Eine Wüstenstadt: Leben und Kultur in einer ägyptischen Oase im 4. Jahrhundert n. Chr 9783515103732

Die Dakhla Oase, weit vom Niltal entfernt im tiefsten Inneren der ägyptischen Westwüste gelegen, war einer der abgeschie

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
1. TRIMITHIS: DIE STADT UND IHRE GÖTTER
2. STADT UND UMLAND – WIRTSCHAFTLICHE UND SOZIALE ASPEKTE
3. DIE KULTUR EINER SPÄTANTIKEN PROVINZSTADT
LITERATUR (IN AUSWAHL)
INDEX
TAFELTEIL
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Eine Wüstenstadt: Leben und Kultur in einer ägyptischen Oase im 4. Jahrhundert n. Chr
 9783515103732

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Alte Geschichte

SpielRäume der Antike 2

Franz Steiner Verlag

Eine Wüstenstadt Leben und Kultur in einer ägyptischen Oase im 4. Jahrhundert n. Chr. Roger S. Bagnall

Eine Wüstenstadt Roger S. Bagnall

SPIELRÄUME DER ANTIKE Herausgegeben vom Zentrum für Altertumswissenschaften der Universität Heidelberg Band 2 Die im Jahre 2006 erstmalig an der Universität Heidelberg abgehaltene Häcker-Vorlesung gründet in einem für die Altertumswissenschaften an dieser Universität kennzeichnenden Konzept. Die verschiedenen, sich mit der europäischen und außer-europäischen Antike beschäftigenden Disziplinen werden am Beispiel von Grundfragen der Kulturgeschichte in einen Dialog gebracht, um so die engen Fächergrenzen zu überwinden und den in den Teildisziplinen angesammelten Schatz an Wissen für den Diskurs in den Geisteswissenschaften zu erschließen. In der einmal im Jahr stattfindenden, nach den sie fördernden Mäzenen Gisela und Reinhard Häcker benannten Vorlesung wird international profilierten Vertreterinnen und Vertretern altertumswissenschaftlicher Disziplinen die Gelegenheit eröffnet, in drei Vorträgen Themen von übergeordnetem Interesse der Öffentlichkeit zu vermitteln. In der Zusammenschau der Vorträge soll im Laufe der Jahre ein Panorama der Vielfalt von Ausdrucksformen, die Kultur und Gesellschaft im Laufe der Jahrtausende im Alten Orient, in Ägypten, in der europäischen Frühzeit und in der griechisch-römischen Antike angenommen haben, entstehen.

EINE WÜSTENSTADT Leben und Kultur in einer ägyptischen Oase im 4. Jahrhundert n. Chr.

Roger S. Bagnall (Universität New York)

Franz Steiner Verlag 2013

Umschlagabbildung: Darstellung der Götter, die Ares und Aphrodite beim Ehebruch ertappen. Malerei auf der Ostwand von Raum 1 im Haus des Serenos, Amheida (Ausschnitt)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-10373-2 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen.

© 2013 Franz Steiner Verlag, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Printed in Germany

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort 7 1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter 11

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte 31

3. Die Kultur einer spätantiken Provinzstadt 53

Literatur (in Auswahl) 75

Index 77 Tafelteil 81

VORWORT

Ein synthetisches Werk über Ausgrabungen zu verfassen, die weniger als ein Jahrzehnt zurückliegen, mag verfrüht erscheinen, insbesondere wenn dies, wie im Fall von Amheida, ein sehr großes Grabungsgebiet betrifft. Aber sehr viel häufiger habe ich erlebt, daß Ausgrabungen niemals in einer für einen weiteren Leserkreis aufbereiteten Form vorgelegt wurden, als daß man sie allzu früh publiziert hätte, so daß dieser Versuch es mir wert erschien. Für die Einladung, dies im Rahmen der Margarete Häcker-Vorlesungen tun zu können, bin ich meinen Heidelberger Kollegen sehr zu Dank verpflichtet: erst Christian Witschel für die Einladung als solche, dann Joachim Friedrich Quack und Andrea Jördens für ihre Gastfreundschaft, als es so weit war, und endlich ihnen beiden sowie Alexander Puk für all ihre Mühen und die große Sorgfalt bei der Erstellung der deutschen Fassung meiner Bemerkungen. Rodney Ast und Julia Lougovaya haben viel dazu beigetragen, daß mir mein Aufenthalt in Heidelberg in bester Erinnerung blieb, wiewohl sie keinerlei Verantwortung dafür tragen, daß die Vorträge mit größeren Fußballereignissen im Fernsehen zu konkurrieren hatten. Die Ausgrabungen in Amheida wurden in die Wege geleitet, als ich noch Fakultätsmitglied an der Columbia University war, und wurden anfänglich auch von dieser Einrichtung finanziert. Seit meinem Wechsel an die New York University wurde letztere zur eigentlichen Heimstatt des Projekts. In Amheida I: Ostraka from Trimithis, Vol. 1 (New York 2012) habe ich bereits meiner Dankbarkeit gegenüber der Verwaltung und den Geldgebern 7

Vorwort

der Columbia University, die die Anfänge des Projektes ermöglichten, wie auch gegenüber den ägyptischen Stellen Ausdruck verliehen, die unsere Arbeit stets mit Wohlwollen begleiteten. Insbesondere danke ich dem für die Dakhla Oase zuständigen Chefinspektor Maher Bashendi Amin für seine beständige Hilfe in allen großen und kleinen Belangen über das letzte Jahrzehnt hinweg und länger. Bei den vielen Mitgliedern unserer Kampagnen aus all diesen Jahren, deren Arbeit auf den folgenden Seiten vorgestellt wird, weiß ich mich in tiefer Schuld. Sie sind sämtlich auf der Homepage unseres Projektes www.amheida.org in den Jahresberichten und im Namensverzeichnis aufgelistet, ohne daß ich sie alle hier wieder aufführen kann. An erster Stelle steht sicherlich unsere Grabungsleiterin Paola Davoli, die mir eine unglaubliche Menge – wenn auch immer noch nicht genug – an archäologischen Kenntnissen über unser Grabungsgebiet vermittelte; erwähnt seien auch Olaf E. Kaper, Nicola Aravecchia und Raffaella Cribiore, deren Arbeit direkt Eingang in die verschiedenen Teile des Buches gefunden hat. Die Planung der Ausgrabung ist wesentlich das Werk von Fabrizio Pavia und Silvia Maggioni, denen auch die hier abgedruckten Pläne geschuldet sind. Auf den Photographen Bruno Bazzani gehen die meisten der hier veröffentlichten Grabungsphotos zurück, deren farbige Wiedergabe erneut der Großzügigkeit der Häcker-Stiftung zu danken ist. Das logistische Gerüst für das Projekt stellten, abgesehen von Bruno Bazzanis unverzichtbarer Unterstützung bei der Erstellung der Datenbank und in allen digitalen Belangen, bereit: Elizabeth Bulls, die in New York als Koordinatorin wirkte; Ashraf Barakat, mein Assistent in Ägypten; Gaber Murad, der Leiter unseres Hauses; und Karen Green, unsere Bibliothekarin. Ihnen wie auch allen anderen Mitgliedern der Gruppe von Amheida bin ich zu größtem Dank verpflichtet für die wunderbare Gemeinschaft, die sie während unserer Zeit in der Oase haben entstehen lassen. Olaf Kaper und Silvia Prell übernahmen freundlicherweise die Fahnenkorrektur und trugen damit wesentlich zur Verbesserung der endgültigen Textgestaltung bei. 8

Vorwort

Die drei hier abgedruckten Vorträge wurden weitgehend in derselben Gestalt belassen, die sie schon bei ihrer Präsentation im Jahr 2010 besaßen, mit nur einigen kleineren Ergänzungen und Korrekturen, um auch noch die Grabungsergebnisse der Kampagnen von 2011 und 2012 berücksichtigen zu können.

Roger Bagnall New York, Dezember 2012

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1. TRIMITHIS: DIE STADT UND IHRE GÖTTER

Gegenstand dieser drei Vorträge ist eine Stadt in der Westwüste Ägyptens, die in der Antike als westlicher oder Innerer Teil der Großen Oase galt und heute Dakhla-Oase genannt wird. Die Stadt selbst trug damals den Namen Trimithis bzw. in pharaonischer Zeit Set-wah; heutzutage heißt der Ort Amheida. Er stand im Mittelpunkt der Feldforschung, die ich während der letzten zehn Jahre in leitender Funktion betrieben habe, sieben davon bislang mit Ausgrabungen. Fast all unsere Kenntnisse über Trimithis beruhen auf dem archäologischen Befund und auf Dokumenten, die aus den Ausgrabungen stammen, ob sie nun am Ort selbst oder im Rahmen des sog. Dakhleh Oasis Projects in Kellis, dem heutigen Ismant el-Kharab, zutage gefördert wurden, wo seit 1986 gegraben wird. Für die Entscheidung, eine Feldstudie in Amheida durchzuführen, gab es eine Reihe von Gründen. Einer davon war das sichere Gefühl, das auch von einigen anderen Papyrologen geteilt wird – erinnert sei nur an den eindrücklichen Vortrag von Claudio Gallazzi 1992 auf dem Kopenhagener Papyrologenkongreß –, daß unsere Generation wohl die letzte ist, die noch einigermaßen die Gelegenheit hat, mit Tinte geschriebene antike Texte auf Papyrus, Tonscherben oder Holz in Ägypten zu finden. Denn der Ausbau der Siedlungen und der seit dem Bau des Assuandammes stetig ansteigende Grundwasserspiegel, aber auch die landwirtschaftliche Entwicklung und der Bevölkerungszuwachs im allgemeinen sind rasant dabei, die trockenen Klimabedingungen 11

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

zu zerstören, die hunderttausende Papyri und Ostraka noch bis zum letzten Jahrhundert hin bewahrt bleiben ließen. Ein weiterer Grund war die ganz allgemeine Einschätzung, daß es nur sehr wenige hochqualifizierte Dauerprojekte im Bereich der Archäologie des griechisch-römischen Ägypten gibt – insbesondere solche, die Texte und archäologischen Kontext verbinden –, und daß mehr davon für die Entwicklung einer stärker archäologisch orientierten Geschichte dieser Gesellschaft nur vorteilhaft wäre. Ein dritter Punkt war der Wunsch der Columbia Universität, an der ich damals lehrte, über Möglichkeiten zu verfügen, ihren Studierenden die Methoden archäologischer Arbeit vor Ort zu vermitteln. Die Auswahl des Platzes ergab sich noch genauer aus der Kombination einer günstigen Gelegenheit mit meinen eigenen Forschungsinteressen. Die Edition des Kellis Agricultural Account Book, eines Rechnungsbuchs aus dem vierten Jhdt. n. Chr., hatte mich Mitte der 1990er Jahre zum ersten Mal in die Dakhla-Oase geführt (Abb. 1). Dieses Gebiet liegt etwa 850 Straßenkilometer von Kairo und circa 500 km von der Gegend um Luxor im Niltal entfernt, also tief in der Westwüste. Wie die anderen großen Oasen von Ägypten ist auch Dakhla eine Senke im Wüstenplateau, die im Norden durch eine hohe Felswand begrenzt wird. Amheida liegt im nordwestlichen Teil dieser Oase und war die meiste Zeit der Antike der dominierende Ort in diesem Teil der Oase, stand also nur hinter der antiken und modernen Hauptstadt der Oase, Mothis bzw. Mut, zurück. Der bedeutendste Ort des mittelalterlichen, osmanischen und modernen nordwestlichen Dakhla, die wunderschöne, in islamischer Zeit aus Lehmziegeln erbaute Siedlung von El-Qasr, liegt nur einige Kilometer von Amheida entfernt und war in der Antike Teil seines Territoriums. Wir wissen inzwischen eine Menge über diese Oase, weil sie in den letzten drei Jahrzehnten Gegenstand eines vom Dakhleh Oasis Project (DOP) unter der Leitung von Tony Mills durchgeführten Surveys dieser Gegend gewesen ist und weil es seit mehr als zwanzig Jahren im Rahmen des DOP Ausgrabungen durch ein australisches Team unter der Leitung von Colin Hope im antiken 12

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

Kellis gegeben hat. In Kellis wurden viele Papyri, Ostraka und Holztafeln gefunden, am berühmtesten darunter vielleicht die literarischen Texte und Briefe mit Familienbezug aus manichäischem Kontext, daneben aber auch ein reicher Bestand an anderen dokumentarischen und literarischen Texten. Die meisten Informationen, die wir vor Beginn unserer Ausgrabungen über Trimithis besaßen, hatten wir hauptsächlich aus diesen Dokumenten gewonnen. Für meine eigenen wissenschaftlichen Interessen war vor allem der Umstand von Belang, daß Kellis um das Jahr 400 aufgegeben wurde und sich die dortigen Ausgrabungen auf Gebiete mit einer Besiedlung aus dem dritten und vierten Jahrhundert konzentrierten. Denn damit haben wir es mit einer ungewöhnlichen Anhäufung archäologischer und dokumentarischer Funde aus der Spätantike zu tun – einem Zeitraum, der meine Aufmerksamkeit zum ersten Mal vor 35 Jahren auf sich zog und der für mich weiterhin ungebrochene Faszinationskraft besitzt. Doch gibt es dort praktisch für jeden Geschmack etwas. Die Große Oase ist ein markanter und bemerkenswerter Teil von Ägypten. Aufgrund ihrer großen Entfernung vom Niltal stellt sie die Organisation von Reisen und Transporten vor Herausforderungen, die es in einem Land, das dank eines großen Flusses über beste Verbindungen und einen kostengünstigen Transportweg verfügt, nirgendwo anders gibt. In meinem zweiten Vortrag werde ich näher auf diese geographischen Beschränkungen eingehen. Nichtsdestoweniger wurde die Oase bereits in prähistorischer Zeit besiedelt, als aus dem Gestein hervortretendes Grundwasser in Form von artesischen Brunnen an die Oberfläche gelangte, deren Hügel man sogar heute noch sieht, obwohl sich die Umgebung im vierten vorchristlichen Jahrtausend von einer Savanne in Wüste verwandelte. Die Oasen haben Ägypten vermutlich zur Neolithischen Revolution verholfen. Dakhla wurde unter den Pharaonen des Alten Reiches vom Niltal her von den Ägyptern erschlossen und besiedelt; wahrscheinlich zunächst in der 4. Dynastie unter Cheops, dem Erbauer der Großen Pyramide, und dann weitaus intensiver in der 6. Dynastie. Das Institut Français d’Archéologie Orientale in Kairo begann kurz 13

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

vor dem Beginn des Dakhleh Oasis Project am anderen Ende der Oase mit der Erforschung des wichtigsten Fundorts aus dem Alten Reich, nämlich Ain Asil in der Nähe des Dorfes Balat, wo die Statthalter ihren Sitz und ihre Gräber hatten. Diese Forschungsarbeit hat wichtige Ergebnisse zutage gefördert: Einen Palast, Gräber, mehrere eindrucksvolle Objekte und beschriebenes Material – ägyptische hieratische Texte, die in außergewöhnlicher Weise auf Tontäfelchen geschrieben worden waren. Auch in Amheida und Mut haben sich Überreste aus dem Alten Reich gefunden, und in Ain el-Gezareen, einige Kilometer südlich von Amheida, wurden Teile einer großen Anlage aus dem Alten Reich ergraben. Für die folgenden anderthalb Jahrtausende sind unsere Kenntnisse über diesen und erst recht über den anderen Teil der Großen Oase, die heutige Kharga-Oase, wesentlich geringer. Ein Tempel des Neuen Reiches befand sich sicherlich in Mut, wo die zeitliche Abfolge einigermaßen gesichert ist, und sehr wahrscheinlich gab es auch einen in Amheida; hierauf lassen jedenfalls die Keramikfunde an der Oberfläche schließen sowie ein hieratischer Text, der hier entdeckt wurde und aus einer Tempelschule des Neuen Reichs stammen mag. Die Zahl an Siedlungen, die als solche identifizierbar sind, ist hingegen nicht sehr zahlreich, steigt dann jedoch in der Römerzeit exponentiell an. In der Spätantike gab es wiederum einen leichten Rückgang der Zahl der Siedlungsstätten, gefolgt von einem dramatischen Schrumpfen des Umfangs der Besiedlung in den späteren Jahrhunderten – wenngleich auch gesagt werden muß, daß es niemals zu einer völligen Aufgabe der Oase kam. Aber dennoch bleibt festzuhalten, daß an vielen Orten die letzten Texte bzw. der letzte größere Befundhorizont mehr oder weniger aus den 360er Jahren stammen, aus denen auch das Kellis Account Book datiert; Kellis selbst scheint einige Jahrzehnte später verlassen worden zu sein. Andere Stätten lebten ohne Zweifel noch bis in spätere Zeit fort, doch wurde bislang nur wenig aus den letzten 250 Jahren römischer Herrschaft ergraben.

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1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

Amheida, wo selbst bei einem Oberflächensurvey Keramik aus allen Epochen von der neolithischen bis zur spätrömischen Zeit sichtbar ist, bietet in diachroner Hinsicht möglicherweise sogar den Schlüssel zur Geschichte dieser Oase. Mut hat ebenfalls eine sehr lange Vergangenheit – sogar eine längere als Amheida, nämlich von frühpharaonischer bis in frühislamische Zeit –, aber nur ein sehr kleiner Teil des antiken Ortes ist der Überbauung durch die moderne Stadt und der damit einhergehenden Zerstörung des wenigen, was überhaupt noch davon übrig geblieben war, entgangen; lag doch der Fundort bereits vor der Expansion der modernen Stadt weitgehend in Ruinen. Trimithis hingegen ist niemals mehr wiederbesiedelt worden. In einigen Bereichen haben Leute, die auf der Suche nach Steinen oder Dünger waren (antike Stätten, namentlich Müllhalden waren als Stickstofflieferanten begehrt), Gruben unterschiedlicher Größe ausgehoben – in einem Gebiet sehr folgenreich, wie wir sehen werden –, aber die Fundstätte hat durch diese Aktivitäten keine ernsthaften Schäden erlitten. Wir haben deshalb die Gelegenheit, das Areal einer griechisch-römischen Siedlung in seiner vollen Ausdehnung zu untersuchen, wie es nur selten möglich ist. Und diese Ausdehnung ist beträchtlich, denn die römische Stadt erstreckte sich über eine Terrasse, die sich um den Fuß eines Hügels herum zog, auf dem der Tempel des Thot stand (Abb. 2). Das Gebiet der Nekropole eingeschlossen, erstreckt sich das Fundareal über eine Fläche von etwa 2,5 x 1,5 Kilometern. Als ich die Ausgrabungen initiierte, sah ich Amheida nicht nur als ein Feld für die zuvor erläuterten Möglichkeiten, sondern auch als eine Chance, zahlreiche historische Aspekte zu untersuchen, die seit langem für mich von Interesse sind. Keiner dieser Aspekte ist auf die Spätantike beschränkt, aber zumindest was mein Bild des spätantiken Ägypten betrifft, erreichten alle in dieser Epoche eine gewisse Vollendung, so daß sie sich am Beispiel Amheidas und anderer Orte derselben Zeitstellung hervorragend erforschen lassen. Einer davon ist das wirtschaftliche Wachstum in der Antike, für dessen Wesensbestimmung die rasante Entwicklung der Dakh15

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

la Oase in der frührömischen Zeit und ihr späterer faktischer Zusammenbruch eine Reihe interessanter Fragestellungen aufwirft, die einen wichtigen Beitrag zu den aktuellen Debatten über das Wachstum der römischen Wirtschaft zu leisten vermögen – so vor allem, ob der ökonomische Zuwachs Roms nur extensiv oder auch intensiv war, d.h. ob er auch ein Wachstum des Bruttosozialprodukts pro Kopf darstellte. Das Ausmaß, in dem die wirtschaftliche Entwicklung von abgelegenen Gebieten durch die Kosten von Transporten über Land eingeschränkt wurde, ist hierbei natürlich von Belang, aber viele andere Punkte wie die Nachfrage nach Produkten, der technologische Wandel oder das Rechtssystem spielen ebenso eine Rolle. Ein weiteres Interessensgebiet stellt der Urbanismus im hellenistischen und römischen Ägypten dar, insbesondere die Art des diachronen Wandels. Wenn überhaupt irgendwo, dann sollten wir hier in Dakhla imstande sein, die Folgen römischen Einwirkens zu erkennen – die Veränderungen von der klassischen zur spätantiken Zeit –, und einen echten Niedergang, der wahrscheinlich auf lokal bedingten Faktoren beruhte. Da Trimithis sogar eine Statusveränderung erlebte, da es vom Rang eines Dorfes in den einer Stadt erhoben wurde, dürfte es in dieser Hinsicht von besonderem Interesse sein. Schließlich ist auch ein Einblick in das kulturelle Miteinander in den Oasen und seinen Wandel im Laufe der Zeit zu gewinnen: Ein ägyptisches Dorf und religiöses Zentrum mit einer schon jahrtausendealten Geschichte in vorrömischer Zeit wird zu einer römischen Stadt. Kellis, das offenkundig eine Neugründung der griechisch-römischen Zeit war und niemals eine Stadt wurde, bietet uns hier ein willkommenes Vergleichsobjekt und zugleich einen Kontrast praktisch von nebenan. Wie ähnlich sind sich Trimithis und Kellis? Oder welche Unterschiede können wir zwischen einem Dorf und einer Stadt und innerhalb der Region ausmachen? Bevor wir voranschreiten, sei hier angemerkt, daß Amheida wie jedes größere archäologische Projekt ein gemeinsames Unternehmen darstellt. Das Team ist international mit Mitgliedern 16

