Sintflut: Prophetie und Zeitgeschehen in Texten und Holzschnitten astrologischer Flugschriften 1488-1528 9783110962000, 9783484350267


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German Pages 569 [576] Year 1993

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Table of contents :
1. Einleitung
2. Das Bild als Quelle des Historikers
3. Astrologisch-prophetische Hauptschriften: Johannes Lichtenbergers ‘Pronosticatio’ (1488) und Joseph Grünpecks ‘Spiegel’
3.1. Johannes Lichtenbergers ‘Pronosticatio’
3.2. Joseph Grünspecks ‘Spiegel der himmlischen, natürlichen und prophetischen Sehungen’
3.3. Exkurs: Die ‘Anonyme Praktik’
4. Weltuntergangsprophetie und Zeitgeschehen: Die Flugschriftendebatte über die Vorhersage einer Sintflut im Jahre 1524
4.1. Die Sintflutdebatte bis 1519
4.2. Die Schriften zur Lichterscheinung über Wien im Januar 1520
4.3. Die Sintflutdebatte 1521–1524
4.4. Zusammenfassung
4.5. Die Sintflutschriften – eine Sonderform der astrologischen Flugschriften?
5. Ausblicke
5.1. Reaktionen und Reflexionen zur Sintflutdebatte
5.2. Die astrologischen Jahresvorhersagen in den Jahren 1524 bis 1528
5.3. Evangelische Astrologiekritik nach 1524
6. Schlußbetrachtung
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Abbildungen
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Sintflut: Prophetie und Zeitgeschehen in Texten und Holzschnitten astrologischer Flugschriften 1488-1528
 9783110962000, 9783484350267

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STUDIEN UND TEXTE ZUR SOZIALGESCHICHTE DER LITERATUR

Herausgegeben von Wolfgang Frühwald, Georg Jäger, Dieter Langewiesche, Alberto Martino, Rainer Wohlfeil

Band 26

Heike Talkenberger

Sintflut Prophetie und Zeitgeschehen in Texten und Holzschnitten astrologischer Flugschriften 1488-1528

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1990

Redaktion

des Bandes:

Rainer

Wohlfeil

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Talkenberger, Heike: Sintflut : Prophetie und Zeitgeschehen in Texten und Holzschnitten astrologischer Flugschriften 1488 - 1528 / Heike Talkenberger. - Tübingen : Niemeyer, 1990 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur ; Bd. 26) NE: GT ISBN 3-484-35026-1

ISSN 0174-4410

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1990 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck und Buchbinder: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt

INHALT

1. Einleitung 2. Das Bild als Quelle des Historikers 3. Astrologisch-prophetische Hauptschriften: Johannes Lichtenbergers 'Pronosticatio' (1488) und Joseph Grünpecks 'Spiegel' 3.1. Johannes Lichtenbergers'Pronosticatio' 3.2. Joseph Grünspecks 'Spiegel der himmlischen, natürlichen und prophetischen Sehungen' 3.3. Exkurs: Die 'Anonyme Praktik'

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4. Weltuntergangsprophetie und Zeitgeschehen: Die Flugschriftendebatte über die Vorhersage einer Sintflut im Jahre 1524 4.1. Die Sintflutdebatte bis 1519

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4.2. Die Schriften zur Lichterscheinung über Wien im Januar 1520 4.3. Die Sintflutdebatte 1521-1524 4.3.1. Die astrologischen Schriften 4.3.2. Die evangelische Astrologiekritik 4.4. Zusammenfassung

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4.5. Die Sintflutschriften - eine Sonderform der astrologischen Flugschriften?

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5. Ausblicke 5.1. Reaktionen und Reflexionen zur Sintflutdebatte 5.2. Die astrologischen Jahresvorhersagen in den Jahren 1524 bis 1528 5.3. Evangelische Astrologiekritik nach 1524 5.3.1. Evangelische'Gegenpraktiken' 5.3.2. Luther und die 'Pronosticatio' Lichtenbergers 6. Schlußbetrachtung

336 336 346 354 354 368 379

Anhang

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Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis

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Quellenverzeichnis Abbildungen

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1. EINLEITUNG "Nachdem vnndter anndern vast grossen vnd schwären verderbügen gemainer Cristehait auch vnder souilen vberfallunge der grausame Türcken / in solicher zertaylung Christlicher ainigkait / vnd schedlichen verderbliche kriegen / so sich zwischen den glaubigen langwirig hallten. Darzw nach so menigfeltigen wunderberliche zaichen / so an vil ortten am hymel erschine / nach erschreckhliche sterbsleüffen / daiyber auff klegliche ableybung Kayser Maximilians hochlSblicher gedechtnüß / ein grosses geschrey erschollen ist / von de M.D.vn. xxiiij. jar / als sol dz selb diser wellt vndergang bringe / darüb das im Almanach angezeigt / wie im Hornüg wundperlich zamfugung vn naigüg der planete beschehe werde. Solichs geschray hat nach seiner art nit allain d mensche gemut bewegt sond auch dy vernünftige zweifelhaftig gemacht / aber etlich also erschreckt / das sy furtan jr Sache nit wissen zu ordnen / v'kauffen ligende gutter / erkauffen nithtz (!) dz fayl ist / darüb das sy dz gelt leychter den and ding auf dy berg zebringe vermaine. Etlich ander vnderlassen heyrat / verpündnüß / geistlich zuwerde / pawen vn arbayte llssigküch / als ob jnen dz gut in kürtz nyiner nutz sein werde."(Alb)1 So beginnt eine Schrift, die im Jahre 1523 der anerkannte Mathematiker und Astrologe Georg Tannstetter (Collimitius) bei Singriener in Wien drucken ließ. Tannstetter gibt eine detaillierte Beschreibung der Ängste und Befürchtungen sowie der daraus resultierenden Reaktionen der Wiener Bevölkerung in jenen Jahren. Zentrale geschichtliche Ereignisse und Entwicklungen, so seine Beobachtung, hätten massiv das Gefühl der Bedrohung und Verunsicherung entstehen lassen: das Heranrücken der Türken, spätestens seit dem Fall Konstantinopels 1453 ins öffentliche Bewußtsein getreten,2 die fortdauernden Auseinandersetzungen der Christen untereinander, worunter etwa die machtpolitischen Kämpfe zwischen Habsburg und Frankreich, aber auch der reformatorische Streit um den rechten Glauben im Reich verstanden werden können, schließlich der Tod Maximilians 1.1519, der Trauer und Bestürzung, auch Unruhen, hervorgerufen hatte.3 Weiterhin hätte die ständige Bedrohung durch "sterbsleüffen", 1

Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523.

2

Aus der Vielzahl der Veröffentlichungen zur Türkenfrage im 15. und 16. Jahrhundert sei zur ersten Orientierung genannt: Carl Göllner: Turcica - Die europäischen Türkendrucke des 16. Jahrhunderts. 3 Bde. Bukarest, Berlin 1961; Bukarest, Baden-Baden 1968.

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Vgl. zu den Reaktionen auf den Tod Maximilians Hermann Wiesflecker: Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit. 4 Bde. München 1981. Bd. 4: Gründung des habsburgischen Weltreiches. Lebensabend und Tod. 1508-1519, S.431f und S.438f. Eines der von Tannstetter genannten 'Wunderzeichen', die angebliche Erschei-

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d.h. durch tödliche Krankheiten wie Syphilis und Pest ein Grundgefühl der Angst erzeugt, das genährt wurde durch das Auftreten außergewöhnlicher Himmelserscheinungen, die, allesamt als 'Kometen' bezeichnet, als von Gott gesandte Vorboten kommenden Unglücks gedeutet wurden.4 Gerade im Januar 1520 waren am Wiener Himmel solche 'Zeichen' aufgetaucht und angstvoll beobachtet worden. Mit noch alarmierenderen Prognosen verknüpften einige Astrologen eine Konjunktion mehrerer Planeten im 'wässrigen' Sternzeichen der Fische 5 im Februar 1524, auf die schon die von Tannstetter als "Almanach" bezeichneten 'Ephemeriden' des Johannes Stöffler aufmerksam gemacht hatten.6 Die Vorhersage kam auf, es werde zu einer zweiten Sintflut kommen und der Untergang der Welt stehe bevor, was sogar die 'Vernünftigen' beunruhigte, wie Tannstetter betont. Durch die Sintflutvorhersage verstärkte sich dramatisch das durch die krisenhaften Erscheinungen der Zeit hervorgerufene Grundgefühl, in einer End-Zeit zu leben, ein Lebensgefühl, für das sich in zahlreichen zeitgenössischen Zeugnissen Belege finden lassen, wobei aber strittig ist, wie allgemein verbreitet das Krisenbewußtsein in der Bevölkerung in Wirklichkeit war.7 Auch wenn nicht übernung von drei Sonnen am Himmel, wie sie in Sachsen zur Mittagsstunde des Todestags Maximilians' beobachtet worden war, deutet Spalatin als Hinweise auf den Kampf ums Reich zwischen Spanien, England und Frankreich. Vgl. Georg Spalatin: Historischer Nachlaß und Briefe. Aus den Originalhandschriften hg. v. Gotthold Neudecker und Ludwig Preller. Bd. 1. Friedrichs des Weisen Leben und Zeitgeschehen. Jena 1851, S.57. 4

Vgl. Wilhelm Hess: Himmels- und Naturerscheinungen in Einblattdrucken des 15. bis 18. Jahrhunderts. Leipzig 1911; Heinrich Ludendorff: Die Kometen-Flugschriften des 14. bis 17. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Bücherfreunde. Jg. 12. Bd. 2 (1908/09), S.501-506; Bruno Weber (Hg.): Wunderzeichen und Winkeldrucker 1543-1586. Einblattdrucke aus der Sammlung Wickiana in der Zentralbibliothek Zürich. Zürich 1972; bes. die Einleitung S.2152.

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Unter einer Planetenkonjunktion versteht man das - von der Erde aus betrachtete - scheinbare Zusammentreffen zweier oder mehrerer Planeten in einem Tierkreiszeichen. Die Tierkreiszeichen werden einem der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft zugeordnet. Vgl. Franz Boll, Carl Bezold, Wilhelm Gundel: Sternglaube und Sterndeutung. Die Geschichte und das Wesen der Astrologie. Darmstadt 19746, S.34 und 54f. Die arabische Astrologie entwickelte eine Konjunktionenlehre, nach der diese Planetenkonstellation, insbesondere das Zusammentreffen von Jupiter und Saturn, für weltweite Veränderungen verantwortlich gemacht wurde. Einen knappen Abriß der astrologischen Literatur über die Konjunktionen bis ins 16. Jahrhundert bietet Gustav Hellmann: Aus der Blütezeit der Astrometeorologie. J. Stöfflers Prognose für das Jahr 1524. In: ders.: Beiträge zur Geschichte der Meteorologie. Bd. 1. Nr. 1. Berlin 1914 (Veröffentlichungen des königlichpreußischen Meteorologischen Instituts 273), S.3-102, S.5-24.

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Stöffler, Ephemeriden, Ulm, 1499. Vgl. dazu: Will-Erich Peuckert: Die große Wende. Das apokalyptische Saeculum und Luther. Neudruck der Erstausgabe Hamburg 1948. Darmstadt 1966. Vor einer Überbetonung

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sehen werden darf, daß neben apokalyptischen Erwartungen Hoffnungen auf eine bessere Zukunft bestanden, die Angst vor dem nahen Weltende, periodisch in der Geschichte wiederkehrend, kulminierte in den Jahrzehnten vor und nach der Zeitenwende um 1500; die Verstörtheit der Wiener Bevölkerung bildet keine Ausnahmeerscheinung.8 Tatsächlich mag es zu dem von Tannstetter beschriebenen Panikverhalten gekommen sein, das von dem Bestreben geleitet scheint, verpflichtende Bindungen an Besitz oder Mitmenschen zu vermeiden bzw. zukunftsorientiertes Handeln zu unterlassen. Selbst wenn der Historiker in Rechnung stellen muß, daß Tannstetter seine Beschreibung der Stimmungslage der Wiener übertrieben haben mag, diente sie ihm doch zur Rechtfertigung seines eigenen Vorhabens - sein Text stellt eine Widerlegung der Sintflutprophetie dar - so zeugt die fast überall in Europa lebhaft geführte Debatte um diese Prognose zumindest von großem Engagement der Astrologen, das sich über die zahlreich verbreiteten Prognostiken einem weiten Rezipientenkreis mitteilte. Diese Debatte, als "größter literarischer Streit auf dem Gebiet der Astrologie"9 bezeichnet, soll in ihrer Genese und historischen Bedeutung Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Die Fragestellung lautet zunächst: Wie partizipierten die astrologischen Flugschriften, insbesondere die Sintflutschriften, an der frühneuzeitlichen Öffentlichkeit und an der Kultur des frühen 16. Jahrhunderts? Welche Rolle spielten sie für den Meinungsbildungsprozeß und die Bewußtseinsbildung in den frühen 20er Jahren des 16. Jahrhunderts? Detaillierter soll nach der Wahrnehmung, Präsentation, Reflexion und Bewertung sozialer Konflikte sowie nach den Vorschlägen zu ihrer Lösung gefragt werden, sollen die Texte und Bilder der Schriften untersucht werden auf ihre Äußerungen zu Kirche und reformatorischen Bewegungen, zu Kaiser und Reich, außenpolitischen Gegnern und Glaubensfeinden sowie zu dem sich zuspitzenden Konflikt zwischen dem 'gemeinen Mann' 10 und der Obrigkeit. Insbesondere die im Rahmen der Sintflutdebatte des 'Verfalls' und der 'Dekadenz' im Spätmittelalter warnt zurecht Erich Meuthen, der den Begriff der "Entwicklungskrise" für das 15. Jahrhundert geltend macht. Ders.: Das 15. Jahr2 hundert. München 1984 , S.130. Zur Auseinandersetzung um ein "gesamtgesellschaftliches Krisenbewußtsein" zu Beginn des 16. Jahrhunderts s. Rainer Wohlfeil: Einführung in die Geschichte der deutschen Reformation. München 1982, S.73 und S.189-192. 8

S. dazu Rudolf Stadelmann: Vom Geist des ausgehenden Mittelalters. Studien zur Geschichte der Weltanschauung von Nikolaus Cusanus bis Sebastian Franck. Neudruck der Erstausgabe Halle/S. 1929. Stuttgart 1966, bes. S.223-275. Vgl. auch Jean Delumeau: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14.-16. Jahrhunderts. 2 Bde. Reinbek b. Hamburg 1985.

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Hellmann, Blütezeit, S.5. Zur Definition des Begriffs 'gemeiner Mann' s. Peter Blickle: Die Revolution von 1525. Studienausgabe. München, Wien 19832, S.195. Außerdem Wohlfeil, Einführung, S.109f. Zur Frage, ob auch Frauen mitgemeint waren s. Lyndal Roper: 'The common man', 'the

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geführte Auseinandersetzung zwischen Neu- und Altgläubigen wird untersucht werden. Gleichzeitig sollen die Formen betrachtet werden, mit denen die Autoren der Schriften ihre Stellungnahmen zu vermitteln und die Rezipienten zu beeinflussen suchten, sei es durch ihre Texte oder durch die Holzschnitte. In den Schriften zur Sintflutdebatte treffen zwei Traditionslinien der Weissagungsliteratur zusammen: zum einen die ab 1470 in Inkunabeldrucken nachweisbaren astrologischen Vorhersagen - Praktiken, Prognostiken oder Judicien genannt - zum anderen die jüdisch-spätrömischen bzw. christlichen Prophetien in ihrer Tradierung durch die mittelalterliche Literatur. Einige dieser Prophetien erschienen in frühen Drucken; so gab etwa 1496 Wolfgang Aytinger die Offenbarungen des Pseudo-Methodius und ein Traktat dazu bei Johannes Froschauer in Augsburg heraus.11 Als wichtigste Prophetienautoren galten Joachim von Fiore, die tiburtinische und erithräische Sibylle, Pseudo-Methodius, Merlin, Cyrillus, Adso von Montier-en-Der, Birgitta von Schweden und Hildegard von Bingen. Außerdem wurde auf die einschlägigen biblischen Prophetien verwiesen, etwa auf die Offenbarung des Johannes oder Bibelstellen, die auf den Antichristen hindeuten.12 Die Weissagungen entwickelten im Rahmen eines eschatologischen Erwartungshorizontes Vorstellungen vom Erscheinen des Antichrist, aber auch von einem Friedensreich vor dem Jüngsten Gericht, geführt von einem 'Friedenskaiser',13 oder, nach Joachim von Fiore,14 von einem 'Engelspapst'. common good', 'common women': gender and meaning in the German Reformation commune. In: Social History 12. Η. 1 (1987), S.l-21. 11

Pseudo-Methodius: Offenbarungen, Augsburg, Froschauer 1496 (Hain 11120). Zu Aytinger s. Friedrich Zopfl: Wolfgang Aytinger. Ein deutscher Zeit- und Gesinnungsgenosse Savonarolas. In: Zeitschrift für deutsche Geistesgeschichte 1 (1935), S.177-186.

12

Zum Antichrist vgl. 1 Joh. 2, 18ff. sowie 4, 1-6; 2 Joh. 7 und Apok. 13, 1-10. Textabdrucke der Prophetien finden sich bei Ernst Sackur: Sibyllinische Texte und Forschungen. Pseudomethodius, Adso und die Tiburtinische Sibylle. Halle/S. 1898. Textauszüge bei Bernhard McGinn: Visions of the End. Apocalyptic Traditions in the Middle Ages. New York 1979. Dort finden sich auch Angaben zu den einzelnen 'Propheten'. Zum Antichristmotiv s. Ernst Wadstein: Die eschatologische Ideengruppe: Antichrist, Weltsabbat, Weltende und Weltgericht in den Hauptmotiven ihrer christlich-mittelalterlichen Gesamtentwicklung. Leipzig 1896; Hans Preuß: Die Vorstellungen vom Antichrist im späten Mittelalter, bei Luther und in der konfessionellen Polemik. Ein Beitrag zur Theologie Luthers und zur Geschichte der christlichen Frömmigkeit. Leipzig 1906; Horst Dieter Rauh: Das Bild des Antichrist im Mittelalter: Von Tyconius zum deutschen Symbolismus. Münster 1973. (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters. Texte und Untersuchungen. NF 9).

13

Zur Kaiserprophetie s. Friedrich v. Bezold: Zur deutschen Kaisersage. München 1884 (Sitzungsberichte der Münchener Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-philologische und historische Klasse), S.560-606; Friedrich Lauchert: Materialien zur Geschichte der

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Während die Kaiserprophetien Reich und Kirche in die Utopie integrierten und vor allem das Kaisertum stabilisierten, trennten sich die im Kontext mönchischer Reformvorstellungen entstandenen joachimitischen Visionen, die auf einem dreistufigen Entwicklungsschema basieren, völlig vom gesellschaftlichen status quo und formulierten Kritik an den bestehenden kirchlichen Verhältnissen. Die umfängliche Forschungsliteratur zu diesem Komplex läßt erkennen, daß die Themen der Prophetienliteratur in jeweils neuen historischen Zusammenhängen aktualisiert und auf historische Persönlichkeiten oder Interessenskonstellationen in propagandistischer Absicht angewendet wurden. Prägnantes Beispiel hierfür ist der im ausgehenden 14. und frühen 15. Jahrhundert in der Prophetienliteratur geführte Streit um die Nationalität des zu erwartenden Friedenskaisers. Signum der monarchischen Weltherrschaft sollte der Name des Kaisers sein, wobei es für die beiden Namen Karl und Friedrich prophetische Traditionen gibt. Ein Kaiser namens Karl sollte für den Herrschaftsanspruch der französischen Monarchie stehen, während ein Kaiser Friedrich von den Propagandisten der deutschen Reichsherrschaft erwartet wurde.15 Im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert nahm vor allem die 'Pronosticatio' Johannes Lichtenbergers die Prophetien auf und verband sie mit astrologischen Vorhersagen zu aktuellen Zeitaussagen, ein Verfahren, das sich dann in den Sintflutschriften wiederfindet.16 Die astrologischen Jahrespraktiken17 dagegen sind ein Produkt der frühen Drucktechnik. Zwar sind astrologische Vorhersagen sowie frühe Kalenderformen18 schon im 12. Jahrhundert nachweisbar, doch als periodische Schriften erKaiserprophetie im Mittelalter. In: Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 19 (1898), S .844-872. 14

Zur joachimitischen Literatur s. Marjorie Reeves: The Influence of Prophecy in the Later Middle Ages. Oxford 1969; Delno West, Sandra Zimdars-Swartz: Joachim of Fiore. A Study in Spiritual Perception and History. Bloomington/Indiana 1983; Bernd Töpfer: Das kommende Reich des Friedens. Berlin 1964.

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Vgl. hierzu McGinn, Visions, S.246-248 sowie Franz Kampers: Die deutsche Kaiseridee in Prophetie und Sage. München 1896, S.110-147. Eine ausgezeichnete Studie zur Aktualisierung von Prophetien ist Robert E. Lerner: The Powers of Prophecy. The Cedar of Lebanon Vision from the Mongol onslaught to the Dawn of the Enlightenment. Los Angeles, Berkeley, London 1983. Wenig brauchbar dagegen Norman Cohn: Das Ringen um das Tausendjährige Reich. Revolutionärer Messianismus im Mittelalter und sein Fortleben in den modernen totalitären Bewegungen. Bern, München 1961.

16

Lichtenberger, Pronosticatio, lat., (Heidelberg 1488).

17

Vgl. Ernst Zinner: Sternglaube und Sternforschung. Freiburg 1959; ders.: Geschichte und Bibliographie der astronomischen Literatur in Deutschland zur Zeit der Renaissance. Stuttgart 19642, S.3-70.

18

Ludwig Rohner: Kalender und Kalendergeschichten. Wiesbaden 1978, bes. S.23-38.

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schienen die Praktiken erst in der Inkunabelzeit. Ihre Vorhersagen für ein oder mehrere Jahre leiten die Praktiken aus den Gestirnskonstellationen ab, wobei insbesondere die Konjunktionen, aber auch Sonnen- und Mondfinsternisse sowie 'Kometen' von Bedeutung sind. Die Autoren berufen sich auf griechische und arabische Autoritäten wie Ptolemäus, Aristoteles, Messahalla oder Albumasar. Die formale und sprachliche Gestaltung der Praktik zeichnet sich durch hohe Stereotypisierung aus. Gewöhnlich hat sie drei Hauptteile: die Einleitung mit Bemerkungen zur Wirkung der Planeten auf die irdische Sphäre, einen Vorhersageteil mit Prognosen über zahlreiche Bereiche des menschlichen Lebens und zum Schluß die Wettervorhersage. In der Regel schmückt die Schriften ein Titelholzschnitt, zuweilen finden sich auch mehrere Holzschnitte im Text. In der Einleitung betonen die Autoren, daß der Wille Gottes zwar allen Gestirnswirkungen übergeordnet sei, daß diese aber göttliche Warnungen anzeigen könnten. Informiert durch den Astrologen könne der Leser den Gefahren vorbeugen; daher dienten die Praktiken dem 'gemeinen Nutzen'. 19 Zwischen der Einleitung und dem Vorhersageteil stehen die Angaben zu den wichtigsten Gestirnskonstellationen und / oder die Festlegung der 'Jahresherrscher', worunter diejenigen Planeten zu verstehen sind, denen der stärkste Einfluß auf das Jahresgeschehen zugeschrieben wird; ausschlaggebend ist hier meist der Planetenstand beim Eintritt der Sonne in das Sternzeichen des Widders, also in den Frühlingspunkt.20 Die Vorhersage selbst ist dann in verschiedene Kapitel eingeteilt: Von den Früchten, von Krieg und Frieden, von Krankheiten, vor al-

19

So schreibt z.B. Wenzeslaus Budweis in seiner Praktik für 1492:"...wan eyn weyser man vil böses ... welche durch dy stern tzukünfftig seynd mag vorhindern So er dy natur der stern ader das geschieht von yn komede vor wissen ist ... wen warumb dy vorwissigen Schuß dy seynd mynner schade Hyrumb auff das nicht dy schreckliche der Sterne geschieht den vnderste dingen vnbewart bSse erschrecküg eynfurten Czu lobe gottes vnd ere seyner keuschisten iunckfrawen vnd muter Maria. Vber diß tzu gutem gericht der loblichen vnd heyligen vniuersitet leyptzk vnd den gemeynen menschen tzu nutz Wenceslaus ich vonn Budweyß eyn Weissagung... eynfuren wil." Budweis, Practica, dtsch., o.O., (1491) (A2b). Zum Begriff des 'gemeinen Nutzens' als Rechtsbegriff s. Walther Merk: Der Gedanke des gemeinen Besten in der deutschen Staats- und Rechtsentwicklung. In: ders. (Hg.): Festschrift für Alfred Schultze zum 70. Geburtstag. Weimar 1934, S.451-520, bes. S.451-502.

20

So definiert etwa Christopher von Glotz in seiner Praktik die Wahl des Jahresherrschers folgendermaßen: "Fleyssig angesehen die figur der zeyt So die sun eintryt den ersten puck des widers wirt gefunden der planet mars in de höchsten winckel der figur deß hymelß vn so hermes tf hochmeyster lert so ein planet ynn selbigen winckel erfunde wirt sol er fur ander zu eine herre diß iars erkorn werde vn aber er in eine zeychen ist darin er wenig gewalt hat wirt im geben ein hilff dz ist die sunne." Glotz, Practica, dtsch., o.O. (1495) (A2b). Eine andere Definition findet sich bei Virdung, der den Planeten 'herrschen' läßt, der im ganzen Jahr die vergleichsweise stärkste Position einnimmt. Virdung v. Haßfurt, Practica Deützsch., o.O. (1519) (Alb).

6

lern aber von den Geschicken der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen und Stände bzw. den verschiedenen Religionsgemeinschaften sprechen sie. Die Vorhersagen ergeben sich aus verschiedenen astrologischen Erklärungsmustern, die sich alle aus der Annahme ableiten, daß Veränderungen im System des Makrokosmos entsprechende Wirkungen auf den Mikrokosmos Mensch ausüben. In einer Lehre, die seit Gregor d.Gr. im Westen verbreitet ist, werden Mensch und Kosmos in einer Ganzheit gefaßt: "Omnis creaturae aliquid habet homo. Habet namque commune esse cum lapidibus, vivere cum arboribus, sentire cum animalibus, intellegere cum angelis."21 Weitere Entsprechungen werden über die Temperamenten- und Säftelehre hergestellt, die aus der Grundannahme entwickelt wurde, daß die vier im Makrokosmos vorkommenden Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft sich als Qualitäten im Menschen wiederfinden. 22 In seiner Charakterisierung dieser dem modernen naturwissenschaftlichen Kausalitätsdenken völlig zuwiderlaufenden Denkform als "mythisches Denken" hat Ernst Cassirer die Voraussetzung der Analogie zwischen Mensch und Kosmos so formuliert: "Der primäre Grund dafür, daß der Mensch dem Gesetz des Kosmos untersteht, liegt nicht sowohl darin, daß er vom Kosmos her stets erneute Einwirkungen erfährt, sondern darin, daß er, im verkleinerten Maßstab, der Kosmos selbst ist·"23 Das mythische Denken läßt Entwicklungen keinen Raum, die Beziehungen zwischen Mikro- und Makrokosmos werden statisch gedacht und sind letztlich nicht veränderbar. 24 Aus dem Gestirnseinfluß 25 ergeben sich 'Erklärungen' für Entstehung und Ablauf gesellschaftlicher und privater Konflikte, wenn man etwa die angenommene Wirkung des Mars betrachtet, die der Leiter der Stephansschule

21

Zit. nach Walter Blank: Mikro- und Makrokosmos bei Konrad von Megenberg. In: Klaus Grubmüller, Ruth Schmidt-Wiegand, Klaus Speckenbach (Hgg): Geistliche Denkformen in der Literatur des Mittelalters. München 1984 (Münstersche Mittelalterschriften 51), S.83100; S.86.

22

Vgl. Boll, Sternglaube, S.55 und Edward Grant: Art. 'Cosmology'. In: David C. Lindberg (Hg.): Science in the Middle Ages. Chicago, London 1978 (The Chicago History of Science and Medicine), S.267-302; bes. S.286-290.

23

Ernst Cassirer: Die Begriffsform im mythischen Denken. Leipzig 1922 (Studien der Bibliothek Warburg 1), S.35.

24

Vgl. Cassirer, Denken, S.38 und S.45.

25

Als Formel des Kompromisses zwischen Gestirnsdeterminismus und christlicher Willensfreiheit galt: "Astra inclinant, non necessitant." Boll, Sternglaube, S.39f. Vgl. auch John D. North: Art. "Astrologie". In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1. Zürich, München 1980, Sp. 1135-1145.

7

in Wien, Konrad von Megenberg, in seiner "Deutschen Sphära" von 134826 folgendermaßen beschreibt: "... war umb der stem streit bedäut vnd pluotvergiezen? daz ist dar vmb, daz ze den zeiten der stern kreft die lebleichen gaist auz dem menschen ziehent vnd machent daz behend pluot auzdünstend auz dem menschen, so nu der mensch trucken ist vnd hitzig, so ist er zornig vnd vicht gern, als wir sehen an haizen läuten ...".27 Die Verbindung zwischen planetaren Wirkungen und den Säften des Menschen wird deutlich. Konflikte entstehen demnach aus der Beziehung zwischen Mensch und Planeten, wobei auch hier die Konjunktionen der Planeten eine verstärkende Rolle spielen. Der Idealzustand der göttlichen Harmonie ist dagegen dem Menschen nur selten erreichbar. 28 Für die Vorhersagepraxis wurden speziellere Erklärungsmuster angewandt, wobei das wichtigste das System der 'Planetenkinder' ist.29 Es nimmt eine Zuordnung von gesellschaftlichen (Berufs-) Gruppen zu einzelnen Planeten vor. Die aus der Antike stammende Charakterisierung der Planeten, die aus deren Identifizierung mit antiken Göttern entstanden ist,30 wird analog zur Beschreibung der Eigenschaften der einzelnen Gruppen angewendet, wodurch sich folgende Paarungen ergeben können: Jupiter (gut, gerecht): Papst, hoher Klerus, Kaiser und Adel, als Berufsstand die Richter und Räte. In manchen Fällen steht auch Sol als Planet für die weltliche Herrschaft. Saturn (böse, alt, Tod, Elend): alte Menschen, alle, die mit 'niederen' Arbeiten befaßt sind, vor allem die Bauern, schließlich Mönche und Nonnen, da dem Saturn die Farbe schwarz zugeschrieben wird. Mars (böse, Feuer, Aggressivität): Ritter, Landsknechte, Räuber und andere Verbrecher sowie alle, die in ihrem Beruf mit Feuer umgehen, wie z.B. die Schmiede. Merkur (neutral, vermittelnd, schöpferisch, Intellekt): Studenten, Schreiber, Astrologen, Alchimisten, Kaufleute, Kunsthandwerker, Buchdrucker. Venus (meist gut, liebe und Kunst): Frauen, Sänger, Saitenspieler, Poeten, 26

Über Konrad v. Megenbergs Publikationen s.a. Hans Unterreitmeier: Deutsche Astronomie/Astrologie im Spätmittelalter. In: Archiv für Kulturgeschichte 65. Η. 1 (1983), S.21-43, S.24.

27

Zit. nach Blank, Mikrokosmos, S.93.

28

Durch die Sünde gilt der Mensch als herausgefallen aus der göttlichen Harmonie, auch die gesellschaftlichen Konflikte erklären sich letztlich daher. "Das Abweichen des Menschen von der von Gott vorgesehenen Ordnung ist nicht nur moralischer Verfall, sondern bewirkt ebenso das Aufbegehren der Gesellschaft gegen die ständischen Normen, Vernachlässigung politischer Notwendigkeiten (z.B. Herrschafts- und Friedenssicherung) und bewirkt ... die Unruhe im Kosmos." Blank, Mikrokosmos, S.100.

29

Anton Hauber: Planetenkinderbilder und Sternbilder. Zur Geschichte des menschlichen Glaubens und Irrens. Straßburg 1916.

30

Vgl. Boll, Sternglaube, S.48.

8

junge Leute. Luna (meist böse, weil wankelmütig und wechselhaft, Wasser): Schiffer, Fischer, Boten, Reisende, das 'gemeine Volk'.31 Auch die Völker oder Glaubensgemeinschaften erhalten 'ihren' Planeten: Mars steht für die Türken, Saturn für die Juden, Venus für die Moslems allgemein (hier in negativer Bedeutung als Göttin der Unkeuschheit) und Jupiter für die Christen.32 Es wird deutlich, daß alle Zuordnungen auf der Basis von gesellschaftlichen Werturteilen erfolgen; so sind etwa die Christen, aber auch die weltliche und geistliche Obrigkeit durch den 'guten' Jupiter vertreten. Entsprechend abgewertet werden dagegen die Glaubensfeinde, aber auch die sozial unterpriviligierten Gruppen durch ihre Repräsentation durch negative Planeten wie Saturn, Mars oder Luna. Das astrologische System der 'Planetenkinder' ist ein konservatives, auf die christliche Obrigkeit ausgerichtetes Strukturschema, das über das individuelle Geschick hinausgehende Vorhersagen zu gesellschaftlichen Entwicklungen formulieren kann. Außerdem steht für die Vorhersage der Zukunft einzelner Länder, Fürstentümer und Städte das System der 'geographischen Astrologie' zur Verfügung.33 So spannt die astrologische Jahrespraktik alle Geschehnisse in einen übergreifenden Erklärungszusammenhang ein und verspricht zudem Gewißheit über das künftige Geschick, wo sonst die Unsicherheit und Angst vor den Gefahren der Zukunft vorherrscht. Dabei trägt zu ihrer großen Beliebtheit nicht unwesentlich bei, daß sie zu allen Lebensbereichen des Menschen Vorhersagen treffen kann. Sie ist damit stärker als die prophetischen Schriften mit dem unmittelbaren Lebensalltag der Menschen verbunden und in diesen als wichtiges Orientierungsmittel integriert. Die Forschung hat lange Zeit den astrologischen Schriften wenig Beachtung geschenkt, stets standen bei der Betrachtung der Schriften des frühen 16. Jahrhunderts die reformatorischen Flugschriften im Mittelpunkt des Interesses. So liegt bis heute keine kommentierte Edition der astrologischen Schriften vor, von denen nur einzelne in Faksimiledrucken einer breiteren Öffentlichkeit zugäng-

31

Die Zuschreibungen können leicht differieren und gehen teilweise bis hin zu Beschreibungen der Physiognomie und der Charaktereigenschaften des 'Planetenkindes'. Vgl. Hauber, Planetenkinderbilder, S.22-27 und S.48-53.

32

Bei Budweis, Practica, dtsch., o.O. (1491) findet sich Entsprechendes (Bla), bei Glotz, Practica, dtsch., o.O. (1495) (A4a), bei Virdung, Practica Delitzsch., o.O. (1519) (A3a). Die Entstehung der Religionen wurde durch die Konjunktion des für die Religion stehenden Jupiter mit anderen Planeten begründet. Vgl. Heinz Artur Strauß: Der astrologische Gedanke in der deutschen Vergangenheit. München, Berlin 1926, S.66f.

33

Zur geographischen Astrologie s. Cassirer, Denken, S.27f. Zur babylonischen Form Boll, Sternglaube, S.lOf. Strauß bezeichnet die geographische Astrologie als "Grundlage für eine politische Astrologie". Strauß, Gedanke, S.64.

9

lieh gemacht wurden. 34 Dabei ist eine große Anzahl dieses 'Tagesschrifttums' erhalten geblieben; einige Drucke stellt etwa die Flugschriftensammlung Gustav Freytags zur Verfügung.35 Bis vor kurzem war ansonsten der Historiker auf die recht mühselige Suche nach den Einzelschriften in den verschiedenen Bibliotheken angewiesen, wobei erschwerend hinzukommt, daß die kleinen Schriftchen sie umfassen meist zwischen 4 und 10 Blatt - häufig in Sammelbänden zusammengefaßt und nicht einzeln katalogisiert wurden. Seit neuestem leistet nun die Mikrofiche-Sammlung der "Flugschriften des frühen 16. Jahrhunderts", von Hans-Joachim Köhler, Hildegard Hebenstreit-Wilfert und Christoph Weismann herausgegeben, 36 eine Hilfestellung, denn in ihr finden sich zahlreiche astrologische Flugschriften. Einen Überblick über die Gesamtproduktion der astronomischen und astrologischen Schriften von 1446 - 1630 bietet die Bibliographie von Ernst Zinner, 37 wobei jedoch einschränkend bemerkt werden muß, daß Zinners Angaben nicht immer zuverlässig sind und zudem die Identifizierung der gemeinten Werke wegen unzureichender Titelangaben manchmal unmöglich ist. Zu nennen ist neben den einschlägigen Bibliographien zu Inkunabeln und Drukken des 16. Jahrhunderts die "Bibliographie g6n6rale de l'astronomie jusqu' en 1880" von Jean Charles Houzeau und Albert Lancaster 3 8 Eine Fundgrube für den Nachweis astrologischer Deutungssysteme ist das "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens" von Hanns Bächtold-Stäubli.39

34

Auf die jeweiligen Faksimiledrücke wird bei der Besprechung der einzelnen Schriften hingewiesen.

35

Flugschriftensammlung Gustav Freytag. Vollständige Wiedergabe der 6265 Flugschriften aus dem 15.-17. Jahrhundert sowie des Katalogs von Paul Hohenemser auf Mikrofiche. Hg. v. d. Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt/M. Gustav-Freytag-Sammlung. München u.a. 1980/81. Einige Schriften zur Sintflutdebatte erwähnt schon Conrad Gesner in seiner Bibliotheca universalis. Zürich 1545.

36

Hans-Joachim Köhler, Hildegard Hebenstreit-Wilfert, Christoph Weismann (Hgg.): Flugschriften des frühen 16. Jahrhunderts. Mikrofiche-Sammlung. Lieferung 1-10. Zug 19781987.

37

Zinner, Geschichte.

38

Jean Charles Houzeau, Albert Lancaster: Bibliographie generale de l'astronomie jusqu'en 1880. Neudruck der Erstausgabe Bruxelles 1880-1889, London 1964. Astronomische Literatur, allerdings keine Praktiken, verzeichnet Marianne Winder: Α Bibliographie of German Astrological Works printed between 1465 und 1600 with locations of those extant in London libraries. In: Annals of Science 22 (1966/67), S.191-220. Über die Druckgeschichte früher wissenschaftlicher Werke informiert Elizabeth Eisenstein: Press as an Agent of Change. Communications and Cultural Transformations in Early Modern Europe. 2 Bde. Cambridge u.a. 1979, Bd. 2, S.453-574.

39

Hanns Bächtold-Stäubli, Eduard Hoffmann-Krayer (Hgg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 10 Bde. Neudruck der Erstausgabe Berlin, Leipzig 1925-1943. Berlin, New York 1986. Zu den Grundlagen der astrologischen Sterndeutung s. die Artikel von Viktor

10

Mit den Praktiken beschäftigte sich zuerst die an der Wissenschaftsgeschichte interessierte Forschung, wie etwa die von Gustav Hellmann, der in mehreren Publikationen vor allem die meteorologischen Schriften bibliographiert und auswertet. 40 Ebenfalls nur am Rande geht Lynn Thorndike in seiner "History of Magic and Experimental Science" 41 auf die politischen Vorhersagen der Schriften ein. Nur oberflächliche Erwähnung finden die Prognostiken außerdem in verschiedenen Werken zur Geschichte der Astrologie, so etwa im Standardwerk von Boll, Bezold und Gundel, 4 2 bei Braunsperger 4 3 bei Knappich oder bei Strauß. 44 Die literaturwissenschaftliche Forschung zur "Volks-" bzw. 'Trivialliteratur"45 ebenso wie die mediävistische Fachprosaforschung 46 steuern Informa-

40

41

Stegemann über 'Steradeutung*. Bd. 9. Nachtrag, Sp. 690-762 sowie 'Sternbilder'. Bd. 9. Nachtrag, Sp. 596-677. Gustav Hellmann: Die Wettervorhersage im ausgehenden Mittelalter (12.-15. Jahrhundert). In: Beiträge zur Geschichte der Meteorologie. Bd. 2. Nr. 8. Berlin 1917 (Veröffentlichungen des Königlich-preußischen Meteorologischen Instituts 296), S.167-231; ders.: Versuch einer Geschichte der Wettervorhersage im 16. Jahrhundert. Berlin 1924 (Abhandlungen der preußischen Akademie der Wissenschaften, Jg. 1924. Nr. 1. Physikalisch-Mathematische Klasse), S.l-54; ders.: Zur Entwicklungsgeschichte des astrologischen Lehrbuchs. In: ders.: Beiträge zur Geschichte der Meteorologie. Bd. 2. Nr. 6. Berlin 1917 (Veröffentlichungen des königlich-preußischen Meteorologischen Instituts 296), S.l-129. Lynn Thorndike: A History of Magic and Experimental Science. During the first 13 Centuries of our Era. 8 Bde. Bd. 4. New York I9603, Bd. 5 und 6 New York 19593. Vgl. auch Brian Vickers: Occult and Scientific Mentalities in the Renaissance. London 1984 sowie William J. Brandt: The Shape of Medieval History. Studies in Modes of Perception. New Haven, London 1966, bes. S.l-42.

42

Boll, Sternglaube, S 34-41.

43

Vgl. Gustav Braunsperger: Beiträge zur Geschichte der Astrologie der Blütezeit vom 15.-17. Jahrhundert. Diss. phil. München 1928, S.35-37. Für die vorliegende Fragestellung unergiebig Bernard Lovell: Das unendliche Weltall. Geschichte der Kosmologie von der Antike bis zur Gegenwart. München 1983.

44

Vgl. Wilhelm Knappich: Geschichte der Astrologie. Frankfurt/M. 1976, bes. S.199-207 und Strauß, Gedanke, S.61-69. Zur Geschichte der Astrologie s.a. Eugenio Garin: Astrology in the Renaissance. The Zodiac of Life. London 1983.

45

Jüngst erschienen Francis B. Biwart: Spätmittelalterliche Trivialliteratur. Methodologische Überlegungen zu ihrer Bestimmung und Erforschung. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Jg. 139. 244. Η. 1 (1987), S.14-33. Biwart setzt sich kritisch auseinander mit Rudolf Schenda: Kleinformen der Trivialliteratur aus sechs Jahrhunderten. In: Beiträge zur deutschen Volks- und Altertumskunde 10 (1966), S.49-66. S. außerdem Max L. Baeumer: Gesellschaftliche Aspekte der 'Volks'-literatur im 15. und 16. Jahrhundert. In: Reinhold Grimm, Jost Hermand (Hgg.): Popularität und Trivialität. Frankfurt/M. 1974, S.7-50, der zwar sozialhistorische Fragen berüht, aber auf astrologische Praktiken nicht eingeht. S.a. zur Literatur im 16. Jahrhundert: Ingeborg Spriewald u.a.: Grandpositionen der deutschen Literatur im 16. Jahrhundert. Berlin, Weimar 1972 (Deutsche 11

tionen zu den astrologischen 'Gebrauchstexten' bei, doch auch für diese Untersuchungen gilt, daß sie die historische Relevanz der Praktiken, ihre Aussagekraft für Konfliktbehandlung und reformatorische Auseinandersetzung i m frühen 16. Jahrhundert nicht berücksichtigen. Allemal trifft dies auf die kunsthistorischen Arbeiten über die Holzschnitte der Praktiken zu, die sich i m Unterschied zu den Texten des häufigeren reproduziert finden - vorzugsweise in Ausstellungskatalog e n - ohne daß sie jedoch dort immer die angemessene Kommentierung erfahren. 4 7 Einige interessante Analysen zu Druckgraphik mit astrologischen T h e m e n legt E w a Chojecka 4 8 vor, wobei sie dezidiert d e m Urteil entgegentritt, die astrologischen Darstellungen seien als bloße bildliche 'Übersetzungen'

des

Textes anzusehen. Vielmehr weist sie zurecht darauf hin, daß die Holzschnitte sich in eigenen Traditionslinien der Verbildlichung b e w e g e n und diese z.T. völlig unabhängig v o m Text behaupten. 4 9 D e n verschiedenen Darstellungstraditionen g e h e n kunsthistorische Arbeiten nach, z.B. die von R i e g l 5 0 und H a u b e r 5 1 über

Akademie der Wissenschaften der DDR. Zentralinstitut für Literaturgeschichte); Barbara Koenneker: Die deutsche Literatur der Reformationszeit. Kommentar zu einer Epoche. München 1975. 46

Gerhard Eis: Mittelalterliche Fachliteratur. Stuttgart 1962 (Realienbücher für Germanisten. Abt. D: Literaturgeschichte), bes. S.10-14, 45-48. Außerdem Peter Assion: Altdeutsche Fachliteratur. Berlin 1973 (Grundlagen der Germanistik 13).

47

Als Beispiel etwa der Titelholzschnitt zu Leonhard Reynmanns Praktika für 1523. Unzureichend kommentiert ist er in Werner Hofmann (Hg.): Luther und die Folgen für die Kunst. Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle v. 11.11.1983 - 8.1.1984. München 1983, S.177. Ebenso Adolf Laube u.a.: Deutsche Geschichte. Bd. 3. Die Epoche des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus von den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts bis 1789. Köln 1983 (Deutsche Geschichte in 12 Bdn.), S.144. Zum Holzschnitt und der Schrift Leonhard Reynmanns s. die Ausführungen S.197ff. dieser Arbeit. Abbildungen der Titelholzschnitte der Inkunabeln finden sich vor allem bei Albert Schramm: Der Bilderschmuck der Frühdrucke. 23 Bde. Leipzig 1920-1943. Titelholzschnitte der Sintflutschriften bei Paola Zambelli: Astrologia, magia e alchimia. In: Firenze e la Toscana dei Medici nell' Europa del Cinquencento, Bd. 4. Firenze 1980 (Esposizione del Consiglio d'Europa), S.400-418.

48

Ewa Chojecka: Astronomische und astrologische Darstellungen und Deutungen bei kunsthistorischen Betrachtungen alter wissenschaftlicher Illustrationen des 15.-18. Jahrhunderts. Berlin 1967 (Veröffentlichungen des staatlichen mathematisch-physikalischen Salons Dresden 4). Mit z.T. sehr gewagten Hypothesen Erich v. Beckerath: Geheimsprache der Bilder. Die astrologische Lehre und ihre Symbolik in der bildenden Kunst. Wien 1984.

49

Chojecka, Darstellungen, S.8f.

50

Anton Riegl: Die mittelalterliche Kalenderillustration. In: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 10 (1889), S.l-74.

51

Hauber, Planetenkinderbilder.

12

Monatsbilder auf Kalendern, von Saxl52 über Planetenillustrationen und von Gundel 53 über Dekansternbilder. In der historischen Forschung wurden die astrologischen Flugschriften erst Mitte des 19. Jahrhunderts als Quellen herangezogen. Der historischen Wirkung der Schriften möchte Johann Friedrich nachgehen, doch sein 1864 publiziertes Buch "Astrologie und Reformation. Oder die Astrologen als Prediger der Reformation und Urheber des Bauernkriegs"54 leidet, wie bereits an der Titelformulierung ersichtlich, an einer völligen Überschätzung der Rolle der astrologischen Literatur. Wegweisend ist dagegen Aby Warburgs 1919 erschienener Aufsatz "Heidnischantike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten", 55 dem wichtige Ansatzpunkte der sozialgeschichtlichen Einordnung einiger Holzschnitte astrologischer Schriften, insbesondere der Sintflutschriften, zu entnehmen sind. Hatte schon Jakob Burckhardt 56 das Bewußtsein über die große Bedeutung der Astrologie für Humanismus und Renaissance vertieft, so präzisiert Warburg die Rolle der Aufnahme und Verbreitung der antiken Astrologie für die Reformationszeit. Zur Wirkung der astrologischen Holzschnitte schreibt Warburg: "Die Furcht vor den wahrsagenden Naturwundern am Himmel und auf Erden, die ganz Europa teilte, wurde durch die Tagespresse in ihren Dienst genommen: War schon durch den Druck mit beweglichen Lettern der gelehrte Gedanke aviatisch geworden, so gewann jetzt durch die Bilderdruckkunst auch die bildliche Vorstellung, deren Sprache noch dazu international verständlich war, Schwingen, und zwischen Norden und Süden jagten nun diese aufregenden ominösen 52

Fritz Saxl: Beiträge zu einer Geschichte der Planetendarstellungen im Orient und Okzident. In: Islam 3 (1912), S.llSff. Zu Saturn und seinen 'Kindern': Raymond Klibansky, Erwin Panofsky und Fritz Saxl: Saturn and Melancholy. Studies in the History of Natural Philosophy, Religion and Art. London 1964, darin zur Ikonographie des Saturn S.196-216.

53

Wilhelm Gundel: Dekane und Dekansternbilder. Ein Beitrag zur Geschichte der Sternbilder der Kulturvölker. Glückstadt u. Hamburg 1936. (Veröffentlichungen der Bibliothek Warburg 1, 19); Bernhard D. Haage: Dekane und Paranatellonta des 'Astrolabium planum' in einem Nürnberger Fragment. In: Archiv für Kulturgeschichte 60 (1978), S.121-140.

54

Johann Friedrich: Astrologie und Reformation. Oder die Astrologen als Prediger der Reformation und Urheber des Bauernkriegs. München 1S64. Angemessener dagegen J. Rohr: Die Prophetie im letzten Jahrhundert vor der Reformation als Geschichtsquelle und Geschichtsfaktor. In: Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 19 (1898), S.447-466.

55

Aby M. Warburg: Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten. In: ders: Ausgewählte Schriften und Würdigungen. Hg. v. Dieter Wuttke. Baden-Baden 1979 (Saecula Spiritalia 1), S.198-304. Zu astrologischen Motiven in der Malerei s.a. ders.: Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara. In: Warburg, Schriften, S.173-199.

56

Jakob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Stuttgart 1987, S.530-596.

13

Sturmvögel hin und her, während jede Partei versuchte, diese "Schlagbilder" (wie man sagen könnte) der kosmologischen Sensation in den Dienst ihrer Sache zu stellen."5' Warburg konstatiert ein Geflecht von Wechselwirkungen und gegenseitigen Beeinflussungen, das den Einsatz der Druckgraphik bestimmte, wobei die Verbildlichungen, aber auch die schriftlichen Ankündigungen von kosmologischen Katastrophen oder Monstren für die Propaganda im Rahmen der reformatorischen Auseinandersetzung benutzt wurden. Indem Warburg einen differenzierten Zusammenhang zwischen astrologischer Prophetie und Reformationspropaganda herstellt, öffnet er ein Untersuchungsfeld, das noch nicht zureichend bearbeitet erscheint. So halten sich noch immer Pauschalurteile über Aussagekraft und Wirkung der Sintflut-Prognostiken, wobei die Spannbreite von der Behauptung ihrer historischen Bedeutungslosigkeit58 bis hin zur Identifizierung ihrer Anliegen mit dem der reformatorischen Flugschriften reicht.59 Wenn überhaupt auf die Graphiken der Schriften eingegangen wird, so häufig mit der Behauptung, es handele sich um "grelle Holzschnitte"60 mit angsteinflößender Wirkung. In Fortführung der Forschungsansätze Warburgs hat vor allem die italienische Historikerin Paola Zambelli präzisierend die Rolle der astrologischen Schriften im frühen 16. Jahrhundert zu umreißen versucht, wobei sie sich vornehmlich auf die spektakuläreren der deutschen und italienischen Texte zur Sintflutkontroverse bezieht. Mit ihren Ergebnissen und Hypothesen61 setzt sich die vorliegende Arbeit vornehmlich auseinander, ebenso wie mit den Beiträgen eines von Zambelli herausgegebenen Aufsatzbandes mit dem Titel "'Astrologi hallucinati'. Stars and the End of the World in Luther's Time."62 Die angespro-

57

Warburg, Weissagung, S35.

58

So etwa bei Max Steinmetz in seinem Aufsatz über Virdung von Haßfurt. Max Steinmetz: Johann Virdung von HaBfurt. Sein Leben und seine astrologischen Flugschriften. In: Hans Joachim Köhler (Hg.): Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit. Beiträge zum Tübinger Symposion 1980. Stuttgart 1981 (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung 13), S353-373, S371f.

59

So z.B. bei Knappich, Geschichte, S.205. Noch weiter geht Lenk, wenn er behauptet, die Praktiken hätten "Verständnis für den antifeudalen Kampf geweckt". Werner Lenk: Ketzerlehren und Kampfprogramme. Ideologieentwicklung im Zeichen der frühbürgerlichen Revolution. Berlin 1976 (Literatur und Gesellschaft. Hg. v. der Akademie der Wissenschaften der DDR. Zentralinstitut für Literaturgeschichte), S54.

60

Knappich, Geschichte, S.202.

61

S. vor allem Paola Zambelli: Fine del mondo ο inizio della propaganda? In: dies.: Scienze, credenze occulte, lrvelli di cultura. Convegno Internazionale di Studi. Firenze 26.-30.6.1980. Istituto Nazionale di Studi sul Rinascimento. Firenze 1982, S .291-368.

62

Paola Zambelli (Hg.): 'Astrologi hallucinati'. Stars and the End of the World in Luther's Tune. Berlin, New York 1986.

14

chenen Publikationen werden in der Einleitung zum Teil 4 dieser Arbeit referiert und problematisiert, ebenso wie weitere Literatur zur Sintflutkontroverse. Als beispielhafte sozialgeschichtliche Studien zur astrologischen Prophetie können darüberhinaus die Untersuchungen von Dieter Wuttke zur politischen Prophetie Sebastian Brants gelten. 63 Für das gesamte Arbeitsvorhaben unentbehrlich sind die Arbeiten zu Leben und Werk der Astrologen, wie etwa die von Dietrich Kurze über Johannes Lichtenberger, 64 Peter Ukena über Alexander Seitz 65 oder Albert Moll über Johannes Stöffler, 66 um nur einige zu nennen. Des weiteren stellt sich diese Arbeit in den Rahmen der Forschungen zur Flugschriftenliteratur der Frühen Neuzeit, speziell zur reformatorischen Flugschrift und ihrer Funktion und Wirkung auf die 'Öffentlichkeit' der frühen Reformationsjahre. Daß die Reformation überhaupt eine derartig breite Bevölkerungsschicht erreichen konnte, wurde in der Forschung schon früh mit der Wirkung der Flugschriften in Verbindung gebracht Es entwickelte sich die Erkenntnis, daß durch die Flugschriftenproduktion der eng umgrenzte Raum einer informellen Öffentlichkeit überschritten und eine neue Form einer umfassenderen Öffentlichkeit geschaffen wurde.67 Es wurden Versuche unternommen, die Struktur des Meinungsbildungsprozesses und die Besonderheit der durch die reformatorischen Flugschriften ermöglichten Kommunikation auch kategorial zu erfassen. 1960 ging Siegfried v. KortzQeisch in der Studie "Verkündigung und öffentliche

63

Dieter Wuttke: Wunderdeutung und Politik. Zu den Deutungen der sogenannten Wormscr Zwillinge des Jahres 149S. In: Kaspar Elm, Eberhard Gönner, Hugen Hillenbrand (Hgg.): Landesgeschichte und Geistesgeschichte. Festschrift für Otto Herding zum 65. Geburtstag. Stuttgart 1977 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe Β 92). S.217-244; Dieter Wuttke: Sebastian Brants Verhältnis zu Wunderdeutung und Astrologie. In: Ulrich Engel u.a. (Hgg.): Studien zur deutschen Literatur und Sprache des Mittelalters. Festschrift für Hugo Moser zum 65. Geburtstag. Berlin 1974, S .272-286.

64

Dietrich Kurze: Johannes Lichtenberger (Tod 1503). Eine Studie zur Geschichte der Pro-

65

Alexander Seitz: Sämtliche Werke. Hg. v. Peter Ukena. 2 Bde. Berlin 1969-1975.

66

J.C. Albert Moll: Johannes Stöffler von Justingen. Ein Charakterbild aus dem ersten

phetie und Astrologie. Lübeck, Hamburg 1960 (Historische Studien 379).

Halbjahrhundert der Universität Tübingen. Lindau 1877 (Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 8). 67

Vgl. z.B. Karl Schottenloher Flugblatt und Zeitung. Ein Wegweiser durch das gedruckte Tagesschrifttum. Neu hg., eingeL u. erg. v. Johannes BinkowskL 2 Bde. München 1985. Nachdruck der Erstausgabe Berlin 1922 (Bibliothek für Kunst- und Antiquitätenfreunde 21/21,2), S .59-01.

15

Meinungsbildung"68 den Auswirkungen von Luthers Thesen auf die öffentliche Diskussion nach und stellte ihre Funktion als "Katalysator"69 heraus. Allerdings gelingt es ihm nur ansatzweise, sein 'Strukturschema zur öffentlichen Meinungsbildung' mit den historischen Fakten zu verbinden. Von größerer Bedeutung für die nachfolgende Forschung wurde dagegen Habermas' Überlegungen zum "Strukturwandel der Öffentlichkeit".70 Habermas stellt die "bürgerliche Öffentlichkeit" einer vom Informationsmonopol fürstlicher und klerikaler Kreise bestimmten "repräsentativen Öffentlichkeit" gegenüber, wobei er unter bürgerlicher Öffentlichkeit die literarisch-politische Kommunikationsform versteht, die Ende des 17. bzw. Anfang des 18. Jahrhunderts in England und Frankreich entstand und die zur Bildung eines politisch-emanzipatorischen Bewußtseins der besitzenden und gebildeten Bürger führte, unterstützt durch das Medium der Presse und artikuliert z.B. in Salons und Klubs. 71 In seiner Arbeit "Vorläufer der Massenpresse"72 bezieht sich erstmals Kurt Koszyk auf das Habermas'sche Strukturschema, ohne es jedoch anhand der Kommunikationsprozesse des frühen 16. Jahrhunderts konkretisieren zu können. Eine zentrale Analysekategorie wird die bürgerliche Öffentlichkeit dagegen in der Studie von Jürgen Schutte,73 die die Untersuchung der Intention und Rezeptionsbedingungen des "Großen Lutherischen Narren" von Thomas Murner mit Analysen zum Prozeß der Bildung einer umfassenderen Öffentlichkeit verbindet. Schutte konstatiert für die frühe Reformationszeit, daß die Öffentlichkeit zum ersten Mal zum bestimmenden Faktor eines historischen Prozesses wird. Sodann sieht Schutte eine formale Analogie zwischen der Öffentlichkeit der Reformationszeit und der 'bürgerlichen Öffentlichkeit' im Sinne von Habermas, auch wenn letztere nur ansatzweise sichtbar werde 7 4 Insbesondere sei der Pro68

Siegfried v. Kortzfleisch: Verkündigung und öffentliche Meinungsbildung. Ein Beitrag zur Grundlegung kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit. Stuttgart 1960.

69

Kortzfleisch, Verkündigung, S.199.

70

Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Darmstadt, Neuwied 198314.

71

Vgl. Habermas, Strukturwandel, S.42-60. S. zur obrigkeitlich-konfessionellen Öffentlichkeit des 17. Jahrhunderts Ruth Kastner: Geistlicher Rauffhandel. Form und Funktion der illustrierten Flugblätter zum Reformationsjubiläum 1617 in ihrem publizistischen Kontext. Bern, Frankfurt/M. 1982 (Microcosmos. Beiträge zur Literaturwissenschaft und Bedeutungsforschung 11).

72

Kurt Koszyk: Vorläufer der Massenpresse. Ökonomie und Publizistik zwischen Reformation und Französischer Revolution. Öffentliche Kommunikation im Zeitalter des Feudalismus. München 1972.

73

Jürgen Schutte: 'Schympff red'. Frühformen bürgerlicher Agitation in Thomas Murners 'Großem Lutherischen Narren' (1522). Stuttgart 1973 (Germanistische Abhandlungen 41).

74

Zwar gebe es auch wesentliche Divergenzen zwischen beiden Öffentlichkeitsformen; so sei die Öffentlichkeit des frühen 16. Jahrhunderts durch eine recht geringe Zahl von Publizi-

16

zeß der Herausbildung eines bürgerlichen Publikums "modellhaft vorweggenommen".75 Anders als Schutte meint Bernd Balzer76 in seiner Untersuchung zu den Flugschriften des Hans Sachs die Habermas'schen Kategorien "vollinhaltlich"77 auf die frühen Reformationsjahre anwenden zu können. Gegen die Methodik Schuttes und vor allem Balzers haben jedoch Peter Ukena und Rainer Wohlfeil Bedenken angemeldet. Ukena78 setzt gegen die Kategorien von Habermas eine allgemein gehaltene Definition des Öffentlichkeitsbegriffs, wie sie Otto Groth formuliert hat: "Öffentlich ist, was jedermann zugänglich ist, was von jedermann benutzt bzw. zur Kenntnis genommen werden kann."79 Nach 1500 erfahre der Begriff "öffentlich" eine Erweiterung, denn nun bezeichne er, "daß etwas dazu bestimmt ist, allgemein bekannt zu werden."80 Für wesentlich hält Ukena den Übergang zur Volkssprache in der Schriftenproduktion und den Wunsch, sich auch an den 'gemeinen Mann' zu wenden. Außerdem lasse insbesondere die Form der Kollektivrezeption von Texten eine neue Öffentlichkeit entstehen.81

sten, einen nicht kontinuierlichen Informationsfluß und die inhaltliche Beschränkung auf kirchliche Belange gekennzeichnet, auch sei sie nicht publizistisch-literarisch bestimmt und hätte nicht auf periodische Druckwerke zurückgreifen können. Dennoch sieht Schutte eine formale Analogie beider Öffentlichkeitsfonnen, da Luther die Religion zu einer Sphäre "privater Autonomie" gemacht habe und einen "demokratischen Anspruch" vertreten habe wegen seiner Betonung des Laienpriestertums. Vgl. Schutte, Schympff red, S.8-11. 75

Schutte, Schympff red, S.8.

76

Bernd Balzer: Bürgerliche Reformationspropaganda. Die Flugschriften des Hans Sachs in den Jahren 1523-1525. Stuttgart 1973 (Germanistische Abhandlungen 42).

77

Balzer, Reformationspropaganda, S.U.

78

Peter Ukena: Tagesschrifttum und Öffentlichkeit im 16. und 17. Jahrhundert in Deutschland. In: Presse und Geschichte. Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. Referate einer internationalen Fachkonferenz der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der deutschen PresseforschungAJniversität Bremen vom 5.-8.10.1976. München 1977 (Studien zur Publizistik. Bremer Reihe 23), S.35-53. Zur Kritik an Balzer s.a. Karl Vocelka: Die politische Propaganda Kaiser Rudolphs Q. (1576-1612). Wien 1980 (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Veröffentlichung der Kommission für die Geschichte Österreichs 9), S.13-20.

79

Ukena, Tagesschrifttum, S.36. Zum Öffentlichkeitsbegriff s.a. Lucian Hölscher: Art. 'Öffentlichkeit'. In: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 4. Stuttgart 1978, S.413-467, bes. 414-427.

80

Ukena, Tagesschrifttum, S.36.

81

Vgl. Ukena, Tagesschrifttum, S.39f.

17

Überzeugend hat Wohlfeil den Ansatz Schuttes und Balzers zurückgewiesen, von einer Analogie oder gar Entsprechung zwischen der 'bürgerlichen Öffentlichkeit' im Sinne von Habermas und der Öffentlichkeit im 16. Jahrhundert auszugehen.82 Unter anderem betont er, daß von einer 'literarischen Öffentlichkeit' noch keine Rede gewesen sein könne in einer Zeit, in der die Lesefähigkeit so gering veranschlagt werden kann - nur etwa 5-10% der Bevölkerung konnten lesen. 83 Zur Kennzeichnung der spezifischen Öffentlichkeit der frühen 20er Jahre des 16. Jahrhunderts verwendet Wohlfeil den Begriff der "reformatorischen Öffentlichkeit",84 worunter er die "Vermittlung von Gedanken in einem zeitbedingten Mediensystem"85 versteht. Das Adjektiv "reformatorisch" soll signalisieren, daß der gemeinte Öffentlichkeitsbegriff nicht dem modernen entspricht, sondern den historischen Bedingungen des 16. Jahrhunderts eng verhaftet bleibt. Diese reformatorische Öffentlichkeit war zum großen Teil mündlich bestimmt, doch wirkten in ihr darüberhinaus eine Vielfalt verschiedener Kommunikationsformen zusammen, von der Predigt, der Diskussion, dem Lesen und Hören von Flugschriften und -blättern über Schauspiel und Gesang bis zu gemeinsamen Aktionen, eine Vielfalt, die Robert W. Scribner als "Partitur"86 bezeichnet hat. 82

Wohlfeil wendet ein, daß im frühen 16. Jahrhundert keinesfalls davon gesprochen werden könne, daß die Religionsausübung "Privatsache" geworden sei, außerdem sei die Analogie zwischen 'bürgerlicher' Öffentlichkeit und frühneuzeitlicher dazu angetan, die Rolle der Flugschriften überzubewerten, denn die Vermittlung reformatorischer Ideen sei vornehmlich durch die Predigt geleistet worden. Zu warnen sei auch vor einer Gleichsetzung zwischen dem Bürgertum des 18. Jahrhunderts und dem Städtebürger der Reformation. Vgl. Wohlfeil, Einführung, S.128-130.

83

Vgl. Wohlfeil, Einführung, S.123.

84

Vgl. Wohlfeil, Einführung, S.123-132. Zur "reformatorischen Öffentlichkeit" s.a. ders.: Reformatorische Öffentlichkeit. In: Ludger Grenzmann, Karl Stackmann (Hgg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981. Stuttgart 1984, S.41-S2. Diskussionsbericht S.53f.

85

Wohlfeil, Einführung, S.123. S.a. die Besprechung von Hans R. Guggisberg: Zur Erforschung der "reformatorischen Öffentlichkeit". In: ARG 74 (1983), S314-319. Die Kritik an seiner Methodik führt Schutte zu Relativierungen seiner Thesen. Vgl. ders.: Was ist vns vnser freyhait nutz / wenn wir ir nicht brauchen durffen. Zur Interpretation der Prosadialoge. In: Thomas Cramer, Erika Kartschoke (Hgg.): Hans Sachs. Studien zur frühbürgerlichen Literatur im 16. Jahrhundert. Bern, Frankfurt/M., Las Vegas 1978 (Beiträge zur Älteren Deutschen Literaturgeschichte 3), S.41-81.

86

Robert W. Scribner: Flugblatt und Analphabetentum. Wie kam der gemeine Mann zu reformatorischen Ideen? In: Köhler, Flugschriften als Massemnedium, S.65-76, S.75. Zur Frage der Kommunikation in der Reformationszeit s.a. Nancy L. Roelker: The Impact of the Reformation Era on Communication and Propaganda. In: Harold D. Lasswell, David Lerner, Hans Speier (Hgg.): Propaganda and Communication in World History. Bd.2: Emergence of Public Opinion in the West. Honolulu (Hawaii) 1980, S.41-84. Recht ungenau in der Bestimmung der konkreten Kommunikationsstrukturen und Vorgänge bleibt Wolf-

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Inhalte und Funktionsweisen dieser reformatorischen Öffentlichkeit stellen einen Zugang zur Kultur des frühen 16. Jahrhunderts dar, wobei 'Kultur' nach der Definition Peter Burkes verstanden werden kann als ein "System kollektiv verwendeter Sinngehalte, Einstellungen und Werte sowie der symbolischen Formen (Darstellungen und Artefakte), in welchen sie sich ausdrücken und verkörpern."87 Ein Teilaspekt dieser Kommunikationsstmktur und gleichzeitig eine der am besten greifbaren 'Kulturformen' stellen die Flugschriften dar, wobei ein Schwerpunkt der Forschung dem Bemühen gewidmet ist, die Bedeutung der reformatorischen Flugschrift für den Meinungsbildungsprozeß der frühen Reformationszeit zu präzisieren und die durch die Flugschrift geprägte Kommunikationsstruktur zu beschreiben.88 Grundlegende Informationen zu Verbreitung, Inhalt und Funktion der Flugschriften hat das Tübinger Flugschriftenprojekt, begonnen vom inzwischen nicht mehr bestehenden 'Sonderforschungsbereich Spätmittelalter und Reformation' und geleitet von Hans-Joachim Köhler, anhand einer quantitativen Analyse von 5000 Flugschriften des deutschsprachigen Raums er-

ram Wettges: Reformation und Propaganda. Studien zur Kommunikation des Aufruhrs in süddeutschen Reichsstädten. Stuttgart 1978 (Geschichte und Gesellschaft. Bochumer Historische Studien 17). 87

Peter Burke: Helden, Schurken, Narren. Europäische Volkskultur in der frühen Neuzeit. München 1985, S.U. Im englischen Original steht der Begriff "performances" für 'Darstellungen'. Zur Forschungsgeschichte einer 'Volkskultur' s. bes. Norbert Schindler: Spuren in die Geschichte der 'anderen' Zivilisation. Probleme und Perspektiven einer historischen Volkskulturforschung. In: Richard van Dülmen, Norbert Schindler (Hgg.): Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags (16.-20. Jahrhundert). Frankfurt/M. 1984, S.1377. Eine beispielhafte Untersuchung zum Zusammenhang von Publizistik, Propaganda und Öffentlichkeit im späten 16. Jahrhundert bietet Winfried Schulze: Reich und Türkengefahr. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung. München 1978.

88

Die Flugschriftenforschung ist äußerst umfangreich, daher können hier zunächst nur einige Hinweise erfolgen. Einen Forschungsüberblick bietet Hella Tompert: Die Flugschrift als Medium religiöser Publizistik. Aspekte der gegenwärtigen Forschung. In: Josef Nolte, Hella Tompert, Christof Windhorst (Hgg.): Kontinuität und Umbruch. Theologie und Frömmigkeit in Flugschriften und Kleinliteratur an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. Stuttgart 1978 (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung 2), S.211-221. Grundlegend Köhler, Flugschriften als Massenmedium. Außerdem Steven Ozment: Pamphlet Literature of the German Reformation. In: ders. (Hg.): Reformation Europe. Α Guide to Research. St. Louis: Center for Reformation Research 1982, S.85-105. Für weitere Literatur s. Bernd Moeller: Art. 'Flugschriften der Reformationszeit'. In: TRE Bd. 11. 1983, S.240-246, S.245f; Rolf-Wilhelm Brednich: Art. 'Flugblatt, -schrift'. In: Kurt Ranke (Hg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Bd.4. Berlin 1984, Sp. 1339-1358.

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mittelt.89 Die Analyse erfolgte unter kommunikationstheoretischem Ansatz, wobei folgende Definition für die Gattung der Flugschrift zu Grunde gelegt wurde: "Eine Flugschrift ist eine aus mehr als einem Blatt bestehende selbständige. nichtperiodische und nicht gebundene Druckschrift, die sich mit dem Ziel der Agitation (d.h. der Beeinflussung des Handelns) und / oder der Propaganda (d.h. der Beeinflussung der Überzeugung) an die gesamte Öffentlichkeit wendet."^ Köhler versteht dabei sowohl Agitation als auch Propaganda in einem weiten Sinne als Formen der Manipulation, die nicht nur auf Meinungs- bzw. Handlungsänderung, sondern im Gegenteil auf Bekräftigung der vorhandenen Überzeugungen und Werte zielen können.91 Die Begriffe Propaganda bzw. Agitation dürfen dabei aber nicht allein auf politische Wirkung bezogen werden, worauf Harms hingewiesen hat.92 Eine große Spannbreite der Intention, so Harms, sei möglich, vom "Sinnangebot bis zur attackierenden Meinungsbeeinflussung"93 Grundsätzlich gelten Köhler die Flugschriften als Medium der "Massenkommunikation", d.h. einer Form der Kommunikation, "bei der die einzelnen Rezipienten für den Urheber der jeweiligen Mitteilung und in der Regel auch für einander anonym sind, und bei der eine soziale Interaktion zwischen Kommunikator und Rezipienten (zumindest über dieses Medium) nicht vermittelt ist."94 89

Hans-Joachim Köhler: Erste Schritte zu einem Meinungsprofil der frühen Neuzeit. In: Volker Press, Dieter Stievermann (Hgg.): Martin Luther. Probleme seiner Zeit. Stuttgart 1986 (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung 16), S.244281. Einen Überblick über die neueste Forschung zu den Flugschriften als Medium bei Hans-Joachim Köhler: Die Erforschung der Flugschriften des frühen 16. Jahrhunderts als Beitrag zur Presse- und Kommunikationsgeschichte. Ein Situationsbericht zwischen Resignation und Hoffnung. In: Presse und Geschichte II. Neue Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. München u.a. 1987, S.21-SS. S.a. Hans-Joachim Köhler: Die Flugschriften der frühen Neuzeit. Ein Überblick. In: Werner Arnold u.a. (Hgg.): Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland. Wiesbaden 1987, S.307-344.

90

Hans-Joachim Köhler: Die Flugschriften. Versuch einer Präzisierung eines geläufigen Begriffs. In: Horst Rabe, Hansgeorg Molitor, Hans-Christoph Rublack (Hgg.): Festgabe für Ernst Walther Zeeden zum 60. Geburtstag. Münster 1976 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte. Suppl.-Bd. 2), S.36-61, hier S.50. Vgl. auch ders.: Fragestellungen und Methoden zur Interpretation frühneuzeitlicher Flugschriften. In: Köhler, Flugschriften als Massenmedium, S.l-27.

91

Vgl. Köhler, Flugschriften, S.51f.

92

Vgl. Wolfgang Harms u.a. (Hgg.): Deutsche Illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Bd. 1. Ethica, Physica. Die Sammlung der Herzog-August-Bibliothek, Teil 1. Tübingen 1985, S.IX. und ΧΠΙ. Zum Propagandabegriff s.a. Vocelka, Propaganda, S.13-16.

93

Harms, Flugblätter, S.XIII.

94

Köhler, Erforschung, S.26.

20

Um den Begriff der "Massenkommunikation" jedoch sinnvoll auf das 16. Jahrhundert anwenden zu können, darf er nicht mit einer Massenkommunikation im modernen Sinne identifiziert werden.95 Hilfreich sind hier die Daten über die Verbreitung der Flugschriften, wie Köhler sie ermittelt hat. Danach wurden zwischen 1501 und 1530 im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ca. 10 000 verschiedene Flugschriftenausgaben gedruckt, wobei die Auflagenhöhe meist 1000 Stück betrug. Demnach müßten etwa 10 000 000 Flugschriftendrucke unter den ca. 12 000 000 Einwohnern des Reichs kursiert haben. 96 Bei der Flugschriftenpublikation ist eine Entwicklung erkennbar: Zwischen 1517 und 1518 ist die enorme Zuwachsrate von 530 % zu bemerken, wobei der schnelle Anstieg der Produktion bis 1524 anhält. Die Jahre zwischen 1520-1526 können als Periode des "Produktionsbooms"97 bezeichnet werden, in der fast 3/4 der gesamten Flugschriftenproduktion der ersten drei Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts stattfand. Ab 1520 überwiegen dabei die deutschsprachigen Schriften gegenüber den lateinischen. Ein Absinken der Schriftenzahl ist nach 1524 feststellbar, doch auch nach 1526 bleibt die Produktion so hoch, daß die Flugschrift als Massenmedium angesehen werden könne. In einer Inhaltsanalyse stellt Köhler des weiteren fest, daß die Themen "Theologie und Kirche" in den Texten dominieren, doch sei zu beobachten, daß die meisten Schriften mehrere Themen, nämlich bis zu zwanzig anschneiden.98 In Auseinandersetzung mit der Behauptung, die Flugschriften seien vornehmlich polemische Texte, legt Köhler anhand einer Analyse des Sprachstils fest, daß nur 3,5% der Texte wirklich polemisch abgefaßt seien, während 48% eine "schlußfolgernde Sprache"99 aufwiesen. Die Flugschriften hätten damit eher einen informativen Charakter gehabt, so daß ihre "primäre historische Leistung" weniger in der Überzeugungsänderung als vielmehr darin lag, daß sie "für die schnelle Anhebung des allgemeinen Informationsniveaus über die brennenden Fragen der Zeit" gesorgt, die "weitgehend noch unbestimmten Einstellungen in der Bevölkerung, die sich als Verunsicherung, Unzufriedenheit, Reformverlangen umschreiben lassen", inhaltlich präzisiert und sie dadurch erst zu "konsens- und dissensfähigen Gegenständen der öffentlichen Meinung" hätten werden lassen. 100 In systematischerer Weise als Köhler hat sich die literaturwissenschaftliche Forschung mit sprach- bzw. gattungstheoretischen Untersuchungen zur Flugschrift beschäftigt, was zur Präzisierung der sprachlichen Wirkungsintention der

95

Vgl. Harms, Flugblätter, S.XIII.

96

Vgl. Köhler, Schritte, S.249f.

97

Köhler, Schritte, S.250. S.a. Tabelle S.266-270.

98

Vgl. Köhler, Schritte, S.261. S.a. Tabelle S.272-276.

99

Köhler, Schritte, S.262.

100

Köhler, Schritte, S.264f.

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Schriften geführt hat.101 Eine Klassifizierung der Flugschriften nach Textsorten nimmt Johannes Schwitalla vor, wobei allerdings gesagt werden muß, daß deren allzu kleinteilige Gruppierung in 21 Textsorten, bei denen die Abgrenzung zwischen den einzelnen Kategorien nicht immer plausibel erscheint, wenig zur Klärung beiträgt.102 Mithilfe seiner Methode gelangt Schwitalla jedoch zu ähnlichen Ergebnissen wie Köhler: Auch er erkennt eine Dominanz der Informationsvermittlung bei den Texten, von denen nach seiner Einteilung nur 16% explizit polemisch sind; hinzu treten 5% Anklageschriften.103 Bei der Sprachuntersuchimg stellt Schwitalla rhetorische Argumentationstechniken heraus, die die Zielsetzung der Schriften, den Leser zu beeinflussen, widerspiegeln. Er nennt als Formen Distinctio, Begründen durch Exempel oder Vergleich, Steigerung und Verkehrung des Arguments des Gegners gegen diesen selbst.104 Bei der Gattung der Predigt findet er rhetorische Fragen, Ausrufe und Kontrastierung der gegnerischen Meinung durch Bibelzitate.105 Den Grad des Einflusses der gesprochenen Sprache auf die Sprachgestaltung der Flugschrift versucht ein Autorenkollektiv unter der Leitung von Gerhard Kettmann und Joachim Schildt zu ermitteln.106 Es untersucht fünf Komplexe der Sprachgestaltung auf ihre Verwendung und Funktion für die Aussagekraft der Flugschrift. Dies sind sprechsprachliche Gestaltungsmittel (Anrede, Frage, Aus101 Vgl. z.B. Monika Rössing-Hager: Wie stark findet der nichtlesekundige Rezipient Berücksichtigung in den Flugschriften? In: Köhler, Flugschriften als Massenmedium, S.77-139. Der Frage des Beitrags der Flugschriften zur Entwicklung des Neuhochdeutschen geht MJvl. Guchmann nach. M.M. Guchmann: Die Sprache der deutschen politischen Literatur in der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges. Berlin 1974 (Akademie der Wissenschaften der DDR. Zentralinstitut für Sprachwissenschaft. Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen 54). Guchmann nimmt auch eine Untersuchung der sprachlichen Mittel vor und entwickelt eine "soziale Charakteristik" der Flugschriften, vgl. S.163-173. S. außerdem Hannelore Winkler: Der Wortbestand von Flugschriften aus den Jahren der Reformation und des Bauernkrieges. Berlin 1975 (Akademie der Wissenschaften der DDR. Zentralinstitut für Sprachwissenschaften. Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen 55). 102 Johannes Schwitalla: Deutsche Flugschriften 1460-1525. Textsortengeschichtliche Studien. Tübingen 1983 (Reihe Germanistik. Linguistik 45). Schwitalla erwähnt Prognostiken, bezieht sie jedoch außer den Schriften von Grünpeck und Schrotentreck nicht als Untersuchungsmaterial mit ein. 103 Vgl. Schwitalla, Flugschriften, S.86. 104 Vgl. Schwitalla, Flugschriften, S.155-160. 105 Vgl Schwitalla, Flugschriften, S.89-92. 106 Gerhard Kettmann, Joachim Schildt u.a. (Hgg.): Zur Literatursprache im Zeitalter der frühbürgerlichen Revolution. Untersuchungen zu ihrer Verwendung in der Agitationsliteratur. Berlin 1978 (Akademie der Wissenschaften der DDR. Zentralinstitut für Sprachwissenschaften. Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen 58).

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ruf, wörtliche Rede, Ellipse, fehlendes finites Verb), 107 volkstümliche Metaphorik (z.B. Sprichwörter und Redewendungen),108 Personenabwertung (vor allem die persönlichen Angriffe),109 Fremdwörtergebrauch110 und relative Attributsätze.111 Die Autoren finden ihre These bestätigt, daß durch die 'Agitationsliteratur' die Literatursprache verständlicher wird, da sich die Sprache dem Bemühen angleicht, "sich in allgemeinverständlicher Weise an die breite Öffentlichkeit" zu wenden.112 Am stärksten haben sich nach diesen Untersuchungen Martin Luther und die anonymen Verfasser der reformatorischen Dialogschriften an sprechsprachlichen, publikumswirksamen Mitteln orientiert.113 Die genannten Kategorien der rhetorischen Mittel, die in Flugschriften feststellbar sind, können in der vorliegenden Arbeit nicht in ihrer Gesamtheit systematisch auf den Quellenkorpus angewendet werden - etwa in Hinblick auf prozentuale Anteile -, doch sollen sie eine Bezugsgröße bei der Beurteilung der Sprachgestaltung der astrologischen Flugschriften bilden. Schließlich wurden auch die Holzschnitte der Flugschriften auf ihren Beitrag zum Wirkungspotential der Flugschriften befragt. Köhler möchte bei ihnen gleichfalls eine Prävalenz der Information feststellen. Dabei teilt er die vorfindbaren Holzschnitte in fünf Kategorien ein: Er bezeichnet die Graphiken entweder als "kämpferisch-polemisch'' bzw. "theologisch-belehrend" und fügt als Motivgruppen Heraldik und Porträt sowie "Andachtsbilder, Heiligendarstellungen und biblische Motive" hinzu.114 Sind schon Zweifel anzumelden bei der, wie Köhler zugibt, unter "pragmatischen Gesichtspunkten"115 entstandenen Erstellung eines Rasters mit Themenbereichen, in die die Flugschriften eingeordnet werden, so muß dies besonders für die von Köhler gewählten Kriterien zur Funktionsanalyse der Holzschnitte gelten. Selbst bei allem "Mut zur vergröbernden Abstraktion"116 muß nachvollziehbar bleiben, wie die Auswahl der Kategorien erfolgte und wie sie voneinander abgrenzbar sein sollen. Die Aufstellung solcher Schemata ist nur dann möglich, wenn Köhler, ähnlich wie bei der Beurteilung der Inhalte der Flugschriften, bei den Holzschnitten von einer "weitge-

107 VgL Kettmann, Literatursprache, S .25-29. 108 VgL Kettmann, Literatursprache, S .87-89. 109 VgL Kettmann, Literatursprache, S 307-310. 110 VgL Kettmann, Literatursprache, S.434-439. 111 Vgl. Kettmann, Literatursprache, S.441-444. 112 VgL Kettmann, Literatursprache, S.529. 113 Vgl. Kettmann, Literatursprache, S.530. 114 Köhler, Schritte, S.263, Anm. 34. 115 Köhler, Schritte, S.260. Köhler möchte das MiBverständnis ausräumen, er habe eine "quantifizierende Inhaltsanalyse" vorgelegt. 116 Köhler, Schritte, S.26Z

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h e n d e n Eindeutigkeit der in ihnen (den Flugschriften, d. Verf.) enthaltenen Aussagen" ausgeht. 1 1 7 W i e komplex dagegen die Bildprogramme der Holzschnitte v o n Flugschriften sind, zeigt die wegweisende Arbeit von Robert W. Scribner "For the Sake of Simple Folk", 1 1 8 in der er unter Zuhilfenahme semiotischer Analysekriterien die reformatorische Bildpropaganda in ihrer Gestaltung, Wirkungsintention und Entwicklung untersucht. D a s Modell der 'Bildrhetorik', das seine Ergebnisse zusaimnenfaßt, wird in Teil 2 dieser Arbeit vorgestellt werden. Ü b e r weitere Literatur zur Druckgraphik auch der Frühen N e u z e i t informiert Wolfgang Brückner in seiner Bibliographie. 1 1 9 N e b e n den Ausführungen zu Graphiken auf Flugblättern des 17. Jahrhunderts von Wolfgang Harms sei hier zunächst auf die Arbeiten von Konrad H o f f m a n n zur Gestaltung des reformatorischen

Holz-

schnitts, 1 2 0 von Günter Vogler über die Funktion der Titelholzschnitte auf den Flugschriften zum Täuferreich in Münster 1 2 1 sowie von Manfred Kobuch und Ernst Müller zur Gestalt des Bauern auf Zwickauer D r u c k e n 1 2 2 hingewiesen. Erwähnt w e r d e n soll schließlich die Studie v o n H e i m o Reinitzer "Aktualisierte Tradition", 1 2 3 in der er auf die Verbildlichungen prophetischer Texte eingeht.

117 Köhler, Erforschung, S.37. Auch die beigefügten Bildtafeln tragen kaum zur Klärung bei. Vgl. Köhler, Schritte, S.277-281. Harms unterscheidet zwischen "persuasiv eingesetztem Tendenzbild" und dem "deskriptiven Nachrichtenbild", was ebensowenig überzeugen kann. Harms, Flugblätter, S.VIII. 118 Robert W. Scribner: For the Sake of Simple Folk: Popular Propaganda for the German Reformation. Cambridge u.a. 1981. (Cambridge Studies in Oral and Literate Culture 2). 119 Wolfgang Brückner: Massenbilderforschung. Erster Teil: Die traditionellen Gattungen der populären Druckgraphik des 15.-19. Jahrhunderts. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 4 (1979), S.130-178. Zu Bildern allgemein s.a. Rolf-Wilhelm Brednich über Flugblätter- und Flugschriftenillustrationen im Art. 'Bildquellen, Zeugnisse'. In: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 2,1977, Sp. 337-345. 120 Harms, Flugblätter, S.VII-XXX. Konrad Hoffmann: Typologie, Exemplarik und reformatorische Bildsatire. In: Nolte, Kontinuität, S.189-210. 121 Günter Vogler: Das Täuferreich zu Münster im Spiegel der Flugschriften. In: Köhler, Flugschriften als Massenmedium, S.309-353. 122 Manfred Kobuch, Ernst Müller: Die Gestalt des Bauern in den Titelholzschnitten der Zwickauer Drucke der Zwölf Artikel von 1525. In: ZfG 23 (1975), S.920-928. Die Bildpropaganda der Reformationszeit betrachtet auch Norbert Schneider: Strategien der Verhaltensnormierung in der Bildpropaganda der Reformationszeit. In: Jutta Held (Hg.): Kultur zwischen Bürgertum und Volk. Berlin 1983 (Argument Sonderband AS 103), S.7-19. Schneider verfährt allerdings selbst recht holzschnittartig. Weiterhin Siegfried Scharfe: Religiöse Bildpropaganda der Reformationszeit. Göttingen 1951. 123 Heimo Reinitzer: Aktualisierte Tradition. Über Schwierigkeiten beim Lesen von Bildern. In: Grubmüller, Denkformen, S.354-400.

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Die Analyse astrologischer Flugschriften, die diese Arbeit vornehmen wird, sieht die Flugschriften ebenfalls als Massenmedium, nimmt die Fragestellungen der Flugschriftenforschung auf und möchte deren Ergebnisse überprüfen. 124 Dies gilt insbesondere für die Charakterisierung der Funktion der Schriften, und zwar sowohl für das von Köhler behauptete "Übergewicht der Informationsvermittlung",125 als auch für die Propagandaabsicht der Texte. Um jedoch zu klären, wie die astrologischen Flugschriften an der Öffentlichkeit des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts partizipierten, wird besonderes Gewicht auf die vergleichende und dabei gleichrangige Analyse von Texten und Bildern der Schriften gelegt, gilt doch für die meisten Forschungen zu diesem Thema, daß sie nur einem der beiden Teile einer Flugschrift Beachtung schenken. So betrachtet Scribner lediglich die Holzschnitte, nicht aber den Text seiner Quellen. Die vorliegende Arbeit möchte dagegen der Forderung nachkommen, die Christel Meier und Uwe Ruberg in der Einleitung zum Aufsatzband 'Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste im Mittelalter und in der frühen Neuzeit" formulieren; nämlich die "Parallelität, Transformation und (die) Funktionalität"126 der Verbindung von Text und Bildern einer historischen Quelle zu klären. Außerdem sollen die Autoren der Texte, deren Stellungnahmen und Normensysteme mit ihrer Biographie in Verbindung gebracht und ein Sozialprofil der Berufsgruppe der Astrologen entwickelt werden. Hierbei kommt der Untersuchung zugute, daß die Praktiken, anders als reformatorische Flugschriften, in der Regel unter Angabe des Autorennamens veröffentlicht wurden. Das Arbeitsvorhaben erfaßt jedoch nur einen Teil des gesamten Kommunikationsprozesses, wenn es die Analyse von Texten und Druckgraphiken astrologischer Flugschriften sowie die sozialhistorische Einordnung ihrer Autoren in den Mittelpunkt stellt. Ausgeklammert bleibt dabei bewußt der Nachweis der tatsächlichen Rezeption der Schriften wie auch die eventuell durch ihre Rezeption bewirkte Meinungssteuerung.127 Wichtig ist die Erkenntnis, daß Flugschriften nicht unmittelbar Aufschluß geben über die Meinungen und Werthaltungen ihrer Rezipienten; hierauf hat Scribner nachdrücklich

124 Einschränkend muß zur Anwendung der Flugschriftendefinition Köhlers auf die astrologischen Schriften bemerkt werden, daß zumindest bei einem Teil von ihnen, den Jahrespraktiken, eine periodische Erscheinungsweise - einmal pro Jahr - vorliegt. 125 Köhler, Schritte, S.263. 126 Christel Meier, Uwe Ruberg (Hgg.): Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Wiesbaden 1980, S.10. S.a. Wolfgang Stammler: Wort und Bild. Studien zu den Wechselbeziehungen zwischen Schrifttum und Bildkunst im Mittelalter. Berlin 1962. S. Meyer Schapiro: Words and Pictures. On the Literal and the Symbolic in the Illustration of a Text. Den Haag, Paris 1973 (Approaches to Semiotics). 127 Vgl. dazu Harms, Flugblätter, S.XXffl.

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hingewiesen und die verstärkte Untersuchung von nichtsprachlichen Quellen gefordert, da diese eher als schriftliche Zeugnisse eine breite Bevölkerungsschicht erreicht hätten.128 Bernd Moeller dagegen macht geltend, daß die große Nachfrage nach den Flugschriften einen "Schluß auf die Erwartungen der Leserschaft" erlaubten.129 Festzuhalten ist mit Köhler, daß die Flugschriften wohl nicht unmittelbar auf große Teile der Bevölkerung einwirkten, sondern ihre Ansichten von sogenannten 'Meinungsführern' vermittelt wurden, die in Gesprächssituationen, durch öffentliche Lektüre, Ansprachen, Vorträge, Aufrufe und Predigten die Inhalte der Schriften weitergaben.130 Dabei ist aber zu bedenken, daß Autor und Leser u.U. unterschiedliche kulturelle Bezugsrahmen aufwiesen, so daß sich "ein divergierender Zugriff auf den Text"131 ergeben konnte. Berücksichtigt man diese Einschränkungen, so ist dennoch davon auszugehen, daß durch die Analyse astrologischer Flugschriften ein zumindest indirekter Zugang zu den "Mentalitäten"132 der Bevölkerung um 1500 möglich wird, denn indem diese Schriften das Verhältnis von Wissen und Angst bzw. Angstbewältigung beleuchten, geben sie Auskunft über grundlegende Dispositionen 133 der Menschen in dieser Zeit. Einen Beitrag zur Erforschung von deren Lebensgefühl, Selbstverständnis, Meinungen und Wertorientierungen möchte diese Arbeit leisten, indem sie versucht, das Panorama von Zeitkritik und Krisengefühl, Zukunftsangst und Hoffnung aufzufächern, das die astrologischen Flugschriften offenbaren.134

128 Robert W. Scribner: How Many Could Read? Comments on Bernd Moeliers 'Stadt und Buch'. In: Wolfgang J. Mommsen (Hg. in Verb. m. Peter Alter, Robert W. Scribner): Stadtbürgertum und Adel in der Reformation in England und Deutschland. Stuttgart 1979 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 5), S.44f. 129 Bernd Moeller: Stadt und Buch. Bemerkungen zur Struktur der reformatorischen Bewegung in Deutschland. In: Mommsen, Stadtbürgertum, S.2S-39; S32. 130 VgL Köhler, Schritte, S.244-247. 131 Wohlfeil, Einführung, S.III. 132 Zur theoretischen Klärung des Mentalitätsbegriffs s. die jüngst erschienene Aufsatzsammlung von Ulrich Raulff (Hg.): Mentalitäten-Geschichte. Zur historischen Rekonstruktion geistiger Prozesse. Berlin 1987. - Zur historischen Schule der "Annales" als Vertreterin der Forschungsrichtung Mentalitätengeschichte s. Volker Sellin: Mentalität und Mentalitätsgeschichte. In: HZ 241. H 3 (1985), S.555-598. 133 Vgl das Vorwort von Ulrich Raulff, in: ders., Mentalitäten-Geschichte, S.10. 134 So schreibt Wolfgang Harms für Flugblätter, was sicherlich auch für Flugschriften gelten kann, sie seien "interpretierbare, komplexe Gebilde aus Vorwissen und neuer Information, vorgefaßter Meinung und Meinungsbildung, Andeutung und Überredungskunst, Erbauung und Verheißung" und könnten "den Zugang zu offen oder latent wirksamen Normen und Werten einer Zeit, zu dem Beitrag von Literatur und Kunst zur Bewältigung von politischen und privaten Ängsten und Enttäuschungen eröffnen." Harms, Flugblätter, S.VIIf.

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Es sollen primär alle im deutschen Sprachraum einschließlich der Schweiz erschienenen Flugschriften zur Sintflutfrage als Untersuchungsmaterial dienen. Berücksichtigt werden sowohl die im eigentlichen Sinne astrologischen Schriften als auch die astrologiekritischen Flugschriften aus reformatorischen Kreisen, die sich zur prognostizierten Sintflut äußern. Teil 4 der Arbeit wird dieser Hauptuntersuchung gewidmet. In anderen europäischen Ländern erschienene Beiträge zur Kontroverse werden ebensowenig herangezogen wie Flugblätter. 135 Obwohl Kometentraktate nicht Gegenstand der Studie sind, bilden die Schriften zur Himmelserscheinung über Wien im Januar 1520 einen Teil des Quellenkorpus', da sie die Sintflutprognose bereits thematisieren. Bisher wurden die Sintflutschriften in der Forschung zumeist isoliert behandelt. Eine angemessene Charakterisierung der Texte und die Bestimmung ihres historischen Stellenwerts kann aber nur dann erfolgen, wenn die Sintflutschriften in den Rahmen der übrigen astrologischen Flugschriften gestellt werden. Deshalb sollen die beiden astrologisch-prophetischen Hauptschriften, die vor der Debatte entstanden sind, die 'Pronosticatio' von Johannes Lichtenberger (1488) und der 'Spiegel der natürlichen, himmlischen und prophetischen Sehungen* von Joseph Grünpeck (1508) in Teil 3 der Arbeit analysiert werden, da sie bereits wesentliche Themenschwerpunkte der Sintflutschriften formulieren. Mithilfe dieser Studien und auf der Grundlage der schon vorgestellten Beschreibung der Merkmale astrologischer Jahrespraktiken können so kontinuierliche Traditionslinien der Argumentation und Präsentation der Schriften in Text und Bild, möglicherweise aber auch ein Wandel der Kommunikationsformen und -inhalte in der Zeit zwischen 1520-1524 aufgezeigt und in Zusammenhang mit der reformatorischen Öffentlichkeit gebracht werden. Darüberhinaus sollen die normalen Jahrespraktiken ohne Sintflutthematik, die in den Jahren 1519-1524 erschienen sind, als Vergleichsgröße herangezogen und die Besonderheit der Sintflutschriften von den gängigen Stereotypen und Topoi der Gattung abgegrenzt werden. In Teil 5 der Arbeit wird ein Blick auf die astrologischen Schriften sowie die evangelische Behandlung von Astrologie und Prophetie von 1524 bis 1528 erfolgen, denn hierdurch kann sich erweisen, wie die Sintflutdebatte reflektiert und verarbeitet wurde und wie sich nun die Verbindung zur reformatorischen Öffentlichkeit gestaltete. Ein Resümee der Untersuchungsergebnisse wird in Teil 6 gezogen. Hier können die Forschungen zum Medium der reformatorischen Flugschrift strukturelle Vergleichspunkte bieten und Möglichkeiten der Einordnung aufweisen.

135 Auf die Prodigienliteratur wird nicht eingegangen. S. im Überblick: Rudolf Schenda: Die deutschen Prodigiensammlungen des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Archiv für die Geschichte des Buchwesens 4 (1963), Sp. 637-710 sowie die Ausführungen zu den entsprechenden Drucken bei Warburg, Weissagung.

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Da die adäquate Behandlung der Holzschnitte als historische Quelle ein noch nicht genügend diskutiertes Gebiet der historischen Methodenreflexion darstellt, 136 wird der Untersuchung in Teil 2 die kritische Besprechung verschiedener Theorieansätze zur Historischen Bildkunde vorangestellt, sowie insbesondere das ikonologische Modell Erwin Panofskys auf seine theoretische Tauglichkeit für die historische Forschung befragt. 137 Ausgehend davon werden sich Überlegungen zur Funktionsanalyse von Holzschnitten des 16. Jahrhunderts anschließen.

136 Vgl. Rainer Wohlfeil: Das Bild als Geschichtsquelle. In: HZ 249 (1986), S.91-100, bes S.9194. 137 Zu einer Anwendung der Methode Panofskys und einer Auseinandersetzung der durch sie gewonnenen historischen Untersuchungsergebnisse möchte Wohlfeil anregen. S. Rainer und Trudl Wohlfeil: Landsknechte im Bild. Überlegungen zur 'Historischen Bildkunde'. In: Peter Blickte (Hg.): Bauer, Reich und Reformation. Festschrift für Günther Franz zum 80. Geburtstag. Stuttgart 1982, S.104-119; bes. S.104-112. Veränderte Fassung in: Militärgeschichte. Probleme - Thesen - Wege. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes aus Anlaß seines 25j ährigen Bestehens ausgew. und zusammengest. v. Manfred Messerschmidt u.a. Stuttgart 1982 (Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte 25), S.81-99.

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2. DAS BILD ALS QUELLE DES HISTORIKERS Wer sich mit den Problemen der 'Historischen Bildkunde' auseinandersetzen und zu einer sinnvollen Einbeziehung der Bedeutung bildlicher Quellen in seine Forschung gelangen möchte, ist weitgehend auf methodische Überlegungen und Ergebnisse anderer Disziplinen, vor allem der Kunstwissenschaft, angewiesen. Hier sei zunächst die kunstwissenschaftliche Symboltheorie von Erwin Panofsky vorgestellt, auf kritische Punkte befragt und auf ihre Anwendbarkeit für die historische Forschung geprüft, da in Panofskys, an die Studien Warburgs anschließenden, 'ikonologischem Ansatz' eine grundlegende Methodenlehre vorliegt, an der sich auch die gegenwärtige kunsthistorische Theoriebildung zu messen hat. 1 Stand in der kunsthistorischen Forschimg des 19. Jahrhunderts die ikonographische Interpretation eines Kunstwerks und damit die Feststellung des sich nicht mehr selbstverständlich für den zeitgenössischen Betrachter ergebenden Themas des Kunstwerks im Vordergrund, so entwickelte sich unter Aufgreifen der von Warburg geprägten Bezeichnung "ikonologische Methode" 2 eine differenzierte Theorie der Ikonologie von Erwin Panofsky, die für die Entwicklungsgeschichte dieser Methode "die Funktion eines methodologischen Paradigmas erfüllte."3 Allgemein läßt sich zunächst sagen, daß der Anspruch der Ikonologie, der weitreichender ist als der der Ikonographie, sie gleichzeitig für die Geschichtswissenschaft relevant werden läßt, der Versuch nämlich, die in Sujets, Motiven und Kompositionen der Kunstwerke ausgedrückten "Prinzipien" zu ermitteln, die

1

Zur kunsthistorischen Theoriebildung s. Hans Belting u.a. (Hgg.): Kunstgeschichte. Eine Einführung. Berlin (West) 1986. Außerdem Dieter Henrich, Wolfgang Iser (Hgg.): Theorien der Kunst. Frankfurt/M. 1982; Hermann Bauer: Kunsthistorik. Eine kritische Einfüh2 rung in das Studium der Kunstgeschichte. München 1979 .

2

Dieser Begriff findet sich zuerst in Warburgs Aufsatz "Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara". Warburg, Kunst, S. 185. Zu Warburg s.a. Carlo Ginzburg: Kunst und soziales Gedächtnis. Die Warburg Tradition. In: ders.: Spurensicherung. Über verborgene Geschichte, Kunst und soziales Gedächtnis. Berlin (West) 1983, S. 115-172; Werner Hofmann, Georg Syamken, Martin Warnke: Die Menschenrechte des Auges. Über Aby Warburg. Frankfurt/M. 1980 (Europäische Bibliothek 1). Zur Differenz zwischen dem 'Ikonologie'-Begriff bei Warburg und Panofsky s. Ekkehard Kaemmerling: Die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs 'Ikonologie'. In: ders. (Hg.): Ikonographie und Ikonologie. Theorien-Entwicklung-Probleme. Bildende Kunst als Zeichensystem Bd. 1. Köln 1979, S. 489-495.

3

Kaemmerling, Ikonographie, S. 11.

29

"die Grundeinstellung einer Nation, einer Epoche, einer Klasse, einer religiösen oder philosophischen Überzeugung enthüllen, modifiziert durch eine Persönlichkeit oder verdichtet in einem Werk."4 Das Kunstwerk wird somit - neben anderen Ausdrucksformen des menschlichen Geistes - zu einem "Dokument",5 aus dem, als Quelle aufgefaßt, der Historiker Überlegungen zum 'Bewußtsein' von Personen in vergangenen Zeiten ableiten kann. Durch ihr Ausgerichtetsein auf den Inhalt eines Kunstwerks unterscheidet sich die Ikonologie von der hauptsächlich an formalen Gesichtspunkten und deren Fassung in "Grundbegriffen" orientierten Analyse von Kunstwerken, wie sie z.B. Wölfflin vorgenommen hat.6 Als Grundlage der weiteren Ausführungen dient eine Sammlung kritischer Aufsätze zur Ikonologie, der von Ekkehard Kaemmerling herausgegebene Band "Ikonographie und Ikonologie"7 der als erster Teil einer auf zwei Bände angelegten Publikation das ikonologische Modell Panofskys diskutiert. Herangezogen werden vor allem die Beiträge von Oskar Bätschmann,8 Otto Pächt,9 Lorenz Dittmann10 und Erik Forssmann.11 Als wesentliche Veröffentlichungen, die 4

Diese Formulierung benennt gleichzeitig das Interpretationsziel der 3. Stufe des Schichtenmodells von Panofsky in der neueren Fassung. Erwin Panofsky: Ikonographie und Ikonologie. In: Kaemmerling, Ikonographie, S. 207-225, S. 211. Diese jüngste Veröffentlichung des Aufsatzes wird im folgenden zum Zitieren herangezogen. Er erschien zuerst in englischer Sprache als Teil I einer Studie mit dem Titel "Iconographie and Iconology. An Introduction to the Study of Renaissance Art.1' In: Erwin Panofsky: Meaning in the Visual Arts. Garden City (N.Y.) 1955, geht aber auf einen früheren Aufsatz zurück, der in einigen Passagen verändert wurde. Diese Fassung erschien unter gleichem Titel in Erwin Panofsky: Studies in Iconology. New York 1939. Weiterhin entwickelte Panofsky bereits 1932 ein Modell der ikonologischen Interpretation, das er in dem Aufsatz "Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst" vorstellte, zuerst veröffentlicht in Logos 21 (1932). Ein Abdruck dieses Aufsatzes bei Kaemmerling, Ikonographie, S. 185-206 ist Zitiergrundlage dieser Arbeit.

5

Panofsky, Problem, S. 201.

6

Heinrich Wölfflin: Kunstgeschichtliche Grundbegriffe. Das Problem der Stilentwicklung in der neueren Kunst. München 19489. Panofsky hat sich mit Wölfflins Ansatz kritisch auseinandergesetzt. Vgl. Erwin Panofsky: Der Begriff des Kunstwollens. In: ders.: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft. Hg. v. Hariolf Oberer und Egon Verheyen. Berlin (West) 1964, S. 29-43.

7

Kaemmerling, Ikonographie.

8

Oskar Bätschmann: Beiträge zu einem Übergang von der Ikonologie zur kunstgeschichtlichen Hermeneutik (1978). In: Kaemmerling, Ikonographie, S. 460-484.

9

Otto Pächt: Kritik der Ikonologie (1977). In: Kaemmerling, Ikonographie, S. 353-376.

10

Lorenz Dittmann: Zur Kritik der kunstwissenschaftlichen Symboltheorie (1967/1978). In: Kaemmerling, Ikonographie, S. 329-352.

30

sich mit Panofsky auseinandersetzen, treten hinzu die "Einführung in die kunstgeschichtliche Hermeneutik" von Oskar Bätschmann,12 die Ausführungen zur "Hermeneutik des Bildes" von Gottfried Boehm,13 die geschichtstheoretische Kritik der Ikonologie Panofskys von Hans Fiebig,14 die Studie zu Frühwerk und Entwicklung des ikonologischen Ansatzes Panofskys von Renate Heidt 15 und schließlich Pierre Bourdieus Theorieansatz mit dem programmatischen Titel "Soziologie der symbolischen Formen".16 In einem zweiten Schritt sollen verschiedene Ansätze vorgestellt werden, die für die 'Historische Bildkunde' von Interesse sind; der Aufsatz "Geschichte des Sehens" von Konrad Hoffmann,17 die Untersuchung "Die Wirklichkeit der Bilder" von Michael Baxandall,18 die Vorschläge zu einer "sozialwissenschaftlichen Kunstgeschichte" von Helga Möbius und Harald Olbricht19 sowie die Überlegungen Rainer Wohlfeils zum Bild als historische Quelle.20 Orientiert an der Frage nach der Funktion der hier vorliegenden Holzschnitte des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts kommen schließlich die Ergebnisse von Wolfgang Harms zur Funktion von Druckgraphik,21 Robert W. Scribners zur reformatorischen Bildpropaganda22 und Umberto Ecos zur 'Rhetorik des Bildes' zur Sprache.23 11

Erik Forssmann: Ikonologie und allgemeine Kunstgeschichte (1966/1979). In: Kaemmerling, Ikonographie, S. 257-300.

12

Oskar Bätschmann: Einführung in die kunstgeschichtliche Hermeneutik. Die Auslegung von Bildern. Darmstadt 1984 (Die Kunstwissenschaft. Einführungen in Gegenstand, Methoden und Ergebnisse ihrer Teildisziplinen und Hilfswissenschaften).

13

Gottfried Boehm: Zu einer Hermeneutik des Bildes. In: Hans-Georg Gadamer, Gottfried Boehm (Hgg.): Seminar. Die Hermeneutik und die Wissenschaften. Frankfurt/M. 1978.

14

Hans Fiebig: Die Geschichtlichkeit der Kunst und ihre Zeitlosigkeit. Eine historische Revision von Panofskys Philosophie der Kunstgeschichte. In: Roland Simon-Schaefer, Walther Ch. Zimmerli (Hgg.): Wissenschaftstheorie der Geisteswissenschaften. Konzeptionen, Vorschläge, Entwürfe. Hamburg 1975.

15

Renate Heidt: Erwin Panofsky. Kunsttheorie und Einzelwerk. Köln, Wien 1977 (Dissertationen zur Kunstgeschichte 2).

16

Pierre Bourdieu: Der Habitus als Vermittlung zwischen Struktur und Praxis. In: ders.: Zur Soziologie der symbolischen Formen. Frankfurt/M. 1974, S. 125-158.

17

Konrad Hoffmann: Geschichte des Sehens heute. In: Attempto 59/60 (1976), S. 76-80.

18

Michael Baxandall: Die Wirklichkeit der Bilder. Malerei und Erfahrung im Italien des 15. Jahrhunderts. Frankfurt/M. 1984.

19

Helga Möbius, Harald Olbricht: Überlegungen zu einer sozialwissenschaftlichen Kunstgeschichte. In: Kunstwissenschaftliche Beiträge 13 (1982). (Beilage zu 'Bildende Kunst' H.l).

20

Wohlfeil, Bild.

21

Harms, Flugblätter.

22

Scribner, Sake, S. 244-247.

23

Umberto Eco: Einführung in die Semiotik. München 1972, S. 178-188.

31

Panofskys Überlegungen zur Ikonologie seien im folgenden vorgestellt. Er hat sie in den beiden Aufsätzen "Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst" und "Ikonographie und Ikonologie" niedergelegt und jeweils in einer synoptischen Tabelle zusammengefaßt. Die Darlegung seiner Interpretationsmethode wird sich an der jüngeren Fassung orientieren; Divergenzen zwischen beiden Fassungen sollen im entsprechenden Kontext berücksichtigt werden.24 Die Veränderung der Terminologie in der zweiten gegenüber der ersten Fassung geht darauf zurück, daß Panofsky sich zunächst an Karl Mannheims Theorie der "Weltanschauungs-Interpretation"25 orientierte, während er sich später an die "Philosophie der symbolischen Formen" von Ernst Cassirer 26 anlehnte. Es folgt die Tabelle zur zweiten Fassung:

24

Tabelle I. Panofsky, Problem, S. 203; Tabelle II. Panofsky, Ikonographie, S. 223.

25

Karl Mannheim: Beiträge zur Theorie der Weltanschauungsinterpretation. In: Jahrbuch für Kunstgeschichte 1. H.4 (1921/22), S. 236-274. S. dazu Dittmann, Kritik, S. 340-343.

26

Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen. Bd. 1: Die Sprache. Darmstadt τ 1977 , bes. S. 1-54. Außerdem ders.: Der Begriff der symbolischen Form im Aufbau der Geisteswissenschaften. In: ders.: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs. Darmstadt 19694, S. 169-201. Zum Symbolbegriff Cassirers s.a. Götz Pochat: Der Symbolbegriff in der Ästhetik und Kunstwissenschaft. Köln 1983, S. 166-177.

32

Gegenstand der Interpretation

Akt der Interpretation

Ausrüstung für die Interpretation

Korrektivprinzip der Interpretation (Traditionsgeschichte)

I. Primäres oder natürliches Sujet (A) tatsachenhaft, (B) ausdruckshaft-, das die Welt künstlerischer Motive bildet II. Sekundäres oder konventionales Sujet, das die Welt von Bildern. Anekdoten und Allegorien bildet

Vorikonographische Beschreibung (und pseudo-formale Analyse)

Praktische Erfahrung (Vertrautheit mit Gegenständen und Ereignissen)

Ikonographi sehe Analyse

Kenntnis literarischer Quellen (Vertrautheit mit bestimmten Themen und Vorstellunsen)

Stil-Geschichte (Einsicht in die Art und Weise, wie unter wechselnden historischen Bedingungen Gegenstände und Ereignisse durch Formen ausgedrückt wurden) Tvpen-Geschichte (Einsicht in die Art und Weise, wie unter wechselnden historischen Bedingungen bestimmte Themen oder Vorstellungen durch Gegenstände und Ereignisse ausgedrückt wurden)

III. Eigentliche Bedeutung oder Gehalt, der die Welt "symbolischer " Werte bildet

Ikonologisch e Interpretation

Synthetische Intuition (Vertrautheit mit den wesentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes. geprägt durch persönliche Psychologie und "Weltanschauung"^

Geschichte kultureller Symptome oder "Symbole" allgemein (Einsicht in die Art und Weise, wie unter wechselnden historischen Bedingungen wesentliche Tendenzen des menschlichen Geistes durch bestimmte Themen und Vorstellungen ausgedrückt wurden)

Der interpretatorische Vorgang wird von Panofsky in drei Stufen gedacht. Auf der ersten Stufe geht es um die Erfassung des primären oder natürlichen Sujets ( = Bedeutung), das einmal tatsachenhaft und einmal ausdruckshaft bestimmt werden kann. Dies geschieht, indem der Interpret "bestimmte sichtbare Formen mit bestimmten Gegenständen"27 identifiziert und Beziehungen von Personen oder Gegenständen untereinander als Handlung oder Ereignis auffaßt oder in27

Panofsky, Ikonographie, S. 207.

33

dem er in einer intuitiven Reaktion 28 auf das Dargestellte dessen Ausdruckswert ermittelt. So werden die künstlerischen Motive bestimmt; Grundannahme ist, daß die Welt reiner Formen ... als Träger primärer oder natürlicher Bedeutungen erkannt werden ..."29 kann. Mit der "Ausrüstung" der praktischen Alltagserfahrung ist diese "vorikonographische Beschreibung"30 zu leisten, allerdings mit dem Korrektiv der Stilgeschichte. Auf der zweiten Stufe wird dann das "sekundäre oder konventionale Sujet"31 analysiert, wie es sich in Bildern, Anekdoten oder Allegorien ausdrückt. Dies ist der Gegenstandsbereich der eigentlichen ikonographischen Analyse, die die künstlerischen Motive und deren Kombination in der Komposition eines Bildes als dessen Thema oder Konzept herausstellt. Die Analyse schließt auf dieser Stufe die bewußte Darstellungsabsicht des Künstlers ein, während die ausdruckshaften Qualitäten des Bildes dem Künstler unbewußt sein können. 32 Das Erkennen der Motive als Bildthemen setzt die Kenntnis literarischer Quellen voraus, in denen diese Themen expliziert sind. Als Korrektivprinzip der Analyse fungiert hier die Typengeschichte, die sich auf die vorhandene Bildtradition bezieht. 33 Mit der dritten, der ikonologischen Stufe der Interpretation verläßt der Interpret die Ebene der Erscheinung und sucht 'das Wesen' des Kunstwerks zu erfassen, seine "eigentliche Bedeutung" oder den "Gehalt",34 indem die kompositioneilen und ikonographischen Züge des Bildes - im Anklang an Cassirer - als Symbol für die "Prinzipien" der "geistigen Grundeinstellungen" von Menschen oder Epochen gesehen werden 3 5 Gelangen kann man zum Gehalt des Kunstwerks nur mit der "synthetischen Intuition",36 in der geistesgeschichtliche Kenntnisse und Persönlichkeit des Interpreten zusammenfließen. Das Kunstwerk wird hiermit zum "Symptom von etwas anderem",37 dessen "symbolische Werte" 38 vom Künstler nicht bewußt gestaltet werden, sondern von der Gestaltungsabsicht entschieden abweichen können. In Abgrenzung zur Ikonographie macht es sich die Ikonologie zur Aufgabe, die Bedeutung von Kunstwerken zu erfassen, indem sie

28

Panofsky spricht hier von 'Einfühlung'. Vgl. Panofsky, Ikonographie, S. 208.

29

Panofsky, Ikonographie, S. 210.

30

Panofsky, Ikonographie, S. 217.

31

Panofsky, Ikonographie, S. 210.

32

Panofksy, Ikonographie, S. 211.

33

Panofsky, Ikonographie, S. 219.

34

Panofsky, Ikonographie, S. 211.

35

Panofsky, Ikonographie, S. 221.

36

Panofsky, Ikonographie, S. 212.

37

Panofsky, Ikonographie, S. 212.

38

Panofsky, Ikonographie, S. 212.

34

"den Einfluß theologischer, philosophischer oder politischer Ideen; die Absichten und Neigungen einzelner Künstler und Mäzene; die Wechselbeziehung zwischen verstandesmäßig faßbaren Begriffen und der sichtbaren Form, die sie in jedem spezifischen Fall annehmen,"39 mit berücksichtigt. Auch hier sieht Panofsky ein Korrektiv vor: die Geschichte der kulturellen Symptome oder Symbole, in denen sich menschliche Grundhaltungen ausdrükken. 40 Bei der Entwicklung der Interpretationsschritte, die sich nur auf den Bildgegenstand (Sujet) beziehen, ist Panofsky besonders an der Kategorie des Korrektivs interessiert, um seine Interpretation so gut wie möglich abzusichern. Wesentlich ist hier die Erfassung der Tradition; bezüglich der Stilgeschichte die "Art und Weise, wie Gegenstände und Ereignisse unter wechselnden historischen Bedingungen durch Formen ausgedrückt werden",41 bezüglich der Typengeschichte die Art und Weise, "wie unter wechselnden historischen Bedingungen bestimmte Themen oder Vorstellungen durch Gegenstände und Ereignisse ausgedrückt wurden".42 So sind in der Stil- und Typengeschichte die kunstspezifischen formalen und inhaltlichen Darstellungstraditionen erfaßt, in der Geschichte kultureller Symptome darüberhinaus der generelle Horizont der geistesgeschichtlichen Entwicklung. Hier wird das Einzelkunstwerk in seiner "eigentlichen Bedeutung" in den Rahmen anderer kultureller Dokumente gestellt, "die Zeugnis ablegen über die politischen, poetischen, religiösen, philosophischen und gesellschaftlichen Tendenzen der Person, der Epoche oder des Landes, die zur Debatte stehen."43 Hiermit ist gleichzeitig die Reichweite der ikonologischen Interpretation angegeben und die Forderung nach Erweiterung der kunsthistorischen Betrachtung zu einem kulturgeschichtlichen Zugriff. Der Ansatz Panofskys hat eine kunstwissenschaftliche Debatte ausgelöst, die sich um modifizierende Erweiterung seiner Methode bemüht. Im folgenden sollen nur die Problemkreise zur Sprache kommen, die im Hinblick auf eine Verwendung der Methode Panofskys für die 'Historische Bildkunde' 44 von Be39

Panofsky, Ikonographie, S. 213.

40

Panofksy, Ikonographie, S. 221.

41

Panofksy, Ikonographie, S. 217.

42

Panofksy, Ikonographie, S. 219.

43

Panofksy, Ikonographie, S. 221.

44

Zur 'Historischen Bildkunde' allgemein s. Walter Zöllner: Historische Bildkunde. In: Walter Eckermann, Hubert Mohr: Einführung in das Studium der Geschichte. Berlin (Ost) 19692, S. 470-473; Axel von Criegern: Bilder interpretieren. Düsseldorf 1981; Hermann Hinkel: Kunst und Geschichte. Ein Thema und seine didaktische Relevanz. In: Kunst und Unterricht 58 (1979), S. 20-28; Hartmut Boockmann: Über den Aussagewert von Bildquel-

35

deutung sind. Gefragt wird erstens, ob Panofsky die formale Gestaltung eines Kunstwerks genügend berücksichtigt, zweitens, wie das Verhältnis von Kunstwerk und bestehender Bild- bzw. literarischer Tradition definiert wird und drittens, ob es zureichend ist, das Kunstwerk als 'Symptom' einer geistigen Disposition des Menschen zu werten, verbunden mit dem Problem, wie das Verhältnis von Kunstwerk und Geschichte bestimmt werden kann. Die Frage dagegen, ob die Ikonologie die ästhetische Bewertung eines Kunstwerks zu leisten vermag,45 spielt für den Historiker keine zentrale Rolle, da ihm grundsätzlich jede bildliche Darstellung zur Quelle werden kann. Mit der ersten Frage ist der Vorwurf an die ikonologische Methode verbunden, sie verstehe sich zwar als umfassend, reduziere aber die Formbetrachtung auf ihre Aussagekraft für die Identifikation von Gegenständen. Die Form werde lediglich als Träger des Sinns betrachtet, bemängelt Erik Forssmann. 46 Zwar ist dieser Vorwurf zunächst nicht gerechtfertigt, da die Ikonologie sich bewußt als Methode der 'Inhaltsdeutung' von Bildern verstanden wissen will, die formale Ausdeutung des Kunstwerks also gar nicht zu leisten beabsichtigt,47 doch muß konzediert werden, daß eine ergänzende Formanalyse notwendig erscheint, soll ein Bild in all seinen Bedeutungen offengelegt werden. Dies berücksichtigt auch Panofsky, wenn er schreibt: "Sie (die Interpretation, d. Verf.) hat erst dann ihr eigentliches Ziel erreicht, wenn sie die Gesamtheit der Wirkungsmomente (also nicht nur das Gegenständliche und Ikonographische, sondern auch die rein "formalen" Faktoren der Licht- und Schattenverteilung, der Flächengliederung, ja selbst der Pinsel, Meißel- oder Stichelführung) als

Ien zur Geschichte des Mittelalters. In: Karl-Heinz Manegold (Hg.): Wissenschaft, Wirtschaft und Technik. Studien zur Geschichte. Wilhelm Treue zum 60. Geburtstag. München 1969, S. 28-37. 45

Zu diesem Problem vgl. Karl Künstle: Symbolik und Ikonographie der christlichen Kunst. Zur Methodologie der christlichen Ikonographie (1928). In: Kaemmerling, Ikonographie. S. 64-80, S. 65.

46

Vgl. Forssmann, Ikonologie, S. 271. "Die reine Form soll also an sich keinen Sinn haben, ja sie kann an figurativen Kunstwerken nicht einmal für sich konstatiert werden."

47

Panofsky betont, daß die Bildbeschreibung bereits den Sinn der Form für sich benennt, da die Beschreibung des Dargestellten immer interpretativ vorgehen müsse. Vgl. Panofsky, Problem, S. 187. Die erste Interpretationsstufe ist deshalb auch nur "pseudo-formale Analyse". Vgl. Panofsky, Ikonographie, S. 223. Dazu Renate Heidt: "Die Ikonologie beschäftigt sich nicht mit der Form als Form, sondern mit ihrer semantischen Bedeutung, mit der Identifikation der von ihr getragenen Gegenständlichkeit. Aber auch die reinen Formwerte können als 'symbolische Dokumente' für erne geistige Einstellung gelten, nur daß sie in der Ikonologie nicht verhandelt werden." Heidt, Panofsky, S. 241.

36

"Dokument" eines einheitlichen Weltanschauungssinns erfaßt und aufgewiesen hat."48 Die angemessene Interpretation der "Gesamtheit der Wirkungsmomente" führt Panofsky jedoch in seiner Ikonologie nicht vor, so daß die geforderte integrative Vorgehensweise in seiner Methodik nicht eingelöst wird. Es entsteht außerdem der Eindruck, die historisch richtige inhaltliche Bestimmung des Bildmotivs mithilfe der Stilgeschichte ersetze eine Formalanalyse des Bildes. Aus diesem Kritikpunkt läßt sich ableiten, daß Panofskys Methode nur auf gegenständliche, nicht aber auf abstrakte Kunst anwendbar ist.49 Statt einer reinen Identifikation des Gegenständlichen auf der ersten Interpretationsstufe plädiert Oskar Bätschmann für die Problematisierung des Verhältnisses von Darstellung und Dargestelltem: "Denn wenn Gegenstände und Sachverhalte dargestellt sind, ist es nicht gestattet, das Verhältnis von Darstellung und Dargestelltem als ungeschichtlich immer gleiches anzunehmen, vielmehr ist die Analyse ihrer Beziehung erst noch zu leisten, und sie bildet eine Aufgabe der Hermeneutik des Bildes."50 Anzuknüpfen wäre zudem an den 'Ausdruckswert' des Bildes, den der Betrachter nicht aufgrund der Alltagserfahrung, sondern aufgrund der ästhetischen Erfahrung realisiert und der die Wirkung des Bildes auf ihn beeinflußt. So möchte Forssmann die "Gestimmtheit des Kunstwerks"51 als erste Sinnschicht ausmachen. Es ist jedoch zu bedenken, daß die subjektive Kunstwahrnehmung nicht zu sehr verabsolutiert werden sollte; hier ist dem Bestreben Panofskys, den subjektiven Eindruck durch eine wissenschaftliche Absicherung durch Korrektivprinzipien zu überschreiten, der Vorzug zu geben. Der zweite wichtige Problemkreis betrifft das Verhältnis von Kunstwerk und literarischer bzw. ikonographischer Tradition (Typengeschichte), auf die das Bildmotiv in der zweiten Interpretationsstufe bezogen werden soll. Bei der Anwendung der Typengeschichte stellt sich die Frage, inwieweit dieses Korrektivprinzip Raum für künstlerische Innovation läßt, denn bei Panofsky scheint die Vorstellung vorzuherrschen, der Künstler bewege sich in einem Regelkanon von Bildtypen, die seinen Gestaltungsradius abstecken, während die

48

Panofsky, Problem, S. 201.

49

Vgl. dazu Forssmann, Ikonologie, S. 289 und Künstle, Symbolik, S. 65f. Beide zählen auch Architektur und Ornament zu den Gegenständen, die die Ikonologie nicht behandeln kann. Vgl. Panofsky zur abstrakten Kunst: Panofsky, Ikonographie, S. 214.

50

Bätschmann, Beiträge, S. 466. S.a. seine Thesen zur Hermeneutik des Bildes in Bätschmann, Einführung, S. 8-10. Bätschmann möchte mit der Hermeneutik des Bildes die Dichotomie von gegenständlicher und formaler Kunstbetrachtung aufheben.

51

Forssmann, Ikonologie, S. 271. Die erste Stufe des 'Phänomensinns' insgesamt s.S. 297.

37

individuellen Darstellungsintentionen weniger stark in Rechnung gestellt werden. 52 Festzuhalten ist, daß bei der Interpretation eines Bildes die individuelle Aneignung eines vorgeprägten Bildthemas durch den Künstler beachtet werden muß, auch wenn das Faktum der Innovation erst auf der Grundlage der Bildtradition erkenn- und gestaltbar ist. Noch problematischer stellt sich die Beziehung zwischen Kunstwerk und literarischer Tradition dar. Legt die zweite Interpretationsstufe des Schichtenmodells lediglich fest, daß die Kenntnis literarischer Quellen zur Einordnung eines Bildthemas unerläßlich ist, so verschiebt sich der Akzent in der ikonologischen Forschungspraxis. Es ergibt sich die Gefahr, daß das Bild als reine Illustration eines Textes angesehen wird, wobei der schriftliche Text stärker im Mittelpunkt der Forschungsarbeit steht als das Bild.53 Damit wird aber die zweite Interpretationsstufe zur dritten, denn der 'Gehalt' eines Kunstwerks liegt jetzt in dem als 'Grundlage' erkannten Text.54 Allenfalls, so meint Otto Pächt, sei das starke Einbinden des Bildes in einen Textzusammenhang bei der Renaissancekunst mit ihrer Gestaltung humanistischer Gedanken zu vertreten, 55 aber auch für diese gelte, daß nicht der "Bildgehalt der Bilder"56 übersprungen werden dürfe.Es müsse vielmehr bedacht werden, daß ein Bild selbst eine Idee äußere, dies aber mit seinen eigenen Mitteln tue. 57 Sehr erhellend verweist Ernst Gombrich darauf, daß es niemals möglich ist, aufgrund eines Bildes einen zugrundeliegenden Text zu rekonstruieren. 58 Jedenfalls müsse, so Gombrich, vor einem kurzschlüssigen 'Wiedererkennen' von Texten in Bildern gewarnt werden. Für die Interpretationspraxis sollte gelten, daß statt vorschneller Analogien zwischen Bilddarstellung und literarischen Quellen die Brüche und Divergenzen in den Blick genommen werden sollten, die sich zwischen beiden Medien ergeben 52

Heidt sieht als Unterschied zwischen 1. und 2. Fassung des ikonologischen Modells Panofskys eine Verschiebung "vom Möglichen zum Faktischen", d.h. von der Postulierung eines Darstellungsmöglichen zum tatsächlichen Kunstwerk. Heidt, Panofsky, S. 275.

53

Dies wird insbesondere auf Panofskys Studien zu Dürers 'Melencolia I' bezogen. 1923 hatte Panofsky als Textgrundlage des Holzschnitts ein astrologisches Traktat von Marsilio Ficino angenommen, 1964 dann Gedanken des Agrippa von Nettesheim. Vgl. Klibansky, Saturn. Kritisch dazu Dittmann, Kritik, S. 346ff. und Michail Libman: Ikonologie (1966). In: Kaemmerling, Ikonographie, S. 301-328.

54

Dittmann kritisiert: "Ist das Kunstwerk nichts anderes als der Träger eines verhüllten Bedeutungsprogramms, dann enthält das Programm selbst schon die Interpretation des künstlerischen Phänomens." Dittmann, Kritik, S. 346.

55

Vgl. Pacht, Kritik, S. 373.

56

Pächt, Kritik, S. 375. Hin Bild dürfe nicht zum "Schriftersatz" werden, warnt Pächt. Pächt, Kritik, S. 355.

57 58

Die Bildidee sei jedoch nur durch eine Stilanalyse zu ermitteln. Pächt, Kritik, S. 375. Vgl. dazu Ernst H. Gombrich: Ziele und Grenzen der Ikonologie (1972). In: Kaemmerling, Ikonographie, S. 377-433, S. 383f. Auch Bätschmann, Einführung, S. 61.

38

können, so daß erkannt werden kann, wenn ein 'Bildsinn' 59 einen Einspruch formuliert gegen die zeitgenössischen Ideen, mit denen er sich auseinandersetzt. Werden zudem die Ambivalenzen in der Bildgestaltung selbst einbezogen, so bietet sich die Möglichkeit, der bildenden Kunst eine unter ihren eigenen Bedingungen gestaltete Stellungnahme zu ihrer Zeit zu entnehmen. Das Verhältnis von Kunstwerk und schriftlichen Quellen problematisiert Gottfried Boehm, wenn er nach dem Verhältnis von Bildmitteln und Worten fragt, genauer, nach dem Übergang von der "Bilderfahrung des Auges in das Medium der Sprache".60 Er widerspricht einer fraglosen Gleichsetzung von Bildsinn und sprachlichem Begriff sowie der Annahme eines Abbildverhältnisses zwischen Bild und Realität und betont, daß die Mehrdeutigkeit von Bildern kein Mangel an sprachlicher Deutlichkeit, sondern eine dem Bild eigene Sichtbarmachung von Sinn sei. 61 Für den Historiker stellt jedoch die grundsätzliche Vieldeutigkeit eines Bildes durchaus ein Problem dar. Will er seine Interpretation nicht im Unentscheidbaren belassen oder die Bedeutungsvielfalt eines Bildes unzulässig verkürzen, so muß er das jeweilige Bild aus der Isolation als 'Einzelkunstwerk' entlassen und es, wie Panofsky vorschlägt, in die Reihe anderer Bilder desselben Künstlers oder in die Folge von Bildern gleicher Motive stellen, um so eine Annäherung an das zunächst nicht zu identifizierende Bildthema zu erreichen. Auch eine Konfrontation des angenommenen Bildsinns mit schriftlichen Quellen, seien es literarische, philosophische oder im engeren Sinne historische Dokumente ist notwendig. Bei aller berechtigten Differenzierung zwischen Bild und Sprache ist zu berücksichtigen, daß die Interpretation eines Bildes eine verbalsprachliche, systematische Auseinandersetzung mit Kunst darstellt, also grundsätzlich auf einer anderen Ebene anzusiedeln ist als die Kunst selbst 6 2 Das emphatische Betonen des "Unsagbaren", das das Bild zu "sagen" habe, 63 ergibt das Problem, daß der beschworene 'Rest' der Bildbedeutung nicht benannt und daher nicht zugänglich gemacht werden kann. Der Historiker aber sollte sich der Grenzen be-

59

Da das Bild keine 'Aussagen' im Sinne von eindeutigen Sätzen macht, ist der Ausdruck 'Bildaussage' irreführend. Im folgenden wird daher von 'Bildsinn' gesprochen. Vgl. dazu Bätschmann, Hinführung, S. SO.

60

Boehm, Hermeneutik, S. 444.

61

Boehm, Hermeneutik, S. 4SI. Zur Diskussion eines Abbildverhältnisses vgl. S. 448. Bätschmann betont die Anschauung statt des Versuchs, das 'Eigentliche* am Bild finden zu wollen und kritisiert an der Ikonologie ein "Mißtrauen gegen das Sehen". Bätschmann, Einführung, S. 32.

62

Boehm entwickelt hier die Vorstellung, es müsse auf die gemeinsame Ebene der Bildlichkeit bei Sprache und Bild rekurriert werden. Unklar bleibt, ob eine Bildinterpretation dann nur eine poetische Nachdichtung sein kann. Vgl. Boehm, Hermeneutik, S. 447.

63

So etwa bei Boehm, Hermeneutik, S. 459.

39

wußt sein, die seiner Interpretation gesteckt sind und davon ausgehen, daß die Auswertung eines Bildes als historische Quelle nicht dessen Gehalt als ästhetisches Produkt erschöpft. Der dritte Problemkreis thematisiert das Verhältnis von Kunstwerk und Geschichte. Nach Panofsky soll sich im 'Gehalt' des Bildes das fundamentale Verhältnis des Künstlers zur Welt enthüllen, jedoch als "ungewollte und ungewußte Selbstoffenbarung", die nur aus historischer Perspektive erfaßbar ist.64 Renate Heidt schreibt über die dritte Interpretationsstufe, daß man, um die letzte Sinnschicht des Kunstwerks zu erfassen, die "symbolischen Werte genauso wie die Formen, Motive, und 'images' wieder auf eine außerkünstlerische Realität beziehen"65 müsse, d.h. auf die Tendenzen des Geistes, als deren 'symbolisches' Dokument das Kunstwerk verstanden wird. Diese Konzeption enthält mehrere Probleme. Zunächst einmal möchte Panofsky mit seiner Methodologie von der Ebene der Erscheinung vordringen zum 'Wesen' des Kunstwerks, als dem 'Eigentlichen'. Hier erkennt Hans Fiebig, daß Panofsky auf der dritten Stufe der Interpretation etwas Geschichtsloses und Unwandelbares postuliert. 66 Zwar hebt Panofsky im Schichtenmodell der zweiten Fassung stärker das Kunstwerk als Auseinandersetzungsprodukt des Menschen mit seiner Umwelt hervor, 67 doch bleibt die Zeitlosigkeit des Interpretationsergebnisses, das von einem "archimedischen Punkt" außerhalb der Geschichte aus erreicht wird, im Prinzip erhalten. 68 Demgegenüber ist zu betonen, daß sowohl das Verhalten von Menschen als auch das Konzept von 'Welt', der 'Wesenssinn' der Werke selbst als historisch veränderbar begriffen werden müssen. Dies ist jedoch bei dem Korrektivprinzip der dritten Stufe nicht gewährleistet, denn die 'wesentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes' sind dem Gang der Geschichte entzogen. Lediglich die Ausdruckformen der 'Tendenzen' im Einzelkunstwerk unterliegen "wechselnden historischen Bedingungen",69 nicht aber das sich in ihnen manifestierende Geistesprinzip. Stattdessen sollte nach Fiebig gelten, daß die Einbettung sowohl des Sinns der Kunstwerke als auch des Interpretationsakts selbst in eine historische Dimension eine grundsätzliche Veränderbarkeit des Interpretationsergebnisses sowie eine immer neue Anstrengung um die Ermittlung von Sinn bedeuten muß. In diesem Kontext fordert Fiebig:

64

So heißt es in der ersten Fassung des Modells. Panofsky, Problem, S. 200. Auch in der zweiten Fassung bleibt die 'Unbewußtheit' als Kategorie erhalten. Vgl. Panofsky, Ikonographie, S. 212.

65

Heidt, Panofsky, S. 251.

66

Fiebig, Geschichtlichkeit, bes. S. 141-145.

67

Vgl. Heidt, Panofsky, S. 261.

68

Panofsky, Begriff, S. 29. Vgl. dazu Dittmann, Kritik, S. 338.

69

Panofsky, Ikonographie, S. 223.

40

"Es handelt sich nicht darum, ein ewiges Wesen, einen geschichtslosen Sinn des Kunstwerks wiederzuentdecken, sondern das der jeweiligen Gegenwart gemäße, also veränderliche Verständnis zu begründen."70 Statt anzunehmen, daß "die Faszination durch Kunstwerke einer vergangenen Zeit, die uns, obwohl geschichtlich bedingte Schöpfungen, noch immer etwas zu 'sagen' haben", 71 dadurch zu erklären sei, daß den Werken etwas zeitlos Gültiges innewohnen müsse, sei davon auszugehen, daß diese Faszination eher mit der Resistenz der Werke gegenüber der Geschichte zu tun habe, "nämlich in einer veränderten geschichtlichen Situation eine neue, nur in dieser Situation erschließbare Bedeutung haben zu können ,..".72 In dieser pointierten Bindung des Sinns eines Kunstwerks an die jeweilige Gegenwart liegt jedoch eine neue Einseitigkeit, da bei der Interpretation nicht außer Acht gelassen werden darf, in welchem Verhältnis ursprünglich intendierter und aus historischem Abstand ermittelter Sinn zueinander stehen. Eine historische Interpretation, die auch der im Kunstwerk angelegten Intention Rechnung tragen will, muß zeitgenössische und gegenwärtige Sinndeutung miteinander verkoppeln und die eigenen Aussagen zur Sinnerschließung in den Rahmen einer Rezeptionsästhetik stellen. 73 Des weiteren sei darauf hingewiesen, daß die Suche nach den 'wesentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes' einen generalisierenden Grundzug verrät, der individuelle Artikulationsmöglichkeiten verdeckt und eine mehrdimensionale, aus verschiedenen Strängen bestehende Tradition leugnet. In der Tat erscheint die Kunstgeschichte bei Panofsky als "autonom, eindimensional, folgerichtig und zielstrebig".74 Der Künstler wird der Autonomievorstellung entsprechend nicht als empirisches Subjekt angesehen, eine historische Verankerung des Kunstwerks in die konkrete Lebenssituation des Künstlers nicht angestrebt. Kunst wird in Anlehnung an Cassirer dem autonomen Reich des Geistes zugeordnet, diese Ebene wird nie überschritten 7 5

70

Fiebig, Geschichtlichkeit, S. 157.

71

Fiebig, Geschichtlichkeit, S. 143.

72

Fiebig, Geschichtlichkeit, S. 160.

73

Zur Rezeptionsästhetik vgl. Wolfgang Kemp (Hg.): Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik. Köln 1985; ders: Kunst und Betrachter: Der rezeptionsästhetische Ansatz. In: Belting, Kunstgeschichte, S. 203-211.

74

Heidt, Panofsky, S. 103.

75

Bätschmann meint, Panofsky beziehe sich zu Unrecht auf Cassirers Symbolbegriff. Vgl. Bätschmann, Beiträge, S. 470f. Von der Ansicht, Panofsky beziehe auf der 3. Stufe der Interpretation die Entstehungsbedingungen eines Kunstwerks mit ein, gehen Harms und Libman aus. Vgl. Hanns, Flugblätter, S. XV und Libman, Ikonologie. Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden.

41

Hierin ist für den Historiker das wesentlichste Desiderat der Theorie Panofskys zu sehen. Eine Verankerung des Kunstwerks im historischen Prozeß muß methodisch eingelöst, sein 'Sitz im Leben' in den Blick genommen werden. 76 Dies betrifft alle drei Stufen des Schichtenmodells; sie müssen eine Modifikation erfahren und untereinander in Beziehung gesetzt werden. Bei der Berücksichtigung der formalen Gestaltung des Kunstwerks sind die stilistischen Eigenheiten in eine historische Funktionsanalyse einzubetten. In diesem Sinne argumentiert auch Renate Heidt, wenn sie die Größen angibt, mit denen Stilphänomene in Verbindung gebracht werden sollten: "Nimmt man zum Gegenstand (einer bildlichen Darstellung, d. Verf.) noch die Funktion und den Realitätscharakter des Kunstwerks hinzu, berücksichtigt man seine Verwendung im religiösen oder profanen, staatlichen oder privaten Bereich, so gewinnt man eine Reihe objektiver Faktoren, deren Korrelationen mit Künstlergruppen, Auftraggebern, Ideologien und Stildifferenzen man prüfen muß, um den Pluralismus der Stilphänomene einer Zeit wirklich im Sinne eines 'spannungsgeladenen Kräftefeldes' ordnen und interpretieren zu können."·" Hiermit werden gleichzeitig Ansätze wie die von Boehm oder Bätschmann zurückgewiesen, die eine Verselbständigung des Bildes mit sich bringen, wenn etwa Boehm verlangt, der Interpret solle das Bild sich "als offenes Feld zwischen Beziehungen und Kontraste zwischen Grenzen konstituieren"78 lassen oder Bätschmann die "Produktivität des Bildes"79 und den "Bildprozeß"80 in den Mittelpunkt stellt. Für den Historiker kann dies nicht Ziel der Betrachtung sein, denn ihm geht es um die Einordnung des künstlerischen Beitrags in historische Zusammenhänge. Im Schnittpunkt zwischen Kunstgeschichte und Geschichte steht die Individualität des Künstlers als historische Persönlichkeit, über sein 'Bewußtsein' sollen Aussagen gemacht werden, als Produkt der Auseinandersetzung mit der Umwelt wird sein Bild gesehen. Von Bedeutung für den Historiker ist dagegen die von Bätschmann als Analysekriterium eingeführte 'Zeitstruktur' des Bildes. Diese kann sich äußern als Darstellung von Simultanität zeitlich nachgeordneter Ereignisse im Bild oder als Mischung von vergangener und gegenwärtiger Zeitebene: So kann etwa ein Motiv durch eine historische Kulisse der Vergangenheit zugeordnet werden, aber durch die Affektdarstellung gleich76

Vgl. z.B. Hans Belting: Das Werk im Kontext. In: Belting, Kunstgeschichte, S. 186-202.

77

Heidt, Panofsky, S. 186.

78

Boehm, Hermeneutik, S. 465. Vgl. zu diesem Interpretationsansatz auch Gottfried Boehm: Kunsterfahrung als Herausforderung der Ästhetik. In: Willi Oelmüller (Hg.): Kolloquium Kunst und Philosophie 1. Ästhetische Erfahrung. Paderborn 1981, S. 13-28.

79

Bätschmann, Beiträge, S. 471.

80

Bätschmann, Einführung, S. 132-155.

42

zeitig das vergangene Ereignis in die Gegenwart hineinholen. Am Beispiel des Historienbildes zeigt Bätschmann diese Zeitstruktur und faßt zusammen: "Die Rekonstruktion des Ereignisses ist dialektisch, das Bild bringt das Ereignis nicht in eine einfache Gegenwärtigkeit, sondern in eine vergangene Gegenwärtigkeit."81 Zu ergänzen wäre, daß die Funktion dieser 'Zeitstruktur' im Bild herausgestellt werden müßte. Auf der zweiten Ebene des Modells ist gleichfalls über das von Panofsky vorgeschlagene Verfahren, das Heranziehen von Texten zur Klärung des Bildthemas, hinauszugehen. Zu fragen ist nach dem gesellschaftlichen Beziehungsgefüge, in dem Kunstwerk, Künstler und gegebenenfalls Auftraggeber sowie die Rezipienten standen, nach der Darstellungsintention des Künstlers im Rahmen seiner Erfahrungen von Gesellschaft, 82 nach der Funktion des Bildes und seiner Rein zeption. Betreffen diese Fragestellungen noch die bewußte Bildgestaltung durch den Künstler und das intentionale Feld, so wird auf der dritten Stufe der Interpretation ein Zugang zu den dem Künstler und den Zeitgenossen unbewußten Sinnschichten eines Werks gesucht. Hierzu muß nach Wohlfeil der "geschichtswissenschaftliche Kenntnisstand über jene vergangene historische Wirklichkeit"84 herangezogen werden. Das Bild könne dann Auskunft geben "über den denkenden und fühlenden, handelnden und leidenden Menschen - Mensch begriffen sowohl als Individuum wie auch als kollektives Wesen, und zwar nicht nur über seine geistige, sondern auch über seine soziale Befähigung, sich auf sein gesellschaftliches Umfeld einzustellen und sich in ihm zurechtzufinden, über die Formen, wie er diese Fähigkeit umsetzt, verflochten in die sich in Raum und Zeit wandelnden Bedingungen seiner Existenz."85

81

Bätschmann, Einführung, S. 148.

82

Zur Intention s. Bätschmanns Begriff der "künstlerischen Intention". Bätschmann, Einführung, S. 110-112.

83

Wohlfeil nennt einige Koordinaten der Einordnung des Bildes: "Zu fragen ist weiterhin, welche Bedeutungs- oder Mitteilungsabsicht Auftraggeber und/oder nur der Künstler mit dem Werk verbanden, für welche Bezugsgruppe es bestimmt war, 'wozu' es dem Stifter/Auftraggeber 'diente', welche Bedürfnisse es abdeckte, in welche Situation es 'eingriff und welche Einstellungen und Interessen es wahrnahm bzw. sie beeinflussen sollte." Wohlfeil, Bild, S. 96.

84

Wohlfeil, Bild, S. 98.

85

Wohlfeil, Bild, S. 97. 43

B e i dieser dritten Stufe der Interpretation 8 6 ist weniger von einem wissenschaftlichen Erklärungszusammenhang auszugehen, sondern es sollte ein Spektrum von historischen Lebens- und Erfahrungssituationen eröffnet werden, aus denen heraus ein Verständnis für die Realitäts-Gestaltung eines Bildes erwachsen, nicht aber regelhaft abgeleitet werden kann. 8 7 D i e Erweiterung des Ansatzes von Panofsky soll im folgenden durch

eine

terminologische Festsetzung angezeigt werden. Statt die Kennzeichnung des angestrebten Ergebnisses der dritten Stufe als "Dokumentsinn" eines Bildes zu bezeichnen, soll in dieser Arbeit von der "historischen Bedeutung" des Bildes in diesem Z u s a m m e n h a n g gesprochen werden. Diese historische Bedeutung soll nicht die wesentlichen Grundprinzipien eines Verhaltens zur W e l t aufzeigen, sondern alle vorkommenden Verhaltensformen. Dabei soll Verhalten nicht nur geistige Dispositionen umschreiben, sondern die Handlungsmuster von Menschen einbeziehen, so daß auf der dritten Stufe des Panofsky-Modells der V e r -

86

Heidt formuliert: "So verstanden eröffnet das Kunstwerk nicht nur einen Weg zum einzelnen Menschen, sondern auch zur Welt des Menschen, zu seiner Geschichte. Es kann auch als 'Geschichtsquelle' betrachtet werden, als eine Kernzelle zum Verständnis und zur Ordnung geschichtlichen Lebens." Heidt, Panofsky, S. 281. Untersuchungen zur 'Historischen Bildkunde' in diesem Verständnis sind z.B. Rainer und Trudl Wohlfeil (unter Mitwirkung v. Viktoria Strohbach): Nürnberger Bildepitaphien. Versuch einer Fallstudie zur historischen Bildkunde. In: ZHF 12 (1985), S. 129-180; Ramer und Trudl Wohlfeil: Verbildlichungen ständischer Gesellschaft. Bartholomäus Bruyn d.Ä. - Petrarcameister. Erscheint demnächst im Band über das Kolloquium 'Ständische Gesellschaft und Mobilität'. Schriftenreihe des Historischen Kollegs, München 1988; Rainer und Trudl Wohlfeil: Frieden in der Kunst. In: Orientierung. Berichte und Analysen aus der Arbeit der Evangelischen Akademie Nordelbien. Hg. v.d. Evangelischen Akademie Nordelbien. H.2 (1987), S. 21-33. Unter dem Titel "Jan d.Ä. Brueghel und Hendrick van Baien dA.: Die Weissagungen des Propheten Jesaias. In: Friedensgedanke und Friedensbewahrung am Beginn der Neuzeit. Beiträge zu einer wissenschaftlichen Konferenz vom 6. u. 7. Mai 1986 an der Karl-Marx-Universität Leipzig (Wissenschaftliche Beiträge der Karl-Marx-Universität Leipzig. Reihe Gesellschaftswissenschaften), S. 60-83. Außerdem Horst Bredekamp: Kunst als Medium sozialer Konflikte. Bilderkämpfe von der Spätantike bis zur Hussitenrevolution. Frankfurt/M. 1975; Martin Warnke: Cranachs Luther. Entwürfe zu einem Image. Frankfurt/M. 1984; Dieter Wuttke: Dürer und Celtis: Von der Bedeutung des Jahres 1500 für den deutschen Humanismus: 'Jahrhundertfeier als symbolische Form'. In: The Journal of Medieval and Renaissance Studies 10. H.l (1980), S. 73-129; Wolfgang Harms: Bemerkungen zum Verhältnis von Bildlichkeit und historischer Situation. Ein Glücksrad-Flugblatt zur Politik Kaiser Maximilians I. im Jahre 1513. In: Grubmüller, Denkformen, S. 336-353. Schließlich Herbert Zschelletzschky: Die drei 'gottlosen' Maler von Nürnberg. Sebald Beham, Barthel Beham und Georg Pencz. Historische Grundlagen und ikonologische Probleme ihrer Graphik zur Reformation und Bauernkriegszeit. Leipzig 1975.

87

Bätschmann kritisiert an Panofskys Vorstellungen zur 3. Interpretationsstufe, daß hier ein Erklärungszusammenhang impliziert wird. Vgl. Bätschmann, Einführung, S. 68-72.

44

such gemacht werden kann, in den Bereich der 'Mentalitätengeschichte' vorzustoßen. Als Versuch, das grundlegende Verhalten von Menschen mit den symbolischen Ausdrucksformen, also auch Kunstwerken, zu verknüpfen, versteht Pierre Bourdieu die Kategorie des 'Habitus', die Panofsky einführt und die bei diesem den Einfluß des Zeitalters auf die künstlerischen Schöpfungen bedeutet. 88 Der 'Habitus' wird Bourdieu zum Ausgangspunkt seiner "Soziologie der symbolischen Formen", denn in ihm sieht er die Möglichkeit, "im Zentrum des Individuellen selbst Kollektives zu entdecken."89 Der 'Habitus' ist für ihn ein "Zusammenspiel bereits im Voraus assimilierter Grundmuster",90 die das Verhalten des Menschen bestimmen, auch die Kunstproduktion: "Diese objektive Intention, die sich niemals auf die bewußte Absicht des Künstlers beschränkt, ist eine Funktion der Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster, die der Künstler seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaft oder Klasse verdankt." 91 Der 'Habitus' soll jedoch alle typischen Gedanken, Wahrnehmungen und Handlungen einer Kultur hervorbringen,92 was bedeutet, daß Bourdieu ähnliche Generalisierungen anstrebt wie Panofsky. Die Verankerung des 'Habitus' in die Lebensumstände der Menschen bleibt dabei schemenhaft, vielmehr birgt Bourdieus Ansatz die Gefahr, eine einmal gefundenen 'Struktur' 93 zu verabsolutieren, da diese in ihrer Einheitlichkeit bestehen bleiben soll. Stattdessen wäre von sich überschneidenden, sich bedingenden oder sich widersprechenden, jedenfalls mehrfachen, nebeneinander existierenden Strukturen in einer Kultur auszugehen, aus denen sich ja gerade das Konfliktpotential einer Zeit speisen kann. Eine überzeugende "Soziologie der symbolischen Formen" kann Bourdieu daher nicht bieten. 88

Erwin Panofsky: Gothic Architecture and Scholasticism. Latrobe (Pa.) 1951.

89

Bourdieu, Habitus, S. 132.

90

Bourdieu, Habitus, S. 143.

91

Bourdieu, Habitus, S. 154.

92

Bourdieu vergleicht den Habitus mit der generativen Grammatik Noam Chomskys: "In der Terminologie der generativen Grammatik Noam Chomskys ließe sich der 'Habitus' als ein System verinnerlichter Muster definieren, die es erlauben, alle typischen Gedanken, Wahrnehmungen und Handlungen einer Kultur zu erzeugen - und nur diese." Bourdieu, Habitus, S. 143.

93

Bourdieu sieht in Panofskys 'Habitus' eine Fortentwicklung der strukturalistischen Methode, die "Homologien" aufstellt "zwischen den verschiedenen Strukturen verschiedener symbolischer Systeme einer Gesellschaft oder Epoche". In der Funktion der 'Schule' habe Panofsky die konkrete 'Verknüpfung1 der Strukturen im Hochmittelalter gesehen. Vgl. Bourdieu, Habitus, S. 138-139.

45

Dagegen führen verschiedene andere theoretische oder methodische Überlegungen weiter auf dem Weg der sozialhistorischen Verankerung eines Bildes. Angesetzt wird hier an die Dimension des 'Ausdrucks' eines Bildes, die ebenso wie die 'Wahrnehmung' eine historische Qualifikation erfahren muß. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen von Konrad Hoffmann 94 zu sehen, der die "Geschichte des Sehens" im Sinne Riegls und Wölfflins aufgreift und fordert, die Kunstwissenschaft habe "eine historische Sozialpsychologie der Wahrnehmung"95 zu berücksichtigen. Hier kann er sich auf Ernst Gombrich beziehen, der in seinem zentralen Werk "Art and Illusion" den subjektiven Faktor bei der Selektion und Organisation der Wahrnehmung herausstellt. 96 Bei der Historisierung der Wahrnehmung 97 gerät jedoch nicht nur der heutige Kunstrezipient in den Blick, der u.U. vor dem Problem steht, keinen Zugang mehr zu vergangenen Sinnzuschreibungen zu finden, sondern auch die "Aneignungsmuster" der Zeitgenossen sollen ergründet werden. So fordert Pächt: "Vor allem ergibt sich ... für die Kunstwissenschaft unweigerlich die Forderung, sich mit dem bildlichen Vorstellungskreis der betreffenden Kulturgemeinschaft oder Epoche, die man studieren will, so gut wie möglich vertraut zu machen, um jenes Wissen zu erwerben, das in unseren Sehorganen eingebaut sein muß, soll das Wahrnehmungserlebnis dem gleichen, welches der Schöpfer des Kunstwerkes und sein Publikum bei seiner Entstehung gehabt hat."98 Wegweisend ist hier die Arbeit von Michael Baxandall "Die Wirklichkeit der Bilder. Malerei und Erfahrung im Italien des 15. Jahrhunderts", die den Zusammenhang von zeitgenössischen Aneignungsmustern für Bilder und dem künstlerischen Stil herstellt sowie Formgebung durch den Künstler in Darstellungskonventionen und Sehgewohnheiten der Betrachter historisch verankert. Seine Grundthese lautet: "Gesellschaftliche Tatsachen ... führen zu der Herausbildung spezifischer visueller Fertigkeiten und Gewohnheiten; und diese Fertigkeiten und Gewohnheiten verdichten sich zu identifizierbaren Elementen im Stil des Malers."99

94

Hoffmann, Geschichte, S. 77. Hoffmann kritisiert an Panofsky, dieser verstehe "Wahrnehmung bloß als ein vor-ikonographisches Korrektiv der Motivdeutung".

95

Hoffmann, Geschichte, S. 77.

96

Ernst Gombrich: Art and Illusion. Α Study in the Psychology of Pictorial Representation. New York 1960.

97

Vgl. Bätschmann, Einführung, S. 78. Die Historisierung der Wahrnehmung führt zu einer Relativierung der Kategorie des spontanen Bildeindrucks.

98

Pächt, Kritik, S. 369.

99

Baxandall, Wirklichkeit, S. 7.

46

So sucht er die 'gesellschaftlichen Tatsachen' in der Struktur des Gemäldehandels und in den Erfahrungsbereichen des Alltags im 15. Jahrhundert, die visuellen Gewohnheiten und ästhetischen Kategorien für die Malkunst und schließlich die Maltechnik und den Stil der Bilder miteinander in Beziehung zu setzen. In der Analyse des Verhältnisses von Maler und Auftraggeber sieht Baxandall Gemälde als "versteinerte Formen des ökonomischen Lebens" 100 und zeigt die gesellschaftlichen Aspekte einer veränderten Farbgebung bei Bildern des 15. Jahrhunderts. 101 Des weiteren entwickelt Baxandall, daß die Strakturierung der visuellen Erfahrung teilweise gesellschaftsabhängig ist und daß sich daraus Wahrnehmungstechniken entwickeln - die "visuelle Kompetenz" 102 des Betrachters des 15. Jahrhunderts, die die Aufnahme und Interpretation von Bildern erheblich bestimmen. Wahrnehmungsgewohnheiten wurzeln z.T. in der alltäglichen Erfahrung: "Die Menschen des Quattrocento machten Geschäfte, gingen zur Kirche und führten ein gesellschaftliches Leben; aus all diesen Tätigkeiten erwarben sie Fähigkeiten, die für ihre Beobachtung von Gemälden relevant waren."103 Zum anderen prägen die Darstellungskonventionen der Kunst die visuelle Kompetenz des Betrachters; dieser erwirbt Wissen über und Erwartungen an die Kunst, denen der Maler zu entsprechen sucht. So sind Produktion und Rezeption miteinander verklammert:"... dem Maler fiel die äußere, dem Publikum die innere Visualisierung zu."104 Das Ergebnis ist eine Komplementarität, die sich z.B. in der Darstellung und Rezeption von Personen und Personengruppen zeigt. Weniger als die konkrete Physiognomie der menschlichen Figur, die in dieser Zeit zu typenhaft blieb, um die Identifikation zu erleichtern, wurden die Bewegungen der Figuren, ihre Gestik als Spiegel ihrer Seele aufgefaßt, wobei die Formen emotionaler Erfahrung, die hier stilisiert zum Ausdruck gelangen, zeitspezifisch geprägt sind, etwa durch die Formen des Tanzes oder die Gebärdensprache der Prediger. 105 Es ergab sich eine Interaktion zwischen dargestellter Person bzw. Personengruppen und dem Betrachter, der sich durch eine ihn anblickende Person gleichsam in das Gemälde hineingezogen fühlte: Das Bild wurde zur visuellen Handlung, 106 an der der Betrachter teil hatte und

100

Baxandall, Wirklichkeit, S. 10.

101

Vgl. Baxandall, Wirklichkeit, S. 18-30.

102

Baxandall, Wirklichkeit, S. 57.

103

Baxandall, Wirklichkeit, S. 56.

104 Baxandall, Wirklichkeit, S. 63. 105

Vgl. Baxandall, Wirklichkeit, S. 67-75.

106

Vgl. Baxandall, Wirklichkeit, S. 98f.

47

die er gleichzeitg in ihrem erzählenden und emotionalen Gehalt für sich aufschlüsselte. Baxandall knüpft an die Arbeiten Warburgs an, der ebenfalls das Festwesen und den Tanz in ihrer Verbindung zur Gebärdensprache der Kunst gesehen hatte. Insbesondere in seiner Analyse der Bewegung und Gestik dargestellter Figuren greift Baxandall Warburgs "Pathosformel",107 die dieser als "historische Psychologie des menschlichen Ausdrucks"108 bezeichnet hatte, auf und betont, daß der Ausdruck von menschlichen Emotionen keine anthropologische Konstante ist, sondern als gesellschaftlich geprägt angesehen werden muß. Betreffen diese Überlegungen eher die figürlich-inhaltliche Seite der Bilder, so weiß Baxandall auch die Form in die zeitgenössische Erfahrungswelt einzubetten. Die Malerei, so führt er aus, verwendete unter Reduktion der realen Formen geometrische "Standard-Formen, ... an denen der Betrachter gewöhnlich seine Geometrie gelernt hatte ..."109 und richtete sich nach der Harmonie der Proportionen. Hier findet die Wissenschaft ihren Platz in der Wechselbeziehung Malerei-Gesellschaft, indem sie visuelle Erfahrungen neu organisiert. Nach Baxandall wird dem Historiker zur Aufgabe, Alltagserfahrung in ihrem visuellen Aspekt historisch zu rekonstruieren und hierbei auf Erscheinungsformen zurückzugehen, die allererst die Wahrnehmung von Gestaltetem bestimmen. Da Baxandall seine Kriterien anhand des Beispiels des religiösen Bildes im Italien des 15. Jahrhunderts entwikkelt, sind bei der Anwendung seiner Erkenntnisse auf andere historische Wirklichkeiten und Kunstgegenstände insbesondere die Inhalte der Alltagserfahrung und die visuellen Gewohnheiten neu zu bestimmen. Die Verknüpfung von Kunst und Lebenserfahrung ist eine Forderung, die Möbius/Olbricht in ihrem Aufsatz "Überlegungen zu einer sozialwissenschaftlichen Kunstgeschichte" aufstellen. Sie möchten durch Bildinterpretationen mehr erfahren "über die Menschen, über ihre Art und Fähigkeit, sich in der Welt zu orientieren und sich zu ihr zu verhalten, sowie über die Bedingungen der Veränderung dabei."110 Auch Möbius/Olbricht rekurrieren im Versuch, das Kunstwerk in die Lebenspraxis des Menschen zu verankern, auf den Begriff der Struktur. 111 Der Strukturbegriff soll zur Identifikation von Beziehungsebenen führen; für die Gesellschaft ergeben sich drei Ebenen: 107

Vgl. die Ausführungen Martin Warnkes zur 'Pathosformel' bei Warburg in Hofmann, Menschenrechte, S. 60-67.

108

Warburg, Kunst, S. 185.

109

Baxandall, Wirklichkeit, S. 114.

110

Möbius, Überlegungen, S. 3.

111

Möbius/Olbricht gehen u.a. auf die Ansätze von Bätschmann, Hoffmann, Bourdieu und Baxandall ein und schließen sich an den Strukturbegriff der Annales-Forschung an. Vgl. Möbius, Überlegungen, S.3.

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"1. Die Beziehungen der Menschen untereinander, d.h. die sozialen Verkehrsweisen. 2. Daraus resultierend der Charakter der Gemeinschaft, der das Verhältnis der Individuen zum Kollektiv betrifft. 3. Der Bezugspunkt der Gemeinschaft, d.h. ihre Weltsicht, ihre Orientierung in der Realität." 112 Diese Ebenen werden als "konstitutive Elemente einer sozialen Struktur" 113 bestimmt, die als "Habitus" die kulturellen Äußerungen prägen. Werden diese Beziehungsebenen auf die Bildanalyse übertragen, müssen folgende Gesichtspunkte betrachtet werden: die Art der Beziehungen der Personen untereinander, ihr Verhältnis zum Raum; der "Charakter der Gemeinschaft auf dem Bild"; das Verhältnis der Bildfiguren zum Betrachter, z.B. die Vordergrundsgestaltung, "Bewegungslinien der Figurengruppierungen" und "die Blickführung durch Komposition, Licht und Farbe." 114 Über die Gebärdensprache der Figuren erhält der Historiker Zugang zur Sensibilität einer vergangenen Epoche, zu einer "Geschichte der Leidenschaften" 115 . Auch hier findet sich die Anknüpfung an Warburgs "Pathosformel" sowie an seine Vorstellung vom Kunstwerk als "Ausgleichserzeugnis" und "soziales Gedächtnis", das Gefühle und Spannungen darstellt und damit bearbeitet und objektiviert. 116 Möbius/Olbricht entwickeln nun weiter, daß die Beziehungsgefüge, die das Leben des Menschen bestimmen, sowie die Definitionen von Gruppen und ihre Selbstverständigung sich symbolhaft im Bild ausdrücken. "Bildlich erfolgt so Verständigung über die Modi der Beziehungen, die Normen und Weisen des Verhaltens, der sozialen Unterscheidungen, Abgrenzungen, aber auch des Aufeinanderbezogenseins. Bildwerke führen vor, was sich dazu herausbildet und jeweils als erstrebenswert angesehen wird. 1 1 7 Die in einer Gesellschaft gültigen "'Muster' von Beziehungen" finden in der Kunst "ihren konzentrierten Ausdruck."118 So verstanden, zeigt das Bild gesellschaftliche Grundstrukturen, auf die auch kunstwissenschaftliche Grundbegriffe

112 Möbius, Überlegungen, S. 3. 113 Möbius, Überlegungen, S. 3. 114 Möbius, Überlegungen, S. 3. 115 So Warburg, zit. nach Möbius, Überlegungen, S. 13. 116 Dieser Ansatz Warburgs zit. nach Möbius, Überlegungen. S. 13. 117 Möbius, Überlegungen, S. 15. 118 Möbius, Überlegungen, S. 15.

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als "gestaltrelevante Beziehungsbegriffe"119 abheben müssen. Mit diesen Überlegungen stellen Möbius/Olbricht den interessanten Versuch vor, das immer wieder beschworene Verhältnis von Kunst und Realität bzw. Kunst und sozialer Ordnung zu präzisieren und im strukturalen Zugriff auf "Beziehungsebenen" einen 'gemeinsamen Nenner' beider Bereiche auszumachen. Trotz dieses positiven Ansatzes seien aber einige Bedenken formuliert, die bereits bei der Besprechung der Arbeit von Bourdieu erwähnt wurden. Auch die Theorie von Möbius/Olbricht birgt die Gefahr, unter Berufung auf die Strukturen von Gesellschaft zu vereinfachenden Konstruktionen zu gelangen, insbesondere, wenn sich aus diesen Strukturen alle nur möglichen Verhaltensweisen von Menschen ableiten lassen sollen. Dies führt entweder dazu, daß die angegebenen Strukturen sehr allgemein gehalten sind und dadurch ihre Leistung als Kategorien in Frage steht, oder daß eine Präzisierung der Strukturen auf Kosten der Erfassung der Individuen - die ja eigentlich Zielpunkt der Theorie sind geht. Dies wird deutlich in der Formulierung der gesellschaftlichen Beziehungsebenen, nämlich der Setzung der Bezugsgrößen in den Singular, die befürchten läßt, daß hier mit Verallgemeinerungen gearbeitet wird. 120 Die Festlegung einer Gesellschaft auf eine Weltsicht verhindert eine Analyse der Konflikte zwischen miteinander konkurrierenden Weltsichten einer Gesellschaft und tendiert dazu, das Einzelbewußtsein des Individuums bruchlos im Kollektivbewußtsein aufgehen zu lassen. Im folgenden gilt es, die vorgestellten Ansätze zur Bildinterpretation auf die Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit anzuwenden bzw. um weitere Überlegungen zur Funktionsanalyse von Holzschnitten des frühen 16. Jahrhunderts zu ergänzen. Bei dem dieser Untersuchung zugrundeliegenden Bildmaterial handelt es sich ausnahmslos um Holzschnitte.121 Sie erscheinen als Einzelholzschnitt oder Holzschnittpaar auf dem Titelblatt der astrologischen Flugschriften bzw. als Holzschnittfolge im Text. Sie machen also nur einen Teil der gesamten Botschaft des Mediums aus, was bedeutet, daß stets das Text-Bild-Gefüge Berücksichtigung finden muß. Anders als etwa bei einem Tafelbild handelt es sich bei Druckgraphiken nicht um Unikate, sondern um "Massenbilder"122 im Sinne ei119 Möbius, Überlegungen, S. 15. 120 So sprechen Möbius/Olbricht vom 'Charakter' einer Gemeinschaft oder von der 'Weltsicht'. Möbius, Überlegungen, S. 3. 121 Zur Druckgraphik allgemein s. William M. Ivins: Prints and Visual Communication. Neudruck der Ausgabe London 1953. New York 1969; A. Hyatt Mayor: Prints and People. A social history of printed pictures. New York 1971. 122 Brückner, Massenbilderforschung, S. 130. In diesem Aufsatz finden sich Angaben zu den wichtigsten Publikationen und Holzschnittsammlungen.

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ner massenhaften Produktion und Verbreitung. Dementsprechend steht bei der Analyse nicht so sehr die Erhellung der Beziehung zwischen Künstler, Kunstwerk und Auftraggeber bzw. Auftrag oder die Bewertung der ästhetischen Qualität des Bildes im Vordergrund, sondern die Merkmale einer Bildgruppe in ihrer Zweckgebundenheit an das Medium Flugschrift. Ohnehin sind zumeist die Künstler, die die Holzschnitte schufen, nicht mehr zweifelsfrei zu klären, so daß die Verkoppelung der Bildbedeutung mit der historischen Persönlichkeit des Künstlers kaum geleistet werden kann. Entscheidendes Kriterium bei der Behandlung der Holzschnitte astrologischer Flugschriften ist die Frage nach ihrer Funktion in Bezug auf das Anliegen der Schrift im Rahmen der reformatorischen Öffentlichkeit. Zu untersuchen ist die aus der Bildgestaltung erkennbare Intention des Künstlers sowie die intendierte Wirkung auf einen anonymen Betrachter bzw. eine bestimmte soziale Bezugsgruppe. Der Nachweis der tatsächlichen Bildrezeption muß in dieser Arbeit ausgeklammert bleiben. Bei der Gegenstand- und Formanalyse wäre u.a. zu prüfen, inwieweit das Bemühen feststellbar ist, die grundsätzliche Vieldeutigkeit der bildlichen Symbole zugunsten einer leichteren Verstehbarkeit zu reduzieren, um so eine gezielte Beeinflussung des Rezipienten zu erreichen. Die Funktionsanalyse 123 sucht das Bild in die historische Entstehungssituation einzubetten und es auf seinen konkreten Beitrag für die Wahrnehmung und Gestaltung zeitgenössischer Konflikte zu befragen, ist in diesem Sinne als sozialhistorische Erweiterung der ikonologischen Methode Panofskys zu verstehen. Zwar ist nur von einem indirekten Zugang zu den Grundhaltungen, Einstellungen und Werten von Künstler und Rezipient auszugehen, doch können die Holzschnitte sowohl die Absichten des meist unbekannten - Künstlers als auch den Erwartungshorizont des Betrachters sowie beider Wahrnehmungsgewohnheiten aufzeigen. Allerdings ergibt sich für die frühen Holzschnitte das Problem, daß die Darstellungsfähigkeiten des jeweiligen Künstlers oder Reißers u.U. nicht genügend entwickelt waren, um die ursprüngliche Darstellungsintention erkennbar werden zu lassen. Zusätzlich zur inhaltlichen Bestimmung der Bildmotive können für die Funktionsanalyse früher Holzschnitte folgende formale Fragekomplexe aus den Ansätzen zur 'Historischen Bildkunde' gewonnen werden: 1. Technik: Linienführung, Schraffuren, Darstellung von Plastizität oder Flächigkeit, Komplexität oder Schematismus, Behandlung der Perspektive. 2. Bildkomposition: Gestaltung des Vorder-, Mittel- und Hintergrunds, der Horizontale und Vertikale. Beziehung der Figuren zueinander 123

Zur Erforschung der Bildfunktion s.a. Werner Busch (Hg.): Funkkolleg Kunst. Eine Geschichte der Kunst im Wandel ihrer Funktionen. 2 Bde. München, Zürich 1987. Bd. 1, S. 527. Außerdem Gerhard Jaritz: Zur Funktion des religiösen Bildes in der spätmittelalterlichen Gesellschaft. In: Beiträge zur historischen Sozialkunde 10. H.l (1980), S. 8-13.

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(Blickrichtung, Gestik) und zum Betrachter, Haupt- und Nebensächliches. 3. Motiv: Statik oder Dynamik, Mimik und Gestik der Figuren (Affektdarstellung), Identifikationsangebot für den Betrachter? 4. Zeitstruktur im Bild: Vorkommen verschiedener Zeitebenen, Beziehung der Zeitebenen zueinander. Keine Rolle spielen dagegen die Farbgebung und Lichtverteilung. Zur Funktion von Graphiken auf Flugblättern des 17. Jahrhunderts formuliert Wolfgang Harms Thesen, die teilweise auf die Holzschnitte von Flugschriften des 16. Jahrhunderts übertragbar sind. Als Hauptfunktion der Bilder nennt er den Appell an die Aufmerksamkeit auch des leseunkundigen Käufers, suggestive Vermittlung von Meinungen und Erleichterung beim Memorieren von Texten. 124 Die Graphiken seien weniger zur Erzeugung von neuen Einstellungen, sondern eher zur Stabilisierung schon vorhandener Anschauungen eingesetzt worden. 125 Harms spricht sich ebenfalls für die Einbettung der Bilder in die jeweilige historische Situation aus und erwähnt in diesem Zusammenhang eine 'Typologie der Situationsbezogenheit".126 Besonders wesentlich für die Rezeption war nach seiner Meinung die Verwendung von Bildkonventionen und feststehenden Bildformeln, die dem Betrachter bekannt waren und die, ähnlich wie es bei Texten geschieht, dem Bild einen "rhetorischen"127 Charakter geben. Diese Bildkonventionen konnten jedoch auch spezifische Veränderungen erfahren. Den Umgang mit Bildkonventionen haben präziser Konrad Hoffmann und Robert W. Scribner für die reformatorische Bildprogaganda untersucht. Hoffmann macht aufmerksam auf die Verwendung des direkten oder indirekten, durch ikonographische Zitate erzielten typologischen Bibelverständnisses für die Bildgestaltung, wodurch in "realprophetischer Verweisung"128 die Reformation als aktuelle Erfüllung der Heilsgeschichte erscheint und das Anliegen der Reformatoren legitimiert wurde.

124 Vgl. Harms, Flugblätter, S. VIII. 125

Vgl. Harms, Flugblätter, S. XVII.

126 Harms, Flugblätter, S. XV. Harms nennt als Kriterien: "... sein (des Flugblatts d. Verf.) Vertriebsformen, sein ästhetisches Angebot an seinen intendierten Leser und Betrachter, die Vorkenntnisse und die Erwartungshaltung seines tatsächlichen Rezipienten, eine Soziologie der Lebens- und Wirkungsbereiche seiner Themen und Aussagen und seine Affinität zu anderen publizistischen Formen und zu graphischen und literarischen Gattungen." 127 128

Harms, Flugblätter, S. XII. Hoffmann, Typologie, S. 210. Vgl. auch ders.: Einführung. In: Ohn' Ablaß von Rom kann man wohl selig werden. Streitschriften und Flugblätter der frühen Reformationszeit. Hg. v. Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Nördlingen 1983. S.7-46.

52

Robert W. Scribner stellt bei seinen Studien zu einer Vielzahl reformatorischer Holzschnitte ein bewußtes Verwenden volkskultureller Vorstellungen fest und erhält darüberhinaus Anhaltspunkte für die Verfahrensweise reformatorischer Bildpropaganda als "Rhetorik der Darstellung".129 Als wesentliches Verfahren nennt er das der antithetischen Gegenüberstellung. Der gemeinte Gegensatz wird personifiziert (z.B. Luther/Papst) oder in leicht verständlichen, reduzierten Symbolen dargestellt. Es wird Gewünschtes wie Ungewünschtes in visuellen Stereotypen gezeigt, die strukturell miteinander verbunden werden (z.B. Heiligung/Verdammung). 130 Außerdem setzt die Reformation alte Mythen auch bildlich fort, stellt diese jedoch in einen neuen Kontext, vor allem, indem sie ihren Kampf als eschatologische Endauseinandersetzung auffaßt und gleichzeitig neue Mythen entwickelt (etwa über die Entstehung des Papsttums). 131 Von diesen Beobachtungen ausgehend, zeigt Scribner sechs Stufen der Bildprogaganda 132 auf, durch die der 'gemeine Mann' für die Reformation gewonnen werden sollte: 1. 'Tower-Experience": Die Bekehrung wird zwar nicht bildlich dargestellt, aber durch die Bilder unterstützt, indem diese Spannung erzeugen, Wut und Angst auf bestimmte Gegner richten und eine ideologische Lösung anbieten (z.B. Identifikation des Papstes mit dem Antichristen). 2. "Exorcism": Dämonische Kräfte werden auf Personen oder Objekte übertragen und in einer Art Ritual gebannt (z.B. wirksam bei Bildersturm). 3. "Negative assimilation": Die positive Einstellung zur Reformation wird gewonnen, weil eine Übereinstimmung mit deren Antiklerikalismus vorliegt. 4. "Ideological assimilation": Für das Zeitgeschehen, insbesondere die reformatorische Auseinandersetzung, werden ideologische Erklärungen abgegeben. 5. "Cultural assimilation": Identifikation des 'gemeinen Mannes' mit dem 'wahren Christen' wird angestrebt. 6. Aufruf zur Aktion. Zusätzlich können allgemeinere und umfassendere Kategorien der Bildrhetorik hilfreich sein, die Umberto Eco in seiner "Einführung in die Semiotik" anhand von Analysen zu Werbestrategien herausstellt. Er nennt neben der Verwendung von Bildkonventionen und -formeln: Bildmetaphern, Zusammenwirken von neuen Informationen und Redundanz (Wiederholung), Eingehen auf den Erwartungshorizont des Rezipienten, Verwendung von Beispielen, die für allge-

129

Scribner, Sake, S. 244. Insgesamt zur Bildrhetorik s.S. 229-250.

130

Vgl. Scribner, Sake, S. 242.

131

Vgl. Scribner, Sake, S. 242f.

132 Vgl. Scribner, Sake, S. 244-247.

53

meine Aussagen stehen und Verwendung von Stimuli, die archetypische emotionale Reaktionen auslösen können. 133 Diese Forschungsansätze zur Funktion der Holzschnitte und zur Bildstruktur reformatorischer Holzschnitte sollen als Orientierung bei der Bilduntersuchung der vorliegenden Arbeit dienen, die das graphische Material ebenfalls auf rhetorische Elemente befragen möchte.

133

Eco, Einführung, S. 184-188. Zur 'Metapher' s.a. Rolf Wedewer: Zur Sprachlichkeit von Bildern. Ein Beitrag zur Analogie von Sprache und Kunst. Köln 1985.

54

3.

