Shoah-Erinnerung und Restitution: Die US-Geschichtspolitik am Ende des 20. Jahrhunderts 3515101578, 9783515101578

Das Ende der bipolaren Weltordnung brachte einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel in der Auseinandersetzung mit den mate

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German Pages 301 [306] Year 2012

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Table of contents :
Inhalt
1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung
2. Zur Vorgeschichte des unfinished business
2.1. Die Amerikanisierung des Holocaust als Paradigma einer kulturell kodierten Erinnerungspolitik
2.2. Die Entstehung des restitutions- und entschädigungs-politischen unfinished business in der Kriegs - und Nachkriegszeit
3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg: Ein Paradigmenwechsel
3.1. Die Entschädigungsfrage
3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage
4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik
4.1. Die Schweiz im Zentrum der Kritik der US-amerikanischen Crusade for Justice
4.2. Die WJRO geht Restitutionsforderungen in der Schweiz nach
4.3. Politischer Druck auf die Schweiz
4.4. Die Schweizer Debatte und die Clinton-Regierung
4.5. Das restitutionspolitische Engagement der Bundesstaaten
4.6. Juristischer Druck auf die Schweiz: Sammelklageanwälte und die plaintiff’s diplomacy
4.7. Der Weg zur Globallösu ng
5. Die Restitutionsdebatte weitet sich thematisch und geographisch aus
6. Die USA und ihre eigenen Defizite: Die Korrektur des restitutionspolitischen Paradigmas der Nachkriegszeit
6.1. Die Tripartite Gold Commission
6.2. Die Suche nach Holocaust-Vermögenswerten im eigenen Land
7. Von der Restitution zur Erinnerung: Über das historische Gedächtnis und die materielle Auseinandersetzung um Holocaust-era assets
7.1. Die Londoner Konferenz
7.2. Die Washingtoner Konferenz
7.3. Die Stockholmer Konferenz
7.4. Die Transformation der Holocaus t-Erinnerung
8. Der Paradigmenwechsel in der US-amerikanischen Restitutionspolitik
9. Quellen- und Literaturverzeichnis
10. Interviews
11. Personenregister
12. Sachregister
13. Danksagung
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Shoah-Erinnerung und Restitution: Die US-Geschichtspolitik am Ende des 20. Jahrhunderts
 3515101578, 9783515101578

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Geschichte Franz Steiner Verlag

46

t r a n sat l a nt iHistorische s ch e h i s toStudien r i s ch e s t u d i en Transatlantische

Jan Surmann

Shoah-Erinnerung und Restitution Die US-Geschichtspolitik am Ende des 20. Jahrhunderts

Jan Surmann Shoah-Erinnerung und Restitution

transatlantische historische studien Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Washington, DC Herausgegeben von Hartmut Berghoff, Miriam Rürup und Britta Waldschmidt-Nelson Band 46

Jan Surmann

Shoah-Erinnerung und Restitution Die US-Geschichtspolitik am Ende des 20. Jahrhunderts

Franz Steiner Verlag

Umschlagabbildung: Am 17. Januar 2001 unterzeichnet Kurt Ladner im State Department im Beisein von Stuart Eizenstat die Vereinbarung über einen Entschädigungsfonds für österreichische Holocaust-Überlebende. Fotograf: Manny Ceneta © picture-alliance / dpa

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012 Zugleich Dissertation an der Universität Erfurt Umschlaggestaltung: r2 Röger & Röttenbacher, Leonberg Druck: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10157-8

Inhalt 1.

Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung........7

2. 2.1.

Zur Vorgeschichte des unfinished business . ................................19 Die Amerikanisierung des Holocaust als Paradigma einer . kulturell kodierten Erinnerungspolitik ............................................19 Die Entstehung des restitutions- und entschädigungspolitischen unfinished business in der Kriegs- und Nachkriegszeit....................36

2.2. 3. 3.1. 3.2. 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 4.6. 4.7.

Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg: Ein Paradigmenwechsel ................................................................49 Die Entschädigungsfrage .................................................................50 Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage.......................................54 Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik . ..............................81 Die Schweiz im Zentrum der Kritik der US-amerikanischen . Crusade for Justice ..........................................................................82 Die WJRO geht Restitutionsforderungen in der Schweiz nach . .....84 Politischer Druck auf die Schweiz ..................................................86 Die Schweizer Debatte und die Clinton-Regierung ........................96 Das restitutionspolitische Engagement der Bundesstaaten ........... 110 Juristischer Druck auf die Schweiz: Sammelklageanwälte . und die plaintiff’s diplomacy..........................................................126 Der Weg zur Globallösung ............................................................145

5.

Die Restitutionsdebatte weitet sich thematisch und geographisch aus . ........................................................................153

6.

Die USA und ihre eigenen Defizite: Die Korrektur des restitutionspolitischen Paradigmas der Nachkriegszeit ...........177 Die Tripartite Gold Commission ...................................................177 Die Suche nach Holocaust-Vermögenswerten im eigenen Land . .193

6.1. 6.2. 7. 7.1. 7.2.

Von der Restitution zur Erinnerung: Über das historische Gedächtnis und die materielle Auseinandersetzung um Holocaust-era assets .....................................................................217 Die Londoner Konferenz ...............................................................217 Die Washingtoner Konferenz ........................................................223

6

Inhalt

7.3. 7.4.

Die Stockholmer Konferenz ..........................................................232 Die Transformation der Holocaust-Erinnerung .............................248

8.

Der Paradigmenwechsel in der US-amerikanischen Restitutionspolitik .......................................................................255

9.

Quellen- und Literaturverzeichnis . ...........................................267

10.

Interviews .....................................................................................290

11.

Personenregister ..........................................................................291

12.

Sachregister ..................................................................................295

13.

Danksagung ..................................................................................302

1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung Über die Bedeutung des Kriegsendes schrieb der 2010 verstorbene Historiker Tony Judt den auf den ersten Blick paradox erscheinenden Satz: „Glaubt man der großen Erzählung der herrschenden Historiographie, so wurde 1945 ein schlimmes Kapitel europäischer Geschichte abgeschlossen.“1 Nun steht das Jahr 1945 in Europa in der Tat für das Ende des Zweiten Weltkriegs und damit für das Ende der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik. Die Verbrechen der Nazizeit werfen ihre Schatten aber weit über diese Zäsur hinaus. Judts Aussage über die „Erzählung der herrschenden Historiographie“ verweist denn auch auf die in den neunziger Jahren unter dem Schlagwort des unfinished business initiierte breite Auseinandersetzung um immer noch ungeklärte Holocaust-Vermögenswerte und die damit zusammenhängende Hinterfragung tradierter Geschichtsbilder der Nachkriegszeit. Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurde die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung um Restitution und Entschädigung neu belebt, und wurde nun unter der Fragestellung geführt, inwieweit die Ansprüche der individuellen Opfer in der Nachkriegszeit befriedigt wurden. Auslöser der neuerlichen Diskussion war die Implosion der osteuropäischen Staatengemeinschaft und damit das Ende der Nachkriegszeit. Sowohl entschädigungs- wie auch restitutionspolitische Mängel der Nachkriegszeit wurden speziell in den USA thematisiert und ihre materielle wie auch moralische Klärung gefordert. Plötzlich wurden Fragen aufgeworfen, die in den meisten der betroffenen Länder schon seit 50 Jahren als geklärt erachtet wurden. Diese materiellen Forderungen hatten über Jahrzehnte nicht in die strategischen Allianzen des Kalten Kriegs gepasst. Aspekte des Raubes und der wirtschaftlichen Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Deutschland wurden publik, die während der Nachkriegsepoche in den meisten Ländern der westlichen Welt – abgesehen vom Spezialwissen einiger weniger Fachleute und den Initiativen einiger Verfolgtengruppen – Teil eines generellen gesellschaftlichen Verdrängungsprozesses waren. In diesem Prozess wurden in den neunziger Jahren nationale Selbstbilder hinterfragt und die Krise der nationalen Nachkriegsmythen, die in einigen Ländern bereits in den achtziger Jahren einsetzte, verstärkte sich und breitete sich aus.

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Judt, Europas Nachkriegsgeschichte, 3.

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1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung

Der Fall der Berliner Mauer bedeutete also nicht nur das Ende für den Kalten Krieg: Er war zugleich die Voraussetzung für die Wiederbelebung der Restitutionsfrage, die in den neunziger Jahren im Zuge der Wiedereinführung von Privatbesitz ihren Ursprung in Osteuropa hatte. Die von der 1992 gegründeten World Jewish Restitution Organization (WJRO) thematisierte Frage nach den sogenannten property claims spielte dabei eine herausragende Rolle. Diese Dachorganisation verschiedener jüdischer Gruppen hatte das Mandat, sich für die Rückerstattung jüdischer Vermögenswerte in Osteuropa einzusetzen, die vom nationalsozialistischen Deutschland geraubt und nach 1945 verstaatlicht statt restituiert worden waren. Diese Forderungen sprengten jedoch schnell den engen Rahmen auf Osteuropa. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre entwickelten sie sich zu einem globalen Thema. Damit wurde knapp ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Zuge der durch den Zusammenbruch der osteuropäischen Gesellschaftsordnung ausgelösten Veränderungen der Themenkomplex Restitutions- und Entschädigungszahlungen wieder aktuell. In der Auseinandersetzung um Raubgold und „nachrichtenlose Konten“ geriet die Schweiz als erstes westeuropäisches Land unter dem Schlagwort „Schweizer Kollaborateure und Profiteure“ (Tom Bower) ins Zentrum der Kritik. An den nichtausgezahlten „nachrichtenlosen Konten“ auf Schweizer Banken zeigte sich, dass die unzureichende Klärung der Forderungen der Opfer des Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit sich nicht allein auf Osteuropa beschränkte, sondern vielmehr ein allgemeines Problem der Nachkriegsgesellschaften darstellte. Hatte die Einführung von Privatbesitz in Osteuropa das Sensorium für Vermögenswerte so stark vergrößert, dass auf Druck jüdischer Organisationen auch die Restitutionsfrage wiederbelebt wurde, so war mit der Ausweitung der Thematik auf Westeuropa die Frage nach dem Umgang mit den Ansprüchen der Opfer des Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit zu einer generellen Problematik geworden, die nun immer mehr Staaten betraf. In den USA, wo sich viele Verfolgte des nationalsozialistischen Regimes in Sicherheit haben bringen können und zudem die juristischen Möglichkeiten gegeben waren, agierten jüdische Organisationen als Motor und Schrittmacher der Restitutionsdebatte und trugen maßgeblich zu einer Lösung der offenen Fragen bei. Die staatliche Administration unter Präsident Bill Clinton unterstützte sie mit ihrer handlungsorientierten Geschichtspolitik konsequent, sodass das Thema am Ende des Jahrhunderts und fünfzig Jahre nach Kriegsende wieder zu einer „politischen Realität“ (Gerald Aalders) wurde. Die Geschädigten selbst versuchten durch Sammelklagen eine Klärung ihrer Ansprüche zu erreichen und wurden durch Sanktionsdrohungen aus den US-Bundesstaaten unterstützt. Sowohl Demokraten wie auch Republikaner aus dem Kongress engagierten sich. Trotz der oftmals widerstreitenden Interessen der einzelnen US-Akteure schien es nicht zuletzt die Kombination aus politischem,

1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung

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juristischem und wirtschaftlichem Druck, der die angeklagten Länder zur Bereitschaft zwang, sich materiellen Lösungen nicht länger zu verschließen. Mit der Ernennung Stuart E. Eizenstats zum Sondergesandten der USRegierung für Eigentumsfragen in Ost- und Mitteleuropa und später zum Sonderbeauftragten für Holocaustfragen wurde die Klärung des unfinished business zu einem zentralen Bestandteil der politischen Agenda Bill Clintons. Eizenstats Untersuchungsbericht über die restitutionspolitische Haltung der USA und ihrer Alliierten gegenüber Vermögenstransfers im deutschen Herrschaftsbereich sowie die Rolle der Schweiz als „Golddrehscheibe“ brachte die Auseinandersetzung ins Rollen. In seiner programmatischen Ausrichtung ging Eizenstat über die Forderung nach finanzieller Klärung der offenen Vermögensfragen und der bloßen Entschädigung der Opfer hinaus: Er propagierte eine Crusade for Justice. Eizenstats Ausspruch „We must not enter a new century without completing the unfinished business of this century“ wurde zum Leitmotiv der US-amerikanischen Politik, und der Begriff des unfinished business zum paradigmatischen Schlagwort der Diskussion um Restitution.2 Zugleich hinterfragte er aber auch die nationalen Geschichtsbilder der Kriegs- und Nachkriegszeit. Die Art und Weise, wie die Clinton-Regierung diesen geschichtspolitischen Ansatz umsetzte, beflügelte in allen betroffenen Ländern eine grundlegende Veränderung der Erinnerung an den Holocaust. Die Clinton-Regierung drängte auf eine Lösung der offenen Fragen und verfolgte damit auch einen ganz praktischen Zweck: Nach dem Ende der OstWest-Konfrontation wollte sie sowohl die Verbindung zu den westeuropäischen Ländern stärken als auch den ehemaligen Ostblockländern die Option bieten, sich über die Auseinandersetzung mit den sogenannten Holocaust-era Assets sich zur freien Marktwirtschaft und der Respektierung der Menschenrechte zu bekennen. Die westliche Welt sollte zu einem neuen Zusammenhalt finden. Die vorliegende Arbeit setzt sich zur Aufgabe, diesen Paradigmenwechsel in der US-Restitutionspolitik in den neunziger Jahren zu untersuchen. Grundlegendes Forschungsinteresse ist die Klärung von drei zentralen Fragekomplexen: Warum kam es nach dem Ende der bipolaren Weltordnung zu diesem restitutionspolitischen Umschwung in der US-Politik? Wie artikulierte sich diese programmatische Haltung, von wem wurde sie getragen und zu welchen Ergebnissen führte sie? Welche erinnerungspolitischen Ziele verband die Clinton-Administration mit dieser Neuorientierung, inwieweit war sie in eine generelle gesellschaftspolitische Neuorientierung eingebettet? Dabei soll auch analysiert werden, wie und in welchem Maße die programmatische Hal-

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Closing Plenary Statement by Stuart Eizenstat, in: Foreign & Commonwealth Office, London Conference, 793.

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1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung

tung der US-Geschichtspolitik auf die Holocaust-Erinnerung selbst zurückwirkte. Damit geht diese Arbeit über eine reine Beschreibung der geschichtspolitischen Ereignisse der neunziger Jahre hinaus. Es sollen vielmehr die strukturellen Verschiebungen, die eine Neuorientierung der USA initiierten und leiteten, herausgearbeitet, und damit ein zentraler Aspekt der Restitutions- und Entschädigungsgeschichte betrachtet werden. Angesichts der engen Verbindung zwischen der materiellen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik und ihrer erinnerungs- und gesellschaftspolitischen Einordnung im Holocaust-Narrativ soll zudem die Transformation der Holocaust-Erinnerung unter dem Gesichtspunkt eines neuen ErinnerungsNarrativs reflektiert werden. Damit soll gleichzeitig ihre Verzahnung mit der erinnerungspolitischen Universalisierung des Holocaust-Gedächtnisses aufgezeigt werden. Die Arbeit geht von der Hypothese aus, dass die Auseinandersetzung um ungeklärte Holocaust-Vermögenswerte in den neunziger Jahren keine bloße Neuauflage der ersten großen Restitutions- und Entschädigungswelle der direkten Nachkriegszeit war. Vielmehr handelte es sich um einen qualitativ neuen Prozess, der neue Akteure, neue Vorgehensweisen, neue Aktionsformen und neue Handlungsspielräume umfasste. Dies machte die spezifische Dynamik der Debatte aus. Dass die betroffenen Länder dies nicht erkannten – am deutlichsten wird dies an der Schweizer Debatte um Raubgold und nachrichtenlose Vermögen – führte zu einer eklatanten Fehleinschätzung der Brisanz der Thematik. Das Vertrauen auf die Gewissheiten des Kalten Krieges, dass nämlich Restitutionsansprüche nicht konsequent verfolgt würden, führte zu einer Reaktion, die letztlich den politischen Preis einer Einigung stark in die Höhe trieb. Die oben beschriebene Aufgabenstellung führt zu der Frage, welche strukturellen restitutions- und entschädigungspolitischen Veränderungen der Zusammenbruch der UdSSR und damit das Ende der Systemkonfrontation evoziert hatte. Warum wurden die offenen restitutionspolitischen Fragen gerade in den neunziger Jahren wieder aufgegriffen, obwohl die Probleme nicht neu waren? Wie schafften es die jüdischen Organisationen, bedeutende USKreise in die Auseinandersetzung einzubinden? An welchem Punkt bildete sich in den USA ein Bewusstsein heraus, dass elementare Restitutions- und Entschädigungsfragen der Klärung bedurften? Und: Veränderte sich die restitutionspolitische Haltung im Laufe der Auseinandersetzung und wenn ja, wie? Dies ist von besonderer Bedeutung für die Beantwortung der Frage, welche Konsequenzen die Ausweitung des restitutionspolitischen Engagements auf Westeuropa für den Charakter der Auseinandersetzung hatte. Wie sich diese Geschichtspolitik manifestierte, zeigt sich bei einer näheren Untersuchung der Träger und Akteure dieser Politik. Dabei ist zwischen den einzelnen Akteuren innerhalb der US-Gesellschaft zu differenzieren, Ge-

1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung

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meinsamkeiten wie auch Unterschiede in ihren Ansätzen müssen geklärt und aufgezeigt werden. Es stellt sich dabei die Frage, wie die Clinton-Regierung die programmatische Neuorientierung politisch, gerade auch außenpolitisch begründete. Welche Relevanz hatte der Holocaust dabei? Warum beschränkte sich die Clinton-Administration nicht auf eine materielle Lösung, sondern beharrte auf einer geschichtspolitischen Aufarbeitung der Restitutionspolitik in der Nachkriegszeit? Wie kam es zu diesem qualitativen Umschlag von einer reinen Restitutions- hin zu einer Geschichtspolitik? Welche programmatische Haltung vertrat Stuart Eizenstat, der bereits unter Präsident Jimmy Carter im Weißen Haus die Holocaust-Erinnerung mit dem Menschenrechtsdiskurs verband? Schließlich wird aufzuzeigen sein, wie sich die Holocaust-Erinnerung zu einem integralen Bestandteil der US-Geschichtspolitik transformierte. Fünfzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu einem „Erinnerungsboom“. Neben dem Gedenken an den Zweiten Weltkrieg wurde zunehmend die Vernichtung der europäischen Juden Teil eines offiziellen Erinnerungsnarrativs. Während historische Ereignisse gemeinhin stärker in unmittelbarer zeitlicher Nähe erinnert werden, so verhielt es sich mit dem Gedächtnis an den Holocaust gerade andersherum: Je länger das historische Ereignis zurücklag, desto mehr gesellschaftliche Bedeutung erhielt die Erinnerungstätigkeit. Dies wirft die Frage nach dem Charakter und der Intention des Erinnerns auf. Wie wirkte sich die Entkontextualisierung und Universalisierung des Holocaust auf die Verschiebung der erinnerungspolitischen Ziele aus? Wie entwickelte sich das Erinnern des Holocaust im Zuge der Internationalisierung des Gedenkens? Und: Wie hing die materielle Auseinandersetzung um ungeklärte Holocaust-Vermögenswerte mit der sich verändernden Holocaust-Erinnerung zusammen? Welche Bedeutung hat das Ende des Kalten Krieges als Verlust des „Bindemittels“ der westlichen Welt für die Entwicklung eines neuen geschichtspolitischen Entwurfs? Die Auseinandersetzung um Geschichte und ihre Deutung ist ein integraler Bestandteil der gesellschaftspolitischen Diskussion, wie sie Norbert Frei mit seinem Begriff der Vergangenheitspolitik zu fassen versucht hat.3 Dabei werden historische Ereignisse permanent vergegenwärtigt, angeeignet, gedeutet, umgedeutet oder auch verworfen. Die Vergangenheit ist in diesem Prozess eng mit der Gegenwart, aber auch mit der Zukunft verknüpft und dient höchst unterschiedlichen Zwecken. Die Geschichtspolitik ist elementarer Bestandteil der gesellschaftlichen Sinnstiftung durch Geschichte. Ein zentrales Merkmal dabei ist, dass verschiedene Geschichtsdeutungen miteinander konkurrieren, es sich durchaus aber ein Meta-Narrativ hegemonial für eine be-

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Vgl. Frei, Vergangenheitspolitik. Zur Analyse der Geschichtspolitik der BRD siehe auch Wolfrum, Geschichtspolitik, 19.

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1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung

stimmte Zeit durchsetzt. Dieses historische Bewusstsein entsteht nicht „naturwüchsig“ und ist Wandlungen im Zeitverlauf unterworfen.4 Das Wechselverhältnis zwischen Geschichtspolitik und Holocaust-Erinnerung wird mit einer analytischen Forschungsstrategie untersucht, die sich auf die Begriffe Erinnerung und Gedächtnis stützen. Ausgehend von den Überlegungen von Maurice Halbwachs und seinem Begriff des kollektiven Gedächtnisses („mémoire collective“) soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Praxis des Erinnerns nicht allein als Auseinandersetzung mit einer spezifischen Vergangenheit zu begreifen, sondern diese Auseinandersetzung in Hinblick auf ihre gesellschaftspolitischen Implikationen für die Gegenwart hin zu analysieren.5 So diktiert das gegenwärtige Bedürfnis die selektive Wahrnehmung der vergangenen Geschichte. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die Fragen und Probleme, die sich der jeweiligen Gesellschaft im Kontext ihrer Erinnerungspraxis in der Gegenwart stellen. Diese aus den Arbeiten von Aleida und Jan Assmann bekannten Ansätze, die an Halbwachs anknüpfen, verdeutlichen, dass es keinen ‚reinen‘ Zugang zur Vergangenheit gibt.6 Jeder Bezug auf Vergangenes artikuliert sich gesellschaftlich geprägt vom jeweiligen Heute aus. ‚Geschichte‘ wird somit schließlich in der hier entscheidenden Bedeutung zu einer sinnstiftenden Erzählung von Vergangenem. Ronit Lentin spricht dabei von Kodierung.7 Die Art und Weise der Indienstnahme von Geschichte sagt wiederum viel über das jeweilige gesellschaftspolitische Selbstverständnis aus. Diskursive Elemente wie auch politische Praktiken sollen hier in Beziehung zueinander gesetzt und daraus resultierende Transformationen erklärt werden. Diskurse und Handlungen sind miteinander verschränkt, was dazu führt, dass die Narrative über den Holocaust im Kontext der praktischen Geschichtspolitik betrachtet werden müssen. So lassen sich Veränderungen des Holocaust-Narrativs benennen und gleichzeitig ihre Konsequenzen für die US-Geschichtspolitik aufzeigen. Damit soll sowohl den intentionalen wie auch den strukturellen Faktoren des Paradigmenwechsels in der US-Geschichtspolitik Rechnung getragen, Akteure identifiziert, Prozesse verdeutlicht und Inhalte analysiert werden, um die Ereignisse im Kontext der USGeschichtspolitik darzustellen und einzuordnen. 4 5

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Zu Analysen geschichtspolitischer Handlungen siehe Fröhlich/Heinrich (Hg.), Geschichtspolitik. Maurice Halbwachs hat seine Überlegungen zum kollektiven Gedächtnis hauptsächlich in den Arbeiten „Les cadres sociaux de la mémoire“, erschienen 1925 (dt.: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen) und „La mémoire collective“, erschienen 1950 (dt.: Das kollektive Gedächtnis) entwickelt. Siehe auch Klein, Emergence of Memory; Erll, Kollektives Gedächtnis. Siehe A. Assmann, Schatten der Vergangenheit; dies./Frevert, Geschichtsvergessenheit; dies., Erinnerungsräume; J. Assmann, Kollektives Gedächtnis; ders., Das kulturelle Gedächtnis. Siehe Lentin, Re-presenting the Shoah; dies., Postmemory.

1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung

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Geschichtswissenschaftliche Forschung über das hier vorgestellte Thema existiert bislang nur in Ansätzen. Trotz der zunehmenden Zahl an Untersuchungen über die Geschichtsdebatten der neunziger Jahre fehlt bislang die wissenschaftliche Aufarbeitung der US-Geschichtspolitik. Es ist ein Charakteristikum der Debatte der neunziger Jahre, dass über die von den USA kritisierten ehemaligen neutralen Staaten viel publiziert wurde, die USA selber jedoch nur am Rande behandelt wurden.8 Eine Reihe von Arbeiten gehen dezidierter auf die geschichtspolitische Rolle der USA ein, jedoch haben sie oftmals den Charakter eines ‚Debattenbeitrags‘ und tragen daher zu einer Klärung der Ereignisse unter historiographischen Gesichtspunkten nur wenig bei. Sie wurden größtenteils noch während der Auseinandersetzung verfasst und können als Teil der gesellschaftspolitischen Diskussion um Restitution und Entschädigung verstanden werden.9 Dabei liegt das Hauptaugenmerk der Arbeiten auf der Schweiz.10 Thomas Maissen hat äußerst detailliert als erster die sogenannte Weltkriegsdebatte aus schweizerischer Sicht historiographisch aufgearbeitet und somit eine erste, sehr faktenreiche wissenschaftliche Darstellung geliefert.11 Sehr treffend hat Susanne-Sophia Spiliotis dann von der „handlungsorientierten Geschichtspolitik der US-Regierung“ in ihrer 2003 erschienenen Untersuchung mit dem Schwerpunkt auf den Verhandlungen zur Zwangsarbeiterentschädigung gesprochen.12 In einer Reihe von Detailstudien sind ferner zentrale Aspekte des restitutionspolitischen Engagements der USA beschrieben worden. Dies umfasst sowohl die Rolle der US-Bundesstaaten wie auch die juristischen Auseinandersetzungen vor den US-Gerichten.13 Diese Arbeiten, wie anregend und wertvoll sie für diese Studie waren, boten keinen umfassenden Blick auf die US-Restitutionspolitik. Einige der beteiligten Akteure wie Stuart Eizenstat haben eigene Abhandlungen zur Debatte beigetragen und bieten interessante Detailkenntnisse und Einschätzungen.14 Zentrale Anstöße für eine Aufarbeitung der US-Geschichtspolitik kommen auch von den Untersuchungsberichten der verschiedenen nationalen historischen Kommissionen.15 Schwerpunktmäßig zeigen diese die restitutionspolitischen Defizite der Zeit 8 9

Beispielhaft für die Schweiz: Bower, Gold der Juden. So z. B. Schäfer, Hitler und die Schweiz; Braillard, Schweiz im Fadenkreuz; Codevilla, Eidgenossenschaft. 10 Levin, Last Deposit; Ziegler, Schweiz; Balzli, Treuhänder; Vincent, Gold der Juden; Weill, Milliarden-Deal. Als wissenschaftliche Arbeiten sind zu nennen: Picard, Vermögen; Hug/Perrenoud, Vermögenswerte. 11 Maissen, Verweigerte Erinnerung. 12 Spiliotis, Verantwortung, 30. 13 Graf, Wirtschaftssanktionen; Bazyler, Holocaust Justice; ders./Alford (Hg.), Holocaust Restitution; Schapiro, Class Action; Wolffe/Authers, Victims Fortune. 14 Eizenstat, Imperfect Justice; Rickman, Swiss Banks. Bei der zweiten Arbeit handelt es sich um seine Dissertation: ders., Conquest and Redemption. 15 Beispielsweise Unabhängige Expertenkommission Schweiz, Nationalsozialismus.

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1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung

vor dem Ende des Kalten Krieges auf. Eine geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der von den USA im Rahmen ihrer Geschichtspolitik artikulierten Kritik an den restitutionspolitischen Defiziten der Nachkriegszeit hat auf verschiedenen Gebieten bereits eingesetzt.16 Ferner gibt es eine Anzahl von Publikationen über Teilaspekte, die von zentraler Bedeutung für die US-Geschichtspolitik waren, wie beispielsweise über die Entschädigungspolitik der Nachkriegszeit gegenüber individuellen Opfern oder die Frage der nationalen Nachkriegsmythen. Dabei zeigt sich, wie auch die Forschung auf die individuellen Opfer und die daraus resultierende Einordnung des Raubes als Bestandteil der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik fokussiert.17 Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik aus einer entschädigungs- und erinnerungspolitischen Perspektive bietet mittlerweile eine fast unüberschaubare Fülle von Literatur. Der Großteil der Arbeiten beschäftigt sich zweifellos mit der Bundesrepublik Deutschland18, auch wenn sich unter erinnerungspolitischen Fragestellungen einige mit den USA befasst haben und danach fragten, wie die spezifische kulturelle Kodierung der Holocaust-Erinnerung in den USA verlief. Hier zeigt sich verstärkt, wie die Erinnerung aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gelöst und an den gesellschaftlichen Kontext in den USA angepasst wurde.19 Zentral und erkenntnisgewinnend sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Ronit Lentin zum „Auschwitz-Code“.20 Eine internationale Perspektive wird erst seit einigen Jahren eingenommen.21 Dies haben jene Studien bewirkt, die sich seit dem Ende der bipolaren Weltordnung mit der Transformation der Holocaust-Erinnerung auseinandersetzten. Es wurde dabei auch gefragt, inwiefern von einem Übergang von einer nationalen hin zu einer kosmopolitischen Erinnerungskultur gesprochen werden kann. Dabei wurden zentrale Fragen der Universalisierung der Shoah 16 Zum Beispiel Sarasin/Wecker (Hg.), Raubgold; Völklein, Geschäfte. Beispielhaft für die Vergangenheitsdebatte: Kohn, Holocaust-Gelder. 17 Cotler, Thefticide; Aalders, Geraubt!; Junz, Pre-Nazi Era Wealth; Zabludoff, And it all but disappeared; Goschler u. a. (Hg.), Raub und Restitution; Chesnoff, Pack of thieves; Weinbaum, Righting; Beker, Unmasking; Judt, Nachkriegsgeschichte. 18 Um nur einige zu nennen: Assmann/Frevert, Geschichtsvergessenheit; Reichel, Vergangenheitsbewältigung; Frei, Vergangenheitspolitik; Goschler, Schuld. 19 Steininger (Hg.), Umgang; Bialystok, Perspektiven; Brinkmann, Amerika; Junker, Amerikanisierung; Rohr, ‚Playing‘ Nazis; Sznaider, Amerikanisierung; Flanzbaum (Hg.), Americanization. Zum Pro und Contra der Argumente vgl. Berenbaum, The World Must Know; Rosenfeld, Americanization; Young, America’s Holocaust; Novick, Nach dem Holocaust. 20 Lentin, Postmemory; dies., Der Shoah-Mythos ersetzt die Shoah selbst. Wie und warum der „Auschwitz-Code“ als Zentralmetapher auch die aktuellen politischen Konflikte und Diskussionen beeinflusst, in: Frankfurter Rundschau, 3. September 2002. 21 Siehe Knigge/Frei (Hg.), Verbrechen erinnern.

1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung

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und der „globalisierten Erinnerung“ aufgegriffen.22 In der US-Geschichtspolitik vermischte sich die materielle Auseinandersetzung um Holocaust-Vermögenswerte mit erinnerungspolitischen Fragen und setzte sie in Bezug zum Menschenrechtsdiskurs.23 Wie die Shoah in den letzten Jahren zu einem das 20. Jahrhundert strukturierenden Ereignis wurde, zum „ultimate core-event of our time“, skizziert Dan Diner prägnant.24 Wichtig ist dabei jedoch der Aspekt, dass die Erinnerung an den Holocaust trotz alledem keinen hegemonialen Charakter hat, sondern mit anderen Erinnerungsnarrativen konkurriert.25 Eine wesentliche Forderung der Clinton-Regierung war, die einschlägigen Quellenbestände der Forschung zur Verfügung zu stellen, um den Raub von Vermögenswerten in Zusammenhang mit dem Holocaust und andere nationalsozialistische Verbrechen sowie die alliierten Reaktionen aufzuarbeiten.26 Hiervon konnten die Recherchen zu dieser Arbeit immens profitieren, da es keinen geschlossenen Quellenkorpus zu dem Thema gibt. Vielmehr musste eine Vielzahl von unterschiedlichen Quellen zusammengetragen werden, sowohl Archivalien, wie auch Periodika/Publizistik und Interviews. Anhand dieser Quellen sollen die geschichtspolitischen Intentionen der Akteure, ihre Werthaltungen und Interessen sowie ihre Konflikte analysiert werden. Durch die Auswertung der Dokumente der US-Administration soll ein Einblick in die Intention der US-Geschichtspolitik der Clinton-Ära gewährt werden. Dazu zählen die US-Untersuchungsberichte sowie öffentliche Statements wichtiger Repräsentanten, aber auch die Quellen der betroffenen Ministerien sowie Anhörungen. In den National Archives (NARA) sind bereits zentrale Unterlagen des State Department über die Auseinandersetzung zu Holocaust-Vermögenswerten einsehbar. Hier finden sich neben Quellen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit auch viele Materialien aus den neunziger Jahren. Sie belegen das Engagement der Clinton-Regierung und ihre programmatische Ausrichtung. In der Library of Congress liegen die persönlichen Unterlagen von Stuart Eizenstat. Diese ergänzen den Quellenbestand in den National Archives. Bei den Arbeiten an seinem Buch über die Debatte trug er eine Menge von Dokumenten zusammen, die über sein eigentliches Beschäftigungsfeld hinausgingen. Er führte mit zentralen Akteuren der Debatte Interviews, deren Transkriptionen in seinen Materialien zu finden sind. Die Clin22 Levy/Sznaider, Erinnerung; Jeismann, Auf Wiedersehen Gestern; Eckel/Moisel (Hg.), Universalisierung; Kroh, Transnationale Erinnerung. 23 Dazu Surmann, Unfinished business. 24 Diner, Irreconcilability; Wiegel, Globalisierte Erinnerung; Probst, Zivilreligion; Jeismann, Schuld. 25 Siehe Troebst, Jalta versus Stalingrad; Leggewie, Gleichermaßen verbrecherisch. 26 Diese Politik ging auf den Nazi War Crimes Disclosure Act zurück, den Präsident Clinton im Oktober 1998 erließ. Die Nazi War Criminal Records Interagency Working Group (IWG) wurde im Januar 1999 geschaffen und sollte regierungsweit Akten identifizieren, verzeichnen und zur Freigabe empfehlen.

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1. Einleitung: Unfinished business und Holocaust-Erinnerung

ton Library bietet die Unterlagen der Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets und damit Informationen über eine der zentralen restitutionspolitischen Auseinandersetzungen der USA. Neben den staatlichen und regierungsamtlichen Quellen erwiesen sich ferner Konferenzberichte als aufschlussreich. Von besonderer Bedeutung sind die Londoner Nazi-Gold-Konferenz, die Washingtoner Konferenz über Holocaustera assets sowie die Stockholmer Holocaust Konferenz. Anhand dieser Quellen konnte nicht nur die geschichtspolitische Position der US-Administration eruiert werden, sondern auch die Transformation der Holocaust-Erinnerung. Von großer Relevanz sind die Aussagen der Beteiligten über ihre Beweggründe in Form von Reden oder Aufsätzen. Der Quellenwert von Medien, vor allem von Zeitungen, steigt erheblich, wenn die Unterrichtung der Öffentlichkeit ein politisches Kernelement darstellt. Besonders die Tagespresse verfolgte den Verlauf der Auseinandersetzung um ungeklärte Holocaust-Vermögenswerte penibel – gleichzeitig reproduzierte sie dabei die Ungenauigkeiten der Debatte. Auch sie unterlag der Logik der öffentlichkeitswirksam geführten Debatte. Eigene Interviews ergänzen dieses Quellenmaterial. Sie wurden mit beteiligten Akteuren, Experten, Vertretern sogenannter think tanks und renommierten Akademikerinnen und Akademikern geführt. Erinnerungen sind jedoch widersprüchlich, selektiv, Teile werden vergessen, verschwiegen oder verdrängt, andere hervorgehoben oder überbewertet. Protagonisten, die politisch aktiv waren, gaben zum Teil standardisierte Antworten, die den Informationsgehalt einer Pressemitteilung hatten. Lücken entstanden auch durch die Verweigerung von Interviews. Dennoch ist es wegen des zeitgeschichtlichen Charakters der Arbeit sinnvoll, Interviews in die Untersuchung einzubeziehen, um subjektive Einschätzungen und Interessen der Akteure herauszufinden und Informationen über Gründe und Antriebskräfte der Veränderung der US-Restitutionspolitik zu erhalten. Konträre Positionen sollen erkundet sowie Entscheidungsprozesse sichtbar gemacht werden. Eine der zentralen Thesen dieser Arbeit ist, dass es bei der Auseinandersetzung um die Holocaust-era assets in den neunziger Jahren zu einer allmählichen Verschiebung der materiellen Aufarbeitung der ungeklärten Restitutionsund Entschädigungsfragen hin zu Erinnerungsfragen kam. Diese Überschneidung scheint ein Charakteristikum der Debatte gewesen zu sein. In der vorliegenden Arbeit geht es um den geschichts- und erinnerungspolitischen Paradigmenwechsel, der durch die Auseinandersetzung mit den ungeklärten Vermögensfragen der Kriegs- und Nachkriegszeit ausgelöst wurde. Die Arbeit beginnt daher mit der Vorgeschichte der Auseinandersetzung. So wird zunächst die Herausbildung einer Holocaust-Erinnerungskultur in den USA von den frühen vierziger bis in die frühen neunziger Jahre nachgezeichnet. Damit soll die sich seit den sechziger Jahren in den USA entwickelnde Erinnerung an den Mord der europäischen jüdischen Bevölkerung unter dem Aspekt einer „Ame-

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rikanisierung“ des Holocaust aufgezeigt werden. Es soll aber auch verdeutlicht werden, dass jede erinnerungspolitische Agenda immer auch ein Spiegel und Ausdruck zeitgenössischer Fragen und Probleme einer Gesellschaft ist. Dies ist der Hintergrund, um zu einer Einschätzung der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Holocaust für die US-Gesellschaft zu kommen. Im zweiten Teil des Kapitels wird die Auseinandersetzung mit den materiellen Folgen der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik in der Nachkriegszeit beleuchtet. Es soll die Frage beantwortet werden, welche Defizite in der Restitutions- und Entschädigungspolitik die Holocaust-Vermögenswerte in den neunziger Jahren zu solch einer virulenten Problematik werden ließen. Damit wird die Entwicklung aufgezeigt, die zum restitutionspolitischen unfinished business führte. Mit dieser Einführung ist die Spannbreite zwischen materieller und erinnerungspolitischer Auseinandersetzung skizziert. Der Ausgangspunkt der Debatte um Holocaust-Vermögenswerte lag in den wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Transformationsprozessen nach dem Zusammenbruch der osteuropäischen Staatengemeinschaft. Im dritten Kapitel wird diese Entwicklung untersucht. Wie war die Frage nach jüdischen Vermögenswerten in den umfassenden Umbau der osteuropäischen Gesellschaften eingebettet? Die Forderungen der jüdischen Organisationen trafen sich mit westlichen Ansprüchen nach Restitution bzw. Entschädigung für vormals enteignetes und dann verstaatlichtes Privateigentum. Die Unterstützung, die die jüdischen Organisationen aus Washington erfuhren, verursachte daher wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Nichtsdestotrotz soll in diesem Kapitel der Ursprung der Restitutionsanstrengung der Clinton-Regierung herausgearbeitet und gezeigt werden, wie die Rückgabe jüdischen Eigentums als integraler Bestandteil der Wahrung von Eigentumsrechten und darüber hinaus die Respektierung von Minderheitenrechten zu zentralen politischen Kategorien wurden, an denen der Umbauprozess in Osteuropa gemessen wurde. Das vierte Kapitel widmet sich der Entwicklung, die der Auseinandersetzung um Restitution und Entschädigung in den neunziger Jahren ihren aufsehenerregenden Charakter gab: nämlich die Ausweitung auf Westeuropa. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Schweiz. Dies bietet sich nicht nur an, weil diese Debatte in der Öffentlichkeit am stärksten wahrgenommen wurde. Es lässt sich hier ein zentraler Umschwung herausarbeiten: Die Clinton-Regierung änderte ihre Strategie von einer reinen Restitutionspolitik, wie dies noch in Osteuropa der Fall war, hin zu einem umfassenderen geschichtspolitischen Ansatz, der neben einer materiellen Klärung auch eine Re-Evaluation tradierter Geschichtsbilder der Nachkriegszeit anstrebte. Ebenso bietet das Beispiel der Schweiz die Möglichkeit, die verschiedenen Akteure innerhalb der USA sowie ihren Einfluss auf die Restitutionsdebatte zu untersuchen. Im folgenden fünften Kapitel schließt sich ein Überblick über Auseinandersetzungen um Restitution und Entschädigung mit anderen Ländern an. Dieser Abschnitt ist deutlich kürzer gehalten. Es sollen weder die einzelnen Restitutionsauseinan-

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dersetzungen noch die Akteure umfassend dargestellt werden. Vielmehr soll der Erfolg bestimmter restitutionspolitischer Strategien eruiert werden, welches Gewicht einzelne Akteure für das Zustandekommen einer materiellen Lösung hatten und wie dies von Land zu Land variierte. Eines der zentralen Merkmale der Debatte um Restitution und Entschädigung in den neunziger Jahren war, dass die ehemaligen Neutralen und Alliierten ins Blickfeld gerieten. Im sechsten Kapitel wird daher der Umgang der USA selbst mit Raubgut und Holocaust-Vermögenswerten behandelt. Im ersten Teil geht es um die Rolle der USA in der Tripartite Gold Commission, die nach 1945 eingesetzt wurde, um sogenanntes monetäres Raubgold zu restituieren. In den neunziger Jahren war immer noch nicht alles Gold zurückgegeben, außerdem kam der Verdacht auf, dass dieses Gold mit sogenanntem Opfergold vermischt war. Die Reaktionen der Clinton-Regierung auf diese Vorwürfe und die Korrektur der tradierten US-Restitutionspolitik der Nachkriegszeit werden daher hier analysiert. Im zweiten Teil wird die Einrichtung einer historischen Kommission in den USA untersucht, die sich mit dem Verbleib von Holocaust-Vermögenswerten innerhalb der USA beschäftigte. Dies war der Versuch der Clinton-Regierung, ebenso kritisch mit den eigenen restitutionspolitischen Versäumnissen umzugehen, wie die USA dies von anderen Ländern forderten. Im letzten Schritt schließlich wird eine immanente Entwicklung der Auseinandersetzung herausgearbeitet. Es geht um den Ansatz der Clinton-Regierung, die ungeklärten materiellen Fragen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts abzuschließen und die Auseinandersetzung stärker auf Bereiche der Erinnerungspolitik und der pädagogischen Vermittlung zu verlagern. Diese Entwicklung wird anhand der drei internationalen Konferenzen in London 1997, in Washington 1998 und in Stockholm im Jahr 2000 aufgezeigt. Diese Konferenzen waren integraler Bestandteil der internationalen Auseinandersetzung. Die jeweiligen Zielsetzungen der einzelnen Konferenzen können als Kristallisationspunkte für die thematische Entwicklung gesehen werden: So wurde 1997 in London vor allem die Frage des Raubgoldes behandelt. Ein Jahr später weitete sich das Themenspektrum in Washington auf weitere Vermögenswerte wie Versicherungspolicen und Raubkunst aus, auch zeigten sich erste Anzeichen eines erinnerungspolitischen Ansatzes. Die Konferenz in Stockholm widmete sich dann ausschließlich erinnerungspolitischen Fragen. In diesem Kontext wird die Herausbildung eines transnationalen Holocaust-Narrativs beleuchtet und der Frage nachgegangen, inwieweit die Erinnerung an den Holocaust als kultureller Code zu einem Bestandteil der politischen Agenda der westlichen Welt am Ende des 20. Jahrhunderts geworden ist.

2. Zur Vorgeschichte des unfinished business 2.1. Die Amerikanisierung des Holocaust . als Paradigma einer kulturell kodierten . Erinnerungspolitik Um den Paradigmenwechsel in der Behandlung ungeklärter Vermögensfragen in den 1990er Jahren in den USA nachzuvollziehen, ist es aufschlussreich, die gesellschaftliche Wahrnehmung des Holocaust in den USA einleitend zu untersuchen, um die Herausbildung einer spezifischen US-amerikanischen Erinnerungskultur zu beleuchten. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Stellung der Holocaust-Opfer und ihrer Nachkommen und ihren Einfluss auf die Auseinandersetzung um offene Entschädigungs- und Restitutionszahlungen in den neunziger Jahren. Ziel dieses Kapitels ist es, die Ursprünge jener Entwicklung herauszuarbeiten, die den Holocaust zu einem zentralen Bestandteil US-amerikanischer Erinnerungskultur gemacht hat, der Transformation, die Michael Berenbaum als „nativization of the Holocaust“ betitelte.1 Wie sich die Auseinandersetzung mit dem Holocaust in den USA am Ende des 20. Jahrhunderts gestaltete, worauf sie aufbaute und welche Veränderungen sie seit der Nachkriegszeit durchlaufen hat, skizziert dieses Kapitel. Dabei zeigt sich, wie der Holocaust zu einem zentralen Emblem des 20. Jahrhunderts wurde und wie sehr die jeweiligen Erinnerungsnarrative Ausdruck einer Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Gesellschaftsfragen waren.2 Zwischen Kriegsanstrengung und gesellschaftlichem Antisemitismus Die US-Medien berichteten bereits ab dem Sommer 1941 vereinzelt über Massaker an der jüdischen Zivilbevölkerung in Europa. 1942 gab es auch über die Medien hinaus erste öffentliche Reaktionen auf die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden.3 Das State Department verfügte seit August 1942 über verlässliche Meldungen über die nationalsozialistische Vernichtungspolitik, im November 1942 veröffentlichte es diese Nachricht offiziell. Die Roosevelt-Regierung handelte nach der strategiepolitischen Grund1 2 3

Berenbaum, Tragedy, 3. Vgl. Butter, Epitome of Evil. Dazu Hollander, America’s Newspapers Report; Medoff, Retribution, 171, 176; allgemein Gurock, America; siehe auch Young, Texture of Memory, 287f.

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satzentscheidung, das Schicksal der Verfolgten dem Primat der Kriegsanstrengung unterzuordnen. Mit einem militärischen Sieg über die Achsenmächte, so die Annahme, sei den Opfern des Nationalsozialismus am besten geholfen. Die seit Juli 1944 stärker werdenden Forderungen nach einer Bombardierung des Vernichtungslagers Auschwitz wurden folgerichtig regelmäßig vom Kriegsministerium mit der Begründung abgelehnt, dies ziehe wichtige militärische Kapazitäten ab. Immerhin wurden im Frühherbst 1944, um den Nachschub für die deutsche Kriegsmaschinerie zu stören, die Industrieanlagen von Auschwitz bombardiert.4 Am 17. Dezember 1942 hatten die USA, Großbritannien, die UdSSR und acht weitere Staaten die Allied War Crimes Declaration unterzeichnet, in der die deutsche Vernichtungspolitik an der jüdischen Bevölkerung scharf verurteilt wurde. Die Alliierten kündigten zwar an, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Sie beschlossen aber keine konkreten Maßnahmen, ebenso wenig wie auf der sogenannten Bermuda-Konferenz im April 1943, auf der sie Wege finden wollten, die jüdische Bevölkerung in Europa zu retten. Anfang 1944 wurde das War Refugee Board ins Leben gerufen, das berechtigt war, alles für die Rettung der Jüdinnen und Juden zu unternehmen, was mit den Kriegshandlungen vereinbar war.5 Gleichwohl war dieser politische Kurs innerhalb der Roosevelt-Regierung umstritten. Vor allem das Treasury Department kritisierte die Politik des State Department scharf: Es würde nicht nur zu wenig für die Rettung der europäischen Juden unternehmen, sondern sogar bereits laufende Rettungsmaßnahmen der jüdischen Organisationen behindern. Es würde die Einwanderungs-Quoten heimlich weiter senken und versuchen, den Informationsfluss aus Europa über den Holocaust zu unterbinden.6 Es gab in den USA also während des Krieges und in der direkten Nachkriegszeit kein Bewusstsein für das Ausmaß und die Präzedenzlosigkeit der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden. Als ein wichtiger Grund für das Beschweigen des Holocaust ist der Antisemitismus zu nennen, der in den dreißiger und vierziger Jahren enorm an Virulenz gewonnen hatte.7 Spe4

Gutman/Jäckel/Longerich (Hg.), Enzyklopädie des Holocaust, 120; Lichtenstein, Auschwitz; Medoff, Retribution, 174; allgemein Feingold, Politics; Penkower, Jews; siehe auch Gurock, America; Wyman, Das unerwünschte Volk, 334ff. 5 Zur Alliierten Erklärung siehe Herzog (Hg.), Holocaust, 270; zur Bermuda-Konferenz The Bermuda Conference on Refugees; siehe auch Executive Order Creating the War Refugee Board, January 22, 1944, in http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/Holocaust/wrb1.html, 25.08.2007. 6 Siehe Report to the Secretary on the Acquiescence of This Government in the Murder of the Jews; Wyman, USA, in: ders., The World Reacts, 706f. Zu Morgenthaus Reaktion auf die Nachricht über die Vernichtung der europäischen Juden vgl. Greiner, Morgenthau-Legende, 121ff.; Bower, Gold, 81; Reuther, Ambivalenz, 90 (Anm. 15). 7 Allgemein zum Antisemitismus in den USA Dinnerstein, Uneasy; Dobkowski, Tarnished Dream; Gerber (Hg.), Anti-Semitism; Anti-Defamation League of B’nai B’rith (Hg.), Hate Groups; Scholnick, New Deal; Volkman, Legacy of Hate.

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ziell dem State Department wurde indirekt ein latenter Antisemitismus und ein Desinteresse am Schicksal der nationalsozialistischen Opfer vom Treasury Department vorgehalten. Die Flüchtlingsfrage würde lediglich als eine „Verlustkarte“ betrachtet und das Quotensystem für die Einwanderungsvisa in die USA wäre antisemitisch gefärbt.8 Selbst innerhalb des engeren Stabs Roosevelts gäbe es Mitarbeiter, denen dezidierter Antisemitismus vorgeworfen wurde.9 Roosevelt war sehr bemüht, politisch nicht in den Verdacht „projüdischer Parteinahme“ zu geraten.10 In seinen öffentlichen Ansprachen vermied er es daher, besonders auf die jüdische Bevölkerung als Opfer des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges einzugehen. Auch im Kongress herrschte weitgehend Gleichgültigkeit. Leonard Dinnerstein stellt diese indifferente Haltung in einen direkten Kontext mit weit verbreiteten antisemitischen Vorurteilen. Das allgemeine gesellschaftspolitische Klima ließ es wenig ratsam erscheinen, sich für die jüdische Bevölkerung in Europa einzusetzen.11 Die britische Botschaft in Washington kam 1945 gar zu dem Schluss, dass Antisemitismus ein allgegenwärtiges Problem für die jüdische Bevölkerung in den USA sei.12 Der strukturelle gesellschaftliche Antisemitismus spiegelte sich auch in den Streitkräften wider. 22 Prozent der im Januar 1946 in Deutschland stationierten US-Soldaten stimmten der Aussage zu, dass die Deutschen „gute Gründe“ für die Verfolgung der Juden gehabt hätten.13 Dies bekamen vor allem die sogenannten Displaced Persons (DPs) zu spüren.14 Rabbiner Phillip S. Bernstein schrieb als Advisor on Jewish Affairs für General Joseph T. McNarney im Juli 1947 in einem Bericht, dass die Vertreter der DPs vor allem den Kontakt der US-Truppen mit der deutschen Zivilbevölkerung als Grund für den wachsenden Antisemitismus sahen.15 Der Druck jüdischer Organisationen hatte Präsident Harry S. Truman bereits kurz nach Kriegsende bewogen, den ehemaligen U.S. Commissioner of Immigration, Earl G. Harrison nach Deutschland zu entsenden, um die Situation der DPs zu untersuchen. Harrison kam zu dem Schluss, dass die Lebensbedingungen der jüdischen DPs sehr viel 8 9 10 11 12 13 14 15

Greiner, Morgenthau-Legende, 52; Bower, Gold, 194; Schubert, Fleck. So beispielsweise Stephen Early, persönlicher Freund von FDR und von 1933 bis 1945 für die Pressearbeit des Weißen Hauses verantwortlich. Siehe Breitman/Kraut, American Refugee Policy, 245; generell zu den 1930er Jahren Arad, America. Vgl. Greiner, Morgenthau-Legende, 60. Dinnerstein, Antisemitism, 135; siehe dazu auch Novick, Holocaust in American Life, 41; und Breitman/Kraut, American Refugee Policy, 244. Dinnerstein, Antisemitism, 131, 146. Wyman, USA, 707f.; siehe auch Brown-Fleming, Worst Enemies, 379–401. Zur Politik der USA gegenüber den DPs siehe Dinnerstein, America; Abzug, Vicious Heart; allgemein zu DPs Dietrich/Schulze Wessel, Selbstorganisation; Fritz Bauer Institut (Hg.), Überlebt; Königseder/Wetzel, Lebensmut. Siehe Brown-Fleming, Worst Enemies, 382.

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schlechter waren, als die anderer Gruppen.16 Ende 1945 wurde daraufhin die sogenannte Truman Directive verabschiedet, die bevorzugt DPs bis Juni 1948 in die USA einreisen lassen sollte. Angesichts wachsender öffentlicher Unterstützung genehmigte der Kongress die Einreise von weiteren 205.000 DPs über zwei Jahre. Dieser Displaced Persons Act war jedoch so formuliert, dass wiederum jüdische DPs diskriminiert wurden. Erst im Jahr 1950 wurde das Gesetz durch eine Mehrheit im Kongress neu formuliert und die antisemitischen Passagen gestrichen. Es war schließlich dieses Gesetz, das die große Einwanderung von Überlebenden des Holocaust in die USA begünstigte.17 Die Vereinigten Staaten unterschieden sich bis in die späten vierziger Jahre also weder in ihrem strukturellen Antisemitismus noch in ihrer Haltung gegenüber der Vernichtung der europäischen jüdischen Bevölkerung grundsätzlich von anderen westlichen Staaten. Die Haltung breiter gesellschaftlicher Kreise und der Regierung gegenüber dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung war geprägt von einer Mischung aus Indifferenz und offener Ablehnung, was dazu führte, dass notwendige Schritte zur Rettung unterlassen wurden. Auch das Ausmaß der Vernichtungspolitik wurde gesellschaftlich nicht wahrgenommen. Vielmehr subsumierte man den Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden unter die generellen Grausamkeiten und Verbrechen des Krieges.18 Zwischen Assimilation und Kaltem Krieg Die ersten Jahrzehnte der Nachkriegszeit waren geprägt vom Beschweigen des Holocaust. Angesichts der starken antisemitischen Strömungen bemühten sich viele jüdische Organisationen und Medien darum, die jüdischen Bürger als „gute Amerikaner“ darzustellen.19 Die jüdische Bevölkerung stimmte in die Euphorie des Sieges über die Achsenmächte ein. Das Beklagen der eigenen Opfer fand in diesem Kontext zunächst keinen Raum, vielmehr waren auch und gerade die Überlebenden, die in den USA nach dem Krieg Zuflucht gefunden hatten, bemüht, die Erlebnisse hinter sich zu lassen und sich eine neue Existenz aufzubauen. Es waren Jahre der Assimilation im öffentlichen Leben sowie der Trauer im privaten Bereich.20 Die Überlebenden strebten in 16 Der Bericht ist veröffentlicht in: http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/Holocaust/ truman_on_harrison.html, 28.7.2008. 17 Dinnerstein, Antisemitism, 161; Wyman, USA, 709f. 18 „What eventually came to be called the Holocaust was reported to contemporaries as a war story, nothing less but nothing more“, so Jeffrey Alexander in: Alexander, Social Construction, 17. Siehe auch Baron, American Public Memory, 63. 19 Dinnerstein, Antisemitism, 147; vgl. auch Greiner, Morgenthau-Legende, 55ff. 20 „Outside their homes there was little support for these victims. […] So most survivors buried their memories by keeping busy“, so Judith Miller in: Miller, One, By One, 221.

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erster Linie danach, an der „amerikanischen Erfolgsgeschichte“ teilzuhaben, anstatt sich der Vergangenheit offen zuzuwenden. Gesellschaftspolitisch wurde der Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden Teil des Bösen, das mit dem Sieg der Alliierten über den Faschismus endgültig besiegt worden war: Ein Fortschrittsglaube setzte sich durch, der zukunftsgewandt war und die Barbarei des Holocaust in die siegreich beendete Geschichte des Zweiten Weltkrieges einordnete. Als Vernichtungserfahrung wurde Auschwitz gleichgesetzt mit den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki.21 In diesem Kontext hatte die Frage, was die Ermordung eines Drittels der jüdischen Bevölkerung menschheitsgeschichtlich bedeutete, keinen Platz. Der Zerfall der Kriegsallianzen und der Beginn des Kalten Krieges stellte die schnelle Integration Westeuropas in eine breite und solide antikommunistische Allianz in den Vordergrund. „Bei dieser alles dominierenden politischen Vorgabe war es gelinde gesagt wenig hilfreich, wenn nicht gar rundheraus illoyal, nachhaltig auf den deutschen Verbrechen zu beharren“, so Peter Novick.22 Der Übergang der Präsidentschaft von Roosevelt zu Truman führte innerhalb der USA zunehmend zu einer „get tough with Russia policy“.23 Die Verteidigung des american century stand nun im Fokus der US-Politik.24 In dieser neuen strategischen Ausrichtung, in der ehemalige Alliierte zu Gegnern und ehemalige Gegner zu Verbündeten wurden, wurde die Frage nach Schuld und Opferstatus einer generellen Revision unterworfen.25 Eine umfassende gesellschaftspolitische und rechtliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik sowie den diversen Formen der direkten und indirekten Kollaboration mit dem NS-Regime durch neutrale Staaten oder Unternehmen fand nicht statt. Stattdessen halfen nationale Mythen über Kollaboration und Widerstand den politischen Übergang in die Nachkriegszeit zu bewerkstelligen.26 Ein öffentliches Gedenken an den Holocaust konnte sich daher in den ersten Nachkriegsjahren in den USA nur sehr begrenzt durchsetzen. Die National Convention der orthodoxen Rabbiner rief im Jahr 1946 zur Schaffung Lawrence Baron versucht in seinem Aufsatz „The Holocaust and American Public Memory, 1945–1960“ auf die vielfältige Holocaust-Rezeption in den USA in den ersten Nachkriegsjahren hinzuweisen. Trotz der beeindruckenden angeführten Einzelbeispiele ist aber dennoch an der generellen These des Beschweigens des Holocaust nicht zu zweifeln. 21 Baron, American Public Memory, 63; siehe auch Mintz, Popular Culture, 5. 22 Novick, Holocaust-Bewußtsein, 138f. 23 Drechsler, Antihitlerkoalition, 214. Der zentrale Text dieses Übergangs ist der programmatische Aufsatz „The Sources of Soviet Conduct“ von George Kennan, erschienen in: Foreign Affairs 25 (1947), 566–582. 24 Der Begriff american century geht auf Luce, American Century zurück. Ursprünglich erschienen in der Zeitschrift Life vom 17. 02. 1941. 25 Bartov, Defining Enemies, 787. 26 Siehe auch Rathkolb, Wahrheitssuche, 452.

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eines Universal Memorial Day auf, der in Abstimmung mit weiteren gesellschaftlichen Gruppen aller jüdischen Opfer gedenken sollte. Dieser Aufruf sowie ein weiterer im Jahr 1959 fanden jedoch kein gesellschaftliches Echo.27 In New York weihte Bürgermeister William O’Dwyer im Oktober 1947 im Riverside-Park einen Gedenkstein für die Kämpfer des Warschauer Ghettos ein. Später sollte an dieser Stelle ein Denkmal errichtet werden. Die „New York Times“ griff dieses Ereignis auf und band die Verknüpfung von Holocaust und dem Kampf um Freiheit in den amerikanischen Kontext ein: „It is fitting that a memorial to six million victims of the most tragic mass crime in history, the Nazi genocide of Jews, should rise in this land of liberty.“28 Dieser Gedanke war seiner Zeit jedoch weit voraus. Noch 1964 wurden zwei Vorschläge für einen Gedenkort mit der Begründung abgelehnt, dies könnte andere Opfergruppen zu eigenen Forderungen verleiten. Außerdem sollten Denkmäler auf die Erinnerung an Ereignisse aus der US-Geschichte beschränkt bleiben.29 Dies verdeutlicht, wie wenig der Holocaust Eingang in die Erinnerungskultur der USA gefunden hatte. Die Überlebenden galten als eine Opfergruppe unter vielen. Ein dezidiertes Gedenken an die Ermordung der europäischen jüdischen Bevölkerung war in diesem gesellschaftlichen Kontext ungewöhnlich und offensichtlich erklärungsbedürftig. Dem Holocaust wurde zu jener Zeit in der amerikanischen Gesellschaft nur geringe erinnerungspolitische Relevanz beigemessen. Rückgang und Neukodierung des Antisemitismus in den USA Auch wenn der Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden in den ersten Nachkriegsjahren nur marginal thematisiert wurde, fand in dieser Zeit dennoch eine gesellschaftspolitische Transformation statt, die sowohl einen tiefgreifenden Einfluss auf die Stellung der jüdischen Bevölkerung wie auch auf die Herausbildung einer amerikanisierten Form der Holocaust-Erinnerung haben sollte: In den zwei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der gesellschaftliche Antisemitismus und die strukturelle Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung außergewöhnlich stark ab, eine einzigartige Entwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der westlichen Welt. In den fünfziger Jahren reduzierten sich die systematischen Einschränkungen gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Bereichen wie Ausbildung, Arbeitsplatz oder Wohnungen. Präsident Harry S. Truman ordnete eine Untersuchung mit dem Ziel an, faire Einstellungspraktiken und den Zugang zu wei27 Wyman, USA, 718. 28 Nach Young, Texture of Memory, 289. 29 Ebd. 291.

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terführender Ausbildung zu ermöglichen. Ferner wurde das Judentum zu einer der drei großen offiziellen Glaubensrichtungen in den USA erklärt. Diese Umwälzung veränderte die Art und Weise, wie die jüdische Bevölkerung und die jüdische Religion in den USA wahrgenommen wurden, von Grund auf.30 In dem Maße, in dem gesellschaftliche Ausschlussmechanismen wegfielen, partizipierte ein beachtlicher Teil der jüdischen Bevölkerung am Wohlstand der Nachkriegsjahre und wurde Teil dessen, was zukünftig als „suburban middle-class society“ bezeichnet werden sollte. Die beiden Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg waren eine Zeit des enormen Fortschritts für die amerikanische jüdische Gemeinschaft, in der sie eine nie da gewesene wirtschaftliche und politische Sicherheit sowie soziale Akzeptanz erfuhr.31 Diese Entwicklung wurde auf verschiedene Weise erklärt. Die Anti-Defamation League führte den Rückgang des Antisemitismus auf den ökonomischen Wohlstand und das Fehlen gesellschaftlicher Konflikte zurück. Verschiedene Auslöser wie der Holocaust, die Gründung des Staates Israel und dessen Sieg im 1948er Krieg sowie ein genereller gesellschaftlicher Optimismus und eine langsam wachsende Bürgerrechtsbewegung wurden als Gründe angeführt.32 Ebenso problematisierten seit 1944 verschiedene Hollywoodfilme die Themen Intoleranz und Antisemitismus und brachten sie einem größeren Publikum kritisch näher.33 Jeffrey C. Alexander interpretiert diese Entwicklung nicht allein als einen Prozess der gesellschaftlichen Gleichstellung, sondern auch als eine kulturelle Neukodierung des Antisemitismus in der USamerikanischen Gesellschaft. Er bringt dies in Verbindung mit der Herausbildung eines antifaschistischen Narrativs in den westlichen Gesellschaften seit den dreißiger Jahren. In diesem Kontext erfolgte die Bewertung antisemitischer Handlungen. Dadurch wurde der Antisemitismus zum integralen Bestandteil der abzulehnenden nationalsozialistischen Gesellschaftsordnung. Eine positive Bezugnahme auf andere Werte musste sich daher gerade auch vom Antisemitismus radikal absetzen. „In creating a Nazi-free future, Jewishness came for the first time to be analogically connected with core American symbols of ‚democracy‘ and ‚nation‘. […] The goal was focused, not on the Holocaust, but on the need to purge postwar society of Nazi-like pollution“, so Alexander.34 Obwohl der Holocaust nicht thematisiert wurde, führte die kulturelle Neukodierung der jüdischen Religion und Kultur in der Nachkriegszeit im Kontext eines Fortschrittsglaubens oder eines „progressive narrative“ zu einer 30 Dinnerstein, Antisemitism, 152, 166; Mintz, Popular Culture, 6. 31 Siehe Dinnerstein, Antisemitism, 170. Diese Entwicklung hat das Magazin „Time“ 1965 zu der Einschätzung bewogen: „Anti-semitism is at an all time low and publicly out of fashion.“ Siehe: The Time, 25. Juni 1965, 34. 32 Wyman, USA, 725; Dinnerstein, Antisemitism, 151. 33 Vgl. Friedman, Jewish Image. 34 Alexander, Social Construction, 13, 25f.

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gesellschaftlichen Veränderung, die für die spätere Entstehung einer spezifisch amerikanisierten Form der Holocaust-Erinnerung von großer Relevanz war. Charakteristisch sowohl für die Neubewertung des Antisemitismus in der direkten Nachkriegszeit als auch der Holocaust-Erinnerung seit den späten siebziger Jahren war, dass beide Elemente zu negativen Exempeln für die gesellschaftspolitische Selbstwahrnehmung und Selbststilisierung der USA wurden. Die Neukodierung war somit ein Zeichen der mentalitätsgeschichtlichen und ideologiepolitischen Verschiebungen in der amerikanischen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Rezeption des Tagebuchs der Anne Frank 1952 erschien in den USA das Tagebuch der Anne Frank. Eleanor Roosevelt schrieb das Vorwort dazu, was dem Buch große Aufmerksamkeit und Gewichtung bescherte. Im Jahre 1955 wurde eine Bühnenadaptation von Albert Hackett und Frances Goodrich am Broadway aufgeführt, die den Pulitzer Preis erhielt. 1959 gab es eine Hollywood-Verfilmung, die ein noch größeres Echo fand.35 Sowohl in dem Theaterstück als auch in der Verfilmung waren alle Momente, die eine emotionale Identifikation der Zuschauerinnen und Zuschauer mit Anne Frank stören konnten, herausgenommen. Dies wurde zum Teil scharf kritisiert.36 Otto Frank, der Vater und einziger Überlebender der Familie, hatte jedoch genau darauf großen Wert gelegt.37 In der Bühnenfassung und noch stärker in der Verfilmung wurde die Tatsache, dass Anne Frank Jüdin war – und somit der zentrale Grund für ihre Verfolgung und Ermordung – ausgeblendet. Die Erlebnisse des konkreten Opfers standen im Zentrum der Darstellung, das Faktum, dass es sich um jüdische Opfer und deutsche Täter gehandelt hatte, wurde jedoch zu einer Nebensächlichkeit. Anne Frank wurde generell als Opfer des Faschismus porträtiert – ohne den spezifischen Grund ihrer Verfolgung zu nennen. Damit wurde sie zu einem Symbol für all diejenigen, die Unrecht erlitten hatten. Die diversen Adaptationen in den USA waren also auf eine Identifikation des gesamten amerikanischen Publikums mit ihrem Schicksal angelegt. Man kann hier deutlich sehen, wie die Darstellung des historischen Kontextes durch Produzenten, Publizisten, Regisseure und Verleger interpretiert und dem Zeitgeist angepasst wurde.38 Die breite Rezeption des Tagebuchs der Anne Frank war daher kein Anzeichen für eine besonders intensive Auseinandersetzung mit der Vernichtung 35 Siehe Loewy, Das gerettete Kind. 36 So z. B. von Bruno Bettelheim in seinem Aufsatz „The Ignored Lessons of Anne Frank“. 37 Vgl. Alexander, Social Construction, 35; siehe auch Doneson, American History ; Cole, Selling the Holocaust. 38 Flanzbaum (Hg.), Americanization, 4.

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der europäischen jüdischen Bevölkerung in den fünfziger Jahren. Im Zentrum der Adaptationen stand das verallgemeinerte Opfer, das durch die abstrakten Charakteristika dem nicht-jüdischen US-Publikum breite Anschlussmöglichkeiten lieferte. Trotzdem blieb es für lange Zeit ein Meilenstein in der Herausbildung einer Amerikanisierung des Holocaust.39 Das historische Ereignis des millionenfachen Mordes an den europäischen Jüdinnen und Juden wurde dekontextualisiert und universalisiert. Das historische Narrativ wurde von einem moralischen Narrativ überschrieben, das mehr auf die Gemeinsamkeiten der menschlichen conditio humana, statt auf die Besonderheit und Unverwechselbarkeit der Opfer zielte.40 Der Eichmann-Prozess, Bürgerrechte und die Bedrohung Israels Der Prozess gegen Adolf Eichmann wurde in vielen westlichen Nationen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Es war eine der ersten großen medienwirksamen Auseinandersetzungen mit den konkreten Verbrechen des Nationalsozialismus. Auch in den USA setzte damit ein Wandel im Holocaust-Bewusstsein ein. Die Berichterstattung im Fernsehen führte vielen erstmals das Ausmaß der Vernichtung der europäischen jüdischen Bevölkerung vor Augen. Der Holocaust wurde zu einer Chiffre für Unmenschlichkeit. Dies sollte in Zukunft für das solidarische Verhalten vieler christlicher Gruppen in den USA gegenüber der jüdischen Gemeinschaft bestimmend sein. Mit dem EichmannProzess wurde der Holocaust zu einem eigenständigen Symbol.41 Der patriotische Diskurs über den Zweiten Weltkrieg war davon jedoch nicht betroffen. Jeffrey Shandler weist darauf hin, dass der Eichmann-Prozess – trotz der großen Medienberichterstattung – kein Teil der amerikanischen Erinnerungskultur an den Holocaust wurde. Peter Novick unterstreicht, dass weder die amerikanischen Jüdinnen und Juden noch die amerikanische Mehrheitsbevölkerung zu jener Zeit bereit waren, dem Holocaust einen zentralen Platz in ihrem Geschichtsbild einzuräumen. Die jüdische Bevölkerung war mit ihrem gesellschaftlichen Aufstieg beschäftigt. Bevor dieses Projekt nicht erfolgreich abgeschlossen war, konnte die Erinnerung an die nationalsozialistische Vernichtungspolitik nicht in den Alltag integriert werden.42 Das Jahr 1967 kann als Wendepunkt angesehen werden. Zwischen 1967 und 1973 wurde die Erinnerung an den Holocaust schließlich zu einem zent39 Dazu Young, Anne Frank; Rosenfeld, Popularization; siehe auch Novick, Holocaust in American Life, 117ff. 40 Arad, Holocaust in der amerikanisierten Erinnerung; Mintz, Popular Culture, 17. 41 Young, Writing and Rewriting, 118; Mintz, Popular Culture, 12. Zur Bedeutung des Fernsehens beim Eichmann-Prozess siehe Shandler, While America Watches. 42 Ebd. 129; Novick, Holocaust in American Life, 128f.; siehe auch Mintz, Popular Culture, 7.

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ralen Bestandteil jüdischen Bewusstseins und jüdischer Identität in den USA.43 Die jüdische Bevölkerung nahm regen Anteil an der Situation im jungen Staat Israel. Der Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 machte die Verletzbarkeit und die Bedrohung Israels deutlich. Die Sorge vor einer erneuten Vernichtung der jüdischen Bevölkerung schien real. Diese wurde durch den Yom Kippur-Krieg 1973 noch vergrößert. Der Sieg der israelischen Armee führte dann aber zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins der jüdischen Bevölkerung. Er erschien als Beleg, dass der Vernichtungsgefahr getrotzt werden konnte. Die Erfahrung des Sieges schuf einen Gegenpol zum Holocaust, mit dem der Erinnerung an die Vernichtung der europäischen jüdischen Bevölkerung und der erneut drohenden Vernichtung begegnet wurde.44 Viele Überlebende forderten nun eine bedingungslose Solidarität mit Israel und begründeten sie mit der Geschichte des Holocaust.45 Erstmals tauchte hier das Muster auf, die israelische Politik mit der NS-Geschichte zu koppeln. Die zunehmende Beschäftigung mit dem Holocaust fand zu einem spezifischen Zeitpunkt innerhalb der Debatte um die nationale Identität in den USA statt. Sowohl die Auseinandersetzung um den Vietnamkrieg wie auch das Auftreten der Bürgerrechtsbewegung waren in einem Spannungsverhältnis eingebettet, in dem auch die Erinnerung an den Holocaust eine zentrale Rolle einnehmen konnte: Der Holocaust diente der Antikriegsbewegung als moralische Richtschnur für die Beurteilung und Ablehnung des Krieges in Vietnam.46 Bei vielen Kindern von Holocaust-Überlebenden ließ das wachsende HolocaustBewusstsein ein besonderes gesellschaftspolitisches Verantwortungsgefühl aufkommen.47 Vor allem in der Civil-Rights-Bewegung engagierten sich viele Jüdinnen und Juden, die den Kampf gegen Diskriminierung und Antisemitismus als Teil einer größeren Bewegung für die Gleichstellung gesellschaftlicher Minderheiten betrachteten. Die beste Verteidigung jüdischer Rechte sei die Sicherstellung der Rechte aller Minderheiten, so das Credo.48 Die Ausbildung spezifischer Gruppenidentitäten seit Mitte der sechziger Jahre war für die Bürgerrechtsbewegung von zentraler Bedeutung. Die USA gingen dazu über, die Schuld aus vergangener Zeit durch Gesten des Gedenkens zu begleichen. Ein neues Phänomen, die Kultur der sogenannten Viktimisierung, entstand: Die Identitäten einzelner Gruppen wurden mit ihrer gesellschaftlichen Diskriminierung begründet.49 Dabei wurde der Holocaust als 43 Vgl. Cole, Selling the Holocaust, 12; Wyman, USA, 727. Miller, One, By One, 222. 44 Cole, Selling the Holocaust, 10; Haß, Gestaltetes Gedenken, 255. 45 Vgl. Yad Vashem News, Nr. 2, 1970, 20f.; siehe auch Novick, Holocaust in American Life, 148, 173f. 46 Siehe Peck, Konfrontation, 603. 47 Miller, One, By One, 223; siehe auch Svonkin, Jews against Prejudice. 48 Dollinger, Quest for Inclusion. 49 Vgl. Arad, Holocaust in der amerikanisierten Erinnerung, 232–252; Novick, Holocaust in American Life, 189, 191; Interview Gerald Feldman.

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wertvoll für die Gegenwart entdeckt. Seiner partikularen Bedeutung entkleidet, wurde er zu einem universalen Narrativ in der amerikanischen öffentlichen Erinnerungskultur. In diesem Kontext verschlechterten sich die Beziehungen zwischen der jüdischen und der afroamerikanischen Bevölkerung. Obwohl sich die Bürgerrechte mit dem Civil Rights Act von 1964 und dem Voting Rights Act von 1965 verbessert hatten, blieb die afroamerikanische Bevölkerung weiterhin ausgegrenzt. Der gemeinsame Ansatz der prosperierenden jüdischen und der afroamerikanischen Bevölkerung in einer Bürgerrechtsbewegung bröckelte. In mehreren Städten kam es zu Ausschreitungen, die nicht selten antisemitische Züge hatten.50 Parallel dazu geriet in den späten sechziger Jahren die Flüchtlingspolitik der USA während des Zweiten Weltkriegs in die Kritik. Neues Quellenmaterial führte zu einer kritischen Re-Evaluation. Die Schlussfolgerungen verdüsterten das positive Selbstbild der USA, und eine Epoche nationaler Zuversicht ging zu Ende. Man fragte nun vermehrt nach dem Wissen der westlichen Regierungen über den Holocaust, und die doch gravierenden Defizite der USPolitik traten zutage und trübten das offizielle Geschichtsbild.51 Die Institutionalisierung des Gedenkens Anfang der siebziger Jahre verbreiterte sich in erinnerungspolitischer und pädagogischer Hinsicht in den USA die Beschäftigung mit dem Holocaust. Mehr und mehr Konferenzen und Buchveröffentlichungen befassten sich mit dem Thema. Studien zum Holocaust etablierten sich an den Universitäten als Forschungsrichtung. Ein entscheidender Paradigmenwechsel in der Holocaust-Erinnerung, der gerade auch die Erinnerungspraxis der nicht-jüdischen amerikanischen Bevölkerung nachhaltig bestimmen sollte, fand Ende der siebziger Jahre statt. Im April 1978 lief die Serie „Holocaust“ im amerikanischen Fernsehen. Eine breite Medienberichterstattung begleitete die Ausstrahlung, das Buch zur Serie verkaufte sich über eine Million Mal. Der Film wurde als zentraler Katalysator in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust in den USA bezeichnet. Daneben setzte der Film aber auch eine Diskussion über die kulturindustrielle Vereinnahmung des Holocaust im Zuge der Amerikanisierung in Gang: Ihm wurde eine Trivialisierung der Thematik vorgeworfen. Elie Wiesel engagierte sich in dieser Debatte stark und wurde darüber zu einem der exponiertesten Kritiker der Serie.52 50 Dinnerstein, Antisemitism, 197ff.; Frickel, Holocaust, 44. 51 Michman, Historiographie der Shoah, 267, 295. 52 Novick, Holocaust in American Life, 209ff.; Wyman, USA, 727f.; Shandler, While America Watches, 155ff.; siehe auch Reichel, Erfundene Erinnerung; Bösch, Film; Wende (Hg.), Holocaust im Film.

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Ein zweiter, entscheidender Paradigmenwechsel fand im selben Jahr statt. Präsident Jimmy Carter entschied, die President’s Commission on the Holocaust einzurichten. Die Idee zu dieser Kommission wurde ursprünglich seit 1977 von den drei Mitarbeitern des Weißen Hauses, Stuart Eizenstat, Mark Siegel und Elan Goldstein, mit der Absicht propagiert, die Erinnerung an den Holocaust auch nach dem Ableben der Überlebenden-Generation wach zu halten sowie der Leugnung des Holocaust entgegenzutreten.53 Goldstein hatte ein Memorandum darüber erstellt, wie andere Länder des Holocaust gedenken, und dabei auf die politische Bedeutung des „remembrance gap“ unter der Carter-Regierung hingewiesen. Siegel hatte daraufhin Präsident Carter empfohlen, eine nationale Gedenkstätte in den USA zu errichten.54 Dieser Vorschlag stieß jedoch in der Administration zunächst auf wenig Beachtung. Bereits vor Präsident Carter hatte Senator John Danforth vorgeschlagen, den 34. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau durch amerikanische Truppen zu einem nationalen Gedenktag für die Opfer des Holocaust zu erklären.55 Die erste nationale Holocaust-Gedenkzeremonie wurde am 24. April 1979 in der Rotunde des Capitols abgehalten. Nur eine Woche später gab Carter während eines Empfangs zu Ehren von Israels Ministerpräsident Menachem Begin die Einrichtung der Kommission bekannt, um den Bau einer Holocaust-Gedenkstätte zu erörtern. Diese wurde noch im November offiziell eingesetzt. Damit sollte gleichzeitig die Bedeutung des Holocaust für gegenwärtige Menschenrechtsverletzungen betont werden. Auch hier zeigt sich also wieder die Kopplung, die Erinnerung an den Holocaust in den tagespolitischen Kontext der USA zu integrieren. Über den Grund der Entscheidung, ein Holocaust-Museum zu planen, gehen die Meinungen auseinander. Die Beziehungen zwischen der Carter-Regierung und der jüdischen Gemeinde waren zu diesem Zeitpunkt auf einem Tiefpunkt angelangt. Vertreter der amerikanischen jüdischen Gemeinde kritisierten, dass Carter ein homeland für die Palästinenser billigte. Außerdem hatte sich der Gesandte der USA bei den Vereinten Nationen, Andrew Young, mit einem Vertreter der Palestine Liberation Organization (PLO) in New York getroffen. Am schwersten belastete die Beziehungen aber der Verkauf von F-15 Kampfflugzeugen nach Saudi-Arabien. Stuart Eizenstat, der Carter gedrängt hatte, sich des Projekts einer Holocaust-Gedenkstätte anzunehmen, verstand die Einsetzung der Kommission nicht als einen Versuch, der wütenden jüdischen Wählerschaft entgegenzukommen. Die zeitliche Planung schien ihm zufällig. Mark Siegel, der wegen des Verkaufs der Kampfflugzeuge zu53 Vgl. Shandler, While America Watches, 87. Stuart Eizenstat hatte als innenpolitischer Berater für Carter gearbeitet, Mark Siegel war Mitarbeiter des Weißen Hauses und hatte enge Verbindungen zur jüdischen Gemeinde, und Elan Goldstein arbeitete im Domestic Policy Council. 54 Pieper, Musealisierung, 69ff.; Miller, One, By One, 256. 55 Ebd. 300.

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rückgetreten war, sah wiederum die politische Brisanz als ausschlaggebend für Carters Entscheidung an. Die Idee zu einer Gedenkstätte sei ignoriert worden, bis die angespannten Beziehungen zur jüdischen Gemeinschaft zu einem ernsten politischen Problem wurden.56 Die jüdische Gemeinde vermutete denn auch, dass es sich lediglich um ein politisches Manöver handelte, und blieb kritisch.57 In den folgenden Jahren wurden vor allem die Fragen der Definition des Holocaust, des Ortes der Gedenkstätte und damit verbunden der Verallgemeinerung der Lehren aus Auschwitz zu zentralen Punkten der Auseinandersetzung. Die Debatte um die Definition des Holocaust machte sich an den Opferzahlen und der Opferdefinition fest. Präsident Carter hatte gegen vehementen Protest an einer Zahl von elf Millionen festgehalten, wobei er zu den Opfern des Holocaust auch alle anderen zivilen Opfer rechnete, die vom nationalsozialistischen Deutschland oder seinen Satellitenstaaten umgebracht worden waren. David Wyman spricht daher von einer „politically imposed universalization of the Holocaust as a necessary cost of establishing an official national memorial“.58 Die Spezifität des millionenfachen Mordes an den europäischen Jüdinnen und Juden wurde dabei von Carter in die allgemeine nationalsozialistische Vernichtungspolitik integriert. Die zweite große Debatte – über den Ort des Museums – fand im Kontext erinnerungspolitischer Diskussionen statt. Mit der Platzierung auf der National Mall in der amerikanischen Hauptstadt wurde das Museum auf einem symbolhaften Feld errichtet, inmitten weiterer Denkmäler, die alle eine besondere Bedeutung für die historische Selbstverortung der USA haben. Die Voraussetzung für den Bau an der Mall war es, die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden mit dem amerikanischen nationalen Selbstverständnis inhaltlich zu verbinden. Der Holocaust wurde als absoluter Gegenpol zur amerikanischen Gesellschaftsidee rezipiert. Damit reihte sich das Gedächtnis an den Holocaust in der sogenannten Neuen Welt ein in die Erinnerung an die Unterdrückung in der alten Welt. Es stärkte das Selbstverständnis und die Selbst-Idealisierung der USA als ein sicherer Hafen für die Unterdrückten und Ausgestoßenen. Gleichzeitig wurde der Holocaust mit dieser geographischen Einbindung des Museums symbolisch zur ultimativen Verletzung der amerikanischen Bill of Rights: Als negatives Exempel wurde er zu einem Teil des nationalen amerikanischen Narrativs über Pluralität, Toleranz, Demokratie und Menschenrechte. Durch die Gegenüberstellung mit dem U.S. 56 Ebd. 257. 57 Haß, Gestaltetes Gedenken, 272ff. 1979 wurde vom Kongress auch das Office of Special Investigation im Justice Department ins Leben gerufen, um Nazi Kriegsverbrecher aufzustöbern, die als Displaced Persons in die USA gekommen waren. Im Kontext des project paperclip wurden in der Nachkriegszeit gezielt Kriegsverbrecher von US-Behörden angeworben. Siehe Hunt, Secret Agenda. 58 Wyman, USA, 728f.

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Holocaust Memorial Museum wurden die anderen Denkmäler auf der Mall in ihrer Aussagekraft noch bestärkt.59 Diese Kontextualisierung des Holocaust setzte eine bestimmte Darstellung der erzählten Geschichte voraus. Bei der Ausarbeitung des Museumskonzepts wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass sich auch die Menschen mit den Inhalten identifizieren konnten, die von der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik nicht betroffen waren. Dabei sollten die Lehren aus dem Holocaust zu einer Art Zivilreligion für das politische Selbstverständnis der USA werden.60 Dies impliziert nicht allein eine Universalisierung des Holocaust, sondern vor allem dessen Dekontextualisierung. Die Holocaust-Erinnerung war nicht mehr allein eine jüdische Erinnerung, sondern entwickelte sich zu einer amerikanischen, was vor 1978 nicht der Fall gewesen war. Es handelte sich auf dieser Ebene um keine wirkliche Auseinandersetzung mit dem, was der Holocaust für die westliche Moderne und speziell die jüdische Bevölkerung bedeutete. Es war vielmehr eine Affirmation und Stärkung der amerikanischen Staatsidee vor dem Hintergrund einer universalisierten HolocaustErinnerung. Holocaust-Erinnerung zwischen Totalitarismustheorie . und Universalisierung In den achtziger Jahren bildete sich in den USA dann in weiten Kreisen ein gesellschaftliches „Holocaust-Bewusstsein“ (Peter Novick) heraus. In fast allen größeren Städten wurden Holocaust-Denkmäler errichtet.61 Auf politischadministrativer Ebene spielte allerdings die Auseinandersetzung mit dem Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden eine vergleichsweise geringe Rolle. Präsident Ronald Reagan bediente sich des Holocaust als totalitarismustheoretischen Bezugspunkts. Dabei wurde die Erinnerungspolitik zu dem, was die „New York Times“ als „probably the biggest fiasco of Mr. Reagan’s Presidency“ titulierte: Ronald Reagan war vom deutschen Bundeskanzler Helmuth Kohl eingeladen worden, am 5. Mai 1985 aus Anlass der Feierlichkeiten des 40. Jahrestages des Kriegsendes den Soldatenfriedhof in Bitburg zu

59 Young, Texture of Memory, 336; Berenbaum, Tragedy, 41; Cole, Selling the Holocaust, 156; Junker, Amerikanisierung, 138f. 60 So schrieb Berenbaum: „The task of the U.S. Holocaust Memorial Council involved the Americanization of the Holocaust; the story had to be told in such a way that it would resonate not only with the survivor in New York and his children in Houston or San Francisco, but with a black leader from Atlanta, a mid-western farmer, or a northeastern industrialist.“ Zit. Berenbaum, Tragedy, 20. 61 Novick, Holocaust in American Life, 232; siehe auch Arad, Holocaust in der amerikanisierten Erinnerung, 231–252.

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besuchen.62 Neben Wehrmachtsoldaten sind dort auch Angehörige der Waffen-SS begraben. Ronald Reagan verteidigte seine Teilnahme mit einem weit gefassten Opferbegriff, in den er auch die Angehörigen der Waffen-SS einschloss. Dies fügte sich in jenes Verständnis der nationalsozialistischen Herrschaft ein, die Ronald Reagan als „one man’s totalitarian dictatorship“ titulierte.63 Neben der historischen Entlastung der Bundesrepublik Deutschland durch eine Reduzierung der Verantwortung für die nationalsozialistischen Verbrechen auf die Person Hitlers, stellte Reagan die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in einen totalitarismustheoretischen Zusammenhang zu den Staaten des Warschauer Pakts. Vor dem Besuch äußerte sich Präsident Reagan folgendermaßen: …freedom-loving people around the world must say, I am a Berliner, I am a Jew in a world still threatened by anti-Semitism, I am an Afghan, and I am a prisoner of the Gulag, I am a refugee in a crowded boat foundering off of the coast of Vietnam, I am a Laotian, a Cambodian, a Cuban, and a Miskito Indian in Nicaragua. I, too, am a potential victim of totalitarianism.64

Die Kritik an der Verletzung der Menschenrechte war aus diesem antikommunistischen Blickwinkel stark eingeengt, Opfer nicht-kommunistischer Regime wurden ausgeblendet. Von liberaler Seite wurde Reagan in den USA dafür scharf kritisiert.65 Auch verschiedene religiöse und ethnische Gruppen sowie Veteranenverbände stellten sich an die Seite der jüdischen Organisationen und ihres Protestes gegen die Bitburg-Feierlichkeiten. Widerspruch gegen die Pläne des Präsidenten wurde auch im Senat und im Repräsentantenhaus laut. Am 17. April 1985 forderten 53 Senatoren in einer Resolution den Besuch in Bitburg zu überdenken. Eine ähnliche Resolution wurde auch im Repräsentantenhaus eingebracht.66 Die Bitburg-Affäre hatte unter der jüdischen Bevölkerung der USA zu einem Gefühl der Verletzlichkeit geführt, weniger aufgrund einer Sorge um die Stabilität des politischen Systems der USA, sondern weil sie ihnen vor Augen führte, wie sehr die Anerkennung ihrer Leidensgeschichte immer noch vom guten Willen der Allgemeinheit abhing. Trotz aller Gedenktage und der Medienpräsenz konnten sie sich nicht darauf verlassen, dass die historischen Tatsachen bekannt waren und im Sinne der Opfer respektiert wurden. Von höchster Regierungsseite wurde wenig Sensibilität demonstriert.67 Der Skan62 Bernhard Weinraub, Reagan Joins Kohl in Brief Memorial at Bitburg Graves, in: New York Times, 6. Mai 1985; siehe auch Hilberg, Bitburg as Symbol, 18f. 63 Rosenfeld, Another Revisionism, 94; zur Gleichstellung der Opfer siehe auch „Responses of the President to Queries on German Visit“, in: New York Times, 19. April 1985. 64 Remarks of President Reagan at Bitburg Air Base, May 5, 1985, zit. n. Hartman (Hg.), Bitburg, 261. 65 Vgl. Anthony Lewis, The One-Track Mind, in: New York Times, 9. Mai 1985. 66 New York Times, 17. April 1985 und The Times, 1. Mai 1985. 67 Novick, Holocaust in American Life, 227; Hartman (Hg.), Bitburg, 8f.

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dal um Bitburg steht geschichtspolitisch für eine von der Totalitarismustheorie dominierte Interpretation des Holocaust, die die NS-Verbrechen mit denen des real existierenden Sozialismus gleichsetzte. Dieser Ansatz versuchte zugleich, die neuen Verbündeten der Nachkriegszeit von historischer Schuld zu entlasten. „This whole episode, and particularly the general reaction to it, raises troubling questions about the degree to which the United States – from the President on down – understand the significance of the Holocaust“, warnte die „Los Angeles Times“.68 Der Versuch, die Einheit und Versöhnung zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland über den SS-Gräbern von Bitburg zu demonstrieren, offenbarte die Fragilität des Holocaust-Bewusstseins im Sinne der Opfer in den USA. Präsident Reagan machte deutlich, wie vielschichtig der geschichtspolitische Bezug auf die nationalsozialistischen Verbrechen war. Die neunziger Jahre: Eine Zeit des Erinnerungsbooms? Eine Reihe von Ereignissen am Beginn der Dekade trug dazu bei, dass in den neunziger Jahren der Holocaust sehr breitenwirksam thematisiert wurde und Gedenkveranstaltungen zunahmen. So wurden 1993 zwei große Museumsprojekte eingeweiht: In Los Angeles stellte das Simon Wiesenthal Center das Museum of Tolerance fertig, das den Holocaust in einem universalistischen Kontext in Bezug zu gegenwärtigen Problemen des Rassismus und der Ungleichbehandlung setzte.69 In Washington D.C. weihte Präsident Clinton das U.S. Holocaust Memorial Museum offiziell ein.70 Während die Art und Weise der Repräsentation des Holocaust im U.S. Holocaust Memorial Museum bereits im Vorfeld diskutiert worden war, stellte Elie Wiesel bei seiner Eröffnungsrede die Frage nach dem Umgang mit aktuellen Menschenrechtsverletzungen. Er war von Präsident Clinton nach Bosnien gesandt worden, um sich dort ein Bild von der Menschenrechtssituation zu machen. Nun plädierte er für ein militärisches Eingreifen der USA, weil er aus Auschwitz die Lehre zog, nicht wegzusehen und keine weiteren Menschenrechtsverletzungen zuzulassen. Mit dieser Einschätzung setzte ein grundlegender Paradigmenwechsel ein. Zum ersten Mal wurde der Holocaust zu einem moralischen Argument, das in die außenpolitische Strategie eines westlichen Landes einfloss und auch militärische Optionen in Erwägung zog.71 68 Charles William Maynes, Facing the Dark Side of Nationalism, in: Los Angeles Times, 21. April 1985. 69 Siehe http://www.museumoftolerance.com. 70 Siehe http://www.ushmm.org/. 71 Siehe Hasenclever, Macht der Moral.

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Das dritte große Ereignis war 1993 die Premiere der Hollywood Verfilmung „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg.72 Der große Erfolg dieses Films zeigte nicht zuletzt die postmoderne Ambivalenz, dass weder zwischen Gedenken und Unterhaltung, noch zwischen historischer und fiktiver Narration unterschied.73 In den neunziger Jahren war die Erinnerung an den Holocaust in der amerikanischen Gesellschaft angekommen und wurde zu einem beherrschenden Symbol der amerikanischen Kultur – wie authentisch oder unauthentisch auch immer die Darstellung war.74 In den fünf Jahrzehnten nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz hatte sich ein bemerkenswerter Wandel von relativer Gleichgültigkeit und generellem Beschweigen hin zu einer großen gesellschaftspolitischen Bedeutung vollzogen. Zwei große Erinnerungsnarrative an den Holocaust entstanden: das jüdische und das nicht-jüdische, wobei die erinnerungspolitischen Ziele und Motive durchaus verschieden waren. Im jüdischen Gedenken war die Spezifität der Opfer als jüdische Opfer immer präsent. Zugleich wurde aber von jüdischer Seite kritisch angemerkt, dass im Kontext der zunehmenden Säkularisierung und Assimilierung jüdischen Lebens in den USA die Erinnerung an den Holocaust zu einem integralen Aspekt jüdischer Identität geworden war.75 Die nicht-jüdische Erinnerung an den Holocaust weitete sich seit den späten siebziger Jahren rasant aus und wurde mit der Errichtung des U.S. Holocaust Memorial Museum Teil der offiziellen US-Gedenkkultur. Auch sie nahm eine identitätspolitische Dimension an. Der Holocaust entwickelte sich zu einem allgemeinen Referenzpunkt, der weitaus mehr umfasste, als allein das Gedenken an die ermordeten Jüdinnen und Juden. „In a plural and diverse society, it [the Holocaust, J.S.] has also entered a universal realm, becoming a standard and currency by which many disparate groups measure their past“, so James Young. Trotz der Unterschiede haben sich beide Erinnerungskulturen in vieler Hinsicht vermischt, dennoch hebt sich die nicht-jüdische Holocaust-Erinnerung durch die starke Universalisierung und Dekontextualisierung ab. Der Holocaust fungiert in diesem Narrativ als eine Parabel, wurde zu einer Ikone des absolut Bösen und kann so auf die verschiedensten gesellschaftlichen Situationen angewandt werden.

72 Siehe Weiss, Der gute Deutsche; Noack, Schindlers Liste. 73 Arad, Holocaust in der amerikanisierten Erinnerung, 232–252. 74 Bauer, Significance, 306. 75 Vgl. dazu die Diskussion bei Novick, Holocaust in American Life, 193–203. Zur jüdischen Kritik an der Amerikanisierung des Holocaust siehe Ophir, Sanctifying the Holocaust, 61.

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2.2. Die Entstehung des restitutions- und . entschädigungs-politischen unfinished business in der Kriegs- und Nachkriegszeit Die nationalsozialistische Raub- und Vernichtungspolitik hatte bereits vor und während des Zweiten Weltkriegs die Frage nach Entschädigung und Restitution zu einer dringlichen politischen Aufgabe gemacht.76 Dabei standen von jüdischer Seite die ersten Überlegungen zur Entschädigung noch unter dem Schlagwort des „Schadensersatzes“.77 Seit 1943 und unter dem Einfluss der zunehmenden Verfolgung und der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung intensivierten sich die Diskussionen. Jene Ideen gewannen an Gewicht, die neben einer individuellen Entschädigung auch einen kollektiven Anspruch im Namen des jüdischen Volkes geltend machen wollten. Damit unterschieden sich diese Forderungen grundsätzlich von denen der anderen Verfolgtengruppen. Die War Emergency Conference des Jüdischen Weltkongresses hatte im November 1944 die Notwendigkeit einer jüdischen Organisation konstatiert, die legitimiert sei, erbenloses jüdisches Vermögen nach dem Krieg einzuklagen.78 Für die Alliierten wiederum war die Haltung gegenüber den Verfolgten während des Krieges generell von der Sichtweise geprägt, dass eine siegreiche Kriegführung die effektivste Methode wäre, die systematische Verfolgung und Ermordung zu beenden. Eine stärkere Beachtung als die Entschädigung fand bereits während des Krieges die Frage der Restitution, denn diese hatte besonders im Kontext des Wirtschaftskriegs und der Notwendigkeit, die Achsenmächte von kriegswichtigen Produkten fernzuhalten, eine herausgehobene Bedeutung. Am 5. Januar 1943 veröffentlichten die USA, Großbritannien und 15 weitere Staaten die Inter-Allied Declaration, die als Ausgangspunkt der alliierten Restitutionspolitik bewertet wird.79 Charakteristisch für diese Erklärung war, dass sie nicht nur an die Achsenmächte, sondern auch an die neut76 Als Restitution oder Rückerstattung wird die Aufhebung und Zurücknahme einer Veränderung von Besitzverhältnissen, die unter Zwang stattgefunden hat, bezeichnet. Es handelt sich um die Zurückgabe der entwendeten Sachwerte als solche. Ist eine Restitution in Naturalform nicht möglich, tritt eine finanzielle Entschädigung an ihre Stelle. Der Begriff der Entschädigung bezieht sich auf materielle Ausgleichszahlungen für den Schaden an Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit von Opfern des Nationalsozialismus ein. 77 Bauer-Hack, Wochenzeitung Aufbau, 43. 78 Vgl. Moses, Post-War Claims, 70; siehe auch Robinson, Indemnifications, 244ff.; Goschler, Schuld und Schulden, 42ff., 46. 79 Vgl. Fiedler, Alliierte (Londoner) Erklärung, 206. Die Erklärung ist abgedruckt in: Foreign Relations of the United States (FRUS), 1943, Vol. 1, 443–444. Der volle Titel lautet: Inter-Allied Declaration Against Acts of Dispossession Committed in Territories Under Enemy Occupation or Control. Eine amtliche Übersetzung ist abgedruckt in Schmoller/Maier/Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts, 5f.

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ralen Staaten gerichtet war. Damit reagierten die Alliierten nicht allein auf das riesige Ausmaß der deutschen Raub- und Plünderungspolitik, sondern auch auf die strategische Bedeutung der neutralen Staaten für die deutsche Kriegführung und den Transfer von Vermögenswerten.80 Somit war die Restitutionsfrage eng mit der ökonomischen Kriegsführung verbunden. Speziell beim Gold und dessen Raub als Kriegsbeute, ist diese – wenn auch unbeabsichtigte – Überschneidung gut nachvollziehbar: Die militärische Notwendigkeit, Deutschland von kriegswichtigen Rohstoffen abzuschneiden, die ihr hauptsächlich qua Gold zugänglich waren, traf sich mit den Planungen zur Rückerstattung von Raubgold. Die Rohstoffgeschäfte Deutschlands waren also an einem neuralgischen Punkt mit den Goldgeschäften der Neutralen verbunden. Das sogenannte Safehaven-Programm, konzipiert im Frühjahr 1944, verbreiterte die Überschneidung von Restitutionsfrage und economic warfare, indem es den Wirtschaftskrieg durch eine neue Komponente ergänzte: Es sollte verhindern, dass Akteure und Ressourcen aus den Achsenmächten, speziell aus Deutschland, abflossen und sich dem Zugriff der Alliierten entzogen. Diese Werte sollten stattdessen für Reparationen, den Wiederaufbau sowie die Restitution an ihre legitimen Eigentümer genutzt werden. Außerdem sollte ein Wiedererstarken Deutschlands auf Grundlage von verschobenem Gold und anderen Vermögenswerten verhindert werden.81 Das besondere Merkmal in dieser Phase war also die Überschneidung von Restitutionsplänen und dem Wirtschaftskrieg. Dies führte zu einer seltenen Einmütigkeit der prinzipiell divergierenden Positionen des State Department und des Treasury Department was die Entschädigungs- und Restitutionsvorstellungen anging. Deren tiefe Differenzen traten dann aber bei der Erörterung der Frage nach der Behandlung Deutschlands in der Nachkriegszeit wieder deutlich zutage. Das State Department vertrat ein reparationspolitisches Gesamtkonzept, das die Entschädigung der NS-Opfer zwar mit einschloss, vor allem aber darauf ausgerichtet war, Deutschland ökonomisch nicht zu überlasten und damit nicht zu ruinieren. Andernfalls könne Deutschland nach Ansicht des State Department keine positive eigenständige Rolle in einer multilateralen und liberalen Nachkriegs-Weltwirtschaft spielen. Die Ansprüche müssten beschränkt werden, da es Grenzen der Finanzierbarkeit gäbe. Dies gelte nicht zuletzt auch für die Rückerstattung des geraubten jüdischen Eigentums. Das Treasury Department wiederum, speziell US-Finanzminister Henry Morgenthau, sah als zwingende Konsequenz aus dem deutschen Raub- und Vernichtungskrieg eine radikale Schwächung der ökonomischen Stärke Deutschlands, um einen anhaltenden Frieden zu sichern. Dabei war zwar die konsequente Entschädigung und die Restitution von Raubgütern nicht vorran80 Zur Rolle der neutralen Staaten für die deutsche Kriegswirtschaft siehe Boelcke, Goldpolitik, 292–309; und Homberger, Schweizerische Handelspolitik. 81 The Director of the Special Areas Branch, Foreign Economic Administration (Stone) to the Chief of the Eastern Hemisphere Division (Merchant), in: FRUS 1944, Bd. 2, 215f.

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giges Ziel, doch waren dies Teilaspekte der Nachkriegsplanungen des Treasury Department.82 In dem Memorandum „Entschädigung und Rückerstattung für staatenlose Personen“ plädierte ein enger Vertrauter Roosevelts, Isador Lubin, dafür, die Hilfe für die Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik aus deutschem Besitz zu finanzieren. Damit wurden zum ersten Mal deutsche Vermögenswerte im Ausland beansprucht, auch solche, die nicht aus Beutegut stammten.83 Dies zeigt exemplarisch, dass in US-Regierungskreisen die Frage nach der Entschädigung der NS-Opfer vorrangig als ein Problem der internationalen Auswirkungen der Verfolgung gesehen wurde, die sich nicht zuletzt in den immensen Flüchtlingsströmen zeigte. Ein Teil der Reparationsleistungen sollte also zur Lösung dieses Problems bereitstehen, womit jedoch nicht die Einsetzung der NS-Opfer in ihre alten Rechte abgedeckt wurde. Auf der Pariser Reparationskonferenz entschieden die Vertreter der alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs Ende 1945 über die Aufteilung der Reparationswerte. Angesichts der großen Zerstörungen in Europa legten sie fest, dass individuelle Entschädigungsforderungen nicht direkt an Deutschland gerichtet werden sollten, vielmehr hatten sich die Betroffenen an ihre eigenen Regierungen zu wenden, um Ansprüche gegenüber Deutschland durchzusetzen.84 An die neutralen Länder richtete sich ferner in Teil III des Abschlussdokuments die Aufforderung, in ihr Land transferiertes Raubgold zur Restitution freizugeben. Frankreich, Großbritannien und die USA wurden mit der Rückerstattung beauftragt, wozu im September 1946 die Tripartite Commission for the Restitution of Monetary Gold gegründet wurde. Der Gold-Pool bestand aus dem in Deutschland einschließlich der Goldmünzen gefundenen Gold sowie aus dem Zentralbanken-Gold, das in andere Länder transferiert worden war.85 Somit setzte sich eine Definition durch, die den Schwerpunkt auf die Restitution des monetären Goldes legte. Dies wirkte sich auf die Trennung von monetärem und nicht-monetärem Gold nachteilig aus, 82 Vgl. Morgenthau, Germany is our problem; Greiner, Morgenthau-Legende; siehe auch Memorandum Prepared in the Treasury Department, 1.9.1944. Suggested Post-Surrender Program for Germany, in: FRUS, The Conference at Quebec 1944, 86. Das Gegenkonzept wurde vom Postwar Programs Committee des Department of State im Memorandum „The Treatment of Germany“ vom 5.8.1944 verfasst, siehe FRUS 1944, Bd. 1, 312. 83 Bower, Gold, 127; Uhlig u. a. Tarnung, Transfer, Transit, 259; Bentner, Deutsches Vermögen, 11. 84 Holocaust Assets. Statement by Under Secretary of Commerce Stuart Eizenstat before the House Banking and Financial Services Committee, Washington DC, December 11, 1996, in: http://www.state.gov/www/regions/eur/961219eizen.html, 10. 06. 2006. 85 Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold, 12; Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (UEK), Nationalsozialismus, 443f.; Smith, Hitler’s Gold, 115; Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, 57.