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

aus derzeit nicht weniger als elf Ländern besetzt. Vieles von dem, was Sie über diesen Fundort hören werden, schulde ich meinen Projektmitarbeitern, vor allem der Grabungsleiterin Paola Davoli; ebenso dem Ägyptologen Olaf Kaper und meiner papyrologischen Kollegin Raffaella Cribiore. Was das Vergleichsmaterial aus der Fundstätte von Ain el-Gedida betrifft, bin ich dem dortigen Grabungsleiter Nicola Aravecchia zu Dank verpflichtet. Ich werde einige ihrer Beiträge zu gegebener Zeit erwähnen. Die sehr kleine Menge dokumentarischen Materials über Trimithis, das vor der Ausgrabung bekannt war, stammt aus der Zeit bis zum vierten Jahrhundert. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Nennungen in Papyri und auf Schreibtafeln, die bei den Ausgrabungen in Kellis gefunden wurden, sowie vereinzelte Belege in bereits sehr viel länger bekanntem Material wie der Notitia Dignitatum, einer Liste von militärischen Einheiten und Ämtern im Römischen Reich um das Jahr 400, die uns darüber Auskunft gibt, daß Trimithis der Stützpunkt einer Kavallerieeinheit war, nämlich der Ala I Quadorum (des ersten „Flügels“ der Quaden, eines in Mitteleuropa siedelnden Stammes, von dem die Reiter rekrutiert worden waren, als man die Einheit bildete). Eine Steuerschätzung für die Oasen aus einem Leipziger Papyrus der späten 360er Jahre stammt ebenfalls aus diesem Zeitraum und bezeugt Trimithis als regionales Zentrum mit beträchtlichem Steueraufkommen. Die römische Stadt Trimithis war, wie ich bereits ausführte, auf einer Terrasse gelegen, die sich um einen Hügel herum erstreckte. Grundriß und Erscheinung ähneln nicht unbedingt den römischen Städten, die Ihnen wahrscheinlich eher vertraut sind, gebaut aus Stein und angeordnet um ein regelmäßiges Straßennetz mit öffentlichen Bauwerken an zentralen Kreuzungen. In Trimithis läßt sich gerade nur eine breite gerade Straße ausmachen im nördlichen Bereich der Siedlung, wohingegen alle weiteren identifizierbaren Straßen recht schmal sind und sehr viele Biegungen aufweisen. Wir wissen inzwischen, daß die Gassen auf beiden Seiten des großen Hauses, das viel von dem ans Licht gebracht hat, was ich präsentieren werde, mit leichten Dächern 17

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

bedeckt waren oder zum Teil sogar überwölbt waren, so wie es auch bei den Straßen in El-Qasr bis heute der Fall ist. Auch dort wurde das grundlegende Gittermuster, das letztlich auf das römische Militärlager zurückgeht, angepaßt, um lange, gerade Routen zu vermeiden. Eine Bedachung mit sorgfältig plazierten Öffnungen dient nicht nur dem Schutz der Menschen vor der Sonneneinstrahlung in der Oase, sondern auch der Verstärkung der Luftzirkulation, da heiße Luft zum Steigen und kalte Luft zum Niedersinken gebracht wird. In der intensiven Hitze, die in den Oasen während der meisten Zeit des Jahres herrscht, mit sommerlichen Temperaturen von durchgehend über 40 Grad ist dies eine höchst angemessene Bauweise. Auf dem Hügel stand einst der Tempel des Thot, den man wenigstens bis 800 v. Chr. sicher zurückverfolgen kann, mit einiger Wahrscheinlichkeit auch bis zum Neuen Reich und vielleicht sogar noch früher. Eine geophysikalische Untersuchung hat die Existenz einer großen Baustruktur auf diesem Hügel in einer Tiefe von 5 bis 10 Metern erkennen lassen, die in ihrer Anlage der befestigten Siedlung des Alten Reiches in Ain-el-Gezareen ähnelt. Wie bereits erwähnt, klärt ein Ostrakon aus der Ramessidenzeit darüber auf, daß es hier während des späten Neuen Reiches eine schulische Einrichtung gab, die wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Tempel stand. Ich werde darüber in dem dritten Vortrag noch detaillierter Auskunft geben. Objekte aus einer spätzeitlichen Tiernekropole, mit bronzenen Osirisanhängern und Statuetten, Särgen voll von Vogelknochen und Miniaturopferschalen, deuten ebenfalls auf einen heiligen Bezirk hin. Wir waren nicht überrascht, das Tempelareal in gestörtem Zustand vorzufinden, da daraus stammende Blöcke und sogar ein vollständiger Toreingang in Häusern von El-Qasr verbaut worden waren, was nahelegt, daß der Steinraub in der frühen Neuzeit ein beträchtliches Ausmaß besessen haben muß. Paola Davoli hat zudem auf einem Satellitenbild des Areals viele offenkundige Gruben entdeckt, die auf Raubgrabungen hinweisen. Obwohl wir also wußten, daß es dort Gruben geben würde, waren wir aber 18

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

kaum vorbereitet auf das tatsächliche Chaos, das wir dort antrafen. Viele Gruben, große wie kleine, waren zu entdecken. Genau genommen können Gruben sogar als das auffälligste Charakteristikum des Hügels bezeichnet werden, wovon bislang viele Dutzende ausgegraben wurden. Sie weisen unterschiedliche Größen und Abmessungen auf, sind manchmal rund oder auch langgestreckt. In der tiefsten von ihnen war von den Schatzjägern eine einfache Treppe angelegt worden, um auf ihren Boden zu gelangen. In und um diese Gruben herum liegen Hunderte von Steinfragmenten verstreut, in offenkundig völliger Unordnung. In der Tat sind keine Überreste des Tempels in situ gefunden worden, da das Areal so nachhaltig durch die späteren menschlichen Aktivitäten gestört wurde. Hierbei scheinen zwei Phasen des Steinraubs eine Rolle gespielt zu haben: Eine erste, in der die Hauptpartien des römischen Tempels abgetragen wurden, so daß nur noch die unteren Schichten des Mauerwerks übrig blieben, und eine spätere Zerstörungsphase, in der die verbliebenen Reste der ursprünglichen Mauern beseitigt wurden. Hinzu kamen ein intensiver Düngerabbau – daher die meisten Gruben – und ein starker Nordwind, der etwa anderthalb Meter Bodenschicht seit der Aufgabe der Siedlung hinweggetragen haben dürfte, so auch die gesamten Fundamente des Tempels. Unsere Ausgrabungen haben nun über 800 dekorierte und mit Inschriften versehene Tempelblöcke zutage gefördert, wenn man in diese Zahl auch die fragmentarischen Stücke einrechnet. Sie stammen vor allem von einer Ausschmückung des Tempels unter den Kaisern Titus und Domitian. Es scheint, daß unter Titus eine neue Kapelle gebaut und diese dann in domitianischer Zeit in einen größeren Tempelbau integriert wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurden manche der älteren Strukturen abgetragen, deren Steinblöcke man innerhalb der Mauern des domitianischen Tempels verbaute. Die Deutung dieser Blöcke ist durch die Erforschung während der letzten Kampagne substantiell vorangeschritten, als Fragmente einander zugeordnet werden konnten. Ich zitiere aus Olaf Kapers Bericht über die Kampagne des Jahres 2010: „Geringe 19

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

Bauaktivitäten sind für die Zeit von Petubastis I., Necho II. und Psammetich II. verzeichnet. Unter Amasis wurde eine größere Kapelle mit einer Gewölbedecke nahe dem älteren Tempel errichtet. Unter Dareios I. wurde eine neue Kapelle mit Gewölbedecke neben der Kapelle des Amasis gebaut. Diese Kapelle schloß die Blöcke eines dekorierten Tempeleingangs aus der Zeit des Psammetich II. ein. Die Rückwand des Heiligtums des Dareios wurde in erhabenem Relief mit Darstellungen des Thot in Paviangestalt dekoriert, die über zwei Register verteilt sind. Die übrigen Wände wurden in vertieftem Relief ausgeführt.“ Unter den wiederverwendeten Blöcken des römischen Tempels befinden sich somit auch solche eines früheren Tempels, der aus der Regierungszeit des Königs Petubastis I., d.h. aus der 23. thebanischen Dynastie datiert, aber auch Arbeiten eingeschlossen haben mag, die unter anderen Pharaonen jener Epoche entstanden. Es ist das erste Mal überhaupt, daß eine Kartusche dieses Königs auf einem Tempelrelief gefunden wurde. König Petubastis herrschte von Theben aus zur Zeit der späteren 22. Dynastie, also etwa um 800 v. Chr. und nicht lange vor der Eroberung Ägyptens durch den nubischen Herrscher Pije zu Beginn der 25. Dynastie. Diese Dynastien gehören zur wenig bekannten Dritten Zwischenzeit, und man hatte bislang nicht gewußt, daß die 23. thebanische Dynastie auch die Oasen in der Westwüste kontrollierte. Die Herrschaft der 23. Dynastie über Dakhla wird auch durch einen Text auf einer hieratischen Stele bestätigt, die sich ebenfalls unter den Überresten des Tempels fand. Dieses Monument wird in das 10. Jahr eines der libyschen Könige mit Namen Takelot datiert, der derselben 23. Dynastie angehörte. Wahrscheinlich ist damit Takelot III. gemeint, der am Ende der Dynastie herrschte, kurz vor der Regierung des Pije und dem Beginn der 25. Dynastie. Die Stele erwähnt den Führer eines libyschen Stammes – des sogenannten Schaminischen Stammes, der die Oase in jener Zeit unter seiner Gewalt hatte – mit demselben Namen Nesdjehuty wie ein Anführer, der auf einer schon früher bekannten Stele aus Dakhla aus der Regierungszeit des Pije abge20

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

bildet ist. Die neue Stele dokumentiert eine Stiftung an den Tempel des Thot in Amheida und verzeichnet die Namen mehrerer Priester aus diesem Tempel. Diese Stele war sicherlich einer der wichtigsten Funde aus dem Tempelareal, da sie die Existenz des Thot-Tempels bereits für die Dritte Zwischenzeit bestätigt und zeigt, daß die libyschen Herrscher der Oase ein besonderes Interesse an diesem Tempel besaßen. Die Temenosmauer ist die einzige identifizierbare Struktur des römischen Tempels, die noch an der Oberfläche sichtbar ist, wenngleich sie nur auf kleine Strecken hin erhalten ist, die mit Ausnahme eines Abschnitts nur mit Mühe zu erkennen sind, da sie auf Bodenniveau oder sogar knapp darunter liegen. Wir haben stufenweise daran gearbeitet, ihren Verlauf ausfindig zu machen, und haben eine komplexe Fundamentstruktur aus Stein und Lehmziegeln ausgegraben, die wahrscheinlich die Substruktur des nördlichen Tores des Tempelkomplexes gebildet hatte. Es gibt noch ein paar andere Hinweise, die uns mit der Zeit helfen werden, ein Bild vom Tempel zusammenzusetzen. So u.a. Säulentrommeln aus der noch zu erwähnenden Säulenhalle, die zwar nicht in situ gefunden wurden, aber wohl nicht weit von ihrem ursprünglichen Aufstellungsort entfernt liegen, da sie sich hauptsächlich in einem Bereich des ausgegrabenen Areals drängen. Weitere erwähnenswerte Indizien sind eine zusammengefallene Wand und eine eingestürzte Ecke, die sich in etwa dort befinden sollten, wo sie niedergegangen sind, und uns daher helfen, ihren originalen Standort zu bestimmen. Der Block einer Hohlkehle, der ebenfalls aus dem Areal stammt, in dem Paola Davoli den Eingang zum Tempel vermutet, kann als weitere Bestätigung dieser Annahme dienen. Der Thot-Tempel in Trimithis ist nur einer von rund zwanzig Tempeln, die wir in der Oase kennen, so daß wir hier wohl das dichteste Netz an lokalen ägyptischen Tempeln erhalten haben, und zwar sowohl aus Stein als auch aus Lehmziegeln. Die weitgehend erhaltenen Tempel von Amun, Mut und Chons in Deir elHagar sowie Amon-Nacht und Hathor in Ain Birbiyeh weisen die gleiche Baudekoration auf wie der Thot-Tempel von Amheida; in 21

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

der Tat scheinen die gleichen Steinmetze in Deir el-Hagar und in Trimithis am Werk gewesen zu sein. Der Haupttempel von Kellis war dem Gott Tutu geweiht und ein kleinerer seiner Gemahlin Tapsais und seiner Mutter Neith. Der Tempel des Tutu enthält ein außergewöhnliches Mammisi aus Lehmziegeln, das im zweiten nachchristlichen Jahrhundert mit Darstellungen Hunderter ägyptischer Gottheiten dekoriert wurde. Der herabgestürzte Putz ist sorgfältig eingesammelt und in vielen Jahren Arbeit durch Olaf Kaper und sein Team von Restauratoren und Künstlern wieder zusammengesetzt worden. Neben den Tempeln gibt es eine weitere Methode, das religiöse Engagement der Bevölkerung der Oasen in der römischen Zeit zu untersuchen, nämlich ihre Namen. Denn zu einem großen Teil haben wir in den Papyri und Ostraka direkt oder indirekt theophore Namen, die sich also auf ägyptische Gottheiten und oftmals auf spezifisch lokale Kulte beziehen. Solche Namen dominieren in den Dokumenten aus der Großen Oase genauso wie in jeder anderen Region. Da diese Texte vor allem aus dem Zeitraum zwischen der Mitte des dritten und dem Beginn des fünften Jahrhunderts n. Chr. stammen, ist das Bild ein wenig anders, als man es in den ersten beiden Jahrhunderten römischer Herrschaft oder gar früher finden mag – ein Bild, das sich durch die ptolemäischen Ostraka aus Mut sicher noch weiter entwickeln wird, die Günter Vittmann derzeit bearbeitet. Viele herkömmliche Namen begannen in dieser Zeit außer Gebrauch zu geraten, und die Bandbreite an Gottheiten, nach denen Eltern ihre Kinder benannten, wurde, von anderem abgesehen, erheblich eingeschränkt. Aber angesichts der Scharen von Menschen mit den Namen Horos, Tithoes (d.h. Tutu), Psais (Schai) und Psenamunis (d.h. der Sohn des Amun) sogar in Texten aus der Mitte des vierten Jahrhunderts haben wir einen onomastischen Befund vor uns, der sich nicht sehr von dem unterscheidet, was man für das Niltal erwarten würde. Dort ist die Prägung durch den anderthalb Jahrtausende andauernden Einfluß thebanischer Priesterschaften immer noch spürbar, und typische dämonenzähmende Götter der Spätzeit wie Schai – der Agathos Daimon 22

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

– und Tutu sind stark vertreten. Aber während Amun äußerst verbreitet ist, taucht der Junior der thebanischen Triade, Chons, in Kellis nirgends auf. Dagegen sind Bes und Sarapis belegt. Seltsamerweise ist Tapschai, die Gemahlin Tutus, in Kellis selten und seine Mutter Neith gar nicht anzutreffen. Ebenso fehlt offenbar Seth, der Hauptgott von Mut, in der spätantiken Onomastik der Oase. Das onomastische Repertoire in Trimithis wird dominiert von Amun, Horus, und Schai. Thot, der Hauptgott der Stadt, tritt in den Texten des vierten Jahrhunderts nur bescheiden in Erscheinung. Viele andere Götter erscheinen ein paar Mal, aber selbst Isis, Tutu und Bes sind nicht üblich. Obwohl die Namen der Einwohner von Trimithis in dieser Zeit noch in keinem großen Ausmaß christianisiert waren, spiegeln sie aber auch keine große Begeisterung für die meisten der zahlreichen Kulte der Oase aus den vorherigen Jahrhunderten wider. Diese Monotonie mag auf eine gewisse Trägheit hindeuten: die Tendenz, Namen von einer Generation an die nächste weiterzugeben, da es auch keinen Grund gibt, es anders zu tun. Um auf den Tempel des Thot zurückzukommen: Hier wäre es wünschenswert, etwas über sein genaues Ende zu erfahren, wann also die aktive Ausübung des Kults aufhörte. Ein solches Wissen wäre hilfreich, die Gründe für das onomastische Verhalten zu erklären. Allerdings verfügen wir für nur wenige Tempel aus dieser Zeit über einen stratigraphischen Befund, der uns dabei helfen könnte, die Aufgabe und mögliche Wiederbenutzung eines Areals zu verstehen. Wie wir gesehen haben, ist in Trimithis leider kein einziger Stein des Tempels auf dem anderen geblieben. In dem nicht stratifizierbaren Chaos, das zurückblieb, haben wir dennoch einige interessante Spuren gefunden, die bezeugen, daß das Christentum im vierten Jahrhundert auf dem Hügel nicht abwesend war. Denn auch schon bevor wir einen Kirchenbau in Trimithis identifizieren konnten, hatte es hinreichende Evidenz für das Christentum innerhalb der Stadt wie zum Beispiel Titel von Klerikern oder eine Anzahl christlicher Personennamen gegeben. 23

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

Priester bzw. presbyteroi erscheinen auf zwei und Diakone auf fünf Ostraka. Christliche Namen sind u.a. Martyrios, Makarios, Paulos, Timotheos, Psenpnuthes und ohne Zweifel auch Moses, Ephrem, Jonas und Joseph. Die meisten von ihnen sind jedoch nicht sehr verbreitet, und so ist die Anzahl direkter Zeugnisse für das Christentum auf den Ostraka eher als bescheiden denn als üppig anzusehen. Ein bemerkenswerter Fund ist ein Ostrakon, das 2008 im Tempelareal gefunden wurde und eine Liste von Namen aufweist, in der u.a. Jakob und Abraham vorkommen und die mit dem Wort ho pater („der Vater“ oder „unser Vater“) beginnt. Die weiteren Namen sind allerdings nicht typisch christlich, und durch die verblaßte Tinte wie auch Bruchstellen sind alle Summen auf der rechten Seite zerstört – wenn denn dieses Ostrakon tatsächlich eine Abrechnung enthielt. Das Graffito des Horigenes, Sohn des Johannes, auf einem Stein ist ebenfalls wahrscheinlich christlich. Obwohl Horigenes ein theophorer Name war, der sich von Horus ableitete, war es auch der Name des berühmten alexandrinischen Theologen und Gelehrten Origenes aus dem frühen dritten Jahrhundert. Wichtiger für unsere Zwecke ist allerdings, daß Johannes ein eindeutig christlicher Name ist. Am erstaunlichsten von allem ist allerdings ein Block (inv. 3053), auf dessen Mitte jemand einen griechischen Vers eingraviert hat. Er muß entweder von einem Altar (so der Vorschlag von Paola Davoli) oder von einer Statuenbasis stammen (so die Idee von Olaf Kaper). Die Gravur auf dem Block erfolgte vermutlich durch Pilger, entweder aus magischen Gründen oder zum Zwecke der Heilung. Die Tusche, mit der die Buchstaben um der besseren Sichtbarkeit willen nachgezogen wurden, ist zum Teil sehr verblaßt und verlangt eine hartnäckige und längere Autopsie, denn auf normalen Farbphotographien ist fast nichts zu lesen. Der Text lautet folgendermaßen: DQTUZSZQELRW•R•L•R•N•X•EHUQK•WK•PHJD$PPZQ•

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1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

„Des Menschenlebens Lotse ist der Große Ammon.“ Dies ist ein perfekter Hexameter mit einem epischen Anklang, der verschiedene literarische Anspielungen aufweist. In gewisser Weise stellt er eine Art Pasticcio dar, das passend den religiösen und kulturellen Synkretismus in Ägypten illustriert. Die Idee einer göttlichen Steuerung des Lebens begegnet bereits in einem Brief aus ptolemäischer Zeit. Die metaphorische Verwendung des Verbs ‚steuern‘ und des Substantivs ‚Steuermann‘ bzw. ‚Lotse‘ nimmt in literarischen Zeugnissen aus der Römerzeit deutlich zu. Es ist bemerkenswert, daß Dio Chrysostomos im zweiten Jahrhundert schreibt (Or. 63.7.8), daß „die Tyche das Leben des Menschen steuert“, das Verb kybernan ‚steuern‘ also in einem sehr ähnlichen Sinne wie der auf Stein gemeißelte Vers verwendet. Was Dios Zeugnis so besonders macht, ist die Tatsache, daß er sich auf eine Gottheit als Lenkerin des sterblichen Lebens bezieht. Denn normalerweise wird der Mensch als sein eigener Steuermann dargestellt, während das Leben und seine Mühen als die Wellen eines Sturms verstanden werden. So ermutigen die kappadokischen Kirchenväter, die diesen Ausdruck oft verwenden, den Menschen dazu, die Wellen der Mühsal zu überwinden und sichere Steuermänner ihres Lebens zu werden. Gregor von Nyssa spricht in seiner Schrift Über die Jungfräulichkeit zum Beispiel davon, daß ein guter Mensch „wie ein guter Steuermann mit seinem Boot bei der Lenkung seines Lebens zum Himmel aufschaut“. Genauso wie Dio Chrysostomos sieht auch Johannes Chrysostomos in seinem Werk über das Buch Genesis (In Genesim 53.118.16) Gott als den Steuermann an: „Wir steuern durch das Meer unseres gegenwärtigen Lebens, geführt durch den großen Steuermann, Gott.“ Ammon – die griechische Form des ägyptischen Gottes Amun – war traditionell der vorherrschende Gott in den Oasen. Der hellenisierte Ammon hatte sein wichtigstes Heiligtum in der Oase Siwa, dem Alexander der Große bekanntlich im Frühjahr 331 v. Chr. einen Besuch abstattete; auf diesen Besuch ging die Behauptung zurück, daß Alexander Ammons Sohn sei. Folgerich-

