113 44 5MB
German Pages 534 [553] Year 2020
Beiträge zur historischen Theologie Herausgegeben von
Albrecht Beutel
195
Jan van de Kamp
Übersetzungen von Erbauungsliteratur und die Rolle von Netzwerken am Ende des 17. Jahrhunderts
Mohr Siebeck
Jan van de Kamp, geboren 1984; 2002–2006 Studium der Germanistik in Utrecht und Bochum; 2006–2007 Studium Bible Translation in Amsterdam; 2008–2011 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Theologie der Vrije Universiteit Amsterdam; 2011 Promotion; 2013–2017 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Religionswissenschaft und Religionspädagogik der Universität Bremen; 2019 Habilitation an der Universität Bremen; seit 2013 Dozent Kirchengeschichte am Hersteld Hervormd Seminarie an der Fakultät für (Religion und) Theologie der Vrije Universiteit Amsterdam.
Diese Arbeit wurde gedruckt mit freundlicher Unterstützung von: Bremische Evangelische Kirche Evangelische Kirche in Deutschland Hersteld Hervormd Seminarie Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck Evangelische Kirche im Rheinland Evangelische Kirche in Hessen und Nassau Evangelischer Arbeitskreis für kulturelle Fragen e. V. (Bremen) Vereinigung für Bremische Kirchengeschichte e. V. ISBN 978-3-16-156779-7 / eISBN 978-3-16-156780-3 DOI 10.1628/978-3-16-156780-3 ISSN 0340-6741 / eISSN 2568-6569 (Beiträge zur historischen Theologie) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Epline aus der Minion gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich am 19. Dezember 2011 an der theologischen Fakultät der Vrije Universiteit Amsterdam verteidigt habe. Aus verschiedenen Gründen hat sich die Bearbeitung des Typoskripts verzögert. Umso mehr freut es mich, diese jetzt vollenden zu können. Mein Dank gebührt in erster Linie Gott dem Herrn, der mir die Möglichkeit, Gesundheit und Kraft geschenkt hat, diese Arbeit anzufertigen. Meinem Doktorvater Prof. Dr. W. J. op ’t Hof verdanke ich vieles. Er hat mich zur weiteren Erforschung des Themas ermutigt, sich sehr um die Beschaffung einer Forschungsresidenz gekümmert und die Abfassung meiner Arbeit sehr intensiv betreut. Dass er mir einerseits bei den Recherchen und bei der Bearbeitung viel Selbständigkeit ließ, mir andererseits in den entscheidenden Augenblicken beistand und mich von seiner langen Forschungserfahrung hat profitieren lassen, schätze ich sehr. Herr Drs. F. W. Huisman war für mich bei der Entstehung der Doktorarbeit wie ein inoffizieller Zweitgutachter. Als Bibliograph der heutigen niederländischen Pietismusforschung unterstützte er mich bei Recherchen, führte mich in die analytisch-bibliographische Beschreibung von alten Büchern ein und opferte viele Stunden dafür, meine bibliographischen Beschreibungen zu bearbeiten und diese in „seine“ Datenbank Pietas einzutragen. Schließlich hat er den Text dieser Arbeit mit scharfem Blick durchgesehen. Meinem Bruder Aldert danke ich, dass er als Außenstehender – in fachlicher Hinsicht – die erste Hälfte des Textes gelesen hat. Der Faculteit der Godgeleerdheid der Vrije Universiteit Amsterdam danke ich für die damals überraschende Möglichkeit, eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter antreten zu können. Der Abteilung Kirchengeschichte der Fakultät danke ich für die Anregungen, die ich u. a. bei Präsentationen von Ergebnissen und Teilen dieser Arbeit bekommen habe. Die Dissertation bot mir die Möglichkeit, in vielen Archiven und Bibliotheken in Deutschland zu forschen. Stellvertretend nenne ich hier die Einrichtungen, die mir inzwischen am vertrautesten sind: die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, das Studienzentrum August Hermann Francke sowie die Mitarbeiter des Interdisziplinären Zentrums für Pietismusforschung in Halle (Saale), das Staatsarchiv Bremen, insbesondere Prof. Dr. Konrad Elmshäuser, und die Staatsund Universitätsbibiothek in Bremen, insbesondere Dr. Thomas Elsmann.
VI
Vorwort
Herr Joachim Dellbrügge hat mir einige Materialien über Johann Christoph Noltenius zugeschickt. Herr Dr. Andreas Deppermann stellte mir seine Transkriptionen der Briefe von Johann Jakob Schütz an Johann Deusing und Philipp Erberfeld zur Verfügung. Herr Dr. Eberhard Hagemann, Spezialist der Bremer Kirchengeschichte, hat das Projekt am Anfang mit mir besprochen und übernahm am Ende noch einige Recherchen und korrigierte Teile der Arbeit. Herr Dr. Willem Heijting kommentierte einige Kapitel meiner Dissertation aus buchwissenschaftlicher Sicht. Herr Dr. Manfred Komorowski von der Universitätsbibliothek Duisburg-Essen hat mir wertvolle biographische Informationen zu Erberfelds und Noltenius’ Söhnen vermittelt. Frau Prof. Dr. Cornelia Niekus Moore gewährte mir Einsicht in das von ihr rekonstruierte Bücherinventar der Herzogin Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel. Mein Freund Johan Mouthaan MA hat mir hinsichtlich der Bremer Theologen und bezüglich Baxters Theologie weitergeholfen. Drs. P. H. op ’t Hof und Matthias Mangold führten eine sprachliche Korrektur von Teilen des deutschen Textes durch. Pastor i. R. Manfred Kloft (Wiesloch), Pastor i. R. Dr. Helmut Roscher (Buxtehude), Frau Gina Rohmann (Universität Duisburg-Essen) und Pastor i. R. Dr. Peter Ulrich (Bremen) haben die endgültige Fassung vollständig korrigiert. Frau Lydia ter Harmsel (Rijssen, NL) erstellte die Namen- und Bibelstellenregister. Ihnen allen sei an dieser Stelle recht herzlich gedankt. Den Gutachtern danke ich dafür, dass Sie das Manuskript meiner Dissertation beurteilt haben: Prof. Dr. H. Faulenbach (Emeritus RFWU Bonn), Prof. Dr. A. A. den Hollander (VU), Prof. Dr. F. J. van Ingen (Emeritus VU), Prof. Dr. W. Janse (VU) und Prof. Dr. A. B. M. Naaijkens (UU). Herrn Prof. Dr. Faulenbach danke ich außerdem für seine akribischen sprachlichen Korrekturen des Textes sowie für seine inhaltlichen Kommentare. Herrn Prof. Dr. A. Beutel (Münster) und Frau Dr. Katharina Gutekunst, Programmleiterin Theologie und Judaistik beim Mohr Siebeck Verlag, möchte ich für die Aufnahme in der Reihe „Beiträge zur historischen Theologie“ danken. Der derzeitigen Programmleiterin Frau Elena Müller und dem Lektoratsassistenten Herrn Tobias Stäbler sage ich für vielfältige Hinweise Dank. Den auf der Impressumseite erwähnten Zuschussgebern danke ich für Ihre finanzielle Unterstützung, welche die Veröffentlichung ermöglicht haben. Ein letztes Dankwort gebührt all denjenigen, die mich auf diesem Weg jeweils auf ihre eigene Weise betreut haben: meinen Eltern und Geschwistern, meiner Zimmerwirtin und meinen Verwandten und Freunden und schließlich meiner Frau Ariëtte, die das Zustandekommen der Endfassung intensiv begleitete. Hinweisen möchte ich noch darauf, dass ich die Arbeit bis Herbst 2014 inhaltlich überarbeitet und die Verweise auf Forschungsliteratur entsprechend aktualisiert habe. In der Zeit danach wurde der Text gekürzt und strukturell und sprachlich überarbeitet. Apeldoorn, den 13. November 2019
Jan van de Kamp
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Siglen und Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Formalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Protestantische Frömmigkeitsrichtungen in der Frühen Neuzeit . . 8 1.3 Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.4 Zielsetzung und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.5 Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.6 Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.7 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche im 17. und im frühen 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.1 Übersetzungen: Zahlen und Fakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.2 Voraussetzungen für die Popularität englischer und niederländischer Erbauungsliteratur in Deutschland . . . . . . . . . . . . . 32 2.3 Voraussetzungen für die Übersetzung englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.4 Vermittlungswege englischer und niederländischer Erbauungsliteratur nach Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.5 Produktion, Distribution und Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.6 Der Produzent und das Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.7 Die Haltung lutherischer Theologen in Deutschland gegenüber englischer Erbauungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.8 Der Einfluss englischer und niederländischer Erbauungsliteratur auf die Theologie und Frömmigkeit in Deutschland: ein Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
VIII
Inhaltsverzeichnis
3. Johannes Duysing (1644–1673) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.1 Die Vorgeschichte Bremens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.2 Theologische und religiöse Tendenzen in Bremen im 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.3 Gab es zwei Johannes Deusings aus Bremen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.4 Vorfahren, Jugend und Studium (1661–68) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3.5 Gesandtschaftsprediger im Dienst Hessen-Kassels (1668–69) . . . . . 83 3.6 Prediger in Bremen (1670–73) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.7 Übersetzung: Dionysius Spranckhuysen, Balsaam für eine kranke Seele (1673) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15 4.16 4.17 4.18 4.19 4.20 4.21
Jugend und Studium (ca. 1639 – ca. 1666) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Ämter am Hof Hessen-Kassels (1666 – ca. 1696) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Kontext von Deusings Übersetzungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Willem Teellinck, Soliloquium (1671) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Willem Teellinck, Das newe Jerusalem und Die Klage Pauli (1672) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Richard Baxter und seine Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Richard Baxter, Die wahre Bekehrung (1673) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 William Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen (1674) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 o. A., Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans (1674) .152 Richard Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit (1675) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Robert Bolton, Der Probir-Stein des Gewissens (1676) . . . . . . . . . . . . . 170 Robert Bolton, Noah göttlicher Wandel (1676) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Olfert Dapper, Beschreibung des Keyserthums Sina oder Taising (1676) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Wouter Schouten, Ost-Indische Reyse (1676) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Richard Baxter, Eines Gläubigen letzte Arbeit auf dem TodBette (1683) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Richard Baxter, Das Hausbuch der Armen (1684) . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Richard Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen (1684) . . . . . . . . . . . . . . . 193 Richard Baxter, Das göttliche Leben (1685) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Richard Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi (1685) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Richard Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh (1685) . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) – Die rechte Arth und Weise, wodurch man zum beständigen und
Inhaltsverzeichnis
IX
wolgegründeten Frieden und Ruhe des Gewissens, wie auch zum geistlichen Trost gelangen könne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 4.22 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) – Das Leben des Glaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 4.23 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) – Ein Heiliger oder ein Heuchler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 4.24 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) – Der Narren Glückseligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 4.25 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) –Die Auskauffung der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4.26 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
5. Philipp Erberfeld (1639–1709) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 5.1 Die (Kirchen-)Geschichte der vier vereinigten Herzogtümer nach der Reformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 5.2 Jugend und Studium (1639 – ca. 1664) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5.3 Anwalt und Promotion zum Doktor der Rechte (1664–1668) . . . . . 261 5.4 Heirat (1668), Verwandtschaft und enge Freunde . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 5.5 Aufenthalt in Köln (1668–75) und Verbindung mit dem radikalen Pietisten Johann Jakob Schütz in Frankfurt (1674–5) . . . 268 5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709) .274 5.7 Religiöse Bekanntschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 5.8 Guiljelmus Saldenus, Der Weg des Lebens (1667) . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 5.9 Guiljelmus Saldenus, Christliche Kinder-Schule (1669) . . . . . . . . . . . . 305 5.10 Guiljelmus Saldenus, Die Krafft des Abendmahls (1669) . . . . . . . . . . 307 5.11 Guiljelmus Saldenus, Kurtz und deutlicher Bericht von dem Beruf des armen Sünders zu Gott (1672) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 5.12 Guiljelmus Saldenus, Leben auß dem Tode (1675) . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 5.13 Willem Teellinck, Noodwendigh vertoogh (um 1675) . . . . . . . . . . . . . . 323 5.14 Hermann Hugo, Gottselige Begierden und andächtige Seufzer (1706) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 5.15 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
6. Johann Christoph Noltenius (1644–1719) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 6.1 Jugend und Studium (1644 – ca. 1672) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 6.2 Rektor und Prediger (1672–1719) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 6.3 Guiljelmus Saldenus, Der fallende und auffstehende Christ (1672) .355 6.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
X
Inhaltsverzeichnis
7. Henning Koch (1633–1691) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9
Jugend und Studium (1633–57) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Konrektor, Pfarrer und Diakon (1661–91) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Verbindungen und kürzere literarische Zeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Joseph Hall, Paßions-Andachten (1674) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Joseph Hall, Friedens-Altar (1678) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Joseph Hall, Himmels-Lust auff Erden (1677) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Joseph Hall, Wahrer Studenten-Ruhm (1677) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Joseph Hall, Besiegete Todes-Furcht (1680) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 Joseph Hall, Nacht-Lieder/Der heilige Orden/Die Klage und Thränen Sion (1683) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 7.10 Joseph Hall, Der gerechte Mammon (1684) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 7.11 Joseph Hall, Merckzeichen der Tugenden und Laster (1685) . . . . . . . 404 7.12 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen . . . . . . . . . . . 412 8.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 8.2 Angaben pro Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 8.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
9. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 9.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 9.2 Sozialer, theologischer und religiöser Hintergrund der Übersetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 9.3 Die Motivationen zu den Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 9.4 Die Rolle von Dritten und von Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 9.5 Vorlagen der Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 9.6 Übersetzungsmethode und Bearbeitungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 9.7 Rezeption und Bedeutung der Übersetzungen für die reformierte und lutherische Konfession in Deutschland . . . . . . . . . . 453 9.8 Der Einfluss deutscher Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur auf den Pietismus . . . . . . . . . . . 456 9.9 Der Zusammenhang zwischen dem deutschen lutherischen und dem deutschen reformierten Pietismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 9.10 Der Zusammenhang zwischen den englischen, niederländischen und deutschen Frömmigkeitsrichtungen . . . . . . . 461 9.11 Die Definition des Pietismus auf Makro- und Mikroebene . . . . . . . 462 9.12 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 9.13 Forschungsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
Inhaltsverzeichnis
XI
Anhang 1: Sonstige Übersetzungen, eigene Schriften und Beiträge der Übersetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Johannes Duysing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Johann Deusing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 Philipp Erberfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 Johann Christoph Noltenius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 Henning Koch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
Anhang 2: Ratsmitglieder der Stadt Bremen zur Zeit der Wahl Johannes Duysings zum Pfarrer der St. Pauligemeinde (1671) . . . . . . . . 473 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Bibelstellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529
Siglen und Abkürzungen Nachschlagewerke und Zeitschriften ADB
Allgemeine Deutsche Biographie, Bayerische Akademie der Wissenschaften, Historische Kommission, 56 Bde., Leipzig 1875–1912, www.deutsche-biographie.de. BBKL Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, F. W. Bautz, Hamm (Westf.) usw. 1970 ff., www.bautz.de. BJb Bremisches Jahrbuch. BW A. J. van der Aa u. a., Biographisch woordenboek der Nederlanden, 21 Bde., Haarlem 1852–1857, http://www.historici.nl/retroboeken/vdaa. DNR Documentatieblad Nadere Reformatie. ESTC English Short Title Catalogue, http://estc.bl.uk. FATY J. van der Haar, From Abbadie to Young. A bibliography of English, most puritian [sic] works, translated i/t Dutch language, Veenendaal 1980. HeBIs Portal Hessisches BibliotheksInformationsSystem Portal, http://www.portal. hebis.de/servlet/ Top/searchadvanced. IÖB Haar, J. van der, Internationale ökumenische Beziehungen im 17. und 18. Jahrhundert. Bibliographie von aus dem Englischen, Niederländischen und Französischen ins Deutsche übersetzten theologischen Büchern von (1600–1800), Ederveen 1997. MEKGR Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes, 1952 ff. [Fortsetzung von MRKG]. MRKG Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte, 1907–1942. NDB Neue Deutsche Biographie, Bayerische Akademie der Wissenschaften, Historische Kommission, Berlin 1953 ff., www.deutsche-biographie.de. NNBW Nieuw Nederlandsch Biografisch Woordenboek, P. C. Molhuysen u. a., 10 Bde., Leiden 1910–1937, http://www.historici.nl/retroboeken/nnbw. PuN Pietismus und Neuzeit. ODNB Oxford dictionary of national biography. From the earliest times to the year 2000, H. C. G. Matthew u. a., 60 Bde., Oxford usw. 2004, http://www.oxforddnb.com. RGG4 Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 4., völlig neu bearb. Aufl., H. D. Betz u. a., 9 Bde., Tübingen 1998–2007. SGT Haar, J. van der, Schatkamer van de gereformeerde theologie in Nederland (c. 1600-c. 1800). Bibliografisch onderzoek, Veenendaal 1987. STC Pollard, A. W., u. a., A short-title catalogue of books printed in England, Scotland, & Ireland and of English books printed abroad, 1475–1640, 2. überarb. u. erw. Auflage, 3 Bde., London 1976–1991.