ASTROLOGISCH-PROPHETISCHE HAUPTSCHRIFTEN: JOHANNES UCHTENBERGERS 'PRONOSTICATIO' (1488) UND JOSEPH GRÜNPECKS 'SPIEGEL' (1508)

Im ersten Untersuchungsschritt stehen die 'Pronosticatio' von Johannes Lichtenberger und der 'Spiegel himmlischer, natürlicher und prophetischer Sehungen' von Joseph Griinpeck im Mittelpunkt. In der Forschungsliteratur wird des öfteren darauf verwiesen, daß Joseph Griinpeck sich bei der Abfassung seiner Schrift eng an Lichtenbergers 'Pronosticatio' als Vorlage angelehnt habe. Helga Robinson-Hammerstein spricht in ihrem Aufsatz über astrologische Prophetien des frühen 16. Jahrhunderts von dem 'Spiegel' als "a crucial adaption for the more popular transmission".1 Um diese These zu überprüfen, ist es notwendig, einen Vergleich beider Schriften unter kommunikationstheoretischen Gesichtspunkten zu leisten, jedoch auf der Grundlage einer eingehenden Text- und Bildanalyse, geleitet von sozialhistorischen Fragestellungen. Der Rahmen des Vergleichs wird durch die Frage nach dem Einfluß beider Schriften auf die Sintflutdebatte abgesteckt. Sozialhistorische Arbeiten, die sich mit den beiden Schriften in ihrer Gesamtheit, d.h. mit deren Texten und Bildern und der Beziehung zwischen beiden Medienbestandteilen auseinandersetzen, stehen noch aus. Insbesondere eine ins Einzelne gehende Analyse des umfänglichen Bildmaterials - die 'Pronosticatio' enthält 45, der 'Spiegel' 13 Holzschnitte - liegt bisher nicht vor. Als wesentlicher Forschungsbeitrag zur 'Pronosticatio' ist die Monographie über Lichtenberger von Dietrich Kurze2 erschienen. Kurze behandelt jedoch schwerpunktmäßig die literarischen Quellen, das geistige Umfeld und die Wirkung der 'Pronosticatio', geht aber kaum auf sozialhistorische Bezugspunkte des Textes bzw. der Bilder oder auf Fragen der Publikumswirksamkeit ein. Revisionsbedürftig erscheinen die historischen Einordnungen, wie sie Will-Erich Peuckert und Johann Friedrich für die 'Pronosticatio' vornehmen. Peuckert,3 der die Schrift ausführlich im Rahmen anderer Endzeitprophetien bespricht, sieht sie zu stark unter dem Blickwinkel der Äußerung bäuerlichen Weltverständnisses, während Friedrich4 die Wirksamkeit der Prophetie auf die gesellschaftliche Entwicklung weit überschätzt. Nur sehr allgemein wird die 'Pronosticatio' in Publikationen zur Pro-

1

Helga Robinson-Hammerstein: The Battle of the Booklets: Prognostic Tradition and Proclamation of the Word in early sixteenth-century Germany. In: Zambelli, Astrologi, S. 129151, S. 133.

2

Kurze, Lichtenberger. S.a. Dietrich Kurze: Popular Astrology and Prophecy in the fifteenth and sixteenth century: Johannes Lichtenberger. In: Zambelli, Astrologi, S. 177-193.

3

Peuckert, Wende, Bd. 2, S. 152-191 und 606-618.

4

Friedrich, Astrologie, S. 44-58.

55

phetienliteratur 5 vorgestellt, wo sie als typisches Beispiel für apokalyptische Erwartungen und Reformhoffnungen im ausgehenden Mittelalter gilt, und lediglich punktuell zieht Günter Vogler6 bei seinen Äußerungen zum Reformverständnis prophetischer Schriften die Vorhersage Lichtenbergers heran. Darüberhinaus haben einzelne Holzschnitte wissenschaftliche Beachtung gefunden. 7 Als Symptom für das Krisenbewußtsein der Menschen des frühen 16. Jahrhunderts gilt auch der 'Spiegel' von Joseph Grünpeck, doch die historische Forschung hat sich bisher kaum ausführlicher mit der Flugschrift beschäftigt. Albin Czerny8 verbleibt zumeist auf der Ebene der Inhaltswiedergabe in seiner detailreichen Untersuchung von 1888 zu Leben und Werk Grünpecks, während Robinson-Hammerstein den 'Spiegel' nur unter dem Aspekt der Reichsreformbestrebungen betrachtet. 9 Beide Autoren berücksichtigen die Holzschnitte der Schrift nicht. Hier läßt sich nur auf Robert W. Scribner zurückgehen, der drei Bilder des 'Spiegels' kommentiert und sie in historische Zusammenhänge einordnet, was die kunsthistorische Forschung zu den mutmaßlichen Reißern der Holzschnitte vermissen läßt.10 3.1. JOHANNES LICHTENBERGERS 'PRONOSTICATIO' Auf frühere Traktate zurückgehend, dabei selbst zum Leitbild zahlreicher astrologischer Prophetien avancierend, hat die 'Pronosticatio' von Johannes Lichtenberger so stark wie kaum eine andere Schrift die Gattung der astrologisch-prophetischen Drucke geprägt. Über ihren Autor Lichtenberger ist nur wenig bekannt. 11 Geboren in der ersten Hälfte des 15. Jahhunderts, war sein eigentlicher Name Johannes Grünbach, wobei dieser Nachname seinen Ge-

5

S. z.B. McGinn, Visions, S. 272-274. Lenk, Ketzerlehren, S. 51 mit Angabe falscher Daten für die Erstdrucke der 'Pronosticatio'.

6

Günter Vogler: Reformation als 'frühbürgerliche Revolution'. Ein Konzept im Meinungsstreit. In: Peter Blickle, Andreas Lindt, Alfred Schindler (Hgg.): Zwingli und Europa. Referate und Protokolle des Internationalen Kongresses aus Anlaß des 500. Geburtstags Huldrych Zwingiis vom 26.-30.3.1984. Zürich 1985, S. 47-69.

7

Vgl. Ottavia Niccoli: I sacerdoti, i guerrieri, i contadini. Storia di un'immagine della societa. Torino 1979, S. 56ff mit Abb. 4 und 5. Außerdem Siegfried Epperlein: Der Bauer im Bild des Mittelalters. Leipzig, Jena, Berlin 1975, S. 126-129.

8

Albin Czerny: Der Humanist und Historiograph Kaiser Maximilians I. Joseph Grünpeck. In: Archiv für österreichische Geschichte 73. H.2 (1888), S. 315-364.

9

Robinson-Hammerstein, Battle, S. 132-134.

10

Scribner, Folk, S. 110, Nr. 81; S. 169, Nr. 136 und S. 193, Nr. 159. Zur kunsthistorischen Literatur über Kulmbach bzw. Traut s.S. 127 dieser Arbeit.

11

Neben den Angaben Kurzes s. zur Biographie Lichtenbergers Waither Haarbeck: Der Astronom Johannes Lichtenberger. In: Pfälzisches Museum 34 (1917), S. 52-54.

56

burtsort in der Pfalz anzugeben scheint. Nach einem Ort in der Nähe Grünbachs nannte er sich später 'Lichtenberger'. Wo Lichtenberger studierte, ist nicht nachzuweisen, doch hat er wohl einen akademischen Grad besessen, denn sein Schüler Peter Creutzer spricht von ihm als 'Magister'. 12 Jedenfalls war er sowohl theologisch als auch mathematisch gebildet. Als Astrologe hat er sich bei verschiedenen Fürsten verdingt, u.a. bei Herzog Ludwig dem Reichen von BayernLandshut, dem er 1471 eine umfangreiche Schrift widmete. 13 Nach eigenen Angaben und dem Zeugnis Spalatins14 wurde Lichtenberger Hofastrologe bei Kaiser Friedrich III; zuerst erscheint die Bezeichnung "astrorum iudex sacri imperii"15 in einem Judicium für die Stadt Köln von 1472. Der Sterndeuter, der in seinen Schriften Kaiser Friedrich III. als den zweiten Augustus feierte und ihn als Friedenskaiser nach Jerusalem ziehen sah, verlor nichtsdestoweniger seine Stellung bei Hofe. Mitte der 80er Jahre jedenfalls trug Johannes Canter den Titel eines Hofastrologen. 16 Auf Fürsprache der Pfalzgräfin Johanna wurde Lichtenberger um 1480 die Pfarrei Brambach übertragen, wo er offenbar bis zu seinem Tode 1503 blieb. Daß er wegen seiner Prognosen gefährlich lebte, zeigt die Reaktion der Kölner theologischen Fakultät, die 1492 auf Anfrage des Inquisitors Jakob Sprenger eine Gefängnisstrafe für den Astrologen wegen negativer Vorhersagen über Köln empfahl. Neben den schon erwähnten astrologischen Schriften sind von Lichtenberger eine Kometendeutung (1472),17 eine Ausdeutung der Konjunktion zwischen Saturn und Mars (1473), ein Horoskop zur Neußer Fehde (1474), ein Stadthoroskop für Köln (1476)18 und schließlich die 'Pronosticatio' von 1488 erhalten. Schon in den Schriften, die der 'Pronosticatio' vorangingen, entwickelt Lichtenberger einen heilsgeschichtlichen Horizont, in dem das Heilige Römische Reich und der Kaiser einen hervorragenden Platz einnehmen und vor dem Karl der Kühne als Gegner des Reichs und der Römischen Kirche zum Vorläufer des Antichristen wird. Alle Reformhoffnungen ruhen dagegen auf Friedrich III. 12

Der Titel der Kometenschrift Creutzers beginnt: "Außlegung Peter Creutzers / etwan des weytberSmpte Astrologi M. Jo. Liechtenbergers discipels...". Creutzer, Auslegung, Nürnberg (1527) (Ala).

13

Zu dieser Schrift s. Kurze, Lichtenberger, S. 74f.

14

Bei Spalatin findet sich "Magister Joannes Liechtenberg, Frederici Imperatoris Astrologus". Vgl. Johann Erhard Kapp: Kleine Nachlese einiger, größten Theils noch ungedruckter, und sonderlich zur Erläuterung Der Reformations-Geschichte nützlicher Urkunden. 2 Bde. Leipzig 1727. Bd. 2, S. 512.

15

Zit. nach Kurze, Lichtenberger, S. 8.

16

Vgl. Kurze, Lichtenberger S. 9, Anm. 26.

17

Eine weitere Kometendeutung von 1468 ist nicht erhalten geblieben. Vgl. Kurze, Lichtenberger, S. 8.

18

Eine 'Lobschrift' auf die Stadt Köln druckt Kurze ab. Kurze, Lichtenberger, S. 75-77.

57

Ähnliche Gedankengänge in fortschreitender Aktualisierung bringt auch sein Hauptwerk, die 'Pronosticatio'. 1488 in Heidelberg bei Heinrich Knoblochtzer zuerst in Latein, zwischen 1488 und 1492 in deutscher Sprache erschienen und mit Holzschnitten v o m Meister 'h' (Hans H e s s e ) versehen, 1 9 erlebte die rund 45 Blätter starke Schrift bis 1530 allein 17 weitere Auflagen i m deutschsprachigen Raum, dazu 12 Druckausgaben in Italien. 2 0 D e r nächste Druckort der Prophetie war 1492 Mainz, wo Jakob Meydenbach eine deutsche und eine lateinische Ausgabe mit d e n gleichen Holzschnitten wie die der Heidelberger herausbrachte. 2 1 D a g e g e n gestaltete Johann Schrotbanck die Holzschnitte für die drei Ausgaben von Bartholomäus Kistler in Straßburg zwar themengleich, aber beweglicher und plastischer. 1497 erschienen der deutsche und 1499/1500 die beiden lateinischen D r u c k e . 2 2 D a m i t bricht der

19

Lichtenberger, Pronosticatio, lat., (Heidelberg 1488) und Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490). Zur Datierung der deutschen Ausgabe werden verschiedene Angaben gemacht. Dem Jahr 1488 wird sie zugeordnet von Ernst Zinner. Vgl. Zinner, Nr. 328. Die Zuordnung erfolgte hier offensichtlich aufgrund des Schlusses der Schrift, der folgendermaßen lautet: "Gegeben In der fenstern gaßen vnderm gespeneten eychbaum Im iar MCCCCLXXXVIII. am ersten tage des Apprilis durch dem pylgrin Rüth der in weiden verborgen lyt". Es muß jedoch bedacht werden, daß dieselbe Formulierung auch in der Mainzer Ausgabe der 'Pronosticatio' von 1492 wieder aufgenommen ist, so daß sie nicht allein für die Datierung herangezogen werden kann. Abweichend davon datiert Kurze die deutsche Erstausgabe um 1490. Vgl. Kurze, Lichtenberger, S. 81. Festzuhalten ist, wie Leo Baer entwickelt, daß der erste lateinische Druck der 'Pronosticatio' aus der Heidelberger Offizin Knoblochtzers auf 1488 datiert werden kann, das Erscheinungsjahr des dritten, der hier vorliegenden Ausgabe folgenden Drucks in Mainz bei Meydenbach gedruckt, kann aufgrund seiner Vorrede auf 1492 bestimmt werden. Somit steht fest, daß der erste deutsche Druck der 'Pronosticatio' zwischen 1488 und 1492 erschienen sein muß. Vgl. Leo Baer: Der Heidelberger Totentanz und die mittelrheinische Buchillustration. In: Alois Ruppel (Hg.): Gutenberg Festschrift zur Feier des 25-jährigen Bestehens des Gutenbergmuseums in Mainz. Mainz 1925, S. 269-275, S. 274. Ebenso Ernst Weil: Der Ulmer Holzschnitt im 15. Jahrhundert. Berlin 1923, S. 124, Anm. 47. Bei Weil finden sich außerdem Angaben zum Meister 'h', Hans Hesse.

20

Zu den Ausgaben s. Kurze, Lichtenberger, S. 81-87, wobei die Angaben nicht immer zuverlässig sind. Zu den italienischen Drucken s. Domenico Fava: La Fortuna del Pronostico di Giovanni Lichtenberger in Italia nel Quattrocento e nel Cinquecento. Con sedici figure. In: Gutenberg-Jahrbuch (1930), S. 126-148.

21

Lichtenberger, Pronosticatio, lat., Mainz 1492 und Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., Mainz 1492. Die Holzschnitte dieser Ausgaben sind abgedruckt bei Albert Schramm: Die Drucker in Mainz: 4. Erhard Reuwick, 5. Jakob Meydenbach, 6. Peter Friedberg. Leipzig 1932 (Der Bilderschmuck der Frühdrucke 15), Tafeln 1099-1141.

22

Lichtenberger, Prenosticatio, dtsch., (Straßburg) 1497. Die Holzschnitte dieser Ausgabe sind abgedruckt bei Albert Schramm: Die Straßburger Drucker. Teil 2. Leipzig 1937 (Der

58

Nachdruck der 'Pronosticatio' im deutschsprachigen R a u m zunächst ab, während in Italien nach einer Ausgabe u m 1500 auch 1511, 1513, 1523, 1524 und 1525 Auflagen nachgewiesen werden können. 2 3 E r s t 1526 wurde die Schrift in Deutschland erneut gedruckt: E s findet sich eine sprachlich korrigierte deutsche Version der Mainzer Ausgabe, mit neuen Holzschnitten von J ö r g B r e u d . Ä versehen und wahrscheinlich bei Hans Steiner in Augsburg hergestellt, der sie 1528 nochmals publizierte. 2 4 B e i P e t e r Quentel in Köln erschien die Prophetie 1526 in lateinischer S p r a c h e . 2 5 E i n e deutsche und eine lateinische Ausgabe aus demselben Jahr, a b e r ohne Drucknachweis, enthalten die gleichen Holzschnitte wie diese Kölner Ausgabe von 1 5 2 6 . 2 6 Mit Holzschnitten von A n t o n W o e n s a m versehen, druckte Quentel 1528 eine weitere lateinische, eine deutsche und eine niederdeutsche Fassung der 'Pronosticatio'. 2 7 Hinzu kam 1527 als der wohl bekannteste Nachdruck die Wittenberger Ausgabe, die in der Übersetzung von Stephan R o d t , mit einer V o r r e d e von Martin L u t h e r und Holzschnitten vom 'Meister der Jakobsleiter' versehen, in der Offizin Hans Luffts entstand; Melchior Sachsen in Erfurt übernahm noch 1527 diese A u s g a b e . 2 8 Schließlich exi-

Bilderschmuck der Frühdrucke 20), Tafeln 1758-1801. Die anderen beiden Ausgaben sind lateinisch: Lichtenberger, Practica, lat., Straßburg 1499 und Lichtenberger, Practica, lat., Straßburg (um 1500). Zu Hans Schrotbanck s. Paul Kristeller: Die Straßburger Bücher-Illustration im 15. und im Anfange des 16. Jahrhunderts. Neudruck der Ausgabe Leipzig 1888. Nieuwkoop 1966 (Beiträge zur Kunstgeschichte NF. VII). Außerdem Ulrich Thieme, Felix Becker (Hgg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Bd. 33. Leipzig 1936, S. 301. 23

Kurze Nr. 12-20.

24

Lichtenberger, Practica, dtsch., (Augsburg ?) 1526 und Johannes Lichtenberger, Practica, dtsch., Augsburg, Steiner 1528 (Kurze 30). Zu Jörg Breu dÄ. s. Heinrich Röttinger: Art. 'Breu'. In: Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon, Bd. 4,1910, S. 595.

25

Lichtenberger, Prognosticatio, lat., Köln 1526.

26

Lichtenberger, Practica, dtsch., o.0.1526 und Lichtenberger, Prognosticatio, lat., o.0.1526.

27

Lichtenberger, Pronosticatio, lat., Köln 1528; Lichtenberger, Weyssagunge, Köln 1528; Johannes Lichtenberger: Prognosticatio, niederdtsch., Köln, Quentell 1528 (Kurze 29). Zu Woensam vgl. Eduard Firmenich-Richartz (Hg.) u. Mitw. v. Hermann Keussen: Kölnische Künstler in alter und neuer Zeit. Johann Jacob Merlos neu bearb. u. erw. Nachrichten von dem Leben und den Werken kölnischer Künstler. Neudruck der Ausgabe Düsseldorf 1895. Nieuwkoop 1966, S. 987ff, S. 988. Außerdem Hans Kisky: Art. 'Woensam'. In: Thieme-Bekker, Allgemeines Lexikon, Bd. 36,1947, S. 165-168.

28

Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527; Johannes Lichtenberger, Weissagunge, Erfurt, Sachsen 1527 (Kurze 26). Zu dem 'Meister der Jakobsleiter' s. Hildegard Zimmermann: Beiträge zur Bibelillustration des 16. Jahrhunderts. Straßburg 1924 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 226), S. 34. Röttinger plädierte noch für Georg Lemberger als Reißer der Holzschnitte. Vgl. Heinrich Röttinger: Zum Holzschnitt Jörg Breus dA. In: Repertorium für Kunstwissenschaft 31 (1908), S. 48-ύ2, S. 52.

59

stiert ein Druck ohne weitere Angaben von 1530, dem Jahr, in dem die erste Vatizinienkollektion mit der Lichtenberger-Prophetie erschien. 29 Bis ins 20. Jahrhundert hinein zählt Dietrich Kurze in seiner Bibliographie der Lichtenberger-Drucke weitere 15 Nachdrucke der Schrift, die darüberhinaus in Auszügen, u.a. in Liedform, 30 weite Verbreitung fand. Von Kurze nicht erwähnt wird dabei die auszugsweise Publikation der 'Pronosticatio' gemeinsam mit Teilen des 'Spiegels' von Joseph Grünpeck in einer 'Praktik', auf die noch zurückzukommen sein wird. Einzelne Holzschnitte aus den verschiedenen Ausgaben der Prophetie wurden in andere Schriften übernommen. 31 Im folgenden sollen der Text und die Holzschnitte der deutschen Erstausgabe Grundlage der Analyse der 'Pronosticatio' sein, wobei die Holzschnitte der anderen Ausgaben bei gravierender abweichender Gestaltung kontextbezogen hinzugenommen werden. Zunächst nicht berücksichtigt wird die Wittenberger Ausgabe; sie soll, gemeinsam mit Luthers Vorwort, unter der Fragestellung der evangelischen Adaption spätmittelalterlicher Prophetien in Kapitel 5.3.2. dieser Arbeit gesondert vorgestellt werden. In seiner umfangreichen 'Pronosticatio' bietet Johannes Lichtenberger dem Leser bzw. Hörer ein Konglomerat verschiedenster Weissagungspartikel an, ohne diese zu einer stringent argumentierenden Prophetie zu strukturieren. Nicht selten widersprechen sich einzelne Ankündigungen, werden andere in immer neuen Wendungen wiederholt. Um so schwieriger ist es, eine zutreffende und dabei klar nachzuvollziehende Zusammenfassung seiner Schrift zu erarbeiten. Es wird daher nicht angestrebt, die Prophetie vollständig wiederzugeben, sondern es sollen zentrale Themen der Weissagung in ihrem Aufschluß über Lichtenbergers Einschätzung des Zustande der Christenheit und des Reichs sowie seine Behandlung interner und außenpolitischer Konflikte vorgestellt und erläutert werden. Die Reihenfolge der einzelnen Prophetien wird dabei zuweilen zugunsten einer schlüssigeren Präsentation der Grundgedanken der Schrift verlassen.

29

Johannes Lichtenberger, Practica, dtsch., o.0.1530 (Kurze 32); Lichtenberger u.a.: Prophe-

30

Vgl. Rochus von Liliencron (Hg.): Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis

ceien, o.O. oJ. (1530) (Kurze 33). 16. Jahrhundert. Leipzig 1866. Bd. 2., S. 55-58. Die Weissagung Lichtenbergers ist auszugsweise verarbeitet in einem Lied zur 'Neußer Fehde'. 31

Hinweise finden sich bei Röttinger, Holzschnittwerke, S. 55f. In eine 'Practica' für das Jahr 1502 hat Hans Schrotbanck sechs Holzschnitte der 'Pronosticatio' übernommen. Vgl. Schrotbanck, Practica, dtsch., Straßburg 1501. Bilder auch bei Schramm, Straßburger Drucker, Teil 2 (Bilderschmuck 20), Tafeln 2051-2059. Auf andere Übernahmen von Bildern der 'Pronosticatio' oder etwaige Motiworlagen wird im Kontext der Besprechung der einzelnen Holzschnitte eingegangen.

60

Lichtenbergers Schrift beruht in weiten Teilen auf der Auslegung der 'Großen Konjunktion* von 1484 von Paulus von Middelburg. 32 Als Autor seiner Schrift gibt sich Lichtenberger nicht zu erkennen, sondern nennt sich 'Pilger Ruth' oder 'der arme Ruth'. Er lebe als alter Mann, schon fast erblindet, 'in den Wäldern verborgen', heißt es am Schluß des Textes in einer Notiz. 33 Ob dies jedoch der tatsächlichen Lebenssituation des Astrologen entsprach, muß stark bezweifelt werden. Vielmehr wäre zu vermuten, daß Lichtenberger sich das 'Image' eines weitabgewandten, gebrechlichen Propheten zulegte, um das Geheimnisvolle seiner Worte zu unterstreichen und gleichzeitig seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen, gibt er doch an, durch ihn spreche der Geist der göttlichen Offenbarung. An anderer Stelle nennt sich Lichtenberger "christus ritter"(C1b), der für die Wahrheit streiten müsse. Diesem Pathos entspricht das Bild des zu Unrecht Verfolgten, das er von sich entwirft; obwohl all seine Prophetien für Köln, die er seit 20 Jahren anbiete, eingetroffen seien, werde er dort gehaßt, klagt er. 34 In seiner Vorrede klärt Lichtenberger zunächst, auf welchen Grundlagen seine Vorhersage beruhen soll und rechtfertigt die astrologische Prophetie. Das Wissen über die Zukunft lasse sich über drei Wege gewinnen: den Weg der Lebenserfahrung, den Weg der Astrologie und den der göttlichen Offenbarung. Hierunter versteht Lichtenberger sowohl die biblische Prophetie als auch die Prophetien der Sibyllen,35 der Heiligen Birgitta (von Schweden) 36 und des 'Bruder Reinhard', eines Lollarden. 37 Zu den letztgenannten Autoritäten - in deren

32

Paulus von Middelburg verfaßte daraufhin eine 'Invectiva', in der er sich über das Plagiat beschwert. Zur Auslegung der Konjunktion und der Invectiva s. Kurze, Lichtenberger, S. 34f sowie Warburg, Weissagung, S. 233f. Zu weiteren Vorlagen vgl. Kurze, Lichtenberger, S.36f.

33

Vgl. Anm. 9.

34

Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (A4a). Nach dieser Ausgabe alle Zitate im Text.

35

Zur prophetischen Literatur s. Einleitung, Anm. 13 und 14. Einen Vergleich zwischen den sibyllinischen Weissagungen und denen Lichtenbergers gibt Will-Erich Peuckert: Zwölff Sybillen Weissagungen. In: Mitteilungen der schlesischen Gesellschaft für Volkskunde 29 (1928), S. 217-257.

36

Zu Birgitta von Schweden (die Lichtenberger stets Brigitta nennt) s. Ulrich Montag: Art. •Birgitta v. Schweden'. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. 2. 1983, Sp. 215-218. S. außerdem Ulrich Montag: Das Werk der heiligen Birgitta von Schweden in oberdeutscher Überlieferung. München 1968 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 18).

37

Als 'Lollarden' wurden zunächst die aus den Beginen hervorgegangenen 'Alexianer' bezeichnet, die Angehörigen einer Laienbrüder-Gemeinschaft, die sich nach dem Heiligen Alexios (Tod 417) nannte und, ähnlich wie die Beginen, sich hauptsächlich der Krankenpflege widmeten. Vor dem 14. Jahrhundert entstanden, verbreiteten sie sich vornehmlich im norddeutschen Raum und am Niederrhein. Später wurden auch die Anhänger Wiclifs in

61

Nachfolge sich sein Text versteht - treten Aristoteles und Ptolemäus als Vertreter der Astrologie hinzu.38 Lichtenberger stellt seiner Schrift je einen Kernsatz dieser Gewährsleute voran, wobei zwei Grundmotive der weiteren Ausführungen angesprochen werden, wenn Aristoteles die Monarchie als beste Regierungsform lobt und die Sibylle ein nahes Weltende in Aussicht stellt.39 Über die Zeugnisse der genannten Personen hinaus bezieht sich Lichtenberger auf weitere 'Propheten', etwa Joachim von Fiore, Cirillus, Methodius und Merlin sowie auf die Theoretiker der arabischen Konjunktionenlehre.40 Ptolemäus wird der bekannte Satz 'astra inclinant non necessitant' in den Mund gelegt, woran der Astrologe die obligatorische Rechtfertigung dieser 'Kunst' anknüpft. "Vyl lerer" verleumdeten die Astrologie als "nyt cristlich" (A3b), und diese Ansicht habe sich auch schon im 'gemeinen Volk' verbreitet. Es werde behauptet, Kriege, Freundschaften, neue Gesetze und ein neuer Glaube - alles Phänomene, die die Konjunktionenlehre als durch die Planeten bewirkt ansieht seien allein durch den freien Willen der Menschen bestimmt. Dem hält Lichtenberger entgegen, daß Gott jedem Menschen sein Quantum an Glück und Unglück zuteile, und dies sei aus den Sternen ablesbar: "... da got den hymel yßreckt als eyn hütte machende eyn gemeyn buch dar ynne alle menschen nach siner gotlichen Vorsichtigkeit als in eym buche der ewigkeit geschreben weren." (A5a) In diesem himmlischen Buch41 verstehen die Sternkundigen zu lesen, wobei Lichtenberger jedoch eine Fehlerquelle zugibt: die "rondikeit des himels" (A5a). Außerdem hätten sich die Perser, Griechen und Römer dem gemeinen Nutzen zuliebe der Astrologie bedient, und Mose habe an die Kraft von Amuletten ge-

England Lollarden genannt. Vermutlich wird Lichtenbergers 'Bruder Reinhart' jedoch zur erstgenannten Gruppe zu rechnen sein. Den 'Alexianern' (Celliten) gewährte Sixtus IV. 1472 die Augustinusregel. Vgl. LThK, Bd. 1,1957, Sp. 326f. Zu den englischen Lollarden s. Margaret Aston: Lollards and Reformers: Images and Literacy in Late Medieval Religion. London 1984. 38

Hauptbezug der Astrologen ist die Schrift "De re natura" von Aristoteles. S. dazu Heinrich Dörrie: Art. 'Aristoteles'. In: Konrat Ziegler, Walther Sontheimer (Hgg.): Der kleine Pauly. Lexikon der Antike. Auf der Grundlage von Pauly*s Realencyklopädie der classischen Altertumswissenschaften. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter. 5 Bde. München 1979. Bd. 1, Sp. 582-591. Von Ptolemäus werden stets genannt der 'Almagest' und das Tetrabiblios'. Dazu s. F. Lasserre: Art. 'Ptolemaios'. In: Der kleine Pauly, Bd. 4, Sp. 1224-1252.

39

Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (A2a).

40

VgL Einleitung, Anm. 5.

41

Zur Buchmetaphorik in bezug auf den Himmel bzw. die Buchstabenmetaphorik in bezug auf die Gestirne s. Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt/M. 1981.

62

glaubt.42 Überhaupt habe der Astrologe das Amt des Priesters in früheren Zeiten versehen, gibt Lichtenberger an und bedauert die Abkehr von dieser Regelung, sie gleichzeitig für die Verarmung der Astrologen verantwortlich machend.43 In diesen Ausführungen mag sich eine Klage über die eigene Lebenssituation verbergen, denn zur Zeit der Abfassimg der 'Pronosticatio' hatte Lichtenberger bereits sein Hofamt verloren, das ihn zum theologischen wie astrologischen Ratgeber gemacht hatte. Nun versucht er auf dem Wege der schriftlichen Prophetie Ratschläge zu erteilen, die er explizit "als eyn warnung vnd ermanung (an)... alle menschen vnd sunderlich die obersten vnd fursten des volcks" (A2a) richtet. Die nächsten Angaben der Vorrede beziehen sich auf die astrologische Grundsituation von 1488, dem Ausgangspunkt der Prophetie: Zur Konjunktion zwischen dem 'gütigen' Jupiter und dem 'unglücklichen' Saturn, der Jupiter unterdrücke, steuern der Einfluß des Mars und eine Sonnenfinsternis vom Jahre 1485 ihre negativen Wirkungen bei.44 Aufschluß gibt lichtenberger ebenfalls über seinen Versuch einer Gliederung der Prophetie, mit dem er dem Leser erklärtermaßen das Verständnis des Textes erleichtem will: Der erste Teil soll die Leiden der Kirche, des 'Schiffleins Petri', der zweite Teil das Schicksal des Reichs und der weltlichen Herrschaft und der dritte Teil die Belange des 'gemeinen Volks' zum Inhalt haben. Diesen drei Ständen hält der Verfasser ihre jeweilige gesellschaftliche Aufgabe entgegen: Die Geistlichen sollen für die Gläubigen beten, die weltlichen Herren sind mit der Schutzfunktion betraut und das 'gemeine Volk', von Lichtenberger auch als "leyen staet"(B1a) bezeichnet, soll durch seine Arbeit die anderen beiden Stände mit erhalten.45 Der Verfasser aktiviert für die Strukturierung seines Werks das Schema der 'funktionalen Dreiteilung' der Gesellschaft in 'oratores', 'bellatores' und 'laboratores' 46 Hierbei handelt es sich um eine soziale Ordnungsvorstellung, die sich am Ideal der christlichen Heilsgemeinschaft ori-

42

Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (A3b). Vgl. Kurze, Lichtenberger, S. 17.

43

"Dem zürn tzeichen wurden alleyn die stern clugen vnnd die priester erwelet zü handeln die geistlichen dynge vnd geistliche beneficia zü hahen wie wol n8 zür zyt sollichs verspulget ist vnd von Mercurius vnglucke den selben alleyn annSt angeborn wirt vnd ene yr lebtag lange anhangt vnd an vffhSren by wonet." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (A3b).

44

Über Sonnen- und Mondfinsternisse und ihre Auslegung s. B.L. von der Waerden: Art. 'Finsternisse*. In: Der kleine Pauly. Bd. 2, Sp. 552-554.

45

Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Bla).

46

Zur 'funktionalen Dreiteilung' s. Otto Gerhard Oexle: Die funktionale Dreiteilung der 'Gesellschaft' bei Adalbero von Laon. Deutungsschemata der sozialen Wirklichkeit im früheren Mittelalter. In: Frühmittelalterliche Studien 12 (1978), S. 1-55.

63

entiert. Diese bildet die Grundlage für die Aufgabenzuteilung an die drei Stände der Gesellschaft. Die Zuteilung bezeichnet den unverrückbaren Platz jedes Standesangehörigen im gesellschaftlichen Gefüge und wird dadurch legitimiert, daß Christus selbst als Schöpfer der funktionalen Einteilung gilt. Lichtenberger hält sich jedoch im folgenden nicht an seine Gliederung, denn das Schicksal der Kirche wird auch im zweiten Teil erörtert, während das 'gemeine Volk' keineswegs als einziger Stand die Vorhersagen des dritten Teils prägt, überhaupt anteilsmäßig am wenigsten berücksichtigt wird.47 Zunächst jedoch entsprechen die Ausführungen der Gliederung; der 1. Teil gibt Auskunft über die vielfältigen Leiden und Verfolgungen, die der Kirche in Zukunft drohen. 48 Die zentrale Botschaft lautet: ο e "... dan ee der grusam Eclipsis influße vnd crafft vergeet wirt der helgen kirchen vnd dem schifflyn sant Peters etliche verlichkeit villicht zü komme. Es wirt leyder das ytzt gnant schifflyn geiaget widder vnd füre mit mancherley betrubüng Verfolgung vnd reytzung vnd wirt genesen oder in grundt gen sten als vff eyner glichen wagen wagende hene vnd here Vnd eß sy dan das der gütige barmhertzigste got syn schifflyn verhude so wirt es vil perickel vnd ferlichkeit vnd vß zürdeylung der großen prelaten als schiffbrüchtig werde. Doch wißen wir wol das das schifflyn sant Peters nit vndergeet wie wol es in vielen stormen vnd siegen des meres vnd der wind dicke widder vnnd fure geworffen wirt." (B2a) Diese Prophetie wird in der Folgezeit ausgesprochen einflußreich; das Bild vom 'Schifflein Petri', 49 treibend auf den Wogen eines ungestümen Meeres, als Metapher für die bedrohte Situation der Kirche wird häufig aufgegriffen, aber auch die beruhigende Wendung, daß das 'Schifflein' nicht gänzlich untergehen werde. Die Vorhersagen des Astrologen zur Situation der Kirche bewegen sich in eschatologischem Rahmen.

47 48

Eine Zahlung ergibt, daß 11 von 89 Seiten sich mit dem 'gemeinen Volk' befassen. Zunächst behauptet Lichtenberger, der Papst sei von der Beeinflußbarkeit durch die Gestirne ausgenommen, sein Schicksal werde nur durch den Willen Gottes bestimmt. Andererseits betont er, daß selbst Christus nicht vom Naturgesetz ausgenommen sei, so daß auch der Papst den Gestirnen unterworfen sei. Lichtenberger bittet daher Gott um einen günstigen Tag und die rechte Stunde zu Papstwahl und Inthronisation, wobei er wohl Papst Alexanders VI. Wahl meint. Zum Gedankengang s. Kurze, Lichtenberger, S. 19f.

49

Zur Geschichte dieser Prophetie, die, wie Kurze meint, seit mindestens der Mitte des 13. Jahrhunderts "ein Hauptstück mittelalterlicher Prophetie" ist, vgl. Kurze, Lichtenberger, S. 21. Zum Begriff s. Hugo Rahner: Navicula Petri. Zur Symbolgeschichte des römischen Primats. In: Zeitschrift für katholische Theologie 69 (1949), S. 1-35.

64

Lichtenberger knüpft dabei an die Bergpredigt50 an, die einen Zusammenhang von Verfolgung der Christen und endzeitlicher Erlösung herstellt. Gleichzeitig spricht die biblische Prophetie von Anfechtungen und Täuschungen innerhalb der Kirche vor dem Jüngsten Tag, und dementsprechend mischen sich in Lichtenbergers Prophetie Klagen über die Feinde der Kirche, aber auch Kritik an deren Amtsträgern. Mit einem verdorrten Feigenbaum51 sei die Kirche wegen ihrer Sünden zu vergleichen, Unehrlichkeit, Wollust, Eigennutz und Amtsmißbrauch bestimmen nach Meinung des Autors das Leben der obersten geistlichen Würdenträger wie das des einfachen Christen. Die Bischöfe verschleuderten das Erbe Christi, das ihnen einst von christlichen Fürsten übergeben worden sei 5 2 Diese Erwähnung zeigt die Auffassung, die Belehnung mit den geistlichen Ämtern sei schon immer von den weltlichen Herrschern vorgenommen worden. Tadel trifft auf der anderen Seite diejenigen, die die Kirche gefährden, wie etwa die 'falschen Christen'. Mit Bezug auf die 'Gesichte' der Birgitta von Schweden identifiziert Lichtenberger diese Feinde als die Franzosen, erster Hinweis auf die ausgeprägte antifranzösische Tendenz der Schrift. Die römische Kirche und die Bistümer am Rhein sieht der Astrologe von einer Streitmacht aus Franzosen und Oberdeutschen bedroht.53 Als weitere Feinde der Kirche führt Lichtenberger drei 'falsche Bischöfe', 'falsche Päpste* und eine ganze Reihe von 'falschen Propheten' an. Besonders diese Ankündigung mehrerer 'Pseudopropheten' bildet einen Schwerpunkt der 'Pronosticatio'.54 Sie alle zeichnen sich dadurch aus, daß sie Wunder tun und geschickte Rhetoriker sind, wodurch sie in der Lage sind, das Volk zu täuschen. Ihre Anhänger glauben ihnen bald mehr als den göttlichen Geboten. Die Verführer entwerfen neue Gottesdienstordnungen und Glaubenslehren, sind meistens sehr gebildet, aber heuchlerisch und lügenhaft. Einer der 'Pseudopropheten', dem allen voran der hohe Klerus verfallen wird, ist gar der "Antichristus mixtus", womit die joachimitische Lehre einen Vorläufer des Antichristen meint 55 Wie die anderen 'falschen Propheten' ist er eingebettet in die Eschatologie; daß aber nicht nur das leichtgläubige Volk, sondern gerade der hohe Klerus dem Verführer anhängen wird, zeigt kritische Implikationen der Prophetie.

50

Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B2a). Besonders Matth. 5,10 dient als Anknüpfungspunkt. Dort heißt es: "Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich." In der Vulgata heißt es: "Bead, qui persecutionem patiuntur propter iustitiam/quoniam ipsorum est regnum caelorum."

51

Bezug Lukas 13,6.

52

Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B2b).

53

Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B3a).

54

Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Fla bis F6b).

55

Vgl. Preuß, Vorstellung, S. 26.

65

Besonders wirksam geworden ist die 'Pronosticatio' Lichtenbergers durch die Weissagung über einen 'kleinen Propheten'. Er werde die Schrift neu auslegen und die kirchlichen Zeremonien ändern. Aus dem Lande, das dem Skorpion unterworfen ist,56 wird er kommen, wie überhaupt der Skorpion eine zentrale Rolle in seinem Geburtshoroskop spielt und Mars dort im 10. Haus (Charakter) steht,57 eine sehr negative Konstellation. Zahlreiche Wunderzeichen sollen sein Erscheinen ankündigen, neunzehn Jahre wird er predigen. Ordensgründer soll er sein und rote und weiße Kleider tragen. Schwarze Flekken und braune Zeichen werden seinen ohnehin häßlichen Körper entstellen. Lichtenberger betont seine Gelehrsamkeit, diese werde jedoch unheilvoll wirken, denn der 'Prophet' beschwöre Gewalttätigkeiten herauf.58 Dieser 'falsche Prophet' werde bei Matthäus angekündigt.59 An dieser Charakterisierung des 'Propheten' hat sich später der Streit entzündet, ob Luther mit dem Verführer gemeint sein könnte.60 Mit Blick auf diese Feinde der Kirche mahnt Lichtenberger besonders die Erzbistümer Köln und Trier zur Einheit. Köln und Trier sollen als gottesfürchtige Herrschaften das Wirken der 'böhmischen Ketzer' auf das Reich verhüten, deren Auftauchen der Autor mit der 'Großen Konjunktion' begründet. Sodann wird das Papsttum Gegenstand der Vorhersagen. Unter Kaiser Maximilian I. werde der Papstthron eineinhalb Jahre leer sein und Anfechtungen und Ketzerei ständen bevor. Zu den Zeichen der Endzeit61 gehören für Lichtenberger sowohl Mißstände in der Kirche wie die Geldgier der römischen Kurie und die Simonie - der Papst werde deshalb seine Macht verlieren und die Stadt Rom wegen ihrer Sünden keinen Bischof mehr haben - als auch der Ungehorsam der Gläubigen und die Verfolgung der Geistlichen. Auf dem Höhepunkt der Krise 56

Nach einem griechischen System steht Italien unter der Herrschaft des Skorpion, nach der arabischen Astrologie Mitteleuropa. Vgl. Viktor Stegemann: Art. 'Sternbilder I.'. Sp. 604f.

57

Zur Häuserlehre s. Boll, Sternglaube, S. 62. Ein schöner Holzschnitt von Erhard Schön mit der Darstellung der 'Häuser' findet sich auf dem Titelblatt des Büchleins von Leonhard Reynmann: Nativitätskalender, Nürnberg, Peypus 1515. Panzer 829. Abdruck bei Warburg, Weissagung, S. 226. Vgl. auch Alfred Hagelstange: Erhard Schöns Titelholzschnitt zum Nativität-Kalender des Leonhard Reymann. In: Zeitschrift für Bücherfreunde 9 (1905/06), S. 403-408.

58

Diese Beschreibung geht auf die Prophetien Abu Ma'sars zurück. Vgl. Warburg, Weissagung, S. 39. Zu Abu Ma'sar s. den entsprechenden Artikel im Lexikon des Mittelalters, Bd. 1,1980, Sp. 69.

59

Matth. 24,11 lautet: "Viele falsche Propheten werden auftreten, und sie werden viele irreführen.'' In der Vulgata entsprechend: "... et multi pseudo prophetae surgent et seducent multos."

60

Vgl. S. 376ff. dieser Arbeit.

61

Lichtenberger bezieht sich sowohl auf Lukas 12, 39-40 als auch auf Apok. 16, d.h. auf das unerwartete Kommen des Jüngsten Tags und auf die sieben Schalen des Zorns. Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B6b) und (Clb).

66

aber werde der "war pabst ... eyn güde Reformation machen" (D1a) und alle Verfolgung der Kirche werde enden. In immer neuen Anläufen verkündet Lichtenberger diese 'Reformation' der Kirche, die er an die Maßnahmen idealisierter Papstgestalten knüpft: "Dar nach balde wirt got erwecken ander drij heilge mener eyn nach dem andern in dogende vnd wunderzeichen glyche. Die die vorgemachten dynge vnd gesetze vnd gebot bestedigen Vnder welchem der stant der kirchen wirt widder wachsen Vnd die werde gnant werde engelsche hyrten." (G2b) Der Begriff "engelsche hyrten" verweist auf die joachimitische Prägung der Reformvorstellungen Lichtenbergers, denn bei Joachim von Fiore ist es ein 'Engelspapst', der in dem dritten 'Status' des 'ordo monacorum' herrscht.62 Bei Lichtenberger sind es gleich drei 'Engelspäpste', die bemüht sind, die 'gute alte Ordnung' wiederherzustellen, wobei nicht im einzelnen angegeben ist, worin die alten Werte bestehen, die es zu bestätigen gilt. Die Maßnahmen eines vierten 'Engelpapstes' werden jedoch detailliert beschrieben: £ "Eyn man mit großer heiligkeyt wirt erhaben vnd gesatze in den Romseben stule als eyn pabst. dürch den wirt got so große mirackel thun das allen menschen werde yne forchten vnd eren. Vnd nyemät wirt so kune das er Sprech oder th8 widder syn gesetze. Er wirt verdamne vyl gotz leen vn rente vnd wert setzen das die clericken leben von den zehende vnnd dem opfer. Er wirt verbyede geschmock der cleider. Alle vntzuchtige dynge. dentze vnnutze gesenge. Vnnd das die frauwen sere tzüchtig vnd erlich gen ane golt vnd edel gesteyn vnd wirt gebyeden das man predige die euangelia." (G2a) Das Verbot von Luxus, Tanz und Gesang sowie die Hervorhebung des Evangeliums gemahnen an Savonarola oder andere Bußprediger,63 deren Kampf gegen die Unmoral Lichtenberger hier vor Augen gehabt haben mag. Neben diesen Auslassungen über die Kirche und die Propheten kommt Lichtenberger auf das Schicksal des Reichs zu sprechen. Dessen Kraft wollten die Bewohner von Flandern und der Picardie, besonders aber von Gent und Brügge beeinträchtigen, warnt der Verfasser durch einen Vergleich mit dem Schicksal

62

Vgl. Friedrich Baethgen: Der Engelspapst. Idee und Erscheinung. Leipzig 1943. Zum trinitarischen Denken vgl. Reeves, Influence, S. 18f. Von vier Engelspäpsten ging Telesforus von Cosenza, ein im 14. Jh. wirkender Franziskanerspirituale, aus. Vgl. Mc Ginn, Visions, S. 249f.

63

Zu Savonarola s. Horst Herrmann: Savonarola. Der Ketzer von San Marco. München 1977. Weitere Literatur bei Mario Ferrara: Nuova Bibliographia Savonaroliana. Riviste e arricchita di oltre 300 Schede rispetto alla prima de 1958. Vaduz 1981. Weitere wichtige Prediger waren Johannes von Capistrano und Bernhardin von Siena.

67

Samsons,64 hier auf die Auseinandersetzungen der Habsburger mit den flandrischen Städten hinweisend. Der aktuelle Konflikt wird Ansatzpunkt eines allgemeinen Appells zur Einheit: "Vnd dar vmb rade ich allen konige vnnd mechtigen dißer sterblichen wernt die criste glauben emphange habe das sie de Romschen künig de fursten aller fursten vnd eyn einig oberheubt eren vnd liebhaben, dan vnser schepfer da er in dieß wernt gynge hat er geeret das rieh ... das durch den keiser die weit... fridde wart vff erden..." (B4a) Zur Unterwerfung unter den Römischen König - den späteren Kaiser Maximilian I. - fordert Lichtenberger die christlichen Fürsten auf. Er sei der oberste Herrscher der Christenheit, und seinen Friedensauftrag habe er von Christus selbst erhalten. Wer sich gegen den künftigen Kaiser zu stellen wage, mache sich eines Verstoßes gegen die göttlichen Gebote schuldig. An einer Stelle werden explizit die Kurfürsten zur Loyalität gegenüber Maximilian verpflichtet. 65 In den folgenden düsteren Vorhersagen für die unmittelbare Zukunft antizipiert Lichtenberger, daß sich die Fürsten nicht an seine Ratschläge halten werden: Ungerechtigkeit, Untreue, Haß und Streit werden das Signum der Zeit sein. Wieder werden besonders die Franzosen als Feinde des Reichs hervorgehoben, doch ist sich Lichtenberger sicher, daß sie zuletzt unterliegen werden. Unter diesem antifranzösischen Vorzeichen folgt Birgittas Vision vom 'König mit dem keuschen Angesicht', der als 'Friedenskaiser' von Orient bis Occident herrschen werde. 66 Zur Identifikation dieser Rettergestalt meint Lichtenberger, dessen Hoffnungen auf Friedrich III. bereits erloschen waren: "Eyn deil spreche eß solle syn Fridericus der dritte Aber ich wil eß sy Maximilianus."(B4b) Damit wird die 'Kaiserprophetie' zur Propagierung einer habsburgischen Vormachtstellung über das gesamte christliche Abendland - und darüber hinaus - benutzt. An Maximilian direkt wenden sich einige Warnungen vor ungetreuen Untertanen und

64

Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B3b). Lichtenberger vergleicht die Kraft des Heiligen Römischen Reichs mit den Haaren Samsons, in denen die Kraft des Helden sich manifestierte. Als Samson überwältigt und seine Haare abgeschnitten wurden, verlor er auch seine Kraft. Vgl. Buch der Richter, 16,17-19.

65

"Hie th8t der richter eyn ermanäng zü den ChSrfursten des richs. Ach das die dStschen fursten den die erwelung des richs befalen vnd vö andern an sye kommen ist wiesten vnd verstände vnd fursehen die letzsten dynge auch das sie zu synne nemen die gerechtigkeit vnd verstünde. Vnd dem konige maximiliano den der herre an syn Stadt yne zum zeichen der gerechtigkeit gesatzt hat den zü Fräckfurt eynmudigliche erweit han wirdigliche handelte vn yme der bilcheit nach etlich dynstbarkeit ertzeigte." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Clb).

66

Zum 'König mit dem keuschen Angesicht' vgl. Kurze, Lichtenberger, S. 22, Anm. 127. Bei Sackur findet sich im Wortlaut die Prophetie der Tiburtinischen Sibylle, die von einem König 'Constans' mit "aspectu decorus" weissagt. Sackur, Texte, S. 185.

68

drohenden Anschlägen, aber auch das Versprechen, im 34. Lebensjahr werde sein Name 'erhöht' werden. Doch ist gleichfalls mit Kriegen zu rechnen: Gefahren für die 'Kinder' einiger Landstriche kündigen sich an. Die Sibylle von Cumae spricht gar von der Herrschaft eines Volks 'ohne Haupt', wohl eines endzeitlichen Volks, das in der Prophetie von der 'Zeder vom Libanon' vorkommt. 67 Doch schließlich werde Maximilian die 'deutschen Israeliten' schlagen, sein Schild in die Höhe heben und in die Lüfte steigen. Dies ist eine abgewandelte Version der 'Endkaisersage', nach der der Kaiser sein Schild in Jerusalem niederlegt und sein Reich Gott übergibt. 68 Durch die Aktualisierung dieser Vorstellung wird der künftige Maximilian I. zum Endkaiser, der gleichzeitig den heilsgeschichtlichen Auftrag des Heiligen Römischen Reichs erfüllt. Zunächst werden zwar die Geistlichen verfolgt, besonders in der Stadt Rom, die der Kaiser erobern wird, doch dann naht das Friedensreich als Übergang zum Reich Gottes auf Erden. Ein weiteres Prophetienelement soll ebenfalls die heilsgeschichtliche Sendung des Römischen Reichs betonen: Es heiße, so lange das Römische Reich Bestand habe, werde der Antichrist nicht erscheinen können 6 9 Implizit werden damit die Feinde des Reichs zu Vorläufern oder Beförderern des Antichristen. Durch die heilsgeschichtliche Einbindung der Taten des Römischen Königs wird auch der Angriff auf Rom gerechtfertigt, dessen detaillierte Beschreibung in der Schrift wie eine Vorwegnahme des 'Sacco di Roma' von 1527 wirkt.70 In weiteren Abschnitten seiner Prophetie beschäftigt sich Lichtenberger mit dem Schicksal einiger Reichsfürsten. Besonders lobend äußert sich der Pfälzer über Pfalzgraf Philip ('der Aufrichtige'), den er einen "ware(n) anbetter erer vnd bekenner gotz vnd des cristlichen glaubens" und "gerecht milde vnd gütig" (E1a) nennt. Ihm und seinen Untertanen drohen Gefahren durch eine Sonnenfinsternis, die die Feinde, allen voran die Franzosen, ermutigen wird. Der Autor deutet zudem Differenzen mit dem Kaiser an. Weiter sagt er Mordanschläge voraus. Für andere Reichsfürsten sieht er ebenfalls Gefahren wie Anschläge und Blutvergießen. Auch an dieser Stelle mahnt Lichtenberger zur Einheit: Alle Fürsten werden ihren Interessen im Frieden besser als im Krieg ent-

67

Vgl. Lerner, Power.

68

Peuckert, Wende, Bd. 2, S. 171-177 und Kampers, Kaiseridee.

69

Diese Behauptung beruht auf der Annahme, daß das Römische Reich das vierte der vier Weltalter vor dem Jüngsten Gericht bezeichnet. Der Traum des Nebukadnezar, im Buch Daniel beschrieben, wurde im Sinne dieser Weltalter ausgelegt (Dan. 2, 31-45). Vgl. Peukkert, Wende, Bd. 2, S. 119f.

70

Vgl. dazu Andre Chastel: The Sack of Rome 1527. Princeton 1977 (Bollinger Series XXXV, 26), S. 81-86, der auf das gehäufte Auftreten dieses Motivs in der prophetischen Literatur des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts hinweist.

69

sprechen können.71 Angelegentlich empfiehlt er allen Herren, sich den Rat des Astrologen einzuholen, um sich vor zukünftigem Unglück schützen zu können; seinen auffallend detaillierten Angaben für den Pfalzgrafen zufolge, den er "myn herre" (E1a) nennt, hat er sich wohl vor allem von diesem weitere Aufträge oder gar ein festes Amt erhofft. Als nächstes stehen die zukünftigen Geschicke der außenpolitischen Gegner des Reichs auf dem Programm. Für die Franzosen wählt der Autor den Hahn als Symboltier und schließt eine Charakterisierung der drei Stände Frankreichs an, die überraschend positiv ausfällt, nur das niedere Volk sei böse, hoffärtig und unkeusch. Außerdem erwähnt Lichtenberger sogar die französische Version der Kaiserprophetie: Es werde ein neuer 'Karl' aus französischem Geschlecht kommen und am Beginn seines Namens werde ein 'P' stehen.72 Er werde über Deutschland regieren und die Kirche reformieren. Daß Lichtenberger gleichfalls diese antihabsburgische Variante der Prophetie bringt, erklärt sich aus dem kompilatorischen Charakter seines Werks, dem es um die Verarbeitung möglichst vieler Prophetien geht. Im Anschluß setzt sich jedoch wieder die antifranzösische Propaganda durch, wenn Frankreich mit apokalyptischen Schrecken gedroht wird und der Verfasser Karl Vm. an seine Verpflichtung gegenüber der Christenheit erinnert. Dieser werde er nur nachkommen, wenn er sich dem Römischen König unterstelle:"... hat der fürst der aposteln dich vnd die dynen gelert sprechende: Forcht got vnd ere den Romschen konig...". (D4a) Noch schärfer verurteilt lichtenberger den polnischen König von Böhmen, Wladislav Π. und nennt ihn eine 'Geißel der Christenheit'. Für seine Ketzerei werden ihn furchtbare Strafen treffen und das Ende seiner Herrschaft sei nahe. Lichtenberger reflektiert hier die hussitische Bewegung in Böhmen, als deren Exponent er Wladislav Π. bezeichnet. Die Prager Kirche aber werde 'reformiert' und wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückgeführt, verspricht der Astrologe. War schon grundsätzlich ein Interessengegensatz zwischen den Habsburgern und dem Böhmenkönig wegen des habsburgischen Herrschaftsanspruchs auf Böhmen gegeben, so steht Lichtenbergers auffallend heftige Kritik zudem wohl mit der Tatsache in Verbindung, daß Wladislav Π. als Kurfürst zunächst gegen die Wahl Maximilians I. als Römischer König Einspruch erhoben hatte. Erst im Sommer 1489 beurkundete er seinen Beitritt zur Wahl. 71

"Vnd dü wirdst in fridde Verheißung vnd haltung verbüntniß vnd eynSng vnd Schickung mere dan in kriegen vnd here tzocht nutze schaffen, an tzwiuel der lewe schleift sicher in den bergen vnd in den löchern dan die Jeger mSgen syn fußstappen nyt vermircken." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (E2b). Die Fürsten werden zumeist mit allegorischen Motiven belegt.

72

Das 'P' wurde auf den Namen 'Philipp' bezogen. Zum 'Kampf zwischen französischer und reichsdeutscher Version der Kaiserprophetie s. Einleitung, Anm. 15.

70

Als positives Gegenbeispiel fungiert zunächst Matthias Corvinus, der König von Ungarn,73 da dieser ganz allein gegen die Türken kämpfe. Lichtenberger sieht dessen Erfolge gegen Habsburg, die in der Einnahme Wiens 1485 gegipfelt hatten, durch den 'Hochmut' der Österreicher gerechtfertigt, ermahnt ihn aber dennoch zum Gehorsam gegen den Kaiser. Das Gebot laute: "... got forchten. den keiser eren. sine gebotte halten, das du wol weißt vnd kanst".(D6a) Ganz in habsburgischem Interesse endet die Prophetie, denn lichtenberger weiß, daß nach Corvinus ein noch Größerer kommen werde, ein "vnbefleckte künig"(D6a) aus 'deutschem Gebirge', der die Türken verfolgen, die Entzweiung der Kirche beseitigen und ewigen Frieden schaffen werde. Er komme nicht aus dem Geschlecht des Matthias, betont der Autor, der hier die von Habsburg erhobenen Ansprüche auf die imgarische Krone unterstützen will und auf den entsprechenden Erbvertrag anspielt.74 Über die Herrschaft der Türken geben weitere Prophetien Auskunft. Zunächst knüpft Lichtenberger an ein biblisches Gleichnis an, den Traum des Nebukadnezar von der Statue aus fünf verschiedenen Materialien. Die Füße auf der Säule seien teils tönern, teils eisern. Der tönerne Teil stehe für die Türken, der eiserne für die Christen; beide Materialien könnten keine Einheit bilden. Kämpfe zwischen Christen und Türken im Zeitalter des Römischen Reichs ständen bevor, wobei die 'tönernen Füße' als Sinnbild der türkischen Herrschaft auf deren eschatologisch begründete Niederlage deuten 7 5 Zunächst jedoch unterbreitet Lichtenberger eine Geschichte des Osmanischen Reichs und seiner Erfolge gegen die Christen. Kein Zweifel besteht für ihn, daß die Türken die Vorläufer des Antichristen sind: Daglosius, ein türkischer Herrscher, stamme aus dem Geschlecht Dan, dem Geschlecht, aus dem der Antichrist nach Pseudo-Methodius stammen soll.76 In einer Wiedergabe von dessen Prophetie entwirft der Kompilator ein Schreckensbild der türkischen Herrschaft über die Christen: Die Türken werden die heiligen Stätten schänden, die Priester töten und die Frauen vergewaltigen. Aber, so verkünde Merlin, der britische Seher, sie werden beim Schlachtenbaum (einem Apfelbaum mit goldenen Äpfeln)

73 74

Die deutsche Fassung der 'Pronosticatio', die ja um 1490 entstanden ist, nimmt noch nicht auf, daß Wladislav Π. am 15.6.1490 zum ungarischen König gewählt wurde. Ein Erbvertrag wurde 1463 abgeschlossen. 1491,1515 und 1521 folgten weitere Verträge.

75

Dan. 2, 31-45. In seiner Untersuchung zum Bild des Antichristen im Mittelalter formuliert Rauh: "Der Traum des Nebukadnezars' ist die Parabel apokalyptischer Reichsfeindlichkeit, die von der geschichtlichen Deutung des Antichristen nicht abzulösen ist." Rauh, Bild, S. 38. Die Rolle des endzeitlichen Widersachers wird bei Lichtenberger den Türken zugeschrieben, während die Deutung Daniels noch auf die Weltmacht Rom bezogen ist.

76

Vgl. McGinn, Visions, S. 70-76.

71

vor Köln 77 geschlagen werden; Daglosius werde durch die Hand des spanischen Königs fallen. Dieses Detail ist ein weiteres Beispiel für die fehlende Stringenz der Prophetie, die sonst Maximilian I. zum Friedenskaiser kürt. Nach dem Sieg über die Türken werde ein seliges Reich des Friedens anbrechen, das nur dann gefährdet sei, wenn die Christen untereinander kämpften. Schon 1496 und 1500 drohen die nächsten Auseinandersetzungen mit den Türken. Vom Schicksal der Juden weiß Lichtenberger ebenfalls etwas zu berichten. Zunächst werden sie - dem Stand des Saturns, 'ihres' Planeten gemäß - erhöht, gelangen als Ratgeber der Fürsten zu Reichtum. Aber später werde Unglück über die Fürsten kommen. Dann werde ein Zeichen auf der Stirn der Juden zu sehen sein, fährt der Autor fort mit Bezug auf Ezechiel, 78 und dies Zeichen werde den Untergang der Juden ankündigen. Der gebühre den "heßigen" Juden (E5b), denen Lichtenberger den 'Christusmord' und ihr Warten auf einen anderen Messias vorwirft. Geradezu als Aufforderung zur Vertreibung der Juden muß folgender Appell an die Kurfürsten gelesen werden: "O ire Churfursten des richs ire syt die seß menner die pyngen sullen die vergifftigenn wurtzelin von dütschen landen ... eyn große adler (der Kaiser, d. Verf.) ... mit vyl fursten vnnd großer hulff ... wirt kommen zu dem berge des richs gnant Lebanus vnd wirt hen nemen das marck Cedri das ist die richthum der iüden vnnd die hö der blidder der iuden wirt er füren in syn lant." (E5b/E6a) Unter der Verwendung des Motivs der 'Zeder vom Libanon' sieht Lichtenberger den Kaiser und die Fürsten gegen die Juden vorgehen, ihnen ihren Reichtum nehmen und die Angesehensten unter ihnen ('Höhe der Blätter') wegführen. Danach würden die Juden gehaßt bis ans Ende der Welt. 79 Diese Passage mit stark antisemitischen 'Prognosen' stehen keineswegs nur im Zeichen einer religiös motivierten Judenfeindschaft, wie Kurze meint. Gerade das "merkantile Motiv",80 das er für Lichtenberger nicht zutreffen sieht, klingt in diesen Zeilen an, wenn vom Einfluß der Juden bei Hofe und ihrem Reichtum gesprochen wird und der Astrologe Judenverfolgungen und Aneignung jüdi77

Zum Endschlachtmotiv s. Peuckert, Wende, Bd. 2, S. 157-164. Zum Motiv des 'Schlachtenbaums' s. den Artikel von Will-Erich Peuckert in: Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch, Bd. 2, S. 815ff und Bd. 9, S. 195ff. Zur Merlin-Prophetie insgesamt s. McGinn, Visions, S. 180-185.

78

Die entsprechende Bibelstelle Bz. 9,4 lautet: "Der Herr sagte zu ihm: Geh mitten durch die Stadt Jerusalem und schreib ein Τ auf die Stirn aller Männer, die über die in der Stadt begangenen Freveltaten seufzen und stöhnen." In der Vulgata: "Et dixit Dominus ad eum: Transi per mediam civitatem im medio Ierusalem et signa thau super frontes virorum gementium et dolentium super cunctis abominationibus, quae fiunt in medio eius."

79

Diese Prophetie widerspricht der der Sibyllen, die von Massenkonvertierungen vor dem Ende der Welt sprechen. Vgl. Sackur, Texte, S. 185.

80

Kurze, Lichtenberger, S. 25.

72

sehen Vermögens aus der biblischen Prophetie zu legitimieren sucht. Der Bezug zur mittelalterlichen Prophetie von der 'Zeder vom Libanon' unterstützt diesen Eindruck, denn die Zeder steht für den Hochmut - nach biblischem Vorbild.81 Hochmütig sind die Juden durch ihren Reichtum geworden, ihr Fall wird deshalb gefaßt in das Bild vom Verlust des 'Marks' der Zeder, das für ihr Vermögen steht. Indem die Juden - entgegen der Überlieferungstradition der Prophetie82 in deren eschatologische Anklänge eingebunden werden, erhalten sie zusätzlich den Status von endzeitlichen Widersachern. Sie wie auch die Türken gilt es zu überwinden, wenn das Kommen des Reichs Gottes vorbereitet werden soll, und zwar nicht erst in ferner Zukunft, sondern bereits in der Gegenwart, dies ist die Botschaft der 'Pronosticatio'. Alle Aussichten auf ein Friedensreich und Erlösung stehen zurück hinter den ausgedehnten Zeitklagen und Unglücksprophetien - beides ist nicht voneinander zu trennen. Das trifft allemal zu für die Vorhersagen, die das 'gemeine Volk' betreffen und für die nachfolgenden Jahreshoroskope. Die Koordinaten des Unglücksfeldes der Zukunft lauten: Zwietracht, Krieg, Gefängnis, Schaden und Haß, Tod und Gefahr sowie "bose vffsatze" (G2b). In einzelnen geographischen Gebieten bilden sich Schwerpunkte des Übels, das jedoch im allgemeinen nicht differenzierter benannt wird. Das 8. bis 10. Kapitel des dritten Teils widmet Lichtenberger allein den Geschicken der Frauen. Hier ereifert sich der Moralist besonders, malt in grellen Farben die Wollust, Unkeuschheit, Völlerei und Verderbtheit der Frauen aus, die eigentlich die "gantz freude der geselschaft vn die gantz getzierde des hüßes vnd die glich als die claren stern"(G4a) sein sollten. Zur Strafe drohen ihnen schwere Schwangerschaften83 und Kindersterben, was Lichtenberger aus dem Einfluß des 'Kinderfressers' Saturn84 herleitet. Als Gipfel der Verkommenheit sieht der Autor die Sitte der "vnreynen liebe"(G4a), worunter er Homosexualität und Hurerei versteht, wie bei den Franzosen und Italienern um sich greifen. Außerdem werden Nonnen in Scharen ihre Klöster verlassen. Sie werden sich jedem hergelaufenen Mann an den

81

So heißt es z.B. bei Jesaias 2,12-13: "Denn der Tag des Herrn der Heere kommt über alles Stolze und Erhabene, über alles Hohe - es wird erniedrigt - über alle hochragenden Zedern des Libanon und alle Eichen des Baschan." In der Vulgata: "Quia dies Domini exercituum super omnem superbum et excekum et super omnem arrogantem, et humiliabitur, et super omnes cedros libani sublimes et erectas et super omnes quercus Β as an...".

82

Vgl. Lerner, Power.

83

Von schweren Schwangerschaften als Vorzeichen der Endzeit spricht auch die Bibel. Vgl. Matth. 24,19.

84

Vgl. Verbildlichungen von Saturn als 'Kinderfresser': Warburg, Weissagung, S. 223f. Von dem griechischen Gott Chronos, auf den sich diese Saturndarstellung bezieht, wurde der Sage nach verlangt, daß er seine Kinder verschlingen müsse, um seine Herrschaft zu erhalten.

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Hals werfen und "yren lichnam zu vndogüng smycken vnd mit salben sich zu vnkuscheit wolrichende smyre also der begerlichkeit ire gnung zu thün". (G4b) So vage auch manch andere Passagen der Schrift Lichtenbergers sein mögen, die bewußt im Rätselhaften verbleiben, diese Ausführungen lassen an Konkretheit nichts zu wünschen übrig. Ähnlich anschaulich geraten die Vorhersagen zu Ehestreit und falschen Heiraten.85 Offensichtlich sieht der Astrologe besonders bei den Frauen den moralischen Verfall der Gesellschaft wirksam werden, können diese seiner Meinung nach den negativen Gestirnseinflüssen am wenigsten Verstand - entgegensetzen. Damit erlaubt die 'Pronosticatio' in diesen Vorhersagen über alle geheimnisvollen Ankündigungen hinaus einen Einblick in das Geschlechterverhältnis des ausgehenden 15. Jahrhunderts, sowohl in Hinblick auf männliche Definitionen vom 'Wesen' der Frau, als auch auf das konkrete Zusammenleben der Geschlechter bezogen. In den nun folgenden Jahreshoroskopen von 1488 bis in die frühen Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts (genaue Datierungen enden bei 1512) überwiegen allgemeine Prophetien von wechselhaftem Glück und dauerhaftem Unglück. Sie bieten jedoch Anhaltspunkte für Lichtenbergers Reformverständnis und seine Beurteilung der Aufstände des 'gemeinen Volks'.86 Das 'gemeine Volk' bezeichnet unter Einschluß der Stadtbürger den Teil der Bevölkerung, der nicht zu Adel und Klerus gerechnet werden kann. Nach der Jahrhundertwende, in den Jahren 1501 und 1502, wird es besonders turbulent zugehen; der Autor erwähnt Ungehorsam des 'gemeinen Volks' gegen die Römische Kirche und fährt fort: "Es wirt ensten eyn nuwe gesetze. eyn nuwe Ordnung. Die alten werde

verspolget ... gude zuuersicht güde geselschafft gudigkeyt vn mildekeyt werde ußgelescht in gemein folck. Werden kome schedlich geweßer Die spyse wirt duer in vile stede vnd vyl burger verarmen. Die regerer vn geweidige werde entheubt vmb der vngewonheyt wege. Die fedderachten dier werde lyeb gehabt. Vnd leyder vyl boßheyt werde erdencken die burger in den steden."(H1a) Zunächst einmal kann dieses ausführliche Zitat als Beispiel für Lichtenbergers Vorgehensweise gelten. In buntem Gemisch stehen Prognosen zu Wetter, Ernte, Wirtschaft, Politik, Recht und Moral nebeneinander. Dennoch schält sich eine Einschätzung des Verhaltens des 'Volks' heraus: Es wird sich den negativen Leidenschaften anheimgeben und nicht nur der Kirche ungehorsam werden, sondern auch vor Gewalttaten gegen die Obrigkeit nicht zurückschrecken. Daß dieses Verhalten scharf kritisiert wird, ergibt sich nicht nur aus den Angaben zum 85

Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (G3a).

86

Stets findet sich bei Lichtenberger dieser Ausdruck, nicht 'gemeiner Mann'. Zum 'Volks'begriff s.a. Erwin v. Beckerath u.a. (Hgg.): Handwörterbuch der Sozialwissenschaften. Neuauflage des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften. Göttingen 1961. Bd. 11, S. 362-365.

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moralischen Zustand des 'Volks', sondern auch durch den Zusatz, dies geschehe aus 'Ungewohnheit'. Ungewohnheit bezeichnet den Verstoß gegen die Gewohnheit, die, positiv besetzt, die 'gute alte Ordnung' repräsentiert. Unrechtmäßig ist damit das Aufbegehren des 'Volks'; die 'neuen Gesetze und neuen Ordnungen' können nur Unheil bedeuten. In ähnliche Richtung zielt die genannte Schmähung der Alten - sie stehen für die Traditionsübermittlung, für das Einhalten der Gewohnheit, und auch sie werden nicht mehr geachtet. Besonders interessant ist, daß Lichtenberger zwar Volksaufstände eindeutig verurteilt, doch eine triftige Begründung für ihr Entstehen angibt: Durch schlechtes Wetter, Mißernten und darauf folgende Teuerung werden die Bürger in den Städten verarmen, handeln also bei ihren Gewalttaten aus einer wirtschaftlichen Zwangslage heraus. An anderer Stelle nennt der Autor Münzverschlechterungen und Steuererhöhungen als Gründe für Aufstände.87 Diese rechtfertigen nicht den Aufruhr - 'Bosheit' wird gerade den Stadtbürgern zugeschrieben - deuten aber zumindest einen wirtschaftlichen Kontext von Bürgerunruhen an. So gesehen erscheint die zitierte Prognose nicht mehr ganz so disparat. An anderer Stelle führt Lichtenberger einen weiteren Ursachenzusammenhang für Volksaufstände an, in dem die schon erwähnten 'Propheten' eine zentrale Rolle spielen. Das 'gemeine Volk' ist nach Ansicht des Astrologen besonders empfänglich für die Einflüsse der Planeten, denn diese wirken vor allem auf die 'Sinnlichkeit', von der das 'gemeine Volk' weitgehend bestimmt sei. Diese Disposition kann ein Prophet ausnutzen: "... wirt er vermircken die bewegüng der hymel vn als dan ym folck bewegüng anfahen er wirt das folck ermanen vn yme mit zerlichen reöden (!) an lyge vnd in mancherley geberde das gemude des folcks stricken vn wirt die neigüng vnd bewegüng bestedigen vorsagen nutz vnd schade dem folck komme wirt da von sie vnder sich gestircket werde vnd machen eynüng vnd pact sich in iren wercke zu halten nach der gestalt der influße."(F1b) Der Prophet weiß um den Gestirnsstand und seine Wirksamkeit auf das 'Volk'. So heißt es z.B. an anderer Stelle, der Planet Mars reize zu Aufruhr und Krieg, entzünde das 'Feuer' in den Herzen der Menschen.88 Mit wohlgesetzten Worten und beschwörender Gebärde wird der geübte Prediger die Bereitschaft zum Aufruhr unterstützen, das 'Feuer' weiter schüren, indem er dem 'Volk' über Gefahren und Erfolgschancen Auskunft geben kann. So in ihren Absichten gestärkt, werden die Aufbegehrenden sich zusammenschließen und aktiv werden. 87

88

"... werde falsche müntzer vff sten da von die müntz gefelscht wirt. vnd das Rynsche folce wirt bedrSglich geschätzt vnd verarmet." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (G6b). VgL Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Hlb). Zum Zusammenhang vgl. Einleitung S. 8.

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Es ist eine Art 'Agitationstheorie', die Lichtenberger entwickelt, wobei auffällt, daß der 'Prophet' eher die vorhandenen Dispositionen bestärkt als Ideen und Meinungen propagiert, für die das 'Volk' erst gewonnen werden soll. Angesichts der genauen Beschreibung des Vorgehens eines 'Propheten' erscheint es durchaus möglich, daß Lichtenberger das tatsächliche Wirken wandernder Prediger vor Augen hat. Jedenfalls wird in seiner Reflexion der sozial-politischen Rolle astrologischer Prophetien die Angst vor Unruhen im 'Volk' deutlich - sei es in der Stadt oder auf dem Land. Das 'Volk' fungiert bei Lichtenberger jedoch nicht nur als Objekt der Kritik und Gefahrenpotential für die gesellschaftliche Stabilität. In den Jahren 1498-1500 sieht der Astrologe Angriffe der Landsknechte und ihrer Anführer auf die "ackermenner"(H1 a) kommen, und auch wenn es sich um eine Auslegung der Planetenkonstellation handelt, klingen doch die Leiden der Bevölkerung unter marodierenden Landsknechtstruppen an. An anderer Stelle erhält das 'Volk' vom Autor wichtige Entscheidungsfunktionen zugesprochen - dort, wo Lichtenberger auf das Zustandekommen von Gesetzen eingeht. Der hier verwendete Volksbegriff ist nicht mit dem des 'gemeinen Volks' identisch, auch wenn Lichtenberger keine explizite Klärung vornimmt. Gemeint sind wohl die Stände in ihrer Gesamtheit gegenüber dem gesetzgebenden Regenten. Die Gesetze müßten manchmal neu gestaltet werden aus Sorge um den gemeinen Nutzen oder aus einer Notlage heraus, führt Lichtenberger aus. Meist entständen sie aus einer Gewohnheit, die erst später zu geschriebenem Recht werde. Zur Bewilligung von Gesetzen müsse aber unbedingt der 'Wille des Volks' eingeholt werden, da sonst die Gesetze nicht gehalten würden. Gleichzeitig schränkt Lichtenberger die Geltung menschlicher Gesetze ein, ihre Vergänglichkeit mit der ewigen Gültigkeit des 'göttlichen Rechts' kontrastierend. Lichtenberger orientiert sich hier an Konrad Heingarter, der wiederum die Ideen von der 'Volkssouveränität' des Marsilio von Padua rezipierte. 89 Dieser vertritt die Auffassung, das 'Volk' habe durch einen - kündbaren - Vertrag die Souveränität an den Regenten abgetreten, der nur der Bevollmächtigte des 'Volkes' sei. Das 'Volk' aber bleibe der eigentliche 'Gesetzgeber'. Den Nutzen der Astrologie weiß Lichtenberger ins rechte Licht zu setzen, wenn er zur astrologischen Bestimmung der richtigen Zeit für eine Gesetzesinitiative rät. Wieder einmal hat der Astrologe, der seine Schrift mit der Bitte um Gottes Gnade beschließt, die Unentbehrlichkeit seiner 'Kunst' unter Beweis gestellt. Lichtenbergers Prophetie charakterisieren Elemente der Kaiserprophetie - unter dem Blickwinkel eines habsburgischen Herrschaftsanspruchs in Europa 89

Vgl. Kurze, Lichtenberger, S. 25f. Außerdem Friedrich von Bezold: Die Lehre von der Volkssouveränität während des Mittelalters. In: ders.: Aus Mittelalter und Renaissance. Kulturgeschichtliche Studien. München, Berlin 1918, S. 1-48.

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joachimitische Kirchenkritik und Reformhoffnung sowie Vorstellungen vom Wirken des Antichrist und der Zukunft des Reichs Gottes, in die aggressive Töne gegen die Türken und Juden als angebliche endzeitliche Widersacher eingewoben sind. Hinzu tritt astrologisches Denken, vornehmlich orientiert an der arabischen Konjunktionenlehre. Dieses Konglomerat, ergänzt durch weitere Aspekte prophetischer Provenienz, wird aktualisierend zu einer dezidiert politischen Prophetie genutzt, die sich durch heftige Kritik an der Gegenwart, Loyalität gegenüber dem künftigen Kaiser Maximilian und an ihn geknüpfte Hoffnungen auf eine glücklichere Zukunft auszeichnet. Im weltlichen Bereich trifft Lichtenbergers Kritik vor allem die flandrischen Städte, die sich zum Zeitpunkt der Abfassung der Prophetie anschickten, ihre städtische Selbständigkeit und ihre wirtschaftlichen Interessen gegen den jungen Maximilian durchzusetzen, ein Konflikt, der im Februar 1488, zwei Monate nach der Niederschrift der 'Pronosticatio', im 'Handstreich von Brügge' eskalierte. Daneben greift der Autor Frankreich an, dessen Ansprüche auf die Kaiserkrone er zwar zitiert, aber eindeutig zurückweist. Zwiespältig scheint die Haltung gegenüber Matthias Corvinus, doch überwiegt die Weisung, dem - zukünftigen Kaiser gehorsam zu sein. Wiederholte Appelle zur Einheit und Unterordnung unter die Zentralgewalt ergehen an die Reichsstände, besonders an die Kurfürsten; das Interesse des von Habsburg regierten Reichs soll alle anderen Interessensdispositionen dominieren. Mit der Maxime 'Einheit nach innen, Kampf nach außen' macht Lichtenberger Front gegen den andersgläubigen Feind, die Türken und Juden, auch die Böhmen. Bei alledem steht der junge Maximilian für ihn als 'Friedenskaiser' fest, das Heilige Römische Reich sieht er als Vorläufer des ewigen Friedensreichs, des Reichs Gottes auf Erden. Durch diese propagandistisch gewendete, mit eschatologischen Motiven versehene Kaiserprophetie entsteht eine Koppelung von habsburgischen Machtansprüchen und christlich-abendländischem Gesamtinteresse. Lichtenberger versteht es, seinen Einheitsappellen eine heilsgeschichtliche Legitimation zu verleihen und alle Gegner Habsburgs zu Beförderern des Antichristen zu erklären, zu Opponenten des göttlichen Heilsplans. Ein weiterer Schwerpunkt der Gegenwartskritik betrifft die Geistlichkeit, der Lichtenberger zahlreiche moralische Verfehlungen wie Unkeuschheit, Wucher, Falschheit und Habgier vorwirft und zur Buße mahnt. Besonders die Prälaten rügt er wegen ihrer Kontroversen. Einheit gegen Ketzer und Ungläubige ist ebenfalls die Weisung, während den anderen kirchlichen Mißständen durch die Forderung nach Reformation begegnet wird. Nur in einer Hinsicht konkretisiert Lichtenberger seinen Wunsch nach grundlegender Änderung in bezug auf die Trennung der Kirche von weltlichem Besitz und zeigt sich damit am Armutsideal orientiert. Sind die Reformhoffnungen nicht an den 'Friedenskaiser' geknüpft,

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so werden sie dem geistlichen Pendant, dem 'Engelspapst' zugeordnet. Immer wieder beschwört Lichtenberger diese charismatischen Gestalten, wobei allerdings die inflationäre Vielzahl der Retter eher verwirrend wirkt. Schließlich kommt das 'gemeine Volk' nicht ohne Tadel davon. Die Unmoral, wie sie die gesamte Gesellschaft kennzeichnet, tritt besonders beim 'Volk' hervor und hier vor allem bei den Frauen. Auch die Stadtbürger werden negativ hervorgehoben. Drastische Strafen für alle Vergehen in Form der göttlichen Geißeln für die Menschheit - Hunger, Krieg und Pest - werden immer wieder angedroht. Als Gipfel der Unmoral erscheint die Rebellion gegen die bestehende Ordnung, der Aufruhr gegen die Obrigkeit. So klar hier Lichtenbergers Position ist, scheint doch Anteilnahme am Leiden des 'Volks' unter Mißernten, Hungersnöten, Steuerlasten und Münzverschlechterungen zumindest ansatzweise durch, wenn diese Phänomene wie erklärend den Aufstandsprognosen beigefügt sind. Die Ausführungen über die sogenannte 'Volkssouveränität' müssen dagegen als theoretisches Versatzstück gewertet werden. Wie Lichtenbergers Ständekritik zeigt, konstatiert er eine krisenhafte Situation der Gesellschaft des ausgehenden 15. Jahrhunderts und verlängert diese ein stückweit in die Zukunft hinein. Dabei ist ein Maßstab der Krisenerfahrung das Idealbild von Gesellschaft als übernatürlicher Heilsgemeinschaft des 'corpus christi', wie es im Dreiständeschema vorliegt.90 Dieses Schema dient also nicht nur als Ordnungsprinzip für die Präsentation der Prophetie, sondern leitet zudem die Wahrnehmimg gesellschaftlicher Konflikte. Dabei nimmt das Modell nicht die Kategorie des 'Bürgers' gesondert in sich auf, sondern formuliert im 'gemeinen Volk' als dem dritten Stand einen "ausschließenden Sammelbegriff', 91 zu dem auch die Frauen zu rechnen sind. Die 'bellatores' sind ebenso wenig realitätsnah gedacht, sondern stehen symbolhaft für das 'Sacrum Imperium'.92 Gerade an der Funktionszuweisung an die Stände gemessen, muß das Verhalten der einzelnen Personengruppen als kritikwürdig erscheinen: Der Adel ist uneins, unterstellt sich nicht dem Kaiser und führt Kriege, statt das Volk und das Reich zu beschirmen. Der Klerus, statt für das Seelenheil der Gläubigen zu beten, ist gewinn- und streitsüchtig, und das 'gemeine Volk' schließlich ist lasterhaft und schreckt vor Aufständen nicht zurück, statt durch seine Arbeit die beiden anderen Stände zu erhalten. So sind lichtenbergers Appelle an Einheit, Buße und Unterordnimg als Aufforderungen zu treuer Pflichterfüllung an alle drei Stände zum Wohle des Ganzen im Sinne des 'ordo'-Gedankens zu verstehen. 90

Vgl. dazu Georges Duby: Die drei Ordnungen. Das Weltbild des Feudalismus. Frankfurt/M. 1986.

91

Otto Gerhard Oexle: Art. 'Stand, Klasse*. In: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6,1986.

92

Vgl. Wohlfeil, Verbildlichungen, S. 18 (Manuskript).

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Dient das Ständeschema zur Wahrnehmung und Formulierung gesellschaftlicher Konflikte, so bieten biblische Eschatologie und astrologisches Denken Folien für Feindbilder und Begründungszusammenhänge für die Entstehung politischer und sozialer Spannungen. Die Planetenkonjunktion zwischen Saturn und Jupiter erregt die Leidenschaften im 'gemeinen Volk' und führt es zu Unmoral und Aufruhr. Dieser angenommene Zusammenhang läßt Lichtenberger zum willkommenen Informant für die Fürsten werden, die sich über Unruheherde im 'Volk' informieren wollen, so zumindest versteht der Astrologe seine Rolle. Auf der anderen Seite bietet die Eschatologie Begründungen für soziale Konflikte, sind hier doch Kriege, Zwistigkeiten, moralischer Verfall und Katastrophen, die in biblischer Prophetie angekündigten Vorboten des kommenden Reich Gottes. Obwohl Lichtenbergers Prognosen teilweise apokalyptisch verdichtet werden, entsteht der Eindruck, daß er diesen Ansatz nicht wirklich beim Wort nimmt. Ihm ist offensichtlich zu sehr daran gelegen, zu Veränderungen im weltlichen und geistlichen Regiment anzuhalten, als daß er es riskieren könnte, den Reformeifer durch das Beschwören eines nahen Jüngsten Gerichts zu ersticken. Dabei ist von großer Bedeutung, daß eine positiv besetzte Reform als Rückkehr zur 'Alten Ordnung' gefaßt und von Kaiser oder Papst erwartet wird. Anders hat dies Günter Vogler jüngst in seiner Untersuchimg zum Reformverlangen astrologisch-prophetischer Schriften gesehen.93 Unter anderem am Beispiel der 'Pronosticatio' von Lichtenberger legt er dar, daß die Vorhersagen einer 'Reformation' die Vorstellung von einer grundlegenden Veränderung von Kirche, Staat und Gesellschaft enthielten und stets mit Aufständen des Volks verknüpft würden.94 Bei der Betrachtung der Prophetien und Utopien des frühen 16. Jahrhunderts insgesamt entstehe der Eindruck, "daß eine Lösung der Probleme die Sprengung der bisherigen gesellschaftlichen Ordnimg bewirken mußte."95 Unbestritten ist, daß Lichtenberger sowohl eine Reformation als auch Volksaufstände anspricht, doch die Rückschlüsse, die Vogler daraus zieht, erlaubt die Schrift nicht. Zu beachten ist, daß Veränderungen vom Autor völlig gegensätzlich bewertet werden, je nachdem, welches Ziel sie haben und von wem sie getragen werden. In der schon besprochenen Vorhersage Lichtenbergers für 1501 und 1502 ist von 'neuen Gesetzen' und einer 'neuen Ordnung' die Rede, die mit Volksaufständen verbunden werden, doch kennzeichnen Unmoral und Verstoß gegen das Althergebrachte das als negativ bewertete Vorgehen des 'Volks'. Eine Vorhersage für 151396 verkündet dagegen eine 'neue Reformation', 'neue Gesetze' und ein 'neues Reich' in durchaus positivem Sinne. Hier jedoch wird eine Sieg- und Friedensutopie entwickelt, die an die Person eines 'Friedenskaisers' 93

Vogler, Reformation.

94

Vogler, Reformation, S. 56.

95

Vogler, Reformation, S. 59.

96

Lichtenberger, Pronosticatio dtsch., (Heidelberg um 1490) (Hlb).

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gebunden wird, nicht aber an die Aktivitäten des 'gemeinen Volks'. Diese Differenzierungen sind unbedingt notwendig, soll nicht ein völlig verschobenes Bild von den gesellschafts-politischen Zielvorstellungen der 'Pronosticatio' entstehen. Diese orientieren sich an spätmittelalterlichen Reformvorstellungen, wie sie Eike Wolgast charakterisiert: "Dabei wird 'reformatio' von den Zeitgenossen so wenig wie bisher verstanden als Durchbruch nach vorn, als Aufnahme neuer Elemente, als Umsturz der Verhältnisse zugunsten von noch nicht Dagewesenem, sondern in tradiertem Sinne als Reinigung von Mißständen und Wiederherstellung der alten Norm, die in Vergessenheit geraten war."97 Die 'Pronosticatio' ist wegen ihres großen Umfangs und der disparaten Mischung verschiedener Prophetienelemente eine mühsam zu rezipierende Schrift. Trotzdem lassen sich in ihrer sprachlichen Gestaltung rhetorische Mittel nachweisen, die für sich genommen geeignet wären, die Verständlichkeit des Textes zu erhöhen. Anschaulichkeit gewinnt er z.B. durch die bildreiche Sprache. So benutzt Lichtenberger populäre Metaphorik, wenn er die Kirche als das 'Schifflein Petri' bezeichnet, das wie eine Waage auf den Wogen des Meeres hin- und hertanze, wenn er das geschwächte Reich mit einem Vogel, der nur eine Schwinge hat, 98 oder die astrologische Gestimsauslegung mit dem Bestellen eines Ackers vergleicht.99 Aus dem bäuerlichen Bereich stammen auch einzelne Sprichworte wie dies, daß man "mit vnglichen ryndern tzuget ... nümmer recht den wagen"(C4a). Außerdem werden biblische Bilder gebraucht, etwa der Vergleich der Kirche mit dem 'verdorrten Feigenbaum', der die Ansichten des Autors plastisch hervortreten läßt. Durch die Verwendung von Bibelzitaten als Beleggrundlage wertet der Autor die eigene Meinung auf und nutzt die Auslegung von biblischen Gleichnissen als Argumentationshilfe. Dabei entstammen die Bibelstellen dem Alten und Neuen Testament; ein Vorrang des Evangeliums oder der Psalmen liegt nicht vor. Besonders auffallend ist weiterhin das häufige Vorkommen von sprechsprachlichen Gestaltungsmitteln, vor allem der direkten Anrede, sei es an den Leser bzw. Hörer, 100 sei es an die durch die Prophetien betroffenen Personen oder Gruppen, allen voran an Maximilian und den Papst. 101 Die Vorhersagen über das Schicksal Maximilians werden in ihrer Eindringlich-

97

Eike Wolgast: Art. 'Reform, Reformation'. In: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5,1984, S. 313-360; S. 321.

98

Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Clb).

99

Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (A3a).

100

Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Bla) als Beispiel.

101

Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B4a) und (B6a) an Maximilian; (Blb) an den Papst.

80

keit durch Ausrufe gesteigert. 102 Emotionalisierend wirken jedoch vor allem die Passagen der Schrift, die sich mit unterschiedlichen Gegnern auseinandersetzen. Als persönliche Feinde scheint Lichtenberger die Kritiker der Astrologie anzusehen, denn er nennt sie "heßige streffer"(A4a), "hundekleffer"(A4a) oder gar "unuernünftige thier"(A4a). Aber auch die Feinde Maximilians werden mit Beschimpfungen belegt, etwa der König von Böhmen mit der Bezeichnung "vergifftig kongelgyn"(D4b) (Königlein). Schließlich unterstützen das Gegenüberstellen von Gegensätzen, 103 das Entwikkeln von strukturierenden Unterscheidungen 104 sowie das ständige Wiederholen wichtiger Gedankengänge 105 die Argumentation der Schrift. Auf der anderen Seite stehen jedoch Eigenarten der Schreibweise Lichtenbergers, die die Verständlichkeit des Textes beeinträchtigen bzw. vom Leser umfangreichere Vorkenntnisse erfordern. So ist etwa der Gebrauch von Fremdwörtern, insbesondere von astrologischen Fachbegriffen, 106 sehr ausgeprägt; sie werden offenbar als bekannt vorausgesetzt ebenso wie die prophetischen Autoritäten mit ihren Schriften. Informiertheit verlangen die zahlreichen versteckten Anspielungen und Verweise auf Tagespolitisches oder Historisches; die Verwendung von historischen Beispielen etwa bei der Rechtfertigung der Astrologie 107 dient weniger der Anschaulichkeit als der Legitimation der eigenen Schrift und gleichzeitig der Präsentation der eigenen Gelehrsamkeit. Schließlich ist die Bildlichkeit der Sprache nicht jederzeit dazu angetan, die Nachvollziehbarkeit des Textes zu erhöhen. So sind z.B. die Tierallegorien nicht immer leicht aufzulösen und zeugen eher von der Freude am Geheimnisvollen als von dem Willen, sich verständlich zu machen. Es treten einzelne Passagen der Schrift dem Leser plastisch vor Augen, während andere in dunklen Wendungen verbleiben; sind einige von populären Vorstellungen geprägt, während andere das gelehrte Wissen der Zeit vorführen. Auch in ihrer stilistischen Gestaltung wirkt so die Schrift wenig homogen und fordert vom Rezipienten Aufmerksamkeit und Geduld bzw. lädt zu nur partieller Rezeption ein.

102 Vgl. Lichtenberger Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B6a). 103

Vgl. z.B. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (A3a).

104 Zu diesen zählt etwa die Unterteilung der drei Erkenntniswege. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Alb). 105

Ständig wiederholt wird der Reformationsgedanke, das Auftauchen 'falscher Propheten'

106

Es häufen sich Begriffe wie "Coniunctiones", "eclipses", "gubernierung", "Retrogradiacien"

und die 'Rettergestalten'. etc. z.B. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (D5b). 107

Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (A3b).

81

Lichtenbergers 'Pronosticatio' ist mit 45 Holzschnitten von Hans Hesse in der ersten Ausgabe versehen. Alle sind verhältnismäßig groß, zwischen ca. 14 cm χ 15 cm, bzw. ca. 15 cm χ 20 cm und geben der Schrift den Charakter eines 'Bilderbuchs'. Bringen weitere Ausgaben auch die Bilder anderer Reißer, so orientieren sie sich motivisch doch alle an der ersten Ausgabe. Dies gilt ebenso für die italienischen Drucke.108 Manche Nachdrucke enthalten aber zusätzliche Holzschnitte oder lassen andere der Erstausgabe fort. Die Bilder der 'Pronosticatio' sind mit Überschriften versehen, durch die der Autor recht detaillierte Anweisungen zur Gestaltung der Holzschnitte gibt. Einige dieser Anweisungen zeigen, daß ursprünglich eine farbige Ausgestaltung der Graphiken vorgesehen war.109 Vorbild für die Gestaltung der Holzschnitte waren u.a. die illustrierten Handschriften der joachimitischen Papstprophetien wie etwa die des Telesforus von Cosenza von 1386. Eine sozialhistorische Auswertung der Holzschnitte ist bisher nicht erfolgt. In seinen Untersuchungen zum Werk Lichtenbergers sucht Dietrich Kurze die Funktion der Bilder zu umschreiben, wenn er sie "zuerst und in erster Linie Illustrationen, sinnliche Darstellungen des geschriebenen Worts"110 nennt und annimmt, sie sollten dem Leseunkundigen den Inhalt der Schrift vermitteln. Weitergehend schlägt Kurze die Aufteilung der Graphiken in drei Bildgruppen vor, die ebenfalls vornehmlich an der Funktion der Bilder orientiert sind: in die illustrativen, die prophetischen und die astrologischen Bilder. Die Kategorie der "prophetischen" Bilder meint diejenigen Holzschnitte, die "ein zukünftiges Geschehen bedeuten",111 den Text nicht illustrieren oder erläutern, "sondern ihrerseits primär prophezeien".112 Statt dieser Aufteilung zu folgen, wird im folgenden eine Gruppierung nach Bildmotiven vorgenommen. Dieses Verfahren erscheint am ehesten geeignet, eine genauere Analyse einer so großen Anzahl von Holzschnitten zu gewährleisten, zumal die Motive im Normalfall durch die Bildüberschriften schnell zu ermitteln sind. Auf der Grundlage dieser Gruppierung soll versucht werden, eine differenziertere Funktionsbestimmung der Holzschnitte und ihre sozialhistorische Einordnung zu leisten. Im folgenden Schema zur Erfassimg der Bildmotive entsprechen die Zahlenangaben einer Durchnummerierung der Holzschnitte von Bild Nr. LI bis Nr. L45. BILDMOTIVE IN DER 'PRONOSTICAnO' Prophetische Autoritäten, der Autor

LI, L2, L8, LI 2, L38

108 Vgl. Fava, Fortuna. 109 Z.B. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B3b, C5b, F6a). 110 Kurze, Lichtenberger, S. 29. 111 Kurze, Lichtenberger, S. 30. 112 Kurze, Lichtenberger, S. 31.

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Astrologische Darstellungen Biblische Darstellungen Die drei Stände insgesamt Die Kirche, einzelne Geistliche Zukünftige 'Propheten' Das Reich, einzelne Fürsten Tierallegorien Baumallegorien Das 'Volk', einzelne Vertreter

L3 L7, L13, L29 L4 L5, L6, L14, L16, L17, L18, L19, L20, L37, L43 L31, L33, L34, L35, L36, L40, L45 L9, L14, L22, L23, L24, L25, L26, L32, L39 L10, L11, L18, L21, L27, L28 L15, L30, L44 L19,L31,LA0,L41,L42, L45

In der schematischen Erfassung der Bildmotive kristallisierten sich zwei Gruppen von Bildern heraus: Die erste umfaßt diejenigen Holzschnitte, die die 'Quellen' des Zukunftswissens veranschaulichen, wobei diese den von Lichtenberger entwickelten drei Wegen der Erkenntnis entsprechen, während die zweite Gruppe die Graphiken enthält, die sich auf den Inhalt der Prophetien beziehen; eine Untergruppe wird durch die allegorischen Darstellungen gebildet. In der ersten Gruppe sind die prophetischen Autoritäten entsprechend ihres Stellenwerts für die 'Pronosticatio' am häufigsten verbildlicht. Es überrascht jedoch, daß nur eine astrologische Darstellung diesen Weg der Erkenntnis repräsentiert.113 Nur drei Graphiken stehen mit biblischen Themen in Verbindung. In der zweiten Gruppe lassen sich eine große Anzahl von Holzschnitten als Verbildlichungen der 'drei Stände der Christenheit' oder einzelner Vertreter bezeichnen, wobei das 'gemeine Volk' gegenüber Adel und Klerus unterrepräsentiert ist, was der Gewichtung im Text entspricht.114 Daß allein sieben Graphiken zudem angekündigte 'Propheten' zeigen, macht diesen Schwerpunkt der Vorhersage augenfällig. Endlich ist die hohe Zahl der allegorischen Darstellungen bemerkenswert, die die Bildsprache des Textes, insbesondere die Tierorakel, unmittelbar ins Bild 'übersetzen'.115 113 Kurze rechnet die 'Sibylle von Ciimae' zur astrologischen Darstellung, denn er meint, "ein Sternbild11 werde "als Porträt der kumänischen Sibylle benutzt". Kurze, lichtenberger, S. 31. Die vorliegende Darstellung ist jedoch keineswegs als "Sternbild" zu bezeichnen, es ist die Verbildlichung der Prophetin mit einem Stern. 114 Vgl.Anm.47. 115 Über die Herkunft der Bildprophetien aus Byzanz s. Kurze, Lichtenberger, S. 30. Tierallegorien waren auch durch die Fabelillustrationen geläufig. Vgl. z.B. eine Ausgabe des Aesop von Lienhart Ysenhut, Basel oJ., abgebildet bei Albert Schramm: Die Drucker in Basel. Teil 2. Hg. v. Maria Möller, Wieland Schmidt. Leipzig 1940 (Der Bilderschmuck der Frühdrucke 22), Tafeln 11-201. Zudem fmden sich Tierallegorien in S. Methodius: Revelationis Divinae. Basel, Furter 1498 (Hain 11121). Vgl. Schramm, Drucker in Basel, Teil 2 (Bilderschmuck 22), Abb. 602 und 603.

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Jedenfalls läßt sich schon nach einer ersten Durchsicht feststellen, daß zentrale Gliederungsprinzipien der Schrift - die Erkenntniswege der Zukunft und das Ständeschema - auch Teile des Bildmaterials strukturieren können. Mit einer Darstellung der 'Propheten', auf die sich die Schrift beziehen möchte und die zuvor durch charakteristische Aussprüche vorgestellt wurden, beginnt die Reihe der 45 Holzschnitte (Bild LI). Dabei geben Unterschriften unter den jeweiligen Personen an, wer im einzelnen gemeint ist. Links unten - stets vom Betrachter aus gesehen - steht als erster Aristoteles in langem, gegürtetem Gewand, den Zeigefinger erhoben, wie um sein Wissen zu demonstrieren; zudem trägt er eine Krone auf dem Haupt, vielleicht, um ihn als 'König der Philosophie' zu kennzeichnen. Etwas bescheidener, nämlich nur mit einer hohen Kappe als Kopfbedeckung, tritt Ptolemäus uns entgegen, auch er in langem Mantel, der, aufgeschlagen, noch ein Untergewand sehen läßt. Neben ihm steht eine Sibylle mit einem turbanartigen Kopfputz, unter dem langes, lockiges Haar hervorquillt, in dekolletiertem Kleid mit langen, weiten Ärmeln. Als Nonne gekleidet erscheint dagegen die Heilige Birgitta von Schweden. In ihrer rechten Hand trägt sie einen Rosenkranz wie auch der bärtige Bruder Reinhard, der Lollarde, der ebenfalls mit einer Kutte bekleidet ist. Die mittleren drei Personen - Ptolemäus, die Sibylle und Birgitta - haben ihre linke Hand aufs Herz gelegt, was, entsprechend noch der heutigen Redensart, ihre Wahrheitsliebe bezeugen soll. In anderen Gestaltungen dieses Holzschnitts taucht diese Geste nicht mehr auf.116 Über den fünf Personen in den Wolken ist Gottvater (oder Christus), umgeben von einem Nimbus und eine Weltkugel in der Hand haltend, zu sehen. Mit der rechten Hand führt er eine segnende Handbewegung aus. Von seiner, nur bis zur Gürtellinie erkennbaren Gestalt gehen fünf Strahlen aus und treffen auf die Köpfe der 'Propheten', was ihre Begnadung mit der göttlichen Offenbarung symbolisiert. Eine besondere Zuwendimg zu Gott zeichnet dabei den Lollarden aus, der sich nach rechts gewandt hat und zu Gott/Christus emporschaut. Einige der 'Propheten' sind einzeln auf Holzschnitten wiedergegeben. So zeigt Bild Nr. L8 die mit einem Nimbus versehene Gestalt der Heiligen Birgitta. Sie steht in einem Blumengarten mit Veilchen und Lilien117 und hält ein aufgeschlagenes

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Im folgenden werden die Verbildlichungen anderer Lichtenberger-Ausgaben herangezogen, wenn sie wichtige, vom Erstdruck abweichende Darstellungen bieten. Die Holzschnitte der Wittenberger Ausgabe allerdings werden im Zusammenhang mit der gesamten Schrift in Teil 5.3.2. vorgestellt. Die dem Holzschnitt LI entsprechende Abbildung in der Straßburger Ausgabe zeigt Gegenstände in den Händen der 'Propheten': Aristoteles trägt ein Szepter, Ptolemäus eine Schriftrolle, die beiden 'Prophetinnen' je einen Stern und der Lollarde einen Rosenkranz. Vgl. Schramm, Straßburger Drucker, Teil 2 (Bilderschmuck 20), Tafel 1760.

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Die Lilie steht für Jungfräulichkeit, das Veilchen für die Demut Mariens. Die violette Farbe kann zudem auf Christi Leiden und sein himmlisches Königtum deuten. Vgl. Jutta Seibert:

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Buch in der Hand, wohl ihre eigenen "Revelationen", mit denen sie häufig dargestellt wurde.118 Wieder ist sie als Nonne gekleidet, wobei die Bildüberschrift besagt, daß es sich um das Habit einer Beghine handeln soll.119 Bild Nr. L12 bringt die Sybille von Cumae, die in der Darstellung nicht mit der Sibylle auf dem Holzschnitt Nr. 1 identisch ist. Diese Sibylle trägt ein faltenreiches, langes, unter dem Busen geschnürtes und dekolletiertes Kleid. Eine Schärpe flattert an der Seite. Eine burgundische Haube mit herabhängendem Schleier bedeckt den Kopf. In der rechten Hand hält die Frauengestalt einen Stern, der andeutet, daß die Prophetin ihr Wissen auch aus der Sterndeutekunst bezieht. Zwei weitere Autoritäten der Prophetie zeigt Bild Nr. 138. Ein Engel ist auf ihm zu sehen, der einem Mann in Kutte eine Tafel überreicht. Es soll sich um Abt Joachim von Fiore handeln. Neben ihm steht ein zweiter Mann mit einem Bischofsstab - der Bischof Cirillus. Beide Männer erhalten durch die silberne Tafel das Wissen über die Zukunft der Kirche bis ans Weltende mitgeteilt, wie der Text angibt. Die Assoziation zur Offenbarung des Johannes stellt sich ein.120 In die Reihe der Darstellungen dieser 'Propheten' ist seinem Selbstverständnis gemäß die Verbildlichung des Autors Lichtenberger auf Holzschnitt Nr. L2 einzugliedern. Er kniet in langem Gewand auf der Erde, eine Rolle in den zusammengelegten Händen haltend. Vielleicht soll es die 'Pronosticatio' selbst sein, die der Autor Gott darbietet. Der Angesprochene ist, wiederum mit Nimbus, Weltkugel und Segensgebärde, in den Wolken zu sehen. Einzig bemerkenswert

Lexikon christlicher Kunst. Themen, Gestalten, Symbole. Freiburg, Basel, Wien 1980, S. 205f und S. 321. 118 Vgl. z.B. Campbell Dodgson (Hg.): Woodcuts of the XV. Century in the Department of Prints and Drawings of the British Museum. London 1924. Bd. 1, S. 176, Tafel 64. 119 Die Bildanweisung lautet: "Hye sal sten Brigitta als eyn beghyn gestobt." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B2b). Durch die Art der Bekleidung wird Birgitta mit den Beghinen identifiziert, die im 15. Jahrhundert im rheinischen Raum weit verbreitet waren. Vielleicht soll hier die zeitgenössische Aktualität der schwedischen 'Prophetin' betont werden. Zu den Beghinen s. den Artikel im Lexikon des Mittelalters. Bd. 1.1980, Sp. 1799-1803. Außerdem Herbert Grundmann: Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen Frauenbewegung im 12. und 13. Jahrhundert. Hildesheim 19612. 120 Die entsprechende Bibelstelle ist Apok. 1, 1-3, die besagt, daß Johannes die Offenbarung durch einen Engel vermittelt wird. Über dem Holzschnitt steht: "Hie sal sten eyn engel der gibt dem abt vnd dem priester eyn silbern tafeln in die hant." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Gla). Im folgenden Text ist von 'Abt Joachim' und 'Cirillus' die Rede. Eine ganz ähnliche Darstellung findet sich in dem schon genannten Druck der 'Revelationes' des Methodius. Vgl. Schramm, Drucker in Basel, Teil 2 (Bilderschmuck 22), Tafel 561.

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an dieser Abbildung121 vom "meyster dißs buchs"(A4b) ist, daß er anscheinend mit Tonsur abgebildet ist. Sollte diese Beobachtung richtig sein, würde sie eher auf die Selbstdarstellung des Autors als 'Prophet' und Verkünder der göttlichen Wahrheit deuten, denn Lichtenberger ist nie Mönch gewesen. Die jeweiligen Holzschnitte in anderen Ausgaben der 'Pronosticatio' schließen sich nur teilweise dieser Verbildlichung an - die Straßburger Ausgabe bringt z.B. den 'Meister' mit vollem Haar. 122 Die Holzschnitte führen so die wichtigsten Autoritäten vor, in deren Kreis der Autor selbst aufgenommen wurde, wodurch seiner Vorhersage erhöhte Glaubwürdigkeit verliehen werden soll. Neben diesen fünf Darstellungen, die den prophetischen Hintergrund bzw. den Autor der Schrift angeben, steht eine einzige - Bild Nr. L3 -, die die Quelle der astrologischen Erkenntnis verbildlicht, die Planetenkonjunktion zwischen Saturn und Jupiter 1484. Ganz rechts ist Saturn zu sehen, ein alter Mann mit Stelzbein, Krücke und Sichel, bekleidet mit einem kurzen offenen Wams und einer Mütze. Neben ihm befindet sich ein weiterer Planetengott, der jedoch nur durch den folgenden Text als Jupiter zu identifizieren ist, denn ihm fehlen im Bild alle Kennzeichen dieses Gottes.123 Diesen Mangel empfindend, stattet die Straßburger Ausgabe Jupiter mit einer Krone aus.124 Jupiter hält gewaltsam einen Stier bei den Hömern, der sich wehrt. Zwischen beiden Planetengöttem ist das Sternzeichen des Skorpion zu sehen, während die Mienen der sich anblickenden Widersacher Rivalität ausdrückt. Der Skorpion verweist darauf, daß die 'große Konjunktion' in diesem Tierkreiszeichen stattgefunden hatte. Die Beziehung zwischen dem Stier und Jupiter ist zunächst dunkel. Erst an einer anderen Stelle in der Schrift findet sich der Hinweis, daß hier zusätzlich eine bestimmte Stellung des Jupiter zum Sternzeichen des Stiers gemeint sein könnte, denn dort heißt es von einer Konstellation des Saturn im Widder, der Planet 'fasse den Widder bei den Hörnern'. 125 In ihrer Aktion wirken die Planetengötter recht

121 Vollständig lautet die Bildanweisung: "Hy sal sten der meyster dißs buchs knyen vnd mit z8 samen gelachten henden beden das nach geschreben gebett."(A4b) Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (A4b). Hiemach könnte der Gegenstand in der Hand der Figur auch der Gebetstext sein. 122 Vgl. Schramm, StraBburger Drucker, Teil 2 (Bilderschmuck 20), Tabel 1761. 123 Die Bildanweisung lautet: "Hye sal steen eyn alter bertrecht hynkende man sich stuern mit eym Stabe in der linckten vnd eyn siegeln in der rechten hant. ligende vff eym der hat eyn ryndt by den hSrnern in der rechten hant als er ene erwürgen wulle das zeychen Scorpio zwuschen ene.11 Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (A5b). Jupiter und Saturn sind nicht genannt. 124 Vgl. Schramm, Straßburger Drucker, Teil 2 (Bilderschmuck 20), Tafel 1762. In der Kölner Ausgabe von 1526 ist Jupiter als Bauer dargestellt, ein weiteres Beispiel für die Unsicherheit bei der Bildgestaltung. Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, lat., Köln 1526 (B3b). 125 Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (H2a).

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dynamisch, doch der Konflikt zwischen Jupiter und Saturn ist nur ansatzweise an ihren Mienen ablesbar. Einige Holzschnitte repräsentieren schließlich den dritten Weg der Erkenntnis, wobei der biblischen Prophetie eigentlich nur Bild Nr. L29 zuzurechnen ist, das sich auf das biblische Gleichnis vom Traum des Nebukadnezar bezieht. 126 Zu sehen ist eine Säule, auf der zwei Beine bis zu den Knien, die Füße unbekleidet, Platz gefunden haben. Der begleitende Text deutet dieses Gleichnis in bezug auf die Rivalität zwischen Türken und Christen aus; ins Bild wurde dies nicht umgesetzt. Als biblisches Geschehen ist die auf Holzschnitt Nr. L13 abgebildete Aktion zu erkennen. Er zeigt drei Krieger in Rüstungen, die jeder ein Kind mit einem Schwert töten. Zwei der Krieger haben die nackten Kinder brutal an einem Arm emporgerissen, das dritte Kind ist offenbar noch sehr klein, denn es steckt in einem umwickelten Tuch. Bei dieser Szene stellt sich beim Betrachter die Assoziation zum bethlehemitischen Kindermord her, denn es handelt sich um eine für diese Thema typische Darstellung.127 Denselben Bezug zur Bluttat des Herodes formuliert die Bildüberschrift,128 während der Text der Vorhersage diese nicht aufnimmt. In ihm ist lediglich die Rede davon, daß die "kynder des nydder dutschen lands'^Böa)129 in den Zeiten Maximilians I. durch scharfe Schwerter getötet werden würden, eine Anspielung auf die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Maximilian I. und den flandrischen Städten. Die Assoziation biblischer Geschichte dient als Vergleichsvorlage für jüngst vergangene Kämpfe bzw. zukünftige Gewalttaten, wobei ein Ansatz zur Aktualisierung des gezeigten Geschehens durch die Rüstungen der Täter gegeben ist.130 Einen Bezug zur Bibel bringt schließlich Holzschnitt Nr. L7. Adam und Eva stellt er dar, beide nackt, ihre Scham mit Feigenblättern verdeckend. Gemeinsam halten sie das Modell einer Kirche zwischen sich. Diese Bildkomposition erinnert eher an Verbildlichungen von Kirchenstiftern, doch hier soll sie be-

126 Die Beschreibung lautet: Ήγβ sal sten eyn s8el dar vff zwen füße mit beynen als die suel Nabochodonosor." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (E3a). 127 So finden sich in den Plenarien ähnliche Darstellungen. Vgl. Schramm, Drucker in Basel (Bilderschmuck 22), Tafel 439. 128 Die Bildüberschrift: "Hie sollen steen tzwene oder drij gewapent, die mit swerten kynder dSten als by herodes tzyde." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B6a). 129 Bei der Formulierung 'Kinder des niederdeutschen Landes' ist unklar, ob es sich wirklich um Kinder oder um Landeskinder handeln soll. 130 In der Straßburger Ausgabe tragen die Bewaffneten eine phantastische Bekleidung. Dieser Holzschnitt erscheint auch in einem Gebetbuch mit dem Titel 'Bereitung zu dem heiligen Sakrament'. Basel, Furter 1495 (Hain-Copinger 4368). Vgl. Schramm, Drucker in Basel, Teil 2 (Bilderschmuck 22), Tafel 439.

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deuten, daß Adam und Eva als Prototypen der sündigen Menschheit gleichzeitig für die sündhafte Kirche bzw. deren Amtsträger stehen. Die Übertretungen des Klerus leiten sich damit aus der Erbsünde ab. Die Beziehung zwischen Adam bzw. Eva und der Kirche formuliert die Bildanweisung: "Hie sal sten Adam vnd eue als vbertreter vnd syn bedüten der helgen kyrchen."(B2a) Der Holzschnitt zeigt eine erste bildliche Umsetzung der im Text entwickelten Kirchenkritik, wobei die Darstellung recht abstrakt ausfällt und ohne den erläuternden Text kaum verständlich wäre. Andere biblische Prophetien dagegen, mit denen der Text arbeitet, sind bildlich nicht repräsentiert, ebensowenig wie biblische Propheten, von denen der Text unter anderem Johannes und David nennt. Die erste Gruppe der Holzschnitte verlassend, sollen nun die auf den Inhalt der Prophetie bezogenen Bilder analysiert werden, und zwar zunächst dasjenige, das die drei Stände Klerus, Adel und 'Volk' darstellt, Holzschnitt Nr. LA. Er ist einer der bekanntesten Illustrationen der 'Pronosticatio', ohne daß jedoch seine Bildbedeutung und seine Funktion im Rahmen der gesellschaftlichen Vorstellungen Lichtenbergers umfassend analysiert worden wären. 131 Er ist zur Bebilderung anderer früher Drucke verwendet worden 132 und hat daneben die Gestaltung des Tafelgemäldes "Die drei Stände der Christenheit" von Bartholomäus Bruyn d.Ä. beeinflußt. 133 Der Holzschnitt zeigt den auf einem Regenbogen thronenden Weltenrichter Christus - verdeutlicht durch den Nimbus, die Wundmale an den Händen und durch die Weltkugel zu seinen Füßen -, links von ihm den Papst mit Vorhaltekreuz, Tiara und verziertem Mantel sowie einen weiteren Geistlichen. Zur Rechten befindet sich ein bärtiger Kaiser mit Bügelkrone und Stab sowie ein Fürst, 134 in der unteren Mitte bearbeiten zwei Bauern mit zwei Hacken den Boden. Bekleidet sind sie mit einem kurzen, gegürteten Wams und tragen auf dem Kopf einen Hut bzw. ein auch den Nacken schützendes Tuch. Je-

131 Zum Holzschnitt s. Niccoli, sacerdoti, S. 56ff. mit Abb. 4 und 5. Ebenso Epperlein, Bauer, S. 126ff. 132 Er findet sich z.B. bei Thomas de Ravenna (Τ. Giannotti): De la vera Prosticatione del Diluvio ... Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 56f. Außerdem taucht er in einem Druck von Kistler in Straßburg, 1499 mit dem Titel 'Montevilla' auf. (Hain-Copinger 10651). Vgl. Schramm, Straßburger Drucker, Teil 2 (Bilderschmuck 20), Tafel 1931. 133 Vgl. Wohlfeil, Verbildlichungen ständischer Gesellschaft. An Wohlfeils Ausführungen schließt sich ein Exkurs von mir über den "Ständeholzschnitt" an. 134 Hinter den beiden jeweils sichtbaren adligen bzw. geistlichen Personen ist erne weitere Krone bzw. Kopfbedeckung zu erkennen, die vielleicht eine größere Gruppe von Personen andeuten soll. Unklar bleibt, was die beider» schwarzen Spitzen, die hinter dem Kaiser hervorragen, darstellen sollen, vielleicht Schwerterspitzen.

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der der Personengruppen ist eine Funktionszuweisung beigeordnet, die, abgefaßt auf lateinisch, ihrem Sinne nach der Bildüberschrift entspricht. Diese lautet: "Hye sal steen der saluatör als am Jüngsten gericht vnnd sprechen dem bapst vnnd den synen Du salt flelichen beten Zum keyser du salt beschirmen Zum buren Du salt arbeyten."(A6a) Bildüberschrift und Holzschnitt verdeutlichen also ebenso wie der nachfolgende Text die Aufteilung der Gesellschaft in drei Stände und die Verteilung von Funktionen an sie durch den Weltenrichter Christus. Die Anweisungen beruhen auf einem Spruchvers, der bereits im 14. Jahrhundert bei Petrus Lombardus zu finden ist.135 Zur Frage steht, ob die Darstellung der drei Stände eine Hierarchisierung und implizite Wertung der einzelnen Stände verrät. Dazu muß der Holzschnitt in seiner Bildkomposition näher betrachtet werden. Festzustellen ist, daß diese eine unterschiedliche Zuordnung der drei Stände zu Christus hervorbringt. Adel und Klerus stehen jeweils am Ende des oberen Regenbogens, auf dem Christus sitzt und wirken so direkt mit ihm verbunden. Auch sind sie seinen segnend ausgebreiteten Händen näher, während die Bauern durch eine größere Entfernung zum Weltenrichter von diesem abgerückt erscheinen. Dabei befinden sich Christus, die Repräsentanten des Klerus und die des Adels in einer gemeinsamen Bildebene, während die Bauern annähernd gleich groß im Vordergrund zu sehen sind. Der rechte Bauer blickt empor, wie, um sich der Gegenwart Christi bei seiner Arbeit zu vergewissern. Die Augenlinie der Geistlichen und der Adligen bzw. die die Kreuze haltenden Hände von Kaiser und Papst liegen auf einer Geraden, so daß der Eindruck der Gleichordnung der beiden Gruppen entsteht. Allerdings ist der Kaiser, dessen rechte Hand ausgestreckt ist, etwas näher an die Gestalt des Weltenrichters gerückt als der Papst, und Christus wendet sich dem weltlichen Herrscher durch eine Drehung des Kopfes stärker zu. Aber auch die Bauern stehen in Verbindung zu Christus, denn die Mittelachse des Bildes geht durch das rechte Auge Christi und an der Stelle durch die Hacke des einen arbeitenden Bauern, wo diese den Boden berührt. Verbindet man das jeweils linke Auge von Kaiser und Papst mit diesem Punkt sowie die Augen miteinander, so ergibt sich ein gleichschenkliges Dreieck. Dadurch wird die Entfernung der Bauern von den anderen beiden Ständen augenfällig. Aus der Bildebenenzuordnung ergibt sich zusätzlich eine Zweiteilung des Bildes - Christus, Klerus, Adel einerseits, Bauern andererseits -, so daß die Hierarchisierung der Stände als Kompositionsprinzip des Holzschnitts erscheint. Betonen die Bildebenen eher eine dualistische Anordnung der Stände (Herrschende bzw. Volk), so nimmt die Dreieckskomposition des Holzschnitts die Dreiteilung der Gesellschaft graphisch auf und stellt alle Stände in Abhängigkeit zueinander und 135 Vgl. Wohlfeil, Verbildlichungen ständischer Gesellschaft, S. 15.

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gleichzeitig in ihrer Beziehung zu Christus dar, die durch die jeweils eingenommene Entfernung differenziert wird. Bedenkt man nun noch die Geste des Kaisers, die wie ein Anerbieten wirkt, so betont der Holzschnitt zweierlei: die Aufforderung zu treuer Pflichterfüllung an alle drei Stände zum Wohle des Ganzen im Sinne des 'ordo'-Gedankens und - in der Zuwendung der Christusfigur und der ausgestreckten Hand als Gebärde des Kaisers - die Hoffnung auf einen Friedenskaiser, der alles zum Guten wendet. Die Darstellung der Bauern, aber auch die des Kaisers variiert in den anderen Holzschnitten der verschiedenen Drucke der Schrift, wodurch sich Akzentverschiebungen in der Bildbedeutung ergeben. Sehr stark verkleinert, dabei in der vorderen Bildebene verbleibend, stellt Schrotbank die Bauern dar (Abb. L4a). Sie wirken völlig unbedeutend, wie ein nur der Vollständigkeit halber hinzugefügtes Detail der Komposition. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Verbildlichung des Jüngsten Gerichts: Der Weltenrichter Christus, zusätzlich mit Lilie und Schwert versehen, thront über den betend in die Knie gesunkenen beiden Ständen Adel und Klerus, wobei Papst und Kaiser durch Körperhaltung und Gestik gleichgeordnet sind, während die Bauern vom Geschehen nicht recht betroffen erscheinen, denn sie fahren unbeeinflußt in ihrer Arbeit fort. Während sich die Bildgestaltung der Kölner Ausgabe von 1526 sehr stark an der Erstausgabe orientiert und nur die Bauern leicht verkleinert bringt (Abb. L4b), setzt Anton Woensam in der Kölner Ausgabe von 1528 Bauern wie Weltenrichter in eine hintere Bildebene, wodurch die beiden Stände Adel und Klerus eindeutig das Bild dominieren (Abb. L4c). Zusätzlich stehen beide Stände über den Bauern auf zwei Hügeln. Von all diesen Bildauffassungen, auch von der der Erstausgabe, völlig verschieden wurde der Ständeholzschnitt der Ausgabe von 1526 (Augsburg?) gestaltet (Abb. L4d). Auf ihm sind in vorderster Bildebene und in der Größe deutlich hervorgehoben die arbeitenden Bauern zu erkennen. Die Schwere ihrer Arbeit ist ihnen deutlich anzusehen. Besondere Sorgfalt wurde auf die Darstellung ihrer armseligen Kleidung verwandt; so sind die Ellenbogen ihrer Obergewänder durchgescheuert und die Hosenbeine ausgefranst. Neben dem rechten Bauern stehen ein Korb, wohl mit Brot, und ein Krug. Aussehen, Kleidung sowie Attribute zielen auf eine realistische Verbildlichung der bäuerlichen Arbeit. Diesmal im Bildhintergrund und entsprechend perspektivisch verkleinert haben sich wieder die beiden Stände Klerus und Adel unter dem Weltenrichter Christus versammelt. So hat sich der Schwerpunkt der Bildkomposition und damit der Bildbedeutung gänzlich verschoben: Nicht mehr die zentrale Position der beiden ersten Stände bei der Funktionszuweisung Christi wird betont, sondern die bäuerliche Arbeit an sich, die, von der Figur des Weltenrichters losgelöst erscheinend, nun nur noch für sich selber steht. Damit stimmt überein, daß die Mittelachse des Bildes zwar noch durch das rechte Auge

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Christi verläuft, aber keinen Zentralpunkt der Verbildlichung der Bauern berührt. In diesem Vergleich der Bildkompositionen des 'Ständeholzschnitts' mag deutlich werden, daß die Darstellung der drei Stände und ihrer Funktionen im 'corpus christi' eine große Spannbreite der Wertung und Hierarchisierung der Stände ermöglicht: von der Betonung der Kaisergestalt über die Gleichordnung von Adel und Klerus bei auffälliger Abwertung der gesellschaftlichen Funktion des Bauern bis hin zu seiner Gestaltung als vorrangiges Bildsujet, die Anteilnahme an seiner Lage, ja sogar Empörung über die Lasten, die er zu tragen hat, wecken kann. Neben diesem zentralen Ständebild zeigen andere Holzschnitte die einzelnen Stände und ihre Vertreter. Gleich die folgende Illustration Nr. L5 bringt den Klerus, denn der Gliederung der Schrift gemäß folgt das Schicksal dieser Sozialgruppe.136 Inmitten geistlicher Personen befindet sich in vorderster Bildebene der Papst mit Vorhaltekreuz, Tiara, Überwurf und einem Buch in seiner rechten Hand. Links und rechts von ihm stehen zwei Kardinäle, von denen einer auch ein Buch und ein Vorhaltekreuz trägt. Weitere Kleriker, darunter zwei Kanoniker im Chorhemd sind in der hinteren Personenreihe zu erkennen. Merkwürdig allein an dieser Darstellung ist eine Gestalt am linken Bildrand. Sie trägt über einem langen Gewand eine bis über die Hüften herabreichende Kopfbedeckung, vielleicht ein Pelz mit Fuchsschwänzen. Während der Meister der Kölner Ausgabe von 1526 die Gestalt beibehält,137 erscheint in der Straßburger Ausgabe auf der rechten Seite ein Kleriker mit einem kurzen, pelzartigen Umhang.138 Das folgende Bild Nr. L6 bringt das populäre Symbol für die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen, das 'Schiff Petri'. Dessen Bedrohtheit wird durch aufgewühlte Wellen angedeutet, die das Schiff hin- und herwerfen. Über dem Bild ist zu lesen: "Die Kyrche ym schiff mit ire rieme geneickt vn vff vn abe zü dätzen" (B1b). Einige Bilder zeigen einzelne Geistliche. Auf Bild L16 befinden sich zwei Bischöfe, die zwischen sich ein Rad mit sechs Speichen halten. Dieser Holzschnitt ist bereits der Mahnung zur Eintracht zuzuordnen, die Lichtenberger an die Bischöfe von Köln und Trier richtet. Das Rad soll dabei das Erzbistum Mainz symbolisieren,139 wobei fraglich bleibt, ob das Halten des Rads durch die 136 Über der Graphik ist zu lesen: "Hie sal sten der Bapst mit Cardinele vnd sal bede." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch. (Heidelberg um 1490) (Bla). 137 Vgl. Lichtenberger, Prognosticatio, lat., Köln 1526 (Clb). 138 Vgl. Schramm, Straflburger Drucker, Teil 2 (Bilderschmuck 20), Tafel 1764. 139 Das Wappen des Bistums Mainz zeigt ein Rad mit sechs Speichen. Vgl. Die Wappen der Bistümer und Klöster. Bearb. v. Gustav A. Segler. Neudruck der Ausgabe Nürnberg 1881/82. Bd. I, 5. Abt., 1. Reihe. Neustadt a.d. Aisch 1976 (J. Siebmacher's großes Wappenbuch 8), S. lf und Tafel 4-6. Die Bildanweisung nennt nur "eyn radt des Ryns". Lichten-

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Erzbischöfe von Köln und Trier einen Konflikt mit dem Mainzer Erzbischof, Bertold von Henneberg, andeuten oder im Gegenteil Eintracht zeigen soll. Auch der folgende Holzschnitt (LI 7) ist auf die Bistümer Köln und Trier bezogen. Vor einer Kirche in freier Landschaft steht ein Bischof und hält in seiner rechten Hand ein Vorhaltekreuz, in seiner linken einen halben Stab. Wie aus dem nachstehenden Text deutlich wird, soll die Gestalt den Heiligen Matern, den Bischof von Trier, darstellen. 140 Der halbe Stab ist sein Attribut und erklärt sich aus der auf diesen Heiligen bezogenen Legende, die auf den Nachweis eines gemeinsamen Ursprungs der Bistümer Köln und Trier zielt. Endlich gehört auch Bild Nr. L18 zu diesem Motivkreis. Zwei Bischöfe sind auf ihm abgebildet. Am unteren Ende eines Krummstabes, der von beiden gehalten wird, nagen zwei Tiere: ein Wolf und - so zumindest gibt die Bildüberschrift 141 an - ein Bär. Die wilden Tiere stehen für die Feinde der beiden Bistümer Köln und Trier, die der Prophetientext als Franzosen und Oberdeutsche konkretisiert. Zwei weitere Holzschnitte betreffen das Klosterleben. Bild Nr. L20 bringt eine Gruppe von fünf Mönchen. Während drei von ihnen auf einer Bank sitzen und, wie aus der Gestik deutlich, miteinander diskutieren, liegt bäuchlings und mit ausgestreckten Armen ein vierter Mönch auf dem Boden. Der fünfte steht zu seinen Füßen und hat einen Stock erhoben. Die Bildüberschrift besagt, daß der stehende Mönch dem anderen "discipline" gibt, d.h. ihn züchtigt und zwar, wie betont wird, "vngestummicklichen"(D1a). Der Textbezug des Bildes wird hergestellt durch den Hinweis auf Uneinigkeit, Aufruhr und Gezänk unter den Mönchen. Das Bild faßt dies als erregtes Gespräch und körperliche Bestrafung. Einen kritischen Beiklang bekommt die Darstellung nur, sieht man sie als Erläuterung des Textes an; für sich genommen könnte die Szene die gerechtfertigte Züchtigung eines Unbotmäßigen meinen. Höchst bemerkenswert ist allerdings, daß dieser Holzschnitt sowohl in den Straßburger Ausgaben Kistlers als auch in der mutmaßlichen Augsburger Ausgabe von 1526 fehlt. Vielleicht wurde er als zu provokativ empfunden, weist er doch auf Konflikte innerhalb der Klöster hin. Auf Holzschnitt Nr. L43 ist ein Klostergebäude zu erkennen, vor dem eine Nonne steht. Sie hat sich dem Gebäude zugewandt und greift sich in einer Geste

berger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (C3a). Klärend greift hier die Wittenberger Ausgabe ein, die in ihrer Bildanweisung vom "mentzischen rad" spricht. Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (Hla). 140 "Hye sal sten eyn bischoff vnd sal han eyn rSt Crütz in der rechten hant vnd das vnderst deyl von eym halben stabe." lautet die Anweisung. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (C4a). 141 Vollständig lautet die Überschrift: "Zwene bischoff Trier vnd Collen sullen hie stan vnd haben eynen stab iglicher an eym ende, vnd an eym ende eyn rSt Crutz am andern eyn swartz Crütz. Eyn swartz bere nympt den stab Eyn graer wolff bißt auch dar an." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (C5b).

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der Verzweiflung an den Kopf. Ihre Miene soll ebenfalls heftige Gefühle ausdrücken. Interessant ist hier, daß nicht der Moment der Klosterflucht - von der die Bildanweisung spricht 142 - gezeigt wird, sondern die spätere Reue der Entlaufenen. So ist das Bild eine Mahnung an alle zweifelnden Nonnen. In der Straßburger Ausgabe fehlt dieses Bild. Den Papst bringt schließlich das Bild Nr. L37, das gleichzeitig mehrere Szenen darstellt. Eine spielt sich direkt unter den Augen des Papstes ab und zeigt einen Mann in langem Gewand, der hinter einem auf einem Stuhl sitzenden Mann steht und diesem die langen Haare abschneidet. Im Bildvordergrund verbrennen mehrere Spiele im Feuer: Im einzelnen sind ein zerbrochenes Schachbrett, Spielkarten, Würfel sowie ein Spielbrett für Backgammon zu erkennen. Auf der linken Bildseite beschäftigen sich gleich zwei Männer mit einem langhaarigen, sehr modisch mit engen Hosen bekleideten, Jüngling. Der eine Mann schneidet die langen Spitzen der Schnabelschuhe ab, die der Jüngling trägt, der andere faßt einen kurzen Umhang, der den Oberkörper des Jungen verhüllt. Es sind offensichtlich Maßnahmen gegen Spielsucht, Luxus in Kleidung und Lässigkeit der Haartracht, die hier auf Anordnung des Papstes durchgeführt werden, wie dies die Bildüberschrift angibt. 143 Dieser Papst scheint der "war papst" zu sein, den der Text nennt, die gezeigten Aktionen wären dann ein Teil des 'guten Regiments' der Kirche, sind also positiv besetzt. Allerdings verwirrt, daß der zum Bild gehörige Prophetientext sich auf den "Antichristus mixtus" bezieht, ohne jedoch auf die im Bild gezeigten Aktionen einzugehen. Dagegen führt die Prophetie an anderer Stelle Maßnahmen gegen Luxus und Spielsucht als Taten eines 'Engelspapstes' auf; zu dieser Textstelle müßte das Bild eigentlich ergänzt werden. Vielleicht ist hier dem Setzer ein Irrtum unterlaufen. Jedenfalls ist wohl davon auszugehen, daß der Holzschnitt, obwohl er im Zusammenhang mit dem "Antichristus mixtus" erscheint, einen Teil der Reformhoffnungen des Autors wiedergibt. Neben der Präsentation der Kirche als 'Schifflein Petri' und der wiederholten Verbildlichung der Geschicke des Kölner und Trierer Bistums, zu denen der Autor einen besonderen Bezug entwickelt, sind es vor allem diese auf das Klosterleben bzw. auf päpstliche Reformmaßnahmen bezogenen Holzschnitte, die die kirchenkritischen Tendenzen der Schrift visualisieren. Sie verdeutlichen die Krise im Glaubensbereich durch Beispiele von Konflikten im klösterlichen Be-

142 "Hie sal sten eyn vßgelauffen Nonne", steht über dem Bild. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (G4b). Dieser Anweisung entspricht eher das Bild in der Ausgabe von 1526. Vgl. Lichtenberger, Practica, dtsch., Augsburg (?) 1526 (G3b). 143 Die Anweisung gibt an: "Hye sullen die spylbrede verbrant werde vnd die langen hare die schnebel an den schuen verschnidde. Vnd also in gegewudikeit des pabsts." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (F6b).

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reich sowie Ansätze zu einer 'Reformation', die in den Bildelementen des Holzschnitts Nr. L37 ausdifferenziert werden. Als weitere Vertreter des Klerus zeigt Bild Nr. L19 drei predigende Bischöfe. Vor ihnen, die auf einer Bank sitzen, hat sich eine Volksmenge eingefunden. Im Text werden diese Bischöfe als 'falsch' bezeichnet,144 stehen also bereits in einer Reihe mit den zahlreichen 'falschen Propheten' die die Schrift ankündigt. Die Bildüberschrift betont, daß diese 'falschen' Würdenträger vom Papst bestätigt wurden,145 auch er hat demnach die Heuchler nicht durchschaut, was, ähnlich wie beim Bild vom "Antichristus mixtus" erläutert, eine kritische Komponente birgt. Mit den Bischöfen ist die Motivgruppe der 'falschen Propheten'angesprochen. Wie keine der anderen Darstellungen der 'Pronosticatio' wurden diese im Zuge der Reformation zu gegenseitigen Beschuldigungen der Kontrahenten umfunktionalisiert, doch hierauf wird in Kapitel 5.3.2. dieser Arbeit ausführlicher eingegangen. Während Bild Nr. L34 einen der 'falschen Propheten', den sogenannten 'kleinen Propheten', als Neugeborenen zeigt, dessen Mutter, von einer Hebamme versorgt, noch im Wochenbett liegt,146 wird er auf Bild Nr. L35 als Mönch abgebildet. Von der Kapuze seiner Kutte hängt ein langer Zipfel bis auf die Erde hinab, in der linken Hand hält er eine Rolle oder einen Stab.147 Auf seiner linken Schulter aber steht eine kleine schwarze Teufelsgestalt. Der Mönch wird von einem "discipel"(F5a), einem kleiner dargestellten Mönch, begleitet. Bild Nr. L34 und L35 erweisen sich als Übernahmen aus dem Blockbuch "Von dem Entcrist",148 so daß die Holzschnitte diesen 'falschen Propheten' als den Antichristen qualifizieren. In diesem Sinne ist auch die Teufelsgestalt auf seiner Schulter zu verstehen, die in der Straßburger Ausgabe stark vergrößert wurde (Bild L35a). Die Verbildlichungen von diesem 'falschen Propheten' gehen über die 144 Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (C6b). 145 Explizit heißt es: "Hie sullen sitzen drij bisschoff bestediget von dem pabst mit irn Infein predigende dem folck."Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (C6b). 146 Zu lesen ist: "Hye sal eyn fraw ym bette sitzen myt eym rangen kynde itzunt geberet." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (F4a). Auch in den 'Revelationes' Methodius. Vgl. Schramm, Drucker in Basel, Teil 2 (Bilderschmuck 22), Tafel 592. 147 Die Bildüberschrift: "Hie sal sten eyn monich mit eyner wißen cucullen vn der düfel im vff der achseln vnd sal han eyn langen zippel vff die erden, die kot mit wyden ermein vnd eyn iunge discipel sal by ym sten." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (F5a). Zu dem bis auf den Erdboden reichenden Zipfel der Kutte schreibt Warburg: "Ich möchte nicht daran zweifeln, daß hinter dem Mönch mit dem Teufel im Nacken und dem schlangenartig bis auf den Boden verlängerten Kapuzenzipfel zwei Sternbilderinnerungen stecken: Der Asklepios-Schlangenträger und Skorpion, die ja beide im Oktober-November paranatellontisch zueinander gehören." Warburg, Weissagung, S. 237, Anm. 76. 148 Vgl. hierzu Kurze, Lichtenberger, S. 32, Anm. 191.

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Textaussage und Bildanweisung weit hinaus, denn von einer direkten Verbindung mit dem Teufel ist nicht die Rede. Andere der 'Propheten' werden als Prediger dargestellt, vor denen sich eine Volksmenge versammelt hat (Bild Nr. L31, ΙΛΟ).149 Auf Bild Nr. L40 sollte laut Bildanweisung der Papst dargestellt sein, doch wurde dies nicht realisiert.150 Andere Gestaltungen der 'falschen Propheten' finden sich bei den Graphiken L33 und L36. Bild Nr. L33 zeigt einen Mann in freier Landschaft, der mit langem Mantel und Kappe bekleidet ist und einen Rosenkranz in der Hand hält. Die Anweisung bestimmt, daß die Kleidung für die 'angenommene Heiligkeit' des Propheten stehen und ihn als Geistlichen ausweisen soll.151 Diesen 'falschen Propheten' hat Schrotbank in der Straßburger Ausgabe von 1497 mit eindeutig zeitgenössischer Kleidung versehen: Er trägt einen kurzen, seitlich geschlitzten Mantel und einen breitkrempigen Hut. In der Hand hält er neben dem Rosenkranz auch einen Stecken. Rechts neben ihm taucht eine Stadt auf. Dieser wandernde Prediger scheint weniger als der in der Erstausgabe dargestellte 'Prophet' der Vorstellung von einem falschen Heiligen zu entsprechen (Bild L33a). Weltliche und geistliche Würdenträger sind es, die dem falschen Propheten des Holzschnitts Nr. L36, dem "Antichristus mixtus", nicht widerstehen können. Dies betrifft die gesamte kirchliche Hierarchie mit Papst, Kardinälen, Bischöfen und einem Mönch, aber auch Kaiser, König und weitere weltliche Fürsten. Kann das gläubige Akzeptieren der 'falschen Propheten' durch das 'Volk' noch entschuldbar wirken, wird doch seine besondere Beeindruckbarkeit unter anderem durch den Planetenstand hervorgerufen, so muß die Empfänglichkeit der herrschenden Stände für die Lügen des "Antichristus mixtus" unter kritischem Vorzeichen gesehen werden, denn eigentlich müßten sie den Versuchungen des Teufels eher widerstehen können. Unter diesem Aspekt ist aufschlußreich, daß die Bildgestaltung gerade hier von der Bildanweisung abweicht. Diese lautet:

149 Dieser Bildtypus entspricht der Darstellung Christi, wie er, in einer Kanzel stehend, den Zuhörern predigt, unter denen ebenfalls Frauen zu sehen sind. Vgl. Schramm: Drucker in Basel, Teil 2 (Bilderschmuck 22), Tafel 225. Es handelt sich um den Druck "Die Wallfahrt oder Pilgerschaft der allerseligsten Jungfrau Maria ... dtsch. Basel, Ysenhut 1489 (Hain 3927). Der Holzschnitt der Lichtenberger-Ausgabe scheint als Vorlage gedient zu haben für Cicero: De officiis. Augsburg, W. Steiner 1530. Abb. bei Scribner, Folk, S. 197, Abb. 162. 150 "Hie sal sten eyn heilig man als eyn pabst vff eym prediger stüle vnd predigen dem folck." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (G2a). Vielleicht hielt der Reißer Hesse diesen Bildauftrag für zu riskant, da im selben Zusammenhang von 'falschen Propheten' die Rede ist. 151 "Hye sal sten eyn man vßwendig ertzeigende grSße heiügkeit als eyn geystlich religiose vnd bedSten eyn ander prophet geborn sal werden." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (F3b).

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"Hie sal sten eyn graer man vnd sal eyn crütz in syner hant han by dem sullen sten pabst Cardinele Bischoff gelerte prelaten in graen cucullen." (F6a) Von weltlichen Standespersonen ist also nicht die Rede. Der Künstler Hans Hesse hat aber offenbar auch Kaiser und Adel in der kompromittierenden Situation mit dem "Antichristus mixtus" zeigen und ihnen den impliziten Vorwurf nicht ersparen wollen. Die anderen Künstler der 'Pronosticatio'-Ausgaben haben sich ihm angeschlossen,152 wobei eingeräumt werden muß, daß der folgende Prophetientext auch "fursten"(F6a) als Anhänger des "Antichristus mixtus" nennt. In einfachem, langem Gewand und einer Kappe auf dem Haupt, einen Stab und ein Vorhaltekreuz in den Händen, stellt Bild Nr. L36 dem Betrachter diesen "Antichristus mixtus" vor. Besonders auffällig ist hier der Kontrast, der zwischen der schlichten Kleidung des 'falschen Propheten' und den prunkvollen Gewändern der geistlichen und weltlichen Würdenträger besteht. Der Kontrast läßt den 'Propheten' als 'Außenseiter' erscheinen, der um so glaubwürdiger wirken kann, weil er schon durch seine Kleidung kundtut, daß es ihm auf weltliche Würden nicht ankommt und daß ihm in seiner Weitabgewandtheit um so eher die Gnade der göttlichen Offenbarung geschenkt werden kann. Auch wenn sich dieser 'Prophet' als Vorläufer des Antichristen herausstellt, könnte der Rezipient Kritik an der Verweltlichung gerade der Geistlichkeit in diese Darstellung hineinlegen. Sehr interessant in der Reihe der Verbildlichung von 'falschen Propheten' ist schließlich das letzte Bild der 'Pronosticatio' in ihrer Erstausgabe (Bild Nr. L45). Es zeigt rechts einen bärtigen 'Lollarden' mit gegürteter Kutte, Umhang und Rosenkranz. Die linke Hand hält er ausgestreckt. Zwei Frauen stehen bei ihm, und jede von ihnen gibt dem Mann ein Geldstück. Die linke Frau hält den Geldbeutel, aus dem sie die Münze entnommen hat, in der Hand. Über dieser Szene steht, abweichend vom sonstigen Verfahren der Bildanweisungen, ein Vers, der dem Lollarden in den Mund gelegt wird. Er lautet: "Hie sal sten eyn lolhart vnd sal sprechen dyeße wort: Bruder Lolhart byn ich genant den frauwen mach ich mich gern bekant. Das ich die phennige von yne erkryege dar vmb ich tzytlich smeichel vnd dryege."(H3b)

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In der mutmaßlichen Augsburger Ausgabe tritt der 'Antichristus mixtus' der weltlichen und geistlichen Obrigkeit gegenüber. Diese Darstellung entschärft den kritischen Akzent der Gestaltung der Erstausgabe, denn dort ist der Verführer in die Gruppe der Würdenträger aufgenommen. Vgl. Lichtenberger, Practica, dtsch., (Augsburg ?) 1526 (F3b). S. Bild 36a.

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Durch den Vers offenbart sich der Lollarde selbst als Betrüger und Schmeichler, der sich bemüht, den Frauen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Während der Text als einzigen Lollarden den 'Bruder Reinhart' erwähnt und diesen als weissagende Autorität hoch schätzt, erscheint dieser Lollarde als Volksverführer, parallel zu den anderen 'falschen Propheten'. Das Bild mag dabei als Mahnung gemeint sein, wandernden Predigern gegenüber Vorsicht an den Tag zu legen und sich nicht betrügen zu lassen, wobei es auch hier wieder die Frauen sind, die für diese Art der Prophetien besonders anfällig erscheinen. Es stellt sich jedoch daneben der Gedanke ein, daß die letzte Graphik der 'Pronosticatio' unfreiwillig als Kritik am Wahrheitsgehalt der Schrift gesehen werden könnte, zieht man in Betracht, daß sich auch Lichtenberger als 'Prophet' verstanden hat. So könnte beim Leser der Verdacht entstehen, die Abfassung der Schrift ziele auf schnellen Geldgewinn. Vielleicht liegt es an dieser Doppeldeutigkeit des Holzschnitts mit seinem Begleitvers, daß beides nur in der lateinischen und deutschen Erstausgabe sowie in einer Ausgabe von 1526153 aufgenommen ist, in allen anderen Ausgaben jedoch fehlt. In unterschiedlicher Gestalt werden so dem Betrachter die potentiellen Verführer vorgestellt, wobei Aussehen und Auftreten 'heiliger Männer', wie das Spätmittelalter sie kannte, in die Bildgestaltung eingegangen sein mögen. Das aus dem Blockbuch vom 'Endkrist' übernommene Bild spitzt dagegen den Typus des 'falschen Propheten' zum Antichristen zu und präsentiert eine einprägsame Bildformel. Eine größere Anzahl von Vertretern der beiden ersten Stände ist auf dem Holzschnitt Nr. L14 abgebildet. Drei Bischöfe und vier weltliche Amtsträger - der vorderste davon mit einem Stab versehen - haben sich am Ufer eines Gewässers eingefunden. Links im Wasser befindet sich ein Schiff, von dem lediglich der Mast und ein Teil des Rumpfes aus den Fluten ragt, der Rest des Schiffskörpers ist schon untergegangen. 154 Auf der Reling sitzt ein Adler. Diese Darstellung verbindet die personenbezogene Verbildlichung mit allegorischen Motiven. Die geistlichen und weltlichen Fürsten sind - laut Überschrift - die sieben Kurfürsten, 155 während das schon fast gekenterte Schiff das bedrohte 'Schifflein Petri', die Kirche, und der Adler den Kaiser bedeuten. Der Text ermahnt die sieben Kurfürsten, von ihren Sünden Abstand zu nehmen und dem Römischen König in allem dienstbar zu sein, damit das Reich nicht gefährdet werde. Stattdessen gestaltet der Holzschnitt eine Einheit von Kirche und Reich, wobei die Kirche noch bedrohter erscheint. Die Kurfürsten haben sich zwar am Ort der Katastro153

Vgl. Lichtenberger, Practica, dtsch., (Augsburg ?) 1526 (H2a).

154 In den Darstellungen der anderen Ausgaben ist kein Kentern zu erkennen. 155

Folgende Überschrift ist gegeben: "Hie sullen sten die sieben ChSrfürsten by dem adler vnd der adler sal sten vff eym schiff das gar nae vndergange ist." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Cla).

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phe versammelt, blicken aber nicht auf Schiff und Adler, sondern aufeinander bzw. zum Betrachter. Ihr Verhalten läßt noch nicht deutlich werden, ob sie der Aufforderung des Autors entsprechen wollen, doch immerhin scheinen sie Ratschlag zu halten. Weitere Vertreter der weltlichen Obrigkeit sind auf anderen Holzschnitten zu sehen. Zu Beginn des zweiten Teils der 'Pronosticatio', in dem vom Reich und den Weltlichen die Rede sein soll, ist folgerichtig ein Holzschnitt mit der Darstellung des Adels eingefügt (Bild Nr. L9). Zu erkennen sind der Kaiser mit Krone, Szepter und pelzbesetztem Mantel, ein Prinz in engen Beinkleidern, kurzem Umhang und Federhut, ein blankes Schwert und eine Papierrolle haltend sowie eine dritte, nur zum Teil abgebildete Gestalt in knielangem Gewand. Anders als bei der Verbildlichung des geistlichen Stands ist in der rechten Bildhälfte Christus zu sehen, der seine linke Hand ausgestreckt hat und mit dem rechten Zeigefinger auf sich weist. Offenbar soll diese Geste nochmals den direkten Auftrag "du salt beschirmen mit gewapenter hant" an die weltliche Herrschaft verdeutlichen. Daß der Adel direkt mit Christus konfrontiert wird, könnte als Parallele zum Ständeholzschnitt gesehen werden, wo Christus sich stärker dem Kaiser als dem Papst zuwendet.156 Als Einzeldarstellungen von Standesvertretern dominieren im weltlichen Bereich die Bilder einzelner Herrscher. 157 Holzschnitt Nr. L22, L24, L25 und L26 stellen jeweils einen Herrscher mit seinem Banner vor, wobei alle Männer in Ritterrüstung abgebildet sind, ein Schwert an der Seite. Den Anfang macht der König von Frankreich mit dem Lilienbanner, es folgt der König von Böhmen mit einem gekrönten Löwen auf der Fahne, Bild Nr. L25 bringt den König von Ungarn, mit der Fahne seines Landes. Mit den bayrischen Rauten auf dem Banner tritt schließlich auf Bild Nr. L26 der 'Herzog von Bayern' (und Pfalzgraf bei Rhein) auf, im Unterschied zu den anderen Gekrönten mit einem Hut mit Federbusch als Kopfbedeckung. Porträtähnlichkeit wurde bei keinem der Herrscher angestrebt, es handelt sich vielmehr um völlig stereotype Darstellungen. Unterbrochen wird die Reihe der Herrscherbildnisse durch Bild L23, auf dem nur eine Fahne zu sehen ist. Sie zeigt in der rechten Hälfte die französischen Lilien und in der linken einen halben Reichsadler. Der Text spricht davon, daß sich die Lilien dem Adler zugesellen sollen. 158 Gemeint ist eine geeinte Herrschaft über Frankreich und Deutschland unter habsburgischer Vormacht. Das

156 In der Kölner Ausgabe sind hinter dem Kaiser noch zwei Fürsten zu erkennen, während die mutmaßliche Augsburger Ausgabe den Kaiser allein mit Christus konfrontiert und so dessen Verantwortung betont. Vgl. Lichtenberger, Prognosticate, lat., Köln 1526 (Dia) und Lichtenberger, Practica, dtsch., (Augsburg ?) 1526 (B3b). 157 In den jeweiligen Bildanweisungen sind die Herrscher benannt. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (D3a, D4b, D5b, D6b). 158 Lichtcnberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (D3b).

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Bild vermag so mit einfachen Mitteln einen Teil der Friedensutopie des Textes zu gestalten. Bild Nr. L39 bringt die einzige Darstellung einer kriegerischen Handlung in nicht-allegorischer Form. Der Betrachter erkennt in der Bildmitte eine schematisch angedeutete Stadt in einem Tal. Von rechts zieht ein Reiterheer heran, an seiner Spitze der Kaiser; die Fahne mit dem Reichsadler flattert über ihm. Nur ein einzelner Ritter sprengt dem Heer mit gezücktem Schwert entgegen, er muß der Übermacht hoffnungslos unterliegen. Im Bildhintergrund ist eine Personengruppe zu sehen, ein Mönch und ein Kardinal sind auszumachen. Andere Personen haben sich schon in einem Wald versteckt. Es ist der Angriff des Kaisers auf die Stadt Rom, der hier vorgeführt wird. Schon ahnt der Rezipient, daß die Bewohner Roms, auch die Geistlichen, verloren sind, werden sie doch nur von einem einzigen Ritter verteidigt.159 Nach 1527 wird diese Darstellung den Betrachter an den 'Sacco di Roma' gemahnen. Während der Text angibt, daß der kaiserliche Angriff auf Rom im Rahmen der Heilsgeschichte notwendig ist, verharrt das Bild auf der Ebene der Konfrontation, ohne daß das Verhalten des Kaisers gerechtfertigt wird. Ein weltlicher Herrscher befindet sich schließlich auch auf Bild Nr. L32.160 In der Bildmitte und gleichzeitig erhöht thront ein König als Gesetzgeber, ein Szepter in der linken Hand. Links von ihm knien drei Männer in langen Gewändern. Einer ist barhäuptig, die anderen beiden tragen eine Kappe bzw. einen Hut. Diese beiden halten jeder ein Buch in Händen und sind im Begriff, es dem König zu überreichen. Sie sollen wohl Rechtsgelehrte vorstellen. Rechts dagegen sind drei Bewaffnete zu sehen - einer trägt eine Hellebarde. Die Szene spielt an auf die Änderung von Gesetzen durch einen Herrscher, die der Text jedoch an das Votum des 'Volks' knüpft. Dieses ist nicht ins Bild aufgenommen; lediglich die drei Rechtsgelehrten werden mit der Entstehung der Gesetze in Verbindung gebracht, während die Bewaffneten dem König zur Seite dessen Machtmittel symbolisieren. Die Lehre von der 'Volkssouveränität', schon im Kontext der gesamten Schrift wenig organisch eingefügt, ist im bildlichen Teil gar nicht

159 Der entsprechende Holzschnitt der Straßburger Ausgabe erscheint als Titelholzschnitt der Schrift Anonym: Reichstag. o.O., o.D., oJ. (um 1510). (Köhler FS 2825). In der mutmaßlichen Augsburger Ausgabe der 'Pronosticatio' ist eine Variante zu sehen: Das kaiserliche Heer erscheint vor der Stadt Rom, ohne daß ein Verteidiger heransprengt oder geängstigte Einwohner zu sehen sind. Vgl. Lichtenberger, Practica, dtsch., (Augsburg ?) 1526 (G2a). Die Bildüberschrift betont dagegen die Gefahr, die den Bewohnern droht: "Hye kompt der Kaiser gen Rom gewaltigklich vnd treybet gewalt/vnnd wer da kan der fleihet vor jm in weld vnd in berge." Vgl. Abb. L39a. 160 Zu diesem Holzschnitt lautet die Anweisung: "Hye sal sten eyn konig der ändert die gesetze vnd macht vnd gybt ander nüwe gesetze." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (F2b).

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repräsentiert. Eine wichtige Ausnahme bildet die Straßburger Ausgabe von 1497 (Bild Nr. L32a), die statt einer Schar Bewaffneter eine Gruppe von Bürgern zeigt, unter anderem einen Jüngling mit langen Locken und modischer Kleidung sowie einen anderen Mann mit der haubenartigen Kopfbedeckung der reichen Stadtbürger. Die Gestik des Jünglings deutet seine Anteilnahme an dem gezeigten Geschehen an. So nimmt Schrotbanks Holzschnitt die Ausführungen des Textes beim Wort und 'übersetzt' sie in die Bildgestaltung. Als einzige sind es die Bilder L36 und L32 bzw. L32a, die dem Text einen eigenen Interpretationsbeitrag zufügen, wobei insbesondere Bild Nr. L36 geeignet ist, im Gewand zukünftigen Geschehens Reichspolitik zu reflektieren. Schließlich ist auch der dritte Stand auf Bild L41 repräsentiert. Auf einem Acker wird links ein Bauer beim Säen gezeigt. Er trägt eine Mütze, einen kurzen Rock und enge Beinkleider; ein Sack mit dem Saatgut hängt von seiner Schulter. Oben rechts auf einem Berg ist - perspektivisch verkleinert - ein Winzer zu erkennen, der einen Weinstock beschneidet. Seinen Nacken hat er mit einem untergebundenen Tuch geschützt. Weitere Vertreter des 'gemeinen Volks' sind, bezeichnenderweise als zuhörende Volksmenge, vor verschiedenen Predigern abgebildet. Es handelt sich um die Bilder Nr. L19, L31 und L40, auf denen auch jeweils Frauen erscheinen. Bild L19 bringt eine einzelne Frau mit Haube in vorderster Reihe, während die Holzschnitte Nr. L31 und L40, ebenfalls in der vorderen Reihe der Zuhörer, je zwei Frauen vorführen. Auf Bild Nr. L31 ist eine der weiblichen Personen eine Nonne; die andere Frau betet. Unterschiedlich alt sind die Frauen auf Bild L40. Während die eine durch Mantel und Haube fast vollständig verhüllt ist, trägt die andere Frau ein schmückendes Band mit Blumen (?) im langen, lockigen Haar, dazu ein modisches, gegürtetes Kleid. Mit ihrer linken Hand weist sie auf den Prediger. Die Frauendarstellungen zeigen das Bemühen, verschiedene Altersgruppen und Lebensumstände anzudeuten; die Identifikation einer Vielzahl gerade weiblicher Rezipienten mit dem bildlich Gezeigten wird dadurch ermöglicht. Außerdem soll wohl die exponierte Situierung der Frauen in vorderster Zuhörerreihe ihre besondere Anfälligkeit für 'falsche Propheten' zeigen. Zusätzlich tauchen auf Holzschnitt Nr. L42 drei schwangere Frauen auf, die ihre Hände auf den Bauch gelegt haben und deren Gesichtsausdruck von Schmerzen kündet. 161 In der Straßburger Ausgabe fehlt dieser Holzschnitt. Die Männer in den jeweiligen Volksmengen sind weniger differenziert. Zumeist handelt es sich um einfach gekleidete Personen verschiedenen Alters; nur auf Bild L31 162 sitzt neben den Frauen ein vornehmerer 161

Lapidar heißt es: "Hie sullen sten drij schwanger frawen." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (G3b).

162 Die Anweisung: "Hye sal sten eyn gelert man vffem prediger stule vnd haben eyn buch in der hant lerende das folck." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Fla).

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Mann in pelzbesetztem Rock und mit Kappe. Auch andere Ausgaben der 'Pronosticatio' bringen auf diesem Holzschnitt vornehmere Stadtbürger; 163 Schrotbank läßt eine Nonne demütig vor dem Propheten knien, die Hände über der Brust gefaltet (Bild L31 a). Die Holzschnitte bieten unterschiedliche Identifikationsangebote, indem sie Arbeitssituationen der Männer und Alltagssorgen der Frauen zeigen. Gleichzeitig aber lassen sie deutlich werden, daß das 'Volk' wegen seiner potentiellen Verführbarkeit als unkalkulierbarer Unruheherd angesehen wurde. In anderer Weise als astrologische, biblische oder prophetische Bildthemen verweisen die Tierallegorien auf den prophetischen Charakter der Schrift, denn sie geben bildlich wieder, was in der für Prophetien typischen bildhaften Sprache die einzelnen Zukunftsdeuter verkünden. Dabei werden verschiedene weltliche Mächte mit Tiersymbolen belegt, die auch in der Verbildlichung erscheinen. So zeigt Bild Nr. L10 einen kleinen und einen großen Adler, gestaltet wie ein heraldisches Symbol. Sie stehen für den Kaiser Friedrich III. und seinen Nachfolger Maximilian.164 Im Bild Nr. L11 erwächst den beiden Adlern Gefahr durch einen Wolf mit einem aufgerissenen Maul. Er steht für das feindliche Frankreich. 165 Das Baummotiv könnte an den 'Schlachtenbaum' erinnern. Holzschnitt Nr. L27 und L28 bringen das Symboltier Löwe, das sich zunächst auf den Pfalzgrafen bezieht. Seine Konflikte mit dem Kaiser könnte das Bild L27 darstellen, denn auf ihm versteckt sich der Löwe in einem Wald, über dem der Adler nistet, d.h. der Kaiser thront. 166 Von anderen kleinen Löwen umgeben, die für andere Herrschaften stehen, zeigt Bild L28 den Pfälzer als gekrönten Löwen - das entsprechende Wappentier stand hier Pate. Holzschnitt Nr. L21 führt ein anderes Tiermotiv vor Augen: Es sind drei Hähne, die im Verlauf des 163

Vgl. z.B. Lichtenberger, Prognosticatio, lat., Köln 1526 (K4a).

164 Aus der Anweisung wird dies zunächst nicht klar, denn diese lautet: "Hie sal sten ein drSrich adler mit wenig federn vn ein iunger by yme." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B4b). Der nachfolgende Prophetientext läßt jedoch keinen Zweifel an der Zuschreibung. 165

Die Anweisung: "Hie sal sten ein wolff mit vffgethanen müle der gaget den adler vnd der Jüng adler drürich sten vff der erde vnder den bäum." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B5a). Nach der 'Offenbarung' des Bruder Reinhart bedeutet der Wolf "Die erde vö occidet". Weiterhin ist von den "lilien" als Feind die Rede (B4b). Beide Bezeichnungen sind auf Frankreich bezogen.

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Unklar ist, ob die beiden anderen Löwen, die sich am linken und rechten Bildrand im Gebüsch verstecken, andere Herrscher sein sollen, ober ob die drei Löwendarstellungen gemeinsam den Pfalzgrafen symbolisieren sollen. Die Bildanweisung läßt letzteres vermuten, denn es heißt: "Hye sal flyehen eyn adler vberm walde. In eym walde sal man den lewen halb sehen Vnder den andern sal mä de lewe gätz sehen Im dritte wald sal der lew verborge sin." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Ela). Zum Löwenmotiv s. Reinitzer, Tradition.

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Textes in ihrem Bezug auf die drei Stände der französischen Gesellschaft nach dem Ständeschema erklärt werden. Eine weitere Gruppe von Allegorien wird durch die Darstellung von Bäumen gekennzeichnet. Für die türkische Herrschaft soll auf Bild Nr. L30 ein Baum stehen, dessen Äste auf einer Seite belaubt, auf der anderen kahl sind.167 Die Äste können ein Hinweis auf die verschiedenen türkischen Herrscher sein, die angesprochen werden. Die belaubten Zweige sollen wohl auf die Erfolge dieser Herrscher deuten, während die kahlen Äste die zukünftigen Verluste ankündigen könnten. In der Straßburger Ausgabe hat Schrotbanck an dieser Stelle massiver in die Holzschnittgestaltung eingegriffen. Nicht zufrieden mit der recht abstrakten Darstellung der türkischen Herrschaft und ihres Endes durch einen Baum, zeigt das Bild Nr. L30a einen Herrscher, der, entsprechend den anderen Herrscherbildern, eine Fahne trägt. Auf ihr sind ein Halbmond und ein Stern sowie ein Drache mit zwei Köpfen zu erkennen. Während dieses Banner wohl dem Osmanischen Reich zugehören soll, ist die Gestalt des Herrschers in Ritterrüstimg und mit einer Krone auf dem Haupt abgebildet, so daß sich die Frage stellt, ob es sich hier überhaupt um einen türkischen Sultan handeln soll. Der Holzschnitt könnte auch die Eroberung der türkischen Fahne durch einen christlichen König und damit den Sieg über die Glaubensfeinde ankündigen. Dann würde dem Betrachter zusätzlich die Befreiung von der Bedrohung durch die Türken vor Augen gestellt.168 Holzschnitt Nr. L44, der in manchen Ausgaben ebenso wie der letzte fehlt, wird in seiner Bedeutung durch die darüber stehende Anweisung genau erklärt. Er soll eine Eiche darstellen, an deren Zweigen drei 'Eichäpfel' hängen. Aus dem ersten kriecht ein Wurm - das bedeute Fruchtbarkeit. Aus dem zweiten entfliegt eine Mücke, dies sei ein Zeichen für Krieg. Aus dem dritten schließlich kriecht eine Spinne und das bedeute den Tod. Diese Regel will Lichtenberger durch den "waltsmyd"(H3a) namens Silvanus gelernt haben. Besonders schwierig ist dagegen die dritte Baumallegorie169 aufzulösen, wie sie Holzschnitt Nr. LI 5 zeigt. Eine junge Frau ist zu erkennen, aus deren Schoß ein 167 Die Bildanweisung kennzeichnet den Baum als Symbol türkischer Herrschaft: "Der Thürcken bäum sal hye sten mit XV. esten vnd sullen halb dorTe syn." Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (E3b). 168 Dieser Holzschnitt taucht wieder auf im 'Montevilla'. Vgl. Schramm, Straßburger Drucker, Teil 2 (Bilderschmuck 20), Tafel 1892. 169 Baumallegorien sind besonders häufig im 'Buch der Figuren' von Joachim von Fiore zu finden. Vgl. Marjorie Reeves, Beatrice Hirsch-Reich (Hgg.): The 'Figurae' of Joachim of Fiore. Oxford 1972, Abb. 12-15. Die Anweisung zum Holzschnitt lautet: "Hie sal sten eyn jSngfrauwe vnd eyn bäum sal yr wachsen vß yrm schSß vber sich sie sal die hende heben yn hymel als sie claget die Rynschen fürsten vnd vö de bäum sullen iiij. rym gen." Lichten-

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Baum wächst. Zwischen seinen Ästen befinden sich vier Spruchbänder, deren lateinische Beschriftung wegen der vielen Abkürzungen schwer zu lesen ist. In der folgenden Wiedergabe werden daher die Abkürzungen aufgelöst. "franncus cu(m) lilio percuciet cruce(m) trevere(n)se Boem(us) et bauarus p(er)cucie(n)t gladio aq(ui)lones (et) aqui(la) colab(itur) (?) Leo suppeditabit lilio et aquila vo(r)abit parte(m) leonis Bohem(us) et martis filii percucie(n)t gladio colonien(sem)."(C2a) Die Übersetzung lautet: Der Franke wird mit der Lilie das Trierer Kreuz schlagen. Der Böhme und der Bayer werden mit dem Schwert die im Norden (?) töten und der Adler wird fallen (?). Der Löwe wird der Lilie beistehen und der Adler einen Teil des Löwen verschlingen. Der Böhme und die Kinder des Mars werden mit dem Schwert Köln schlagen. Damit sind in verschlüsselter Form die Konflikte angesprochen, die die Schrift auch sonst behandelt: Trier droht Gefahr von den Franzosen, während Köln den Angriff der Böhmen und der 'Marskinder'(der Ritter?) zu befürchten hat. Außerdem deutet ein Spruchband eine Koalition zwischen Frankreich und dem 'Löwen' an, womit vielleicht Flandern gemeint sein könnte, dem dann vom Kaiser Gefahr droht. Bayern wird als Feind des Kaisers äußerst kritisch gesehen, ein Reflex auf die Opposition der Wittelsbacher gegenüber dem Kaiserhaus. Ist diese Baumallegorie besonders schwierig aufzulösen, so werden auch die anderen Tiersymbole nicht immer erklärt, so daß eine scheinbar einfache Bedeutung im Unentscheidbaren verbleiben muß. So kann etwa der 'Löwe' auf zahlreiche Gebiete deuten, da die Bezeichnung für die Herrschaften verwendet wird, die in ihrem Wappen einen Löwen führen. Die anderen Ausgaben der 'Pronosticatio' haben verschiedene Holzschnittgestaltungen aufzuweisen. Besonders stark an dem Erstdruck orientieren sich die Kölner Ausgaben von 1526 und 1528, während in den Straßburger Ausgaben 1497/99 mit ihren sehr eigenständig gestalteten Holzschnitten Schrotbanks die Tendenz bemerkbar wird, durch die Verwendung zeitgenössischer Kleidung bei der Darstellung der Personen einen aktuellen Bezug herzustellen (z.B. Nr. L33a). Außerdem wird das Bemühen sichtbar, die Personen oder Tiere realistischer, plastischer und lebendiger zu gestalten, um damit die vorherrschende berger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (C2a). Die Anweisung in bezug auf die Klagegebärde wurde in der Bilddarstellung nicht befolgt.

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Statik der Holzschnitte aufzulockern. Dies gilt auch für die mutmaßliche Augsburger Ausgabe. Der selbständige Umgang mit dem Bildmaterial wird zusätzlich dadurch erkennbar, daß Schrotbank Details zur Verdeutlichung ergänzt (Nr. L3a) oder stark hervorhebt, 170 zur Wahrung der Texttreue eine ganze Personengruppe umgestaltet (Nr. L32a), undefinierbare Personen durch andere ersetzt 171 und durch bestimmte Figurenkonstellationen andere Schwerpunkte der Bildbedeutung setzt (Nr. L4a). Einige Holzschnitte der Erstausgabe sind gar nicht in die Straßburger Auflage übernommen worden; so fehlen Bild L42 (entlaufene Nonne) und L43 (schwangere Frauen), so daß das Schicksal der Frauen nicht mehr so stark bildlich repräsentiert wird, aber auch Bild L20 (prügelnder Mönch) und L45 (der Lollarde), vielleicht, weil sie als zu provokativ oder mißverständlich empfunden wurden. Auf der anderen Seite bringt die Ausgabe zusätzliche Holzschnitte, was allerdings auch für andere Drucke gilt. Hierbei ist von Bedeutung, daß die lateinische und die deutschsprachige Erstausgabe keine Titelholzschnitte aufzuweisen haben, was den meisten späteren Druckern als entschiedener Mangel erschien, dem sie durch unterschiedliche Lösungen abzuhelfen suchten. So zeigen die Kölner Ausgaben auf ihrem Titelblatt das Bild eines Gelehrten in langem Mantel, unter dem ein Untergewand erkennbar wird, mit Kappe auf dem Haupt und Schnabelschuhen. Er hält beide Hände ausgestreckt, und obschon ihm keine Gestirne beigesellt sind, ist zu vermuten, daß hier der Autor Lichtenberger dargestellt sein soll, der mit seiner Handgebärde sein Werk anzubieten scheint (Bild L46). Anders wurde bei der mutmaßlichen Augsburger Ausgabe entschieden: Sie trägt den astrologischen Holzschnitt (Nr. L3b) auf dem Titelblatt, wohl um zu betonen, daß es sich bei der Schrift um eine astrologische Vorhersage handelt. Eine Kombination beider Motivbereiche wählen die Straßburger Ausgaben, die es nicht bei einem zusätzlichen Holzschnitt zu Beginn bewenden lassen: Insgesamt sechs verschiedene Bilder leiten die drei unterschiedlichen Drucke ein. Die Ausgabe von 1497 bringt die Darstellung eines Astrologen auf ihrem Titelblatt (Bild L47). Er ist mit einem langen Mantel mit Pellerine und einer Kappe bekleidet, hält einen Stock in seiner linken Hand und weist mit dem Zeigefinger der Rechten nach oben. Am Himmel sind Sterne und eine Sonnenfinsternis angedeutet. Hinter ihm sind eine Stadtbefestigung und die Türme und Gebäude einer Stadt zu erkennen. Auf der Rückseite des Titelblatts befindet sich ebenfalls ein Holzschnitt, der ungewöhnlich groß ausfällt (Bild L48). Er stellt in kreisförmiger Anordnung die Monatsbilder und Tierkreiszeichen, aber auch die Planetengötter dar. Zu sehen sind rechts unten Saturn mit der Sichel, dann Jupiter mit einer Lanze, Luna auf einem von Pferden gezogenen Wagen mit dem Halbmond, Mars in Ritterrüstung und mit Fahne, hoch zu Roß, Merkur mit 170

Vgl.Anm. 124.

171

Vgl. Anm. 138.

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Kappe und Stab, Venus mit Blumen und wallendem Haar und schließlich Sol mit Flammenhaupt auf einem ebenfalls von Pferden gezogenen Wagen. Zwischen Merkur und Venus befinden sich zwei weitere Gestalten: Eine Figur, wie ein Knappe gekleidet, hält einen Pfeil; ihre Bedeutung ist unklar. 172 Neben ihr ist die Sibylle von Cumae mit spitzem Schleierhut und Stern, aber auch einem Bogen über der Schulter abgebildet. Eine ähnliche Frauengestalt tritt rechts aus einem Haus, das mit einer römischen Eins gekennzeichnet ist. Vielleicht ist hier das 1. Haus der Planeten (das Leben) gemeint. Neben den vier Winden enthält der detailreiche Holzschnitt schließlich in jeder Ecke ein Bildchen mit einer Männergestalt, die in jeweils unterschiedlicher Weise einen Topf mit Feuer hält bzw. einen Krug ausschüttet. Die Bedeutung dieser Figuren ist nicht ohne weiteres zu entschlüsseln, vielleicht entstammen sie einem Astrolabium.173 Mit diesem astrologischen Holzschnitt nicht genug, fügen sich zwei kleine Holzschnitte mit Planetengöttern auf der folgenden Seite an. Oben sehen wir Sol in einem mit vier Pferden bespannten Sonnenwagen, ein Szepter haltend und das gekrönte Haupt mit Strahlen umgeben; das zu Sol gehörige Sternzeichen des Löwen ist ebenfalls zu erkennen (Bild L49). Darunter erscheint Venus in einem mit zwei Adlern bespannten Wagen. Zwei Pfeile trägt sie in der Hand, während der kleine Amor vor ihr Köcher und Bogen bereithält. Ihr sind die Sternzeichen Stier und Waage beigesellt (Bild L50). Diese beiden Planetengötterdarstellungen bringt die lateinische Ausgabe von 1499 auf dem Titelblatt; auf der Rückseite folgt der große astrologische Holzschnitt, und der Astrologe ist in verkleinerter Darstellung als Titelinitiale zu finden. Dieselbe Initiale steht auch am Beginn des Textes der zweiten lateinischen Ausgabe von Kistler, doch hier fällt die Titelblattgestaltung und die der Rückseite anders aus. Für diese Seiten wurden zwei Holzschnitte verwendet, die einem anderen Kontext entstammen und grob nachgeschnitten wurden. Sie illustrieren die Basier Ausgabe des Gedichts von Sebastian Brant mit dem Titel: 'Pacis in Germanicum Martern Naenia Martisque contra pacem defensio' von 1499. 174 Das erste der beiden Bilder (Bild L51) wurde wohl ausgewählt, weil es den Planetengott Mars darstellt. Links ist er in Ritterrüstung zu sehen, stehend in 'seinem' Element, dem Feuer, das auch auf seiner Fahne abgebildet ist. Ihn umgeben Szenen des Kampfes und des Kriegs: Ein Wolf reißt ein Schaf, ein Landsknecht tötet einen am Boden liegenden Mann mit dem Schwert. Ein ande172 Vielleicht soll sie einen Amor darstellen. 173 Ähnliche Bilder finden sich bei Albert Schramm: Die Drucker in Augsburg (Ratdolt, Wiener, Pflanzmann, Hohenwang, Blaubirer). Hg.v. Maria Möller. Leipzig 1943 (Bilderschmuck 23), Tafeln 195-290, im Astrolabium des Johannes Engel von 1488. 174 Sebastian Brant: 'Pacis in Germanicum Martern Naenia Martisque contra pacem defensio'. Kistler, Straßburg 1499 (GW 5040). Vgl. dazu Schramm, Drucker in Basel, Teil 2 (Bilderschmuck 22), Tafeln 1257 und 1258.

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rer Landsknecht führt eine Lanze. Ebenfalls mit einer Lanze und einer Lunte in den Händen nähert sich ein dritter mehreren Kanonen, aus denen schon die Kugeln fliegen. Zwei weitere Bewaffnete treiben Tiere vor sich her. Die zweite Darstellung (Bild L52), die den Frieden thematisiert, zeigt als Hauptfigur den doppelgesichtigen Janus. Die Verbildlichung des Janus kann als besonders passend für die Illustrierung der Prophetie angesehen werden, da er 'doppelgesichtig' in Vergangenheit und Zukunft blicken kann.175 Er trägt den Ölzweig des Friedens auf dem Haupt und hält den Stab des Türhüters in seiner rechten, den Schlüssel zum Verschließen der Tore des Kriegs in seiner linken Hand. Vor dem Sitzenden steht ein Tisch, mit Brot, einem Teller und einem Krug gedeckt. Dem Friedensgott zur Seite befinden sich drei Männer; zwei sind Musikanten und spielen mit Posaune und Schalmei die Tischmusik, während der dritte durch seine Flügelschuhe und den Schlangenstab als Merkur zu erkennen ist. Ein Krummschwert und einen Beutel trägt er bei sich. Ein Weinstock mit reifen Früchten ist hinter den Personen auszumachen. Im Hintergrund sind Bauern bei der Feldarbeit gezeigt. Die Straßburger Ausgaben von 1499 fügen jedoch nicht nur zu Beginn der Schrift Lichtenbergers Holzschnitte hinzu: Offenbar erschien auch der Schluß in seiner Bildgestaltung unbefriedigend, so daß hier zwei zusätzliche Holzschnitte (als Ersatz für den 'Lollarden') zu finden sind. Nach einer Landschaftsdarstellung mit Ortschaften und Burgen an einem Flußlauf (Bild L53) erscheint ein bärtiger Gelehrter in Mantel und mit Kappe (Bild L54), der an einem Schreibpult sitzt, vor sich ein aufgeschlagenes Buch. Er blickt über die Schulter zu einer Gestalt in den Wolken, die mit der linken Hand auf ihn weist und Gott darstellen soll, der dem Schreiber den Auftrag zu seinem Werk erteilt. Diesem gegenüber stehen drei Männer, die ähnlich gekleidet sind wie er. Hier ist der Verfasser gemeint, wie er eben sein Werk beendet, vielleicht unter den Augen seiner Zeitgenossen (oder der prophetischen Autoritäten). Besonders betont wird, daß der Autor einer göttlichen Inspiration folgt; Ähnlichkeiten zu Darstellungen der Evangelisten sind sicherlich beabsichtigt. Statt der Anzüglichkeit des 'Lollarden' erscheint also ein Bild, das geeignet ist, die Glaubwürdigkeit des Autors und damit auch seiner Prophetie herauszustellen. Nicht unwichtig ist in diesem Zusammenhang, daß dieser Holzschnitt dem 'Büchlein vom heiligen Hiob', 1498 gedruckt, entnommen wurde; dort soll er den Heiligen zeigen.176 Betrachtet man nun erneut die Bilder der deutschen Erstausgabe, so ist festzuhalten, daß die Akzentsetzungen, die sie vornehmen, nicht immer den wesentlichen Aussagen der Prophetie entsprechen, die - bei aller disparaten Argumen175 Vgl. dazu H. Le Bonniec: Art. 'Janus'. In: Carl Andresen u.a. (Hgg.): Lexikon der Alten Welt. Zürich, Stuttgart 1965, Sp. 1357. 176 Dieses Bild stammt aus dem Druck (Anonym): 'Büchlin von dem heyligen Job'. Kistler, Strafiburg 1498. Vgl. Schramm, Strafiburger Drucker (Bilderschmuck 20), Tafel 1807.