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1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

tig erscheint Ammon als der große Gott in der Historia Alexandri Magni. Auch wenn wir das gedankliche Konzept, daß die Götter oder ein Gott im besonderen den Menschen das Leben geben, aus der griechischen Literatur nicht kennen, ist es in Ägypten doch schon seit dem Alten Reich eine vertraute Vorstellung gewesen. Amun wurde üblicherweise als Quell des Lebens angesehen, aber noch bemerkenswerter sind die direkten Anrufungen an Amun als Steuermann des Lebens, die sich in von Jan Assmann diskutierten Gebeten aus dem Neuen Reich finden. Eines beschreibt den Gott als „Steuermann, der das Wasser kennt; ein Steuer, das nicht vom Weg ableitet“. „Du bist Amun, der zu dem kommt, der ihn anruft; der Steuermann, der das Wasser kennt; ein Steuer, das nicht vom Weg abführt“, spricht ein anderes. Und ein drittes: „Wenn die Zunge des Menschen das Steuer des Bootes ist, so ist der Herrscher des Alls sein Steuermann“. Auch wenn die Ausdrucksweise in unserem Graffito griechisch ist, ist die Geisteshaltung dennoch tief in der ägyptischen Religion verwurzelt. Obwohl Amun nicht der Gott war, dem man den Tempel von Amheida geweiht hatte, war er zweifellos der Hauptgott der westlichen Oasen. Olaf Kaper hat mir freundlicherweise mitgeteilt, daß es ein Bildnis des Amun-Re von Hibis (Amenebis) am Tempel von Ain Birbiyeh gibt, das unter Augustus gestaltet wurde und die folgenden Titel überliefert: „Amun-Re, Herr von Hibis, der Große Gott, stark an Macht, König der Götter, der den Atem des Lebens gibt, der den zugeschnürten Hals wieder atmen läßt, der allem, was existiert, das Leben einhaucht.“ Im Tempel des Thot finden wir also einen hübschen heidnischen Hexameter auf Stein geschrieben, zwar Griechisch der Sprache nach, aber tief verwurzelt in ägyptischem Gedankengut. Nun gibt es aber über dieser Zeile noch sehr undeutliche Reste von weiteren Schriftzügen in einer viel kleineren Hand. Ich meine, daß man am oberen rechten Rand noch die Buchstaben ete pnoute ausmachen kann, was ich im Ganzen als einen koptischen Kommentar deuten würde, demzufolge nicht Ammon, sondern Gott – pnoute – der Lenker des Lebens sei. Wie es 26

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

scheint, Reste eines nicht nur freundlichen Dialogs der Religionen in der Spätantike. Diese Graffiti deuten sicherlich darauf hin, daß in der letzten Siedlungsphase von Amheida, die nach dem bisherigen Befund anscheinend in die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts fiel, der Tempel nicht mehr als solcher in Benutzung, aber für Christen zugänglich war, die ein Zeichen ihrer eigenen Religion auf der Struktur und ihren Inhalten hinterlassen wollten. Dies mag kaum überraschen, aber wir haben keine Möglichkeit zu entscheiden, zu welcher Zeit derlei möglich wurde. Angemerkt sei zudem, daß die Ausgrabungen im Tempelareal auch eine beträchtliche Anzahl von Etiketten zutage gefördert haben, die von Krügen desselben Typus stammen, der sich auch in dem großen Haus des vierten Jahrhunderts fand, das als B1 bezeichnet wird. Zumindest eines davon, O.Trim. 127, kann auf das vierte Jahrhundert datiert werden, genauer ein 33. Herrscherjahr, was sich auf die Regierungszeit des Constantius II. und damit das Jahr 356/57 n. Chr. beziehen dürfte. Es gibt zwei weitere Anzeichen dafür, daß die Aktivitäten auf dem Hügel während des vierten Jahrhunderts noch andauerten: Das Erscheinen des Diakons Psais, den wir durch zwei weitere Ostraka aus dieser Zeit kennen, in O.Trim. 383 und das gemeinsame Auftreten von Nikokles und Philippos in O.Trim. 286. Beide Männer sind aus der letzten Nutzungsphase des Hauses B1 in den 350er und 360er Jahren bestens bekannt, worauf ich in meinem zweiten und dritten Vortrag näher eingehen werde. Wir können allerdings auf der Basis allein dieser Ostraka nicht sicher sein, ob die fragliche Aktivität lediglich in der Entsorgung von Müll aus Haus B1 und seinen Nebengebäuden auf einem bereits verlassenen Hügel bestand, oder ob es auf dem Hügel selbst noch eine Wohnstätte gab. Auch die Graffiti liefern auf diese Frage keine Antwort, da ihre Präsenz mit beiden Hypothesen vereinbar wäre. Ein schwacher Hinweis könnte aus der Liste bzw. der Abrechnung gewonnen werden, die ich vorhin erwähnte und die mit „der Vater“ oder „unser Vater“ überschrieben ist. Ein ähnlicher Text wurde 2008 während der Ausgrabungen von Gillian 27

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

Bowen in Deir Abu Metta, einer Kirche, vielleicht sogar einer klösterlichen Anlage zwischen Mut und Amheida, gefunden. Die Bedeutung von ‚Vater‘ ist in beiden Fällen unklar, aber wir kennen auch keine ähnlichen Texte aus dieser Zeit, in denen man in dieser Weise auf irgendein weltliches Amt in der lokalen oder kaiserlichen Verwaltung Bezug genommen hätte. Falls sich der Beleg auf eine Art von religiöser Gemeinschaft bezieht, würde dies zweifellos gut zu der Annahme der Ausgräber von Deir Abu Metta passen, daß die Kirche in eben einen solchen Rahmen zu stellen ist und mitsamt ihren Nebengebäuden vielleicht Teil einer Klosteranlage war. In Amheida selbst ist bislang dagegen nichts gefunden worden, was mit Sicherheit auf die Anwesenheit irgendeiner monastischen Einrichtung hindeuten würde. Aber angesichts des heutigen Zustands der Hügeloberfläche sollte diesbezüglich nichts ausgeschlossen werden, und das betrifft auch die Annahme, daß der Hügel lediglich eine Müllkippe für Abfälle aus den nahegelegenen städtischen Arealen darstellte, die weiterhin in voller Benutzung waren. Die im Jahr 2012 gelungene Entdeckung eines Kirchenbaus in Amheida läßt weiterhin die Möglichkeit offen, daß ein Kloster oder eine weitere Kirche auf der Hügelkuppe gestanden hat. Sollte sich diese Vermutung erhärten, wäre dies ein sehr frühes Beispiel dafür, daß man einen Tempel in eine Kirche umgewandelt hat. Während der Kampagne des Jahres 2010 haben wir die Ausgrabungen einer großen Säulenhalle begonnen, die sich nördlich von Haus B1 befindet und auf Teilen der römischen Thermen erbaut wurde, deren Baumaterialien dafür wiederverwendet wurden. Diese Säulenhalle war in der Südwest-Ecke und in einem Seitenraum nördlich des Hauptraumes mit Bänken ausgestattet. Aber wir haben die Ausgrabung des östlichen Endes noch nicht beendet, so daß es zu früh ist, Aussagen über den Charakter des Baus zu treffen. Nicht weit davon entfernt im Osten gibt es ein weiteres mit Säulen versehenes Gebäude, in dem aufgrund seines Grundrisses schon vor Beginn der Ausgrabungen ein Kirchenbau

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1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

vermutet wurde, was sich durch die im Jahr 2012 durchgeführten Grabungen nunmehr endgültig bestätigt hat. Sieht man von Amheida ab, bietet Dakhla die dichteste Ansammlung von Kirchen, die in Ägypten oder auch anderswo aus dem vierten Jahrhundert bekannt geworden ist. Die ersten davon wurden in Kellis ausgegraben, wo ein Komplex aus zwei Kirchen an der östlichen Seite des Fundareals einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Zudem gibt es dort eine „Westkirche“, die wahrscheinlich zu dem angrenzenden Friedhof gehörte. Die kleinere Ostkirche, von den Ausgräbern in die konstantinische Zeit datiert, ist von besonderem Interesse, da sie das Beispiel eines ehemals zu Wohnzwecken genutzten Profanbaues darstellt, der im vierten Jahrhundert mit einer Apsis versehen wurde. Es war deshalb umso erstaunlicher, eine ähnliche Kirche in Ain el-Gedida zu finden, einer kleinen Siedlung, über deren Charakter ich ein wenig mehr in meinem zweiten Vortrag sagen werde (Abb. 3). Einiges davon wurde vom ägyptischen Inspektorat in den 1990ern freigelegt, worunter sich auch eine Versammlungshalle zu befinden scheint. Unser dortiger Einsatz unter Leitung von Nicola Aravecchia brachte direkt neben dieser Halle eine Kirche zum Vorschein, deren Apsis auf ein bestehendes Gebäude aufgesetzt wurde und auf die Straße vorragte (Abb. 4/5). Zwischen der Versammlungshalle und der eigentlichen Kirche gab es einen Freiraum mit einer erhöhten Plattform, von der aus man das Wort an beide Räume richten konnte; diese wurde später zugemauert. Nach Norden hin gab es zusätzliche Räume – u.a. eine Küche –, die Teil eines Kirchenkomplexes bildeten. Und nicht einmal diese beiden Beispiele sind Einzelfälle: Die ägyptische Antikenbehörde (SCA) begann im Jahr 2009 damit, Ain es-Sabil freizulegen, das meiner Meinung nach eine Dependance von Kellis war. Auch hier wurde eine Kirche gefunden, die von ägyptischer Seite inzwischen vollständig ausgegraben wurde. Ostraka aus einem der Häuser stammen aus demselben zeitlichen Horizont wie das späteste Material aus dem Areal 2 in Amheida oder aus Ain el-Gedida, d.h. in etwa aus den 360er Jahren. Die Kirche in Deir Abu Metta, welche schon seit langem 29

1. Trimithis: Die Stadt und ihre Götter

bekannt war, da Teile des Baus noch bis zu einer beträchtlichen Höhe intakt sind, wurde einst aufgrund typologischer Kriterien auf das sechste Jahrhundert datiert. Durch die Münzen und das dort gefundene Ostrakon wissen wir aber nun, daß sie nicht später als im ausgehenden vierten oder frühen fünften Jahrhundert errichtet worden sein kann, auch wenn ihre Nutzung wahrscheinlich bis in das sechste Jahrhundert andauerte. Das fragliche Ostrakon ist jene Liste voll von christlichen Namen mit der Überschrift ho pater, die ich zuvor im Zusammenhang mit ihrem Pendant vom Hügel in Amheida erwähnt habe. Insgesamt gesehen ergibt sich der Eindruck, daß Dakhla um die 360er Jahre über ein Netz von ländlichen Kirchen verfügte, sogar in einigen sehr kleinen Siedlungen, und daß ihre Bauphasen bis in die Zeit Konstantins zurückreichen und zu einem erheblichen Teil aus bereits existenten, aber nachgerüsteten Gebäuden bestanden. Ob diese Bauten bereits vor jener Zeit als Kirchen in Benutzung waren, können wir nicht sagen, aber die übereinstimmende Vorgehensweise bei diesen ländlichen Kirchen ist bemerkenswert. Es wird noch weiterer Arbeit bedürfen, bis wir die Implikationen dieses Bildes in vollem Umfang erfassen können.

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2. STADT UND UMLAND – WIRTSCHAFTLICHE UND SOZIALE ASPEKTE

Als ich die Stadt Trimithis und die Oasen in ihrer Umgebung in dem ersten Vortrag vorgestellt habe, habe ich auf die Entfernung der Großen Oase vom Niltal aufmerksam gemacht. Ich habe auch den offenbar dramatischen Anstieg der Siedlungsaktivität in Dakhla während der römischen Zeit erwähnt. Die chronologische Präzisierung der Oasenkeramik in den letzten beiden Jahrzehnten hat zu einer Neudatierung einiger Keramikfunde geführt, die im Rahmen des Oasen-Surveys geborgen wurden, und diese Neudatierung hat wiederum mehr ptolemäische Fundstätten identifizieren lassen, die bislang als rein römisch eingeordnet waren. Der Siedlungszuwachs von der ptolemäischen zur römischen Zeit erscheint daher inzwischen weniger markant als zu dem Zeitpunkt, an dem der Survey des Dakhleh Oasis Project durchgeführt wurde (1977–1987). Dennoch steht immer noch außer Frage, daß die Wachstumszunahme in römischer Zeit außerordentlich war. Angesichts der hohen Kosten von Überlandtransporten im Altertum, die jedem bekannt sein dürften, der sich nur ein wenig mit antiker Wirtschaftsgeschichte befaßt hat, wird man sich fragen, wie solch ein Wachstum überhaupt möglich war. Warum nur mochte jemand bereit sein, sich in einem so entlegenen und scheinbar abweisenden Ort wie Dakhla niederzulassen, und wie konnte man dort seinen Lebensunterhalt verdienen, geschweige denn reich werden? Warum würden wohlhabende Personen dort Geld investieren wollen? 31

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

Die Oasen bestehen im wesentlichen aus fruchtbarem Boden und Wasser sowie etwas Gestein, vor allem Sandstein von mittelmäßiger Qualität. Diese Beschreibung hört sich eigentlich zunächst wie jene des Niltals an. Aber dort war es immer einigermaßen leicht, sich mit lokal nicht vorhandenen Gütern zu versorgen, da der Transport auf dem großen Fluß kostengünstig war; aus dem gleichen Grund war es einfach, die landwirtschaftlichen Güter des reichen Niltalbodens an Orte zu exportieren, von denen aus wiederum andere Güter beschafft werden konnten. Die Oasen haben ein solch einfaches und billiges Transportnetz jedoch nicht. Auf der antiken Direktverbindung liegt Dakhla vom nächstgelegenen Punkt des Niltals rund 365 km entfernt. Aber wenn man über dem Niveau einer reinen Subsistenzwirtschaft leben wollte, benötigte man in den Oasen viele Dinge, die dort nicht produziert wurden, insbesondere Metalle, aber auch feinere und härtere Steine, Papyrus und Luxusgüter wie feine Glasware, die in Kellis gefunden wurde, Fischsauce oder andere, nicht vor Ort vorhandene Lebensmittel. Zudem hatte die Bevölkerung an die römische Verwaltung Steuern in Form von Bargeld zu entrichten, und alles, was an Bargeld nicht vor Ort in Umlauf war, mußte verdient, also von außen eingenommen werden. Es gab nur zwei Wege, um sich die für die Steuer notwendigen Geldmittel zu beschaffen: Entweder exportierte man eine Sache (oder auch eine Kombination von Waren), die wertvoll genug war, um sie im Niltal mit Profit zu verkaufen, selbst nach Abzug der Transportkosten von 365 km Wüste; oder man mußte über etwas verfügen, das für die herrschende Macht einen derart hohen strategischen bzw. prestigeträchtigen Wert besaß, daß sie die Oasen selbst dann versorgte, wenn es für sie ein Verlustgeschäft war. Die zweite Option ist zweifellos die Erklärung für einen Großteil der Aktivitäten in der Ostwüste Ägyptens zur römischen Zeit: der Abbau von Granodiorit am Mons Claudianus, Porphyr am Mons Porphyrites und weiterem wertvollen Gestein sowie Edelsteinen an anderen Orten, worüber wir inzwischen sehr viel mehr wissen als noch vor einem Vierteljahrhundert. 32

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

Diese Gesteine wurden entweder für kaiserliche Bauprojekte benötigt und unter hohem finanziellen Aufwand der kaiserlichen Kasse abgebaut, oder sie waren für den Verbrauch wohlhabender Personen bestimmt. Diese Situation mit ihren Handelsrouten via Myos Hormos und Berenike nach Süden und Osten, vor allem nach Indien, ist aber ein wenig komplexer. Hier existierte in beide Richtungen ein äußerst profitabler und hoch besteuerter Handel an Luxusgütern, der mit seinem Markt eine Grundlage für die umfangreichen kaiserlichen Investitionen in Straßen, Wegestationen und Häfen schuf, die den Handel unterstützten. In der Westwüste gab es wahrscheinlich ähnliche Motive, die aufgrund von Prestige oder seltenen Gütern die Erschließung dieser Region zur Zeit des Alten Reiches rechtfertigten, als Expeditionen die Wüstenabschnitte nach wertvollen Mineralien absuchten. Nur auf diese Art und Weise konnten die aufwendigen Eselstaffeln zu jener Zeit unterhalten werden, die für eine Durchquerung der Wüste notwendig waren, und die in Dakhla am besten erhaltene Fundstätte aus dem Alten Reich, Ain Asil, war mit Sicherheit ein Projekt des Hofes, das im günstigsten Fall gerade einmal seine laufenden Betriebskosten decken konnte. In der römischen Zeit gibt es dagegen keinerlei Anzeichen für ein kaiserliches Interesse an den hochwertigen Mineralien der Westwüste. Ohne Zweifel gab es eine Erschließung der Alaunressourcen in Kharga und Dakhla, wie es scheint, hauptsächlich im Tagebau. Alaun war einem kaiserlichen Monopol unterworfen, stellte aber gleichzeitig ein äußerst wertvolles Produkt mit einem ausgedehnten Markt dar, da es als Beizmittel bei der Textilfärbung benutzt wurde. Es mag daher ein signifikanter Faktor für den Reichtum Dakhlas in der römischen Zeit gewesen sein. Dennoch ist es schwer vorstellbar, daß allein dies den enormen Anstieg der Landwirtschaft in der Oase in jener Zeit erklären kann, denn die für die Alaungewinnung notwendige Bevölkerungszahl muß nicht sehr groß gewesen sein. Auch ist nicht leicht zu einzusehen, warum die Nachfrage in römischer Zeit so viel größer gewesen sein sollte als zuvor, selbst bei einem Anstieg der Textilproduktion. Die Alaungewinnung scheint daher kein guter Kan33

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

didat bei der Suche nach einem wichtigen Veränderungsfaktor zu sein. Genau genommen hatte ein wesentlicher technologischer Wandel, der die Große Oase als Reiseziel und Ausgangspunkt rentabler werden ließ, schon viel früher stattgefunden, nämlich die Einführung des Kamels in der Westwüste. Wir verfügen für diesen Wandel über kein genaues Datum. Das Kamel scheint in Ägypten vor der Saitenzeit angekommen zu sein, allerdings datiert die früheste Erwähnung eines Kamels, die sich überhaupt in einem Text aus der Sahararegion findet, wohl aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. bzw. aus der Zeit der persischen Oberhoheit, nämlich von einem demotischen Ostrakon aus Ain Manawir in der Kharga-Oase. So viel ich weiß, gibt es aus archäologischer Sicht keine sicheren Anhaltspunkte für eine Präsenz des Kamels zu einem früheren Zeitpunkt; dennoch ist es möglich, daß das Kamel unter den Saiten bis in die Westwüste vorgedrungen ist. Das Kamel kann die Wüste ohne ein aufwendiges Netz von Wegstationen und Brunnen zur regelmäßigen Wasseraufnahme durchqueren, wie es Esel benötigen. Das soll nicht heißen, daß Kamele nicht häufiger trinken, wenn dies möglich ist, aber es ist nicht notwendig. Ein Kamel könnte vom Niltal bis nach Kharga oder Dakhla gehen, ohne irgendeine Rast für Wasser oder Futter einzulegen, falls nichts dergleichen zur Verfügung steht. Die Auswirkung dieser Situation auf die Wirtschaftlichkeit einer Wüstendurchquerung ist dramatisch. Das Kamel braucht nicht nur keine Pausen zum Auftanken einzulegen, sondern es muß auch nicht einen Teil seiner Nutzlast dafür aufwenden, Nahrung bzw. Wasser mitzuführen, obwohl in den meisten Fällen ein wenig Nahrung sicherlich mitgetragen wurde. Es handelt sich also nicht nur darum, sozusagen ein Kurzstreckenflugzeug durch einen Langstreckenjet zu ersetzen, sondern es gleicht der Erfindung eines Flugzeugs, das keinen Anteil seiner Nutzlast für Treibstoff benötigt. Der Umstand, daß die Anzahl und der Wohlstand der Siedlungen in beiden Teilen der Großen Oase ebenso wie in der Kleinen bzw. Bahariya-Oase in der Saiten- und Perserzeit deutlich ansteigt, dürfte sehr wahrscheinlich größtenteils 34

