr. 14 Blockley = Exc. de leg. gent. 3; Iordan. Rom. 338) und erhielt den östlichen

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Nepos’ Eintreffen in Italien nach Gallien zurückgekehrt, während Glycerius seine Position nicht verteidigte, sondern sich zum Bischof von Salona weihen ließ. Gundobads entscheidende Rolle bei Glycerius’ Erhebung kann nicht bezweifelt werden. Seine Stellung war aber so schwach, daß er es vorzog, Italien zu verlassen und Glycerius nicht zu unterstützen. Daß er lieber König der Burgunder wurde statt Heermeister in Italien zu bleiben, zeigt sehr deutlich, wie er seine Macht einschätzte. Ihm fehlte offensichtlich der politische Rückhalt. Gundobads vorübergehender großer Einfluß wurde möglich, weil mit Anthemius’ Sturz der comitatus und die führende Gruppe geschwächt worden waren. Iulius Nepos’ Herrschaft wurde besonders von der norditalischen Aristokratie begrüßt1519. Sie fand durch den ersten Heermeister Orestes, der sich gegen ihn erhob, schon am 28.8.475 ein Ende1520. Nepos floh von Ravenna nach Dalmatien. Mit dessen Sturz hatte sich Orestes gegen Konstantinopel gestellt und seine Legitimierung verloren. Er ließ am 31.10.475 seinen Sohn Romulus zum Augustus erheben. In der Zwischenzeit hatte er für Basiliscus prägen lassen1521, trat aber kaum in ernsthafte Verhandlungen mit Konstantinopel ein, denn die Zeit von zwei Monaten dürfte dafür zu knapp gewesen sein. Offensichtlich ließ er aber im Januar 476 eine Gesandtschaft um Anerkennung in Konstantinopel für Romulus nachsuchen1522, allerdings ohne Erfolg. Mit den politischen Eliten Italiens, die zerstritten waren, hatte er zu keiner Übereinkunft über einen neuen Herrscher gefunden und hatte deshalb seinen etwa siebenjährigen Sohn Romulus erheben lassen. Erst damit wird bei Orestes’ Vorgehen eine ganz neue Qualität sichtbar. Erst auf ihn trifft die Aussage unbeschränkt zu, daß er einen Kaiser als Strohpuppe einsetzte und die wahre Macht ausübte, ohne sie institutionell zu übernehmen1523. Orestes’ Weg, die westlichen Eliten nicht zu berücksichtigen, erwies sich jedoch als wenig dauerhaft. Er wurde sehr bald von Odoaker gestürzt und am 28.8.476 getötet, sein Sohn Romulus abgesetzt und gezwungen, ins Exil zu gehen. Odoaker war möglicherweise comes domesticorum. Seine Macht beruhte aber auf den nichtrömischen Teilen des italischen Feldheeres, von denen er am 23.8.476 zum rex ausgerufen worden war. Damit war seine Machtgrundlage eine andere als die aller seiner Vorgänger. Odoaker erkannte sofort Zenon als Herrscher an, später auch Nepos bis zu dessen Tod am 9.5.4801524. Patriziat (Anon. Val. 7, 36; Auctar. Prosp. Haun. ordo post. s. a. 474 = Chron. min. 1, 307). Er war nun mit dem oströmischen Kaiserhaus verbunden (Henning 1999, 283/284). Zu einer möglichen Erhebung zum Caesar vor seinem Aufbruch aus Dalmatien nach Italien vgl. n. 676. 1519 Henning 1999, 173. 1520 PLRE 2, 811 s. v. Orestes 2. 1521 Kent 1994, 203. 1522 Vgl. Simpl. ep. 5 = Coll. Avell. 57; PLRE 2, 657 s. v. Latinus. Die erwähnte legatio publica kann kaum eine andere Aufgabe gehabt haben. Vgl. schon Henning 1999, 208. Zu Romulus’ Nichtanerkennung im Osten vgl. Henning 1999, 208/209. 1523 Henning 1999, 259 hat deutlich erkannt, daß erst Orestes so vorgehen konnte. Zu Romulus’ Alter vgl. Henning 1999, 56. 1524 Zum Aufstieg und zur Machtübernahme Odoakers vgl. Henning 1999, 58–60; Anon. Val. 9, 44 (Aufstellung von Statuen Zenons in Rom); Kent 1994, 207, 215.

IV.I.2 Generäle erheben den Kaiser

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Odoaker veranlaßte bald nach Orestes’ Sturz die Mitglieder des Senates1525, Zenon mitzuteilen, daß ein zweiter Kaiser im Westen nicht nötig sei. Mit dieser Gesandtschaft, an der auch Vertreter Odoakers teilnahmen, verzichtete die Führungsgruppe im Westen darauf, einen eigenen Kaiser zu haben. Die mit Gundobad eingeleitete Entwicklung, die schließlich zum Ende des westlichen Kaisertums führte, wird gerne schon auf Aetius oder spätestens Rikimer zurückgeführt, und ihre Wurzeln werden bei Arbogast gesehen. Daß die militärischen Kommandanten sich seit dem Ende des 4. Jhd. im Westen der politischen Kontrolle immer stärker entziehen können, ist nicht zu bezweifeln. Sie sind aber nicht frei in ihren Entscheidungen, sondern um die Politik bestimmen zu können und legitimiert zu sein, müssen sie mit der führenden Gruppe im Westen und dem Kaiser in Konstantinopel zusammenarbeiten. Kein Kaiser im Westen ist ihnen völlig ausgeliefert. Das ändert sich ganz deutlich erst mit Romulus Augustulus. Odoaker zieht daraus nach dessen Sturz die Konsequenz, sich nicht durch die Erhebung eines neuen Kaisers, der wie Romulus als Usurpator gelten mußte, im Westen zu legitimieren, sondern sucht darum nach, daß Zenon seine Stellung anerkennt. Er will als dessen Vertreter in Italien amten1526. Damit hat auch die Mehrkaiserherrschaft ein Ende, auch wenn sie noch formell bis zu Nepos’ Tod 480 in Salona dauert. Beendet ist damit auch die Einbindung des neuen Machthabers in die führende Gruppe. Er ist nicht mehr ein Würdenträger des Kaisers neben anderen. Die führende Gruppe verliert auf diese Weise die Möglichkeit, bei einer Vakanz des Thrones eine Rolle zu spielen oder sich direkt an den Herrscher in Byzanz wenden zu können. Als Gegenleistung wird ihr Weiterbestand durch Odoaker und später Theoderich gesichert, und ihr Prestige bleibt erhalten. Der eigene comitatus im Westen wird nicht aufgehoben, und es besteht so weiter die Möglichkeit, Karriere zu machen1527 und die für den Rang nötigen Ämter zu bekleiden. Mit dem Ende des Kaisertums im Westen und der Entstehung eines Stellvertreters des Kaisers hören auch die Inhaber des Amtes des Heermeisters und patricius auf, besondere Bedeutung zu haben, soweit es überhaupt noch besetzt wurde1528. Die Mitglieder der führenden Gruppe sind verpflichtet, dem neuen Machthaber gegenüber loyal zu sein, was zu Konflikten führen und zur Entscheidung zwischen dem Machthaber im Westen und dem Kaiser im Osten nötigen konnte. Neben den erwähnten sogenannten Kaisermachern im westlichen Teil des Reiches, die politische Macht ausübten, aber eingebunden waren in die führende politische Gruppe, gab es mit Ausnahme Gundobads und Orestes, die am Ende der Entwicklung im Westen stehen, kaum Fälle, bei denen ein General einen von ihm 1525 Malch. fr. 14 Blockley = Exc. de leg. gent. 3. Vgl. Henning 1999, 61, auch zum Datum der Gesandtschaft. 1526 Henning 1999, 61 n. 192 zur Beschränkung seines Anspruches auf Italien. 1527 Henning 1999, 178–184. Zur Stellung Odoakers und Theoderichs vgl. Henning 1999, 59–69. 1528 Zu den Heermeistern im Westen seit Stilicho vgl. PLRE 2, 1288/1289; Demandt 1970, 785– 790. Das Amt des mag. ped. und patricius wurde in der Gotenzeit nicht mehr vergeben. Vgl. Schaefer 1991, 207/208 zur Diskussion über Aemilianus 5, Liberius 3 und Tuluin. Lediglich bei diesem kann man daran denken, daß das Amt des mag. ped. wieder aufgenommen wurde, aber ohne dessen alte politische Bedeutung.

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IV. Der Usurpator, I. Usurpator und Kaiser im 5. Jhd. Die Krise des Reiches

abhängigen Kandidaten erheben lassen konnte, ohne in einem größeren politischen Kontext zu stehen und auf zivile Würdenträger Rücksicht nehmen zu müssen. So erhob während Honorius’ Herrschaft 409 der magister militum Gerontius des Usurpators Constantinus III. gegen diesen den von ihm abhängigen (domesticus) Maximus in Spanien zum Augustus, der dann in Tarraco residierte. Bei ihm handelt es sich eindeutig um einen Strohmann, denn eine politische Gruppe, mit der zusammen man die Erhebung bewerkstelligte, ist nicht erkennbar1529. Im Osten war die Rolle der Heermeister bei der Besetzung des Thrones noch weitaus weniger bedeutsam. Lediglich Aspars Rolle bei der Erhebung Leos I. war entscheidend. Seine Zurückhaltung, den Thron selbst zu besteigen, hat politische und religiöse Gründe. Sein späterer Versuch, den Thron für seine Familie zu sichern, scheiterte. Die Erhebung von Aspars Sohn Patricius zum Caesar mißfiel der Führungsgruppe und dem Volk1530, und es kam sogar zu einem Aufstand. Man wollte wegen Aspars arianischem Bekenntnis keinen Übergang der herrschenden Dynastie an seine Familie. Leo I. beseitigte später auch Aspar und dessen zum Caesar erhobenen Sohn Patricius, um zu verhindern, daß die Herrschaft an dessen Familie überging1531. Daß Aspars Hoffnungen sich letztlich nicht erfüllten, zeigt die Begrenzung seiner Macht und die Bedeutung der anderen politischen Kräfte, besonders auch der hohen Würdenträger, und die Möglichkeiten Leos, ihn auszuspielen. Die Rolle einzelner Heermeister in der Politik darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Mehrzahl von diesen weitaus weniger eigene politische Ziele verfolgte und sich sehr verschiedenen Herrschern zur Verfügung stellte. Ein schönes Beispiel dafür bietet Valila. Er war Vetter Rikimers und erhielt durch dessen Einfluß 468 nach der Ermordung des Heermeisters Marcellinus das zweite Heermeisteramt, das er möglicherweise bis Odoaker innehatte. Er zeigte keine politischen Ambitionen1532. Er lebte dann als Senator mindestens teilweise in Rom.

1529 409 (409 PLRE 2; 411 Lütkenhaus 1998, 45; Sommer 410 Paschoud 1989, 37) erhob sich der Heermeister Gerontius (PLRE 2, 508 s. v. Gerontius 5) wegen seiner Absetzung gegen seinen ehemaligen Herrn Constantinus III. Er proklamierte seinen domesticus Maximus (PLRE 2, 744/745 s. v. Maximus 4 und 7; zu Maximus’ Usurpation und Gerontius’ Rolle vgl. zuletzt detailliert Lütkenhaus 1998, 43–51) in Tarraco zum Augustus, dessen magister militum er wurde. Vgl. besonders Greg. Tur. Franc. 2, 9; Oros. hist. 7, 42, 4; Olymp. fr. 17, 1 u. 2 Blockley; Soz. 9, 13, 1. 1530 Zon. 14, 1, 4/5. Mit dem suvgklhto~ (Senat) sind die aktiven und ehemaligen Amtsträger gemeint. Dabei überwiegen die zivilen Würdenträger zahlenmäßig bei weitem. 1531 Zon. 14, 1, 29/30. 1532 Zu Valila vgl. Henning 1999, 92/93, 256; Orlandi 2004, 513–516. Zu Valilas Sitz im Kolosseum vgl. CIL 6, 32169 u. 32221. Vgl. Chastagnol 1966, 39/40, 50, 74, 79/80 zur Teilnahme der Heermeister an Senatssitzungen.

IV.I.3 Usurpatoren und Barbaren

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IV.I.3 Usurpatoren und Barbaren Die Usurpationen des 5. Jhd. im Westen sind in der Regel ohne die Auswirkungen der barbarischen Einfälle nicht zu verstehen1533. Diese Einfälle machen oft erst verständlich, warum bestimmte Personen auf den Thron gelangen. Es gibt jetzt im 5. Jhd. Usurpatoren, die durch eine barbarische Heeresversammlung erhoben wurden. Ein eindeutiges Beispiel bieten Attalus’ zwei Usurpationen, nämlich die von 409 und die von 4141534. Er wurde jedesmal von gotischen Soldaten erhoben. Ziemlich sicher ist auch Maximus’ zweite Usurpation um 418/419 von Barbaren durchgeführt worden. Der Vandalenkönig Gunderich benötigte einen Kaiser, damit er in dessen Namen den Westgoten Land zum Siedeln anbieten konnte1535. Bei Iovinus’ Erhebung im Sommer 411 bildeten die Verbände des Alanenkönigs Goar und des Burgunderkönigs Guntiarius die Wahlversammlung1536. Bei Avitus’ Erhebung wurde dagegen bewußt darauf geachtet, daß er nicht von einer westgotischen Heeresversammlung zum Kaiser gemacht wurde. Die Westgoten spielten aber eine wichtige Rolle, als er auf den Thron gelangte. Generell für alle Usurpatoren im Westen sind die Einfälle der Barbaren in Gallien, Spanien und Italien sowie das Vandalenreich in Nordafrika von besonderer Bedeutung. Die Interessen und das Verhalten der Barbaren entschieden zu einem guten Teil über die Erhebung eines bestimmten Usurpators und dessen politisches Schicksal. Sehr gut greifbar ist etwa die Rolle des Westgotenkönigs Authulf und des Vandalenkönigs Geiserich. So war Petronius Maximus’ rascher Sturz ein Werk Geiserichs1537, der dessen schwache Stellung zu seinem Raubzug gegen Rom nutzte. Dieser wünschte dann auch später wegen der Verbindung seines Sohnes Huneric mit Placidias Schwester Eudocia, daß Olybrius, der mit Placidia verheiratet war, der Nachfolger Maiorians werde1538. Für den Sturz des Usurpators Iovinus war der Westgotenkönig Athaulf entscheidend, weil er sich von ihm abwandte, und zwar durch die Bemühungen des PPO Galliarum Dardanus1539. Daß unsere Quellen diese Zusammenhänge oft weniger deutlich machen, ist von ihrer römischen Optik her selbstverständlich.

1533 Zur Bedeutung der Barbaren für die Erhebung von Usurpatoren im Reichswesten vgl. auch den generellen Hinweis bei Cameron / Garnsey 1998, 529. 1534 Zu Attalus’ Erhebung von 409 vgl. n. 1010; zu der von 414 n. 1350. 414 im Frühjahr ließ der Gotenkönig Athaulf Attalus zum Augustus erheben, um dadurch Druck auf Honorius auszuüben, damit dieser die Siedlungsgebiete der Goten in Südgallien bestätigte. 1535 Scharf 1992, 383. 1536 Vgl. n. 968. 1537 Zur Rolle Geiserichs vgl. Wirth 1986. Vgl. schon Seeck 6, 323/324 zu dessen Rolle bei Petronius Maximus’ Sturz und indirekt auch bei Avitus’ Erhebung (Seeck, 6, 326/327). 1538 Ioh. Ant. fr. 204; Prisc. fr. 38, 1 Blockley; Proc. BV 1, 6, 6 = Prisc. fr. 53, 3 Blockley. 1539 Chron. Gall. 452, 69 = Chron. min. 1, 654; Lütkenhaus 1998, 59. Zur Bedeutung Athaulfs vgl. generell Matthews 1975, 314–318.

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IV. Der Usurpator, I. Usurpator und Kaiser im 5. Jhd. Die Krise des Reiches

Die Usurpationen von 406/407 bis 413 in Britannien und Nordgallien waren weitgehend eine Reaktion auf die barbarischen Einfälle1540. Sie ermöglichten unter den Prätendenten aus Britannien schließlich Constantinus III., sich Galliens zu bemächtigen, und führten am Ende zum Verlust Britanniens. Die Barbaren spielten bei ihnen auch militärisch und politisch eine bedeutende Rolle bei der Auseinandersetzung mit der Zentrale in Ravenna und den Kämpfen in Gallien. Die letzten zwanzig Jahre des Weströmischen Reiches kennen eine Erscheinung, die vorher so nicht faßbar ist, nämlich die Verselbständigung einzelner Territorien, ohne daß von den jeweiligen Machthabern die Stellung eines Augustus angestrebt wurde1541. Sie wird zuerst mit Gildo in Africa am Ende des 4. Jhd. in Ansätzen greifbar, der während kurzer Zeitabschnitte dem Kaiser den Gehorsam verweigerte. Dazu kam die Besetzung einzelner Gebiete durch die Barbaren. Bei diesem Prozeß lassen sich eigentliche Sezessionen wie die Dalmatiens nicht immer klar von der Übernahme der Macht durch die Barbaren trennen. In Gallien etwa sind diese Vorgänge teilweise miteinander verwoben1542. Eine bedeutende Rolle in diesem Prozeß spielte Gallien, in dem seit 418 Goten fest angesiedelt waren. Die erste Ansiedlung betraf die Goten Vallias in der Aquitania secunda und in einigen civitates der Provinzen Novempopulania und Narbonensis prima1543. Die Westgoten sicherten dann unter der langen Herrschaft Theoderichs I. (418–451)1544 ihre Stellung in Gallien und suchten ihren Einflußbereich auszudehnen. Ebenso war offensichtlich der Norden Galliens nach Iovinus’ Niederwerfung im Sommer 413 nicht mehr völlig unter römischer Kontrolle1545. Der Verlust der Kontrolle über Gallien war nicht nur mit dem Vordringen der Goten verbunden, sondern in noch stärkerem Maße mit Auseinandersetzungen der dortigen politischen Elite mit der Zentralgewalt in Italien1546. Maiorians Absetzung und Ermordung 461 bedeutete langfristig das Ende des Einflusses der römischen Zentralgewalt in weiten Teilen des römischen Gallien1547. So war nach Maiorians 1540 Die Einfälle dürfen aber nicht als die alleinige Ursache gewertet werden. Vgl. S. 228. Zur Abtrennung Britanniens vom römischen Reich und den barbarischen Einfällen vgl. knapp und präzise Paschoud 1989, 39–42 n. 123. Bleckmann 1997, 566–575 macht deutlich, daß man nach der Niederschlagung der Usurpationen mit einer Fortdauer der röm. Herrschaft bis zur Mitte des 5. Jhd. rechnen muß. Kulikowski 2000, 338 dagegen datiert die berühmte Vertreibung der röm. Beamten aus Britannien auf 409 und hält eine Verbindung mit den Ereignissen um Constantinus III. für wahrscheinlich, wenn sie auch nicht zu sichern sei. Die Bewohner Britanniens entledigten sich zugleich mit der Herrschaft Constantinus’ III. auch der römischen Beamten. Zur Usurpation Constantinus’ III. vgl. Drinkwater 1998; Kulikowski 2000. Vgl. dort auch zu den Kämpfen in Gallien und der Auseinandersetzung mit der Zentrale. 1541 Diese Erscheinung wird in der Literatur als Particularismus bezeichnet. Vgl. dazu Krautschick 1994, 284 n. 86 mit der älteren Literatur. 1542 Henning 1999, 277. Diese Unterschiede bleiben im folgenden zum Teil außer acht. 1543 Zur Entwicklung in Gallien vgl. Schwarcz 1995, 49–54, zur Ansiedlung der Goten 418 mit einem Überblick über die reiche Literatur Bleckmann 1997, 586–590. 1544 PLRE 2, 1070/1071 s. v. Theodericus 2. 1545 Drinkwater 1998, 296, vgl. auch 292. 1546 Zur Sezession Galliens vgl. Henning 1999, 288–304. 1547 Henning 1999, 293.

IV.I.3 Usurpatoren und Barbaren

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Ermordung Aegidius1548, der von Avitus oder Maiorian als mag. mil. per Gallias eingesetzt worden war, nicht bereit, Libius Severus anzuerkennen. Er starb im gleichen Jahr wie dieser. Sein Machtbereich umfaßte vermutlich die Provinzen Gallia Lugdunensis secunda und Senonia, die östliche Gallia Lugdunensis tertia und die südwestliche Gallia Belgica secunda1549. Ihm folgte sein Sohn Syagrius, der 486 den Franken unterlag1550. Die Jahre nach Maiorians Tod sind gekennzeichnet vom Bemühen der römischen Zentrale, die Kontrolle über Gallien zu behalten, soweit es noch unter ihrer Herrschaft stand, und dem erfolgreichen Bestreben der Westgoten, ihren Einflußbereich immer mehr zu vergrößern. Die römische Oberschicht war dabei zuerst gespalten. Zum Teil arbeitete sie mit den Goten zusammen, zum Teil widersetzte sie sich ihnen. Nach 475 wurde dann der Widerstand aufgegeben, und die römische Oberschicht arbeitete insgesamt mit den Goten zusammen. Beim weströmischen Reich verblieb lediglich das Gebiet der Provence1551. Wie Gallien ging auch Spanien im Laufe des 5. Jhd. verloren, und die Zentrale verlor dort seit 473 jeglichen Einfluß1552. In Dalmatien löste sich Marcellinus, der der Schwager des zweiten Heermeisters unter Maiorian, Nepotianus, war, bereits 454 nach Aetius’ Ermordung von Rom. Er begründete in Dalmatien eine eigene Herrschaft, die nach seinem Tod 468 an seinen Neffen, den späteren Kaiser Iulius Nepos, überging. Die Sezession Dalmatiens dauerte bis 4811553. Africa war schon zwischen 429 und 442 unter die Herrschaft der Vandalen gekommen, und Britannien wurde spätestens um die Mitte des 5. Jhd. selbständig1554. Die Verselbständigung einzelner Territorien hatte zur Folge, daß das Gebiet, das von den weströmischen Kaisern oder Usurpatoren kontrolliert wurde, deutlich kleiner wurde. So konnte Libius Severus nicht mehr über große Teile Galliens und über Dalmatien verfügen. In beiden Gebieten kam es nicht mehr zur Erhebung eigener Augusti. Für Marcellinus war eine Erhebung zum Augustus niemals möglich, weil er Heide war. Sein Neffe Iulius Nepos ließ sich dann von Konstantinopel im Westen als Augustus einsetzen.

1548 PLRE 2, 11–13 s. v. Aegidius. 1549 Henning 1999, 295. 1550 Henning 1999, 302/303. 1551 Henning 1999, 311. Zum Bestreben der Westgoten, ihren Einfluß zu vergrößern, vgl. Schwarcz 1995, 50–52; Stroheker 1948, 79–83. 1552 Henning 1999, 312–315 zum Verlust Spaniens. 1553 Zur Sezession Dalmatiens vgl. Henning 1999, 277–288, zu seinem weiteren Schicksal vgl. dort 321. Ob es sich bei Marcellinus von Beginn an um einen militärischen Kommandanten handelte, muß unsicher bleiben. Zur Diskussion vgl. Henning 1999, 277/278. 1554 Zu Britannien vgl. n. 1540.

V. Versuch einer Bilanz Die Wahrnehmung der Usurpation aus historischer Perspektive Bei der Wahrnehmung der Usurpationen in der Spätantike läßt sich grundsätzlich das Bild der antiken Autoren, die schon aus historischer Perspektive urteilen, von dem in der Zeit der aktuellen politischen Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator unterscheiden. Selbstverständlich hat aber das letztere die Beurteilung eines Usurpators aus historischer Perspektive stark beeinflußt. Aus dieser wird eine Usurpation als gelungener Versuch gesehen, sich zum Augustus erheben zu lassen und unter diesem Titel Gehorsam einzufordern, obwohl in die Herrschaft eines Kaisers eingegriffen wird. Antike Autoren sind sich der Konflikte, die mit Usurpationen verbunden sind, durchaus bewußt, so besonders auch des Loyalitätskonfliktes. Einen antiken Begriff, der ausschließlich den Usurpator oder den Staatsstreich bezeichnet, gibt es nicht. Seit Konstantin werden am häufigsten auch im Griechischen tyrannus und davon abgeleitete Begriffe wie tyrannicus oder tyrannis verwendet. Sie alle können jedoch immer auch für den rechtmäßigen Herrscher gebraucht werden, der seine Stellung mißbraucht. Ein Usurpator, der sich an der Macht halten kann und dessen Herrschaft dauerhaft Anerkennung durch die Mitkaiser findet, gilt in der historischen Beurteilung der Antike als rechtmäßiger Kaiser. Aus historischer Sicht lassen sich daher Kaiser und Usurpator eindeutig unterscheiden, so daß die maßgebliche Überlieferung, wer als Kaiser und wer als Usurpator zu betrachten ist, keine Schwankungen aufweist. Das schließt nicht aus, daß Usurpationen an sich, auch wenn ihr Urheber sich für dauernd auf dem Thron halten und als Kollege anerkannt wird, kritisch betrachtet werden können. Kaiser und Usurpator In der römischen Kaiserzeit gab es keine Regeln, geschriebene oder ungeschriebene, für die Weitergabe der Herrschaft, deren Respektierung diese für eine vorgegebene Zeit, d. h. im Prinzipat bis zum Tod des princeps, unverlierbar gemacht hätten und deren Mißachtung als regelwidrig gegolten hätte. Dieser Tatsache war man sich durchaus bewußt1555. Eine Weitergabe der Herrschaft zu Lebzeiten eines Kaisers war vor der Zeit der ersten Tetrarchie nicht vorgesehen, und es gab keine festen Regeln für die Übertragung der kaiserlichen Stellung nach dem Tod des Kaisers, die für alle verbindlich waren. Das Kaisertum konnte jederzeit von jedem beansprucht werden1556. Es war 1555 Vgl. II.4 Der Staatsstreich in der politischen Theorie der Spätantike, S. 39–41. 1556 Vgl. Mommsen, Röm. St. 32, 1133.

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V. Versuch einer Bilanz

z. B. nicht verbindlich geregelt, wie der Kandidat für den Thron bestimmt wird und wer die Versammlung bildet, die ihn erhebt, wie sich also die sogenannte Wahlversammlung zusammensetzt. Es mußten lediglich römische Soldaten sein. Es war auch nicht festgelegt, innerhalb welcher Frist ein neuer Kaiser zu erheben ist. Weil es keine verbindlichen Regeln und formalen Kriterien für die Übernahme kaiserlicher Herrschaft gab, mußte ein Usurpator sie auch nicht übertreten, wie es etwa Sulla 83 v. Chr. tun mußte, der sich gegen gewählte Magistrate zu wenden hatte, oder moderne Usurpatoren, die z. B. einen Präsidenten absetzen, der durch eine Wahl für eine bestimmte Zeit in sein Amt gekommen ist. In einem System mit formalen Kriterien für die Übernahme der Herrschaft wie der römischen Republik oder in modernen Staatswesen muß daher der Usurpator sein besonderes Vorgehen rechtfertigen oder es nachträglich legitimieren wie z. B. durch manipulierte Wahlen. Nur für die Erhebung des Kaisers selbst entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Ordnung, an die man sich hielt und die in der Tetrarchie deutlich faßbar ist. Sie war jedoch recht flexibel, und ihre Teilnehmer und einzelnen Schritte sind nicht zwingend vorgegeben. Die Zeremonie machte aber lediglich einen Anspruch auf Herrschaft deutlich. Erst die Anerkennung dieses Anspruchs durch die politisch entscheidenden Gruppen und deren Zusicherung von Gehorsam und Loyalität machten die Ausübung des übertragenen Amtes möglich. Wie man die Herrschaft als Kaiser übernahm, gab also auch vor, wie man sich ihrer als Usurpator bemächtigte. Es bestand eine weitgehende Parallelität zwischen der Erhebung eines Kaisers und der eines Usurpators. Die Unterschiede zwischen beiden Verfahren sind politischer Natur, nicht institutioneller. Sie liegen weniger darin, wie man Kaiser wird, sondern vor allem darin, daß der Usurpator Herrschaft, die schon jemand ausübt, in Frage stellen mußte, also zu spät kommt. Der Thron ist schon vergeben. Diese Grundkonstanten änderten sich auch in der Spätantike nicht. Es änderten sich aber einige institutionelle und gesellschaftliche Voraussetzungen für die Übernahme des kaiserlichen Amtes und damit auch für die Usurpation. Sie geben dieser einen anderen Charakter. Die Stellung des Kaisers In den ersten drei Jahrhunderten beruhte die Stellung des Kaisers auf seiner Anerkennung als princeps durch die Armee und deren Führung, die sich aus dem Senatoren- und später immer mehr aus dem Ritterstand rekrutierte, sowie auf der Unterstützung durch die Gruppen, die von seinem Handeln in erster Linie betroffen waren, nämlich durch den Senat und die stadtrömische Bevölkerung, die plebs ur­ bana. War der Anspruch, princeps zu sein, in Rom anerkannt, so erhielt der Herrscher im frühen Prinzipat eine Reihe von Kompetenzen durch Senatsbeschlüsse übertragen, die sehr bald in einer lex de imperio zusammengefaßt wurden. Diese Übertragung erfolgte nur, wenn der Senat den neu erhobenen als princeps betrachten konnte, d. h. dessen Anspruch durch das Heer und dessen Führung als bestätigt ansah. Das

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war eine politische Entscheidung des Senates. Sie bildete die Voraussetzung für den Senatsbeschluß. Der Senat gab mit diesem formellen Beschluß dem princeps die rechtlichen Instrumente zum Handeln und verlieh damit diesen Handlungen Legitimität im rechtlichen Sinn. Er gab aber dem princeps nicht seine eigentliche Macht. Sie beruhte auf dessen Anerkennung als princeps durch die Armee und deren Führung. Bis zum Ende des 3. Jhd. übertrug der Senat dem Kaiser die rechtlichen Instrumente zur legalen Ausübung der Herrschaft. Dies wurde danach als überflüssig betrachtet und mit seiner Erhebung als gegeben angesehen. Solange Armee, Senat und plebs urbana dem herrschenden Kaiser ihre Loyalität bewahrten, blieb seine Stellung unangefochten. Die Stellung des Kaisers in der Spätantike Mit der Tetrarchie und in den ihr folgenden Auseinandersetzungen entwickelten sich nach Konstantins Tod 337 für die Gestaltung und Weitergabe der kaiserlichen Herrschaft sowie für ihre Sicherung neue Formen, die reichsweit bis 476 in Geltung blieben. Sie beruhten auf gewandelten gesellschaftlichen und institutionellen Verhältnissen. Es handelt sich dabei um das Mehrkaisertum auf dynastischer Grundlage und um eine einheitliche politische Führungsschicht, den neuen Senatorenstand. Aus ihr stammten die höchsten zivilen und militärischen Amtsinhaber oder wurden in sie durch die Bekleidung eines entsprechenden Amtes aufgenommen. Sie waren jetzt mehrheitlich um den Kaiser am jeweiligen comitatus (zentrale Verwaltung, Hof) versammelt und repräsentierten in mehr oder weniger großem Ausmaß die Interessen der politischen Elite des Reichsteiles, für den sie tätig waren. Sie bildeten eine oder mehrere führende Gruppen je nach der Zahl der regierenden Augusti. Ehemalige hohe Amtsträger konnten weiterhin Einfluß in diesen Gruppen wahrnehmen, und zwar je nach ihrem Aufenthaltsort leichter oder nur mit Schwierigkeiten. Die kaiserliche Stellung wurde fast immer von mehreren Personen gleichzeitig wahrgenommen. Dabei war nach dem Scheitern der Tetrarchie die Zahl der Kaiser nicht mehr festgelegt. Das ständige Vorhandensein zweier zentraler Verwaltungen nach der Mitte des 4. Jhd. wirkte in die Richtung, daß es fast immer zwei Kaiser gab. Das Kaisertum wird formal aber als Einheit betrachtet, auch wenn es von mehreren Personen zugleich innegehalten wird. Deren Anteil an der Herrschaft fällt bei ihrem Ausscheiden an die verbleibenden oder den verbleibenden Amtskollegen zurück, der ihn neu vergeben kann. Nach 360, als der Caesar Iulian den Augustustitel ohne Zustimmung seines Amtskollegen Constantius’ II. annahm, waren regierende Kaiser immer Augusti. Caesares als amtierende Unterkaiser wie in der Tetrarchie wurden nicht mehr erhoben. Von Gratians Erhebung 367 an wurden zur Sicherung der Nachfolge häufig nominelle Mitkaiser im Range eines Augustus und später wieder auch eines Caesar erhoben. Sie gab es im tetrarchischen System nicht. Sie stellen eine Besonderheit des Mehrkaisertums nach 337 dar. Nominelle Caesares wurden in der Spätantike

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erstmals während der Auseinandersetzungen zwischen Licinius und Konstantin erhoben. Während jedem regierenden Kaiser in der Regel1557 eine eigene zentrale Verwaltung zur Verfügung stand und er über ein bestimmtes Territorium herrschte, hatten die nominellen nach 337 beides nicht, aber einen Hof. Ihnen wurden alle Ehren eines Kaisers zuteil, sie regierten aber nicht. Die Quelle der kaiserlichen Herrschaft ist bei der Mehrkaiserherrschaft jeder regierende Kaiser im Range eines Augustus, der sie durch die Erhebung von Mitherrschern nicht nur aufteilt, sondern auch weitergibt. Deren Stellung leitet sich dadurch von seiner ab. Der Kaiser wurde so zum auctor neuer Herrscher. Die Erhebung durch einen Augustus gibt also das Recht zur Herrschaft. Sie legitimiert. Dem, der nicht von einem Augustus erhoben worden ist, mangelt es an einer hinreichenden Legitimation. Dies bedeutet eine hohe Schranke für jeden Usurpator. Diese Weitergabe war aber nicht zwingend vorgesehen wie in der Tetrarchie, sondern nur eine Möglichkeit. Sie wurde keineswegs immer wahrgenommen. Die Erhebung eines neuen Kaisers in der Mehrkaiserherrschaft ist also eine Form der Kooptation, wobei die Auswahl in der Regel unter den Mitgliedern der Dynastie erfolgte. Das Mehrkaisertum hatte zur Folge, daß so eine Instanz vorhanden war, die einen Kandidaten zur Erhebung vorschlagen und Gehorsam und Loyalität gegenüber diesem bewirken konnte. Die Situation, daß es keinen Kaiser im Reich gab, trat nicht mehr regelmäßig auf. Weil die Erhebung von Mitkaisern nach der Tetrarchie zeitlich nicht koordiniert erfolgte und nicht notwendigerweise mit den Amtskollegen abgesprochen wurde, mußte zur Kooptation durch einen Augustus noch die Anerkennung durch die übrigen Mitherrscher kommen. Sie erfolgte anders als während der Tetrarchie nicht automatisch. Sie konnte ausbleiben, wie Constantius’ III. Fall deutlich zeigt. Er wurde von Honorius 421 zum Kollegen für den Westen erhoben, aber von Theodosius II. im Reichsosten nicht anerkannt. Die Anerkennung durch die Kaiser, die schon im Amt waren, war sehr wichtig, um gegenüber den eigenen Untertanen und im übrigen Reich legitimiert zu sein und als Herrscher zu gelten. Um überhaupt erhoben werden zu können und danach an der Macht bleiben zu können, hatte sich jeder Kaiser der Zustimmung der Kirche zu versichern. Mit einem offenen Bekenntnis zum Heidentum und dessen Förderung waren nach Konstantins Tod Erwerb und Erhalt der Herrschaft schwierig, wie der Fall Iulians zeigt. In der Regel wurde in der Mehrkaiserherrschaft die Herrschaft von Mitgliedern derselben Familie wahrgenommen und auch an diese weitergegeben. Es war aber nicht festgelegt, an welche. Es herrschte ein dynastisches Prinzip, keine Erbfolgeordnung. Die bloße Zugehörigkeit zur kaiserlichen Familie gab keinen Anspruch auf den Thron. Dieser Grundsatz galt schon seit Augustus’ Zeiten. Zur Zugehörigkeit zur Familie mußte aber jetzt, bevor der Nachfolgefall eintrat, eine Erhebung zum Mitherrscher durch einen Augustus treten, die sich in der Ernennung zum Caesar oder Augustus ausdrückte. Dabei bot nur die Ernennung zum Augustus Ge1557 Nur Constantius III. und Zenon bilden Ausnahmen. Sie verfügen unseres Wissens mit über die zentrale Verwaltung von Honorius bzw. Leo II.