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tation - die Hoffnung auf Reformen in Kirche und Reich ausdrückt und ein künftiges habsburgisches Friedensreich nach dem Sieg über Türken, Juden, 'Ketzer' und Franzosen in Aussicht stellt, dies jedoch vor dem Hintergrund ausführlicher Ständekritik und Beschwörung von allerlei Gefahren. Die Bilder dagegen nehmen etwa die heftige joachimitische Kritik am Verhalten des Klerus eher indirekt auf, wenn die Sünden der Geistlichen durch Adam und Eva symbolisiert werden (Bild L7). Zwar wird der hohe Klerus gemeinsam mit dem "Antichristus mixtus" gezeigt, doch geschieht es Kaiser und Adel nicht besser. Nur der prügelnde bzw. der geschlagene Mönch und die entlaufene Nonne (Bild L20, L43) könnten für die Kritik an den Klosterleuten stehen. Der Vorwurf der Uneinigkeit, der Köln und Trier ebenso trifft wie die weltlichen Fürsten, ist bildlich, wenn überhaupt, dann nur sehr verschlüsselt dargestellt. Dies gilt für die 'Bischofsbilder' (Nr. L16, L17, L18) wie für die die Konflikte zwischen einzelnen Herrschern bzw. mit dem Kaiser darstellenden Tierallegorien (Nr. L27, L28). Direkte Verhaltensanweisungen an einzelne Herrschaftsträger sind schwer lesbar auf einem Spruchband angebracht (Bild Nr. L15). Die gegen das Volk erhobene Moralkritik findet keinen bildlichen Vertreter, nur die Verführbarkeit des 'gemeinen Volks' durch falsche Propheten betont der Bildteil der Schrift immer wieder. Dagegen wird das Volk der Juden gar nicht verbildlicht, während die Türken und ihre Herrschaft nur sehr abstrakt dargestellt sind (Bild Nr. L29, L30); kein Holzschnitt bringt furchterregende Szenen von heranstürmenden Türken. Ähnliches trifft für die Franzosen zu, die ebenfalls nur durch Tiere symbolisiert werden (Bild L21). In gleichem Verfahren setzen die Bilder für andere Feinde der Kirche oder des Reiches Tiere ein. Das Bildmaterial ist so keineswegs dazu angetan, die heftigen antisemitischen, antitürkischen oder antifranzösischen Sentiments der Schrift unmittelbar zu unterstützen, da die indirekte Darstellungsweise zuerst die Auflösung der Symbole erfordert. Schließlich kündigt der Text in immer neuen Anläufen Schrecken wie Krieg, Hunger, Naturkatastrophen, Aufruhr und Krankheiten an, doch nur recht wenige Holzschnitte vergegenwärtigen diese Prophetien. Eine kriegerische Handlung ist allein auf Bild L39 mit dem Angriff des Kaisers auf Rom zu sehen, doch die im Text genannten Ängste der römischen Bevölkerung finden sich nur angedeutet. Die Anwendung brutaler "Gewalt gegen hilflose Kinder zeigt Bild Nr. LI 3 und kann damit die Emotionen des Betrachters direkt ansprechen. Ausgerechnet dieser Holzschnitt deckt sich jedoch nicht mit der Textaussage, spitzt sie vielmehr in der biblischen Szene zu. Immerhin aber bringt die Graphik Nr. L42 mit den unter Schmerzen leidenden schwangeren Frauen ein Bildthema, das der Unglücksprophetie entspricht, während Krieg und Tod sonst nur noch in einer Baumallegorie gefaßt sind. Die Gefahr, die der Christenheit aus den künftigen 'falschen Propheten' erwächst, hat einzig in Bild L35 eine einprägsame Bildformel gefunden, die nicht aus dem Text ableitbar ist und sich durch die Bildüber-

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nähme aus einem anderen Kontext erklärt. Dieser Holzschnitt vom 'kleinen Propheten' präsentiert gleichzeitig das einzige unverschlüsselte 'Feind-Bild' der Schrift. Durch die bildliche Gleichsetzung des 'falschen Propheten' mit dem Antichristen wird die Bedeutung dieses Propheten erheblich erhöht und mit eschatologischen Implikationen versehen. Viel schwächer dagegen ist der kritische Akzent in der Darstellung des 'Lollarden' (Nr. L45). Auf anderer Ebene bringen noch zwei weitere Holzschnitte Verbildlichungen der Gefahr, auf die sich die Kirche auch in Zukunft gefaßt machen muß: Es ist das sinkende, bzw. das mit den Wellen kämpfende 'Schifflein Petri', das wirkungsvoll diesen Prophetienbereich illustriert (Bild L6, L14), wobei Bild LI 4 in der Konfrontation der Kurfürsten mit der bedrohten Kirche ansatzweise eine Aufforderung zur Hilfeleistung transportiert. Den positiven Gehalt der Prophetie, artikuliert in Hoffnungen und Utopien, setzen nur drei Holzschnitte ins Bild. Ebenfalls eher abstrakt stellt die Fahne mit Lilie und halbem Adler die Herrschaft über das Heilige Römische Reich und Frankreich dar (Bild L23), wobei nur durch den dazugehörenden Text deutlich wird, daß diese Einheit unter habsburgischer Vorherrschaft gedacht ist. Sehr detailliert und konkret werden dagegen die Maßnahmen des 'wahren Papstes' gegen den Luxus vorgestellt, so daß hier eine der Reformvorstellungen Lichtenbergers auch bildlich nachvollziehbar wird. Von besonderer Bedeutung ist jedoch der 'Ständeholzschnitt' (Nr. L4) mit seiner bildlichen Darstellung einer als positiv verstandenen Gesellschaftsordnung. Er erfüllt die Funktion, angesichts der Vorstellung einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft das Ideal der christlichen Heilsgemeinschaft noch einmal zu beschwören. Dabei geht die Gestaltung weit über die Bildanweisung hinaus und gibt in seiner Bildkomposition, der Anordnung der Figuren und der Gestik des Kaisers Aufschluß über die Hierarchisierung der Stände und die Bewertung ihrer Mitglieder, entwickelt damit eine Aussagekraft, die kongenial Grundtendenzen und -anliegen der 'Pronosticatio' ausdrückt. Sind also wesentliche Aussagen der Schrift nur zum Teil in lebendiger bildlicher Gestaltung präsent, so machen die zahlreichen statischen Personenbilder einen großen Anteil der Holzschnitte aus. Die unterschiedlichen Charakterisierungen der einzelnen Herrscherpersönlichkeiten finden in ihren 'Standbildern' keinerlei Entsprechung (Nr. L22, L24, L25, L26), und auch die Darstellung der 'falschen Propheten', außer dem 'kleinen', bleibt sehr stereotyp. Statische Gruppenbilder dominieren ansonsten bei der Wiedergabe der drei Stände. So läßt sich festhalten, daß die Holzschnitte der 'Pronosticatio' weniger als an die Emotionen der Rezipienten appellierende, aufrüttelnde oder angsteinflößende bildliche Vergegenwärtigungen der dramatischen Ankündigungen der Schrift zu sehen sind, sondern daß ihre Funktion zuallererst darin liegt, dem mit dieser langen Schrift konfrontierten Leser eine Lesehilfe zu bieten, Orientie108

rungsmarken zu geben und Informationen zu selektieren. Dies wird unterstützt durch die Beobachtung, daß generell nur geringe Abweichungen zwischen dem Prophetientext/der Bildanweisung und den Holzschnitten selbst festzustellen sind. Indem die Bilder ein Detail der folgenden Vorhersage aufgreifen, strukturieren sie den Inhalt, verdeutlichen Teile der Argumentation und setzen Schwerpunkte. In diesem Sinne können sie durchaus das Verständnis der Schrift erleichtern. Besonders ausgeprägt bei der Bildgestaltung ist der Hang zum Stereotypen, Formelhaften, etwa in der Darstellung der Sozialtypen Kaiser, Papst etc. in konventionalisierter Weise. Auch der stete Rückgriff auf Bildtraditionen und gängige Bildthemen kann beobachtet werden. Dies alles erhöht die Einprägsamkeit mancher der einfachen, aber klaren Holzschnitte, die den Wahrnehmungsgewohnheiten der damaligen Betrachter entgegenkamen. Zieht man in Betracht, daß Lichtenberger explizit den 'Hörer' anspricht, so ist an ein zuhörendes Aufnehmen der Schrift zu denken, bei dem die Bilder sich ebenfalls als hilfreich erweisen konnten. Stets müssen die Bilder jedoch mit ihrer Gestaltungsanweisung und meist mit dem nachfolgenden Text rezipiert werden, denn sonst sind viele in ihrer Bedeutung nicht vollständig zu entschlüsseln. Vorsicht ist daher geboten bei der Einschätzung, die Holzschnitte machten die 'Pronosticatio' zu einem Volksbuch, wie Kurze meint. 177 Auf keinen Fall ist daran zu denken, daß die Prophetie sich dem Leseunkundigen in ihrer Aussagenvielfalt erschließt, wenn dieser sich nur an den Bildern orientiert. Dem steht vor allem eine Bildgestaltung entgegen, die die angesprochenen Feinde, aber auch Kritik und mancherlei Gefahren der Zukunft zum größten Teil in abstrakter Symbolik wiedergibt, eine Symbolik, die zu ihrer Entschlüsselung teilweise sogar zusätzlicher Kenntnisse bedarf, die nicht durch den Text abgedeckt werden, denn nicht immer ist die Tiersymbolik aufgelöst. So bleibt die Bildsprache, ähnlich wie die der Prophetie selbst, häufig unbestimmt und wenig greifbar, zieht den Betrachter nicht in ihren Bann. Nur wenige Holzschnitte gestalten plastisch ein Geschehen und die damit verbundenen Gefühlsdimensionen, wobei auffällt, daß noch am ehesten dem 'Volk' und vor allem den Frauen ihre Emotionen auf den Gesichtern geschrieben stehen. In der formalen Gestaltung läßt die Schrift also zwar publikumsbezogene Ansätze erkennen, doch diese werden nicht zu einem Programm gezielter Beeinflussung ausgeweitet. Die 'Pronosticatio' erscheint formal wie inhaltlich als Produkt einer Übergangszeit. In ihr verbinden sich populäre mittelalterliche Vorstellungen und z.T. hellsichtig wirkende Ankündigungen von Veränderungen, so daß Kurze mit Recht den Verfasser mit dem Gott Janus vergleicht, da er zugleich "Untergang und neuen Anfang" 178 sehe, eine Eigenschaft, die ja auch einer der zusätzlichen 177

Vgl. Kurze, Lichtenberger, S. 31f.

178

Vgl. Kurze, Lichtenberger, S. 39.

109

Holzschnitte der Straßburger Ausgabe von 1499 mit der Prophetie Lichtenbergers in Verbindung bringt. 3.2. JOSEPH GRÜNPECKS 'SPIEGEL DER HIMMLISCHEN, NATÜRLICHEN UND PROPHETISCHEN SEHUNGEN' In ihrer Einschätzung des 'Spiegels' von Joseph Grünpeck als 'Adaption' der 'Pronosticatio' Lichtenbergers behauptet Robinson-Hammerstein, daß "this shorter popularising publication contains all the selective elements from Lichtenberger ,..".179 Dies gilt es zu überprüfen. In der lateinischen Fassung mit den Titel "Speculum naturalis coelestis & propheticae visio = / nis: omniü calamitatum tribulationü & an = / xietatum: quae super omes status: stir = / pes & nationes Christianas rei pu = / blice: presertim quae cancro / & septimo climati subie = / cte sunt: proximis / teporibus ven = / ture sunt" wurde die Schrift, mit 13 Holzschnitten versehen, bei Georg Stuchs in Nürnberg "Septimo kalendas Nouembris Anno M.D.viij.", d.h. am 26. Oktober 1508, gedruckt. 180 Am 27. Oktober desselben Jahres brachte Stuchs eine deutschsprachige Ausgabe, ebenfalls mit den 13 Holzschnitten versehen, heraus. 181 Eine weitere deutsche Ausgabe, die jedoch nur einen Holzschnitt am Schluß der Schrift aufweist, druckte Hans Schönsperger in Augsburg; die Ausgabe ist nicht datiert. 182 Im Jahre 1522 traten zu diesen Auflagen zwei weitere Nachdrucke hinzu; der eine, von Wolfgang Stockei in Leipzig, nimmt die Holzschnitte wieder auf, 183 der andere, unter dem Titel "Ain nutzliche betrachtung der Natürlichen hymlischen vnd prophetischen ansehungen" wieder bei Hans Schönsperger in Augsburg gedruckt, bringt nur einen Titelholzschnitt.184 Die Ausgabe Stöckels ist die Grundlage eines 1979 in Nürnberg erschienenen Faksimiledruckes. 185 Doch von dieser späteren Auflage einmal abgesehen, zeigen die fünf anderen Ausgaben der Schrift bis 1522 deren Beliebtheit gerade im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts an, zumal Teile von ihr im Rahmen einer anonymen 'Practica' in diesem Zeitraum weit verbreitet wurden. Hierauf wird im folgenden Kapitel näher eingegangen.

179

Robinson-Hammerstein, Battle, S. 133.

180

Grünpeck, Speculum naturalis, Nürnberg 1508. Czerny erwähnt eine weitere Ausgabe in lateinischer Sprache von 1508 ohne Drucknachweis. Vgl. Czerny, Humanist, S. 334.

181

Grünpeck, Spiegel, Nürnberg 1508.

182

Grünpeck, Spiegel, Augsburg oJ.

183

Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522.

184

Grünpeck, Nützliche Betrachtung, Augsburg 1522.

185

Grünpeck, Spiegel, Faksimile Nürnberg 1979.

110

Der Verfasser des 'Spiegels', Joseph Grünpeck, 186 war Astrologe, Arzt und Historiograph. Um 1473 in Burghausen/Oberbayern geboren, studierte er ab 1487 in Ingolstadt, wo er 1491 den Magister artium erwarb. 1494 fand er sich zu Studien in Krakau, 187 der Hochburg der astrologischen Wissenschaft, ein, 1495 reiste er nach Rom. Auf dem Rückweg besuchte er in der Lombardei das Lager der kaiserlichen Truppen. Seit 1495 war er Lehrer des lateinischen Stils in Ingolstadt, ein Amt, das ihm jedoch bald nicht mehr genügte: Er bemühte sich bei dem Kanzler Kolberg, allerdings erfolglos, um eine Stelle als bayrischer Hofhistoriograph. 188 Wie Grünpecks Briefe an den Humanisten Conrad Celtis 189 beweisen, stand er der 'Sodalitas danubiana' nahe. 190 Seine berufliche Karriere erhielt eine entscheidende Wendung, als es Grünpeck gelang, als Hofkaplan und Kanzleischreiber in die Dienste Kaiser Maximilians I. zu treten. Zudem wurde Grünpeck anläßlich der Aufführung eines von ihm verfaßten lateinischen Schauspiels zu Ehren Kaiser Maximilians im Jahre 1498 zum 'poeta laureatus' gekrönt. 191 Neben astrologischen Ratschlägen fertigte Grünpeck historiographische Studien für den Kaiser an. Seine Einkünfte bei Hofe, die etwa 20 Gulden im Jahr betrugen, wurden vermehrt durch die Gelder, die ihm aus einem Kanonikat beim Stift Altötting seit 1500 zuflössen. Seine Position als angesehener Humanist am kaiserlichen Hof kam jedoch zu einem jähen Ende, als Grünpeck sich 1501 bei einem Aufenthalt in Augsburg mit der Syphilis infizierte, einer Krankheit, der er schon 1496 ein Traktat gewidmet hatte. 192 Zwar war er anscheinend zwei Jahre später wieder genesen - die Heil186

Zu Grünpecks Biographie s. Czerny, Humanist. Außerdem v. Oefele: Art. 'Grünpeck'. In: ADB, Bd. 10, S. 55-59 und Dieter Wuttke: Art. 'Grünpeck'. In: NDB, Bd. 7, S. 202f.

187

Mieczyslaw Markowski: Die Astrologie an der Krakauer Universität in den Jahren 14501550. In: Paola Zambelli (Hg.): Magia, astrologja e religione nel Rinascimento. Convegno polacco-italiano. Warsovia 25.-27.9.1972. Wroclaw u.a. 1974 (Accademia Polacca delle Scienze), S. 83-89.

188

Der Brief an Kolberg ist abgedruckt bei Czerny, Humanist, S. 355.

189

Zu Celtis s. beispielsweise Lewis W. Spitz: Conrad Celtis, the German Arch-humanist. Cambridge, Mass. 1957.

190

Vgl. Hans Rupprich (Hg.): Der Briefwechsel des Konrad Celtis. München 1934 (Veröffentlichungen der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe 3), S. 224f. und 588f.

191

Das Stück trug den Titel 'Streit zwischen Virtus und Fallacicaptrix vor Maximilians Richterstuhl' und wurde am 26.11.1497 in Augsburg vor dem Kaiser aufgeführt. Vgl. Czerny, Humanist, S. 321. Zum Inhalt des Stücks s. Czerny, Humanist, S. 343ff.

192

Es handelt sich um den 'Tractatus de pestilentiali scorra', der bis 1500 mindestens viermal gedruckt wurde, zuerst in Augsburg 1496 (Hain 8090); die anderen Ausgaben Hain 80918093. In deutscher Sprache erfolgten ebenfalls mehrere Incunabeldrucke. Joseph Grünpeck: Ein hübscher Traktat von dem Ursprung des bösen Franzos ...', Augsburg, Schaur 1496 (Hain 8095) erschien zuerst. Vgl. auch Czerny, Humanist, S. 331f.

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methode veröffentlichte er sogleich in einem neuerlichen Traktat 193 - doch eine ähnlich einflußreiche Stellung am Hofe konnte er danach nicht wieder bekleiden, obgleich Kaiser Maximilian auch in späteren Jahren großes Interesse an seinen Schriften bekundete. 194 Ging er auch seiner Hofämter offiziell nicht verlustig - er erwähnt sie jedenfalls weiterhin in den Titeln seiner Schriften - so mußte er tatsächlich sein Glück anderweitig suchen. Im April 1505 erhielt er vom Regensburger Rat die Erlaubnis, eine Poetenschule zu errichten, doch lange hielt es ihn nicht dort. 1506 lebte er in Augsburg, 1507 in Nürnberg, an beiden Orten mit historiographischen Arbeiten beschäftigt. Den Reichstag zu Konstanz 1507 hat er besucht und dort durch eine Prognostik die Teilnehmer ansprechen wollen. 1510 legte Grünpeck aus unbekannten Gründen sein Kanonikat in Altötting nieder. 1514 reiste er in die Schweiz, wo er das Kloster Einsiedeln und den Ort Baden im Aargau besuchte. In den folgenden Jahren war Grünpeck an wechselnden Orten weiterhin als Schriftsteller tätig. 1518 schließlich verlieh ihm Kaiser Maximilian I. die Mühlenrechte und die Gülten der kaiserlichen Hofmühle zu Steyr. Um mit diesen Rechten verbundene Besitzungen, die man ihm vorenthalten wollte, führte Grünpeck, der auch als Arzt praktizierte, erbitterte Rechtsstreite. Seinen Klagen, z.B. über ausbleibende Patientenhonorare, wurde schließlich stattgegeben, da man offenbar seinen Einfluß bei Hof fürchtete. 195 In Steyr hat Grünpeck sich vornehmlich bis zu seinem Tod 1532 aufgehalten. 196 Die erste astrologische Schrift Grünpecks, die überliefert wurde, ist ein Prognostikon für 1496,197 das er Bischof Christoph von Passau widmete. Wie sich bei genauer Durchsicht herausstellt, gibt fast die gesamte Schrift wortwörtlich die 193 Joseph Grünpeck: De Mentulagra alias morbos gallico ..., Memmingen, Kunne o.J. (1503), (Hain 8089). 194 Aus einem Brief Willibald Pirckheimers aus dem Jahre 1512 geht hervor, daß Kaiser Maximilian I. um den Nürnberger Druck eines Buchs von Grünpeck, vielleicht den 'Spiegel', gebeten hat, Pirckheimer ihn jedoch nicht mehr besorgen konnte. Vgl. Emil Reicke (Hg.): Willibald Pirckheimers Briefwechsel. 2 Bde. Bd. 2. München 1956 (Veröffentlichungen der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Reformation und der Gegenreformation. Humanistenbriefe 4.5), S. 190f. 195 Über die Rechtsstreite geben die bei Czerny abgedruckten Briefe Auskunft. Wolfgang Jörger von Tolet, Landeshauptmann in Österreich ob der Enns empfiehlt, auf einen Vergleich zwischen Grünpeck und den zahlungsunwilligen Kranken hinzuwirken, da Grünpeck "mocht am Hof ain geschrei machen, das euch und den partheien zu nachtheil reichet." Zit. nach Czerny, Humanist, S. 363. 196 Aus der Formulierung des Titelblatts des 'Spiegels' in der Ausgabe Stockei, Leipzig 1522 könnte sich ergeben, daß Grünpeck 1522 in Nürnberg lebte, denn dort heißt es: "... Durch den wirdigen hern Joseph Grünpeck zu Nurmberg beschriben." Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (Ala). 197 Grünpeck, Prognosticon, lat., Wien 1496.

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wesentlichen Teile der Prophetie Lichtenbergers zum Schicksal von Reich und Kirche wieder, inklusive der Vorhersagen für Maximilian I. Dabei fällt auf, daß Grünpeck schon zu Beginn der Schrift die Ankunft eines Pseudopropheten erwähnt, auf dieses Prophetienelement also besonderen Wert legt. Später folgen dann die Ausführungen Lichtenbergers zum 'kleinen Propheten'. Den eschatologischen Akzent verstärkt Grünpeck durch die Hinzufügung der Antichrist-Legende, die Lichtenberger nicht bringt. Weiterhin schrieb Grünpeck eine 'Neue Auslegung der seltsamen Wunderzeichen', 198 jene Schrift, die er den 'Kurfürsten und Fürsten', die sich auf dem Reichstag zu Konstanz 1507 eingefunden hatten, widmete. Schon der Titelholzschnitt, der einen Ritter mit nachfolgendem Heer, die Leidenswerkzeuge Christi sowie andere Gegenstände wie Kreuze und Monstranzen in den Lüften, auf der Erde aber Leichen, eine Mutter mit einem (toten?) Kind und eine Szene mit einem Erhängten zeigt, kündigt großes Unheil an. Im Text ermahnt Grünpeck die Mächtigen, die Wunderzeichen der letzten Zeit - die er einzeln aufzählt und deutet - ernst zu nehmen und sie als Aufforderung zu lesen, gegen die Feinde des Reichs und der Kirche vorzugehen. Insbesondere beklagt der Autor Gotteslästerung und Verstoß gegen die Gesetze der Kirche sowie die Uneinigkeit der Fürsten untereinander. Zudem habe die Fürsorge für die Armen sträflich nachgelassen. Die Wunderzeichen bedeuteten eine Verkehrung der Gesetze und Stände; dem könne man nur entgegentreten, wenn alle zum Wohle der kaiserlichen Macht wirkten. In einer lateinischen Prophetie von 1515, die Grünpeck den Bischöfen von Freising und Regensburg widmet, knüpft er an eine 'Wundergeburt', zwei zusammengewachsene Mädchen, an. 199 Er greift dabei eine Passage der 'Auslegung' von 1507 wieder auf, in der er die 'verweichlichten' Sitten anprangert, zieht nun aber den Schluß, es müsse wegen des Versagens der Männer zu einer Frauenherrschaft bzw. zu einer Volksherrschaft kommen, wie dies in der Schweiz bereits geschehen sei. Die Aufgabe der Kirche sei es, das 'gemeine Volk' von Aufstandsbestrebungen abzuhalten und die kaiserliche Politik zu unterstützen. In einem Prognostikon von 1532-1540200 äußert sich Grünpeck gleichfalls als Verfechter der kaiserlichen Interessen. Zu Beginn jedoch beklagt er sich, daß trotz aller Warnungen noch keine Besserung der Sitten eingetreten sei. In 'guter Ordnung' und 'Reformation' stehe die Sache des Reichs keineswegs, obwohl 198 Grünpeck, Neue Auslegung, o.O. (1507). Dazu Friedrich, Astrologie, S. 64f. 199 Joseph Grünpeck: Exhortatio. Landshut 1515. Zu einer Zwillingsgeburt verfaßte Sebastian Brant ein Flugblatt, das 1495 erschien, es bezog sich auf die 'Wormser Zwillinge'. Vgl. Wuttke, Wunderdeutung. 200 Joseph Grünpeck: Pronosticon. lat., Regensburg o.D. 1523 (Zinner 1487). Grünpeck: Pronostication, dtsch., (Nürnberg) oJ. Zu den verschiedenen Ausgaben s. Czerny, Humanist, S. 339f.

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noch zuletzt - 1530 - die Überschwemmung des Tibers Mahnung genug hätte sein müssen. In seiner Weissagung kündigt der Autor zunächst den Angriff der Türken an, diese könnten jedoch von den Christen besiegt werden. Zum Ende des dritten Jahrzehnts steigert sich die Prophetie zur Vorhersage der Weltherrschaft des Heiligen Römischen Reichs; in Jerusalem werde ein neuer Tempel erbaut und der 'Adler' und der 'Phönix' werden sich vereinigen, Kaisertum und christliche Kirche also in Eintracht sein. Außer diesen Schriften sind schließlich noch drei Stadthoroskope 201 - für Regensburg 1511 und 1523 und für Steyr - ein Geburtshoroskop für den späteren Ferdinand I. 202 sowie eine um 1540 gedruckte 'Practica der gegenwärtigen grossen Trübsalen' nachzuweisen.203 Von seinen historischen Schriften sind vor allem die 'Historia Friderici III. et Maximilian! I.' zu nennen, um 1515 entstanden, 204 weiterhin eine Geschichte der Salzburger Bischöfe und eine deutsche Geschichte von der Zeit Karl d.Gr. bis 1488 2 0 5 Seinen 'Spiegel' widmet Grünpeck der Gesamtheit der christlichen Stände und ihrer Versammlungen, hier die Reichstage ansprechend. Er will aber alle Christen aufrütteln, insbesondere die deutschen, über die 'Trübsal', 'Angst' und 'Not' allererst hereinbrechen werden. Die lateinische Ausgabe von 1508 nennt zusätzlich den Kardinal und Legaten Bernhardinus vom heiligen Kreuz, der am 31. Dezember 1507 in Augsburg eingetroffen war, um Maximilian I. auf seiner Reise nach Rom zu begleiten. 206 Schon in der Vorrede seiner wie eine Bußpredigt wirkenden Schrift mahnt Grünpeck alle 'Liebhaber des gemeinen Nutzens', um ihres Seelenheils willen aus dem "schlaff der nachlessigkeyt" zu erwachen und "auß der finsternuß der vnauffmerckligkeyt in das liechte/der erkantnuß aller vbelthaten" (A1b) zu treten. Dieses Licht der Erkenntnis will Grünpeck selbst verbreiten. Vor den Augen der Menschen entstehe dann das Bild der Unordnung und Zerrüttung der göttlichen, natürlichen und menschlichen Rechte. Indem der Autor bereits hier

201

Zu den nur als Handschriften vorliegenden Horoskopen s. Czerny, Humanist, S. 336 und S. 341.

202

Zu der Handschrift s. Czerny, Humanist, S. 338.

203

Joseph Grünpeck: Practica der gegenwärtigen großen Trübsalen. (Straßburg um 1535).

204

Sie wurde erneut herausgegeben von Theodor Ilgen. Vgl. Joseph Grünpeck: Geschichte 9 Friedrich III. und Maximilian I. Hg. v. Theodor Ilgen. Leipzig 1940 (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 90). Die Erstausgabe von 1515 war zunächst lateinisch abgefaßt.

205

Die Schrift "Vitae Pontificum Salisburgensem" ist nur handschriftlich erhalten, die "Historie" ebenfalls. Vgl. Czerny, Humanist, S. 353. Auf die Schriften Grünpecks zur Sintflutdebatte wird im Zusammenhang des Teils 4.1. eingegangen. Vgl. S. 219ff. dieser Arbeit.

206

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Vgl. Czerny, Humanist, S. 334.

auf das biblische Gleichnis vom Weingarten Gottes anspielt, 207 klagt er, daß die Samen und Früchte der guten Werke in der Kirche verwüstet und ausgerissen worden seien. Aber auch die weltliche Obrigkeit versage, denn sie könne sich zu keiner einheitlichen Haltung gegenüber den Mißständen in der Kirche durchringen, ignoriere sie teilweise sogar und vermehre so die Irritation bei den Untertanen. Daher fordert Grünpeck die weltliche und geistliche Obrigkeit auf: "Nembt war / das ir die sorg ewer ambter mit allen krefften dahin wendet / damit ewere schefleyn behalten werden / Betrachtet mit der gantze macht ewer verstendigkeyt / mit allen waffen ewer fursichtigkeyt / damit die irrenden scharen / in die schaffstell d' andacht gotzforcht vnd gotlicher lieb vnd gerechtigkeyt getriben / darnach an einer fruchtbarn wayde eines loblichen Regiments ..."(A2a) Komme die Obrigkeit dieser Pflicht nicht nach, so werde ein "guß der zersterung" über sie hereinbrechen und die Obrigkeit werde so in Verruf kommen, daß "der niderest vnd verachtet mensch / nicht achten wirdet seine schuhe £ / an des obersten gewalts / es sey gaystlich oder weltlich / höchste zier zeseybern ,.."(A2a) Der Obrigkeit droht so die Erniedrigung durch diejenigen, die selbst auf den untersten Rängen der Gesellschaft zu finden sind, wird zum 'Stiefelabtreter', eine drastische Metapher für den Autoritätsverfall der Herrschaft. Grünpeck sieht seine Aufgabe darin, auf den drei Wegen der Prophetie - der Erfahrung, der Astrologie und der biblischen Offenbarung - die Zukunft zu enthüllen, anzugeben, wohin die 'Bäche der Plagen' fließen, damit die Regierenden 'bei ihrer Fahrt die Segel ihrer Handlungen nach dem rechten Wind ausrichten' können. Diesen Dienst leiste er völlig selbstlos, beteuert Grünpeck; seine Klagen über die Unmoral der Christen schließe ihn selbst ein. Insbesondere habe er nicht vor, "den vesten vels / darauff die Christlich kirchen gegründet ist / mit den keylen meines groben herten vnerfaren Verstands / v5 einander zeklieben / noch ditz freuenlich zubeweren / das sant Peters schiflen / oder ein tayl daruon /... solle dem einfluß des himels den waren oder falschen propheceyen / on allen zusatz vnd on mittel vndergeworffen sein / oder aber von menschlichem radt oder gewalt gentzlich verderbt werden ,.."(A2b) 207

Vgl. Jes. 5, 1-7. Der Weinberg, der sorgsam bestellt wird, jedoch nur schlechte Früchte bringt, ist ein Gleichnis für den Zustand des Volks Israel, das trotz göttlicher Pflege ungehorsam wird. Gott zerstört daraufhin den Weinberg. Vgl. Auch Matth. 21, 33-45. Das Gleichnis wird allgemein auf die sündige Christenheit angewandt, in der Reformation mit speziellem Bezug auf die Altgläubigen.

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Diese Passage enthält wichtige Absicherungen des Autors: Bei aller Kritik, die er zu äußern hat, will er doch nicht grundsätzlich die christliche Kirche angreifen oder ihr Schaden zufügen. Außerdem möchte er das Schicksal der weltlichen und geistlichen Obrigkeit nicht allein vom Gestirnsstand, von Prophetien oder menschlichen Ratschlägen abhängig machen. Diesen Gedanken vertieft die lateinische Erstausgabe von 1508 durch sieben Artikel am Schluß der Schrift. Der Theologe Grünpeck hütet sich, den Willen Gottes als übergeordnetes Prinzip zu leugnen und sieht sich trotz aller Kritik und astrologischer Zukunftsdeutung als treuer Sohn der katholischen Kirche. Doch auch, wenn er sich aller Hybris enthalte, so fährt er fort, komme er nicht umhin, die Wahrheit zu verkünden und die laute: Die weltlichen Herrschaften ebenso wie das 'Schifflein Petri' werden nicht allein durch Aufruhr, Zwietracht und Kriege leiden, sondern auch durch die 'Unwetter' der menschlichen Seele, die Sünden, so daß zu befürchten stehe, die geistliche und weltliche Herrschaft werde am Fels der Verderbnis zerschellen und im Meer der Trübsal versinken.208 Äußere Gefahren wie innere Laster werden durch die Planetenkonjunktionen hervorgerufen. In dieser Vorrede klingen schon zentrale Motive der gesamten Prophetie an: die Klage über die Mißstände in der Kirche, die Gefährdung des Glaubens, aber auch Kritik am Verhalten der weltlichen Obrigkeit, die aufgefordert wird, sich eines guten Regiments zu befleißigen, während die Geistlichen dazu angehalten werden, für das Seelenheil ihrer 'Schäflein' zu sorgen. Mit dem Hinweis auf den drohenden Autoritätsverfall der Herrschaft reflektiert Grünpeck die wachsende Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsgruppen vor allem mit der Kirche, mißbilligt aber den Ungehorsam des 'gemeinen Mannes' gegenüber seinem Herren. In 12 Kapitel gegliedert, verfolgt die Schrift im weiteren Verlauf das Ziel, mithilfe der drei genannten Erkenntniswege die "verenderung aller stende der Christenheyt"(A4a) zu prophezeien. Der Verfasser beginnt mit dem Bereich der Erfahrung, gewonnen aus der Betrachtung der Geschichte und der Gegenwart. Zunächst nimmt sich Grünpeck die 'Himmelszeichen' und 'Wundergeburten' vor, die noch zu keiner Zeit so zahlreich vorgekommen seien wie in den letzten Jahren. Zwar könne niemand mit Sicherheit wissen, was sie genau bedeuten, doch dies wisse er, daß alle Zeichen wie Kreuze bzw. Marterwerkzeuge Christi am Himmel oder Milchregen zumeist eine schlimme Vorbedeutung hätten, wie historische Beispiele zeigten.209 Sie seien zwar einerseits Produkte aus der 'Werkstatt der Natur', doch außerdem offenbarten sie den Willen Gottes, der 208

Gefahr drohe nicht nur durch den "haymlichen verborgenen einfluß des himels", sondern "vö den winden der bSsen gewonheyten, von dem hagel der vbertrettüg gStlicher vn menschlicher gesetze / den plitzen vnd tönern / der andern schentliche lästern / ." Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (A3a).

209

Grünpeck nennt Beispiele bei den Persern, Medern, Makkabäern und 'Himmelszeichen' zur Zeit von Christi Geburt. Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (A4b).

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wie ein gerechter Vater die Menschen in Güte und Härte von ihren Lastern abbringen wolle. Gott habe schon die Geißeln der Pest, des Hungers, des Kriegs und anderer Plagen über die Menschheit gebracht, dazu Zwietracht zwischen den Ständen und Angriffe der Türken und Tartaren auf die Christen. Doch dies alles habe bisher nichts genützt und so wolle Gott die Menschen durch die 'Himmelszeichen' an die Leiden Christi erinnern, durch die die Finsternis der Sünde überwunden wurde. So gesehen seien die 'Zeichen' Vorboten der ewigen Seligkeit. Würden sie aber als Gesandte der göttlichen Vorsehung nicht erstgenommen, so könnten sie die Zerstörung der Christenheit bringen. Als historisches Beispiel nennt Grünpeck die Heimsuchung Jerusalems.210 Da aber die Geistlichen die ersten seien, die die 'Wunderzeichen' ignorierten, werde auch zuerst die Kirche untergehen. Nur aufrichtige Buße könne helfen, zu der auch der 'Prophet Christi', der als 'Jona' in Frankreich und Italien predige, die Christen ermahne.211 Das Kapitel endet mit der Ankündigung des nahen Weltendes: — — e "Wan das ende der weit nahet herzu / vn die bach der trubsalen / werde die gantz Cristenheit yetz yetz (!) vbergeen..."(B3a) Das zweite Kapitel bringt die Predigt dieses 'Propheten'. Er beklagt ebenfalls die großen Sünden der Christen, vor allem die Unkeuschheit, übt aber auch heftige Kritik an der Kirche. Sie sei "ein hauß des raubs / dieberey / vn morderey / in welchem nicht gesungen werden die lobgesang des herren / sunder die gotzlesterüg vn gotzschwerunge."(B4a) Dies sei ein Zeichen des Weltendes. Wie die Niniviter212 müsse das Christenvolk Buße tun, sonst werde es sich wünschen, nie geboren zu sein angesichts der folgenden Schrecken. Das dritte Kapitel setzt sich zentral mit dem Schicksal des 'Schiffleins Petri' auseinander, von dem "die gemeyn sag"(B4b) behaupte, es werde am Felsen des Unglücks zerschellen. Viel Bedrängnis für die Geistlichkeit werde schon seit 210 211

Vgl. Ez. 9,19. Dieser Prediger ist als historische Person nicht auszumachen, doch handelt es sich bei den umherziehenden selbsternannten 'Propheten' um eine Zeiterscheinung. Bekanntester 'Prediger' war der 'Pfeifer von Nikiashausen', zu dessen allerdings stärker sozialkritischer Ansprache 1476 zahlreiche Menschen strömten. Vgl. z.B. Peuckert, Wende, Bd. 2, S. 263-2%.

212

Zu den Ninivitern vgl. Jona 3. Grünpeck steigert sich hier zu drastischen Unglücksbildern: "So ir aber nit wert büß wurcken / werden die tag der trubsalen / angst / vnnd not schnelligklich erscheinen / vö welcher angesicht ir fliehent / an den gestatten die fluß der wasser werdt anrSffen / damitt sie ewer leben gutlichen entpfahen / ir werdet die h8ch vnd abschliff der berg anschreyen / damit sie ewer corpelen in der abfellung lindlichen abweltzen / Item ir werdt die bäum in den weiden mit weyneten äugen anbetten / das sie ewer hals an ire nest lassen gehangen / vn von den vSgeln verzert werden." Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (B4a).

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langer Zeit vorausgesagt, aber neuerdings gebe es kaum eine Versammlung oder ein Gespräch unter Männern oder Frauen, das nicht die Verfolgung der Geistlichkeit durch Haß und Neid zum Thema habe. Bevor man dieser Prophetie Glauben schenke, müsse jedoch bedacht werden, daß es göttliche und teuflische Offenbarungen gebe. Einerseits könnten Prophetien dazu dienen, die Sünder zu schrecken und die Tugendhaften zu guten Werken anzuhalten. Andererseits könnten sie aber auch "vil samen des neyds / haß / zwitrachten / veyndschafften / krieg / mordt / brandt / vnder der gestalt der propheceyen / in die gemeyn außschutten / damit alle menschliche vn gotliche Ordnungen zerrüttet werden / vnd die laster die gantzen welt vbergeen..."(C1 a) Grünpeck sieht die Gefahr, daß Prophetien, wenn sie zukünftigen Schaden ankündigen, dazu dienen können, schon in der Gegenwart Krisenmomente zu fördern. Ob eine Prophetie 'göttlich' oder 'teuflisch' ist, scheint sich dabei für ihn allein an ihrer Intention zu entscheiden: Will sie die 'gute alte Ordnung' befestigen, darf sie durchaus Katastrophen vorhersagen, will sie aber die Ordnung der Gesellschaft erschüttern, so ist sie zu verdammen. Der Urheber der Weissagung vom 'Schifflein Petri' jedenfalls sei ein frommer Mann gewesen, der das Wohl der Christenheit habe befördern wollen, entscheidet Grünpeck, hier auf Lichtenberger anspielend, dem er in seinen 'Fußstapfen' nachfolgen will. Es solle außerdem das Unglück der Weltlichen zur Sprache kommen. Nachdem sich Grünpeck in den ersten drei Kapiteln mit Gegenständen der Prophetie auseinandergesetzt hat - durch sie wird ihm vornehmlich Geschichte vermittelt - gelangt er im vierten Kapitel zur Betrachtung der Gegenwart. Wie nicht anders zu erwarten, folgt ein Klagelied über die sittliche Verkommenheit der Menschen. Dabei steht ein Motiv im Vordergrund: das der Korruption der Stände durch Geldgier und Wucher. Der Reiche versündige sich, indem er 'blutiges Geld', Unrechtes Gut erwerbe und der Arme betrüge den Nächsten, wo immer es ihm gelinge. Griinpecks Fazit lautet: "Das gold wird allein yetzund an gottes stat geeret."(C3a) Gesetz und Gerechtigkeit zählen nicht mehr, ja, die gottgewollte Ordnung werde verkehrt: "Durch das gold werden die gauckler stebeltrager / springer / thoren / vn narren gefordert zu den höchsten ambtern / Stenden / vn wirdigkeyte."(C3a) Die Unweisesten können sich also zu den höchsten Ämtern aufschwingen; so weit geht Griinpecks Meinung nach die Orientierung an materiellem Wohlstand. Käme jemand aus der Hölle zurück, so würde er nicht mehr in dieser Gesellschaft leben wollen, urteilt der Verfasser, der hier Erscheinungsformen des sich ausprägenden Frühkapitalismus kritisiert, die als Eigennutz und Wucher charakterisiert werden. Aufkommende Geldwirtschaft und moralischer Verfall werden in einen Ursachenzusammenhang gestellt, indem Grünpeck die Wirt-

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schaftsform für einen Wertewandel verantwortlich macht. Das Narrenmotiv erinnert dabei an Sebastian Brants Moralsatire "Das Narrenschiff'. 213 Im nächsten, dem 5. Kapitel, bedient sich der Verfasser der zweiten Weissagungsart, der Astrologie; Planetenkonjunktionen sowie Sonnen- und Mondfinsternisse werden jetzt zu Gegenständen seiner Betrachtung. Mit Bezug auf die Theorie vom Zusammenhang von Mikrokosmos und Makrokosmos 214 legt Grünpeck zunächst dar, daß der Wandel von Gesetzen, Religionen und Herrschaften vom Planetenstand abhängig gemacht werden könne, kurz, alle "grausam verkerungen der menschliche sachen"(C4a) hier ihre Ursache fänden. Veränderungen werde die Konjunktion von Jupiter und Mars im Krebs vom 22. August 1508 bringen. Grünpeck zählt weitere 7 Konjunktionen auf - unklar ist, ob sie auch alle 1508 erfolgen sollen - und knüpft an sie die Vorhersage von Kriegen, Zerstörung der Herrschaft durch Eigennutz, Gefahr für Kaufleute, aber vor allem für die Geistlichkeit. Auf sie werden die Weltlichen die heftigsten Attakken richten. Grünpeck mahnt, den "scepter der sinligkeyt"(D2a) aus der Hand zu legen und alle Kräfte der Vernunft anzuspannen. Das 6. bis 11. Kapitel und damit der größte Teil des 'Spiegels' beschäftigt sich mit der biblischen Offenbarung als Quelle der Erkenntnis der Zukunft. Jedes der Kapitel enthält die Auslegung einer zentralen Bibelstelle. Im 6. Kapitel greift Grünpeck wieder das Gleichnis vom Weinberg Gottes als Sinnbild der Kirche auf. Das 7. Kapitel setzt diesen Gedanken fort, indem die Bestandteile des Weingartens als Elemente der christlichen Kirche gedeutet werden. 215 So ist seine Mauer die göttliche Vorsehung, sein Turm das 'evangelische Gesetz' und die apostolische Lehre, die Kelter die Sakramente, aus denen der Wein der guten Werke fließt. Die Steine, die aus ihm entfernt werden müssen, bedeuten die Ketzerlehren, denen die Kirchenväter entgegengetreten sind. Mithilfe dieses Gleichnisses konkretisiert Grünpeck die schon häufiger genannten 'Plagen', die Gott der sündigen Menschheit senden wird: Die Ketzer und Heiden werden die schützende Mauer des Weingartens niederreißen und ihn verwüsten. Kein Tau

213

Vgl. Friedrich Zarncke (Hg.): Sebastian Brants Narrenschiff. Neudruck der Erstausgabe Leipzig 1854. Hildesheim 1961. Zur 'Narrheit' s. Rainer Gruenter: Die 'Narrheit' in Sebastian Brants Narrenschiff. In: Neophilologus 43 (1959), S. 207-221; übergreifender: Hellmut Rosenfeld: Sebastian Brants 'NarrenschifP und die Tradition der Ständesatire, Narrenbilderbogen und Flugblätter des 15. Jahrhunderts. In: Gutenberg-Jahrbuch 40 (1965), S. 242248.

214

Grünpeck führt aus, "... das dise tSdligkeyt / das ist / alles das im vmbschweyff der vier Elemente begriffen ist / werde vom gestirn oder einfluß des himels regiert vnd geleytet / vn das die Planeten wurcker sein aller zergencklichen vn zerbrechliche ding ...". Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (C4a). Zur Theorie vom Makro- und Mikrokosmos s.a. Aaron J. Gurjewitsch: Das Weltbild des mittelalterlichen Menschen. München 1980, S. 6-98.

215

Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (D4a).

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des heiligen Geistes' wird dann den Garten wässern und er wird verdorren. Zu den Mißständen in der Kirche tritt der äußere Feind hinzu und besiegelt das Schicksal der christlichen Kirche.216 Das 8. Kapitel bringt die Auslegung der Bibelstelle Ezechiel 8,1-18 von den vier Formen der Abgötterei. Hatte Grünpeck zuvor vor allem den Zustand der Kirche bemängelt, so tritt nun eine heftige Kritik an allen Ständen hinzu. Die vier im Text des Ezechiel beschriebenen Formen des Götzendienstes sind dabei jeweils charakeristisch für einen Stand. Die erste Form (Anbetung eines Götzen) bezieht Grünpeck auf diejenigen, die das Brot mit der Arbeit ihrer Hände verdienen, auf den 'gemeinen Mann' vornehmlich. Dieser schwelge zu den Feiertagen in unmäßiger Völlerei und Trunkenheit, laufe in die Wirtshäuser und verschlinge ganze Ochsen und Kälber. Am Ende komme es dann häufig zu Schlägereien, nicht selten gebe es Tote. Die zweite Form des Götzendienstes (Anbetung mehrerer Götzen) kennzeichne diejenigen, die in weltlichen Ämtern und Würden stehen. 217 Sie beten Götter und Göttinnen ohne Zahl an, "die hübschen e — haußfrawen / die kinder / hübsche pferdt / hirsche / iaghunde / sperwer / vn falcken / golt / silber"(E1b). Andere beten die Fürsten und Könige an und wollen sich durch üble Nachrede einschmeicheln. Die dritte Art des Götzendienstes (Anbetung des Adonis) lasse sich vor allem der niedere Klerus zu schulden kommen, der in schändlicher Unkeuschheit lebe und Ehefrauen, Jungfrauen, Witwen und Nonnen verfolge. Die letzte Szene (Anbetung der Sonne) stehe für die Prälaten, Äbte und Bischöfe, die der Kirche den Rücken kehren und sich mehr um zeitliche Güter als um den gemeinen Nutzen und das Seelenheil der Gläubigen kümmern. Grünpeck nimmt in seiner Kritik an Unkeuschheit, Verweltlichung und Habgier wesentliche Motive der gängigen antiklerikalen Vorstellungen der Zeit auf. 218 Dazu tritt die Abscheu vor ausschweifenden Festen, wie sie in der Volkskultur der niederen Stände üblich waren und vor dem Luxusstreben des höfischen und städtischen Lebens der oberen Schichten. Interessant in Hinblick auf Grünpecks ehemalige Stellung am

216 "Darumb ist der herr erzürnet / wil den zaun vnnd die mawer zerreyssen vnd zerbrechen ... durch die bSsen geyst / durch die Ketzer vnnd heyden ..." Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (D4a). Daß die Heiden und Ketzer Gottes Strafgericht erfüllen, ist im Bibeltext nicht unmittelbar angelegt. So heißt es in der Vulgata: "Et ponam earn desertam: non putabitur et non fodietur, et ascendent vepres et Spinae; et nubilus mandabo, ne pluant super earn imbrem." (Jes. 5,6). 217 Grünpeck nennt im einzelnen "burger", "rads herren" und "Richter / Pfleger / Schatzmeyster / Kunigen vnd Fürsten." Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (Cla/b). 218 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (C2a). Zum Antiklerikalismus s. Hans-Jürgen Goertz: Pfaffenhaß und groß Geschrei. Die reformatorischen Bewegungen 1517-1529. München 1987, bes. S. 52-68.

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Hofe ist der Seitenhieb auf höfische Intrigen, durch die so mancher Günstling sich Einfluß auf den Fürsten zu verschaffen suchte. 219 Im 9. und 10. Kapitel bezieht sich der Autor auf Ezechiel 23, der Geschichte von den ehebrüchigen Schwestern, worin er wiederum den geistlichen und den weltlichen Stand erkennen möchte. 220 Weitgehend wiederholen sich hier die schon genannten Anschuldigungen. Wie die ältere der beiden Ehebrecherinnen sich mit Ägyptern und Assyrern eingelassen hat, so begännen auch die Weltlichen, deren unkeusche Sitten anzunehmen, in Essen und Kleidung die Türken nachzuahmen und mit ihnen Handel zu treiben, was Grünpeck auf das schärfste ablehnt 2 2 1 Deshalb sei es auch gerecht, wenn die Weltlichen gleichfalls am Ende aller Tage durch diese, von Gott als Strafe gesandten, Völker angegriffen würden. Im 10. Kapitel komplettiert Grünpeck die Palette der Laster des Klerus, nennt Simonie, Falschheit, Eidbruch und Pfründenjagd 2 2 2 Als Strafe werden die Heiden und Ketzer der Kirche ihre Zinsen und Gülten rauben. Grünpeck verurteilt zwar dieses Verhalten der Kirchenfeinde, sieht es aber gleichwohl als gerechte Strafe für die Sünden des Klerus an. Im 11. Kapitel folgt die letzte Bibelauslegung, diesmal des Textes Ezechiel 16, der wiederum eine Ehebrecherin zum Thema hat. 223 Diese Frau steht gleichfalls für die christliche Kirche, die sich von Gott abgewendet habe und sich Juden, Heiden und Ketzern anheimgebe. Besonders erbärmlich aber sei, daß die Könige und Fürsten mit kirchlichen Kleinodien geziert würden und die Kirche auch Kriege finanziere. 224 Noch einmal nimmt Grünpeck die Verweltlichung der Kirche aufs Korn, ihre Einmischung in weltliche Angelegenheiten. Diese letzten Kapitel vereinen in pointierter Form das ganze Arsenal gängiger Ständekritik in sich und stellen eher eine Zeitklage als eine Prophetie dar. Lediglich der be-

219

"... dan etlich so die zeychen der erberkeit an den Stirnen tragen wSllen / vn sich weyß vnd klug schelten lassen / anbette kunig vnd Fürsten / vn brauchen alle geschlecht der zuschmeychlüg / liebkosungen / zutragung / falsch vnnd vntrew / damit sie der tSdlichen menschen gunst mehr als die gnade gottes erwerben." Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (Elb).

220

Das Gleichnis von den zuchtlosen Schwestern Ohola und Oholiba steht für die von Gott abtrünnig gewordenen Städte Samaria und Jerusalem. Vgl. Ez. 23,4.

221 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (E3b). 222 Die Chaldäer, denen die jüngere Schwester Oholiba verfällt, stehen nach Grünpeck für die Geldgier des Klerus und seine Verfehlungen:"... Chaldeer / das ist der geytzige mensche die gestalt des goltz vn des silbers / allen furm des Wuchers vnd der simoney / der lugen / der falscheyt / des falschen eydes vnd aller vngerechtigkeyt...". Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (E3b/E4a). 223 Das Gleichnis faßt ebenfalls die Stadt Jerusalem als treulose Frau. Vgl. Ez. 16,1-4. 224 "... von den gulten vnd zinsenn der kirchen vbestu alle eytele ding /... von den kleynetten der kirchen werden die Fürsten vnnd kunigen gezieret vn die krieg vnderhalten ...". Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (E2a/F2b).

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schworene Untergang der Kirche und der Angriff der Heiden sind Elemente einer Zukunftsprognose. Die Schrift endet mit dem Aufruf zur Besserung, der in die Metaphorik eines Glaubenskampfes gegen die Laster der Zeit gekleidet ist. Mit all den Tugenden eines rechten Glaubens bewaffnet und gerüstet soll sich der Christ dem inneren Feind stellen. Der Aufruf zum Kampf gipfelt in der Ankündigung einer 'Reformation': Die Christen sollen beginnen "ewer vn des gantzen himlischen heres feyndt / die bösen sitten vnd gewonheyten / den eebruch / bezwingungen der Junckfrawen / witwen / weysen vn der geystlichen personen / dieberey / rawbrey / mordery den ey|en nutz / den wucher / vnd alle andere laster / mit den waffen einer loblichen Reformation / verenderung / auffsetzung vn verkerung aller ding zum besten erlegen vnd vertilgen..."(F3b) Liest man diesen Aufruf zu einer Reformation mit den Widmungen zusammen, so sind sowohl die Reichsstände als auch die katholische Kirche, stellvertretend der Kardinal Bernhardinus, angesprochen. Grünpecks Reformationsverständnis ist dabei geprägt von seinem kritischen Blick auf die Gesellschaft seiner Zeit. Alle die von ihm erwähnten Probleme - besonders die Mißstände in der katholischen Kirche - sind ihm Zeichen einer Verkehrung der Gesellschaft und ihrer Stände zum Schlechten, sind sogar Zeichen der Endzeit, von der man der biblischen Offenbarung gemäß eine Verkehrung der 'guten Ordnung', Krieg und Sittenverfall erwartete. So macht sich die 'Verkehrung' zunächst auf moralischem Gebiet geltend, indem die positiven Werte wie Glauben, Wahrhaftigkeit, Keuschheit, gemeiner Nutzen in Vergessenheit geraten bzw. ins Gegenteil verkehrt werden; die Welt wird vom Laster regiert. Exemplarisch an der Auswirkung der alleinigen Orientierung am Geld zeigt Grünpeck die Konsequenzen dieses Werteverfalls für die Herrschaft: sei es darin, daß Narren die höchsten Ämter bekleiden und damit herrschaftsfähig werden, sei es im Verlust der Autoritätsfunktion der höheren Stände im Volk. Wird nun am Schluß der Schrift eine 'Reformation' gefordert und diese als Veränderung und 'Verkehrung aller Dinge zum Besten' verstanden, so ergibt sich eine 'Verkehrung' der 'verkehrten Welt', d.h. eine Wiederherstellung der 'alten guten Ordnung' wie sie das Ständeschema der 'funktionalen Dreiteilung' normativ festlegt. Doch die Schrift konstatiert nicht nur die beklagenswerte 'Verkehrung', sie bietet auch Begründungen. Neben der nur in Ansätzen vorhandenen Einbindung in einen heilsgeschichtlichen Ablauf ist es vor allem das astrologische Interpretationssystem, das das entscheidende Ursachenfeld darstellt. Sonnen- und Mondfinsternisse sowie die Planetenkonjunktionen bewirken 'Verkehrung' und 'Veränderung', denn ihr Einfluß bringt den vorher als Harmonie gedachten Weltzustand und das menschliche Gemüt ins Ungleichgewicht. Durch die Wirkung der Ge122

stirne entstehen Sinnlichkeit und Begierde im Menschen, die Griinpeck im Streben nach Geld und eigenem Nutzen wiedererkennt, in sexuellen Ausschweifungen und Aggressivität, die zu Krieg und Mord führen kann. Auf einer überindividuellen Ebene bewirken die Gestirne außerdem den Wandel von Ordnungssystemen wie Herrschaft und Religion. Diese Veränderungen müssen jedoch nicht unausweichlich eintreffen; Griinpeck stellt der determinierenden Macht der Gestirne die beiden traditionellen Gegenmittel entgegen: Verstand bzw. Wille des Menschen und den Glauben an Gottes Allmacht. Beide zeigen gleichzeitig den Ausweg aus der Verkehrten Welt' an: Verstand und Glaube führen über die leibliche Existenz des Menschen und damit über die durch die Planeten bewirkten Verstrickungen in Laster und Sünde hinaus. Verstand und Glaube erscheinen so als Mittel der Disziplinierung, durch die ein gesellschaftliches Miteinander überhaupt erst möglich wird. Nur mit ihrer Hilfe könnte auch die Selbstbeschränkung gelingen, die eine Wirtschaftsverfassung, die als nicht expandierend und mit limitierten Ressourcen versehen gedacht wird,225 zu brauchen scheint, eine Selbstbeschränkung, die Griinpeck in den frühkapitalistischen Ansätzen der Wirtschaft seiner Zeit nicht mehr gewährleistet sieht. Folgerichtig ist das Thema der Schrift der Aufruf zur Selbstdisziplinierung, zum Kampf gegen den inneren Feind, eindringlich gefaßt im Schlußpassus des Gesamttextes, nicht zum Kreuzzug gegen die Glaubensfeinde, deren Erfolge ohnehin nur als gerechte Strafe für die Verirrung der Christenheit gesehen werden. Die Waffen des Glaubens, des Gebets und der Wahrhaftigkeit werden als 'psychologische Aufrüstung' gegen den inneren Feind gewendet; gelingt die innere Umkehr, wird der Kampf mit dem äußeren Feind vielleicht überflüssig, da die Hoffnung bleibt, Gott werde den Glaubensfeind abziehen, wenn er die aufrichtige Buße der Christen sieht. Dann könnte er auch den Untergang der christlichen Kirche verhindern. Das heißt allerdings nicht, daß die Gegnerschaft gegen den Andersgläubigen völlig verblassen würde: Als möglicher 'Ansteckungsherd' für ein unkeusches Leben muß er dennoch gemieden werden, schon der Handel mit ihm erscheint verwerflich. Von vornherein wird einer möglichen Attraktivität der fremden Kultur ein Riegel vorgeschoben. Grünpecks Schrift ist in dieser Argumentationsweise ein zeittypisches Dokument und reiht sich ein in die Volkspredigten des Spätmittelalters, sieht man von den astrologischen Begründungen ab. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß Griinpeck vornehmlich auf die biblische Prophetie rekurriert, während er andere Prophetien von Lichtenberger übernimmt, ohne diesen - oder andere 'Propheten' - namentlich zu nennen. Robinson-Haxnmerstein sieht in dem 'Spiegel' den Versuch, die Reichsstände nach dem Scheitern Berthold von Hennebergs zu neuen Reformplänen zu er225 Zur Wirtschaftsauffassung im 16. Jahrhundert s. Leonhard Bauer, Herbert Malis: Geburt der Neuzeit. Vom Feudalismus zur Marktgesellschaft. München 1988, S. 15-54.

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muntern.226 In der Tat hatte Grünpeck, wie aus einem Brief an den Mainzer Erzbischof vom Jahre 1500 hervorgeht, diesen für die 'Bewahrung des Reichs' gepriesen und die kurz zuvor auf dem Reichstag in Augsburg beschlossenen Reformmaßnahmen - unter anderem die Einsetzung eines Reichsregiments begrüßt 227 Zu unterscheiden ist jedoch zwischen Grünpecks Engagement zu jener Zeit und der Intention des 'Spiegels', der zwar zu einer 'löblichen Reformation' aufruft, konkret jedoch lediglich die weltliche Obrigkeit zu treuer Pflichterfüllung anhält. Das Schwergewicht hegt auf der inneren Bekehrung des Menschen und verweist pointiert auf die Verantwortung des Einzelnen für das Wohl des Gemeinwesens, das vornehmlich eine moralisch-ethische Besserung erfahren soll.228 In dem drastisch dargestellten Konflikt zwischen Glaube und Vernunft auf der einen Seite, Leidenschaft und Begierde auf der anderen Seite mag zusätzlich ein ganz persönliches Motiv mitschwingen, war doch Grünpeck offenbar selbst seinen 'Begierden' erlegen, als er an der Syphilis erkrankte, was so weitreichende Folgen für ihn haben sollte. Die Schrift kann unter diesem Aspekt gesehen werden als Auseinandersetzung des Autors mit seinem persönlichen Schicksal: In seine Kritik und Klage bezieht Grünpeck stets sich selbst mit ein, doch durch die Funktion als Verkünder der Wahrheit und Ratgeber der Stände erhält er darüberhinaus die Möglichkeit, sich aus der Rolle als Sünder zu emanzipieren. Er erhält kraft des für sich reklamierten Einblicks in verborgene Zusammenhänge die Berechtigung zur moralischen Mahnung, ist nicht nur Sünder, sondern Prophet und kann sich in gewissem Sinne über seine Zeit und sein Lebensschicksal erheben. Die Abgrenzung gegenüber den Kritikern der Astrologie, die er als 'Neider' bezeichnet, und einer 'teuflischen', d.h. falschen Prophetie, erlaubt es ihm dabei, eine möglichst unangefochtene Position zu beziehen. Nicht zuletzt durch geschickte rhetorische Mittel gelingt es Grünpeck, sein Anliegen wirkungsvoll zu vertreten. Der Text ist reich an Metaphern, Redewendungen, Vergleichen und Gleichnisauslegungen, was seine Anschaulichkeit erhöht. Bestes Beispiel für die gekonnt eingesetzte Metaphorik ist die Schlußpas226 Robinson-Hammerstein, Battle, S. 134. 227 "Quam fideliter hactenus pro Imperii Conservatione laboraveris ... Deo optimo maximo duce plurimas jam discordiarum atque tumultuum procellas sedasti. Si aliquid adhuc injuriarom scintille reliquum est, Sanctissima ordinacio proximo in conventu Augustensi decreta restinquet." Zit. nach Czerny, Humanist, S. 359. Zu Berthold von Henneberg und der Reichsreform s. Alfred Schröcker: unio atque concordia. Reichspolitik Bertholds von Henneberg 1484-1504. Diss. Würzburg 1970. 228 In diesem Sinne muß Robinson-Hammerstein widersprochen werden, die schreibt: "No recommendation of the modus of... a reform is offered." Robinson-Hammerstein, Battle, S. 136.

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sage der Schrift, in der zwei Vorstellungsbereiche zusammenfließen: die Orientierungspunkte eines christlichen Lebens und die Ausrüstung für einen Kampf: £ "... wollet... auß gantzen krefften verfugen / damit die gantz geystligkeyt / vn als volck ewer vorwaltungen / mit den pantzern d' höchsten andacht / vn der inprinstigen lieb / dem helmen der gotlichen forcht / mit den schilten der heyligen hoffnung / beyn / roren der sterck / mit den Schwertern des heyligen Creutzes / mit den fackeln d' ware rew / beycht / vn büß / darnach mit dem geschutz einer guten vorbetrachtung / fridt / einigkeyt / hilff vnd radt / aneinandergewapnet sich auffmachen / disen vngefelle vnd gotlichen straffungen zubegegnen..."(F3b) Indem der christliche Glaube als 'Waffe' gegen den inneren Feind, die Sünde, bezeichnet wird, entsteht die Vorstellung eines 'Kreuzzugs der Tugend', zu dem der Christ sich rüsten soll. Ein ähnliches Verfahren liegt an der Stelle vor, wo Grünpeck die menschlichen Laster in das Bild eines Unwetters faßt, das über die Seele hereinbricht: Die Laster werden zur 'Naturkatastrophe', zu einer Entgleisung der menschlichen Natur. 229 Daneben verwendet Grünpeck drastische Vergleiche: "Der vö der helle kumen wer wünscht im keynen standt er wer auch wie hoch er wolt yetz in der weit anzenemen / er erwolte im ee in den holen der wilden Thier / der Beren / Schlangen / vnd Scorpionen / als bey den vntrewen menschen diser weit zewone."(C3a) In Redewendungen und Auslegungen biblischer Gleichnisse findet die bildhafte Sprache ihre Fortsetzung, wobei die Auswahl der Bibeltexte, bei denen deftige Auslassungen über die Verfehlungen ehebrecherischer Frauen dominieren, zur Publikumswirksamkeit der Schrift beitragen konnten. Wissenschaftliche Termini und astrologische Erläuterungen werden dagegen im 'Spiegel' auf ein Mindestmaß reduziert. Ein weiteres rhetorisches Mittel, das Grünpeck mit Vorliebe verwendet, ist die Gegenüberstellung von Gegensätzen. So durchzieht z.B. der Gegensatz zwischen Licht und Finsternis, gefaßt als Widerspruch zwischen Sünde, Unachtsamkeit und Unkenntnis auf der einen, dem christlichen Glauben und dem Wissen auf der anderen Seite, die ganze Schrift. Daneben tritt die Wiederholung eines gleichbleibenden Gedankengangs in immer neuen Formulierungen. Beide Stilmittel sind dazu angetan, das Verständnis zu erleichtern und die wesentlichen Aussagen der Schrift gut einprägsam zu vermitteln. Hinzu treten die direkte Anrede an den Leser mit Appellcharakter 230 und das Einbeziehen des Autors selbst

229 Vgl. Anm. 208. 230 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (B4a).

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in die Argumentation,231 wodurch die Schrift persönlicher wird und den Charakter einer Ansprache enthält. Emotionen werden hervorgerufen durch das häufige Verwenden von Superlativen232 und die wütenden Ausfälle gegen die 'Sünder'.233 Nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch diese rhetorischen Mittel schließt Grünpeck an sprachliche Konventionen der effektvollen und aufrüttelnden Bußpredigten des Spätmittelalters an.234 Der 'Spiegel' von Joseph Grünpeck ist mit 13 unsignierten Holzschnitten illustriert. Sie sind ca. 10 cm χ 8 cm groß. In der kunsthistorischen Forschung werden sie einem Meister der Dürerwerkstatt zugeschrieben, wobei von den meisten Autoren im Anschluß an Friedrich Winkler Hans Suess von Kulmbach als Reißer angegeben wird,235 während Dodgson vermutet, daß Wolf Traut, der Schüler Kulmbachs, die Holzschnitte fertigte.236 Bedenkt man, daß generell der Holzschnitt wegen seiner zur Abstraktion zwingenden Technik weniger direkt den Stil eines Künstlers zeigt als z.B. die Zeichnung, so sind treffende Zuschreibungen hier besonders schwer möglich, besonders, wenn es sich um wenig auf-

231 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (D2a). 232 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (Blb/B2a). 233 Als Beispiel mag folgende Passage gelten: "Darumb das ir die gebot gottes / vn das gBtlich wordt habt abgeworffen in die grübe der vnsauberheyt / der vergessung vn Verachtung / vnd habt angefangen ... in dem schweyß vnd blut der eilenden betrübten witwen vn weysen truncke zewerden / das heyratgut Christi / in der wollustigkeit des leybs zuuerschwenden ...". Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (B3a/B3b). 234 Vgl. Josef Schmidt: Lestern, lesen und lesen hören. Kommunikationsstudien zur deutschen Prosasatire der deutschen Reformationszeit. Bern, Frankfurt/M., Las Vegas 1977 (Europäische Hochschulschriften 1. Deutsche Literatur und Gemanistik 179), S. 108-132 zur Predigt des Geiler von Kaisersberg. 235 Vgl. Friedrich Winkler: Hans von Kulmbach. Leben und Werk eines fränkischen Künstlers der Dürerzeit. Kulmbach 1959 (Die Plassenburg. Schriften für Heimatforschung und Kulturpflege in Ostfranken 14). 236 "Die dreizehn Holzschnitte ... in Grünbecks Speculum naturalis coelestis et propheticae visionis, G. Stuchs, 26. Okt. 1508, sind so schlecht, daß ich zögere, sie Traut mit Bestimmtheit zuzuschreiben, aber besonders die Tiere auf dem Holzschnitt zum 8. Kapitel lassen vermuten, daß die Zeichnungen von ihm sind, wenngleich entstellt durch die Ungeschicklichkeit des Holzschneiders." Campbell Dodgson: Zum Holzschnittwerke Wolf Trauts. In: Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Beilage der 'Graphischen Künste' 3 (1906), S. 48-62, S. 52, Anm. 1. In seinem Holzschnitt-Katalog hat Dodgson diese etwas eingeschränkte Zuschreibung noch nicht vorgenommen. Vgl. Dodgson, Catalogue, Bd. 1, S. 500-524. Mit Bezug auf Dodgson spricht sich auch Schulz für die Zuschreibung der Holzschnitte zum Werk Trauts aus. Vgl. Fritz Tr. Schulz: Art. Traut'. In: Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon, Bd. 33,1939, S. 351354.

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wendig gestaltete Holzschnitte handelt, wie es die des 'Spiegels' sind und eventuell auch bedacht werden muß, daß der Künstler seinen Riß nicht selbst geschnitten hat. Eine begründete Entscheidung, von welchem der beiden Künstler die Holzschnitte stammen, kann hier nicht getroffen werden, zumal über diese Frage keine Forschungsdiskussion vorliegt - die Zuschreibungen erfolgen meist ohne weitere Beweisführungen. Erschwerend tritt hinzu, das Traut sich offenbar in Stil und Komposition an Kulmbach orientierte, so daß Stilmerkmale wie die Vermeidung von Kreuzschraffuren zur plastischen Gestaltung des Dargestellten - von der Forschung jeweils einem der beiden Meister als untrügliches Erkennungszeichen zugeschrieben - tatsächlich das Werk beider Künstler kennzeichnen.237 Über die beiden Männer sind nur wenige biographische Einzelheiten bekannt.238 Beide wurden etwa um 1480 geboren. Kulmbach war etwa ab 1500 in der Werkstatt Dürers in Nürnberg tätig, war auch zwischenzeitlich Gehilfe bei Jacopo de'Barbari, der zwischen 1500 und 1503 in Nürnberg lebte. Traut war Schüler Kulmbachs in der Nürnberger Werkstatt. Das Hauptwerk beider wird durch Altarbilder bezeichnet - von Kulmbach stammen die Tuchertafel in St. Sebald in Nürnberg (1513) und mehrere Altarbilder in Krakau, von Traut der 'Sippenaltar' in der Lorenzkirche in Nürnberg (1514) und Altarwerke für das Kloster Heilbronn. Kulmbach starb Ende 1522, Traut 1520. Beide fertigten außerdem zahlreiche Holzschnitte für Buchillustrationen, wobei auch hier wieder die Zuschreibungen variieren. Immerhin scheint erwiesen, daß von Traut die Holzschnitte zur 'Bamberger Halsgerichtsordnung' (1507) und zum 'Hallischen Heiltumsbuch' (1518-1520) stammen, von Kulmbach die Bilder zu Werken Ulrich Pinders. Beide Künstler wurden von Dürer zur Mitarbeit an Holzschnittaufträgen herangezogen: Kulmbach illustrierte teilweise die 'Quattuor libri amorum' von Conrad Celtis (1502), Traut arbeitete an den Bildern zur 'Ehrenpforte Maximilians' (1515) mit. Schließlich werden auch beide Künstler als Reißer für Kalender- und Prognostikenbilder genannt, darunter für den Ti-

237 Vgl. hierzu Winkler, Hans von Kulmbach, S. 30f und Schulz, Traut, S. 352. 238 Biographisches zu Kulmbach neben der schon genannten Literatur bei Franz Stadler: Hans von Kulmbach. Wien 1936 und E. Büchner: Art. 'Kulmbach'. In: Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon, Bd. 22,1928, S. 92-95. Zu künstlerischen Einflüssen ausführlich: Karl Koelitz: Hans Suess von Kulmbach und seine Werke. Ein Beitrag zur Geschichte der Schule Dürers. Diss. Leipzig 1891, S. 4-28. Für weitere Angaben über Traut s. Christian Rauch: Die Trauts. Studien und Beiträge zur Geschichte der Nürnberger Malerei. Strafiburg 1907 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 79). Vgl. dazu die Rezension von Friedländer in: Repertorium für Kunstwissenschaft 31 (1908), S. 577-579.

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telholzschnitt der 'Neuen Auslegung der seltsamen Wunderzeichen' (1507) von Joseph Griinpeck. 239 Unabhängig davon, ob die Holzschnitte zum 'Spiegel' von Grünpeck als Werk Kulmbachs oder Trauts angesehen werden, gelten sie in der kunsthistorischen Forschung als völlig imbedeutend. So formuliert Winkler: "Es ist Kulmbachs Schicksal gewesen, die spekulierenden, unanschaulichen Auslegungen theologischer Schriftgelehrter zu illustrieren ... Dem reichlichen Dutzend lehrhafter, sinnbildlicher Holzschnitte von mittlerer Größe in Grünpecks Schriften, die summarisch in der Art der 32 kleinen im "beschlossen gart", wenn auch weniger abkürzend ausgeführt sind, merkt man an, wie wenig unser Meister bei der Sache war, als er die Traktate bebilderte." 240 Um eine kunsthistorische Beurteilung des künstlerischen Werts der Holzschnitte zu Grünpecks 'Spiegel' kann es in dieser Arbeit nicht gehen. Die Holzschnitte sollen vielmehr als sozialhistorische Quelle im Vergleich zur Textaussage der Schrift untersucht und in ihrer Bedeutung für die Erforschung von Werthaltungen und Mentalitäten des frühen 16. Jahrhunderts ernstgenommen werden. Auf dem Titelblatt der lateinischen und deutschen Ausgabe von 1508 befindet sich ein Holzschnitt, der eigentlich das 5. Kapitel einleitet (Abb. G5). Er zeigt im Vordergrund eine Kampfszene, bestehend aus mehreren Personengruppen. In der Bildmitte dringen ein Vertreter des weltlichen und einer des geistlichen Standes mit gezücktem Dolch bzw. gezogenem Schwert aufeinander ein. Links bedroht ein Landsknecht mit seinem Schwert eine Frau mit einem Kind an der Hand, rechts treibt ein weiterer Landsknecht mit erhobener Waffe eine Frau mit Kind und einen betenden Mann vor sich her. Am unteren Bildrand rechts ist ein Bischof in die Knie gesunken, ein Landsknecht sticht gerade mit einem Dolch auf ihn ein. Im Hintergrund ist eine zusammenstürzende und dabei schräg einen Hang herabrutschende Kirche zu sehen. Aus ihren Mauern schlagen Flammen, Rauchwolken steigen auf. Vom Himmel fallen Steine und Feuer. Das Bild bezieht sich auf eine Vorhersage im 5. Kapitel, die lautet: "Es werden geystlich vnd weltlich ire rostige Schwerter / spieß / vn Stange wittern / vnd mit einer flamme der grausamheyt weren die hewser vn die kirchen verbrendt werden..,"(D1b) Auch der Holzschnitt zeigt den Kampf der Weltlichen gegen die Geistlichen und Waffen, zwar keine Spieße und Stangen, dafür aber die genannten Schwerter und auch die brennende Kirche, von der im Text die Rede ist. Es ergeben sich jedoch Akzentverschiebungen im Vergleich zum Text, der allgemein die 'Weltli239

Zu Kulmbach Winkler, Hans von Kulmbach, S. 46; zu Traut Dodgson, Holzschnittwerke, S. 53.

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Winkler, Hans von Kulmbach, S. 46.

chen' als Kontrahenten der 'Geistlichen' nennt, während das Bild neben diesen Konflikt die Attakken der Landsknechte auf wehrlose Menschen, vor allem Frauen und Kinder, stellt. Durch die Kombination der Motive wird der Angriff auf die Geistlichkeit implizit ins Unrecht gesetzt, insbesondere der Angriff des einen Landsknechts auf den schon in die Knie gesunkenen Bischof. Der Text bindet die kämpferischen Geschehnisse an die Einflüsse von Saturn und Mars das 5. Kapitel ist der astrologischen Prophetie gewidmet, wobei für die Bildgestaltung bedeutsam ist, daß die 'Planetenkinderbilder' des Mars häufig ähnliche Darstellungen von Landsknechten bringen.241 Im Zusammenhang mit diesem Planeten wird auch die 'Flamme der Grausamkeit' genannt, die die Kirche zerstören wird. Dabei bleibt im Text unklar, ob ein wirkliches Feuer gemeint ist, ober ob diese Formulierung eine Metapher für die Aggressivität sein soll, die die Planeten im Gemüt der Menschen hervorrufen. Im Bild wird die 'Flamme' konkret als Feuerregen vom Himmel visualisiert, bringt also Naturgewalten ins Spiel. Die Darstellung assoziiert so, daß die Heimsuchungen der Kirche einem Strafgericht Gottes entspringen, was der Text an anderen Stellen ebenfalls entwickelt.242 Das Bild veranschaulicht drastisch die Gefahren, die der Kirche drohen und nimmt damit ein zentrales Thema des 'Spiegels' auf, weswegen es wohl gleichzeitig als Titelbild gewählt wurde. Außerdem enthält der Holzschnitt in der Darstellung der von Landsknechten bedrohten Männer, Frauen und Kinder ein wichtiges Identifikationsangebot für den Käufer. Anders entschied sich dennoch der Drucker Wolfgang Stockei bei der Titelblattgestaltung seines Nachdrucks von 1522: Er wählte den dem 3. Kapitel zugeordneten Holzschnitt als Titelbild (Abb. G3). Auf ihm sieht der Betrachter ein kenterndes Schiff, dessen vorderer Teil bereits in den Wellen untergegangen ist. Nur eine Planke und ein Seitenruder des Vorderteils ragen noch aus dem Wasser. Auch ein Teil der Besatzung des Schiffs droht in den Fluten zu versinken; es handelt sich um einen Kardinal, einen Bischof, einen Mönch und den Papst. Der Kardinal und der Papst haben die Arme hilfesuchend erhoben, der Bischof betet. Im hinteren Teil des Schiffes stehen zunächst zwei Personen, beide tragen Mäntel mit breitem Pelzkragen, der rechte eine Kappe, der linke eine Krone mit Kreuz. Diese Figur soll wohl den Kaiser darstellen, und auch der andere Mann ist dem weltlichen Bereich zuzuordnen. Diese Person hält das Ende eines Segels in der linken Hand, auf dem Christus am Kreuz abgebildet ist, während der Kaiser, wie der Bischof, betet. Hinter diesen beiden Gestalten befindet sich eine Gruppe von mit Lanzen und Hellebarden Bewaffneten. Am rechten Bildrand ist ein steiler, bewachsener Felsen zu sehen. Dargestellt ist das sinkende 'Schifflein Petri', bezeichnet durch das Kruzifix 241 Vgl. z.B. die Planetenkinderdarstellung bei Max Geisberg: The German Single-leaf Woodcut: 1500-1550. Hg. v. Walter L. Strauss. Bd. 2. New York 1974, Abb. 991. 242 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (E4b/Fla).

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auf seinem Segel und gefaßt als Symbol der Gemeinschaft der Christen. Die Vertreter der Geistlichkeit, auch der Papst, sind schon unmittelbar vom Untergang des Schiffes bedroht, während die Weltlichen im Moment noch von den Fluten verschont werden. Trotzdem gibt es auch für sie keine Rettung mehr, wenig später wird sie dasselbe Geschick ereilen, obgleich sie noch das 'Segel Christi' in den Händen halten, das sonst den Fortgang des 'Schiffes Petri' gewährleistet. Der Text des 3. Kapitels thematisiert den bildlich dargestellten Sachverhalt. Schon die Überschrift spricht davon, daß "sant Peters schifflein sol zu disen iaren an vil fels der vngefel zerstossen" (B4b). In der Vorrede nennt Grünpeck eine metaphorische Bedeutung für die aufgewühlten Wellen: Es ist das Meer der Trübsal, Angst und Not. Der Holzschnitt faßt in der Szene des Untergangs des 'Schiffes Petri' sehr wirkungsvoll die Gefahren für die Christenheit, wobei hier, anders als beim zuvor beschriebenen Holzschnitt, nicht der Konflikt zwischen Geistlichen und Weltlichen gestaltet wird, sondern beide Bereiche, gleichermaßen bedroht, als Einheit behandelt werden. Der Feind der Kirche erscheint nur in metaphorischer, imbestimmter Form als 'Fels des Unglücks'; ein Fels, sonst eher als der Grundstein der Kirche angesprochen, ist hier 'Stein des Anstoßes' und Auslöser des Kenterns. Das Meer ist Inbegriff der Schrecken und Plagen, die dem Menschen bevorstehen und in denen er versinken wird. Daß die Geistlichkeit das 'Segel Christi' bereits fahren gelassen hat und zuerst zu ertrinken droht, nimmt die Kritik der Schrift auf, nach der gerade der Klerus dem Verhängnis wegen der eigenen Abirrung vom rechten Wege nichts entgegenzusetzen hat. Der Text betont jedoch ebenfalls, daß die Weltlichen vor dem Unglück nicht gefeit sein werden.243 Auch dieser Holzschnitt konnte zu Recht als bildliche Zusammenfassung der Hauptthese der Schrift gelten und eignete sich daher besonders gut als Titelblatt. Außerdem nimmt er im Motiv des 'Schiffleins Petri' eine sehr populäre Vorstellung auf. 244 Der Drucker Stockei hat den Holzschnitt in einem anderen Zusammenhang nochmals verwendet, allerdings mit einer aufschlußreichen Abwandlung, die in einem späteren Teil der Arbeit besprochen wird.245 243 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (Clb). 244 Scribner geht auch auf das Bild im 'Spiegel' ein. Zu den Darstellungen der Kirche als 'Schiff Petri' s. Scribner, Sake, S. 108-115, Abb. 79-87. Auch Werner Hofmann (Hg.): Luther und die Folgen für die Kunst. Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle vom 11.11.1983-8.1.1984. München 1983, S. 201, Abb. 75 und Kommentar. Von Wolf Traut soll ein Holzschnitt mit dem 'Schiff der heiligen Ursula' stammen (1512). Vgl. Dodgson, Holzschnittwerke, S. 53. Eine Abwandlung des Schiffthemas bringt Bild Nr. 103 im 'Narrenschiff von Sebastian Brant. S. dazu Konrad Hoffmann: Wort und Bild im 'Narrenschiff. In: Ludger Grenzmann, Karl Stackmann (Hgg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Stuttgart 1984, S. 392-426. 245 Vgl. S. 231 dieser Arbeit.

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Der nächste Holzschnitt des fortlaufenden Textes - er ist dem 1. Kapitel zugeordnet - gehört ebenfalls zu den bemerkenswertesten Illustrationen des 'Spiegels'(Abb. G1). Auf ihm sieht der Betrachter drei verschiedene Szenen. Im oberen Teil des Bildes befindet sich ein auf den Kopf gestelltes Kirchengebäude mit drei Tünnen. Im normal positionierten Innern sind Kirchenfenster, eine Säule, ein schachbrettartig gewürfelter Fußboden und ein Altar mit brennenden Kerzen zu erkennen. Vor dem Altar, auf dem ein Buch liegt, steht ein mit einer Kappe, einem kurzen Überrock und hohen Stiefeln bekleideter Bauer und betet. Hinter ihm trägt ein zweiter Bauer eine lange Kerze. Eine dritte Person ist noch zur Hälfte zu sehen. Die anderen beiden Szenen spielen sich in freier Landschaft ab. Unten rechts läßt sich ein von zwei Pferden gezogener Pflug erkennen. Ein Kleriker in langem Mantel und mit Kappe führt den Pflug durch die Ackerfurchen, während ein Mönch in Kutte mit der Peitsche knallt, um die Pferde anzutreiben. Links unten sind schließlich zwei weitere Personen dargestellt. Die eine steht hinter einem Tisch, auf dem nicht näher zu erkennende Gegenstände liegen und greift mit der rechten Hand in ein Behältnis, die andere, ein Bauer, tritt, einen Sack über die Schulter geworfen und den Hut ehrerbietig gezogen, auf den am Tisch Stehenden zu. Der Holzschnitt zeigt also zwei in einer umgestürzten Kirche die Messe lesende bzw. ministrierende Bauern und auf dem Felde zwei Geistliche beim Pflügen. Er thematisiert damit die Verkehrung der gesellschaftlichen Rollenverteilung, verbildlicht einen Vorstellungsgehalt der 'verkehrten Welt'. 246 Die 'Verkehrung' ergibt sich dabei nach Maßgabe des Ständeschemas der 'funktionalen Dreiteilung', das als soziales Ordnungssystem Funktionsanweisungen an die 'drei Stände der Christenheit' erteilt: die des Schutzes an den Adel, des Gebets an den Klerus und die der (körperlichen) Arbeit an den Bauern.247 Dieser Anweisung wird in dem Holzschnitt zuwidergehandelt, wenn Bauer und Kleriker ihre gesellschaftliche Aufgabe vertauschen. Dem Rollentausch haftet dabei nichts Spielerisches an - es ist die göttliche Heilsordnung, die hier verletzt wird, hierin liegt die Brisanz der Darstellung. Die 'Verkehrung' der Verhältnisse wird im Bild zusätzlich durch die umgestürzte Kirche verdeutlicht, die aber, anders als im Titelbild der beiden Ausgaben von 1508, als Gebäude unversehrt geblieben ist. Nicht der Untergang der Kirche wird daher hier beschworen, sondern eher das Ungeheuerliche des gezeigten Vorgangs. Die Überschrift des Kapitels spricht eine "verenderung der stende der Christenheyt" an; das Bild konkretisiert im Rollentausch die Veränderung als Umsturz der sanktionierten Ordnimg und 246 Zur Verbildlichung des Motivs der 'verkehrten Welt' s. Barbara Babcock (Hg.): The Reversible World. Symbolic Inversion in Art and Society. Ithaca, London 1978. Vgl. auch Scribner, Sake, S. 169, Abb. 136. Scribner nimmt Bezug auf die reformatorische Weiterentwicklung dieses Motivs von Grünpeck. 247 Vgl. Oexle, Dreiteilung.

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radikalisiert damit eine Ständekritik, die die Abkehr der Stände vom durch Gott erteilten gesellschaftlichen Auftrag beklagt. Dabei kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß auch Kritik am Klerus in der Bildkomposition mitschwingt, wurde die Geistlichkeit von den Zeitgenossen doch der Faulheit geziehen. Auf dem Bild verrichten die Kleriker bäuerliche Arbeit, was sie aber gleichzeitig erniedrigen muß, sie sozial deklassiert. Demgegenüber bekleiden die Bauern in ihrer Übernahme der gesellschaftlichen Pflicht des Klerus nun einen sozial höheren Rang. Mit dem Text stimmt das Bild hierin nicht überein. Die Schrift rügt an anderer Stelle den mangelnden Respekt des 'gemeinen Mannes' vor geistlicher und weltlicher Obrigkeit, das Bild jedoch spitzt den Gedanken durch die Verkehrung der Rollen erheblich zu, wobei sich die Frage nach der Bewertung des bäuerlichen Verhaltens stellt. Ein Hinweis wäre hier in der auf den Kopf gestellten Kirche zu sehen, dem äußeren Rahmen der bäuerlichen Handlung, der diese gleichzeitig als Verstoß gegen die göttliche Ordnung charakterisiert, so wie die Umkehrung des Kirchengebäudes gegen die Naturgesetze verstößt. Der messelesende und ministrierende Bauer maßt sich demnach eine ihm nicht zustehende soziale Position an unter Mißachtung der gesellschaftlichen Hierarchie. Mag die Bildintention sich in den Zusammenhang der Ständekritik einfügen: Es ist doch eine entgegengesetzte Lesart des Bildes möglich, wird es unter sozialkritischem oder reformatorischem Interesse betrachtet. Dann nämlich ergäbe sich eine Verbindimg zur Kritik am müßiggehenden Mönchstum,248 zur Idee des Laienpriestertums249 und - in der umgestürzten Kirche - der Vorstellung einer Reformation. Gerade der Nachdruck des 'Spiegels' von 1522 mag mit dieser 'Sozialrevolutionären' Interpretation rezipiert worden sein. Mit den Intentionen des Verfassers Griinpeck würde jedoch eine derartige Auslegung nicht übereinstimmen, beklagt dieser doch gerade die 'Veränderung' der Christenheit als Abkehr von der 'guten alten Ordnung'. Die Szene links unten im Bild ist dagegen nicht einfach aufzulösen. Sie könnte eine Kaufsituation zwischen einem Bauern und einem Händler zeigen.250 Die Deutung wird erschwert dadurch, daß das Gesicht des Mannes hinter dem Tisch nicht mehr zu erkennen ist. Sollte der dargestellte Vorgang einen Handel symbolisieren, so ergäbe sich eine Verbindung zu den Passagen der Schrift, die die zunehmende Orientierung am Geld als eine Ursache der Veränderung der Gesellschaft kennzeichnen; das Geld ist hier eine korrumpierende Macht, die

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Zur Kritik am Mönchtum in der Reformation s. Goertz, Pfaffenhaß.

249

Zur Idee des Laienpriestertums bei Martin Luther in Zusammenhang mit antiklerikalen Vorstellungen s. Hans-Jürgen Goertz: Antiklerikalismus und Reformation. Zur sozialgeschichtlichen Deutung des 'reformatorischen Durchbruchs' bei Martin Luther. In: Gerhard Brendler u.a. (Hgg.): Martin Luther. Leistung und Erbe. Berlin 1986, S. 182-187.

250

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Brant, Narrenschiff, Bild 3.

ihrerseits eine 'Verkehrung' der Ordnung bewirkt: die Einnahme von Herrschaftspositionen durch Narren. Das zum 2. Kapitel gehörige Bild (Abb. G2) zeigt einen bärtigen, mit einem gegürteten Überwurf und Kappe bekleideten Mann, der inmitten einer Landschaft auf einer kleinen Anhöhe steht. In den Händen hält er je ein Kruzifix.251 Ihn umgeben verschiedene Zeichen am Himmel, vor allem Kreuze, aber auch eine Leiter, eine Geißel und ein Gefäß (?). Ihm zu Füßen im Halbkreis sind vier Personen angeordnet, darunter eine Nonne. Die drei Männer sind einfach gekleidet und blicken zu dem bärtigen Mann empor. Alle vier Personen befinden sich in einem Zustand höchster Verzweiflung, der sich durch verschiedene Gesten kundtut. So ringt ein Mann die Hände, ein zweiter rauft sich die Haare, ein dritter richtet sogar einen Dolch gegen sich selbst. Die Nonne hält ein Tuch an ihr Gesicht, anscheinend weint sie. Die Überschrift des 2. Kapitels gibt Aufschluß über die Identität des Mannes mit den zwei Kruzifixen: Es ist der 'Prophet', der durch die Lande wandert und die Menschen zur Buße aufruft. Ihn umgeben Kreuzerscheinungen - der Text erwähnt einen 'Kreuzregen'252 - und einige Leidenswerkzeuge Christi,253 die im Text nicht angesprochen werden. Die Kruzifixe beschwörend erhoben, scheint der 'Prophet' große Wirkung auf seine Zuhörer auszuüben. In deren Reaktion ist kein Platz für ruhige Glaubenszuversicht oder flehendes Gebet; in extremer Weise gibt sich ein jeder von ihnen seinen Ängsten und Befürchtungen hin, während der Text wenigstens noch die Möglichkeit der Rettung durch die göttliche Vorsehung bei inständiger Buße offenläßt. Allerdings bringt auch der Text die Verbindung zu endzeitlichem Geschehen, so daß die Dringlichkeit zur Bekehrung in Text und Bild gleichermaßen artikuliert wird. Den 'Zuhörern' des 'Propheten' scheint jedenfalls das nahe Weltende und ihre Verdammung schon unmittelbar vor Augen zu stehen. Ohne den von Griinpeck erwähnten 'Propheten' als historische Person identifizieren zu können, verweist er doch auf eine Zeiterscheinung: die selbsternannten Prediger, die umherzogen und auf freiem Feld einer zumeist einfachen Be-

251 Eine ganz ähnliche Darstellung findet sich auf dem Titelblatt der Schrift von Eberlin Günzburg: Ein freundlich tröstliche Vennahnung ... Augsburg, Ulhart 1522. Vgl. Scribner, Folk, S. 196, Abb. 161. 252 Die Darstellung einer Kreuzigung von Dürer geht auf dessen Erleben eines 'Kreuzregens' 1503 zurück. Vgl. Albrecht Dürer: Kritischer Katalog der Zeichnungen. Bearb. v. Fedja Anzelewsky und Hans Mielke. Staatliche Museen preußischer Kulturbesitz. Berlin 1984. S. 42, Nr. 39. 253 Vgl. hierzu z.B. als typische bildliche Darstellung der Leidenswerkzeuge das Epitaph des Heinrich Wolff von Wolffsthal. Fränkischer Meister um 1500. Abgebildet in Gerhard Bott (Hg.): Martin Luther und die Reformation in Deutschland. Ausstellung zum 500. Geburtstag Martin Luthers. Veranstaltet vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg in Zusammenarbeit mit dem Verein für Reformationsgeschichte. Nürnberg 1983, S. 74, Abb. 69.

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völkerung - auch die Personen des Bildes tragen einfache Kleidung Weltuntergangsprophezeiungen und Bußaufrufe verkündigten. Gerade die Ausdeutung von 'Wunderzeichen' bot hier einen willkommenen Anknüpfungspunkt. Indem das Bild die Darstellung des 'Propheten' und die der Himmelszeichen kombiniert, ja sogar um die Leidenswerkzeuge Christi erweitert, die Aussagen des Textes also zu einer Szene verdichtet und ergänzt, läßt es den Prediger als Interpreten der Himmelszeichen erscheinen - was er im Text nicht ist - und zeigt ihn, erhöht über der Menge stehend, wie die 'Wunderzeichen', als 'Abgesandten Gottes'. Durch die ihn umgebenden Leidenswerkzeuge wird gleichzeitig eine Verbindungslinie zur biblischen Prophetie hergestellt und damit das Auftreten des 'Propheten' in einen übergeordneten Heilsplan eingebettet. Das dritte Bild wurde bereits besprochen - es stellt das sinkende 'Schiff Petri' dar (Abb. G3). Das vierte Bild zeigt fünf Szenen, in denen je zwei Personen einander zugeordnet sind (Abb. G4). Die Bedeutimg dieser Szenen ist nicht immer eindeutig zu ermitteln. Ein Fingerzeig ist die Kapitelüberschrift, die von bösen Sitten und Gewohnheiten der Menschen spricht. Außerdem ist im Text die Rede von Betrug, Wucher, Geldgier und Untreue. Der Holzschnitt greift diese Themen auf. In der vorderen Bildebene links stehen zwei Männer beieinander, der eine in knielangem Wams und ohne Kopfbedeckung, der andere mit längerem Mantel und Hut. Der Barhäuptige hält einen Beutel in der Hand, in der Linken einen weiteren Gegenstand. Der Beutel wechselt gerade den Besitzer; der andere Mann greift nach ihm. Der zweite Gegenstand, vielleicht auch ein Beutel, ist offenbar nicht Gegenstand des Austauschs, denn der Barhäuptige hält ihn, für sein Gegenüber unsichtbar, hinter dessen Rücken. Dieses Detail könnte auf Betrug oder Diebstahl hindeuten. Vorne rechts im Bild befindet sich eine Situationsdarstellung, deren Sinn dunkel bleibt. Ein Mann liegt am Boden, sein Mantel ist aufgeschlagen, seinen Kopf, bedeckt mit einer Art Pilgerhut, hat er auf die linke Hand gestützt. Über ihn gebeugt steht ein zweiter Mann in langem Mantel, der sich an dem Liegenden zu schaffen macht. Da es so scheint, als habe der liegende Mann eine Wunde am Bauch erlitten, könnte ein überfallener Pilger dargestellt sein. Vielleicht ist der andere Mann ein Arzt, der sich um die Wunde kümmert. Hinter diesen beiden Männern befinden sich zwei, deren Beziehung zueinander ebenfalls nicht eindeutig bestimmbar ist. Der eine von ihnen ist zweifellos ein Mönch - Kutte und Tonsur sind erkennbar. Der andere ist ein alter, bärtiger Mann mit einem Stelzbein, der sich auf eine Krücke unter seinem rechten Arm stützt. An einem Gürtel um die Taille trägt er eine aufgeklappte Tasche, vielleicht eine Börse, in die er greift. An seiner linken Seite ist ein Teil eines Umhangs zu erkennen, den der Mönch mit beiden Händen ergriffen hat, so als wolle er dem alten Mann den Mantel von der Schulter ziehen. So gesehen könnte die Szene bedeuten, daß der Mönch sich Geld und Kleidung des Alten 134

aneignen will und würde damit scharfe Kritik an der Gewinnsucht und Habgier des Klerus ausdrücken, der selbst nicht davor zurückschreckt, den Ärmsten ihre Habe zu nehmen. Neben diesen beiden Personen im Hintergrund sind zwei Männer oder Jugendliche zu sehen, die jeweils einen Arm erhoben haben. Zu ihnen blickt ein Mann mit langem Mantel und Kappe, der neben einem Hauseingang steht. Aus dem Kammerfenster im oberen Stockwerk dieses Hauses gießt eine Frau einen Eimer mit Wasser (?) auf die Straße, von dem der Mann getroffen werden muß. Ob die Frau den Mann abweisen will und sich die beiden Jungen über den Betroffenen lustig machen254 oder ob die Darstellung eine übertragene Bedeutung hat, läßt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Allgemein jedenfalls ist festzuhalten, daß hier schlechte Sitten und Gewohnheiten der Menschen dargestellt werden: der Betrug bzw. der Diebstahl, Gewalt und wohl auch Geldgier und Spott; das Bild ist jedoch nicht so genau wie die bisher besprochenen Holzschnitte auf den Text abgestimmt. Bild Nr. 5, das den Kampf zwischen Geistlichen und Weltlichen zeigt, wurde bereits vorgestellt. Die Holzschnitte zu Kapitel 6 und 7 greifen das Thema von der christlichen Kirche als dem Weingarten Gottes wieder auf, das Grünpeck schon in der Einleitung anklingen ließ. Auf dem Bild Nr. G6 ist ein Weingarten mit fruchtbringenden Weinstöcken zu sehen. Er ist umgeben von einem geflochtenen Zaun, und in seiner Mitte ragt ein Turm auf. Vier Männer kümmern sich um die Pflanzen: Zwei binden die Triebe auf, einer beschneidet die Stöcke und ein vierter pflückt die Trauben und sammelt sie in einer Kiepe. Ein bärtiger Mann, der im Gegensatz zu den vieren in einem langen Gewand arbeitet und vielleicht einen Apostel darstellen soll, trägt eine Kiepe mit den Trauben auf dem Rücken, einen Stab in der Hand haltend. Schließlich ist Christus in der Kelter abgebildet, dem gängigen Bildmotiv entsprechend mit entblößtem Oberkörper und Nimbus, die Kreuzigung symbolisierend.255 Aus einer Öffnung am unteren Rand der Kelter fließt schon der Wein in einen Behälter. Im Text hat Grünpeck die Auflösung der Bildsymbole angegeben. Das Bild zu Kapitel 7 (Abb. G7) zeigt nun den Angriff

254 In dieser Bedeutung findet sich ein ähnliches Bild im 'Narrenschiff. Vgl. Brant, Narrenschiff, Abb. 62. Dazu Frank Hieronymus (Hg.): Oberrheinische Buchillustration. Bd. 2. Basler Buchillustration von 1500-1545. Ausstellung der Universitätsbibliothek Basel. Basel 1984, Abb. 170, 1-3. Hieronymus führt das Bildmotiv auf den Druck von Paulus Olearius: De fide concubinarum in sacerdotes. Basel, Furter 1501 zurück. 255 Zum Motiv 'Christus in der Kelter' vgl. Alfred Weckwerth: Christus in der Kelter. Ursprung und Wandlungen eines Bildmotivs. In: Beiträge zur Kunstgeschichte. Festgabe für H.R. Rosemann zum 9. Oktober 1960. München, Berlin 1962, S. 95-108. Zum Motiv des Weingartens s. Scribner, Folk, S. 190-194, wo Scribner auch auf den Holzschnitt bei Grünpeck eingeht.

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der Heiden auf den Weingarten, den die Schrift als Strafe Gottes für die Sünden der Christen ankündigt. Eine Gruppe von Türken - erkennbar an Turbanen als Kopfbedeckung und einer mitgefühlten Fahne mit Halbmond - reitet im Galopp heran, schon setzen die ersten über den Zaun, der den Weingarten umgibt. Die Angreifer sind mit Krummsäbeln und Lanzen bewaffnet, einer hält ein Gewehr im Anschlag. Drei weitere Türken sind damit beschäftigt, mithilfe von langen Stricken den Turm zum Einsturz zu bringen, ein vierter zerstört die Weinstöcke. Diese Taten symbolisieren den Angriff auf die göttlichen Gesetze und die Vernichtung des Glaubens bzw. der Gläubigen. Während der Text betont, daß zuvor die Christen durch Vernachlässigung des Glaubens den Weingarten haben verdorren lassen, suggeriert die Abfolge der Holzschnitte 6 und 7, daß die vorher unversehrte Kirche von heimtückischen Feinden zerstört wird, wodurch die Textaussage verkürzt und alle Schuld allein den Türken zugeschrieben wird. Der zum Kapitel 8 (Abb. G8) gehörige Holzschnitt bezieht sich auf das zweite Gleichnis (Ezechiel 8) und zeigt auf der linken Seite sieben Personen, auf der rechten Seite drei Tiere. Fünf der sieben Personen knien und haben die Hände zum Gebet zusammengelegt. In der vorderen Reihe ist ein Mann in langem Mantel und eine Nonne mit einem Sack über der Schulter zu erkennen. Dahinter folgen zwei weltliche Fürsten mit Kronen auf ihren Häuptern und ein Bischof in vollem Ornat. Hinter der knienden Gruppe stehen zwei weitere Männer, ein älterer und ein jüngerer, wohl auch betend, beide mit langen Mänteln und verschiedenartigen Kappen bekleidet. Die Tiere sind ein Hirsch, ein Rind und ein Hase. In den Wolken ist außerdem ein blinder Amor mit Pfeil und Bogen und die Sonne zu sehen. Das Bild zeigt die Anbetung falscher Götter durch geistliche und weltliche, hohe und niedere Standespersonen, wobei die in der Bibel genannten Gruppen der Götzenanbeter mit zeitgenössischen Gesellschaftsgruppen identifiziert werden. Die falschen Götter sind die Sonne, Amor und die Tiere. Während die Sonne direkt im Bibeltext genannt ist und Amor wohl für Adonis steht, ist das Auftauchen der Tiere nicht so einfach aus dem Bibeltext ableitbar. Zieht man jedoch den Auslegungstext Grünpecks heran, so könnten der Hirsch und der Hase auf die vom Autor kritisierte Jagdleidenschaft deuten, während das Rind die Anbetung des 'Goldenen Kalbs' assoziiert. Diese Form des Götzendienstes ist zwar im Text nicht genannt, ist aber ein bekanntes biblisches Symbol für übersteigerte Wertschätzung materieller Güter, von der auch der Text spricht.256 Der Holzschnitt faßt so die verschiedenen Stufen des Gleichnisses zusammen, ohne eine Zuordnung von Personengruppen und je typischem Götzendienst nachzuvollziehen. Die Zuordnung des Holzschnitts Nr. G9 zum Text bereitet einige Probleme. Er zeigt einen Innenraum, in dem in zentraler und erhöhter Position ein Mann in 256 Im Text ist die Rede von der "abtgStterey des hauß Israhel". Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (D4b).

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langem Gewand mit einer eigenartigen Krone auf dem Haupt auf einem Thron sitzt, ein aufgeschlagenes Buch, dessen Textseiten der Betrachter sehen kann, in der rechten Hand. Es scheint sich um eine Richterfigur zu handeln.257 Mit der linken Hand weist er auf eine Personengruppe, die neben seinem Thron steht. Sie besteht aus drei bärtigen Männern in langen Mänteln und mit turbanähnlichen Kopfbedeckungen, die ihrerseits teils auf den 'Richter' schauen, teils einander ansehen. Mit Handbewegungen deuten sie aufeinander bzw. auf den 'Richter'. Im Bildhintergrund links betritt ein einzelner Mann den Raum, er weist mit seinem Zeigefinger auf den 'Richter'. Im Vordergrund jedoch knien an den Stufen des Throns zwei weltliche Fürsten - sie tragen Kronen auf ihren Häuptern - und beten den 'Richter' an. Neben ihnen sind mindestens vier Tote zu sehen, die auf einem Haufen übereinanderliegen. Eine der Leichen trägt eine Krone. Die Schwierigkeit bei der Interpretation besteht darin, die Beziehung der Personengruppen untereinander zu klären. Hält man Ausschau nach Anhaltspunkten im Text, der das Schicksal der ehebrecherischen Schwester Ohola als Gleichnis für die Sünde der Weltlichen deutet, so ergäbe sich am ehesten eine Verbindung zwischen Text und Bild, wenn der Holzschnitt als Verbildlichung der Strafe Gottes für die Weltlichen verstanden wird. Als Verfehlung der Weltlichen gibt der Text an, diese machten sich mit den Heiden - hier den Türken - gemein und würden dafür von Gott durch eben dieses Volk gestraft werden. Die vollzogene Strafe würde dann das Bild zeigen: Der 'Richter' hat seinen Spruch, vielleicht mit Hinweis auf die Bibel, verkündet, an den Toten ihm zu Füßen, unter denen mindestens ein weltlicher Fürst ist, wurde das Urteil bereits vollstreckt. Die anderen weltlichen Herrscher erkennen die Allmacht des 'Richters' an, wie ihre Pose zeigt. Die Vollstrecker des Urteils wären dann aber die Heiden, die durch Blickkontakt und Gestik gleichzeitig den Auftrag des 'Richters' bestätigen. Die Funktion der Person links im Hintergrund wäre allein in ihrer hinweisenden Haltung zu sehen. Irritierend aber bleibt die Darstellung des 'Richters', der dem Text entsprechend mit Gott identisch sein müßte. Möglicherweise wurde der Holzschnitt auch gar nicht für den vorliegenden Text hergestellt, sondern aus einem anderen Zusammenhang übernommen. Das Bild zum 10. Kapitel (Abb. G10) gibt deutlichere Aufschüsse, denn auf ihm ist wieder der Angriff weltlicher Personen auf den Klerus dargestellt. Aus einer Kirche treten ein Bischof, ein Mönch und eine größere Gruppe von Gläubigen, wovon nur bei den beiden vorderen die Gesichter erkennbar sind. Vor der Kirche haben sich drei Angehörige des weltlichen Standes eingefunden; ein Landsknecht, ein Fürst mit Krone und einem Mantel mit Hermelinkragen und schließlich, wie die Bügelkrone andeuten könnte, auch der Kaiser. Ein Schwert an der Seite, schlägt der Landsknecht mit geballter Faust auf den immer noch 257 Vgl. hierzu die Gesetzgeberdarstellung bei Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (F2b).

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betenden und in gebückter Haltung vor ihm stehenden Mönch ein. Der Bischof ist schon vollends in die Knie gesunken, seine Bischofsmütze, Zeichen seiner Würde, ist ihm vom Haupt gefallen, das der Kaiser mit beiden Händen berührt. Der Fürst schließlich hält kirchliches Gerät - einen Kelch, ein Buch und einen Weihwasserkessel - in den Händen. Als Bildsinn ergibt sich der Angriff der Weltlichen, darunter sogar des Kaisers - auf zwei Repräsentanten der Geistlichkeit, die sie ihrer Würde und ihrer kirchlichen Kleinodien berauben. Auffallend ist vor allem die im Bild dargestellte Brutalität der weltlichen Personen, vor allem des Landsknechts. Zwar erwähnt auch der Text Grünpecks Angriffe auf die Kirche, doch im 11. Kapitel, in dem allein von den kirchlichen Kleinodien die Rede ist, heißt es: "... von den kleynetten der kirchen werden die Fürsten vnnd kunigen gezieret"(F2a/b). Daß sich die Fürsten Kirchenschätze widerrechtlich und mit Gewalt aneignen, wie es das Bild zeigt, deutet der Text an keiner Stelle an, äußert vielmehr eine scharfe antiklerikale Kritik, bezichtigt die Geistlichkeit des Wuchers, der Simonie, Falschheit und Ungerechtigkeit. In diesem Kontext steht auch die Bestrafung der Kirche durch ihre Feinde. Es ist offensichtlich, daß das Bild hier eine völlig andere Bewertung vornimmt, ähnlich wie beim Holzschnitt Nr. G5. Die folgende Graphik (Abb. G11) bringt nochmals das Motiv des Glaubenkampfes der Türken gegen die Christen. Im Vordergrund schlagen zwei Türken mit langen Krummschwertern auf einige Mönche ein. Drei von ihnen sind schon getötet worden, einen vierten hält ein Türke am Hals gepackt und holt zum tödlichen Hieb mit seinem Krummschwert aus. Im Hintergrund sind drei weitere, nicht wie Türken gekleidete Männer damit beschäftigt, einen Turm und Befestigungsmauern mit Stricken niederzureißen. Beides könnte zu einer Klosteranlage gehören, da die Erschlagenen Mönche sind. Auch der Text nennt Angriffe der Feinde auf die Kirche, das Bild gestaltet sie in einer neuen Variante, wobei nicht alle Feinde Türken sind - ein Hinweis auf die Vielzahl der Gegner der Kirche. Zu all den Verbildlichungen der Bedrohimg der Kirche und ihrer Zerstörung setzt der zwölfte und letzte Holzschnitt der Schrift einen markanten Kontrapunkt (Abb. G12). Er zeigt eine Prozession von Geistlichen, die gerade aus einer Kirche heraustritt. Voran schreitet der Fahnenträger, es folgen zwei Kanoniker, mit Chorhemd und Kappe bekleidet, zwei Mönche und zwei Bischöfe, die Krummstäbe in der Hand haltend. Im Bildvordergrund, seitlich von der Prozession, knien betend sieben Personen, alle aus weltlichem Stand, doch von unterschiedlichem gesellschaftlichem Rang. Der einfach gekleidete 'gemeine Mann' findet sich neben dem reichen Stadtbürger, aber auch zwei weltlichen Fürsten. Die in der Mitte der Prozession schreitenden beiden Mönche haben sich den Betenden direkt zugewandt und blicken sie an. Nichts anderes als die Unterwerfung der weltlichen Herrschaft unter die der Kirche zeigt dieser Holzschnitt, fordert dies geradezu. Hiermit steht die Bildbedeutung in signifikantem Gegen138

satz zur Textaussage, die einen aufrüttelnden Appell an alle Gläubigen formuliert, sich bußfertig zu zeigen und zur Einhaltung der christlichen Gebote zurückzufinden, wobei Griinpeck explizit auch die Geistlichkeit in diesen Aufruf einschließt. Im Bild dagegen erscheint diese als Triumphator, vor dem die Weltlichen in die Knie sinken müssen, die Oberhoheit der Kirche anerkennend. Im Zusammenhang mit Bild 5 und 10 wird deutlich, daß aus dem Kampf zwischen Weltlichen und Geistlichen der Klerus als Sieger hervorgehen soll. Damit geht das Bildprogramm sogar über die Bestätigung der alten Ordnung hinaus und gestaltet den Primat der Geistlichkeit in allen Belangen. Es stellt gleichzeitig die zu Beginn gezeigte 'verkehrte Welt' richtig, indem es die Geistlichkeit in ihrem Amt bestätigt und dem 'gemeinen Mann' seine Rolle als demütig Betendem zuweist. Im Vergleich zum Text Grünpecks, der ja immer wieder alle Angriffe auf die Kirche aus deren eigener Sündhaftigkeit motiviert und die innere Umkehr als Vorbedingung einer äußeren Reformation postuliert, vermitteln die Bilder des Nürnberger Meisters eine andere Botschaft. Fünf Bilder zeigen eine bedrängte Kirche, die an anonymen Mächten scheitert (Bild G3), von Weltlichen verfolgt (von Fürsten und Landsknechten Bild G5, G10), vom 'gemeinen Mann' in Frage gestellt (Bild G1) und von den Türken attackiert wird (Bild G7, G11). Die Bilder suggerieren, daß die Verfolgung der Kirche aus Haß- und Machtgelüsten resultiert und setzen damit die Angreifer ins Unrecht, geben schließlich in der letzten Darstellung Anweisung zur Lösung des Konflikts in der Apostrophierung der kirchlichen Machtstellung. Die heftige antiklerikale Kritik des Autors Grünpeck findet sich allenfalls in den Bildern G1, G4 und G8; doch sie alle dehnen die Kritik gleichzeitig auf die Weltlichen aus, zeigen Lasterhaftigkeit oder Götzendienst als Makel aller Christen auf. Überhaupt ist der Holzschnitt Nr. G12 fast der einzige, der nicht Bedrohung, Verzweiflung, Krieg und Tod oder Sünden und Laster darstellt: Das sinkende 'Schiff Petri' symbolisiert das Scheitern der christlichen Gemeinschaft überhaupt, der 'Prophet' ruft Verzweiflungsreaktionen durch seine Predigt hervor, sündhaftes Verhalten zeigen Bild G4 und G8, während die gestapelten Leichen auf Bild G9 einen Kontext von Gewalt und Tod angeben. Um so wirkungsvoller ist das Bild Nr. G12, in dem alle Kämpfe, Konflikte und Ängste aufgelöst sind zugunsten einer Unterwerfungsgeste der Weltlichen. Zwar ist auch Bild G6 als 'Bild des Friedens' einzustufen, wenn es den fruchtbringenden Weingarten Gottes zeigt, doch ist es letztlich nur ein Intermezzo, dient nur dazu, die Verwüstung des Weingartens durch die Türken, die der nächste Holzschnitt zeigt, wirkungsvoll in Szene zu setzen. Es unterbricht damit zwar die Serie der Schrekkensdarstellungen, kann diese aber nicht entkräften, wie es das letzte Bild tut. Text und Bild gleichermaßen wollen, indem sie dem Betrachter künftiges Unglück vor Augen stellen, eine Besserung der kritisierten Mißstände herbeifüh139

ren, doch ist das Vorgehen beider Schriftbestandteile völlig verschieden. Grünpeck verlagert den zu bestreitenden Kampf in die Seele des Menschen, hier muß der Sünde entgegengetreten werden, hier haust der 'innere Feind'. Die Holzschnitte dagegen veräußerlichen diesen Feind, identifizieren ihn mit der weltlichen Herrschaft, den Landsknechten oder den Türken, machen diese Gruppen zu Exponenten eines Glaubenskampfes. Aus der 'inneren Wende' Grünpecks wird die bildlich vorgeführte Unterwerfung unter den Machtanspruch der Kirche, während die Feinde der Kirche gleichzeitig aggressiv abgewertet werden. Daraus erhellt, daß die Bilder keineswegs als reine Illustrationen des Textes angesehen werden dürfen; sie behaupten vielmehr eine nur ihnen eigene Bedeutung und Aussagekraft. Die bildlichen Mittel, mit denen dies geschieht, korrespondieren teils mit den sprachlichen, teils findet die 'Bildsprache' andere Vermittlungswege. Ein Teil der Holzschnitte fällt durch seine ausgesprochen prägnante bildliche Gestaltung sprachlicher Wendungen und Metaphern auf. Eine einprägsame Bildformel wurde z.B. für das sinkende 'Schiff Petri' gefunden, mit Rückgriff auf ein populäres Bildthema. Ähnliches gilt für den 'Weingarten' als Motiv, dessen Geläufigkeit die mühelose Integration der angreifenden Türken ins Bild ermöglicht. Die Visualisierung der 'verkehrten Welt' dagegen bietet weniger eine Entsprechung als eine selbständige Bearbeitung der Textaussage 'Veränderung aller Stände', indem sie diese präzisiert und radikalisiert. Viele der Holzschnitte vermitteln eine hohe Dramatik, die insbesondere durch die ausgeprägte Gestik der dargestellten Personen bewirkt wird. So reicht die Palette vom hilfesuchenden Emporrecken der Arme, beschwörendem Präsentieren von Kruzifixen über Gesten der Verzweiflung bis hin zu Darstellungen massiver Gewaltanwendung wie Fausthieben oder Schwertstreichen. Bei den Bildern Nr. G2, G3 und G5 wird die Dramatisierung zusätzlich durch die Elemente der Natur verursacht, etwa das tosende Wasser, das das 'Schifflein' umspült, das Feuer, das vom Himmel fällt und die Kirche entzündet oder die 'Wunderzeichen', die den Propheten umgeben. All diese Bildteile appellieren unmittelbar an Ängste des Betrachters vor Krieg und Gewalt, Naturkatastrophen oder 'Vorzeichen' der Apokalypse am Himmel. Die Dramatik der Bilder wird erhöht durch die große Zahl von Holzschnitten, die wie Momentaufnahmen eines gerade ablaufenden Geschehens wirken, eines Geschehens, dessen unmittelbarer Zeuge der Betrachter wird, wenn etwa die Pferde der Türken gerade über den Zaun des Weingartens setzen, die Faust des Landsknechts gerade auf das Opfer niederfährt oder ein Türke gerade einen Mönch am Hals gepackt hält. Demgegenüber haben nur wenige Bilder einen eher statischen Charakter, z.B. Bild Nr. G8, G9 und G12 mit ihren Gebetsszenen. Dabei sind die Holzschnitte des Nürnberger Künstlers teilweise komplexer als der Text, der ein zeitliches Nacheinander ausdrückt, wo in den Bildern durch 140

den Vorgang der Verdichtung mehrere Textelemente zu einer Darstellung verschmelzen und in ein zeitliches Miteinander gestellt werden (Beispiel Bild G2). Ähnlich wie im Text aber finden sich die Stilmittel der Redundanz und der Antithese. So wiederholen die Holzschnitte in immer neuen Variationen das Thema 'Bedrohung und Verfolgung der Kirche', das sich daher dem Betrachter als Schwerpunkt der bildlichen Anteile der Schrift einprägt. Die antithetische Gestaltung trifft auf die Abfolge der Holzschnitte zu, wenn dem jeweiligen Titelbild - dem sinkenden 'Schiff Petri' bzw. der umkämpften Kirche - die Anerkennung der kirchlichen Machtposition gegenübergestellt und damit durch das Schlußbild das gewünschte Verhalten gegenüber der Kirche propagiert wird. Der letzte Holzschnitt bildet zugleich eine Antithese zur Verbildlichung der 'verkehrten Welt' zu Beginn der Schrift. All diese Stilmittel stehen im Dienste der Vermittlung einer eigenen Bedeutungsvielfalt des Bildes, wobei allerdings gesagt werden muß, daß nicht alle Bilder für sich genommen und ohne den Text als erläuternde Hilfe in ihrem Sinn erschlossen werden können. Bei Bild G4 und G9 konnten nur Annäherungen versucht werden. 258 Erwähnt werden sollte, daß keine astrologische Darstellung - etwa Planetengötter - im 'Spiegel' anzutreffen sind. Dies ist ungewöhnlich für eine Schrift, die auch astrologisch argumentiert und legt den Schluß nahe, daß die astrologischen Jahrespraktiken kein Vorbild für die Illustrierung der Schrift sein sollten, die sich gleichfalls in ihrem Aufbau von der Einteilung der Praktiken löst. Während z.B. aber der Text Planetenkonjunktionen ausdeutet, bringt die entsprechende Graphik zu diesem Kapitel die Darstellung eines Feuerregens vom Himmel. Statt der astralen Einflüsse betont das Bild so das Gericht Gottes. Auch Bild Nr. G2, das 'Wunderzeichen' am Himmel zeigt, bindet diese sofort in einen prophetischen Kontext ein. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß sich eine wichtige Inkongruenz zwischen Text und Bild in bezug auf die Stellungnahme zum Zeitgeschehen zeigt: Während Grünpeck in seinem Text ein aus der Ständekritik entwickeltes Reformverlangen zum zentralen Anliegen seiner Schrift macht, unterlaufen die Bilder diese Konsequenz aus der kritischen Wahrnehmung der Gegenwart, wenn sie, entgegen allen Kritikpunkten gegen die Kirche, noch einmal deren fraglose Anerkennung durch die 'Weltlichen' gestalten und damit insbesondere den scharfen antiklerikalen Tönen des Textes eine neue Harmonie unter dem Vorzeichen der Dominanz des Klerus entgegenhalten. Ob diese wichtige Schwerpunktverschiebung der Intention des Nürnberger Künstlers entspricht oder auf Gestaltungsanweisungen des Autors Grünpeck zurückgeht, muß allerdings offen bleiben. 258 Die Illustrationen zu den Kapiteln 8 und 9 in der Ausgabe von 1535 bringen deutlicher das Ehebruchmotiv zur Darstellung. Vgl. GrQnpeck, Practica der großen gegenwärtigen Trübsalen, Straßburg (um 1535).

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Die anderen Ausgaben des 'Spiegels', die nicht die vorgestellten Holzschnitte enthalten, sind nur mit je einem Bild versehen. Die Augsburger Ausgabe von 1522 zeigt auf ihrem Titelblatt eine aus den Wolken hervorschauende vierschwänzige Geißel, deren Enden mit den Begriffen "Pestilentz", "Krieg", "Hunger", "Bächtod" beschriftet sind. Darunter folgt ein Bibelvers: "Ich haimsuch über dises volck / in waffen / in hunger / vnd in pestilentz. Spricht der her got Israhel. Jeremie xxvii." Die Darstellung (Abb. G13) nimmt damit einen Gedanken der Schrift auf, die mehrfach die Christenheit durch diese 'Geißeln' Gottes bedroht sieht. Die zweite, undatierte Augsburger Ausgabe bietet in ihrem graphischen Teil kein mit dem Text abgestimmtes Pendant. Am Ende der Schrift ist ein einzelner Holzschnitt (Abb. G14) zu sehen, der einen Knaben mit Nimbus auf einem Thron sitzend zeigt, ein Buch in Händen haltend. Ihn umgeben vier bärtige, orientalisch gekleidete Männer, drei von ihnen knien vor ihm, während der vierte, im Hintergrund stehend, auf den Knaben weist. Einer der knienden Männer hält gleichfalls ein Buch in der Hand. Die Personengruppe befindet sich in einem Innenraum. Die Szene zeigt den Knaben Christus in Diskussion mit den Schriftgelehrten und stammt vermutlich aus einer Holzschnittserie zur Bibelillustration.259 Nach der ausführlichen Analyse der beiden Schriften kann jetzt der Frage nachgegangen werden, inwieweit der 'Spiegel' Grünpecks als popularisierte Adaption der 'Pronosticatio' Lichtenbergers anzusehen ist. Diese These Robinson-Hammersteins unterstellt, daß Grünpeck eine in ihren inhaltlichen Aussagen identische, doch mit publikumswirksamerer Rhetorik und Aufmachung ausgestattete Kurzfassung der 'Pronosticatio' habe anbieten wollen. Um mit dem formalen Aspekt zu beginnen, so ist tatsächlich eine Popularisierungstendenz zu erkennen und zwar sowohl im Text- als auch im Bildteil des 'Spiegels'. Rhetorisch geschickt, anschaulich und zugespitzt formuliert Grünpeck seine Prophetien und präsentiert damit eine weit wirkungsvollere Schrift als es die Lichtenbergers mit ihren streckenweise schwer verständlichen, in Anspielungen verbleibenden, dabei wenig strukturierten und weitschweifigen Ausführungen sein kann. Ahnliches gilt für die Illustrierung des 'Spiegels', die ebenfalls weit publikumsbezogener ausfällt als die der 'Pronosticatio'. Den vorwiegend statischen, nüchternen Holzschnitten der Iichtenberger-Prophetie stehen hier Bilder gegenüber, die ihrerseits komplexe Sachverhalte visuell erfassen helfen und z.T. den Betrachter auch emotional in ihren Bann ziehen, ihn zumindest wirkungsvoll beeinflussen 259 Ähnliche Darstellungen finden sich z.B. in den Plenarien. Vgl. etwa das Plenarium, das der Uracher Drucker Konrad Fyner 1481 herausbrachte. Albert Schramm: Die Drucker in Eßlingen, Urach, Stuttgart, Reutlingen, Tübingen und Blaubeuren. Leipzig 1926 (Bilderschmuck 9), Tafel 4, Abb. 19.

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können. Die Holzschnitte des 'Spiegels' sind in diesem Sinne paradigmatische 'Bildprogaganda', womit sie eine völlig andere Funktion erfüllen als die der 'Pronosticatio', die zuallererst Orientierungs- und Strukturierungshilfen bieten wollen, nicht aber eigenständige Kommentare zum Zeitgeschehen. Trifft die These Robinson-Hammersteins also in diesem Punkt zu, so wäre nun die Behauptung der inhaltlichen Übereinstimmung zu prüfen. Als erster Anhaltspunkt kann hier Griinpecks eigene Aussage herangezogen werden, nach der er in die 'Fußstapfen'eines 'ehrlichen Propheten' treten will, der nur Lichtenberger sein kann. Er sagt dies dort, wo er auf den drohenden Untergang des 'Schiffleins Petri* zu sprechen kommt, und in der Tat hat Grünpeck dieses Motiv und die daran geknüpfte Prophetie von Lichtenberger übernommen. Ein weiterer Bezug besteht im Rekurs auf die drei Wege zur Erkenntnis der Zukunft, die Grünpeck analog zu Lichtenberger bestimmt und überhaupt im astrologischprophetischen Ansatzpunkt der Schrift, die gleichfalls die arabische Konjunktionenlehre als Grundlage der astrologischen Deduktionen wählt. Vergleichbares bietet sich auch bei den gesellschaftskritischen Passagen beider Schriften, in denen eine Ständekritik entwickelt wird, bei der jedem Stand seine spezifischen Laster und Versäumnisse vor Augen gestellt werden. Bei beiden Autoren bildet das 'Dreiständemodell' die normativ-ethische Grundlage der Kritik, bei Grünpeck allerdings zugespitzt in der Vorstellung einer 'verkehrten Welt'. Schwerpunkt der Anschauungen in diesem Bereich bildet die heftige Kirchenkritik, die Unmoral der Geistlichen und Verweltlichung der Kirche anprangert. Außerdem zeigt sich in beiden Prophetien die Angst vor einem Volksaufstand, begleitet von unmißverständlicher Zurückweisung jeglicher Auflehnung des Volks gegen seine Obrigkeit. Schließlich knüpfen beide Autoren ihre Zeitkritik an explizite Reformhoffnungen; eine 'Reformation' soll allen Mißständen abhelfen. Es stellt sich allerdings trotz dieser Gemeinsamkeiten die Frage, ob Stände-, zumal Kirchenkritik, und Reformhoffnungen nicht zeitgenössische Gemeinplätze waren, deren Auftauchen im 'Spiegel' nicht unbedingt für eine unmittelbare Adaption Lichtenbergers durch Grünpeck sprechen muß. Allemal tun sich Zweifel an einer weitgehenden Orientierung Griinpecks an der 'Pronosticatio' auf, wenn sich bei näherer Betrachtung zeigt, daß bei Ständekritik und Reformhoffnung gravierende Einstellungsunterschiede bemerkbar sind. Während Lichtenberger die gewünschte Reformation generell an idealisierte Kaiser- und Papstgestalten und aktuell an Maximilian I. knüpft, möchte Grünpeck die Pläne der ständischen Reformpartei unterstützen, hat stets die Stände als Handlungsträger im Auge, wie schon die Zueignung seiner Schrift zeigt. Im Unterschied zu seiner Prophetie von 1507 wird im 'Spiegel' der Kaiser an keiner Stelle gesondert angesprochen oder als Hoffnungsträger aufgebaut. Es fehlt völlig Lichtenbergers aus der Kaiserprophetie entwickelte vehemente Propaganda zur Unterstützung des Hauses Habsburg, es fehlen auch die Attacken auf Frankreich. So erscheint die 143

These Robinson-Hammersteins wenig schlüssig, der 'Spiegel' wolle die Reichsstände zur Kooperation mit dem Kaiser aufrufen. 260 Im Unterschied zu Lichtenberger vertritt Grünpeck auch nicht die Ansicht, alle Partikularinteressen müßten sich dem Kaiser unterordnen; er ermahnt die gesamte weltliche Obrigkeit, ein 'löbliches Regiment' zu führen, worin er den Kaiser durchaus einschließen will. Die von Grünpeck im Zusammenhang mit seiner Ständekritik geäußerte Klage über den zunehmenden Materialismus in allen Ständen bezieht Lichtenberger in joachimitischer Tradition nur auf die Kirche. Im Vergleich der Reformvorstellungen beider Autoren ergeben sich zudem Unterschiede, die bereits den Ansatz des Gedankens betreffen. Während Lichtenberger eine rein von außen gedachte, politische Reformvorstellung entwickelt, bei der durch geeignete Maßnahmen einer weltlichen oder geistlichen Rettergestalt die Mißstände in Reich und Kirche beseitigt werden könnten, bei ihm die Bedrohung der Christenheit außerdem hauptsächlich von außen, nämlich als durch falsche Propheten und Glaubensfeinde, die als Feindbilder aufgebaut werden, gedacht wird, sucht Grünpeck den Ursprung der Misere im moralischen Zustand jedes einzelnen Christen und macht daher eine innere 'moralische Wende' zur Vorbedingung einer äußeren Reform. Falsche Propheten spielen in seiner Vorhersage keine Rolle, der Prophet 'Jona' ist positiv besetzt. Dementsprechend ist der Grundcharakter seiner Schrift der einer Moralpredigt - womit übereinstimmt, daß Grünpeck vornehmlich biblische Gleichnisse für seine Zukunftsdeutung auslegt, während Lichtenbergers 'Pronosticatio' eine traktathafte Prophetienkollektion unter dem Gesichtspunkt habsburgischer Propaganda 261 darstellt. Werden die Holzschnitte in ihrem Beitrag zur Formulierung inhaltlicher Anliegen betrachtet, so ergeben sich wenig Verbindungslinien. Einzig der Bildtypus des untergehenden 'Schiff Petri' ist in beiden Schriften vertreten und unterstreicht die Orientierung Grünpecks an Lichtenberger in diesem Punkt. Zwar nicht mit ähnlichen Motiven, aber doch in vergleichbarer Tendenz sind diejenigen Graphiken des 'Spiegels' zu sehen, die die Türken als Feinde der Kirche zeigen und damit, anders als der Text, die Problematik der Gegner der Kirche nach außen verlagern. Doch hiermit enden die Übereinstimmungen; die der Gesamtintention des Grünpeckschen Textes nicht entsprechende Propagierung der

260 Robinson-Hammerstein, Battle, S. 134. 261 Zur Propaganda im Spätmittelalter s. Alfred Schröcker: Die Deutsche Nation. Beobachtungen zur politischen Propaganda des ausgehenden 15. Jahrhunderts. Lübeck 1974 (Historische Studien 426); Josef Benzinger: Zum Wesen und zu den Formen der Kommunikation und Publizistik im Mittelalter. Eine bibliographische und methodologische Studie. In: Publizistik 15 (1970), S. 285-318 mit einer Vielzahl von Literaturhinweisen. Zur öffentlichen Meinung s. Ernst Schubert: 'Bauerngeschrey'. Zum Problem der öffentlichen Meinung im spätmittelalterlichen Franken. In: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 34/35 (1975), S. 883-907.

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Unterwerfung unter die kirchlichen Machtansprüche, die die Holzschnitte bringen, findet in der 'Pronosticatio' mit ihrer habsburgischen Interessensvertretung weder im Text noch im Bild einen Widerhall. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die These, Grünpecks 'Spiegel' sei eine letztlich inhaltsgleiche, populäre Kurzfassung der 'Pronosticatio' Lichtenbergers, so nicht haltbar ist, denn in Text und Bildern beider Prophetien ergeben sich grundlegende Unterschiede im Hinblick auf politische Zielrichtungen und Reformvorstellungen, die nicht zugunsten einer griffigeren Verallgemeinerung unterschlagen werden sollten, auch wenn sich in einzelnen Punkten der Einfluß Lichtenbergers nachweisen läßt. Grünpeck hat eine interessegeleitete Auswahl aus dem Prophetienreservoir der 'Pronosticatio' getroffen und darüberhinaus Ansichten über seine Zeit geäußert, die so auch in Schriften anderer Autoren auffindbar wären. 262 Die eigentliche adaptierende Kurzfassung der 'Pronosticatio' stellt vielmehr sein Prognosticon von 1496 dar, das weite Teile der Schrift Lichtenbergers wortwörtlich wiederholt. 3.3. EXKURS: DIE 'ANONYME PRAKTIK' Zugegebenermaßen kümmerten aber die Zeitgenossen die Divergenzen zwischen den beiden Prophetien wenig, denn nur so ist zu erklären, daß ein anonymer Schreiber einzelne Passagen des 'Spiegels' und - wie ein genauer Vergleich erweist, auch der 'Pronosticatio' - zu einer "Practica Außgezogen von Sybilla / Brigitta / Cirilli / Joachim / Methodij / vnnd Bruder Reinharts / Wirt weerenn noch ettliche Jar / Vnd sagt von wunnderlichen dingen / vormals getruckt im 18. Jar rc." zusammenfaßte.263 In einem kurzen Exkurs sollen Inhalt und Druckgeschichte dieser 'Praktik' vorgestellt werden, da an ihr wie an kaum einer anderen astrologischen Flugschrift die aktualisierende Aufnahme von Prophetien im Rahmen frühneuzeitlicher Öffentlichkeit beobachtbar ist und die 'Anonyme Praktik' zudem während der Sintflutdebatte wieder aufgelegt wurde. Außer der Vorrede und einem Schlußgedicht Lichtenbergers und Grünpecks Prophetien wiedergebend, fabrizierte der Kompilator in einem durchaus üblichen Verfahren eine 'neue' Prophetie, die in ihren zahlreichen Auflagen im zweiten und dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts für eine breite Rezeption eines Teils der Vorhersagen Lichtenbergers und Grünpecks sorgte, ohne daß den Lesern die wahren Urheber der Prognosen bekanntgegeben wurden. Diese wurden dabei in keinen logischen Zusammenhang gestellt, teilweise brechen sie mitten im Satz ab oder wurden punktuell mißverstanden. Die wortwörtliche Übernahme eines Teils der Lichtenberger-Prophetie erklärt die Erwähnung Friedrichs III. und Maximilians I. als künftigen Kaiser, die Robinson-Hammer262

Vgl. Wohlfeil, Einführung, S. 14-19.

263

So lautet der Titel einer Ausgabe von 1521. Anonym, Practica, dtsch., o.O. 1521 (Ala). Nach dieser Ausgabe Zitate.

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stein in ihren Betrachtungen zur 'Anonymen Praktik' nicht einordnen kann, da sie den Rückgriff auf Lichtenberger nicht erkennt und die Prophetien nur allgemein als "erratic Joachimist predictions"264 bezeichnen kann. Das Zitieren dieser Prognosen mußte in den Auflagen der Schrift nach 1519 zu einem Anachronismus führen, war Maximilian doch zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben. All diese Unzulänglichkeiten haben jedoch die Popularität der 'Anonymen Praktik' nicht beeinträchtigen können. Eine Untersuchung der Prophetienauswahl kann Aufschluß über die Gründe der Beliebtheit der Schrift geben und anzeigen, zu welchen Hauptthemen sich die Rezipienten durch die Prophetie belehren lassen wollten. Die Vorrede, deren Herkunft bisher nicht geklärt werden konnte, rechtfertigt in stereotyper Weise die Astrologie, indem sie ihre Verwendbarkeit im Sinne des 'Gemeinen Nutzens' betont und ihre Verankerung in der Bibel aus Hinweisen auf die Zeichen, die den Jüngsten Tag ankündigen werden 265 sowie aus der Behauptung, schon Abraham und Moses hätten die Astrologie sehr geschätzt, abzuleiten sucht. Mit eschatologischen Versatzstücken aus Lichtenbergers Prophetie beginnt die Schrift, die Verfolgungen und Krieg in der Zeit Maximilians I. sowie den Aufruf zur Unterstützung des Römischen Reichs wegen seiner heilsgeschichtlichen Bedeutung wiedergibt. Es folgt die antifranzösische Version der Kaiserprophetie mit ihrem 'Herrscher mit dem keuschen Angesicht'. 266 In einer Ausdeutung der Großen Konjunktionen werden die Gestirnskonstellationen für das Auftauchen 'falscher Propheten* verantwortlich gemacht, insbesondere nach Lichtenberger für das der "ketzermayster zu Behem / Wickleff vnnd Johannes Huß / vnd Rockenzan" (A3a). Aus der Konjunktion für 1488 werden Leiden der Kirche, Zerteilung des Reichs und Geburt des Antichristen, ganz wie in der Vorlage, abgeleitet. Die nächsten zweieinhalb Seiten geben ungekürzt den Schluß der Lichtenberger-Schrift wieder, 267 in dem der Autor nochmals Schwerpunkte seiner gesamten Vorhersagen nennt, so daß sich gerade dieser Textteil für die Aufnahme in den Prophetienauszug anbot. Nach Zeiten der Verfolgung werde die Kirche im Osten gemeinsam mit den Böhmen wieder der römisch-katholischen Kirche einverleibt. Diese müsse durch eine 'Reformation' ihren weltlichen Besitz verlieren. Zunächst stellt die Weissagung Bauernaufstände, Uneinigkeit unter den Kurfürsten und Schaden für den rheinischen Klerus in Aussicht, doch dann wiederholt sie nach Lichtenberger die Hoffnung auf eine "newe Reformation / ain new gesetz / vn ain new reych" (A4a). Der Sieg über die Türken, die Rückgewinnung von Polen durch die Kreuzritter und die Bestrafung der Peiniger der Kirche runden die Utopie ab, die zusätzlich 264 Robmson-Hammerstein, Battle, S. 136. 265 Bezug Luk. 21. 266 Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B4a-B6a). 267 Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (H2a/b).

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die Herrschaft eines 'Volks ohne Haupt' bzw. mit einem 'harten Haupt' erwähnt. Nun greift die 'Anonyme Praktik' im Text Lichtenbergers weiter zurück und wiederholt die Passagen über den Ungarnkönig Matthias Corvinus,268 den Angriff des Kaisers auf Rom sowie die Einzelheiten über die Reformen des ersten 'Engelspapstes' und die Ankündigung weiterer geistlicher Retter. 269 Unvermittelt schwenkt dann die Schrift auf Grünpecks Weissagungen um und zitiert den in Frankreich umherwandernden 'Propheten Jona' mit seiner düsteren Weltuntergangspredigt.270 Auch die Besorgnis um das 'Schifflein Petri' wird erneut ausgedrückt271 und danach die Überlegungen Grünpecks zu einzelnen 'Wunderzeichen' angefügt.272 Mitten im Satz bricht die Grünpeck-Passage ab, und eingeschoben wird die gesamte Türkenprophetie, wie sie Lichtenberger nach Methodius anführt 273 Nach Appellen zur Einheit bildet die Schlußpassage des 'Spiegels' mit ihrem Aufruf zur Bekämpfung der Sünde das Ende des Prosatextes.274 Am Schluß steht ein Gedicht, das in zahlreichen Reimen die 'Verkehrung der Stände' darstellt. Es dominieren neben der Kritik am Verlust der Tugend unter den Christen, an der Mißachtung des 'Gemeinen Nutzens' und des guten alten Rechts die Klagen über die Unmoral des Klerus und der Habgier des Adels. Zwar sei auch das Volk betrügerisch, doch folge es nur dem schlechten Beispiel der "Clerici" (B4a). Das Gedicht gipfelt in einer Art Kreuzzugsaufruf: e ο "Türcken Sarrocener vnd Behem soll man erschlagen / So woll wir vil guter daruon in der warhait haben" (B4a). In einem Exemplar der Praktik, das 1521 gedruckt wurde, ist der Satzteil "vnd behem" unleserlich gemacht - der Protest eines Lesers gegen den scharfen Ton der Schrift an dieser Stelle. Wie aus dieser Zusammenfassung bereits ersichtlich, kann von einer logisch begreifbaren Gesamtaussage der Schrift nicht gesprochen werden, da sie lediglich additiv verschiedene Prophetienelemente aneinanderreiht. Die Auswahl gibt aber Aufschluß über die gängigsten Verheißungen: Es sind dies die habsburgische Version der Kaiserprophetie mit antifranzösischem und antiböhmischem Vorzeichen, verstärkt durch den Hinweis auf habsburgische Ansprüche in Ungarn und erweitert um die Vorstellung von einem Friedensreich nach einem Sieg über die Türken und Reformen, Kritik an der Verweltlichung der Kirche und Vorhersage ihrer Leiden, aber auch ihrer neuen Einheit und 'Reformation'. Diese Vorhersagen steuert Lichtenberger bei, während Grünpecks Textpassagen 268 Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (D5b/6a). 268 Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Glb/2a). 269 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (B3a-B4a). 271 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (B4b-Clb). 272 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (A4a-B3a). 273 Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (E5a). 274 Vgl. Grünpeck, Spiegel, Leipzig 1522 (F3a/b).

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Endzeitangst und Sündenbekämpfung in den Mittelpunkt stellen. Ständekritik und aggressive Außenpolitik vermittelt schließlich das Gedicht. Die Druckgeschichte der 'Anonymen Praktik' sowie die Varianten ihrer Herausgabe zeigen nun, in welcher Weise die sich immer gleich bleibenden Prophetienfragmente, in jeweils verschiedene Diskussionsund Geschehenszusammenhänge gestellt, als Aussage zum Zeitgeschehen begriffen wurden. Folgende Ausgaben konnten bisher aufgefunden werden: Der früheste Druck erschien 1516 in Augsburg;275 von einem weiteren nimmt Weiler lediglich an, er sei 1515 herausgekommen. 276 Tatsächlich wurde die Schrift wohl 1514/1515 konzipiert, denn ihre von Lichtenberger übernommenen Jahreshoroskope datiert sie ab 1515 2 7 7 Eine weitere Ausgabe gibt auf dem Titelblatt an, sie sei 1521 gedruckt worden, erwähnt jedoch, daß die Praktik schon 1518 erschien. 278 Tatsächlich verzeichnet Weller diese Ausgabe von 1518.279 Daß auch ein Druck von 1519 vorliegt, kann entgegen der Meinung Robinson-Hammersteins 280 nicht aus dem Titelblatt der Ausgabe von 1521 entnommen werden, da sich die beiden unten auf der Seite angegebenen Jahreszahlen Ί518' und Ί519', durch ihre Zuordnung klar erkennbar, auf die abgebildeten Sonnen- und Mondfinsternisse und ihre Wirkungsdauer beziehen. Sodann existieren mindestens zwei Drucke, die im Rahmen der Sintflutdebatte erschienen. Der eine stammt vom Speyerer Drucker Jakob Fabri; er löste eine wütende Replik eines evangelischen Astrologiegegners aus. 281 Der andere enthält keine Druckangaben, erweckt aber in seiner Titelblattaufmachung den Eindruck, er könnte über die für 1524 vorhergesagte zweite Sintflut Auskunft geben. Er nennt sich "Practica teutsch auff Das XXiiii. vnd Funfundzwanzigest jar. gezogen auß der lere vnd propheceyen / Sibille / Brigitte / Cirilli Joachim des Abts / Methodij / vn bruder Reinharts / wirdt weren biß ins xxv. jar vnnd sagt vonn wunderlichen dingen. Leser hab acht auff dise Practica vn von den wunderlichen geschigte got sein vns alle genedig." (Ala) 2 8 2 275

Anonym: Ein Auszug etlicher Practica... Augsburg o.D. 1516 (Weller 984).

276

Anonym: Eyn auszug etlicher Practica ... o.O.oD.oJ. (Weiler 879).

277

Vgl. Anonym, Practica, o.0.1521 (A3a).

278

Anonym, Practica, o.0.1521.

279

Anonym: Ain Auszug etlicher Practica ... o.O.o.D. 1518 (Weller 1090).

280

Robinson-Hammerstein, Battle, S. 133. Weller verzeichnet für das Jahr 1518 drei weitere Drucke, die jedoch alle dieses Druckdatum nicht angeben (Weller 1091, 1092, 1093). Vermutlich hat Weller sich ebenfalls von dem Aufdruck '1519' leiten lassen, der auf dem Titelholzschnitt der Schriften zu lesen ist, sich dort aber auf die Mondfinsternis bezieht.

281

Anonym, Practica deutzsch... Speyer oJ. Vgl. S. 309 dieser Arbeit.

282

Anonym, Practica teutsch... o.O. (um 1523).

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Arbeitet die Titelformulierung vor allem mit der Einschränkung des Vorhersagezeitraums und mit einem direkten Appell an den Leser, um auf sich aufmerksam zu machen, so zeigt der Titelholzschnitt eine Überschwemmungsszenerie (Abb. P1). Der Betrachter sieht einen über die Ufer getretenen Fluß, der schon mehrere Gebäude und eine Kirche überschwemmt hat. Es treiben Ertrinkende im Wasser, die Arme hilfesuchend emporgereckt. Am Himmel befinden sich links Venus mit zwei Pfeilen und rechts Saturn mit einer Sichel. Dominiert wird der Holzschnitt jedoch durch einen riesigen Kometen und einen Fisch. Der Fisch signalisiert das Sternbild der Fische, in dem die Planetenkonjunktionen im Februar 1524 stattfinden sollten und damit als Verursacher einer Sintflut angenommen wurden. Die Angst, die diese Vorhersage hervorrief, wird nachvollziehbar durch eine handschriftliche Bemerkung unter dem Holzschnitt von alter Hand: In griechischer Sprache bittet hier ein verschreckter Leser Gott, das Unglück aufzuhalten. 283 Wie, um sich selbst zu beruhigen, verzeichnet derselbe Leser auf der nächsten Seite biblischen Trost: "A signis coeli nolite timere. Jer. 10". Er greift damit einen Bibelvers auf, der als Gegenargument gegen eine kommende Sintflut eine zentrale Bedeutung erlangen sollte. 284 Allerdings scheint auf dem Holzschnitt dieser Ausgabe eher der Komet als Verursacher der Sintflut, denn seine Strahlen gehen in Regenfälle über. Dieser Komet wurde aus den Holzschnitten anderer Drucke der Praktik übernommen, denn die meisten Ausgaben der anonymen Schrift zeigen ebenfalls einen großen Kometen, der fast den gesamten Bildraum einnimmt. Über ihm befindet sich jedesmal Jupiter mit entblößtem Oberkörper, einen Szepter und Pfeile in der Hand, Saturn, ebenfalls unbekleidet, mit einer Sichel und Mars als Ritter mit Schwert und Fahne. Unter den Planetengöttern sind die zu ihnen gehörenden Tierkreiszeichen angebracht. Unter dem Stern ist eine Sonnen- bzw. Mondfinsternis angedeutet und unter diesen, wie schon erwähnt, die Jahreszahlen Ί518' und Ί519' (Abb. P2). Eine andere Variante zeigt das Titelblatt des Speyerer Drucks von Fabri (Abb. P2a). Zwar erscheint auch hier ein großer Komet, doch ihm zur Seite sind Saturn und Venus abgebildet - wie schon in der 'Sintflut'-Ausgabe der 'Anonymen Praktik'. Saturn ist mit Stelzbein und Krücke, die unbekleidete Venus mit Flügeln und wallendem Haar, in der Hand einen Pfeil 285 tragend, zu sehen. Zusätzlich ist unter dem Kometen eine Landschaft mit Gebäuden angedeutet. Da Saturn und Venus nach Meinung des Astrologen Virdung von Haßfurt die 'Jahres-

283 Der griechische Text lautet übersetzt etwa "Herr, halte auf, halte ab!" 284 285

Vgl. Anonym, Practica teutsch, o.O. (um 1523) (A2a). Es scheint Amors Pfeil zu sein, den die Venus hier hält; ein kleiner Amor wird ihr in anderen Darstellungen oft beigegeben. Dagegen ist ein Pfeil in Jupiters Hand ein Hinweis auf Gewitter, die er verursachen kann.

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herrscher' des Jahres 1524 sind,286 ergibt sich aus der Titelblattgestaltung der Speyerer Schrift, daß auch sie als Beitrag zum 'Katastrophenjahr' 1524 aufgefaßt wurde. Eine weitere Ausgabe erschien 1525 mit einem politisch äußerst interessanten Nachtrag. Der Drucknachweis gibt Hans Hergot in Nürnberg als Drucker an.287 Ob dieser auch der Verfasser des Nachtrags ist, kann nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Diese Version des Drucks wurde nochmals 1527 herausgegeben, 288 doch diesmal wurde, wohl aus Vorsicht, kein Drucknachweis hinzugefügt. In der vierseitigen Nachrede, die der Praktik beigefügt wurde, klagt der anonyme Autor zunächst, daß, obwohl die Vorhersagen dieser Praktik teils schon eingetroffen wären, teils sich noch bewahrheiten würden, niemand die Prophetien und die in letzter Zeit erschienenen Wunderzeichen wirklich erst nehme. Es drohe daher ein furchtbares Strafgericht Gottes. In einer politisch brisanten Gleichsetzung der ungerechten Obrigkeit mit den Türken warnt der Verfasser sodann: "... do sehen sich fur alle die / die regiren vn regirer sind über alles volck das sie nit Turcken seynd / vnd yetzundt in disem jar vertriben werden." (C1b) Wer eigentlich der Türke' sei, darüber dürfe man nicht öffentlich sprechen, aber die Praktik verkünde, daß die Türken' in zwei Jahren geschlagen würden. In kaum verhüllter Form droht der Autor der Obrigkeit, ihr könne es so ergehen wie den Türken, die letztlich durch die Hand der 'wahren' Christen fallen sollen. An eine Kometenerscheinung wird dann die Auslegung angeknüpft, die 'große Herrschaft' werde vergehen in all ihrer Pracht. In einer Auswertung der Erfahrungen aus dem jüngst niedergeschlagenen Bauernkrieg stellt der Autor sodann das Aufbegehren der Bauern als Verstoß gegen die göttliche Ordnung dar, ihre Niederlage damit als notwendige Strafe Gottes für ihren Hochmut. Dennoch schwingt Kritik an ungerechter Herrschaft mit, wenn es heißt: "... dan sie sind all jr tag in ellendt vnd in armut gesessen / Do sie es nymer leiden wolten / vn mehr sein wen sie waren / vn sich selbs grosser machen wen sie got haben wolt." (C2a)

286 Virdung, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (A3b). 287 Anonym, Eyn außzug etlicher Practica, Nürnberg 1525. Zu Hans Hergot s. Ferdinand Seibt: Johannes Hergot. Die Reformation des 'Armen Mannes'. In: Hans-Jürgen Goertz (Hg.): Radikale Reformatoren. 21 biographische Skizzen von Thomas Müntzer bis Paracelsus. München 1978, S. 84-92. Zu den Drucken aus der Offizin Hergots: Helmut Claus: Die Drucke der Offizin Hans Hergots in Nürnberg 1524 bis etwa Mai 1527. In: Hans Hergot und die Flugschrift 'Von der newen Wandlung eynes Christlichen Lebens.' Leipzig 1977, S. 133-151. 288 Anonym, Eyn Außzug etlicher Practica... o.0.1527.

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Trotz der Verurteilung der Bauern für ihre Überhebung zeichnet der Autor im folgenden ein sehr positives Bild von ihnen, die Gott besonders liebe, wie schon aus der Bibel hervorgehe. Der Bauer müsse jedoch seinen gesellschaftlichen Pflichten nachkommen und durch seiner Hände Arbeit die anderen Stände ernähren. 289 Durch den Rückgriff auf das Modell der funktionalen Dreiteilung wird der Bauer nach seiner Niederlage wieder auf seine alte Rolle eingeschworen, in seiner Pflichterfüllung jedoch gleichzeitig als Ideal aufgebaut. In diesem Zusammenhang gelingt es der Nachrede sogar, die Strafe Gottes, die die Bauern ereilt hat, als besonderes Privileg für diese darzustellen, habe Gott sie damit doch von weiterem sündhaftem Verhalten abbringen wollen. Der Verfasser ermahnt aber auch die anderen Stände zur Erfüllung ihrer Pflicht und gleichzeitig zur Beibehaltung des von Gott verordneten Platzes in der Gesellschaft: "... vnd betrachten fur hyn / das ein yeglicher bleibe bey dem / do yhn Got hat tzu geschaffen" (C2a). Zumal, wenn die Obrigkeit bei ihrem Regiment versage, werde Gott ebenso eingreifen wie bei den Bauern. Überhaupt frage sich, ob die Obrigkeit aus 'wahren' Christen gebildet werde, denn es heiße, 'liebe deine Feinde'. Diesem Gebot in den folgenden Passagen selbst zuwiderhandelnd, fährt der Autor mit heftigen Angriffen auf die Juden fort. Es gebe falsche Christen in der Stadt, die aus den Juden "Schuhes vn amptleut" (C3a) machen wollten, doch Gott selbst werde dies verhindern. Die kritisierten Verhältnisse werden dann zu Zeichen der Endzeit umgedeutet; der Verfasser ist sich sicher, daß großer Jammer bevorstehe, wie die Prophetien verkünden. Die 'wahren' Christen aber bräuchten weder Jüngstes Gericht noch Teufel zu fürchten. Unter Verwendung des Motivs vom 'Schifflein Petri' fleht der anonyme Autor Gott an, die 'wahren' Christen im Schiff des göttlichen Worts sicher zu bergen vor den Wogen des Unglaubens.290 Mit der Versicherung, die 'wahren' Gläubigen könnten sich gegen ihre Feinde mit Gottes Hilfe zur Wehr setzen, endet die Schrift in kämpferischen Wendungen. In ihr fallen vor allem die Wertschätzung des Bauern - trotz der Rechtfertigung der Niederschlagung des Bauernkriegs - sowie die pointierte Obrigkeitskritik bis hin zur Gleichsetzung mit dem eschatologischen Erzfeind auf. Jemand, der solche Ansichten äußerte, ist wohl den radikaleren Kreisen in der Reichsstadt Nürnberg zuzurechnen, wie sie etwa durch die Maler Georg Pencz, Barthel und Sebald Beham oder Hans Denck bezeichnet wurden, die in den Jahren 1524/25 289

"Wie jn dan Got gepoten hat / wir sollen fSr vnsern nechsten nott tragen / Also bawet er vnd arbeyt das gantz jar / das wir zu essen haben...". Anonym, Eyn außzug etlicher Practica ..., Nürnberg 1525 (C2a).

290

"Ich bit got / das er mich vn alle meyne Christliche brSder fSre zu seinem schifflein / das ist / sein gStlichs wort / das er dann selbs ist / auff das wir nit ersauffen / wen die grossen wellen des wassers des vnglaubens platzen daher." Anonym, Eyn außzug etlicher Practica ..., Nürnberg 1525 (C3a).

151

mit der städtischen Obrigkeit in Konflikt gerieten. 291 Bei Hergots Druck kombiniert ein schöner Titelholzschnitt ein astrologisches Motiv mit dem des Krieges zwischen Christen und Türken (Abb. P3). Diese werden genauer bestimmt, denn von links sieht der Betrachter den Kaiser in Rüstung, die Bügelkrone auf dem Haupt, auf einem Pferd heransprengen, begleitet von einem Ritterheer. Seine Lanze hat gerade einen Türken in vorderster Front getroffen; dieser stürzt über den Hals seines strauchelnden Pferdes. Ein weiterer Türke, das Fähnlein über der Schulter, wendet sich zur Flucht. Weitere Fähnlein zeigen an, daß auch seine Mitstreiter fliehen. Im Hintergrund steht ein Astrologe auf einem Hügel, in der Hand eine Sphära. Er deutet auf einen Kometen am Himmel. Außerdem ist eine Sonnenfinsternis im Sternzeichen des Skorpion zu erkennen. Sehr eindrucksvoll versteht es dieser Holzschnitt, die Vorhersage einer Endschlacht zwischen dem Kaiser und den Osmanen bildlich zu gestalten und dabei gleichzeitig festzuhalten, daß es die Berechnungen der Astrologen sind, die es erlauben, diese Schlacht zeitlich auf ein bestimmtes Jahr festzulegen. Das politische Anliegen der Nachschrift wird dagegen nicht visualisiert. Neben einer Ausgabe ohne alle spezifizierenden Angaben und mit dem oben beschriebenen, üblichen Titelholzschnitt292 und einer weiteren Auflage von 1526293 stehen drei Drucke, die durch Titelformulierung oder Bildteil besonders den Bezug der Schrift zum Türkenkrieg herausstellen. Eine von ihnen wurde von dem Zwickauer Buchführer Hans Starnberger vertrieben, 294 die anderen erlauben keine weiteren Einordnungen. Die Zwickauer Ausgabe bringt nach dem stereotypen Titelholzschnitt auf der Rückseite des Titelblatts einen türkischen Herrscher, der auf einem Pferd reitet und, einen Bogen über die Schulter geworfen, einen Szepter in der Hand trägt (Abb. P4). Ein anderer der drei genannten Drucke, 295 nur noch unvollständig erhalten, spricht schon in der Titelformulierung die Türken an, wenn er nach der üblichen Aufzählung der prophetischen Autoritäten anfügt:"... von dem letzten Türckischen kaiser / was geschlechts er sey / wie vn wo er erschlagen werden sol / vnd wirdt weren biß auff das M.D.L.XXXI. jare." Zu diesem Titel passend übernimmt der Druck den Titelholzschnitt der von Hans Hergot herausgegebenen Ausgabe mit dem Motiv der Schlacht zwischen

291 Vgl. hierzu Günter Vogler: Nürnberg 1524/25. Studien zur Geschichte der reformatorischen und sozialen Bewegung in der Reichsstadt. Berlin (Ost) 1982. 292 Anonym, Eyn auszug etlicher Practica... o.O.o J. Weller vermutet 1518. Vgl. Weiler 1091. 293 Anonym, Eyn auszug etlicher Practica ... o.O.o.D. 1526 (Weller 3729). 294 Anonym: Ain auszug etlicher Practica ... Zwickau oJ. Weller vermutet, die Schrift sei 1519 erschienen. Vgl. Weller 1161. 295 Anonym, Ein außzug etlicher Practica... o.O.o J. Weiler vermutet 1518. Vgl. Weller 1092.

152

Kaiser und Türken. Die dritte Schrift endlich296 bringt dieselbe Titelformulierung mit dem Bezug auf den türkischen Sultan, hat jedoch kein türkenspezifisches Titelbild aufzuweisen. Die drei Drucke der 'Anonymen Praktik* dokumentieren so in unterschiedlicher Intensität die aktuelle Schwerpunktsetzung bei der Herausgabe: Der Leser, beunruhigt durch die außenpolitischen Erfolge der Türken , soll die Gewißheit vermittelt bekommen, daß schließlich doch die Christenheit unter Führung des Kaisers siegreich bleiben wird. Ohne den Anspruch zu erheben, daß diese Aufstellung von 13 Ausgaben der 'Anonymen Praktik' wirklich vollständig ist, sollte dieser Exkurs Einblick bieten in die Publikation des Prophetienauszugs im Rahmen einer Öffentlichkeit, der, je nach dem gerade vorherrschenden Diskussionszusammenhang, im Medium der Prophetien Standpunkte und Meinungen vermittelt werden sollten. Erschienen die Ankündigungen der Praktik über die Verfolgung der Geistlichen, aber auch einer 'Reformation' gerade in den frühen Reformationsjahren aktuell, mochten auch 1521 die neuerwachten Kaiserhoffhungen, die sich auf Karl V. konzentrierten, eine Rolle bei der Herausgabe gespielt haben und wurden die Vorhersagen der 'Praktik' im Jahre 1525 im Umfeld radikaler Kreise in Nürnberg aktualisiert, so wird später die Türkenprophetie unterschiedlich akzentuiert aufgegriffen und gibt Anlaß zur Beruhigung der Bevölkerung, aber auch zu heftiger Kritik an der Obrigkeit. Daß die Praktik darüberhinaus als Beitrag zur Sintflutdebatte angeboten wurde, obwohl ihr Inhalt darüber keinerlei Auskunft gibt, zeigt nur um so deutlicher, wie selbstverständlich der Griff zur bekannten Prophetie in krisenhaften Situationen war, gibt aber auch nicht zuletzt Aufschluß über die Geschäftstüchtigkeit der Drukker, die darauf spekulierten, daß gerade im Rahmen der Sintflutdebatte die Herausgabe von Prophetien besonders florierte.

296 Anonym, Eyn nuwer auszug etlicher pronostication ... o.O.oJ. Nach Weller StraBburg, Johann Prüß 1518. Vgl. Weller 1093.

153

4.

WELTUNTERGANGSPROPHKITE UND ZEITGESCHEHEN DIE FLUGSCHRIFTENDEBATTE ÜBER DIE VORHERSAGE EINER SINTFLUT IM JAHRE 1524

Lichtenberger, Grünpeck und andere Astrologen1 hatten die Themen spätmittelalterlicher Prophetie aufgenommen, hatten Krisenerscheinungen in Kirche und Reich ausgemacht, in unterschiedlichen Akzentsetzungen Weltuntergangsängste geschürt oder Hoffnungen artikuliert, Rettergestalten eingesetzt oder zur moralischen Besserung aufgerufen. In spektakulärer Zuspitzung hatten die Holzschnitte zu Grünpecks 'Spiegel' die Topoi von Krise und Rettung visuell gestaltet und begreifbar gemacht. In zeitlicher Überschneidung mit diesem Strang astrologischer Prophetie, der sich nicht im Rahmen der alljährlich publizierten astrologischen Praktiken äußerte, trat im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts eine zweite Form der Krisenprophetie in den Vordergrund, die schließlich in den Jahren zwischen 1521 und 1525 den Markt astrologischer Flugschriften dominierte: die Frage, ob es aufgrund von 16 Planetenkonjunktionen im Zeichen der Fische zu einer Sintflut kommen werde, die teils in Jahrespraktiken, teils in gesonderten Stellungnahmen erörtert, eine lebhaft geführte Debatte entfesselte. Es traten jedoch neben die astrologischen auch theologische Argumentationen, gemäß des Doppelcharakters einer astrologisch terminierten, als Strafgericht Gottes empfundenen Sintflut. Diese Debatte nahm die früheren prophetischen Schriften in ihren Gedanken und Visualisierungen wieder auf, denn die Sintflutprophetie wurde mit weiteren Unglücksbotschaften und darüber hinaus mit Meinungen zu Problemen der Zeit verknüpft. Die Generalisierung von Einzelkatastrophen zu der umfassenden Bedrohung einer alles zerstörenden Sintflut machte die Auseinandersetzung international: deutschsprachige und italienische Autoren stellten zwar das Hauptkontingent der Schriften, doch auch Spanier, Portugiesen, Niederländer, Belgier und Polen

1

154

Mit ähnlichen Themen wie Lichtenberger erschien eine Schrift des italienischen Astrologen Antonius Arquatus (Torquatus) aus Ferrara, Pronostico generale e divino ... Venedig o.D. (um 1500) (Hain-Copinger 666). Sie ist Matthias Corvinus gewidmet und gibt als Entstehungsdatum 1480 an. Rohr plädiert dagegen für eine Abfassung erst um 1527. Vgl. J. Rohr: Eine Prophezeihung ex eventu aus der Zeit der Reformation. In: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland 118,2 (1896), S. 808-826 und S. 865-881; Zambelli, Fine, S. 319-321. Zur Prophetie des Arquato und anderen joachimitischen Prophetien im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts s. Giampaolo Tognetti: Note sul profetismo nel Rinasdmento e la Letteratura relativa. In: Bullettino dell'Instituto storico italiano per il Medio Evo e Archivio Muratoriano 82 (1970), S. 129-157.

steuerten ihre Meinung bei.2 In Frankreich und England verbreiteten Auszüge aus diesen Schriften die Prophetie3 und zahlreiche Übersetzungen ermöglichten den Austausch der Argumente4 über den Kreis der Lateinkundigen hinaus. 59 Autoren haben mindestens 69 Schriften im europäischen Raum veröffentlicht;5 da die meisten Schriften in mehreren Auflagen herauskamen, ist eine Gesamtzahl von mindestens 150 Drucken anzusetzen.6 19 Autoren verfaßten 27 deutschsprachige Schriften, die in mindestens 60 Drucken erschienen.7 Als Vorboten der prognostizierten Sintflut galten die außergewöhnlichen Himmelserscheinungen, die über der Stadt Wien vom 3. - 7. Januar 1520 beobachtet wurden. So verknüpfen zwei Flugschriften und ein Flugblatt die Auslegungen der Himmelserscheinung mit .der Vorhersage für 1524 und sorgten damit eben2

Vgl. die Aufstellung der Drucke, geordnet nach europäischen Ländern, bei Hellmann, Blütezeit, S. 22f.

3

Über die Sintflutprophetie in Frankreich s. Anne-Marie Lecoq: D'apres Pigghe, Nifo et Luden: le rletoriqueur Jean Thenaud et le deluge ä la cour de France. In: Zambelli, Astrologi, S. 215-237. Hellmann verzeichnet 3 anonyme Drucke, die 1521 bzw. 1522 in Frankreich erschienen. Zur Aufnahme der Prophetie in England vgl. Bernhard Capp: Astrology and the popular Press. London 1979, S. 438.

4

Zu den Übersetzungen s. Hellmann, S. 22f. und Zambelli, Fine, S. 296f.

5

Gegenüber der Aufstellung Hellmanns über europäische Drucke ergeben sich folgende Ergänzungen: mindestens fünf Schriften von Luca Gaurico, eine Schrift von Thmaud, eine weitere Schrift von Grünpeck und eine weitere von Conradus Gallianus; außerdem konnte als Verfasser einer anonymen Schrift, die Hellmann verzeichnet, Alexander Seitz ermittelt werden, von dem außerdem noch ein Traktat mit der Sintflutthematik existiert haben muß. Zu Gaurico s. Paola Zambelli: Many ends for the world. Luca Gaurico Instigator of the Debate in Italy and in Germany. In: dies., Astrologi, S. 239-263, zu Thmaud s. Lecoq, Pigghe; zu Gallianus Hieronymus, Buchillustration, S. 357, Nr. 349; zu Seitz ders.: Werke. Die zweite Schrift von Grünpeck findet sich in der Flugschriftensammlung-Gustav-Freytag, Nr. 46.

6

Hellmann ging noch von 133 aus, doch inzwischen sind immer mehr Auflagen der verschiedenen Schriften gefunden worden, so daß Zambelli sogar von 160 Drucken spricht. Vgl. Zambelli, Fine, S. 293.

7

Zu den von Hellmann genannten 17 Autoren treten Alexander Seitz sowie Conradus Gallianus als deutschsprachiger Autor hinzu (Hellmann hatte ihn unter unbekannter Nationalität eingestuft.) Vgl. Hellmann, Blütezeit S. 23. Nicht aufgefunden werden konnten zwei von deutschsprachigen Autoren verfaßte Schriften: Der Text von Lorenz Fries: Ein trostliche bewerung ... o.O.o.D. 1523, verzeichnet bei Hellmann, Blütezeit, S. 33f, der nach Auskunft der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin verschollen ist und eine weitere Schrift von Johannes Carion: Practica Deutsch o.O.o.D. (1523), verzeichnet bei Hellmann, Blütezeit, S. 28, deren Existenz nicht nachgewiesen ist. Als verschollen gilt außerdem ein Text von dem Niederländer Jasper Laet: Almanack ..., Antwerpen, van Hillen (1523), verzeichnet bei Hellmann, Blütezeit, S. 36, wobei es sich offenbar um einen Einblattkalender gehandelt hat.

155

falls für die Verbreitung der Sintflutprophetie. Sie können daher mit Recht zu den bisher genannten Drucken hinzugerechnet werden. Die eigentliche Debatte, initiiert durch die Vorhersage für das Jahr 1524 in den 'Ephemeriden' von Johannes Stöffler und Jakob Pflaum von 1499 und genährt durch die Schriften des Luca Gaurico, umfaßte den Zeitraum von 1519-1524. Zunächst nur in lateinischer Sprache geführt, gewann sie ab 1521 größere Breitenwirkung durch die Übersetzung der Schriften in die jeweiligen Volkssprachen. Im deutschsprachigen Raum erschienen so neben den lateinischen auch deutsche Ausgaben derselben Schrift; 13 Autoren publizierten nur deutschsprachige Beiträge. 8 Lediglich die Rechtfertigungsschrift des Ephemeridenautors Stöffler hat keine deutsche Ausgabe aufzuweisen. Angesichts der Fülle der Schriften erscheint es angebracht, die Untersuchung auf die Flugschriften der deutschsprachigen Autoren einzuschränken, unter zusätzlicher Berücksichtigung der im deutschsprachigen Raum erschienenen ausländischen Texte, vor allem derer, die in deutscher Ausgabe vorliegen. Eine Behandlung der zahlreichen italienischen Schriften soll außerdem schon deshalb nicht im Mittelpunkt stehen, weil diese sich - wie neuere Forschungen 9 gezeigt haben - auf akademische Weise vornehmlich mit astrologischen Fachfragen, kaum aber mit zeitspezifischen Problemen und Konflikten befassen. Auch bieten die italienischen Drucke gar keine oder nicht von den üblichen Stereotypen der astrologischen Jahrespraktiken abweichende Titelillustrationen, sind also für die Fragestellungen dieser Arbeit wenig ergiebig. Bibliographisch zuverlässig und fast vollständig ist die Flugschriftenliteratur zur Sintflutfrage durch Gustav Hellmann erschlossen worden. 10 Seine Bibliographie, die 32 Titelblätter abbildet, dient im folgenden als Grundlage. Daneben hat auch die italienische Historikerin Paola Zambelli im Rahmen eines Katalogs zur Ausstellung "Firenze e la Toscana dei Medici nell' Europa de Cinquecento", 11 die 1980 in Florenz gezeigt wurde, 53 meist deutsche und italienische Drucke mit kurzen bibliographischen und inhaltlichen Angaben versehen. Hier finden sich auch teilweise die aktuellen Fundorte der Schriften - Hellmanns Angaben sind des öfteren überholt - und 15 Abbildungen der Titelholzschnitte.

8

Vgl. Zambelli, Fine, S. 297. Zambelli führt auch Kettenbach und Wilhelm an, die hier noch nicht mitgezählt werden, da sie keine Sintflutschriften im eigentlichen Sinne verfaßten. Deshalb verzeichnet Hellmann sie auch nicht. Vgl. zu diesen Schriften S. 306f. und 360ff. dieser Arbeit.

9

Vgl. Zambelli, Fine, S. 295-298.

10

Hellmann, Blütezeit.

11

Zambelli, Astrologie. Die Sintflutschriften stellt auch Thorndike vor. Vgl. Thomdike, History, Bd. 5, S. 178-233.

156

Aufbauend auf den Forschungen Aby Warburgs und Delio Cantimoris 12 wird in der neueren Forschung die Propagandafunktion der Sintflutschriften betont und die Debatte darüberhinaus in den Rahmen der Diskussion um das Verhältnis von Volks- und Elitekultur im frühen 16. Jahrhundert gestellt. Diesen Fragen geht vor allem die italienische Forschung nach. In der Einleitung zu ihrer Bibliographie sieht Paola Zambelli die astrologischen Praktiken als Vermittlungsglied zwischen einer humanistischen Kultur und der "cultura populäre". 13 Dementsprechend sei den astrologischen Flugschriften ein wissenschaftlich-propagandistischer Doppelcharakter eigen, seien sie einerseits "uno strumento essenziale e ambivalente della polemica politica e religiosa, della diffusione di panico ο consolazione, insomma della propaganda."14 Andererseits werde in den lateinischen Schriften vor allem der italienischen Autoren die Möglichkeit astrologischer Vorhersage überhaupt sowie die Grundsätze griechischer und arabischer Astrologie diskutiert. In ihrem Aufsatz "Fine del mondo ο inizio della propaganda" vertieft Zambelli diese Gedanken. 15 In einer Problematisierung der Begriffs "letteratura astrologica populäre" 16 bezieht sich Zambelli auf Gramsci 17 und ordnet die astrologischen Schriften dessen Stufen 2 und 3 zu: sie seien von Gelehrten für das Volk geschrieben und offenbarten Ähnlichkeiten des Fühlens und Denkens der Angehörigen beider Kulturebenen, denn die artikulierten Ängste hätten Autoren wie Leser bzw. Hörer gleichermaßen geteilt. Genauere Anhaltspunkte vermag hier Ottavia Niccoli in ihrem Aufsatz "II Deluvio del 1524 fra panico collettivo e irrisione carnevalesca" zu geben, 18 indem sie die Sintflutschriften in den Bereich der Aktion stellt. Sie sieht die Sintflutdebatte 12

Zu Warburg vgl. S. 13f. der Arbeit. Grundlegend weiterhin Delio Cantimori: Note sul alcuni aspetti della propaganda religiosa nell'Europa del Cinquecento. In: Gabrielle Berthoud: Aspects de la Propaganda Religieuse. Gen ve 1957 (Travaux d'Humanisme et Renaissance 28), S. 340-351. Cantimori geht auch auf Holzschnitte als Mittel satirischer Auseinandersetzung ein.

13

Zambelli, Astrologja, S. 314.

14

Zambelli, Astrologie, S. 318."... ein essentielles und ambivalentes Instrument der politischen und religiösen Polemik, der Verbreitung von Panik oder Trost, insgesamt also der Propaganda."

15

Zambelli, Fine. Vgl. auch Paola Zambelli: Philosophie, Theologie oder Astrologie der Geschichte? In: Wissenschaftskolleg. Jahrbuch 1983/84. Berlin 1985, S. 345-356.

16

Zambelli, Fine, S. 299.

17

Antonio Gramsci: Quaderni del carcere. Hg. v. Valentino Gerratana. Bd. 1, Torino 1975, S. 679f.

18

Ottavia Niccoli: II Diluvio del 1524 fra panico collettivo e irrisione carnevalesca.In: Zambelli, Scienze, S. 369-392.

157

als einzigartige Möglichkeit, die Verbreitung des Glaubens an die Astrologie in den unteren Schichten der italienischen Bevölkerung zu untersuchen. Dabei geht sie zunächst von der Universalität der Angst vor einer Sintflut aus, stellt jedoch dann der kollektiven Panik ihre Überwindung durch die Verspottung der Astrologie in der karnevalistischen Thematisierung der Sintflutprophetie gegenüber. Dieses Verhalten sieht sie vornehmlich als volkskulturellen Beitrag zur Bearbeitung der Sintflutangst. Hier muß jedoch bedacht werden, daß Formen und Inhalte karnevalistischer Umzüge nicht nur volkskulturell geprägt waren; in ihnen machte sich z.B. auch die humanistische Verspottung der Astrologie geltend.19 Der Karneval kann als Phänomen gelten, an dem Ober- und Unterschichten gemeinsam partizipierten.20 Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung Niccolis lautet, daß die unteren Bevölkerungsschichten vor allem deshalb eine Überschwemmung fürchteten, weil sie ihnen als Strafe Gottes von franziskanischen Predigern angekündigt wurde, während die Planetenkonstellation als Auslösemoment einer Naturkatastrophe in den Hintergrund trat,21 eine Feststellung, die die Propagandaabsichten der Astrologen kritisch mit der tatsächlichen Reaktion der Bevölkerung konfrontiert. In den Zusammenhang von Volks- und Elitekultur will auch ein jüngst erschienener Aufsatzband die Sintflutdebatte stellen, doch bleibt es beim Postulat; vielmehr bietet er eine Sammlung von z.T. schon vorher publiziertem Material zum Thema. Es handelt sich um den von Paola Zambelü herausgegebenen Band "'Astrologi Hallucinati'. Stars and the End of the World in Luther's Time", der Ergebnisse des 1984 veranstalteten Internationalen Seminars des Wissenschaftskollegs zu Berlin präsentiert.22 Er versucht, der Debatte als europäischem Phänomen gerecht zu werden und spricht unterschiedliche Problemkreise an. Neben

19

Zur humanistischen Verspottung der Astrologie s. vor allem die sogenannten 'Spottpraktiken', die, unter Beibehaltung der bei den Jahrespraktiken üblichen Ginteilungen der Prophetienkapitel,

völlig unsinnige

'Prognosen' publizierten.

Die

Autorennamen

sind

Pseudonyme, etwa 'Eselberti Trinckgern', Practica Teutsch, o.O.o.D. 1527; 'Dr. Neper', Practica, o.O.o.D.oJ.; 'Schrotentreck von Bissingen', Practica, Erfurt, W. Stürmer oJ. (1522). Hg. v. Wilhelm Lücke. In: Otto Clemen (Hg.): Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation. Bd. 4. Leipzig 1911, S. 341-359. Vgl. Jacob Baechtold: Quellen zu "Aller Praktik Großmutter". In: Vierteljahresschrift für Litteraturgeschichte 3 (1890), S. 201-235, der die 'Practica'von 'Dr. Johannis Roßschwanz", o.0.o.D. 1509 abdruckt. 20

Zum Karneval s. Michael Bakhtin: Rabelais and his World. Cambridge, Mass. 1968; Bob Scribner: Reformation, Karneval und die 'verkehrte Welt'. In: Dülmen, Volkskultur, S. 117152. Aus den Beispielen, die Niccoli selbst bringt, ist im übrigen zu erkennen, daß die Teilnehmerschaft an karnevalistischen Umzügen durch alle Gesellschaftsschichten ging.

21

Niccoli, Diluvio, S. 390-392.

22

Zambelü, Astrologi. Mehrere der dort aufgenommenen Aufsätze sind Wiederabdrucke oder nur leicht geänderte Fassungen (Ludolphy, Caroti, Kurze, Steinmetz).

158

den Aufsätzen von Krzystof Pomian über die astrologische Geschichtstheorie23 und Paola Zambelli über Luca Gaurico24 wird im folgenden vor allem auf die Arbeit von Helga Robinson-Hammerstein25 Bezug genommen. Ihr Beitrag geht der in der Forschung - etwa bei Scribner26 oder jüngst bei Vogler27 - aufgestellten These nach, die Sintflutschriften hätten durch das in ihnen artikulierte Reformverlangen die Durchsetzung der reformatorischen Ideen befördert und konkretisiert den Zusammenhang von religiöser Gesinnung der Autoren und ihrer Sintflutargumentation. Sie bezieht sich dabei zunächst auf die Untersuchung Carlo Ginzburgs "Π Nicodemismo. Simulazione e dissimulazione religiosa nell'Europa del '500",28 worin Ginzburg die evangelisch inspirierte Astrologiekritik bei Otto Brunfels, Pamphilius Gengenbach und anderen beschreibt. Die von diesen Männern verfaßten Schriften bezeichnet er als Parodien bzw. 'Gegenpraktiken', da sie mit einer bewußten inhaltlichen und formalen Entgegensetzung zur normalen astrologischen Prognostik arbeiteten 2 9 Diesen Terminus greift Robinson-Hammerstein auf und zeigt, daß diese antiastrologischen und gegen die Sintflut gerichteten Publikationen analog dem lutherischen Prinzip "sola scriptura" die Bibel als einzige Autorität proklamierten und damit sowohl der Prophetienliteratur mit ihren Bezügen auf Lichtenberger, die Sybillen oder Methodius als auch der arabischen oder griechischen Naturphilosophie eine Absage erteilten. So werde gegen eine angsterregende Prophetie die beruhigende Gewißheit der göttlichen Offenbarung gesetzt. Die Flugschriften werden zum probaten Mittel "to popularise the Word and its offer of freedom from anxiety".30 Die 'katholischen' Praktiken benutzten dagegen die Bibel nur als zusätzliche Autorität. Nach Robinson-Hammerstein lag ihnen mehr an der Verbreitung von Angst, da sie mit ihrer Hilfe zu einer inneren Wende als Vorbedingung einer äußeren Reform aufrufen wollten, während die evangelischen Autoren die Bibel als einzige Grundlage innerer oder äußerer Veränderungen ansahen.