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

auf die Einführung des Kamels als hauptsächlichen Transportmittels zurückzuführen sein. In Kharga ist das Wachstum zur Perserzeit sogar noch auffallender als in Dakhla. All dies bedeutet allerdings, daß das Kamel zur Zeit der Römer jedenfalls keine Neuheit mehr war. Das Kamel war somit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, um den Boom zur Römerzeit zu erklären, denn diese Bedingung konnte bereits vierhundert Jahre vor der Ankunft der Römer als erfüllt gelten. Wir müssen daher fragen, was die Oasen produziert haben bzw. was sie produziert haben könnten, um über einen Kameltransport zum Niltal damit Profit zu machen. Und noch viel wichtiger: Warum hat die Produktion dieses Guts in der römischen Zeit so viel größere Dimensionen angenommen als in den vorangegangenen Epochen der Saiten, Perser und Ptolemäer? Ein wichtiger Teil der Antwort kommt aus dem Kellis Agricultural Account Book, einer 1786 Zeilen langen Aufstellung von Einnahmen und Ausgaben, die von einem Verwalter über drei Jahre hinweg für die Einheit eines großen Landgutes in den 360er Jahren angefertigt wurde. Wie ich in meinem ersten Vortrag bemerkt habe, ist dieser Text mein persönlicher Zugang zu einer Untersuchung der Westwüste und der Oasen gewesen. Nach meiner Analyse zeigt dieses Rechnungsbuch eine zweigeteilte Form der Bewirtschaftung des Großgrundbesitzes: Der eine Teil bestand in Feldfrüchten, die für den lokalen Verbrauch durch Menschen und Tiere angebaut wurden oder die man für die Bezahlung von Dienstleistungen verwendete – darunter vor allem Weizen, Gerste, Futterpflanzen und Wein. Der andere Teil setzte sich aus hochwertigen Baumfrüchten zusammen: Oliven (aufgeführt hauptsächlich in verarbeiteter Form, also als Olivenöl), Datteln, Feigen und Jujuben. Diese erscheinen in der Kostenaufstellung nicht unter den lokalen Aufwendungen, so daß dieser Teil des Gutseinkommens wohl den effektiven Gewinn ausgemacht haben dürfte. Es sind dies alles Produkte, die auf Kamelen in das Niltal transportiert werden konnten, ohne daß die Kosten für den dortigen Käufer um mehr als 10–20 Prozent über den Pro35

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

duktionskosten oder jedenfalls über dem Marktwert in der Oase lagen, während der Transport von Massengut wie Weizen oder Wein im Vergleich dazu die Kosten mehr als verdoppelt hätte. Genau wie das römische Tripolitanien, das von David Mattingly untersucht wurde, dürfte auch das römische Dakhla einen Boom aufgrund der Produktion von Olivenöl erlebt haben. Die Hunderte von Ostraka, die wir inzwischen aus dem großen Haus B1 in Trimithis haben, stimmen im wesentlichen mit diesem Gesamtbild überein, obwohl sie nicht das umfassende Panorama einer Gutsverwaltung bieten können, wie wir es in dem umfangreichen Kellis Account Book finden. Sie zeigen uns vielmehr einige Dutzend Momentaufnahmen von individuellen wirtschaftlichen Handlungen: Heulieferungen in einer Gruppe von Abrechnungen; viele kleine Ostraka, die als eine Art Etikett in die tönernen Pfropfen eingelassen waren, mit denen man Wein- oder Ölbehälter verschloß (Abb. 6) und die zumeist ein Jahr, einen Ort oder einen Personennamen angeben, aber keineswegs immer alle drei davon; Quittungen für Heu und Gerste, die als Eselfutter verwendet wurde; und Briefe, die um eine Versorgung mit Olivenöl und Wein ersuchen. Faktisch sehen wir mehr oder weniger dieselbe Struktur und dieselbe Bandbreite an Feldfrüchten wie in den Rechnungsbüchern aus Kellis, aber aus unterschiedlichen Perspektiven und zweifelsohne eher aus dem Bereich der Abrechnung, die dem lokalen Verbrauch gewidmet war, als aus den Exportüberschüssen. Diese landwirtschaftliche Struktur schloß einen Gutsbesitzer mit ein – in unserem Fall Serenos –, dessen Wohnsitz in allen Texten als „das Haus“ bezeichnet wird, zusammen mit seiner Frau, der oikodespoina (‚Herrin des Haushalts‘), deren Name jedoch niemals erwähnt ist; eine Gruppe von Landgütern, die sich im Umland jeweils um Brunnen herum befanden; und ein System, um zumindest einen Teil der Ernte zentral einzusammeln, offenbar in Trimithis selbst. Wenigstens ein Ostrakon bezeugt, daß die Brunnen einen wichtigen Teil des Portfolios des Anwesens ausmachten, wie es in Dakhla seit dem Alten Reich der Fall gewesen war, da Bauern eine regelmäßige Pacht pro Tag 36

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

für die Wasserversorgung entrichteten. Der genaue Charakter dieser Siedlungen um die Brunnen herum ist im allgemeinen nicht explizit benannt, aber sie werden durch das ägyptische Word für ‚Wasser‘ bzw. ‚Brunnen‘ als pmoun (‚das Wasser von‘) bezeichnet, gefolgt von einem Namen oder einer Beschreibung. In den Ostraka, die im ersten Band der Ausgrabungen von Amheida publiziert worden sind, finden sich mehr als 40 solcher pmoun-Namen. In vielen Fällen erscheint das griechische Wort für ‚Brunnen‘, hydreuma, gleichsam pleonastisch vor dem Terminus pmoun, der für griechischsprachige Personen zweifelsohne ein Teil des Namens und nicht mehr eine bloße Bezeichung war. Dieses aus den Ostraka gewonnene Bild stimmt recht gut überein mit dem, was meiner Meinung als ein plausibles Bild dem Rechnungsbuch aus Kellis entnommen werden kann. Es gibt aber einen Unterschied im Blickwinkel, der mich zunehmend beeindruckt, und zwar nicht nur bei den Ostraka, die sich auf die Aktivitäten des Haushalts des Serenos aus Haus B1 beziehen, sondern auch bei denen, die als Füllmaterial unter Serenos’ Haus und der angrenzenden Straße benutzt worden waren und aus denen wir etwas über weitere Haushalte erfahren. Im Rechnungsbuch sehen wir, daß alle möglichen Güter in die Hand des pronoetes gelangten – eben des „Ich“ des Kellis Account Book –, aber nur manche davon als Ausgaben verbucht werden. In den Ostraka aus Trimithis stellen hingegen die Güter, die lokal konsumiert wurden, die bei weitem überwiegende Mehrheit dar, nämlich Getreide und vor allem Wein. Daß Wein hier im Vergleich zu Getreide häufiger erscheint, ist leicht erklärlich: Korn wurde in Säcken transportiert, Wein dagegen in Gefäßen, die man mit in die Pfropfen gesteckten Etiketten versah. Die Dominanz von Verbrauchsgütern im Befund aus Trimithis dürfte wahrscheinlich dem Umstand geschuldet sein, daß unsere Ostraka aus einem städtischen Haus kommen, wo die Familie wohnte und Dinge konsumierte – im Gegensatz zu einem Warenlager, wo Güter für den Export konzentriert gelagert wurden. Aber seit der Veröffentlichung des Kellis Account Book ist das Bild auch in einer anderen Hinsicht komplizierter gewor37

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

den. Das Rechnungsbuch verzeichnet ebenfalls Baumwolle, wenngleich nicht in furchtbar großen Mengen. Inzwischen finden wir jedoch ziemlich große Mengen an Baumwolle auch in einigen Ostraka aus Trimithis erwähnt, und es wird allmählich deutlich, daß die Baumwollproduktion nicht in kleinem Stil betrieben wurde. In einem Aufsatz habe ich kürzlich aufgezeigt, daß unsere gesamte papyrologische Evidenz für den Anbau von Baumwolle im römischen Ägypten entweder aus den Oasen der Westwüste stammt oder sich wenigstens auf diese bezieht. In Unternubien gab es ebenfalls eine Produktion im Gebiet von Qasr Ibrim, wie John Peter Wild nachgewiesen hat; das ägyptische Niltal scheint dagegen keinerlei Anzeichen für Baumwollpflanzungen aufzuweisen. In der Tat ist dies geradezu folgerichtig und insofern keine Überraschung; denn Baumwolle ist eine Sommerfrucht, und das ägyptische Ackerland war die meiste Zeit des Sommers über nicht zu nutzen, da es unter Wasser stand. Erst nach dem Rückgang der Nilschwelle konnte man das Land mit Winterfrüchten besäen, besonders mit Weizen und Gerste, die in den von der Flut bewässerten Landstrichen sehr gut wuchsen. In den Oasen hingegen floß das Wasser 365 Tage im Jahr, aber es gab keine Überflutungen. So dürfte es ohne weiteres möglich gewesen sein, während des Sommers Baumwolle auf einem Land anzupflanzen, das im Winter Weizen- oder Gerstenfrüchte trug. Dieser Vorteil von zwei Jahresernten beschränkte sich zudem nicht nur auf Baumwolle. Tosha Dupras hat im Knochenkollagen von Einwohnern aus Kellis, die auf den örtlichen Friedhöfen begraben waren, ein Kohlenstoffisotop nachweisen können, das nicht von den Grundkohlenhydraten stammen kann, die sonst für die Ernährung im Altertum typisch gewesen sind – d.h. Weizen und Gerste –, sondern es dürfte Mais oder Hirse im Spiel gewesen sein. Mais scheidet in diesem Kontext aus, da er als eine Feldfrucht der Neuen Welt in Ägypten bis in die Neuzeit unbekannt war. Hirse ist wiederum in signifikanter Menge bei Kellis gefunden worden, obwohl sie niemals in den Dokumenten aus den Oasen erwähnt wird, sondern nur in einer Textpassage von Olympiodor (FGH 4.64.33), auf die bereits Guy Wagner vor vielen 38

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

Jahren hingewiesen hat. Olympiodor berichtet uns davon, daß Hirse zum Teil dreimal pro Jahr in der Oase ausgesät worden sei. Wir wissen nicht, ob diese Hirse durch die Einwohner von Kellis direkt konsumiert wurde; auch in den Papyri des Niltals ist sie nur selten erwähnt, und sie scheint auch kein sonderlich geschätzter Bestandteil der ägyptischen Ernährung gewesen zu sein. Aber dieser Konsum könnte eine Eigentümlichkeit der Oasen sein, wenn es nicht sogar wahrscheinlicher ist, daß man Hirse nur indirekt zu sich nahm, indem man sie Tieren als Futter gab, deren Fleisch und Milch dann wiederum von Menschen konsumiert wurde. Wie dem auch sei, Hirse stellte jedenfalls eine weitere Feldfrucht dar, die im Sommer wachsen konnte und daher den Boden zwei Ernten pro Jahr hervorbringen ließ oder sogar drei, wie Olympiodor berichtet. Hieraus können schon einmal einige interessante Schlußfolgerungen gezogen werden. Zum einen könnte die Möglichkeit, zwei Ernten pro Jahr zu erzielen, dazu beigetragen haben, die abgelegene Lage der Oasen, so weit vom Niltal entfernt, zu kompensieren. Die zusätzlichen Einnahmen könnten im wesentlichen die Mehrkosten ausgeglichen haben, die eine Produktion in der Oase bei den Transportkosten verursachte, was zugleich den naturgegebenen Nachteil beseitigen mochte, den die Oasen durch ihre große Entfernung vom Niltal besaßen. Zum anderen waren weder Baumwolle noch Hirse in Ägypten vor der römischen Zeit bekannt, so weit ich dies feststellen kann. Ihre Einführung mag also, gemeinsam mit einer gesteigerten Nachfrage nach Olivenöl, der Schlüssel dafür sein, warum die Oasen in der frühen Römerzeit so attraktiv für Investitionen in landwirtschaftlich genutzte Flächen wurden. Aus dieser Sicht gesehen, mögen die Oasen von einer zweigleisigen Strategie profitiert haben: Auf der einen Seite Autarkie in Bezug auf die Grundnahrungsmittel, von denen sie gerade genug anbauten, um sich selbst und ihre Tiere zu ernähren; auf der anderen Seite eine äußerst exportorientierte Spezialisierung in wertvollen Handelswaren, die sie mit einem globalisierten Wirtschaftssystem verband – in ihrem Fall vor allem Olivenöl, 39

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

Baumwolle, die traditionelleren Güter wie Datteln, Feigen und Jujuben, und aller Wahrscheinlichkeit nach auch Alaun. Die Fähigkeit, in dieser Weise zweigleisig zu fahren, dürfte für die Oasen einen beträchtlichen Wettbewerbsvorteil bedeutet haben. Die einzige Einschränkung, die hier vorzubringen wäre, ist, daß die Bahariya-Oase – die „Kleine Oase“ in den Papyri – sich wahrscheinlich mit Getreide nicht selbst versorgen konnte. Da sie sowohl sehr viel kleiner war als auch näher zum Niltal als Dakhla lag, stellte der notwendige Bedarf an Importen für diese Oase indes keinen so signifikanten Kostenfaktor dar. Wir haben eine große Anzahl an Belegen in Zolldeklarationen und Briefen, denen zufolge Weizen vom Fayum und aus Oxyrhynchos in die Kleine Oase transportiert wurde. Zwar war er in der Oase teurer als im Niltal, aber nicht teuer genug, um einen Anbau von Weizen in der Oase wirtschaftlich attraktiv zu machen. Selbst heutzutage wird Bahariya fast vollständig von Fruchtbäumen dominiert. Kehren wir aber nun zur Organisationsstruktur des Umlandes zurück. Die Papyri aus Kellis bezeugen verschiedene Dörfer, kômai genannt. Kellis selbst und sein wichtiger Gegenpart Mesobe, dessen Lokalisierung unbekannt ist, besaßen beide den Rechtsstatus eines Hauptortes der Toparchie; einige andere Dörfer werden mehr aus Zufall erwähnt, aber ohne eine klare Angabe ihres Status außer dem eines Dorfes. Trimithis war in manchen Abschnitten seiner Geschichte wahrscheinlich ebenfalls ein Dorf, das an der Spitze einer Toparchie stand, wobei es im vierten Jahrhundert anscheinend eine Polis gewesen ist – hierauf war man offensichtlich sehr stolz, wie es die Personifikation der Stadt oder besser der Polis nahelegt, die im Raum 1 von Serenos’ Haus in der Ecke dargestellt war und die göttlichen Verwicklungen auf den dortigen Wandmalereien betrachtete. Aber davon werde ich mehr in dem folgenden Vortrag erzählen. Wie ich angemerkt habe, existieren zahlreiche Erwähnungen von Orten, die nach ihren Brunnen benannt sind, sowohl im Rechnungsbuch aus Kellis und den Ostraka aus Trimithis wie auch in den Papyri und Ostraka aus Kellis. Wir wissen, daß einige von ihnen als epoikia, ‚Weiler‘, bezeichnet wurden – ein Termi40

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

nus, der im Niltal gut bezeugt ist: So Thio (P.Kell. 45), Pmoun Tametra (P.Kell. 41) und ein paar weitere, deren Namen nicht mehr erhalten sind (P.Kell. 8, P.Sijp. 11a). Aber der Begriff epoikion ist weder bei Thio noch bei Pmoun Tametra konsequent verwendet, und es ist daher sehr gut möglich, daß manche, wenn nicht sogar viele der Pmoun-Namen unserer Quellen im offiziellen Sprachgebrauch als epoikia klassifiziert wurden. In den Oasen finden sich noch heute viele Überreste von kleineren ländlichen Siedlungen aus römischer Zeit. Da diese normalerweise nicht ausgegraben worden sind, ist es uns meistens nicht möglich, sie mit den Ortsnamen aus den Dokumenten zu kombinieren und somit einen bestimmten physischen Befund mit einer in Worten vorliegenden Beschreibung zu verbinden. Gelegenheiten für zukünftige Arbeiten bieten sich daher sehr viele. In dieser Hinsicht können unsere Ausgrabungen bei Ain elGedida, einige Kilometer von Kellis entfernt, möglicherweise einen sehr wichtigen Beitrag hierzu leisten. Nachdem die Oberste Antikenbehörde in den 1990er Jahren Ausgrabungen vorgenommen und dabei ein Areal mit gemeinschaftlichen Kocheinrichtungen, aber ohne erkennbare Hausstrukturen zutage gefördert hatte, äußerte Colin Hope den Gedanken, daß es sich dabei um ein Kloster gehandelt haben könne. Dies war einer der Gründe, warum Nicola Aravecchia dort Ausgrabungen vornehmen wollte. Aber es ist inzwischen klar geworden, daß wir nach einer anderen Erklärung für die Existenz einer Gemeinschaft und gemeinschaftlicher Anlagen suchen müssen. Obwohl es dort eine Kirche gibt, die ich in meinem früheren Vortrag beschrieben habe, liefert das Mönchtum keine ausreichende Erklärung hierfür, da die Siedlungsstrukturen mindestens bis in das zweite Jahrhundert zurückreichen. Aus dieser Zeit datieren jedenfalls wahrscheinlich die Reste dessen, worin wir inzwischen einen Tempel erkannt haben, der im vierten Jahrhundert in eine Töpferwerkstatt umgestaltet wurde. Dieser Tempel ähnelt in seiner Form einer Reihe von anderen Lehmziegeltempeln in der Dakhla-Oase. Dies bedeutet, daß Ain el-Gedida keine Neugründung des vierten 41

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

Jahrhunderts war, sondern daß es dort bereits seit mindestens zweihundert Jahren eine Gemeinschaft gab. Wenn man die gemeinsamen Einrichtungen wie ein Taubenhaus, eine Töpferei, umfangreiche Lagerräume und Produktionsstätten zusammenzählt, dann nimmt das Bild eine andere Form an. Zwar können späte Klöster wie Deir Anba Hadra bzw. St. Symeon am Westufer von Assuan mit derart großen wirtschaftlichen Anlagen ausgestattet sein, aber es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß dies bereits im vierten Jahrhundert der Fall war. Daher ist die Entdeckung eines Ostrakons von großer Bedeutung, das uns den Namen eines Ortes und wahrscheinlich eben dieser Siedlung liefert, nämlich Pmoun Berri, das exakte koptische Äquivalent von Ain el-Gedida bzw. „Neuer Brunnen“. Und es wird in diesem Ostrakon als ein georgion beschrieben, d.h. als ein landwirtschaftliches Gut. Ich meine, daß wir es hier mit einem großen Gutshof zu tun haben, nach jenem so beliebten Modell der spätantiken Sozialgeschichte Ägyptens, das üblicherweise als epoikion bezeichnet wird und in zahlreichen Texten des 6. Jahrhunderts begegnet. Soviel ich weiß, ist zuvor noch nie eines identifiziert oder ausgegraben worden. Wir können daher nicht mit Sicherheit sagen, ob georgion und epoikion dieselbe Bedeutung besitzen. Es ist möglich, daß ein georgion kleiner war als ein epoikion; aber es ist auch möglich, daß, was anfangs auf diese Weise bezeichnet wurde, diese Bezeichnung auch später noch beibehielt, gleichgültig, wie die weitere Entwicklung verlief (wobei daran erinnert sei, daß einige dieser epoikia später eindeutig zu Dörfern im vollen Sinne des Wortes wurden). Ein großer Teil unserer Evidenz für den Begriff georgion in den Papyri stammt aus den in Aphrodites Kome gefundenen Papyri des 6. Jahrhunderts, besonders von den Pachtverträgen des sog. Dioskoros-Archivs. In diesen Texten ist die Größe eines ganzen georgion nur gelegentlich erwähnt. So konnte ein georgion ohne weiteres über 70 Aruren, also etwa 20 Hektar groß sein und mehrere große Anlagen umfassen: Zisternen, Wasserreservoirs, Nebengebäude, Weinberge, Bewässerungsanlagen und zweifellos noch vieles andere mehr. 42

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

Amheida verfügte in seinem Umkreis gewiß über solche Siedlungen, ob sie nun klein oder groß waren, und viele dieser Orte sind wohl hinter den Pmoun-Namen versteckt. Falls Pmoun Berri (ein Name, der auch in den Ostraka aus Trimithis begegnet) ein georgion war, dann mögen Pmoun Harau, Pmoun Emboou, Pmoun Osire und andere es ebenfalls gewesen sein; oder sie waren epoikia. Spuren dieser Siedlungen sind in der Umgebung von Amheida noch festzustellen. In ein paar Kilometern Entfernung liegt ein ganzes Feld voll von diesen Bauernhäusern, mit Taubenhäusern in den oberen Stockwerken und Speichern darunter (Abb. 7). Ain es-Sabil, wo die Oberste Antikenbehörde, wie schon erwähnt, eine weitere Kirche aus dem vierten Jahrhundert gefunden hat, mag ein besonders großes Beispiel für diese Siedlungsgattung bieten, falls es nicht sogar ein Dorf war; seinen antiken Namen kennen wir noch nicht. Ohnehin haben wir in dieser Hinsicht lediglich an der Oberfläche gekratzt; sogar von Ain el-Gedida bleibt noch vieles unausgegraben, und wir hoffen, in der Zukunft dorthin zurückzukehren. Diese Oasensiedlungen unterschieden sich mit Sicherheit von ihren Gegenstücken im Niltal, und sei es nur, weil ihre Existenz von ihrer eigenen Wasserquelle abhing, anders als bei der subsidiär arbeitenden Landwirtschaft des Niltals, und ihre Größe letztlich von der Ergiebigkeit dieser Quelle abhing. Es stellen sich dennoch dieselben Fragen, so vor allem, ob sie im Prinzip durch Lohnarbeit bewirtschaftet wurden, wie es Jairus Banaji im Fall der epoikia vertreten hat, oder durch Pächter oder durch eine Kombination von beidem. Die gemeinschaftlichen Einrichtungen bei Ain el-Gedida sollten auf den ersten Blick annehmen lassen, daß dieser Ort eher von Lohnarbeitern und nicht von dauerhaft ansässigen Pächterfamilien bewohnt wurde. Dabei ist uns noch unklar, welche Abschnitte des Areals als Schlafgelegenheiten dienten und wie diese angeordnet waren, aber es gibt weniges, was an die offenkundig für Familien bestimmten Häuser in Kellis oder Trimithis erinnern würde. Allerdings ist noch ein weiterer Punkt zu bedenken: In Dakhla war die ezba, wie solche Siedlungen im Arabischen ge43