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da in Deutschland Opfergold zu Goldbarren umgeschmolzen worden war. Dadurch war nicht-monetäres Gold als solches nicht mehr identifizierbar.86 An der ablehnenden Haltung der Neutralen wurde deutlich, dass die Durchführung der Restitution von Raubgold in separaten Verhandlungen geklärt werden musste. Die ersten exemplarischen Verhandlungen mit der Schweiz fanden in Washington statt und galten als Präzedenz für die anderen neutralen Länder. Diese Verhandlungen können als Markstein für die Nachkriegsbehandlung der Neutralen angesehen werden. Die West-Alliierten einigten sich 1946 mit der Schweiz auf 250 Millionen Franken für das Raubgold, zahlbar in Gold, sowie 50 Prozent des deutschen Vermögens in der Schweiz. Nach Einschätzung des US-Delegationsleiters Randolph Paul war dies das beste zu erzielende Ergebnis.87 Sehr viel distanzierter äußerte sich die französische Delegation. Sie beanstandete, dass die Alliierten damit sämtliche weitere Ansprüche aufgeben würden. Unter dem Druck der US-Delegation gaben die Franzosen jedoch nach und stimmten dem Abkommen zu.88 Bis zuletzt erkannte die Schweiz eine Rechtsgrundlage für die Rückerstattung des Goldes nicht an. Die Zahlung wurde daher offiziell als Beitrag für die „Befriedung und den Wiederaufbau Europas sowie die Versorgung zerstörter Gebiete“ deklariert.89 Der Ausgang der Verhandlungen war weit entfernt von der harten restitutionspolitischen Haltung der USA während des Krieges. Die Art und Weise der Einigung zwischen den Alliierten und der Schweiz trug die Merkmale eines politischen Vergleichs.90 Das Washingtoner Abkommen hatte also durchaus Vorbildcharakter und signalisierte die restitutionspolitische Weichenstellung für die Nachkriegszeit. Da die USA einen raschen Wiederaufbau des zerstörten Europas vorantreiben wollten, und der Kapitalbedarf für diese Aufgabe enorm war, stand die Restitution von monetärem Gold im Mittelpunkt der Verhandlungen in Washington. Die Interessen der individuellen Opfer wurden hingegen vernachlässigt. Die Restitutionsfrage war zu diesem Zeitpunkt durch Überlegungen bestimmt, in denen es primär um die Deckung des erlittenen Schadens von Staaten ging. So kommt Stuart Eizenstat zu dem Schluss, dass „neither the U.S. nor the Allies pressed the neutral countries 86 Siehe dazu auch das Kapitel 6.1. „Die Tripartite Gold Commission“. Um die Auseinandersetzung über Raubgold nach 1945 verstehen zu können, ist es notwendig, sich die Differenzierung dieses Begriffs zu vergegenwärtigen. Grundsätzlich wird in der Literatur zwischen monetärem und nicht-monetärem Raubgold unterschieden. Ersteres stammte aus Zentralbanken und war Teil der nationalen Währungsreserve eines Landes. Als nicht-monetäres Gold wird all jenes bezeichnet, das Privatpersonen bzw. Privatunternehmen gestohlen worden war. Dieses wird auch als Opfergold bezeichnet. Vgl. Unabhängige Expertenkommission, Goldtransaktionen, Bd. 16, 43f. 87 Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, 83. 88 Schiemann, Neutralität, 225–230; Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, 83. 89 Rings, Raubgold, 118f.; siehe auch Vincent, Gold der verfolgten Juden, 143. 90 Vischer, Rechtliche Aspekte, 50f.

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hard enough to fulfill their moral obligation to help Holocaust survivors“.91 So traf sich die strategische Ausrichtung der USA im Kalten Krieg an einem neuralgischen Punkt mit der Überzeugung der Schweiz, restitutionspolitisch nichts „wiedergutmachen“ zu müssen. In der Nachkriegszeit fand also ein tiefgreifender restitutionspolitischer Paradigmenwechsel statt. Dieses neue Paradigma hatte Vorrang vor einer resoluten Rückerstattungspolitik, wie sie während des Krieges konzipiert worden war. Die restitutions- und reparationspolitischen Vereinbarungen der USA und ihrer Verbündeten in der Kriegszeit hätten eine Grundlage geschaffen, geraubtes Eigentum integral nach dem Krieg zu restituieren, argumentiert Avi Beker.92 Als es aber bei den Nachkriegsplanungen um die Restitutionsvorstellungen ging, die in direkter Beziehung zu den vorhandenen Kriegsschäden standen, entwickelten sich Differenzen zwischen den Alliierten. Auch der beginnende Kalte Krieg und das Auseinanderbrechen der Kriegsallianzen führten zu einer neuen Gewichtung der Entschädigungs- und Restitutionsproblematik. In den osteuropäischen Ländern wurde der Fokus auf Verstaatlichungen gerichtet, Restitution von Privateigentum wurde nur marginal durchgeführt. In Westeuropa setzte sich ein Restitutionsmodell durch, das den Fokus auf die Interessen der einzelnen Nationalstaaten (also den Wiederaufbau) richtete, sowie die strategiepolitische Einbindung der Länder in die westliche Allianz (wie die ehemaligen Achsenmächte oder die Neutralen). Speziell Westdeutschland wandelte sich schnell vom Kriegsgegner zum „besetzten Verbündeten“, so die Formulierung von Hermann-Josef Rupieper.93 Schon in der zweiten Hälfte des Jahres 1946 wurde die Deutschlandpolitik der USA einer grundlegenden Revision unterzogen. Morgenthaus Vorstellungen und die Vertreter dieser Politik verloren zunehmend ihren Einfluss. „Es ist die Geschichte einer politischen Minderheit, die am Ende eines verheerenden Krieges nicht zur Tagesordnung übergehen will, sondern einen Streit über die Ursachen von Vernichtungspolitik und Gewalt anzettelt“, schreibt Bernd Greiner über die Morgenthau-Positionen und das Scheitern ihrer Vertreter im beginnenden Kalten Krieg.94 Der programmatische Artikel „The Sources of Soviet Conduct“ von George F. Kennan, einer detaillierteren Version des „Long Telegram“, das nach Robert L. Beisner einen „snapshot of Washington’s paradigm change in the winter of 1946“ darstellte95, belegte, wie sich die UdSSR langsam als Hauptgegner herauskristallisierte. Im Kontext dieser Transformationen setzten sich „realistische Interessen“ gegen „utopische Visionen“ in der Außenpolitik durch und nicht mehr Deutschland, sondern die UdSSR wurde 91 92 93 94 95

Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, ix. Beker, Plunder, 5 (Introduction). Siehe Reuther, Ambivalente Normalisierung, 9. Greiner, Morgenthau-Legende, 13. Beisner, Patterns of Peril, 338; vgl. Kennan, Sources of Soviet Conduct.

2.2. Die Entstehung des unfinished business

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in der US-Administration als das Hauptproblem angesehen.96 Die Kriegskoalition war unweigerlich zerbrochen und in US-Kreisen stand das Wort containment für die paradigmatische Neuorientierung des außenpolitischen Kurses der USA in der Nachkriegszeit. Im Kontext der strategischen Orientierungen der Nachkriegsjahre drängten insbesondere die USA zwar auf Zahlungen, gaben aber dem Imperativ der Finanzierbarkeit immer größeres Gewicht und setzten sich gegen Widerstände in der Zahlungsbereitschaft nicht konsequent durch. Je mehr sich der Kalte Krieg entwickelte und die Bundesrepublik vom Gegner zum Verbündeten wurde, ließ auch der restitutionspolitische Druck auf die Bundesrepublik nach. Ein Beispiel für diese Neuorientierung ist die Mitteilung des amtierenden Vorsitzenden der Alliierten Hochkommission am 14. Dezember 1951 an den Bundeskanzler, dass sich Bonn ab dem Rechnungsjahr 1952/53 auf einen Rüstungsetat von zehn Prozent des Bruttosozialprodukts einstellen müsse. Als Ausgleich setzten sich vor allem die USA für eine Politik der Schonung in den Bereichen Reparation und Restitution ein. Denn die USA wollten weder Entschädigungszahlungen noch Aufrüstung indirekt durch Anleihen finanzieren. Rüstungskosten hatten dabei Vorrang vor Entschädigungszahlungen.97 Das Londoner Schuldenabkommen von 1953 markiert den Übergang der alliierten Politik der Schwächung Deutschlands zur Politik der Schonung. Es macht deutlich, wie sich die Feindbilder des Zweiten Weltkriegs in der Nachkriegszeit verschoben hatten und in diesem Rahmen die Politikoptionen aus der Zeit des Krieges aufgegeben wurden. Die Westalliierten stimmten überein, dass die Verbindlichkeiten aus der Nachkriegswirtschaftshilfe sowie die deutschen Auslandsschulden aus der Vorkriegszeit einer vorrangigen Regelung bedurften. Die Bereinigung der deutschen Vorkriegsschulden hatte einen wichtigen Aspekt: Die westdeutsche Kreditwürdigkeit hing von der Bezahlung dieser noch ausstehenden Verpflichtungen ab.98 Als Hauptergebnis des Abkommens galt Artikel 5: In ihm war festgelegt, dass sich die Reparationsfrage erst wieder mit einem Friedensvertrag oder mit einem die Reparationsfrage endgültig regelnden und damit einen Friedensvertrag ersetzenden Abkommen stellen sollte.99 Individuelle Opfer des Nationalsozialismus außerhalb der Bundesrepublik konnten, da sie unter den Bereich der Reparationen fielen, ihre Forderungen nicht geltend machen und waren damit von Entschädigungsleistungen kategorisch ausgeschlossen.100 Gewinner des Londoner 96 Greiner, Morgenthau-Legende, 205. 97 Körner, Antrag, 43f. 98 Brodesser u. a., Wiedergutmachung, 24f.; vgl. auch die Darstellung des deutschen Verhandlungsführers: Abs, Entscheidungen; zu den deutschen Auslandsanleihen von 1924– 1945 vgl. Glasemann, Auslandsanleihen, 3–23. 99 Detailliert zum Artikel 5 als Ausschlussnorm für Reparationsforderungen siehe Pawlita, Wiedergutmachung, 397–400. 100 Interview Burt Neuborne.

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2. Zur Vorgeschichte des unfinished business

Schuldenabkommens waren, abgesehen von der Bundesrepublik, alle Staaten, gegenüber denen Westdeutschland Vor- und Nachkriegsschulden hatte. Zu den Verlierern gehörten jene Länder, die große Kriegsschäden erlitten hatten, sowie alle NS-Opfer, die ihren Wohnsitz nicht in der Bundesrepublik Deutschland hatten und somit auf zwischenstaatliche Entschädigungsabkommen angewiesen waren, da das Bundesentschädigungsgesetz allein auf NS-Opfer mit Wohnsitz in Deutschland ausgerichtet war.101 Das Londoner Schuldenabkommen verdeutlicht also die Tendenz, die Klärung offener materieller Fragen des Zweiten Weltkriegs einer pragmatischen Realpolitik unterzuordnen, die sich von den neuen Strategieoptionen des Kalten Krieges leiten ließ. Es wurde zweitrangig, die im Zuge des Zweiten Weltkriegs entstandenen Schäden tatsächlich zu begleichen. Man kann diese Regelungen als faktisches Moratorium für Reparationsfragen verstehen, durch die individuelle Opfer gegenüber den Nationalstaaten tendenziell benachteiligt wurden. Neben der wirtschaftlichen Rehabilitierung Westdeutschlands kam das Abkommen aber auch einer moralischen Rehabilitierung gleich. Damit stellt es ein wichtiges Moment der Westintegration dar. Trotz aller Paradigmenwechsel im beginnenden Kalten Krieg blieb die Entschädigung der NS-Opfer durch die Bundesrepublik Deutschland eine zentrale Forderung der Westalliierten. Die Entschädigungspolitik war eine Voraussetzung für die deutsche Integration in die westliche Staatengemeinschaft und galt als Prüfstein der Demokratie. Damit war sie nicht zuletzt auch Voraussetzung für eine irgendwann wiederzuerlangende Souveränität. Ein Abkommen mit Israel am 10. September 1952 über die Zahlung von drei Milliarden DM an Israel sowie 450 Millionen DM an die Claims Conference hatte daher sowohl große historische Bedeutung wie auch eine enorme außenpolitische Relevanz. Parallel dazu verpflichtete sich die Bundesrepublik, in einem zukünftigen Bundesentschädigungsgesetz die bestehenden länderspezifischen Regelungen auszuweiten.102 Dieser Vertrag belegt, dass die Entschädigungspolitik gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus insbesondere im Kontext der Westintegration ein elementarer Bestandteil der westdeutschen Nachkriegspolitik war. Speziell in den USA wurde der Vertrag sehr positiv rezipiert und hatte einen großen moralisch-politischen Nutzen für die Westintegration. Das Abkommen offenbarte aber gleichzeitig ein wichtiges entschädigungspolitisches Charakteristikum: Mit der Zahlung von Entschädigungsleistungen ging von Westdeutschland die Forderung an Israel einher, auf weitere finanzielle Ansprüche zu verzichten. Anvisiert wurde ein materieller Schlussstrich. Adenauer erklärte in der Ratifizierungsdebatte, dass das 101 Die Niederlande hatten bei den Verhandlungen darauf gedrungen, dass individuelle Entschädigungsansprüche nicht unter den Reparationsaufschub fallen sollten. Dies ist von den Westalliierten und der Bundesrepublik aber abgelehnt worden. 102 Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen, in: Auswärtiges Amt (Hg.), Verträge, 279; Huhn, Wiedergutmachungsverhandlungen, 68.

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Abkommen mit Israel und das geplante Bundesentschädigungsgesetz der „Abschluss eines für jeden Deutschen traurigsten Kapitels deutscher Geschichte“ sei.103 Der materielle Schlussstrich sollte also auch moralisch die Vergangenheit für beendet erklären. Die USA gelten als die Macht, die das Thema Entschädigung und Restitution am vehementesten auf die Tagesordnung brachte.104 Die ersten Schritte auf dem Gebiet der Entschädigung der NS-Opfer waren maßgeblich von alliierter Seite, speziell den USA, auf den Weg gebracht worden. Im sogenannten „Überleitungsvertrag“ vom Mai 1952 wurde dann von den Westalliierten als zentraler Punkt zur Erlangung der Souveränität Westdeutschlands und der Aufhebung des Besatzungsstatuts festgelegt, dass die Bundesrepublik für die Handlungen des Deutschen Reiches einstehen und sich zu einer Vereinheitlichung der Entschädigungsgesetzgebung auf dem Mindeststandard des USZonen-Gesetzes und der Übernahme des alliierten Rückerstattungsprogramms verpflichten musste. Die drei alliierten Hochkommissare appellierten an die Bundesregierung, eine großzügige Regelung der Entschädigung für ausländische NS-Opfer zu schaffen.105 Die durch den Überleitungsvertrag konzipierte Entschädigungsgesetzgebung in der Bundesrepublik umfasste im Wesentlichen das Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BerG) von 1953, das Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) von 1956, sowie das Bundesrückerstattungsgesetz von 1957 und das BEG-Schlussgesetz von 1965.106 Mit dieser Gesetzgebung bekam der Entschädigungsanspruch eine öffentlich-rechtliche Fassung. Und zugleich wurde damit die ursprünglich zivilrechtlich begründete Schadensersatzpflicht des Staates von einer einklagbaren privatrechtlichen Schuld zu einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung. Dies vereinfachte den Entscheidungsprozess, da nicht jeder einzelne Fall auf dem Klageweg geklärt werden musste. Gleichzeitig wurde die Entschädigung aber auch zum Objekt politischer Abwägungen. Entgegen der rechtlichen Position der völligen Schadloshaltung konnten nun Leistungen unter Berücksichtigung anderer staatsrechtlicher Verpflichtungen begrenzt werden. Ebenso wurde der gesetzgebenden Politik hiermit die Definitionsmöglichkeit über die Entschädigungsberechtigung von Opfern des Nationalsozialismus gegeben. Dies hat nicht nur zu einem Ausschluss von NS-Opfern aus der Entschädigung geführt (was eine der Hauptursachen war, warum in den neunziger Jahren unter dem Schlagwort des unfinished business auch das Thema Entschädigung wieder aktuell wurde), sondern ebenso zu einer struk103 Zit. n. Goschler, Schuld und Schulden, 139. 104 Vgl. Eck, Wiedergutmachung, 16; Ausführlicher in Kreikamp, Entstehung des Entschädigungsgesetzes. 105 Vgl. FRUS 1951, Bd. 3.1, 1205; Bd. 3.2, 1532f. 106 Dazu u. a. Brodesser u. a., Wiedergutmachung; Pawlita, Wiedergutmachung; Goschler, Schuld und Schulden.

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2. Zur Vorgeschichte des unfinished business

turellen Benachteiligung in Bezug auf Leistungszahlungen im Vergleich zu anderen Entschädigungs- oder Versorgungsberechtigten wie z. B. den Lastenausgleichsempfängern oder den ehemaligen Beamten des NS-Staates. Die bundesdeutsche Entschädigungsgesetzgebung schloss nicht nur viele Opfergruppen aus, sondern nahm durch Wohnortklauseln und enge Ausschlussfristen vielen Verfolgten die Möglichkeit, ihre Ansprüche überhaupt geltend zu machen. Dies schuf eine große Gruppe Nicht-Entschädigter und offenbarte ein generelles Problem der Gesetzgebung: Die Anerkennung von NS-Opfern spiegelte oftmals einen tradierten gesellschaftlichen Wertekanon wider. Die Einschätzung, was als NS-Verbrechen angesehen wurde, war immer auch ein Spiegelbild gesellschaftspolitischer Normvorstellungen. Die sogenannte „Diplomatenklausel“ legte gleichzeitig fest, dass Antragssteller aus den Ländern, zu denen die Bundesrepublik zur Zeit der Antragsfristen nach dem Bundesentschädigungsgesetz keine diplomatischen Beziehungen unterhielt, von Zahlungen ausgeschlossen waren.107 Frankreich und Großbritannien forderten im Juni 1956 mit sechs weiteren westeuropäischen Staaten von Westdeutschland die Entschädigung ihrer NS-Verfolgten. Zwischen 1959 und 1964 kam es daraufhin zu elf Globalabkommen in einer Gesamthöhe von 972 Millionen DM.108 Das Instrument der Globalabkommen zeigte bereits hier das Interesse auf deutscher Seite, Kosten und Ausgaben zu deckeln, während die Verteilung an die Opfer dem jeweiligen Land, an das die Zahlungen gingen, oblag. Im Zuge der „neuen Ostpolitik“ entwickelte sich bezüglich der bisher von jeglichen Entschädigungsleistungen ausgeschlossenen osteuropäischen Länder ein Modell der „indirekten Wiedergutmachung“, dessen Grundmuster in der sogenannten Brioni-Formel zusammengefasst war: langfristige Zusammenarbeit auf wirtschaftlichen und anderen Gebieten, sowie günstige Kredite für die osteuropäischen Staaten. Konkret hieß das: Aufbauhilfe statt direkter Entschädigung.109 Dieses indirekte Entschädigungsmodell sollte sich durchsetzen, so dass sich zwar zwischenstaatlich die Lage entspannte, die NSGeschädigten selbst aber nicht umfassend entschädigt wurden. Erst in den achtziger Jahren kam es unter dem Schlagwort der „vergessenen Opfer“ zu einer gesellschaftspolitischen Debatte um die Defizite der bundesdeutschen Entschädigungspraxis.110 Im Zentrum dieser Auseinanderset107 Die USA haben immer herausgestrichen, dass hinter den „Eisernen Vorhang“ kein Geld fließen dürfe. Vgl. Arning, Späte Abrechnung, 11, 24. 108 Siehe hierzu Féaux de la Croix, Ergänzungen der Entschädigung. 109 Arning, Späte Abrechnung, 35. 110 Zu den „vergessenen Opfern“ Jasper, Die disqualifizierten Opfer; Spitta, Entschädigung für Zigeuner?; siehe auch Anerkennung und Versorgung aller Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Dokumentation parlamentarischer Initiativen der GRÜNEN in Bonn und der Fraktion der Alternativen Liste in Berlin, hg. v. DIE GRÜNEN im Bundestag u. Fraktion der Alternativen Liste Berlin, Berlin 1986; Die Bundesrepublik Deutschland und die Opfer des Nationalsozialismus. Tagung vom 25.–27. 11. 1983 in der evangelischen Akademie Bad Boll, Bad Boll 1984; Wiedergutgemacht? NS-Opfer – Opfer der

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zung standen all jene NS-Opfer, die unter den bisherigen Regelungen keine Berücksichtigung fanden. Dies waren unter anderem Roma und Sinti, Zwangssterilisierte, Homosexuelle, Kommunisten, Kriegsdienstverweigerer, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und sogenannte „Asoziale“ und „Kriminelle“. Als Resultat der öffentlichen Diskussion bewilligte der Bundestag 1987 für eine „abschließende Härteregelung“ 300 Millionen DM. Außerdem wurden verschiedene Stiftungen auf Länderebene gegründet, die Härtefälle abfedern sollten.111 Das Bundesentschädigungsgesetz als solches wurde gleichwohl nicht neu konzipiert. In Bezug auf Westdeutschland waren die Hauptgründe für die Entstehung des entschädigungspolitischen unfinished business der Fokus auf deutsche NS-Opfer, was sich in der Wohnsitzklausel äußerte, sowie die Stichtagregelungen. Die fortgesetzte Diskriminierung von Menschen nach 1945 führte zu den sogenannten „vergessenen Opfern“. Ausländische NS-Opfer wurden vor allem durch das Londoner Schuldenabkommen daran gehindert, ihre Ansprüche geltend zu machen. Die Unterscheidung zwischen kriegsbedingten Schäden und NS-Unrecht beim Überleitungsvertrag schloss weitere Opfer (hier vor allem die sehr große Gruppe der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter) von Zahlungen aus. Auch aus Gründen der Nationalität wurden viele NSOpfer ausgeklammert. Wegen des Kalten Krieges wurde Opfern in Osteuropa die Entschädigung verwehrt. Ferner half ein Geschichtsnarrativ, das weniger Gewicht auf die deutschen Verbrechen als auf einen vermeintlichen eigenen Opferstatus legte, systematische Defizite in den bundesrepublikanischen Entschädigungsgesetzen zu perpetuieren. Speziell in Bezug auf die Judenvernichtung dominierte ein gesellschaftliches Bild, das die Verantwortung allein dem Staat bzw. der NSDAP zusprach, während sich die deutsche Gesellschaft in einer passiven Rolle sah. Ähnlich argumentierte die Wirtschaft: Gemäß der Anfang der fünfziger Jahre entwickelten „Werkzeugtheorie“ hatte die Wirtschaft lediglich auf Anweisung des nationalsozialistischen Staates gehandelt und hatte so keine eigene Verantwortung für die Geschehnisse.112 Die DDR wiederum sah sich vom gesellschaftspolitischen Selbstverständnis im Gegensatz zur BRD explizit nicht in der historischen Kontinuität des Deutschen Reiches und dementsprechend auch nicht für deren finanzielle Erblast verantwortlich. Eine entscheidende strukturelle Weichenstellung war die Einbettung der Entschädigungs- und Restitutionsüberlegungen in den allgemeinen Kontext der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft. Bereits sehr früh wurde das bürgerliche Prinzip der Wiederherstellung verlorener Rechte und Besitzansprüche durch das einer sozialen Privilegierung und Gesellschaft noch heute, hg. v. d. Hamburger Initiative „Anerkennung aller NS-Opfer“, Hamburg 1996. 111 Goschler, Schuld und Schulden, 350. 112 Vgl. ebd. 206.

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2. Zur Vorgeschichte des unfinished business

Grundversorgung ersetzt.113 Vor diesem Hintergrund wurden fortwährend Zahlungen an Israel oder die Claims Conference verweigert. Die jüdischen Gemeinden erhielten für den Verzicht auf Restitutionsansprüche einen Fürsorgeanspruch, der ihre laufenden Kosten finanzierte.114 Anspruchsberechtigt waren allein jene Menschen, die auf dem Staatsgebiet der DDR lebten und einer „antifaschistisch-demokratischen Haltung“ entsprachen. Während einerseits speziell jüdische Verfolgte als NS-Opfer anerkannt wurden, ebenso wie Sinti und Roma, sofern sie vom Arbeitsamt erfasst waren, sowie Zwangssterilisierte, so wurden andererseits, ähnlich den gesellschaftlichen Ausschlusskriterien in der Bundesrepublik, Homosexuelle, Euthanasie-Opfer und die sogenannten Fremdarbeiterinnen und Fremdarbeiter bei Zahlungen nicht berücksichtigt. Wie in der Bundesrepublik belegt dies, wie die entschädigungspolitische Ausrichtung immer gesellschaftliche Grundpositionen bzw. Perspektiven spiegelte und sich nicht allein nach der Verfolgungswirklichkeit richtete. Die Entschädigungs- und Restitutionspolitik folgte in der Nachkriegszeit, besonders auf US-amerikanischer Seite, der Logik übergeordneter geostrategischer Politikoptionen. Dadurch erklärt sich, warum sich in der paradigmatischen Neuorientierung der Nachkriegszeit auch die Bedeutung der Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NS-Regimes und seiner Kollaborateure veränderte. Die Frage der Restitution und der Klärung von Problemen, die aus dem Zweiten Weltkrieg und besonders aus der nationalsozialistischen Raubund Vernichtungspolitik erwuchsen, wurde schnell sekundär. Wer von den Verbrechen profitiert hatte, hielt bereits früh rigoros an den Vermögensverschiebungen fest. Kaum jemand wollte sich damit auseinandersetzen oder war zu einer freiwilligen Rückgabe oder Entschädigung bereit. Lieber ignorierte man das Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen, wandte sich der Zukunft zu und kehrte zu einem business as usual zurück. Man wollte die Kosten niedrig halten, Präzedenzfälle vermeiden. Dies führte dazu, dass auch mehrere Jahrzehnte nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes viele Opfer weder ihre geraubten Vermögenswerte zurückerhalten hatten noch materiell entschädigt worden waren. Weil Opfergruppen systematisch ausgeschlossen wurden, bildete sich heraus, was schließlich als Schlagwort vom unfinished business in die öffentliche Debatte eingehen sollte. Der nachlassende Druck der Alliierten begünstigte die Entstehung von Geschichtsnarrativen und nationalen Nachkriegsmythen, die erfolgreich eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Themen verhinderten. Dies betraf nicht allein die ehemaligen Achsenmächte, sondern auch die Neutralen und von den Achsenmächten im Krieg besetzten Länder. Erst seit den späten siebziger Jahren kam 113 Eine Darstellung dieser Überlegungen aus ostdeutscher Sicht bietet Vogel, Wiedergutmachung faschistischen Unrechts; generell Kessler/Peter, Wiedergutmachung. 114 Siehe Mertens, Davidstern, 243; siehe auch Wolffsohn, World Jewish Congress.

2.2. Die Entstehung des unfinished business

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es auf einer wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Ebene zu den ersten Anzeichen einer Krise der nationalen Nachkriegsmythen.115 Diese Ansätze einer kritischen Reflektion des nationalen Geschichtsbildes wurden jedoch erst in den neunziger Jahren geschichtsmächtig und führten dann zu einer Auseinandersetzung mit den restitutions- und entschädigungspolitischen Defiziten.

115 Judt, Europas Nachkriegsgeschichte, 3–11; Lagrou, Victims of Genocide; Smith, Hitler’s Gold; Rousso, Vichy Syndrom.

3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg: Ein Paradigmenwechsel Durch den Zusammenbruch der osteuropäischen Staaten wurde knapp ein halbes Jahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg der Themenkomplex Restitutions- und Entschädigungszahlungen wieder aktuell. Die dadurch ausgelösten Veränderungen führten zu einem Wiederaufleben der Frage, inwieweit die Opfer nationalsozialistischer Verbrechen in der Nachkriegsordnung entschädigt sowie die geraubten Vermögenswerte restituiert worden waren. Da diese Fragen lange „auf Eis gelegt waren“, bezeichnete Laurence Weinbaum diesen Prozess als „defrosting history“.1 Während die Bundesrepublik Deutschland vor allem mit Entschädigungs- und Reparationsansprüchen konfrontiert wurde, die sie in der Zeit des Kalten Krieges mit Verweis auf das Londoner Schuldenabkommen und die Territorialstaatsklausel blockiert hatte, stellte sich mit der Reprivatisierung in den Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts hauptsächlich die Frage nach dem Eigentum, das während des Krieges von den Deutschen geraubt und nach 1945 verstaatlicht worden war. Von der nationalsozialistischen Raubpolitik war vor allem die jüdische Bevölkerung betroffen, das Problem der Restitution verstaatlichten Eigentums war aber viel breiter und betraf deutlich größere Bevölkerungsgruppen. Ausgelöst wurde der Konflikt um Restitution und Entschädigung durch die Debatte um die property claims in Osteuropa; in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, mit dem Übergreifen auf Westeuropa, wurden die Rückerstattungsauseinandersetzungen dann zu einem globalen Thema. Im Folgenden soll daher ausgeführt werden, wie die Themen Entschädigung und Restitution wieder an politischer Relevanz gewannen. Dabei wird speziell herausgearbeitet, wie sich internationale jüdische Organisationen sowie diverse Akteure in den USA verhielten und so zu einem Erstarken der Debatte um ungeklärte Vermögenswerte beitrugen. Es handelt sich hierbei um einen zentralen – wenngleich auch oft ignorierten – Bestandteil der Debatte um Holocaust-era Assets, ohne die es nicht zu der medienwirksamen Ausweitung der restitutionspolitischen Auseinandersetzung auch auf Westeuropa in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre gekommen wäre.

1

Vgl. Weinbaum, Defrosting History.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

3.1. Die Entschädigungsfrage Das zentrale staatsrechtliche Dokument war der Zwei-Plus-Vier-Vertrag, der 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und den ehemaligen Alliierten USA, Großbritannien, Frankreich und der UdSSR abgeschlossen wurde. Der Zwei-Plus-Vier-Vertrag gilt als friedensvertragsähnliches Abkommen. Damit wurde prinzipiell die Aufschubklausel aus dem Londoner Schuldenabkommen für Reparations- und damit auch indirekt für Entschädigungsfragen obsolet.2 Trotzdem war es der Bundesregierung gelungen, die Thematisierung der Reparationsfrage bei den Verhandlungen zu verhindern.3 Bezüglich der reparationspolitischen Konsequenzen geriet die nunmehr greifbare Möglichkeit eines förmlichen Friedensschlusses für die deutsche Regierung zu einem politischen Alptraum. Es war daher für sie von großer Bedeutung, dass sie die US-Regierung für die Idee gewinnen konnte, keinen förmlichen Friedensvertrag abzuschließen. Damit konnten die Bereiche Grenz-, Vermögens-, Eigentums-, oder auch Entschädigungsfragen erst einmal aus den Verhandlungen ausgeklammert werden.4 Die Kohl-Regierung versuchte, den Status quo der Nachkriegszeit aufrechtzuerhalten, der über Jahrzehnte eine Regelung der offenen Entschädigungsfragen verhindert hatte. Entschädigungsverpflichtungen in der ehemaligen DDR Mit dem Einigungsvertrag 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR stellte sich die Aufgabe, Entschädigungszahlungen für die Opfer des Nationalsozialismus rechtlich anzugleichen. Seitdem setzte sich die Conference on Jewish Material Claims Against Germany (kurz: Claims Conference) unter ihrem Präsidenten Israel Miller für eine Ausdehnung der Leistungen auf die durch die bisherigen Regelungen benachteiligten Opfer ein. Das US-Außenministerium unterstützte die Forderungen der Claims Conference, und Außenminister James A. Baker hatte sich mehrfach bei seinem 2 3

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Siehe hierzu das Kapitel 2.2. „Die Entstehung des restitutions- und entschädigungspolitischen unfinished business in der Kriegs- und Nachkriegszeit“. Dazu Dokumente zur Deutschlandpolitik, Deutsche Einheit; Brodesser, Fehn, Franosch und Wirth versuchen zu begründen, warum der Zwei-Plus-Vier-Vertrag den Weg für Reparationen nicht öffnet. Siehe Brodesser u. a., Wiedergutmachung, 186ff. Cornelius Pawlita weist jedoch darauf hin, dass ein ausdrücklicher Verzicht auf weitere Reparationsleistungen nicht in das Abkommen aufgenommen wurde. Siehe Pawlita, Wiedergutmachung, 468f. Ebd., 430. Ob der Zwei-Plus-Vier-Vertrag einen De-facto-Friedensvertrag darstellt, wurde kontrovers diskutiert. Nicht allein politischer Druck aus dem Ausland, sondern auch die Rechtsprechung deutscher Gerichte in den neunziger Jahre legten jedoch die Sichtweise nahe, es handele sich hierbei um einen De-facto-Friedensvertrag mit den daraus resultierenden reparationspolitischen Verpflichtungen.

3.1. Die Entschädigungsfrage

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deutschen Amtskollegen dafür stark gemacht, dass finanzielle Ansprüche von NS-Verfolgten ausreichend berücksichtigt werden sollten. In Artikel 2 des Einigungsvertrags verpflichtete sich das vereinigte Deutschland, eine gerechte Entschädigung für NS-Opfer zu gewährleisten und Härtefallleistungen an jene Opfer zu zahlen, die bisher keine oder nur geringe Leistungen erhalten hatten.5 Aus Sorge, mit einer erneuten Öffnung der seit 1969 abgelaufenen Anmeldefristen für das Bundesentschädigungsgesetz einen Präzedenzfall zu schaffen, wurde den Beziehern sogenannter Ehrenpensionen, die als Anerkennung eines Opferstatus galten, in der DDR ein Bestandsschutz ihrer Leistungen garantiert. Diese Pensionen wurden jedoch 1992 durch das Entschädigungsrentengesetz ersetzt, durch das nun Verfolgte und Widerstandskämpfer eine einheitliche Rente von 1.400 DM erhielten.6 Im Oktober 1992 unterzeichneten die Claims Conference und das Bundesfinanzministerium eine Vereinbarung über einen Härtefonds für jüdische NS-Opfer über 200 Millionen DM. Da dem Härtefonds jedoch die Anerkennungsrichtlinien von 1980 zugrunde lagen, konnten diese Gelder nur an NSOpfer in westlichen Ländern ausbezahlt werden. Hilfsbedürftige jüdische Opfer in osteuropäischen Ländern blieben von diesen Zahlungen weiterhin ausgeschlossen. Hintergrund dieser Entscheidung war die Sorge der Bundesregierung, nicht-jüdische NS-Opfer in Osteuropa, speziell ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, könnten ebenfalls Leistungen beanspruchen.7 Globalabkommen und osteuropäische Entschädigungsforderungen Die systematische Ignorierung der osteuropäischen Entschädigungsforderungen durch die bundesrepublikanische Entschädigungsgesetzgebung während der bipolaren Weltordnung führte in den neunziger Jahren zu vermehrten Forderungen. Die weltpolitischen Veränderungen bargen für die Entschädigungspolitik großen Sprengstoff. Die Bundesrepublik stimmte daher – ähnlich wie nach dem Londoner Schuldenabkommen gegenüber westeuropäischen Staaten – der Gründung sogenannter Versöhnungsstiftungen in Osteuropa zu.8 Auch die Claims Conference und das American Jewish Committee setzten vor 5 6 7 8

Vgl. Vereinbarung zwischen der BRD und der DDR. Dazu Saathoff, Ehrenpension. Goschler, Schuld und Schulden, 444. 1991 wurde ein Abkommen mit Polen geschlossen, 1992 mit der Russischen Föderation, der Republik Belarus und der Ukraine. Litauen, Lettland und Estland haben zwischen 1995 und 1998 ebenfalls Pauschalbeträge erhalten. 1996 wurden vom Bundestag Gelder für Stiftungslösungen mit Albanien, Bulgarien, Rumänien, der Slowakei, Ungarn und den Nachfolgestaaten Jugoslawiens genehmigt. 1997 wurde der sogenannte deutsch-tschechische Versöhnungsfond gegründet.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

dem Hintergrund einer andauernden Benachteiligung osteuropäischer jüdischer NS-Opfer deren Entschädigung auf ihre politische Agenda.9 Sowohl diplomatischer wie auch öffentlicher Druck auf die Bundesregierung führten letztlich Anfang 1998 zu einer Vereinbarung zwischen der Claims Conference und der Bundesrepublik über die Bereitstellung eines Härtefonds für notleidende jüdische NS-Opfer nun auch in Mittel- und Osteuropa.10 Damit sollte jene „historic anomaly“ (Department of State)11 gelindert werden, dass NSOpfer allein wegen ihres Wohnsitzes keine Entschädigungszahlungen erhalten hatten.12 Das Hauptaugenmerk lag dabei weniger auf der direkten Entschädigung, als vielmehr auf dem Aufbau einer demokratischen Ordnung sowie einer marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaft und erinnerte somit konzeptionell stark an die Politik der Brioni-Formel.13 Die Bundesregierung versuchte, den Komplex Entschädigungszahlungen abschließend zu behandeln und eine grundsätzliche Neueröffnung der Reparationsfrage als Ganze zu verhindern. Mit der Bereitstellung finanzieller Mittel auf humanitärer Grundlage erkannte die Bundesrepublik nämlich keine Rechtsverbindlichkeit an. Neben den Globalabkommen mit osteuropäischen Ländern wurde in den neunziger Jahren auch ein Globalabkommen zwischen der Bundesrepublik und den USA abgeschlossen. Ausgehend von einem Präzedenzfall wurden nun die Weichen gestellt, um auch NS-Verfolgte in den USA zu entschädigen. Dieses Abkommen basiert auf den Entschädigungsforderungen von Hugo Princz, der 1942 als amerikanischer Jude in der ehemaligen Tschechoslowakei von der SS gefangen genommen und deportiert worden war. Seit den fünfziger Jahren hatte er als einziger Überlebender seiner Familie Entschädigungszahlungen beantragt, fiel jedoch aufgrund seiner Staatsbürgerschaft durch die Zulassungskriterien.14 Obwohl sich seit 1983 alle US-Regierungen 9 Vgl. Interview mit Rabbi Andrew Baker. 10 Vgl. Goschler, Schuld und Schulden, 448. 11 So das Department of State über den Befund, dass Überlebende in Israel und im Westen Entschädigungszahlungen bekommen hatten, in Osteuropa jedoch nicht, in: „Official Informal“, 22. März 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 2 of 3, JI 110. 12 Siehe hierzu Goschler, Schuld und Schulden, 431ff.; allgemein Barwig u. a. (Hg.), Entschädigung; zur gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung siehe Winkler (Hg.), Stiften gehen; zur Position der USA siehe Eizenstat, Foundation Initiative. Dass während des Kalten Krieges keine Entschädigungszahlungen an NS-Opfer in Osteuropa gezahlt wurden, entsprach dem Konsens in den westlichen Nachkriegsgesellschaften, den osteuropäischen Ländern keine Devisen zukommen zu lassen. Siehe „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 22, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 3. 13 Goschler, Schuld und Schulden, 434. Zur Brioni-Formel siehe das Kapitel 2.2. „Die Entstehung des restitutions- und entschädigungspolitischen unfinished business in der Kriegs- und Nachkriegszeit“. 14 Siehe „Summary of facts concerning Hugo Princz’ claim for reparation“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HA 1 of 1, HA 01.

3.1. Die Entschädigungsfrage

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mit diplomatischen Demarchés für eine Lösung eingesetzt hatten, beharrte die Bundesrepublik auf ihrem Rechtsverständnis. Im März 1992 verklagte Princz die Bundesrepublik schließlich vor US-Gerichten. Trotz der Staatenimmunität wurde die Klage zunächst gerichtlich anerkannt. Erst das Berufungsgericht des District of Columbia wies in zweiter Instanz die Klage unter Verweis auf den Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA) ab und erkannte die Staatenimmunität der Bundesrepublik Deutschland an.15 Das State Department drängte die Bundesrepublik dennoch, eine politische Lösung zu suchen, und warnte vor dem „potential political fallout“.16 Die juristische Entscheidung fand vor dem Hintergrund einer Auseinandersetzung um zwei Gesetzestexte im Senat und im Repräsentantenhaus statt, die vorsahen Opfer von Menschenrechtsverletzungen juristisch zu stärken. Die Staatenimmunität sollte aufgeweicht werden, um die Verfolgung von Straftaten gegen US-Bürger in anderen Ländern vor US-Gerichten zu ermöglichen. Die US-Regierung opponierte gegen diese Gesetzesänderung, denn sie sah nicht allein eine Flut von Gerichtsverfahren auf die USA zukommen, sondern im Fall Princz auch eine ernsthafte diplomatische Verstimmung mit der Bundesrepublik.17 Ihre Sorge galt besonders einem Gesetzentwurf des demokratischen Kongressabgeordneten Romano Mazzoli. Dieser war speziell auf die Bundesrepublik zugeschnitten und visierte die Beschlagnahme von deutschen Vermögenswerten in den USA an, um offene Entschädigungsforderungen zu begleichen.18 Im Spannungsverhältnis von außenpolitischen Interessen und dem Entschluss, NS-Opfern eine Entschädigung zukommen zu lassen, war der Fall Princz nicht allein ein Beispiel für das große Interesse der USA an Restitutions- und Entschädigungsfragen. Er steht auch grundsätzlich für die Auseinandersetzung um die Aufweichung der Staatenimmunität im Zuge einer internationalen Durchsetzung von Menschenrechten. Nach der Abweisung seiner Klage bekam Hugo Princz eine Entschädigung aus dem Artikel 2 Programm von der Bundesrepublik zugesprochen, die er jedoch mit der Begründung ablehnte, er bestehe auf einer Zahlung, die der jener Überlebenden gleichkomme, die in den fünfziger Jahren entschädigt worden waren.19 Er weigerte sich prinzipiell, die Diskriminierung von NS15 Vgl. „D.C. Circuit Ruling in Princz Case“, 6. Juli 1994, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 1 of 2, HF 012 b. 16 Ebd. 17 Ebd.; Bettauer, Ronald J., „Keynote Address – The Role of the United States Government In Recent Holocaust Claims Resolution. Stefan A. Riesenfeld Symposium 2001. March 8-9, 2001, Berkeley, California“, LOC, Eizenstat-Papers, Folder Final Manuscript Research, Paxton Box 25. Ronald J. Bettauer agierte als Deputy Legal Adviser des Department of State. 18 „Hugo Princz and Amendment of the Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA)“, 2. November 1994, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 27, Folder LD 1 of 1, LD 9. 19 „Hugo Princz v. The Federal Republic Of Germany“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HA 1 of 1, HA 02.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

Opfern aufgrund der Territorialstaatsklausel zu akzeptieren. Seit Mitte 1993 wurde Hugo Princz dann von der Anwaltskanzlei „Powell, Goldstein, Frazer & Murphy“ juristisch beraten. Die Leitung des Falls hatte Stuart Eizenstat, bis er in die Clinton-Regierung wechselte und seine Anwaltstätigkeit ruhen ließ. Ohne Honorar, also pro bono, entwarfen sie eine Eskalationsstrategie, die über die Einbeziehung der Medien, des US-Kongresses und der Regierung systematisch Druck auf die deutsche Regierung auszuüben versuchte.20 Es zeigten sich bereits hier Ansätze jener Handlungsstrategie, die für die Restitutionsauseinandersetzungen mit westeuropäischen Ländern in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre charakteristisch werden sollte. Der Ansatz erwies sich als erfolgreich und erhielt breite politische Unterstützung, so dass im September 1995, unabhängig von einer Klärung der Frage der Staatenimmunität, ein Globalabkommen über drei Millionen DM abgeschlossen wurde. Die Summe war für alle zu der Zeit bekannten USamerikanischen NS-Opfer bestimmt, die noch keine Entschädigung erhalten hatten. Eine zweite Verhandlungsrunde für weitere bis dato nicht erfasste NSOpfer mit amerikanischer Staatsbürgerschaft war vorgesehen. Dies führte 1998 zu einem Zusatzabkommen über weitere 34,5 Millionen DM.21 Die frappierenden Unterschiede zwischen den vereinbarten Beträgen in den osteuropäischen Globalabkommen und dem Abkommen mit den USA offenbarten deutlich die unterschiedliche Stärke der Verhandlungspositionen. Diese Differenz zeigt, wie sehr die politischen Rahmenbedingungen die finanziellen Ergebnisse der Entschädigungsverhandlungen bestimmten. Sie offenbart gleichzeitig, dass es in der Bundesrepublik nur eine geringe Bereitschaft gab, den nicht entschädigten NS-Opfern ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende Leistungen zu gewähren, die über den notwendigen Minimalzahlungen lag. Das Ende der bipolaren Weltordnung hatte jedoch grundsätzlich zu einem Paradigmenwechsel geführt, infolge dessen die Klärung offener Entschädigungszahlungen auch für bislang unbedachte Verfolgtengruppen international nicht länger ignoriert werden konnte. 3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage Mit der Wiedereinführung von Privatbesitz in Osteuropa wurde auch die Frage nach den sogenannten property claims wieder aktuell. Die Überlebenden des nationalsozialistischen Terrors, die nach dem Krieg ihren Wohnsitz in Osteuropa hatten, konnten nun aufgrund der faktischen Aufhebung des Londoner Schuldenabkommens nicht nur Entschädigungsforderungen an die 20 „The Hugo Princz Case“, 30. Oktober 1994, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 035. Interview Andrew Baker. 21 „Compensation For Nazi Persecution Of U.S. Citizens“, 8. Juli 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder J 5 of 5, J 172.

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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Bundesrepublik Deutschland stellen. Die Opferverbände forderten auch in Osteuropa geraubtes und nach 1945 verstaatlichtes Eigentum selber zurück. Jüdischer Privatbesitz wie auch Kommunaleigentum war nach 1945 in Osteuropa nur punktuell restituiert worden. Oftmals wurde er im Rahmen der Verstaatlichungen sogar wieder enteignet. Außerdem hatte ein starker Antisemitismus in manchen Ländern dazu geführt, dass heimkehrende überlebende Jüdinnen und Juden tätlichen Angriffen ausgesetzt waren. Elie Wiesel nannte diese Jüdinnen und Juden in Anspielung auf die unterdrückte und marginalisierte Lage ihrer Gemeinden „les juifs du silence“.22 In den USA bezeichnete man sie als „double victims“.23 Die Frage der Restitution drängte sich auf, „weil die Wiederherstellung des Privateigentums in den osteuropäischen Ländern und in der ehemaligen Sowjetunion im Verlauf der neunziger Jahre das Sensorium für property rights ganz allgemein vergrößerte“, schreibt die Unabhängige Expertenkommission der Schweiz über das Zusammenkommen der Entschädigung von Enteignungen im Rahmen der Privatisierungen und der von jüdischer Seite thematisierten nicht erfolgten Restitution.24 Das State Department hatte in Bezug auf die DDR bereits im Mai 1990 auf die Notwendigkeit eines raschen Fortschritts bei Restitutionsfragen hingewiesen, was von der US-Regierung als Voraussetzung gesehen wurde, um die neuen bilateralen Beziehungen auf eine solide Grundlage zu stellen.25 Ungeklärte Restitutionsforderungen dagegen wurden als Belastung wahrgenommen. Insgesamt gab es nach Angaben der U.S. Foreign Claims Settlement Commission 1.899 US-Forderungen allein gegenüber der DDR mit einem Gesamtwert von 77,8 Millionen Dollar. Mit Zinsen ergab dies eine Summe von ungefähr 300 Millionen Dollar.26 Die Höhe dieser 22 So der Titel eines 1976 in Paris erschienenen Buches von Elie Wiesel über die prekäre Situation der jüdischen Gemeinden in Osteuropa. 23 So z. B. in Clinton, Statement on Nazi-era. Der Begriff ist problematisch, weil gerade die Restitutionsdebatte der neunziger Jahre verdeutlichte, dass die unzureichende Klärung der Forderungen der Opfer des Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit sich nicht allein auf Osteuropa beschränkte. Es handelte sich vielmehr um ein allgemeines Problem der Nachkriegsgesellschaften. Obwohl er der neuerlichen Restitutionsdebatte entspringt, bezieht sich die Bezeichnung „double victims“ also nur zweitrangig auf die Frage der geleisteten Restitutionen. Er impliziert vielmehr die Bedeutung „Opfer von Faschismus und Kommunismus“ und hat daher einen starken totalitarismustheoretischen Beiklang. 24 UEK, Schlussbericht, 478. 25 „GDR says it wants to move on Jewish and U.S. citizens’ claims“, 30. Mai 1990, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 18, Folder GA 1 of 1, GA 11. 26 „Claims against the GDR“, 13.  Juli  1990, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 19, Folder GJ 1 of 1, GJ 59. Die U.S. Foreign Claims Settlement Commission wurde 1954 als Nachfolgeorganisation der War Claims Commission und der International Claims Commission gegründet und sollte Entschädigungen für verstaatlichtes US-Eigentum einfordern. Vgl. „Background Information: Foreign Claims Settlement Commission“, Januar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DX 1 of 2, DX 26 D.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

Summe lässt den Umfang erahnen, in dem die Restitution mit der Re-Privatisierung und der Einführung einer auf Privatbesitz basierenden Wirtschaftsordnung in ganz Osteuropa verwoben war. Mit dem Zusammenbruch der UdSSR und der osteuropäischen Staaten stellte sich auch die Frage nach erbenlosen bzw. nachrichtenlosen Vermögen. Aufgrund des riesigen Ausmaßes der dort umgesetzten nationalsozialistischen Vernichtungspolitik spielte sie in Osteuropa eine besondere Rolle. Restitution in der ehemaligen DDR Die Aufgabe, sich um die zur Restitution anstehenden Vermögenswerte in der ehemaligen DDR zu kümmern, fiel aufgrund ihrer Geschichte und Charta der Claims Conference zu.27 Damit übernahm diese Organisation in den frühen neunziger Jahren neue Aufgabenbereiche und erfuhr eine grundlegende Revitalisierung. Ihr oblag es nicht allein, Entschädigungsprogramme durchzuführen, sondern auch, sich um die Restitution von ehemaligen jüdischen Vermögenswerten zu kümmern.28 Der damalige Außenminister der Bundesrepublik, Hans-Dietrich Genscher, hatte bereits im August 1990 in einem Gespräch mit dem damaligen Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière, auf die Position der Bundesrepublik verwiesen. Bonn hatte bereits Entschädigungsleistungen gezahlt, weitere Zahlungen in Bezug auf die DDR seien „nicht angebracht“. Vielmehr sollte man den Fokus auf die Restitution enteigneten und nicht zurückgegebenen jüdischen Eigentums in der DDR richten.29 Die Eigentumsfrage rückte somit in den Mittelpunkt, und der Grundsatz „Rückerstattung vor Entschädigung“ setzte sich durch. Der Vorrang der Restitution entsprach auch dem Interesse der US-Regierung. „Where we expect them to concentrate their efforts, is on restitution of former Jewish property, or in the event that the actual property can not be returned, compensation thereof“, so die Position des State Department im August 1990 gegenüber der DDR.30 Im Einigungsvertrag von 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR wurden mit dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen („Vermögensgesetz“) jene restitutionspolitischen Verpflichtungen gesetzlich festgeschrieben, die die Alliierten im Zwei-Plus-Vier-Vertrag von der Bundesrepublik forderten. Dies bezog sich auch auf die jüdischen Rückerstattungsansprüche aus der Zeit von 1933 bis 1945: Die Claims Conference und die US-Regierung hatten auf eine 27 Zur Claims Conference siehe Henry, Confronting the Perpetrators; Timm, Jewish claims; dies., Alles umsonst?; Zweig, German reparations; Sagi, German reparations. 28 Interview Saul Kagan. 29 Vgl. Dokumente zur Deutschlandpolitik: Deutsche Einheit, 1494. 30 „Jewish Claims: Next Round Expected in Late August“, 6. August 1990, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 19, Folder GJ 1 of 1, GJ 22.

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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Klärung dieser Frage gedrängt.31 Nach vorsichtigen Schätzungen waren in Ostberlin und den sogenannten fünf neuen Bundesländern während des Nationalsozialismus ungefähr 45.000 Immobilien sowie 10.000 Betriebe jüdischen Eigentümern geraubt worden.32 Bis zum Auslaufen der Frist meldete die Claims Conference auf ungefähr 51.000 Grundstücke Eigentumsrechte an.33 Die Gründung der World Jewish Restitution Organization Aufgrund verschiedener Vorwürfe gegen die Claims Conference bezüglich der Verwertung von Eigentumstiteln, aber auch wegen des zu erwartenden Ausmaßes der zurückzufordernden Vermögenswerte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und vor allem in Osteuropa, reifte innerhalb des World Jewish Congress die Überlegung, eine neue Organisation zu gründen. Die Verteilung der Aufgaben zwischen beiden Organisationen sollte auf geographischen Kriterien beruhen: Die Claims Conference war für Forderungen an Deutschland und Österreich zuständig, die neu zu gründende Organisation für Eigentumsfragen in Osteuropa.34 Das Engagement der internationalen jüdischen Organisationen in Osteuropa begann bereits seit Mitte der achtziger Jahre. Edgar Bronfman als Präsident des World Jewish Congress hatte einen Schwerpunkt seiner Arbeit auf Osteuropa gelegt.35 Er verfolgte die Strategie, das Interesse osteuropäischer Staaten an einer Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zu westlichen Ländern auszunutzen: „The road to the West can lead through Jerusalem“, so die paradigmatische Formulierung des ehemaligen Geschäftsführers des WJC, Elan Steinberg.36 Dieser Ansatz baute auf der US-Politik auf, jenen osteuropäischen Ländern, die ihrer jüdischen Bevölkerung Reisefreiheit garantierten und sich um die Einhaltung der Menschenrechte kümmerten, Handelserleichterungen in Form eines „Most Favored Nation“-Handelsstatus mit den USA einzuräumen. Zentrales Element der politischen Einflussnahme war das Jackson-Vanik Amendment.37 Der Grund31 „Government Claims and Jewish Claims Provisions in Unification Treaty“, 20. September 1990, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 19, Folder GJ 1 of 1, GJ 54. 32 Vgl. Goschler, Schuld und Schulden, 425f. 33 Beim Verkauf dieser Grundstücke wurde der Claims Conference Vorteilsnahme vorgeworfen. Außerdem sollen Eigentumstitel nicht schnell genug auf Überlebende und ihre Erben übertragen worden sein. Vgl. Netty Gross, The Outrage Grows, in: Jerusalem Post, 29. Mai 1997, 30. 34 Interview Douglas Bloomfield. 35 „Transcript of interview with Edgar Bronfman“, 12. März 2001, 9f., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7. 36 Siehe Rickman, Conquest and Redemption, 196. 37 Tommy Daniels, The Jackson-Vanik Amendment. Excerpts from The Congressional Research Service, The Library of Congress; Office of the Press Secretary, Jackson-Vanik

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

stein des Engagements jüdischer Organisationen und ihrer politischen Unterstützung durch die USA war also bereits vor dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus gelegt. 1991 setzte der WJC in London den wachsenden Antisemitismus in Osteuropa und parallel dazu die Restitution von geraubten jüdischen Vermögenswerten auf die Tagesordnung und erklärte sie zu einer zentralen Frage.38 Im Juni 1992 wurde daraufhin in Brüssel die World Jewish Restitution Organization (WJRO) als Dachorganisation verschiedener jüdischer Gruppen gegründet und mit dem Mandat ausgestattet, sich für die Restitution geraubter jüdischer Vermögenswerte in Osteuropa einzusetzen.39 Die Charta der WJRO sah vor to centralize and coordinate [efforts to] help recover individual, communal and organizational Jewish assets seized by Nazi and Communist governments in Eastern and Central Europe and to receive compensation for personal sufferings of Holocaust survivors residing in those areas.40

Die größte Aufmerksamkeit legte die WJRO auf die Restitution von jüdischem Kommunaleigentum wie Synagogen oder Schulen. Man orientierte sich hier an der Restitution von Kircheneigentum an christliche Gemeinden. In Zusammenarbeit mit lokalen jüdischen Gemeinden in Osteuropa sollte die Rückgabe durch Verhandlungen mit den jeweiligen Regierungen erreicht werden. Die Gemeinden sollten gestärkt werden und so das Weiterleben jüdischer Kultur sichern.41 Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Restitution erbenlosen jüdischen Privateigentums aus Vorkriegszeiten. Die Klärung der Besitzverhältnisse war zugleich ein wichtiges Moment der moralischen Aner-

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and Russia Fact Sheet, 13. November 2001, in: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2001/11/20011113-16.html, 19. 07. 2007. Michael Simmons, Jewish Congress Begins Global Offensive on Anti-Semitism, in: The Guardian, 18.  Oktober 1991. „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12.  Februar 2001, 12, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 3. Die WJRO setzt sich zusammen aus dem World Jewish Congress, Jewish Agency, B’nai B’rith, International Jewish Joint Distribution Committee, American Gathering of Jewish Holocaust Survivors, Center of Organizations of Holocaust Survivors in Israel, Conference of Jewish Material Claims Against Germany, World Zionist Organization und World Agudath Israel. Siehe auch: http://ja-wzo.org.il/wjro/whoweare.html, 14. 05. 2007. Edgar Bronfman hatte Präsident Bush Sr. im April 1992 bei einem Treffen im Weißen Haus offiziell zur Gründungsveranstaltung des WJRO nach Brüssel eingeladen, um dort vor den Versammelten zu sprechen. Aufgrund von Terminproblemen sagte Bush Sr. ab, versprach jedoch die Teilnahme von Barbara Bush. Trotz ihrer Zusage, auf der Gründungskonferenz zu sprechen, nahm sie letztlich doch nicht teil. Vgl. Rickman, Conquest and Redemption, 201. Institute of Jewish Affairs in Association with World Jewish Congress, Jewish Restitution, 3; Interview Saul Kagan. Weinbaum, Defrosting History, 89. Die Zusammenarbeit zwischen der WJRO und den lokalen osteuropäischen jüdischen Organisationen war jedoch oftmals von starken Spannungen belastet.

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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kennung des über Jahre erlittenen Unrechts. So trat die moralische und rechtliche Anerkennung des jüdischen Eigentums in den Vordergrund.42 Man wollte nämlich verhindern, dass das während des Zweiten Weltkriegs „arisierte“ Vermögen im Zuge der Re-Privatisierung an die Ariseure zurückerstattet würde.43 Überstiegen finanzielle Forderungen die Möglichkeiten der jeweiligen Länder, so konnte durchaus auch eine symbolische Rückerstattung erfolgen.44 Denn das Ausmaß des geraubten und verstaatlichten Eigentums war enorm. Es wurde basierend auf Vorkriegs-Wechselkursen vom State Department mit acht Milliarden Dollar veranschlagt.45 Allein in Warschau, so wurde geschätzt, waren in der Vorkriegszeit ungefähr 40 Prozent der Immobilien in jüdischem Besitz.46 Erfolge in beiden Bereichen sollten einerseits den lokalen jüdischen Gemeinden zugute kommen, andererseits aber auch bis zu einem bestimmten Grad internationale jüdische Organisationen und durch sie hilfsbedürftige jüdische Opfer unterstützen. Die dritte Kategorie der zu restituierenden Vermögenswerte war konfisziertes jüdisches Eigentum, das nun von den ehemaligen Besitzern bzw. deren Erben zurückgefordert wurde. Hier setzte sich die WJRO dafür ein, dass die Gesetze zur Privatisierung die Interessen der jüdischen Bevölkerung nicht diskriminierten. Denn oftmals bezogen sich Restitutionsgesetze allein auf die Zeit nach 1945, wodurch der Raub jüdischen Eigentums durch die Nationalsozialisten ausgeklammert war.47

42 Vgl. Beker, Unmasking, 9. 43 „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 27, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 3. 44 „Hungary Still On Track On Jewish Property Restitution: But Not Without Difficulty“, 25. Juli 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 16, Folder EZ 1 of 1, EZ 29. 45 „Diplomatic Strategy Paper: Property Restitution and Compensation in Central and Eastern Europe“, 28. Januar 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder Di 1 of 1, Di 40. 46 „Memorandum from Jon Greenwald to the Ambassador [Stuart Eizenstat]: Some Thoughts on Your Jewish Restitution Portfolio“, 18. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 029. Siehe auch Junz, Where did all the money go?; Institute of Jewish Affairs in association with World Jewish Congress: Jewish Restitution. 47 „Official-Informal. For Assistant Secretary Holbrooke From Ambassador Eizenstat“, 19. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 2 of 3, JI 136.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

Die politische Einbindung der World Jewish Restitution Organization Die WJRO erhielt seit ihrer Gründung starke Unterstützung aus Israel. In einem im November 1992 unterzeichneten „memorandum of understanding“ betonten Edgar Bronfman, Präsident des World Jewish Congress und Vorsitzender der WJRO, und der israelische Finanzminister Avraham Shochat die herausragende Rolle Israels im Bemühen um die Rückgabe von Vermögenswerten. Sowohl der Staat Israel wie auch die jüdischen Gemeinden und die gesamte jüdische Welt wurden als legitime Erben des jüdischen Gemeindebesitzes und der erbenlosen Vermögenswerte tituliert. Die WJRO bekam das Mandat, diesen Prozess politisch umzusetzen. Diese Kooperation und Koordination wurde von allen nachfolgenden israelischen Regierungen bekräftigt.48 Auch in den USA suchte die WJRO politische Unterstützung. In Washingtoner Regierungskreisen stießen die jüdischen Bemühungen um eine Regelung offener Restitutionsfragen in Osteuropa auf große Sympathie. Der damalige Außenminister Warren Christopher sagte bei einem Treffen des WJC im Februar 1994 den Anwesenden die volle Unterstützung der US-Regierung zu.49 Diese Zusage war jedoch so allgemein formuliert, dass „everyone in the room heard what they wanted to hear“, so die Einschätzung des Brüsseler Vertreters des WJC, Maram Stern.50 Zentrale Bedeutung für die Entwicklung der Restitutionsdebatte sollte daher ein Treffen erlangen, das im November 1994 zwischen Edgar Bronfman und Israel Singer vom WJC mit Richard Holbrooke, dem Assistant Secretary of State for Western European Affairs im State Department, stattfand. Die beiden Vertreter des WJC hatten Holbrooke um politische Unterstützung gebeten51, denn der WJC hielt das Engagement der US-Regierung für unverzichtbar, um die osteuropäischen Regierungen zu einer Lösung zu bewegen.52 Sie sollte ihnen gegenüber die 48 „A Memorandum Of Agreement Between The Government Of Israel (G.O.I.) And The Jewish Restitution Organization (J.R.O.) Concerning The Restitution Of Jewish Property In Eastern European Countries“, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7; Brief Yitzhak Rabin an Edgar Bronfman, 10. September 1996, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7; Brief Benjamin Netanyahu an Edgar Bronfman, 3. Januar 1997, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7. Siehe auch Beker, Unmasking, 7. 49 Weinbaum, Defrosting History, 92. 50 „Memorandum from Jon Greenwald to the Ambassador [Stuart Eizenstat]: Some Thoughts on Your Jewish Restitution Portfolio“, 18. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 029. 51 Interview Stuart Eizenstat und Interview Doug Bloomfield. 52 „International Jewish Leaders Pleased With Initial Restitution Trip“, 24.  Mai  1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 036. Bereits Anfang der neunziger Jahre hatte es Kontakte zwischen lokalen osteuropäischen jüdischen Gemeinden und der US-Regierung gegeben. Dies verdeutlicht, wie früh die Einbindung von US-Akteuren für die osteuropäischen jüdischen Gemeinden zentral war in ihrem Versuch, geraubte Vermögenswerte zurückzuverlangen. So sprachen im Mai 1993 der

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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große Bedeutung der Klärung der restitutionspolitischen Fragen hervorheben und die WJRO offiziell als legitimen Verhandlungspartner anerkennen. Die US-Regierung sollte sich jedoch selbst nicht in die Verhandlungen einmischen.53 „There have been previous efforts, but it is optimistic to describe them as ‚ongoing‘“, umschreibt Jon Greenwald vom State Department die Ausgangssituation, auf der die USA im Januar 1995 aufbauten.54 Das Treffen mit Richard Holbrooke sollte denn auch von der US-Regierung nach den allgemeinen Zusagen von Warren Christopher vom Februar 1994 Initiative einfordern. Richard Holbrooke, der früher US-Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland war, bekräftigte gegenüber dem WJC die Unterstützung durch die US-Regierung. Er versprach konkret, Stuart Eizenstat, zu der Zeit USBotschafter für die Europäische Union in Brüssel, zu bitten, den Komplex Restitution in seinen Aufgabenbereich mit zu übernehmen. Auch jetzt wurden Art und Umfang der Unterstützung sowie die Prioritäten nicht genau festgelegt, nur dass eine schnelle Lösung wichtiger sei als eine finanziell große. Als Zeitrahmen wurde das Jahr 1995 angesetzt, in dem mit dem 50. Jahrestag des Sieges über den Faschismus eine – zumindest symbolische – Lösung der offenen Rückerstattungsfragen gefunden werden sollte. Es handelte sich ursprünglich nur um eine „begrenzte Sondermission“ für Eizenstat.55 Am 8.  September 1995 sagte dann auch US-Präsident Bill Clinton der WJRO seine volle politische Unterstützung für die Restitution geraubter jüdischer Vermögenswerte zu. „As the democracies of Europe and America seek to build a new and better world for the 21st century, we must confront and, as best we can, right the terrible injustices of the past“, so Präsident Clinton gegenüber Bronfman.56

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Rabbi von Prag sowie führende Persönlichkeiten der Vereinigung jüdischer Gemeinden in Tschechien bei einem Treffen mit dem US-Botschafter über Restitution in Osteuropa, deutsche Reparationszahlungen sowie eine Stärkung der Beziehungen zu US-amerikanischen jüdischen Organisationen. Siehe „Ambassador’s Meeting With Czech Jewish Community Leaders“, 17. Mai 1993, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder GZ 1 of 1, GZ 1. „Official-Informal. For Assistant Secretary Holbrooke From Ambassador Eizenstat“, 19. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 2 of 3, JI 136. „Memorandum from Jon Greenwald to the Ambassador [Stuart Eizenstat]: Some Thoughts on Your Jewish Restitution Portfolio“, 18. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 029. „Memorandum from Jon Greenwald to the Ambassador [Stuart Eizenstat]: Some Thoughts on Your Jewish Restitution Portfolio“, 18. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 029. Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 39. Brief von Bill Clinton an Edgar Bronfman, 8.  September  1995, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

Die Zusammenarbeit der WJRO mit lokalen jüdischen Organisationen In einem Bericht über seine Restitutionsanstrengungen an Benjamin A. Gilman, dem Vorsitzenden des Committee on International Relations im Repräsentantenhaus, sprach Stuart Eizenstat Anfang 1996 die Beziehungen zwischen den jüdischen Organisationen an. Das State Department beobachtete diese Beziehungen genau und erstellte regelmäßige Berichte darüber. Obwohl die WJRO mit den lokalen jüdischen Gemeinden in Ungarn, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und der Slowakei Kooperationsabkommen unterzeichnet hatte, waren diese Beziehungen häufig angespannt und mit Vorurteilen belastet.57 Das State Department sprach von einem „significant split“ zwischen den lokalen und den internationalen jüdischen Organisationen und hielt es für dringend notwendig, die Verständigung zu verbessern, damit diese eine gemeinsame Position gegenüber den Regierungen einnehmen konnten.58 Den Führungsanspruch, den die internationalen jüdischen Organisationen mit der Schaffung der WJRO für sich beanspruchten, betrachteten die lokalen jüdischen Gemeinden und Organisationen in Osteuropa vielfach mit Skepsis.59 Sie waren nicht bereit, die Handlungsfähigkeit ganz der WJRO zu überlassen. Die WJRO ihrerseits hatte den osteuropäischen Gemeinden fehlende Verhandlungsstärke sowie eine Unfähigkeit, allgemeinere jüdische Interessen angemessen zu vertreten, vorgeworfen.60 So waren beispielsweise die Frage nach der Aufteilung der Restitutionserlöse und die Verwaltung der Entschädigungsfonds höchst umstritten: Die lokalen Gemeinden wollten diese Finanzmittel für ihre eigenen Belange verwenden, die WJRO dagegen auch Holocaust-Opfer und ihre Nachkommen im Ausland unterstützen und die Gelder international verwenden. Die osteuropäischen Organisationen fühlten sich durch diesen Anspruch in ihren lokalen Interessen verletzt. Die WJRO gehe unsensibel mit der sozialen und ökonomischen Situation vor Ort um und löse mit ihrem Verhalten eine mögliche Welle des Antisemitismus aus, lautete der Vorwurf.61 Die WJRO wiederum hatte die Sorge, dass lokale Organisationen 57 Brief Stuart Eizenstat an Benjamin A. Gilman, Vorsitzender des Committee on International Relations (House of Representatives), 22. Januar 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 20, Folder HF 1 of 2, HF 23 c. Siehe als Beispiel: „Agreement Regarding Restitution of Jewish Property in Poland and Principles of Co-Operation“, 24. September 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 46, Folder 1, Conference on Jewish Material Claims Against Germany [OA 40392] [2]. 58 „Property Restitution“, 29. November 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder DH 1 of 1, DH 10. 59 „Memorandum from Jon Greenwald to the Ambassador [Stuart Eizenstat]: Some Thoughts on Your Jewish Restitution Portfolio“, 18. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 029. 60 Interview Douglas Bloomfield. 61 „Jewish Restitution: Ambassador Eizenstat’s Washington Consultations“, [Tag nicht er-

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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die Restitutionserlöse nicht effektiv verwalten könnten, denn die jetzigen Gemeinden hätten nur einen Bruchteil der Mitgliederzahl vor dem Holocaust. Ihnen stehe daher auch nur ein Bruchteil der finanziellen Einnahmen zu und sie seien nicht berechtigt, die gesamte Breite der jüdischen Interessen zu repräsentieren.62 Aufgrund des hohen Durchschnittsalters in den jüdischen Gemeinden befürchtete die WJRO zudem, die Gemeinden könnten schon bald aussterben und deren gerade erst restituiertes Vermögen dann wieder zurück an den Staat fallen.63 „The small communities in Central Europe are neither physically nor morally competent to handle a patrimony shared with more numerous co-religionists who died in the Holocaust or now live in the diaspora“, so die Zusammenfassung der Position der WJRO durch das State Department.64 Die lokalen osteuropäischen Gemeinden hofften jedoch, mit den restituierten Vermögenswerten die Gemeinden wieder zum Leben zu erwecken und zu stärken. Der Ansatz der WJRO stieß auf Unverständnis, die lokalen jüdischen Gemeinden kritisierten das Auftreten der WJRO sogar als „imperial approach“.65 Angesichts dieses Misstrauens wies das State Department gegenüber der WJRO und den lokalen jüdischen Organisationen mit deutlichen Worten auf die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit hin und vermittelte zwischen den Gruppen.66 Es strebte einen Kompromiss an, der die Interessen der lokalen jüdischen Gemeinden berücksichtigte und zugleich von der WJRO akzeptiert werden konnte. „The problem has international dimensions. Solutions that meet the expectations of local Jewish communities alone are not sufficient if they do not meet the needs of other claimants or international Jewish organizations acting on their behalf“, so das State Department.67 Es forderte

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kennbar] Juni 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 13, Folder DS 1 of 1, DS 81. Speziell der Vorwurf, das Verhalten jüdischer Organisationen würde Antisemitismus hervorrufen, ist problematisch, legt dieser doch nahe, der Antisemitismus wäre Ausdruck einer legitimen Kritik am Verhalten von Jüdinnen und Juden und nicht Resultat der Projektionen des Antisemiten. „Jewish Restitution: Ambassador Eizenstat’s Proposed Action Plan“, 12.  Juni 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JC 1 of 1, JC 3. „Ambassador Eizenstat’s Visit To Bucharest – Progress In Sight On The Restitution Of Jewish Communal Properties“, 29. August 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 1 of 3, JI 026. „Official-Informal. For Ambassador From Ambassador Eizenstat“, 12.  März 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 16, Folder EZ 1 of 1, EZ 64. „Ambassador Eizenstat’s Sept. 8 Meeting With Czech Jewish Leaders“, 18. September 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 26, Folder K 3 of 4, K 87. „Jewish Restitution: Ambassador Eizenstat’s Proposed Action Plan“, 12.  Juni 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JC 1 of 1, JC 3. „Initial Readout On Brussels Meeting“, 26. September 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 16, Folder EZ 1 of 1, EZ 35. „Jewish Property Restitution: Mission Guidance“, 6. Mai 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 1 of 3, AS 7.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

damit aber nicht allein eine Kooperation der jüdischen Organisationen ein, sondern stärkte auch die Verhandlungsposition der WJRO, da viele osteuropäische Regierungen Verhandlungen allein mit registrierten nationalen jüdischen Organisationen vorzogen. Die polnische Regierung erklärte beispielsweise, dass sie nicht an die WJRO sondern lediglich an anerkannte polnische Organisationen Vermögenswerte zurückerstatten wollte.68 Das State Department befürchtete daher, dass die osteuropäischen Regierungen die Spannungen zwischen den jüdischen Organisationen für ihre eigenen restitutionspolitischen Interessen ausnutzen könnten.69 Die US-Restitutionspolitik in Osteuropa Stuart Eizenstat wurde, wie schon erwähnt, im Januar 1995 neben seiner Tätigkeit als US-Botschafter für die Europäische Union in Brüssel zum U.S. Special Envoy on Property Restitution in Central and Eastern Europe ernannt.70 Eizenstats Ruf innerhalb der Clinton-Regierung als hervorragender Diplomat, seine guten Beziehungen zur jüdischen Gemeinde sowie die geographische Nähe seines Arbeitsplatzes in Brüssel zu den osteuropäischen Hauptstädten und seine regionalen Kontakte hatten ihn im State Department zum bevorzugten Kandidaten für diese Aufgabe gemacht.71 Die beiden Aufgabenbereiche waren politisch strikt voneinander getrennt, denn das State Department wollte in den osteuropäischen Hauptstädten den Eindruck vermeiden, dass die Funktion Eizenstats als US-Botschafter für die Europäische Union inhaltlich mit den Aufgaben als Sondergesandter für Restitutionsfragen verknüpft sei.72 Die Berufung Eizenstats ist ein Zeichen des bedeutenden Paradigmenwechsels der US-Politik. Die Klärung offener Restitutionsforderungen in Osteuropa erhielt durch diese Ernennung immenses Gewicht innerhalb der US-Administration: Die Frage der property claims wurde nun auf höchster diplomatischer Ebene behandelt und dem State Department zugeordnet. Damit wurde das Außenministerium zu dem Ministerium der Clinton-Regierung, 68 „Official Informal. For Ambassador Eizenstat From NSC Counselor Schifter“, 6. Juni 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 2 of 3, JI 122. 69 „Official-Informal. For Assistant Secretary Holbrooke From Ambassador Eizenstat“, 19. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 2 of 3, JI 136. 70 Vgl. Stuart Eizenstat, Property Restitution in Central and Eastern Europe. Testimony Before the Commission on Security and Cooperation in Europe, Washington, DC, March 25, 1999, in: http://www.state.gov/www/policy_remarks/1999/990325_eizenstat_restitu.html, 25. 05. 2007. 71 „Jewish Property Restitution: Additional Contingency Press Guidance“, 12. Mai 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 1 of 3, JI 006. 72 „More on USG Effort to Promote the Restitution of Confiscated Jewish Property. For Ambassador From Assistant Secretary Holbrooke“, 28.  Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 028.

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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das sich am deutlichsten in Restitutionsfragen profilierte. Diese herausragende Stellung sollte es während der gesamten Restitutionsauseinandersetzung behalten und sich gegen Widerstände in anderen Ministerien durchsetzen.73 Stuart Eizenstats Auftrag war, gegenüber den Regierungen Osteuropas das starke Interesse der US-Regierung an einer Restitution bzw. an einer angemessenen Entschädigung von geraubtem und/oder verstaatlichtem Eigentum zu bekunden. Es ging besonders um die Opfer, die im Gegensatz zu NSOpfern in Westeuropa während der Zeit des Kalten Krieges keine Entschädigungszahlungen erhalten hatten und nun an ihrem Lebensabend oftmals in ärmlichen Verhältnissen lebten.74 Die US-Regierung konnte allerdings formell nicht als Verhandlungspartner auftreten.75 Nach internationalem Recht war sie nicht befugt, sich in Osteuropa für die Belange von Staatsbürgern einzusetzen, die aktuell oder zu der Zeit ihrer Enteignung nicht Bürger der USA waren. Ihre Rolle beschränkte sich also auf die eines Vermittlers, der Entwicklungen durch diplomatischen Druck beschleunigt.76 Das State Department unterteilte das zu restituierende Eigentum in Osteuropa – wie die WJRO – in drei Kategorien. Erstens gab es kommunales Eigentum wie Synagogen, Friedhöfe, Krankenhäuser, Schulen, etc. Zunächst sollten sich die Restitutionsanstrengungen auf diese Objekte konzentrieren, da sie vergleichsweise leicht zu restituieren und zentral für die Wiederbelebung des Gemeindelebens waren, wie es die US-Regierung forderte.77 Das Problem dieser Vermögenswerte war jedoch oftmals ihr schlechter Zustand und die damit verbundenen hohen Kosten einer Sanierung, des Unterhaltes und der Instandhaltung, so dass sich die finanzielle Lage der osteuropäischen jüdischen Gemeinden als generelles Problem herausstellte. Manche dieser Ge73 Interview John Becker. Hier ist anzumerken, dass verschiedene Unterabteilungen des State Department sich unterschiedlich intensiv engagierten, gerade auch in Bezug auf die Freistellung von Mitarbeitern. Dies wurde speziell im März 1996 ein Problem, als Stuart Eizenstat von Brüssel nach Washington D.C. in seiner neuen Funktion als Under Secretary of Commerce wechselte und nicht mehr direkt dem State Department unterstand. Vgl. „State Department Initiative on Property Restitution in Central and Eastern Europe“, 30. Oktober 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 86 b. 74 „Jewish Property Restitution: Mission Guidance“, 6. Mai 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 1 of 3, AS 7. 75 „Memorandum from Jon Greenwald to the Ambassador [Stuart Eizenstat]: Some Thoughts on Your Jewish Restitution Portfolio“, 18. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 029. 76 „Property Restitution: Your October 18-22 trip to Vilnius, Lithuania“, 16. Oktober 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 1 of 3, JI 004; Brief von Stuart Eizenstat an den Außenminister der Slowakei, 6. Oktober 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 23, Folder JI 1 of 3, JI 033. 77 „Diplomatic Strategy Paper: Property Restitution and Compensation in Central and Eastern Europe“, 28. Januar 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder Di 1 of 1, Di 40.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

bäude lagen jedoch in den Händen der staatlichen Kommunalverwaltung, die sich im Gegensatz zur Zentralregierung mit der Restituierung sehr schwer tat. Das Einreichen eines Vermögensanspruchs auf kommunales Eigentum war daher meist langwierig und kostspielig.78 Aufgrund dieser spezifischen Problemstruktur bei der Restitution von Kommunaleigentum sah das State Department hier eine wichtige Aufgabe für die internationalen jüdischen Organisationen: Sie sollten den lokalen Gemeinden bei der Identifizierung der Objekte helfen und die Kosten der Instandhaltung zumindest teilweise mittragen.79 Die geringe Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinden warf die Frage auf, was man mit Gebäuden machen sollte, die nicht von den jüdischen Gemeinden genutzt werden konnten. Richard Schifter, der im Januar 1995 zum Special Assistant to the President for National Security Affairs sowie zum Berater des National Security Council ernannt worden war, schrieb im Juni 1995 an Eizenstat: „It stands to reason that communal property should be used only for communal purposes. But it is clear that given the present size of the communities, only a very tiny fraction of the restored properties will really be put to communal use.“80 Er schlug Eizenstat eine Untergliederung des kommunalen Eigentums in drei Gruppen vor: von der Gemeinde zu nutzendes, Friedhöfe und letztlich Kommunaleigentum, das Einkommen generieren und somit die Gemeinde finanziell unterstützen und für Instandhaltungskosten genutzt werden konnte. Ebenso sollten mit diesen Einnahmen kommunale Programme gesponsert und verarmte Überlebende finanziell unterstützt werden. Sollten dann noch Gelder übrig sein, regte Schifter die Einrichtung von Stiftungen an, die der Erinnerung jüdischen Lebens und der historischen Forschung dienen sollten.81 Mit dieser Überlegung wurde bereits zur diesem Zeitpunkt angedacht, was in den späten neunziger Jahren ein charakteristisches Merkmal der Entschädigungsfonds werden sollte: nämlich die Kombination aus finanziellen Hilfsleistungen und Projekten zur Erinnerung. Die zweite Kategorie der zu restituierenden Vermögenswerte war das private Eigentum. Vor einer Rückgabe mussten Eigentumsrechte, Schuldbriefe, Erbrechte usw. recherchiert und geklärt werden. Die Grenzverschiebungen in Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg verkomplizierten diese Nachforschungen enorm. Aber gerade diese Klärung wurde vom State Department als wichtiger Schritt im allgemeinen Prozess der Reprivatisierung gesehen. Es wünschte in diesem Punkt eine enge Zusammenarbeit mit den osteuropäi78 „Eizenstat Letter On Property Restitution“, 3. April 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 48. 79 „Property Restitution and Compensation in Central and Eastern Europe: Next Steps“, 17. Februar bzw. März 1998 [Datum ungenau], NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 19 A. 80 „Official Informal. For Ambassador Eizenstat From NSC Counselor Schifter“, 6. Juni 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 2 of 3, JI 122. 81 Ebd.

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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schen Ländern, gerade auch um zu verhindern, dass Fragen der Staatsbürgerschaft legitime Restitutionsansprüche verhinderten.82 Die dritte Kategorie umfasste das erbenlose Vermögen all derjenigen, die in den Vernichtungslagern umgebracht worden waren. „The magnitude of the problem of heirless property is evident when one considers that in Poland and Czechoslovakia some 85 per cent of the Jewish population was annihilated“, schreibt Weinbaum über den Umfang des Vermögens, das nach dem Krieg nicht zurückgefordert worden war.83 Hier favorisierte Eizenstat eine Lösung, die mit Entschädigungszahlungen aus einem Hilfsfond für verarmte Holocaust-Opfer auch die Wiederherstellung des Gemeindelebens finanziell unterstützte.84 Somit kämen die erbenlosen Vermögenswerte wieder der Gemeinde und ihren Mitgliedern zugute. Die Initiative des US-Kongresses Noch vor Eizenstats Antrittsreise als Sondergesandter für Restitutionsfragen hatten Kongressabgeordnete im Repräsentantenhaus und im Senat im April 1995 einen überparteilichen Brief an Warren Christopher in seiner Funktion als Außenminister geschickt. Darin forderten sie ihn auf, den offenen Restitutionsfragen in Osteuropa stärkeres Gewicht zu geben und auf eine schnelle Lösung zu drängen. Die acht Abgeordneten erklärten dabei ihre volle Unterstützung für die Forderungen der WJRO: It is the clear policy of the United States that each should expeditiously enact appropriate legislation providing for the prompt restitution and/or compensation for property and assets seized by the former Nazi and/or Communist regimes. We believe it to be a matter of both law and justice.85

Die Restitution von geraubtem, jüdischem Eigentum wurde als Testfall für die Respektierung der Menschenrechte und des Rechtsstaats gesehen. Die Abgeordneten drohten mit praktischen Konsequenzen für die Beziehungen zu den 82 „Eizenstat Letter On Property Restitution“, 3. April 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 48; „Property Restitution and Compensation in Central and Eastern Europe: Next Steps“, 17. Februar bzw. März 1998 [Datum ungenau], NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 19 A. 83 Weinbaum, Defrosting History, 87. 84 „Eizenstat Letter On Property Restitution“, 3. April 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 48. 85 Brief an Warren Christopher, 10. April 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 24, Folder JI 3 of 3, JI 139 AE. Nicht allein der Kongress wurde in Restitutionsfragen aktiv. Auch Senatoren, wie beispielsweise Alfonse D’Amato aus dem Staat New York, haben sich für die Klärung offener property claims engagiert, meistens im Kontext von Ansprüchen aus ihren Wahlgemeinden. Vgl. Brief von Assistant Secretary Legislative Affairs, Wendy R. Sherman, an Senator Alfonse D’Amato, 14. Oktober1994, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder DH 1 of 1, DH 7.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

USA, sollte es auf dem Gebiet der Restitutionspolitik in Osteuropa nicht zu Fortschritten kommen.86 Zwar präsentierte Eizenstat seinen osteuropäischen Gesprächspartnern gegenüber diesen Brief als Beleg für das breite Interesse in den USA an einer zügigen Restitution in Osteuropa. Innerhalb der USA beurteilte er diesen Schritt jedoch als kontraproduktiv. Auch das State Department kritisierte den Versuch, „to lump all countries of the region together on this sensitive issue“, und distanzierte sich von der Initiative der Kongress-Abgeordneten.87 In einer Unterredung nach seiner Osteuropa-Reise bat Eizenstat, von Initiativen dieser Art in Zukunft abzusehen. Die Abgeordneten sollten das Thema vielmehr bei Besuchen von osteuropäischen Staatsgästen zur Sprache bringen und so das Interesse an Restitution unterstreichen.88 Diese Einschätzung teilte Eizenstat auch dem WJC mit. Er warnte, dass Versuche der Einflussnahme in Osteuropa über den US-Kongress gegenteilige Reaktionen auslösen könnten.89 In einem internen Papier schrieb das State Department: American-based Jewish organizations should be urged […] to refrain from pressing Congress to take further steps to condition U.S. relations and aid to central Europe on the Jewish claims issue, at least at this time since such conditionality would be counterproductive in the region.90

Einerseits spiegelte diese Abgrenzung gegenüber dem Kongress die Absteckung eigener Kompetenzgebiete wider und verdeutlichte den Widerstand der US-Regierung, sich in außenpolitischen Belangen mit dem Kongress auseinandersetzen zu müssen. Andererseits handelte es sich jedoch auch um grundlegend verschiedene restitutionspolitische Strategien: Waren die Bemühungen Eizenstats auf das diplomatische Terrain beschränkt und zeichneten sich durch eine von der Öffentlichkeit eher unbemerkte, stille Diplomatie aus, so waren die Interventionen der Kongressabgeordneten weitaus öffentlichkeitswirksamer und drohten, zu bilateralen transatlantischen Verstimmungen zu führen. Nichtsdestotrotz setzte dieser Brief Eizenstat und die US-Regierung unter Druck. Sie mussten nun gegenüber einer US-amerikanischen Öffentlichkeit den Eindruck vermitteln, sich in Fragen der property claims hinreichend zu engagieren, und Lösungen präsentieren. Um eigenständige Interventionen in Zukunft zu verhindern, beschloss das State Department eine engere 86 Brief an Warren Christopher, 10. April 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 24, Folder JI 3 of 3, JI 139 AE. 87 „For Use with Government Officials“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 1 of 3, JI 053. 88 „Jewish Restitution: Ambassador Eizenstat’s Washington Consultations“, [Tag nicht erkennbar] Juni 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 13, Folder DS 1 of 1, DS 81. 89 „International Jewish Leaders Pleased With Initial Restitution Trip“, 24.  Mai 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 036. 90 „Jewish Restitution: Ambassador Eizenstat’s Proposed Action Plan“, 12.  Juni 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JC 1 of 1, JC 3.

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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Einbindung des Kongresses. Bei seinen Aufenthalten in Washington informierte Eizenstat den Kongress nun regelmäßig über die restitutionspolitischen Fortschritte.91 Kritik kam auch aus anderen Richtungen. Wie befürchtet rügten osteuropäische Regierungen den Vorstoß der Kongressabgeordneten. Die tschechische Regierung wehrte sich beispielsweise dagegen, in Restitutionsfragen mit anderen Ländern gleichgesetzt zu werden.92 In Polen, wo das Thema auf den ersten Seiten der großen Tageszeitungen erschien, verwahrte sich die Regierung gegen jeden Versuch der USA, in innere Angelegenheiten Einfluss zu nehmen.93 Aber auch jüdische Organisationen verurteilten den Brief. Die jüdischen Gemeinden Tschechiens hoben die Fortschritte des Restitutionsprozesses hervor und verwiesen darauf, dass die Situation in Tschechien sich anders als in anderen osteuropäischen Ländern darstelle. Sie planten sogar, einen Brief an die Kongressabgeordneten zu schreiben, in dem sie ihnen die Situation in Tschechien erläutern wollten.94 Protest kam auch im Namen der polnisch-stämmigen US-Amerikaner vom Polish American Congress. Er beschwerte sich über die Androhung praktischer Konsequenzen gegenüber Osteuropa und fühlte sich in der Meinungsbildung vom Kongress übergangen.95 Eizenstats „fact finding missions“ Im Mai 1995 unternahm Stuart Eizenstat seine erste Osteuropa-Reise als Sondergesandter für Restitutionsfragen nach Budapest und Warschau. Diese Reise war als Erkundungsmission geplant: Er sollte Informationen über den Stand der Restitutionsanstrengungen sammeln und Kontakte knüpfen, um danach die weitere Strategie der US-Regierung festzulegen. Gegenüber den jeweiligen Regierungen sollte er die hohe Priorität dieses Problems für die USRegierung signalisieren.96 Diese Reise zeigte jedoch, dass die ungeklärten Restitutionsfragen mit einem „single-shot visit“ nicht lösbar waren.97 Die Aufgaben erwiesen sich als viel komplexer und schwieriger als anfänglich im 91 Ebd. 92 „Czechs Surprised By Congressional Letter On Jewish Restitution“, 27.  Juli 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 2 of 3, JI 083. 93 „U.S. Strategy On Jewish Property Restitution“, 21. April 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 26, Folder K 2 of 4, K 69. 94 „The Czech Jewish Community Comments On Congressional Letter“, 27.  Juli 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 2 of 3, JI 084. 95 Brief vom Polish American Congress an die Kongressabgeordneten, 19. April 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 24, Folder JI 3 of 3, JI 221 F. 96 „Jewish Property Restitution: Mission Guidance“, 6. Mai 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 1 of 3, AS 7. 97 „More On USG Effort To Promote The Restitution Of Confiscated Jewish Property“, 28. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder DH 1 of 1, DH 20.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

Ministerium erwartet.98 Auch wenn Eizenstat gegenüber seinen Gesprächspartnern darauf hinwies, dass die US-Regierung sich der schwierigen finanziellen Situation der osteuropäischen Länder bewusst war, so machte er doch auch deutlich, dass mit dem Ende der realsozialistischen Herrschaft die Restitution als Möglichkeit gesehen wurde, „to rectify, in some way, the historic injustice done to the Jewish citizens of their nations during World War II and to their general citizenry, including some who are now U.S. citizens, during the Communist era insofar as their property is concerned“.99 Noch sah die US-Regierung die Frage der ungeklärten Vermögenswerte in engem Zusammenhang mit dem sozialistischen Wirtschaftsmodell in Osteuropa in der Nachkriegszeit. Restitution und Reprivatisierung erschienen der Clinton-Regierung als zwei Seiten derselben Medaille. Die tatsächliche Bandbreite der Problematik sollte ihr erst klar werden, als die Thematik auch auf Westeuropa übersprang. Nach seiner Reise entwarf Eizenstat im Auftrag des stellvertretenden Außenministers Holbrooke eine erste restitutionspolitische Strategie.100 Er hielt es für notwendig, schnell Erfolge vorweisen zu können, um dadurch wichtige Impulse für die Klärung schwierigerer Fragen zu erhalten. Zum einen sah er in der finanziellen Unterstützung von alten und verarmten Holocaust-Opfern durch einen Fonds einen Bereich, in dem kurzfristig Fortschritte zu erreichen waren. Aber auch die Restitution von kommunalem Eigentum, so hoffte er, könnte die weitaus komplexere Restitution von privaten Vermögenswerten positiv beeinflussen. In Ungarn war er auf die generelle Bereitschaft gestoßen, das Problem der Restitution von kommunalem Eigentum relativ zügig zu lösen. Eizenstat schlug vor, hier das US-Engagement zu konzentrieren und Ungarn eine Art Vorreiterrolle für weitere Einigungen übernehmen zu lassen.101 Die Entwicklungen würden sicher von den anderen osteuropäischen Ländern genau wahrgenommen, da keines in den Ruf geraten wollte, der Entwicklung 98 „Memorandum from Jon Greenwald to the Ambassador [Stuart Eizenstat]: Some Thoughts on Your Jewish Restitution Portfolio“, 18. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 029. 99 Brief Stuart Eizenstat an Benjamin A. Gilman, Vorsitzender des Committee on International Relations (House of Representatives), 8. August 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 20, Folder HF 1 of 2, HF 04. 100 „More on USG Effort to Promote the Restitution of Confiscated Jewish Property. For Ambassador From Assistant Secretary Holbrooke“, 28.  Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 028. 101 Fortschritte auf dem Gebiet der Restitution von privatem wie auch von erbenlosem Vermögen waren in Polen weitaus langsamer und schwieriger. Eizenstat sah den Grund dafür nicht zuletzt in der historischen Selbstwahrnehmung: nämlich 1945 nicht zu den besiegten Achsenmächten bzw. ihren Kollaborationsregimes gehört zu haben. So wurde frühzeitig in den neunziger Jahren deutlich, dass die Frage der Restitution sehr eng mit der historischen Erinnerung und den jeweiligen nationalen Geschichtsbildern und -mythen verbunden war.

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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hinterherzuhinken, so die Überlegung. Voraussetzung dafür war natürlich, dass das große Interesse der USA an einer Klärung der offenen Restitutionsforderungen deutlich gemacht wurde. Daher drängte Eizenstat wiederholt darauf, dass die Frage der property claims bei diplomatischen Besuchen von osteuropäischen Regierungsvertretern auch auf höchster Ebene angesprochen wurde, um so die Bedeutung dieses Themas für die Clinton-Regierung zu unterstreichen.102 Die Restitutionspolitik sei als fester Bestandteil in die USAußenpolitik gegenüber den osteuropäischen Ländern zu integrieren, forderte Eizenstat gegenüber Holbrooke. Nur so sei zu gewährleisten, dass die Thematik das nötige diplomatische Gewicht erhalte, um die osteuropäischen Regierungen zu Restitutionsanstrengungen zu bewegen.103 Im State Department sollte sich, nach den Vorschlägen Eizenstats, ein Mitarbeiter verstärkt um property claims kümmern, und damit der Aufgabenbereich Restitution innerhalb des State Department mehr Gewicht erhalten. Auch sollten die Botschafter in Osteuropa stärker in die Koordinierung der Restitutionsanstrengungen einbezogen werden. Eizenstat warnte davor, selbst als Verhandlungspartner in Osteuropa aktiv zu werden. Sollten die USA dabei in die Situation kommen, konkrete Zahlen vorschlagen zu müssen, wäre das Risiko groß, von beiden Seiten angegriffen zu werden. Es war vorauszusehen, dass der einen Seite die Beträge zu hoch, der anderen jedoch weitaus zu niedrig erscheinen würden. Vielmehr sollten Verhandlungen angeschoben und konstruktiv unterstützt werden.104 In einem Gespräch am 13. Juni 1995 vereinbarten Eizenstat und der stellvertretende Außenminister Holbrooke, die restitutionspolitischen Anstrengungen der Clinton-Administration auf nicht-jüdische US-Bürger auszuweiten. Eizenstat sollte sich nun allgemein für die Restitution von geraubtem bzw. verstaatlichtem Eigentum einsetzen. Damit wurde das Ziel einer grundlegenden Restitution in Osteuropa noch einmal betont. Neben der Frage, wie die Bundesrepublik Deutschland zu Entschädigungsleistungen an Osteuropa gedrängt werden könnte, berieten sie zum ersten Mal auch darüber, den Restitutionsauftrag geographisch auszuweiten: In der Presse erschienen immer wieder Artikel über nachrichtenlose Konten von Holocaust-Opfern auf Schweizer Banken. Holbrooke vermutete, dass vor allem Konten von Holocaust-Opfern aus Osteuropa während des Kalten Krie102 „Official-Informal. From Ambassador Eizenstat For Ambassadors Rey And Blinken“, 7. Juni 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 16, Folder EZ 1 of 1, EZ 16. Bei einem Treffen zwischen Eizenstat und Assistant Secretary Holbrooke am 13. Juni 1995 wurde offiziell beschlossen, Ungarn zu einem „test case“ zu machen. Siehe „Restitution in Central And Eastern Europe: Additional Guidance“, 7.  Juli 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 1 of 3, JI 007. 103 „Official-Informal. For Assistant Secretary Holbrooke From Ambassador Eizenstat“, 19. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 2 of 3, JI 136. 104 Ebd.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

ges nicht zugeordnet werden konnten und von den Banken zurückbehalten worden waren.105 Noch immer richtete sich das Hauptaugenmerk auf die spezifische Situation der Holocaust-Opfer in Osteuropa und deren Ausschluss von Entschädigungsleistungen in der Nachkriegszeit. An diesem Punkt hatte sich in der Clinton-Regierung noch nicht die Einschätzung durchgesetzt, dass die Restitutions- und Entschädigungspolitik während des Kalten Kriegs als solche, also durchaus auch in westlichen Ländern, defizitär war. Auch wenn es auf diesem Gebiet im Sommer 1995 noch zu keinem Entschluss kam, so zeigte diese Überlegung im State Department dennoch sehr deutlich, dass durch die Auseinandersetzung mit den property claims in Osteuropa die generelle Bereitschaft der US-Regierung, sich mit Fragen ungeklärter Vermögenswerte auseinanderzusetzen, in den frühen neunziger Jahren stark zugenommen hatte und dass es einen prinzipiellen politischen Willen gab, die Klärung nicht allein auf Osteuropa zu beschränken. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der ersten Reise in osteuropäische Hauptstädte besuchte Stuart Eizenstat in der zweiten Hälfte des Jahres 1995 sieben weitere Länder Osteuropas. Die zweite Rundreise bestärkte ihn in seiner Einschätzung, dass die Restitution von kommunalem Eigentum am vielversprechendsten sei. Das State Department beobachtete und analysierte die problematischen Verhandlungen in jedem einzelnen Land genau. Das Hauptproblem bei der Restitution von privatem Eigentum schien die Frage nach der Staatsangehörigkeit. Besonders betroffen waren US-Bürger, deren Verwandte früher in Osteuropa gelebt und dort ihr Eigentum verloren hatten. Außerdem hatte Eizenstat erneut die zügige Restitution von Einkommen produzierendem, kommunalem Eigentum gefordert, um bedürftige Holocaust-Überlebende unterstützen zu können. Da dies jedoch ein langwieriger Prozess war, müssten nach Ansicht des State Department die internationalen jüdischen Organisationen ihre Hilfsanstrengungen erst einmal verstärken und Deutschland zusätzliche Entschädigungszahlungen bereitstellen, um die Benachteiligung der Opfer, die wegen ihres Wohnsitzes in Osteuropa keine Zahlungen erhalten hatten, sofort auszugleichen.106 Trotz aller diplomatischen Initiativen kam das State Department Anfang 1998 zu der Einschätzung, dass die Restitutionspraxis nur sehr langsam und punktuell Fortschritte zeigte.107 Obwohl die Situation in jedem osteuropäi105 „Restitution in Central And Eastern Europe: Additional Guidance“, 7. Juli 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 1 of 3, JI 007. 106 Ebd. Die in den neunziger Jahren abgeschlossenen Globalabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und osteuropäischen Staaten entsprachen eben diesen Vorstellungen Eizenstats. Die USA beteiligten sich an der finanziellen Unterstützung der jüdischen Gemeinden in Osteuropa mit Geldern aus verschiedenen Töpfen wie dem Democracy Commission Small Grants Program, das den Gemeinden Mittel für ihre Infrastruktur zur Verfügung stellte. 107 „Diplomatic Strategy Paper: Property Restitution and Compensation in Central and Eas-

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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schen Land verschieden war, konnten generelle Problemstrukturen ausgemacht werden: Das zu restituierende Vermögen war häufig erbenlos, da die osteuropäische jüdische Bevölkerung nicht nur systematisch ausgeraubt, sondern auch ermordet worden war. Dies stellte einen fundamentalen Unterschied zu den geraubten bzw. verstaatlichten Werten anderer Personengruppen dar. Zwar war 1947 im Pariser Vertrag, den die meisten europäischen Länder unterzeichnet hatten, festgelegt worden, dass erbenloses Vermögen an die jüdischen Gemeinden zu restituieren sei. Dies wurde in der Nachkriegszeit jedoch nur selten praktiziert. Somit war die Restitution von erbenlosem Vermögen seit dem Kriegsende strittig. Das State Department schlug nun vor, erbenloses Vermögen mit Entschädigungszahlungen zu kompensieren, so dass dadurch Holocaust-Überlebende unterstützt oder das jüdische Gemeindeleben wieder gestärkt werden könnte.108 Da besonders die Rückgabe von kommunalem Eigentum, wie schon erläutert, meist in den Händen der Kommunen und Gemeinden lag, hatte die Regierung hier nur wenig Einfluss; die Bereitschaft zur Restitution war hier aber deutlich geringer.109 Restitutionen bezogen sich häufig auf das im Zuge der Verstaatlichungspolitik während des Aufbaus des Sozialismus enteignete Eigentum. Da der Raub jüdischer Vermögenswerte jedoch bereits auf die frühen vierziger Jahre zurückging, bedurfte es einer eigenen Gesetzgebung. Dadurch stockte einerseits die Rückgabe des Eigentums, zudem entgingen den jüdischen Gemeinden wichtige Einkünfte, um ihre Einrichtungen wieder aufzubauen und Synagogen und Friedhöfe in Stand zu setzen.110 Ein weiteres Problem resultierte aus der verbreiteten Praxis während des Zweiten Weltkriegs, Vermögenswerte auf die Namen nicht-jüdischer – zumeist christlicher – Nachbarn zu übertragen. Gerade in den Fällen, in denen die Eigentümer ermordet worden waren, fand in der Nachkriegszeit nur selten eine Rückgabe statt. Die Verschwiegenheit der Übertragungen von Vermögen machte eine Rekonstruktion nur schwer möglich. „Whole towns in Eastern Poland were obtained cheaply“, so Pawlak von der jüdischen Gemeinde in Polen über das Ausmaß der in dieser Weise zurückbehaltenden Werte.111 Auch bei der Rückgabe von Landbesitz tauchten Probleme auf. Beispielsweise in tern Europe“, 28. Januar 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder Di 1 of 1, Di 40. 108 „Eizenstat Letter On Property Restitution“, 3. April 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 48. 109 Eizenstat, Justice after Confiscation. 110 „Ambassador Eizenstat’s Restitution Conclusions And Proposed Action Agenda For The Czech Republic“, 1.  Dezember 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 16, Folder EZ 1 of 1, EZ 47; Brief von Naphtalie Lavie, Vice-Chairman of the Executive der WJRO an Ambassador Stuart Eizenstat, 5. Februar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 2 of 3, JI 080. 111 „Poland’s Jewish Community On Pre-WWII Property Restitution: Report 1 Of 2 On Eizenstat Visit“, 24. Mai 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 24, Folder JI 3 of 3, JI 183.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

Estland war Ausländern der Besitz von Land verboten. Viele Anspruchsteller lebten aber nicht mehr in ihrem Herkunftsland. Im Zuge der Angleichung an EU-Gesetze wurden diese Klauseln jedoch später verändert. Dies offenbart, wie eng die Restitution in Osteuropa mit einem allgemeinen wirtschaftspolitischen Umbau der Gesellschaften zusammenhing.112 Bei all jenen Überlebenden, die in der Nachkriegszeit aus Osteuropa emigriert waren, wurde die Residenzpflicht zum Hindernis für die Rückerstattung. Die WJRO stemmte sich daher gegen jede Regelung, die eine Wohnortklausel vorsah. Im Falle von Rumänien hätte eine solche Klausel die Ansprüche von 400.000 rumänischen Juden zunichte gemacht, die nun in Israel lebten.113 In Polen kam zu dem Aspekt der Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung, die ins Ausland emigriert war, die Sorge, dass dann auch Gruppen wie die sogenannten Vertriebenen Restitutions- und Entschädigungsforderungen stellen könnten.114 Die Bedenken bezüglich einer Ausweitung der Restitutionsforderungen gab es auch in Tschechien. So sollte im Bereich des kommunalen Eigentums kein Präzedenzfall geschaffen werden, der später Forderungen der katholischen Kirche, des Adels oder der Sudetendeutschen nach sich ziehen könnte. Dies zeigt, wie eng die Restitutionsauseinandersetzungen mit diversen politischen Streitigkeiten und Interessenskonflikten verwoben waren, die auch in den neunziger Jahren nichts von ihrer Aktualität verloren hatten. Die Frage der ungeklärten Vermögenswerte in Osteuropa stellte sich also als ein weitaus schwierigeres und komplexeres Problem dar, als dies Anfang 1995 den Anschein hatte, als das State Department die property claims in Osteuropa zu einem restitutionspolitischen Schwerpunkt machte. Auch der anfänglich gesetzte Zeitrahmen war viel zu knapp bemessen.115 „Substantial progress has been recorded on a number of property restitution issues in recent months. […] But, a number of serious problems remain“, so die Einschätzung des State Department im Sommer 1998.116 Sehr viel kritischer über den Erfolg äußerte sich Gregg Rickman, der damalige Mitarbeiter des republikanischen Senators Alfonse D’Amato. Er kam zu dem Schluss, dass die Interventionsmöglichkeiten der USA äußerst beschränkt waren.117 Trotz der 112 „Ambassador Eizenstat’s Consultations With Estonian Officials On Restitution Issues“, 13. Dezember 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 22, Folder J 3 of 5, J 94-1. 113 „Ambassador Eizenstat’s Visit To Bucharest – Progress In Sight On The Restitution Of Jewish Communal Properties“, 29. August 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JI 1 of 3, JI 026. 114 „Poland’s Jewish Community On Pre-WWII Property Restitution: Report 1 Of 2 On Eizenstat Visit“, 24. Mai 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 24, Folder JI 3 of 3, JI 183. 115 „Jewish Property Issues In Poland“, 6.  Februar 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 26, Folder JT 1 of 1, JT 12. 116 „Property Restitution In Central And Eastern Europe“, 7. Juli 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 2 of 2, DK 75. 117 Rickman, Conquest and Redemption, 237.