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währ für die spätere tatsächliche Übernahme der Herrschaft. Ein Augustus bedurfte dazu keiner weiteren Bestätigung, auch wenn er vorher nur nominell Kaiser war. Die Übernahme der Herrschaft im dafür vorgesehenen Gebiet bedurfte zwar des Einverständnisses der dort entscheidenden politischen Kräfte, bereitete aber niemals ernsthafte Schwierigkeiten. Ein sichtbares Zeichen der Übernahme der Herrschaft war die Verfügung über eine eigene Verwaltungszentrale. Der Übergang von der nominellen Stellung als Kaiser zur tatsächlichen Herrschaft vollzog sich problemlos aber nur im dafür vorgesehenen Gebiet. So konnte Valentinian II. nach Valens’ Tod 378 nicht im Osten die Herrschaft übernehmen, denn seine Erhebung hatte im Westen stattgefunden. Dadurch daß ein regierender Augustus über die Beteiligung an der Herrschaft entschied, behielt er die Anwendung des dynastischen Prinzips in seiner Hand. Er bestimmte über seine Geltung. Dabei setzte er allerdings direkte männliche Nachkommen niemals hintan. Das dynastische Prinzip schränkte die Zahl der Anwärter auf den Thron ein. Es schuf zugleich Schwierigkeiten für jeden Prätendenten, der nicht zur Dynastie gehörte. Nicht vorgesehen wie in der Tetrarchie, aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen und möglich war in der Mehrkaiserherrschaft nach 337 der Rücktritt eines Herrschers. Er konnte durch Rückgabe der Herrschaft an den auctor oder durch Weitergabe der Herrschaft, indem man einen neuen Kollegen erhob, vollzogen werden. Diese Möglichkeit wurde aber lediglich von Vetranio am 25.12.350 und dazu noch unter besonderen Umständen wahrgenommen. Er gab die Herrschaft an Constantius II., seinen auctor, zurück. Die Führungsgruppe Nach 337 entstanden im Umfeld der comitatus der regierenden Kaiser führende Gruppen, die vorher in dieser Form nicht existierten und die für die Kaiser in jeder Beziehung entscheidend waren. Sie entwickelten sich aufgrund der Reformen der Verwaltung und der Armee und ihrer Kommandostruktur unter Konstantin. Ein wesentliches Element dabei war die Trennung der zivilen und militärischen Laufbahnen. Die Konzentrierung der Mehrheit der höchsten Amtsinhaber von Verwaltung, Militär und Hof auf den comitatus führte zur Entstehung informeller Führungsgruppen. Sie bildeten sich um die vorhandenen kaiserlichen Verwaltungszentralen und Höfe, d. h. sie sind vor allem um den Herrscher im Westen und im Osten greifbar. Ihre Mitglieder gehörten je länger je mehr zum neuen Senatorenstand oder wurden in diesen bei ihrem Amtsantritt aufgenommen. Der neue Senatorenstand nahm den Ritterstand bis zum Ende des 4. Jhd. fast völlig in sich auf. Im Unterschied zu einflußreichen Senatoren oder später auch Rittern in den voraufgegangenen Jahrhunderten ist für diese Gruppen ihre ganz enge, auch örtliche Verbindung mit der kaiserlichen Zentrale kennzeichnend. Sie bestanden aus den Inhabern der höchsten zivilen und militärischen Ämter beim comitatus und den hohen regionalen Amtsträgern wie dem PPO oder dem PVC oder PVR, soweit sie jeweils anwesend sein konnten. Dazu spielen ehemalige hohe Amtsinhaber je län-

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ger je mehr eine wesentliche Rolle. Sie sind in Rom und in Konstantinopel im Senat vertreten. Ihre Möglichkeit, Einfluß zu nehmen, hängt von sehr verschiedenen Faktoren ab, so z. B. ob sie Gelegenheit haben, ihrem Willen Ausdruck zu verleihen oder ob dies noch geschätzt wird. Sie müssen bei wichtigen Entscheidungen anwesend sein oder sich schriftlich dazu äußern können. Innerhalb dieser Gruppen spielten die zivilen Würdenträger eine bedeutende Rolle und nahmen den militärischen Kommandanten viel von ihrer Macht. Diese Entwicklung war nach dem 3. Jhd., in dem die politische Bedeutung der Generäle erheblich zugenommen hatte1558, unerwartet und wurde nicht von allen antiken Beobachtern wahrgenommen. So spricht in der Mitte des 4. Jhd. Aurelius Victor immer noch von einer Vorherrschaft der Generäle1559, während Ammianus Marcellinus und später Petrus Patricius dem Wandel deutlich Ausdruck geben1560. Die Mitglieder der jeweils führenden Gruppe, zu denen auch der PSC und im Osten des Reiches seit der Mitte des 5. Jhd. die Augusta1561 und der Patriarch von Konstantinopel treten, sind nach der Mitte des 4. Jhd. in Rang und Prestige soweit gleichberechtigt, daß ihr Gewicht in dieser Gruppe weitgehend von ihrem persönlichem Einfluß und der aktuellen politischen Situation, die die eine oder andere Gruppe in ihr oder den einen oder anderen Würdenträger mehr begünstigte, abhängt. Die militärischen Kommandanten spielen zwar eine wichtige Rolle in ihr, beherrschen sie aber nicht selbstverständlicherweise. Die Bedeutung der zivilen Amtsträger ist nicht nur informell, sondern auch institutionell faßbar. Sie nehmen entscheidende Aufgaben wahr und haben dieselbe soziale Stellung. Außerhalb der Führungsgruppe standen fast vollständig die Vertreter der Kirche. Ihrer besonderen Rolle in der Residenzstadt Konstantinopel, in der sie das Volk entscheidend beeinflussen und kontrollieren konnte, wurde durch den Beizug des Patriarchen zu den Beratungen zur Bestimmung eines neuen Kaisers entsprochen. Weil einzelne ihrer Vertreter in der örtlichen und in der Reichspolitik eine entscheidende Rolle spielten, pflegten die Mitglieder der führenden Gruppe enge Kontakte zu ihnen, besonders in den Residenzstädten wie etwa zu Ambrosius in Mailand. Die hohen Würdenträger der Kirche konnten aber auch von anderen großen Metropolen aus auf die Reichspolitik Einfluß nehmen wie etwa Athanasius in Alexandria und damit auf die Politik am comitatus einwirken. Die Kirche spielte zudem im gesamten Reich für die Unterstützung des Kaisers je nach Bedeutung der Gemeinde eine wichtige Rolle, und es kann bedeutsam wer1558 Zu einer zusammenfassenden Darstellung vgl. etwa Christol 1988, besonders 203/204. 1559 Aur. Vict. Caes. 37, 5: abhinc (sc. Carus’ Erhebung 282) militaris potentia convaluit, ac sena­ tui imperium creandique ius principis ereptum ad nostram memoriam, … 1560 Vgl. z. B. Amm. 26, 1, 3: potestatum civilium militiaeque rectores magnitudine curarum ad­ stricti communium; C. P. 1, 93 S. 428, 15/16 (zu Iustinus’ Erhebung 518): ejkravthsen hJ gnwvmh pavntwn, kai; sugklhtikw`n kai; stratiwtw`n kai; dhmotw`n. 1561 Im Westen ist lediglich bei den Diskussionen um die Nachfolge Valentinians III. 455 der Einfluß der Augusta Eudoxia, seiner Witwe, ganz deutlich zu fassen (vgl. III.C.3.c Die Kaisererhebungen im Westen: Petronius Maximus’ Erhebung, S. 125–130). In der allgemeinen Politik können sie aber bis dahin auch im Westen eine wichtige Rolle spielen.

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den, mit welcher politischen Gruppe sie zusammenarbeitete. Für die Kontrolle der einzelnen Gebiete war sie sehr wichtig. Die führende Gruppe ist das neue Element bei der Weitergabe und Sicherung der Herrschaft. In ihrer Hand liegt die Unterstützung für den jeweiligen Kaiser und für die Dynastie. Wendet sie sich von ihm ab, verliert er seine Stellung. Der Kaiser entscheidet zwar durch die Ernennung der Amtsträger über die Zusammensetzung dieser Gruppe. Sie ist aber letztlich die Instanz, von der nicht nur seine Erhebung, sondern auch seine Herrschaft abhängen. Weil die Gruppe auf den Kaiser ausgerichtet war und von ihm ihre soziale Stellung und ihr Einfluß abhingen, war sie an der Stabilität der kaiserlichen Herrschaft und überschaubaren Verhältnissen interessiert. Deshalb stützte sie auch die Mitglieder seiner Familie, die von ihm für die Nachfolge vorgesehen waren. Weil die zivilen Amtsinhaber nicht direkt über militärische Machtmittel verfügten, war für sie die Stabilität der kaiserlichen Herrschaft noch wichtiger als für die militärische Führung. Ihre Macht beruhte auf dem Funktionieren der Institutionen. Ihr Amt hatten sie vom Kaiser erhalten, in seinem Namen übten sie es aus, und sie konnten ihre politischen Vorstellungen nur durchsetzen, wenn ihr Einfluß bei ihm groß genug war. Die führende Gruppe unterstützte den regierenden Kaiser und die herrschende Dynastie sehr weitgehend und ließ ihn nur selten fallen. Die zahlreichen Machtkämpfe innerhalb dieser Gruppe drehen sich vor allen Dingen um den Einfluß beim Kaiser, nicht um dessen Ersetzung. Ein Sturz des Kaisers, die Erhebung eines Herrschers in einem Teil des Reiches oder eine Nachfolgeregelung gegen ihren Willen waren nicht möglich. Die Stabilität der kaiserlichen Herrschaft hing weitgehend davon ab, welches Ausmaß an Zustimmung sich innerhalb dieser Gruppe informell erreichen und aufrechterhalten ließ. Die führende Gruppe ist nicht identisch mit der politischen Elite oder der politischen Führungsschicht insgesamt, die vor allem durch die Mitglieder des Senatorenstandes repräsentiert wird, sondern bildet die in jener vorhandenen Interessen mehr oder weniger deutlich ab. Vertritt sie sie nicht hinreichend, ist ihr Einfluß entsprechend geringer, Führungsgruppe und Herrschererhebung Wenn im Reich kein Kaiser mehr im Amt ist wie nach Iulians oder Iovians Tod 363 bzw. 364 oder nach Marcians, Zenons oder Anastasius’ Ableben 457, 491 und 518, nimmt die Führungsgruppe für sich in Anspruch, einen Kandidaten zur Erhebung vorzuschlagen. Sie tritt also an die Stelle eines Kaisers wie ein auctor, ohne es aber formal zu sein, denn sie hatte nicht die Herrschaft inne und konnte daher nicht über sie verfügen. Für den Vorschlag eines Kandidaten und die Sicherung des notwendigen Gehorsams für diesen gab es damit eine Instanz. Es gab auch Vorstellungen dazu, wie repräsentativ diese zu sein hatte, wer also in ihr vertreten sein sollte, und wie sie ihre Entscheidung zu finden hatte. Diese Vorstellungen hatten aber keinen zwingenden Charakter1562. 1562 Vgl. Amm. 25, 5, 3/4.

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Der Vorschlag eines Kandidaten durch die führende Gruppe war keine allgemein anerkannte Regel, sondern wird von der jeweiligen Mehrheit in ihr beansprucht und durchgesetzt. Er gilt nicht prinzipiell und schließt nicht aus, daß sich andere Kandidaten um eine Erhebung bemühen. Im Unterschied dazu wurde der Vorschlag eines Kandidaten durch einen regierenden Augustus für einen vakanten Platz als bindend betrachtet und von keiner Seite in Frage gestellt. Dies hätte als Usurpationsversuch gegolten. Mehrkaisertum und Führungsgruppe führten zu einer Stabilisierung der kaiserlichen Stellung. Herrscherwechsel waren geregelt, wenn auch nicht in einer institutionell festgelegten Form. Damit ist gegenüber der hohen Kaiserzeit eine Gruppe, die weitgehende Kontrolle ausübt, für die Weitergabe und Sicherung der Herrschaft entscheidend. Dies erschwert eine Usurpation erheblich. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Zeit des Prinzipats, in der sich niemals ein Usus für die Bestimmung des Kandidaten herausgebildet hatte. Eine der Führungsgruppe ähnliche Formation, die regelmäßig den Vorschlag des Kandidaten vornimmt, ist im Prinzipat nicht vorhanden. Es sind Gruppierungen, die sich ad hoc bilden1563, und ganz selten der Senat. Indem ein regierender Augustus oder, wenn kein Kaiser mehr im gesamten Reich im Amt war, die Führungsgruppe für sich beanspruchen, einen Kandidaten zur Erhebung vorzuschlagen, suchte man das Kaisertum zu stabilisieren. Man unterstützte deshalb auch den Erhobenen weitgehend. Kaiser wie Führungsgruppe gelang zwar die Durchsetzung ihres Kandidaten immer. Beide vermochten aber nicht immer, dessen Herrschaft in jedem Fall dauerhaft zu sichern. Daß zwischen 337 und 476 fast immer zwei comitatus mit zentralen Verwaltungen1564 und damit mehrere Bezugspunkte für die politische Elite vorhanden waren, führte zu einer Konkurrenzsituation, wenn es um die Bestimmung eines neuen Kaisers für einen comitatus ging. Daß dabei in der Hand des verbleibenden Augustus die Entscheidung über die Neubesetzung des Thrones und der Vorschlag eines Kandidaten lagen, wurde vom kaiserlosen comitatus häufig nicht respektiert. Hierin lag die Ursache für eine Reihe von Usurpationen und eine gewisse Instabilität. Die neu entstandene führende Gruppe gab auch den Würdenträgern mit einer ausschließlich zivilen Laufbahn Chancen auf den Kaiserthron. Faßbar wird dies in einer Reihe ernsthaft erwogener Kandidaturen wie der des PPO Salutius 363 nach Iulians und 364 nach Iovians Tod, von Usurpatoren wie Iohannes 423, die von der Führungsgruppe unterstützt wurden, und schließlich auch in dem von ihr 518 bestimmten Kaiser Anastasius. Diese Entwicklung war nicht zu erwarten in einem System, das seine Legitimation vom Votum der Soldaten nimmt. Die politische Kontrolle gewinnt in der Spätzeit wieder an Bedeutung. Sie war sicher stärker als im 3. Jhd. Institutionelle Voraussetzung war die Trennung von 1563 Vgl. Tac. ann. 12, 67/68 zur Erhebung Neros, bei der Agrippina und Burrus eine wichtige Rolle spielten. 1564 Ausnahmen bilden die Jahre 337–340, in denen es drei comitatus gab, und 361–363, in denen es nur einen gab. Dazu kamen kurze Übergangsperioden nach Gallus’ Sturz 354 und Valens’ Tod 378. Zu den Ausnahmen vgl. S. 61–63.

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zivilen und militärischen Laufbahnen. Beide führten zu Posten von vergleichbarem Prestige. Im Westen gewinnen innerhalb dieser Gruppe gegen Ende des 4. Jhd. die traditionsreichen senatorischen Familien ein großes Gewicht, während im Osten die Aufsteiger das entscheidende Element bilden. Im Westen verliert diese Gruppe nach 455 ihren Einfluß auf die Besetzung des Kaiserthrones zunehmend, und die Kontrolle der Politik entgleitet ihr. Die Gründe dafür liegen in ihrer zeitweiligen Handlungsunfähigkeit, wie sie nach Petronius Maximus’ Sturz 455 eintrat, oder während Anthemius’ langer Belagerung in Rom 472 und in der besonderen Stellung Rikimers, die er nach Avitus’ Fall 456 erlangte. Er war während des Interregnums nach Avitus’ Tod 456 durch den Kaiser in Kon­ stantinopel am 28.2.457 zum patricius gemacht worden und verdankte somit keinem Herrscher im Westen das Amt des ersten Heermeisters. Stellung, Wesen und Zusammensetzung der Gruppe erfuhren im westlichen Reichsteil eine entscheidende Veränderung, als nach 476 Odoaker und dann Theoderich als reges und Vertreter des Kaisers in Konstantinopel im Westen die Macht in den Händen hielten. Beide hatten eine kaisergleiche Stellung und übten zugleich die höchste militärische Kommandogewalt aus. Die Kompetenzen des Kaisertums und die tatsächlich ausgeübte militärische Kommandogewalt lagen jetzt in einer Hand. Odoaker und dann Theoderich waren nicht mehr wie die Heermeister vorher Mitglieder dieser Gruppe, sondern standen außerhalb und über ihr, auch wenn sie auf deren Loyalität angewiesen waren. Damit schwindet der Einfluß der zivilen Amtsträger. Sie können bei keiner Kaisererhebung mehr mitentscheiden und haben auch keine Möglichkeit mehr, selber auf den Thron zu kommen. Die westlichen Eliten waren jetzt den Generälen, die den Kaiser vertraten, ausgeliefert1565. Im Osten dagegen blieb die Gruppe weiterhin das maßgebende Gremium und kontrollierte zusammen mit dem Kaiser die Generäle. Führungsgruppe und militärische Führung Die führende Gruppe ist die entscheidende Basis für die Übernahme und den Erhalt der Herrschaft. Die Führung der Armee ist in sie integriert und stellt keine unabhängige Macht dar. Die Integration der Armeeführung ist im Osten größer als im Westen. Die militärischen Kommandanten müssen im Osten stärker als im Westen die Reaktion des Volkes von Konstantinopel beachten, wodurch die politischen Kräfte gestärkt werden, die über keine militärische Macht verfügen. Im Westen ist der Handlungsspielraum der militärischen Führer wesentlich größer. Sie haben häufig ein Übergewicht innerhalb der Gruppe. Die Überlegungen, daß die einflußreichen Heermeister des ausgehenden 4. und des 5. Jhd., besonders im Westen, wie Stilicho, Aetius oder Rikimer, nicht Kaiser werden konnten, weil sie Barbaren waren, oder es nicht wollten, weil sie die eigent1565 Diesen wichtigen Punkt übersieht Henning 1999, 330–333. Er betont vor allem die stabilisierende Rolle der Politik Odoakers, ohne ihren Preis zu nennen, nämlich die Vorherrschaft der militärischen über die politischen Kräfte.

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liche Macht nicht aus den Händen geben wollten, sind nicht zutreffend. Diese Überlegungen entstanden vor allem aus der Betrachtung der Verhältnisse im Reichswesten und aus einer generellen Überbewertung der politischen Bedeutung militärischer Macht. Deren Stellung im politischen und gesellschaftlichen Kontext ist aber entscheidend. Man denke an faschistische und kommunistische Diktaturen, für deren Machterwerb militärische Macht nicht in jedem Fall entscheidend war, und für deren Machterhalt das Militär zwar bedeutend war, aber der Kontrolle der Politik unterlag. Die erste These, daß die einflußreichen Heermeister der Spätzeit nicht Kaiser werden konnten, ist eindeutig widerlegt worden1566, und gegen die zweite, daß sie es nicht wollten, spricht, daß die Heermeister Theodosius und Constantius, die späteren Augusti Theodosius I. und Constantius III., danach strebten, zu Mitherrschern erhoben zu werden. Beide begnügten sich nicht mit ihrer Stellung als Heermeister, sondern erstrebten ihre Erhebung zum Kaiser. Der Grund liegt auf der Hand. Die Stellung als Heermeister war immer vom Kaiser oder von Personen abhängig, die ihn beeinflußten1567. So konnte ein Heermeister jederzeit seine Stellung verlieren oder zur Usurpation gezwungen werden, wenn er sie bewahren wollte. Der Staatsstreich aber war eine Lösung, die mit großen Risiken verbunden war. Zu ihm griff man nicht aus einer gesicherten Position heraus, sondern nur in einer Lage, die ausweglos war. Es ist daher auch kein Zufall, daß alle Generäle, die usurpieren, scheitern. Die einflußreichen Heermeister, die nicht zum Mitherrscher erhoben wurden wie Stilicho, Aetius, Rikimer oder Aspar, hätten usurpieren müssen, um Kaiser zu werden. Daß sie dieses Risiko nicht auf sich nehmen wollten, zeigen ihre Versuche, ihre Stellung und ihren Einfluß beim Kaiser dauerhaft zu sichern oder für ihre Nachkommen das Kaisertum zu erreichen. Dieses hätte z. B. Aspar 471 das Leben gerettet. Auch die These, daß Heermeister durch den Rückhalt im Heer mächtiger sind als der Kaiser, stimmt für den Westen nur manchmal und für den Osten selten. Die Führungsgruppe schlägt nie einen General zum Kaiser vor. Deshalb ist für einen General die Erhebung durch den Kaiser zum Mitherrscher anzustreben. Die Führungsgruppe suchte immer wieder mit Erfolg, den Einfluß der militärischen Kommandanten zurückzudrängen und das Militär in die politische Führungsgruppe um den Kaiser zu integrieren1568. Das gelang im Osten besser als im Westen. Dabei erleichterten die bessere militärische Situation und die Konzentrierung der wichtigen politischen Entscheidungen auf Konstantinopel, wo die plebs urbana eingreifen konnte, diesen Prozeß. Dennoch mußte auch im Westen der Einfluß wichtiger ziviler Mitglieder der führenden Gruppe respektiert werden, wie Petronius Maximus’ Erhebung 455 zeigt. 1566 von Haehling 1988, 90–95. 1567 Dies ist die Grundsituation, die für alle zutrifft. Dazu kamen selbstverständlich die besonderen Umstände. Für Constantius III. z. B. vgl. für diese Lütkenhaus 1998, 155–161. 1568 Für den Osten ist schon beobachtet worden, ohne es immer im einzelnen zu belegen und die Führungsgruppe zu erkennen, daß man die militärischen Machtträger in das bestehende politische Establishment um den Kaiser zu integrieren und sie zu kontrollieren vermochte (vgl. Cameron 1993, 336; Williams / Friell 1999, 242).

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Weiterleben der neuentstandenen Regeln für die Erhebung von Herrschern Von den im 4. und 5. Jhd. entwickelten Regeln und deren gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Erhebung eines Herrschers und die Sicherung seiner Stellung erwiesen sich einige als sehr dauerhaft. Den behandelten Zeitraum überdauern in Konstantinopel die führende Gruppe mit ihrer Bedeutung der zivilen Amtsträger, die auch Kaiser werden können, die Erhebung eines in der Regel nominellen Mitherrschers zu Lebzeiten eines Kaisers zur Sicherung der Nachfolge, der Anspruch des regierenden Herrschers, Mitkaiser generell zu erküren oder zu bestätigen, und die Bedeutung der Augustae, die die Möglichkeit eröffnete, daß sogar Frauen Kaiser wurden1569. Die Mehrkaiserherrschaft und die auctor-Idee dienten als Modell für die byzantinische Politik, fremde Reiche anzuerkennen. Damit ließ sich erfolgreich Politik machen, wie noch Karls des Großen Bestrebungen zeigen, daß sein Titel vom byzantinischen Kaiser anerkannt wurde. Die Usurpation In der römischen Kaiserzeit bildet die Usurpation einen festen Bestandteil des politischen Systems, denn für die Übernahme der kaiserlichen Stellung gibt es keine Regeln, die von den maßgebenden politischen und gesellschaftlichen Gruppen anerkannt sind, wie z. B. Amtszeiten und Wahltermine in republikanischen Staaten oder Erb- und Nachfolgeordnungen in Monarchien. Jeder kann jederzeit nach dem Kaisertum greifen. Wie man die Herrschaft als Kaiser übernimmt, gibt auch vor, wie man sich ihrer als Usurpator bemächtigt. Die Usurpation greift immer in das Herrschaftsrecht eines Kaisers ein. Wenn keiner im Amt ist, kann es keine Usurpation geben. Wer in diesem Moment nach der Krone greift, ist kein Usurpator. Er beansprucht keinen Platz, der schon besetzt ist. Die Usurpation mißachtet keine anerkannten formalen Kriterien und setzt sich über sie hinweg. Sie braucht deshalb zwar im konkreten Fall eine politische Rechtfertigung, ist aber an und für sich gestattet. Die Übertragung der Herrschaft ist nicht hinreichend formalisiert und institutionell festgelegt. Dies unterscheidet die Usurpation in der römischen Kaiserzeit von Usurpationen in vielen anderen Epochen der Geschichte, so besonders auch in der Gegenwart, aber auch in der Antike. Sullas Usurpation von 83 v. Chr. z. B. verletzte eindeutig institutionelle Kriterien. Das monarchische System wurde bei einer Usurpation niemals in Frage gestellt, sondern lediglich die Person des Herrschers. Mit der Mehrkaiserherrschaft und ihren gewandelten gesellschaftlichen und institutionellen Verhältnissen ändern sich die politischen Ziele und die politische Taktik der Usurpatoren. Sie erstrebten nicht mehr von Anfang an die Übernahme der Herrschaft im gesamten Reich, sondern nur in einem Teil des Reichsgebietes und die Anerkennung als Mitherrscher durch die Kollegen im Amt. Teilhabe an der Herrschaft zu erringen wird zum zentralen Ziel der Usurpatoren. 1569 Die Kaiserinnen, die wirklich herrschten, waren Irene (797–802), Zoe mit ihrer Schwester Theodora (1042), Theodora allein (1055/1056), Eudokia (1067).

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Im Rahmen der Mehrkaiserherrschaft bedeutet daher usurpieren nicht mehr notwendigerweise, an die Stelle des regierenden Kaisers zu treten, ihn aus seiner Stellung zu entfernen wie vom 1.–3. Jhd., wenn man von den Sonderreichen im 3. Jhd. absieht, sondern erst einmal die Herrschaft in einem Teil des Reiches zu erringen, und zwar ohne vorherige Zustimmung dessen, der über sie verfügt, und als Mitherrscher anerkannt zu werden. Diese Form der Usurpation wird die Regel. Der Versuch, gleich die Herrschaft im gesamten Reich allein zu übernehmen, also alle regierenden Kaiser von der Macht zu verdrängen, und nicht die Anerkennung als Mitherrscher zu erstreben, bleibt die Ausnahme. Eindeutig nachzuweisen ist ein solcher Versuch nur für Procopius. Er stellt mit seiner Usurpation 365 die Übernahme des Kaisertums durch die neue Dynastie in Frage. Ausnahmen davon, Teilhabe an der Herrschaft anzustreben, bilden auch Erhebungen mit ganz lokalem Charakter, wie sie uns eindeutig aber nur in Firmus’ Usurpation 372 greifbar ist. Er suchte nicht um seine Anerkennung durch die Amtskollegen Valentinian I. und Valens nach. Der Anspruch auf Teilhabe an der Herrschaft wird sichtbar durch die öffentliche Annahme des Augustustitels und die Einforderung von Gehorsam und Loyalität in einem bestimmten Gebiet. Die Übernahme des Kaisertitels gibt zu erkennen, daß man reichsweit akzeptiert und als Mitherrscher anerkannt werden möchte. Ohne die Beanspruchung des Kaisertitels handelt es sich lediglich um Ungehorsam innerhalb eines Gebietes. Die Teilhabe an der Herrschaft war durch die Annahme des Kaisertitels, durch eine hinreichende Legitimation wie z. B. durch den Vorschlag durch Mitglieder der jeweiligen Führungsgruppe und durch die Leistung von Gehorsam und Loyalität durch die Untertanen in einem Gebiet des Reiches nicht erreicht. Erst die Anerkennung als Augustus durch die Kollegen im Amt gab dem Usurpator eine hinreichend legitimierte Stellung in seinem Gebiet und im Rahmen des gesamten Reiches. Ein Angriff auf ihn wurde dann zu einem auf die gemeinsam ausgeübte Herrschaft. Der Anspruch auf Teilhabe an der kaiserlichen Stellung muß also von denen, die schon vorher Kaiser waren, anerkannt werden. Teilhabe an der kaiserlichen Stellung durch die Anerkennung als Mitherrscher zu erreichen wurde damit zum eigentlichen Problem der Usurpatoren. Intensive Verhandlungen um Anerkennung sind daher typisch für spätantike Usurpationen. Der Prätendent gilt als Usurpator, wenn er sich mit seinem Anspruch auf Anerkennung bei seinen Kollegen nicht durchsetzen kann. Er gilt als Kaiser, wenn ihm dies gelingt. Die Anerkennung durch die Mitherrscher war für die Stellung eines Usurpators auch im eigenen Herrschaftsgebiet von entscheidender Bedeutung, denn ohne sie konnte ihm jederzeit unter Berufung auf den anderen Kaiser die Loyalität von seinen Untertanen aufgekündigt werden. Nach der Erhebung zum Augustus stellten sich neben der Anerkennung durch die Mitherrscher dem Usurpator noch andere Probleme, die ein Herrscher, der nicht durch einen Staatsstreich auf den Thron gekommen war, nicht hatte. Der Usurpator konnte nicht selbstverständlicherweise ein vorgegebenes Territorium und eine funktionierende Verwaltung übernehmen. Er mußte versuchen, in einem hinreichend

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großen Gebiet die politischen Eliten zur Mitarbeit und die Bevölkerung zu loyalem Verhalten zu bewegen. Usurpatoren mit einer längeren Herrschaftsdauer vermochten diese Probleme erfolgreich zu lösen. Zu einer dauerhaften Übernahme der Herrschaft, wie es im frühen Prinzipat Vespasian gelungen war, und zu einer mehr als vorübergehenden Anerkennung als Mitherrscher gelangte in der Spätantike außer Konstantin und Iulian im 4. und Marcian im 5. Jhd. niemand. Dies zeigt sehr deutlich, wie viel besser legitimiert und gefestigt die Stellung eines Kaisers war, der zu dieser nicht durch eine Usurpation gelangt war. Die Usurpation führt im 4. und 5. Jhd. nicht zur Bildung von besonderen politischen Einheiten. Der Usurpator will Kaiser werden und als Mitherrscher im gesamten Reich anerkannt werden. Mit dem Ende der Mehrkaiserherrschaft nach 476 ändern sich dann auch die Vorgaben für eine Usurpation im Osten des Reiches. Es ging von nun an nicht mehr um die Teilhabe an der Herrschaft, sondern um den Sturz des regierenden Kaisers. Wie in der gesamten römischen Kaiserzeit waren Usurpationen auch im spät­ römischen Reich eine zwar immer vorhandene Möglichkeit, ihre gelungene Durchführung war aber von sehr unterschiedlicher Häufigkeit. So war ihre Zahl im Westen deutlich höher, während sie im Osten zwischen 365 bis 475, wenn man von Marcian absieht, gänzlich fehlen. Sie waren auch chronologisch sehr ungleichmäßig verteilt. Zu Anfang und nach der Mitte des 5. Jhd. sind sie am häufigsten im Westen zu beobachten. Gegenüber dem frühen Prinzipat waren sie zahlreicher, aber im Verhältnis zum 3. Jhd. doch weitaus weniger häufig. Die Zahl der Usurpationsversuche, bei denen es nicht zu einer Investitur mit dem folgenden Versprechen von Gehorsam und Loyalität kam, ist zwar nicht eindeutig quantifizierbar, dürfte aber mit diesem Bild übereinstimmen. Staatsstreiche waren keineswegs die einzige Möglichkeit, bestehende Machtverhältnisse und die mit ihnen verbundene Politik zu ändern, sondern neben ihnen spielen besonders unter schwachen Kaisern Veränderungen in der Machtverteilung innerhalb der führenden Gruppe und deren personelle Umgestaltung eine wichtige Rolle, wie z. B. der Sturz Stilichos 408 zeigt. Er war mit einer weitgehenden Neugestaltung der führenden Gruppe verbunden1570 und wurde von einem zivilen Würdenträger durchgeführt, dem späteren mag. off. Olympius. Formen der Usurpation Teilhabe an der Herrschaft kann der Usurpator dadurch erlangen, daß er einen der regierenden Kaiser stürzt und an seine Stelle tritt. Dabei konnte dieser sofort aus dem Amt gejagt werden wie z. B. Constans 350 oder nach einer militärischen Auseinandersetzung wie etwa Gratian 383. Die Entmachtung war in der Regel auch mit der physischen Beseitigung des gestürzten Kaisers verbunden. Sie war aber im Unterschied zum Prinzipat vom System her nicht notwendig, denn er hätte ja seine Herrschaft auch niederlegen können. Sie stellte für den Usurpator eine große politische Belastung dar, denn sie machte die Anerkennung durch die verbleibenden 1570 Zu weiteren Alternativen vgl. IV.A.3 Alternativen zur Usurpation, S. 213/214.

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Herrscher eigentlich unmöglich. Diese sind aus politischen Gründen zur Rache verpflichtet, wenn das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung und reichsweiten Legitimierung durch diese nicht zur Farce werden soll. Die physische Beseitigung des amtierenden Herrschers wurde daher Usurpatoren in der innenpolitischen Auseinandersetzung immer wieder zum Vorwurf gemacht und gegen sie ins Feld geführt. Der Versuch, an der Herrschaft teilzuhaben, konnte auch unternommen werden, ohne einen regierenden Kaiser zu stürzen, eine Möglichkeit, die vor der Spätantike nicht existierte. Hierzu gab es zwei Wege. Der Usurpator bemächtigte sich eines Teilgebietes eines Territoriums, über das ein anderer verfügte, und erhob dort den Anspruch, Kaiser zu sein. Ein eindeutiges Beispiel dafür bietet Vetranio, der Illyrien 350 zu seinem Herrschaftsgebiet machte. Er mußte dabei niemanden stürzen. Mit noch wesentlich geringerem politischem Risiko konnte die Teilhabe an der Herrschaft gesucht werden, wenn ein Anwärter auf den Thron nach dem Tod eines regierenden Augustus die verwaiste Stellung einfach übernahm und nicht die Erhebung eines neuen Mitkaisers durch den noch regierenden Augustus abwartete. Ein gutes Beispiel dafür bietet Iohannes’ Erhebung 423, aber auch andere Usurpatoren im Westen nach 455. Petronius Maximus oder Libius Severus gehören in diese Gruppe. Im Osten gilt dies nur für Marcians Erhebung 450, der der westliche Kaiser Valentinian III. zuerst nicht zustimmte, sondern erst nach rund eineinhalb Jahren. Der an der Herrschaft befindliche Augustus betrachtete auch einen solchen Akt als Usurpation, weil sein Anspruch, Mitherrscher zu erheben, mißachtet worden war. Bei Staatsstreichen, bei denen es um die Erringung der kaiserlichen Stellung geht, ohne einen regierenden Augustus zu stürzen, sondern eine verwaiste Stelle einfach zu übernehmen, sind zivile Würdenträger am häufigsten als Usurpatoren zu finden. Durch das dynastische Prinzip wurde der Anspruch eines Prätendenten auf Teilhabe an der Herrschaft von besonderer Bedeutung für den regierenden Kaiser, weil damit in der Regel eine andere Dynastie ins Spiel kam. Dies konnte zur Verdrängung der herrschenden Familie führen. Letztlich scheiterte daran jede dauerhafte Anerkennung als Mitkaiser. Während der Auseinandersetzung mit dem legitimen Herrscher wurde daher ein Kollege des Usurpators immer auch erst dann von diesem erhoben, wenn sich keine Übereinkunft mehr erreichen ließ und die militärische Auseinandersetzung unmittelbar bevorstand. Die Auswirkungen einer Usurpation Veränderungen in der gesellschaftlichen Struktur oder eine Neugestaltung der politischen Eliten erfolgten wie im Prinzipat auch in der Spätantike durch eine Usurpation nicht. Dies beabsichtigte auch kein Prätendent. Gerade das Ziel, Teilhaber der kaiserlichen Stellung zu werden, legte ein Verhalten nahe, das möglichst dem eines Kaisers angeglichen war. So war eine Usurpation Chance und Bedrohung zugleich in der individuellen Karriere vieler Mitglieder der politischen Elite, aber nicht für deren Gesamtheit. Der Sturz eines Usurpators brachte für seine Anhänger die Gefahr der Bestrafung wegen Hochverrates mit sich. Die Entscheidung, wer von diesen zu bestrafen war und wer nicht, war weitgehend willkürlich. In der Regel wur-

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den nur seine engsten Mitarbeiter wirklich zur Verantwortung gezogen. Die Ungewißheit schuf aber eine Periode großer Unsicherheit nach dem Sturz eines Usurpators. Die davon betroffenen Gruppen hofften auf eine Lösung, bei der nur wenige bestraft wurden, und auch die Anhänger des siegreichen Kaisers ebenso wie die Kirche wirkten in die gleiche Richtung. Die Mitglieder der politischen Elite wollten nicht, daß ihr inneres Gleichgewicht und die bestehenden Netzwerke zu sehr gestört wurden. Weil der siegreiche Herrscher diese Gruppen benötigte, war auch von seiner Seite Zurückhaltung angebracht. Sie wurde wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß immer geübt. Es gab selbstverständlich Versuche, die ungewisse Situation nach dem Sturz eines Usurpators zu persönlichen Abrechnungen zu nutzen. Aber auch sie lösten keine größeren Verfolgungen aus. Die Notwendigkeit, zur Herrschaft ohne Zerstörung der gesellschaftlichen Struktur zu gelangen, ein Verhalten, das von der herrschenden politischen Elite gefordert wurde, stellte spätantike Usurpatoren vor allen Dingen vor politische Probleme. Für deren Lösung waren der ungezügelte Einsatz militärischer Macht und die Beseitigung der politischen Gegner in großem Stil ungeeignete Mittel. Erst mit dem Ende des Kaisertums im Westen 476 und der Übernahme der Herrschaft durch einen barbarischen General als Vertreter des Kaisers entstand die Möglichkeit zu einer grundlegenden Umgestaltung der politischen Eliten. Dieser General und seine barbarische Gefolgschaft wurden nicht Teil der römischen politischen Elite, sondern blieben von ihr getrennt. So konnte es bei einem Gegensatz zwischen dem General und Mitgliedern der Elite zu deren physischer Dezimierung kommen. Erhebliche Auswirkungen hatte eine militärische Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Usurpator, die immer dann eintrat, wenn der Usurpator keine Anerkennung fand, aber die Herrschaft über ein hinreichend großes Territorium hatte gewinnen können. Die bei den Kämpfen auftretenden Verluste schwächten die militärische Kraft des Reiches. Die Schlacht von Mursa 351 bietet dafür das eindrücklichste Beispiel. Auch die Bedeutung der Barbaren in der Innenpolitik stieg im Westen besonders als Folge der Usurpationen erheblich. So wurden sie etwa mehrfach zu Einfällen in das Gebiet der Usurpatoren ermuntert und konnten nur mühsam später wieder zurückgedrängt werden. Zugleich bildeten sie die Rekrutierungsbasis für den zusätzlichen Bedarf an Truppen, den Kaiser wie Usurpator hatten. Beides hatte besonderes Gewicht in der Spätantike, in der die Aufrecherhaltung der Bestände der Armee und die Immigration der Barbaren bedeutende Probleme bildeten. Die Usurpationen vertieften die Krisen, in deren Folge sie auftraten, und steigerten die politische Instabilität. Dies bildet aber keine Besonderheit der Spätantike. Voraussetzungen einer erfolgreichen Usurpation Während Gründe und Anlaß erfolgreicher Usurpationen sehr unterschiedlich waren, lassen sich einige grundsätzliche Aussagen zu den Voraussetzungen machen, die gegeben sein müssen, um mit Aussicht auf Erfolg einen Staatsstreich unternehmen zu können. Staatsstreiche wurden nicht leichthin unternommen, auch wenn es manchmal so scheint.

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Als mögliche Usurpatoren kommen vor allen Dingen Personen in Betracht, die eine verwandtschaftliche Verbindung zur herrschenden oder zu einer an der Herrschaft gewesenen Dynastie haben. Dabei sind Mitglieder einer Dynastie, die bei einem Herrschaftswechsel nicht berücksichtigt wurden, besonders dazu geneigt oder werden als geeignete Kandidaten betrachtet wie z. B. Procopius 365 oder Hypatius im Jahre 532. Sonst kommen nur Personen in Frage, die eine hinreichend hohe gesellschaftliche Stellung oder eine Funktion am comitatus haben, die einen hohen Rang mit sich bringt, d. h. Mitglieder der verschiedenen Aristokratien, besonders der römischen wie Petronius Maximus, hohe militärische Kommandanten wie comites rei militaris oder Heermeister und Mitglieder der zentralen Verwaltung wie der magister scrinii Eugenius oder der primicerius notariorum Iohannes. Die Möglichkeit, daß auch Würdenträger mit einer zivilen Karriere durch eine Usurpation auf den Thron gelangen, ist eine Besonderheit der Spätantike. Wie ein spätantiker Kaiser vor seiner Erhebung eine zivile Karriere durchlaufen haben kann, so auch der Usurpator. Nach 337 muß dieser Christ sein, und zwar rechtgläubig oder besser: die religiöse Auffassung vertreten, die in dem Gebiet, das er erstrebt, vorherrscht. Eine offene Förderung des Heidentums machte jede erfolgreiche Usurpation unmöglich. Der Heide Attalus bildet keine wirkliche Ausnahme. Er wurde durch den arianischen Goten Alarich in Rom in sein Amt gebracht, wo seine einflußreichen Kollegen an seinem Bekenntnis keinen Anstoß nahmen. Die Mitglieder der Führungsgruppe, aber auch die politische Elite insgesamt dürfen einer Erhebung nicht gänzlich abgeneigt sein, wenn ein Prätendent die notwendige Unterstützung für einen Staatsstreich und das notwendige Personal für einen von ihm abhängigen comitatus und die Besetzung der sonstigen Verwaltungsposten finden will. Eine für einen Staatsstreich günstige Situation ist nur dann vorhanden, wenn die Interessen der politischen Eliten und der führenden Gruppe nicht mehr hinreichend gesichert scheinen. In besonderem Maß traf diese Situation immer wieder für den Westen des Reiches zu. Dessen führende Gruppe und die Senatorenschicht, die von ihr repräsentiert wurde, sahen ohne einen eigenen Herrscher im Westen, der ihre Interessen berücksichtigte, ihre Existenz und Entscheidungsfreiheit bedroht. Für sie und die Senatoren war dabei auch die Fortdauer einer eigenen Verwaltungszentrale von besonderer Bedeutung. Sie war der Ort, wo man die Ämter bekleiden konnte, die notwendig waren, um den sozialen Status zu bewahren. Solche kritischen Situationen entstanden etwa nach Valentinians II. oder Honorius’ Tod, als man offensichtlich die eigenen Interessen nicht am besten bei Theodosius’ Familie aufgehoben sah. In beiden Fällen stand auch eine Verwaltungszentrale sofort zur Verfügung des Usurpators. Lediglich bei Avitus’ Machtübernahme 455 war dies nicht der Fall, weil durch die Einnahme Roms durch die Barbaren Petronius Maximus’ Verwaltungszentrale sich aufgelöst hatte. Man provozierte aber in der Regel nicht leichtfertig solche Konflikte, wie besonders das lange Abwarten bei Vakanzen des Thrones und die Versuche, zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen, immer wieder zeigen.