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nannt werden, bis vor nicht allzu langer Zeit saisonabhängig. Die Arbeit wurde dort von Personen verrichtet, welche die meiste Zeit des Jahres in einem größeren Dorf lebten und zur ezba ohne ihre Familien und nur in der Zeit intensiver landwirtschaftlicher Tätigkeit zogen, also zur Anpflanzung, Pflege der Weinstöcke und Obstgärten, Ernte, Fruchtverarbeitung und Einlagerung der Produkte. So ist es gut möglich, daß die Leute von Ain el-Gedida überhaupt keine eigenständige Bevölkerung bildeten, sondern in der Hauptsache Einwohner von Kellis waren, die nur einen Teil des Jahres im georgion verbrachten. Im Fall vieler Taubenhaus-Speicher-Komplexe nahe Amheida existiert nichts, was sichtlich noch als Wohnstatt identifizierbar wäre, und sehr wahrscheinlich gehörten sie zu einem größeren Dorf oder gar der Stadt selbst, wo die meisten Leute die meiste Zeit des Jahres über auch wohnten. Eine exportorientierte Wirtschaft, die sich in großer Entfernung vom Niltal befand, zog ein umfangreiches Transportwesen über Land nach sich. Die Ostraka sind voll von Erwähnungen von Eseln, die vor allem in den lokalen Transport involviert waren, der darauf abzielte, die Überschüsse beim Gutsherrn zu sammeln, und dafür sorgte, daß Lebensmittel zu denen kamen, die sie benötigten. Ebenso sind genügend Belege vorhanden, die die grundsätzliche Anwesenheit von Kamelen und Kameltreibern bezeugen, allerdings sind bislang noch keine Aufzeichnungen darüber ans Tageslicht gekommen, wie dieser Überschuß verkauft und zum Niltal geschafft wurde – und zwar in keiner der bisher ausgegrabenen Stätten, wie es auch in den Städten des Niltals mit ihren vielen Papyri daran weitgehend fehlt. Aber so wie wir in den Ostraka der Ostwüste wenigstens umrißhaft große Verbände von Kamel- und Eseltreibern erahnen können, die ihren Sitz in Koptos hatten, so können wir hier die Existenz einer ähnlichen Gruppe von Männern vermuten, die Öl, Baumwolle, Datteln, Feigen und Alaun von den Oasen zum Nil transportierten. Im Fall von Dakhla dürften diese nach Lykopolis, d.h. zum heutigen Assiut gegangen sein, aber es gab auch Routen zum Panopolites (heute die Gegend um Achmim) und zum An44

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

taiopolites, und von den Karawanenrouten quer durch die Wüste erstreckten sich vermutlich noch viele andere Seitenzweige in die Städte des Niltals. Jeder Hin- und Rückweg dürfte fast vier Wochen Abwesenheit von der Oase bedeutet haben, so daß manche Männer wahrscheinlich die Hälfte der Zeit oder sogar mehr von Zuhause abwesend waren. Die Briefe aus Kellis zeigen außerdem, daß es für viele Bewohner der Oasen auch abgesehen vom Transportwesen unvermeidlich war, aufgrund aller möglichen Geschäfte eine beträchtliche Zeit im Niltal zu verbringen. Die Spuren dieser Abwesenheiten, zum Beispiel um Dokumente in Alexandria registrieren zu lassen, sind auch in dem Archiv der nekrotaphoi – der ‚Bestatter‘ – von Kysis zu finden, das ich zusammengestellt habe und bald zu veröffentlichen hoffe. Eine lange Abwesenheit war Teil des Preises, den es für die wirtschaftlichen Vorteile zu zahlen galt, die ich erläutert habe. Und viele Familien verfügten wohl über Verwandte im Niltal, die sie zweifelsohne von Zeit zu Zeit besuchten. Wir wissen wenig über die Konsequenzen für die Oasengesellschaft, die sich aus dieser strukturellen Situation ergaben. Obwohl ich mich hier sehr im Bereich des Spekulativen bewege, verdient es Erwähnung, daß im nekrotaphoi-Archiv eine ganze Reihe von Personen ohne Vatersnamen begegnet, die sich allein nach dem Namen ihrer Mutter benennen. Daher werden sie von den Wissenschaftlern gern als apatores, ‚Vaterlose‘, bezeichnet, obwohl dieser Begriff in den Texten nirgendwo auftaucht. In seinem berühmten Aufsatz zu diesem Thema hat Herbert Youtie einst darauf aufmerksam gemacht, daß dieser Begriff im Verlauf des dritten Jahrhunderts immer seltener wird, bis er nach dem Jahr 314 schließlich ganz verschwindet – durch Zufall auch das Enddatum dieses Archivs. Von einem Mann abgesehen, der als Sklave in rechtlicher Sicht keinen Vater haben konnte, habe ich unter den Familien der nekrotaphoi, die ich habe identifizieren können, mindestens fünf Fälle festgestellt, in denen eine Benennung nach dem Vater unterblieb. Diesen stehen 26 Individuen mit Vatersnamen gegenüber und 12 Personen, deren elterliche 45

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

Abkunft nicht erhalten ist. Der Anteil der ‚Vaterlosen‘ beträgt also 16,1% von denen, deren Abkunft bezeugt ist. Im Vergleich dazu schätzte Youtie anhand der Geldsteuerregister des Steuereintreibers Sokrates aus Karanis, daß der Anteil an apatores dort im zweiten Jahrhundert bei 2,1 bis 2,6% lag. Ein gewisses Bewußtsein für den vaterlosen Status kann im nekrotaphoi-Archiv allerdings trotz der Abwesenheit des Begriffs apator angenommen werden. Denn in all diesen Fällen – mit Ausnahme einer Frau, die als Großmutter erscheint – ist das Wort hyios (‚Sohn‘) oder thygater (‚Tochter‘) vor den Namen der Mutter gestellt, wo ansonsten der Vatersname gegeben worden wäre, und zwar ohne jedes erklärende Wort der Beziehung; der ausdrückliche Hinweis metros (‚von der Mutter‘) wird hingegen nur benutzt, wenn der Vatersname auch gegeben ist. Letzteres trifft auch auf die Ostraka von Douch, dem antiken Kysis, im südlichen Teil der Kharga-Oase zu, wo die bislang publizierten fünf Bände in der Tat eine Anzahl von Personen nennen, die einen Mutternamen, aber keinen Vatersnamen verzeichnen. Jeder Versuch einer Quantifizierung wird durch den Umstand erschwert, daß diese Ostraka einem militärischen Milieu entstammen und Vatersnamen schon von daher oft nicht gegeben werden. Eine Zählung der Namen im Befund aus Dakhla, wie von Klaas Worp im Onomastikon der Oasen zusammengestellt, und im ersten Band der Ostraka aus Trimithis ergibt einen Anteil von 4,64% Mutternamen; Trimithis allein verzeichnet 5,3%, aber dieser Unterschied ist sicherlich nicht von Bedeutung. Ingesamt ist eine Zahl um die 5% wahrscheinlich, was den doppelten Prozentsatz der früheren Register aus Karanis darstellt, aber um ein Vielfaches weniger ist als das relativ kleine Beispiel der nekrotaphoi. Die Interpretation dieses Befundes fällt schwer, auch abgesehen davon, daß Zweifel an dem statistischen Nutzen solch kleiner Zahlen ohnehin mehr als legitim erscheinen. Es gibt guten Grund, nicht zu einer Sichtweise zurückzukehren, die Youtie völlig zu recht als allzu voreingenommen bezeichnet hat, nämlich uneheliche Abstammung als „eine natürliche Konsequenz von 46

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zu lockerer Moral niedriger Bevölkerungsschichten“ anzusehen. Aber angesichts der Zeitstellung und des sozialen Milieus können wir als Gründe für die Unehelichkeit zweifellos diejenigen ausschließen, an denen Youtie am meisten interessiert war, nämlich das formelle Fehlen eines rechtmäßigen Vaters, das von den Auflagen des römischen Staates für eine legitime Ehe zwischen den Angehörigen bestimmter Personengruppen herrührte: So etwa den Umstand, daß Soldaten im aktiven Dienst nicht heiraten durften, und daß der Gnomon des Idios Logos (eine ausgeklügelte Sammlung rechtlicher Regelungen zu Statusfragen) die Ehe zwischen den Angehörigen mancher Statusgruppen der Gesellschaft verbot. Das Archiv der nekrotaphoi datiert vollständig aus der Zeit nach der allgemeinen Verleihung des römischen Bürgerrechts durch die Constitutio Antoniniana im Jahr 212 und nach der Aufhebung des Eheverbotes für Soldaten unter Septimius Severus, der von 193 bis 211 regierte. Es liegt damit zeitlich nach den zwei Regelungen, die Youtie als Faktoren für eine rechtlich begründete Unehelichkeit in Betracht zog, so daß unser Phänomen einer weiteren Untersuchung und Erklärung bedarf. Die Erwähnung von Soldaten leitet aber über zum Thema der Sicherheit. Wie ich bereits erwähnt habe, ist aus der Notitia Dignitatum bekannt, daß Trimithis der Stationierungsort der Ala I Quadorum war; entsprechend ist das militärische Lager – im Griechischen ta kastra genannt, nach dem einschlägigen lateinischen Terminus castra – in einer ziemlich hohen Zahl von Dokumenten aus Kellis bezeugt sowie in einem Graffito aus dem Seitenraum der Säulenhalle von Amheida, der 2011 ausgegraben wurde. Aber es gibt nichts in Amheida, was in irgendeiner Weise nach einem Militärlager aussehen würde; daher war unter den in Dakhla tätigen Archäologen lange Zeit die Ansicht verbreitet, daß das Lager vielmehr im nahegelegen El-Qasr zu lokalisieren sei – auch wenn wir wissen, daß das vom Lateinischen castrum hergeleitete Wort Qasr auf viele Orte der oströmischen Welt angewendet wurde, die in der Realität keineswegs castra waren. Daher kann es nicht als selbstverständlich angenommen werden, daß ein Qasr einst castra beherbergt hatte. 47

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

Im Jahr 2006 machte nun Fred Leemhuis, der mehrere Jahre lang Konservierungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen an zwei der größeren Häuser aus osmanischer Zeit in El-Qasr durchgeführt hatte, eine wichtige Entdeckung. Eines Tages ging er von diesen Häusern in Richtung eines Areals, wo er gerade eine Probeausgrabung vornahm und das er als den ältesten Teil der Stadt ansah. Entlang dieses Weges realisierte er plötzlich, daß die große, jedoch erodierte Mauer, die ursprünglich wohl einen Teil der Stadtmauer gebildet hatte, aus Ziegeln anderer Größe gebaut war als jenen der islamischen Stadt. Er hatte diese Mauer schon oft gesehen, aber ihre Oberfläche ist sehr verwittert, und es bedurfte ganz besonderer Lichtverhältnisse, um ihm die Trennungslinien zwischen den Ziegeln zu Bewußtsein zu bringen. Die Ziegelmaße waren römisch, und Fred Leemhuis fand bald einige weitere massive Bastionen, die aus dem gleichen Ziegelmauerwerk bestanden. Inzwischen sind noch mehr in anderen Teilen von El-Qasr ans Licht gekommen. Der Grund dafür, warum wir in Amheida bislang nichts gefunden hatten, was auch nur annähernd wie ein Lager der Ala Quadorum aussah, scheint nunmehr ohne Zweifel einfach der zu sein, daß das Hauptquartier dieser Einheit in El-Qasr stationiert war, nur einige Kilometer entfernt von dem Stadtkern von Trimithis, als dessen Teil es aber offensichtlich galt. Der älteste Teil von El-Qasr sieht auf dem Plan in der Tat wie ein römisches Kastell aus. Weitere Ausgrabungen der ägyptischen Behörden haben noch mehr Abschnitte der Mauer zutage gefördert, und allem Anschein nach war El-Qasr ein Kastell gewesen, das in Form und Umfang mehr oder weniger ebenso wie jene in El-Deir in der Kharga-Oase oder die anderen befestigten Lager aus der Tetrarchenzeit in Ägypten aussah. Auf Koptisch wurde es pkastron nperro, ‚das kaiserliche Lager‘, genannt, wie wir von einem der Ostraka wissen, die unsere ägyptischen Kollegen ausgegraben haben. Zugleich können wir nun zuversichtlich sagen, daß die Garnison in Dakhla komplizierter strukturiert war, als der Eintrag in der Notitia Dignitatum es annehmen lassen sollte. Wie wir es zunehmend als gängige römische Militärpraxis erkennen, gehörten 48

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

nämlich auch Abordnungen aus anderen Einheiten dazu. Eines dieser Detachements, die Tentyriten, erscheinen auf einem Ostrakon, das 2008 in Amheida gefunden wurde; eine zweite Abordnung bezieht sich auf die legio II Traiana, die durch die Erwähnung eines „optio von Asphynis“ auf einem 2009 gefundenen Ostrakon vertreten ist. Asphynis, im oberägyptischen Latopolites gelegen, ist der Ort, an dem diese Legion während des vierten Jahrhunderts stationiert war, wie wir dank des Testaments eines centurio aus der Papyrussammlung der Columbia Universität wissen. Dieser Liste mag ein Ostrakon hinzugefügt werden, das in Ain el-Gedida, also gar nicht weit von Kellis entfernt gefunden wurde und eine Quittung über die annona für die hippotoxotai enthält – berittene Schützen, die wohl im Rahmen der angareia tätig, d.h. wahrscheinlich mit der Aufrechterhaltung des öffentlichen Kuriersystems befaßt waren. Mindestens eine dieser Einheiten bestand also aus Kavallerieschützen, die zur Sicherung der Wüstenwege zweifellos von großem Nutzen waren. Vielleicht waren dies die Tentyriten, denn die Notitia belegt die Stationierung von equites sagittarii indigenae, ‚einheimischen Bogenreitern‘, bei Tentyra, dem heutigen Dendera. Es ist bemerkenswert, daß Dakhla an der Oberfläche bislang keinerlei Hinweise auf so viele kleine Kastelle bietet, wie sie für Kharga typisch sind. Aber dieser Eindruck mag täuschen, da sie wie im Fall des Kastells von El-Qasr noch gefunden werden könnten. Eine zentrale Frage in Bezug auf das Militär ist, welche Aufgaben es in den Oasen wahrnahm. Meines Wissens nach gibt es überhaupt keine Zeugnisse für militärische Einheiten in der Großen Oase vor der Tetrarchenzeit, und wahrscheinlich auch nichts in der Kleinen Oase. Es sieht so aus, als sei die Errichtung einer Reihe ziemlich einheitlicher Kastelle bei Qaret el-Tub in Bahariya, El-Deir in Kharga und El-Qasr in Dakhla Teil derselben Welle militärischer Bauprojekte, wie wir sie in den 280er Jahren und den nachfolgenden Jahrzehnten auch andernorts in Ägypten finden. Nirgendwo ist dabei klar, ob es je eine direkte Bedrohung gab, die man als militärisch beschreiben würde, oder ob wir 49

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es stattdessen eher mit einer zunehmenden Kontrolle der Kommunikationswege und eventuell polizeilichen Funktionen zu tun haben. Die Errichtung von Kastellen in der Ostwüste unter Vespasian Mitte der 70er Jahre, wo es zuvor nur unbefestigte Posten gegeben hatte, wurde mit einer Zunahme von Nomadeneinfällen in Verbindung gebracht, wie sie in den Ostraka des Postens von Krokodilo verzeichnet sind. Es ist möglich, daß ein ähnlicher Sachverhalt auch für die Westwüste im späten dritten Jahrhundert galt. Dies war allerdings für Nomaden eine weitaus schwierigere Umgebung als die Ostwüste, aber ebenso auch für die Verteidiger, weil die Wasserresourcen in der Westwüste sich nicht so nah an der Oberfläche befinden wie im Osten. Ein dichtes Netzwerk gut befestigter Posten war daher hier von vornherein nicht realisierbar. Die Verbindungen quer durch die Wüste waren im Westen ausgesetzt und zogen sich sehr viel länger, und die Kastelle befanden sich jedenfalls eher innerhalb der Oasen oder manchmal auch an deren Rändern, aber nicht etwa außen auf dem Hochplateau in der offenen Wüste. Die Frage liegt daher nahe, ob der rapide Niedergang der Oasensiedlungen in der zweiten Hälfte des vierten und zu Beginn des fünften Jahrhunderts nicht mit einer größeren Unsicherheit verbunden war. Es sollte klar sein, daß nur sichere Transportwege durch die Wüste zum Niltal die Existenz einer Wirtschaft ermöglichen konnten, wie ich sie zu beschreiben versucht habe. Natürlich gibt es auch andere mögliche Erklärungen für den Niedergang, die bereits ab und zu in die Diskussion miteingeflossen sind. Darunter wären ein Nachlassen der Wasserversorgung, ein Vordringen von Sanddünen oder am Ende sogar die Möglichkeit zu zählen, daß dieser Niedergang nur scheinbar ist und allein durch unser Unvermögen bedingt, die späteren Siedlungen archäologisch nachzuweisen und sie auszugraben. Es gibt in der Tat gute Argumente gegen alle diese Hypothesen: Zunächst dürfte das Wasserniveau an sehr weit verstreuten Orten nicht zur selben Zeit nachgelassen haben, und selbst heute verfügen Mut und Amheida immer noch über ein einigermaßen hohes Niveau an Feuchtigkeit nahe der Oberfläche, auch wenn in den Oasen 50

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

Wasser allgemein durch viel tiefere Brunnen zutage gefördert werden muß als im Altertum. Zum zweiten treten Sanddünen lokal auf und bedecken zu einem gewissen Zeitpunkt niemals mehr als einen Bruchteil einer Siedlung; auf das Eindringen von Dünen würde man daher nicht mit der Aufgabe einer Stadt bzw. eines Dorfes reagieren, sondern mit einer Verlegung der Häuser. Drittens wurde Dakhla einem sehr gründlichen Survey unterzogen, und die Keramik der Zeit nach dem vierten Jahrhundert ist bekannt. Es besteht daher kein Grund anzunehmen, daß unser Bild der Siedlungsentwicklung ernsthafte Mängel aufweist. Es gibt immerhin Orte wie Deir Abu Metta, wo wir aufgrund keramischer Evidenz von einer Besiedlung bis in das sechste Jahrhundert hinein, wenn nicht sogar später wissen. Es ist durchaus denkbar, daß die Frage nach der Sicherheit in diesem Fall also nicht so sehr die Sicherheit der Oase selbst betroffen hat, sondern vielmehr die Wege zwischen der Oase und dem Niltal. Wenn wir uns daran erinnern, daß die römische Blütezeit der Oasen höchstwahrscheinlich sehr stark von der Möglichkeit des Exports von Gütern abhing, in deren Produktion die Oasen gegenüber dem Niltal einen relativen Vorteil aufzuweisen hatten, läßt sich sehen, daß bereits ein bescheidener Rückgang in der Sicherheit der Wüstenrouten einen verheerenden Effekt auf die wirtschaftliche Funktionsfähigkeit der Oasen gehabt haben könnte. In seinem Buch über die Oasen zitiert Guy Wagner aus einer Passage von Johannes Moschos (112 = PG 87C, 2976–78), in der eine Reihe von Mönchen in der Oase durch plündernde Maziken in Gefangenschaft geriet. Der Zeitpunkt dieser dramatischen Szene kann nicht später als die Regierungszeit des Tiberius II. (572–582) liegen. Einer dieser Mönche wurde nach Hibis mitgenommen, also in die Hauptstadt des anderen Teils der Großen Oase, das heutige Kharga, mit dem Auftrag, 24 Goldsolidi, d.h. ein Drittel eines römischen Pfundes oder genauer etwa 108 Gramm Gold für die Auslösung einer Gruppe älterer und kränklicher Mönche zu beschaffen. Aber der Bischof konnte nur acht Goldsolidi finden, was die Maziken ablehnten, die stattdessen ei51

2. Stadt und Umland – Wirtschaftliche und soziale Aspekte

nen älteren Mönch gefangennahmen. Wir haben keine Möglichkeit zu überprüfen, wie typisch diese Darstellung für das sechste Jahrhundert einzuschätzen ist, aber sie mag auf ein höheres Niveau an Unsicherheit in der Spätantike hindeuten und damit schließlich auch auf die Unfähigkeit, eine Gesellschaft am Leben zu erhalten, deren Existenz völlig von der Sicherheit der Verbindungen zur der Welt des Niltals abhing, Hunderte von Kilometern entfernt.