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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neuen Gesetzestexte in Osteuropa, der juristischen Angleichung an die EUMaßstäbe und der US-Diplomatie blieben auch am Übergang zum 21. Jahrhundert noch viele Vermögensfragen ungeklärt.118 „I believe that it is now time for us to review the progress that has been made on these issues and to re-engage governments throughout the region on the need for further progress“, so die Bilanz von Stuart Eizenstat drei Jahre nachdem er das Mandat übernommen hatte.119 Integration in westliche Bündnisse und EU-Erweiterung Um den Druck auf die osteuropäischen Länder zu erhöhen, hatte die US-Regierung frühzeitig versucht, auch die Europäische Union in die Restitutionsanstrengungen zu integrieren. Bereits im Januar 1995 hatte Jon Greenwald vom State Department die Sorge geäußert, dass der Impetus der USA geschwächt werde, wenn die EU ihrerseits nicht auch auf die Klärung der Vermögensverschiebungen drängte. „Jewish restitution might be one subject that, at least in a general way, could be raised as the type of deck-clearing exercise required to prepare the way for Central European states to establish fully their new democratic credentials“, so Greenwald.120 Ende 1995 verfasste das Europäische Parlament eine Resolution, in der es die osteuropäischen Länder aufforderte, eine Gesetzesgrundlage zu verabschieden, die die Restitution von Raubgütern ermöglichte. Untermauert wurde die Resolution mit einem Verweis auf Artikel 1 der Europäischen Konvention für Menschenrechte, in der das Recht auf Privateigentum festgeschrieben war, sowie die Verpflichtung, die Menschenrechte zu achten und zu schützen. Das State Department interpretierte diese Resolution als ein Zeichen, dass nun auch die EU die offenen Restitutionsfragen auf ihre Agenda setzte. Es maß ihm große Bedeutung bei, da die osteuropäischen Länder angesichts ihres Interesses an der EU besonders sensibel auf diese Signale reagierten.121 Diese Position der EU wurde von Sir Leon Brittan, dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, in einer Rede vor dem World Jewish Congress am 22. Januar 1996 in Jerusalem bekräftigt. Er erklärte, dass die Verpflichtung der osteuropäischen Staaten zu Demokratie, zur Einhaltung von 118 Siehe auch Block, Restitution. 119 „Eizenstat Letter On Property Restitution“, 3. April 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 48. 120 „Memorandum from Jon Greenwald to the Ambassador [Stuart Eizenstat]: Some Thoughts on Your Jewish Restitution Portfolio“, 18. Januar 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 2 of 2, HF 029. 121 „European Parliament Steps Up To Bat On The Restitution Of Jewish Communal Property In Central And Eastern Europe“, 16. Januar 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 26, Folder JW 1 of 1, JW 3.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

Menschenrechten sowie zur Respektierung von Minderheitenrechten eine Voraussetzung für die Integration in die westlichen Institutionen sei.122 Damit wurde die Restitution von Vermögenswerten zwar nicht direkt zu einer Bedingung für den EU-Beitritt, die Rückerstattung wurde jedoch als integraler Bestandteil einer Politik der Achtung der Menschenrechte und des Privateigentums sowie der Minderheitenrechte verstanden. Trotz dieser Initiativen kann im Vergleich mit dem Engagement der USA nicht von einer kontinuierlichen und strukturierten Restitutionspolitik der EU gegenüber den osteuropäischen Staaten gesprochen werden. Im April 1998 regte Stuart Eizenstat gegenüber dem EU-Kommissar Hans van den Broek eine Kooperation zwischen den USA und der EU in Fragen der Restitution von Vermögenswerten in Osteuropa an. Da die osteuropäischen Länder möglichst schnell in die EU aufgenommen werden wollten, kam der EU nach Ansicht Eizenstats eine Schlüsselrolle zu, um auf eine zügige Restitution von kommunalem und privatem Eigentum zu drängen. „We would like to discuss possible steps that might be taken in common to focus greater attention on the need for further progress on property restitution and to encourage greater support for, and movement by, governments in Central and Eastern Europe on restitution matters“, schrieb Secretary of State Madelaine Albright in einer note verbale an EU-Kommissar van den Broek.123 Aufgrund dieser Note traf sich Victor Comras vom State Department in seiner Funktion als European Bureau Senior Coordinator for Restitution Issues im Mai 1998 mit Vertretern der EU-Kommission. Comras wies auf die wichtige Rolle der EU bei Restitutionsfragen in Osteuropa hin und forderte die EU-Kommission auf, ihr Interesse an einer raschen Klärung der offenen Fragen gegenüber den osteuropäischen Regierungen zu signalisieren. Eine direkte Verbindung von EU-Erweiterung mit Fragen der Restitution sei dabei nicht intendiert. Das State Department beurteilte dieses Treffen in Brüssel als „useful in initiating a dialogue that may provide the basis for further cooperation with the EU on the matter“.124 Die Restitution von Vermögenswerten wurde gegenüber Osteuropa also nicht explizit zur Voraussetzung für die Westintegration gemacht. Über den Zusammenhang von Restitution und Westintegration der Länder des ehemaligen Warschauer Pakts schrieb das State Department:

122 „Commissioner Brittan Expresses Commission Interest In Central And Eastern European Return Of Property Seized During The Holocaust“, 25. Januar 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 24, Folder JK 1 of 1, JK 93. 123 „Property Restitution: Note Verbale To EU Commissioner Van Den Broek“, 23. April 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 26, Folder JT 1 of 1, JT 8. 124 „Official Informal – Property Restitution: Senior Coordinator Briefs EU On U.S. Steps. Asks On EU Support On Restitution Issues“, 6. Mai 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 12, Folder DK 2 of 2, DK 79.

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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All the central European countries see themselves as future EU and NATO members. While we are careful not to link resolution of these issues to future status or even to our bilateral relationship, the mere fact that the USG is giving visibility to the Jewish claims issue inevitably causes them to view it in the context of their overall image in the West.125

Die konsequente Restitution von illegitimen Vermögensverschiebungen in Osteuropa wurde von der US-Regierung also als Indikator gesehen, inwieweit demokratische und rechtsstaatliche Institutionen sowie Privateigentum und marktwirtschaftliche Strukturen eingeführt wurden.126 Generell sah die USRegierung das Problem, dass die osteuropäischen Länder zwar energisch ihr politisches und ökonomisches System umbauten, in Fragen der Wiederherstellung von alten Eigentumsrechten jedoch nur sehr langsam Fortschritte erzielten.127 Die Clinton-Regierung ließ keinen Zweifel daran, dass die Klärung ungelöster Eigentumsfragen implizit eine Grundvoraussetzung für eine Mitgliedschaft in westlichen Organisationen sei. Sie ging das Thema mit großer diplomatischer Vorsicht an. Die Verbindung wurde lediglich semantisch hergestellt, indem die Restitution zu einem Synonym wurde für die Respektierung von Privateigentum, Marktwirtschaft und der Einhaltung der Menschenrechte. Das von der US-Regierung signalisierte große Interesse an Restitution, sowie die Verknüpfung mit diesen Schlüsselbegriffen, gab den osteuropäischen Regierungen zu verstehen, dass ihre Politik der Wiederherstellung von Eigentumsrechten als wichtiger Beleg für den allgemeinen wirtschaftspolitischen Umbau der Gesellschaft angesehen wurde. Die World Jewish Restitution Organization trug durch ihr Engagement angesichts der historischen Veränderungen nach der bipolaren Weltordnung also wesentlich dazu bei, dass der Restitutionsfrage in Osteuropa in den neunziger Jahren Beachtung geschenkt wurde. Die dafür notwendige internationale Unterstützung bekam sie sehr schnell. Besonders in den USA kam es zu einem breiten politischen Konsens, der über die Clinton-Regierung und das State Department hinausging. Bereits Anfang der neunziger Jahre erkannten relevante politische Kreise in den USA die Legitimität der Restitutionsforderungen an und unterstützten konsequent ihre Durchsetzung. Charakteristisch für diesen restitutionspolitischen Paradigmenwechsel war der starke Fokus auf die Restitution speziell jüdischer Vermögenswerte. Dies war ein historisches Novum. „In the post-war period, the U.S. was part of the problem, now

125 „Jewish Restitution: Ambassador Eizenstat’s Proposed Action Plan“, 12.  Juni 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder JC 1 of 1, JC 3. 126 Vgl. Eizenstat, Property Restitution. 127 „Property Restitution and Compensation in Central and Eastern Europe: Next Steps“, 17. Februar bzw. März 1998 [Datum ungenau], NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 19 A.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

the U.S. was part of the solution“, so Elan Steinberg vom WJC über den restitutionspolitischen Schwenk der USA in den frühen neunziger Jahren.128 Mit der Auseinandersetzung um property claims in Osteuropa wurde nach knapp einem halben Jahrhundert die Frage nach Restitution und Entschädigung wieder aktuell. Dabei verdeutlichte der politische Druck des WJC auf die Clinton-Regierung dessen Bedeutung für die Neuinitiierung einer Restitutionsdebatte. Es kam zu einem restitutionspolitischen Paradigmenwechsel, der sich im Verlauf der neunziger Jahre sowohl thematisch wie auch geographisch ausweiten sollte und zu einer der wichtigsten gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen in der westlichen Welt am Ende des 20. Jahrhunderts wurde. Im Gegensatz zur Zeit des Kalten Krieges war nicht allein eine Restitution verstaatlichten Eigentums von der US-Regierung gefordert. Die Zielsetzung ging über diesen Punkt hinaus, indem sie die Restitution von jüdischen Vermögenswerten zu einem zentralen Thema machte. Mit der Unterstützung der jüdischen Restitutionsforderungen erkannte die US-Regierung es als Unrecht an, dass diese Vermögensfragen über ein halbes Jahrhundert ungeklärt geblieben waren. Gleichzeitig führte die Aufmerksamkeit für das Thema dazu, dass das Ausmaß des Raubes an der jüdischen Bevölkerung verstärkt ins gesellschaftliche Bewusstsein geriet. Zentraler Akteur dabei war Stuart Eizenstat. Sein restitutionspolitisches Portfolio hatte Anfang 1995 ohne detaillierte Zielsetzung begonnen. Eizenstat beklagte, dass seine Sondermission in hohen Washingtoner Regierungskreisen auf relativ wenig Beachtung stieß.129 Die Restitutionspolitik der ClintonRegierung in Bezug auf property claims entwickelte und differenzierte sich kontinuierlich während der Auseinandersetzung. Die Intervention der USRegierung „legte das Fundament für alle Folgeschritte und schuf den Präzedenzfall, dass sich eine US-Regierung, auf dem Zenit ihrer globalen Vormachtstellung, in einer Angelegenheit aus dem Zweiten Weltkrieg zur Intervention entschloss“, so die Einschätzung Eizenstats.130 Die Debatte um Restitution in Osteuropa wurde von US-amerikanischer Seite unter dem Paradigma geführt, es handele sich um eine spezifisch osteuropäische Problematik, die aus der nationalsozialistischen wie auch der kommunistischen Herrschaftspraxis herrührte. Dass es sich jedoch jenseits der Frage nach der Form der Herrschaft und ihrer wirtschaftspolitischen Ausrichtung um ein grundsätzliches Problem der Nachkriegsgesellschaften handelte, wurde noch nicht wahrgenommen. Allein die Bereitschaft innerhalb des State Departments, ungeklärte Vermögenswerte generell aufzuarbeiten, schuf die Möglichkeit des Übergreifens der Restitutionsdebatte auch auf westliche Länder. 128 „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 30, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 3. 129 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 43. 130 Ebd. 44f.

3.2. Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage

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Das restitutionspolitische Engagement der USA war dabei in die allgemeinen geostrategischen Interessen in Osteuropa eingebettet. „Our pursuit of progress in this area must also be balanced against other critical U.S. interests in the region“, so Marc Grossman, Assistant Secretary of State for European Affairs gegenüber Eizenstat.131 Trotz der Auffassung Eizenstats, die USA hätten eine moralische Verpflichtung132, sich für die Restitution jüdischer Vermögenswerte einzusetzen und seiner These, das Wiedererstarken der osteuropäischen Gemeinden sei eine der größten Herausforderungen, vor denen die jüdische Kultur stünde133, war die Restitution in Osteuropa eng an die allgemeinen gesellschaftlichen Umstrukturierungsprozesse gekoppelt und hatte sich in diese zu integrieren. „The issues defy any single grand solution and absolute justice is unobtainable. We will need to define specific objectives which reflect overall U.S. interests, including development of strong, free market democracies in central Europe and support for regional political stability“, so die strategiepolitische Bewertung des State Department.134 Die Herausbildung der restitutionspolitischen Strategie der USA in Osteuropa war also immer auch Ergebnis einer Abwägung allgemeiner, der Restitutionspolitik übergeordneten Politikinteressen in der Region. Auch wenn der ursprüngliche Auftrag von Stuart Eizenstat speziell die Restitution von jüdischem Eigentum vorsah, so war es dennoch das Interesse des State Department, die osteuropäischen Regierungen generell auf die Klärung von Restitutionsansprüchen hinzuweisen, also auch von nicht-jüdischen US-Amerikanern. Dies zeigte sich in der Ausweitung des Aufgabenbereichs Eizenstats auf Restitutionsansprüche nicht-jüdischer US-Bürger. Generelles Ziel dieses Vorhabens war eine „appropriate non-discriminatory restitution/compensation“ für geraubte Vermögenswerte.135 Damit ist die Restitution von geraubten Vermögenswerten in Osteuropa im Kontext einer allgemeinen Politik der Reprivatisierung und der Durchsetzung von marktwirtschaftlichen Strukturen zu sehen. Die Wiederherstellung von Eigentumsrechten stand im engen Zusammenhang mit der allgemeinen Durchsetzung einer auf Privatbesitz beruhenden Gesellschaftsordnung. Von 131 „Property Restitution and Compensation in Central and Eastern Europe: Next Steps“, 17. Februar bzw. März 1998 [Datum ungenau], NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 19 A. 132 „DOC U/S Eizenstat Briefs GOI And International Jewish Organizations On European Restitution Efforts“, 21. August 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 27, Folder KH 1 of 1, KH 19. 133 „Speech To Synagogue Beth Hillel by Stuart E. Eizenstat“, 17. November 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 1 of 2, HF 024. 134 „Property Restitution and Compensation in Central and Eastern Europe: Next Steps“, 17. Februar bzw. März 1998 [Datum ungenau], NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 19 A. 135 „Jewish Property Restitution: Mission Guidance“, 6. Mai 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 1 of 3, AS 7.

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3. Restitution und Entschädigung nach dem Kalten Krieg

den osteuropäischen Regierungen wurde „the highest international standards in their treatment of property“ eingefordert.136 Es waren jedoch nicht allein wirtschaftspolitische Gründe, mit denen das restitutionspolitische Engagement gerechtfertigt wurde. Ziel war es, „to encourage, assist and support restitution for both human rights and economic reasons“.137 Bereits hier lässt sich eine semantische Verknüpfung der Bereiche Restitutionspolitik und Menschenrechtspolitik ausmachen. Die Restitution von Vermögenswerten in Osteuropa war in langfristiger Hinsicht also verbunden mit der Implementierung von Privatbesitz und rechtsstaatlichen Strukturen. Zentral für diesen Restitutionsprozess war das starke Gewicht, das der Raub von jüdischen Vermögenswerten einnahm. Der Grundsatz, „private property can only be taken on the basis of due process and for just compensation“, wurde umstandslos vom State Department auf den massenhaften Raub von jüdischen Vermögenswerten angewandt.138 Mit dieser Herangehensweise unterschied sich die Haltung der US-Regierung grundsätzlich von der vieler westeuropäischer Staaten. Diese pochten zwar auch auf die Einführung von Privatbesitz in Osteuropa, ließen aber die Ausraubung der jüdischen Bevölkerung und die daraus resultierende Forderung nach Restitution nicht zu einem zentralen Topos der ökonomischen Transformationsprozesse werden. Die Rückerstattungsauseinandersetzungen sprengten dann in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre den engen Rahmen auf Osteuropa und wurden zu einem globalen Thema. Die anfänglich begrenzte Zielsetzung der Restitution in den osteuropäischen Staaten weitete sich zur grundsätzlichen Aufarbeitung der Unterlassungen und Verweigerungen nach 1945 aus. In diesem Rahmen sollten auch westeuropäische Länder ins Zentrum der Kritik geraten.

136 Vgl. Eizenstat, Property Restitution. 137 „Diplomatic Strategy Paper: Property Restitution and Compensation in Central and Eastern Europe“, 28. Januar 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder Di 1 of 1, Di 40. 138 „Eizenstat Letter On Property Restitution“, 3. April 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 48.

4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik Die Problematik des unfinished business stellte sich nach dem Zusammenbruch des Sowjetreiches zuerst als eine Spezifik Osteuropas dar. Die property claims der jüdischen Organisationen wurden im Kontext eines allgemeinen Prozesses der Wiederherstellung von Privatbesitz in Osteuropa wahrgenommen. Die Besonderheit der jüdischen Forderungen schien lediglich zu sein, dass sie sich auch auf die Zeit vor 1945 bezogen, da große Teile der jüdischen Vermögenswerte bereits während der deutschen Besatzung konfisziert und geraubt worden waren. Um so überraschender war Mitte der neunziger Jahre das Übergreifen der Debatte auch auf Westeuropa: Die Auseinandersetzung um Raubgold und nachrichtenlose Konten entwickelte sich in der zweiten Hälfte der neunziger Jahren zu einer der großen Debatten über die NS-Zeit und zeigte, dass das unfinished business ein allgemeines Problem der Nachkriegsgesellschaften war. Damit sprengten die Rückerstattungsauseinandersetzungen den engen Fokus auf Osteuropa, und die Schweiz geriet als erstes westeuropäisches Land ins Zentrum der Kritik der US-amerikanischen Crusade for Justice. Dies führte zu einer einschneidenden Veränderung der US-Politik: Zielte die Unterstützung der jüdischen Restitutionsforderungen in Osteuropa auf einen generellen wirtschaftspolitischen Transformationsprozess ab, der eine umfassende Privatisierung zum Ziel hatte, so wandelte sich der US-Ansatz mit dem Übergreifen auf Westeuropa von einer reinen Restitutions- zu einer umfassenderen Geschichtspolitik. Ziel war nicht mehr allein die Rückgabe geraubten Eigentums, sondern damit einhergehend auch eine kritische Revision überkommener Geschichtsbilder der Nachkriegszeit. Dieser Umschwung in der US-Politik sollte nicht zuletzt einen tiefgreifenden Einfluss auf das Selbstverständnis der betroffenen Staaten haben und folglich auf die Art und Weise, wie sie den millionenfachen Mord an der jüdischen Bevölkerung erinnerten und in ihr nationales Geschichtsnarrativ integrierten. Im folgenden Kapitel sollen die verschieden Akteure der Auseinandersetzung vorgestellt und ihre Rolle, ihre strategischen Überlegungen und ihre Erfolge auf dem sich immer weiter ausdehnenden Feld der Problematik beschrieben werden. Die Debatte um nachrichtenlose Vermögen und Schweizer Raubgold bekam durch die Intervention jüdischer Organisationen, der Clinton-Regierung – hier besonders des State Department –, der US-Bundesstaaten sowie der Klägeranwälte, die die Ansprüche der Opfer zu Sammelklagen bündelten, eine Dynamik, die eine reine Restitutionspolitik überschritt. Der Verdacht der US-Regierung, dass die geraubten Goldreserven auch einge-

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

schmolzenes Opfergold enthielt, führte zu einer grundlegenden Kritik an der Politik der Neutralen und ihren Wirtschaftsbeziehungen zu Nazideutschland und im weiteren Verlauf auch an der Restitutionspraxis der Alliierten in der Nachkriegszeit. 4.1. Die Schweiz im Zentrum der Kritik der . US-amerikanischen Crusade for Justice Als erstes westeuropäisches Land geriet die Schweiz ins Zentrum der Kritik der US-amerikanischen Crusade for Justice. Auslöser der Debatte über die Restitutionsversäumnisse waren nachrichtenlose jüdische Vermögen, die noch auf Schweizer Banken lagen. Es handelte sich um jene Konten, deren Inhaber Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik geworden waren und deren Guthaben in der Nachkriegszeit nicht an die jeweiligen Erben ausgezahlt wurden. Die Schweizerische Bankiervereinigung hatte zwar die Schweizer Banken unverbindlich aufgefordert, erbenlose Guthaben zu melden, jedoch mit geringem Erfolg. Auch die Bereitschaft der USA, auf die Eidgenossen Druck auszuüben, ließ mit dem sich verstärkenden Kalten Krieg merklich nach. Die Schweiz wurde zu einem wichtigen Verbündeten. Obwohl sie im Washingtoner Abkommen von 1946 zusagte, das Problem „wohlwollend“ zu prüfen, blieb es in seiner Gesamtproblematik ungelöst.1 Die Gerüchte über umfangreiche Geldkonten von Holocaust-Opfern in Schweizer Banken blieben bestehen.2 Vereinzelte Initiativen sowohl von Einzelpersonen wie auch von zumeist jüdischen Organisationen – die als „Beutezug“ und „organisierte Betteleien“ abgetan wurden3 – führten jedoch nicht zu nennenswerten Resultaten. Im Jahre 1988 entschied daher die Jewish Agency for Israel, sich dieses Problems verstärkt anzunehmen. Die Politik beruhte jedoch auf stiller Diplomatie und konnte die Schweizer Banken nicht zu Zugeständnissen bewegen. Avraham Burg, der 1995 Vorsitzender der Jewish Agency wurde, kritisierte diese Strategie vehement und erklärte, mit dem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen.4 1 2

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„Fact Sheet: Assets deposited in Switzerland due to the National Socialist Regime“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DY 1 of 3, Dy 10; Frei, Washingtoner Abkommen, 612; siehe auch Surmann, Raubgold. „Transcript of Interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 36f., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3; Levin, Last Deposit, 95. Gregg Rickman zitiert einen Brief von Liba Weingarten an den New Yorker Senator Jacob Javits aus dem Jahre 1969, in dem dieser gefragt wird, ob die US-Regierung sich dem Thema nachrichtenloser jüdischer Vermögen auf Schweizer Konten annehmen werde. Die Antwort war ein klares „Nein“. Siehe Rickman, Swiss Banks, 39. Vgl. Maissen, Verweigerte Erinnerung, 43. Weill, Milliarden-Deal, 20-24; Levin, Last Deposit, 92; Maissen, Verweigerte Erinnerung, 151.

4.1. Die Schweiz im Zentrum der Kritik

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Bereits 1994 erschienen mehrere Artikel in der Schweizer Presse. Verschiedene Parlamentsanfragen konnten zwar nur wenig Neues ans Licht bringen, doch sie setzten Gespräche zwischen den Banken und der Regierung in Gang.5 Politisch unter Druck geraten entschied sich die Schweizer Bankiervereinigung, eine Arbeitsgruppe zum Thema nachrichtenlose Vermögen einzusetzen.6 Diese Entscheidung spiegelt nicht so sehr das Misstrauen gegenüber der Restitutionspraxis der Nachkriegszeit wider, als vielmehr die Anforderungen einer international agierenden Finanzwirtschaft.7 Der Präsident der Vereinigung Jüdischer Gemeinden in der Schweiz, Rolf Bloch, kontaktierte Anfang 1995 die Schweizer Bankiervereinigung und wies auf die Möglichkeit hin, dass erbenlose Konten auch von Opfern des Holocaust stammen könnten. Besonders die Fälle von Holocaust-Überlebenden aus Osteuropa seien zu berücksichtigen, die während des Kalten Krieges keine Anfragen an die Schweizer Banken hatten stellen können. Es gelang der jüdischen Gemeinde, einen Dialog mit der Schweizer Bankiervereinigung zu beginnen, und Bloch unterrichtete den World Jewish Congress über die Fortschritte der Gespräche.8 Im April 1995 erschien in einer Sondernummer der israelischen Wirtschaftszeitung „Globes“ anlässlich des Holocaust-Gedenktages ein Artikel über erbenlose Konten in Schweizer Banken. Darin wurde behauptet, es lägen noch 6,7 Milliarden Dollar auf Bankkonten in der Schweiz. Diese Zahl beruhte nach Pierre Weill zwar auf einem Rechenfehler, setzte jedoch in Israel einen politischen Prozess in Gang und kam sogar in der Knesset zur Diskussion. Damit wurde die Thematik nicht nur Teil der politischen Agenda, sondern weckte auch das Interesse der internationalen Presse. Das „Wall Street 5

Beat Balzli, Banken hüten Milliarden, in: SonntagsZeitung, 11. September 1994. Der Autor schätzte das Gesamtvermögen in erbenlosen Konten auf zwei Milliarden Franken und charakterisierte die Möglichkeit der Erben, an diese Vermögenswerte zu kommen, als äußerst schwierig. Ebenso Beat Balzli, Banken räumen Existenz herrenloser Vermögen ein, in: SonntagsZeitung, 5. März 1995. Siehe auch Jakob Tanner, Der verlässlichste neutrale Wirtschaftspartner des Dritten Reichs und sein gesäubertes Gedächtnis, in: Der Landbote, 6. Mai 1995; vgl. Maissen, Verweigerte Erinnerung, 158. 6 „Cable Ambassy Bern to Secretary of State, Subject: Swiss Bank Accounts of Holocaust Victims“, Juli 1995, LOC, Eizenstat-Papers, Folder CEE (property) / Miscellaneous, Paxton Box 23; Levin, Last Deposit, 96f. 7 Peter Gumbel, Secret Legacies. Heirs of Nazis’ Victims Challenge Swiss Banks On Wartime Deposits. Do Vaults Still Hold Jewelry Or Cash in Accounts Dating to the Holocaust? Pressure for Full Disclosure, in: The Wall Street Journal, 21. Juni 1995. Der Schweizer Historiker Jacques Picard hatte bereits 1993 ein kurzes Dossier über den Schweizer Meldebeschluss und nachrichtenlose Vermögen erstellt. Das Dossier ist 1996 veröffentlicht worden: Picard, Vermögen verschwundener Nazi-Opfer. Elan Steinberg vom WJC hat erklärt, speziell über die Arbeiten von Jacques Picard auf die Thematik der nachrichtenlosen Konten aufmerksam geworden zu sein. Siehe „Transcript of Interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 30, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3. 8 Levin, Last Deposit, 99; Rickman, Swiss Banks, 43; Schapiro, Class Action, 11.

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

Journal“ setzte das Thema im Juni 1995 auf die Titelseite, die englischsprachige israelische Zeitschrift „Jerusalem Report“ folgte kurz darauf. Die Debatte wurde schnell unter dem Schlagwort „Hitler’s willing Swiss Fiduciaries“ breit wahrgenommen. Stuart Eizenstat erklärte später, er sei durch diese Artikel auf die Problematik aufmerksam geworden.9 Auch auf politischer Ebene erfuhr die Schweiz Veränderungen. Anlässlich des 50. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs hatte der Schweizer Präsident Kaspar Villiger im Mai 1995 eingeräumt, „dass auch die Schweiz Schuld auf sich geladen hat“ und „nicht durchwegs so gehandelt [hat], wie es ihren Idealen entsprochen hätte“. Speziell die Flüchtlingspolitik bezeichnete er als unentschuldbares Versagen. Erstmals räumte die Schweiz offiziell schwere Fehler ein und widersprach somit dem etablierten Nachkriegsgeschichtsbild.10 Die Entscheidung des israelischen Premiers Yitzhak Rabin, der Jewish Agency unter Avraham Burg die Aufgabe zu erteilen, sich gemeinsam mit jüdischen Organisationen in den USA um dieses Thema zu kümmern, sollte weitreichende politische Konsequenzen haben. Israel selber wollte sich in diesem Konflikt nicht engagieren, um die bilateralen Beziehungen zur Schweiz nicht zu gefährden. In einem Brief an Edgar Bronfman versicherte Rabin, dass er als Präsident des World Jewish Congress die Interessen der jüdischen Bevölkerung und des israelischen Staates repräsentiere.11 Am 16.  Juni 1995 beschloss die World Jewish Restitution Organization dem Thema nachrichtenloser Konten nachzugehen. Damit dehnte sie ihre Restitutionsauseinandersetzungen erstmalig auch auf Westeuropa aus. 4.2. Die WJRO geht Restitutionsforderungen . in der Schweiz nach Vom 11. bis zum 13. September 1995 fand ein Treffen der WJRO in Brüssel statt, bei dem der Prozess der Restitution geraubter jüdischer Vermögenswerte in Osteuropa den Schwerpunkt bildete. Stuart Eizenstat bekräftigte in einer kurzen Gastrede das Interesse der US-Regierung an einer schnellen Regelung der offenen Restitutionsfragen und unterstrich, dass für die USA die Rück9

So der Titel eines Aufsatzes: Andrew J. Glass, Hitler’s Willing Swiss Fiduciaries, in: The New Leader, 10. Februar 1997, 3; Weill, Milliarden-Deal, 28, 33; Levin, Last Deposit, 102. 10 „Gedanken zum Kriegsende vor 50 Jahren“: Rede des Bundespräsidenten Kaspar Villiger zum Kriegsende vor 50 Jahren vor den Eidgenössischen Räten. Sondersession, 7. Mai 1995, in: http://www.admin.ch/cp/d/[email protected]. html, 26. 10. 2006. 11 Brief Yitzhak Rabin an Edgar Bronfman, 10. September 1996, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7.

4.2. Die WJRO geht Restitutionsforderungen in der Schweiz nach

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gabe von geraubten Vermögenswerten eng mit grundlegenden westlichen Werten verbunden war.12 Die Bundesrepublik wurde aufgefordert, die finanzielle Unterstützung von Holocaust-Opfern auf Osteuropa auszuweiten, und erstmals diskutierte man den Verbleib nachrichtenloser Vermögen speziell in Bezug auf die Schweiz. Man verwies aber auch auf weitere westeuropäische Länder, die geraubtes jüdisches Eigentum in der Nachkriegszeit nicht vollständig restituiert hatten. Die bis dahin als osteuropäisches Spezifikum angesehene fehlende Rückerstattung wurde nun als ein generelles Problem der Nachkriegsgesellschaften wahrgenommen.13 Maram Stern, der Europa-Vertreter des WJC, konstatierte in Westeuropa im Vergleich zum Engagement der US-Regierung einen Mangel an politischem Interesse und bedauerte die Zurückhaltung in der europäischen Politik, die jüdischen Forderungen zu unterstützen.14 Mit dem Treffen der WJRO in Brüssel kam die restitutionspolitische Auseinandersetzung der kommenden Jahre in Gang. Im September 1995 reiste eine Delegation der WJRO zu Gesprächen in die Schweiz. Präsident Villiger versicherte seine moralische Unterstützung, gab aber gleichzeitig die offizielle Linie vor: Bei dem Thema handele es sich um eine privatrechtliche Angelegenheit, in die sich die Schweizer Regierung nicht einmischen werde.15 Das darauffolgende Treffen mit der Schweizer Bankiervereinigung offenbarte die unterschiedliche Herangehensweise der Kontrahenten. Während die Schweizer Banken das Problem der nachrichtenlosen Konten weiterhin in gewohnter Weise regeln wollten, beharrte Edgar Bronfman auf einer prinzipiellen Lösung: Nur weiter nach Konten zu suchen sei nicht ausreichend. Die WJRO forderte eine grundsätzlich neue restitutionspolitische Verfahrensweise. Es bahnte sich ein tiefgreifender Konflikt zwischen der traditionellen Haltung, die in den Gewissheiten des Kalten Krieges veran12 „Jewish Property Restitution Checklist“, 9. September 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 20, Folder HF 1 of 2, HF 07. 13 Die WJRO war demnach für Restitutionsforderungen nicht allein in Osteuropa, sondern in allen Ländern außer Deutschland und Österreich zuständig. Die Claims Conference beschäftigte sich dafür allein mit Restitutions- und Entschädigungsverpflichtungen aus Deutschland und Österreich. Siehe „Transcript of interview with Israel Singer and Elan Steinberg“, 30. April 2001, o.S., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Singer/ Steinberg 4.30.01, Paxton Box 3. 14 „Jewish Restitution – WJRO Brussels Conference looks to Germany, Switzerland and Western Europe“, September 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 1 of 2, HF 02. 15 „Transcript of interview with Edgar Bronfman“, 12.  März 2001, 16, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland I/ Edgar Bronfman, Paxton Box 7; Maissen, Verweigerte Erinnerung, 177; Levin, Last Deposit, 112. Kontakte zwischen dem WJC und der Schweizer Bankiervereinigung hat es schon vorher gegeben. Speziell Israel Singer hatte vor dem offiziellen Treffen im September verschiedene Reisen in die Schweiz unternommen, um das Thema zu sondieren. Siehe „Jewish Property Restitution Checklist“, 9. September 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 1 of 2, HF 07.

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

kert war, und der Politik der WJRO an, die die weltpolitischen Veränderungen für einen Paradigmenwechsel zu nutzen suchte. Dass nicht allein die Schweizer Bankiers diese Haltung vertraten, zeigte die Reaktion des US-Botschafters in der Schweiz, Larry Lawrence. Er hatte dem US-Außenminister Warren Christopher noch im Sommer 1995 sein Vertrauen in die Schweizer Bankenpraxis bestätigt und von einer diplomatischen Intervention abgeraten, da er die Anschuldigungen gegen die Schweizer Banken als unbegründet ansah.16 4.3. Politischer Druck auf die Schweiz Edgar M. Bronfman und Israel Singer vom WJC kontaktierten im Dezember 1995 den republikanischen Senator Alfonse D’Amato aus New York mit der Bitte, bei der Aufklärung der nachrichtenlosen Vermögen in der Schweiz behilflich zu sein. Der Kontakt war vom damaligen Schatzmeister des WJC, dem Republikaner Ronald Lauder, vermittelt worden. D’Amato war Vorsitzender des Senatsbankenausschusses, Bank- und Finanzangelegenheiten fielen somit in sein Ressort. Bronfman und Singer informierten D’Amato bei diesem Treffen über die Problematik der erbenlosen Vermögen auf Schweizer Banken. Singer erklärte, der WJC wäre nur auf die politische Unterstützung des Senators angewiesen, wenn es zu keiner Einigung mit der Bankiervereinigung käme. Das Treffen mit D’Amato lässt vermuten, dass der WJC nicht an eine einvernehmliche Lösung glaubte und die Verlagerung des Konflikts in die USA vorbereitete, in der Hoffnung, von dort stärkeren Einfluss auf die Geschehnisse nehmen zu können. Obwohl mit dem WJC Stillschweigen vereinbart worden war, gab die Schweizerische Bankiervereinigung in einer Pressekonferenz kurze Zeit später die Resultate einer internen Suche nach nachrichtenlosen Vermögen bekannt. Die Banken präsentierten 775 nachrichtenlose Konten, die in einer internen Suche mit einem Gesamtwert von 38,7 Millionen Franken gefunden wurden, als Beleg, dass die in Umlauf gebrachten Zahlen keinerlei Grundlage hätten. Die Vertreter der jüdischen Organisationen wiederum werteten die Tatsache der Bekanntgabe der Konten als Hinweis, dass ihnen die Schweizer keine Mitsprache bei der Suche nach Konten gewähren würden. Der WJC bat nun Senator D’Amato, die Politik der Schweiz und der Schweizer Banken in öffentlichen Anhörungen zu untersu-

16 „Cable Ambassy Bern to Secretary of State, Subject: Swiss Bank Accounts of Holocaust Victims: Possible Visit To Switzerland“, Juli 1995, LOC, Eizenstat-Papers, Folder CEE (property) / Miscellaneous, Paxton Box 23; „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 43f., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 82; Maissen, Verweigerte Erinnerung, 180f.; Levin, Last Deposit, 113.

4.3. Politischer Druck auf die Schweiz

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chen.17 Allein eine öffentliche Kampagne, so die Entscheidung des WJC, konnte zu einer Lösung in ihrem Sinne führen.18 Parallel zu den laufenden Gesprächen baute der WJC also politischen Druck gegenüber der Schweiz auf und bereitete eine öffentlichkeitswirksame Kampagne in den USA vor. Damit beschritt der WJC den gleichen öffentlichkeitswirksamen Weg, wie bereits in den achtziger Jahren mit der Kampagne gegen Kurt Waldheims Kandidatur als Präsident der UNO.19 Mit Senator D’Amato begann das Engagement politischer Kreise in den USA jenseits der organisierten jüdischen Gruppierungen auch im Bereich Westeuropa.20 Die Anhörung im Senate Banking Committee Senator D’Amato setzte die erste Anhörung über nachrichtenlose Vermögen von Holocaust-Opfern auf den 23. April 1996 an. Dem ging eine intensive Recherche nach Dokumenten in den National Archives in Washington voraus. Die gefundenen Quellen waren zwar größtenteils schon lange freigegeben, aufgrund der gesellschaftlichen Amnesie in der Nachkriegszeit bezüglich des Raubes von Vermögenswerten waren sie jedoch lediglich einem kleinen Kreis von Fachleuten bekannt.21 Die Quellen konnten daher als neue Funde präsentiert werden und wurden sowohl vom WJC als auch von Gregg Rickman, der für Senator D’Amato die Untersuchungen koordinierte, nach und nach an die Presse weitergegeben. Dieser „drip, drip, drip approach“ (Gregg Rickman) 17 „Holocaust-Era Bank Accounts – Swiss Banker’s Association Releases Survey Results“, 12. Februar 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DY 1 of 3, DY 11; Maissen, Verweigerte Erinnerung, 190. 18 „Transcript of interview with Senator Alfonse D’Amato and Gregg Rickman“, 28. Februar 2001, 11, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Senator D’Amato 2.26.01, Paxton Box 6; Weill, Milliarden-Deal, 69; Graf, Wirtschaftssanktionen, 30. 19 „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 50, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 14; Levin, Last Deposit, 114ff., 123; Rickman, Swiss Banks, 40; Maissen, Verweigerte Erinnerung, 188, 196f. Die Schweizerische Bankiervereinigung beharrte darauf, ihr primärer Ansprechpartner sei die Schweizer jüdische Gemeinde, von der sie sich zurückhaltendere Verhandlungen versprach. Damit bahnte sich ein ähnlicher Konflikt an, wie er bereits in Osteuropa existierte: Die unterschiedlichen Herangehensweisen und Vorstellungen führten zu Spannungen und Konflikten zwischen den lokalen und den internationalen jüdischen Organisationen. 20 „Transcript of interview with Senator Alfonse D’Amato“, 26. Februar 2001, 23, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Senator D’Amato 2.26.01, Paxton Box 6; Interview Douglas Bloomfield; Interview Gregg Rickman. 21 Interview Miriam Kleiman; Interview Gregg Rickman; siehe auch Irvin Molotsky, Over Here, Paper Chase for Nazi Gold, in: New York Times, 30. März 1997; Greg Bradsher, Searching for Documents on Nazi Gold, in: http://www.nara.gov/nara/research/nazigold.html, 18. 05. 2006.

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

ließ die Schweiz nicht aus der medialen Öffentlichkeit entkommen und konfrontierte sie mit immer neuen Skandalmeldungen.22 Während der WJC an einer generellen Thematisierung nicht restituierter Vermögenswerte interessiert war, ging es Senator D’Amato in Hinblick auf die anstehende Senatsanhörung vor allem um die Rolle der Schweiz.23 Zugleich verstärkte die israelische Regierung den politischen Druck. Zwei Tage vor dem angesetzten Termin sicherte der damalige Premierminister Shimon Peres der Jewish Agency und dem WJC erneut die volle Unterstützung des Staates Israels bei den Restitutionsanstrengungen zu und bekräftigte die bereits im November 1992 zwischen der WJRO und der Regierung Israels vereinbarte Hilfe. Es war diese indirekte Einflussnahme, die die Politik Israels in Bezug auf Restitutionsfragen in den neunziger Jahren kennzeichnete.24 Die Schweizer Bankiervereinigung versuchte, die Anhörung noch kurzfristig zu stoppen, indem sie dem WJC den Einsatz einer unabhängigen Revisionsfirma vorschlug und erklärte, jüdische Organisationen bei der Untersuchung zuzulassen. Der WJC ignorierte jedoch das Angebot.25 Die von Senator D’Amato initiierte Anhörung im April 1996 war die erste in den USA über die Schweiz seit 1946.26 Er plante sie als einen „Kampf um die öffentliche Meinung“. D’Amato warf in seinem Auftritt, den Stuart Eizen22 Vgl. „Memorandum World Jewish Congress: Secret Documents – Swiss Shipped Billions to Switzerland“, 1. Juli 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DY 1 of 3, DY 3 a. 23 Interview Miriam Kleiman; Interview Greg Bradsher; Rickman, Swiss Banks, 47, 49; Levin, Last Deposit, 130. 24 Levin, Last Deposit, 132; „A Memorandum Of Agreement Between The Government Of Israel (G.O.I.) And The Jewish Restitution Organization (J.R.O.) Concerning The Restitution Of Jewish Property In Eastern European Countries“, November 1992, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7. 25 Brief der Schweizer Bankiervereinigung an Israel Singer, 9. April 1996, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder CEE (property) / Miscellaneous, Paxton Box 23. 26 Siehe Andreas Cleis, Schweizer Banken im Visier des US-Kongresses. Untersuchung über Vermögenswerte von Holocaust-Opfern, in: Neue Zürcher Zeitung, 24. April 1996. Im Juni 1946 hatte Senator Harley Kilgore im Rahmen des War Mobilization Subcommittee of the Senate Military Affairs Committee Anhörungen durchgeführt, die Deutschlands Kriegspotential in der Zukunft abwägen sollten. Er nutzte diese Anhörungen, um das Doppelspiel der Schweiz mit den Alliierten in den letzten Kriegsmonaten aufzudecken. Obwohl sich Truman gegen diese Anhörungen aussprach, stießen die Anschuldigungen in der US-Presse dennoch auf ein großes Echo, denn sie zeigten die Schweiz in komplizenhafter Rolle und belegten, dass Lieferungen von deutschem Raubgold in die Schweiz trotz anderweitiger Vereinbarungen mit den USA nicht gestoppt worden waren. Die letzte deutsche Goldsendung kam am 6. April 1945 zur Tilgung deutscher Verbindlichkeiten in die Schweiz. In einem Brief an Präsident Truman setzte sich Senator Kilgore 1946 für eine umfassende Restitution des Raubgoldes ein, das von Deutschland in die Schweiz verschifft wurde. Siehe Uhlig u. a., Tarnung, Transfer, Transit, 261; Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, 33; Smith Jr., Hitler’s Gold, 79f.; Vincent, Gold der verfolgten Juden, 138; Rings, Raubgold, 165.

4.3. Politischer Druck auf die Schweiz

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stat später als „theatralisch“ charakterisierte27, den Schweizer Banken vor, das Vertrauen der jüdischen Kunden missbraucht zu haben und ihnen systematisch in der Nachkriegszeit ihre Vermögenswerte vorenthalten zu haben. „The survivors were victimized. They were victimized by institutions that we never […] would have ever thought played any role in this“, so D’Amato.28 Die Anhörung diene jedoch nicht dem Zweck, über die Summe der nachrichtenlosen Vermögen von Holocaust-Opfern auf Schweizer Banken zu spekulieren. Sie solle vielmehr den Opfern Gerechtigkeit zukommen lassen und die Herrschaft des Gesetzes wieder einführen, erklärte D’Amato.29 Im Gegensatz zu den Restitutionsauseinandersetzungen in der Nachkriegszeit ging es D’Amato nicht einfach um die Zahlung einer gewissen Summe, eine prinzipielle Klärung stand zur Debatte. Es sollten nicht nur nachrichtenlose Konten auf Schweizer Banken ausgezahlt werden, sondern es ging um ein generelles Rechtsverständnis, das die Versäumnisse der Nachkriegszeit als einen eklatanten Verstoß gegen Grundprinzipien der USA ansah. Senator D’Amato stellte in der Anhörung den Aspekt des Raubgoldes in den Mittelpunkt. Gregg Rickman hatte Senator D’Amato dazu geraten30, weil in den National Archives Dokumente zur „Operation Safehaven“ gefunden worden waren, die minutiös die Bemühungen der Alliierten während des Zweiten Weltkriegs beschrieben, Deutschland ökonomisch zu isolieren und den Zu- bzw. Abfluss von Vermögenswerten zu unterbinden, unter anderem auch den Transfer von Gold und anderer Vermögenswerte aus Deutschland in die Schweiz. Über die Menge an nachrichtenlosen Konten auf Schweizer Banken waren Informationen hingegen kaum zu finden. D’Amato forderte also außer der Klärung von nachrichtenlosen Konten von Holocaust-Opfern auch die Beantwortung der Frage, inwieweit geraubte Vermögenswerte in die Schweiz gebracht und auf Konten deponiert worden waren. Er machte dem Finanzplatz Schweiz damit implizit den Vorwurf, williger Hehler der nationalsozialistischen Raubpolitik gewesen zu sein. Die Hauptzeugin in D’Amatos Anhörung war Greta Beer, die mit ihrer persönlichen Lebensgeschichte, die bereits kurz vor der Anhörung Thema eines Artikels im „New York Magazine“ war, der anonymen Geschichte verschwundener nachrichtenloser Konten ein menschliches Gesicht gab. Edgar Bronfman vertrat die Position des WJC. Auch er argumentierte, dass es über ein halbes Jahrhundert nach den Geschehnissen nicht auf die Summe der Zahlungen ankäme, sondern auf eine unabhängige Prüfung aller Unterlagen. Bronfman forderte eine umfassende Suche nach allen Arten von 27 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 93. 28 „Transcript of interview with Senator Alfonse D’Amato“, 26. Februar 2001, 4, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Senator D’Amato 2.26.01, Paxton Box 6. 29 Siehe Levin, Last Deposit, 134f. 30 Interview Miriam Kleiman; Rickman, Swiss Banks, 53; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 93.

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

geraubten Vermögenswerten. Der geäußerte Vorwurf, das geraubte Gold in Schweizer Banken stamme nicht nur aus Zentralbanken, sondern auch aus dem privaten Besitz von Holocaust-Opfern, sollte erhebliche Konsequenzen für die weitere Auseinandersetzung um Vermögenswerte in Schweizer Banken haben und zudem die geplante Auflösung der Tripartite Gold Commission in Frage stellen.31 Von starker symbolischer Bedeutung war auch die Aussage Stuart Eizenstats: Signalisierte seine Schilderung der Restitutionsdebatte in Osteuropa allen Beteiligten doch das Interesse der US-Regierung an einer baldigen und grundsätzlichen Lösung ungeklärter Rückerstattungsfragen. Er schloss seine Darstellung mit einer Bekräftigung der Bemühungen D’Amatos und versicherte ihm den Rückhalt der Regierung.32 Der Vorsitzende der Schweizerischen Bankiervereinigung, Hans Baer, verteidigte die Schweizer Banken und ihr Verhalten.33 Er wiederholte öffentlich die Bereitschaft der Banken, zusammen mit jüdischen Organisationen eine unabhängige Revision durchzuführen. Den Banken sei daran gelegen, die Angelegenheit abschließend zu klären. Trotz dieser Zusagen gelang es ihm jedoch nicht, aus der Defensive zu kommen.34 Überraschend war die Einmütigkeit, mit der die Abgeordneten im Ausschuss die Angelegenheit behandelten. Die demokratische Senatorin Barbara Boxer aus Kalifornien, sowie die republikanischen Senatoren Bob Bennett aus Utah und Pete V. Domenici aus New Mexico erklärten, dass sie sich für eine grundsätzliche Klärung der aufgeworfenen Fragen einsetzen werden. Ebenso unterstützte der demokratische Senator Christopher J. Dodd das Anliegen, was hohen symbolischen Wert hatte, da sein Vater, Thomas Dodd, als Ankläger bei den Nürnberger Prozessen fungiert hatte.35 Diese parteienübergreifende Bereitschaft, sich für die Klärung offener Restitutionsfragen einzusetzen, demonstrierte der Schweizerischen Bankiervereinigung die Ernsthaftigkeit der Bestrebungen des Senatsausschusses. Die Anhörung vor dem Ausschuss verfehlte nicht ihre Wirkung. Sie markierte einen wichtigen Schritt in der Auseinandersetzung um ungeklärte Vermögenswerte, da nun neben der Klärung der nachrichtenlosen Konten auf Schweizer Banken die Frage nach dem Raubgold ins Licht gerückt wurde. 31 „Transcript of Hearings before the United States Senate. Hearing on the Status of Assets held in Swiss Banks by Jews and Others Before and During World War II and the Holocaust“, 23. April 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DJ 3 of 3, DJ 24 k, 28ff. Zur Tripartite Gold Commission siehe Kapitel 6.1. 32 „Transcript of Hearings before the United States Senate. Hearing on the Status of Assets held in Swiss Banks by Jews and Others Before and During World War II and the Holocaust“, 23. April 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DJ 3 of 3, DJ 24 k, 41f. 33 Gregg Rickman bezeichnete ihn abschätzig als „the industry’s token Jew“. Rickman, Swiss Banks, 52. 34 Cleis, Schweizer Banken. 35 Rickman, Swiss Banks, 51.

4.3. Politischer Druck auf die Schweiz

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Die politischen Berater Eizenstats werteten die Anhörung dann auch als großen Erfolg.36 Der WJC gewann durch die an die Medien lancierten Dokumente und die öffentliche Anhörung Senator D’Amatos wieder die Oberhand. Die Ereignisse seit der Pressekonferenz der Schweizer Bankiervereinigung im Februar hatten gezeigt, dass die Banken dem WJC nicht die Regeln der Auseinandersetzung diktieren konnten. Die Arena hatte sich von der Schweiz in die USA verlagert, aus obskuren Verhandlungszimmern in die Öffentlichkeit. Zwar hatte der Kongress de lege nur Einfluss auf die Filialen der Schweizer Banken in den USA, aber durch die Internationalisierung der Finanzmärkte hatten die USA de facto das Gewicht, die Schweizer Banken ausreichend unter Druck zu setzen.37 Das Independent Committee of Eminent Persons Nach der Anhörung vor dem Senatsausschuss im April 1996 führten Hans Baer und Israel Singer intensive Gespräche über die proklamierte unabhängige Bankenrevision. Bereits Anfang Mai wurde ein sogenanntes Memorandum of Understanding unterzeichnet, das eine unabhängige und transparente Buchprüfung festlegte.38 Stuart Eizenstat lobte diese Entwicklung, die er als direkte Konsequenz der Intervention Senator D’Amatos sah.39 Zum ersten Mal waren auch die Schweizer Großbanken in den Prozess integriert. Besonders der WJC hatte Wert darauf gelegt, da eine finanzielle Klärung allein mit den kleinen Schweizer Banken ungleich schwerer geworden wäre.40 Da das Memorandum jedoch nur von der Schweizerischen Bankiervereinigung unterzeichnet worden war, blieben andere Institutionen wie beispielsweise die Versicherungsbranche, von der Vereinbarung ausgespart.41 Der zentrale Passus des Memorandums sah die Schaffung eines siebenköpfigen Independent Committee of Eminent Persons vor. Als Vorsitzender wurde der ehemalige Chef des US-Zentralbankrates unter den Präsidenten 36 „Initial Follow-Up Discussions and Thoughts on the Hearing“, 24. April, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DX 1 of 2, DX 2. 37 Rickmann, Swiss Banks, 50f., 74; Interview Miriam Kleiman. 38 „Memorandum Of Understanding“, 2. Mai 1996, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Singer/ Steinberg 4.30.01, Paxton Box 3. 39 „Under Secretary Eizenstat’s May 23-24 Visit To Switzerland“, 24. Juni 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 23, Folder J 4 of 5, F 114-1; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 94. 40 „Transcript of interview with Israel Singer and Elan Steinberg“, 30. April 2001, o.S., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Singer/ Steinberg 4.30.01, Paxton Box 3. 41 Brief Stuart Eizenstat an Senator Alfonse D’Amato, 31. Juli 1996, LOC, Eizenstat-Papers, Folder: Hausfeld Swiss, Paxton Box 2.

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Carter und Reagan, Paul Volcker, von beiden Parteien vorgeschlagen.42 Die Schweizer Banken erklärten sich in dem Memorandum bereit, einer internationalen Prüfgesellschaft ungehinderten Zugang zu allen Dokumenten zu gewähren. Was jedoch genau die Aufgabe der Prüfgesellschaft sein sollte, blieb offen. Beim ersten Treffen der unabhängigen Expertenkommission in New York, die fortan inoffiziell den Namen Volcker-Kommission trug, kam es zu einer Reihe heftiger Auseinandersetzungen. Die vagen Formulierungen des Memorandums hatten die gegensätzlichen Positionen lediglich überdeckt. Während die jüdischen Organisationen auf einer Untersuchung aller geraubten Vermögenswerte bestanden, die in Schweizer Banken transferiert worden waren, erklärte die Schweizer Seite, dass sie einer Untersuchung, die über die nachrichtenlosen Konten hinausginge, nie zugestimmt hätte. Dies sei vielmehr Aufgabe der Schweizer Regierung. Paul Volcker entschied zugunsten der Banken, nur Konten überprüfen zu lassen, die von Holocaust-Opfern eingerichtet und den Erben in der Nachkriegszeit nicht ausbezahlt worden waren. Wenigstens wurde der Begriff der nachrichtenlosen Konten dabei weit gefasst. Das Komitee verpflichtete sich, das Thema wieder aufzunehmen, falls die Schweizer Regierung keine zufriedenstellenden Maßnahmen ergreifen würde.43 Im Zuge der Untersuchungen der Volcker-Kommission wurde Helen Junz beauftragt, eine Studie über den Reichtum der jüdischen Bevölkerung im Vorkriegseuropa zu verfassen. Man wollte eine Vorstellung von dem Ausmaß der nationalsozialistischen Raubpolitik erhalten.44 Es waren nicht zuletzt diese Forschungsarbeiten, die in den neunziger Jahren dazu beitrugen, dass die nationalsozialistische Raubpolitik als integraler Bestandteil der Vernichtungspolitik erkannt wurde. Es entwickelte sich zunehmend die Einsicht, dass die systematische Ausplünderung fokussiert werden müsse, die während der bipolaren Weltordnung aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein verdrängt worden war. Im Oktober 1996 einigte man sich auf die Richtlinien für die Buchprüfung. Bis Juni 1997 sollte eine Pilotuntersuchung von drei Banken durchgeführt werden. Danach sollte ein endgültiges Mandat die Art und Weise der Revision für alle Banken bestimmen. Ein Jahr später sollte die gesamte Buchprüfung abgeschlossen sein.45 Dieser Zeitrahmen dehnte sich jedoch im Lauf der Untersuchungen sukzessive aus. 42 „Appendix I. Memorandum of Understanding and List of Members of the Committee“, 2. Mai 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DJ 3 of 3, DJ 24 U; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 95. 43 „Volcker Committee“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DU 4 of 4: DU 27, DU 291 C. 44 Es wurde vereinbart, die Vermögenswerte mit zehn zu multiplizieren um den heutigen Geldwert zu ermitteln. Die Ergebnisse der Studie von Helen B. Junz wurden veröffentlicht: Junz, Where did all the money go? 45 „Audit Firm Mandate and Instructions – The First Phase“, 19. November 1996, NARA,

4.3. Politischer Druck auf die Schweiz

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Im Spätsommer des Jahres 1996 schien die Auseinandersetzung um die nachrichtenlosen Konten erst einmal entschärft. Mit der Einrichtung der Volcker-Kommission hatten die Schweizer Banken dem öffentlichen Druck nachgegeben und eine der zentralen Forderungen des WJC, der Clinton-Administration und Senator D’Amatos erfüllt: die transparente und unabhängige Suche nach nachrichtenlosen Konten auf Schweizer Banken. Die Schweiz erkannte nun offiziell die Existenz solcher Konten als Problem an und sah ein, dass die bisherige Behandlung dieser Vermögenswerte überprüft und korrigiert werden musste. Die Anhörung zum Geheimabkommen von 1949 Mitte Oktober 1996 organisierte Senator D’Amato eine zweite Anhörung. Um den öffentlichen Druck auf die Schweiz zu vergrößern wurde dieses sogenannte „field hearing“ (Neue Zürcher Zeitung) nicht in der Hauptstadt, sondern in New York abgehalten. Einige Mitarbeiter D’Amatos hatten nach weiteren Zeitzeugen gesucht, die vor dem Ausschuss detailliert darlegen sollten, wie ihnen die Auszahlung von Geldern verweigert worden war. Diese persönlichen Aussagen prägten das Bild der Öffentlichkeit über die Schweiz nachhaltig. Der inhaltliche Schwerpunkt der Anhörung war ein Abkommen zwischen der Schweiz und Polen von 1949, in dem die Vertragspartner den Transfer von Vermögen polnischer Holocaust-Opfer auf ein Konto der Schweizer Nationalbank vereinbarten. Von diesem Konto, das der Kontrolle der polnischen Nationalbank unterlag, sollten Schweizer Bürger entschädigt werden, deren Vermögenswerte in Polen verstaatlicht worden waren. Mit diesem Abkommen konterkarierte die Schweiz die Bemühungen der Alliierten, erbenloses Vermögen den Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik zur Verfügung zu stellen. Die Schweiz hatte in einem vertraulichen Briefwechsel gegenüber Polen zwar darauf bestanden, dass nachrichtenloses Vermögen an die jeweiligen Erben auszuzahlen sei. Sie teilten jedoch den polnischen Behörden die Namen der ehemaligen Eigentümer nicht mit, aus – wie sie vorgaben – Schutz vor Repressalien gegenüber den Nachkommen wegen Devisenflucht. So war es Polen offensichtlich nicht möglich, den anspruchsberechtigten Personen die Gelder zuzuführen. Das Abkommen verstieß also gegen die Interessen der Bankkunden, die ihr Vermögen im Vertrauen auf den Schweizer Finanzplatz dort deponiert hatten. Das Abkommen hatte daher durchaus das Potential, einen neuen Skandal in der Auseinandersetzung um Schweizer Banken und Restitutionszahlungen auszulösen.46 RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DJ 3 of 3, DJ 24 U. Das Volcker-Komitee hat 53.886 Konten mit einem möglichen Bezug zu NS-Opfern gefunden. Siehe Independent Committee of Eminent Persons, Report on Dormant Accounts. 46 „Polish Findings On Links Between Swiss Indemnification And Polish Dormant As-

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

Die Nachricht über dieses Geheimabkommen dominierte die Berichterstattung über die Anhörung.47 Die Reaktion der Schweiz auf diese Vorwürfe war chaotisch und damit typisch für ihre Art, die Krise zu handhaben. Die Schweizer Behörden waren zunächst nicht in der Lage, das Abkommen historisch zuzuordnen. Das Außenministerium ließ über seinen Pressesprecher dementieren, dass es Geheimabkommen dieser Art überhaupt gegeben habe. Aber bereits zwei Tage nach der Anhörung wurde die Existenz dieses Abkommens bestätigt. Am darauffolgenden Tag ging der Außenminister an die Öffentlichkeit, bestritt jedoch, dass Schweizer Bürger Vorteile aus dem Abkommen gezogen hätten. Fast eine Woche später wurde auch die Tatsache anerkannt, dass Schweizer mit dem Geld von polnischen Holocaust-Opfern entschädigt worden waren. Dies geschah aber erst, nachdem Mitarbeiter von Senator D’Amato eine Schweizer Parlamentsdebatte vom März 1950 übersetzt und veröffentlicht hatten. Der damalige Schweizer Präsident Max Petitpierre hatte das Abkommen genau so dargestellt, wie es D’Amato in seiner Anklage interpretiert hatte. Angesichts dessen forderte der World Jewish Congress die Schweizer Regierung als verantwortliches Gremium auf, Entschädigungsleistungen zu zahlen. Aufgrund dieser Fakten konnte sich die Schweizer Regierung dem Skandal nicht mehr entziehen und geriet weiter in die Krise hinein, nachdem sie bereits in der ersten Anhörung in Bezug auf den Raubgoldhandel in die Kritik geraten war.48 Im Dezember 1996 stellte eine polnische Untersuchungskommission ihren Bericht zu dem Abkommen der Öffentlichkeit vor und kam zu einem eindeutigen Urteil: The Treaty of June 25, 1949 between the Republic of Poland and the Swiss Confederation on compensation for Swiss property in Poland was negotiated in violation of the interests of Polish citizens, the owners or their heirs, of accounts and deposits in Swiss banks, and policies in Swiss insurance companies.49

Mit diesem Urteil wurde die Schweizer Verteidigungsstrategie, der Vertrag sei zwar unmoralisch, jedoch juristisch einwandfrei gewesen, immer haltloser. Ein anonymer Schweizer Diplomat wurde von der „Washington Times“ mit den Worten zitiert: „We’re having a terrible week.“50 Die Schweiz hatte stur am Geschichts-Narrativ der Nachkriegszeit festgehalten. Die Beweiskraft der öffentlich gemachten Dokumente ließ dieses Konstrukt jedoch als Mythos erscheinen. Die fehlende Bereitschaft, Geschichtsbilder kritisch zu reflektieren und aufzuarbeiten, verschlechterten die Reputation der Schweiz weiter: We-

47 48 49 50

sets“, 18. November 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 7, Folder CV 1 of 1, CV 31; siehe auch Hug/Perrenoud, Vermögenswerte von Nazi-Opfern. Vgl. Alan Cowell, Swiss Used Nazi Victims’ Money for War Payments, Files Reveal, in: New York Times, 24. Oktober 1996. Maissen, Verweigerte Erinnerung, 234f.; Rickman, Swiss Banks, 80f. Zit. n. Rickman, Swiss Banks, 88. James Morrison, Swiss Gold Standard, in: Washington Times, 25. Oktober 1996, A 18.

4.3. Politischer Druck auf die Schweiz

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der die Schweizer Banken noch die Regierung schienen gewillt, sich den Anschuldigungen offen und bereitwillig zu stellen.51 Die Kritik am Verhalten der Schweiz verlagerte den Fokus immer mehr auf die Schweizer Nationalbank und die Schweizer Regierung. Die Debatte, die als Auseinandersetzung um nachrichtenlose Konten auf Schweizer (Privat)-Banken begonnen hatte, weitete sich stetig aus und die Frage nach Raubgold und dem Verhalten der Schweiz während und nach dem Zweiten Weltkrieg bekam immer mehr Brisanz. In diesem Kontext wurde von den Eidgenössischen Räten am 13. Dezember 1996 der Bundesbeschluss verabschiedet, eine historische Untersuchungskommission über die geraubten Vermögenswerte, die in die Schweiz gelangt waren, einzurichten.52 Kurz darauf wurde die unabhängige Expertenkommission unter der Leitung des Wirtschaftshistorikers Jean-François Bergier ins Leben gerufen. Die US-Regierung begrüßte diesen Schritt und bot ihre Kooperation an. In mehr als zwanzig Bänden wurden die Forschungsergebnisse sukzessive veröffentlicht.53 Außer Senator D’Amato initiierte auch der republikanische Vorsitzende des Banking Committee im Repräsentantenhaus, James Leach, Anhörungen und bezeugte damit das parteienübergreifende Interesse in den Vereinigten Staaten. Während Leach zwar deutlich auf eine Klärung der offenen Fragen seitens der Schweiz pochte, war er dennoch bemüht, die bilateralen Beziehungen weniger zu strapazieren als D’Amato.54 Diese Anhörungen im Kongress gaben den US-Akteuren einerseits die Möglichkeit, ihre Positionen zu artikulieren und die Schweizer Seite zu kritisieren. Sie halfen aber auch, das Thema in den Medien zu halten und den Druck auf die Schweiz zu erhöhen. Damit waren die Aktivitäten im Kongress ein wichtiger Bestandteil der Dynamik, die die Auseinandersetzung über ungeklärte Vermögenswerte in den neunziger Jahren entfaltete.

51 Am 23.  Oktober 1996 wurde als Reaktion auf das chaotische Krisenmanagement die sogenannte Task Force unter Leitung des Schweizer Diplomaten Thomas Borer eingerichtet, die nun die Schweizer Reaktionen koordinieren und ein neues und selbstkritischeres Bild der Schweiz in die Öffentlichkeit transportieren sollte. Siehe Rickman, Swiss Banks, 85, 91; Maissen, Verweigerte Erinnerung, 237f. 52 Bundesbeschluss 984 betreffend die historische und rechtliche Untersuchung des Schicksals der infolge der nationalsozialistischen Herrschaft in die Schweiz gelangten Vermögenswerte vom 13.  Dezember 1996, in: http://www.uek.ch/de/index.htm, 16. 10. 2007. 53 „Draft Letter to Ambassador Borer“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 13, Folder DM 1 of 1, DM 4. Zur Untersuchungskommission siehe: http://www.uek.ch/ de/index.htm, 16. 10. 2007. 54 Vgl. „Statement by the Under Secretary of Commerce Stuart Eizenstat Before the House Banking and Financial Services Committee“, 11. Dezember 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 7, Folder CV 1 of 1, CV 2; Rickman, Swiss Banks, 96; Maissen, Verweigerte Erinnerung, 241f.

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

4.4. Die Schweizer Debatte und die Clinton-Regierung Obwohl die Clinton-Regierung sich in ihrem restitutionspolitischen Engagement noch auf die property claims in Osteuropa konzentrierte, wurde die Fokussierung auf die erbenlosen Vermögen in Schweizer Banken vom State Department bereits minutiös zur Kenntnis genommen.55 Präsident Bill Clinton befürwortete D’Amatos Bemühungen, auch Stuart Eizenstat teilte diese Meinnung.56 Am Abend vor D’Amatos erster Anhörung unterrichtete Edgar Bronfman bei einer von ihm organisierten Spendengala für die Demokraten Hillary Clinton über die nachrichtenlosen Konten auf Schweizer Banken. Er bat um eine Unterredung mit dem Präsidenten, die Hillary Clinton für den nächsten Tag arrangierte.57 Bei diesem Treffen informierte Edgar Bronfman Präsident Clinton und seinen Stabschef Leon Panetta über die Rolle der Schweiz in Bezug auf Raubgold und nachrichtenlose Konten und bat um politische Hilfe. Trotz seiner Vorbehalte gegenüber dem Republikaner D’Amato sagte Clinton seine Unterstützung zu und wies seinen Stabschef Leon Panetta an, den Ministerien entsprechende Weisung zu erteilen. In einem Brief an Bronfman bekräftigte er ihm den vollen Rückhalt der US-Regierung. Es sei eine Frage der Gerechtigkeit und ein Thema von großer moralischer Tragweite.58 Nachdem Präsident Clinton also bereits 1995 der World Jewish Restitution Organization seine Unterstützung bei den Restitutionsforderungen in Osteuropa zugesagt hatte, konnte der World Jewish Congress diese auch für die Restitutionsforderungen in Westeuropa gewinnen.59 55 Vgl. Brief Stuart Eizenstat an Benjamin A. Gilman, Vorsitzender des Committee on International Relations des Abgeordnetenhauses, 8. August 1995, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder HF 1 of 2, HF 04. 56 Testimony of Deputy Treasury Secretary Stuart E. Eizenstat before the House Banking Committee on Holocaust Related Issue, in: http://www.house.gov/banking/91499see. htm, 20. 10. 2008. Diese positiven Verlautbarungen sind durchaus bemerkenswert. Senator Alfonse D’Amato war nicht nur politisch den Konservativen zuzurechnen, er gehörte vor allem in der sogenannten Whitewater-Affäre zu den erklärten Gegnern Clintons. Siehe „Transcript of interview with Senator Alfonse D’Amato and Gregg Rickman“, 28.  Februar 2001, 9, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Senator D’Amato 2.26.01, Paxton Box 6; Interview Douglas Bloomfield. 57 „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 53, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3. Edgar Bronfman verfügte als einflussreicher Industrieller und als einer der größten Spender für die Demokraten über gute Beziehungen zu den Demokraten. Er war einer der großzügigsten Geldgeber für Clintons ersten Präsidentschaftswahlkampf und feierte 1994 mit Präsident Clinton und etwa 1000 anderen Gästen seinen 65.  Geburtstag im Waldorf-Astoria-Hotel in New York. Vgl. Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 80. 58 Brief Präsident Clinton an Edgar Bronfman, 2. Mai 1996, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7. 59 Siehe hierzu Brief von Bill Clinton an Edgar Bronfman, 8. Septemer 1995, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7.

4.4. Die Schweizer Debatte und die Clinton-Regierung

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Zwar wollte die Clinton-Regierung nach über fünfzig Jahren den Opfern der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik Gerechtigkeit widerfahren lassen, sie war aber ebenso bemüht, die Beziehungen zur Schweiz nicht übermäßig zu belasten. Im Spätsommer 1996 entwickelte sich der Konflikt für die Regierung sehr positiv: Die Prüfungen der Volcker-Kommission sowie die Ankündigung einer offiziellen historischen Kommission in der Schweiz ließen hoffen, dass die restitutionspolitischen Versäumnisse der Schweiz in der Nachkriegszeit kritisch aufgearbeitet und entsprechende Konsequenzen gezogen würden. Der Streit schien weitgehend eingedämmt, eine Lösung war in Sicht. Die Clinton-Administration nahm bei der Auseinandersetzung um nachrichtenlose Vermögen auf Schweizer Konten die Rolle eines kritischen Begleiters ein. Sowohl durch den Rückhalt der Politik des WJC durch Präsident Clinton, wie auch durch die Aussagen Eizenstats bei den Anhörungen von Senator D’Amato äußerte die US-Regierung ihr Interesse an dem Fall und drängte auf eine baldige Lösung, hielt sich aber ansonsten im Hintergrund. Im Mai 1996 reiste Stuart Eizenstat in die Schweiz und sprach dort mit führenden Vertretern der Schweizer Bankiervereinigung. Er forderte die Schweizer Regierung auf, aktiv eine Lösung der offenen Probleme zu suchen und wies darauf hin, welch hohe Bedeutung die US-Regierung ihrem Engagement beimaß.60 Der Rifkind-Bericht: Die Alliierten geraten ins Visier Im Herbst 1996 intervenierte nun auch die britische Regierung in der Auseinandersetzung um offene Restitutionsfragen und eröffnete einen neuen Aspekt. Auf Druck von Greville Janner, dem britischen Vizepräsidenten des WJC, Labour-Abgeordneten im Unterhaus und Vorsitzenden des „Holocaust Educational Trust“, hatte sie einen Kurzbericht über die Restitution von Raubgold in der Nachkriegszeit anfertigen lassen.61 Wegen eines Transkriptionsfehlers, bei dem Schweizer Franken mit Dollar verwechselt wurden, verbreitete der sogenannte Rifkind-Bericht, es hätten bei Kriegsende noch 500 Millionen Dollar Gold in der Schweiz gelegen, wovon nur 58 Millionen Dollar gemäß dem Washingtoner Abkommen von 1946 zurückgezahlt worden waren. „So aufsehenerregend und dienlich diese Darstellung der Dinge auch sein mochte, sie war vollkommen falsch“, kommentiert Tom Bower.62 Auch eine korrigierte Version vom Januar 1997 konnte nicht verhindern, dass das Thema Raubgold nun in allen Schlagzeilen war und der WJC auf die Versäumnisse 60 „Under Secretary Eizenstat’s May 23-24 Visit To Switzerland“, 21. Juni 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 1 of 3, AS 8. 61 Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold; siehe auch Interview Douglas Bloomfield. 62 Bower, Gold, 371.

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

der Tripartite Gold Commission (TGC) aufmerksam wurde.63 Auch abgesehen von dem Transkriptionsfehler enthielt der Untersuchungsbericht des britischen Außenministeriums brisantes Material: Er deckte auf, dass die Alliierten bereits während des Krieges über den deutschen Goldraub und den Export dieses Goldes in neutrale Länder informiert waren. Die Verhöre früherer Reichsbank-Angestellter gaben Aufschluss darüber, dass sogenanntes Opfergold eingeschmolzen worden und somit nicht mehr als solches erkennbar war.64 Damit bezichtigte zum ersten Mal ein staatlicher Untersuchungsbericht die Schweiz offiziell der wirtschaftlichen Kollaboration mit Deutschland während des Zweiten Weltkriegs. Der Bericht behandelte jedoch auch die Rückerstattungspolitik der Westalliierten im Rahmen der Tripartite Gold Commission. Die von den Briten vorgelegten Fakten zeigten, dass die Alliierten immer noch im Besitz von 5.500 Kilo Raubgold waren, das bisher nicht restituiert worden war.65 Fünfzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten also auch die Westalliierten ihre Restitutionspolitik nicht zu Ende geführt. Durch den Rifkind-Bericht wuchs der Druck auf die ClintonRegierung, auch hier aktiv zu werden. Im Mai 1997 erschien ein weiterer Bericht des Foreign and Commonwealth Office, der sich speziell mit der Tripartite Gold Commission befasste.66 Opfergold – der Skandal zieht weitere Kreise Mitte September 1996 stellte der WJC einen Bericht aus dem Jahre 1946 der Öffentlichkeit vor, der in der US-Botschaft in Paris gefunden worden war. Aus diesem Bericht ging hervor, dass der Ursprung der Goldbarren, die US-Truppen in einer Salzmine in Süddeutschland gefunden hatten, nicht eindeutig feststellbar war.67 Diese Veröffentlichung untermauerte die Aussagen des RifkindBerichts und öffnete nun endgültig ein neues Feld der Restitutionsauseinandersetzung: die Vermischung von Goldbarren mit Opfergold. In der Nachkriegszeit war dieses Gold durch die Tripartite Gold Commission an die Zentralbanken mit der Aussage restituiert worden, es handele sich hier allein um monetäres Gold. Die Enthüllungen brachten die Alliierten nun politisch unter Druck, hatten sie doch die Goldbarren in der Nachkriegszeit verwaltet und größtenteils restituiert. Die „New York Times“ berichtete daraufhin, dass in der Fede-

63 Siehe dazu das Kapitel 6.1. „Die Tripartite Gold Commission“. 64 Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold, 3. Der Bericht ist auch im Internet einsehbar: http://www.fco.gov.uk/Files/KFile/ae2d8beb-2fnazigold-2frpt1,0.pdf 65 Ebd. 28. 66 Vgl. Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold. Part II. 67 Vgl. Rickman, Swiss Banks, 61f.

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ral Reserve Bank in New York immer noch zwei Tonnen Raubgold lagerten.68 Vor dem Hintergrund der Beschuldigungen gegen die Schweiz wogen die nun öffentlich gewordenen Versäumnisse der Alliierten umso schwerer. Edgar Bronfman und Greville Janner beklagten in einem gemeinsamen Brief an die Außenminister der USA, Frankreichs und Großbritanniens, dass Restitutionsansprüche privater Personen von der TGC nicht bearbeitet worden waren. Sie forderten, dass die restlichen Goldbestände der TGC zur Entschädigung der individuellen Opfer des Holocaust verwendet werden sollten.69 Ende September 1996 wiederholte Edgar Bronfman in einem Brief an Präsident Clinton seine Kritik. Er forderte eine Wende in der Politik, so dass das verbliebene Gold den Opfern zugute kommen könne.70 Damit wurde deutlich, dass der WJC auch die ehemaligen Alliierten von den Restitutionsforderungen nicht ausnahm, sondern eine generelle Aufarbeitung des unfinished business des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit einforderte. Während der WJC sich nun verstärkt dem nicht-monetären Raubgold der TGC zuwandte, forderte Senator D’Amato Außenminister Warren Christopher auf, das Washingtoner Abkommen mit der Schweiz neu zu verhandeln.71 Senator D’Amato war über diese Entwicklungen nicht glücklich, weil damit die Konzentration auf den Finanzplatz Schweiz nachließ und nun auch die Alliierten in die Kritik gerieten. Auch der britische Parlamentsabgeordnete Greville Janner forderte die Neuverhandlung des Abkommens gegenüber der Schweiz.72 Sowohl die Forderung nach einer Neuverhandlung des Washingtoner Abkommens von 1946 wie auch die Nachforschungen des WJC brachten die Clinton-Regierung in eine schwierige Situation. Die Politik der stillen Diplomatie war nicht mehr durchführbar. Sie war gezwungen, öffentlich Stellung zu beziehen, verfügte jedoch nicht über ausreichend historisches Wissen zu beiden Themen. Die Erweiterung der Debatte auf das Raubgold brachte die Clinton-Regierung in eine neue Phase der Auseinandersetzung. Es ging nun nicht mehr um privatrechtliche Belange, sondern auch um die Rolle der 68 Clyde Haberman, Bank’s Gold Inspires Tales Of Plunder, in: New York Times, 26. September 1996; siehe auch John Authers/William Hall, New York Fed holds Nazi Gold worth $25m, in: Financial Times, 17. Oktober 1996. 69 Brief an Außenminister, 16. September 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DY 1 of 3, DY 53 D. 70 Brief Edgar Bronfman an Präsident Clinton, 26. September 1996, USHMM, 2002.071, Box 7, External Affairs: Wesley Fisher’s Records. 71 Brief Senator D’Amato an Secretary of State Warren Christopher, 24. September 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 7, Folder CV 1 of 1, CV 68; siehe auch William Hall, Senator steps up pressure on Nazi gold, in: Financial Times, 25. September 1996, 2. 72 „Press Report. U.S. Information Service“, 8. April 1997, Library of Congress, EizenstatPapers, Various Holocaust-Related Papers Including State Department Papers, Box 9; siehe auch „Notes of the Meeting Between British MP Janner and EUR DAS Wayne“, 6. Januar 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DY 1 of 3, DY 55 A.

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Schweizer Nationalbank bei der Annahme von Raubgold aus Deutschland, sowie um das Verhalten der Alliierten bei der Wiedergewinnung und Rückerstattung dieses Goldes. Im State Department entschied man, eine historische Untersuchung der Rolle der USA bei der Rückgabe von Raubgold und anderen Vermögenswerten in Auftrag zu geben, um die weiteren Politikoptionen besser einschätzen zu können. Außerdem kam man zu dem Schluss, dass Senator D’Amato und der World Jewish Congress die Dynamik der Auseinandersetzung zu stark bestimmten und die US-Regierung zu wenig Einfluss auf die Entwicklung der Debatte hatte.73 Als Reaktion auf Edgar Bronfmans Brief vom September 1996 verlangte Clintons Nationaler Sicherheitsberater, Sandy Berger, den Stopp der weiteren Auszahlung des TGC-Goldes. Im Februar 1997 wurden in Rücksprache mit den beiden anderen ehemaligen West-Alliierten die verbliebenen Goldbestände in London und New York eingefroren. Gleichzeitig sollte eine interministerielle Untersuchung dem Ursprung des Goldes nachgehen.74 In seiner Antwort an Edgar Bronfman sagte Präsident Clinton Ende Oktober 1996 die Einrichtung der Untersuchungskommission zu. Stuart Eizenstat sollte als Koordinator dieses ressortübergreifende Projekt leiten und innerhalb weniger Monate einen Interims-Bericht vorlegen. Clinton versicherte in seinem Brief, dass die US-Regierung alle relevanten und notwendigen Dokumente freigeben und der Öffentlichkeit zukommen lassen werde.75 Damit wurden die Anstrengungen, offene Restitutionsforderungen zu thematisieren und einer Lösung zukommen zu lassen, auf höchster politischer Ebene in den USA nicht nur unterstützt, sondern auch eigenständig vorangetrieben. Stuart Eizenstat sah den Zweck dieser Untersuchung von Anfang an nicht allein in der Klärung der historischen Sachverhalte für den ministeriellen Gebrauch. Senator D’Amato und der World Jewish Congress störten mit ihren sensationsheischenden Veröffentlichungen einzelner Quellen den diplomatischen Ansatz der Clinton-Regierung. Stuart Eizenstat wollte, dass die Regierung wieder die Handlungshoheit gewann und damit die Deutungsmacht über die Auseinandersetzung respektive die Geschichtsbilder.76

73 „Keeping Pressure on the Swiss“, 9. November 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 7, Folder CV 1 of 1, CV 20. 74 „Tripartite Gold Commission requesting voluntary contributions“, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 14 a; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 121; Rickman, Swiss Banks, 67. 75 Brief Präsident Clinton an Edgar Bronfman, 30. Oktober 1996, LOC, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7. 76 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 122.

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Der „Eizenstat-Bericht“ Die von Präsident Clinton in Auftrag gegebene Untersuchung sollte die historischen Abläufe rekonstruieren und damit mögliche Politikoptionen für die Zukunft auf eine gesicherte Grundlage stellen. Der Interimsbericht wurde nach nur sieben Monaten im Mai 1997 mit einem Umfang von über 200 Seiten als erster offizieller Untersuchungsbericht der USA zur Auseinandersetzung um Holocaust-Vermögenswerte veröffentlicht.77 An der Untersuchung arbeiteten elf Bundesbehörden zusammen. In den National Archives erstellten die Mitarbeiter unter der Leitung von Greg Bradsher ein Findbuch von tausend Seiten zu Dokumenten über Holocaust-Vermögenswerte.78 Außerdem wurden für den Bericht zwischen 800.000 und einer Million Seiten Archivmaterial in den National Archives freigegeben. Die Mehrzahl der benutzten Archivbestände war jedoch bereits seit Jahren zugänglich.79 Die Ergebnisse des Berichts verdankten sich also nicht einem neuen Quellenbestand, sondern vielmehr dem erwachten politischen Interesse und der Bereitschaft, sich mit diesen Fragen kritisch auseinanderzusetzen. Zentrales Anliegen des sogenannten Eizenstat-Berichts war zu klären, wie die neutralen Staaten im Zweiten Weltkrieg in den Transfer von geraubten Vermögenswerten verstrickt waren und wie die West-Alliierten diese restituierten. Der Bericht konnte noch keine fundierten Antworten bieten, warf aber gezielt Fragen auf für weitere Forschungen und gab einen ersten politischen Leitfaden. Es wurde noch keine genaue Analyse des Verbleibs des nachrichtenlosen Vermögens in US-Banken vorgelegt, auch auf den Bereich geraubter Versicherungspolicen und Kunstgegenstände wurde noch nicht eingegangen. Aufgrund des internationalen Charakters der Problematik verwies Eizenstat darauf, dass eine umfassende historische Aufarbeitung der restitutionspolitischen Defizite nur durch die weitere intensive Arbeit an den US-Quellen und durch entsprechende Forschungen in den anderen Ländern möglich sei. Er empfahl daher Staats- und Regierungschefs, historische Kommissionen einzurichten und weiteres Archivmaterial zugänglich zu machen.80 Die US-Re77 Siehe Eizenstat, U.S. and Allied Efforts; Interview William Slany. 78 Interview Greg Bradsher. Siehe auch Holocaust Era Assets: A Finding Aid to Records at the National Archives at College Park, Maryland. Compiled by Greg Bradsher. Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, 1999. 79 Siehe Brief Stuart Eizenstat an John Carlin (Archivist of the United States U.S. Archives), 20.  Dezember 1996, LOC, Eizenstat-Papers, Various Holocaust-Related Papers Including State Department Papers, Box 9; Aussage von William Z. Slany bei der Anhörung von Senator D’Amato zum Eizenstat-Bericht, 15. Mai 1997, in: Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee. Hearing on the Eizenstat Report regarding Holocaust Assets. Prepared Testimony of Ambassador Stuart E. Eizenstat, Under Secretary for International Trade, in: http://banking.senate.gov/97_05hrg/051597/witness/slany. htm, 16. 10. 2007. 80 Aussage von Stuart Eizenstat bei der Anhörung von Senator D’Amato zum Eizenstat-

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gierung sah den Eizenstat-Bericht als Vorbild für die kritische Auseinandersetzung mit historischen Defiziten und als Maßstab für die restitutionspolitischen Standards.81 Der Erscheinungstermin des endgültigen Berichts wurde mehrmals verschoben, da bis zuletzt die Vermischung des TGC-Goldes mit sogenanntem Opfergold nicht geklärt werden konnte. Erst im März 1997, dem ursprünglich geplanten Termin, hatte der Direktor des Office of Special Investigations, Eli M. Rosenbaum, Stuart Eizenstat mitgeteilt, die Untersuchungen hätten ergeben, dass regelmäßig Lieferungen von Opfergold aus Konzentrationslagern durch die SS an die Reichsbank erfolgt seien und dass dieses Gold dann in die deutschen Goldreserven floss.82 Gerade auf die Klärung dieses Sachverhalts hatte Edgar Bronfman in seinem Schreiben an Präsident Clinton im September 1996 gedrängt. Rosenbaum wollte daher der Veröffentlichung des Berichts nur zustimmen, wenn negative Aspekte der alliierten Restitutionspraxis nicht ausgespart blieben. Er bemängelte konkret, dass in der Rohfassung des Eizenstat-Berichts nicht ausdrücklich festgehalten wurde, dass der damalige Außenminister Dean Acheson im Juli 1946 wissentlich eine Falschaussage bezüglich des US-Kenntnisstandes über Schweizer Raubgold gemacht hatte, damit das Washingtoner Abkommen in den USA politisch nicht unter Druck geraten konnte. Konkret war es der Historikerin des Justice Department, Barrie White, gelungen, das Einschmelzen von niederländischen Goldmünzen und von Opfergold in Goldbarren nachzuweisen, die dann an die Schweizer Nationalbank verkauft worden waren.83 Die zentrale Aussage des Berichts war: „The research carried out for this report leaves no doubt, however, that the U.S. Government knowingly contributed gold looted by Nazi Germany from individual persecutees to the Gold Pool that was subsequently distributed by the TGC.“84 Insgesamt schätzte der erste Eizenstat-Bericht die Gesamtmenge an monetärem Gold, das von Deutschland geraubt worden war, auf 580 Millionen Dollar des damaligen Wertes. Umgerechnet auf das Jahr Bericht, 15. Mai 1997, in: Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee. Hearing on the Eizenstat Report regarding Holocaust Assets. Prepared Testimony of Ambassador Stuart E. Eizenstat, Under Secretary for International Trade, in: http://banking.senate.gov/97_05hrg/051597/witness/eizenst.htm, 16. 10. 2007. 81 Fax von William Slany an Stuart Eizenstat, 21. Juni 2001, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder William Slany, Paxton Box 20. 82 Telefax von Eli M. Rosenbaum an Stuart Eizenstat, 10.  März 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 13, Folder DU 1 of 4, DU 68. 83 Brief von Eli M. Rosenbaum an William Slany, 7. März 1997, 1, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Eli Rosenbaum, Paxton Box 4; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 134f.; zu Eli M. Rosenbaum siehe Newburger, Measure of Justice. Es gab durchaus eine unterschiedlich starke Bereitschaft innerhalb der verschiedenen Ministerien, sich kritisch mit der US-Restitutionspolitik auseinanderzusetzen. Vgl. Interview William Slany und Interview Douglas Bloomfield. 84 Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, 180.

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1997 ergäbe dies eine Summe von fünf Milliarden Dollar. Mit lediglich 398 bis 414 Millionen Dollar Gold, das in oder über die Schweiz transferiert wurde, wovon wohl 300 Millionen Dollar geraubtes Gold waren, ging der erste Eizenstat-Bericht von niedrigeren Mengen aus als die Expertenkommission der Schweiz, die von 444 Millionen Dollar sprach. Damit übernahm der Eizenstat-Bericht die Zahlen, die vom Department of State und dem Department of Treasury nach dem Krieg vorgelegt worden waren.85 Das tatsächliche Ausmaß des Goldraubs und die Erkenntnis der aktiven Rolle der Schweiz bei der Transformation dieses Goldes in Devisen gehörten nach Eizenstat zu den herausragendsten Ergebnissen der Untersuchung.86 Die größte Sprengkraft besaßen jedoch nicht die Forschungsergebnisse, sondern die dem Bericht vorangestellte Einleitung, die von Eizenstat als „interpretative foreword“ tituliert wurde. Der Entwurf dieses Vorworts stammte von Bennett Freeman, einem politischen Berater Stuart Eizenstats und ehemaligen Mitarbeiter des damaligen Außenministers Warren Christopher.87 Hier setzte Eizenstat die von William Z. Slany vorgelegten Ergebnisse in einen politischen Kontext und zog Schlussfolgerungen, in denen er das Verhalten der Alliierten und Neutralen gegenüber der Verschiebung von Vermögenswerten politisch bewertete. Es handele sich, so Eizenstat, um eine Studie über die Vergangenheit, die aber immense Konsequenzen für die Zukunft beinhalte.88 Dieses Vorwort und die darin enthaltenen geschichtspolitischen Implikationen sollten nachhaltigenden Einfluss auf das Selbstverständnis der ehemaligen Neutralen, insbesondere der Schweiz haben. Das etablierte Geschichtsbild der Nachkriegszeit wurde erschüttert. Eizenstat bezeichnete die nationalsozialistische Politik als eine der größten Raubfeldzüge der Geschichte und eine von Deutschland systematisch angelegte Strategie zur Kriegsfinanzierung, die jedoch nicht allein Zentralbanken und Regierungen betraf, sondern gerade auch gegen die Zivilbevölkerung gerichtet war.89 Damit erweiterte er die Perspektive auch auf die Verfolgung der europäischen jüdischen Bevölkerung. Die Juden Europas waren nicht nur systematisch vernichtet, sondern auch ausgeraubt worden, was nun ins Bewusstsein der internationalen Öffentlichkeit rückte. In dem von ihm verantworteten Vorwort rügte Eizenstat die neutralen Staaten für ihr Verhalten im Zweiten Weltkrieg scharf. Während die Alliierten mit militärischen und ökonomischen Mitteln gegen die Achsenmächte kämpften, profitierten viele Neutrale von ihren Wirtschaftbeziehungen mit Deutsch85 UEK, Goldtransaktionen, Bd. 16, 311; Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, III; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 132f. 86 Eizenstat, On-the-record briefing. 87 Siehe Interview Freeman. 88 U.S. Department of State, Special Briefing, in: http://www.state.gov/www/regions/ eur/970507eizenstat.html, 12. 10. 2007. 89 Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, III.

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land und seinen Verbündeten.90 Das Hauptaugenmerk des Vorworts lag auf der Schweiz, die Eizenstat den zentralen Bankier und Broker für das nationalsozialistische Deutschland nannte.91 Aufgrund der wichtigen Rolle, die das Raubgold für die deutsche Kriegsfinanzierung spielte, folgerte Eizenstat, dass der Tausch von Raubgold gegen Rohstoffe dazu beitrug, das nationalsozialistische Regime zu stützen und den Krieg zu verlängern.92 Konnte das Verhalten der Schweiz während des Krieges noch mit der militärischen Bedrohung durch die Achsenmächte erklärt werden, so war dies spätestens in der Nachkriegszeit nicht mehr möglich. Während der Verhandlungen zum Washingtoner Abkommen 1946 zeigte sich deutlich, dass es in der Schweiz wenig Bereitschaft gab, die Fehler der Kriegszeit zu korrigieren.93 Das Schweizer „business as usual“-Verhalten offenbarte ein vehementes Festhalten an den materiellen Vorteilen, die sie durch die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Deutschen Reich erlangt hatte. Vor dem Hintergrund des Kriegsgeschehens kollidierte nach Eizenstat das tradierte Konzept der Neutralität mit der Moralität. Diese Erklärungen Eizenstats trafen das etablierte Geschichtsnarrativ der Schweiz zu einer Zeit, als die Schweiz begann, sich stärker außenpolitisch zu betätigen. Damit griff der Eizenstat-Bericht in eine parallele, größere Auseinandersetzung um die Bedeutung der Schweizer Neutralität über.94 Durch die im Vorwort dargelegte Einschätzung Eizenstats fühlten sich der WJC und Senator D’Amato in ihrer harschen Kritik am Schweizer Umgang mit Vermögenswerten von NS-Opfern bestätigt. „Now, no longer was it just us, and even the WJC criticizing the Swiss banks, it was the entire U.S. government calling the Swiss banks crooks“, so Rickman über die Konsequenzen des Eizenstat-Berichts.95 Gleichzeitig belastete der Eizenstat-Bericht in einer vom State Department nicht vorhergesehenen Weise die Beziehungen zur Schweiz. Obwohl Dick Holbrooke Eizenstat eine klare Weisung gegeben hatte, dass die diplomatischen Beziehungen sich nicht verschlechtern durften, und das State Department eine begleitende Pressekampagne für die Veröffentlichung des Berichts erarbeitet hatte, eskalierte die Auseinandersetzung um Holocaust-Vermögenswerte.96 Das State Department kam zu der Einschät90 Ebd. IV. 91 Ebd. III. 92 Ebd. Der Vorwurf der Kriegsverlängerung wurde von Eizenstat jedoch später relativiert. Siehe Interview mit Eizenstat, in: Cash, „Die Schweiz kam in den USA zu schlecht weg“, 27. April 2001. 93 U.S. Department of State, Special Briefing, in: http://www.state.gov/www/regions/ eur/970507eizenstat.html, 12. 10. 2007. 94 „Your May 28-30 Visit To Switzerland: Scene-Setter“, Mai 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 1 of 3, AS 30. 95 Rickman, Swiss Banks, 170. 96 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 133; zur Pressearbeit siehe Memorandum Jim Desler an Stuart Eizenstat, 10. März 1997, LOC, Eizenstat-Papers, Various Holocaust-Related Papers Including State Department Papers, Box 9.

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zung, dass die Debatte um das unfinished business die schweizerisch-amerikanischen Beziehungen nicht nur bestimmte, sondern auch nachhaltig belastete.97 Dementsprechend stand die Clinton-Regierung vor der schwierigen Aufgabe, einen politischen Spagat zu wagen, einerseits, eine schnelle und ausführliche Klärung der offenen Vermögensfragen anzustreben, gleichzeitig aber eine stärkere Belastung der Beziehungen zur Schweiz zu vermeiden. Reaktionen auf den Eizentstat-Bericht Der Schweizer Bundesrat reagierte am 22. Mai 1997 offiziell auf den Eizenstat-Bericht. In dieser Erklärung bezeichneten die Abgeordneten das Vorwort als politisierend und moralisierend. Sie stellten eine Diskrepanz zwischen dem Vorwort und den historischen Untersuchungen des Hauptteils fest.98 In der Schweizer Öffentlichkeit nahmen Anti-Amerikanismus und Antisemitismus stark zu99, weil die Bevölkerung die Beschuldigungen als „Swiss bashing“ empfand, wie die US-Botschaft in Bern kommentierte.100 Kurz nach der Veröffentlichung des Berichts reiste William Slany, der verantwortliche Historiker des State Department, in die Schweiz und stellte sich dort den kritischen Fragen des Parlaments. Dabei machte er vor allem deutlich, dass es keine inhaltliche Differenz zwischen dem programmatischen Vorwort Eizenstats und den historischen Erkenntnissen gab.101 Trotzdem führten die Anschuldigungen in der Schweiz zu einem Aufschrei der Empörung und zu di97 „Your May 28-30 Visit To Switzerland: Scene-Setter“, Mai 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 1 of 3, AS 30. Erste wirtschaftliche Konsequenzen resultierten aus dem Konflikt, als ein US-Unternehmen Wettbewerbsschwierigkeiten hatte bei dem Verkauf des neuen Luftverteidigungssystems „Florako“ für die Schweiz. Um diesen Verkauf nicht zu gefährden, wurden positive Signale an die Schweiz von der USRegierung verlangt. Siehe „Florako: More Details On Political ‚Complications‘“, 18.  Juni 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 68 c. Nichtsdestotrotz, mit dem Haushalt für 1998 wurde auch der Kauf des US-Luftverteidigungssystems genehmigt. Siehe „Holocaust-Era Assets: Swiss Weekly Summary“, 26. Juni 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 33, Folder V 1 of 1, V 7. 98 „Holocaust-Era Assets: Swiss Federal Council Reacts Officially To U.S. Interagency Report“, 22. Mai 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 25, Folder JO 1 of 1, JO 25. 99 „Holocaust-Era Assets: Swiss Weekly Summary“, 11. Juli 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 25, Folder JO 1 of 1, JO 40. 100 „Holocaust-Era Assets: Swiss Weekly Summary“, 13. Juni 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 25, Folder JO 1 of 1, JO 27. 101 Fax von William Slany an Stuart Eizenstat, 21. Juni 2001, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder William Slany, Paxton Box 20. Slany schreibt jedoch auch, dass viele Schweizer Parlamentarier der Linken ein noch rigideres Urteil über das Verhalten der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs gewünscht hätten.

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

versen Publikationen.102 Unerwartete Unterstützung erhielt die Schweiz von der ehemaligen Botschafterin Faith Ryan Whittlesey, die während der Reagan-Ära ernannt worden war. Sie sah die Anschuldigungen als Teil eines „American media lynching“ und erklärte, der Eizenstat-Bericht wäre unter einem republikanischen Präsidenten nicht in dieser Form veröffentlicht worden. Sie zeigte sich konsterniert, dass auch republikanische Senatoren wie Alfonse D’Amato die Schweiz angriffen.103 So wurde deutlich, wie stark sich der Blick auf ungeklärte Restitutionsfragen unter der Regierung der Demokraten in den USA gewandelt hatte. Die Defizite der West-Alliierten Neben der Schweiz nahm der Eizenstat-Bericht auch die restitutionspolitischen Defizite der West-Alliierten unter die Lupe. Den USA wurde beispielsweise vorgeworfen, die Verhandlungen mit den Neutralen nach dem Krieg auf hoher Regierungsebene nicht nachdrücklich genug unterstützt zu haben. Ebenso wurde die Einhaltung der beschlossenen Verhandlungsergebnisse nicht ausreichend überprüft.104 Gründe für diese Defizite waren nicht nur Konflikte zwischen den einzelnen Ministerien über die weitere Nachkriegsplanung, sondern der Übergang von der Kriegspolitik hin zu den neuen Imperativen des Kalten Kriegs. Die Integration der Neutralen und Westdeutschlands in ein Bündnis gegen die UdSSR wurde wichtiger als die restitutionspolitischen Interessen der NS-Opfer. „Neither the U.S. nor the Allies pressed the neutral countries hard enough to fulfill their moral obligation to help Holocaust survivors by redistributing heirless assets for their benefit“, so das Resümee Eizenstats, der „serious shortcomings in U.S. and Allied policy“ anprangerte.105 Der Bericht machte deutlich, dass die restitutionspolitischen Defizite der Nachkriegszeit sowohl die Opfer der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik in Osteuropa wie auch im Westen betroffen hatte. Damit war die inhaltliche Ausrichtung des Berichts ein historisches Novum: Der Fokus war nicht mehr ausschließlich auf die Achsenmächte und die aus ihrer historischen Rolle resultierenden Verantwortlichkeiten gerichtet. Nun gerieten die ehemaligen neutralen und zudem auch die alliierten Länder

102 Beispielsweise Albers-Schönberg, Hat die Schweiz den Krieg verlängert?; Blocher, Schweiz und der Zweite Weltkrieg; siehe auch „Transcript of interview with Bob O’Brien (Credit Suisse)“, 12.  März 2001, 11, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Bob O’Brian (Credit Suisse), Paxton Box 4. 103 „Holocaust-era Assets: Swiss Weekly Summary“, 6. Juni 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 2 of 3, AS 33. 104 Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, VIII. 105 Ebd. IX.

4.4. Die Schweizer Debatte und die Clinton-Regierung

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in die Kritik. Es war ihr gesellschaftspolitisches Versagen in der Nachkriegszeit, das die Herausbildung des unfinished business verursacht hatte. Als sofortige politische Konsequenz aus dem Bericht forderte Eizenstat die Einrichtung eines Fonds aus dem verbliebenen TGC-Goldpool, um damit Opfern der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik materiell zu helfen. Außerdem rief Eizenstat die ehemals neutralen Länder des Zweiten Weltkriegs auf, dem Beispiel der Schweiz zu folgen und ebenfalls Fonds für Holocaust-Opfer einzurichten. Speziell in Osteuropa mahnte Eizenstat die verstärkte Restitution jüdischen kommunalen Eigentums an. Von einer Neuverhandlung des Washingtoner Abkommens distanzierte sich Eizenstat zwar nicht, machte aber deutlich, dass die US-Regierung keine Option generell ausschließe, jedoch einen breiteren Ansatz bevorzuge. Dazu gehörten sowohl die materielle Entschädigung, als auch die Versöhnung und die pädagogische Vermittlung. We strongly favor the truth finding commissions which many countries have created, but these must not be an end unto themselves. We must balance the effort at education and reconciliation for future generations with the immediate concerns of compensation and restitution for those elderly survivors,

erklärte Eizenstat.106 In einer Crusade for Justice sollten jene nicht gelösten Restitutionsfragen, die aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stammten, geklärt werden. Gerechtigkeit sei aber nicht nur eine finanzielle Frage: „It is also a moral and political task that should compel each nation involved in these tragic events to come to terms with its own history and responsibility.“107 Zentral in dieser Auseinandersetzung sei, dass es zu einem Versöhnungsprozess komme.108 Dabei trugen die nationalen Untersuchungskommissionen große Verantwortung, da ein Bewusstsein der eigenen Geschichte und ihrer Verfehlungen Voraussetzung dafür seien. Sein restitutionspolitisches Leitmotiv fasste Eizenstat mit den Worten zusammen: „We must not enter a new century without completing the unfinished business of this century. We have a collective responsibility to leave this century having spared no effort to establish the truth, and to do justice.“109 Es ging der Clinton-Regierung in ihrem 106 Aussage von Stuart Eizenstat bei der Anhörung von Senator D’Amato zum EizenstatBericht, 15. Mai 1997, in: Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee. Hearing on the Eizenstat Report regarding Holocaust Assets. Prepared Testimony of Ambassador Stuart E. Eizenstat, Under Secretary for International Trade, in: http://banking.senate.gov/97_05hrg/051597/witness/eizenst.htm, 16. 10. 2007. 107 Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, I, X. 108 Interview James Bindenagel. 109 Stuart Eizenstat, Under Secretary for Economic, Business and Agricultural Affairs. Address to the United Jewish Appeal National Young Leadership Conference, Washington, DC, March 23, 1998, in: http://www.state.gov/www/policy_remarks/1998/980323_ eizenstat_ngold.html, 25. 05. 2006. Eizenstat wählte die gleichen Worte auf seiner Abschlussrede zur Londoner Raubgoldkonferenz.