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Die Sicherung von Sonderinteressen einzelner Gebiete oder Gruppen durch eine Usurpation spielte im Westen mit der zunehmenden Desintegration eine größere Rolle. Dies zeigen die Erhebungen in Gallien. Im Osten waren Senat und Bevölkerung von Konstantinopel ein Faktor, der nicht ohne Einfluß auf die Stabilität der Herrschaft blieb. Dies zeigt z. B. Procopius’ Usurpation. Er konnte sich zu einem guten Teil auch auf Bevölkerung und Senat stützen, die mit Valens’ Herrschaft unzufrieden waren.

VI. Anhang A. Exkurse 1. hJ suvgklhto~ Die führende Gruppe aus zivilen Würdenträgern und militärischen Kommandanten, die seit der Mitte des 4. Jhd. bei Vakanzen des Thrones im Westen und Osten den Kandidaten bestimmt, wird in den Quellen mit verschiedenen Begriffen bezeichnet, Begriffe, die übersetzt zum Teil direkt in die modernen Darstellungen übernommen wurden. Deshalb wurde nicht klar erkannt, daß diese Gruppe, die in der Mitte des 4. Jhd. erstmals zu fassen ist, im 5. und zu Beginn des 6. Jhd. weiter bestand und dieselbe Rolle spielte, ohne daß sich ihre Zusammensetzung und ihr Charakter grundlegend änderten. Vom 5. Jhd. an sind aber vor allem im östlichen Teil des Reiches die ehemaligen Amtsträger regelmäßig in ihr vertreten, und in Konstanti­ nopel nimmt der Patriarch immer an den Beratungen teil, während die Augusta, sofern eine vorhanden ist, sicher in sie einbezogen wurde. Irreführend in den Quellen ist vor allen Dingen die Verwendung des Begriffes hJ suvgklhto~ und seiner lateinischen Entsprechung senatus. In der bisherigen Forschung wurde in der Regel nicht konsequent bedacht, wer mit dem Begriff eigentlich gemeint ist. Die häufig gemachte Aussage, daß der Senat den Kandidaten für die Erhebung vorschlage1571, läßt an die Körperschaft denken, die einen Beschluß faßt, und berücksichtigt den besonderen Charakter und die Zusammensetzung der 1571 In der bisherigen Forschung wurde in der Regel nicht konsequent bedacht, wer mit dem Begriff eigentlich gemeint ist. Vgl. z. B. J. Karayannopoulos, Rezension zu A. Christophilopoulou, ∆Ekloghvv, ajnagovreusi~ kai; stevyi~ tou` Buzantinou` Aujtokravtoro~, Athen 1956, ByzZ 50, 1957, 467–474, dort 470/471; Anastos 1975, 189 u. passim; Jones 1973, 322–324; Noethlichs 1998, 19. Schon Beck 1966, 12 schreibt aber: „… aber wir dürfen schon für diese Zeit unterstellen, daß der konstantinopolitanische Senat bereits mehr und mehr zusammenfällt mit der Gruppe der aktiven höchsten Beamten, daß Senat und Consistorium personell identifizierbar sind, so daß sich also Palast und Senat schon einigermaßen, wenn auch nicht zur Gänze decken.“. Becks Differenzierung wurde nicht beachtet, wohl auch deshalb, weil er sich nicht vom Begriff Senat lösen wollte und nicht erkannte, daß der Begriff Senat für Senatorengruppen verschiedener Größe verwendet werden kann und zugleich auch den Senat in seiner Gesamtheit bezeichnen kann. Vor Beck hat auch schon Bury 1930, 107/108 darauf aufmerksam gemacht, daß der Begriff Senat sehr restriktiv verstanden werden muß, ohne sich aber über seine Zusammensetzung im einzelnen Gedanken zu machen („It was a small council con­ sisting of persons who belonged to it by virtue of administrative offices to which they were appointed.“). Cracco Ruggini 1998, 365 unterstreicht die Bedeutung der Mitglieder des Senates, die auch im consistorium vertreten sind, ohne sich zum Vorschlag des Thronkandidaten durch diese Gruppe zu äußern. Dagron 1974, 207–209 spricht vom Senat als Körperschaft, die den Kaiser wählt. Andererseits ist er sich bewußt (Dagron 1974, 146), daß der Begriff suvg­ klhto~ häufig verwendet wird, um das consistorium oder den comitatus zu bezeichnen.

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VI. Anhang, A. Exkurse

Gruppe nicht, die den Kandidaten bestimmt. Dagegen lassen sich die Begriffe a[rconte~, prwteuvonte~ oder z. B. oiJ de; th`~ ejn ÔRwvmh/ basilevw~ aujlh`~ 1572, die ebenfalls für Mitglieder dieser Gruppe verwendet werden, in der Regel ohne Schwierigkeiten mit den hohen zivilen und militärischen Amtsinhabern, den digni­ tates, identifizieren, die bei verschiedenen Vakanzen des Thrones an den Beratungen teilnahmen1573, auch wenn ihre Bestimmung im einzelnen selten gelingt. Die Verwendung des Begriffs hJ suvgklhto~ oder verwandter Begriffe wie sug­ klhtikoiv ist außerordentlich weit. Dabei bedarf der Gebrauch, um den Senat als Körperschaft zu bezeichnen, keiner besonderen Untersuchung, weil er weitgehend selbstverständlich und unproblematisch ist. Der sonstige Inhalt des Begriffes unterscheidet sich je nach Kontext, Autor und Charakter des jeweiligen Textes und bedarf einer genaueren Bestimmung. Dies gilt besonders für die Zahl und die Art der Personen, die er einschließt1574. Häufig wird der Begriff hJ suvgklhto~ für Gruppen ehemaliger hoher Amtsträger verwendet. Nach der Mitte des 5. Jahrhunderts umfaßt er vor allem diejenigen im Range eines illustris. Ihre Zahl und ihre zuletzt bekleidete Stellung sind dabei nicht ohne weiteres bestimmbar. In den Akten des Konzils von Chalkedon 451 lassen sich aber Zahl, Rang und letzte Funktion der teilnehmenden ehemaligen Amtsträger ganz eindeutig fassen. Der Begriff hJ suvgklhto~ in den Konzilsakten umfaßt nicht alle Senatsmitglieder, die illustres sind, sondern nur die, die auf dem Konzil anwesend waren. Er bezeichnet also nur eine Gruppe der illustres. Diese werden zugleich von den im Amt befindlichen Würdenträgern, den a[rconte~, die auf dem Konzil anwesend waren, deutlich unterschieden. In den Akten der Sitzungen vom Oktober 451 werden die weltlichen Würdenträger, die an den Beratungen teilnahmen, sofern sie illustres waren, vor dem Bericht zu jeder Sitzung namentlich aufgeführt, und ihre Stellung wird klar bezeichnet1575. So umfassen an der Sitzung vom 8.10.4511576 die a[rconte~, die amtierenden Würdenträger, eine Gruppe von 7 Personen1577. Die a[rconte~ sind dabei nicht vollständig vertreten, es fehlen etwa der QSP oder der Heermeister Aspar. Unmittelbar nach den a[rconte~ folgen die Mit1572 Vgl. n. 1611, 1612; Proc. BV 1, 3, 5. 1573 Aus den Akten der Sitzungen des Konzils von Chalkedon im Oktober 451 (vgl. die Belege und die Übersicht bei Delmaire 1984, 142/143) geht hervor, daß man unter ihnen die anwesenden hohen Amtsträger, die dignitates, zu verstehen hat (zur Unterscheidung von dignitates und militia palatina vgl. Jones 1973, 377/378). Diesem Verständnis steht auch der sonstige Gebrauch in weniger präzisen anderen Quellen nicht entgegen. Die bisherige Bestimmung dieser Begriffe ist in der Regel zu unscharf. Nach Anastos 1975, 191/192 etwa können mit a[rconte~ hohe zivile Beamte oder führende Mitglieder des Senates bezeichnet werden. Er beruft sich n. 23 auf Christophilopulu 1956, 31. Er schließt damit z. B. militärische Kommandanten aus, die auch damit bezeichnet werden können. 1574 Die folgenden Beobachtungen ersetzen keine eingehende Untersuchung über den Gebrauch des Begriffes, die offenbar nicht vorhanden ist, sondern zeigen nur mögliche Verwendungen auf. 1575 Zu den Sitzungen 1–6 und den Laien, die aufgeführt waren, vgl. die Belege bei Delmaire 1984, 142/143. 1576 ACO 2, 1, 1 S. 55/56 = lat. 2, 3, 1 S. 27/28. 1577 ACO 2, 1, 1 S. 55, 7–17. Zur Frage, warum der ehemalige mag. off. Martialis unter den Amtsträgern aufgeführt wird, vgl. n. 1586.

1. hJ suvgklhto~

381

glieder des Senates, th`~ ejndovxou sugklhvtou, insgesamt 12 Personen1578. Für diese wird später in den Verhandlungen der Kollektivbegriff hJ suvgklhto~ verwendet1579, der damit nur diese kleine Gruppe meint, oder sie werden auch sugklhtikoiv genannt, wenn auch eher selten1580. Auf keinen Fall wird mit hJ suvgklhto~ an diesen Stellen der Senat als Körperschaft bezeichnet. Die Mitglieder des Senates werden auch im folgenden Text deutlich den a[rconte~ gegenübergestellt1581. In der lateinischen Übersetzung wird wie im griechischen Text vorgegangen. Es werden in der Liste gloriosissimi iudices und der amplissimus senatus gegenübergestellt1582. Der Begriff senatores wird nicht verwendet. Das Wort sugklhtikoiv wird immer mit senatus wiedergegeben. Anstelle von iudices finden sich im lateinischen Text auch die Begriffe magistratus1583 oder potestates1584. Auch vor den anderen Sitzungen werden jeweils in gleicher Weise die Teilnehmer aufgeführt. Dabei ist die 6. und letzte Sitzung vom 25.10.451 von besonderem Interesse, weil an ihr der Kaiser teilnahm und die Teilnehmer sehr sorgfältig aufgelistet sind1585. Bei ihr bilden die namentlich erwähnten a[rconte~ eine Gruppe von 10 Personen1586, die Mitglieder des suvgklhto~ umfassen 28 Personen1587. In dieser Liste der a[rconte~ der sechsten Sitzung vom 25.10.4511588 ist an letzter Stelle mit Namen ein Leontius aufgeführt, der primicerius notariorum und damit nur specta­ bilis (perivblepto~), nicht illustris war1589. 1578 ACO 2, 1, 1 S. 55, 18–56, 19 = lat. 2, 3, 1 S. 28. 1579 Vgl. z. B. ACO 2, 1, 1 S. 64, 37; 66, 18. 1580 Vgl. z. B. ACO 2, 1, 1 S. 65, 27. 1581 Vgl. z. B. ACO 2, 1, 1 S. 67, 18: oiJ ejndoxovtatoi a[rconte~ kai; hJ uJperfuh;~ suvgklhto~ oder ACO 2, 1, 1 S. 65, 27: oiJ lamprovtatoi a[rconte~ kai; oiJ perifanevstatoi sugklhtikoiv. 1582 ACO 2, 3, 1 S. 27/28. 1583 Vgl. z. B. ACO 2, 2, 2 S. 10 [102], 36. 1584 Vgl. z. B. ACO 2, 2, 2 S. 15 [107], 35. 1585 ACO 2, 1, 2 S. 138/139 [334/335] = lat. ACO 2, 3, 2 S. 149/150 [408/409]. Zur besonderen Stellung der sechsten Sitzung vgl. Delmaire 1984, 144. 1586 ACO 2, 1, 2 S. 138 [334] = lat. 2, 3, 2 S. 149 [408]. Ungeklärt ist bei der Auflistung der a[rconte~, warum die ehemaligen magistri officiorum Martialis und Placitus unter diesen aufgeführt sind und hier auch als solche gekennzeichnet sind (vgl. dagegen die Erwähnung von Martialis in der Liste der Sitzung vom 8.10.451 ohne diesen Zusatz), während Nomus, ebenfalls ein ehemaliger magister officiorum, unter den Senatoren aufgelistet ist. Delmaire 1984 äußert sich zu diesem Problem nicht. Die mögliche Auflistung ehemaliger Amtsinhaber unter den a[rconte~ zeigt, daß die Grenzen zwischen amtierenden und ehemaligen Beamten weniger streng waren. Die ehemaligen Würdenträger, die jederzeit für politische Aufgaben beigezogen werden und auch zu Sitzungen des consistorium gerufen werden konnten, konnten offensichtlich als amtierende betrachtet werden. Bei der Rangfolge wurde allerdings beachtet, daß sie ausgeschieden waren. So werden Martialis und Placitus als ehemalige magistri officiorum in der Liste der a[rconte~ hinter dem amtierenden mag. off. Vincomalus aufgeführt, obwohl sie von der Anciennität her den Vorrang gehabt hätten. 1587 Zur Identifikation der aufgeführten Senatsmitglieder als illustres vgl. Delmaire 1984, 173 u. passim. 1588 ACO 2, 1, 2 S. 138 [334] = lat. 2, 3, 2 S. 149[408]. 1589 Delmaire 1984, 173

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VI. Anhang, A. Exkurse

Die übrigen am 25.10.451 anwesenden spectabiles, unter denen sich tribuni et notarii befinden und auch der secretarius sacri consistorii Veronicianus, werden in der Liste der a[rconte~ nicht namentlich aufgeführt, sondern nur im Anschluß an die illustres kollektiv erwähnt1590. Die an den verschiedenen voraufgehenden Sitzungen teilnehmenden Laien, die keine illustres waren, sind ebenfalls nicht vollständig namentlich aufgelistet. So ergreifen etwa in der ersten actio am 8.10.451 der tribunus et notarius Eulogius1591, die secretarii sacri consistorii Constantinus und Veronicianus1592 und der comes sacri consistorii Elpidius1593 das Wort. Sie sind für den Ablauf der Sitzung wichtig. Diese Beamten sind alle im Range eines spec­ tabilis, sind notarii oder erfüllen deren Funktion1594. Es sind die spectabiles, die am Ende der Liste der Teilnehmer der sechsten Sitzung kollektiv erwähnt werden. Die Gegenüberstellung von suvgklhto~ oder sugklhtikoiv und a[rconte~ oder von Personen, die mit vergleichbaren Begriffen wie prwteuvonte~ oder oiJ de; th`~ … basilevw~ aujlh`~ 1595 benannt werden, findet sich auch in anderen amtlichen oder historiographischen Texten des 5. und des 6. Jhd. oft. Welche Personen und wie viele damit bezeichnet werden, ist aber niemals so eindeutig zu bestimmen wie in den Konzilsakten, in denen sich Namenlisten finden. Häufig werden aber auch beide Gruppen unter dem Begriff suvgklhto~ oder sugklhtikoiv zusammengefaßt, und zwar auch innerhalb desselben Textes, auch wenn sie vorher gegenübergestellt worden sind. Seltener scheint der umgekehrte Fall, daß suvgklhto~ oder sugklhtikoiv und a[rconte~ unter dem Begriff a[rconte~ zusammengefaßt werden1596. Die Verwendung der Begriffe suvgklhto~ oder sugklhtikoiv für Mitglieder des Senates oder Amtsträger am comitatus läßt sich schon bei Socrates und Sozomenus beobachten. So kann hJ suvgklhto~ oder auch sugklhtikoiv für Mitglieder des Senates von Konstantinopel verwendet werden1597, und oiJ sugklhtikoiv kann für kaiserliche Amtsinhaber gebraucht werden1598. Bei Sozomenus ist sugklhtikov~ nicht belegt. Er erwähnt die Vertreter des Kaisers, die am Konzil in Sirmium teilnahmen, 1590 ACO 2, 1, 2 S. 139 [335]: prosevti de; kai; toi`~ periblevptoi~ komhvsin kai; tribouvnoi~ nota­ rivoi~ prosefwvnhsen = lat. 2, 3, 2 S. 150 [409]: super his etiam spectabilibus comitibus et tribunis notariis adlocutus est (sc. der Kaiser). 1591 Vgl. ACO 2, 1, 1 S. 85, 14, 97, 28. Zu ihm vgl. PLRE 2, 419 s. v. Eulogius 3. 1592 Vgl. ACO 2, 1, 1 S. 78, 13/14 und PLRE 2 s. v. Constantinus 5; ACO 2, 1, 1 S. 65, 15 u. 73, 19 und PLRE 2, 1156 s. v. Veronicianus 2. Zu beiden vgl. auch H. C. Teitler, Notarii and Exceptores. An Inquiry into Role and Significance of Shorthand Writers in the Imperial and Ecclesiastical Bureaucracy of the Roman Empire, from the Early Principate to c. 450 A. D., Amsterdam 1985, 270 n. 3. Als shkrhtavrioi nahmen sie ähnliche Aufgaben wie die notarii wahr. Veronicianus wird als einziger der spectabiles auch in der sechsten Sitzung als handelnder erwähnt. Vgl. ACO 2, 1, 2 S. 156[352], 34/35. 1593 Vgl. ACO 2, 1, 1 S. 85, 14. Zu weiteren Belegen im ACO vgl. ACO 4, 3, 3 S. 148 s. v. Elpidius 4. Elpidius findet sich nicht in der PLRE 2. 1594 Lediglich für Elpidius ist dies nicht ausdrücklich bezeugt. 1595 Zum zweiten Begriff vgl. Proc. BV 1, 3, 5. 1596 Vgl. n. 1608. 1597 Soc. 6, 6, 9; 3, 26, 3. 1598 Vgl. Soc. 2, 30, 43. Es handelt sich um die Vertreter des Kaisers, die uns aus anderen Quellen namentlich bekannt sind, beim Verfahren gegen Bischof Photinos, das zeitlich vor dem Kon-

1. hJ suvgklhto~

383

mit einer Umschreibung1599. Mehrheitlich wird der Begriff suvgklhto~ oder suvg­ klhto~ boulhv aber bei Socrates wie auch bei Sozomenus für den römischen Senat gebraucht1600. Unmittelbar nach der Mitte des 5. Jhd.1601 können mit den Begriffen hJ suvgkl­ hto~ und sugklhtikoiv die Teilnehmer an den gemeinsamen Tagungen von consis­ torium und suvgklhto~ bezeichnet werden, also suvgklhto~ oder sugklhtikoiv und a[rconte~ unter dem Begriff hJ suvgklhto~ oder sugklhtikoiv zusammengefaßt werden. Diese Entwicklung ist in Iustinians Zeit deutlich faßbar1602. Diese Verwendung findet sich in den Novellen Iustinians und bei den Autoren seiner und der späteren Zeit. Sie ist sehr verbreitet. In Iustinians Novellen kann hJ suvgklhto~ häufig das um Senatoren erweiterte kaiserliche consistorium als Appellationsinstanz1603 bezeichnen. Diese Verwendung findet sich ebenfalls bei Lydus1604 und Johannes Malalas1605. Besonders späte Autoren verwenden hJ suvgklhto~ oder sugklhtikoiv für eine gemeinsam beratende Gruppe von aktiven und ehemaligen Amtsträgern1606. Nur aus dem Kontext oder zusätzlichen Informationen kann erschlossen werden, welche Personen damit im einzelnen Fall gemeint sind. Auf keinen Fall sollte man einfach vom Senat als Körperschaft oder Senatoren allgemein sprechen. zil von Sirmium von 351 stattfand (vgl. PLRE 1, 198 und mit Präzisierungen Barnes 1993, 109). Diese Verwendung von sugklhtikoiv ist bei Socrates singulär. 1599 Soz. 4, 6, 15: sunelqovntwn tw`n ejpiskovpwn, kai; dikastw`n ejk prostavgmato~ tou` basilevw~ prokaqesqevntwn. 1600 Vgl. Soc. 3, 1, 54; 5, 14, 5; 7, 10, 4; Soz. 4, 7, 1; 9, 6, 3; 9, 8, 2 u. 8. 1601 Delmaire 1995, 34 glaubt aufgrund von V. Dan. Styl. 55, daß 466 erstmals eine gemeinsame Sitzung von consistorium und Senat unter der Bezeichnung silentium cum conventu faßbar ist, als es um die Überprüfung der Hochverratsvorwürfe gegen den Heermeister Ardabur ging. Häufig wird auch die gemeinsame Sitzung als silentium et conventus bezeichnet. 1602 Vgl. Stein 1949, 73/74 u. 432 zum Problem gemeinsamer Sitzungen des consistorium und des Senates; Dagron 1974, 145/146, ohne vollständige Belege; Delmaire 1995, 33/34. Er hat am deutlichsten die gemeinsamen Sitzungen des Senates mit dem consistorium in ihrer historischen Entwicklung aufgezeigt. Gemeinsame Sitzungen von consistorium und Senatoren werden ohne Bedenken in jedem Fall mit dem silentium cum conventu gleichgesetzt. Daß bei den Beratungen über den Kandidaten, der zu erheben ist, nie von silentium cum conventu gesprochen wird und auch nicht in den Akten des Konzils von Chalkedon, sollte zur Vorsicht gegenüber der Verwendung des Begriffs silentium cum conventu führen. Er ist offensichtlich nicht auf jede Gruppe anwendbar, die aus Amtsträgern und Senatoren besteht. Die Gruppe, die den Kandidaten bestimmt, tagt zudem zwar immer im Palast, aber nie im consistorium. 1603 Vgl. z. B. Nov. Iustin. 124, 1 (545). 1604 Ioh. Lyd. de mag. 3, 27. Vgl. schon Dagron 1974, 145, anders Stein 1949, 73 n. 3. 1605 Ioh. Mal. 18, 22 S. 439, 3: ejpi; koinou` th`~ sugklhvtou. Dem Patrizier Probus wird vor dem erweiterten consistorium der Prozeß gemacht. Vgl. auch Theophan. A. M. 6013 = 1, 168, 3/4. 1606 Vgl. z. B. Theophan. A. M. 5983 = 1, 136, 3/4 (Anastasius wird durch Ariadne und den Senat – suvgklhto~ boulhv – zum Kaiser bestimmt); Theophan. A. M. 5944 = 1, 105, 24 und 1, 106, 7 läßt den suvgklhto~ am Konzil von Chalkedon teilnehmen. Aus dessen Akten wissen wir, daß es nur eine begrenzte Zahl kaiserlicher Amtsträger und ehemaliger Beamter war.

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VI. Anhang, A. Exkurse

Parallel zu suvgklhto~ oder sugklhtikoiv können auch synonyme Bezeichnungen so gebraucht werden, so etwa der Begriff gerousiva. Das Wort wird in den Novellen Iustinians niemals verwendet, findet sich aber in historiographischen Texten. So verwendet es etwa Zonaras in der Schilderung, die er von Anastasius’ Erhebung gibt, und bezeichnet damit die gemeinsam beratende Gruppe von suvgklhto~ oder sugklhtikoiv und a[rconte~, wie wir aus Constantinus Porphyrogenitus’ Bericht darüber wissen1607. Bei Constantinus Porphyrogenitus werden in den Schilderungen, die sich bei ihm von den Beratungen über einen Kandidaten für das Kaisertum finden, alle Teilnehmer zusammen mehrfach lediglich als a[rconte~ bezeichnet1608 oder nur als hJ suvgklhto~1609. Es läßt sich ein völlig synonymer Gebrauch von a[rconte~ und hJ suvgklhto~ oder sugklhtikoiv1610 auch innerhalb desselben Textes beobachten. Andererseits werden hJ suvgklhto~ und sugklhtikoiv zur Bezeichnung einer Gruppe verwendet, die zu den a[rconte~1611 bzw. prwteuvonte~1612 hinzutreten kann und Mitglieder des Senates umfaßt. Man wird daher aus dem Vergleich mit dem sonst üblichen Sprachgebrauch zu schließen haben, daß die hohen zivilen und militärischen Amtsträger zusammen mit Mitgliedern des Senates tagten und den Kandidaten bestimmten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen führt aber Constantinus Porphyrogenitus die Amtsinhaber und Senatoren, die daran teilnahmen, nicht im einzelnen auf und nennt ihre Namen nicht. Die Gegenüberstellung von amtierenden und ehemaligen Würdenträgern oder ihre Zusammenfassung unter dem Begriff suvgklhto~ oder senatus findet sich auch in Dokumenten mit offiziellem Charakter. So teilt der oströmische Kaiser Marcian in einem Schreiben Ende August/Anfang September 450 Papst Leo mit, daß er elec­ tione senatus excellentissimi erhoben worden sei, und meint damit den Wahlvorschlag durch die führende Gruppe1613. Er verwendet dabei eine ähnliche Termino1607 Zon. 14, 3, 1: gnwvmh/ kai; th`~ gerousiva~ kai; tou` strateuvmato~. Die gleiche Verwendung von gerousiva findet sich auch Zon. 14, 2, 11. 1608 C. P. 1, 92 S. 421, 17; 422, 4; 1, 93 S. 426, 20; 427, 6. 1609 Vgl. C. P. 1, 91 S. 410, 8. Nach Marcians Tod stellt nicht der Senat einen Antrag auf Leos Erhebung, wie die Stelle vermuten lassen könnte. Mit dem Begriff hJ suvgklhto~ wird hier die Versammlung der führenden Gruppe gekennzeichnet, die sich auf Leo geeinigt hat und nun seine Investitur in die Wege leitet. Dies wird aus dem parallelen Vorgehen bei Anastasius’ Erhebung deutlich. Vgl. auch C. P. 1, 92 S. 422, 1; 1, 95 S. 433, 3: kai; parekalei`to (sc. Iustinus) ajpo; th`~ sugklhvtou eij~ to; poih`sai aujto;n (sc. Iustinianus) basileva. Es handelt sich um die Erhebung Iustinians während Iustinus’ schwerer Krankheit auf Veranlassung der Würdenträger (hortatu senatorum in der lateinischen Übersetzung). 1610 Nach Zenons Tod beraten oiJ a[rconte~ (C. P. 1, 92 S. 421, 17) über seinen Nachfolger. Als man sich nicht einigen kann, schlägt der PSC Urbicius (vgl. n. 456) vor, die Entscheidung der Augusta Ariadne zu überlassen, und die Versammlung, jetzt als hJ suvgklhto~ bezeichnet, bittet den mitberatenden Patriarchen (C. P. 1, 92 S. 422, 1: to;n ejpivskopon), der Augusta dies mitzuteilen. Vgl. auch z. B. V. Dan. Styl. 55, wo die, die über die Hochverratsvorwürfe gegen Ardabur beschließen sollen, als sugklhtikoiv bezeichnet werden. 1611 C. P. 1, 92 S. 417, 17: oiJ a[rconte~ kai; oiJ sugklhtikoiv (Beratung über Zenons Nachfolger). 1612 C. P. 1, 92 S. 424, 6/7: prwteuvonte~ kai; hJ suvgklhto~ 1613 Leo M epist. 73 = ACO 2, 1, 1 S. 10, 6–8, Epist. coll. M 10: Eij~ tou`to to; mevgiston basivlei­ on h[lqon qeou` pronoivai kai; ejpilogh`i th`~ uJperfuou`~ sugklhvtou kai; panto;~ tou` stratou`,

1. hJ suvgklhto~

385

logie wie Constantinus Porphyrogenitus für den Wahlvorschlag1614. Bei den Beratungen über die Nachfolge Marcians 457 fiel der berühmte Satz Aspars: Timeo, ne per me consuetudo in regno nascatur! Er wurde im Senat ausgesprochen1615, womit nur die Versammlung der amtierenden und ehemaligen Würdenträger im Palast in Konstantinopel gemeint sein kann. In einem Schreiben vom 1.8.518, in dem der oströmische Kaiser Iustinus I. Papst Hormisdas seine Erhebung mitteilt, spricht er von seiner Wahl durch die amplissimi proceres sacri nostri palatii und den sanctis­ simus senatus1616, womit er mit den amplissimi proceres die Amtsträger meint und den Begriff senatus im Sinne des griechischen suvgklhto~ verwendet. Es bleibt offen, um wie viele Senatoren es sich handelte. Auch bei Texten literarischen, aber nicht historiographischen Charakters kann zwischen Senat und Amtsinhabern unterschieden werden bzw. beide Gruppen werden unter dem Begriff senatus zusammengefaßt. So wird bei Coripp. laud. 1, 16: quaestor (sc. Anastasius), sancti pars magna senatus ein Würdenträger im Amt als Teil des Senates bezeichnet, und Coripp. laud. Iust. 2, 281 stellt senatus und Amtsinhaber gegenüber1617. Der Kontext macht deutlich, daß es sich hier um eine zahlenmäßig beschränkte Gruppe handelt. Bei der Verwendung von suvgklhto~ oder sugklhtikoiv nach der Mitte des 5. Jahrhunderts, um eine Gruppe ehemaliger hoher Amtsträger zu bezeichnen oder eine Gruppe, die sich aus amtierenden und nicht im Amt befindlichen Würdenträgern zusammensetzt, läßt sich aufgrund der Akten des Konzils von Chalkedon vermuten, daß überwiegend, aber nicht unbedingt ausschließlich, Teilnehmer dabei waren, die den Rang eines illustris hatten. Schwierig zu bestimmen sind der Umfang dieser Gruppen und ihre Mitglieder im einzelnen, wenn keine namentliche Auflistung erfolgt. In der Regel wird in den Texten nicht unterschieden, ob mit suvg­ klhto~ oder oiJ sugklhtikoiv alle Senatoren oder nur eine Gruppe von ihnen bezeichnet werden1618. So spricht etwa Theophanes beim Konzil von Chalkedon 451 … und ACO 2, 3, 1 S. 17, 19/20, Epist. ante Gesta Coll. 27: Ad hoc maximum imperium veni dei providentia et electione senatus excellentissimi cunctaeque militiae, … = PL 54, 1019D– 1020B, col. 900. Deutlich zu unterscheiden davon ist Novell. Maior. 1, denn hier handelt es sich um einen Beschluß des Senates als Körperschaft in Rom. Dieser Text muß auf eine andere Weise verstanden werden. 1614 C. P. 1, 92 S. 424, 6/7: ejkloghv. Nur ist der Begriff bei C. P. enger gefaßt. Die ejkloghv ist auf die Entscheidung der Führungsgruppe beschränkt, während der Begriff in Leos Brief auch noch für die Zustimmung der Soldaten verwendet wird. Hierfür gebraucht C. P. 1, 92 S. 424, 6/7 sunaivnesi~. 1615 Acta synhodorum habitarum Romae a. DI, 5 = MGH AA XII, 425. Zu Text und Kontext vgl. n. 450. 1616 Coll. Avell. 141. 1617 Coripp. Iust. 2, 281 spricht 565 beim Einzug Iustinus’ II. ins Hippodrom von summi proceres fulgensque senatus und unterscheidet zwischen Amtsträgern und Senatoren wie Constantinus Porphyrogenitus. Vgl. auch Coripp. Iust. 4, 233–236: incessit laetus praeclara in veste sena­ tus,| pars trabeis, pars compta togis ut cuique probatus| ordo locum cultumque dabat divina sequuntur| officia, … 1618 Als Bezeichnung für eine Gruppe bieten die Akten des Konzils von Chalkedon 451 einen ganz eindeutigen Beleg.

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VI. Anhang, A. Exkurse

davon, daß der Senat in der Kirche der hl. Euphemia zusammengekommen sei1619, womit er Senatoren und Amtsträger meint. Lediglich die genaue Auflistung in den Konzilsakten läßt erkennen, daß die Zahl der Mitglieder beider Gruppen begrenzt war. Nur selten läßt ein solcher Text deutlich erkennen, daß lediglich eine Gruppe von Würdenträgern mit suvgklhto~ gemeint ist1620. Wenn nicht notwendigerweise der Senat als Körperschaft gemeint ist, wird es eher sehr selten ausdrücklich gesagt oder ist es vom Kontext klar erkennbar, wenn der Senat in seiner Gesamtheit gemeint ist1621. Auch in Konzilsakten wird zuweilen der gesamte Senat erwähnt. Dabei scheinen die Amtsinhaber eingeschlossen1622. Der Umfang der Gruppen, die als suvgklhto~ bezeichnet werden, und deren Zusammensetzung müssen also von Fall zu Fall erschlossen werden. Der Begriff selbst sagt nichts darüber aus. Der spätere Sprachgebrauch mit ganz verschiedenen Inhalten von hJ suvgklhto~ und oiJ sugklhtikoiv wird von einzelnen Autoren auf die Verhältnisse des 4. oder 5. Jahrhunderts übertragen. So verwendet Johannes Malalas suvgklhto~ zur Bezeichnung des kaiserlichen Rates im informellen Sinn und etwa auch für die Gruppe, die nach Iovians Tod Valentinian als Kandidaten bestimmte1623. Diese wird auch im Chronicon Paschale so bezeichnet1624. Ebenso spricht Malalas bei der Erhebung Theodosius I. in Sirmium von der Rolle des Senates1625 oder läßt den Usurpator 1619 Vgl. Theophan. A. M. 5944 = 1, 105, 24: pavntwn de; tw`n eJpiskovpwn sunelqovntwn ejn tw/` marturivw/ th`~ aJgiva~ Eujfhmiva~ kai; th`~ sugklhvtou. 1620 Zu genaueren Angaben vgl. etwa Theophan. A. M. 5967 = 1, 120, 28: kaiv tinwn th`~ sug­ klhvtou (Usurpation von Basiliscus, die nicht von allen unterstützt wird); vgl. dazu auch Zon. 14, 2, 4; Theophan. A. M. 6006 = 1, 160, 18: tina;~ th`~ sugklhvtou (Gesandtschaft von Anastasius an Vitalianus). 1621 Vgl. C. P. 1, 91 S. 414, 15–18 (Kontext); 1, 92 S. 422, 18; 1, 97 S. 440, 13: th`~ aJpavsh~ sug­ klhvtou. Es handelt sich um einen Teil der Überschrift eines Kapitels aus dem 10. Jhd. (Sode 2004, 30/31). 1622 ACO 3 S. 103, 14/15 (519 Apameia): pavsh~ th`~ sugklhvtou polla; ta; e[th; ACO 3 S. 86, 23 (518 Tyros): o{lh~ th`~ sugklhvtou polla; ta; e[th. Die Möglichkeit, daß nur die anwesenden Senatoren gemeint sind, ist weitgehend auszuschließen. Die Akklamation gilt der Institution. Auch der Kaiser muß nicht anwesend sein, wenn ihm akklamiert wird. Zur Betonung der Teilnahme des gesamten Senates in einer lateinischen Quelle vgl. Coripp. Iust. 2, 177: cuncto praesente senatu. Die Bezeichnung senatus umfaßt hier die Amtsinhaber beim comitatus und den Senat, wie aus dem Kontext zu schließen ist, in dem von Würdenträgern und Senatoren gesprochen wird. 1623 Vgl. Ioh. Mal. 13, 23 S. 332, 16: boulomevnou (Iulian) meta; th`~ ijdiva~ sugklhvtou kai; tou` stratou` aujtou`. Iulian beabsichtigte einen Angriff auf Babylon; Ioh. Mal. 13, 28 S. 337, 14: uJpo; th`~ sugklhvtou prohvcqh (sc. Valentinianus) kai; ejstevfqh basileu;~ uJpo; Saloustivou. Auch für den Anfang des 5. Jhd. verwendet Johannes Malalas sugklhtikov~ für Mitglieder des comitatus. So bezeichnet er den Usurpator Iohannes und die, die ihn unterstützten, als solche (Ioh. Mal. 13, 49 S. 350). 1624 Chron. Pasch. 1, 555 ed. Dindorf. 1625 Ioh. Mal. 13, 37 S. 344. Dagron 1974, 195/196 hat schon auf diesen anachronistischen Gebrauch des Begriffes suvgklhto~ bei Johannes Malalas unter Hinweis auf C. H. Coster, The Judicium Quinquevirale, Cambridge/Mass. 1935, 127 aufmerksam gemacht, ohne immer die entsprechenden Folgerungen zu ziehen. Zu Iohannes’ Erhebung vgl. Ioh. Mal. 13, 50 S. 350.

1. hJ suvgklhto~

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Iohannes 423 von sugklhtikoiv gewählt werden. Das Chronicon Paschale1626 spricht von der Bestimmung Marcians durch Theodosius II. als Nachfolger im Beisein von Aspar und allen übrigen sugklhtikoiv, womit nur die wichtigen Mitglieder des comitatus gemeint sein können. Deren consensus soll sichtbar werden. Dagegen verwenden die Autoren, die Nachrichten aus dem 4. Jhd. direkt übernehmen, andere Ausdrücke. Sie sprechen vereinfachend vom Heer oder korrekter vom Heer und dem comitatus1627. In den lateinischen Texten, die sich auf den Westen des Reiches beziehen, bezeichnet senatus immer den Senat als Körperschaft in Rom, wenn nicht ausdrücklich eine Versammlung anderer Würdenträger gemeint ist. Dies gilt auch für Texte, die im Osten des Reiches verfaßt sind1628. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß nach der Mitte des 5. Jhd. im Senat nur noch die kleine Gruppe der illustres sitzt1629, die zur Zeit Odoakers (476–493) nicht mehr als 60–80 betrug, von denen keineswegs alle immer in Rom anwesend waren. Eine Gruppe von Senatoren kann aber offensichtlich nicht als senatus bezeichnet werden. In lateinischen Texten, die aus dem Griechischen übersetzt sind oder im griechischen Sprachraum verfaßt sind und sich auf Verhältnisse im Ostteil des Reiches beziehen, werden die Begriffe wie im Griechischen verwendet. Zusammenfassung Sieht man von der Verwendung von hJ suvgklhto~ zur Bezeichnung des Senates als Körperschaft ab, kann der Begriff Gruppen von Senatoren oder gemischte Gruppen bezeichnen, zu denen auch Amtsträger aus der Verwaltung, dem Hof oder dem Militär gehören. Diese können in demselben Text zuweilen auch mit anderen Wendungen bezeichnet und den Senatoren, die gerade kein Amt bekleiden, gegenübergestellt werden. Die Größe der Gruppen, die mit hJ suvgklhto~ bezeichnet werden, muß wie ihre Zusammensetzung von Fall zu Fall auf Grund anderer Indizien erschlossen werden. Das Wort sugklhtikoiv kann Senatoren, Amtsträger oder beide zusammen bezeichnen. Der lateinische Begriff senatus wird in Übersetzungen aus dem Griechischen und in Texten, die sich auf den Reichsosten beziehen, wie im Griechischen verwendet. In lateinischen Texten, die sich auf den Reichswesten beziehen, scheint er nur den Senat als Körperschaft zu bezeichnen. Eine Gruppe von Senatoren kann offensichtlich nicht senatus genannt werden. Ebenso können mit senatores keine Amtsträger bezeichnet werden, wenn sie nicht ausschließlich unter dem Aspekt der Zugehörigkeit zum Senat oder dem Senatorenstand betrachtet werden.

1626 Chron. Pasch. 1, 590, 2–4 ed. Dindorf. 1627 Cedren. 1, 540, 23; Soc. 4, 1; Soz. 6, 6, 2 u. 7; Zon. 13, 14, 14 sqq.; Zos. 3, 36. 1628 Iust. nov. app. 7, 1 (senatu poscente); 7, 19; 7, 27. 1629 Vgl. den Exkurs „illustris“, S. 395/396.