XIV
Siglen und Abkürzungen
STCN TRE
Short Title Catalogue Netherlands, www.stcn.nl. Theologische Realenzyklopädie, G. Krause u.a, 36 Bde., Berlin 1977–2007. VD17 Das Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts, www.vd17.de. Wing Wing, D., Short-Title catalogue of books printed in England, Scotland, Ireland, Wales, and British America and of English books printed in other countries 1641–1700, The Index Society, 3 Bde., New York 1945–1951. Wing Wing, D., u. a., A short-title catalogue of books printed in England, [2. Aufl.] Scotland, Ireland, Wales, and British America and of English books printed in other countries 1641–1700, 2. überarb. u. erw. Aufl., 4 Bde., New York 1982–1998. Zedler J. H. Zedler, Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste, 64 Bde. 4 Suppl., Halle/Leipzig, 1732–1754, http://www. zedler-lexikon.de.
Abkürzungen 1. HA 1. Hausarchiv Abt. Abteilung akt. aktualisiert Anh. Anhang bes. besonders Best. Bestand betr. betreffend Bl. Blatt BPH Brandenburg-Preußisches Hausarchiv d. d. de dato DE Deutsch d. J. der/den/die Jüngere(n) DTB doop, trouw- en begrafenisboek (Tauf-, Heirats- und Begräbnisbuch) durchges. durchgesehen ENG Englisch erg. ergänzt Fasz. Faszikel Forts. Fortsetzung Fr. Frage FR Französisch Gem. Gemeinde gen. genannt GR Geheimer Rat H. Heft Inv. Inventar iur. iuris K. Kapitel LA Lateinisch med. medicina
Abkürzungen
n. nach Ndr. Nachdruck NL/nl. Niederländisch o. A. ohne Autor o. J. ohne Jahr o. O. ohne Ort Par. Paragraph Präs. Präses Pred. Prediger Prop. Proponent ref. reformiert Reg. Register Rep. Repositur Resp. Respondent RKG Reichskammergericht Sekt. Sektion st.n. stylus novus st.v. stylus veterus Suppl. Supplement theol. theologica Tl(e). Teil(e) UB Universitätsbibliothek Übs. Übersetzer/ Übersetzung urspr. ursprünglich verb. verbessert verm. vermehrt
XV
Formalien Die Zeitrechnung war in der Frühen Neuzeit in den unterschiedlichen Ländern Europas nicht einheitlich. Während die römisch-katholischen Territorien 1582 den gregorianischen Kalender (benannt nach Papst Gregor XIII.) einführten, geschah dies in Preußen und den anderen protestantischen Reichsständen des Heiligen Römischen Reiches erst 1700. Weil diese Arbeit sich fast ausschließlich mit den protestantischen Gebieten im deutschen Reich befasst, ist bei den meisten Datierungen vor 1700 damit zu rechnen, dass diese gemäß dem julianischen Kalender vorgenommen worden sind. Die Zeitrechnung des julianischen Kalendars war etwa zehn Tage hinter der des gregorianischen Kalenders. Wenn das Datum in einer Quelle sowohl in der julianischen als auch in der gregorianischen Zeitrechnung angegeben ist, sind beide Angaben übernommen worden. Für die Bibelstellen ist Luthers Übersetzung aus dem Jahre 1545 benutzt worden, weil diese Bibelübersetzung in dem untersuchten Zeitraum am häufigsten gebraucht wurde. Die Abkürzungen der Bibelbücher erfolgen auf Basis der Loccumer Richtlinien. Von Personen, die in dieser Arbeit erwähnt werden, werden nur dann die Geburts- und Todesjahre genannt, wenn diese im Hinblick auf das Thema von Bedeutung sind. Im Text werden die Vornamen historischer Personen vollständig genannt, die Nennung von Wissenschaftlern erfolgt mit Initialen. Bei Zitaten aus alten Drucken (vor 1800) werden Initialen der üblichen Buchstabengröße angepasst. Ein hochgeschriebenes „e“ wird mit einem Umlaut wiedergegeben, Virgeln werden als Kommata dargestellt. Hervorhebungen durch Fettdruck, Antiqua und Kursivschrift sind übernommen worden, aber gegebenenfalls anders kenntlich gemacht. Fettdruck wurde durch Unterstreichungen wiedergegeben. Antiqua-Schrift wird in der Transkription durch kursive Texttype kenntlich gemacht. Wenn in einer Quelle die lateinische Schrift kursiv gedruckt ist, werden in der Transkription Anführungszeichen benutzt. Die letzten zwei Fälle gelten nicht für die Transkription englischer Quellen, in denen die lateinische Antiqua-Schrift üblich ist. Bei Angaben von alten Drucken werden Kapital- und Kleinbuchstaben der modernen Orthographie angepasst. Bei der ersten Angabe einer Quelle werden Autor(en), Titel, Erscheinungsort, Verleger und Drucker und das Erscheinungsjahr genannt. Diese Angaben wurden dem Titelblatt entnommen und standardisiert. Verweise auf die Bibliographien STC, Wing oder Pietas werden ebenfalls aufgenommen. Wenn es zur
XVIII
Formalien
Unterscheidung von (fast) gleichnamigen Personen nötig ist, werden Vornamen von Autoren vollständig wiedergegeben. Bei akademischen Disputationen folgt nach dem Titel die Angabe des Präses beziehungsweise des Respondenten. Längere Titel wurden gekürzt. Die nachfolgenden Angaben einer Quelle beschränken sich auf die Angabe des Autors und des Titels. Standorte von handschriftlichen Quellen werden immer angegeben, Standorte von gedruckten Quellen nur, wenn sie über das digitale HeBIs-Portal nicht auffindbar sind. Wenn möglich werden zu Handschriften Seitenangaben genannt. Wenn Seitenangaben fehlen, wird, wenn möglich, das Datum des betreffenden Schriftstückes angegeben. Die Angaben zu Übersetzungen des untersuchten Textkorpus werden bei der ersten Nennung dem obigen Format entsprechend vollständig angegeben. Zur klaren Unterscheidung der Ausgaben werden bei den nachfolgenden Angaben weiterhin der Erscheinungsort und das Erscheinungsjahr, gegebenenfalls auch Verleger beziehungsweise Drucker genannt. In die Bibliographie der Sekundärliteratur werden alle Drucke, die nach 1800 erschienen sind, aufgenommen. Quellen, die vor diesem Jahr erschienen sind, werden nur in den Fußnoten verzeichnet. Nachdrucke oder moderne Editionen von alten Drucken aber werden in die Bibliographie der Sekundärliteratur aufgenommen. Bei digitalen Quellen wird in den Fußnoten das Besucherdatum dokumentiert. Die Transkription der Handschriften erfolgt nach den Richtlinien in K. Dülfer/H.‑E. Korn, Schrifttafeln zur deutschen Paläographie des 16.–20. Jahrhunderts, bearb. v. Karsten Uhde, 11. überarb. Aufl., Marburg 2004. In zwei Fällen wird aus praktischen Gründen von den Vorschriften abgewichen: Erstens werden bei Kürzungen und Verschreibungen die zu ergänzenden Zeichen im Text in runden Klammern wiedergegeben. Zweitens wird im textkritischen Apparat kein formeller Unterschied zwischen textkritischen und sachlichen Anmerkungen gemacht.
1. Einleitung Für das Ende des 16. Jahrhunderts lässt sich feststellen, dass alle christlichen Konfessionen in ganz Europa der Förderung von Frömmigkeit zunehmend Aufmerksamkeit schenkten. Hatten Pfarrer und Theologen vorher im Allgemeinen den Schwerpunkt auf die Lehre gelegt, konzentrierten sich jetzt viele von ihnen in ihrer Verkündigung und in ihren Publikationen auf das glaubens gemäße Leben. Die damaligen Frömmigkeitsrichtungen werden in der Forschung mit Begriffen wie Puritanismus, Nadere Reformatie und Pietismus angedeutet.1 Bei der Verbreitung der Gedanken dieser Strömungen spielte das Medium der Übersetzung von Erbauungsbüchern eine wichtige Rolle.2 Viele englische Erbauungsbücher wurden in andere Sprachen übersetzt: ins Dänische, Deutsche, Finnische, Französische, Niederländische, Schwedische und Ungarische.3 Auch aus dem Deutschen, Französischen und Niederländischen wurden reformierte Erbauungsschriften in andere Sprachen übertragen, allerdings in viel geringerer Zahl.4 Gleiches gilt für die Übersetzung ins Deutsche. Die systematische Untersuchung von Übersetzungen dieser Erbauungsliteratur ist aus frömmigkeitsgeschichtlicher Sicht sehr relevant, zeigt sie doch die Verbindungen, Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen einzelnen 1
Vgl. Ward 1992; Brecht 1993a; Ward 1999; Ward 2006. Auch römisch-katholische Frömmigkeit wurde mittels der Übersetzung von Erbauungsbüchern verbreitet, vgl. Eire 2007. 3 Die Übersetzung englischer Erbauungsliteratur im 17. Jahrhundert ist für verschiedene Sprachen in einigen Einführungen und Bibliographien erfasst worden. Dänisch: Huisman 2008, Huisman 2009; Deutsch: Sträter 1987, McKenzie 1984, IÖB, 1–148, McKenzie 1997, Hof 2001a, 340–355, Damrau 2006; Finnisch: Tiililä 1959, Laine 2000a, Laine 2000b; Französisch: Ascoli 1930, 64 f., 87–89, 93–101, 312–316, 319, 323 f., 327–329, Lee 1904–1906, Carbonnier-Burkard 2004; Niederländisch: FATY, Hof 1987; Schwedisch: Lindquist 1939, Olsson 1943, Hellekant 1944, Olsson 1944, Hansson 1991; Ungarisch: Bán 1977, Koltay 1989, Szigeti 1990, Petröczi 2005. Einen Überblick über die Übersetzung in alle erwähnten Sprachen bietet Hof 2001a. 4 Vgl. zu englischen Übersetzungen von Erbauungsliteratur von Autoren wie Johann Gerhard (1582–1637), Johann Arndt (1555–1621) und Johann Habermann (1516–90): Flügge 2012; zu Übersetzungen von Arndt in allerlei Sprachen: Schneider (Hrsg.) (noch zu erscheinen); zu englischen Übersetzungen deutscher lutherischer Erbauungsliteratur am Anfang des 18. Jahrhunderts: Brunner 1993, 136–143; Jefcoate 1995; Schicketanz 2002, 48, 50, 92, 138. Vgl. die Bibliographien J. van der Haars zu Übersetzungen aus dem Niederländischen und Französischen ins Deutsche: IÖB, 149–195, 197–256. Vgl. zu Übersetzungen aus dem Französischen ins Niederländische: Hof 1987, 41–60; Haar 1999. 2
2
1. Einleitung
Frömmigkeitsrichtungen auf.5 Diese Aspekte sind bis heute nur lückenhaft erforscht worden, wie H. Lehmann zuletzt beklagt hat.6 Außerdem ist die Untersuchung aus der Sicht der soziokulturell orientierten Übersetzungswissenschaft interessant. Übersetzungen beeinflussen den Leser, die Original- und Zielkulturen und prägen interkulturelle Beziehungen und Wahrnehmungen. Daneben unterliegen Texte selbst Veränderungen, wenn sie übersetzt werden.7 Meine Arbeit befasst sich mit Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur, die in Deutschland erschienen sind oder von Übersetzern aus Deutschland angefertigt wurden.8 Die Übersetzungen wurden nicht nur von Reformierten verfasst, verlegt, verkauft und gelesen, sondern auch von Lutheranern.9 Ab den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts stieg die Zahl der deutschen Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur in Deutschland dermaßen an, dass der lutherische Theologe Elias Veiel (1635–1706) im Jahre 1678 äußerte, „die Buchläden seien mit den aus dem Englischen übertragenen Schriften überfült [sic]“.10 U. Sträter hat den Zeitraum von 1660 bis 1690 als „Massenphase der Übersetzung“ bezeichnet.11 In Folge der wachsenden Anglophilie in Deutschland im 18. Jahrhundert stieg die Zahl der deutschen Übersetzungen englischer theologischer Schriften an und es kam zu einer Erweiterung der Themen- und Wissensbereiche, aus denen übersetzt wurde.12 In deutschen Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur in der Frühen Neuzeit begegnet man häufig Formulierungen wie „auff bitte und einrahten etzlicher frommen Menschen […] ins hochteutsche uberset5 Aus diesem Grund ist es zu bedauern, dass die Übersetzungen noch kaum aus einer internationalen Perspektive heraus erforscht worden sind. Einen Überblick über die europaweit erschienenen Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur gibt Hof 2001a; einzelne Daten auch in Hof 2005c, 49–73. Vgl. für die international erschienenen Übersetzungen spezifischer puritanischer Schriften: Kamp 2009a: Lewis Bayly, The Practice of Piety; Kamp 2013a: Schriften von Christopher Love. 6 Vgl. Lehmann 2010, 15, 16 f., 152 f.; Lehmann 2012, 228, 231, 233. 7 Vgl. Naaijkens 2008; Naaijkens 2010. 8 Es erschienen auch deutsche Übersetzungen in der Schweiz. Dort verfasste oder gedruckte deutschsprachige Übersetzungen wurden in Deutschland verkauft und gelesen und waren in deutschen Privat- und Institutionsbibliotheken vorhanden. Ob umgekehrt auch in Deutschland verlegte Bücher in die deutschsprachige Schweiz gelangt sind, ist noch unerforscht, vgl. Dellsperger 1984, 35–37, bes. 37, Anm. 18; Sträter 1987, 1 f. Zur Aufnahme in die deutschsprachige Schweiz siehe Welti 1964, 183–185, 229–233, 239, 245–267; M. Schmidt 1969; Breward (Hrsg.) 1970, 613–632; Dellsperger 1984, 28, 33–37, 41–43, 69, 82, 128, 201; Hof 1998a, 181 f.; Hof 2001a, 356–361; Sallmann 2007; Kamp 2009a, 269; Sträter 2010; Sallmann 2011. 9 Ein anderes Beispiel für die Einwirkung reformierter Theologie und Frömmigkeit auf das deutsche Luthertum ist der Genfer Psalter, vgl. Grunewald u. a. (Hrsg.) 2004. 10 Vgl. Tholuck 1861–1862, Tl. 1.2, 20. 11 Vgl. Sträter 1987, 10–18. Die Aufnahme englischer Erbauungsliteratur ins Deutsche hält bis heute an, wenn auch in viel kleinerem Maße, vgl. Wundt 2008, passim, Balders 2003, 147; sowie neuerdings die Aktivitäten der Stiftung Freunde von Quellen aus der Reformation (http://www.svvhed.org/de, Stand: 9.10.2018). 12 Vgl. Willenberg 2008.