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

programmatischen Ansatz nicht um Schuldzuweisungen, da die gegenwärtige Generation nicht verantwortlich für die historischen Fehler der Vergangenheit gemacht werden konnte. Sehr wohl drängte sie jedoch darauf, dass diese Generation Verantwortung übernehme für das, was in der Gegenwart geschähe und dazu gehörte elementar, die Defizite der Vergangenheit aufzuarbeiten und zu beheben.110 Der Clinton-Regierung war also daran gelegen, einerseits das Geschichtsbild der Nachkriegszeit und die Fehler gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus zu korrigieren. Andererseits erwartete sie von der Klärung der offenen Fragen des unfinished business, eine Versöhnung vorantreiben zu können, die der westlichen Welt nach der bipolaren Weltordnung einen neuen Zusammenhalt geben konnte, also auch eine wichtige außenpolitische Komponente hatte. Denn das unfinished business wurde als Belastung der internationalen Beziehungen gesehen und wurde fortan zu einem Schlagwort für die ungeklärten Vermögensfragen. „[W]hat we accomplish will go well beyond the return of property itself. The successful negotiations with Germany over forced and slave labor have shown that we can strengthen relations between nations; we can help reconciliation between people.“111 Der erste Eizenstat-Bericht war also nicht nur eine historische Untersuchung, sondern gleichzeitig ein „challenge for action“. Mit dem Bericht wurde versucht, innerhalb der USA die Deutungshoheit in Bezug auf die eigene Geschichte gegenüber Senator D’Amato und dem World Jewish Congress wieder zu erlangen. Auch international wurden Geschichtsbilder der Kriegs- und Nachkriegszeit hinterfragt und nationale Nachkriegsmythen der westlichen Länder delegitimiert. Vor allem die ehemaligen Neutralen gerieten mit ihrer historischen Selbstwahrnehmung in die Defensive. Die Sichtweise der Schweiz, dass alle materiellen Fragen bereits mit dem Washingtoner Abkommen von 1946 geregelt worden wären, ließ sich vor dem Hintergrund von Eizenstats Vorwort nicht länger aufrechterhalten. Dementsprechend erhielt mit dem Bericht nicht allein die historische Auseinandersetzung über Raub und Restitution einen neuen Impuls. Die dargelegte geschichtspolitische Kritik leitete einen Paradigmenwechsel sowohl in der Selbstwahrnehmung der betroffenen Länder wie auch in der historisch sanktionierten Darstellung ein. Sie bewirkte einen qualitativen Umschwung in der Restitutionspolitik der USA in den neunziger Jahren: War die US-Regierung in Osteuropa noch allein an einer schnellen und ausschließlich materiellen Lösung der offenen Restitutionsfragen interessiert, so verbreiterte sich ihr Ansatz mit dem Übergreifen auf Westeuropa auf die Frage nach Geschichtsbildern und der historischen Einordnung der restitutionspolitischen Nachkriegsgeschichte. Es war der Übergang von einem restitutions- zu einem geschichtspolitischen Ansatz. 110 „Visit Of Under Secretary Eizenstat To Switzerland“, 21. Februar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 1 of 3, AS 17. 111 Eizenstat, Keynote address.

4.4. Die Schweizer Debatte und die Clinton-Regierung

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Der zweite Eizenstat-Bericht Ein Jahr später legte Stuart Eizenstat einen zweiten Bericht, den sogenannten „Neutrals Report“ vor, der ein weitaus geringeres Echo hervorrief. Die Schweiz zeigte sich erleichtert, dass sie in diesem Bericht nicht länger im Zentrum stand und die USA den Blick auf die anderen neutralen Staaten erweitert hatten.112 Hauptthema dieser Untersuchung waren die Beziehungen der USA und der Alliierten zu den ehemals neutralen Ländern Portugal, Spanien, Schweden, Argentinien und der Türkei. Aus diesen Ländern hatte sich Deutschland mit kriegswichtigen Rohstoffen versorgt, die es mit zuvor in Devisen getauschtem Raubgold bezahlte. Die historische Rekonstruktion des Handels zwischen Deutschland und den Neutralen sollte deren zunehmende Bedeutung für die deutsche Kriegswirtschaft herausarbeiten.113 Dabei wurde die Kritik an der nachgiebigen Haltung der USA und der Alliierten in den Nachkriegsverhandlungen mit den Neutralen wiederholt.114 Zum Opfergold präsentierte der zweite Bericht neue Zahlen. Der Anteil des Opfergoldes an der Gesamtmenge des geraubten Goldes war wesentlich höher als ursprünglich vermutet. Auch die Menge des über die Schweiz verschobenen Raubgoldes wurde präzisiert. Sie wurde nun auf 4,6 Millionen Dollar beziffert.115 Der Bericht wies ebenfalls auf die Beteiligung deutscher Banken am Transfer von Opfergold ins Ausland hin.116 Dass dieser Bericht viel weniger politischen Sprengstoff enthielt, war vom State Department gewollt. Der diplomatische Schaden in den bilateralen Beziehungen zur Schweiz, den der erste Bericht angerichtet hatte, sollte unter allen Umständen vermieden werden.117 Deshalb reiste der politische Berater Eizenstats, Bennet Freeman, im Oktober 1997 in die Hauptstädte der betroffenen Länder (mit Ausnahme Argentiniens), um persönlich den Bericht vorzustellen und einer diplomatischen Krise vorzubeugen. Auch war eine spezielle Ansprache der Außenministerin Madeleine Albright an diese Länder als Teil der diplomatischen Strategie geplant.118 Die ersten Reaktionen zeigten 112 „Visit Of E Senior Advisor To Bern“, 27. Oktober 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 3 of 3, AS 69; siehe Eizenstat, U.S. and Allied Wartime. 113 Eizenstat, On-the-record briefing. 114 Eizenstat, U.S. and Allied Wartime. 115 Bei diesen Zahlen handelt es sich um den damaligen Wert. Vgl. Eizenstat, U.S. and Allied Wartime, Foreword, o.S. Sidney J. Zabludoff geht wiederum davon aus, dass zwischen 1933 und 1945 mindestens 850 Millionen Dollar monetäres und nicht-monetäres Gold von den Nationalsozialisten geraubt wurden. Er definiert ferner auch das innerhalb Deutschlands zwischen 1933 und 1939 geraubte Gold als Raubgold. Siehe Zabludoff, Movements of Nazi Gold, 3. Der heutige Wert wird mit dem Faktor 10 angegeben. 116 Dazu ausführlicher Bähr, Goldhandel der Dresdner Bank; Steinberg, Deutsche Bank. 117 Memo von Miriam Kleiman: Information from a source re: Eizenstat, 9. Juni 1998, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Hausfeld – Swiss [II], Paxton Box 3. 118 „Secretary’s Message To Neutrals On Upcoming Release Of U.S. Neutrals Report“,

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

Erleichterung. Allein die Türkei fühlte sich in ihrer Rolle und ihrem Verhalten während des Zweiten Weltkriegs falsch und unfair dargestellt.119 Der mediale Aufruhr, wie noch bei der Veröffentlichung des ersten Berichts, blieb aus. 4.5. Das restitutionspolitische Engagement . der Bundesstaaten Als Edgar Bronfman und Israel Singer im Dezember 1995 entschieden, den republikanischen Senator Alfonse D’Amato aus New York zu kontaktieren, hatten sie sich bereits an weitere politische Kreise in den USA mit der Bitte um politische Unterstützung gewandt. So trafen Bronfman und Singer auch den Rechnungsprüfer der Stadt New York, Alan Hevesi, sowie den Rechnungsprüfer des Staates New York, Carl D. McCall. Beide waren für die Investitionen der städtischen bzw. bundesstaatlichen Pensionsfonds verantwortlich. Allein der Pensionsfond der Stadt New York hatte eine Größe von siebzig Milliarden Dollar und investierte unter anderem bei Schweizer Banken. Somit waren die Rechnungsprüfer der amerikanischen Städte und Bundesstaaten an einer Schnittstelle, an der sie effektiv ökonomischen Druck auf die Schweiz ausüben und wirksam politische Unterstützung leisten konnten.120 New York und New York City waren bezüglich des restitutionspolitischen Engagements auf Städte- und Bundesstaatenebene führend. Bereits nach den ersten Anhörungen D’Amatos hatte Hevesi im Mai 1996 gegenüber den drei größten Schweizer Banken sein Interesse an einer Klärung der Auseinandersetzung um nachrichtenlose Konten bekundet.121 Nach der Anhörung D’Amatos über das Geheimabkommen zwischen der Schweiz und Polen von 1949 wiederholte Hevesi in einem Artikel in der Wochenzeitung „Jewish Press“ seine Position. Er attackierte die Schweizer Banken für ihre Haltung in der Affäre um nachrichtenlose Konten und drohte mit finanziellen Maßnahmen gegen die Banken.122 Auch der Gouverneur des Bundesstaates New 15. Oktober 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder DF 1 of 1, DF 8. 119 „Turkish Demarche On Neutrals Report. London Conference Participation Not Firm“, 24. November 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 31, Folder R 3 of 7, R 92. 120 „Transcript of interview with Alan Hevesi“, 26. Februar 2001, 16, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Alan Hevesi 2.26.01, Paxton Box 6; Levin, Last Deposit, 125. Als Mitglied der New York State Assembly hatte Hevesi 1985 eine Delegation von 27 Politikern nach Westdeutschland begleitet, die gegen den Besuch von Präsident Ronald Reagan auf dem Soldatenfriedhof mit SS-Gräbern in Bitburg protestierten. 121 Brief Alan Hevesi an Rainer Gut, 6. Mai 1996, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Alan Hevesi 2.26.01, Paxton Box 6. 122 Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee. Hearing on the 1946 Swiss Holocaust Assets Agreement. Prepared Testimony of the Honorable Steven Newman. First Assistant Comptroller, City of New York, July 22, 1998, in: http://banking.senate. gov/98_07hrg/072298/witness/newman.htm, 08. 07. 2006; Graf, Wirtschaftssanktionen,

4.5. Das restitutionspolitische Engagement der Bundesstaaten

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York, George Pataki, griff in die Auseinandersetzung ein. In einer Erklärung deutete er an, dass er Maßnahmen ergreifen würde, um die Schweizer Regierung und Banken zu einer schnellen Lösung zu bewegen. Der New Yorker Abgeordnete Brian McLaughlin reichte im Januar 1997 einen Gesetzentwurf ein, der vorsah, dass die acht ausländischen Banken, die im Bundesstaat New York lizenziert waren, ihre Geschäftsbücher dem State Banking Superintendent offenlegen müssten. In einer Anhörung des Banking Committee kurze Zeit später wurde die Frage, ob der Bundesstaat New York seine Geschäftsbeziehungen zu Schweizer Banken überprüfen müsse und gegebenenfalls Lizenzen widerrufen könne, thematisiert.123 Mit der Anhörung sollte sichergestellt werden, dass alle Finanzinstitute, die in New York tätig waren, nach den höchsten ethischen Standards handelten.124 Neben New York interessierten sich nach und nach weitere Bundesstaaten für die Auseinandersetzung. Im Dezember 1996 wurden in New Jersey zwei Beschlüsse angenommen, in denen die Abgeordneten Joel Weingarten und Kevin O’Toole die Schweizer Regierung aufforderten, alle relevanten Informationen zu nachrichtenlosen Vermögen bloßzulegen. Gleichzeitig wurden der amerikanische Kongress sowie Präsident Clinton bestärkt, in angemessener Weise tätig zu werden, um die Schweiz zu einer Lösung zu drängen.125 Mitte Januar 1997 verfasste auch Rhode Island eine ähnliche Resolution. Im März kam Illinois mit einer eigenen dazu, im April folgte Maryland und selbst Alaska schloss sich im Januar 1998 dieser Bewegung an.126 Diese Resolutionen hatten zwar einen unverbindlichen Charakter, sie machten aber nichtsdestotrotz deutlich, welch große Aufmerksamkeit die Schweiz und ihr Verhalten erregte. Mit diesen Aktivitäten dehnte sich die Debatte um nachrichtenlose Konten und Raubgold sowohl qualitativ wie auch quantitativ aus. Das Jahr 1996 war für die Dynamik der Auseinandersetzung um die Rückerstattung von Vermögenswerten in der Schweiz entscheidend: D’Amato hatte seine Anhörungen begonnen, und Bill Clinton hatte Stuart Eizenstat mit einer Untersu35; Rickman, Swiss Banks, 190; siehe auch Alan G. Hevesi, The Shame of the Swiss Banks, in: Jewish Press, 22. November 1996. 123 „Heirless Assets: Efforts Underway By New York State“, 28. Mai 1997, LOC, Eizenstat-Papers, Various Holocaust-Related Papers Including State Department Papers, Box 9; siehe auch „Testimony of H. Carl McCall, Comptroller of the State of New York, Before Assembly Speaker Sheldon Silver and the New York State Assembly Standing Committee on Swiss Banks, the Unclaimed Assets of Holocaust Victims and the New York State Regulatory Role“, 13. Februar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 15, Folder DY 3 of 3, DY 136 C. 124 Rickman, Swiss Banks, 190f.; Graf, Wirtschaftssanktionen, 43. 125 „Assembly Resolution No. 126. State of New Jersey. Introduced November 14, 1996 by Assemblymen Weingarten and O’Toole“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder DJ 1 of 3, DJ 17 G. 126 Rickman, Swiss Banks, 191, 197.

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

chungskommission beauftragt. Nachdem nun auch die Bundesstaaten aktiv wurden, sahen sich die Schweizer Banken mit einer ganzen Reihe von Gegnern konfrontiert. Trotz des mannigfaltigen Drucks ignorierten sie weiterhin das zentrale Thema der Auseinandersetzung – nämlich die finanzielle Entschädigung der Opfer. Erst müssten die historischen Fakten klar sein, bevor über eine materielle Entschädigung verhandelt werden könne, so die Schweizer Position. Anfang 1997 gaben sie ihren Widerstand gegen Verhandlungen über konkrete Entschädigungszahlungen auf, denn drei Skandale setzten dem Ansehen der Schweiz stark zu. Die Fälle Delamuraz, Meili und Jagmetti Im Dezember 1996 bezichtigte der scheidende Schweizer Bundespräsident Jean-Pascal Delamuraz in einem Interview die jüdischen Organisationen der Erpressung und vermutete, dass die Debatte um Holocaust-Vermögenswerte allein zum Ziel hätte, dem Finanzplatz Schweiz zu schaden. Diese Äußerungen führten zu wütenden Protesten, und der WJC und die Jewish Agency drohten mit Sanktionen gegen Schweizer Banken. „[T]he issue here is not ‚blackmail‘. It’s bankruptcy – moral bankruptcy“, so das harsche Urteil der „New York Times“ in einem Leitartikel.127 Der Schweizer Bundesrat erklärte sich auf massives Drängen der Schweizer Bankiervereinigung bereit, Verhandlungen mit jüdischen Organisationen und den Banken über die Schaffung eines Fonds zu führen, und Delamuraz entschuldigte sich in einem Brief an Edgar Bronfman.128 Noch bevor der Eklat über die Äußerungen Delamuraz’ sich ganz gelegt hatte, schlitterte die Schweiz in die nächste Krise. Christoph Meili, Angestellter einer Wachdienstfirma, beobachtete am 8.  Januar 1997, wie Mitarbeiter der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG, später UBS) Aktenbestände aus den zwanziger und dreißiger Jahren in einem Reißwolf vernichteten. Meili sicherte einige dieser Dokumente, die den erzwungenen Verkauf von jüdischem Eigentum durch eine SBG-Tochtergesellschaft belegten, und übergab sie der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, die diese an die Polizei weiterleitete.129 Obwohl die Vernichtung von belastenden Aktenbeständen illegal 127 Thomas L. Friedman, The Neutrality Myth, in: New York Times, 5. Februar 1997. 128 „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 66, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3; siehe auch „Statement by the Swiss Government Spokesman“, 7. Januar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 13, Folder DM 1 of 1, DM 14 a; Graf, Wirtschaftssanktionen, 41; Weill, Milliarden-Deal, 137; Schapiro, Inside a Class Action, 82. 129 Schapiro, Inside a Class Action, 79f.; Schäfer, Hitler und die Schweiz, 119; Authers/ Wolffe, Victims Fortune, 34; Chesnoff, Pack of thieves, 268. Durch diesen Vorfall kam heraus, dass bei der UBS weitere Akten vernichtet worden waren. Ebenso brachen in

4.5. Das restitutionspolitische Engagement der Bundesstaaten

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war, wurde Meili fristlos gekündigt und wegen der Verletzung des Bankgeheimnisses unter Anklage gestellt. Letztlich wurde das juristische Verfahren gegen ihn nicht durchgeführt, doch er und seine Familie gerieten in der Schweiz so stark unter öffentlichen Druck, dass er ein Asylangebot aus den USA annahm und der erste politische Flüchtling aus der Schweiz in den USA wurde.130 Der Schweizer Außenminister Cotti beschrieb es als „grotesk“, dass so der Eindruck entstand, die Schweiz würde elementare Menschenrechte nicht achten.131 Die Affäre brachte die Schweizer Banken weiter in Verruf und belastete ihre Glaubwürdigkeit schwer. Die „New York Times“ schrieb am 18. Januar 1997: No one is making a better case that Swiss bankers may have looted the accounts of Jewish depositors who were killed in the Holocaust than the bankers themselves. […] The conduct of the bankers and some of Switzerland’s top political leaders has been shameful. The tortured explanations and apologies that follow each new indignity are unconvincing.132

Im selben Monat wurden in der Schweizer „Sonntags-Zeitung“ Auszüge aus einem geheimen Strategiepapier des Schweizer Botschafters in Washington, Carlo Jagmetti, veröffentlicht. Es war von internen Gegnern Jagmettis der Zeitung zugespielt worden. In dem Papier hatte er die jüdischen Organisationen und D’Amato als „Gegner“ bezeichnet, mit denen sich die Schweiz im „Krieg“ befände. Jüdische Organisationen verurteilten die Äußerungen vehement. Auch die US-Regierung bezeichnete sie als unglücklich.133 Die negativen Schlagzeilen führten zum sofortigen Rücktritt Jagmettis. Der Bundesrat erließ zwar Strafanzeige, doch das Leck im Schweizer Außenministerium wurde nicht gefunden.134 Im Zuge dieser drei Skandale spitzten sich die Boykottdrohungen der Bundesstaaten weiter zu. Im New York City Council wurde Ende Januar 1997 ein Gesetzentwurf eingereicht, der Investitionen der Stadt New York bei mehreren Lagerhäusern der Credit Suisse Brände aus, die weiteres Aktenmaterial vernichtete. Siehe Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 129. 130 „Transcript of interview with Senator Alfonse D’Amato“, 26. Februar 2001, 39, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Senator D’Amato 2.26.01, Paxton Box 6; „Holocaust-era Assets: Swiss Weekly Summary“, 30. Mai 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 14, Folder DU 3 of 4, DU 164; Meili, His Story, 45; Chesnoff, Thieves, 268. 131 „Holocaust-era Assets: Swiss Weekly Summary“, 6. Juni 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 2 of 3, AS 34. 132 New York Times, 18. Januar 1997, zit. n. Graf, Wirtschaftssanktionen, 42. 133 „Switzerland: What is the US reaction to the resignation of Ambassador Jagmetti?“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 13, Folder DM 1 of 1, DM 6. 134 Alan Cowell, How Swiss Strategy on Holocaust Fund Unraveled, in: The New York Times, 26. Januar 1997; William Drozdiak, Swiss Envoy to U.S. Quits Amid Uproar On Holocaust Gold. Washington Denounces His Call To ‚Wage War‘ Over Jewish Claims, in: International Herald Tribune, 28. Januar 1997; Weill, Milliarden-Deal, 149; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 124; Schapiro, Inside a Class Action, 83.

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4. Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik

Schweizer Banken verbot. Bereits bestehende Investitionen sollten rückgängig gemacht werden müssen. Damit sollte die Schweiz zur Einrichtung eines Entschädigungsfonds bewegt werden. Mit diesem Schritt ebnete das New Yorker Stadtparlament als erste lokale Instanz den Weg für die Verhängung von Sanktionen. Wie von den Schweizer Banken befürchtet, hatte dieser Schritt Signalwirkung. Der Rechnungsprüfer des Staates New York, Carl D. McCall, beendete am 30.  Januar 1997 das kurzfristige Anlagegeschäft mit Schweizer Banken und setzte so zum ersten Mal konkrete Boykottmaßnahmen um. Während der WJC sich für Sanktionen ausgesprochen hatte, kritisierte Abraham Foxman, Direktor der Anti-Defamation League, diese Maßnahmen als das falsche Mittel.135 Im Februar 1997 forderte der State Banking Superintendend von New York, Neil D. Levin, die fünf größten in New York tätigen Banken auf, ihre Geschäftsbeziehungen zur Schweiz auf nachrichtenlose Vermögen zu überprüfen. Damit machte Levin deutlich, dass die Maßnahmen nicht allein auf Schweizer Finanzinstitutionen bezogen waren, sondern Restitutionsdefizite generell aufgearbeitet werden mussten.136 Zugeständnisse der Schweiz Trotz der im Oktober 1996 eingesetzten „Task Force“ gelang es der Schweiz nicht, in der Auseinandersetzung um nachrichtenlose Konten in die Offensive zu gelangen. Vielmehr spitzte sich die Krise immer mehr zu. Speziell die Affären um Delamuraz und Meili hatten die Schweiz und die Banken politisch wieder in die Defensive gedrängt. Die vom Bundesstaat New York eingeleiteten Boykottmaßnahmen vergrößerten den Druck merklich. Der Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse Group, Rainer E. Gut, regte daraufhin in einem Gespräch mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ die Einrichtung eines Fonds für Holocaust-Opfer an, an dem sich die Schweizer Banken und Versicherungen, die Schweizerische Nationalbank sowie die Eidgenossenschaft beteiligen sollten. Vier Monate später gaben die drei Schweizer Großbanken die Einrichtung dieses Fonds bekannt. Die Schweizer Regierung schuf daraufhin den rechtlichen Rahmen und übernahm die Aufsicht, gab jedoch gleichzeitig bekannt, sich nicht finanziell nicht zu beteiligen. Die Schweizer Nationalbank sagte dagegen eine finanzielle Beteiligung zu.137 Das Department of State be135 Seth Gitell, Swiss Strategy Divides Brass As Foxman Zooms To Zurich. Boycott Idea Finds Bronfman And Burg Differing With Harris Cooper, in: The Forward, 10. Januar 1997; Graf, Wirtschaftssanktionen, 44. 136 „Heirless Assets: Efforts Underway By New York State“, 28. Mai 1997, LOC, Eizenstat-Papers, Various Holocaust-Related Papers Including State Department Papers, Box 9. 137 „Holocaust-Era Assets: Swiss Weekly Summary“, 10.  Oktober 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 25, Folder JO 1 of 1, JO 22; Weill, Milliarden-Deal, 148; Graf,

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zeichnete die Stiftung als ein positives Zeichen und zeigte sich von den Anstrengungen der Schweizer Seite beeindruckt.138 Die Gelder wurden der World Jewish Restitution Organization übergeben und sollten vor allem Holocaust-Opfern in Osteuropa zugute kommen.139 Mit diesem Schritt erkauften sich die Banken einen kurzfristigen Frieden. Der Gesetzentwurf des New York City Council über das Verbot, in Schweizer Banken zu investieren, wurde abgelehnt. Auch die Kündigung der Anlagegeschäfte mit Schweizer Banken wurde außer Kraft gesetzt. Der WJC und Senator D’Amato zeigten sich zufrieden über den Schritt der Schweizer Großbanken und riefen zur Zurückhaltung auf.140 Den Großbanken war es gelungen, mit dieser finanziellen Geste die drohenden Boykotte abzuwenden bzw. sogar rückgängig zu machen und nach den Affären um Delamuraz, Meili und Jagmetti für eine Beruhigung der angespannten Situation zu sorgen. Weitere Sanktionsmaßnahmen Die Krise war damit aber nicht behoben. Der republikanische Gouverneur von New York, George E. Pataki, hatte bereits im Oktober 1996 eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um zu klären, inwieweit Schweizer Banken in den dreißiger und vierziger Jahren Vermögenswerte von Holocaust-Opfern nach New York transferiert hatten. Nun gab Pataki bekannt, dass State Banking Superintendend Levin in die Schweiz reisen werde. Sollten die Banken nicht zur Kooperation bereit sein, werde ihnen die Geschäftslizenz in New York entzogen.141 Damit waren die Banken von weiteren Sanktionsmaßnahmen beWirtschaftssanktionen, 44, 46; Schapiro, Inside a Class Action, 84. Zur Reaktion auf den Fonds in den USA siehe auch Michael Hirsh, The Holocaust in the Dock. It once seemed so clear Hitler’s victims vs. greedy Swiss bankers. Then the lawyers got into the act, in: Newsweek, 17. Februar 1997. 138 „U.S. Department of State, Office of the Spokesman, Press Statement by Nicholas Burns: Swiss Banks to Create Fund“, 5. Februar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 15, Folder DY 2 of 3, DY 66. 139 „Holocaust-era Assets: Swiss Weekly Summary“, November 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 13, Folder DT 1 of 1, DT 1. Über die Verteilung der Gelder kam es zwischen verschiedenen jüdischen Organisationen zum Streit. Während Avraham Burg von der Jewish Agency diese Gelder allein für die World Jewish Restitution Organisation reklamierte, wollte Rolf Bloch, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds und Präsident des Schweizer Fonds, einen Teil der Gelder für nicht-jüdische Opfer reservieren. Letztlich wurde entschieden, ungefähr 12 Prozent an nicht-jüdische Opfer auszuzahlen. Siehe „Holocaust-era Assets: Swiss Weekly Summary“, 15. August 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 34, Folder Z 1 of 2, Z 42; und „Holocaust-Era Assets: Swiss Weekly Summary“, 3. April 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 34, Folder Z 2 of 2, Z 62. 140 Graf, Wirtschaftssanktionen, 45; Rickman, Swiss Banks, 193. 141 Ebd.

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droht. Das Treffen Levins mit der Eidgenössischen Bankenkommission verlief jedoch positiv und dem New Yorker State Banking Department wurde von der Eidgenössischen Bankenkommission Zugang zu Kundendaten ermöglicht, deren Vermögen zwischen 1933 und 1945 nach New York transferiert worden war.142 Zugleich richtete Pataki im Juni 1997 das Holocaust Claims Processing Office ein, das dem New Yorker State Banking Department angegliedert war. Dieses Büro sollte all jenen helfen, die einen Restitutionsanspruch geltend machen wollten, und die Suche nach gestohlenen Kunstgegenständen unterstützen. Damit setze sich New York an die Spitze der Anstrengungen, Holocaust-Vermögenswerte ihren legitimen Besitzern zurückzuerstatten, erklärte Pataki.143 Auch Chicago und der Bundesstaat New Jersey verabschiedeten im Februar und März 1997 Gesetzentwürfe, die Boykottmaßnahmen androhten. Der in Chicago von den Stadtparlamentariern eingereichte Gesetzentwurf richtete sich nicht nur gegen Schweizer Finanzinstitute, sondern allgemein gegen Schweizer Unternehmen. Wegen Protesten von Banken in Chicago wurde der Entwurf im Sommer 1997 jedoch entschärft und bezog sich nur noch auf Banken mit Hauptsitz in der Schweiz.144 Die Aktivitäten der Stadtparlamentarier verdeutlichten, wie populär das Thema in den USA geworden war, denn die Stadt Chicago selber hatte kaum wirtschaftliche Beziehungen zu Schweizer Finanzinstitutionen. Die angedrohten Sanktionen hatten also eher symbolischen Charakter.145 Der Schweizer Bundespräsident Arnold Koller stellte Anfang März 1997 das Projekt „Schweizerische Stiftung für Solidarität“ vor. Wenige Wochen vor der Veröffentlichung des ersten Eizenstat-Berichts sollte so ein gewisses Entgegenkommen in den angespannten bilateralen Beziehungen signalisiert werden. Aus Goldverkäufen der Schweizerischen Nationalbank sollte das Grundkapital der Stiftung von rund sieben Milliarden Franken finanziert werden, die jährlichen Erträge dann in humanitäre Projekte investiert werden. Dieser Vorschlag fand in den USA zunächst große Zustimmung. Die Stimmung kippte erst, als sich herausstellte, dass die Solidaritätsstiftung nicht speziell für Ho142 „Heirless Assets: Efforts Underway By New York State“, 28. Mai 1997, LOC, EizenstatPapers, Various Holocaust-Related Papers Including State Department Papers, Box 9. 143 „Press Office: Governor Applauds Regulatory Action Against Swiss Banking Corp.“, 7. Dezember 1997, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Hausfeld – Swiss [II], Paxton Box 3; Interview Anna B. Rubin, Holocaust Claims Office. Zum „Holocaust Claims Processing Office“ siehe http://www.claims.state.ny.us/, 23. 11. 2007; Rickman, Swiss Banks, 194. 144 Brief von Neil Cohen (New Jersey Assembly Deputy Minority Leader) an Madeleine Kunin (US-Botschafterin in Bern), 9. April 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder DJ 1 of 3, DJ 17; und Graf, Wirtschaftssanktionen, 48. 145 Vgl. „Letter on Sanctions against Swiss banks to Walter Knorr, Chief Financial Officer, City of Chicago“, 27. Juli 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 2 of 2, DK 67.

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locaust-Opfer, sondern allgemein für Menschen in Not konzipiert war.146 Neil M. Cohen, Abgeordneter der General Assembly von New Jersey, charakterisierte das Vorhaben als eine Ablenkung von den Hauptstreitpunkten. In dieser angespannten Lage wurde im März 1997 ein Gesetzentwurf in die General Assembly von New Jersey eingereicht, der die Beendigung sämtlicher finanzieller und wirtschaftlicher Beziehungen zur Schweiz vorsah. 58 der achtzig Parlamentarier unterstützten die Gesetzesvorlage.147 Auf Intervention des WJC, der negative Auswirkungen auf die Verhandlungen mit der Schweiz befürchtete, wurde der Entwurf jedoch nicht ratifiziert. Cohen sandte diesen Gesetzentwurf aber als Vorlage an die Parlamente aller anderen 49 Bundesstaaten.148 Die Koordinierung der Sanktionen Im Mai 1997 trafen sich Alan Hevesi und Steven Newman, First Assistant Comptroller von New York, in der Schweiz mit mehreren Regierungs- und Bankenvertretern, um einen besseren Überblick über die Sachlage zu bekommen.149 Newman hatte bereits in den achtziger Jahren zusammen mit Eric Wollman die Boykottkampagne gegen Südafrika koordiniert. Als Ergebnis der Unterredungen in der Schweiz gründete Hevesi nach seiner Rückkehr ein „informal informational clearinghouse“. Dieses Netzwerk von über 800 Regierungen auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene sollte den Informationsfluss gewährenleisten und Aktivitäten gegen die Schweizer Banken koordinieren. Ein Rundbrief, der sogenannte „Swiss Monitor“, wurde im Büro He146 Arnold Koller, Nachrichtenlose Vermögen. Erklärung des Bundesrates, in: Amtliches Bulletin der Bundesversammlung, 8.  Sitzung der 45. Amtsdauer, 5.  März 1997, in: http://www.parlament.ch/Poly/Download_amtl_Bulletin/97_03/vbaf9703.pdf, 25. 10. 2007. „Holocaust-era Assets: Swiss President Calls For ‚Solidarity Fund‘“, 5.  März 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 13, Folder DU 1 of 4, DU 60; Schäfer, Hitler und die Schweiz, 121-124; Weill, Milliarden-Deal, 165f.; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 237. Im Herbst 2002 wurde die Solidaritätsstiftung in einem Referendum abgelehnt. 147 „Assembly Democrats News Release: Swiss Divestiture Bill Introduced With 58 Assembly cosponsors“, 13. März 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder DJ 1 of 3, DJ 17 B. 148 In diesem Schritt ist bereits der Gedanke einer stärkeren Koordination und Absprache der einzelnen Bundesstaaten untereinander zu erkennen – eine strategiepolitische Option, die später speziell von Hevesi ausgebaut werden sollte. „New Jersey State Legislature. News Release: Cohen/ Singer Propose Switzerland Divestiture Bill“, 12.  März 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder DJ 1 of 3, DJ 17 A. 149 Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee. Hearing on the 1946 Swiss Holocaust Assets Agreement. Prepared Testimony of the Honorable Steven Newman. First Assistant Comptroller, City of New York, July 22, 1998, in: http://banking.senate. gov/98_07hrg/072298/witness/newman.htm, 08. 07. 2006.

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vesis publiziert und alle drei Monate an über 4.000 Interessierte verschickt. Damit wurde Hevesi zu einer zentralen Figur bei der Unterstützung von Restitutionsforderungen auf Bundesstaatsebene.150 Nach den ersten New Yorker Sanktionen gegen die Schweiz, die wenig später wieder aufgehoben worden waren, initiierten etliche Bundesstaaten Gesetzesvorlagen, die es ermöglichten, innerhalb kurzer Zeit Boykottmaßnahmen zu ergreifen. Die Sanktionsdrohungen dienten vor allem dazu, effektiven Druck auf die Schweiz auszuüben. Im Sommer 1997 änderte sich diese Lage. Das Parlament in Kalifornien verabschiedete am 19. August 1997 eine nicht bindende Resolution, die alle öffentlichen Stellen im Bundesstaat aufrief, die Schweizer Banken auf die Herausgabe aller verfügbaren Informationen über nachrichtenlose Konten und finanzielle Transaktionen mit dem nationalsozialistischen Deutschland zu verpflichten. Der Schatzmeister von Kalifornien, der Republikaner Matthew Kipling Fong, war mit der Antwort auf seine Anfrage bei Schweizer Banken jedoch nicht zufrieden und ließ daraufhin in der letzten Augustwoche 1997 alle Direktinvestitionen bei Schweizer Banken stoppen. Dieser konkrete Boykott stieß nicht nur in der Schweiz, sondern auch in den USA auf heftige Kritik. Stuart Eizenstat bezeichnete die Sanktionen als kontraproduktiv und forderte Fong auf, sie zurückzunehmen. Die US-Botschafterin in der Schweiz, Madeleine Kunin, zeigte zwar Verständnis für die Motive Fongs, nannte seine Strategie aber falsch. Dieser Meinung schlossen sich auch die jüdische Anti-Defamation League und diverse konservative jüdische Organisationen an. Fong wurde also nicht nur von der Regierung, die sowieso Sanktionen ablehnte, kritisiert, sondern auch von jüdischen Gruppen. Aufgrund des massiven Protests setzte Fong die Maßnahmen gegen Schweizer Banken im Dezember für drei Monate aus.151 Der Widerspruch gegen die kalifornischen Sanktionsmaßnahen fiel so heftig aus, weil die Schweiz erst im Juli und Oktober 1997 Listen veröffentlicht hatte, auf denen Kontoinhaber vermerkt waren, deren Konten vor dem 9. Mai 1945 eröffnet worden und seitdem ohne Nachricht geblieben waren.152 Die Schweizer Banken hatten damit eine zentrale Forderung D’Amatos erfüllt. Auf den Listen fanden sich unter anderem prominente Nationalsozialisten, aber auch Madeleine Kunin fand dort den Namen ihrer Mutter. Insgesamt verzeichneten die Listen mehr Konten als die Schweizer Banken 1996 gegen150 Alan G. Hevesi, A stand must be taken. Local actions patterned on successful South Africa campaign, in: USA Today, 9. Juli 1998, 1; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 65; Graf, Wirtschaftssanktionen, 53; siehe auch Joan Warner, Raging At The Swiss. Will U.S. anger over Nazi gold lead to damaging sanctions?, in: Business Week, 26.  Mai 1997. 151 Rickman, Swiss Banks, 201; Graf, Wirtschaftssanktionen, 55. 152 „Holocaust-Era Assets: Swiss Weekly Summary“, 25. Juni 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 34, Folder Z 1 of 2, Z 40; siehe auch James Barron, War-Era Swiss Bank List Produces Mostly Rancor, in: New York Times, 24. Juli 1997, 10.

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über dem WJC eingeräumt hatten, was zu zahlreichen peinlichen Nachfragen führte.153 Im Oktober 1997 schloss Hevesi die Schweizerische Bankgesellschaft von einem Bieterwettbewerb um Bankgarantien zur Deckung der Schulden der Stadt New York aus. Die Schweizerische Bankgesellschaft hatte zwar das beste Angebot vorgelegt, es wurde aber in Rücksprache mit dem Bürgermeister von New York, Rudolph Giuliani, abgelehnt. Trotz der Kritik aus dem State Department, schlossen sich die Bundesstaaten New York und Massachusetts den Sanktionen Hevesis an und beendeten ihre Geschäftsbeziehungen mit der Schweizerischen Bankgesellschaft. Auch der Bundesstaat Illinois fror am 16. Oktober 1997 generell seine Geschäftsbeziehungen zu Schweizer Banken ein, während in der General Assembly von New Jersey Anfang November ein Gesetzesvorschlag eingereicht wurde, wonach Gelder staatlicher Rentenfonds nicht mehr bei Schweizer Finanzinstituten investiert werden durften und bestehende Investitionen abgezogen werden mussten.154 Nun eskalierte die Auseinandersetzung. Während bis dahin nur Gesetze eingereicht und lediglich angenommen, nicht jedoch ratifiziert worden waren, sahen sich die Schweizer Finanzinstitute nun mit konkreten Sanktionen konfrontiert. Die Clinton-Regierung wurde zunehmend nervös, schienen die Maßnahmen doch eine Verhandlungslösung zu verhindern, weil sich die Beziehungen zur Schweiz immer weiter verschlechterten. Im November 1997 reiste Madeleine Albright in die Schweiz und formulierte ihre Kritik an der Schweizer Politik im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit im Sinne der Verhandlungsdiplomatie der Clinton-Regierung, versuchte dabei aber, dies nicht auf die Gegenwart auszuweiten.155 Sie benutzte das diplomatische Kalkül, das Gregg Rickman als „dual notion of criticism and compliment“ bezeichnete.156 Ziel der Clinton-Regierung war es zu diesem Zeitpunkt, das Thema rasch zu einem materiellen Abschluss zu bringen und eine weitere Verschlechterung der bilateralen Beziehungen zu vermeiden. 153 „Transcript of interview with Israel Singer and Elan Steinberg“, 30. April 2001, o.S., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Singer/ Steinberg 4.30.01, Paxton Box 3; Siegfried Kogelfranz, Fluch des Goldes. Die Banken haben doch noch Geld von Holocaust-Opfern gefunden – aber auch Konten von Nazis, in: Der Spiegel, 28. Juli 1997, 118f.; Weill, Milliarden-Deal, 148; Graf, Wirtschaftssanktionen, 53; Kurt Pelda, Kuriositäten in der Namensliste der Schweizer Banken, in: Neue Zürcher Zeitung, 23. Juli 1997, 9; Barry Bearak, Swiss Bankers’ List Throws Light On Pain and Intrigue of Wartime, in: New York Times, 25. Juli 1997; Rickman, Swiss Banks, 164; Schapiro, Inside a Class Action, 55, 141. 154 „Transcript of interview with Alan Hevesi“, 26.  Februar 2001, 20f., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Alan Hevesi 2.26.01, Paxton Box 6; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 67f.; Rickman, Swiss Banks, 200. 155 „Holocaust-era Assets: Swiss Weekly Summary“, 21. November 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DU 3 of 4, DU 269. 156 Rickman, Swiss Banks, 204.

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Ein Moratorium verhindert die Eskalation Im Rahmen dieser angespannten Atmosphäre fand am 8. Dezember 1997 in New York die von Alan Hevesi organisierte „International Conference on The Recovery and Return of Dormant Holocaust-Related Swiss Bank Accounts and Hidden Assets“ statt. Ziel dieser Konferenz, zu der über 800 Vertreter amerikanischer Finanzbehörden und Pensionskassen sowie Parlamentsabgeordnete von Bundesstaaten und Städten anreisten, war der Austausch von Informationen über die Auseinandersetzung mit der Schweiz und die Koordinierung von Boykottmaßnahmen.157 Neben den hier genannten waren auch Anwälte von Holocaust-Überlebenden, die mittlerweile Klagen gegen Schweizer Banken eingereicht hatten158, die US-Regierung, die Schweizer Regierung sowie die Schweizer Banken und der WJC vertreten. Trotz seiner vorher massiv vorangetriebenen Sanktionspläne, unterstützte Hevesi auf der Konferenz die Position Edgar Bronfmans, der sich vehement für ein dreimonatiges Moratorium für Wirtschaftssanktionen aussprach, da er davon ausging, dass die Schweiz bereit sei, in formelle Verhandlungen zu treten.159 Auch die Regierungen der Schweiz und der USA sprachen sich gegen Sanktionen aus.160 Am stärksten gefordert wurde der Einsatz von Sanktionen von Überlebenden des Holocaust, die der Schweiz vorwarfen, sie spiele auf Zeit.161 Die Finanzbeamten der Bundesstaaten beschlossen daraufhin, sämtliche Sanktionen neunzig Tage auszusetzen. Außerdem wurde ein Executive Monitoring Committee gebildet, das den weiteren Verlauf der Verhandlungen zwischen Schweizer Banken und den Anwälten beobachten sollte. Nach Ablauf des Moratoriums sollte dieses Gremium Empfehlungen aussprechen, wie weiter zu verfahren sei.162 157 „Transcript of interview with Alan Hevesi“, 26. Februar 2001, 17, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Alan Hevesi 2.26.01, Paxton Box 6. Siehe auch Einladungsflyer „International Conference on The Recovery and Return of Dormant HolocaustRelated Swiss Bank Accounts and Hidden Assets, Monday, December 8, 1997, The Plaza, New York City“, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Bob O’Brian (Credit Suisse), Paxton Box 4. 158 Siehe zu den Sammelklagen von NS-Opfern das nächste Kapitel 4.6. „Juristischer Druck auf die Schweiz: Sammelklageanwälte und die plaintiff’s diplomacy“. 159 Vgl. Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee. Hearing on the 1946 Swiss Holocaust Assets Agreement. Prepared Testimony of the Honorable Steven Newman. First Assistant Comptroller, City of New York, July 22, 1998, in: http://banking. senate.gov/98_07hrg/072298/witness/newman.htm, 08. 07. 2006. 160 Siehe dazu „Remarks by Ambassador Madeleine M. Kunin, Chief of Mission, United States Embassy, Bern (Switzerland), to the International Conference on The Recovery and Return of Dormant Holocaust-Related Swiss Bank Accounts and Hidden Assets, New York City“, 8. Dezember 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 46 B. 161 Graf, Wirtschaftssanktionen, 62. 162 Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee. Hearing on the 1946 Swiss Holocaust Assets Agreement. Prepared Testimony of the Honorable Steven Newman.

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Die von Alan Hevesi organisierte Konferenz hatte Ende 1997 alle relevanten Akteure der Restitutionsdebatte zu einem Koordinierungstreffen zusammengebracht. Zwar wurden der Schweiz die Konsequenzen von Sanktionen sehr deutlich vor Augen geführt. Dennoch setzte sich ein eher zurückhaltender Kurs durch. Nach der Einschätzung des WJC war es an der Zeit, mit der Schweizer Seite zu verhandeln und zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Boykottmaßnahmen konnten da nur störend wirken und die Möglichkeit einer Klärung mit der Schweizer Seite torpedieren. Die Eskalationsspirale wurde unterbrochen. Die Erklärung der Konferenz kam denn auch den Interessen der Clinton-Regierung entgegen. Die Beziehungen zur Schweiz wurden nicht weiter belastet und die Bundesstaaten zogen sich ein Stück weit aus den außenpolitischen Belangen zurück. Nichtsdestotrotz hatten die Gesprächsparteien lediglich wenige Monate Aufschub erhalten, um relevante Ergebnisse vorzulegen. Damit blieb der Druck auf die Schweiz, eine Lösung auf dem Verhandlungswege zu finden, gleichwohl bestehen. Trotz des Moratoriums hörten die Vorbereitungen für Sanktionen gegen die Schweiz nicht auf.163 Um die Drohkulisse aufrecht zu erhalten, meldete sich aus New York Senator D’Amato zu Wort und forderte in einem Brief den Vorsitzenden der amerikanischen Notenbank, Alan Greenspan, auf, die geplante Fusion zwischen der Schweizerischen Bankgesellschaft und des Schweizerischen Bankvereins abzulehnen.164 Auch Matt Fong wurde von den Klägeranwälten gedrängt, den Schweizer Banken mit erneuten Sanktionen zu drohen, falls diese in den laufenden Verhandlungen nicht zu Konzessionen bereit seien.165 Damit trat jene Eskalation ein, die das State Department unbedingt zu vermeiden gesucht hatte. Das Schweizer Parlament verurteilte diese Drohgebärden und forderte den Bundesrat auf, den Fall vor die World Trade Organization (WTO) zu bringen. Eine große Mehrheit der Abgeordneten befürwortete, ökonomische Schritte gegen die USA einzuleiten. Diese Sanktionsdrohungen aus der Schweiz stießen jedoch sowohl in Regierungs- wie auch in First Assistant Comptroller, City of New York, July 22, 1998, in: http://banking.senate. gov/98_07hrg/072298/witness/newman.htm, 08. 07. 2006; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 72; Graf, Wirtschaftssanktionen, 62f.; Braillard, Schweiz im Fadenkreuz, 23. 163 Graf, Wirtschaftssanktionen, 64f. 164 „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 75f., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3; Rickman, Swiss Banks, 208; Braillard, Schweiz im Fadenkreuz, 25; siehe auch Nikos Tzermias, D’Amato will Schweizer Bankenfusion behindern. Höchst bedenklicher Schachzug des amerikanischen Senators, in: Neue Zürcher Zeitung, 6. Februar 1998. 165 Brief Alan Hevesi an Matt Fong, 13. März 1998, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Alan Hevesi 2.26.01, Paxton Box 6; Rickman, Swiss Banks, 210ff.; Graf, Wirtschaftssanktionen, 67; Schapiro, Inside a Class Action, 206; siehe auch Ulrich Schmid, Die Regierung muß Farbe bekennen. Washington angesichts der Boykottdrohungen im Dilemma, in: Neue Zürcher Zeitung, 8. Juli 1998.

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Wirtschaftskreisen in Amerika auf einhellige Ablehnung. Nicht nur wäre die Schweiz klare Verliererin bei einem Handelskrieg mit den USA, auch würden diese Maßnahmen ihrerseits gegen die Regeln der WTO verstoßen.166 Am 26. März 1998, kurz vor dem Ende der 90-Tagesfrist, lud das Executive Monitoring Committee Vertreter des WJC, der jüdischen Gemeinde der Schweiz, des New York State Banking Department, Senator D’Amato, die Sammelklageanwälte, die Schweizer Banken, die israelische, die Schweizer, sowie die US-Regierung zu einer Anhörung ein, um über den weiteren Verlauf des Moratoriums zu bestimmen. Der WJC zeigte sich bereits vor der Anhörung enttäuscht über die Fortschritte in den Verhandlungen und erklärte, er werde sich für den Einsatz von Sanktionen aussprechen. Hevesi plante aus demselben Grund, mit seinen Boykottdrohungen ernst zu machen. Die USRegierung wiederum befürwortete ein weiteres Abwarten.167 Zusammen mit der schweizerischen Regierung forderte sie die Parteien auf, auf Boykottmaßnahmen zu verzichten, gemeinsam eine Lösung zu suchen und die guten Beziehungen zwischen den USA und der Schweiz zu stärken.168 Die geringen Fortschritte der letzten Monate hatten aber eine klare Mehrheit für die Sanktions-Befürworter geschaffen. Diese begann erst zu bröckeln, als Stuart Eizenstat während der Anhörung verkündete, dass es zu einer Einigung über die Schaffung eines „rough justice fund“ gekommen sei. Kurz vor der Anhörung hatte Israel Singer einen Brief des Schweizerischen Bankvereins erhalten, in dem der WJC und die Klägeranwälte zu konkreten Verhandlungen über eine Globallösung eingeladen wurden.169 Für Eizenstat war diese Erklärung ein Verhandlungsdurchbruch, der trotz verschiedener noch zu lösender Probleme sehr vielversprechend war.170 Auch der World Jewish Congress ließ sich vom Optimismus Eizenstats anstecken und beharrte nicht länger auf Sanktionen. Das Executive Monitoring Committee kam zu dem Schluss, dass das Moratorium über Sanktionen für weitere drei Monate Bestand haben sollte und erwartete, dass bis zur nächsten Anhörung eine konkrete finanzielle Einigung vorliegen könnte.171 166 Graf, Wirtschaftssanktionen, 67f. 167 Weill, Milliarden-Deal, 191; Graf, Wirtschaftssanktionen, 70. 168 „Joint Swiss-American Statement on Sanctions“, 26. März 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 29 E. 169 „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 78, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3; Brief Marcel Ospel von der Swiss Bank Corporation an Israel Singer, 26. März 1998, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Alan Hevesi 2.26.01, Paxton Box 6. 170 „EUR Guidance Switzerland, March 30, 1998. Swiss Banks And Government Back Away From Breakthrough“, 30. März 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 38. 171 Vgl. Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee. Hearing on the 1946 Swiss Holocaust Assets Agreement. Prepared Testimony of the Honorable Steven Newman. First Assistant Comptroller, City of New York, July 22, 1998, in: http://banking.

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Hoffnung auf eine Einigung Schon im April 1998 einigten sich die Verhandlungsparteien auf die generelle Struktur einer Globallösung. Die vom Volcker-Komitee eruierten Konten sollten direkt an die Berechtigten ausgezahlt bzw. über einen Fonds verteilt werden. Ferner sollte ein festgelegter Betrag alle weiteren Forderungen pauschal abdecken. Die jüdischen Organisationen und die Klägeranwälte rechneten hierzu auch Raubgold und weitere geraubte Vermögenswerte, die während des Zweiten Weltkriegs in die Schweiz gelangt waren. Die Schweizer Großbanken waren jedoch nicht bereit, Ansprüche zu befriedigen, die an die Schweizer Nationalbank und den Schweizer Staat gestellt werden müssten. Da diese sich nicht an den Gesprächen beteiligten, drohte hier eine Verhandlungsblockade. Begleitet wurden die Verhandlungen von weiteren Sanktionsdrohungen. Obwohl sich sowohl Stuart Eizenstat und Alan Hevesi wie auch der WJC gegen die Vorlage weiterer Sanktionsgesetze aussprachen, wurde in der New Jersey General Assembly am 18. Mai 1998 ein eingereichtes Sanktionsgesetz angenommen.172 Dieser Konflikt zwischen den Akteuren verdeutlicht, dass auch das Executive Monitoring Committee nicht in der Lage war, die Restitutionsbewegung der Bundesstaaten zu homogenisieren. Verschiedene Einschätzungen führten zu einer Vielzahl von unterschiedlichen Praktiken. Dadurch waren die Schweizer Banken nicht allein mit einer großen Anzahl von verschiedenen Akteuren konfrontiert, sondern auch mit heterogenen Handlungsmustern. Zu einer weiteren Zuspitzung kam es am 4.  Juni 1998. An diesem Tag beriet das New York State Banking Board über die Zulassung der fusionierten UBS zum wichtigen New Yorker Markt. Im Falle einer Ablehnung, hatten die drei Schweizer Großbanken erklärt, würden sie sich nicht an weiteren Gesprächen über einen Entschädigungsfonds beteiligen. Im Falle einer Genehmigung würden sie jedoch den Klägeranwälten und dem WJC eine höhere Vergleichssumme vorschlagen. Eizenstat versicherte dem WJC daraufhin, er habe von den Banken ein festes und konkretes Angebot erhalten, das eine schnelle und gerechte Lösung des Konflikts verspreche. Jetzt zog der WJC seine Einwände zurück und sendete somit ein klares Signal. Mit 11:1 Stim-

senate.gov/98_07hrg/072298/witness/newman.htm, 08. 07. 2006; Graf, Wirtschaftssanktionen, 71. 172 Nikos Tzermias, Beschluss gegen Banken im Parlament von New Jersey. Zusätzliche Vergiftung des Klimas mit neuen Boykottmaßnahmen, in: Neue Zürcher Zeitung, 19.  Mai 1998; Graf, Wirtschaftssanktionen, 73. Stuart Eizenstat versuchte in einem Brief vor der Abstimmung eine Mehrheit gegen Sanktionen zu mobilisieren, siehe Brief Stuart Eizenstat an Gouverneur Christine Whitman, 14. Mai 1998, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Hausfeld – Swiss [II], Paxton Box 3.

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men erteilte das State Banking Board der UBS eine Lizenz. Auch die amerikanische Notenbank bewilligte ein paar Tage später die Fusion.173 Obwohl die „New York Times“ berichtete, die Offerte der Banken läge bei über einer Milliarde Dollar, hatten die Schweizer Banken ihren Verhandlungspartnern lediglich 450 Millionen Dollar plus die nachrichtenlosen Konten, die das Volcker-Komitee identifizieren sollte, angeboten. Der Klägerseite war dieses Angebot viel zu niedrig. Auch weitere Erhöhungen auf zuletzt 600 Millionen Dollar wurden als zu gering verworfen. Die Klägeranwälte und der WJC hielten eine Summe von 1,5 Milliarden Dollar für angemessen, die aber von den Banken und vom Schweizer Staat getragen werden sollte.174 Hevesi forderte deshalb die Beteiligung der Schweizer Regierung an den Gesprächen. Nicht zuletzt die von der Schweizer Historikerkommission vorgelegten Zahlen über den Raubgoldhandel hatten belegt, dass auch die Schweizerische Nationalbank Schuld auf sich geladen hatte. Die offensichtliche Differenz zwischen dem, was die Banken zu zahlen bereit waren und den Forderungen der Betroffenen, ließ Enttäuschung über die Zusicherung Eizenstats aufkommen, die finanziellen Vorschläge der Banken würden zu einer baldigen Klärung führen. Beim folgenden Treffen des Executive Monitoring Committee am 1.  Juli 1998 war der Optimismus des letzten Treffens verflogen. Der diplomatische Ansatz, der vom State Department und der Clinton-Regierung verfolgt und in den letzten Monaten von Stuart Eizenstat praktiziert wurde, war gescheitert. Auch in den Reihen der Finanzbeamten der Bundesstaaten setzte sich die Überzeugung durch, dass Verhandlungen ohne eine Schweizer Regierungsbeteiligung keine Aussicht auf Erfolg hatten. Deshalb zeichnete sich nun schon vor der Anhörung der Konfliktparteien eine klare Mehrheit für Sanktionen ab. Das Moratorium wurde nicht verlängert und die einzelnen Bundesstaaten aufgefordert, Sanktionen gegen die Schweiz zu initiieren. Das Scheitern der Verhandlungen Alan Hevesi stellte am 2. Juli einen Vierstufenplan vor, wie die Sanktionen umgesetzt werden konnten. Den Verhandlungsteilnehmern sollte die Möglichkeit gegeben werden, vor Inkrafttreten der Sanktionen doch noch einen Kompromiss auszuhandeln. Gestaffelt über ein Jahr sollten nach und nach Schweizer Banken und später auch Schweizer Unternehmen betroffen sein.175 173 Rickman, Swiss Banks, 219; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 84; Graf, Wirtschaftssanktionen, 76. 174 Graf, Wirtschaftssanktionen, 76-78. 175 Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee. Hearing on the 1946 Swiss Holocaust Assets Agreement. Prepared Testimony of the Honorable Steven Newman. First Assistant Comptroller, City of New York, July 22, 1998, in: http://banking.senate.

4.5. Das restitutionspolitische Engagement der Bundesstaaten

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Diesem Plan schlossen sich mehrere Bundesstaaten an. Matt Fong erklärte, dass Kalifornien bereits ab dem 2. Juli 1998 keine Geschäfte mit Schweizer Banken mehr betreiben werde. Damit war Kalifornien der erste Bundesstaat, der nach der Aufhebung des Moratoriums konkrete Sanktionen verhängte. Der State Treasurer von Pennsylvania wollte ab dem 1. September Sanktionen gegen Schweizer Banken umsetzen. Ähnliche Schritte veranlassten auch Maine, New Jersey, Kentucky, Maryland, Vermont und Florida.176 Diese massive Intervention belegt, welch breite und bestimmende gesellschafts-politische Bedeutung das unfinished business in den späten neunziger Jahren in den USA erlangt hatte. Die Koordinierungstätigkeiten von Alan Hevesi schufen eine effektive Gegenkraft zur US-Regierung und ihrem Monopol auf die Gestaltung der Außenpolitik. Wie schon im Umgang mit dem südafrikanischen Apartheid-Regime zeigte sich auch in diesem Konflikt die Konkurrenzsituation zwischen Bundesstaaten und US-Regierung. Die Bundesstaaten nahmen viel weniger Rücksicht auf die bilateralen Beziehungen zur Schweiz und trugen mit ihren Sanktionsandrohungen zu einer substantiellen Verschlechterung bei. Aber gerade deshalb konnten die Schritte der Bundesstaaten so effektiv zu einer Klärung der strittigen Fragen führen. Selbst Bundesstaaten, die nur minimale Finanzgeschäfte mit der Schweiz tätigten, beteiligten sich an der Kampagne. Es wurde hier auch wieder deutlich, wie sehr sich die gesellschaftliche Wahrnehmung der Opfer der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik gewandelt hatte. Sie wurden als vollwertige Bürger betrachtet, die von den Schweizer Banken in ihren legitimen Rechten beschnitten wurden. Dies belegt, wie sehr in den USA jene Tradierung des Opferbildes durchbrochen worden war, das auch nach 1945 vielfach in den Nachkriegsgesellschaften zu einer gesellschaftlichen Marginalisierung der NS-Opfer geführt hatte.

gov/98_07hrg/072298/witness/newman.htm, 08. 07. 2006. Siehe auch John J. Goldman, Pressure Rises For Holocaust Fund Pact. Top New York finance officers set deadline for Swiss banks to settle with victims, in: Los Angeles Times, 3. Juli 1998; Devon Spurgeon, New York Threatens Swiss Banks Sanctions. State Department Criticizes Move, in: Washington Post, 3. Juli 1998; David Cay Johnston, New York Officials To Impose Sanctions On Swiss Banks Sept. 1, in: New York Times, 3. Juli 1998. 176 Nikos Tzermias, Boykott-Drohungen gegen alle Schweizer Firmen. Vergiftetes Klima nach dem Ende des ‚Moratoriums‘, in: Neue Zürcher Zeitung, 3. Juli 1998; Graf, Wirtschaftssanktionen, 81f.

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4.6. Juristischer Druck auf die Schweiz: . Sammelklageanwälte und die plaintiff’s diplomacy Neben den Regierungsgremien der verschiedenen Verwaltungsebenen des US-amerikanischen Staates und der jüdischen Organisationen gab es noch eine weitere Gruppe von Akteuren, die maßgeblich an der Auseinandersetzung beteiligt war, aber bislang nur am Rande Erwähnung fand: die Sammelklägeranwälte, die hofften, nach einem halben Jahrhundert eine Entschädigung oder Restitution der geraubten Vermögenswerte auf juristischem Weg in Form von Sammelklagen durchsetzen zu können. Am 3. Oktober 1996 hatten jüdische NS-Geschädigte bzw. ihre Nachfahren, vertreten durch Edward Fagan, eine erste Sammelklage gegen Schweizer Banken eingereicht. Dies markiert den Beginn des sogenannten Holocaust restitution movement vor USGerichten.177 Am 21.  Oktober erhob ein zweites Anwaltsteam um Michael Hausfeld eine Sammelklage178, und am 29. Januar 1997 reichten schließlich der World Council of Orthodox Jewish Communities und diverse Einzelpersonen eine dritte Sammelklage ein.179 Die Forderung nach Restitution von Holocaust-Vermögenswerten gegen die Schweiz wurde damit in den USA auch von juristischer Seite aufgegriffen. Wegen des öffentlichen Charakters der Debatte um nachrichtenlose Vermögen und der Bedeutung juristischer Auseinandersetzungen in den USA, kam dieser Schritt nicht überraschend. Die Schweizer Banken waren nun direkt mit den Opfern und Geschädigten konfrontiert. Gleichzeitig nahm das Engagement der Anwälte die Verhandlungshoheit von den bisherigen Akteuren. Jegliche Einigung musste von diesem Zeitpunkt an auch die Zustimmung der Sammelklägeranwälte finden. Die eingereichten Klagen unterschieden sich durch einige Details voneinander. Edward Fagan richtete seine Klage neben den Privatbanken auch gegen die Schweizerische Nationalbank und somit gegen eine staatliche Einrichtung. Erst später nahm er die Schweizerische Nationalbank aus seiner Klage heraus. Das Anwaltsteam um Hausfeld dagegen beschränkte sich zwar auf die privatwirtschaftlichen Banken, aber der Rahmen seiner Anklage war sehr viel breiter. Durch die Einbeziehung von Raubgütern und Profiten aus Zwangsarbeit schuf er eine Verbindung zwischen der Schweiz und der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik und stellte grundsätzlichere Fragen an das Verhalten der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs. Er untermauerte seine juristische Argumentation mit historischen Fakten. Im 177 Bazyler, Holocaust Justice, 7; siehe auch Edward Fagan im Profil, in: Süddeutsche Zeitung, 16. 12. 1998. 178 Bazyler, Holocaust Justice, 10; „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 74, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3. 179 Weill, Milliarden-Deal, 239; siehe auch allgemein Georg Friedli, Die Sammelklagen gegen die Schweizer Banken, in: Neue Zürcher Zeitung, 4. April 1998, 29.

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Vergleich dazu wurde Fagans Klage von den anderen Anwälten als „Schnellschuss“ kritisiert.180 Der World Council of Orthodox Jewish Communities warf in seiner Sammelklage den Banken vor, dass sie von der systematischen Ausraubung des kommunalen jüdischen Vermögens profitiert hätten.181 In ihrer Argumentation orientierten sie sich stark an den juristischen Strategien und der Beweisführung Hausfelds. Dementsprechend sprach sich Stanley Wolfe, einer der Anwälte des World Council, dafür aus, die drei Klagen zusammenzulegen.182 Neben einer materiellen Entschädigung erhoffte sich der World Council vor allem eine Klärung der Rolle der Schweiz bei der Ausraubung der europäischen jüdischen Bevölkerung.183 Während der World Council ausschließlich im Namen von jüdischen Opfern klagte, vertraten Fagan und Hausfeld auch nicht-jüdische Opfer. Dadurch vergrößerte sich die Klägergruppe, aber vor allem durch die Breite der Anklage wurde auch deren Erfolg wahrscheinlicher. Für alle drei Klagen wurde Edward Korman, ein Richter in Brooklyn, für zuständig erklärt.184 Die Sammelklagen als juristisches Instrument Das System der Sammelklagen ist in dieser Art eine Besonderheit des USRechtssystems. Es ermöglicht einzelnen Geschädigten, sich zu einer Gemeinschaft von Klägern zusammenzuschließen und gegen einen oder mehrere Beklagte juristisch vorzugehen. So können auch Einzelpersonen gegen große Unternehmen klagen, deren Wirtschaftsmacht eine Individualklage finanziell sehr riskant gemacht hätte.185 Der einzelne Kläger muss lediglich nachweisen, zur Gesamtgruppe der Geschädigten zu gehören. Er kann aber auch jederzeit nach dem Prinzip des opting out aus der Klägergruppe aussteigen, um anderweitig juristische Schritte einzuleiten. Ansonsten ist das Verfahren für alle Gruppenmitglieder bindend, auch wenn sie selbst nicht aktiv am Prozess beteiligt sind. Das Gericht kann im Fall einer Sammelkage die Beklagten auffor180 So Schapiro, Inside a Class Action, 73. 181 Der World Council of Orthodox Jewish Communities war bewusst nicht Teil der World Jewish Restitution Organization, da sie einem religiösen Lebensstil verbunden war und die WJRO als im Kern säkulare Organisation ansah. Siehe „World Council of Orthodox Jewish Communities: Statement of Principles and Memorandum of Understanding“, 15.  Mai 1996, LOC, Eizenstat-Papers, Various Holocaust-Related Papers Including State Department Papers, Box 9. 182 Schapiro, Inside a Class Action, 90. 183 Brief von Chaim M. Stauber (Executive Vice-President des World Council of Orthodox Jewish Communities) an Stuart Eizenstat, 17. Juli 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 69. 184 Bazyler, Holocaust Justice, 34. 185 Interview Burt Neuborne; Marcus Rohwetter, Keine Chance für Prozesshansel, in: Die Zeit, 48/2002, 23.

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dern, bestimmte Unterlagen freizugeben. Allein die Drohung, interne Dokumente veröffentlichen zu müssen, reicht oftmals aus, um zu einer Verhandlungslösung zu kommen. Deshalb fungieren Sammelklagen auch als juristische Plattform, um strittige politische Fragen zu thematisieren. Da diese Verhandlungen in der Regel mit einem großen Imageschaden für die Beklagten verbunden sind, enden diese Verfahren oft in einem außergerichtlichen Vergleich.186 Die Beklagten haben wiederum den Vorteil, dass der Streitfall damit abschließend geklärt ist, denn jegliche Lösung ist für alle Mitglieder einer Klägergruppe bindend.187 Seit der amerikanische Kongress 1966 die juristischen Möglichkeiten für Sammelklagen erheblich ausgeweitet hatte, dehnte sich diese Form der juristischen Auseinandersetzung auf immer mehr Bereiche aus. Dennoch waren die Sammelklageanwälte nur eine kleine Minderheit unter den Juristen. Sie erhielten nur bei erfolgreicher Klage ein Honorar, und da sich der juristische Streit über Jahre hinziehen konnte, war dies mit erheblichen finanziellen Risiken für die Anwälte verbunden. Außerdem waren sie gesellschaftlich nicht sehr angesehen und litten unter einem schlechten Ruf. Auch in der Auseinandersetzung um Holocaust-Vermögenswerte wurden die Anwälte gerade von den anderen Akteuren der Restitutionsbewegung kritisch beäugt.188 Sie verwiesen vor allem auf die hohen Anwaltshonorare und kritisierten, dass dadurch der Verteilungsspielraum für die nationalsozialistischen Opfer und deren Nachkommen geschmälert wurde. Allerdings verzichtete beispielsweise das Anwaltsteam um Michael Hausfeld in der Klage gegen die Schweizer Banken ganz auf seine Honorare, und die Anwälte um seinen Kollegen Mel Weiss spendeten ihre Bezüge. Deshalb erscheint dieser Vorwurf und die Vehemenz, mit der er vorgetragen wurde, eher Ausdruck gesellschaftlicher Vorurteile gegenüber den Sammelklageanwälten gewesen zu sein.189 186 Schapiro, Inside a Class Action, 6; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 103; Interview Michael Hausfeld. 187 Melvyn I. Weiss, Arthur Miller and Deborah Sturman: Memorandum. Re: Class Action Lawsuits, 9.  Juni 1999, LOC, Eizenstat-Papers, Melvyn Weiss Documents – Swiss Banks, German slave and forced labor cases, Box 8. Zu Sammelklagen siehe Baetge/ Wöbke, Class Action in den USA; Ebbing, Class Action; Schneider, Class Actions; Eichholtz, US-amerikanische Class Action; Hirte, Sammelklagen. 188 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 103; siehe auch Michael Hirsh, The Holocaust in the Dock. It once seemed so clear Hitler’s victims vs. greedy Swiss bankers. Then the lawyers got into the act, in: Newsweek, 17. Februar 1997. Für Gabriel Schoenfeld, Herausgeber der konservativen jüdischen Zeitschrift „Commentary“, zogen die Sammelklägeranwälte lediglich Profit aus dem Holocaust. Siehe Gabriel Schoenfeld, The New Holocaust-Profiteers, in: Wall Street Journal, 11. April 2001. 189 Hausfeld war von Beginn der Klage gegen Schweizer Banken an bereit, ohne Honorar zu arbeiten. Er war sich der Bedeutung dieses Themas bewusst und hatte bereits im Vorfeld die Kritik an den Anwaltshonoraren vernommen. Dies wurde als total pro bono bezeichnet. Anwälte wie Mel Weiss arbeiteten wiederum für diese Sammelklagen pro bono donation, d. h. sie spendeten ihre erzielten Honorare. Anwälte wie Fagan oder

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Das Team um Edward Fagan Edward Fagan war ein sehr agressiv auftretender Anwalt, der wegen seiner „rabiaten Methoden“ bei seinen Kollegen „äußerst unbeliebt“ und ein „permanentes Ärgernis“ war, wie Stuart Eizenstat schreibt. 190 1996 soll er sich an einem Unfallort in Kolumbien den Angehörigen der Opfer als potentieller Anwalt angedient haben. Ein solches Verhalten wird als „ambulance chasing“ bezeichnet und schädigt den Ruf eines Anwalts oftmals auf Dauer. Als Fagan von der Auseinandersetzung mit der Schweiz aus der „New York Times“ erfuhr, erkannte er das große Potential einer solchen Klage. Obwohl er sich auf Personenschäden spezialisiert hatte und auf dem Gebiet der Sammelklagen noch keinerlei Erfahrung hatte, verfasste er innerhalb weniger Wochen eine Anklageschrift. Er reichte sie im Namen von Gizelle Weisshaus, einer Holocaust-Überlebenden, die er in einem Immobilienstreit vertrat, sowie im Namen aller weiteren Holocaust-Opfer ein. Insgesamt forderte er zwanzig Milliarden Dollar Schadensersatz. Er trat öfter mit Vertretern der Anklage vor die Presse und erzeugte damit Öffentlichkeit, wodurch er die Schweizer Banken immer wieder in Erklärungsnot brachte.191 Fagan holte Robert Swift aus Philadelphia und Michael Witti aus München in sein Team. Swift gehörte einer renommierten Firma an und verlangte, als lead counsel zu agieren. Er war ein ausgesuchter Experte im Bereich der Sammelklagen: Gegen den ehemaligen Präsidenten der Philippinen, Ferdinand E. Marcos, hatte er erfolgreich eine Sammelklage geführt.192 Nun interessierte er sich zunehmend für ein neues Feld der juristischen Auseinandersetzung. Er wollte Opfer von Menschenrechtsverletzungen vertreten und dabei unter Berufung auf die Prinzipien der Nürnberger Prozesse die Menschenrechte in zivilrechtlichen juristischen Auseinandersetzungen stärken. Damit gehörte er zu den Juristen, die forderten, dass aus den nationalsozialistischen Verbrechen juristische Konsequenzen für die Gegenwart und die Zukunft gezogen werden müssen. Gegenüber Richter Korman vertrat Swift die Ansicht, dass vor allem die individuellen Holocaust-Opfer von der Klage profitieren sollten, nicht die jüdischen Organisationen. Deshalb waren die Beziehungen sowohl zum World Jewish Congress wie auch zum World Council of Orthodox Jewish Communities sehr angespannt.193 Swift verlangten ein Honorar. Siehe „Transcript of interview with Michael Hausfeld“, 22. Februar 2001, 53, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Michael Hausfeld 2.22.01, Paxton Box 6; Interview Miriam Kleiman. 190 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 104; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 37. 191 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 112. 192 Die vom Gericht zugesprochene Summe für die Sammelkläger in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar wurde jedoch nicht ausbezahlt, da Marcos starb und sein Geld auf Schweizer Banken festsaß. 193 Authers/Wolffe, Victims Fortune, 42; Schapiro, Inside a Class Action, 97.

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Swift drängte Fagan, auch den New Yorker Anwalt und Hochschulprofessor Burt Neuborne ins Team zu holen. Dieser hatte gerade eine Klage bei Edward Korman gewonnen. Obwohl Neuborne, der sich als Anwalt in zivilrechtlichen Prozessen einen Namen gemacht hatte, starke Zweifel am Erfolg der Klage hatte, sagte er zu, als Berater ohne Honorar tätig zu werden.194 Das Team um Michael Hausfeld Martin Mendelsohn, chief counsil des Simon Wiesenthal Center in Los Angeles, hatte über juristische Arbeiten für Senator Alfonse D’Amato bereits frühzeitig von der Auseinandersetzung mit den Schweizer Banken erfahren. Wegen seiner Kontakte zu D’Amato und seiner Tätigkeit als Anwalt für das Simon Wiesenthal Center befürchtete er einen Interessenkonflikt. Deshalb sprach er Michael Hausfeld von der Washingtoner Anwaltskanzlei Cohen, Milstein, Hausfeld & Toll an und unterrichtete ihn von der Debatte. Bereits 1985 hatte Mendelsohn zusammen mit Hausfeld, der vom Nachrichtenmagazin „Newsweek“ als „a Washington legal bigfoot“ bezeichnet wurde195, eine Holocaust-Klage angestrengt.196 Hausfeld interessierte sich für den Schweizer Fall und neben zwei Anwälten aus seiner eigenen Kanzlei versuchte er, den Sammelklageanwalt Mel Weiss aus New York für den juristischen Streit zu gewinnen.197 Weiss gehörte zu den erfolgreichsten und renommiertesten Sammelklägeranwälten; seine Erfahrung und sein Ansehen konnten dem Fall Gewicht verleihen. Hausfeld hatte bereits einmal mit Weiss zusammengearbeitet, als sie eine Klage im Zusammenhang mit der Havarie der Exxon Valdez eingereicht hatten.198 Außer194 Interview Burt Neuborne. 195 Michael Hirsh, The Holocaust in the Dock. It once seemed so clear Hitler’s victims vs. greedy Swiss bankers. Then the lawyers got into the act, in: Newsweek, 17.  Februar 1997. 196 Das Simon Wiesenthal Center hatte damals herausgefunden, dass Andrija Artukovic, der sogenannte „Schlächter von Kroatien“ und Innenminister unter dem Ustascha Regime, in Kalifornien lebte. Die Klage Handel v. Artukovic, die Mendelsohn und Hausfeld gegen Artukovic aufgrund seiner Verwicklung in die Ermordung der jüdischen Bevölkerung Jugoslawiens angestrengt hatten, wurde zwar vom Gericht abgewiesen, da die Taten verjährt waren und es sich hierbei nach Auffassung des Gerichts um ein politisches und nicht um ein juristisches Problem handelte. Artukovic wurde jedoch später von den USA ausgewiesen.„Transcript of interview with Michael Hausfeld“, 22. Februar 2001, 6f., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Michael Hausfeld 2.22.01, Paxton Box 6; Schapiro, Inside a Class Action, 36. 197 „Transcript of interview with Mel Weiss and Deborah“, 21. Mai 2001, 11, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Mel Weiss, Paxton Box 3. 198 Schapiro, Inside a Class Action, 39, 41f.; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 111. Zu Hausfeld siehe auch Allanna Sullivan, The Attorney Behind The Texaco’s Big Settlement, in: Wall Street Journal, 26. November 1996, B 1.

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dem sicherte er sich die Unterstützung von 15 weiteren Anwaltskanzleien in den USA. So hoffte Hausfeld, den großen Kanzleien, die von den beklagten Unternehmen beauftragt wurden, Contra bieten zu können.199 Michael Hausfeld beschränkte sich in seiner Klage nicht auf die Einbehaltung der nachrichtenlosen Konten, sondern warf den Banken auch vor, geraubte Vermögenswerte und Erlöse aus Zwangsarbeit angenommen und verwahrt und dadurch große Gewinne erzielt zu haben.200 Damit verstießen die Schweizer Banken gegen allgemeine von der internationalen Staatengemeinschaft akzeptierte ethische Normen und handelten wissentlich für die Nazis mit Raubgut.201 Um die juristische Relevanz seiner Klage zu verdeutlichen, musste Hausfeld belegen, dass die Schweizer Banken nicht nur gegen internationales Recht verstoßen hatten, sondern dass dieser Vorgang in die Zuständigkeit eines US-Gerichts fiel. Da die Vorgehensweise der Schweizer Banken die USA nicht direkt durch die Verletzung eines Vertrages oder Ähnliches betraf, bezog sich Hausfeld in seiner Klage auf das internationale Brauchtums- bzw. Gewohnheitsrecht. Dabei konnte er sich auf andere Urteile stützen, in denen eine Missachtung des internationalen Brauchtums- oder Gewohnheitsrechts als eine Verletzung von Bundesrecht gesehen wurde und somit für US-Gerichte relevant war. Hausfeld charakterisierte die nationalsozialistische Raubpolitik als integralen Bestandteil der Vernichtungspolitik. Damit war auch die aktive Teilnahme am Raub oder dessen Duldung ein Verbrechen.202 Mit dieser Argumentation berief sich Hausfeld auf die Feststellung der Schuld deutscher Bankiers vor dem Nürnberger Gerichtshof und wandte sie auf das Verhalten der Schweizer Banken während des Zweiten Weltkriegs an. Nicht zuletzt kam ihm der Eizenstat-Bericht zugute, belegte dieser doch die substantielle Bedeutung der Schweiz für die Kriegsanstrengung Deutschlands.203 Er deutete das Verhalten der Schweizer Banken während des Zweiten Weltkriegs als eine Missachtung des ius cogens, jenem zwingenden Recht der Rechtsordnung, dem nach dem internationalen Völkerrecht nicht abgedungen werden darf. Damit attackierte er nicht nur die Schweizer Banken, es war gleichzeitig ein Angriff auf das nationale Selbstbild der Schweiz und auf ihren Ruf als neutrale Bastion während des Zweiten Weltkriegs.

199 Schapiro, Inside a Class Action, 63. 200 Brief Michael Hausfeld an William J. McDonough, Präsident der Federal Reserve Bank of New York, 17. Dezember 1996, LOC, Eizenstat-Papers, Melvyn Weiss Documents – Swiss Banks, German slave and forced labor cases, Box 8. 201 David Segal, 2nd Suit Alleges Swiss Banks Collaborated With Nazis. Filing Accuses 3 Institutions of Accepting Looted Valuables From Victims Of Third Reich, in: The Washington Post, 22. Oktober 1996, A 20. 202 Siehe „Transcript of interview with Michael Hausfeld“, 22. Februar 2001, 15, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Michael Hausfeld 2.22.01, Paxton Box 6. 203 Ebd.

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Damit die Klage von ausländischen Staatsbürgern in den USA gegen andere ausländische Staatsbürger möglich war, beriefen sich Hausfeld und Swift auf den Alien Tort Claims Act, der vom ersten Kongress im Jahre 1789 beschlossen worden war. Danach war es Ausländern möglich, vor US-Gerichten zu klagen, wenn eine schwere Verletzung des Völkerrechts bzw. eines Vertrages der USA vorlag. In den letzten zwanzig Jahren des 20. Jahrhunderts hatte sich eine Rechtsprechung herausgebildet, die den Opfern schwerer Menschenrechtsvergehen erlaubte, in den USA vor Gericht zu ziehen. Wegweisend war der Fall Filartiga v. Pena-Irala, in dem 1980 der Second Circuit Court of Appeals in New York entschied, dass die Verwandten eines verstorbenen Folteropfers den Täter aus Paraguay, der in staatlichem Auftrag gehandelt hatte, in den USA verklagen konnten. Das American Law Institute erkannte das Prinzip des hostis humani generis 1987 als Teil der amerikanischen Rechtsprechung an. Mehrere Fälle von Menschenrechtsverletzungen wurden daraufhin in Bezugnahme auf dieses Prinzip verhandelt, unter anderem gegen Ferdinand Marcos, Rodovan Karadzic und den chinesischen Premierminister Li Peng. 1992 verabschiedete der Kongress den Torture Victim Protection Act, der die Rechte nicht-amerikanischer Folteropfer ausweitete, wegen Menschenrechtsverletzungen vor US-Gerichten zu klagen. Während jedoch die Gewinner dieser Prozesse oftmals die Schadensersatzsumme nicht eintreiben konnten, da sich die Vermögenswerte außerhalb der USA befanden, war dies im Falle der Schweizer Banken anders: Alle beklagten Finanzinstitute verfügten über Vermögenswerte in den USA, die im Falle einer erfolgreichen Klage vom Gericht konfisziert werden konnten. Waren in den frühen Fällen nur ehemalige Regierungsvertreter oder hochrangige Persönlichkeiten angeklagt, so wurde das Feld der juristischen Konfrontation nun auf Unternehmen ausgedehnt.204 Diese Auseinandersetzung kann auch in die Bestrebungen eingeordnet werden, staatliche Souveränität im Sinne einer transnationalen Gerichtsbarkeit aufzuweichen, was von den Anwälten begrüßt, von der US-Regierung aus Gründen der Staatsräson eher abgelehnt wurde. Dementsprechend kann man das Holocaust litigation movement als einen Versuch interpretieren, Verbrechen gegen die Menschlichkeit juristisch zu verfolgen. „What is really at issue is whether we can forge an international law of minimal decency, enforceable in the courts of the civilized world, that can hold war profiteers liable to their victims“, so Burt Neuborne über dieses Rechtsverständnis.205 204 Bazyler, Holocaust Justice, 55f.; Bazyler, Michael J., www.swissbankclaims.com: The Legality and Morality of the Holocaust-Era Settlement with the Swiss Banks, in: Fordham International Law Journal, Volume 25, 2001, 92f., LOC, Eizenstat-Papers, Folder Final Manuscript Research, Paxton Box 25. 205 Rede Burt Neuborne vor der Los Angeles Jewish Federation: „Lex Americana: Can American Courts Provide Justice for Victims of the Holocaust?“, 22. März 1999, LOC, Eizenstat-Papers, Melvyn Weiss Documents – Swiss Banks, German slave and forced labor cases, Box 8.

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Da Hausfeld versuchte, eine Verbindung zwischen den Gewinnen aus Zwangsarbeit in Deutschland und deren Transfer auf Konten bei Schweizer Banken herzustellen, interessierte ihn vor allem, wie über Deckfirmen Gewinne in die neutrale Schweiz verschoben worden waren. Deshalb waren die Dokumente zu Safehaven von großem Interesse für ihn.206 Hausfelds Argumentation baute darauf auf, dass die Schweizer Bankiers, über das Waschen von Geldern bzw. Raubgut ein zentrales Glied in der Kriegswirtschaft Deutschlands waren. „Switzerland appears to have been an active proponent of, and ally for, the war interests and programs of Nazi Germany. […] Swiss banks knowingly fostered and aided the ability of Nazi Germany to engage in war crimes and crimes against humanity.“207 Wie konnte er jedoch nachweisen, dass die Schweiz wissentlich agierte? Wie konnte er beweisen, dass bestimmte Konten verdeckte Vermögenswerte beinhalteten? Und vor allem: Wie konnte ermittelt werden, wie viele dieser Vermögenswerte aus Zwangsarbeit stammten? Zwar konnten die Safehaven-Dokumente, historische Studien sowie Expertenanalysen die allgemeinen Vorgänge darlegen, um aber konkrete Fakten vorlegen zu können, brauchte Hausfeld Zugang zu den Archiven der Schweizer Banken. Dafür musste das Gericht die Banken zur Offenlegung der Dokumente verpflichten, worauf Hausfeld seine Strategie ausrichtete. Hausfeld forderte einen Rechnungsprüfungsausschuss, der die geraubten und getarnten Vermögenswerte auf Schweizer Banken ausfindig machen sollte. Das Volcker-Komitee könnte eine Untergruppe innerhalb dieses Ausschusses bilden, das sich mit dem Verbleib der nachrichtenlosen Konten beschäftigte. Außerdem sollte der Forschungsauftrag der Bergier-Kommission erweitert werden und unter die Kontrolle eines US-Gerichts gestellt werden.208 In der Zwischenzeit forderte er den Präsidenten der Federal Reserve Bank in New York auf, die Rolle der Schweizer Banken während des Zweiten Weltkriegs speziell in Bezug auf den Transfer von Vermögenswerten untersuchen zu lassen, die direkt oder indirekt Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung gehört hatten.209 Um einen Überblick über das Ausmaß des Vermögenstransfers von Raubgut und Profiten aus Zwangsarbeit auf Schweizer Banken zu erhalten, beauftragte Hausfeld ein Expertenkomitee, das am 29. April 1997 einen ersten Zwischenbericht vorstellte. Es berechnete das Vermögen der jüdischen Bevölkerung in der Vorkriegszeit auf zehn Milliarden Dollar in damaliger Währung. 206 Schapiro, Inside a Class Action, 73. 207 Brief Michael Hausfeld an William J. McDonough, Präsident der Federal Reserve Bank of New York, 17. Dezember 1996, LOC, Eizenstat-Papers, Melvyn Weiss Documents – Swiss Banks, German slave and forced labor cases, Box 8. 208 Schapiro, Inside a Class Action, 91. 209 Brief Michael Hausfeld an William J. McDonough, Präsident der Federal Reserve Bank of New York, 17. Dezember 1996, LOC, Eizenstat-Papers, Melvyn Weiss Documents – Swiss Banks, German slave and forced labor cases, Box 8.

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Davon waren vierzig Prozent Immobilien und größere Güter, sechzig Prozent konnten relativ leicht transportiert und damit auch geraubt werden. Sechzig Prozent der geraubten Güter wurden durch die Schweiz transferiert, also in einem Gesamtwert von 3,6 Milliarden Dollar. Davon blieben jedoch lediglich fünf bis zehn Prozent in der Schweiz. Vermögenswerte, die von Jüdinnen und Juden selber in der Schweiz deponiert wurden, wurden auf hundert Millionen Dollar geschätzt, wovon lediglich 25 Prozent nach dem Krieg zurückerstattet worden waren. Um den verdeckten Vermögenstransfer aus Deutschland in die Schweiz sowie die Erträge aus Zwangsarbeit zu schätzen, hatte das Expertenkomitee sich die Handelsbilanzen zwischen Deutschland und der Schweiz angesehen. Insgesamt beliefen sich die Schätzungen auf eine Summe von 450 Millionen Dollar. Bei einer angenommenen Verzinsung von vier Prozent pro Jahr errechnete das Expertenkomitee bis zum Jahr 1997 eine Gesamtsumme von 9,5 Milliarden Dollar. Aufgerundet auf zehn Milliarden Dollar war dies der Betrag, den das Hausfeld-Team in seiner Klage forderte.210 Dies mag zwar eine sehr grobe Schätzung gewesen sein, sie hatte für die Anwälte jedoch den großen Vorteil, die Banken nun mit einer konkreten Summe konfrontieren und unter Druck setzen zu können. Die Schweizer Banken taten diese Zahlen als reine Spekulation ab und erklärten, dass ungefähre Schätzungen dieser Art vor Gericht keinen Bestand haben würden. Einen Tag vor der Veröffentlichung des Zwischenberichts beantragte Roger Witten für die Schweizer Banken bei Richter Korman in einem sechzehnseitigen Brief die Abweisung der Klagen.211 Die Sammelklagen und der World Jewish Congress Hausfeld und Weiss hatten über Monate versucht, den WJC in ihre Strategie zu integrieren. Damit hätten sie nicht nur einen Vorteil gegenüber dem Team Fagans erreicht, es hätte auch ihre Verhandlungsposition gegenüber den Schweizer Banken gestärkt. Hätten sich die diversen Akteure entschließen können zusammenzuarbeiten, wäre es vielleicht möglich gewesen, die Forderungen in einem Gesamtpaket zu lösen. Dazu war der WJC jedoch nicht bereit, da er eine tiefe Skepsis gegenüber den finanziellen Forderungen der Sammelklageanwälte und ihrer Honorare, die von der erstrittenen Summe abgezogen würden, hegte.212 Die Klägeranwälte wurden als direkte Konkurrenten wahrgenommen: Sie stellten die selbsternannte Führungsrolle des WJC in Frage und schränkten seine Möglichkeit, über Zahlungen an Anspruchsbe210 „Interim Report of Committee of Experts in Holocaust Victim Assets Litigation“, 29. April 1997, in: Schapiro, Inside a Class Action, 115-117. 211 Schapiro, Inside a Class Action, 117ff. 212 „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 74, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3.

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rechtigte allein zu entscheiden, ein. Besonders die Verwendung der erbenlosen Konten geriet zu einem offenen Konflikt, denn der WJC reklamierte diese als Vertreter der jüdischen Interessen für sich. Er wollte sie einerseits für bedürftige Holocaust-Opfer verwenden, und andererseits für den Wiederaufbau kommunaler Strukturen jüdischen Lebens, die durch die nationalsozialistische Vernichtungspolitik zerstört worden waren.213 Dabei sollte gerade dieses Geld nicht in einer Globallösung von Anwaltshonoraren geschmälert werden, noch sollten die Anwälte Zugriff darauf haben. Gleichzeitig erkannte der WJC jedoch, dass sich mit den Sammelklagen der Druck auf die Schweiz erheblich erhöht hatte.214 Richter Korman und der Exekutivausschuss Aufgrund der inhaltlichen Überschneidungen der drei Sammelklagen veranlasste Richter Korman im April 1997 deren Zusammenlegung. Für die Bearbeitung der Gesamtklage In re Holocaust Victim Assets Litigation sollte ein Exekutivausschuss gebildet werden, in dem die verschiedenen, untereinander rivalisierenden Anwälte vertreten waren. Bereits die Frage nach seiner Zusammensetzung gestaltete sich jedoch schwierig. Wer würde Nutznießer der Entschädigungszahlungen sein, und setzten die jüdischen Organisationen die jeweiligen Gelder auch immer zum Vorteil der Überlebenden ein? Solche Erwägungen dominierten den Streit. Es war der gleiche Konflikt, der auch außerhalb des Gerichts mit dem WJC bestand und deutete paradigmatisch auf eine gesellschaftspolitische, kontrovers geführte Diskussion über die Moralität und den Nutzen von Entschädigungsleistungen. Richter Korman entschied daher, dass das Team um Hausfeld zusammen mit dem World Council fünf, Fagans Team vier Stimmen bekommen sollte, Neuborne gab er die zehnte Stimme. Hausfeld und Swift sollten gemeinsam den Vorsitz innehaben. Damit setzte Korman eine Konstellation durch, die die Anwälte zur Kooperation zwang.215 Am 1. Mai 1997 kam Richter Korman mit den Streitparteien zusammen, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Unter anderem wollte er einen Zeit213 „Transcript of interview with Israel Singer and Elan Steinberg“, 30. April 2001, o.S., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Singer/ Steinberg 4.30.01, Paxton Box 3. 214 „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 75, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Elan Steinberg 2.12.01, Paxton Box 3. 215 „Transcript of interview with Burt Neuborne“, 12. März 2001, 7, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Burt Neuborne 3.12.01, Paxton Box 4; „Transcript of interview with Mel Weiss and Deborah“, 21. Mai 2001, 19, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Mel Weiss, Paxton Box 3; Schapiro, Inside a Class Action, 104, 164; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 45.

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plan für Verhandlungen festlegen sowie über die Offenlegung der Dokumente der beklagten Schweizer Banken entscheiden. Roger Witten, einer der Anwälte der Schweizer Banken, hatte wenige Tage vor dem Treffen die Abweisung der Klagen beantragt, bis die eingesetzte historische Kommission der Schweiz und das Volcker-Komitee substantielle Fortschritte aufweisen könnten. Mitte Mai legte er dann eine knapp tausendseitige Schrift vor, die der Gegenseite Verfahrensfehler nachwies, so dass die Klage nicht den notwendigen juristischen Voraussetzungen entsprach. Damit untermauerte er den Antrag, die Klagen abzuweisen. Die Kläger hatten daraufhin einen Monat Zeit zu reagieren. In Rücksprache mit Richter Korman überarbeiteten sie ihre Anklage und behoben die von Witten beanstandeten Verfahrensfehler. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Klage aufgrund von Formfehlern abgewiesen würde, wurde damit geringer. Nun waren die Vorbereitungen abgeschlossen, das Verfahren jedoch nicht eröffnet. Korman weigerte sich, über die Abweisung der Klagen zu entscheiden.216 Er hielt beide Seiten in Ungewissheit und machte sie auf die jeweiligen Schwächen und Unsicherheiten ihrer juristischen Lage aufmerksam. Damit forcierte er eine außergerichtliche Einigung unter der Leitung Stuart Eizenstats. Die Einbindung der US-Regierung Stuart Eizenstat sah in den Sammelklagen ein „permanentes Ärgernis“. Neben den Bundesstaaten hatte ein weiterer Akteur die Bühne betreten und machte der Regierung ihren Alleinvertretungsanspruch streitig, den sie seit den Entschädigungs- und Restitutionsauseinandersetzungen der Nachkriegszeit inne gehabt hatte. Bei den Klagen handelte es sich um einen Streit mit „geringem juristischem Wert“, jedoch „mit hoher politischer Brisanz“. Die Aussagen Eizenstats verdeutlichen, mit wie viel Distanz und Kritik er den Klägeranwälten begegnete. Für die Clinton-Regierung nahmen die Gerichtsverfahren zu viel Zeit in Anspruch, arbeitete sie doch auf eine schnelle finanzielle Unterstützung der noch lebenden Opfer des Nationalsozialismus hin.217 Daher zeigten sowohl das State Department wie auch das Weiße Haus anfangs wenig Interesse an der juristischen Auseinandersetzung zwischen Schweizer Banken und Sammelklageanwälten. Zumal es sich um einen Privatprozess handelte und die Schweizer Regierung nicht involviert war, blieben amerikanische Regierungsbeamte außen vor. Lediglich Stuart Eizenstat traf am 2. Dezember 1996 Hausfeld und Mendelsohn, die ihm detailliertere Informationen 216 Schapiro, Inside a Class Action, 117ff., 134ff. 217 „Talking Points“, ohne Datum, LOC, Eizenstat-Papers, Box 6, United States Department of the Treasury, 1999-2001, Pads 31-55; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 104.

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über ihre Klage lieferten.218 Wenige Tage später kam es auch zu einem Treffen zwischen Eizenstat und Roger Witten und Marc Cohen, die das amerikanische Anwaltsteam der Schweizer Banken führten. Sie erklärten Eizenstat, dass die Klagen nach ihrer Auffassung keine juristische Grundlage hätten und deuteten an, dass sie die Einbindung aller Akteure, also auch des WJC, für unverzichtbar hielten, damit die Banken nach einer Einigung nicht weitere Klagen zu fürchten hätten. Eizenstat sollte seinen Einfluss auf den WJC geltend machen.219 Das Anwaltsteam der Schweizer Banken traf sich ein zweites Mal Ende Juni 1997 mit Eizenstat, um die Bedingungen für ein mögliches Intervenieren der US-Regierung auszuloten. Sie hofften, die Streitfragen außergerichtlich klären zu können. Die US-Regierung sollte ihren Einfluss geltend machen, um die Klagen abzuweisen.220 Ende Juni und Anfang Juli kam es daraufhin zu mehreren interministeriellen Treffen im State Department, bei denen die Haltung der Regierung gegenüber den Klagen erörtert wurde. Die Gerichtsverfahren waren in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen erstritten dort US-Bürger ihr verlorenes Eigentum, das ihnen vorenthalten wurde. Solchen Verfahren zeigte sich die Clinton-Regierung sehr aufgeschlossen gegenüber. Zum anderen tangierten diese juristischen Auseinandersetzungen die bilateralen Beziehungen zur Schweiz. Eine weitere Verschlechterung wollte die Clinton-Regierung vermeiden.221 Die Erfolgsaussichten einer Intervention wurden als beschränkt eingeschätzt, da die Positionen der beiden Konfliktparteien noch zu weit auseinander lagen.222 Nach einer Abwägung der verschiedenen Optionen wurde eine Moderation der Gespräche durch Eizenstat favorisiert. Das State Department würde sich nicht offiziell vor Gericht äußern, sondern zuerst den Verhandlungen unter Eizenstat eine Chance geben.223 Richter Korman lud die Parteien am 31. Juli 1997 erneut zu einer Anhörung zum weiteren Verlauf der Klagen.224 Nachdem er die Argumente beider Seiten angehört hatte, vertagte er wieder eine Entscheidung über die Annahme bzw. Ablehnung der Klagen. Damit behielt er seine Strategie bei, alle Betei218 „Transcript of interview with Michael Hausfeld“, 22. Februar 2001, 24, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Michael Hausfeld 2.22.01, Paxton Box 6. 219 „Bettauer, Ronald J., Keynote Adress – The Role of the United States Government In Recent Holocaust Claims Resolution. Stefan A. Riesenfeld Symposium 2001. March 8-9, 2001, Berkeley, California“, 6, LOC, Eizenstat-Papers, Folder Final Manuscript Research, Paxton Box 25; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 152f. 220 Authers/Wolffe, Victims Fortune, 61. 221 Slaughter/Bosco, Plaintiff’s Diplomacy, 105, 107. 222 Vgl. „Visit Of E Senior Advisor To Bern“, 27. Oktober 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 1, Folder AS 3 of 3, AS 69. 223 Schapiro, Inside a Class Action, 138f.; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 157. 224 Begleitet wurde diese Anhörung von Protesten der fundamentalistischen ultra-orthodoxen jüdischen Gruppe Neturei Karta of America, die sich prinzipiell gegen die Legitimität von Restitutionsforderungen aussprachen.

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ligten weiterhin im Unklaren zu belassen. Korman deutete jedoch an, dass er der Argumentation der Verteidigung, die USA seien ein forum non conveniens für die Sammelklagen, nicht zustimme. Bei einer Verhandlung in der Schweiz wäre eine Ablehnung so gut wie sicher. Er bezeichnete den Fall als außergewöhnlich und stimmte den Sammelklageanwälten in ihrer Argumentation zu, dass er nicht mit gewöhnlichen juristischen Verfahren zu vergleichen sei. Dies war insofern bedeutend, als die Versuche, die nationalsozialistischen Verbrechen juristisch aufzuarbeiten, oftmals daran scheiterten, dass die Taten mit herkömmlichen Rechtsvorstellungen nicht angemessen zu beurteilen und zu bestrafen waren. Korman räumte also eine generelle Relevanz der Klagen ein, hinterfragte aber zugleich, ob die Klagen in Bezug auf Zwangsarbeit und geraubte Vermögensgegenstände so haltbar waren. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er einen Kompromiss anstrebte, wies beide Streitparteien auf ihre Schwachpunkte hin und ließ sie über den möglichen Erfolg einer Klage im Ungewissen.225 So setzte er beide Seiten gleichermaßen unter Druck und zwang sie, sich auf eine Kompromisslösung einzustellen. Korman sollte diesen juristischen Schwebezustand noch über ein Jahr lang aufrechterhalten. Damit versuchte er, sowohl den Untersuchungen des Volcker-Komitees wie auch den Verhandlungen unter Eizenstat die notwendige Zeit einzuräumen, um eine außergerichtliche Einigung zu finden. Der WJC und die Sammelklägeranwälte nutzten die Lage, indem sie die Bundesstaaten in ihren Sanktionsbestrebungen bestärkten, um damit die Schweizer Seite weiter unter Druck zu setzen.226 Für Eizenstat war die Voraussetzung einer erfolgreichen Vermittlung zwischen den Streitparteien, dass der WJC und die Klägeranwälte gemeinsam mit den Banken verhandelten. Denn nur die großen jüdischen Organisationen konnten die notwendige Zustimmung zu einer Einigung mit den Schweizer Banken garantieren. Außerdem drängte Eizenstat Außenministerin Albright zu einem Besuch der Schweiz im November 1997, um die belasteten bilateralen Beziehungen zu entspannen. Es war der erste Besuch einer US-Außenministerin in der Schweiz seit 1961. Man wollte die Schweizer Regierung doch noch an den Verhandlungstisch bekommen; sie verweigerte jedoch weiterhin eine aktive Teilnahme.227 Am 14.  Dezember 1997 kamen in Zürich die Klägeranwälten und die Aufsichtsratsvorsitzenden der beklagten Schweizer Banken zusammen. Die Anwälte hatten ein solches Treffen als Vorbedingung für direkte Verhandlungen unter der Leitung Eizenstats genannt. Bisher hatte nur der WJC direkt mit 225 „Transcript of interview with Burt Neuborne“, 12. März 2001, 13, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Burt Neuborne 3.12.01, Paxton Box 4. 226 Schapiro, Inside a Class Action, 148-156; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 158, 160. 227 „Holocaust-era Assets: Swiss Weekly Summary“, 21. November 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DU 3 of 4, DU 269.

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den Aufsichtsratsvorsitzenden kommuniziert. Die Klägeranwälte wollten wohl in ihrer Anerkennung als Verhandlungspartner durch die Schweizer Seite mit dem WJC gleichziehen.228 Man versprach sich von den Unterredungen erste Annäherungen der Positionen, ohne dass konkrete Zahlen diskutiert wurden. Allerdings blieben die Ergebnisse weit hinter den Erwartungen zurück.229 Eine Woche nach dieser Zusammenkunft schickte der Schweizer Präsident Cotti einen Brief an Außenministerin Albright mit der Bitte, die US-Regierung möge in dem Streitfall intervenieren und das zuständige Gericht zu einer Ablehnung der Klagen bewegen.230 In einem vertraulichen Brief erklärte sie zwar das Interesse der USA an einer baldigen und schnellen Lösung. Die Clinton-Regierung sähe aber nicht den richtigen Zeitpunkt, um in den juristischen Verlauf der Auseinandersetzung einzugreifen.231 Trotz der festgefahrenen Verhandlungssituation kam es zu einem unerwarteten Erfolg. Credit Suisse versuchte mit Estelle Sapir, einer Mandantin Edward Fagans, eine individuelle Einigung zu finden. Die Bank fürchtete die Wirkung, die die Geschichte Sapirs im Falle einer Verhandlung auf die Geschworenen haben würde. Sie entsprach dem hässlichen Bild der Schweizer Banken, die die Überlebenden des Holocaust und ihre Angehörigen kaltherzig abkanzelten. Im März 1998 sagte Credit Suisse daher die Zahlung von 500.000 Dollar an Sapir zu. Es war ein erstes konkretes Einlenken der Banken.232 Am 13. Januar 1998 verklagte Edward Fagan vor dem Hintergrund, dass sich die Verhandlungen mit den Schweizer Banken nicht bewegten, die UBS im Auftrag von Christoph Meili auf Schadensersatz.233 Wie bereits beschrieben hatte Meili im Januar als Wachmann Bankunterlagen im Schredderraum der UBS gefunden und damit einen Skandal ausgelöst. Die anderen Sammelklägeranwälte waren von Fagan über diese Klage nicht informiert worden, 228 Dieser direkte Kontakt, der von Israel Singer gepflegt wurde, wurde durch die US-Botschafterin Madelein Kunin arrangiert. Siehe Memorandum Maram Stern an Stuart Eizenstat, 15.  Oktober 1996, LOC, Eizenstat-Papers, Various Holocaust-Related Papers Including State Department Papers, Box 9. 229 „Transcript of interview with Mel Weiss and Deborah“, 21. Mai 2001, 24f., Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Mel Weiss, Paxton Box 3; „Switzerland: Holocaust Litigants & Swiss Banks are far apart“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DU 4 of 4, DU 292; Schapiro, Inside a Class Action, 178; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 169. 230 Brief Präsident Cotti an Außenministerin Albright, 19. Dezember 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder Di 1 of 1, Di 50 b. 231 „Letter From The Secretary To President Cotti“, 22. Januar 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder Di 1 of 1, Di 50 a. 232 David Sanger, Crack in the Vault: Swiss Bank Yields to a Nazi Victim’s Daughter, in: New York Times, 5. Mai 1998, A 27; Schapiro, Inside a Class Action, 209; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 176. Im April 1999 verstarb Estelle Sapir. 233 „Holocaust-era Assets: Swiss Weekly Summary“, 16.  Januar 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 3 of 3, AS 81.

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was zu erheblichen Verstimmungen führte. Auch Eizenstat fürchtete, dass die Banken diese Klage als Vorwand nehmen könnten, um sich weiteren Verhandlungen zu verweigern.234 Ebenso veröffentlichte das Simon Wiesenthal Center ohne Absprache einen Bericht des amerikanischen Historikers Alan Morris Schom über Schweizer Zwangsarbeitslager im Zweiten Weltkrieg. Die Forschungsergebnisse wurden von Schweizer Seite und von ehemaligen jüdischen Flüchtlingen als einseitig und unfair bezeichnet. „The Wiesenthal Center report on refugee camps was seen by many here as the latest sign that Swiss critics have lost all sense of perspective and aim only at keeping up the pressure“, so die kritische Einschätzung der US-Botschaft in Bern.235 Beim nächsten Treffen im State Department im Februar 1998 erklärte Eizenstat, dass der WJC bereit sei, die Konstellation der Verhandlungspartner zu akzeptieren, die von Richter Korman anerkannt worden war. Dieses Zugeständnis stärkte die Rolle der Klägeranwälte, denn die Banken konnten sich nun nicht mehr auf ihre Position zurückziehen, dass ein Globalabkommen nicht alle Akteure einschließen würde. „The Swiss would never have done anything without everybody“, so Weiss über die zentrale Bedeutung, dass der WJC nun an den Gesamtverhandlungen teilnahm.236 Neben Fagan versuchten auch Hausfeld und Mendelsohn den Druck auf die Schweizer Seite zu erhöhen. Sie nutzten ihre Einladung zur internationalen Konferenz „Nazi Gold and other Assets of the Holocaust“ an der Whittier Law School in Costa Mesa in Kalifornien, um den Treasurer von Kalifornien, Matt Fong, zu überzeugen, den Schweizer Banken mit Sanktionen zu drohen. Damit wollten sie erreichen, dass die Banken ihre strikten Vorbedingungen für Verhandlungen fallen ließen. Nach Rücksprache mit jüdischen Organisationen schickte Fong am 12.  März 1998 einen Forderungskatalog an die Schweizerische Bankiervereinigung, in dem er auch Sanktionen in Aussicht stellte. Die Klägeranwälte wollten sich nicht ausschließlich auf den juristischen Druck verlassen und weitere Akteure in den USA gewinnen, um die Schweizer Banken zu Zugeständnissen zu bewegen. Außerdem diskutierte Hausfeld mit Fong die Möglichkeit, auch in Kalifornien eine Klage gegen die Banken einzureichen. Der California Unfair Competition Act erlaubte Klagen gegen Unternehmen, die sich mit unfairen bzw. illegalen Geschäftspraktiken einen Vorteil gegenüber ihrer Konkurrenz verschafften. Da diese Klage auf einem Gesetz des Bundesstaates basierte, hätte die Verhandlung in Kalifor234 Memorandum von Michael Hausfeld an das Executive Committee, 20.  Januar 1998, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Hausfeld – Swiss [I], Paxton Box 3. 235 Siehe Schom, Unwanted Guests; „Holocaust-era Assets: Swiss Weekly Summary“, 16. Januar 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 3 of 3, AS 81; Schapiro, Inside a Class Action, 190f. 236 „Transcript of interview with Mel Weiss and Deborah“, 21. Mai 2001, 33, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Mel Weiss, Paxton Box 3; Schapiro, Inside a Class Action, 197.