388

VI. Anhang, A. Exkurse

2. Usurpationsversuche1630 Usurpationsversuch des PVR Clodius Celsinus signo Adelphius vom Herbst 351 in Rom. Quelle: Amm. 16, 6, 2. Literatur: PLRE 1, 192/193 s. v. Clodius Celsinus signo Adelphius 6; Chastagnol 1960, 99, 420; Chastagnol 1962, 134. Magnentius’ Niederlage bei Mursa am 28. Sept. 351 veranlaßte den PVR Clodius Celsinus signo Adelphius, einen Umsturzversuch in Rom zu planen (altiora coep­ tantem, sc. der PVR), der von Dorus, dem centurio rerum nitentium, zur Anzeige gebracht wurde (zu Dorus vgl. n. 1257; 1258). Clodius Celsinus verlor darauf sein Amt. Man muß aufgrund von Ammians Wortgebrauch annehmen, daß die Erhebung eines Augustus als Konkurrent zu Magnentius geplant war (den Boeft 1995, 200 zu Parallelen, ohne diese Stelle), also eine parallele Situation zu Nepotianus’ Usurpation. Ob das in Absprache mit Constantius II. geschah, ist nicht festzustellen. Die Datierung ergibt sich aus Celsinus’ Amtszeit und Zosimus’ Bemerkung, daß die Römer nach der Schlacht bei Mursa gegen Magnentius waren (Zos. 2, 53, 2). Diese schon von Beginn der Herrschaft des Usurpators an verbreitete Haltung erfuhr durch die Niederlage bei Mursa eine Verstärkung. Sturz des Caesars Gallus 354. Quelle: Amm. 14, 11, 19–23. Literatur: PLRE 1, 224/225 s. v. Fl. Claudius Constantius Gallus; Matthews 1989, 34/35; Szidat 1996, 158. Gallus’ Vorgehen ist nach Ammian kein eigentlicher Usurpationsversuch, nach Soc. 2, 34, 1 schon. Constantius II. faßte es als Vorbereitung zu einer Usurpation auf und ließ ihn deshalb beseitigen. Sogenannter Usurpationsversuch von 355. Quellen: Amm. 15, 3, 7–11; 16, 8, 3; Iul. ep. Athen. 273d. Literatur: PLRE 1, 26 s. v. Africanus 2; PLRE 1, 560 s. v. Marinus 2; Aujoulat 1983, 83, 94; Wieber-Scariot 1998, 125/126 (dort irrtümlicherweise als Usurpation gezählt). Auch nach Aujoulat waren Africanus (consularis Pannoniae secundae) und Marinus (tribunus vacans) Usurpatoren, obwohl sogar unsicher bleiben muß, ob sie überhaupt jemals eine Usurpation planten und einen Versuch dazu unternahmen. Africanus und Marinus machten lediglich während eines Essens in Sirmium hochverräterische Bemerkungen. Africanus wurde dafür hingerichtet, während Marinus Selbstmord beging.

1630 Bei den Quellen sind nur die wichtigsten aufgeführt. Auch die angegebene Literatur bietet nur erste Hinweise. Vgl. den Abschnitt IV.A.5 Usurpationsversuche und Mordanschläge, S. 219– 221.

2. Usurpationsversuche

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Über einen gewissen Felix, der offensichtlich auch an diesem Bankett teilnahm, dessen Stellung aber unbekannt ist, hat man keine weiteren Informationen. Sogenannter Usurpationsversuch des Heermeisters Barbatio 359. Quelle: Amm. 18, 3, 1–5. Literatur: PLRE 1, 146/147 s. v. Barbatio. Es handelt sich nicht um einen Usurpationsversuch, sondern um hochverräterische Überlegungen. Iustus, Provinzstatthalter (consularis) von Picenum, irgendwann zwischen 352– 361. Quellen: Soc. 4, 31, 11–13; Ioh. Ant. fr. 187. Literatur: PLRE 1, 490 s. v. Iustus 1; vgl. auch PLRE 1, 488/489 s. v. Iustina; Chausson 2007, 160–163 u. passim zu Iustina, zur Hochzeit mit Magnentius vgl. 98/99. Nach der PLRE wurde er zwischen 353 und 361 von Constantius II. getötet. Iustus unternahm keinen eigentlichen Usurpationsversuch. Er wurde nach Soc. 4, 31, 11– 13 deshalb getötet, weil er einen Traum bekannt machte, daß seine Tochter Iustina, die spätere zweite Frau Valentinians I., einen Kaiser zur Welt bringen werde. Barnes 1993, 270 n. 1 vertritt dagegen eindeutig die Auffassung, daß er 352 oder 353 getötet wurde, weil er in die Heirat seiner Tochter mit dem Usurpator Magnentius eingewilligt hatte. Sohn des Heermeisters Marcellus, Nov./Dez. 361 hingerichtet. Quellen: Amm. 22, 11, 2; Eun. fr. 17 = fr. 25, 5 Blockley. Literatur: PLRE 1, 551 s. v. Marcellus 3; den Boeft 1995, 199/200. Er strebte zwischen dem 3.11.361 und dem 11.12.361 nach der Herrschaft und wurde wahrscheinlich nach Iulians Ankunft in Konstantinopel hingerichtet. Er war möglicherweise tribunus scholae armaturarum (Woods 1997, 288). Romanus und Vincentius, tribuni scolae Scutariorum primae et secundae, 361/362. Quelle: Amm. 22, 11, 2. Literatur: PLRE 1, 768 s. v. Romanus 2; 1, 966 s. v. Vincentius 3; den Boeft 1995, 200. Romanus und Vincentius, tribuni scolae Scutariorum primae et secundae, wurden zu Beginn der Regierung Iulians verbannt, unter dem Vorwurf agitasse … quaedam suis viribus altiora. Die Formulierung läßt auf Vorbereitungen zu einer Usurpation schließen. Iuventinus und Maximinus, Ende 362/Anfang 363 in Antiochia hingerichtet. Quellen: Ioh. Chrys. hom. in Iuventinum et Maximinum = PG 50, 571–578, Ioh. Mal. 13, 19 S. 327, 15 sqq. Literatur: PLRE 1, 491 s. v. Iuventinus; 1, 576 s. v. Maximinus 5; Bliembach 1976, 124/125; den Boeft 1995, 200/201; Woods 1997, 283/284.

390

VI. Anhang, A. Exkurse

Sie waren Angehörige der schola gentilium (vgl. Ioh. Mal. 13, 19 S. 327, 15 sqq.) und sollen am 29.1.363 in Antiochia hingerichtet worden sein. Sie scheinen an einer umfangreicheren Verschwörung gegen Iulian beteiligt gewesen zu sein. Iovianus, primicerius notariorum, Sommer 363 (nach der Erhebung Iovians am 27. Juni 363). Quellen: Amm. 25, 8, 18; 26, 6, 3. Literatur: PLRE 1, 460/461 s. v. Iovianus 1; den Boeft 2005, 276/277. Iovianus, der primicerius notariorum, wurde bei den Beratungen um die Nachfolge Iulians als Kandidat genannt. Er wurde sehr bald eines Usurpationsversuches verdächtigt, weil er Militärpersonen eingeladen hatte, und beseitigt. Überlegungen zur Nachfolge Valentinians I. Anfang 367. Quelle: Amm. 27, 6, 1–3. Literatur: Marié 1984, 251/252. Die Überlegungen der Gallier in der Umgebung Valentinians I. während dessen schwerer Krankheit 367 über einen möglichen Nachfolger zielten klar darauf ab, Valens’ Anspruch, für den Fall des Todes seines Bruders einen Kandidaten vorzuschlagen, zu vernachlässigen. Valentinus (Valentianus?), Aufrührer in Britannien 368. Quellen: Amm. 28, 3, 4–6; vgl. Amm. 30, 7, 10. Weitere Erwähnungen bei Zos. 4, 12, 2; Hier. chron. s. a. Abr. 2387, der die Ereignisse auf 371 datiert, und Iordan. Rom. 308, der Hieronymus ausschreibt. Literatur: PLRE 1, 935 s. v. Valentinus 5; Paschoud 1979, 354/355; Stein 1959, 182, 513 n. 134; E. A. Thompson, Ammianus Marcellinus and Britain, Nottingham Medieval Studies 34, 1990, 1–15, dort 12/13. Valentinus unternahm 368 in Britannien einen Usurpationsversuch, der vom Heermeister Theodosius niedergeschlagen wurde. Es kam zu keiner eigentlichen Erhebung. Man kann annehmen, daß Valentinus als Bruder der Frau des späteren PPO Maximinus, der 368 praefectus annonae war und von Valentinian I. gefördert wurde, schon zur führenden Schicht gehörte, auch wenn seine soziale Stellung nicht genau bestimmbar ist. Usurpationsversuch des secundicerius notariorum Theodorus 371/372 in Antiochia. Quellen: Amm. 29, 1, 8/9.12.14.25.33–35; 31, 1, 3; Ioh. Chrys. in act. apost. hom. 41, 3 = PG 60, 291; Lib. or. 24, 13/14. Literatur: PLRE 1, 898 s. v. Theodorus 13; Lenski 2002, 224–227, 229/230; Wiebe 1995, 86–130, besonders 116 sqq., zu den Mitgliedern des Verschwörerkreises vgl. 106–119, zu denen der Begleit- und Folgeprozesse in Antiochia 131–134. In der antiken Überlieferung wird Theodorus’ Usurpationsversuch bisweilen mit Procops Usurpation auf eine Stufe gestellt und als Aufstand (ejpanavstasi~) bezeichnet (vgl. Lib. or. 24, 13 und dazu Libanios, Kaiserreden. Eingeleitet, übersetzt

2. Usurpationsversuche

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und kommentiert von G. Fatouros, T. Krischer, W. Portmann, Stuttgart 2002, 275/276). Theodorus’ Gefolgsleute waren Personen mit zivilen Karrieren aus der zentralen Verwaltung, wobei die notarii eine wichtige Rolle spielten (Lenski 2002, 229). Militärische Kommandanten befanden sich nicht darunter (Wiebe 1995, 106–119, 131–134, 166). Der tribunus Numerius (PLRE 1, 634 s. v. Numerius 2; Sabbah / Angliviel de la Beaumelle 1999, 181 n. 84) kann nämlich entgegen der Auffassung von Lenski durchaus als tribunus et notarius betrachtet werden. Usurpationsversuche unter Theodosius II. (402) 408–450. Quellen: Ioh. Ant. fr. 199, 1 = Exc. de ins. 84 = Prisc. fr. 16 Blockley; vgl. Blockley 1981, 65, 67; Prisc. fr. 15, 4 Blockley = Exc. de leg. Rom. 5. Literatur: von Haehling 1980, 87/88; Holum 1982, 206/207; Jankowiak 2002, 90/91. Theodosius II. soll in ständiger Furcht vor Usurpatoren gelebt haben, und es werden uns auch zwei Namen von Personen überliefert, die als mögliche Usurpatoren galten und deshalb verbannt wurden, nämlich Daniel und Baudo. Sie sind sonst unbekannt, und auch über ihren Rang und ihre Funktion wissen wir nichts. Zudem fürchtete er den General Zenon (PLRE 2, 1199/1200 s. v. Zenon 7). Möglicher Usurpationsversuch eines Heermeisters Lucius 415 im Reichsosten. Quelle: Dam. fr. 303. Literatur: PLRE 2, 692 s. v. Lucius 2; Demandt 1970, 747; vgl. von Haehling 1980, 85/86. Sogenannte aufrührerische Bestrebungen des alexandrinischen Bischofs Dioscorus, 450. Quellen: ACO 2, 1, 2 S. 24[220], 5–17 (griech.); ACO 2, 3, 2 S. 39[298], 26– S. 40[299], 6 (lat). Literatur: Demandt 2007, 218/219; Stein 1959, 307–313. Dioscorus, der 444 Nachfolger von Cyrillus in Alexandria geworden war, wurde auf der dritten Sitzung des Konzils von Chalkedon am 13.10.451 im Schreiben eines Sophronius beschuldigt, die Vertreibung der Kaiserbilder aus Alexandria vorbereitet zu haben und dazu Geld durch Würdenträger der Kirche verteilt haben zu lassen. Er habe es nur schwer ertragen, daß ein solcher Herrscher bekannt gemacht werden sollte. Er wurde damit des Majestätsverbrechens und des Aufruhrs bezichtigt. Es muß sich dabei um die Bilder Marcians gehandelt haben1631, der eine Wende in der Kirchenpolitik herbeiführte. Coniuratio Marcellana, Ende 456/Anfang 457 in Gallien. Quelle: Sidon. ep. 1, 11, 6. Literatur: Henning 1999, 288–293, besonders 289/290; Köhler (C. Sollius Apollinaris Sidonius Briefe Buch I: Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar von Helga 1631 Kruse 1934, 37.

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VI. Anhang, A. Exkurse

Köhler, Heidelberg 1995, 308/309) zu Sidon. ep. 1, 11, 6 und zum Begriff der con­ iuratio Marcellana; Mathisen 1979, 598–603 zur Bezeichnung als Marcellana, nicht Marcelliana; Mathisen 1985, 333 zur Verknüpfung der coniuratio Marcellana mit Avitus; Stevens 1933, 36–57. Nach Henning, der Mathisen folgt, handelt es sich um zwei Bewegungen. Eine mit dem Zentrum um Narbonne strebte nach der Erhebung eines Nachfolgers für Avitus, während die andere, die ihr Zentrum in Lyon hatte, lediglich die neuen Machthaber in Italien ablehnte. Es kam zu keiner Erhebung eines Kaisers. Rebellion des Heermeisters Anagastes 469 in Thrakien. Quelle: Ioh. Ant. fr. 206, 2. Literatur: PLRE 2, 75 s. v. Anagastes; Demandt 1970, 768; von Haehling 1980, 89. Anagastes machte eine Rebellion, weil er nicht für 470 zum Konsul designiert worden war. Ein eigentlicher Usurpationsversuch liegt nicht vor, sondern es handelte sich um Ungehorsam. Severianus, Provinzstatthalter im östlichen Reichsteil, 469 Beteiligung an einer Rebellion. Quelle: Dam. fr. 303. Literatur: PLRE 2, 998/999 s. v. Severianus 2; von Haehling 1980, 88. Severianus beteiligte sich in irgendeiner Weise an der Rebellion des Heermeisters Anagastes. Usurpationsversuch des ehemaligen mag. off. Romanus 470 im Reichswesten, wohl in Ravenna. Quellen: Cass. Chron. s. a. 470 = Chron. min. 2, 158: affectans imperium; Paul. Diac. hist. 15, 2. Literatur: PLRE 2, 974 s. v. Romanus 4; Clauss 1981, 187; Henning 1999, 94, 164, 256; Seeck 6, 371. Romanus strebte eine Entmachtung des Kaisers Anthemius an. Er rechnete mit dem militärischen Beistand Rikimers oder war sogar dessen Marionette, wie unsere Quellen und die moderne Forschung, so etwa Seeck, glauben. Er wurde aber nach dem Scheitern des Usurpationsversuches nicht von Rikimer geschützt, sondern Anthemius ließ ihn zusammen mit anderen hinrichten. Usurpationsversuch des mag. off. Patricius 474/475 in Konstantinopel. Quellen: Cand. fr. 1; Ioh. Ant. fr. 210 = Exc. de ins. 94. Literatur: PLRE 2, 838/839 s. v. Patricius 8; Clauss 1981, 178/179; 1984, 1248– 1250; Lippold 1972, 159–161. Nachdem Leo II. im November 474 gestorben war, kam es zu einer Verschwörung gegen Zenon, als deren treibende Kraft Candidus die Augusta Verina, die Witwe Leos I., nennt. Mit ihr arbeiteten ihr Bruder Basiliscus und Illus zusammen. Beide nahmen über Verinas Vetter Armatus Kontakt mit der Augusta auf, die beabsichtigte, den früheren mag. off. Patricius zu heiraten und ihn zum Kaiser erheben zu

3. Maiorians Erhebung am 1. April 457

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lassen. Auch Urbicius, der PSC Zenons, sowie weitere Mitglieder der Führungsgruppe unterstützten die Verschwörung. Am 9.1.475 floh Zenon mit Ariadne aus der Hauptstadt, gewarnt von Verina und zugleich von ihr getäuscht. Verinas Konzept scheiterte, als sich Basiliscus zum Kaiser erheben ließ und nicht Patricius erhoben wurde, der wenig später hingerichtet wurde. Damit verlor Basiliscus Verinas Unterstützung. Sie floh in ein Kloster. Usurpationsversuch des Heermeisters Flavius Marcianus 479 in Konstantinopel. Quelle: Ioh. Ant. fr. 211, 3/4 = Exc. de ins. 95 S. 134, 9–37. Literatur: PLRE 2, 717/718 s. v. Fl. Marcianus 17; Lippold 1972, 160; Stein 1949, 15/16. Marcianus, der Sohn des Kaisers Anthemius und der Tochter des Kaisers Marcian, Aelia Marcia Euphemia 6, unternahm unterstützt von seinen Brüdern Procopius Anthemius und Romulus einen Usurpationsversuch, der aber scheiterte. Es kam zu keiner eigentlichen Erhebung. 480 Verschwörung des ehemaligen PPO Epinicus, des PPO Dionysius und eines Offiziers namens Thraustila in Konstantinopel. Quelle: Ioh. Ant. fr. 211, 4 = Exc. de ins. 95 S. 135, 10–13. Literatur: PLRE 2, 365 s. v. Dionysius 10; PLRE 2, 397 s. v. Epinicus; PLRE 2, 1118 s. v. Thraustila 2; Lippold 1972, 178. Die Verschwörung wurde niedergeschlagen. Es kam zu keiner Erhebung. Aufstand des Heermeisters Longinus, des Bruders des Kaisers Zenon, 492. Quellen: Theophan. A. M. 5984 = 1, 137, 1–5; Zon. 14, 3, 20. Literatur: PLRE 2, 689/690 s. v. Longinus 6; Feld 2005, 332/333; Stein 1949, 82/83. Longinus machte 492 einen Aufstand gegen Anastasius, wurde nach Aegypten verbannt und zum Priester geweiht. Er starb sieben Jahre später. 3. Maiorians Erhebung am 1. April 457 Die sogenannte Erhebung Maiorians am 1.4.457 zum Kaiser (imperator), die nur in den Fasti Vindobonenses Priores belegt ist1632, ist Gegenstand einer umfangreichen 1632 Fast. Vind. Prior. s. a. 457 = Chron. min. 1, 305: et levatus est imp. d. n. Maiorianus kald. April. in milliario VI in campo ad columellas. Ad columellas wird mit einem Feld bei Ravenna identifiziert (vgl. H. Meyer, Der Regierungsantritt Kaiser Majorians, ByzZ 62, 1969, 5–12, dort 8 mit der älteren Literatur). Während die Verbindung der Vorgänge mit Ravenna nicht zu sichern ist, legen die Angabe der Entfernung des Ortes, der Gebrauch von campus und der Name „Bei den Säulen“ nahe, daß es sich um einen Paradeplatz in der Nähe einer Residenz handelt, auf dem offizielle Akte wie Erhebungen oder feierliche Begrüßungen vorgenommen wurden. Solche Angaben sind häufig zu beobachtende Elemente in den Quellen, um einen Platz für wichtige Zeremonien wie Erhebungen zu lokalisieren. Man vgl. etwa Lact. mort. pers. 19, 2; ebenso die Ersetzung der Ortsbezeichnung Hebdomon durch die Angabe der Ent-

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VI. Anhang, A. Exkurse

Diskussion in der Forschung. Scharf 1996, 185/186 hat die Nachricht in den Fasti als unzuverlässig zurückgewiesen, und zwar im wesentlichen mit dem Hinweis auf weitere Fehler in den Fasti Vindobonenses und auf die Angabe bei Prosper Tiro1633, daß Maiorian 3 Jahre und 7 Monate regiert habe, was gut zur Erhebung am 28.12.457 paßt. Henning 1999, 39/40 (mit der älteren Literatur) deutet sie als Erhebung zum Caesar. Er beruft sich auf drei Stellen, an denen Maiorian als Caesar bezeichnet wird1634. Diese Stellen nehmen aber nicht ausdrücklich auf die Erhebung vom 1.4.457 Bezug, und zudem darf die Bezeichnung Caesar an diesen Stellen nicht als Terminus technicus verstanden werden. Sie bezeichnet keinen Unterkaiser. Kent 1994, 1841635 nimmt eine Proklamation und die Prägung einiger Münzen, die aber sehr schlecht belegt sind, an, sagt aber dann, daß Maiorian die Herrschaft bis Ende Dezember nicht übernommen habe, ohne zu erklären, wie er sich das vorstellt. Er äußert zudem die Vermutung1636, daß Maiorians Erhebung durch die Truppen eine Reaktion auf Marcians Tod am 27.1.457 war. Die Angabe der Fasti Vindobonenses Priores muß aber nicht falsch sein oder sich auf eine Caesarerhebung beziehen, sondern sie kann auf eine Ausrufung zum imperator Bezug nehmen, der aber keine Erhebung zum Kaiser folgte. Weil sie bald nach dem Sieg im März über die Alemannen bei Bellinzona erfolgte, der auf Maiorians Veranlassung hin durch dessen Unterführer Burco1637 errungen wurde, handelte es sich dabei offensichtlich um eine Ausrufung Maiorians zum imperator durch die Truppen in der Folge des Sieges, wie sie etwa auch Iulian nach der Schlacht bei Straßburg erfuhr1638. Maiorians Ausrufung geschah dann allerdings erst nach der Rückkehr der Truppen, ohne daß sich der Ort bestimmen läßt. Diese Interpretation widerspricht nicht den Quellen. Diese machen sprachlich keinen Unterschied zwischen einer Ausrufung zum imperator und einer eigentlichen Erhebung, wenn sie verkürzend berichten. Zudem spricht Sidon. carm. 5, fernung (vgl. n. 259) oder die Kennzeichnung des Paradeplatzes ad duas lauros bei Rom (vgl. n. 267). 1633 Prosp. Tiro Continuatio s. a. 462 = Chron. min. 1, 491, daß Maiorian 3 Jahre und 7 Monate regiert habe, was gut zur Erhebung am 28.12.457 paßt. Vgl. auch Chron. Gall. 511, 630 = Chron. min. 1, 664 (3 Jahre und 6 Monate) und Paul. Diac. hist. Rom. 15, 1: prope quattuor annis. 1634 Marcell. com. 457 = Chron. min. 2, 87; Iordan. Rom. 335; Laterculus imperatorum ad Iustinum I = Chron. min. 3, 423. 1635 Vgl. schon Kent 1993, 268. 1636 Kent 1993, 268. 1637 Sidon. carm. 5, 378–380: ad campos Caninos. Vgl. R. Rollinger, Zum Alamannenfeldzug Constantius’ II. an Bodensee und Rhein im Jahre 355 n. Chr. und zu Iulians erstem Aufenthalt in Italien. Überlegungen zu Ammianus Marcellinus 15, 4, Klio 80, 1998, 163–194, dort 170/171. Zu Burco vgl. PLRE 2, 242–243 s. v. Burco. 1638 Amm. 16, 12, 64: Augustus (sc. Iulian) … appellatus. Vgl. auch Hyd. Lem. 163 = 156 Burgess = Chron. min. 2, 27: Ipso anno in Galliis Avitus Gallus civis ab exercitu Gallicano et ab ho­ noratis primum Tolosa, dehinc apud Arelatum Augustus appellatus Romam pergit et suscipi­ tur, wo es sich einmal um die Aufforderung handelt, das Amt zu übernehmen (Tolosa), und dann um die Übertragung des Amtes (Beaucaire). Vgl. S. 87.

4. illustris

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9–12 von einer Ablehnung des Kaisertitels durch Maiorian, ohne das Ereignis einzuordnen. Der Begriff levatus, der in den Fasti Vindobonenses vorkommt, wird in gleicher Bedeutung wie appellatus verwendet. Levatus kann daher die bloße Ausrufung zum Augustus, d. h. die Aufforderung, Kaiser zu werden, oder die Einsetzung eines solchen in die Herrschaft bezeichnen1639. Schon Steins Deutung1640 geht in die Richtung einer Ausrufung zum imperator, ohne sich dann zum Kaiser erheben zu lassen. Wegen der Überlieferung, daß die Soldaten Maiorian im Einverständnis mit Leo als Augustus gefordert hätten, sieht er in der Erhebung vom 1.4.457 eine Machenschaft Leos I., der damit wieder einen Kaiser im Westen wollte, der nicht als legitim gelten konnte. Maiorian habe aber die Erhebung abgelehnt, weil Leo nicht offen zu seinen Absichten gestanden habe. Die Konstruktion Steins ist unnötig, weil Maiorian auch sonst gute Gründe hatte, sich vorerst nicht zum Kaiser erheben zu lassen. Nachdem er erst einige Wochen davor vom oströmischen Kaiser zum mag. mil. befördert worden war, hätte er sich damit gegen diesen gestellt und seine sichere Stellung gefährdet. Eine Erhebung zum Kaiser oder Caesar am 1.4.457 ist daher nicht notwendigerweise anzunehmen. Es handelte sich um eine Ausrufung zum imperator durch die Truppen, der keine Investitur zum Caesar oder Augustus folgte. 4. illustris In der führenden Gruppe finden sich im Westen wie im Osten nach der Mitte des 5. Jhd. unter den ehemaligen Amtsträgern vor allem die, die den Rang eines illustris hatten. Sie allein hatten noch Sitz und Stimme im Senat und waren am ehesten in Rom und Konstantinopel präsent. Die Zahl der Ämter, die diesen Rang zur Folge hatten, betrug um 450 etwa 20–25. Sie hatte sich damit seit 400, wo es etwa 13 waren, fast verdoppelt1641. Die Entwicklung, die dazu führt, daß nur noch die illustres, auch die, die nur ehrenhalber diesen Titel trugen1642, im Senat ihre Meinung äußern können, beginnt 1639 Zu den Belegen zu levare vgl. etwa Claud. 8, 174 (De IV cons. Hon.); Cons. Const. s. a. 275 = Chron. min. 1, 229; s. a. 379 = Chron. min. 1, 243; s. a. 392, 1 = Chron. min. 1, 245: et leva­ vit se Eugenius tyrannus; Fast. Vind. Prior s. a. 383 = Chron. min. 1, 297; Prosp. Tiro s. a. 455 = Chron. min. 1, 490. Zu weiteren Belegen zu levare und dessen stilistischer Bewertung vgl. Carmen Cardelle de Hartmann, Philologische Studien zur Chronik des Hydatius von Chaves, Stuttgart 1994, 28/29. Ein Beleg für den Gebrauch von levare zur Bezeichnung der bloßen Ausrufung zum imperator, ohne daß eine Erhebung folgt, ist nicht vorhanden. Dies ist als Zufall der Überlieferung zu betrachten, der auch dadurch bedingt ist, daß eine solche Verwendung normalerweise auf detailliertere Beschreibungen beschränkt ist und auf Texte mit höherem stilistischem Niveau. 1640 Stein 1959, 374/375. 1641 Vgl. zu den Zahlen Sundwall 1915, 152; zu den verschiedenen Ämtern Delmaire 1984, 145 sqq., 147/148, 154; Delmaire 1995, 14/15. 1642 Zu den Belegen vgl. Digest. 1, 9, 12, 1; Cod. Iust. 12, 16, 4 (432); 12, 1, 15 (vor 443); 12, 2, 1 (450) und dazu Chastagnol 1992, 353–372, besonders 355/356; Dagron 1974, 164–166;

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VI. Anhang, A. Exkurse

in Rom und Konstantinopel vor der Mitte des 5. Jhd. Die schweigende Teilnahme der anderen, der spectabiles und clarissimi, an den Sitzungen war möglich1643. Der genaue Zeitpunkt, seit wann nur noch illustres an den Senatssitzungen aktiv teilnehmen konnten, ist unsicher. Es war vor 4501644. Es handelt sich um einen Prozeß, der schon vor der Mitte des 5. Jhd., d. h. zwischen 440–450, zur Ausschließung der Senatoren führte, die nicht den Rang eines illustris hatten. Die Bedeutung der illustres zeigen dann auch bald nach 450 die Teilnehmerlisten des Konzils von Chalkedon 451 und das Schreiben Maiorians vom 11. Januar 458 an den Senat. Von den Ämtern, die zum Rang eines illustris führten, war die römische Aristokratie vor allen Dingen am ordentlichen Konsulat, am PPO, am PVR, am mag. off., am CSL, am CRP und am QSP interessiert1645. Weil die Gesamtzahl der aktiven und ehemaligen Amtsträger zur Zeit Odoakers nicht mehr als 60–80 betrug1646, kommt man auf etwa 40–60 ehemalige Amtsträger. Wir wissen nicht, wie viele davon sich ständig in Rom aufhielten und im Senat anwesend sein konnten oder in Ravenna oder auf ihren Gütern lebten1647. Für den Senat in Konstantinopel hat man von denselben Zahlen auszugehen, weil sich die Zahl der Ämter, die zum Rang eines illustris führten, sich in demselben Rahmen wie im westlichen Reichsteil bewegte. Nur hielten sich sicher mehr illustres ständig in der Stadt auf. Die wachsende Zahl der illustres führte in der Folge zu weiteren Maßnahmen, um die Zahl der aktiven Teilnehmer an den Senatssitzungen zu begrenzen. So veranlaßte Iustinian gegen 536, daß im Senat nur noch die patricii, die ehemaligen Konsuln, die wirklichen illustres (nicht die ehrenhalber) und die illustres inter agentes Einsitz nehmen konnten1648, womit auch die Zahl der möglichen Teilnehmer an den Sitzungen zur Bestimmung eines Kandidaten zurückging. Die Vergrößerung der Zahl der illustres und die mehr oder weniger parallel verlaufende Beschränkung der aktiven Teilnehmer an den Senatssitzungen bedeutet, daß die Mitglieder der führenden Gruppe, die ehemalige Amtsträger waren und die im 5. Jhd. größere Bedeutung als vorher erlangten, etwa dieselben blieben. Es Delmaire 1984, 147; Giglio 1990, 26–49. Zu den Ernennungen ehrenhalber vgl. Delmaire 1984, 147–149. 451 bildet das Amt des CRP die untere Grenze für wirkliche illustres (Delmaire 1984, 172, dort findet sich auch eine Gliederung der illustres). 1643 Dies ist für Rom stringent gezeigt worden (vgl. Chastagnol 1992, 355 u. 359 und Cassiod. var. 4, 25; 1, 41; 3, 33; Cracco-Ruggini 1998, 347), für Konstantinopel aber auch anzunehmen. Dies macht Burgarella 1998, 432, der Senatoren mit dem Recht, im Senat und später auch im consistorium zu sitzen, von den anderen unterscheidet (ohne Beleg). 1644 Chastagnol 1992, 353–372 passim; Id. 1996, 346–348 unter Verweis auf Cod. Iust. 12, 1, 15 (vor 443); 12, 2, 1 (450); Orlandi 2004, 547/559, die besonders den Prozeßcharakter betont, aber den Ausschluß der Senatoren, die nicht illustres waren, auch um 450 ansetzt. Vgl. zur älteren Auffassung Jones 1973, 529, der glaubt, daß die Regelung im Westen vielleicht unter Anthemius eingeführt worden sei, während sie im Osten nicht vor Leo I. gegolten habe. 1645 Chastagnol 1966, 46/47. 1646 Chastagnol 1966, 46/47. 1647 Prosopographische Untersuchungen wie von Schäfer 1991 für die Zeit von 490–540, die zum Teil den Aufenthaltsort einflußreicher Personen erkennen lassen, sind für den größten Teil des 5. Jhd. nicht vorhanden und von der Quellenlage her auch nicht möglich. 1648 Stein 1949, 431/432; Burgarella 1998, 416.

5. Die Teilnehmer an den Beratungen über Theodosius’ II. Nachfolge 450

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waren die ehemals entscheidenden Amtsinhaber am comitatus und die ehemaligen höchsten regionalen Amtsinhaber. 5. Die Teilnehmer an den Beratungen über Theodosius’ II. Nachfolge 450 Mit Namen nennen unsere Quellen nur sehr wenige Personen, die an den Beratungen über die Nachfolge eines Kaisers teilnahmen. Weitere Teilnehmer daran lassen sich aber erschließen, wenn man die Amtsinhaber und die ehemaligen Würdenträger während der Zeit eines Herrschaftswechsels zusammenstellt und die Möglichkeit ihrer Teilnahme bedenkt. Auf diese Weise läßt sich das ungefähre Verhältnis von militärischen Kommandanten und zivilen Würdenträgern erkennen, und man kann auch Gruppierungen entdecken, die die verschiedenen Kandidaten unterstützten. Die Überlieferung läßt leider nur selten mit hinreichender Vollständigkeit erkennen, welche Amtsträger bei einem Herrschaftswechsel im Amt waren und, was noch schwieriger ist, welche ehemaligen Amtsträger noch lebten, hinreichenden Einfluß hatten und damit für die Bestimmung eines Kandidaten von Bedeutung waren. Eine günstige Situation bietet sich aber für das Jahr 450, als die Herrschaft zwischen dem 28.7.450 (Theodosius II. stirbt in Konstantinopel) und dem 25.8.450 (Marcian wird in Konstantinopel zum Augustus erhoben) von Theodosius II. auf Marcian überging. Durch die Akten des Konzils von Chalkedon kennen wir eine Reihe von Amtsträgern, die im Oktober 451 im Amt waren, und eine Anzahl ehemaliger Würdenträger. Sie bildeten zusammen die Vertretung des Kaisers und des Senates auf dem Konzil1649. Von ihnen allen dürfen wir annehmen, daß sie sich der kaiserlichen Gunst erfreuten. Für Würdenträger, die schon vor Marcian im Amt waren, wird daran die fortdauernde kaiserliche Gunst erkennbar. Von den Würdenträgern, die am Konzil von Chalkedon teilnahmen, waren bei den Beratungen über Theodosius’ II. Nachfolge auf jeden Fall die anwesend, die ihr Amt schon unter Theodosius II. bekleidet und unter Marcian beibehalten hatten. Eine Ausnahme bilden nur die, für die zu belegen ist, daß sie sich im August 450 nicht in Konstantinopel aufhielten. Eine mögliche Abwesenheit kann dann nur noch durch einen Zufall bedingt sein, der nicht faßbar ist. Für die ehemaligen Amtsträger ist der Nachweis, wer von ihnen an den Beratungen teilnahm, schwerer zu erbringen. Wo fortdauernder Einfluß nach dem Aus1649 Zu den Belegen vgl. Delmaire 1984, 142/143. Zu den Listen vgl. die grundlegende Untersuchung von Delmaire 1984, vgl. auch Scharf 1996a, 108–126. Die Auflistung der Würdenträger folgt der von Delmaire 1984, 143 u. passim gegebenen Reihenfolge, die die Rangordnung wiedergibt. Sie spiegelt zu einem guten Teil auch den tatsächlichen Einfluß wider. Von der Rangordnung abgewichen wird nur bei den Persönlichkeiten, bei denen die Überlieferungssituation präzisere Aussagen erlaubt. Überlegungen und Belege, die sich schon in der PLRE 2 und bei Delmaire 1984, 161–172 finden, werden in der Regel nicht noch einmal wiederholt. Soweit bekannt wird auch das Amt zur Zeit der Erhebung Marcians angegeben.

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VI. Anhang, A. Exkurse

scheiden aus dem Amt sichtbar ist, ist die Teilnahme ganz sicher anzunehmen, sonst ist sie nur wahrscheinlich zu machen. Als anwesend bei den Diskussionen vor Marcians Erhebung kann man die folgenden a[rconte~ (Amtsträger) betrachten: Anatolius (PLRE 2, 84–86 s. v. Anatolius 10) MVM1650. Er war bedeutend für die Politik gegenüber Persien zu Beginn der Herrschaft Marcians. Sporacius (PLRE 2, 1026/1027 s. v. Sporacius 3) mindestens seit 448 comes domes­ ticorum, cos. 452. Die Beibehaltung des Amtes unter Marcian und die Übernahme des Konsulates 452 deuten auf seine wichtige Rolle hin. Von den a[rconte~ als Teilnehmer an Marcians Wahl nicht zu sichern sind: Palladius (PLRE 2, 820/821 s. v. Palladius 9) PPO per Orientem nach dem 11.10. 450. Tatianus (PLRE 2, 1053/1054 s. v. Tatianus 1) PVC nach dem 25.8.450, cos. 466 (anders Bagnall 1987, 466/467). Vincomalus (PLRE 2, 1169/1170 s. v. Ioannes Vincomalus; Clauss 1981, 196) mag. off. nach dem 25.8.450, cos. 453. Genethlius (PLRE 2, 501/502 s. v. Genethlius 2; Delmaire 1989a, 221) CRP nach dem 25.8.450. Aetius (PLRE 2, 29/30 s. v. Aetius 8; Delmaire 1984, 164/165) illustris ehrenhalber, tribunus stabuli. Leontius (PLRE 2, 669/670 s. v. Leontius 12) spectabilis, primicerius notariorum, ist überhaupt nur aus den Konzilsakten von 451 bekannt. Die Karriere dieser Würdenträger ist vor Marcians Herrschaftsantritt nicht zu fassen. Tatianus kann ganz sicher nicht an den Beratungen teilgenommen haben. Er wurde erst von Marcian an den Hof geholt. Als anwesend bei den Diskussionen vor Marcians Erhebung kann man die folgenden Mitglieder des Senates betrachten: Nomus (PLRE 2, 785/786 s. v. Nomus1) cos. 445, mag. off. 443–446. Er war ganz sicher anwesend. Er hatte zusammen mit dem Heermeister Anatolius 450 (vgl. weiter oben) an der Gesandtschaft zu Attila teilgenommen, die vor Theodosius’ Tod zurückgekehrt war. Sein Einfluß dauerte nach Theodosius’ II. Tod fort, obgleich er vorher offensichtlich auch zu Chrysaphius gute Beziehungen gehabt hatte. Das gleiche gilt für: Martialis (PLRE 2, 729 s. v. Fl. Areobindas Martialis; Clauss 1981, 170). Er war mag. off. seit Anfang 449, im Oktober 451 war er nicht mehr im Amt. Er spielte noch bei Leos I. Wahl 457 eine wichtige Rolle. Placitus (PLRE 2, 891 s. v. Placitus; Clauss 1981, 184) mag. off. vor 449, wohl 446/447; 450 sicher nicht mehr im Amt. 1650 Theodor. ep. 121; 139 belegen, daß Anatolius sich 450 am Hof in Konstantinopel aufhielt. Er unternahm zwar 450 eine Gesandtschaft zu Attila, kehrte aber zurück, als Theodosius noch lebte (vgl. Prisc. fr. 15, 3/4 Blockley).

5. Die Teilnehmer an den Beratungen über Theodosius’ II. Nachfolge 450

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Höchstwahrscheinlich waren die folgenden Senatsmitglieder anwesend, weil ihr großer Einfluß andauerte und sie eine wichtige Funktion ausgeübt hatten: Florentius (PLRE 2, 478–480 s. v. Florentius 7; Delmaire 1984, 167) cos. 429, um 446 PPO per Orientem. Er war bedeutend für die Politik gegenüber Persien zu Beginn der Herrschaft Marcians. Senator (PLRE 2, 990/991 s. v. Senator 4) cos. 436, seit 446 patricius. Protogenes (PLRE 2, 927/928 s. v. Protogenes) cos. 449, PPO Orientis 448/449. Constantinus (PLRE 2, 317/318 s. v. Fl. Constantinus 22; Delmaire 1984, 170) PPO Orientis 446/447, 456, 459, cos. 457. Sein Einfluß dauert nach Marcians Tod noch unter Leo I. fort, für den er 464/465 eine Gesandtschaft zu den Persern unternahm. Den Einfluß der folgenden ehemaligen Amtsträger kann man zum großen Teil nur daraus erschließen, daß sie hohe Ämter tatsächlich bekleidet hatten und am Konzil 451 teilnahmen. Er ist sonst nicht belegbar. Auch das Jahr, in dem sie ihr Amt bekleideten, ist nur erschließbar. Erst Artaxes’ Amtsjahr ist wieder gesichert. Antiochus (PLRE 2, 104 s. v. Antiochus 10) PPO Orientis bis 448. Romanus ((PLRE 2, 947 s. v. Romanus 3) PSC vor 438/439. Zoilus (PLRE 2, 1204 s. v. Zoilus 2; Delmaire 1984, 169) PPO Orientis 444. Theodorus (PLRE 2, 1090 s. v. Theodorus 25; Delmaire 1984, 169) PVC vor 439. Apollonius (PLRE 2, 121 s. v. Apollonius 2; Delmaire 1984, 169; 1989a, 217/218) PPO Orientis 442/443. Antiochus (PLRE 2, 105 s. v. Antiochus 11; Delmaire 1984, 169/170) PVC 441. Anysius (PLRE 2, 108 s. v. Anysius 3; Delmaire 1984, 169/170) PVC Anfang 442. Theodorus (PLRE 2, 1089 s. v. Theodorus 21; Delmaire 1984, 170) seit Anfang 442 PPO per Illyricum, am 29.11.444 noch belegt. Artaxes (PLRE 2, 154 s. v. Artaxes) PSC 442. Parnassius (PLRE 2, 832 s. v. Parnassius 2; Delmaire 1984, 170) PPO Orientis zweite Hälfte 447 oder 449. Eulogius (PLRE 2, 419 s. v. Eulogius 4) PPO per Illyricum 448 oder 449 (Delmaire 1984, 170). Die folgenden Teilnehmer am Konzil von Seiten des Senates sind für uns in ihrem politischen Einfluß nicht faßbar: Apollodorus (PLRE 2, 120 s. v. Apollodorus 5) QSP nach 438 (Delmaire 1984, 171). Theodorus (PLRE 2, 1090 s. v. Theodorus 24) QSP nach 440 (Delmaire 1984, 171/172). Menas (PLRE 2, 754 s. v. Menas 2) QSP gegen 445–450 (Delmaire 1984, 171/172)1651.