1.1 Definitionen3
zet [sic]“.13 Aus diesem Satz geht die Rolle von Dritten bei der Entstehung dieser Übersetzungen hervor. Die Übersetzungswissenschaftler J. Heilbron und G. Sapiro haben auf die maßgebliche Bedeutung sozialer Netzwerke, in denen Übersetzungen produziert und verbreitet werden, hingewiesen.14 Die vorliegende Arbeit versteht sich als eine Fallstudie zu deutschen Übersetzern und Übersetzungen englischer und niederländischer reformierter Erbauungsliteratur im Zeitraum von 1667 bis 1697.15 Um die Entstehung, Verbreitung und Rezeption dieser Übersetzungen angemessen untersuchen und darstellen zu können, werden möglichst viele Aspekte der Übersetzungen behandelt. Im Fokus der Untersuchung steht die Rolle von Netzwerken.
1.1 Definitionen Die Begriffe, die im Titel dieses Buches gebraucht werden, bedürfen einer Erklärung. Ebenso sollen verwandte Begriffe, die in der Erläuterung auftauchen, definiert werden. Anschließend werden die Frömmigkeitsrichtungen, die für das Thema dieser Arbeit eine Rolle spielen, vorgestellt. Erstens kommen in dieser Arbeit Adjektive vor, die sowohl eine sprachliche, eine geographische, aber auch politisch-territoriale Bedeutung haben. Wenn eines dieser Adjektive in Kombination mit einem Text vorkommt, bezeichnet es die im Text verwendete Sprache; ansonsten meint es einen geographischen oder einen politisch-territorialen Raum. Die jeweiligen Bedeutungen lassen sich aus dem Kontext erschließen. Folgende politisch-territoriale Bezeichnungen werden verwendet: Deutschland, England, Schottland und die Niederlande. Wenn von Deutschland die Rede ist, wird damit das Heilige Römische Reich Deutscher Nation bezeichnet, das seit dem 10. Jahrhundert bis 1806 als eine mehr oder weniger feste politische Einheit existierte – trotz der großen territorialen Zersplitterung –, ausgenommen die österreichischen und burgundischen Reichskreise.16 England bezeichnet das Königreich England ohne das Königreich Schottland, obwohl beide Staaten seit 1603 in einer Personalunion und seit 1707 in einer Realunion verbunden wa13 Willem Teellinck, Soliloquium, oder: Betrachtung eines Sünders, welche er in der Angst seiner Wiedergeburt gehabt, dienlich zur Beforderung der Bekehrung von den tödtlichen Wercken zu dem lebendigen Gott, wie auch zum Trost wieder alle weltliche Betrübnüsse, nebenst etzlichen gottseligen Gebeten vnd Betrachtungen vber das Leyden Jesu Christi, Kassel, Salomon Schadewitz, Elias Francke, 1671 (Pietas P01037281), b6v. Auf dem Titelblatt wurde die Punktierung aus ästhetischen Gründen weggelassen. 14 Vgl. Heilbron/Sapiro 2007. 15 Einige wenige Auflagen erschienen noch am Anfang des 18. Jahrhunderts. Weil die Erstauflagen alle im 17. Jahrhundert erschienen, wird das 18. Jahrhundert im Titel dieser Arbeit nicht erwähnt. 16 Vgl. Geiss 1993, 114–123; Köbler 2007, XIII–XXX.
4
1. Einleitung
ren.17 Die Niederlande umfassen die sieben nördlichen Provinzen, die seit 1579 beziehungsweise 1581 als die Sieben Vereinigten Provinzen bekannt waren.18 Der Terminus Übersetzung bezieht sich in dieser Arbeit auf gedruckte wie ungedruckte Übertragungen eines Textes in eine andere Sprache.19 Auch wenn man es aus heutiger Sicht nicht erwartet, verbreiteten sich in der Frühen Neuzeit recht viele Übersetzungen in handschriftlicher Form.20 Die Adjektive lutherisch und reformiert21 werden als Bezeichnungen der protestantischen Konfessionen gebraucht, die sich im Laufe der Reformation herausbildeten: lutherisch bezieht sich auf die Anhänger Luthers, reformiert auf die Anhänger der schweizerischen und oberdeutschen Reformatoren. Die lutherische und reformierte Konfession stimmten in der Gnadenlehre (Rechtfertigung nicht durch Verdienst, sondern durch den Glauben), in der Lehre vom allgemeinen Priestertum und in der Kritik an der römischen Sakramentenlehre überein. Die Unterschiede betrafen vor allem die Abendmahlslehre, das Verhältnis von Rechtfertigung und Heiligung, die Prädestinationslehre, die Schriftlehre und die Ämterlehre. Während Luther die leibliche Gegenwart Christi in beiden Elementen des Abendmahls insistierte, leugneten Zwingli und Calvin diese. Luther trennte Rechtfertigung und Heiligung schärfer voneinander als die oberdeutschen und schweizerischen Reformatoren. Calvin lehrte die ewige Vorherbestimmung der Menschen: ein auserwählter Teil der Menschen erlange demnach das ewige Leben, während allen anderen der ewige Tod vorherbestimmt war. Gegenüber Luthers christozentrischer Schriftauslegung betonte Calvin, dass die ganze Schrift durch den heiligen Geist inspiriert worden wäre und dass Altes und Neues Testament zwei unterschiedliche Ausgestaltungen des einen Bundes mit Gott wären. Schließlich gab Calvin eine biblische Begründung für die Existenz der vier kirchlichen Ämter – der Pastoren, der Lehrer, der Ältesten und der Diakonen –, während Luther die Ämter mit dem Gedanken der ordnungsgemäßen Verwaltung von Wort und Sakrament begründete. Die Lehrunterschiede zur lutherischen Konfession kamen bei den Reformierten auch in den Riten und der Liturgie des Gottesdienstes zum Ausdruck: in der Reduzierung von Bildern, 17
Vgl. Geiss 1993, 68–81. Vgl. Geiss 1993, 87–91. 19 Vgl. Rautenberg (Hrsg.) 2003, 501. 20 Vgl. Burke 2007a, 21 f. 21 Es wird hier aus verschiedenen Gründen die Bezeichnung „reformiert“ statt „calvinistisch“ gebraucht: Calvin war nur einer von verschiedenen reformatorischen Theologen seiner Generation, seine Theologie und die der nächsten Generationen war eklektischer Art. Calvin hat in der reformierten Kirche nie eine solch autoritative Stellung wie Luther in der lutherischen Kirche erlangt. Es ist schwierig, die konfessionellen Entwicklungen innerhalb der reformierten Kirche im 17. Jahrhundert mit Calvins Theologie zu verbinden, vgl. Trueman 2009, 476 f. Für die reformierte Kirche in Deutschland gilt außerdem, dass sie in einigen Gebieten mehr durch Melanchthons als durch Calvins Theologie geprägt wurde (s. dazu unten), und dass 1648 im Westfälischen Frieden die Bezeichnung „reformiert“ für die dritte „Religionspartei“ neben römischen Katholiken und Lutheranern benutzt wurde, vgl. Busch 2004, 165 f. 18
1.1 Definitionen5
Kruzifixen, Kerzen, Altären und dem Verzicht auf Instrumentalmusik; in der Abschaffung der Hostien und in der Einführung des Brotbrechens beim Abendmahl sowie in der Abschaffung des Exorzismus bei der Taufe.22 Ab den 1530er Jahren drangen oberdeutsche und schweizerische Einflüsse in die deutschen Territorien ein. Einige Fürsten hatten ihre Gebiete seit 1555 mittels eines Konfessionalisierungsprozesses der reformierten Konfession zugeführt. In andere Gebiete drangen reformierte Einflüsse eher „von unten“ ein. Territorien, in denen sich reformierte Einflüsse manifestierten, waren unter anderem Ostfriesland, die niederrheinischen Territorien, Bremen, Kurpfalz, Hessen-Kassel, die Wetterauer Grafschaften, Bentheim-Steinfurt, Tecklenburg-Rheda, Lippe und Brandenburg.23 In theologischer Hinsicht nahmen die meisten reformierten Territorien in Deutschland eine Mittelstellung zwischen Melanchthon und Calvin ein. Die reformierten Theologen in Heidelberg und Herborn wandten sich eher der Genfer Theologie zu, die Theologen in Bremen und Brandenburg dagegen eher der Melanchthonianischen Theologie.24 Eine Mittelstellung nahm der von Zacharias Ursinus (1534–83) verfasste und 1563 in der Kurpfalz eingeführte Heidelberger Katechismus ein, der die Heilsgewissheit, ganz im Sinne Melanchthons, als Trost versteht. Der Katechismus wurde in drei Teile gegliedert: von des Menschen Elend, Erlösung und Dankbarkeit. Der dritte Teil betont den dritten Gebrauch des Gesetzes im Sinne Calvins.25 Das Auseinanderklaffen der Anhänger Luthers einerseits und der Anhänger der schweizerischen und oberdeutschen Reformatoren andererseits fand in der Entstehung reformierter Bekenntnisse seit den 1560er Jahren und in der Veröffentlichung der Konkordienformel (Formula Concordiae) auf lutherischer Seite im Jahre 1577 seinen Abschluss. Diese Bekenntnisschrift verstand sich als eine erläuternde und klärende Wiederholung der Augsburger Konfession (Confessio Augustana invariata, 1530). Die Konkordienformel wurde unter anderen von dem Tübinger Theologieprofessor Jakob Andreae (1528–90) und dem Braunschweiger Superintendenten Martin Chemnitz (1522–86) verfasst. Sie resultierte aus dem Versuch, eine übergreifende Einigkeit unter den Nachfolgern Melanchthons, den Philippisten und den Gnesiolutheranern, die sich als die wahren Nachfolger Luthers betrachteten, zu erzielen. Diese langjährigen Konflikte betrafen die Rolle der Adiaphora, die Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit durch die Gerechtfertigten und die Mitwirkung des natürlichen Willens bei der Bekehrung. Der Inhalt der Konkordienformel galt als die orthodoxe lutherische Lehre. Das Bekenntnis schloss die 22 Vgl. für die Spezifika der reformierten Konfession in der Abgrenzung zur lutherischen: Rohls 1997, 37–52. 23 Allerdings wurde nur das brandenburgische Fürstenhaus reformiert, weshalb einige Hofkirchengemeinden entstanden. Die Bevölkerung blieb aber größtenteils lutherisch. 24 Vgl. Neuser 1998, 272–346; Benedict 2002, 19–65, 202–230; Wolgast 2011. 25 Vgl. Sturm 2000.