23

Krzystof Pomian: Astrology as a Naturalistic Theology of History. In: Zambelli, Astrologi, S. 29-43.

24

Zambelli, Ends.

25

Robinson-Hammerstein, Battle.

26

Scribner, Sake, S. 123f.

27

Vogler, Reformation. Vgl. dazu S. 264f. und S. 79 dieser Arbeit.

28

Carlo Ginzburg: II Nicodemismo. Simulazione e dissimulazione religiosa nell'Europa dell'SOO. Torino 1970. Zum Verhältnis von evangelischer Gesinnung und Astrologie s. John Warwick Montgomery: L'astrologie et alchimie luth nenne a 1' poque de la Reforme. In: Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuse 46. N. 4 (1966), S. 323-345. Montgomery behandelt allerdings vornehmlich den Zeitraum nach 1530.

29

Ginzburg, Nicodemismo, S. 30.

30

Robinson-Hammerstein, Battle, S. 148.

159

In der Gleichsetzung von katholischem Glauben und angsterzeugender Argumentation bzw. evangelischem Glauben und beschwichtigenden Intentionen kommt Robinson-Hammerstein zu einem Ergebnis, das dem Paola Zambellis in ihrem Aufsatz "Fine del Mondo ..." genau entgegengesetzt ist. Nach der Kommentierung des Argumentationsgangs deutschsprachiger Sintflutschriften unter sozialhistorischem Blickwinkel generalisiert diese: "E grosso modo possibile indicare una prevalenza di pronostici consolatori fra gli scrittori che restano fedeli al papato e al contrario una inclinazione apocalittica fra quelli filo-luterani."31 In einer späteren Veröffentlichung erweitert Zambelli die Einteilung der religiösen Überzeugungen der Autoren um eine dritte Position und nennt die "dem Kaiser und dem Papsttum loyal gesonnene", die der "magisteriellen Evangelischen" und die der "radikalen Reformatoren". 32 Die Hypothesen zur Verknüpfung von Sintflutargumentation und religiöser Überzeugung, die Auffächerung der Autorpositionen in drei mögliche Grundhaltungen sowie Robinson-Hammersteins Charakterisierung der evangelischen Praktiken bedürfen einer kritischen Überprüfung. Hierfür soll ein größeres Spektrum der Überzeugungen und Wertungen der Verfasser ermittelt werden: neben den religiösen Anschauungen auch deren Haltung zu Kaiser und Reich, zu außenpolitischen und wirtschaftlichen Fragen sowie zu gesellschaftlichen Konfliktherden, vor allem der Konfrontation zwischen 'gemeinem Mann* und Obrigkeit. Zusätzlich sollen Hinweise auf Lebensgang und soziales Umfeld der Autoren dazu dienen, die Mentalität und die soziale Interessenlage der Debattierenden zu umreißen. Ziel ist es, ein differenzierteres Bild der Meinungen und Intentionen der Flugschriftenautoren zu entwerfen und einer vorschnellen Schematisierung zu entgehen. Nur ein möglichst vollständiges Panorama über die Debatte im deutschsprachigen Raum, das nicht nur die spektakulären Schriften in sich aufnimmt, sondern nuancenreicher ausfällt, kann zu befriedigenden Ergebnissen führen, etwa im Hinblick auf die Frage, inwieweit die Sintflutpublikationen die Verbreitung der reformatorischen Gedanken gefördert haben. Bei der gesamten Untersuchung wird die gleichrangige Analyse von Textund Bildteil und die Thematisierung ihres Verhältnisses zueinander angestrebt. Darauf aufbauend soll der Frage nachgegangen werden, wie diese in der Sintflutdebatte geäußerten Ansichten sich innerhalb der frühneuzeitlichen Öffentlichkeit artikulierten und wie sie zum Meinungsbildungsprozeß der frühen 20er Jahre des 16. Jahrhunderts beitrugen. Bei alledem wollen die so gewonnenen

31

Zambelli, Fine, S. 300. "Es ist im großen und ganzen möglich, eine Bevorzugung der tröstlichen Prognostiken durch diejenigen, die weiter dem Papst anhingen, zu bemerken und im Gegensatz dazu einen Hang zur Apokalypse bei den Lutheranern.''

32

Zambelli, Philosophie, S. 349.

160

Resultate auch als Beitrag zur Klärung der Vermittlerfunktion der astrologischen Flugschrift zwischen Volks- und Elitekultur verstanden werden, worauf im Schlußkapitel dieser Arbeit auf der Grundlage der gesamten Untersuchungsergebnisse eingegangen werden wird. 4.1. DIE SINTFLUIPROPHETBE BIS 1519 Der erste greifbare Hinweis auf eine drastische Unglücksprophetie für 1524 als dem Jahr der 16 Planetenkonjunktionen in den Fischen findet sich in den 'Ephemeriden' von Johannes Stöffler und Jakob Pflaum. 33 Stöfflers Vorhersage bildet den Ausgangspunkt der Sintflutdebatte, deshalb sei sie hier vollständig zitiert. "Hoc anno nec solis nec lune eclipsim conspicabimur. Sed presenti anno errantiü sidety habitudines miratu dignissime accident. In mense ein Februaruio 20 coniunctiones cü minime mediocres tum magne accident, quarum 16 signum aqueum possidebüt. que vniuerso fere orbi climatib^ regnis provinciis statibus dignitatibus brutis beluis marinis cunctisip terre nascentibus indubitatä mutationem variatione ac alteratione significabunt, talem profecto qualem a pluribus seculis ab historiographis aut natu maiorib^ vix percepimus. Leuate igitur viri christianissimi capita vestra."(J 1a) Stöffler sieht also allumfassende und unerhörte Veränderungen kommen, spricht jedoch nicht von einer Sintflut, was in der Forschung des öfteren übersehen wird.34 Die beunruhigende Prognose, die durch die Art ihrer Veröffentlichung einen wissenschaftlichen Charakter bekam, kommt nicht von einem 'Winkelastrologen', sondern von einem wegen seiner Kenntnisse und Fertigkeiten hochgeschätzten Mann. Johannes Stöffler 35 wurde am 10.12.1452 in Justingen bei Blaubeuren geboren. Er stammte aus einer ehemals begüterten, zu seiner Zeit aber verarmten Adelsfamilie. An der Universität Ingolstadt, die er seit 1472 besuchte, erlangte er den Magister artium. Zum Besitz seiner Familie gehörte das Patronat über die Pfarrei in Justingen, die Stöffler übernahm. Seine mathematisch-astronomischen 33

Stöffler, Ephemeriden, Ulm 1499. Das Exemplar der Bayerischen StB München ist zwar unvollständig (vgl. Quellenverzeichnis im Anhang), doch ist die Vorhersage für 1524 erhalten geblieben. Zu den italienischen Ausgaben s. Thorndike, History, Bd. 5, S. 181.

34

Auch in dem Artikel über Stöffler von Karl Hartfelder in der ADB, Bd. 36, S. 317f wird diese Falschinformation gegeben.

35

Außer dem Artikel in der ADB s. Moll, Stöffler; s.a. Stöfflers Porträt bei Moll, Stöffler, S.l; Wilhelm Maurer: Der junge Melanchthon. 2 Bde. Göttingen 1967. Bd. 1. Der Humanist, S. 129-143; Johann Haller: Die Anfänge der Universität Tübingen 1477-1537. Bd. 1. Stuttgart 1927.

161

Kenntnisse machten ihn bald zum bekannten Mann; für Reuchlin stellte er eine Nativität, Kontakte ergaben sich auch zu Scriptoris und Pellikan. Für den Bischof von Worms, Johann von Dalberg, fertigte Stöffler einen Himmelsglobus. 1496 konstruierte Stöffler eine Uhr für das Konstanzer Münster. 1507 suchte ihn sogar Kaiser Maximilian I. auf. Auf Wunsch Herzog Ulrichs von Württemberg übernahm der Astronom 1511, schon 59 Jahre alt, die Mathematikprofessur an der Universität Tübingen. Durch die Vertreibung Herzog Ulrichs 1519 geriet Stöffler in finanzielle Bedrängnis, denn die vom Herzog garantierte Pension blieb zu Beginn der zwanziger Jahre aus. So war Stöffler zwar ab 1522 Rektor der Tübinger Universität, mußte aber als inzwischen 75jähriger Mann "in abgang seiner lybsnarung"36 in Bitten an Erzherzog Ferdinand auf die Regelung seiner finanziellen Ansprüche dringen. 1531 ist Stöffler in Blaubeuren an der Pest gestorben. Er ist sein Leben lang Katholik geblieben. Zu seinen Schülern gehörte nebeij Schöner und Sebastian Münster auch Philipp Melanchthon. Stöffler hat mehrere astronomische Werke und Kommentare verfaßt; ein 'Calendarium Magnum Romanorum' zeigt seine erfolgreiche Arbeit an einer Kalenderreform an. 37 Zunächst wurde angenommen, daß erst verhältnismäßig spät - nämlich 1519 mit den Publikationen von Agostino Nifo und Albertus Pigghe eine schriftliche Reaktion auf Stöfflers Vorhersage erfolgte. Unklar blieb dann jedoch, wie es zu der Auslegung der allgemeinen Formulierungen Stöfflers in Form einer Sintflutprophetie gekommen war. Von der Angst vor einer künftigen Sintflut und Panikreaktionen der Bevölkerung berichten nämlich sowohl Pigghe als auch Nifo, die Prophetie war also um 1519 bereits weithin bekannt geworden - aber nicht nur durch mündliche Verbreitung, wie Hellmann vermutete. 38 Paola Zambelli brachte mehr Licht in die Vorgeschichte der eigentlichen Sintflutdebatte: Es existieren anonyme Drucke einer Vorhersage für das Jahr 1524, die dem bekannten italienischen Astrologen Luca Gaurico zugesprochen werden können. 39

36 37

Moll, Stöffler, S. 66. Alle Bittschriften sind abgedruckt bei Moll, Stöffler, S. 58-66. Von Stöffler existieren eine Anweisung zur Fertigung eines Astrolabiums: Johannes Stöffler: Elucidatio. Oppenheim, Köbel 1513 (Zinner 991) sowie Johannes Stöffler: Tabulae astronomicae. Tübingen, Anshelm 1514 (Zinner 1015). Zur Kalenderreform veröffentlichte er das 'Calendarium magnum Romanum'. Oppenheim, Köbel 1515 (Zinner 1041). Auf Stöfflers Beitrag zur Sintflutfrage wird später eingegangen. Vgl. S. 250f. dieser Arbeit. Nur handschriftlich und in Teilen erhalten ist ein Kommentar zu den geographischen Werken des Ptolemäus. Vgl. Moll, Stöffler, S. 45-48. Sebastian Münster verwendete Stöfflers kosmographische Studien. Vgl. Moll, Stöffler, S. 26.

38

Vgl. Hellmann, Blütezeit, S.U.

39

Vgl. Zambelli, Ends.

162

Gauricos Leben trägt abenteuerliche Züge.40 Geboren in Giffoni (Salerno), studierte er in Ferrara, Venedig und Rom und lehrte an den Universitäten von Bologna und Ferrara. Mit seinen astrologischen Aktivitäten des öfteren in politische Intrigen verstrickt, die ihn sogar ins Gefängnis brachten,41 war er doch ein angesehener Astrologe und geschätzter Ratgeber, so daß er unter Papst Clemens VII. zum Sekretär und unter Papst Paul ΙΠ. - der sein besonderer Gönner war - sogar zum Bischof von Civita (Apulien) aufsteigen konnte. Seine zahlreichen Reisen führten ihn 1531 nach Berlin zu Kurfürst Joachim I. und 1532 nach Wittenberg. Hier erfuhr er vor allem durch Melanchthon große Wertschätzung, obwohl bekannt war, daß er Luthers Nativität durch erfundene Geburtsdaten so verändert hatte, daß ein ungünstiges Licht auf den Charakter des Reformators geworfen wurde.42 Gaurico konkretisierte die Stöfflersche Unglücksprophetie für 1524 zur Vorhersage einer Sintflut als Bestandteil einer apokalyptischen Szenerie. Zuerst 1501, 1507 und 1512 sowie wahrscheinlich 1522 veröffentlichte Gaurico seine warnenden Perspektiven. Eine 'Pronostication' für 1502 bringt Verse mit einer Sintflutvorhersage.43 1507 erschien eine 'Pronostication' für 1507-1535, die Papst Julius II. gewidmet ist und das gleiche Thema anschneidet.44 Schließlich wiederholte Gaurico 1522 seine Vorhersage 4 5 bestritt aber in einer Prognostik für 1524 seine Autorschaft für die genannten Schriften.46 Verbreitet war vor allem eine 'Prognostication' für 1503-1535, die in zwei Drucken, von Silvan Otmar ohne Datum in Augsburg und von Pamphilius Gengenbach 1522 in Basel hergestellt, vorliegt.47 Zusätzlich zu den von Zambelli genannten 40

Über Gauricos Biographie s. Zambelli, Ends, S. 243f; Ferdinande Gabotto: Alcuni appunti per la Cronologia della Vita dell'Astrologo Luca Gaurico. In: Archivio storico per le province napolitane 17 (1892), S. 278-298; Knappich, Geschichte, S. 226.

41

Knappich erwähnt Auseinandersetzungen mit dem Regenten von Bologna, Bentivoglio, wegen einer Prognose, in der der Astrologe dem Regenten rät, sich mit Papst Julius II. zu vergleichen. Die päpstlichen Truppen eroberten Bologna 1506, in dem Jahr, aus dem Gauricos Prognose stammt. Vgl. Knappich, Geschichte, S. 226.

42

Vgl. dazu Warburg, Weissagung, S. 240-242. Zum Berliner Aufenthalt Gauricos s. Georg Schuster, Friedrich Wagner: Die Jugend und Erziehung der Kurfürsten von Brandenburg und Könige von Preußen. Bd. 1. Berlin 1906 (Monumenta Germanise Paedagogicae 34), S. 496.

43

Luca Gaurico: Prognosticon anm 1502. Venedig, B. Venetum de Vitahbus 1501. Vgl. Liste der Drucke Zambelli, Astrologi, S. 292.

44

Luca Gaurico: Prognosticon 1507-1530. Bononiae o.D. 1507 (BSB München 4° Astr. P. 529/21).

45

Die Schrift ist nicht erhalten, doch gibt Tizio in seiner 'Historiae senensis' ihren Inhalt wieder. Vgl. Zambelli, Ends, S. 261-263.

46

Luca Gaurico: Judicio. Venedig o.D. 1524. Vgl. Zambelli, Astrologi, S. 292.

47

Luca Gaurico: Prognosticon 1503-1535. Augsburg, S. Otmar o J . Vgl. Zambelli, Ends, S. 244. Gaurico, Prognosticon 1503-1535, Basel 1522. Zit. im Text hiernach.

163

Drucken findet sich ein 'Prognosticon' für 1513-1535, das 1512 in Mantua datiert wurde. 48 Auch wenn die Prognostik für 1503-1535 wahrscheinlich nicht vor den 20er Jahren im deutschsprachigen Raum gedruckt wurde, sollen ihre Kernpunkte schon hier dargelegt werden, denn sie kommen in einer anderen 1512 erschienenen Schrift vor, die nicht mehr erhalten, aber nachweislich von deutschen Astrologen rezipiert worden ist. Sie lauten: "Diluuium multis magnum minitatur aquarü Sepe locis, piceosnp immixta grandine nimbos Fulguraip& varijs horrenda tonitrua terris, ..."(A2b) In den Marginalien zu dieser Textstelle heißt es: "cataclysm^ Terre momotus anno. 1524. Caumata anno. 1516. 1517. 1518. Epidimia, an. 1516. 1518. 1519." (A2b). Auch Stöfflers und Pflaums Vorhersage ("Celeberrimi Germanorü astrologi")(A3b) wiederholt Gaurico. Er läßt es bei einer Sintflut nicht bewenden; Blitz, Donner und Brände begleiten sie, Erdbeben und Krankheiten gehen ihr voran, auch Hungersnot. 49 Ein Komet wird 1516 und 1517 Schaden für die Herrschenden bringen. Danach wird ein Pseudoprophet auftreten, verkündet Gauricus ganz in der Tradition Lichtenbergers. "... certum est venturum Oriente prophetä Maxima cui toto fient miracula mundo, Cui cunctf gentes, cui totus seruiet orbis, Quiipnouas leges statuet, qui cunda refringet..." (A1b/A2a) Die Charakterisierung des Pseudopropheten entspricht der des Antichristen, und wirklich nennt Gaurico in einer anderen Schrift ihn statt des Pseudopropheten. 50 Viele Wunder wird er vollbringen, so daß ihm eine große Anzahl Anhänger zufallen wird, neue Gesetze wird er schaffen. In einem "Apollinei Vatis Oracvlvm" (A3a) führt Gaurico diesen Gedanken fort. Der Pseudoprophet wird von 1530 bis 1533 große Veränderungen herbeiführen. Für 1535 sieht der Astrologe eine 'Reformation' der Kirche, danach dann das Goldene Zeitalter anbrechen, in dem ein gesegneter Papst und ein göttlicher Kaiser die Geschicke der Menschen leiten werden. Bevor aber die Reformen verwirklicht werden, müssen viele Menschen an Hunger, Krieg oder Pest sterben, so daß nur ein Drittel der Menschheit überleben wird. 51 48

Gaurico, Prognosticon 1513-1535, (Basel) oJ.

49

Gaurico, Prognosticon 1503-1535, Basel 1522 (A2a).

50

"Credo voglia dire di Antichristo...". Zit. nach Zambelli, Ends. S. 247.

51

"Siquidem tunc sacrosancta ecclesia reformabit & gtas aurea passim per multos vigebit annos, sub quodam pontifice beatiss. & diuo Casare clementiss. & anteqi talis reformatio fiet, interim maior pars hominü morietur fame, gladio, peste, ac timendum eritipix media aut tertia pars hominü toci 9 orbis superuiuet tüc tjjis." Gaurico, Prognosticon, Basel 1522 (A3a).

164

Gaurico formuliert so die grundlegenden Topoi einer Sintflutvorhersage, kombiniert mit apokalyptischen Vorstellungen und Reformhoffnungen. Der Antichrist als Akteur im Endzeitgeschehen wird Veränderungen in Religion und Gesetzen bringen, doch dieser Wandel ist das Werk eines Verführers, ist ein Zeichen einer gottlosen Verirrung. Ihm steht die positiv gesehene 'Reformation' der Kirche als Einleitung des Goldenen Zeitalters gegenüber. Der Dreischritt der mittelalterlichen Prophetie ist erfüllt: krisenhafte Gegenwart, Verschärfung der Krise bis zur Apokalypse, Erlösung, all dies bezogen auf die unmittelbare Zukunft. 52 Gaurico erweitert mit diesen Elementen die astrologisch motivierte Vorhersage Stöfflers, die nur von Veränderungen gesprochen hatte. Er setzt die Tradition Lichtenbergers fort, indem er statt dessen Rekurs auf die Große Konjunktion von 1484 als Versatzstück die Planetenkonjunktionen von 1524 verwendet und dadurch die Prophetie aktualisiert. Ansonsten aber sind die Vorhersagen von größter Allgemeinheit; es entsteht ein Repertoire von Schablonen, das mit unterschiedlichsten Intentionen ganz oder partiell eingesetzt werden kann. Das Angebot wird dadurch erhöht, daß Gaurico in einer Synthese der Vorstellungen vom joachimitischen 'Engelspapst' und von einem 'Endkaiser' Kirche und Reich im paradiesischen Endzustand zusammenwirken sieht. Die Bedrohlichkeit der Prophetie wird durch ein Element drastisch gesteigert: durch die Ankündigung einer künftigen Sintflut, die die Debatte entzünden wird. Bereits um 1512 findet der erste Schlagabtausch im deutschsprachigen Raum statt, denn zu diesem Zeitpunkt erschien eine Sintflutprophetie, die dem Reichstag zu Trier zuging und mit "Lucas Magni Regis Persarum Philosophus et Medicus"53 signiert war. Vermutlich war ihr Verfasser Luca Gaurico. Zwei Invektiven gegen die Katastrophenprophetie erschienen bald darauf, die eine vom Ephemeridenautor Stöffler, der darin die Gelegenheit ergriff, sich gegen die Inanspruchnahme seiner Prognosen für die haarsträubende Vorhersage einer totalen Überschwemmung der Erde zur Wehr zu setzen. Wir erfahren dies aus einer anderen Schrift von ihm, der 'Expurgatio', 54 denn seine Invektive ist ebensowenig wie die Prophetie des 'Lucas' erhalten. Erhalten aber ist die zweite Gegenschrift, die, bereits 1512 veröffentlicht, von dem bekannten Astrologen Johann Virdung

Über das Goldene Zeitalter nach dem Erscheinen des Antichristen s. Robert E. Lerner: Refreshment of the Saints: The Time after Antichrist as a Station for earthly Progress in Medieval Thought. In: Traditio 32 (1976), S. 97-144. 52 53

Zum Entwicklungsgedanken in der Prophetie s. Art. 'Propheten'. In: RGG, Bd. 5, Sp. 627633. Virdung v. Haßfurt, Invectiva, lat., Heidelberg 1512 (Ala). Die Prophetie konnte allerdings nicht aufgefunden werden, nur Virdungs Invektive zeugt von ihrer Existenz.

54

Stöffler, Expurgatio, Tübingen (1523) (Blb/2a).

165

von Haßfurt stammt, dem Hofastrologen Pfalzgraf Ludwigs V. Aus seiner Ίηvectiva'55 läßt sich der Inhalt der verlorenen Prophetie des 'Lucas' erschließen. In die Lebensumstände und Schriften Virdungs hat Max Steinmetz Licht gebracht.56 Virdung stammte aus Haßfurt in Unterfranken. 1484-1487 studierte er in Krakau, die dortige Universität war eines der Zentren der astrologischen Lehre. Nach Leipzig, wo er schon 1481 an der Universität eingeschrieben war, kehrte Virdung nach seinem Krakauer Aufenthalt zurück, promovierte auch dort zum Magister artium. Ab 1492 findet sich seine Spur in Heidelberg. Die Verbindung, die Virdungs soziales Umfeld entscheidend bestimmen sollte, war die zum kurpfälzischen Hof. Den jungen Kurprinzen Ludwig hatte er an den französischen Hof begleitet, ihm, der 1509 Kurfürst wurde, sind fast alle nachfolgenden Schriften Virdungs gewidmet. Mit dem Humanisten und Erzieher Ludwigs, Adam Wernher von Themar 57 und dem Drucker Jakob Köbel 58 war Virdung befreundet. Für seine Verdienste als fürstlicher Ratgeber bekam er 1520 die Heidelberger Hofapotheke zugesprochen; bis zu seinem Tode 1538 war der Sterndeuter auch als Apotheker tätig. Virdung gehörte sicherlich zu den angesehensten und einflußreichsten Astrologen seiner Zeit, was sein Wirken an verschiedenen Fürstenhöfen in Nordeuropa anzeigt. Aufschlußreich ist das kaiserliche Druckprivileg, das sich zu Beginn einer Praktik für 1523 findet. Bei Strafe von zehn Mark Gold verbot Kaiser Karl V., Virdungs Schriften innerhalb von sechs Jahren nach ihrem Erscheinen nachzudrucken, und dies wird Virdung gewährt in Ansehimg "seiner dienste / so er weilent dem Allerdurchleuchtigsten Keiser Maximilian vnserm heben herrn vnd Anherrn ... vnd vns vnnd dem Reich offts williglich gethon / vn hinfür wul thü mag." (A1b) Schon frühe Handschriften zeigen Virdungs Interesse an Astrologie und Magie, aber auch seine kritische Auseinandersetzung mit der 'astrologia judiciaria', der

55

Virdung v. Haßfurt, Invectiva, lat., Heidelberg 1512 und Virdung v. Haßfurt, Invectiva, dtsch., Heidelberg (1512).

56

Steinmetz, Virdung v. Haßfurt.

57

Wilhelm Dersch: Der Heidelberger Humanist A. Wernher von Themar und seine Beziehungen zu seiner hennebergischen Heimat. In: Neue Beiträge zur Geschichte des deutschen Altertums 27 (1916), S. 23-50.

58

F.W.E. Roth: Die Buchdruckerei des Jakob Köbel zu Oppenheim und ihre Erzeugnisse 1503-1532. In: Beiheft zum Centraiblatt für Bibliothekswesen 1. H. 4 (1889), S. 1-35; Josef Benzing: Jakob Köbel zu Oppenheim 1494-1533. Bibliographie seiner Drucke und Schriften. Wiesbaden 1962; ders.: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Wiesbaden 1982 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen), S. 375f.

166

Praxis genauester Vorhersage aufgrund astrologischer Daten. 59 Die wissenschaftliche Astrologie verteidigt Virdung, doch der Vorhersage müsse die göttliche Vorsehung Grenzen setzen. Offenbar war der Astrologe der Ansicht, sich dieser Maxime gemäß zu verhalten, wenn er ab 1487 jährlich Prognostiken herausgab und sich auch mit der Auslegung außergewöhnlicher Himmelserscheinungen beschäftigte.60 Wie Stöffler bemühte er sich um eine Kalenderreform. 1514 erstellte er im Auftrag der Universität Heidelberg ein Kalendergutachten für Papst Leo X.61 Unter seinen Schriften ist weiterhin das Horoskop für Franz von Sickingen bekannt geworden, das dieser vor seinem Zug gegen Trier bei Virdung einholte.62 Hier zeigte sich Virdung als "Meister politisch bestimmter Astrologie"63 indem er Sickingen vor übereilten Taten warnte. 1530 hat Virdung zusätzlich den Doktortitel der Medizin erworben und veröffentlichte ab dann auch medizinische Schriften.64 Wie Stöffler ist Virdung ein altgläubiger Mann geblieben, worüber u.a. seine Schriften zur Sintflutdebatte Aufschluß geben. In seiner Invective spricht Virdung dem Autor 'Lucas' jeglichen astrologischen Sachverstand ab, gibt aber dessen Prognose für das Jahr 1512 wieder, um sie widerlegen zu können. 'Lucas' habe behauptet, 1512 werde eine Sonnen- und Mondfinsternis sowie eine Planetenkonjunktion eine 'Sintflut', Sturm und Erdbeben mit Schaden für Menschen und Gebäude bringen, weswegen er anrate, sich in Höhlen im Gebirge mit Proviant für 30 Tage zurückzuziehen.65 Allerlei Gefahren, Morde, Kriege mit den Sarazenen und Krankheiten werden angekündigt,66 ebenso Veränderungen der Herrschaft. Ein charakteristisches Element der Vorhersage erwähnt Virdung, nämlich die Behauptung, daß diejenigen, die alle Schrecken überlebten, die Güter der Mächtigen erhalten würden.67 Virdung widerspricht diesen Ankündigungen ganz massiv, seine Gegenargu-

59 60

S. dazu North, 'Astrologie', Sp. 1141. Zu Virdungs Handschriften s. Thorndike, History, S. 366. Nach der Bibliographie Zinners sind mindestens 80 Drucke der Schriften Virdungs erhalten.

61

Vgl. Alexander Birkenmajer: Formula. In: Isis 19. H. 2 (1933), S. 364-378.

62

Das Horoskop ist wiedergegeben in Spalatins Nachlaß. Vgl. Spalatin, Friedrich der Weise, S. 188-191.

63

Steinmetz, Virdung von Haßfurt, S. 364.

64

Das Hauptwerk trägt den Titel 'Nova medicinae methodus'. Ettlingen o.D. 1532. S. dazu Lynn Thorndike: Johann Virdung von Hassfurt again. In: Isis 25. H. 2 (1936), S. 363-371.

65

Vgl. Virdung v. Haßfurt, Invectiva, dtsch., Heidelberg (1512) (A4a). Die Schrift wurde nicht mit Signaturen versehen.

66

Vgl. Virdung v. Haßfurt, Invectiva, dtsch., Heidelberg (1512) (B2a/b).

67

Virdung zitiert Gaurico: "...die menschen werden sterben, die reich werde geteylt vnd nach disen winde vn sintfluß wenig mesche bleibe vnd die lebendig bleiben werden besitze der mechtigen gutter." Virdung v. Haßfurt, Invectiva, dtsch., Heidelberg (1512) (B2b).

167

mente sind teils astrologischer, teils theologischer Natur, weisen also jenen Doppelcharakter auf, der die künftige Debatte so grundlegend prägen wird. Das Hauptargument Virdungs stützt sich auf die biblische Verheißung des Friedensbundes zwischen Gott und den Menschen: der Regenbogen, von Gott als Zeichen des Friedens zwischen ihm und den Menschen nach der Sintflut ausgewiesen, garantiere dafür, daß die Menschheit nie wieder durch eine Sintflut vernichtet werden würde. 68 Diese Erwiderung wird ergänzt durch das astrologische Argument, daß durch die Gestirnskonstellationen niemals eine totale, sondern nur eine partielle Überschwemmung angezeigt werden könnte, da die Planeten nicht auf alle Teile der Erde gleich wirkten. Folgerichtig begrenzt Virdung daher mögliche Überschwemmungen auf einzelne, entfernte Landstriche. 69 Beide Argumente bilden den Kern jeder Gegenrede gegen die These von einer künftigen Sintflut. Die Prophetie des 'Lucas' erschien mit politischen Intentionen, wie ihr gezielter Einsatz auf dem Reichstag zu Trier nahelegt. Auch Virdung hat dies gesehen, wenn er befürchtet, die Schrift werde nicht nur die ungebildete Bevölkerung beunruhigen, sondern wolle Maximilian I. und den Reichstag unter Druck setzen; 70 ein Hinweis auf die politische Brisanz der Katastrophenprophetie, was ebenso für die frühen 20er Jahre gilt. Der schriftliche Nachweis der Sintflutprognose bricht hier zunächst ab. Erst sieben Jahre später erscheint ein Zeugnis, das die Sintflutvorhersage wieder aufgreift. Am 18. März 1519 verfaßte Albertus Pighius (Pigghe) 71 aus Kampen in Holland, der zu diesem Zeitpunkt in Paris lebte, eine Streitschrift gegen die verbreiteten Jahrespraktiken, vor allem die seines Landsmanns Jasper Laet. Ein Teil dieser Schrift, die Pighius dem anerkannten italienischen Astronomen Agostino Nifo widmet, 72 befaßt sich auch mit der Sintflutprophetie, doch ist dies 68

Vgl. 1 Mose 9,8-17.

69

Virdung nennt als betroffene Landstriche Türkei, Afrika, Armenien, Griechenland. Vgl. Virdung v. Haßfurt, Invectiva, dtsch., Heidelberg (1512) (A3b).

70

Virdung schreibt:"... doch acht ich er hab dise ding durch seinn vngelert dSrlich verstentinis selbst erdach vff das er etwas neuwes vngehorts Lechterlichs mocht streyen in den grossenn vnuberwintlichen mechtigisten vnnserm gnedigstenn Heren keyser Maximilian» vnd in die gantzen samelung der kurfurste des Reychs vnd der andern herre vnd edelen die itzundt ... zu Trier seyn ...". Virdung v. Haßfurt, Invectiva, dtsch., Heidelberg (1512) (Alb). Zu Pigghe und seiner Schrift s. Thoradike, History, S. 182f. und Hellmann, Blütezeit, S. 13f. Thorndike belegt, daß Pigghes Schrift vor der Nifos herauskam.

71 72

168

"... ad Augustinum Nyphum Suessanum philosophorum nostrae aetatis principem at Astrologiae syncerioris restauratorum." Albertus Pigghe: Adversus prognosticatorum vulgus ... Paris, H. Stephani, 1518. Zit. nach Thorndike, History, S. 184. Pigghe spielt in der Widmung auf Nifos Kommentar zu Ptolemäus an. Augostino Nifo: Apotelesmata ... Neapel, de Richiis, 1513.

nicht das zentrale Anliegen, das vielmehr in der Verteidigung der ptolemäischen Astrologie mit ihrer Eklipsentheorie73 gegen die arabische Konjunktionenlehre zu suchen ist. In diesem Rahmen wird die Stichhaltigkeit der Sintflutvorhersage erörtert. Pighius kritisiert Laets Vorgehen vor allem deswegen, weil dieser aufgrund einer Berechnung der großen Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn das genaue Datum der biblischen Sintflut errechnen zu können glaubte. Pighius wendet ein, daß man ein genaues Datum ebenso wenig ermitteln könne wie exakte Prognosen zum Wetter, zu den Ernteaussichten oder zu dem Schicksal einzelner Landstriche oder Städte.74 Er greift so die judiziarische Astrologie an und in diesem Zusammenhang die Sintflutprognose, aufgrund derer die Ungebildeten bereits völlig verstört seien und sich von nützlichen Geschäften abbringen ließen 7 5 Er zitiert Stöfflers Vorhersage und nennt die Argumente, die eine Sintflut unwahrscheinlich machen. Als Anhänger der Eklipsentheorie leugnet er die überragende Bedeutung der Großen Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn, die die 'Sintflutbefürworter' voraussetzen, aber auch die Behauptung, die Konjunktionen würden eine additive Wirkung zeigen, hält er für falsch und weist darauf hin, daß die unterschiedlichen Eigenschaften der Planeten sich gegenseitig relativieren müssen.76 Allerdings werden zwei Mondfinsternisse im Jahre 1523 die Planetenwirkung insgesamt verstärken, meint er. Auch den Regenbogen als Versprechen Gottes erwähnt Pighius,77 wie dies Virdung schon getan hatte, und betont, daß eine göttliche Strafe, die der sündigen Menschheit drohe, nicht aus natürlichen Ursachen begründet werden müsse, da sie direkt dem Willen Gottes entspringe. Seine Kritik an Jahrespraktiken hindert Pighius jedoch nicht, selbst im längsten Teil seiner Schrift eine Prognose für das Jahr 1519 abzugeben, die vor allem auf der Sonnenfinsternis im Juni 1518 basiert. Offenbar hält er also allgemeiner gehaltene Vorhersagen aus dem Gestirnsstand durchaus für zulässig. Pighius' Überlegungen geben den Anstoß zu der mit der höchsten Zahl der Ausgaben überlieferten Schrift zur Sintflutfrage, dem Traktat 'De falsa deluvii prognosticatione' des Hofastrologen Leos X., Agostino Nifo (Niphus), der, am 24. Dezember 1519 zuerst veröffentlicht und Karl V. gewidmet, nun das Sintflutthema zum Hauptgegenstand wählt.78 73

Zur Eklipsentheorie des Ptolemäus s. Thorndike, History, S. 185f.

74

Thorndike, History, S. 190f.

75

Thorndike, History, S. 193.

76

Thorndike, History, S. 191.

77

Hierauf weist Hellmann hin. Hellmann, Blütezeit, S. 14.

78

Agostino Nifo, De falsa diluvii prognosticatione ... Neapel o.D. (1519). Hellmann, Blütezeit, S. 40, Niphus Nr. 2. Zu Nifo s. Edward P. Mahoney: Art. 'Nifo'. In: Charles C. Gillispie

169

Agostino Nifo wurde um 1470 in Sessa Aurunca geboren und war zunächst Schüler in Neapel, dann in Padua Student der Medizin und der freien Künste. Bis 1499 lehrte Nifo selbst in Padua und kehrte dann nach Süditalien zurück. Er Schloß sich dem humanistischen Zirkel um Giovanni Pontano an und gab selbst humanistische Traktate heraus. An den Universitäten von Neapel und Salerno lehrte er Philosophie und Medizin, bis er 1514 auf Einladung Papst Leos X. nach Rom kam, um dort Vorlesungen zu halten. 1520 wurde er geadelt. Zwischen 1519 und 1522 konnte die Universität von Pisa den inzwischen bekannten Gelehrten zu ihren Professoren zählen. Dann zog es Nifo nach Salerno zurück, wo er trotz aller Angebote aus Pisa und Rom bis 1535 lehrte. Besonders bekannte Werke Nifos sind seine Kommentare zur Philosophie des Aristoteles, für die er z.T. auf griechische Urtexte zurückging. Daneben befaßte er sich aber auch intensiv mit der arabischen Naturphilosophie, vor allem der des Averroes und schrieb medizinische Kommentare.79 Wie Pighius ergreift Nifo die Gelegenheit, anhand der Sintflutprognose die griechische Astrologie vor der arabischen zu favorisieren. Sein Traktat, das in einer in Augsburg von Sigismund Grimm und Markus Wirsung herausgegebenen Ausgabe80 28 Blatt umfaßt, ist von scholastischen Argumentationsformen geprägt. So bringt Nifo im ersten Buch Argumente für eine Sintflut, widerlegt sie im folgenden Buch und schreitet im dritten zu einer eigenen Vorhersage. In der Einleitung zitiert Nifo die Vorhersage Stöfflers und fährt fort: "per ora uulgi diuulgata est futuri diluuij psagitio, quae uniuersum orbem adeo perterruit (ut multis) immo excellentibus uiris, donee annus ille abierit, uita infausta sit. Vnde fir, ut quidam magnos montes scandere decreuerint. Alij archas uel naues conficere, Alij alias machinas, ut e täto diluuio liberentur." (A2b) Nifos Beobachtungen zufolge sind inzwischen weite Teile der Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt wegen der Vorhersage für 1524 und wollen sich dem Verhängnis durch Flucht auf hohe Berge und den Bau von Schiffen oder Archen entziehen. Während er sonst immer betont, daß der Glaube an eine künftige Sintflut die "opinio wlgaris" (A3a) sei, wird an der genannten Äußerung deutlich, daß nicht nur die Ungebildeten in Panik wegen der bedrohlichen Prognose geraten waren. Die Vorhersage ist inzwischen in aller Munde, was Nifo dazu veranlaßt, durch ausführliche Widerlegung aller Argumente für eine Sintflut beruhigend auf die erregten Gemüter einwirken zu wollen.

(Hg.): Dictionary of Scientific Biography. 16 Bde. New York 1981. Bd. 10, S. 122-124. Außerdem Cantimori, Note, S. 340-343. 79

Zu den Schriften Nifos s. Mahoney, Nifo, S. 123.

80

Nifo, De falsa diluvii prognostication... Augsburg 1520. Diese Ausgabe hatte keinen Titelholzschnitt aufzuweisen. Im Text zitiert hiernach.

170

Zunächst aber listet er die Argumente für eine Sintflut auf: die Häufung der Konjunktionen, die Bedeutung der Großen Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn, die Mondfinsternisse 1523, die Tatsache, daß die Konjunktionen im wässrigen Zeichen der Fische stattfinden, schließlich die Sündhaftigkeit der Menschen, die Gott durchaus veranlassen könnte, eine neue Sintflut zu senden. 81 Zum letzten Punkt fügt Nifo eine Kritik an den zeitgenössischen Verhältnissen an, der er im Verlauf seines Traktats nicht widerspricht: "Adsunt em Principü importung tyrannides, scelestissimae gubernatiöes, ducü ac imperatiü ire. Adsunt indomiti impetus ... tumultus, seditiöes, tü ciuiles, tü bellicae, ac militares, aiorü imteperatissimi mot^, raping, opprobria cötumelif, casdes, furta, mortes ex gladio." (B1b) Einen ganzen Katalog von Gewalttaten führt Nifo als Signum seiner Zeit an, dazu Raub und Betrug sowie tyrannische Herrscher. All dies scheint ihn fast selbst davon zu überzeugen, daß ein Strafgericht Gottes drohen könnte, denn die Sünden der Menschen seien im Vergleich mit den Zeiten Noahs eher noch schwerer geworden. Doch er sammelt Argumente gegen eine Sintflut, allen voran die unterschiedlichen Eigenschaften der Planeten ins Feld führend. 82 So werde der Planet Mars durch seine heiße und trockene Wirkung die wässrigen Aspekte abschwächen. Sodann bestreitet Nifo die zentrale Bedeutung der Konjunktionentheorie wie Pighius, auch setzt er die Bedeutung der Tierkreiszeichen niedriger an. Die Große Konjunktion werde eher mäßigenden Einfluß ausüben, da Jupiter über Saturn herrsche. 83 Als theologisches Gegenargument erscheint zuallererst der Regenbogen. 84 Außerdem versucht Nifo nachzuweisen, daß eine allgemeine Sintflut gar nicht aus natürlichen Ursachen möglich ist, denn es gebe z.B. auf Erden große Wüstengebiete, die nicht überschwemmt werden könnten 8 5 Die letzten beiden Einwände hatte schon Virdung in seiner 'Invectiva' geäußert. Nifo beeilt sich jedoch zu betonen, daß Gottes Wille durchaus eine universale Sintflut verursachen könne, 86 er will sich nicht dem Zweifel an der biblischen Geschichte schuldig machen. Nifos eigene Vorhersage für 1524 geht schließlich von einer "prouinciale diluuio" (Clb) aus, einer partiellen Flut hauptsächlich aufgrund der Mondfinsternisse 1523. In diesem Zusammenhang weist er völlig zurecht darauf hin, daß Stöffler in seiner Vorhersage nur allgemein von Veränderungen, nicht aber von einer

81

Vgl. Nifo, De falsa diluvii prognosticatione, Augsburg 1520 (A3a-Blb).

82

Vgl. Nifo, De falsa diluvii prognosticatione, Augsburg 1520 (B2a).

83

Vgl. Nifo, De falsa diluvii prognosticatione, Augsburg 1520 (B2b).

84

Vgl. Nifo, De falsa diluvii prognosticatione, Augsburg 1520 (B4b/Cla).

85

Vgl. Nifo, De falsa diluvii prognosticatione, Augsburg 1520 (Clb/C2a).

86

Vgl. Nifo, De falsa diluvii prognosticatione, Augsburg 1520 (Cla).

171

Sintflut gesprochen hatte. 87 Nifo vergleicht die kommende Überschwemmung mit denen zu anderen Zeiten und sagt Wind und Gewitter voraus. Trotz aller Beschwichtigungsversuche bleibt die Prophetie daher recht alarmierend, vor allem für die Landstriche, die Nifo als die von der Überschwemmung besonders Betroffenen kennzeichnet. Wirkt auch die Nennung von "Lyia, Cilicia, Pamphilia, Phazania, Nasomonia" und "Garamantia" (G2a) als Regenzonen wenig beunruhigend; bedrohlicher sind schon die Angaben, auch Italien, vor allem Apulien und Sizilien sowie Frankreich hätten mit gefährlichen Unwettern zu rechnen.88 Nifos Vorhersagen schließen jedoch keine Prognosen über soziale Geschicke ein, diese erwähnt er nur einmal in der schon zitierten Zeitklage. Die Beschränkung auf die astrologisch-philosophische Argumentation unterscheidet Nifos Schrift von den nachfolgenden deutschen Texten; seine Gegenargumente gegen eine Sintflut jedoch haben paradigmatischen Einfluß auf die künftige Debatte im deutschsprachigen Raum, wenn auch sein Traktat nicht ins Deutsche übersetzt wurde. 4.2. DIE SCHRIFTEN ZUR LICHTERSCHEINUNG ÜBER WIEN IM JANUAR 1520 Im Dezember 1520 erschien in Augsburg die lateinische Ausgabe der Schrift Nifos.89 Spätestens damit wurden dessen umfangreiche Argumentationen zur Sintflutfrage der lateinkundigen Öffentlichkeit im Reich bekannt. Zusätzlich dokumentiert eine weitere Gruppe von Flugschriften und Flugblättern, die alle 1520 erschienen, die frühe Allgegenwart der Sintflutprophetie auch im deutschsprachigen Raum: die Beschreibungen und Auslegungen der Lichterscheinung, die vom 3. bis 7. Januar 1520 über der Stadt Wien von mehreren tausend Menschen - wie betont wird90 - beobachtet wurden. Es handelte sich wohl um Halo-Effekte, 91 die nicht nur als interessantes Naturschauspiel wahrgenom-

87

Nifo schreibt: "Sunt q. uerba auctoris Ephemeridis interptan?, asseretes, nö de diluuio, sed de alteratiöe, ac uniuersali rerü mutatioe esse intelligeda." Nifo, De falsa diluvii prognosticatione, Augsburg 1520 (F2a).

88

Vgl. Nifo, De falsa diluvii prognosticatione, Augsburg 1520 (G2a).

89

Zambelli gibt fälschlich Wien als Druckort an. Vgl. Zambeüi, Fine, S. 308. Die Angabe lautet "Augustae Vindelicorum", es handelt sich also eindeutig um Augsburg. Vgl. Benzing, Buchdrucker, S. 8.

90

So betont Pamphilius Gengenbach zu Beginn seines Flugblattextes: "Als mä zalt. M.CCCCC. vnd XX. in de Monat des Jenners sind dise wunderzeichen z8 Wien yn Osterich alle nacheynander am hymel gesehe worde ... / vnd habents allwegen ettlich tausent menschen gesehen." Gengenbach, König Karl, (Basel 1520).

91

So bezeichnet die Himmelserscheinung ein anderer der Autoren, die eine Schrift zu den Wiener 'Zeichen' veröffentlichten. Vgl. Virdung v. Haßfurt, Auslegung, Oppenheim (1520)

172

men, sondern auch als Mahnung Gottes an die sündhafte Menschheit verstanden wurden und daher die Gemüter zutiefst beunruhigten. In den Holzschnitten der Schriften finden sie eine phantasievolle Abbildung: eine Kirche mit einer brennenden Fackel, Regenbogenerscheinungen, flammende Sonnen, konzentrische Kreise oder Kreuze in Sonne und Mond - all das will man gesehen haben.92 Damit werden auch bildliche Darstellungen bedeutsam, während die bisher vorgestellten Schriften außer Randleisten keine Holzschnitte aufzuweisen hatten. Gedeutet wurden die 'Himmelszeichen' als Vorboten des für 1524 angekündigten Unglücks und gaben Anlaß zu kommentierenden Stellungnahmen zum Zeitgeschehen. Mit einem Flugblatt meldete sich der in Basel tätige Dichter und Drucker Pamphilius Gengenbach93 zu Wort. Hier wie auch in seinen anderen Schriften klagt er die Mißbräuche seiner Zeit an und ruft zur sittlich-moralischen Besserung der Gesellschaft auf. Gengenbach, der um 1480 geboren wurde, besuchte keine Uni(B2a). Bibliographisch erfaßt sind die Schriften zur Wiener Lichterscheinung bei Gustav Hellmann: Die Meteorologie in den deutschen Flugblättern und Flugschriften des 16. Jahrhunderts. Berlin 1921 (Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Physikalisch-Mathematische Klasse 1). Zusätzlich zu den bei Hellmann aufgeführten fanden sich: Pseudonym 'Liebgehabter Ritter', Auslegung, (Augsburg) 1520 und ein Flugblatt, Anonym, Erscheinungen, o.O.o.D.oJ. (1520) (Fragment). Den Text gibt wieder J.L. de Bouck: Zwei alte Lieder in niederdeutscher Mundart, nach einem älteren Abdruck. In: Serapeum 15 (1854), S. 217-218. Bouck gibt an, daß es mehrere Drucke von diesem Flugblatt gegeben haben muß. Ein weiteres Flugblatt mit den Wiener 'Zeichen' nennt Denis. Vgl. Denis Nr. 345. 92

In kleinen Holzschnitten sind diese Erscheinungen bei Gengenbach abgebildet und mit erklärenden Unterschriften versehen. Der Holzschnitt mit der Kirche und der brennenden Fackel wurde auch bei dem Druck Gengenbachs 'Planctus ruine ecclesie' Basel oJ. verwendet. Vgl. Emil Weiler: Pamphilius Gengenbach. In: Serapeum 19 (1858), S. 298-302 und S. 316-320, S. 299f. Graphiken zu den Lichterscheinungen und erklärende Unterschriften zeigt auch das Flugblattfragment, vgl. Bouck, Lieder, S. 217f.

93

Gengenbach, König Karl, (Basel 1520). Zur Entstehung des Flugblatts s. Hans Koegler: Das Mönchskalb vor Papst Hadrian und das Wiener Prognostikon. Zwei wiedergefundene Flugblätter aus der Presse des Pamphilius Gengenbach. In: Zeitschrift für Bücherfreunde 11 (1907/08), S. 411-416. Obwohl in der vorliegenden Arbeit sonst keine Flugblätter analysiert werden, wurde auf Gengenbachs Blatt zurückgegriffen, da eine möglichst vollständige Präsentation der Schriften zur Wiener Lichterscheinung angestrebt wird. Biographisches zu Pamphilius Gengenbach bringen Karl Bartsch: Art. 'Gengenbach'. In: ADB, Bd. 8, S. 567f.; Heinrich Grimm: Art. 'Gengenbach'. In: NDB, Bd. 6, S. 187f.; Rudolf Raillard: Pamphilius Gengenbach und die Reformation. Diss. Phil. Zürich 1936; Jakob Baechtold: Geschichte der deutschen Literatur in der Schweiz. Frauenfeld 1892, S. 68-73 und S. 273-282; Karl Lendi: Der Dichter Pamphilius Gengenbach. Beiträge zu seinem Leben und seinen Werken. Berlin 1926.

173

versität, verfügte aber dennoch über eine breitere Bildung, wie seine Fastnachtsspiele, Gedichte und Lieder zeigen.94 Zunächst arbeitete er als Drucker in der Offizin des Anton Koberger in Nürnberg, 95 später wurde er in Basel tätig. Dort heiratete er 1509 Anna Renkin und konnte 1511 das Basier Bürgerrecht erwerben. Die Basler Kriminalakten sprechen von zahlreichen Händeln und Schuldklagen, in die Gengenbach verwickelt war.96 1522 mußte er gar, nach Entlassung aus dem Gefängnis, Urfehde schwören. Die Begründung seiner Verhaftung ist aufschlußreich: "Darum si gefangen gelegen, daß si uf der kürsener hus ob der obenürten manigerlei lichtfertige Wort getrieben, des keisers oder bobstes, ouch des künigs von Franckrich halb."97 Gespottet hatte er also über hohe Würdenträger und wurde dafür zur Verantwortung gezogen. Schon Ende 1524 oder Anfang 1525 ist Gengenbach gestorben. Sein Denken war durch die spätmittelalterlichen Prophetien stark geprägt; sein Fastnachtsspiel 'Der Nollhart' basiert ganz auf ihnen 9 8 Auch astrologische Kenntnisse hat er besessen, doch seine Haltung gegenüber der weissagenden Astrologie wandelte sich im Laufe seines Lebens - ein Prozeß, dessen Hintergründe in dieser Arbeit noch darzustellen sein werden. Gengenbachs Verhältnis zur Reformation wird in der Forschung kontrovers behandelt. Vor allem in der älteren Forschung wurde Gengenbach von Lendi und zunächst Singer entweder als Fastnachtsspieldichter mit altgläubiger Haltung oder von Götze als strenggläubiger Lutheraner gesehen. 99 Gegen Götze haben Raillard und König folgende Einwände erhoben: Gengenbach habe die Angriffe auf den katholischen Klerus abgelehnt, 100 die Marienverehrung weiterhin beibehalten und sei auch nach 1520 noch Mitglied der Bruderschaft der Schildknechte geblieben. 101 Die Anhänger des neuen Glaubens habe er wegen ihres allzu selbstgefälligen Ver-

94

Vgl. Pamphilius Gengenbach: Werke. Hg.v. Karl Goedecke. Neudruck der Ausgabe Hannover 1856. Amsterdam 1966. Hier sind allerdings Gengenbachs Praktiken nicht enthalten.

95

Dies geht aus einem Brief Anton Kobergers an Johannes Amerbach in Basel hervor. Vgl. Baechtold, Geschichte, S. 68.

96

Über die verschiedenen Klagen s. Baechtold, Geschichte, S. 68f.

97

Baechtold, Geschichte, S. 69.

98

Vgl. Gengenbach, Werke, S. 77-116. Kommentar S. 460-501; S. 605-614.

99

Vgl. Lendi, Dichter; S. Singer: Die Werke des Pamphilius Gengenbach. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 45 (1901), S. 153-177. Vgl. dazu die Erwiderung von Hans König: Zu Gengenbach. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 43 (1911), S. 457465; Alfred Goetze: Die hochdeutschen Drucker der Reformationszeit. Straßburg 1905.

100

Vgl. Raillard, Pamphilius Gengenbach, S. 47-53.

101

Vgl. König, Gengenbach, S. 459f.

174

haltens kritisiert. 102 Aufgrund von stilkritischen Analysen hat sich jedoch ergeben, daß Gengenbach der Verfasser einiger anonym in seiner Offizin erschienenen Schriften war, die von einer eindeutig reformatorischen Gesinnung zeugen. 103 Mag auch Gengenbach kein kritikloser Anhänger der Reformation gewesen sein, so ist ein Engagement in ihrem Sinne schon aus den beiden Schriften abzulesen, die Gegenstand dieser Untersuchung sind: die 'Christliche und wahre Praktika' 104 und das schon erwähnte Flugblatt. Hierin erteilt Gengenbach "küng karle" 105 politische Ratschläge und will darüberhinaus alle Menschen ermahnen, die Himmelszeichen ernst zu nehmen. Er sieht in ihnen Hinweise darauf, wie Kaiser Karl V. regieren solle in einer Zeit, in der jeder Stand gegen den anderen kämpfe. Durch die anschließende Erwähnung der Bibelstelle Ezechiel 9, die von der Heimsuchung Jerusalems berichtet, 106 bringt Gengenbach die 'Zeichen' am Wiener Himmel mit dem Strafgericht Gottes über eine abtrünnige Stadt in Verbindung und macht Karl V. zum Wahrer des rechten Glaubens, der die Strafe verhindern kann, wenn er die himmlischen Warnungen ernst nimmt. Seine Verpflichtung erwächst ihm aus seiner Position als höchste weltliche Autorität. 107 Die Frage des Glaubens liegt Gengenbach besonders am Herzen: Karl V. solle dafür sorgen, "Das nit sant Peters schyff versinck, Und auch der gloub so fast nit hinck. Werd nit betrogen der gmein man, Luterus ist uff rechter ban, Dem soltu frölich hangen an."108 Zur Rettung des Glaubens verlangt Gengenbach vom Kaiser eine klare Parteinahme für Luther, aber auch ein Engagement für den 'gemeinen Mann', wobei der Autor offenbar eine Verbindung zwischen Luthers Anliegen und den Forderungen des 'gemeinen Mannes' sieht. Der zweite Teil des Textes erwähnt Him-

102 Vgl. Raillard, Pamphilius Gengenbach, S. 92f. und König, Gengenbach, S. 460f. 103

Zuschreibung der Werke 'Die Totenfresser' durch Goedecke, dem 'Evangelisch Burger' und dem 'Gesprech' durch König. Vgl. Gengenbach, Werke, S. 153-159. Kommentar S. 515; S. 619-626. König, Gengenbach.

104

(Gengenbach), Practica, (Basel 1523). Sie wird aufgrund ihrer Ausführungen zur 'Gouchmatt', als deren Autor sich der Verfasser der Practica zu erkennen gibt, eindeutig Gengenbach zuzuschreiben sein. Vgl. zu dieser Schrift S. 302-305 der vorliegenden Arbeit.

105

Gengenbach, König Karl, (Basel 1520).

106

Der entsprechende Vers Ez. 9,1 lautet: "Und er schrie mir laut in die Ohren: 'Das Strafgericht über die Stadt ist nahe. Jeder soll sein Werkzeug zum Zertrümmern in die Hand nehmen'."

107

"Keim fürsten herren vbersich ...". Gengenbach, König Karl, (Basel 1520) (Sp. links).

108

Gengenbach, König Karl, (Basel 1520) (Sp. links).

175

melserscheinungen, die 1514 über Urach in Württemberg gesehen wurden 109 und hält einige historische Ereignisse desselben und der nachfolgenden Jahre für die Erfüllung der durch die 'Zeichen' verkündeten Unglückbotschaft. Im einzelnen nennt Gengenbach hier Mord und Totschlag in Württemberg, also die Erhebung des 'Armen Konrad', die Schlacht bei Marignano 1515, Teuerung, das Sterben dreier Könige 110 und Überschwemmungen, verursacht durch den Stand der Sonne im Wassermann. So wie sich die Uracher 'Zeichen' bewahrheitet haben, so werden auch die Vorhersagen für die kommende Zeit zutreffen - dies suggeriert Gengenbachs Rückgriff. 1524 werde es zu starken Regenfällen kommen, prophezeit Gengenbach; auch werde für das "Bürisch Volck"111 Krieg und Krankheit angezeigt. Die neben der Kirche brennende Fackel - eines der abgebildeten Himmelszeichen (Abb. S 1) - wird ihm zum zentralen Zeichen der Reformation der Kirche, ja, zum endzeitlichen Motiv. 112 Die Fackel brenne jetzt im 'gemeinen Mann': Er ist für die Reformation entflammt, die als Fortsetzung der Bestrebungen des Johannes Hus gesehen wird. So werde sich eine alte Prophetie erfüllen, meint Gengenbach, sich auf die 'Pronosticatio' Lichtenbergers beziehend, in der die Formel von der im gemeinen Volke brennenden Fackel ebenfalls verwendet wird. 113 Gefahren für den Klerus und auch Papst Leo X. werde die "reformatz"114 mit sich bringen, Gewaltakte seien nicht auszuschließen. Die gewaltsame Durchsetzung einer Reformation durch den 'gemeinen Mann' befürwortet Gengenbach aber keineswegs, denn er betont: "Doch diese sach allein zu got Und jetz an künig Karle stot."115 Auf Karl V. richtet der Autor alle Reformhoffnungen, ihn sieht er als Beauftragten Gottes wirken, durch seine gerechte Herrschaft werde er über drei Reiche regieren. Weder der Papst noch das feindliche Frankreich, das Gengenbach

109

Es sollen drei Kegel von einem Mond ausgegangen sein und zwei Monde mit 'Knöpfen' und einem Kreuz mit Regenbogen gesehen worden sein. Vgl. dazu Virdung v. Haßfurt, Auslegung, o.O. (1515). Virdung warnt hier insbesondere die 'Großmächtigen' in Württemberg vor einem Aufruhr des 'gemeinen Manns', hiermit auf den Aufstand des 'Armen Konrad' reagierend. Vgl. Virdung v. Haßfurt, Auslegung, o.O. (1515) (A4b).

110

Hier sind wohl Maximilian I. (Tod 1519), Ludwig XII. (Tod 1515) und vielleicht Philipp der Schöne (Tod 1506) gemeint.

111

Gengenbach, König Karl, (Basel 1520) (Sp. rechts).

112

"Die kilch betracht auch wol das end / Ir fackel hat sich angezündt / Im gemeinen man sie gantzjetzbrint." Gengenbach, König Karl, (Basel 1520) (Sp. rechts).

113

Vgl. hierzu S. 75 dieser Arbeit.

114

Gengenbach, König Karl, (Basel 1520) (Sp. rechts).

115

Gengenbach, König Karl, (Basel 1520) (Sp. rechts).

176

der 'Hoffart' bezichtigt, können dem Triumph Karls V. entgegenstehen.116 Ihm werden 1520 - noch vor dem Reichstag zu Worms - die nötigen Reformen bis hin zur Unterstützung Luthers zugetraut. Karl V., dessen Porträt einer der Holzschnitte des Flugblatts (Abb. S 2) zeigt,117 wird zum aktuellen Erfüller der Kaiserprophetie mit ihren weitreichenden Hoffnungen für das Reich. Die Rolle des 'gemeinen Mannes' bleibt ambivalent. Zwar soll ihm Gerechtigkeit widerfahren, doch birgt sein flammender Glaubenseifer die unberechenbare Gefahr des Umsturzes. Der Hinweis auf den 'Armen Konrad' ist so durchaus als Warnung zu verstehen. Gengenbachs 'Prognostikon' ist das Dokument einer Zeitempfindung, in der das Drängen auf Reformation, die Furcht vor Aufständen des 'gemeinen Mannes', vage Vorstellungen von künftigen Gefahren und Kaiserhoffnung, endzeitlich überhöht, zusammenfließen. Der Verfasser sieht sich als mahnenden Propheten, der die 'Zeichen der Zeit' erkennt und sie dem unachtsamen Zeitgenossen in ihrer zeitbezogenen Bedeutung zu erklären sucht. Ein energischer, hoffnungsvoller Grundton durchzieht diesen Text, der zeigt, daß an Gengenbachs Eintreten für die Reformation zu diesem Zeitpunkt kein Zweifel bestehen kann. Wenn er weiterhin Mitglied einer Bruderschaft war oder die Marienverehrung nicht ablehnte, so sind dies wohl eher Übergangsphänomene einer Lebensphase der religiösen Umorientierung. Eine sehr umfangreiche Schrift zur Lichterscheinung über Wien hat Virdung von Haßfurt verfaßt; sie bezeichnet Hellmann als "ersten Grundriß der meteorologischen Optik".118 Die Schrift Virdungs verfolgt eher wissenschaftliche Zielsetzungen, im Gegensatz zu Gengenbachs tagespolitischem Flugblatt. Gleichwohl äußert Virdung Interpretationen des Zeitgeschehens. Zunächst jedoch kennzeichnet er, hier der Lehre des Aristoteles folgend,119 die Lichterscheinungen

116 Eine weitere Schrift Gengenbachs, das 'Lied vom Carolo', Basel, Gengenbach o J . (1519) ist ebenfalls ein Zeugnis für die großen Hoffnungen, die Gengenbach auf den Römischen König setzte. Dort heißt es: "Darbi will ichs Ion bliben / got geb im wisheit und kraft / uf daß er mög vertriben / die ganze heidenschaft / und mach ein ander regiment / in der ganzen christenheite / dann sie sind gar verblent!" Zit. nach Liliencron, Volkslieder Bd 2. Nr. 311, S. 235. Zur Liedpublizistik allgemein s. Rolf-Wilhelm Brednich: Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15.-17. Jahrhunderts. Bd. 1. Baden-Baden 1974. 117 Der Holzschnitt wurde auch schon beim 'Lied vom Carolo' verwendet. Vgl. Koegler, Mönchskalb, S. 415. 118 Hellmann, Meteorologie, S. 35. Virdung v. Haßfurt, Auslegung, Oppenheim (1520). 119 Vgl. hierzu Fritz Krafft über die astronomischen Schriften des Aristoteles und Volker Honemann über deren Rezeption im Mittelalter, beides im Art. 'Aristoteles' im Lexikon des Mittelalters, Bd. 1,1980, Sp. 934 - 948, Sp. 942 bzw. Sp. 946.

177

als natürliche Phänomene und erklärt ihr Zustandekommen. 120 Wenn sie jedoch auch nicht als Wunder anzusehen sind, so offenbaren sie dennoch den Willen Gottes, zeigen das irdische Geschick an. Im meteorologischen Bereich deuten sie nach Virdungs Ansicht auf viel Feuchtigkeit und Regen, Wind, Gewitter und Erdbeben. Darüberhinaus kündeten sie von "grosse zweytracht / Vffrur / vnd vngehort ding", (B3a) von Teuerung, Pest und Blutvergießen. 121 Wie Zwietracht und Aufruhr aussehen könnten, konkretisiert Virdung am Beispiel der Himmelserscheinungen über Urach 1514 und ihrer angenommenen Folgen: "... volget darnach grosse vffrure ym land / da ward auffgeworffe der Arm contz / streübt sich die gemein wider yren herren Hertzog Ulrichen / der auffs lest auß dem lande weich von wegen den Bündischen die sich wider yn legten / sein land vertierte vnd eyn namen vnd vnder sich teilte." (C3a) Virdung erwähnt wie Gengenbach den 'Armen Konrad', was zeigt, daß sich diese Aufstandsbewegung, obwohl sie nicht planmäßig vorbereitet wurde wie etwa der Bundschuh und bald blutig niedergeschlagen wurde, sich doch tief bei den Zeitgenossen eingeprägt hatte. 122 Die Aktion der Bauern wird von Virdung eher neutral benannt und gilt ihm als Beispiel des Aufruhrs, während die Vertreibung des Herzogs Ulrich von Württemberg durch den Schwäbischen Bund nach dem Überfall des Herzogs auf die Reichsstadt Reutlingen die Zwietracht unter den Herrschenden bezeichnet. Den Klerus aber warnt Virdung: "Hüte sich auch die geistliche vn regirer der kirche / dz sie nit gestrafft werden von got durch widerwertige ding." (C3b) Diese Formulierung läßt Kritik am Klerus erkennen, denn daß der Schaden, der den Geistlichen droht, als Strafe Gottes bezeichnet wird, impliziert, daß sie sich Verfehlungen schuldig gemacht haben. Tröstlicher nimmt sich da lediglich eine Alternativbedeutung der drei Sonnen mit dem Regenbogen - eine der Lichterscheinungen - aus: Sie könnte eine friedliche Verbindung Karls V. mit anderen Fürsten oder Königen anzeigen. 123 Wie auch bei Gengenbach klingt hier die Hoffnung an, Karl V. werde die Verhältnisse bessern, in diesem Falle, Frieden schaffen können, indem er es versteht, die Loyalität der Fürsten an sich zu binden. So spricht Virdung zentrale Kon120

Virdung v. Haßfurt, Auslegung, Oppenheim (1520) (B2a/b).

121

Virdung v. Haßfurt, Auslegung, Oppenheim (1520) (C3b).

122

Vgl. dazu Willy Andreas: Deutschland vor der Reformation. Eine Zeitenwende. Stuttgart, Berlin 19596, S. 490-494. Günther Franz: Der deutsche Bauernkrieg. Darmstadt 1977 11 , S. 19-29. Heinrich Ohler: Der Aufstand des armen Konrad im Jahr 1514. In: Württembergische Vierteljahresschrift für Landesgeschichte 38 (1932), S. 401-486.

123

178

Virdung v. Haßfurt, Auslegung, Oppenheim (1520) (C2b).

flikte an, die seine Zeit bestimmten; die Reformation wird jedoch noch nicht erwähnt. Einen Zusammenhang zur Prophetie für das Jahr 1524 sieht Virdung selbst gegeben: "Ich förcht doch warlich / das die gesyecht seyn als vorbotten diesser ding / die durch das gestirn des M.CCCCC.XXIILJ. Jars betzeigt werde / welchs nach lare der Astronomi viel boß von kriegen / sterben vnnd gewesser zeigen ist..." (E4a) Virdung hatte zwar die Vorhersage Gauricos bestritten, doch geht auch er von künftigen Gefahren aus, für die die Wiener 'Zeichen' zu Vorboten werden. Sie können den besorgten Astrologen nur darin bestätigen, daß die Zukunft noch manche Schrecken bringen wird, wenn sie auch nicht das Weltende anzeigen können, da dies nach biblischer Aussage durch Feuer herbeigeführt werde. 124 Die Schrift Virdungs ist mit ungewöhnlich vielen - nämlich 36 - Holzschnitten versehen. Die meisten beziehen sich auf die Wiener Lichteffekte oder einzelne Kometenformen, die Virdung in ihrer Entstehung beschreibt und ausdeutet. Auch auf dem Titelblatt und seiner Rückseite befinden sich Holzschnitte. Der Titelholzschnitt (Abb. S 3) ist geteilt und zeigt links drei mit Kopfbedeckungen und Mänteln bekleidete Männer unter dem Sternbild des Skorpion; sie deuten zum Himmel empor bzw. auf einander, so als tauschten sie sich über das Gesehene aus. Zu ihren Füßen befindet sich ein Tier, vielleicht ein Hund. Rechts erscheint eine Stadtansicht, ein Komet am Himmel sowie eine ihn erregt betrachtende Menschengruppe. Der Holzschnitt auf der Rückseite des Titelblatts (Abb. S 4) bringt einen klareren Bezug zur Wiener Erscheinung, denn sie ist teilweise abgebildet: drei Sonnen, mit einem Regenbogen verbunden und ein mit konzentrischen Kreisen umgebener Mond. Zwischen Sonne und Mond fällt Feuer vom Himmel, ein Detail, das durch die textlichen Beschreibungen nicht abgedeckt wird. Die Erscheinungen werden wieder von einer Menschengruppe von vier Personen in großer Erregung beobachtet, wie die gestikulierenden Armbewegungen zeigen. Ein älterer, vornehm gekleideter Mann tritt auf einen bärtigen, mit kurzem Rock bekleideten Mann mit geöffneten Armen zu, der Bärtige trägt ein Schwert und weist auf den Himmel. Eine Auseinandersetzung über die Himmelserscheinungen ist hier angedeutet. Die Holzschnitte stellen so die Sensation dar, die die Halo-Effekte bzw. Kometen hervorgerufen haben. Mit den aufgeregten Menschen, die sich über die 'Zeichen' wundern oder sie fürchten, kann sich der Leser der Schrift oder Betrachter des Holzschnitts identifizieren, wie sie wünscht er Aufschluß über ihre Bedeutung zu erlangen. Die verschiedenartige Kleidung der dargestellten Personen erhöht das Identifikationsangebot. Bleibt als interessant zu erwähnen, daß das hier herangezogene Ex-

124 Virdung v. Haßfurt, Auslegung, Oppenheim (1520) (B4b).

179

emplar der Schrift mit zahlreichen Anmerkungen von alter Hand versehen ist; das Traktat scheint schon damals einen eifrigen Leser gefunden zu haben. Neben diesen Schriften und Einblattdrucken erschien ein Text mit Auslegungen der Halo-Effekte unter dem Pseudonym des "liebgehabten Ritters", 125 der keinen Hinweis auf die Sintflutprophetie enthält. Wenn er hier trotzdem kurz charakterisiert werden soll, so deshalb, weil er ein hervorragendes Beispiel für die Aktualisierung mittelalterlicher Prophetien darstellt und sich somit in die Reihe der Schriften einordnen läßt, die im vorausgegangenen Kapitel analysiert wurden. Auch dieser Text stellt die Person Karl V. in den Mittelpunkt seiner Zukunftsvisionen und entwickelt ein Panorama apokalyptisch gesteigerter, außenpolitischer Bedrohungen für das Reich. Die Feindschaft gegenüber Frankreich wird ganz im Sinne einer propagandistisch gewendeten Kaiserprophetie stilisiert, die reichspolitischen Hoffnungen bis zur Eroberung Jerusalems, 126 ja, der Weltherrschaft werden auf die Person Karls V. projiziert. In ausgesprochen aggressivem Ton droht der anonyme Autor allen Feinden des Reichs furchtbare Strafen an: Juden und Türken sollen vernichtet, 1531 sogar der Antichrist bekämpft werden. 127 Auch die Geistlichkeit werde gestraft werden, meint der Autor, der Leo X. explizit zur Buße ermähnt. 128 Sodann erfolgt eine Warnung vor einem falschen Propheten aus dem Norden, 129 was durchaus als Wendung gegen Luther verstanden werden kann, denn es fällt auch das Schlagwort von der "behemisch ketzerey" (A2a), der Luther bezichtigt wurde. Schließlich werden ein Engelspapst joachimitischer Prägung und der mytisch überhöhte Karl V. die Gesetze erneuern und eine neue religiöse Einheit schaffen, wofür der Autor eine ebenfalls joachimitische Wendung benutzt: 130 "Durch solche gschicht der schaff hirt sol Sein stall ramen der sünden vol

125

Pseud. 'Liebgehabter Ritter', Auslegung, (Augsburg) 1520. Der Autor erwähnt eine weitere eigene Schrift, die vier Jahre zuvor, also etwa um 1516 entstanden sei. Als Entstehungsort gibt er die "hohen schul sant Johanes ... drey meyl von Basell" an. (B4a) Es könnte sich um das Kloster St. Johann in Erlach vor Basel handeln.

126

Vgl. Pseud. 'Liebgehabter Ritter', Auslegung, (Augsburg) 1520 (Bla).

127

Vgl. Pseud. 'Liebgehabter Ritter', Auslegung, (Augsburg) 1520 (B2b).

128

Vgl. Pseud. 'Liebgehabter Ritter', Auslegung, (Augsburg) 1520 (A3a).

129

Vgl. Pseud. 'Liebgehabter Ritter', Auslegung, (Augsburg) 1520 (A3a). Daß ein falscher Prophet aus dem Norden kommen solle, hatte schon Arquatus verkündet. Vgl. Zambelli, Fine, S. 321.

130

Die Wendung lautet: "Unum pastor sub unum ovile." Vgl. dazu Zambelli, Fine, S. 326 und S. 216 dieser Arbeit.

180

Da mit hernach nur sey ein hirt Also der hymmel dann vol wirt." (B4a) Die Wiener Erscheinung wird so zum Anlaß einer geradezu fanatischen politischen Propaganda, deren Kritik am Klerus sich jedoch nicht mit einer reformatorischen Gesinnung verbindet. Das Lösungsmodell eines Zusammenwirkens von Kaiser und Papst erinnert an Gauricos Prophetie. Der Titelholzschnitt der Schrift (Abb. S 5) fällt dagegen ganz neutral aus: Er zeigt einen Astrologen - ausgewiesen durch einen Quadranten in seiner Hand und weitere astronomische Geräte, nämlich ein Höhenmeßgerät und ein Astrolabium, 131 am Boden - bei der Beobachtung einiger Himmelserscheinungen, u.a. eines Kometen. Im Hintergrund ist eine fiktive Stadt angedeutet, eine Mauer und eine Allee begrenzen sie. Vor der Mauer ist ein Fluß mit einer Ente zu sehen. Es wurde somit nicht die Gelegenheit ergriffen, die apokalypisch-kriegerischen Aussagen des Textes durch einen passenden Holzschnitt wirkungsvoll zu unterstützen; die Auswahl des vorliegenden Bildes wirkt eher zufällig. Im fortlaufenden Text erscheinen Holzschnitte mit den verschiedenen Himmelserscheinungen, sie sind fast identisch mit den ersten fünf des Flugblatts von Gengenbach. Die Interpretationen der Wiener Lichterscheinungen führen ein breitgefächertes Repertoire von Vorhersagen ein, aus dem sich die zeitspezifischen Konflikte herauskristallisieren: Aufstandsbereitschaft des 'gemeinen Mannes', Kriege zwischen den Herrschenden im Reich, außenpolitische Auseinandersetzungen vor allem mit Frankreich und Italien, aber auch den Türken sowie Glaubensstreit und Verfolgungen des Klerus. Unwetter und Mißernten ergänzen den Katalog. Als Reaktion auf diese Wahrnehmung von Konflikten lassen sich die hohen Erwartungen an Karl V. in allen Texten ausmachen. Doch während ihn Virdung von Haßfurt nur als Friedensstifter sieht, soll er bei Gengenbach und dem "Ritter" alle Verhältnisse von Grund auf bessern. Die Vorzeichen dieses erwünschten Wandels sind jedoch verschieden: Gengenbach hofft auf die Unterstützung Luthers, der anonyme Text nimmt die Gegenposition ein. Antiklerikalismus aber durchzieht alle Texte. Bei Gengenbach und Virdung wird der Aufstand des 'Armen Konrad' als zentrales Beispiel für das Aufbegehren des 'gemeinen Mannes' genannt; dieses Ereignis hatte einen tiefen Eindruck hinterlassen, vielleicht, weil es hier, anders als bei den Bundschuherhebungen, wirklich zu einer Serie von Aufständen in einem größeren Gebiet gekommen war. Außerdem sehen beide Autoren die Empörung als Bestätigung der Vorhersagen von 1514 an, die Astrologie erscheint gerechtfertigt. Bäuerliche Aufstände werden in beiden Texten abgelehnt, doch gibt 131

Vgl. Ernst Zinner: Deutsche und niederländische astronomische Instrumente des 11. bis 18. Jahrhunderts. München 19562, S. 161, Bild 9 (Quadrant), Tafel 30, Abb. 2 (Höhenmeßgerät) und Tafel SO, Abb. 2 (Astrolabium). Die Kugel soll vielleicht eine Sphära andeuten.

181

es unterschiedliche Akzente: Sieht Virdung den 'gemeinen Mann' als Umstürzler, so hegt Gengenbach eine gewisse Sympathie zumindest für dessen Glaubenseifer und seine Forderungen. Fast alle Publikationen bringen die Sintflutvorhersage ins Spiel, so daß sie, zumindest als Erwartung von Überschwemmungen im Jahre 1524, in das Bewußtsein eines größeren Bevölkerungsteils gelangen konnte, da die 'Wiener Schriften', anders als die vorhergegangen, in deutscher Sprache abgefaßt wurden. Zur sicherlich vorhandenen mündlichen Verbreitung der Prophetie haben also diese Texte zusätzlich ihre schriftliche Verbreitung gefördert. Die Holzschnitte der Schriften bringen kaum Verweise auf die aktuellen Gegebenheiten. Es überwiegen Darstellungen der einzelnen Himmelserscheinungen oder unspezifische Szenen mit stereotypen Elementen: beobachtende Menschen, Himmelserscheinungen, eine Stadtansicht. Im Holzschnitt zum anonymen Text wird der Astrologe als Deuter des Geschehens eingeführt. Einzig die zeitgenössische Kleidung der abgebildeten Personen vermittelt Aktualität. Eine wichtige Ausnahme macht Gengenbachs Flugblatt, auf dem Karl V. abgebildet ist. Der von Gengenbach direkt angesprochene Kaiser findet sich auch bildlich repräsentiert, der Betrachter hat den Hoffnungsträger direkt vor Augen. 43. DDE SINTFLUTDEBATTE 1521 -1524

43.1 DIE ASTROLOGISCHEN SCHRIFTEN "Versehe sich wiszlich alle weit wenn man tausendt fünffhundert zeit und vier unnd zweintzig an der Zall, so würdt solch werwer überall so gruselich Zufall uff erstan, alsz ob all weit solt undergan. Gott helff der heyligen Christenheit! Ο Pfaffheit lasz dirs sin geseit dasz du nit werdtst vertilckht, zerstreit. Gott woll das nit ein Erdflus komb die alles Erdtrich umb und umb versenckht, oder der Heiden schar in aller Christenheit umbfar, die understandt verderben gar disze vilfältig."132 132 Zit. nach Adam Waither Strobel: Das Narrenschiff von Dr. Sebastian Brant, nebst dessen Freiheitstafel. Neue Ausgabe. Quedlinburg, Leipzig 1839 (Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis in die neuere Zeit 17), S. 34.

182

Mit diesen Worten hat 1520 Sebastian Brant kurz vor s e i n e m T o d e s e i n e Befürchtungen für das Jahr 1524 ausgedrückt. In d e m Gedicht, das auch in gereimter Form die Prophetie Stöfflers wiedergibt, zeigt sich Brant über den Zustand der Geistlichkeit, ja, der ganzen Christenheit besorgt. G e f a h r e n erwachsen ihr aus inneren Streitigkeiten - wohl der Reformation -, Angriffen der H e i d e n und einer Sintflut. D e r Straßburger Humanist, der sich als Jurist aktiv an der G e staltung der städtischen Politik beteiligt, 1 3 3 in zahlreichen Flugschriften Kaiser Maximilian I. zu R e f o r m e n und Kämpfen g e g e n die Franzosen und die Türken aufgefordert, 1 3 4 g e m e i n s a m mit d e m Petrarcameister an der Herstellung der Holzschnitte für das 'Glücksbuch' von Francisco Petrarca gearbeitet 1 3 5 und als Mahner besonders in s e i n e m 'Narrenschiff unermüdlich zu moralischer Besserung aufgerufen hatte, er hat am E n d e seines Lebens, so zeigt zumindest das G e dicht, resigniert. Nur G o t t kann noch die Übeltäter strafen, so sein Eindruck; weltliche Instanzen scheint er dazu nicht mehr für fähig zu halten. D a s R e i c h jedenfalls "würdt uff steltzen gan/leider! der dütschen er zergan", 1 3 6 fürchtet Brant, hier ist kein R a u m mehr für Reformoptimismus. Z u m Schluß bleibt nur die

133 Zur Biographie Brants s. Steinmeyer: Art. 'Brant'. In: ADB, Bd. 3, S. 256-259 und Hellmut Rosenfeld: Art. 'Brant'. In: NDB, Bd. 2, S. 534-536 sowie die Angaben von Strobel, Narrenschiff, S. 2-34. Zur Rolle Brants in der städtischen Politik äußern sich Publikationen zur Reformation in Straßburg, etwa Timotheus Wilhelm Röhrich: Geschichte der Reformation im Elsaß und besonders in Straßburg. Teil 1, Straßburg 1830, S. 89-91; Lorna Jane Abray: The People's Reformation. Magistrates, Clergy and Commons in Strasbourg 1500-1598. Ithaca, New York 1985, S. 25-28; Miriam Usher Chrisman: Strasbourg and the Reform. An Study in the Process of Change. New Haven, London 1967. 134 Vgl. hier die Arbeiten Wuttkes. Wuttke, Wunderdeutung und Wuttke, Brant. Außerdem Dieter Wuttke: Sebastian Brant und Maximilian I. Eine Studie zu Brants Donnerstein-Flugblatt des Jahres 1492. In: Otto Herding, Rolf Stupperich (Hgg.): Die Humanisten in ihrer politischen und sozialen Umwelt. Boppard 1976 (Kommission für Humanismusforschung Mitt. 3). Außerdem Jan-Dirk Müller: Poet, Prophet, Politiker. Sebastian Brant als Publizist und die Rolle der laikalen Intelligenz um 1500. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 10 H. 37 (1980), S. 102-127. Die Flugblätter sind abgedruckt bei Paul Heitz: Flugblätter des Sebastian Brant. Straßburg 1915 (Jahresgaben der Gesellschaft für elsässische Literatur 3). Auf eine 'Große Konjunktion' 1504 bezieht sich eine Vorhersage Brants, in der er das Reich als Krebs darstellt, das aus seiner Rückwärtsbewegung (Krebsgang) nur durch einen Krieg gegen Frankreich herausfinden könne. Vgl. Heitz, Flugblätter, Nr. 22 und Kommentar S. X sowie Chojecka, Darstellungen, S. 52-60. 135 Franciscus Petrarcha: Von der Artzney bayder Glück / des gSten vnd widerwertigen... Augsburg, Heinrich Steiner 1532. Neudruck Leipzig/Hamburg 1984. 136 Zit. nach Strobel, Narrenschiff, S. 34. 183

Bitte, daß "wir in Sünden nit ertrinckhen".137 Die Sintflut wird Brant zur Metapher der Sündhaftigkeit der Welt. Keine formelhaften Beschwörungen künftigen Unglücks, sondern persönlich empfundene, tiefe Besorgnis spiegelt sich in Brants Gedicht. Es ist ein beredtes Zeugnis für Zukunftsangst, Resignation und Hoffnungslosigkeit angesichts der sich zuspitzenden Konflikte im Reich, die sicherlich nicht nur den Straßburger Humanisten quälten. Aber auch andere Reaktionsmöglichkeiten taten sich auf, eine davon ist die Abwehr der Sintflutvorhersage. Zeitklage erklingt oft; Nifo hatten die kritikwürdigen Verhältnisse im Italien seiner Zeit fast an eine zukünftige Katastrophe glauben lassen. Doch viele Schriften werden im Rahmen der Sintflutdebatte Lösungsvorstellungen für Konflikte benennen. Die jeweilige Verknüpfung von Sintflutargumentation und Beurteilung des Zeitgeschehens soll die folgende Untersuchung aufweisen. Am Beginn der ausgedehnten Debatte im deutschsprachigen Raum steht eine anonym erschienene Schrift mit dem Titel "Ain Warnung des Sündtfluss oder erschrockenlichen wassers Des xxiiij. jars auß natürlicher art des hymels zu besorgen / mit sambt außlegung der grossen Wunder zaichen zu Wien in Osterreych erschinen / des XX. iars."138 Sie ist vermutlich bei Jörg Nadler in Augsburg 1520 zuerst erschienen. Keine spätere Schrift wird so ungeschützt die Ankündigung einer Sintflut formulieren, wie es diese tut, keine sich so rigoros über die schon vorgetragenen Einwände gegen eine Sintflut hinwegsetzen. Von wem stammt diese Publikation, die außerdem die Auslegung der Wiener Lichterscheinung verspricht? In der von ihm besorgten Gesamtausgabe der Werke des Alexander Seitz identifiziert Peter Ukena diesen schwäbischen Arzt als Verfasser des anonymen Textes. 139 Wichtigster Hinweis ist dabei eine Passage, die aus einem anderen Werk des Seitz, dem 'Truncken schwert Gottes", stammt und sich vollständig mit der Vorhersage des anonymen Textes deckt. 140 Aber auch die Äußerungen des Astrologen Johannes Carion bringen einen Anhaltspunkt. Dieser er-

137 138

Zit. nach Strobel, Narrenschiff, S. 34. (Alexander Seitz): Ain Warnung des Sundtfluss ... o.O.o.D.oJ. (Augsburg, J. Nadler 1520). Wiederabdruck in Seitz, Werke, Bd. 2, S. 56-69 mit Wiedergabe des Titelholzschnitts. Bibliographische Anmerkungen dazu S. 424-451 im Nachwort von Peter Ukena.

139 So Ukena in seiner Kommentierung der Schriften des Seitz. Vgl. Seitz, Werke, Bd. 2, S. 425. Ukena begründet u.a. seine Behauptung mit stilistischen Analysen, die jedoch erst im Realienband der Ausgabe entwickelt werden sollen, der noch nicht erschienen ist. 140

Alexander Seitz: Das Truncken schwert Gottes. Vgl. Seitz, Werke, S. 123-308; Ukenas Kommentar S. 466-473. Dort findet sich folgender Hinweis: "So hab ich laider got erbarms nit gefeiet in meyner pronostication über diß so vil wunder zeichen ob Wiene erschinen Anno 1520: im jenner ..." Zit. nach Seitz, Werke, Bd. 2, S. 300. Es folgt eine längere Passage mit der Deutung der Wunderzeichen, die auch in der anonymen Schrift vorgenommen wird. Vgl. auch Seitz, Werke, Bd. 2, S. 177.

184

wähnt in seiner Schrift "Prognosticatio und Erklerung der grossen wesserung"141 g tadelnd das Vorgehen des Seitz, der "der loblichen Fürsten von Beyern Phisicus" gewesen sei und eine Prophetie verbreitet habe "in grossen gemalten brieffen / welche er zuuorkauffen auff den Reichstag gein Worms verordnet / mit vil thiern — e e vn mulrädlein / aber ich acht es sein Wintmulen." (A2b/A3a). Zum Inhalt gibt Carion an: "In welchen brieffen er meldet viel erschrockenliche vn grausame ding / auch antzeigende das von der zeit Noe biß hieher kein grosser wasser sich begeben hab / dann diß zukunfftig sich begeben wirt." (A3a) Diese Vorhersage hat der anonyme Text tatsächlich verbreitet. Die "gemalten brieffe" dürften aber wohl eher Einblattdrucke gewesen sein, die Alexander Seitz auf dem Reichstag zu Worms 1521 feilgeboten hat. Zusätzlich zu Flugblatt und anonymer Flugschrift hat Seitz offenbar eine dritte Schrift zum Thema Sintflut herausgebracht, diesmal unter seinem Namen, denn er erwähnt "ain Tractetlin ... inhalt xxix. Capitel", das er einem der Herzöge von Bayern gewidmet hatte und mit dessen vorschneller Publikation er nicht einverstanden war. 142 Es ist also wahrscheinlich, daß Seitz seine Meinung zur Sintflutprophetie in verschiedenen Publikationsformen verbreitet hat: in Einblattdrucken, einem umfangreichen Traktat und einer anonymen Flugschrift, die als einzige erhalten ist. Es entsteht das Bild einer publizistischen Kampagne mit dem Versuch der optimalen Einflußnahme auf unterschiedliche Adressatenkreise. Dabei ist die Flugschrift eine Kurzform des Traktats, die Seitz bewußt im Hinblick auf den gemeinen Mann als Rezipienten e konzipiert hat:"... bin ich genotiget auß meine vermelten Tractetlin ettwas formlichers auch eylends dem gemain man fürzubringe / gantz kurtz begrifs warlich treüer mainüg." (A2a) Seitz hat also gezielt verschiedene Formen der Öffentlichkeit gesucht, hat die Zielgruppe der gelehrten Fachwelt überschreiten wollen. Wie schon bei der Gauricus zugeschriebenen Vorhersage von 1512 wird außerdem wieder die Öffentlichkeit eines Reichstages gesucht. So wie allgemein die Reichstage als Umschlagplätze der Meinungen, Nachrichten und Neuigkeiten anzusehen sind, so ist es im besonderen der Reichstag zu Worms 1521, der diese Funktion für die Sintflutdebatte im europäischen Raum erhält. 143 141 Carion, Prognosticatio dtsch., (Leipzig) 1521. Eine Besprechung dieser Schrift erfolgt S. 213-218 dieser Arbeit. 142 "Aber bißher gStter mainüg vnderhalten / auß meinem hauß nyemant zöhanden körnen / meines Wissens / nicht destminder ist etwas herauß eylends überrumpelt / wiewol vnformlich zerstreyt / entzuckt / vn anfengklich z8 Wien in Ssterreich vnder meine namen außgangen / vn wiewol vnder Kays, freyhait yetz z8r zeit nitt meines gefallens." (Seitz), Ain Warnung des Sündtfluss ... (Augsburg 1521) (A2a). 143 Zambelli kennzeichnet den Reichstag zu Worms als entscheidenden Faktor bei der Ausbreitung der Sintflutprophetie. Vgl. Zambelli, Fine, S. 336. Zum Reichstag s. Fritz Reuter

9

(Hg.): Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache. Köln, Wien 1981.

185

Über den Autor all dieser Schriften, Alexander Seitz und dessen Lebensgang läßt sich einiges in Erfahrung bringen. 144 Er stammte aus Marbach in Württemberg und praktizierte dort zunächst als Arzt nach Abschluß eines Medizinstudiums in Tübingen, Rom, Como und Padua. Wegen seines Engagements während des bäuerlichen Aufstands, des 'Armen Konrad', in Württemberg emigrierte Seitz 1514 in die Schweiz, einer drohenden Verhaftung entgehend. In Baden im Aargau führte Seitz als beliebter Arzt seine Praxis, verwendete sich aber weiterhin als Sprecher der Württemberger Exulanten gegen Herzog Ulrich. Diser beschwerte sich mehrmals über die Aktivitäten des Seitz bei den Eidgenossen und forderte die Auslieferung des opponierenden Arztes. 145 1516 gab die Eidgenossenschaft dem Drängen des Herzogs nach und wies Seitz trotz heftiger Bürgerproteste aus. 146 Bei den Widersachern Herzog Ulrichs, 147 den bayrischen Herzögen Wilhelm und Ludwig, fand Seitz Unterstützung und Anstellung als Leibarzt; hierauf hatte sich Carion bezogen. Erfolglos beschwerte sich Herzog Ulrich bei den bayrischen Landständen über die Beschäftigung des Württembergers. 148 Im Frühjahr 1519 tauchte Seitz zudem in München als Arzt in städtischen Diensten auf. Dort machte er sich zunächst durch besondere Dienstleistungen während einer Pestepidemie beliebt, geriet aber Anfang 1521 erneut in Schwierigkeiten, diesmal wegen eines Aderlaßbuchs, in dem er sich scharf gegen das übermäßige Aderlassen wendet und den bayrischen Ärzten vorwirft, über keinerlei andere medizinische Kenntnisse zu verfügen. Das Büchlein wurde verboten und Seitz aus städtischen Diensten entlassen.149 Nach diesem Eklat hat sich

144

Zur Biographie des Seitz s. Gottlieb Linder: Doktor Alexander Sytz. Ein Lebensbild aus der Reformationszeit. In: Zeitschrift für Allgemeine Geschichte, Kultur-, Literatur- und Kunstgeschichte 3 (1886), S. 224-232; J. Bolte: Art. 'Seitz'. In: ADB, Bd. 33, S. 653-655; Karl Schottenloher: Doktor Alexander Seitz und seine Schriften. Ein Kleinbild aus dem Münchener Ärzteleben des 16. Jahrhunderts. München 1925; Zambelli, Fine, S. 336f.

145

Hierüber geben die Tagsetzungen der Eidgenossen Auskunft. Vgl. Linder, Doktor, S. 225f. Übrigens ist es möglich, daß Joseph Grünpeck und Seitz sich kennenlernten, denn auch Grünpeck war 1514 in Baden im Aargau. Vgl. S. 112 dieser Arbeit.

146

Seitz war besonders als Geburtshelfer sehr beliebt, wie eine Supplikation zeigt, betitelt: "Vwer Gnaden willige all schwanger vnd ander ersam frowen zu Baden im Ergöw". Linder, Doktor, S. 227. Seitz mußte außerdem Urfehde schwören. Vgl. den Badener Urfehdebrief bei Seitz, Werke, Bd. 2, S. 311-313.

147

Im Jahr 1515 war es zur Flucht der Ehefrau Herzog Ulrichs, Sabine von Bayern, zu ihren Brüdern nach Bayern gekommen. Hintergrund war der Streit des Herzogs mit Hans von Hutten, einem Vetter Ulrichs von Hutten, um dessen Ehefrau, ein Streit, der Hans von Hutten das Leben kostete, was wiederum Ulrich von Hutten zu wütenden Schriften gegen Herzog Ulrich von Württemberg veranlaßte. Vgl. Eugen Schneider: Art. 'Ulrich, Herzog von Württemberg*. In: ADB, Bd. 39, S. 237-243.

148

Vgl. Schottenloher, Doktor, S. 5.

149

Das Druckverbot des Rats wiedergegeben bei Schottenloher, Doktor, S. l l f .

186

Seitz zunächst noch in München, später in Reutlingen aufgehalten. 1525 mußte er jedoch wegen seiner Beteiligung an reformatorischen Tumulten Reutlingen verlassen.150 Noch aus dieser Stadt und danach aus Straßburg wandte er sich an Zwingli mit der Bitte um Vermittlung bei der Suche nach einer Arztstelle in der Schweiz.151 Tatsächlich wurde Seitz kurz darauf in Zürich tätig, doch auch hier wurde er als 'unruhiges Element' auffällig und ausgewiesen. 1529 schließlich finden wir ihn in Basel, wo er bis 1538 blieb.152 Des öfteren war Seitz dort in Streitigkeiten verwickelt, wurde sogar der Ketzerei verdächtigt. Seine Ansichten scheinen in dieser Zeit den Wiedertäufern zugeneigt gewesen zu sein.153 Sein Todesjahr ist nicht bekannt. In seinen Schriften hat Alexander Seitz heftige Kritik an Herzog Ulrich geübt und ihn als tyrannischen Herrscher charakterisiert, gegen den es ein Widerstandsrecht gebe.154 Insbesondere fordert er die väterliche Fürsorge des Landesherrn für seine Untertanen und klagt eigennützige Bereicherung an den Armen an. Später mündete diese Sozialkritik in radikal-reformatorische Überzeugungen ein. Distanzierung von der Reformation spricht jedoch aus den Reflexionen, die er in den dreißiger Jahren verfaßte und in denen er die Aufnahme des Evangeliums von Planetenständen und Komplexionen abhängig zu machen sucht.155 Der Gestirnsstand ist gleichfalls der Anknüpfungspunkt für die Vorhersage einer Sintflut für 1524: "... der barmhertzig got wSl unß bewarn im xxiiij. jar / so vil wässerig aspect im hornug all zehauffen komen zuuersichtigklich nit vnderlassen werd / ain grausamer sündfluß so doch yeder Planet vn des gantzn himels art / der gotlich paw uns anzaygt und trowet..." (A2b).

150

Dies gibt Seitz selbst in einem Brief an Zwingli an, wo er diesen um Hilfe bittet. Vgl.

151

Der Brief des Seitz an Zwingli ist abgedruckt in Seitz, Werke, Bd. 2, S. 314-316.

Schottenloher, Doktor, S. 14.

152

1538 hat Seitz sich auch in Mühlhausen aufgehalten, wie aus seinen Briefen hervorgeht. Vgl. Seitz, Werke, Bd. 2, S. 345-353.

153

Über die Basler Querelen geben wieder Briefe Auskunft. Vgl. Seitz, Werke, Bd. 2, S. 317344.

154

Seitz, Hin schöner Tractat ... Landshut (1515). Seitz führt hier aus, daß ein Fürst wie ein Vater für die Untertanen sorgen und den Gemeinen Nutzen fördern solle. Tue er dies nicht, so müsse man ihm, der sich dann aufführe wie ein Wolf, widerstehen:O we des großen mortz / wan die schaffrüden / so vm den pferrich ligent / vn die gutten schefflein trewlich bewaren sollent / vn sy sich doch selbs in die reysende wolffen verwandlent. Warlich m l solt ernstlich zustreichen mit Stangen / spiessen / vn buchsen / biß man dy selben wSlffischen rüden dämpte / vnd gar zer knischtet rc." (C3b).

155

Vgl. die Entwürfe zur Reformation, vor allem den ersten. Seitz, Werke, S. 83-89.

187

Nur flehentliches Gebet und Buße können diese Strafe noch einmal von den Menschen abwenden. Seitz führt darauf zwei Argumente gegen seine Prophetie an, um sie dann zu widerlegen. Erstens werde eingewandt, Gott habe den Regenbogen zum Zeichen seiner Gnade gesandt und zweitens, dem Menschen stehe es nicht zu, seine Zukunft zu kennen. 156 Seitz beschränkt sich hier also auf die biblisch begründeten Entgegnungen. Dem ersten Argument hält Seitz entgegen, Gott habe zwar versprochen, den Menschen nicht mehr durch eine Sintflut zu vernichten, aber "von wegen unsers verruchten lebens und sünden" könne es durchaus wieder zu "wasserstraffen" kommen (A2a). Auch nach der biblischen Sintflut habe es weitere Überflutungen gegeben, etwa in Achaia und Thessalia, und damals sei der Planetenstand nicht so bedrohlich gewesen wie 1524.157 Dem zweiten Argument erwidert Seitz, der Mensch kenne die Vorsehung nicht, doch habe Gott die Sterne am Himmel "offenlich auffgeschlagen" (A2b), um seinen Willen kundzutun. Was uns die Planeten anzeigen, dürfen wir nicht mit leichtfertigen Worten abtun, warnt der Autor. Für die Richtigkeit seiner Behauptung macht Seitz verschiedene Vorhersagen geltend, die sich bewahrheitet hätten, so die eines gewissen Hartmann, 158 die "die armen treülich warnet vor der grossen trübseligkait / des armen Contz im land Wirtenberg." (A3b) Auch Virdung von Haßfurt habe Recht behalten mit seinen Prognosen. 159 Für 1524 kündigt Seitz ein wahres Schreckensszenarium an: "... plitzn doner hagl al zehauff wolckenpriichig regen das auff perg vn täler schlosser vn stet zestoren müessen vn die menschait so groß angstlich not schreyn heylen vn verderben leiden das mer dan grausamlich zehSrren ist." (A4a) Unwetter, Zerstörung und Not der Menschen sind dabei die letzte Konsequenz einer ohnehin krisenhaften Zeit, die Seitz im folgenden durch eine Auslegung der Wiener 'Zeichen' charakterisiert. Diese Zeichen habe Gott gerade dem 'gemeinen Mann' gesandt, um ihn, der die Vorbedeutung der Planetenkonstellationen nicht verstehe, durch sichtbare Himmelserscheinungen zu warnen und zur Buße anzuhalten. 160 156

Vgl. Seitz, Ain Warnung des Sündtfluss ... (Augsburg 1521) (A2a). Nach dieser Ausgabe Zitate im Text.

157

Vgl. Seitz, Ain Warnung des Sündtfluss ... (Augsburg 1521) (A2b).

158 Das von Seitz gemeinte Kometentraktat des 'Hartmann' ist nicht mehr erhalten. Vgl. Ludendorf, Kometenflugschriften, S. 503. 159 Seitz spielt hier auf Virdungs Schrift zu den Uracher Zeichen an. Virdung v. Haßfurt, Auslegung, o.O. (1515). Seitz gibt eine eigene Auslegung der Uracher Zeichen. Vgl. Seitz, Ein schöner Tractat... Landshut (1515) (E2b-E4a). 160

"Vn wiewol wir durch sSlich an7aign des himels zS bSßwertige leben gnSgsam ermant werde So ist doch sSlichs dem gemain man verporgn..." (Seitz), Ain Warnung des Sündtfluss ... (Augsburg 1521) (A4a).

188

Seitz sieht zunächst kriegerische Auseinandersetzungen kommen. Mit Bezug auf die Prophetie des "Bruder Nolhart" und die der "Birgitta" kündigt er zwei Angriffe auf das Reich an: Ein venezianisches Heer werde über die Donau kommen, während der französische König mit Hilfe der Oberdeutschen den Rhein überschreiten und die Bistümer Trier, Köln und Mainz verheeren wolle. 161 Mit der Hilfe deutscher Landsknechte werde all das geschehen "damit uns mit aygner maß gemessen würde" (B1a), so fährt Seitz fort und kritisiert heftig die Kriegsführung des Reichs in Italien: "... wir haben lange zeit jubiliert ab der durchechtung/ so vnser knecht mit witwen und waysen erbermlich im welschen land getriben haben ..." (B1a) Hatte sich Seitz mit der Benennung der Hauptfeinde des Reichs im Rahmen der üblichen Topoi bewegt, so weicht er mit seiner Kritik in ungewöhnlicher Weise von ihm ab, denn nach seiner Darstellung erscheinen die feindlichen Angriffe angesichts deutscher Verfehlungen fast gerechtfertigt. Die anderen Vorhersagen sind weniger präzise: Ein "großmechtig haupt" (B1a) - wohl Karl V. - werde durch die Feinde geschädigt. Uneinigkeit werde es geben zwischen Kaiser und Papst und "verendrung in der Christenhait" (B1b). Eines der Zeichen, ein umgekehrter Regenbogen, bedeute, daß Gott seine Gnade nicht mehr über der Menschheit walten lasse, ja, er zeige an, daß "die welt seins letsten ends sich verwegen het." (B2a). Auch die sieben Sonnen könnten auf den Weltuntergang hinweisen. Seitz' Vorhersage für 1524 erscheint jetzt als konkretere Version des prognostizierten Weltuntergangs. Besonders aufschlußreich aber ist die Auslegung des letzten 'Wunderzeichens': "Das creütz schwebet im glick rad / grosser verenderung durch den gemainen man das anzaigt der gespalten Mon auff dem creütz / als ob der arm man das creütz auff sich wolt nemen sich zefriden / der die pürden am schweristen tregt. wie Oratins sagt. Was die herren verlieren das müessen die armen erleidende Bewaren sich all großmechtig / beuor die gaystlichen / der pfeyffer hat den rayen auffgeplasen Got sende sein hailige gayst damit der glaub wol vn lauter erclert werd. Hie sein gnad zu erwerben vn dort die freüd der ewigen seligkait Amen." (B2a) Die Auslegung formuliert Verhaltenserwartungen an den 'gemeinen Mann', doch geschieht dies in ambivalenter Weise. Seitz betont einerseits, daß das Leben des 'gemeinen Mannes' durch Leiden geprägt ist, ihm sind die Lasten der Gesellschaft auferlegt worden. Diese bedrückende Situation erduldet er 161 Hinter dem Bezug auf den 'Bruder NoUhart' und die 'Birgitta' steht sicherlich nicht nur das Stück 'Der Nollhard' von Pamphilius Gengenbach, wie Zambelli meint, sondern eine direkte Anleihe bei Lichtenberger, für den die Vorhersage für die Bistümer Köln, Trier und Mainz charakteristisch ist. Zu Zambeliis Einordnung s. Zambelli, Fine, S. 337.

189

zunächst passiv, nimmt sie als sein Kreuz auf sich. Andererseits verweist der Beginn des Zitats auf ein Symbol der Veränderung, das Glücksrad, das für die Wechselfälle des Schicksals steht. Auch gekrönte Häupter können vor ihnen nicht sicher sein. Mag das Rad der Fortuna oft den Vanitas-Gedanken veranschaulichen,162 es kann auch sozialkritische Gedanken symbolisieren, wenn der 'gemeine Mann', wie im vorliegenden Text, zum Initiator der durch das Glücksrad angezeigten Veränderung wird. Und so erscheint der folgende Passus des Zitats als Konkretisierung der angekündigten Veränderung: Mit einer Anspielung auf den Pfeifer von Nikiashausen warnt Seitz die Herren und allen voran die Geistlichen vor den künftigen Auseinandersetzungen, deren Ziel die reformatorische Wortverkündigung ist. Nimmt man die vagen Verweise auf einen möglichen Weltuntergang hinzu, so erhält der Kampf gegen die Geistlichkeit die Legitimation einer Endauseinandersetzung im Lichte apokalyptischen Geschehens. Der Text kann als Aufforderung an den 'gemeinen Mann' gelesen werden, zum Vorkämpfer der Reformation zu werden, 163 auch wenn Seitz - wohl aus Vorsicht - gewaltsame Aktionen des 'gemeinen Mannes' gegen Herrschaft und Geistlichkeit nicht offen propagiert. Er kritisiert die Lebensbedingungen der Armen, zeigt sie als Abhängige und knüpft Reformhoffnungen an sie. An anderer Stelle klang ein Bedauern über das Scheitern des 'Armen Konrad' an, denn eben das macht seine Trübseligkeit' aus. Deutlicher aber als der Text zeigen Seitz' politische Aktivitäten, daß er das gewaltsame Aufbegehren des 'gemeinen Mannes' gutheißt. Der Titelholzschnitt der Schrift ist zweigeteilt (Abb. S 6). Im oberen Teil sind die 'Wunderzeichen' über Wien abgebildet. Unter einem Wolkenband ist in der Mitte eine Kirche mit einer Fackel zu sehen, um sie herum verschiedene Son162

Vgl. zu diesem Motiv Michael Schilling: Rota Fortunae. Beziehungen zwischen Bild und Text in mittelalterlichen Handschriften. In: Wolfgang Harms (Hg.): Deutsche Literatur des späten Mittelalters. Hamburger Colloquium 1973. Berlin (West) 1975, S. 283-313. Giorgio Stabile: La Ruota della Fortuna: Tempo ciclico e ricorso storico. In: Zambelli, Szience, S. 477-503. Beide Aufsätze enthalten bildliche Darstellungen des Glücksrads. S. außerdem Scribner, Sake, S. 118-121 und Harms, Bemerkungen.

163

Vgl. zu diesem Gedankengang Friedrich von Bezold: Die 'armen Leute' und die deutsche Literatur des späteren Mittelalters. In: ders.: Aus Mittelalter und Renaissance. Kulturgeschichtliche Studien. München, Berlin 1918, S. 49-81. Der 'gemeine Mann' als Träger einer Reformation erscheint auch bei dem sog. 'Oberrheinischen Revolutionär'. Vgl. Günther Zschäbitz, Annelore Frank (Hgg.): Das Buch der hundert Kapitel und vierzig Statuten des sogenannten Oberrheinischen Revolutionärs. Berlin 1967 (Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter. Reihe A,4); Hermann Haupt: Ein oberrheinischer Revolutionär aus dem Zeitalter Kaiser Maximilians I. In: Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst. Ergänzungsheft 8 (1893), S. 77-228; Hartmut Boockmann: Bemerkungen zur Reformschrift des sog. 'Oberrheinischen Revolutionärs'. In: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters 25 (1969), S. 537-541 und 31 (1975), S. 291f.

190

nen- und Monderscheinungen: drei Sonnen, verbunden mit einem Regenbogen, zwei Sonnen, mit konzentrischen Kreisen umgeben, ein umgekehrter Regenbogen, wiederum drei Sonnen mit einem Regenbogen, doch hier erscheinen die äußeren Sonnen dunkel, schließlich ein Mond in einem Kreuz, von einem Kreis umgeben.164 Auffällig ist die Darstellung eines siebenköpfigen Drachens, der auf vier seiner Köpfe jeweils eine Krone trägt. Offenbar ist der Drache mit den sieben Köpfen, den die Offenbarung des Johannes nennt, gemeint.165 Auf ihn wird im Text kurz Bezug genommen,166 doch gehört er keineswegs zu den Erscheinungen, die man am Wiener Himmel zu sehen glaubte. Durch seine Aufnahme in die Abbildung der Wiener 'Zeichen' werden diese zu Zeichen des Weltendes umgedeutet. Im unteren Teil des Holzschnittes findet der Betrachter eine Sintflutdarstellung. Sechs Menschen treiben in den Fluten. Von einem sind nur die Beine zu sehen, da er kopfüber ins Wasser gestürzt ist. Der Kopf eines jüngeren und der eines älteren Mannes mit Bart ragen aus den Wellen, während die drei anderen Personen ihre Arme hilfesuchend emporrecken. Unter ihnen ist auch eine Frau, sie ist an einer Haube zu erkennen. Auch ein Haus versinkt bereits, denn das Wasser füllt das angedeutete Tal. Hinter den ertrinkenden Menschen befindet sich eine Arche, aus deren Fenster eine Person herausschaut. Gerade fliegt ein Vogel mit einem Zweig im Schnabel auf sie zu; wohl die Taube, die Noah den Ölzweig bringt. Vom Himmel strömt nicht nur Regen herab. Aus einem Wolkenband bläst ein pausbackiges Gesicht Wind; Feuer und Steine fallen zur Erde. Rechts ist ein Komet zu sehen, während links aus einem Wolkenkranz ein flammender Drachenkopf hervorsieht. Durch diese Bildelemente wird die Sintflutszenerie mit der Apokalypse assoziiert, so daß, nimmt man beide Bildteile des Holzschnitts zusammen, eine Verknüpfung der Lichterscheinungen über Wien mit der alttestamentarischen Sintflut und dem nahen Ende der Welt geleistet wird. Der Holzschnitt bekommt dadurch einen hohen dramatischen Effekt und stellt dem Betrachter wirkungsvoll vor Augen, was ihn erwartet, wenn er sich nicht zum "pußwertig leben" (A4a) bekehrt, wie die Schrift so eindringlich mahnt. Die Identifikation des Betrachters mit den hilflos in den Fluten versinkenden Menschen wird dadurch erhöht, daß gemäß der 164 Die dargestellten 'Himmelszeichen' sind nicht mit denen auf dem Flugblatt Gengenbachs identisch. 165

Vgl. Apok. 12,3: "Ein anderes Zeichen erschien am Himmel: ein Drache, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen." Auf einer weiteren Wunderzeichenauslegung von Virdung v. Haßfurt ist ebenfalls ein siebenköpfiger Drache zu sehen. Vgl. Johann Virdung von Haßfurt: Practica deutsch Vber die Zwey Finsternis des Möns ... Speyer, A. Nolt oJ. (1523). Vgl. Josef Benzing: Der Drucker Anastasius Nolt zu Speyer (1523-1543?). In: Gutenberg-Jahrbuch (1958), S. 121-127; Nr. 1 und Abb. S. 123.

166

Vgl. (Seitz), Ain Warnung des Sündtfluss ... (Augsburg 1521) (B2a).

191

Darstellung alle Altersstufen und beide Geschlechter von dem Unglück betroffen sind. So ist die Botschaft des Bildes auf eine allgemein bedrohliche Wirkung bezogen, wobei allerdings die auf die Arche zufliegende Taube Hoffnung auf das Ende der Sintflut und die Gnade Gottes symbolisiert, ein nur im Bild vorhandener Aspekt. Die wichtigen sozialkritischen Gedanken der Schrift zeigt der Titelholzschnitt nicht. Zum Schluß muß erwähnt werden, daß diese Schrift des Alexander Seitz außergewöhnlich weit verbreitet war. Allein fünf verschiedene deutschsprachige Ausgaben sind in insgesamt dreizehn Exemplaren 167 erhalten geblieben. Zusätzlich läßt sich eine französische Fassung nachweisen. Bereits hier zeichnet sich das starke Interesse ab, das vielen Sintflutschriften entgegengebracht wurde. Weite Verbreitung haben auch die beiden Schriften 168 zur Sintflut von Virdung von Haßfurt gefunden. In mindestens 15 verschiedenen Ausgaben kamen sie heraus, Zeichen ihrer ausgesprochenen Popularität. 169 Die erste Schrift erschien in lateinischer und deutscher Fassung bei Jakob Köbel in Oppenheim; die Vorrede der "Practica Teütsch" ist mit dem 11.11.1521 datiert, das lateinische "Prognosticon" erschien noch 1521.170 Mit 20 Blättern Umfang geht diese Schrift nicht nur außergewöhnlich detailliert auf die Zukunft ein, sondern wirkt zudem mit ihren 38 Holzschnitten besonders anschaulich. Sie ist am Schema der - meist kürzeren - Jahrespraktiken orientiert, will aber bis 1560/1563 in die Zukunft blicken. Im Unterschied zu den anderen Schriften Virdungs ist diese nicht nur dem Pfalzgrafen Ludwig V., sondern zuallererst dem "Großmechtigste / vnüber- - e — e e e wintliche herre der weit / de gotliche Kayser vnd Romischen Konig jrc. Carolo dem V." (A1 a) gewidmet, vielleicht ein Hinweis darauf, daß Virdung ihr besondere Bedeutung zugemessen hat. Auf ihrem Titelblatt zeigt die Schrift das kaiserliche Wappen (Abb. V 1). Schon der Titel der Prophetie stimmt den Leser auf Unerhörtes ein: Die Planetenkonstellation von 1524 wird als "neüe erschröckliche: vor nie gesehen" (A1 a) bezeichnet, also der Aspekt des Neuartigen betont. Ähnlich wie Seitz charakterisiert auch Virdung die künftigen Schrecken. e e e — "... viel mensche grosse todliche schaden den corpem / vnd erschröckliche ding. Anzündung der heuser / grosse kryeg vnnd wyderwertigkeyt / todtlichs gifft / grosse traurigkeyt vnd forcht die eingegossen werden in die hertzen der menschen..." (A1b) 167

Vgl. hierzu die verschiedenen Ausgaben, die Ukena nennt: Seitz, Werke, Bd. 2, S. 425-451.

168

Die Schrift Virdung v. Haßfurt, Pronostication, dtsch., (Landshut 1523), von der Hellmann zwei verschiedene Exemplare verzeichnet, ist eine Kurzfassung der im folgenden besprochenen 'Practica Teutsch'. Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 61, Virdung Nr. 10 und 11.

169

Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 57-62.

170

Virdung von Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 und Virdung von Haßfurt, Prognosticon, lat., o.0.1521. Nach der deutschen Ausgabe Zitate im Text.

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so lautet die Erläuterung des Jahreshoroskops für 1524. Den äußeren Gefahren entsprechen die psychischen Leiden der Menschen; beides motiviert Virdung aus der Planetenkonjunktion im 8. Haus des Todes. Auch die Jahresherrscher, die Virdung entgegen Nifos Vorgehen Venus und Saturn sein läßt, lassen nichts Gutes hoffen. 171 Sehr ausführlich beschreibt der Autor die kommenden Unwetter, vor denen die Menschen in Erdhöhlen flüchten werden.172 Menschen und Tiere werden ertrinken, die Ernte, Gebäude und Schiffe zerstört; insgesamt sei die Wirkung mit "eyner cleynen sunderliche sündtfluß" (A4a) zu vergleichen. Auch Virdung zieht den Vergleich zu Achaia und Thessalia. Wenn Gott nicht den Regenbogen zum Zeichen des Friedens gesandt hätte, so müßte man, fährt Virdung fort, den Untergang der Welt fürchten, denn die biblische Sintflut sei lediglich aus der Konjunktion zweier Planeten entstanden, während 1524 alle Planeten zusammenkämen. In dieser Argumentation macht sich ein Zögern geltend, das nur mit Mühe entgegen den natürlichen Anzeichen an eine Rettung der Menschheit glauben kann. Dieser Eindruck wird verstärkt durch den nachgeschobenen Hinweis auf eine Prophetie, in der es heiße, ein großes Wasser werde aufsteigen und das Reich des Bösen ertränken.173 Völlig übergangslos erscheint daher die Schlußfolgerung, es werde keinen "gemeine sündtfluß / alßdan vil vngelerter vermeinen / sonder allein einer sunderliche Sündtfluß" (B1a) geben, vor der sich nur die Küstenbewohner hüten müßten. Dieser örtlichen Einschränkung fügt Virdung später eine zeitliche hinzu.174 Doch schon ergeht er sich wieder in bedrohlichen Prognosen, denn nun kommt er auf weitere Unglücksboten zu sprechen wie "fliegede fewer / fürige drachen / fallede stern", auch einen "grausamen Comete"(B1b). Gesetzesänderungen und Schaden für die Mächtigen soll vor allem der Komet bringen "vnd das die geystliche sich vndereinander vmbringe werden" (Blb). Weiterhin droht der Überfall eines schrecklichen Volkes.175 171

Zwar wird Venus in ihren Wirkungen zumeist eher positiv besetzt, doch Virdung sieht sie die negativen Einflüsse des Saturn unterstützen. Vgl. Virdung v. Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (A3b).

172 Dieses Motiv war bereits bei Gauricos Katastrophenprophetie aufgetaucht; Virdung gibt es in seiner Invektive wieder. Vgl. Virdung v. Haßfurt, Invectiva, dtsch., Heidelberg (1512) (A4a). 173

Vielleicht spielt Virdung hier auf die göttliche Ankündigung der ersten Sintflut an. Vgl. 1 Mose, 17.

174 Vgl. dazu Virdung v. Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (E2b/3a, E4a). 175

"Diese Coniunction ... wirdt grosse vngehSrte krieg vnder dem volck bewegen vnd aufferwecken ein hart schnell grausam Volck / das do ziehe wirt an viel enden der weit: vnd wirdt nyemant schonen / sich vber niemäs erbarmen: auch sich nit lassen senftmütigen v i stille / sunder durch dz geschosß vnnd waffen erdSten die alten mit den junge sich auch nit erbarme der jügfrewlin vnnd der schwangern frawe... Vnd wirt ein sSlche Schlacht werden der menschen / das das erdtrich allenthalb mit bl8t begossen wirt / vnnd die menschen nirgent

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Spätestens jetzt wird die Vorhersage zur Endzeitvision. Die Christen werden in die Hände der Juden fallen als Strafe für die Sünden der Christen wider Gottes Gebot "und der Römischen Kirchen"(B4a). Virdungs Kritik zielt schon hier auf reformatorische Bestrebungen, die er als Abfall von der römischen Kirche tadelt. Auch Volksaufstände mißbilligt er zutiefst: "Und die geringen menschen schnödes geschlechts / werden sich erhohen wider die Künig vnnd großmechtige / sie vndtersteen zu vertreibe aus ire gwalt / vn jamerlich veruolge."(B3b) Glaubensstreit, Volksaufstand und Verfolgungen der Christen bilden das Konglomerat des Bösen, der Sünde der Menschen, das eine Sintflut hinwegspülen würde. Die endzeitliche Motivik wird komplettiert durch das Herannahen des Antichristen, doch vorsichtig schränkt Virdung ein: "Ob aber dieser werdt der Endtcrist da vö die schrifft Ezechielis sagt / g

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setz ich in die Gotliche weyßheit / wan es zimet vns nit zu disputieren von diesen dingen die allein Gott / schopffer aller creatur vorbehalte seind." (C2a) Dem Schema mittelalterlicher Prophetie entsprechend ist mit der Ankündigung des Antichristen der Höhepunkt der Krise erreicht; der Blick kann frei werden auf eine ideale Zukunftsvision. So versichert Virdung, daß das 'Schifflein Petri' nicht ganz untergehen werde. Die unangefochtene Herrschaft der Römischen Kirche wird besiegelt durch die erneute Unterwerfung der "Beheme" (D4a), die ihrer Ketzerei abschwören werden. Judentaufen und Bestrafung der Feinde der Christenheit bewirken ein übriges, um den Triumph der katholischen Kirche zu vervollständigen. In einem emphatischen Schlußsatz beschwört Virdung sogar eine neue Einheit des Glaubens und die Herrschaft eines einzigen Fürsten über die Welt; zuvor hatte er den Franzosen die Herrschaft des deutschen Reichs über sie angekündigt, als Strafe für 'Hoffart' und 'Unkeuschheit'. 176 Kann nach alledem Virdungs altkirchliche Haltung nicht bezweifelt werden, so geht sie doch einher mit kritischen Anmerkungen zum Verhalten des Klerus, sicher werden vor dem angesicht jrer feinde." Virdung v. Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (B3a). In dieser Beschreibung fließen mehrere Motivstränge zusammen: Zum einen ähnelt sie der Weissagung des Merlin vom Endkampf mit den Türken, wie Lichtenberger sie schon wiedergibt, zum anderen spielen Charakterisierungen eines endzeitlichen Volkes, als 'Gog* und 'Magog" nach Ez. 38 bezeichnet, eine Rolle. Vgl. dazu Carl Albert Keller: Art. 'Gog und Magog". In: RGG, Bd. 2, Sp. 1683f. 176

"Vnd das wider kum die Junckfrawe / das ist gerechtigkeyt: vnd das wyderkummen Saturnische reich / das ist fruchtbare jare: vn das jtzundt werdt gesandt eyn newe geschlecht vö oberste himel vn das werdt friedt vn eynigkeit in der gantze weit / Ein gelaube / vnd das regiere in allen dinge ein Fürst." Virdung v. Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (E4a). Virdung orientiert sich hier u.a. an der 'Friedenskaiser'-Vorstellung, auch dies erinnert an Lichtenbergers Prognosen ebenso wie die Vorhersagen zu Frankreich.

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wenn Virdung den "schnöd wucher" (D2b) der Prälaten rügt. Vor allem aber mahnt er zur Eintracht und warnt: g "... das nitt die heüßer desß Gebethß schnodlich verändert werden i die heüser der hendel / vnd speluncke der rauber vn buben." (C2b) Statt der vagen Verheißung guter Zeiten bietet Virdung in diesem Zusammenhang allerdings auch handfestere Lösungsvorstellungen an, die von dem Wunsch nach Reformen getragen sind: "Wann diese Coniunction ist zeygen eyn gemeine versamelung viler mensche von mancherley orter η der weit: In welcher samelung viel gehandelt wirt von dem glauben den zu bessern / vnnd zu renouieren die geystlichen / vnd auß zu dilgen die vnglaubigen vnd die Heyden." (C3b) Nicht Papst oder Kaiser allein sollen tätig werden; Virdung stellt seine Hoffnung auf Reformen von vornherein auf die breitere Basis einer Versammlung, wohl eines Nationalkonzils, hier nicht zuletzt an die Mitwirkung seines eigenen Landesherrn, des Pfalzgrafen Ludwig V. denkend, der die religiöse Frage auf einem Konzil verhandelt wissen wollte.177 Dies ist eine wichtige zeitbezogene Botschaft der Schrift. Der Aufruf zu Reformen und der apokalyptisch-drängende Tenor des Textes bezeichnen aber auch einen Denkwiderspruch: Würde man der zielgerichteten Zuspitzung der krisenhaften Situation bis hin zum Erscheinen des Antichristen folgen, so bliebe kein Platz für Reformen, d.h. retuschierendes Eingreifen des Menschen in den göttlichen Heilsplan. Doch Virdung macht nicht Ernst mit seiner Weltuntergangsprophetie und unterscheidet sich damit sowohl von Gaurico als auch von Seitz: Bei ihm fehlt weder der Bezug auf den Regenbogen als Gottes Versprechen, noch die Begrenzung der allgemeinen Sintflut auf einzelne Überschwemmungen, und auch der angekündigte Antichrist wird vorsichtigerweise nicht mit dem der biblischen Offenbarung identifiziert. Die Schrift vermittelt zwar das Gefühl unmittelbar bevorstehender Gefahren, doch die eschatologischen Gedanken bleiben ihr letztlich äußerlich. Dies teilt sie mit der 'Pronosticatio' Lichtenbergers, von der sie wichtige Kernaussagen übernimmt, etwa den Triumph über Böhmen, die franzosenfeindlichen Passagen und die Friedenskaiservorstellung. Ähnlich wie Lichtenberger arbeitet auch Virdung mit Tierallegorien, löst diese jedoch stets zu konkreten politischen Aussagen auf. Max Steinmetz hat in seinem Aufsatz über Virdung von Haßfurt eine sozialhistorische Auswertung der Holzschnitte seiner Schriften gefordert.178 Für die Illustrationen der "Practica Teutsch" soll dies im folgenden geschehen. 177 Vgl. dazu Wolfgang Eger: Kurfürst Ludwig V. der Friedfertige (von Wittelsbach), Pfalzgraf bei Rhein. In: Reuter, Reichstag, S. 352-368, S. 362. 178

Steinmetz, Virdung von Haßfurt, S. 371.

195

Mit 42 Holzschnitten179 ist die Practica ungewöhnlich reich illustriert, sie kann so auch als eine Art 'Bilderbuch' rezipiert werden, auch darin vergleichbar mit der 'Pronosticatio' von Lichtenberger. Werden die Holzschnitte in Bildmotive eingeteilt, ergibt sich folgende Übersicht: Darstellungen

Bildnummer

Astrologie Unwetter Kampfszenen

V2, V4, V8 V5, V7, V9, V10, V34 V11, V12, V13, V16, V17, V22, V25, V26, V27, V28, V30, V33 V14 V20, V21, V24, V36, V42 V6 V18, V37, V38 V31, V35, V39, V40, V41 V27, V29, V30, V32 VI, V3

Krankheiten Kirche, Geistliche Biblische Szenen Propheten, Astrologen Tierallegorien Herrscher Wappen

Wertet man diese Übersicht aus, so fällt der hohe Anteil an Darstellungen von Kampfszenen auf. Dies unterstreicht den wenig beruhigenden, die Angst schürenden Tenor der Schrift. Zusammen mit den Verbildlichungen turbulenter Unwetter und Krankheiten stellen sie dem Betrachter anschaulich die zu erwartenden Schrecken vor Augen. Dabei steht die Sintflutprophetie nicht im Vordergrund, wie man annehmen könnte; nur zwei Holzschnitte zeigen eine Überschwemmungsszenerie, nämlich Nr. V7 und V9. Auf dem Bild Nr. V7 finden sich fünf Menschen abgebildet, die in steigenden Wasserfluten zu ertrinken drohen. Eine Gestalt befindet sich auf einem kenternden Schiff und versucht vergebens, sich an dessen Tauwerk festzuklammern. Im Hintergrund sind Berggipfel und eine Ortschaft angedeutet. Aus schweren Wolken fällt Regen herab. Holzschnitt Nr. V9 zeigt ebenfalls eine gebirgige Landschaft und strömenden Regen. Hier ist jedoch offenbar ein Fluß über seine Ufer getreten und unterspült einen Weinberg. Einzelne Weinstöcke schwimmen schon im Wasser. Dieser Holzschnitt hat einen direkten Bezug zum Text, der die Zerstörung von Weinbergen ankündigt, während bei dem anderen zunächst unklar bleibt, ob die 179 Die Angaben über die Anzahl der Holzschnitte differieren in den einzelnen Bibliographien, da einige Holzschnitte in der Mitte geteilt sind und so mit zwei Nummern versehen werden könnten. Bei unterschiedlichen Motiven wurde dies auch hier vorgenommen, während die geteilten Bilder Nr. 4 (Jahresherrscher) und Nr. 42 (der Betende) als eine Einheit betrachtet wurden und daher nur eine Nummer bekamen. Der Erhaltungszustand der Bilder ist sehr schlecht.

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gezeigte Szene eine allgemeine Sintflut oder eine begrenzte Überschwemmung darstellen soll. Von der alles zerstörenden Flut heißt es im Text, sie werde bis zu den Berggipfeln steigen, ein Detail, das auch der Holzschnitt aufnimmt und somit eher die Sintflut assoziiert. Weitere Aspekte eines Unwetters zeigen die Bilder Nr. V5 und VI 0. Eindeutig ist das letztere, auf dem drei pausbackige 'Winde' einen Sturm entfesseln. Wenig Effekt scheint der allerdings auf der Erde auszulösen, denn die mit Bäumen umstandene und mit einem Zaun umgebene Kirche ist noch unbeschädigt. Lediglich am rechten Bildrand scheint verwehtes Gras angedeutet zu sein. Die "scharpfen kalten winde" (B2b), die der Text nennt, sind gut zu erkennen, ihre Wirkung ist jedoch nicht überzeugend dargestellt. Holzschnitt Nr. V5 zeigt dagegen deutlich die Auswirkung eines Unwetters, wohl eines Gewitters, das der Text nennt, 180 denn im Hintergrund rechts ist eine brennende Stadt zu sehen. Hinten links stehen einige Gebäude vor einem Hügel, erkennbar sind ein Tor und eine Brücke, die den Mittel- mit dem Vordergrund des Bildes verbindet. Auf ihr steht eine Person. Im Vordergrund befinden sich drei aufgeregt gestikulierende Menschen. Sie scheinen aus der brennenden Stadt geflüchtet zu sein; eine von ihnen, eine Frau, hat die Arme emporgereckt, vielleicht schreit sie. Alle diese Darstellungen zeigen Katastrophen und können Ängste erzeugen. Dasselbe gilt für den Holzschnitt Nr. V14, auf dem zwei Männer und eine Frau abgebildet sind. Das Bein des einen Mannes ist mit Geschwüren bedeckt, er greift sich ans Herz. Die Frau hat ihre Hand auf den Magen gelegt, während der andere Mann mit beiden Händen seinen Kopf hält. Alle drei leiden offenbar an großen Schmerzen und sind von den Krankheiten befallen, von denen der Text spricht. 181 Beunruhigend wirkt schließlich auch eins der astrologischen Motive: Es bringt das Sternzeichen der Fische in einer unheilsdrohenden Aureole, einen Kometen und fliegende Drachen mit Sternenhäuptern (Bild Nr. V8). Vor allem aber sind es die bildlichen Thematisierungen von Kämpfen, die den Holzschnitten der 'Practica Teutsch' ihren dramatischen Effekt verleihen. Bild Nr. V11 und V13 fallen dabei sehr schematisch aus und entsprechen wenig den dazugehörenden Textpassagen. Bild Nr. V11 bringt eine Belagerung. Vor einer größeren Stadt, die an einem Flußlauf liegt, hat der Gegner seine Zelte aufgeschlagen. Einige Landsknechte befinden sich in ihnen, andere sind in ein Gefecht mit den Verteidigern der Stadt verwickelt. Im Kampfgetümmel sind drei Kanonen sichtbar. Die detaillierten Schilderungen des Textes über das Verhalten des "hart schnell grausam Volck" (B3a) haben im Bild keinen Platz gefunden. Landsknechte in kriegerischer Aktion zeigt auch der Holzschnitt Nr. V13. Mit Lanzen und Fahne ziehen sie heran und treiben die Bewohner einer Stadt vor sich her. Ängstlich aneinander gedrängt und mit erhobenen Armen versuchen 180

Vgl. Virdung v. Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (B2b).

181

Vgl. Virdung v. Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (B4b).

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diese zu flüchten. Hier ist keinerlei Kongruenz mit dem Text gegeben, der den Sieg der Juden über die Christen meldet. 182 Dagegen veranschaulicht der Holzschnitt Nr. V16 wirklich das Schicksal der Juden und ist direkt auf den Text bezogen, der die 'grausame Geißelung' der Juden ankündigt. Eine Kampfszene füllt den Bildvordergrund aus. Auf fünf teils auf den Knien, teils bereits am Boden liegende Männer schlagen zwei Personen mit langen Schwertern ein. Zwei der Opfer tragen mützenartige Kopfbedeckungen und ein kreisförmiges Zeichen am Mantel, das sie wohl stellvertretend für die gesamte Gruppe der Angegriffenen als Juden kennzeichnen soll. Eine der bewaffneten Personen in zentraler Position ist statt mit kampftauglicher Kleidung mit einem knöchellangen, langärmeligen Gewand bekleidet und ruft daher eher die Assoziation eines Racheengels hervor. Dieser Eindruck wird unterstützt durch ein großes Feuer, in dem mehrere Bücher, u.a. wohl der Talmud, verbrannt werden. Die Gewalt, die den Juden angetan wird, kann so nach der Darstellung des Holzschnitts als Strafgericht Gottes interpretiert werden, was mit der Aussage des Textes übereinstimmt.183 Diesen Aspekt bringt auch der Holzschnitt Nr. V17. Im Bildvordergrund links befinden sich drei getötete Landsknechte. Zwei von ihnen sind von Lanzen durchbohrt, von dem dritten sind nur Kopf, Arme und Oberkörper zu sehen, sein restlicher Körper ist nicht mehr abgebildet. Rechts schreiten, mit Hellebarden und Lanzen bewaffnet, die Gegner heran. Durch ihre Kopfbedeckungen - Turban bzw. Feze mit langen Zipfeln - sind sie als Türken erkennbar. Über dem Geschehen aber thront Christus als Weltenrichter, wodurch die Kampfaktion als von ihm befohlen, ja als endzeitlich überhöht erscheint. Der Sieg der Türken über die - christlichen - Landsknechte erscheint als Endkampf vor der Ankunft des Antichristen, von dem der Text spricht. Zuvor hatte er jedoch nur allgemein große Gefahr für die Christen angezeigt. Geradezu die entgegengesetzte Botschaft, nämlich den Sieg der Christen über die Türken - vermittelt ein anderer Holzschnitt in außergewöhnlicher Weise. Es ist das Bild Nr. V22, das dem Textabschnitt "Von Türcken" beigeordnet ist. 184 Im Text heißt es: "Darüb so sihe auff / d' schalckhafftig trach der Türck / dz jme sein eygene schuldt nit selbst straffe / vn £das nit wider — jn bewegt _ _werden mitt grimikeit vnd vnstümigkeit die volcker vß macherley lade / vn jm nit lege ein zaum in sein backen vnd zu erstore sein reich vnd Stett vnd es gebe in den raube der Christen." (C3b)

182

Vgl. Virdung v. Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (D4a).

183

Vgl. Virdung v. Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (Cla/b),

184

Vgl. Virdung v. Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (C3b).

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Der Holzschnitt zeigt drei Männer in freier Landschaft mit am Horizont angedeuteten Gebäuden. Der eine von ihnen, durch seinen Turban als Türke kenntlich, kniet am Boden, die Hände vor sich gestützt. Unter ihm befindet sich ein Drache, von dem nur ein ausgezackter Flügel, der Unterleib und ein riesiger Schwanz zu sehen sind. Auf dem Rücken des Türken aber sitzt ein Landsknecht, dessen linke Hand eine Peitsche schwingt, während die rechte die Zügel eines Zaumzeugs hält, das dem Türken angelegt wurde. So setzt die Darstellung direkt die Wendung des Textes um und zieht daraus die Konsequenz: Der Türke wird in brutaler Herrschaftspose bezwungen und zum Reittier des triumphierenden Siegers degradiert. 185 Der zweite Landsknecht schwingt einen Dolch; dieser und die Peitsche symbolisieren die Gewalt, durch die die Unterwerfung des Türken gelingt. Außerdem nimmt der Holzschnitt die Identifikation des Türken mit dem Drachen auf, denn mit diesem ist er symbiotisch vereinigt. So ist in diesem Holzschnitt der andersgläubige Mensch in doppelter Weise zum Tier geworden; die Demütigung ist vollkommen. Der Türke als Drache - dies ergibt auch einen apokalyptischen Anklang, so daß wieder die Auseinandersetzung zwischen Christen und Türken als 'Endkampfszene' vorgestellt wird. Indem der Holzschnitt zwei Metaphern des Textes umsetzt, visualisiert er äußerst wirkungsvoll den Herrschaftsanspruch der Christen über die Türken entsprechend einem angeblichen göttlichen Heilsplan; der dargestellte Triumph bildet die Kehrseite einer gesteigerten Türkenfurcht. 186 Standen bei den bisherigen Holzschnitten äußere Feinde oder Landsknechte im Mittelpunkt, so bringen zwei weitere den 'gemeinen Mann' in gewaltsamer Aktion. Bild Nr. V12 zeigt eine mit Lanzen und Hellebarden bewaffnete Schar, die in ein durch Bögen und Säulen bezeichnetes Gebäude eindringt und dort drei weitere Personen attackiert. Durch ihre einfache Kleidung und hutartige Kopfbedeckung sind die Angreifer sozial von ihren Opfern unterschieden, die durch Kronen auf ihren Häuptern als Fürsten bezeichnet sind. Besonders drastisch ist das Geschehen im Vordergrund dargestellt: der mit Krone und Szepter versehene Herrscher ist schon mit verzerrtem Gesicht in die Knie gebrochen. Ein 185 Diese Herrschaftspose - allerdings gezeigt in der Herrschaft der Frau über den Mann - ist zu sehen bei Verbildlichungen des Themas 'Aristoteles und Phyllis'. Vgl. Geisberg, Singleleaf Woodcut, Bd. 1, G 119, dargestellt von Hans Baidung Grien 1513. 186 In leichter Abwandlung wurde dieser Holzschnitt von Jakob Köbel für ein Flugblatt verwendet, das die Zerstörung des Türkenreiches vorhersagt und in diesem Zusammenhang nochmals die Prognose Virdungs zur Konjunktion 1524 in Bezug auf die Türken wiedergibt. Aus dem Drachen ist der siebenköpfige Drache der Apokalypse geworden, und ein Komet ist am Himmel zu sehen, so daß 'Zeichen' am Himmel und endzeitlicher Kampf gegen die Türken kombiniert werden. Der Türke ist jetzt nicht nur mit einem Zaumzeug versehen, sondern zusätzlich an den Händen gebunden. Unklar ist, wann das Blatt entstand, doch dürfte es nach 1544 anzusetzen sein, da es von Pfalzgraf Ludwig V. als verstorben spricht. Vgl. Geisberg, Single-leaf Woodcut, Bd. 3, G 1575-1.

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Mann hinter ihm hält ihn gepackt, während ein zweiter seine Faust zum Schlag erhoben hat. Wichtig ist auch die links dargestellte Szene: Ein Fürst wird von zwei Männern an den Armen gefaßt und von seinem Thron gezerrt, also symbolisch seiner Herrschaft beraubt. Der Text sprach hier kritisch vom 'gemeinen Mann', der sich gegen seine Obrigkeit erhebt, während das Bild nicht so eindeutig Stellung bezieht. Die Darstellung von Gewaltakten gegen die weltliche Herrschaft muß jedenfalls nicht unbedingt abwertend gemeint sein. Im Falle des von seinem Thron gestürzten Fürsten könnte sich sogar die Assoziation einer biblischen Rechtfertigung einstellen. 187 Bild Nr. V33 stellt schließlich dem Betrachter drei mit Wams und Mütze bekleidete Männer vor, die mit Hellebarde, Knüppel und Dreschflegel auf einen am Boden liegenden König einschlagen. Bemerkenswert ist, daß diese Szene eines Aufstands der Bauern - denn auf diese Sozialgruppe weist der Dreschflegel hin keine direkte Entsprechung im Text findet. Dort wird für die Städte Hamburg, Stade, Lübeck und andere Hansestädte großer Schaden durch Wasser vorhergesagt (Regenfälle sind auf Bild V34 zu sehen), aber auch Kummer "durch andere manigfeldige schlde jrer fynde" (D3a). Daß diese Feinde im Bild Bauern sind, zeigt die Dominanz der Angst vor einem Aufstand des 'gemeinen Mannes'. Von kritischen Gedanken bestimmt ist auch die Darstellung Nr. V20, hier aber bezogen auf das Mönchswesen. In einem durch Bögen und Säulen gegliederten, halb offenen Raum, von dessen Decke eine Lampe herabhängt, sind verschiedene Personengruppen erkennbar. Im Vordergrund schreitet ein Landsknecht auf eine Gruppe von vier Mönchen zu, er ist gerade im Begriff, sein Schwert zu ziehen. Auf den Köpfen dreier Mönche haben sich Vögel niedergelassen, der vierte Mönch trägt einen Beutel. Im Mittelgrund sitzen zwei Personen an einem Tisch und spielen Karten. Die Person rechts könnte eine Frau sein. Ob der bärtige Mann neben ihr ein Mönch ist, muß bei der schlechten Qualität des Holzschnitts unentschieden bleiben. Schließlich erscheinen im Hintergrund zwei weitere Männer, von denen der eine den linken Arm erhoben hat. Das Bild integriert verschiedene Textbestandteile und zeigt, wie es zugeht, wenn die Kirche zur 'Räuberspelunke' wird. Der Beutel in der Hand des einen Mönchs könnte den Vorwurf des Wuchers ausdrükken, den der Text erhebt. Die Vögel auf den Häuptern der Mönche sind wohl die "raubig wyhe / vn der fressig geyer" (C2b), die sich eingenistet haben, wären also ebenfalls ein negativ besetztes Symbol.188 Anders als im Text geraten die Mönche nicht untereinander in Streit, sondern

187 Vgl. Luk. 1,52: "Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen." In der Vulgata: "Deposuit potentes de sede et exaltavit humiles." 188 In der 'Passio S. Meinradi', Basel, Furter 1495/1500 (Copinger-Reichling 3966) sind Holzschnitte zu sehen, die Mörder durch Vögel auf ihren Köpfen kennzeichnen. Vgl. Schramm, Drucker in Basel, Teil 2 (Bilderschmuck 22), Abb. 540-545.

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werden von einem Landsknecht angegriffen, vielleicht ein Hinweis auf antiklerikale Haltungen auch dieser Gruppe.189 Sollte es sich bei den Personen am Tisch um Mönch und Frau handeln, so wäre die Kirchenkritik erheblich verschärft, denn dieses Motiv verweist auf Unkeuschheit als Laster der Geistlichkeit, die sich hier mit Spielsucht vereinigte.190 Jedenfalls nimmt der Holzschnitt in der Kombination von Wirtshaus und Geistlichkeit einen Gedanken des Textes auf, wobei allerdings gesagt werden muß, daß bei einer Isolierung des Bildes vom Text der Bildzusammenhang nur schwer erklärt werden könnte. All diese Darstellungen von Katastrophen oder Kämpfen werden von neutralen bzw. positiv besetzten Bildthemen kontrastiert, wobei die ausgesprochen positiven sehr dünn gesät sind. Neutral wirken vor allem die astrologischen Motive, die Wappen oder die Darstellungen einzelner Personen oder Personengruppen mit illustrierender Funktion, wie etwa die des Königs von Frankreich (Nr. V29), der Königin von Spanien (Nr. V32) oder einer Gruppe von Klerikern (Nr. V24). Doch auch der König von England muß sich wilder Tiere erwehren, die ihn angreifen und als Sinnbilder seiner Feinde zu verstehen sind (Bild Nr. V30), und ein italienischer Fürst wird von Landsknechten abgeführt (Bild Nr. V27), so daß seine Bedrohung durch Feinde veranschaulicht wird. Die Darstellungen von Propheten und Astrologen verweisen auf den astrologisch-prophetischen Doppelcharakter der Schrift. Neben einem bärtigen Mann in langem Gewand, der in einer Zelle vor einem Tisch mit Büchern sitzt und wohl einen Propheten darstellen soll (Bild Nr. V18), befindet sich die Abbildung einer Säule mit einer Statue (Bild Nr. V19). Sie trägt Helm, Schild und Fahne und könnte vielleicht mit dem Kriegsgott Mars identifiziert werden. Der Holzschnitt würde dann auf römische Praktiken der Götterverehrung im Sinn eines falschen Götzendienstes anspielen, während der Text die Ankunft des Antichristen ankündigt. Es könnte aber auch eine Verbindung zur Statue des Nebukadnezar gegeben sein.191 Die zahlreichen Tierallegorien beziehen sich auf prophetische Passagen, in denen vor allem verschiedene Herrschaftsgebiete mit Tiersymbolen versehen werden. Der Löwe steht so z.B. entsprechend der Wappentiere für Florenz und Venedig. Auf einem Holzschnitt ist ein Löwe in einem umzäunten Gehege zu sehen; der Text gab die Gefahr der Gefangennahme für Venedig an. 192

189 S. dazu Goertz, Pfaffenhaß, S. 52-68. 190 Vgl. Scribner, Folk, S. 38. 191 Für eine Verbindung zu Nebukadnezar spricht, daß die von ihm im Traum gesehene Statue in Bibelillustrationen ähnlich dargestellt wird. Vgl. z.B. den Bibeldruck nach der Übersetzung Luthers von Hans Lufft, Wittenberg 1545 (Biblia Germanica) mit den Holzschnitten von Lukas Cranach zum Kap. Dan. 3. Faksimiledruck Stuttgart 1980. Die Abgötterei wird oft durch den Tanz ums goldene Kalb dargestellt, wobei das Kalb auf einer Säule steht. Vgl. die Illustration zu Kap. 2 Mose 32 in demselben Druck. 192 Vgl. Virdung v. Haßfurt, Practica Teutsch, Oppenheim 1521 (E2a).

201

Explizit beruhigende oder positive Darstellungen finden sich nur spärlich. Holzschnitt Nr. V6 verbildlicht die versöhnliche Thematik des Regenbogens als Friedenszeichen Gottes; der Texthinweis auf Genesis 9,12-18 ist als Bildbestandteil zu sehen. Auf dem Regenbogen thront Gottvater, während sich zu seinen Füßen Menschen verschiedener Stände eingefunden haben. Ein Mönch mit Kutte, ein Mann mit langem Mantel und Kappe und ein ärmlich gekleideter, bärtiger Mann sind auszumachen. Ein vierter Mann trägt einen breitrandigen Hut und gestreifte, knielange Bundhosen. Er hält ein Schwert und soll vielleicht einen Landsknecht darstellen. Einige Personen blicken nach oben oder weisen mit dem Finger empor. Mit ihnen kann der Betrachter aus der Darstellung Trost schöpfen. Zwei weitere Holzschnitte mit positiven Botschaften betreffen die katholische Kirche. Bild Nr. V21 zeigt ein Schiff und an seinem Ruder einen Mann mit Nimbus; offenbar handelt es sich um Petrus. Am Bug des Schiffes steht eine andere Gestalt, es ist Christus, der das 'Schifflein Petri' hält, links ist ein kahler Baum dargestellt, den Raubvögel teils umkreisen, teils als Standort gewählt haben. Die Bedrohung des 'Schiffs Petri' durch Adler und Habichte, die der Text nennt, und heftige Wellen ist noch im Bild gegenwärtig, doch die Zuversicht auf den Fortbestand der katholischen Kirche wird ebenso vermittelt, denn Christus hält und beschützt sie. Rückhaltlos positiv ist die Darstellung des Bildes Nr. V36. In einer Landschaft mit einer Kirche im Hintergrund segnet der Papst, mit Tiara und Vorhaltekreuz versehen, eine Gruppe von Gläubigen, die vor ihm kniet. Die Personen halten die Hände betend erhoben und sollen offensichtlich die reumütig in den Schoß der katholischen Kirche zurückgekehrten Böhmen darstellen. An exponierter Stelle - nämlich am Schluß der Schrift - befindet sich ein Holzschnitt (Nr. V42), der die Hoffnung auf Rettung paradigmatisch formuliert: In baumbestandener Landschaft vor einem Hügel, hinter dem eine Stadt sichtbar wird, kniet ein Mann in einfachem Gewand. Den Hut hat er ehrfürchtig abgenommen, die Hände zum Gebet zusammengelegt. Er wendet sich an Christus (oder Gott), der mit einer segnenden Handbewegung über einem Wolkenband zu sehen ist und eine Weltkugel in der Hand hält. Der Gläubige zeigt angesichts der in der Schrift vorgestellten Gefahren die nach Virdung einzig richtige Verhaltensweise, das Gebet um Gnade. Nach all den Darstellungen angsteinflößender Vorgänge setzt der Schluß der Schrift mit diesem Holzschnitt ein deutliches Signal für den Betrachter, der kommenden Schrecken mit einem Gebet begegnen soll. Wird nun das Verhältnis von Text und Bildern insgesamt betrachtet, so läßt sich das Bemühen feststellen, die Holzschnitte der Textaussage anzupassen. Nicht überall jedoch gelingt dies so gut wie mit dem Holzschnitt Nr. V22. So sind Bild

202

Nr. V15, V23, V35, V37 und V38 überhaupt nicht durch den Text motiviert, 193 bei Nr. V11 und VI 3 wurden Inkongruenzen aufgezeigt. In zwei wichtigen Fällen bieten die Holzschnitte aber über den Text hinausgehende Informationen, indem sie den allgemeinen Begriff 'Feinde' konkretisieren. Einmal sind es die Türken, dann die Bauern, die im Bild auftauchen. Die Holzschnitte unterstützen und verstärken damit die ohnehin schon im Text deutlich ausgedrückte Aggressivität gegenüber Andersgläubigen sowie die Verurteilung eines Aufstands des 'gemeinen Mannes'. Die Bilder erfüllen verschiedene Funktionen: Während einige rein illustrativen Charakter haben und allenfalls als Orientierungshilfe dienen, verstärken andere die Botschaft der 'Practica Teutsch', denn sie zeigen keine zeitlichen oder räumlichen Einschränkungen der Vorhersage wie der relativierend argumentierende Text. Sie führen den Betrachter durch Naturkatastrophen und Kriege, lassen in ihm das Gefühl allgemeiner Bedrohung entstehen, bieten aber auch durch Verweise auf Endzeitliches Begründungszusammenhänge. Schließlich führen sie ihn zum andächtigen Gebet. In diesem Zusammenhang ist höchst bemerkenswert, daß nur die Institution der katholischen Kirche und der Papst als Oberhaupt aller Gläubigen positiv besetzt werden. Kaiser und Reich dagegen sind überhaupt nicht bildlich thematisiert, dem Kaiser fällt keine Retterfunktion zu, was in krassem Gegensatz zur Widmung der Schrift steht. Auch die Aussicht auf einen christlichen Sieg über die Türken wird sich eher an Glaubenszuversicht als an kaiserliche Politik knüpfen. So erhöhen die Holzschnitte die Wirksamkeit der Schrift, machen sie verständlicher und einprägsamer, nicht zuletzt durch die große Anzahl aktionsbezogener Darstellungen, die die Emotionen des Betrachters intensiv ansprechen und ihm seine Präsenz beim Geschehen suggerieren; einem Geschehen, das tatsächlich vor Augen geführt wird, während der Text noch von Möglichkeiten spricht. Dies alles leisten die Bilder, doch sie können den Text nicht ersetzen. Ohne ihn rezipiert, bleiben sie zum Teil mehrdeutig oder unklar in ihrer Bedeutung. Dies gilt z.B. für die Tierallegorien, die ebenso wie die astrologischen Darstellungen sich nur dem gebildeten Betrachter erschließen. In Text und Bild beschwört die 'Practica Teutsch' eine unheilvolle Zukunft, aber auch eine Zuflucht im rechten Glauben, der hier nur der katholische sein kann. Wie schon der Text lassen auch die Bilder der 'Practica Teutsch' eine deutliche Orientierung an der 'Pronosticatio' erkennen. Nicht nur die Tatsache, daß die Schrift (anders als die anderen Sintflutschriften) so reich bebildert ist, deutet darauf hin, sondern auch die Bildmotive im einzelnen: die Herrscherbilder, 194

193

V15 zeigt eine Stadtansicht, V23 Gott bzw. Christus in den Wolken, V35 einen springenden Hirschen, V37 einen Propheten und V38 einen Astrologen an einem Schreibpult.

194 Vgl. die Abb. L22, L23, L24, L25, L26.

203

die Tierallegorien, 195 der betende Gläubige 196 oder die Darstellungen vom Klerus 197 und den Propheten. 198 Gleichzeitig fallen jedoch auch Unterschiede ins Auge: die große Anzahl der Kampfszenen, die dramatischen Bilder und die größere Anzahl der astrologischen Motive weisen die 'Practica Teutsch' als Schrift aus, die in ihrem Bildteil gezielt auf propagandistische Wirkung setzt und dabei ihren Beitrag zur Sintflutdebatte gleichermaßen in Text und Bild formulieren möchte. Die 'Practica Teutsch' kann daher vor allem durch ihren Bildteil viel eher als 'popularisierte Adaption' der 'Pronosticatio' Lichtenbergers gelten als Grünpecks 'Spiegel'. Die lateinische Ausgabe der 'Practica Teutsch' ist in drei verschiedenen Drucken herausgekommen. 199 Einer davon (Abb V43), ohne die zahlreichen Holzschnitte im Text, zeigt die nackte Göttin Urania mit wallendem Haar, die das Universum hält. Es ist dargestellt durch die Erdkugel und mehrere sie umgebende Sphären, wobei ein Ring die Tierkreiszeichen zeigt. Dieser Holzschnitt aus der Dürerschule wurde nicht für Virdungs Text angefertigt; er befindet sich auch auf einem Prognosticon des Johannes Stabius für 1503 und 1504, das in Nürnberg herauskam. 200 Außerdem existieren zwei gekürzte Ausgaben der 'Practica Teutsch', die das Horoskop für das Jahr 1524 auf ihrem Titelblatt (Abb. V44) tragen. 201 In dieser Ausgabe wurden die wesentlichen Aussagen beibehalten, die astrologischen Erläuterungen aber abgekürzt. Der Nexus von Gefahr und Gebet findet sich auch im sehr detailreichen Titelholzschnitt der später entstandenen 'Practica deutsch' ausgedrückt. (Abb. S 7). 202 Er zeigt die verschiedenen Reaktionsweisen der Bevölkerung auf die kosmischen Vorgänge, die bereits zu einer bedrohlichen Situation geführt haben, denn in einem reißenden Gewässer kentern Schiffe, versinken Menschen - vier

195

Vgl. die Abb. L10, LH, L18, L21, L27, L28.

196

Vgl. L2.

197

Vgl. L5.

198

Vgl. L33.

199 Johann Virdung v. Haßfurt: Prognosticon, lat., Oppenheim, Köbel 1521. Holtmann Blütezeit, S. 57f, Virdung Nr. 1; Virdung v. Haßfurt, Prognosticon, lat., o.O. 1521; Johann Virdung v. Haßfurt: Prognosticon, lat., Krakau, H. Vietor 1523. Hellmann, Blütezeit, S. 58, Virdung Nr. 3. 200

Johannes Stabius: Practica für 1503 und 1504. Nürnberg, J. Weyssenburger oJ. (1502). Vgl. Zambelli, Astrologia, S. 333. Die Darstellung der Urania wird entweder Dürer selbst oder der Dürerschule zugeschrieben. Vgl. Geisberg, Single-leaf Woodcut, Bd. 2, G 740 und Kommentar.

201 202

Vgl. Anm. 168. Virdung v. Haßfurt, Practica deutsch, (Speyer 1523). Zur Identifizierung des Druckorts s. Benzing, Drucker, S. 122.

204

Köpfe ragen aus den Fluten und außerdem ist ein Fisch zu sehen -, Korn und Wein am Ufer sind gefährdet. An beiden Ufern des Flusses befinden sich Gruppen von Menschen. Am oberen Flußlauf sind zahlreiche Personen versammelt, die den Himmel betrachten oder nach oben weisen. Es sind strömender Regen, eine Mondfinsternis, aber auch die Sternbilder Stier, Fische und Widder sowie die Sonne 201 sehen. Unter den Beobachtern befinden sich auch zwei Astrologen, die mit ihren Meßgeräten inmitten der aufgeregten Menge als Sachverständige auftreten. Weiter unten rechts sind Mönche und andere Kleriker dargestellt, die betend auf die Knie gefallen sind, während links einige Männer mit Schwertern und Hellebarden aufeinander einschlagen. So veranschaulicht der Holzschnitt verschiedene Stufen des menschlichen Verhaltens unter der gefürchteten Konjunktion: Nehmen die einen noch erschreckt und staunend bzw. mathematischprüfend die Himmelsvorgänge wahr, so sind andere schon unter den bösen Einfluß des Gestirns geraten und kämpfen gegeneinander. Den letzteren antithetisch zugeordnet sind die Betenden, die in allem das Wirken Gottes erkennen und ihn daher um Gnade anflehen, ihren Glauben gegen die schädlichen Himmelseinflüsse setzend. Daß sich gerade die ins Kreuzfeuer der Kritik geratenen Mönche so 'vorbildlich* verhalten, zeigt erneut Virdungs altkirchliche Haltung. Diese tritt nun auch - schärfer akzentuiert als in der 'Practica Teutsch' im Text der Schrift hervor. Virdung sieht eine große Veränderung für Geistlichkeit und Kirche kommen und fährt fort: "... vnd auferwecke etzliche mensche die im cristlichen glauben vn der cristliche kirchen vil irsals mache werden vnd verblendüg des glaubes / auch zukunfft etzlicher falsche prophete d'leyder etzliche jetzunt vor äugen sein..." (A3b) In einer deutlichen Akzentverschiebung wird statt der noch in der Zukunft liegenden Ankunft eines Antichristen auf das gegenwärtige Wirken falscher Propheten verwiesen; ihnen und allen, die der Kirche schaden wollen, hält Virdung beschwörend entgegen, es werde eine "versamelüg" stattfinden, in der "... dz meisteil teyl der grosmechtige den geistliche beisten werde sie vor de rittermesigen vn dem adel vnd de groben bewerische volck vn den die ire lebe in wollust vn leichtfertigkeit volfure beschütze vnd beschirme vff dz sie nit gantz v' dilget werden wie dan in behem geschehe ist..." (A3b) Die Erwähnung von Hilfe und Schutz für die Geistlichen durch ein Konzil, an dem wohl auch die weltlichen Fürsten teilnehmen sollen, hat Aufforderungscharakter für die herrschenden Stände. Gleichzeitig werden die Feinde der katholischen Kirche nun näher spezifiziert: Reformatoren, Ritter, Bauern, die Böhmen und Stadtbürger nennt Virdung in offensichtlicher Auseinandersetzung mit den reformatorischen Bewegungen, die Virdung allesamt verurteilt. Besonderen Tadel erhalten dabei die Geistlichen selbst wegen ihrer "lare so einer lernt Swartz

205

der ander weyß vn itzlicher wendet die heiige schrifft nach seynem wolgefalle" (A3b/A4a), aber auch wieder der 'gemeine Mann', von dem es in scharfer Kritik heißt: "... vnd das gemeyn volck neme wiirt ein stoltz gemütte wyder etzliche furste vn grosmechtige sich in glich schetze doch sehen sich ebe füre vff das so sy vermeyne gluck zu erlange daz sie nit mit vngluck angst vnd nott vmb geben werde ..." (A4b) Nicht nur angreifen will der 'gemeine Mann' seine Obrigkeit - der er doch Gehorsam schuldig wäre - sondern er maßt sich sogar den Gedanken der Gleichheit aller Menschen an, der zum Autoritätsverlust der Obrigkeit führen muß. Hierin sieht Virdung die eigentliche Gefahr und reflektiert damit die Auswirkungen der Aufwertung des 'gemeinen Mannes' durch die frühe Reformation und die neue Qualität der Legitimationsmöglichkeiten für die Aufstände des 'gemeinen Mannes', wie sie später im Bauernkrieg eine wichtige Rolle spielen wird. 203 Den Rahmen der Sintflutdebatte nutzt Virdung so zu immer pointierteren tagespolitischen Äußerungen, indem er die zunächst nur in Ansätzen vorhandenen aktuellen Stellungnahmen insbesondere in Hinblick auf reformatorische Auseinandersetzungen konkretisiert. Diese Strategie widerspricht nicht der Haltung des pfälzischen Kurfürsten, der, um einen politischen Kompromiß in Glaubensfragen bemüht, sich in den eigentlich religiösen Fragen zurückhielt, andererseits aber Aufruhr gegen die Obrigkeit im Gefolge des Religionsstreits fürchtete. 204 Noch im Jahre 1521 finden wir dann eine weitere Schrift, die sich schon zentral mit dem Sintflutproblem befaßt. Jedenfalls nimmt in der Vorhersage des Conradus Gallianus, die bei Johannes Schott in Straßburg erschien, trotz ihrer Geltung für 1522 - 1524 das Jahr 1524 den größten Raum ein. 205 Über Gallianus können nur die von ihm selbst erwähnten Angaben gemacht werden: Er nennt sich "maQ

thematicus / vnd gottlicher schrifft Licenciaten", außerdem "der Astronomischen kunst ein erfarnen" (A1 a). Angesichts der letzteren Aussage ist bemerkenswert, daß von Gallianus bisher keine weiteren Praktiken gefunden wurden. Beide von ihm angesprochenen Bildungsbereiche sind in der Schrift repräsentiert, neben relativ ausführlichen astrologischen Erörterungen fallen der predigtartige Ton 203

Vgl. Steinmetz, Virdung von Haßfurt, S. 36 zu Virdungs Meinung vom Bauernkrieg.

204

S. dazu Walter Müller: Die Stellung der Kurpfalz zur lutherischen Bewegung von 1517 bis 1525. Heidelberg 1937 (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 68). Das Verhältnis des Pfalzgrafen zur katholischen Kirche vor der Reformation bespricht Max Steinmetz: Die Politik der Kurpfalz unter Ludwig V. (1508-1544). Teil 1. Die Grundlagen. Die Zeit vor der Reformation. Diss. Freiburg 1940. (Masch.).

205

Gallianus, Practica, dtsch., Straßburg (1521) (A2a). Die Vorhersagen für 1522 und 1523 sind sehr formelhaft; alle Prognosen werden durch entsprechende Horoskope eingeleitet.

206

der Schrift und der biblische Bezug eines Teils der Holzschnitte auf. Dementsprechend widmet Gallianus seine Praktik "allen Christgllubigen" (A1b); die Widmung gibt also nicht, wie bei anderen Autoren, einen Hinweis auf die sozialen Bezüge, in denen der Schreiber steht. Gleich in der Eröffnung seiner Schrift spricht Gallianus die Sintflutprophetie sowie "grusamme anderungen" (A2a) mit Anklängen an Stöfflers Ephemeriden an. Heftige "wasserflüssz" (Alb) und Gewitter, so verhehrend wie seit Noahs Zeiten nicht, werde es geben. 206 Um so verblüffender wirkt der unmittelbar folgende Satz: "Dorab sol aber niemant erschrecke" (A2b). Unvermittelt schwenkt Gallianus nun auf eine beschwichtigende Argumentation um: Gott könne allen e ο Schaden abwenden, wenn nur jeder sich bemühe "frolich zubegegen vnßerem heylmacher vnd gesponß Christo." (A2b) Mit dieser sehr reformatorisch klingenden Wendung verweist Gallianus auf Christus als Glaubensgrund, dessen Gesetz, wie er fortfährt, über dem der Sterne stehe. "Nur im glauben standt fest!" (A2b) ruft der Autor daher dem Leser zu. Später fordert er die Abkehr von unmoralischer Lebensweise, worunter er Schwören, Gotteslästerung und Zutrinken versteht. 207 Natürlich verweist auch Gallianus auf den Regenbogen, ergänzt jedoch einen "naturlichen trost" (A2b): die Wirkungen der Planeten werden erst in ferner Zukunft eintreten. Mit den gleichen Argumenten wie Nifo weist Gallianus einen "gemeine sindfluß" (C2a) zurück. 208 Als Folge der Konjunktionen gibt der Verfasser Unfruchtbarkeit und Teuerung, außerdem Kriege zwischen Christen und Türken an. Die Christen untereinander werden sich ebenfalls bekämpfen, wovor Gallianus angesichts des "vnchristlichen volck" (C2a), das die Christen bedrohe, warnt. Der Geistlichkeit sagt Gallianus Schaden durch das gemeine Volk, die Ritter und die weltlichen Obrigkeiten voraus, 209 und auch eine Warnung an den 'gemeinen Mann' vor Aufruhr fehlt nicht. 210 Bei Gallianus - wie bei Nifo und Virdung - findet sich also eine ambivalente Argumentationsweise, die zwischen Drohung und Beruhigung schwankt. Bei allem

206

"Was bedeüt er das anders / dan on zweiffei merckliche wasserflüssz / blixe / donder vnd hagel / erschrBckliche gewitter vnd bewegungen des himels vnnd des mBrs ... Allso dz zubesorgen / stett / schlSsser / land vnnd leüt in grosser ftrlicheit ston werden." Gallianus, Practica, dtsch., Straßburg (1521) (A2a/b).

207

Gallianus, Practica, dtsch., Straßburg (1521) (C3a).

208

Die Wirkung der Konjunktion wird auf bestimmte Landstriche eingeschränkt und die Mondfinsternis für bedeutender gehalten als die Konjunktion. Vgl. Gallianus, Practica, dtsch., Straßburg (1521) (Clb/C2a).

209 210

Gallianus, Practica, dtsch., Straßburg (1521) (B4b). Zu dem 'gemeinen Volk' heißt es: "Dorumb sye vermeyden sollen / sich zu erheben wider ir oberen / vnd wider den adel. dann sye desselben fürnemens weder glück noch frucht erlangen werden." Gallianus, Practica, dtsch., Straßburg (1521) (Cla).

207

Vertrauen auf Gottes Gnade beharrt Gallianus daher auf einer drohenden Diktion, wenn er die Leser zur Bußfertigkeit ermähnt: "Wo wir aber vns nit wolten bekoren (glaub mir) er (Gott, d.Verf.) hat sein bogen gespannen / sein schwert erschwungen / vnd todtlich geschütz bereit. Wann jm allein gebürt vnd zu gehört stroff vn roch, vns aber / dz wir in danckbarkeit / mit vestem glauben / hynfaren zu der freüd ewiger Seligkeit die vns in de verdienten blut Christi Jesu versprochen ist. Amen." (A3a) Charakteristisch für die Schrift des Gallianus sind die reformatorischen Wendungen, vor allem der exponierte Bezug auf Christus und seine Erlösungstat. Hier zuallererst soll der Gläubige Trost in seiner Angst vor der Zukunft suchen, eine Unterweisung, die als grundsätzlich neuer Ansatz gesehen werden muß, vergleicht man die Schrift des Gallianus mit den bisher vorgestellten. Was den Beitrag des Gallianus weiterhin interessant macht, ist die Gestaltung seines Titelholzschnitts (Abb. S 8), der die Wendung von dem Bogen, Schwert und Geschütz bereithaltenden Gottvater bildlich umsetzt. 211 Gott ist mit gespanntem Bogen sowie drei abschußbereiten Pfeilen 212 oben links abgebildet. Es tobt ein Unwetter mit Hagel und Sturm, der Wolken vor sich hertreibt. Im irdischen Bereich herrschen Zerstörung und Chaos. Mehrere Gebäude, darunter eine Kirche und eine Burg stürzen brennend und zerberstend zusammen, den Wirkungen der zerstörerischen Kräfte der Natur preisgegeben, die umso gewaltiger erscheinen, weil bereits kein fester Boden mehr existiert. Die Gebäude werden in die Luft geschleudert, und ebenso ergeht es den Menschen. Sie sind zu einem unentwirrbaren Knäuel umeinandergewirbelt. Im einzelnen lassen sich ein Landsknecht, eine Frau und drei weitere Männer ausmachen, von einem vierten ist nur Oberkörper und Hinterkopf zu sehen, vielleicht mit Tonsur. Der Holzschnitt visualisiert eher die Wirkungen eines Erdbebens als die einer Flut, doch die auch im Text angesprochene Zerstörung hoher Gebäude wurde umgesetzt. Unbezweifelbar ist, daß Gott - und nicht etwa die Planeten - als der Verursacher dieser Katastrophe anzusehen ist. Obwohl sein 'tödlich Geschütz' noch nicht abgeschossen wurde, sendet es das Unwetter auf die Erde herab. Der Holzschnitt fesselt den Betrachter durch seine große Dynamik. In einem Wirbel der Zerstörung wird das Unglück hereinbrechen und zwar, das zeigt die Auswahl der Personen - über verschiedene Stände. Wirkungsvoll wird die Angst vor Chaos und Untergang beschworen.

211

In der lateinischen Ausgabe wird dieses Detail in der Titelformulierung betont: "Nisi conuersi fueritis / gladium summuibrauit / arcum suum terendit / parauit in eo uasa mortis." Conradus Gallianus: Practica, lat., Straßburg, Johannes Schott ο J. (1521). Hellmann, Blütezeit, S. 34, Gallianus Nr.l.

212

208

Die Dreizahl läßt die drei 'Plagen' der Menschheit assoziieren: Hunger, Krieg und Pest.

Die kontrapunktische Entgegensetzung zu diesem Bild bildet ein Holzschnitt am Ende der Schrift (Abb. S 9). In einem Schiff, geschützt vor hohen Fluten, befinden sich drei Gläubige verschiedenen Alters, die eine das Ruder des Schiffes haltende Mariengestalt anbeten. An der Spitze des Mastes ist das Kruzifix zu sehen. Offensichtlich stellt dieser Holzschnitt die Rettung der Menschen vor allem Schaden durch ihren Glauben an Maria und den Opfertod Christi dar. Sie sind im 'Schiff Petri' auch vor gefährlichen Wassern sicher geborgen. Wurde bis zur Reformation das 'Schiff Petri' stets als Synonym für die katholische Kirche verwandt, 213 so könnte sich in dieser spezifischen Darstellung bereits ein Bedeutungswandel abzeichnen, eine neue reformatorische Einheit der Gläubigen im Zeichen des Kruzifixes gemeint sein, wogegen die Verehrung Marias nicht unbedingt sprechen muß, da diese in einer frühen Übergangszeit weiterhin betrieben wurde. Die beiden anschließenden Holzschnitte weisen biblische Bezüge auf. Der eine zeigt eine Gethsemane-Szene (Abb. S 10) mit den schlafenden Jüngern und dem betenden Christus. Der Text über der Darstellung spricht wieder den Kreuzestod Christi an und unterstreicht damit die zentrale Position dieses Gedankens in der Schrift. 214 Der andere Holzschnitt (Abb. S 11) illustriert den Bibelvers Lukas 21, 25. Christus weist inmitten einer Schar von Jüngern auf Sonne, Mond und Sterne am Himmel. 215 Zum Jahr 1524 hat Gallianus eine weitere 'Practica' publiziert, die im wesentlichen die früheren Ausführungen zur Sintflutprophetie und den Aussichten für 1524 wiederholt. Sie wurde in der Offizin des Pamphilius Gengenbach in Basel gedruckt 216 Zur Illustrierung des Drucks verwendete Gengenbach ältere Holzschnitte: Auf dem Titel sind Jupiter und Venus als Jahresherrscher mit den ihnen zugeordneten Sternzeichen Schütze und Fisch bzw. Waage und Stier zu sehen (Abb. S 12). Die Graphik stammt, ebenso wie eine Initiale des Buchstaben 'D' mit einem Monatsbild für August, aus einem Kalender Gengenbachs von

213 Vgl. Rahner, Navicula. 214

Ahnliche Bildgestaltungen finden sich in den Plenarien. Vgl. den Plenariendruck von Grüninger in Straßburg, 'Evangelia', 1498/1500. Schramm, Straßburger Drucker, Teil 2 (Bilderschmuck 20), Abb. 494. Über der Graphik in der Schrift des Gallianus ist zu lesen: "Dein bl8t vnd schwyß / ο Christe her / Den deinen sey ein widerwer / Die dir seind danckbar / halten vest Dein Testament bitz vff das letst." Gallianus, Practica, dtsch., Straßburg (1521) (C3b).

215

In einer Auslegung von Lukas 21, 25-36 hat auch Luther eine dezidiert reformatorische Position zur Planetenkonjunktion 1524 und einem möglichen Weltende bezogen; sie wird auf S. 291-298 dieser Arbeit vorgestellt. Das Bildmotiv ist gleichfalls in Plenarien auffindbar. Vgl. als Beispiel das Plenarium, das Konrad Fyner 1481 in Urach druckte. Schramm, Drukker in Esslingen u.a. (Bilderschmuck 9), Tafel 4, Abb. 14.

216

Gallianus, Practica teütsch, (Basel 1523). Vgl. Hieronymus, Buchillustration, S. 357, Nr. 349.

209

1514.217 Unter den Planetengöttern ist die Devise "Bitten got vmb gnod" zu lesen. Auf der letzten Seite der Schrift ist ein weiterer Holzschnitt zu finden (Abb. S 13). Um einen runden Tisch haben sich verschiedene Tiere versammelt, die bezeichnet werden als "ber, gans, wolf, Esel, saw, Kalb, schavf, hund" (B3a). Ein Faß mit Wein ist abgebildet. Die Trinkgefäße auf dem Tisch sind teilweise umgekehrt, und auf dem Tisch sitzt ein Affe, der seinen Becher auf den Tisch ausleert. Die anderen Tiere sind in ein Gespräch vertieft, der Bär liest aus einem Buch mit dem Titel "das wort gots", und die Gans leuchtet ihm dazu mit einer Fackel. Diese Art der Darstellung reiht sich ein in Verbildlichungen zur 'verkehrten Welt', wie sie reformatorische Flugblätter zeigen: Tiere werden statt der Menschen zu Handlungsträgern und karikieren damit die gezeigte Situation.218 Das unter dem Holzschnitt stehende Gedicht bestätigt diese Auslegung, denn es spricht von der bevorstehenden Verkehrung aller Stände. 219 Wenn auch die Graphik wohl nicht für die 'Practica' des Gallianus angefertigt wurde, so gehört sie doch in den Motivkreis, den die Leser mit der Sintflutprophetie assoziieren konnten. Im Vergleich zum Inhalt der Schrift der von einer künftigen Verkehrung der Stände nicht spricht, spitzt der Holzschnitt die Zukunftsaussagen für das Jahr 1524 im Sinne der Stöfflerschen Prognose zu. Die dritte, noch 1521 veröffentlichte Schrift zur Sintflutfrage ist die von Johannes Carion, dem Hofastrologen Kurfürst Joachims I. von Brandenburg. 220 Carion wurde am 22. März 1499 in Bietigheim in Württemberg geboren. Sein deut-

217

Vgl. Hieronymus, Buchillustration, S. 357.

218

Vgl. Hermann Meuche (Hg.): Flugblätter der Reformation und des Bauernkriegs. 50 Blätter aus der Sammlung des Schloßmuseums Gotha. 2 Bde. Leipzig 1975/76. Bd. 1, Abb. 18: Erhard Schön: Turnier des Hahns und der Gans. Dort predigt ein Bär, Zuhörer sind Gänse.

219

"Wie sich all stSnd werden verkeren ... Dann wirt die Christenheit han ru".Gallianus, Practica teütsch, (Basel 1523) (B3a). Hieronymus vermutet, daß das Gedicht von Gengenbach selbst stammt. Vgl. Hieronymus, Buchillustration, S. 357.

220

Carion, Prognosticate, dtsch., (Leipzig) 1521. Zu Canons Leben und Werk s. Johannes Schulze: Art. 'Carion'. In: NDB, Bd. 3, S. 138f. Briefe Carions finden sich bei Johannes Voigt (Hg.): Briefwechsel der berühmten Gelehrten des Zeitalters der Reformation mit Herzog Albrecht von Preußen. Beiträge zur Gelehrten-, Kirchen- und politischen Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts, aus Originalbriefen dieser Zeit. Königsberg 1841, S. 139-160. Biographisches bei Georg Theodor Strobel: Von Carions Leben und Schriften. In: Miscellaneen litterarischen Inhalts. 6. Sammlung, Nr. 5 (1782), S. 141-206; Otto Tschirch: Johannes Carion, kurbrandenburgischer Hofastrolog. In: Jahresberichte des Historischen Vereins zu Brandenburg a.d.H. 32-33 (1901), S. 54-62; Hermann F.W. Kuhlow: Johannes Carion (1499-1537). Ein Wittenberger am Hofe Joachims I. In: Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte 54 (1983), S. 53-66. Carions Porträt ist abgebildet bei Warburg, Weissagung, S. 304.

210

scher Name lautet Nägelin (Gewürznägelein gräcisiert = Caryophyllus) 221 Unter diesem Namen wurde er 1514 an der Universität Tübingen immatrikuliert 222 und war dort Schüler Johannes Stöfflers. Auch Philipp Melanchthon, der in Tübingen lehrte, lernte Carion kennen. In der Wittenberger Zeit Melanchthons gehörte Carion zu dessen humanistischem Freundeskreis, 223 der Reformator übernahm später die Korrektur des 'Chronicons' 224 Carions bekanntestem Werk. Anders als in der einschlägigen Literatur 225 angegeben, ist die erste erhaltene Practica Carions nicht die 'Prognosticatio und Erklerung der grossen Wesserung', sondern eine knapp formulierte Jahrespraktik für 1519, die Carion noch unter seinem deutschen Namen herausbrachte 2 2 6 Dieser Fund korrigiert die Meinung, Carion habe erst 1521 oder 1522 das Amt des Hofastrologen bekleidet, denn der Titel der Schrift lautet: "Practica M. Joägelin von Butighaim / auff das 1519. iar. Des durchleüchtigsten Fürsten vn herren herr Joachim Margraue zu Brandenburg rc. Astronomus." (A1a) Somit ist Carion schon außerordentlich früh - nämlich mit 19 Jahren - zu diesem hohen Amt aufgestiegen, bedenkt man, daß die Schrift 1518 erstellt worden sein dürfte. Die Magisterwürde hat Carion aber erst später erhalten, denn sie taucht zuerst in der 'Prognosticatio' von 1521 auf 2 2 7 Die astrologischen Ratschläge und diplomatischen Dienste des Hofastrologen wurden nicht nur von Joachim I., sondern auch vom Kurprinzen, dem späteren Joachim II. und von Herzog Albrecht von Preußen geschätzt. Für den letzteren erarbeitete Carion für das Jahr 1529 eine Konstellationsberechnung.228 1535 nach einem Aufenthalt in Dänemark promovierte Carion, inzwischen mit Margarete Rehm verheiratet, zum Doktor der Medizin. Schließlich bereitete Carion die Vermählung des Kurprinzen mit Hedwig von Polen vor und begleitete seinen Herrn nach Krakau. Am 2.2.1537 ist Johannes Carion in Magdeburg gestorben, offenbar inmitten eines Trinkgelages 2 2 9 Bei aller Wertschätzung, die Carion in höfischem Dienst erfahren hat,

221

Vgl. Tschirch, Carion, S. 57. Das Wappen Carions zeigt drei Nelken.

222

Wie Kuhlow richtigstellt, war Carion zwar bei seinem Besuch 1532 in der Wittenberger Universität inskribiert, doch hat er dort nicht studiert. Vgl. Kuhlow, Carion, S. 54.