1651 Zu Apollodorus, Theodorus und Menas vgl. auch Honoré 1998, 175, dem der Aufsatz von Delmaire offensichtlich entgangen ist. Er betrachtet Apollodorus und Theodorus, die beide in der Kommission für den Codex Theodosianus tätig waren, nur als titulare Amtsträger.

400

VI. Anhang, A. Exkurse

Severus (PLRE 2, 1003 s. v. Severus 7) CRP, sonst unbekannt (Delmaire 1984, 172; Delmaire 1989a, 220). Basilius (PLRE 2, 214 s. v. Basilius 4) CSL, sonst unbekannt (Delmaire 1984, 172; Delmaire 1989a, 220). Iulianus (PLRE 2, 638 s. v. Iulianus 9) CRP, sonst unbekannt (Delmaire 1984, 172; Delmaire 1989a, 221). Nicht zu sichern ist die Teilnahme von: Constantinus (PLRE 2, 312 s. v. Constantinus 6) ex comite (Delmaire 1984, 172/173). Severianus (PLRE 2, 998 s. v. Severianus 1) ex comite (Delmaire 1984, 172/173). Heraclianus (PLRE 2, 540 s. v. Heraclianus 4) ex comite (Delmaire 1984, 172/173). Bei ihnen ist die Stellung als illustris umstritten, die allerdings wegen ihres Erscheinens in der Liste als gesichert zu gelten hat. Sie sind aber auch sonst in keiner Weise genauer faßbar. Das gleiche gilt für Abgarus (PLRE 2, 1 s. v. Abgarus 2; Delmaire 1984, 168: Augarus) sonst unbekannt; wahrscheinlich PPO 438/439. Auffälligerweise findet sich unter den ehemaligen Amtsträgern kein Heermeister1652. Die Liste der Vertreter des Senates, die große Bedeutung hatten, zeigt den fortdauernden Einfluß wichtiger ehemaliger Würdenträger und damit die Stabilität der Gruppe. Sie zeigt auch die Rolle der zivilen Würdenträger und sollte kritisch machen, einen allein beherrschenden Einfluß der militärischen Kommandanten anzunehmen. Von den zivilen ehemaligen Amtsinhabern waren die magistri officiorum und die PPO besonders gut vertreten, und zwar mit einflußreichen Persönlichkeiten, während die anderen ehemaligen Amtsträger der zentralen Verwaltung kaum zu belegen sind. Auffällig ist das Zurücktreten der PSC. Von den Amtsinhabern zur Zeit des Machtwechsels sind besonders der Heermeister Anatolius und der comes domesticorum Sporacius als besonders wichtig für die Wahl Marcians zu betrachten. Von den Persönlichkeiten, deren Teilnahme und Einfluß an den Beratungen zu erschließen sind, wird keine in den Nachrichten über Marcians Wahl erwähnt. 6. porfurogevnnhto~ Der Begriff porfurogevnnhto~ stammt aus dem 9. Jhd1653, die Vorstellung aber schon aus dem 4. Jhd. Bezeichnet wird damit ein Sohn oder eine Tochter, die geboren wurden, nachdem der Vater Kaiser geworden war. Die damit verbundene Idee

1652 Dies ist schon Delmaire 1984, 168 aufgefallen. 1653 M. McCormick, The Oxford Dictionary of Byzantium 3, 1991, 1701 s. v. Porphyrogennetos.

7. Procopius und der Wechsel der herrschenden Dynastie

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stützt einen Anspruch auf eine dynastisch geregelte Nachfolge. Diese wird auch in den Zeremonien bei der Geburt eines Porphyrogenetus betont1654. Erstmals tritt die Vorstellung eines porfurogevnnhto~, ohne daß der Begriff verwendet wird, bei Honorius’ Geburt 384 in den Consularia Constantinopolitana auf. Dort heißt es (Cons. Const. s. a. 384 = Chron. min. 1, 244): ipso anno natus est Honorius nob(ilissimus) in purpuris die V id. Sept. und dann bei Theodosius II., der als erster Kaiser, der dann später im Osten regierte, im Purpur geboren wurde1655. Im Purpur geborenen Mitgliedern der kaiserlichen Familie wird von Geburt an der Titel nobilissimus zuteil1656. Er wird sonst ohne weitere Hinzufügungen im 4. Jhd. Mitgliedern der kaiserlichen Familie verliehen, wie etwa Philost. 8, 8 zeigt, die weder Augustus noch Caesar sind, besonders Söhnen der Kaiser, wenn sie Konsuln sind. Die Geburt im Purpur gibt wie die Erstgeburt kein Recht auf die Nachfolge, sondern betont nur die besondere Stellung in Bezug auf diese. Beides kann aber gegeneinander ausgespielt werden1657. 7. Procopius und der Wechsel der herrschenden Dynastie Der Usurpator Procopius erhob sofort Anspruch auf die Herrschaft im ganzen Reich und suchte einen Wechsel in der Dynastie herbeizuführen. Dies zeigen sein Versuch, sich unmittelbar nach seiner Erhebung Illyriens zu bemächtigen, das zu Valentinians I. Reichsteil gehörte1658, sowie die Falschmeldungen von dessen Tod1659 und von Procops Anerkennung auch im Westen des Reiches1660. Auch Valentinians Reaktionen machen deutlich, daß er seine Herrschaft durch Procops Erhebung direkt gefährdet sah. Nachdem er von Procops Usurpation erfahren hatte (Amm. 26, 5, 8), sicherte er sofort Illyricum (Amm. 26, 5, 8–15) und Africa (Amm. 26, 5, 14). Er entmachtete den Heermeister Dagalaifus, dessen zögerndes Verhalten beim Zug gegen die Alamannen auf eine Verwicklung in Procops Pläne schließen ließ1661. Der Heermeister Equitius fiel im Frühjahr 366 in Thrakien ein, als er erfahren hatte, daß sich die Kämpfe zwischen Procop und Valens nach Kleinasien verlagert hatten. Er wurde vorerst durch den Widerstand von Philippopolis am weiteren Vordringen gehindert (Amm. 26, 10, 4/5). Er schaltete dann Marcellus aus (Amm. 26, 10, 5), der sich nach Procops Tod zum Augustus hatte erheben lassen. 1654 C. P. 2, 21 S. 616, 12–17. 1655 Marc. Diac. v. Porph. 44 ed. Grégoire / Kugener: … ejn th/` porfuvra/ ejtevcqh o{qen kai; ajpo; loceiva~ basileu;~ ajnhgoreuvqh. 1656 Dagron 1994, 108 n. 15. 1657 Art. Pass. 41 Kotter = Philost. 2, 16b und dazu Dagron 1994, 133 n. 173. Vgl. auch S. 259. 1658 Amm. 26, 7, 11/12. 1659 Amm. 26, 7, 3; Them. or. 7, 13, 92C. 1660 Amm. 26, 7, 3; vgl. auch Them. or. 7, 12, 91D–92B. Zu Münzen Procops, die den Prägeort Arles vorgeben, vgl. Ando 2000, 225/226 unter Verweis auf RIC 9, 215 n. 18; RIC 8, Arles nos. 309–311; Wiebe 1995, 76/77. 1661 Amm. 26, 5, 9; 27, 2, 1 und dazu Wiebe 1995, 38/39.

402

VI. Anhang, B. Übersichten

Nach Procops Niederwerfung ließ Valentinian dessen Kopf auch in Gallien zeigen (Amm. 26, 10, 6; 27, 2, 10). Er fällte das Urteil über Phronimius, PVC unter Procop, und Eufrasius, dessen magister officiorum (Amm. 26, 10, 8), und bestrafte die tribuni Claudius und Sallustius, die in ihrer Einheit im Westen des Reiches für Procop Stellung genommen hatten1662. B. Übersichten 1. Chronologische Übersicht Aug./Sept. 282 Carus’ Erhebung in Sirmium. Die Kompetenzen werden ihm nicht mehr durch einen gesonderten Senatsbeschluß übertragen, sondern mit der Investitur als gegeben betrachtet. Sommer/Herbst 302 Eugenius’ Erhebung in Seleucia Pieria, der Hafenstadt Antiochias. 1. Mai 305 Diokletian legt die Herrschaft in Nicomedia nieder. Maximian legt die Herrschaft in Mailand nieder und zieht sich nach Campanien oder Lukanien zurück. 28. Juli 306 Konstantin wird in Eboracum (York) zum Augustus erhoben. Spätsommer/Herbst Galerius erkennt Konstantin als Caesar an. 306 28. Okt. 306 Maxentius’ Erhebung in Rom. Ende? 306 Maximian läßt sich erneut zum Kaiser erheben. Frühjahr (April?) 308 Maximian versucht in Rom, seinen Sohn Maxentius zum Rücktritt zu zwingen. Nov. 308 Maximian verzichtet in Carnuntum erneut auf seine Stellung als Augustus. Frühsommer? 310 Empörung Maximians in Arles gegen Konstantin. Juli? 310 Gefangennahme und Tod (Selbstmord?) Maximians in Marseille. 18. Sept. 324 Licinius’ Niederlage bei Chrysopolis. 19. Sept. 324 Licinius legt die Herrschaft nieder und wird nach Thessalonike verbannt. 326 Konstantin läßt Licinius töten. Frühjahr 326 Crispus wird in Pola getötet. 22. Mai 337 Konstantin stirbt in Ancyrona, einer Vorstadt von Nicomedia. Mai/Juni 337 Konstantin wird in Konstantinopel beigesetzt. Von seinen Söhnen ist nur Constantius II. anwesend.

1662 Vgl. n. 1440.

1. Chronologische Übersicht

403

17. Juni 337 Constantinus II. in Trier. Er weiß vom Tod des Vaters. vor Sept. 337 Beseitigung des Caesars Dalmatius. Insgesamt werden neun Mitglieder der kaiserlichen Familie getötet. Soweit sich die Getöteten sicher benennen lassen, handelt es sich um Dalmatius und Iulius Constantius, die Halbbrüder Konstantins, sowie den erwähnten Caesar Dalmatius und Hannibalianus, Dalmatius’ Söhne. Iulius Constantius’ Söhne Gallus und Iulian werden nicht getötet. Sept. 337 Konferenz mit Constantinus II., Constantius II. und Constans in Pannonien1663. 9. Sept. 337 Constantinus II., Constantius II. und Constans werden zu Augusti erhoben. Ende Winter 340 Constantinus II. fällt in Norditalien ein. Constans wird in Dacia von Constantinus’ II. Invasion benachrichtigt. Ende Winter/ Tod Constantinus’ II. bei Aquileia in einem Hinterhalt. Frühjahr (vor Ende April) 340 18. Jan. 350 Magnentius’ Erhebung in Autun. 1. März 350 Erhebung Vetranios in Sirmium. 3. Juni 350 Nepotianus wird bei Rom zum Augustus erhoben. 30. Juni 350 Nepotianus wird in Rom zusammen mit seiner Mutter Eutropia getötet. 25. Dez. 350 Vetranios Abdankung in Naissus. 15. März 351 Gallus wird in Sirmium zum Caesar erhoben. 28. Sept. 351 Magnentius erleidet eine entscheidende Niederlage bei Mursa gegen Constantius II. Er kann aber verkleidet nach Aquileia fliehen. 351 Konzil von Sirmium. Anfang August 353 Magnentius verliert die Schlacht am Mons Seleucus (LaBatie-Mont-Saléon) in den Schluchten des Buéch. 354 Der Caesar Gallus wird aus Antiochia zurückberufen. Oktober 354 Gallus wird in Pola oder in Flanona getötet. 11. Aug. 355 Erhebung des Heermeisters Silvanus in Köln. 7. Sept. 355 Silvanus’ Sturz in Köln. 6. Nov. 355 Erhebung Iulians zum Caesar in Mailand. Anfang Dez. 355 Abreise Iulians nach Gallien. Ankunft Iulians in Vienne vor Ende des Jahres. 28. April 357 Constantius II. zieht in Rom ein. Aug. 357 Sieg Iulians über die Alamannen bei Straßburg. Iulian wird von den Truppen aufgefordert, sich zum Augustus erheben zu lassen. 359 Geburt Gratians, des Sohnes des späteren Valentinianus I. Anfang Febr. 360 Erhebung des Caesars Iulian zum Augustus in Paris. 1663 Gegen das immer postulierte Viminacium vgl. Bleckmann 2003, 242 n. 47.

404 361 Mitte April

VI. Anhang, B. Übersichten

Iulian hält in Kaiseraugst eine Rede an seine Truppen, vereidigt diese und die Würdenträger auf sich und bricht dann mit dem Heer nach Illyrien auf (bisher: Anfang Juli). Damit wird Iulians Vorgehen zu einer eigentlichen Usurpation. 361 Mitte Mai Einzug Iulians in Sirmium. 361 Ende Mai Iulian besetzt den Paß von Succi. Mitte Juni 361 Rückkehr Iulians vom Paß von Succi. Beginn des Aufenthaltes in Naissus. Aquileia fällt von Iulian ab (bisher: Anfang Nov.). 3. Nov. 361 Constantius II. stirbt in Mobsucrenae an der Straße zur kilikischen Pforte, 18 km nördlich von Tarsus. um den 25. Nov. 361 Iulian erfährt in Naissus vom Tod Constantius’ II. und bricht nach Konstantinopel auf. 11. Dez. 361 Iulian zieht in Konstantinopel ein. Ende Dez. 361 Prozeß von Chalkedon. Febr. 362 Aquileia ergibt sich den Truppen Iulians (bisher: terminus ante quem: Mitte Januar). Nacht vom 26./27. Juni 363 Iulian stirbt im Feldlager bei Maranga am Tigris. 27. Juni 363 Erhebung Iovians im Feldlager bei Maranga am Tigris. 364 Varronianus, Iovians Sohn, der noch kein Jahr alt ist, bekleidet zusammen mit seinem Vater den Konsulat. 17. Febr. 364 Tod Iovians in Dadastana, einem kleinen Ort an der Straße zwischen Ankara und Nicaea. 21./22. Febr. 364 Bestimmung Valentinians als Nachfolger Iovians in Nicaea. 25. Febr. 364 Erhebung Valentians I. in Nicaea zum Augustus. Der PPO Salutius leitet die Versammlung. 28. März 364 Valens wird auf dem Hebdomon bei Konstantinopel von seinem Bruder Valentinian I. zum Augustus für den Reichsosten erhoben. Juni/Juli 364 Valentinian I. und Valens teilen das Reich unter sich auf. Aufteilung des Heeres in Mediana sowie der zentralen Verwaltung und des Hofes in Sirmium. Mediana war eine Vorstadt von Naissus und lag drei Meilen von dort entfernt an der Straße nach Serdica. In Mediana befand sich eine kaiserliche Residenz. 28. Sept. 365 Procopius’ Usurpation in Konstantinopel. 18. Jan. 366 Valentinianus Galates, Valens’ Sohn, wird geboren. 27. Mai 366 Procopius wird in Nacolia getötet. Juni 366 Marcellus erhebt sich unmittelbar nach Procopius’ Tod in Nicaea. Juli 366 Marcellus wird von Soldaten des Heermeisters Equitius getötet.

1. Chronologische Übersicht

405

Anfang 367 Schwere Erkrankung Valentinians I. 24. Aug. 367 Erhebung Gratians in Amiens zum nominellen Augustus. 369 Valentinianus Galates, Valens’ Sohn, wird kurz vor Vollendung seines dritten Lebensjahres 369 consul. Er stirbt bald darauf. 371 Der spätere Valentinian II., der Sohn Valentinians I. und Iustinas, wird geboren. 372 (oder 370) Firmus’ Erhebung zum Augustus. Frühjahr 373 Theodosius d. Ältere kommt nach Africa. Ende 375 Firmus’ Erhebung wird niedergeworfen. (vor dem 17.11.) 17. Nov. 375 Valentinian I. stirbt überraschend in Brigetio. Gratian, der sich im Reichswesten aufhält, übernimmt die Herrschaft. 22. Nov. 375 Valentinian II. wird in Aquincum zum nominellen Augustus erhoben. ca. 377 Arcadius, der Sohn Theodosius’ I., des späteren Kaisers, wird geboren. 9. Aug. 378 Schlacht bei Adrianopel (Edirne) gegen die Goten. Niederlage und Tod des oströmischen Kaisers Valens. 19. Jan. 379 Theodosius I. wird in Sirmium zum Augustus erhoben. 24. Nov. 380 Theodosius I. zieht in Konstantinopel ein. 19. Jan. 383 Theodosius I. erhebt seinen Sohn Arcadius auf dem Hebdomon bei Konstantinopel zum nominellen Mitaugustus. Frühjahr 383 Magnus Maximus erhebt sich in Britannien zum Augustus. 26. Aug. 383 Gratian wird nach seiner Niederlage gegen den Usurpator Maximus bei Paris in der Nähe von Lyon ermordet. Maximus beherrscht das Gebiet der gallischen Präfektur. Herbst 383 Valentinian II., der vorher nur nomineller Herrscher war, und seine Mutter Iustina übernehmen wohl mit Hilfe des PPO Italiae Probus nach Gratians Sturz den comitatus und die Herrschaft in Italien. Anfang 384 Anerkennung des Usurpators Maximus als Kollege im Amt durch Theodosius I. Magnus Maximus erhebt seinen Sohn Flavius Victor zum Amtskollegen, und zwar erst nach seiner Anerkennung durch Theodosius I. 9. Dez. 384 Honorius wird geboren. 385 Gildo wird comes et magister utriusque militiae per Afri­ cam. vor Herbst 386 Flaccilla, Theodosius’ Frau, stirbt. 387 Beginn des Jahres Unruhen in Antiochia. Sturz der Statuen des Kaisers Theodosius I. und seiner Familie. Frühsommer 387 Maximus bemächtigt sich Italiens. Ende der Anerkennung als Kollege durch Theodosius.

406

VI. Anhang, B. Übersichten

Gildo anerkennt Magnus Maximus ab dem Sommer 387 und läßt ihm weiter Getreide wie vorher Valentinianus II. zukommen. Ende 387 Theodosius heiratet Galla, die Tochter Valentinians I. 388/389 Gratianus, Sohn Gallas und Theodosius’ I., wird geboren. 388 Theodosius I. verheiratet Gildos Tochter Salvina mit Nebridius, dem Neffen der verstorbenen Kaiserin Flaccilla, um sie als Geisel für die Loyalität ihres Vaters zu gebrauchen und Africa auf seiner Seite zu halten. Juni/Juli 388 Beginn des Krieges zwischen Theodosius und Maximus. 28. Aug. 388 Maximus wird in Aquileia getötet. Sommer 391 Theodosius kehrt aus Italien in den Osten zurück. Ende 391 Gesandtschaft der heidnischen Senatoren der Tempelgüter wegen an Valentinian II. nach Gallien. 392/393 Geburt Galla Placidias. 15. Mai 392 Tod Valentinians II. in Vienne. Spätestens Mitte Juni Der Tod Valentinians II. wird in Konstantinopel bekannt. 392 22. Aug. 392 Eugenius wird in Lyon zum Augustus erhoben. Zwischen August Erste Gesandtschaft der heidnischen und Dezember 392 Senatoren der Tempelgüter wegen an Eugenius nach Gallien. 23. Jan. 393 Honorius wird auf dem Hebdomon bei Konstantinopel zum nominellen Mitaugustus erhoben. vor Mitte April 393 Eugenius und Arbogast marschieren in Italien ein. 394 Gratianus, der Sohn Gallas, stirbt. Ende April 394 Galla stirbt. Anfang Mai 394 Theodosius I. zieht von Konstantinopel gegen den Usurpator Eugenius. 6. Sept. 394 Eugenius wird am Frigidus von Theodosius besiegt und getötet. 8. Sept. 394 Arbogast begeht Selbstmord. 17. Jan 395 Theodosius stirbt in Mailand. 18. Jan. 395 Honorius übernimmt in Mailand die Herrschaft im Westen. 27. April 395 Arcadius heiratet Aelia Eudoxia, die Tochter des Heermeisters Bauto. 27. Nov. 395 Der PPO Orientis Rufinus wird von den Truppen, die aus dem Westen zurückkehren, vor Konstantinopel auf dem Hebdomon im Beisein des Kaisers Arcadius erschlagen. Herbst 397 Gildo, der comes et magister utriusque militiae per Afri­ cam, sagt sich vom westlichen Reichsteil los und unterstellt sich Ostrom. Ende 397 Gildo wird vom Senat in Rom zum hostis publicus erklärt. Juli 398 Gildo wird geschlagen und getötet.

1. Chronologische Übersicht

407

399 Sturz des PSC Eutropius 399 und weiterer Würdenträger durch Gainas, der kurzfristig die Politik in Konstantinopel bestimmte und die ihm feindliche Gruppe von der Macht fernhält. 9. Jan. 400 Aelia Eudoxia wird zur Augusta erhoben. 400 Erstmals wird das Bild einer Kaiserin, und zwar Aelia Eudoxias, Arcadius’ Frau, in die Provinzen versandt. Honorius kritisiert diese Neuerung. Wegen Mangel an Nachrichten läßt sich nicht entscheiden, ob sich bereits im 5. Jhd. diese Sitte durchsetzte. 12. Juli 400 Der gotische General Gainas verläßt Konstantinopel. Herbst 400 Gainas’ Truppen werden von Fravitta auf der Chersonesos geschlagen. Dez. 400 Gainas kommt im Kampf gegen die Hunnen um. 3. Jan. 401 Gainas’ Kopf trifft in Konstantinopel ein. 10. April 401 Geburt Theodosius’ II. 10. Jan. 402 Erhebung Theodosius’ II. auf dem Hebdomon zum nominellen Augustus. 6. Okt. 404 Aelia Eudoxia stirbt. 31. Dez. 405 (406?) Die Germanen überschreiten in großer Zahl den Rhein. 406 Marcus wird in Britannien zum Augustus erhoben. Er bleibt nur wenige Monate an der Macht. Anfang 407 Gratianus wird in Britannien zum Augustus erhoben. Er wird nach vier Monaten gestürzt und getötet. März od. Mai 407 Constantinus III. wird in Britannien zum Augustus erhoben. Spätsommer/Herbst Constantinus III. in Lugdunum. 407 Frühjahr 408 Als Constantinus III. seinen Herrschaftsbereich auf Spanien ausdehnen will, organisieren dort zwei Verwandte des Kaisers Honorius, nämlich Verenianus und Didymus, den Widerstand. Beide bieten die Truppen, die in der Lusitania stationiert sind, auf. Sie bewaffnen zugleich Sklaven und Bauern und lehnen sich gegen Constantinus III. auf. Ihr Widerstand bricht noch 408 zusammen. 1. Mai 408 Arcadius stirbt in Konstantinopel. August 408 Sturz Stilichos. Er wird am 22. Aug. in Ravenna in einer Kirche von Heraclianus ermordet. Dieser wird comes Afri­ cae. Sept. 408 Constantinus III. erhebt in Arles seinen Sohn Constans zum Caesar. 409 Constantinus III. wird von Honorius für kurze Zeit als Kollege im Amt anerkannt. 409 Der Heermeister Gerontius erhebt seinen domesticus Maximus in Tarraco zum Kaiser.

408

VI. Anhang, B. Übersichten

Anfang November Attalus wird vor Rom zum Kaiser erhoben. 409 Ende 409/Anfang 410 Constantinus III. erhebt seinen Sohn, den Caesar Constans, zum Augustus und macht dessen Bruder Iulianus zum Caesar. Anfang Sommer 410 Attalus wird von Alarich abgesetzt. 411 Der Usurpator Maximus wird abgesetzt. Juli/August 411 Iovinus wird in Mainz (?) erhoben (oder nach Constantinus’ III. Sturz). Herbst 411 Constantinus’ III. Sturz und Hinrichtung. 412 Der Usurpator Iovinus erhebt seinen Bruder Sebastianus zum Augustus. Anfang 413 Heraclianus, der comes Africae, sagt dem Hof in Italien den Gehorsam auf. Er setzt mit einer Flotte und Truppen nach Italien über und landet bei Rom (Portus?). Auf dem Marsch nach Ravenna wird er noch in Latium bei Ocriculum an der via Flaminia, etwa 15 km südlich von Narnia, vom comes Marinus abgefangen und geschlagen. Er flieht nach Karthago. Juli 413 Heraclianus wird in Karthago ermordet. Juli 413 Iovinus wird in Narbo hingerichtet, wohl zusammen mit seinem Bruder Sebastianus. Jahreswende 413/414 Attalus wird in Südgallien, wohl in Narbonne, zum Augustus erhoben. 415/416 Attalus fällt Honorius in die Hände. 417 Galla Placidia heiratet den Heermeister Constantius. Juli 419 Maximus wird in Spanien zum zweiten Mal zum Kaiser erhoben. 2. Juli 419 Valentinian, Constantius’ und Galla Placidias Sohn, wird geboren. 8. Febr. 421 Erhebung Constantius’ III. zum Augustus. 2. Sept. 421 Constantius III. stirbt. Anfang 422 Maximus wird in Ravenna hingerichtet. 423 Galla Placidia geht vor Honorius’ Tod mit ihrem Sohn Valentinian nach Konstantinopel. 15. Aug. 423 Honorius stirbt in Ravenna. 20. Nov. 423 Der Usurpator Iohannes wird in Rom erhoben. 23. Okt. 424 Erhebung Valentinians III. zum Caesar in Thessalonike unter Leitung des mag. off. Helion. Mai/Juni 425 Iohannes wird in Ravenna gefangen genommen und in Aquileia hingerichtet. 23. Okt. 425 Erhebung Valentinians III. zum Augustus in (vor?) Rom unter Leitung des mag. off. Helion. 427 Bonifatius, der comes rei militaris Africae, wird zum hostis publicus erklärt.

1. Chronologische Übersicht

23. Juli 428

409

Pirrus kommt in Rom als Hochverräter um. Er kann nicht als Usurpator gelten. Mai 429 Die Vandalen setzen unter Geiserich nach Africa über und beginnen, sich Africas zu bemächtigen. 434 Aspar wird consul im Westen. 435 Aufstand der Bagauden unter Tibatto in Gallien, wohl in der Armorica. 437 Niederschlagung des Aufstandes der Bagauden. 437 Der spätere MVM Merobaudes erhält den Patricius-Titel von Theodosius II. verliehen, und zwar wahrscheinlich anläßlich eines Aufenthaltes in Konstantinopel. 28. Oktober 437 Hochzeit Valentinians III. mit Licinia Eudoxia in Konstantinopel. 15. Febr. 438 Der Codex Theodosianus wird in Konstantinopel verabschiedet. 25. Dez. 438 Der Codex Theodosianus wird dem Senat in Rom zur Publikation zur Kenntnis gebracht. 442 Die Vandalen errichten in Africa ein unabhängiges Königreich. 21. Febr. 450 Ankunft Valentinians III. in Rom zusammen mit Galla Placidia. 22. Febr. 450 Besuch beider in der Peterskirche bei Papst Leo. 28. Juli 450 Theodosius II. stirbt in Konstantinopel. 25. Aug. 450 Marcian wird auf dem Hebdomon bei Konstantinopel zum Augustus erhoben. 27. Nov. 450 Galla Placidia stirbt. Okt. 451 Konzil von Chalkedon. 30. März 452 Anerkennung Marcians im Westen. Aufstellung seiner Statue in Rom. Juli 453 Tod der Augusta Pulcheria. 21. od. 22. Sept. 454 Aetius wird im Palast in Rom zusammen mit einer Reihe von Anhängern, darunter dem PPO Italiae Boethius, von Valentinian III. und dem Eunuchen Heraclius ermordet. In Dalmatien löst sich Marcellinus in der Folge davon von Rom. 16. März 455 Valentinian III. wird auf dem kaiserlichen Landsitz ad duas lauros drei Meilen vor Rom an der via Labicana ermordet. 17. März 455 Petronius Maximus wird in Rom zum Kaiser erhoben. Ende Mai 455 Der Vandalenkönig Geiserich landet bei Ostia. 31. Mai 455 Petronius Maximus wird bei dem Versuch, aus Rom zu fliehen, getötet. 2. Juni 455 Geiserich zieht in Rom ein. 16. Juni 455 Geiserich zieht aus Rom ab. Ende Juni 455 Avitus wird von den westgotischen Foederaten in Toulouse aufgefordert, sich zum Augustus erheben zu lassen.

410

VI. Anhang, B. Übersichten

9. od. 10. Juli 455 Avitus wird in Beaucaire (Viernum / Ugernum) bei Arles zum Kaiser erhoben. 21. Sept. 455 Avitus trifft in Italien ein. Gegen Mitte Okt. 455 Avitus trifft in Rom ein. Anfang/Mitte Sept. Unruhen in Rom gegen Avitus’ Herrschaft. 456 Avitus verläßt Rom und zieht nach Norden. Offene Rebellion des zweiten Heermeisters Rikimer gegen Avitus. 17. Sept. 456 Rikimer greift Remistius, Avitus’ ersten Heermeister, bei Ravenna an. Dieser flieht in den Palast in Classis und wird dort getötet. 17. Okt. 456 Schlacht bei Placentia. Avitus verliert die Herrschaft. 27. Jan. 457 Tod Marcians. 7. Febr. 457 Leo I. wird auf dem Hebdomon bei Konstantinopel zum Kaiser erhoben. 28. Febr. 457 Vom Kaiser in Konstantinopel werden während der Vakanz des Thrones im Westen der Heermeister Rikimer zum patri­ cius und der comes domesticorum Maiorianus zum Heermeister erhoben. 28. Dez. 457 Maiorianus’ Erhebung bei Ravenna. 2. Aug. 461 Maiorianus wird von Rikimer bei Dertona abgesetzt. 7. Aug. 461 Maiorianus wird getötet. 19. Nov. 461 Libius Severus wird bei Ravenna zum Augustus erhoben. Aegidius, Heermeister in Gallien, erkennt Libius Severus nicht als Augustus an und schafft sich in Nordgallien ein eigenes Herrschaftsgebiet. 463 Ein Sohn Leos I. und Verinas wird geboren und stirbt im Alter von 5 Monaten. Herbst 465 Aegidius, Heermeister in Gallien, wird getötet. Ihm folgt in seinem Herrschaftsgebiet in Nordgallien sein Sohn Syagrius. 14. Nov. 465 Libius Severus stirbt. Erste Hälfte Januar 467 Anthemius wird in Konstantinopel zum Caesar erhoben und reist nach Italien ab. um den 15.2.467 Anthemius’ Ankunft vor Rom. um den 27. März 467 Anthemius’ Erhebung zum Augustus drei Meilen vor Rom an der via Labicana auf dem kaiserlichen fundus ad duas lauros (bisher 12. April 467). 470/471 Patricius, der Sohn Aspars, wird von Leo I. zum Caesar erhoben. 471 Der Heermeister Aspar und sein Sohn Ardabur werden auf Befehl Leos I. beseitigt. Der Caesar Patricius wird abgesetzt und wahrscheinlich ebenfalls getötet.

1. Chronologische Übersicht

Mitte Oktober 471

411

Beginn der Belagerung Roms durch Rikimer. Ein Teil des Senates befindet sich bei ihm. Anthemius ist mit seinem co­ mitatus in der Stadt eingeschlossen. April 472 Olybrius’ Erhebung im Lager Rikimers vor Rom mit Zustimmung der dort befindlichen Senatoren. 11. oder 12. Juli 472 Bei der Eroberung Roms durch die Truppen Rikimers flieht Anthemius in die Kirche S. Crisogono im Trastevere, in der er vom Heermeister Gundobad, dem Neffen Rikimers, getötet wird. 19. Aug. 472 Rikimer stirbt in Rom. 2. Nov. 472 Olybrius stirbt in Rom. 3. März (od. 5. März) Glycerius wird in Ravenna auf Veranlassung des Heermeis473 ters Gundobad erhoben. 17. Nov. 473 Leos II. wird von seinem Großvater Leo I. zum Caesar erhoben. Jan. 474 Leo II. wird von seinem Großvater Leo I. im Hippodrom (vor dem 18. Jan.) zum Augustus erhoben. 18. Jan. 474 Tod Leos I. 9. Febr. 474 Leo II. erhebt seinen Vater Zenon im Hippodrom zum Mit­ augustus. nach Mitte Mai 474 Iulius Nepos bricht von Dalmatien nach Italien auf. 19. oder 24. Juni 474 Glycerius wird abgesetzt. Iulius Nepos wird in Portus bei Rom zum Augustus erhoben, und zwar unter Leitung eines gewissen Domitianus, der den Kaiser in Konstantinopel vertritt. Nov. 474 Leo II. stirbt. 9. Jan. 475 Zenon flieht aus Konstantinopel. Unmittelbar danach wird Basiliscus auf dem Hebdomon zum Augustus erhoben. 28. Aug. 475 Iulius Nepos flieht von Ravenna nach Dalmatien. 31. Okt. 475 Der Heermeister Orestes läßt seinen höchstens sieben Jahre alten Sohn Romulus bei Ravenna zum Augustus erheben. Jan. 476 Orestes läßt eine Gesandtschaft aus Rom (legatio publica) bei Basiliscus in Konstantinopel um Anerkennung für Romulus nachsuchen. Anfang 476 Basiliscus, der Sohn des Heermeisters Armatus, wird von Zenon in Nicaea zum Caesar erhoben. Er nimmt den Namen Leo an. Ende Aug. 476 Zenon übernimmt wieder die Herrschaft in Konstantinopel. Basiliscus und seine Familie fliehen in die Hagia Sophia. Sie werden nach Limnae in Kappadokien verbannt und dort in einer Zisterne dem Hungertod preisgegeben. 28. Aug. 476 Orestes wird bei Placentia von Odoaker besiegt und getötet. 4. Sept. 476 Orestes’ Bruder Paulus wird bei Ravenna von Odoaker besiegt und getötet.

412

VI. Anhang, B. Übersichten

In der Folge wird Orestes’ Sohn, der Augustus Romulus Augustulus, in Ravenna abgesetzt und ins Exil nach Neapel geschickt. Spätherbst 476 Eine Gesandtschaft Odoakers und des Senates an Zenon trifft in Konstantinopel ein. Man läßt Zenon mitteilen, daß ein Kaiser im Westen nicht mehr nötig sei. 478 Der Heermeister Armatus wird von Zenon seines Postens enthoben. Sein Sohn Basiliscus, der unter dem Namen Leo zum Caesar erhoben worden war, wird gezwungen, in den kirchlichen Dienst einzutreten. 9. Mai 480 Nepos wird in Salona in Dalmatien ermordet. Anfang 484 Der Heermeister Illus empört sich nach seiner Entlassung durch Zenon im Osten des Reiches. Er verbündet sich mit dem Heermeister Leontius, der von Zenon gegen ihn geschickt worden war. 19. Juli 484 Leontius läßt sich bei Tarsus durch die Augusta Verina erheben. 27. Juli 484. Leontius zieht in Antiochia ein. Mitte/Ende Sept. 484 Leontius’ Armee wird von der Zenons unter dem Heermeister Iohannes bei Antiochia geschlagen. Leontius flieht in das Kastell Papyrius in Isaurien, wo er nach vier Jahren Belagerung 488 verraten, gefangen und enthauptet wird. 486 Syagrius, Sohn des Heermeisters Aegidius, unterliegt in Nordgallien den Franken. c. 490/493 Thela, der Sohn Odoakers, wird von diesem in den letzten Jahren seiner Herrschaft zum Caesar erhoben. 9. April 491 Zenon stirbt in Konstantinopel. 11. April 491 Anastasius’ Erhebung im Hippodrom in Konstantinopel. 493 Odoaker ergibt sich Theoderich in Ravenna und wird bald darauf getötet. 512 Anastasius erscheint anläßlich religiöser Unruhen vor dem Volk im Hippodrom ohne Insignien. 9. Juli 518 Anastasius stirbt. 10. Juli 518 Iustinus’ I. Erhebung. 1. April 527 Iustinianus wird von Iustinus I. in Konstantinopel im Palast zum Mitaugustus erhoben. 1. Aug. 527 Iustinus I. stirbt. Jan. 532 Hypatius wird während des Nika-Aufstandes vom Volk im Hippodrom zum Kaiser erhoben. 15. Nov. 565 Erhebung Iustinus’ II. im Palast in Konstantinopel.

2. Übersicht über die Kaiser und Usurpatoren zwischen 284 und 532

413

2. Übersicht über die Kaiser und Usurpatoren zwischen 284 und 532 Die Daten geben die tatsächliche Herrschaftsdauer als Augustus (Oberkaiser) oder Caesar (Unterkaiser) an. Mit Ausnahme Valentinians II. ist die Zeit als nomineller Herrscher nicht angegeben, ebenso sind keine Kaiser aufgeführt, die nur nominelle Herrscher waren. Zu beidem vgl. die Chronologische Übersicht. Herrscher, die zuerst im Westen oder Osten und dann als ranghöchste Augusti über das Gesamtreich herrschten, sind zweimal aufgeführt. Man vgl. etwa Theodosius I. Usurpatoren sind kursiv gesetzt. Als Vorlage diente die Übersicht bei Demandt 1989, 495/496. Westen

Gesamtreich



284–305 Diokletian (t 316?)

284/285 Sabinus Iulianus 285/286 Amandus / Aelianus 286–305 Maximianus (ebenso 306–308) 286–293 Carausius 293–296 Allectus 297/298? Iulianus 293–306 Constantius I. 305–307 Severus 306–337 Konstantin 306–312 Maxentius 308–313 Licinius 308–311(?) Domitius Alexander

(353)–361 Constantius II.

355 Silvanus 355–361 Iulianus (Caesar), usurpiert 360 den Augustustitel und sucht 361 Constantius II. die Herrschaft zu entreißen.

297 Dom. Domitianus 297 Aurelius Achilleus (?) 302 Eugenius 293/305–311 Galerius

305/310–313 Maximinus Daia 313–324 Licinius

(324)–337 Konstantin

337–340 Constantinus II. 337–350 Constans 350–353 Magnentius 350–353 Decentius (Caesar) 350 Vetranio 350 Nepotianus

Osten

361–363 Iulianus 363–364 Iovianus

334 Calocaerus 337–361 Constantius II.

351–354

Gallus (Caesar)

414

VI. Anhang, B. Übersichten

364–375 Valentinian I. 364–378 Valens 375–383 Gratian 365–366 Procopius 370–374 Firmus Marcellus 375–392 Valentinian II. 383–388 Maximus 379–395 Theodosius I.