6
1. Einleitung
Auffassungen der Philippisten und der Reformierten zum größten Teil aus der streng lutherischen Orthodoxie aus. Die These von der Mitwirkung des natürlichen Willens bei der Bekehrung wurde verurteilt. Die Rechtfertigung wurde rein forensisch verstanden und so von der Heiligung getrennt. Jedoch lehrte die Formel ebenso den dritten Gebrauch des Gesetzes und sie postulierte eine notwendige Beziehung zwischen Glaube und guten Werken. Die reformierte Prädestinationslehre wurde abgelehnt. Erwählt werden laut der Konkordienformel diejenigen, die im rechtfertigenden Glauben das ewige Heil erlangen, wobei die Erwählung nicht durch die Handlung eines Menschen bedingt ist. Andererseits werden diejenigen vom Heil ausgeschlossen, die sich willentlich dem göttlichen Gnadenangebot verschließen. Schließlich gab das Bekenntnis mit der Theorie der Idiomenkommunikation eine christologische Begründung für die Realpräsenz von Christi Leib und Blut im Abendmahl: die menschliche Natur Christi partizipiert an den Majestätseigenschaften der göttlichen Natur, ohne dass letztere dadurch Veränderung erfährt. Die Konkordienformel wurde nicht in allen lutherischen Territorien akzeptiert, zum Beispiel nicht im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel und in der Stadt Nürnberg.26 Das Adjektiv orthodox bedeutet „rechtgläubig“ und bezeichnet die Identifikation der Wahrheit in einer Vielfalt von widerstreitenden Deutungen einer konfessionellen Bekenntnisgrundlage. Der Gegenbegriff lautet heterodox.27 Das Adjektiv orthodox kommt in dieser Arbeit immer mit den Konfessionsbezeichnungen „lutherisch“ oder „reformiert“ vor. Das Gleiche gilt für das Substantiv Orthodoxie. Lutherische Orthodoxie bezeichnet in dieser Arbeit diejenigen Teile der lutherischen Kirchen in der Zeit von etwa 1550 bis 1700, welche sich fest an die Augsburger Konfession und die Konkordienformel als deren Auslegung als Bekenntnisgrundlage und -norm binden.28 Reformierte Orthodoxie bezeichnet die Lehrgestalt reformierter Theologen zwischen etwa 1550 und 1700, die sich streng an die reformierten Bekenntnisschriften, wie dem Heidelberger Katechismus, hielten.29 Aus praktischen Gründen wird der Forschungsgegenstand meistens verkürzt in Form einer Komposition beginnend mit Erbauung genannt (z. B. Erbauungsliteratur, Erbauungsbücher, Erbauungsschriften, Erbauungsschrifttum). Mit diesen Begriffen werden hier also englische und niederländische reformierte Erbauungsbücher aus dem Umfeld der in den nächsten Absätzen behandelten Richtungen bezeichnet. Im Allgemeinen handelt es sich um Prosa. Erbauung bedeutete in der Frühen Neuzeit die Mehrung und Stärkung des individuellen und innerlichen Glaubens.30 26
Vgl. für diesen Absatz: Lohse 1998. Vgl. Slenczka 2003. 28 In Anlehnung an Wallmann 2003, 696 f. 29 Vgl. Selderhuis (Hrsg.) 2013. 30 Vgl. Beutel 1999, 390. 27
1.1 Definitionen7
Die von H. Beck und U. Sträter benutzte Bezeichnung „Erbauungsliteratur“ hat sich gegen andere Bezeichnungen wie „asketische Literatur“, „religiöse Volksliteratur“ oder „alte Tröster“in der Forschung durchgesetzt.31 Der Zweck der Erbauungsliteratur ist „Aufbau und Pflege der Frömmigkeit“ und ein entsprechendes „Verhalten“ (U. Köpf ). Im Zentrum steht die glaubensgemäße Gestaltung des innerlichen und äußerlichen Lebens vor Gott. Erbauungsliteratur hat also nicht nur einen rein liturgischen, juristischen, informativen oder wissenschaftlichen Zweck, da die Übergänge fließend sind.32 Im vorhergehenden Absatz wurde der Begriff Frömmigkeit erwähnt. Damit ist ein wirklich praktiziertes Christentum als Kehrseite und Kritik sich selbst genügender religiöser Handlungen oder eines hoch entwickelten Lehrgebäudes gemeint.33 Verwandt mit Frömmigkeit ist der Terminus Reform. Dieser Begriff bezeichnete im Protestantismus in Deutschland im 17. Jahrhundert die Fortführung, Vollendung und Überbietung der Reformation des 16. Jahrhunderts durch Verbesserung des christlichen Lebens.34 Zuletzt ist im Titel von Netzwerken die Rede. Ein Netzwerk ist eine definierte „Menge von Akteuren, die über bestimmte soziale Beziehungen verbunden sind“.35 Diese Definition wird später bei der Erklärung der Methode ergänzt. Drei Begriffe, die nicht im Titel vorkommen, sollen aus praktischen Gründen dennoch an dieser Stelle erläutert werden: Produktion, Distribution und Rezeption.36 Sie deuten in dieser Arbeit die verschiedenen Phasen des menschlichen Umgangs mit (un)gedruckten Schriften an. Produktion bezeichnet alle Handlungen, die zur Entstehung der Übersetzung in handschriftlicher oder gedruckter Form führen: Von der Auswahl eines Titels bis hin zur Anfertigung eines Manuskriptes beziehungsweise bis zur Drucklegung. Mit Distribution ist die Verbreitung beziehungsweise der Verkauf der Schriften gemeint. Rezeption bezeichnet den Besitz und die Auseinandersetzung des Lesers mit einer Schrift, zum Beispiel durch Verweise, Paraphrasen, Zitate oder Reaktionen auf Form beziehungsweise Inhalt.
31
Vgl. Cosack 1871; H. Beck 1883; H. Beck 1891; Grosse 1900; Sträter 1987. Vgl. Köpf 1999; Weismayer 1999. 33 Vgl. Koch 2000, 390. 34 Vgl. Köpf 2004, 162. 35 Vgl. Schweizer 1996, 37, zitiert nach Juterczenka 2008, 32. 36 Diese Trias ist in der deutschen Forschung gängig, vgl. Bödeker u. a. (Hrsg.) 2001, Tl. II: „Produktion, Distribution und Rezeption religiöser Bücher“; Wittmann 1999, 119. Der Begriff Rezeption, der in vielen Bereichen gebraucht wird, versteht sich hier im historisch-rekonstruierenden Sinn, vgl. Bollenbeck 1990; Jauss 1992; Köpf 2005. In der englischen und niederländischen Forschung wird innerhalb der Trias statt „Rezeption“ auch „Konsumption“ benutzt, vgl. Kloek/Mijnhardt (Hrsg.) 1991; Post 2001, 51. 32
8
1. Einleitung
1.2 Protestantische Frömmigkeitsrichtungen in der Frühen Neuzeit Nachdem die Begriffe erklärt worden sind, sollen die Frömmigkeitsrichtungen, die in dieser Arbeit eine Rolle spielen, eingeführt und definiert werden. Ziel ist es nicht, Gruppen voneinander abzugrenzen, zwischen denen es in der historischen Realität ohnehin fließende Übergänge gab. Vielmehr geht es darum, mittels Arbeitsdefinitionen begriffliche Klarheit zu schaffen. Angeknüpft wird an Begriffe und Konzeptionen, die in der Forschung gängig sind. Dabei ist zu bedenken, dass Strömungen und Bewegungen in der Frühen Neuzeit meistens nicht institutionell organisiert waren, sondern Netzwerke darstellten, die meistens mit Berufs- und Amtsträgergruppen zusammenfielen. Pietismus ist ein zentraler Begriff der protestantischen Frömmigkeitsrichtungen, der im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlich definiert worden ist. Vom Ende des 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts diente Pietismus ausschließlich als Bezeichnung für die von Philipp Jakob Spener37 (1635–1705) angeregten Frömmigkeitsbewegung innerhalb des deutschen Luthertums.38 Pietismus wurde demnach als Epochenbegriff verstanden. Durch H. Heppe (1879)39 und A. Ritschl (1880–6)40 erfuhr der Begriff eine Bedeutungserweiterung. Pietismus wurde zum typologischen Begriff, der eine internationale und interkonfessionelle Erscheinung definiert, die seit dem Ende des 16. Jahrhunderts immer neue Wellen schlug. Bis zum Zweiten Weltkrieg war diese weite Konzeption in der kirchenhistorischen Forschung gängig. In wechselnder Zusammenstellung wurden folgende Richtungen dem Pietismus zugeordnet: der Puritanismus, die Nadere Reformatie, der lutherische und reformierte Pietismus in Deutschland, die Herrnhuter und weitere Frömmigkeitsbewegungen, die aus diesen unterschiedlichen Richtungen hervorgingen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die weite Konzeption des Pietismus von deutschen Wissenschaftlern wie M. Schmidt41 und J. Wallmann42 wie auch von der englischen Forschung abgelehnt. Amerikanische Wissenschaftler, wie der aus Deutschland emigrierte F. E. Stoeffler43, und auch niederländische Forscher 37
Vgl. Wallmann 1986; Brecht 1993e. Skizze ist nur in groben Zügen angelegt. Vgl. für ausführlichere Forschungshistoriographien: Strom 2002; Lehmann 2004a, 1–18; Hof 2005c, 17–23; Wallmann 2005b, 22–26; Wallmann 2011a; Wallmann 2011b. Vgl. Heppe 1879. 39 Vgl. Heppe 1879. 40 Vgl. A. Ritschl 1966. Ritschl sprach jedoch im zweiten Band seines Handbuches nur noch von einer weitgehenden Gleichartigkeit des „niederländischen und deutschen Pietismus“ und behauptete, dass dieser wegen der besonderen Umstände der Entstehung von jenem unabhängig gewesen sei. 41 Vgl. M. Schmidt 1978. 42 Vgl. Wallmann 1978. 43 Vgl. Stoeffler 1965. 38 Diese
1.2 Protestantische Frömmigkeitsrichtungen in der Frühen Neuzeit9
wie W. van ’t Spijker44 plädierten jedoch weiterhin für eine solche weite Konzeption. In der jüngeren Forschung ist diese weite Konzeption des Pietismus unter anderen von M. Brecht und W. J. op ’t Hof verteidigt worden.45 Beide verstehen Pietismus als internationale und interkonfessionelle Bewegung, die sich im Laufe mehrerer Jahrhunderte entwickelt hat. Der Pietismus im deutschen Sprachraum ist demnach nur eine weitere Variante dieser Strömung und nicht ihr Anfang oder bleibender Bezugspunkt. In der deutschen Forschung seit den 1990er Jahren hat es scharfe Debatten über den Pietismusbegriff gegeben. Die für das Handbuch Geschichte des Pietismus (1993–2004) konzipierte weite Definition – die übrigens nicht in allen Bänden und Beiträgen angewandt wurde – wurde von J. Wallmann kritisiert. Dies entfachte eine kontroverse Auseinandersetzung mit H. Lehmann am Anfang des neuen Jahrtausends.46 Wallmann unterscheidet zwischen einem engeren und einem weiteren Pietismusbegriff. Im weiteren Sinne bezeichnet Pietismus die nachreformatorischen Frömmigkeitsbestrebungen innerhalb der lutherischen Kirche im deutschen Sprachraum, die mit den Schriften Johann Arndts (1555–1621), die bis heute zur bekanntesten Erbauungsliteratur gehören, einsetzten. Mit Philipp Jakob Spener innerhalb der lutherischen Konfession und Theodor Undereyck (1635–93) innerhalb der reformierten Konfession wurden diese Bestrebungen zu einer sozial greifbaren Bewegung. Sie formierte sich eigenständig durch Gruppen- und Gemeinschaftsbildung und sie distanzierte sich von der Orthodoxie und der beginnenden Aufklärung. Ein zentrales Merkmal dieser Bewegung war, dass sie sich nicht an die politischen Obrigkeiten, sondern an die Frommen richtete, die man als Träger der Kirchenreform (ecclesiola in ecclesia) gewinnen wollte. Zu den weiteren Merkmalen der Bewegung zählten die Hoffnung auf bessere Zeiten und die zentrale Bedeutung der Bibel. Mit dieser Kombination unterschiedlicher Anliegen, so Wallmann, habe Spener innerhalb des deutschsprachigen Protestantismus Neuland betreten.47 Diese Unterscheidung der pietistischen Strömungen wurde in einigen neueren Arbeiten berücksichtigt,48 was F. A. van Lieburg und H. Lehmann allerdings kritisierten. Van Lieburg betrachtet sie als Subtilität, die der Forschung nicht weiterhilft.49 Lehmann bezeichnet sie sogar als problematisch, weil es innerhalb 44 Vgl. Spijker 1986, 6–12; Spijker 1989, 45 f. Allerdings vertrat der bekannte Forscher S. van der Linde die weite Konzeption nicht, vgl. Linde 1978. 45 Vgl. Brecht 1993a, 1–6; Hof 2005c, 15–24, 36–79, 94f, 100 f. 46 Vgl. Wallmann 2002; Lehmann 2003; Wallmann 2004; Lehmann 2005. 47 Vgl. Wallmann 1990, 10; Wallmann 2005b, 26; Wallmann 2011b, 320 f. 48 Vgl. Schneider 1989; Lindberg (Hrsg.) 2005; Schneider 2006. Wallmann selbst hat auf die Übernahme seiner Unterscheidung aufmerksam gemacht, vgl. Wallmann 2011a, 235, 247, 250; Wallmann 2011b, bes. 320 f. 49 Vgl. Lieburg 2011c, 245, 252 f.; vgl. die Reaktion von Wallmann: Wallmann 2012, 241– 245.
10
1. Einleitung
der pietistischen Strömungen im deutschen Sprachraum, den Hallensern, den Herrnhutern und den Württembergern, ohnehin keine homogenen Gruppen gab und somit jede denkbare Definition des Pietismus im weiteren Sinne noch diffuser sein würde.50 Ich schließe mich dieser Position an und werde in dieser Arbeit pietistische Gruppen und Bewegungen im deutschen Sprachraum in der Frühen Neuzeit als Pietismus bezeichnen, ohne zwischen einer engeren und weiteren Variante zu unterscheiden. Da eine weite Konzeption des Pietismus unter Wissenschaftlern weltweit umstritten ist, werde ich im Verlaufe dieser Arbeit an Begriffe anknüpfen, die in den jeweiligen nationalen Historiographien üblich sind, oder ich werde Arbeitsbegriffe benutzen. Am Ende der Arbeit werde ich auf der Basis meiner Untersuchungsergebnisse eine weitere mögliche Position innerhalb der Debatte zur Konzeption des Pietismus vorschlagen. Die aus dem Englischen übersetzte Erbauungsliteratur stammt hauptsächlich aus dem Umfeld des Puritanismus.51 Der Begriff puritan wurde in der frühneuzeitlichen angelsächsischen Welt als Schimpfname für unterschiedliche religiöse Personen und Gruppen verwendet. Ihre Position innerhalb der Church of England konnte ebenso variieren wie ihre ekklesiologischen Auffassungen. Auch gab es Puritaner außerhalb der Church of England. Der Begriff Puritanismus lässt sich deshalb nicht eindeutig definieren. Unter Puritanismus wird hier die Bewegung innerhalb der Church of England ab dem Ende des 16. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts verstanden, die eine Intensivierung der Frömmigkeit anstrebte. Dieses Streben war eine Gemeinsamkeit aller als Puritaner bezeichneten Personen und Gruppen, sowohl in der Selbst- als auch in der Außenwahrnehmung. Ziel dieser Frömmigkeit war die Verwirklichung der Heiligung, auf der in der puritanischen Theologie der Fokus lag.52 Sie galt sowohl Predigern als auch Nichtpredigern und im theokratischen53 Sinne allen Menschen und sie ebnete den Weg für eine umfassende Reform. Puritaner monierten gesellschaftliche Sünden. Sie verfassten und lasen kasuistisch geprägte Anleitungen für die Lebensheiligung. Außerdem hoben sie den Gegensatz zwischen Weltlichen und Gläubigen sowie zwischen Scheingläubigen und wahren Gläubigen innerhalb der Kirche hervor und riefen zur Überprüfung des geistlichen Standes anhand von Kennzeichen des Wirkens des Heiligen Geistes auf. Puritaner forderten eine intensive „Sabbatheiligung“54 und versammelten sich in Konventikeln zur Er50
Vgl. Lehmann 2012, 232; Lehmann 2013, 16 f. Vgl. für die nächsten Absätze Spurr 1998, 5–8; Coffey/Lim 2008b, 3 f. 52 Vgl. über theologische Auffassungen der Puritaner: Beeke/Jones 2012. 53 Die reformierten Bekenntnisschriften des 16. und. 17. Jahrhunderts in ganz Europa hatten ein theokratisches Anliegen: sie wiesen der politischen Obrigkeit die Aufgabe zu, die wahre (reformierte) Religion zu fördern, aber falschen Religionen, Götzendienst und Aberglaube abzulehnen, vgl. Zwaag 1999, 129–132. 54 Die Puritaner heiligten den ersten Wochentag, aber nannten diesen nicht „Sunday“, son51
1.2 Protestantische Frömmigkeitsrichtungen in der Frühen Neuzeit11
bauung der Frommen. Sie thematisierten und beschäftigten sich mit den vier letzten Dingen (dem Tod, dem letztem Gericht, der Hölle und dem Himmel) und sie hegten eine gespannte Zukunftserwartung mit Blick auf die Vernichtung von Rom und dem Islam und die Bekehrung von Juden und Heiden.55 Die Begriffe „Puritanismus“, „Puritaner“ und „puritanisch“ verweisen in dieser Arbeit auf diesen Frömmigkeitsstil. Trotz der großen Unterschiede in ihrer Haltung zur anglikanischen Staatskirche und in ihren ekklesiologischen Auffassungen, stimmten alle Puritaner in ihrem Frömmigkeitsstreben überein. Während die Konformisten die Staatskirche akzeptierten wie sie war, waren die Nonkonformisten nicht mit den römisch-katholischen Relikten in der Kirche einverstanden. Sie wollten sich aber nicht von der Kirche trennen. In ekklesiologischer Hinsicht kann man zwischen Episkopalisten, Presbyterianern, Kongregationalisten und Independenten unterscheiden. Episkopalisten verteidigten das bischöfliche Kirchenregiment, Presbyterianer befürworteten eine presbyterial-synodale Ordnung, Kongregationalisten und Independenten hielten die lokale Gemeinde für selbstgenügend im Hinblick auf die Kirchenregierung und -zucht. Kongregationalisten gingen dabei weiter als Independenten, indem sie auf verschiedenen Wegen mit anderen unabhängigen Gemeinden zusammenarbeiteten.56 Unter den Reformierten in den Niederlanden gab es Frömmigkeitsbestrebungen, die denen des Puritanismus ähneln. Als Oberbegriff für die am Ende des 16. Jahrhunderts entstandene Frömmigkeitsrichtung innerhalb der niederländischen reformierten Kirche wird der Begriff niederländische reformierte Frömmigkeitsrichtung benutzt. Wegen seiner Umstrittenheit wird die Bezeichnung „niederländischer reformierter Pietismus“, die auch in der Forschung verwendet wird,57 nicht benutzt. Im Hinblick auf theologische Fragen gab es innerhalb der niederländischen reformierten Kirche in der Frühen Neuzeit eine Pluralität. Diese spiegelte sich auch in der Frömmigkeitsrichtung wieder. Eine wichtige Auseinandersetzung führten die Anhänger des Gisbert Voetius (1589–1676) aus Utrecht und die Anhänger des Johannes Coccejus (1603–69) aus Leiden über die sukzessive Abschaffung des Werkbundes, die Anwendung der cartesianischen Philosophie innerhalb der Theologie, die Gültigkeit des vierten Gebotes, die Intensität der Sonntagsheiligung, die Art und Weise der Sündenvergebung und das Verhältnis der Kirche zur politischen Obrigkeit. Im Zuge der Auseinandersetzung bildeten sich zwei Parteien, die gegensätzliche Standpunkte vetraten. Die Gegensätze zwischen beiden Gruppen spielten bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts eine dern „Sabbath“ und übernahmen viele der aus dem Alten Testament stammenden strengen und detaillierten Vorschriften für die Heiligung dieses Tages. 55 Vgl. Hambrick-Stowe 2008. 56 Vgl. Beeke/Pederson 2006, 845, 846, 852. 57 Vgl. Graafland u. a. 1995, bes. 111–112, 119–122; Hof 1998a.