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nien stattfinden müssen. So hätten sie die Blockade durch Richter Korman in New York umgehen können.237 Erst kurz vor dem Ablauf des Moratoriums des Hevesi-Komitees kam Bewegung in die Verhandlungen.238 Die Schweizer Banken erklärten sich Ende März 1998 bereit, den Klägeranwälten in zentralen Forderungen entgegenzukommen. Sie sprachen sich für eine globale Fondslösung unter Leitung von Richter Korman aus. Außerdem akzeptierten sie, dass die Klägeranwälte ein nicht-stimmberechtigtes Mitglied in das Volcker-Komitee und die BergierKommission entsenden durften.239 Dieser Schritt der Banken belegt, wie sehr sie die Bedrohung durch Wirtschaftssanktionen fürchteten. Als das Executive Monitoring Committee dann am 26.  März 1998 eine Anhörung abhielt, um über den weiteren Verlauf des Moratoriums zu entscheiden, präsentierte Israel Singer den Brief der Schweizer Banken, in dem sie den WJC und die Klägeranwälte zu Gesprächen über eine Globallösung einluden. Damit war der WJC offiziell Teil des Verhandlungsteams und voll von den Banken akzeptiert. Die Banken boten zum ersten Mal auch konkrete Gespräche über den Fonds an.240 Sowohl der WJC wie auch die Klägeranwälte sprachen sich nun für eine Verlängerung des Moratoriums aus, um den weiteren Erfolg der Gespräche abzuwarten. Die „New York Times“ titelte daraufhin in ihrer nächsten Ausgabe: „Swiss Banks Plan Restitution Fund for the Nazis’ Victims.“241 Die Banken kamen also kurz vor Ablauf des Moratoriums unter dem enormen Druck in den USA ihren Verhandlungspartnern ein großes Stück entgegen. Nichtsdestotrotz blieb die Frage nach der Höhe der Globallösung unter den Konfliktparteien weiter strittig. Anfang April einigten sich die Streitparteien nach intensiven Verhandlungen auf einen Rohentwurf der Beilegung der Sammelklagen gegen die Banken. Dies entsprach in groben Zügen dem Vorschlag, den Eizenstat im Dezember erläutert hatte. Dabei wurden die Zahlungen aufgeteilt zwischen einem allgemeinen Opferfond, der für Profite aus Zwangsarbeit und geraubten Vermögen zahlen sollte, sowie den Zahlungen, die sich aus der Untersuchung des Volcker-Komitees ergeben sollten. Über die finanzielle Ausstattung dieser Töpfe war jedoch nicht so schnell Einigkeit zu erreichen. Eizenstat drängte die Schweizer Regierung und die Schweizerische Nationalbank sich den Ver-

237 Schapiro, Inside a Class Action, 201, 206; Rickman, Swiss Banks, 210ff.; Graf, Wirtschaftssanktionen, 67. 238 Zu den Aktivitäten der Bundesstaaten siehe das Kapitel 4.5. „Das restitutionspolitische Engagement der Bundesstaaten“. 239 Schapiro, Inside a Class Action, 211. 240 Brief Marcel Ospel von der Swiss Bank Corporation an Israel Singer, 26. März 1998, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Alan Hevesi 2.26.01, Paxton Box 6. 241 David E. Sanger, Swiss Banks Plan Restitution Fund for the Nazis’ Victims, in: New York Times, 27. März 1998.

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handlungen anzuschließen, damit die finanzielle Last breiter verteilt würde und es zügiger zu einer Einigung käme. Diese Strategie scheiterte jedoch.242 Nach der Verlängerung des Moratoriums wollten die Sammelklägeranwälte eine Gesamtsumme mit der Verteidigung unter der Regie Eizenstats verhandeln. Ansonsten würden sie die Gespräche abbrechen.243 Da keine Seite als erste eine Zahl nennen wollte, verhandelte Eizenstat mit beiden getrennt. Dabei verlangte er, ihre Forderungen wie vor Gericht zu begründen. Er sah seine Rolle vor allem darin, Positionen zu vermitteln sowie Kompromissfelder auszuloten.244 Die Sammelklägeranwälte setzten einen Spielraum zwischen zwei und fünf Milliarden Dollar und erklärten, dass sie lediglich bereit seien, bis Ende Juni 1998 zu verhandeln. Sollte bis dahin keine Einigung erreicht sein, würden sie den Fall Richter Korman überlassen. Die Anwälte der Banken erklärten ihrerseits, dass sie die Klagen aufgrund von Zwangsarbeit und Raubgut nicht akzeptieren würden und boten 300 Millionen Dollar für den allgemeinen Opferfond zuzüglich der Zahlungen, die sich aus der Volcker-Untersuchung ergeben sollten. Sie gingen davon aus, dass die Sammelklageanwälte letztlich einer Summe um 500 Millionen Dollar zustimmen würden. Die Gespräche steckten damit in einer Sackgasse, da keine Seite bereit war, sich der anderen Seite anzunähern.245 Für Eizenstat kristallisierte sich angesichts der präsentierten Zahlen ein Verhandlungsrahmen zwischen 1,25 und 1,85 Milliarden Dollar heraus. Diese Summe sollte auf sieben Jahre gestreckt ausbezahlt werden. Diese Art des „kreativen Rechnens“ glich die Zahlen aneinander an, ohne dass eine Seite ihr Gesicht verlieren würde. Die Vorstellungen Eizenstats lagen deutlich unter denen der Klägeranwälte, wirkten auf die Schweizer Seite jedoch wie ein Schock. Als Reaktion auf Eizenstats Vorschlag forderten die Anwälte dann ultimativ 1,85 Milliarden Dollar, jedoch lediglich über drei Jahre verteilt.246 Die Verhandlungen wurden durch die bereits oben beschriebene Fusion der Schweizerischen Bankgesellschaft mit dem Schweizerischen Bankverein erschwert. Nach einem deutlich höheren Gebot der Banken wurde die Fusion am 4. Juni 1998 genehmigt. Die Banken waren bereit, auf 450 Millionen Dollar aufzustocken, lagen damit jedoch immer noch deutlich unter dem für die Klägeranwälte akzeptablen Rahmen. Die Klägeranwälte hielten Eizenstat daraufhin vor, das Faustpfand der Fusion leichtfertig aus der Hand gegeben zu 242 „Transcript of interview with Mel Weiss and Deborah“, 21. Mai 2001, 36, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Mel Weiss, Paxton Box 3; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 175, 179. 243 „Transcript of interview with Mel Weiss and Deborah“, 21. Mai 2001, 32, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Mel Weiss, Paxton Box 3. 244 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 180. 245 Schapiro, Inside a Class Action, 220; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 182, 185. 246 Schapiro, Inside a Class Action, 228f.; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 189.

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haben.247 Die Anwälte der Schweizer Banken versuchten noch, mit einem höheren Angebot bis zu 750 Millionen Dollar die Verhandlungen vor dem Scheitern zu retten, bekamen dafür aber von ihren Mandanten keine Genehmigung. Die Banken stellten sich auf den Standpunkt, nur für solche Fälle bezahlen zu wollen, die konkret belegbar waren. Ihr letztes Angebot belief sich auf 560 Millionen Dollar. Die Klägerseite forderte daraufhin neue Verhandlungen über die Gesamtsumme, die aus der Volcker-Prüfung zu zahlen sei, um die 560 Millionen Dollar für den allgemeinen Opferfond anzuheben. Doch dies lehnten die Banken vehement ab, würde doch dadurch die ganze Prüfung des Volcker-Komitees konterkariert werden. Über die Presse ließen sie verlauten, dass ihr Angebot für den Opferfond ultimativ bei 600 Millionen Dollar liege. Die Mitteilung dieses Angebots über die Presse bezeichnete Eizenstat gegenüber den Klägeranwälten als einen „Schlag ins Gesicht“ der USRegierung. Burt Neuborne antwortete in einem Artikel in der „New York Times“ auf das Angebot und hielt es für beleidigend. Der größte Teil dieser Summe bestände aus Zins und Zinseszins, da die Banken das Geld seit über fünfzig Jahren unrechtmäßig einbehalten hätten. Zog man die Zinsen ab, bliebe nur eine „paltry sum“.248 In derselben Ausgabe erschien ein Cartoon, der einen geöffneten Tresor zeigte, der von innen mit Stacheldraht verbarrikadiert war.249 Eizenstat versuchte am 23. Juni, kurz vor dem Ablauf des Moratoriums der Bundesstaaten, einen letzten Kompromissvorschlag zu lancieren, um die Verhandlungen zu retten. Er schlug den Klägeranwälten eine Globallösung in Höhe von 1,05 Milliarden Dollar vor, die sie über einen Zeitrahmen von drei Jahren erhalten würden. Die Klägeranwälte hätten damit eine Lösung über eine Milliarde Dollar, da diese aber über drei Jahre gestreckt werden sollten, wären die Realkosten der Banken unter einer Milliarde Dollar. Obwohl Eizenstat den Anwälten noch einmal die hohen Risiken eines Gerichtsverfahrens vorführte, lehnten sie den Kompromiss ab und beharrten auf einer Globallösung in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar. Gegenüber den Schweizer Anwälten versicherte Eizenstat, dass die US-Regierung die Vereinbarungen des Washingtoner Abkommens von 1946 nicht in Frage stellen werde. Damit hätten die Banken die Möglichkeit, Geld auch bei weiteren Schweizer Institutionen zu sammeln. Die Banken stimmten diesem Kompromiss so zwar nicht zu, erklärten als Gegenangebot jedoch eine Zahlung von 650 Millionen Dollar an 247 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 193f. 248 Burt Neuborne, Totaling the Sum of Swiss Guilt, in: New York Times, 24. Juni 1998. Die Schweizer Seite hat am selben Ort ihr Angebot verteidigt: Richard Capone/Robert O’Brien, What’s Right With The Swiss Banks’ Offer, in: New York Times, 30.  Juni 1998; siehe auch Bill Hall/John Authers, The Holocaust’s final chapter, in: Financial Times, 23. Juni 1998. 249 Siehe New York Times, 24. Juni 1998.

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den Opferfond sowie eine feste Mindestsumme für die nachrichtenlosen Konten, die das Volcker-Komitee untersuchte.250 Hausfeld teilte Eizenstat am 10. Juni 1998 telefonisch mit, dass sie nicht an weiteren Verhandlungen teilnehmen würden, es sei denn die Banken legten ein höheres Angebot vor. Eizenstat bemühte sich, die Summe über eine Milliarde Dollar zu heben, um sie für die Klägeranwälte akzeptabel zu machen. Witten erklärte daraufhin, die Schweizer Banken seien bereit, 911 Millionen Dollar zu zahlen. Sie standen vor dem Problem, dass eine Summe über eine Milliarde Dollar als Schuldeingeständnis interpretiert worden wäre, was auf jeden Fall vermieden werden sollte. Die Klägeranwälte beharrten ihrerseits auf 1,5 Milliarden Dollar.251 Da die Banken bei ihrem Angebot blieben, schlugen Weiss und Hausfeld weitere Verhandlungen aus. Zur letzten Verhandlungsrunde am 26. Juni 1998 erschienen sie wie auch Singer vom WJC nicht mehr. Die Banken teilten gleichzeitig mit, dass sie den Kompromissvorschlag Eizenstats ablehnten. Sie sahen nur geringe Chancen, weitere Institutionen in das Abkommen zu integrieren. Damit waren die Verhandlungen unter Stuart Eizenstat gescheitert.252 Das Beharren auf der Summe von 1,5 Milliarden Dollar führte jedoch unter den Klägeranwälten zu Konflikten und ließ die alte Kluft zwischen Hausfeld und Weiss auf der einen Seite sowie Fagan und Swift auf der anderen wieder aufbrechen. Swift und Fagan sahen die Summe als unrealistisch hoch an. Deshalb plädierten sie für eine flexiblere Verhandlungstaktik. Hausfeld und Weiss andererseits spekulierten auf die Sanktionsdrohungen der Bundesstaaten. Auch Eizenstat musste zugeben, dass die Sanktionsdrohungen eine stärkere Wirkung auf die Schweizer Banken hatten, als er mit seinen Verhandlungen je erreichen konnte.253 Am 15.  Juli 1998 hielten Swift und Fagan eine Pressekonferenz in der Kanzlei Fagans ab. Sie forderten zwar einerseits die Banken auf, ihr letztes Angebot zu überdenken und sich finanziell zu bewegen. Gleichzeitig kritisierten sie das Festhalten an der Summe von 1,5 Milliarden Dollar und propagierten eine flexiblere Verhandlungsposition.254 Mit dieser Aussage öffneten sie den Banken den Weg zurück an den Verhandlungstisch. Diese ließen nach der Pressekonferenz verlauten, sie seien bereit, die Gespräche wieder aufzunehmen. Sie waren durch die offenen Sanktionsdrohungen massiv unter Druck geraten. Zudem weigerte sich die amerikanische Bank J.P. Morgan, weitere Fusionsgespräche mit Credit Suisse zu führen, solange diese von Klagen bedroht war. Während Fagan und Swift auch 250 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 200; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 87. 251 Schapiro, Inside a Class Action, 237f. 252 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 201. 253 Ebd. 200, 202. 254 Pressekonferenz in der Kanzlei Fagan & Associates, 15. Juli 1998, nach: Schapiro, Inside a Class Action, 241.

4.7. Der Weg zur Globallösung

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Eizenstat wieder in die Verhandlungen integrieren wollten, lehnten Hausfeld und Weiss dies weiterhin ab.255 In dieser festgefahrenen Situation nahm der Druck auf die Schweizer Banken weiter zu, denn das Moratoriums lief am 30. Juni 1998 ab. Außerdem reichten Ende Juni Anwälte von Holocaust-Überlebenden eine weitere Sammelklage ein, diesmal gegen die Schweizer Nationalbank. Damit war auch diese Schweizer Institution direkt von Klagen bedroht und konnte die Entwicklungen nicht mehr ohne Weiteres ignorieren. Zudem hielt Senator D’Amato im Juli eine Anhörung zum Thema „Swiss banks, the 1946 Washington agreement, and current developments in Holocaust assets restitution“ im Banking Committee des Senats ab. Mit dieser Anhörung geriet speziell die Schweizer Regierung in Zugzwang, die unter allen Umständen eine Neuverhandlung des Abkommens von 1946 auf Basis des neuen Wissensstandes verhindern wollte. 4.7. Der Weg zur Globallösung Am 8. Juli 1998 informierte Eizenstat Richter Korman, dass die Verhandlungen zwar bemerkenswerte Fortschritte erzielt hatten, aber die Differenzen nicht überbrückt werden konnten. In einem Brief teilte Eizenstat auch den Streitparteien mit, dass er seine Vermittlungstätigkeit vorerst für beendet ansah, die US-Regierung aber weiterhin großes Interesse an einer schnellen Klärung hätte.256 Bei Senator D’Amatos Anhörung am 22.  Juli 1998 zum Washingtoner Abkommen von 1946 gab Eizenstat der Öffentlichkeit offiziell das Scheitern seiner Vermittlertätigkeit bekannt. Durch seinen Rückzug versuchte Eizenstat die beteiligten Akteure doch noch zu einer Verhandlungslösung zu bringen.257 Und tatsächlich: Die Zuspitzung der Krise durch die angedrohten Sanktionen auf dem amerikanischen Finanzmarkt zwang die Schweizer Banken zum Handeln. „Time is running out for Switzerland and its banks“, urteilte die „New York Times“.258 Bob O’Brien von der Credit Suisse gab zu, dass die Sanktionsdrohungen ein Hauptfaktor bei der Suche nach einer Lösung waren.259 Außerdem fand das Volcker-Komitee immer mehr nachrichtenlose Konten, so dass die Option, die Untersuchung nicht abzuwarten, sondern bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Pauschalzahlung zu vereinbaren, für 255 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 208. 256 Brief Eizenstat an Singer, Hausfeld, Weiss, Swift und Witten, 22. Juli 1998, LOC, Eizenstat-Papers, Folder: Hausfeld Swiss, Paxton Box 2. 257 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 210. 258 Editorials, Switzerland’s Unpaid Debt, in: The New York Times, 12. Juli 1998. 259 „Transcript of interview with Bob O’Brien (Credit Suisse)“, 12. März 2001, 13, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Bob O’Brian (Credit Suisse), Paxton Box 4.

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die Banken immer attraktiver wurde. Auch die Klägeranwälte konnten sich nicht auf den Erfolg ihrer Klagen vor amerikanischen Gerichten verlassen. Insofern war eine politische Lösung auf dem Verhandlungswege prinzipiell auch in ihrem Interesse. Burt Neuborne brachte als Vorsitzender des Exekutivausschusses der Klägeranwälte Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen. Er kontaktierte Richter Korman und bat ihn zu vermitteln.260 Über ein Jahr lang hatte sich Korman geweigert, über die Anträge auf Abweisung der Klagen zu entscheiden und damit die Streitparteien bewusst in Ungewissheit gehalten. Zugleich hatte er die Klägeranwälte wiederholt mit den juristischen Unsicherheiten ihrer Klagen konfrontiert und den Schweizer Banken seine Entschlossenheit vermittelt, Klagen in Bezug auf nachrichtenlose Konten prinzipiell zuzulassen.261 Da im Juli 1998 die Volcker-Untersuchungen noch nicht abgeschlossen und die Vermittlungen der US-Regierung gescheitert waren, erschien Korman ein weiteres Hinauszögern nicht sinnvoll. Im Gegenteil: Die Aufhebung des Moratoriums durch das Hevesi-Komitee konnte zu einer Eskalation führen, was eine Lösung des Konflikts immer dringlicher machte. Am 27. Juli 1998 versammelte Richter Korman die Streitparteien in New York, um eine außergerichtliche Einigung auszuloten. Im Gegensatz zu Stuart Eizenstat wurde er als unabhängiger Richter von Schweizer Seite eher akzeptiert. Auch die Klägeranwälte brachten ihm mehr Respekt entgegen, entschied Korman doch über die Zulassung ihrer Klagen. Sie wollten den langwierigen und mühsamen Prozess, der unter Eizenstat gescheitert war, nicht noch einmal aufnehmen. Vielmehr hofften sie, dass Korman endlich über die Zulassung der Klagen entscheiden werde. Ihnen war klar, dass die angedrohten Sanktionen gegen die Banken arbeiten würden und sie daher unter Zeitdruck standen. Dabei stellte sich wieder dasselbe Problem: Eine finanzielle Klärung, die auf einer juristischen Beweisführung gründete, schien nach über fünfzig Jahren fast unmöglich. Eine politische Einigung, auch wenn sie juristisch hergeleitet war, schien der einzig mögliche Weg. Nachdem Korman beiden Seiten die Möglichkeit gegeben hatte, ihre Positionen unter Berücksichtigung der finanziellen Vorstellungen detailliert darzulegen, erklärte er beim darauffolgenden Treffen am 30. Juli 1998, dass eine klare Zuordnung einzelner Konten mit Gewinnen aus Zwangsarbeit zu einzelnen Opfern sehr schwer sei. Damit unterstrich er den dünnen juristischen Boden, auf dem die Klagen standen. Gleichzeitig machte er jedoch den Banken deutlich, dass Frieden seinen Preis habe.262 Die sich anbahnende Lösung war 260 „Transcript of interview with Burt Neuborne“, 12. März 2001, 16, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Burt Neuborne 3.12.01, Paxton Box 4. 261 „Transcript of interview with Mel Weiss and Deborah“, 21. Mai 2001, 20, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Mel Weiss, Paxton Box 3; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 212f. 262 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 215; Schapiro, Inside a Class Action, 242, 246.

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der von Eizenstat bevorzugten „rough-justice“-Lösung sehr ähnlich: Alle offenen Forderungen sollten mit einer Gesamtsumme beglichen werden.263 Zur Auslotung eines solchen Pauschalbetrages brachte Richter Korman die Konfliktparteien nach mehreren Einzelgesprächen am 10. August in einem informellen Rahmen in einem Restaurant in Brooklyn zusammen. Er erklärte, dass er eine außergerichtliche Einigung wünsche, jedoch keine Vereinbarung erzwingen werde.264 Michael Hausfeld führte für die Klägeranwälte den historischen Beweis für die finanziellen Forderungen. Die Anwälte der Schweizer Banken zeigten sich davon zwar unbeeindruckt, doch hatte Hausfeld seine Berechnungen mit den skandalösesten Fällen untermauert, in die Schweizer Banken während der Kriegszeit verstrickt waren. Den Anwälten der Schweizer Banken war klar, dass eine öffentliche Gerichtsverhandlung zwar unkalkulierbare Risiken für die Klägeranwälte beinhaltete, aber gleichzeitig auch den bereits entstandenen Imageschaden der Schweizer Banken noch beträchtlich verschlimmern könnte.265 Die Verhandlungspartner befanden sich in einem Teufelskreis und konnten keine Summe juristisch einwandfrei belegen. Also entschied Richter Korman, konkrete Optionen als Lösung vorzuschlagen: entweder eine pauschale Zahlung von 1,25 Milliarden Dollar oder 1,05 Milliarden Dollar plus die von Volcker gefundenen Bankkonten. Aus vorherigen Gesprächen wusste Korman, dass es sich bei den 1,25 Milliarden Dollar um die Untergrenze der Verhandlungsspanne von Eizenstat handelte. Aus Gesprächen mit Volcker nahm Korman an, dass es sich bei den nachrichtenlosen Konten um Beträge von insgesamt rund 200 Millionen Dollar handeln werde.266 Beide Konfliktparteien zeigten sich bereit, auf Kormans Entwurf einzugehen, obwohl er sich von der Größenordnung her nicht wesentlich von den Vorschlägen Eizenstats unterschied. Der zentrale Unterschied war jedoch, dass Korman beiden Parteien die Risiken einer Verhandlung deutlich vor Augen führte. Die Sammelklageanwälte hatte er mehrfach auf die dünne juristische Beweisführung ihrer Klagen hingewiesen. Damit hatte Korman zwar den Klagen an sich nicht die Legitimität abgesprochen, den finanziellen Spielraum einer Lösung jedoch deutlich eingeschränkt. Auch den Anwälten der Schweizer Banken war klar, dass eine Verhandlung vor amerikanischen Gerichten eine schwere Belastung für den Ruf der Banken bedeuten würde. Eine vom Gericht geforderte Offenlegung von Dokumenten würde die Banken schwer treffen. Sie fürchteten also weniger die finanziellen Konsequenzen als den wahrscheinlichen Imageverlust. Da die Banken nun außerdem von konkreten Boykottmaßnahmen bedroht waren, war eine schnelle Einigung in ih263 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 216. 264 „Transcript of interview with Mel Weiss“, 3. April 2001, 12, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Mel Weiss, Paxton Box 3. 265 Authers/Wolffe, Victims Fortune, 94; Schapiro, Inside a Class Action, 247; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 217; siehe auch Junz, Where did all the money go? 266 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 218.

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rem Interesse, während sie unter der Verhandlungsführung von Eizenstat noch auf Zeit gespielt hatten. Die Banken zogen die Gesamtlösung in Höhe von 1,25 Milliarden Dollar vor. Ihr Einverständnis knüpften sie jedoch an drei Bedingungen: Die Zahlung sollte eine Globallösung für die gesamte Schweiz sein, also auch die Schweizer Nationalbank und die Industrie einbeziehen. Außerdem sollten die Zahlungen der Banken an den Humanitären Fonds angerechnet werden. Drittens sollten die Zahlungen über mehrere Jahre ohne Zinsen gestreckt werden.267 Die Schlussverhandlungen am 11. August 1998 wurden daher sehr kompliziert. Israel Singer hatte Senator D’Amato über die bevorstehende Einigung informiert. D’Amato, der sich an den Verhandlungen nicht direkt beteiligt hatte, wollte nun am Ende der Auseinandersetzung dabei sein. Zusammen mit Singer hatte er in einer Unterredung mit Bob O’Brien und ohne Wissen der anderen Konfliktparteien den Verzicht auf Zinsen während der Auszahlungsfrist zugesagt. Es kam zum Eklat, als Richter Korman nach der Einigung auf 1,25 Milliarden Dollar, die die Schweizer Nationalbank und Industrie mit einschloss, auf die Frage der Zinsen zu sprechen kam. Als die Schweizer Anwälte erklärten, dieser Punkt sei bereits mit dem WJC geklärt worden, weigerten sich die Klägeranwälte einer Lösung zuzustimmen, die ohne ihr Wissen ausgehandelt worden war. Die Schweizer Anwälte wiederum sahen sich zu erneuten Veränderungen nicht in der Lage.268 Aus dieser Sackgasse führte Richter Korman durch den Vorschlag, das Geld könnte bis zur endgültigen Zahlung auf einer Schweizer Bank deponiert werden und so zumindest einen Teil der Mehrkosten wieder ausgleichen. Außerdem schlug Senator D’Amato vor, die Zinsen niedriger als marktüblich festzulegen. Schließlich geriet der Abschluss noch einmal in Gefahr, als die Schweizer Banken forderten, auch die Klage von Christoph Meili gegen die UBS müsse mit der Globallösung abgedeckt werden. Da die Schweizer Seite auf Abweisung der Klage bestand, weigerte sie sich, direkte Zahlungen an Meili zu veranlassen. Letztlich wurden ihm eine Million Dollar aus dem Topf zugesprochen, aus dem die Gebühren der Klägeranwälte bezahlt werden sollten.269 Die Schweizer Banken bestanden darauf, dass auch Stuart Eizenstat für die US-Regierung diesem Vergleich zustimmte. Damit wollte die Schweizer Seite sicher gehen, dass die Vereinbarung von allen Akteuren in den USA

267 Ebd. 219; Schapiro, Inside a Class Action, 253. 268 „Transcript of interview with Michael Hausfeld“, 22. Februar 2001, 43, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Michael Hausfeld 2.22.01, Paxton Box 6; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 220ff. 269 „Transcript of interview with Senator Alfonse D’Amato and Gregg Rickman“, 28. Februar 2001, 56, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Senator D’Amato 2.26.01, Paxton Box 6; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 222f.

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unterstützt wurde und keine weiteren Forderungen auf sie zukämen.270 Während sich D’Amato in die Schlussphase förmlich hineingedrängt hatte, verzichtete Eizenstat darauf, persönlich anwesend zu sein. Er prüfte in Washington die Vereinbarung und gab letztlich die Zustimmung der US-Regierung.271 Damit kam es am 12. August 1998 zu einer Einigung zwischen den Sammelklägeranwälten, dem World Jewish Congress sowie den drei beklagten Schweizer Banken. Die Bundesstaaten sagten daraufhin alle eingeleiteten Sanktionen ab.272 Präsident Clinton äußerte am 13. August seine Genugtuung über das zustande gekommene Abkommen.273 Dass dieser Abschluss den Vorgaben seiner eigenen Vermittlungsbemühungen so nahe war, der Vertrag jedoch ohne seine direkte Mitwirkung zustande kam, war eine schwere Niederlage für Eizenstat. Auch seine Bemühungen nach der Einigung, gemeinsam mit der Schweizer Regierung eine positive Stellungnahme zum Abkommen zu erwirken, scheiterten, obwohl er ihr anbot, auf eine Neuverhandlung des Washingtoner Abkommens von 1946 offiziell zu verzichten.274 Damit hielt die Schweizer Regierung rigide an ihrer ursprünglichen Position fest, dass es sich bei dieser Thematik um ein Problem der Privatwirtschaft handelte, womit Eizenstats diplomatische Bemühungen um eine Lösung des Konflikts zum zweiten Mal düpiert wurden. Die Schweizer Nationalbank, die am tiefsten in den Raubgoldhandel verstrickt war, kam am glimpflichsten aus der Auseinandersetzung heraus. Der Vergleich zwischen den Klägeranwälten und dem WJC mit den Schweizer Banken wurde vom Executive Monitoring Committee der Bundesstaaten sehr positiv aufgenommen. Dennoch wurde dieses Komitee in der Folge nicht aufgelöst, da es die Debatte um das unfinished business und die Bemühungen um finanzielle Lösungen bei anderen Vermögensbereichen weiter kritisch begleiten sollte. Die Auseinandersetzungen um die sogenannten Holocaust-era assets waren mit der Schweizer Globallösung nicht erledigt. Eine historische und materielle Aufarbeitung auch von anderen Ländern stand noch aus.

270 „Transcript of interview with Bob O’Brien (Credit Suisse)“, 12. März 2001, 19, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Switzerland [I] / Bob O’Brian (Credit Suisse), Paxton Box 4. 271 Interview John Becker. 272 „Press Release: Hevesi, McCall & Silver Announce Swiss Sanctions Cancelled“, 13. August 1998, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Alan Hevesi 2.26.01, Paxton Box 6. 273 „The White House. Office Of The Press Secretary. Statement By The President: Settlement Of Holocaust Assets Lawsuits“, 13. August 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 2 of 2, DK 64. 274 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 226.

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Die Umsetzung des Abkommens Die Auszahlung der vereinbarten Gelder zog sich drei Jahre lang hin. Damit dauerte der Prozess, der zur Auszahlung führte, länger als die eigentlichen Verhandlungen.275 Neben dem komplexen Verfahren, durch das die Sammelklagen nach der außergerichtlichen Einigung von den amerikanischen Gerichten genehmigt werden mussten, war ein Grund hierfür sicherlich der Druck, der durch die angedrohten Sanktionen aufgebaut worden war: Die Parteien einigten sich in aller Eile auf ein Abkommen, etliche strittige Fragen konnten erst danach geklärt werden.276 Stuart Eizenstat konstatierte eine Unfähigkeit des amerikanischen Rechtssystems, internationale Fälle von dieser Reichweite schnell und effizient zu Ende zu führen. Auch Richter Korman hielt ein Regierungsabkommen für die effizientere Methode zur Lösung dieser Problematik.277 Ob dieses Abkommen aber auch Regierungsvertretern gelungen wäre, bleibt zweifelhaft, besonders wenn man bedenkt, dass Eizenstat mit sehr ähnlichen Lösungsvorschlägen keinen Verhandlungserfolg hatte und sich die politische Schweiz einer Lösung verschloss. Die Auszahlung des Fonds wurde aber auch durch die Auseinandersetzung verzögert, wie viele der vom Volcker-Komitee entdeckten Konten letztlich veröffentlicht werden sollten. Während Volcker alle 54.000 Konten veröffentlichen wollte, bei denen ein Zusammenhang mit dem Holocaust wahrscheinlich war, wollten die Banken nur knapp die Hälfte dieser Konten bekanntmachen. Damit sollten ungerechtfertigte Ansprüche abgewehrt werden. Letztlich wurde ein Kompromiss vereinbart, dass die Banken 21.000 Konten veröffentlichten, aber auch Ansprüche geltend gemacht werden konnten, falls ein Konto nicht auf der Liste vertreten war.278 Am 29. November 1999 wurden in New York sowie in Jerusalem am 14. Dezember 1999 die sogenannten fairness hearings abgehalten. Die Angehörigen der Sammelklage konnten dort ihre Meinung zu Fairness und Angemessenheit der Vereinbarung mit den Schweizer Banken äußern. In Folge 275 Bazyler, Holocaust Justice, 29f. 276 Bazyler, Michael J.: www.swissbankclaims.com. The Legality and Morality of the Holocaust-Era Settlement with the Swiss Banks, in: Fordham International Law Journal, Volume 25, 2001, 67, LOC, Eizenstat-Papers, Folder Final Manuscript Research, Paxton Box 25. 277 Melvyn I. Weiss, Arthur Miller and Deborah Sturman: Memorandum. Re: Class Action Lawsuits, 9.  Juni 1999, LOC, Eizenstat-Papers, Melvyn Weiss Documents – Swiss Banks, German slave and forced labor cases, Box 8; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 227. 278 „Memorandum to Plaintiffs’ Settlement Counsel“, von Burt Neuborne, 13. März 2000, LOC, Eizenstat-Papers, Melvyn Weiss Documents – Swiss Banks, German slave and forced labor cases, Box 8; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 229f.; Bazyler, Holocaust Justice, 38f.; siehe Independent Committee of Eminent Persons, Report on Dormant Accounts.

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dieser Anhörungen wurden die Klagen auf Restitution von Raubkunst nicht mit diesem Abkommen abgegolten, sondern offen gelassen.279 Der Großteil des ausgehandelten Fonds, nämlich 800 Millionen Dollar, sollte nach langwierigen Konsultationen an die Anspruchsberechtigten fließen, die tatsächlich Konten auf Schweizer Banken hatten, die durch die Volcker-Untersuchung entdeckt wurden. Richter Korman hatte am 31. März 1999 Judah Gribetz ernannt, um einen Verteilungsplan für die Gelder auszuarbeiten. Lediglich hundert Millionen Dollar wurden für geraubte Vermögen reserviert, sowie 1.000 Dollar pro Person für jüdische wie auch nicht-jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Eine geringe Summe wurde für Flüchtlinge, die von Schweizer Beamten diskriminiert bzw. abgewiesen wurden, bereitgestellt.280 Generell anspruchsberechtigt waren die sogenannten Victims or Targets of Nazi Persecution (VTNP), die neben den jüdischen Opfern auch Homosexuelle, physisch oder geistig Behinderte, Roma und Sinti sowie die Zeugen Jehovas umfassten.281 „We had to walk a line between everyone harmed by the Nazis – which is virtually all of Europe – or only the Jews. Both extremes were unacceptable“, erläuterte Burt Neuborne die Zusammensetzung der Gruppe der VTNP.282 Mit Anzeigen in 500 Tageszeitungen in vierzig Ländern wurde nach Anspruchsberechtigten gesucht. Dies war eine der aufwändigsten Aktionen, mit denen nach Berechtigten im Sinne der Sammelklage jemals gesucht wurde.283 Dieses Abkommen markierte nach Ansicht des Rechtsprofessors Michael J. Bazyler einen Meilenstein in der amerikanischen Rechtsgeschichte.284 Bis dato handelte es sich um den größten Zivilprozess in den USA, der sich mit Menschenrechtsfragen auseinandersetzte. Die dabei erstrittene Summe von 1,25 Milliarden Dollar war beispiellos und stellte für das sogenannte restitution movement in den USA einen großen Erfolg dar. Dabei wurden historische Fehler verhandelt und materiell aufgewogen, die über ein halbes Jahrhundert zurücklagen. Die Klage gegen die Schweizer Banken wurde zu einem Präze279 Brief Melvyn Weiss an Sammelkläger, 11. April 2000, Library of Congress, EizenstatPapers, Melvyn Weiss Documents – Swiss Banks, German slave and forced labor cases, Box 8; Bazyler, Holocaust Justice, 33. 280 United States District Court. In re Holocaust Victim Assets Litigation: Memorandum & Order, 22. November 2000, Privatarchiv Martin Dean, Folder Legal Cases & Funds, Box 9; siehe auch Bazyler, Holocaust Justice, 36; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 228; Schapiro, Inside a Class Action, 263, 265; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 361f. 281 Vgl. „Class Action Settlement Agreement, Section 1: Definitions“, in: http://www. swissbankclaims.com/Documents/Doc_9_Settlement.pdf, 24. 10. 2007. 282 Zit. n. Henry Weinstein, Holocaust Survivors, Swiss Banks OK Settlement, in: Los Angeles Times, 23. Januar 1999, A 13. 283 Henry Weinstein, Search Opens for Holocaust Claimants, in: Los Angeles Times, 29. Juni 1999, A 3. 284 Bazyler, The Legality and Morality of the Holocaust-Era Settlement, 64.

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denzfall, der viele weitere Klagen gegen andere Unternehmen und Regierungen im Bereich der Holocaust-era assets nach sich zog. Obwohl der Konflikt auf juristischem Terrain gelöst wurde und die Clinton-Regierung mit ihrer diplomatischen Verhandlungstaktik gescheitert war, handelte es sich nichtsdestotrotz um einen politischen Vergleich. Der Ausgang des Konflikts um das Schweizer Raubgold bestimmte dann entscheidend den weiteren Verlauf der Debatte um Restitution und Entschädigung.

5. Die Restitutionsdebatte weitet sich . thematisch und geographisch aus Die Schweizer Kontroverse um Raubgold brachte eine Welle von Debatten um Holocaust-era assets in Gang. Bereits im Anschluss an die Londoner Raubgoldkonferenz 1997 setzten auf Drängen der US-Regierung mehrere Länder nach dem Vorbild der Schweiz Untersuchungskommissionen ein. Die Washingtoner Konferenz 1998 machte ferner deutlich, dass das Ausmaß der nationalsozialistischen Raub- und Plünderungspolitik und die damit zusammenhängenden restitutionspolitischen Defizite der Nachkriegszeit weit über die Länder Osteuropas und die Schweiz hinausgingen.1 Vor allem juristische Klagen wandten sich gegen weitere Länder, außerdem kamen neue Verhandlungspunkte wie der Raub von Kunstgegenständen oder Versicherungspolicen hinzu. Im Folgenden sollen daher skizzenhaft die weiteren Kontroversen dargestellt werden, um die Breite und Vielschichtigkeit der Debatte zu illustrieren. Dabei wird exemplarisch am Beispiel der Themenkomplexe Versicherungspolicen, Zwangsarbeiterentschädigung in Deutschland und Österreich sowie der Umgang französischer Banken mit geraubten Vermögenswerten die Positionierung der verschiedenen US-Akteure in den Restitutionsauseinandersetzungen beleuchtet.2 Die deutsche Industrie und die Zwangsarbeit Die Klagen gegen die deutsche Industrie waren nach Auffassung des Klägeranwalts Michael Hausfeld eine direkte Konsequenz der Restitutionsdebatte mit der Schweiz.3 Im Gegensatz zur Schweiz war es jedoch wenig überraschend, dass Deutschland in den Fokus der Auseinandersetzung geriet, stand die Bundesrepublik doch in der direkten Rechtsnachfolge des nationalsozia-

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Zur Londoner Raubgoldkonferenz und der Washingtoner Konferenz siehe das Kapitel 7. „Von der Restitution zur Erinnerung: Über das historische Gedächtnis und die materielle Auseinandersetzung um Holocaust-era assets“. Zu den juristischen Auseinandersetzungen um Kunstraub siehe Bazyler, Holocaust Justice, 214-249. Da es sich hier jedoch um traditionelle Privatklagen handelt, werden sie in diesem Kapitel nicht behandelt. „Transcript of interview with Michael Hausfeld“, 22. Februar 2001, 66, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Folder Michael Hausfeld 2/22/01, Paxton Box 6.

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listischen Staates. Deshalb war die Diskussion um Entschädigung und Restitution in Deutschland kein Novum. Die Verhandlungen über die Zwangsarbeiterentschädigung sollten eine der letzten großen Entschädigungsauseinandersetzungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts werden. Die Klagen brachten zum ersten Mal das Ausmaß der Zwangsarbeit ins gesellschaftliche Bewusstsein und zeigten, dass deren Bedeutung für die deutsche Wirtschaft weit über den Zweiten Weltkrieg hinausging: Sie schuf das Fundament für den wirtschaftlichen Aufstieg in den Nachkriegsjahren. Michael Bazyler prägte den Begriff der „Holocaust bonanza“, der Goldgrube Holocaust, um auf die Ergiebigkeit dieser Ausbeutung hinzuweisen.4 Insgesamt waren zwischen zehn und zwölf Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland eingesetzt. Bei den Verhandlungen mit Vertretern der Regierung und der Industrie wurde zwischen Arbeitssklaven und Zwangsarbeitern differenziert. Zur ersten Gruppe zählten Insassen aus Konzentrationslagern und Ghettobewohner. Ihr Arbeitseinsatz war Teil der nationalsozialistischen Politik der Vernichtung durch Arbeit. Die Zwangsarbeiter wiederum kamen vor allem aus Osteuropa. Sie wurden sowohl in der Industrie wie auch in der Landwirtschaft eingesetzt. Ihre Lebensbedingungen waren besser als die der Arbeitssklaven. Am Ende des 20.  Jahrhunderts lebten nach Berechnungen des Historikers Lutz Niethammer noch ungefähr 1,2 bis 1,5 Millionen ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.5 Obwohl die Problematik schon lange bekannt war, wurden Zwangsarbeiter während des Kalten Krieges nicht entschädigt. Da dieser Komplex unter Reparationen fiel, wurde sie mit dem Verweis auf das Londoner Schuldenabkommen von 1953 bis zur Unterzeichnung eines endgültigen Friedensvertrags verschoben.6 In der Nachkriegszeit waren lediglich einige wenige direkte Abkommen zwischen deutschen Unternehmen und der Claims Conference ausgehandelt worden.7 Während die deutsche Regierung in diesem Fall auf die Verantwortlichkeit der Wirtschaft verwies, sah die Wirtschaft die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin in der Pflicht, da sie den Einsatz von Zwangsarbeit als spezifisch nationalsozialistisches Unrecht definierte. So 4 House Committee on Banking and Financial Services, World War II Assets of Holocaust Victims, Testimony by Deputy Treasury Secretary Stuart E. Eizenstat, September 14, 1999, in: http://commdocs.house.gov/committees/bank/hba58653.000/hba58653_0.HTM#9, 25. 08. 2008; Bazyler, Holocaust Justice, 60. 5 Nach Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 261f., 303. 6 Die wohl bekannteste Intervention auf diesem Gebiet ist das 1979 erschiene Buch des ehemaligen US-Chefanklägers Benjamin Berell Ferencz im sogenannten Einsatzgruppen-Prozess, einem der Nachfolgeprozesse der Nürnberger Prozesse: Ferencz, Less Than Slaves. Im Jahr 2002 wurde das Buch mit einem neuen Vorwort von Indiana University Press neu verlegt. Siehe auch Herbert, Fremdarbeiter. 7 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 265.

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wies eine Seite die Pflicht zur Entschädigung von historischem Unrecht auf die andere. Die erste Sammelklage wurde im März 1998 gegen die Ford Werke A.G. in New Jersey eingereicht, ein deutsches Tochterunternehmen des US-Automobilherstellers Ford. Die Ford Motor Company beantragte die Abweisung der Klage, da das Tochterunternehmen während des Nationalsozialismus vollständig unter deutscher Leitung war und auch keine Dividenden an den Mutterkonzern zahlte. Unterstützung erhielt Ford vom ehemaligen Außenminister Warren Christopher. Er argumentierte, dass die Entschädigung von Zwangsarbeit unter Reparationen fiel und demnach allein zwischen Regierungen ausgehandelt werden könnte.8 Damit bezog er sich wie die Bundesregierung auf das Londoner Schuldenabkommen. Der Sammelklage gegen Ford folgten 56 weitere Klagen in verschiedenen Bundesstaaten gegen zwanzig deutsche und österreichische Unternehmen. „The list of firms now accused reads like a who’s who of corporate Germany […]. The number of targeted firms may soon reach 100“, schrieb der „Economist“ im November 1998.9 Im Juni 1998 wurden die Deutsche Bank sowie die Dresdner Bank verklagt. Ihnen wurde von den Sammelklägeranwälten Robert Swift und Edward Fagan der Handel mit Opfergold, der Diebstahl von „arisiertem“ jüdischem Eigentum sowie die Finanzierung der Bauarbeiten für das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz vorgeworfen.10 Deborah Sturman, die in der Kanzlei von Melvyn Weiss arbeitete und diesen überzeugte, eine Sammelklage wegen Zwangsarbeit einzureichen, argumentierte, dass die Verjährungsfrist für diese Verbrechen nicht 1945, sondern erst 1989 mit dem Ende der deutschen Teilung begann. Vorher sei diese Thematik juristisch nicht aufzuarbeiten gewesen.11 Die Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder erklärte im Koalitionsvertrag zwischen den Grünen und der SPD am 20. Oktober 1998, dass sie von der Position der Vorgängerregierungen abweichen werde und sich aktiv für die Einrichtung einer Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeit einsetzen werde. Spätestens seit sie in den USA massiv von Sammelklagen bedroht war, wurde auch der deutschen Industrie bewusst, dass eine Klärung dieser Frage unausweichlich wurde. Nicht nur der Zugang zum US-Markt stand auf 8 9

Bazyler, Holocaust Justice, 64. „Companies and the Holocaust: Industrial Actions“, in: The Economist, 14. November 1998, 75. 10 „Holocaust-Überlebende klagen an. NS-Opfer fordern von deutschen Banken 32 Milliarden Mark Entschädigung“, in: Süddeutsche Zeitung, 5. Juni 1998; siehe auch Spiliotis, Verantwortung und Rechtsfrieden, 26f. Zur Geschichte der Deutschen Bank und der Dresdner Bank siehe Bähr, Goldhandel; Steinberg, Goldtransaktionen; zur deutschen Industrie siehe Lillteicher (Hg.), Profiteure des NS-Systems? 11 Frances A. McMorris, Milberg Weiss Lawyer Focuses on Cases for Holocaust Survivors, in: Wall Street Journal, 19. May 1999, B 7.

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dem Spiel, sondern Anzeigenkampagnen kolportierten ein negatives Image der deutschen Unternehmen, die sich ihrer historischen Verantwortung nicht stellten. In der „New York Times“ wurden verschiedene ganzseitige Anzeigen unter dem Motto „Justice. Compensation. Now.“ veröffentlicht, die Logos und Produkte der beklagten Firmen in Verbindung zu nationalsozialistischen Verbrechen setzten. Der Mercedes-Stern wurde beispielsweise mit dem Slogan „Design. Performance. Slave Labor.“ abgebildet. Mel Weiss erklärte, diese bewusste Rufschädigung der involvierten Marken gehöre zur Strategie der Anwälte.12 Die beklagten Unternehmen gerieten auch durch das Engagement der US-Bundesstaaten unter Druck. Alan Hevesi hielt weiterhin regelmäßige Treffen des Executive Monitoring Committee ab und drohte den beklagten Unternehmen mit Sanktionen, wenn es nicht zu einer Einigung käme.13 Einige Firmen wie Volkswagen oder Siemens reagierten auf den zunehmenden Druck und schufen eigene, firmeninterne Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter.14 Außerdem kam es zu Verhandlungen der Bundesregierung und der deutschen Industrie mit den Klägeranwälten sowie den jüdischen Organisationen. Auch das State Department unter der Leitung Stuart Eizenstats nahm an den Verhandlungen teil. Später stießen Vertreter Israels, Weißrusslands, der Tschechischen Republik, Polens, Russlands und der Ukraine hinzu. Selbst der ehemalige Senator Alfonse D’Amato, der die Senatorenwahlen von New York verloren hatte, war bei den Verhandlungen als Special Master präsent. Am 16.  Februar 1999 verkündete Bundeskanzler Schröder die Einrichtung der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, die mit drei Milliarden DM ausgestattet war. Im Gegensatz zu den Schweizer Banken wollte die deutsche Wirtschaft Ergebnisse erzielen, bevor ihr Ruf Schaden genommen hätte. Außerdem hoffte sie, die Sammelklagen in den USA zu einem Ende zu bringen.15 Am 13. September 1999 mussten die Sammelklägeranwälte einen schweren Rückschlag hinnehmen. Zwei Bundesrichter aus New Jersey wiesen unabhängig voneinander fünf Sammelklagen auf Entschädigung von Zwangsarbeit ab. Mit dieser Entscheidung erlitt das Instrument der Sammelklagen in Bezug auf den Holocaust zum ersten Mal eine juristische Niederlage. Beide Richter hielten die Klagen zwar für durchaus berechtigt, sahen jedoch in einer juristischen Auseinandersetzung in den USA nicht den richtigen Rahmen für eine Klärung dieser Fälle. Es handelte sich um eine politische Frage, die dem12 „Transcript of interview with Mel Weiss“, 3. April 2001, 31, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 3. Daniel Kurtzman, Holocaust Survivors Want Firms in Germany to Pay Compensation, in: Jewish Telegraphic Agency, 2. September 1998. 13 Bazyler, Holocaust Justice, 69. 14 Spiliotis, Verantwortung und Rechtsfrieden, 51. 15 Zur Stiftungsinitiative siehe: http://www.stiftungsinitiative.de/; Bazyler, Holocaust Justice, 70, 72; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 285; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 191; Spiliotis, Verantwortung und Rechtsfrieden, 166.

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entsprechend auf Regierungsebene zu verhandeln sei und nicht mit den Mitteln der Jurisdiktion.16 Diese Entscheidung entsprach genau der Einschätzung Warren Christophers zu der Klage gegen Ford. Aber auch in den USA war diese Meinung umstritten. Die juristischen Berater der Clinton-Regierung, David Anderson und Ronald Bettauer, widersprachen dieser richterlichen Auslegung und beurteilten Klagen gegen deutsche Unternehmen sehr wohl als juristisch legitim.17 In der „Los Angeles Times“ polemisierte Senator Tom Hayden: „While an American citizen can sue a corporation for millions for making a faulty toaster, a Holocaust survivor will not be able to sue a corporation for being the slave of a regime that put humans in ovens.“18 Burt Neuborne, der selber auf der Seite der Sammelkläger involviert war, kritisierte die Entscheidung auf einer generellen Ebene. Es gehe nicht um eine konkrete Entscheidung der Rechtmäßigkeit; die Fälle seien vielmehr als eine Matrix zu verstehen, vor der allgemeinere Fragen verhandelt werden.19 Diese Erklärung belegt, dass auch für die involvierten Klägeranwälte die Gerichtsverfahren in erster Linie ein Mittel waren, um die jeweiligen Länder bzw. Unternehmen an den Verhandlungstisch zu zwingen. Dabei sollte neben der Frage der Entschädigung auch die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Industrie während des Nationalsozialismus diskutiert werden. Eizenstat sah in der Initiative der Sammelklägeranwälte in den USA trotz der Abweisung der Klagen den ausschlaggebenden Faktor, der schließlich zu einer Einigung führen sollte: „It was the American lawyers, through their lawsuits they brought in U.S. courts, who placed the long-forgotten wrongs by German companies during the Nazi era on the international agenda.“20 Mit der Abweisung der Klagen taten die beiden Bundesrichter genau das, was Richter Korman in der Auseinandersetzung mit den Schweizer Banken vermieden hatte: Sie beurteilten die juristische Zulässigkeit der Fälle. Die anderen Sammelklagen waren dadurch zwar nicht direkt betroffen, der von ihnen ausgehende Druck nahm jedoch merklich ab. Es wurde weltweit zur Kenntnis genommen, dass US-Richter nicht unbedingt bereit waren, den Klagen in ihrer juristischen Logik zu folgen. Dementsprechend verschlechterte 16 „Gold, Jeffrey: Judges dismiss suits against Ford, German firms over Nazi-era conduct, The Associated Press“, 14. September 1999, LOC, Eizenstat-Papers, Folder: Weiss Documents relating to German slave and forced labor claims [I], Box 8; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 218; Spiliotis, Verantwortung und Rechtsfrieden, 71. 17 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 311. Auch Michael Bazyler widerspricht dieser Sichtweise und plädiert für die Legitimität einer juristischen Auseinandersetzung über diese Fragen. Siehe Bazyler, Nuremberg in America. 18 Tom Hayden, Ex-slave Laborers Deserve Far Better; Holocaust: Rich Firms Get Good Press with Token Payments, but What about the Victims?, in: The Los Angeles Times, 30. Dezember 1999, B 11. 19 Authers/Wolffe, Victims Fortune, 219. 20 Zit. n. ebd. 251; siehe auch Roger Cohen, Last Chapter: Berlin to Pay Slave Workers Held by Nazis, in: New York Times, 31. Mai 2001, A l.

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sich die Möglichkeit der Sammelklägeranwälte erheblich, exorbitant hohe Summen zu fordern, um die deutsche Seite unter Zugzwang zu setzen. Diese Entwicklung kam Israel Singer und dem WJC sowie der israelischen Regierung entgegen, befürchteten sie doch, dass die Sammelklägeranwälte das gute Verhältnis zu Deutschland beschädigen könnten. Die Verhandlungstaktik des WJC war hier diplomatischer als in der vorherigen Auseinandersetzung mit der Schweiz.21 Die jüdischen Organisationen konnten aufgrund der jahrzehntelangen Verhandlungen mit der Bundesrepublik bereits auf gewachsene Strukturen aufbauen und gingen auch von einer generellen Bereitschaft aus, materielle Entschädigungsleistungen zu zahlen. Die Abweisung der Sammelklagen schaffte der deutschen Industrie jedoch nur bedingt Erleichterung, denn die Anzeigenkampagnen gegen deutsche Unternehmen konnten ihr Image nach wie vor beträchtlich schädigen, so wie die Sanktionsdrohungen der Bundesstaaten unter Leitung von Alan Hevesi die Wirtschaft unter Druck setzten. Außerdem hatten zwei Senatoren eine Gesetzesvorlage in den Kongress eingebracht, der es NS-Opfern ermöglichen sollte, ihre Ansprüche auch vor US-Gerichten einzuklagen. Ferner standen große deutsche Unternehmen vor wichtigen Fusionen, so dass der US-Markt immer mehr an Bedeutung gewann. Daimler-Benz hatte im Mai 1998 Chrysler übernommen und die Deutsche Bank wollte mit Bankers Trust fusionieren. Negative Kampagnen fürchteten die Unternehmen daher fast mehr als eine Auseinandersetzung vor Gericht.22 Insofern war trotz des juristischen Rückschlages der Druck der verschiedenen US-Akteure auf die deutsche Seite nicht geringer geworden. Drei Monate später, im Dezember 1999, konnte Stuart Eizenstat eine Einigung vermitteln, die neben den US-Akteuren und der deutschen Regierung und Industrie auch osteuropäische Staaten, deren Staatsbürger in Deutschland während des Nationalsozialismus Zwangsarbeit geleistet hatten, einschloss. Damit wurden die Vorgaben der Clinton-Regierung eingehalten, vor dem Ende des Jahrhunderts eine materielle Lösung zu finden. Am 17.  Juli 2000 wurde im ehemaligen Hauptsitz der Reichsbank in Berlin das Abkommen unterzeichnet.23 In diesem Fall war es der US-Regierung gelungen, durch Eizenstat einen Kompromiss zu erzielen. Dies war angesichts des Scheiterns ihrer Bemühungen im Falle der Schweizer Auseinandersetzung von großer Bedeutung. Der Vertrag sah vor, dass alle Ansprüche gegen die deutsche Wirtschaft abgegolten wurden, nicht allein die Zwangsarbeit. Dieser umfassende Ansatz war seinem Charakter nach der Einigung mit den Schweizer Banken ähnlich. Die deutsche Regierung und die deutsche Industrie zahlten zu gleichen Teilen zehn Milliarden Mark. Die Unternehmen sahen diese Zahlung jedoch als eine 21 Vgl. Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 313f. 22 Authers/Wolffe, Victims Fortune, 223; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 265; Bazyler, Holocaust Justice, 78. 23 Kent, It’s Not About the Money, 211f.

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humanitäre Geste, die moralisch, nicht aber juristisch bindend sei. Es handele sich nicht um eine „Rechtsfrage“, sondern vielmehr um eine „politisch-moralische Dimension“.24 Damit sollte weiteren Klagen die Rechtsgrundlage entzogen werden. Ursprünglich war der staatliche Beitrag für Opfergruppen gedacht, die nicht in der Industrie beschäftigt waren. Aber die Entschädigung der Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft war auf deutscher Seite umstritten, wobei der dezidierte Zwangscharakter dieser Arbeit in Frage gestellt und auf die historische Kontinuität der Erntehelfer aus Osteuropa verwiesen wurde. Auch herrschte bis zuletzt Uneinigkeit über die Einbeziehung der Forderungen gegen die Versicherungen. Im Sinne des Globalansatzes setzte sich aber Deutschland durch und bestand auf einer Abdeckung aller offenen Forderungen. Ein Teil des Geldes sollte in einen „Zukunftsfonds“ fließen, der als Brücke in die Zukunft Projekte der Erinnerungskultur finanzieren sollte. Diese Konzeption deckte sich mit den Überlegungen der US-Regierung, das erinnerungspolitische Moment im Vergleich zu rein materiellen Fragen zu stärken.25 Die deutsche Seite wollte vor allem Rechtssicherheit. Damit sollte die deutsche Industrie in Zukunft vor Klagen in den USA in Bezug auf die nationalsozialistischen Verbrechen geschützt werden. Um dies so weit als möglich zu gewährleisten, gab die US-Regierung eine Erklärung, ein Statement of Interest heraus, in dem sie alle Ansprüche an die deutsche Industrie durch den ausgehandelten Fonds als abgedeckt betrachtete und es im außenpolitischen Interesse der USA sei, dass zukünftige Klagen von den Richtern auf diesen Fonds verwiesen werden.26 Diese Zusage war angesichts der ausgehandelten Summe nicht unumstritten. Die „Jerusalem Post“ sprach von einem Sieg der praktischen Erwägungen anstelle eines Sieges der Gerechtigkeit.27 Auch Tom Hayden, der im Senat von Kalifornien saß, attackierte die Clinton-Regierung: For 50 years, the Cold War interests of the American government, which defined Germany as a key anti-Soviet ally, took precedence. Even today, the NATO alliance, including Germany’s involvement in the ‚humanitarian‘ bombing of Yugoslavia earlier this year, is more strategic to State Department types than achieving full compensation for victims of slavery almost 60 years ago.28

Das Statement of Interest ist charakteristisch für den entschädigungspolitischen Kurs der Clinton-Regierung: Die von der Debatte um Holocaust-era 24 Siehe Spiliotis, Verantwortung und Rechtsfrieden, 54. 25 Siehe Fonds „Erinnerung und Zukunft“, in: http://www.stiftung-evz.de/fonds_erinnerung _und_zukunft/, 26. 07. 2007; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 276, 339. 26 „Annex B: Elements Of U.S. Government Statement Of Interest“, 11. Juli 2000, LOC, Eizenstat-Papers, Folder: Weiss Documents relating to German slave and forced labor claims [II], Box 8; siehe auch Lambsdorff, Negotiations on Compensation, 177. 27 „Practicality, Not Justice“, in: Jerusalem Post, 26. März 2000 (Editorial). 28 Tom Hayden, Ex-slave Laborers Deserve Far Better; Holocaust: Rich Firms Get Good Press with Token Payments, but What about the Victims?, in: The Los Angeles Times, 30. Dezember 1999, B 11.

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assets betroffenen Länder sollten zwar dazu bewegt werden, sich ihrer historischen Schuld zu stellen und die Opfer materiell zu entschädigen, die außenpolitischen Beziehungen sollten aber nicht nachhaltig belastet werden. Die Clinton-Regierung bestand nicht auf Maximalforderungen. Doch schon bald zeigte sich, wie schwer die legal closure, der Rechtsfrieden, durchzusetzen war. Die New Yorker Richterin Shirley Kram weigerte sich beispielsweise, die ihr vorliegenden Sammelklagen abzuweisen, da die deutschen Banken ihrer Meinung nach zu wenig finanzielle Mittel bereitgestellt hätten. Es handelte sich in dem Fall um einen außergerichtlichen Vergleich mit den beiden österreichischen Banken Bank Austria und Creditanstalt, in dem sich beide Banken zu einer Zahlung von vierzig Millionen Dollar bereit erklärten und die Ansprüche, die sie glaubten an deutsche Banken zu haben, an die Kläger abtraten, um diese Vergleichssumme zu erhöhen. Der WJC lehnte das Abkommen mit den österreichischen Banken ab und auch die deutschen Banken erkannten diese Ansprüche nicht an. Richterin Kram bestand jedoch auf die Zahlungen durch deutsche Banken. Dadurch konnte die legal closure, die für die deutsche Seite Voraussetzung für die erfolgreiche Abwicklung der Verhandlungen war, nicht festgestellt werden. Erst ein höheres US-Gericht forderte Richterin Kram auf, die Sammelklagen abzuweisen, damit die Stiftung verabschiedet werden könnte.29 Bei dieser Einigung war – im Gegensatz zur Schweiz – die deutsche Regierung stark beteiligt. Am Ende trug sie 75 Prozent zur Stiftungssumme von zehn Milliarden DM bei. Dies belegt die politische Relevanz, die die deutsche Regierung diesem Thema beimaß. Durch ihr frühzeitiges Eingreifen in die Verhandlungen vermied sie die Fehler der Schweizer Verhandlungsführung. Die finanzielle Belastung für die deutsche Wirtschaft war dabei vergleichsweise gering, dennoch gelang es ihr nicht, die Gelder zum vereinbarten Zeitpunkt vollständig einzutreiben. Ähnlich wie in der Auseinandersetzung mit den Schweizer Banken standen auch hier der Zugang zum lukrativen USMarkt und der Schutz vor zukünftigen Sammelklagen im Vordergrund: „Sie wollten die Sammelklagen so billig und so schnell wie möglich vom Tisch haben, um ungehinderten Zugang zum amerikanischen Markt zu bekommen, ohne dass die dunkle Wolke der NS-Geschichte über ihren Häuptern schwebte“, urteilt Eizenstat.30

29 „Update on Austrian Holocaust Litigation“, 15.  März 2001, LOC, Eizenstat-Papers, Paxton Box 28 Holocaust era assets, Folder II Austria/ Folder E. Randol Schoenberg; Bazyler, Holocaust Justice, 85, 87; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 462f.; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 324f. 30 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 274.

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Restitution und Entschädigung in Österreich Im Oktober 1998 reichten Edward Fagan und Robert Swift in New York die ersten Sammelklagen gegen österreichische Unternehmen aufgrund ihrer Nutzung von Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs ein. Weitere Sammelklagen wurden kurze Zeit später von Michael Hausfeld und Mel Weiss vorgelegt.31 Damit waren in Österreich die gleichen US-Akteure wie bei der Auseinandersetzung um Zwangsarbeit in Deutschland beteiligt. Eigentlich hatten sich die US-Regierung und die Claims-Conference 1959 bzw. 1961 gegenüber Österreich verpflichtet, auf weitere Restitutionsforderungen zu verzichten. Sie revidierten diese Zusage nun, was zeigt, dass die restitutionspolitischen Weichenstellungen in der Nachkriegszeit nun in einem anderen Licht gesehen wurden.32 Die Verhandlungen mit Österreich waren von zwei Besonderheiten geprägt: Die Nationalratswahlen im Oktober 1999 führten zu einer Koalition zwischen der ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ. Diese Koalition bewog die EU zu Sanktionen und dem Einfrieren der normalen diplomatischen Beziehungen. Die USA praktizierte eine Politik der „beschränkten Kontakte“. Israel zog sogar in einem öffentlichkeitswirksamen Schritt aus Protest seinen Botschafter ab und die Claims Conference weigerte sich, direkt mit Österreich zu verhandeln. Die zweite Besonderheit war das nahende Ende der Amtszeit von Präsident Clinton. Dies setzte Eizenstat und die Claims Conference unter großen Zeitdruck, war doch nicht klar, ob die kommende US-Regierung dem Thema Restitution die gleiche Aufmerksamkeit widmen würde.33 Kurz vor der ersten Sammelklage hatte die österreichische Regierung am 29. September 1998 eine historische Kommission ins Leben gerufen, die die Restitutions- und Entschädigungsanstrengungen, die von Österreich geleistet wurden, aufarbeiten sollte.34 Erst in den frühen neunziger Jahren hatte sich Österreich seiner Rolle während des Nationalsozialismus kritisch angenähert. Im Juli 1991 hatte der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky die Verstri31 „Holocaust-Opfer stellen Forderungen an Österreich“, in: Süddeutsche Zeitung, 17. September 1998. Zur Nachkriegsgeschichte Österreichs siehe Bischof, ‚Opfer‘ Österreich?; ders., Founding Myths; siehe auch Feldman u. a., Österreichische Banken. 32 Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 380. 33 Vgl. ebd. 359f., 368. 34 Dazu http://www.historikerkommission.gv.at/, 14. 07. 2007. Insgesamt hat die Kommission ihre Ergebnisse in 49 Bänden zusammengefasst und in der Reihe „Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NSZeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich“ im Oldenbourg Verlag veröffentlicht. Siehe auch Bailer-Galanda/Blimlinger, Vermögensentzug; Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten (Hg.), Österreichische Maßnahmen.

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ckung Österreichs in die NS-Verbrechen offiziell anerkannt. 1995 wurde dann ein Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus geschaffen.35 Ähnlich wie die Regierung der Bundesrepublik Deutschland war auch die österreichische Regierung, nachdem die Sammelklagen eingereicht wurden, an einer raschen Regelung der offenen Fragen interessiert, um Kampagnen zu vermeiden, die das Image der Schweiz so nachhaltig belastet hatten. In der Koalitionsvereinbarung zwischen der ÖVP und der FPÖ wurde dem Thema Entschädigung Priorität eingeräumt. Entschädigt werden sollten jedoch nicht nur Zwangsarbeiter, sondern auch österreichische Kriegsgefangene und aus Jugoslawien und der Tschechoslowakei vertriebene Deutsche.36 Damit versuchte die neue Regierung, über die Entschädigung gleichzeitig das Thema Schuld und Verantwortung neu zu definieren. Auf dem Gebiet der Zwangsarbeiterentschädigung konnten rasch Fortschritte erzielt werden, nachdem die österreichische Verhandlungsführerin Maria Schaumayer die Zahlung von 400 Millionen Dollar vorschlug. Am 24. Oktober 2000 wurde die Vereinbarung über die Zwangsarbeiterentschädigung unterzeichnet. Sie beinhaltete die Schaffung eines sogenannten Versöhnungsfonds, der sich in seiner Form und Struktur an der deutschen Stiftung orientierte und sogar mit den gleichen Partnerorganisationen arbeitete. Auch die österreichische Seite sah diese Zahlungen als freiwilligen Schritt, der nicht juristisch einklagbar war. Insgesamt ging man davon aus, dass ungefähr eine Million jüdische und nicht-jüdische Arbeiterinnen und Arbeiter in Österreich zur Arbeit gezwungen worden waren, von denen bei Vertragsabschluss noch ungefähr 150.000 lebten. Die Gruppe der Anspruchsberechtigten teilte sich in Arbeitssklaven und Zwangsarbeiter. Erstere sollten je 7.500 Dollar erhalten und Letztere zwischen 1.500 und 2.500 Dollar. Frauen, die in Konzentrationslagern abtreiben mussten oder deren Kind nach der Geburt weggenommen worden war, bekamen weitere 350 Dollar. Allein die ehemaligen Häftlinge der Konzentrationslager Dachau und Mauthausen wurden aus dem deutschen Fonds entschädigt.37 Schwieriger gestalteten sich die Verhandlungen über die Restitution von geraubten Vermögenswerten.38 Daher erklärten sich die Sammelklägeranwälte nur dann bereit, ihre Klagen in Bezug auf Zwangsarbeit zurückzuneh35 Klaus-Peter Schmid, Ende des Tabus. Auch Österreich will nun NS-Zwangsarbeiter entschädigen, in: Die Zeit, 07/2000, 35; siehe auch http://www.de.nationalfonds.org/, 14. 07. 2007. 36 Siehe http://www.versoehnungsfonds.at/db/admin/de/index_main.php?cbereich=2&cth ema=335&carticle=570&fromlist=1, 14. 07. 2007. 37 Siehe: http://www.versoehnungsfonds.at/, 14. 07. 2007. „Envisaged Austrian Measures of Restitution, Compensation and Social Welfare for Victims of National Socialism“, 20.  Dezember 2000, LOC, Eizenstat-Papers, Box 6 United States Department of the Treasury, 1999-2001, Pads 31-55; Bazyler, Holocaust Justice, 107; siehe auch Authers/ Wolffe, Victims Fortune, 299. 38 „Austria Ready To Deal On Holocaust Property Restitution Chancellor Tells Ambassa-

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men, wenn die Gespräche über geraubte Vermögenswerte Gestalt annahmen.39 Da viele der ehemaligen Vermögenswerte nicht mehr in natura restituiert werden konnten, plädierte Eizenstat für eine großzügige Entschädigung. Nach harten und unter massivem Zeitdruck geführten Verhandlungen versuchte er, ein Kompromisspaket zu schnüren, das über das sogenannte „kreative Rechnen“ auf eine Gesamtsumme von einer Milliarde Dollar kam. Am 17.  Januar 2001, wenige Tage vor dem Ende der Amtszeit Clintons, wurde schließlich eine Einigung erreicht. Österreich verpflichtete sich, die geraubten jüdischen Vermögenswerte zu restituieren sowie den österreichischen Überlebenden eine Rente zu zahlen. Etwa 20.000 jüdischen Überlebenden stand nun eine Zahlung von 7.000 Dollar zu. Die Restitution von Kunstgegenständen war von dieser Regelung ausgenommen.40 Ohne die vorangegangene Einigung mit Deutschland wäre das Abkommen mit Österreich vermutlich nicht zustande gekommen. Es war die Rede von einer „Holocaust fatigue“ kurz vor dem Ende der Amtszeit der ClintonRegierung. Allerdings wurden die vereinbarten Summen als zu niedrig kritisiert. Sechzig Prozent der ehemaligen Vermögenswerte der jüdischen Bevölkerung würden auch nach dieser Einigung nicht restituiert, so der Präsident der jüdischen Gemeinde in Österreich, Dr. Ariel Muzicant. Er weigerte sich folglich, das Abkommen in Washington für die jüdische Gemeinde zu unterzeichnen.41 Sammelklagen gegen französische Banken Wie in anderen europäischen Ländern setzte in Frankreich erst in den achtziger Jahren eine zögerliche Auseinandersetzung mit den Geschichtsbildern über die Zeit des Zweiten Weltkriegs ein. Fragen nach Kollaboration und Mitschuld bei der Verfolgung und systematischen Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung wurden lange durch den heroischen Diskurs über das widerständige Frankreich unter Charles de Gaulle verdrängt. Der Prozess gegen Klaus Barbie 1987 war in dieser Hinsicht ein Meilenstein, da seine Rolle als Chef dor“, 7. September 2000, LOC, Eizenstat-Papers, Box 6 United States Department of the Treasury, 1999-2001, Pads 31-55. 39 „Talking Points for 9/7 Conference Call with Plaintiffs’ Attorneys“, ohne Datum, LOC, Eizenstat-Papers, Box 6 United States Department of the Treasury, 1999-2001, Pads 3155. 40 Siehe http://www.de.nationalfonds.org/, 14. 07. 2007; „GOA Steps On Holocaust Property Agreement“, 22. März 2001, LOC, Eizenstat-Papers, Paxton Box 28 Holocaust era assets, Folder I Austria; Bazyler, Holocaust Justice, 108; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 314f. 41 Bazyler, Holocaust Justice, 108; siehe Brief von Ariel Muzicant, 2. Februar 2001, LOC, Eizenstat-Papers, Paxton Box 28 Holocaust-era assets, Folder II Austria/ Folder E. Randol Schoenberg.

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der Gestapo in Lyon zentrale Fragen der Kollaboration in Frankreich aufwarf.42 Präsident Jacques Chirac übernahm in einer historischen Rede am 16. Juli 1995 als erster französischer Staatspräsident Verantwortung für die Verbrechen des Vichy-Regimes und die Mitschuld an der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung.43 Damit begann in Frankreich eine Auseinandersetzung zwischen einer Generation von Politikern, die wie François Mitterand selbst unter Vichy ihre Karrieren begonnen und sich nie unmissverständlich von diesem Regime distanziert hatten, und einer jüngeren Generation, die selbst nie in Vichy verstrickt gewesen waren und nun kritisch das Verhalten ihrer Vorgänger thematisierten. Im Kontext dieser Debatte kündigte Ministerpräsident Alain Juppé im Januar 1997 die Einrichtung einer historischen Untersuchungskommission unter der Leitung des ehemaligen Widerstandskämpfers Jean Matteoli an. Die Matteoli-Kommission sollte eine detaillierte Rekonstruktion der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung unter dem Vichy-Regime vorlegen.44 Der explizite Fokus auf die jüdische Bevölkerung vernachlässigte dabei noch andere Verbrechen wie die Zwangsarbeit. Die stellvertretende Leitung der Kommission übernahm Adolphe Steg, ein französischer Überlebender des Holocaust. Matteoli und Steg informierten Eizenstat und die US-Regierung von ihrem Mandat und versicherten sich der Unterstützung der US-Regierung.45 Die Matteoli-Kommission legte im Dezember 1997 und im Februar 1999 zwei Zwischenberichte vor, am 17. April 2000 folgte der Abschlussbericht. Im Zuge der Schilderung der Rolle des Vichy-Regimes bei der Verfolgung und Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung wurden 64.000 Namen genannt, die zu 80.000 Bankkonten gehörten. Die französischen Datenschutzgesetze verboten jedoch eine Veröffentlichung dieser Namen. Deshalb schlug Matteoli die Gründung einer zweiten Kommission vor, die sich mit den individuellen Entschädigungsansprüchen einzelner Opfer befassen sollte. Am 10. September 1999 rief Premierminister Alain Juppé eine solche Kommission unter der Leitung von Pierre Drai ins Leben. Ebenso empfahl Matteoli die Einrichtung einer Holocaust-Stiftung, aus der Projekte mit Bezug zur Shoah finanziert werden sollten. Diese Stiftung wurde mit 2,5 Milliarden

42 Urselmann, Barbie-Prozess; siehe auch Lagrou, Victims of Genocide; Rousso, Vichy Syndrome; Altwegg, Der lange Schatten. 43 Jacqueline Hénard, Lauter letzte Worte. Das Papon-Verfahren hat gezeigt, wie schwer sich Frankreich mit der Verstrickung in den Holocaust tut, in: Die Zeit, 13/1998. 44 Zum Mandat der Kommission siehe U.S. House of Representatives, Committee on Banking and Financial Services: World War II Assets of Holocaust Victims. Statement of Prof. Adolphe Steg, Deputy Chairman, 14. September 1999, in: http://commdocs.house. gov/committees/bank/hba58653.000/hba58653_0f.htm, 17. 09. 2007. 45 Michael Kläsgen, Vergessene Akten. Auch Frankreich hatte seine Zwangsarbeiter, in: Die Zeit, 12/2001, 10; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 399.

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Franc ausgestattet, die von der Regierung, der französischen Zentralbank sowie den französischen Banken und Versicherungen kamen.46 Trotz dieser Initiativen Frankreichs wurde im Dezember 1997 eine Sammelklage gegen sechs französische Banken sowie die britische Barclays Bank, die während der Zeit der Besatzung Filialen in Frankreich betrieben hatte, eingereicht.47 In der Klage Bodner v. Banque Paribas vertrat ein New Yorker Anwaltsteam unter der Leitung von Roy Carlin und Kenneth McCallion sechzehn jüdische Holocaust-Überlebende, die alle US-Bürger waren, aber während der Besatzung entweder als Franzosen oder als Flüchtlinge in Frankreich gelebt hatten. Die Ansprüche wurden allein für jüdische Opfer, ihre Erben und Nachkommen geltend gemacht. Damit war der Prozess im Vergleich zu den Prozessen gegen die Schweizer Banken einfacher, die sämtliche Opfergruppen abdeckten und somit langwierige Konsultationen zur Folge hatten. Ein Jahr später folgte eine zweite Sammelklage des Teams um Carlin und McCallion im Namen von 18 Holocaust-Überlebenden, die jedoch keine US-Bürger waren. Daher beriefen sie sich, wie bereits im Falle der Schweizer Banken, auf den Alien Torts Claims Act.48 Unterstützt wurden sie von Michael Hausfeld und Melvyn Weiss, die bereits Erfahrung mit den Klagen auf diesem Gebiet hatten. Neben den sechs Banken aus der ersten Sammelklage wurden im Fall Benisti v. Banque Paribas auch die französische Nationalbank sowie die beiden US-Banken Chase Manhattan und J.P.  Morgan verklagt. Beide Sammelklagen wurden in Brooklyn eingereicht, wo bereits die Klagen gegen die Schweizer Banken verhandelt worden waren. Im März 1999 strengte das Anwaltsteam eine dritte Klage an, diesmal in Kalifornien, um die Abweisung vor US-Gerichten zu erschweren. Auch Michael Hausfeld hatte aus demselben Grund dort geklagt.49 Frankreich hatte die Matteoli-Kommission aus eigenem Antrieb und freiwillig auf der Höhe der Auseinandersetzung um die sogenannten Holocaustera assets eingesetzt. Deshalb hatte man dort wenig Verständnis für die USSammelklagen. Die französischen Banken verlangten eine Abweisung der Klagen und wiederholten im Wesentlichen die Verteidigungsstrategie, die vor ihnen bereits die Schweizer Banken und andere beklagte Unternehmen vorgebracht hatten. Sie verwiesen auf die Historikerkommission und wollten deren 46 Freedman/Weisberg, French Holocaust-Era Claims Process, 136; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 399f.; Bazyler, Holocaust Justice, 181; zur Drai-Kommission siehe „Commission for the Indemnization of Victims of Spoliation Resulting from AntiSemitic Legislation in Force during the Occupation (Drai Commission)“, ohne Datum, LOC, Eizenstat-Papers, Box 6 United States Department of the Treasury, 1999-2001, Pads 31-55. 47 Die französischen Banken waren: Banque Paribas, Crédit Lyonnais, Société Générale, Crédit Commercial de France, Crédit Agricole Indosuez und Natexis. 48 Siehe hierzu das Kapitel 4.6. „Juristischer Druck auf die Schweiz: Sammelklageanwälte und die plaintiff’s diplomacy“. 49 Bazyler, Holocaust Justice, 176-178.

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Ergebnisse abwarten.50 Während die Banken erklärten, sie hätten damals nach geltendem Recht gehandelt und wären zu den Enteignungen gezwungen worden, hielten die Klägeranwälte ihnen vor, sie wären willige Vollstrecker der antisemitischen Politik gewesen und hätten damit großartig verdient.51 Auch die französische Regierung wandte sich gegen die Klagen und intervenierte vor Gericht, um die Forderung nach einer Abweisung der Klagen zu unterstützen. Neben der französischen Regierung und den Banken wehrte sich auch die jüdische Gemeinde Frankreichs gegen eine Einmischung aus den USA. Die jüdische Gemeinde Frankreichs, die drittgrößte der Welt nach Israel und den USA, befürchtete, dass der Meinungswandel, der mit der Matteoli-Kommission von der französischen Regierung initiiert wurde, durch den Druck aus den USA gebremst werden könnte. Außerdem betrachtete sie die ungeklärten Fragen als ihre eigenen Probleme, die keiner Intervention des WJC bedürften. Elan Steinberg sah dies aufgrund der großen Anzahl der Betroffenen jedoch sehr wohl als ein Problem der international agierenden jüdischen Organisationen. Wie bei den Auseinandersetzungen um die property claims in Osteuropa entstanden also auch in Westeuropa erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den lokalen jüdischen Gemeinden und dem WJC.52 In den USA wurden die Sammelklageanwälte in ihrem Bestreben, die französischen Banken zur Rechenschaft zu ziehen, politisch unterstützt. So hielt Jim Leach als Vorsitzender des Banking and Financial Services Committee des Kongresses eine Anhörung zum Thema französischer Banken ab, nachdem Alfonse D’Amato nach seiner gescheiterten Wiederwahl dieses Amt nicht länger ausführen konnte.53 Auch Alan Hevesi setzte das Thema in einer Sitzung des Executive Monitoring Committee im September 1999 auf die Tagesordnung. Außerdem wandte er sich direkt an den zuständigen Richter und machte sich für eine Zulassung der Klagen vor US-Gerichten stark. Eine weitere wichtige Rolle spielte, dass die Société Générale und die Banque Paribas

50 Marilyn August, France asks US court to dismiss Holocaust-related suits. Claims they hamper restitution efforts, in: Jerusalem Post, 2. April 1999, 5 A. 51 Siehe U.S. House of Representatives, Committee on Banking and Financial Services: World War II Assets of Holocaust Victims. Statement by Professor Richard Weisberg, 14.  September 1999, in: http://commdocs.house.gov/committees/bank/hba58653.000/ hba58653_0f.htm, 17. 09. 2007. 52 Anne Swardson, French Jews and Banks Fight Holocaust Lawsuits, in: The Washington Post, 14. September 1999, A 26; Bazyler, Holocaust Justice, 183; siehe auch U.S. House of Representatives, Committee on Banking and Financial Services: World War II Assets of Holocaust Victims. Statement by Elan Steinberg, Executive Director of the WJC, 14.  September 1999, in: http://commdocs.house.gov/committees/bank/hba58653.000/ hba58653_0f.htm, 17. 09. 2007; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 148, 160. 53 Siehe U.S. House of Representatives, Committee on Banking and Financial Services: World War II Assets of Holocaust Victims. 14. September 1999, in: http://commdocs. house.gov/committees/bank/hba58653.000/hba58653_0f.htm, 17. 09. 2007

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auf die Erlaubnis zur Fusion in den USA warteten.54 Damit waren sie in der gleichen Lage wie bereits die Schweizer Banken und die Deutsche Bank, die ebenfalls auf die Genehmigung ihrer Fusionen auf dem US-Markt angewiesen waren. Die britische Barclays Bank entschied im Juli 1999, eine außergerichtliche Einigung mit den Klägern zu suchen. Nach internen Untersuchungen ihrer Unterlagen aus der Vichy-Zeit kam sie zu dem Ergebnis, dass sie während des Krieges lediglich 343 jüdische Bankkunden in Frankreich gehabt hatte, wovon 95 Prozent den Holocaust überlebt hatten und in der Nachkriegszeit ihre angelegten Gelder zurückbekommen hatten. Barclays verständigte sich mit den Klägern auf die Zahlung von 3,6 Millionen Dollar. Nachdem im August 1998 eine finanzielle Einigung mit den Schweizer Banken erreicht worden war, stellte das Abkommen mit Barclays den zweiten großen Erfolg für die Sammelklägeranwälte dar. Dies sollte sich im Hinblick auf die nächste große Entscheidung als wichtig erweisen: Denn im September 1999, also wenige Monate später, wurden mehrere Sammelklagen gegen deutsche Firmen von US-Richtern abgelehnt. Auch die amerikanische Bank J.P. Morgan fasste nun eine außergerichtliche Schlichtung ins Auge. Sie einigte sich mit den Klägeranwälten im September 2000 auf eine Zahlung von 2,75 Millionen Dollar.55 Am 31. August 2000 fällte Richter Sterling Johnson eine Grundsatzentscheidung. Er erklärte die Sammelklagen gegen französische Banken für legitim.56 Diese Entscheidung war eine wichtige Zäsur in der Auseinandersetzung, ob Klagen gegen europäische Unternehmen aufgrund von Holocaustera assets vor US-Gerichten juristisch Bestand hatten oder nicht. Richter Korman hatte diese Frage für die Schweizer Banken offen gelassen – dies zwang beide Seiten zu einer Verständigung außerhalb der Gerichte. Im Fall der deutschen Zwangsarbeiterentschädigung hatten die US-Gerichte sich jedoch gegen Sammelklagen in den USA ausgesprochen. Mit der Entscheidung, die Klagen gegen französische Banken in den USA zuzulassen, war die juristische Legitimierung des Holocaust litigation movement wieder hergestellt. Keine Klage in Bezug auf Holocaust Vermögenswerte ist juristisch jemals weiter vorgedrungen als diese gegen die französischen Banken. Die Entscheidung war für die französischen Banken eine herbe Niederlage. Denn Johnson verschaffte den Klägeranwälten das Recht, uneingeschränkte Akteneinsicht zu nehmen und brachte die Banken, die eine Offenlegung ihrer Unterlagen unbedingt vermeiden wollten, in Zugzwang. Unter der 54 Authers/Wolffe, Victims Fortune, 162; Bazyler, Holocaust Justice, 182, 184. 55 Bazyler, Holocaust Justice, 185f. 56 „French Bank Case“, 19. September 1999, LOC, Eizenstat-Papers, Box 6 United States Department of the Treasury, 1999-2001, Pads 31-55; Marilyn Henry, Brooklyn judge upholds Holocaust victims’ lawsuit vs. French banks, in: Jerusalem Post, 10. September 2000, 4; siehe auch Freedman/Weisberg, The French Holocaust-Era Claims Process, 137.

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Leitung Stuart Eizenstats sollte nun eine außergerichtliche Einigung mit den Klägeranwälten gefunden werden. Da die Amtszeit Präsident Clintons jedoch nur noch wenige Wochen dauerte, standen diese Verhandlungen unter dem gleichen Zeit- und Erfolgsdruck wie die mit Österreich. Die französischen Banken wollten ähnlich dem Abkommen mit Deutschland die Zusage, dass sie keine weiteren Klagen vor US-Gerichten zu befürchten hätten. Der Rechtsfrieden war also auch in diesem Fall von zentraler Bedeutung. Nach harten Verhandlungen einigten sich die Banken mit den Klägeranwälten am 18. Januar 2001, 48 Stunden bevor George W. Bush Jr. das Amt des Präsidenten antrat. Die französischen Banken mussten den jüdischen Opfern bzw. deren Nachkommen alle geraubten Bankkonten zurückerstatten. Hierfür galten „relaxed standards of proof“, um der spezifischen Situation der Verfolgung und der daraus resultierenden lückenhaften Dokumentierung gerecht zu werden. Damit sollte jener bürokratische Abwehrmechanismus umgangen werden, der es den Schweizer Banken über Jahrzehnte möglich gemacht hatte, Auszahlungen aufgrund von fehlenden Totenscheinen der Holocaust-Opfer zu verweigern. Die Abwicklung der Restitutionszahlungen lief über die von Präsident Jospin eingesetzte Drai-Kommission. Sie erhielt die Liste der Konten, die nach internen Untersuchungen der französischen Banken während des Zweiten Weltkriegs Jüdinnen und Juden gehörten. Im Gegensatz zum Schweizer Abkommen wurde die Liste mit ehemaligen Kontoinhabern niemals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch wurde nie von dritter Seite überprüft – wie im Schweizer Fall vom Volcker-Komitee – ob die Liste vollständig war. Außerdem war es nicht möglich, dass Namen spontan entdeckt wurden, wie es beispielsweise Außenministerin Albright oder auch der amerikanischen Botschafterin Kunin passiert war. Auf der anderen Seite war die von den französischen Banken zu leistende Entschädigungssumme nach oben hin nicht gedeckelt. Die Banken rechneten mit Gesamtausgaben von fünfzig Millionen Dollar. Im Gegensatz zu anderen Verfahren wurde der damalige Wert jedoch lediglich mit 1,8 multipliziert.57 Dies verringerte die Gesamtkosten für die französischen Banken. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass der ausbezahlte Betrag pro Berechtigtem 1.500 Dollar nicht unterschreiten sollte, auch wenn die Ansprüche formal darunter lagen. Weitere 22,5 Millionen Dollar stellten die französischen Banken für die sogenannten „soft claims“ bereit, all jene Ansprüche, die nicht hundertprozentig nachgewiesen werden konnten, bei denen man aber von ihrer Richtigkeit ausgehen konnte. Dazu wurde eine eidesstattliche Erklärung über den materiellen Verlust sowie der Nachweis eines Wohnsitzes in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs verlangt. Diese Anspruchsberechtigten bekamen je 1.500 Dollar und in einer zweiten Runde unter Umständen noch einmal so viel. Letztlich wurde auch die Einrichtung 57 Zum Vergleich: Geraubte Versicherungspolicen wurden 7,5 mal mit dem damaligen Wert entschädigt.

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einer Stiftung vereinbart, die sich mit Fragen der pädagogischen Vermittlung des Holocaust, Menschenrechtsprojekten und Erinnerungsfragen auseinandersetzen sollte. Die Banken gaben hundert Millionen Dollar zur Finanzierung dieser Stiftung.58 Die Suche nach Versicherungspolicen In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Versicherungspolicen ein beliebtes Mittel, speziell einfacher Leute, um Geld anzusparen. Dabei war es Versicherungsnehmern aus Osteuropa oftmals möglich, sich die Versicherungssumme optional in Dollar bzw. Gold auszahlen zu lassen, um die Schwankungen der osteuropäischen Währungen zu vermeiden. Der italienische Versicherungskonzern Assicurazioni Generali war in Osteuropa besonders engagiert. Die Schätzungen, wie viele Versicherungspolicen von jüdischen Familien vor dem Zweiten Weltkrieg gekauft worden waren, gehen weit auseinander: Nach heutigem Wert bewegt sich die Gesamtsumme zwischen zwei und zehn Milliarden Dollar.59 Die Nationalsozialisten plünderten auch systematisch die Versicherungspolicen der jüdischen Bevölkerung. Nach den Pogromen vom 9. November 1938 wurden die Versicherungen angewiesen, Schadenssummen nicht an die jüdischen Versicherten auszubezahlen, sondern an den deutschen Staat zu überweisen. Diese Praxis wurde später auf Versicherungspolicen verschiedenster Art ausgedehnt, wobei die Versicherungskonzerne üppige Prämien einbehalten konnten. Nach der Auszahlung galt die Police als aufgelöst. Während des Zweiten Weltkriegs konfiszierten die Deutschen in den besetzten Ländern Versicherungspolicen und übertrugen sie deutschen Versicherungsunternehmen, die somit enorm von der nationalsozialistischen Expansionspolitik profitierten.60 Bei Entschädigungsforderungen in der Nachkriegszeit verwiesen die deutschen Versicherungskonzerne auf die westdeutsche Restitutionsgesetzgebung. Sie gingen davon aus, dass alle Ansprüche damit erledigt wären. Die Versicherungsunternehmen sahen deshalb wie die Banken in den neunziger Jahren keinen Handlungsbedarf. In Hinblick auf Versicherungspolicen in Osteuropa vertraten die Versicherungsunternehmen den Standpunkt, dass aufgrund der Verstaatlichung ihrer Unternehmen nach 1945 die Nachfolgestaaten 58 Authers/Wolffe, Victims Fortune, 170f., 181; Bazyler, Holocaust Justice, 192-198; Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 418-423. 59 Senn, Deborah (Washington State Insurance Commissioner), A Status Report on Holocaust-Era Insurance Claims, December 2000, in: http://www.insurance.wa.gov/consumers /documents/Final_Report_12_00-full.pdf, 18. 10. 2007, 2; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 109. 60 Feldman, Allianz, 190ff.; Bazyler, Holocaust Justice, 118.

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der sozialistischen Regime für offene Policen aufzukommen hätten. Wie in vielen anderen Bereichen war auch die Entschädigung geraubter Versicherungspolicen in der Nachkriegszeit äußerst defizitär verlaufen.61 Am 30. März 1997 reichten Edward Fagan und Robert Swift die Sammelklage Marta Cornell v. Assicurazioni Generali in New York ein. 15 weitere Versicherungskonzerne waren in die Klage einbezogen. Damit erreichte die juristische Auseinandersetzung um Holocaust-Vermögenswerte auch die Versicherungsbranche. Der Vorwurf lautete, die Versicherung hätte HolocaustOpfern bzw. den Erben ihre Policen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht ausbezahlt. Die Kläger forderten von jeder beklagten Versicherung eine Milliarde Dollar. Ende 1998 folgten auch Michael Hausfeld und Mel Weiss mit einer Sammelklage gegen Versicherungen. Insgesamt waren nun 25 Versicherungskonzerne von jüdischen Holocaust-Überlebenden angeklagt. Auch diese beiden Klagen wurden zusammengefasst. Die Versicherungen beantragten natürlich die Ablehnung der Sammelklagen. Ähnlich wie im Fall der Schweizer Banken weigerte sich aber der zuständige Richter Michael Mukasey, den Antrag auf Abweisung zu entscheiden. Die Parteien mussten somit erst einmal außerhalb des Gerichts nach Lösungen suchen. Da es aber nicht zu Fortschritten kam, geriet die Auseinandersetzung um Versicherungspolicen in eine Sackgasse.62 Vor diesem Hintergrund entschloss sich die Familie Stern in Kalifornien im Februar 1998 selbst gegen Generali zu klagen. Damit verfolgte sie eine völlig andere Strategie als die Sammelklägeranwälte. Hier klagte ein einziger Kläger gegen ein einziges Unternehmen, und das vor einem kalifornischen Bundesstaatengericht. Politiker in Kalifornien wurden mobilisiert, um die Klage zu unterstützen. Dieser Ansatz war erfolgreich. Beauftragte für Versicherungsfragen weiterer Bundesstaaten, unter ihnen Deborah Senn aus dem Bundesstaat Washington, machten ihren politischen Einfluss geltend, um Druck auf die europäischen Versicherer auszuüben. Anhörungen wurden abgehalten, um die Rolle der Versicherungskonzerne zu klären, und verschiedene Gesetze wurden erlassen, um den Holocaust-Opfern und ihren Nachkommen Gerichtsklagen gegen Versicherungen in Kalifornien zu erleichtern. So wurde im Mai 1998 der Holocaust Victim Insurance Act verabschiedet, der das Recht auf Klagen gegen Versicherungskonzerne in Bezug auf HolocaustVermögenswerte in Kalifornien ausweitete. Ein knappes halbes Jahr später folgte der California Holocaust Victim Insurance Relief Act, der allen Versicherungskonzernen in Kalifornien vorschrieb, eine vollständige Liste mit allen Policen vorzulegen, die sie zwischen 1920 und 1945 in Europa ausgegeben hatten. Damit sollte ein Namensregister erstellt werden, mit dessen Hilfe Anspruchsberechtigte leichter nach Versicherungspolicen suchen konnten. 61 Bazyler, Holocaust Justice, 117, 120; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 112. 62 Kill/Gerstel, Holocaust-Era Insurance Claims, 239f.

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Ähnliche Gesetze erließen auch die Bundesstaaten New York, Washington, Florida und Minnesota. Die Versicherungsunternehmen klagten jedoch gegen diese Gesetze. Mit Unterstützung der American Insurance Association entspannte sich daraufhin ein langwieriger Rechtsstreit vor amerikanischen Gerichten, so dass die Versicherungen während der Auseinandersetzung um Holocaust-Versicherungspolicen dieses Namensregister nie erstellen mussten.63 Weitere Individualklagen wurden daraufhin auf dieser Basis gegen Generali eingereicht. In dem Präzedenzfall Stern v. Assicurazioni Generali hatte Generali zwar die Existenz der Versicherungspolice gegenüber den Klägern zugegeben, hatte aber trotzdem die Abweisung der Klage beantragt, da Kalifornien aufgrund der geringen Geschäftsaktivitäten Generalis nicht der geeignete Gerichtsstand sei. Vielmehr solle der Prozess in Prag stattfinden. Im Mai 1998 trat jedoch der Holocaust Victim Insurance Act in Kraft, der HolocaustOpfern und ihren Nachkommen das Recht gab, Versicherungskonzerne in Kalifornien zu verklagen. „California has an overwhelming public policy interest in assuring that its residents and citizens who are claiming entitlement to proceeds under policies issued to Holocaust victims are treated reasonably and fairly and that those specific contractual obligations are honored“, so der Gesetzestext.64 Damit wurde die Strategie von Generali ausgehebelt. Auch die zuständige Richterin Florence-Marie Cooper bestätigte die Rechtmäßigkeit des Gesetzes, gleichzeitig erklärte sie, dass sie den Fall auch ohne dieses Gesetz nicht abgewiesen hätte.65 Im November 1999 führte der Druck auf Generali zu einer Einigung. Obwohl die vereinbarte Summe streng geheim bleiben sollte, wurde die Zahl von 1,25 Millionen Dollar an die Presse lanciert. Dies lag zwar deutlich unter den ursprünglich verlangten zehn Millionen Dollar für die Versicherungssumme und 125 Millionen Dollar als Schadenersatzverpflichtung. Nichtsdestotrotz war es die größte Summe, die in einer Versicherungsklage im Bereich der Holocaust Vermögenswerte erstritten wurde.66 Im Februar 2000 wurden weitere Klagen außergerichtlich geklärt. Die Strategie der Individualklagen in Kalifornien schien zu funktionieren, während die Sammelklagen in New York scheiterten: In den kommenden Monaten wies Richter Mukasey in New York die meisten der dort vorliegenden Versicherungsklagen ab, da ihr Bezug zu New York nicht ausreichend begründet war. Von den eingereichten Klagen gegen 25 europäische Versicherungen wurden 23 abgelehnt. Nur die Klagen gegen Generali und Zurich blieben bestehen. Damit entschied Mukasey grundsätzlich anders als die Richterin in 63 Alan Abrahamson, Searching for Justice, in: Los Angeles Times Magazine, June 20, 1999, 20; Röttger, Holocaust Victim Insurance Relief Act. 64 Zit. n. Bazyler, Holocaust Justice, 360. 65 Ebd. 125f. 66 „Holocaust Insurance Settlement Reported“, in: New York Times, 25. November 1999, A 4.

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Kalifornien. Zudem urteilte der Oberste Gerichtshof der USA am 23.  Juni 2003, dass der Holocaust Victim Insurance Act nicht verfassungskonform sei, denn das Gesetz würde zu stark in die außenpolitischen Belange der Regierung eingreifen. Damit wurde zwar klargestellt, wie weit sich die Bundesstaaten in außenpolitischen Belangen engagieren dürfen. Es nahm den HolocaustOpfern aber auch eines ihrer wirksamsten Mittel, um Versicherungsunternehmen unter Druck zu setzen.67 Den Versicherungen war es gelungen, gegen die Sammelklagen in den USA vorzugehen und die Offenlegung von Versicherungspolicen abzuwehren. Dennoch bewegten sich aufgrund des politischen und öffentlichen Drucks, insbesondere durch die Arbeitsgruppe der National Association of Insurance Commissioners unter der Leitung von Deborah Senn, einige Versicherungsunternehmen auf die Kläger zu und stimmten einem außergerichtlichen Vermittlungsprozess zu. Sie hofften, dass eine internationale Kommission nach dem Vorbild des Volcker-Komitees den Streitfall kostengünstiger und mit weniger Rufschädigung lösen könnte als langwierige Gerichtsprozesse. Da auch der WJC und die Aufsichtsbeamten des Versicherungswesens der Bundesstaaten Kalifornien, New York und Florida eine außergerichtliche Einigung unterstützten, wurde im Oktober 1998 die sogenannte International Commission on Holocaust Era Insurance Claims (ICHEIC) unter Vorsitz des ehemaligen amerikanischen Außenministers Lawrence Eagleburger gegründet.68 In dieser Kommission waren die nationale Vereinigung der amerikanischen Versicherungskommissare, einige europäische Versicherungsunternehmen, verschiedene jüdische Organisationen, der Staat Israel, sowie die europäischen Versicherungsaufsichtsbehörden vertreten. Die Vielfalt der Organisationen und die Auflage, einvernehmliche Entscheidungen zu fällen, brachte sie mehrmals an den Rand der Auflösung und führte nur langsam zu Entscheidungen. Die Versicherungsunternehmen waren durch ihre Teilnahme an der ICHEIC nicht mehr der direkten Bedrohung durch Klagen oder Boykottmaßnahmen ausgesetzt. Da sich jedoch nicht alle betroffenen Versicherungsunternehmen an dieser internationalen Kommission beteiligten, kam es nie zu der umfassenden Aufklärung, die mit der ICHEIC erreicht werden sollte.69 Im Februar 2000 erklärte die Kommission, nun so weit zu sein Versicherungspolicen aufzuspüren und deren Besitzer bzw. Erben zu entschädigen. Dafür wurde ein Zeitraum von zwei Jahren veranschlagt. Obwohl die Antragsstellung erleichtert und eine zügige Bearbeitung in Aussicht gestellt wurde, kam man nicht schneller vorwärts. Im Gegenteil, die Versicherungsunterneh67 Kill/Gerstel, Holocaust-Era Insurance Claims, 245f. 68 Senn, A Status Report on Holocaust-Era Insurance Claims, 2; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 254; Spiliotis, Verantwortung und Rechtsfrieden, 52f. 69 Avi Machlis/John Authers, Jewish Groups Warn of Holocaust Deal Crisis, in: Financial Times, 23. April 1999, 3. Siehe auch das Memorandum of Understanding, auf das ICHEIC beruhte: http://www.icheic.org/pdf/ICHEIC_MOU.PDF, 17. 07. 2007.

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men entschieden selber über die Legitimität der Ansprüche und lehnten in den darauffolgenden Monaten drei von vier Anträgen ab.70 Die Versicherungsunternehmen weigerten sich nach wie vor, eine komplette Namensliste mit möglichen Anspruchsberechtigten zu veröffentlichen, was für die potentiell Anspruchsberechtigten ein großes Problem war.71 „It serves the purposes of the insurers to resist publication of names which would inevitably expand the number of claimants. In short, if you suppress the names, you suppress the claims“, so Deborah Senn.72 Die abweisende Haltung der Konzerne erinnerte an das Vorgehen in der Nachkriegszeit, hatte nun aber eine besondere Brisanz: Die Ablehnungen wurden mit Wissen der ICHEIC versandt. Damit standen die Glaubwürdigkeit dieser Kommission und ihres Vorsitzenden Eagleburger sowie die in ihnen repräsentierten (Opfer-)Verbände auf dem Spiel. Hinzu kam, dass die ICHEIC im Mai 2001 wegen ihres Budgets in die Kritik geriet. Während sie lediglich drei Millionen Dollar an Versicherungspolicen ausbezahlt hatte, beliefen sich ihre Gesamtausgaben auf dreißig Millionen Dollar. Allein Eagleburger erhielt eine jährliche Vergütung in Höhe von 350.000 Dollar.73 Die langsame Auszahlung der Entschädigungsgelder und die hohen Verwaltungskosten der Kommission, riefen nicht nur in der Öffentlichkeit Kritik hervor.74 Mehrere Kongressabgeordnete schickten einen Brief an den Vorsitzenden, in dem sie diese Entwicklung missbilligten.75 Im November 2001 hielt das House Government Reform Committee eine Anhörung zu ICHEIC ab und setzte Eagleburger unter Druck.76 Doch trotz dieser Intervention des Kongresses verbesserte sich die Arbeit nicht substantiell. Nach einem sehr kritischen Leitartikel im Januar 2002 in der „Financial Times“ trat Eagleburger zurück. Aber schon am nächsten Tag war er bereit seine Stellung wieder einzunehmen, nicht ohne seine Position zu stärken und seine Befugnisse auszubauen. Dies führte unter anderem zu einer Verlängerung der Antragsfristen 70 Henry Weinstein, Insurers Reject Most Claims in Holocaust Cases, in: Los Angeles Times, 9. Mai 2000, A l. 71 Elli Wohlgelernter, Kleiner Calls for Release of Holocaust Insurance Holders Names, in: Jerusalem Post, 23. Juni 1999, 5. 72 Senn, A Status Report on Holocaust-Era Insurance Claims, 8. 73 Henry Weinstein, Spending by Holocaust Claims Panel Criticized, in: Los Angeles Times, 17. Mai 2001, 1; Michael Maiello/Robert Lenzer, The Last Victims: As the Jews Fled the Holocaust, European Insurers Pocketed Their Premiums, in: Forbes, 14. Mai 2001; siehe auch Bazyler, Holocaust Justice, 139-143; Authers/Wolffe, Victims Fortune, 256. 74 Siehe auch Senn, A Status Report on Holocaust-Era Insurance Claims, 1. 75 Brief Kongressabgeordneter an den ICHEIC-Vorsitzenden Eagleburger, 29. September 2000, LOC, Eizenstat-Papers, Melvyn Weiss Documents – Swiss Banks, German slave and forced labor cases, Box 8. 76 Siehe Committee on Oversight and Government Reform: Hearing on Holocaust-Era Insurance Restitution, November 2001, in: http://oversight.house.gov/investigations. asp?ID=237, 17. 07. 2007.