(388)–395 Theodosius I

392–394 Eugenius 395–423 Honorius 406–407 Marcus 407 Gratianus 407–411 Constantinus III. 408–411 Constans, Sohn Constantinus’ III. 409–410 Attalus (und 414–416) 409–411 Maximus (und 419–421) 411–413 Iovinus 412–413 Sebastianus 421 Flavius Constantius III. 423–425 Iohannes 425–455 Valentinian III. 455 Petronius Maximus 455–456 Avitus 457–461 Maiorianus 461–465 Libius Severus 467–472 Anthemius 472 Olybrius 473–474 Glycerius 474–475 Nepos (t 480) 475–476 Romulus Augustulus

395–408 Arcadius

408–450 Theodosius II.

450–457

Marcianus

457–474 Leo I.

474 Leo II. 474–491 Zenon 475–476 Basiliscus 484–488 Leontius 491–518 Anastasius 518–527 Iustinus I. 527–565 Iustinianus 532 Flavius Hypatius

3. Chronologische Übersicht der Usurpatoren Zu sonstigen listenartigen Zusammenstellungen der Usurpatoren vgl. Jones 1973, 1033/1034 (unvollständig); für die Zeit von 297 (Domitianus) – 428 (Pirrus) vgl. Elbern 1984, 38–41; Seibel 2006, 193–197 (mit eingehender Diskussion der Kriterien). Herrscher, die lediglich der Nachfolge wegen erhoben wurden, sind nicht berücksichtigt. Zu ihnen vgl. IV.F.8 Die Begründung einer eigenen Dynastie, S. 310– 312. Aufgeführt sind auch Konstantin und Iulian, deren usurpatorische Übernahme der Herrschaft später legitimiert wurde, so daß sie in antiken und modernen Übersichten nicht als Usurpatoren gezählt werden, während Valentinian II. und Marcian unberücksichtigt bleiben, deren Erhebungen auch usurpatorischen Charakter hat-

3. Chronologische Übersicht der Usurpatoren

415

ten, aber sehr bald legitimiert wurden und in keiner Weise in der späteren Überlieferung umstritten waren. Sabinus Iulianus Amandus / Aelianus Carausius Allectus Domitius Domitianus Aurelius Achilleus Iulianus Eugenius Konstantin Maxentius Domitius Alexander Maximianus Herculius Calocaerus

284/285 285/286 286–293 293–296 297 297 297/8? 302 306 306–312 (28. Okt. 306 – 28. Okt. 312) 308?–311(?) 310 334 (Usurpator? auf Zypern)

Magnentius Decentius (Caesar) Vetranio Nepotianus Silvanus Iulianus Procopius Marcellus Firmus Magnus Maximus Eugenius Marcus Gratianus Constantinus III. Constans

350–353 (18. Jan. 350 – 10. Aug. 353) 350–353 (nach 15. März 351 – 18. Aug. 353) 350 (1. März – 25. Dez. 350) 350 (3. Juni 350 – 30. Juni 350) 355 (11. Aug. 355 – 7. Sept. 355) 360–363 (Febr. 360 – 26/27. Juni 363) 365–366 (28. Sept. 365 – 27. Mai 366) 366 (Juni/Juli) 370–374 oder 372–375 383–388 (383 Frühjahr – 28. Aug. 388) 392–394 (22. Aug. 392 – 6. Sept. 394) 406–407 407 (4 Monate) 407–411 (März od. Mai 407 – Herbst 411) 408–411 (Caesar Constantinus’ III. 408/409, Aug. 409/410–411) 409–411 (vgl. Maximus 419–421) 409/410 (Nov. 409 – Sommer 410) vgl. Attalus 414–416 411–413 (Juli/August 411 – Juli 413) 412–413 (Iovinus’ Bruder) 414–416 (Frühjahr 414 – Frühjahr 416) vgl. Attalus 409/410 419–421 (Juli 419 – Febr. 421) vgl. Maximus 409–411 423–425 (20. Nov. 423 – Mai/Juni 425) 455 (17. März – 31. Mai 455) 455–456 (9. Juli 455 – 17. Okt. 456) 457–461 (28. Dez. 457 – 2. Aug. 461) 461–465 (19. Nov. 461 – 14. Nov. 465)

Maximus Attalus Iovinus Sebastianus Attalus Maximus Iohannes Petronius Maximus Avitus Maiorianus Libius Severus

416

VI. Anhang, B. Übersichten

Olybrius Glycerius Basiliscus Romulus Augustulus Leontius Flavius Hypatius Phocas

472 (April [?] 472 – 2. Nov. 472) 473–474 (3. März 473 – Juni/Juli 474) 475–476 (9. Jan. 475 – Ende Aug. 476) 475/476 (31. Okt. 475 – Sept. 476) 19. Juli 484–488 (ab Mitte/Ende Sept. 484 für vier Jahre in der Festung Papyrius in Isauria belagert) 532 (während des Nika-Aufstandes, der vom 11.–19. Jan. 532 dauerte.) 602–610 (Herbst 602 – 5. Okt. 610)

4. Übersicht über die Usurpatoren mit ziviler Laufbahn1664 Eugenius Gratianus Attalus Iovinus Sebastianus Attalus Iohannes Petronius Maximus Libius Severus Olybrius

1664 Vgl. n. 1056.

392–394 (22. Aug. 392 – 6. Sept. 394) Lyon 407 (4 Monate) Britannien 409/410 (Nov. 409 – Sommer 410) vor Rom 411–413 (Juli/August 411 – Juli 413) Mainz? 412/413 (Iovinus’ Bruder) 414–416 (Frühjahr 414 – Frühjahr 416) Südgallien 423–425 (20. Nov. 423 – Mai/Juni 425) Rom 455 (17. März – 31. Mai 455) Rom 461–465 (19. Nov. 461 – 14. Nov. 465) Ravenna 472 (April [?] 472 – 2. Nov. 472) bei Rom

Abkürzungsverzeichnis Man vgl. auch das Literaturverzeichnis. ACO Acta Conciliorum Oecumenicorum (ed. Ed. Schwartz) AE L’Année épigraphique, Paris 1889 sqq. CIL Corpus Inscriptionum Latinarum C. P. Constantinus Porphyrogenitus, De ceremoniis aulae Byzantinae. ILS H. Dessau (Hrsg.), Inscriptiones Latinae Selectae, 3 Bde. Berlin 1892–1916 (Nachdr. Berlin 1962). MGH Monumenta Germaniae Historica PG Patrologia Graeca PL Patrologia Latina PLRE 1 A. H. M. Jones, J. R. Martindale, J. Morris, The Prosopography of the Later Roman Empire, 1. Bd. Cambridge 1971. PLRE 2 J. R. Martindale, The Prosopography of the Later Roman Empire, 2. Bd. Cambridge 1980. PLRE 3 J. R. Martindale, The Prosopography of the Later Roman Empire, 3. Bd. in zwei Teilen, Cambridge 1992. RAC Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt, herausgeg. von Th. Klauser, 1941 sqq. RIC The Roman Imperial Coinage, herausgeg. v. H. Mattingly, E. A. Sydenham u. a., 1923 sqq. RE Paulys Realencyclopädie der klass. Altertumswissenschaft, neue Bearbeitung v. G. Wissowa u. a., Stuttgart 1893 sqq. ThlL Thesaurus linguae Latinae Zu den Abkürzungen von Ämtern und Titeln vgl. PLRE 1, XX/XXI; PLRE 2, XXXIII/IV. Zeitschriften- und Serienabkürzungen folgen in der Regel den Abkürzungen, die in der L’Année philologique verwendet werden. Zuweilen wird auch nach dem Abkürzungsverzeichnis der Archäologischen Bibliographie des Deutschen Archäologischen Institut zitiert, deren letzter Band 1994 erschien. Für die Abkürzungen, die literarische und andere Texte in lateinischer Sprache betreffen, wurde der Index des Thesaurus linguae Latinae, Leipzig 1990 zugrunde gelegt. Für die Abkürzungen, die literarische und andere Texte in griechischer Sprache betreffen, sind H. G. Liddell / R. Scott, A Greek-English Lexicon, Oxford 1968 und G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961–1968 verwendet. Für die späten Quellen und Papyri sind ergänzend und konkurrierend die Abkürzungen verwendet, die sich in den Bänden der Prosopography of the Later Roman Empire, 1.–3. Bd. London 1971– 1992 finden. Alle übernommenen Abkürzungen können leicht erweitert sein, um das Auffinden der Belege zu erleichtern.

Literaturverzeichnis Das Literaturverzeichnis bietet keine erschöpfende Zusammenstellung der Literatur. Es sind in der Regel nur die Werke aufgenommen, auf die mehrmals verwiesen wird. Die moderne wissenschaftliche Literatur wird mit dem Namen des Autors und dem Erscheinungsjahr zitiert. Davon abweichende Zitierweisen sind in Klammern hinzugefügt. Sind verschiedene Veröffentlichungen eines Autors aus demselben Jahr im Literaturverzeichnis aufgeführt, so werden sie dort durch die Hinzufügung eines Buchstabens zum Erscheinungsjahr unterschieden (z. B. 1992 a). Sind mehrere Bände eines Werkes in demselben Jahr erschienen, so steht vor dem Jahr die Bandzahl. G. Albert, Goten in Konstantinopel. Untersuchungen zur oströmischen Geschichte um das Jahr 400 n. Chr., Paderborn 1984. F. Amarelli, Transmissione, rifiuto, usurpazione. Vicende del potere degli imperatori romani, Neapel 1989. Ammien Marcellin, Histoire, Tome I (Livres XIV–XVI), Texte établi et traduit par E. Galletier / J. Fontaine, Paris 1978 (Galletier / Fontaine 1978). Ammien Marcellin, Histoire, Tome II (Livres XVII–XIX), Texte établi et traduit par G. Sabbah, Paris 1970 (Sabbah 1970). Ammien Marcellin, Histoire, Tome III (Livres XX–XXII), Texte établi, traduit et annoté par J. Fontaine, Paris 1996 (Fontaine 1996). Ammien Marcellin, Histoire, Tome IV, 1 u. 2 (Livres XXIII–XXV), Texte établi et traduit par J. Fontaine, Paris 1977 (Fontaine 1977). Ammien Marcellin, Histoire, Tome V (Livres XXV–XXVIII), Texte établi et traduit par M.-A. Marié, Paris 1984 (Marié 1984). Ammien Marcellin, Histoire, Tome VI (Livres XXIX–XXXI, Index général). Introduction, texte et traduction par G. Sabbah, notes par L. Angliviel de la Beaumelle, Paris 1999 (Sabbah / Angliviel de la Beaumelle 1999). M. V. Anastos, Vox Populi Voluntas Dei and the Election of the Byzantine Emperor, J. Neusner (Hrsg.), Christianity, Judaism and Other Greco-Roman Cults, Studies for Morton Smith at Sixty, Leiden 1975, 181–207 = J. Neusner (Hrsg.), Studies in Judaism in Late Antiquity, 12. Bd., Teil 2: Early Christianity. C. Ando, Imperial Ideology and Provincial Loyality in the Roman Empire, Berkeley 2000. N. Aujoulat, Eusébie, Hélène et Julien, Byzantion 53, 1983, 78–103. F. M. Ausbüttel, Die Verwaltung der Städte und Provinzen im spätantiken Italien, Frankfurt a. M. 1988. R. S. Bagnall / A. Cameron / S. R. Schwartz / K. A. Worp, Consuls of the Later Roman Empire, Atlanta 1987 (Bagnall 1987). E. Banzi, Miliari e propaganda politica nel mondo Romano: esempio della XI regio (Transpadana), Sibrium 22, 1992/1993, 259–293. T. D. Barnes, Athanasius and Constantius. Theology and Politics in the Constantinian Empire, Cambridge / Mass. 1993. T. D. Barnes, Late Roman Prosopography. Between Theodosius and Justinian, Phoenix 37, 1983, 248–270. Rezension zu PLRE 2.

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Indizes Namen und Sachen etc. in den Übersichten (VI B) sind nicht in den Indizes erfaßt. Die Zahlen in runden Klammern ( ) verweisen auf die Anmerkungen. Mehrfaches Auftreten eines Namens etc. auf einer Seite oder in einer Anmerkung ist nicht vermerkt. Kursiv gedruckte Zahlen weisen auf ausführlichere Darlegungen hin.

Sachen und Begriffe Wenn die Kapitelüberschrift die Erörterung bestimmter Sachfragen oder Begriffe erkennen läßt, findet sich in der Regel keine gesonderte Eintragung im Index. Zu einzelnen militärischen Einheiten siehe Truppenkörper. Abdankung vgl. Niederlegung der Herrschaft abolitio nominis vgl. damnatio memoriae Absetzung des Herrschers vgl. auch Usurpator, Absetzung 69, 207, 320, 323, 325 actuarius 299 (1231) adlocutio 27, 70 (220), 248 adventus 156, 159, 163, 296 agens in rebus 271, 299 Akklamationen 43, 74 (240), 115 (436), 155, 158 (619), 164, 297 (1218) Anerkennung durch die Kollegen vgl. Kaiser, Anerkennung durch die Kollegen appellare 86 (288), 87 (294), 255 (1019), 394, 395 Ärzte 305, 306 auctor 53–56, 67, 68, 138, 147, 148, 152, 166, 168, 169, 229, 230, 246, 256, 371 Vertretung des auctor 82, 83, 97, 98 Augusta 72, 114, 120, 128, 130, 131, 133, 138, 139, 150, 151, 176, 246, 256, 283, 366, 371 eigener Hof 139 (651) Augustus nomineller Augustus vgl. nominell Barbaren vgl. auch foederati 223, 224, 226, 245, 283, 317, 318, 348, 375 Anwerbungen von 223, 239 (947) Einsatz gegen Usurpatoren 223, 224, 318 als Kaisermacher vgl. auch Kaisermacher 226, 256, 283, 357 Bestechung vgl. Kauf des Kaisertums Bilder vgl. Kaiser, Bilder und Usurpator, Darstellungen, bildliche

Bucellarier 125, 202, 203, 348 Caesar Begriff 21, 22, 31, 32, 187 (710), 394 Caesarem ordinare 23, 33 (64), 93, 97 (335), 284 (1148) Erhebung zum Augustus 100, 170, 179, 212 Erhebung zum Caesar 170–174 Kompetenzen 49, 50, 59, 83, 241 nomineller Caesar vgl. nominell cliens 97 (335) comitatus 19, 50, 102–131 passim, 134, 135, 136, 137, 140, 141, 143–46, 148, 150, 189 (745), 190, 215, 216, 226, 230, 233, 237, 252, 257, 258, 265, 267, 277, 278, 299, 301, 302, 336, 337, 344, 351, 355, 363, 365, 368, 376, 396 Entwicklung ständiger eigener comitatus 56, 61 (180), 62, 63, 64, 66, 137, 194, 230, 242, 368 comitia, republikanische 77 commendatio 72, 96, 246 concordia der Herrscher 50 (147), 94 (321), 96, 212, 283, 313 coniuratio Marcellana 391 consensus omnium (sunaivnesi~) 77 (255), 114, 119, 123 (484), 151, 385 (1614) consistorium 131, 133, 150, 151, 202 (800), 265 (1069), 379 (1571), 381 (1586), 383 Teilnehmer 150, 151 consul 57, 165, 166, 169 Bestimmung der Jahreskonsuln 51, 64 (193)

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Indizes

cubicularii 123, 248 damnatio memoriae 326, 327, 328, 333, 339 (1446) Diadem 23 (23), 248 dies imperii 72 (229, 230), 73, 153 dignitates, Stellung im Rahmen der militia palatina 299, 380 (1573) domesticus 203 Donativ 24, 74, 75, 128, 188, 189, 198, 240, 248, 249, 273, 274 Doppelprinzipat 46, 47 Dynastie, dynastisches Prinzip 51, 53–57, 109, 110, 111, 113, 126, 128, 129, 139, 149, 160, 186, 190, 191, 193, 200, 208, 238, 245, 259–261, 263, 274, 276, 283, 307, 313, 346, 356, 364, 365, 367, 372, 374, 376, 401 Eid vgl. auch Erhebung des Kaisers, Treueid; Erhebung des Usurpators, Treueid 198, 212 electio (ejkloghv) 119, 254, 385 (1614) Elite, politische vgl. Führungsschicht Erhebung des Kaisers Aufforderung, Kaiser zu werden 72, 75, 81, 86, 87, 88, 246, 247, 394, 395 Antrittsdonativ vgl. Donativ Bestimmung des Kandidaten 93 commendatio des Kandidaten vgl. commendatio consensus vgl. consensus omnium Darstellung in den Quellen 94, 98 (338) verkürzende Beschreibung 22, 71, 93, 97, 98, 115 (435), 126, 394 Erhebung im Prinzipat 86, 93, 160, 161 Insignien 48, 72, 73, 123 Investitur 45, 48, 73, 74, 99 Krönung vgl. Investitur, ebenso Krönung durch den Patriarchen nuncupatio 74, 81, 85, 86, 87 Schilderhebung 73 torques 72, 73, 74 (238) Treueid 36, 75, 155, 159 Übertragung der Kompetenzen 44, 45, 46, 362, 363 Wahlversammlung 48, 77, 88, 91, 92, 95, 120, 152 Ort der Wahlversammlung vgl. auch Konstantinopel, Hebdomon u. Hippo drom 71, 78, 80, 81, 84, 98 Teilnehmer 78, 96

Erhebung des Usurpators Aufforderung, die Herrschaft zu übernehmen, vgl. Erhebung des Kaisers, Aufforderung, Kaiser zu werden Antrittsdonativ vgl. Donativ Bestimmung des Kandidaten 251–57 commendatio des Kandidaten vgl. commendatio Darstellung in den Quellen vgl. auch Erhebung des Kaisers 242, 243, 248 verkürzende Beschreibung 22, 248, 394 Erhebung im Prinzipat 44, 72 (229), 361, 362 Insignien 25, 247, 248 Investitur 247–249 Kauf des Kaisertums 128, 240, 241 Krönung vgl. Investitur nuncupatio 247 Schilderhebung 122, 210, 247 torques 248 Treueid 36, 212, 249, 270, 302 Wahlversammlung 244, 245 Ort der Wahlversammlung 248 Teilnehmer 244, 248, 357 ungeordnete 77, 122, 123, 247 Eunuchen 104, 107, 115, 116, 118, 119–124, 130, 131, 139, 140, 141 (556), 144, 145, 150, 192, 194, 200 (800), 235, 240, 257 (1026), 366, 384 (1610) fictif vgl. nominell foederati vgl. auch Barbaren 154, 201, 202, 245, führende Gruppe vgl. Führungsgruppe Führungsgruppe Amtsträger, ehemalige in ihr 131–133 Darstellung, verkürzende 103 Definition, Zusammensetzung 130, 133, 135, 136, 137, 150, 151, 152, 190, 365, 366 Einfluß der verschiedenen Personengruppen in ihr 137–42 Entstehung 130, 131 Mitglieder als Repräsentanten politischer und gesellschaftlicher Kräfte 142–45 Unterschied zu Führungsschicht (führende Schicht), politische Elite, Senat 93, 94, 131, 133, 134, 146 (582), 365, 367 Unterschied zu comitatus 133–35 Unterschied zu consistorium vgl. auch consistorium 133, 150, 151, Unterschied zu Kamarilla 151

Sachen und Begriffe Zahl der Mitglieder vgl. auch illustris 145, 146 Zusammensetzung im Osten und Westen 135–137 Führungsschicht 13, 41, 56, 63, 64, 99, 101, 131, 149, 150, 181, 194, 206, 213 (833), 227, 230, 269, 270, 331, 332, 349 (1492), 354, 359, 365, 367, 368, 373, 375, 376 Heermeister und Kaisertum vgl. auch Kaisermacher 22, 117, 137, 140, 141, 142, 173, 186, 192, 201–04, 213, 214, 224, 227, 341, 348, 355, 356, 369, 370 Herrscherlisten 38, 39, 342 (1462) Mommsens Kaiserliste 214 (835) hostis publicus 160, 208, 268, 323 illustris vgl. auch den Exkurs „illustris“ 254, 255, 380 imperator Ausrufung zum, vgl. Erhebung des Kaisers, Aufforderung, Kaiser zu werden Intervalle in der Abfolge der Herrscher 47 (136), 56, 60, 90 (310), 99, 147, 349, 350 Investitur vgl. Erhebung des Kaisers, Erhebung des Usurpators Kaiser Anerkennung durch die Amtskollegen 48, 50, 52, 53 Anerkennung durch Armee und Verwaltung 158–60 Anerkennung durch den Senat 160–62 Anerkennung durch die Kirche 162–64 Anerkennung durch das Volk 164 Anerkennung durch die foederati 154 Bewertung des legitimen Kaisers als Usurpator 28, 36 (81), 38 Bilder 50, 98 (336), 138 (543), 155, 156, 157, 158, 163, 167 (654), 197, 232, 294, 313 (1291), 316 (1307), 345, 346 Caesar vgl. Caesar Erhebung vgl. Erhebung des Kaisers Erhebung von Mitherrschern vgl. auctor Insignien 72, 73, 247, 248 Stellung im Prinzipat 16, 17, 43, 44, 207, 362, 363 Themen der Propaganda 42, 296, 297 Toga als Kleidung der zurückgetretenen 68, 73 Kaisermacher 115, 117, 151 (592), 256, 257, 265, 347, 348 Begriff 348 (1486)

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Kauf des Kaisertums 128, 240, 241 Kinderkaiser 49, 54 (160), 55, 101, 170, 171, 176, 191 Konsulat vgl. consul Krönung durch den Patriarchen 73 (233), 86, 125 (503), 163 Kuriale 197, 204, 226, 258, 272, 298, 330 largitio vgl. Donativ legitimus 35, 85, 105 (376), 151 levatus 394, 395 lex de imperio vgl. Erhebung, Übertragung der Kompetenzen Loyalitätskonflikt 269–72, 361 militaris 79 (263), 330 (1385) Militärputsch vgl. Staatsstreich Minenarbeiter 298 Monophysiten 88, 142, 231, 293, 294, 316 Nachfolgeregelung 13, 17, 21, 40, 41–58 passim, 63, 67, 85, 113–15, 120, 124, 125, 129, 130, 147–152, 154, 165–182, besonders 180, 181, 189, 190, 193, 194, 211, 242, 310–12, 363–65, 367, 371, 401 Niederlegung der Herrschaft 40, 67–69, 73, 184, 268, 318, 322, 324, 373, 374 nobilis inter suos vgl. auch Kuriale 330 (1385) nominell 21, 32 (59), 46 (133), 47, 49, 53, 54, 63, 81, 85, 94, 99, 111, 153, 165, 166, 169, 170, 179, 193, 222 (861), 311, 363, 364 Definition 53 (160) notarii 299, 390, 391 Novatianer 331, 332 nuncupatio vgl. Erhebung, nuncupatio officia 62, 79, 158, 159, 299 Ortsbezeichnungen und ihre möglichen Varianten 393 (1632) paludamentum vgl. Purpur Particularismus 358 (1541) Patriarch von Konstantinopel 22, 72, 131, 133, 142, 151, 163, 198, 294, 366 Politik, gemeinsame beider Reichsteile vgl. Reichsteile, gemeinsame Politik praesumptio, praesumptor, praesumere 31, 254 (1012) Prätorianismus 190, 348 Privatsoldaten vgl. Bucellarier protectores 299 prw`to~ th`~ sugklhvtou 116 (437), 119

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Indizes

Purpur (paludamentum) 68, 69, 71, 73, 166, 248, 292, 323 im Purpur geboren 166, 169 (660), 174, 178, 259, 400, 401 Rebellion vgl. Staatsstreich und Rebellion recusatio 75, 76, 249, 250 Reichsfeldherrn 213 (833) Reichsteile gemeinsame Politik 50, 51, 64–67 rescissio actorum vgl. damnatio memoriae Senatskaiser 264 (1058) Sezession vgl. Particularismus Sicherheit als politisches Problem 227, 228 silentium cum conventu 383 (1602) Staatsstreich vgl. auch Usurpator Bewertung aus antiker historischer Per­ spektive 26, 35, 361 Definition 13, 14, 20, 205, 206, 210, 211 Definitionen, moderne 13, 14 in anderen Epochen 15, 16, 206, 207, 238 (943) im Prinzipat 15, 16, 17, 207 als Militärputsch 14, 16, 18, 265–67 Furcht vor 187, 188, 200, 201, 220, 262, 391 Risiko für einen Staatsstreich 20, 76 (251), 187, 188, 205, 206, 219, 220, 371 Staatsstreich, erfolgreicher 375, 376 Staatsstreich, versuchter 219–21 Staatsstreich, verdeckter 102 Staatsstreich und Rebellion (Aufstand, Ungehorsam, Empörung) 26, 27, 35, 204, 210, 211, 219, 220, 222 (860), 341, 344 (1469), 372 Staatsstreich und Revolution 14–16 Steuern 231, 232 suvgklhto~ 22, 94, 99 (340), 103 (360) Tetrarchie 19, 46 (132), 47, 48, 49, 50, 51, 52, 68, 96 (328), 158, 165, 207, 208, 361, 363, 364, 365 tribunal 71, 122, 243, 250 (997) tribunus stabuli 110, 130, 185 Truppenkörper Bracchiati und Cornuti 289, 312 Divitenses und Tungricani 234, 244, excubitores 71 (221), 80, 120, 121 (477), 122, 123, 125, 141, 185, 258

Ioviani und Herculiani 338 Mattiarii 117, 185 Petulanten und Celten 245, 299 (1231) Scholen (scholae palatinae) 71, 80, 96, 106, 120, 121 (477), 122, 123, 185, 258, 305, 314, 389 Theodosiani 80 (266) tyrannus Begriff 27–30 Usurpationen vgl. Staatsstreich Usurpator vgl. auch Staatsstreich Absetzung 322, 323 Amtsträger 299–310 Fortsetzung der Karriere 335, 336 Anerkennung durch die Kollegen im Amt 32, 33, 58, 275 Anerkennung durch Armee und Verwaltung 289, 290, 295–99 Anerkennung durch den Senat 290, 291 Anerkennung durch die Kirche 291–94 Anerkennung durch das Volk 295–99 Begriff, lat. 29, 30, 31 Darstellungen, bildliche 328 Erhebung vgl. Erhebung des Usurpators Erhebung von Mitherrschern 310–12 Ermordung des rechtmäßigen Kaisers 36, 221, 268, 269 individuelle Voraussetzungen 224, 225 Münzen 327, 328 (1370) Themen der Propaganda vgl. auch Kaiser 41, 42, 296, 297 Verformung der Überlieferung über Usurpatoren 25, 26, 42 Vortäuschung der Anerkennung durch die Kollegen im Amt 41 zivile Usurpatoren 263–68 Vakanz vgl. Intervalle Verselbständigung einzelner Territorien vgl. Particularismus Volk vgl. auch Zirkusparteien 123, 124, 152, 154, 164, 196, 227, 250, 347, 349 Wahlversammlung vgl. Erhebung des Kaisers, Erhebung des Usurpators Zirkusparteien 122, 123

Personennamen

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Personennamen Die Reihenfolge richtet sich nach der in der PLRE, soweit die einzelnen Personen dort aufgeführt sind. Die anderen sind nach der üblicherweise verwendeten Form eingeordnet. Die Namen antiker Autoren finden sich im Index der Stellen, soweit sie nicht gesondert im Text erwähnt werden. Die Namen im Exkurs „Die Teilnehmer an den Beratungen über Theodosius’ II. Nachfolge 450“ sind nicht alle aufgenommen. Bei sehr häufig vorkommenden Herrschernamen sind nicht alle Stellen berücksichtigt. Die angegebenen Ämter beziehen sich in der Regel auf das höchste innegehabte, das bekannt ist. Ablabius, PPO Orientis 264 Abureius, von Magnentius in Rom getötet, sonst unbekannt 307 (1263) Achilleus, Aurelius Achilleus, Usurpator ? 265 (1066) Aegidius, Heermeister in Gallien 27, 229 (896), 359 Aelia Marcia Euphemia vgl. Euphemia Aemilianus, Heermeister 355 (1528) Aetius, Heermeister 27, 127, 128, 141 (556), 175, 191, 192, 201–204, 239 (947), 267, 344–346, 348, 352, 355, 359, 369 Africanus, consularis Pannoniae secundae 388 Agilo, Heermeister 104, 274, 305, 309, 335, 338 Agricola, PPO Galliarum 28 (37) Agrippa, M.Vipsanius Agrippa, enger Mitarbeiter des Kaisers Augustus 46 Agrippina, Mutter Neros 93, 139, 151 (592) Agrippinus, Heermeister 302 (1240) Agroecius, primicerius notariorum 301, 334 Alarich, Führer der Westgoten 59, 134, 201, 253, 266, 316, 318, 323, 341, 343, 376 Alexander, tribunus et notarius 336 Aliso, tribunus 310, 339 Allectus, Usurpator 207 Allobichus, Heermeister 315, 344 (1468) Amantius, PSC 88, 120, 121, 123, 124, 140 (553), 191 Ambrosius, Bischof von Mailand 61 (182), 198, 287, 292, 293 (1195), 300 (1233), 315, 331, 334 (1402), 366 Ambrosius, PPO, Vater des Bischofs 61 (182) Amphilochius, tribunus et notarius 31 (52), 61 (181) Anagastes, Heermeister 392 Anastasius, Augustus (491–518) 55, 56, 57, 67, 75 (245), 76 (247), 81, 82, 92 (315), 103 (361), 120, 129, 138, 139, 140, 142, 149, 167, 176, 183, 184, 186, 187, 193, 196, 198, 214, 231, 247, 267, 368, 384 (1609) Erhebung 118, 119, 139

Anastasius, QSP 385 Anatolius, Heermeister 116, 398 Anatolius, Patriarch von Konstantinopel 82 (273), 114, 115, 117 Anatolius, PPO Illyriens 65 (196), 303 Andragathius, Heermeister 237, 310, 329, 330 Andreas, cubicularius 124 Andronicus, vicarius der Diözese Thrakien 304, 305, 334 Anthemiolus, Sohn des Kaisers Anthemius 55 (163) Anthemius, Augustus (467–472) 50 (148), 51 (152), 55, 56, 57, 78 (256), 80, 83, 84 (281), 90, 91, 98, 99, 101, 117, 136, 137, 141, 143, 148, 157, 158, 168, 173, 175, 179, 181 (707), 192, 193, 196, 199, 200, 202, 214, 218 (845), 230, 231, 238, 256 (1023), 259, 266, 269, 294, 297, 313 (1292), 336, 344, 349, 350 (1495), 351, 352, 353, 354, 369, 392 Anthemius vgl. Procopius Anthemius Apion, cos. 539 125 Apodemius, agens in rebus 271 Apollinaris, PPO Galliarum 334 Apringius, proconsul Africae 204 (813), 331 (1381) Araxius, PPO Orientis 305, 333 (1400), 335 Arbitio, Heermeister 145, 263, 274, 309 Arbogast, Heermeister 66, 71 (221), 99 (340), 201 (798), 202, 203, 213, 214, 215 (836), 221, 225, 239, 246 (972), 252, 263 (1053), 265, 267, 269 (1085), 289, 315, 329, 330, 338, 348 (1486), 354 Arcadia, Frau des Kaisers Zenon? 176 (689) Arcadia, Schwester der Augusta Pulcheria 216 (1038) Arcadius, Augustus (395–408) 52, 53, 54 (160), 60 (175), 63, 78 (259), 85, 113, 161, 166, 167 (654), 169, 170 (663), 171, 173 (676), 174, 178, 194 (764), 214, 222 (861), 285, 324 (1345), 337

440

Indizes

Ardabur, Heermeister Theodosius’ II. 274 (1108), 314 Ardabur, Sohn Aspars, Heermeister 117, 383 (1601), 384 (1610) Ardabur, cubicularius 124 Areobindus, Heermeister 88, 231 Ariadne, Augusta, Tochter Leos I., Frau Zenons 57, 79 (260), 118, 119, 120 (466), 129, 138, 172, 176, 183, 186, 193, 227 (878), 235, 259, 384 (1609), 392 Arinthaeus, Heermeister 106, 107 Aristophanes, Würdenträger, vicarius Macedoniae? 38 (95), 65 (196) Armatus, Heermeister 83, 173, 174, 235, 392 Armatus, tribunus 72 (230) Armonius, ziviler Amtsträger, Sohn des consul von 361, Taurus 265 (1069) Asclepiodotus, comes 334 (1410) Aspar, Heermeister 21, 66, 84, 114, 115, 117, 137 (540), 140, 141, 145, 172 (672), 173, 192, 194, 196, 203, 204, 262, 263, 347, 348, 349, 356, 370, 380, 385, 387 Assyria, Frau des Heermeisters Barbatio 329 (1377) Athalaricus, König der Ostgoten 155, 162 (639) Athanasius, Bischof von Alexandria 198, 199, 292, 315, 366 Athaulf, König der Westgoten (410–415) 272 (1100), 343, 357, Attalus, Usurpator 134, 187 (736), 208 (819), 222, 226, 244, 245, 246, 248, 253, 261, 263, 264 (1058), 266, 276 (1116), 295 (1209), 300 (1232), 308, 314, 316, 317, 318, 323, 325, 336, 340 (1447), 343, 357, 376 Attila, König der Hunnen 116, 346 Augustus, Kaiser (27 v.Chr. – 14 n.Chr.) 43, 202, 207, 364 Aurelianus, Kaiser (270–275) 325 Aurelius Victor vgl. Victor Ausonius, Decimus Magnus, QSP, cos. 379 109, 111, 177, 190 (746) Avienus, Gennadius Avienus, cos. 450 336 Avitus, Usurpator 31 (53), 33, 34, 62 (188), 66, 87, 90, 91, 101, 118, 128, 129, 132, 134, 137, 148, 149, 180, 196, 217 (843), 222, 223, 242, 243, 245, 250, 255, 257, 262, 264 (1058), 283, 284, 285, 298, 301, 320, 323 (1343), 324, 327, 336, 346, 347, 348, 349, 350, 351, 357, 359, 369, 376, 391 Anerkennung seiner Herrschaft durch den Senat in Rom 156, 157, 161, 290

Balbinus, Kaiser (238) 46, 47, 93 Barbatio, Heermeister 201, 220, 262, 389 Barchalba, tribunus 270 (1088), 309 (1273), 310, 339 Basiliscus, Usurpator 83, 136 (538), 141, 186, 192, 215, 216, 221 (859), 222, 235, 244, 246 (970), 251, 252, 262, 268, 279, 288, 294, 311, 324, 341 (1460), 346, 347, 354, 392, 393 Basiliscus, Caesar, Sohn des Heermeisters Armatus 83, 173, 174 (677) Basilius, Bischof von Antiochia 137 (540) Basilius, PPO Italiae 333, 336 Baudo, als Usurpator von Theodosius II. verdächtigt 187 (739), 391 Boethius, PPO Italiae 202, 234 Bonifatius, Heermeister 191, 204, 231 (833), 239, 277, 281 Burco, comes rei militaris ? 394 Burrus, Prätorianerpräfekt Neros 83 (275), 93 Caesar, C.Iulius Caesar 206, 207 Caesarius, PPO Orientis 35 (74), 216 Caesarius, CRP, PVC 105, 106, 216 Caesarius, Arzt, comes thesaurorum? 306 Callinicius, PSC 124, 140 Calliopius, magister epistularum 63 (191) Calocaerus, magister pecoris camelorum, Usurpator ? 258 (1029) Candidianus, Sohn des Augustus Galerius 49 (144) Caracalla, Augustus (211–217), Sohn des Kaisers Septimius Severus 47, 54 (160), 171 Carausius II., Rebell? (354?–58?) 222 (860) Carinus, Augustus (283–85) 47 Carus, Augustus (282/83) 44 (125), 45, 46, 47, 205 Cassiodorus, Autor, cos. 514 66 Castinus, Heermeister 204, 239, 266, 267, 338 Catilina, Aufrührer 206 Celer, mag.off. 71 (221), 82 (273), 120, 121, 135, 140 Celsinus, Clodius Celsinus signo Adelphius, PVR 306 (1257), 307, 388 Cerealis, Naeratius Cerealis, PVR 28 (41) Cerealis, tribunus stabuli, Bruder Iustinas 110 Chariobaudes, Heermeister 271 Chrysaphius, spatharius 115, 116, 131, 139 Claudius, Kaiser (41–54) 83 (275), 93, 151 Claudius, tribunus 339, 402 Clearchus, PVC 308 (1270) Clementius, militärischer Kommandant 315 Commodus, Kaiser (180–192) 258, 340

Personennamen Consentius, Amtsträger des Usurpators Avitus 301 (1240) Constans, Augustus (337–50), Sohn Konstantins 28 (40), 30 (49), 31 (52), 36 (83, 84), 38 (97), 50, 59, 60, 61, 62, 65 (196), 67 (205), 84 (281), 162, 178 (698), 179, 209, 212, 215, 217, 224, 226, 233, 238, 268, 269, 277, 278, 282, 303, 309, 324 (1345), 373 Constans, Sohn des Usurpators Constantinus III. 178, 217, 260, 311, 312 Constantia, posthum geborene Tochter Constantius’ II. und Faustinas 177, 200, 259, 292 Constantianus, PPO Galliarum 66 (203) Constantina, Augusta, Constantius’ II. Schwester 138, 209, 246, 256 Constantinus vgl. Konstantin Constantinus II., Augustus (337–340), Sohn Konstantins 50, 59, 60, 61, 84 (281), 162, 172 (671), 212 Constantinus III., Usurpator 22, 34, 135, 136, 178, 208 (819), 217, 218, 219, 222, 223, 228, 229, 256, 258 (1028), 260, 262, 271, 277, 278, 279 (1124), 285, 292, 298, 301, 311, 315, 316, 320, 324, 325 (1348), 326 (1357), 333, 334, 341 (1455), 342, 343, 344 (1468), 356, 358 Constantinus, cos. 457 117, 145, 350, 399 Constantinus, secretarius sacri consistorii 382 Constantius Chlorus (Constantius I.), Caesar (293–305), Augustus (305–306), Vater Kon­stantins 68, 259 (1036) Constantius, Iulius Constantius, Halbbruder Kon­stantins 178 (696), 260 (1038) Constantius II., Augustus (337–361) 21, 28 (40, 41), 32, 37, 38, 47 (136), 50, 57, 59, 61, 62, 65 (196), 69, 73 (236), 84 (281), 96, 100, 103, 104, 144, 149, 150, 162, 163 (641, 643), 169 (659), 170, 171, 174, 177, 180, 187 (739), 188, 195, 197, 198, 199, 200, 201, 209, 212, 219, 221, 223 (863), 227, 231, 233, 234, 236, 241, 242, 244, 251, 259, 262, 263, 270, 271, 272, 276, 278, 280, 282, 285, 289, 291, 292, 293, 297, 302, 304, 307, 312, 313, 314, 315, 316, 317, 318, 319, 320 (1328), 321, 322, 324 (1345), 330 (1385), 335, 336, 339, 340, 363, 365, 388, 389 Constantius III., Heermeister, Augustus (421) 22, 51, 52, 53, 54, 55, 96, 98 (338), 157 (616), 158 (619), 165 (648), 168, 169 (659), 174, 175, 185, 186, 192 (756), 193, 199, 200, 203 (809), 334, 343, 364, 370