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3. DIE KULTUR EINER SPÄTANTIKEN PROVINZSTADT

Da wir nun etwas von dem religiösen und wirtschaftlichen Leben des römischen Trimithis erfahren haben – des heutigen Gebiets von Amheida in der Dakhla-Oase –, ist es Zeit, zu seiner kulturellen Geschichte zurückzukehren. Der kulturelle Charakter dieser Stadt war, wie man sich erinnern mag, eine der ursprünglichen Forschungsfragen, die hinter diesem Projekt standen. Wir sind diese Frage nicht vollkommen naiv angegangen, denn als wir im Jahr 2004 mit den Ausgrabungen begannen, haben wir absichtlich mit dem römischen Haus (benannt als B1) im Zentrum des Areals angefangen, das ich als „Haus des Serenos“ bezeichnet hatte und in dem vor 25 Jahren vom Dakhleh Oasis Project während des ersten Surveys Wandmalereien entdeckt worden waren (Abb. 8). Das Haus besaß einen quadratischen Grundriß, wobei der Kern des Wohnbereiches eine 15 x 15 m große Fläche einnahm; hinzu kam ein großer Bereich an der Nordseite, auf den ich später zurückkommen werde (Abb. 9). Ein ebensolches Haus, mit dem es eine gemeinsame Wand teilte, grenzte im Süden direkt daran an und war ebenfalls mit vergleichbaren Arbeitsräumen, nur auf der Südseite, versehen. Man betrat das Haus ursprünglich durch drei Eingänge, zwei auf der Ost- und einen auf der Westseite, aber einer der östlichen Eingänge wurde später zugemauert. Der andere östliche Eingang brachte den Besucher durch einen kleinen gewölbten Eingang ins Innere, von dem aus es Zugang zu einem kleineren Raum im Norden gab, der 53

3. Die Kultur einer spätantiken Provinzstadt

für die Zubereitung von Essen genutzt wurde. Geradeaus lag ein zentraler, wahrscheinlich leicht überdachter Raum, welcher den Mittelpunkt des Hauses darstellte. Eine weitere Küche befand sich daran angrenzend im Norden, dazu eine Treppe, die auf das Dach führte, und der Eingang zu einem großen überkuppelten Raum; zur Ostseite hin befand sich ein großer Raum mit einem Flachdach. Im Westen gab es eine Abfolge von vier Räumen, wobei der westliche Hauseingang sich südlich des nördlichsten Raumes befand. Die Details der Hauskonstruktion waren im Grunde dieselben, die wir zu Beginn unserer Ausgrabungen schon von den Häusern des Areals A in Kellis her kannten, d.h. der Einsatz von Gewölben in den meisten Räumen, in anderen Flachdächer mit Gebälk und Palmrippen mit Lehm, viele Wandnischen und ein weißer Kalkanstrich, der in manchen Räumen großflächig auf der gesamten Wand aufgetragen war, während er in anderen nur um die Nischen herum lief. Deutlich ist noch zu sehen, daß ursprünglich hölzerne Stürze über Türen und Nischen sowie Regale innerhalb der Nischen angebracht waren, aber jedes Stück Holz, das noch irgendwie nutzbar war, wurde aus dem Haus entfernt, sei es zur Zeit seiner Aufgabe oder auch danach. In der Tat, sieht man von den Küchen ab, wurde alles sauber, für uns Archäologen sogar allzu sauber, hinterlassen. Die Abreise war eindeutig ein gut organisiertes und geplantes Unternehmen. Nichts ist bislang gefunden worden, das vermuten ließe, daß die Treppen zu irgendetwas anderem führten als dem Dach; aber dieses mag ähnlich den Häusern in El-Qasr teilweise über Seitenwände verfügt haben, um private Freiluftbereiche bei warmem Wetter zu schaffen, insbesondere für das Schlafen bei Nacht. Falls es ein zweites Stockwerk gegeben hätte, so wären Zeugnisse davon sicherlich auf den eingestürzten Gewölben und den Flachdächern des ersten Stocks gefunden worden, aber nichts dergleichen ist bislang zutage getreten. Allerdings ist die Erosion durch Wind in Amheida sehr stark, so daß die Existenz eines zweiten Stockwerkes nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist.

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3. Die Kultur einer spätantiken Provinzstadt

Glücklicherweise ist die abschließende Säuberung des Hauses aber nicht ganz vollständig gewesen. In der Küche, genauer offenbar verborgen in einer Grube in ihrem Boden, fand sich ein Schatz von zwei außergewöhnlichen Bronzelampen, einem Bronzegefäß und etwas, das wohl der figürliche Schaft eines Messers aus Knochen war. Außerdem war ein einfacher Ring aus Gold und Eisen, wahrscheinlich der Ehering einer Frau, in der Straße vor dem westlichen Türeingang verloren gegangen. Auch ungefähr zweihundert Münzen wurden zurückgelassen, ein unschätzbarer Schlüssel – sofern noch etwas erkennbar ist – zu den Umständen von Erbauung und Umbau des Hauses. Fast alle Münzen haben sehr stark unter Korrosion gelitten, manche sogar bis dahin, daß sie in der Mitte aufgeplatzt sind. Diejenigen Münzen, auf denen man etwas erkennen kann, erzählen uns, daß das Haus im vierten Jahrhundert erbaut wurde. Münzen aus der Zeit vor den 330er Jahren scheinen alle zu dem Schutt zu gehören, der noch vor den eigentlichen Baumaßnahmen abgekippt wurde, um für das Gebäude ein einheitliches Bodenniveau zu schaffen, während die nach 330 datierenden Münzen der Nutzungsphase entstammen. Eine größere Umbaumaßnahme scheint mindestens einmal erfolgt zu sein, wahrscheinlich um das Jahr 350, denn das Material der letzten Nutzungsphase datiert sämtlich aus den 350er und 360er Jahren. Ein paar kleinere Münzen, auf denen gerade noch so eben etwas zu erkennen ist, könnten in die 370er und 380er Jahre gehören, aber sie stammen nicht aus den Wohnschichten und mögen erst später dorthin gelangt sein. Der Münzbefund erweckt daher den Eindruck, daß das Haus gegen Ende der 360er Jahre oder bald danach aufgegeben wurde. Weder der Inhalt noch der Schrifttypus der Ostraka aus diesem Haus oder auch der Charakter der Keramik deuten auf irgendein Datum, das nach jenem der Münzen zu liegen käme. Zwei Ostraka, die im spätesten Nutzungshorizont gefunden wurden, bekräftigen diese Annahme, da sie Preise auf einem Niveau überliefern, wie es in dem Jahrzehnt nach 350, d.h. sicherlich nicht vor 351 und kaum später als 360, üblich ist.

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Aus dem Leipziger Papyrus, den ich in dem ersten Vortrag erwähnte, wissen wir, daß Trimithis noch in den späten 360er Jahren das aktive Zentrum einer prosperierenden Region darstellte und vielleicht auch noch später besiedelt war. Dieses Haus mag daher nicht charakteristisch für den Ort als Ganzes sein. Aber Oberflächenfunde von Münzen im gesamten Gelände haben bislang nichts zutage gefördert, das später als die 380er Jahre datiert werden kann, und auch die noch nicht identifizierten Münzen scheinen zu den kleinen Typen zu gehören, die für die letzten Jahrzehnte des vierten Jahrhunderts charakteristisch sind. Wir können daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, ob Trimithis länger als Kellis Bestand hatte, das um das Jahr 400 aufgegeben worden zu sein scheint, wo aber ebenfalls wenig Zeugnisse aus den letzten beiden Jahrzehnten des vierten Jahrhunderts stammen. Das Haus war offensichtlich von beträchtlichem Ausmaß. Ich habe die Aussagekraft der dort gefundenen Ostraka für den sozialen und wirtschaftlichen Status der Eigentümer in meinem zweiten Vortrag erörtert. Eine solche Position innerhalb der Gesellschaft hat wiederum auch eine kulturelle Dimension, und darum nun wird es mir in meinem heutigen Vortrag gehen. Ich möchte diese Aspekte nicht in der Reihenfolge vorstellen, wie wir sie ergraben haben, sondern in einer eher logozentrischen Art und Weise. Unter diesem Gesichtspunkt war die außergewöhnlichste Entdeckung ein rechteckiger Raum (2,7 x 6,8 m), der gerade im Norden der Nordwestecke des eigentlichen Hauses liegt und vor Beginn der Ausgrabungen kaum verheißungsvoll erschien. Nachdem er jedoch vom Sand befreit worden war, traten an einer Wand Beschriftungen in roter Farbe zutage, dazu auch schwache Farbspuren auf der gegenüberliegenden Wandseite, an der eine Sitzbank entlanglief. Die Phase, in der diese Beschriftung erfolgte, war eine der früheren in der Geschichte dieses Raumes, der zur Zeit ihrer Abfassung noch nicht Teil des Hauses war. Als er später hinzugefügt wurde, stattete man den Raum mit einem neuen Boden aus, der einen Meter über dem alten Niveau auf Ziegelpfeilern stand. Der Raum darunter wurde anscheinend als 56

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Lagerraum genutzt, denn viele Keramikgefäße wurden dort gefunden, und der Platz darüber vielleicht ebenfalls. Angesichts all dieser Umgestaltungen ist es vielleicht eine Überraschung, daß überhaupt etwas von den Beschriftungen erhalten geblieben ist. Einige Teile davon wurden in der Tat mit Absicht in antiker Zeit getilgt. Aber es gibt auch Anzeichen dafür, daß die Besitzer des Hauses die Beschriftung größtenteils bewußt an ihrem Platz bestehen ließen aus Gründen, die uns nicht mehr ersichtlich sind. Modern ausgedrückt, stellt die Wand wohl eine Art Schultafel dar. Aus antiker Sicht mag man sie lieber als das größte Holztäfelchen beschreiben, das jemals gefunden wurde. Denn was darauf geschrieben stand, war unzweifelhaft die Vorlage eines Lehrers für seine Schüler: elegische Distichen auf Griechisch, von sorgfältiger Hand geschrieben und mit diakritischen Zeichen wie Akzenten, Aspirationen, Längenstrichen, Symbolen am Rand und Hochpunkten für die Zäsuren versehen (Abb. 10). Die besten antiken Parallelen wären in der Tat die hölzernen Täfelchen, die von Schullehrern benutzt wurden. Die Gedichte selbst sind allesamt vom Lehrer an seine Schüler gerichtet, die manchmal sogar explizit in den Überschriften erwähnt werden, wenn hier etwa Begriffe wie paides oder scholastikoi begegnen, die auf die Schüler verweisen. Sie werden dazu aufgerufen, reichlich aus der Quelle der Musen zu trinken, in ihren Arbeiten Herakles nachzueifern und Hermes, dem Gott der Rhetorik, zu folgen, der als Thot auch der Stadtgott von Trimithis war. Die Herausgeberin Raffaella Cribiore beschreibt dies als eine Art Himerius in Versen, womit sie sich auf einen Redner des vierten Jahrhunderts bezieht. Das mag zwar nicht jeden mitreißen, aber die Entdeckung, daß im vierten Jahrhundert in Versen gefaßte rhetorische Kompositionen an einem solch entlegenen Ort unterrichtet wurden, ist von enormer Bedeutung für die Geschichte der antiken Bildung. Und dies ist bei weitem nicht die einzige Dichtung an der Wand von Trimithis. Als wir unsere Ausgrabungen weiter nach Nordosten ausdehnten, über das Klassenzimmer für Rhetorik und seine angrenzenden Innenhöfe hinaus, fanden wir zunächst etwas, das nur wie ein großes Gelände voller Räume für die Ver57

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arbeitung irgendwelcher landwirtschaftlicher Erzeugnisse aussah – was genau, wissen wir noch nicht. Aber dieses Gelände war nur der Umbau eines früheren Raumes, der zeitgleich mit dem Haus und dem Rhetorik-Schulzimmer erbaut worden war, und es stellte sich heraus, daß sich hier mindestens zwei weitere Schulräume befunden hatten, die an den Seiten mit den typischen Bänken für die Schüler versehen waren (Abb. 11/12). Auf einer der Wände stand ein Passus aus dem vierten Buch der Odyssee, in dem Helena beim Mischen eines Trankes beschrieben wird, um Telemach und seine Gefährten all ihre Sorgen vergessen zu machen, vor allem den Umstand, daß Odysseus immer noch nicht aus Troja heimgekommen war. Der Text war mit einer kleinen und schnellen Handschrift geschrieben, die eher auf einem Papyrus daheim ist, jedenfalls nicht zu einer Wandinschrift paßt. Darüber befand sich ein weiterer Passus, der schwer beschädigt ist und wahrscheinlich aus einem Werk stammt, das uns nicht mehr erhalten ist – offenbar eine Anekdote, die sehr an eine andere aus dem Werk Pseudo-Plutarchs erinnert. Die gesamte Schule besaß eine ansehnliche Größe, aber ihr Wirken war offensichtlich von kurzer Dauer; denn sie wurde anschließend zur Gänze in einen Arbeitsraum umgestaltet, was ihre Funktion während der letzten Nutzungsphase des Hauses blieb. Aus derselben Zeit gibt es noch einen weiteren Hinweis darauf, daß die Schließung der Schule nicht als Indiz dafür zu werten ist, daß der Hausherr während dieser letzten Jahre, Serenos, ein ungebildeter Mann gewesen sei. In der nördlichsten Kammer auf der Westseite des Hauses hat jemand oberhalb eines Musterfeldes ein furchtbar geschmiertes Graffito hinterlassen. Je nachdem, wie man einen bestimmten Buchstaben liest, könnte dies eine Zeile aus Euripides’ Hypsipyle sein, wovon man sonst nur Bruckstücke durch einen Papyrus aus Oxyrhynchos kennt. Das Bildungsniveau war hier also offenbar hoch genug, um ein Mitglied der oberen Schichten mit Stücken des Euripides vertraut zu machen. Auch dies ist noch nicht alles: In einem oder mehreren anderen Häusern, die bislang noch nicht ausgegraben sind, sind meh58

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rere fragmentarische Oberflächenfunde zutage getreten, manche schon in den 1970er Jahren und ein weiteres seit dem Beginn unserer Arbeiten. Auch hier wieder haben sich stuckierte ionische Kapitelle und griechische Gedichte in epischem Dialekt auf den Wänden gefunden. Die großen Buchstaben am oberen Rand des erst kürzlich gefundenen Fragmentes lauten SARP, was meiner Meinung nach sicher zu Sarp[edon] ergänzt werden darf, einem der auf trojanischer Seite kämpfenden Helden, der auch in der Ilias erwähnt wird. Ein Raum mit einer Reihe von Gedichten über verschiedene mythologische Gestalten wäre in der Tat eine schöne Entdeckung, und da wir wissen, wo dieses Fragment durch einen örtlichen Jungen aufgelesen wurde, werden wir das Haus eines Tages ausgraben. Aber der Mythos war nicht nur auf die Ebene von Wörtern beschränkt. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen bei diesem Haus ohne jeden Zweifel weder die Münzen noch die Ostraka, nicht einmal diese ganzen großartigen Texte, sondern der zentrale Raum mit Wandmalereien, einige von ihnen immer noch an der Wand in situ erhalten, andere als heruntergefallene Fragmente der oberen Register. Unter diesen Szenen an der Wand befinden sich – heutzutage wie auch damals – Ares und Aphrodite, die beim Ehebruch ertappt werden (Abb. 13), mitsamt einem ganzen Geschwader an Göttern und einer das Geschehen überschauenden Figur, welche die griechische Stadt repräsentiert; die Fußwaschung des Odysseus durch Eurykleia, als sie ihn bei seiner Rückkehr nach Ithaka wiedererkennt; Perseus und Andromeda; Orpheus, der die Tiere bezaubert; und ein Satyr, der eine nicht ganz unwillige Mänade verfolgt. Eine Kombination weiterer Fragmente hat Europa mit dem Stier zum Vorschein kommen lassen. Es gibt eine Reihe von Szenen, die nicht durch Beischriften erläutert sind (wie es etwa bei Ares, Aphrodite und ihrem Publikum der Fall ist), wo aber auch eine Identifizierung über die Ikonographie noch aussteht. In eingehenden Studien wurde vorgeschlagen, daß das obere Figurenregister nicht nur mythologische Szenen, sondern auch historische Themen oder bürgerliche Ideale darstelle. Unterhalb dieser Szenen mit 59

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Figuren laufen nichtfigürliche Muster entlang, von denen einige wohl ursprünglich der Imitation von elaboriertem Mauerwerk dienen sollten. Der originale Grad an künstlerischer Qualität in dieser Malerei war zumeist recht hoch, wenngleich nicht auf einem Niveau, das man in den Wohnhäusern der Oberschicht in einer größeren Stadt finden würde. Gleiches kann aber leider nicht über die technische Qualität des Verputzes und der Farben gesagt werden, die nur aus dünnen Kalkschichten bestehen und bereits nach kurzer Zeit Beschädigungen aufwiesen. So gab es in der Folge mindestens eine Phase der Wiederbemalung, in welcher der Raum in einen ordentlicheren Zustand zurückversetzt wurde. Diese Arbeit hat verschiedene Bereiche in unterschiedlichem Ausmaß betroffen, wobei die unteren und am einfachsten zugänglichen Flächen am vollständigsten wiederhergestellt wurden. Der Putz hat zahlreiche Feinde: Die Bindekraft ist gering, die Haftung an den darunterliegenden, reichlich strohdurchsetzten Lehmputz ist schwach, und das Gelände ist voll von strohfressenden Insekten. Drei der vier Räume entlang der Westseite des Hauses waren mit kunstvollen Dekorationsschemata ausgemalt. Der nördlichste Raum, wo das Hypsipyle-Graffito gefunden wurde, war in purpurnen Paneelen mit kleinen Darstellungen von Vögeln ausgemalt, und aus Gründen, die uns aufgrund des derzeitigen Erhaltungszustandes unbekannt sind, sind darüber die Namen verschiedener Götter geschrieben. Im südlichen Teil lagen Räume mit geometrischen und floralen Malereien, die wir als „grünen“ und „roten“ Raum bezeichnet haben (Abb. 14/15). Man könnte sie als eine klassische Tapete beschreiben. Überhaupt ist Amheida voll von Räumen, in denen sich der Putz immer noch an der Wand befindet. Was Sie bislang gesehen haben, ist nur ein Vorgeschmack dessen, was sich noch unter der Erde befinden dürfte. Der Aufwand an Zeit und Kosten, wenn man sich mit Wandmalereien befaßt, ist groß und kann für einen Konservator ein ernsthaftes ethisches Dilemma darstellen. Aber sie sind äußerst anziehend. So haben wir die Hoffnung, das zugehörige Gebäude im Süden des Hauses des Serenos in nicht allzu ferner Zukunft ebenfalls auszugraben. 60

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Die Präsenz klassischer Kultur in der Dakhla-Oase ist in der Tat weit verbreitet gewesen und beschränkte sich nicht nur auf das Haus von Serenos oder selbst auf Trimithis. Sie manifestiert sich auch in einem Phänomen, das angesichts der Masse an ägyptischen theophoren Namen, die ich in meinem ersten Vortrag diskutiert hatte, nur schwer zu entdecken ist. Es ist etwas, das der Aufmerksamkeit leicht entgehen mag, außer man macht die wiederholte Erfahrung, inmitten des Banalen durch einen vollkommen unerwarteten Namen aufgeschreckt zu werden. Nun sind griechische Namen an sich nichts Ungewöhnliches in Texten aus Ägypten, und Kysis, Ain Waqfa, Kellis und Trimithis, woher unsere meisten dokumentarischen Zeugnisse aus den Oasen stammen, unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von den meisten Orten im Niltal oder im Fayum. Das Phänomen, über das ich hier sprechen möchte, beschränkt sich auf männliche Namen, ein Punkt, den man im Gedächtnis behalten sollte. Guy Wagner hat in seinem großen Werk über die Oasen kurz hierauf Bezug genommen, als er die Präsenz einer Reihe von „klassischen“ griechischen Namen erwähnte. In dieser Gruppe hat er jedoch Namen miteinander kombiniert, die sich zum einen im römischen Ägypten allgemeiner Beliebtheit erfreuten wie Polydeukes, Leonides, Agathos Daimon (das freilich nicht sehr klassisch, sondern eine durchsichtige Lehnübersetzung des Namens der ägyptischen Gottheit Schai ist), Timotheos, Agathon, Eros usw., und zum anderen solche, die einzigartig oder jedenfalls in der Kaiserzeit selten waren. Diese letztere Gruppe hat mein Interesse geweckt, da sie Anlaß gibt zu einigen allgemeineren Gedanken über die griechische Kultur in den Oasen und ganz allgemein in Ägypten. Zum einen gibt es hier eine kleine sozusagen homerische Gruppe. Da Achilles in den Papyri geläufig ist, sind die wenigen Beispiele aus den Kellis-Ostraka nicht sehr auffällig. Bemerkenswerter ist der Name seines Vaters Peleus, der auf einem Graffito im Gebel Teir erscheint, einem Gebiet nördlich von Kharga, wo Stein für den lokalen Gebrauch gebrochen wurde; es gibt sonst keinen einzigen anderen Beleg hierfür in den Papyri. Der Name 61