12
1. Einleitung
große Rolle. Die Unterschiede zwischen Voetianern und Coccejanern prägten ihre Frömmigkeit und Erbauungsliteratur. Andererseits gab es Übereinstimmungen hinsichtlich der Frömmigkeit, zum Beispiel in der Thematisierung und Darstellung der Heilsordnung, in der Aufforderung zur Selbstprüfung und in der Ethik.58 In der Forschung wird eine weitere Bewegung innerhalb der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung unterschieden,59 und zwar die Bewegung der Nadere Reformatie.60 Der Begriff Nadere Reformatie war eine Übersetzung des englischen Terminus „Further Reformation“. „Nadere“ ist als „weitergehend“ zu verstehen: die Bewegung wollte die in der Reformation des 16. Jahrhunderts erreichte Erneuerung der Lehre im Sinne einer Erneuerung des christlichen Lebens weiterführen und vertiefen. Während die niederländische reformierte Frömmigkeitsrichtung Missstände in der Kirche und in der Gesellschaft beklagte, hatte die Nadere Reformatie außerdem einen theokratischen und programmatischen Charakter, indem sie Programme zur Reform der Sitten in Kirche und Gesellschaft entwickelte, diese bei den betreffenden Behörden einreichte und vehement auf deren Umsetzung drängte. Schließlich forderte die Nadere Reformatie eine intensive Sonntagsheiligung und eine strenge Kirchenzucht. Diese Merkmale zeigen, wie stark die Nadere Reformatie durch den Puritanismus geprägt wurde.61 Als Vater der Nadere Reformatie gilt der bereits erwähnte Willem Teellinck.62 F. A. van Lieburg hat bestritten, dass Phänomene wie Kirchenzucht, Reformprogramme und Maßnahmen gegen Sonntagsentheiligung Propria einer Sonderbewegung, nämlich der Nadere Reformatie, sind. Seines Erachtens waren diese Punkte Teil eines Konfessionalisierungsprozesses, in dem Staatsbildung und Konfessionsbildung verbunden waren.63 Van Lieburg versuchte dies unter anderem anhand des Fallbeispiels der reformierten Kirche der niederländischen Insel Schouwen-Duiveland in Zeeland in der Zeit von 1572 bis 1770 aufzuzei58
Vgl. Broeyer/Wall 1994; Berg 1995, 542–569; Rooijen 2013. Vgl. Lieburg 1994; Graafland u. a. 1995, 137–178; Hof 1998a, 163 f. Für die Grenzen zwischen der reformierten Orthodoxie, der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung und der Nadere Reformatie wird verwiesen auf: Graafland u. a. 1995, 171–177. Van Lieburg hat sich neulich von der Begriffsbestimmung, die er zusammen mit Graafland und op ’t Hof aufgestellt hatte, distanziert, s. unten. J. van den Berg dagegen betonte, dass Frömmigkeitsbestrebungen innerhalb der Niederlande in der Frühen Neuzeit die Bewegung der Nadere Reformatie sowie die niederländische reformierte Kirche überstiegen, Berg 1993, 57. 60 In Anlehnung an J. Wallmann wird der Terminus Nadere Reformatie in dieser Arbeit nicht übersetzt, weil dies nur zu Missverständnissen führen würde; man müsste dann nämlich „niederländische“ hinzufügen. Außerdem ist der niederländische Begriff in der Forschung bekannt, vgl. Wallmann 2010, 424 f. Wallmanns Aufsatz ist auch in niederländischer Sprache erschienen: Wallmann 2005a. 61 Vgl. Hof 1998a, 172–182; Hof 2001a, 273–339; Hof 2005b. 62 Vgl. Hof 2008a; Hof 2011. 63 Vgl. Lieburg 2011c, 245–253. Vgl. zur Konfessionalisierungsthese: Lotz-Heumann 2008. 59
1.2 Protestantische Frömmigkeitsrichtungen in der Frühen Neuzeit13
gen. Seines Erachtens bildeten die Bestrebungen der Pfarrer, die man bisher ausschließlich der Nadere Reformatie zugeordnet hat, einen Teil der Reformbestrebungen, die seit der Gründung der reformierten Kirche in den Niederlanden existierten, wobei man in der Kirche intern, aber auch extern mit dem Staat kooperierte. Willem Teellinck betrachtete seine Reformbestrebungen als Fortsetzung der 1572 angefangen Reformation.64 Stichworte wie reformatio exactior oder nader [sic] reformatie wurden schon 1573 benutzt. Rufe nach Reformen in Krisenzeiten waren üblich und galten in der Zeit vor der Aufklärung als Ausdruck des do-ut-des-Gedankens, demzufolge es eine wechselseitige Beziehung zwischen Gott und den Menschen gibt. Die Reformprogramme vermeintlicher Vertreter der Nadere Reformatie sind als Adaptionen der herkömmlichen Kirchenordnungen zu betrachten.65 Zwar hat es hinsichtlich des Reformstrebens unter Pfarrern und Politikern Unterschiede in der Radikalität gegeben, diese rechtfertigen jedoch nicht, von einer separaten Bewegung zu sprechen. Die Bezeichnung Nadere Reformatie setzte sich van Lieburg zufolge aus ahistorischen Gründen durch. Sie sei ein Fall kirchenpolitischer Aneignung durch die konservativ-reformierte Subkultur in den Niederlanden, die in den 1970er Jahren im Rahmen ihrer Erinnerungskultur entstand. Eine pietistische Bewegung sei in den Niederlanden – parallel zum deutschen Pietismus – erst um 1670 aufgekommen. Reformbestrebte Pfarrer und Laien hätten zu dieser Zeit nicht mehr primär die Obrigkeiten von der Notwendigkeit von Reformen zu überzeugen versucht, sondern sich auf die Erbauung von frommen Kreisen konzentriert, um auf diesem Weg eine Reform der gesamten Gesellschaft zu erreichen. Dieser neue Weg hänge zusammen mit der damals auftretenden Säkularisierung und mit den einhergehenden Prozessen der Individualisierung, Privatisierung und Marginalisierung.66 Am Ende meiner Arbeit werde ich kurz auf van Lieburgs These eingehen. Im Hinblick auf den deutschen Sprachraum wird in dieser Arbeit von Pietismus gesprochen.67 Dieser manifestierte sich zuerst mit den Erbauungsschriften Johann Arndts und wurde durch das Wirken Speners zu einer sozial greifbaren Bewegung. Ausgehend von dieser Bewegung gab es zwei Strömungen, eine lutherische und eine reformierte, die in dieser Arbeit auch entsprechend unterschieden werden. Der reformierte Pietismus im deutschen Sprachraum war stark durch den Puritanismus und besonders durch die niederländische reformierte Frömmigkeitsrichtung geprägt.68 H. Faulenbach folgerte sogar: „Der Pietismus unter den 64
Vgl. Lieburg 2011c, 211–256. Vgl. Lieburg 2014a; Lieburg 2014b, 130. 66 Vgl. Lieburg 2011a; Lieburg/Eijnatten 2011, 253–255. 67 Vgl. Geschichte des Pietismus; Wallmann 2005b; Shantz 2013; Shantz (Hrsg.) 2015. 68 Vgl. Faulenbach 1977/8; J. F. G. Goeters 1993; J. F. G. Goeters 1995; Wallmann 2005b, 48–65. 65
14
1. Einleitung
Reformierten in den Niederlanden und in Deutschland ist eine Sacheinheit.“69 Als wichtigster Vertreter und Wegbereiter des deutschen reformierten Pietismus gilt Theodor Undereyck. Im deutschen Sprachraum entstand vor dem Pietismus der radikale Pietismus. Ein früher Vertreter war der Jurist Johann Jakob Schütz (1640–90) aus Frankfurt, der zusammen mit Spener den Frankfurter Pietismus gründete. Kennzeichen des radikalen Pietismus, den es sowohl innerhalb der lutherischen als auch innerhalb der reformierten Konfession gab, sind eine negative Haltung zur Kirche als Institution, eine Neigung zur Abspaltung von der Kirche und Gleichgültigkeit gegenüber den kirchlichen Lehrnormen. Die Frage, ob Separatismus ein festes Merkmal des radikalen Pietismus ist, ist in der bisherigen Forschung noch nicht geklärt.70 Weitere Merkmale, die hinzukommen können, sind der Rückzug aus der Welt und ihren Ordnungen, der Verzicht auf die Ehe und die Wiederbelebung des altkirchlichen Einsiedlertums.71 Verwandt mit dem Begriff „radikaler Pietismus“ ist der Terminus Spiritualismus. Er ist ein Sammelbegriff für verschiedene religiöse Gruppen, die an die Unmittelbarkeit des Geistwirkens im Inneren des Menschen glaubten, und die die äußere Wirkung der Heiligen Schrift geringschätzten. Oft war dies mit einer Abwertung der Sakramente, der Liturgie und der Riten im Gottesdienst verbunden.72 Spiritualisten im 17. und 18. Jahrhundert schöpften ihre Argumente vor allem aus der mittelalterlichen Mystik, den Schriften der Spiritualisten der Reformationsepoche, dem Humanismus und dem Erbe Augustins.73 Vertreter aus dieser Epoche waren zum Beispiel Kaspar von Schwenckfeld, Sebastian Franck, Valentin Weigel und Jacob Böhme. Zur Bezeichnung von Vertretern von Frömmigkeitsrichtungen wird in dieser Arbeit oft der Begriff Reformtheologen gebraucht.
1.3 Forschungsüberblick Die Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur ins Deutsche im 17. und frühen 18. Jahrhundert werden in einigen älteren Untersuchungen beiläufig und nicht systematisch behandelt, und zwar bei C. J. Cosack, H. Beck, C. Große, G. Waterhouse, H. Leube, K. Viëtor, M. Blassneck und I. Wiem.74 69 Vgl. Faulenbach 1977/8, 233. Während Faulenbach von „Pietismus unter den Reformierten in Deutschland“ spricht, hat sich in der neueren Forschung (J. F. G. Goeters, Wallmann) der Begriff „reformierter Pietismus“ durchgesetzt. 70 Vgl. Kroh 2011, 111, Anm. 318. 71 Vgl. Breul u. a. (Hrsg.) 2010. 72 Vgl. Leppin 2004. 73 Vgl. Weigelt 2004. 74 Vgl. Cosack 1871; H. Beck 1883; H. Beck 1891, 177–197; Grosse 1900, 600–617; Water-
1.3 Forschungsüberblick15
Größere und systematische Studien zu diesem Thema gibt es bislang nur drei: 1984 legte der Kirchenhistoriker E. C. McKenzie seine gründliche, und leider unveröffentlichte Dissertation mit dem Titel British devotional literature and the rise of German pietism vor.75 Drei Jahre später erschien U. Sträters Sonthom, Bayly, Dyke und Hall. Studien zur Rezeption der englischen Erbauungsliteratur in Deutschland im 17. Jahrhundert.76 2006 veröffentlichte der Germanist P. Damrau seine Dissertation The reception of English puritan literature in Germany.77 Während McKenzie systematisch-bibliographisch vorging, legten Sträter und Damrau den Schwerpunkt auf rezipierte Autoren oder Texte. Der niederländische Kirchenhistoriker W. J. op ’t Hof hat die Ergebnisse McKenzies und Sträters in einem Beitrag zu der internationalen Verbreitung des Puritanismus zusammengefasst, geringfügig ergänzt und im Rahmen der gesamteuropäischen Übersetzung englischer Erbauungsliteratur eingeordnet.78 Einzelnen Übersetzungen und Übersetzern wurde in der Forschung besondere Aufmerksamkeit zuteil.79 A. Sann behandelte 1951 die Rezeption von Bunyans Schriften in Deutschland.80 P. R. Barnett 1962 befasste sich ausgiebig mit Theodor Haak (1605–90), der Daniel Dyke (?–1614), John Milton (1608–74), Henry Scudder (?–1659) und Henry Whitfeld (?–1660) ins Deutsche übersetzt hat.81 W. Hollweg widmete in seiner frömmigkeitsgeschichtlichen Arbeit über Ostfriesland (1978) auch den Übersetzungen von Schriften der Puritaner William Perkins (1558–1602) und Joseph Hall (1574–1656) durch Bernhardus Nicaeus Ancumanus (ca. 1590–1666) einige Aufmerksamkeit.82 K. J. Höltgen setzte sich 1982 mit dem sich hinter dem Pseudonym „Sonthom“ versteckenden Übersetzer des „Güldenen Kleinods“ (1612) auseinander.83 J. F. G. Goeters befasste sich 1993 mit Peter Streithagen (1591–1653), dem Übersetzer einer Schrift John Cottons (1585–1652), und dem Verfasser eines aus englischen Quellen zusamhouse 1914, 101–112; Leube 1924, 162–180; Viëtor 1928, 24, 32 f., 49 f.; Blassneck 1934, 9–22, 156–160; Wiem 1940. 75 Vgl. McKenzie 1984. 76 Vgl. Sträter 1987. 77 Vgl. Damrau 2006. 78 Vgl. Hof 2001a, 372–384. 79 Daneben begegnen einzelne Daten über verschiedene Übersetzer und Übersetzungen sowie exemplarische Fallstudien über die Übersetzung und Rezeption von Sonthoms Güldenem Kleinod, Bayly, Hall und Dyke in Sträter 1987, passim, und McKenzie 1984, Bd. 1, passim. Für die komplizierte Forschungshistoriographie zu Sonthom wird auf ihre Arbeiten verwiesen. 80 Vgl. Sann 1951. 81 Vgl. Barnett 1962. 82 Vgl. Hollweg 1978, 39 f., 41 f., 47–57. 83 Vgl. Höltgen 1982. Hinter dem Pseudonym „Sonthom“ verbarg sich der Übersetzer Emanuel Thomson aus Stade. Vorlage war A booke of christian exercise, appertaining to resolution (1584) des Puritaners Edmund Bunny (1540–1619). Diese Schrift war wiederum eine Bearbeitung von The first booke of the christian exercise, appertaining to resolution (1582) des englischen Jesuiten Robert Parsons (1546–1610), das auf andere jesuitische Quellen zurückging.