441

Cottais (Cottomenes?). Heermeister 221 (854) Crispus, Caesar 49, 50, 172 (671), 260 (1038) Cynegius, PPO Orientis 197 Cyrillus, Bischof von Alexandria 294, 391 Dagalaifus, Heermeister 102, 106, 107, 181, 191, 401 Dalmatius, Caesar 50, 56, 61 (181), 169, 170, 174, 179 Dalmatius, Halbbruder Konstantins 170 Daniel, als Usurpator von Theodosius II. verdächtigt 187 (739), 391 Daniel, Stylit 294 Dardanus, PPO Galliarum 34, 228, 272, 279 (1124), 357 Datianus, comes Constantius’ II. 107, 108, 132, 133, 145, 146 (578), 253 Decentius, Bruder des Usurpators Magnentius 285 (1155), 296, 310 (1281), 311, 321, 327, 328 (1376) Delphidius, Attius Tiro Delphidius, Amtsträger unter Procopius 335 Desiderius, Bruder des Usurpators Magnentius 328 (1376) Dexter, Appius Nicomachus Dexter, PVR 148 (584), 337 Didius Iulianus, Kaiser (193) 128 Didymus, Verwandter des Kaisers Honorius 219 (848), 298 Diokletian, Augustus (284–305) 18, 47, 48, 49, 68, 73, 97 (330), 98 (337), 101, 165 Dionysius, PPO 266, 342 (1460), 393 Dioscorus, Bischof von Alexandria 220, 294, 391 Domitianus, cliens Leos II. 82, 97, 173 (676) Domitius Alexander, Usurpator 290 Domitius Domitianus, Usurpator 207 Dorus, medicus, centurio rerum nitentium unter Magnentius 305, 306, 335, 388 Doryphorianus, VVR 111 Dulcitius, dux 326 Dynamius, corrector Tusciae 220 (850) Edobichus, Heermeister 229 Elpidius, comes sacri consistorii 382 Epictet, arianischer Bischof von Centumcellae 315 Epinicus, PPO 235 (926), 266, 342 (1460), 393 Equitius, Heermeister 106, 107, 109, 111, 191, 210 (824), 258, 401 Euagrius, comes rei privatae 104 Eucherius, comes sacrarum largitionum 112

442

Indizes

Eucherius, Sohn des Heermeisters Stilicho 175, 329 (1378) Eudocia, ältere Tochter Valentinians III. 129, 175, 357 Eudocia, Aelia Eudocia, Frau Theodosius’ II. 138 (541) Eudokia, Kaiserin (1067) 371 (1569) Eudoxia, Aelia Eudoxia, Frau des Kaisers Arcadius 138 (543) Eudoxia, Licinia Eudoxia, Frau des Kaisers Valentinian III. 127, 128, 129, 138, 260, 350, 366 (1561) Eufrasius, mag.off. 302, 335 Eugenius, Usurpator (302) 225 (871), 248 (978), 258 (1029) Eugenius, Usurpator (392–394) 32, 39 (99), 55, 63 (191), 71 (221), 90, 101, 129, 133, 150 (588), 153, 164, 173 (676), 180, 182, 194 (763), 214, 215 (836), 217 (843), 218, 221, 222, 225, 229, 237, 239, 246 (972), 248 (978), 250, 252, 261, 263, 264, 265, 266, 274, 275, 281, 282, 285, 287, 289, 291, 292, 293, 300 (1233), 308, 312, 319, 326 (1356), 330 (1385), 331, 336, 337, 340, 348 (1486), 376 Eugenius, mag.off. 65 (196), 190 (746), 233, 237 Eugenius, Palasteunuch 233, 234, 240 Eulogius, tribunus et notarius 382 Eunomius, Anhomöer 234 Euodius, cos. 386 316 Euphemia, Tochter des Kaisers Marcianus 168, 175, 259, 393 Euphemius, Patriarch von Konstantinopel 118, 119 Eusebia, zweite Frau Constantius’ II. 139 Eusebius, PSC 104, 107, 139 Eutropia, Mutter des Usurpators Nepotianus 177 (692), 259, 307 (1263) Eutropius, PSC 144, 194 (764), 328 Eutropius, PPO, Historiker 143 (564), 144 (568), 160 (630) Eventius, Statthalter (consularis) der provincia Viennensis 271 Fausta, Frau Konstantins 138 (541) Faustina, dritte Frau Constantius’ II. 200, 259, 292 Faustus, Anicius Acilius Glabrio Faustus, cos. 438 65, 66, 308 Felix, Heermeister 213 (833) Felix, sonst unbekannter Teilnehmer am sogenannten Usurpationsversuch von 355 388

Firmus, Usurpator 201, 211, 214 (835), 218, 219, 222, 226, 258, 276 (1117), 280, 293, 313, 338, 343, 372 Flaccilla, erste Frau des Kaisers Theodosius I. 138 (541), 167 (654), 281 Flavianus, Nicomachus Flavianus 14, der Jüngere, PPO Italiae 65 (196), 112 (422), 148 (584), 308, 334 (1402), 335, 336, 337, Flavianus, Virius Nicomachus Flavianus 15, der Ältere, cos. 394 135, 143, 148 (584), 308, 330, 333 (1398), 334 (1402), 337 Florentius, Kommandant der Truppen in Nicaea im Frühjahr 366 310, 339 Florentius, magister officiorum 104 Florentius, PPO 104 (364), 270, 271, 302, 303 Florentius, cos. 429 116 (437) Frigeridus, Renatus Profuturus Frigeridus, Historiker 34 (73), 334 (1408) Gainas, Heermeister 35 (74), 144, 201, 203, 214 (834), 326 (1356) Gaiso, Heermeister 36 (83, 84), 329, 330 Galerius, Caesar (293–305), Augustus (305–11) 37, 49 (144), 68, 101, 138 (541), 208, 313 (1291), 316 Galla, Iulius Constantius’ Frau 178 (696), 260 (1038) Galla, Tochter Valentinians I., zweite Frau des Kaisers Theodosius I. 60 (179), 177 Galla Placidia vgl. Placidia Gallienus, Kaiser (253–68) 47 Gallus, Caesar (351–54) 42 (119), 47 (136), 57, 61, 73 (232), 169 (659), 170, 171, 172, 174, 180, 195, 209, 222 (861), 241, 244, 259, 271, 322, 388 Gaudentius, Sohn des Heermeisters Aetius 127, 175 Geiserich, König der Vandalen 175, 239, 357 Gelasius, Arzt 306 Germanianus, PPO 61 Germanus, Vater von Iustinus 4 124 Gerontius, Heermeister 229, 256, 278, 356 Gerontius, comes rei militaris? 338 Geta, Augustus, Sohn des Kaisers Septimius Severus 47, 54 (160), 165 Gildo, comes Africae 26, 27 (34), 28, 160, 201, 203 (810), 204, 211, 213, 214, 280, 281, 358 Glycerius, Usurpator 32 (57), 33, 91, 101, 217 (843), 222, 256, 262, 302 (1240), 319, 325, 346, 353, 354 Goar, König der Alanen 245 (968), 256, 357

Personennamen Gomoarius, Heermeister 274, 302, 309, 310, 338 Gratian, Augustus (375–383), Sohn Valentinians I. 32 (59), 36 (82), 38, 52, 53, 54, 57, 63, 75 (245), 76 (248), 85, 95, 96 (324), 100, 102, 108, 110, 111, 112, 113, 143 (564), 148, 153, 154, 157 (616), 158 (619), 160 (632), 161, 165, 166 (650), 167 (654), 168, 169, 170, 171, 174, 177, 191 (752), 192 (756), 200, 213, 216, 231 (906), 237, 268, 269 (1085), 271, 278, 293 (1195), 296, 302, 307, 310, 312, 316 (1307), 363, 373 Sohn Gratians unbekannten Namens 168 (657), 174 Gratianus, Sohn Gallas und des Kaisers Theodosius I. 60 (179), 180 Gratianus, Usurpator in Britannien 183 (715), 217, 222, 223 (862), 229, 251 (1003), 258, 263, 266 (1073), 342 Gratianus, comes rei militaris, Vater Valentinians I. 272, 333, 339 Gunderich, König der Vandalen 256, 283, 357 Gundobad, Heermeister 256, 347, 353, 354 Guntiarius, König der Burgunder 245 (968), 256, 357 Helena, Mutter Konstantins 138 (541), 176 Helena, Frau des Caesars Crispus 260 (1038) Heliocrates, hoher Amtsträger 157, 158 (618) Heliodor, Bischof von Altinum 39 (99) Helion, mag.off. 73 (236), 82, 83 (276), 97, 145, 341 Helpidius, PPO Orientis 104 (364) Helpidius, CRP 105, 234 (917), 237, 332 (1393) Heraclianus, comes Africae 26, 29 (42), 204 (813), 211, 213, 214, 220 (849), 281, 328, 329 (1379), 330 (1385), 331 (1388), 344 (1469) Heraclius, Eunuch, primicerius sacri cubiculi 131 (520), 141 (556), 202 (800) Herculanus, cos. 452 200 Hermogenes, PVR 65 (196) Heros, Bischof von Arles 333 Himerius, Papst 199 Honoria, Iusta Gratia Honoria, Tochter Galla Pla­cidias und Constantius’ III. 177 (695), 200 Honorius, Augustus (395–423) 28 (37), 41, 51 (149), 52, 53, 54 (160), 55, 56, 57, 60 (175), 67 (205), 78 (259), 96, 98 (338), 136, 138 (543), 148, 153, 158 (619), 161, 163 (643), 164, 165 (248), 167 (654), 168,

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169, 171, 172, 173 (676), 174, 175, 178, 179, 185, 191, 192 (756), 193, 214, 218, 219 (848), 222 (861), 228, 229, 230, 232, 253, 267, 272, 274 (1108), 277, 279 (1124), 285, 298, 301, 314, 315, 316, 320, 323, 325 (1350), 329 (1378), 336, 337, 340, 342, 343, 344 (1468), 364, 376, 401 Hormisdas, Papst 76, 162, 385 Hormisdas, Provinzstatthalter 304, 310, 334 Hosius vgl. Ossius Huneric, Sohn Geiserichs 175, 357 Hypatius, Usurpator, Neffe des Kaisers Anastasius 56, 578, 121, 147, 167, 237 (942), 263 (1054), 376 Hyperechius, Kommandant von Truppen in Bithynien 310 Ianuarius, Ioviani adfinis 89, 106, 167, 182 Ibas, Metropolit 115 (436) Illus, Heermeister 28, 192, 214, 221 (854), 235, 256, 326 (1356), 342 (1460), 392 Iohannes, Usurpator 33, 42, 90, 101, 129, 136, 150 (588), 172, 180, 214 (835), 218, 222, 242, 245, 252, 258, 263, 264 (1058), 266, 267, 273, 274, 275, 277, 281, 282, 308, 312, 314, 315, 319, 326, 327, 338, 340, 342, 344, 347, 348, 352, 368, 374, 376, 387 Fl. Iohannes, cos. 456 350 Iohannes II., Patriarch von Konstantinopel 120 Iohannes Scholasticus, Patriarch von Konstantinopel 125 Iohannes, PPO Italiae 422 302 Iohannes, tribunus 122, 210, 247, 325 (1352) Iohannes, tribunus et notarius 330 (1385) Iovianus, Augustus (363/64) 47, 58, 61, 70 (220), 71 (221), 80, 81, 91, 92, 107, 108, 126, 131, 132, 133, 135, 142, 146 (579), 149, 154, 155 (604), 159, 160, 166, 168, 179, 185, 186, 236, 238, 243 (961), 253, 368 Erhebung 104, 105, 150 Iovianus, primicerius notariorum 105, 191, 264, 390 Iovianus, Usurpator ? 343 (1466) Iovinus, Usurpator 29 (42), 34, 135, 136, 199 (789), 217, 219 (848), 228, 239, 245, 256, 258, 263 (1056), 267, 272, 279, 301, 311, 326 (1356), 334, 337 (1428), 343, 357, 358 Iovinus, Heermeister 159 Iovinus, Truppenkommandant des Usurpators Maximus (419–21), 329 (1383) Iovinus, CSL 106

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Iovius, QSP 62, 305, 335 Iovius, PPO Italiae 314, 315 Irene, Kaiserin (797–802) 194 (765), 371 (1569) Iulianus, Augustus (361–63) 21, 25 (25), 32, 37, 42 (20), 47, 51, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 73 (232, 233), 75 (247), 83, 87, 96, 100, 107, 108, 132, 139, 144, 146 (579), 159, 160 (629), 169 (659), 170, 171, 172, 174, 178 (698), 179, 180, 187, 187, 193, 197, 198, 200, 212, 220, 222, 227, 231, 232, 234, 236, 239, 241, 242, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 258, 259, 252, 262, 271, 275, 278, 280, 282, 288, 289, 291, 292, 296, 297, 300 (1232), 303, 304, 305, 309, 313 (1292), 315, 317, 318, 326 (1356), 335, 363, 364, 373, 389 Anerkennung als Augustus im Osten 103, 104, 132, 139, 150 Iulianus, Sextius Rusticus Iulianus, PVR 183, 264, 307 Iulianus, Sohn des Usurpators Constantinus III. 178, 217, 260, 311, 312, 326 (1359), 328 (1376) Iulius, comes rei militaris 287, 303 (1248) Iulius Constantius vgl. Constantius Iulius Nepos vgl. Nepos Iustina, zweite Frau Valentinians I. 63 (191), 109, 110, 113, 168, 176, 177, 200, 259, 260 (1038), 389 Iustinianus, Augustus (527–565) 54 (162), 64, 71 (221), 79, 81, 88, 96, 98, 122, 124, 125, 140, 165, 172, 193, 247, 344, 347, 384 (1609) Iustinus I., Augustus (518–527) 40, 54 (162), 71 (221), 76, 79, 81, 88, 92, 96, 98, 126, 128 (511), 135, 140, 142, 149, 162, 167 (654), 172, 185, 193, 324 (1345), 385 Iustinus’ I. Erhebung 120–24, 141 Iustinus II., Augustus (565–78) 71 (221), 72 (230), 79, 80, 81, 138 (547), 140, 167 (654), 385 (1617) Iustinus’ II. Erhebung 124, 125, 141 Iustinus, Heermeister Constantinus’ III. 229 (892) Iustinus 4, Heermeister, Cousin Iustinus’ II. 125 Iustus, Provinzstatthalter (consularis) von Picenum 389 Iuventinus, Angehöriger der schola gentilium 389 Karl der Große, Kaiser (768–814) 345, 371 Konstantin, Kaiser (306–337) 18, 25, 32, 37,

47, 49, 56, 57, 61, 68 (211), 69 (219), 73 (232), 99, 100, 130, 152, 160, 161, 162, 164, 165, 170, 172 (671), 174, 177, 178, 179, 184, 197, 200, 207, 211, 216, 220, 259, 260, 275, 311, 313 (1291), 315, 313 (1291), 315, 316, 323 (1339, 1344), 335, 361, 363, 364 Lagodius, Cousin des Kaisers Honorius 298 (1227) Laniogaisus, tribunus 269 (1085) Lazarus, Bischof von Aix 33 Leo I., Augustus (457–474) 21, 33, 56, 57, 72 (225, 230), 80, 81, 82 (273), 83, 84 (281), 88, 89, 92, 96, 98, 99, 115 (437), 116, 120, 131, 134, 136, 140, 141, 142, 146 (582), 148, 149, 157, 158 (618), 162, 169 (659), 172, 173, 175, 176, 180, 181 (707), 185, 186, 192, 193, 194, 227, 250 (997), 253, 254, 259, 284, 347, 349, 350 (1494, 1495), 351, 353, 356, 384 (1609), 395 Leos I. Erhebung 117, 118, 121 (477), 123, 140 Sohn Leos I. 117 (445) Leo II., Augustus (474) 21, 40, 51, 53 (160), 78, 79, 83, 84, 96, 97, 98, 102, 120, 164, 165 (648), 169 (659), 171, 172, 173, 175, 176, 181, 193, 235, 256, 347, 349 Leos II. Erhebung zum Augustus 84 Leo vgl. Basiliscus, Caesar Leo, Papst 162, 163 (643), 227, 346, 384 Leo, mag.off. 107, 109, 111 Leonas, quaestor sacri palatii 104 Leontia, Tochter Leos I. 175, 181 (707), 259 Leontius, Usurpator 83 (274), 192, 214, 221 (854), 224 (868), 246, 251, 256, 262 (1048), 279, 283 (1146), 288, 295, 296, 326 (1356), 342 (1460) Leontius, primicerius notariorum 381 Leontius, Bischof der Novatianer in Rom 331 Leucadius, Statthalter (praeses) einer Provinz 303 (1247) Libanius, Rhetorikprofessor 305, 332 (1391) Liberius 3, PPO Galliarum 65, 355 (1528) Libius Severus, Usurpator 27, 33, 56, 90, 98, 101, 130, 134, 136, 148, 200, 217 (843), 222, 245, 252 (1008), 255, 263, 264 (1058), 266 (1073), 270 (1086), 290, 294, 301, 312, 336, 346, 349, 350, 351, 352, 359, 374 Licinius, Kaiser (308–324) 49, 61 (181), 69 (219), 172 (671), 183 (710), 323 (1344), 364

Personennamen Licinius iunior, Sohn des Kaisers Licinius 172 (671) Limenius, PPO 65 (196), 271 Longinus, Heermeister, Bruder des Kaisers Zenon 119, 167, 176 (689), 183, 393 Longinus, mag.off. 119, 183 Lucillianus, Heermeister 159 (625), 302, 310 Lucius, Heermeister 391 Lucius Verus, Kaiser (161–169) 46, 171 (667) Lupicinus, Heermeister 234, 302, 310 Lutto, comes 334 (1410) Macedonius, Patriarch von Konstantinopel 75 (245), 198 Magnentius, Usurpator 35 (74), 36 (80), 42, 61, 62, 67 (205), 149, 162, 186, 192, 199, 209, 215, 217, 219, 222, 223, 224, 226, 228, 233, 236, 237, 238, 239, 241, 244, 248, 249 (987), 251, 252, 259, 260 (1041), 261, 264 (1058), 268, 272, 274, 275, 277, 278, 280, 282, 285, 287, 289, 292, 296, 297, 302, 303, 304 (1252), 305, 306 (1257), 307, 309, 311, 314, 315, 317, 318, 319, 320 (1328), 321, 322, 325, 326 (1356), 327, 330, 333 (1397), 335, 336, 338, 339, 340, 388, 389 Magnus Maximus, Usurpator 22, 32, 35 (74), 36 (85), 39 (99), 42, 59, 62, 66, 99, 102, 109 (398), 111, 186, 195, 197, 198, 201, 209, 216, 222, 223, 229 (897), 237, 240 (951), 249, 250 (995), 260, 261, 269 (1085), 270, 273, 274, 275, 277, 278, 280, 286, 292 (1190), 293, 302, 304 (1252), 307, 308, 310, 311, 312, 315, 316, 317, 318, 319, 323, 326 (1356), 327 (1361), 331, 337 (1430), 336, 340 Maiorianus (Maiorian), Usurpator 33, 34, 66, 90, 127, 128, 130, 134, 138, 139, 148, 149, 150 (588), 156, 157 (613), 175, 183 (720), 217 (843), 218 (844), 222, 228, 243, 245, 252 (1008), 253–255, 262, 266, 283 (1148), 284, 287, 290, 301, 312, 320, 323, 336, 346, 349, 350, 351, 352, 357, 358, 359, 393–95 Mamertinus, Claudius Mamertinus, PPO 62, 159 Marcellianus, tribunus 309 (1273) Marcellinus, Machthaber in Dalmatien 27, 137 (538), 203, 213 (834), 282, 356, 359 Marcellinus, comes rei privatae 215, 217, 233, 241, 251, 267, 268, 289, 330 Marcellinus, tribunus et notarius 270 (1088), 331 (1388), 337

445

Marcellus, Usurpator 210, 222, 310, 401 Marcellus, Heermeister 389 Sohn des Heermeisters Marcellus 389 Marcianus (Marcian), Augustus (450–57) 32, 55, 56, 71 (221), 73 (233, 236), 78 (259), 81, 90, 91, 94 (321), 99, 101, 103 (362), 117, 118, 126, 129, 132, 134 (530), 138, 139, 142, 147, 148, 149, 154, 157 (614), 162, 168, 175, 176, 180, 185, 186, 193, 217 (843), 218, 230, 252, 259, 275, 284, 285, 315, 316, 344, 345, 346, 347, 349, 350 (1494), 351, 373, 374, 384, 387, 391 Marcians Erhebung 113–17, 123, 397–400 Marcianus 14, PVR 334 (1402) Fl. Marcianus, Heermeister, Sohn des Kaisers Anthemius 55 (163), 181 (707), 192, 259, 262, 342 (1460), 393 Marcus Aurelius, Kaiser (161–81) 46, 171 (667) Marcus, Usurpator in Britannien 217, 222, 223 (862), 228, 251 (1003), 257, 262 (1048), 263 (1056), 342 Marcus, Sohn des Usurpators Basiliscus 311, 341 (1460) Marina, Schwester der Augusta Pulcheria 260 (1038) Marinus, comes 330 (1385), 337 Marinus, tribunus vacans 388 Martialis, mag.off. 82 (273), 116, 132, 145, 380 (1577), 381 (1586), 398 Martin, Papst 122 (482) Martinianus, mag.off., Augustus 324 187 (710), 264 (1059) Martinus, vicarius Britanniarum 270 (1088), 330 (1385) Maternus, Anführer einer Räuberbande, Rebell 258 Maudio, comes 334 (1410) Mauricius, Kaiser (582–602) 125 (500), 138 (547), 185 Mauricius, chartularius, Rebell 89 (300) Maurus, draconarius 248 Maxentius, Usurpator 69, 160, 162, 281 (1135), 288, 289, 290, 296, 326 (1356), 335 Maximian (Maximianus Herculius), Augustus (286–305, 307/08) 49 (143), 68, 69, 73, 97 (330), 98 (337), 323 (1339) Maximianus, Kandidat für die Nachfolge Valentinians III. 126 (506), 127, 183 Maximinus, PPO 109, 111, 141 (556), 144, 191 (752), 390 Maximinus Daia, Caesar (305–310), Augustus (310–313) 49 (143), 68, 100

446

Indizes

Maximinus, Antonius Maximinus, Statthalter in Spanien 304 (1252) Maximinus, Angehöriger der schola gentilium 389 Maximinus Thrax, Kaiser (235–238) 93, 326 Maximus, vgl. Magnus Maximus Maximus, Usurpator 217, 219, 222, 223, 226, 256, 279, 322 (1338), 325, 329 (1383), 343, 356, 357 Maximus, Valerius Maximus, PPO 61 (181) Maximus, Bischof 315 Mazuca, Bruder des Usurpators Firmus 326 (1359) Menas, patricius 39 Merobaudes, Heermeister, cos. 377, 383, 388 109, 110, 111, 216, 237, 310 Merobaudes, Heermeister (MVM 443), patricius?, Dichter 66 Misael, cubicularius 124 Mithradates VI., König von Pontus 206 (816) Namatianus, Rutilius Claudius Namatianus, PVR 34, 135 Nannienus, comes rei militaris 237, 310 Narses, Feldherr Iustinians 125 Nebiogastes, Heermeister 229 Nebridius, PPO Orientis 216, 271, 287, 302, 303 (1248) Nebridius, Neffe der Kaiserin Flaccilla 281 Neoterius, PPO Galliarum 65 (196), 66 (203), 336 Nepos, Iulius Nepos, Augustus (474/75) 51 (152), 78 (256), 80, 82, 83 (277), 91 (311), 97, 101, 154 (602), 173, 218 (845), 319 (1323), 353, 354, 355, 359 Nepotianus, Usurpator 134, 177 (842), 196 (776), 217, 219, 222, 226, 237 (942), 238, 244, 245 (966), 251, 253, 259, 268, 274, 278, 289, 290, 307, 326 (1356), 388 Nepotianus, Heermeister 359 Nero, Kaiser (54–68) 38, 83 (275), 139, 151 (592) Nerva, Kaiser (96–98) 46 Nigrinus, Kommandant einer Reitereinheit 271 Nomus, mag.off. 116, 137 (540), 341, 398 Numerianus, Kaiser (283/84) 47 Numerius, tribunus 391 Odoaker, Vertreter des oström. Kaisers in Italien (476–93) 64, 91 (311), 99, 137, 142, 181, 222 (860), 323, 344, 354, 355, 369, 387 Olybrius, Usurpator 33, 91, 101, 127, 143, 175,

214, 218 (845), 222, 256, 263, 264 (1058), 302 (1240), 346, 349, 352, 353, 356, 357 Olybrius, Q.Clodius Hermogenianus Olybrius, cos. 379 112, 132 Olympius, mag.off. 141, 191, 214, 281, 373 Optila, Bucellarier des Heermeisters Aetius 127 Orestes, Heermeister 99, 218 (845), 256, 347, 354, 355 Orfitus, Memmius Vitrasius Orfitus signo Honorius, PVR 162 Ossius (Hosius), Bischof von Cordoba 37 (86) Otho, Usurpator (69) 32, 36 (80), 37 Palladius, Sohn des Usurpators Petronius Maximus 83 (278), 129, 311 (1281) Palladius, mag.off. 65 (196) Papinianus, PPO 184 Patricius, Caesar, Sohn Aspars 21, 84, 117 (445), 172 (672), 173, 174 (677), 194, 356 Patricius, Heermeister 121, 122 Patricius, mag.off. 142, 192, 235, 252, 266, 392 Patricius, vgl. Petrus Patricius, mag.off. Patricius, Anführer eines Aufstandes der Juden 211 (826) Patroclus, Bischof von Marseille 199 Paulus, Patriarch von Konstantinopel 199 Paulus, notarius 330 (1385) Pelagius, patricius 221 (854) Petronius Maximus, Usurpator 26, 33, 34, 52 (157), 57, 62, 91, 101 (352), 132, 134, 135, 136, 145, 150 (588), 180, 184, 194 (763), 196, 202 (800), 217 (843), 218 (844), 221, 222, 225, 227, 234, 239, 245, 252, 260, 262, 263, 264 (1058), 266, 267, 301, 308 (1268), 311, 312, 319, 344, 348, 349, 357, 369, 370, 374, 376 Petronius Maximus’ Erhebung 125–129 Petrus Patricius, mag.off. 70 (220), 366 (1560) Philippus Arabs, Kaiser (244–49) 165, 171 (669) Philippus, M.Iulius Philippus, Augustus (247– 49), Philippus Arabs’ Sohn 165, 171 (669) Philippus, PPO 314 Philippus, Philosoph? 220 (849) Philotheos, Freund des Kaisers Anthemius 200 Phocas, Usurpator 163 (643) Photinos, Bischof 382 (1598) Phronimius, PVC 305, 333 (1400), 335 Pirrus, Hochverräter 218 (845), 220 (849), 222 (860), 344 (1469) Placidia, Galla Placidia, Tochter Theodosius’ I. 57, 129, 163 (643), 168, 175, 177, 186, 194, 200, 230, 266, 346

Personennamen Placidia, Tochter der Augusta Licinia Eudoxia, der Frau des Kaisers Valentinian III. 127, 175, 357 Placidus, PPO Italiae 65 (196) Placitus, mag.off. 116, 381 (1586), 398 Poemenius 321 (1330), 334 (1410) Polemius Silvius 27 (36), 32, 39 Pompeius, Neffe des Kaisers Anthemius 56, 57, 121, 167 Priscillianus, Asket 293 Proba, Frau des Senators Clodius Celsinus signo Adelphius 306 (1259) Probatius, Eunuch 140 (553) Probianus, Caelius Aconius Probianus, PPO 336 Probus, PPO 109, 110, 111, 140, 270, 308 Probus, patricius, Neffe des Kaisers Anthemius 56, 57, 121, 167, 383 (1605) Probus, Mitglied der gens Anicia, praetor 308 Procopius (Procop), Usurpator 23 (22), 39 (99), 56, 58, 74 (239), 75 (245), 86, 105, 108, 133, 164 (644), 168, 180, 195, 200, 208, 210, 216, 222, 226, 236, 237, 239, 240, 241, 243, 244, 247, 249 (990), 250, 259, 265 (1066), 268, 270 (1088), 271, 273 (1105), 274, 276, 279, 280, 282, 283, 286, 287, 288, 289, 292, 295, 297, 299, 299 (1229), 300 (1232), 302, 303, 304, 305, 308, 309, 310, 313, 317, 319, 321, 335, 338, 372, 376, 377 Herkunft 260 Procopius Anthemius, Sohn des Kaisers Anthemius 55 (163), 393 Pulcheria, Augusta, Schwester des Kaisers Theo­ dosius II. 71 (221), 113 (426), 114, 115, 126, 129, 138, 139, 176, 194, 200, 260 (1038), 341, 346 Pupienus, Kaiser (238) 46, 93 Quintinus, Heermeister 310 (1279) Remigius, mag.off. 241, 335 (1417) Rhodanus, Eunuch 140 (553) Richomeres, Heermeister 65 (196), 112, 265, 266 Rikimer, Heermeister 66, 91, 99 (340), 136, 137, 141, 196, 202, 203, 214, 218 (845), 230, 231, 238 (944), 252, 253, 255, 256, 267, 283, 297, 298, 320, 323, 344, 347, 349, 350, 351, 352, 353, 355, 356, 369, 392 Romanus, mag.off. 203, 238, 266, 352, 392

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Romanus, tribunus scholae Scutariorum primae 258, 389 Romulus Augustulus, Usurpator (475/76), Sohn des Heermeisters Orestes 33, 90, 134, 218 (845), 222, 256, 263 (1056), 302 (1240), 323, 325, 328, 344, 346, 354, 355 Romulus, Sohn des Kaisers Anthemius 55 (163), 393 Romulus, Flavius Pisidius Romulus, PVR 65 (196) Romulus, consularis Flaminiae et Piceni 335 Romulus, curialis in Aquileia 272 Rufinus, PPO Orientis 63 (191), 178, 183, 264, 326 (1358) Rufinus, Aradius Rufinus, cos. 311 unter Maxentius 335 Rufinus, Vulcacius Rufinus, PPO 65 (196), 282 Rufus, cos. 457 350 Rumitalca, tribunus 310 Rusticus, Decimius Rusticus, PPO Galliarum 136 (536), 301, 334 Sabostius, curialis in Aquileia 272 Sallustius, Flavius Sallustius, PPO Galliarum 159, 305 Sallustius, tribunus 339, 402 Sallustius, Philosoph? 220 (849) Salutius, Saturninius Secundus Salutius, PPO Orientis 62, 74 (238), 82, 97 (332), 105, 106, 107, 135, 140, 145, 182, 186 (736), 264, 368 Salvina, Tochter Gildos 281 Sapor II, Perserkönig (309/10–379) 105 (372) Sarus, Anführer von Goten 341, 343 (1466) Saturninus, Flavius Saturninus, Heermeister 112 Sebastianus, comes rei militaris 105, 106, 109, 133, 141, 143 Sebastianus, Bruder des Usurpators Iovinus 258, 263 (1056), 311, 326 (1356) Septimius Severus, Augustus (193–211) 47, 165, 171 Serena, Frau Stilichos 329 (1378) Serranus, cliens des Usurpators Petronius Maximus 34 Servatius, Bischof von Tongern 315 Severianus, Provinzstatthalter 392 Severus, Caesar (305), Augustus (306/07) 49 (143), 68, 70 (219) Severus, Heermeister 183 (713), 186 (734), 261 Severus, Messius Phoebus Severus, PVR, cos. 470 65 (196)

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Indizes

Sidonius, C. Sollius Apollinaris Sidonius, Dichter 34, 35, 135, 228 Silvanus, Heermeister, Usurpator 186, 188, 210, 218, 220 (850), 222, 224, 233, 236, 241, 249, 251, 261, 275, 278, 289, 300, 309 (1273), 312, 313, 314, 318, 324, 334, 335 (1417) Sohn des Heermeisters Silvanus 329 (1376) Simplicius, VVR 111 Simplicius, Papst 28 (37), 294 (1201) Sophia, Augusta, Frau Iustinus’ II. 138 (547) Sophronius, PVC 308 (1270) Sophronius, laicus, navicularius annonarius eccl. Alexandrinae, Verfasser eines Briefes gegen den Bischof Dioscorus 294, 391 Sperantius, von Magnentius in Rom getötet, sonst unbekannt 307 (1263) Sporacius, comes domesticorum 116, 398 Stilicho, Heermeister 60 (175), 141, 160, 170 (663), 175, 183 (714), 191, 202, 232, 263, 328, 329, 341, 346, 347, 348, 369, 373 Strategius, senator 233, 234, 237 Sulla, L.Cornelius Sulla, Optimat 15 (4), 206, 362, 371 Syagrius, Sohn des Heermeisters Aegidius 229 (896), 359 Symmachus, cos. 391 66, 96 (324), 143, 160 (630), 266, 331, 332, 334, 336, 337 (1430) Symmachus d. Ältere, PVR 364/65 307 (1261) Tacitus, Kaiser (275/76) 184 Tacitus, Historiker 17 Tatianus, Fabius Tatianus, PPO Orientis 112 (418), 328 Taurus, PPO 104 (364), 270, 302 Tetricus, Kaiser (271–74) 184, 325 Thela, Caesar, Sohn Odoakers 83 (278), 222 (860) Theocritus, domesticus des PSC Amantius 88, 123, 124 Theoderich, König der Ostgoten 64, 137, 142, 163 (643), 355, 369 Theoderich I., König der Westgoten 358 Theodora, Frau Constantius’ I. (Constantius Chlorus) 259 (1036) Theodora, Kaiserin allein (1055/56) vgl. Zoe 371 (1569) Theodorus, secundicerius notariorum 183, 238, 258, 264, 322, 390 Theodosiolus, Cousin des Kaisers Honorius 298 (1227) Theodosius I., Heermeister, Augustus (379–95) 22, 32, 41, 52, 55, 56, 57, 60, 62, 66, 90,

101, 102, 109, 134, 148, 153, 160 (630), 161, 164, 167 (654), 169 (660), 173 (676), 174, 175, 177, 178, 179, 180, 185, 186, 192 (756), 197, 198, 201, 202, 203, 213, 218, 221, 221 (857), 225, 229, 260, 265, 266 (1071), 269 (1085), 270 (1087), 278, 280, 281, 282, 285, 286, 293, 304, 310, 311, 316, 317, 319, 324 (1345), 329 (1381), 331, 334 (1402), 340, 348 (1486), 376, 386 Erhebung Theodosius’ I. 112, 113, 143 (564) Theodosius, Heermeister, Theodosius’ I. Vater 109, 141 (556), 144, 167 (654), 224, 280, 325, 331 (1387), 390 Theodosius II., Augustus (408–450) 54 (160), 55, 56, 59, 60 (175), 66, 73 (236), 78 (259), 81, 82, 91, 96, 101, 113, 114, 115, 116, 132, 148, 150, 157 (616), 158 (619), 166, 169, 170 (663), 171, 172, 174, 181, 187 (739), 193, 200, 201 (796), 204, 230, 260 (1038), 277 (1118), 282, 314, 317, 324 (1345), 340, 344, 346, 347, 364, 387, 391, 397–400, 401 Thermantia, Tochter Stilichos 329 (1378) Thomas, QSP 39 Thraustila, Bucellarier des Heermeisters Aetius 127 Thraustila, Offizier zur Zeit des Kaisers Zenon 266, 342 (1460), 393 Tibatto, Führer der Bagauden 211 Tiberius, Augustus (14–37) 46 Tiberius, Kaiser (578–582) 57, 125 (500), 138 (547), 172 Tiberius Alexander, praefectus Aegypti 86 Tiberius, comes domesticorum oder excubitorum 124, 141 (558) Timonianus, PPO 61 (181) Titianus, PPO 162, 277, 287, 329, 330, 333 Trajan, Kaiser (98–117) 46 Trebonianus Gallus, Kaiser (251–53) 166 Tuluin, Heermeister 355 (1528) Typhon, Titan 29 (42), 35 (74) Ulpianus, PPO 184 Urbicius, PSC 103 (361), 115 (436), 116, 118, 119, 139, 145, 183, 192, 235, 384 (1610) Ursacius, mag.off. 106 (382) Ursicinus, Heermeister 131 (522), 201, 241 (954), 262, 312, 318, 335 (1417) Ursulus, comes sacrarum largitionum 104 Valens, Augustus (364–378), Bruder Valentinians I. 52, 55, 57, 62, 71 (224), 78 (259),

Personennamen 80, 85, 90, 96, 101, 102, 108, 109, 110, 111, 112, 139, 147, 148, 149, 154, 157 (616), 158 (619), 161, 171, 177, 185, 191, 193, 200, 202, 208, 213, 216, 221, 227, 231, 240, 271, 274, 279, 287, 296, 297, 302, 305, 308, 313, 329 (1389), 337, 339, 365, 372, 377, 401 Valens, militärischer Kommandant 315 Valentinian I., Augustus (364–375) 52, 54, 55, 56, 57, 62, 63, 64, 70 (220), 74 (238), 76 (248), 77 (252), 81, 82 (272), 85, 89, 90, 91 (313), 92, 95, 96, 100, 102, 108, 109, 110, 113, 123, 131, 132, 133, 135, 139, 140, 146 (579), 147, 148, 149, 153, 154, 158 (619), 165, 166 (650), 168, 170, 171, 177, 182, 184, 185, 186, 191, 193, 200, 202, 208, 213, 238, 258, 259, 261, 280, 286, 295, 313, 339, 370, 372, 386, 389, 390, 401, 402 Erhebung Valentinians I. 106–108, 123, 146 (578) Valentinian II., Augustus (375–392) 32 (59), 36 (83), 53 (160), 55, 57, 60, 62, 63, 66, 85, 99, 101, 102, 113, 129 (518), 133, 134, 140, 141, 146 (579), 147, 148, 154, 157 (616), 165, 168, 170, 171 (668), 174, 176, 179, 180, 185, 201 (798), 211 (825), 213, 214, 215 (836), 216, 218, 221, 265, 269 (1085), 270, 278, 280, 286, 302, 307, 308, 315, 316, 365, 376 Erhebung Valentinians II. 108–112 kein eigenes Herrschaftsgebiet (375–383, 387/88) 53 (160), 62 (191), 92, 111 Valentinian III., Augustus (425–455) 51 (152), 56, 66, 73 (236), 81, 82, 83, 84 (281), 91, 92, 97, 98 (338), 101, 116, 126, 129, 131, 132, 148, 150, 157 (614), 163 (643), 168, 171, 172, 173 (675), 181, 183, 185, 192 (753), 201, 202 (800), 203, 218, 221, 225, 230, 234, 239, 294, 319, 327, 336, 337, 342, 344, 345, 352, 374 Valentinianus Galates, Valens’ Sohn 57, 169 Valentinus, Aufrührer in Britannien 326, 331 (1387), 390 Valentinus, Vettius Iunius Valentinus, PVR 285 Valeria, Galeria Valeria, Tochter Diokletians 138 (541) Valerianus, Kaiser (253–60) 47 Valila, Heermeister 356 Vallia, König der Westgoten (415–418) 358 Vallio, Heermeister 216, 271 Varanes cos. 410 65 (196) Fl. Varanes, cos. 456 350