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um zwei Jahre und die Evaluation durch externe Prüfer unter der Leitung von Lord Archer of Sandwell.77 Im Mai 2002 wurden die Resultate vorgestellt. Sie kamen wie die bisherigen Kritiker zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsabläufe unter systematischen Fehlern litten.78 Im Dezember 2006 lief die Antragsfrist aus, die Kommission beendete im März 2007 ihre Arbeit. Bis dahin waren mehr als 90.000 Ansprüche geklärt worden. Die Kommission hatte über 48.000 Holocaust-Überlebenden und ihren Erben insgesamt 306 Millionen Dollar ausbezahlt. Weitere 169 Millionen Dollar wurden an humanitäre Projekte gezahlt, die Holocaust-Opfer unterstützten.79 Nichtsdestotrotz wurden diese Summen als viel zu gering eingeschätzt. Bereits kurz nach der offiziellen Auflösung der Kommission reichten Ileana Ros-Lehtinen und Robert Wexler im Kongress den Holocaust Insurance Accountability Act ein, der sowohl von Demokraten wie auch Republikanern unterstützt wurde. Dieses Gesetz gab Holocaust-Überlebenden erneut die Möglichkeit, gegen Versicherungskonzerne gerichtlich vorzugehen. Außerdem sollten die Versicherungen dazu gedrängt werden, eine vollständige Liste der Policenbesitzer zu veröffentlichen, um die Suche nach Anspruchsberechtigten zu erleichtern. Da der Gesetzesvorschlag jedoch nicht mit den bereits bestehenden Abkommen zu vereinbaren war, war er im Kongress nicht unumstritten. Die Initiative belegt jedoch, dass besonders im Bereich der Entschädigung der Versicherungspolicen die in den neunziger Jahren getroffenen Regelungen in breiten Kreisen als äußerst mangelhaft wahrgenommen wurden.80 Die oben beschriebenen Restitutionsauseinandersetzungen zeigen deutlich, wie sehr die Schweizer Debatte um Raubgold eine Art Initialzündung war. Dabei dehnte sich die Thematik geographisch wie inhaltlich immer weiter aus, und immer mehr Länder wurden in den Strudel der Debatte hineingezogen. Die Bandbreite der ungeklärten Forderungen macht das Ausmaß des unfinished business deutlich. Im Umgang mit den Forderungen lassen sich keine einheitlichen Muster ausmachen. Mit der Schweizer Debatte hatten sich die US-Akteure bereits positioniert und wurden nun auch bei allen weiteren strittigen Fragen aktiv. Dabei ist charakteristisch, dass sich die betroffenen Länder einer unbürokratischen und schnellen Lösung verschlossen. Es folgten langwierige und zähe Verhandlungen, bei denen die Sammelklagen immer 77 „Time to Settle“, in: Financial Times, 25. Januar 2002, 12 (Leitartikel); Henry Weinstein, Holocaust Insurance Claim Deadline Gets Pushed Back, in: Los Angeles Times, 27. Januar 2002, A 16. 78 John Authers/Richard Wolffe, A Web of Disgust, in: Financial Times, 21. Juni 2002, 1; siehe auch Nathaniel Popper, Agency Slow To Handle Holocaust Claims, in: Forward, 10. Dezember 2004. 79 Vgl. http://www.icheic.org/about.html, 24. 06. 2007. 80 Jennifer Siegel, Bill To Aid Survivors Could Undermine Settlements, in: Forward, 4. Mai 2007.

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eine wichtige Rolle spielten. Deren Erfolgschancen blieben aber weiterhin unklar: Hatte Richter Korman es im Konflikt mit der Schweiz unterlassen, über die Zuständigkeit der Gerichte überhaupt zu entscheiden, so wurden die Klagen gegen deutsche Unternehmen deswegen abgewiesen und die Sammelklägeranwälte erlitten eine große juristische Schlappe. Die beharrlich betriebene Strategie der Medienkampagnen gegen die Unternehmen hatte dagegen in der globalisierten und vernetzten Wirtschaftswelt starken Einfluss auf die Bereitschaft zum Kompromiss. Im Falle der Auseinandersetzung gegen französische Banken passierte dann genau das Gegenteil: Die Klagen wurden als legitim erklärt und vom Gericht angenommen. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen setzten einige Länder – wenn auch nicht alle – historische Untersuchungskommissionen ein. Durch die Anklagen sowie durch die Ergebnisse der Kommissionen wurden nationale Mythen erschüttert und ihre Krise verstärkt. Zahlungen, die von den betroffenen Ländern oder den Unternehmen geleistet wurden, waren generell knapp bemessen, so dass der als Grundlage für eine Lösung vereinbarte Rechtsfrieden und die damit verbundene Deckelung der Zahlungen schon bald wieder in Frage gestellt wurde. Die fehlende Bereitschaft zum großzügigen materiellen Ausgleich stand dabei einem wachsenden Diskurs gegenüber, der die Bedeutung der Lehren aus dem Holocaust in den Vordergrund stellte. Die Knappheit der finanziellen Mittel führte zu einer Konkurrenz der Opfer untereinander. Meist wurden die Gelder in Fonds eingezahlt, wobei ein Teil dieser Gelder an Projekte gebunden war, die nicht in die Entschädigung floss, sondern in pädagogische und zukunftsweisende Projekte investiert werden sollte. Um die Jahrhundertwende fanden die materiellen Verhandlungen ihren Abschluss. Damit war das Zeitfenster der Clinton-Regierung eingehalten. Den weiteren Auseinandersetzungen fehlte dann die resolute Unterstützung, die sie von der Bush-Administration nicht mehr erwarten konnte.

6. Die USA und ihre eigenen Defizite: . Die Korrektur des restitutionspolitischen Paradigmas der Nachkriegszeit Die Clinton-Regierung trieb in den neunziger Jahren eine historische Neubewertung der Restitutionspolitik der Nachkriegszeit aktiv voran. Sie unterstützte die Forderung der jüdischen Organisationen nach Restitution, speziell des World Jewish Congress, kompromisslos. Sowohl in Osteuropa als auch seit der Ausweitung der Auseinandersetzung auf Westeuropa spielte der Rückhalt durch die Regierung und weitere Akteure in den USA eine zentrale Rolle. Im Kontext der Schweizer Debatte hatte sich der Eizenstat-Bericht 1997 erstmals offiziell kritisch mit der Restitutionspolitik der USA in der Nachkriegszeit auseinandergesetzt. Damit gerieten neben den neutralen Staaten auch die ehemaligen Alliierten in den Blick. In diesem Kapitel soll daher analysiert werden, wie sich diese Kritik praktisch auf die Politik der USA in Bezug auf eigene restitutionspolitische Defizite auswirkte. In einem ersten Schritt wird die Restitution von monetärem Raubgold durch die Tripartite Gold Commission und ihre paradigmatischen Veränderungen seit der Debatte um Holocaust-Vermögenswerte herausgearbeitet. Im zweiten Teil dieses Abschnitts wird untersucht, wie und mit welchem Erfolg die USA in den neunziger Jahren nach Holocaust-Vermögenswerten im eigenen Land suchten und somit das proklamierte Ziel einer historischen Aufarbeitung der restitutionspolitischen Defizite auch auf sich selbst bezogen. 6.1. Die Tripartite Gold Commission An der Auflösung der Tripartite Gold Commission (TGC) in den neunziger Jahren lässt sich gut zeigen, inwieweit die USA ihre Restitutionspolitik der Nachkriegszeit korrigierten. Die Interessen der individuellen Holocaust-Opfer waren damals zugunsten einer geschlossenen westlichen Allianz im Kalten Krieg ausgeklammert worden. Mit der wieder auflebenden Auseinandersetzung um die Entschädigung und Restitution nach dem Ende der bipolaren Weltordnung geriet die Restitutionspolitik der Nachkriegszeit massiv in die Kritik. Die Debatte um die TGC ist ein Beispiel für den kritischen Umgang der USA mit der restitutionspolitischen Programmatik und gilt als wegweisend für die Korrektur des Restitutionsparadigmas der Nachkriegszeit. Die Geschichte der Tripartite Gold Commission gehört dabei zu den am wenigsten untersuch-

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ten Auseinandersetzungen über die Holocaust-era assets in den neunziger Jahren. Gleichwohl eignet sie sich besonders, einen zeitlichen Bogen von der Restitutionspolitik der US-Regierung im Zweiten Weltkrieg über die Veränderungen in der Nachkriegszeit bis in die neunziger Jahre zu spannen. Gründung und Zielsetzung der TGC Die Tripartite Commission for the Restitution of Monetary Gold wurde im September 1946 von den Westalliierten Frankreich, Großbritannien und den USA gegründet, ihr Sitz war in Brüssel.1 Dies ging auf Teil III des Abkommens der Pariser Reparationskonferenz zurück, das am 14. Januar 1946 unterzeichnet worden war und die deutschen Kriegsreparationen behandelte. Die Dreimächte-Kommission hatte die Aufgabe, Währungsreserven in Gold, die die Deutschen während des Zweiten Weltkriegs aus europäischen Zentralbanken gestohlen hatten, in einem Gold-Pool zusammenzufassen und dann anteilsmäßig an die jeweiligen Zentralbanken zurückzuerstatten.2 Dem lag die grundsätzliche Entscheidung der drei West-Alliierten zugrunde, das gefundene Raubgold nicht als Kriegsbeute und Kompensation für die Kriegsanstrengungen zu behalten, sondern zum Nutzen aller Alliierten für den Wiederaufbau nach dem Krieg zu verwenden.3 Das sogenannte nicht-monetäre oder Opfergold, das Privatpersonen bzw. Privatunternehmen gestohlen worden war, sollte zusammen mit 25 Millionen Dollar aus den deutschen Vermögenswerten in den neutralen Staaten dem Inter-Governmental Committee on Refugees (später dann International Refugee Organisation) zur Wiederansiedelung staatenlos gewordener Flüchtlinge übertragen werden.4 Die Festlegung des Goldbegriffes in Teil III des Abkommens der Pariser Reparationskonfe1

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Die UdSSR war in der Tripartite Gold Commission nicht vertreten, da sie bereits im Juli 1945 auf der Konferenz von Potsdam auf Raubgold aus den westlichen Zonen Deutschlands verzichtet hatte. Ihrerseits fragten die westlichen Alliierten nicht, ob die UdSSR monetäres Raubgold in ihrer Besatzungszone oder anderswo entdeckte. Grundsätzlich wird zwischen monetärem und nicht-monetärem Raubgold unterschieden. Ersteres stammte aus Zentralbanken und war Teil der nationalen Währungsreserve eines Landes. Als nicht-monetäres Gold wird all jenes bezeichnet, das Privatpersonen bzw. Privatunternehmen gestohlen worden war. Dieses wird auch als Opfergold bezeichnet. Vgl. Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (UEK), Goldtransaktionen, Bd. 16, 43f. Zur Diskussion um Kriegsbeute vgl. Downey, Captured Enemy Property, 488ff. Speziell die USA fürchteten, Gold als Kriegsbeute zu betrachten würde langfristig zu einer Unterminierung des Goldstandards führen und somit den eigenen Interessen eher schaden. Final Act and Annex of the Paris Conference on Reparation, Part I, Art. 8: „Allocation of a Reparation Share to Non-Repatriable Victims of German Action“, in: Department of State Bulletin, Bd. XIV, 27.1.1946, 118f.; siehe auch Rubin/Schwartz, Refugees and Reparations.

6.1. Die Tripartite Gold Commission

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renz war allerdings noch sehr ungenau, so dass beispielsweise Gold aus Privatbanken, Zahnarztpraxen, Juwelieren etc. nach dieser Definition nicht an die ehemaligen Eigentümer restituierbar war. Die Golddefinition der TGC Innerhalb der US-Regierung hatte sich im Zuge der Diskussionen um eine Bestimmung des Goldbegriffes durchgesetzt, das Gold nicht danach zu unterscheiden, wo es herstammte, sondern in welcher Form es vorgefunden wurde.5 Nach dieser Definition mussten die Alliierten lediglich die Anzahl der Barren feststellen und nicht deren Goldkonsistenz überprüfen. Dabei hätten die USA wissen müssen, dass monetäres Raubgold mit Opfergold vermischt war. Vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg hatte Albert Thoms, ehemaliger Chef der Edelmetallabteilung der Reichsbank, über die Zusammensetzung des Raubgoldes zu Protokoll gegeben, dass „die Lieferungen neben Gold- und Silbermünzen vor allen Dingen auch sehr viel Schmuck, Goldringe, Eheringe, dann Bruchgold, Bruchsilber, Dentalgold und auch alle möglichen Sorten von Gold- und Silberwaren enthielten“.6 Auch die Wirtschaftsspionage im Kontext der Operation Safehaven während des Zweiten Weltkriegs lieferte entsprechende Hinweise.7 Ebenso beinhaltete der Bernstein-Report über „SS Loot and the Reichsbank“ vom Oktober 1945 bereits Erkenntnisse über den systematischen Raub von Opfergold durch die SS und das Einschmelzen und den Transfer zur Reichsbank, wo es auf dem sogenannten Konto „Melmer“ verwahrt oder in die Goldreserven der Reichsbank integriert wurde.8 Dabei war das eingeschmolzene Opfergold rein optisch von dem geraubten Gold aus Zentralbanken nicht mehr zu unterscheiden. Auch Nachforschungen des Foreign Exchange Depository (FED) aus dem Jahr 1946 über das aus den Niederlanden gestohlene Gold zeigten, dass dieses eingeschmolzen und mit Opfergold versetzt worden war.9 Dieses Wissen 5

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Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, Vorwort, X; zur Kritik an der Golddefinition vgl. Zabludoff, Movements of Nazi Gold; siehe auch Detailed definitions of monetary and non-monetary gold. OMGUS draft cable (3ff.), 2/2/48. IX-24, in: Documents from May 1997 Preliminary Report, in: http://www.ushmm.org/assets/documents/usa/97.htm, 18. 05. 2006. Zit. n. Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Bd. 13, 3.-15. Mai 1946, Nürnberg 1948, 664. Vgl. Vincent, Gold der verfolgten Juden, 136, 192. Auch Jean Ziegler argumentiert, die USA hätten bei den Raubgoldverhandlungen mit der Schweiz nicht auf größere Zahlungen bestanden, weil sie vom Opfergold in den Barren gewusst hätten. Siehe Ziegler, Die Schweiz, 221. Siehe Bradsher, Merkers Mine Treasure. Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, 170. Das Foreign Exchange Depository (FED) wurde von der US-Armee in der Reichsbank in Frankfurt am Main errichtet und war ein Sam-

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6. Die USA und ihre eigenen Defizite

führte jedoch nicht dazu, dass Barren, die aus dem sogenannten „Melmer“Konto stammten, identifiziert und deren Herkunft rekonstruiert wurde. Obwohl das FED sich offensichtlich der Problematik der Vermischung von monetärem Raubgold bewusst war, vertrat es in Bezug auf den Gold-Pool der Tripartite Gold Commission die Position, dass „the source has no bearing; it is the form that decides the category. […] It would not be wise to apply the U.S. expanded definition of non-monetary gold to gold coins and thus encroach on the Gold Pot to the detriment of other nations“.10 Auf Druck Frankreichs und der USA setzte sich dann ein Rückerstattungsmodell durch, das der vom Department of State favorisierten „gold-pot theory“11 nahekam, in der Raubgold als „common pot“ angesehen wurde. Der Gold-Pool der Tripartite Gold Commission beinhaltete laut Definition „all gold which, at the time of its looting or wrongful removal, was carried as a part of the claimant country’s monetary reserve, either in the accounts of the claimant Government itself or in the accounts of the claimant country’s central bank or other monetary authority at home or abroad“.12 Das umfasste in Deutschland gefundenes Gold einschließlich der Goldmünzen, des weiteren Goldbarren, die von den Achsenmächten in Drittländer (zumeist ehemalige Neutrale) transferiert und nach dem Krieg zumindest teilweise gemäß der alliierten Erklärung vom Januar 1943 restituiert worden waren. Dazu kamen 3740 kg Gold aus der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel.13 Das Gold sollte an alle befreiten Länder gerecht verteilt werden, deren Gold von den Achsenmächten geraubt worden war.14 Das State-War-Navy Coordinating Committee in Washington traf im April 1947 die Entscheidung, dass alle Goldmünzen und Goldbarren, die in normaler Geschäftspraxis als Teil der Goldreserve einer Zentralbank angesehen werden könnten, unabhängig von ihrer Herkunft als monetäres Raubgold klassifiziert und dem Gold-Pool der TGC übertragen werden sollten.15

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mellager für Raubgold und andere finanzielle Wertgegenstände. Britische Texte betiteln die FED z.T. als Frankfurt Exchange Depository. Siehe The Holocaust Educational Trust (Hg.), Nazi Gold, 16; Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold. Part II, 3. Report from Frank C. Gabell, Deputy Chief, FED, to Director, Finance Division, OMGUS, „Disposition of Valuables“, January 28, 1947, zit. n. Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, 173. Vgl. FRUS, Bd. II, 1945, 938 (Anm.  4). Zit. n. Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold, 17. Smith, Hitler’s Gold, 115; Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, 57, 184. Zur „Inter-Allied Declaration“ vom 5.  Januar 1943 siehe das Kapitel 2.2. „Die Entstehung des restitutions- und entschädigungspolitischen unfinished business in der Kriegs- und Nachkriegszeit“. United States Representative on the Allied Commission on Reparations (Pauley) to President Truman, 04. 08. 1945, in: FRUS, Bd. III, 1945, 1240. Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, 178.

6.1. Die Tripartite Gold Commission

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Diese programmatische Grundsatzentscheidung unterstützte die politischen Interessen der Nachkriegsstaaten. Die US-Regierung ließ alle Goldmünzen und -barren, die in der FED lagerten, in den Gold-Pool der TGC transferieren. Beim Brüsseler Treffen der TGC im Januar 1950 setzte sich diese Definition dann endgültig durch.16 Mit der Festschreibung des monetären Goldbegriffes wurde der Transfer sämtlicher Goldbarren und -münzen in den Gold-Pool der TGC gerechtfertigt, ungeachtet der nationalsozialistischen Raubpolitik und des Einschmelzens von Opfergold zu Barren. Eine Trennung von monetärem und nicht-monetärem Raubgold wäre aber notwendig und anhand der Reichsbank-Akten auch möglich gewesen. Dies wurde aber bewusst unterlassen. Stattdessen prägte eine pragmatische Realpolitik die restitutionspolitischen Grundsatzentscheidungen. Eine Studie des Foreign and Commonwealth Office aus dem Jahr 1996 kritisierte die Definition als „intentionally narrow“, da mit ihr das Ziel verfolgt wurde, jegliche privaten Restitutionsansprüche an die TGC von vornherein auszuschließen.17 Denn dies machte es möglich, den Nationalbanken einen großen Anteil ihres Goldes zurückzuerstatten, mit dem Ziel, das Wirtschaftsleben in den betroffenen Ländern wieder aufzubauen und zu stärken.18 Dem wurden die Interessen der individuellen Opfer des Nationalsozialismus untergeordnet. „As a result, some of the people who had lost most as a result of Nazi brutality, were denied a proportion of the restitution owed to them“, so die Einschätzung des Holocaust Educational Trust.19 Die Auszahlung des Goldes Im Juli 1948 verfügte der Gold-Pool bereits über insgesamt 306.343 kg Goldbarren und Goldmünzen, die in der Bank of England und der Federal Reserve Bank in New York aufbewahrt wurden. Bis Dezember 1974 wuchs die Menge auf 336.890 kg an. Als anspruchsberechtigte Länder waren Albanien, Belgien, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen einschließlich Danzig sowie die Tschechoslowakei angenommen worden. Sie hatten alle das Pariser Reparationsabkommen ratifiziert.20 In einem Frage16 Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold. Part II, Annex II: Conclusions I and II of the Brussels Conference, January 1950, 50. 17 Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold, 17. 18 Zit. n. Office Memorandum: Resolution of Outstanding Problems Relating to the Restitution of Looted Gold, November 5, 1947. X-I/I, in: Documents from May 1997 Preliminary Report, in: http://www.ushmm.org/assets/documents/usa/97.htm, 18. 05. 2006. 19 The Holocaust Educational Trust (Hg.), Nazi Gold, 7. 20 U.S. Department of State, Tripartite Gold Commission (TGC), released by the Bureau of European and Canadian Affairs, U.S. Department of State, February 24, 1997, in: http://www.state.gov/www/regions/eur/tripartite_gold_commission.html, 20. 05. 2006.

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6. Die USA und ihre eigenen Defizite

bogen vom März 1947 machten die zehn anspruchsberechtigten Länder Goldforderungen in einer Höhe von 735.548 kg geltend, wovon 514.060 kg von den Alliierten anerkannt wurden.21 Da das Ausmaß des Goldraubes das nach dem Krieg von den Alliierten aufgefundene Gold überstieg, war es nur möglich, das in Paris erklärte Ziel einer „equitable procedure for the restitution of monetary gold“22 zu verwirklichen, indem den Anspruchsberechtigten ein proportionaler Anteil von knapp 65 Prozent ihres anerkannten Anspruchs ausgezahlt wurde. Die Auszahlung des Goldes erfolgte in zwei Schritten. Zwischen Oktober 1947 und November 1950 verteilte die TGC 266.210 kg Gold vorläufig an Belgien, Italien, Jugoslawien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich und die Tschechoslowakei. Griechenland wurde nicht berücksichtigt, da die geforderte Summe nur sehr gering war, und Polen formulierte erst 1950 seine Forderungen vollständig. Die Auszahlung an Albanien wurde aufgrund eines Einwandes von Italien zurückgehalten. Diese erste Auszahlung sollte – bevor der Gold-Pool überhaupt komplett war – den berechtigten Ländern möglichst schnell eine Finanzhilfe zum Wiederaufbau zukommen lassen.23 Im Oktober 1947 beschloss die TGC, diese erste Zahlung vor allem aus den Beständen des FED zu entnehmen. Obwohl die Kommission den Begriff des monetären Raubgoldes definiert hatte, blieben die anspruchsberechtigten Länder skeptisch, was die Herkunft und Reinheit dieser Goldbarren anging. Um diesen Konflikt beizulegen, entschied die TGC, den Ländern bei dieser ersten Lieferung etwa ein Drittel der zugesprochenen Menge in Gold mit geklärter Herkunft zu liefern, den Rest aus Beständen des FED, dessen Herkunft nicht einwandfrei als monetär galt.24 Die Vermutung, dass der Gold-Pool der TGC mit Opfergold vermischt war, war also bereits in der Nachkriegszeit weit verbreitet. Gleichzeitig verdeutlicht die pragmatische Haltung der TGC, dass dieser Verdacht noch kein Unrechtsbewusstsein und keine Korrektur der restitutionspolitischen Grundausrichtung hervorrief. Zwischen 1952 und 1958 wurden die offiziellen Zuerkennungen von den Kommissaren ausgestellt, allein der Bescheid für die Tschechoslowakei wurde erst 1982 unterschrieben. In einer zweiten, quasi-endgültigen Auszahlung wurden zwischen 1958 und

21 Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold, 26f. 22 Zit. n. Dissolution of the Tripartite Gold Commission. Notice of Closure and Joint Statement of the Governments of France, the United Kingdom, and the United States, September  9, 1998, in: http://www.state.gov/www/regions/eur/980909_gold_dissolution. html, 10. 06. 2006. 23 Memorandum from Fletcher to Peterson: „Recovery From Third Countries of Looted Monetary Gold“, April 2, 1951. X-4/4, in: Documents from May 1997 Preliminary Report, in: http://www.ushmm.org/assets/documents/usa/97.htm, 18. 05. 2006. 24 Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, 177.

6.1. Die Tripartite Gold Commission

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1982 weitere 58.016 kg Gold restituiert, nur die Rückerstattung an Albanien zog sich bis Mitte der neunziger Jahre hin.25 Die Goldauszahlungen im Spannungsfeld des Kalten Krieges Die Rückgabe des Raubgoldes an die Zentralbanken Albaniens und der Tschechoslowakei verband sich mit einem zentralen Streitpunkt des Kalten Krieges: der Verstaatlichung von westlichem Privateigentum nach 1945. Das monetäre Raubgold der TGC wurde für die westliche Allianz zu einem Faustpfand für offene Entschädigungsforderungen. Auch die Restitution des monetären Goldes wurde in die politischen Strategien des Kalten Krieges integriert, wie Arthur L. Smith Jr. feststellte: „New alliances had forged new partnerships and the power to make the decisions on the restitution of hundreds of millions of dollars of gold was far too powerful to ignore as a political and economic weapon.“26 Nachdem der Tschechoslowakei in der ersten Phase bereits etwa sechs Tonnen Gold geliefert worden waren, ließ Präsident Truman die weitere Rückerstattung stoppen, bis eine einvernehmliche Lösung der US-Forderungen an die Tschechoslowakei gefunden sei. Trotz diverser Verhandlungen sowie des Einfrierens tschechoslowakischer Vermögenswerte und Konten in den USA, kam es in den Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht zu einer Einigung. Insgesamt bezifferte die U.S. Foreign Claims Settlement Commission 1962 die Forderungen an die Tschechoslowakei auf 72 Millionen Dollar sowie 41 Millionen Dollar an Zinsen, die bisher in Auseinandersetzungen dieser Art nicht eingefordert worden waren.27 Um Druck auf die US-Regierung auszuüben, reichten zwei demokratische Abgeordnete 1980 sowohl im Senat wie auch im Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf ein, der die Entschädigung der drei Tausend offenen US-amerikanischen Forderungen mit dem tschechoslowakischen Gold ermöglichen sollte, das in der Federal Reserve Bank lagerte. Bereits 1974 hatte der Kongress aktiv in die Auseinandersetzung eingegriffen und ein Abkommen blockiert, das die Nixon-Regierung mit der Tschechoslowakei ausgehandelt hatte und das als unzureichend angesehen wurde.28 Die Juristen, die den neuen Gesetzentwurf unterstützten, beriefen sich auf einen Präzedenzfall: Ein tschechoslowaki25 Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold, 27f. 26 Smith, Hitler’s Gold, 132. Im Vorwort der Neuauflage von 1996 schrieb Smith, „the withholding of the return of looted gold to a communist state was crucial in the Cold War“ und mahnte die Klärung dieser Politik an. 27 „US Proposal for the Settlement of the Outstanding US Claims and Czechoslovak Gold Issue“, 4. März 1969, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 17, Folder FC 1 of 1, FC 3. 28 Graham Hovey, U.S. Dispute Flares Over Prague’s Gold, in: New York Times, 2. Juni 1980.

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sches Staatsunternehmen hatte ein Stahlwerk gekauft, das die US-Regierung konfiszierte und für 8,5 Millionen Dollar verkaufte, um damit Entschädigungsforderungen zu begleichen. Parallel zu dem Vorstoß im Senat und im Repräsentantenhaus versuchte auch die US-Regierung neue Verhandlungen mit der Tschechoslowakei in Gang zu bringen.29 Aber nicht nur die Tschechoslowakei, auch Großbritannien und Frankreich sahen das Vorhaben der USA als Verletzung des internationalen Rechts an. Sollte das Gesetz in Kraft treten, käme es zu einem „tremendous uproar“, so die Befürchtung John Westons von der britischen Botschaft.30 Auch das State Department riet dazu, die strittigen Fragen durch Verhandlungen zu lösen. Es erkannte den speziellen Charakter des Raubgoldes an und unterstrich, dass es sich um einen emotional höchst aufgeladenen Vermögenswert handele, der den USA treuhänderisch übertragen worden sei. Jede Entscheidung über die Verwendung des Goldes habe einstimmig in der TGC zu erfolgen.31 Ein Verkauf verstieße gegen geltendes internationales Recht und belastete die Beziehungen mit der Tschechoslowakei nachhaltig. Anfang der achtziger Jahre fand man eine Einigung, so dass die Tschechoslowakei 1982 schließlich die 18,4 Tonnen Gold erhielt, die ihr bereits 1947 von der Tripartite Gold Commission zuerkannt worden waren. Das Übereinkommen mit der Tschechoslowakei auf dem Verhandlungsweg ermutigte die US-Regierung nun auch die strittigen Fragen mit Albanien abschließend zu klären.32 Die TGC hatte 1947 die albanische Goldforderung anerkannt, die Auszahlung jedoch bis 1958 verzögert, da Italien eine Gegenforderung auf das albanische Gold geltend machte.33 Zugleich erhoben die USA Entschädigungsforderungen für verstaatlichte Vermögenswerte in einer Höhe von 749.000 Dollar zuzüglich anfallender Zinsen.34 Die USA und Großbritannien waren speziell in den achtziger Jahren aber auch daran interessiert, die politischen Beziehungen zu Albanien zu verbessern. The overriding U.S. interest in the Albanian gold issue is political. We believe that to settle this issue now on terms acceptable to Albania, if that were possible, might constitute a significant western gesture toward Albania, an extremely timely gesture given our perception of the situation in that country, 29 „Official-Informal“, 19. März 1980, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 1 of 3, AS 3. 30 „Discussion of Czechoslovak Claims with British and French Embassies“, 17.  Mai 1980, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 1 of 3, AS 4. 31 Graham Hovey, U.S. Dispute Flares Over Prague’s Gold, in: New York Times, 2. Juni 1980. 32 „Possible U.S. Initiative On Albanian Claims/Gold“, 14. April 1982, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 18, Folder Fi 1 of 1, Fi 4. 33 „Albania“, 7. Oktober 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 25, Folder JM 1 of 1, JM 5. 34 „U.S. Claims Against Albania“, 6. Juni 1994, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DV 1 of 1, DV 12 A. Die Höhe der anfallenden Zinsen betrug im Juni 1994 $ 2.224.530.

6.1. Die Tripartite Gold Commission

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so das State Department 1982.35 Man wollte vor allem dem Einfluss der UdSSR auf Albanien entgegenwirken und verhindern, dass die albanischen Häfen sowjetischem Zugang geöffnet wurden. Die blockierte Auslieferung des Goldes stellte das größte Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen zu Albanien dar, zumal die albanische Regierung eine Vermischung offener Entschädigungsfragen des Westens mit der Rückgabe des Goldes als illegitim ansah.36 Die Reagan-Regierung befürchtete aber, der amerikanische Kongress würde sich ohne die Entschädigung der amerikanischen Kläger jeglichem Goldtransfer nach Albanien widersetzen.37 Vor dem Hintergrund dieser komplexen Ausgangslage forderte das State Department gegenüber Großbritannien und Frankreich, Verhandlungen auf höchster politischer Ebene zu führen. Die Erfahrung mit der Tschechoslowakei hatte die US-Regierung zu der Überzeugung gebracht, nur politische Flexibilität sowie juristische Kreativität vermochten die Probleme zu lösen.38 Nichtsdestotrotz scheiterte diese Initiative, da Albanien sich weigerte, direkt mit den USA zu verhandeln, und nicht bereit war, die Frage der Verstaatlichungen mit der des Raubgoldes zu verknüpfen. Erst nach dem Fall des sozialistischen Systems in Albanien lösten sich die Blockaden: Das State Department kam 1993 zu der Einschätzung, die albanische Regierung würde sich nun nicht länger den US-Entschädigungsforderungen widersetzen.39 Tatsächlich kam es 1995 zu einem Vertrag, in dem sich Albanien bereit erklärte zwei Millionen Dollar zu bezahlen.40 Daraufhin ging am 29. Oktober 1996 1.550 kg Gold im Wert von 19 Millionen Dollar an Albanien. Der Vorsitzende der albanischen Zentralbank sah die erfolgte Transaktion als einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zur Marktwirtschaft und beteuerte den albanischen Wunsch, diese Einigung möge die Beziehungen zum Westen stärken.41

35 „Albanian Claims/Gold“, 13. Mai 1982, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 18, Folder Fi 1 of 1, F 12. 36 Siehe „Possible U.S. Initiative On Albanian Claims/Gold“, 14. April 1982, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 18, Folder Fi 1 of 1, Fi 4. 37 „British Approach On Albanian Claims/Gold“, 17. April 1982, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 18, Folder Fi 1 of 1, Fi 5. 38 „Albanian Claims/Gold“, 13. Mai 1982, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 18, Folder Fi 1 of 1, F 12. 39 „Albania – Methods Of Transfer And Release Of Gold“, 15. April 1993, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DV 1 of 1, DV 8. 40 „United States Non-Paper On The Modalities Of A Distribution Of Gold To Albania“, 14. Mai 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 25, Folder JM 1 of 1, JM 1. Auch mit Großbritannien hatte Albanien einen Vertrag über dieselbe Summe geschlossen, um den sogenannten Korfu-Zwischenfall, bei dem im Oktober 1946 ein britischer Zerstörer auf albanische Wasserminen gefahren war, finanziell zu lösen. 41 „Completion Of Albanian Gold Transaction“, 30. Oktober 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DW 1 of 1, DW 72.

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6. Die USA und ihre eigenen Defizite

Die Verhinderung der Auflösung der TGC Nach der letzten großen Auszahlung an Albanien ein halbes Jahrhundert nach der Unterzeichnung des Pariser Reparationsabkommens verblieb noch ein Rest von 5,6 Tonnen Gold bei der TGC.42 Die US-Regierung drängte nun auf eine rasche Auszahlung des übrigen Goldes, um die TGC möglichst bald auflösen zu können. Aber der Verdacht, das Gold der TGC könnte mit Opfergold vermischt sein, hatte von Anfang an in der Luft gelegen. Seit einiger Zeit verdichteten sich nun im Zuge der Ermittlungen gegen die Schweizer Banken die Belege. Schon Anfang Januar 1996 hatte Greville Janner, der britische Labour Abgeordnete und Vorsitzende des Holocaust Education Trust, in einem Gespräch mit dem State Department erklärt, es gäbe Anzeichen einer Vermischung des TGC-Goldes mit Opfergold. Die Auszahlung des restlichen Goldes möge daher gestoppt werden, bis der Ursprung des Goldes geklärt sei. Außerdem hielt er eine Neuverhandlung des Washingtoner Abkommens von 1946 mit der Schweiz für angebracht, da die West-Alliierten damals nur die Rückgabe eines kleinen Teils des in die Schweiz gelangten Raubgoldes erreicht hätten.43 Bei den Vorbereitungen der ersten Anhörung von Senator D’Amato im April 1996 gelangte dann immer mehr Archivmaterial ans Licht, das die Goldgeschäfte der Schweiz während und nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentierte.44 Nach einem Bericht des „Daily Telegraph“ vom 29.  Juli 1996 fand Janner in US-Archiven Dokumente, die belegten, dass die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs aus Deutschland große Mengen Raubgold von Holocaust-Opfern erhalten und davon im Zuge des Washingtoner Abkommens von 1946 Gold im Wert von sechzig Millionen Dollar an die WestAlliierten übertragen hatte. Es war von der TGC als monetäres Gold verwaltet und restituiert worden.

42 Vgl. „Tripartite Gold Commission. Last Vestige Of The Second World War“, LOC, Eizenstat-Papers, Box 9, Various Holocaust-Related Papers. Dieses verbliebene Gold lagerte in der Bank of England und der Federal Reserve Bank in New York sowie zwei weitere Goldbarren in der Bundesbank, die 1983 von zwei Journalisten der „Times“ entdeckt worden waren. Dieses Raubgold war offensichtlich 1945 von deutschen Angestellten aus der Landeszentralbank in München entwendet worden, wo es von US-Streitkräften zur Aufbewahrung hinterlegt worden war. Obwohl 1987 die Bundesregierung die rechtmäßige Überstellung der Goldbarren an die TGC anerkannte, verweigerte sie bis zum Herbst 1996 die Lieferung. Siehe „Draft Diplomatic Note“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 26, Folder JX 1 of 1, JX 25 E; „Tripartite Gold Commission – Solving The German Gold Bars Problem“, 16. April 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 26, Folder K 3 of 4, K 102. 43 „Notes of the Meeting Between British MP Janner and EUR DAS Wayne“, 6. Januar 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DY 1 of 3, DY 55 A. 44 Siehe das Kapitel 4.1. „Die Schweiz im Zentrum der Kritik der US-amerikanischen Crusade for Justice“.

6.1. Die Tripartite Gold Commission

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Unterstützt wurde Janner von Edgar Bronfman, dem Präsidenten des World Jewish Congress. In einem gemeinsamen Brief an die Außenminister der USA, Frankreichs und Großbritanniens kritisierten sie die Restitutionspolitik der Alliierten. Sie forderten, dass die restlichen Goldbestände der TGC an die WJRO übertragen und damit die individuellen Opfer des Holocaust und ihre Nachkommen entschädigt werden sollten. Dies wäre eine Geste von hohem symbolischen Wert: „It would show a sensitivity to the universal outrage at both Nazi atrocities and at past failures to compensate its victims.“45 Auch in einem Brief an Präsident Clinton beklagte Bronfman, dass die HolocaustOpfer selbst nicht in die Restitution des TGC-Goldes einbezogen waren und bat um Unterstützung, damit das verbleibende Gold den NS-Opfern zugute kommen möge.46 Die Untersuchung der Schweizer Goldgeschäfte im Zweiten Weltkrieg und die Forderung des WJC, die verbliebenen Goldbestände der TGC an individuelle Holocaust-Opfer auszubezahlen, hatte einschneidende Konsequenzen. Die Tripartite Gold Commission hatte während der Zeit des Kalten Krieges weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit agiert. „I never even knew it existed“, erklärte Eizenstat in Bezug auf den Hauptsitz der TGC in Brüssel, wenige Meter von seinem eigenen Arbeitsplatz entfernt.47 Nun rückte sie ins öffentliche Interesse. Die „New York Times“ und die „Financial Times“ berichteten, dass in der New Yorker Federal Reserve Bank noch zwei Tonnen Raubgold lagerten. „They are part of an unfinished tale of plunder and immorality, with roots in Nazi Germany’s subjugation of its neighbors and mass murder of Europe’s Jews.“48 Damit gerieten die US-Regierung und die gesamte Politik der Restitution von Raubgold in die Kritik. In ihrer Reaktion griff die US-Regierung Greville Janner scharf an: Er habe den Begriff „Raubgold“ nicht richtig verstanden, und es sei undenkbar, dass Gold von Holocaust-Opfern direkt in die Währungsreserven der Reichbank gelangte.49 Das State Department fürchtete nämlich, dass die Nachricht von der Vermischung des Gold-Pools der TGC mit Opfergold deren Auflösung behindern bzw. weiter verzögern könnte. Zu45 Brief Edgar Bronfman und Greville Janner an Außenminister der USA, Frankreich und Großbritannien, 16. September 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DY 1 of 3, DY 53 D. 46 Brief Edgar Bronfman an Präsident Clinton, 26. September 1996, USHMM, 2002.071, Box 7, External Affairs: Wesley Fisher’s Records. In diesem Brief berichtete er vor allem über neue Entwicklungen in der Auseinandersetzung mit Schweizer Banken. 47 David E. Sanger, 3 Nations Agree On Freezing Gold, in: New York Times, 4. Februar 1997. 48 Clyde Haberman, Bank’s Gold Inspires Tales Of Plunder, in: New York Times, 26. September 1996; John Authers/William Hall, New York Fed holds Nazi Gold worth $ 25m, in: Financial Times, 17. Oktober 1996. 49 „Tripartite Gold Commission – British MP Links Gold Pool To Jewish Claims“, Datum nicht erkennbar, LOC, Eizenstat-Papers, Box 10, Various Holocaust-Related Papers.

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6. Die USA und ihre eigenen Defizite

dem könnten individuelle Forderungen, die bereits in den fünfziger Jahren behandelt und abgewiesen worden waren, neu aufkommen.50 Die Frage nach der Vermischung des TGC-Goldes mit Opfergold war der US-Regierung also sehr wohl bewusst und wurde als heikel angesehen, eine Korrektur der Golddefinition war aber an diesem Punkt nicht beabsichtigt. Die alliierte Restitutionspolitik war mehr als fünfzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bei weitem nicht abgeschlossen. Auch die Alliierten waren also noch im Besitz von Raubgold, das nicht restituiert worden war. Dies wog umso schwerer, als zur selben Zeit die Schweiz aufgrund von nichtrestituiertem Raubgold und nicht-ausgezahlten Konten von Holocaust-Opfern im Zentrum der Kritik stand.51 Diese Erkenntnis veranlasste die Clinton-Regierung, einen offiziellen Untersuchungsbericht über die US-Restitutionspolitik in Auftrag zu geben, der dann als Eizenstat-Bericht bekannt wurde.52 Nachforschungen zur Herkunft des TGC-Goldes Der Vorwurf, das Gold der TGC sei mit Opfergold versetzt, offenbarte, dass man über diesen Aspekt der alliierten Restitutionspolitik nicht viel wusste. Denn selbst die jeweiligen Regierungen konnten ad hoc keine konkreten Angaben machen. Die Klärung der Zusammensetzung des Gold-Pools wurde für die US Regierung zu einer der zentralen Fragen, die Stuart Eizenstat klären sollte.53 Noch im März 1997, wenige Wochen vor Erscheinen des Berichts, konnten keine glaubhaften Belege gefunden werden.54 „We have no evidence, only allegations that ‚victims’ gold‘ is in the TGC gold pool“, ließ das State Department verlautbaren.55 Greg Bradsher von der National Archives and Record Administration (NARA) wurde beauftragt, das Archiv nach Dokumenten zu durchsuchen, die belegen konnten, ob und wenn ja wie nicht-monetäres Raubgold in den Gold-Pool der TGC gelangt war.56 Aufgrund der dürftigen Quellenlage wurde auch in Erwägung gezogen, die Vermischung des Raubgoldes durch chemische Analysen nachzuweisen. Wäre das möglich, hätten 50 Ebd. 51 Siehe hierzu das Kapitel 4. „Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik“. 52 „Transcript of interview with Elan Steinberg“, 12. Februar 2001, 72, Library of Congress, Eizenstat-Papers, Paxton Box 3. Der „Eizenstat-Bericht“ wurde im Mai 1997 veröffentlicht. 53 Siehe Interview mit William Slany, Historiker des State Department. Zum EizenstatBericht siehe das Kapitel 4.1. „Die Schweiz im Zentrum der Kritik der US-amerikanischen „Crusade for Justice“. 54 Memorandum Stuart Eizenstat an Bill Slany, 27.  März 1997, LOC, Eizenstat-Papers, Paxton Box 5. 55 „Press Questions on Monetary vs. Nonmonetary Gold in the TGC“, 5. Februar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 40. 56 Siehe Interview mit Greg Bradsher.

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die TGC-Mächte USA, Großbritannien und Frankreich die rechtliche Grundlage, das restliche Gold anderweitig zu verteilen, so die Überlegung des State Department.57 Die Analyse wurde jedoch von der Arbeitsgruppe, die den Eizenstat-Bericht vorbereitete, als ungeeignet verworfen. Es war nahezu unmöglich, die ursprünglichen Goldbarren ausfindig zu machen; das Gold in den Bankdepots war in der Regel nicht mehr mit dem an die TGC gelieferten Gold identisch. Ferner würde auch ein positives Testergebnis keine Aussagen über die Menge des nicht-monetären Raubgoldes liefern – dieser Punkt würde zu Problemen mit den anspruchsberechtigten Ländern im Falle einer Neuverteilung der verbliebenen Goldbestände führen.58 Erst die schrittweise Rekonstruktion des nationalsozialistischen Goldraubs untermauerte den Verdacht, dass das TGC-Gold mit Opfergold vermischt war, stichhaltig. Im März 1997 teilte Eli M. Rosenbaum, Direktor des Office of Special Investigations (OSI), Stuart Eizenstat mit, dass seine Mitarbeiter eine detaillierte Analyse der Goldpolitik der Reichsbank während des Zweiten Weltkriegs erstellt haben. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass regelmäßig Opfergold aus Konzentrationslagern durch die SS an die Reichsbank geliefert worden war, das dann in die deutschen Goldreserven floss. Rosenbaum zog zudem eine Studie des United States Holocaust Memorial Museum heran, die nachwies, dass aufgrund der TGC-Definition, die monetäres Gold nach der Form und nicht nach dem Inhalt zuordnete, auch in der Nachkriegszeit noch Barren als monetär klassifiziert wurden, von denen man wusste, dass sie Opfergold enthielten.59 Somit wurde schließlich der Nachweis erbracht, wenngleich die Menge an nicht-monetärem Raubgold weiterhin nicht feststellbar war. Die Beweislast lag nun bei der anderen Seite: „The burden of proof must now rest with those who maintain that there was no persecuteeorigin gold in the Reichsbank treasure that was ultimately transferred to the ‚gold-pot‘ of the Tripartite Gold Commission.“60 Durch die fortgesetzten Beschwerden des WJC, dass viele NS-Opfer in der Nachkriegszeit nicht ausreichend entschädigt worden waren, wandelte sich die Position der US-Regierung. Sie war lange davon ausgegangen, dass Opfergold nicht in den TGC-Pool hatte gelangen können und die Restitutionspolitik der Nachkriegszeit dementsprechend korrekt war. Anfang 1997 rückte sie von diesem Standpunkt ab und handelte nun – trotz der extrem schwieri-

57 „Non-Monetary Gold in Gold Pool“, 8. November 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 8, Folder CZ 1 of 1, CZ 5. 58 „Testing the TGC Gold Pool“, 24. Dezember 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 8, Folder CZ 1 of 1, CZ 26. 59 Telefax von Eli M. Rosenbaum an Stuart Eizenstat, 10.  März 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 13, Folder DU 1 of 4, DU 68. 60 Telefax von Eli M. Rosenbaum an Dr. William Slany, 11. Februar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DX 1 of 2, DX 36 B.

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gen Beweislage – nach dem Motto: „Ambiguity argues in favor.“61 Am 3. Februar 1997 beschloss sie in Absprache mit den beiden anderen ehemaligen West-Alliierten, die verbliebenen Goldbestände der TGC in London und New York bis zu einer Klärung einzufrieren.62 Sie begründete das Umdenken wie folgt: „The United States sees a strong moral issue presented today. There are thousands of Holocaust victims, especially those in formerly communist countries, who never benefited from German compensation programs. Time is running out for many of those people.“63 Damit wurde auch in der Frage der Goldrestitution ein Paradigmenwechsel initiiert, der die Restitutions- und Entschädigungspolitik der Nachkriegszeit kritisch betrachtete und eine Neubewertung forderte. Wie auch bei der Debatte um die property claims wurden die Defizite noch auf die NS-Opfer in den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts, die sogenannten „double victims“, bezogen und somit weiterhin in Kategorien des Kalten Krieges gefasst. Noch wurde die Problematik nicht als eine generelle der Nachkriegsgesellschaften wahrgenommen, was sich aber, wie die Debatte um nachrichtenlose Konten in der Schweiz zeigte, bald ändern sollte. Wege zur Auflösung der TGC Nachdem die US-Regierung sich entschieden hatte, die Forderungen des WJC nicht mehr zu ignorieren64 und den bisherigen Auszahlungsplan der TGC nicht fortzusetzen, sondern individuelle Holocaust-Opfer materiell zumindest partiell mit dem verbliebenen Gold zu entschädigen, eröffneten sich drei Handlungsoptionen. Eine Möglichkeit war die Neuklassifizierung eines Teils des Goldes aus dem TGC-Pool, dessen Zuordnung zum monetären Raubgold nicht eindeutig war. Hierzu gehörten beispielsweise Goldlieferungen aus Japan, die aus dem sogenannten „Law 53 Gold“ stammten – Gold, das die Alliierten von Deutschen konfiszierten, da unter dem Besatzungsrecht der Besitz von Gold oder ausländischen Währung nicht erlaubt war – oder Gold, das aus den deutschen Botschaften in Madrid und Lissabon stammte. Das State Department ging davon aus, dass so mehr als drei Kilo aus dem Gold-Pool entnommen 61 „Tripartite Gold Commission requesting voluntary contributions“, 15.  Februar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 14 a. 62 David E. Sanger, 3 Nations Agree On Freezing Gold, in: The New York Times, 4. Februar 1997; Rickman, Swiss Banks, 67. 63 „Tripartite Gold Commission requesting voluntary contributions“,15.  Februar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 14 a. 64 Dies würde nicht allein die Defizite der Restitutionspolitik in der Nachkriegszeit perpetuieren, sondern hätte auch zu Gerichtsklagen von Seiten des WJC geführt. Siehe „Tripartite Commission for the Restitution of Monetary Gold / World Jewish Congress“, 6. November 1996, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 8, Folder CZ 1 of 1, CZ 6b.

6.1. Die Tripartite Gold Commission

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werden könnten.65 Der zweite Weg war die prinzipielle Neuverhandlung des Pariser Reparationsabkommens von 1946. Dafür hätte man alle damals beteiligten Länder wieder an den Verhandlungstisch holen müssen. Ob man damit aber nicht eine Lawine lostreten würde und längst abgeschlossene Themen wieder aufgerollt würden, war nicht abzusehen. „If we call together the original signatories to the 1946 Agreement, we are opening a genuine Pandora’s box“, so die Einschätzung des State Department über die reparationspolitischen Konsequenzen einer Neuverhandlung.66 Die US-Regierung war an diesem Punkt zwar sehr wohl bereit, die Defizite der Restitutions- und Entschädigungspolitik der Nachkriegszeit zu korrigieren und all jene NS-Opfer finanziell zu unterstützen, die bisher nur sehr geringe oder gar keine Zahlungen erhalten hatten. Sie war aber ebenso entschlossen, die restitutionspolitischen Grundsatzentscheidungen der Nachkriegszeit nicht neu aufzurollen und vor dem Hintergrund des neuen Wissenstandes komplett neu zu verhandeln. Vor diesem Hintergrund erschien die dritte Option am erfolgversprechendsten. Sie zielte darauf ab, die Goldauszahlung an die anspruchsberechtigten Länder wie geplant zu beenden. Gleichzeitig wollte man einen Fonds gründen und die Länder auffordern, freiwillig ihre letzte Rate ganz oder teilweise einzubezahlen. Diese Idee stellten Stuart Eizenstat und die Repräsentanten Großbritanniens und Frankreichs den anspruchsberechtigten Ländern am 12.  September 1997 vor. Die US-Regierung maß diesem Treffen große Bedeutung bei und bat um die Teilnahme ranghoher Diplomaten.67 Die TGCLänder Frankreich, Großbritannien und die USA „wish to target those victims who have received little or no compensation, to ensure that funds are allocated to individuals based on need and Holocaust suffering only, and to make some funds available for Holocaust-education programs“.68 Der Fonds, der von der US-Regierung als breite internationale Geste propagiert wurde, sollte so strukturiert sein, dass die einzelnen Länder in den bürokratischen Ablauf nicht selbst integriert waren.69 Vielmehr sollte jedes Land für die Verteilung der Gelder eine NGO bestimmen können, die vom Fonds anerkannt wurde und 65 „Tripartite Gold Commission“, 3. Januar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 8, Folder CZ 1 of 1, CZ 36. Für eine genaue Auflistung des Goldes siehe „Nonpaper On Exploring Options For Redistribution“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 60. 66 „Tripartite Gold Commission“, 3. Januar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 8, Folder CZ 1 of 1, CZ 36. 67 „Tripartite Gold Commission: Follow-Up Demarche To Claimants On Contributing Final Shares To A Fund“, 5.  September 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 51. 68 „Possible Fund Arrangements“, 25. Juni 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 49. 69 Vgl. „Nazi Gold: Progress on US/UK/French proposal to establish international fund to aid Holocaust survivors“, 8. Oktober 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 32, Folder S 2 of 2, S 28 L.

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mit dessen Grundsätzen übereinstimmte. Der eingezahlte Betrag konnte auch für die Auszahlung an Holocaust-Opfer in bestimmten Ländern reserviert werden.70 Die anspruchsberechtigten Länder nahmen die Fonds-Lösung sehr positiv auf und kündigten Einzahlungen an, die die kühnsten Erwartungen der USRegierung übertrafen. Außer Albanien und einige Staaten des ehemaligen Jugoslawien spendeten alle ihre restliche Zahlung ganz oder teilweise an den Fonds. Auf der Londoner Raubgold-Konferenz vom Dezember 1997 wurde die Fondslösung offiziell der internationalen Staatengemeinschaft vorgestellt. Am 27.  Januar 1998, dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, verabschiedete das Repräsentantenhaus einstimmig den Holocaust Victims Redress Act, der offiziell die Zahlung von 25 Millionen Dollar über den Zeitraum von drei Jahren von den USA an den TGC-Fonds vorsah.71 Neben den USA und Großbritannien beteiligten sich auch Schweden, Brasilien und Argentinien. Insgesamt kamen fast sechzig Millionen Dollar zusammen.72 In einer feierlichen Zeremonie in Paris wurde die Tripartite Gold Commission dann am 9. September 1998 – 52 Jahre nach ihrer Gründung – offiziell aufgelöst.73 Die Auflösung der TGC fand auf dem Höhepunkt der Debatte um Raubgold und nachrichtenlose Konten statt, die nach der Frage der property claims in Osteuropa über die Schweiz auch Westeuropa ergriff. Die Tatsache, dass die TGC über ein halbes Jahrhundert gebraucht hatte, um das monetäre Raubgold zu restituieren, verdeutlicht die Brisanz der Auseinandersetzung um die materiellen Konsequenzen der nationalsozialistischen Raubpolitik und die restitutionspolitischen Defizite der Nachkriegszeit. Die Unabhängige Expertenkommission der Schweiz stellte in ihrem Schlussbericht hinsichtlich der Restitutionspraxis nach 1945 fest, „dass man dem Schicksal der Opfer gegenüber blind war“.74 Mit dem Kurswechsel der US-Regierung im Fall des restlichen TGC-Goldes in den neunziger Jahren wurde eine Sichtweise korrigiert, 70 „The U.S. Contribution to the (TGC) Nazi Persecutee Relief Fund“, 24.  März 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 1 of 2, DK 30. Die Entscheidung, dass die zahlenden Länder jeweils eine NGO aussuchen durften, war Resultat der starken Vorbehalte, die Großbritannien gegenüber der Auszahlung der Gelder an die World Jewish Restitution Organization hatte, vgl. „Tripartite Gold Commission“, 11.  Juni 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DU 3 of 4, DU 170. 71 „Holocaust fund passes“, 27.  Januar 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder Di 1 of 1, Di 46. 72 „Close-Down Strategy for Tripartite Gold Commission“, 9. Februar 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder Di 1 of 1, Di 24; „Contributions to Nazi Persecutee Fund“, 7. Oktober 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 32, Folder S 1 of 2, S 5 b. 73 „Tripartite Gold Commission: Closed September 9“, 16. September 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 2 of 2, DK 99. 74 Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (UEK), Schlussbericht, 458.

6.2. Die Suche nach Holocaust-Vermögenswerten im eigenen Land

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die den Schwerpunkt ihrer Restitutionsanstrengungen auf Nationalstaaten gelegt hatte. Der Kritik, dass diese Politik die Interessen der individuellen Opfer vernachlässigte, wurde mit dem Umdenken im Zuge der Auflösung der TGC nachgegeben. Die US-Regierung bezog nun das Anliegen der geschädigten Individuen, die in der Nachkriegszeit nicht oder nur unzureichend entschädigt worden waren, in den gold issue mit ein. Speziell jüdische Holocaust-Opfer, die während des Kalten Krieges in Osteuropa gelebt hatten, rückten in den Fokus der USA. Ihre Vermögenswerte erlangten durch die Klärung der Frage, inwieweit das Gold der TGC mit Opfergold vermischt war, zentrale Bedeutung. Gleichzeitig zeigt die Festlegung der Förderung pädagogischer Programme durch den TGC-Fonds, dass auch erinnerungspolitisch Akzente gesetzt werden sollten. Dennoch bleibt abschließend festzuhalten, dass das Umdenken bezüglich des TGC-Goldes nicht auf eine generelle reparationspolitische Neuverhandlung abzielte: Defizite sollten behoben, die reparationspolitische Nachkriegsordnung als solche aber nicht in Frage gestellt werden. 6.2. Die Suche nach Holocaust-Vermögenswerten . im eigenen Land In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre befand sich die Auseinandersetzung um ungeklärte Holocaust-Vermögenswerte auf dem Höhepunkt. Die Londoner Raubgoldkonferenz vom Dezember 1997 trug jenseits der bilateralen Auseinandersetzungen mit Ländern wie der Schweiz dazu bei, das Thema international stärker zu verankern und weitere Staaten zu einer historischen Analyse ihres Umgangs mit geraubten und in ihren Besitz gelangten Vermögenswerten zu bewegen.75 Dabei wuchs der Druck auf die USA, sich als die treibende Kraft der Debatte mit ihrer eigenen restitutionspolitischen Nachkriegsgeschichte eingehender zu beschäftigen. Denn nicht nur die Auflösung der TGC hatte gezeigt, dass auch die ehemaligen Alliierten grundsätzlich betroffen waren. Bereits im September 1996 waren Nachrichtenmeldungen erschienen, dass in der Federal Reserve Bank in New York noch zwei Tonnen monetäres Raubgold lagerten, das zum Teil mit Opfergold vermischt war.76 Im Juli 1997 präsentierte der World Jewish Congress Dokumente, die belegen sollten, dass die Bank of Canada und die Federal Reserve Bank in den vierziger Jahren am 75 Siehe hierzu Kapitel 7. „Von der Restitution zur Erinnerung: Über das historische Gedächtnis und die materielle Auseinandersetzung um Holocaust-era assets“. 76 Siehe Clyde Haberman, Bank’s Gold Inspires Tales Of Plunder, in: New York Times, 26. September 1996; John Authers/William Hall, New York Fed holds Nazi gold hoard worth $ 25m, in: Financial Times, 17. Oktober 1997; siehe auch „Nazi Gold Was Stored In New York Federal Reserve Bank“, in: The WJC-Report. World Jewish Congress Publication, January-March 1998, Volume XXII, Num. 1, 4.

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6. Die USA und ihre eigenen Defizite

Waschen von Raubgold beteiligt waren.77 Am 2. November 1997 veröffentlichte die „New York Times“ einen Artikel, in dem behauptet wurde, die Federal Reserve Bank hätte 1950 Hunderte von Goldbarren, die mit einem Hakenkreuz versehen waren, eingeschmolzen, um sie neu zu prägen. Dabei hätten die USA gewusst, dass es sich zum Teil um Raubgold aus den Niederlanden und Belgien handelte.78 Kurz darauf kam dann die Meldung, dass die USA 1952 Opfergold zu Goldbarren umgeschmolzen hatten, um sie an europäische Zentralbanken zu restituieren.79 Bereits 1996 schrieb die „Washington Post“ von einer Flut an Hinweisen auf Mängel bei der Rückerstattung von Vermögenswerten und Raubgold, gerade auch von Seiten der USA80, wodurch ihre restitutionspolitische Rolle in der Nachkriegszeit in der Öffentlichkeit immer fragwürdiger wurde. Aber auch die amerikanischen Konzerne gerieten unter Druck: Unter dem Schlagwort „Geheime Allianz des großen Geldes“ wurde die wirtschaftliche Kollaboration führender US-Firmen wie die Ford Motor Company oder IBM mit dem nationalsozialistischen Regime thematisiert.81 Nach Untersuchungen des Historikers Bernd Greiner waren allein 26 der hundert größten US-Firmen in den dreißiger Jahren in Deutschland aktiv. General Motors und Ford beispielsweise lieferten der deutschen Wehrmacht mehr als zwei Drittel ihrer Lastkraftwagen.82 Dass nicht nur die Banken sondern auch die Wirtschaft trotz des Holocaust an dem Prinzip „business as usual“ festhielt, war international eine strukturelle Problematik. Neben diesen allgemeinen Vorwürfen äußerte Seymour J. Rubin, stellvertretender Chefunterhändler der USA in den Verhandlungen 1946 mit der Schweiz, gegenüber Stuart Eizenstat im März 1997 die Vermutung, dass es in den USA in Bezug auf die Behandlung von erbenlosem Vermögen in der Nachkriegszeit eine ähnliche Situation gegeben hätte wie in der Schweiz.83 Während des Krieges fror das Office of Alien Property Feind-Vermögenswerte ein. Dabei wurden auch Vermögenswerte einbehalten, die NS-Verfolgten aus den Achsenstaaten gehörten. Zwar wurden diese in den USA im Gegensatz zur Schweiz, die auf die Vorlage von Totenscheinen beharrte, den jeweiligen Besitzern bzw. deren Erben zurückerstattet. Nicht so bei erbenlosem Vermögen, 77 Anthony DePalma, Allies Linked To Swapping Of Nazi Gold. Laundering Is Laid To U.S. and Canada, in: New York Times, 16. Juli 1997, A 9. 78 David E. Sanger, Nazi Gold Was Recast And Issued In The U.S., in: New York Times, 2. November 1997. Diese Goldbarren waren in den späten vierziger Jahren von Spanien als Zahlungsausgleich in die USA geschickt worden. 79 David E. Sanger, U.S. Melted Down Gold Items From Nazis, in: New York Times, 1. Dezember 1997. 80 Op-Ed, War, Gold and Guilt, in: Washington Post, 20. Oktober 1996. 81 Vgl. Völklein, Geschäfte mit dem Feind. 82 Historian Claims U.S. Nazi Ties, in: The Washington Post, 14. Januar 1999, A 22. 83 Seymour J. Rubin war ebenso Chefunterhändler bei den Verhandlungen mit Schweden, Portugal und Spanien.

6.2. Die Suche nach Holocaust-Vermögenswerten im eigenen Land

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das von niemandem zurückverlangt wurde.84 Dem Verbleib dieser Vermögen müsse daher in den USA ebenso nachgegangen werden, wie dies von der Schweiz verlangt werde.85 Die Parallelen zu den Ländern, die von der ClintonRegierung unter Druck gesetzt wurden, fand überall große Aufmerksamkeit. Speziell die Schweizer Presse berichtete ausführlich und – nach Einschätzung des State Department mit „apparent delight“ – über Rubins Position.86 Der Vorwurf einer unzureichenden Restitutionspolitik und die Tatsache, geraubte und nicht restituierte Vermögenswerte noch im eigenen Land zu haben, war in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre also eher die Regel als die Ausnahme. Dem Schlagwort „The Hunt Hits Home“ (Newsweek) folgend, wurde eine Auseinandersetzung damit auch in den USA unausweichlich und die Einsetzung einer historischen Kommission eine politische Notwendigkeit.87 Der Ruf und die Glaubwürdigkeit des restitutionspolitischen Engagements der USA standen auf dem Spiel. Die offiziellen Erklärungen der Regierung, dass die historische Kommission die moralische Autorität der USA sowie ihre diplomatische Glaubwürdigkeit stärken werde, waren mehr als nur eine Floskel.88 Präsident Clinton erklärte, dass die USA ihre eigene Geschichte in Bezug auf die Holocaust-Vermögenswerte genauso kritisch unter84 Jüdische Organisationen schätzten in der Nachkriegszeit, dass allein in New York noch erbenloses Vermögen aus Achsenstaaten in einer Höhe von ungefähr sechs Millionen Dollar deponiert wäre. Erst Anfang der sechziger Jahre wurden lediglich 500.000 Dollar statt der ursprünglich anvisierten Gesamtsumme an die Jewish Restitution Successor Organization als Ausgleich für diese Vermögenswerte übertragen. 85 „Brief Seymour J. Rubin an Stuart Eizenstat“, 11. März 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 14, Folder DX 1 of 2, DX 48. Nach seinem Ausscheiden aus dem State Department hatte Seymour Rubin für den World Jewish Congress gearbeitet und sich dort bereits in den fünfziger Jahren stark für eine Klärung der nachrichtenlosen Vermögen in der Schweiz eingesetzt. Siehe „Brief Seymour J. Rubin an Stanley Metzger (Assistant Legal Advisor for Economic Affairs/Department of State)“, 27. November 1959, LOC, Eizenstat-Papers, Box 9, Various Holocaust related papers. Dementsprechend stark traf ihn die Kritik an der amerikanischen Verhandlungsführung 1946 im Zuge der Debatte um Holocaust-era assets in den neunziger Jahren. Dazu Francis Clines, Wartime Envoy on Nazi Gold Bristles at Hindsight, in: New York Times, 25. Mai 1999; siehe auch David B. Ottaway, Quest for Nazis’ Loot. Dispute Focuses on Role of Swiss Banks, in: Washington Post, 8. Dezember 1996. Rubin hatte sich Anfang 1997 mit Stuart Eizenstat getroffen, um seine Erinnerungen an die Verhandlungen mit der Schweiz 1946 darzulegen. Zu den Verhandlungen 1946 aus Rubins Sicht siehe auch Rubin/Schwartz, Refugees and Reparations. 86 „Holocaust-Era Assets: Weekly Summary“, 3. April 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 13, Folder DU 2 of 4, DU 111. 87 Michael Hirsh, Reparations. The Hunt Hits Home. Did U.S. companies cozy up to the Nazis?, in: Newsweek, 14. Dezember 1998. 88 „Questions and Answers for Commission roll-out“, ohne Datum, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 29, Folder 15, The Act [OA 40421].

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suchen und aufarbeiten würden, wie sie dies von anderen Ländern eingefordert hatten.89 Die Einrichtung der Presidential Advisory Commission Am 23.  Juni 1998 schuf Präsident Clinton mit dem U.S. Holocaust Assets Commission Act of 1998 die Voraussetzung für eine historische Kommission. Sie sollte dem Präsidenten bis zum 31. Dezember 1999 einen Bericht über den Verbleib von Holocaust-Vermögenswerten vorlegen, die in den Besitz der USA gekommen waren. Außerdem sollte sie dem Präsidenten Vorschläge unterbreiten, wie man mit diesen Vermögenswerten weiter verfahren könne. Die Exekutive behielt sich die Entscheidung vor, welche Konsequenzen aus den Ergebnissen der Nachforschungen gezogen würden.90 Die Forschungsergebnisse der Kommission führten also nicht zwangsläufig zu Rückerstattungszahlungen. Senator Alfonse D’Amato brachte daraufhin einen Gesetzesvorschlag zur Bildung einer Presidential Advisory Commission on Holocaust-era Assets in the United States in den Senat ein, der von allen Parteien unterstützt wurde.91 Eine der zentralen Aufgaben war die Klärung der Frage, ob Vermögenswerte von Holocaust-Opfern, die in die USA gelangten, restituiert wurden oder ob sie immer noch im Besitz der USA waren. Dafür sollten finanzielle Vermögenswerte wie Bankkonten und Versicherungen, monetäres wie auch nichtmonetäres Gold, Immobilien, Kunst und kulturelle Güter wie Bücher, Manuskripte oder religiöse Objekte untersucht werden.92 In die Kommission wur89 „Presidential Advisory Commission on Holocaust-era Assets in the United States“, ohne Datum, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 16, Folder 22, Commissioners [OA 40395]. Siehe auch Interview Gene Sofer und Interview Kenneth Klothen. 90 Vgl. „Points For Calls To The Hill – Holocaust Assets Historical Commission“, ohne Datum, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 29, Folder 15, The Act [OA 40421]; Interview Gene Sofer. 91 „Federal and State Laws Regarding Holocaust Restitution“, ohne Datum, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 16, Folder 13, Web Page [OA 40395] [2], 20; Interview Gene Sofer; Interview Kenneth Klothen. 92 „U.S. Holocaust Assets Commission Act of 1998“, 23. Juni 1998, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 27, Board Book – First Commission Meeting [OA 40395]. Die Vermögenswerte konnten über verschiedene Wege in die USA gelangen: Durch die US-Streitkräfte, die Militärregierung und die Besatzungsmacht nach dem Sieg über die Achsenmächte, durch das Einfrieren von Vermögenswerten der Achsenmächte in den USA sowie durch die Verwahrungsnahme von Vermögenswerten in den USA.

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den 21 Mitglieder berufen, zwölf von ihnen benannte der Präsident: acht Privatpersonen und jeweils ein Repräsentant des Department of State, des Department of the Army, des Department of Justice und des Department of Treasury. Daneben wurden je vier Mitglieder des Repräsentantenhauses und des Senats jeweils zur Hälfte von den Demokraten und den Republikanern bestimmt. Zuletzt kam noch der Vorsitzende des United States Holocaust Memorial Committee hinzu.93 Die Zusammensetzung der Kommission repräsentierte somit – bis auf die Klägeranwälte und die Bundesstaaten – die ganze Breite des sogenannten restitution movement in den USA. Die Kommission traf sich zur ersten konstituierenden Sitzung am 16  . März 1999 in Washington. Als Geschäftsführer stellte Kenneth Klothen den Entwurf eines Forschungsplans vor. Wie vom Gesetzentwurf vorgegeben gliederte er sich in zwei Abschnitte: Der erste umfasste die eigentliche Forschung, die sich in drei Untergebiete aufteilte. Marc Masurovsky, der über das Safehaven-Programm der US-Regierung gearbeitet hatte, leitete die Untersuchungen über das Nazi-Gold.94 Der Bereich „weitere finanzielle Vermögenswerte“, der sich unter anderem mit Bankkonten aber auch mit intellektuellem Eigentum auseinandersetzte, wurde von Helen Junz bearbeitet. Jonathan Petropoulos betreute den Bereich „Kunst und andere kulturelle Vermögenswerte“. Neben Büchern, Manuskripten und religiösen Objekten fiel in diese Kategorie auch die Untersuchung über den Verbleib von Juwelen und Edelmetallen. Der zweite Abschnitt des Forschungsplans enthielt die Aufgabe, einen vollständigen Überblick über weitere Forschungsarbeiten zum Thema zu erstellen: Die bestehende Sekundärliteratur sollte zusammengefasst sowie ein Überblick über Forschungsvorhaben und begonnene Forschungen geliefert werden. Die Mitarbeiter sollten Kooperationen mit Organisationen initiieren, die an ähnlichen Themen arbeiteten. Neben den anderen staatlichen Untersuchungskommissionen wurden Banken- und Versicherungsausschüsse der einzelnen Bundesstaaten, die National Association of Museum Directors oder auch die WJRO genannt. Außerdem sollten Forschungskriterien festgelegt werden, mit denen man nach Vermögenswerten suchen konnte, die sich nicht in Regierungshand befanden.95 Der äußerst beschränkte Zeitrahmen machte 93 Siehe „President Names Members to Commission on US Holocaust Assets“, in: http:// www.clintonpresidentialcenter.org/legacy/113098-president-names-members-to-commission-on-us-holocaust-assets.htm, 19. 08. 2007; siehe auch „U.S. Holocaust Assets Commission Act of 1998“, 23. Juni 1998, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 27, Board Book – First Commission Meeting [OA 40395]. 94 Siehe Masurovsky, Safehaven Program. 95 „Minutes Of Organizational Meeting – March 16, 1999“, 16.  März 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 19, Folder 8, Minutes Of All Meetings [OA 40437] [3]. Der Forschungsplan ist abgedruckt in: „Commission Meeting – June 30, 1999“,

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es notwendig, wo es möglich war, auf anderweitig begonnene Forschungen zurückzugreifen. Eizenstat machte dafür zum einen Kostengründe verantwortlich und verweist zum anderen auf die historische Symbolik: [T]his sunset clause is important – both to expedite and limit the cost of the commission’s work and to be consistent with our ‚millennium‘ call to all nations involved in these issues that they complete major historical research and make commitments to restitution no later than that date.96

Der Geschäftsführer der Kommission, Kenneth Klothen, und sein Stellvertreter, Gene Sofer, hatten Stuart Eizenstat am Tag vor der ersten Sitzung einen Leitfaden zukommen lassen, in dem der inhaltliche Rahmen der Kommission genau festgeschrieben war. Weitere Vermögenswerte, die sich nicht im Besitz der US-Regierung befanden sowie die Thematik der Zwangsarbeit sollten zwar auch untersucht werden, aber nicht von dieser Kommission und nicht zu diesem Zeitpunkt. Die Notwendigkeit weiterer Forschung könne im Abschlussbericht vorgeschlagen werden.97 Tatsächlich drängte vor allem der WJC auf eine Ausweitung der Forschungsagenda auf die Privatwirtschaft, konnte sich letztlich jedoch nicht durchsetzen.98 Mit dem Fokus auf Vermögenswerte, die unter die Kontrolle der Regierung in Washington gekommen waren, war der Rahmen der Kommission im Vergleich zu historischen Untersuchungen in anderen Ländern von vornherein sehr beschränkt. Die Verlängerung des Mandats der Presidential Advisory Commission Bereits beim zweiten Treffen der Kommission am 30. Juni 1999 wurde über einen Verlängerungsantrag und eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommission diskutiert.99 Die Untersuchung hätte ursprünglich in wenigen Mona-

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30. Juni 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 33, Board Book – Second Commission Meeting [OA 40395] [I]; Interview Gene Sofer. „Points For Calls To The Hill – Holocaust Assets Historical Commission“, ohne Datum, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 29, Folder 15, The Act [OA 40421]. „First Commission Meeting“, 15. März 1998, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 26, March 16, 1999 – First Commission Meeting [OA 40395]. Memorandum von Ralph Grunewald: Meeting at the World Jewish Congress, 24. Februar 1999, Privatarchiv Martin Dean, Folder Legal Cases & Funds, Box 5; Interview Marc Masurovsky. „Commission Meeting Minutes“, 30. Juni 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 30, June 30, 1999 – Second Commission Meeting [OA 40398] [2].

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ten beendet werden sollen. Es wurde aber schnell klar, dass dies eine pragmatische Vorgabe der Clinton-Administration war, die das restitutionspolitische unfinished business bis zum Ende des 20. Jahrhunderts aufgearbeitet haben wollte. Der tatsächliche Forschungsumfang war mit den finanziellen Mitteln und dem zeitlichen Rahmen nicht zu schaffen.100 Im Senat und im Repräsentantenhaus wurden daher Gesetzentwürfe eingereicht, um das Mandat der Kommission um ein Jahr zu verlängern und das Budget von 3,5 Millionen auf insgesamt sechs Millionen Dollar zu erhöhen.101 Beide Gesetzentwürfe untermauerten ihren Antrag mit dem Führungsanspruch der USA bei der Aufarbeitung restitutionspolitischer Versäumnisse der Nachkriegszeit, wobei die Arbeit der Kommission zentral sei.102 Die Gesetzentwürfe wurden einstimmig angenommen und von Präsident Clinton am 9. Dezember 1999 verabschiedet. Als Hauptgrund für die Verlängerung nannten die Politiker die Menge an auszuwertenden Dokumenten, die durch die resolute Freigabepolitik der ClintonRegierung stetig anwuchs. Da die Arbeit der Kommission für Clinton ein Beleg dafür war, dass die USA sich selbst gegenüber dieselben Standards anlegten, die sie von anderen Ländern eingefordert hatten103, wurden die finanziellen Mittel freigegeben und der Zeitrahmen erweitert: Der Abschlussbericht musste dem Kongress und dem Präsidenten nun erst Ende des Jahres 2000 100 Vgl. „Statement of Senator Christopher Dodd on the U.S. Holocaust Assets Commission Extension Act of 1999“, 5. August 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 29, Folder 16, Extension of Commission Bill [OA 40421]. 101 „Congress of the United States: Support the U.S. Holocaust Assets Commission. Cosponsor H.R. 2401, the Holocaust Assets Commission Extension Act“, 16. Juli 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 29, Folder 17, Correspondence [OA 40421] [I]; siehe auch „Statement of Senator Gordon Smith on the Introduction of the U.S. Holocaust Assets Commission Extension Act of 1999“, 5. August 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 29, Folder 16, Extension of Commission Bill [OA 40421]. 102 „Presidential Advisory Commission on Holocaust-era Assets in the United States“, ohne Datum, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 16, Folder 22, Commissioners [OA 40395]. 103 „House Votes Unanimously To Extend Commission“, 4. Oktober 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 30, Folder 4, Press Releases [OA 40421]; „Congress Extends And Boosts Funds For Holocaust Commission“, 19. November 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 30, Folder 4, Press Releases [OA 40421]; „Statement by the President“, 9. Dezember 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 18, Folder 7, Board Book – Fourth Commission Meeting [OA 40395] [I].

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vorliegen. An dieser Begründung wird deutlich, wie sehr die Clinton-Regierung dem Druck ausgesetzt war, sie würde der Aufarbeitung des unfinished business innerhalb der USA weniger Bedeutung beimessen als im internationalen Rahmen. Die Forschungsarbeit der Kommission Um den Forschungsrahmen der Kommission abzustecken, wurde eine Übersicht erarbeitet, die jede mögliche Verbindung von Regierungsbehörden mit Holocaust-Vermögenswerten aufzeigte. Kenneth Klothen legte im Juni 1999 ein Diagramm vor, in dem mehr als 75 Einrichtungen der Bundesregierung eingetragen waren, die um das Jahr 1943 in der einen oder anderen Form mit gestohlenen Vermögenswerten in Kontakt gekommen waren. Das Schema veranschaulichte das Ausmaß der Verbreitung von geraubten Vermögenswerten – und damit der zu leistenden Forschungsarbeit der Kommission.104 Zwei Schwerpunkte der Forschungsarbeit der Presidential Advisory Commission sollen dies verdeutlichen: die Raubbücher in der Library of Congress und der sogenannte ungarische Goldzug. Geraubte Bücher in der Library of Congress Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden große Bücherbestände aus Nazi-Bibliotheken von den US-Streitkräften konfisziert. In diesen Beständen befand sich auch Literatur, die NS-Opfern geraubt worden war. War dies offensichtlich, wurden diese Bücher nach dem Krieg meist zurückgegeben. Nach Untersuchungen des Historikers Robert Waite vom OSI aus dem Jahre 1997 wurden nach dem Zweiten Weltkrieg allein aus dem sogenannten Offenbach Depot bei Frankfurt am Main mehr als 20.000 jüdische Bücher in die Library of Congress geschickt, von denen jedoch nicht alle Raubgut waren. Waite bescheinigte der Library of Congress, in der Nachkriegszeit mit großer Umsicht vorgegangen zu sein und zu restituierende Bücher ausgesondert zu haben. Bei vielen Büchern war die Herkunft jedoch nicht klar ersichtlich. So wurden zwischen 1949 und 1952 eine halbe Million Bücher, deren Eigentümer nicht ermittelt werden konnten, von der Jewish Cultural Reconstruction Organiza-

104 „Federal Government Structure Dealing With Holocaust Assets Circa 1943“, 30. Juni 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 30, June 30, 1999 – Second Commission Meeting [OA 40398] [2].

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tion nach Israel, aber auch an über dreißig US-Bibliotheken verschickt.105 Es wurde deutlich, dass sich die geraubten Bücher nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit in eine Vielzahl von Bibliotheken verteilten. Da sie nicht immer gekennzeichnet waren, ging auch Eigentum von Opfern der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik in das Eigentum der Allgemeinheit über, ohne dass ein Verweis auf die ehemaligen Besitzer den speziellen Charakter dieser Bücher offenbarte. Das „Art and Cultural Property“-Team unterrichtete am 6. August 1999 den Leiter der Library of Congress, James Billington, sowie den Leiter der Hebräischen Abteilung über diese Problematik und ließ ihnen die neueren Forschungsergebnisse zukommen. Die Bibliotheksleitung konnte in den Hinweisen von Robert Waite keinen Bezug zu ihrer eigenen Institution erkennen und verlangte genauere Informationen über die Rückschlüsse der Presidential Advisory Commission. Die Mitglieder hatten recherchiert, dass 1949 in einer Lieferung der Jewish Cultural Reconstruction Organization Teile der sogenannten Rosenberg-Sammlung in die Library of Congress gelangt waren. Man sei sicher, dass ein Großteil der Bücher aus erbenlosen Beständen stammte, der Nachweis darüber sei aber sehr schwierig. Das „Art and Cultural Property“-Team wollte diese Feststellung keinesfalls als Anklage verstanden wissen. Es erläuterte, dass aus der Tatsache, dass keine restituierbaren Bücher in die Library of Congress gelangt waren, nicht der Schluss gezogen werden könne, es sei überhaupt kein Raubgut angenommen worden. Die Frage war nun: Wie viele solcher Bücher sind in der Library of Congress vorhanden? Was sind das für Bücher? Und vor allem: Wie kann der Tatsache, dass es sich um ehemaliges Raubgut handelt, Rechnung getragen werden? Dem „Art and Cultural Property“-Team ging es also weniger um eine Anklage, als vielmehr um eine offensive und öffentliche Auseinandersetzung und eine historische Klarstellung in Bezug auf den Umgang mit den geraubten Gütern. Dabei sollte vor allem publik gemacht werden, dass ein Teil der Bestände ehemals Holocaust-Opfern gehört habe. Voraussetzung hierfür war jedoch eine genaue Durchsicht der Bestände. Die Leitung der Library of Congress reagierte auch diesmal abweisend und beharrte auf ihrer Meinung: Wenn die betreffenden Bücher nicht restituierbar waren, müsse man dem Thema keine weitere Beachtung schenken. Als die Bibliotheksleitung auch den Vorschlag ablehnte, eine gemeinsame Arbeitsgruppe zu bilden, kam die Kommission zu dem Schluss, der Library of Congress fehle es an der Bereitschaft zur Transparenz und zog eine Intervention der Regierung und des Kongresses in 105 „The Handling Of Looted Books In The American Occupation Zone, 1944-51. Summary of a Report Prepared by the Office of Special Investigations, U.S. Department of Justice (Robert G. Waite)“, ohne Datum, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 28, Folder 8, Library of Congress Case [OA 40418] [2]. Der Bericht erschien 1997: Waite, Handling of Looted Books.

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Betracht.106 Auch die Berichterstattung in der „Washington Post“ vergrößerte den öffentlichen Druck auf die Library of Congress.107 Am 14. Oktober 1999 erklärten sich die Vertreter der Library of Congress schließlich generell bereit, die Existenz von Raubbüchern in ihren Beständen anzuerkennen und die Bestände zu sichten. Sie kam mit diesem Schritt zwar den Forderungen der Presidential Advisory Commission deutlich entgegen, äußerte aber den Wunsch, das Thema mit Bedacht zu behandeln.108 Im Sommer 2000 wurden mehr als 25.000 Titel der hebräischen Bestände der Library of Congress durchgesehen, separat katalogisiert und sowohl im Online-Katalog wie in der Bibliothek selber gesondert zugänglich gemacht.109 Außerdem sollten ausgewählte Bücher dieser Sammlung in einer Dauerausstellung gezeigt werden, um auf die historische Besonderheit dieser Bücher hinzuweisen.110 Diese Bestandsaufnahme sollte Beispielcharakter für weitere Bibliotheken haben. Gleichzeitig forderte die Kommission andere Institutionen, die von der Jewish Cultural Reconstruction Organization mit Büchern beliefert worden waren, auf, ihre Bestände auf geraubte Kulturgüter von HolocaustOpfern zu durchforsten. Darunter waren das Jewish Theological Seminary und die Wall Street Synagogue in New York, die New York Public Library und die Columbia University.111 106 „Discussions with Library of Congress Regarding Looted Books in its Collection“, 12. Oktober 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 38, Folder 14, Restitution – Library of Congress [OA 40394]. 107 Siehe den Brief von Ira H. Leesfield (Kommissionsmitglied) an Kenneth Klothen, 26. Oktober 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 38, Folder 15, Library of Congress – Correspondence [OA 40394]; Michael Dobbs, Epilogue to a Story of Nazi-Looted Books. Library of Congress Trove of War Propaganda Included Many Stolen Jewish Works, in: Washington Post, 5. Januar 2000. 108 „The Library of Congress“, 30. November 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 11, Monthly Reports – 1999 [OA 40411]. 109 Brief Arthur D. Kirsch an Kenneth Klothen, 9. August 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 38, Folder 13, Correspondence [OA 40394]. Siehe auch Kirchhoff, Gedächtnis. 110 Brief von James H. Billington, Librarian of Congress, an den Vorsitzenden der Presidential Advisory Commission, Edgar Bronfman, 29. September 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 38, Folder 15, Library of Congress – Correspondence [OA 40394]. 111 „Minutes Of Meeting“, 19. Oktober 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 19, Folder 6, Minutes Of All Meetings [OA 40437] [I]; Brief Gene Sofer an Ismar Schorsch vom Jewish Theological Seminary, 9. März 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art

6.2. Die Suche nach Holocaust-Vermögenswerten im eigenen Land

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In einer Erklärung bekräftigte die Library of Congress am 28. September 2000 öffentlich ihre Kooperation mit der Presidential Advisory Commission. Ihre Zusage kann jedoch nicht davon ablenken, dass sie sich vehement gegen jeden Vorwurf wehrte, sie hätte in der Nachkriegszeit falsch agiert: „There is nothing in the historical record to suggest that the Library’s Mission to Europe improperly acquired any books or other materials from victims of the Holocaust.“112 Die Wortwahl zeigt, dass der ursprüngliche Disput zwischen der Library of Congress und der Presidential Advisory Commission nicht bereinigt worden war. Vielmehr offenbarten sich zwei grundsätzlich verschiedene Herangehensweisen: Die Presidential Advisory Commission unterstellte der Library of Congress keineswegs eine historische Schuld wegen der Aneignung von geraubten Kulturgütern. Sie machte aber deutlich, dass die Behandlung der geraubten Wertgegenstände von Holocaust-Opfern in der Nachkriegszeit unbefriedigend war und einer angemessenen Erinnerung an die Verbrechen nicht gerecht wurde. Diese Haltung repräsentierte den Geist der Clinton-Administration im Umgang mit Holocaust-Vermögenswerten. Die Leitung der Library of Congress berief sich dagegen auf die Rechtmäßigkeit ihres Handelns in der Nachkriegszeit und bis in die neunziger Jahre. Sie hielt stur daran fest, nichts unrechtmäßig erworben zu haben. Die Frage der grundsätzlichen Angemessenheit dieses Verfahrens stellte sich dabei für die Library of Congress nicht. Die Perpetuierung der Nachkriegspolitik, die davon geprägt war, den spezifischen Charakter der nationalsozialistischen Raubpolitik bei der Nachkriegsbehandlung von Raubgut zu ignorieren, war eine logische Konsequenz. Die Sorge vor den Konsequenzen eines Eingeständnisses, sie habe eine in Bezug auf das Vermächtnis der Opfer unzureichende und defizitäre Bibliothekspolitik betrieben, ließ sie an der etablierten Position festhalten. Der ungarische Goldzug Am Ende des Zweiten Weltkrieges waren mehrere Güterzüge mit Vermögenswerten und nationalsozialistischem Raubgut von Ungarn in Richtung Deutschland geschickt worden. Die erbeuteten Werte sollten nicht in die Hände der Alliierten fallen. Doch am 16. Mai 1945 konnte die US-Armee in der österreichischen Stadt Werfen, knapp hundert Kilometer südlich von Salzburg, einen dieser Züge beschlagnahmen. Er war beladen mit Gold, Schmuck, Gemälden & Cultural Property Theft, Box 39, Folder 13, Libraries [OA 40394]; siehe dazu auch den Abschlussbericht: http://www.pcha.gov/PlunderRestitution.html/html/Findings_ Agreements.html, 16. 11. 2007. 112 „Statement of the Library of Congress on Holocaust Assets“, 28. September 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 38, Folder 15, Library of Congress – Correspondence [OA 40394].

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6. Die USA und ihre eigenen Defizite

und anderen Wertgegenständen der ausgeraubten und größtenteils ermordeten jüdischen Bevölkerung Ungarns, aber auch mit Vermögenswerten ungarischer NS-Kollaborateure. Die Presidential Advisory Commission sollte nun den Fall des sogenannten „Hungarian Goldtrain“ untersuchen und feststellen, welche Abweichungen von der offiziellen US-Restitutionspolitik und welche Veruntreuungen es durch US-Streitkräfte gegeben habe. Das „Art and Cultural Property“-Team bekräftigte zwar, dass die USBesatzungsmacht sich generell sehr korrekt verhalten habe. Trotzdem habe es schwerwiegende Verstöße gegen das Eigentumsrecht gegeben.113 Im Fall des ungarischen Goldzuges warf das Team der US-Armee nicht nur vor, sich nicht ausreichend um die Rückgabe bemüht zu haben, sondern auch einen Teil der jüdischen Vermögenswerte unrechtmäßig behalten zu haben. Die Forschungen basierten auf einem neu erschlossenen Archivbestand aus den Jahren 1946 und 1947 der amerikanischen Gesandtschaft in Budapest. Aus ihnen ließ sich zweifelsfrei belegen, dass es sich bei den ehemaligen Eigentümern um ungarische Juden handelte und dass die Überlebenden bereits 1946 von der Beschlagnahmung des Zuges durch die US-Armee und den geplanten Verkauf der Wertgegenstände zur Unterstützung der Displaced Persons informiert worden waren. Trotz des Protestes der jüdischen Gemeinde war es zur Versteigerung des Raubguts gekommen. Die Quellen gaben auch Aufschluss über den Verbleib von Kunstwerken, die sich auf dem Zug befanden.114 Am 14. Oktober 1999 stellte die Kommission einen Zwischenbericht über den Goldzug der Öffentlichkeit vor. Ziel dieses Zwischenberichts war es, ein Schlaglicht auf den Umgang der US-Streitkräfte mit den sichergestellten Vermögenswerten zu werfen.115 Die Arbeitsgruppe stellte drei schwerwiegende restitutionspolitische Versäumnisse fest. Erstens wäre es sowohl nach internationalem Recht wie auch nach den Direktiven der US-Restitutionspolitik die Aufgabe der USA gewesen, den Inhalt des Zuges an Ungarn zurückzuerstatten. Auf die Äußerung des Generals Mark Clark, dass weder die legitimen Besitzer noch ihre Staatsangehörigkeit erkennbar waren, hatte man die Option der individuellen Restitution fallengelassen. Diese Entscheidung wurde damals auch aus Washingtoner Regierungskreisen unterstützt. Der Protest der ungarischen jüdischen Gemeinde und der Einwand, dass die Vermögenswerte

113 „Executive Summary of Remarks Concerning the Working Group on Art and Cultural Property“, 30. Juni 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 28, Folder 2, Presidential Commission Gold Train [OA 40418] [1]. 114 „Hungarian ‚Gold Train‘ Progress Report“, 4. August 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 28, Folder 2, Presidential Commission Gold Train [OA 40418] [1]. 115 http://govinfo.library.unt.edu/pcha/goldtrainfinaltoconvert.html, 24. 10. 2007.

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durchaus zugeordnet werden könnten, wurden von der US-Regierung in den späten vierziger Jahren ignoriert.116 Als zweiter Fehler wurde angesprochen, in welchem Ausmaß sich die US-Streitkräfte in Österreich Vermögenswerte aus dem Goldzug illegitim angeeignet hatten. So waren Möbelstücke für die Unterkünfte der US-Generäle verwendet worden, auch waren vielfach kleinere Stücke wie Uhren, Schmuck oder Goldmünzen gestohlen worden. Dritter Punkt war die Tatsache, dass weit über eintausend der aus Ungarn gestohlenen Gemälde an Österreich restituiert wurden, was mit der strategiepolitischen Neuorientierung in Mitteleuropa im beginnenden Kalten Krieg gerechtfertigt wurde. Was mit den Bildern weiter geschah, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Das sollten weitere Ermittlungen klären.117 Der vorläufige Bericht kritisierte also, wie dies vorher auch der EizenstatBericht getan hatte, die Politik der USA am Übergang zum Kalten Krieg. In diesem Kontext traten die legitimen Restitutionsinteressen der jüdischen Gemeinde Ungarns gegenüber dem neuen Kalkül Washingtons zurück. Der Zwischenbericht erregte große Aufmerksamkeit.118 In einer Ankündigung für die Presse bezeichnete die Presidential Advisory Commission die vorläufigen Forschungsergebnisse über den ungarischen Goldzug als ein Beispiel für das Scheitern der USA, ihre selbstgesteckten Restitutionsziele in der Nachkriegszeit zu erreichen.119 Das Presseecho war groß, nicht zuletzt weil sich die Kommission seit ihrer Gründung mit diesem Bericht zum ersten Mal zu Wort meldete. „U.S. admits looting Jewish property“, titelte die „Washington Jewish Week“ und die „New York Times“ schrieb „G.I.s Are Called Loot-

116 „Briefing by Art Research Staff to the Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the United States on the ‚Hungarian Gold Train‘“, 14. Oktober 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 18, Folder 1, October 14, 1999 – Third Commission Meeting [OA 40395] [2]. 117 Ebd. 118 Als Antwort auf den vorläufigen Forschungsbericht vom 14.  Oktober 1999 hatte das U.S. Army Center of Military History eine eigene Studie mit dem Titel „The U.S. Army and Hungarian Holocaust Era Assets“ herausgegeben. Diese Studie kam zum Ergebnis, dass die US-Armee weitaus angemessener vorgegangen war, als dies der Bericht der Presidential Advisory Commission vermuten ließ. Es sei unverantwortlich, das Ansehen der gesamten Armee aufgrund der Versäumnisse einiger weniger zu beflecken, so der Tenor. Siehe „The U.S. Army and Hungarian Holocaust Era Assets. Prepared by the U.S. Army Center of Military History“, ohne Datum, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Art & Cultural Property Theft, Box 35, Folder 3, Art / Cultural Reports [OA 40406] [8]. 119 „Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the US: Press Release“, 12. Oktober 1999, in: http://www.pcha.gov/pr991012.htm, 25. 11. 2007.

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ers of Jewish Riches“.120 Das breite Medienecho und die darin enthaltene Kritik wurden innerhalb der Presidential Advisory Commission aufmerksam wahrgenommen und die Veröffentlichung des Zwischenberichts kontrovers diskutiert.121 Es stellte sich die Frage, wie offen man mit Kritik an der USRestitutionspolitik umgehen konnte. Im Abschlussbericht der Presidential Advisory Commission wurde der Forschungsbericht zum ungarischen Goldzug letztlich nur am Rande erwähnt. Die strittigen Passagen zum Kalten Krieg wurden weggelassen. Das Beispiel des Goldzugs wurde stattdessen lediglich unter dem Aspekt der Sicherheitsproblematik für zu restituierende Vermögenswerte behandelt.122 Die Auseinandersetzung hatte jedoch eine materielle Konsequenz: Im Mai 2001 verklagten ungarische Holocaust-Überlebende die US-Regierung. Das Department of Justice plädierte zwar auf Einstellung des Verfahrens, aber die Bush-Regierung geriet im Kongress sowohl von republikanischer wie demokratischer Seite unter Druck, auf die Forderungen der jüdischen Gemeinde nach Entschädigung einzugehen. Im Oktober 2005 kam ein Abkommen über 25,5 Millionen Dollar zustande, in dessen Kontext sich das Department of Justice offiziell für das Fehlverhalten der US-Armee entschuldigte.123 Erbenlose Privatvermögen Stuart Eizenstat hatte immer wieder darauf hingewiesen, auch in den USA nach erbenlosen Vermögen zu suchen.124 Die Presidential Advisory Commission nahm nun Kontakt mit den Beamten der Aufsichtsbehörden für Banken 120 Michael Shapiro, U.S. admits looting Jewish property, in: Washington Jewish Week, 21. Oktober 1999, 19; Tim Golden, G.I.’s Are Called Looters of Jewish Riches, in: The New York Times, 15. Oktober 1999; Michael Dobbs, Tarnished Gold. U.S. Report Says G.I.’s Liberated, Then Looted Nazi Train Carrying Assets of Hungarian Jews, in: The Washington Post, 15. Oktober 1999; siehe auch Zweig, Gold Train; Alford, Spoils of World War II. Alford, der von der New York Times als „an amateur American historian“ bezeichnet wurde, legte bereits in den frühen neunziger Jahren den argumentativen Schwerpunkt seiner Arbeit auf die strukturellen Versäumnisse und Defizite der US-Restitutionspolitik von Kulturgütern. 121 Interview Lynn H. Nicholas. Sie war Mitglied der „Working Group on Art and Cultural Property“ und ist Autorin des Buches „The Rape of Europe. The Fate of Europe’s Treasures in the Third Reich and the Second World War“. 122 http://www.pcha.gov/PlunderRestitution.html/html/StaffChapter4.html#anchor282490, 23. 11. 2007. 123 Christopher Condon, US apologises for Hungary Holocaust gold train robbery, in: Financial Times, 12. October 2005; „U.S. Settles Gold Train Case“, in: http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/Holocaust/goldtrain1.html, 30. 06. 2007. Zum Abkommen siehe http://www.hungariangoldtrain.org/index_en.asp, 13. 01. 2008. 124 „Minutes Of Organizational Meeting – March 16, 1999“, 16.  März 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in

6.2. Die Suche nach Holocaust-Vermögenswerten im eigenen Land

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und Versicherungen der einzelnen Bundesstaaten auf. Die Bundesstaaten, in denen sich die meisten Holocaust-Überlebenden befanden – wie Kalifornien, Florida oder New York –, wurden gebeten, einen Ansprechpartner für die Kommission zu benennen.125 Außerdem wurden über hundert Mitglieder der National Association of Unclaimed Property Administrators über die Arbeit der Kommission unterrichtet, die geschlossen ihre Kooperation zusagte.126 Auch die großen US-Banken selbst wurden angeschrieben und um Auskunft gebeten, welche Anstrengungen sie unternommen hatten, um nachrichtenlose Vermögenswerte ausfindig zu machen, und wohin diese gegebenenfalls transferiert worden waren. Man wies die Banken auf die Erfahrungen der Schweizer Banken hin, bei denen sich die Behauptung, keinerlei Informationen über nachrichtenlose Konten zu besitzen, oftmals als falsch herausgestellt hatte.127 So ergaben sich beispielsweise beim Gegenlesen einer Liste von HolocaustOpfern mit einer Liste der New Yorker nachrichtenlosen Vermögen auf Anhieb 17 Übereinstimmungen. Dieselbe Liste mit den Namen der HolocaustOpfer wurde daraufhin mit einer landesweiten Datenbank zu nachrichtenlosen Vermögenswerten verglichen. Auch hier kam es zu Übereinstimmungen.128 Diese Stichproben bestätigten die Vermutung Eizenstats, dass nachrichtenlose Vermögen durchaus für die Auseinandersetzung mit Holocaust-Vermögenswerten in den USA relevant waren. Im Herbst 2000 verständigten sich die Presidential Advisory Commision und führende Banken in den USA auf die effizienteste Vorgehensweise bei der Suche nach erbenlosen Vermögenswerten in Bankarchiven. Da man die höchste Trefferquote in New Yorker Banken vermutete, intensivierte die Kommission ihre Zusammenarbeit mit der New York Bankers Association. Eizenstat regte eine Ausweitung der Kothe U.S., Administrative Files, Box 19, Folder 8, Minutes Of All Meetings [OA 40437] [3]. 125 „Monthly Report“, 25. Oktober 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 11, Monthly Reports, 1999-2000 [OA 40225] [I]. 126 „Monthly Report“, 24. September 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 35, October 14, 1999 – Third Commission Meeting [OA 40395] [I]. Die National Association of Unclaimed Property Administrators ist verantwortlich für die Rückgabe der nachrichtenlosen Vermögenswerte, die an die jeweiligen Bundesstaaten übergegangen sind. 127 Brief Edgar Bronfman an Martin G. McGuinn, 1. August 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 19, Folder 2, Board Book – Seventh Commission Meeting [OA 40437]. 128 „Minutes Of Meeting“, 21.  September 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 19, Folder 4, Board Book – Eighth Commission Meeting [OA 40437] [I].

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operation auf die American Bankers Association an, mit der dann eine verbindliche Prozedur für die Nachforschungen festgelegt wurde.129 Obwohl die Presidential Advisory Commission sich laut ihren Statuten eigentlich nur mit Vermögenswerten beschäftigen sollte, die unter staatliche Kontrolle gekommen waren, konnte Stuart Eizenstat also durchsetzen, die Untersuchung auch auf erbenlose Vermögen von Holocaust-Opfern auszuweiten. Es wurden so zumindest Nachforschungen im privaten Sektor angestoßen, auch wenn es nicht zu einer abschließenden Untersuchung kam. Die Einbindung der Kommission in internationale Netzwerke Dem Aspekt der Vernetzung mit weiteren historischen Kommissionen bzw. Forschungsprojekten wurde gleich zu Anfang große Bedeutung beigemessen. Greg Bradsher, Leiter des Holocaust-Era Assets Records Project der National Archives in Maryland, wies die Kommission auf die umfangreichen Bestände an Dokumenten in Banken und Versicherungen hin, die immer noch nicht freigegeben waren. Er bot der Kommission seine Unterstützung an und stellte den Kontakt zur Interagency Working Group on Nazi War Crimes (IWG) her. Sie war infolge des Nazi War Crimes Disclosure Act vom 8. Oktober 1998, der die Deklassifizierung von relevanten Dokumenten zur NS-Zeit zum Ziel hatte, von Präsident Clinton am 11.  Januar 1999 eingesetzt worden. Dabei stand ursprünglich die Verfolgung von NS-Straftätern in den USA im Vordergrund.130 Beim zweiten Treffen der Kommission im Juni 1999 stimmten die Mitglieder einer Zusammenarbeit mit der IWG zu und vereinbarten regelmäßige Treffen. Israel Singer hatte die Kommission in seiner Eröffnungsansprache in Beziehung zu den anderen nationalen Untersuchungskommissionen gesetzt.131 129 „Minutes Of Meeting“, 19. Oktober 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 19, Folder 6, Minutes Of All Meetings [OA 40437] [I]; siehe auch http://www.pcha.gov/ PlunderRestitution.html/html/Findings_Agreements.html#anchor780352, 23. 11. 2007. 130 Bereits im April 1995 hatte Präsident Clinton die Aktenpolitik der staatlichen US-Archive mit der „Executive Order 12958“ über Classified National Security Information revolutioniert, in der er eine breite Freigabe von Quellenmaterial verordnete. Siehe The White House, Executive Order 12958. Classified National Security Information, 17. April 1995, in: http://www.fas.org/sgp/clinton/eo12958.html, 24. 10. 2007. 131 „Minutes Of Organizational Meeting – March 16, 1999“, 16.  März 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 19, Folder 8, Minutes Of All Meetings [OA 40437] [3]; „Draft: Commission Meeting Minutes“, 30. Juni 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 30, June 30, 1999 – Second Commission Meeting [OA 40398] [2].

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Auch Kenneth Klothen wies auf die Verpflichtung hin, die Forschungsergebnisse den anderen historischen Kommissionen zur Verfügung zu stellen. Er schlug daher vor, die Stockholmer Holocaust Konferenz im Januar 2000 parallel für ein Treffen aller 17 staatlichen Untersuchungskommissionen zu nutzen.132 Klothen begründete diese Idee gegenüber den schwedischen Organisatoren mit der Bedeutung der Forschungsergebnisse der nationalen Kommissionen für die pädagogische Vermittlung des Holocaust.133 Das ist bemerkenswert, war doch die eigentliche Aufgabe der nationalen Kommissionen die Aufarbeitung der historischen Fakten. Aber hier zeigt sich der Meinungswandel der späten neunziger Jahre, der zu dem erinnerungspolitischen Paradigmenwechsel unter dem Schlagwort „from money to memory“ führte: Die Erforschung und Rekonstruktion der nationalsozialistischen Verbrechen und ihre unzureichende Aufarbeitung in der Nachkriegszeit traten in den Hintergrund und die Überlegung, was aus den Geschehnissen der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft gelernt werden könne und wie man dies pädagogisch vermitteln könne, gewann zunehmend an Bedeutung. Die schwedische Regierung weigerte sich jedoch, ein Treffen der staatlichen Untersuchungskommissionen in die Agenda der Konferenz zu integrieren. Das State Department drängte die Presidential Advisory Commission aber, das Treffen auf eigene Faust durchzuführen. Alle Untersuchungskommissionen wurden aufgefordert, ihre leitenden Forscher in ihre Delegationen aufzunehmen.134 Ursprünglich in der amerikanischen Botschaft in Stockholm geplant, fand das Treffen dann am 27. Januar 2000 im Swedish Institute of International Affairs statt.135 Der Vorschlag, die Zusammenarbeit zu verstärken, fand bei allen Teilnehmern großen Zuspruch. Auf das Forschungstreffen in Stockholm folgten bilaterale Treffen zwischen Mitgliedern der Presidential Advisory Commission und staatlichen und nichtstaatlichen Untersuchungskommissionen in Ungarn, Österreich, Frankreich und Tschechien. Dringlichstes Thema war dann doch der Austausch über die Erfahrungen bei der Forschung über die Behandlung und Restitution von geraubten Vermögenswerten. Dabei stellten sie signifikante Gemeinsam132 „Commission Meeting Minutes“, 30. Juni 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 30, June 30, 1999 – Second Commission Meeting [OA 40398] [2]. 133 Brief Kenneth L. Klothen an Lars-Erik Wingren, 4. August 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 1, Correspondence [OA 40411] [1]. 134 „Monthly Report“, 25. Oktober 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 11, Monthly Reports – 1999 [OA 40411]. 135 Einladungsschreiben von Kenneth Klothen an Staatliche Untersuchungskommissionen, Dezember 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 1, Correspondence [OA 40411] [I].