16
1. Einleitung
mengestellten Kompendiums über die Wiedergeburt.84 M. Bircher und A. Herz behandelten 1997 ausführlich den Dichter Martin Kempe (1637–83) aus Königsberg, der Hall, Thomas Goodwin (1600–80) und Charles Richardson ins Deutsche übersetzte und 1677 eine kommentierte Bibliographie englischer Erbauungsliteratur vorlegte.85 Darüber hinaus wurden auch Arbeiten über Übersetzungen einzelner Autoren oder einzelne Übersetzungen veröffentlicht. Von W. G. Marigold erschien 1995 ein Aufsatz über die deutschen Hall-Übersetzungen.86 Sträter veröffentlichte 2003 einen Aufsatz über die verschiedenen Übersetzungen einer Schrift Halls.87 K. Conermann, G. Ball und A. Herz wiesen 2006 eine Korrespondenz innerhalb der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ aus dem Jahre 1638 über deutsche Übersetzungen von Dykes Mystery of selfe-deceiving sowie eine unbekannte deutsche Übersetzung dieser Vorlage nach.88 R. Lächele hat 2006 in seiner Arbeit über die Sammlung auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes, einer Erbauungszeitschrift aus dem 18. Jahrhundert, die Rezeption von ins Deutsche übersetzen Fragmenten englischer Erbauungsliteratur in dieser Zeitschrift sowie das Zusammenspiel von Verlegern, Übersetzern und anderen Akteuren untersucht.89 H. Kuhn behandelte 2007 die Frage, ob Andreas Gryphius (1616–64) der Übersetzer der Erbauungsbücher Sir Richard Bakers (1568–1645) war.90 Ich habe 2009 die Daten zur Rezeption von Lewis Baylys Schrift Practice of piety (vor 1612) in Deutschland zusammengetragen.91 Andernorts zeigte ich, dass die deutsche Bayly-Übersetzung eine Lücke in der deutschen evangelischen Erbauungsliteratur füllte, und zwar die christliche Regulierung des Alltags.92 Im Rahmen eines Aufsatzes über die internationale Rezeption der Schriften des Puritaners Christopher Love (1618–51) habe ich auch der Rezeption im deutschen Sprachraum Aufmerksamkeit geschenkt.93 Schließlich rekonstruierte ich ein Netzwerk von jungen Pfälzern, unter denen sich unter anderen Streithagen und Haak befanden, und die sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts darum bemühten, englische Erbauungsliteratur nach Deutschland zu bringen.94 84
Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 242–244. Vgl. Bircher/Herz (Hrsg.) 1997, 99–105, 111–116. Hinweise auf Aktivitäten von Mitgliedern der Fruchtbringenden Gesellschaft, der ersten wichtigen deutschen Sprachgesellschaft auf der Ebene der Übersetzung englischer Erbauungsliteratur, verdanke ich dem Leiter der Arbeitsstelle „Fruchtbringende Gesellschaft“ der HAB und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Herrn Dr. A. Herz. 86 Vgl. Marigold 1995. 87 Vgl. Sträter 2003. 88 Vgl. Conermann u. a. (Hrsg.) 2006, 503–509, 520–525. 89 Vgl. Lächele 2006, 191–203. 90 Vgl. Kuhn 2007. 91 Vgl. Kamp 2009a, 269–280. 92 Vgl. Kamp 2011. 93 Vgl. Kamp 2013a. 94 Vgl. Kamp 2012b. 85
1.4 Zielsetzung und Fragestellung17
Während die Übersetzung englischer Erbauungsbücher ins Deutsche einigermaßen erfasst worden sind, bilden die in viel geringerer Zahl übersetzten niederländischen Erbauungsschriften einen noch fast unberührten Forschungsgegenstand.95 Mit Recht hat op ’t Hof 1998 deswegen dazu aufgefordert, diese Forschungslücke zu schließen und eine systematische Untersuchung aller Übersetzer und ihrer Übersetzungen durchzuführen.96 Die Übersetzungsarbeit von Philipp Erberfeld (1639–1709)97 und Johann Christoph Noltenius (1644– 1719)98, Übersetzer der Schriften des Guiljelmus Saldenus (1627–94), wurde von G. van den End kurz dargestellt. J. Exalto schenkte den deutschen Übersetzungen von Jodocus van Lodenstein (1620–77) durch Gottfried Arnold (1666– 1714) und der Übersetzung einer Schrift Theodorus à Brakels (1608–69) durch W. C. Baumann einige Aufmerksamkeit.99 Johann Christoph Müller100 und Johann Christoph Salbach (um 1637–1706)101 werden als Übersetzer niederländischer Erbauungsliteratur erwähnt, aber über ihre Biographie und Übersetzungsarbeit ist noch sehr wenig bekannt. Bibliographisch sind die Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche ziemlich gut erschlossen worden. McKenzie hat seiner Dissertation eine Bibliographie britischer „Devotional and Religious Books“ seit der Reformation bis 1750 beigelegt, die 1997 veröffentlicht wurde.102 In demselben Jahr erschien die Bibliographie Internationale ökumenische Beziehungen des Niederländers J. van der Haar, in der neben den deutschen Übersetzungen englischer theologischer Texte auch die Übersetzungen niederländischer und französischer theologischer Schriften erschlossen wurden.103
1.4 Zielsetzung und Fragestellung Eine Durchsicht der im vorigen Absatz aufgezählten Beiträge zeigt, dass eingehende Fallstudien zu einzelnen Übersetzern und ihren Übersetzungen, in der alle Aspekte (Produktion, Distribution, Rezeption) behandelt werden, selten sind. Um die Faktoren und Mechanismen, die dabei eine Rolle spielten, besser zu verstehen, sind solche Untersuchungen aber wünschenswert. Welchen Wert eine gründliche Fallstudie hat, zeigte sich, als ich 2006 im Rahmen meines Germanistikstudiums eine Masterarbeit zur Übersetzungstätigkeit 95
Vgl. Wallmann 1978, 147–150; Hof 1998a, 180–182. Vgl. Hof 1998a, 182 f. 97 Vgl. End 1991, 263–265. 98 Vgl. End 1991, 263. 99 Vgl. Exalto 2005, 20–22, 210–213. 100 Vgl. Hof 2001a, 351 f. 101 Vgl. Hof 2001a, 351 f. Vgl. auch Sträter 1987, 15 f., 40, 42, 101 f., 110. 102 Vgl. McKenzie 1997. 103 Vgl. IÖB. 96
18
1. Einleitung
von J. D. [B.] (Johannes Deusing Bremensis) verfasste.104 Die Initialen J. D. [B.] hatten die Aufmerksamkeit der deutschen und niederländischen frömmigkeitsgeschichtlichen Forschung auf sich gezogen, weil am Ende des 17. Jahrhunderts unter diesen eine Reihe deutscher Übersetzungen englischer und niederländischer reformierter Erbauungsliteratur erschienen war. Meine Untersuchungen haben ergeben, dass es in dieser Zeit zwei Personen mit den Namen Johann Deusing gab, die beide aus Bremen stammten und die beide als Übersetzer auftraten. Einer von ihnen (1644–73) lebte die längste Zeit seines Lebens in Bremen, der andere (ca. 1639 – ca. 1697) lebte in Kassel. Außerdem verkehrten beide im Umfeld Theodor Undereycks, der sie möglicherweise dazu angeregt hat, Texte zu übersetzen. Aus der Forschungsliteratur geht hervor, dass Undereyck vermutlich auch die Übersetzungsarbeit von Philipp Erberfeld (1639–1709) angestoßen hat.105 Die Widmungsempfänger einer der Übersetzungen von Johann Deusing aus Kassel, Kaufleute aus Frankfurt und Hanau, waren auch Bekannte von Erberfeld. Die Ergebnisse meiner Masterarbeit führten zu der Erkenntnis, dass Netzwerke bei der Produktion, Distribution und Rezeption von Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur eine große Rolle spielten. Diese Ergebnisse ließen es als sinnvoll erscheinen, die beiden Deusings und Erberfeld sowie ihre Übersetzungsarbeiten weiter zu untersuchen und ihre Netzwerke noch umfassender zu rekonstruieren. Dabei ließen sich auch zwei weitere Übersetzer ermitteln, die den Netzwerken, an denen die beiden Deusings sich beteiligten, angehörten: Johann Christoph Noltenius (1644–1719) sowie Henning Koch (1633–91). Wie Erberfeld übersetzte Noltenius eine Schrift des Guiljelmus Saldenus ins Deutsche und er war mit der Stadt Bremen verbunden, da seine Übersetzung dort erschien. Koch kannte Erberfeld. Ausgenommen Koch, der lutherisch war, gehörten alle Übersetzer der reformierten Konfession an. Die gesammelten Quellen ergaben genügend Material für detaillierte Fallstudien zu den verschiedenen Aspekten deutscher Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur und zur Rolle von Netzwerken. Meine Arbeit möchte eine Fallstudie bieten mit dem Ziel, die Produktion, Distribution und Rezeption von deutschen Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur von 1660 bis 1700 zusammenhängend darzustellen und zu erläutern. Im Fokus steht die Rolle von Netzwerken in diesen Zusammenhängen. Weil das Thema internationale und interkonfessionelle Bezüge aufweist, sollen die Ergebnisse schließlich auch in den größeren Zusam104 Vgl. Kamp 2007a. Bei dieser Untersuchung stellte sich auch heraus, dass es zwei gleichnamige, und aus derselben Stadt gebürtige Übersetzer englischer und niederländischer Erbauungsliteratur gab. Eine Zusammenfassung dieser Arbeit mit Ergänzungen habe ich 2007 in Pietismus und Neuzeit veröffentlicht: Kamp 2007. Wallmann hat darauf 2012 reagiert, vgl. Wallmann 2012. Darauf gehe ich in Abschnitt 3.4 ein. 105 Vgl. End 1991.
1.4 Zielsetzung und Fragestellung19
menhang der protestantischen Frömmigkeitsgeschichte der Frühen Neuzeit eingeordnet werden. Diese Überlegungen führen zu folgender Hauptfrage: Welche Rolle spielten Netzwerke bei der Produktion, Distribution und Rezeption deutscher Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur aus dem Umkreis des Puritanismus beziehungsweise der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung von 1667 bis 1697? Um die Bedeutung von Netzwerken untersuchen zu können, sollen nicht nur Übersetzer und ihr Umfeld behandelt werden, sondern auch die Übersetzungen selbst und zwar hinsichtlich der Motivation, des Inhalts, der Übersetzungsmethode und der Rezeption. Dies führt zu folgenden Teilfragen: 1. Wer waren die Übersetzer und in welchem sozialen, theologischen und religiösen Kontext entstanden ihre Übersetzungen? 2. Wie viele und welche Schriften übersetzten die Übersetzer des Netzwerkes und welche Motivation hatten sie dazu? 3. Gab es Dritte, die bei der Produktion, Distribution und Rezeption der Übersetzungen eine Rolle spielten? 4. Welche Vorlagen benutzten die Übersetzer und warum? 5. Auf welche Weise übersetzten sie und in welchem Maß haben sie als Bearbeiter des Originals zur deutschsprachigen Erbauungsliteratur beigetragen? 6. Wie wurden ihre Übersetzungen rezipiert und welche Bedeutung hatten sie bei Reformierten und Lutheranern in der Zielkultur? 7. Welchen Einfluss haben die deutschen Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur auf den Pietismus ausgeübt und welchen Zusammenhang gab es zwischen den einzelnen protestantischen Frömmigkeitsrichtungen in der Frühen Neuzeit? Die erste Teilfrage zielt auf eine Kontextualisierung der Übersetzer ab. Berücksichtigt werden dabei der soziale, theologische und religiöse Kontext. Die Katalogisierung der übersetzten Schriften sowie die Ermittlung der Motivation oder des Anlasses der Übersetzungsarbeit ist Gegenstand der zweiten Teilfrage. Die dritte Teilfrage bezieht sich auf eine Rekonstruktion der Rolle von Dritten und von Netzwerken bei den Übersetzungen. Die vierte Teilfrage befasst sich mit der Vorlage der Übersetzungen. Sträter hat darauf hingewiesen, dass für die deutschen Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur nicht immer das Original als Vorlage benutzt wurde, sondern in vielen Fällen eine bereits in einer anderen Sprache übersetzte Fassung als Vorlage diente.106 Bei dem Übersetzungsvergleich soll darum immer zunächst der Frage nachgegangen werden, welche Vorlage benutzt wurde. Daraus können Schlussfolgerungen über die Sprachkenntnisse der Übersetzer und ihren Zugang zu den Quellen gezogen werden. 106
Vgl. Sträter 1987, 25–38.