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Odysseus ist bislang nicht bezeugt und kommt auch allgemein in den Papyri sehr selten vor, aber die Namen sowohl seines Vaters Laertes als auch seines Sohnes Telemachos tauchen in den Ostraka von Kysis auf, dem modernen Douch im südlichen Teil der Kharga-Oase. Telemachos ist auch aus einer Handvoll ptolemäischer Papyri und dann wieder über zwei Personen in einem Papyrus aus Oxyrhynchos des mittleren dritten Jahrhunderts bekannt. Der Name Laertes taucht dagegen nur noch im ersten Jahrhundert in einem Papyrus aus dem arsinoitischen Philadelpheia und sonst nirgends mehr auf. Auch treffen wir einen Eumelos – vielleicht eine Anspielung auf den Sohn von Admetos und Alkestis – als Unterzeichner auf einem Ostrakon aus unseren Ausgrabungen in Trimithis an, aber dieser Name ist nicht so selten wie andere, wenngleich die Zeugnisse überwiegend aus der ptolemäischen Zeit stammen. Ich möchte hier auch den Namen Alektor, ‚Hahn‘, einschließen, der erneut auf einem Ostrakon aus Douch begegnet und eine recht obskure Anspielung auf den Sohn des Pelops darstellen könnte. Zwar werden in Papyruslisten gelegentlich auch Hähne erwähnt, doch ist der Begriff als Name bislang nie in den Papyri zutage getreten. Leider ist der Name Tisamenos, den Guy Wagner in einem der nekrotaphoiPapyri aus Kysis zu finden meinte, ein ghost-name, der erst durch eine fehlerhafte Emendation Crönerts geschaffen wurde. Mit der archaischen Zeit gewinnen die Dinge an Fahrt. Kleobulos, einer der Sieben Weisen, ist durch einen gleichnamigen curator civitatis in einem Papyrus aus Kellis repräsentiert, durch einen Ratsherrn der Oase in einigen Papyri aus den 370er Jahren und durch eine Menge Ostraka aus Douch und Ain Waqfa. Es existiert nur ein einziges weiteres Zeugnis für diesen Namen in den Papyri, und das in gleichsam verknöcherter Form in einem Ortsnamen, der vermutlich auf einen Siedler aus hellenistischer Zeit zurückgeht. In einem Grafitto vom Gebel Teir ist wahrscheinlich der Name Empedokles erhalten – ein Name, der in den Papyri sonst nur in zwei Texten aus der Ptolemäerzeit zu finden ist (dies zugegebenermaßen auch nur eine Korrektur von Jean Bingen, aber der Herausgeber hatte hier Themistokles gelesen, was eben62

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falls willkommen wäre). Auf Peisistratos treffen wir in Kellis, Ain Waqfa und Kysis in einer Fülle, die einen deutlichen Kontrast zu der Handvoll Erwähnungen darstellt, die wir andernorts aus der Kaiserzeit kennen. Zudem scheint es eine gewisse Vorliebe für spartanische Namen gegeben zu haben. Ganz üblich ist der Name Pausanias, der allerdings auch in den Papyri allgemein nicht sehr selten ist. Agis begegnet in einem Text aus Kellis und Agesilaos in einem Ostrakon aus Amheida. Agis kommt sonst in den Papyri nicht vor, und Agesilaos ist nur in ptolemäischen Dokumenten zu finden. Es ist erwähnenswert, daß der Agis aus Kellis Sohn eines Mannes namens Oueib ist, dem ägyptischen Wort für ‚Priester‘. Nichts Griechisches also beim Vater, was seine kulturelle Identität betrifft. Im Gegensatz zu Sparta hat die klassische Geschichte Athens kaum etwas zu verzeichnen, nachdem der irrtümliche Themistokles ausgeschlossen wurde. Allerdings finden wir den Namen Perikles, der zwar in den Papyri nicht sehr verbreitet ist, aber kaum eine solche Rarität wie Agis und Agesilaos darstellt. Am aussagekräftigsten ist vielleicht die außergewöhnliche Popularität des Namens Isokrates in Douch und Ain Waqfa, wenn er auch in Kellis bislang noch nicht aufgetaucht ist. Dieser Name ist im römischen Ägypten überhaupt nicht üblich – es gibt ein paar Beispiele aus dem ersten Jahrhundert, dann aber eine Lücke, abgesehen von einem einzigen Zeugnis aus der Marmarika, dem Gebiet westlich von Alexandria an der Mittelmeerküste, aus dem späten zweiten Jahrhundert. Ich denke, daß hierzu auch der Name Nikokles zu stellen ist, den ein Gutsverwalter aus Trimithis des vierten Jahrhunderts trägt, der auch eine Reihe von Quittungen unterzeichnet hat; Nikokles, König von Salamis auf Zypern, war nämlich Gegenstand zweier Reden des Isokrates. Ansonsten erscheint dieser Name nur in ptolemäischen Papyri. Demosthenes ist ebenfalls gut bezeugt, aber in Kellis. Vielleicht gab es eine Rivalität zwischen den Oasen – daß man in Kharga Isokrates bevorzugte und in Dakhla Demosthenes –, aber wahrscheinlicher ist dies nur dem Zufall geschuldet. Der Name des großen Redners findet sich in den Papyri gar nicht selten, al63

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lerdings stammen die Zeugnisse größtenteils entweder aus der Ptolemäerzeit oder aus der Großen Oase, oder sie datieren nach dem vierten Jahrhundert. Die Namen Theophrast (nur aus ptolemäischen Papyri bekannt) und Polybios (selten) tragen dazu bei, das Bild auf der literarischen Seite zu vervollständigen, und der Name Rhoimetalkas auf der historischen. Allerdings ist es im letzteren Fall schwer, hierhinter nicht den Namen eines thrakischen Siedlers aus einer früheren Epoche zu vermuten – frühe Ptolemäerzeit, nehme ich an, der irgendwie bis in das Trimithis des vierten Jahrhunderts gelangt ist, ohne in Ägypten je bezeugt gewesen zu sein, außer in einem Graffito aus dem Tal der Könige. Was fangen wir nun mit diesem Befund an? Zunächst sind zwei Dimensionen der Analyse im Auge zu behalten, von denen die eine chronologischer Natur ist. So erscheinen die meisten dieser Namen, wenngleich längst nicht alle, vornehmlich in Papyri aus der ptolemäischen Zeit, als Griechen aus der ganzen hellenischen Welt kamen, um sich in Ägypten niederzulassen: Soldaten aus der Armee Alexanders des Großen; Kyrenäer, die in die Dienste der Ptolemäer traten; Söldner aus der gesamten Ägäis und dem griechischen Mutterland; sowie Wirtschaftsimmigranten aus vielerlei Gegenden. Die Anzahl hellenisierter Ägypter mit ihrem Schwergewicht auf theophoren oder dynastischen Namen war noch nicht so groß. Über die Zeit hinweg, so mein allgemeiner Eindruck, ist das Repertoire griechischer Namen in Ägypten stark verarmt, so daß die populärsten Namen einen immer größeren Anteil am Gesamten bekamen – es greift das Potenzgesetz, um es mathematisch zu formulieren. Zu einem großen Teil ist dies wohl das Resultat der großen Beliebtheit griechischer Namen, die als Lehnübersetzungen ägyptischer theophorer Namen angesehen werden konnten – so etwa Kronion für Pakoibis, so daß ‚Sohn des Kronos‘ dem ‚Mann, der zu Geb gehört‘, gleichgesetzt wurde – oder wenigstens ähnlich klangen wie beispielsweise Sokrates im Fall der Namenskombinationen mit Sobek, dem lokalen Krokodilgott, im Fayum. Ohne Zweifel spielte der zunehmende Verlust der Bindung zu den Herkunfts64

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ländern der Eingewanderten ebenfalls eine Rolle, da die Namen mit einem sehr lokalen Kolorit zugunsten vertrauterer Namen allmählich verschwanden. Dieser Prozeß ist, soviel ich weiß, niemals untersucht worden, aber es würde sich lohnen, dies einmal zu tun. Denn er ist Teil der Herausbildung einer gräkoägyptischen Identität, die die Nachkommen der Einwanderer und diejenigen Ägypter, die Stellungen in der königlichen Verwaltung erlangten, miteinander verband. Die letzten Spuren der alten Namen können noch im ersten Jahrhundert nach Christus beobachtet werden; im zweiten Jahrhundert war die gräko-ägyptische Synthese vollendet. Aber dann kamen einige der alten Namen wieder, was allerdings erst ab der Mitte des dritten Jahrhunderts geschah. In der Tetrarchenzeit und im vierten Jahrhundert finden wir jedenfalls mehr an alten griechischen Namen als in den Papyri des zweiten und frühen dritten Jahrhunderts. Dennoch ist nur ein Teil des Repertoires zurückgekehrt. Es ist daher nicht so, als ob die Namen der Vorfahren in Dokumenten auf dem Dachboden gefunden und nun für eine neuere Generation wiederbelebt worden wären, so als ob ein Amerikaner heute einen Vorfahren mit Namen Elnathan aus dem Jahr 1794 finden und diesen Namen einem ahnungslosen Kleinkind anhängen würde. Die Quelle ist vielmehr anderswo zu suchen. Die zweite Dimension ist eine geographische. Da wir aus den ersten 250 Jahren römischer Herrschaft in den Oasen nur eine unbedeutende Anzahl von Dokumenten haben, kommt man in dieser Hinsicht nicht sehr weit. Wir wissen einfach nicht, was in Kharga und Dakhla in der Zeit von Augustus bis zu den Gordianen passiert ist. Aber als die Renaissance klassischer Namen einsetzt, ist sie in der Großen Oase viel markanter als sonst irgendwo. Der Prozentsatz an Zeugnissen für viele dieser Namen in dem Befund aus der Oase steht in keinem Verhältnis zu ihrer absoluten Anzahl in den ägyptischen Papyri und Ostraka. Sowohl Kharga als auch Dakhla nehmen daran Anteil, und viele der Namen tauchen in Dokumenten aus beiden Oasen auf. Leider besitzen wir keine Dokumente aus Siwa, die darüber etwas aussagen 65

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könnten, und auch nicht viele aus Bahariya, aber tschechische Ausgrabungen haben kürzlich Ostraka zutage gefördert, was meine Hoffnungen diesbezüglich steigen läßt. Die Namen, die nicht zugleich in Dakhla und Kharga, sondern bisher nur in einer der beiden Oasen erscheinen, mögen Zufallsergebnisse sein, denn unser Textmaterial aus den Oasen ist in geographischer und chronologischer Hinsicht immer noch sehr eingeschränkt. Ich sollte auch noch eine dritte Dimension würdigen, die ich schon früher kurz erwähnt hatte, nämlich die des Geschlechts. Wir wissen, daß im Namensrepertoire der Papyri ägyptische Namen tendenziell die Oberhand haben, was für Frauennamen noch mehr als für Männernamen gilt. Innerhalb der gleichen Familie werden wir daher immer mehr Männer mit griechischen Namen finden als Frauen, und zwar auch unabhängig von ihrem sozialen Status. Der Befund der Oasentexte, in denen keiner der bislang erwähnten Namen zu einer Frau gehörte, mag daher nichts als ein weiteres Beispiel für diese Regel darstellen. Aber vielleicht steckt dahinter auch noch ein wenig mehr. Selbst wenn die Einwohner von Kellis nicht gleich ihre Kinder nach Isokrates nannten, wurden die Werke dieses Redners doch dort gelesen. Dies ist vor allem einem der frühesten Funde in diesem Ort zu entnehmen, einem hölzernen Codex mit drei der kyprischen Reden, der zusammen mit dem landwirtschaftlichen Rechnungsbuch gefunden wurde. Wie sich bei näherer Betrachtung herausstellen sollte, hat dieses Buch wahrscheinlich einem Lehrer gehört. Am auffälligsten ist indessen der Umstand, daß der erste Teil entweder von derselben oder jedenfalls einer von derjenigen des Rechnungsbuchs nahezu ununterscheidbaren Hand stammt. Damit haben wir hier ein wertvolles Zeugnis für die Verbindungen zwischen literarischer Bildung und der Schar von Gutsverwaltern und Steuereintreibern vor uns, die das römische Ägypten recht eigentlich am Laufen hielten – für dieselbe Gruppe also, der auch der berühmt-berüchtigte Steuereintreiber Sokrates aus Karanis angehörte. In Kellis ist in den letzten Jahren ein gigantisches Haus mit über 400 Quadratmetern Fläche ergraben worden, und Teile der 66

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darin enthaltenen Malereien konnten inzwischen von Colin Hope und Helen Whitehouse publiziert werden. Einige davon sind im Dekor den grünen und roten Räumen von Amheida ähnlich, andere den Paneelen. Wieder andere repräsentieren Dekorationstypen, die in Amheida bislang ohne Parallelen sind. In der Ecke eines dieser bemalten Räume wurden Fragmente des ersten Buches der Odyssee gefunden. Dies mag an sich nicht furchtbar mitreißend sein, da Homerpapyri sehr verbreitet sind, aber es dürfte schwer fallen, sich nicht durch die Homerparodien auf Holztäfelchen beeindrucken zu lassen, die ebenfalls in Kellis gefunden wurden. Ein anderer Ort in Dakhla hat uns endlich originale griechische Poesie verschafft, die in grober Weise auf einen der Zugänge zum Amun-Nacht-Tempel in Ain Birbiyeh geritzt war. Vom Tempel abgesehen ist diese Fundstätte bislang kaum erforscht, da die starke Bodenbewirtschaftung rund um das Areal herum und teilweise sogar auf ihm selbst ein ziemlich alptraumhaftes Feld von zerlaufenem Lehmschlamm hinterlassen hat. Ein geophysikalischer Survey hat jedoch gezeigt, daß es ein großes Dorf und an Umfang und Reichtum um einiges größer als Kellis war. Aufgrund der Feuchtigkeit werden wir von dort niemals die Art von Dokumenten oder Wandmalereien wie in Kellis erwarten können, aber es dürfte sie ohne Zweifel gegeben haben; die Inschrift aus dem Tempel bietet hier nur eine Kostprobe dessen, was einmal existiert hat. Kultur ist freilich viel mehr als nur Dichtung und Malerei. In den vergangenen zwei Grabungskampagnen ist es uns gelungen, eine Archäozoologin bei uns zu haben, die auf die Überreste von Tieren spezialisiert ist und alle Knochen untersucht hat, die in Amheida während der letzten sechs Kampagnen gefunden worden sind. Pamela Crabtree berichtete, daß das Haus des Serenos voll von Schweine- und Hühnerknochen gewesen sei – Anzeichen vielleicht einer römischen Ernährungsweise. Ein kleineres Gebäude im Areal 1, Haus B2 genannt, war hingegen voll von Ziegen-, Esel- und Rinderknochen, dazu noch ein paar von einer wilden Gazelle – eine durchweg ägyptische Ansammlung. Dieses 67

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selbe Haus (Abb. 16), das durch meine Schülerin Anna Boozer im Rahmen ihres Promotionsprojekts ausgegraben wurde, hat Emmerkorn zutage gefördert, ein weiteres typisch ägyptisches Nahrungsmittel, das der griechischen oder römischen Ernährung fremd ist und nach der frühen Kaiserzeit in der papyrologischen Evidenz fast vollständig fehlt. Auch andere Indizien bestätigen die Unterschiede zwischen den beiden Häusern. Jedoch nicht etwa, weil in B2 Angehörige einer niedrigeren Gesellschaftsschicht gewohnt hätten; schließlich war es etwa 120 qm groß, befand sich an der Hauptstraße und war wahrscheinlich das Heim von jemandem, der auf mittlerer Ebene in der Gutsverwaltung oder im Transportwesen beschäftigt war. Dennoch ist klar, daß es zwischen dem gesamten Lebensstil der Bewohner der beiden Häuser eine tiefe Kluft gab. Wenn man die überdachten Gassen von Trimithis zum Haus von Serenos entlangging, hatte man jedenfalls nicht den Eindruck, daß man das Milieu einer ägyptischen Oase verlassen habe. Aber wenn man durch die Tür ins Innere trat, veränderte sich der Eindruck vollkommen, wie es auch in den Wohnräumen von Kellis der Fall war. Die Ausstattung des Empfangsraums vermittelte dem Besucher auf einen Blick, daß die Bewohner einem Teil der Gesellschaft angehörten, der über die traditionelle griechische paideia verfügte bzw. in der für die Kaiserzeit typischen römischen Variante dieser kulturellen Prägung zuhause war. Wenn man das Abendessen auftischte, wird es die übliche Kost aus dem Mittelmeerraum enthalten haben und Fleisch, das einem römischen Gaumen entsprach. Es wird wahrscheinlich auf einem stibadium serviert worden sein, einem halbkreisförmigen Speisesofa wie dem, das die Familie in der zweiten Phase des Hauses in der benachbarten Straße baute in einer Form, wie sie für die römische Welt ab dem dritten Jahrhundert charakteristisch war (Abb. 17). Getrunken wurde Wein. Der Hausherr mochte sich als Gastgeber mit seinen Gästen im Austausch von Dichterzitaten messen und sie vielleicht auch damit aufziehen, daß er ihnen nach dem Essen den Trank der Helena kredenzen würde.

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Fünf Minuten zu Fuß entfernt sah die Welt völlig anders, nämlich sehr viel ägyptischer aus. Direkt neben dem Haus gab es einen großen Innenhof mit Tieren, die dem Besitzer als tägliche Lebensgrundlage dienten. Er führte seine Bücher zwar auf Griechisch, aber die Wände waren abgesehen von einem Kalkanstrich ohne jedes Schmuckelement, und weder begrüßten klassische Mythologie in kunstvoller Darstellung noch klassische Literatur den Gast, dem ein Brot aus Emmerkorn und vielleicht der Rücken einer Ziege oder als Vorzugsbehandlung eine frisch gefangene Gazelle vorgesetzt wurde. Auch hier wurde allerdings wahrscheinlich Wein getrunken, denn Bier hatte zu dieser Zeit seine dominante Stellung in der ägyptischen Trinkkultur verloren. Dieses Haus blieb zwar nicht völlig unberührt von den 600 Jahren griechischer und römischer Herrschaft in Ägypten, aber es erinnert uns daran, wie unterschiedlich und individuell die Integration der Bevölkerung einer abgelegenen Stadt wie Trimithis in das römische Reich ausfallen konnte. Ein paar hundert Jahre früher hatte man eine weitaus typischere ägyptische Tradition beibehalten, nämlich die Pyramide. Weit davon entfernt, nur ein Merkmal des Alten Reichs oder auf königlichen Status begrenzt zu sein, stellten Pyramiden zu allen Zeiten einen allgegenwärtigen Bestandteil ägyptischer Funerärkultur dar. Jene aus der römischen Zeit haben üblicherweise nicht bis zu einer Höhe überdauert, die uns irgendeine konkrete Vorstellung von ihrem Aussehen vermittelte. In Trimithis jedoch finden wir die einzige noch stehende Lehmziegelpyramide aus der Kaiserzeit. Als wir mit unseren Arbeiten in Amheida begannen, stand noch ein Großteil des Mauerwerks, allerdings an den Ecken bereits unterhöhlt durch die Aktivitäten von Schatzsuchern und dann in der Mitte gebrochen, wahrscheinlich als Ergebnis der Destabilisierung. Unser Architekt Nicholas Warner hat ein mehrjähriges Programm der Erforschung, Reinigung, Absicherung und partiellen Rekonstruktion der Pyramide durchgeführt (Abb. 18). Zum Abschluß der Arbeiten wurden die vorhandenen Mauerteile noch sichtbar belassen, aber vollständig durch

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neues Ziegelmauerwerk gestützt, um sie vor weiterer Erosion zu schützen. In der Tat gab es noch andere Pyramiden in der Oase. Wir haben eine weitere davon in der Nekropole südlich der Stadt, jedoch nicht ganz so gut erhalten; eine Reihe von ihnen hat auch auf dem Friedhof von Mut, der Hauptstadt der Oase, gestanden, genauer bei dem heutigen Bir el-Shaghala. Einige von ihnen wurden in den letzten Jahren von ägyptischen Archäologen ausgegraben, wobei unter den Pyramiden Grabkammern zutage traten, die in einem traditionell ägyptischen Stil dekoriert waren. Soweit wir es sehen können, ruht unsere Pyramide in Trimithis auf dem gewachsenen Fels auf, ohne daß darin eine unterirdische Anlage eingetieft wurde, aber sie ist von Nebenanlagen umgeben, unter denen sich auch Kapellen befinden könnten. Die Pyramiden in Mut weisen ein weiteres Merkmal auf, das den hybriden Charakter der frühen römischen Kultur in den Oasen erkennen läßt: Die Bereiche außerhalb des Eingangs zu den Kapellen waren im römischen Stil mit Bildfeldern dekoriert, genauso wie der äußere Innenhof des Tempels von Deir el-Hagar. Ein ägyptisches Dekor war zwar für das Innere religiöser Anlagen zwingend, für Tempel ebenso wie Gräber, aber es wurde bereits als ein besonderes kulturelles Erbe verstanden und war insofern nahezu auf diese inneren Räume beschränkt. Außerhalb davon war die Ästhetik eine griechisch-römische. Die öffentliche Dominanz der hauptstädtischen Kultur wird auch durch die römischen Bäder von Trimithis verdeutlicht, die wir im Laufe der Zeit freilegen konnten. Sie waren vor der Errichtung des Hauses B1 zerstört worden, so daß wir Spuren der Bäder nur in denjenigen Bereichen finden konnten, wo wir unterhalb des Fußbodenniveaus gelangten. Die erste Entdeckung – zu einem Zeitpunkt, zu dem wir überhaupt noch nicht an die Möglichkeit eines Badekomplexes dachten – war ein laconicum, d.h. eine aus Lehmziegeln erbaute Trockensauna mit einem nur dünnen Verputz und einer Hypokaustenheizung (Abb. 19). Unter dem Schulraum der Rhetorik kam ein weiterer rechteckiger Raum ans Licht, eine Zisterne. Daran angrenzend befand sich 70