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keiten der verschiedenen Untersuchungskommissionen fest: Alle beklagten die Isolation der einzelnen Kommissionen, der Austausch untereinander war dürftig, eine produktive Kooperation fast gar nicht vorhanden. Auch waren die Kommissionen in den einzelnen Ländern mit sehr ähnlichen Problemen konfrontiert. So war der uneingeschränkte Zugang zu Dokumenten über geraubte Vermögenswerte nicht überall gewährleistet, weder in öffentlichen Archiven noch in Privatarchiven, besonders in denen von Unternehmen. Um den Quellenzugang zumindest partiell zu erleichtern, wurde auch auf die Bedeutung des Internets hingewiesen. Zum einen konnte die Veröffentlichung von Findbüchern und die Digitalisierung von Dokumenten weitere Forschungen erleichtern, außerdem schuf dieses Medium eine Öffentlichkeit, indem man Forschungsberichte dort zugänglich machte.136 Die Presidential Advisory Commission versuchte nachdrücklich, den Austausch und die Vernetzung der verschiedenen Untersuchungskommissionen auf internationaler Ebene voranzutreiben. Dieser Austausch dürfte nicht zuletzt die Herausbildung eines gemeinsamen westlichen Holocaust-Narrativs auf staatlicher Ebene maßgeblich beeinflusst haben.137 Der Abschlussbericht der Kommission Die Presidential Advisory Commission legte im Dezember 2000 ihren Abschlussbericht vor.138 Er ist im Kontext einer verstärkten gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Holocaust und seinen materiellen Folgen zu verstehen und war darauf angelegt, den restitutionspolitischen Führungsanspruch der USA bestärken.139 Der Bericht gliederte sich in zwei Teile. Der erste Teil, „Findings and Recommendations“, stellte die grundsätzlichen Ergebnisse vor, erläuterte eine Reihe von Abkommen, die die Kommission mit der Library of Congress, der National Gallery of Art, der Finanzindustrie sowie einer Reihe von Museen geschlossen hatte, um den Verbleib von Holocaust-Vermögenswerten zu eruieren, und endete mit Vorschlägen für den USPräsidenten, welche Lehren aus den Versäumnissen der Vergangenheit für die 136 „Meetings with European Commissions“, 23. März 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 12, Monthly Reports – 2000 [OA 40411]. 137 Vgl. E-Mail Kenneth Klothen an Linus von Castelmur, 17. September 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 1, Correspondence [OA 40411] [I]. 138 Plunder and Restitution: Findings and Recommendations of the Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the United States and Staff Report, December 2000, in: http://www.pcha.gov/PlunderRestitution.html/html/Home_Contents.html, 16. 10. 2007. 139 http://www.pcha.gov/PlunderRestitution.html/html/Intro_HistoricalContext.html, 17. 11. 2007.

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politische Praxis in der Zukunft gezogen werden könnten.140 Im zweiten Teil wurden die Berichte der einzelnen Forschungsgruppen vorgestellt. Die Presidential Advisory Commission kam zu dem Schluss, dass die Aufgabe der US-Streitkräfte, geraubte Vermögenswerte sicherzustellen und zu restituieren, historisch beispiellos war. Die restitutionspolitischen Grundsatzentscheidungen, die in Washington getroffen wurden und in Europa von den US-Streitkräften und der Besatzungsmacht ausgeführt wurden, konnten dem Ausmaß des nationalsozialistischen Raubes niemals gerecht werden. Wenn die Restitutionspolitik die Interessen der NS-Opfer vernachlässigte, waren die Entscheidungen von Sachzwängen bestimmt.141 Darunter fielen die Notwendigkeit des Wiederaufbaus und die humanitäre Hilfe für Displaced Persons, aber auch die Überlegungen, die US-Truppen abzuziehen, oder die strategische Logik des Kalten Krieges.142 Die Restitutionspolitik wies also gravierende Mängel auf, die Sachzwänge hatten der US-Regierung aber nach Einschätzung der Kommission kaum Spielraum für ihre Entscheidungen gelassen. Mit ihrem rein konstatierenden Ansatz vermied die Presidential Advisory Commission eine Bewertung der damaligen Politikoptionen. Sie ging nicht darauf ein, dass das State Department und das Treasury Department völlig konträre Planungen für die Nachkriegszeit ausgearbeitet hatten, die in der damaligen Diskussion durchaus konkurrierten. Die Restitutionsanstrengungen nach dem Krieg hätten auch ganz anders verlaufen können. Der Bericht zeigte also nicht auf, inwieweit die jeweiligen Sachzwänge der Nachkriegszeit das Resultat übergeordneter strategiepolitischer Grundsatzentscheidungen waren.143 Die USA hatten gemäß den internationalen juristischen Traditionen darauf vertraut, dass Vermögenswerte, die an die Länder restituiert wurden, dort den berechtigten Bürgern weitergegeben würden. Wo dies nicht möglich war, wurden die Vermögenswerte den sogenannten Nachfolgerorganisationen übergeben, damit diese sie anderen Opfern zugute kommen ließen. Dieses Prozedere kritisierte die Presidential Advisory Commission, da es in der Praxis häufig dazu führte, dass die langwierige und schwierige Suche nach den Eigentümern unterblieb und stattdessen die Vermögenswerte voreilig als erbenlos klassifiziert und den Nachfolgerorganisationen übergeben worden waren. Besonders Opfergruppen, deren Interessen von keiner internationalen Organisation vertreten wurden wie Roma und Sinti, Homosexuelle oder Behinderte, wurden so schnell übergangen. Außerdem erschwerten die kurzen 140 „Minutes Of Meeting“, 25. Juli 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 19, Folder 6, Minutes Of All Meetings [OA 40437] [I]. 141 http://www.pcha.gov/PlunderRestitution.html/html/Intro_CommissionFindings.html, 23. 10. 2007. 142 Ebd. 143 Siehe hierzu Surmann, Unfinished business, 354f.

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Antragsfristen die Restitution. Viele Vermögenswerte wurden deshalb niemals zurückgefordert. Nach mehr als fünfzig Jahren war es aber unmöglich, die restitutionspolitischen Fehler und Defizite der Nachkriegszeit vollständig zu korrigieren: „[I]n large part, it will remain forever impossible to return the actual assets stolen from them over 50 years ago“, so das Fazit der Kommission.144 Auch innerhalb der USA war die Rückgabe der Vermögenswerte an Holocaust-Opfer mangelhaft. Seit 1941 konnte das Office of the Alien Property Custodian die Vermögen von Staatsangehörigen der Feindmächte konfiszieren. Formal zählten auch die Verfolgten und Opfer dieser Staaten dazu.145 Nach dem Krieg mussten die Betroffenen die Rückgabe ihrer beschlagnahmten Vermögen beantragen. Aufgrund der Kosten und der schwierigen Antragsstellung verpassten viele die Frist, die im April 1955 auslief. Das nicht zurückgeforderte Vermögen jüdischer Herkunft in den USA wurde 1948 auf drei Millionen Dollar geschätzt. Erst 1962 ermöglichte ein Gesetz, dass die Jewish Restitution Successor Organization (JRSO) eine Pauschalzahlung von 500.000 Dollar für dieses erbenlose Vermögen erhielt. Auch wurden Vermögenswerte von Holocaust-Opfern, die in den USA eingefroren worden waren, vom Treasury Department zur Entschädigung von US-Bürgern bzw. US-Unternehmen benutzt, die durch den Krieg finanziellen Schaden erlitten hatten. Dabei hatte die Entschädigung von US-Bürgern Vorrang vor der Rückgabe von Vermögenswerten an Holocaust-Opfer.146 Die Kommission stellte in ihrem Abschlussbericht jedoch ausdrücklich fest, dass sie den Entscheidungsträgern keine unredlichen Motive unterstellte. Der Ton des Abschlussberichts war daher bei aller geäußerten Kritik sehr versöhnlich.147 Trotz der Einzigartigkeit der Verbrechen hielt die Kommission es für wichtig, Lehren aus den restitutionspolitischen Fehlern zu ziehen. Die Ergebnisse des Berichts sollten nicht nur die Defizite der Nachkriegszeit aufarbeiten und korrigieren, die Versäumnisse sollten vielmehr Gradmesser für Handlungen der Zukunft sein und die Regierung ermutigen, restitutionspolitische Optionen für zukünftige bewaffnete Konflikte zu entwerfen.148 In ihren Empfehlungen unterstrich die Presidential Advisory Commission, dass ihre Untersuchungen ein Thema von solchem Umfang niemals abschließend behandeln 144 http://www.pcha.gov/PlunderRestitution.html/html/Intro_CommissionFindings.html, 23. 10. 2007. 145 Am 11. März 1942 wurde das „Office of the Alien Property Custodian“ von Präsident Roosevelt eingerichtet. Aufgabe war es, den Bestand von feindlichem Eigentum in den USA zu dokumentieren. Dazu gehörten neben Firmen, Immobilien und intellektuellem Eigentum auch Patente und Markennamen. 146 http://www.pcha.gov/PlunderRestitution.html/html/Findings_RestitutionUS.html, 15. 12. 2007. 147 http://www.pcha.gov/PlunderRestitution.html/html/Intro_CommissionFindings.html, 23. 10. 2007. 148 Ebd.

6.2. Die Suche nach Holocaust-Vermögenswerten im eigenen Land

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konnten. Schon im Vorfeld war ja der begrenzte Rahmen der Agenda diskutiert worden. Deshalb stellte die Kommission eine Liste von Desideraten zusammen. Weiter zu erforschen waren nach Ansicht der Kommission vor allem der Verbleib von Vermögenswerten weiterer NS-Opfer, speziell von Roma und Sinti, Homosexuellen und Behinderten; die Bedeutung des Kalten Krieges für die restitutionspolitischen Grundsatzentscheidungen; die Versäumnisse bei der Rückgabe der Wertgegenstände aus dem „Hungarian Goldtrain“ an die jüdische Gemeinde Ungarns; sowie die Auswirkungen der Gründung Israels auf die Restitution, da sich hier die Möglichkeit ergeben hätte, erbenlose Vermögenswerte an Israel zu übertragen. In Bezug auf Raubkunst wäre genauer zu prüfen, welche Rolle lateinamerikanische Länder für die illegale Einfuhr von geraubter Kunst aus Europa in die USA spielten sowie die Rolle der Schweiz als sicherer Hafen für Raubkunst in der Nachkriegszeit. Letztlich erforderten auch die Frage nach den Auswirkungen von Währungsreformen auf die Restitution sowie der Anteil von Opfergold in den Goldbarren der Reichsbank genauere Untersuchungen.149 Die erste und dringlichste Empfehlung der Presidential Advisory Commission an den Präsidenten der USA war die Einrichtung einer Stiftung. Zu ihren Aufgaben sollte neben der historischen Rekonstruktion von Raub und Restitution die Ableitung von Lehren für die Zukunft gehören, die dann in die Entwicklung von innovativen Lösungen für gegenwärtige Restitutionsfragen einfließen konnten.150 Die Stiftung sollte zu einem Forschungszentrum werden, an dem Informationen über Holocaust-Vermögenswerte zusammenliefen. Außerdem sollten die internationalen Restitutionsanstrengungen kritisch beobachtet werden, speziell die Umsetzung der Vereinbarungen der Washingtoner und der Nachfolgekonferenzen. Sowohl Einzelpersonen wie auch Institutionen sollten Hilfe von der Stiftung erhalten, um Eigentumsrechte zu klären und gegebenenfalls die Vermögenswerte zurückzufordern. Die anvisierte Stiftung hätte also primär zur Aufgabe, die Arbeitsbereiche der Presidential Advisory Commission zu vertiefen und weiterzuführen. Mit einem vorgesehenen Zeitrahmen von zehn Jahren sah dieser Vorschlag eine Quasi-Institutionalisierung der Beschäftigung mit Holocaust-Vermögenswerten vor, die über die tagesaktuelle Auseinandersetzung weit hinausreichen würde. Während Stuart Eizenstat und die Clinton-Regierung Mitte der neunziger Jahre das Ende des 20.  Jahrhunderts als Endpunkt für die materielle Auseinandersetzung mit geraubten Holocaust-Vermögenswerten gesetzt hatten, würde diese Stiftung die Forschung bis in das 21. Jahrhundert hinein verlängern.151 An zweiter Stelle empfahl die Kommission die Überprüfung von nichtrestituierten Holocaust-Vermögenswerten auf Landes-, bundesstaatlicher so149 http://www.pcha.gov/PlunderRestitution.html/html/Context.html, 9.12.2007. 150 http://www.pcha.gov/PlunderRestitution.html/html/Recommendations.html, 12. 12. 2007. 151 Ebd.

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6. Die USA und ihre eigenen Defizite

wie privatwirtschaftlicher Ebene voranzutreiben. Das bedeutete eine Ausweitung der Arbeit der Kommission. Mit dem Verteidigungsministerium sollte ein Programm entwickelt werden, das an die Veteranen des Zweiten Weltkrieges appellierte, freiwillig Wertgegenstände zurückzugeben, die sie im Krieg oder in der Nachkriegszeit als Souvenirs an sich genommen hatten. Die Regierung sollte außerdem die Bundesstaaten auffordern, einheitliche Listen zu erstellen, aus denen ersichtlich würde, welche erbenlosen Vermögenswerte an sie übergeben worden waren. Ebenso sollten private Institutionen, die noch im Besitz von Holocaust-Vermögenswerten waren, ersucht werden, sich um die Rückgabe dieser Werte an die rechtmäßigen Eigentümer zu bemühen.152 Die dritte Anregung der Kommission betraf die Aktenpolitik. Die Regierung sollte dafür sorgen, dass die Dokumente aus der Zeit des Holocaust geschützt und erhalten würden. Dies beinhaltete nicht allein eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Archive, sondern auch den uneingeschränkten Zugang zu diesen Quellenbeständen. Findbücher und Forschungshandbücher sollten weiter ausgearbeitet und publiziert werden und Forschungen gefördert werden. Dementsprechend sollte die Interagency Working Group ihre Arbeit fortsetzen können und weiterhin voll finanziert werden, um die Deklassifizierung von relevanten Dokumenten voranzutreiben.153 Die vierte Empfehlung richtete sich an das Verteidigungsministerium. Es sollte die bisherigen Direktiven und Optionen zur Restitution von Vermögenswerten überprüfen. Die im Abschlussbericht aufgedeckten restitutionspolitischen Defizite der US-Streitkräfte in den vierziger Jahren könnten eine Wiederholung der Fehler vermeiden helfen. Dafür müsste nicht zuletzt die Ausbildung der Soldaten in dieser Richtung verbessert werden.154 Als fünften Punkt empfahl die Kommission dem Präsidenten der USA, die führende Rolle bei der internationalen Auseinandersetzung um die Restitution von geraubten Vermögenswerten beizubehalten. Die USA sollten in bilateralen Verhandlungen bei Ländern, an die Vermögenswerte restituiert worden waren, Informationen über die erfolgreiche Weitergabe an die legitimen Besitzer einholen. Die Regierungen sollten weiterhin dazu angehalten werden, Archivbestände zu öffnen und die begonnenen Restitutionsprozesse voranzutreiben. Ferner sollte der Präsident den Posten des Special Envoy for Holocaust Issues im State Department ebenso beibehalten wie das Office of Holocaust Issues.155 152 Ebd. 153 Ebd. 154 Ebd. Dabei wurde jedoch ignoriert, dass nur selten individuelles Fehlverhalten einzelner Soldaten vorlag. Die Ursachen für die Versäumnisse waren eher in der neuen geostrategischen Ausrichtung des außenpolitischen Kurses der USA im Spannungsfeld des aufkommenden Kalten Krieges zu suchen. Wie man in Zukunft Fehler bei solchen Grundsatzentscheidungen vermeiden sollte, ließ die Kommission offen. 155 Ebd.

6.2. Die Suche nach Holocaust-Vermögenswerten im eigenen Land

215

Bei der sechsten und letzten Empfehlung ging es hauptsächlich um die Identifizierung und Restitution von Kunstgegenständen. Der Präsident sollte den Kongress auffordern, ein Gesetz vorzubereiten, das den Weg dafür frei machte. Auch die während des Zweiten Weltkriegs vom Office of the Alien Property Custodian konfiszierten und nicht zurückgegebenen Vermögenswerte sollten nun zurückgefordert werden können.156 Die Auseinandersetzung um Holocaust-Vermögenswerte entwickelte in den neunziger Jahren eine eigene Dynamik. Als die USA anfingen, sich selbstkritisch mit den eigenen Restitutionsdefiziten auseinanderzusetzen, begann sich bereits ein neuer Topos in der internationalen Diskussion zu bilden. Am Ende des Jahrzehnts trat die materielle Aufarbeitung langsam in den Hintergrund. Ab der Washingtoner Konferenz bewegte sich der Fokus hin zu erinnerungspolitischen Fragen – oder wie es Bennett Freeman formulierte: „We must move from money to memory.“157 Dementsprechend litt die Arbeit der Kommission von vornherein, trotz der massiven Unterstützung durch die Clinton-Regierung, an fehlender politischer Relevanz. Die Resultate der Untersuchungskommission fielen im Vergleich zu den spektakulären Enthüllungen der frühen neunziger Jahre eher dürftig aus. Bereits das Mandat schränkte die Arbeit der Kommission auf Holocaust-Vermögenswerte in öffentlicher Hand ein. Damit war der erheblich größere private Sektor ausgeklammert, obwohl die Debatten um Schweizer Banken oder die Nutzung von Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs durch die Industrie gleichzeitig belegten, dass eine Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen sowie der vielschichtigen politischen und wirtschaftlichen Kollaboration nicht auf staatliche Instanzen begrenzt bleiben konnte. Der Verweis Kenneth Klothens, diese notwendigen Untersuchungen würden von anderen Institutionen durchgeführt, zeigt die Bemühungen, den engen Zeitplan einzuhalten.158 Ebenfalls dem engen Zeitplan geschuldet war die Tatsache, dass sich der Abschlussbericht der Kommission zwar kritisch mit den restitutionspolitischen Defiziten der USA auseinandersetzte, jedoch kaum eigene Forschungsergebnisse vorlegen konnte. Stattdessen wurden zentrale Fragen nur benannt und weitere Forschungen angeregt: Viele der gerade auch kritischen Fragen wurden so von vornherein ausgeblendet. Diese Kommission war ohne Zweifel eine politische Notwendigkeit, besonders um den Führungsanspruch der USA in der Aufarbeitung der restitutionspolitischen Defizite der Nachkriegszeit glaubwürdig aufrechterhalten zu können. Sie war ein Beleg, dass sich die USA auch den dunklen Seiten der eigenen Geschichte selbstkritisch 156 Ebd. 157 Interview Bennett Freeman. 158 Siehe „First Commission Meeting“, 15. März 1998, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 26, March 16, 1999 – First Commission Meeting [OA 40395]; Interview Kenneth Klothen.

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6. Die USA und ihre eigenen Defizite

stellten. Die Tatsache, dass selbst Länder wie Deutschland keine staatliche Untersuchungskommission zur Aufarbeitung ihrer restitutionspolitischen Defizite eingerichtet hatten, lässt den Schritt der US-Regierung positiv erscheinen. Dennoch war eine vollständige Aufarbeitung der restitutionspolitischen Defizite, die die Nachkriegsordnung in ihren Grundfesten in Frage gestellt hätte, auch von der Clinton-Regierung nicht gewollt und wurde aufgrund der drohenden diplomatischen Verwerfungen abgelehnt. Der Paradigmenwechsel in der Debatte um Holocaust-Vermögenswerte spiegelte sich in der programmatischen Ausrichtung der Presidential Advisory Commission deutlich wider.

7. Von der Restitution zur Erinnerung: . Über das historische Gedächtnis und . die materielle Auseinandersetzung um . Holocaust-era assets Die Wiederbelebung der Restitutionsfrage in Osteuropa durch den Zusammenbruch der sozialistischen Staaten des Ostblocks und die Ausweitung der Untersuchungen auf westliche Länder führten zur Gründung einer großen Anzahl von Fonds und Stiftungen. Während in der direkten Nachkriegszeit die materielle Entschädigung im Mittelpunkt stand, traten nun erinnerungspolitische Fragen hinzu. Es ging nicht mehr nur um eine Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen selbst und den Umgang mit diesen in der Nachkriegszeit. Die Art und Weise, wie diese Verbrechen erinnert werden sollten, und welche Lehren man für die Gegenwart und Zukunft daraus ziehen konnte, wurde zu einem zentralen Aspekt. Der Impetus der Clinton-Regierung, die Defizite in der Restitutionspolitik der Nachkriegszeit aufzuarbeiten, führte zu Verschiebungen in der Wahrnehmung der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik und ihrer Opfer. Im Folgenden soll die Verbindung von Restitution und Erinnerung anhand der drei großen internationalen Konferenzen in London, Washington und Stockholm aufgezeigt und herausgearbeitet werden. 7.1. Die Londoner Konferenz Ein wesentlicher Bereich der Restitutionsanstrengungen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs war die Rückgabe der vom nationalsozialistischen Deutschland in den besetzten Ländern geraubten Währungsreserven in Gold. Für diese Aufgabe war die Tripartite Gold Commission von den Westalliierten eingesetzt worden. Da die Vermutungen nicht verstummten, das als monetär klassifizierte Gold im Pool der Kommission sei mit Opfergold vermischt1, sollten in einer internationalen Konferenz die Erkenntnisse der verschiedenen nationalen historischen Untersuchungskommissionen zusammengetragen 1

„Holocaust Assets: British Still Cool To Janner’s Proposal For An International Conference“, 7. März 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 15, Folder DY 2 of 3, DY 88 L; „London Conference Of Historians And Experts. U.S. Planning Goals“, 2. Oktober 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 32, Folder S 1 of 2, S 9c.

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

werden.2 Die Vorbereitungen zur Konferenz bauten auf dem Eizenstat-Bericht und den Studien des britischen Außenministeriums zu Raubgold auf.3 Auf der Agenda standen die Fragen nach dem Ausmaß des deutschen Goldraubs, wohin das Gold während des Zweiten Weltkriegs gelangte, welche Schritte zur Restitution bislang unternommen worden waren und wie weiterhin vorgegangen werden sollte. Die Konferenz sollte keine Diskussion über Schuld und Schulden entfachen, sondern empirische und historische Erkenntnisse über den Verbleib des Raubgoldes sammeln. Dadurch wollte man der Forschung über Holocaust-Vermögenswerte auf nationaler Ebene einen neuen Impuls geben und das Thema in der internationalen Diskussion fester verankern.4 Trotzdem war die Voraussetzung für eine fruchtbare Arbeit, dass die betroffenen Staaten bereit waren, sich kritisch mit ihrer Rolle während des Zweiten Weltkriegs sowie mit ihren restitutionspolitischen Defiziten in der Nachkriegszeit auseinanderzusetzen.5 Konkrete politische Ergebnisse, beispielsweise in Form eines Abkommens, waren nicht geplant. Dementsprechend waren keine hochrangigen Politiker eingeladen, sondern Experten, Mitarbeitende betroffener Ministerien sowie Historiker. Angeregt wurde die Konferenz von dem britischen Labour-Abgeordneten und Vizepräsidenten des World Jewish Congress, Lord Greville Janner, maßgeblich unterstützt durch das State Department. Die britische Regierung war anfänglich von der Idee einer internationalen Konferenz wenig überzeugt. Der britische Außenminister Malcolm Rifkind erklärte zwar, nicht prinzipiell dagegen zu sein, bezweifelte aber, dass dies eine produktive Form der Auseinandersetzung sei.6 Schon im Vorfeld zeigten sich erhebliche Differenzen zwischen den USA und Großbritannien. Während die Briten die Konferenz auf Raubgold beschränken wollten, hielt es die US-Regierung für notwendig, auch weitere Holocaust-Vermögenswerte wie Versicherungspolicen oder Kunstgegenstände einzubeziehen. Eine Beschränkung auf Raubgold, so das State Department, würde den Wert einer solchen Konferenz maßgeblich mindern.7 Es sei lediglich eine Frage der Zeit, bis auch weitere Vermögensfragen 2 3 4 5 6 7

Siehe Brief Greville Janner an Stuart Eizenstat, 21. Februar 1997, LOC, Eizenstat-Papers, Box 9 Various Holocaust-Related Papers Including State Department Papers. Eizenstat, U.S. and Allied Efforts; Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold; Foreign and Commonwealth Office (Hg.), Nazi Gold, Part II. „U/S Eizenstat’s May 26 Paris Discussions on Holocaust gold and related issues“, 28. Mai 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 29. „Visit Of E Senior Advisor To Bern“, 27. Oktober 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 3 of 3, AS 69. „Holocaust Assets: British Still Cool To Janner’s Proposal For An International Conference“, 7. März 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 15, Folder DY 2 of 3, DY 88 L. „Completing The Work Of The Tripartite Gold Commission – Response To British Proposal“, 17. Juni 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 33, Folder UB 1 of 1, UB 37.

7.1. Die Londoner Konferenz

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Teil der gesellschaftlichen Diskussion würden. Man sollte daher schon jetzt zeigen, dass man sich des Problems bewusst war. Es zu ignorieren hieße es aufzuschieben. Da die Clinton-Regierung aber das Kapitel der Restitution bis zum Ende des Jahrhunderts abgeschlossen haben wollte, war dies nicht im Interesse der USA.8 Großbritannien zeigte sich dagegen besorgt, dass einige Länder äußerst sensibel auf die Ausweitung der Themenbereiche reagieren könnten, was wiederum den Erfolg der Konferenz grundsätzlich gefährdete.9 Die Sorge vor weiteren Restitutionsforderungen war groß, weshalb die gesamte Thematik in diplomatischen Kreisen äußerst vorsichtig angegangen wurde. Die britische Regierung bat daher die US-Regierung, die Konferenz nicht mit Restitutionsforderungen in Zusammenhang zu bringen.10 Großbritannien machte ferner deutlich, dass kein Land an den Pranger gestellt werden dürfe. Die eingeladenen Staaten kämen freiwillig und sollten sich nicht unter Druck gesetzt fühlen. Viele Länder fürchteten nämlich, sie könnten bei der Konferenz von den USA vor der Weltöffentlichkeit verurteilt werden.11 Speziell die Schweiz war besorgt, dass sich das harsche Urteil des ersten Eizenstat-Berichts wiederholen könnte.12 Die US-Regierung versicherte jedoch, die Schweiz stünde nicht im Fokus. Vielmehr könne die Konferenz die Thematik internationalisieren und in einem transnationalen Kontext behandeln.13 Die USA maßen dem Thema höchste politische Relevanz bei und forcierten die Vorbereitungen auf diplomatischer Ebene. Bei der Diskussion um den Veranstaltungsort einigte man sich auf London, weil das State Department nicht den Anschein erwecken wollte, dass es sich allein um eine US-Initiative handelte. Man vermutete, dass den europäischen Staaten der Gang nach London leichter fiele.14 Schließlich nahmen an der Konferenz im Dezember 1997 Teilnehmer aus über vierzig Ländern sowie Bankenvertreter, verschiedene jü8 9 10 11 12 13 14

„Talking Points For Under Secretary Eizenstat For Call To Francis Richards To Discuss Developments Of London Conference“, ohne Datum, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DU 3 of 4, DU 253 A. „U/S Eizenstat Discusses 12/ 2-4 Nazi Gold Conference With UK Officials“, 20. November 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 31, Folder R 3 of 7, R 88. „Update on developments in Tripartite Gold Commission (TGC) and London Conference“, 19. September 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 33, Folder W 1 of 1, W 46. Vgl. „Holocaust Assets: New British Government’s Thinking About An International Conference And TGC Compensation Fund“, 16. Mai 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 53. „Visit Of E Senior Advisor To Bern“, 27. Oktober 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 1, Folder AS 3 of 3, AS 69. Vgl. „The Swiss-U.S. Agenda“, 25. August 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 31, Folder R 2 of 7, R 55. „Memorandum Of Conversation between Under Secretary Eizenstat and Ambassador Borer“, 16. Mai 1997, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DA 1 of 1, DA 55.

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

dische Organisationen, die International Romani Union und Beobachter des Vatikans teil.15 Während der Konferenz blieb die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Die vom britischen Außenminister Robin Cook propagierte Transparenz – „we must be open“16 − blieb ein Lippenbekenntnis. „Eine Mauer des Schweigens umgab die Gespräche über den wahrscheinlich größten Goldraub in der Geschichte der Menschheit“, kommentierte Gerard Aalders die Tagung.17 Das Thema Raubgold wurde nach wie vor als höchst konfliktreich eingeschätzt. Eizenstat appellierte in seiner Begrüßungsrede an die Verantwortung aller, den Opfern und Überlebenden Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Londoner Goldkonferenz solle sowohl eine moralische Geste sein wie auch materiell einen Beitrag leisten.18 Die Gesandten der Länder referierten bei der Konferenz den Stand der Untersuchungen über das Raubgold.19 Sie zeigten das breite internationale Spektrum der Auseinandersetzung, konnten jedoch relativ wenig neues Wissen vorweisen. Eine Ausnahme waren die Ergebnisse der Bergier-Kommission, die zur Menge des in die Schweiz transferierten Raubgoldes neue Zahlen vorlegte.20 In der „kommentierten statistischen Übersicht“, die von der Bergier-Kommission speziell für die Londoner Goldkonferenz zusammengestellt worden war und dem Zwischenbericht über die Schweizer Goldtransaktionen vorgriff, der im Mai 1998 veröffentlicht werden sollte21, wurden die Goldlieferungen der Deutschen Reichsbank an die Schweizerische Nationalbank auf annähernd 400 Millionen Dollar, sowie an schweizerische Geschäftsbanken auf mehr als sechzig Millionen Dollar beziffert. Damit waren vor allem die Lieferungen an die schweizerischen Geschäftsbanken deutlich höher als bisher angenommen. Die Kommission schätzte das von Privatpersonen konfiszierte oder geplünderte Gold, das an die Reichsbank geliefert wurde, auf 146 Millionen Dollar.22 Für die Clinton15 Siehe „London Conference On Nazi Gold: Invitees“, 10.  Juli 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 14, Folder DU 3 of 4, DU 253 C. 16 Opening Speech by the Foreign Secretary, the Rt. Hon Robin Cook, MP, in: Foreign & Commonwealth Office, London Conference, 5. 17 Aalders, Londoner Goldkonferenz, 231. Die britische Regierung wollte nach eigenen Aussagen die Presse außen vor lassen, damit Delegierte diese nicht als unsachgemäßes Medium zum „grandstanding“ nutzten. Die US-Regierung kritisierte diese Pressepolitik und forderte Großbritannien auf, sie zu überdenken. Siehe „U/S Eizenstat Discusses 12/ 2-4 Nazi Gold Conference With UK Officials“, 20. November 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 31, Folder R 3 of 7, R 88. 18 Opening Plenary Statement by Stuart Eizenstat, in: Foreign & Commonwealth Office, London Conference, 9f. 19 Siehe Foreign & Commonwealth Office, London Conference. 20 Siehe Gold Transactions in the Second World War: Statistical Review with Commentary, in: Foreign & Commonwealth Office, London Conference, 507. 21 Siehe http://www.uek.ch/de/publikationen1997-2000/gold.pdf, 15. 08. 2008. 22 Siehe http://www.uek.ch/de/publikationen1997-2000/goldtransaktion.pdf, 15. 08. 2008.

7.1. Die Londoner Konferenz

221

Regierung waren diese Zahlen wichtig, da sie die Grundaussagen des ersten Eizenstat-Berichts vom Mai 1997 bestätigten. Trotz der diplomatischen Spannungen, die der Bericht verursacht hatte, lag sie mit der Grundeinschätzung der Schweizer Goldpolitik also prinzipiell richtig.23 Dennoch wurde die Schweiz auf der Konferenz nicht von den USA verurteilt, sondern vielmehr lobend hervorgehoben. Die Untersuchung der eigenen Vergangenheit durch die Bergier-Kommission zeige die Bereitschaft, sich offen und kritisch den ungeklärten Fragen der Vergangenheit zu stellen. Eizenstat sprach ihr eine internationale Vorreiterrolle zu: „Switzerland had demonstrated both courage in the extent of its openness and candor in the depth of its detail.“24 Damit betonte er einen charakteristischen Aspekt der Crusade for Justice: Es ging der Clinton-Regierung nicht um historische Schuldzuweisungen. Die Revision der Versäumnisse und der historischen Rechtfertigungen sollte vielmehr einen Erkenntnisprozess initiieren, der, wie im Vorwort zum Eizenstat-Bericht bereits dargelegt wurde, die Gegenwart und Zukunft der betroffenen Länder nicht belaste, sondern vielmehr eine historische Last von ihnen nähme. Die meisten europäischen Länder waren jedoch nicht in der Lage, dies zu verstehen. Sie sahen die historische Aufarbeitung und die damit verbundene Offenlegung von Schuld und Verantwortung vielmehr als eine Bedrohung, der es auszuweichen galt. Von Beginn an forderten die USA die Öffnung von Archiven, um die Kriegs- und Nachkriegsgeschichte neu zu untersuchen und das unfinished business abzuschließen. Es war gleichzeitig auch die Voraussetzung, die historischen Sachverhalte nach Jahrzehnten des Schweigens zu erhellen. Die Brisanz des Themas und das Zögern vieler Länder erschwerten jedoch die Durchsetzung dieser Forderung. So waren z. B. sowohl Frankreich wie auch Großbritannien gegen eine Freigabe der Akten der Tripartite Gold Commission – sie verstießen also gegen das von ihnen selbst geforderte Prinzip der Offenheit, sobald es darum ging, danach zu handeln. Allein Länder wie Tschechien und Polen erklärten, dass sie ihre Archive nun auch zur Verfügung stellen wollten. Im Zuge dessen wurde auch eine engere Kooperation zwischen den Forschern vereinbart.25 Die zentrale Frage der Konferenz war, was mit dem restlichen Gold der Tripartite Gold Commission geschehen sollte, nachdem Albanien als letztes 23 Under Secretary Stuart Eizenstat, Closing Plenary Statement at the London Conference on Nazi Gold, December 4, 1997, in: http://www.state.gov/www/policy_remarks/971204 _3eizen_nazigold.html, 17. 07. 2007. 24 Closing Plenary Statement by Stuart Eizenstat, in: Foreign & Commonwealth Office, London Conference, 790. 25 „London Historians’ Conference On Nazi Gold“, 16. Dezember 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DC 1 of 1, DC 55; Aalders, Londoner Goldkonferenz, 239; Peter Gaupp, Appelle zur weltweiten Öffnung der Archive. Konferenz über Nazigold in London abgeschlossen, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Dezember 1997.

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

Land im Oktober 1996 seinen Teil erhalten hatte.26 Die Clinton-Regierung favorisierte den im vorigen Kapitel bereits beschriebenen Vorschlag, der ursprünglich auf Edgar Bronfman und Greville Janner zurückging: Die anspruchsberechtigten Länder sollten die ihnen zustehenden Restbeträge ganz oder zumindest teilweise in einen Fonds einzahlen, aus dem dann individuelle Opfer des nationalsozialistischen Deutschlands entschädigt werden sollten.27 Stuart Eizenstat und der britische Außenminister Robin Cook stellten dieses Konzept auf der Konferenz offiziell vor. Eizenstat erklärte, dass die USA bereit wären, sich mit 25 Millionen Dollar an dem Fonds zu beteiligen. Diese Lösung wurde von den auf der Konferenz vertretenen Ländern sehr positiv aufgenommen. Die von den Vertretern der Länder angekündigten Zahlungen übertrafen bei weitem die Erwartungen der US-Regierung.28 Stuart Eizenstat schloss die Konferenz mit dem Motto, die sein gesamtes Engagement in der Restitutionsfrage bestimmte: „We must not enter a new century without completing the unfinished business of this century. We have a collective responsibility to leave this century having spared no effort to establish the truth, and to do justice.“29 Nach Gerard Aalders waren „die Ergebnisse der Konferenz eher dürftig“.30 Die Konferenz hätte zwar gezeigt, dass das Thema Raubgold nun als internationales Problem anerkannt wurde. Das sei ein großer Erfolg für jene, die sich intensiv für eine Klärung dieser offenen Fragen eingesetzt hatten. Die Haltung der meisten Delegierten beurteilte Aalders jedoch als abwartend und zögernd. Die britische Delegation sei unter Druck geraten, weil sie einen Bericht über Großbritannien unter Verschluss gehalten hatte, um negative Schlagzeilen zu vermeiden. Ähnlich zögerlich sei der Vorschlag der US-Delegation aufgenommen worden, die internationalen Forschungsanstrengungen zu koordinieren und Archive zu öffnen.31 Der Vorsitzende der Konferenz, Lord Mackay, hatte zwar noch einmal darauf hingewiesen, dass auf der Konferenz konkrete Entscheidungen und Resolutionen nicht zu erwarten gewesen wären.32 Das überdeckte aber nur zaghaft die Brisanz, die das Thema Raubgoldrestitution 26 Holocaust Assets. Statement by Under Secretary of Commerce Stuart Eizenstat before the House Banking and Financial Services Committee, Washington, DC, December 11, 1996, in: http://www.state.gov/www/regions/eur/961219eizen.html, 10. 06. 2006. 27 Siehe dazu ausführlich das Kapitel 6.1. „Die Tripartite Gold Commission“. 28 „Close-Down Strategy for Tripartite Gold Commission“, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 11, Folder Di 1 of 1, Di 24; „Contributions to Nazi Persecutee Fund“, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 32, Folder S 1 of 2, S5 b. 29 Closing Plenary Statement by Stuart Eizenstat, in: Foreign & Commonwealth Office, London Conference, 793. 30 Aalders, Londoner Goldkonferenz, 239. 31 Ebd. 32 Summing up by the Conference Chairman, Lord Mackay, in: Foreign & Commonwealth Office, London Conference, 795.

7.2. Die Washingtoner Konferenz

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weiterhin auszeichnete, und die daraus resultierende Zurückhaltung vieler Staaten. Die US-Regierung war nichtsdestotrotz mit dem Ausgang der Konferenz sehr zufrieden. „The London Conference on Nazi Gold greatly strengthened international momentum for further measures to compensate victims of Nazi persecution“, erklärte das State Department in einer ersten internen Einschätzung.33 Schon während der Vorbereitungen für die Konferenz hatte Greville Janner gefordert, auch andere Länder sollten dem Beispiel der Schweiz folgen.34 Mit der Londoner Konferenz blieb die Auseinandersetzung um ungeklärte Vermögensfragen tatsächlich in der internationalen Diskussion, weitere Länder wurden durch den politischen Druck dazu bewegt, ihre Geschichte kritisch zu untersuchen und nationale Mythen in Bezug auf Kollaboration und Restitution zu hinterfragen. Damit wurde die Londoner Konferenz wegen ihrer geringen konkreten Ergebnisse nicht zu einem „landmark event“, wie dies Stuart Eizenstat in seiner Schlussrede beschwor.35 Wohl aber wurde sie zu einem zentralen Element in den Bemühungen der US-Regierung, die nationalen Nachkriegsmythen der verschiedenen Staaten sowie ihre restitutionspolitischen Defizite bis zum Ende des 20. Jahrhunderts aufzuarbeiten. Am Ende der Konferenz kündigte Stuart Eizenstat unter dem Motto „Completing Work This Century“ eine Folgekonferenz in Washington 1998 an. In dieser Konferenz sollte dann das Spektrum der diskutierten Holocaust-Vermögenswerte über das Raubgold hinaus verbreitert werden.36 7.2. Die Washingtoner Konferenz Ein Jahr nach der Londoner Konferenz fand im Dezember 1998 in Washington die Nachfolgekonferenz über Holocaust-Vermögenswerte statt, an der 57 Delegationen aus 44 Ländern und insgesamt 13 Nichtregierungsorganisationen teilnahmen. Auf dieser vom United States Holocaust Memorial Museum und dem State Department veranstalteten Konferenz standen neben dem Raubgold selbst weitere, bis dahin in der öffentlichen Diskussion vernachläs-

33 „London Historians’ Conference On Nazi Gold“, 16. Dezember 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 9, Folder DC 1 of 1, DC 55. 34 „Press Report. U.S. Information Service“, 8. April 1997, LOC, Eizenstat-Papers, Various Holocaust-Related Papers Including State Department Papers, Box 9. 35 Under Secretary Stuart Eizenstat, Closing Plenary Statement at the London Conference on Nazi Gold, December 4, 1997, in: http://www.state.gov/www/policy_remarks/971204 _eizen_nazigold.html, 17. 07. 2007. 36 „U/S Eizenstat Discusses 12/ 2-4 Nazi Gold Conference With UK Officials“, 20. November 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 31, Folder R 3 of 7, R 88.

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

sigte Holocaust-Vermögenswerte wie Versicherungspolicen und Raubkunst im Mittelpunkt.37 Die Vorbereitung der Konferenz Die Ausweitung des Themenspektrums führte mehrmals zur Verschiebung des Termins, der ursprünglich für Anfang 1998 anvisiert war; stattdessen hielten das State Department und das Holocaust Museum im Laufe des Jahres 1998 mehrere kleinere Vorbereitungskonferenzen ab, auf denen Details der Auseinandersetzung über die verschiedenen Vermögenswerte diskutiert wurden. So wurde am 9.  Juni im Holocaust Museum in Kooperation mit dem State Department ein runder Tisch organisiert, an dem sich Regierungsbeamte, Forscherinnen und Forscher sowie betroffene Institutionen über die komplexen Zusammenhänge der nationalsozialistischen Raubpolitik austauschten. Dabei versuchten sie, Prinzipien für den Rückerstattungsprozess von Kunstgegenständen festzulegen. Mit dem „Art Loss Registry“ sollte Galerien und Museen geholfen werden, den Kauf geraubter Kunstwerke zu vermeiden.38 Ebenso im Juni 1998 wurde in Washington ein offizielles Vorbereitungsseminar für die Konferenz abgehalten. Delegationen aus 38 Ländern sowie elf Nichtregierungsorganisationen waren anwesend. Hier besprachen die Teilnehmer einerseits die Fortschritte der Restitution von Raubgold. Außerdem entwarfen sie die thematischen Blöcke der Washingtoner Konferenz. Neben den Vermögensbereichen Versicherungspolicen, Kunst und Kulturgüter sowie kommunales Eigentum wurden auch die Fragen der Archivöffnung sowie der Holocaust-Erinnerung thematisiert.39 Im September fand jeweils ein Seminar in Prag über geraubte Versicherungspolicen und eines in Washington über den nationalsozialistischen Raub in Bibliotheken und Archiven statt. Beide wurden vom State Department organisiert. Der Workshop zu geraubten Versicherungspolicen sollte einen Überblick über Raub und Restitution dieser Vermögenswerte geben und einen Dialog zwischen den Versiche-

37 Interview John Becker. 38 „Roundtable Discussion On Nazi-Looted Art. Summary“, 9. Juni 1998, USHMM, Institutional Archives, Accession No.: 2005.125, Box 1, Office of Special Events: Records of the Holocaust-Era Assets Working Group, 1998, Folder Holocaust Era Assets [1 of 4]. 39 „Washington Conference on Holocaust-Era Assets Organizing Seminar“, 30. Juni 1998, USHMM, Institutional Archives, Accession No.: 2005.125, Box 1, Office of Special Events: Records of the Holocaust-Era Assets Working Group, 1998, Folder Holocaust Era Assets [1 of 4]; siehe auch Appendix A: Summary of the Organizing Seminar for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 911914.

7.2. Die Washingtoner Konferenz

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rungsunternehmen und den Vertretern der Geschädigten einleiten.40 Das Seminar über den nationalsozialistischen Raub in Bibliotheken und Archiven lieferte ebenso einen historischen Überblick und erarbeitete politische Direktiven zur Behandlung dieser Raubgüter, die bei der Washingtoner Konferenz den teilnehmenden Staaten unterbreitet werden sollten.41 Die Seminare zeigen, mit welcher Akribie die Washingtoner Konferenz vorbereitet wurde. Es wurden nicht nur die ins Auge gefassten Konferenzthemen inhaltlich konzipiert, sondern die einzelnen Staaten wurden in einen intensiven Austausch und Diskussionsprozess integriert und bereits im Vorfeld der Konferenz sowohl thematische wie auch strategiepolitische Optionen der Restitution ausgelotet. Wie die Londoner Konferenz sollte die Washingtoner Konferenz kein Forum zum Abschluss von Staatsverträgen sein, sondern vielmehr ein Ort der Zusammenarbeit verschiedener Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen. Konkrete Entschädigungs- oder Restitutionsforderungen sollten nicht Teil der Konferenz sein.42 Nach der Darstellung Eizenstats sollte die Konferenz vielmehr einen internationalen Konsens zu Prinzipien und Vorgehensweisen bei Restitutionsansprüchen finden. Hiermit verband er die Hoffnung auf einen neuen restitutionspolitischen Impetus am Ende des 20.  Jahrhunderts. Die Diskussion über ungeklärte Holocaust-Vermögenswerte sollte wie in London als Katalysator wirken, um immer mehr Länder in die Auseinandersetzung einzubeziehen.43 Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Konferenz gehe weit über die konkrete Frage der Restitution von Holocaust-Vermögenswerten hinaus, erklärte James D. Bindenagel, der maßgeblich an der Konzeption der Konferenz beteiligt war. Die Klärung dieser lange verdrängten Fragen sei Voraussetzung für die europäischen Länder, um den Übergang von der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts zur transatlantischen Gemeinschaft des 21. Jahrhunderts zu bewerkstelligen, die der westlichen Welt nach der bipolaren Welt40 „Notice to the Press: Seminar on Holocaust Insurance Issues in Prague among Insurance Companies, Holocaust Survivor Organizations and U.S. and European Insurance Regulators and Government Representatives“, 4.  September 1998, USHMM, Institutional Archives, Accession No.: 2005.125, Box 1, Office of Special Events: Records of the Holocaust-Era Assets Working Group, 1998, Folder Holocaust Era Assets [1 of 4]. 41 Appendix D: Summary of the Roundtable Discussion on Nazi-Confiscated Libraries and Archives, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on HolocaustEra Assets (Hg.), Washington Conference, 925-928. 42 Vgl. „World Jewish Congress estimates on value of looted Jewish assets“, 2. Juli 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 12, Folder DK 2 of 2, DK 76. 43 Siehe Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee: Hearing on the Swiss Banks and the 1946 Washington Accord. Prepared Testimony of the Honorable Stuart Eizenstat. Under Secretary for Economic Affairs, U.S. Department of State, July 22, 1998, in: http://www.senate.gov/~banking/98_07hrg/072298/witness/eizenst.htm, 08. 07. 2006.

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ordnung eine neue geopolitische Struktur geben sollte.44 Exponierte Politiker der Clinton-Regierung nutzen also die Washingtoner Konferenz zur außenpolitischen Neuorientierung, nachdem das geostrategische Bindemittel der Nachkriegszeit mit dem Zusammenbruch der UdSSR verloren gegangen war.45 Sie maßen dabei der Wahrung und Wiederherstellung von Eigentumstiteln eine zentrale Bedeutung bei.46 Außenministerin Albright erklärte bei der Eröffnung der Washingtoner Konferenz, dass die US-Regierung vor allem die Gerechtigkeit wieder herstellen wolle. Das restitutionspolitische Engagement der an der Konferenz beteiligten Staaten diene dabei zwei Zielen. Zum einen müssten die materiellen Fragen zum Ende des 20. Jahrhunderts offen gelegt und geklärt werden. Das sei ein schmerzhafter Prozess, der aber auch eine kathartische Wirkung für die betroffenen Länder habe. Zum anderen müssten auch die Erinnerung an den Holocaust sowie seine Erforschung und die Weitergabe dieses Wissens vorangetrieben und verstärkt werden. Das sei eine Aufgabe, die jede Generation neu aufgreifen und für sich lösen müsse.47 In diesen Worten manifestiert sich die Bedeutung der Konferenz: Während die materiellen Fragen noch deutlich im Mittelpunkt der Veranstaltung standen, wollte die US-Regierung zunehmend auch erinnerungspolitische Themen in der internationalen Debatte verankert wissen. Die Washingtoner Konferenz kann daher als Übergang verstanden werden, der genau jene Entwicklung von der restitutionspolitischen hin zur erinnerungspolitischen Agenda initiierte.

44 „Subject: Looted Assets: FRG Uneasy Over Q) Bonn 4667“, 29. Mai 1998, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 20, Folder H 1 of 1, H 72-1. Auf politischer und wirtschaftlicher Ebene zeigte sich diese neue transatlantische Annäherung nach dem Ende der bipolaren Weltordnung auch in der New Transatlantic Agenda, die im Dezember 1995 beschlossen wurde. Siehe auch „The Future Of Transatlantic Relations: An American Perspective. An address by Stuart Eizenstat“, 14. Juli 1995, LOC, Eizenstat-Papers, Box 12. 45 Vgl. auch „Jeffrey E. Garten, Under Secretary of Commerce for International Trade: The United States and Europe: Towards the 21st Century. Remarks before the American Council on Germany, New York City“, 9. März 1995, LOC, Eizenstat-Papers, Box 12. 46 Die Wiedereinführung bzw. Wahrung von Privatbesitz war ohne Zweifel gerade wegen der Reprivatisierung in Osteuropa ein zentrales Anliegen. Ebenso ist jedoch auf die Rehabilitation der Holocaust-Opfer in den USA hinzuweisen: Ihrer Degradierung zu Ausgegrenzten und Opfern während des Nationalsozialismus wurde aufgrund ihrer gesellschaftlichen Reintegration in den USA und des dortigen spektakulären Rückgangs antisemitischer Tendenzen entgegengewirkt. Ihre materielle Entschädigung wegen des ihnen zugefügten Unrechts bzw. ihrer Ausraubung war daher eine nicht hinterfragte Notwendigkeit für die Clinton-Regierung. In Europa erscheint dieser Prozess aufgrund nicht aufgearbeiteter Nachkriegsmythen und eines andauernden Antisemitismus sehr viel gebrochener. 47 Vgl. Madeleine K. Albright, Keynote Address, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 30f.

7.2. Die Washingtoner Konferenz

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Der Verlauf der Konferenz Die Agenda der Konferenz beinhaltete die Präsentation der Fortschritte im Bereich der Auffindung und Restitution von Raubgold und die bisher in der internationalen Auseinandersetzung weniger beachteten Vermögenswerte Kunst, Versicherungspolicen und kommunales Eigentum. Auch die Archivöffnung, die Restitution von Kulturgütern wie Büchern sowie die Rolle der historischen Kommissionen wurden diskutiert. Zum ersten Mal wurde auch explizit die Frage nach der Forschung, Erinnerung und der Vermittlung des Holocaust gestellt.48 Im Zuge des historischen Überblicks über den nationalsozialistischen Raub von Versicherungspolicen und die defizitäre Restitutionspraxis in der Nachkriegszeit machte sich die US-Regierung besonders für eine breite Unterstützung der Eagleburger-Kommission stark, die sie für das beste Medium zur Lösung ungeklärter Restitutionsfragen bei Versicherungsunternehmen hielt. Besonders das State Department hoffte, damit die transatlantischen Spannungen zu vermeiden, wie sie in der Auseinandersetzung über andere Raubgüter aufgetreten waren und besonders die Beziehungen zur Schweiz belastet hatten.49 Im Bereich der property claims setzte die Clinton-Regierung ihren Schwerpunkt auf die Restitution von kommunalem Eigentum und kehrte somit zum Ausgangspunkt ihres restitutionspolitischen Engagements zurück. In diesem thematischen Block wurden zwar auch die Fortschritte beleuchtet. Die eigentliche Funktion des Forums war es jedoch, den Druck auf die osteuropäischen Länder zu erhöhen, damit sie die ungeklärten Restitutionsfragen mit größerem Engagement angingen und zu lösen versuchten. Dies galt vor allem für die Umsetzung nationaler Gesetze auf regionaler Ebene sowie die juristischen Bestimmungen für die Einreichung von Ansprüchen.50 Trotz der Ausdehnung der Auseinandersetzung auf westliche Länder war die Frage der Restitution von kommunalem Eigentum in Osteuropa noch immer nicht gelöst. Ein weiteres wichtiges Thema der Konferenz war wie bereits in London im Jahr zuvor die Öffnung der Archive.51 Die US-Regierung setzte sich dafür 48 Siehe hierzu Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference. Online unter: http://www.state.gov/www/regions/eur/holocaust/heac.html, 10. 06. 2007. 49 Vgl. Stuart E. Eizenstat, Concluding Statement, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 126. 50 Stuart E. Eizenstat, Plenary Session on Nazi-Confiscated Communal Property, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 690. 51 Zur Forderung nach Öffnung der Archive bei der Konferenz in Washington vgl. Declaration of the Task Force For International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research, in: http://www.state.gov/www/regions/eur/981203_heac_ decl.html, 08. 07. 2006. Vgl. auch die Ausführungen von William Z. Slany, Herausgeber

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

ein, dass bis zum Ende des Jahrzehnts alle relevanten Archive der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. „Because the sands of time have obscured so much, we must dig to find the truth. This means that researchers must have access to old archives; and by that, I don’t mean partial, sporadic or eventual access – I mean access in full, everywhere, now“, so die US-Außenministerin Madeleine Albright in ihrer Ansprache vor dem Plenum. In diesem Kontext hob sie auch die Bedeutung der historischen Kommissionen hervor.52 Die Raubkunst betrachtete Eizenstat als einen der schwierigsten Bereiche der Auseinandersetzung. Auf der Washingtoner Konferenz konnte ein Katalog von Handlungsprinzipien erarbeitet werden, die nach Ansicht Eizenstats die Kunstwelt in Bezug auf nationalsozialistische Raubkunst nachhaltig verändern sollten.53 Die elf „Principles on Nazi-Confiscated Art“ riefen dazu auf, nach nicht-restituierter Raubkunst zu suchen. Dazu sollten Magazine und Archive geöffnet und ausreichend Personal bereitgestellt werden. Der Katalog richtete sich sowohl an Museen mit der Aufforderung, Provenienzforschung zu betreiben und dies auch externen Forscherinnen und Forschern zu gestatten, als auch an kommerzielle Galerien und Auktionshäuser, ihre Informationen zur Verfügung zu stellen sowie an die Regierungen, ihre Archive zu öffnen. Es sollte möglich gemacht werden, die Herkunft von Kunstwerken wieder lückenlos und einwandfrei zu eruieren. Die gesammelten Informationen sollten in einer zentralen Datei zusammengefasst und veröffentlicht werden, so dass Anspruchsberechtigte benachrichtigt werden konnten. Auch sollten ehemalige Eigentümer bzw. deren Erben ermutigt werden, ihre Ansprüche geltend zu machen. Berechtigte Ansprüche sollten dann in angemessener und gerechter Weise geklärt werden. Ebenso sollten sich Käufer in dieser Datei über die Herkunft von Kunstwerken informieren können.54 Stuart Eizenstat plädierte dafür, dass die außergewöhnlichen Umstände der Enteignung hier Beachtung finden müssen. We should not apply rules designed for commercial transactions of societies that operate under the rule of law to people whose property and very lives were taken by one of the der FRUS und Historiker im Department of State, zur Freigabe von Aktenbeständen, in: http://www.state.gov/www/policy_remarks/1998/980714_slany_nazi.html, 03. 06. 2007. 52 Madeleine K. Albright, Keynote Address, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 31; Stuart E. Eizenstat, Concluding Statement, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 129. 53 Vgl. Stuart E. Eizenstat, Concluding Statement, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 129. 54 Appendix G: Washington Conference Principles on Nazi-Confiscated Art, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 971f.; siehe auch Stuart Eizenstat, Explanation of the Washington Conference Principles on Nazi-Confiscated Art, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 415420.

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most profoundly illegal regimes the world has ever known. […] Art claims do not have to be winner-take-all propositions, […] a wide range of solutions is there to be found.55

Obwohl diese Prinzipien kein bindendes Recht waren und von den Regierungen nicht in Gesetzen festgeschrieben wurden, erhoffte sich die US-Regierung durch die Verabschiedung dieser Resolution mehr Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein beim Erwerb bzw. Verkauf von Kunstwerken. Die US-Regierung traf damit einen Nerv der Zeit: Die Auseinandersetzung um geraubte Kunst und Kulturgüter sollte die internationale Diskussion über Restitution in den nächsten Jahren bestimmen. Bei der Washingtoner Konferenz verlagerte sich der Schwerpunkt der Diskussion also vom Raubgold zu anderen Raubgütern. Die Restitutionsdebatte kam damit auf Konferenzebene zum Ende. Das Thema Raubgold wurde auch auf administrativer Ebene durch das Globalabkommen mit der Schweiz 1998 als weitgehend erledigt betrachtet.56 Ausgeklammert war in Washington allerdings die Problematik der Zwangsarbeiterentschädigung, obwohl dieses Thema in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung jener Zeit zentral war.57 Aus taktischen Erwägungen sollte auf keinen Fall in die laufenden Verhandlungen mit Deutschland eingegriffen und politischer Druck ausgeübt werden. Der US-Regierung lag vielmehr daran, mit der Konferenz einen Rahmen zu schaffen, der möglichst viele Länder auf die geschichtspolitische Linie der Clinton-Regierung verpflichten sollte. Der Übergang zur Erinnerungspolitik Während sich bei der Londoner Konferenz die Auseinandersetzung um Holocaust-Vermögenswerte noch stark auf materielle – und somit auf vergangenheitsfixierte – Aspekte beschränkt hatte, wurden bei der Washingtoner Konferenz erstmalig auch Fragen der Erinnerungspolitik behandelt. Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust richtete sich dabei mehr und mehr auf die Gegenwart und die Zukunft.58 Damit manifestierte die Konferenz einen Umschwung zu pädagogischen und geschichtspolitischen Fragen und stellte die Holocaust-Erziehung, -Erinnerung und -Forschung perspektivisch in den Vordergrund.59 Angestoßen hatte diese Entwicklung die Gründung der Task Force 55 Stuart Eizenstat, Explanation of the Washington Conference Principles on Nazi-Confiscated Art, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on HolocaustEra Assets (Hg.), Washington Conference, 418f. 56 Siehe auch David E. Sanger, U.S. Shifts From Nazi Gold To Art, Land and Insurance, in: New York Times, 1. Dezember 1998, 6. 57 Dazu Körner, 14 Vorwände; Spiliotis, Verantwortung und Rechtsfrieden; Ferencz, Less Than Slaves; siehe auch Herbert, Fremdarbeiter. 58 Vgl. Interview Bennett Freeman; Interview James Bindenagel. 59 Interview John Becker; vgl. Felix E. Müller, Nächstes Jahr in Stockholm. Abschluss der

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

for International Cooperation (ITF) im Mai 1998 in Stockholm.60 Der schwedische Ministerpräsident Göran Perssons hatte Tony Blair und Bill Clinton zum „Stockholm Meeting on the Holocaust“ eingeladen. Ziel dieser Tagung war es, die Anstrengungen im Bereich der Holocaust-Erziehung auf Regierungsebene zu verstärken.61 Auf diesem Treffen verständigten sich die drei Staaten auf eine engere Koordinierung der pädagogischen Konzepte zum Holocaust. Dieser Entscheidung lag die Annahme zugrunde, dass aus dem Holocaust als der Verkörperung des Bösen eine Verpflichtung erwachse, sich erinnerungspolitisch mit ihm auseinanderzusetzen und aus ihm Lehren für die Gegenwart und Zukunft zu ziehen. „The evil that is the Holocaust constitutes a fundamental challenge to our ability to learn lessons from the past. Remaining indifferent and not trying to understand the ‚why‘ of the Holocaust could threaten our common future“, so die Programmatik der schwedischen Gastgeber.62 Beim zweiten Treffen der ITF in Washington im September 1998 erweiterte sie ihren Namen und nannte sich fortan Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research. Damit wurde der erinnerungs- und geschichtspolitische Aspekt auch in der Namensgebung deutlicher. Zu den drei Gründungsmitgliedern stießen nun auch Israel und Deutschland. Formal wurden beide Länder aufgrund ihrer Erfahrung mit der pädagogischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust aufgenommen.63 Es war gleichzeitig jedoch bezeichnend für die geschichtspolitische Ausrichtung der ITF, dass Israel und Deutschland gemeinsam aufgenommen wurden. Der Holocaust sollte als Matrix dienen, um sich geschichtspolitisch mit Fragen der Gegenwart und Zukunft auseinanderzusetzen, der Opfer- bzw. Täter-

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Washingtoner Konferenz über Raubgut, in: Neue Zürcher Zeitung, 5./6.  Dezember 1998. Zur ITF siehe http://taskforce.ushmm.org/, 28. 07. 2006. Diese Initiative des schwedischen Ministerpräsidenten war eingebunden in einen größeren geschichtspolitischen Kontext. Mit der Aktion „Levande Historia“ (Lebendige Geschichte) versuchte Göran Perssons einen Monat nach der Veröffentlichung des Eizenstat-Berichts eine holocaustbezogene Erinnerungskultur in Schweden zu propagieren. Dies sollte sowohl auf wissenschaftlichem, politischem wie auch pädagogischem Gebiet erfolgen. Dabei kam besonders dem Bereich der Bildung eine herausragende Rolle zu. Es ging jedoch nicht allein um eine historische Aufklärung über den Holocaust. Vielmehr fungierte dieser als Ausgangspunkt, um verschiedene gesellschaftspolitische Probleme der Gegenwart wie Fremdenfeindlichkeit, ethnische Säuberungen oder Neonazismus zu thematisieren. Dementsprechend ist das geschichtspolitische Konzept dieser Initiative stark gegenwarts- und zukunftsbezogen. Vgl. Kroh, Transnationale Erinnerung, 84-87. Regeringskansliet, Summary of The Meeting of the Working Group of the Task Force in Stockholm, 7. Mai 1998, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 981. „Key Points from the Second Meeting of the Working Group of the Task Force on International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance, and Research“, 8. Oktober 1998, Privatarchiv Martin Dean, Folder Victims Assets – Education, Box 1, 2f.

7.2. Die Washingtoner Konferenz

231

status sollte keine Rolle spielen. Ausschlaggebend war vielmehr, wie sich die Länder ihrer Vergangenheit stellten. Beide Länder hatten auf realpolitischer Ebene Erfahrungen in den Bereichen Holocaust-Erziehung, -Erinnerung und -Forschung vorzuweisen, die von der ITF anerkannt und geschätzt wurden. Diese schwedische Initiative passte sehr gut zur geschichtspolitischen Konzeption der Clinton-Regierung. Sowohl in seinem Bericht wie auch bei der Londoner Konferenz hatte Stuart Eizenstat mehrfach deutlich gemacht, dass die Klärung ungelöster Fragen zu Holocaust-Vermögenswerten nicht nur eine materielle, sondern auch eine erinnerungspolitische Komponente habe.64 Die Erinnerung an den Holocaust müsse verstärkt behandelt werden, auch speziell in pädagogischem Kontext. Die Vergegenwärtigung des Holocaust für aktuelle und zukünftige gesellschaftliche Fragen sei von hoher Relevanz. Die Clinton-Regierung sah hier die Möglichkeit, das Thema Holocaust und Holocaust-Vermögenswerte in der politischen Auseinandersetzung zu halten, gleichzeitig jedoch die materielle Auseinandersetzung zum Ende des Jahrhunderts – und der Amtszeit Clintons – zu beenden. Dementsprechend unterstützte und förderte sie die Initiative aus Schweden. Außerdem konnten die USA so die Rolle des Schrittmachers abgeben.65 Die Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research wurde auf der Washingtoner Konferenz im Dezember 1998 offiziell einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Im Vorfeld hatte die ITF zwei Arbeitspapiere zur Öffnung von Archiven und zur Holocaust-Erziehung vorbereitet und in Washington präsentiert.66 Bereits in der Eingangsrede der Konferenz nahm Stuart Eizenstat Bezug auf die ITF: „Such remembrance is the most appropriate means of taking from the dark lessons of the past a renewed vigor in ensuring that similar horrors are never repeated again.“67 In diesem Kontext erneuerte Eizenstat seinen Aufruf an die versammelten Staaten, ihre Nachkriegsgeschichte kritisch aufzuarbeiten und ungelöste Vermögensfragen zu klären. Der Thematik Holocaust-Erziehung, -Erinnerung sowie -Forschung war auf der Konferenz ein eigenes Panel gewidmet.68 Obwohl der Schwerpunkt der Konferenz ganz klar auf restitutionspoli64 Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, Vorwort, X; Under Secretary Stuart Eizenstat, Closing Plenary Statement at the London Conference on Nazi Gold, December 4, 1997, in: http://www.state.gov/www/policy_remarks/971204_eizen_nazigold.html, 27. 06. 2007. 65 Interview Bennett Freeman. 66 Task Force Declaration on Promoting Holocaust Education, Remembrance, and Research, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 986; Task Force Declaration on Archival Openness and Access, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 987. 67 Ambassador Stuart E. Eizenstat, Opening Remarks, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 43. 68 Siehe Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 803-906.

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

tischen Fragen lag, war die Frage nach erinnerungspolitischen und pädagogischen Aspekten der Holocaust-Vermittlung stark präsent. In seinem Schlusswort forderte Eizenstat die anwesenden Staaten auf, der Einladung der schwedischen Regierung zu einer Konferenz über Holocaust-Erziehung und -Erinnerung im Jahr 2000 in Stockholm zu folgen.69 Mit dem Abschluss der Konferenz in Washington verlagerte sich das Thema der Restitution von der direkten politischen Auseinandersetzung in den Bereich des Kulturellen. Eizenstat formulierte es so: While turning the page on this black chapter of history, we must take from the lessons of yesterday a renewed commitment to usher in a new and brighter century. Our words must provide enduring lessons from this awful experience, guiding all our countries to act with a greater sensitivity to present and future crimes against humanity, even if on a different scale.70

7.3. Die Stockholmer Konferenz Bereits beim zweiten Treffen der Task Force for International Cooperation am 25. September 1998, also noch vor der Washingtoner Konferenz, wurde über eine Konferenz zur Holocaust-Erinnerung nachgedacht. Bennett Freeman, Senior Advisor von Stuart Eizenstat und Vorsitzender des ITF-Treffens in Washington, hielt eine dritte Konferenz für äußerst vielversprechend und erklärte, die USA wollten Schweden am Ende der Washingtoner Konferenz die Gelegenheit geben, die Konferenz zur Erinnerungspolitik anzukündigen. Es gab zwar keine formale Verbindung zwischen den Konferenzen in London und Washington und der in Stockholm, da sich die beiden ersten vorrangig mit Vermögenswerten beschäftigten, aber man könne in ihnen dennoch eine logische Entwicklung erkennen.71 Im Rahmen der US-Geschichtspolitik der neunziger Jahre war die Stockholmer Holocaust-Konferenz ein entscheidender Schritt, um die ungeklärten materiellen Vermögensfragen zum Ende des Jahrhunderts abzuschließen und sich stärker erinnerungspolitischen Themen zuzuwenden.72 69 Stuart E. Eizenstat, Concluding Statement, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 130. 70 Stuart E. Eizenstat, Opening Ceremony Remarks at the United States Holocaust Memorial Museum, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on Holocaust-Era Assets (Hg.), Washington Conference, 8. 71 „Key Points from the Second Meeting of the Working Group of the Task Force on International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance, and Research“, 8. Oktober 1998, Privatarchiv Martin Dean, Folder Victims Assets – Education, Box 1, 12. So auch die Einschätzung von John Becker, siehe Interview John Becker. 72 Vgl. „Stockholm Conference Delegation Conference Call“, 21. Januar 2000, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in

7.3. Die Stockholmer Konferenz

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The implicit premise is to move from the issue of compensation to the more enduring legacy of education, remembrance, and research that the conference focus on the Holocaust should also engender. Notwithstanding the remaining work to be done on assets, the start of the new millennium is an excellent time for a more forward-looking focus.73

Die Hinwendung zu Erinnerungsfragen und die Pädagogisierung des Holocaust sollten die Menschenrechte als zentralen Wert westlicher Gesellschaften stärken. Mit dem Holocaust als gemeinsamem negativen Referenzpunkt sollte der innere Zusammenhalt der westlichen Welt gefestigt werden, wie Eizenstat bereits im seinem ersten Bericht 1997 skizziert hatte. Dies war die Motivation der USA, die Kriegs- und Nachkriegsgeschichte nach dem Ende der bipolaren Weltordnung einer so grundlegenden Revision zu unterziehen und die betroffenen Länder zur Aufarbeitung ihrer Geschichte aufzufordern. Außerdem verbanden die USA damit die Hoffnung, die diplomatischen Spannungen, die im Zuge der Restitutionsauseinandersetzung zahlreiche bilaterale Beziehungen der USA stark belasteten, abzubauen. Unter dem Motto „Toward a Millenium of Tolerance“ trafen sich vom 26. bis 28.  Januar 2000 Regierungschefs und Nichtregierungsorganisationen in Stockholm zur Holocaust-Konferenz.74 Zu diesem ersten politischen Großereignis im neuen Jahrhundert kamen 600 Delegierte aus 46 Ländern.75 Damit war die Stockholmer Konferenz die erste internationale Konferenz dieses Ausmaßes zu erinnerungspolitischen Fragen. Nicht die Aufarbeitung der Vergangenheit wie noch in London und Washington stand zur Diskussion, sondern die Frage, wie diese Vergangenheit erinnert und vergegenwärtigt werden sollte. Stockholm repräsentierte somit einen erinnerungspolitischen Schwenk: Die Erinnerung und Auseinandersetzung mit dem Holocaust erfolgte unter gegenwarts- und zukunftsgerichteten Fragestellungen. „The significance of this historically important conference is that it begins, as we enter a new century, to move us away from what is important and immediate − money and assets − to what is enduring and lasting − memory and education“, betonte Eizenstat in seiner Eröffnungsrede.76

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the U.S., Administrative Files, Box 20, Folder 21 [2], Stockholm International Forum on the Holocaust [OA 40411]. „Scope Paper For The Stockholm International Forum On The Holocaust: A Conference On Education, Remembrance, And Research, January 26-January 28“, ohne Datum, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 15, Stockholm International Forum on Holocaust Materials [OA 40411] [3]. „Stockholm World Conference on Holocaust Education, Remembrance, and Education“, 1. Juli 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 20, Folder 21 [1], Stockholm International Forum on the Holocaust [OA 40411]. Siehe: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/participants_delegates_2000.html, 24.8.2008. Stuart E. Eizenstat, Opening remarks for Final Press Conference By Deputy Secretary

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

Im Gegensatz zu den Konferenzen in London und Washington, an denen vor allem Diplomaten und Ministerialbeamte teilgenommen hatten, lud man nun die politische Prominenz. In Stockholm waren mehr als zwanzig Staatsund Regierungschefs präsent. Dies war von den schwedischen Initiatoren durchaus beabsichtigt. Sie hatten von Anfang an versucht, der Konferenz durch die Teilnahme von hochrangigen Politikern und renommierten Wissenschaftlern Gewicht zu verleihen. Präsident Clinton gehörte zu den ersten geladenen Staatschefs, auch Tony Blair, Lionel Jospin und Gerhard Schröder wurden frühzeitig kontaktiert. Die Zusage Clintons führte dazu, dass weitere Regierungschefs sich ankündigten, während Bundeskanzler Schröder seine Teilnahme von der Zusage weiterer prominenter Politiker abhängig machte. Jens Kroh vermutet, dass viele der südosteuropäischen Regierungschefs nicht unbedingt wegen des Themas an der Konferenz teilnahmen. Sie konnten hier vielmehr ihre Zugehörigkeit zur westlichen Wertegemeinschaft demonstrieren und damit ihre Aufnahmechancen in internationale Organisationen wie die NATO oder die EU verbessern.77 Eine Besonderheit der Konferenz und Ausdruck des erinnerungspolitischen Paradigmenwechsels der neunziger Jahre war, dass sich zur Erörterung der Erinnerung an den Holocaust Staaten zusammenfanden, die Täter, Opfer und „bystander“ – wie Raul Hilberg sie bezeichnete – der nationalsozialistischen Verbrechen repräsentierten. Das trennende Moment, das noch in den frühen neunziger Jahren Bundeskanzler Helmut Kohl von den D-Day-Feierlichkeiten in Frankreich ausschloss, war in diesem neuen Geschichts-Narrativ überwunden. Die hochrangige Besetzung trug maßgeblich zur internationalen Beachtung des Themas bei. Sie unterstrich aber auch ihren symbolischen Charakter, denn es ging in Stockholm um geschichtspolitische Absichtserklärungen und erinnerungspolitische Weichenstellungen für die Zukunft. Die schwedischen Veranstalter hatten dies so nicht beabsichtigt.78 Ihnen schwebte vielmehr ein breiter Austausch zwischen der wissenschaftlichen Fachwelt und Politikern vor, wobei die Wissenschaft die historischen Fakten liefern, während die Politik ihren Willen zur Propagierung von erinnerungspoof the Treasury Stuart E. Eizenstat January 28, 2000. The Stockholm International Forum On The Holocaust. A Conference on Education, Remembrance and Research, in: http://www.holocaustforum.gov.se/confer...ficial_documents/speeches/eizenstat.htm, 08. 07. 2002. 77 Vgl. Kroh, Transnationale Erinnerung, 116-118. Kroh spricht in diesem Kontext von einem „Domino-Effekt“. Ironischerweise erschien Präsident Clinton letztlich nicht persönlich, sondern schickte eine Video-Botschaft. Auch Tony Blair sandte seinen Außenminister Robin Cook nach Stockholm. 78 Die Beweggründe Schwedens, geschichtspolitisch aktiv zu werden, waren neben innenpolitischen Problemen, wie zunehmendem Rechtsextremismus, ohne Zweifel auch der wachsende internationale Druck, der von den USA auf die europäischen Staaten im Zuge ihrer Geschichtspolitik ausgeübt wurde. Siehe Kroh, Transnationale Erinnerung, 88f.

7.3. Die Stockholmer Konferenz

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litischen Fragen und zur Holocaust-Education kundtun sollte. Die US-Regierung, die durch Bennett Freeman und James D. Bindenagel in den Organisationsprozess eingebunden war, drängte jedoch auf eine stärkere Betonung des Politischen. Sie wollte Stockholm zu einem „landmark event at the political level“ machen.79 Daneben setzte sich die US-Regierung auch dafür ein, dass der Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research ein eigener Tagesordnungspunkt im Konferenzverlauf gewidmet wurde.80 Dadurch sollte die ITF, die bisher nur wenig in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, stärker ins Rampenlicht gestellt werden. Kenneth Klothen, Leiter der Presidential Advisory Commission, wollte im Rahmen der Konferenz ein Treffen der verschiedenen nationalen historischen Kommissionen arrangieren, um die Vernetzung und die Kooperation der Kommissionen zu intensivieren, wofür er schon seit dem Sommer 1999 geworben hatte.81 Er wandte sich an die schwedischen Organisatoren und betonte den Nutzen, der aus der Koordinierung der verschiedenen Länderstudien für die pädagogische Vermittlung des Holocaust gewonnen werden könnte.82 Der „research summit“ wurde jedoch nicht in die Agenda der Stockholmer Konferenz aufgenommen, da die schwedischen Organisatoren befürchteten, dies könnte vom eigentlichen Anliegen der Konferenz ablenken. Schließlich organisierte die Presidential Advisory Commission auf Betreiben des State Department das Treffen der nationalen Untersuchungskommissionen parallel zur Konferenz.83 Die Anregung, die Zusammenarbeit der Kommissionen zu verstärken, fand bei allen rege Zustimmung.84 Die strenge Einschränkung der Stockholmer Holocaust-Konferenz auf erinnerungspolitische Fragen wurde aber auch kritisiert. Angesichts der gleichzeitig stattfindenden Verhandlungen mit Deutschland über die Entschädigung für Zwangsarbeit von jüdischen Organisationen warnte die Organisa79 So ein Fax von Freeman und Bindenagel an die Organisatoren, zit. n. Kroh, Transnationale Erinnerung, 122; siehe auch Giere, Stockholm International Forum. 80 Kroh, Transnationale Erinnerung, 126. 81 „Commission Meeting Minutes“, 30. Juni 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 17, Folder 30, June 30, 1999 – Second Commission Meeting [OA 40398] [2]. Siehe auch das Kapitel 6.2. „Die Suche nach Holocaust-Vermögenswerten im eigenen Land“. 82 Brief Kenneth L. Klothen an Lars-Erik Wingren, 4. August 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 1, Correspondence [OA 40411] [1]. 83 „Monthly Report“, 25. Oktober 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 11, Monthly Reports – 1999 [OA 40411]. 84 Einladungsschreiben von Kenneth Klothen an Staatliche Untersuchungskommissionen, Dezember 1999, William J. Clinton Presidential Library, Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in the U.S., Administrative Files, Box 21, Folder 1, Correspondence [OA 40411] [I].

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

tion Claims For Jewish Slave-Labor Compensation, ein Zusammenschluss von jüdischen Zwangsarbeitern aus Konzentrationslagern und Ghettos, davor, der Fokus auf die Erinnerung an den Holocaust könne von der Notwendigkeit einer materiellen Entschädigung ablenken. Symbolische Gesten dürften konkrete Maßnahmen nicht ersetzen: „Ceremonies and sponsored days of remembrance must not be used by governments in substitute for their inaction concerning injustices from the Holocaust.“85 Ihre Kritik richtete sich dabei speziell an die Regierungen der USA und Deutschlands. Keine der drei Konferenzen in London, Washington und Stockholm hätte sich der dringenden Frage der Zwangsarbeiterentschädigung angenommen. Der Widerspruch zwischen einer Verlagerung der geschichtspolitischen Aktivitäten auf rein erinnerungspolitische Belange und der Fortexistenz unzähliger ungeklärter materieller Vermögensfragen blieb bestehen. Der Bezug auf den Holocaust Die Stockholmer Konferenz befasste sich mit der Frage, was aus dem Ereignis Holocaust gelernt werden kann und wie dieses Wissen in heutigen Gesellschaften helfen kann, Rassismus, Antisemitismus, ethnische Konflikte sowie Diskriminierung zu verhindern. Politiker, Kirchenvertreter und Vertreter der Zivilgesellschaft sollten die Holocaust-Erziehung sowie die Forschung und die Erinnerung an den Holocaust vorantreiben.86 Der Begriff des Holocaust bezeichnete eigentlich nur die Vernichtung der europäischen jüdischen Bevölkerung. Die verschiedenen anderen Opfergruppen wurden aber separat aufgeführt. Dieser Zusatz erlaubte die nationalsozialistische Vernichtungspolitik allgemein in den Blick zu nehmen und öffnete den Weg zur Dekontextualisierung der Holocaust-Erinnerung. Dies schuf die Möglichkeit heutigen Völkermord analog zum Holocaust zu betrachten. In den Reden der Staats- und Regierungschefs wurde angesichts des neuen Jahrhunderts emphatisch ein neues Zeitalter beschworen. US-Präsident Clinton sprach von einer Ära der Hoffnung und Möglichkeiten.87 So etwas wie der Holocaust als Inbegriff eines Genozids dürfe „nie wieder“ geschehen. 85 „Claims For Jewish Slave-Labor Compensation. Press Statement: Sincere Remembrance Or Fig-Leaf For Inaction?“, 24. Januar 2000, LOC, Eizenstat-Papers, Box 8 Melvyn Weiss Documents – Swiss Banks, German slave and forced labor cases, Documents German slave forced labor I. 86 Background: A Conference on Education, Remembrance and Research, 26-28 January, 2000, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page879.html, 25.8.2008. 87 Video Message by the President of the United States of America, Bill Clinton at the Ceremonial Opening, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000 /page899.html, 25.8.2008.

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„May the 21st Century find us absolutely certain that ‚never again‘ will human beings be persecuted on account of race, religion or ideology, ‚never again‘ will there be such death convoys as those going to Auschwitz, which was liberated fifty-five years ago today“, erklärte der argentinische Präsident Fernando de la Rúa.88 Der Holocaust wurde zum Symbol für die destruktiven Kräfte des 20. Jahrhunderts und zur Mahnung für die Zukunft. Der israelische Premierminister Ehud Barak erinnerte die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs, dass die nationalsozialistische Ideologie aus dem Herzen Europas erwachsen sei. Die Gründung des Staates Israels sei die historische Entgegnung auf Auschwitz.89 Auch andere Redner betonten diesen Gegenpol zur nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, stellten ihn aber mehr in den Kontext grundsätzlicher westlicher Wertvorstellungen: Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte. Diese Antipoden entsprachen dem Wertekanon der bürgerlich-demokratischen Grundordnung. Dass die osteuropäischen Staaten diese uneingeschränkt befürworteten, ist von zentraler Bedeutung für ihre Integration in das westliche Verteidigungs- und Wirtschaftsbündnis. Präsident Clinton warnte in seiner Videobotschaft, dass die gesellschaftspolitischen Kräfte, die zu dem Massenmord geführt hatten, auch heute noch eine Gefahr darstellten: „Humanity still is plagued by our oldest demon, the same dark impulse that spawned the Holocaust – the fear and hatred of those who are different from ourselves. Still there are leaders who seek to turn that hatred into organized persecution and violence.“90 Damit verlieh er dem Holocaust einen aktuellen Bezug, der Slogan „Nie wieder“ verlangte nach praktischen außenpolitischen Konsequenzen. Diese hätte die NATO mit ihrem militärischen Eingreifen im Kosovo geleistet.91 Auch andere Redner teilten diese Ansicht. Der argentinische Präsident Fernando de la Rúa plädierte dafür, die Erinnerung an den Holocaust nicht zu einer leeren Phrase werden zu lassen: Remembering the Shoah is more than a historical exercise. It also means discovering, preventing and struggling against any outbreak of discriminatory, racial and xenophobic 88 Message by the President of the Republic of Argentina, Fernando de la Rúa, in: http:// www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page921.html, 17.6.2008. Zum Begriff des „Nie wieder“ siehe auch die Beiträge der Vertreter Bosnien-Herzegowinas und Österreichs: Message by the Co-Chairman of the Council of Bosnia and Herzegovina, Haris Siljadzic, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page940.html, 25.8.2008; und Message by the Prime Minister of Austria, Viktor Klima, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page 955.html, 24.8.2008. 89 Message by the Prime Minister of Israel, Ehud Barak at the Ceremonial Opening, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page897.html, 25.8.2008. 90 Video Message by the President of the United States of America, Bill Clinton at the Ceremonial Opening, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000 /page899.html, 25.8.2008. 91 Ebd.

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7. Von der Restitution zur Erinnerung trends. The end of the century is witnessing other horrors, so-called „ethnic cleansing“ and various other ways of eliminating groups of people, destroying cultures, uprooting and even enslaving human beings.92

Damit wurden ethnische Säuberungen und andere extreme Menschenrechtsverletzungen diskursiv auf eine Ebene mit der Shoah gestellt. Die Lehren aus den Verbrechen des Holocaust auf aktuelle Menschenrechtsverbrechen anzuwenden führte zu einer Dekontextualisierung und Entortung der historischen Erinnerung. Das Gedenken an den Holocaust sollte nicht zum bloßen Ritual werden, das nur auf die Vergangenheit gerichtet war. Der tschechische Präsident Václav Havel ging sogar so weit, dass in jedem Akt einer Menschenrechtsverletzung bereits der Keim eines genozidalen Verbrechens angelegt sei. Every act of racism, or of intolerance towards minorities, may be the beginning of an onslaught on the very foundations of human civilization. Behind every manifestation of prejudice towards the Roma, and behind every anti-Semitic remark, there is an encoded threat of transports and gas chambers.93

Es ging dabei weniger um präzise historische Parallelen. Die Analogie schuf eine moralische Legitimierung und Verpflichtung im Fall von Menschenrechtsverletzungen zu intervenieren – auch wenn dies unter Umständen gegen das Völkerrecht verstoßen sollte, was der vom österreichischen Premierminister geforderten unbedingten Einhaltung der Gesetze als Lehre aus dem Holocaust widersprach. Dass die Alliierten Auschwitz nicht verhindern konnten und die Leiden des jüdischen Volkes so lange ignorierten, wurde in dieser dekontextualisierten Form der Erinnerung zum Argument für eine interventionistische Menschenrechtspolitik. Präsident Clinton rief die Anwesenden auf: „We must never forget what happened when governments turned a blind eye to grave injustice outside their borders when they waited too long to act.“94 Ein solches Versagen dürfe sich nicht wiederholen. Wer Menschenrechtsverletzungen nicht entgegentrete, mache sich an den Opfern schuldig.95 Aus dem Eingeständnis, in der Vergangenheit nicht genügend gegen die Vernichtung der eu92 Message by the President of the Republic of Argentina, Fernando de la Rúa, in: http:// www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page921.html, 17.6.2008. 93 Message by the President of the Czech Republic, Václav Havel at the Ceremonial Opening, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page906.html, 25.8.2008. 94 Video Message by the President of the United States of America, Bill Clinton at the Ceremonial Opening, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000 /page899.html, 25.8.2008. 95 So auch die Argumentation Elie Wiesels, als er Präsident Clinton bei der Einweihung des United States Holocaust Memorial Museum dazu aufrief, militärisch in Bosnien zu intervenieren. Siehe im Kapitel 2.1. „Die Amerikanisierung des Holocaust als Paradigma einer kulturell kodierten Erinnerungspolitik“ den Abschnitt „Die neunziger Jahre: Eine Zeit des Erinnerungsbooms?“

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ropäischen Jüdinnen und Juden getan zu haben, leiteten die westlichen Staatsund Regierungschefs einen moralischen Imperativ ab. Im Namen der Menschenrechte sollte die internationale Staatengemeinschaft in die staatliche Souveränität eingreifen und mit dem Verweis auf das „Nie wieder“ auch militärische Gewalt gegen „Schurkenstaaten“ anwenden können. Der Holocaust und die nationalen Geschichts-Narrative Today, we know that Swedish authorities failed in the performance of their duty during the Second World War. The Swedish Government deeply regrets that we have to make such an observation. The moral and political responsibility for what Swedish society did – or failed to do – during the war will always be with us.96

In seiner Eröffnungsansprache bekannte der schwedische Premierminister Göran Persson die historische Schuld Schwedens. Damit gab er eine Tendenz vor, der nahezu alle westeuropäischen Länder folgten. Die Beiträge der einzelnen Länder waren geprägt von der Anerkennung der historischen Schuld.97 Der französische Ministerpräsident Jospin rief alle versammelten Länder auf, ihre Sicht auf die Vergangenheit kritisch zu hinterfragen, auch wenn der Grad der Verstrickung von Land zu Land variierte. Frankreich selbst habe sich der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung sowie deren Ausplünderung zu spät gestellt.98 Auch die Schweiz betonte, wie wichtig die historische Untersuchung der eignen Vergangenheit sei.99 Damit wurde der kritische Bezug auf die historischen Defizite die Voraussetzung für ein neues Erinnerungsnarrativ. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in Bezug auf die nationalsozialistischen Verbrechen hatte bei den osteuropäischen Ländern einen deutlich anderen Charakter. Die meisten stellten ihr gutes Verhältnis zur jüdischen Bevölkerung heraus. Die Präsidentin Lettlands, Vaira Vike-Freiberga, bezeichnete ihr Land als einen sicheren Hafen für die Juden. Erst unter sowjeti96 Opening address by the Prime Minister of Sweden, Göran Persson at the Ceremonial Opening, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page900. html, 25.8.2008. 97 Siehe beispielsweise die Rede des norwegischen Justizministers Odd Einar Dörum und die Rede des niederländischen Premierministers Wim Kok: Message by the Minister of Justice of Norway, Odd Einar Dörum, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page942.html, 4.9.2008; Message by the Prime Minister of the Netherlands, Wim Kok, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/ page953.html, 4.9.2008. 98 Vgl. Message by the Prime Minister of the French Republic, Lionel Jospin at the Ceremonial Opening, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/ page903.html, 25.8.2008. 99 Message by the Federal Councillor, Head of the Federal Department of Home Affairs of Switzerland, Ruth Dreifuss, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page928.html, 2.9.2008.

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scher Besatzung und später durch die Deutschen sei die jüdische Bevölkerung verfolgt worden.100 Der bulgarische Präsident Peter Stoyanov unterstrich, dass sein Land auch während des Holocaust humanistischen Werten verpflichtet geblieben war und die jüdische Bevölkerung Bulgariens vor der Deportation bewahrte.101 „Slovakia ranks as the first country among those whose citizens helped the Jewish people in those difficult times. The Slovak non-Jews saved no less than ten thousand Jewish lives during the Shoah, while putting their own lives at risk“, erklärte der slowakische Präsident Rudolf Schuster.102 Der litauische Premierminister Andrius Kubilius beschrieb die jüdische Bevölkerung Litauens in der Zwischenkriegszeit als „the happiest one in Europe“. Zu Fragen der litauischen Kollaboration und der Beteiligung der Litauer an der Vernichtung der Jüdinnen und Juden bemerkte der Premierminister jedoch wenig Substantielles: „So far, no one can explain why this happened in Lithuania.“103 Auch Bulgariens Präsident Stoyanov vermied jegliche kritische Auseinandersetzung mit der rechtsgerichteten und mit Deutschland verbündeten bulgarischen Regierung während des Zweiten Weltkriegs, die aktiv an der Deportation der thrakischen und mazedonischen Jüdinnen und Juden mitgewirkt hatte.104 Wie die Reden der osteuropäischen Staats- und Regierungschefs in Stockholm zeigen, gab es einen fundamentalen Unterschied zwischen der transatlantisch-westeuropäischen und der osteuropäischen Geschichtsdeutung. Die Geschichte der ehemaligen Ostblockländer bot einen völlig anderen Interpretationsrahmen. Erst seit kurzem der Bevormundung des Sowjetreiches entkommen, knüpften die Redner an positive Aspekte ihrer Geschichte in vorsowjetischer Zeit oder an Widerstandsbewegungen an, was für die Herausbildung einer neuen nationalen Identität wesentlich war. Den Holocaust dagegen maßen sie an ihrem eigenen Leiden unter dem „red terror“105 der Sowjetherrschaft und der Unterdrückung unter deutscher Besatzung. Historische Schuld wurde in diesem Kontext relativiert. Damit bekam die Diskussion eine totalitarismustheoretische Wendung und drohte die geplante Ausrichtung der Konferenz zu kippen: Der Fokus sollte doch im Sinne der Veranstalter auf dem Holocaust als dem Symbol für ein nationenübergreifendes Lehrstück liegen. 100 Message by the President of Latvia, Vaira Vike-Freiberga at the Plenary Session, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page919.html, 13.7.2008. 101 Message by the President of Bulgaria, Peter Stoyanov, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page923.html, 13.7.2008. 102 Message by the President of Slovakia, Rudolf Schuster, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page924.html, 13.7.2008. 103 Message by the Prime Minister of the Republic of Lithuania, Andrius Kubilius, in: http:// www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page926.html, 13.7.2008. 104 Siehe dazu Kroh, Transnationale Erinnerung, 149. 105 So die lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga. Siehe Message by the President of Latvia, Vaira Vike-Freiberga at the Plenary Session, in: http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page919.html, 13.7.2008.

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Auf beiden Seiten gab es aber auch Positionen, die sich nicht so eindeutig festlegten. Milan Kucan, der Präsident Sloweniens, bezeichnete den Holocaust beispielsweise als Ergebnis einer totalitären Ideologie und ließ somit den Bezug zur Sowjetunion offen.106 Der Premierminister der Ukraine, Wiktor Juschtschenko, erklärte, dass die sorgenvolle Geschichte der Ukraine, die von Kriegen, Hungerepidemien und der Unterjochung durch fremde Reiche geprägt war, ein hohes Maß an Empathie mit der jüdischen Leidensgeschichte hervorgerufen habe. Der Hunger in den dreißiger Jahren und die Politik Stalins hätten die ukrainische Bevölkerung erfahren lassen, was Genozid bedeute.107 Als einziges westliches Land rief Dänemark dazu auf, in diesem Kontext den stalinistischen Terror nicht zu vergessen.108 Die Stockholmer Deklaration Am Ende der Stockholmer Holocaust-Konferenz wurde die „Declaration of the Stockholm International Forum on the Holocaust“ verabschiedet.109 Sie fasste die zentralen Aussagen der Konferenz zusammen und diente gleichzeitig der Festschreibung der erinnerungspolitischen Ausrichtung auf internationaler Ebene.110 An zentraler Stelle standen der Holocaust und seine Bedeutung für das gegenwärtige politische Handeln. Das beispiellose Verbrechen der nationalsozialistischen Judenvernichtung habe die Grundpfeiler der Zivilisation erschüttert. Gerade deshalb wurde er zum Inbegriff des Bösen und erhielt universale und dauerhafte Bedeutung. Der Holocaust bezog sich zwar ursprünglich nur auf die Ermordung der europäischen jüdischen Bevölkerung, in der hier erreichten Symbolisierung umfasste der Begriff nun auch die weiteren Opfer der nationalsozialistischen Raubpolitik. Die Deklaration ging aber noch einen Schritt weiter. Das Gedenken müsse auch diejenigen einschließen, die sich dem Nationalsozialismus widersetzt und ihr Leben dafür eingesetzt haben, Holocaust-Opfer zu schützen oder zu retten. Damit eröffnete die Erklärung positive Anknüpfungspunkte und wies auf die praktischen Konsequenzen der Holocaust-Erinnerung. Die Gegenwart 106 Message by the President of the Republic of Slovenia, Milan Kucan, in: http://www. manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page920.html, 23.7.2008. 107 Er schlug vor, analog zum Holocaust-Forum ein internationales Treffen zu veranstalten, das sich mit den Opfern der Hungerperiode unter Stalin beschäftigte. Message by the Prime Minister of Ukraine, Victor Yushchenko, in: http://www.manskligarattigheter. gov.se/stockholmforum/2000/page925.html, 23.7.2008. 108 Vgl. Message by the Prime Minister of Denmark, Poul Nyrup Rasmussen, in: http:// www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page954.html, 23.7.2008. 109 Siehe http://www.manskligarattigheter.gov.se/stockholmforum/2000/page1192.html, 24.8.2008. 110 Siehe dazu auch Kroh, Transnationale Erinnerung, 159-164.

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sei immer noch von Genoziden, ethnischen Säuberungen, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gezeichnet. Die internationale Gemeinschaft müsse diesen Übeln entgegentreten und sie bekämpfen. Zwar wurde auf die Konflikte in Bosnien, Ruanda oder im Kosovo nicht explizit Bezug genommen, doch spielte diese Handlungsaufforderung unzweideutig auf eine interventionistische Außenpolitik an. Ein weiterer Punkt betraf die historische Aufarbeitung des Holocaust. Alle Länder wurden aufgefordert, ihre Anstrengungen im Bereich Erinnerung, Erziehung und Forschung in Bezug auf den Holocaust zu verstärken. Dabei wurde auch die Einrichtung eines Holocaust-Gedenktages angesprochen. Die Erinnerung an den Holocaust müsse für immer im kollektiven Gedächtnis verankert sein. Ferner wurde die geschichtspolitische Initiative der Clinton-Regierung aufgegriffen und die Öffnung von Archiven und die Freigabe von Quellenmaterial gefordert. Zuletzt verpflichteten sich die Unterzeichnenden, die Saat für eine bessere Zukunft zu legen und die bittere Vergangenheit hinter sich zu lassen. Es sollte der Opfer gedacht und den Überlebenden Achtung entgegen gebracht werden. Das Streben nach Gerechtigkeit und gegenseitiges Verständnis müssten die gemeinsamen Ziele der Menschheit sein. Der Geist von Stockholm Die Fonds- und Stiftungslösungen, die in den neunziger Jahren vor allem auf Betreiben der USA ausgehandelt wurden, waren mit ihrer Forderung nach einer „legal closure“ im Wesentlichen ein materieller und juristischer Schlussstrich und eröffneten das letzte Kapitel der Entschädigungs- und Restitutionsauseinandersetzungen. Den Übergang zu erinnerungspolitischen Fragen im neuen Jahrhundert formulierte Stuart Eizenstat für die Clinton-Regierung so: „As we proceed with addressing Holocaust-related issues, it is important to move from money to memory. The last word on the Holocaust should be the memory of its victims and the teaching of its enduring lessons.“111 Dies implizierte einen Wandel der Erinnerung, in der es immer mehr um Verwendung und Repräsentation der Vergangenheit ging. In der US-Geschichtspolitik entwickelte sich ein Narrativ, in dem der Holocaust das negative historische Exemplum für eine neue, internationale Politik darstellte, die sich gegen Genozid und Rassismus wandte. Die Universalisierung der Erinnerung führte zu

111 Stuart Eizenstat, Deputy Secretary of the Treasury and Special Representative of the President and Secretary of State for Holocaust Issues, Statement before the Senate Foreign Relations Committee, Washington, D.C., April 5, 2000, in: http://www.state.gov/ www/policy_remarks/2000/000405_eizenstat_holocau.html, 08. 07. 2006.

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einer engen Verbindung von Menschenrechtspolitik und Holocaust-Erinnerung, die als Schablone auf gegenwärtige Konflikte angewandt wurde.112 Die Epoche der ‚Vergangenheitsbewältigung‘ ist am Ende. Es geht nicht mehr um das Faktische des Holocaust, es geht nicht um eine ‚Wahrheit‘, die ans Licht kommen oder die verborgen werden soll. […] Nicht mehr, was geschah, ist die Frage, sondern wie das Geschehene erzählt und vergegenwärtigt werden soll.113

Mit dem „Stockholm International Forum on the Holocaust“ manifestierte sich zum ersten Mal auf internationaler Ebene eine neue Form des kulturellen Gedächtnisses, in dem der Holocaust zu einem Erinnerungsemblem des 20. Jahrhunderts wurde. Diese erste Großkonferenz des neuen Jahrhunderts mündete in eine Wertediskussion westlicher Staaten, in der versucht wurde, Formen der Erinnerung des Holocaust für die Gegenwart und Zukunft zu bestimmen. Die universalistische Zielsetzung und die Verpflichtung auf eine zukunftsbezogene Erinnerung kamen in den Redebeiträgen sowie in der Abschlusserklärung zum Ausdruck. In den Vorüberlegungen zur Einrichtung eines internationalen Gedenktages wurde die allgemeine Bedeutung der Shoah hervorgehoben. Der Holocaust sei „an evil against Jews in particular, and against humanity as a whole“. Die Zerstörung der jüdischen Kultur sei ein Verlust für die gesamte Menschheit: „[T]he mass murder of European Jewry, however keenly felt by Jews, should be viewed as a European and World tragedy.“114 Die Erinnerung diente dabei nicht den „Opfern im Stande ihres Opferseins“ (Moishe Zuckermann). Vielmehr suchte man nach Anknüpfungspunkten für die nicht-jüdische Bevölkerung. Nicht allein die Empathie mit den Opfern stand im Mittelpunkt, sondern eine Identifikation auf Grundlage einer Universalisierung der historischen Bedeutung. Indem der Holocaust als Antipode einer auf Menschenrechten basierenden Gesellschaft konstruiert wurde, erschienen die westlichen demokratischen Gesellschaften als Gegenentwurf zu den destruktiven Tendenzen des 20. Jahrhunderts. Nach dem Ende der Systemkonfrontation präsentierte sich das westlich liberale Gesellschaftsmodell also als materialisierte Lehre aus den Verbrechen des Holocaust. Dieser Ansatz ähnelte der geschichtspolitischen Funktion der eingangs beschriebenen Amerikanisierung des Holocaust, also quasi eine „Europäisierung“ des Holocaust115: In erster Linie sollte die eigene Position bestärkt werden, indem sie der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik diametral entgegengesetzt wurde. Auch hier erhielt der Bezug auf die Lehren aus dem Holocaust für die einzelnen Staaten stark legitimatorischen Charakter. Die Auseinandersetzung 112 Ebd. 113 Jeismann, Deutsche Vergangenheit, 73. 114 „International Task Force on Holocaust Education: International Holocaust Remembrance Day. Considerations and Concepts“, ohne Datum, Privatarchiv Martin Dean, Folder Victims Assets – Education, Box 5. 115 Zur sogenannten „Europäisierung“ des Holocaust siehe Diner, Irreconcilability, 96.

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mit der Vergangenheit war auf diese Weise nicht schmerzhaft, sondern vielmehr sinnstiftend. Daniel Levy und Natan Sznaider halten die Verhinderung eines neuen Holocaust für die Basis eines offiziellen europäischen Gedächtnisses, die auch als Rechtfertigung für militärische und nichtmilitärische Interventionen diene. In einem bislang nicht gekannten Ausmaß sei hier die „Pädagogik praktisch und die Politik pädagogisch geworden“ (Michael Jeismann). Wie ein Staat seine Bürger behandelt, ist nun Teil des allgemeinen Menschheitsinteresses, und der Konflikt zwischen internationalem Recht, das die Staatssouveränität garantiert, und Menschenrechten, die diese Souveränität unterlaufen, spiegelt sich in den neuesten weltpolitischen Entwicklungen. Wem der Holocaust letztlich ‚gehört‘, ist die Schlüsselfrage in diesem Konflikt der Erinnerungen.116

Stockholm war die Inszenierung eines politischen Mythos: des Gründungsmythos einer neuen Weltinnenpolitik. Hier verdichtete sich die Rezeptionsweise, die den Holocaust und die daraus gezogenen Lehren in den Kontext einer Menschenrechtspolitik setzte, die als letzte Konsequenz die Verletzung der Staatenimmunität und militärische Interventionen implizierte. Die NSRaub- und Vernichtungspolitik war gestoppt und bewältigt worden. So konnte über das kulturelle Gedächtnis sowohl der Bereich der Pädagogik wie auch die Nutzbarmachung für die Menschenrechtspolitik eröffnet werden. Ähnlich wie bei der Entwicklung der Holocaust-Erinnerung in den USA seit den späten siebziger Jahren kann jedoch auch hier von einer Mehrdeutigkeit der Erinnerung gesprochen werden: Auf der einen Seite trieben jüdische Organisationen eine intensivere Auseinandersetzung mit der Shoah voran und forderten eine pädagogische Bearbeitung. Auf einer nationalstaatlich-offiziellen Ebene bildete sich jedoch ein transnationales, westliches Holocaust-Narrativ, das die Shoah nicht allein als historisches Ereignis wahrnahm, sondern daraus auch politische Handlungsspielräume und Legitimationsmuster abzuleiten hoffte. Die Stockholmer Holocaust-Konferenz verdeutlicht, wie im Zuge der US-Geschichtspolitik der neunziger Jahre sowohl die Shoah zu einem zentralen Referenzpunkt für das 20. Jahrhundert und seine destruktiven Tendenzen geworden ist, als auch wie die Opfer dieser nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik einen zentralen Platz eingeräumt bekommen haben, im Gegensatz zur Fokussierung auf die Bedürfnisse der Nationalstaaten in der Nachkriegszeit. Diese Bewusstwerdung der restitutions- und entschädigungspolitischen Defizite führte jedoch gleichzeitig zu einer Abkehr von den konkreten Tätern, und somit zu einer Dekontextualisierung und Abstrahierung der Shoah. Das Gedenken verliert also das Spezifische, weil ja nicht an die Täter erinnert, sondern der Opfer gedacht wird unter der Maßgabe von Zivilcourage und gesellschaftlichem Handeln. Anders formuliert: Zwar geht es noch immer um eine spezifische, deutsche 116 Levy/Sznaider, Erinnerung im globalen Zeitalter, 27.

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Vergangenheit; sie dient aber in erster Linie als ein Exemplum für genozidale Tendenzen, die auf der ganzen Welt aufbrechen können.117

Dieses neue Erinnerungsnarrativ galt nicht mehr den Tätern, sondern den Opfern. Das Einzelschicksal repräsentierte nun ein „allgemeines“ Opfer: Mit ihm konnten sich nun alle unter Diskriminierung oder Verfolgung leidenden Menschen identifizieren. Levy und Sznaider sprechen daher vom Holocaust als einem universalen „Container“, der den Erinnerungen an unterschiedliche Opfer dienen kann.118 Genau an diesem Punkt konnte die Politik anknüpfen und die aus dem Holocaust gezogenen Lehren auf gegenwärtige Menschenrechtsverletzungen anwenden. Die Stockholmer Holocaust-Konferenz steht beispielhaft für diese erinnerungspolitische Transformation. Im Zuge der Krise der nationalen Nachkriegsmythen entwickelte sich eine Kultur des Schuldeingeständnisses, in der unter dem Druck der USA die Auseinandersetzung mit den Versäumnissen der Nachkriegszeit zu einem Ausweis hoher Moral wurde.119 Ausschlaggebend dafür war die Maxime der Clinton-Regierung, die betroffenen Länder nicht für Vergangenes zu richten, sondern sie an der gegenwärtigen Bereitschaft zur historischen Aufarbeitung zu messen. Während die geschichtspolitischen Debatten der neunziger Jahre zeigten, wie stark Mythen den Blick auf den Zweiten Weltkrieg in den westlichen Nachkriegsgesellschaften prägten, waren die erinnerungspolitischen Debatten rund um die Stockholmer Holocaust-Konferenz auch nicht mehr als ein neuer Gründungsmythos. Der zentrale Bezug auf den Holocaust, wie er in Stockholm festgeschrieben wurde, zeigt die Herausbildung und die gesellschaftspolitische Bedeutung dessen, was Ronit Lentin den „Auschwitz-Code“ nennt.120 Das reale historische Ereignis Holocaust verschwamm, wurde banalisiert und enthistorisiert, die kollektive Erinnerung in staatliche Rituale und Zeremonien gezwängt. Der Zivilisationsbruch Auschwitz stellte sich in diesem neuen Erinnerungs-Narrativ nicht mehr als Makel und philosophisches Grundproblem der westlichen Moderne, der jeglichen historischen Fortschrittsoptimismus, wie er in der abendländisch-aufklärerischen Kultur verankert ist, zumindest mit einem tiefen Zweifel belegte. Das offizielle Gedenken an den Holocaust wurde in Zusammenhang mit der Reflexion über die Defizite der Ära der Nachkriegszeit Teil eines „western progressive narrative“, das offensiv in die Zukunft gerichtet war und in der diskursiven Verbindung mit einem Menschenrechtsdiskurs einen negativen Referenzpunkt des westlichen Wertekanons bot. Die Staats- und Regierungschefs warnten in Stockholm vor der Gefahr eines Rückfalls in die Barbarei. Der Holocaust bildete dabei die Antithese zu Demokratie und Menschenrechten im Rahmen 117 Jeismann, Deutsche Vergangenheit, 56. 118 Levy/Sznaider, Erinnerung im globalen Zeitalter, 223. 119 Vgl. Jeismann, Schuld, 454. 120 Siehe Lentin, Postmemory.