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Varronianus, Sohn des Kaisers Iovianus 149, 166, 168, 169, 179 Verenianus, Verwandter des Kaisers Honorius 219 (848), 298 Verina, Augusta, Frau Leos I. 79 (260), 83 (274), 117 (445), 141 (560), 142, 172, 192, 193, 214, 224 (868), 227, 235, 246, 251 (999), 252, 256, 279, 283 (1146), 295, 392, 393 Veronicianus, secretarius sacri consistorii 382 Vespasian, Augustus (69–79) 32, 36 (80), 37, 45, 86, 238, 239, 247 (977), 319, 373 Vetranio, Usurpator 32, 42 (119), 68, 69, 73, 99, 138, 186, 209, 218, 219, 222, 238, 246, 256, 261, 268 (1083), 274, 282, 289, 314, 315, 316, 318, 324 (1345), 325, 328, 365, 374 Victor, Heermeister 112 Victor, Aurelius Victor, PVR, Historiker 303, 304, 305 Victor, Sohn des Usurpators Magnus Maximus 286, 310 (1281), 328 (1376) Victorinianus, Valerius Victorinianus, praeses Thebaidos 335 (1420) Victorinus, Bischof 162 (639) Vincentius, tribunus scholae Scutariorum secundae 258, 389 Vindicianus, Arzt 306 Vitalianus, Heermeister 28, 120, 121 (471), 124, 214 Vitellius, Usurpator 36 (80), 37 Viventius, mag. off. 106 (382) Volusianus, Kaiser (251–53), Sohn des Kaisers Trebonianus Gallus 166 Volusianus, Ceionius Rufius Volusianus, vicarius Asiae 112 (422) Volusianus, Rufius Antonius Agrypnius Volusianus, PPO Italiae 308 Zenon, Heermeister, Augustus (474–491) 21, 22, 28 (37), 38 (97), 51, 53 (160), 54, 57, 78 (258), 82, 92 (315), 98, 99, 102, 118, 134, 141, 165 (648), 169 (659), 172, 173, 175, 176, 181, 185, 186, 192, 193, 214, 215, 216, 221, 224, 227, 234, 235, 252, 256, 259, 266, 279, 283 (1148), 323, 341, 347, 349, 354, 355 Zenon, Sohn des Kaisers Zenon 176 Zenon, Heermeister, von Theodosius II. als Usurpator verdächtigt 187 (739), 201 (796), 262, 391 Zoe, Kaiserin zusammen mit ihrer Schwester Theodora (1042) 371 (1569) Zosimus, Papst 199

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Geographische Namen Es sind fast ausschließlich Ortsnamen aufgenommen. Zu sehr häufig erwähnten Orten wie Rom, Konstantinopel oder Ravenna sind nicht alle Stellen berücksichtigt. Adrianopel 55, 62, 90, 112, 182 (710), 213 Aix 333 Alexandria 65 (196), 172 (672), 197, 247 (977), 292, 391 Ankara 89, 90, 107 Antinoopolis 51 (148) Antiochia 167 (654), 189 (743), 197, 225, 231, 232, 244, 256, 279, 295, 302, 324 (1345), 389, 390 Apamea 121 (472) Aphrodisias 328 (1372) Aquileia 197, 198, 271, 278, 291, 297, 321 Hippodrom 326 Aquincum 63, 110, 146 (579) Arles 62 (188), 87, 91, 101 (352), 228, 244, 272 (1101), 276 (1115), 279 (1124), 333 Athen 288 (1168) Autun 233, 236, 251, 252, 277

Dadastana 89, 106 Dertona 320

Konstantinopel 54 (162), 62, 80, 83, 90, 91, 99, 113, 116, 127, 132, 144, 146, 150, 153, 154, 160, 167 (654), 173 (675), 196, 198, 216, 218, 226, 227, 235, 236, 250, 279, 287, 288, 290, 301, 337, 354, 377, 389, 396 ejxkouvbiton 122 Zeuxivppou fulakhv vgl. ejxkouvbiton Hebdomon 71 (224), 78, 80, 88, 121 (477), 146 (582), 164, 178, 244, 393 (1632) Hippodrom 67 (205), 77–81, 88, 96, 118, 120, 121, 122 (482), 123, 124, 125, 152, 164, 174, 237 (942), 250, 349, 385 (1617) Kathisma 122, 250 (997) Stama 121 Nouvmera vgl. ejxkouvbiton Palast 196, 250, 385 Augustaeum 118 (455) Consistorium 146 (582) Delphax (vgl. auch Tribunal) 79, 96, 121 (475), 146 (581) Elfenbeinerne Pforte 74 (239), 121 (477), 122, 248 Tribunal 79, 84, 121 Triclinium, großes (= Triclinium der 19 Ruhebetten) 79 (263), 80, 118, 121, 122 (481), 124, 146 Porta Karea 122 (482) Prandiavra vgl. ejxkouvbiton Senatslokale generell 146 (582) Senat am Forum Konstantins 146 (582), 250 (997) Thermen der Anastasia (Anastasianae balneae) 244 Calkh` tou` ÔIppikou` vgl. ejxkouvbiton Korinth 65 (196), 288 (1168)

Edessa (Osrhoëne) 115 (436), 295, 317

Lyon 216, 244, 279 (1124), 289

Hebdomon vgl. Konstantinopel Heraclea (Thrakien) 276 (1115)

Mailand 49, 62, 68, 159, 164, 228, 331 Hippodrom 153 via porticata 163 (643) Mainz 279, 318 Mobsucrenae 103, 104 (364), 146 (643) Mons Seleucus 289, 321

Beaucaire (Viernum/Ugernum) 62 (188), 87, 91, 101 (352), 244, 290 (1177) Bellinzona 394 Bologna 295 (1209) Brigetio 108 Carnuntum 68, 278 (1121) Castrum Rauracense vgl. Kaiseraugst Chalkedon 108, 144, 146, 147, 210 (824), 271, 294, 337, 380, 385, 391, 397 Kirche der hl. Euphemia 386 Chalkis (Syria) 295 Chersones 335 Cibalae 339 Cyzicus 276 (1115)

Kaiseraugst 62, 305 Kilikische Pforte 104 (364) Köln 188, 251, 279 (1124), 318

Geographische Namen Monte Romano (provincia di Viterbo) 297 (1218) Mursa 268, 289, 307, 314, 318, 320, 339, 375, 388 Mustis 285 (1185), 327 Naissus 68, 288, 291, 303 Narbo (Narbonne) 272, 392 Nicaea 83, 89, 90, 106, 146 (579), 210 (824) Nicomedia 49, 68, 69 (219), 71 (224), 78 (256), 276 (1115) Papyrius, Kastell in Isaurien 280 Paris 216, 234, 236, 278, 310 Perinthos 122, 247, 325 (1352) Philippopolis 210 (824), 297, 321, 337, 401 Placentia 350 Portus (bei Rom) 21 (15), 80, 173 (676), 319 (1323), 353 Prusa 325 Ravenna 21 (15), 70 (219), 78 (256), 81, 132, 134, 146, 148 (584), 218 (845), 220 (849), 228, 244, 253, 254, 255, 263, 274 (1108), 315, 317, 349, 353, 354 campus ad columellas 393 (1632) Circus 89 San Giovanni Evangelista, Mosaiken 177 Reims 241 Rom 21 (15), 45, 62, 69, 78 (256), 81, 82, 89, 90, 97, 126, 127, 132, 134, 141, 146, 150, 154, 160, 161, 172, 217, 218 (845), 226, 227, 239, 244, 251, 253, 254, 255, 287, 288, 289, 290, 297, 301, 340, 349, 353, 396

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Atrium Minervae 297 (1222) Forum 285 fundus ad duas lauros 80 (267), 393 (1632) Palast 196, 202 Peterskirche 163 (643) Portus vgl. Portus rostra Vandalica auf dem Forum 285, 327 S.Crisogono 269 (1085) Romuliana 49 (143), 73 (235) Salona 282, 319 (1323), 355 Seleucia Pieria 225 (871) Selymbria 90,117, 118 Serdica 112, 163 Sirmium 90, 112, 159 (625), 246, 288 (1168), 303, 304, 382, 386 Sparta 288 (1168) Split 68 St. Petersburg 98 Stobi 281 (1134) Straßburg 87, 246, 394 Succi, Paß von 217, 278 Tarraco 222, 356 Tarsus 104 (364), 251, 279, 288 Petruskirche 256 (1020) Thessalonike 82, 83, 97, 161, 172, 270 Ticinum (Pavia) 67 (205) Tolosa (Toulouse) 87 Trier 49, 62, 63 (191), 108, 111, 112, 113, 228, 241, 279 (1124), 285, 321 Vaison 154 (602), 353 (1516) Valence 279 (1124) Vienne 265, 292

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Stellenregister zu lateinischen Texten Es sind nur Stellen aufgeführt, die besonders wichtig, ausführlicher besprochen oder anders als bisher interpretiert worden sind. Acta Conciliorum Oecumenicorum (ed. Ed. Schwartz) ACO 2,3,1 S.27/28: 380, 381; 2,3,2 S.35[294], 20–23: 137 (540), 380, 381; 2,3,2 S.39[298],26– S.40[299],6: 294 (1204), 391; 2,3,2 S.149/50 [408/09]: 381 (1585, 1586) Acta Synhodorum habitarum Romae a.DI (Acta conciliorum Romanorum annis 499, 501, 502 habitorum) 5=MGH AA XII,425: 117 (450), 385 (1615) AE 1948,127: 285 (1156); 1985,345: 286 (1162); 1987,433: 296 (1217); 1996,99: 327 (1368); 1997,525: 297 (1218) Ambrosius Ambr.epist. 30[24],10: 26 (27), 29 (44), 30 (46), 36 (80), 293 (1195); 30[24],11: 271 (1095); 74[40],22: 29 (44) Ambr.epist. extra coll. 2[61],2: 29 (44); 3[62], 3/4: 331 (1388); 10[57],3: 144 (568); 10[57],6: 291 (1180), 308 (1266); 10[57],12: 265 (1069), 300 (1233); 11[51],17: 60 (179) Ambr.obit.Theod. 5: 334 (1402); 39: 36 (80); 40: 60 (179), 178 (697) Ambr.obit.Valent. 33: 221 (856); 39: 292 (1189) Ambr.in psalm. 61,23–25: 269 (1085), 293 (1195); 61,26: 326 (1356) Ammianus Marcellinus Amm. 14,5,3: 330 (1385), 332 (1393), 333 (1394); 14,5,6: 270 (1088), 330 (1385), 331 (1387); 14,5,8: 270 (1088); 14,11,19–23: 388; 14,11,20–24: 322 (1336); 15,3,7–11: 388; 15,5,16: 236 (937), 269 (1085); 15,5,27: 30  (51), 249 (989); 15,5,36: 241 (954), 335 (1417); 15,6: 241 (954); 15,6,3: 188 (742); 15,6,4: 321 (1330); 15,8: 47 (136), 70 (220); 16,6,2/3: 306 (1257), 388; 16,8,3: 388; 16,8,13: 330 (1385); 16,10: 340 (1449); 16,10,9: 255 (1019); 16,12,64: 87, 246, 247, 394 (1638); 18,3,1–5: 201 (797), 389; 20,2: 201 (797); 20,4: 87 (293); 20,4,18: 73 (233), 75 (243), 249 (986); 20,8,7: 241 (955); 21,5: 212 (829, 830); 21,6,2/3: 61 (181); 21,10,1: 296 (1215); 21,10,6: 303 (1250); 21,10,7/8: 291 (1182); 21,11: 271,

272; 21,11,2: 271 (1098), 389; 21,11/12: 297 (1220); 21,12,19: 271 (1098); 21,16: 36 (81); 21,16,8: 38 (95), 187 (739); 21,16,8–17: 221 (854); 21,16,12: 28 (40), 36 (81); 22,2: 103 (363); 22,3: 144 (569); 22,5,1: 104 (368); 22,8,49: 271 (1098); 22,9,1: 220 (853); 25,5: 70 (220), 104 (367, 368, 369); 25,5,3/4: 367 (1562); 25,5,4: 105 (372); 25,5,5: 70 (220); 25,8,9: 154 (601); 25,8,18: 182 (710), 390; 25,9,8: 187 (739); 26,1,3: 106 (379), 366 (1561); 26,1,4: 182 (712); 26,2: 70 (220); 26,2,3–11: 86 (285); 26,2,4–5: 77 (252); 26,2,7: 92 (314); 26,2,8: 91 (313); 26,4,1: 182 (708); 26,4,3: 48 (139), 102 (355); 26,5,4: 62 (187); 26,6,3: 390; 26,6,5: 233 (915); 26,6,6–9: 231 (907); 26,6,15/16: 243 (960); 26,6,16: 248 (984); 26,6,17/18: 250 (997); 26,7,5: 303 (1248); 26,7,6: 300 (1234); 26,7,8: 35 (74); 26,7,11/12: 317 (1312); 26,7,12: 29 (44); 26,8,14: 275 (1114), 298 (1226); 26,9,10: 35 (74); 26,10,6: 297 (1220); 27,6,1–3: 148 (585), 193 (761), 390; 27,6,2: 28 (48), 300 (1235), 313 (1288); 27,6,11: 74 (237); 27,6,12: 158 (619); 27,6,14: 75 (245); 27,6,15: 158 (619); 28,3,4: 390; 28,3,6: 326 (1354), 331 (1387), 390; 29,1: 390; 29,5,42: 326 (1359); 30,10: 108–111; 30,10,2: 108 (393); 31,6,6: 298 (1226); 31,16,2: 62 (188), 112 (418) Annalen von Ravenna Ann.Rav.s.a. 412: 326 (1356); 413: 344 (1469); 423: 27 (36), 220 (849); 428: 344 (1469) Anonymus Valesianus Anon.Val. 7,36: 319 (1323); 8,38: 328 (1374); 9,44: 354 (1524); 12,63: 323 (1342); 13,74: 167 (652) Apollinaris Sidonius vgl. Sidonius Auctarium Prosperi Hauniense Auctar.Prosp.Haun.s.a. 455: 31 (53), 33 (63) Auctar.Prosp.Haun.ordo post.s.a. 474,3 u. 4: 319 (1323) Augustinus Aug.civ. 5,24: 27 (34), 37 (88); 5,25: 27 (34), 27

Stellenregister zu lateinischen Texten (36), 36 (80), 37 (88), 168 (657), 221 (854); 5,26: 35 (77); 19,7: 27 (34) Aug.c.ep.Parm. 1,17: 35 (77), 293 (1196) Aug.epist. 88,4: 61 (188); 151: 331 (1388) Aug.serm. Dolbeau 22,4; 25,26: 163 (643) Aurelius Victor Aur.Vict.Caes. 37,5: 44 (125), 366 (1559); 42, 1–5: 69 (214) Ps. Aurelius Victor Ps.Aur.Vict.epit. 41,7: 69 (219) Ausonius Commemoratio Professorum Burdigalensium Auson. Commemoratio Professorum Burdigalensium 5=Peiper p.53/54: 335 (1416); 5,23/34= Peiper p.53, 23/24: 27 (36) Gratiarum actio ad Gratianum imperatorem Auson.Grat.act. 11,53: 177 (693)

Claudianus Claud. 8,174 (De IV cons. Hon.): 395 (1639); 15,5/6 (De Bello Gild.): 29 (42) Codex Iustinianus Cod.Iust. 1,27,5: 254 (1011); 3,32,21: 75 (245); 12,5,5: 139 (551) Codex Theodosianus Cod.Theod. 7,16,2: 317 (1312); 9,40,17: 328 (1372); 9,40,21: 329 (1379); 9,45,4: 324 (1345); 11,12,1: 30 (49); 15,14,1–12: 28 (37), 327 (1362); 15,14,8: 30 (45) Collectio Avellana: epistulae imperatorum, pontificum, aliorum A.D. 367–553 Coll.Avell. 38,1: 138 (543); 60: 294 (1201); 141: 162 (640), 385 Concilia v. Acta conciliorum

Iohannes Cassianus, presbyter Massiliensis Cassian.conl. 1,20: 328 (1370)

Constitutiones Sirmondianae Const.Sirmond. 6: 31 (53)

Cassiodorus Cassiod.chron.s.a. 424: 23 (21); 461: 71 (221); 467: 80 (267); 470: 238 (944), 392 Cassiod.var. 8,1–8: 155 (607); 8,8: 162 (639)

Consularia Constantinopolitana Cons.Const. s.a. 367: 71 (224)

Chronica Gallica Narratio de imperatoribus domus Valentinianae et Theodosianae Narratio de imperatoribus 6: 342 (1462) Chronica Gallica a. CCCCLII Chron.Gall.452 68: 272 (1100); 69: 357 (1539); 85: 256 (1023); 88: 174 (682): Chronica Gallica a. DXI Chron.Gall.511 636: 255 (1019) Chronographus anni 354 Chronogr. a. 354 s.a. 340: 162 (638) CIL 3,735: 28 (37), 340 (1454); 5,8073: 297 (1219); 6,526=1664: 287 (1222); 6,930: 44 (124); 6,1158: 28 (41); 6,1166: 333 (1397); 6,1167: 333 (1397); 6,1664: 31 (55), 297 (1222); 6,1783: 148 (584), 337 (1430); 6,41405: 285 (1157), 327 (1368, 1369); 11,276: 177 (695); 15,7107: 286 (1159); 15,7108: 286 (1159

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Corippus Coripp.Iust. 1,16: 385; 2,84–430: 124; 2,84– 277: 80 (264); 129; 2,281: 385 (1617) Einhardt vit. Caroli 28: 345 (1470) Ennodius, episcopus Ticinensis Vita Epiphanii Ennod.V.Epiph. 53–55: 230 (901); 79/80: 39 (99) Epistulae collectionis Arelatensis vgl. Monumenta Germaniae Historica, Epistulae III Epistulae genuinae pontificum vgl. unter den Namen der Päpste Eutropius Eutr. 10,9,3: 225 (873) Fasti Vindobonenses Priores Fast.Vind.Prior. s.a. 457: 351 (1500), 393; 472: 353 (1515); 473: 353 (1516)

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Gelasius, Papst Gelas.ep. 26,11: 200 (791) Gregor von Tours, Historiker Greg.Tur.Franc. 2,8: 239 (947); 2,9: 265 (1069), 334 (1408); 2,11: 298 (1223) Hieronymus, Kirchenvater Hier.chron.s.a. 2353: 84 (281); 2366: 217 (842), 307 (1263); 2387: 390 Hier.ep. 60,15: 39 (99), 278 (1122), 296 (1213); 79,2: 281 (1136); 133,9,4: 223 (862); 146,1: 76 (250) Hilarius, Bischof von Poitiers Hil.c.Const. 7: 38 (94); 11: 38 (94) Hydatius Lemicensis Chronicon Hyd.Lem. 27: 38 (98); 51: 29 (42); 160: 202 (800); 163: 87 (294), 156 (612), 245 (967), 290 (1177), 394 (1638); 166: 156 (612), 290 (1177), 313 (1292); 169: 33 (63), 284 (1152); 183: 245 (967); 211: 252 (1008), 255 (1019) ILS 244: 44 (124); 731: 28 (41); 818: 177 (695) Iordanes Geticus Iordan.Get. 235: 33 (62); 236: 33 (64); 239: 25 (26), 31 (53), 254 (1012) Iordan.Rom. 335: 33 (64), 394 (1634); 335/336: 28 (41), 33 (65), 93 (316), 97 (335); 338: 23 (21), 27 (36), 35 (77), 97 (335) Lactantius Lact.mort.pers. 19: 68, 73 (234); 19,2: 71 (224), 78 (256), 393 (1632); 19,4: 49 (143); 20,4: 49 (144); 26,7: 93 (316); 26,9: 69 (219); 28: 69 (217); 29,3: 68 (210); 44,10: 162 (637) Laterculus imperatorum ad Iustinum I 394 (1634) Leo Papst (440–61) Leo M.epist. 73: 162 (640), 254 (1011), 384 (1613) Liber pontificalis Lib.pont. 75,2: 89 (300) Maiorianus, Novellae vgl. Novellae

Marcellinus comes Chronicon Marcell.com. 392,1: 23 (21); 402,2: 23 (21); 423: 220 (849); 457,1 u. 2: 23 (21), 33 (64), 284 (1149), 394 (1634); 457,2: 23 (21); 461: 23 (21); 320 (1325); 473: 353 (1516); 474: 31 (53); 488,1: 29 (42) Merobaudes, MVM 443 Merob.pros. fr. 2A,2–5: 66 (200) Monumenta Germaniae Historica, Auctores Antiquissimi MGH AA XII (vgl. Acta Synhodorum) Monumenta Germaniae Historica, Epistulae III MGH ep. 3, 8 (=Epist.Arel. 8) S.13–15: 28 (37) Narratio de imperatoribus domus Valentinianae et Theodosianae vgl. Chronica Gallica Notitia dignitatum omnium, tam civilium quam militarium Not.dign.or. 9,51: 182 (712) Novellae Novell.Iust. app. 7,1: 387 (1628); 62 pr.: 45 (128); 124,1: 383 (1603) Novell.Maior. 1: 254 Novell.Valent. 35,11: 53 (160) Orosius Historiae adversus paganos Oros.hist. 7,8,3: 36 (80), 37; 7,9,1: 37 (89); 7,29,10: 68 (213); 7,29,16: 30 (47), 37 (90); 7,34,9: 36 (85), 250 (992); 7,36,1: 39 (98), 50 (146); 7,36,3: 30 (47); 7,36,3/4: 26 (31); 7,40,4: 258 (1028); 7,40,5: 35 (77), 303 (1247); 7,40,5/6: 219 (848); 7,40,6: 232 (911); 7,42,1: 342 (1462); 7,42,4: 342 (1462); 7,42,4/5: 322 (1338); 7,42,10–14: 27 (32); 7,42,15: 26, 342 (1462) Panegyriker Paneg. 7,16,1: 232 (911); 12,12,1: 128 (511), 240 (949); 12,25/26: 42 (118); 12,26: 240 (948), 273 (1105); 12,27,1: 273 (1105); 12,27,5: 273 (1105); 12,31,1: 260 (1042); 12,31,2: 94 (321), 295 (1207); 12,38,2: 280 (1133)

Stellenregister zu lateinischen Texten Paulinus, diaconus Mediolanensis Paul. Med. vita Ambr. 11: 63 (191); 31,4/5: 331 (1388) Paulinus von Pella Paul.euch. 292–302: 325 (1350) Paulus Diaconus Historia Romana Paul.Diac.hist.Rom. 15,1: 255 (1019); 15,2: 392; 15,3,4: 34 (66), 297 (1222) Polemius Silvius, Laterculus principum Romanorum Pol.Silv.Lat.Princ.Rom. generell: 39; 63: 258 (1029); 79: 342 (1462) Prosper Tiro Addimenta varia ad Prosp. Chron. (epitoma chronicorum) vgl. Auctarium, Prosp. Tiro s.a. und Prosp.Tiro, Index imperatorum. Epitoma chronicorum Prosp.Tiro s.a. 412: 325 (1351); 414: 325 (1350); 415: 325 (1350); 417: 325 (1350); 423: 266 (1076); 425: 97 (334), 239 (947), 266 (1076), 352 (1512); 452: 50 (148), 345 (1476); 454: 202 (800) Prosp.Tiro, Index imperatorum: 39 (99) Res gestae divi Augusti R.Gest.div.Aug. 34: 43 (121) Rufinus, presbyter Aquileiensis Rufin.hist. 11,12: 108 (392, 393), 109 (398), 110 (409); 11,15: 316 (1307); 11,16: 35 (77); 11,31: 221 (857), 315 (1304); 11,32: 269 (1084) Rutilius Claudius Namatianus Rut.Nam. 1,307–312: 34 (72) Scriptores historiae Augustae Hist.Aug.Pesc. 1,1: 32 (58) Hist.Aug.trig.tyr. 2,2–4: 26 (30); 12,2: 225 (870) Sidonius Sidon.carm. 2,18–24: 156 (610), 287 (1163);

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2,21/22: 95 (321); 2,22–28: 75 (246); 2,210 sqq.: 117 (449); 2,223: 95 (321); 5,312–14: 127 (506); 5,378–80: 394 (1637); 5,385–87: 34 (67), 243 (958), 284 (1149); 5,387/88: 34 (67), 156 (610); 7 generell: 242,243; 7,206–10: 337 (1428); 7,508/09: 87 (292); 7,530: 257 (1025); 7,573–80: 87 (291); 7,576–580: 243 (957) Sidon.epist. 1,9,2: 136 (538); 1,11,6: 391; 2,13: 34, 239 (946); 5,6,2: 154 (602), 353 (1516); 5,9,1: 34 (71,72); 5,16,2: 353 (1516); 9,13,4: 34 (71) Simplicius, Papst Epistulae Sim. 5=Coll.Avell. 57: 354 (1522); 6=Coll. Avell. 60: 294 (1201); 6,4=Coll.Avell. 60: 28 (37), 31 (54) Sulpicius Severus Sulp.Sev.dial. 1,26,6: 293 (1196); 3,11,8: 303 (1247) Sulp.Sev.Mart. 20,3: 250 (995) Symmachus Symm.ep. 1,2,3: 27 (36), 307 (1261); 1,13: 160 (630); 3,50: 160 (630) Symm.or. 1,22: 29 (44); 3,4–5: 96 (324) Symm.rel. 1: 66 (202); 2: 66 (202) Tacitus, Historiker Tac.ann. 12,67/68: 368 (1563); 12,69: 83 (275) Tac.hist. 2,79,1: 86 (286) Tertullianus Apologeticum Tert.apol. 2,8: 220 (853) Theodosius, Archidiakon Pilgerschrift Theodosius, De situ terrae sanctae 28=CSLE 39,148,13–17: 140 (553) Victor Tonnennensis Chronica Vict.Tonn.s.a. 519: 124 (490); 520: 210 (823); 525: 193 (759)

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Stellenregister zu griechischen und syrischen Texten Es sind nur Stellen aufgeführt, die besonders wichtig, ausführlicher besprochen oder anders als bisher interpretiert worden sind. Acta Conciliorum Oecumenicorum (ed. Ed. Schwartz) ACO 1,1,4 S.64,4–13: 324 (1345); 2,1,1 S.55/56: 380, 381; 2,1,1 S.64,37: 381 (1579); 2,1,1 S.66,18: 381 (1579); 2,1,1 S.67,18: 381 (1581); 2,1,2 S.20[216],37/38: 137 (540); 2,1,2 S.24[220],5–17: 294 (1204), 391; 2,1,2 S.138/ 39 [334/35]: 381, 382; 3 S.86,23: 386 (1622); 3 S.103,14/15: 386 (1622)

1,92 S.418,1/2: 121 (473); 1,92 S.421,18: 146 (581); 1,93: 70 (220), 120–25; 1,93 S.426,2: 138 (541); 1,93 S.426,4/5: 167 (655); 1,93 S.427,4–6: 121 (473); 1,93 S. 427,14–18: 210 (823); 1,93 S.427,21: 121 (476), 122 (481); 1,93 S.428,5: 88, 122 (482); 1,93 S.428,8: 122 (483); 1,93 S.428,15/16: 366 (1560); 1,94: 70 (220), 84 (281), 193 (757); 1,95: 70 (220), 79 (263), 193 (759)

Artemii Passio Art.Pass. 13: 71 (222); 19: 225 (871); 41: 401 (1657)

Damascius, Philosoph Dam.fr. 303: 391

Athanasius Athan.hist.Ar. 16,2: 163 (641); 44,7: 37 (86); 74,4: 42 (119) Athan.Ap.Const. 6: 307 (1263); 7: 324 (1345); 10: 198 (783); 69: 315 (1301) Candidus Cand. fr.1: 235 (921, 924, 927, 928), 252 (1004), 392 Cedrenus Cedren. 1,540: 387 (1627); 1,602: 114 (431), 115 (433); 1,615: 102 (354), 193 (758); 1,626: 103 (361), 118 (456) Chronicon Paschale Chron.Pasch. 1,552: 70 (220); 1,568: 52 (154); 1,573: 340 (1447); 1,589/90: 114; 1,590: 78 (259), 185 (728); 1,590,2: 114 (430), 150, 387 (1626); 1,590,2–4: 387 (1626); 1,590,8/9: 115 (434); 1,593: 33 (64); 1,594: 256 (1023); 1,596: 119 (463); 1,600: 246 (970); 1,602/603: 114,115; 1,626: 103 (361), 118 (456) Chrysostomus vgl. Iohannes Chrysostomus Constantinus Porphyrogenitus De ceremoniis aulae Byzantinae C.P. 1,87: 50 (148), 158 (618), 161 (636), 173 (676); 1,91: 70 (220), 86 (299), 117, 118, 384 (1609); 1,91 S.410,11: 82 (273), 117 (444); 1,91 S.414,15–18: 147 (582); 1,91 S.417,8/9: 78 (258); 1,92: 70 (220), 118, 119, 384 (1610);

Dioscorus von Aphrodito, Dichter Dioscor. 4,17: 51 (148) Euagrius Historia ecclesiastica Euagr. HE 2,1: 115 (433); 3,29: 119 (461), 183 (717); 3,41: 69 (214); 3,44: 67 (205); 4,1: 167 (652); 5,1: 125 (499, 500, 501) Eunapius von Sardes Eun.fr. 17: 389; 42,15–19: 110 (411) Eun.vit.Soph. 7,5,3: 187 (736) Eusebius, Kirchenhistoriker Eus.VC 4,51,3: 61 (181); 4,62: 72 (232) Excerpta historica iussu imperatoris Constantini Porphyrogeniti confecta (ed. de Boor) Exc. de ins. 35 S.166: 295 (1208); 35 S.166,12/13: 295 (1209); 79: 250 (993), 265 (1069); 84: 187 (739), 193 (761); 85: 126 (505, 506); 221 (858), 234 (919), 345 (1474), 350 (1498); 93: 196 (776), 202 (801), 256 (1023), 297 (1222); 94: 392, 235 (924), 252 (1004); 95: 393 Exc. de leg.gent. 3: 99 (341), 355 (1525) Exc. de leg.Rom. 5: 201 (796), 262 (1049) Flavius Josephus Flav.Ioseph. 4,10,4,601 sqq.: 247 (977) Gregor von Nazianz Greg.Naz.or. 4,1: 37 (91); 4,46: 32 (59), 37 (91), 167 (655); 4,48,1: 37 (91); 5,3: 37 (91)

Stellenregister zu griechischen und syrischen Texten

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Herodian Hdn. 2,6: 128 (511); 7,10: 93 (317)

Leo Gramm. 109,4–11: 114 (429); 111: 73 (233); 118: 103 (361), 118 (456)

Iohannes Antiochensis Fragmenta Ioh.Ant.fr. 187: 250 (993), 265 (1069); 199,1: 187 (739), 193 (761); 201: 345 (1474); 201,2: 345 (1475); 201,6: 126, 127, 128, 221 (858), 234 (919); 202: 324 (1346); 206,2: 392; 209,1: 196 (776), 202 (801), 256 (1023), 297 (1222), 349 (1489); 210: 235 (924), 252 (1004), 392; 211: 393; 214a: 222 (860)

Libanius Lib.or. 1,163–65: 332 (1391); 13,34: 72 (228), 85 (282); 14,17: 38 (95); 18,33: 35 (74), 36 (80), 42 (120); 19,25–31: 197 (780); 22,4: 189 (743); 22,8: 167 (654), 197 (780); 24,13: 390; 62,58–60: 270 (1088), 335 (1412) Lib.ep. 18,3: 63 (191); 369,4/5: 50 (147), 94 (321)

Iohannes Chrysostomus Ioh.Chrys.hom.19 in Mt. 19,9=PG 57,285: 155 (605) Ioh.Chrys.hom.15 in Phil. 15,5=PG 62,295: 187 (739) Ioh.Chrys.hom.div. 3=PG 63,475: 324 (1345) Ioh.Chrys.pent.1 (de pentecoste) PG 52,808: 324 (1345) Ioh.Chrys.vid. (ad viduam iuniorem) 4=PG 48,605: 39 (99), 187 (734) Iohannes von Damaskus, Theologe Ioh.Damas.or. 3: 156 (609) Iohannes Lydus Ioh.Lyd. de mag. 2,11: 185 (725); 3,41: 185 (725) Iohannes Malalas Ioh.Mal. 13,19: 389; 13,23: 386 (1623); 13,28: 74 (238), 82 (272), 386 (1623); 13,37: 386 (1625); 13,49: 342 (1462), 386 (1623); 13,50: 129 (517); 14,27: 114 (430); 14,28: 71 (221); 14,45: 256 (1023), 353 (1514); 15,3: 246 (970); 15,13: 295 (1208); 16,19: 88 (296) Ioh.Mal.fr. 35: 256 (1020) Iulianus, Kaiser Iul.Caes. 316a: 26 (28) Iul.ep.Athen. 273d: 388; 277d: 241 (955) Iul.or. 1,34a: 260 (1041); 1,34c-d: 223 (865); 3,36: 307 (1264); 3,77c: 28 (38); 3,97b-d: 307 (1264); 3,97c: 314 (1295) Josua Stylites Chronik Jos.Styl. 12: 235 (926) Leo Grammaticus Chronographia

Malalas vgl. Iohannes Malalas Malchus, Sophist und Historiker Malch.fr. 8: 176 (689); 14: 99 (341), 355 (1525) Marcus Diaconus, Schüler(?) des Bischofs Porphyrius von Gaza Vita Porphyrii Marc.Diac.v.Porph. 44: 401 (1655) Menas Menae patricii cum Thoma referendario De scientia politica dialogus Menas 5,17: 39–41; 5,46: 39–41; 5,50: 39–41 Michael der Syrer Chronik Mich.Syr. II p. 38 Chabot (Mich.Syr. 8,10): 99 (321); II p.122 Chabot (Mich.Syr. 8,14): 94 (321), 345 (1473); II p.126 Chabot (Mich.Syr. 9,1): 320 (1325) Olympiodor Olymp.fr. 10,1: 208 (819); 13: 178 (698), 208 (819), 218 (846); 18: 245 (967); 33,1: 168 (658), 174 (682); 43,1: 83 (276), 84 (281), 97 (331) Papyri P.Lips. 63: 281 (1134) Patria Constantinopolitana Patria Const. 3,106: 173 (676) Philostorgius Historia ecclesiastica Philost. 3,22: 69 (215), 73 (236), 99 (343), 246 (971,972), 316 (1308); 3,28a: 71 (222); 7,10: 332 (1393); 8,8: 107 (389); 9,5: 339 (1441); 9,8: 234 (917; 9,16: 109 (403), 110 (409); 10,5: 38 (96), 231 (906); 10,8: 201 (798), 323 (1340);

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11,3: 178 (702), 183 (714); 12,3: 253 (1010), 261 (1045); 12,6: 342 (1462); 12,12: 174 (682); 12,13: 274 (1108), 314 (1294); 12,13/14: 97 (330) Priscus von Panium Fragmenta Prisc.fr. 14: 116 (437); 15,4: 201 (796), 262 (1049), 391; 16: 187 (739), 193 (761), 391; 19: 117 (445); 30,1: 126, 127, 128, 221 (858), 234 (919), 345 (1474); 32: 324 (1346); 64,1: 196 (776), 202 (801), 256 (1023), 297 (1222) Procopius Proc. Anecd. 6,10: 120 (469) Proc. BG 1,1,7: 29 (43) Proc. BP 1,11,5–19: 167 (655) Proc. BV 1,2,31: 262 (1050); 1,2,37/38: 29 (43), 229 (896); 1,3,5: 129 (517), 252 (1008), 380 (1572), 382 (1595); 1,3,6/7: 42 (120); 1,4,7: 115 (437); 1,6,3: 144 (765); 1,6,5: 173 (676) Sokrates Historia ecclesiastica Soc. 1,2,2: 28 (36); 2,30,43: 382 (1598); 2,34,1: 31 (56), 212 (831), 225 (871); 4,5,3: 338 (1439); 4,31,11: 389; 5,12,9: 316 (1310); 5,12,11: 28 (38); 5,25,2: 225 (871); 5,26,1: 41 (113), 154 (601); 5,26,2: 153 (599), 164 (601); 6,1,4–7: 183 (714); 7,23,3: 225 (871); 7,25,23: 157 (614) Sozomenus Historia ecclesiastica Soz. 4,6,15: 383 (1599); 6,8,2/3: 338 (1439); 8,1,2: 183 (714); 9,9,1: 261 (1045); 9,15,1: 325 (1348); 9,15,3: 343 (1466) Synesius Syn.Prov. 1,15,110CD: 29 (42), 35 (74), 214 (835) Themistios Them.or. 5,3,65A: 166 (650); 7,4,86C: 260 (1042); 7,18/19, 96C: 332 (1390); 14,3: 161 (636), 174 (679); 14,8,204B–205B: 169 (660) Theodoretus, Bischof von Cyrrhus Historia ecclesiastica Theodor. 5,5/6: 102 (356); 5,12: 168 (657)

Theodorus Lector Epitome Historiae ecclesiasticae Theod.Lect.Epit. 354: 185 (728) Theophanes Chronographia Theophan.A.M. 5849: 253 (1009), 290 (1175); 5856: 166 (650); 5915: 51 (149); 5942: 114, 115; 5943: 345 (1472); 5944: 383 (1606), 386 (1619); 5957: 352 (1507); 5961: 172 (672); 5966: 193 (758); 5967: 79 (260), 235 (926), 386 (1620); 5971: 259 (1037); 5973: 295 (1208); 5974: 256 (1021); 5983: 119 (461, 463), 221 (854); 6006: 386 (1620); 6101: 80 (266) Vita S.Danielis Stylitae V.Dan.Styl. 55: 383 (1601); 67: 193 (758) Zacharias Rhetor Historia ecclesiastica, syrisch Zach.HE 7,8: 75 (245), 198 (785) Zonaras Epitome historiarum Zon. 13,1,22/23: 69 (219); 13,1,24: 323 (1344); 13,6,5: 236 (932); 13,6,17/18: 303 (1247); 13,9: 329 (1376); 13,14: 106 (383); 13,24: 71 (221), 114 (428), 345 (1472); 14,1,1–6: 117 (445); 14,1,4/5: 194 (762), 356 (1530); 14,2,4: 215 (840); 14,3,1: 103 (361), 118 (456), 119 (459), 384 (1607); 14,3,3: 119 (460), 142 (562); 14,5,2/3: 121 (470), 128 (511) Zosimus Zos. 2,12: 281 (1135), 288 (1171); 2,42: 232 (935); 2,42,1: 28 (40), 38 (97), 224 (868); 2,42,2: 215 (838); 2,43,2–4: 237 (942), 244 (966); 2,49: 320 (1329); 2,54,2: 42 (120); 3,36,1/2: 106 (383); 4,4,3–4.6,2: 108 (390); 4,6,3: 250 (997); 4,8,5: 31 (56); 4,16,1–4: 231 (907); 4,19,2: 63 (191); 4,37,2/3: 316 (1307); 4,37,3: 156 (609); 4,44,2–4: 177 (694); 4,53,1– 3: 201 (798); 4,54,1: 266 (1071); 4,54,7: 63 (191); 5,27,3: 236 (931); 5,31,5/6: 60 (175); 5,32,5: 67 (205); 5,43,1/2: 218 (846); 6,1,1: 316 (1308); 6,4,3: 298 (1227, 1228); 6,7: 300 (1232); 6,7,1: 245 (968), 248 (982), 253 (1010); 6,7,3: 208 (819), 261 (1045); 6,12,2: 323 (1341)

Die römische Kaiserzeit kannte kein insti­ tutionalisiertes Verfahren, das die Über­ gabe der Macht an der Spitze des Reiches regelte. Ein Wechsel der Herrschaft führ­te daher häufig zu Krisensituationen. Joa­ chim Szidat untersucht Kaisererhebungen und Usurpationen in der Spätantike nach 337 bis zum Ende des Kaisertums im Westen 476. Außerdem bezieht er die Zeit der Tetrarchie und die früh­byzantische Epoche bis in die Mitte des 6. Jahrhun­ derts in seine Darstellung ein.

Ausgehend von der Analyse exemplari­ scher Einzelfälle arbeitet der Autor die ge­ nerellen Abläufe bei der Machtübernahme sowie ihre politischen und gesellschaftli­ chen Voraussetzungen und Bedingungen heraus. Als entscheidend für die Weiterga­ be und Sicherung der Herrschaft erscheint dabei die Rolle der sich seit Konstantin bildenden neuen Führungsschicht mit der großen Bedeutung der zivilen Würdenträ­ ger. Die Usurpation stellte daher eher ein politisches als ein militärisches Problem dar: Der Prätendent mußte Anerkennung finden.

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isbn 978-3-515-09636-2