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eine Latrine mit Abfluß in einem anderen Bereich des nördlichen Hofs und noch etwas weiter im Norden ein weiteres, mit dickem wasserdichten Putz ausgekleidetes Bad. Bei den Badeanlagen sind mindestens zwei Bauphasen nachzuweisen, denn noch unter dem Niveau des späteren Bades trat im großen Schulraum ein in eleganterer Weise gelegter Fußboden mitsamt einer Säulenbasis ans Licht. Der Gesamtplan wird nur langsam sichtbar, und wir werden wahrscheinlich niemals in der Lage sein, mehr als nur eine Teilansicht vor Augen zu haben. Aber wir wissen, daß die Badstrukturen sich unter dem Haus und unter der Straße an der Ostseite des Hauses weiter erstreckten und auch in Richtung Norden fortsetzten, wo wir im Jahr 2010 damit begonnen haben, eine große, mit Säulen versehene Halle auszugraben. Hierfür scheint viel Ziegelmaterial von den Bädern wiederverwendet worden zu sein, als die Halle gleichzeitig mit dem Haus B1 erbaut wurde, und auch einige Mauerzüge wurden in den Grundriß integriert. Die Geschichte dieses Gebäudes und die Art seiner Wiederbenutzung sind allerdings zur Zeit noch völlig unklar. Klar sind wir uns darüber, daß die kulturelle Geschichte von Trimithis weit in die Zeit vor der römischen Epoche zurückreicht. Wir haben noch nicht genügend Material aus den früheren Epochen ausgegraben, um ein kohärentes Bild liefern zu können, und was wir aus der pharaonischen Vergangenheit gefunden haben, ist außerhalb jeden Kontextes gewesen. Am bemerkenswertesten darunter war das Fragment eines Werkes aus dem Neuen Reich, das angehenden Schreibern in ägyptischen Schulen, häufig auch in Tempeln beigebracht wurde, welches in den nicht stratifizierbaren Schuttresten auf dem Tempelhügel gefunden wurde. Dieses Ostrakon, das von Olaf Kaper publiziert worden ist, liefert Spuren einer Art nationalen Curriculums zu jener Zeit. Wir können nur vermuten, wieviel mehr wir in den Oasen aus früheren Zeiten noch zu entdecken haben. Was die Kaiserzeit betrifft, können wir selbst bei unseren bisher noch beschränkten Arbeitsergebnissen erkennen, daß es Elemente sowohl der ägyptischen wie auch der griechischrömischen Kultur gab. Dies ist an sich nichts Überraschendes für 71

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jemanden, der mit der Kultur Ägyptens unter römischer Herrschaft vertraut ist. Ich möchte jedoch zwei wichtige Aspekte betonen: Zum einen sehen wir, daß zu Beginn der römischen Zeit die visuelle Kultur und die Dekorationsformen der Pharaonenzeit auf bestimmte Bereiche des öffentlichen und privaten Raumes begrenzt werden, nämlich auf das Innere von Tempeln und Grabkapellen. Gleichwohl blieben allgemeinere Spuren traditioneller ägyptischer Kulturpraktiken in vielen Haushalten zweifellos bis in das vierte Jahrhundert erhalten. Zum anderen ist zu sagen, daß, obwohl der Anteil der Bevölkerung, der an einer höheren griechischen Kultur partizipierte, begrenzt gewesen sein dürfte, die gebildete Elite weitaus mehr als eine nur oberflächliche Vertrautheit mit dieser höheren Kultur besaß und daß einige ihrer Errungenschaften sehr viel breiter innerhalb der Gesellschaft verteilt waren. Ich werde mit einigen Gedanken zu der Präsentation Amheidas gegenüber zukünftigen Besuchern schließen. Nicht alle unserer Kollegen sind der Meinung, daß dies eine gute Idee sei, aber meiner Meinung nach ist es unumgänglich. Inzwischen kommen immer mehr Touristen in die Oase, und nahe der Grabanlage von Muzawwaka ist ein Besucherzentrum errichtet worden, um sie zu empfangen; auch wurden in den letzten Jahren einige ziemlich luxuriöse Hotels eröffnet. Wenn wir nicht vor Ort sind, sind die Wächter derzeit angehalten, keine Besucher zuzulassen, aber wir wissen, daß diese offiziellen Anweisungen nicht immer befolgt werden. Wir glauben daher, daß eine Interpretation der Befunde sowohl für die Touristen als auch die heutige Bevölkerung der Oasen Teil unserer Pflicht ist. Dennoch sind aus Lehmziegeln gebaute Anlagen äußerst anfällig und leicht zerstörbar. Die von uns so geschätzten Wandmalereien wären in wenigen Jahren verschwunden, wenn wir sie den Elementen und den Fingern der Touristen auslieferten. So haben wir bislang zwei Maßnahmen unternommen, um das Gelände auf Besucher vorzubereiten. Die erste betrifft den eingefriedeten Bereich, in welchem die in dem ersten Vortrag beschriebenen Tempelblöcke gesammelt wurden. Olaf Kaper ist 72

3. Die Kultur einer spätantiken Provinzstadt

dabei, diese in ihrer ursprünglichen Anordnung zusammenzustellen und in einer Weise zu präsentieren, die dem Besucher einen Eindruck davon vermitteln kann, wie manche der dekorierten Wände der antiken Kapellen ausgesehen haben mögen. Die zweite Maßnahme ist direkt daneben eine Wiedererrichtung von Haus B1, ebenfalls ein Ergebnis von Dr. Warners Zusammenarbeit mit der archäologischen Leitung unseres Projekts, die auf einer Computerrekonstruktion unserer Topographen fußt (Abb. 20). Natürlich zwingt die Rekonstruktion zu Festlegungen, die in einem wissenschaftlichen Bericht offen gelassen werden können: Das Haus ist als einstöckiges Gebäude errichtet, die heute verlorenen Fenster sind an einem bestimmten Ort und mit einer bestimmten Größe versehen, das hypothetische Flachdach ist anhand von Parallelen erstellt, die Eingänge sind rekonstruiert, und den Nischen wurde ihre Holzausstattung zurückgegeben. Da das Gebäude nun an seinem Ort steht, wendet sich unsere Aufmerksamkeit der gemalten Dekoration zu, um nachempfinden zu können, wie es war, dieses Haus in den 350er und 360er Jahren zu besuchen und darin zu leben. Dorothea Schulz hat mit Unterstützung studentischer Hilfskräfte bereits den grünen und den roten Raum ausgemalt. Die Bemalung des purpurfarbenen Raums steht noch aus, ebenso wie das umfangreiche, bislang nur teilweise bekannte Bildprogramm des zentralen Raumes mit seiner Kuppel, von der die unteren Felder im Jahr 2011 weitgehend fertiggestellt wurden. Wir freuen uns darauf, das Haus in nicht allzu ferner Zukunft eröffnen und es mitsamt der Rekonstruktion des Tempels in den Mittelpunkt unserer Bemühungen stellen zu können, die Besucher in die facettenreiche Kultur des römischen Trimithis zu entführen.

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LITERATUR (IN AUSWAHL)

Veröffentlichungen zu Amheida sind auf www.amheida.org verzeichnet, wo sich vieles davon auch gebührenfrei herunterladen läßt. Dort sind auch die jährlichen Berichte über die Arbeit vor Ort sowie detailliertere Grabungsberichte zu finden, die sich an die Fachwelt wenden und viele Informationen enthalten, die noch nicht in gedruckter Form zugänglich sind. ROGER S. BAGNALL, PAOLA DAVOLI, OLAF E. KAPER, HELEN WHITEHOUSE,

‚Roman Amheida: excavating a town in Egypt’s Dakhleh oasis‘, Minerva 17/6, 2006, 26–29. ROGER S. BAGNALL, GIOVANNI R. RUFFINI,

‚Civic life in fourth century Trimithis. Two ostraca from the 2004 excavations‘, Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 149, 2004, 143–152. ROGER S. BAGNALL, GIOVANNI R. RUFFINI,

Amheida I. Ostraka from Trimithis, Volume 1: Texts from the 2004-2007 Seasons, New York 2012. Zugänglich als Teil der Ancient World Digital Library der New York University: http://dlib.nyu.edu/awdl/isaw/amheida-i-otrim-1 Druckausgabe: http://nyupress.org/books/book-details. aspx?bookId=11246. ANNA BOOZER,

‚Globalizing Mediterranean identities: The overlapping spheres of Egyptian, Greek and Roman worlds at Trimithis‘, Journal of Mediterranean Archaeology 25, 2012, 93–116. Zugleich: https://www.equinoxpub.com/journals/index.php/JMA/article/ view/16355. ANNA BOOZER,

‚Forgetting to Remember in the Dakhleh Oasis, Egypt‘, in: Cultural Memory and Identity in Ancient Societies, hrsg. v. M. Bommas, London – New York, 2011, 109–126. ANNA BOOZER,

‚Memory and Microhistory of an Empire: Domestic Contexts in Roman

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Literatur (in Auswahl)

Amheida, Egypt‘, in: Archaeology and Memory, hrsg. v. D. Boric, Oxford 2010, 138–157. RAFFAELLA CRIBIORE, PAOLA DAVOLI, DAVID M. RATZAN,

‚A teacher’s dipinto from Trimithis (Dakhleh Oasis)‘, Journal of Roman Archaeology 21, 2008, 170–191. PAOLA DAVOLI,

‚Reflections on Urbanism in Graeco-Roman Egypt: a Historical and Regional Perspective‘, in: The Space of the city in Graeco-Roman Egypt: image and reality, hrsg. v. E. Subías, P. Azara, J. Carruesco, I. Fiz, R. Cuesta, Tarragona 2012, 69–92. PAOLA DAVOLI

(mit Beiträgen von Roger S. Bagnall und Olaf E. Kaper), ‚I Romani nel Deserto‘, Pharaon, Sep. 2006, 6–17. PAOLA DAVOLI, OLAF E. KAPER,

‚A New temple for Thoth in the Dakhleh Oasis‘, Egyptian Archaeology 28, 2006, 12–14. PAOLA DAVOLI, RAFFAELLA CRIBIORE,

‚Una scuola di greco del IV secolo d.C. a Trimithis (oasi di Dakhla, Egitto)‘, Atene e Roma 2010, 73–87. OLAF E. KAPER,

‚Tempel an der „Rückseite der Oase“: Aktuelle Grabungen decken eine ganze Kultlandschaft auf‘, Antike Welt 2, 2011, 15–19. OLAF E. KAPER,

‚A Kemyt Ostracon from Amheida, Dakhleh Oasis‘, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 110, 2010, 115–126. OLAF E. KAPER,

‚Epigraphic evidence from the Dakhleh Oasis in the Libyan Period‘, in: The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st– 24th Dynasties (Proceedings of a conference at Leiden University, 25–27 October 2007), hrsg. v. G. P. F. Broekman, R. J. Demarée, O. E. Kaper (Egyptologische Uitgaven 23), Leiden 2009, 149–159. Zugleich: https://openaccess.leidenuniv.nl/bitstream/handle/1887/14085/EU23_ Kaper.pdf?sequence=2 OLAF E. KAPER, ROBERT J. DEMARÉE,

‚A Donation stela in the name of Takeloth III from Amheida, Dakhleh Oasis‘, Jaarbericht Ex Oriente Lux 39, 2005, 19–37. DOROTHEA SCHULZ,

Die neue Villa des Serenus: Rekonstruktionsarbeiten in der Wüste‘, Antike Welt 2, 2011, 20–23.

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INDEX

Ain Asil 14. 33 Ain Birbiyeh 21. 26. 67 Ain el-Gedida 17. 29. 41–44. 49. 85 f. Ain el-Gezareen 14. 18 Ain es-Sabil 29. 43 Ain Manawir 34 Ain Waqfa 61–63 Ala I Quadorum 17. 47 f. Alaun 33. 40. 44 Alexander d. Gr. 24. 64 Alexandria 45 Altes Reich 13 f. 18. 26. 33. 36. 69 Amasis 20 Amun/Ammon 21–26 Amun-Nacht 21. 67 Amun-Re 26 angareia 49 annona 49 Antaiopolites 45 apatores 45 f. Aphrodite 59. 92 Aphrodites Kome 42 Aravecchia, Nicola 17. 29. 41 Ares 59. 92 Asphynis 49 Assuan 11. 42 Augustus 26 Badeanlagen 28. 70 f. 96 Bahariya-Oase (Kleine Oase) 34. 40. 49. 66 Banaji, Jairus 43

Bargeld 32 Baumwolle 38–40. 44 Berenike 33 Bes 23 Bingen, Jean 63 Bir el-Shaghala 70 Boozer, Anna 68 Bowen, Gillian 27 f. Brunnen 36 f. 40–42 centurio 49 Cheops 13 Chons 21. 23 Christentum 23 f. 26 f. Constantius II. 27 Constitutio Antoniniana 47 Crabtree, Pamela 67 Cribiore, Raffaella 17. 57 Dakhla-Oase (westlicher Teil der Großen Oase) passim Dareios I. 20 Davoli, Paola 17. 18. 24 Deir Abu Metta 28 f. 51 Deir Anba Hadra/St. Symeon 42 Deir el-Hagar 21 f. 70 Demosthenes 64 Demotisch 34 Dendera/Tentyra 49 Dio Chysostomos 24 Dioskoros-Archiv 42 Dipinti 56–59. 90 Domitian 19 Dorf 16. 40. 43

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Index

Dritte Zwischenzeit 19–21 Dupras, Tosha 38 Dynastie – 4., 6. 13 – 22., 23., 25. 20 El-Deir 48 f. El-Qasr 12. 18. 47 f. 49. 54 Emmer 68 f. epoikia 41–43 Ernährungsgewohnheiten 38 f. 67–69 Euripides 58 ezba 44 Fayum 40. 61. 65 Fischsauce 32 Fruchtbäume 35. 40. 44 Funerärkultur 69 f. Gebel Teir 62 georgion 42–44 Glas 32 Gnomon des Idios Logos 47 Gold 51 f. 55 Gott 24. 26 Graffiti 24. 26 f. 47. 58. 60–62. 64 Granodiorit 32 Gregor von Nyssa 24 Hathor 21 Herakles 57 Hibis/El-Kharga 26. 51 Hieratisch 14. 20 Himerius 57 hippotoxotai 49 Hirse 38 f. Holz 11. 13. 54. 57. 66 f. Hope, Colin 12. 41. 67 Horus 22 f. 24 Hypokausten 70. 96 Ilias 59 Isis 23 Isokrates 63. 66 Johannes Chysostomos 24 Johannes Moschos 51

Kamele 34 f. 44 Kaper, Olaf 17. 22. 24. 26. 71 f. Karanis 46. 67 Kellis Agricultural Account Book 12. 14. 35–37. 40. 66 Kellis/Ismant el-Kharab passim Keramik 14 f. 31. 51. 55 f. Kharga-Oase (östlicher Teil der Großen Oase) passim Kirchen 28–30. 41. 43 Klosteranlagen 28. 41 f. kômai 16. 40. 43 Konstantin d. Gr. 29 f. Koptos 44 Krokodilo 50 Kyrene 64 Kysis/Douch 45 f. 61–63 Latopolites 49 Leemhuis, Fred 48 Legio II Traiana 49 Lykopolis/Assiut 44 Manichäer 13 Marmarika 63 Mesobe 40 Militär 47–50. 64 Mons Claudianus 32 Mons Porphyrites 32 Mothis/Mut 12. 14 f. 22 f. 28. 50. 70 Münzen 30. 55 f. Musen 57 Mut 21 Muzawwaka 72 Myos Hormos 33 Necho II. 20 Neith 22 f. Nekropole 15 nekrotaphoi-Archiv 45–47. 62 Nesdjehuty 20 Neues Reich 14. 18. 26. 71 Notitia Dignitatum 17. 47–49 Odyssee 58. 67 Olivenöl 35 f. 39. 44

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Index

Olympiodor 38 f. Onomastik 22–24. 45 f. 61–66 optio 49 Origenes 24 Osiris 18 Osmanenzeit 48 Ostraka passim Ostwüste 23. 32 f. 44. 50 Oxyrhynchos 40. 58. 62 paideia 68 f. Panopolis/Achmim 45 Papyri passim pater 24. 27 f. 30 Perserzeit 20. 34 f. Petubastis I. 20 Philadelpheia 62 Pije 20 pmoun/hydreuma 37. 41–43 Pmoun Berri 42 f. Pmoun Emboou 43 Pmoun Harau 43 Pmoun Osire 43 Pmoun Tametra 41 Polis 40. 59. 92 Polybios 64 Porphyr 32 Psammetich II. 20 Pseudo-Plutarch 58 Ptolemäerzeit 22. 25. 35. 62–65 Pyramide 69 f. 95 Qaret el-Tub 49 Qasr Ibrim 38 Ramessidenzeit 18 Saitenzeit 34 f. Sarapis 23 Säulenhalle 21. 28. 47 Schai/Agathos Daimon 22 f. 61 Schreibtafeln 17. 57 Schule, ägyptisch 14. 18. 71

Schule, griechisch 57 f. 66. 90 f. Schulz, Dorothea 73 Septimius Severus 47 Seth 23 Siwa 25. 66 Sobek 65 Soldaten 47. 64 Speisesofa 68. 94 Stadt 16. 40. 59 Takelot III. 20 Tapschai/Tapsais 22 f. Tempel 14 f. 18–24. 26 f. 28. 41. 67. 70–72 Tentyriten 49 Testament 49 Tetrarchenzeit 49. 65 Theophrast 64 Thio 41 Thot/Hermes 15. 18. 20 f. 23. 26. 57 Tiberius II. 51 Tiernekropole 18 Titus 19 Tontäfelchen 14 Toparchie 40 Trimithis/Amheida passim Tripolitanien 36 Tutu/Tithoes 22 f. Verse 24 f. 57. 59. 67. 90 Vespasian 50 Wagner, Guy 38. 51. 61 f. Wandmalereien 53. 59–61. 67. 72. 92 f. Warner, Nicholas 69. 73 Wein 37. 68 f. Whitehouse, Helen 67 Wild, John Peter 38 Wirtschaft 15 f. 31–44 Worp, Klaas 46 Youtie, Herbert 45–47

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TAFELTEIL

Tafelteil

1 Karte der Großen Oase, mit dem Verhältnis zwischen Dakhla und Kharga Oase. Aus: R. S. Bagnall und D. W. Rathbone, Egypt from Alexander to the Copts, p. 250, fig. 9.1.1.

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Tafelteil

2 Amheida: Plan der Wohngebiete.

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Tafelteil

3 Ain el-Gedida: Plan des zentralen Grabungsareals.

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Tafelteil

4 Ain el-Gedida: Plan des Kirchenkomplexes.

5 Ain el-Gedida: Ansicht der Kirche von Osten.

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Tafelteil

6 Ostrakon mit in Tonpfropfen eingelassenem Etikett; Amheida inv. 14320.

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Tafelteil

7 Gutsgebäude mit Taubenhaus nahe Amheida, Dakhla Oase.

8 Amheida: Ansicht des Hauses des Serenos, von Norden.

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Tafelteil

9 Amheida: Plan des Hauses des Serenos.

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Tafelteil

10 Amheida: Haus des Serenos, Raum 15, Ostwand, griechisches Dipinto mit rhetorischem Text in Versen.

11 Amheida: Plan des Schulkomplexes im Norden des Hauses des Serenos.

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Tafelteil

12 Amheida: Schule, Sitzbank für die Schüler.

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Tafelteil

13 Amheida: Haus des Serenos, Raum 1, Szene mit den Göttern, die Ares und Aphrodite beim Ehebruch ertappen, mit Polis zur Linken.

14 Amheida: Haus des Serenos, Detail der Wandmalerei im „Grünen Raum“.

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Tafelteil

15 Amheida: Haus des Serenos, Detail der Wandmalerei im „Roten Raum“.

16 Amheida: Haus B2, Ansicht nach Ausgrabung, von Osten.

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Tafelteil

17 Amheida: stibadium (Speisesofa) in Straße 2, außerhalb des Hauses des Serenos.

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Tafelteil

18 Amheida: Pyramide, nach Restaurierung.

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Tafelteil

19 Amheida: Bäder unterhalb des Hauses des Serenos, Schwitzbad (laconicum).

20 Amheida: Haus des Serenos, digitale Rekonstruktion.

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Die Dakhla Oase, weit vom Niltal entfernt im tiefsten Inneren der ägyptischen Westwüste gelegen, war einer der abgeschiedensten Winkel des Römischen Reichs. Die Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, die uns nach den Ausgrabungen des letzten Jahrzehnts in Amheida, dem antiken Trimithis, und an anderen Orten dieser Oase entgegentritt, erweist sie jedoch als genuinen Teil der griechischsprachigen römischen Welt: Wir begegnen einer exportorientierten Wirtschaft, einheimischen Kulten, die im 4. Jahrhundert dem Christentum weichen, der allgegenwärtigen römischen Armee und nicht zuletzt der vertrauten griechischen Bildung in Literatur und Rhetorik auf durchaus gehobenem Niveau. Roger Bagnall beschreibt und illustriert die Ergebnisse der neuen Ausgrabungen in der Oase und zeigt, welch neue Erkenntnisse über viele auch allgemeinere Fragen der Geschichte der Spätantike daraus zu ziehen sind.

ISBN 978-3-515-10373-2

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