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einer neuen transatlantischen Agenda nach dem Ende der bipolaren Weltordnung. Völkermord zu verhindern wurde zum moralischen Imperativ. Der Holocaust wurde – zumindest bis zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 – diskursiv zum negativen, aber bewältigten Referenzpunkt der westlichen Gesellschaftsordnung. Er wurde zum globalen Lehrstück und zu einem universalen Orientierungspunkt, wenn auch mit sehr unterschiedlichen Funktionen. So spricht Gerd Wiegel von der Etablierung des Holocaust als neue westliche Basiserzählung.121 Das Holocaust-Narrativ wurde aus den jeweiligen nationalen Erzählungen herausgerissen und zu einem moralischen Imperativ transformiert – in einer enthistorisierten und universalisierten Form. Der Blick dieses neuen Erinnerungs-Narrativs richtete sich in die Zukunft. Die Voraussetzung für diese geschichtspolitische Verschiebung war das Eingeständnis der eigenen Schuld der jeweiligen Länder. „[T]he aim of the conference is really not to focus on any one country’s guilt but rather to look in very pragmatic terms at how to avoid such a phenomenon in the future“, erklärte ein schwedischer Regierungsbeamter gegenüber der Presse. Auch der Pressesprecher des schwedischen Premierministers erklärte: „The idea is not to dig into history and create feelings of culpability among people who were not born when these things happened.“122 Konkretes wurde abstrahiert, Partikulares universalisiert; der Zivilisationsbruch Auschwitz wurde zu einem Menetekel des Bösen. „No society can ‚remember‘ the extermination outside the discourses used to narrate, or ‚memorise‘ it. The Shoah has been ‚remembered‘, ‚forgotten‘, ‚re-interpreted‘, and ‚historicised‘ in different historical periods and different social and political climates,“ so Ronit Lentin.123 Die Geschichtspolitik der USA kann also als Prozess verstanden werden, in dem das Holocaust-Narrativ der Nachkriegszeit transformiert und dann in ein neues, transnationales MetaNarrativ eingebettet wurde, das − im Rahmen eines Menschenrechtsdiskurses − über die aus Auschwitz gezogenen Lehren eine moralische Verantwortung ableitete. Diese Argumentation diente realpolitisch als Legitimation für – durchaus auch militärische – Aktionen gegen Zustände, die diskursiv in Verbindung mit Auschwitz gebracht wurden. Die Rezeption der Shoah und die Wahrnehmung der Opfer direkt nach dem Zweiten Weltkrieg waren realpolitischen Zwängen geschuldet, aber auch die Verbindung von Holocaust-Erinnerung und Menschenrechtspolitik entstand aus den spezifischen Bedingungen nach dem Kalten Krieg. Mit den Begriffen „Schurkenstaat“ und „Genozid“ bezeichnete man in der internationa121 Wiegel, Globalisierte Erinnerung, 123. 122 Zitate aus „Boian, Christopher: Admitting ‚dark‘ past, Sweden hosts Holocaust review, Agence France Presse“, 23. Januar 2000, LOC, Eizenstat-Papers, Paxton Box 7. 123 Lentin, Postmemory, 5.

7.3. Die Stockholmer Konferenz

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len Politik der westlichen Welt zentrale neue Konfliktfelder.124 Für beides bot sich das nationalsozialistische Deutschland als erster „Schurkenstaat“ der Moderne als Analogie an: Es geschah zwar in Deutschland, es könnte aber überall auftreten.125 Die entkontextualisierte Rezeption des Holocaust ermöglichte es, die Parole „Nie wieder Auschwitz“ auf aktuelle Menschenrechtsverletzungen anzuwenden. So schloss sich die Lücke, die sich seit dem Ende des Kalten Krieges in der internationalen Politik aufgetan hatte, denn für die Austragung neuartiger Konflikte taugten die alten Begründungs- und Handlungsmuster nicht mehr. Die Verbindung von Holocaust-Erinnerung und Menschenrechtsdiskurs im Kontext einer interventionistischen Weltinnenpolitik war sicherlich nicht die einzig mögliche Option. Dass aber mit Bill Clinton, Tony Blair sowie der rot-grünen Koalition in Deutschland unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer progressiv-liberale Regierungen Schlüsselpositionen innehatten, ermöglichte und verstärkte diesen Trend. Nach dem Ende der großen Utopien des 20. Jahrhunderts kann die erinnerungspolitische Verbindung zwischen der Holocaust-Erinnerung und dem Menschenrechtsdiskurs als ein pragmatischer anti-utopischer Entwurf einer Weltverbesserung verstanden werden. Zwar legitimatorisch und außenpolitisch instrumentalisierbar zeugt er von dem Versuch, die Destruktionspotentiale der Moderne über eine internationale Gerichtsbarkeit und einen außenpolitischen Interventionismus, der sich auf die Wahrung der Menschenrechte stützte, zu beherrschen. Diese Transformation fand außerdem zu einem Zeitpunkt statt, an dem immer weniger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen selbst Zeugnis abgeben und mit der Autorität ihrer Leidensgeschichte auch die Art der Erinnerung maßgeblich mitbestimmen konnten. Die US-Geschichtspolitik der neunziger Jahre war also nicht nur rückwirkend für die Debatte über die restitutions- und entschädigungspolitischen Folgen des Nationalsozialismus von Relevanz, sondern sie kann als ein zentrales Scharnier für die diskursive Begründung einer neuen geschichts- und erinnerungspolitischen Epoche verstanden werden. Die Shoah wurde in ihrer enthistorisierten und dekontextualisierten Form zum Angelpunkt eines neuen Erinnerungs-Narrativs, das sich auf das Selbstverständnis der gesamten westlichen Welt auswirkte.

124 Grundlegend dazu Albright, Building a Framework. 125 Vgl. Jeismann, Deutsche Vergangenheit, 142, 168.

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

7.4. Die Transformation der Holocaust-Erinnerung Die Krise der nationalen Nachkriegsmythen Der Übergang zu einer stärkeren Fokussierung erinnerungspolitischer Fragen, wie er deutlich bei der Washingtoner Konferenz zu beobachten war, lässt sich nicht allein dadurch erklären, dass die Clinton-Regierung sie bewusst vorangetrieben hatte. Ein weiterer Grund war eine der Debatte inhärente Dynamik, die die Selbstbilder der betroffenen Staaten nachhaltig erschütterte. Dies soll im Folgenden noch einmal eingehender beleuchtet werden. Die Politik der Clinton-Regierung in Bezug auf Holocaust-Vermögenswerte wandelte sich, wie wir gesehen haben, im Laufe der neunziger Jahre: Im Kontext der property claims in Osteuropa war sie allein auf die Restitution von geraubtem und enteignetem Eigentum gerichtet und sah ihr Engagement als legitimen und notwendigen Bestandteil einer auf Privateigentum und Rechtssicherheit basierenden Gesellschaftsform an. Mit der Ausweitung der Thematik auf erbenlose Konten und Raubgold in der Schweiz, sowie die mögliche Vermischung des Raubgoldes der Tripartite Gold Commission mit Opfergold, wurde auch eine historische Aufarbeitung der nationalsozialistischen Raubpolitik sowie der restitutionspolitischen Defizite der Nachkriegszeit eingefordert. Die reine Restitutionspolitik entwickelte sich zur Geschichtspolitik.126 Der markanteste Ausdruck dieser neuen Politik war der erste EizenstatBericht, den Präsident Clinton 1996 in Auftrag gegeben hatte und der im Mai 1997 erschien. Die zentrale Erkenntnis war, dass die Interessen der Opfer des Nationalsozialismus während des Kalten Krieges zugunsten der Imperative der neuen Weltlage vernachlässigt worden waren. Zur Aufarbeitung dieser Versäumnisse proklamierte die Clinton-Regierung die Crusade for Justice.127 Der Fokus wandte sich von den damaligen Achsenmächten ab und nahm neutrale Staaten und sogar Bündnispartner ins Visier. Dies war ein historisches Novum und unterschied die Debatte um Holocaust-era assets in den neunziger Jahren fundamental von der Auseinandersetzung um Restitution und Entschädigung in der direkten Nachkriegszeit. Auf die Allianzen aus der Zeit des Kalten Krieges musste nun keine Rücksicht mehr genommen werden. Zwei Gründe hatten die Clinton-Regierung zu dem geschichtspolitischen Ansatz motiviert: Die nun aufkommenden Fragen offenbarten, dass das historische Wissen über die genauen Abläufe der Raubpraxis nur äußerst rudimentär war. Die Auseinandersetzung innerhalb der Tripartite Gold Commission verdeutlicht dies beispielhaft. Mitte der neunziger Jahre setzte ein wahrer Ansturm auf die National Archives in Washington ein. Die historische Rekonstruktion und Aufarbeitung war eine notwendige Voraussetzung für die von der 126 Siehe dazu das Kapitel 4. „Von der Restitutions- zur Geschichtspolitik“. 127 Siehe Eizenstat, U.S. and Allied Efforts, Vorwort.

7.4. Die Transformation der Holocaust-Erinnerung

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Clinton-Regierung geforderte Klärung der offenen Restitutionsfragen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Deshalb drängte sie so sehr darauf, die Quellenbestände freizugeben und nationale Historikerkommissionen einzurichten. Die Aufarbeitung im eigenen Land trieb sie durch die beiden Eizenstat-Berichte sowie durch ihr Engagement für die Konferenzen in London und Washington voran. Der zweite Grund war die programmatische Ausrichtung der Crusade for Justice. Den Opfern endlich Gerechtigkeit zu verschaffen, war nur zum Teil ein finanzielles Anliegen. Die Regierung Clinton sah es auch als eine moralische und politische Aufgabe – und dafür mussten die Geschichte und die Verantwortlichkeiten aufgearbeitet werden.128 Ziel der Auseinandersetzung sei letztendlich, zwischen den Nationen einen Versöhnungsprozess in Gang zu bringen. Dabei trügen die nationalen Untersuchungskommissionen große Verantwortung. Es lag an ihnen, ein Bewusstsein der eigenen Geschichte zu schaffen – auch der Verfehlungen. Das unfinished business bedeutete für die Clinton-Regierung eine Belastung der internationalen Beziehungen. Über die Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte und die Einrichtung von Stiftungen zur Befriedigung materieller Forderungen sollte am Ende des Jahrhunderts der Grundstein für eine Versöhnung gelegt werden. Im Kontext der neuen globalen Konstellation hatte dies auch eine wichtige außenpolitische Komponente. Auf einer generellen strategiepolitischen Ebene konnte dieser Ansatz bei der Schaffung der New Transatlantic Agenda 1995 beobachtet werden.129 Die USA versuchten, die anderen betroffenen Länder zu einer Auseinandersetzung mit ihrer restitutionspolitischen Nachkriegsgeschichte zu zwingen und die „konzentrierte Abwehrstrategie“ (Tekla Szymanski) zum Einsturz zu bringen, die eine Debatte über ungelöste Vermögensfragen bislang verhindert hatte.130 Ausschlaggebend war für die US-Regierung die Bereitschaft, sich jetzt seinen historischen Fehlern und Defiziten zu stellen. Eine Schuld an den Fehlern der Vergangenheit wurde den gegenwärtigen Regierungen nicht vorgeworfen. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit sollte vor allem kathartischen Effekt haben. „The most important test for any country today is not only what it did or failed to do in the past, but what it is doing and will do to face the past honestly and make amends for“, erklärte Eizenstat.131 128 Vgl. Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee. Hearing on the Eizenstat Report regarding Holocaust Assets. Prepared Testimony of Ambassador Stuart E. Eizenstat, Under Secretary for International Trade, May 15, 1997, in: http://banking.senate. gov/97_05hrg/051597/witness/eizenst.htm, 18. 05. 2006. 129 Dazu Gardner, New Era. 130 Szymanski, Amerika und die Entschädigung, 100. 131 Stuart Eizenstat, Explanation of the Washington Conference Principles on Nazi-Confiscated Art, in: Office of the Coordinator for the Washington Conference on HolocaustEra Assets (Hg.), Washington Conference, 420.

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

In Europa hatte schon in den achtziger Jahren eine kritische Auseinandersetzung mit den nationalen Nachkriegsmythen begonnen. Durch den Druck der USA verstärkte und beschleunigte sich dieser Prozess und beeinflusste das Selbstverständnis der betroffenen Staaten tiefgreifend. Avi Beker schreibt über die Geschichtsbilder, die sich in der Nachkriegszeit in den westlichen Demokratien etabliert hatten: „Each nation created for itself a collective national memory, in which historical facts were mingled with myths, half-truths and self-denial.“132 Die Kritik der USA an diesen Mythen leitete den Paradigmenwechsel ein, der die restitutionspolitischen Rechtfertigungen der Nachkriegszeit delegitimierte und einen neuen Blick auf sie ermöglichte. Die kritischen Deutungen der – zumeist jüngeren – Historikerinnen und Historiker gewannen dadurch an Gewicht.133 Die Verschiebung des Geschichtsbildes in der Schweiz kommentierte das State Department: Swiss press and some parliamentary leaders, particularly the younger generation, are calling for the truth and a new look at Swiss history. Much of the populace, particularly in banking and business are still engaged in massive denial, however, unable to accept the challenge the accusations pose to cherished Swiss myths of heroism in World War II and the importance of their highly developed brand of neutrality.134

Die Unterteilung der einzelnen Länder in Täter, Opfer, Neutrale und, im Falle der USA, Retternation begann zu bröckeln, die Dichotomien aus der Zeit des Kalten Krieges lösten sich auf. Die Debatte über die verschiedenen Arten der Kollaboration und Verstrickung führte zu einer neuen Wahrnehmung des Holocaust. Es wurde klar, dass die gesamte westliche Welt von dem Ereignis selbst sowie von der unzureichenden Aufarbeitung in der Nachkriegszeit betroffen war. Durch diese Umstände konnte der Holocaust entkontextualisiert und das Gedenken an ihn internationalisiert werden. Da nur relevant war, wie sich die heutige Generation den historischen Fehlern und Versäumnissen stellte, lobten die USA auf der Londoner Konferenz die Schweiz für ihre Untersuchung der eigenen Vergangenheit und hoben ihre internationale Vorreiterrolle positiv hervor.135 Eine ähnliche Bewertung erfuhr Deutschland für seine Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Die „deutsche“ Schuld, d. h. als ausdrücklich deutsche, verlor im Kontext von 132 Beker, Unmasking, 2. 133 Es sei darauf hingewiesen, dass die US-Regierung die Krise der nationalen Nachkriegsmythen nicht initiierte, sondern lediglich potenzierte und ihr größere politische Relevanz gab. In den westlichen Nachkriegsgesellschaften gab es bereits vor den neunziger Jahren eine Geschichtsschreibung, die das selbstlegitimatorische Geschichtsbild kritisierte. Sowohl gesellschaftspolitisch wie auch akademisch waren diese Positionen jedoch marginalisiert. 134 „Information Memorandum“, 21. Januar 1997, NARA, RG 59, Entry ZZ-104, Box # 13, Folder DU 1 of 4, DU 5. 135 Vgl. Closing Plenary Statement by Stuart Eizenstat, in: Foreign & Commonwealth Office (Hg.), The London Conference, 790.

7.4. Die Transformation der Holocaust-Erinnerung

251

Kollaboration und Schuldverstrickung der anderen Staaten an Gewicht. Somit begannen sich die Formen des Holocaust-Gedenkens in den verschiedenen Ländern anzunähern. „The Holocaust lies at the heart of such a negative core of European self-understanding“, so Dan Diner über die Wahrnehmung des Holocaust als ein die gesamte europäische, ja westliche Welt betreffendes Ereignis.136 Über die Bedeutung der Dekonstruktion der nationalen Nachkriegsmythen speziell für Europa schreibt Michael Jeismann: Aber überall, in Frankreich, Italien, auch in Polen oder Dänemark ist die Lösung von den Gründungsmythen der Nachkriegszeit die Voraussetzung für die Teilhabe am politischen Europa. Ein Europa allerdings, das seinerseits wiederum seine Gründung und Gemeinsamkeit stilisiert – und dabei weniger auf die gemeinsame Kriegserfahrung als vielmehr auf den Holocaust zurückgreift.137

Dieser Prozess schloss Deutschland ausdrücklich mit ein. Die Holocaust-Erinnerung löste sich also aus ihren jeweiligen nationalstaatlichen Erinnerungsformen. Dabei bildete die Auseinandersetzung mit den nationalen Nachkriegsmythen die Matrix, auf der sich der Holocaust als Schlüsselereignis für eine neue Erinnerungsform herausbildete und neue, gemeinsame Bezüge jenseits des Nationalstaats herstellte. The different, even antagonistic, histories of the various European peoples during the short but dense period from 1939 to 1945, serve today as a shared arsenal of memory and a foundation for common European values in a universally accepted realm of reference with validity for generations to come,

konstatiert Dan Diner.138 Der Holocaust wurde zu einem Bezugspunkt für die gesamte westliche Welt. Ausgestattet mit dem Attribut einer hohen Moral, trat nun immer häufiger die Frage auf, welche Funktion diese Vergangenheit einnehmen sollte. Die veränderte Wahrnehmung des Holocaust Die Geschichtspolitik der US-Regierung führte zu einer Transformationen der Holocaust-Erinnerung in dreifacher Hinsicht. Erstens kam es zu einer veränderten Wahrnehmung der Opfer der Shoah. Sie rückten nach langer Zeit der Marginalisierung in den Mittelpunkt. Die Restitutionspolitik, die nach 1945 die Interessen der Opfer des Nationalsozialismus sowohl dem Wiederaufbau und somit den nationalstaatlichen Interessen wie auch den „neuen Imperativen des Kalten Krieges“ (Stuart Eizenstat) untergeordnet hatte, erfuhr in den neunziger Jahren eine Korrektur. Die alten Determinanten, die die Restitutionspolitik der USA bestimmt hatten, waren nicht länger von Bedeutung. Der 136 Diner, Irreconcilability, 96. 137 Jeismann, Auf Wiedersehen Gestern, 59. 138 Diner, Irreconcilability, 96.

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7. Von der Restitution zur Erinnerung

Perspektivenwechsel erklärt sich nicht zuletzt aus der inneren Dynamik der US-Geschichtspolitik – waren es doch gerade die restitutions- und entschädigungspolitischen Defizite gegenüber den individuellen Opfern, die den Kernbereich des unfinished business ausmachten. Zweitens wurde der Holocaust in den Kontext eines der größten Raubund Enteignungsfeldzüge eingebunden und nicht mehr isoliert als die größte systematische und geplante Ermordung von Menschen betrachtet. Eizenstat umschreibt diese Veränderung der Sichtweise: „The Holocaust was not only the worst genocide in history but also perhaps history’s greatest theft.“139 Es wurde somit nachvollzogen, was Raul Hilberg bereits 1961 herausgearbeitet hatte: nämlich die Verschränkung von Raub und Vernichtung. Die Zeit war reif, seine lange ignorierten Erkenntnisse in das gesellschaftliche Bewusstsein aufzunehmen. Auch diese veränderte Wahrnehmung spiegelte nicht zuletzt eine Dynamik der Auseinandersetzung der neunziger Jahre wider: Ging es doch primär um die materiellen Konsequenzen der nationalsozialistischen Raubpolitik, die nun als integraler Bestandteil der NS-Vernichtungspolitik verstanden wurde. Drittens führten die beiden eben beschriebenen Aspekte zu einer neuen Gewichtung der Ereignisse Holocaust und Zweiter Weltkrieg. Die dominante Sichtweise der Nachkriegszeit, in der historische Fragestellungen vor allem den Krieg fokussierten und die Restitutionspolitik den Schwerpunkt auf Nationalstaaten legte, wurde korrigiert. Die neue Sichtweise war besonders für die westeuropäischen Länder im Kontext einer europäischen Annäherung von großer Bedeutung. Denn der gemeinsame negative Bezug auf den Holocaust wurde zu einer Art „Gründungsmythos“ des vereinigten Europa, das sich im Positiven auf die Menschenrechte und eine liberale Marktwirtschaft bezog. Die Unabhängige Expertenkommission der Schweiz schrieb in ihrem Schlussbericht über die historiographischen Veränderungen: „Eine historische Darstellung, welche den Holocaust integriert, führt zu anderen Interpretationen als eine, die sich auf die Herausforderungen des Krieges beschränkt.“140 Und Dan Diner bezeichnete den Holocaust als den „ultimate core-event of our time“.141 Ein Arbeitspapier der Task Force for International Cooperation sah den Holocaust als das zentrale Ereignis, ohne das die Geschichte des 20. Jahr-

139 Stuart Eizenstat, Deputy Secretary of the Treasury and Special Representative of the President and Secretary of State for Holocaust Issues, Statement before the Senate Foreign Relations Committee, Washington, D.C., April 5, 2000, in: http://www.state.gov/ www/policy_remarks/2000/000405_eizenstat_holocau.html, 08. 07. 2006. Siehe allgemein Chesnoff, Pack of thieves; Junz, Where did all the money go?; Interview Gerald Feldman. 140 Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (UEK), Schlussbericht, 24. 141 Diner, Irreconcilability, 95.

7.4. Die Transformation der Holocaust-Erinnerung

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hunderts nicht verstanden werden könne.142 Bislang war der Holocaust in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs integriert und stellte lediglich einen Teilaspekt dessen dar. Nun trat er in den Vordergrund. Diese Verschiebung manifestierte sich in der Verwendung des Begriffs Holocaust-era assets, unter dem nun die Gesamtproblematik offener Restitutions- und Entschädigungsfragen der nationalsozialistischen Herrschaft zusammengefasst wurde.143 Der Begriff zeigte, dass der Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden zum Fixpunkt wurde, von dem aus die gesamte Ära betrachtet wurde.

142 „Task Force for International Cooperation on Holocaust Education. Working Meeting, Washington. International Guidelines on Holocaust Education: UK Draft“, 5. September 1998, Privatarchiv Martin Dean, Folder Victims Assets – Education, Box 4. 143 Dabei wurde den Verfehlungen und Defiziten bei der Anerkennung und Implementierung der Forderungen der individuellen Opfer und ihrer Nachkommen in der Zeit des Kalten Krieges großes Gewicht eingeräumt. Bei den geschädigten Personen musste es sich hierbei jedoch nicht notwendigerweise um Jüdinnen und Juden handeln.

8. Der Paradigmenwechsel in der . US-amerikanischen Restitutionspolitik Das Ende der bipolaren Weltordnung und damit zusammenhängend die Auflösung der internationalen Nachkriegsordnung führten in den neunziger Jahren zu einem tiefgreifenden restitutions- und entschädigungspolitischem Paradigmenwechsel. Das Restitutionsregime der Nachkriegszeit war in eine strukturelle Legitimationskrise geraten. Gleichzeitig geriet mit dem ZweiPlus-Vier-Vertrag jene Nachkriegskonstellation ins Schwanken, die es (West-) Deutschland über Jahre ermöglichte, mit Verweis auf das Londoner Schuldenabkommen von 1953 Reparationsansprüche zu blockieren. Jüdische Organisationen in den USA sahen in den Veränderungen die Möglichkeit, die während der Zeit der bipolaren Weltordnung ignorierten Vermögensansprüche geltend zu machen und drängten auf eine Lösung. Von Beginn an forcierte der World Jewish Congress die Einbindung einflussreicher Politiker sowohl der Demokraten wie auch der Republikaner. Damit verlagerte sich der Ort der Auseinandersetzung relativ schnell in die USA. Unter der Leitung des Dreiergespanns Edgar Bronfman, Israel Singer und Elan Steinberg verfügte der WJC nicht nur über politischen Einfluss und umfangreiche finanzielle Mittel. Sie gehörten auch einer neuen Generation Jüdinnen und Juden an, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung in den USA sehr selbstbewusst für ihre politischen Interessen eintrat und diese auch offensiv verteidigte. 1992 wurde die World Jewish Restitution Organization mit dem Ziel gegründet, in den jetzt unabhängigen osteuropäischen Staaten jüdisches Eigentum zurückzufordern, das unter der deutschen Besatzung geraubt und nach 1945 verstaatlicht worden war. Die Transformationsprozesse in Osteuropa waren also der Ausgangspunkt der Restitutionsauseinandersetzungen der neunziger Jahre. Charakteristisch war die enge Verbindung der generellen Privatisierung der Wirtschaft und der Entschädigung bzw. Rückgabe ehemals enteigneten Eigentums. Die Frage der Rückerstattung jüdischer Vermögenswerte stellte lediglich einen Teil der restitutionspolitischen Gesamtforderungen aus den USA dar und war eingebunden in die allgemeine gesellschaftliche Transformation der osteuropäischen Staaten. Die Nominierung Stuart Eizenstats als Spezialgesandter für Vermögensfragen in Mittel- und Osteuropa durch Präsident Clinton zeigte früh die Bedeutung, die seine Regierung diesem Thema beimaß. Die Klärung offener Vermögensfragen jüdischer Bürgerinnen und Bürger, wurde zu einem Schwerpunkt ihrer Politik. Sie brachte den Prozess der Restitution von geraubten oder verstaatlichten jüdischen Vermögenswerten in einen diskursiven Kontext mit der Respektierung von Privatbesitz

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8. Der Paradigmenwechsel in der US-amerikanischen Restitutionspolitik

sowie der Einhaltung von Menschenrechten, hier konkret von Minderheitenrechten. Gegenüber den osteuropäischen Regierungen unterstrich sie die Anerkennung und Rückgabe geraubten bzw. verstaatlichten Eigentums als notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche gesamtgesellschaftliche Transformation. Die Clinton-Regierung machte deutlich, dass sie den Raub an der jüdischen Bevölkerung auch nach fünfzig Jahren noch als eine zu ahndende historische Ungerechtigkeit ansah. Zwar hatte das Weiße Haus schon während des Kalten Krieges mit großem politischen Druck auf die Reprivatisierung bzw. Entschädigung enteigneten westlichen Privateigentums in Osteuropa gedrängt. Die breite und konsequente Unterstützung speziell jüdischer Restitutionsforderungen in den neunziger Jahren war jedoch neu. Noch bei der Unterzeichnung des Zwei-Plus-Vier-Vertrags 1990 hatte Präsident Bush Sr. die Frage nach Reparationsleistungen gegenüber Helmut Kohl wissentlich ausgespart. Auch als Edgar Bronfman ihn 1992 zur historischen Gründungskonferenz der WJRO einlud, lehnte Bush Sr. ab und signalisierte deutliche Distanz. Allein das Ende der Ost-West-Konfrontation hatte also keineswegs sofort zur Bereitschaft geführt, ungeklärte Restitutions- und Entschädigungsfragen neu aufzuarbeiten. Auch die Europäische Union drängte zwar auf die marktwirtschaftliche Umgestaltung der osteuropäischen Gesellschaften, ihre Unterstützung der jüdischen Restitutionsforderungen war aber trotzdem deutlich verhaltener. Zu Beginn der neunziger Jahre schien es nur in den Ländern des ehemaligen Warschauer Paktes noch offene Restitutionsforderungen zu geben: Die Clinton-Regierung sprach daher in einem totalitarismustheoretischen Duktus von „double victims“. Dass diese Einschätzung unzutreffend war, sollte sich wenig später herausstellen. Als erstes westeuropäisches Land geriet die Schweiz in der Mitte des Jahrzehnts wegen nachrichtenloser Konten und Raubgold ins Zentrum der Kritik. Die weit verbreitete Ansicht, dass die Schweizer Debatte der Anfang der Auseinandersetzung um Rückerstattung jüdischen Eigentums war, ist also falsch. Sie war zwar medienwirksamer und wurde in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen, der eigentliche Ausgangspunkt der Restitutionsauseinandersetzungen war jedoch die Debatte um property claims in Osteuropa. Schien das Thema aus westlicher Sicht dort noch übersichtlich und eingrenzbar, so zeigte der Skandal um die Schweiz, dass nicht nur in den ehemaligen sozialistischen Ländern Osteuropas noch viel zu tun war: Die Problematik offener Restitutionsforderungen entpuppte sich als ein generelles Problem der Nachkriegsgesellschaften. Mit dem Übergreifen auf die Schweiz veränderte sich die Auseinandersetzung grundlegend. Die Zahl der Akteure in den USA wuchs enorm. Dies war ohne Zweifel Ausdruck der dortigen gesellschaftlichen Bedeutung der Holocaust-Erinnerung. In diesem Kontext ist auch auf die gesellschaftliche Rehabilitation der Holocaust-Opfer zu verweisen: Eine Entschädigung für das ihnen zugefügte Unrecht und eine Rückgabe ihrer geraubten Vermögenswerte

8. Der Paradigmenwechsel in der US-amerikanischen Restitutionspolitik

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waren für breite gesellschaftliche Kreise in den USA eine Selbstverständlichkeit. Deshalb engagierten sich nicht mehr nur jüdische Organisationen und die US-Regierung. Es traten nun Senatoren, Vertreter der US-Bundesstaaten, demokratische und republikanische Kongressabgeordnete sowie Klägeranwälte auf die restitutionspolitische Bühne. Zwar hatten sie ein gemeinsames Ziel, über Wege und Mittel war man jedoch uneins. Besonders den Klägeranwälten misstrauten die anderen Akteure. Der Ton der Debatte wurde rauer, weniger diplomatisch, Medienkampagnen gewannen an Bedeutung. Auch untereinander agierten die Vertreter des restitution movement zum Teil offen feindselig. Während die Clinton-Regierung neben ihren restitutionspolitischen Zielen immer auch die bilateralen Beziehungen zu den betroffenen Ländern berücksichtigte, setzten andere, wie beispielsweise der WJC oder die Anwälte, auf die Medienwirksamkeit skandalöser Enthüllungen. Auch die Bundesstaaten, die sich im Hevesi-Komitee organisiert hatten, nahmen wenig Rücksicht auf die zwischenstaatliche Atmosphäre. Vielmehr machten sie wie bereits während der Anti-Apartheid Bewegung in den achtziger Jahren der Regierung in Washington die außenpolitische Hoheit streitig. Die Androhung von Sanktionen durch die Bundesstaaten verstärkte dabei nicht nur den Druck auf die Schweiz, sondern auch auf die Regierung in Washington, auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zu finden. Dabei war oft schon die reine Androhung so wirksam wie die Sanktionen selber: Bahnbrechende Fortschritte wurden meist in enger Verbindung mit Sanktionsdrohungen erreicht. Mit der leisen Hinterzimmer-Diplomatie der Restitutionsauseinandersetzungen in den direkten Nachkriegsjahren hatte dies nichts mehr zu tun. Verhandlungen allein zwischen Regierungen waren passé. Damit war die Debatte allerdings auch unkontrollierter und in ihren Konsequenzen schwerer einzuschätzen. Eine Einigung musste von einer Vielzahl von Parteien abgesegnet werden, da nur mit der Zustimmung aller der Konflikt beigelegt werden konnte. Gerade diese heterogene Gemengelage machte aber das Potential der Kontroverse aus. Allen Klagen der US-Regierung zum Trotz war dies sicherlich ein Grund für den Erfolg der US-Akteure. Da die europäischen Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft auf den US-Markt angewiesen waren, konnten sie sich die rufschädigenden Kampagnen über ihre Verstrickungen in die nationalsozialistische Raub- und Vernichtungspolitik nicht leisten. Eine zunehmende wirtschaftliche, aber auch mediale und kulturelle Vernetzung war für die Effektivität des Drucks aus den USA eine wichtige Voraussetzung. Viele Beteiligte waren sich dieses komplexen, aber wirkungsvollen Geflechts nicht bewusst und pochten gegenüber den anderen auf ihren Alleinvertretungsanspruch. Jüdische Organisationen übten aber auch generell Kritik an der thematischen Ausrichtung der Restitutionsauseinandersetzung: Statt über den millionenfachen Mord an der jüdischen Bevölkerung Europas zu sprechen, werde zu viel über die finanzielle Dimension gestritten. Sie forderten, erinnerungspolitische

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8. Der Paradigmenwechsel in der US-amerikanischen Restitutionspolitik

Fragen stärker in den Blick zu nehmen, wobei jedoch die prinzipielle Legitimität der Restitutionsforderungen nicht in Zweifel gezogen wurde.1 Die Klägeranwälte nahmen in den Auseinandersetzungen eine Außenseiterrolle ein. Der WJC unterhielt zu ihnen keine politischen Verbindungen. Außerdem wurde ihnen immer wieder vorgeworfen, sie würden die Zahlungen an die Opfer durch ihre Honorare empfindlich schmälern. Da das Instrument der Sammelklagen in Europa nur wenig bekannt war, führte seine eigentümliche Dynamik bei den betroffenen Unternehmen zu Irritationen. Nach einigen Unsicherheiten und unterschiedlichen Entscheidungen um die Zulassung der Klagen vor US-Gerichten wurde letztlich keine der Klagen auf juristischer Ebene vor Gericht entschieden. Vielmehr kristallisierte sich ein generelles Problem heraus: nämlich die Frage, ob eine Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen und die Verfolgung der Täter und Kollaborateure überhaupt in einer angemessenen Weise juristisch möglich ist. Die Klägeranwälte trugen aber substantiell zu den erreichten politischen Vergleichen bei, indem sie den engen Rahmen der juristischen Auseinandersetzung überschritten und sich sowohl für Wirtschaftssanktionen einsetzten und rufschädigende Kampagnen initiierten. Besonders die Angst vor Offenlegung ihrer Geschäftsbücher als Folge einer Zulassung der Sammelklagen bewegte viele Unternehmen und Banken, der Klägerseite entgegen zu kommen. Während die Clinton-Regierung in Osteuropa nur eine schnelle Rückgabe geraubter bzw. verstaatlichter Vermögenswerte durchsetzen wollte, die keine Opfergruppe diskriminierte, veränderte sich ihr Engagement bei der Ausdehnung auf Westeuropa strukturell. Hatte die Wiederherstellung des Privatbesitzes in Osteuropa das Sensorium für Vermögenswerte so stark vergrößert, dass auf Druck jüdischer Organisationen auch die Restitutionsfrage wiederbelebt wurde, so war mit der Ausweitung der Thematik auf Westeuropa die Frage nach dem Umgang mit den Ansprüchen der Opfer des Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit zu einer generellen Problematik geworden. In diese Auseinandersetzung wurden nun immer mehr Staaten hineingezogen. Die Restitutionspolitik der USA wurde zu einer Geschichtspolitik, die die bestehenden Geschichtsbilder der Nachkriegszeit problematisierte und die Aufarbeitung der restitutionspolitischen Defizite unter neuen Vorzeichen propagierte. Es sollten nicht mehr allein Vermögenswerte zurückerstattet werden, sondern die Defizite der Nachkriegszeit in einer Crusade for Justice auch geschichtspolitisch aufgearbeitet werden. Dies unterschied die Debatte um Holocaust-era assets in den neunziger Jahren fundamental von der Auseinandersetzung um 1

Siehe Schoenfeld, Holocaust Reperations; Abraham H. Foxman, The Dangers of Holocaust Restitution, in: Wall Street Journal, 4. Dezember 1998, A 18; Naftali Bendavid, Is the Meaning Lost in Court?, in: Chicago Tribune, 12. August 2001, 1; Charles Krauthammer, Reducing the Holocaust to Mere Dollars and Cents, in: Los Angeles Times, 11.  Dezember 1998, 26; Elli Wohlgelernter, Compensation Issue Clouds Holocaust Message, in: Jerusalem Post, 19. Januar 2001, 6 A.

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Restitution und Entschädigung in der direkten Nachkriegszeit, die allein auf die materiellen Aspekte beschränkt war. Die kritische Revision der Geschichtsbilder der Nachkriegszeit führte zu einer einschneidenden Veränderung des Selbstverständnisses der betroffenen Staaten. Sowohl die Art und Weise wie des millionenfachen Mordes an der jüdischen Bevölkerung gedacht und wie dies in die jeweiligen nationalen Geschichtsnarrative integriert wurde, veränderte sich grundlegend. Dass die Regierung der USA den restitutionspolitischen Versäumnissen der Nachkriegszeit so große Bedeutung beimaßen, lag ohne Zweifel daran, wie gut die – speziell jüdischen – Opfer des Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit gesellschaftlich rehabilitiert worden waren und ihren Status als Opfer und Marginalisierte verloren hatten. Sie besaßen in den USA volle Bürgerrechte, deren Respektierung auch einklagbar war. Die Verletzung ihrer Eigentumsrechte war für die Clinton-Regierung nicht hinnehmbar. Für die Ausweitung der politischen Strategie der US-Regierung konnten zwei Gründe erkannt werden: Zum einen hielt die Clinton-Regierung die Aufarbeitung der restitutionspolitischen Defizite für einen zentralen Aspekt der gesellschaftspolitischen Neuordnung nach dem Ende der bipolaren Weltordnung. Die Versäumnisse der Nachkriegszeit waren eine Belastung für die internationalen Beziehungen. Dadurch bekam die US-Geschichtspolitik eine außenpolitische Komponente: Die historische Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte durch nationale Kommissionen sowie die materielle Aufarbeitung durch die Schaffung von Stiftungen sollte eine Versöhnung vorantreiben, die einen neuen Zusammenhalt der westlichen Staatenwelt begründen sollte, nachdem der Kitt der Systemkonfrontation weggefallen war. Für die USA stellte sich vor allem die Frage, wie das Projekt des american century2 weitergeführt werden und die USA in der neuen geostrategischen Konstellation weiterhin eine „indispensable nation“ (Madeleine Albright) bleiben können. „Building a Framework for American Leadership in the 21st Century“ war die realpolitische Aufgabe, die sich den USA in den neunziger Jahren (nicht nur) außenpolitisch stellte.3 „The great divide in the world today is not between East and West or North and South; it is between those who are prisoners of history and those determined to shape history. […] That is the same choice America faced 50 years ago in the aftermath of World War II“, so Madeleine Albright 1997.4 In diesem Kontext bekam das über lange Jahre gewachsene Bewusstsein über die Ermordung der europäischen jüdischen Bevölkerung ein besonderes Gewicht – nicht allein durch die Auseinandersetzung mit historischen, konkreten Opfern, ihren Tätern und deren Verbrechen, sondern vielmehr als eine moralisch-ideologische Richtschnur, die nach dem Wegfall 2 3 4

Vgl. den programmatischen Aufsatz von Luce, American Century. Ursprünglich erschienen in der Zeitschrift Life vom 17. 02. 1941. So der Titel eines Aufsatzes von Albright, Building a Framework. Ebd. 3.

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der Systemkonfrontation ein neues Bindeglied der westlichen Wertegemeinschaft darstellt. Die Zielsetzung, aus den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs Schlussfolgerungen zu ziehen, wirkte sich auch auf den außenpolitischen Kurs der USA aus. Die Erinnerung an den Holocaust wurde zu einem Bestandteil des Legitimierungsdiskurses US-amerikanischer Außenpolitik. Dies war jedoch kein linearer Prozess. Vielmehr handelte es sich um ein äußerst umkämpftes Feld, auf dem verschiedene Gruppen versuchten, die Holocausterinnerung für sich zu besetzen. Ein zweiter Grund für die geschichtspolitische Initiative der Clinton-Regierung war die Erkenntnis, dass das Wissen über die nationalsozialistische Raubpraxis und die restitutionspolitischen Initiativen der Nachkriegszeit desolat war. Der Kalte Krieg hatte in der Nachkriegszeit zu einer massiven Verdrängung, zu einer nahezu vollständigen Amnesie geführt: Außer von wenigen Expertinnen und Experten und den Verfolgtenorganisationen wurde der nationalsozialistische Raub und die defizitäre Entschädigung in der Nachkriegszeit ignoriert. Eine kritische Diskussion über diese Politik gab es zwar in den späten vierziger Jahren im Kontext des Washingtoner Abkommens 1946 mit der Schweiz, sie wurde aber schnell durch den aufkommenden Kalten Krieg beendet. Für die Klärung des unfinished business war die historische Aufarbeitung daher eine notwendige Voraussetzung. Der Eizenstat-Bericht und die Konferenzen in London und Washington waren wichtige Schritte auf dem Weg zur Aufarbeitung der historischen Hintergründe. Während die Londoner Konferenz das Thema Raubgold auf internationaler Ebene thematisierte und neben der Schweiz weitere Länder in die Auseinandersetzung einzubeziehen versuchte, verbreiterte die Washingtoner Konferenz ein Jahr später die Untersuchungen auf Raubkunst, Zwangsarbeit, Versicherungspolicen sowie den Umgang der Banken mit geraubten Vermögenswerten. Die Clinton-Regierung drängte alle beteiligten Länder, ihre eigene Verstrickung in diese gigantische Raubmaschinerie in nationalen historischen Kommissionen zu untersuchen. Der Fokus war nun nicht mehr wie in der Nachkriegszeit primär auf die Achsenmächte gerichtet, es wurden auch die neutralen Staaten sowie das Verhalten der ehemaligen Alliierten ins Visier genommen. Dies war ein historisches Novum. Die Initiativen der Clinton-Regierung zu einer Crusade for Justice führten nicht nur zu mehreren Stiftungen und Fonds um materielle Ansprüche zu befriedigen. Die in diesem Rahmen geschlossenen Verträge läuteten den Beginn des Schlusskapitels der materiellen Auseinandersetzung um Restitution und Entschädigung der Opfer der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik ein und hatten vielmehr politischen als juristischen Charakter. Elazar Barkan bezeichnete die Ausgleichzahlungen als „negotiated justice“.5 Auf lange Sicht wichtiger waren jedoch die einschneidenden erinnerungspo5

Barkan, Guilt of Nations, 321.

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litischen Transformationen, zu denen der geschichtspolitische Ansatz der USRegierung führte. Die Art und Weise, wie und wozu der millionenfache Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden erinnert wurde, veränderte sich dabei von Grund auf. Im Zuge der internationalen Auseinandersetzung mit dem unfinished business geriet die systematische Ausraubung der jüdischen Bevölkerung als Teil der Vernichtungspraxis in den Mittelpunkt des Interesses. Die enge Verknüpfung der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik mit der systematischen Raubpolitik wurde nun rezipiert und in das gesellschaftliche Bewusstsein aufgenommen. Es handelte sich also nicht um neue Erkenntnisse, sondern vielmehr um eine Verbreiterung des Blickwinkels, der erst jetzt geschichtsmächtig wurde. Ferner richtete sich der Fokus der Debatte nun auf die individuellen Opfer der nationalsozialistischen Raubpolitik – denn es waren ja gerade die restitutions- und entschädigungspolitischen Versäumnisse ihnen gegenüber, die das unfinished business ausmachten. Erst das Ende der bipolaren Weltordnung und die daraus resultierenden politischen Veränderungen brachten die defizitäre Behandlung der offenen Vermögensfragen der individuellen Opfer in das gesellschaftliche Bewusstsein. Damit wandelte sich der restitutionspolitische Impetus der USA fundamental im Vergleich zur Nachkriegszeit. Die Determinanten, die die Restitutionspolitik der USA während des Kalten Krieges bestimmt hatten, waren angesichts des Zusammenbruchs der ehemaligen sozialistischen Staaten Osteuropas hinfällig. Die US-Regierung korrigierte ihre restitutionspolitische Haltung, die nach 1945 die Forderungen der Opfer dem Wiederaufbau sowie den Imperativen des Kalten Krieges untergeordnet hatte. Die US-Geschichtspolitik verstärkte und beschleunigte dabei die seit den achtziger Jahren in einigen Ländern begonnene Auseinandersetzung mit den nationalen Nachkriegsmythen. Mit der historischen Aufarbeitung traten die Fehler und Versäumnisse ans Licht, die bis dahin verdrängt und ignoriert worden waren. Am Anfang dieser Entwicklung standen der Eizenstat-Bericht und die Kritik an der Schweiz, die dann den Paradigmenwechsel einleiteten, der die Erzählung der „herrschenden Historiographie“, auf die Tony Judt am Anfang dieser Arbeit kritisch Bezug nahm, grundsätzlich revidierte. Die Selbstwahrnehmung der westlichen Länder in Bezug auf die nationalsozialistischen Verbrechen veränderte sich radikal. Die Dichotomien aus der Zeit des Kalten Krieges lösten sich auf, die Einteilung der Länder in Täter, Opfer, Neutrale und Retter begann zu bröckeln. In der gesamten westlichen Welt führte die Beschäftigung mit Fragen der Kollaboration und eigener Schuld zu einer neuen Wahrnehmung des Holocaust. Diese Debatte, die den betroffenen Staaten von den USA aufgedrängt wurde, beschleunigte die Internationalisierung des Gedenkens und die Entkontextualisierung der Holocaust-Erinnerung. Der gemeinsame Bezug auf den Holocaust als negativem Referenzpunkt wurde international zu einem Standardrepertoire, während die spezifisch deutsche

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Schuld in der internationalen Auseinandersetzung zunehmend an Relevanz verlor. Die Funktion der Erinnerung veränderte sich analog zu der Entwicklung, die als Amerikanisierung des Holocaust bezeichnet wird. Speziell für die osteuropäischen Staaten war diese Lösung von den Gründungsmythen der Nachkriegszeit eine notwendige Voraussetzung für die Teilhabe am politischen Europa. Die Holocaust-Erinnerung trat aus ihren nationalstaatlichen Erinnerungsformen heraus. Die Thematisierung und Aufarbeitung der nationalen Nachkriegsmythen bildete die Matrix, auf der sich der Holocaust als zentrales Ereignis einer neuen Erinnerungsform herausbildete und Bezüge jenseits des Nationalstaats herstellte. Er wurde zum negativen Bezugspunkt für die gesamte westliche Welt. Die Geschichtspolitik der USA kann also als Prozess gesehen werden, in dem das Nachkriegsnarrativ über den Holocaust verändert und dann eingebettet wurde in ein neues Erinnerungsnarrativ, auf den transnational Bezug genommen wurde. Es stellte sich dabei immer häufiger die Frage, welche Funktion diese Vergangenheit einnehmen sollte. Schließlich stieß die Clinton-Regierung eine geschichtspolitische Schwerpunktverschiebung an: Die konkreten materiellen Fragen des unfinished busines sollten am Ende des 20. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen sein. Mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts sollte sich die gesellschaftliche Diskussion erinnerungspolitischen Fragen zuwenden. Hiermit verfolgte die ClintonRegierung zwei Ziele: Zum einen sollte auch nach der Entschädigung der Opfer die Erinnerung an den Holocaust wach gehalten werden. Dafür sollten feste Institutionen und Gedenktage eingerichtet und ein Programm zur Vermittlung des Holocaust an die nachfolgenden Generationen erarbeitet werden. Zum zweiten hatten die Debatten um Restitution in einem Ausmaß zu zwischenstaatlichen Spannungen geführt, wie dies von der Clinton-Regierung weder beabsichtigt noch erwünscht war. Zwar hatte die US-Regierung selbst einen Großteil dieser Spannungen verursacht, wie beispielsweise die Reaktion der Schweiz auf den ersten Eizenstat-Bericht zeigte, aber sie stand immer auch vor dem Problem, aufgrund der großen Anzahl der Akteure in den USA die Debatte und ihren Verlauf nicht kontrollieren und steuern zu können. Die Auseinandersetzung nun auf erinnerungspolitische Fragen zu verlagern würde die Thematik in der internationalen Diskussion lassen, gleichzeitig aber die zwischenstaatlichen Spannungen deutlich reduzieren. Die Washingtoner Konferenz von 1998 gilt als Beginn der Wende „from money to memory“: Zwar standen die materiellen Vermögenswerte noch im Vordergrund, gleichzeitig wurden aber auch erinnerungspolitische Fragen an prominenter Stelle diskutiert. Die Stockholmer Holocaust Konferenz zwei Jahre später war dann das Ergebnis des Paradigmenwechsels: Hier wurden nur noch erinnerungspolitische Fragen verhandelt und eine neue Form der Holocaust-Erinnerung ins Leben gerufen. Zwei Charakteristika lassen sich für diese neue Art des Gedenkens beschreiben: Einerseits wurde die Erinnerung pädagogisiert und institutionalisiert, zum anderen wurde das geschichtliche

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Ereignis unter der Prämisse erinnert, was es für die Gegenwart und für die Zukunft bedeutete. Man stritt nun um die Repräsentation und die Instrumentalisierung der Vergangenheit. Die Rezeption des Holocaust wurde universalisiert und dekontextualisiert. Es ging nicht mehr primär um das konkrete historische Ereignis, vielmehr bildete sich ein „Auschwitz-Code“ heraus: Sprachliche wie auch bildliche Anleihen schufen implizite historische Parallelen, die nicht auf ihre historische Gültigkeit hin überprüft wurden, sondern als Handlungsaufforderung für die Gegenwart und Zukunft dienten. Der Holocaust wurde so im westlichen Diskurs zu einem negativen Referenzpunkt, einem Antipoden zu zentralen westlichen Werten. Das Eintreten für die Einhaltung der Menschenrechte war eine der zentralen Lehren, die aus dem Holocaust gezogen wurden und mit denen zukünftig außenpolitische Optionen moralisch legitimiert wurden. Die Präsenz von etlichen Staats- und Regierungschefs in Stockholm verdeutlichte, wie sehr die Holocaust-Erinnerung international in die politische Agenda einbezogen wurde. Innerhalb der westlichen Staatengemeinschaft führte die Beschwörung gemeinsamer Werte zu einem stärkeren Zusammenhalt. Speziell für die osteuropäischen Länder war die Teilnahme an der Konferenz und das Bekenntnis zu deren Inhalten ein Ausdruck dafür, dass sie bereit waren, sich der westlichen Wertegemeinschaft anzuschließen, was eine Grundvoraussetzung für die Aufnahme in die verschiedenen transnationalen westlichen Organisationen war. Gleichzeitig wurde die Erkenntnis, dass die westlichen Staaten den Opfern des Nationalsozialismus während des Zweiten Weltkriegs nicht konsequent halfen, zu einer Doktrin des „Nie wieder“: Die Ikonographie von Auschwitz erzeugte dabei einen moralischen Imperativ gegen genozidale Tendenzen einzuschreiten, notfalls auch unter Verletzung des Völkerrechts und der staatlichen Souveränität. Die handlungsorientierte Geschichtspolitik der USA trug in diesem Prozess der neunziger Jahre nicht also nur elementar zur materiellen Aufarbeitung bei, sondern trieb auch erinnerungspolitisch die Transformation der Holocaust-Erinnerung voran. Die Verknüpfung der Holocaust-Erinnerung mit den Menschenrechten ist jedoch nicht aus sich selbst heraus zu erklären. Sie ist vielmehr das Ergebnis der politischen Situation, der konkreten historischen Epoche, ihrer Probleme und Perspektiven. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Rezeption des Holocaust und die Wahrnehmung der Opfer von der Neuorientierung des außenpolitischen Kurses der USA geprägt. Die UdSSR wurde zum neuen mächtigen Gegner, und der ehemalige Feind Deutschland und andere westeuropäische Staaten mussten als Verbündete gewonnen und in ein neues strategisches Verteidigungsbündnis integriert werden. Der Schwerpunkt der Restitutionspolitik lag daher auf dem Wiederaufbau und der Befriedigung der Interessen der Nationalstaaten.6 Erst nach dem Ende der bipolaren Weltordnung wurde die Verbindung von Holocaust und 6

Dass es bereits 1945 auch andere Meinungen gab, können die Auseinandersetzungen

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Menschenrechten möglich. Die Kritik an der restitutionspolitischen Praxis der Nachkriegszeit machte deutlich, wie die jeweiligen Restitutionsvorstellungen historisch bedingt waren. Die US-Geschichtspolitik der neunziger Jahre korrigierte diese Haltung. Seit den Terroranschlägen vom 11.  September 2001 veränderte sich jedoch nicht nur die politische Schwerpunktsetzung fundamental, sondern auch die damit einhergehenden Diskurse. Speziell die erinnerungspolitische Bedeutung, die sich bei der Stockholmer Holocaust Konferenz herausbildete, wurde durch die Zäsur vom 11.  September relativiert: Auch die erinnerungspolitischen Verschiebungen der neunziger Jahre waren also aus einer spezifischen politischen und historischen Situation entstanden. Auch wenn es seit dem Ende der Clinton-Regierung nicht mehr zu einer so prominenten Bedeutung der Holocaust-Erinnerung oder zu Debatten um Holocaust-Vermögenswerte kam, verlor die Forderung nach Restitution und Entschädigung – im Gegensatz zum Willen der Clinton-Regierung – im neuen Jahrhundert nicht an Relevanz. Denn die Entwicklung der neunziger Jahre offenbarte ein Paradox: Während die erinnerungspolitische Auseinandersetzung mit dem Holocaust stetig zunahm und auch von den Regierenden aufgenommen wurde, so wurden die parallel geführten materiellen Auseinandersetzungen über die Holocaust-Vermögenswerte blockiert und abgewehrt. Ähnlich wie in der direkten Nachkriegszeit hielten diejenigen, die von der Ausraubung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung profitiert hatten, vehement an ihren materiellen Vorteilen fest. Dies führte wieder zu antisemitischen und antiamerikanischen Tendenzen. Diese Abwehrhaltung und die Verweigerung einer großzügigen finanziellen Ausstattung der Entschädigungsfonds konterkarierten das Engagement, mit dem die Lehren aus dem Holocaust in Stockholm beschworen wurden. Diese Paradoxie lässt vermuten, dass es den meisten beteiligten Staats- und Regierungschefs eher um den erinnerungspolitischen Mehrwert als um eine angemessene Auseinandersetzung mit den konkreten historischen Verbrechen, ihren Opfern und den diversen Formen der Mittäterschaft ging. Damit vollendete sich auch am Ende dieser zweiten großen Restitutionsdebatte die von Stuart Eizenstat zu Beginn beklagte „unvollendete Gerechtigkeit“ nicht. Die materielle Aufarbeitung der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik war am Ende des 20.  Jahrhunderts nicht abgeschlossen. Zu kurze Antragsfristen und die Deckelung des finanziellen Gesamtrahmens perpetuierten die systematischen Fehler der direkten Nachkriegszeit. Die von den Unternehmen geforderte Rechtssicherheit, die weiteren Klagen den Weg verstellen sollte, verhinderte erneut, dass berechtigte Ansprüche geltend gemacht werden konnten. Antragsteller der diversen Opfergruppen wurden angesichts der knappen finanziellen Ausstattung zu Konkurrenten. Außerdem gab es weitere Gruppen, die trotz der US-Initiativen innerhalb der Roosevelt-Regierung zwischen dem State Department und dem Treasury Department, speziell Henry Morgenthau, illustrieren.

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von jeglichen Zahlungen ausgeschlossen waren, darunter die Opfer von Massakern der Wehrmacht oder der SS, italienische Militärinternierte oder jüdische Ghettoarbeiter. Für Letztere wurde zwar 2002 vom deutschen Bundestag ein Gesetz über Rentenzahlungen verabschiedet, von den ungefähr 70.000 eingereichten Anträgen wurden jedoch 95 Prozent abgelehnt.7 Der paradigmatische Umschwung in der Restitutionspolitik und die intensiven Bemühungen der US-Regierung in den neunziger Jahren waren nicht in der Lage, die materiellen Folgen der nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik befriedigend und abschließend im Sinne aller noch lebenden Opfer zu lösen. Die Unvollkommenheit der Gerechtigkeit führte in den USA noch einmal zu einer kritischen Hinterfragung der Restitutionspraxis. Im März 2007 brachte die republikanische Abgeordnete Ileana Ros-Lehtinen ein Gesetz in den Kongress ein, das wieder Klagen gegen europäische Versicherer ermöglichen sollte.8 Der Schlussstrich, der mit dem dauerhaften und umfassenden Rechtsfrieden gezogen werden sollte, stand damit wieder zur Debatte.

7

8

Vgl. Robert Probst, Die vergessenen Opfer. Ob Kriegsgefangene, jüdische Ghettoarbeiter oder Kinder der Schoah – viele Betroffene warten schon lange vergeblich auf eine humanitäre Geste, in: Süddeutsche Zeitung, 15. Juli 2008, 6; ders., Ein Gesetz, das nicht wirkt. Ehemalige jüdische Ghettoarbeiter müssen weiter auf eine Rente warten, in: Süddeutsche Zeitung, 26. Januar 2009, 5. Siehe Stefan Ruhkamp, Versicherern droht neue Debatte über Milliarden-Entschädigungen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. April 2008.

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10. Interviews Rabbi Andrew Baker, American Jewish Committee, Washington D.C., 20. Juli 2006. John P. Becker, Property Restitution Advisor des Department of State, Washington D.C., 6. September 2006. James D. Bindenagel, ehemaliger U.S. Ambassador and Special Envoy for Holocaust Issues der Clinton-Regierung, Chicago, 14. September 2006. Douglas M. Bloomfield, ehemaliger Vertreter des WJC in Washington D.C., Washington D.C., 12. September 2006. Greg Bradsher, Director des Holocaust-Era Assets Records Project der National Archives and Record Administration, College Park / Maryland, 31. August 2006. Tobias Brinkmann, Historiker, Washington D.C., 21. September 2006. Martin Dean, Historiker am Center for Advanced Holocaust Studies, Washington D.C., 21. September 2006. Stuart Eizenstat, ehemaliger Sonderbeauftragter der Clinton-Regierung, Washington D.C., 8. September 2006. Gerald Feldman, Historiker, Berlin, 12. Dezember 1996. Bennett Freeman, ehemaliger Berater von Eizenstat im State Department, Washington D.C., 28. September 2006. Michael D. Hausfeld, Anwalt, Washington D.C., 26. Juli 2006. Saul Kagan, Claims Conference, New York, 18. Juli 2006. Miriam A. Kleiman, Washington D.C., 6. September 2006. Kenneth L. Klothen, ehemaliger Executive Director der Presidential Advisory Commission, Philadelphia, 1. August 2006. Daniel Mariaschin, Executive Vice President der B’nai B’rith International Affairs, New York, 10. Juli 2006. Marc Masurovsky, Historiker, ehemaliges Mitglied der Presidential Advisory Commission, Washington D.C., 11. September 2006. Frank Mecklenburg, Leo Baeck Institute, New York, 12. Juli 2006. Martin Mendelsohn, Vertreter des Simon Wiesenthal Center in Washington D.C., Washington D.C., 31. August 2006. Burt Neuborne, Professor für Recht an der New York University und Vermittler zwischen Sammelklage-Anwälten, New York, 19. September 2006. Lynn Nicholas, ehemaliges Mitglied der Presidential Advisory Commission, Washington D.C., 20. Juli 2006. Peter Novick, Historiker, Chicago, 14. September 2006. Gregg J. Rickman, ehemaliger Mitarbeiter von Senator D’Amato, Washington D.C., 25. Juli 2006. Anna B. Rubin, Deputy Director des Holocaust Claims Office des State of New York Banking Department, New York, 19. September 2006. William Slany, ehemaliger Historiker des State Department, Washington D.C., 4. August 2006. Eugene F. Sofer, ehemaliger Deputy Executive Director der Presidential Advisory Commission, Washington D.C., 11. September 2006. Marc D. Stern, American Jewish Congress, New York, 18. Juli 2006.

11. Personenregister Aalders, Gerard 8, 14, 220-222 Acheson, Dean 102 Albright, Madeleine 76, 109, 119, 138f., 168, 226, 228, 247, 259 Alexander, Jeffrey C. 22, 25f. Anderson, David 157 Artukovic, Andrija 130 Assmann, Aleida 12, 14 Assmann, Jan 12 Baer, Hans 90f. Baker, Andrew 52, 54, 290 Baker, James A . 50 Balzli, Beat 13, 83 Barak, Ehud 237 Barbie, Klaus 163f. Bazyler, Michael 13, 126f., 132, 150f., 153– 158, 160, 162f., 165-167, 169-171, 173 Becker, John 65, 149, 224, 229, 232, 290 Beer, Greta 89 Begin, Menachem 30 Beisner, Robert L . 40 Beker, Avi 14, 40, 59f., 250 Bennett, Bob 90 Berenbaum, Michael 14, 19, 32 Berger, Sandy 100 Bergier, Jean-François 95, 133, 141, 220f., Bernstein, Phillip S. 21 Bettauer, Ronald 53, 137, 157 Billington, James 201f. Bindenagel, James D. 107, 225, 229, 235, 290 Blair, Tony 230, 234, 247 Bloch, Rolf 83, 115 Bloomfield, Douglas 57, 60, 62, 87, 96f., 102, 290 Borer, Thomas 95, 219 Bower, Tom 8, 13, 20f., 38, 97 Boxer, Barbara 90 Bradsher, Greg 87f., 101, 179, 188, 208, 290 Brittan, Leon 75f. Bronfman, Edgar M. 57f., 60f., 84-86, 89, 96, 99f., 102, 110, 112, 114, 120, 187, 202, 207, 222, 255f.

Burg, Avraham 82, 84, 114f. Burns, Nicholas 115, 271 Bush, Barbara 58 Bush Jr., George W. 168, 175, 206 Bush Sr., George W. 58, 256 Carlin, John 101 Carlin, Roy 165 Carter, Jimmy 11, 30f., 92 Chirac, Jacques 164 Christopher, Warren 60f., 67f., 86, 99, 103, 155, 157 Clark, Mark 204 Clinton, Bill 8f., 11, 15, 17f., 34, 54f., 61f., 64, 70-72, 77f., 81, 93, 96-102, 105, 107f., 111, 119, 121, 124, 136f., 139, 149, 152, 157-161, 163, 168, 175, 177, 187f., 195f., 199f., 203, 208, 213, 215217, 219-222, 226f., 229-231, 234, 236-238, 242, 245, 247-249, 255-260, 262, 264 Clinton, Hillary 96 Cohen, Mark 137 Cohen, Neil M. 116f. Comras, Victor 76 Cook, Robin 220, 222, 234 Cooper, Florence-Marie 171 Cornell, Marta 170 Cotti, Flavio 113, 139 D’Amato, Alfonse 67, 74, 86-91, 93-97, 99101, 104, 106-108, 110f., 113, 115, 118, 121f., 130, 145, 148f., 156, 166, 186, 196 Danforth, John 30 Dean, Martin 151, 198, 230, 232, 243, 253, 290 de la Rúa, Fernando 237f. de Maizière, Lothar 56 Delamuraz, Jean-Pascal 112, 114f. Desler, Jim 104 Diner, Dan 15, 243, 251f. Dinnerstein, Leonard 20-22, 25, 29 Dodd, Christopher J. 90, 199 Dodd, Thomas 90

292

Personenregister

Domenici, Pete V. 90 Dörum, Odd Einar 239 Drai, Pierre 164f., 168 Dreifuss, Ruth 239 Eagleburger, Lawrence 172f., 227 Eichmann, Adolf 27 Eizenstat, Stuart E. 9, 11, 13, 15, 30, 38-40, 52, 54, 59-80, 84, 88-92, 95-97, 99113, 116-119, 122-127, 131, 136-151, 154, 156-161, 163-165, 168f., 177, 179f., 182, 187-189, 191, 194f., 198, 205-208, 213, 218-223, 225-234, 242, 248-252, 255, 260-262, 264, 290 Fagan, Edward 126 – 130, 134f., 139f., 144, 155, 161, 170 Feldman, Gerald 28, 161, 169, 252, 290 Ferencz, Benjamin Berell 154, 229 Fischer, Joschka 247 Fisher, Wesley 99, 187 Fong, Matthew Kipling 118, 121, 125, 140 Foxman, Abraham 114, 258 Frank, Anne 26 Frank, Otto 26 Freeman, Bennett 103, 109, 215, 229, 231, 232, 235, 290 Frei, Norbert 11, 14 Genscher, Hans-Dietrich 56 Gilman, Benjamin A. 62, 70, 96 Giuliani, Rudolph 119 Goldstein, Elan 30 Goodrich, Frances 26 Greenwald, Jon 59-62, 65, 70, 75 Greiner, Bernd 20-22, 38, 40f., 194 Gribetz, Judah 151 Grossman, Marc 79 Grunewald, Ralph 198 Gut, Rainer 110 Hackett, Albert 26 Halbwachs, Maurice 12 Harrison, Earl G. 21 Hausfeld, Michael 126-137, 140, 144f., 147f., 153, 161, 165, 170, 290 Havel, Václav 238 Hayden, Tom 157, 159 Hevesi, Alan 110f., 117-125, 141, 146, 149, 156, 158, 166, 257 Hilberg, Raul 33, 234, 252 Holbrooke, Richard 59-61, 64, 70f., 104 Jagmetti, Carlo 112f., 115 Janner, Greville 97, 99, 186f., 217f., 222f.

Javits, Jacob 82 Jeismann, Michael 15, 243-245, 247, 251 Johnson, Sterling 167 Jospin, Lionel 164, 168, 234, 239 Judt, Tony 7, 14, 47, 261 Junz, Helen B. 14, 59, 92, 147197, 252 Juppé, Alain 164 Juschtschenko, Wiktor 241 Kagan, Saul 56, 58, 290 Karadzic, Rodovan 132 Kennan, George F. 23, 40 Kilgore, Harley 88 Kleiman, Miriam 87-89, 91, 109, 129, 290 Klima, Viktor 237 Klothen, Kenneth 196-198, 200, 202, 209f., 215, 235, 290 Knorr, Walter 116 Kohl, Helmuth 32f., 50, 234, 256 Kok, Wim 239 Koller, Arnold 116f. Korman, Edward 127, 129f., 134-138, 140142, 145-148, 150f., 157, 167, 175 Kram, Shirley 160 Krauthammer, Charles 258 Kubilius, Andrius 240 Kucan, Milan 241 Kunin, Madeleine 116, 118, 120, 139, 168 Lauder, Ronald 86 Lavie, Naphtalie 73 Lawrence, Larry 86 Leach, James 95, 166 Leesfield, Ira H. 202 Lentin, Ronit 12, 14, 245f. Levin, Neil D. 114-116 Lubin, Isador 38 Maissen, Thomas 13, 82f., 85-87, 94f. Marcos, Ferdinand E. 129, 132 Masurovsky, Marc 197f., 290 Matteoli, Jean 164-166 Mazzoli, Romano 53 McCall, Carl D. 110f., 114, 149 McCallion, Kenneth 165 McDonough, William J. 131, 133 McLaughlin, Brian 111 McNarney, Joseph T. 21 Meili, Christoph 112-115, 139, 148 Mendelsohn, Martin 130, 136, 140, 290 Metzger, Stanley 195 Miller, Israel 50 Mitterand, François 164

Personenregister Morgenthau, Henry 20, 37f., 40, 264 Mukasey, Michael 170f. Muzicant, Ariel 163 Netanyahu, Benjamin 60 Neuborne, Burt 41, 127, 130, 132, 135, 138, 143, 146, 150f., 157, 290 Newman, Steven 110, 117, 120, 122, 124 Nicholas, Lynn H. 206, 290 Niethammer, Lutz 154 Nixon, Richard 183 Novick, Peter 14, 21, 23, 27-29, 32f., 35 O’Brian, Robert 106, 120, 145, 149 O’Dwyer, William 24 O’Toole, Kevin 111 Ospel, Marcel 122, 141 Panetta, Leon 96 Pataki, George E. 111, 115f. Paul, Randolph 39 Perssons, Göran 230 Petitpierre, Max 94 Petropoulos, Jonathan 197 Picard, Jacques 13, 83 Princz, Hugo 52-54 Rabin, Yitzhak 60, 84 Rasmussen, Poul Nyrup 241 Reagan, Ronald 32-34, 92, 106, 110, 185 Rickman, Gregg 13, 57f., 74, 82f., 87-91, 94-96, 98, 100, 104, 111, 115f., 118f., 121, 124, 141, 148, 190 Rifkind, Malcolm 97f., 218 Roosevelt, Eleanor 26 Roosevelt, Franklin D. 19-21, 23, 38, 212, 264 Rosenbaum, Eli M. 102, 189 Ros-Lehtinen, Ileana 174, 265 Rubin, Anna B. 116, 290 Rubin, Seymour J. 178, 194f. Rupieper, Hermann-Josef 40 Sapir, Estelle 139 Schaumayer, Maria 162 Schifter, Richard 64, 66 Schoenfeld, Gabriel 128, 258 Schom, Alan Morris 140 Schröder, Gerhard 155f., 234, 247 Schuster, Rudolf 240 Senn, Deborah 169f., 127f. Shandler, Jeffrey 27, 29f. Sherman, Wendy R. 67 Shochat, Avraham 60 Siegel, Mark 30

293

Siljadzic, Haris 237 Silver, Sheldon 111, 149 Singer, Israel 60, 85f., 88, 91, 110, 117, 119, 122, 135, 139, 141, 144f., 148, 158, 208, 255 Slany, William Z. 101-103, 105, 188f., 227 Smith, Gordon 199 Sofer, Gene 196, 198, 202, 290 Spielberg, Steven 35 Stalin, Josef 241 Stauber, Chaim M. 127 Steg, Adolphe 164 Steinberg, Elan 52, 57-59, 78, 82f., 85-87, 91, 96, 112, 119, 121f., 126, 134f., 166, 188, 255 Stern, Maram 60, 85, 139 Stoyanov, Peter 240 Sturman, Deborah 128, 150, 155 Swift, Robert 129f., 132, 135, 144f., 155, 161, 170 Tanner, Jakob 83 Thoms, Albert 179 Truman, Harry S. 21-24, 88, 180, 183 van den Broek, Hans 76 Vike-Freiberga, Vaira 239f. Villiger, Kaspar 84f. Volcker, Paul 92, 147, 150 von Castelmur, Linus 210 Vranitzky, Franz 161 Waite, Robert 200f. Waldheim, Kurt 87 Weill, Pierre 13, 82-84, 87, 112-114, 117, 119, 222, 226 Weinbaum, Laurence 14, 49, 58, 60, 67 Weingarten, Joel 111 Weingarten, Liba 82 Weiss, Melvyn I. 128, 130, 134f., 139f., 142, 144-147, 150f., 155f., 161, 165, 170 Weisshaus, Gizelle 129 Westons, John 184 Wexler, Robert 174 White, Barrie 102 Whitman, Christine 123 Whittlesey, Faith Ryan 106 Wiegel, Gerd 15, 246 Wiesel, Elie 29, 34, 55, 238 Wingren, Lars-Erik 209, 235 Witten, Roger 134, 136f., 144f. Witti, Michael 129

294 Wolfe, Stanley 127 Wollman, Eric 117 Wyman, David 20-22, 24f., 28f., 31 Young, Andrew 30

Personenregister Young, James 14, 19, 24, 27, 32, 35 Zabludoff, Sidney J. 14, 109, 179 Ziegler, Jean 13, 179 Zuckermann, Moishe 243

12. Sachregister Abkommen mit Israel 1952 42f. Alaska 111, Albanien 51, 181-186, 192, 221 Alien Tort Claims Act 132 Allied War Crimes Declaration 20 Alliierte Hochkommission 41 American Bankers Association 208 american century 23, 259 American Council on Germany 226 American Insurance Association 171 American Jewish Committee 51 American Law Institute 132 Amerikanisierung 14, 19, 27, 92, 32, 35, 243, 262, Anhörung 15, 86-91, 93-97, 101, 107, 110f., 122, 124, 137, 141, 145, 151, 166, 170, 173, 186 Anleihen 41 Anti-Amerikanismus 105 Anti-Defamation League 20, 25, 114, 118 Apartheid-Regime 125, 257 Arbeitssklaven 154, 162 Argentinien 109, 192 Art Loss Registry 224 Assicurazioni Generali 169-171 Assistant Secretary of State for European Affairs 79 Assistant Secretary of State for Western European Affairs 59-61, 64, 70f. Auschwitz 20, 23, 31, 34f., 155, 192, 237f., 245-247, 263 „Auschwitz-Code“ 14, 245, 263 Auslandsschulden 41 Ausschluss von NS-Opfern 25, 41, 43f., 46, 72 Bank Austria 160 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 180 Bank of Canada 193 Bank of England 181, 186 Bankers Trust 158 Banking and Financial Services Committee 38, 95, 166, 222,

Banking Committee 87, 95, 111, 145 Banque Paribas 165f. Barclays Bank 165, 167 Belgien 181f., 194 Bergier-Kommission 95, 133, 141, 220f. Bermuda-Konferenz 20 Bernstein-Report 179 Besatzungsstatut 43 Bill of Rights 31 Bitburg 32-34, 110 Bosnien 34, 237f., 242, Brasilien 192 Brioni-Formel 44, 52 britische Botschaft 21, 184 Brooklyn 127, 147, 165, 167 Brüssel 58, 60f., 63-65, 76, 84f., 178, 181, 187 Budapest 69, 204 Bulgarien 51, 240 Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BerG) von 1953  43 Bundesergänzungsgesetz-Schlussgesetz von 1965  43 Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) von 1956  43 Bundesrückerstattungsgesetz von 1957  43 Bürgerrechtsbewegung (siehe: Civil-RightsBewegung) California Holocaust Victim Insurance Relief Act 170f. California Unfair Competition Act 140 Chase Manhattan 165 Chicago 116 Chrysler 158 Civil Rights Act 1964 29 Civil-Rights-Bewegung 25, 28f. Claims Conference 42, 46, 50-52, 56f., 85, 154, 161 Claims For Jewish Slave-Labor Compensation 236 Clinton-Administration (auch Clinton-Re-

296

Sachregister

gierung) 9, 11, 15, 17f., 54, 64, 70-72, 77f., 81, 93, 96-100, 105, 107f., 119, 121, 124, 136f., 139, 152, 157-160, 163, 175, 177, 188, 195, 199f., 203, 213, 215-217, 219-222, 226f., 229, 231, 242, 245, 248f., 256-260, 262, 264 „Commentary“ 128 Committee of Experts in Holocaust Victim Assets Litigation 134 Committee on Banking and Financial Services 154, 164, 166 Committee on International Relations 62, 70, 96 Conference on Jewish Material Claims Against Germany (siehe: Claims Conference) Containment 41 Crédit Agricole Indosuez 165 Crédit Commercial de France 165 Crédit Lyonnais 165 Crédit Suisse 106, 113f., 120, 139, 144f., 149, Creditanstalt 160 Crusade for Justice 9, 81f., 107, 186, 188, 221, 248f., 258, 260 Dachau 30, 162 Daimler-Benz 158 Danzig 181 Declaration of the Stockholm International Forum on the Holocaust 241 Democracy Commission Small Grants Program 72 Demokraten (Partei) 8, 96, 106, 174, 197, 255 Deutsche Bank 109, 155, 158, 167 deutsch-tschechischer Versöhnungsfond 51 Devisen 52, 93, 103, 109 „Diplomatenklausel“ 44 Displaced Persons (DPs) 21f., 31, 204, 211 Displaced Persons Act 22 „double victims“ 55, 190, 256 Drai-Kommission 165, 168 Dresdner Bank 109, 155 Eagleburger-Kommission (siehe: International Commission on Holocaust Era Insurance Claims) economic warfare (siehe: Wirtschaftskrieg) Eichmann-Prozess 27

Eidgenössische Bankenkommission 116 Eigentumsrechte 17, 57, 66, 77, 79, 213, 259 Einigungsvertrag 1990 50f., 56 Einwanderungs-Quoten 20f. Eizenstat-Bericht 9, 15, 100-110, 116, 131, 177, 188f., 205, 218f., 221, 230, 233, 248f., 260-262 Entschädigungsfonds 62, 66, 114, 123, 156, 264 Entschädigungsgesetzgebung 43f., 51 Entschädigungspolitik 14, 17, 42, 51, 72, 190f. Erbenloses Vermögen 36, 56, 58, 60, 67, 70, 73, 82, 86, 93, 96, 194f., 206-208, 211214 Estland 51, 62, 74 ethnische Säuberungen 230, 238 Europäische Konvention für Menschenrechte 75 Europäisches Parlament 75 Europäische Union 61, 64, 75, 256 European Bureau Senior Coordinator for Restitution Issues 76 Euthanasie 46 Executive Monitoring Committee 120, 122124, 141, 149, 156, 166 Exxon Valdez 130 fairness hearings 150 Federal Reserve Bank 98f., 131, 133, 181, 183, 186f., 193f. Florida 125, 171f., 207 Flüchtlinge 140, 151, 165, 178 Flüchtlingspolitik 29, 84 Ford Motor Company 155, 194 Foreign and Commonwealth Office 98, 181 Foreign Exchange Depository (FED) 179182 Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA) 53 forum non conveniens 138 FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) 161f. Frankreich 38, 44, 50, 99, 163-168, 178, 180, 184f., 187, 189, 191, 209, 221, 234, 239, 251 Fremdenfeindlichkeit (siehe: Rassismus) Friedensvertrag 41, 50, 154 Fürsorgeanspruch 46 Genozid 236, 238, 241f., 245f., 263

Sachregister Ghettoarbeiter 265 Globalabkommen/Globallösung 44, 51f., 54, 72, 122f., 135, 140f., 143, 145, 148f., 229 Gold (monetäres Gold / nicht-monetäres Gold) 18, 38f., 98f., 102, 109, 177-183, 186, 188-190, 192f., 196, 217 Gold-Pool 38, 178, 180-182, 187f., 190 Griechenland 181f. Großbritannien 20, 36, 38, 44, 50, 99, 178, 184f., 187, 189, 191f., 218-222 GRÜNEN (Partei) 44, 155, 247 Härtefonds 51f. Hearing (siehe: Anhörung) Hevesi-Komitee 141, 146, 257 Hiroshima 23 Historikerkommission der Republik Österreich 161 Österreich 57, 85, 153, 155, 160-163, 168, 181f., 203, 205, 209, 237f. Hollywood 25f., 35 „Holocaust“/ TV-Serie 29 „Holocaust bonanza“ 154 Holocaust Claims Processing Office 116 Holocaust Educational Trust 97, 181 „Holocaust fatigue“ 163 Holocaust Insurance Accountability Act 174 Holocaust litigation movement 132, 167 Holocaust restitution movement 126, 151, 197, 257 Holocaust Victim Insurance Act 170-172 Holocaust Victims Redress Act 192 Holocaust-era Assets 9, 16, 49, 149, 152f., 178, 195, 217, 248, 253, 258 Holocaust-Era Assets Records Project 208 Holocaust-Erziehung (siehe auch Pädagogisierung) 229-232, 236 Holocaust-Gedenkstätte 30 Holocaust-Vermögenswerte 7, 10f., 15-18, 101, 104, 112, 116, 126, 128, 170, 177, 193, 195f., 200, 203, 207, 210, 213216, 218, 223-225, 229, 231, 248, 264 House Banking and Financial Services Committee 38, 95, 222 House Banking Committee on Holocaust Related Issue 96 House Government Reform Committee 173 IBM 194 ICHEIC (siehe: International Commission on Holocaust Era Insurance Claims)

297

Illinois 111, 119 Independent Committee of Eminent Persons 91 „indirekte Wiedergutmachung“ 44 Interagency Working Group on Nazi War Crimes (IWG) 15, 208, 214 Inter-Allied Declaration 36, 180 Inter-Governmental Committee on Refugees 178 International Commission on Holocaust Era Insurance Claims (ICHEIC) 172-174, 227, 271 „International Conference on the Recovery and Return of Dormant HolocaustRelated Swiss Bank Accounts and Hidden Assets“ 120 International Refugee Organisation 178 International Romani Union 220 Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg (siehe: Nürnberger Prozesse) Interventionismus 247 Israel 25, 27f., 30, 42f., 46, 52, 60, 74, 83f., 88, 122, 156, 161, 166, 172, 201, 213, 230, 237 Israelitische Cultusgemeinde Zürich 112 Italien 169, 181f., 184, 251, 265 J.P. Morgan 144, 165, 167 Jackson-Vanik Amendment 57 Jerusalem 57, 75, 150 „Jerusalem Report“ 84, 159 Jewish Agency for Israel 82 Jewish Cultural Reconstruction Organization 201f. Jewish Restitution Successor Organization 195, 212 Jewish Theological Seminary 202 jüdische Gemeinden 30f., 46, 55, 58-67, 69, 72f., 79, 83, 87, 115, 122, 163, 166, 204-206, 213 Jüdischer Weltkongress (siehe: World Jewish Congress) Jugoslawien 51, 130, 162, 181f., 192 Kalifornien 90, 118, 125, 130, 140, 159, 165, 170-172, 207 Kalter Krieg (bipolare Weltordnung, Ost-West-Konfrontation, Systemkonfrontation) 9f., 14, 40f., 51, 54, 77, 92, 108, 177, 225f., 233, 243, 246, 255f., 259261, 263

298

Sachregister

Kentucky 125 Knesset 83 Kodierung 12, 14, 24-26 Kollaboration 7, 23, 70, 98, 163f., 194, 215, 223, 240, 250f., 261 kollektives Gedächtnis 12, 242, 245 Kommissionen (historische-) 13, 18, 30, 55, 92-95, 97, 100f., 103, 107, 112, 124, 133, 136, 141, 153, 161, 164-166, 168, 172-175, 192, 195f., 197-217, 220f., 227f., 235, 249, 252, 259f. Kommunaleigentum 55, 58, 66 Kongress 8, 21f., 31, 54, 67-69, 91, 95, 111, 128, 132, 158, 166, 173f., 183, 185, 199, 201, 206, 215, 257, 265 Konzentrationslager 30, 102, 154, 162, 189, 236 Korfu-Zwischenfall 185 kosmopolitische Erinnerungskultur 14 Kosovo 237, 242 Kriegsbeute 37, 178 Kunst (siehe: Raubkunst) lead counsel 129 legal closure (siehe: Rechtsfrieden) Lettland 51, 62, 239 „Levande Historia“ 230 Library of Congress 15, 200-203, 210 Litauen 51, 62, 240 London 58, 100, 190, 217, 219, 225, 227 Londoner Nazi-Gold-Konferenz / Londoner Raubgoldkonferenz 16, 18, 107, 153, 192f., 217-223, 225, 229, 231f., 233f., 236, 249f., 260 Londoner Schuldenabkommen 1953 41f., 45, 49-51, 54, 154f., 255 „Los Angeles Times“ 34, 157 Luxemburg 181f. Maine 125 Marktwirtschaft 9, 52, 77, 79, 185, 252, 256 Maryland 111, 125, 208 Massachusetts 119 Matteoli-Kommission 164-166 „Melmer“-Konto 179f. „memorandum of understanding“ 60, 91 Menschenrechte/Menschenrechtspolitik 9, 11, 15, 31, 33, 53, 57, 67, 75f., 77, 80, 113, 129, 151, 169, 233, 237-239, 243247, 252, 256, 263f. Menschenrechtsverletzungen 30, 34, 53, 129, 132, 238, 245, 247

Militärinternierte 265 Minderheitenrechte 17, 76, 256 München 129, 186 Museum of Tolerance / Los Angeles 34 Mythen 23, 70, 175, 223, 245, 250 Nachkriegsmythen 7, 14, 46f., 108, 223, 226, 245, 248, 250f., 261f. Nachkriegsplanung 38, 40, 106 nachrichtenlose Konten / nachrichtenloses Vermögen 8, 10, 56, 71, 81-87, 89f., 92f., 95-97, 101, 110f., 114, 118, 124, 126, 131, 133, 144-147, 190, 192, 195, 207, 256 Nagasaki 23 Narrativ (Holocaust- / Erinnerungs-) 10-12, 15, 18f., 25, 27, 29, 31, 35, 45f., 81, 94, 104, 210, 234, 239, 242, 244-247, 259, 262 National Archives and Records Administration (NARA) 15, 87, 89, 101, 188, 208, 248 National Association of Insurance Commissioners 172 National Association of Museum Directors 197 National Association of Unclaimed Property Administrators 207 National Mall 31 National Security Council 66 Nationalfonds 162f. nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungspolitik 7, 10, 17, 23, 36, 97, 106f., 125f., 201, 217, 244, 257, 260, 264f. „nativization of the Holocaust“ 19 NATO (North Atlantic Treaty Organization) 77 Nazi Persecutee Relief Fund 192, 222 Nazi War Crimes Disclosure Act 15, 208 „negotiated justice“ 260 „neue Ostpolitik“ 44 „Neue Zürcher Zeitung“ 93, 114 „Neutrals Report“ 109 New Jersey 111, 116f., 119, 123, 125, 155f. New Transatlantic Agenda 226, 249 New York Bankers Association 207 New York City Council 113, 115 „New York Magazine“ 89 New York Public Library 202 New York State Banking Board 123f.

Sachregister New York State Banking Department 116, 122 New York State Banking Superintendend 114f. „New York Times“ 24, 32, 98, 112f., 124, 129, 141, 143, 145, 156, 187, 194, 205f. Niederlande 42, 179, 181f., 194 Nürnberger Gerichtshof 131 Nürnberger (Kriegsverbrecher-)Prozess 90, 129, 154, 179 Office of Alien Property 194, 212, 215 Office of Special Investigations 102, 189, 201 Office of the Alien Property Custodian 212, 215 Opfergold 18, 39, 82, 98, 102, 109, 155, 178f., 181f., 186-189, 193f., 213, 217, 248 opting out 127 Ostberlin 57 Osteuropa 7f., 17, 40, 44f., 49, 51f., 54-58, 60-81, 83-85, 87, 90, 96, 106-108, 115, 153f., 158f., 166, 169, 177, 192f., 217, 226f., 234, 237, 239f., 248, 255f., 258, 261-263 Ost-West-Konfrontation 9, 256 ökonomische Kriegsführung (siehe: Wirtschaftskrieg) Österreich 57, 85, 153, 155, 160-163, 168, 181f., 203, 205, 209, 237f. ÖVP (Österreichische Volkspartei) 161f. Palestine Liberation Organization (PLO) 30 Paraguay 132 Pariser Reparationsabkommen 181, 186, 191 Pariser Reparationskonferenz 38, 178 Pädagogisierung 233 Pennsylvania 125 Pensionsfond 110 Philadelphia 129 plaintiff’s diplomacy 126 Polen 51, 62, 69f., 73f., 93, 110, 156, 181f., 221, 251 Polish American Congress 69 Portugal 109, 194 Prag 61, 171, 224 President’s Commission on the Holocaust 30

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Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets 16, 196-216 Principles on Nazi-Confiscated Art 228, 249 Privateigentum/Privatbesitz 8, 17, 40, 5456, 58, 75-77, 79-81, 183, 226, 248, 255f., 258 pro bono 54, 128 project paperclip 31 property claims 8, 49, 54, 64, 67f., 71f., 74, 78, 81, 96, 166, 190, 192, 227, 248, 256 „progressive narrative“ 25, 245 Rassismus 34, 230, 236, 242 Raubgold 8, 10, 18, 37-39, 81, 88-90, 94100, 102, 104, 109, 111, 123f., 149, 152f., 174, 177-190, 192-194, 218, 220, 222-224, 227, 229, 248, 256, 260 Raubgut 18, 37, 75, 126, 131, 133, 142, 200f., 203f., 225, 227, 229 Raubkunst 18, 101, 116, 151, 153, 196f., 213, 224, 228, 260 Rechnungsprüfer 110, 114 Rechtsfrieden 160, 168, 175, 242, 265 „remembrance gap“ 30 Reparationen 37, 41, 50, 154f., 178 Repräsentantenhaus 33, 53, 62, 67, 95, 183f., 192, 197, 199 Republik Belarus 51 Republikaner (Partei) 8, 86, 96, 118, 174, 197, 255 Rhode Island 111 Rifkind-Bericht 97f. Riverside-Park 24 Rohstoffgeschäfte 37 Roma 45f., 151, 211, 213, 220, 238 Roosevelt-Regierung 19f., 264 „rough justice“ 122, 147 Ruanda 242 Rumänien 51, 62, 74 Russische Föderation 51 Safehaven-Programm 37, 89, 133, 179, 197 Salzburg 203 Sammelklage 8, 81, 120, 122, 126, 129, 134-136, 138, 141, 145, 150f., 155158, 160-163, 165, 167, 170-172, 174, 258 Sammelklageanwälte/Sammelklägeranwälte 122, 126, 128, 130, 134, 136, 138f., 142, 147, 149, 155-158, 162, 166f., 170, 175

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Sachregister

Sanktionen 112, 114, 116-125, 140f., 145f., 149f., 156, 161, 257f. Sanktionsdrohungen 8, 118, 121, 123, 144f., 158, 257 Saudi-Arabien 30 „Schindlers Liste“ 35 „Schlächter von Kroatien“ 130 Schlussstrich 42f., 242, 265 Schweden 109, 192, 194, 230-232, 234, 239 Schweiz-polnisches Geheimabkommen 93f., 110 Schweizer Bankiervereinigung 82f., 85-88, 90f., 97, 112, 140 Schweizer Bundesrat 105, 112f., 117, 121 Schweizer Nationalbank 93, 95, 100, 102, 114, 116, 123f., 126, 141, 145, 148f., 220 Schweizerische Bankgesellschaft 42, 119, 121, 142 Schweizerischer Bankverein 121f., 142 Sechs-Tage-Krieg 1967 28 Senat 33, 53, 67, 145, 159, 183f., 196f., 199 Senate Banking Committee 87 Senate Banking, Housing and Urban Affairs Committee 101f., 107, 110, 117, 120, 122, 124, 225, 249 Siemens 156 Simon Wiesenthal Center 34, 130, 140 Sinti 45f., 151, 211, 213 Slowakei 51, 62, 65 Société Générale 165f. Souveränität (staatliche) 42f., 132, 239, 244, 263 Spanien 109, 194 SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) 155 Special Envoy for Holocaust Issues 214 SS („Schutzstaffel“) 52 State Banking Superintendent 111 State Department 15, 19-21, 37, 52f., 55f., 59, 60-66, 68, 71-81, 96, 100, 103-105, 109, 114, 119, 121, 124, 136f., 140, 156, 159, 180, 184-191, 195, 197, 209, 211, 214, 218f., 223f., 227, 235, 250, 264 State-War-Navy Coordinating Committee 180 Statement of Interest 159 Staatenimmunität 53f., 244 Stichtagregelung 45

Stiftungen 45, 51, 66, 217, 249, 259f. Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft 156 Stockholmer Holocaust Konferenz 16, 18, 209, 217, 232-247, 262-264 Streitkräfte 21, 186, 196, 200, 204f., 211, 214 Südafrika 117, 125 Swedish Institute of International Affairs 209 „Swiss Monitor“ 117 Task Force (schweizer) 95, 114 Task Force for International Cooperation (ITF) 227, 229-232, 235, 243, 252f. Territorialstaatsklausel 49, 54, Torture Victim Protection Act 132 Totalitarismustheorie 32-34, 55, 240, 256 Transformation der Erinnerung 10, 14, 16, 19, 40, 245, 247f., 251, 263 Treasury Department 20f., 37f., 103, 197, 211f., 264 Tripartite Gold Commission (Tripartite Commission for the Restitution of Monetary Gold) 18, 38, 90, 98-100, 102, 107, 177-193, 217, 221, 248 Truman Directive 22 Tschechien 61, 69, 74, 209, 221 Tschechoslowakei 52, 162, 181-185 Türkei 109f. UBS (Bank) 112, 123f., 139, 148 UdSSR 10, 20, 40, 50, 56, 106, 178, 185, 226, 263 Überleitungsvertrag 1952 43, 45 Ukraine 51, 156, 241 Unabhängige Expertenkommission der Schweiz 13, 55, 92, 95, 103, 192, 252 Unfinished business 7, 9, 17, 19, 36, 43, 45f., 81, 99, 105, 107f., 125, 149, 174, 199f., 221f., 249, 252, 260f. Ungarischer Goldzug 200, 203-206 Ungarn 51, 62, 70f., 203-205, 209, 213 United States Holocaust Memorial Committee 197 United States Holocaust Memorial Museum 30-32, 34f., 189, 223f., 238 Universal Memorial Day 24 Universalisierung 10f., 14, 27, 31f., 34f., 242f., 245f., 263 Untersuchungsbericht 9, 13, 15, 98, 101, 188

Sachregister US-Bundesstaaten 8, 13, 81, 110-113, 117121, 123-125, 136, 138, 143f., 149, 155f., 158, 170-172, 197, 207, 214, 257 US-Gerichte 13, 53, 131f., 158, 165-168, 258 U.S. Army Center of Military History 205 U.S. Commissioner of Immigration 21 U.S. Foreign Claims Settlement Commission 55, 183 U.S. Holocaust Assets Commission Act 196f., 199 U.S. Holocaust Memorial Museum 32, 34f., 189, 223, 238 U.S. Special Envoy on Property Restitution in Central and Eastern Europe 64, Vatikan 220 Vergangenheitspolitik 11 „vergessene Opfer“ 44f., 265 Vermont 125 Vermögensgesetz 56 Vernichtungspolitik (nationalsozialistische-) 7, 10, 14, 17, 19f., 22f., 27, 31f., 36, 40, 46, 56, 82, 92f., 97, 106f., 125f., 131, 135, 201, 217, 236f., 243f., 252, 257, 260f., 264f. Versicherungspolicen 18, 101, 153, 168174, 218, 224, 227, 260 Versöhnungsfonds 51, 162, Versöhnungsprozess 107, 249 Versöhnungsstiftungen 51 Verstaatlichung 40, 55, 73, 169, 183, 185, Vichy-Regime 164, 167 Victims or Targets of Nazi Persecution 151, 223 Vietnam 28, 33 Volcker-Kommission 92f., 97, 123f., 133, 136, 138, 141-147, 150f., 168, 172, Vorkriegsschulden 41 Voting Rights Act 1965 29 Volkswagen 156 Völkerrecht 131f., 238, 263 „Wall Street Journal“ 83, 128, 130, 155, 258 Wall Street Synagogue 202 War Mobilization Subcommittee of the Senate Military Affairs Committee 88 War Emergency Conference 36 War Refugee Board 20 Warschau 59, 69 Warschauer Ghetto 24

301

Warschauer Pakt 33, 49, 76, 190, 256 Washington, D.C. 17f., 21, 34, 39f., 60, 65, 69, 78, 87, 113, 130, 149, 163, 180, 197, 204f., 211, 217, 223f., 229-234, 236, 248f., 257, 260 Washington State Insurance Commissioner 169 „Washington Times“ 94 Washingtoner Abkommen 1946 39, 82, 97, 99, 102, 104, 107f., 143, 145, 149, 186, 260 Washingtoner Konferenz über Holocaustera Assets 16, 18, 153, 213, 215, 217, 223-232, 234, 236, 248f., 260, 262, Weißrussland 156 „Werkzeugtheorie“ 45 Westintegration 42, 76 Whitewater-Affäre 96 Whittier Law School 140 Wiederaufbau 37, 39f., 135, 178, 182, 211, 251, 261, 263 Wirtschaftskrieg 36f. Wohnsitzklausel 45 World Council of Orthodox Jewish Communities 126f., 129 World Jewish Congress 36, 46, 57-61, 68, 75, 78, 83f., 85-89, 91, 93f., 96-100, 104, 108, 112, 114f., 117, 119, 120124, 129, 134f., 137-141, 144, 148f., 158, 160, 166, 172, 177, 187, 189f., 193, 195, 198, 218, 225, 255, 257f. World Jewish Restitution Organization 8, 57-65, 67, 73f., 77, 84-86, 88, 96, 115, 127, 187, 192, 197, 255f. World Trade Organization (WTO) 121f. Yom Kippur-Krieg 1973 28 Zentralbanken 38f., 90, 98, 103, 165, 178180, 183, 185, 194 Zivilisationsbruch 245f. Zukunftsfonds 159 Zürich 112, 138 Zwangsarbeiter 45, 51, 151, 154, 156, 159, 162, 236 Zwangsarbeiterentschädigung 13, 153f., 162, 167, 229, 236 Zwangssterilisierte 45f. Zwei-Plus-Vier-Vertrag 50, 56, 255f.

13. Danksagung Zum Gelingen dieser Arbeit haben verschiedene Institutionen und Personen beigetragen. Ohne die finanzielle und ideelle Förderung des John-F.-Kennedy-Instituts, des Deutschen Historischen Instituts (Washington, D.C.), der Zeit-Stiftung, der Holocaust-Educational-Foundation, der Universität Erfurt sowie der Rosa-Luxemburg-Stiftung wäre die Arbeit in dieser Form nicht geschrieben worden. Dafür meinen ausdrücklichen Dank. Außerdem bin ich all jenen zu Dank verpflichtet, die das Projekt mit kritischer Anteilnahme verfolgt und mir durch intensive Diskussionen geholfen haben, meine Sichtweise zu entwickeln und zu schärfen. Mein besonderer Dank gilt Jürgen Martschukat. Zu danken habe ich auch jenen, die sich bereit erklärt haben, mir ihre kostbare Zeit für Interviews zur Verfügung zu stellen. Ebenso gilt mein Dank den Archivaren der National Archives, der Clinton-Library, der Library of Congress und des United States Holocaust Memorial Museum, die mich in meiner Suche nach relevantem Quellenmaterial unterstützt haben und mich mehr als einmal auf interessante Dokumente aufmerksam gemacht haben. Für alle Fehler in dieser Arbeit trage allein ich die Verantwortung.

transatlantische historische studien Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Washington, DC

Herausgegeben von Hartmut Berghoff, Mischa Honeck, Miriam Rürup und Britta Waldschmidt-Nelson.

Franz Steiner Verlag

ISSN 0941–0597

19. Manfred Berg / Philipp Gassert (Hg.) Deutschland und die USA in der Internationalen Geschichte des 20. Jahrhunderts Festschrift für Detlef Junker 2004. 599 S., geb. ISBN 978-3-515-08454-3 20. Astrid M. Eckert Kampf um die Akten Die Westalliierten und die Rückgabe von deutschem Archivgut nach dem Zweiten Weltkrieg 2004. 534 S., geb. ISBN 978-3-515-08554-0 21. Volker Berghahn Transatlantische Kulturkriege Shepard Stone, die Ford-Stiftung und der europäische Antiamerikanismus 2004. 392 S., geb. ISBN 978-3-515-08422-2 22. Michael Dreyer / Markus Kaim / Markus Lang (Hg.) Amerikaforschung in Deutschland 2004. 239 S., geb. ISBN 978-3-515-08466-6 23. Ellen Latzin Lernen von Amerika? Das US-Kulturaustauschprogramm für Bayern und seine Absolventen 2005. 496 S., 4 Taf., geb. ISBN 978-3-515-08629-5 24. Philipp Löser / Christoph Strupp (Hg.) Universität der Gelehrten – Universität der Experten Adaptionen deutscher Wissenschaft in den USA des neunzehnten ­Jahrhunderts 2005. 171 S., geb. ISBN 978-3-515-08647-9

25. Sylvia Taschka Diplomat ohne Eigenschaften? Die Karriere des Hans Heinrich Dieckhoff (1884–1952) 2006. 289 S., geb. ISBN 978-3-515-08649-3 26. Cordula Grewe (Hg.) Die Schau des Fremden Ausstellungskonzepte zwischen Kunst, Kommerz und Wissenschaft 2006. 376 S., geb. ISBN 978-3-515-08843-5 27. Claus-Dieter Krohn / Corinna R. Unger (Hg.) Arnold Brecht, 1884–1977 Demokratischer Beamter und ­politischer Wissenschaftler in Berlin und New York 2006. 228 S., geb. ISBN 978-3-515-08883-1 28. Markus Lang Die politische Theorie Karl ­Loewensteins Eine biographische Studie zur ­Entwicklung des politischen ­Denkens und der Politik­wissenschaft im 20. Jahrhundert 2007. 353 S., geb. ISBN 978-3-515-08930-2 29. Katja Wüstenbecker Deutsch-Amerikaner im Ersten ­Weltkrieg US-Politik und nationale Identitäten im Mittleren Westen 2007. 428 S. mit 27 Abb., geb. ISBN 978-3-515-08975-3 30. Cornelia Wilhelm Deutsche Juden in Amerika Bürgerliches Selbstbewusstsein und ­jüdische Identität in den Orden B’nai B’rith und Treue Schwestern, 1843–1914

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2007. 372 S. mit 15 Abb. geb. ISBN 978-3-515-08550-2 Uta Gerhardt Denken der Demokratie Die Soziologie im atlantischen Transfer nach 1945. Vier Abhandlungen 2007. 450 S., geb. ISBN 978-3-515-09007-0 Daniel Siemens Metropole und Verbrechen Die Gerichtsreportage in Berlin, ­Paris und Chicago 1919–1933 2007. 444 S. mit 23 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09008-7 Ursula Prutsch Creating Good Neighbors Die Kultur- und Wirtschaftspolitik der USA in Lateinamerika, 1940–1946 2008. 476 S. mit 20 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09009-4 Johannes Dillinger Die politische Repräsentation der Landbevölkerung Neuengland und Europa in der ­Frühen Neuzeit 2008. 588 S. mit 6 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09162-6 Daniel Gossel Medien und Politik in Deutschland und den USA Kontrolle, Konflikt und Kooperation vom 18. bis zum frühen 20. ­Jahrhundert 2009. 449 S., geb. ISBN 978-3-515-09293-7 Holger Löttel Um Ehre und Anerkennung Englandbilder im amerikanischen Süden und die Außenpolitik der Konföderation 2009. 470 S. mit 16 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09334-7 Britta Waldschmidt-Nelson Christian Science im Lande Luthers Eine amerikanische Religions­ gemeinschaft in Deutschland, 1894–2009 2009. 296 S. mit 7 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09380-4 Thomas Adam / Simone Lässig / ­Gabriele Lingelbach (Hg.)

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Stifter, Spender und Mäzene USA und Deutschland im historischen ­Vergleich 2009. 341 S., geb. ISBN 978-3-515-09384-2 Anke Ortlepp / Christoph Ribbat (Hg.) Mit den Dingen leben Zur Geschichte der Alltagsgegenstände. Aus dem Englischen übersetzt von Dorothea Löbbermann 2010. 339 S. mit 45 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09098-8 Daniel T. Rodgers Atlantiküberquerungen Die Politik der Sozialreform, 1870– 1945. Aus dem Englischen übersetzt von Katharina Böhmer und Karl Heinz Siber 2010. 645 S., 20 Taf., geb. ISBN 978-3-515-08482-6 Victoria de Grazia Das unwiderstehliche Imperium Amerikas Siegeszug im Europa des 20. Jahrhunderts. Aus dem ­Englischen übersetzt von Karl Heinz Siber 2010. 592 S. mit 45 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09394-1 Maria Alexopoulou Ethnic Foreign Policy und Identitätsbildung Die Griechisch-Amerikaner (1964–1978) 2010. 396 S., geb. ISBN 978-3-515-09629-4 Christopher Neumaier Dieselautos in Deutschland und den USA Zum Verhältnis von Technologie, Konsum und Politik, 1949–2005 2010. 298 S. mit 3 Abb. und 6 ­Grafiken, geb. ISBN 978-3-515-09694-2 Reinhild Kreis Orte für Amerika Deutsch-Amerikanische Institute und Amerikahäuser in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren 2012. 425 S. mit 19 Abb., geb. ISBN 978-3-515-10048-9

Das Ende der bipolaren Weltordnung brachte einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel in der Auseinandersetzung mit den materiellen Folgen des Nationalsozialismus mit sich. Unter dem Schlagwort des unfinished business wurden in den 1990er Jahren sowohl entschädigungs- wie auch restitutionspolitische Defizite der Nachkriegszeit thematisiert und ihre materielle und moralische Klärung gefordert. Die Geschichtspolitik der USA, die sich im Zeichen jüdischer Forderungen nach Restitution in Osteuropa entwickelte und deren Träger vor allem die Clinton-Administration war, hat in diesem Prozess eine zentrale Rolle gespielt. Programmatisch ging sie über eine einfache materielle Klärung offener Fälle hinaus. Die Clinton-Regierung initiierte eine Crusade for Justice, die die großen restitutionspolitischen Erzählungen der Nachkriegszeit delegitimierte. Dadurch wurden nicht allein tradierte Geschichtsbilder in Frage gestellt, sondern es kam in diesem Prozess auch zu einer Transformation der Holocaust-Erinnerung. Die Shoah wurde zum Angelpunkt eines neuen Erinnerungs-Narrativs, das sich auf das Selbstverständnis der gesamten westlichen Welt auswirkte.

ISBN 978-3-515-10157-8

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