223

Vgl. dazu Thorndike, History, Bd. 5, S. 378-405.

224

Vgl. Kuhlow, Carion, S. 56. Dort wird auch auszugsweise ein Brief Melanchthons an Camerarius vom 12. Juni 1531 wiedergegeben, in dem sich Melanchthon zu der Arbeit am 'Chronikon' äußert.

225

Vgl. z.B. Thorndike, History, S. 382.

226

Nägelin, Practica, dtsch., o.O. (1518).

227 Auf dem Titelblatt steht dort: "Durch mich Magistrü Johannem Carion vö Büetikaym ...". Carion, Prognosticatio, dtsch., Leipzig 1522 (Ala). 228

Vgl. Voigt, Briefwechsel, S. 144.

229

Vgl. Tschirch, Carion, S. 62.

211

wurde er doch aufgrund seiner astrologischen Betätigungen der Nekromantie verdächtigt. Öffentlich äußerte der Astronom Andreas Perlach in einer Kometenschrift diesen Vorwurf und behauptete, Canons Erkenntnisse entstammten nicht der 'natürlichen Kunst', d.h. der Astrologie, sondern Schriften über magische Praktiken. 230 Über Canons Verhältnis zur Reformation ist viel spekuliert worden, da seine geachtete Position am Hofe des vehementen Reformationsgegners Joachim I. 231 und seine Freundschaft mit Melanchthon sich zu widersprechen scheinen. In der Forschungsliteratur wird er zumeist für altgläubig oder religiös indifferent gehalten. 232 Eine Untersuchung seines Briefwechsels aber ergibt ein freundschaftliches Verhältnis nicht nur zu Melanchthon, sondern auch zu Luther, den Carion 1532 um geistlichen Rat für den reformationsfreundlichen Kurprinzen bittet. 233 So ist davon auszugehen, daß Carion lediglich eine gewisse Zurückhaltung im öffentlichen Bekenntnis zum neuen Glauben geübt hat, seiner exponierten Stellung am Hofe wegen. Als Vermittler zwischen dem evangelischen Wittenberg und reformatorisch gesinnten Kreisen am Brandenburger Hof wurde er gleichwohl tätig, hatte aber auch bedeutenden Einfluß auf den astrologiegläubigen Joachim I. Die Schrift 'Prognosticate und Erklerung der grossen Wesserung', die zuerst 1521 bei Martin Landsberg in Leipzig und später in drei weiteren Ausgaben herauskam, gehört wie die Vorhersagen Seitz' und Virdungs zu den verbreitetsten der Sintflutdebatte. 234 Von vornherein hat sie Carion in deutscher Sprache ver230

Vgl. Andreas Perlach: Des Cometen und anderer Erscheinung ... im XXXI. Jahr ... Bedeutung, o.O.o.D. 1531 (Zinner 1453). Perlach schreibt: Es gebe mehrere Künste, durch die die Zukunft zu erfahren sei, doch seien einige sogar bei den Heiden bei 'Schwert und Brand' verboten: "Mich dunckt auch glnzlich, er habe seine iudicia genommen aus den Büchern Magistri Pelagi Heremitae in regno Maioricarum von der BeschwSrung der Geister ..." Zit. nach Strobel, Leben, S. 150. Strobel weiß von einer Schrift zu berichten, die Joachim I. selbst von dem Vorwurf der Magie freisprechen will: Johann Adam Flessa: Apologia pro iochimo I.... Altona o.D. 1744. Vgl. Strobel, Leben, S. 142.

231 Joachim I. gehörte zu den ersten, die das Wormser Edikt veröffentlichten. Vgl. Gerd Heinrich: Kurfürst Joachim von Hohenzollern, Markgraf von Brandenburg. In: Reuter, Reichstag, S. 336-351, hier S. 342 und S. 351. Außerdem Paul Kalkoff: Die Beziehungen der Hohenzollern zur Kurie unter dem Einfluß der lutherischen Frage. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven 9 (1906), S. 88-140. 232

So etwa Zambelli, Fine, S. 328 in Bezug auf seine 'Prognosticatio'; J.C.W. Moehsen: Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg. Bd. 2. Berlin, Leipzig 1781, S. 410ff. hält es für ausgeschlossen, daß ein Lutheraner sich an Joachims I. Hof halten könnte. Ebenso Hildegard Ziegler: Chronicon Carionis - Ein Beitrag zur Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts. Diss. Halle/Saale 1898, S. 4.

233

Vgl. hierzu Kuhlow, Carion, S. 60.

234

Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 27f.

212

faßt, auf einen breiteren Rezipientenkreis als auf die lateinkundigen Leser zielend. Hierzu paßt es, wenn Carion zunächst dem Leser versichert, die "Reymen der Planeten", eine Ausdeutung der Planetenkonstellationen von 1521 bis 1524 in allegorischer Form, könnten mit einigem Nachdenken durchaus entschlüsselt werden. 235 Dann aber scheint Carion den intellektuellen Fähigkeiten seiner Leser nicht recht getraut zu haben, denn er fährt fort: "Himach Volgen etzlich antzeigung vnd bedeutnns (!) obangetzeigter verborgener wort / so dem gemeinen mann schwerlich zuuorstehen seyen." (B3a) Wie bei Seitz findet sich also auch hier der explizite Bezug auf den 'gemeinen Mann' als Rezipienten der astrologischen Schriften. Dies schließt nicht aus, daß Carion ebenso vor den Augen "gelarter" (A1b) Leser Gnade zu finden hofft. Seine Weissagung beginnt Carion mit dem Hinweis auf den Kometen des Jahres 1521; er bringe Zwietracht zwischen Geistlichen und Weltlichen. Er fährt fort: "Auch wirt auffstehn ein weltlich man vom nidergang der Sonnen / nicht eines hochen standes / vn sich erheben als ein hautpman (!) des volckes / durch welchen diser Comet wurckt den todt eines grossen herren. Disser hauptman wirt gehalten in grosser ehr vnd wurd von den so ym vndtertenig sein / welcher dan wirt schedlich allen Jouisten helt sich heymlich in allen seinen anschlegen / legt sich wider grosse heupter der geistlicheit." (A1b/2a) Wen Carion mit diesem Hauptmann aus niederem Stand meint, bleibt unklar, zumal Carion wohl keine historisch fixierbare Person ansprechen wollte. Die Erwähnung der heimlichen Anschläge und der Eigenschaft des Hauptmanns als Führer des Volks verweist am ehesten auf die jüngsten Bundschuherfahrungen. Auch läßt sich in der spätmittelalterlichen Literatur die Figur eines Retters des Volkes aus niedrigem Stand nachweisen, die hier eine Rolle spielen könnte. 236 In den "Reymen der Planeten" finden sich dagegen klarere Aussagen zum Zeitgeschehen. Die Bewegung der Planeten und ihr jeweiliger Stand zueinander wird dort übertragen auf die gesellschaftlichen Konstellationen der verschiedenen Stände zueinander. 237 In der Auflösung bieten sich folgende gesellschaftliche Konflikte: die Ritter (Mars) kämpfen gegen den Papst (Jupiter) und bedrohen ebenfalls den Kaiser (Sol) und seine Räte (Merkur), indem sie einen Anschlag planen. Der arme Mann (Saturn) ist voll "heimlichs tzorns und bößes neydes" (B3b/B4a) und wendet sich ebenfalls gegen den Papst, der für 1524 eine Versammlung aller Stände einberuft. Carion stellt so die innenpolitische Lage aus seiner Sicht dar, wobei der 'gemeine Mann' noch die deutlichste Abwertung er-

235

Carion, Prognosticate, dtsch., Leipzig 1522 (B3a). Hiernach Zitate im Text.

236

Haupt, Revolutionär, S. 159f.

237

Carion, Prognosticate), dtsch., Leipzig 1522 (B3a-B4a).

213

fährt. Der Autor reflektiert - kurz nach dem Reichstag zu Worms 238 - sowohl die papstkritische Haltung der Reichsritterschaft sowie eventuell bereits eine beginnende Abwendung dieser Kreise vom Kaiser nach dem Wormser Edikt, 239 als auch das Aufgreifen der Papstkritik durch den 'gemeinen Mann'. Er geht zudem auf die Diskussion um ein Nationalkonzil ein, von dem er glaubt, daß es dem Papst eher schaden als nützen werde. Schließlich folgt die Vorhersage für 1524, die die entsprechende Passage der Ephemeriden von Stöffler in wörtlicher Übersetzung bringt und Regenfälle "in greulicher vngestumikeit" (A2b) ergänzt. Da diese Prognose nicht allzu beruhigend klingt, ist verwunderlich, wie exzessiv Carion gegen Seitz polemisiert und zwar deshalb, weil dieser behauptet habe, die für 1524 zu erwartenden Überschwemmungen fänden nur in der biblischen Sintflut ihre Parallele. 240 Carion führt gegen Seitz ins Feld, daß die Überschwemmung von 618 n. Chr. ebenfalls größer als die für 1524 prognostizierte war. Detailliert beschreibt Carion die Überflutungen im Jahre 618 nach alten Chronikberichten 241 und erwähnt die Gregoriuslegende. 242 Nach der Überschwemmung habe die Pest gewütet, der als erster Papst Pelagius zum Opfer gefallen sei. Danach sei der Heilige Gregorius zum Papst gewählt worden. Vielleicht macht sich hier eine versteckte Kritik am verweltlichten Papsttum geltend. Der Hinweis auf die Flut von 618 n. Chr. soll das unwissenschaftliche Vorgehen des Seitz illustrieren; als Moment des Trostes ist es nicht dienlich, denn Carion räumt ein, daß die Überschwemmungen des Jahres 1524 immerhin fast genauso stark sein werden. 243 Allzu entscheidend sind also die Differenzen zwischen Seitz und Carion nicht, so daß sich vermuten läßt, daß es dem Hofastrologen le238

Aus Carions Kritik an dem Verhalten des Alexander Seitz, der auf dem Reichstag seine Prognosen angeboten habe, geht die Abfassung nach dem Reichstag hervor. Vgl. S. 185 dieser Arbeit.

239

Hier wäre z.B. an Ulrich von Hutten zu denken, der eine antirömische Haltung zeigte und, aus Opposition gegen das Landesfürstentum, in Kaiser Karl V. große Hoffnungen setzte, der aber nach dem Grlaß des Wormser Edikts dem Kaiser sofort den Dienst aufkündigte. Vgl. dazu Volker Press: Ulrich von Hutten, Reichsritter und Humanist 1488-1523. In: Nassauische Annalen 85 (1974), S. 71-86. Zur Reichsritterschaft allgemein s. ders.: Adel, Reich und Reformation. In: Mommsen, Stadtbürgertum, S. 330-383.

240

Vgl. Carion, Prognosticatio, dtsch., Leipzig 1522 (A3a). Carion fährt fort, Seitz habe wohl in "den Taffein Alfoncii / oder ander gelarten dißer kunst / rumpelt / vn di grosten grossen vn mittein Cöiunctiones nicht wol erforscht ...". Bei aller wirklicher Gegnerschaft muß jedoch bedacht werden, daß die Klage über die in Verruf gekommene Astrologie und unverantwortliche Kollegen ein Topos ist. Vgl. Thorndike, History, Bd. 5, S. 332-337.

241

Vgl. Carion, Prognosticatio, dtsch., Leipzig 1522 (A3a/b).

242

Vgl. dazu Zambelli, Fine, S. 307. Carion irrt sich hier jedoch in den Daten, denn um 618 n.Chr. war Papst Pelagius bereits verstorben (Tod 7.2.590).

243

214

Vgl. Carion, Prognosticatio, dtsch., Leipzig 1522 (A3b).

diglich opportun erschienen sein mag, einen so mißliebigen Mann wie Seitz zu attackieren. Eine wirkliche Abweichung von der Argumentation des Seitz findet sich an anderer Stelle: Zum Schluß seiner Prophetie verweist Carion darauf, daß die Wunderzeichen über Wien keinen Einfluß auf die Vorhersage für das Jahr 1524 hätten. 244 Den Gedanken der Uneinigkeit fortführend, sagt Carion weiterhin "ein gantze veranderüg vn reformation der Christlichen kirchen / ym selben vn nachuolgenden iare" (A4a) voraus. Diese Reformation parallelisiert Carion jedoch mit dem Großen Schisma von 1054, das auch unter der unheilvollen Wirkung des Saturn gestanden habe. Die Reformation wird negativ charakterisiert: — β — "Bedeut zufallen vn zerstört zu werden die schwachen Saul vn enthalterin / der christliche kirchen welche dan der christliche kirchen ordnüg vn gesetz / schwerlich getragen vnd getzirt hat. Ο dan wirt der groß herr betrübet vn in grossem kumer sich von hynnen wenden." (A4a) Nicht etwa als Rückgewinnung wahrhaft christlicher Glaubensgrundsätze wird die Reformation hier gesehen, sondern als Zerstörung der Einheit der Kirche und ihrer Gesetze, von der sich Gott abwenden werde. Für Carion hat die Christenheit ohnehin andere Aufgaben, nämlich die Bekämpfung der Türken. Die christlichen Fürsten ruft Carion im Namen "christi vnsers seligmachers" (A2a) zum Kreuzzug auf. Der Sieg über die Feinde, mit deren Blut die Erde getränkt werden müsse, werde bei Köln am Rhein stattfinden, verspricht der Autor mit Bezug auf die Merlin-Prophetie. 245 Schließlich überhöht Carion die Gegenwart durch eine friedliche Zukunft, in der ein Friedenskaiser , der zuerst über Frankreich und schließlich über Jerusalem herrschen wird, die Schlüsselfigur darstellt: β — "Dan werde die schwert beyderley oberkeit in mildigkeit vn grosser gute eynig Dan werde die gesetz christlicher ordenung in ein Taffei des festen Demants geschrieben vnd vnbruchlich gehalten ... Dann wirt auffliegen der Adler / in willen zuuortilgen kleine vnd vnnutz vogel. Vnd wirt gekronet ym christliche feld / mit dreyen wolrichenden Lilien ... Dan feit Jerusale in die gewaltch vn handt des christliche königs ... Dan wirt villeicht erfüllet die Ewangelisch lere Johannis .x. Es wirt ein Hirt vnd ein Schaffstal." (A4a/b) 244

"Es sein etliche gesicht gesehen worden / als drey Sonen / regepogen / brinnent balcken / circkel / vnd des dings vil / die hierynn (d.i. bei der Prognose für 1524, d.Verf.) kein bedeutnus haben." Carion, Prognosticatio, dtsch., Leipzig 1522 (Blb).

245

"... dan nach antzeigüg himlischer wurckung vnd alter propheceyen wirt die Agrippinisch Erd vertzeren den wuetenden leichnam des Turgken." Carion, Prognosticatio, dtsch., Leipzig 1522 (A2a). Zur Merlin-Prophetie, die Carion hier meint, s. McGinn, Visions, S. 180184.

215

Schon 1532 werde all dies eintreffen, was dafür spricht, daß Karl V. als der ideale christliche Herrscher denkbar wäre, auch wenn Carion ihn nicht namentlich nennt. Überhaupt wird seine Vorhersage formelhaft vorgetragen und bleibt an den gängigen Topoi der Prophetienliteratur orientiert, 246 etwa bei der Erwähnung des Antichristen. Die von joachimitischen Gedanken geprägte Vision von der Einheit geistlicher und weltlicher Herrschaft und der Dominanz des christlichen Glaubens bis hin zur Eroberung Jerusalems und der Beseitigung aller Glaubensgegensätze bietet ebenso wenig konkretisierende Bezüge, so daß unklar ist, unter welchem Vorzeichen sich Carion die neue Glaubenseinheit denkt. Die Formel von dem einen Hirten in einem Schafstall wird für altgläubige wie für reformatorische Absichten bemüht, ihre Verwendung allein gibt also noch keinen Anhaltspunkt. 247 Aus alledem wird deutlich, daß es dem vorsichtigen Hofastrologen in seiner Schrift eher um die Anwendung populärer Versatzstücke der bekannten Prophetien ging als um offene Stellungnahme zum Zeitgeschehen. Die zeitgenössischen Konfliktparteien werden benannt und der 'gemeine Mann', aber auch die Reformation kritisiert. Die Sintflutschrift Carions stimmt daher mit der offiziellen Politik Joachims I. überein, 248 wobei sich Carion die Indifferenz der prophetischen Formeln zunutze macht. Drei der vier bisher aufgefundenen Auflagen der Schrift zeigen jeweils unterschiedliche Titelholzschnitte, von denen jeder andere Akzente setzt. Das Titelbild der ersten Auflage (Abb. S 14)249 visualisiert in seiner Dreiteilung verschiedene Aspekte der vorgestellten Prophetie. Im oberen linken Teil findet der Betrachter die Darstellung eines Unwetters: Regen und Hagel zerstören die hohen Gebäude einer Stadt und überschwemmen sie. Ein Mensch in einem Boot kämpft mit den Fluten, in denen ein Busch (oder ein Mensch, dessen Hand noch emporgereckt ist) versinkt. Rechts oben

246 Sogar über 1789 weiß Carion sich zu äußern, sich hier auf eine Vorhersage Pierre d'Aillys beziehend: Ό dan würde grosse wunderbarliche geschichte geschehen von enderungen / wandelungen vn tzerstSrungen beforder in den gesetzen vn Secten christlicher ordenunge ..." Carion, Prognosticate, dtsch., Leipzig 1522 (A4b). Carion schränkt allerdings vorsichtig ein:"... so dan die werlt noch wurd weren...". 247 Zambelli bezeichnet diese Wendung als "sogno ecumenico", also als Traum von der Ökumene'. Zambelli, Fine, S. 326. 248 Die Eingangsformulierung klingt keineswegs reformatorisch: "In dem namen gottis des almechtigen / seiner außerweiten mutter Maria / vnd aller gottis heiligen ..." Carion, Prognosticate, dtsch., Leipzig 1522 (Alb). 249 Carion, Prognosticate, dtsch., (Leipzig) 1521. Am Ende der Schrift befindet sich das Drukkersignet von Martin Landsberg, dem Leipziger Drucker. Vgl. Hans Lülfing: Leipziger Frühdrucker. Leipzig 1955 (Institut für Buchgestaltung Leipzig).

216

erscheint ein Komet 250 über einer Stadt oder Burganlage, daneben die Jahreszahl 1521. Ein Landschaftspanorama ist angedeutet. In der unteren Hälfte des Bildes sind fünf Personen in freier Landschaft abgebildet. Auf den bereits auf den Knien liegenden Papst, erkennbar an der Tiara, dringen zwei Personen ein; rechts ein Ritter in voller Rüstung, der das Schwert schon erhoben und anscheinend den Papst am Genick gepackt hält, links ein einfach gekleideter Mann ohne Kopfbedeckung mit ebenfalls erhobenem Schwert, der aber wie abwartend noch zu den beiden anderen, links von ihm sich befindenden Personen blickt. Diese sind ein Kardinal in vollem Ornat und ein Kaiser mit Bügelkrone und Szepter, der dem Geschehen 'durch die Finger' zusieht. Durch die Symbole auf oder neben den zeitgenössischen Personen sind diese aber gleichzeitig als Planetengötter gekennzeichnet: Der Kaiser ist Sol, der Papst Jupiter und der Ritter Mars. Eine Aktualisierung der Planetengötter hat also stattgefunden, wie sie Warburg schon vermerkte. 251 Allerdings muß hinzugefügt werden, daß Werburgs Deutung, wir hätten die Figur neben dem Ritter als "mißverstandenen Saturn, den Bauern" zu sehen, 252 nicht unmittelbar einleuchtet, da diese Gestalt weder die typischen Merkmale einer Saturndarstellung noch die eines Bauern aufweist. 253 Betrachtet man die einfache Kleidung und das gehobene Schwert, so wäre am ehesten an eine Verbildlichung des aus niedrigem Stande kommenden Hauptmanns zu denken, den die Schrift als Anführer des Volkes nennt. Hierfür spricht auch, daß die Gestalt nicht durch ein Symbol gleichfalls als Planetengott gekennzeichnet ist. Die bildliche Darstellung umspannt den Zeitraum von 1521 bis 1524. Rechts oben ist der Komet von 1521 zu sehen, links dagegen das erst für 1524 angekündigte Unwetter und Hochwasser. Im unteren Teil des Bildes haben sich die Konfliktparteien des Jahres 1521 versammelt, wie das Planetengedicht sie nennt und sie sich für Carion nach dem Reichstag zu Worms darstellen. Der Angriff auf den Papst durch den Ritter, auf den die hohe Geistlichkeit, im Bild der Kardinal, nur hilflos reagiert, könnte wie im Text ein Reflex auf die Position der Reichsritterschaft sein. Ähnlich wie im Text bleibt die Figur des 'Hauptmanns' in ihren Zeitbezügen schwer einordbar, läßt aber an einen Anführer der vergangenen Bauernaufstände denken, während sich für die Annahme, daß hier Luther

250 Es handelt sich eindeutig um einen Kometen, nicht um eine Sonne, wie Hellmann meint. Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 27. Vgl. die Vorhersage für einen Kometen. Carion, Prognosticate, dtsch., Leipzig 1522 (Alb). 251 "Dabei werden ... die Planetenfiguren in bezug auf die politische Weissagung tatsächlich mit den Typen der gleichzeitigen politischen und einander bekämpfenden Mächte identifiziert.'' Warburg, Weissagung, S. 230. 252 Warburg, Weissagung, S. 230. 253 Vgl. zur Darstellung des Saturn Erwin Panofsky: Father Time. In: ders., Studies, S. 69-95.

217

dargestellt sein soll, keine klaren Indizien finden. 254 Abweichend vom Inhalt der Schrift schließlich zeigt das Bild die Position des Kaisers. Nannte schon der Text Karl V. nicht explizit als Hoffnungsträger, so fügt das Bild dem eine kritische Komponente hinzu. Der Kaiser 'sieht durch die Finger', während auf den Papst eingeschlagen werden soll. Diese Ausdeutung der Handbewegung erscheint mir zutreffender als Warburgs Beschreibung, der Kaiser bedecke "bestürzt das Gesicht mit der Hand". 255 Der Kaiser, der durch die Finger sieht, 256 das ist der passive, ja, heuchlerische Herrscher, der die Akteure gewähren läßt, was um so bedenklicher erscheint, da die abwartende Haltung des 'Hauptmanns' signalisiert, daß ein Eingreifen von Seiten des Kaisers noch möglich wäre. So gesehen enthielte der Holzschnitt die Befürchtung, daß der Kaiser gegen den Angriff auf die Kirche nicht entschieden genug vorgehen könnte, eine Haltung, die an die antireformatorische Gesinnung Joachims I. sowie dessen spannungsreiches Verhältnis zum Kaiser gemahnt. Stärker als der Text legt der Holzschnitt angesichts des Versagens von Kaiser und Prälaten den Schluß nahe, daß nur ein mutiges Eingreifen der Landesfürsten die Situation ändern kann. Da über die Entstehung der Bildidee nichts Näheres bekannt ist, muß es bei diesen Überlegungen bleiben. Insgesamt aber läßt sich feststellen, daß der Holzschnitt dramatischer wirkt als der Text, da der unheilvolle Komet, das Unwetter und die gesellschaftlichen Konflikte gleichzeitig vor dem Auge des Betrachters erscheinen und kein Ausweg angeboten wird, während der Text die Ankündigung der unmittelbar in der Zukunft liegenden Gefahren durch eine Friedensutopie entschärft. Auf dem Titelblatt zweier weiterer Ausgaben, 257 die beide bei Wolfgang Stockei in Leipzig erschienen, befindet sich der Holzschnitt Nr. 4 (Abb. S 15) aus dem 'Spiegel' von Joseph Griinpeck. Die von ihm dargestellten Gefahren des Krieges, der Uneinigkeit zwischen Geistlichen und Weltlichen sowie Feuer und Zerstörung der Kirche sind in ihrer Allgemeinheit auch für Carions Prophetie verwendbar, wie überhaupt gerade dieser Holzschnitt des 'Spiegels' besonders beliebt gewesen zu sein scheint, denn er wird ebenfalls, hier allerdings weniger passend, auf dem Titelblatt einer Prophetie für 1524 von Johannes Copp reproduziert. 258 Die Holzschnitte Kulmbachs waren in der Offizin Wolfgang Stöckels zur Hand, denn die Erstausgabe des 'Spiegels' hatte er gedruckt und

254

Hellmann will sogar in dem in die Knie gebrochenen Papst Luther erkennen. Vgl. Hell-

255

Warburg, Weissagung, S. 229.

mann, Blütezeit, S. 27. 256

Zu dieser auch schon damals geläufigen Redewendung s. Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Bd. 3. Leipzig 1862, Sp. 1654, wo als Sinn vermerkt ist:"... etwas wie unbemerkt oder ungerügt hingehen lassen." Vgl. auch Chojecka, Darstellungen, S. 21.

257

Johannes Carion: Prognosticatio. Leipzig, Stockei 1522. Hellmann, Blütezeit, S. 27, Carion,

258

Copp, Urteil, Leipzig oJ. (1523). Zur Deutung des Holzschnitts s. S. 230 dieser Arbeit.

Nr. 2. Carion, Prognosticatio, Leipzig 1522.

218

1522 eine Neuauflage des 'Spiegels' besorgt. Seine 1508 entstandenen Vorhersagen bekamen in den frühen 20er Jahren neue Aktualität, denn zahlreiche von ihm angesprochene Krisen, allen voran die des 'Schiffleins Petri', hatten sich beträchtlich zugespitzt. So vermeinten die Zeitgenossen, aus den früher entstandenen düsteren Vorhersagen Grünpecks Lehren für ihre Gegenwart ziehen zu können. Eine vierte Auflage der Schrift Carions ohne Drucknachweis 259 bringt schließlich den unteren Teil des Holzschnitts, der auf dem Titelblatt der Schrift von Seitz zu sehen ist (Abb. S 6). Vermutlich stammt daher dieser Druck auch von Jörg Nadler. Die Ankündigung Carions, über die künftige Sintflut Auskunft zu erteilen, hat hier die Bildauswahl bestimmt. Nicht nur die Holzschnitte des 'Spiegels' von Grünpeck wurden in der Sintflutdebatte verwendet, der Astrologe meldete sich auch selbst mit zwei Schriften zum anstehenden Problem zu Wort, zuerst im 1522 bei Johann Weissenburger in Landshut erschienenen 'Dialog'. 260 Er wolle sich zur Sintflutprophetie äußern, obwohl er schon sehr unter der Verspottung durch seine Zeitgenossen zu leiden gehabt hätte, denn inzwischen klagten "all menschen" (A2a) in allen Ständen über die kommende Sintflut. Dies ist sicher eine Übertreibung, doch läßt sich davon ausgehen, daß die Prophetie inzwischen in weiten Kreisen verbreitet war. Bald wird es sich kein angesehener Astrologe mehr leisten können, zu diesem £

Thema zu schweigen. Grünpeck will nun berichten, wie es mit "dem Turcken vnnd mit den Christen mit wassern oder andern vngefellen gen sol". (A2a) Über seine eigenen Ansichten zur aktuellen Lage läßt Grünpeck den Leser und auch Karl V., dem er die Schrift widmet, nicht im Unklaren. Es sei eine "betrübt Elend / vergifft tSdtlich zeit" (A1b). Das "lachend vnbestendig vn vntrew glück" (A1b) habe die Tugenden und Künste verdorben. Den unwissenden und leichtfertigen Astrologen und Ärzten stehen nach Meinung des Autors falsche Dichter, lügen- und lasterhafte Hofbedienstete und falsche Prediger zur Seite. Der gemeine Nutz sei in den Eigennutz verkehrt worden. Diese Passage liest sich wie eine Kritik vor allem am höfischen Leben; aus ihr spricht die Verbitterung eines Mannes, dem es nach seiner Erkrankung an der Syphilis nicht mehr gelungen war, am kaiserlichen Hof Fuß zu fassen. 261 Dann fordert Grünpeck jedoch den

259 Carion, Prognosticate, dtsch., o.O. (1522). 260 Grünpeck, Dialogus, dtsch., Landshut 1522. Hellmann verzeichnet auch eine lateinische Ausgabe: Joseph Grünpeck: Dialogus, lat., Landshut, Weyssenburger 1522 (Hellmann, Blütezeit, S. 36, Grünpeck Nr. 1). Beide Ausgaben haben keinen Titelholzschnitt. 261 Vgl. S. 111 dieser Arbeit.

219

Kaiser auf, als "obrist Adler vber die gantz weit" (A2b) seine Herrschaft auch über die Heiden auszudehnen. 262 Die Konjunktionen im Jahre 1524 und die Vorhersage einer Sintflut sind eigentlich nur ein relativ untergeordneter Themenpunkt der Schrift, deren größerer Teil sich in Dialogform mit dem Christentum und dem Islam als Glaubensformen bzw. der Herrschaft des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und der des Osmanischen Reichs beschäftigt. Die häufige Erwähnung der Planetenkonjunktion in Titel und Vorrede zeigt, daß nichtsdestoweniger diese Thematik als die zugkräftigere empfunden wurde. Griinpeck bedient sich der im reformatorischen Diskurs beliebten Dialogform, eine wichtige Überzeugungsstrategie anwendend. 263 Der religionskritische Disput zwischen dem Mamelucken "Petrus von Alkeyra", einem vom Christentum zum Islam konvertierten Ratgeber des ägyptischen Sultans, und "Johann Arabs", dem islamischen Astrologen des türkischen Oberhaupts, knüpft an die Eroberung Kairos durch die Osmanen an, die 1516/1517 zur Vertreibung des ägyptischen Sultans geführt hatte. In dieser Eroberung, die durch zahlreiche Wunderzeichen und Naturkatastrophen angekündigt worden sei, sieht Johann der Araber den Vorboten einer Unterwerfung auch des Römischen Reiches; dies als Konsequenz einer drückenden Überlegenheit des Osmanischen Reichs, dem der Weg über Griechenland und Süditalien in das Herz der Christenheit offenstehe. Dieser Vorgang sei deshalb unausweichlich, weil die göttliche Weisheit "die Türcken / juden / oder Saracen /... für ainem straffer vnd für ain geysei furgenommen" (A3a) habe und damit die Sünde der Christen strafen wolle. In der Darstellung des Arabers werden die Türken zu Beschützern des Grabes Christi, den sie als großen Propheten ehrten, während die Christen ihren Herrn nur verspotteten und verachteten. Über den moralischen Verfall der Christenheit scheint jedoch bei beiden Diskussionspartnern Einigkeit zu bestehen. In langen Klagreden werden ihnen die sieben Todsünden, Eigennutz und Uneinigkeit vorgeworfen. 264 Petrus von Kairo motiviert seinen Abfall vom christlichen Glauben aus den schlechten Erfahrungen, die er mit den Sitten und Geschäftsgebaren der Christen in Venedig und Florenz gemacht habe. In Rom, das er 1495 besucht habe, könne man außerdem allerorts "die Simonei / dy übrigen pomp vn hoffart der geistlichen" (B3b) beobachten. Für Johannes den Araber zeichnen sich ebenfalls besonders die christlichen Kaufleute durch moralisches Fehlverhalten wie Unkeuschheit und Trunksucht

262

Auch bei Lichtenberger findet sich die Bezeichnung des Kaisers als Adler. Vgl. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (B4b).

263

Vgl. dazu z.B. Schwitalla, Flugschriften; Spriewald, Grundpositionen, S. 224-230 und S. 299302.

264

220

Vgl. Griinpeck, Dialogus, dtsch., Landshut 1522 (Blb).

aus, Laster, die aber auch dem Klerus nicht fremd seien. 265 Da hilft es nichts, wenn Petrus von Kairo seinen Übertritt zum Islam wieder bereut, das Christentum als Glaubensform für dem Islam überlegen hält und seinerseits die Moslems eines lasterhaften Lebens bezichtigt266 - die Klage über die Verfehlungen der Christen überwiegt. Auch verscherzten die Christen ihre durch ihren Glauben begründete Überlegenheit über andere Völker durch "zwitrachte vn inwendig aufrure" (B1b). Petrus von Kairo äußert zunächst die Zuversicht, daß keine Sintflut drohe, da noch einige Gerechte lebten, die Gott nicht vernichten wolle, und daß der Regenbogen als Versprechen zu betrachten wäre, doch angesichts der Auslegung der Planetenkonjunktionen durch Johann den Araber kapituliert er: Die Zukunft wird wegen der teuflischen Sünden der Christen eine göttliche Strafe mit "Eysnen rutten" bringen, denn "die natur vermag nit das vnordentlich wesen der weit lenger zu gedulden" (E1a/b). Den astrologischen Determinismus des Arabers hatte er zwar zuvor eingeschränkt - Christus sei über den Himmel gesetzt doch zum Schluß ist er sicher, daß Gott sich nicht gegen die Anzeichen der Natur stellen wird. Der Aufruf zur Buße bleibt daher rein rhetorisch. Johannes der Araber, dem in langen Passagen die Gelegenheit gegeben wird, einige astrologische Grundtheoreme zu erläutern, sieht 1524 "die Sindflussen der wasser" (D4a) kommen, die "mit ainer solchen erschrockeliche grausamhait wutten werden / zu vorauß an den enden / die den vische vnnd der Jungfrawen vnderworffen send / das wol vnder zehen Steten hart aine gefunden wirdet / die dem graussammen vnd vngestummen gwässer empfliehen möge." (D4a) Pest, Verwüstungen, Hunger, Angst und Not werden folgen. Doch auch einen allegorischen Sinn haben die Konjunktionen für den Astrologen: Sieben von ihnen zeigen die Überlegenheit des Osmanischen Reichs in den Kämpfen mit den Christen an. Den Sieg besiegelt die siebte Konjunktion:

265 Vgl. Grünpeck, Dialogus, dtsch., Landshut 1522 (B2a). Über den Klerus schreibt Grünpeck: "Schreibt auch dz bey den gwaltige regirern der volcker konige vn furste / bischoffen / briestern / vn andern die vnkeusch durch offenbare zugab also gemein sey dz solches in kaine weg schand sey wo ain gewaltiger in angesicht der mensche eebrecherey treib...". Die Weltlichen werden also aus dem Tadel nicht ausgenommen. 266 Der Vorwurf an die Moslems lautet u.a., sie würden "nü dy ordnüg aller ding vmkeren", würden Gewalttaten aller Art begehen und sogar "Münich vnnd pfaffen in den pflüg spannen". Grünpeck, Dialogus, dtsch., Landhut 1522 (Bla). Bei dieser letzten Formulierung schien dem Autor Grünpeck die Illustration seines 'Spiegels' vor Augen gestanden zu haben, wo ein Holzschnitt Bauern beim Messelesen und Kleriker beim Pflügen zeigt. Vgl. S. 131f. dieser Arbeit.

221

"Saturnus vnnd Mars volgen der Sonnen als ein freundt nach / Vnnd die Sonn erzaigt innen vill guets bedewttet / das die Machumetischen im fryd vnnd im krieg / die obristen über die Christen sein werden." (D43) 2 6 7 So bleibt zum Schluß - trotz aller dialogischen Relativierungen - ein durchweg negatives Bild der Christenheit und ihrer Herrschaft bestehen. Vor allem sind es die Kaufleute und der Klerus, die als verworfen gelten, konkretisiert wird dieses Urteil anhand von Erfahrungen in Italien. Antirömische und antiklerikale Tendenzen verbinden sich mit einer Kritik am Frühkapitalismus und seinen als Habsucht, Wucher und Eigennutz empfundenen Geschäftspraktiken. Daneben überrascht besonders der Triumph des Osmanischen Reichs über die Christen als Resümee des Dialogs. Die in der Vorrede angedeutete Hoffnung auf kaiserliches Kriegsglück verblaßt: Eine Rettergestalt führt aus dem Unglück der Christen nicht mehr heraus. Das Argument, die Türken seien die Geißel der sündhaften Christenheit - das auch Luther anfangs formulierte - wird aus dem Munde des Türken zur Rechtfertigung der türkischen außenpolitischen Erfolge, die Christen, in sich zerstritten, haben es nicht besser verdient. Auch die Reformation kann in diesem Zusammenhang nur Wasser auf die Mühlen des Feindes sein. Folgerichtig wird die Sintflutvorhersage kaum abgeschwächt. Aus den Mißständen seiner Zeit zieht Grünpeck unerbittliche Schlüsse, die in ihrer Radikalität kaum noch überboten werden konnten, mußte doch der Autor geradezu wie ein Befürworter der islamischen Herrschaft wirken, auch wenn er all dies aus den Sternen abzulesen meinte. Der 'Dialog' ist jedoch nicht Grünpecks einzige Schrift zur Sintflutfrage geblieben: In der Flugschriftensammlung Gustav Freytags findet sich "Doctor Joseph Gruenpecks warnunge auff das xxiiij. Jar", 2 6 8 ein nur 3 Blätter starker Text, der in keiner Bibliographie zur Sintflutdebatte auftaucht und bisher nirgends besprochen wurde. Er ist "dem vonn Starnberg als Landtherrn jn Osterreich" (A2a) gewidmet und im Oktober 1523 für ihn und seine Familie als persönliche Unterweisung abgefaßt. Wahrscheinlich hat eine persönliche Bekanntschaft zwischen der Adelsfamilie und Grünpeck bestanden. Der Adressat aus dem Adelsgeschlecht derer von Starnberg war Mitglied der Landstände in Österreich, wie die Widmung ausweist. Grünpeck selbst hielt sich 1523 in Steyr/Österreich auf, wo er als Arzt und Astrologe tätig war. 269 Zu Beginn gesteht Grünpeck, daß es schwer sei, den starken Einflüssen der Planeten, wie sie für 1524 vorlägen, mit dem Verstand zu begegnen, doch mit Gottes Hilfe wolle er es versuchen. Der Autor teilt seine Schrift in sechs Warnungen 267

Saturn und Mars sind Planeten, die den Glaubensfeinden der Christen zugeordnet sind. Vgl. S. 9 dieser Arbeit.

268

Grünpeck, Warnungen, o.0.1523.

269

Vgl. S. 112 dieser Arbeit.

222

ein. In der ersten legt er fest, daß die Wirkung der Konjunktionen bereits ab dem 6. Dezember 1523 eintreffen werden. Daher solle die Familie sich rechtzeitig ein sicheres Haus suchen, das nach Osten oder Süden liegen soll, das gut zu belüften ist und das nicht an einem stehenden Gewässer oder Fluß liegt. Letzteres sei besonders wichtig, da sonst die zu erwartenden Wassermengen die Grundmauern unterspülen und die oberen Geschosse wegen der Erdbeben einstürzen könnten. Auch in der zweiten und dritten Warnung 270 geht es um die Bewältigung der Überschwemmungen. Es solle genau untersucht werden, ob die Abflüsse der Wassergruben im Innern des Hauses und außen in Ordnung seien, damit das Wasser sich nicht stauen könne. Ebenso sei darauf zu achten, daß die Regentraufen nicht verstopft seien. In der vierten Warnung steht das leibliche Wohl der Adelsfamilie im Vordergrund. Grünpeck rät, sich für den Dezember und den April mit ausreichend Lebensmitteln zu versorgen, um abwarten zu können, bis die vergifteten Wolken, die die Konjunktionen mit sich bringen werden, abgezogen seien. Schließlich empfiehlt der Autor als Arzt Aderlassen und gute Arzneien als Vorbeugung für die gefährliche Zeit, damit der Körper bei dem Schrecken über die Donnerschläge unb bei einfallendem Nebel keinen Schaden leide. So an Leib und Unterkunft gut gerüstet, solle sich die Familie auf die Planetenwirkungen im einzelnen einstellen. Grünpeck betont vor allem die Konjunktion zwischen Jupiter, Saturn und Mars und sieht nach einer Übergangszeit mit sanftem, fruchtbringendem Regen Gewitter, starke Regenfälle und Überschwemmungen, giftige Wolken und heftige Stürme kommen. Besonders betroffen seien die nördlichen Länder wie Böhmen, Polen, Preußen von dieser "vnglückselig verderbung" (A3b). Dort werden Schiffe kentern, Menschen und Tiere sterben. In den Städten am Meer in Frankreich, Spanien und Italien werde unbeständiges Wetter herrschen. Schließlich sollen sich auch Holland, Brabant, Venedig, Dänemark und alle Städte und Schlösser, die der Jungfrau oder den Fischen unterworfen sind, 271 besonders vor "groß windtstraus" (A3b) hüten. Wenn man sich aber gut vorbereite und Gott um Gnade anrufe, brauche man sich nicht zu fürchten, schließt Grünpeck. Während die anderen Schriften bisher das Gebet als Hilfe empfehlen und damit nur die Hoffnung auf Rettung oder das Erleiden der Katastrophe in Aussicht stellen, gibt Grünpeck mit seinen praktischen Ratschlägen Hinweise, wie die zu erwartenden Unwetter überstanden werden können. Diese werden zwar drastisch geschildert, entbehren jedoch jeder apokalyptischen Einbindung. Überschwemmungen, vor denen man sich schützen kann, erwartet Grünpeck, nicht den Weltuntergang. Direkter als manch 270

Vgl. Grünpeck, Warnungen, o.0.1523 (A2b).

271

Da es zahlreiche konkurrierende Systeme für die Zuteilung von Tierkreiszeichen zu Städten und Herrschaften gibt, kann nicht bestimmt werden, welche Städte und Schlösser Grünpeck hier meint. Vgl. Stegemann, Sternbilder I., Sp. 647.

223

anderer Beitrag zur Sintflutdebatte bietet Grünpecks Schrift einen Blick in die Lebenswirklichkeit des 16. Jahrhunderts, macht vorstellbar, wie die Menschen versuchten, sich auf Naturkatastrophen einzurichten und den unberechenbaren Elementen zu begegnen. Mit dieser praktischen Zielsetzung beschreitet Grünpeck einen grundsätzlich anderen Weg als bei seiner ersten Schrift, in der er, von seiner Klage über die Christenheit geleitet, die Sintflut ankündigte und apokalyptische Strafen heraufbeschwor. Grünpecks Vorhersagen in der sechsten Warnung gehen über den Privatbereich hinaus, was der Grund dafür gewesen sein mag, daß die Schrift der Öffentlichkeit gedruckt zugänglich gemacht wurde. Hierzu wurde die Anweisung mit Holzschnitten versehen. Der Titelholzschnitt (Abb. S 16) zeigt die übliche Überschwemmungsszene. Aus dichten Wolken am Himmel strömt Regen auf eine Stadt herab, die unterhalb eines Schlosses an einem See oder Fluß liegt. Ob hier der Wohnort des Adressaten gemeint ist, muß wegen der fehlenden Details dahingestellt bleiben. Die Stadtmauer und eine Kirche sowie andere Gebäude sind bereits von den Wellen erfaßt und teilweise hinweggespült worden. Im Wasser treiben Holzplanken, und unten links ist ein Boot mit mehreren Menschen zu erblicken. Auf der Rückseite des Titelblatts sind einige Holzschnitte zusammengestellt. Oben befinden sich die Jahresherrscher Mars und Venus (Abb. S 17); ihnen zu Füßen sind die Tierkreiszeichen Skorpion und Fische abgebildet. Eine kleine Erdkugel mit kreisenden Gestirnen vervollständigt das Bild. Die Jahreszahl Ί520' zeigt es als Planetenbild einer früheren Praktik. Darunter befinden sich zwei weitere Bildchen: Eines stellt eine Badeszene dar, wie sie sich auch auf Kalendern befand (Abb. S 18).272 Zwei Personen sind in einem Raum zu sehen, in dem links ein Becken und rechts ein Zuber stehen. Der andere Holzschnitt zeigt ein Wappen mit Lilien und einem Löwen (Abb. S 19).273 Die Zusammenstellung der Holzschnitte wirkt zufällig und wie eine Verlegenheitslösung, besonders die Verwendung der Planetengötter eines vergangenen Jahres. Ebenfalls noch 1522, am 15. September, hat der Theologe, Arzt und Astrologe Johannes Copp einen seiner zwei Beiträge zur Sintflutdebatte abgefaßt. 274 Wie

272

Ein ganz ähnliches Bildchen findet sich z.B. im Kalender Blaubirers in einem Augsburger Druck von 1481. Vgl. Albert Schramm: Die Drucke von Johann Baemler in Augsburg. Leipzig 1921 (Bilderschmuck 3), Abb. 744. Zu diesen Kalenderbildern s.a. Kitti Jurina: Vom Quacksalber zum Doctor Medicinae. Die Heilkunde in der Graphik des 16. Jahrhunderts. Köln, Wien 1985, S. 149-159.

273

Vielleicht handelt es sich bei dem Adressaten um einen Angehörigen des Geschlechts von Starhemberg. Das Wappen ist jedoch nicht zugehörig. Vgl.: Die Wappen des Adels in Niederösterreich (J. Siebmachers Großes Wappenbuch 26. T.2).

274

Vgl. Copp, Urteil, o.O. (1522) (Alb). Nach dieser Ausgabe der Schrift erfolgen die Zitate im Text.

224

von der 'Prognosticatio' Carions sind von Copps Schrift vier Auflagen erhalten geblieben, von vornherein ist sie nur in deutscher Sprache erschienen. Lediglich eine Ausgabe ist mit näheren Angaben versehen: Sie wurde von Wolfgang Stökkel in Leipzig gedruckt und ist jenes Exemplar, das mit Holzschnitten aus Grünpecks 'Spiegel' versehen wurde. 275 Sich dem 'gemeinen Mann' verständlich zu machen, das ist Copps erklärtes Ziel: e "Mich gedunckt vnnotig sein das ich dem gemeyne Deütschen man vil von den Reuolutionibus sage / dieweylen ym sollichs vnbegreyflich ist zu merckenn." (A3a) Hinter dieser Auslassung steht eine Reflexion der Rezeptionssituation: Einerseits wird gerade der 'gemeine Mann' als Rezipient gewünscht, und sei es auch als Hörer, andererseits ist die astrologische Schrift in ihrer fachwissenschaftlichen Terminologie und scholastischen Argumentation schwer verständlich und erfordert einen gebildeten Leser. Konsequenterweise reduziert Copp daher die astrologischen Ausführungen und vertritt klare Positionen, auf die Beeinflussung des Lesers zielend. Johannes Copp 276 ist um 1490 in Landsberg/Bayern geboren, als Sohn einer bürgerlichen Familie, die schon bei Friedrich III. in kaiserlichem Dienst gestanden hatte. Die Matrikel der Universität Freiburg i.Br. führen Copp 1514 als 'Klerikus'. Er habe bei Eck studiert, gibt Copp in einer seiner Schriften an. Medizin, aber auch Astrologie waren in Wien Copps Studiengegenstände gewesen, dort hörte er die Vorlesungen Georg Tannstetters, von dem ebenfalls Schriften zur Sintflutdebatte existieren. Ob Copp auch in Leipzig studiert hat, bleibt unklar; jedenfalls hat er sich zwischen 1520 und 1525 dort zeitweilig aufgehalten. Im September 1520 war er Stadtarzt in Altenburg und, wie sein Judicium für 1521 bezeugt, bereits ein glühender Anhänger der Reformation, denn dessen Widmung lautet: "ad Reuerendü in christo patrem Martini Lutherum Augustinianü Sacrarü litterarum Doctore atq. euangelice veritatis preconem christianissimiü".277 Copp beteuert darin, daß die Sterne den baldigen Sturz der babylonischen Kirche anzeigten und der Weingarten Gottes den besseren Benutzern übergeben werde. Ob Copp allerdings mit diesem nur in lateinischer Sprache erschienenen Judicium großen Anklang bei Luther gefunden hat, muß sehr bezweifelt werden, denkt man an die Ablehnung der weissagenden Astrologie durch Luther. 278

275 276

Copp, Urteil, Leipzig (1523). Zur Biographie Copps der wertvolle Beitrag von O. Walde: Doktor Johann Copp. An astrolog och läkare frln reformationstiden i svensk tjänst. In: Lychnos.(1937), S. 79-111 und (1938), S. 225-267.

277

Zit. nach Walde, Doktor, S. 81, wo das Titelblatt des Judiciums (Zinner 1145) abgebildet ist.

278

Vgl. dazu S. 298 dieser Arbeit.

225

Weitere Praktiken für 1520-1524 gab Copp bereits in Erfurt heraus, 279 wo er Kontakt zu den dortigen Humanisten Eobanus Hessus und Georg Sturtz aufgenommen hatte. In diesen Jahren folgten medizinische Schriften und eine reformatorische Dialogschrift. 280 Doch lange hielt es Copp in Erfurt nicht, denn 1524 war er bereits in Joachimsthal in Böhmen als Stadtarzt tätig, 281 wo er eine Anweisung zum Gebrauch des Astrolabiums publizierte. Vermutlich hat es dort Konflikte gegeben, denn die klingen im Briefwechsel der Erfurter Hessus und Sturz noch nach, wenn Copp moralisches Fehlverhalten vorgeworfen wird. 282 Dies wurde ihm auch bei einem kürzeren Aufenthalt in der Stadt Brüx zum Verhängnis, denn dort wurde er wegen Ehebruchs verhaftet. Nach einer Zwischenstation bei Herzog Karl von Münsterberg trat Copp 1528 eine Stellung als Leibarzt bei König Ferdinand I. in Prag an, der ihn 1532 sogar für seine Verdienste adelte. 283 Der Verfasser des 'Evangelischen Kalenders' für 1527 ist Copp aber wohl nicht gewesen, auch wenn dies von Thomas Murner angenommen wird, der mit einer wütenden Replik antwortet, dem 'Kirchendieb- und Ketzerkalender'. 284 Nach einem Zerwürfnis mit Ferdinand I. siedelte Copp 1550 nach Mähren über, mußte dieses Land aber nach einer Gefängnisstrafe - ebenfalls wegen Ehebruchs - 1553 verlassen. 1555 wurde Copp schließlich Leibarzt bei König Gustav I. Wasa in Schweden. Wieder richtete er sich, wie in Prag, eine Apotheke

279

Copp, Practica deutsch, Leipzig 1521 und sein Beitrag zur Sintflutkontroverse.

280

Verbreitet war als medizinische Schrift Johannes Copp: Ein nutzlich Regiment. Erfurt, M. Maler 1521 (Weller 1718), ein 'Pestbuch', dessen Titelblatt Walde abbildet, Vgl. Walde, Doktor, S. 84. Die Schrift 'Zwei neue und nützliche Dialogi', Erfurt, o.D. 1522 (niederdeutsche Ausgabe o.O.o.D.oJ. bei Köhler FS 2090) zeigt Copps Engagement für die Reformation. Walde vermutet, daß der Holzschnitt auf dem Titelblatt Copp selbst zeigt. Vgl. Walde, Doktor, S. 96.

281

Dies geht aus dem Vorwort der Schrift Copps hervor. Johannes Copp: Wie man dies ... Instrument Astrolabium gebrauchen soll. Bamberg, Erlinger 1525 (Zinner 1294). Die Schrift widmet Copp dem Bürgermeister und Rat der Stadt Joachimsthal und bezeichnet sich als 'Leibarzt'. Vgl. Walde, Doktor, S. 106f.

282

Vgl. Walde, Doktor, S. 104-109.

283

Vgl. Walde, Doktor, S. 82-84. Walde bildet auch Copps Wappen ab.

284

Zum 'Evangelischen Kalender' s. Hieronymus, Buchillustration, S. 362-366, Nr. 354a und Frida Humbel: Ulrich Zwingli und seine Reformation im Spiegel der gleichzeitigen schweizerischen volkstümlichen Literatur. In: Quellen und Abhandlungen zur schweizerischen Reformationsgeschichte 1 (1912), S. 228f., die davon ausgeht, daß der Kalender von Zwingli stammt. Beide Kalender, also auch den Murners, druckt ab Ernst Götzinger: Zwei Kalender vom Jahre 1527. D. Joannes Copp, Evangelischer Kalender und D. Thomas Murner, Kirchendieb- und Ketzerkalender. Schaffhausen 1865. Zum Titelholzschnitt des angeblich von Copp stammenden Kalender s. S. 315f. dieser Arbeit.

226

ein. 1558 wurde Copp zum kränklichen Sohn Gustav Wasas, Johan, nach Finnland gesandt; dort ist Copp noch im selben Jahr gestorben. 285 Das "vrteyl" (Ala) dieses Astrologen über die Ereignisse der Jahre 1523 und 1524 fällt besonders drastisch aus, ist aber auch vom offenkundigen Engagement des Autors für die Reformation geprägt. Schon zu Beginn warnt Copp in einem Gedicht 286 die Geistlichen vor künftigen Verfolgungen, nicht ohne zu beteuern, daß er dies als unparteiischer, nicht durch Haß geleiteter Beobachter des Sternenhimmels kommen sieht. Im Verlaufe der Schrift wird jedoch deutlich, daß Copp dieses zukünftige Schicksal des Klerus, solange es sich um den katholisch gebliebenen handelt, keineswegs bedauert, sondern als gerechte Strafe Gottes 287 für diejenigen ansieht, die als falsche Propheten und falsche Christen "nun vill hundert jar" (A4a) regiert haben. Seine Kritik katholischer Glaubenspraktiken trifft besonders das Wallfahrtswesen, gegen das er das unmittelbare Verhältnis des Gläubigen zu Gott setzt. 288 Die katholischen Pfarrer tadelt er , sie sollten, statt fromme christliche Prediger zu verfolgen, lieber den "frummen armen" (A4b) das Evangelium lauter und klar predigen. So differenzierend zwischen gerechter und ungerechter Verfolgung der Geistlichkeit - je nach Glaubensüberzeugung - wird es auch seiner Meinung nach zurecht den Mönchen schlecht ergehen. Sie werden ihre Güter und Klöster verlieren und mit dem Tode bedroht werden, nicht nur von den Planetenkindern des Mars, die Copp zuerst nennt, sondern "summa summarü von yederman" (B2a). Er ruft daher die Mönche auf, sich zu bekehren: — e "Darub lieben bruder bekert euch die zeyt ist hie / ich hab sorg ewer secte werden gantz zerstört werden / hilfft nit wie seer / yr euch do wider setzt des Bapst hand ist lam wordenn sie kan euch nymer vorfechten." (B2a) Unverhohlen klingt aus diesen Zeilen der Wunsch nach Auflösung der Klöster, ja, in Hinblick auf den drängenden Unterton könnte man von einer Aufforderung sprechen. Dem Papst jedenfalls traut Copp nicht mehr zu, hier noch entscheidend eingreifen zu können. Die Gewißheit erwächst ihm aus der Überzeugung, daß der Durchbruch der Reformation als die Erfüllung aller Verheißungen, die Gegner der Reformation aber als apokalyptische Widersacher aufzufassen sind, gegen die ein gnadenloser Kampf gerechtfertigt erscheint. Em-

285

Zur Biographie Copps nach 1525 s. Walde, Doktor, S. 225-267.

286

Zu der 'Pfaffheit' spricht Copp: "Der Hymel weyst dir grausam plag / Künfftig sein / vorsieh dich eben / Es trifft dir an leyb eer leben / dorumb ich rat got bitten thu / Der vnß bewar spat vnd auch fru." Copp, Urteil, o.O. (1523) (A2a).

287

Copp, Urteil, o.O. (1523) (B2a).

288

Copp, Urteil, o.O. (1523) (A4b).

227

phatisch ruft er daher Papst, Fürsten und Bischöfe auf, sich der Reformation nicht länger in den Weg zu stellen: "... dan glaub mir die selben Tyrannen so sich wider das Euangeliü setzen werden hie in disen zway jar yrn Ion entpfahen / ich sag dir das mich gedunckt die zeyt sey hie / dann der feigen bawm hat grununde gesprost / die andern bawm beginne auch zu grünen ... des halb ο yr Fürsten vnd hern bischoff vnd Bapst gedenckt das yr euch nit vnderstet gottes wortt vnderzudrucken Λ.. vnd ob yr gleych noch mechti^r werdt / so wert yre daran nichtz mögen enden die zeyt ist hie / es muß ein Vorgang haben so yr euch gleich seer do wider auff bewmen wurdt / so rieht jr nichtz auß..." (B1a) Der grünende Feigenbaum zeige den Beginn des Reichs Gottes auf Erden an, wie die Bibel verkünde. 289 Weltliche Macht kann gegen Gottes Heilsplan nichts ausrichten, und so muß die Reformation siegen. Wer sie verhindern will, stellt sich gegen Gottes Wort, so die Lehre, die Copp erteilt. Dem Fortgang der biblischen Offenbarung entsprechend werden jedoch zuvor schreckliche Strafen die Menschheit geißeln; "groß jamer vnd not" (A3a) vermeint Copp vorauszusehen, einen "halben sintfluß" (A3a), andere Unwetter, Erdbeben, Türkenkriege, Hunger und Krankheiten. Da viele diese Zeit der Katastrophen sowieso nicht überleben werden, hält es Copp für völlig unnötig, astrologische Einzeldaten anzugeben. Alle Abschwächungen dieser Prophetie sind lediglich rhetorische Konzessionen. Auch die Empörungen des 'gemeinen Mannes' gegen seine Obrigkeit und die Geistlichkeit vor allem wird Teil des zielgerichteten Geschehens. Copp warnt allerdings die Bauern vor gewaltsamem Vorgehen: "Aber die pawren ... werden sich wider die herschafft mit vngeschickter weyß setzen vnnd darüber nit alleyn die gutter / sunder auch leyb vnd lebe vorlieren / Deßhalben sie yr auffruren wol mSchten anstien lossen dan sie werden wenig gewin daran haben." (B2b) Seine Bedenken scheinen damit weniger die Tatsache zu betreffen, daß die Bauern sich gegen ihre Obrigkeit stellen, sondern eher der Besorgnis um das Wohlergehen der Bauern zu entspringen, denn allein, daß sie Schaden leiden könnten, soll sie vom Aufruhr abhalten. Ungeschickte Vorgehensweise wird ihren Erfolg vereiteln, weiß Copp. Dabei hatte er die künftigen Aufstände als "buntschuch" (B2b) bezeichnet und mit der Ankündigung, die Bauern würden den Zins verweigern, an Bundschuhforderungen nach Reduzierung oder Ab-

289

Die Aussage bezieht sich auf Luk. 21,29-31. "Und er gebrauchte einen Vergleich und sagte: Seht euch den Feigenbaum und die anderen Bäume an: sobald ihr merkt, daß sie Blätter treiben, wißt ihr, daß der Sommer nahe ist. Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr (all) das geschehen seht, daß das Reich Gottes nahe ist."

228

Schaffung von Zins und anderen Abgaben erinnert. 290 Doch die künftigen Auf£

stände hält er für viel bedeutender, denn die Untertanen werden "bundschuch nitt alleyn wider eynen herrn / sunder auch schier wider alle machen." (B2b) Die Chance, die in der Überschreitung der lokalen Begrenztheit der Aufstandsbewegung für die Bauern lag, hat Copp genau gesehen; seine Bemerkung zeigt, daß eine Entwicklung des bäuerlichen Widerstands in diese Richtung förmlich 'in der Luft lag*. In Copps Text begegnen sich astrologische Vorhersage, biblische Endzeitprophetie und engagierte Parteinahme für die evangelische Sache, wobei der Eindruck entsteht, vornehmlich um letzteres sei es dem Autor gegangen, die Sintflutdebatte hätte dagegen nur den Anknüpfungspunkt geboten für eine mit dem Nahen des Jüngsten Tages argumentierende radikal-reformatorische Propaganda. Bei alledem ist von Bedeutung, daß sich Copp seit 1520 in Erfurt aufhielt, einer Stadt, die im 'Pfaffensturm' vom Juni 1521 mit militantem Vorgehen gegen die Reformationsgegner Erfahrungen gemacht hatte. Auch wenn nicht bekannt ist, welche Rolle unser Astrologe bei diesen Ereignissen spielte: 291 Militantes Vorgehen gegen seine Widersacher befürwortet auch Copp. Wie ein Kreuzzugsaufruf gegen die falschen Christen lesen sich einige Passagen seiner Schrift, auch wenn er den entscheidenden Schlag gegen sie Gott selbst führen läßt. Die Legitimation der gewaltsamen Aktion wird durch deren Einbettung als integraler Bestandteil eines apokalyptischen Geschehens gewährleistet. In dieser Einstellung ist wohl der Grund zu suchen für die vergleichsweise milde Beurteilung der Bauernaufstände, mit denen Copp zwar nicht deutlich sympathisiert, die er aber auch nicht eindeutig verurteilt. Die verschiedenen Ausgaben der Schrift haben teilweise unterschiedliche Titelholzschnitte aufzuweisen, wobei sich derjenige der ersten Ausgabe in seinem Bildprogramm in den reformatorischen Tenor der Schrift einfügt (Abb. S 20). 292 290

Aus einer Mondfinsternis leitet Copp ab: "... auffrur zwischen dem gemeinen man vnnd der pfaffheyt ist auch zu besorgen eyn buntschuch der gemeyn wider die Herschafft vn nemlich wider die Bischoff vnd alle pfaffen wellichen yre zynsleüt nymer zynsen werden". Copp, Urteil, o.O. (1522) (Blb). Zu Zinsverweigerung bei Bundschuherhebungen s. Andreas, Deutschland, S. 467-489.

291

In der einschlägigen Literatur ist Copp nirgends erwähnt. Vgl. Ulman Weiß: Das Erfurter Pfaffenstürmen 1521: - Haec prima Lutheranorum adversus clericos seditio ... -. In: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 3 (1979), S. 233-279; Robert W. Scribner: Civic unity and reformation in Erfurt. In: Past and Present 66 (1975), S. 29-60: Rudolf Weinhold: 'Wer waiß wers recht verstanden hat!' Das Erfurter Pfaffenstürmen im Spiegel zweier zeitgenössischer Lieder. In: Hermann Strobach (Hg.): Der arm man 1525. Volkskundliche Studien. Berlin (Ost) 1975, S. 219-237.

292 Johannes Copp: Urteil, o.O.o.D.oJ. (1522). Hellmann, Blütezeit, S. 30f, Copp Nr. 1 und Abb. S 74.

229

Wenn auch keine direkte Einflußnahme Copps auf die Titelgestaltung nachgewiesen werden kann - die Schrift erschien ebenfalls ohne Druckangabe - ist eine Entsprechung von Text und Bild festzustellen, die auf ein Bemühen um Abstimmung schließen läßt. Im linken Teil der Darstellung ist eine Armee zu erkennen, doch besteht sie keineswegs, wie Hellmann schreibt, aus "phantastischen Menschen- und Tiergestalten",293 sondern hier kämpfen Christus, die Siegesfahne haltend, die vier durch ihre gängigen Symbole dargestellten Evangelisten sowie eine Anzahl bewaffneter Männer. Vor ihnen sind drei Kanonen aufgereiht, darunter eine Tonne und Bücher, bezeichnet als "Bibel". An der mittleren Kanone, aus deren Mündung eine Bibel als Geschoß fliegt, steht der Apostel Paulus mit dem Schwert; offenbar hat er gerade die Kanone abgefeuert. Rechts fliehen aus einer Stadt, deren äußerer Befestigungsturm bereits einstürzt, mehrere Menschen, darunter ein Mönch. Schon haben sie die Brücke über ein Gewässer, das die Stadtmauer umfließt, erreicht. Über Christus und den Evangelisten erscheint Gott mit einem Flammenpfeil am Himmel, während aus schweren Wolken Feuer regnet. Darunter erscheint dreimal das Wort "we". Das Bild veranschaulicht den Kampf der evangelischen Lehre, an vorderster Front vertreten durch Christus, Paulus und die Evangelisten, gegen die katholische Geistlichkeit, vor allem das Mönchtum. Die feste Stadt des alten Glaubens zerbricht bereits, da die Gegenseite über die wirkungsvollere Waffe, die Kanonade mithilfe der Bibel verfügt. Hierin ist sicherlich ein Reflex auf die 1522 von Luther veröffentlichte Septemberbibel zu sehen. Damit der Betrachter die zentrale Rolle der Bibel auch erkennt, ist sie vorsichtshalber im Bild wörtlich bezeichnet. Auch Gott ist auf der evangelischen Seite; sein Flammenpfeil bedroht die Fliehenden und läßt den abgebildeten Kampf, entsprechend der Argumentation Copps, als Strafgericht erscheinen. Ein Bezug zur Sintflutprophetie ist direkt nicht gegeben - sie war ja auch dem Text nicht zentral - vielmehr geben das Feuer vom Himmel und das dreifache "we" dem Holzschnitt eine apokalyptische Wendung. 294 So verstärkt die Darstellung mit ihrer Interpretation des Glaubenskampfes als Belagerung einer Stadt, deren Einwohnerschaft, der katholische Klerus, fliehen muß, die Botschaft der Schrift, nach der die 'falschen Christen' vor dem neuen Glauben keinen Bestand haben werden. Der Bezug zur Bibelübersetzung Luthers fehlt allerdings im Text. Dafür ist der apokalyptische Rahmen durch Bild- und Schriftelemente des Holzschnitts hergestellt, die Legitimation des Angriffs auf die alte Kirche vollzogen. Offen bleibt, ob auch der 'gemeine Mann' sich unter den Streitern für den 'rechten Glauben' befindet, denn die Personen hinter Christus und den Evangelisten sind nur angedeutet. In 293 294

Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 31. Das 'Wehe' verweist auf den Text der Offenbarung Jobannes. Vgl. Apok. 18,10 und 16 mit Bezug auf Babylon, die Stadt der Sünde.

230

einem groben Nachschnitt der Darstellung in einer anderen Ausgabe fehlen sie ganz. 295 Als Vorkämpfer des Evangeliums hat der Autor Copp, anders als Seitz, die Bauern jedenfalls nicht gesehen, das Scheitern ihrer Aufstände vorausahnend. Indem der Holzschnitt in dem abgewandelten Darstellungstypus einer Belagerung die Hauptakteure auf seiten der Angreifer mit Christus und den Evangelisten bezeichnet, entschärft er zwar die Aufforderung zur Anwendung von Gewalt gegen den religiösen Gegner, wirkt aber dennoch - wie auch der Text - als aggressive Kampfansage an alle Feinde der Reformation. Auf dem Titelblatt der Ausgabe, die Wolfgang Stockei von Copps Schrift herausbrachte, ist Holzschnitt Nr. G 5 des 'Spiegels' von Grünpeck zu sehen, den Kampf der Weltlichen gegen die Geistlichen vor einer zerstörten Kirche zeigend. 296 Er wurde offenbar als gelungene Umsetzung von Zeitproblemen empfunden. Noch zwei weitere Bilder aus dem 'Spiegel' finden in dieser Ausgabe Verwendung. Zunächst Bild Nr. G 13, die Darstellung einer Prozession des katholischen Klerus. Vorn sind die Gläubigen, unter ihnen auch zwei Fürsten und ein einfacher Mann, in die Knie gesunken und beten. Dieses Bild kontrastiert Copps Ankündigung eines Bundschuh-Aufstands der Bauern im Text darüber und betont die Unterordnung der Weltlichen unter die Geistlichen. Weiterhin wurde das Titelbild des 'Spiegels' verwendet, das untergehende 'Schiff Petri' (Abb. S 21), allerdings mit einer signifikanten Änderung: In der Vorlage ist durch die Tiara auf seinem Haupt auch der Papst deutlich unter der 'Besatzung' des sinkenden Schiffs zu erkennen. Diese Kennzeichnung fehlt auf dem Holzschnitt der Schrift Copps. Offenbar wollte der Drucker, in seiner Ehrerbietung vor dem Oberhaupt der katholischen Kirche, signalisieren, daß zumindest der Papst nicht betroffen ist von der dargestellten Situation der Kirche. Dieser Eingriff in die Gestaltung des Holzschnitts zeigt die Sensibilität, mit der die Zeitgenossen auf derartige Bilder reagierten, konnte der Abdruck doch möglicherweise als Befürwortung des Geschehens gedeutet werden. Diesem Verdacht wollte Stockei entgehen und gleichzeitig den evangelischen Tenor der Schrift Copps durch die Prozessxonsdarstellung konterkarieren, noch einmal den Triumph der katholischen Kirche behaupten. 297 Der Titelholzschnitt der vierten Ausgabe schließlich stellt - ähnlich wie bei Carion - eine Überschwemmung dar (Abb. S 22). 298 Die Felsgipfel im Hintergrund bezeichnen die Höhe des gestiegenen Wassers ebenso wie die Gebäude und Bäume im Mittel- bzw. Vordergrund, denn nur noch Hausdächer, ein Kirchturm und die Wipfel der Bäume ragen aus dem Wasser. Auf die Felsen haben sich noch drei Personen retten können, eine Kirche und andere Gebäude sind schon 295

Copp, Urteil, o.O. (1522).

296

Copp, Urteil, Leipzig (1523). Zum Holzschnitt vgl. S. 130 dieser Arbeit.

297

Zu Stockei vgl. Benzing, Buchdrucker, S. 277.

298

Copp, Urteil, (Augsburg 1523).

231

zerstört. Sechs Menschen treiben im Wasser, bis zum Oberkörper oder schon bis zum Kopf versunken. Von einem Unglücklichen sieht man sogar nur noch seine Hände. Es handelt sich also um eine typische Überschwemmungsszene, wie sie sich ähnlich auf vielen Drucken findet. Das Titelblatt soll die Schrift augenscheinlich als Beitrag zur Sintflutdebatte ausweisen und damit den Teil des Textes betonen, der sich als besonders verkaufsfördernd erwiesen hat. Ein weiterer Holzschnitt im Text (Abb. S 23) hat große Ähnlichkeit mit dem Titelholzschnitt einer anderen Schrift: der Praktik für 1523 von Christoph Hochstetten 299 Er zeigt vier Planetengötter, wovon allein der links auf einem thronartigen Gestühl sitzende Jupiter zeitgenössisch als Ratsherr gekleidet ist. Merkur, Mars und Saturn stehen vor ihm; Merkur mit dem Caducäus ist nackt, Saturn trägt einen Krückstock, eine Sense und ein um die Schultern geschlungenes Tuch. Mars ist in voller, antikisierend dargestellter Rüstung und mit Schwert zu erblicken. Ihm zu Füßen befinden sich eine dunkle Mondscheibe und zwei Fische, eine Mondfinsternis im Zeichen der Fische bedeutend (die übrigens 1524 nicht zu verzeichnen war). Vor Jupiter haben sich die Planetengötter zu einer Versammlung gefunden: Die Ausdeutung der Planetenkonjunktionen als Versammlung wurde so ins Bild gebracht, ohne jedoch zeitgenössisch identifizierbare Personen für die Planetengötter einzusetzen. Auch Jupiter stellt nur einen Typus, keine bestimmte Person dar, so daß der Holzschnitt nicht zu aktualisierender Stellungnahme genutzt wurde. Inmitten einer Wettervorhersage erscheint weiterhin völlig deplaziert eine Kampfdarstellung (Abb. S 24). Vor einer Stadt treffen zwei feindliche Truppen aufeinander. Links sind Ritter im Heer zu erkennen; eine Fahne, die sie tragen, zeigt ein Phantasieemblem und kann daher nicht zur Identifikation der dargestellten Szene beitragen. Links hinter einem Zaun befinden sich sechs Kanonen, rechts sind fünf aufgereiht. Daneben stehen einige Landsknechte. Neben diesem Holzschnitt findet sich der des Titelblatts wiederholt, an passenderer Stelle als die Kampfdarstellung, denn das Überschwemmungsbild leitet den Abschnitt über Copps Sintflutprognose ein. Die Aggressivität gegenüber dem katholischen Klerus, vor allem aber die mangelnde Abgrenzung gegenüber bäuerlichem Aufruhr, wie sie die Schrift Copps prägen, sind offenbar scharf kritisiert worden, denn Copp veröffentlicht 1523 eine weitere Schrift zur Sintflutfrage, deren Vorrede eine Rechtfertigung darstellt. 300 Vorwürfe seien ihm gemacht worden von "etlichen gewaltigen" (A1b), er sei ein Feind der Priesterschaft und wolle einen Aufruhr gegen die Obrigkeit anzetteln, beides, beteuert er, treffe nicht zu. Zur Obrigkeit führt er aus:

299 300

Höchstetter, Practica Teütsch, o.O. (1522). Zur Schrift vgl. S. 326 dieser Arbeit. Copp, Practica Teütsch, Zwickau 1523. Nach dieser Ausgabe wird im Text zitiert. Hellmann verzeichnet eine Ausgabe, die datiert ist Erfurt, Laurentiustag 1523. Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 31f, Copp Nr. 5. Außerdem existiert eine Ausgabe o.O. 1523.

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"Dan ich weyß wol aixß d' heyligen geschrifft / das man die oberkeit / sey gleich gut oder boß wo sie nit wid' gottes gebot handlet oder den gottes gepoten das widerspil gebeut ... / willigklich gedulten sol ..." (A1b) Gehorsam gegenüber der von Gott eingesetzten Obrigkeit ist demnach geboten, allerdings mit der bezeichnenden Einschränkung, daß die Obrigkeit nicht Gottes Geboten zuwider handeln darf. Tut sie dies, so kann ergänzt werden, sieht Copp durchaus ein Widerstandsrecht, hier z.B. mit Luthers Position zur Obrigkeit nicht konform gehend. 301 Zum Aufruhr habe er nicht aufgerufen, vielmehr nur die Sternenkonstellationen ausgelegt, zieht sich Copp hinter seine Astrologentätigkeit zurück. Durch seinen Einwand wird deutlich, wie nah die Zeitgenossen die Ankündigung von Gewalttaten und ihre Propagierung beieinandersahen, zumal bei einem Mann wie Copp, der die Verkündigung seiner Prognosen nicht mit genügender Vorsicht betrieb. Im weiteren Verlauf der Prophetie versucht Copp deshalb, sich keinem Verdacht mehr auszusetzen. Als er erneut Empörungen gegen die Geistlichkeit vorhersagt, knüpft er daran Ermahnungen an den 'gemeinen Mann': "... waystu nit wie Christus sagt / alle die mit dem schwerdt fechten / die werdenn mitt dem schwerdt gericht / darumb laß deynn schwerdt ynn seyner scheydenn / byß nitt zu gach / es wyrdt woll selbs zergehenn / ists Gottes wyll / ... vnd bite Gott für deyne feyndt / das er sie auch erleüchte / nit ficht wider sie mit dem schwerdt / sundern mitt dem Gottes wort / ... das heyßt Christlich vn Euangelisch gelebt." (B2a/b) Die Absage an eine direkte Gewaltanwendung verbindet Copp mit der Gewißheit, daß Gott die Feinde des Evangeliums von sich aus strafen wird. Dem wahren Christen stehe es lediglich an, den Kampf mit dem Wort Gottes zu führen; für einen gerechten Streiter in diesem Sinne hält sich ohne Zweifel auch Copp, 302 der seine Verdienste herausstreichen will, wenn er anführt, er habe den Aufstand von Salzburg 1523 richtig vorausgesagt.303 Der Holzschnitt der Schrift von 1522 mit der Belagerungsszene hatte diese Ansicht paradigmatisch veranschaulicht, der Text der Schrift aber hatte nicht so eindeutig direkte Gewaltanwendung verurteilt. In Bezug auf den katholischen Klerus gibt Copp an, er sehe ihn nicht als Feind, auch wenn er, Copp, als Feind behandelt werde. Vielmehr hoffe er noch immer, daß die Altgläubigen, allen voran die Mönche, sich bekehren, damit sie der Ver301 Vgl. dazu den Aufsatzband Gunther Wolf (Hg.): Luther und die Obrigkeit. Darmstadt 1972 (Wege der Forschung 85). 302 Vgl. Douglas D. Overmyer: The Concept of Christian Militancy in the First Decade of the German Reformation. Phil. Diss. Princeton 1972. 303 Copp, Practica Teütsch, Zwickau 1523 (A4a).

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urteilung beim Jüngsten Gericht entfliehen können. Er ist vom Nahen des Jüngsten Tages überzeugt und deutet alle Negativerscheinungen seiner Zeit, aber auch die Ausbreitung der evangelischen Lehre als seine "vorreyter" (B1a). Zwar sichert sich Copp durch den Hinweis ab, daß niemand die Stunde des Jüngsten Tages wisse, doch der hat keinerlei Konsequenzen für seine Argumentation, wenn er seine Zeit mit der vor der ersten Sintflut gleichsetzt. In der Vorhersage für 1524 sagt er daher wieder "seer seer viel gewessers" (B2a) voraus, vermeidet aber diesmal tunlichst den Begriff 'Sintflut'. Neben all diesen Rechtfertigungen gelangt Copp zu politischen Aussagen. So widmet er seine Schrift Johann Friedrich von Sachsen, wobei er seinen Schutz erbittet, denn sein "arm gering Juditium" (A1b) von 1522 sei deshalb so angefeindet worden, weil es keinen Schutzherrn gehabt habe. Auf die Unterstützung des Schutzherrn hoffe er, weil der Fürst gegen all die so gütig sei, die "die gütliche Euagelische warheit liebhabe" (A2a). Tatsächlich war Johann Friedrich etwa ab 1520 ein entschiedener Anhänger Luthers. 304 Ob aber eine persönliche Beziehung Copps zu ihm bestanden hat, ist bisher nicht bekannt. Die Widmung nimmt Copp jedenfalls zum Anlaß, Johann Friedrich von Sachsen zu ermahnen, es in seiner Glaubenshaltung dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen 305 gleichzutun, "welcher mit allen tagenden billich dem heyligen Dauid zugleycht werde mocht ... ich zweyfel auch nit die hand des herrn werde sein Churfürstliche g. vn E.f.g.... bey steen." (A2a) Offenbar versucht Copp mit diesen Ausführungen die Gewogenheit der Fürsten zu erreichen, vielleicht haben auch sie zu den 'Gewaltigen' gehört, die ihn kritisierten. Die Titelholzschnitte der verschiedenen Ausgaben sind nicht so originell wie der Holzschnitt der Belagerung gestaltet; es dominieren Planetengötter und Überschwemmungsdarstellungen. Die den vorangegangenen Zitaten zugrandeliegende Ausgabe (Abb. S 25) zeigt Venus, die Herrscherin der Konjunktion, als bis auf ein Höschen nackte Frauengestalt mit perlengeschmücktem, wehendem Haar, in einen gewölbten Spiegel blickend. Rechts befindet sich ein phantastisch gekleideter Mann mit Bart und verziertem Hut, einem federbesetzten Obergewand, Schmuckscheiben an den Knien und schuppenbesetzten Stiefeln. Neben ihm ist ein Pfau zu sehen, und auch die Überschrift zeigt an, daß es sich um Ju-

304

Vgl. dazu Thomas Klein: Art. 'Johann Friedrich (I.). In: NDB, Bd. 10, S. 524f.

305

Vgl. Ingetraut Ludolphy: Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen 1463-1525. Güttingen 1984.

234

piter handeln soll.306 Den gewundenen Stab in seiner Hand könnte man jedoch auch für den Caducäus Merkurs halten. Auch Venus wurde eine Figur beigesellt: Es ist ein blinder Amor mit Pfeil und Bogen, der auf einer Kugel balanciert. Damit wird gleichzeitg das Motiv der Fortuna assoziiert.307 Der Titelholzschnitt einer anderen Ausgabe (Abb. S 26), die in Erfurt gedruckt wurde, 308 zeigt die nackten Gestalten der Venus und des Jupiter, Venus hält selbst einen Pfeil, Jupiter einen Stab und einen Beutel. Zusätzlich erscheinen am Himmel Saturn mit Sense und Mars als Ritter, zwischen ihnen das Sternzeichen der Fische. Aus einem dichten Wolkenband regnet es heftig, schon sind eine Kirche und ein weiteres Gebäude von hohen Wellen umspült, im Vordergrund treiben drei Menschen in den Fluten. Die bildliche Ausstattung dieses Drucks ist daher am ehesten mit der der zuletzt beschriebenen Ausgabe der Schrift von 1522, die Planetengötter zeigte, zu vergleichen; sie bietet keinerlei Angriffspunkte mehr. Wohl der bekannteste Titelholzschnitt einer Sintflutschrift befindet sich auf dem Titelblatt der 'Practica' von Leonhard Reynmann (Abb. S 27), die 1523 bei Hieronymus Höltzel in Nürnberg gedruckt wurde. 309 Am wahrscheinlichsten ist, daß er von Erhard Schön, dem Nürnberger Künstler, stammt. 310 Neben stilistischen Eigenheiten spricht für diese Hypothese, daß Schön nicht nur mehrere Titelholzschnitte für astrologische Praktiken gestaltete, sondern auch das Titelbild des 'Nativität-Kalenders' von Leonhard Reynmann. 311

306

Der Pfau ist häufig ein Attribut Jupiters. Vgl. z.B. die Planetenkinderdarstellung für den Planeten Jupiter von Georg Pencz um 1530. In: Meuche, Flugblätter, Abb. 11. Dort ziehen Pfauen den Wagen des Jupiter.

307

Vgl. dazu Erwin Panofky: Blind Cupid. In: ders., Studies, S. 95-129.

308

Johannes Copp: Practica Teutsch. Erfurt, o.D. 1523. (Hellmann, Blütezeit, S. 32, Copp Nr. 6). Der Titelholzschnitt bei Walde, Doktor, S. 101.

309

Reynmann, Practica, Nürnberg 1523. Hellmann gibt an, daß es von dieser Schrift einen Nachdruck von Wolfgang Stockei in Leipzig gegeben hat, deklariert als Vorhersage für 1526. Tatsächlich wurde nur die Titelformulierung abgeändert. Vgl. Gustav Hellmann (Hg.): Neudrucke von Schriften und Karten über Meteorologie und Erdmagnetismus. Nr. 1. Berlin 1893, S. 37.

310

Eine eindeutige Zuschreibung des Holzschnitts zum Werk Erhard Schöns in Walter L. Strauss (Hg.): The Illustrated Bartsch. German Masters of the sixteenth Century. Erhard Schön, Niklas Stör. Bd. 13, T. 2. New York 1983, S. 107. Zum Holzschnitt s.a. Georg Stuhlfauth: Neues zum Werke des Pseudo-Beham (Erhard Schön?). In: Amtliche Berichte aus den preußischen Kunstsammlungen. Jg. 40. H. 6 (1919), Sp. 122-136 und H. 11, Sp. 251-260.

311

Zu den einzelnen Praktikenillustrationen s. The Illustrated Bartsch, Bd. 13, T. 2, S. 47, S. 127, S. 177, S. 178 und S. 197. Außerdem Leonhard Reynmann: Nativität-Kalender. Nürnberg, Peypus 1515 (Panzer 829).

235

Schön312 lebte von ca. 1491 bis 1542 in Nürnberg. Seine ersten überlieferten Holzschnitte stammen aus dem Jahre 1513; ob er in Dürers Werkstatt arbeitete, kann nicht zweifelsfrei geklärt werden. Seine Arbeiten zeigen jedoch den Einfluß des Dürer-Schülers Hans Springinklee. Um 1523 läßt sich ein Wandel in Schöns Werk verzeichnen. Hatte er zuvor vor allem Devotionalbilder hergestellt, so nahm er sich jetzt sozialer Themen an, ähnlich wie die Brüder Beham und Georg Pencz, die 'gottlosen Maler' von Nürnberg.313 Auch Holzschnitte mit explizit reformatorischen Bildideen stammen von ihm.314 Im Stilistischen überwiegt nun der Einfluß H.S. Behams. Dies ist von Bedeutung, weil eine Zuordnung der Bilder zu Schön meist aufgrund stilistischer Kriterien vorgenommen werden muß, da seine Initialen oder sein Zeichen auf relativ wenigen Bildern erscheinen. Schön hat ein umfangreiches Holzschnittwerk hinterlassen, das zum Teil auch Buchillustrationen umfaßt. Von sozialem Engagement zeugt auch der Holzschnitt der 'Practica' von Reynmann 315 Er ist zunächst in eine irdische und eine himmlische Sphäre einteilbar. Die himmlische Sphäre wird fast vollständig von einem riesigen Fisch eingenommen, dessen Leib mit Schuppen bedeckt ist. So, als sei er durchsichtig, befinden sich in seinem Bauch die Sonne, der Mond im letzten Viertel und fünf Sterne, die durch die Symbole in ihnen als die fünf Planeten Saturn, Jupiter, Venus, Mars und Merkur gekennzeichnet sind. Außerdem ist dort ein liegender Mensch mit Totenschädel zu sehen. Der Fisch ist umgeben von einem Wolkenband, unterhalb dem ein Komet seine Strahlen auf die Erde richtet. Aus dem Bauch des Fisches strömt ein starker Wasserguß auf eine kleine angedeutete Dorfszenerie, von der nur ein Kirchturm und zwei Häuser zu erkennen sind. Hohe Wellen und zwei Menschen in ihnen sind auszumachen. Ohne räumlichen Zusammenhang zu dieser Szene befinden sich rechts und links des Wasserstrahls mehrere Personen in einer hügeligen Landschaft. Es sind die 'drei Stände der Christenheit', die hier konfrontativ gegenübergestellt sind. Rechts sehen wir eine siebenköpfige Personengruppe, als ersten den Kaiser mit Bügelkrone und Szepter. Er trägt einen weiten Mantel mit großem Kragen und hält die linke Hand erhoben. Sein Blick ist der Personengruppe links oder dem Wasserstrahl zuge312 Zur Biographie Schöns s. neben Stuhlfauth, Werke auch The Illustrated Bartsch, Bd. 13, T. 2, S. 9-11. Zu Schöns Werk Heinrich Roettinger: Erhard Schoen und Niklas Stoer, der Pseudo-Schoen. Zwei Untersuchungen zur Geschichte des alten Nürnberger Holzschnitts. Straßburg 1925 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 229). 313 Vgl. Zschelletzschky, Maler. 314 Sehr bekanntes Beispiel ist der Holzschnitt von 1532 mit dem Thema 'Die Klage Gottes über seinen Weingarten', der die schlechte oder falsche Pflege des 'Weingartens', d.h. des Glaubens, durch die katholische Kirche zeigt. Vgl. Scribner, Folk, S. 191 mit Abb. 158. 315 Vgl. den Kommentar zum Holzschnitt bei Scribner, Folk, S. 124f; Ginzburg, Nicodemismo, S. 33f; Hofmann, Luther, S. 176f. und Abb. 48c.

236

wandt. Der Papst hinter ihm, mit Tiara und in langem Gewand mit Überwurf, hat sich schon halb abgewandt, blickt aber mit einer Drehung des Kopfes ebenfalls nach links. Er hält beide Hände in Brusthöhe erhoben. Weitere Geistliche folgen: ein Kardinal mit Kardinalshut und zwei Bischöfe, wobei von dem einen nur die Bischofsmütze zu sehen ist. Von den beiden letzten Personen sind nur die Köpfe zu erkennen. Der eine trägt eine Kappe, der andere ist barhäuptig und bärtig. Auf der linken Seite führt ein alter Mann mit Bart, Glatze und Stelzbein, eine Sense über der rechten Schulter und in der linken Hand eine flatternde Fahne, einen unbestimmbar großen Bauernhaufen heran. Der vorderste Bauer trägt ein Schwert an der Seite und einen Dreschflegel über der Schulter, bekleidet ist er mit Stiefeln, einem knielangen Rock und einem Hut. Zahlreiche Bauern schließen sich an, bewaffnet mit Forke, Hacke und Spießen. Auf einem Hügel oberhalb des Geschehens schließlich befinden sich zwei Männer; der eine mit großer Trommel, der andere mit Querpfeife. Im Holzschnitt fließen zwei Ebenen zusammen, die astrologisch-meteorologische und die zeithistorische; irdische und himmlische Sphäre bleiben dabei nicht länger getrennt. Der riesige Fisch steht für das Sternzeichen der Fische, in dem die Planetenkonjunktionen 1524 erscheinen sollen. Stellvertretend dafür sind die Planeten abgebildet, ebenso sintflutartiger Regen als die befürchtete Wirkung. Nicht so eindeutig ist die Bedeutung der Leiche im Bauch des Fisches. Für einen Himmelskörper kann sie nicht stehen, sondern deutet vielleicht auf die für 1524 erwarteten Todesfälle hin. Im irdischen Teil wird ein gesellschaftlicher Konflikt thematisiert: Kaiser, Papst und katholischer Klerus sehen sich mit heranziehenden Bauern konfrontiert, denen Trommler und Pfeifer zum Kampf aufspielen. Der über ihnen abgebildete Komet zeigt, daß sie unter seinem Einfluß handeln. Kaiser und Papst wirken eher ängstlich abwehrend und erschreckt - ob wegen der kampfbereiten Bauern oder der Regenfälle, bleibt unklar -, während die Bauern entschlossen angetreten sind, den aktiven Part übernehmend. Ihr Anführer aber stellt die Verbindung zur astrologischen Vorhersage her, denn seine Gestalt ist nicht zeithistorisch, sondern symbolisch zu interpretieren: Es ist Saturn, der, aus seiner himmlischen Wirkungsstätte personifiziert herabgestiegen, als Fahnenträger seine 'Kinder', die Bauern zum Kampfe führt. Papst und Klerus jedoch sind die 'Kinder' Jupiters, 316 so daß die beiden Personengruppen auch für die 'Große Konjunktion' stehen können, von der soviel Unheil für die kirchliche, aber auch die weltliche Herrschaft erwartet wurde.

316

Jupiter führt seine 'Kinder' dagegen nicht an, doch Kaiser und Papst repräsentieren ihn mit.

237

Warburg hat diese Darstellung mit einer "Momentaufnahme aus dem Bauernkrieg"317 verglichen; andere Kommentare gehen weiter und wollen in diesem Bild die Befürwortung der Bauernaufstände durch den Künstler erkennen. 318 Es müssen jedoch die den astrologischen Symbolen innewohnenden Bewertungen zur Prüfung der These herangezogen werden. Dem Planeten Jupiter und seinen 'Kindern' werden durchweg positive Eigenschaften unterlegt wie Güte, Gerechtigkeit und Weisheit. Der Saturn dagegen ist der Planet des Unglücks und seine 'Kinder' sollen sich durch Grobheit, Geiz und Unbotmäßigkeit auszeichnen. Diese Bewertungen müssen auf die entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen zurückschlagen, werden sie als Planetenkinder aufgefaßt. Ein wichtiger Hinweis ist auch durch den Kometen gegeben. In der zeitgenössischen Kometenliteratur gilt er als das böse Vorzeichen par excellence, unter seinem Einfluß können nur schädliche Handlungen begangen werden 3 1 9 Daß die Bauern unter seinem Schein agieren, kann jedoch als eine Art Rechtfertigung verstanden werden, denn sie büßen zumindest einen Teil ihrer Verantwortung für ihr Tun ein, weil sie dem himmlischen Einfluß gehorchen, obgleich ihnen vorzuwerfen wäre, daß sie sich nicht ihm widersetzen. Es ist also Vorsicht geboten bei der Einordnung des Bildes als Zeichen der Solidarität mit den Bauern, wenn auch nicht bestritten werden kann, daß mit den Bauern sympathisierende Kreise den Holzschnitt als Ermutigung auffassen konnten 3 2 0 Völlig verfehlt aber ist es, wenn in einem Zuge Leonhard Reynmann, dem Verfasser der Schrift, Sympathien für die Bauernaufstände zugeschrieben werden; 321 genau das Gegenteil ist der Fall. Reynmann, über den keine biographischen Einzelheiten bekannt sind, 322 verbindet in seiner Schrift allgemeine 317 318

Warburg, Weissagung, S. 236. So etwa bei Laube, Geschichte, Bd. 3, S. 144 und tendenziell auch bei Vogler, Reformation, S. 56.

319

Fürs 16. Jahrhundert gilt ebenso, was Dünnhaupt für das 17. beschreibt, die Assoziation von Unglück beim Auftauchen von 'Kometen'. Vgl. Gerhard Dünnhaupt: Neue Kometen, böse Propheten. Kometenflugschriften in der Publizistik der Barockzeit. In: Philobiblon 18 (1974), S. 112-118. Auch Hartmut Lehmann: Die Kometenflugschrift des 17. Jahrhunderts als historische Quelle. In: Wolfgang Brückner, Peter Blickle, Dieter Breuer (Hgg.): Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Probleme populärer Kultur in Deutschland. Wiesbaden 1985 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 13), Teil 2, S. 683-700.

320

Deutlich auf den Einfluß eines Kometen weist ein Landsknecht auf einem anderen Holzschnitt von Erhard Schön hin, während andere Landsknechte und ein Bauer mehrere Kleriker und sogar den Papst mit Waffengewalt attackieren. Vgl. Scribner, Folk, S. 126, Abb. 95.

321

So etwa bei Zambelli, Philosophie, S. 348f.

322

In den einschlägigen biographischen Lexika ist Reynmann nicht verzeichnet. Er wurde lediglich als Verfasser des 'Nativitäts-Kalenders' bekannt, während andere astronomische oder astrologische Schriften von ihm nicht überliefert sind. Vgl. Hellmann, Neudrucke Nr. 1, S. 37. In Voglers Buch über Nürnberg ist er ebenfalls nicht aufgeführt; vgl. Vogler, Nürn-

238

Ausführungen zur Planetenkinder- und Konjunktionstheorie mit Ratschlägen zum Zeitgeschehen; die 'Practica' widmet er dem Nürnberger Reichsregiment. 323 In den theoretischen Darlegungen kennzeichnet er den Planeten Saturn als böses, den Planeten Jupiter als gutes Gestirn, 324 den abgebildeten Kometen bezeichnet er konkret als "Miles" (B3a), der den Mächtigen viel Schaden bringen wird. Das "gemayn vnd schnöd volck" wird gegen sie aufstehen und die "alte herkoinen vnd gutten ordnüg / Recht vn gewonhait" (B3a) umkehren. Schon hier wird deutlich, daß Reynmann die von dem 'gemeinen Mann' vorgenommene Umkehrung der Verhältnisse keineswegs billigt. In seiner Auslegung der Konjunktionen im Jahre 1524 legt Reynmann den Akzent auf den Schluß, daß die 'Versammlung' der Planeten auch eine Versammlung auf Erden bedeuten müsse. Schon Wirdung von Haßfurt hatte ja besonders diesen Gedanken betont. 325 Der "Romisch Kaiser" solle ein Konzil einberufen und dort den Versuch unternehmen, "die Christliche kirchen / vnd alle andere Stende zu Reformiern / Corrigiern / rechtuertigen / vnd gehorsam zumachen" (B3b). Dies sei notwendig geworden, weil die "Propheten oder Prediger auffsteen / predigen / vnd in den stucken des glaubes disputiern vnd widerwertig sein" (B3a/b). Der Kaiser als Ordnungsmacht soll zwar den entstandenen Zwiespalt aufheben und alle neu zu Gehorsam verpflichten, doch Reynmann traut dem Kaiser nicht mehr das nötige Durchsetzungsvermögen zu. Das Fehlschlagen kaiserlicher Reformbemühungen werde unweigerlich in der gesellschaftlichen Anarchie enden: "die pawern / vn dz gemayn volck v5 vil orte werde verpündtnuß machen / sich zusamen thun vnd erheben vber vnd wider jre Koning / Fürsten vn Herschafften / ... allenthalbe zugreiffen / rauben / vnd nemen was jn werde mag / gar niemäds verschonen / also daß zwische den reichen vnd armen wenig vnderschaydt gesehen / vnd wirt dafür nit helffen schützen noch beschirme / ... so lanng vnd vil / biß ain yedes ding ain verkerung / endrung vnd Verwandlung wol empfunden hatt..." (B3b) berg. Unklar ist, ob Reynmann sich selbst in Nürnberg aufgehalten hat oder woher er stammt; dies gibt er in seiner Widmung nicht an. 323

"Den Durchleuchtigen Hochwirdigisten / Dürchleüchtigisten /Hochwirdigen / Dürchleuchtigen / Hochgebornen / Eerwirdigen / Wolgebornen / Gestrengen / Hochgelerte / Vesten / Erbarn vnd weysen / Kayserlicher Mayestat im hayligen RSmischen Reych / Regimets Stathaltern / Churfursten / Fürsten / vnd andern desselbigen verordneten Rlthen / meinen Gnedigisten / vn Gnadigen Fürsten vn Herren ...". Reynmann, Practica, Nürnberg 1523 (Alb).

324

Vgl. Reynmann, Practica, Nürnberg 1523 (A3a).

325

"SSlch Cöiunctiones in dem hauß Jouis / werden auch gewißlich vnd onzweiuelich schicken ayn zusamenfugung in der Christlichen kirchen / in ayn Concilium...". Reynmann, Practica, Nürnberg 1523 (B3a).

239

In dieser drohenden Zwangslage sieht Reynmann nur einen möglichen Ausweg: "erst wirt die not Solem vnd Jouem mit aynander veraynigen / durch die vnd jre zugewandten werden die Tyrannisierer vnd kinder Lüne vnd Saturni jren wirdigen Ion empfahen / vnd puß annemen." (B3b) Zweierlei wird deutlich: Scharf verurteilt Reynmann die Bauernaufstände als Verkehrung der gottgewollten Ordnung, als drohende 'Gleichmacherei' zwischen Arm und Reich - dies zum einen. Das andere: Reynmann hält Reformen für notwendig, und sie sollen vom Kaiser bzw. von ihm und dem Papst gemeinsam im Rahmen eines Konzils ausgehen, den Glaubensstreit beenden und Mißstände beseitigen. Vor allem aber sollen Kaiser und Papst zusammenwirken, um den aufrührerischen 'gemeinen Mann* im Zaum zu halten und zu strafen. Vielleicht ist es Papst Hadrian IV., der Erzieher Karls V., den Reynmann in seiner Konzeption einer 'Notallianz' noch vor Augen hat, dann allerdings miißte die Schrift vor dem 14.9.1523, dem Tag des frühen Todes Hadrians, entstanden sein. 326 Mit diesem Papst mochte es dem Verfasser möglich erscheinen, das dringende Reformverlangen umzusetzen. Das Verständnis von 'Reformation' setzt sich dabei von evangelischer Glaubenserneuerung ebenso ab wie von sozialem Umsturz. Mit seiner politischen Empfehlung wendet sich Reynmann an das Nürnberger Reichsregiment und sucht dessen Forderungen zu unterstützen, die im Januar 1523 an den Papst ergingen: die Einberufung eines Konzils auf deutschem Boden durch Kaiser und Papst mit dem Ziel, den Glaubensstreit zu beenden. Für diesen Standpunkt möchte Reynmann in seiner 'Praktica' astrologisches Rüstzeug bieten. Zum Schluß ruft Reynmann auch das Reichsregiment direkt auf, alle geistlichen und weltlichen Stände zu reformieren und 'in ihr bestes Wesen zu bringen', offenbar im Zusammenwirken mit Kaiser und Papst. In den politischen Ausführungen der Schrift liegt gleichzeitig ihre historische Bedeutung, die in der Abhandlung der Sintflutfrage völlig schematisch bleibt. 327 Am 20. März 1523 wird eine Schrift bei Johannes Singriener in Wien gedruckt, die in der Orientierung an den Traktaten des Pighius und Nifos den Widerspruch gegen die Sintflutprophetie zu ihrem zentralen Thema macht. 328 Schon auf dem Titelblatt wird dies Vorhaben programmatisch angekündigt:

326

Vgl. Wilhelm A J . Munier: Art. 'Hadrian IV.'. In: TRE, Bd.14, S. 309f.

327

Vgl. Reynmann, Practica, Nürnberg 1523 (B2b-C2a).

328

Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523. Vgl. zum Inhalt Thorndike, History, Bd. 5, S. 221225; Zambelli, Fine, S. 309f., S. 334-336. Hellmann verzeichnet eine lateinische Ausgabe: Georg Tannstetter: Libellus consolatorius. Wien, Singriener 1523. (Hellmann, Blütezeit, S. 55, Tannstetter Nr. 1).

240

"Der leut hart furgenommene verwänung / so sy aus etlicher dy sich fyr Astronomos ausgeben / vorsagung / von ainem kunfftigen Synfluß / vnd anndern greulichen vällen auffs. XXiiii Jar gefast / abzuwenden." (Ala) Anders als die überwiegend bedrohlich klingenden Titelformulierung der bisher vorgestellten Schriften steht die Beruhigung des Lesers im Vordergrund, verbunden schon jetzt mit einer Kritik an den Verbreitern der Prophetie, die ihre Kompetenz als Astrologen nur vorgeben. Diese Einschätzung stammt von einem sehr angesehenen Astronomen und Arzt, dem Professor an der Universität Wien und kaiserlichen Leibarzt Georg Tannstetter, der seinen Traktat gegen die Sintflutprophetie Erzherzog Ferdinand widmet. Neuere Forschungen geben gesicherte Erkenntnisse über den Lebensgang Tannstetters, der sich auch Collimitius nannte.329 Er wurde 1482 in Rain/Bayern geboren,330 1497 an der Universität Ingolstadt immatrikuliert und dort bereits 1502 als Magister erwähnt. Die Hauptlehrgegenstände Astronomie und Mathematik hörte Tannstetter bei dem Astronomen Johannes Stabius. 1503 begann Tannstetter seine Laufbahn an der Wiener Universität mit astronomischen Vorlesungen. 1508 ist der Übertritt in die medizinische Fakultät anzusetzen, wo er 1513 den Doktortitel erwarb.331 Im selben Jahr finden wir ihn als Rektor der Wiener Universität. In seiner Tätigkeit als Leibarzt wurde Tannstetter 1518/1519 an das Krankenlager Maximilians I. gerufen. Später ist er auch für Ferdinand I. tätig geworden. 1530 zog er mit seiner Ehefrau Martha, geb. Werusin, und seinen drei Kindern nach Innsbruck, wo er im März 1535 starb. 1531 war er in den ritterlichen Adelsstand aufgenommen worden, ohne jedoch ein Adelsprädikat zu

329 Zu Leben und Werk Tannstetters s. Franz Stuhlhofer: Georg Tannstetter Collimitius. Ein Wiener Humanist und Naturwissenschaftler des beginnenden 16. Jahrhunderts. Diss. Wien 1979; Franz Stuhlhofer: Georg Tannstetter (Collimitius). Astronom, Astrologe und Leibarzt bei Maximilian I. und Ferdinand I. In: Jahrbuch des Vereins für die Geschichte der Stadt Wien 37 (1981), S. 7-49. Ein Porträt Tannstetters fertigte Hans Brosamer an, vgl. Geisberg, Single-leaf woodcut, Bd. 1, S. 426. Wenig zuverlässig in seinen Angaben ist Joseph von Aschbach: Geschichte der Wiener Universität. Bd. 2. Wien 1877, S. 271-277. Brauchbarer dagegen Gustav Bauch: Die Anfänge des Humanismus in Ingolstadt. In: Historische Bibliothek 13 (1901), S. 92-115. Weiter Karl Hartfelder: Art. Tannstetter'. In: ADB, Bd. 37, S. 388f und Conradin Bonorand: Die Bedeutung der Universität Wien für Humanismus und Reformation, insbesondere in der Ostschweiz. Zürich 1965, S. 177ff. 330 Die genauen Angaben zu Geburt und Todestag s. Stuhlhofer, Tannstetter (1979), S. 18f. Bezüge sind u.a. die Grabinschrift auf dem Grabstein Tannstetters in Innsbruck und Angaben von Tannstetter selbst. 331 Tannstetter war also 1510 noch nicht Leibarzt Maximilians I. Vgl. Stuhlhofer, Tannstetter (1979), S. 23.

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erhalten. Daß er den Todestag Maximilians I. exakt vorhergesagt habe, muß in den Bereich der Legende verwiesen werden. 332 Kalender und Praktiken Tannstetters erschienen seit 1504; 3 3 3 darüberhinaus verfaßte er ein Lehrbuch der medizinischen Astrologie, das 'Artificium', 334 eine Geschichte der Wiener Astronomen 335 und Gutachten zur Kalenderreform 3 3 6 Auch geographische Studien hat er betrieben. Tannstetter spielte eine bedeutende Rolle unter den Wiener Humanisten, wurde er doch nach dem Tode des Conrad Celtis 1508 zum führenden Kopf der 'Sodalitas Danubiana', die dementsprechend in 'Sodalitas Collimitiana' umbenannt wurde. 337 Dieser als wissenschaftliche Kapazität anerkannte Gelehrte schaltet sich nun seinerseits in die Debatte ein, indem er zwei auch in deutscher Sprache erschienene Schriften veröffentlicht. Tannstetter begründet diesen Schritt mit der momentanen Stimmungslage der Wiener Bevölkerung 3 3 8 Tannstetters Beschreibung der Reaktionen der Wiener auf die Sintflutprognose deckt sich jedoch mit der, die Nifo gegeben hatte, so daß Tannstetters Formulierungen nicht auf authentischen Beobachtungen zu beruhen brauchen. Jedenfalls hält es Tannstetter für seine Pflicht, beruhigend auf die Öffentlichkeit einzuwirken; seinen Traktat bezeichnet Warburg als "offizielle Beschwichtigungsliteratur" 339 Zu Beginn kommt Tannstetter nochmals auf die Autoren zurück, die von einer Sintflut geschrieben hatten. Sie sind für ihn Scharlatane, ihre Schriften seien eher das "gedieht eins trückers od landtfarers" (A2a). Sie hätten "groß zetel vnd e —e buchel mit vilen wundlichen vn oden gemelen / auch vorsagung auf das. xxiiij. iar / vmbgefurt" (A2a), also Flugblätter und bebilderte Flugschriften; wie Carion verweist auch Tannstetter besonders auf die Holzschnitte der Texte, ein Zeichen für die Bedeutung, die ihnen für die Vermittlung der Prophetie zugeschrieben

332 333

Vgl. Stuhlhofer, Tannstetter (1979), S. 45. Vgl. Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (A2a). Der Autor gibt dort an, daß er seit 19 Jahren Judizien herausgibt. In den Bibliographien ist allerdings die früheste Eintragung aus dem Jahr 1508. Vgl. Anton Mayer: Wiens Buchdruckergeschichte 1482-1882. Wien 1883. Bd. 1: 1482-1682, S. 34, Nr. 28. Es handelt sich um einen 'Commentarius in Almanach', bei Vietor gedruckt.

334

Georg Tannstetter: Artificium. Straßburg, Ulrich 1531. Der Herausgeber war Otto Brunfels; zu diesem Humanisten vgl. S. 354-359 dieser Arbeit. Praktiken Tannstetters verzeichnet Stuhlhofer, Tannstetter (1981), S. 46-49.

335

Vgl. dazu Stuhlhofer, Tannstetter (1981), S. 31f.

336

Andreas Stiborius, Georg Tannstetter: Super requisitione ... Wien, Singriener o.J. (um 1515) (Denis Nr. 330).

337

Vgl. Stuhlhofer, Tannstetter (1981), S. 55. Dort auch die Mitglieder der 'Sodalitas Collimitiana'.

338

Vgl. S. 1 dieser Arbeit.

339

Warburg, Weissagung, S. 229.

242

wurde. Der gelehrte Astronom beklagt sich ähnlich wie Pighius über die Praxis publikumswirksamer astrologischer Prophetie, hinter der er Gewinnsucht wittert. Seine Kritik könnte zunächst einmal eine ganze Anzahl von Drucken zur Debatte betreffen, doch vermitteln die folgenden Angaben den Eindruck, eine ganz bestimmte Schrift habe ihm vor Augen gestanden: "dann ein weyser man schreibt nit von wüderzaichen / die er nit gesehen / ich geschweig das er in seiner vorredt in der kunst weyt vn kyndisch irret" (A2a), kritisiert er. Eine Verknüpfung der Vorhersage für 1524 mit der Wiener Erscheinung bringt der anonym erschienene Beitrag von Alexander Seitz; ob Tannstetter auf ihn anspielen will, kann aufgrund der wenigen Anhaltspunkte nicht geklärt werden. Jedenfalls sind es Schriften wie die des Seitz, die Tannstetter als verantwortungslose Pamphlete ablehnt und denen er ein dezidiertes Wissenschaftsverständnis entgegensetzt, beruhend auf Erfahrung, Anschauung und Berechnung. 340 Die Astrologie deklariert er als Geheimwissenschaft, die nur im Kreise der Gelehrten erörtert werden dürfe. In seinem Juditiumfür 1522341 habe er z.B. nur ganz allgemeine Vorg

hersagen gemacht, "domit dem forchtsamen volck genug beschehe" (A2b), alle weiteren Folgerungen seien Sache der Gelehrten: "Dan was solich schein Landen / Steten / Leüten ... bedeütte / gehört nit öffentlich / sond' hoher zu disputirn / weil deren ausganng... allain in gottes gewalt ist." (A2b) Insbesondere lehnt Tannstetter die öffentliche Vorhersage des Schicksals des Kaisers, der Könige und Fürsten ab, denn das Geschick der Mächtigen liege allein in Gottes Hand. 342 Auch der christliche Glaube und der menschliche Wille sind vom Gestirn unabhängig. 343 Tannstetter erkennt so die Gefahren der 'astrologia judiciaria', wenn eine breite Öffentlichkeit ihre Vorhersagen rezipiert. Um so mehr trifft es den vorsichtigen Tannstetter, wenn andere ihm Unglücksmeldungen unterschieben wollen, die er nicht abgegeben hat, etwa die Prognose des Untergangs der Stadt Wien. 344 Bei aller Ablehnung öffentlich dis340 341

Vgl. Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (C2b). Georg Tannstetter: Juditium auf das Jahr 1522. Wien, Singriener 1521 (Zinner 1189). Diese Schrift befindet sich wohl im Privatbesitz. Vgl. Eduard Langer: Bibliographie der österreichischen Drucke des 15. und 16. Jahrhunderts. Wien 1913. Bd. 1. H.l, S. 130.

342 Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (Dlb/2a). 343 344

Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (C2b und F2a). "... mit was schmach ich das v'gangen iar verletzt bin worden / dan es haben etlich pSß vnd vnwarhaft / mein vn meiner kunst neyder / ein gedieht vnder meine nam ausgebe / von vndergang der stat Wien / wiewol ich beyjdx. jarn in meine Judiciis von sund'lichen berurung der künig / fürsten / vnd stet mich enthalten / damit ich nyemät erschreck od' beweg." Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (A2a). Wahrscheinlich war diese Prophetie anläßlich der Wiener 'Zeichen' erschienen, wobei erwähnenswert ist, daß sich in Tannstetters Besitz ein Flugblatt zu den Erscheinungen befand. Vgl. Denis Nr. 345 mit dem

243

kutierter astrologischer Vorhersagen muß Tannstetter jedoch, will er seine Meinung wirksam ins Spiel bringen, ebenfalls wieder die breite Öffentlichkeit ansprechen. Er tut dies, indem er nicht nur unter Verwendung der Argumente von Nifo und Pighius die Sintflutprognose widerlegt,345 sondern indem er nun gleichfalls astrologisch begründete Angaben zur Zukunft macht, ein Widerspruch, der schon bei seinen beiden Vorbildern aufgefallen war. Die Berechtigung für ihr Vorgehen sehen diese Gelehrten darin, daß sie nur generelle Richtlinien für die Zukunft entwickeln, doch widerstehen auch sie nicht immer der Versuchung, die Zukunft genau beschreibbar machen zu wollen. In seiner Vorhersage für 1524 hält Tannstetter eher eine milde Witterung für wahrscheinlich, da die 'gütigen' Planeten Jupiter und Venus herrschen. Doch Konjunktionen und Mondfinsternisse bringen auch Negatives: Geheimbünde, Aufruhr, Ungehorsam und Gewalt, Krieg mit den Türken, Veränderung der Gesetze und Mißernten. Eine genauere Vorhersage über die Ernte macht Tannstetter seinem Berufsethos entsprechend nicht, da er einen Mißbrauch durch Fürkauf befürchtet, damit ein Problem ansprechend, das in der Wirtschaftskritik der Zeit häufig geäußert wurde.346 Das Ende der Welt stehe ganz gewiß nicht bevor, versichert Tannstetter,347 und auch die außerordentlichen Veränderungen, die angekündigt worden seien, dürften nicht als unausweichlich angesehen werden. Allerdings, so schränkt Tannstetter ein, könne es zu einer großen Veränderung kommen, ohne daß es dafür eine natürliche Ursache - den Gestirnsstand - geben müsse, sondern allein aus dem Willen Gottes, der die übergroße Sünde der Menschen damit strafen wolle. Diese Sünde charakterisiert er folgendermaßen: "Das diser zeit / kinder de elitern / iunger den maistern / vnderthon den fürsten vn jren obrigkaiten ye lenger ye mer vngehorsam sein / das auch so vasst / das käum dy gerechten vnd guten gesetz beleiben." (B2a)

Hinweis: "Auf der Stifsbibliothek zu Neuburg an dem Bande der ptolemäischen Geographie Ulm 1482 klebend. Die Geographie gehörte Georg Tannstetter." Denis, Buchdruckergeschichte, S. 335f. 345 Vgl. Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (A3a-B4b). 346 Vgl. Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (E3a). Zum Thema auch Brant, Narrenschiff, Kap. "Wucher und Aufkauf" mit Abb. 93, S. 274f. 347 Tannstetter nennt zunächst als Grund, wie Nifo, daß die Welt im Weltenbrand zugrundegehen würde. Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (A4a). Biblischer Bezug: 2 Petrus 3,57 und 10-12. Weiterhin heiße es in der Bibel, daß der Mensch den Jüngsten Tag nicht vorherwissen könne. Schließlich fehlt auch das Argument des Regenbogens nicht. Das Resümee: "Aber ob schon natur der zeit vnd etlicher gegent etlich regen prechte / vn dy wasser wSchsen / mSß man darüb oit zu stundan auf dy perg fliehen / sonder ein got hertz haben / ..." Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (C4b).

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Wegen dieses Ungehorsams gegenüber jedweder Obrigkeit werde Gott die Menschen "haimsuche straffen vnd reformirn" (B2a). Reformation, von anderen herbeigesehnt, wird hier zum Synonym für die Strafen, die eine 'verkehrte Welt', in der die alte Ordnung verloren ist und die gerechten Gesetze nicht mehr gelten, von Gott zu gewärtigen hat. Tiefe Besorgnis über die Entwicklungen seiner Zeit erfüllen den Autor, gegen dessen beschwichtigende Intentionen sich Pessimismus durchsetzt. Um jedes Mißverständnis auszuschließen, grenzt sich Tannstetter gleichzeitig von allen reformatorischen Bestrebungen und ihrer Opposition gegen die katholische Kirche ab: —

C



"Aber nyema so diß mein puchel lesen wirt sol gedencke / dz ich haimlich denen recht geben wolle / so sich dise jar wider der Romischen kirchen ere vnd wirdigkait setzen..." (D4b) Die Reformatoren charakterisiert er als Menschen, die durch "gedichten 1er" (D4a) das Volk beeinflussen wollen, als Heuchler und Betrüger, die vor allem bei denen Anhang finden, die "ausserhalb des gemeinen peürischen leben nichts gesehen haben." (D4a) Vor einem drohenden Aufstand des "gmain pofel" (Fla) warnt Tannstetter die Fürsten und Herren. Aber die Übeltäter werden ihre gerechte Strafe finden durch die, die dem gütigen Jupiter unterworfen sind, d.h. durch die weltliche und geistliche Obrigkeit. Diese werden — e "wz recht vn pillich aufsetze / gleichsnerey vnnütz preüch / vngotlich leer abwendenn / dy auch dy recht arm vnschuldig vn gerechtes hertze sind vor aller vnbilligkait behutten..." (D4a) Auch die Türken würden endlich besiegt, weiß der Astrologe.348 Tannstetter interpretiert so die Gestirnskonstellationen seinen Interessen - und denen seines Dienstherren - gemäß: Die alten Mächte sollen wieder die Oberhand gewinnen und das gute alte Herkommen neu bestätigen, wobei Gott ihnen zu Hilfe kommen wird. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Titelholzschnitt des Traktats (Abb. S 28), der sich in bemerkenswerter Weise von denen anderer Praktiken unterscheidet, sich von den zuvor kritisierten "wundlichen gemelen" absetzen will.349 Die Darstellung ist in eine untere und eine obere Sphäre aufgeteilt. Unten werden drei einfach gekleidete Männer bei der Arbeit gezeigt: Links trägt einer Äste zusammen, ein anderer rechts hält in jeder Hand eine Korngarbe, eine dritte liegt vor ihm. In der Mitte ist ein Mann mit Mütze und einer Hacke zu sehen, auch er bei der Arbeit. Tätigkeit und Kleidung zeichnen 348 Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (Ela). 349 Zum Holzschnitt Hedwig Gollob: Verzeichnis der Wiener Holzschnitte in den Jahren 14901550. Straßburg 1925 (Artes Austriae. Studien zur Kunstgeschichte Österreichs 232), S. 114.

245

die Männer als Bauern aus. Im oberen Bereich des Bildes sind dagegen die sieben Planeten in menschlicher Gestalt aufgereiht. Sie blicken aus einem Wolkenband "wie aus einer Theaterloge" 350 herab und sind an ihren Attributen erkennbar. Von links nach rechts finden wir Saturn mit der Sense, Jupiter mit einem Lilienszepter, Mars in Ritterrüstung und mit einer Hellebarde, Sol mit dem Strahlenkranz um das Haupt und einem Szepter, die nackte Venus mit Federhut und Blume, Merkur mit Caducäus, Flügelhut und einem Blasinstrument sowie schließlich Luna, ebenfalls nackt, mit einer Mondsichel im Haar. Nicht alle Planetengötter sind in zeitgenössischer Kleidung zu sehen, doch lassen sich Jupiter als Ratsherr, Saturn als Bauer und Mars als Ritter identifizieren. Aus den Wolken scheint es heftig zu regnen. Über den Planetengöttern ist ein Band mit Sternen und das Sternzeichen der Fische abgebildet. Am oberen Bildrand schließlich streckt sich eine Hand mit Szepter aus den Wolken heraus. Der Holzschnitt stellt die Planetenkonjunktion 1524 im Zeichen der Fische und ihre Wirkung, anhaltende Regenfälle, dar. Doch das Verhalten der Menschen unten entspricht nicht der zu erwartenden Reaktion auf Unwetter und bedrohliche Konjunktion: weit davon entfernt, in Panik zu verfallen, fahren sie unbeirrt in ihrer Arbeit fort. Auch werden die Planeten von oben durch die Hand Gottes regiert; er ist der wirkliche Herrscher des Himmels und der Erde, was bedeutet, daß die Planeten keinen Einfluß entfalten können, der dem Willen Gottes widerspricht. 351 Die lateinische Inschrift, an prominenter Stelle unterhalb der Planetengötter angebracht und quasi als geistiger Schutz gegen sie gewendet, bekräftigt diesen Gedanken mit dem Bibelzitat: "A Signis coeli nolite metuere" (Jeremias 10). Gottes Allmacht betonen auch die anderen Bibelverse; Psalm 85,12, Hiob 9,7 und 9, Lukas 2,14 und Weisheit Salomos 3 sind genannt 3 5 2 Das Bildprogramm läßt sich so sehen als pointierte Entgegensetzung zu der Auffassung, daß die Konjunktion 1524 eine grundlegende Änderung aller Verhältnisse herbeiführen werde; das Bild zeigt, daß alles beim Alten bleibt. Gegen die widrige Planetenkonstellation wird die Normalität des Alltags behauptet. Damit weist es gleichzeitig die Panikreaktionen zurück, die Tannstetter in seiner

350

Warburg, Weissagung, S. 229.

351

Stuhlhofer erwähnt ein Symbol, das Tannstetter benutzte: Es zeigte eine Himmelskugel und darüber zwei Hände, die einen Stab entzweibrechen, um anzudeuten, daß die Macht der Gestirne durch Gottes Macht gebrochen wurde. Die Darstellung des Holzschnittes erinnert hieran. Vgl. Stuhlhofer, Tannstetter (1981), S. 55.

352

Die Bibelverse lauten im einzelnen: Psalm 85, 12: "Daß Treue auf der Erde wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue." Hiob 9, 7: "Er spricht zur Sonne, so geht sie nicht auf, und versiegelt die Sterne." Hiob 9,9: "Er macht den Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens." Lukas 2,14: "Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens." Weisheit Salomo 3: "Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand und keine Qual rühret sie an."

246

Vorrede nannte. Auffallend aber ist, daß der Holzschnitt den arbeitenden Bauern als Vorbild präsentiert, die Befürchtung, daß gerade er sich anders als auf dem Bild dargestellt verhalten könnte, artikuliert sich hier. Seinem möglichen Ungehorsam gegen die Obrigkeit, von dem die Schrift spricht, wird die gesellschaftliche Pflichterfüllung entgegengehalten, wie es schon die Ständelehre der funktionalen Dreiteilung tut: 'Du aber arbeite', weist sie den Bauern an. 353 Daß dies auch dem Willen Gottes entspricht, darüber bleibt kein Zweifel. So hat das Bild nicht nur Bezug zur astrologischen Debatte, sondern führt die Anerkennung gesellschaftlicher Hierarchien vor und bedeutet so dem durch die Veränderungen der Zeit Verunsicherten, daß er die Zukunft nicht zu fürchten braucht. Ähnlich wie Copp fühlt sich auch Tannstetter in seiner später erschienenen zweiten Schrift 354 zur Sintflutdebatte bemüßigt, sich in einer Vorrede zu rechtfertigen; aus ihr spricht die Erbitterung des Autors. Er wehrt sich in direkter Ansprache des Lesers gegen das Gerücht, in seiner zweiten Schrift werde er alles widerrufen, was er in seinem Traktat entwickelt hatte 3 5 5 Die Tatsache, daß dieses erst 1523, also verhältnismäßig spät erschien, hat ihm außerdem den Vorwurf eingebracht, er sei nicht in der Lage, eigenständige Praktiken herauszugeben, sondern müsse erst die Meinung anderer abwarten. Dem setzt Tannstetter entgegen, daß der Geiz der Buchdrucker zu unerlaubtem Nachdruck führe und dazu, seine Schrift nicht zu drucken. 356 Schon in seinem großen Traktat wollte Tannstetter auch die Ungebildeten erreichen, doch seine scholastische Argumentation und Bezüge auf die Bibel, die griechische Philosophie und arabische Astrologie sowie die historischen Beispiele waren wenig dazu angetan, diese Lesergruppen zu erreichen. Der Autor hat dieses Problem wohl gesehen, 357 denn er gibt an, die zweite Schrift sei ein "außzug vnd ain sundere erklerung des grosseren Judicij" (A1 a). Die Vorhersa-

353

Vgl. Oerie, Dreiteilung.

354

Tannstetter, Practica, dtsch., o.O.oJ. (Wien ? 1523/24). Textzitate hieraus.

355

"Hye inn diser Practica hast du abermals mein Judicium vnnd maynug von den künftigen zufeilen des M.D.XXiiij. jars. Darauß du liederlich versteen magst / mit was vnbilüchkait vnd lugen mein namen schmehen thun / die offenlich sagen / ich werde alles daz ich vor mals in dem

grSssern

Judicio auff obgemelts iar gemacht hab / yetz in diser Practica

widerrSffenn...." Tannstetter, Practica, dtsch. o.O.oJ. (Wien ? 1523/24) (Alb). 356

"Das aber mein Judicia spatter truckt werden vnd außgeen dan der andern / macht der Buchtrucker vnsagliche geyttigkait / weliche von stund an die vnnd ander buchlein nachtrucken on fleyß vnnd z8 zeyttenn vnder falschen vn erdichten tytlen." Tannstetter, Practica, dtsch., o.O.oJ. (Wien ? 1523/24) (Alb).

357

"Des gleychenn nympt Mercurius mit sampt dem Mars den Herbst vnd sein regyerung vrsach darauß sollichs befundn wirt / find man in dem lateinischen Judicio / seynd hye von kurtz wegen außgelassen." Tannstetter, Practica, dtsch., o.O.oJ. (Wien ? 1523/24) (A2b).

247

gen für die kommenden Jahre stimmen im Kern mit den früheren überein. Tannstetter sieht "ain seligs guts endts" (A2b) in den Sternen stehen, doch zuvor "krieg ... zwischen dem gemainen volck vnnd iren vorgeenden regieren." (A3a) Die Geistlichen werden trotz aller Trübsal siegen. 1524 wird jedoch nicht nur ein Jahr der Kriege: "In dem jar werden sollich Sachen mer durch Concili / tag vnd radtschleg dann mit waffen gehandeledt." (A3a) Im Diskurs der Herrschenden sieht Tannstetter Hoffnungen für eine Lösung der anstehenden Probleme, hierin den Konzilsgedanken aufnehmend, den schon Virdung und Reynmann äußerten und der die Forderungen der Stände gegenüber Kurie und Kaiser bezeichnet. Außenpolitisch wird nach Tannstetter die Entwicklung äußerst günstig für Habsburg verlaufen: Frankreich wird von seinen Feinden geschlagen, die Spanier werden siegen und die Ungarn in Frieden vor den Türken leben.358 Loyalität gegenüber dem Hause Habsburg spricht aus diesen Prognosen. Die Sintflutvorhersage nimmt der Autor jedoch nicht mehr auf, sie hält er wohl durch seinen Traktat für hinreichend widerlegt. Die verschiedenen Auflagen der Schrift haben nicht identische Titelholzschnitte. Während eine 1523 bei Singriener in Wien gedruckte Ausgabe den Titelholzschnitt des großen Traktats wiederholt,359 ist auf einer anderen Ausgabe ohne Druckhinweise ein Holzschnitt mit Planetengöttern zu sehen (Abb. S 29). Rechts findet sich Venus, zeitgenössisch gekleidet in ausgeschnittenem Kleid und Haube. Der blinde Amor mit Pfeil und Bogen ihr zu Füßen ist ein Attribut der Planetengöttin. Links ist Jupiter zu sehen, ebenfalls zeitgenössisch gekleidet. Er trägt über einem Untergewand einen langen Mantel mit breitem Kragen und eine Kappe. In der Hand hält er einen Stab. Sein Attribut ist der Pfau. Jupiter und Venus halten ein kegelförmiges Gebilde mit breitem Rand, aus dem Regen und Wolken entweichen. Sie treffen auf einen kugelförmig dargestellten Landschaftsausschnitt, auf dem eine Gebirgslandschaft und eine Stadt angedeutet sind. Oberhalb von Venus und Jupiter in den Wolken schwebt eine Gestalt in langem Gewand, die in ihren Händen einen Stab mit einem Rad hält. Die gekreuzten Schlangen am Stab weisen ihn als Merkur aus. Der abgebildete Vorgang zeigt die Jahresherrscher des Jahres 1524, Jupiter und Venus, wie sie die Sphäre des Himmels tragen, in der Regen und Wolkenbildung stattfinden. Durch die Komposition werden die Planeten direkt dem Wettergeschehen zugeordnet. Die Handbewegung der Venus - sie hält zwei Finger der linken Hand gespreizt - könnte sogar als Zeichen der Macht über das Wetter gedeutet werden. Damit würde das Bildprogramm des Holzschnitts direkt dem Anliegen des Verfassers widersprechen, Gott als Herrn des Himmels zu betonen. Eigenartig ist aber auch die Darstellung des Merkur, der wie ein Engel in den Lüften schwebt; vielleicht war hier tatsächlich eine Engelsdarstellung Vor358 Vgl. Tannstetter, Practica, dtsch., o.O.oJ. (Wien ? 1523/24) (A3a) und (A4a). 359 Georg Tannstetter: Practica, dtsch., Wien, J. Singriener 1523 (Gollob, Verzeichnis, Nr. 257).

248

bild. Ein Nachschnitt des Bildes, der auf dem Titelblatt (Abb. S 30) einer Schrift zur Sintflutdebatte von Egidius Camillus360 zu sehen ist, zeigt Merkur tatsächlich als Engel: Er hat nun auch Flügel erhalten. Die Verwendung des Holzschnitts für eine andere Schrift ist unproblematisch, da er nicht näher auf den Text Tannstetters abgestimmt ist. Nur die Jahresherrscher und der strömende Regen geben Bezugspunkte zur Vorhersage für 1524. Das irdische Geschehen ist nicht inhaltsbezogen dargestellt oder mit aktuellen Hinweisen versehen, so daß, anders als bei dem Titelholzschnitt des großen Traktats, dem Betrachter keine auf das Zeitgeschehen bezogene Botschaft vermittelt wird. Eine dritte Ausgabe der Praktik361 zeigt dagegen zwei interessante Holzschnitte auf ihrem Titelblatt (Abb. S 31). Oben sind drei Personen zu erkennen. Während ein bärtiger, mit Wams, Stiefeln und mützenartiger Kopfbedeckung bekleideter Mann ein Schwert ziehen will, tritt eine Frau in langem Kleid und Haube auf ihn zu und faßt ihn am Arm, um ihn von seinem Tim abzubringen. Hinter ihr ist ein Herd mit offenem Feuer angedeutet. Von rechts nähert sich ein Herr in der Kleidung des reichen Stadtbürgers; seine Gestik macht deutlich, daß auch er den Kampfbereiten, den seine Kleidung als Bauer erkennbar macht, beschwichtigen möchte. Die Szene spielt sich unter freiem Himmel ab, aus dicken Wolken regnet es. Der untere Holzschnitt zeigt drei Männer. Der in der Mitte Stehende, durch seinen Flügelhut als Merkur bezeichnet, hält eine Urkunde in Händen, von der zwei Siegel herabhängen und verliest sie anscheinend gerade. Die anderen beiden Männer sind ihm zugewandt und lauschen seinen Worten. Die Zuhörer sind ähnlich gekleidet wie die Männer auf dem oberen Holzschnitt: in langem Mantel mit Kappe der eine, in einfacher Kleidung, aber bewaffnet mit Spieß und Schwert der andere. Beide Holzschnitte können in doppelter Lesart rezipiert werden: als Planetengötterdarstellung und als Kommentar zum Zeitgeschehen. Die erste Lesart ergibt eine Konstellation von je drei Planeten; Saturn (Bauer), Jupiter (Patrizier) und Venus (Hausfrau) oben, Merkur, Jupiter und Saturn unten. Die Planetengötter personifizieren die jeweilige Konjunktion, bzw. stellen die Jahresherrscher dar, wobei sich besonders für den oberen Holzschnitt eine deutliche Übereinstimmung mit dem Text ergibt: "Kryeg vnaynigkait / auffmwr vnd der gleychen / wurdenn onn zweyffel durch Jupiter vnd Venerem als fürtreffenlich herrscher der statt der Coniunctionen vnd vinsteraus gentzlich hyngelegt / vn wurden / die menschen naygen zu gutten sitten / zu gerechtigkait vn fryd ..." (AZb) 360 Camillus, Practica Teutsch, (Wien 1523). 361 Georg Tannstetter. Practica, dtsch., Wien, Singriener 1523. (Gollob, Verzeichnis, S. 144, Nr. 256). Bei Gollob auch kurze Beschreibung des Titelholzschnitts.

249

So könnte das Bild zunächst gelesen werden als Darstellung des besänftigenden Einflusses von Venus und Jupiter auf Saturn bzw. die 'Planetenkinder' des Saturn, die Bauern. Doch in einem weiteren Schritt können auch Venus und Jupiter mit Sozialtypen identifiziert werden, so daß sich jetzt der Holzschnitt wie ein Auftrag an die 'gemeinen Frauen' und die städtische Obrigkeit ausnimmt, ihrerseits auf den kampfbereiten Bauern beschwichtigend einzuwirken, ihn von aller Unbotmäßigkeit abzuhalten. Noch ist es Zeit, einzugreifen, suggeriert der Text. Dabei ist besonders interessant, daß die Graphik ausdrücklich die Ehefrauen in die Pflicht nehmen möchte und damit zeigt, daß den Frauen eine wichtige Rolle zugeteilt wird, sollen sie doch ihre unzufriedenen Ehemänner beruhigen. Die Gestaltung des als wünschenswert deklarierten Verhaltens angesichts des drohenden sozialen Konflikts tritt gegenüber dem Aspekt der Sintflutprognose zurück, diese ist nur noch im strömenden Regen gegenwärtig. Der Holzschnitt greift somit dasselbe Thema auf wie das Titelbild des 'Trostbüchleins', doch während dort die Bauern gar nicht erst in Versuchung kommen, sich aufzulehnen, ist die Gefahr einer drohenden Revolte des 'gemeinen Mannes' in diesem Holzschnitt unmittelbar vor Augen gestellt. Den sozialen Konflikt thematisiert gleichfalls der untere Holzschnitt, wenn auch auf andere Weise. Er drückt Erwartung aus; Patrizier und Bauer lauschen gebannt, was ihnen Merkur, der Bote, zu verlesen hat. Über den Inhalt des Schriftstücks gibt es zunächst keinen Anhaltspunkt, aber im Zusammenhang mit Tannstetters Stellungnahme im Text könnte eine Verbindung zu dem ersehnten Konzil geknüpft werden, dessen Beschlüsse eine Lösung des Konflikts bringen sollen. Daß es höchste Zeit ist, drückt auch diese Graphik aus, denn der Bauer hält gleichfalls sein Schwert schon gepackt. Die Praktik Tannstetters ist also in Text und Bild gleichermaßen auf direkte Einflußnahme, auf Propaganda angelegt. Der kurze, verständliche Text gibt die Grundanliegen Tannstetters wieder, die durch Konzilhoffnung einerseits, Erwartung des Triumphs der katholischen Kirche andererseits bezeichnet werden, während die Bilder in zweifacher Weise die Anweisung gestalten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Unheil, den Aufstand des 'gemeinen Mannes', noch einmal abzuwenden. In seiner recht umfangreichen, nämlich 36 Seiten starken "Expurgatio"362 greift schließlich der inzwischen 72jährige Stöffler in die Sintflutdebatte ein. Seine Schrift, die wohl auch 1523 in Tübingen bei Ulrich Molhardt erschien, widmet er Eberhard Schenk aus Erbach und Wertheimer Freunden. Schon im Titel klingt Empörung an, wenn er sich rechtfertigen will

362

250

Stöffler, Expurgatio, Tübingen (1523).

"aduersus diuinationum XXIIII anni suspitiones. a quibuscü Idigne sibi offusas, nominatim aüt a Georgio Tannstetter Collimitio Lycoripensi... in eo libello quem ipse consolatorium inscripsit." (A1 a) Durch Tannstetter also fühlt sich Stöffler angegriffen, und in einer Art fingiertem Zwiegespräch setzt er sich mit dessen Thesen auseinander. Stöffler beginnt zunächst mit einer Wiederholung seiner Prognose für 1524, wie er sie in den Ephemeriden formulierte. Dann legt er größten Wert darauf festzustellen, daß er nie eine Sintflut prophezeit habe, auch nicht den Weltuntergang, denn beides weise die Bibel zurück. 363 Er erklärt aber, mit dem Bibeltext Lukas 21, 25-36 übereinzustimmen und ruft die Christen auf, immer bereit zum Jüngsten Tag zu sein. 364 Weiterhin sucht er Tannstetter zahlreiche Fehler nachzuweisen, u.a. die Parallelisierung der Konjunktionen von 670 n. Chr. und 1524365 und wendet sich gegen die Konjunktionentheorie. 366 Für falsch hält er es auch, die Bevölkerung zu sehr in Sicherheit zu wiegen und wiederholt, daß es 1524 und in den Jahren danach zu großen Veränderungen kommen werde. 367 Hieran schließt sich eine Klage über den moralischen Verfall der Menschen an: 368 "Omnis humani generis natura genitali noxa corrupta, & peccädi assiduitate defatigata, adeo ut nö iniuria Osee nobis obuertatur dictü. N5 est ueritas, & non est misericordia & nö est scientia dei in terra, maledictü & mendacium, & homicidium, & furtum, & adulterium inundauerunt, & sanguis sanguine tetigit, subiungitur, propter hoc lugebit terra, & infirmabitur qui habetat in ea." (D3b) Es werde 1524 Überschwemmungen, heftige Stürme und Schiffbruch geben, meint Stöffler und setzt sich mit Tannstetters Vorhersage von Volksaufständen und Türkenangriffen auseinander. Beruhigend verweist er - in Übereinstimmung mit dem Kontrahenten - auf Jeremias 10.369 Verhältnismäßig spät meldet sich eine weitere Kapazität der astronomischen Wissenschaft zu Wort: Peter Apian (eigentlich Bienewitz oder Benewitz), der sich vor allem durch seine geographischen Forschungen und die Konstruktion

363

Vgl. Stöffler, Expurgatio, Tübingen (1523) (Bla/b).

364

Vgl. Stöffler, Expurgatio, Tübingen (1523) (B4a).

365

Vgl. Stöffler, Expurgatio, Tübingen (1523) (C4b).

366

Vgl. Stöffler, Expurgatio, Tübingen (1523) (Clb-C4a).

367

Die Vorhersage äußert er in 18 Abschnitten. Vgl. Stöffler, Expurgatio, Tübingen, (1523) (D3b-E2a).

368

Ganz ähnlich hatt sich Grünpeck über die moralische Verworfenheit der Menschen geäußert, die nur von ihren Leidenschaften regiert werden. Vgl. S. 122f. dieser Arbeit.

369

Vgl. Stöffler, Expurgatio, Tübingen (1523) (Ela).

251

von astronomischen Meßgeräten einen Namen gemacht hat. 370 1495 wurde er in Leisnig in Sachsen geboren. Nach einem Studium in Leipzig und Wien bekam er 1527 durch die Vermittlung des bayrischen Kanzlers Leonhard von Eck eine Mathematikprofessur an der Universität Ingolstadt. An seinen Forschungen hat Kaiser Karl V. regen Anteil genommen, so an den grundlegenden Ergebnissen zu astronomischen Meßverfahren und der Kometenforschung. 371 Apians Beobachtungen des Halleyschen Kometen 1531 bildeten die Grundlage für die Entdeckung der Periodizität des Kometen durch Halley. 1541 wurde Apian vom Kaiser zum Hofpfalzgrafen ernannt. 1552 ist der anerkannte Wissenschaftler in Ingolstadt gestorben. Die 'Praktika' für 1524 erschien noch bei Weyssenburger in Landshut, wo Apians Bruder Georg als Formschneider arbeitete. 372 Erst 1526 gelang den beiden Brüdern die Gründimg einer Universitätsdruckerei in Ingolstadt, die alle folgenden Werke Apians verlegte. Die 'Praktik' widmet Apian dem Abt des Klosters Reichenbach, Otto Schwarz 373 von Auerbach, £ den er als Initiator der Schrift angibt. Der Verfasser will "trost allen kleimutigen" spenden, "dyweil sye sich so hart bekümmern / von der zukunfftigen syndfluß / auch vil guts zuthun / Als heyrat machen / Heuser bawen / peltzen vnd pflantzen / vn alle langwerige vnd bestendige arbeit gantz vnder wegen lassen..." (A1b) Die Verunsicherung über die zukünftige Entwicklung hält die Menschen von all den Verrichtungen ab, die weiter als nur in die unmittelbare Gegenwart reichen. Diese Beobachtung mag durchaus auf die deutsche Bevölkerung zutreffen, doch

370

Zu Apian vgl. Willy Hartner: Art. 'Apian, Peter'. In: NDB, Bd. 1, S. 325f.; Peter G. Bietenholz, Thomas B. Deutscher (Hgg.): Contemporaries of Erasmus. A Biographical Register of the Renaissance and Reformation. Bd. 1, Toronto, Buffalo, London 1985, S. 66f. Dort findet sich auch erne Abbildung mit dem Porträt Apians.

371

Zu den Schriften Apians s. Ferdinand Ortroy: Bibliographie de l'oeuvre de Pierre Apian. In: Le Bibliographe Moderne 5 (1901), S. 89-156 u. S. 284-333. Apians Hauptwerk ist das 'Astronomicum Caesareum'. Ingolstadt, P. Apian 1540 (Houzeau/Lancaster 2400). In vielen Auflagen erschien

ein 'Cosmographicus

Uber'. Landshut, J. Weyssenburger

1524

(Houzeau/Lancaster 2391). Praktiken von Apian existieren für die Jahre 1525, 1526, 1532, 1539, 1541, 1544. Vgl. Ortroy Nr. 14-20. Zu den Praktiken für 1525 und 1526 s. S. 346ff. dieser Arbeit. 372

Apian, Practica teutsch, (Landshut 1523). Hellmann nennt zwei Drucke dieser Schrift. Zitate hier nach Hellmann, Blütezeit, S. 25, Apian Nr. 2. Vgl. zu Georg Apian: Karl Schottenloher: Die Landshuter Buchdrucker des 16. Jahrhunderts. Mit einem Anhang: Die Apianusdruckerei in Ingolstadt. Mainz 1930 (Veröffentlichungen der Gutenberg-Gesellschaft 21), S. 8-10.

373

252

Vgl. Apian, Practica teutsch, (Landshut 1523) (Alb).

ähnelt sie sehr dem, was Pigghe, Nifo und Tannstetter als Situationsbericht abgaben und bekommt daher etwas Toposhaftes. Sein spätes Eingreifen in die Debatte muß auch Apian rechtfertigen: Er gibt dringende Verpflichtungen als Grund an.374 Ebenfalls negativ sind in dieser Praktik die Zukunftsaussichten, die allerdings keine allgemeinen, sondern nur partielle Überschwemmungen beinhalten.375 Schaden an Mensch, Tier und Pflanzen sowie Schiffbruch seien zu befürchten, zudem unheilvoller Einfluß eines Kometen. Streit der Mächtigen untereinander, Verfall der Gesetze, Aufstand der Untertanen gegen ihre Obrigkeit und Türkenkriege vervollständigen den sehr allgemein gehaltenen Vorhersagenkatalog. Konkreter wird Apian nur an wenigen Stellen, so, wenn er die Prälaten vor dem Verlust ihrer Ämter warnt und fortfährt, daß "die priester vn geistlich herre vil widerwertigkeit leyde / vn von jrer oberkait / etzliche auch von weltliche regimet new gesetz vn ordnüg empfahen..." (A4b) Apian hat hier wohl die bereits in einigen Städten geäußerten Säkularisierungsbestrebungen im Auge 376 wobei an seiner katholischen Glaubensüberzeugung kein Zweifel besteht.377 Der "heimlich rathschleg" (A4b) der Bauern werde aber vor allem gegen die Gelehrten gerichtet sein, meint Apian, der hier offenbar wirklich mehr den Gestirnsstand astrologisch ausdeutet als eine zeitbezogene Interpretation vornimmt. Apians Praktik zeichnet sich durch ihre wissenschaftliche Aufmachung aus: Sehr detailliert beschreibt er Gestirnsstände, Planetenwirkungen und die

374

"... dan E.G. auch Edl vnd vnedl / Geystiich vnd weltlich herrn / haben mich offt gefragt / was meine meynung sey was ich von dem xxiiij. jar halt / hab ich wenig biß auff gegenwertige zeit antwort geben / dieweil ich die lauff vn geschicklikeyt der gestirn auf das xxiiij. jar in sonderheyt noch nit vberschaut vnd Judicirt hatte / wiewol ich auch jetzunder bey dem Erwirdigen herrn Johansen Landtsperger von Eckenfelt bey S. Jobst z8 Lantzhut pfarrer vnd des Durchleuch. Hochge. Fürsten / herren / herren Ludwigen Pfallentzgrauen bey reyne ... Capellan mit andern grossen geschefften verhindert vnd verhefft byn gewesen..." Apian, Practica teutsch, Landshut (1523) (Alb). Mit den 'Geschäften' ist wohl der Bau einer Sonnenuhr für Pfalzgraf Ludwig gemeint. Vgl. Schottenloher, Buchdrucker, Nr. 114, die entsprechende Schrift zum Bau der Uhr.

375

"... der grausame vnd erschrocklichenn Syndtfluß daruon man byßher / lannge zeyt vil fabeln gemacht hat / dauon ich keyne warheit auß der kunst der gestyrn ergründe mag." Apian, Practica teutsch, Landshut (1523) (A3a).

376

Vgl. dazu etwa Röhrich, Geschichte, S. 190f. In Straßburg wird zwar beispielsweise erst am 25.1.1524 der Ratserlaß durchgesetzt, daß die Prediger den Stadteid leisten sollen, doch waren Forderungen nach einer Aufhebung der geistlichen Standesprivilegien schon vorher laut geworden.

377

Vgl. Hartner, Apian, S. 326.

253

Erkenntnisse der astrologischen Fachliteratur. Wenig dagegen nutzt der Astronom die brisante Debatte zur Diskussion aktueller Kontroversen. Das Schlußwort geht ebenfalls in diese Richtung: "Auff das ich nyemandt mit meiner practica / oder Judicio verletz oder bekumer / hab ich ... wissentlich außgelassen / die künigreich / Fürstenthumb vn auch stett vnd geschlecht der mensche / so den zaichen / daijnne die einflus diser gestirn wircken / vnderworffen seint ..." (B4b) Mit der Abstinenz von allzu genauen Vorhersagen macht Apian, anders als Pigghe, Nifo oder Tannstetter, also wirklich ernst. Der Titelholzschnitt der Praktik kombiniert eine detaillreiche Planetengötterdarstellung mit Bibelzitaten (Abb. S 32). Jupiter als Ratsherr, eine Hand erhoben, Mars als Ritter in antikisierender Rüstung mit Schwert und Szepter sowie einem abgeschlagenen Kopf in der Hand, schließlich Venus in Kleid und Haube, den blinden Amor mit Pfeil und Bogen auf der Kugel ihr zur Seite, sind ebenso zu sehen wie die zu den Planeten gehörigen Tierkreiszeichen und die Sternzeichen Fische, Wassermann und Schütze. Unterhalb des Wassermanns ist die Konjunktion als Zusammenballung von Sternen abgebildet. Einzig bemerkenswert an diesem Bildprogramm ist die Hand mit gespanntem Bogen und vier Pfeilen in der linken oberen Ecke des Holzschnitts. Sie soll, ähnlich wie bei den Bildern der Praktiken von Gallianus und Copp, das Wirken Gottes darstellen. Dieses bildliche Symbol schafft auch den Übergang zum Bibelvers, der als Umrahmung gewählt wurde. "Den Gottis zorn v5 hymel wirt offenbart vber alles gottloses wesen vnd vnrecht der mensche / die die warheit gottes auffhalte im vnrechten. Paulus, i. ad Roma." (A1a) 378 Die Konjunktion als Vorbote einer göttlichen Strafe; damit ist ein Gedankengang eingeführt, der im Text nicht vorliegt. Der allgemeine, recht wenig pointierte Ton der Schrift erfährt durch die Verknüpfung mit dem Bibelvers eine Zuspitzung. In einem weiteren Bibelvers klingt sogar Apokalyptik an: "Seyt fertig dan ir wist nit welche stund der sun des mensche zuküfftig ist". (A1 a) 379 Hierin ist nun eine Abkehr vom Inhalt der Schrift zu sehen, die alle Anklänge an Endzeit und das kommende Reich Gottes tunlichst vermieden hatte. Wie auch bei anderen Praktiken suggeriert das Titelblatt eine Dramatik, die im Text nicht präsent ist, aber im Unterschied zu den Katastrophendarstellungen, mit denen dies sonst zu geschehen pflegt, sind es hier die Bibelzitate, die die Dramatik hervorrufen. Bildlich ist das Strafgericht Gottes nur durch die Pfeile repräsentiert, wie überhaupt die Hand mit Pfeil und Bogen und die Bibelzitate als Zusätze zu ei378

Gemeint ist der 1. Brief des Paulus an die Römer, 1.18.

379

Der Bezug ist hier Matth. 24,42.

254

nem stereotypen Planetenbild anzusehen sind, Zusätze, die anknüpfen an die Endzeitthematik. 380 Druch den letzten, als Umrahmung verwendeten Vers kommt sogar ein reformatorisch anmutender Aspekt zur Titelblattgestaltung hinzu: "Der gerecht wirt leben auß seine glaube". (Ala) 3 8 1 Selbst wenn vermutet werden kann, daß der Fonnschneider, der den Titelholzschnitt herstellte, Apians Bruder Georg war, können jedoch aus dieser Beobachtung zunächst keine weitergehenden Schlüsse abgeleitet werden. Mit recht allgemeinen Vorhersagen wartet eine Schrift auf, die unter dem Pseudonym "Johannis Gereon" in Augsburg veröffentlicht wurde. Sie stammt von dem Benediktinermönch Veit Bild, wie dessen Briefwechsel mit Konrad Peutinger enthüllt. 382 Bild, 383 der 1481 in Hochstädt a.d. Donau geboren wurde, studierte ab 1499 an der Universität Ingolstadt bei Jakob Locher und Johann Stabius. 1503 trat Bild in das Benediktinerkloster St. Ulrich in Augsburg ein, wo er bis zu seinem Tode 1529 blieb. Lediglich eine Reise ins Kloster Melk zum Studium der dortigen Reformvorstellungen unterbrach diesen Aufenthalt. In Augsburg gehörte Bild den dortigen Humanistenkreisen an und unterhielt ausgedehnte Briefwechsel mit Persönlichkeiten der Reformation wie Spalatin und Oekolampad. Kontakte pflegte er ebenso zu den Astronomen Stöffler und Regiomontanus. Zwei Briefe von ihm an Luther bezeugen, daß er zunächst dessen reformatorischen Ansichten zugeneigt war. Nach 1525 wurde Bild dann jedoch zum strikten Gegner der Reformation. Neben Studien zur Geschichte und Altphilologie stand die Beschäftigung mit der Astronomie; Bild konstruierte Kalendarien und Sonnenuhren, u.a. für Kurfürst Friedrich von Sachsen. Auch theologische Schriften sind von ihm erhalten. Bild will mit seiner Praktik die "diuersitet vn discordie" (A3a) beseitigen, die über die Sintflutfrage entstanden sei. Bereits im Titel der Schrift verweist er auf die mit der Konstellation des Jahres 1524 vergleichbare Konjunktion vom Jahre 670 n.Chr.: Da es damals keine Sintflut gegeben habe, drohe auch jetzt keine, impliziert der Vergleich. So klingt die Vorhersage recht gemäßigt; viel Regen, Krieg und Krankheiten werde es geben, doch eigentlich werde "nichts sonnders beschehen" (B1b), gibt Bild an, denn er hofft auf das Eingreifen Gottes. Unter380

Vgl. den Titelholzschnitt zur Praktik des Gallianus, s. S. 208 dieser Arbeit.

381

Vgl. 1. Brief des Paulus an die Römer, 1.17.

382

Konrad Peutinger: Briefwechsel. Hg. v. Erich König. München 1923 (Veröffentlichungen der Kommission für die Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe 1). S. 390-392, Nr. 244.

383

Zu Bild s. Andreas Bigelmair: Art. 'Bild'. In: NDB, Bd. 2, S. 235; Alfred Schröder: Der Humanist Veit Bild, Mönch bei St. Ulrich. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 20 (1892), S. 173-227. Schröder gibt auch zahlreiche Briefe Bilds wieder und führt die Schriften Bilds auf.

255

schätzen will Bild die Konjunktionen nicht, doch versteht er sie eher im übertragenen Sinne: "... wiewol ich solicher grosser coniunction effectu / nit für nichts gehallten wil haben / Allain acht ich / die zeyt / von der lenngst vil geschrieben haben / vor äugen sein / also vil vnd grosse wasser / vil / vnd groß vnd seltzsam volck bedeüt." (B2a) Welches Volk Bild hier anspricht, wird im folgenden Text nicht weiter geklärt. Möglich wäre, daß er die Türken meint und diese mit den apokalyptischen Völkern Gog und Magog identifiziert, gegen die eine letzte Entscheidungsschlacht geschlagen werden muß. Dann würde Bild die Konjunktion als Zeichen eines nahen Jüngsten Gerichts werten, wofür auch der Schlußsatz der Praktik spricht: "Darumb wolle sich ain yeder allso schicken vnd richten / das / so der herr / der als ain dieb in der nacht / vn vnuersehen komen wirt / zu gerichte / in kurtz oder lang komen wurde / das er in berayt / vnd willig finde. Amen." (BZa)384 Schließlich sieht Bild die Geistlichen durch die Weltlichen verfolgt und warnt das 'gemeine Volk' vor einem Aufstand gegen die Obrigkeit, denn es werde ihm dadurch "grosse gefärligkeyt" (A3b) entstehen. Auf keinen Fall stellt die Praktik des Veit Bild eine "humanistic satire" 385 auf die apokalyptischen Vorhersagen Canons dar, wie Paola Zambelli aus einem Brief Peutingers an Bild herauslesen möchte. Dieser Brief bezeugt vielmehr die ironische Distanz Peutingers zur Sintflutdebatte - der Brief stammt vom 20. März 1524, Peutinger schreibt also mit dem Wissen, daß die Vorhersage nicht eingetroffen ist - er enthält aber keinen Hinweis darauf, daß Bild mit seiner Praktik die Sintflutfrage satirisch verarbeiten wollte. Peutinger spricht dem Autor "Gereon" vielmehr ein Lob für seine maßvolle Argumentation aus. 386 Zambelli führt aus, Bild habe mit dem Hinweis auf die folgenlose Konjunktion im Jahre 670 Carions Prophetie ins Lächerliche wenden wollen, vor allem dessen Behauptung, die Überschwemmung im Jahre 1524 werde ähnlich verheerend wirken wie die Tiberüberschwemmung im Jahre 61 δ. 387 Da aber die Praktik weder Carion noch die Tiberüberschwemmung nennt, ist nicht anzunehmen, daß hier der Zielpunkt der Schrift Bilds liegt. Sie wendet sich vielmehr gegen alle Schriften, die eine Katastrophenstimmung erzeugen wollen und benutzt dafür, übrigens nach dem

384

Der biblische Bezug ist 2 Petr. 3,10.

385

Paola Zambelli: Introduction. In: dies., Astrologj, S. 1-28; S.8.

386

"Is tuus Gereon, quisquis est, non fucate, non temerarie, non frivole, non nugaciter ut plerique, sed pocius ita scripsit, ut taxari atque reprehendi merito non possit." Zit. nach Zambelli, Introduction, S. 7.

387

256

Vgl. Zambelli, Introduction, S. 6-8.

Vorbild Tannstetters,388 einen historischen Vergleich mit der Konjunktion des Jahres 670. Ein satirischer Unterton ist nicht festzustellen. Auch das Titelbild der Praktik (Abb. S 33) ist sehr schematisch geraten: Die Jahresherrscher Jupiter und Venus sind abgebildet, Jupiter als König mit Krone und Szepter, Venus389 nackt, mit wallendem Haar, einem Pfeil in der linken Hand, während sie mit der rechten Blumen streut. Ein kleiner blinder Amor mit Pfeil und Bogen steht zu ihren Füßen. Wenig präzise äußert sich auch der Astrologe Lorenz Fries zum Zeitgeschehen. Hier soll zunächst nur seine Stellungnahme zur Sintflutprognose angesprochen werden; seine Rolle als vehementer Verteidiger der Astrologie gegen ihre Gegner wird später zur Sprache kommen.390 Über den streitbaren Astrologen sind nur wenige gesicherte Lebensdaten bekannt.391 Geboren wurde erwohl zwischen 1485 und 1490 in Colmar, erzogen in einem Pfarrhaushalt in Grüningen. In den Universitätsmatrikeln ist sein Name nicht nachgewiesen; am wahrscheinlichsten ist Wien als Studienort anzunehmen. In Italien ist er sicher gewesen; er berichtete über Pavia und Piacenza und brachte 1513 die Kunde von der 'Wundergeburt' in Rom, dem sog. 'Papstesel' mit 3 9 2 Ob er seinen Doktortitel in Montpellier erworben hat, ist fraglich. Nach seiner Rückkehr aus Italien blieb Fries im oberdeutschen Raum. 1514-1519 war er als Arzt in Colmar tätig. Ende 1519, nach kurzem Aufenthalt in Freiburg in der Schweiz, nahm er bis 1525 seinen Wohnsitz in Straßburg, wo er Barbara Thun heiratete und das Bürgerrecht erwarb. Colmar, Diedenhofen und Metz sind die letzten Stationen seines Lebens;393 1532 ist er gestorben. 388

Vgl. Tannstetter, Trostbüchlein, Wien 1523 (Cla-C2b).

389

Auf den Kopf der Venus hat sich Merkurs Flügelhut verirrt.

390

Vgl. S. 300ff. dieser Arbeit.

391

Zum folgenden vgl. Ernest Wickersheimer: Art. 'Fries, Lorenz1. In: NDB, Bd. 5, S. 609f; Art. 'Fries, Laurent'. In: Edouard Sitzmann (Hg.): Dictionnaire de Biographie des Hommes c 1 bre de L'Alsace depuis les Temps les plus r cules jusqu' nos jours. Bd. 1. Neudruck der Ausgabe 1909. Paris 1973, S. 533f.; Charles Schmidt: Laurent Fries de Colmar, m decin, astrologue, g ographe Strasbourg et Metz. In: Annales de l'est 4 (1890), S. 523-575. Robinson-Hammerstein geht kurz auf Fries ein, verwechselt ihn aber mit dem Historiker Lorenz Fries. Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 140. Die Schriften von Fries verzeichnet Josef Benzing: Bibliographie der Schriften des Colmarer Arztes Lorenz Fries. In: Philobiblon 6 (1962), S. 121-140 mit biographischen Angaben zu Beginn und dem Porträt des Fries auf S. 121.

392

So jedenfalls nach Benzing, Bibliographie, S. 121 u. S. 123. (Lorenz Fries): 'Wundergeburt zu Rom', O.O.O.D. (Nürnberg, J. Weyssenburger) 1513. Abb. bei Warburg, Weissagung, S. 248.

393

Nachricht über Fries gibt im Jahr 1528 Paracelsus. Über dessen Verbindung zu Fries vgl. Karl Bittel: Die Elsässer Zeit des Paracelsus. Hohenheims Wirken in Straßburg und Col-

257

Vor allem als Verfasser von Schriften medizinischen Inhalts ist Fries hervorgetreten. Sein 'Spiegel der Arznei', 394 an den 'armen, kranken, gemeinen Mann' gerichtet, kann als erstes umfassendes Kompendium der inneren Medizin gelten. Daneben publizierte er geographische und astrologische Schriften. 395 Freundschaften mit den altgläubigen Schlettstädter und Straßburger Humanisten wie Thomas Mumer, Gebwiler oder Weddelin bezeichneten sein soziales Bezugsfeld und seine religiösen Anschauungen. Zwar hatte Fries im 'Spiegel der Arznei' Antiklerikales geäußert, 396 doch gehörte er zu den entschiedensten Widersachern der Reformation in Straßburg. Bei der für 1524 geplanten Disputation zwischen dem Augustinerprinzipal Conrad Treger und den reformatorischen Predigern Bucer und Capito sollte Fries neben Murner die Seite der Altgläubigen vertreten. 397 In späteren Jahren ist Fries auch mit Paracelsus und Agrippa von Nettesheim 398 in Verbindung getreten, was ihm der Vorwurf, schwarze Magie zu betreiben, von Seiten der Dominikaner einbrachte. In Bezug auf die Sintflutprophetie äußert sich Fries insgesamt gesehen eher mit beruhigendem Tenor. Deutschland sei nicht unmittelbar bedroht, behauptet er, auch werde sich die Wirkung der Großen Konjunktion erst zwischen 1539 und 1570 zeigen. 399 1524 dagegen könne als "gutigs fruchtbare iar" (A4a) bezeichnet werden, meint Fries mit Bezug auf Nifo. Es sei daher nicht nötig, Archen zu bauen. In einer Aufstellung der Zukunftsaussichten für etliche Städte sieht er für die Schweizer Städte eine glückliche Zukunft, während die süddeutschen und oberrheinischen Städte heimliche Verschwörungen fürchten müßten. Andere

mar sowie seine Beziehungen zu Lorenz Fries. In: Elsaß-Lothringisches Jahrbuch 21 (1943), S. 157-186. 394

Lorenz Fries: Spiegel der Arznei. Straßburg, J. Grüninger 1518 (Benzing, Bibliographie, Nr. 27), zu den anderen Ausgaben vgl. Benzing, Bibliographie, S. 129-134. Zum Inhalt vgl. Schmidt, Fries, S. 531f. und Karl Sudhoff: Jatromathematiker vornehmlich im 15. und 16. Jahrhundert. Breslau 1902 (Abhandlungen zur Geschichte der Medizin 2), S. 43.

395

Vgl. Benzing, Bibliographie, S. 137-140 zu den geographischen Schriften. Fries schrieb auch eine Anweisung zum Gebrauch des Astrolabiums. Lorenz Fries: Eine Auslegung. Straßburg, J. Grüninger 1523 (Benzing, Bibliographie Nr. 3). Die eine seiner zwei Schriften zur Sintflutdebatte ist verschollen; vgl. Benzing Nr. 7 mit dem Vermerk 'ehemals Berlin'. Kurze Bemerkungen zu ihr bei Hellmann, Blütezeit, S. 33, Fries Nr. 2.

396

Vgl. Schmidt, Fries, S. 531.

397

Vgl. Röhrich, Reformation, S. 216-225. Zum Gesamtkontext vgl. Thomas A. Brady, Jr.: Ruling Class, Regime and Reformation at Strasbourg 1520-1555. Leiden 1978 (Studies in Medieval and Reformation Thought 22).

398

Zu Agrippa von Nettesheim s. beispielsweise Paola Zambelli: Scholastiker und Humanisten. Agrippa und Trithemius zur Hexerei. Die natürliche Magie und die Entstehung kritischen Denkens. In: Archiv für Kulturgeschichte 67 (1985), S. 41-79.

399

258

Fries, Urteil, (Straßburg 1523) (A3a).

Städte will Fries nicht mit seinem astrologischen Rat beglücken, da diese die 'Kunst' der Astrologie schmähten. 400 Eine allgemeine Sintflut sei nicht zu fürchten, doch drohen nach Fries Kampf und Aufruhr. Hierzu führt er aus: "Wann für war sag ich euch / ee vnd sich der zu künfftig frembd heringeschickt / alle ding bringet in rechte städ / die grossen rauberey / vngerechtigkeit / vnnd grimmen gestillet / würdt manichem das rodt wasser über den kopff gon / vnd diß würdt alles zum meren teil über die Christen gon..." (A3b) Die Hoffnung auf Besserung der Verhältnisse, an einen nicht näher genannten Adressaten gerichtet, verbindet sich hier mit der Vorhersage von Kämpfen, in denen viele Christen sterben werden. Das vergossene Blut könnte für Fries die metaphorische Füllung der Sintflutvorhersage sein, wenn es wie 'rotes Wasser' über die Köpfe der Christen rinnt. Ähnlich wie bei Bild klingt bei Fries ein Endkampf mit einem feindlichen Volk an, doch will der Verfasser auf Kriege und "frembde geste" (A3b) nicht näher eingehen, da Deutschland schon jetzt in einem Zustand der Krankheit sei. Fries ermahnt vor allem die weltliche Obrigkeit, die Zeichen der Zeit nicht zu verkennen. Sie sollen "nit durch die finger lachen / wann es würd sunst an sy auch kummen" (A3b). Genau diese Wendung der durch die Finger sehenden Obrigkeit hatte auch der Titelholzschnitt der Schrift Carions gestaltet, dort auf den Kaiser bezogen. 401 Auch bei Fries könnte sie Kritik am Verhalten der Obrigkeit ausdrücken. Schließlich wiederholt Fries seine Reformhoffnungen. "Doch die zeit ist hie / das von notte ist / das alle stend gerechtfertiget werden..." (A3b). Für die Aufforderung, die Stände zu rechtfertigen, d.h. sie zur Verantwortung zu ziehen und sie zur Ordnung zurückzuführen, gilt ähnliches wie für Reynmanns Ansichten; nicht eine reformatorische Erneuerung ist gemeint, sondern eine Rückführung auf die gute alte Ordnung. Das Titelblatt des 'Urteils' von Fries zeigt zwei Holzschnitte (Abb. S 34), auf denen die Jahresherrscher Jupiter und Venus zu sehen sind, ergänzt durch die ihnen zugeordneten Tierkreiszeichen. Fries hält sich damit ebenso wie mit der Struktur seiner Schrift an die gängige Form der Jahrespraktiken. Neben den bisher besprochenen Schriften, die alle mehr oder weniger in einer Aktualisierung der vorgegebenen astrologischen Grundmuster Aussagen zum Zeitgeschehen machen, stehen drei Praktiken, auf die dies nicht zutrifft. Eine

400

"Sonst sind noch ettliche stett am Rein die ich von hertzen gern warne wBlt vor ettlichen trSwungen der gestirn / aber die weil ich vermerckt das sy ein verdruß haben z8 hSren die kunst der gestirn ... schweig ich Stil / gott geb jnen weißheit." Fries, Urteil, (Straßburg 1523) (Bla).

401

Vgl. dazu S. 218 dieser Arbeit.

259

davon ist die Schrift von Sebastian Ransmar.402 Sie ist Johann Hansen von Guttenstain gewidmet, den Ransmar seinen "besundern herren vnnd vater" (A2a) nennt. Dies ist der einzige konkrete Hinweis auf die Lebensumstände des Verfassers, sieht man davon ab, daß die Vorrede "Grltz" (A2b) als Entstehungsort angibt.403 Ransmar erklärt, von seinem Herrn zu einer Stellungnahme aufgefordert worden zu sein, und er habe daher aus dessen Büchern "dise klain Collectur zusamen klaubt" (A2a). Diese Aussage über seine Arbeitsweise charakterisiert tatsächlich seine Schrift, die unter der generellen Prämisse, daß die Konjunktionen 1524 "nichs ocf wenig guts anzaigen" (A2a), die Wirkungen der Planeten bespricht, ohne sie zu einer Gesamtschau zusammenzufügen. Ransmar nennt im einzelnen Veränderungen in allen Ständen, heftige Regenfälle, Hunger, Krieg, Pest, Angst, Unkeuschheit und Gesetzesbruch. Statt der Konfliktthemen der Zeit erscheinen ihre zeitlosen Vertreter Veränderung, Krieg und Tod. Schablonenhaft bleibt auch die Berufung auf Gottes Gnade und die Aufforderung zum Gebet. Nicht nur in inhaltlichen Aussagen, sondern auch in dem die Konjunktionen voneinander isolierenden Vorgehen beschreitet Ransmar einen grundsätzlich anderen Weg als Virdung von Haßfurt mit seinen dramatischen, aktuelle Probleme thematisierenden Vorhersagen, die sich zu einer Gesamtbedrohung der Menschheit zusammenfügen. Die Bezeichnung Ransmars als Virdungs "imitator",404 die Zambelli vornimmt, ist daher wenig einsichtig. Die Tatsache, daß der Praktik Ransmars ungekennzeichnet ein Abdruck der 'Prenostication' von Virdung folgt,405 dürfte wohl eher auf das Eingreifen eines nachdruckfreudigen Druckers zurückgehen. Vergleichspunkte ergeben sich dagegen beim Titelholzschnitt, der die Vorhersage starker Regenfälle zu einer Sintflutszenerie zuspitzt (Abb. S 35). Vor den Toren einer Stadt, die durch eine Stadtmauer mit Türmen und weiteren Gebäuden angedeutet wurde, ist ein Fluß über seine Ufer getreten. Die Wellen umspülen einen höheren Berg, auf dem eine Burg steht. Im Bildhintergrund links direkt unterhalb der Stadtmauer konnte sich eine Personengruppe ans Ufer retten, und auch im Vordergrund rechts und links sind Menschen zu sehen, die sich noch auf festem Boden befinden. Sieben weitere Personen dagegen kämpfen schon mit dem Wasser. Vier rudern noch mit den Armen, zwei andere sind bis zum Kopf versunken. Von dem Siebten sind nur noch Arme und Beine zu sehen. Im einzelnen sind eine Frau, ein junger Mann (oder Kind) und ein Mönch zu erkennen, wieder betrifft also das Unglück die verschiedensten sozialen Gruppen. Die Personen am Ufer betrachten zum größten Teil das Geschehen, doch im Bildvordergrund sind zwei Männer auf die Knie gesunken, mit 402 Ransmar, Anzeigung, o.O.o J. (Augsburg ? 1523). 403 Vielleicht ist Graz gemeint. 404 Zambelli, Introduction, S. 11. 405 Vgl. Ransmar, Anzeigung, o.O.oJ. (Augsburg ? 1523) (B2b-C4a).

260

emporgereckten Armen oder zum Gebet erhobenen Händen. Hinter ihnen steht ein Landsknecht mit Schwert. Die Überschwemmung ist Folge eines Unwetters. Aus den oberen Bildecken blasen zwei pausbäckige Winde, aus den Wolken fällt Regen und Hagel hernieder. Ähnlich wie der Titelholzschnitt der 'Prenostication' des Virdung406 zeigt dieser die Schrecken einer Überschwemmung, betont aber auch die Notwendigkeit des Gebets durch die beiden Gestalten im Vordergrund. Diese sind aber nicht als Mönche gekennzeichnet; ebenso unterblieb ihre Konfrontation mit kämpfenden Menschen. Durch die Bildunterschrift einer anderen Ausgabe dieser Schrift,407 die dasselbe Titelbild trägt, wird der Gedanke des Gebets unterstrichen: Ό got byß vns gnädig zu dyser zeyt / Wan wir schreyen zu dir / erhör vns wan es ist zeyt." Dagegen greift ein Holzschnitt im Text408 der angeschlossenen Prophetie Virdungs das Thema Krieg nochmals auf: Zu sehen ist, mit einer zusätzlichen Randleiste versehen, die Kriegsdarstellung, wie sie bereits für die Illustrierung des 'Urteils* von Johannes Copp von Heinrich Steiner in Augsburg verwendet worden war (Abb. S 24). Die Vermutung liegt nahe, daß Steiner auch Ransmars Schrift druckte. Die zweite Schrift409 stammt von Johannes Volmar. Der in Villingen geborene Volmar410 war Mathematikprofessor an der Wittenberger Universität und stand in regem Kontakt mit Georg Spalatin, dem er des häufigeren astrologischen Rat erteilte. Selbst war Volmar ebenfalls reformatorisch gesinnt und wirkte aktiv an der Umgestaltung der kirchlichen Verhältnisse Wittenbergs mit. 411 Seine Praktik für das Jahr 1524 äußert sich in allgemeinster Weise zur Zukunft: Zwietracht und Aufruhr werde es geben, dazu "in dem volck krieg vnd pestilentz / vil vnd mancherley kranckhait / schaden vnd ferligkait / priestern / geystlichen personen / vnd gottes heussern..." (A3a) Dies leitet Volmar jedoch aus der Mondfinsternis von 1523 ab, auf die Sintflutprognose kommt er dagegen nur sehr vermittelt zu sprechen. Er nennt zwar die g 'Große Konjunktion' von Saturn und Jupiter "dadurch die sindfluß bedeut wardt" (A2a), auf die biblische Sintflut anspielend. Ob die Konjunktion auch 1524 eine Sintflut hervorrufen kann, überläßt Volmar jedoch der Schlußfolgerung des Lesers. 406

Vgl. Abb. S 7 und die Ausführungen dazu S. 204 dieser Arbeit.

407

Ransmar, Anzeigung, Augsburg 1523 (Ala).

408

Ransmar, Anzeigung, Augsburg 1523 (B4b).

409

Volmar, Practica Wittenbergensis, o.O.oJ. (Wittenberg ? 1523).

410

Zu Volmar vgl. Irmgard Höss: Georg Spalatin (1484-1545). Ein Leben in der Zeit des Humanismus und der Reformation. Weimar 1956, S. 55 und S. 241. In den einschlägigen Biographien ist Volmar nicht erwähnt.

411

Vgl. Höss, Spalatin, S. 241.

261

Das Titelblatt der Schrift (Abb. S 36) ist so stereotyp gestaltet wie ihr Inhalt: Es zeigt Venus und Merkur, die Volmar für die Jahresherrscher hält - Venus mit flatterndem Tuch und Szepter, Merkur mit Caducäus und Flügelhut bzw. -schuhen - mit den zu ihnen gehörenden Tierkreiszeichen zu Füßen. Aus einem Wolkenband am Himmel blasen zwei Winde. "Selig vnd glücklich wesen aller ding" (A4a) - so resümiert schließlich Egidius Camillus aus Mähren in seiner 1523 in Wien gedruckten Schrift 412 die überraschend positiven Aussichten für 1524. Nur im Sommer werde es zu Regen und Gewitter in einigen Gegenden kommen. Eine künftige Sintflut könne weder aus den Gestirnen noch aus der Bibel abgeleitet werden, dies der Kernpunkt seiner Praktik, die ebenfalls keine Aktualisierungen vornimmt. Die Ergebnisse der Analyse lassen eine erste Bilanz zu, in der die Meinungen der Flugschriftenautoren zu den Hauptkonflikten ihrer Zeit, die kritischen Ausführungen über Mißstände in verschiedenen Bereichen und die Vorschläge zur Lösung der wahrgenommenen Probleme zusammengefaßt und der Beitrag der Holzschnitte zu diesem Fragekomplex herausgestellt werden können. Soweit die Astrologen überhaupt auf das aktuelle Zeitgeschehen eingehen, sprechen sie im wesentlichen dieselben Problemkreise an, die sich schon in den Schriften zur Wiener Lichterscheinung fanden. Insgesamt steht eindeutig die Auseinandersetzung mit der Kirche, mit den von der Reformation aufgeworfenen Fragen im Vordergrund. Von 'Verfolgungen' der Geistlichkeit berichten alle Schriften, wobei einige Autoren Wertungen anschließen, die unterschiedlich ausfallen. Die überwiegende Mehrheit nutzt die Sintflutdebatte als Gelegenheit, sich gegen die Reformatoren und ihre Ideen auszusprechen. Vor allem Virdung, Tannstetter, Reynmann und Grünpeck, aber auch Carion verurteilen die Reformation als Herd der Unordnung und des Zwistes und beschwören dagegen die Einheit der Christenheit, Grünpeck vor allem unter außenpolitischen Gesichtspunkten. Bei Virdung und Tannstetter werden die Reformatoren zu den 'falschen Propheten', vor denen schon die Bibel warnt, zu Volksverführern und Heuchlern. Sie konkretisieren damit Lichtenbergers Vorhersage zu einer aktuellen Ausdeutung. Dabei kann eine grundsätzlich altkirchliche Haltung durchaus mit Kritik am Klerus einhergehen: so schlagen Virdung, aber auch Grünpeck antiklerikale Töne an. Virdung kritisiert Wucher und Eigennutz der Prälaten, Grünpeck hält vor allem die italienische Kurie für verkommen. Dezidiert reformatorische Ansichten vertreten dagegen nur Alexander Seitz und Johannes Copp, die ihrerseits den katholischen Klerus heftig angreifen und auf der kämpferischen Durchsetzung des Evangeliums bestehen, hier radikalere Vor412

Camillus, Practica Teutsch, (Wien 1523). Hellmann verzeichnet insgesamt drei Ausgaben. Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 26f. In einer ist eine Widmung an den Bürgermeister von Wien zu finden (Camillus Nr. 1).

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Stellungen als Luther äußernd, was auch an ihrer Beurteilung der Bauernaufstände deutlich wird. Seitz kritisiert die Lebensbedingungen des 'gemeinen Mannes', während sich Copp von gewaltsamen Aktionen zunächst nicht genügend abgrenzt und dies in einer späteren Rechtfertigungsschrift glaubt, nachholen zu müssen. Zieht man jedoch in Betracht, daß eine Fülle von Schriften im gleichen Zeitraum sozialkritische Intentionen verfolgen und sich für den 'gemeinen Mann' engagieren, so bleibt festzuhalten, daß derartiges in den astrologischen Schriften die Ausnahme bildet. Reformatorische Wendungen tauchen außerdem in den Texten der Theologen Bild und Gallianus auf, doch beide halten sich mit Bewertungen des Zeitgeschehens sehr zurück. Letzteres trifft auch auf Volmar zu. Ähnlich durchgängig wie die Erwähnung des Glaubensstreits ist die von drohenden Aufständen des 'gemeinen Mannes' gegen seine Obrigkeit, und auch hier gilt, daß sie von allen außer Seitz abgelehnt werden, wenn sie eine Beurteilung finden. Sie werden als Verstoß gegen die göttliche Ordnung und als Versuch der Verkehrung der rechtmäßigen Abhängigkeitsverhältnisse gesehen. Besonders scharf äußern sich Reynmann und Virdung. Beide erkennen Zusammenhänge zwischen der Aufwertung des 'gemeinen Mannes' durch die frühe Reformationspropaganda 413 und dem Aufbegehren dieser sozialen Gruppe, die sich unter anderem darin äußere, daß der 'gemeine Mann' sich für gleichwertig zu halten beginne. Carion sieht in Gestalt eines 'Hauptmanns' aus dem Volk einen mächtigen Anführer aufstehen und schürt damit die Furcht vor einer erhöhten Schlagkraft der Aufrüher. In fast allen Schriften werden die Bauern oder der 'gemeine Mann' zur Ruhe ermahnt oder ihnen mit furchtbaren Strafen gedroht, sollten sie ihre Pflicht zur Unterordnung vergessen. Aus alledem wird deutlich, wie stark die Furcht davor war, der 'gemeine Mann' könnte Forderungen stellen, zu Gewaltmitteln greifen oder gar seinen Platz in der Gesellschaft in Frage stellen, eine Furcht, die sich nicht zuletzt aus dem Gefühl ergab, daß die Aktionen des 'gemeinen Mannes' eine unberechenbare Sprengkraft entwickeln könnten. Bezeichnenderweise sagt Copp überregionale Bauernaufstände voraus. Zu dem Konflikt zwischen Herrschaft und Untertanen gesellt sich der Tadel am Eigennutz der Machthaber, der zu ständigen Kriegen und Fehden untereinander führe. Anders aber als bei den beiden ersten Bereichen werden keine konkreteren Angaben gemacht, welche Fürsten und Herren sich hier besonders angesprochen fühlen sollen. In recht neutraler Weise erwähnt Carion zusätzlich die Opposition der Reichsritterschaft gegen Papst und Geistlichkeit. 'Eigennutz' ist schließlich auch das Stichwort für die Kritik an Fürkauf und anderen Geschäftspraktiken der großen Handelsgesellschaften, wie Tannstetter und vor allem Grünpeck sie äußern. Stehen bei all diesen Problemen die Verhältnisse im Reich im Vordergrund, so berühren andere Stellungnahmen eher den Bereich der Außenbeziehungen. In 413

Vgl. dazu etwa Spriewald, Grundpositionen, S. 299-302 und S. 224-230.