20
1. Einleitung
Der Hintergrund der fünften Teilfrage ist die Übersetzungsmethode, die zwischen morphologischer und syntaktischer Äquivalenz einerseits und struktureller und inhaltlicher Transformation andererseits variiert. Je nachdem, wie stark der Übersetzer zur zuletzt genannten Richtung tendiert, steigert sich sein eigener Beitrag zur Übersetzung und damit zur deutschsprachigen reformierten oder lutherischen Erbauungsliteratur. Die sechste Teilfrage bezieht sich auf die Rezeption und Bedeutung der Übersetzungen in der Zielkultur. Bei letzterer sind sowohl die reformierte als auch die lutherische Konfession zu berücksichtigen. Zuletzt soll auf Basis der Untersuchungsergebnisse die Frage beantwortet werden, welchen Einfluss die englische und niederländische Erbauungsliteratur auf den Pietismus ausgeübt hat und welchen Zusammenhang es zwischen den einzelnen protestantischen Frömmigkeitsrichtungen in der Frühen Neuzeit gab (7. Teilfrage). Beide Fragen werden in der Forschung unterschiedlich beantwortet. Während McKenzie und Damrau den Einfluss der englischen Erbauungsliteratur auf den Pietismus als hoch einschätzen, bewertete Sträter den Einfluss als sehr gering.107 Die erste Frage berührt die Debatte um die Pietismuskonzeption (s. oben). Eine Bejahung der Frage führt meistens zu einer internationalen, die Verneinung meist zu einer nationalen Konzeption des Pietismus, und zwar beschränkt auf die Spenersche Bewegung. Diese zwei Fragen lassen sich am besten am Ende dieser Arbeit auf Basis aller Ergebnisse beantworten.
1.5 Methode Die Beantwortung der oben formulierten Fragen bedarf eines interdisziplinären Verfahrens. Es wird deshalb mit Arbeitsweisen aus unterschiedlichen Fachgebieten gearbeitet, die nur auf die deutschen Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur angewendet werden. Andere Übersetzungen und Schriften der Übersetzer werden nur berücksichtigt, wenn sie das frömmigkeitsgeschichtliche Bild der Übersetzer ergänzen. 1. Biographische Forschung: Die Biographien, die sozialen, religiösen und theologischen Kontexte und die personellen Verbindungen der Übersetzer werden durch Analysen der Vorreden zu ihren Übersetzungen und weiterer relevanter Archivtexte ausführlich untersucht, wobei sich immer die Frage nach der Motivation oder dem Anlass zu der Übersetzungsproduktion stellt. 2. Netzwerkanalyse: Der Begriff „Netzwerk“ bezeichnet eine Gruppe von Personen, deren Beziehungen überlappen. Netzwerke können als eine „Menge von Akteuren, die über bestimmte soziale Beziehungen verbunden sind“, definiert werden.108 Bei der Entstehung, Verbreitung und Rezeption von Übersetzun107
Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 318–325; Sträter 1987, 114 f.; Damrau 2006, 13–21. hat in ihrer Arbeit über die europäische Quäkermission ein nachvoll-
108 S. Juterczenka
1.5 Methode21
gen können Netzwerke eine Rolle spielen. Die Beziehungen zwischen Akteuren können stark oder schwach sein. Akteure können unterschiedliche Rollen erfüllen: die der Makler oder die der Multiplikatoren. Makler sind Mittlerfiguren, die prinzipiell voneinander unabhängige Teilnetze miteinander verknüpfen. Sie verfügen über viele Kontakte, stehen aber selbst nicht unbedingt im Zentrum ihrer Bezugsgruppen. Makler nehmen tendenziell eine eher differenzierte und kritische Haltung ein und schließen sich keiner Gemeinschaft völlig an. Sie verfolgen vorrangig ihre eigenen Interessen. Multiplikatoren sind Personen, die Ideen oder Informationen weitergeben und verbreiten. Wie Makler haben Multiplikatoren eine distanzierte Grundeinstellung und verfolgen vorwiegend eigene Interessen. Interessanterweise sind es gerade diese schwachen Beziehungen der Makler und Multiplikatoren, die eine weite Streuung von Informationen ermöglichen. Für das zu behandelnde Thema scheint es sinnvoll zu sein, anhand der unterschiedlichen Aufgaben der Akteure folgende Kategorien zu unterscheiden: Hinsichtlich der Produktion: Anreger, Übersetzer, Beiträger, Vermittler, Verleger und Drucker; hinsichtlich der Distribution: Widmungsempfänger und Distributeure; hinsichtlich der Rezeption: Besitzer von Schriften und Leser. Nach Bearbeitung des Materials können die Rollen von Makler beziehungsweise Multiplikator den einzelnen Akteuren zugewiesen werden. 3. Frömmigkeits-, kirchen- und theologiehistorische Forschung: Die biographischen Daten und die Inhalte der Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur werden in den Kontext der Frömmigkeits-, Kirchen- und Theologiegeschichte in Deutschland eingeordnet. Daraus lassen sich Erklärungen für Motivation, Wahl und Ziel der Übersetzungen ableiten. 4. Analytische Druckforschung: Analytisch-bibliographische Beschreibungen durch Vergleiche (Autopsie109) möglichst vieler Exemplare110 (einzelner Drucke) aller Auflagen sollen Aufschluss über die Editionsgeschichte, die Provenienz111 und gegegebenfalls über die Lektüre der Übersetzungen geben.112 Diese Beschreibungen wurden in die digitale bibliographische Datenbank Pietas aufgenommen.113 ziehbares und brauchbares Netzwerkmodell für die Erforschung religiöser Verbindungen in der Frühen Neuzeit entwickelt, auf dem diese Darstellung basiert, vgl. Juterczenka 2008, 28– 35, 127–213. Vgl. für Netzwerkforschung auch: Freist 2009; Stegbauer/Häußling (Hrsg.) 2010. 109 Vgl. Rautenberg (Hrsg.) 2003, 44. 110 Vgl. Rautenberg (Hrsg.) 2003, 198. 111 Vgl. Rautenberg (Hrsg.) 2003, 54, 412. 112 Vgl. die Lemmata „analytische Druckforschung“ und „Exemplar“ in Rautenberg (Hrsg.) 2003, 28 f., 198 f. 113 S. www.pietasonline.nl. Eine kurze bibliographische Liste findet sich in der Bibliographie dieser Arbeit. Pietas ist von Drs. F. W. Huisman in der Abteilung „Oude Drukken“ der Universitätsbibliothek der Vrije Universiteit Amsterdam entwickelt worden und bietet seit dem 17. Mai 2011 einen öffentlichen Zugang zu sehr ausführlichen bibliographischen Beschreibungen niederländischer Übersetzungen englischer Erbauungsbücher, zum Teil sogar mit elektronischen Volltexten. Es besteht die Absicht, Pietas zu einer digitalen Arbeitsplattform (Pietas-
22
1. Einleitung
In den bibliographischen Beschreibungen werden unter anderem folgende Kategorien berücksichtigt: Autor, Titel, Auflage, Impressum, Kolophon, Kollationierung, Fingerprint, Inhaltsbeschreibung, Exemplarangabe, Drucker, Verleger, Buchverkäufer, Approbation, Privileg und Besitzvermerk. Diese Daten werden so gut wie möglich indexiert. Die Beschreibungen erfolgen gemäß der „Handleiding PIETAS“, die sich eng an den Vorschriften des Short-Title Catalogue Netherlands (STCN) orientiert.114 Damit die Beschreibungen auch an die analytisch-bibliographische Praxis in Deutschland anknüpfen, wird ein Fingerprint sowohl gemäß den STCN‑Regeln als auch gemäß der International Standard Bibliographic Description (ISBD) aufgenommen. Letzerer wird auch in der deutschen retrospektiven Bibliographie VD17 verzeichnet. Durch die Angaben zum Exemplar, zum Inhalt, und zur Provenienz und der guten Auffindbarkeit von Daten aufgrund der Indices, übertreffen die bibliographischen Beschreibungen in Pietas die üblichen Short-Title Kataloge. Bezüglich der Editionsgeschichte der Übersetzungen sollen an dieser Stelle einige Begriffe erklärt werden.115 Der Begriff Auflage (edition) bezeichnet in der analytischen Druckforschung die Gesamtheit aller Exemplare, die zum überwiegenden Teil aus ein und demselben Satzvorgang stammen. Zur Kategorie der Ausgabe (issue) gehören diejenigen Exemplare einer Auflage, die als eine bewusst geplante Einheit gedruckt und publiziert wurden. Es handelt sich hier zum Beispiel um Auflagen, die gleichzeitig von mehreren Verlagen veröffentlicht wurden. Jeder dieser Verlage bekam einen Teil der Exemplare einer Auflage. Auf dem Titelblatt wurde der Name des betreffenden Verlages abgedruckt. Zur Kategorie der Ausgabe ist auch die Titelauflage zu zählen: ein Druck, in dem ein oder mehrere Blätter, oft das Titelblatt, als Zusatz an den Anfang des Buchblocks der bestehenden Auflage eingeklebt oder gebunden werden. Schließlich gibt es Drucke, bei denen ein neuer Schriftsatz benutzt wurde – der Neusatz. Wenn in einem Neusatz im Vergleich mit der vorherigen Auflage nur geringfügige Veränderungen in der Orthographie und im Wortlaut vorgenommen worden sind, wird er hier – auch wenn der Titel sich geändert hat – als Neuauflage bezeichnet. Wenn aber ganze Sätze umformuliert worden sind, ist von einer Bearbeitung die Rede. Um die Rezeption der Übersetzungen unter Reformierten und Lutheranern zu beleuchten, werden Besitzvermerke und Provenienzangaben116 aus den genutzten Exemplaren und Daten aus Quellen wie zeitgenössische Bibliographien platform) auszubauen, in der bibliographische Beschreibungen von Büchern mit kategorischen Recherchemöglichkeiten, Volltexten, biographischen Daten, Sekundärliteratur und sonstigen Materialien (zum Beispiel Übersetzungen in anderen Sprachen) verknüpft werden. 114 Vgl. Huisman 2011. 115 Vgl. für diesen Absatz: Boghardt 1977, 19 f. 116 Vgl. Rautenberg (Hrsg.) 2003, 198 f.
1.5 Methode23
von erbaulicher und theologischer Literatur zusammengetragen. Damit Fragmentierung vermieden und ein guter Überblick möglich wird, werden die gesammelten Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen in einem gesonderten Kapitel dargestellt. 5. Übersetzungswissenschaftliche Forschung: Im Rahmen einer übersetzungswissenschaftlichen Untersuchung wird die Produktion noch umfassender betrachtet. Dabei findet jeweils ein Vergleich der Vorlage mit der Übersetzung statt, der bei längeren Werken auf Fragmente beschränkt werden muss. In der aktuellen Übersetzungswissenschaft wird zwischen drei Übersetzungsmethoden unterschieden: formorientiert, bedeutungsorientiert und interpretationsorientiert.117 Im Zentrum dieser Methoden steht die Frage, inwiefern kontextuelle Implikationen explizit gemacht werden: am wenigsten geschieht dies in der formorientierten und am meisten in der interpretationsorientierten Methode. Die Unterscheidung der drei Methoden basiert auf dem Grundsatz der sprachwissenschaftlichen Pragmatik: Aussagen drücken nie aus, was Sprecher sagen möchten, sondern vermitteln die Intentionen der Sprecher innerhalb eines bestimmten, durch Sprecher und Publikum geteilten Kontextes. Es gibt also eine Kluft zwischen Äußerung und Intention: eine Interpretation kommt erst durch die Kombination einer Aussage und deren Kontext zustande. Ein Interpret macht Interferenzen oder kontextuelle Implikationen. Ein Beispiel für die Variation in der Explizitierung kontextueller Implikationen bietet die Übersetzung der griechischen Phrase εν πραυτητι σοφιας im Jakobusbrief 3,13. Diese kann je nach Übersetzungsmethode unterschiedlich übersetzt werden. Übersetzung
Übersetzungsmethode
mit Sanftmut/Demut von Weisheit mit weiser Sanftmut/Demut mit Sanftmut/Demut, die aus Weisheit hervorkommt
formorientiert bedeutungsorientiert interpretationsorientiert
Bei formorientierten Übersetzungen bleiben die Reihenfolge der Wörter und die grammatischen Kategorien weitgehend unverändert und kontextuelle Implikationen werden nicht expliziert. Bei bedeutungsorientierten Übersetzungen strebt der Übersetzer nicht nach Beibehaltung der sprachlichen Form, sondern er möchte die durch die Sprache kodierte Bedeutung des Originals wiedergeben. Auch hier wird die kontextuelle Implikation nicht explizit gemacht. Bei interpretationsorientierten Übersetzungen möchte der Übersetzer die kontextuelle Implikation des Originals wiedergeben. Bei dieser Übersetzungsmethode ist das Ausmaß der interpretativen Anstrengung des Lesers am geringsten. Für Bibelübersetzungen in missionarischen Kontexten benutzt man heutzutage 117 Vgl. Vries 2001, 308–312. Beim Übersetzungsvergleich wurde das Modell von Chesterman gebraucht, vgl. Chesterman 1997.
24
1. Einleitung
diese Methode, wenn man eine möglichst zugängliche Übersetzung herstellen möchte. In Bezug auf die Länge der zu vergleichenden Fragmente ist auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Repräsentierbarkeit und Realisierbarkeit geachtet worden. Auch wenn ein großer Teil der Übersetzungen des Korpus etwa 600 Seiten enthält, muss der Vergleich aus praktischen Gründen auf 150 Seiten, das heißt auf ein Viertel eines Textes beschränkt werden. Dabei wurden jeweils aus Vorlage und Übersetzung Abschnitte aus Anfang, Mitte und Ende einer Schrift mit einer Gesamtlänge von 150 Seiten ausgewählt und verglichen. Ausnahmen bilden Übersetzungen, die höchstens 150 Seiten zählen, und als Ganzes mit der Vorlage verglichen wurden, ferner Schriften mit mehr als 600 Seiten, wovon ebenfalls ein Viertel ausgewählt wurde. Aus Platzgründen werden in meiner Arbeit jeweils nur ein oder mehrere Fragmente aus Übersetzung und Vorlage präsentiert. Beim Vergleich von Vorlage und Übersetzung wurde, wenn möglich, die im Vergleich zu der Übersetzung zuletzt erschienene Auflage der Vorlage benutzt. Die englischen Originale wurden über die elektronische Datenbank Early English Books Online (EEBO) konsultiert. Die deutschen Übersetzungen werden ausschließlich mit der vom Übersetzer verwendeten Vorlage verglichen, auch wenn letztere eine – z. B. französische oder niederländische – Übersetzung des Originals ist.