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fast allen Schriften dominiert dabei die Ankündigung von kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich; allgegenwärtig ist das Gefühl, von den Türken bedroht zu werden. Verschiedene Reaktionen darauf sind möglich: Neben allgemeinen Aufrufen zur Einigkeit im christlichen Lager steht Carions siegesgewisse Aufforderung zum Kreuzzug gegen die Heiden oder Virdungs und Tannstetters Vision einer christlichen Herrschaft über den Feind. Grünpeck, der einen Sieg der Türken erwartet und mit den Verfehlungen der Christen begründet, fällt völlig aus dem Rahmen. Auch andere Glaubensfeinde werden erwähnt, wie etwa die Juden, die Virdung einmal als Verfolger der Christen, dann wieder als deren Opfer sieht. Als Abtrünnige vom rechten Glauben hebt er außerdem die Böhmen hervor; im Rahmen einer antireformatorischen Zielsetzung erhalten sie ebenfalls einen Feindstatus. Schließlich werden als Feinde Italien und Frankreich erwähnt; Tannstetter sieht den Sieg des Habsburger Reichs über beide Länder. Virdung droht den Franzosen die Herrschaft der Deutschen an wegen der 'Wollust' und des 'Hochmuts', zweier Eigenschaften, die schon Lichtenberger formelhaft mit Frankreich verbunden hatte, wie überhaupt besonders in den außenpolitischen Stellungnahmen Virdungs Lichtenbergers Gedanken nachwirken. Eine Reihe von Autoren formulieren neben diesen Meinungen zu einzelnen Konflikten umfassendere Einschätzungen zur Gesamtsituation des Reichs und seiner Gesellschaft. So umschreibt Fries mit der Metapher der 'Krankheit' seinen Eindruck, Deutschland befinde sich insgesamt in einem desolaten Zustand. Die Reformbedürftigkeit des Reichs und seiner Ordnung wird von vielen Autoren betont, allen voran von Virdung, Reynmann und Tannstetter. Ihr Ruf nach Reform darf jedoch nicht mit dem Wunsch nach Umsturz des Bestehenden zugunsten einer Neuordnung der Gesellschaft verstanden werden. Um hier zu den nötigen Differenzierungen zu gelangen, ist es wichtig, sich die genaue Begrifflichkeit und den Kontext ihrer Verwendung anzusehen. Virdung spricht von einer 'Renovierung der Geistlichen' und meint damit die Abschaffung von Mißbräuchen in der Kirche. Reynmann benutzt den Begriff 'reformieren' in Bezug auf die Stände und die Gesamtlage, setzt ihn aber mit 'korrigieren', 'rechtfertigen' und 'gehorsam machen' gleich. Der Kaiser, von dem diese 'Reformation'ausgehen soll, wird nach diesem Begriffsverständnis vor allem die Stände zur Rechenschaft ziehen und sie ermahnen, sich auf ihren Platz in der Gesellschaft zu besinnen. Günter Vogler hat die Schrift Reynmanns in den Kontext derer gestellt, die am Vorabend des Bauernkriegs eine grundlegende Änderung von Kirche und Gesellschaft thematisieren.414 Hier gilt es jedoch das spezifische 'Reformations'verständnis zu beachten, daß Reynmann vertritt: Er trennt scharf zwischen Veränderungen, die ein Aufstand des 'gemeinen Mannes' bewirken werde und 414

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Vgl. Vogler, Reformation, S. 56. Vgl. auch S. 79 dieser Arbeit.

die Reynmann im Fortlauf der von Vogler nur auszugsweise zitierten Passage als Verkehrung der gottgewollten Ordnung, als verabscheuungswürdiges und unrechtmäßiges Vergehen charakterisiert, und den Reformbemühungen von Kaiser, Papst und Reichsregiment, die der Verfasser unterstützt. Gegen den Aufruhr des Volkes weiß Reynmann, anders als Vogler es darstellt, durchaus ein Mittel: die Allianz von Kaiser und Papst. Sprechen sich also die Schriften zur Sintflutdebatte für Reformen aus, so wollen sie damit keineswegs einem Reformationskonzept entsprechen, das später im Bauernkrieg für die Interessen der Bauern stand, sondern bemühen sich ganz im Gegenteil nach Kräften, alle Ansprüche des 'gemeinen Mannes' abzuwehren, ihn zum Gehorsam zu ermahnen und Verbesserungen in der Gesellschaft, in Kirche und Reich nur auf der Grundlage tradierter Normen zu befürworten. Allein Seitz bildet hier eine Ausnahme: Als einziger begrüßt er Veränderungen, die er durch den 'gemeinen Mann' als politischen Akteur durchgeführt sieht. Für die Besserung der durch die genannten Konflikte und Mißstände bezeichneten Gesamtlage entwickeln einige Autoren Vorschläge. Auffallend gegenüber den Schriften zur Wiener Lichterscheinung ist die Tatsache, daß Kaiser Karl V. kaum noch als Hoffangsträger in Betracht zu kommen scheint. Nur Reynmann läßt ihn, allerdings gemeinsam mit Papst und Ständen, nochmals Schritte zur Reichsreform tun, während Fries Kritik an der seiner Meinung nach zu nachlässigen Haltung des Kaisers gegenüber der Reformation andeutet. Die Aufforderung Griinpecks an den Kaiser, sich zum Oberhaupt der Welt aufzuschwingen, bleibt rein rhetorisch und verbindet sich nicht mit Tenor und Intention seiner Schrift. Carion schließlich erwähnt eine ideale Kaisergestalt, ohne sie jedoch offen mit Karl V. zu identifizieren. Auch der kaisertreue Tannstetter spricht keine kaiserlichen Reformbemühungen an; seine Zurückhaltung in Bezug auf Vorhersagen über gekrönte Häupter mag hier eine Rolle spielen. Statt der Person des Kaisers ist es jetzt die Institution des Nationalkonzils, von der sich etliche Astrologen die notwendigen Reformbemühungen versprechen. Dabei nehmen sie die Tradition der Verknüpfung von 'Reformations'-ideen und Forderung nach einem Konzil wieder auf, wie sie sich im späten 14. und 15. Jahrhundert gebildet hatte.415 Virdung möchte, indem er sich die Forderung eines Konzils zu eigen macht, die Versammlung auf eine möglichst breite Basis stellen. Hinter die Mitwirkung der Stände tritt die Person des Kaisers deutlich zurück. Die Stärkung des Reichsregiments und seiner Konzilsforderung bezweckt auch Reynmann, während Tannstetter und Carion den Konzilsgedanken nur nennen, ohne ihn zu unterstützen, durch die bloße Nennung aber dokumentieren, wie verbreitet die Forderung war. 415 Vgl. Wolgast, Reform, S. 321-325. Wolgast setzt den Beginn der Verknüpfung von Reformund Konzilsgedanken mit Heinrich von Langensteins Äußerungen um 1381 an. Zur Wirksamkeit kamen diese Vorstellungen jedoch erst im Konziliarismus des 15. Jahrhunderts.

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Seitz und Copp dagegen sehen die Lösung aller Probleme zuallererst in der Unterstützung der Reformation. So fordert Copp Johann Friedrich von Sachsen explizit auf, die Verbreitung der wahren Lehre zu fördern wie sein Bruder, Kurfürst Friedrich der Weise. Daraus läßt sich schließen, daß für ihn vorrangig Luther die Person ist, an die sich die Hoffnung auf Besserung der Situation knüpft. Seitz dagegen setzt hier den 'gemeinen Mann' ein. Bei Bild und Gallianus steht von vornherein der innere Glaubenswandel durch die Besinnung auf den Kreuzestod Christi und das Gebet im Vordergrund und weist zumindest einen individuellen Ausweg. Bei den altgläubig gesinnten Autoren tritt dementsprechend die Aufforderung zur Buße an die Seite von Reformforderungen. Aufschlußreich im Kontext des Glaubensstreits, der auseinanderstrebenden Interessen von Kaiser, Kurie und Ständen, den außenpolitischen Konflikten und inneren Spannungen sind die in den Schriften formulierten Utopien und Zukunftskonzepte. Ganz im Sinne Lichtenbergers sind es eine Friedensordnung, bei Carion durch einen Friedenskaiser garantiert, und vor allem eine unangefochten herrschende katholische Kirche, die die Zukunftsaussichten beschreiben wollen, etwa bei Virdung und Tannstetter. Eine weitere positiv besetzte Kategorie ist der 'gemeine Nutzen', nach dem sich die divergierenden Partikularinteressen einer Gesellschaft dem Gemeinwohl unterstellen sollen; diesem Grundgedanken entspricht auch Tannstetters Wirtschaftskritik. Auf der anderen Seite steht die mit der Verbreitung des Evangeliums verknüpfte Erwartung des Jüngsten Tages, bestimmt eschatologisches Denken die Sicht der ferneren Zukunft bei evangelischen wie katholischen Autoren. Bei Copp entsteht aus der Verlagerung der eschatologischen Erwartung in die unmittelbare Zukunft die Rechtfertigung für eine Verbreitung der evangelischen Lehre auch gegen Widerstände, dies ersetzt andere mögliche Reformvorstellungen. Gemeinsam ist allen diesen Konzepten jedoch die Sehnsucht nach einem konfliktfreien Raum, und sei es auch in ferner Zukunft. Im Gegensatz zu den Texten, die in der überwiegenden Mehrheit aktuelles Zeitgeschehen zumindest ansprechen, gilt dies für die Holzschnitte der astrologischen Flugschriften in geringerem Maße. So schlagkräftig auch einzelne Titelholzschnitte in ihrer Gestaltung sind, es bleibt doch zunächst einmal festzuhalten, daß die Darstellungen von Planetengöttern bzw. den Jahresherrschern und allgemeinen Überschwemmungsszenerien sehr häufig vertreten sind. Insgesamt haben neunzehn von einundzwanzig Schriften deutschsprachiger Autoren Titelholzschnitte aufzuweisen. Nimmt man die verschiedenen Ausgaben der Schriften hinzu, so erhält man dreiundzwanzig verschiedene Titelholzschnitte. Beschränkt man sich zunächst auf diese, so zeigen sechs Texte stereotype Jahresherrscherdarstellungen, sechs allgemeine Überschwemmungsszenen und drei kombinieren diese Bildthemen ohne weitere Hinzufügungen. Eine Schrift zeigt das Horoskop für 1524 auf dem Titelblatt (Abb. V44). All diese Darstellungen

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thematisieren nicht zeitgenössische Konflikte. Offenbar hielten es zahlreiche Drucker für ausreichend, die Schriften durch Planetengötterdarstellungen oder Horoskope als astrologische Texte mit Bezug auf 1524 zu kennzeichnen bzw. dem Betrachter und Käufer durch Überschwemmungsabbildungen die prognostizierte Bedrohung vor Augen zu stellen. Einziger Zeitbezug ist hier die zeitgenössische Kleidung der Flutopfer, die, wenn auch bisweilen kaum erkennbar, dem Betrachter immerhin signalisiert haben mag, daß die gezeigte Überschwemmung sein eigenes Schicksal betreffen könnte, wobei meist Männer und Frauen gleichermaßen angesprochen wurden. Diese Holzschnitte wollen die Emotionen des Betrachters direkt ansprechen, wollen ihn ängstigen und gleichzeitig neugierig machen. Außerdem läßt sich beobachten, daß im Gegensatz zur Ausstattung der Nachdrucke bzw. der zweiten Schrift eines Autors zur Debatte der Erstdruck bzw. die erste Schrift meistens ein aufwendiger gestaltetes oder zeitgenössische Konflikte in sich aufnehmendes Titelbild aufweisen. Über eine allgemeine Überschwemmungsdarstellung geht jedoch der Titelholzschnitt hinaus, der der Schrift Alexander Seitz' vorangestellt wurde (Abb. S 6). Da er die 'Zeichen' am Wiener Himmel mit der biblischen Sintflut in Beziehung setzt und gleichzeitig als apokalyptische Erscheinungen umdeutet, erhält die für 1524 prognostizierte Überschwemmung den Status einer zweiten Sintflut und einer apokalyptischen Katastrophe. Weiterhin weisen eine Reihe von Titelholzschnitten im Rahmen von astrologischen Motiven oder Flutdarstellungen eine Gestaltung oder sogar Kommentierung des Zeitgeschehens auf. So bringt das Titelbild der 'Practica deutsch* (Abb. S 7) von Virdung von Haßfurt in seiner kontrastierenden Gegenüberstellung von kämpfenden Landsknechten und betenden Mönchen die Betonung des vorbildhaften Verhaltens der sonst so scharf kritisierten Vertreter der alten Kirche und damit eine Stellungnahme zu den Glaubensauseinandersetzungen der Zeit. Auf dem Titelholzschnitt der Schrift Carions (Abb. S 14) in ihrer ersten Auflage findet sich unter einer Überschwemmungsszene und einem Kometen die Konfliktparteien der frühen 20er Jahre des 16. Jahrhunderts. Neben dem Angriff auf den Papst vonseiten eines Ritters und eines 'Hauptmanns', auf den der katholische Klerus hilflos reagiert, ist auch Kritik am inaktiven, seiner Pflicht nicht entsprechenden Kaiser angedeutet. Der Titelholzschnitt von Erhard Schön auf Reynmanns 'Practica' (Abb. S 27) zeigt die Konfrontation der geistlichen und weltlichen Obrigkeit mit den heranziehenden Bauern, deren kampfbereiter Aufmarsch unter dem Zeichen eines unheilvollen Kometen und unter der Führung eines negativ definierten Planetengottes, des Saturn, steht. Erschrecken und Hilflosigkeit kennzeichnen hier das Verhalten der Obrigkeit, allen voran das des Kaisers und des Papstes. Beim Titelbild der Beruhigungsschrift von Tannstetter liegt dagegen der Akzent auf Beschwichtigung und Bestätigung der Ordnung, wenn trotz strömenden Regens die Bauern in ihrer Arbeit fortfahren, sei der Stand der Planeten, wie er

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wolle. Beruhigung des aufstandsbereiten Bauern und Hoffnung auf eine Konfliktlösung durch ein Konzil verbindet das Titelbild der 'Practica' Tannstetters in einer Ausgabe. Eindeutig Partei für die Reformation ergreift dagegen der Holzschnitt auf der ersten Schrift Copps (Abb. S 20), der die Kapitulation der katholischen Kirche vor der Macht des Evangeliums, kämpferisch vertreten durch Christus, die Evangelisten und Paulus, vorführt. Durch die Abbildung von Gottvater mit dem Flammenpfeil und dem Wort "we" wird dieser Vorgang als göttlicher Wille und apokalyptisches Geschehen gekennzeichnet. Ein Strafgericht Gottes zeigt auch das Titelbild der Schrift des Gallianus (Abb. S 8), das Chaos und Zerstörung zeigt, ohne jedoch zwischen Siegern und Verlierern zu differenzieren. Daß auch ein Mönch den entfesselten Elementen preisgegeben ist, zeigt wohl eher die Bedeutsamkeit der Bedrohung für alle Menschen, wenn sie sich nicht mit Gebeten an Gott wenden. Die Schrift des Gallianus enthält, wie manch andere Schrift, noch weitere Holzschnitte. Auch für diese gilt, daß sie nur teilweise zum aktuellen Geschehen Stellung nehmen. Bei Gallianus wird durch die zusätzlichen Verbildlichungen massiv die evangelische Glaubensbotschaft vermittelt und gleichzeitig eine eschatologische Erwartung ausgedrückt (Abb. S 9-12). Dem Leser wird so eine Orientierungshilfe an die Hand gegeben, ohne daß jedoch die Altgläubigen gleichzeitig angegriffen werden. Durch die Kombination mehrerer Holzschnitte entsteht die Möglichkeit, die Bedrohung durch ein göttliches Strafgericht ebenso zu veranschaulichen wie die Gewißheit, daß der Gläubige im Kreuzestod Christi Trost und in der 'Arche der Gemeinde' Zuflucht finden kann. Die Gegenüberstellung von Katastrophe und Gebet findet sich in gleicher Weise bei den zahlreichen Graphiken der 'Practica Teutsch' von Virdung, allerdings unter anderem konfessionellen Vorzeichen. Hier bilden die Darstellungen von Naturkatastrophen und anderen Plagen den Kontrast zu den Bildern, die den Triumph der katholischen Kirche zeigen, etwa in der Rückführung der Böhmen in den Schoß der Kirche oder im Sieg über die Heiden und Juden. Im Gegensatz zu den Schriften von Gallianus und Virdung bietet die mehrfache Bebilderung der 'Warnungen' von Grünpeck und zweier Ausgaben der Schrift Copps kaum durchdachte Konzeptionen, am wenigsten Grünpecks Text mit seinem ursprünglich eher privaten Charakter. Die Ausgabe des 'Urteils' von Copp ohne Drucknachweis (Abb. S 22-24) bringt ein Überschwemmungsbild, Planetengötter und eine Kampfszene, wodurch lediglich unspezifische Bedrohungen assoziiert werden. Die Tatsache, daß drei Holzschnitte des 'Spiegels' von Grünpeck wieder verwendet wurden, zeigt in diesem Fall, daß ihre Gestaltung des Schicksals der Kirche für noch immer aktuell gehalten wurde. Die Ausgabe von Wolfgang Stockei (Abb. G 5, S 21 und G 12) läßt die Gefährdung der katholischen Kirche, aber auch - in der Darstellung einer Prozession

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kirchlicher Würdenträger, die angebetet wird - ihren letztendlichen Sieg erkennen. Dem Tenor der Schrift läuft dieses Bild völlig zuwider, worin wohl ein bewußter Eingriff des Druckers zu sehen ist. Die Illustrierung der zweiten Schrift des Gallianus durch Pamphilius Gengenbach verbindet ein Planetengötterbild mit der Darstellung der 'verkehrten Welt', wobei letzteres zwar mit der Prognose für 1524 verbunden werden konnte, auf den Inhalt der Schrift jedoch nicht zugeschnitten ist. Steht die Frage nach der Verarbeitung von Zeitgeschehen in den Holzschnitten im Vordergrund, so muß bedacht werden, daß nicht alle Darstellungen eindeutige Botschaften vermitteln. So kann etwa der Holzschnitt Schöns als Verurteilung der Bauern aufgefaßt werden, bedenkt man die astrologische Symbolik, kann jedoch auch Ermutigung der aufstandsbereiten Bauern signalisieren, konzentriert man sich auf die zögernde Obrigkeit. Ähnliches gilt für die Attacke auf den Papst bei Carion oder der Darstellung bäuerlicher Aufstände in Virdungs 'Practica Teutsch'. Unter Umständen konnte schon die bloße Abbildung von einer Empörung des 'gemeinen Mannes' provozierend wirken. Die Rezeption jedenfalls wird sich besonders bei diesen Holzschnitten nach der Grundeinstellung der Betrachter richten. Dabei gilt für alle Darstellungen, daß sich ihre Bedeutung nur dem zeitgenössischen Rezipienten erschloß, der die bildlichen Symbole entschlüsseln, z.B. die Identifikation der Planetengötter durch deren Attribute, die Einordung der Tierkreiszeichen vornehmen oder die Symbolik der Evangelisten erkennen konnte. Lassen sich auch manche Bestandteile der Graphiken durch die Alltagserfahrung 'lesen', so bedurften gerade die komplexer gestalteten Holzschnitte eines gebildeten Betrachters. Um eindeutigere Botschaften bemühen sich einige andere Bilder, z.T. mithilfe schriftlicher Beifügungen. So bezeichnet das Wort 'Bibel' in der Belagerungsdarstellung auf dem Titelblatt der Schrift von Copp genauer die als Geschoß verwendeten Bücher; gleichzeitig unterstützt das Wort 'we' den apokalyptischen Rahmen. Die an sich schon recht klare bildliche Anweisung auf der Beruhigungsschrift von Tannstetter (Abb. S 28) wird durch die schriftlichen Zusätze untermauert, die alle die Herrschaft Gottes über die Gestirne zum Inhalt haben. Sie korrespondieren mit einem Bildelement, der Hand Gottes, die sich aus den Wolken streckt und über die Planeten regiert. Das Bibelwort Ά signis coeli nolite metuere' ist wie ein Schutz zwischen die Menschen und die Planeten getreten. Auch bei der Schrift des Gallianus herrscht Übereinstimmung zwischen den beiden letzten Holzschnitten und dem Bibelvers bzw. dem Gedicht, bezogen auf die Passion Christi und den Jüngsten Tag. Anders der Titelholzschnitt der Praktik Apians (Abb. S 32); erst durch die Bibelzitate wird hier Endzeitliches vermittelt, wird die Strafe an den Gottlosen dem festen Glauben der 'Gerechten' gegenübergestellt. Die häufig in der reformatorischen Argumentation auftauchenden

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Bibelzitate finden in der Schrift des altgläubigen Apian keinen Widerhall. Unterstützend für die Bildbedeutung wirkt schließlich die Bildunterschrift unter der Überschwemmungsszene bei Ransmar, Angst und Not formulierend. Die Texte zur Sintflutdebatte 1521-1524, die bisher besprochen wurden, sind alle von deutschsprachigen Autoren verfaßt worden. Zusätzlich erschienen kurz vor dem gefürchteten Februar 1524 zwei Schriften ausländischer Autoren in deutscher Übersetzung sowie zwei weitere nur in lateinischen Ausgaben in deutschen Offizinen. Die erste Schrift, das 'Nützliche Büchlein' von Paulus von Middelburg, 416 konzentriert sich völlig auf die Widerlegung der Sintflutprognose und wurde daher für besonders geeignet gehalten, die Beruhigungskampagne gegen die Sintflutpanik zu unterstützen. Sozusagen in letzter Minute, am 12. Januar 1524, wurde es in lateinischer und deutscher Ausgabe von dem Humanisten Ottmar Nachtigall (Luscinus) auf den Augsburger Büchermarkt gebracht. Ottmar Nachtigall,417 1487 in Straßburg geboren und zunächst Schüler bei Wimpheling, studierte in Paris, Löwen, Padua und Wien Philologie, Theologie und Musikwissenschaft. 1514 in seine Heimatstadt zurückgekehrt, wurde er Organist an der Thomaskirche. Später jedoch verlor er sein Amt und betätigte sich fortan als Schriftsteller, betrieb als erster die Einführung des Griechischstudiums in Straßburg. Gerade war er Prediger in Augsburg geworden - mit durchaus altgläubigen Vorstellungen - als er die Übersetzung der Schrift Middelburgs übernahm. In seiner Vorrede widmet Nachtigall den Text Anton bzw. Raimund Fugger als Neujahrsgruß; 418 von Anton Fugger hatte er das 'Büchlein' zur Übersetzung erhalten. 419 Für die Übersetzung ins Deutsche meint der Humanist sich entschuldigen zu müssen, es sei gegen seine Gewohnheit, betont er. Doch komme das Büchlein des trefflichen Middelburg "gantz recht vnd erwünscht", denn

416

Middelburg, Nützliches Büchlein, (Augsburg) 1524. Hellmann verzeichnet auch eine lateinische Ausgabe aus Augsburg. Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 38f, Middelburg Nr. 4.

417

Zu Nachtigall s. Ludwig Geiger: Art. 'Luscinius': Ottmar L. (Nachtigall). In: ADB, Bd. 23, S. 655f.

418

"Dem hochgeachten / erenfesten Anthonien Fugker / seinem gebietenden herren / entbeut Othmar Nachtgall Doctor froliche zeyt / ain newes seligs iar vnd alles gut." Middelburg, Nützliches Büchlein, (Augsburg) 1524 (Alb). Die Widmung an Raimund Fugger lautet in der lateinischen Ausgabe: "Longe Eminentissimo viro, Raimvndo Fvggero, Augustensium optimatum uirtute, literis & fortunis florentißimo, Ottomarus Luscinius S.D." (Alb). In der deutschen Ausgabe erfolgte die Widmung handschriftlich.

419

Mit Bezug auf Anton Fugger formuliert Nachtigall: "Hochgünstiger lieber herr / als ich vor etlichen tagen von euch empfangen hab das bSchlin des erwirdigen in Got / Pauli Bischoffs Forosempronien..." Middelburg, Nützliches Büchlein, (Augsburg) 1524 (Alb).

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"... so das gemain volck in grosse irrung vnd forcht gefiert ist von kaine weisen vnd vernünfftigen ... sondern von vngelerten ... vnd sagen es werde im Hornung des yetzige tausent fünfhundert vier vii zwanzigsten iars kommen ain Sintfluß... auß dem vil darauff gefallen / das der jügst tag kommen werde ..." (A1 b) Der Übersetzungsauftrag Anton Fuggers zeigt dabei, daß gerade dem Hause Fugger daran gelegen war, eine breitere Öffentlichkeit als nur die der Lateinkundigen mit der Beruhigungsschrift zu erreichen; Panikreaktionen wie andere Schriften sie schildern, konnten seinen Geschäften nicht zuträglich sein, von eigenen Ängsten ganz zu schweigen. Nachtigall nutzt die Gelegenheit, gegen die Astrologie zu Felde zu ziehen. Mit Bezug auf Plato hält er es für völlig unnütz, schon vorher sein Unglück zu kennen, wenn man doch keine Abhilfe schaffen könne; die verfrüht einsetzende Angst vergrößere nur die Qual. Gutes vorherzuwissen sei ebenso schädlich, denn die vorweggenommenen Hoffnungen zerstörten die spontane Freude. Bitter ergänzt Nachtigall, daß die Astrologen sowieso nur Schlechtes zu prophezeien pflegten: "yetz den Sindtfluß / yetz krieg vnd pestilentz / yetz theurung / yetz aufrur in Stetten / vnd ander übel der geieichen / wa sollichs schon nit also ergeet / dan sie hierinnen mercklich fälen / ye doch peinigt vns die ängstlich fürsorg..." (A2a) so resümiert Nachtigall seine schlechten Erfahrungen mit astrologischen Vorhersagen, deren Topoi er rekapituliert und ad absurdum führt. Von Sintflut- und Endzeitvorhersagen hält er nichts und gibt zu bedenken, daß sich ähnliche Konjunktionen der Planeten bereits ereignet hätten und wieder ereignen würden, ohne daß es zu einer Katastrophe gekommen wäre oder kommen werde. Dazu bringt er die der Bibel zu entnehmenden Gegenargumente: Gott herrsche über die Sterne, sein Regenbogen verheiße seine Gnade; zum Jüngsten Gericht müsse der Gläubige immer bereit sein, kenne den Zeitpunkt jedoch nicht zuvor. Demzufolge liegt für ihn die Unwahrheit der Prophetie klar zu Tage, doch begrüßt er die Schützenhilfe aus dem Lager der Astrologen, denn Middelburgs 'Nützliches Büchlein' könne "auß d'Astronomey mit irem aigenen schwerdt die feind der warhait" (A2b) überwinden. Dies unternimmt Paulus von Middelburg,420 1523 schon seit 29 Jahren Bischof von Fossombrone (bei Urbino) und inzwischen hochbetagt. Er wurde 1445 in der Stadt Middelburg in den Niederlanden geboren. In Löwen studierte er Philosophie, Theologie und Medizin. Zurückgekehrt nach Middelburg, lehrte Pau-

420

Zu Middelburg s. DJ. Struik: Paulus van Middelburg (1445-1533). In: Mededeelingen van het Nederlandsch Historisch Instituut Rome 5 (1925), S. 79-118. Struik hat ein Schriftenverzeichnis von Middelburg zusammengestellt.

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lus Theologie und Dialektik, bekleidete wohl auch ein Kanonikat. 1479 wurde er, dessen große Gelehrsamkeit bekannt geworden war, von der Venetianischen Republik an die Universität Padua gerufen, um dort Astronomie zu lehren. Bei einer Reise durch Mittelitalien machte Paulus 1479 die Bekanntschaft des bekannten Condottiere Federico di Montefeltre am Hofe von Urbino. Zwei Jahre später wurde er dort Hofastrologe als Nachfolger des Deutschen Jakob von Speyer. Nach dem Tode seines Herrn 1484 führte Paulus eine Reise wieder nach Löwen und Middelburg, hier begann er sein Engagement für die Kalenderreform, in dessen Verlauf er in heftigen Streit mit den Gelehrten Löwens geriet. Durch die Gunst des Sohnes Montefeltres, Guidobaldo, und des Freundes Ottaviano Ubaldino wurde Paulus zunächst Abt von Castel Durante, dann 1494 Bischof von Fossombrone. Die Beschäftigung mit der Astrologie, die unter anderem die Vorlage der 'Pronosticatio' Lichtenbergers, die 'Pronostica ad viginti annos durata', hervorbrachte, 421 trat mehr und mehr hinter die Kalenderreformpläne zurück, vor allem niedergelegt in der Schrift 'Paulina' von 1513.422 Papst Leo X. machte ihn schließlich zum führenden Kalenderreformer. Die ihm vom Papst Paul III. angebotene Kardinalswürde konnte Paulus nicht mehr entgegennehmen; mit 88 Jahren starb er in Rom. Seine jahrelange Abstinenz von astrologischer Betätigung "auß vrsach das mir mein sin zu besseren ubungen gestanden ist" (A3a), habe er nur durchbrochen, weil große Regenfälle, oder, wie das gemeine Volk sage, eine Sintflut, auch in Italien für Aufregung gesorgt habe. Immerhin hatte Middelburg 37 Jahre lang keine Praktik herausgegeben 423 und auch seine Sintflutschrift ist keine Jahresprognostik, sondern eine reine Widerlegungsschrift. Für seine Gegenrede will der Kleriker Middelburg nur Argumente aus der Naturlehre bringen und die Worte der Bibel nicht heranziehen, denn auch die Vertreter der 'Sintflutthese' bezögen sich einzig auf astrologische Erkenntnisse. Von vornherein klammert Middelburg so die Begründung einer Sintflut durch die Sünde der Menschen aus. Eine Begriffsklärung hält er für notwendig: "Man sol aber die außbraitung vn den überlauff fliessend Wasser die oft beschehe nit sintfluß nenen / dan es begibt sich zu mer male dz die

421

Paulus von Middelburg: Prenostica ad viginti annos durata. Antwerpen, G. Leeu 1484. (Struik, Middelburg, S. 108, Nr. 2, Hain 11141f). Die anderen Ausgaben Struik, Middelburg, S. 108f. Gegen Lichtenbergers Plagiat veröffentlichte Middelburg eine 'Invectiva'. Antwerpen, G. Leeu 1492 (Struik, Middelburg, S. 113f, Nr. 1, Hain 11147). Zum Zusammenhang s. Warburg, Weissagung, S.234f.

422

Paulus von Middelburg: Paulina. Forosempronium, O. Petrutium 1513 (Struik, Middelburg, S. 114f, Nr. 1).

423

Vgl. Struik, der Praktiken Middelburgs zwischen 1479 und 1485 aufführt. Struik, Middelburg, S. 106-111.

272

fluß über die Stade darin sie anfange außgend vn überziehe die weite / auch die nidera gegenden..." (B2a) Indem Middelburg die Überschwemmung von Land als natürliches und gewöhnliches Ereignis wertet, distanziert er sich von einer auf dramatische Effekte abzielenden, unpräzisen Begriffswahl, impliziert aber, daß er die religiös-moralische Dimension der Vorhersage - die Sintflut als Strafgericht Gottes - ablehnt. Zusätzlich führt er historische Beispiele für größere Überschwemmungen an, um die Normalität des Vorgangs zu untermauern, ähnlich wie Tannstetter es getan hatte. Von persönlichen Erfahrungen des Seeländers Middelburg zeugen die Ausführungen zu den Gefahren des Meeres für die Bewohner des Nordseeraums, insbesondere für die Inselbewohner.424 Gegen eine Sintflut sprechen nach Middelburg verschiedene Faktoren. Zunächst bestreitet er für einzelne Konjunktionen die Möglichkeit, daß sie eine Sintflut hervorbringen könnten, entweder weil in ihnen 'gütige' Planeten (Jupiter, Venus) oder solche mit heißer und trockener Wirkung (Sonne und Mars) regieren. 425 Auch die Mondfinsternis 1523 wird als Verursacherin einer Sintflut eliminiert. Die acht übrigbleibenden Konjunktionen werden anschließend als nicht weiter bemerkenswert charakterisiert. Sodann widerlegt Middelburg das Argument, das 'wässrige' Zeichen der Fische müsse die Wirkung der Planeten beeinflussen. Ein Tierkreiszeichen wirke nie aus sich selbst heraus, berichtigt Middelburg, und außerdem sei die Festlegung der Zwölfzahl der Tierkreiszeichen so willkürlich wie ihre Verteilung auf vier Elemente. 426 Die Trennung zwischen natürlichen Gegebenheiten - wie die Fixsterne oder die Mondphasen - und menschlicher Sinnkonstruktion ist sehr bemerkenswert. Der von anderen Astrologen für bedrohlich gehaltenen Anhäufung der Konjunktionen setzt Middelburg allerdings kein Gegenargument entgegen, doch seine eigene Verfahrensweise der Isolation der Konjunktionen zeigt deutlich die Irrelevanz dieser Begründung für ihn. Sowohl die astrologischen Ausführungen als auch die historischen Beispiele sind darauf gerichtet, die Planetenkonjunktionen 1524 ihrer Außerordentlichkeit zu entkleiden, sie hineinzunehmen in den natürlichen Ablauf der Konstellationen und in die dem Menschen bekannte Geschichte. Als apokalyptische Szenerie im Zeichen der Endzeit kann eine gewöhnliche Überschwemmung nicht mehr dienen. Die zweite ausländische Schrift stammt von dem spanischen Theologen Pedro Ciruelo. Um die Wirkung seiner Tröstlichen Praktika' 427 zu erhöhen, hatte der

424

Vgl. Middelburg, Nützliches Büchlein, (Augsburg) 1524 (B2b).

425

Vgl. dazu Stegemann, Planeten. In: Handwörterbuch, Bd.7, Sp. 141f und 173f.

426

Vgl. Middelburg, Nützliches Büchlein, (Augsburg) 1524 (Blb/2a).

427

Ciruelo, Tröstliche Practica, Nürnberg (1523).

273

Autor sie zunächst in katalanischer Sprache abgefaßt. In lateinischer Übersetzung gelangte sie dann 1523 zum großen Umschlagplatz Europas für Druckerzeugnisse, nach Antwerpen, und dort in die Offizin des Michael Hochstraeten. Der Übersetzer, der sich als "Iacobus Antuerpius" bezeichnet (es ist Jacobus Brassius Rothornacus) 428 gibt in einer Vorrede an, die Schrift von spanischen Kaufleuten auf dem Markt von Antwerpen erhalten zu haben; 429 ein wichtiger Hinweis auf die Formen der Verbreitung der Praktiken. Wahrscheinlich ebenfalls 1523 wurde eine lateinische und eine deutsche Ausgabe der Tröstlichen Praktika' mit einer Widmung an den Erzherzog Ferdinand in Nürnberg bei Friedrich Peypus gedruckt. 430 Pedro Ciruelo gehörte zu den bekanntesten Humanisten Spaniens. 431 In Daroca (Saragossa) geboren, studierte er in Alcal und Salamanca und erwarb seinen Doktortitel in Paris, wo er die Vorlesungen des Astronomen Lefvre besucht hatte. Danach lehrte er selbst an der Universität von Alcal de Henares. 1520/21 hat er sich offenbar für den Aufstand der Communeros engagiert. 432 Er verfaßte zahlreiche mathematische, theologische und philosophische Werke und kommentierte die Naturlehre des Aristoteles. Auch er bemühte sich um die Kalenderreform. Ciruelo beginnt seine Schrift mit einem Vergleich. So wie die Ritter aufgerufen seien, gegen die Heiden und andere Feinde zu kämpfen, so sei es die Pflicht der Gelehrten, mit schriftlichen Ratschlägen die Menschen zu unterweisen und zu retten, gerade weil sie mit "vill priuilegien vnnd freyheiten begnadt seind" (A2a). Auch er weiß von Panikreaktionen zu berichten: "also das etlich auch eylen sich mit hauß vnd hoff zuverwenden / vnd iren haußrat zuuerkauffen / damit sie sich auf hohe gebirge setzen mögen." (A2a) Ehe Ciruelo seinen eigenen Standpunkt darlegt, referiert er den Fortgang der Sintflutdebatte aus seiner Sicht: Die deutschen Astrologen und mit ihnen Pigghe plädierten für sintflutartige Regenfälle und weitreichende Zerstörungen, die Italiener dagegen beteuerten, daß nichts dergleichen geschehen werde, stattdessen prophezeiten sie gutes Wetter. Schließlich gebe es noch eine dritte Meinung, die vor allem Nifo vertrete, nämlich, daß es aufgrund der Mondfinsternis im Jahre 1523, nicht wegen der Planetenkonjunktion, zu heftigen Unwettern kommen werde. An allen Positionen, die der Spanier sehr pauschal wiedergibt, hat er etwas auszusetzen, stimmt aber am ehesten den deutschen Astrologen zu. Von November 1523 bis Februar 1524 werde es zu Regenfällen und Überschwemmungen kommen, allerdings werde es 428

Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 29.

429

Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 29.

430

Zu den Ausgaben s. Hellmann, Blütezeit, S. 28-30.

431

Zu Ciruelo s. Gaspar Sabater (Hg.): Diccionario biografico espanol e hispanoamericano.

432

Zambelli, Ends, S.241.

Bd.l. Palma de Mallorca 1950. Bd.l, S.525 und Zambelli, Ends, S.241f.

274

"nit der zehendt teyl souil wassers" (A3b) geben, wie die Deutschen meinten, denn einige Faktoren milderten die angezeigte Feuchtigkeit. 433 Da Ciruelo eher ein Anhänger der arabischen Konjunktionenlehre ist, spielt für ihn die Mondfinsternis 1523 keine große Rolle, er kritisiert Nifo deshalb wegen seiner Auffassung. Die Haltung der anderen Italiener erscheint ihm als sehr verwerflich, denn sie verharmlose in unverantwortlicher Weise die zukünftigen Gefahren. "Derhalben ist es ein ser vngeschickt ding / das man in eyn so zweifelhafftige vnd ferlichem fall / sol den leuten sicherheyt verheissen." (A4a) Gegenüber den 'Schönwetterpropheten', die das Tierkreiszeichen der Fische für unwesentlich halten, macht Ciruelo diesen Faktor für die Wirkung der Planetenkonjunktionen geltend. Andererseits hatte er schon auf dem Titelblatt angegeben, daß es zu keiner Sintflut kommen werde, zwischen den verschiedenen Extrempositionen lavierend. Seinen Besitz brauche man nicht vorschnell zu veräußern, fährt der Autor fort, denn besonders die Spanier hätten wenig Grund zur Sorge; die Konjunktion werde für die Länder unter dem Einfluß des Schützen 434 nicht so gefährlich. Dennoch seien einige Vorsichtsmaßnahmen nicht überflüssig. Fünfzig Tage vor der angekündigten Zeit solle man sein Haus gut verwahren, sich mit Vorräten versehen und sich an einen sicheren Ort begeben. Es folgen Ratschläge für einzelne Berufsgruppen: Die Bauern sollen nur hochgelegene Äcker bebauen, die Schäfer ihre Schafe nur auf hochgelegenen Wiesen weiden lassen. Die Kaufleute werden vor der Verschiffung von Gütern gewarnt und die Geistlichen, vor allem die Bettelmönche, sollen Gott durch ihre Gebete gnädig stimmen. Am interessantesten aber ist eine weitere Vorsichtsmaßnahme: Der sozial engagierte Theologe führt aus, daß "vnder de volck Gottes vil armer leut seind / die auß armut sich vnnd ir gesind in disen dingen nicht kunnen vorsehen." (B2b) Deshalb müsse man "vom gemeynen geld des Cömuns" diese Armen unterstützen, denn sonst drohe auch den Reichen Gefahr: "... wan wir haben clerlich auß erfarung / das in teurung der gemeyn man eyn herr ist der sachen vnd gescheffte der reychen / Derhalben wol von noten ist / nicht weniger auß gotselickeit / vnd der lieb des nechsten / den ferlickeyt zuuerhute / die de reyche darauß entsteen mocht / das sich meine landßleut vn Nation dises meinen rats vnd lere halten." (B3a) Nächstenliebe für die Armen und die Sorge um das Wohl der Reichen sollen also gleichermaßen die Versorgung der Armen mit Lebensmitteln motivieren. Dahinter steht die Erkenntnis, daß man dafür sorgen muß, die Unzufriedenheit 433 Ciruelo nennt als Milderungsfaktoren den Einfluß Jupiters und die trockenen Eigenschaften der Konjunktion. Außerdem sei die 'wässrige' Wirkung in eher trockenen Landstrichen wie Spanien zu erwarten. 434 Hier meint Ciruelo Südeuropa.

275

der armen Bevölkerung abzubauen, wenn Aufstände vermieden werden sollen, eine Erkenntnis, die Ciruelo vielleicht aus eigenen Erfahrungen ableitet und im Rahmen der Sintflutdebatte zu propagieren sucht. Schließlich wurden zwei weitere ausländische Widerlegungsschriften in deutschen Offizinen gedruckt, allerdings nur in je einer lateinischen Ausgabe. Das erste Werk hat seinen Weg wie die Schrift Ciruelos über Antwerpen genommen und übertrifft mit seinen 132 Blättern Umfang alle anderen Publikationen zur Sintflutdebatte bei weitem. Es ist die Schrift von Cornelius Scepper "Assertionis Fidei", die in Köln von Franz Birckmann gedruckt wurde.435 Der Druck ist sehr aufwendig gestaltet und bringt auf seinem Titelblatt zwei Bibelverse, nämlich Jesaias 47, 13-15 und Jeremias 10, 1-3. Beide kennzeichnen die Astrologie als begrenzte menschliche Kunst gegenüber der Allmacht Gottes. Gewidmet ist die Schrift dem Kardinal Erhard von Marka. Der Verfasser, Cornelius Scepper,436 um 1500 in Vieuport geboren, trat nach dem Studium in Paris und Löwen zunächst in den Dienst des Königs von Dänemark und später in den Karls V. Seine Schrift präsentiert er in der Form eines Traums. Im Laufe seiner langen Darlegungen kritisiert er Virdung für seine Vorhersage vom Kommen des Antichristen, aber auch Nifo und Pico della Mirandola. Dabei gibt er an, kein grundsätzlicher Gegner der Astrologie zu sein, sondern sich lediglich gegen unverantwortliche Prognosen wenden zu wollen. Tatsächlich ist seine Kritik an astrologischen Techniken und Praktiken so weitreichend, daß er in die Nähe des Astrologiegegners Pico rückt. Sein Hauptinteresse aber ist in der Zurückweisung der arabischen Konjunktionentheorie zu suchen. Sein langes, wissenschaftliches Traktat hat sicherlich nur Experten als Leser gewonnen. Die zweite Schrift437 wurde ebenso wie die Praktik Ciruelos bei Friedrich Peypus in Nürnberg gedruckt und mit derselben kunstvollen Holzschnittbordüre versehen. Sie trägt das Datum 1524 und wurde von dem Italiener Marc Antonius Rozonus verfaßt, einem Doktor der freien Künste, Medizin und Theologie, der in Padua lehrte und auch als Arzt tätig war 438 Die Widmimg der Schrift gibt den Erzbischof von Trient, Bernard Cles, an. Rozonus lehnt ebenfalls eine universale Sintflut ab und sieht allenfalls partielle Überschwemmungen im Norden, nicht

435

Scepper, Assertiones, Köln 1523. Auf dem Titelblatt wird der Weg der Schrift von Antwerpen nach Köln angegeben.

436

Zu Scepper s. JJ. De Smet: Art. 'Scepper'. In: Biographie Nationale. Publiee par L'Accademie Royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique. Bd.5. Bruxelles 1876, S. 709-718; Thorndike, History, Bd.5, S.226f.

437

Rozonus, Compendium, Nürnberg 1524. Vgl. die Ausführungen Hellmanns zum Druck.

438

Vgl. Zambelli, Astrologia, S. 416.

Hellmann, Blütezeit, S.49f; vgl. auch Zambelli, Fine, S.365f.

276

aber in Italien, kommen. Seine 64-seitige Schrift erschien nur in einer lateinischen Ausgabe. Die vier letztgenannten Schriften unterscheiden sich in Inhalt und Aufmachung wesentlich von den Texten deutschsprachiger Autoren. Alle haben kein Titelbild, sondern allenfalls Holzschnittbordüren. Auch bringen sie keine eigenen Vorhersagen für das Jahr 1524, die über die Wetterprognostik hinausgehen und sprechen kaum zeitbezogene Konflikte an. Nur die Schrift Ciruelos mit ihren praktischen Ratschlägen und der Reflexion sozialer Probleme macht hier eine Ausnahme, während die anderen ihren Schwerpunkt in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Astrologie und der Sintflutvorhersage haben. Dadurch werden Ergebnisse unterstrichen, die die Untersuchung anderer Praktiken im europäischen Raum erbrachten, daß nämlich die deutschen Schriften mit ihren aktuellen Bezügen und der teilweise sensationellen Aufmachung in Text und Bild eine ausgesprochene Sonderform der astrologischen Schriften zur Sintflutdebatte darstellen. 432. DIE EVANGELISCHE ASTROLOGIEKRITIK In einer Debatte über die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Sintflut mag es überraschen, daß nur zwei Autoren - Alexander Seitz und Luca Gaurico - explizit eine Sintflut ankündigen, während alle anderen Astrologen, selbst wenn sie der Zukunft apokalyptische Züge verleihen, um die Relativierung zumindest der Sintflutvorhersage bemüht sind. So wird betont, daß eine universale Flut nicht möglich sei, und die zu erwartenden Überschwemmungen werden auf einzelne Landstriche eingeschränkt. Begründungen bieten die unterschiedlichen Eigenschaften der Planeten oder die Verschiedenartigkeit der Erdregionen. Am nächsten kommen noch Copps Formulierung vom "halben sündfluß" oder Virdungs vom "sunderlichen sündfluß" der Vorhersage der Sintflut, auch wenn die Universalität schon hier bestritten wird. Im Verlauf der Debatte aber werden die Ankündigungen vorsichtiger; tunlichst wird der Begriff 'Sintflut' vermieden, man spricht von Überschwemmungen oder heftigen Regenfällen. Eine künftige Sintflut für möglich zu halten, wird als Irrglauben des Volkes bezeichnet; Middelburg übt explizite Begriffskritik. Die zunehmende Vorsicht der Astrologen spiegelt die Brisanz der Sintflutvorhersage, die trotz aller Dementi in den Köpfen und Herzen der Bevölkerung fest verankert war, eine Brisanz, die dadurch bezeichnet war, daß die Vorhersage einer Sintflut sich in offenkundiger Abweichung von den Worten der Bibel, Genesis 9, 12-18, befand und damit den Vorwurf der Ketzerei riskierte. Nur vor diesem Hintergrund wird deutlich, auf welch gefährliches Terrain Seitz sich begibt, wenn er die Verheißung des Regenbogens zu entkräften sucht, indem er die Sündhaftigkeit des Menschen und die Offen-

277

sichtlichkeit des himmlischen Verhängnisses betont. 439 Schon Nifo hatte diese Argumente erwogen, ihnen aber bezeichnenderweise keine Präferenz eingeräumt. Selbst Copp und Virdung mit ihren Katastrophenszenarien bringen das Argument des Regenbogens, wenn auch nur rhetorisch und zögernd. Seitz dagegen setzt sich dem Verdacht aus, den Eindruck vom Verfall der Sitten und die Gestirnskonstellation über Gottes Wort zu setzen. Dieser Konflikt eröffnet den Blick für das außerordentlich prekäre Verhältnis zwischen der Astrologie als Naturlehre und Auslegepraxis und dem christlichen Glauben. Schon bei den Kirchenvätern war die Astrologie auf Kritik gestoßen und mit Bezug auf Bibelstellen, die die Astrologie verurteilen, als Aberglaube bezeichnet worden. 440 Auf der anderen Seite gab es vor allem im 13.-15. Jahrhundert immer wieder Versuche, einen Kompromiß zwischen beiden Denkformen zu finden. Mit diesem Problem beschäftigt sich Krzystof Pomian, 441 indem er Pierre d'Ailly's 442 Konzeption einer Synthese von Astrologie und Christentum vorstellt. In mehreren Schriften, zwischen 1410 und 141 δ 4 4 3 veröffentlicht, legte d'Ailly in der Nachfolge von Aristoteles und Thomas von Aquin dar, daß die Wirkung der Gestirne sich nur auf die Natur des Menschen, also seinen Körper erstrecke, während der menschliche Wille ausgenommen werden müsse. Die Willensfreiheit des Menschen könne so garantiert werden. Darüberhinaus aber sei auch alles Göttliche den Sternen nicht unterworfen, auch nicht die christlichen Glaubensgrundsätze. Ergebnis dieses Ansatzes ist die Unterordnung der Astrologie als Naturphilosophie unter die Theologie. Dabei kann die Astrologie bei d'Ailly durchaus als 'Hilfswissenschaft' der Theologie fungieren, indem sie auf der Grundlage der Konjunktionentheorie genaue Datierungen für Ereignisse der christlichen Heilsgeschichte anbietet, etwa für die Ankunft des Antichristen.

439 440

Zu Seitz vgl. S. 184ff. dieser Arbeit. Hier ist z.B. Jer. 10, 2 anzuführen oder 5. Mose 18, 9-14. Die Bibelstelle im 5. Buch Mose warnt vor magischen Praktiken andere Völker, wie z.B. Wahrsagen, Hellsehen, Zauberei, Zeichendeuterei und Geisterbeschwörung und verweist stattdessen auf die biblische Prophetie. Gegen die Astrologie als Werk von Dämonen sprachen sich u.a. Lactantius, Hippolytus von Rom und Tertullian aus, ebenso Augustinus. Vgl. Braunsperger, Beiträge, S. 49-51. Zum Gesamtzusammenhang s. den Art. 'Astrologie'. In: TRE, Bd. 4, 1979, S. 277-311; bes. den Abschnitt von David Pingree über Antike und Mittelalter, S. 281-287 und von Klaus Matthäus über die Reformationszeit, S. 288-294.

441

Pomian, Astrology. Vgl. die ausführlichere Darlegung: ders.: L'ordre du temps. Paris 1984 (Bibliotheque des Histoires), bes. S. 26-52; S. 101-111.

442

Zu Pierre d'Ailly s. den entsprechenden Artikel im Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Sp. 239.

443

Die Hauptschriften d'Aillys nennt Pomian. Vgl. Pomian, Astrology, S. 40-43.

278

D'Ailly entwirft ein chronologisches System,444 an dem z.B. Carion sich in seinen Vorhersagen orientiert, 445 wie überhaupt fast alle Autoren der astrologischen Flugschriften die genannten Grundsätze an den Beginn ihrer Vorhersagen stellen, bieten sie ihnen doch die Möglichkeit, ihr Vorgehen in christlichem Kontext zu rechtfertigen. Immer wieder wird die Prädominanz Gottes über sein Werk, den Himmel, betont und die Willensfreiheit des Menschen beschworen. Virdung schreibt in der 'Practica Teutsch': "Nim war / es ist eyn gott / der alle ding nach seinem willen regiert / vber alle ding gebenedeyet: der do gebe hat allen menschen eyn freyen willen: welchen / so er weyßlich gebraucht / mag er herschen dem gestirn vnnd jre anzeygung abwenden vnd biege." (A2b) Auch bei der Verkündigung der schlimmsten Zukunftsaussichten wird der Hinweis nicht unterlassen, daß Gott als Herr über die Natur alles zum Guten wenden könne, wenn die Menschen Buße tun und um Gnade flehen. Mit Vorliebe wird in diesem Zusammenhang das biblische Beispiel des Propheten Jona und der Niniviter angeführt. 446 Die Rolle der Gestirne bleibt zwiespältig. Werden sie einerseits bei Alexander Seitz, wie bei anderen Astrologen, nur als Zeichen des göttlichen Willens gesehen, als Buchstaben eines himmlischen Buchs, das Gott "offenlich auffgeschlagen" habe "bevor der menschait zu ainer warnung" (A2b) und das zu entziffern der Astrologe unternimmt, so sind sie andererseits das Medium, durch das Gott auf Erden wirkt. Seitz macht sie zu "amptleüten oder Vögten" (A3a) Gottes, deren Einfluß Gott zwar im Ausnahmefall entkräften kann, die aber sonst uneingeschränkt auf die äußere Natur und die Natur des Menschen wirken. Plastisch formuliert Seitz: "So mag ich wol sprechen / das des menschen gemut tantzet nach dem die planeten pfeyffen" (A3a). Dem Verstand des Menschen, den auch Seitz von der Planetenwirkung ausnimmt, scheint der Astrologe jedoch nicht allzuviel zuzutrauen, denn vom Widerstand gegen den 'Reiz' der Planeten kann kaum die Rede sein: "Wir seind aber so ainer ploden natur / das wir der raytzung bald hinach vallen." (A3a) Der Mensch als vornehmlich von seiner Natur, d.h. seinem Körper, seinen Empfindungen und Leidenschaften bestimmtes und daher der Planetenwirkung fast wehrlos ausgeliefertes Wesen - dies ist ein anthropologisches Konzept, das sich so in keiner anderen der hier angesprochenen Schriften formuliert findet. Mit diesen deterministischen Vorstellungen, die das Eingreifen Gottes in den 444

Zentral zu diesem Themenkomplex noch immer Friedrich von Bezold: Astrologische Geschichtskonstruktion im Mittelalter. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 8 (1892), S. 29-72; außerdem Ernst Bernheim: Mittelalterliche Zeitanschauungen in ihrem Einfluß auf Politik und Geschichtsschreibung. Teil 1. Tübingen 1918; Zambelli, Introduction, S. 12-28.

445

Zu Carions Vorhersage für 1789 s. S. 216, Anm. 246 dieser Arbeit.

446

Vgl. Jona 3,1-11.

279

sonst eher als autonom gedachten Naturprozeß als Sonderfall deklariert, beschreitet Seitz ebenfalls in der Naturphilosophie andere Wege. 447 Doch auch wenn die Astrologen keine so gefährlichen Pfade betraten, sondern sich durch den Bezug auf die Allmacht Gottes abzusichern suchten, bot die Astrologie zahlreiche Angriffspunkte, denn die konkrete Auslegungspraxis widersprach oft diesem Postulat. Kritik traf seit jeher die 'judiziarische Astrologie', die eine Deutung der Gestirnskonstellationen vornimmt, um ein möglichst detailliertes Zukunftsbild zu entwerfen. Diese Intention mußte jedoch in Konflikt mit der christlichen Annahme einer göttlichen Vorsehung geraten. Wenn Tannstetter und Apian nur ganz allgemeine Vorhersagen abgeben wollen und Tannstetter gar Könige und Fürsten aus der Prognose ausgeklammert sehen will, sind dies Reaktionen auf kritische Einwände. Tannstetters Einschränkung verweist darüberhinaus auf ein weiteres Problem, das den gesamten Flugschriftenstreit durchzieht: die Entscheidung zwischen den Lehren der arabischen oder griechischen Astrologie. Die arabische Konjunktionentheorie, 448 im 12. und 13. Jahrhundert über Spanien in Europa bekannt geworden und noch im 15. Jahrhundert im Druck verbreitet, rief zahlreiche Traktate über 'Große Konjunktionen' hervor, u.a. auch die Schriften Lichtenbergers und Middelburgs. Dieser Theorie hatte sich auch Pierre d'Ailly bei seiner Chronologie der Heilsgeschichte bedient. Er hatte damit zwei Denkformen zu einer Synthese bringen wollen, die sich in ihren Grundannahmen logisch widersprechen, wie Pomian zeigt. So seien christliche Heilsgeschichte und astrologische Geschichtstheorie auf der Grundlage der Konjunktionentheorie zwar beide "theology of history",449 da sie den Ansatzpunkt für das Verstehen der Geschichte außerhalb der menschlich-irdischen Verhältnisse suchen. Doch ansonsten ist nach Pomian Astrologie als Geschichtstheorie logisch unvereinbar mit der christlichen Heilsgeschichte 4 5 0 Diese werde als unwiederholbar, linear und zielgerichtet gedacht, astrologisch strukturierte Profange-

447 Ähnliche Gedanken finden sich bei Konrad von Megenberg. Vgl. Blank, Mikro- und Makrokosmos. Zu den verschiedenen Theorien über die Wirkungsart des planetaren Einflusses s. John D. North: Celestial Influence - the Major Premiss of Astrology. In: Zambelli, Astrologi, S. 45-100. 44S Vgl. zu einem der Hauptvertreter dieser Theorie, Messahalla: Edward S. Kennedy, David Pingree: The Astrological History of Masha'allah. Cambridge, Mass. 1971. 449 Pomian, Astrology, S. 30. 450 "... that astrology was a coherent chronosophy and more specifically: a naturalistic theology of history opposed to and logically incompatible with its theocentric variant." Pomian, Astrology, S. 32. Zu diesem Thema vgl. auch Tullio Gregory: Temps astrologique et temps chictien. In: Le temps chrtien de la fin de 1'antiquitC au Moyen Age. 3.-13. siecles. Paris 1984 (Colloques internationaux du CNRS 604), S. 557-574; John D. North: Astrology and the Fortunes of Churches. In: Centaurus 24 (1980), S. 181-211.

280

schichte dagegen als zyklische Wiederkehr des Gleichen. Betone das astrologische Denken das Sichtbare, Körperliche, Vielfältige als Nachweis der Wirksamkeit des örtlich fixierbaren planetaren Einflusses, so setze das christliche Geschichtsmodell dem das unsichtbare Prinzip Gott, das Streben nach spiritueller Einheit, den zeitlichen Ablauf als Weg einer als sinnvoll begriffenen Geschichte entgegen. Astrologisch gedeutete Geschichte dagegen könne zwar kausal verstanden, nicht aber als eigentlich sinnvoll begriffen werden.451 Werden auch die Veränderungen im Glauben dem göttlichen Heilsplan entzogen und in den zirkulären Ablauf des Weltgeschehens eingebunden, verliert der christliche Glaube seine Einzigartigkeit und die Rolle des Heilsbringers Christus wird gegenüber der Wirkung der Planeten herabgesetzt. Sowohl die aufkommende Kritik am Verfahren d'Aillys als auch die Angriffe auf die arabische Konjunktionenlehre durch Nifo und Pigghe muß vor diesem Hintergrund gesehen werden, auch wenn sie nicht alle Konsequenzen der arabischen Lehre antizipierten. Nifo und Pigghe hatten statt der Konjunktionentheorie die ptolemäische Eklipsentheorie favorisiert, die Sonnen- und Mondfinsternisse für bedeutsamer hält als die Planetenkonjunktionen, an die Eklipsen jedoch keine so weitreichenden Wirkungszusammenhänge knüpft. Andere waren ihnen gefolgt, z.B. Tannstetter, Apian und Ransmar, doch gab es auch entgegengesetzte Optionen im Sintflutstreit. Dementsprechend konstatiert Egidius Camillus - der sich selbst für die griechische Lehre ausspricht - die Astrologen gehörten "zweyley sect als Arabs vnd Kriechen" (A2a) an. In der Tat entwickeln Virdung, Stöffler oder Copp ihre bedrohlichen Prognosen anhand der Konjunktionentheorie und beziehen sich auch offen auf arabische Autoritäten wie Albumasar oder Messahalla. Fundamentaler noch waren die Angriffe derjenigen, die die Astrologie insgesamt für unvereinbar mit den Lehren Christi hielten. Die Zukunftsdeutung auf der Grundlage des 'Buchs der Natur' und dessen 'Schrift',452 den Gestirnsständen, konnte auch dann als Widerspruch zur 'Heiligen Schrift', der Bibel, gelten, wenn mit Bezug auf sie angeführt wurde, es stehe dem Menschen nicht zu, die Zukunft zu kennen, andernfalls hätte Gott sie ihm enthüllt. Als Verteidigung suchen die Astrologen ihrerseits nach biblischen Belegen für die Berechtigung der Astrologie. Immer wieder wird der Psalm 19,2 zitiert: "Die hymel offenbarn dy glori gottes: vnd dy werck seiner hend verkundt das firmament" (A2b), heißt es bei Apian in seiner 'Praktica' für 1524, der damit zu beweisen sucht, daß die Astrologie gottgefällig sei, weil sie Gottes unsichtbares Wesen und sein Wirken an seiner Schöpfung deutlich mache. Mit Bezug auf den Apostel Paulus bezeichnet er die Astrologie sogar als eine göttliche Kunst. Zusätzlich nennt Copp den

451 Vgl. Pomian, Astrology, S. 38f. 452 Zur Schriftmetapher vgl. Blumenberg, Lesbarkeit.

281

Stern von Bethlehem als Beweis dafür, daß Gott seinen Willen durch Himmelserscheinungen kundtue. 453 Die zwiespältige Einschätzung der Astrologie zeigte sich außerdem an dem Verhältnis der Päpste zu ihr. Viele der Renaissance-Päpste standen ihr keineswegs ablehnend gegenüber und wollten selbst auf die Prognosen kompetenter Astrologen nicht verzichten, wie das Amt des Astrologen am päpstlichen Hof zeigt, obwohl das 5. Lateran-Konzil (1512 - 1517) die Konkretisierung von Prophetien untersagt hatte. 454 So behauptete die Astrologie einen festen Platz in der Lebenswirklichkeit des 16. Jahrhunderts, blieb aber weiterhin umstritten. Auch die weltliche Obrigkeit schritt zuweilen gegen den Druck von Praktiken ein, dabei aber mehr um Störung der öffentlichen Ordnung besorgt 4 5 5 Auf eher pragmatischer Ebene liegen Klagen wie die des Humanisten Nachtigall, die Vorhersage der Zukunft schade eher als daß sie nütze. Die Astrologen revanchierten sich mit Beteuerungen, sie hätten nur den 'gemeinen Nutzen' vor Augen, insbesondere durch die Warnung vor künftigen Gefahren. Gerade die Vorhersage einer Sintflut gab für sie eine überzeugende Rechtfertigung ab, konnten sie sich zudem als 'Aufklärer' des Volkes sehen, denen es um die Beseitigung unnötiger Befürchtungen gehe. Ob sie eher Gefahren beschworen oder Tröstungen anboten - die Astrologen, das muß betont werden, verstanden sich selbst als gute Christen, die ihre Pflicht erfüllen, indem sie eine Gabe anwenden, die ihnen Gott verliehen habe. Copp etwa schreibt in seiner 'Practica' für 1524: "Darumb hoffe ich es werde mir nyemant auß den weysen vorargen dz ich mich mit dem vertrauten pfundt meinem herra zu wuchern vnterstee / nach dem als er mir beuolhen hat..." (A4a). Gerade die Verkündung künftiger Schrecken war für den Appell an eine moralisch-religiöse Erneuerung einsetzbar: Je deutlicher dem Leser eine bedrohliche Zukunft vor Augen gestellt wurde, um so eher mußte dieser zur Buße bereit sein und seine Sünden bereuen, die Stärke seines Glaubens unter Beweis stellen. Ob die

453

Vgl. Copp, Practica Teutsch, o.O. (1523) (Alb).

454

Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 139.

455

Vgl. z.B. Gisela Ecker: Einblattdrucke von den Anfängen bis 1555. Untersuchungen zu einer Publikationsform literarischer Texte. 2 Bde. Göppingen 1981 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 3141 und Π), S. 70-87, besonders eine Bestimmung des Nürnberger Rats vom 27.11.1520: "Darbei ist ertailt, der puchdrucker pflicht zu pessern, das sy hinfüro kein practica oder almanach unbesichtigt der figuren drucken sollen." Zit. nach Ecker, Einblattdrucke, S. 77. Aus diesem Ratsverlaß geht die Bedeutung hervor, die die Zeitgenossen den Holzschnitten (den 'Figuren') der Praktiken zumaßen. Zu Zensurbestimmungen allgemein s. Ulrich Eisenhardt: Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (1496-1810). Karlsruhe 1970. (Studien und Quellen zur Geschichte des deutschen Verfassungsrechts. Reihe A: Studien. Bd.3).

282

Autoren der Sintflutschriften der katholischen Kirche oder der Reformation den Vorzug gaben, hierin waren sie sich einig. Ihr Bußappell erhielt besondere Dringlichkeit durch die Ankündigung eines nahen Weltendes, womit die Autoren in der Tradition eines weit verbreiteten prophetisch-apokalyptischen Schrifttums wie etwa den Werken von Lichtenberger und Grünpeck stehen. Doch hier ergaben sich gleichfalls Angriffspunkte, ähnlich wie bei der Sintflutprognose: Je genauer der Astrologe meinte, den Zeitpunkt des Weltendes vorhersagen zu können, umso eher geriet er in Konflikt mit der Bibel, die lehrt, daß der Mensch nicht wisse, wann das Reich Christi anbrechen werde. 456 Darüberhinaus widersprach die Vorhersage eines Weltuntergangs durch eine Sintflut den Bibelworten, wonach das Weltende von einem großen Feuer begleitet sein würde. 457 Schon Nifo und nach ihm Virdung hatten darauf bestanden, während es wieder Seitz ist, der sich darüber hinwegsetzt. Andererseits beziehen sich die Astrologen auf die Stellen des Evangeliums, die von den Zeichen der Endzeit berichten und meinen, daß sie zu ihrer Zeit bereits erfüllt seien. 458 In ihren Rechtfertigungen und Klagen über Anfeindungen spiegeln die Sintflutschriften die Kritik an der Astrologie und die Gratwanderung der Astrologen zwischen Rechtgläubigkeit und Ketzerei. Auf der Basis astrologischer Schlußfolgerungen bewegen sie sich alle, auch wenn Veit Bild oder Conradus Gallianus dem Gebet und dem festen Glauben an Gott eindeutig den Vorrang vor den Wirkungen der Gestirnskonstellationen einräumen. 459 Nachtigall äußert zwar kritische Worte, aber der 'gute Zweck' - die Beruhigung der Bevölkerung - läßt ihn auf eine astrologische Schrift zurückgreifen. Doch da trifft die astrologischen Praktiken gleich welcher konfessionellen Zielrichtung plötzlich eine öffentliche Kritik, die sich nicht mit inhaltlichen Kontroversen aufhält, sondern in einer Flugschriftenkampagne die Nichtigkeit der Astrologie und besonders der Sintflutprognose behauptet. Evangelisch gesinnte Männer greifen jetzt mit 'Gegenpraktiken' in die Sintflutdebatte ein, um sie ad absurdum zu führen und damit

456 457

Vgl. z.B. Matth. 24, 42. Vgl. 2 Petrus 3, 7: "Caeli autem, qui nunc sunt, et terra eodem verbo repositi sunt igni, servati in diem iudicii ab perditionis impiorum hominum." Bei Luther wird diese Stelle heißen: "Also auch der Himel jtzund vnd die Erde, werden durch sein Wort gesparet, das sie zum fewr behalten werden, am tage des gericht vnd verdamnis der gottlosen Menschen." Vgl. auch 2 Petrus 3, 10. Hier verbinden sich die Vorstellung vom Weltende durch ein Feuer mit der Betonung der überraschenden Ankunft des Jüngsten Tages.

458

Vgl. etwa Lukas 21,5-36; Matth. 24,1-36 und Mark. 13,1-32.

459

Zu Bild vgl. S. 255ff. dieser Arbeit, zu Gallianus S. 206ff.

283

zum entscheidenden Schlag gegen die Sternenfurcht auszuholen. 460 Sie bündeln im wesentlichen die schon vorher geäußerten Kritikpunkte an der Astrologie. Dabei mußten reformatorische Überzeugungen nicht von vornherein die Ablehnung der Astrologie mit sich bringen, wie schon das große Interesse, das Melanchthon der Astrologie entgegenbrachte, zeigt. Im "Chronicon Carionis" unternahm Melanchthon noch einmal den Versuch, astrologische Geschichtsperiodisierung und christliche Heilsgeschichte miteinander zu verbinden. 461 Von Spalatin ist gleichfalls bekannt, daß er astrologische Prophetien interessiert zur Kenntnis nahm: Unter seinen Papieren befand sich die Abschrift einer Prophetie für 1521, die alle wesentlichen Punkte der Vorhersage für die 'Große Konjunktion' enthielt, dazu von 'falschen Propheten' sprach, vom Antichristen und dem Schwinden der päpstlichen Macht. 462 Die Schriften von Gengenbach, Seitz, Gallianus und Copp könnten deutlich ausweisen, daß astrologische Prophetien den Zwecken der Reformationspropaganda dienstbar gemacht wurden. Spalatins astrologischer Ratgeber Volmar beschränkt sich zwar auf Vorhersagen allgemeinster Art, doch bleibt er als Mathematiker - trotz reformatorischer Gesinnung - bei der Anfertigung von Praktiken, was sich aus seiner Verpflichtung als Universitätsprofessor ergab. Eine Koppelung von astrologischer und reformatorischer Argumentation entsprach jedoch keineswegs den Intentionen Luthers, der, anders als Melanchthon, 463 sich zur Sintflutdebatte geäußert hat. Sein Beitrag zur Sintflutdebatte ist in seiner Predigt zum 2. Adventssonntag 1522 zu erblicken, in der er seinerseits die Bibelstelle Lukas 21, 25-36 auslegt und die Grundsätze für eine nach seiner Meinung wahrhaft evangelische Auffassung vom Jüngsten Tag entwickelt sowie von den Zeichen spricht, die ihn ankündigen sollen. Im folgenden sollen seine eschatologische Predigt, die in zahlreichen Drucken verbreitet wurde, sowie die evanglischen 'Gegenpraktiken' analysiert und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden.

460

Zu diesen Schriften vgl. Cantimori, Note; Ginzburg, Nicodemismo, S. 28-44; RobinsonHammerstein, Battle, S. 140-151.

461

Vgl. Maurer, Melanchthon; Stefano Caroti: Melanchthon's Astrology. In: Zambelli, Astrologi, S. 109-121; für die spätere Zeit: Julius Rauscher: Der Halleysche Komet im Jahre 1531 und die Reformatoren. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 32 (1911), S. 259-276; Ziegler, Chronicon Carionis.

462

Vgl. Kapp, Nachlese, S. 511-514. Dort heißt es u.a.: "Ut credam intra biennium aut triennium vel etiam plurium annorum spatium, Regnum Papisticum interiturum." Der anonym bleibenden 'Mathematiker' bezieht sich explizit auf Lichtenberger. Zu Spalatin vgl. Irmgard Höss: Georg Spalatin and the Astrologers. In: Zambelli, Astrologi, S. 123-127.

463

Vgl. Caroti, Astrology, S. 110. "... in Melanchthon's correspondence unfortunately there is not an explicit evidence of his envolvement in the quarrel on the Flood foretold for 1524 ...".

284

Bereits im Vorfeld der Sintflutdebatte hatte sich jedoch der erste Schlagabtausch zwischen den Befürwortern und den Gegnern der Astrologie ereignet. Luthers Astrologiekritik in seiner Auslegung der Zehn Gebote, die Verteidigung der Astrologie durch den Straßburger Astrologen Lorenz Fries sowie Pamphilius Gengenbachs Attacke gegen den Straßburger zeigen die Kernpunkte der reformatorisch motivierten Astrologiekritik und bilden gleichzeitig den Bezugsrahmen für die evangelischen Schriften gegen die Sintflutprognose, so daß diese Schriften zuvor angesprochen werden sollen. Bereits 1517 und damit zu einem sehr frühen Zeitpunkt hat Luther in seinen Predigten zur Auslegung der Zehn Gebote, die unter dem Titel "Decern Praecepta Vuittenbergensi predicata populo" bzw. "Der Zehen gebot ein nützliche erklerung" 1518 gedruckt wurden und aus denen eine Kurzfassung, "Die zehen gepot gottes. mit einer kurtzen außlegung", ebenfalls 1518 gedruckt, hervorging, unmißverständlich Kritik an der Astrologie geübt. 464 In der Charakterisierung von Verhaltensweisen, die als Übertretung der jeweiligen Gebote anzusehen sind, ist für Luther der Glaube an die Astrologie oder das Ausüben von astrologischen Praktiken ein Verstoß gegen das erste Gebot, gleichzusetzen mit Zauberei, Schwarzkunst, magischen Praktiken wie Kräuter- und Wettersegen, Wünschelrutengehen oder Weissagungen aus der Kristallkugel.465 Sie gilt ihm zuallererst als unchristliche 'Kunst', mit den Aussagen der Bibel sei sie nicht vereinbar. Als Aberglauben werde sie etwa bei Jeremias 10,2 oder 5 Mose 18, 9-14 466 bezeichnet; sie sei schon deshalb abzulehnen, weil es dem Menschen geboten sei, nur Gott gehorsam zu sein und darauf sein Leben und sein Verhalten zu 464

Zur lateinischen Fassung vgl. Benzing Nr. 192-196, zur deutschen Übersetzung von Sebastian Münster Benzing Nr. 197-201. In: Josef Benzing, Lutherbibliographie. Verzeichnis der gedruckten Schriften Martin Luthers bis zu dessen Tod. Bearb. in Verb, mit der Weimarer Ausgabe unter Mitarb. v. Helmut Claus. Baden-Baden 1965 (Bibliotheca bibliographica Aureliane 10,16,19). Die lateinische Fassung ist abgedruckt in WA, Bd. 1, S. 398-521; vgl. zum 1. Gebot, S. 398-430. Zur Kurzfassung vgl. Benzing Nr. 115-124. Die Kurzform der Gebotsauslegung wurde auch mit zwei anderen Stücken zusammen gedruckt, einem über den Glauben und einem über das Vaterunser. In dieser Form, die 1520 als Druck erschien, ist die kurze Gebotsauslegung abgedruckt in WA, Bd. 7, S. 204-214.

465

Wörtlich lautet Luthers Bestimmung der Übertretung des 1. Gebots in der Kurzfassung: "Widder das Erst. Wer yn seyner widderwertickeit zeuberey, schwartzkunst, teufels bund gnoßen sucht. Wer brieff, zeychen, kreuter, worter, segen und des gleychen gebraucht. Wer wunschrSten, schatzbeschwerungen, cristallen sehen, mantell faren, milchstelen übet. Wer seyn werck und leben nach erwelten tagen, hymels zeychen unnd der weyßsagera duncken richtet. Wer sich selb, seyn vich, hauß, kinder und allerley gut vor wulffen, eysen, fewer, wasser, schaden mit ertichten gebeeten segenet und beschweert." Zit. nach WA, Bd. 7, S. 207.

466

Vgl. Anm. 458.

285

zu richten. Es könne außerdem kein Heiliger genannt werden, der sich astrologischer Vorhersage bedient habe. Eine Gefahr sieht Luther auch in der Möglichkeit, sündhaftes Verhalten des Menschen durch den Einfluß der Gestirne erklären und rechtfertigen zu wollen, so daß die Verantwortung des Menschen für seine Handlungen nicht mehr gewährleistet sei. Das menschliche Leben ist nach Luther durch die Erbsünde bestimmt. Sünde entstehe im Inneren des Menschen, nicht durch äußere Einflüsse. Ironisch fragt Luther, unter welchem Sterneneinfluß Adam und Eva wohl gestanden hätten. 467 Sein besonderer Tadel gilt jedoch der Tagewählerei, d.h. der aufgrund von Gestirnskonstellationen getroffenen Festsetzung der richtigen Zeit oder der Vorhersage von Glücks- und Unglückstagen. Luther nennt vor allem die 'ägyptischen Tage'. 468 Auch für die Medizin lehnt er die astrologische Zeitwahl ab. Der Tagewählerei entgegenzuwirken war sein besonderes Anliegen, denn diese astrologische Praxis, die besonders populär war, 469 erwähnt er explizit in der deutschen Kurzform der Geboteauslegung als Verstoß. Luthers Astrologiekritik trat in einer 'Schirmrede', die 1520 bei Grüninger in Straßburg gedruckt wurde, der Astrologe Lorenz Fries entgegen 4 7 0 In seiner 'Schirmrede' wendet sich Fries gegen die Verachtung der freien Künste und der Naturphilosophie, der er "widerüb zu liecht hülfe" (A2a) will. Er beschwert sich vor allem über die Kritik an der Astrologie, wie sie von ungebildeten Geistlichen geübt werde: "... ettliche geistlichen so sye ir zeit in spil gibtt / wucher vnd Üppigkeit verzert / nit fil die heiligen geschrifft angesehen / kumment sie vff die cantzel vnnd vernichten dise kunst / wie wol sie nit wyssend ob sie bitter od süeß ist / Ettliche dieser guten einfeltige herre ... verachtent die instrumet der astronomy... vnd sagent es sei abgottery..." (A2b)

(

Neben der Ungebildetheit nennt Fries auch Wucher, Verschwendung sowie Spielsucht und wiederholt damit gängige Vorwürfe, wie sie die Kritik am katholischen Klerus charakterisierten. Die Bezeichnung der Astrologie als unchristlich durch Geistliche, die sich selbst derartig diskreditiert haben, kann nicht ernstgenommen werden - diese Schlußfolgerung unterstellt Fries' Argumentation. Gewichtiger erscheinen ihm da schon die Vorwürfe Martin Luthers, den er immer467

Vgl. Martin Luther: Decern praecepta Wittenbergensi praedicata populo. Wittenberg, J. Rhau-Grunenberg 1518. Nach WA, Bd. 1, S. 422f.

468

Zu den 'ägyptischen Tagen' s. den Art. von Jungbauer in: Handwörterbuch, Bd. 1, Sp. 223226. Es handelt sich um eine Tagesfestlegung aus römischer Zeit; die entsprechenden Tage galten als Unglückstage.

469

Vgl. dazu Keith Thomas: Religion and the Decline of Magic. Studies in popular beliefs in 16th and 17th century England. London 1971.

470

286

Fries, Schirmred, Straßburg 1520.

hin als "hochgelert" (A3a) bezeichnet. Von der Astronomie und den Astrologen dagegen verstehe er gar nichts, hält Fries Luther vor, dies zeige sich schon an der Kritik an den 'ägyptischen Tagen'. Nach dieser Regel richte sich kein Astrologe, verwende zur Zeitwahl vielmehr die Mondphasen und die Aspekte der Planeten. Die Notwendigkeit der astrologischen Zeitwahl für die Medizin sucht Fries in zahlreichen Zitaten von Galen, Hippokifctes u.a. nachzuweisen. Vor allem aber den Vorwurf, eine unchristliche Kunst zu betreiben, will Fries entkräften: "... meinstu das die Astrologi thuendt wie die reblüwt welche sant vrban für ein andern Bachum vffgeworffen / Nein für war dise kunst haltet sich allein zu dem waren gott / gibt dem selbigen allein er vnnd lob zu aller zeit..." (A4a) Die Unterordnung der Astrologie unter den Willen Gottes betont Fries hier, sich gleichzeitig von den Praktiken volkstümlicher Heiligenverehrung absetzend. Wie könne eine Kunst heidnisch sein, so fährt Fries fort, die nicht von Opfern, Feuern, Abgöttern, Gebeten oder Gelübden handele, sondern von den Gestirnen, den Vermittlern zwischen Gott und den Elementen. Auch die christliche Kirche richte sich nach ihnen bei der Festlegung der Feiertage. Schließlich führt er die Bibelstelle Lukas 21,25 als Legitimation an und fügt zahlreiche Zitate der Kirchenväter, vor allem aber römischer, griechischer und arabischer Philosophen an, die die Astrologie rechtfertigen sollen, vergißt auch die Erwähnung Melanchthons nicht, 471 wohl wissend, daß dieser zur Astrologie ein positives Verhältnis hatte. Mit seinen Nachweisen aus antiker und arabischer Tradition kommt Fries jedoch gerade dem Vorwurf Luthers entgegen, die Astrologie sei eine heidnische Kunst. Es ist eine genuin humanistische Argumentation, die £

.

Fries vorführt. Zu Beginn verknüpft er sogar eine mögliche "heimliche zerstorug d Christenheit" (A2b) an den Verlust von Wissen und Bildung. Er klagt: "... die quellen Homery / Virgily / Ouidii / Horatii / Juuenalis persy / Martia vnd ande seit auch ietz und nit luther. Niemäs begert dav5 zu trincke..." (A2a) Fries wiederholt die Forderung des Humanismus nach dem Studium der reinen antiken Quellen, das auch die moralische Besserung gewährleisten soll. Die Bibel ist für ihn in diesem Zusammenhang nur eine von vielen Quellen, sie behauptet keinen Vorrang vor der antiken Philosophie. Der reformatorische Zugriff Luthers bleibt ihm völlig fremd. In seiner 'Schirmrede' spielt Fries zusätzlich auf einen weiteren Gegner der Astrologie an, wenn er es nicht dulden will, daß "ettliche doren fastnacht spill" (A2b) die 'natürliche Kunst' verunglimpfen. Er meint hier das persönlich gegen ihn gerichtete Fastnachtsspiel 'Die Gouchmatt' von Pamphilius Gengenbach.

471

Vgl. Fries, Schirmred, Straßburg 1520 (B4b).

287

Die 'Gouchmatt' 472 ist ein moral-kritisches Stück gegen Unkeuschheit und Ehebruch. Umstritten ist, wann es aufgeführt und gedruckt wurde. Als einer der "geüch", die sich der Frau Venus ergeben wollen, wird ein Doktor vorgeführt, der sich im Laufe der Spielhandlung als Fries entpuppt. 473 Zunächst warnt der Narr, der in dem Stück den Standpunkt des Dichters Gengenbach vertritt, den Doktor, er solle sich vor Venus in acht nehmen, "das sie kein Esel auß dir mach" 474 doch der Doktor weiß sich aufgrund seiner astrologischen Kenntnisse gefeit. Aber nach der Begegnung mit Venus muß er gestehen" das ich vergeß gar dick der zeichen" 475 Aus seinem eigenen Munde erfolgt eine heftige Kritik an seinen Jahrespraktiken mit ihren konkreten Angaben zu Wetter, Ernte, Krieg und Unglückstagen. Nicht die Wissenschaft, sondern der "burenschu" und "fraw venus ars karben" 476 seien die Grundlage der Vorhersagen, die die Menschen nur betrübten. Mit Beschuldigungen fährt auch der Narr fort: Die Tagewählerei verstoße gegen Gottes Gebote und kirchliches Gesetz, womit der Beschluß des 5. Lateran-Konzils gemeint ist. Außerdem verweist der Narr auf die Gefahr, daß mit Hilfe der Astrologie jeder Sünder seine Vergehen den Gestirnskonstellationen zuschreiben könnte, also für sein Verhalten nicht persönlich einstehe. Er ruft die Geistlichkeit und die Obrigkeit auf, gegen die Astrologen aktiv vorzugehen und sich statt an arabischer oder griechischer Astrologie an der Bibel und Augustinus zu orientieren 4 7 7 Diese moralischen Lehren weist Fries jedoch verstockt zurück und fällt Venus als Beute zu, die ihn in einen Esel verwandelt, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß auch Aristoteles, Vergil, Salomon und David dieses Schicksal zuvor ereilte.47® Gengenbachs Astrologiekritik stimmt in großen Zügen mit der Luthers überein, was vermuten läßt, daß Gengenbach Luthers Auslegung der Zehn Gebote gekannt hat. Auch für ihn ist die Astrologie die heidnische Kunst, auch er sieht den

472

Pamphilius Gengenbach: Die Gouchmatt. Basel, P. Gengenbach o J . Abgedruckt bei Gengenbach, Werke, S. 117-152. Kommentar S. 615-617.

473

"Ich gloub worlich du seist der frieß / Der so vyl leüt thut widerdrieß." Zit. nach Gengenbach, Werke, S. 139, Zeile 837f.

474

Zit. nach Gengenbach, Werke, S. 138, Zeile 794.

475

Zit. nach Gengenbach, Werke, S. 138, Zeile 811.

476

Zit. nach Gengenbach, Werke, S. 138, Zeile 815; 819.

477

Vgl. Gengenbach, Werke, S. 141, Zeile 901-905. "Darum so laß alrucaba / Und dar zu auch alpheta / almarech vnd alchaioth Rasdagol vnd alioth / Die hoffnung setz allein in got."

478

Vgl. Gengenbach, Werke, S. 141, Zeile 930-939. Auch auf Virdung von Haßfurt wird angespielt. Vgl. S. 142, Zeile 953. Zur 'Gouchmatt' vgl. auch Günter Hess: Deutsch-lateinische Narrenzunft. Studien zum Verhältnis von Volkssprache und Latinität in der satirischen Literatur des 16. Jahrhunderts. München 1971 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 41), S. 294; S. 299.

288

Astrologen daraufhin als jemanden, der gegen die Gebote und die Bibel verstößt. Tagewahl und Rechtfertigung der Sünden aus den Sternen sind bei ihm gleichfalls die Hauptpunkte der Ablehnung der Astrologie. Geht man davon aus, daß Gengenbach sich an Luthers Geboteauslegung orientierte, so würde dies für die Abfassung des Stückes frühestens im Jahre 1520 sprechen, denn in diesem Jahr druckte Adam Petri in Basel Luthers Schrift. 479 Zusätzlich zeigt er den Astrologen als unmoralischen, weil unkeuschen Mann und als den eigentlichen Narren. Indem Gengenbach die Kritik an der Person Fries' festmacht, individualisiert er sie und gestaltet sie gleichzeitig im publikumswirksamen Fastnachtsspiel als Exempel für verwerfliches Verhalten. Der Basler Bevölkerung und darüberhinaus allen Lesern seines Stücks vermittelt er so die Haltung zur Astrologie, die mit der lutherischen Lehre übereinstimmt, indem er sie popularisiert. Schon bei Gengenbach wird dabei ein Gedankengang deutlich, der von Luther in seiner Adventspredigt weiter vertieft werden wird: Die antike Naturphilosophie hat nicht nur ihren Status als Autorität verloren, sondern sie wird zur unchristlichen Lehre, von der sich jeder wahre Christ abwenden muß. Gengenbachs Stück blieb nicht der einzige Angriff auf Fries. In der anonymen Spottschrift "Murnarus Leviathan",480 die sich auch gegen Fries' Freunde Murner und Weddelin richtet, wird Fries sein 'lächerliches Traktat' gegen Luther - die 'Schirmrede' - vorgehalten und er selbst als Häretiker und Nekromantiker 481 bezeichnet, der Christus zum Patron der Astrologie machen wolle, ein Hinweis auf die Inanspruchnahme des Lukaszitats für die Astrologie. Im Verlauf der Schrift soll Fries auf Bitten seiner Freunde den Gott der Unterwelt, Pluto, beschwören. Nach einer magischen Operation erscheint dieser auch und verwandelt Murner in den Leviathan und Weddelin in ein Schwein; Fries läßt er verschwinden. Durch Luthers Astrologiekritik fühlte sich der Astrologe Fries zum Widerspruch gereizt. In eine viel schwierigere Situation gerieten jedoch die evangelisch gesinnten Astrologen, die, wären sie Luthers Ansichten gefolgt, nicht nur das Verfassen von Praktiken und damit einen willkommenen Nebenerwerb hätten aufgeben müssen, sondern auch in eine Krise in bezug auf ihr Selbstverständnis als 479

Adam Petri gab eine deutsche Übersetzung, die von Sebastian Münster besorgt worden war, heraus. Vgl. Benzing Nr. 197. Petri druckte auch die Kurzfassung der Gebotsauslegung. Vgl. Benzing Nr. 117.

480

Anonym: Murnarus Leviathan, o.O.o.D.oJ. (Köhler FS 1405). Vgl. zur Schrift Hess, Nar-

481

Nekromantie oder Totenbeschwörung nennt man eine magische Handlung, die zu dem Ziel

renzunft, S. 145. unternommen wird, Tote zum Weissagen der Zukunft zu veranlassen. Hierbei werden Amulette, Gegenstände des Verstorbenen oder Leichenteile verwendet. Vgl. Rolf Gundlach: Art. Totenbeschwörung'. In: LThK, Bd. 10, Sp. 264.

289

Astrologen geraten wären. Sehr deutlich wird das Problem bei Gengenbach, der, sollte die Datierung der 'Gouchmatt' auf 1520 zutreffend sein, einerseits die Astrologie heftig kritisiert, andererseits in seinem Flugblatt zur Wiener Lichterscheinung von 1520 astrologisch argumentiert. Auch später hat Gengenbach diesen Widerspruch nicht völlig auflösen können. Der evangelisch gesinnte Copp gerät ebenfalls in Konflikte. In seiner ersten Schrift vom September 1522 hatte er durch den Bezug auf die Bibel, vor allem Lukas 21,25, noch einmal die Vereinbarkeit von Astrologie und christlichem, ja, evangelischem Glauben behauptet. In seiner zweiten Schrift zur Sintflutdebatte aus dem Jahre 1523 versucht er sich, auf Vorwürfe reagierend, abzusichern und zu rechtfertigen. Gleich zu Beginn verzichtet er bewußt auf die üblichen Hinweise auf Autoritäten der griechischen und arabischen Astrologie und führt nur Bibelstellen an: "Ich wolte dir hye auch wol vil haydnischer sprüch antzeyge / die do al bewera das man an den Sternen künftig ding erkenen mag / gedunckt mich aber nit von notten seyn / die weylen doch die grundtfest der angetzeygten schrifften starck genug ist." (A2b) Im Anklang an die evangelische Ersetzung der Jahresherrscher durch Christus nennt er zwar Jupiter und Venus als Gestirne, die Einfluß haben werden, fährt aber fort: "Aber mein freüntlicher leser / will ich dich gewarnet haben / das du nit meynen solt / das darüb herren diß Jars genant werden daß sie das Jar regieren / darüb solß auch weyt vö vns sein / das wir solliches glauben / dan der herr der die Planeten beschaffen hat regiert allein deßhalb / hutte dich das du nit meynst die Creatur regier / so doch der schopfer vil mechtiger ist dan die Creatur..." (A3b) Copp will hier klarstellen, daß Gott der Herr über die Natur ist, die Natur also nicht selbsttätig wirksam werden oder 'herrschen' kann. Schließlich will er alle Kritik ausräumen, wenn er den Jüngsten Tag für nicht vorhersehbar hält und seine Wetterprognose nur als Deutung der Gestirne, nicht aber als Urteil über Gottes Walten in der Natur verstanden wissen will.482 Einem Gegner der Astrologie werden aber diese Klarstellungen nicht genügt haben. Luther selbst hat nach seiner Rückkehr von der Wartburg am 7.3.1522 zunächst nicht in die Sintflutdebatte eingegriffen, diese aber schon im Januar 1521 durchaus zur Kenntnis genommen, wie ein Brief an Wenzeslaus Link vom 14.1.1521

482

"Es ist hye meyn meynung nit / das darumb alweg also müsse wittern / wie ich angetzeygt hab / sundern ich hab nur beschriben vnd eröffnet / was das gestirn außweyst / wie wol solliches got der almechtig / alweg nach seynem gStlichen willen wende mag." Copp, Practica Teutsch, o.O. (1523) (B2b).

290

bezeugt. 483 Auch die Wiener Himmelszeichen erwähnt er in einem Brief an Spalatin vom 19.3.1520.484 Seinen in den Formulierungen und in der Wirkung programmatisch zu verstehenden Beitrag zur Sintflutdebatte leistete Luther mit der Predigt zum 2. Adventssonntag 1522 über Lukas 21, 25-26. Seine wegweisende Stellungnahme zum Herannahen des Jüngsten Tages und zur Planetenkonjunktion im Jahre 1524 bot seinen Anhängern neben der Unterweisung im Glauben eine Orientierung im Meinungsstreit um die Sintflutprognose. Es muß daher überraschen, daß Luthers Predigt in den Beiträgen zur Sintflutdebatte keiner genauen Analyse unterzogen worden ist. Zwar zitiert Paola Zambelli eine Kernpassage der Predigt, läßt es jedoch dabei bewenden, ohne ihren Stellenwert im Gesamttext der Predigt anzugeben, sie zu erläutern oder die Predigt in den Zusammenhang mit anderen Schriften zur Sintflutdebatte zu stellen. 485 In ihrem Aufsatz über die evangelischen Schriften zur Sintflutdebatte untersucht auch Robinson-Hammerstein Luthers Predigt nicht näher, was zu manchen Fehleinschätzungen führt. 486 Schließlich fehlt in den Beiträgen über Luthers Verhältnis zur Astrologie von Ingetraut Ludolphy 487 und von Klaus Lämmel 488 jeder Hinweis auf die Adventspredigt. Die Predigt zum 2. Adventssonntag hat in drei verschiedenen Publikationsformen eine weite Verbreitung gefunden. Als Teil der "Adventspostille" erschien sie 1522 in Wittenberg und in Straßburg. Gemeinsam mit der "Weihnachtspostille" wurde die "Adventspostille" zweimal gedruckt: 1525 und 1526, beide Male in Wittenberg. Gemeinsam mit der "Weihnachts-" und "Fastenpostille" erschien sie bis 1540 fünfzehnmal und schließlich war sie auch Teil der "Winterpostille" mit ihren neunzehn Auflagen zwischen 1528 und 1552.489 Neben der Herausgabe in Luthers Postillenwerk existiert der Predigtdruck als Einzelschrift mit

483

Vgl. WA, Briefe Bd. 2. Nr. 367, S. 247f. "Tu vale, et ora pro verbo, videns rem tumultuosissimo tumultu tumultuantem; forte baec est inundatio illa praedicta anno 24. futura."

484

Vgl. WA, Briefe Bd. 2. Nr. 268, S. 72. "Nouas, scilicet flammas incendiaque, fertur apud te esse visiones Vienne visas in celo, quas opto videre & ipse, forte & mea tragedia in illis est, sicut fuit in prioribus."

485

Vgl. Zambelli, Introduction, S. lf.

486

Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 146f.

487

Vgl. Ingetraut Ludolphy: Luther über Astrologie. In: dies.: Was Gott an uns gewendet hat. Berlin (Ost) 1965, S. 46-65. Wenig Neues bringt dies.: Luther and the Astrologers. In: Zambelli, Astrologi, S. 101-107.

488

Vgl. Klaus Lämmel: Luthers Verhältnis zu Astronomie und Astrologie. In: Gerhard Hammer, Karl-Heinz zur Mühlen (Hgg.): Lutheriana. Zum 500. Geburtstag Martin Luthers von den Mitarbeitern der Weimarer Ausgabe. Köln, Wien 1984 (Archiv zur Weimarer Ausgabe der Werke Martin Luthers. Texte und Untersuchungen 5), S. 299-312.

489

Zu all diesen Drucken vgl. Benzing, Lutherbibliographie, S. 126-134, Nr. 1061-1133. S.a. WA, Bd. 10,1.2., S. XIV-XXXV.

291

dem Titel "Ein Christlich vnd vast wol gegriindte beweysung von dem Jüngsten tag / vnd von seinen zeichen / das er auch nit verr mer sein mag". Von dieser Schrift erschienen insgesamt mindestens acht Ausgaben. Vier Drucke stammen aus Augsburg von Melchior Ramminger und Jörg Nadler, dazu brachten je einen Paul Kohl in Regensburg, Jakob Schmidt in Speyer und Adam Petri in Basel heraus. Während diese letztgenannten Drucke alle 1522 publiziert wurden, gab Johann Loersfeld die Schrift 1524 in Erfurt heraus. 490 Darüberhinaus war ein Teil der Predigt in der Schrift "Ein Sermon / von der beschneydung am newen Iars tag: Item ain gaystliche außlegung der Zaichen in Son Mon vnnd gestirn" enthalten. Hiervon sind drei Auflagen ausgewiesen, sie alle sind 1524 erschienen und zwar bei Michel Buchführer in Jena, bei Jakob Schmidt in Speyer und bei Heinrich Steiner in Augsburg. 491 Da bisher keine Wittenberger Ausgabe der 'Christlichen Beweisung' und des 'Sermons' gefunden wurde, ist anzunehmen, daß Luther die Drucke nicht autorisierte. Die Zusammenstellung der Adventspredigt mit dem Sermon am Neujahrstag 1524 erscheint völlig willkürlich und erklärt sich wohl nur aus dem Heranrücken des kritischen Februartermins 1524, der dem Verkaufskalkül der Drucker eingab, Teile der Predigt Luthers nochmals zu drucken. Jedenfalls zeigt die Druckgeschichte der Adventspredigt, insbesondere außerhalb der Postillen als Einzeldruck vor dem Februar 1524, mit welch großem Interesse die Worte Luthers aufgenommen wurden, wie sehr man sich Orientierungshilfe durch sie erhoffte. Zu Beginn seiner Predigt zitiert Luther die gesamte Bibelstelle Lukas 21,25-36. Einleitend führt Luther aus, daß die Zeichen, die den Jüngsten Tag ankündigen sollen, nur von wenigen wirklich erkannt werden, denn in der Bibel heiße es einerseits, daß Zeichen gesehen werden, andererseits, daß der Jüngste Tag unversehens komme, da die Menschen die Vorzeichen nicht ernstnehmen, sondern weiterhin ein nur von weltlichen Genüssen diktiertes Leben führen werden. Hier sei eine Parallele zur Vorgeschichte der Sintflut gegeben: Bis zum Hereinbrechen der Katastrophe habe die sündige Menschheit die Bedrohung nicht wahrhaben wollen. Einige wenige werden jedoch die Zeichen des Jüngsten Tages erkennen und ihre Erlösung erwarten, betont Luther und fährt fort: "Ich will niemant zwingen noch dringen mir zu glauben / ich wil mirs aber auch widerumb niemant nemen lassen / dz ich halt / der jüngstag sey nit verr / bewegen mich eben dise zaichen und wort Christi."(A3a) Im folgenden zählt er die Aspekte des zeitgenössischen Lebens auf, die er für Vorzeichen des Jüngsten Tages hält: gesteigerte Erwerbstätigkeit und vermehr-

490

Vgl. zu den Ausgaben Benzing, Lutherbibliographie, S. 174f., Nr. 1488-1495.

491

Vgl. Benzing, Lutherbibliographie, S. 232f., Nr. 1990-1992. Vgl. auch Helmut Claus, Michael A. Pegg: Ergänzungen zur Bibliographie der zeitgenössischen Lutherdrucke. Im Anschluß an Benzing. Gotha 1982 (Veröffentlichungen der Forschungsbibliothek Gotha 20).

292

tes Streben nach Luxus, weltumspannender Handel, dazu Fortschritte in der Kunst, der Bildung und Wissenschaft. Dies alles wird Luther zum Zeichen des Jüngsten Tages, denn es zeige, daß die Sorge um die weltlichen Güter völlig überhand genommen habe. In diesem Zusammenhang erwähnt der Reformator auch "witze, vornunfft und verstand" (A3b) in der Christenheit und die neuen Erfindungen in Buchdruck und Kriegstechnik. Auch auf dem geistlichen Gebiet sei die Verirrung weit gediehen, vor allem seit der Verurteilung des Johannes Hus in Konstanz 1415. Es folgt eine vehemente Kritik am Papsttum, an Beichte, Sakramenten, Ablaß und kirchlichen Dogmen. Der katholische Klerus und mit ihm die Christenheit seien durch das Festhalten an der Scholastik 492 blind und orientierungslos geworden "biß auch der tod blind haid Aristo(teles) die Cristen leret vn regiert mer de Cristus selbs" (A3b). Schließlich zählt Luther verschiedene moralische Verfehlungen auf, die dem Klerus anzulasten seien. 493 Emphatisch setzt er dann den Papst mit dem in der Bibel (Matth. 24,15) angekündigten Antichristen gleich und bezieht gerade hieraus die Gewißheit, daß der Jüngste Tag bald kommen werde, denn das Papsttum zeige, daß nicht Gott, sondern der Teufel angebetet werde. Die "gaistlichen papisten" (A4a) aber wiegten sich weiter in Sicherheit und vermeinten, es werde alles beim alten bleiben. Im nächsten Teil der Predigt kommt Luther auf außergewöhnliche Himmelszeichen und ihre Bedeutung zu sprechen. Sonnen- und Mondfinsternisse hätten immer "ayn bedeytung ains grossen Vnfals" (A4b), wie die Chroniken zeigten. Obwohl sich gerade in den vergangenen Jahren die Finsternisse gehäuft hätten, würden sie nicht als Vorzeichen beachtet. In diesem Zusammenhang weist Luther die einseitigen Theorien der Astrologen zurück: "Darzu haben die Sternmeister vns gesagt / als den auch war ist / es gscheh solch ding auß natürlichem lauff des himels / vnd damit ist die Verachtung gesterckt / vn die sicherhait gemert. Aber nychts dester weniger rieht got also sein werck auß, ... es sey d' natürlich lauff am himel wie er wol / so seynt solche zayehen alle mal zaichen des zorns ..." (Bla) Finsternisse und Kometen seien zwar auch natürliche Erscheinungen, doch sie nur als solche anzusehen, unterstütze ein falsches Sicherheitsgefühl, hält Luther den Astrologen entgegen, stellvertretend vor allem dem "blindelaitter" Aristo492

Zu Luthers Verhältnis zur Scholastik s. z.B. Martin Brecht: Martin Luther. Bd. 1: Sein Weg zur Reformation 1483-1521. Stuttgart 19832, S. 160-172. Zur allgemeinen Orientierung Gerhard Ebeling: Art. "Luther, Martin' Theologie. In: RGG, Bd. 4, Sp. 495-520; bes. Sp. 501-504.

493

"Ich schweig auch hie / der groben sünde / als vnkeüschaitt / Mord / vntrew / geitz vn dergleichen / dan da ist kain schäm noch forcht meer / vnd geet im hSchsten." Luther, Eine christliche Beweisung, (Augsburg, Ramminger 1522) (A3b) (Benzing 1489). Nach dieser Ausgabe erfolgten die Zitate im Text.

293

teles, "der hohe schule narretreiber" (B1b). Demgegenüber besteht Luther auf der Vorzeichenbedeutung der Himmelserscheinungen. In der Erläuterung der Textstelle "Vnd auff erden getrenge der Volcker vor bekumernus" (B1b) schwächt Luther allerdings ab: Nicht alle Menschen werden in Angst leben, sondern nur wenige und es werde "nit gar alles vorkert werde" (B1b). Den Gedanken, vor dem Jüngsten Tag werde es zu einer Verkehrung aller Verhältnisse kommen, wie ihn z.B. Virdung vortrug, unterstützt Luther also nicht. Die Angst, die die Menschen befallen werde, dürfe keineswegs auf natürliche Ursachen zurückgeführt werden, wie es die tun, die Gott weniger als den Ärzten glauben und sagen, "Complexion unnd Melancoley" seien schuld oder die "planeten im himel" (B1b). Diese Gefühle entstehen dem Reformator zufolge vielmehr aus dem schlechten Gewissen und befallen gerade vernünftige und zarte Seelen, auch die vieler Frauen. Diese suchten sich durch Gelübde, Wallfahrten, Stiftungen, Kasteiungen oder gar den Eintritt ins Kloster zu retten, doch all dies nütze gar nichts. Luthers eigene Erfahrungen schwingen bei diesem Teil seiner Predigt mit. 494 Sich wieder Naturerscheinungen zuwendend, ordnet Luther den in der Bibelstelle genannten heftigen Wind und die rauschenden Wasser in die Skala der Vorzeichen ein und sieht eine außergewöhnliche Häufung dieser Zeichen sowie der Kreuzerscheinungen, Regenbögen, aber auch der Syphilis oder der 'Wundergeburt' aus dem Tiber (den Papstesel) 495 gerade in den letzten Jahren. Nun kommt Luther auf die Planetenkonjunktion 1524 zu sprechen. Die gesamte Schöpfung werde mit Vorzeichen den Jüngsten Tag ankündigen, auch der Himmel, führt er aus: Die Bibel spreche von der "bewegung der himlischen schar" (C1 a), was hiermit gemeint sein könnte, wisse er noch nicht, gibt Luther zu, doch er vermutet: 494

Neben der schon genannten Biographie von Martin Brecht über Luther, von der inzwischen zwei weitere Bände erschienen sind (Bd. 2: Ordnung und Abgrenzung der Reformation 1521-1532. Stuttgart 1986; Bd. 3: Die Erhaltung der Kirche. Stuttgart 1987) seien hier einige neuere Biographien genannt: Heiko A. Oberman: Luther. Mensch zwischen Gott und Teufel. Berlin 1982; Gerhard Brendler: Martin Luther. Theologie und Revolution. Eine marxistische Darstellung. Köln 1983; Bernhard Lohse: Martin Luther. Eine Einführung in sein 9 Leben und sein Werk. München 1982 ; Hans Mayer: Martin Luther. Leben und Glaube. Gütersloh 1982. Daneben s. zur älteren Literatur Art. 'Luther'. In: RGG, Bd. 4, Sp. 494f mit Literatur zum Leben Luthers und Sp. 516-520 zu seiner Theologie. Vgl. Luther, Eine christliche Beweisung, Augsburg 1522 (B3a).

495

Vgl. Luther, Eine Christliche Beweisung (Augsburg, Ramminger 1522) (B3a). Vgl. hierzu Philip Melanchthon, Martin Luther: Deutung der zwo greulichen Figuren Papstesels zu Rom und Mönchkalbs zu Freiberg in Meißen funde. o.O.o.D. 1523 (Weller 2511) (Wittenberg, J. Rhau-Grünenberg). Angabe nach Short-Title-Catalogue of Books printed in the German-speaking countries and German books printed in other countries from 1455 to 1600 now in the British Museum. London 1962, S. 611. Der Katalog verzeichnet vier Ausgaben.

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"... es were dan die grosse constellation der planetn die yetz eintreten wirt über zway jar / dan die planetn sind gewißlich von der himel krefften vn scharen / wol dz fiirnemest / vnd jre widerlich versamlüg ist ein groß gewiß zaychen über die welt."(C1 a) Und er fährt fort: "Darumb ich darauff stee das der himlischn schare be-bewegüg (!) sey gewißlich die zukünftige cöstellacion d'planettii / darüber die stern meister sagen / es sol ein sindtfluß bedeütten got geb dz der jungstag sey / welchen sy gwißlich bedeütet." (CI a) Die Planetenkonjunktion wird Luther zum bedeutenden Vorzeichen der Endzeit; auch er - wie die Astrologen - sieht in ihr eine außergewöhnliche Erscheinung. Der Sintflutvorhersage schließt er sich jedoch nicht an - das hätte eine Anerkennung der astrologischen Begründung der Vorhersage bedeutet - er nennt sie lediglich. Für Luther ist die Sintflut nicht als begleitende Katastrophe endzeitlicher Geschehnisse denkbar, dies wird am Ende seiner Predigt deutlich, wo er betont, es werde am Jüngsten Tag alles durch Feuer geschmolzen werden, wonach Himmel und Erde und die Kreatur neu erstehen werden. Dies bedeute auch, daß Himmel und Erde tatsächlich - nicht nur wesensmäßig, wie Aristoteles behaupte - untergehen werden. 496 Nach einer Erläuterung des Vorzeichencharakters von Erdbeben, Pest, Teuerung und Krieg gelangt Luther zu einem der wesentlichen Kernpunkte seiner Predigt: Die wahren Christen, wenn sie all diese Zeichen wahrnehmen, brauchen sich vor dem Jüngsten Tag nicht zu fürchten, er wird der Tag ihrer Erlösung sein, so verkünde es das Lukasevangelium. Statt also den Jüngsten Tag als den Tag des göttlichen Strafgerichts zu erwarten, könnten die wahren Christen, aber auch nur sie, ihm mit Freude begegnen, denn die wahrhaft Gläubigen, die in ihrem Leben Qualen wegen Anfechtungen und Verfolgungen leiden, werden von all dem Übel am Jüngsten Tag befreit werden. Zu verurteilen seien diejenigen, die die Menschen durch Schrecken fromm machen und zu guten Werken anhalten wollten. Für diese sei Christus nur der strenge Richter, während er für die anderen die Erlösung bedeute, zum Zeichen der Erlösung werde der Feigenbaum grün. Es sei eben ein Hinweis auf Verblendung und innere Verstocktheit, wenn die Furcht vor dem Jüngsten Tag vorherrsche, denn die wahren Gläubigen könnten sich ihrer Erlösung sicher sein. Relativierend fügt Luther jedoch hinzu, daß es besser sei, sich zu fürchten und sich an den Schöpfer zu wenden, als sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Mit dieser Auslegung der Lukasstelle tritt Luther einer Argumentation entgegen, wie sie gerade in den astrologischen Schriften verbreitet war: Sie malt die Schrecken des Weltendes und des Gerichts aus, um die Menschen zur Besserung anzuhalten. Die wahren Christen bedürfen 496

Vgl. Luther, Eine christliche Beweisung, (Augsburg, Ramminger 1522) (D2a).

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nach Luther derartiger Schreckensbeschwörungen nicht, was auch bedeutet, daß diese sich von den astrologischen Unglücksbotschaften nicht betroffen zu fühlen brauchen. Kraft ihres Glaubens sind sie vor den Vorhersagen der Astrologen und Propheten gefeit, müssen sich aber in gläubiger Wachsamkeit auf den Jüngsten Tag vorbereiten. Einer anderen populären Prophetie widerspricht Luther ebenfalls: Mit Bezug auf Johannes 10, "Es wirt eyn hirrte und eyn schaffstall werden" (D1a), behaupteten einige, vor dem Jüngsten Gericht würden alle Juden bekehrt werden. Das treffe nicht zu, vielmehr müsse das Volk Israel erhalten bleiben als Zeichen der Kreuzigung Christi. Mit diesen gegen die Prophetienliteratur gewendeten Ausführungen schließt der Hauptteil der Predigt. Im letzten Abschnitt gibt Luther schließlich eine allegorische Auslegung des gesamten Bibelwortes. Die Sonne sei Christus, der Mond die Kirche, die Sterne bedeuteten die Christen und der Feigenbaum die Heilige Schrift. Die Planeten aber seien die Prälaten. Diese hätten den Gottesdienst zum Götzendienst verkommen lassen, voll des "gaugkelwercks" (D2b). Die Sonne verliere ihren Schein, was heiße, daß Christus der Christenheit nicht mehr leuchte; daher gebe auch der Mond, also die Kirche, keinen Schein mehr und der Glauben verlösche. Die Finsternis in der Christenheit nehme überhand. Der Sternenfall bedeute den Abfall vor allem der Pfaffen und Mönche vom Glauben. Brausen von Wind und Wasser könnte als Uneinigkeit der am Eigennutz orientierten weltlichen Herrschaft gesehen werden. Danach kommt Luther nochmals auf die Planeten als "geystliche iunckern und tyrannen" (D3a) zu sprechen und deutet auch die Planetenkonjunktion allegorisch: "... nü aber dz Euangelium auf bricht / vn zayget in an jre tugent... dz es vngelerte gotzn vn seel verfurer sind / wellen sy zornyg werden / bewegen sych / vnd machen ein constellation tretten zusamen / wellens mit bullenn vnd papir schützen / drewen eine grosse sindtfluß / aber es wyll vnnd wirt sy nichs helffen der tag bricht an..." (D3a) In der allegorischen Deutung der Bibelstelle entsteht so zunächst ein negatives Zeitgemälde, das bestimmt ist durch die Verdunkelung der reinen Lehre, kirchliche Mißstände und Konflikte in der weltlichen Sphäre. Doch dann wendet sich die Sicht ins Positive: Im Zusammenhang mit der Planetenkonjunktion reflektiert Luther die Wirkung seiner Theologie. Durch sie trete das Evangelium wieder klar hervor und zeige an, daß die Führer der Kirche eigentlich Volksverführer sind. In einer Gegenreaktion versammeln sich die Entlarvten - hierfür steht die Planetenkonjunktion - und versuchen, durch Verbote und Verordnungen diese Entwicklung rückgängig zu machen. Hier spricht Luther sicherlich unter anderem die päpstliche Bulle "Exurge domini" an, die den Kirchenbann über ihn verhängte. Auch die Sintflutprophetie schreibt er nun der Papstkirche zu und erteilt damit der Prognose die deutlichste Absage. Er sieht sie auf einer Ebene

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mit kirchlichen Verboten; sie ist Menschenwerk und dient nur dazu, vom wahren Glauben abzulenken und Irritationen zu verursachen. All diese Maßnahmen und Versuche der Papstkirche, der Reformation entgegenzutreten, hält Luther für vergeblich, bedeuten sie doch, daß die Kirchenfürsten sich dem göttlichen Heilsplan entgegenstellen wollen, in dem, dessen ist Luther sich gewiß, die Durchführung der Reformation ebenso wie das baldige Nahen des Jüngsten Tags verankert sind. In Luthers Adventspredigt verbinden sich die Unterweisung in den Vorzeichen und der Bedeutung des Jüngsten Tages mit der Kritik an der Papstkirche, aber auch an der scholastischen Philosophie mit ihrem Bezug auf Aristoteles. Durchgängig in der Metaphorik wird die aristotelische Lehre mit dem Begriff der 'Blindheit' verbunden; wer sich an ihr orientiert, wird in die Irre geleitet. Dagegengesetzt wird das Licht des Evangeliums, das dem Gläubigen leuchtet und ihn zur Wahrheit führt. Ambivalenter dagegen erscheint Luthers Haltung zu Gelehrsamkeit und menschlicher Erfindungsgabe. Auch hier verwendet Luther noch die Lichtmetapher, was eine eher humanistische Auffassung signalisieren könnte, wertet aber gleichzeitig übergroßes Bildungsstreben als Zeichen der Verweltlichung des Lebens, da durch den Verstand allein der Mensch nicht zum Glauben finde. Die aristotelische Naturlehre verurteilt er vor allem wegen ihrer Reduktion der Himmelserscheinungen auf natürliche Ursachen, wobei er die Astrologie überhaupt mit dieser Anschauung gleichsetzt. Dadurch macht er sie zum Gegenpol einer theologisch - ethischen Erklärung der 'Zeichen' am Himmel, die die Gestirnskonstellationen, vor allem die Eklipsen oder Kometen, als Mittler des göttlichen Willens ansieht. In der eigenen Erwartung eines nahen Jüngsten Tages vermeint Luther, diese wie auch andere Erscheinungen in außergewöhnlicher Häufung wahrzunehmen und beharrt emphatisch auf ihrer Bedeutsamkeit, gleichzeitig Argumentationen ablehnend, die in beschwichtigender Absicht die Bezogenheit der Himmelserscheinung, der Planetenkonjunktion, auf den Jüngsten Tag leugnen. Mit dieser Ansicht vertritt er eine Gegenposition zu den Beruhigungsschriften von Tannstetter, Apian oder Middelburg, der ja versucht hatte, die Planetenkonjunktion ihrer Besonderheit zu entkleiden. Auf der anderen Seite verurteilt er aber auch jene, die, wie z.B. Virdung von Haßfurt, die zukünftigen Schrecken beschwören, um die Menschen zur Umkehr zu bewegen und setzt ihnen das wahre Christentum entgegen, das die Furcht des Gläubigen besiege. Im Gegensatz dazu zeichnen sich die 'Papisten' dadurch aus, daß sie sich entweder in zu großer Sicherheit wiegen, weil sie die Vorzeichen des Jüngsten Tags mißachten oder sich in übergroßer Angst vor dem Weltgericht befinden, das sie sich nur als Strafe Gottes denken können. Die Sintflutprognose selbst unterstützt Luther nicht - der Bibel entsprechend erwartet er ein Weltende, das durch Feuer herbeigeführt wird. Mit dieser Grundannahme ebenso wie mit der Ablehnung der Verkehrung der Welt vor

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dem Jüngsten Tag und der Errichtung einer weltumspannenden christlichen Kirche widerspricht Luther zentralen Aussagen der Prophetien. Indem er die Prognose mit anderen Maßnahmen der Papstkirche gleichsetzt, die die Verbreitung des neuen Glaubens hindern sollen, zeigt er zudem ihre Unvereinbarkeit mit reformatorischen Ideen und kennzeichnet sie als Irrlehre der 'Papisten'. Obwohl Luther die Schriften zur Sintflutdebatte nicht im einzelnen anspricht, kann seine Predigt doch einen Weg weisen, wie sich seine Anhänger zur Katastrophenprophetie stellen sollten. In diesem Sinne ist die Adventspredigt nicht nur Glaubensunterweisung, sondern auch Handlungsanweisung. Daß sie als solche gefragt war, zeigen die zahlreichen Auflagen des Einzeldrucks " Eine christliche Beweisung", der sich durch verschiedenartige Titelholzschnitte und einen eingeschobenen Zusatz zur Predigt auszeichnet. Der Zusatz enthält Ausführungen zum Jüngsten Gericht von Lactantius Firmianus, die dieser in seinem Werk 'Divinarum institutionum' um 310 n.Chr. niedergelegt hat. 497 Lactantius gibt an, daß, wenn das Ende der Welt nahen wird, der Zustand der menschlichen Gesellschaft sich zum Schlechteren wandeln werde. Ungerechtigkeit wird dann herrschen, Gotteslästerung, Geiz, Unkeuschheit, Verfolgung der Frommen, die in Armut leben müssen, während die schlechten Menschen reich sein werden. Statt Recht und Gesetz werde die Gewalt herrschen. Gegenseitiges Mißtrauen werde schließlich dazu führen, daß ein Land sich gegen das andere wende, so daß sich die Menschheit schließlich gegenseitig umbringen werde. In den wesentlichen Punkten - Unmoral, Aufruhr und Krieg - entspricht das Zukunftsbild des Lactantius, das dieser für die Zeit unmittelbar vor Eintreffen des Jüngsten Tags annimmt, der Zeitklage Luthers. Auch Luthers Hauptthema, die Zerrüttung des christlichen Glaubens, findet sich bei Lactantius als Gotteslästerung und Verfolgung der Frommen, so daß die 'Prophezeiung' des Lactantius wie eine Bestätigung der Aussage Luthers wirkt, daß der Jüngste Tag nicht mehr fern ist. Zukunfts- und Gegenwartbild orientieren sich dabei an den Worten des Lukasevangeliums, konkretisieren diese jedoch. Luther sieht die Verhältnisse seiner Zeit als aktuelle Erfüllung der Bibelworte; eine Deutung, die genau so immer wieder in den astrologischen Schriften auftaucht. Die 'Christliche Beweisung' hat in ihren acht Ausgaben mindestens drei verschiedene Titelholzschnitte aufzuweisen. Auf dem Titelblatt der Basler Ausgabe von Adam Petri 498 ist ein Holzschnitt abgebildet, der eine Verbindung zum Lukastext herstellen kann (Abb. S 37). Vor einem Baum in freier Landschaft befindet sich Christus mit den Aposteln. Christus, der links in vorderster Bildebene steht, deutet mit einer Handbewe497

Zu Lactantius vgl. den entsprechenden Artikel von Josef Martin in: LThK, Bd. 6, Sp. 726.

498

Luther, Eine christliche Beweisung, (Basel 1522). Der Holzschnitt stammt aus dem Plenarzyklus des Hans Schäufelein (Christus zeigt den Jüngern die Sterne). Vgl. Hieronymus, Buchillustration, S. 95, Nr. 120.

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gung auf Sonne und Mond am Himmel. Beide Gestirne sind von einer Strahlenaureole umgeben. Ein seitlich neben ihm stehender Apostel hat die Hände zum Gebet zusammengelegt. Christus blickt auf einen älteren, bärtigen Mann, der ihm gegenüber kniet und die Arme erhoben hat. Er trägt ein langes Gewand. Hinter dem Knienden sind ebenfalls auf der rechten Seite mehrere Apostel zu sehen, sie sind alle mit einem Nimbus versehen. Der vorderste von ihnen hat sich ein wenig zum knienden Mann herabgebeugt, seine Geste drückt seine Zuwendung aus. Unter dem Holzschnitt befindet sich ein Bibelzitat: Ό herr hilff vnns wir verderben. Mathey viii." Der Holzschnitt erinnert zunächst an das Schlußbild der Schrift von Conradus Gallianus. Auch dort ist Christus, in einer ähnlich gestalteten Landschaft stehend, mit den Aposteln abgebildet, auch dort weist er auf die Gestirne am Himmel (Vgl. Abb. S 11). Ergänzend zu dieser Darstellung zeigt der Holzschnitt der Luther-Schrift einen einfachen Gläubigen, der, offenbar geängstigt durch die' kräftig scheinenden Gestirne, in die Knie gesunken ist und um Gnade fleht. Christus ist ihm, nicht den Aposteln, direkt zugewandt und blickt ihn an, seine Handbewegung scheint so direkt auf den Geängstigten bezogen. Die Verbindung zwischen Christus und dem Gläubigen konstituiert so die Hauptbeziehung der auf dem Holzschnitt dargestellten Personen. Die stark herausgehobene Position des frommen Mannes wird unterstützt durch die Hinwendung des hinter ihm stehenden Apostels zu ihm. So suggeriert die Bildgestaltung, daß der sich vor den Gestirnen fürchtende Mensch Beistand bei Christus und den Aposteln finden kann, wenn er sie um Hilfe bittet; bei ihnen findet er Trost. Auch der biblische Bezug, der dem Holzschnitt beigefügt wurde, unterscheidet sich von dem des Holzschnitts bei Gallianus. Hatte dort Lukas 21, 26 das Bild begleitet, so unterstreicht im vorliegenden Holzschnitt die Erwähnung der Bibelstelle Matthäus 8,25 den abweichenden Akzent der Darstellung. Der größere Zusammenhang ist hier die Stillung des Sturms durch Christus. Er befindet sich mit seinen Jüngern auf einem Schiff auf hoher See, als sich ein Sturm erhebt. Die Wellen beginnen, das Schiff zu überspülen, so daß die Jünger sich fürchten. Christus aber bedroht die Elemente, die ihm gehorchen und zur Ruhe kommen. Wird nun diese Episode mit den Zeichen des Jüngsten Tags in Verbindung gebracht, so sind zwei Deutengen möglich. Entweder soll ausgedrückt werden, daß Christus die Gestirne so beeinflussen kann, daß sie keine Gefahr darstellen können, oder es wird betont, daß, auch wenn der Jüngste Tag kommen wird, der Gläubige sich nicht zu fürchten braucht, weil er bei Christus und den Aposteln Beistand finden wird. Besonders die zweite Deutung entspricht eher der Lutherpredigt, auch wenn Luther nur dem wahren Gläubigen den Jüngsten Tag als Erlösung vorstellt. Die beiden anderen Holzschnitte entsprechen weniger dem Predigttext. Beide greifen Motive des Jüngsten Gerichts auf (Abb. S 38). Der eine ist auf dem Ti-

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telblatt einer Ausgabe zu sehen, die bei Jörg Nadler in Augsburg gedruckt wurde und zeigt Christus als Weltenrichter. 499 Er thront auf dem Regenbogen, die Weltkugel zu Füßen, mit einem Mantel bekleidet. Seitlich an seinem Kopf sind Lilie und Schwert abgebildet. Seine Hände sind ausgebreitet; neben ihm stehen Maria und vermutlich Johannes. Ihm zu Füßen haben sich die Gräber aufgetan, eine Frau mit wallendem Haar und ein Mann steigen aus ihnen auf, die Auferstehung der Toten symbolisierend. Auch hier ist das Bibelzitat Matthäus 8, 25 ergänzt, das nun jedoch nicht mehr mit den Zeichen des Jüngsten Tages in Verbindung steht. Es drückt jetzt nur noch die Bitte an Christus um Errettung aus. Noch allgemeiner ist schließlich der dritte Holzschnitt (Abb. S 39), der sich auf dem Druck von Melchior Ramminger befindet. 500 In einer breiten Randbordüre mit Blumenornamenten ist Gottvater mit der Weltkugel in der Hand dargestellt. Mit der rechten Hand führt er eine segnende Gebärde aus, ihn umgeben vier Engel. Unten ist eine Plakette mit einem Kaiser oder König zu sehen. Es ist ein älterer, bärtiger Mann, im Profil gezeigt, mit einer Krone. Die Beschriftung auf der Plakette lautet "HAINRICVS"; eine Identifizierung mit einem bestimmten Herrscher ist nicht möglich. Wie schon erwähnt, wurde ein Teil der Predigt gemeinsam mit dem 'Sermon von der Beschneidung' zu Beginn des Jahres 1524 nochmals veröffentlicht. Bezeichnenderweise handelt es sich um den Schlußteil der Adventspredigt, die allegorische Deutung der Bibelstelle, die mit ihrer scharfen Papstkritik, aber auch der Gewißheit, daß das Evangelium siegen wird, eine gesellschaftsbezogene Interpretation darstellt. Zudem enthält gerade dieser Teil die Absage an die Sintflutprognose, so daß die allegorische Auslegung in prägnanter Form reformatorische Ermutigung und Orientierungshilfe im Streit um eine künftige Sintflut bietet, Grund genug für die Drucker, sie nochmals auf den Markt zu bringen. Wohl die extremste Gegenposition zu Luthers reformatorischen Anschauungen vom Primat der Bibel auch in Bezug auf die Astrologie bezieht Lorenz Fries, der in seinem 'Urteil' zur Sintflutfrage 501 seine Meinung noch schärfer akzentuiert als zuvor in der 'Schirmred'. Fries fühlt sich offenbar durch die Kritik an seinen Veröffentlichungen in die Enge getrieben: "... Ich hette schier anders geredt / wan ich nit besorgt man machte mir ein hurenwürtischen dialogum" (A2b). Mit seinem 'Urteil' lebt der Streit zwischen ihm und Gengenbach wieder auf und mündet direkt in die Sintflutdebatte, denn auch Gengenbach verfaßt seinerseits eine Stellungnahme zu dieser Frage. In der Vorrede des 'Urteils' zeigt sich erneut Fries' Empörung über die 'Gouchmatt', die offenbar 1522 nochmals in Basel aufgeführt worden war. Ihren 499 Luther, Eine christliche Beweisung, (Augsburg, Nadler 1522). 500 Luther, Eine christliche Beweisung, (Augsburg, Ramminger 1522). 501 Vgl. S. 257 dieser Arbeit.

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e — Verfasser nennt er einen "olschecklige hundßmuck" (A1b) und wirft ihm vor, er bereichere sich selbst an der Astrologie, kritisiere sie aber auf der anderen Seite, ohne selbst wirklich gebildet zu sein, denn er könne weder zählen noch messen. 502 Fries muß ein Druck der 'Gouchmatt' bekannt geworden sein, auf dem ein Holzschnitt zu sehen ist, den Gengenbach mehrfach verwendete:503 Er zeigt einen auf den Hinterbeinen stehenden Esel mit recht menschlichen Zügen, der in seinen Vorderhufen eine Sphära hält (Abb. S 41). Er ist das Abbild des von Venus in einen Esel verwandelten Astrologen - Fries selbst also ist hier gemeint.504 Entsprechend wütend reagiert Fries. Er frage sich, was dieser Esel bedeuten solle, vielleicht, daß Gengenbach sich auf die Astrologie verstehe wie ein Esel aufs Saitenspiel "Hastu lust so mach mir mer teütscher carmina / du teütscher wurst bub!" (A2a) ruft Fries seinem Widersacher erbost zu. Gleichzeitig liefert Fries seinem Kritiker erneut Munition, denn er beklagt sich über die unwissenden "warsager" (A2a), hier selbst Stöffler nicht ausnehmend, und die Panik, die sie durch die Sintflutprognose hervorgerufen hätten, will aber selbst zur Widerlegung der Prophetie nur das heranziehen, was "die Astronomy vnd natürlichen philosophy zu samen fugend / in welchen beiden die gottlich warheit stet. Hierumb will ich nichts schribe von der boßheyt der weit / nichts v5 dem regenboge / nichts auß der Bibly Sonders myne propheten sollen keine andern sein dan Ptolemeus / Albumazar vnd Aristoteles." (A2a/b) Über den Regenbogen habe Aristoteles ebenso Wichtiges geschrieben wie Mose, ergänzt er. 505 Mit dieser provokanten Bevorzugung der Naturphilosophie vor der Heiligen Schrift, der Behauptung, Astronomie und Astrologie entsprächen der göttlichen Wahrheit und der Ersetzung der biblischen Propheten durch die Autoritäten der griechischen und arabischen Naturlehre verstößt Fries gegen jede Absicherungsrhetorik der Praktikenschreiber, hierin allein mit Alexander Seitz vergleichbar. Schon die Gleichsetzung des Wahrheitsgehalts von biblischer Offenbarung und astrologischen Theoremen hätte Fries angreifbar gemacht, um wieviel mehr muß dies jetzt gelten, wo Fries die Bibel sogar hintanstellt! Unge-

502 Vgl. Fries, Urteil, (Straßburg 1523). Weiter führt er aus: "Doch so mich bedenck / so hat er die rechten bucher durch lesen / Nämlich den todtenfresser / das teütsch Benedicite / den Danhüser vn Dietrick von Bern." (Alb). Diese Lektüre scheint Fries für unqualifiziert zu halten. 503 Vgl. dazu Hieronymus, Buchillustration, S. 336-338, Nr. 325. Hieronymus beschreibt hier die Bilder der 'Gouchmatt', unter denen sich auch der Esel befindet und geht auf den Streit zwischen Gengenbach und Fries kurz ein. 504 Daß hier aber regelrecht das Gesicht des Astrologen abgebildet wird, wie Robinson-Hammerstein vermutet, halte ich für nicht zwingend. Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 142. 505 Vgl. Fries, Urteil, (Straßburg 1523) (A2b).

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wohnlich ist auch seine Definition vom Einfluß der Planeten. Seine Schrift beginnt mit den Worten: "Lob vnd ere sey de obersten gut / dem ewigen vnüberwintlichen herren aller ding / welcher alle ding auff diser zergengklichen erden / gebürt / enthaltet vnd zerstört durch die bewegung vnd das liecht der hymelschen corper...." (A1b) Der Autor besteht darauf, daß Gott nur über die Gestirne und deren Wirken Einfluß auf die Geschicke auf Erden nimmt; bei Fries erscheint nicht der Gedanke, daß Gott sich nach seinem Willen über die Gestirne hinwegsetzen kann. Außerdem bedeutet diese Formulierung, daß Fries die göttlichen Offenbarungen, die den Propheten zuteil wurden, leugnet, denn die Offenbarung wurde als unmittelbares, nicht durch die Gestirne vermitteltes Eingreifen Gottes in die Geschicke der Menschen gesehen. In der Nachfolge Lichtenbergers waren es drei Wege gewesen, die zum Erkennen der Zukunft führen konnten: Erfahrung, Sternenkunde und Offenbarung; auch von diesem Konsens sagt sich Fries los. Seine Absage an die biblische Prophetie folgt als Konsequenz aus dieser Grundannahme. Am Beispiel der Heilkunde konkretisiert Fries seinen ausschließlichen Bezug auf die Astrologie: "Ich erschrick auch wan ich sich eyn artzet der mer in Biblia liset dan in Hipocrate / vrsach das er ein todtschleger sein muß..." (A2b) Luther hatte die medizinische Astrologie kritisiert; Fries setzt dem einen extremen Widerspruch entgegen, wenn er den Arzt, der sich vornehmlich auf die göttliche Hilfe verläßt, einen Totschläger nennt. Einmal mehr ist es für Fries die Wissenschaft, die zum Wohl der Menschen führt. 506 Gegen das 'Urteil' des Astrologen verfaßt Pamphilius Gengenbach "Ein Christliche und ware Practica",507 ihr Titel gibt an, sie sei "wider ein vnchristeliche gotzlesterige vnware practica" gerichtet, "Welche ein Bomolochischer stlrnesäher hat lassen vßgon vff dz. M.CCCCCxxiiij jar. In der / er nit allein die menschen / sunder auch Gott / sine Propheten vnd die helge geschryfft gelestert vnd geschmicht hat." (A1 a) Schon der Titel formuliert den Hauptvorwurf Gengenbachs gegen Fries, nämlich den der Gotteslästerung und des Verstoßes gegen die Heilige Schrift 508 Wie 506

Vgl. zu diesem Thema den 'Spiegel der Arznei' von Fries. Vgl. Kap. 4.3.1., Anm. 263.

507

(Gengenbach), Practica, (Basel 1523). Gengenbach verfaßte eine weitere Practica unter dem Pseudonym 'Dr. Nemo': Practica zu teütsch, Basel, P. Gengenbach oJ. (Köhler FS 3137).

508

'Bomolochisch' erklärt Hellmann als aus dem Griechischen abgeleitet mit der Bedeutung "Lumpengesindel". Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 35.

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nicht anders zu erwarten, knüpft Gengenbach diesen Vorwurf an die Weigerung des Astrologen, sich auf die Worte der Bibel zu beziehen. Blasphemisch sei auch die Äußerung Fries', die Naturlehre und mit ihr die Astrologie vermittele die göttliche Wahrheit. Stattdessen warnt Gengenbach, die Philosophie, die er auch "kriechische hoffart" (A4b) nennt, könne mehr schaden als nützen; jeder solle sehen, "das eüch niemandt betrieg oder verfur durch die Philosophy ... Das vnß die Astrology vnd philosophy me füren in ein irrüg dan zu dem heyl der seien." (A4b) Um die Herrschaft Gottes über die Sterne zu betonen, verweist Gengenbach auf zahlreiche Bibelstellen, u.a. auf Jesaias 66,1: "Der hymel ist mein stul / vnd das ardttreich ist ein schamel meiner iSß" (A3a). Dieser Gedanke wiederholt sich, als der Autor auf die Planetenkonjunktion im Jahre 1524 zu sprechen kommt: "Dar by mag man wol abnemen / das dyse zusamenfugungen / nit stond in der anzeygung deß gestirns sunder in de gewalt gottes / welcher allein das gantz firmament rieht nach den sünde vn der büß." (Mb) Gott hat also angesichts der Sünde der Menschen die Sterne zu einer Konjunktion bewegt, nur ihm gehorchen sie damit, versichert Gengenbach, dem daran gelegen ist, gegen Fries die völlige Abhängigkeit der Natur vom göttlichen Willen zu bekräftigen. Dabei ist Gengenbach von den schrecklichen Wirkungen der Planetenkonjunktion überzeugt, denn er äußert sich wie Stöffler, den er vehement gegen Fries verteidigt. 509 Sodann referiert er die Meinung "etlich gotzforchtig Stirnen slher" (A2a), daß der Regenbogen die Gnade Gottes anzeige und daß eine zeitlich entfernte und örtlich begrenzte Flut zu erwarten sei. Gengenbach verwirft also keineswegs die Astrologie insgesamt, sondern differenziert zwischen gottesfürchtigen und Gott lästernden Astrologen. Diesen hält Gengenbach vor, sie hätten eine allgemeine Sintflut vorhergesagt, eine Beschuldigung, die zumindest nicht den Ausführungen Fries' entspricht. Gengenbach mag hier andere Autoren vor Augen haben; an Fries aber ist der Vorwurf gerichtet, mit seiner Vorhersage wiege er die Menschen zu sehr in Sicherheit, da er die Wirkung der Konjunktionen unterschätze: "wlrest du ein e e e ο — rachter starnesaher / so ermantest du das volck zu eir (!) waren penitetz / welche ein rechte hinderstellerin ist deß zorn gottes." (B2b) Nicht Beschwichtigung, sondern der Aufruf zur Buße kann nach Meinung des Basler Dichters die richtige Strategie in der Behandlung der Sintflutfrage sein, wobei er nicht hinzuzufügen vergißt, daß nur Gott allein genau wisse, was die Konstellation bringe. 510 Seinen Kontrahenten bezeichnet Gengenbach als einen Narren, der voller 509

Vgl. (Gengenbach), Practica, (Basel 1523) (A2b).

510

Vgl. (Gengenbach), Practica, (Basel 1523) (Alb).

303

Hochmut, dabei aber selbst ungelehrt sei, was Gengenbach ihm anhand eines Fehlerkatalogs nachzuweisen sucht. 511 Schon hier zeigen sich Gengenbachs fundierten Kenntnisse der Astrologie. Auch mit seinen eigenen Neigungen scheint sich der Autor daher auseinanderzusetzen, wenn er im folgenden die Überlegenheit der biblischen Prophetie über die heidnische Astrologie behauptet. Als Beweis führt er an, daß sich die Lehrer der Astrologie häufig widersprächen, was die gesamte 'Kunst' unglaubwürdig mache. 512 Unsinnig sei auch die Bestimmung des Charakters eines Menschen mit Hilfe seines Geburtshoroskops und die Stundenwahl für die Gebetszeit. Verweise auf Bibelstellen untermauern seine Verdikte. Besonders empört zeigt sich Gengenbach über Fries' Auslassungen zur ärztlichen Pflicht. Tod und Leben lägen allein in Gottes Hand, wer auf ihn vertraue, werde gesund. Hieran schließt Gengenbach sogar Vorhaltungen an die Eltern an, die ihre Kinder nicht genügend im Glauben unterweisen, sondern sie mit der unchristlichen Lehre der Astrologie bekannt machen. Die Stellungnahme zu den Aufgaben eines Arztes nimmt Gengenbach zum Anlaß, drei Gesichtspunkte zu nennen, nach denen sich ein gutes Stadtregiment richten soll: Neben einem weisen Rat, der die Ehre Gottes und den Nutzen seiner Untertanen berücksichtigt und einem gottesfürchtigen Arzt, der sich eher um den Glauben als um arabische Heilkunde kümmert, erwähnt Gengenbach auch einen getreuen Pfarrer, der seine Pfarrkinder fleißig über das belehrt, was Gott ihm befohlen hat. 513 Diese Überlegungen zur Ordnung eines Gemeinwesens machen den praktischen Bezug der Schrift aus, die nun in einem zweiten Teil unter dem Titel "Die ware Astrology" die Auseinandersetzung mit der Astrologie vertieft. Der Autor warnt hierin alle Christen vor dem Aberglauben der Astrologie, die in der Bibel als Versuchung bezeichnet werde. Die richtungweisende Botschaft seien dagegen die Worte Christi: "War mir nachfolgt der wandlet nit in der finsternüß" (B3a). Auch Gengenbach bezeichnet so Christus als das wahre Licht, das die Gläubigen aus der Finsternis befreit. Durch die Bibelworte bei Lukas 12 514 wissen die Christen über ihre Zukunft Bescheid, wie überhaupt die Heilige Schrift Klarheit über das menschliche Schicksal vermittelt. Wende man sich vertrauensvoll an sie, so könne es sein, daß der Jüngste Tag noch etwas herausgezögert werde, hofft Gengenbach, der nun fortfährt: "Also mein vßerwelte haben ir die erste figur der hyinelschen Astrology / vnd ist das Benedicite das vffstigend zeichen. Wo blybt do der 511

Vgl. (Gengenbach), Practica, (Basel 1523) (A3a). Im vorliegenden Exemplar wurde eine Signatur verwechselt: statt A3 heißt es dort B3. Die Seitenangaben folgen der korrigierten Signatur.

512

Vgl. (Gengenbach), Practica (Basel 1523) (A4a).

513

Vgl. (Gengenbach), Practica (Basel 1523) (Blb).

514

Der Text ermahnt die Christen, auf die Zeichen der Endzeit zu achten. (Luk. 12,56).

304

stSrnen gucker mit sinen prophete / do er die wort gots verwürfft."

(B3b) Statt der astrologischen Termini setzt Gengenbach christliche Inhalte515 ein, so die Abkehr von der Astrologie hin zum wahren christlichen Glauben gestaltend. Sicher ist er sich, daß Gott die Astrologen ihrer gerechten Strafe zuführen wird. Nochmals fordert er zur Buße auf und zum Gehorsam im Sinne der Zehn Gee — ο — bote, während er "crutzgenge / meßhalten / sacktuch tragen oder faste" (B4a) mit reformatorischem Eifer ablehnt. Die beiden Holzschnitte der Schrift, auf dem Titelblatt und der letzten Seite zu sehen, nehmen ein Thema der 'Gouchmatt' auf: Vorn findet der Betrachter einen Astrologen mit der Sphära im Arm (Abb. S 40). Mahnend ist eine Anweisung über ihm zu lesen: "Conuertere ad dominum deum tuum." Auf der Schlußseite ist wieder der schon erwähnte Esel, auf den Hinterbeinen stehend und eine Sphära haltend, zu sehen (Abb. S 41). Er karikiert ironisch den Astrologen auf dem Titelblatt, zeigt seine 'Verwandlung' an, wenn er sich nicht auf den Leitsatz, sich zu Gott dem Herrn zu wenden, besinnt. Über dem Esel ist ebenfalls ein Text zu lesen: "Das ich veracht hab gottes leer heiß ich der esel mit der sper Vnd muß in grossen sorgen ston Got werd mich drüb vngstrofft nit Ion." (B4b) Der Spruch nimmt so den Schlußgedanken der Schrift auf, der besagt, daß die Astrologen, die weiterhin Gott lästern, schwer bestraft werden. Die 'Gouchmatt' bringt Gengenbach auch in der Schrift zur Sprache. Bei ihrer Rezeption in einem Städtchen im Elsaß sei sie wohl zu ernst genommen worden, vermutet ihr Autor.516 Auf den Zorn des geschmähten Fries über den Vergleich mit einem Esel weiß Gengenbach zu antworten. Ironisch bemerkt er, man könne Fries tatsächlich keinen Esel nennen, denn der zeichne sich immerhin dadurch aus, daß er sich vor einem Ort hüte, an dem er einmal Schaden erlitten habe. Man könne nicht sagen, daß Fries sich wie der Esel verhalte, den Jesaias charakterisiere, wenn er sagt: Der Esel erkennt den Herrn und seine Krippe 517 Fazit: Sogar ein Esel ist klüger als Fries - dies gibt der gewandte Fastnachtsspieldichter seinem Kontrahenten mit auf den Weg. In Gengenbachs Argumentation gegen die Astrologie finden sich Übereinstimmungen mit den von Luther vertretenen Anschauungen. So möchte er die Planetenkonjunktion als Zeichen der Strafe Gottes erstgenommen sehen und lehnt 515 Vgl. Anm. 64. Fries wirft Gengenbach vor, er kenne nur das 'Benedicte'. 516 "...dan ich hab die gouchmat nit als vyl gemissen als er / ist wol schinbar worden in eir stat im Elsaß / do man den wurstbüben über die gassen joucht / darumb im dan der Esel mit der spSr verglycht ward." (Gengenbach), Practica, (Basel 1523) (A4b). 517 Vgl. (Gengenbach), Practica, (Basel 1523) (A4b).

305

Beschwichtigungen ab, weil sie zur Sorglosigkeit verführen könnten. Stattdessen wird ihm die Konstellation zur Mahnung, Buße zu tun. Vom Jüngsten Tag spricht Gengenbach jedoch an keiner Stelle; ein eschatologisches Moment fehlt in seiner Schrift. Wie Luther behauptet auch Gengenbach die Unvereinbarkeit der Astrologie mit den Lehren der Bibel und setzt der Finsternis das Licht Christi entgegen. Ebenso taucht bei Gengenbach die Kritik an der Philosophie, allerdings undifferen2ierter, auf und schließlich die Ablehnung der judiziarischen und medizinischen Astrologie. Gengenbachs Schrift zeichnet sich gleichwohl durch eine ambivalente Haltung zur Astrologie aus. Wägt er noch zu Beginn zwischen gottesfürchtigen Astrologen und ihren 'ketzerischen' Kollegen ab und setzt sich eingehender mit der Sintflutprophetie auseinander, so gelangt er zum Ende seiner Schrift zu einer völligen Ablehnung der Astrologie. Dieser Bruch besagt, daß Gengenbach sich selbst noch nicht vollends klar geworden ist über die Rolle der Astrologie, die er praktiziert hat und die er daher nicht gänzlich mit Distanz zu sehen vermag. Gengenbachs 'Christliche Praktika', als Gegenentwurf zu einer astrologischen Praktik gedacht, zeigt so die reformatorische Gesinnung, aber auch den Prozeß der geistigen Umorientierung des Basier Dichters im Spannungsfeld von humanistischer Wissenschaft und evangelischem Glauben. Der von Gengenbach eingeschlagene Argumentationsweg wird von einer Reihe weiterer Autoren beschritten. Sie alle sind Gegner der Astrologie und dokumentieren dies nicht nur durch inhaltliche Aussagen, sondern auch durch formales Gestalten: Sie äußern sich im Flugschriftentypus der 'Gegenpraktik'. In ihr wird das Schema der astrologischen Praktik übernommen, aber durch die Ersetzung der astrologischen Termini durch christliche konterkariert. Ansatzweise war dies schon bei Gengenbach zu beobachten gewesen, etwa in der Benennung seiner Schrift als "Christliche und ware Practica". Eine der ersten evangelischen 'Gegenpraktiken' erschien im Jahre 1523, bezog sich jedoch nicht auf die Sintflutvorhersage. 518 Vielmehr hat der durch seine scharfen Polemiken bekannte Lutheranhänger Heinrich von Kettenbach sich die Popularität der astrologischen Praktiken zunutze gemacht. Über Kettenbach 519 ist nur dies wenige bekannt: Er war zunächst Franziskanermönch, doch 1522 518

Kettenbach, Practica, o.O. 1523. Nach dieser Ausgabe Zitate. Köhler hat bisher sieben Drucke der Schrift aufgenommen. Eine Ausgabe abgedruckt in: Flugschriften der frühen Reformationsbewegung (1518-1524). Hg. v. der Akademie der Wissenschaften der DDR durch Adolf Laube (Ltg.), Annerose Schneider und Sigrid Loos. Erläuterungen zur Druckgeschichte v. Helmut Claus. 2 Bde., Berlin (Ost) 1983, Bd. 2, S.820-829.

519

Vgl. zu Kettenbach die Artikel von J. Franck in der A D B , Bd. 15, S. 676-678; NDB, Bd. 8, S. 412f von Hans Volz; Robert Stupperich: Reformatorenlexikon. Gütersloh 1984, S. 116f.

306

mußte er aufgrund seiner reformatorischen Gesinnung das Franziskanerkonvent in Ulm verlassen, 1523 dann auch die Stadt. Bis 1523 publizierte er zahlreiche Polemiken. 1524 geriet er in München ins Gefängnis, wo er vermutlich starb. Wie in den späteren Beispielen der 'Gegenpraktiken' findet sich bei Kettenbachs Schrift schon im Titel die Kontrafaktur der astrologischen Prophetie. Er lautet: "Ein Practica practicirt / auß der heyigen Bibel / vff vil zukunfftig jar / selig syn dye / die ir war nemen / vnd darnach richten / Die zeyt ist hie / das man solich practica mer acht hab / dan der astronomy / got wil selber regirn über seyn volck." (A1 a) In diesem Titel ist programmatisch ausgedrückt, was eine reformatorische Position zur Astrologie bestimmt: Die Bibel ist die Grundlage aller Bereiche, auf sie soll sich der Gläubige beziehen. Die Zeit der 'Herrschaft' der astrologischen Vorhersagen sei abgelaufen, meint Kettenbach und fügt hinzu, daß mit Gottes alleiniger Herrschaft über die Menschen die Astrologie gegenstandslos wird. Der Geltungsbereich seiner Praktik auf der Grundlage der Bibel ist dementsprechend auf 'viele Jahre', nicht nur auf ein Jahr angelegt. Der Autor möchte ähnlich wie Reynmann - als Ratgeber für das Reichsregiment fungieren, doch explizit richtet er sich an die Reichsstädte, vor allem an Ulm und Augsburg, denen er die Weisung erteilt, sich der Reformation anzuschließen. Als Vorbild nennt er Nürnberg. Kettenbach wehrt den Vorwurf ab, die Lutheraner predigten "dem arme Cuntze" (A3b) den Aufruhr; Unfriede komme dagegen von ungerechter Herrschaft. Mit eschatologischen Tönen schließt die Schrift, die Luther als 'neuen Christus' feiert. 520 In der Beurteilung der Astrologie äußert sich der Autor eher moderat; ganz anders zwei andere Schriften, die von vehementen Gegnern der Astrologie stammen: Heinrich Pastoris und Stefan Wacker. Der Titel der Schrift von Heinrich Pastoris 521 vom 4.10.1523 zeigt bereits die Inversionstechnik. Er lautet:

520

"Luthers wirt schier vergessen werden / in etlichen königreiche er wirt als vergraben sein / vnd die beschorn / werden des grabs hüten / aber er wirt darnach wider vffersteen (wie christus) / vnnd wirt des entchristen heer / gog vnd magog / erschrecken / vnd ein groß teyl nyder legen..." Kettenbach, Practica, o.0.1523 (Blb). In dieser Passage mischen sich christlicher Auferstehungsglaube und die Endkaisersage vom Kaiser Friedrich, der zunächst im Berg schlafe, dann aber erwache und die endzeitlichen Widersacher besiege. Vgl. Peuckert, Wende, Bd. 2, S. 606-613.

521

Pastoris, Practica Teütsch, o.O. 1523. Vgl. zur Schrift Robinson-Hammerstein, Battle, S. 147f. Dort wird die Schrift in Bezug auf die Praktiken als "the most carefully structured antidote" bezeichnet.

307

"Practica Teütsch vo vergangen / vnd zukünfftigen dingen / Auss der heyligen gschrifft gegründt vnd gezoge. Auf das. 1524. Jar. Christus Jesus eyn Herr vnnd Meyster diß Jar vnd alletzeyt Mathei amjodii." (Ala) Darunter ist Christus als nackter Knabe mit Nimbus, eine Weltkugel in der linken Hand und auch auf einer Weltkugel stehend, abgebildet (Abb. S 42). Die rechte Hand hat er zum Segen erhoben. Der Holzschnitt zeigt Christus als Herrscher der Welt. Von seinem Nimbus, nicht von astralen Lichtquellen, geht das licht aus. 522 Der Titel nennt unter dem gebräuchlichen Stichwort "Practica Teutsch" statt der Autoritäten der antiken oder arabischen Astrologie und der Propheten die Bibel als Grundlage aller Prophetie, statt der Jahresherrscher (für 1524 meist Jupiter und Venus) ist Christus angeführt. Er ist der Herrscher nicht nur für 1524, sondern für alle Zeit. Die Bibelstelle 523 verweist auf die Anklage Christi gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten. Sie werden von ihm des Götzendienstes, der Gewinnsucht, der Heuchelei, des Unglaubens und der Verfolgung der wahren Gläubigen und Propheten beschuldigt. Auf die Bedeutung der Bibelstelle für die Gesamtaussage der Schrift wird später einzugehen sein. Über Heinrich Pastoris konnte bisher kaum etwas in Erfahrung gebracht werden. 524 Einziger Anhaltspunkt für seine Einordnung in soziale Bezüge ist die Widmung der Schrift an den "Lerhafftigen weysen Hannsen Fincken zu Eyßlebe Burger" sowie an "Doctorem Joannem Rhuel / den Cantzler Johan Durren Wilhelm Rincken / vn Josten Eichenheuser" (A1b). Damit wird eine Verbindung zu Eisleben und zum Mansfelder Hof angegeben, denn die letztgenannten Herren waren dort Hofleute. Sie sind als Anhänger Luthers bekannt. 525 Pastoris ist so dem Kreis um Luther zuzurechnen; seine predigtartige Schrift weist ihn am ehesten als Theologen aus. Um eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Astrologie bemüht er sich, anders als Gengenbach, nicht, doch auch er wendet

522

Eine abweichende Titelblattgestaltung zeigt eine andere Ausgabe der Schrift. Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 44, Pastoris Nr. 1. Diesen Druck hat Helga Robinson-Hammerstein in einer englischen Übersetzung herausgegeben: Heinrich Pastoris: Practica Teütsch. Casting a German Horoscope. Translated with an Introduction and Notes by Helga RobinsonHammerstein. Dublin 1980. Der Druck zeigt das Christuskind mit einem Kreuz über der Schulter, Geißel und Rute in der linken Hand, das auf einem schwellenden Kissen mit vier Quasten sitzt.

523

Bei Luther werden die Pharisäer und Schriftgelehrten als "verblente Leiter" bezeichnet, in der Vulgata heißt es hier "duces caeci" (Matth. 23, 16). Hier ergibt sich eine Parallele zu der Bezeichnung "blindelaiter" für Aristoteles in Luthers Adventspredigt.

524

Robinson-Hammerstein, Pastoris, S. 15.

525

Robinson-Hammerstein, Pastoris, S. 15.

308

sich vor allem gegen eine bestimmte astrologische Praktik: Zielscheibe seiner Kritik ist die 'Anonyme Praktik' in einer in Speyer gedruckten Ausgabe. 526 Diese Schrift wird Pastoris nun gar zum Werk des Teufels, der damit die "einfeltigen christen" (A1b) verführen wolle, an etwas anderes zu glauben als an das Alte und Neue Testament. Pastoris gibt an, diese Schrift stehe nicht nur in der Tradition der auf ihrem Titel angegebenen 'Propheten' - Sybillen, St. Brigitta, Cirillus, Abt Joachim und Methodius - sondern auch in der "des Astronomus Euangelisten / der sich nicht darff bekennen / vnd sich schämpt seines namens / dan er vielleicht auß der Rodt der Agarene / die also über dz volck... herrschen wollen." (A2a) Dies könnte eine Anspielung auf Lichtenberger sein, dessen Name tatsächlich nicht auf dem Titelblatt der 'Pronosticatio' auftaucht. Dieser Gewährsmann der astrologisch-prophetischen Schriften wird zum 'Evangelisten' der Agarener, 527 d.h., der Betrüger, die im Verlauf des Textes mit den 'Papisten' identifiziert werden. Ihnen werden die wahren Abkömmlinge Abrahams und Isaacs gegenübergestellt. Die Agarener hätten nun 430 Jahre lang die wahre Lehre verdunkelt, bis endlich Gott "den auserwöleten Heliam/Martin Luther yn diser letzten ferlichen zeyt erwecket" (A2a) hat; der soll gegen die Antichristen 528 zu Felde ziehen. Luther habe schon dem Kurfürsten Friedrich den Weisen, der durch einen Engel Gottes zum Kaiser erwählt sei, die Offenbarung der Bibel vermittelt. Pastoris ruft alle Fürsten der Christenheit auf, es dem Kurfürsten gleichzutun, sich dem Evangelium zu öffnen und Buße zu tun: "O liebe Fürsten vnd herrn es wer yetzundt hoch zeyt / in diser zeyt der gnaden do vns allen das Euangelion (das gar nahe verlescht gewest) zu gleich wirdt angebote / das man die kleider zurysse vnsers gewisens / vn klydeten vns in die armen windelein Christi." (A2b) Es klingen Endzeiterwartungen an, wenn Luther als Elias und Kurfürst Friedrich von Sachsen als Friedenskaiser mit göttlicher Weihe gegen die Antichristen, also den katholischen Gegner mit seinem Exponenten, den Astrologen, antreten. Pastoris verwendet die gängigen Topoi der spätmittelalterlichen Prophetie, füllt sie jedoch mit neuem, reformatorischem Inhalt.

526 Anonym, Practica deützsch, Speyer oJ. Vgl. S. 148 dieser Arbeit. 527

Der biblische Bezug ist hier gegeben durch Gal. 4, 21-31. Es ist von zwei Söhnen Abrahams die Rede, der eine sei frei, der andere unfrei geboren. Der Unfreie werde 'Agar' genannt, denn so laute die Bezeichnung für den Berg Sinai in Arabien.

528

Im Gegensatz zu der Vorstellung, daß es sich bei dem Endwidersacher des christlichen Glaubens um eine Einzel-'person', den 'Antichristen', handeln müsse, existiert auch die Auffassung, daß der Antichrist von einer Gruppe von Mitstreitern umgeben sei, die dann als "corpus antichristus" bezeichnet werden. Vgl. dazu Rauh, Bild, S. 25-27.

309

In diesen Rahmen stellt Pastoris auch die Konjunktion des Jahres 1524. Daß sie große Veränderungen anzeigen könne, will er nicht ausschließen, aber er ergänzt: "Aber meins verstandts bedeut solche Coniunction das Gott vns antzeyget / das er yederman / allerley Nacion berufft / zu seinem tröstlichen wort (do die weit durch wirt gericht werden Joannis 9 das dem allein zu glauben durch seinen Son Jesum Christum vnd das keiner frum oder gerecht on disen Christum gefunden oder funden wirdt / dan er das liecht der weit ist Joannis am 8. das der Antichristisch hauff fleücht / mit seine schreybern der diser schreyber gedrückter Practica zu Speyer auch einer ist..." (A3a) Diese Deutung der Planetenkonjunktion faßt noch einmal alle Kernpunkte der Schrift zusammen: Die Hinwendung zur Heiligen Schrift wird umso dringlicher angemahnt, da der Jüngste Tag nicht fem ist. In Christus ist das Licht zu finden, das die Anhänger der Finsternis, die Antichristen und allen voran die Astrologen fürchten. Die Entscheidung gegen die Astrologie und für Christus und das Evangelium erlangt den Stellenwert eines Endkampfes gegen die Antichristen im Rahmen endzeitlichen Geschehens. Den Jüngsten Tag aber sollen alle wahren Christen herbeisehnen, denn es naht ihre Erlösung. In einem abschließenden Gedicht 529 betont Pastoris nochmals die Macht Christi über den Himmel und kontrastiert die Sintflutprophetie mit der Erlösungstat Jesu. Die Schrift endet mit Psalm 117: Gottes Worte bleiben in Ewigkeit. Die Planetenkonjunktion selbst verliert so zwar nicht vollends ihren Schrecken, doch steht sie vorwiegend für das Licht des wahren Glaubens und die Versammlung aller Gläubigen. Dennoch ist der Tenor der Schrift nicht eigentlich beruhigend, denn sie ruft zu einem entscheidenden Kampf gegen die Katholiken auf; die Sintflutprophetie und die Ablehnung der Astrologie sind nur Anknüpfungspunkte für diese zentrale reformatorische Aussage, die Luther zum Propheten Elias, den Gegner zum Antichristen stilisiert. Der Verweis auf Matthäus 23 impliziert dabei, daß die Katholiken die neuen Pharisäer sind - die Skala der Vorwürfe stimmt jedenfalls überein - während die zu Unrecht Verfolgten mit Luther und seinen Anhängern identifiziert werden können. Mit dem Aufruf an die Fürsten, es Kurfürst Friedrich dem Weisen gleich zutun, wirbt Pastoris zudem um Unterstützung des evangelischen Lagers durch die Obrigkeit. Auch bei Pastoris läßt sich Vergleichbares mit der Predigt Luthers ausmachen, insbesondere in der ausführlichen Verwendung des Gegensatzpaares Licht und Finsternis als metaphorische Umschreibung des alten und neuen Glaubens. Mit Johannes 8,12 und 9,39 sind die biblischen Kernpassagen für diese Deutung

529

310

Vgl. Pastoris, Practica Teütsch, o.0.1523 (A4a/b).

angegeben. 530 In der ausschließlichen Identifizierung der Astrologie mit dem Katholizismus geht Pastoris jedoch einen Schritt weiter als Luther, der nur die Sintflutvorhersage ausdrücklich mit den Altgläubigen verband. Schließlich führen beide Theologen aus, daß der Jüngste Tag Erlösung für die wahren Christen bedeutet, doch bei Pastoris liegt ein stärkerer Akzent auf der Kampfansage an die als Widersacher des Evangeliums geltenden Katholiken, während Luther auf die innere Vorbereitung auf den Jüngsten Tag zielt. Zentraler als die Schriften von Gengenbach und Pastoris stellt das Titelblatt des Textes von Stefan Wacker 531 in seiner Aufmachung die Sintflutprophetie in den Mittelpunkt. Sozusagen in letzter Minute will Wacker ihr entgegentreten - er verfaßte seine Stellungnahme am 25.1.1524. Der Titel der Schrift lautet programmatisch: "Das kain sündfluß werd auß der hailigen geschrifft probiert vnnd gezogen / zu trostung den schwach glaubigen damit sie sich mügen schützen wider die Astrologos die nit dann gewisser vnnd Sindfluß fürgeben. Im jar 1524.25. Januarij S.V." (A1a) Die Heilige Schrift ist auch hier die Grundlage der Argumentation im Sinne einer 'Gegenpraktik'; sie soll diejenigen schützen, die bisher den Astrologen glaubten, soll ihnen also Trost vermitteln. Tröstlich ist auch der Titelholzschnitt in seiner Darstellung (Abb. S 43): Über einer hügeligen Landschaft mit einigen Gebäuden sieht der Betrachter sieben Sterne, rechts oben die Sonne und links oben den Mond. Auffallend ins Bild gesetzt ist ein großer Regenbogen, der das theologische Hauptargument gegen die Sintflutprognose direkt vor Augen führen will. Unter dem Holzschnitt findet sich ein Bibelzitat nach Jeremias 10, 2; auch diese Worte unterstreichen die Intention des Verfassers, die Gestirne und die an sie geknüpften Prophezeiungen ihrer Macht zu entkleiden: "A signis coeli nolite metuere que timet getes quarü leges vane sunt." (A1 a). Auch der altgläubige Tannstetter verwendete diesen Bibelspruch für seine Beruhigungssschrift. Über den Verfasser, Stefan Wacker, 532 ist noch weniger bekannt als über Pastoris. In einer anderen Ausgabe seiner Schrift nennt er sich Stefan Wacker von

530

Bei Joh. 8,12 heißt es in der Lutherübersetzung: "Da redet Jhesus abermal zu inen / vnd sprach / Ich bin das Liecht der Welt / wer mir nachfolget / der wird nicht wandeln im Finsternis / sondern wird das Liecht des lebens haben." Bei Joh. 9,39 steht: "Vnd Jhesus sprach / Ich bynn zum Gericht auff diße Wellt komen / auff das die da nicht sehen / sehend werden / Vnd die da sehen / blind werden."

531

Wacker, Sündfluß, o.O. 1524. Zur Schrift s. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 146f; Ginzburg, Nicodemismo, S. 32f.

532

Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 146f.

311

Friedberg, 533 doch in allen drei Ausgaben des Textes fehlt eine Widmung, aus der soziale Bezüge deutlich werden könnten. Wackers 'Gegenpraktik' stellt eine Predigt gegen die Astrologie dar, anzunehmen ist, daß er wie Pastoris Theologe war. Wacker sucht in seiner Schrift nachzuweisen, daß die Astrologie unchristlich und schädlich ist. In seiner Vorrede an den christlichen Leser greift Wacker gleich die Metapher von Licht und Finsternis auf. Die Bibel sei ein "lucern auff das wir nit in den dustemussen stolplen vnd an den wenden wie die plinden tappen." (A2a) Die Astrologen sind nach Meinung des Autors übermütig geworden und jagen nur noch Ehre, Ruhm und weltlichen Genüssen nach, haben dabei die Bibel völlig aus den Augen verloren. Aber, so versichert Wacker: "ire kunst weyßhayt klughait wil der herr selbs verwerffen vnd verderben." (A2a) Nicht nur gegen die Astrologie ist diese Aussage gerichtet, sondern gegen zu sehr ausgeprägte Wißbegier und Bildung.534 Dem setzt Wacker entgegen, daß es dem Menschen nicht zustehe, die Zukunft zu kennen. Wenn die Astrologie eine weise Kunst sei, dann hätte sie Christus offenbart. 535 Stattdessen mache die Bibel deutlich, daß die Astrologie der Weg der Sünde sei, denn Abraham sei angewiesen worden, das Land Chaldäa, in dem man die Astrologie betreibe, zu verlassen und im gelobten Land seinen Stamm zu gründen (5 Mose 10). Dies könne nur als Distanzierung von der heidnischen Lehre gemeint sein. Die Behauptung, Abraham sei der Stammvater der Astrologie, sei dagegen eine Lüge. Die Christen sollen sich darauf besinnen, daß Gott regiert und nicht "Visch / Bock / Stier" (A3b), ermahnt Wacker. Die Konjunktion des Jahres 1524 habe deshalb für die Christen keinerlei Bedeutung: "... was haben wir mit der grossen Coniunction Saturni vnd Jouis zu thon / was gat mich an der Visch vnd Bocks deüttunge / geben für was sy wollen." (A4a)

533 Hellmann erwähnt zwei weitere Ausgaben der Schrift Wackers. Die eine zeigt ein ganz ähnliches Titelbild wie das schon beschriebene. Zusätzlich wird die Schrift als "eyn warhafftig Practica" bezeichnet und der Bibelvers Jer. 10,2 ist in deutscher Übersetzung beigefügt. Vgl. Stefan Wacker: Practica, o.O. 1524 (Hellmann, Blütezeit, S. 63, Wacker Nr. 1) und Abb. S. 101. Die andere Ausgabe, offenbar in Niederdeutsch verfaßt, hat eben anderen Titelholzschnitt, doch Hellmanns Beschreibung bleibt hier vage: "Holzschnitt 10 χ 7 cm, allerlei optische Erscheinungen am Himmel" heißt es lediglich. Hellmann, Blütezeit, S. 64, Wacker Nr. 3. Nach Hellmann soll sich die Schrift in Berlin befinden, doch nach Auskunft der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz gilt dieser Druck als verschollen. Zusätzlich erwähnt Zambelli einen Druck der Schrift Wackers in flämischer Sprache. Vgl. Zambelli, Fine, S. 296. 534 Folgende Bibelstellen sollen diese Ansicht belegen: Jer. 9,22; Eccle. 1,1-2 und Psalm 14. 535 Vgl. Wacker, Sündfluß, o.O. 1524 (A3a).

312

Aus den Gestirnen sei nur die Allmacht Gottes zu lesen. Sollte es aber zu einer Bewegung von Wassern und Meeren kommen, so werde dies nicht die Sintflut sein, sondern das Zeichen der Erlösung für den Gläubigen, der das Evangelium achtet. Die anderen ermahnt Wacker zur Buße; ihnen müsse klar sein, daß z.B. die Bestimmung des rechten Zeitpunkts für das Haareschneiden durch astrologische Tagewahl gegen das erste Gebot verstoße. Wacker geht sogar soweit, eine Verbrennung astrologischer und anderer ketzerischer Bücher anzudrohen; durch sie sei das 'Schifflein Petri' fast zum Kentern gebracht worden. Bei Wacker ist der Begriff des 'Schifflein Petri' offenbar nicht mehr Synonym für die katholische, sondern für die wahre christliche Kirche.536 Stefan Wackers Predigt zeigt deutliche Parallelen zu den von Luther entwickelten Leitsätzen zur Astrologie, auch wenn diese nicht so differenziert dargeboten werden. Nicht nur die Lichtmetaphorik, sondern auch die Kritik an der Astrologie als Wissenschaft und an übergroßer Gelehrsamkeit und Bildung als Zeichen der Verweltlichung taucht bei Wacker auf, ebenso wie die Aussicht auf Erlösung der wahren Christen am Jüngsten Tag. Von der Rezeption der Geboteauslegung Luthers spricht die Bemerkung zur Tagewahl. Auch den Hinweis auf Abraham und die Deutung des brausenden Wassers als Vorzeichen des Jüngsten Tages hat Wacker nicht selbst entwickelt, wie Robinson-Hammerstein schreibt, sondern aus Luthers Adventspredigt übernommen.537 Dennoch ergeben sich grundlegende Differenzen in der Zielsetzung der beiden Predigten. Während Luther die Bedeutsamkeit der Himmelszeichen betont und sie bewußt in seine eschatologische Deutung einschließt, auch die durch die Vorzeichen des Jüngsten Tages ausgelöste Furcht grundsätzlich für wichtig hält, wenn sie produktiv gewendet wird, steht bei Wacker die Beruhigung der erschreckten Bevölkerung im Vordergrund. Nicht nur die Sintflutprophetie, sondern auch die Planetenkonstellation selbst können nach Meinung des Verfassers keinerlei Aussagekraft für den wahren Christen haben. Dementsprechend fehlt in Wackers Predigt der drängende Unterton, wie er Luthers Adventspredigt kennzeichnet, deren Dynamik gerade durch den Glauben an die unmittelbare Nähe des Jüngsten Tages entsteht. Bei Wacker dagegen scheint der Moment des Gerichts noch in weiter Ferne zu liegen.

536

In diesem Sinne hatte auch Gallianus vom 'Schiff Petri' gesprochen. Vgl. das Bild in seiner Schrift, (Abb. S 9), besprochen S.

537

dieser Arbeit.

Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 147. Die Stelle bei Luther ist: Eine christliche Beweisung, (Augsburg, Ramminger 1522) (B2bB3a). Daß Robinson-Hammerstein die Übernahme nicht erkennt, ist umso erstaunlicher, als sie selbst auf Luthers Predigt hinweist. Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 148. Sie gibt an, die Adventspredigt benenne "the framework of false faith", woran sich Pastoris orientiert habe. Für Wacker scheint sie keinerlei Abhängigkeit anzunehmen.

313

Die Übereinstimmungen zwischen den Schriften evangelischer Theologen zur Sintflutdebatte und Luthers Stellungnahmen in der Auslegung der Zehn Gebote und vor allem der Predigt zum 2. Advent erlauben den Schluß, daß die Autoren sich an Luthers paradigmatischen Äußerungen orientierten. Die Ablehnung der Astrologie eint alle Texte, ebenso wie der emphatische Bezug auf die Heilige Schrift. Insoweit ist der These Robinson-Hammersteins zuzustimmen, die die Anweisung, bei Spekulationen über die Zukunft allein die Bibel zu Rate zu ziehen, als eigentlich reformatorischen Grundzug der Schriften kennzeichnet. 538 Das 'Wort Gottes' wird zur alleinigen Quelle, nicht zur additiv verwendeten Autorität neben anderen, wie in den Praktiken katholischer Autoren. Die fehlende Analyse der Adventspredigt Luthers führt Robinson-Hammerstein jedoch zu dem Fehlschluß, es bestehe eine völlige Kongruenz zwischen den evangelischen 'Gegenpraktiken' und Luthers Anliegen. 539 Dieser These muß auf der Grundlage der bisherigen Untersuchung widersprochen werden. Es ist vielmehr zu beobachten, daß die angesprochenen Autoren nur Teile der Gesamtargumentation Luthers übernehmen und sie im Sinne ihrer jeweilig vorrangigen Intention verwenden. Bei Gengenbach ist diese Intention bezeichnet durch die Gegnerschaft gegen eine sich verabsolutierende Astrologie, bei Pastoris durch den Aufruf zum Kampf gegen die Katholiken und Praktikenschreiber, bei Wakker schließlich durch die Beschwichtigung der durch die Sintflutprophetie Verunsicherten. Daraus ergeben sich Abweichungen gegenüber Luthers Grundintention, die bei aller Ablehnung der Astrologie die Himmelszeichen als Mahnung Gottes ernstnehmen und zur Wachsamkeit und inneren Vorbereitung auf den nahen Jüngsten Tag aufrufen will. So stellt Robinson-Haxnmerstein zwar zu Recht fest, daß Wacker die beruhigende Kraft des göttlichen Worts gegen die Bedrohlichkeit der Sintflutprognose behauptet, 540 doch bedeutet das noch nicht, daß er damit Luthers nuancenreicher Position voll entspricht, denn Luther betont zwar in seiner Predigt, daß die wahren Christen sich vor dem Jüngsten Tag nicht zu fürchten hätten, doch ebenso deutlich wird seine Warnung, sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen und die Vorzeichen zu mißachten. Bei Pastoris, bei dem Robinson-Hammerstein ebenfalls die Hauptintention der Beruhigung festzustellen meint, 541 muß zudem bedacht werden, daß in seiner Schrift die Aufforderung zum aktiven Eintreten für die Reformation der Beruhigung an die Seite gestellt wird. Die Person Luthers wird dementsprechend von ihm eingeordnet: Als neuer Elias soll er den Kampf gegen die Katholiken entscheiden. 538

Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 149.

539

In Bezug auf Pastoris formuliert Robinson-Hammerstein, dieser schreibe "along the lines" von Luthers Adventspredigt. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 148.

540

Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 147.

541

Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 148.

314

Auch eine zweite These Robinson-Hammersteins wird durch den Vergleich der Schriften mit Luthers Predigt problematisch. Sie stellt zunächst zutreffend fest, daß Wacker und Pastoris den Glauben an das unsichtbare Prinzip Gott vermitteln wollen und demgegenüber die Orientierung an den sichtbaren Gestirnen verwerfen.542 In ihrer Ablehnung der Bedeutsamkeit der Gestirne für den Gläubigen entsprechen sie jedoch nicht der Ansicht Luthers, der an den sichtbaren Zeichen das Wirken Gottes ablesen möchte, ja, gerade auf der Präsenz des göttlichen Willens in den Vorzeichen des Jüngsten Tages besteht. Entgegen der Annahme von generellen Analogien muß daher auf der Inkongruenz zwischen Luthers Predigt und den besprochenen Texten bestanden werden, zeigt sich doch hierin beispielhaft die Schwierigkeit bei der Rezeption und Umsetzung der lutherischen Lehre im Rahmen der Konstituierung eines evangelischen Bekenntnisses. Dennoch kann für die 'Gegenpraktiken' zur Sintflutdebatte gelten, daß sie, wie dies auch schon für die 'Gouchmatt' von Gengenbach formuliert wurde, Luthers Astrologiekritik popularisieren, dies um so mehr, als sie sich als Publikationsform der beliebten Praktiken bedienen. Die Schriften von Wacker und Pastoris erschienen beide in mindestens vier Auflagen, waren also weiter verbreitet, während Gengenbachs Praktik nur einmal aufgelegt wurde. Insgesamt gesehen darf daher die Wirkung der 'Gegenpraktiken' zur Sintflutdebatte nicht überschätzt werden, denkt man an die zahlreichen auflagenstarken astrologischen Praktiken. Die Popularisierung der Astrologiekritik sollte durch die Titelholzschnitte der Schriften unterstützt werden, sie fügen sich ins Konzept der 'Gegenpraktik' ein. Fast alle stellen statt astrologischer Planetengötter Christus oder Gottvater als Herren über die Welt dar oder arbeiten mit entsprechenden Symbolen wie der Holzschnitt auf Wackers Text. Bei Gengenbach steht dagegen der Spott über die Astrologen im Vordergrund, während der Bezug auf Gott als Herrscher des Weltalls nur schriftlich repräsentiert wird. Christus als Herr über die Gestirne zu zeigen, leistet am besten die Verbildlichung aus Schäufeleins Plenarzyklus, die für das Titelblatt der 'Christlichen Beweisung' gewählt wurde: Sie zeigt, wie Christus und die Apostel einem angesichts der Bedrohung durch die Gestirne verängstigten Gläubigen Trost und Ermutigung spenden. So wirkungsvoll wie ein Holzschnitt Hans Holbeins des Jüngeren, der die Metapher von Licht und Finsternis aufnimmt, ist allerdings keiner der Titelholzschnitte gelungen.543 In freier Landschaft mit einer Stadt und Bergen im Hinter542 "Wacker attempts to initiate a shift from the visual to the abstract means of foreknowledge. He claims that the two ways of obtaining this knowledge are in conflict with each other: the visual is labelled pagen; the non-visual... as essentially Christian." Robinson-Hammerstein, Battle, S. 147. 543 Der Holzschnitt befindet sich auf dem 'Evangelischen Kalender', der Copp zugeschrieben wurde. Vgl. Hieronymus, Buchillustation, S. 362-366 und die Abb. S. 626.

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grund ist links Christus zu sehen. Er weist auf einen Leuchter, der mit Aposteln und Evangelistensymbolen versehen ist. Ihm nähert sich eine Gruppe einfacher Gläubiger, ein Bauer mit Dreschflegel und eine Frau sind darunter. Rechts dagegen befindet sich eine weitere Gruppe; es sind vor allem Mönche und der Papst, die, angeführt von Aristoteles, in einen schwarzen Abgrund stürzen. Aristoteles trägt eine turbanartige Kopfbedeckung, die ihn vielleicht als Heiden kennzeichnen soll, und ist namentlich bezeichnet. Erwähnenswert ist, daß Christus vor allem dem 'gemeinen Mann' das Licht des Evangeliums zeigt, wodurch die Attacke auf die Scholastik einen sozialkritischen Akzent bekommt. Hans Holbeins Holzschnitt zeigt so in der bildlichen Umsetzung eines lutherischen Kerngedankens den Vorgang der Adaption und der Umgestaltung, wie er auch für die 'Gegenpraktiken' charakteristisch ist. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß es Luthers Predigt zum 2. Advent war, die die entscheidenden Impulse für die evangelische Astrologiekritik gegeben und damit den Verlauf der Sintflutdebatte beeinflußt hat. Daher muß die Überlegung Paola Zambellis zurückgewiesen werden, die in dem Aufenthalt Luthers auf der Wartburg und der damit verbundenen fehlenden Kontrolle Luthers über die Medien den Grund dafür zu sehen meint, daß überhaupt so viele Beiträge evangelischer Autoren zur Debatte existieren544 - so als hätte Luther sie untersagen können oder wollen, sofern er dies gekonnt hätte. Das Gegenteil ist der Fall: Luther hat mit seiner Predigt Einfluß genommen und gerade mit der Aufnahme seiner Argumente im Rahmen der Sintflutdebatte wollten evangelische Theologen seinen Intentionen entsprechen. Reformatorisch gesinnte Astrologen dagegen blieben, wie das Beispiel Copps zeigt, bei ihrer Berufsausübung, hierin bewußt sich von Luther abwendend, auch wenn sie spürbar in Konflikte gerieten. Die Adventspredigt Luthers zeigt die Aufmerksamkeit, mit der Luther den astrologisch-prophetischen Tendenzen seiner Zeit begegnete; im Verlauf dieser Arbeit wird ein weiteres Beispiel hierfür untersucht werden: Luthers Herausgabe der 'Pronosticatio' von Lichtenberger, die er in einem Vorwort begründete.545 4.4

ZUSAMMENFASSUNG

Die Analyse zeigt insgesamt verschiedene Abstufungen der emotionsgeladenen Debatte um eine künftige Sintflut. Tritt uneingeschränkte Sintflutprophetie nur bei Seitz und Gauricus hervor, so erscheint die Zukunft auch bei Virdung, Carion, Copp und Stöffler überwiegend angsteinflößend. Sogar die sich selbst als 'Beruhigungsschriften' verstehenden Beiträge wie die Tannstetters sind nicht frei 544 Vgl. Zambelli, Astrologie, S. 348. 545 Vgl. Robinson-Hammerstein, Battle, S. 139 und 148.

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von Ambivalenzen, thematisieren zeitspezifische Konflikte, widerlegen jedoch die Sintflutthese. Positive Zukunftsaussichten formuliert Camillus, während Grünpeck in seinen 'Warnungen' und Ciruelo Ratschläge für die Bewältigung einer Überschwemmung erteilen. Auf der anderen Seite stehen die evangelischen Schriften, die in Orientierung an Luthers Adventspredigt astrologische Vorhersagen überhaupt ablehnen und damit auch die Sintflutvorhersage entkräften. Den extremen Befürchtungen, die am Beginn der Debatte geäußert werden, wird somit auf verschiedenen Ebenen widersprochen. Einerseits verdichten sich, je näher der ängstlich erwartete Zeitpunkt rückt, die Bemühungen um eine rationale Einstellung zur Prophetie. Durch wissenschaftliche Beweisführungen wird der Behauptung einer universalen Sintflut der Boden entzogen, wird der Intellekt zur Waffe gegen die Angst, sei es in differenzierendem Abwägen der Gefahren, sei es in praktischen Vorschlägen. Auf der anderen Seite steht eine Argumentation, die den Boden der naturwissenschaftlichen Begründungen verläßt und allein aus der evangelischen Glaubensgewißheit heraus die Prophetie für gegenstandslos erklärt. Hier soll der Glaube die Angst besiegen. Die Diskussion der Sintflutprognose erhält dabei in den Schriften einen ganz unterschiedlichen Stellenwert. Vor allem bei Tannstetter und Middelburg, aber auch bei Bild, Camillus und Apian ist die Widerlegung der Prognose zentrales Anliegen, politische Stellungnahmen stehen dagegen bei Reynmann, Virdung und Grünpeck im Vordergrund. Für Luther und Wacker ist die Debatte nur Anknüpfungspunkt für eine Glaubensunterweisimg, bei Copp und Pastoris verbinden sich hiermit auch gesellschaftliche Ziele. Entgegen der These von RobinsonHammerstein, daß die evangelische Haltung immer mit Trost und Beruhigung einhergehe, die katholische jedoch mit bedrohlich-apokalyptischer Diktion, oder der Behauptung von Zambelli, daß das Verhältnis von Glaubensüberzeugung und Sintflutargumentation genau umgekehrt sei,546 muß jedoch festgestellt werden, daß hier keine starren Entsprechungen aufgestellt werden dürfen, daß in beiden konfessionellen Lagern das Heraufbeschwören von Katastrophen bzw. die Ablehnimg der Bedeutsamkeit der Sintflutprognose oder überhaupt der Planetenkonjunktion vertreten sind. Die bevorzugte Sintflutargumentation ergibt sich also nicht einsträngig aus der Glaubensorientierung, sondern verweist auf die aus Mentalität und Interessen der Autoren erwachsende Einschätzung der gesellschaftlichen Situation, die die Gesamtintention der Schriften bestimmt. So baut ein altgläubiger Mann wie Virdung auf die politische Prophetie als Möglichkeit der Einflußnahme und entwirft wahre Schreckensszenarien im Rahmen apokalyptischer Erwartung, um seiner Aufforderung zu religiöser Umkehr und politischer Durchsetzung eines Konzils Dringlichkeit zu verleihen. Der Verkünder einer Sintflut im deutschsprachigen Raum, Alexander Seitz, verwendet ähn546 Vgl. Zambcffi, Fine, S. 300.

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liehe Mittel für sein Ziel, gerade angesichts des moralischen Verfalls der Zeit dem Fortgang der Reformation Vorschub zu leisten. Auf der anderen Seite finden sich die entschiedensten Gegner der Sintflut- und Unglücksprophetien sowohl unter den Katholiken - bei Tannstetter und Apian - als auch unter den Lutheranern - bei Wacker und Pastoris. Ist aber bei den ersteren der Erhalt des Bestehenden die Triebfeder ihres Engagements, so ist es für die anderen inakzeptabel, die Verbreitung reformatorischer Ideen durch astrologische Prophetien zu unterstützen. Mit dem Jüngsten Tag argumentieren sie gleichfalls, doch gilt ihnen die Reformation als dessen Vorbereitung, während eine innere 'Reformation' im altgläubigen Verständnis zu einem Aufschub des endzeitlichen Gerichts führen konnte. Differenzierungen sind ebenfalls nötig bei der Festlegung der von den Autoren vertretenen Positionen, die sich keineswegs auf die drei Grundhaltungen beschränken, die Zambelli vorschlägt.547 Es gibt zwar jeweils Vertreter für die von ihr benannten Standpunkte, denn Wacker und Pastoris können für die Lutheraner, Seitz und Copp für die radikalen Reformatoren und Tannstetter und Apian für die dem Kaiser und dem Papsttum loyal Gesonnenen eingesetzt werden. Diese Fraktionsbildungen sollten jedoch nicht dazu führen, die Differenzen zwischen den Vertretern einer Position zu übersehen, wie sie z.B. bei Seitz und Copp in der Einschätzung der Möglichkeiten des 'gemeinen Mannes', bei Wakker und Pastoris in der Betonung des kämpferischen Einsatzes für die Reformation und bei Tannstetter und Apian in der Konsequenz des Verzichts auf die politische Prophetie vorliegen. Außerdem lassen sich über diese drei Haltungen hinaus weitere Positionen beschreiben, die mit dem Schema nicht in Deckung zu bringen sind. Zu nennen wäre hier Carion, der am katholischen Hof des Brandenburgers Joachim I. als Mittler zwischen den konfessionellen Lagern tätig war und in der Sintflutdebatte seinen Beitrag eher beschreibend als offen wertend formuliert, auf keinen Fall aber reformatorische Ideen propagiert. Auch Virdung von Haßfurts Optionen müssen differenziert werden, da er bei grundsätzlich vorhandener Loyalität gegenüber dem Papsttum dennoch Kritik äußert und außerdem die landesherrliche Politik Ludwigs V. zu unterstützen sucht, wobei Kaisertreue weniger von Bedeutung ist. Ähnliches findet sich bei Griinpeck mit seinen antiklerikalen Vorstellungen oder bei Reynmann mit seiner Unterstützung des Reichsregiments. Von den evangelischen Theologen um Luther unterscheidet Gengenbach und Gallianus schließlich ihr Versuch, evangelische Glaubensbotschaft und astrologische Prophetie zu verbinden, ohne daß sie gleichzeitig radikaleren Kreisen zuzurechnen wären wie Seitz und Copp. Daß die Schriften den Fortgang der Reformation befördert hätten, kann so pauschal nach alledem nicht mehr behauptet werden, denn wie bereits ausgeführt, 547 Vgl. Zambelli, Philosophie, S. 349. 318

meinte nicht jeder Ruf nach 'Reformation' die Wandlungen, die die Reformatoren intendierten. Unter den astrologischen Schriften finden sich nur drei mit dezidiert reformatorischer Zielsetzung, während die Mehrheit der Autoren sich gegen die Reformation wendet. Durch die astrologiekritischen Schriften der evangelischen Theologen allerdings werden dann zunehmend reformatorische Ideen im Rahmen der Sintflutdebatte geäußert. Genauso wenig erlauben die Titelholzschnitte der Schriften einseitige Beurteilungen, zeigen sie doch neben stereotypen Bildthemen auch komplexere Kompositionen, die als selbständige Kommentierungen des Zeitgeschehens gewertet werden können. Im Vergleich zwischen astrologischen und evangelischen Schriften fällt dabei auf, daß die 'Gegenpraktiken' stärker auf die Parodie der Praktikenform als auf die Bildpropaganda setzten, also keine überzeugenden 'Schlagbilder' bereitstellten. Könnte nur die Bildgestaltung der Praktik Gengenbachs und des einen Druckes der Lutherpredigt als Ausnahme gelten, so erweisen sich die Graphiken beidesmal als Übernahmen aus einem anderen Kontext. In allen Fällen jedoch ist zu beobachten, daß dem Titelbild ein Bibelzitat oder zumindest ein Verweis auf eine Bibelstelle beigefügt wurde; die Aussagen der Bibel erhalten einen gleichgroßen Stellenwert für die Aufmachung des Titelblatts wie der Holzschnitt, der keine Mehrdeutigkeiten zuläßt wie einige Graphiken der astrologischen Schriften.548 Für die Frage nach der Verstehbarkeit der Bilder ist zudem von Bedeutung, daß die Gestaltung der Holzschnitte auf feststehenden Bildkonventionen beruht, die dem Betrachter bekannt sein konnten. So sind Planetengötter und Tierkreiszeichen auf den weit verbreiteten Kalendern und Almanachen zu finden,549 während die anderen Holzschnittmotive durch die Bildfolgen der Plenarien geläufig waren, zum Beispiel die Darstellung des Jüngsten Gerichts, der Arche Noah550 548 Zu diesem Zusammenhang vgl. Rainer Wohlfeil: Lutherische Bildtheologie. In: Press, Martin Luther, S. 282-293. 549 Vgl. hierzu als Beispiel den 'Deutschen Almanach' eines unbekannten Basier Druckers, abgebildet in Schramm, Drucker in Basel, Bd. 2 (Bilderschmuck 22), Abb. 1275. Eine Holzschnittserie mit Planetengöttern enthält die Ausgabe des 'Hyginus', die der Augsburger Drucker Ratdolt herausbrachte. Vgl. Albert Schramm: Die Drucker in Augsburg. Erhard Ratdolt, Johann Wiener, Jodokus Pflanzmann, Ludwig Hohenwang, Johann Blaubirer. Hg. v. Maria Möller. Leipzig 1943 (Bilderschmuck 23), Abb. 119-125, Abb. 126-132. 550 Ebenfalls bei Schramm finden sich die Holzschnitte von mehreren Plenarien. Vgl. etwa den Druck Pyners von 1481. Schramm, Drucker in Esslingen (Bilderschmuck 9), Abb. lOff. Außerdem Albert Schramm: Die Kölner Drucker. Leipzig 1924 (Bilderschmuck 8), Abb. 358ff. Ein Bild mit der Darstellung einer 'Arche Noah', das Gemälde von Hans Baidung Grien, 'Die Sintflut' von 1516, ist Anknüpfungspunkt einer jüngst in Bamberg gezeigten Ausstellung. Der Untertitel "Die Entwicklung der Sintflutdarstellungen vom frühen Christentum bis ins 19. Jahrhundert11 weckt Erwartungen, die nicht erfüllt werden: Von den zahlreichen Sintflutdarstellungen der Sintflutschriften findet sich keine einzige; der Debatte

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oder von Christus und den Jüngern mit den Gestirnen. Auch Lichtenberger und Grünpeck knüpfen an Bildkonventionen an, Lichtenberger an den bethlehemitischen Kindermord, Grünpeck an den Weingarten. Die komplexer aufgebauten Titelholzschnitte mancher Praktiken kombinieren verschiedene Bildkonventionen zu neuen Motiven, in die, wie etwa bei Seitz, vorgeprägte Darstellungsweisen der Apokalypse einflossen.551 Auch die Überschwemmungsszenerien konnten neben 'Alltagsängsten' vor zerstörerischen Wasserfluten nicht nur Assoziationen an die biblische Sintflut auslösen, sondern darüberhinaus auf Endzeit und Jüngstes Gericht verweisen, denn sie erinnern an die Verbildlichungen zu einem der 'fünfzehn Zeichen', von denen man glaubte, daß sie das Kommen des Antichristen ankündigen würden: dem Überfließen der Ozeane.552 Außerdem werden Erdbeben erwartet und vom Himmel fallendes Feuer, wie es bei Copps Schrift zu sehen war. Auf der Suche nach weiteren Mitteln visueller Rhetorik finden sich zwei Hauptprinzipien, die die Konstituierung der Bildbedeutung und ihre Vermittlung prägen: Es sind das Prinzip der antithetischen Bildkomposition und das Prinzip der visuellen Umsetzung einer Metapher oder einer sprachlichen Wendung. Um beim letzteren zu beginnen: In Virdungs 'Practica Teutsch' wird den Türken gedroht, ihnen werde 'ein Zaumzeug angelegt' werden - eine Metapher für den Sieg über sie und ihre Beherrschung; der dazugehörige Holzschnitt (Abb. V 22) zeigt einen wie ein Pferd mit einem Zaumzeug versehenen Türken. Ahnlich in der Schrift des Gallianus: Dieser hatte drohend in Aussicht gestellt, daß Gottvater 'seinen Bogen gespannt' habe, bereit zum Strafgericht über die Menschen; der Titelholzschnitt zeigt Gott mit Pfeil und Bogen. Bei Erhard Schöns Holzschnitt und bei der Graphik zu Tannstetters 'Practica' wird die 'Konjunktion' von Saturn und Jupiter bildlich in eine Zusammenkunft von Saturn- und Jupiter'kindern' übertragen. Die Bibel als 'Waffe' im Kampf gegen die Altgläubigen zeigt der Titelholzschnitt der Schrift Copps, wenn die Heilige Schrift als Gewird nur völlig unzureichend gedacht. Vgl.: Die Sintflut. Ein Gemälde von Hans Baidung Grien, 1516 und die Entwicklung der Sintflutdarstellungen vom frühen Christentum bis in das 19. Jahrhundert. Eine didaktische Ausstellung des Historischen Museums Bamberg und des Lehrstuhl II für Kunstgeschichte der Universität Bamberg. 12. Juni - 30. Oktober 1988. Bamberg 1988. 551 Vgl. etwa das 'apokalyptische Tier' im Apokalypsenzyklus, etwa in Dürers Darstellung. Es ist auf Bild 9, Bild 11 und Bild 13 zu sehen. Albrecht Dürer: Die Apokalypse. Faksimile der deutschen Urausgabe von 1498 'Die heimlich Offenbarung Johannis'. Hg. v. Ludwig Grote. München 1970, Abb. 9,11,13. 552 Vgl. Der Enndkrist der Stadt-Bibliothek zu Frankfurt am Main. Faksimile-Wiedergabe. Hg. u. bibliographisch beschrieben v. Ernst Kelchner. Frankfurt 1891, Abb. 29a (Meeresfluten), Abb. 32a (Feuer vom Himmel), Abb. 31b (Erdbeben). Vgl. hierzu auch Heinrich Theodor Musper (Hg.): Der Antichrist und die fünfzehn Zeichen. Faksimile-Ausgabe des einzigen erhaltenen dro-xylographischen Blockbuchs. München 1970.

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schoß aus den gegen die Katholiken gerichteten Kanonen fliegt. Eine sprachliche Wendung steht auch hinter der bildlichen Gestaltung der Kritik am Kaiser, wie sie der Titelholzschnitt auf Canons Schrift bringt: Der Kaiser 'sieht durch die Finger'. Der Holzschnitt des 'Urteils' von Copp enthält gleichzeitig auch das andere Gestaltungsprinzip, den antithetischen Bildaufbau, denn zwei Parteien stehen sich gegenüber, wobei die Optionen klar verteilt sind, denn Christus kann nur für das positive Prinzip stehen. Mit Gegenüberstellung arbeitet der Titelholzschnitt der 'Practica deutsch' von Virdung, aber auch die Gesamtkonzeption der Bildbedeutungen bei Gallianus und in der großen 'Practica Teutsch' Virdungs; hier werden Bedrohung durch göttliche Strafe und Rettung durch den Glauben antithetisch konfrontiert. Schließlich zeigt auch der Titelholzschnitt der Schrift Tannstetters eine Entgegensetzung, wenn auch nicht in formaler Gegenüberstellung: die Planeten und ihre Wirkung werden durch Gottes Herrschaft überwunden. Die Gestaltung der Holzschnitte mithilfe der genannten Prinzipien ermöglicht eine prägnante Stellungnahme und erlaubt dem Betrachter, den Bedeutungskem des Bildthemas zu erfassen. Die Wirkung der Holzschnitte wird zusätzlich durch weitere Eigenschaften gefördert. Zentral ist hier das präsentische Zeitgefüge der Bilder zu nennen. Während die Texte als Prophetien abgefaßt sind und daher alle benannten Schrecken erst in Aussicht stellen, auch ihre mögliche Abwendbarkeit durch Gottes Gnade nicht von der Hand weisen, einen Dispens formulieren, wird im Bild alles Zukünftige zur unmittelbaren Gegenwart durch den Blick des Betrachters, schwimmen die Opfer bereits in den Wasserfluten, werden Menschen durch die Luft geschleudert, wird der Papst körperlich attackiert und ist der Bauernkrieg bereits ausgebrochen. Das Mögliche wird als tatsächliches Geschehen gezeigt. Außerdem ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, daß die Holzschnitte verschiedene Textelemente zugleich vorstellen und zeitliche Abläufe zusammenfassen können, andererseits aber nicht die Relativierungen, Abschwächungen und Differenzierungen des Textes in sich aufzunehmen vermögen, sondern prägnant eine Situation darstellen.553 Diese Situation nimmt den Betrachter um so mehr gefangen, weil - mit Ausnahme der Planetengötterdarstellungen - immer Aktionen, keine statischen Zustände gezeigt werden. All diese Eigenschaften bewirken eine Dramatisierung und Intensivierung der Textaussage bzw. ihre Pointierung. Der funktionale Einsatz der Holzschnitte ist dabei durchaus nicht immer auf das Erzeugen von Angst gerichtet, wie die Forschung oft einseitig behauptet, sondern kann eine breite Skala von Möglichkeiten von der Unterstützung des reformatorischen Glaubenskampfes bis hin zur Bestätigung der alten Ordnung zum Ziel haben.

553 Hierauf weist auch Robinson-Hammerstein hin. VgL Robinson-Hammerstein, Battle, S. 141.

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In der sprachlichen Gestaltung der Schriften zur Sintflutkontroverse zeigt sich eine große Variationsbreite, die der Verschiedenartigkeit der verwendeten literarischen Gattungen und Textsorten entspricht. Zentral sind zwar die astrologischen Praktiken und ihre Parodie in der 'Gegenpraktik', doch wurden außerdem theoretische Traktate (Fries, Schirmred), theologische Unterweisung (Luther, Gebote), Dialogschriften (Griinpeck, Stöffler), praktischer Ratschlag (Grünpeck), Predigt (Luther), Fastnachtsspiel (Gengenbach) und Flugblatt (Gengenbach) vorgestellt. Zusätzlich finden sich als Bestandteil mancher Flugschriften Gedichte (Carion, Copp, Pastoris). All diese literarischen Formen zeichnen sich durch unterschiedliche Intentionen, Wirkungsabsichten bzw. Rezipientenbezogenheit aus, was sich gleichfalls in ihrer sprachlichen Gestaltung ausdrückt. 554 Es läßt sich eine Stufenfolge der Popularisierung von Texten ausmachen, an deren einem Ende die wissenschaftlich gehaltene astrologische Praktik steht (Tannstetter, Apian), am anderen Ende das auf die Ebene der Aktion verweisende Fastnachtsspiel mit seiner Publikumsbezogenheit, seiner sprachlichen Bildhaftigkeit und seinem drastischen Humor (Gengenbachs 'Gouchmatt'). 555 Gengenbachs Flugblatt hat wohl - eher untypisch für diese Gattung 556 - mehr durch den eingängigen, teilweise gereimten Text gewirkt als durch die kleinen, illustrativ eingesetzten Bildchen, und als ebenfalls untypisch läßt sich kennzeichnen, daß die beiden Dialogschriften zu den sprachlich komplexesten bzw. abstraktesten Schriften der Debatte gehören. Die dialogischen Passagen der Predigt Luthers dagegen erhöhen deren Anschaulichkeit und Verständlichkeit, ebenso wie die zahlreichen sprechsprachlichen Gestaltungsmittel (rhetorische Frage, Anrede, Ausrufe und Aufforderungen), die bildhafte Sprache und die häufige Wiederholung der Kernaussagen der Predigt. 557 Das Hauptkontingent der Schriften wird jedoch durch die astrologischen Praktiken und die 'Gegenpraktiken' gebildet, die ebenfalls in ihrer sprachlichen Präsentation Unterschiede aufweisen. Der gelehrte Charakter mancher Schriften zeigt sich nicht zuletzt am Gebrauch zahlreicher Fremdwörter, an einer komplexen Beweisführung, dem Einstreuen von Zitaten und Verweisen aus der Fachliteratur und dem Rekurs auf historische Beispiele. Das Verstehen der Texte wird allerdings dadurch erleichtert, daß die Argumentationen im Laufe der Debatte 554 Vgl. Kettmann, Literatursprache und Schwitalla, Flugschriften. 555 Vgl. zum Fastnachtsspiel das Nachwort von Dieter Wuttke "Versuch einer Physiognomie der Gattung Fastnachtsspiel" in dem von ihm herausgegebenen Band Fastnachtsspiele des 15. und 16. Jahrhunderts. Unter Mitarb. v. Walter Wuttke. Stuttgart 19782, S. 417-437 und die Literaturliste S. 365-416. 556 Vgl. zu Flugblättern die demnächst erscheinende Habilitationsschrift von Michael Schilling als grundlegende Darstellung. 557 Vgl. die Ergebnisse zur Sprachuntersuchung von Lutherschriften bei Keitmann, Literatursprache, S. 530.

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zu Topoi werden,558 die zumindest einer kleineren Gruppe von gebildeteren Rezipienten immer vertrauter wurden. Hinzu tritt das Stilmittel der Redundanz: Die beschwörend wirkende Formel, daß es nicht zu einer allgemeinen Sintflut kommen werde, findet sich z.B. bei Tannstetter am Ende fast jeden Kapitels, zumindest dies wird auch einem weniger gebildeten Leser im Gedächtnis oder einem Hörer 'im Ohr' geblieben sein. Andere Schriften zeichnen sich dagegen dadurch aus, daß sie bewußt Verständlichkeit, Anschaulichkeit und direkte Ansprache des Lesers anstreben. So läßt z.B. die Praktik Reynmanns eine ausgeprägte Adressatenbezogenheit erkennen, wenn der Autor die Mitglieder des Reichsregiments direkt anspricht und in erster Linie eine Unterweisung für diese Personengruppe schreiben will. Auffallend ist dabei, daß Reynmann keine astrologischen Vorkenntnisse voraussetzt, sondern sich darum bemüht, seinen Rezipienten die Anfangsgründe dieser Lehre anschaulich und eingängig zu vermitteln, wobei er Fremdwörter tunlichst vermeidet. Mit direkter Anrede oder Ausrufen wenden sich auch Carion und Copp an ihre Leser. Sprechsprachliche Gestaltungsmittel kennzeichnen schließlich vor allem den Schlagabtausch zwischen Gengenbach und Fries, der sich stellenweise wie ein erregtes Streitgespräch liest und mit Beschimpfungen auf beiden Seiten nicht spart. Besonders Gengenbachs 'Gegenpraktik' läßt die Versiertheit des Fastnachtsspieldichters erkennen, der u.a. auf das populäre Narrenmotiv zurückgreift. In bezug auf die metaphorische Ausdrucksweise der Sintflutschriften läßt sich erkennen, daß die mehrdeutige prophetische Symbolik zu eindeutigen politischgesellschaftlichen Aussagen verengt wird. In der Verwendung von Metaphern, Redewendungen und Sprichwörtern tun sich zudem einige Schriften besonders hervor: Carion und Reynmann gebrauchen den Vergleich einzelner gesellschaftlicher Gruppen mit Planetengöttern, bei Copp findet sich die biblische Metaphorik vom grünenden Feigenbaum, und Gallianus hat sich mit dem Bild vom strafenden Gott, der die Pfeile der Plagen für die Menschheit schon bereithält, an die Metaphorik des 11. Psalms angelehnt. Bei Seitz finden sich außerdem zahlreiche populäre sprachliche Bilder und Wendungen, so, wenn er vom Rad der Fortuna spricht, Gott als 'Zimmermann des Weltalls' bezeichnet oder Sprichwörter einstreut.559 Virdung von Haßfurt fühlt sich zu besonders drastischer Metaphorik berufen, wenn er auf verschiedene 'Feinde' zu sprechen kommt, sei es auf die Türken, die man unterjochen müsse wie ein Tier oder auf den geldgierigen Klerus, den er mit Raubvögeln vergleicht. Dennoch sind es in den Schriften zur Sintflutkontroverse weniger die 558

Vor allem ist es die Argumentation Nifos, die im Verlauf der Debatte ständig wiederholt wird; zu Topoi werden die historischen Beispiele von Fluten, etwa die in Thessalia und Achaia.

559

Vgl. z.B. Seitz, Ain Warnung des Sundtfluss... (Augsburg 1521) (A2a).

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propagierten Feindbilder, die die Emotionen des Lesers wecken, ihn fesseln wollen, sondern vielmehr entweder die wiederholten Schreckensankündigungen apokalyptischen Ausmaßes, die durch sprachliche Superlative hervorgehoben werden ('vorher nie gehört', 'Schrecken, so schlimm wie tausend Jahre nicht') oder die drängende Gewißheit des nahen Jüngsten Tages; beides wird mit aufrüttelnden Bußaufrufen verbunden. Schon in der Titelformulierung wollen viele Schriften ihre Rezipienten auf die Generallinie der Argumentation - Beruhigung oder Erschütterung - einschwören.560 Gleichfalls schon in der Titelformulierung kommt der zweite große Gegensatz der Debatte zur Geltung: die fundamentale Kontroverse zwischen astrologischer und biblischer Prophetie. Diese Entgegensetzung schlägt sich schließlich im Gebrauch biblischer Verweise nieder, die bei den 'Gegenpraktiken' ausnahmslos den Psalmen oder dem NT entstammen, während die astrologischen Schriften eine Vielzahl von Autoritäten verwenden und bei biblischen Bezügen keine Prävalenz des NT erkennen lassen. Den evangelischen Schriften aber werden die Bibelzitate zur Hauptwaffe im Kampf gegen die verhaßte Astrologie und darüberhinaus zur Grundlage für die Formulierung religiös-gesellschaftlicher Ansprüche auf Umgestaltung, bei Pastoris etwa im 'neuen Elias' Luther vorgestellt. Mit ihren Schriften treten die Astrologen an die Öffentlichkeit, auf sie wollen sie wirken, wobei hier als Rezipienten verschiedene Gruppen in Betracht kommen. Die lateinischen Ausgaben der Schriften konnten sich nur an den gebildeten Leser richten, der diese Sprache beherrschte, sie zielen vor allem auf die 'humanistische Öffentlichkeit'. Der Radius der Rezeption erweitert sich mit den deutschsprachigen Ausgaben, die zusätzlich von der' lesefähigen, wenn auch nicht lateinkundigen Bevölkerung aufgenommen werden konnten, wobei Texte und Bilder zumeist astrologische Grundkenntnisse erforderten. Von vornherein wollen eine Reihe von Autoren diesen erweiterten Rezipientenkreis ansprechen, wenn sie nur deutschsprachige Schriften verfassen, während Stöffler mit seiner Rechtfertigungsschrift nur am Urteil der Fachkollegen gelegen ist. Wen die Autoren als primären Adressaten sehen, nennen die Widmungen der Texte, etwa an Kaiser Karl V. oder Erzherzog Ferdinand, an einzelne Landesherrn und Fürsten, an Hofleute, den Rat einer Stadt, das Reichsregiment oder, wie bei den evangelischen Schriften, an die Gemeinde der 'Brüder in Christo'. Die meisten Autoren geben überdies an, die beunruhigte Bevölkerung beschwichtigen, von Panikreaktionen wie dem Verkauf des Eigentums, der Flucht auf die Berge oder dem Bau von Archen abhalten und Klarheit schaffen zu wollen. Bei diesem Ziel, möglichst viele Menschen oder gar den 'gemeinen Mann' ansprechen zu wollen, reflektieren einige Autoren das Problem der Verstehbarkeit ihrer Schriften und 560 Vgl. zur Titelblattgestaltung von Flugschriften Wolfgang Harms: Zwischen Werk und Leser. Naturkundlich illustrierte Titelblätter des 16. Jahrhunderts als Ort der Vermittlung von Autor- und Lesererwartung. In: Grenzmann, Literatur, S. 427-466.

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ziehen Konsequenzen: Copp verzichtet auf astrologische Beweisführungen und beschränkt sich auf knappe Angaben, um so mehr Gewicht auf seine politischreligiösen Stellungnahmen legend. Carion 'übersetzt' sein in verschlüsselter Form abgefaßtes Planetengedicht für den 'gemeinen Mann'. Tannstetter gibt eine wesentlich kürzere, auf Kernaussagen reduzierte Schrift als zweiten Beitrag zur Debatte heraus, nachdem der erste ein kompliziertes wissenschaftliches Traktat gewesen war. Ähnlich verfährt Virdung. Verschiedene Publikationsformen muß Seitz verwendet haben, wenn er zur vorliegenden Frage ein langes lateinisches Traktat, eine kürzere deutschsprachige Flugschrift und, mit dem erklärten Ziel, den 'gemeinen Mann' anzusprechen, wahrscheinlich ein Flugblatt herausbrachte. Gerade Flugblätter konnten wegen der durch die erforderliche Kürze entstehenden Pointierung der Textaussage besonders effektiv die Meinungen beeinflussen, wobei der gezielte Einsatz dieses Mediums auf dem Reichstag zu Worms bewußt einen übergreifenden Kommunikationszusammenhang aufsuchte. Mögen auch Zweifel angebracht sein, inwieweit der 'gemeine Mann* die Schriften insgesamt zu verstehen vermochte, so kann davon ausgegangen werden, daß neben dem Lesen der Texte die mündliche Verbreitung ihrer Kernaussagen eine wichtige Rolle spielte und den Bekanntheitsgrad der zentralen Ansichten erheblich vergrößerte, zumal wenn die Schriften einen Predigttext zur Grundlage hatten wie bei Luther oder ähnliche Gedanken in einem Fastnachtsspiel geäußert wurden wie bei Gengenbach. Das Insistieren auf dem 'gemeinen Mann' als Rezipienten der Schriften und die Publikation in deutscher Sprache verweisen jedoch zudem auf einen übergeordneten Zusammenhang, denn beide Faktoren prägen auch die sich konstituierende reformatorische Öffentlichkeit der frühen 20er Jahre des 16. Jahrhunderts. Die astrologischen Schriften zur Sintflutdebatte partizipierten in unterschiedlicher Weise an dieser neuen 'Öffentlichkeit' und müssen als wichtiger Faktor im Diskussions- und Meinungsbildungsprozeß der Jahre 1520-1524 angesehen werden; sie haben die diesen Prozeß bestimmenden Fragen aufgenommen und ihn dadurch mitgeprägt. Oft war dabei die Sintflutfrage nur der 'Aufhänger', am deutlichsten bei Grünpecks 'Dialog', der die Sintflut nur im Titel anspricht. Bei anderen Autoren findet sich die 'Sintflut' nicht mehr im wörtlichen Sinne als menschheitsbedrohende Überschwemmung, sondern erhält verschiedenartige metaphorische Ausdeutungen. Als eine Flut von Feinden, als 'fremdes Volk', das die Christen verdrängen werde, sieht Bild die 'Sintflut', während Fries Ströme von Blut, ebenfalls von den Christen in Kämpfen vergossen, statt des Wassers anspricht. Für Brant dagegen steht die Sintflut für die zahllosen Sünden, die die Christen auf sich geladen haben und in denen sie 'ertrinken' könnten. Die Planetenkonjunktion als Ganzes wird schließlich bei Carion und anderen als die 'Versammlung' gesehen, nach der so viele verlangten. Darüberhinaus wird die 'Sintflut' zur Metapher, in der sich ganz allgemein Angst und das Gefühl der

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Bedrohung ausdrückten, Emotionen, wie sie angesichts der sozialen Spannungen und außenpolitischen Konflikte entstehen konnten.

4.5. DDE SINTFLUTSCHRIFTEN - EINE SONDERFORM DER ASTROLOGISCHEN FLUGSCHRIFTEN? Zum Abschluß der Studien zur Sintflutdebatte soll ein Vergleich der Sintflutschriften mit den Jahrespraktiken ohne Sintflutvorhersagen stehen, die zwischen 1519 und 1524 im deutschsprachigen Raum erschienen sind. Hierdurch kann die Bedeutung der Sintflutschriften im Rahmen der gesamten Produktion von astrologischen Praktiken bestimmt und festgestellt werden, inwieweit sich die Schriften zur Sintflutdebatte durch Besonderheiten in Text und Bild auszeichneten. Vor allem soll untersucht werden, ob der propagandistische Einsatz von astrologischen Vorhersagen und diesbezüglichen Holzschnitten, wie er innerhalb der Kontroverse üblich war, auch bei den anderen Jahrespraktiken zu beobachten ist. Für den genannten Zeitraum liegen elf Schriften vor, die teilweise von Autoren der Sintflutschriften stammen. Es handelt sich hier um eine Praktik für 1519 von Georg Tannstetter,561 eine Vorhersage für 1522 von Johannes Copp und eine von Egidius Camillus,562 je eine Schrift für 1520 und 1522 von Johannes Volmar,563 sowie um Praktiken für die Jahre 1520 und 1523 von Johann Virdung von Haßfurt.564 Darüberhinaus melden sich andere Astrologen zu Wort wie Christoph Höchstetter 565 ein "Mathematicus Parisiensis" (A1 a), mit Vorhersagen für 1519 und 1523, ein gewisser Philadelphus von Rietheim566 mit einer Schrift für 1519, schließlich Konrad von Spiegelberg,567 der sich als Schüler Virdungs bezeichnet, mit einer Praktik für 1522 und Simon Eissenmann mit einer

561 Tannstetter, Practica, dtsch., Wien (1518). 562 Copp, Practica deutsch, Leipzig 1521. Camillus, Practica Teutsch, (Wien 1522). 563 Volmar, Practica Wittenbergensis, dtsch., o.O. oJ. (Wittenberg ? 1519) und Volmar, Practica Wittenbergensis, dtsch., o.O.oJ. (Wittenberg ? 1521). 564 Virdung von Haßfurt, Practica Deützsch, o.O. (1519) und Virdung von Haßfurt, Practica deutsch, (Speyer 1522). 565 Höchstetter, Practica Teutsch, o.O. (1518) und Höchstetter, Practica Teütsch, o.O. (1522). 566 Philadelphus, Practica teutsch, o.O. 1518. 567 Spiegelberg, Practica, dtsch., Oppenheim 1521.

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Schrift für 1520.568 Schriften für das Jahr 1524 fehlen ganz, da alle in diesem Jahr erschienenen Texte sich gleichzeitig zur Sintflutprognose äußerten. Die Schriften halten sich ohne Ausnahme an das gängige Vorhersagenschema und entwickeln in diesem Rahmen zeitaktuelle Prognosen, wovon eine in fast allen Schriften auftaucht: Die Ankündigung von Glaubensstreit und Schaden für die Geistlichkeit. Am weitesten wagt sich Johannes Copp in diese Richtung vor, wenn er im Jahre 1522 verkündet, der Papst werde seine Macht verlieren: "... also sag ich noch das der Babst gar nicht hoffen darff auff ein glücklich iar / wann alles gestirn zceigt an das in kurtzer zeit sein gewalt vnd regiment gar zerstört werden sol / welches doch one zweyfel one der Cardinal / Bischoff / vn andrer Priesterschafft schaden nit geschehen mag..." (B2a) Diese Vorhersage steht in Übereinstimmung mit früheren und späteren Prognosen des reformationsbegeisterten Copp.569 Virdung formuliert seine kritischen Überlegungen zum Klerus sowohl 1520 als auch 1523: "Ist auch diß iare zu besorge daß etliche geistliche prelate sich in fruntschafft zu fuge etzlichen tyränischen meschen vn mache auffrur vn grosse wyderwertickeit vnder dem volck vnd das villeicht gege nydergang der sonnen." (A3a) Diese Vorhersage schließt Virdung in der Praktik für 1520 an positive Prognosen für die Geistlichkeit an, wobei unklar bleibt, auf welche Koalition zwischen Prälaten und Tyrannen' im Westen Virdung hier anspielt. Deutlich tritt dagegen seine Kritik am Klerus in einer Passage der Praktik für 1523 hervor: e — "Von der Romischen kirchen vn geistlichen prelate etwz zu schreiben hab ich geacht es sey besser zu schweigen ... so sie jetzundt vor äugen sehen den strick vnd das netze jrer widerwertikeit daß sie in selbst gemacht haben vnnd noch teglich machen..." (A3b) Statt zu schweigen drückt Virdung damit zweierlei aus: Bereits in der Gegenwart ist der Schaden, den die Geistlichkeit genommen hat, nicht mehr zu übersehen, und dieses Unglück hat die Geistlichkeit mit ihrem Verhalten selbst verschuldet. In diesem Zusammenhang verweist Virdung auf seine 'Practica Teutsch' von 1521/22, die darlege, wie die Planetenkonjunktion 1524 das Übel verstärken werde.

568 Eissenmann, Practica Teutsch, o.O. (1519). Eissenmann gibt an, aus Dillingen zu stammen und an der Universität in Leipzig tätig zu sein. Zu seinen Schriften vgl. Gerhard Eis: Beiträge zur spätmittelalterlichen deutschen Prosa aus Handschriften und Frühdrucken. In: The Journal of English and Germanic Philology 52 (1953), S. 76-89. 569 Vgl. Copps 'Judicium' für 1521 mit der Widmung an Luther. Zum Zusammenhang vgl. S. 225 dieser Arbeit.

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Mehrere Autoren bringen die Verfolgungen, die die Geistlichkeit zu erleiden haben wird, mit dem 'gemeinen Mann' in Verbindung. Konrad von Spiegelberg fürchtet Angriffe der Bauern 570 und Christoph Höchstetter schreibt in seiner Schrift für 1523: "...so werden groß kryeg vnnd totschleg erwecket vnnd zumal vnder dem gemainen volck / Dariüb seind fürsichtig... die gaistlichen prelate ... ist zu besorgen zenytüg der gaistlichen güter vn verenderung irers gesetz..." (A2b/A3a) Hier zeichnet sich die Furcht ab, die Bauern könnten sich, ermutigt durch die reformatorischen Auseinandersetzungen, an geistlichem Gut vergreifen. Der Glaubensstreit selbst werde sich in der Veränderung der 'Gesetze', d.h. der Glaubensregeln niederschlagen, was dazu führen werde, daß "vil an jrem glaubenn verzweyfeln" (A3b). Die Reformation sieht er eindeutig negativ; die neue Lehre sei wider Gott und die Dreieinigkeit, zerstöre die Christenheit und verhindre den Gottesdienst. Der Kampf um den rechten Glauben erhält bei dem besorgten Spiegelberg sogar apokalyptische Dimensionen: "Mich bewegt / das so viel Astrologi / ZerstSrung der Geystlichen / Auch den Frieden Christlicher Kirchen ... auß dem Gestirn anzeygt haben / Auß dem zubesorgen / das diß jetzige vffirur / vnd vnderstande zertrennung / Christlicher Vereinigung / ein fürlauff sey der zSkunfft des Antichrist..." (A1b) Diese Meinung begründet er mit der Prophetie, nach der es vor der Ankunft des 'Antichristen' zu einer 'Abweichung' kommen werde, wobei diese 'Abweichung' durch den Verlust des Gehorsams gegenüber Kirche und Reich bezeichnet sei. Während Copp vor allem die weltlichen Fürsten in Zank und Streit leben sieht, 571 erwarten Virdung, Höchstetter, Volmar und Spiegelberg Aufstände des 'gemeinen Mannes' gegen seine Obrigkeit. Virdung führt in der Vorhersage für 1520 aus: "... vn ist zu besorge nach außweyßüg des gestirns daß das bewrisch gemeyn volck sich auffwerffen werde vn streüssen wyder die großmechtige herre vn fürsten sie verspotte vnd verlache yn geben spotlich vnd schendtlich name / darumb sehet auff jr herre vn jr fürsten last dem gemeyne volck den zaüm nit zu lang / treybet einander nit selbst vmb..." (A3b)

570 ΊΒ6 werden auch bezeyget im Ersten teyl deß Jars / Todtschleg vnder den großmechtige / vnd auffrür gegen Mittag / vnd vngehorsamkeit des volcks gegen jren Herren ...". Spiegelberg, Practica, dtsch., Oppenheim 1521 (A3a). 571 "Darumb wer yn der warheit wol von nSten das sich ein yder fürst odder herre diß iare gutter vornunfft brauchte / wann das gestirn wirt ynen allen anreizung widder den nehsten zu streitten genug geben..." Copp, Practica deutsch, Leipzig 1521 (A4b).

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Ähnlich wie in seinen Schriften zur Sintflutdebatte spricht Virdung als Hauptgefahr den Autoritätsverfall der Obrigkeit an und empfiehlt Disziplinierungsmaßnahmen als Gegenmittel. Darüberhinaus sind Konflikte zwischen Fürsten und Rittern zu fürchten: "Doch etzliche großmechtige werden erzürnen vber yre ritterschaft sie vndersteen yn gehorsam zu mache / sie werden auch vndersteen zu fechte νδ wege etzlicher weyber..." (A3a) Diese 'Vorhersage' klingt eher wie eine Reminiszenz an die vergangenen Auseinandersetzungen zwischen Hans von Hutten und Ulrich von Württemberg.572 Schärfer formuliert Virdung 1522 bezüglich der Ritterschaft, sie führte "ein widerwertigs streittpar / vngetrewe gemut wider die Künig vnd Fürsten / wider sie machen conspiratiö veruolgen schwerlich die geleiten vnd geistlichen prelaten etzliche berauben irer güter sie wende in iren eigen nutz." (A3b) Diese Bemerkung zielt auf die oppositionelle Reichsritterschaft und besonders auf Franz von Sickingen, mit dem der Pfalzgraf, Virdungs Herr, nach anfänglicher Gönnerschaft in immer heftigeren Konflikt geraten war, was schließlich im Frühjahr 1523 mit der Belagerung der Ebernburg und dem Tod Sickingens endete. Mit den Angriffen des Reichsritters auf 'geistliche Prälaten' könnte die Fehde Sickingens gegen den Erzbischof von Trier, begonnen im August 1522, gemeint sein.573 Mahnende Worte gegenüber den Fürsten findet dagegen Christoph Hochstetten der von diesen ein "gut regiment" (A3a) fordert. Volmar schließlich verkündet für 1520 und 1522 zwar ebenfalls Krieg, Aufruhr und Zwist, doch meint er beruhigend, die negativen Wirkungen der Planeten könnten abgewandt werden durch Gebete und die weise Regierung der Obrigkeit.574 Einzig Tannstetter wahrt schon 1518 die Zurückhaltung gegenüber Zukunftsprognosen für die Obrigkeit,575 wie er sie auch in seinen Sintflutschriften propagiert, ohne sie dort allerdings immer einzuhalten. Ähnlich wie der Wiener Astronom wollen Höchstetter und Rietheim keine Vorhersagen zu Marktlage und Ernteaussichten publizieren, da sie fürchten, sonst dem Fürkauf Vorschub zu leisten.576 Schließlich steht die Konfrontation mit dem Osmanischen Reich im Mittelpunkt einiger

572 Vgl. dazu S. 186, Anm. 147 dieser Arbeit. 573 Zu Sickingen vgl. H. Ulimann: Art. 'Sickingen, Franz v.\ In: ADB, Bd. 34, S. 151-158. 574 Vgl. Volmar, Practica Wittenbergensis, dtsch., o.O. oJ. (Wittenberg ? 1521) (A2b). 575 "Was aber die groß mechtigen Fürsten vnd herren auß himlischem einfluß betrifft ist mit wolbedachte rat hie ausgelassen." Tannstetter, Practica, dtsch., Wien (1518) (A4a). 576 Vgl. Höchstetter, Practica Teütsch, o.O. (1522) (A3a) und Philadelphus, Practica teutsch, o.O. 1518 (A3b). Philadelphus erwähnt tadelnd die "reichen wücheren".

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Vorhersagen: Virdung und Copp fürchten, die Türken könnten siegreich aus dem Kampf gegen die Christen hervorgehen.577 Der Blick auf die Jahrespraktiken von 1519-1523 zeigt, daß auch hier Stellungnahmen zum Zeitgeschehen nicht selten geäußert wurden. Es wird deutlich, daß eine propagandistische Funktion nicht nur den Schriften zur Sintflutprognose, sondern gleichfalls den normalen 'Jahrespraktiken' zukommt, wobei sich allerdings Unterschiede in der Intensität der versuchten Beeinflussung ausmachen lassen. Dies trifft jedoch ebenso auf die Sintflutschriften zu. Inhaltlich dominieren bei den Jahrespraktiken dieselben Problemkreise wie bei den Beiträgen zur Sintflutkontroverse, die drängenden Probleme der Zeit schlagen sich hier in gleicher Weise nieder, wobei nur Copp offen reformatorische Positionen äußert, während alle anderen Schriften sich hierin ablehnend zeigen, wenn auch ein kritischer Blick die weltliche und geistliche Obrigkeit trifft. Ausschlaggebend für die Politisierung der astrologischen Vorhersagen sind Intention und Publikationsinteressen des jeweiligen Autors. Bestes Beispiel ist Virdung von Haßfurt, dessen Schriften immer konkrete Ausführungen zum Zeitgeschehen enthalten, da er sich als politisch engagierter Astrologe versteht, gleichgültig, ob er sich im Rahmen der Sintflutdebatte, zu ungewöhnlichen Himmelserscheinungen oder einfach zu den Aussichten des kommenden Jahres äußert. Ahnliches gilt für Copp, während Tannstetter, aber auch Volmar in ihren Sintflutschriften und den anderen Jahrespraktiken gleichermaßen vorsichtige Prophetien veröffentlichen. Der Versuch der gezielten Verbreitung von Meinungen und der propagandistischen Beeinflussung ist also kein nur die Sintflutschriften auszeichnendes Kriterium; diese erhalten vielmehr ihre Besonderheit durch andere Faktoren, etwa die europäische Dimension ihrer Verbreitung und die hohe Auflagenzahl, wodurch eine Intensivierung der Propagandawirkung erreicht wurde. Die direkte Ansprache an den 'gemeinen Mann' ist gleichfalls ein Kennzeichen nur der Sintfluttexte, sie findet sich bei den anderen Jahrespraktiken nicht. Inhaltlich gesehen ergeben sich zudem grundlegende Unterschiede in der Einbettung der Prophetien zur Konjunktion 1524 in einen eschatologischen Rahmen. Mit Ausnahme der Schrift Spiegelbergs fehlt in den Jahrespraktiken völlig die Beschwörung der Endzeit, also auch die Dramatik der angekündigten Schrecken, die Verweise auf das Erscheinen des Antichrists, die flehentlichen Bitten um Gnade und die Bußaufrufe, fehlt der drängende Sprachduktus. In diesem Aspekt zeigen sich die Sintflutschriften nicht an der Gattung der Jahrespraktik, sondern an Lichtenbergers und Grünpecks Vorhersagen orientiert; die Sintflutprognose ist Anknüpfungspunkt für die Aktualisierung von deren apokalyptischen Prophezeiungen. 577

Vgl. Copp, Practica deutsch, Leipzig 1521 (Blb) und Virdung von Haßfurt, Practica deutsch, (Speyer 1522) (B2a).

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Ein wesentlicher Unterschied zwischen Sintflutschriften und 'normalen' Jahrespraktiken ist weiterhin in der Art und Weise zu sehen, in der die Texte die Astrologie als Grundlage ihrer Vorhersagen einführen. Die Jahrespraktiken bringen hier in immer gleichen Wendungen Angaben zum Nutzen der Astrologie für die Gemeinschaft, ohne ihr Vorgehen umfassender zu rechtfertigen. Von Anfeindungen seitens der Kritiker ist kaum die Rede, nur Rietheim erwähnt, der "gemein vnuerstendig mesch" (A2a) verachte die Astrologie, wofür er das uneinheitliche Vorgehen der Astrologen bei der Bestimmung der Jahresherrscher verantwortlich macht. Die Sintflutschriften dagegen dokumentieren in zunehmendem Maße einen neuen Legitimationsbedarf der Astrologie als 'Wissenschaft'. Immer wieder wird beklagt, die 'Kunst' sei in Verruf gekommen. Insbesondere den Vorwurf der Ketzerei möchten die Autoren entkräften. In diesem Zusammenhang erscheint häufig die Floskel, man äußere sich nur auf dringendes Bitten der Freunde oder hochgestellter Persönlichkeiten. Diese Äußerungen sind Indizien dafür, daß neben der schon vorher üblichen Kritik die Angriffe der Neugläubigen auf die Astrologie Wirkung zeigen und zu immer ausgefeilteren Begründungs- und Rechtfertigungspassagen in den Schriften führen. Während die Jahrespraktiken von alledem noch weitgehend unberührt bleiben, zeigt die Sintflutdebatte nicht nur eindrucksvoll die Macht der astrologischen Vorhersage, sondern auch die tiefgreifende Krise, in die die Astrologie durch die reformatorische Kritik gerät. Schließlich wäre zu fragen, inwieweit der Bildteil der Jahrespraktiken zur propagandistischen Wirkung der Schriften beizutragen vermag. Hier fällt zunächst auf, daß alle Schriften Titelholzschnitte aufzuweisen haben, darüberhinaus jedoch keine weiteren Bilder enthalten. Bemerkenswerte Titelholzschnitte finden sich auf vier der Praktiken, während die anderen sieben Graphiken völlig stereotype Darstellungen von Planetengöttern, den jeweiligen Jahresherrschern, sowie Sonnen- oder Mondfinsternisse und die Tierkreiszeichen zeigen (Abb. Ρ 5-11). Ergänzend zur Darstellung von Mars, Jupiter und Saturn zeigt der Titelholzschnitt der Schrift Virdungs den Sternenhimmel als kreisrunde Scheibe, auf die Tierkreiszeichen eingetragen wurden (Abb. Ρ 12). In der Mitte ist die Erde zu sehen, den Himmel durchschneidet diagonal der Drache (Schlange), der als Achse des Kosmos gedacht wurde. Die Planetengötter erscheinen in ihren jeweiligen Konstellationen: Mars steht im Sternzeichen der Jungfrau am Drachenschwanz, Jupiter im Steinbock und Saturn im Wassermann. Zusätzlich sind die Sonne und ein verfinsterter Mond gezeigt, sie stehen an den beiden Enden des Drachens in Opposition. Bemerkenswert ist die Darstellung des Tierkreiszeichens Widder: Das Tier dreht mit seinen Vorderhufen ein Glücksrad. Wahrscheinlich soll dies ausdrücken, daß im Widder, dem Frühlingssternzeichen, das 331

Glück eines Jahres entschieden wird. Anders ist der Titelholzschnitt zu Tannstetters Praktik für 1519 angelegt (Abb. Ρ 13). Unter den Sternzeichen des Stiers und der Waage, in denen jeweils eine Sonnenfinsternis stattfindet, sind fünf Personen sehr detailliert dargestellt. Ganz links vom Betrachter aus steht ein Bauer mit hageren Gesichtszügen, bekleidet mit Wams, Mütze und Bundschuhen. Einen Dreschflegel hat er über die Schulter geworfen. Es folgt ein Kleriker in langem Mantel und mit Kappe, der seine Hände ausgestreckt hält und auf etwas zu weisen scheint. Sein Gesicht sieht im Gegensatz zu dem des Bauern sehr wohlgenährt aus. In mittlerer Position befindet sich eine weitere Gestalt mit langem, lockigem Haar, langem gegürtetem Gewand und bloßen Füßen, die der neben ihm stehenden Person ihre linke Hand auf die Schulter gelegt hat. Die Gestalt ist nicht ohne weiteres einer sozialen Gruppe zuzuordnen. Die Person rechts neben ihr ist ein Bote, der einen Brief in der Hand hält. Er ist einfach gekleidet in halblangem Rock, trägt ein Tuch um den Hals und die Flügelschuhe Merkurs. Auf seiner linken Brust ist ein Abzeichen zu erkennen. Mit dem Rücken zum Betrachter stehend und mit seiner rechten Hand gleichsam auf das Sternzeichen der Waage deutend, ist schließlich ein Landsknecht abgebildet, das Schwert hat er schon gezückt. In einem Verfahren, das später das Titelbild auch der 'Prognosticatio' Carions kennzeichnet, werden die zeitgenössischen Sozialtypen mit Planetengöttern identifiziert, indem den meisten von ihnen die Zeichen der Planeten zugeordnet werden: Der Bauer trägt das Zeichen des Saturn, der Kleriker das des Jupiters, der Landsknecht ist als Mars bezeichnet. Die in der Mitte stehende langhaarige Gestalt hat das Zeichen der Venus auf ihrem Gewand, ohne daß sie eindeutig als Frau zu erkennen wäre. Nur das Abzeichen, das der Bote trägt, entspricht nicht dem Planetenzeichen für den Merkur; daß er gleichzeitig für den Gott des Handels und der Übermittlung von Botschaften steht, ist aber an den Flügelschuhen zu sehen. Die weisende Geste des 'Mars* erklärt sich aus der astrologischen Konstellation des Vorjahres, nach der der Mars der Regent der Sonnenfinsternis in der Waage war. Die Reihe der fünf Planetengötter stimmt mit der Bestimmung der Jahresherrscher überein, wie sie Tannstetter zu Beginn seiner Praktik vornimmt, indem er jeder Jahreszeit seine Regenten zuteilt.578 Dementsprechend ist auf dem Holzschnitt in lateinischer Sprache über Saturn und Jupiter "hieme" (Winter), über Venus "verr" (Frühling), über Merkur "estate et autü" (Sommer und Herbst) und über dem Mars "parti" (particeps, Teilhaber an der Regentschaft) zu lesen. Der Holzschnitt stellt so eine Vorstufe der späteren aktualisierten Planetengötterbilder dar, denn auf ihm sind schon zeitgenössische Gruppen zu erkennen, ohne daß diese jedoch durch Interaktion die aktuellen Konflikte darstellen würden. Etwas weiter in der Ausgestaltung der Figurenbeziehungen geht der Titelholzschnitt der Praktik Höchstetters für 1523, der ebenfalls die fünf Planeten sowie 578 Vgl. Tannstetter, Practica, dtsch., Wien (1518), (A2b).

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eine Mondfinsternis im Zeichen der Fische und eine verfinsterte Sonnen- oder Mondscheibe in den Händen der Venus (Abb. Ρ 14) zeigt. Die Planetengötter sind an ihren Attributen zu erkennen, außerdem stellen drei von ihnen zeitgenössische Sozialtypen dar. Saturn ist ein Bauer; mit knielangem Wams bekleidet, trägt er einen Pelzhut in der Hand und eine Sense über der Schulter. Mars wird als bärtiger, älterer Landsknecht gezeigt, er trägt einen Brustpanzer und hält eine Hellebarde in der Hand. Jupiter schließlich erscheint als Richter in langem, mit breitem Kragen versehenen Mantel und 'Humanistenkappe'. Er sitzt auf einem erhöhten Thron und hält ein Szepter in seiner linken Hand; die rechte ist ausgestreckt. Merkur und Venus sind nicht zeittypisch gekleidet und im Verhältnis zu den anderen Figuren erheblich kleiner dargestellt. Merkur, mit Flügeln an einer Krone, hält in einer Hand den Caducäus, in der anderen eine versiegelte Botschaft. Venus, mit flatternden Haaren und in einem ausgeschnittenen Kleid, sitzt in einem Wolkenkranz. Alle anderen Figuren umgeben Sterne am Himmel. Außerdem geht von der Mondfinsternis in den Fischen ein Strahlenbündel nach oben. Es zeichnet sich eine Konfrontation der drei großen Figuren ab: Saturn und Mars stehen auf der einen Seite, Jupiter thront auf der anderen. Dabei sind Mars und Saturn nicht als Widersacher Jupiters zu erkennen, wie sie der Text qualifiziert,579 vielmehr wirkt Saturn eher unterwürfig; mit gebeugten Knien und gezogenem Hut begehrt er nicht gegen Jupiter auf. Der Landsknecht hat seine Hellebarde nicht zum Kampf gegen Jupiter gerichtet, scheint diesen, der gebieterisch wirkt, als Autorität anzuerkennen. Das Bild widerspricht so den Ankündigungen des Textes, die vom aufrührerischen Bauern ausgehen und postuliert in der Unterwerfungsgeste des Bauern die fraglose Anerkennung der Obrigkeit. Das heftige Aufeinanderprallen von Kontrahenten zeigt dagegen das Titelbild der Vorhersage Copps (Abb. Ρ 15). Unter den Jahresherrschern Saturn, Mars und Jupiter sowie einer verfinsterten Sonnen- oder Mondscheibe bekämpfen sich zwei Heere. An der Spitze des von links kommenden Ritterheeres sind der Papst und der Kaiser zu sehen. Beiden Würdenträgern werden Fahnen mit ihren Wappen vorangetragen. Rechts dagegen hat sich der König von Frankreich - neben ihm das Lilienbanner - mit den Türken zusammengetan. Sie sind gekennzeichnet durch Turbane und Haar- sowie Barttracht. Zwei Fahnen führen sie mit: auf einer ist ein Halbmond, auf der anderen ein bewaffneter Krieger zu erkennen.580 In vorderster Linie reiten ein Ritter mit heruntergeklapptem Visier und ein Türke, beide mit eingelegter Lanze wie bei einem Turnier, aufeinander 579 Vgl. Höchstetter, Practica Teütsch, o.O. (1522) (A2b). 580 Dieses Motiv erinnert an die Darstellung von Fahnen, wie sie einer der drei Könige 'aus dem Morgenland' bei einigen Anbetungsverbildlichungen trägt. Vgl. etwa eine entsprechende Darstellung vom 'Meister von St. Severin', um ca. 1512 entstanden (WallraffRichartz-Museum Nr. 184).

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zu. Während der Text nur Auseinandersetzungen zwischen Türken und Christen ankündigt, erweitert das Bild diese Konfrontation und impliziert einen Gegensatz zwischen christlichem Kaiser und Papst auf der einen, den Türken und den Franzosen als 'abtrünnigen Christen' auf der anderen Seite, eine Anspielung auf entsprechende Kontakte zwischen beiden Reichen. Die bildliche Darstellung gibt Anlaß zur Vermutung, daß die 'Kaiser-Papst-Koalition' siegen wird, denn das Ritterheer ist zahlenmäßig größer und in der Größe dominieren auch kaiserliches und päpstliches Banner. Allerdings ist das Aufeinandertreffen von Ritter und Türken im Bildvordergrund noch nicht entschieden. Da die Kriegsszene den Planetengöttern unterstellt ist, wird sie aus deren Einfluß, vor allem des Saturn als Regenten, motiviert und wirkt daher weniger wie eine Kreuzzugsdarstellung, die den Akzent auf die Vollstreckung des göttlichen Willens legen müßte. Vielmehr erhält der Betrachter den Eindruck einer schicksalhaften Begegnung unter dem Sternenlos. Während der Text betont, daß die päpstliche Macht schwinden wird, zeigt das Bild den Papst zwar als bedroht, doch gestärkt durch die Koalition mit dem Kaiser. Eine derartige Darstellung ist im Kontext der Ereignisse des Jahres 1521 als Versuch zu deuten, die Angriffe auf den Papst abzuwehren und ihn noch einmal zum Repräsentanten des christlichen Abendlandes werden zu lassen. Diese Auffassung widersprach aber diametral den Ansichten Copps, der 1520/1521 bereits ein begeisterter Anhänger Luthers war. Es bietet also nur ein geringer Teil der Jahrespraktiken Titelholzschnitte mit einer zeitaktuellen Aussage. Bilder des Aufruhrs und der Katastrophe fehlen ganz. Das Bild zur Praktik Höchstetters setzt den stabilisierenden Kontrapunkt zu dessen beunruhigender Vorhersage, und der Titelholzschnitt der Schrift Copps spitzt zwar die außenpolitischen Prognosen zu und dramatisiert die Textaussage, nimmt aber Copps antiklerikale Gedanken nicht auf, sondern bezweckt die Bestätigung der 'alten Ordnung'. Zeigen die Jahrespraktiken überhaupt vom Stereotyp abweichende Darstellungen, so wollen sie eher disziplinieren als aufrütteln. Darstellungen apokalyptischer Vorgänge fehlen ganz. Sie stehen damit im Gegensatz zu einer Reihe der Sintflutschriften, deren visuelle Präsentation der angekündigten Schrecken die Bereitschaft zu äußerer oder innerer Reform erhöhen sollte. Überhaupt setzen - bis auf wenige Ausnahmen - nur die Sintflutschriften die spezifische Form astrologischer Bildpropaganda fort, wie sie etwa in Grünpecks 'Spiegel' vorliegt und vermögen damit ihre Ausführungen wirkungsvoll auch bildlich zu unterstreichen. Der Vergleich mit den Jahrespraktiken verdeutlicht, daß die Kontroverse um eine zukünftige Sintflut die Fortentwicklung der Gattung der astrologischen Flugschrift im Sinne einer stärkeren Popularisierung leistete. Dies wurde möglich im Kontext einer alarmierenden Prognose und mit Hilfe der neu entstandenen reformatorischen Öffentlichkeit. Auch die anderen Jahrespraktiken erschienen in dieser Öffentlichkeit, doch erwies sich das Medium der stark ste-

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reotypisierten astrologischen Jahresvorhersage als weniger durchlässig für die neuen visuellen und sprachlichen Popularisierungstendenzen als einige der aufsehenerregenden Beiträge zur Sintflutdebatte mit ihren aufrüttelnden Holzschnitten und dem direkten Rezipientenbezug. Dieses Ergebnis ist festzuhalten unbeschadet der Tatsache, daß auch im Rahmen der Sintflutdebatte in Text und Bild stereotyp gehaltene Jahrespraktiken erschienen. Mögen die politischen Kampfschriften mit ihren 'Schlagbildern' auch nicht die Regel gewesen sein, so gehören gerade diese Schriften zu den auflagenstärksten Publikationen und zeigen die Bereitschaft des Lesers, sich von der Suggestionskraft dieser astrologischen Flugschriften beeindrucken zu lassen.

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5.

AUSBLICKE

Die Studien zur Sintflutdebatte haben ergeben, daß sie eine Intensivierung und Popularisierung der astrologischen Vorhersage mit sich brachte, unterstützt durch gezielten Einsatz visueller Mittel und in enger Verzahnung mit der reformatorischen Öffentlichkeit, aus der heraus ihr auf der anderen Seite auch heftige Kritik erwuchs. Ein Ausblick soll nun noch den kurzfristigen Wirkungen der Sintflutkontroverse auf verschiedenen Ebenen nachgehen. Neben einigen Beispielen zur konkreten Rezeption der Katastrophenvorhersage werden im ersten Teil das thematische Aufgreifen der Sintflutdebatte bzw. -prophetie sowie die Reflexion der Auseinandersetzung in den astrologischen Flugschriften im Mittelpunkt stehen. Danach wird der Frage nachgegangen, ob sich die Jahrespraktiken, die zwischen 1524 und 1528 erschienen, unverändert präsentierten, oder ob sie - etwa als Reflex auf die evangelische Astrologiekritik und die fehlgeschlagene Sintflutprognose - in Form, inhaltlicher Argumentation oder Funktion wesentliche Änderungen erkennen lassen. Auf der anderen Seite sollen in den beiden letzten Abschnitten die verschiedenen evangelischen bzw. lutherischen Positionen zu Astrologie und Prophetie in ihrer Fortentwicklung und in ihrer Einbindimg in gesellschaftlich-theologische Zielsetzungen in Augenmerk genommen werden. Textgrundlage sollen die evangelischen 'Gegenpraktiken' sein, soweit sie zwischen 1524 und 1528 erschienen; außerdem wird die Wittenberger Ausgabe der 'Pronosticatio' Lichtenbergers mit dem Vorwort Luthers vorgestellt.

5.1. REAKTIONEN UND REFLEXIONEN ZUR SINTFLUTDEBATTE Die Sintflutschriften waren auf die direkte Beeinflussung der Bevölkerung gerichtet, und sie sind besorgt rezipiert worden. Zusätzlich ist ein größerer Teil der Bevölkerung besonders in den Städten durch mündliche Weitergabe der Schrekkensnachrichten informiert und in Predigten instruiert worden. Nicht wenige mögen zu Beginn des Jahres 1524 sintflutartige Regenfälle oder gar das Ende der Welt erwartet haben. Genaue Angaben darüber, wie weite Kreise die Prophetie gezogen hat und wie das Spektrum der Reaktionsweisen auf sie aussah, würde die Auswertung zusätzlicher Quellengruppen - etwa von Chroniken und Briefwechseln - erfordern, die nicht Grundlage dieser Arbeit sind. Nur dann könnten Untersuchungsergebnisse für den deutschsprachigen Raum überprüft werden, wie sie sich für die italienische Rezeption der Sintflutprophe-

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tie nachweisen lassen.1 Zu nennen wären etwa das Ergreifen von Maßnahmen, durch die Gott gnädig gestimmt werden sollte, wie z.B. das öffentliche Lesen der Messe oder Bittprozessionen, aber auch die Flucht zahlreicher Adliger aus Rom in die Berge, da eine Tiberüberschwemmung befürchtet wurde,2 schließlich die Verspottung der Astrologie in Kamevalsumzügen3 oder die große Bedeutung, die die Predigt bei der Verbreitung der Sintflutangst bekam.4 Immerhin können einige Streiflichter die Vermutung stützen, daß auch im deutschsprachigen Raum die Furcht vor dem Februar 1524 verbreitet war. Berichten schon die astrologischen Schriften wie die von Tannstetter oder Apian von Panikreaktionen, so findet sich dies in Zeugnissen anderer Zeitgenossen bestätigt, allen voran durch das Tagebuch Albrecht Dürers, das noch für das Jahre 1525 von der Weltuntergangsangst des Künstlers zeugt: "Jm 1525 jor nach dem Pfinxstag zwischen dem mitwoch vnd pfintzdag jn der nacht jm schlaff hab jch dis gesicht gesehen, wy fill grosser wassern van himell fillen. Vnd das erst traff das erthrich vngefer 4 meill fan mir mit einer solchen grausamkeitt mit einem vber grossem raüschen vnd czerspriiczen vnd ertrenkkett das gantz lant. In solchem erschrack jch so gar schwerlich, das jch doran erwachett, edan dy andern wasser filen. Vnd dy wasser, dy do filen, dy warn fast gros. Vnd der fill ettliche weit, etliche neher, vnd sy kamen so hoch herab, da sy jm geduncken gleich langsam filn. Aber do das erst wasser, das das ertlich traff, schir herbey kam, do fill es mit einer solchen geschwindikeit, wynt vnd braüsen, das jch also erschrack, do jch erwacht, das mir all mein leichnam zitrett vnd lang nit recht zu mir selbs kam. Aber do jch am morgen auff stund, molet ich hy oben, wy jchs gesehen hett. Got wende alle ding zum besten."5

1

Vgl. hierzu Niccoli, Diluvio. Weiterbin Ottavia Niccoli: Profezie in Piazza. Note sul profetismo populäre nell'Italia del primo cinquecento. In: Quaderni storici 41 (1979), S. 500-539. Zur Sintflutprophetie in Italien s. die Bibliographie von Carlo Piancastelli: Pronostici ed Almanacchi. Studio di Bibliographia Romagnola. Roma 1913, bes. S. 13-44.

2

Vgl. Niccoli, Diluvio, S. 375.

3

Vgl. Niccoli, Diluvio, S. 377ff.

4

Vgl. Niccoli, Diluvio, S. 391f.

5

Zit. nach Albrecht Dürer: Schriftlicher Nachlaß. Hg. v. Hans Rupprich. Bd. 1. Berlin 1956, S. 214f. mit Abb. Vgl. auch Arthur Rosenthal: Dürer's dream of 1525. In: Burlington Magazine 69 (1936), S. 82-84. S. dazu auch Marianne Zehnpfennig: Traum und Vision in Darstellungen des 16. und 17. Jahrhunderts. Phil. Diss. Tübingen 1979. Vgl. auch Hans-Jürgen Goertz: Träume, Offenbarungen und Visionen in der Reformation. In: Rainer Postel, Franklin Kopitzsch (Hgg.): Reformation und Revolution. Beiträge zum politischen Wandel und den sozialen Kräften am Beginn der Neuzeit. Festschrift für Rainer Wohlfeil zum 60. Geburtstag. Stuttgart 1989, S. 171-192. Dafür, daß Dürers Traum von Virdungs 'Practica Teutsch' inspiriert sein könnte, wie Rosenthal schreibt, gibt es keinen ausreichenden Hin-

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Diese Traumvision hat Dürer auch in einer Zeichnung festgehalten. Es ist eine Skizze von sintflutartigen Regenfällen, die als mächtige Säule mit elementarer Gewalt auf die Erde stürzen. In Traum und Zeichnung hat bei Dürer die Sintflutprophetie nachgewirkt, hat sogar nach 1524 nicht ihren Schrecken verloren. Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist der Interpretationsansatz Konrad Hoffmanns, der den Kupferstich Dürers "Melencolia I" von 1514 u.a. als Beitrag zur Sintflutdebatte auffassen möchte. 6 In der Tat findet sich auf dem in seiner Bedeutung höchst vielschichtigen Kupferstich im Hintergrund ein Gewässer mit versinkenden Bäumen, darüber ein Regenbogen und ein Komet. Sieht man das Werk Dürers als humanistische Gestaltung der positiven und der negativen Eigenschaften des saturninischen Menschen - schöpferisches Genie und verzweifelnde Melancholie - so könnten die genannten Elemente darauf hindeuten, daß der Stich nicht nur die Unterwerfung unter die Saturnfurcht, sondern auch die Bedrohung durch einen Weltuntergang, angedeutet in steigenden Fluten, abwehren möchte - die Sintflut wurde ja nicht zuletzt den unheilvollen Wirkungen des Saturn in der 'Großen Konjunktion' zugeschrieben. Der Regenbogen würde dann auch hier als Symbol für den Glauben an die Gnade Gottes aufgefaßt werden können, wäre die bildliche Antithese zur Planetenfurcht. 7 Der Komet wäre dagegen der Überschwemmungsszenerie zuzuordnen und verwiese damit auf die verbreitete Kometenfurcht, die der Regenbogen ebenso entkräften könnte. Bemerkenswert in bezug auf die Sintflutdebatte ist bei dieser Auslegung des Kupferstichs dessen frühes Datum, 1514. Dürer müßte dann Kenntnis erlangt haben vom ersten Schlagabtausch zur Sintflutfrage zwischen Gaurico, Stöffler bzw. Virdung im Jahre 1512. Dort hatte Virdung zum ersten Mal das Gegenargument des Regenbogens verwendet. Daß die Prophetie des Luca Gaurico in Bayern bereits 1512 rezipiert wurde und zu Sintflutängsten führte, bezeugt der bayrische Geschichtsschreiber Aventinus, der in einem Exemplar der Stöfflerschen 'Ephemeriden' für 1512 eine Kalendernotiz anbrachte. Sie berichtet: "... pars capti, crucibus affixi, qui circum prodidere diluvium futurum adversus homines, ut relictis urbibus in speluncas montium fugerent ac triginta dies ibi manerent, quod factum esse vellent in Decembri, ipsi direpturi erant urbes."8

weis, da ähnliche Beschreibungen von Unwettern auch in anderen Sintflutschriften zu finden sind. 6

Vgl. Konrad Hoffmann: Dürers 'Melencolia'. In: Werner Busch, Reiner Hausherr u.a. (Hgg.): Kunst als Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Günter Bandmann. Berlin 1978, S. 251-277.

7

Vgl. Hoffmann, Melencolia, S. 257.

8

Zit. nach Hoffmann, Melencolia, S. 275, Anm. 89.

338

Aus Virdungs Ausführungen zur Prophetie Gauricos wissen wir, daß dieser geraten hatte, sich 30 Tage in den Bergen zu verstecken, wenn die Flut käme, so daß hinter der Notiz des Aventinus wohl Gauricos Worte stehen. Doch so frühe Zeugnisse der Reaktion sind selten, während sich die Besorgnis über die Prophetie ab 1520 steigerte. Dies zeigt ein Brief, den der bayrische Kanzler Eck an seinen Herrn im Jahre 1520 schrieb. Eine Passage lautet: "Das ich E.F.G. darum schreib, daß E.F.G. in Ihrem Land und allenthalben gute Fürsehung thue, auch in guter Wahrung sei; denn ich wahrlich nach Schickung aller Läuf besorg, je länger je mehr, daß die Astrologi, welche auf das 24. Jahr eine solche Änderung anzeigen dergleichen nie gehört, wahrsagen mochten. Es ist nicht möglich, daß das Feuer so allenthalben jetzt angezündet, ohne Schaden zergehe?"9 Eck bezieht sich hier auf die Stöfflersche Prophetie von 1499, nicht auf die Sintflutvorhersage, scheint überhaupt eher soziale 'Veränderungen' zu fürchten, wenn er die Metapher des Feuers verwendet, die schon bei Lichtenberger die Aufstandsbereitschaft des Volks bezeichnete. Eher anekdotischen Charakter trägt dagegen die Geschichte, die vom Wittenberger Bürgermeister berichtet wird: Er habe, als der erwartete Februartermin heranrückte, sich mit einem Fasse Bier auf seinen Dachboden zurückgezogen und dort der Überschwemmungen wohl versorgt geharrt. 10 Diese wenigen Hinweise müssen genügen, um zu belegen, daß die Sintflutschriften ihre Leser gefunden haben. Was aber geschah nun im denkwürdigen Februar 1524? Das Ende der Welt brach nicht herein, aber auch zu außergewöhnlich heftigen Regenfällen kam es weder in Deutschland noch in Italien, wie aus einem Wettertagebuch hervorgeht, das der italienische Astrologe Andrea Pietramellaria für Januar und Februar des Jahres 1524 führte. Nebel und Wind werden verzeichnet, doch sonst "dies frigide et cum splendissimo sole".11 Der Astrologe resümiert: "Hec sunt que isto mense bononie fuerunt preter profecto multorum spem quoniam multi dubitabant de terremotu, pluvia superflua, et alliis humano generi odiosis, que, quamquam nos non senserimus neque viderimus, tarnen hic rumor fuit extra ittalliam et maxime neapoli et in montes crepuisse diuturnas pluvias et terremotus fuisse, nec non flumina, domos ac villas sumersisse non sine mortalium calamitate magna."12

9

Zit. nach Friedrich, Astrologie, S. 126.

10

Vgl. Warburg, Weissagung, S. 277.

11

Gustav Hellmann: Andrea Pietramellara's Wetterbeobachtung Bologna 1524. Berlin 1899

12

Zit. nach Hellmann, Wetterbeobachtung, S. 25.

(Neudrucke von Schriften und Karten über Meteorologie und Erdmagnetismus 12), S. 22.

339

Auch Pietramellaria geht nochmals auf die Ängste und Panikreaktionen der Bevölkerung ein: Vor allem die Neapolitaner hätten sich während einiger Regenfälle in Höhlen verkrochen, doch nichts Furchtbares sei passiert, keine Flußüberschwemmungen oder Zerstörungen von Städten. Ähnliches kann für das Reichsgebiet konstatiert werden.13 Soweit sich die Astrologen diesem Befund stellten, ist er ihnen nicht zum Beweis ihres Versagens geworden, vielmehr suchen etliche Praktiken nach 1524 neue Erklärungen für die Prognose oder grenzen sich von anderen Berufskollegen ab. Peter Apian,14 der sich schon bei der Sintflutdebatte sehr zurückhaltend geäußert hatte, gibt an, er habe zunächst gar nicht vorgehabt, für 1525 ein Judicium zu schreiben: "dyweil ir vil / so sich Astrologos nenne von grausammen vn erschrokkenlichen sindfluß mit vffnennen zedeln vn puchlein an tag bracht / dar vor vns gott bißher / vn noch behut / darauß dy kunst Astrologia verechtig gehaltn / doch so ich vnnd auch mein preceptor der hochberumpt astrologus Georg Tannstetter von Rain der freyen kunst vnnd ertzney Doctor in der loblichen vniuersitet zu Wien Ordinarius / trostlich darwider gewesen vn geschrieben vnd auch ander astrologi. Ich halt aber sie haben gemeint villeicht die sindtfluß / welche in disem funffvndzwaintzigisten jar angezaigt wirdt in blut vergiessen / dann der blutig Mars als ein legat Gottes zaigt an mit seine natürliche einfluß grosse auffrür / Zwitracht vn blutuergiesse ..." (A1 b) Zwei Gründe lassen Apian dennoch zur Feder greifen: Zunächst einmal habe sich nicht die ganze Zunft blamiert, leuchtendes Beispiel könne der Kollege Tannstetter sein. Zum anderen sei vielleicht doch etwas an der Vorhersage; habe schon keine Sintflut stattgefunden, so könne man sie getrost auf die blutigen Kämpfe des kommenden Jahres beziehen. Aus Apians Worten spricht die Erfahrung mit der unmittelbaren Gegenwart, dem Bauernkrieg,15 von dem der Astrologe annimmt, er werde sich auch 1525 fortsetzen und viel Blutvergießen mit sich bringen. Apian erwähnt hier eine metaphorische Deutung der Sintflutvorhersage, wie bereits Fries in seiner Sintflutschrift, dort allerdings auf die Türken bezogen.

13

Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 19.

14

Apian, Practica teutsch, Landshut (1524).

15

Neben den schon genannten Titeln zum Bauernkrieg vgl. Horst Buszello, Peter Blickle, Rudolf Endres (Hgg.): Der deutsche Bauernkrieg. Paderborn u.a. 1984 sowie als neue Veröffentlichung Peter Blickle: Gemeindereformation. Die Menschen des 16. Jahrhunderts auf dem Weg zum Heil. Studienausgabe München 1987. Zur Forschungskontroverse um die These einer 'Frühbürgerlichen Revolution', der hier nicht weiter nachgegangen werden kann, s. Rainer Wohlfeil (Hg.): Der Bauernkrieg 1524-26. Bauernkrieg und Reformation. München 1975, sowie Wohlfeil, Einführung, S. 188-199.

340

Egidius Camillus,16 der sich nur in allgemeinen, dabei positiven Vorhersagen zum Jahr 1524 geäußert hatte, fühlt sich in seiner Zurückhaltung bestätigt. Für 1525 sei auch nichts Schlimmes zu befürchten, meint er und fährt fort, mit einem Seitenhieb auf diejenigen, die von Überschwemmungen und dem Ende der Welt geschrieben hatten: "Es ist auch hie bey zumercken / das auß den Cöiunctionibus vnnd zamenfugung der obern bösen planeten / diß jar den menschen kayn geferligkait zubesorgen / so doch das vergangen Jar / sollicher Coniunction vil gewesen / vn die Mathematici oder erfarnen diser kunst manigfeltig / erschrockenliche / grawsame ding Prognosticiert habe als ob dise vndere weit solte durch der planeten cöfiguration merertails außgetilgt vnd zerstört sein worden / durch merung der wasser der kaines geschehen..." (A4a) Als "ein stuck von dem syndfluß / do man gar vil von gesagt hatt" (A4a) bezeichnet Lorenz Fries seine 'Judenpraktika' von 1525,17 wobei er jedoch auf die Sintflutprognose nicht mehr zurückkommt, sondern sie als Metapher für das grausame Schicksal der Juden anzusehen scheint, die, so verkündet er, ihrer Vernichtung entgegengehen werden. Am ausführlichsten rechtfertigt sich Virdung von Haßfurt, 18 denn er gehörte zu den vehementesten Verkündern mannigfacher Katastrophen und Konflikte. Zunächst wendet er sich gegen "etzliche neydische menschen" (A2a), insbesondere gegen Cornelius Scepper, der in einem langen Elaborat, den 'Assertionis fidei', auch Virdungs 'Practica Teutsch' für 1524 heftig kritisiert hatte. Scepper verbreite nur Lügen, wehrt sich Virdung und führt an, daß viele Betroffene die Richtigkeit seiner Prognosen bezeugen könnten: "... welches dä gezeügen geben dise ding meiner practica welche vil mensche erfaren haben mit trawrichem ^emutt Do etzlich durch vngestymikeit der wasser erschrockliche bose ding geliten habe / etzliche erdruncken vnd ersencket in die dieff / Etzlich des landts vertribenn Etzliche durch vnfruchtbare wachssüg d1 frücht erschrocke / ich frage seyn nit allenthalben auff-rur vnder den geistlichen vn gemeynen volck Vnd zwitracht im glaube ist nit berufft durch die Fürsten des reichs ein versamelüg der gelarte in der keyserlichen freye stat Speyer welche ich alle in meiner practica verkündet hab ..." (A2a) In düsteren Farben malt Virdung die Schrecken des Jahres 1524 aus, wobei sich der Verdacht aufdrängt, weniger die tatsächliche Witterung, als die Notwendigkeit seiner Rechtfertigung hätten ihn hier geleitet. Immerhin können ihm reformatorische Auseinandersetzung, Bauernkrieg und der Reichstag zu Speyer als 16

Camillus, Practica Teutsch, (Wien 1524).

17

(Fries), Der Juden practica, (Hagenau) 1525.

18

Virdung von Haßfurt, Practica, dtsch., (Speyer 1524).

341

Beispiele richtiger Vorhersage dienen. So fühlt sich schließlich jeder der drei genannten Astrologen bestätigt, entweder durch die Tatsache, daß es zu keiner Sintflut gekommen war oder durch die Eskalation der sozialen Konflikte im Jahr 1524. Auf vorher geäußerte Weltuntergangsprophetien und Ankündigungen des Jüngsten Tages kommt Virdung in seiner Praktik für 1525 nicht zurück, obwohl er in einer gesondert publizierten Schrift19 an die Planetenkonjunktion 1524 in Anspielung auf Luther das Erscheinen eines 'neuen Propheten' knüpfte, der ihm zum "Entcrist" wird und damit zum Zeichen, daß der Jüngste Tag nahe sei.20 Obwohl er die Sintflutdebatte nicht explizit nennt, sind es doch diese Schriften, die Carion in seiner Prognostik 'Bedeutnis und Offenbarung der himmlischen Einflüsse' von 152621 mit spöttischen und tadelnden Kommentaren versieht. Es würden viele Praktiken geschrieben "etlich auß ainem grund / der doch bißher wenig gesehen seyn / Deßhalbe ich es dafür hab / das sy die Buchdrucker selbs etwan erdichten / also vnter das volck für Newe mir außgiessen / vnd blasen solche Propheceyen hoch auff / vnd geben jnen ain solchen waydelichen vnd dapffern Tittel / das der leser so er die ansichtig wirdt / nit wol vnderlassen kan / muß aine kauffen. / Vnd so er dan in die materi kompt / ist es mit aine quarck versigelt / vnd etwan die vorred lenger / dann das gantz werck dauon der Tittel lautend ist." (A1 b) Carion kritisiert vor allem die Publikationspraxis von astrologischen Flugschriften, die eigentlich wenig Neues enthielten, ja, teilweise von den Druckern, nicht von den Meistern der 'Kunst' selbst zu stammen schienen und dabei in ihren Titelformulierungen Sensationen versprächen, die im Inhalt nicht eingehalten würden. Carion wiederholt hier z.T. Einwände, die Georg Tannstetter schon während der Debatte vorgebracht hatte, indem er manche Praktiken als 'Gedichte eines Druckers oder Landfahrers' bezeichnete. Carions Bemerkung über die Titelformulierungen fügt dem eine Komponente hinzu, die in der Tat 19

Virdung v. Haßfurt, Practica von dem Entcrist, (Speyer 1523/24). Die Datierung der Schrift ist nicht unumstritten, Benzing gibt "um 1525" an. Vgl. Benzing, Drucker, S. 124, Nr. 5. Formulierungen im Text scheinen mir aber eher auf ein früheres Entstehungsdatum zu deuten. Es heißt u.a.: "So muß von nottwegen der Entcrist bezeiget werdenn durch eyn zeiche das der iunckfrawen entgege gesatzt würt dz sein die fische darjnne dise grosse coniunctiö würt im 1524 jare ..." (A3a). Dies drückt m.E. aus, daß die Konjunktion noch als in der Zukunft bevorstehend angesehen wird.

20

In diesem Zusammenhang übt Virdung heftige Kritik an der Reformation: "...als dan yntzüt am tag leidt dz nit allein die weltlichen sunder auch die geistliche / die / kirchen gots dinst / Opffer / Meß / vnd alle empter etzlicher moß vnderstande haben ab zu treybe vn noch teglich vndersten das dan ein ware zeichen ist das sich nahet die letzte zeit vnnd die zukunfft des entcrist..." Virdung von Haßfurt, Practica von dem Entcrist, (Speyer 1523/24) (A3b).

21

342

Carion, Bedeutnis und Offenbarung, o.0.1526.

charakteristisch für manche Schriften der Sintflutdebatte ist. So verspricht etwa Grünpecks 'Dialog' Aussagen über die Planetenkonjunktion 1524, was sich im folgenden als reiner 'Aufmacher' entpuppt: Es werden Erwartungen beim Käufer geweckt, denen dann nicht entsprochen wird. Die Schriften von Gereon, Ranssmar, Camillus u.a. entsprechen eigentlich den normalen Jahrespraktiken, handeln aber in ihrer Vorrede die Sintflutfrage ab, was sich verkaufsfördernd auswirken sollte. Carions Kritik bestätigt zudem die Vermutung, daß die propagandistischen Methoden der Flugschriften ihre Wirkung nicht verfehlten. Seine eigene Prophetie hält Carion dagegen für so tiefschürfend, daß sie dem 'gemeinen Mann' nicht bekannt werden soll: "Deßhalben nit von noten ist / solchs (seine Praktik, d.Verf.) in druck zubringen / dan sachen so da auß ainem grund geen / soll man nit mit der menge vnter die vnuerstendigen werffen / sonder zu nutz vnd warnung für sich behalten ... damit die künsten der natur nit gemain wurden." (A2a) Nachdem gerade Carion 1521 für den 'gemeinen Mann' geschrieben, ihn explizit als Leser anzusprechen versucht hatte, wird ihm nun die Astrologie wieder zur Geheimwissenschaft, die eine Sache der Gelehrten bleiben muß. Dies scheint die Lehre zu sein, die Carion, der sich während der Sintflutdebatte mit drastischen Ankündigungen hervorgetan hatte, aus dem Verlauf des Streits gezogen hat. Inhaltlich jedenfalls ändert sich an seinen Prophetien wenig, weiterhin erscheint ein apokalyptisches Szenario, in dem "ain grewliches wetter" über die Fürsten gehen, 1533 ein falscher Prophet aufstehen und 1537 das Ende nahen wird. In Carions Vorhersagen lebt Lichtenbergers Prophetie nach 1524 fort. An seine Anweisung, seine Schrift nicht drucken zu lassen, haben sich seine Freunde, denen er sie widmet (oder er selbst) nicht gehalten; die Schrift wurde zwischen 1526 und 1530 in mindestens 5 Ausgaben verbreitet. 22 Neben Carion fühlt sich auch der Astrologe Peter Creuzer der Tradition Lichtenbergers verpflichtet; er nennt sich "des weitberumpte Astrologi M. Jo. Liechtenbergers discipel" (A1a) und sieht ebenfalls einen falschen Propheten sein Unwesen treiben. Indirekt macht er in seiner Kometenschrift von 1527 2 3 die Planetenkonjunktion von 1524 für künftiges Unglück verantwortlich, denn durch sie sei der Komet entstanden, der sozusagen als ihr Stellvertreter einen "sterckern scherpffen einfluß" (A4b) haben und die Trübsal verstärken werde. 22

Neben der genannten Ausgabe von 1526 konnten gefunden werden: Jobannes Carion: Bedeutnis und Offenbarung, o.O.o.D.oJ. (Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 90h/24); Johannes Carion: Bedeutnis und Offenbarung, o.O.o.D. 1529. (Köhler FS 3165); Johannes Carion: Bedeutnis und Offenbarung,... gebessert und verlängt mit einer verborgenen Prophezei ..., o.O.o.D. 1529 (Köhler FS 2380); Johannes Carion: Bedeutnis und Offenbarung, o.O.o.D. 1530 (Köhler FS 2415).

23

Creutzer, Auslegung, Nürnberg (1527).

343

Sehr viel konkreter deutet eine spätere Publikation, der 1530 erschienene anonyme 'Bericht von dem türkischen Krieg' 24 die Sintflutvorhersage um und bezieht sie auf die aktuelle Problemlage. Dieser Bericht knüpft die Sintflutvorhersage nicht an die Planetenkonjunktion 1524, sondern an die Wiener Himmelszeichen, die er zunächst in folgender Weise ausdeutet: "Von disem wunderzeychen ist vil propheceyt vnd geschriben worden / wie das sie solten bedeutten eyn syntfluß des wassers / darab meniglich / großen schrecken empfangen / es war aber nicht angezeygt / von dem sintfluß oder vnsers sundtlichen lebens eyn vberfluß. Die straff vnd plag der grossen plutuergiessung des vnschuldigen Christlichen pluts / das leyder der zeit her nun zum andern mal in Vngern / Österreich / vnd anderer Nation / durch die Tyrannischen Thürcken / also erbermglich vergossen worden / welcher groß yamer / straff / vnd plag / bey vns armen eilenden Creaturen / wenig behertzigt wirdt." (A1b) Die Ströme von Blut, die die Christen im Kampf mit den Türken vergießen, lösen hier metaphorisch das Wassermotiv ab und geben der 'Sintflut' eine neue Bedeutung. Die Wiener Himmelserscheinungen von 1520 werden zu Vorzeichen des türkischen Angriffs auf Wien 1529. Die Sintflutvorhersage weist der Text mit dem üblichen Argument, dem Regenbogen, zurück. Daß die Planetenkonjunktion zwar keine Sintflut, aber doch gravierende gesellschaftliche Veränderungen angezeigt habe, ist nicht nur die Meinung der Astrologen, sondern auch manch anderer Zeitgenossen. So findet sich beispielsweise zu Beginn der "Merkwürdigkeiten" der Nürnberger Äbtissin Caritas Pirckheimer folgende reformationskritische Eintragung: "Zu wißen / das etwan lange zeit pronosticirt ist worden auf dy zeit / wen man zellen wirt anno domini 1524 sollt ein große sindfluß kumen / durch dy alles das auf erden ist / verändert vnd verkert soll werden vnd wywoll solchs gemeynglich auf ein waßersindfluß verstanden ist worden / hat es sich doch in der erfarung erfunden / das daz gestyrn nit als gar waßer angezaigt hat als vill trubsal / angst vnd not vnd nachvolgend groß plutvergyßen / dann in dem vorgemelten jar hat es sich begeben / das durch dy newen lere der luterey gar vil ding verändert sind worden vnd vil zwyspaltung in dem cristlichen gelawben sich erhebt haben / auch dy ceremonia der kirchen vil abgethun sind worden vnd nemlich der standt der geistlichen an vil ortten schyr gancz zu grünt gangen / dann man prediget dy cristlichen

24

344

(Anonym): Warhaftiger Grund und Bericht... Nürnberg oJ. Die Wiener Zeichen werden dem Autor an anderer Stelle der Schrift zu Verkündern göttlicher Plagen, allen voran dem "Englisch schweyß", einer Krankheit, an der die Menschen über Nacht sterben könnten (Clb).

freyheit / das dy gesacz der kirchen vnd auch die gelub der geistlichen nichts gelten sollten vnd nymant schuldig wer sy zu hallten."25 Die bittere Klage über den Fortgang der Reformation und dessen Konsequenzen für den katholischen Klerus verknüpft die Äbtissin mit der Vorhersage für 1524, die sich durch die Ereignisse dieses Jahres, nicht zuletzt wohl durch den Bauernkrieg ('großes Blutvergießen') bewahrheitet hätten. In der Tat konnte ja zumindest Stöfflers Prophetie von 1499, die die Festlegung der 'Umwälzungen' auf eine Sintflut nicht brachte, als bestätigt gelten. Ähnlich sieht es der Chronist Kilian Leib, der angibt, die 'Ephemeriden' Stöfflers im Jahre 1505 gelesen und aus dem Verlauf der frühen 20er Jahre gelernt zu haben, daß die 'Veränderungen' mit der Reformation und dem Auftreten Luthers, "hominis a daemone missi scripta adversus Summorum Pontificum potestatem",26 ihre Erfüllung gefunden hätten. Außerdem stellt auch er einen Bezug zum Bauernkrieg her. Es mag übrigens kein Zufall sein, daß Luther in seiner 'Ermahnung zum Frieden' betont, daß Himmelszeichen wichtige Ereignisse auf Erden ankündigen könnten und das von ihm als verbrecherisch gekennzeichnete Verhalten der aufrührerischen Bauern mit der Bezeichnung 'Sintflut' belegt.27 Daß sogar die Bauern selbst ihr Verhalten mit den astrologischen Vorhersagen zu rechtfertigten suchten, weiß Franz zu berichten. Danach habe ein Elsässer Bauernhaufe folgende Begründung für sein Vorgehen angegeben:"... was er täte, wäre lange prophezeit und des Himmelsgestirns Schuld. Gott wollt's also haben."28 Auch wenn die Richtigkeit dieser Angabe nicht überprüft werden konnte, erscheint es durchaus möglich, daß die fortdauernden Prognosen über einen Aufstand des 'gemeinen Mannes' im Zusammenhang mit verschiedenen Planetenkonstellationen bis zu den Elsässer Bauern vorgedrungen waren und ihnen ihr Tun als Erfüllung des göttlichen Willens plausibel machten. Die von Franz angegebene Bemerkung wirkt jedenfalls wie ein Reflex auf jenen Holzschnitt von Erhard Schön, auf dem ein Bauer dargestellt ist, wie er einen Herrn mit seinem Dreschflegel schlägt, während ein Landsknecht auf einen Kometen am Himmel zeigt.29 Eine derartige Holzschnittkonzeption zeugt zumindest davon, daß der Gedanke durchaus vor-

25

Zit, nach Zambelli, Introduction, S. 10. Dort ist auch Literatur zu Caritas Pirckheimer genannt.

26

Zit. nach Friedrich, Astrologie, S. 80, Anm. 1.

27

Zu den Himmelszeichen äußert sich Luther in der 'Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben'. Vgl. WA, Bd. 18, S. 293; im 'Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern' heißt es "... auffrur ist eyn sindflut aller untugent." WA, Bd. 18, S. 398.

28

Franz, Bauernkrieg, S. 92. Dieser Ausspruch konnte jedoch in den Quellen zum Bauern-

29

Vgl. Scribner, Folk, S. 126, Nr. 95.

krieg, die Franz herausgegeben hat, nicht aufgefunden werden.

345

handen war, Planeten oder Kometen als Ursachenfaktoren für soziale Konflikte anzusehen und Rechtfertigungen aus ihnen abzuleiten. Diese wenigen Beispiele der Reflexion über die Sintflutdebatte vermögen, obwohl sie nur Schlaglichter sein können, zu zeigen, daß weder für die Astrologen noch für andere Zeitgenossen das Desaster der falschen Sintflutvorhersage ein Beweis des Versagens der Astrologie auf der ganzen Linie geworden war. Zu sehr drängte sich der Schluß auf, die turbulenten und dramatischen Zeitereignisse seien die 'Erfüllung' der durch Gott gesandten Vorzeichen, wobei das Aufgreifen der Sintflutvorhersage als Deutung für die Kämpfe mit den Türken zeigt, wie gut die Prognose auch sechs Jahre später noch aktualisiert werden konnte.

5.2. DIE ASTROLOGISCHEN JAHRESVORHERSAGEN IN DEN JAHREN 1524 BIS 1528 Im Selbstverständnis der Astrologen hat die Sintflutdebatte keinen tiefgreifenden Bruch bezeichnet - dieses Ergebnis wäre nun anhand der Produktion der Jahrespraktiken in den Jahren unmittelbar nach der Debatte zu überprüfen. Für den Zeitraum von 1525 bis 1528 liegen zwölf Schriften vor, von denen drei bereits wegen ihrer reflektierenden Bemerkungen zur Sintflutdebatte erwähnt wurden: die Praktiken von Virdung, Apian und Camillus auf das Jahr 1525. Für dieses Jahr existiert außerdem eine Vorhersage von Johannes Volmar,30 den an der Wittenberger Universität tätigen Mathematiker. Weiterhin ließen sich auffinden: eine Vorhersage für 1526 von Peter Apian, 31 eine Schrift für 1527 von Matthias Brotbeil, 32 der sich selbst "lateinischer Schulmeister" (A1 a) aus Kaufbeuren nennt und drei Praktiken für 1528, nämlich von Christoph Höchstetter, 33 Anton Breiochs,34 einem Doktor der freien Künste und der Medizin aus Kreulsheim, und Michael Krautwadel 35 einem 'Liebhaber' der freien Künste und der Arznei. Über Brotbeil, Breiochs und Krautwadel ist nicht mehr zu erfahren als sie selbst in ihren Schriften angeben. Brotbeil war demnach in Kaufbeuren selbst tätig, Breiochs in Schwäbisch Hall und Krautwadel in Landsberg. 36 Sie alle widmen ihre Schriften dem jeweiligen Rat der Stadt. Schließlich konnten drei Jah-

30

Volmar, Practica Wittenbergensis, dtsch., Leipzig 1525.

31

Apian, Practica Teutsch, o.O.oJ. (Nürnberg? 1525).

32

Brotbeil, Practica Teutsch, o.O. (1526).

33

Höchstetter, Practica Theutsch, o.O.oJ. (Augsburg? 1527).

34

Breiochs, Practica Teütsch, (Nürnberg 1527).

35

Krautwadel, Practica Teütsch, o.O. (1527).

36

Alle Angaben zur Person befinden sich bei den drei Schriften schon auf dem Titelblatt.

346

respraktiken von Virdung gefunden werden, sie gelten für die Jahre 1526, 1527 und 1528.37 Eine erste Durchsicht der Schriften zeigt, daß sich an der formalen Gestaltung der Praktiken nichts geändert hat; die Themengebiete, über die der Leser etwas erfahren soll, sind gleich geblieben. Wie in den Sintflutschriften werden jedoch Klagen über Anfeindungen von Seiten der Astrologiekritiker laut, und zugleich wird die Astrologie als gesellschaftlich nützliche Wissenschaft umfänglich legitimiert. Egidius Camillus erbittet von seinem Herrn, Hartmann von Liechtenstein und Nicolsburg,38 Schutz und Schirm gegen die "mißgünner vn verachter diser vnd ander künst" (A2a) und bemüht sich gleichzeitig, durch historische Beispiele die Unentbehrlichkeit der Astrologie zu beweisen. Nur durch die Sternenkunde, so meint er, seien die Römer befähigt gewesen, ihr Weltreich aufzubauen: g "Ich hab newlicher zeyt der Romer geschieht oder hystori gelesen / vnd befunden / wie hoch sie von Adelichen stamen / reichtumben vii herligkaitn begabt / waren sy daran nit ersettiget / sonder beflissen sich allerley künst zu ergründen / Darunder des Firmaments oder hymellauff / wie der von Gott geordent / vnd den Planeten die wirckligkayt der nydem yrdischen dingen verlihen ... dardurch sy zu rechtem verstand komen / in weit lauffigen Ritterlichen vii andern treffelichen Sachen / Damit haben sie auch also den grossen vmbkraiß der weit bekriegt / vnder sich bezwungen vnnd gebracht..." (A2a) Virdung wünscht von seinem Herrn, dem Pfalzgrafen Ludwig V., er möge seine g "gutige oren den Schwetzern nit verley" (A2a). In der Vorrede seiner Schrift für 1527 versucht er deutlich zu machen, daß bereits Mose die Wirkung der Gestirne auf das menschliche Leben bezeugt habe und fährt fort: "Darauß klerlich vermerckt wirt / dz dz gestirn nit allein geschaffen ist zu einer zyre des firmaments vnd zu erleüchten die erden / wie dä viel dorheit mensche sagen vn dar durch die Astromey verwerffen wollen ..." (A1b) Andere Vorreden zeigen die stereotypen Begründungszusammenhänge, durch die neben der Darstellung von Gelehrsamkeit, das Bemühen um Absicherung hindurchscheint. So haben Krautwadeis und Breiochs Schriften sehr ausführliche 37

Virdung von Haßfurt, Practica deutsch, o.O. (1525); Virdung von Haßfurt, Practica Deütsch, o.O. (1526); Virdung von Haßfurt, Practica deutsch, (Nürnberg 1527). Die Vorhersage von Lorenz Fries für das Jahr 1525, die nach Benzing in Mainz vorhanden sein sollte, konnte dort nicht aufgefunden werden.

38

Vgl. über das Adelsgeschlecht 'Die Wappen des Adels in Oberösterreich'. (Siebmachers Großes Wappenbuch 27), S. 181-184. Hartmann war der Sohn Georgs V. von Liechtenstein und erhielt die Herrschaft Feldsberg. Er gründete die nach der niederösterreichischen Herrschaft benannte Linie.

347

Vorreden aufzuweisen, die teilweise wortwörtlich miteinander übereinstimmen und eine Fülle von Autoritäten zitieren: Ptolemäus, Aristoteles, David, Piaton, Damascens, 39 Albertus Magnus, Noah, Abraham, Albumasar und Hermes 40 werden genannt. Diese bunte Reihe zeigt, daß die Autoren, unbeschadet der evangelischen Kritik, weiterhin die biblische Lehre, griechische und arabische Naturphilosophie sowie mittelalterliche Theologie miteinander versöhnen und aus ihnen allen die Bedeutsamkeit der Astrologie für himmlische und irdische Zusammenhänge behaupten wollen. Brotbeil schließlich hat vollständig die Vorrede des Alexander Seitz zu seiner 'Warnung des Sintfluß' übernommen41 und damit auch dessen ungewöhnlich starke Betonung der menschlichen Determination durch die Gestirne und den eschatologischen Ton, was Brotbeil nicht bewußt gewesen zu sein scheint, denn seine Vorhersagen tragen diesen Erkenntnissen keinerlei Rechnung. Ferner zeigt die Untersuchung der Praktiken, daß sie weiterhin größtenteils Medium der gesellschafts-politischen Auseinandersetzung bleiben. Eine Ausnahme bildet wieder die Schrift Volmars, der in keiner seiner Praktiken auf das Zeitgeschehen bezogene Aktualisierungen bringt. In den anderen Schriften dominieren noch immer die Sorge um die religiösen und kirchlichen Verhältnisse sowie die Abwehr bäuerlichen Aufbegehrens. In einer Vorhersage, die er ganz ähnlich wie 1523 formuliert, sieht Virdung von Haßfurt auch 1525 die Geistlichkeit bedroht; die Mönche, versichert er, "habe noch nit gesehen das endt irer betribtnis" (A4a). Versöhnlicher wirkt es, wenn er bei den 'Kindern' des Merkur ausführt, die Gelehrten werden "sich mere dan andere jare vndere — sten... der gotlichen gesatze vnd jn jn disputire und sie beschützen vn mit freiden volbringe ire geschefft." (A4a) Zwar klingt die reformatorische Auseinandersetzung, die inzwischen in Disputationen weitergeführt wird, an, 42 doch hofft Virdung auf Stabilität. Dies wird ebenso deutlich an einer Vorhersage für 1526: "Den geistlichen vnd prelate der kirche / wil ich ein bessern drost zuschriben dan das negst vergange jare vnd das ire vnglück sich vast mit gotlicher hilff mindern würt..." (A3b) Auf der anderen Seite sieht er die weltliche Obrigkeit als Garant der christlichen Ordnung, wenn er für 1525 schreibt: 39

Zu Damascens vgl. Cumont: 'Art. Damascenus'. In: Georg Wissowa (Hg.): Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaften. Neue Bearbeitung. Bd. 4,2. Stuttgart 1901, Sp. 2035.

40

Zu Hermes vgl. O. Gigon: Art. 'Hermes Trismegistos'. In: Lexikon der Alten Welt, Sp. 1271.

41

Vgl. S. 187ff. dieser Arbeit.

42

Vgl. dazu auch Virdung von Haßfurt, Practica deutsch, o.O. (1525) (A4a). "Auch sehen sich für etzliche stett das nit groß anderung in yn geschehen vnd Newe reformacion in gebe werdt...".

348

e . "Kunige Fürste vn die auß hohem Adelichen geblüt geborn / werden handthaben die geistliche gStliche ding Die gesatz vn seckt der cristen befestigen / vnd die vberdretter der gesatze vii gebott scharff straffen ..." (A4a) Virdung läßt keinen Zweifel, daß die Obrigkeit gegen alle aufrührerischen Kräfte mit drastischen Strafen vorzugehen hat und nimmt gleichzeitig die Niederschlagung des Bauernkriegs vorweg, bei der sein Herr, Ludwig V., eine maßgebliche Rolle spielen sollte. Das Motiv der weltlichen Obrigkeit als Schutzinstanz des Glaubens taucht auch in den Schriften für das Jahr 1528 auf. Typisch ist hier Hochstetten Formulierung: "Die Geystlichen prellten vnd großmechtigen / werden diss jar fast sorgfeltig sein vnd anligen den weltlichen fürsten / zu euthaltung (!) vnd auffrichtung des glaubens / vnd das gesetz auß zu preyten / das sy etwan erlangen werde." (A4a) Bei ihm wie auch bei anderen Autoren 43 drückt sich die Hoffnung aus, die vorher stets konstatierte Feindschaft zwischen geistlicher und weltlicher Obrigkeit werde im Sinne einer katholischen Neuordnung und Konsolidierung der gesellschaftlichen Verhältnisse überwunden werden können. In wörtlicher Übernahme der Vorhersage Virdungs in seiner "Practica Teutsch" hofft Breiochs noch einmal auf die Beseitigung aller Konflikte durch ein Konzil. In der Diktion der frühen 20er Jahre verharrt gleichfalls Michael Krautwadel. Er klagt in bewegten Worten über den elenden Zustand der Christenheit: "O jhr Christenn! Nemlich nichts annders denn den sorgfeltigen kümmerlichen stand darin layder yetz die Christenhait wandlet / elend / pilgrams weyß / alls yrrete schäfflein on ein hyrten / aller gferlichhait / feyndtschafft vnd trubsal vnderworffen / alles trosts vnd wirdigkait vnd ehre entsetzt." (A4a) Der heilige Papst werde mit dem Tode bedroht, die Obrigkeit in ihrem Regiment verhindert, die Geistlichkeit verfolgt, der Glaube vernichtet - alles dies ist hinlänglich aus den Vorhersagen für 1524 bekannt, ebenso wie der Topos, die reformatorisch gesonnenen Geistlichen brächten Unfrieden durch ihre Hoffart. Das zweite große Thema betrifft die Aktivitäten des 'gemeinen Mannes', die immer wieder angesprochen werden, hatte doch das Zeitgeschehen den ständigen Prognosen, der 'gemeine Mann' werde sich erheben, endlich recht gegeben. Die Geschehnisse im Bauernkrieg klingen erneut an, wenn Apian erst für 1526 aus dem Einfluß des Mars "krieg / todschleg / morderey / vn beraubung der Kyre — chen / Kloster vn Gotsheüßer" (A3b) weissagt. Dann aber werde Ruhe einkehren: "Im Herbst vn bey dem endt dises jars werden die Bawrn vnnd vnderthanen 43

Vgl. dazu auch Brotbeil, Practica Teutsch, o.O. (1526) (A3a).

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gar geduldtig sein / willigklich alle pflicht thonn irer Oberkait..." (A4a). Apians Vorhersage vollzieht die Ereignisse der Jahre 1524/25 nach und transponiert sie in die Zukunft. Noch einmal entsteht der Schrecken des Aufruhrs, aber auch die Erkenntnis, daß der 'gemeine Mann' als Potential des Umsturzes ausgeschaltet ist. Dessen Rückkehr zu treuer Pflichterfüllung wiegt um so mehr, als der Astrologe gleichzeitig eine schwere Teuerung verheißt. Seine Vorhersage kann daher auch als Anweisung gelesen werden. Der Bauernkrieg ist Anknüpfungspunkt für Virdungs Prophetie zum Jahr 1526: "... vnd so streit würt vnd zwytracht das selbig würt entsteen mere von dem groben beüerischem volck vnd von vnedeln menschen ... vnd mit den die es verschult haben durch ire bose werck vnd begert haben vnzimliche vngerechte ding vn andere menschen irer gütter mit gewalt beraubet werden vil diebstal vnd rauberey / vnnd etzliche würt armut dar zu zwingen dar vmb ir vil gefangen werden..." (A1 b/2a) Virdung fürchtet, daß die Auseinandersetzung mit den Bauern noch nicht vorbei sein könnte und spielt gleichzeitig auf das Raubrittertum an; dies ist zu erschließen aus der Plazierung der Prognose bei den 'Marskindern'. Versöhnlich in bezug auf das bäuerliche Verhalten ist die Vorhersage für das Jahr 1527 gestimmt: "... vnnd jm lentzen werden sie füren ein geystlichen standt vnnd vben in den dinge die da zu jrer seien Seligkeit dienen / werde vndersten die kirchen vnd gots heüßer wider zu pawen vn auffrichten..." (A4b) heißt es über das 'gemeine Volk'. Die Strafaktionen gegen die Bauern ruft Krautwadel noch einmal ins Gedächtnis zurück, wenn er über den 'gemeinen Mann' schreibt: "... vil aus jnen sich yppi^ vnnd auffrurig gegenn jhrer oberkeit erzeygen darauß sy eyn fal zu gewarten haben ... vil falscheit betrug / vnd erdichtes geschrey den glauben betreffent wirt jnen vngunst jrer oberkeit geperen / dardurch sye zu gehorsam genott werden mit anlegung straff peyn vnd gefencknus..." (B1 b) Die gehäuften Hinweise auf das Ende des bäuerlichen Kampfes zeigen, daß die Autoren sich nach der Erfahrung von 1525 nicht mehr mit vagen Drohungen begnügen müssen, um ihrer Forderung nach fragloser Unterordnung des 'gemeinen Mannes' Nachdruck zu verleihen. Diese Argumentation spielt um so mehr eine Rolle, als sich der Autoritätsverfall der Obrigkeit tief eingeprägt hat, was ebenfalls bei Krautwadel nachklingt. Die Könige, Fürsten und Herren, meint er, £

"werdenn auch von vilen des gemaynen volcks auß hochmutt nitt als herrenn sunder als leüt jhres gewalts entsetzt gehalten werden" (A4b). Während jedoch die meisten Autoren die Durchsetzung der obrigkeitlichen Gewalt mit drasti-

350

sehen Strafaktionen befürworten, geht Anton Breiochs Mahnung in eine andere Richtung. Auch er spricht zunächst drohenden Aufruhr an, fährt dann aber fort: e e "Dem nach Fürsten / herrn vnnd all Magistrat fürsichtig sein wollen / das sie solchem vbel vorstand thun durch jr gut Regiment." (A4a) Zu einer eskalierenden Konfrontation der gesellschaftlichen Gruppen soll es gar nicht mehr kommen können; das 'gute Regiment' der Obrigkeit müsse aufkommende Konflikte gleich entschärfen, fordert er. Die Themenschwerpunkte der astrologischen Flugschrift - das erweist diese knappe Durchsicht - sind gleich geblieben; es dominieren die durch die Reformation ausgelösten Zwistigkeiten und die Angst vor dem rebellierenden 'gemeinen Mann', der mit dem Hinweis auf das blutige Scheitern des Bauernkriegs wirkungsvoller als bisher an seine gesellschaftliche Pflicht erinnert werden kann. Dem Zeitgeschehen entsprechend hat sich ebenfalls die Argumentation zum Komplex Reformation differenziert. In deren Fortgang setzt sich zunehmend die Hoffnung auf Konsolidierung, auf eine Übereinkunft zwischen Kirche und Obrigkeit durch, wobei auffällt, daß vom Papst keine Neuordnung erwartet wird. Vielmehr steht besonders der städtische Magistrat in seinem Verhalten im Vordergrund, an den sich die meisten Schriften ja auch wenden. Insgesamt unterstützen die Schriften das Bestreben der Obrigkeit, alle aufrührerischen oder sektiererischen Tendenzen der Reformation in den herrschaftlichen Griff zu bekommen. Eine eschatologische Einbindung der Vorhersagen wird nicht mehr vorgenommen - auch hier erweist sich dieser Aspekt als Besonderheit der Sintflutschriften. Die überwiegende Mehrzahl der Titelholzschnitte (Abb. P16 - P21) zeigt in stereotyper Weise die als Jahresherrscher bezeichneten Planetengötter, meist mit den ihnen zugeteilten Sternzeichen.44 Eine originellere Form dieser Darstellungsart bietet der Titelholzschnitt zu Virdungs Praktik für 1528. (Abb. P22) Saturn in kurzem Wams, eine Sichel haltend und Mars in Rüstung und mit Schwert reiten auf einem Stier, dem Sternzeichen, in dem ihre Konjunktion stattfinden soll. Vor ihnen steht Luna mit erhobenem Zeigefinger, ihre linke Hand berührt ein Horn des Stiers. Sie trägt ein hochgeschlossenes Kleid und eine Haube. Ihre Gestik scheint auszudrücken, daß sie Saturn und Mars ermähnt, schädliche Einflüsse im Zaum zu halten. Auf der anderen Seite ist eine geflügelte Venus in engem, dekolletiertem Kleid zu sehen.

44

Auf der Praktik Volmars für 1525 erscheint dasselbe Motiv als Titelholzschnitt, obwohl nun die Jahresherrscher nicht mehr passen: so wird Merkur, der ein Jahresherrscher für 1524 war, einfach 1525 als 'Saturnus' bezeichnet. Bei dem Holzschnitt handelt es sich um einen Nachschnitt.

351

Eine Abwandlung der Planetengötterdarstellung findet sich auf dem Titelblatt der Praktik Virdungs für 1527. (Abb. P23) Τ .inks sieht man einen Ritter (wohl Mars) mit erhobenem Schwert, in der linken Hand einen abgeschlagenen Kopf haltend, auf dem Sternzeichen des Schützen heranreiten, rechts erscheint ein schwarzer Krieger im Kettenhemd und mit einer Krone auf dem Haupt, die mit einem Tuch umwunden ist. Bewaffnet ist er mit einem Schwert sowie Pfeil und Bogen. Ihm zu Füßen ist das Sternzeichen der Zwillinge zu sehen. Für welchen Planetengott der Farbige stehen soll, ist unklar, doch deutet er gleichzeitig Gefahr von fremden Feinden an. Für die Übernahme eines Titelbilds entschied sich der Drucker der Praktik für das Jahr 1528 von Christoph Höchstetter: Der Druck wurde mit der sphärenumspannenden Urania geschmückt, die schon Virdungs "Prognosticon super novis stupendis" von 1521 zeigt.45 (Vgl. Abb. V43) Darüberhinaus verknüpfen drei Holzschnitte das Sujet der Planetengötter mit zeitbezogenen Kommentaren. Ein schöner Holzschnitt (Abb. P24) auf dem Titel der Praktik für 1525 von Peter Apian, den Erhard Schön gestaltete, 46 bringt ein detailreiches Himmelspanorama mit Mars und Venus, den Jahresregenten, einer partiellen bzw. totalen Sonnenfinsternis, strömendem Regen, Wolken- und Sternbändern und einem pausbackigen Windskopf. Auf der Erde sind rechts zwei arbeitende Bauern dargestellt. Während der eine Getreidehalme mit einer Sichel schneidet, bindet der andere Garben auf. Links dagegen marschiert ein mit Spießen bewaffnetes Landsknechtsheer mit wehender Fahne an einer Ortschaft vorbei. Diese irdischen Szenen stellen Krieg und Frieden gegenüber, wobei die Bauern in Ausführung und Bildfunktion an das Titelbild der Beruhigungsschrift Tannstetters erinnern, auf den Apian sich auch im Text bezieht. 47 Im Kontext des Bauernkriegs gewinnt eine derartige Darstellung allerdings eine zusätzliche Dringlichkeit; wollte Tannstetter noch vor einem drohenden Aufstand warnen, der gleichwohl noch ausstand, so läßt sich Schöns Holzschnitt direkt auf die aufständischen Bauern beziehen, sei es als Mahnung an die Adresse der Bauern, gehorsam bei der Arbeit zu bleiben, sei es als Beruhigung für die Obrigkeit, daß geordnete Zustände bald wieder eintreten werden. Im Titelbild der Praktik für 1526 (Abb. P25) desselben Autors liegt der Hauptakzent im stellaren Geschehen. Eine Sonnenfinsternis ist wieder in verschiedenen Stadien gezeigt, dazu der Drache, aufgefaßt als Mitte des Himmels. Darüber befinden sich Mars und das Sternzeichen Widder. Der Widder, dessen eines Horn Mars gepackt hält, schnaubt kräftig; sein Atem ist als Wolke zu erkennen. Diese Wolke setzt sich in einem breiten Strahlenband fort, das bis auf die Erde reicht, vorher aber eine siebartige Schüssel durchläuft, die von zwei Perso-

45

Vgl. Hellmann, Blütezeit, S. 58, Virdung (2).

46

Vgl. dazu: The Illustrated Bartsch, Bd. 13, S. 126 und Abb. 037.

47

Apian, Practica teutsch, Landshut (1524) (Alb). Zu Tannstetters Bild s. S. 245ff. dieser Arbeit.

352

nen gehalten wird.48 Links ist eine bärtige Kaisergestalt mit Überwurf und Bügelkrone zu erkennen, rechts eine geflügelte Frau mit einer Haube auf dem Kopf. Beide Personen bedecken ihr linkes Auge mit einer Hand und sind mit Nimben versehen. Es soll wohl die Planetenkonstellation zwischen Jupiter, Mars und Venus dargestellt sein, von der der Text spricht.49 Sie 'filtern' den Einfluß von Mars und dem gereizten Widder, besänftigen ihn jedoch nicht wesentlich, wie die zerstörten Häuser, kämpfenden Heere und der Totenschädel auf der Erde zeigen. Die Geste der Bedeckung der Augen könnte in Zusammenhang mit den 'Aspekten' gesehen werden, in denen die Planeten zueinander stehen.50 Schließlich geht der Titelholzschnitt zur Praktik für 1525 von Egidius Camillus über die bloße Darstellung der Jahresregenten hinaus. (Abb. P26) Am Himmel erscheint auch hier eine Sonnenfinsternis, begleitet von den Sternzeichen Steinbock und Skorpion. Auf der Erde schreitet Merkur mit Flügelhut, Caducäus und Schwert aus dem Bild heraus. Seinem Mund entweichen dicke Atemwolken. Zwischen beiden Bereichen vermittelnd in seiner Position tritt Saturn auf, denn er scheint seine Sense bereits auf dem Boden abgestellt zu haben, während seine linke Hand die partiell verfinsterte Sonne faßt. Bekleidet ist er mit einem langen Gewand und einem Hut, am Gürtel hängt eine Börse. Links erblickt der Betrachter zwei weitere Personen. Ein Landsknecht mit gepanzertem Oberkörper und Federhut zündet mit einer Fackel ein Kornfeld an, während neben ihm ein Kardinal steht, der mit der rechten Hand sein Gewand rafft, in der linken aber einen Beutel hält. Beide Personen können auch als Planetengötter, nämlich als Mars und Jupiter gesehen werden, wie umgekehrt Saturn und Merkur durch ihre zeitgenössische Kleidung ebenfalls für irdische Sozialgruppen stehen können. Unklar bleibt, ob die Kombination von zündelndem Landsknecht und dem Kardinal, der einen Geldbeutel anbietet, als eine kritische Wendung gegen den Klerus zu sehen ist, etwa als Hinweis auf kriegerische Initiativen der Kirche. So ergibt sich, daß in den Jahren 1525/1526 zunächst noch die Möglichkeit genutzt wird, über die Titelholzschnitte zusätzlich zu den Textkommentaren auf das Zeitgeschehen einzugehen, wobei die Darstellung des Krieges als Thema dominiert. In späteren Jahren ist dann jedoch ein Zurückgehen auf stereotype Titelblattgestaltung zu beobachten, während die Prophetien weiterhin politische Meinungen verbreiten. Zwar ist also keine Fortsetzung der intensiven Bildpropaganda der Sintflutschriften feststellbar, doch andererseits suchen die Autoren weder im Text noch im Bild die Abgrenzung von den Praktiken der frühen 20er Jahre, knüpfen im 48

Ein ähnliches Gerät fand sich auf den Bildern zweier Schriften dieser Arbeit zur Sintflut-

49

Vgl. Apian, Practica Teutsch, o.O.oJ. (Nürnberg? 1525) (A3b).

50

Zu den 'Aspekten' vgl. Boll, Sternglaube, S. 63.

debatte, der Practica von Tannstetter und der von Camillus. Vgl. Abb.S 29 und Abb. S 30.

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Gegenteil z.T. bewußt an diese an und übernehmen Textteile oder Teile von Bildideen. Obwohl diese Kontinuität bei den astrologischen Flugschriften zu beobachten ist und sich die Astrologen durch die Zeitereignisse in ihren Voraussagen bestätigt fühlen durften, so ist doch an den Vorreden der Legitimationsbedarf der astrologischen Prophetie ablesbar, der schon deshalb wirksam bleibt, weil die Kritik an der judiziarischen Astrologie durch die Publikation weiterer evangelischer 'Gegenpraktiken' auch nach 1524 nicht verstummt.

5.3. EVANGELISCHE ASTROLOGIEKRITIK NACH 1524

5.3.1. EVANGELISCHE 'GEGENPRAKTKEN' Nicht nur als Beiträge zur Sintflutdebatte sind evangelische 'Gegenpraktiken' erschienen, ihre pointiertesten Vertreter finden sich sogar erst nach 1524. Sie setzen die evangelische Astrologiekritik auch ohne die direkte Konfrontation mit der Sintflutvorhersage fort, perfektionieren das Medium der 'Gegenpraktik' und nehmen darüberhinaus Stellung zum Bauernkrieg und zu den im Fortgang der Reformation aufbrechenden Konflikten. Die Kontrafakturen der astrologischen Flugschrift sind daher wichtige Zeitzeugnisse für Positionen innerhalb eines sich ausdifferenzierenden reformatorischen Lagers. Vier Schriften sind vorzustellen: der 'Almanach' (1526) von Otto Brunfels, die 'Practica deutsch' (um 1526) von Balthasar Wilhelm, eine Weissagung von 1525 und schließlich eine anonyme Praktik auf das Jahr 1526. Über das interessante Leben und Werk des Humanisten Otto Brunfels 51 läßt sich recht detailliert Auskunft geben. Er war zunächst Mönch, wurde dann zum Anhänger Luthers, später Zwingiis und näherte sich schließlich den Wiedertäufern und Spiritualisten an. Brunfels wurde um 1488 in Mainz als Sohn eines Küfers geboren. In Mainz hat er auch studiert und um 1510 den Magister erworben. Danach trat er in das Kartäuserkloster in Straßburg ein, wo er 1524 die Priesterweihe empfing. 5 2 Er knüpfte zahlreiche Kontakte zu den Humanisten Straßburgs und Schlettstadts an, auch zu Melanchthon. Noch sah er sich in geistiger Nähe zu Erasmus von Rotterdam, ohne daß sich hier eine nähere Ver51

Literatur zur Biographie Brunfels: Heinrich Grimm: Art. 'Brunfels, Otto. In: NDB, Bd. 2, S. 677f.; Erich Sanwald: Otto Brunfels 1488-1534. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus und der Reformation. I. Hälfte 1488-1524. Diss. München 1932; F.W.E. Roth: Otto Brunfels nach seinem Leben und Uterarischen Wirken geschildert. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. NF 9 (1894), S. 284-320; Ginzburg, Nicodemismo.

52

Grimm gibt an, daß Brunfels auch in Mainz bei den Kartäusern war. Vgl. Grimm, Brunfels, S. 677.

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bindung ergeben hätte. Vor allem Schloß er sich ab 1520 eng an Ulrich von Hutten 53 an, zum gleichen Zeitpunkt faßte er den Plan, das Kloster zu verlassen, begriff sich als Lutheraner. Ohne Amt lebte Brunfels zunächst auf der Ebernburg des Franz von Sickingen, dann bei Hutten auf der Burg Dürnstein (Rheinpfalz). Durch Huttens Vermittlung fand er eine zeitweilige Versorgung in der Pfarrei in Steinheim a.d. Straße, als Stellvertreter Johannes Indagines. 54 Die Bekanntschaft mit Indagine regte ihn zu naturwissenschaftlichen Studien an, Kenntnisse in der Astrologie und Chiromantie 55 traten hinzu. Im Gegensatz zu Indagine, der seine lutherischen Neigungen nicht öffentlich zeigte, hielt Brunfels reformatorische Predigten, was ihm alsbald eine Klage der katholischen Kreise Frankfurts beim Mainzer Generalvikar einbrachte. Brunfels verlor seine Stellung und konnte sich einer Gefangennahme nur durch die Flucht entziehen. Pläne, sich nach Zürich zu wenden, setzte er nicht in die Tat um, hielt sich stattdessen zunächst in Frankfurt, 56 dann in Neuenburg - in unmittelbarer Nähe zu Balthasar Hubmair - auf. Zu Beginn des Jahres 1524 wurde Brunfels' Position unhaltbar, seit unter der Regentschaft Erzherzog Ferdinands die Lutheraner in Schwaben durch Mandate unter Druck gesetzt wurden. Erst im liberalen Straßburg gelang es Brunfels, eine Existenz zu gründen, hier erwarb er das Bürgerrecht und war an der Karmeliterschule tätig. Im Jahr 1524 trat er in Kontakt mit Andreas Bodenstein von Karlstadt 57 1530 promovierte er zum Doktor der Medizin in Basel und wurde, inzwischen durch medizinische und naturwissenschaftliche Werke bekannt geworden, 1532 zum Stadtarzt von Bern berufen. Dort ist er 1534 gestorben.

53

Brunfels schrieb eine Verteidigungsschrift für Hutten, um diesen gegen Angriffe des Erasmus von Rotterdam in Schutz zu nehmen: Otto Brunfels: Pro Ulricho Hutteno defuncto ad Erasmi spongiam responsio. o.O.o.D.oJ. (1523). (Köhler FS 96).

54

Zu Indagine (von Hagen) s. Erich Kleineidam: Art. 'Indaginis'. In: NDB, Bd. 10, S. 169.

55

Als 'Chiromantie' bezeichnet man die Praxis der Handliniendeutung. Von dem Kontakt zwischen Brunfels und Indagine zeugt ein Brief Indagines an Brunfels vom Jahr 1522, der in Indagines Hauptwerk, den 'Introductiones' im Anhang erschien. Indagine bezeichnet Brunfels dort als Lutheraner. Vgl. Ginzburg, Nicodemismo, S. 10.

56

Brunfels hoffte auf die Vermittlung Zwingiis, wie ein Brief an den Züricher Reformator zeigt. Vgl. Roth, Brunfels, S. 294.

57

Den Kontakt zu Karlstadt hat Luther besorgt registriert, wie aus einem Brief Luthers an Wenzeslaus Link vom 7. Februar 1525 hervorgeht. Vgl. WA Briefe, Bd. 3, S. 437, Nr. 827. Vgl. dazu Sigrid Looß: Zu einigen Aspekten des Verhältnisses zwischen Luther und Karlstadt, vorwiegend dargestellt an Kallstadts Straßburgaufenthalt im Oktober 1524. In: Brendler, Luther, Leistung, S. 142-147.

355

Brunfels hat eine große Anzahl von Schriften verfaßt bzw. die Werke anderer Gelehrter neu herausgegeben.58 Neben pädagogischen und theologischen Schriften stehen vor allem die botanischen Werke, aber auch eine dreibändige, Luther gewidmete Ausgabe der Schriften des Johannes Hus.59 Seine theologischen Hauptschriften 'Vom evangelischen Anstoß',60 'Vom Pfaffenzehnten'61 und die 'Annotationes'62 zeigen Brunfels als Kirchen- und Gesellschaftskritiker, der gleichwohl die gewaltsame Durchsetzung von Reformen ablehnte. Die Schrift 'Vom evanglischen Anstoß', im Herbst 1523 verfaßt, will die Vorwürfe der Reformationsgegner zurückweisen, die besagen, daß die Neugläubigen zum Aufruhr anstiften. In einer Umkehrung der Vorwürfe entwickelt Brunfels, daß diejenigen für den Aufruhr verantwortlich seien, die sich an zeitliche Güter und Macht klammerten. Dagegen habe sich Christus gewandt, er sei der 'wahre Stein des Anstoßes', denn er habe an die Armen, nicht an die Mächtigen dieser Erde seine Botschaft gerichtet. Durch die ihm eigene Radikalität könne das Evangelium Aufruhr erzeugen, nämlich dann, wenn die Mächtigen gegen seine Anweisungen verstoßen. Brunfels wendet sich aber auch scharf gegen diejenigen, die im Namen des Evangeliums einer 'fleischlichen Freiheit' huldigen und mit Gewalt gegen Kirche und Obrigkeit vorgehen wollen. Im Gefühl einer nahen Endzeit ist Brunfels davon überzeugt, daß Gottes Wort allein siegen werde.63 In seiner Schrift 'Vom Pfaffenzehnten' (um 1523) vertritt Brunfels ähnliche Anschauungen wie Zwingli oder Hubmaier.64 Den Kirchenzehnten solle man freiwillig geben wie ein Almosen, ein Zwang dürfe nicht bestehen, da der Kirchenzehnte in der Bibel nicht erwähnt werde. Trotz aller Kritik am verschwendungssüchtigen Klerus fordert Brunfels aber zum Schluß dazu auf, den Zehnten zu geben, sucht also hier einzulenken. Dennoch mag Brunfels zu den 58

Zu den Schriften sehr detailliert Roth, Brunfels und Ginzburg, Nicodemismo. Brunfels gab auch den 'Spiegel der Arznei' von Lorenz Fries neu heraus. 'Friesens Spiegel der Arznei, gebessert und fleißig übersehen durch Otto Brunfels'. Straßburg o.D. 1524 (Weller 3099).

59

Johannes Hus: De anatomia Antichristi. Hg. v. Otto Brunfels, o.O.oJ. (wahrscheinlich Straßburg 1524-25) (nach Roth). (Weller 3438,3439).

60

Otto Brunfels: Vom evangelischen Anstoß, 0.O.0.D.0J. (1523). (Köhler FS 2801) (Weller 2373). Abgedruckt in: Laube, Flugschriften der frühen Reformationsbewegung, Bd. 1, S. 294-315.

61

Otto Brunfels: Vom Pfaffenzehnten, 0.O.0.D.0J. (Straßburg, Johannes Schott) (nach Ginzburg). Abgedruckt in: Flugschriften der Bauernkriegszeit. Unter Leitung von Adolf Laube und Hans Werner Seiffert hg.v.d. Akademie der Wissenschaften der DDR. Berlin (Ost) 1975, S. 156-177 und 587-589.

62 63

Otto Brunfels: Annotationes, O.O.O.D. 1535. Zur Schrift vgl. Ginzburg, Nicodemismo, S. 17-20. Brunfels lehnt sich in seiner an die Schrift anschließenden 'Vermahnung" an Luthers Schrift 'Ein treu Vermahnung ... an alle Christen' von 1522 an.

64

356

Vgl. dazu Ginzburg, Nicodemismo, S. 21.

Predigern gehört haben, die die im Bauernkrieg geäußerten Forderungen der Bauern legitimieren halfen: Wenn die Bauern sich in ihrem Kampf auf die Verteidigung des Evangeliums beriefen oder den Kirchenzehnten ablehnten, so entsprachen sie den Intentionen des Theologen nicht. Gleichwohl erlaubte die Ambivalenz der Argumentation Brunfels' durchaus eine verkürzte Anwendung ihrer Thesen auf die konkrete Situation.65 Mit der Verantwortung evangelischer Prediger am - von Brunfels nicht gebilligten - Bauernkrieg setzen sich dementsprechend die 'Annotationes' auseinander. Deutlich wird, daß der Bauernkrieg für Brunfels ein Schockerlebnis war: Er greift die Prediger an, die die Bauern zum Aufruhr verführt hätten - möglich, daß er sich selbst hier mitmeint - und vertritt im Gegenzug die Meinung, die eigentliche Freiheit sei die innere, spirituelle, die in individueller Versenkung hergestellt werde. Die äußere Institution der Kirche wird von ihm durch die spirituelle Gemeinschaft der wahrhaft Gläubigen ersetzt.66 Diese in ihrem Verlauf gewissermaßen exemplarische Geistesentwicklung67 Brunfels' verbindet sich mit vehementer Astrologiekritik, der der Theologe in einem 'Almanach ewig werend* von 152668 Ausdruck verleiht. In ihm spricht er gleichfalls die schon genannten Problemkreise an. Wie in den bereits besprochenen 'Gegenpraktiken' ist der Titel der Schrift programmatisch zu verstehen: Die Gültigkeit der 'Prophetie' erstrecke sich nicht auf ein Jahr, sondern auf 'ewig', d.h. "bitz zu endt der weit aller weit" (Al a). Die im Holzschnitt (Abb. GP1) dargestellte Figur Christi unterstreicht optisch, daß die Praktik "Christlich" (A1 a) sein soll. Drei Bibelzitate weisen dieselbe Richtung, wenn es u.a. mit Bezug auf Matth. 10 heißt: "Geet nit die Strassen der Heyden" (A1a), denn die Vorrede charakterisiert die Astrologie als heidnische Lehre, die nur ein äußerliches, bruchstückhaftes und irriges Wissen der Men65

Zur politischen Haltung Brunfels' vgl. auch Sylvia Weigelt: Otto Brunfels - radikal-reformatorisches Wirken zwischen Luther und Müntzer. In: Martin Luther und das Erbe der frühbürgerlichen Revolution. Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich Schiller-Universität Jena. Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe. 32. Jg. H. 1/2 (1983), S. 111116. Zur Vermittlung reformatorischer Ideen s.a. Franziska Conrad: Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft. Zur Rezeption reformatorischer Theologie im Eisass. Wiesbaden 1984 (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz 116).

66

Vgl. zu diesem theologischen Ansatz Brunfels' seine Schrift 'Pandekten'. Straßburg, Johannes Schott 1527. Zwei Ausgaben von 1529 verzeichnet der Short-title Catalogue, S. 156.

67

Im Begriff des 'Nikodemismus' hat Ginzburg diese Geistesentwicklung charakterisiert. Der Begriff bezeichnet das Abwenden vom öffentlichen Eintreten für die lutherische Lehre hin zu einem Rückzug auf eine innere 'Geistkirche', z.T. bei öffentlicher Anerkennung der Zeremonien der katholischen Kirche. Vgl. Ginzburg, Nicodemismo, S. VIII - XV. Für Ginzburg ist Brunfels einer der Hauptvertreter dieser Strömung.

68

Brunfels, Almanach, (Straßburg 1525). Nach Ginzburg finden sich von dieser Schrift mindestens zehn Nachdrucke. Vgl. Ginzburg, Nicodemismo, S. 41.

357

sehen repräsentiere. Die Heilige Schrift dagegen biete die innere, ganze Wahrheit, wer ihr nicht folge, sondern die "einfaltige" (A1b) mit astrologischen Ratschlägen irreführe, sei mit Blindheit geschlagen. Es folgt die bekannte Gegenüberstellung von Licht und Finsternis als Metaphern für die christliche bzw. heidnische Lehre: "Das wor liecht leuchtet / wee de der in der finsternüß wandlet." (Alb) Im anschließenden Text hält sich Brunfels zunächst an die Kapiteleinteilungen der astrologischen Jahrespraktik, füllt sie aber kontrafaktisch mit auf Bibelzitaten beruhenden 'Prophetien' aus. So sei kein Planetengott Jahresherrscher, sondern Gott allein. Die Astrologie beziehe sich lediglich auf den irdischen Himmel und die vergängliche Zeit, Gottes Wille dagegen sei unendlich. Er werde nicht durch die "naturkündiger", sondern durch den "hochgeystlich künig Dauid" kundgetan (A2b). Über Fruchtbarkeit und Ernte will Brunfels dementsprechend keine detaillierte Vorhersage machen, meint vielmehr, daß derjenige, der sich an die Gebote Gottes hält, sich um seine Nahrung nicht zu sorgen brauche, denn Gott werde ihn erhalten. 69 Die Krankheiten, die den Menschen plagen könnten, seien die Strafe Gottes für die Sünde der Menschen. 70 Der Krieg könne abgeleitet werden aus der Übertretung göttlicher Gebote, Herrschsucht und Eigennutz, der wahre Friede sei allein in Christo. 71 Im Kapitel über die weltliche Herrschaft äußert der Autor kritische Gedanken zur Obrigkeit, indem er die Fürsten an ihren göttlichen Auftrag erinnert: "Aller gewalt... ist von Gott dem herren. Ro.xiii.cap. Das alle Fürsten vnd herren hertzlich bedencke sollen / sich destmer dem willen irs - ο — e obersten lehenherre zuuergleichen. Wann die Reich vn Radt der Fürste / seind von Gott." (Blb) Aus £ dieser Erkenntnis leitet Brunfels die Forderung nach "Fürstlicher demutigkeit" (B2a) ab. Sie bilden den Gegensatz zu Hoffart und Machtstreben. Die nun folgenden Kapitelüberschriften gehen über die der üblichen Jahrespraktiken hinaus und befassen sich mit Grundfragen der religiösen und sozialen Auseinandersetzung. "Vonn denen so das Euangelium bekennen" (B2a) heißt es, sie werden unter Angriffen und Verfolgungen zu leiden haben. Aber das "Fürstenthumb der gute" (B2a) werde die Gottesfurcht zu ewiger Geltung bringen und sich um gutes Regiment bemühen wie die Versorgung der Armen und eine gerechte Rechtsprechung. Daneben gebe es jedoch tyrannische Fürsten, die von Gott zur Strafe für sündige Untertanen eingesetzt worden seien. In weiteren Kapiteln appelliert Brunfels an die Städte, sich dem Evangelium, dem gemeinen Nutzen und der Nächstenliebe zu öffnen, sonst werde es ihnen erge-

69

Vgl. Brunfels, Almanach, (Straßburg 1525) (A3a/b).

70

Vgl. Brunfels, Almanach, (Straßburg 1525) (Bla/b).

71

Vgl. Brunfels, Almanach, (Straßburg 1525) (Blb).

358

hen wie den abtrünnigen Städten Jerusalem und Ninive. Weiterhin spricht Brunfels sich gegen den Wucher aus und ermahnt die 'Gottlosen'; das Evangelium werde alle diejenigen vernichten, die ihm Widerstand leisten: "Mercke vff wer oren hat. An dißem stein würt mancher den kopff vnd schynbein zerstossen." (B4a). Hier taucht erneut der Gedanke des 'evangelischen Anstoßes' auf. Sehr dezidiert weist der Theologe dann die Geistlichkeit in ihre Schranken: "Der Geystlichen standt / ist nit ein herrschung / sonder eyn dienstbarkeit / sunst ist ir teyl bey den heyden / vnd Antichrist." (B4a) Schärfer noch heißt es von den "Münch vnnd Pfaffen" (C2b), sie seien das Unkraut, das aus dem Garten des Herrn ausgerissen werden müsse. Das gemeine Volk dagegen wird lediglich dazu angehalten, den Geboten Christi in Einigkeit anzuhängen. Daß die aufständischen Bauern im Bauernkrieg gegen diesen Grundsatz verstoßen haben, wird aus dem folgenden Kapitel mit dem Titel "Das die vffrürischen keiner wolfart warten sollen" (C1a) deutlich. Man dürfe sich nicht gegen die Obrigkeit wenden, selbst wenn diese tyrannisch sei, entscheidet Brunfels. "Wer sich dem gewalt widersetzt/der widerstedt Gottes Ordnung." (C1b) Da alle Herrschaft, die gute wie die schlechte, von Gott eingesetzt worden ist, darf gegen sie nicht vorgegangen werden, da sonst Gottes Willen zuwider gehandelt wird. Auch die Kapitelüberschrift "Wie sich niemandt vffgelegter bürdy/vnd beschward freuenlich entschutten soll" (C1b) drückt diesen Gedanken aus. Vor dem Hintergrund des Bauernkriegs gelesen bedeutet das, daß die Bauern im Unrecht waren und die blutige Niederschlagung des Aufstands zwar von tyrannischen Fürsten erfolgt sein mag, deren Verhalten aber durch göttliche Weisung legitimiert war. Im Kapitel vom 'falschen Propheten' verdeutlicht Brunfels, daß er sowohl die Prediger, die zum Aufruhr aufgerufen haben, als auch die Habgierigen, die dem Evangelium widerstehen, zu diesen Verführern zählt, ja, diese Personen mit dem Antichristen und seinen Anhängern gleichsetzt. "... vß dem volgt/das vil Endtchristi seind" (C2a), fügt er lakonisch hinzu. Wie weit sich Brunfels bei alledem schon von den Lutheranern entfernt hat, zeigt das Kapitel von der letzten Reformierung der christlichen Kirche. Dort heißt es: "Die Christlich kirch kent allein Gott. Wann sye geystlich ist / vnd allein im geist erkant würt. Got ist ein geist / dem ist sye auch allein vorbekandt." (C2b) Es ist eine spirituelle Kirche, die Brunfels hier meint, eine Kirche, die den Geist Gottes zu begreifen sucht und sich nur in der spirituellen Einheit der Gläubigen konstituiert, mit der weltlichen Institution der Kirche nichts mehr gemein hat. Nur der Geist Gottes kann diese Kirche beständig machen, tut er dies nicht, so können auch keine Konzile etwas daran ändern. Die Absage an die Wirksamkeit von Konzilen steht in krassem Gegensatz zu der ausgeprägten Konzilshoffnung,

359

wie sie in vielen der hier vorgestellten Schriften ausgedrückt wurde. Die Schrift endet mit eschatologischen Akzenten: Die Zeichen der Endzeit seien erfällt, die Erlösung der wahren Christen nahe. Die graphische Gestaltung des Schlußteils nimmt dann nochmals Astrologiekritik auf, denn um ein astrologisches Horoskop hat Brunfels die Bibelverse von Jeremias Kap. 10 angeordnet, damit einen Kontrapunkt zum Horoskop setzend. (Abb. GP2) Auf der letzten Seite ist eine Handinnenfläche zu sehen, wie sie in chiromantischen Werken zu finden ist.72 Statt der die Handlinien deutenden Zeichen ist jedoch ein Bibelvers angebracht, diesmal ist es Jeremias 14: "Der Herr d^horschare hats beschlossen / vn wer mags widerfechten: Vnd sein handt ist vßgestreckt / vn wer mag es abwenden. Esaie. xiiii. Allein Gott die Eer." (C4a) Die Abbildung der Hand, sonst der chiromantischen Weissagungspraxis zuzuordnen, steht nun symbolisch für die Hand Gottes, die die Weltgeschicke lenkt. (Abb. GP3) Als Autor einer weiteren 'Gegenpraktik' ist der Lutheranhänger Balthasar Wilhelm aufgetreten. 73 Wilhelm stammte aus einer alten Schmalkalder Ratsfamilie. Er wurde 1511 an der Universität in Erfurt als Student der Theologie immatrikuliert, erwarb den Titel eines Baccalaureus der Philosophie und wurde 1517 von Graf Wilhelm von Henneberg 74 als Vikar an St. Katharinen in Schmalkalden eingesetzt. 1521 entschloß sich Wilhelm aufgrund seiner Beschäftigung mit den Ansichten Luthers - den er in Erfurt kennengelernt hatte - die Vikarstelle zu verlassen. Danach findet sich erst 1521 wieder ein Hinweis auf seine Aktivitäten, denn in diesem Jahr verfaßte er eine Schrift 75 in der er in vier Artikeln dem Prior des Augustinerordens und anderen Klerikern falsche Lehrmeinungen vorhält und in vier Gegenartikeln seine eigenen Auffassungen entwickelt. Im einzelnen geht es ihm um die Zentralstellung des Kreuzestod Christi für den Glau72

Vgl. z.B. die Abbildungen bei Albert Schramm: Die Ulmer Drucker Holle, Reger, Schaeffer, Hauser. Leipzig 1923 (Bilderschmuck 7), Abb. 188 und 189, aus einem Ulmer Druck von 1490.

73

Zu Balthasar Wilhelm vgl. Ginzburg, Nicodemismo, S. 34f.; Robinson-Hammerstein, Battie, S. 145f.; Ludwig Bechstein: Reformatorischer Versuch in Schmalkalden durch den nachmaligen Wirth Dr. M. Luther's, Balthaser Wilhelm daselbst. In: ders. (Hg.): Deutsches Museum für Geschichte, Literatur, Kunst und Althertumsforschung. 2 Bde. Neudruck Hildesheim, New York 1973, S. 295-300; Carl Knetsch: Baltzer Wilhelm und die Anfänge der Reformation in Schmalkalden. In: Zeitschrift des Vereins für Hennebergische Geschichte und Landeskunde in Schmalkalden 18 (1923), S. 25-32.

74

Zu Graf Wilhelm von Henneberg vgl. W. Germann: Art. 'Wilhelm IV.'. in: ADB, Bd. 43, S. 26f.

75

360

Abdruck des Artikelbriefs bei Knetsch, Baltzer Wilhelm, S. 27.

ben, das Abhalten der Taufe in deutscher Sprache, die Empfängnis des Sakraments in beiderlei Gestalt und die Abschaffung von Vigilien, Seelenmessen u.ä. Den letzten Gegenartikel verknüpft Wilhelm mit Kritik an der Habgier der Geistlichen, die sich alle Dienste teuer bezahlen ließen.76 Die Artikelschrift brachte Wilhelm eine Klage vor dem Stadtrat und dem hennebergischen Rentmeister ein. Als seine Rechtfertigung vom Rat nicht akzeptiert wurde, wandte sich Wilhelm, dem Bestrafung drohte, an Graf Wilhelm von Henneberg mit der Bitte um Schutz und Schirm und die Möglichkeit einer erneuten Rechtfertigung vor dem Rat. Doch die von Balthasar Wilhelm selbst getroffene Feststellung, daß "die gewaltigen mit obgemelten vngegrunten lereren halten",77 d.h. die Katholiken favorisieren, traf offenbar auch auf Graf Wilhelm von Henneberg zu, denn dieser sah in Wilhelms keckem Vorstoß gegen die ortsansässigen katholischen Geistlichen eine aufrührerische Tat: "Wir verlesen vnd wundern vns nicht wenig, dich ausserhalb Bevehell der oberchait in sollich geferthe vnd vffrurichsche Handelunge zu begeben Auch vns vnd den Rath zu Smalkalden dahin zu bewegen, dir Zuhält zu thun ..."78 schreibt der Graf an Wilhelm, der dringlich zur Ruhe ermahnt wird. Doch der Lutheraner scheint schon bald rehabilitiert worden zu sein, denn noch 1525 wurde er mit drei weiteren Abgesandten zum Landgraf Philipp von Hessen gesandt, um Gnade zu erbitten für die Stadt, die sich zeitweise den aufständischen Bauern angeschlossen hatte.79 Wilhelm, der mit den Wittenberger Reformatoren gut befreundet war, beherbergte Luther in seinem Haus während der Schmalkalder Tage; die Schmalkaldischen Artikel wurden unter seinem Dach unterzeichnet. Ab 1532 hat Wilhelm das Amt des hessischen Rentmeisters in

76

"Man sol als die gewohnheit gewesen, vigilien, seelmeB und dergleichen halten lassen, wollen auch zuvor, eher man jemants begrept, des gelds darvor gewiß sein." Gegenartikel: "Darwider setz ich diesen vierten artikel: Daß alle erdichte gotsdienste, davon got nicht gepotten noch befolen, als fürnemlich vigilien, seelmeß und dergleichen, nicht allein unnutze und vergeplichen, sonder auch widder got und sein heiliges wort und derhalb zu vermiden sein." Zit. nach Knetsch, Baltzer Wilhelm, S. 27.

77

Zit. nach Bechstein, Versuch, S. 296.

78

Zit. nach Bechstein, Versuch, S. 299.

79

Vgl. dazu Volker Wahl, Peter Handy: Schmalkalden zur Reformationszeit. In: Martin Luther und das Erbe der frühbürgerlichen Revolution. Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe. 32. Jg. H. 1/2 (1983), S. 119-134.

361

seiner Heimatstadt bekleidet, schließlich wurde er 1544 Landvogt für den Grafen. Am 7.6.1555 ist er gestorben.80 Die "Practica Deütsch auß der Gütlichen heyligen geschrifft" verfaßte Wilhelm "am heyligen Christag"(A3a); in welchem Jahr, gibt er nicht an. 81 Jedenfalls muß sie zu einem Zeitpunkt entstanden sein, zu dem Wilhelm auf die Sintflutdebatte zurückblicken konnte:"... vnnd das ich auch des grossen gewissere / dauon souil sagen / vnd Propheceyens gewest ist / gedenck ..." (C3a) schreibt er an einer Stelle, um dann fortzufahren: "... das wasser des vngotlosen hauffens hat vnns^gar erseufft vnnd vberschwembt / wie zu den zeytten Noe das naturlich wasser / das nyemandts kan odder mag behalten werden / dann die personen alleyn / welche in der Archen der Christlichen gemeyn / durch den eynigen glawben in Christum schwiinen vnnd erhalten werden." (C3a) Wilhelm deutet die prognostizierte Sintflut als 'Flut der Gottlosigkeit' um, wobei er wohl, ähnlich wie Peter Apian, auf den Bauernkrieg als 'Erfüllung' der Sintflutprophetie anspielt. Diese Vermutung wird durch eine Formulierung an anderer Stelle unterstützt, die besagt, es würden falsche Propheten auftauchen und die Menschen verführen "alß wir gar nahent alle verfuret gewest sein / ist so offenbar / das es die Bawem mercken" (A3a). Wilhelm reflektiert hier die Haltung Schmalkaldens im Bauernkrieg. Die Rettung vor Gottlosigkeit und Verführung stellt der Autor zugleich in Aussicht: Es ist die Geborgenheit in der 'Arche' der evangelischen Gemeinde. Diese 'Arche' wird als Parallele zur Arche Noah verstanden, gleichzeitig als Gegenbild zu sozialem Aufruhr und Widerstand gegen die Obrigkeit. Den Bauernkrieg wie auch andere Zeiterscheinungen sieht Wilhelm dabei als Zeichen der Endzeit, wie sie durch die "grossen Coniunctiones gotliches worts" (A2b) angezeigt würden. Die 'Praktik' setzt sich dementsprechend die Aufgabe, in einer Kontrafaktur der astrologischen Konjunktionenlehre und -auslegung aus zentralen Bibelversen diese 'Zeichen' zu entwickeln, dabei betonend, daß niemand aus den Gestirnen den Willen Gottes extrahieren könne. Als weitere Zeichen des Endes nennt Wilhelm Krieg und Streit, Pest, Teuerung und Erdbeben. Die Verfolgung der 'wahren' Christen werde noch gesteigert werden, doch müßten diese sich unbedingt öffentlich zu ihrem Glauben bekennen, mahnt Wilhelm: "Aber Christen müssen durch Verfolgung geheyhget werden." (A3b/A4a) In der 'zweiten Konjunktion' spricht der Autor die Heuchler und Gleißner an, die ihre Laster unter äußerer Frömmigkeit verbergen wie die Wölfe im Schafs80

Außer der Praktik und dem Artikelbrief sind keine weiteren Schriften von Wilhelm erhalten geblieben. Er soll aber weitere religiöse Schriften verfaßt haben. Vgl. Knetsch, Baltzer Wilhelm, S. 29.

81

Ginzburg setzt die Schrift auf Ende 1524 an. Ginzburg, Nicodemismo, S. 34. Knetsch tippt auf 1525. Vgl. Knetsch, Baltzer Wilhelm, S. 28.

362

pelz. In der 'dritten' und 'vierten Konjunktion' warnt Wilhelm vor denjenigen, die vom wahren Glauben abfallen und "die neben ein füren werden verderbliche secten" (B1a). Die 'fünfte Konjunktion' identifiziert die katholischen Geistlichen, vor allem die Mönche mit dem Antichristen. Die Heiligkeit des Papstes habe dieser sich selbst verliehen. Aber auch die weltliche Obrigkeit habe versagt, sei "billich wie das volck geworde" (C2a) und mache beim allgemeinen moralisch-sittlichen Verfall keine Ausnahme. Aus alledem sei klar zu schließen, daß das Strafgericht Gottes bald hereinbrechen werde, auch die Blindheit, mit der die Wahrheiten des Evangeliums behandelt würden, gehöre in diesen Vorzeichenkontext. "... vnd der her wirt dich schlahen mit wansin / blintheyt vnd rasen des hertzens vn wirst tappen im mittag / Lucente Euangelio / wie eyn blinder tappet im dunckeln / vnd wirst auff deyne wege / das ist / mit deynen vermeinten gutten wercken / die menschen erdicht vnd geboten haben / nicht fürt kommen." (Cl a) Sind es hier noch die Altgläubigen, die mit ihrer Werkgerechtigkeit ins Schußfeld der Kritik geraten und als Blinde bezeichnet werden, die das Evangelium, das von den Neugläubigen fleißig gepredigt wird, nicht annehmen, so wendet sich Wilhelm im nächsten Abschnitt gegen die Neugläubigen, die ihren Worten keine entsprechenden Taten folgen lassen: £

"... ja auch diejenigen so fürhin die besten berumet sein / vnd alle ander haben wollen den rechte weg leren / die thun yetzo nicht mer / dann das sie die alten / Abgotterey helffen / durch ire werck / bekrefftigen / wissen nicht das / das reych Gotes in d5 kräfft vnnd that vnnd nicht in den worten stehet..." (C2b) Aus diesen Worten spricht die Enttäuschung des überzeugten Lutheraners Wilhelm über die Kompromißbereitschaft einiger Reformationsanhänger, die nicht entschieden genug für ihren Glauben eintreten. Die wiederholten Warnungen vor falscher Lehre und Sektiererei zielen andererseits auf die Abspaltungen im reformatorischen Lager wie etwa die Täufer oder die Spiritualisten, die, wie bei Brunfels zu lesen, nicht länger auf der Reformation der irdischen Kirche als Institution reflektieren, sondern eine rein geistige Kirche errichten wollen. So kennzeichnet die Schrift Wilhelms die Bemühung um Abgrenzung auf verschiedenen Ebenen: Einerseits verwendet sie noch die Kampfbegriffe der frühen Reformation, wenn sie die Katholiken als Antichristen denunziert, auf der anderen Seite sucht sie sich schon mit Sektierern und Kompromißbereiten in den eigenen Reihen auseinanderzusetzen, sieht durch diese die Einheit des neuen Glaubens bedroht. Um so mehr stellt Wilhelm die eschatologische Erwartung und das mutige Bekenntnis zum Evangelium in den Vordergrund, nur so könne auf die Errettung beim Jüngsten Gericht gehofft werden. Er greift damit direkt

363

diejenigen an, die die Auseinandersetzung um das Evangelium nicht mehr offen führen wollen. 82 Dem Prinzip der Kontrafaktur astrologischer Auslegungspraxis folgt auch die Titelblattgestaltung. (Abb. GP4) Statt der Ausdeutung von Planetenkonjunktionen spricht der Titel die "grausame Coniunctiö der finsternüß" an, deren Verursacher die 'Gottlosen' und 'Widerchristen' seien. Fünf dunkle Kreise verbildlichen die 'Verfinsterung', sie sind bezeichnet mit den Begriffen "gotloß", "widcrist", "munich", "pfaffen" und "Nonne", drücken damit aus, daß die katholische Geistlichkeit, Ketzer und Heiden das Licht des Göttlichen Wortes verfinstern. Die Darstellung einer Mondfinsternis, sonst astrologisch gedeutet, dient als Matrix zur Formulierung theologischer Kampfpositionen unter Verwendung des bekannten Gegensatzpaares von 'Licht' und 'Finsternis'. Hierein eingepaßt erscheint auch die Präsentation des Göttlichen Worts in ausgewählten Bibelstellen, denn diese werden als 'Konjunktionen' bezeichnet. Die Bibelstellen 83 beziehen sich auf die Prophetien zum Jüngsten Tag und auf die falschen Propheten und ihre Bestrafung durch Gott; sie unterstützen damit die Hauptargumentation der Schrift mit ihrer Identifikation von Zeitereignissen als 'Zeichen' des nahen Jüngsten Gerichts. Der Form der 'Gegenpraktik' bedient sich eine dritte, anonym im Jahre 1525 erschienene Schrift, die die präzisesten und radikalsten Positionen zur Tagespolitik mit einer Absage an die Astrologie verbindet: die 'Practica auf 1526 und alle nachfolgenden Jahre'. Die Astrologie sei ein Irrweg, da sie die göttliche Weisung mißachte, daß die Gestirne nur Zeichen, keine Verursacher von irdischem Geschehen sein sollen. Dementsprechend hält der Autor die Sternkundigen "vor keyn Christen" (A2a). Sehr geschickt bedient er sich jedoch im folgenden der astrologischen Terminologie, sie in seinem Sinne mit anderen Konnotationen verbindend. Sonne, Mars und Merkur, die Jahresherrscher, werden ihm zu Exponenten des Glaubensstreits, wobei die Sonne für Jesus Christus steht, Mars für das - als streitbares Wort verstandene - Evangelium und Merkur als der Widersacher der beiden, nämlich als die sündige 'Welt'. Sodann folgt der Verfasser dem Schema der Jahrespraktik 84 und versichert im Kapitel über Nahrung und Ernte zunächst den Gottesfürchtige!!, daß sie für ihre Arbeit den gerechten 82

Vgl. Ginzburg, Nicodemismo, S. 35.

83

Es handelt sich um folgende Bibelstellen: Matth. 24, Luk. 21, Mark. 13, Jes. 24 (Bibelworte über das Jüngste Gericht). 2. Brief Paulus an Timotheus, 3 (Sünden vor den letzten Tagen). 1. Brief des Paulus an Timotheus, 4 (ebenfalls über die letzten Tage vor dem Gericht), weiterhin Dan. 9 und 11, Matth. 24 und 2. Brief des Paulus an die Thess. 2 (die Widersacher Christi). Schließlich 2. Brief des Petr. 2 (Gottes Gericht über die Irrlehrer).

84

Die Wettervorhersage, so meint der Autor, sei "eytel fabelwerck". Anonym, Practica (Speyer 1525) (Blb).

364

Lohn erhalten werden. Dagegen verheißt er den geistlichen Würdenträgern ein unfruchtbares Jahr, denn sie werden durch die Kraft des Evangeliums ihre Einkünfte, den Zehnten etwa, ja, ihre Macht überhaupt verlieren. Gefahr drohe auch den weltlichen Fürsten, wenn sie ihren schändlichen Lebenswandel nicht ablegten: "... Mercurium / welcher vast mitt hohen pferdenn / groß pomp / gewalt / schatzüg / zoll / auch zehenden in jhnen regirt / auch mit vberflüssigem ^esind / zehen oder zwentzig knecht / eyn par oder drei hübscher huren..." (A3a) Aufgrund ihrer Verschwendungssucht und Unmoral hungerten die "grossen hansen beyde weltlich vnd geystlich" (A3b) umsonst nach dem Wort Gottes, es werde sie nicht erreichen. Die Mächtigen blieben daher ein "gottlose(r) hauffen" (A3a). Durch die Versicherung, Jesus Christus könne das Verderben der Herren aufhalten, wird die scharfe Kritik des Autors nur rhetorisch abgeschwächt. Die Brisanz seiner Sozialkritik wird sogar noch gesteigert, denn nun stellt der anonyme Schreiber der gottlosen Obrigkeit das 'gemeine Volk' gegenüber, von dem es heißt:"... es hSrt das wort / nimpts an / darüb werde sie satt." (A3b) Daß gerade die 'Einfältigen', das einfache Volk, für die Botschaft Christi empfänglich sei, war bereits ein Gedankengang der frühen Reformation. Daß dies jedoch nach dem Bauernkrieg beibehalten wird, ohne mit einer Silbe die aufständischen Bauern zu verurteilen, stattdessen der 'gemeine Mann' weiterhin als positiver Gegenpol zum verderbten Herrn fungiert, unterscheidet die anonyme 'Praktik' von den anderen beiden Schriften, läßt ihre größere sozialpolitische Radikalität sichtbar werden. Zu Seitenhieben gegen den Katholizismus gibt das Kapitel über die 'Jahreszeiten' Anlaß. In ihm spricht sich der Autor gegen das Fasten und die Beichte sowie die katholischen Feiertage aus. Sie seien "menschliche erfindung", "vom Bapst geschehen" (B2b/B3a), nicht durch die Schrift begründet. Konkreter noch attackiert der Verfasser die politische Interessenkoalition einiger katholischer Obrigkeiten, wenn er schreibt: "Wir habe dz v'gange xxiiii jar eyn coniüction in Mercurius hauß zu Regenspurg gehabt / welche vns grosse krieg anzeygt / vrsach / die Son / Mars / Mercurius vertrage sich nit miteynander ... Nimpt Mercurius vberhädt / so wirts vber ir eygen haut geen. Darumb seien sie gewarnet / vnd lugen das sie der coniunction keyn mehr on die Son vnd Martern halten / dan gott wirt sie verspotten." (A4a) Hier spielt der Autor auf das Regensburger Konvent von 1524 an, das von Erzherzog Ferdinand und dem päpstlichen Legaten einberufen und auf dem der gegenseitige Beistand Bayerns, Österreichs, Salzburgs und der Bischöfe von Straßburg bis Brixen bei der Durchsetzimg des Wormser Edikts beschlossen worden war. Die Gleichsetzung von Konvent und Planetenkonjunktion erinnert an ähnliche Analogien, die die Sintflutschriften formulierten. Der Konvent mit 365

seinem gegen die Ausbreitung der Reformation gerichteten Beschluß ist, so der Verfasser, gegen das Evangelium und Christus gerichtet, kann daher nur verurteilt werden; mit Genugtuung verweist er auf die mögliche Strafe Gottes für die Glaubensgegner, die er mit Herodes oder den Juden gleichsetzt. Ihnen hält er seine Auffassung von einem gerechten Regiment entgegen, wie es sich aus der Orientierung an den Geboten und Werken Christi ergeben müsse: "Vrteylt eyn recht vrteyl / nit vmb gewins / od' freüntschafft willen / den witwen vnd weysen / vndertruckt auch nyemäts mit gewalt / so werdt ir hie zeitlich wol regieren / auch leben / dort aber nach dissem haben das ewig leben. Amen." (B1b) Die Vorstellungen von einer Herrschaft nach christlichem Maßstab stehen im folgenden jedoch einem eschatologischen Grundgefühl gegenüber, angesichts dessen es nur um Verdammnis oder Errettung gehen kann. Auch der anonyme Autor deutet die Zeitereignisse als endzeitliches Geschehen und drückt die Hoffnung auf Erlösung durch das Licht Christi ebenso aus wie die Verachtung für die in Finsternis lebenden 'Gottlosen'. Da der Verfasser diese über weite Strecken seiner Schrift mit der geistlichen und weltlichen Obrigkeit identifiziert, erscheint sein Aufruf zum Gehorsam am Ende des Textes als nur halbherzig: "So nun alle ding stehn inn Gottes handt / müssen wir nyemants mehr fürchten dann den / der das regiment fürt (wie dan der fleyschlich mensch hie weltliche oberkeyt fürcht)..." (B4a) Noch unvermittelter als bei Brunfels stehen sich in dieser Schrift zwei unvereinbare Pole in der Argumentation gegenüber: die aus dem als Korrektiv für irdische Verhältnisse verstandenen 'Evangeliums des Anstoßes' entwickelte Herrschaftskritik und die Aufforderung, sich trotz deren Unzulänglichkeit der Obrigkeit zu unterwerfen, zu respektieren, daß Gott sie eingesetzt hat und daß sie nicht mit Gewalt beseitigt werden darf. Berücksichtigt man den gesamten Tenor der Schrift, so entsteht der Eindruck, die Diktion des Gehorsams sei nur als rhetorische Absicherung an den Schluß des Textes gestellt, der zwar nicht offen für den Kampf der Bauern eintritt, ihn jedoch indirekt durch die Aufwertung des 'gemeinen Mannes' gegenüber der Obrigkeit legitimiert. Das Titelbild der 'Practica' bietet im Gegensatz zum Text keine Konkretisierung der Zeitkritik. (Abb. GP5) Auf ihm dominiert die Darstellung Gottes als Kaisergestalt mit Krone, Szepter, Reichsapfel und wallendem Überwurf mit kostbarer Schließe. Die Figur ist umgeben von einer Strahlenaureole und neun Putten, ihr zu Füßen ist die Weltkugel abgebildet, entsprechend dem Bibelvers, der im Titel angegeben ist: "Der himel ist mein stul / vnd die erd mein fußschemel."85 Weiterhin sind die drei 'Jahresherrscher', die Sonne, Mars und Merkur zu sehen, wobei deren Umdeutung als Christus, das Evangelium und die Welt nicht bild85

366

Bezug Jes. 66,1.

lieh gestaltet wurde. Vielmehr sind die Himmelskörper ganz in der Tradition der astrologischen Jahrespraktik als Planetengötter mit Bezug zu zeitgenössischen Sozialgruppen dargestellt: die Sonne als Fürst mit Krone, Szepter und reichverziertem knielangen Gewand und Stiefeln, Mars als älterer Landsknecht mit zwei Schwertern und einem Stab, schließlich Merkur als bärtiger Gelehrter, seinen Caducäus in der Hand haltend. Die Tatsache, daß er unter der Erdkugel liegt, sich unter ihr windet, entspricht noch am ehesten der Textaussage, die die Bestrafung der sündhaften Welt durch Gott verkündet. Anders als der Text aber identifiziert das Bild die 'Welt' nicht mit der Obrigkeit, Zielscheibe des göttlichen Zorns scheint hier eher ein Astrologe zu sein. 86 Die drei Texte sind gekennzeichnet durch unterschiedliche Zielsetzungen. Während Wilhelm sich mit obrigkeitskritischen Kommentaren zurückhält, statt dessen die Einheit der reformatorischen Glaubensüberzeugung gegen die Altgläubigen, aber auch die 'Abweichler' im eigenen Lager durchzusetzen sucht, erscheint bei Brunfels und dem anonymen Autor die Sozialkritik als ein Hauptanliegen, jedoch mit unterschiedlichen Konsequenzen. Während für Brunfels der Rückzug aus dem öffentlichen Kampf um Glaubens- und Machtpositionen und die Hinwendung zu einer verborgenen, spirituellen Glaubensgemeinschaft als Lösung erscheint, kann der anonyme Autor nur mühsam seinen aufrührerischen Gedanken die Spitze nehmen. Gemeinsam aber ist allen Texten, daß sie das populäre Medium der astrologischen Flugschrift mit ihrer Terminologie geschickt umfunktionalisieren und für die eigenen Propagandaabsichten instrumentalisieren. Gegenüber den 'Gegenpraktiken', die im Rahmen der Sintflutdebatte herauskamen, erscheint der Hauptakzent der Intention verlagert: Weniger die Kritik an der Astrologie und ihren Vorhersagen steht im Vordergrund - deren Verurteilung wird pflichtgemäß, aber ohne großes Engagement betrieben - die tagespolitische Stellungnahme, die Kommentierung des Fortgangs der Reformation und des gescheiterten Bauernkriegs sind jetzt Kernpunkte der Schriften, die allesamt einen eschatologischen Rahmen ansetzen. Als Ergebnis der Betrachtung der Schriften nach 1524 läßt sich so festhalten, daß sich nach der Sintflutdebatte die astrologische und die prophetisch-apokalyptische Argumentationsweise wieder trennen: Während apokalyptische Erwartung nur noch aus den evangelischen Schriften spricht, tauchen Weltuntergangsängste oder Mahnungen an das Jüngste Gericht in den astrologischen Jahrespraktiken nicht mehr auf. Titelformulierungen und Holzschnittdarstellungen auf dem Titelblatt der 'Gegenpraktiken' knüpfen an die evangelische Astrologiekritik vergangener Jahre an und stellen so einen Zusammenhang zum Schlagabtausch zwischen den Gegnern und Befürwortern der Astrologie während der Sintflutdebatte her. 86

Die Astrologen galten auch als 'Planetenkinder' des Merkur.

367

Zwei Schriften - die Wilhelms und die des anonymen Verfassers - sprechen die Sintflutprophetie direkt an. Gerade durch die Debatte um sie war die astrologische Flugschrift zu dem hohen Grad an Bekanntheit gelangt, von dem die Verfasser der 'Gegenpraktiken' auch nach 1524 profitierten. Das Zusammenwirken von reformatorischer Öffentlichkeit und Prophetienliteratur nach 1524 zeigt schließlich eine kleine Schrift, die eine Weissagung eines gewissen 'Jeremias von Paris' wiedergibt.87 Einige kirchenkritische Äußerungen im Text finden ihr bildliches Pendant durch das Titelblatt (Abb. GP6), das ein bekanntes reformatorisches Motiv aufnimmt: die göttliche Mühle. 88 Allerdings fehlt auf dem Titelholzschnitt der 'Practica' der 'Karsthans', der einen Dreschflegel schwingt, wie die reformatorische Bildgestaltung von 1521 ihn zeigte. Die Erfahrungen mit dem Bauernkrieg ließen es nicht opportun erscheinen, einen gewalttätigen Bauern abzubilden. Der für das Evangelium streitende Bauer ist kein Hoffnungsträger mehr.

5.3.2. LUTHER UND DIE 'PRONOSTICATIO' LICHTENBERGERS Da Luthers Predigt zu den Zeichen des Jüngsten Tags von entschlossener Ablehnung des Sternenglaubens und der nichtbiblischen Prophetie zeugt, mag es zunächst überraschen, daß 1527 Hans Lufft in Wittenberg Lichtenbergers Schrift mit einer Vorrede Luthers herausbringt.89 Die neuerliche Übersetzung der Schrift stammt von Stephan Rodt, die Holzschnitte vom 'Meister der Jakobsleiter'. 90 In der Vorrede gibt der Reformator seine Motive für die Herausgabe der astrologisch-prophetischen Schrift an, klärt darüber hinaus noch einmal grundsätzlich sein Verhältnis zur Weissagungsliteratur. Soll jedoch umfassend ergründet werden, welche Rolle die Aufnahme der 'Pronosticatio' für den Reformator spielte, so ist gleichfalls zu untersuchen, ob die deutsche Übersetzung von Stephan Rodt oder die Holzschnitte vom 'Meister der Jakobsleiter' die Erstausgabe der Schrift in ihrem Text- und Bildteil entscheidend variieren. Insbesondere sind die Randglossen, die den Text kommentieren, auf ihre Aussage und Funktion hin zu betrachten, sind sie doch als selbständige Hinzufügungen zum Text anzusehen. Die einleitend erwähnte Forschungsliteratur begnügt sich dagegen mit der Erwähnung oder Analyse der Vorrede Luthers, nimmt nirgends das Ensem-

87 88

Anonym, Practica, o.0.1525. Vgl. dazu Scribner, Folk, S. 104 und Abb. 76. Christine Göttler: Das älteste Zwingli-Bildnis? Zwingli als Bild-Erfinder: Der Titelholzschnitt zur "Beschribung der gütlichen miily". In: Hans Dietrich Altendorf, Peter Jetzier (Hgg.): Bilderstreit. Kulturwandel in Zwingiis Reformation. Zürich 1984, S. 19-40.

89

Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527.

90

Zum 'Meister der Jakobsleiter' vgl. S. 59 Anm. 28.

368

ble der Bearbeitungsschritte der 'Pronosticatio' für die Neuausgabe in den Blick.91 In seiner Vorrede 92 spricht Luther zunächst die weite Verbreitung und große Popularität der Weissagungen Lichtenbergers an, besonders einer seiner Ankündigungen: "Nach dem aus diesem buch ein fast gemeine rede ist entstanden gewest / Es wurde ein mal vber die pfaffen gehen / vnd darnach widder gut werden / Vnd meinen / es sey nu geschehen / sie seyen hindurch / das yhr Verfolgung durch der bauren auffrur vnd des Luthers lere sey von diesem Lichtenberger gemeinet." (A1b) Luther meint hier die Prophetie vom 'Schifflein Petri', von dem Lichtenberger zu berichten wußte, daß es schwere Stürme zu erleiden haben würde, danach aber neu bestätigt werden würde. Der katholische Klerus wiege sich nun in Sicherheit, meine er doch, die Anfeindungen überstanden zu haben. Gegen dieses Sicherheitsgefühl spricht sich Luther aus; er möchte mit der erneuten Herausgabe des lichtenberger-Textes deutlich machen, daß die Prophetien weiter aktuell sind, daß die Opposition gegen die Katholiken anhalten wird. Nach diesen zeitbezogenen Äußerungen geht der Reformator der Frage nach, ob die Prophetien Lichtenbergers göttlichen oder teuflischen Ursprungs sind. Einerseits gebe es Weissagungen, die der Heilige Geist den Propheten des Alten Testaments eingegeben habe, zur Strafe der Gottlosen und Trost der Frommen. Andererseits warne die Bibel immer wieder vor falschen Propheten, denen ihre 'Gesichte' vom Teufel eingegeben werden. Ihre Worte seien darauf gerichtete, den Glauben an Gott zu zerstören und die Gläubigen zu verunsichern. Zu diesen falschen Propheten gehöre Lichtenberger jedoch nicht, denn er behaupte nicht, vom Heiligen Geist erleuchtet zu sein, sondern beziehe sich allein auf die Sterndeuterei. Er tröste oder strafe nicht, wolle weder belehren noch verführen: "Redet aber schlecht daher von zukunfftigen dingen/es treffe gottlosen oder frumen" (A2a). Von der christlichen Kirche wisse er wohl etwas zu sagen, aber nicht von den Inhalten des rechten, christlichen Glaubens: "Das ist / er redet nichts von der rechten Christlichen kirchen / Sondern gleich wie die selbige Sternkunst von allen andern heidnischen hirschafften vn konigreichen pflegt zu reden." (A2a) Lichtenbergers Vorhersagen beträfen nur die Kirche als irdische Institution in ihren äußeren Verhältnissen, so wie auch andere Glaubensgemeinschaften oder 91

Kurze erwähnt die Randglossen, ohne sie jedoch systematisch auszuwerten. Vgl. Kurze, Lichtenberger, S. 19.

92

Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (Alb-B la). Die Vorrede ist abgedruckt in WA, Bd. 23, S. 1-12 und bei Warburg, Weissagung, S. 208-283, der auch eine erhellende Analyse der Vorrede vorlegt.

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Herrschaften thematisiert werden könnten. Luther tadelt hier die Indifferenz der astrologischen Vorhersage gegenüber einem wahren oder falschen Glauben, ihre Beschreibung der Zukunft ohne gleichzeitige Wertung, letztlich ihr untheologisches Vorgehen und kennzeichnet damit das grundsätzlich andersartige Vorgehen der Astrologie im Vergleich zur Theologie mit ihrem Einordnen irdischer Gegebenheiten in ein moralisch-ethisches Wertsystem. Diese Begrenztheit der Aussagekraft der Astrologie für theologische Belange macht Luther sodann für Lichtenbergers Kirchen- und Reformationsverständnis verantwortlich, das er ebenfalls als ein rein äußerliches bezeichnet: "Vnd stehet seine reformation darynn / das man die langen har verschneyte / die schnebel an den schuchen abthut vnd bretspiel verbrennet / das sind seine Christen / Also das gar eine leibliche weisagung ist / von eitel leiblichen dingen." (A2a) Hier hatte Luther den Holzschnitt Nr. L 37 zur Weissagung über den Engelspapst vor Augen. Lichtenbergers Reformationsverständnis erlaube es auch nicht, die Hussiten oder das Geschlecht Dan in ihrer religionsgeschichtlichen Bedeutung richtig einzuordnen oder die Glaubensgrundsätze einer evangelischen Reformation nachzuvollziehen. Der Astrologe betreibe eine heidnische Kunst wie die Römer und Chaldäer; deren Unterlegenheit zeige sich schon in der Bibel, wo nur Daniel, nicht aber die Sternkundigen den Traum des Belsazar deuten konnte. Trotzdem aber sei die Prophetie Lichtenbergers nicht grundsätzlich zu verachten: "Hat auch etliche ding eben troffen / sonderlich mit den bilden vnd figuren nahe hin zu geschossen / schier mehr denn mit den Worten." (A2b) Besonders den Holzschnitten der 'Pronosticatio' erkennt Luther ihren eigentümlichen Wahrheitsgehalt zu, sie sieht er als Ankündigungen tatsächlicher Geschehnisse. Zu prüfen wäre, welche Holzschnitte Luther hier im einzelnen gemeint haben könnte. Luthers Bemerkung ist ein Zeugnis für die Tatsache, daß gerade den Holzschnitten der Schrift eine hohe Wirksamkeit konzidiert werden kann. Im nächsten Abschnitt spricht Luther die Form des göttlichen Regiments auf Erden an. Obwohl Gott allein die Zukunft kenne und ohne Hilfe regieren könne, setze er doch Menschen als seine Statthalter ein und gebe ihnen das Schwert der Herrschaft im geistlichen und weltlichen Bereich, dazu dem "hausherrn" (A2b) die Sorge über die Familie - Luthers Ständelehre klingt hier an. 93 Außerdem regiere Gott durch die Engel. Glück und Unglück entstehe durch das Eingreifen der Engel, das durch Vorzeichen, sogenannte "Omina" (A3b) wirksam werde:

93

Zu Luthers Ständelehre s. z.B. Theodor Strohm: Luthers Wirtschafts- und Sozialethik. In: Helmar Junghans (Hg.): Leben und Werk Martin Luthers von 1526-1546. Festgabe zu seinem 500. Geburtstag. 2 Bde. Göttingen 1983, Bd. 1, S. 205-224.

370

"Wilchs also zugehet / das die lieben Engel da sind vnd durch ynnwendige anregen plötzlich einen rad odder synn eingeben / odder eusserlich ein zeichen vnd anstos ynn weg legen / damit der mensch gewarnet odder gewendet wird..." (A3a/b) Darüberhinaus sende Gott selbst diese 'Zeichen', die den Gottlosen baldige Strafe ankündigten, während die 'wahren Christen', gemäß dem Bibelvers Jeremias 10, keine Furcht zu empfinden bräuchten; sie könnten in sicherer Glaubenszuversicht verharren. Dieser Gedankengang fand sich bereits in Luthers Predigt zum 2. Advent. 94 Die Astrologen, so führt der Autor weiter aus, meinten nun, Glück und Unglück rühre direkt von den Sternen her. Andererseits deuteten sie auch 'Zeichen', die der Teufel sende. Da aber Gott jederzeit in den Gang der Geschicke eingreifen könne, seien die teuflischen Prophetien in "wanckenden worten" abgefaßt, "so es geschehe odder nicht / er (der Teufel, d. Verf.) dennoch war habe." (A4a) 95 Manchmal träfen diese Prophetien zu, denn der Teufel habe seine verhängnisvolle Macht, manchmal aber wende Gott den Schaden ab. Deshalb seien Astrologie und nichtbiblische Prophetie letztlich ungewisse 'Künste'. Lichtenbergers Weissagung verurteilt Luther jedoch nicht generell als Teufelswerk, vielmehr scheint sie ihm aus wahrem und teuflischem Gehalt gemischt. Sicher sei, daß die 'Zeichen' eine Warnung Gottes seien, doch könnten sie durch die 'ungewisse' Kunst der Astrologie nicht wirklich ergründet werden. Immerhin könne es sein, daß Gott selbst Lichtenberger bei einigen Weissagungen geleitet habe, andere Teile der Prophetie dagegen seien unwahr und vom Teufel beeinflußt. Zum Schluß betont Luther nochmals seine Kernaussage, daß die Christen, die sich Gott anvertrauen, sich weder vor 'Zeichen' noch vor deren Auslegung zu fürchten hätten, während die Gottlosen hier ihr Schicksal erkennen könnten. Luther führt die Sonnen- und Regenbogenerscheinungen der letzten Jahre als Beispiel an. Er schenke daher die Weissagungen Lichtenbergers den "grossen hansen" (A4b), auf sie seien die Prophetien bezogen. Ironisch fügt Luther schließlich eine eigene 'Weissagung' hinzu: "Das nu meine vngnedige herrn die geistlichen sich frewen / als seyen sie hinüber / vnd solle yhn nu hinfurt wol gehen / da wundsch ich yhn gluck zu / sie durffens wol / Aber weil sie yhr gottlose lere vnd leben nicht bessern / sondern auch stercken vnd mehren / wil ich auch geweissagt haben / das / wo es kumpt vber ein kleine zeit / das solch yhr freude zu schände wird..." (B1a) Mit dieser Schlußbemerkung knüpft Luther an die kämpferischen Passagen zu Beginn an und macht gleichzeitig deutlich, daß es die kirchenkritischen Ausfüh-

94

Vgl. S. 291-298 dieser Arbeit.

95

Luther nennt als Beispiel das Orakel von Delphi.

371

rungen Lichtenbergers sind, die für ihn der göttlich gesandte Kern der Prophetie sind. Luthers Vorrede dokumentiert in ihrer differenzierten Abwägung des Geltungsbereichs der Astrologie und der Aussagekraft der Lichtenbergerschen Prophetie die Problematik der reformatorischen Aneigung spätmittelalterlicher Prophetie. Der Zwiespalt tut sich auf zwischen einer an sich unannehmbaren astrologischen Gestirnsdeutung und den daraus resultierenden Prognosen, die teilweise durchaus für den Kirchenkampf verwendbar erschienen. Diese Diskrepanz spiegelt sich in Luthers Bemerkung, die Prophetien seien aus göttlichen und teuflischen Elementen gemischt. Dadurch kann Luther die Astrologie und nichtbiblische Prophetie verwerfen, ohne ihr jeglichen Wahrheitsgehalt absprechen zu müssen. Gleichzeitig stellt er klar, daß diese Wahrheit eigentlich nur die 'Gottlosen', d.h. die Katholiken, Ketzer oder Heiden bzw. die 'großen Hansen' etwas angeht; diese 'Gottlosen' sind also die von ihm anvisierte Rezipientengruppe neben den Glaubensgenossen. Im zweiten Schritt wäre nun die deutsche Übersetzung von Stephan Rodt auf diejenigen Abweichungen von der deutschsprachigen Erstausgabe der 'Pronosticatio' zu überprüfen, die für die Adaption der Schrift im evangelischen Kontext von Bedeutung sind. Tatsächlich finden sich einige Beispiele für eine bewußte reformatorische Sinngebung einzelner Begriffe oder für Hinzufügungen, etwa wenn Rodt bei der Passage zu Beginn des 1. Kapitels, die betont, daß nur Gott über die Zukunft entscheide, einfügt: "wie Christus die ewige warheit selbs bezeuget" (B1a), wodurch der Gedanke unterstrichen wird. An anderer Stelle bezieht Rodt die Ausführungen Lichtenbergers, der Papst sei dem Einfluß der Gestirne eigentlich nicht unterworfen, auf einen "new Bapst" (D4a). Ob damit Papst Clemens Vü. gemeint ist, scheint zweifelhaft, da dieser bereits seit 1524 im Amt war. Eine Akzentverschiebung ergibt sich, wenn die deutsche Übersetzung Rodts den Schiffbruch des 'Schiffleins Petri' mit den Machenschaften der "Secten vnd ketzereyen" (E1a) begründet, während die Erstausgabe von der "Zurdeylung der großen prelaten" (D2a) sprach. Rodts Übersetzung signalisiert, daß neben die Altgläubigen als Gegner auch die Sektierer im eigenen Lager treten, wobei das 'Schiff Petri' nicht mehr als Metapher für die katholische Kirche, sondern für die Gemeinschaft der Neugläubigen steht. Auch durch Ungerechtigkeit und Unglauben sieht Rodt diese Gemeinschaft bedroht, denn er befürchtet, ergänzend zum Text der Erstausgabe "das verfuret werden ynn den yr£ thum (wo es muglich were) die auserwelten" (E4b). Direkt angesprochen werden die Reformationsanhänger in der Wendung "yhr Euangelischen menner" (12b),96 die immer dann benutzt wird, wenn der Text die Geistlichen oder die Christen allgemein meint; in der Erstausgabe ist jeweils "ire geistlichen religiösen" (Dlb) oder "ire cristliche meschen" (D1b) zu lesen. 96

372

Vgl. auch Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (Da und P2b).

Die 'evangelischen Männer' bilden die Hauptbezugsgruppe, an die sich nun der Text nach Rodts Meinung wenden soll, die Einführung des Begriffs signalisiert dies. Im Unterschied dazu ist die Bezeichnung Christi als 'Seligmacher' nicht spezifisch reformatorischer Sprachgebrauch, denn gleiches bringt bereits die Ausgabe von 1490.97 Einige Male verwendet Rodt zusätzliche Überschriften, die den Inhalt der Kapitel angeben und die Orientierung erleichtern sollen. An einer Stelle ergibt sich hierdurch eine divergierende Interpretation, wenn Rodt die Reformmaßnahmen (Verbot von Spiel, Luxus etc.) einem falschen Propheten zuschreibt, nicht aber einem Papst, wie der Holzschnitt zeigt.98 Dadurch werden die gezeigten Aktionen eindeutig abgewertet. An anderer Stelle wird ein heiliger Mann nicht gleichzeitig als der Papst bezeichnet, wie Lichtenberger dies t a t . " Alle anderen Abweichungen von der Erstausgabe dienen dem Zweck, Unklarheiten zu beseitigen, sprachlich Holpriges zu glätten und dialektgefärbte Ausdrucksweisen zu vermeiden. 100 Schließlich wahrt die Wittenberger Ausgabe nicht mehr Lichtenbergers Inkognito und legt die Geltung der Prophetien bis ins Jahr 1567 fest. 101 Trotz der Abweichungen zwischen der Wittenberger Ausgabe und der Erstausgabe ergibt sich, daß nur unwesentlich durch die deutsche Übersetzung in die Textaussage eingegriffen wurde, einige Prophetien, die dem reformatorischen Verständnis widersprechen - z.B. über die Rolle des Papstes blieben unverändert. Interessant ist immerhin die Beobachtung, daß Rodt sich bemüht, die evangelische Leserschaft direkt anzusprechen. Auf einer anderen Ebene als die wenigen Akzentuierungen, die der Übersetzer Rodt im Text der 'Pronosticatio' vorgenommen hat, liegen die Randglossen, mit denen die Schrift versehen wurde, denn es handelt sich um textexterne Erläuterungen, Verweise und Kommentare, deren Urheber nicht bekannt ist; entweder stammen sie von Luther selbst, von Rodt oder vom Drucker Hans Lufft. Die erste Glosse findet sich dort, wo Lichtenberger über die Fehlerquellen bei seiner Vorhersage räsonniert und zugibt, nicht immer das Richtige zu treffen. Die Bemerkung lautet: "Das ist rein gebeicht vnd bekennet recht" (D1a), eine ironische Anspielung auf die hohe Fehlerquote der Prophetien. Der nächste Kommentar verknüpft eine Erläuterung mit einem kritischen Bibelverweis, wenn neben Lichtenbergers Ausführung, Ptolemäus setze die Astrologie in ihrer Aussagekraft zwischen Zufall und Notwendigkeit, steht: "Das ist zeit vnd not / So

97 98

Lichtenberger, Pronosticatio, (Heidelberg um 1490) (A6a). In der Erstausgabe war hier eine Unstimmigkeit aufgetreten, die die Wittenberger Ausgabe beseitigt, indem sie die gesamte Stelle auf einen 'falschen Propheten' bezieht. Vgl. Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (P2b/3a).

99 100

Vgl. Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (N4b). Vgl. z.B. Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (B3a), (C4a) und (03a) als Beispiele.

101 Vgl. Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (B4b) und (Dia).

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spreche Isaias nicht" (D4a). Eindeutig reformatorischer Kritik entspringt eine weitere Glosse, die die Legende vom 'HimmelsschlüsseP und der kosmischen Gewalt des Papstes kommentiert: "Das ist viel gegeben / Ist es war so stehet er wol" (D4a). Angesichts der Ereignisse der letzten Jahre kann die Apotheose der päpstlichen Macht, wie sie der Text der Prophetie ausdrückt, nur ironisch behandelt werden. Eine Zurückweisung der von Lichtenberger vorgenommenen Identifizierung des Kaisers Maximilian I. mit dem verheißenen Friedenskaiser steckt in einer weiteren Hinzufügung, die lapidar lautet: "Das hat gefeilt" (F1b). Eine weitere Prophetie Lichtenbergers, die Kämpfe mit Flandern, der Pikardie, aber auch Bayern vorhersagt, münzt eine Randglosse auf Herzog Albrecht von Sachsen: "Das sihet als sey es von hertzog Albrecht zu Sachsen gesagt / ym nidderlendische streite den Kaiser Maximilianum zur loses" (F4a). Die Charakteristik des 'niederen Standes' der Franzosen will eine Glosse erläutern. Hatte Lichtenberger ihn als unkeusch, hoffärtig, aufbrausend, aber auch leicht wieder zu beruhigen dargestellt, so heißt es am Rand: "Das ist feet leicht krieg an / Aber beharret drynne vnd stehet nicht" (Db). Ähnlich verfahren andere Randbemerkungen, die metaphorische Wendungen des Textes oder schwer entschlüsselbare Anspielungen aufgreifen und deuten. 102 Stärker wertend dagegen verfährt ein Kommentar zu Lichtenbergers Prophetie, das 'Reich von Trapezunt' werde untergehen. Der Kommentator ergänzt: "Das hat gefeilet leyder" (Mla). Die Randbemerkung reflektiert die Erfolge des Osmanischen Reichs - die Türken hatten 1461 Trapezunt erobert. Schließlich spricht deutlicher Ärger über die Fabulierfreude des Astrologen aus einer Glosse zum Schicksal der sieben Kurfürsten, die Lichtenberger mit verschiedenen Elementen u.ä. verglichen hatte: "Das geschwetz von den sibben Churfursten die durch die sieben stuck / erde / lufft / wasser / son / brun etc. bedeut sollen sein / ist nichts denn ein gedancken". (G1 a) Nach Durchsicht der Kommentare fällt auf, daß nur an wenigen Stellen die Möglichkeit ergriffen wurde, spezifisch reformatorische Glaubensvorstellungen oder Kritikpunkte zu äußern, obwohl das Mittel der Randglossen hier vorzüglich einsetzbar gewesen wäre. Insgesamt entsteht so der Eindruck, daß es dem Kommentator - wie schon dem Übersetzer - stärker um die verständliche Vermittlung des Textes als um seine kritische Reflexion gegangen ist. Immerhin wird an einigen Stellen deutlich, daß zumindest teilweise eine Distanzierung von der Astrologie für nötig gehalten wurde. In seiner Vorrede hatte Luther vor allem die 'Figuren', d.h., die Holzschnitte der 'Pronosticatio' wegen ihres Wahrheitsgehaltes gelobt. Der 'Meister der Jakobsleiter' hat sich bedeutend enger an der Vorlage von 1488 orientiert als etwa Schrotbank in der Straßburger Ausgabe von 1497/99. Doch auch die Wittenberger Ausgabe bemüht sich um eine plastischere und flüssigere Gestaltung der Personen. Zeitgenössische Kleidung und ausdrucksvollere Gestik der Figuren 102 Vgl. Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (F3a), (F4b), (I2b) und (Kla).

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kommen dem Betrachter entgegen. Durch zusätzliche Details wie Landschaften oder Innenräume, in denen sich die Personen bewegen, wird die Anschaulichkeit erhöht. 103 Werden die Bildthemen selbst nicht umgestaltet, so ist zumindest an einer Stelle, nämlich bei Bild Nr. 39 (vgl. Abb. L39b), eine eigenständige Bearbeitung der Vorlage deutlich. Der Holzschnitt, der den Angriff des Kaisers auf Rom zeigt, läßt diesen ebenfalls an der Spitze eines Heeres heranreiten, doch während ihm auf dem Holzschnitt von 1488 ein Ritter entgegenkommt (vgl. Abb. L39), ist dieser jetzt von hinten zu sehen und wirkt wie eine Vorhut des Kaisers. Dadurch wird der Eindruck vollends beseitigt, die Stadt werde von einer Personengruppe, für die der Reiter stellvertretend steht, verteidigt. Aus der Stadt Rom ziehen nun die Geistlichen in einer Prozession aus, allen voran der Papst. Die Erstausgabe zeigte den höchsten Würdenträger der katholischen Kirche nicht, sondern lediglich eine in der Stadt verbleibende Personengruppe mit einem Kardinal und einem Mönch. Der Holzschnitt L 39b dagegen nimmt den Gegensatz von Kaiser und Papst gestalterisch auf und wirkt, auch in der Darstellung der Prozession, stärker als die Bilder anderer Ausgaben als Visualisierung des "Sacco di Roma" von 1527, der seinerseits von reformatorischer Seite gerechtfertigt wurde, erschien er doch als Gipfelpunkt der reformatorischen Attacken auf die römische Kurie. Die Wittenberger Ausgabe hat außerdem eine Version des Ständeholzschnitts aufzuweisen, die sich nicht so stark wie etwa die der Kölner Ausgabe mit der Urfassung von 1488 deckt (vgl. Abb. 4e). Die Darstellung vom 'Meister der Jakobsleiter' zeigt im Bildvordergrund, jedoch nicht ganz auf gleicher Höhe, die beiden Stände Adel und Klerus, jeder Stand von einer ansehnlichen Schar von Angehörigen repräsentiert. Der Kaiser und der hinter ihm stehende Fürst sind dabei etwas weiter in den Bildvordergrund gerückt als der Papst und die anderen Kleriker, wie um hier eine leichte Präferenz der weltlichen Obrigkeit auszudrükken. Gleichfalls im Bildvordergrund thront Christus als Weltenrichter mit ausgebreiteten Armen. Ganz im Bildhintergrund zwischen Hügeln sind die perspektivisch verkleinert dargestellten Bauern bei der Arbeit zu erkennen. Durch diese Bildebenenverteilung ergibt sich eine Gleichordnung von Christus und den beiden ersten Ständen, während die Bauern eher wie ein notwendiges, doch eher nebensächliches Bilddetail wirken. Die Bildgestaltung legt nahe, daß die ideale Ordnung der Gesellschaft als Heilsgemeinschaft am ehesten durch die weltliche Obrigkeit gewährleistet werden könnte.

103 Vgl. z.B. Bild Nr. 34 und Bild Nr. 35. Vgl. Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (04a/Pla). Plastisch wurde auch Bild Nr. 13, der 'bethlehemitische Kindermord' gestaltet. Vgl. Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (F3b). Dieser Holzschnitt ebenso wie Bild Nr. 30, der Türkenbaum', wurden in eine andere Schrift übernommen. Vgl. Anonym: Des Türken erschreckliche Belagerung..., o.O.o.D.oJ. (Köhler FS 2200).

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Andere Umgestaltungen der Bilder fehlen ganz; hierin spiegelt sich Luthers Wertschätzung der 'Figuren' wider. Holzschnitte wie das 'sinkende Schiff Petri'(Nr. 6) oder der prügelnde Mönch (Nr. 20) konnten auch aus reformatorischem Blickwinkel aussagekräftig genug wirken. Stattdessen ist das Verfahren zu entdecken, durch eine zusätzliche schriftliche Kommentierung der Holzschnitte in Bildüberschriften bzw. Abwandlung der schon vorhandenen Bildüberschriften neue Bedeutungsinhalte zu suggerieren. Auch bei dem Holzschnitt Nr. L39b wurde so verfahren, denn dort lautet eine erweiterte Überschrift: "Hie zeucht der Keiser mit heeres krafft vnd grym yn die stad Rom / vnd die RSmer beide geistliche vn weltliche fliehen aus furcht dauon ynn die felse vnd weide / vnd yhr viel werden erwürget." (N4a) Die Aktualisierung des Bildgehalts wird durch diese Überschrift zusätzlich deutlich - sie läßt sich direkt auf den "Sacco di Roma" beziehen. Viele Überschriften sind dagegen eher aus der Absicht hinzugesetzt worden, das bildlich Repräsentierte eindeutig zu bezeichnen. So werden die auf Bild Nr. 3 gezeigten Planetengötter zusätzlich als "Saturnus" und "Jupiter" bezeichnet (D1b) oder Adam auf Bild Nr. 7 als "vbertreter Gottes gepot" (E1a). Bild Nr. 10 hat die klärende Überschrift "Fridericus ΠΙ." (für den großen Adler) und "Maximiiianus" (für den kleinen Adler) erhalten (F1b) und Bild Nr. 16 läßt sich leichter entschlüsseln, denn das Rad, das beide Bischöfe in der Hand halten, wird als das "Mentzische rad" (H1a) bezeichnet, damit in bezug zum Wappen des Bistums Mainz gesetzt. 104 Schließlich werden einige Personendarstellungen, ähnlich, wie es bei den Adlern der Fall ist, mit identifizierenden Namen versehen: Bild 25 trägt die Unterschrift "Koenig Matthias" (K4a) (Matthias von Ungarn ist gemeint), Bild Nr. 26 nennt den "Pffaltzgraue bey Rein" (L1 a), der französische König wird bei Bild Nr. 22 als "Carolus Gibbosus" (K1a) bezeichnet, wahrscheinlich ist Karl VIII. gemeint. Während diese Bildkommentare auf der Ebene dessen verbleiben, was Lichtenberger im Text selbst anspricht, also die Prophetie selbst verdeutlichen wollen, gehen andere Überschriften aktualisierend vor. 105 Zentral ist hier die Umdeutung, die Lichtenbergers Prophetie vom Erscheinen verschiedener 'falscher Propheten' erfahren hat. In der Wittenberger Ausgabe wird dies ablesbar durch den Kommentar zu Bild 31, das einen der genannten 'falschen Propheten' zeigen soll. Der Kommentar lautet: "Dieser Prophet sihet dem Thomas Müntzer gleich." (N4b) Die Lutheraner ergreifen hier die Gelegenheit, den Antipoden

104

Erkärend heißt es zu Bild Nr. 17 "Bischoff zu Trier". Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (H2a).

105

Bild Nr. 13 bringt den Bezug auf Herzog Albrecht von Sachsen. Vgl. Lichtenberger, Weissagunge, Wittenberg 1527 (F3b). Außerdem heißt es statt Wladislav 'Georg zu Behem'(K3a).

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Luthers, Thomas Müntzer, mit dem 'falschen Propheten' zu identifizieren. Daß gerade diese Verbildlichung unter den Darstellungen der 'falschen Propheten' gewählt wurde, erklärt sich vielleicht daraus, daß der nachfolgende Text die Mitwirkung eines Predigers bei Volksaufständen behandelt, 106 so daß die Beschreibung eines 'Agitators' besonders zur Identifikation mit Müntzer einlud. Auf der anderen Seite ist auch Luther mit einem von Lichtenbergers 'falschen Propheten' gleichgesetzt worden, und zwar mit dem 'kleinen Propheten' (Bild Nr. 35), der durch die Teufelsgestalt auf seiner Schulter bildlich mit dem Antichristen in Beziehung gesetzt wird. Nachweise der Gleichsetzung Luthers mit diesem 'Propheten' finden sich in mehreren handschriftlichen Eintragungen von alter Hand auf dem jeweiligen Holzschnitt in verschiedenen Ausgaben. So fand sich in der mutmaßlichen Augsburger Ausgabe von 1526 die Bemerkung über dem 'Propheten': "O Bestia Martin Luther" und neben der Teufelsgestalt "blaß deuffel blaß" (Vgl. Abb. L 35b). Der Leser hat dadurch seine Ansicht vermerken wollen, Luther handele unter Einflüsterungen des Teufels. Ein weiteres Beispiel für den genannten Identifizierungsvorgang findet sich in einem Druck der Mainzer Ausgabe von 1492, hier steht in plattdeutscher Sprache: "Dyth is Martinus Luther" über dem Propheten und über dem Schüler "Philippus Melanton". 107 Der Versuch, die im Text Lichtenbergers gegebene Konstellation der Planeten bei der Geburt und die Beschreibung der äußeren Erscheinung des 'Propheten' auf Luther zu beziehen, führte zur Erstellung einer für die Charakterisierung Luthers höchst ungünstigen Nativität durch Luca Gaurico, dem Autor der ersten überlieferten Sintflutvorhersage. Zunächst setzte er ein falsches Geburtsdatum ein, den 22. Oktober 1484, und verlegte damit Luthers Geburtstag in das Jahr der Großen Konjunktion. (Richtiges Datum: 10. November 1483). Die gefürchtete Planetenkonjunktion zwischen Jupiter und Saturn geriet ins 9. Haus (das Haus der Religion), der Mars als negativ besetzter Planet ins 1. Haus (das Haus der grundlegenden Charakterisierung des Neugeborenen). Luthers Geburt bekam dadurch das "Odium der dämonischen Sendung".108 Die zentrale Rolle, die zusätzlich der Skorpion in der Nativität spielte, erhöhte den negativen Eindruck von Luthers Persönlichkeit. Gegenhoroskope erarbeiteten Johannes Carion und Johann Pfeyl, die beide das falsche Geburtsdatum beibehielten, doch vor allem Carion konnte durch eine Verlegung der Geburtsstunde das ungünstige Horoskop entschärfen. 109 Dies Beispiel zeigt, wie ernst die Zeitgenossen die Vorhersagen Lichtenbergers und seine 'Figuren' nahmen, so ernst, daß sie sogar für den reformatorischen Meinungsstreit instrumentalisiert wurden. Dabei zeigt die

106

Vgl. dazu S. 75f. dieser Arbeit.

107 S. dazu Warburg, Weissagung, S. 237. Abb. 15. S.a. Hofmann, Luther, S. 176, Abb. 48a. 108 Warburg, Weissagung, S. 216. 109

Durch die neue Konstellation wird Luthers Eigenschaft als Reformator betont. Vgl. Warburg, Weissagung, S. 216.

377

Diskussion um den 'falschen Propheten' an, daß die Lutheraner nicht nur im katholischen Lager ihre Gegner sahen: Die Identifizierung von Müntzer mit einem Volksverführer, der Volksaufstände unterstützt, ist gleichzeitig ein Reflex auf den Anteil radikal-reformatorischer Prediger am Bauernkrieg. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß punktuell und auf verschiedenen Ebenen eine Bearbeitung der 'Pronosticatio' stattfand, doch ist diese im allgemeinen stärker auf die Erhöhung von Verständlichkeit und Übersichtlichkeit gerichtet als auf propagandistische Umdeutung der Prophetie. In der denunziatorischen Aktualisierung der Prophetie vom 'falschen Propheten' allerdings bietet die 'Pronosticatio' Zündstoff für eine Auseinandersetzung um den rechten Glauben, die nicht davor zurückschreckte, den jeweiligen Gegner mit dem Signum des endzeitlichen Widersachers Christi zu belasten. Dennoch blieb die Prophetie insgesamt gesehen erhalten, Lichtenbergers 'Pronosticatio' wurde nicht zu einer reformatorischen Kampfschrift umgestaltet.

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6. SCHLUSSBETRACHTUNG Die Untersuchung der astrologischen Flugschriften in einer Zeitspanne zwischen 1488 und 1528 soll nun zusammengefaßt und ihre Ergebnisse auf verschiedenen Ebenen reflektiert werden. Erörtert wird zunächst das Verhältnis der astrologischen Flugschriften zur Öffentlichkeit der Frühen Neuzeit, wobei der Einfluß der astrologisch-prophetischen Schriften sowie der Praktiken auf die Texte zur Sintflutkontroverse skizziert werden soll. Insbesondere soll dann die Verbindung zwischen der reformatorischen Öffentlichkeit und den Schriften der Sintflutdebatte gezeigt werden, entwickelt an einem Vergleich zwischen den sprachlichen und visuellen Eigenschaften der Sintflutschriften und denen der reformatorischen Flugschriften. Daran anschließen werden sich Überlegungen zum Verhältnis von 'Volks'- und 'Elitekultur' in astrologischen Prophetien. Danach soll die Ausgangsfrage nach der Behandlung von gesellschaftlichen Konflikten aufgegriffen und vertieft werden durch eine Betrachtung der gesellschaftlichen Konzepte der Flugschriften in Verbindung mit einem Sozialprofil der Autoren. Zum Schluß folgen Bemerkungen zur Aussagekraft der astrologischen Schriften für die 'Mentalitätsgeschichte' des behandelten Zeitraums. Die Studien zu vierzig Jahren Entwicklungsgeschichte der astrologischen Flugschrift haben erkennen lassen, daß das Verhältnis dieses Mediums zur Öffentlichkeit Wandlungen unterworfen war, ebenso wie sich die Struktur der Öffentlichkeit selbst in dieser Zeit gewandelt hat. Es konnte gezeigt werden, daß die Sintflutdebatte in dieser Form nur denkbar war durch die neuentstandene Öffentlichkeit, mit der die Sintflutschriften eng verzahnt waren. Zwar hatte es schon zuvor astrologische Prophetien mit gesellschaftlichen, politischen und religiösen Zielsetzungen gegeben, doch fehlte diesen Schriften, seien sie von Brant, Arquato oder auch Lichtenberger, der übergreifende Kommunikationszusammenhang und die thematische Zuspitzung auf eine zentrale Prophetie, die für weite Teile der Bevölkerung nachvollziehbar und dabei angsterregend, gleichzeitig aber auch voll wissenschaftlichen und theologischen Zündstoffs war. Nie hätte wohl die alleinige Vorhersage von Kämpfen und Zwisten, dem Auftreten 'falscher Propheten' oder Abirrungen im Glauben die Bevölkerung derartig alarmiert: Erst das Hinzutreten der Prognose einer zeitlich fixierbaren Naturkatastrophe, durch die Gut und Leben, ja, der Fortbestand der Welt bedroht schien, konnte durchschlagende Wirkung entfalten, eine Wirkung, die, nach einem ersten Schlagabtausch um 1512, ab 1520 durch den intensiven Meinungsaustausch der reformatorischen Öffentlichkeit befördert wurde und es ermöglichte, im Fahrwasser der erschütternden Prognose all die Themen der astrologisch-prophetischen Literatur zusätzlich zu erörtern, die als Potential in Schriften wie denen von Lichtenberger und Grünpeck enthalten waren. Diese

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astrologisch-prophetische Tradition wurde bestimmend für die Sintflutschriften. Die detaillierte Untersuchung der Schriften Lichtenbergers und Grünpecks konnte erweisen, wie bekannte Prophetien aufgegriffen und bei Lichtenberger in habsburgischem Interesse aktualisiert, bzw. bei Grünpeck zu apokalyptischer Endzeitangst verdichtet wurden. In den Sintflutschriften tritt inhaltlich - außer der Sintflutprognose - nichts wirklich Neues hinzu: Klagen über den Zustand von Reich und Kirche, verbunden mit dem Ruf nach Reformation, Angst vor den Türken oder dem 'gemeinen Mann' als Aufrührer, Hoffnung auf Rettung durch Personen oder Institutionen waren bei Lichtenberger und Grünpeck, der Aufruf zu innerem Wandel und Buße bei Grünpeck bereits artikuliert worden. Konkrete Äußerungen zum Schicksal einzelner Gesellschaftsgruppen oder Glaubensgemeinschaften steuerten die Jahrespraktiken bei. Von den Sintflutschriften wurden sie nur in Bezug auf die jeweilige Planetenkonjunktion variiert; die Texte nehmen sich in der formalen Gestaltung zumeist diese Jahresvorhersagen mit ihren übersichtlichen Einteilungen, griffigen Kategorien und knappgefaßten Prognosen zum Vorbild. Ein Kennzeichen fast aller Sintflutschriften ist ihre Bebilderung mit Holzschnitten, wobei sowohl die Bilder zu Lichtenbergers und Grünpecks Text als auch die Jahrespraktiken beeinflussend gewirkt haben. Lichtenbergers Bildervielfalt hat nicht nur die Bedeutung der Holzschnitte für die Vermittlung des Textes bewußt gemacht, sondern konkret in der Illustration zu Virdungs 'Practica Teutsch' eine Fortsetzung in popularisierter Form gefunden. Einige Bilder des 1508 entstandenen 'Spiegels' von Grünpeck wurden in einer veränderten Rezeptionssituation in den frühen 20er Jahren wiederverwendet, während viele Beiträge zur Sintflutdebatte einfach das stereotype Motiv der Planetengötter, wie es die Jahrespraktiken zierte, übernahmen oder sich von Katastrophendarstellungen aus astrologischem 1 bzw. biblisch-theologischem Kontext leiten ließen. Unterschiedlich war jedoch der Einsatz der Schriften Lichtenbergers und Grünpecks als Ganzes in den frühen 20er Jahren des 16. Jahrhunderts. Der Nachdruck der Schrift Lichtenbergers bricht um 1500 ab und beginnt erst wieder um 1526; ein Hinweis auf die Schwierigkeit, diese inhomogene und schwer verständliche Schrift in ihrer Gesamtheit in der Frühphase der Reformation für eines der konträren Lager zu instrumentalisieren, unbeschadet der Tatsache, daß einige ihrer Prophetien in den reformatorischen Meinungsstreit aufgenommen

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Vgl. dazu das Titelbild der Praktik von Wenzeslaus Budweis für 1492. Aus den Wolken schaut Saturn heraus, seinem Mund entweicht ein Strom von Wasser. Auf der Erde schwimmen Menschen in reißenden Fluten, ein Teil eines gekenterten Schiffs und mehrere Fässer sind auszumachen. Am Ufer liegen vier weitere Personen, hingestreckt offenbar durch den bösen Einfluß des Saturns. E s besteht große Ähnlichkeit zu den Sintflutdarstellungen. Budweis, Practica, dtsch., o.O. (1491) (Ala).

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wurden ('Kleiner Prophet'). 2 Für den Gesamttext wurde diese Funktion erst 1527 durch die Wittenberger Ausgabe nachgeholt, wobei die Versuche der sprachlichen Korrektur und Erläuterung das Problem deutlich machen, die Schrift einer breiteren Öffentlichkeit anzupassen. Auch die Wittenberger Ausgabe wird diese Schwierigkeit nicht vollends gelöst haben. Anders wurde mit dem rhetorisch geschickt präsentierten 'Spiegel' Grünpecks verfahren: 1522, mitten in der heftigen reformatorischen Auseinandersetzung, wurde er erneut gedruckt und konnte beiden Lagern entgegenkommen: Repräsentierte er für die Anhänger der Reformation wegen seiner antiklerikalen Haltung einen Vorläufer der eigenen Argumentation, so konnte er durch seine Holzschnittabfolge, die den Triumph der Kirche gestaltet, den Reformationsgegnern gelegen kommen. Zusätzlich haben Lichtenbergers und Grünpecks Texte durch die 'Anonyme Praktika' fortgewirkt, die die für die Zeitgenossen wichtigsten Prophetien gebündelt zugänglich machte. Der Exkurs über diese Schrift konnte erweisen, wie sehr hinter dem Wunsch, die Prognosen funktional einzusetzen, die Präsentation der Argumentation Lichtenbergers und Grünpecks im Gesamtzusammenhang zurücktrat. Die Verknüpfung zur Sintflutdebatte wurde durch diejenige Ausgabe hergestellt, die im Titelbild ein Überschwemmungsbild bringt. Außerdem stellte die 'Anonyme Praktik' für die evangelischen Astrologiekritik den Prototyp der verdammenswürdigen, aber populären astrologischen Vorhersagen dar, in diesem Zusammenhang wurde Lichtenberger als Exponent der Astrologen zum 'Agarener', d.h., wie die Altgläubigen, zum endzeitlichen Widersacher stilisiert. Die Wirkung der Sintflutschriften konnte durch eine Eigenschaft erheblich verstärkt werden, die die Sintflutbeiträge gleichzeitig von den normalen Jahrespraktiken unterschied: die Einbindung ihrer Vorhersagen in einen eschatologischen Kontext. Dabei konnte gezeigt werden, daß sowohl Altgläubige als auch Anhänger der Reformation zu dieser Argumentation griffen. Mögen es auch nur einige wenige Schriften gewesen sein, die astrologische und apokalyptische Argumentationen miteinander verbanden (zB. Copp, Carion, Virdung und Gallianus), so zeigt gerade die Vielzahl der Schriften, die sich gegen diese Verknüpfung wenden, die Brisanz eines solchen Vorgehens. Während die sich als Wissenschaftler verstehenden Astrologen wie Tannstetter oder Apian vehement der Möglichkeit eines Weltuntergangs im Jahre 1524 widersprachen, wollten die meisten evangelischen Autoren der 'Gegenpraktiken', besonders aber Luther, die apokalyptische Argumentation für sich reklamieren und polemisierten gegen astrologische Beweisführungen zur zeitlichen Fixierung des Weltendes, das ih-

2

Die Prophetie Lichtenbergers wird lobend erwähnt in der Schrift von Ulrich Bossler: Dialogus oder Gesprech der Apostolicums Angelica und anderer Specerei der Apoteken antreffen Doctor Μ. Lutters 1er und sein Anhank. Abgedruckt in: Oskar Schade: Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit. Bd. 3, Hannover 1863, Nr. 2, S. 36-58. Die Schrift ist Virdung von Haßfurt gewidmet. Vgl. auch Steinmetz, Virdung von Haßfurt, S. 360f.

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nen gleichwohl als nahe bevorstehend erschien. Die weitere Entwicklung der astrologischen Flugschrift in den Jahren nach 1524 macht deutlich, daß tatsächlich nur noch die 'Gegenpraktiken', bei unterschiedlichem Verhältnis zur Reformation, mit eschatologischen Verweisen arbeiteten, während die astrologischen Praktiken, denen nun die konkrete Anknüpfung an ein aus den Gestirnsständen deduzierbares 'Datum des Weltendes' fehlte, jedes apokalyptischen Tons entbehrten und sich ausschließlich diesseitigen, konkreten Lebensproblemen zuwandten. Eine Ausnahme machte Carion, der seine Vorhersage vom Erscheinen des 'Antichristen' jedoch als 'Geheimnis' behandelt wissen möchte. 3 Bei aller Abhängigkeit der Sintflutschriften von der literarischen Tradition konnte eine Eigenart herausgestellt werden, die die Beiträge zur Sintflutkontroverse von der Schriftenproduktion früherer Jahre deutlich unterscheidet und sie gleichzeitig mit reformatorischen Flugschriften vergleichbar macht: In einigen Schriften, die besonders auflagenstark waren, machte sich eine gesteigerte Bewußtwerdung der wichtigen Rolle der Öffentlichkeit geltend. Durch die Ansprache des 'gemeinen Mannes' und das Bemühen, diesen neu ins Blickfeld gerückten Rezipienten durch den gezielten Einsatz von sprachlichen und visuellen Mitteln entgegenzukommen, veränderte sich die Präsentation der astrologischen Flugschriften: Die Titel der Praktiken stimmten den Leser nun auf Unerhörtes ein, die Holzschnitte wurden zu wichtigen Bedeutungsträgern, der Text sollte verständlich sein und nicht durch zu viele astrologische Beweisführungen und Fremdwörter den Rezipienten abschrecken. Am besten läßt sich dieser Wandel, der gleichzeitig den Wandel der Öffentlichkeitsstruktur selbst nachvollziehbar werden läßt, an den beiden Schriften Tannstetters erkennen. Hatte der Wiener Mathematiker noch in seiner ersten, umfangreichen Publikation eine gelehrte Widerlegung der Sintflutthese nach dem Vorbild Nifos publiziert, so wollte die zweite Schrift allgemeiner verständlich sein und in Text und Bild dem 'gemeinen Mann' die Botschaft der Beruhigung übermitteln. Im Zuge dieser Intention wurden einige Schriften nicht mehr, wie sonst üblich, in lateinischer und deutscher, sondern nur noch in deutscher Ausgabe herausgebracht. Hier vollzieht sich in einigen Schriften zur Sintflutdebatte ein Akt der Anpassung an neue Kommunikationsstrukturen, an die reformatorische Öffentlichkeit. In der Vorhersagepraxis und in dem formalen Aufbau brauchten sich die Sintflutschriften dabei nur an die astrologischen Jahrespraktiken früherer Jahre anzuschließen, die bereits populärer Lesestoff waren, ohne jedoch ihre Wirkungsintention auf bestimmte Leser- oder Hörerschichten zu reflektieren. Im Ver3

Zum Zusammenhang von 'Öffentlichkeit' und 'Geheimnis' bezüglich der Publikation von Prophetien s. Bernd Thum: Öffentlich-Machen, Öffentlichkeit, Recht. Zu den Grundlagen und Verfahren der politischen Publizistik im Spätmittelalter (mit Überlegungen zur sog. 'Rechtssprache'). In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 10. H.37 (1980), S. 12-69 hier S. 41f.

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gleich zur sprachlichen Gestaltung der reformatorischen Flugschrift ergeben sich Ähnlichkeiten: Wurde bei den Untersuchungen zur reformatorischen Flugschrift deren Zielsetzung herausgestellt, mithilfe rhetorischer Mittel die Inhalte zu popularisieren, so trifft dies gleichfalls auf die Sintflutschriften zu, wenn auch nicht erst auf diese, wie die Analyse des 'Spiegels' gezeigt hat. Der in den reformatorischen Schriften so beliebte Dialog wurde allerdings kaum, und wenn, dann wenig publikumswirksam, in die Sintflutschriften übernommen. Die Adaption anderer Formen war nicht notwendig, denn die Textsorte der astrologischen Praktik war ohnehin populär genug,4 was sich die evangelischen 'Gegenpraktiken' zunutze machten. Der Vergleich der 'Gegenpraktiken' mit Luthers Predigt zum 2. Advent zeigte allerdings, daß Luthers Gedankengänge nur partiell und mit unterschiedlichen Akzentsetzungen von den anderen Autoren aufgegriffen wurden, was die Problematik der popularisierenden Aufnahme der Lehre des Reformators durch die reformatorische Öffentlichkeit zeigt. Andererseits konnte die Analyse der 'Rechtfertigungsschrift' Copps den massiven Druck aufweisen, unter den die sich als Reformationsanhänger verstehenden Astrologen durch die reformatorische Öffentlichkeit gerieten. Stärker als zuvor (und stärker als in den zeitgleichen normalen Jahrespraktiken) wurden nun die Titelholzschnitte und teilweise weitere Holzschnitte im Text zu einem wesentlichen Bestandteil der Gesamtaussage der Schriften. Die Funktionen, die die Bilder übernahmen, stimmen mit dem überein, was Harms für Graphiken der Frühen Neuzeit allgemein feststellt.5 Der 'Appell an die Aufmerksamkeit des Lesers' wurde vor allem bei den Darstellungen angestrebt, die Katastrophenszenen zeigen und damit die Emotionen der potentiellen Käufer ansprachen, die 'suggestive Vermittlung von Meinungen' leisteten die Bilder, die die bekannten Planetengöttermotive zu aktualisierenden Stellungnahmen zum Zeitgeschehen umwandelten (Carion, Reynmann z.B.). Die dritte von Harms benannte Funktion, die Erleichterung der Textrezeption, trifft vor allem auf Virdungs 'Practica Teutsch' zu, die wegen ihrer Länge eine Sonderrolle bei den Sintflutschriften spielt. Hier war der Bildeinsatz zum Textverstehen notwendiger als bei den sonst meist kurzen Schriften. Bei der Verwendung von mehreren Holzschnitten im Text konnte dagegen nur in einigen Fällen ein Programm gefunden werden (Gallianus), meistens erschien die Illustrationspraxis eher zufällig und auf Assoziationen beruhend. Weiterhin spielte bei den Sintflutschriften der Gebrauch von Bildkonventionen eine große Rolle, sei es durch Übernahme 4

Flugblätter zur Sintflutprophetie wurden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Daß es aber auch sie gegeben hat, läßt sich nicht nur aus Canons Bemerkungen über Seitz schließen, sondern konkret an zumindest einem überlieferten Exemplar nachweisen. Es handelt sich um eine "Newe zeytung. Die würckung der Conjunction". (Augsburg, Sigismund Grimm 1524). Abgedruckt und kommentiert in Harms, Flugblätter, Bd. 1, Nr. IP 5, S. 366f.

5

Vgl. S. 52 dieser Arbeit.

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von Illustrationsweisen der Jahrespraktiken, sei es durch den Gebrauch biblischer Motive oder anderer Darstellungen aus theologischem Kontext (Antichrist-Bücher), wobei die letztgenannten Bildkonventionen nur in den Sintflutschriften, nicht aber in den normalen Jahrespraktiken vorkommen, was diese Besonderheit der Sintfluttexte auch im Bildteil unterstreicht. Zur Charakterisierung der spezifischen Bildpropaganda der Sintflutschriften erweisen sich die von Scribner entwickelten Kategorien der reformatorischen Bildrhetorik als hilfreich.6 Ihre Überprüfung anhand des hier vorliegenden Materials kann strukturelle Vergleichspunkte zwischen den Sintflutschriften und den reformatorischen Flugschriften offenbaren. Als ein wichtiges Kompositionsprinzip der Bilder kann etwa die antithetische Gegenüberstellung von visuellen Stereotypen aufgefunden werden, z.B. die Konfrontation von Kampf und Gebet als ungewünschtes bzw. gewünschtes Verhalten. Eine Antithese zu den Praktiken und ihren Planetengötterdarstellungen bilden die Bilder der evangelischen 'Gegenpraktiken'. Zusätzlich ist die Gestaltung von Metaphern oder Redewendungen zu beobachten, für die auch Scribner Beispiele in der reformatorischen Bildpropaganda bringt.7 Beim Durchgang durch die sechs Stufen der Bildpropaganda, die Scribner nennt, lassen sich ebenfalls Parallelisierungen vornehmen. Dem 'Tower-Experience'Modell, also dem Aufruf zur Bekehrung, lassen sich Bildprogramme wie das des Gallianus zuordnen, denn dort wird Spannung und Angst erzeugt durch die Darstellung einer apokalyptischen Katastrophe und später eine Lösung angeboten: Das Gebet und die Gemeinschaft der 'wahren Christen' im 'Schiff Petri'. Das 'Exorcism-Modell' könnte aufgefunden werden, wenn, wie bei Tannstetters 'Trostbüchlein', die dämonische Macht der Planeten noch gezeigt (der strömende Regen), zur Abwehr der planetarischen Wirkung aber ein Bibelwort entgegengestellt wird. Die 'negative Assimilation' mag da zutreffen, wo einer Unglücksprophetie Glauben geschenkt wird, weil sie mit gängigen Formen der Gesellschafts- und Kirchenkritik verknüpft wurde, wie etwa bei Carions Holzschnitt oder in der 'Practica Teutsch' Virdungs. Beispiele für die 'ideologische Assimilation' lassen sich dort finden, wo das im Holzschnitt präsentierte Zeitgeschehen als Auswirkung planetarer oder anderer kosmischer Einflüsse (Reynmann, Carion) oder als Ergebnis göttlichen Wirkens dargestellt wird (Copp, Gallianus). Die 'kulturelle Assimilation' könnte darin liegen, daß viele Holzschnitte die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen als von der gezeigten Katastrophe betroffen darstellen, so daß sich der Betrachter mit den Opfern der abgebildeten Fluten identifizieren konnte. Inwieweit die Holzschnitte schließlich zur Aktion aufrufen wollten, ist schwer zu entscheiden. Am ehesten 6

Vgl. S. 53 dieser Arbeit.

7

Vgl. etwa das Motiv der 'Seelenwaage'. Scribner, Folk, S. 116, Abb. 88.

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könnten hier wieder Tannstetters Titelholzschnitte genannt werden, die als Aufforderung zur pflichtgemäßen Arbeitshaltung bzw. zur Beruhigung des aufstandbereiten Bauern gesehen werden können. Daß die zahlreichen Darstellungen von Angriffen auf den Klerus in auffordernder Absicht publiziert wurden, ist dagegen nicht anzunehmen, auch wenn nicht verhindert werden konnte, daß der Rezipient die Darstellungen als Aufforderungen interpretierte. Appellcharakter haben schließlich die Gebetsdarstellungen. Der Versuch, die Bildgestaltung der Sintflutschriften mit der reformatorischen Bildpropaganda zu vergleichen, förderte Strukturähnlichkeiten zutage. Diese sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß weiterhin ein größerer Teil der Schriften wenig spektakuläre Planetengötterdarstellungen zeigen, d.h. in der Sintflutschrift macht sich der Einfluß der reformatorischen Öffentlichkeit geltend, führt jedoch nicht zur gänzlichen Umstrukturierung der Gattung der astrologischen Flugschrift. Außerdem darf nicht vergessen werden, daß manche der von Scribner genannten Kriterien, nämlich das 'Tower-Experience'-Modell, die 'negative Assimilation' und die Aufforderung zur Handlung - genauso auf die Holzschnitte des Nürnberger Meisters zu Grünpecks 'Spiegel' zutreffen, so daß auch im Bildteil diese Schrift als Vorläufer reformatorischer Propagandastrategien angesehen werden kann. Wenn hier von Parallelen zwischen astrologischen Holzschnitten und reformatorischen Bildern die Rede war, so ist dies nur in struktureller Hinsicht zu verstehen. Inhaltlich vertreten die meisten Schriften im Text und im Bild keine reformatorischen Positionen, sondern wenden sich im Gegenteil häufig dezidiert gegen die Reformation. Die im eigentlichen Sinne 'reformatorischen' Schriften der Sintflutdebatte, die 'Gegenpraktiken', haben paradoxerweise in viel geringerem Maße strukturelle Ähnlichkeiten zur reformatorischen Bildpropaganda aufzuweisen. Diese Publikationen, die sprachlich so geschickt zusammengestellt sind, begnügen sich im Bildteil mit einfachen Kontrafakturen, ohne andere rhetorische Mittel zu bemühen. Dagegen sind es die Autoren der astrologischen Schriften, die die Möglichkeiten zur Beeinflussung im Medium des Bildes erkennen und ausnutzen. Betrachtet man die Funktionen, die durch die Holzschnitte der Sintflutschriften wahrgenommen wurden, so ergibt sich eine Vielfalt von Einsatzmöglichkeiten: Wollten die Planetengötterdarstellungen lediglich die Zugehörigkeit der Schrift zur Gattung der astrologischen Flugschrift signalisieren und die Überschwemmungsszenen die Emotionen des Betrachters fesseln und ihn neugierig machen, so stellen andere Bilder Kommentare zum Zeitgeschehen dar, Kommentare, die sich im Spannungsverhältnis zum Text entfalteten, die Textaussage unterstützen oder ihr zuwiderlaufen konnten. Hierbei reicht das Spektrum von kämpferischer, reformatorischer Parteinahme (Copp) über die Vorführung gesellschaftlicher Grundkonflikte (Carion, Reynmann) oder außenpolitischer

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Bedrohungen (Virdung) bis hin zur Betonung des Primats Christi gegenüber den Sternen (Luther) sowie Beschwichtigungsmotiven zur Untermauerung der alten Ordnung (Tannstetter). Es bestätigt sich damit nicht nur die Einseitigkeit der Behauptung, die Bilder hätten stets alarmierend gewirkt, sondern auch die anfangs geäußerte Skepsis gegenüber den von Köhler vorgestellten Bildkategorien, in die das vorliegende Bildmaterial nicht sinnvoll eingeordnet werden kann.8 Ubereinstimmung kann dagegen eher mit der von Köhler vorgenommenen Charakterisierung der Hauptleistung der Flugschriften erzielt werden. Auch die Sintflutschriften wollten vornehmlich das 'Informationsniveau über brennende Fragen der Zeit' anheben, wobei die Frage, ob es 1524 zu einer Sintflut kommen würde, durchaus zu den brennenden Problemen gehörte. Gleichzeitig halfen die Sintflutschriften in anderen Bereichen, die 'Einstellungen der Bevölkerung zu präzisieren'. Es ist allerdings fraglich, ob sie dabei eher eine 'Bestätigung von vorgefaßten Meinungen' zum Ziel hatten, denn zumindest die Opposition gegen die Sintflutprophetie richtete sich gerade gegen vorgefaßte Meinungen und wollte eine Einstellungsänderung bewirken, sei es in beruhigender oder in antiastrologischer Absicht. Die Sintfluttexte können jedenfalls eher als informative denn als polemische Schriften gelten, auch wenn ihnen polemische Argumentationsweisen nicht fremd waren, die etwa bei den gegenseitigen Angriffen der Astrologen untereinander oder beim Streit zwischen Astrologieanhängern und -gegnern deutlich werden, am stärksten bei Fries und Gengenbach. Doch dies ist nur ein Teilaspekt der Kontroverse, die in ihrer Gesamtheit eher argumentative Sprachstrukturen aufweist. Es ergeben sich also wesentliche Struktur- und Funktionshomologien zwischen den Sintflutschriften und den reformatorischen Flugschriften, was die Wechselbeziehung zwischen Medium und reformatorischer Öffentlichkeit zeigt. Die bisherigen Ausführungen können zudem ein Licht werfen auf das Problem, inwieweit die astrologischen Schriften, und insbesondere die Sintflutschriften, als Vermittler zwischen 'Volks'- und 'Elitekultur' angesehen werden können.9 Zur begrifflichen Klärung sei zunächst einmal angemerkt, daß in dieser Arbeit von 'populärer Kultur', nicht von 'Volkskultur' gesprochen wird, da der 'Volks'begriff als zu belastet und diffus erscheint 10 und zudem betont werden soll, daß hier eher eine allgemeine, ständeübergreifende Kulturform auf der einen und

8

Vgl. S. 23 dieser Arbeit.

9

Hier können Zambelüs Überlegungen aufgegriffen und vertieft werden. Vgl. dazu S. 157 dieser Arbeit.

10

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Vgl. dazu Schindler, Spuren, S. 22-26.

eine 'Elitekultur' mit ausschließendem Charakter auf der anderen Seite gemeint ist.11 Werden nun Inhalt und Bilder der astrologischen Schriften auf ihre Zugehörigkeit zu einer der beiden Kategorien befragt, so ergibt sich eine Mischung beider Kulturformen. Die Daten der Planeten- und anderer Gestirnskonstellationen, gewonnen aus früheren Himmelsbeobachtungen und niedergelegt in astronomischen Tafeln, die als Grundlage der astrologischen Prognosen dienten, können ebenso wie die Festlegung der Jahresherrscher oder die Diskussion der Angemessenheit von Eklipsen- oder Konjunktionstheorie eindeutig dem Bereich der 'Elitekultur' zugerechnet werden, d.h. sie sind als Wissen vornehmlich universitär gebildeter Kreise zu qualifizieren. Schwieriger wird es schon, wenn die astrologischen Erklärungssysteme zugeordnet werden sollen. Ursprünglich dem Wissen einer Elite zugehörig, konnten zumindest die Tierkreiszeichen und die Planetengötter allgemeiner bekannt geworden sein, denn sie waren gemeinsam mit den Monatsbildchen und Heiligendarstellungen auf den zahlreich verbreiteten Kalendern und Almanachen zu finden. Fraglich ist dagegen, wie geläufig das Schema der Planetenkinder wirklich war, denn hinter ihm steht ein Ableitungskontext, der wohl nur dem regelmäßigen Leser der Jahrespraktiken vertraut war. Immerhin konnte dieser Rezipient in der größeren Gruppe der lesefähigen, aber nicht lateinkundigen Bevölkerung aufgefunden werden, denn die Jahrespraktiken erschienen stets mit deutscher Ausgabe. Um nun spezieller auf die Sintflutschriften einzugehen, so mußte einem Großteil ihrer Rezipienten das Faktum einer Planetenkonjunktion zunächst recht abstrakt erscheinen, denn es war zwar durch einfache Himmelsbeobachtung mit bloßem Auge auszumachen - wie die Finsternisse oder 'Kometen', z.B. Haloeffekte - machte jedoch keinen so bedrohlichen Eindruck wie die anderen Erscheinungen. Ein erster Schritt zur Popularisierung wurde durch die Personifikation der Himmelskörper mit Planetengöttern getan, doch größere Anschaulichkeit wurde erst erzielt, als statt der Planetengötter die bekannten Sozialtypen der damaligen Gesellschaft gegeneinander antraten, als nicht Jupiter und Saturn die Antipoden waren, sondern die Obrigkeit und die Bauern. In diesen Bildern 11

Wichtig für die Verwendung kulturtheoretischer Konzepte: Pierre Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt/M. 1979; Clifford Geertz: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt/M. 1983, bes. S. 7-43; Burke, Helden. Weitere Literatur bei Schindler. Als Beispiele für exemplarische Untersuchungen auf der Grundlage volkskultureller Aspekte seien genannt: Emanuel Le Roy Ladurie: Montaillou. Ein Dorf vor dem Inquisitor 1294 bis 1324. Frankfurt, Berlin, Wien 1980; ders.: Karneval in Romans. Von Lichtmeß bis Aschermittwoch 1579-1580. Stuttgart 1982; Carlo Ginzburg: Der Käse und die Würmer; Die Welt eines Müllers um 1600. Frankfurt 1979. Wegen seines romantischen Volksbegriffs nicht zu empfehlen: Robert Muchembled: Kultur des Volkes - Kulter der Eliten. Die Geschichte ei7 ner erfolgreichen Verdrängung. Stuttgart 1984 .

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trat die Planetenkonjunktion schon in angewandter Form in Erscheinung, denn sie zeigten, welche Wirkungen vom Zusammentreffen der Planeten erwartet wurden. Zugleich wurde in diesen Darstellungen das Schema der Planetenkinder, erweitert um die einschlägigen Sozialtypen, sinnfällig und nachvollziehbar gemacht. Die Botschaft dieser Holzschnitte konnte auch Leseunkundige erreichen, wobei jedoch betont werden muß, daß die Bilder keineswegs nur oder vornehmlich für diese Rezipientengruppe gedacht waren. 12 Dennoch boten manche Holzschnitte, abgelöst vom Text, einprägsame Bildformeln für den diagnostizierten Zustand von Gesellschaft und Kirche, allen voran das sinkende 'Schiff Petri', so daß die Graphiken popularisierend wirken konnten. Schwierig ist gleichfalls eine Verortung der prophetischen Elemente mancher Schriften, die keineswegs unreflektiert als 'Volksmythen' angesehen werden dürfen. 13 Allerdings ist vorstellbar, daß Versatzstücke einzelner Prophetien durch die reichlich vorhandene Literatur und durch mündliche Verbreitung geläufig waren, wie etwa die Kaiserprophetie. Nehmen die letztgenannten Bestandteile der Vorhersagen also eher eine Zwischenstellung ein, indem sie verschiedene Popularisierungsstufen durchliefen, so gehört der Glaube an die Vorzeichenbedeutung von außergewöhnlichen Himmelserscheinungen oder anderen Abweichungen der Natur ('Wundergeburten') zum Bereich der populären Vorstellungswelt, wobei gerade hier gilt, daß der 'Wunderglaube' keineswegs nur auf die ungebildeten Bevölkerungsschichten beschränkt war, sondern sich ebenso unter Humanisten und Reformatoren fand, wie nicht zuletzt Luthers Adventspredigt bezeugt. 14 Am direktesten jedoch werden die Menschen des frühen 16. Jahrhunderts von der Sintflutprophetie betroffen worden sein. Ob sie nun als Resultat planetarischen Einflusses oder als göttliche Strafe für sündhaftes Verhalten angesehen wurde, sie weckte Urängste und warf gleichzeitig die Frage nach den Konsequenzen für die Alltagspraxis auf. Bestes Beispiel für das Verlangen nach konkreter Unterweisung und Hilfestellung durch den Astrologen ist Grünpecks Schrift für die österreichische Adelsfamilie derer von Starnberg mit all ihren Einzelheiten der täglichen Vorsorge vor dem erwarteten Unwetter. Wie viele Menschen die Sintflutprophetie erreicht hat, kann nicht gesagt werden, doch bei ihrer Verbreitung waren die Flugschriften nur eine Möglichkeit. Eine große Rolle werden die mündlichen Kommunikationsformen gespielt haben. Auf diese, wie z.B. auf die Pre12

Dies wäre auch kritisch zu Scribners Ansatz anzumerken, der für die reformatorische Bildpropaganda m.E. zu stark den Nichtlesefähigen als Rezipienten der oft komplexen Bildprogramme sieht. Scribner, Folk.

13

Eine Einordnung von Prophetien als 'Volksmythen' unterläuft Peuckert aufgrund eines unreflektierten Volksbegriffs. Peuckert, Wende, Bd.2.

14

Vgl. zu Luthers Einstellung zur 'natürlichen Weissagung", d.h. der Weissagung aufgrund von außergewöhnlichen Naturerscheinungen Warburg, Weissagung, S. 244-249.

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digt, mußte neben schriftlichen Bemühungen dann auch zurückgegriffen werden, als der Schrecken vor einer bevorstehenden Sintflut wieder aus den Herzen der Menschen vertrieben werden sollte. Wer waren die Astrologen, die als 'Vermittler' auftraten, wie haben sie gelebt und welchen Platz in der Gesellschaft haben sie eingenommen? Werden die biographischen Skizzen näher betrachtet, die zu den meisten Flugschriftenautoren angefertigt werden konnten, so zeigt sich eine große Variationsbreite. Einen Extrempunkt bilden Astrologen wie z.B. Seitz. Alexander Seitz, der sozial engagierte, wegen seiner Opposition gegen Herzog Ulrich von Württemberg zeitweise im Exil lebende und vornehmlich bei seinen Patientinnen sehr beliebte Arzt, hat einen Lebenslauf aufzuweisen, der trotz mancher Anerkennung seiner Leistungen Unstetheit und Konflikte mit der Obrigkeit - zuletzt im Vorwurf der Ketzerei - bestimmten. Anfeindungen und Verfolgung hat Otto Brunfels wegen seiner reformatorischen Aktivitäten erleiden müssen, auch er stand zeitweise der radikalen Reformation nahe. Weniger einschneidend scheinen die Konflikte wegen einer reformatorischen Schrift mit den Grafen von Henneberg für Balthasar Wilhelms Lebensweg gewesen zu sein, denn er fand sich schon bald rehabilitiert. Anders erging es dem streitbaren Theologen und Arzt Johannes Copp, der über Erfurt nach Joachimsthal und dann über mehrere Stationen bis nach Schweden und Finnland gelangte und dessen Leben eher von Brüchen als von Kontinuitäten gekennzeichnet war. Bei Copp vereinigten sich größte Gegensätze: Einerseits wurde ihm der Adelstitel verliehen, stand er hoch in der Gunst verschiedener Monarchen, andererseits mußte er des häufigeren Gefängnisstrafen abbüßen. Wie bei Copp führte auch für Joseph Grünpeck der Verstoß gegen gesellschaftliche Moralvorstellungen zum Verlust einer einmal erworbenen gesicherten Position, ein Verlust, den auch Johannes Lichtenberger erlitt, ohne daß wir wissen, welche Gründe ihn vom Hof Friedrichs III. entfernten. Diesen Lebensläufen, die von raschem Aufstieg, aber auch jähem Fall der Astrologen zeugen, stehen jene an den Höfen und Universitäten wirkenden Astrologen, Astronomen und Mathematiker gegenüber, deren Geltung als politische Ratgeber oder wissenschaftliche Kapazitäten unangefochten war. Einigen gelingen steile Karrieren wie Tannstetter, der Rektor der Universität Wien wurde, oder Paulus von Middelburg, der schließlich die Bischofswürde erhielt. Tatsächlich gehörten Männer wie Tannstetter, Apian oder Stöffler zur Wissenschaftselite ihrer Zeit und waren hoch angesehen, wenn auch nicht immer mit ausreichenden Geldmitteln versehen, wie das Beispiel Stöfflers, aber auch Apians zeigt.15 Weniger als Mathematiker denn als Astrologe mit treffenden politischen Prognosen war Virdung von Haßfurt über die Grenzen des Reichs hinaus berühmt.

15

Vgl. Schottenloher, Buchdrucker, S. 59-66.

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Eine eher schillernde Figur war dagegen der Hofastrologe Joachims I. von Brandenburg, Johannes Carion, der zwar zeitlebens eine wichtige Rolle bei Hof spielen konnte und geschickt zwischen dem reformatorischen Kreis um Luther und Melanchthon und dem katholischen brandenburgischen Hof lavierte, aber von manchen Zeitgenossen mit Argwohn betrachtet wurde und in den Ruf geriet, sich magischer Praktiken zu bedienen, ein Vorwurf, der auch dem Colmarer Arzt Lorenz Fries gemacht wurde. Der Kreis der Autoren wird komplettiert durch den engagierten Basler Fastnachtsspieldichter Pamphilius Gengenbach sowie den Theologen Heinrich Pastoris und den Mathematiker Johannes Volmar, die beide dem weiteren Kreis der Wittenberger Reformatoren zuzurechnen sind. Die Biographien stellen bei aller Unterschiedlichkeit gleichzeitig exemplarische Lebensläufe von Vertretern der Sozialgruppe der akademisch Gebildeten im frühen 16. Jahrhundert dar, denn übereinstimmend haben alle Autoren eine Universitätsbildung aufzuweisen und einen oder mehrere akademische Grade erworben; nur der Autodidakt Gengenbach bildet eine Ausnahme. Die humanistische Bildung macht sich bei einigen der Verfasser in der Herausgabe und Kommentierung der Klassiker der antiken Naturlehre geltend. Fast alle vereinen mit ihrer astrologischen Tätigkeit noch andere 'Berufe', sind Theologen, Mediziner oder Apotheker. Zusätzlich betätigen sich manche, wie Grünpeck und Seitz, auf poetischem oder historiographischem Gebiet. Während die reformatorischen Flugschriften fast ausschließlich von Theologen stammen, ergreifen also in den astrologischen Publikationen auch gebildete Laien das Wort. Die meisten erlangten einflußreiche Positionen, doch nicht nur politische oder religiöse Konflikte konnten ihren Karrieren ein jähes Ende bereiten. Vermochten es Astrologen durch die Spezifik ihrer Kenntnisse manchmal sogar bis zur Erlangung eines Adelstitels zu bringen, so waren sie auf der anderen Seite sehr von der Gunst ihres Herrn und vom Erfolg oder Mißerfolg ihrer Prophetien abhängig. Allerdings sollte der Einfluß, den Männer wie Virdung von Haßfurt oder Carion nehmen konnten, nicht unterschätzt werden. Doch nicht alle Astrologen hatten so glanzvolle Lebensumstände aufzuweisen, manche lebten bescheidener als Ärzte in kleineren Städten oder gar als Schulmeister. Zu fragen ist, inwieweit sich anhand der Lebensläufe der Astrologen ein Einblick in die horizontale bzw. vertikale Mobilität der Gesellschaft des frühen 16. Jahrhunderts gewinnen läßt.16 Leider ist nur von wenigen Autoren ihre Herkunft bekannt. So weiß man von Stöffler, daß er einem verarmten Adelsgeschlecht entstammte, von Wilhelm, daß er aus einer Schmalkalder Ratsfamilie kam. Andere dagegen, wie Gengenbach, Brunfels und Bild, waren aus einfachen

16

Vgl. zur Begrifflichkeit Karl M. Bolte: Art. 'Mobilität'. In: Wilhelm Bernsdorf (Hg.): Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart 19692, S. 709-716.

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Verhältnissen, meist Handwerkerfamilien, gebürtig. 17 Als Theologen gelang es vor allem Brunfels und Bild, gesellschaftlich aufzusteigen. Von Copps Vater ist bekannt, daß er in kaiserlichen Diensten stand, doch erst sein Sohn wurde in den Adelsstand erhoben, Zeichen seines gesellschaftlichen Aufstiegs. Ähnliches ist bei Tannstetter zu beobachten. So lassen sich ansatzweise Tendenzen zu horizontaler und sogar vertikaler Mobilität erkennen. Die Astrologen konnten gesellschaftliche Aufsteiger sein, ein Aufstieg, der durch ihre Bildung gewährleistet wurde. 18 Interessant ist, daß diese Männer, die selbst es z.T. vermocht hatten, die gesellschaftlichen Standesgrenzen zu überwinden, in der Wahrnehmung der Gesellschaft ihrer Zeit mit den tradierten, soziale Mobilität nicht einschließenden Ordnungssystemen argumentieren, etwa mit dem Dreiständemodell oder dichotomischen Gegenüberstellungen von 'den Mächtigen' einerseits und dem 'Volk' andererseits bzw. den 'Reichen' und den 'Armen'. 19 Immerhin ist zu beobachten, daß das Schema der drei Stände der Gesellschaft um den vierten Stand des 'Stadtbürgers' ergänzt wird, eine Konzession an die soziale Realität. Ein weiteres Modell trat hinzu: das der 'Planetenkinder'. Dies bringt zwar durch das Analogieprinzip, auf dem es basiert, eine Einschränkung der Realitätssicht mit sich, doch kann es in seinem differenzierteren Aufbau eine Vielzahl von Berufen und damit verschiedene gesellschaftliche Gruppen erfassen. Außerdem ist es im Prinzip offen für Hinzufügungen weiterer Berufsgruppen. All diesen Modellen eignet jedoch die Annahme von einem Idealzustand der Harmonie, der die Gesellschaft ursprünglich bestimmt hat oder wieder bestimmen soll, der aber verloren gegangen ist. Eine Erklärung für den Verlust ist der 'Eigennutz', der zu Konflikten führt. Auch gesellschaftliche Mobilität wird abgelehnt und abgewehrt, so beharrt das Dreiständesystem auf der Beibehaltung der einmal festgeschriebenen Position. Den gesellschaftlichen Wandel, und damit eine Bedingung für aufkommende Konflikte können die Modelle kaum erfassen, einen Wandel, an dem die Astrologen durch ihren gesellschaftlichen Aufstieg selbst Anteil hatten.

17 18

Vgl. Grimm, Gengenbach, S. 187; Grimm, Brunfels, S. 677; Bigelmair, Bild, S. 235. Vgl. dazu z.B. Hannes Kästner: Der Arzt und die Kosmographie. In: Grenzmann, Literatur, S. 504-533, S. 504-507.

19

Lichtenberger kann hier als Beispiel dienen. Vgl. z.B. Lichtenberger, Pronosticatio, dtsch., (Heidelberg um 1490) (Flb/2a) bzw. (Hla). Zum Begriffspaar 'pauper-potentes' vgl. auch Oexle, Dreiteilung, S. 12 sowie Karl Bosl: Potens und Pauper. Begriffsgeschichtliche Studien zur gesellschaftlichen Differenzierung im frühen Mittelalter und zum 'Pauperismus' des Hochmittelalters. In: Alteuropa und die moderne Gesellschaft. Festschrift für Otto Brunner. Hg.v. Historischen Seminar der Universität Hamburg. Göttingen 1963, S. 60-87.

391

Ein letzter Blick soll auf das Untersuchungsmaterial geworfen werden mit der Frage, was es aussagt über die 'Mentalitäten' des späten 15. und 16. Jahrhunderts, also über Grundeinstellungen der Menschen damals zu sich selbst und ihrer Umwelt, vielleicht über das hinaus, was den Zeitgenossen selbst bewußt war. Aufschluß könnte etwa gefunden werden über die Einstellung zu grundlegenden Ängsten und zum Tod. Überraschend ist, mit welcher Intensität manche Schriften bei ihren Rezipienten Ängste hervorrufen wollen. Konkrete Ängste gehörten zum Grundgefühl des damaligen Lebens, wie Jean Delumeau herausgestellt hat, Ängste etwa vor Hungersnot, Krankheit und Krieg, die nur allzu berechtigt waren. 20 Übersteigert wurden diese Befürchtungen durch die Beschwörung eines nahen Weltendes, verbunden mit einer alles verschlingenden Flut. Wenn nicht nur vordergründige Sensationslust oder Geschäftssinn hinter den Schreckensmeldungen mancher Schriften steckte oder die Absicht, nach möglichst alarmierenden Prognosen die Bereitschaft zu äußeren Umgestaltungen oder innerem Wandel zu erhöhen, so könnten die Schriften, und vor allem die Bilder, als Versuch gesehen werden, die latent oder offen vorhandenen Ängste der Menschen zu benennen, sie anschaulich zu machen und dadurch zu kontrollieren. So hat es auch Helga Robinson-Hammerstein gesehen, wenn sie schreibt: "It is conceivable that the intention was to control anxieties by naming them. This would amount to an acceptance of affliction, axiety and desolation as inevitable features of human existence: the conditio humana as a vale of tears."21 Andererseits darf nicht übersehen werden, daß gerade die drastischsten Schriften auch Utopien entwickeln, daß sie nicht nur Angst und Tod als Grundbedingungen menschlichen, d.h. sündhaften Lebens bewußt machen wollen, sondern mit einer positiven Zukunftsvision den Blick aus dem 'Jammertal' heraus auf das ganz Andere ermöglichen. Völlig anders gehen dagegen die 'Beruhigungsschriften' vonseiten der Wissenschaftler oder Reformationsanhänger vor. Setzen Mathematiker wie Tannstetter der Irrationalität der Angst die wissenschaftliche Rationalität und die Tröstungen der Bibel ('Regenbogen') entgegen, so ist es bei Luther und seinen Anhängern allein das Wort Gottes, das dem 'wahren Christen' als Mittel gegen die Angst zur Verfügung steht. Dementsprechend betont Luther in seiner Predigt, daß sich der wahre Gläubige selbst vor dem Jüngsten Gericht nicht zu fürchten brauche.

20

Vgl. Delumeau, Angst, Bd.l, bes. S. 38-46.

21

Robinson-Hammerstein, Battle, S. 139. Zur Behandlung des Todes s.a. Paul R. Blum (Hg.): Studien zur Thematik des Todes im 16. Jahrhundert. Wolfenbüttel 1984 (Wolfenbütteler Forschungen 26).

392

Die Sintflutschriften als Sonderform der astrologischen Schriften zeigen so nicht nur das Erwecken von Ängsten, sondern offenbaren verschiedene Wege der Angstbewältigung, und, damit verbunden, wie in einem Brennglas, Wertorientierungen und Meinungen der Menschen dieser Zeit, aber auch den grundlegenden Wandel des Normengefüges im Zusammenhang mit der Reformation. Eine Schlüsselposition innerhalb der Entwicklung der Rationalität hat die Sintflutdebatte jedoch generell nicht eingenommen. Trotz der falschen Prognose bleiben der Einfluß der arabischen Konjunktionenlehre und damit die populäre und wissenschaftliche Beschäftigung mit den 'Großen Konjunktionen' noch bis ins 17. Jahrhundert erhalten. 22 Der historischen Erforschung dieser späteren Debatten könnten die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zum Sintflutstreit als Strukturmodell dienen und so fruchtbar gemacht werden für ein weiteres Kapitel der Auseinandersetzung des Menschen mit den Wirkungen der Gestirne auf seine Welt.

22

Vgl. dazu Barbara Bauers Rezension zu Paola Zambelli: 'Astrologi halludnati'. Demnächst in: Zeitschrift für Kirchengeschichte.

393

ANHANG

395

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ADB

Allgemeine Deutsche Biographie

ARG

Archiv für Reformationsgeschichte

Bibel

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift

Bibel, bei Luther

Weimarer Ausgabe, Abt. ΙΠ.

BSB

Bayerische Staatsbibliothek

Denis

Denis, Wiens Buchdruckergeschichte

GNM

Germanisches Nationalmuseum

GW

Gesamtkatalog der Wiegendrucke

HAB

Herzog-August-Bibliothek

Hain

Hain, Repertorium bibliographicum

Hellmann

Hellmann, Aus der Blütezeit der Astrometeorologie

Houzeau/Lancaster

Houzeau/Lancaster, Bibliographie generale

HZ

Historische Zeitschrift

Köhler FS

Flugschrift der Mikrofichesammlung Köhler

Kurze

Kurze, Johannes Lichtenberger

LThK

Lexikon für Theologie und Kirche.

NDB

Neue Deutsche Biographie

Panzer

Panzer, Annalen der älteren deutschen Litteratur

RGG

Die Religion in Geschichte und Gegenwart.

SSB

Staats- und Stadtbibliothek

TRE

Theologische Realenzyklopädie

UB

Universitätsbibliothek

Vulgata

Nova Vulgata Biblorum sacrorum. Vaticana 1979.

WA

Weimarer Ausgabe der Werke Luthers.

Weller

Weller, Repertorium typographicum

ZfG

Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

ZHF

Zeitschrift für historische Forschung

Zinner

Zinner, Geschichte und Bibliographie der astronomischen Literatur

397

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432

QUELLENVERZEICHNIS

ERLÄUTERUNGEN ZUR ZOTERWEISE In das folgende Quellenverzeichnis werden nur diejenigen Schriften aufgenommen, die zur unmittelbaren Materialgrundlage der Arbeit gehören und entweder im Original oder in Mikrofiche- bzw. Mikrofilm-Reproduktion eingesehen werden konnten. Diese Schriften sind im Anmerkungsapparat durch Kurzangaben ausgewiesen (Verfassemachname, Kurztitel, Sprache, Druckort und -jähr), die im Verzeichnis aufgelöst werden. Zitate aus diesen Schriften erhalten den Seitennachweis direkt im Text, nicht im Anmerkungsapparat. Alle anderen Schriften, auf die lediglich im Anmerkungsapparat hingewiesen werden soll, werden folgendermaßen zitiert: Verfasservorname und Nachname, Kurztitel, Sprache, Druckort, Drucker, Jahr; dazu, wenn möglich, ein bibliographischer Nachweis und/oder Fundort. Auf diese Schriften wird im Verzeichnis nicht mehr eingegangen. Die Titelaufnahme im Verzeichnis orientiert sich an den Druckbeschreibungen für Drucke des 16. bis 18. Jahrhunderts, Form B, wie sie Christoph Weismann vorgeschlagen hat.1 Bei der vorliegenden Arbeit erschienen jedoch einige Änderungen zweckmäßig. So wird bei der Angabe der Holzschnitte zusätzlich deren Größe vermerkt. Andererseits wird nicht angestrebt, alle verfügbaren Exemplare einer Schrift in das Verzeichnis aufzunehmen, sondern lediglich dasjenige Exemplar, das für die Arbeit benutzt wurde.

1

Christoph Weismann: Die Beschreibung und Verzeichnung alter Drucke. Ein Beitrag zur Bibliographie von Druckschriften des 16. bis 18. Jahrhunderts. In: Köhler, Flugschriften als Massenmedium, S. 447-614, bes. S. 610-614.

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APIAN, PRACTICA TEUTSCH, O.O. (1523) = Practica teutsch auff \ Das M.CCCCC. vnnd xxiiij. jar durch \ Petrum Apianu — ο β von Leysznick Mathematicu \ gemacht zu trost allen kleimutigenn. \ Juppiter. Mars. Venus. \ Holzschnitt 10,3 χ 11 cm. (links vom Holzschnitt) Matheij. xxiiij. \ Seyt fertig dann jr wist nit welche stund der sun des menschen zu \ (oben) künftig ist. Den gotis zorn vö himel/wirt offenbart vber alles got \ (rechts) Paulus zun Römern am ersten capitel. \ loses wesen vn vnrecht der mensche/die dy warheit gotis aufhalten (unten) im vnrechten. Der gerecht wirt leben auß seinem glauben. \ 4°. o.O.o.D.oJ. (1523). 8 Bl., Sign.: A 4 , B 4 . Nicht identisch mit den beiden bei Hellmann verzeichneten Drucken. Ex.: Hofbibl. Wien S.a. 24.F.43. APIAN, PRACTICA TEUTSCH, (LANDSHUT 1523) = Practica teutsch auff \ Das M.CCCCC. vnd xxiiij. jar durch \ Petrum Apianü von — 0 c Leyßnick Mathematicu gemacht \ zu trost allen kleimutigen. \ Juppiter. Mars. Venus. \ Holzschnitt 10,3 χ 11 cm. Um den Holzschnitt verteilt (links:) Seyt fertig dan ir wist nit welche stund der sun des mensche zuküfftig ist. Mat \ (oben:) (Rubrum) Den Gottis zorn νδ hymel wirt offenbart vber alles gottloses wesen \ (rechts:) vnd vnrecht der mensche/die die warheit gottes auffhalte im vnrechten \ (unten:) Paulus .j. ad Roma. (Blättchen) Der gerecht wirt leben auß seine glaube Pa: 1. Ro. \ 4°. o.O.o.D.o.J. (Landshut, Johann Weyssenburger 1523). (Nach Schottenloher). 8 Bl, Sign.: A 3 , B, All (!), Bill. Auf Bl. Alb Wappen, zur Hälfte abgeschnitten. Hellmann, Apian (2). Weller 2634. Schottenloher, Weyssenburger Nr. 115. Ex.: GNM Nürnberg Postinc. 8° Nw 2866 [1524], APIAN, PRACTICA TEUTSCH, LANDSHUT (1524) = Practica teutsch aus \ der küst Astronomia gemacht auff dz \ M.CCCCC. vn xxv. jar. Durch Petrum Apianum \ von Leyßnick Astrophilum auff das kurtzest. \ Venus vnd Mars regirn in disem jar. \ Holzschnitt 10,4 χ 11,2 cm. Cum gratia et priuilegio. 4°. Landshut, Johann Weyssenburger o.J. (1524). 8 BL, Sign.: A 4 , B 4 . Schottenloher, Weyssenburger Nr. 118. Ex.: Hofbibl. Wien S.a. 24. F. 44.

434

APIAN, PRACTICA TEUTSCH, O.O.OJ. (NÜRNBERG? 1525) = Practica Teutsch \ auff das M.CCCCC.XXVI. Jar. Durch \ Petrum Apianum vö Leisnick Astrophi \ lum mit höchstem fleyß gemacht: \ Holzschnitt 12,4 χ 13,5 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (wahrsch. Nürnberg, Hans Hergot 1525). (Nach Bibl.) 8 Bl„ Sign.: Α4, Β 4 . Bl. A1b und B4b leer. Ortroy, Bibliographie Nr. 16. Zinner 1311. Ex.: GNM Nürnberg Postinc. 8 ° Nw 1866 [1526]. BRELOCHS, PRACTICA TEÜTSCH, (NÜRNBERG 1527) = Practica Teütsch/auff das Jare Christi \ Jesu vnnsers Haylands. M.D.xxviij. Auß leer der \ Hochgelertten der Astronomei/zu sunderliche nutz der menschen geordent \ Vnd in des Reichs stat/Schwebischen Hall/durch Antho. Breiochs von \ Kreulßhaim/der freye kunst vn Ertzney Doctor auffs kürtzt gemacht. \ Holzschnitt 15 χ 11,2 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (Nürnberg, Jobst Gutknecht 1527) (Nach Typenvergleich mit Praktik für 1533, Angabe Bibl.) 10 Bl., Sign.: Α4, B4, (C2). Bl. A1b und (C2b) leer. Ex.: GNM Nürnberg Postinc. 8° Nw 2871 [1528]. BROTBEIL» PRACTICA TEUTSCH, O.O. (1526) = Practica Teutsch: auff das \ Tausent/Fünfhundert/vnd sibenvndzwaintzigist Jare/ \ Gemacht/zu Eeren den Fürsichtigen/Ersamen/vnnd \ Weysen/Burgermaister —

C



vnd Rathe/des hailige Romi = \ sehen Reychs statt Kauffbeyren. Durch Mathia Brot= \ beyhel/Burger vnd lateinischer Schulmaister daselbst. \ Holzschnitt 14 χ 11,5 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1526). 8 Bl., Sign.: A4, B4. Bl. B4b leer. Ex.: GNM Nürnberg Postinc. 8° Nw 2869 [1527]. BRUNFELS, ALMANACH, (STRASSBURG 1525) = Almanach ewig werend/Teütszch \ vnd Christlich Practick/von dem xxvj. Jar an/ \ bitz zu endt der weit aller welt. \ Durch Othonem Brunfelß zusamen gesetzt. \ Kleiner Holzschnitt ca. 5 χ 8,5 cm. (Daneben:) Geet nit die strassen der Hey \ den. Matthei. χ. \ Gots äugen sehe vff eins yeg \ kliche weg/vnd er schawet al \ le ire geng. Job. xxxiiij. \ Rom. iij. Psalm cxv. \ Gott ist warhafftig/aber alle \ menschen lugenhafft. Wie dz \ geschriben stet. Psalm. 1. Da = \ rumb würstu recht 435

bleiben in \ deinen worten/vn reyn erfun = \ den wenn du gerichtet würst. \ Soli deo Gloria \ 4°. o.O.o.D.oJ. (Straßburg, Johannes Schott 1525). (Nach Ginzburg, Nikodemismo). 12 BL, Sign.: A 4 , B 4 , C 4 . Bl. C4b leer. Auf Bl. C3b und C4a je ein Holzschnitt. Wahrscheinl. andere Ausgabe Weiler (3745). Ex.: BSB München Rar 1677/16. B U DWEIS, PRACTICA, DTSCH., O.O. (1491) = Practica Deutcz Magistri \ wenceslai von Budweisz. \ Holzschnitt ca. 15 χ 10,8 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1491). 13 Bl., ohne Sign. Bl. (A1b) leer. Hain 6869. GW 9602. Ex.: BSB München 4° Inc. s.a. 409 a. CAMILLUS, PRACTICA TEUTSCH, (WIEN 1522) = Practica Teutsch zu \ wien gemacht auffs. M.CCCCC.xxiij. \ Jare/durch Egidium Camillum auß Merhern. \ Holzschnitt 11 χ 12,8 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (Wien 1522).(Nach Mayer). 8 Bl., ohne Signaturen. Bl. (A1b) leer. Weller Suppl. 48. Köhler FS 3126. Mayer, Buchdrucker'geschichte, Nr. 498. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 90h/3. CAMILLUS, PRACTICA TEUTSCH, (WIEN 1523) = Practica Teutsch \ zu Wien gemacht auffs Μ D.xxiiij. \ jar/Durch Egidium Camillum auß Merhern/Mat = \ thematicum vnnd Doctor der Ertzney. \ Holzschnitt 10,5 χ 11,7 cm. 4°. 0.O.0.D.0J. (Wien 1523). (Nach Mayer). 8 BL, Sign.: A 4 , B 4 . Bl. A1b und B4b leer. Hellmann, Camillus (3). Mayer, Buchdruckergeschichte Nr. 501. Ex.: SSB Augsburg 4° Kult Flugschriften Nr. 121. CAMILLUS, PRACTICA TEUTSCH, (WIEN 1524) = Practica Teutsch \ zu Wien gemacht/auffs:M:D:XXv: iar/durch \ Egidium Camillum auß Merhern/Mathema = \ ticum vnnd Doctor der Ertzney. \ Holzschnitt 10 χ 12,5 cm.

436

4°. o.0.o.D.o.J. (Wien 1524). (Nach Mayer). 8 Bl., Sign.: A4, B4. Bl. Alb und B4b leer. Gollob, Verzeichnis Nr. 41. Weller Suppl. 284. Mayer, Buchdruckergeschichte Nr. 504. Ex. SSB Augsburg 4° Kult Flugschriften Nr. 115. CARION, PROGNOSTICATIO, DTSCH., (LEIPZIG) 1521 = Prognosticatio vnd er = \ klerung der grossen wesserung/Auch anderer erschrockenlichenn \ wurckungen. So sich begeben nach Christi vnsers lieben hern \ geburt/Funfftzehen hundert vn xxiiij. Jar. Durch mich \ Magistrü Johänem Carion v5 Buetikaym/Chur \ fürstlicher gnaden tzu Brandenburg Astrono \ mü/mit fleyssiger arbeit tzusame gebracht. \ Gantz erbermlich tzulesen/in nutz vii \ warnung aller Christglaubi = \ gen menschen rc. \ (Blättchen) Holzschnitt 10 χ 10,4 cm. 4°. o.O.o.D. 1521. (Leipzig, Martin Landsberg). (Nach Druckersignet auf Bl. B4a). 8 Bl. Sign.: A4, B4. Bl. B4b leer. Hellmann, Carion (1). Weiler 1711. Claus, Buchdruck, Landsberg 1520 (79). Köhler FS 2170. Ex.: HAB Wolfenbüttel Wf Ρ 264.4° Heimst. (13). CARION, PROGNOSTICATIO, DTSCH., LEIPZIG 1522 = Prognosticatio vnd Erklerung der \ grossen Wesserung: Auch anderer \ c — erschrockenlichen wurchungen/so sich begebe nach Christi \ vnsers lieben hern geburt/funfftzehenhundert vn.xxiiij. iar \ Durch mich Magistrü Johannem Carion v5 Büetikaym \ Churfurstlicher gnaden zu Brandenburg Astronomü/mit \ fleissiger arbeit zusamen gebracht/Gantz erbermlich zulesen \ In nutz vnd warnung aller Christglaubigen menschen.\ Holzschnitt 9,8 χ 10,7 cm. (Rubrum) Getrnckt (!) zu Leypßgk durch Wolffgang Stockei. 1522. 4°. Leipzig, Wolfgang Stockei 1522. 8 Bl., Sign.: A4, B4. Bl. B4b leer. Hellmann, Carion (2). Weller 1999. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/43. CARION, PROGNOSTICATIO, DTSCH., O.O. (1522) = Prognosticatio vnd \ Erklerung der grossen Wesserung Auch \ anderer erschrokkenlichen würckungen/so sich begeben nach \ Christi vnsers lieben herren geburt/Fünfftzehenhundert \ vnd XXiiij. jar. Durch mich Magistrü 437

Johannem \ Carion vö Büetikaym Churfürstlichen Gna = \ den zu Brandenburg Astronomum/mit \ fleyssiger arbayt zusamen gebracht \ Gantz erbermlich zu lesen In \ nutz vnd warnung aller \ Christglaubigen \ menschen \ Holzschnitt 10,6 x8,5 cm. 4°. o.O.o.D.o.J. (Augsburg, Jörg Nadler? 1522). (Vermutung aufgrund der Übernahme des Titelholzschnitts von Alexander Seitz). 8 Bl., A4, B4. Bl. A1b und B4b leer. Hellmann, Carion (4). Weller 2001. Köhler FS 3154. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/45. CARION, BEDEUTNIS UND OFFENBARUNG, O.O. (1526) = Bedeütnuß vnd Offenba = \ rung/warer Hymlischer Influxion/des Hoch = \ erfarnen Magistri Joannis Carionis Buetikaymensis. \ Churfürstlicher Gnaden vonn Brandenburg re. \ Mathematici/Von jarn zu jaren/werende biß \ man schreybt. M.D. vnd. XXXX. Jar. \ Alle Landtschafft/Stende vnd \ einfluß clarlich betreffend. \ Figura celi tempore principij mundi. \ Holzschnitt 9,5 χ 8,1 cm. 4°. o.O.o.D.o.J. (1526). (Augsburg, Philipp Ulhart d.Ä.). (Nach Köhler). 16 Bl., Sign.: A 4 - D 4 . Bl. D4b leer. Mit Abb. v. Sonnen- und Mondfinsternissen sowie Tierkreiszeichen im Text. Weiler 3754. Köhler FS 3164 (Ex.). CIRUELO, TRÖSTLICHE PRACTICA, NÜRNBERG (1523) = Ein trostliche \ Practica Maister Peter \ Ceruol ausz Hispanien/ \ an den durchleuchtigste \ Fürsten Hern Ferdinan \ den/Printz vn Infanten \ zu Hispanien/Ertzher = \ tzogen zu Oesterreich rc. \ Das disz jar.xv. hüdert \ xxiiij. keyn Sindtflus \ kummen werd. \ Titel in Holzschnittleisten. 4°. Nürnberg, Friedrich Peypus o.J. (1523). 8 Bl., Sign.: A4, B4. Bl. B4b leer. Hellmann, Ciruelo (4). Zinner 1239. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 511/1. COPP, PRACTICA DEUTSCH, LEIPZIG 1521 = Practica deutsch Doctoris Johannis \ Copp auff das Tausentfunff \ hundert vnd.xxij. Jare. \ (Rubrum) Saturnus regirer Mars vnd Jupiter mithelffer. \ Holzschnitt 12,2 χ 12,2 cm (Rubrum) Getruckt zu Leypßgk durch Wolffgang Stockei. 4°. Leipzig, Wolfgang Stockei 1521. 438

8 Bl„ Sign.: A 4 , B4. Bl. B4b leer. Claus, Leipzig, Stockei Nr. 101. Köhler 3124. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 90/h. COPP, URTEIL, O.O. (1522) = Was auff disz. xxxiij. vnd \ zum tayl .xxiiij. Jar des hymels lauff künfftig \ seyn außweyß. Doctoris Joänis Copp vrteyl. \ Holzschnitt 13x13 cm. 4°. o.O.o.D.o.J. (1522). (Nach Weller Wien, Johannes Singriener). 8 Bl, Sign.: A 4 , B4. Hellmann, Copp (2). Weiler 2013. Ex.: UB Göttingen 8° H.E. Eccl. 378/11. COPP, URTEIL, (AUGSBURG 1523) = Was auff disz \ Dreyundzwayntzigest vnd zum tail vyer = \ vndzwayntzigest jar. Des himels lauff kunnfftig sein/ \ Ausz weyß Doctoris Johannis Copp vrtayl. \ Holzschnitt 11,5 χ 12 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (Augsburg, Heinrich Steiner 1523). (Nach Köhler). 8 Bl., Sign.: A 4 , B4. B4b leer. Zwei weitere Holzschnitte auf Bl. A3a und B2b. Titelbild auf Bl. B3a wiederholt. Hellmann, Copp (3). Köhler FS 3155. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 525/50. COPP, URTEIL, LEIPZIG (1523) = Doctor Joannes Copp \ Was auff disz dreyundtzweyntzigist \ vn tzum teyl vierundtzweyntzigist iar \ des hymmels lauff künfftig sein auszweyß Do \ ctoris Joannis Copp vrteyl. \ Holzschnitt 10 χ 10,5 cm. \ Getruckt zu Leypßgk durch Wolffgang Stockei. \ 4°. Leipzig, Wolfgang Stockei o.J. (1523). 7 Bl, Sign.: A 4 , B3. Zwei weitere Holzschnitte auf Bl. B1a und B2a. Hellmann, Copp (4). Köhler FS 2806 (Ex.). COPP, PRACTICA TEÜTSCH, ZWICKAU 1523 = Practica Teütsch was \ die Constellationes des xxiiij. Jars bedeu \ ten νϊϊ erklerung der propheceyen durch Doctore Jo = \ anne Copp klerlicher dan vor eim Jar beschriben. \ Venus. Jupiter. \ Holzschnitt 11,2 χ 9,8 cm. 4°. Zwickau o.D. 1523. 439

8 Bl., Sign.: A 4 , B4. Bl. A1b und B4b leer. Nicht identisch mit den Ausgaben bei Hellmann. Zinner 1206. Ex.: SSB Augsburg 4° Kult Flugschriften Nr. 122. COPP, PRACTICA TEUTSCH, O.O. (1523) = Practica Teutsch \ was die Constellationes des xxiiij. Jars \ bedeütten vnd erkllrung der propheceyen durch Doctorem \ Joannem Copp kllrlicher dan vor aim Jar beschriben. \ Holzschnitt 11,5 χ 11 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1523). Nach Walde, Doctor ev. Erfurt. 8 Bl., Sign.: A 4 , B4. Bl. A1b und B4b leer. Ex.: SSB Augsburg 4° Kult Flugschriften 123. CREUTZER, AUSLEGUNG, NÜRNBERG (1527) = β — Außlegung Peter Creutzers/etwan des \ weytberumpte Astrologi MJo.Liechtenbergers discipels/vber den \ erschröcklichen Cometen/so im Westrich vn vmbligenden grentzen e r = \ schinen/am xj. tag Weinmonats/des M.D.xxvij. jars/zu eeren \ den wolgepornen Herrn/herr Johan/vn Philips Frantzen \ beyde/Will vnd Reyngrauen rc. \ Holzschnitt 11,5 χ 15 cm. 4°. Nürnberg, Georg Wächter o.J. (1527). 8 Bl., Sign.: A 4 , B4. Köhler FS 3130. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 90h/11. EISSENMANN, PRACTICA TEUTSCH, O.O. (1519) = Pratica Teütsch zu Leyptzig auffgericht \ Durch den Magister Simon Eyssenman v5 dilinge auß dem ein = \ fluß des hymels/zu sonderlichem lob der lobliche hohen schul Leyp \ tzigk auff das. M.D. xx. jar \ Saturnus ein mithelffer Venus ein herrin diß jars. \ Holzschnitt 12,5 χ 9,7 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1519). 8 Bl., Sign. (A4), B 4 . Bl. (A1b) leer. Köhler FS 3153. (Ex.). FRIES, SCHIRMRED, STRAßBURG 1520 = Ein kurtze sch \ irmred der kunst Astrolo \ gie/wider etliche vnuerstan \ dene vernichter/auch etliche \ antwurt vff die reden/vnd \ fragen. Martini Luthers \ Augustiners/so er in seinen \ zehen geböte vnformlich wi \ der dise küst gethö hat/dur \ ch/Laurentzen Friesen \ freier künsten vn \ artzney do = \ ctore. \ 440

_ Q g Erstmals sol keiner de stein \ zu weit stosen/vff dz er sein \ zil geweren möge. \ Straßburg 1520. \ Holzschnittleisten. 4°. Straßburg, Johannes Grüninger 1520. 10 Bl., Sign.: A 4 , B4, (C 2 ). Bl. (C2b) leer. Panzer 1006. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/40. FRIES, URTEIL (STRASSBURG 1523) = Ein zu samen gelesen vrteyl \ ausz den alten erfarnen meistern der Astrology über die \ grossen zu samen kunfft Saturni vnnd Jouis in dem \ M.D.xxiiij. iar/auch wie es in dem selbigen \ iar ergon solle/zu same gelesen mit \ sonderm fleysz/durch Lau \ rentium Friesen/der \ freyen künsten vn artzny docto = \ rem. \ Herren der Coniunction. \ Jupiter Venus \ Zwei Holzschnitte, je 6,8 χ 5 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (Straßburg, Johann Grüninger 1523/24). (Nach Benzing). 8 BL, Sign.: A 4 , B4, Bl. B4b leer. Hellmann, Fries (1). Zinner 1243. Benzing, Bibliographie Nr. 8. Ex.: UB Göttingen 8° Astron. II, 6132. (FRIES), DER JUDEN PRACTICA, (HAGENAU) 1525 = Der Juden practica \ Virgo immaculata, corpore decora, vultu, honesta habitu modesta, \ criue prolixo, manu geminas tenens aristas super solium \ residens, puerum mutriens ac mire pascens in loco cui \ nomen hebrea rc. Albumazar libro \ .6. Introductori. rc. \ M.D.XXV. \ (Blättchen). Zwei Holzschnitte, ca. 8 χ 2 cm. 4°. o.O.o.D.1525 (Nach Druckermarke Hagenau, Amandus Farckall). 4 Bl., Sign.: A 4 . Bl. A4b leer. Benzing, Bibliographie Nr. 10. Weller 3407. Köhler FS 1899 (Ex.). GALLIANUS, PRACTICA, DTSCH., STRASSBURG (1521) = Practica vff Drey ior — \ Nämlich des \ XXII XXIII vnd \ XXIIII. \ Practiciert © durch den hochgelerte gottlicher schrifft \ Licenciaten/Conradum Gallianum der \ Astronomischen kunst \ ein erfarnen. \ Holzschnitt 10,8 χ 8 cm. 4°. Straßburg, Johannes Schott o.J. (1521). 12 Bl., Sign.: Α 4 , B4, C 4 . Bl. C4b leer. Weitere Holzschnitte im Text: Bl. C3a Holzschnitt 10,2 χ 11,9 cm; Bl. C4a Holzschnitt 4,5 χ 6,5 cm. Auf Bl. A3b, B2a, B3b je ein Horoskop. 441

Hellmann, Gallianus (2). Köhler FS 3127. Weller 1929. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 90h/4. GALLIANUS, PRACTICA TEÜTSCH, (BASEL 1523) = Practica teütsch uff das. M. \ CCCCC. vnd XXiiij. jar. gepracticiert durch \ den hochgelerten Conradum Gallianum \ Mathematicum/vnd Licentiaten \ derhelgen geschryfft. \ (Sternchen) Die herren disz iars \ Bitten gott vmb gnod \ (Blättchen) (Sternchen) Jupiter (Sternchen) Venus \ Zwei Holzschnitte 4 x 5 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (Basel, Pamphilius Gengenbach 1523). (Nach Hieronymus). 8 Bl, Sign.: A4, B4. Bl. B4a/b leer. Weiterer Holzschnitt auf Bl. B3b 9,8 χ 10,5 cm. Nicht bei Hellmann. Hieronymus, Buchillustration Nr. 349. Ex.: UB Basel Ε J I X 34 Nr. 5. GAURICO, PROGNOSTICON, LAT., BASEL 1522 = LVCAE GAVRICI ΝΕΑ \ politani Prognosticö. Ab incarnatio \ ne Christi. Anno Millesimo quin \ gentesimo tertio, vsqp ad Trice \ simum quintü valiturum. \ (Sternchen) Octostichon pium, ad lectorem. \ (Sternchen) \ Tempora iudicij iusti, simul vltima mundi \ Et licet errarint noscere quotquot erant \ Talia nätp deü, nulli reserasse beato \ Vnq> testatur pagina sacra palam, \ Non tarnen est dubiü, tacitis decrescere mundum \ Annis, ad calcem s?cula qu?qs trahi, \ Heus igitur mortalis homo, tua crimina plange \ Dum potes, extremus mors tua finis erit. \ F V Β \ (drei Sternchen). Mit Holzschnittleisten. 4°. Basel, Pamphilius Gengenbach 1522. 4 Bl., Sign.: A 4 . Auf Bl. A4b großes Wappen. Nicht bei Hellmann. Zambelli, Ends, S. 244, Anm. 11. Ex.: GNM Nürnberg Postinc. 8° Nw 2852 d. GAURICO, PROGNOSTICON, LAT., (BASEL) Ο J. = Luce Gaurici Neapolitan! \ Prognosticon: ab incarnationis Christi anno \ Millesimo quingentesimotertio/usqj>\ tricesimumquintum eiusdem \ elaboratum. \ (Rubrum) Octostichon pium ad lectorem \ Tempora iudicii iusti/simul ultima mundi \ Et licet errarint noscere quotquot erant \ Talia nanqj deum nulli reserasse beato \ Vnquam testatur pagina sacra palam \ Non tarnen est dubium/tacitis decrescere mundum \ Annis/ad calcem s^cula quae φ trahi, \ Heus igitur mortalis homo tua crimina plange \ Dum potes/extremus mors tua finis erit. \ (Rubrum) Meditatio unicuiφChristiano \ pernecessaria. \ (Rubrum) Ο 442

mortalis/miser/fragiliscp homo \ Mortem: iudicium Barathrum: coelos: meditare \ Quid fis/quid fueris/quidcp eris/ecce miser. \ F.V.B.\ 4°. o.O.o.D.oJ. (Basel, Pamphilius Gengenbach). Am Ende datiert: "Mantue Calendis februariis Anno M.D.XII." 5 Bl., Sign.: A 4 , (B). Köhler FS 4146 (Ex.). GENGENBACH, KÖNIG KARL, ( B A S E L 1520) = Pamphilius Gengenbach zu de allergroszmechtigosten küng karle. \ Als mä zalt. M.CCCCC.vnd.XX. in de Monat des Jenners \ sind dise wunderzeichen zu Wien yn Osterich alle nacheynander am hymel gesehe worde/wie es dan hie by jeglichem zey \ chen geschriben stot/vnd habents allwegen ettlich tausent menschen gesehen. \ Flugblatt, Basel, Pamphilius Gengenbach. 1520. Abdruck bei Fehr, Massenkunst, Abb. 9. (GENGENBACH), PRACTICA, ( B A S E L 1523) = Ein Christliche vnd ware \ Practica/wider ein vnchristeliche gotzlesterige vn = \ e e ware practica. Welche ein Bomolochischer starne = \ saher hat lassen vszgon vff dz. M. CCCCC. xxiiij. \ jar. In der/er nit allein die menschen/sunder auch \ Gott/sine Propheten vnd die helge geschryfft gele \ stert vnd geschmacht hat. \ Conuertere ad dominum deum tuum. Mit Holzschnittleisten und Holzschnitt 3,5 χ 7 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (Basel, Pamphilius Gengenbach 1523). 8 B l , Sign.: -, All, Bill, -, Β, BII, Bill, -. Bl. B4b Holzschnitt 2,7 χ 15,2 cm. Hellmann, Gengenbach. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 90h/9. G E R E O N , PRACTICA TEÜTSCH, O.O. (1523) = Practica Teütsch \ Johannis Gereonis philosophi/ \ auff das M.D.XXiiij. jar./des xlviij. \ Grads hohe/des Polus. (Rubrum) Solich Coniunction sind auch geschehen jin jar \ nach Christi gepurt/Sechßhundert vnd jm syben \ tzigisten/wie hernach volget. \ Holzschnitt 10,4 χ 9 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1523). Verf. pseudonym 'Johannes Gereon' = Veit Bild. 8 B l , Sign.: -, AIII, -, -, B 4 . Bl. A1b und B4b leer. Hellmann, Gereon (2). Weiler 2636. Ex.: B S B München Res 4° Astr. P. 525/19.

443

GLOTZ, PRACTICA, DTSCH., O.O. (1495) = Practica winensis gemacht durch: \ Magistrum cristofe von Glotz rc. \ Holzschnitt 8,7 χ 8,7 cm. 4°. o.O.o.D.o.J. (1495). 8 Bl„ Sign.: (A 4 ), B 4 ). Hain 7786. Ex.: B S B München 4° Inc. s.a. 908 d.

GRÜNPECK, PRONOSTICON, LAT., WffiN (1495) = Pronosticon siue \ (vt alij volüt) Judiciü Ex iüctione \ Saturni χ Jouis Decenaliqp reuolu = \ tione Saturni Ortu t fine antixpi ac \ alijs quibusdä interpositis prout ex = \ sequetit? claret pambulis hie inserit. \ Holzschnitt 8,6 χ 8,7 cm. 4°. Wien, Johannes Winterburger o.J. (1495). 16 Bl., Sign.: Α 6 , B 6 , C 4 . Langer, Bibliographie 15a. Denis 5 u. Nachtr. 6-9. Hain 8087. Ex.: Hofbibl. Wien Ink. 17 Η 13.

GRÜNPECK, AUSLEGUNG, O.O. (1507) = £

Ein newe außlegung. Der seltzamen \ wundertzaichen vnd wunderpurden/so ein — c zeyther im reich/als \ vorpoten des Almechtige gottes/auffmonende auffrustig zesein \ wider die feindt christi vnd des heyligen reichs/erschinen sein an \ all Kürfursten \ versamlt sein gewe_ _vnnd Fürsten _ so auff dem _ reichs tag _ zu Costnitz g sen vo eine Erwirdige briester/herrn Josephe \ Grunpecken beschehen. \ Holzschnitt 10,3 χ 13,4 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1507). (Nürnberg. Johann Weyssenburger). (Nach Köhler). 4 Bl., Sign.: A 4 . Schenda, Prodigiensammiungen Nr. 1 mit Abb. 1. Zinner 883. Köhler FS 2832. Andere Ausgabe Köhler FS 3302. Ex.: B S B München Phys. sp. 300 (3).

GRÜNPECK, EXHORTATIO, LANDSHUT 1515 = Ad reuerendissimos \ et illustrissimos principes t dominos \ dominos Philippum & Ioannem Frisingenß. & Ratisponenß. ecclesi = \ arum Episcopos. Comites Palatinos rheni ducesφ Bauarie. Salubris \ exhortatio Iosephi Gruenpeck in litterariarum rerum et vniuersorum \ graduum cum bonorum tarn dignitatum grauissimam iacturam. \ Holzschnitt (Wappen). 4°. Landshut. o.D.1515. (Johann Weyssenburger). (Nach Schottenloher).

444

4 Bl., Sign.: A 4 . Schottenloher, Weyssenburger Nr. 17. Köhler F S 3543. Ex.: B S B München 4 Bavar. 3007, II, 17).

GRÜNPECK, SPECULUM NATURALIS, NÜRNBERG 1508 = Speculum naturalis coelestis & propheticae vision = \ nis: omniü calamitatum tribulationü & a n = \ xietatum: quae super omes status: stir = \ pes & nationes Christiana: reipu = \ blice: presertim quae cancro \ & septimo climati subie = \ cte sunt: proximis \ teporibus ven = \ ture sunt. Holzschnitt 12,8 χ 11,7 cm. In Holzschnittleisten. Fol. Nürnberg, Georg Stuchs 1508. 18 BL, A 6 , B 6 , C 6 . Mit 12 weiteren Holzschnitten im Text. Auf Bl. B2b Titelholzschnitt wiederholt. Mit Initialen und zahlreichen Randbemerkungen. Panzer 608, Komm.; Köhler F S 3068. Zinner 902. Ex.: B S B München 2 ° Rar 2096.

GRÜNPECK, SPIEGEL, NÜRNBERG 1508 = (Rubrum) £ Ein Spiegel der naturlichen himlischen \ vnd prophetischen sehungen aller trubsalen/angst/vnd not/ \ die vber alle stende/geschlechte/vnd gemaynden der \ Cristenheyt/sunderbar so dem Krebsen vnder \ worffen sein/vnd in dem sibenden Clima \ begriffen/in kurtzen tagen geen werden \ Holzschnitt 13,6 χ 12,2 cm. Fol. Nürnberg, Georg Stuchs 1508. 14 Bl., A 8 , B 6 . Bl. A l b leer. Mit 12 weiteren Holzschnitten im Text. Auf Bl. A8b der Titelholzschnitt wiederholt. Panzer 608. Ex.: B S B München 2 ° Rar 2112.

GRÜNPECK, SPIEGEL, LEIPZIG 1522 = Spiegel der naturlichen himlischen \ vnd prophetischen sehungen aller trubsalen/angst/vn \ not/die vber alle stende/geschlechte/vnd gemayn \ den der Cristenheyt/sunderbar so dem Krebsen \ vii Scorpion auß naturliche einfluß des himels \ vnderworffen sein/vn in dem sibenden Clima o d ' \ circkel begriffenn/in kurtzen tagen geen werdenn/ \ Durch den wirdigen hern Joseph Grunpeck zu \ Nurmberg beschriben. \ Holzschnitt ca. 10x10,4 cm. 4 ° . Leipzig, Wolfgang Stockei 1522. 23 Bl., Sign.: A 4 - F 3 . 445

Panzer 1592. Köhler FS 2024. Zinner 1175. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/48. Satzspiegel gleich bei Faksimileausgabe Nürnberg 1979. GRÜNPECK, NÜTZLICHE BETRACHTUNG, AUGSBURG 1522 = Ain nutzliche betra= \ chtung der Natürlichen/hymlischen/ \ vnd prophetischen/ansehungen aller trubsalen/ \ angst/vn not/die über alle stlnde/geschlech \ te/ vnd gemainden der Christenhait/ in \ kurtzen tagen geen werden. \ (Kleiner Holzschnitt). Pestilentz. \ Krieg. \ Hunger. \ Bächtod. \ Ich haumsuch über dises volck/in waf= \ fen/in hunger/vnd in pestilentz. Spri \ cht der herr got Israhel. Jeremie xxvij. \ Anno Domini. 1522. \ 4°. Augsburg, Hans Schönsperger 1522. 20 Bl„ Sign.: A 4 - E 4 . E4b leer. Gustav-Freytag-Sammlung Nr. 44. Panzer 1593. Zinner 1176. Ex. BSB München 4° Asc. 115. GRÜNPECK, DIALOGUS, DTSCH., LANDSHUT 1522 = Ein Dylogus Do \ ctor Joseph Grüenpeck von Burck \ hausen: do des Türckischen Kay = \ ser Astronimus Disputiert mit \ des Egiptischen Soldans obristem radte/ainem \ verlaugneten Christen von dem glauben der \ Christen vn von dem glauben des Machu = \ meten. Nachmals von de vierundzwein \ tzigisten jar/wie es mit de wassern/krie \ gen/Pestilentz/hunger/vnd andern \ erschrecklichen plagen gen sol. An \ den Groszmechtigiste fürsten \ herren herren Karolen Rö \ mischen Kayser. \ Cum gratia et priuilegio imperato. \ 4°. Landshut, Johann Weyssenburger 1522. 17 BL, Sign.: A 4 - D 4 , E. Hellmann, Grünpeck (2). Schottenloher, Weyssenburger Nr. 103. Köhler FS 2999. Ex.: BSB München 4° Polem 1438 n. GRÜNPECK, WARNUNGE, O.0.1523 = Doctor Joseph Gruenpecks war \ nunge auff das xxiiij. Jar. \ Holzschnitt 11,3 χ 9,5 cm. 4°. o.O.o.D. 1523. 4 BL, Sign, fehlt. BL (A4b) leer. Ex. Gustav-Freytag-Sammlung Nr. 46.

446

GRÜNPECK, SPIEGEL, AUGSBURG ΟJ. = Ein spiegel (Sternchen) \ der natürliche himlische \ vnd prophetischn sehungen C





aller trubsalen/ \ angst/vn not/die über alle stende/gesch \ lechte/vn gemainden der Cristehait \ sunderbar so in dem sibeden Cli \ ma begriffen/in kurtzen ta \ gen geen werden. \ 4°. Augsburg, Hans Schönsperger o.J. 21 Bl., Sign.: A 4 - E 4 , (F1). Bl. A1b leer. Auf Bl. (Flb) Holzschnitt ca 6,3 χ 8,4 cm. Köhler FS 1912 (Ex.). GRÜNPECK, PRONOSTICATION, DTSCH., (NÜRNBERG) ΟJ. = Pronostication Doctor Joseph \ Grünpecks/Vom zwey vnd dreyssigsten Jar an \ bis auff das viertzigst Jar/des aller durch = \ leuchtigsten großmechtigsten Keiser \ Carols des Fünfften rc. vnd be = \ greyfft in jr vil zukünffti \ ger Hystorien. \ Plus. Vitra. 4°. o.O.o.D.oJ. (Nürnberg, Kunigunde Hergotin). (Nach Bibl.). 4 Bl., Sign.: A 4 . Bl. A4b leer. Zinner 1488. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 525/22. GRÜNPECK, PRACTICA DER GEGENWÄRTIGEN GROSSEN TRÜBSALEN, (STRASSBURG UM 1535) = Practica der gegenwer = \ tigen grossen Trübsaln/vnnd vilfaltiger \ Wunder/so hin vnd wider in der Wellt am himel erschei = \ nen/Den frummen zunutz vnd bösen zutrutz/durch \ die letst Chilias biß zum end werhafftig \ Durch Josephum Grünbeck ein onwürdigen prister. \ Holzschnitt. Vnd wa dise tag nit würden verkürtzt/so würd keyn mensch selig rc. Matth, xxiiij.

\ 4°. o.O.o.D.oJ. (Straßburg, Jacob Cammerlander um 1535). (Druckbest. nach Schenda, Prodigiensanunlungen Nr. 2). 20 Bl., ohne Sign. Mit 16 Holzschnitten im Text. Weller 1630. Ex.: Gustav-Freytag-Sammlung Nr. 8. HÖCHSTETTER, PRACTICA TEUTSCH O.O. (1518) = Practica Teutsch \ Meyster Christoff Hochstetter vonn \ Gryningen: Gemacht auff das Tausent \ Fünffhundert vnd Newnzehen Jar. \ Holzschnitt 13,5 χ 11,5 cm. 447

4°. o.O.o.D.oJ. (1518). 8 Bl., Sign.: A 4 , B 4 . Bl. A l b und B4a/b leer. Ex. SSB Augsburg 4° Kult Flugschriften Nr. 108.

HÖCHSTETTER, PRACTICA TEÜTSCH O.O. (1522) = Practica Teütsch. \ D. Chrystoff Hochstetter. A u f f \ Das Jar Tausent. C C C C C . \ (Blättchen) vnd X X I I I . (Blättchen). \ Satumus Mars Mercurius Jupiter. \ Holzschnitt 11,2 χ 13 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1522). 8 Bl., Sign.: A 4 , B 4 . Zinner 1208. Köhler FS 3125. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 90h/2.

HÖCHSTETTER, PRACTICA THEUTSCH, O.O.OJ. (AUGSBURG? 1527)= Practica

Theutsch

\

Christoffero

Hochstetter:

Doctor

der

\

Ertzeney.

Beschriben auff das Tausent \ Fünffhundert vnd achtvndzwaintzigst jar. \ Holzschnitt 12,8 χ 9,6 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (wahrsch. Augsburg, Philipp Ulhart 1527). (Nach Short-titleCatalogue S. 408). 8 Bl., Sign.: A 4 , B 4 . Bl. A1b und B4b leer. Ex.: G N M Nürnberg Postinc. 8° N w 2860 [1528],

KETTENBACH, PRACTICA, O.O. 1523 = Ein Practica practi = \ cirt/auß der heyigen Bibel/ \ vff vil zukunfftig jar/Selig syn die/die \ jr war nemen/vnd darnach richten/ \ D i e zeyt ist hie/das man solich pra \ cticä mer acht hab/daii der astro \ nomy/got wil selber regirn \ über seyn volck. \ Qui habet aures a u d i = \ endi audiat. \ Subsannabät nuncios dei: & paruipende \ bant sermones eius rc. Paralipo. 36. \ Bruder Heinrich vö Ket = \ tenbach. Anno Μ D.xxiij. \ Holzschnittleisten. 4°. o.O.o.D. 1523. 8 BL, Sign.: A 4 , B 4 . Köhler FS 1227 (Ex.).

KRAUTWADEL, PRACTICA TEÜTSCH, O.O. (1527) = Practica Teütsch/Auff dz \ M . C C C C C . X X V I I I . Jar Durch Michae \ lern Krautwadel der Freyen künst vnd ertzney Lieb \ haber/zu Ehren den Fürsichti-

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gen/Ersamen/vndweisen \ Burgermeister vn rath der stat Lädtsperg gemacht. \ Saturnus. Jupiter. Mars. 4°. o.O.o.D.oJ. (1527). 8 Bl., Sign.: A 4 , B 4 . Bl. A1b und B4b leer. Ex.: GNM Nürnberg Postinc. 8° Nw 2872 [1528].

LICHTENBERGER, PRONOSTICATIO, LAT., (HEIDELBERG 1488) = Pronosticatio in Latino. \ Rara ι prius nö audita que exponit t declarat nö \ nullos celi influxus t inclinations certay constel= \ lacionü magne videlicet cöiunctionis α eclipsis q \ fuerant istis annis quid boni malive hoc tj>e ι in = \ futurum huic mundo portendant durabitqi pluri = \ bus annis. \ Fol. o.O.o.D.o.J. (Heidelberg, Heinrich Knoblochtzer 1488). (Nach Baer, Totentanz). 48 Bl., Sign.: A 4 - H 4 . Bl. H3a, H4a/b frei. Mit 45 Holzschnitten. Kurze 1. Hain 10080. Ex.: B S B München 2° Inc. s.a. 789.

LICHTENBERGER, PRONOSTICATIO, DTSCIL, (HEIDELBERG UM 1490) = pronosticatio zu theutsch. \ Eyn schone seltzen vnd vor nyt mer gehörte Prono£

sticatio \ die vßdruckt was glücks vnd vngelucks die große: Coniun = \ ction vnd die Eclipsis gewest synt In dyeßen gegewirdige \ vnd zükunfftigen Jaren beduten vnd antzeygen vnd wirt \ weren etwan vyl iare. Fol. o.O.o.D.oJ. (Heidelberg, Knoblochtzer um 1490). (Nach Baer, Totentanz). 45 Bl., Sign.: A 6 - H 3 . Initialen rot und blau gedruckt. Mit 45 Holzschnitten. Kurze 3. Hain 10086. Ex.: B S B München 2° Inc. s.a. 790.

LICHTENBERGER, PRONOSTICATIO, LAT., MAINZ 1492 = Pronosticatio Latina Anno, lxxxviij. ad magna \ cöiunctione Saturni τ Iouis q fuit äno. lxxxiiij. \ ac eclipsim solis ani sequentis. sc3lxxxv. cofecta \ ac nüc de nouo emedata Durabit plurilj» annis \ vt infra in tercio folio patebit. \ Fol. Mainz o.D. (Jakob Meydenbach) 1492 (Nach Schramm, Mainzer Drucker

2). 36 Bl., Sign.: A 4 , C 4 (!), B 4 , D 4 , E 4 , F 4 . Mit 43 Holzschnitten. Kurze 7. Hain 10082. Ex.: B S B München 2° Inc. c.a. 2729.

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LICHTENBERGER, PRONOSTICATIO, DTSCH., MAINZ 1492 = Eyn Pronosticatio zu theutsch jm iar. lxxxviij. \ gemacht von der grossen Coniüction Saturni \ vnd Jouis. die da was jm jar. lxxxiiij. vnd von der Eclipsis der sonnen des jars, lxxxv. vnd nu \ von nuive besichtiget vnd getruckt. wirt nach \ weren bysz man schribt. M.CCCCC.lxvij. jar. \ Fol. Mainz, o.D. (Jakob Meydenbach) 1492. (Nach Schramm, Mainzer Drucker

2). 40 Bl., Sign.: A 6 - F 6 , G 4 . Bl. G4b leer. Mit 43 Holzschnitten. Kurze 8. Nicht bei Hain. Ex.: GNM Nürnberg Inc. 3228 a. LICHTENBERGER, PRONOSTICATIO, DTSCH., (STRASSBURG) 1497 = C

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Pronosticatio zu tüetsch \ die do vßdruckt was glucks vnd vnglucks \ die große Coniunction vnd die Eclipsis die \ geweßt synt/in dysen gegenwirdigen vnd \ zukünfftigen iaren bedütent vnd anzeyget. \ Und sagt von setzsamen wunderbarlichen dyngen. Und weret zwey vn zwentzyg Jar. \ Holzschnitt 10,5 χ 8,3 cm. 4°. o.O.o.D. 1497. (Straßburg, Bartholomäus Kistler). (Nach Schramm, Straßburger Drucker 2). 65 Bl., Sign.: A 6 - K3. Kurze 9. Hain 10088 (?). Ex.: SB Preuß. Kult.bes. Berlin. LICHTENBERGER, PRACTICA, LAT., STRASSBURG 1499 = (Rubrum) Hec practica narrat de psenti anno τ sequentibus \ φ plurimis annis de nouis raris τ inauditis rebus \ τ gestis que futura sunt, in hoc mundo. \ Mit zwei Holzschnitten 10 χ 6,2 cm. 4°. Straßburg o.D. 1499. (Bartholomäus Kistler). (Nach Schramm, Straßburger Drucker 2). 48 Bl., Sign.: A 4 - L4. Mit 45 Holzschnitten, davon 4 andere Motive als in Erstausgabe. Kurze 10. Hain-Copinger 10085. Ex.: BSB München 4° Inc. c.a. 1647. LICHTENBERGER, PRACTICA, LAT. STRASSBURG (UM 1500) = Hec practica narrat de presenti änno \ et sequetibus quamplurimis annis \ de nouis raris et inauditis rebus \ gestis que futura sunt in hoc müdo \ Holzschnitt 10,2x10,5 cm. 450

4°. Straßburg o.D.o.J. (Bartholomäus Kistler um 1500). (Nach Schramm, Straßburger Drucker 2). 48 Bl., Sign.: A 4 - L 4 . Mit 44 Holzschnitten, davon 3 andere Motive als in Erstausgabe. Kurze 11. Hain 10084. Ex.: BSB München 4° Inc. c.a. 1646. LICHTENBERGER, PRACTICA, DTSCH., O.0.1526 = Practica meyster Johannem hechten \ bergers/So er vor etzlicher zeit gemacht hat/vonn der \ grossen Coniunction Saturni vnd Jouis/im \ vergangnen M.CCCC.lxxxiiij. Deßgleiche \ eclipsis & Sonne im lxxxv. werende \ biß mä schreibt M.CCCCC.lxvij. ja \ re. vff eyn newes getruckt \ mit seine vil seltzame \ figuren. \ Holzschnitt 10,4 χ 13,1 cm, illum. 4°. o.O.o.D. 1526. 65 BL, Sign.: A 4 - Q 3 . Bl. Q3b leer. Mit 45 Holzschnitten. Kurze 21. Ex.: BSB München 4° Astr. P. 255/1. LICHTENBERGER, PROGNOSTICATIO, LAT., O.0.1526 = PROGNOSTICA = \ Ή Ο IOANNIS LIECHTENBERGERS, QVAM OLIM SCRI = \ psit super magna illa Saturni ac Iouis coniunctione, quae fuit Anno M.CCCC. \ LXXXIIII. praeterea ad eclipsum Solis anni sequetis uidelicet LXXXV. \ in annü adhuc usq; durans M.D.LXVII. iam iterü, mendis qui= \ busdam haud modicis sublatis, queq? obscuri adeö cximper = \ fecti erant sensus utcüqj restitutis, diligenter excussa. \ Holzschnitt 10,4 χ 13,1 cm. 4°. o.O.o.D. 1526. (Mainz, Johann Schöffer). (Nach Bibl.). 59 Bl., Sign.: A 4 - P3. Mit weiteren 45 Holzschnitten im Text. Kurze 24 (?). Ex.: Köhler FS 4217. LICHTENBERGER, PRACTICA, DTSCH., (AUGSBURG ?) 1526 = DIse Practica vnnd Prenosticati = \ on. Ist gedruckt worde zu Mentz \ im M.CCCC.XCII. Jar Vnd werdt biß man zeit M.D.LXVII. \ jar: Darin ain yeder mensch abnemen vnd erkennen mag/wie die ver = \ gangen zeit auch yetzt die gegenwertig in diser Practica zu trifft/vn \ darneben zu besorgen wie hierinn künfftigs zukommen mag/ \ doch got ist alle ding müglich. \ Holzschnitt 15,2 χ 15 cm in Holzschnittleisten.

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Der natürlich mensch verniinpt nichts vom Gaist Gotes. j. Cor. ij. \ Joannes Liechtenberger. \ Fol. o.O.o.D. 1526. (Kurze vermutet Augsburg). 46 Bl., Sign. A 6 - H 3 . Bl. H3b, H4a/b leer. Mit weiteren 44 Holzschnitten im Text. Titelholzschnitt auf Bl. B1 a wiederholt. Kurze 22. Weller 3834. Ex.: BSB München Res 2° Phys.m.11. LICHTENBERGER, PROGNOSTICATE, LAT., KÖLN 1526 = PROGNOSTICA = \ TIO IOHANNIS LIECHTENBERGERS, QVAM \ olim scripsit super magna illa Saturni ac Iouis cöiunctione, quae \ fuit Anno M.CCCC.LXXXIIII. praeterea ad ecly \ psim Solis anni sequetis uidelicet LXXXV. durans \ in annum usqj M.D.LXVII. iam iterum, sub = \ latis mendis quibus scatebat pluribus, quam diligentissime excussa. \ Holzschnitt 10,4 χ 13,1 cm. 4°. Köln, Peter Quentel 1526. 59 Bl., Sign.: A 4 - P3. Mit 43 Holzschnitten im Text. Kurze 23. Ex.: BSB München 4° Astr. P. 255. LICHTENBERGER, WEISSAGUNGE, WITTENBERG 1527 = Die weissa = \ gunge Johannis Lieh \ tenbergers deudsch/ \ zugericht mit vleys. \ Sampt einer nutzli = \ chen vorrede vnd vnterricht \ D. Martini Luthers/Wie \ man die selbige vnd der \ gleiche weissagunge \ vernemen sol. \ Wittemberg. \ M.D.xxvij. \ Mit Holzschnittleisten. 4°. Wittenberg, Hans Lufft 1527. 72 Bl., Sign.: A 4 - S3. Mit 43 Holzschnitten im Text. Kurze 25. Köhler FS 2309. Ex.: GNM Nürnberg Postinc. Nw 3106 b. LICHTENBERGER, PRONOSTICATIO, LAT., KÖLN 1528 = (Blättchen) PRONO \ STICATIO IOHANNIS LIE \ chtenbergers, iam denuo subla \ tis mendis, quibus scate= \ bat pluribus, quam \ diligentissime \ excussa, \ Anno M.D.XXVIII1. \ 4°. Köln, Peter Quentel 1528. 59 Bl., Sign.: A 4 - P 3 . Mit 43 Holzschnitten im Text. Kurze 27. Ex.: BSB München Astr. P. 84 n. 452

LICHTENBERGER, WEYSSAGUNGE, KÖLN 1528 = Die Weyssagunge \ Johannis Liechtenbergers \ deutsch/tzu gericht \ mit vleyß. \ M.D.xxviij. \ 4°. Köln, Peter Quentel 1528. 59 Bl., Sign.: A 4 - P 3 . Mit 43 Holzschnitten im Text. Kurze 28. Ex.: BSB München Astr. P. 84 o.

LUTHER, EINE CHRISTLICHE BEWEISUNG, (AUGSBURG, RAMMINGER 1522) = Ain Christ = \ lyche vnd vast Wolge \ grünte beweysung von dem Jüg \ sten tag/vnd von seine zaichen \ das er auch nit verr mer sein \ mag. D.M.L. \ Ο herr hillff vns wir verderben. \ Math. viij. \ Wittemberg. \ (Blättchen). Holzschnittleisten und Medaille 'Hainricus'. 4°. o.O.o.D.o.J. (Augsburg, Melchior Ramminger 1522). (Nach Benzing). 15 Bl., Sign.: Α 4 , B 4 , C 4 , D 3 . Bl. A1b leer. Benzing, Lutherbibliographie 1489. Köhler FS 4318 (Ex.).

LUTHER, EINE CHRISTUCHE BEWEISUNG, (AUGSBURG, NADLER 1522) = Ain Christ = \ liehe vnd vast wolgegründe bewey = \ sung von dem Jüngsten tag/vnd von seinen zayehen \ das er auch nit ver meer sein mag. \ Doctor Mar. Lut. \ Ο herr hilff vnns wir verderben. \ Mathey viij. \ Holzschnitt ca. 5 χ 6 cm. \ Wittenberg. \ Holzschnittleisten. 4°. o.O.o.D.oJ. (Augsburg, Jörg Nadler 1522). (Nach Benzing). 15 Bl, Sign.: Α 4 , B 4 , C 4 , D 3 . Benzing, Lutherbibliographie, Nr. 1490. Köhler FS 4315 (Ex.).

LUTHER, EINE CHRISTUCHE BEWEISUNG, (BASEL 1522) = Ein Christlich vnd vast wol \ gegründte beweysung von \ dem Jüngsten tag/vnd von seinen zeichen/ \ das er auch nit verr mer sein mag. \ D. Mar. L. \ Holzschnitt ca. 6,4 χ 9,3 cm. \ Ο herr hilff vns wir verderben. \ Matth, viij. \ 4°. o.O.o.D.oJ. (Basel, Adam Petri 1522). (Nach Benzing). 16 Bl., Sign.: A 4 , B 4 , C 4 , D 4 . Bl. D4b leer. Benzing, Lutherbibliographie, Nr. 1494.

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Köhler FS 1347 (Ex.).

MIDDELBURG, NÜTZLICHES BÜCHLEIN, (AUGSBURG) 1524 = C G Ο Ain fast nutzlich buchlin zu diser zeit \ zulesen/Von dem Sindtflusz od' grossen wasser/das solchs \ durch den einflusz des hymels nit betzaichent/wie et = \ lieh Astrologi vngeschicklich dauon geschribe/ \ auch sich niemant des besorgen soll/durch \ den hochberumten/furtrefliche/E. va \ ter Paulum Bischoffen Forosem = \ pronieii an bapst demente \ den sibenden auszgang \ en/νϊϊ zu trost den \ forchtigen zu \ teütschem bracht. 4°. o.O. (Augsburg) o.D. 1524. 6 Bl., Sign.: A 4 , B 2 . Hellmann, Middelburg (5). Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 90h/8.

NÄGELIN, PRACTICA, DTSCH., O.O. (1518) = — c β Practica M. Joanis \ Nagelin von Butighaim/auff das 1519. iar. Des \ durchleüchtigsten Fürsten vii herren herr Joachim \ Margraue zu Brandenburg rc. Astronomus. \ Holzschnitt 12,4 χ 9,8 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1518). Nägelin = Carion. 4 Bl., Sign.: A 4 . Ex.: SSB Augsburg 4° Kult Flugschriften 109.

NIFO, DE FALSA DELUVÜ PROGNOSTICATIONE... AUGSBURG 1520 = AVGVSTINI \ NIPHI PHILOSOPHI, \ SVESSANI D E FALSA D I L W I I \ prognosticatione, quae ex conuentu olm \ PlanetaR, qiu in Piscibus continget \ Anno. 1524. diuulgata est. Li = \ bri tres, ad Karolü. v. diui = \ no affläte spiritu C?sa \ rem semper Au = \ gustum. \ E M E L E G E E T I W A B I T . 4°. Augsburg, Sigismund Grimm und Marcus Wirsung 1520. 27 Bl., Sign.: A 4 - G 3 . Bl. G3b leer. Hellmann, Niphus (9). Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 525/11.

PASTORIS, PRACTICA TEÜTSCH, O.O. 1523 = — e Practica Teütsch vo \ vergangen/vnd zukünfftigen ding = \ en/Auss der heyligen gschrifft \ gegründt vnd gezoge. Auf \ das. 1524. Jar. \ Christus Jesus \ eyn Herr

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vnnd Meyster disz Jar \ vnd alletzeyt. Mathei am .xxiij. \ Holzschnitt 3,3 χ 4,3 cm in Holzschnittleisten. 4°. o.O.o.D. 1523. (Zwickau, Jörg Gastel). (Nach Köhler). 4 B l , Sign.: A 4 . Bl. A4b leer. Hellmann, Pastoris (3). Zinner 1257. Köhler FS 2082 (Ex.).

PHILADELPHIA, PRACTICA TEUTSCH, O.0.1518 = Practica teutsch auff das iar \ M.d.xix. Zu lob vnd eren dem hochgelerten herren herre \ Dieterich vngelter. beder rechte doctor, durch Philadelphü \ von Rietheim Astronomum gepracticiert νϊϊ auffgericht \ (Rubrum) Herren dises iares. \ Saturnus Mars. \ Holzschnitt 9,2 χ 11,3 cm. 4°. o.O.o.D. 1518. 8 BL, Sign.: -, -, -, -, i, ii, -, -. Ex.: SSB Augsburg 4 ° Kult Flugschriften Nr. 186.

RANSSMAR, ANZEIGUNG, O.O.OJ. (AUGSBURG ? 1523) = Anzaygung. vnd Auszlegung. der \ grossen constellacion/vnd anderer aspectten/ \ so sych in dem. 1524 jar/in dem \ Februario erheben werden. \ durch Sebastian Ransz = \ mar zu samenn \ gelesenn. \ Vnd darbey ain Prognostication Auff \ daz. M.D.XXIIII. Jar bysz in dz. be. vn. lxiij. jar. Was \ sich darinnen an vil enden νϊϊ orten mit dem gwässer \ vnd andren geferlikaiten verlauffen sol. \ Holzschnitt 10,5 χ 8,7 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1523). (Augsburg, Melchior Ramminger). (Nach Köhler) 12 Bl., Sign.: A 4 - C 4 . Bl. C4b leer. Auf Bl. B4b ein weiterer Holzschnitt 11,3 χ 12,1 cm. Holzschnitt auch in einem Druck von Jörg Nadler in Augsburg. Ex. mit angefügter Prognose Virdung von Haßfurts. Hellmann, Ransmar (1). Köhler FS 3156 (Ex.).

RANSSMAR, ANZEIGUNG, AUGSBURG 1523 = Anzaygung. vnd Auszlegung. der \ grossen constellacion/vnd anderer aspectten/ \ so sych in dem 1524. jar/in dem \ Februario erheben werden/ \ durch Sebastian Räsz \ mar zu samenn \ gelesenn. \ (Blättchen) Holzschnitt 10,5 χ 8,7 β Ο — ο c cm. \ Ο got bysz vns gnadig zu dyser zeyt \ Wan wir schreyen zu dir/erhor vns waii es ist zeyt \ 4°. Augsburg, Melchior Ramminger 1523. 6 Bl., Sign., A 4 , (B 2 ). Bl. (B2b) leer. Auf Bl. A1b weiterer Holzschnitt. 455

Hellmann, Ranssmar (2). Weller 2648. Ex.: BSB München 4° Astr. P. 525/15. REYNMANN, PRACTICA, NÜRNBERG 1523 = Practica vber die grossen vnd ma = \ nigfeltigen Coniunction der Planeten die im \ jar M.D.XXiiij. erscheinen/vn vnge = \ zweiffeit vil wunderparlicher \ ding geperen werden. \ Ausz Rö. Kay. May. Gnaden vnd Freihaiten/hut sich menigklich/diese £ meine Pra = \ ctica in zwayen jaren nach zutrucken bey verlierung. 4. Marek lotigs Golts. \ Holzschnitt 13,3 χ 12,6 cm. 4°. Nürnberg, Hieronymus Höltzel 1523. 12 Bl„ Sign.: A 4 - C4. Hellmann, Reynmann. Zinner 1215. Ex.: BSB München Rar 4096/10. ROZONUS, COMPENDIUM, NÜRNBERG 1524 = MARCI ANTONII \ Rozoni Cöpendium, \ de leuitate Vatici \ nätium futu = \ ros rerü \ euetus, & va \ nitate pnosticäti = \ um diluuium. \ (Drei Sternchen). Titel in Holzschnittleisten. 4°. Nürnberg, Friedrich Peypus 1524. 32 Bl„ Sign.: A 4 - H 4 . Bl. H4b leer. Hellmann, Rozonus. Ex.: Hofbibl. Wien 71. J 28 (3). SCEPPER, ASSERTIONES, KÖLN 1523 = ASSERTIONIS FIDEI \ ADVERSVS ASTRO \ LOGOS. SIVE DE SIGNI = \ FICATIONIBVS CONIVNCTIONVM SVPERIORVM \ PLANETARVM ANNI MILLESIMI QVINGENTESIMI \ Vicesimi quarti, Ad Reuerendissimü Cardinale. D. ERHARDVM \ a Marka, Archiepiscopum Valetinum, Episcopü Leodiensem Du = \ cem Bulionium Comitemqj Lossensem. CORNELIO Seep \ pero Neoportuensi Philosopho authore. Libri Sex. \ Holzschnittleiste. (Darunter Druckerwappen. Links davon) \ (Rubrum) Esaias quadragesimo septime \ Stent nüc & saluet te augures coeli qui c5 \ teplabant sydera & supputabät meses vt \ annüciaret euetura tibi. Ecce facti sunt quasi \ stipula, ignis cöbussit eos, nec liberabüt ani = \ mam suam de manu flammae. (Rechts vom Druckerwappen:) (Rubrum) Hieremiae deeimo H£c dicit dominus Iuxta vias gentium \ nolite discere, & a signis coeli nolite me \ tuere quas timent gentes, quia leges populo= \ rum vanae sunt. (Darunter:) (Rubrum) Veneunt Antuerpias in ÄLdibus honesti viri FRANCISCI \ Byrckmanni Bibliopolae, ac Ciuis Coloniensis. 456

Ac Colonias \ in aedibus eiusdem sub intersignio pingius gallinae. \ Holzschnittleiste. Fol. Köln, Franz Birckmann 1523. Rot-Schwarz-Druck. 132 Bl., 6 nicht gez., 123 gez., 3 nicht gez. Bl. Sign.: a4, b2. A 6 - C6, D 4 , E 6 - G 6 , Η 4 ,1 6 - L6, Μ4, Ν 6 - P6, Q 4 , R 6 - Τ 6 , V4, X6, Y6, Z 4 . Bl. Alb leer. Hellmann, Scepper (1). Ex.: BSB München 2° Astr. P. 35 a. (SCHROTBANCK), PRACTICA, DTSCH., (STRASSBURG 1501) = Prattica dütsch anfohe/So man \ zalt noch gottes geburt/Tusent fünffhundert vn zwey \ jor. Vnd würt werren/biß zu volendung des spruchs. \ Wer hett das gemeint. Vnd zu leschst/v5 der zukunfft \ des Endcrist/Also nit vor/gehort die zyt. \ Holzschnitt 10,8 χ 10,3 cm. Vnd ist gesatz vff. xxvi jaor. lang. \ 4°. Fragment. o.O.o.D.o.J. (Straßburg, Bartholomäus Kistler 1501). (Nach Bibl.). 16 Bl., Sign.: A8, B4, C4. Weiler 239. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/15 a. SEITZ, EIN SCHONER TRACTAT... LANDSHUT (1515) = Ein schöner _ tractat \ darjnnen begriffen ist Die art vnnd vr = \ sach £des Traumes/Wan jme zeglauben sey oder nit/mit vß = \ legung ains erschrockenlich traumes ainem gaystliche \ Waldbruder begegnet zusampt der großen wund' \ zaiche jm land Wirttenburg verschynen auch \ warum sich die Fürsten sich selbs jrtzen mit \ sampter bedewtnuß diser dreyer wortt \ Hertzog/Hoffart vnd Venantz/al = \ les trewer maynüg/Durch den \ hochgelertten Philosophü \ vnd Doctor Allexander \ Sytz von Marpach \ vß gangen \ nutz = \ liehe Edelen \ vnnd vn= \ edlen. \ Holzschnitt 7,3 χ 5 cm. Orta occidunt/aucta senescunt. Strepallo. \ 4°. Landshut, Johann Weyssenburger, o.J. (1515). Druckerbestimmung nach Schottenloher, Landshuter Buchdrucker Nr. 42. 20 BL, Sign.: A 4 - E 4 . Abdruck bei Ukena. Ex. SSB Augsburg 4° Kult Flugschriften 103. (SEITZ), AIN WARNUNG DES SÜNDTFLUSS... (AUGSBURG 1521) = Ain Warnung des Sündtfluss oder \ erschrockenlichen wassers Des xxiiij. jars 6 Ο ausz naturlicher art des \ hymels zu besorgen mit sampt auszlegung der grossen 457

wunder = \ zaychn zu Wien in Osterreych am hymel erschinen im XX iar. \ Zwei Holzschnitte, 10,6 χ 6,6 cm und 10,6 χ 8,6 cm. 4°. o.O.o.D.o.J. (Augsburg, Jörg Nadler 1521). (Nach Ukena). 6 BL, Sign.: (Α 4 ), (Β2). Bl. A1b und B2b leer. Hellmann, Anonym (3) ? Köhler FS 3159. Weller 1663. Ukena, Seitz, Nr. B1. Ex.: BSB München 4° Phys. 192. SPIEGELBERG, PRACTICA, DTSCH., OPPENHEIM 1521 = Practica/auff das \ Jare Christi vnnsers Herren/ \ M.CCCCC.XXII. \ Von dem Hochgelerten Herre \ (Meyster Hansen Virdung vö Hasszfurt: \ weylandt zu Leipzigk Discipel vnnd Junger) \ Doctor Conradten vonn Spiegelbergk/ \ der Artzney vn Mathematic erfarn/ \ Vß warem Lauff der Hymeli= \ sehen β ~ Vmb/Vff/vnd Ny \ der gang gerechet/vn \ darauß künfftige \ ding geof= \ fenbart \ Venus. Saturn. \ Zwei Holzschnitte, 4 x 5 cm. Holzschnittleiste mit Wappen. (Blättchen) Getruckt zu Oppenheym. (Blättchen). \ 4°. Oppenheim o.D. (Jakob Köbel) 1521. (Nach Benzing). 8 Bl., A 4 , B4. Bl. B4b leer. Weller 1943. Benzing, Köbel, Nr. 74. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/49. STÖFFLER, EPHEMERIDEN, ULM 1499 = Almanach noua plurimis annis Venturis \ inseruientia: per Joannem Stoefflerinum \ Iustingensem & Iacobum Pflaumen VI \ mensem accuratissime supputata: & toti \ fere Europe dextro sydere impartita. \ Darin: Ephemerides Anno Virginei Partvs 1524. (J 4 - M1). 4°. Ulm, Johannes Reger 1499.495 Bl. (25 Bl. fehlen). Hain 15085. Ex.: BSB München 4° Inc. c.a. 1711 a. STÖFFLER, EXPURGATIO, TÜBINGEN (1523) = (Blättchen) IOHAN \ NIS STOEFFLERI IVSTIN \ gesis. qui et Ephemeridum autor. expurgatio \ aduersus diuinationum XXIIII anni suspiti \ ones, äquibuscüqj Idigne sibi offusas, nomina \ tim aüt ä Georgio Tannstetter Collimitio Ly = \ coripensi, Medico & Mathematico, in eo Ii \ bello quem ipse consolatorium inscripsit. \ Chasp. Vollandij Hendecasyll. \ Dextris auspitijs uiam Capesse \ Ter felix liber, hostib. φ pectus \ Tantum obuertere masculum memento. \ Non deerunt tibi plurimi patroni \ Qui te, qui dominumqp uindicabunt. \ TVBINGAL.\ Titel in Holzschnittleisten. 458

4°. Tübingen, Ulrich Morhard o.J. (1523). 18BL, Sign.: A 4 - D 4 , E 2 . Hellmann, Stöffler. Köhler FS 3170. Ex.: BSB München 4° Astr. P. 528/27. TANNSTETTER, PRACTICA, DTSCH., WIEN (1518) = Practica gemacht zw wienn auff das. \ M.CCCCC. vnd. xix.iar. Zw eren vnd \ gefallen dem hochwirdigiste in got vat \ ter Fürsten vnd hern: hern Matheusen \ S Angeli der heilige Romische kirchen Cardinaln von Burgk \ Coadiutorn des stiffts Saltzburg/Legaten in Germanien, rc. \ Durch Georgen Tannstetter von Rain \ der siben freien kunst vnd Ertzney Doctor. \ Holzschnitt 10,6 χ 9,3 cm. Mit Kay. Ma. gnad vnd priuilegien. 4°. Wien, Johannes Singriener o.J. (1518). 8 Bl., Α 4 , Β 4 . Bl. B4b leer. Zinner 1121. Denis, Nr. 215. Ex.: SSB Augsburg 4° Kult Flugschriften Nr. 110. TANNSTETTER, TROSTBÜCHLEIN, WIEN 1523 = Zw eren vnd gefallen de durchleuch = \ tigisten Grosmechtige Fürsten vnd hem \ hern Ferdinando Printzen in His = \ panien/Ertzhertzoge zu Osterreich/Hertzogen zu Burgüdi. rc. Ro. Kay. vn \ Hispanischer Kunigk. Ma. Stathallter. rc. Auch zu trost seiner Fürstlichen \ durchleuchtigkait vnderthanen Landen vnd leutten. Hat Georg Tanstetter \ von Rayn/der freyen kunste vn ertzney Doctor/disz gegenwurtigs buechlen \ ausgeen lassen. Der leut hart furgenomene verwänung/so sy aus etlicher dy \ sich fur Astronomos ausgeben/vorsagung/von ainem kunfftigen Synflusz/ \ vnd anndern greulichen vällen auffs. XXiiij Jar gefast/abzuwenden. \ Holzschnitt 10,7 χ 11,1 cm. U m den Holzschnitt verteilt (links:) Veritas de terra orta est: iustitia de celo prosperit. Psal. 184. \ (oben:) Precipit soli τ nö orit: ζ stellas claudit qsi sub signaculo. Qui facit Arctuij t Oriona τ hyadas. Job. 9. \ (rechts:) Iustorum anime in manu Dei sunt: et non tanget illos tormentum malitie. Sap. 3. \ (unten:) Gloria in excelsis Deo: et in terra pax hominibus bo. vol. Luce. 2. \ Mit Kay. Ma. gnad vnd priuilegien. Bey peen zehen marck gold nit nach zutrucken. \ 4°. Wien, Johannes Singriener 1523. 22 Bl, Sign.: A 4 - E 4 , F 2 . Hellmann, Tannstetter (2). Köhler FS 3128. Zinner 1222. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/52.

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TANNSTETTER, PRACTICA, DTSCH., O.O.OJ. (WIEN ? 1523/24) = PRactica gemacht \ zü Wienn in Osterreych aus \ der kunst Astronomia/durch \ Georgen Tannstetter Von Rain am \ Lech/der freyen künsten vnd ertzney Doctor/ \ vnd ist wie ain außzug vnd ain sundere erkle \ rung des grosseren Judicij so vorhin auff \ das MDXXIIII. Jar von im ausgangen ist. \ Holzschnitt 10,3 χ 11,5 cm. o.O.o.D.o.J. (Wien ? 1523/24). 8 BL, Sign.: A4, B4. Bl. B4b leer. Hellmann, Tannstetter (3). Ex.: SSB Augsburg 4° Kult. Flugschriften Nr. 131. VIRDUNG VON HASSFURT, INVECITVA, LAT., HEIDELBERG 1512 = Invectiua magistri Johannis \ Virdügi de hasfurt Mathematici Ad jllustrissimü \potentemcp Principem et Dominü dominü Ludo= \ uicü Comitem Palatinü Rheni Bauarie duce Sa \ criq3 Romani imperij Archidapifferum principemqs \ electo: et. Contra somniatü Prognosticö quod delitus \ ipe Lucas magni regis persarü phüs et Medicus sü \ per Anno millesimo quingentesimo duodecimo edidit. \ Holzschnitt (Wappen). 4°. Heidelberg o.D. 1512. (Jakob Stadeiberger). (Nach Benzing). 7 Bl., ohne Sign., Benzing, Buchdruck Nr. 3. Ex.: UB Freiburg. VIRDUNG VON HASSFURT, INVECITVA, DTSCH., HEIDELBERG (1512) = Invectiua \ Eyn invectif meyster hansen \ Virdungs von Hasfurt Mathematicj/Czu de \ Durchleuchtigen vnd grosmechtigen Furstenn \ vnnd Herre Herren Ludtwigen Pfaltzgrauen \ bey Reynn Hertzogen in Bayern deß Heilgen Römische Reichs Ertzdruchsesse vn kurfurste rc. \ Wider die erdicht Practa(!)ca die der Vnwissende \ mensch Lucas des grossenn kungs vonn Persia \ Philozophus vnd Arzt vff das funffzehundert \ vnd xi. jare gemacht hat. \ Holzschnitt (Wappen). 4°. Heidelberg, Jacob Stadeiberger o.J. (1512). 7 Bl., ohne Sign. Panzer 726. Benzing, Buchdruck, Nr. 2. Ex.: Ratsschulbibliothek Zwickau.

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VIRDUNG VON HASSFURT, AUSLEGUNG, O.O. (1515) = Die auszlegung Magistri Johannis \ Virdung von Haßfurt zu dem durchleüchtigen hochgebornen \ Fürsten vnnd herren/herrn Ludwigen Pfaltzgraffe bey Rhein/ \ Hertzog in Bayern/des hailigen Römischen reichs Ertz druch = \ sessen./ vnd Kurfürsten rc. vber die wunderbarlichen zaichen die \ do gesehen worden seind bey dem mon auff dem Schloß hohen \ Vrach jm Wirttenberger landt. Im. M.ccccc.xiiij. jare. Am äff = \ termontag nach Erhardi frue/vmb drey vren/do der£ Scorpion \ in dem anfang der Sonnen gesehen ward. \ Moniein Mon Moniein \ Holzschnitt 10,3 χ 10,3 cm. 4°. o.O.o.D.o.J. (1515). (Augsburg, Erhard Öglin oder Jörg Nadler). (Nach Köhler). 4 BL, Sign, fehlt. Bl. (A1b) leer. Köhler FS 3274 (Ex.). VIRDUNG VON HASSFURT, PRACTICA DEÜTZSCH, O.O. (1519) = Practica Deützsch meyster Hannsen Vir \ düg von Hasfurt vff das. M.ccccc.xx. jare. gemacht zü eren dem \ durchleuchtigen hochgeporn fürsten vnd herren. hern Ludtwigen \ Pfaltzgrauen by Rheyn. Hertzogen in Bayern, des heyligen R o = \ mischen Reichs Ertzdruchsessen vnd Cürfursten. der landen des \ Rheyns. Schwaben. Francken. verseher/vnd Vicarien. \ Holzschnitt 7,5 χ 8 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1519). 8 Bl., Sign, fehlen. Bl. (B4b) leer. Weller 1651. Ex.: LB Dresden Magica 147, 94. VIRDUNG VON HASSFURT, AUSLEGUNG, OPPENHEIM (1520) = AVßlegüg vnd Beteütung/der \ Wunderbarlichen zeiche/wie die zu viel malen In den \ Lufften vnd vff dem Ertrich erscheinen vnd gesehen werden/ \ Vnd sünderlich deren/die In dem Jare nach Christus gepurt \ Funfftzehenhundert vnd zwentzigk Vff den Dritten/Fierden \ Funffte Sechsten/vnd Sybenden tage des Jenners zu Wyen \ Inn Ostereich in den lüfften gesehen worden sein/Vß was vr = \ sach/Vnd vß was materig/die entsprungen/Auch was diesse \ vn der selben gleiche zeichen/ytzo/νϊϊ künfftiglich beteüte wer = \ den. Dem Durchleüchtigsten Hochgeborne Fürsten vnd her= \ ren/Hern Ludwigen — e Pfaltzgrauen bei Rhein/Hertzogen In Beiern/Des heiligen Romische Reichs Ertztruchseß/Chur = \ fürst vn Vicarj rc. Auch gemeine nutz zu eren/Von dem Hoch \ berümpten Astronomo vn Mathematico/Mayster Johansen \ Virdung

461

von

Haßfurt/Vßgelegt/beschrieben

vnd wie

nach

\ uolgt

yre

Beteütnis

offenbaret. \ Holzschnitt zweiteilig, 8,3 χ 7,8 cm. oppehey. \ 4°. Oppenheim o.D.o.J. (Jakob Köbel 1520). (Nach Benzing). 20 Bl„ Sign.: Α 4 - Ε 4 . Bl. E4b leer. Holzschnitt auf Bl. A2a zweiteilig, 10,4 χ 5,2 cm bzw. 6,3 χ 9 cm. Weitere 35 Holzschnitte im Text. Weller 1652. Benzing, Köbel, Nr. 67. Ex.: SSB Augsburg 4° Kult. Flugschriften Nr. 112. V I R D U N G V O N HASSFURT, PROGNOSTTCON, LAT., O.0.1521 = Prognosticon super \ nouis stupendis X prius non visis \ Planetarü coniüctionib9 magnis. Anno dni. M.d.xxiiij \ futuris, In honore Dni müdi diui Caroli Caesaris ζ \ Romano^ Imperatoris inuictiss. semper augu \ sti rc. Ipse auctor magister. Joannes Vir \ dungus Hasfurdensz. Mathematik \ Editü Anno dni. M.D.xxj. Du \ rabitqi hoc ,pgnosticö ad \ Annos vsqj 1560. aut \ ad. 1563. annos fere. \ Holzschnitt 10 χ 11,7 cm. 4°. o.O.o.D. 1521. 8 B l , Sign.: A 4 , B 4 . Hellmann, Virdung (2). Zinner 1156. Ex.: BSB München Rar 1096/8. V I R D U N G V O N HASSFURT, P R A C T I C A T E U T S C H , O P P E N H E I M 1521 = P R A C T I C A \ Teütsch \ VBer die neüwe erschröckliche: \ vor nie gesehen: Coniunction/oder zusammenuereinigüg der \ Planeten Im Jare Μ CCCCC X X I I I I zukünfftig. Zu \ ehre de Großmechtigste/vnüberwintliche herre der —

6



C

6

6

welt/de \ gotliche Kayser vnd Romischen König rc. Carolo dem V. \ Vnd auch etlicher

Churfürsten nemlich

dem

Durch =

\ leüchtigsten

Fürsten vnd

herren/hern Ludwigen \ Pfaltzgrauen vnd Churfürsten rc. Vnder \ welcher beschirmung der werckmein \ ster diesser Practic nemlich Mein = \ ster Johann Virdung vonn \ Haßfurt Mathematicus \ erneret wirt. \ Diß Practica wirdt were bey den Fiertzig jaren ongeuerlich \ Holzschnitt 10,3 χ 4,1 cm. (Rubrum) Auß gnade des aller Großmechtigste Romischen Keisers \ Caroli des V. bei pene X marck Golts Innerhalbe VI. Jaren \ nit nachzutrücken. (Rubrum) Gedruckt zu Oppenheym. \ 4°. Oppenheim o.D.o.J. (Jakob Köbel 1521/22). (Nach Benzing). 20 B l , Sign.: A 4 - E 4 . Hellmann, Virdung (5). Weller 1961. Benzing, Köbel Nr. 78. Köhler FS 3157. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 511/5.

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VIRDUNG VON HASSFURT, PRACTICA DEUTSCH, (SPEYER 1522) = Practica deutsch Meister Hansen \ Virdung von Haßfurt/vff das MCCCC.C. vnd xxiij. jare rc. gemacht \ zu eren dem Durchleüchtigisten hochgepornen Fürsten vnd herre \ Heren Ludwigen Pfaltzgrauen bey Rhein Hertzoge in Bayren deß \ 6 » Heilgen Rumischen Reychs Ertzdruchsessen vnd Kurfürsten rc. \ Holzschnitt. Durch Kaiserlich mandat ist verbotten das niemandt dise prac \ tica vnd £

Laszedel nachdrucke in Sechs jaren bey peen zehen marck \ lottigs golds, nach laut vnd inhalt nachuolgens Mandats. 4°. o.O.o.D.o.J. (Speyer, Anastasius Nolt 1522) (Nach Benzing). 8 Bl, Sign.: A 4 , B 4 . Benzing, Drucker, Nr. 2. Köhler FS 3169 (Ex.).

VIRDUNG VON HASSFURT, PRACTICA DEUTSCH, (SPEYER 1523) = £

Practica deutsch Meister Hansen Virdung \ von Haßfurt/vff das Erschrocklich Jare. M. ccccc. vn xxiiij. rc. Ge = \ macht zu eren dem Durchleüchtigisten hochgepornen Fürsten vnd h e r = \ ren Herren Ludwigen Pfaltzgrauen bey Rhein Hertzogen in Bayren \ deß Heilgen Romischen Reychs Ertzdruchsessen vnd Kurfürsten rc. \ Holzschnitt 12,5 χ 14,7 cm. (Rubrum) Durch Keyserlich mandat ist verbotte das niemandt dise practica \ vnd Laszedel nach drucke in vj. jare bey — β peen zehe marck lotigs golds. \ 4°. o.O.o.D.o.J. (Speyer, Anastasius Nolt 1523). (Nach Benzing). 8 Bl., Sign.: A 4 , B 4 . Weller 2725. Hellmann, Virdung (7). Benzing, Drucker, Nr. 3. Ex.: BSB München 4° Astr. P. 510/54.

VIRDUNG VON HASSFURT, PRONOSTICATION, DTSCH., (LANDSHUT 1523) = Ein Pronostication ge = \ macht durch den Hochgelerten vnd \ erfarnen Astronimo/Mayster Johansen Virdung \ Nemlich auff das. xxiiij. bysz in das. Ix. vnnd \ e lxiij. jar. Was sich darjnen an vil ende vn \ orten mit dem gewasser vnd andern \ geferligkaiten verlauffen sol. \ Holzschnitt 11,5 χ 11,6 cm. 4° o.O.o.D.oJ. (Landshut, Johann Weyssenburger 1523). (Nach Schottenloher). 8 Bl., Sign.: A 4 , B 4 . Bl. B4a/b leer. Bl. A3b Holzschnitt 10,5 χ 7,5 cm. Hellmann, Virdung (10). Schottenloher, Weyssenburger 121 a. Köhler FS 3158. Weller 2727. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 511/7.

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VIRDUNG VON HASSFURT, PRACTICA VON DEM ENTCRIST (SPEYER 1523/24) = Practica von dem Entcrist vn dem \ jüngsten tag auch was geschehen sal vor dem Ende der \ weit/Meister Hannsen Virdung vonn Haßfurt. Ge = \ macht zu eren dem Durchleüchtigen hochgebore Fürste \ vnd herren Herren Ludwigen Pfaltzgrauen bey Rheyn \ Hertzogen in Bayern des Heiligen Römischen Reichs \ Ertzdruchsessen vnd Kurfürsten/genumen auß dem ge = \ stirn der himmel vn de prophecyen Sibille. Methodij \ Joachim. Sophanie. Malachie. Ezechiels. Daniels. \ Johelis. Eßdre. vnd andern mere rc. \ Holzschnitt 13,5 χ 12 cm. (Rubrum) Durch Keyserlich mandat ist verbotte das nyemant \ dise practica vnd was meister johans virdung von haß = \ furt vnder seinem tittel außgeen lest £

nach drucke inn.vj. \ jaren bey peen zehen marck lotigs golds. \ 4°. o.O.o.D.o.J. (Speyer, Anastasius Nolt 1523/24). (Druckzuschreibung nach Benzing). 8 BL, Signaturen fehlen. Benzing, Drucker Nr. 5. Ex.: HAB Wolfenbüttel 435.9 Th. (47). VIRDUNG VON HASSFURT, PRACTICA, DTSCH., (SPEYER 1524) = Practica Meister Hansen Virdung vö Haß = \ furt/vff das. M.ccccc.xxv. Jare rc. Gemacht zu ere dem Durchleüchti = \ gisten hochgebornen Fürsten vn herren Herren Ludwigen Pfaltzgraue \ bey Rhein Hertzogen in Bayern deß Heiligen 6 — Romische Reychs Ertz \ druchsessen vnd Kurfürsten rc. \ Holzschnitt 12 χ 12,5 cm. (Links vom Holzschnitt:) Venus schawe an das elent meyn. \ Kum mir zu hilff mit deynem scheyn (?) \ (Rechts vom Holzschnitt:) Ich kum in guten drewen zu dir. \ Deyn hilff thun frintlich erzeigen mir. \ (Unter dem Holzschnitt:) 6 Ο Meyn natur ist frey frolich vnd gut. \ Teyl euch mit meyn hilff auß freyem mudt. \ Drumb gun ich euch mit mir regiren. \ Doch nit vber mich dominiren. \ 4°. o.O.o.D.o.J. (Speyer, Anastasius Nolt 1524). (Nach Benzing). 8 Bl„ ohne Sign. Benzing, Speyer, Nr. 4. Wohl nicht identisch mit Weller 3675. Ex.: SSB Augsburg 4° Kult. Flugschriften Nr. 132. VIRDUNG VON HASSFURT, PRACTICA DEUTSCH, O.O. (1525) = Practica deutsch Meister Johansen Vir = \ dungs von Haßfurt vff das. M.ccccc. vn xxvi. jare. Gemacht \ zu Eren dem Durchleuchtigisten hochgepornen Fürsten vnd herre \ Herren Ludwigen Pfaltzgraue bey Rheyn Hertzogen in Bayern \ des e — Heiligen Romische Reichs/Ertzdruchssessen vn Kurfiirste rc. \ Holzschnitt 11 χ 12,7 cm. (Rubrum) Durch kayserlich mandat ist verbotte das nymant dise Mei464

ster \ hansen Haßfurts practica vnd laszedel in vj. jare nit nach druck \ nach sust fremde vnd seiner Signatur _ practica _ £ vn vzeichnüs nit auß _ \ geen v'kauffe nach feil habe lasse bey peen. χ. marck lotigs goldts \ des datu Nurmberg am .x. tag des monats Octobris Im. 1522. 4°. o.O.o.D.oJ. (1525). 8 Bl„ A 4 , B 4 . Ex.: LB Coburg R II 8/11, Nr. 15. VIRDUNG VON HASSFXJRT, PRACTICA DEUTSCH, O.O. (1526) = Practica Deütsch Meyster Johann Vir = \ dung νδ Hasfurt vff das Μ D XX vij jare/Gemacht zu eren de Durch \ leüchtigisten Hochgepornen Fürsten vnnd herren/Herren Ludwigen \ Pfaltzgrouen bey Rheyn Hertzogen in Beyern des Heyli6 — gen Romische \ Reychs Ertzdruchssessen vnd Kurfursten rc. \ Holzschnitt 12,5 χ 12 cm. (Rubrum) Durch keyserlich mädat ist verbotte dz nymant dise Meister Hansen \ Haßfurts practica vn laszedel in vj. jare nit nachdruck/noch süst frem = \ de practica vnder seiner Signatur vn£ Verzeichnis nit auß geen verkauften \ noch

feylhaben lassen bey peen x. marck lotigs golts rc. \ 4°. o.O.o.D.oJ. (1526). 8 Bl„ Sign.: (A 4 ), B 4 . Ex.: LB Coburg R II 8/11, Nr. 16. VIRDUNG VON HASSFURT, PRACTICA DEUTSCH, (NÜRNBERG 1527) = Practica deutsch Meyster Johansen vir \ dungs von Haßfurt vff das M.ccccc.xx viij. jare/Gemacht zu Eren \ Dem durchleüchtigisten Hochgebornen Fürsten vnnd herren/Herren \ Ludwigenn Pfaltzgrauen bey Rheyn Hertzogen in Bayern des heyli = \ ligen (!) Römischen Reychs Ertzdruchssessen vnnd Kurfürsten rc. \ Holzschnitt 12,4 χ 13 cm. (Rubrum) Durch keyserlich mandat ist verpotten das nyemant dise Meyster \ Hansen Haßfurts Practica vn laszedel in vj. jare nit nach druck/noch \ sonst frembde practica vnder seiner Signatur od' verzeychnis nitt auß = \ geen v'kauffen noch feylhaben lassen bey peen .x. marck lotigs golds, des datü Nürnberg am .x. tag des monats Octobris Im. 1522. \ 4°. o.O.o.D.oJ. (Nürnberg, Friedrich Peypus oder Kunigunde Hergotin um 1527) (Angabe Bibl.). 8 BL, Sign.: (A 4 ), B4. Weller Suppl. 241. (Weller gibt fälschlich 1522 als Druckdatum an, da er die Datierung des Druckprivilegs mit dem Druckdatum der Schrift verwechselt). Ex.: GNM Nürnberg Postinc. 8° Nw 2873.

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VOLMAR, PRACTICA WTTTENBERGENSIS, DTSCH., O.O.OJ. (WITTENBERG? 1519) = Practica Wittenber \ gensis teutsch Magistri Johänis V o l = \ mar Mathematici/nach der geburt Christi auff. M.D. vnd xx. Jar. \ Mars ein herr diß Jars. Jupiter mithelffer. \ Holzschnitt 10x13 cm. 4°. o.O.o.D.o.J. (Wittenberg? 1518). 8 Bl., (A 4 ), B 4 . Ex.: LB Coburg R I I 8 / 1 1 Nr. 7. VOLMAR, PRACTICA WTTTENBERGENSIS, DTSCH., O.O.OJ. (WITTENBERG? 1521) = Practica Wittenber = \ gensis Teütsch Magistri Johänis Vol = \ mar/Nach der geburt Christi auff. M.CCCCC. vnd .xxii. jar. \ Saturnus ein Herr diß jars Mars ein mithelffer. \ Finsternuß des Möns. \ Holzschnitt 10,3 χ 13,7 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (Wittenberg? 1521). 8 Bl., Sign.: (A 4 ), B 4 . Bl. Bab leer. Ex.: SBB Augsburg 4° Kult. Flugschriften Nr. 120. VOLMAR, PRACTICA WTTTENBERGENSIS, DTSCH., O.O.OJ. (WITTENBERG? 1523) = Practica Wittenber \ gensis Teütsch Magistri Johänis \ Volmar/nach der geburt Christi auff Tausent fünff = \ hundert vnd vier vnd zwaintzig Jar. \ Holzschnitt 10 χ 11,1 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (Wittenberg? 1523). 10 Bl., Sign.: A 6 , B 4 . Bl. A1b und B4b leer. Hellmann, Volmar. Weiler 2639. Ex.: Sachs. Landesbibl. Dresden Magica 147,102. VOLMAR, PRACTICA WTTTENBERGENSIS, DTSCH., LEIPZIG 1525 = Practica Wittern \ bergensis deutzsch Magistri Joannis Volmar nach \ der geburt Christi auff tausent funff hüdert vn \ funff vn tzwantzig Jar. \ Venus ein herrin dyß jars Saturnus mithelffer. \ Holzschnitt 10,5 χ 12,3 cm. 4°. Leipzig, Nickel Schmidt 1525. 8 Bl., Sign.: A 4 , B 4 . Ex.: HAB Wolfenbüttel 121.1.Quodl.

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WACKER, SÜNDFLUSS, O.0.1524 = Das kain sündfluß \ werd auß der hailigen geschrifft probiert \ vnnd gezogen/zu trostung den schwach glaubigen damit sie sich \ mügen schützen wider die Astrologos die nit dann \ gewasser vnnd Sindfluß fürgeben. \ Im jar 1524. 25. January \ S.V \ Holzschnitt 10,7 χ 10,7 cm. Hiere. 10. \ A signis coeli nolite metuere que timet getes quarü leges vane sunt. \ 4°. o.O.o.D. 1524. 6 BL, Sign.: A4, B2. Bl. A1b und B2a/b leer. Hellmann, Wacker (2). Köhler FS 1620 (Ex.). WILHELM, PRACTICA DEUTSCH, O.O.O J . = c ο Practica Deütsch auß der \ Gütlichen heyligen geschrifft/darinn zu \ verneme die grausame Coniunctiö der fin \ sternüß/wie lange zeyt her/durch die \ Gotlosen widerchriste/wider das \ Heylig Wort Gottes eyn= \ (Blättchen) gefurt.". (Blättchen). \ Fünf Kugeln in Rot-Schwarz-Druck, zu jeder links davon β — schräg gedruckt: gotloß \ münch \ pfaffen \ widerist \ Nonne. \ Uber das Titelblatt verteilt Bibelnachweise; (oben links:) Die erst coniunctiö Math: \ 24. Luce 21. Marci am 13. \ vnd Esaie am 24. \ (Daneben:) Die ander Coniunctiö zeyg \ Paulus der gleichen auff vn = \ ser zeyt 2. Timo. 3. \ (Darunter:) Das wort Gots. \ (In der Mitte links:) Die drit Coniuncti \ on fint man 1. Timo \ theum 4. (Daneben:) Die viert Con \ iunetion ist an= \ zeygt 2. Pe. 2. \ (Daneben:) Die fünfft Coniunc = \ tiö wirt anzeygt. Da \ nielis 9 vn 11. Math: \ 24. vii 2 Tessa. 2. \ (Unten:) Das wort Gots wirt nit zgan/ \ Wie hart Sathan dawider thüt stan. \ Math. 24. Luce. 21. 4°. o.O.o.D.o.J. (Weiler vermutet 1524). 9 Bl., Sign.: A 4 , B2, C3. Weller 3216. Ex.: BSB München Rar 1677/17. Köhler FS 3811. ANONYM, PRACTICA, O.0.1525 = Ain Practica/Oder Weyssagung ains ge = \ lerten mans mit namen Jeremias vö Pariß in Franckreich/ \ vn zu geschickt seinem lieben bruder gen Leon. Im MD. \ vnnd im xxv. jar Zu ainer warnung vnnd besserung \ vnsers lebens/Dann Got e — ο ist auff mit seinem Got = \ liehen wort/vn die liebe suchen bey vns/die er selb = ο e \ er zu seiner Gütlichen Mülen hat verordnet. \ Wie sie im die selben außbrait hond. \ Nachuolgent biß auff das xxxvj. Jar. \ (Händchen) Vidi seruos in equis 467

Et principes ambu = \ lantes. quasi seruos super terram. Eccle. \ Holzschnitt 11,5x9,5 cm. 4°. o.O.o.D. 1525. 4 Bl., Sign.: (A 4 ). Bl. (A) 4b leer. Ex.: SSB Augsburg 4° Kult. Flugschriften Nr. 129. Der Text ist identisch mit einer anderen Prophetie mit dem Titel Ain practica oder \ weyssagung ains bruders Barfusser ordens/mit \ namen Dieterich/beschehen zu Zenng in \ Granaten Nach der geburt \ Christi im 1420. jar. \ (Köhler FS 3133). ANONYM, PRACTICA, (SPEYER 1525) = Practica auff das M.D. vnd xxvi. vnd all nachfolgende Jar/auß \ der kunst vnd geQ

schrifft der aller höchsten Astrologi/Gott des himli = \ sehen vatters/vnd Jesu Christi vnsers erlosers (den) rechtgläubigen \ Christen (wider alle practicirer Q Q vnd sternguc(ker/fast) trostlich. \ Esaie am Ixvi. \ Der himel ist mein stul/vnd die erd mein fußschemel. \ Holzschnitt 14,5 χ 12 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (1525).(Speyer, Jakob Schmidt). (Nach Köhler). 8 BL, Sign.: A 4 , B4. Bl. B4b leer. Eingeklammerte Silben durch Beschädigung des Originals unleserlich. Köhler FS 3810. Ex.: BSB München Rar 1677/15. ANONYM, WAHRHAFTIGER GRUND UND BERICHT... NÜRNBERG OJ. = Warhafftiger grundt vnnd bericht \ von dem Thurckischen krieg/wie es ergangen vnd gehan \ delt worden/in Vngern/Osterreych/vnd vil andern vmbligen \ den Gegenden vnnd Flecken rc. Mit sampt dem absag \ brieff/So der Thürkisch Keyser/Künig Fer = \ dinando rc. vberschickt/des jars tausent \ funffhundert vnnd im neunund \ zweyntzigsten/auff das \ kürtzigst ange= \ zeygt. \ Auch von etlichen wunderzeychen/so versehyner zeyt \ zu Wien in Osterreych/Im landt zu Behem/im Westerreych/vnnd \ anderer Nation am hyinel ersehynen vnnd gesehen sind. rc. \ Holzschnitt 11,7 χ 9,9 cm. 4°. Nürnberg, Hans Guldenmundt. o.J. (handschrift. 1569). 10 Bl., Sign.: Α 4 , B4, C 2 . Auf Bl. A1b Holzschnitt 11,7 χ 10,8 cm, auf Bl. B4b Holzschnitt 11,7 χ 10,7 cm. Ex.: Köhler FS 918.

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ANONYM, PRACTICA, O.0.1521 = (Blättchen) Practica (Blättchen) \ Auszgezogen von Sybilla/Brigitta/Ci \ rilli/Joachim Methodij/vnnd Bruder Reinharts/ \ Wirt weerenn noch ettliche Jar/Vnd sagt von wunnder = \ liehen dingen/Vormals getruckt im 18. Jar rc. \ Holzschnitt 9,6 χ 12,6 cm. 4°. o.O.o.D. 1521. 8 Bl., Sign.: Α 4 , Β4. Bl. A1b leer. Köhler FS 3175. Weller 1930. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 525/21. ANONYM, PRACTICA TEUTSCH, O.O. (UM 1523) = Practica teutsch auff \ Das XXiiij. vnd Funfundzwanzigest \ jar gezogen auß der lere vnd propheceyen/Sibille/Brigitte \ Cirilli Joachim des Abts/Methodij/vn bruder Rein = \ harts/wirdt weren biß ins xxv. jar vnnd sagt vonn \ wunderlichen dingen. (Rubrum) Leser hab acht auff \ dise Practica vn von den wunderlichen \ geschigte got sein vns alle genedig. \ Holzschnitt 10,0 χ 11,6 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. (um 1523). 8 BL, Sign.: A 4 , B4. Bl. B4b leer. Hellmann, Anonym (7). Weiler 3106. Ex.: GNM Nürnberg Postinc. 8° Nw 2864. ANONYM, PRACTICA DELITZSCH... SPEYER Ο J . = £

Practica deützsch gezogen ausz der \ lare vnd propheceyen/Sibille/Brigitte/Cirilli/ \ Joachim des Abts/Methodij/vnd bru= \ der Reinharts/wirdt weren biß \ jnß. xxv. jar. vnd sagt \ von wünderli \ chen din= \ gen. \ Holzschnitt 11,2 χ 9 cm. (Rubrum) Gedrückt zu Spyer durch Jacoben Fabri. 4°. Speyer. Jakob Fabri o.J. 8 Bl., Sign.: A 4 , B4. Bl. B4b leer. Weller 3105. Ex.: UB Basel Χ Ε V. 31 (6). ANONYM, EIN AUSSZUG ETLICHER PRACTICA... O.O.O J . = —Ο © Ein außzug etlicher Practica vnd \ Propheceyen auff vergangne vn zukunfftige jar/Sibille/Brigite/Ci \ rilli/Joachim des Apts/Methodij/vnd bruder β — Reinharts/Von dem \ letzten Turckischen kaiser/was geschlechts er sey/wie vn

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wo er erschla \ gen werden sol/vnd wirdt weren biß auff das M.D.L XXXI. jare. \ Holzschnitt 13x13 cm. 4°. o.O.o.D.o.J. 8 BL, Sign.: A4, B4. (Gedicht Fragment). Bl. A1b leer. Weller 1092. Köhler FS 3149. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/32. ANONYM, EYN AUSSZUG ETLICHER PRACTICA, NÜRNBERG 1525 = ο e Eyn außzug etlicher Practica \ vnd Propheceyen auff vergangne vnd zukufftige Jar/ \ Sybille / Brigitte / Cirilli/Joachim des Abts/Methodij \ vnd bruder Reinharts/Wirt weren biß auff das \ M.D.lxx(xx)j. Jar. \ 4°. Nürnberg, Hans Hergot 1525. (Mit Nachwort). 10 Bl., Sign. A 4 , B2, C 4 . Bl. C4b leer. Weller 3304. Ex.: HAB Wolfenbüttel 121.1 Qu. (9). ANONYM, EYN AUSSZUG ETLICHER PRACTICA... O.0.1527. = Eyn Außtzug etlicher \ Practica vnd Propheceyen auff vergangne \ vnd tzukunfftige Jar/Sybille/Brigitte/Cirilli/ \ Joachim des Abtes/Methodij vnnd \ bruder Reynharts/Wird weren \ bis auff das M.D.lxxxj. Jar. \ Holzschnitt 11,9 χ 9,2 cm. 4°. o.O.o.D. 1527. 11 Bl, Sign.: Α4, B4, C 3 . Weller 1527. Köhler FS 2222 (Ex.). ANONYM, EYN AUSZUG ETLICHER PRACTICA... O.O.O J . = Eyn auszug etlicher \ Practica vnd Propheceeyn. Sibille. \ Brigitte/Cirilli/Joachim des Abts/Methodij/vii bruder Rein = \ hartz/wirt weren noch etliche jar/vii sagt vö wunderliche dingen. \ Holzschnitt 9,3 χ 8,7 cm. 4°. o.O.o.D.oJ. 8 Bl, Sign.: (A4), B4. Weller 1091. Köhler FS 3147. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/30.

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ANONYM, AIN AUSZUG ETLICHER PRACTICA... ZWICKAU O J . = Ain auszug etlicher Practica vnd \ Propheceyen. Sybille. Brigitte. \ Cirilli/Joachim des Abts/Methodij Vnnd \ Bruder Reinhartz/wirt were noch etlich \ Jar Vn sagt von wüderliche dinge. \ Holzschnitt 11,9x7 cm. 4°. Zwickau, Hans Starnberger o.J. 8 BL, Sign.: (A4), B4. Auf Bl. A1b Holzschnitt 15 χ 7 cm. Weller 1161. Köhler FS 3148. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/31. ANONYM, EYN NUWER AUSZUG ETLICHER PRONOSTICATTON... O.O.OJ. = Eyn nuwer auszug etlicher prono \ stication vn Prophecien vß Sibilla/Brigitten Ci= \ rilli/Joachim des abts/Methodio/brud' Reinhart \ vn Johannes liechtenbergers. Auch von de Türki = \ schem Keiser/wo vnd wie er erschlagen soll werden/ \ vn sagt von vil wonderlichen dingen/vn würt noch \ etlich jor weren. \ Holzschnitt 9 χ 11,3 cm. 4°. o.O.o.D.o.J. (Nach Weiler Straßburg, Johannes Prüß 1518). 8 Bl., Sign.: A 4 , B4. Bl. B4b leer. Weiler 1093. Köhler FS 3150. Ex.: BSB München Res 4° Astr. P. 510/33. PSEUD. 'LIEBGEHABTER RITTER', AUSLEGUNG, (AUGSBURG) 1520. = Außlegüg der fünff \ zaichen so zu wien in österreych \ am hymel gesehen seind worden \ im tausentt fünffhundert. vnnd \ XX. Jar bewert durch et = \ lieh warhafftig prophe \ ceyen vn alt historien. \ (Blättchen) Des liebgehabten Ritters. (Blättchen). \ Holzschnitt 10 χ 9,5 cm. 4°. o.O.o.D. 1520. (Nach Weller Augsburg, Silvan Otmar). (Nach Köhler Pseud. = Jakob Stopel). 8 Bl. A4, B4. Weitere Holzschnitte auf den Blättern A1b, A2b, A4b, B1b, B2a. Weller 1322. Köhler FS 3443 (Ex.).

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