1.6 Ertrag Diese interdisziplinär angelegte Arbeit will dezidiert zu verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen einen Beitrag leisten. Erstens kann sie einen Beitrag zur langwierigen Diskussion über die Definition des Pietismus liefern. Sie gibt Aufschluss über den Einfluss englischer und niederländischer Erbauungsliteratur auf den Pietismus sowie über den Zusammenhang zwischen Puritanismus, der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung, dem lutherischen und dem reformierten Pietismus in Deutschland. Auf einer höheren Ebene erlaubt diese Studie einen transnationalen und transkonfessionellen Vergleich der protestantischen Frömmigkeitsgeschichte in Westeuropa im 17. Jahrhundert. Sie zeigt, wie die frömmigkeitsgeschichtliche Forschung auf eine fruchtbare Weise biographische, netzwerkanalytische, buchwissenschaftliche, analytisch-bibliographische und übersetzungswissenschaftliche Methoden einsetzen und kombinieren kann. In einem größeren Zusammenhang ist diese Arbeit von kulturgeschichtlicher Relevanz. Sie bietet Einblick in den Prozess des kulturellen Austausches (cultural exchange[s]). Kultureller Austausch bezeichnet die Verbindung verschiedener Kulturen, die untereinander Objekte austauschen. Im Hinblick auf den
1.7 Gliederung25
Forschungsgegenstand funktionieren Übersetzungen als Medien des Austausches.118 In der Forschung wird der Begriff „kulturelle Übersetzung“ gebraucht, der die Annäherung an etwas Fremdes (Dekontextualisierung) und die Adaption des ausgetauschten Objektes (Rekontextualisierung) beinhaltet.119 Die übersetzungsgeschichtliche Forschung hat frühneuzeitlichen Übersetzungen belletristischer Texte viel Aufmerksamkeit geschenkt. Anders verhält es sich mit der Erforschung von Übersetzungen als Vermittler von Ideen in der Frühen Neuzeit.120 Dieses Thema ist noch wenig untersucht. Somit kann die übersetzungswissenschaftliche Komponente dieser Arbeit die Übersetzungsgeschichte vorantreiben. Mit der Untersuchung der Rolle von Netzwerken im Hinblick auf Frömmigkeitsrichtungen in der Frühen Neuzeit schließt diese Arbeit eine Forschungslücke.121
1.7 Gliederung Das nächste Kapitel enthält eine allgemeine Einführung in die Thematik. Auf Grundlage der Forschungsliteratur werden Voraussetzungen, Entwicklungen und Wirkungen der Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur in Deutschland im 17. und im frühen 18. Jahrhundert dargestellt. In den darauffolgenden Kapiteln werden die Biographien und Übersetzungen der jeweiligen Übersetzer vorgestellt: Johannes Duysing (3), Johann Deusing (4), Philipp Erberfeld (5), Johann Christoph Noltenius (6) und Henning Koch (7). An erster Stelle steht die Biographie von Duysing, weil sich seine Biographie teilweise mit dem Leben Undereycks überschneidet, was für die Hintergründe seiner Übersetzungsarbeit eine große Rolle spielt. Fortgefahren wird mit Duysings Namensbruder Deusing und Erberfeld, deren Übersetzungen ebenfalls durch Undereyck angeregt wurden. Das Kapitel über Noltenius behandelt, ergänzend zu Erberfelds Übersetzungen, eine weitere Saldenus-Übersetzung. Nach diesen reformierten Übersetzern werden schließlich der Lutheraner Henning Koch und seine Übersetzungsarbeiten vorgestellt. In diesen Kapiteln werden zunächst die Biographien der Übersetzer, dann ihre Übersetzungen (in chronologischer Folge) vorgestellt. Dabei werden jeweils die Widmungen, die Vorreden, der Inhalt, die Übersetzungsmethode und die Editionsgeschichte behandelt. Den Kapiteln zu den Übersetzern folgt ein weiteres Kapitel mit Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen (8).122 In 118
Vgl. Burke 2009. Vgl. Burke 2005, 4; Burke 2009, 70 f. 120 Vgl. Burke/Po-chia Hsia 2007. 121 Vgl. Lehmann 2010, 152 f. 122 In Einzelfällen kann aber schon in den einzelnen Kapiteln darauf vorausgegriffen werden, und zwar dann, wenn die Behandlung im betreffenden Kapitel notwendig erscheint. 119
26
1. Einleitung
einem abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst und die Teilfragen beantwortet. Es folgen zwei Anhänge. Der erste verzeichnet die Schriften und Beiträge der Übersetzer, die nicht deutsche Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur sind. Der zweite bietet als Ergänzung des Kapitels über Duysing eine Übersicht der Bremer Ratsmitglieder. Danach folgen die Bibliographie der in der Studie untersuchten Übersetzungen, die Auflagen, Ausgaben und Exemplare und die Bibliographie der Sekundärliteratur.
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche im 17. und im frühen 18. Jahrhundert 2.1 Übersetzungen: Zahlen und Fakten Während des 17. Jahrhunderts erschienen op ’t Hof zufolge mindestens 160 puritanische Schriften in deutscher Übersetzung, woran mindestens 65 Übersetzer gearbeitet haben.1 McKenzie kommt für den Zeitraum seit der Reformation bis 1750 auf eine Gesamtzahl von 690 deutschen Übersetzungen englischer religiöser, größtenteils erbaulicher (aber nicht ausschließlich puritanischer) Schriften und zählt rund 1700 Auflagen.2 Die Übersetzung niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche hat op ’t Hof ebenfalls auf quantitative Weise analysiert. Zwischen 1600 und 1800 erschienen in Deutschland 154 und in der Schweiz 26 Übersetzungen. 56 beziehungsweise 14 dieser Schriften sind dem Umkreis der Nadere Reformatie zuzuordnen und nur zwei davon sind Reformprogramme.3 Zum Vergleich wird diesen Zahlen die Gesamtzahl der Buchproduktion gegenübergestellt: für den deutschen Sprachraum im 17. Jahrhundert beläuft diese sich auf etwa 265.000 noch erhaltene Werke.4 Anhand dieser Zahlen ist es möglich, den Anteil der deutschen Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsbücher an der Gesamtproduktion von Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt im deutschen Sprachraum in diesem Jahrhundert zu schätzen. Für die englische Erbauungsliteratur ergibt das etwa 0,26 Prozent, für die niederländische Erbauungsliteratur 0,067 Prozent. Insgesamt machten die Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur einen 0,33-prozentigen Anteil aller Buchproduktionen aus. Auch wenn dieser Anteil gering erscheint, ist zu berücksichtigen, dass religiöse Schriften einem relativ breiten Lesepublikum zugänglich waren (s. unten). 1
Vgl. Hof 2001a, 348. Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 319. 3 Vgl. Hof 1998a, 181. Die Reformprogramme sind: Jacobus Koelman, Reformation betreffend die Fest-Tage, in der reformirten Kirch, höchstnöthig (1683) und Jodocus van Lodenstein, Heller Reformations-Spiegel (1733). 4 Vgl. Wittmann 1999, 82 f. 2
28
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
Die wenigen originalen lutherischen Schriften wurden öfter verlegt als die englischen Erbauungsbücher, was McKenzie anhand einiger Zahlen illustriert hat. Bayly zählt mehr als 68, Sonthom mehr als 48, Hall mehr als 61 und Dyke mehr als 20 Auflagen. Von William Perkins wurden mehr als 20 Schriften übersetzt, mehr als 31 von Hall, ebenfalls mehr als 31 von Baxter, die jeweils in noch größeren Auflagen publiziert wurden.5 Zum Vergleich werden die Auflagenzahlen einiger anderer Erbauungsbücher, die im deutschen Sprachraum ebenfalls erfolgreich waren, angeführt. Christian Scrivers6 (1629–93) Seelenschatz (1675– 92, 5 Bde.) erreichte bis 1740 19 Auflagen, Thomas von Kempens De imitatione Christi in deutscher Übersetzung von 1600 bis 1700 27 Auflagen und Heinrich Müllers (1631–75) Himmlischer Liebeskuß (1659) bis 1740 29 Auflagen7. Die Auflagenzahlen deutscher Übersetzungen englischer Erbauungsbücher wurden von Arndts Wahres Christentum noch weit übertroffen, das 1605 bis 1740 nicht weniger als 95mal auf Deutsch erschien.8 Auch niederländische Erbauungsbücher wurden in Deutschland rezipiert, allerdings in viel kleinerem Ausmaß. Niederländische Erbauungsbücher (im Original oder in deutscher Übersetzung) tauchten vereinzelt in deutschen Bibliographien englischer Erbauungsliteratur auf.9 Speners anfänglich enger Mitarbeiter Johann Jakob Schütz (1640–90) hat eine deutsche Ausgabe der Disputation des Utrechter Theologieprofessors Gisbert Voetius über das Konventikel besorgt und diese vielleicht selbst ins Deutsche übersetzt. Anzunehmen ist, dass die Schrift einen sehr großen Einfluss auf die Entstehung des Frankfurter Collegium Pietatis hatte.10 Der radikale Pietist Gottfried Arnold11 (1666–1714) fügte um 1700 Lodensteins Predigt über Ezechiel 37,7–8 einem Band hinzu, der zwei seiner Schriften enthält. An anderer Stelle ergänzte er ein Lied Lodensteins.12 Am Niederrhein und in Nordwestdeutschland las man Erbauungsbücher in niederländischer Sprache, entweder Originale oder auch Übersetzungen englischer Schriften.13 Für die Übersetzung englischer Erbauungsliteratur ins Deutsche sind mit Sträter vier Phasen zu unterscheiden,14 die hier zusammengefasst dargestellt 5
Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 319 f. Vgl. zu ihm: H. Müller 2005. 7 Vgl. Strom 1999, 696. 8 Vgl. Lehmann 1980, 115 f. 9 Vgl. Sträter 1987, 42. 10 Vgl. A. Deppermann 2002, 97 f. Das lateinische Original beeinflusste auch die Sichtweise des Pietisten Johann Wincklers (1642–1705) von Collegia pietatis, vgl. Tietz 2008, 257–261. Der Gothaer Gymnasialrektor Gottfried Vockerodt (1665–1727) lehnte Theater, Tanz und Opern mit einer Berufung auf die Puritaner und Voetius ab, vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 309. 11 Vgl. Raupp 2002. 12 Vgl. Exalto 2005, 22. 13 Vgl. Renkewitz 1969, 303; J. F. G. Goeters 1993, 242. 14 Die Übersetzung niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche wurde noch niemals auf qualitative Weise analysiert. Hier sei auf IÖB verwiesen. 6
2.1 Übersetzungen: Zahlen und Fakten29
und um neue Einsichten ergänzt werden. In der ersten Phase15 (1601–30) entstanden ab 1601 in den reformierten Territorien in Deutschland (zuvor schon in der Schweiz), die Verbindungen zum reformierten England hatten, lateinische (1601) und deutsche (1602) Übersetzungen der Schriften von Perkins, zunächst akademischer, danach katechetischer und kasuistischer Art. Hier sind die Verleger Wilhelm und Peter Antonius in Hanau,16 sowie Levinus Hulsius’ Witwe und ihr Drucker Hieronymus Galler in Oppenheim17 zu nennen. Wilhelm und Peter Antonius hatten wahrscheinlich Kontakte zu englischen Buchhändlern und Verlegern. Außerdem ist zu vermuten, dass der Erfolg der Perkins-Schriften in den Niederlanden sie zur Übersetzung ins Deutsche angeregt hat. Graf Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg (1576–1612) lebte einige Zeit in England.18 In der zweiten Phase19 (1630–60) differenzierte sich das Spektrum der Autoren. In dieser Periode erschienen die erfolgreichsten Übersetzungen: Bayly (ref. Basel 1628, luth. Lüneburg 1631), Sonthom (Frankfurt am Main 1628, luth. Lüneburg 1632), Halls Arte of divine meditation (ref. Basel 1631, luth. Lüneburg 1633; als zweiter Teil von Bayly) und Daniel Dykes Nosce te ipsum (Frankfurt 1636). Dass gerade in Lüneburg der Übergang von der reformierten zur lutherischen Konfession stattfand, ist mit der theologischen Prägung des Landes Braunschweig-Lüneburg zu erklären. Der Celler Generalsuperintendent Urbanus Rhegius (1489–1541) hatte ebenso wie Melanchthon, aber stärker als die orthodoxen lutherischen Theologen, die Notwendigkeit guter Werke als Frucht des Glaubens betont.20 Fast ein Jahrhundert später (1611–21) wirkte in dieser Gegend Johann Arndt.21 Bayly und Sonthom wurden wahrscheinlich von dem Braunschweiger lutherischen Pfarrer Justus Gesenius22 (1601–73), einem Reformtheologen und einem der bedeutendsten Schüler des irenischen Theologen Georg Calixt (1586–1656) aus Helmstedt, bearbeitet. In Straßburg erschienen die erwähnten Bestseller mit kirchlicher Approbation, vermutlich dank Speners Lehrer Johann Schmidt (1594–1658), der damit als erster orthodox-lutherischer Theologe der englischen Erbauungsliteratur offiziell Eingang in die lutherische Kirche verschaffte. Schmidt hatte in England studiert.23 In Straßburg gab es schon seit der Reformation enge Verbindungen zum englischen Protestantismus.24 15
Vgl. zu den nächsten Absätzen: Sträter 1987, 4–8; Hof 2001a, 348 f. Vgl. Benzing 1980. 17 Vgl. Benzing 1969. 18 Vgl. Leube 1924, 166 f. 19 Vgl. Sträter 1987, 8–10; Hof 2001a, 349 f. 20 Vgl. Krumwiede 1995, 132 f. Vgl. über die Lehrentwicklung der lutherischen Konfession von Luther bis zum Konkordienbuch (1580): Lohse 1998. 21 Vgl. Brecht 1993b, 134. 22 Vgl. Boetticher 2006. 23 Vgl. Wallmann 1986, 20–23; Brecht 1993b, 180 f. 24 Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 125. 16
30
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
Seit den vierziger Jahren erschienen Bayly und Sonthom und andere Übersetzungen auch bei dem erfolgreichen Verleger Endter25 in Nürnberg. In dieser Stadt überwog die melanchthonianische Tradition, die Konkordienformel (s. 1.1) war nicht angenommen worden.26 Nürnberger Dichter wie Georg Philipp Harsdörffer (1607–58) entdeckten die literarische Qualität der Schriften Joseph Halls und anderer englischer Autoren, die sie schließlich übersetzten und imitierten. Spuren der Rezeption von englischer Erbauungsliteratur sind seit etwa 1630 bei reformbestrebten, orthodoxen lutherischen Theologen in Deutschland in Fragen zur Sonntagsheiligung, Meditation, Kirchenzucht, Notwendigkeit guter Werke und Gewissenserforschung zu finden.27 In der zweiten Phase gab es auch unter Reformierten intensive Bemühungen um die Übersetzung englischer Erbauungsliteratur ins Deutsche. Damit verfolgte man wohl das Ziel, dem Mangel an eigener Erbauungsliteratur entgegenzuwirken. Deutsche Erbauungsliteratur wurde erst seit den siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts populär, insbesondere durch die Schriften Theodor Undereycks, der als Theologe und Pfarrer übrigens stark durch englische und niederländische Erbauungsliteratur beeinflusst wurde.28 Dieses Defizit ist in der Forschung durch die Folgen des Dreißigjährigen Krieges erklärt worden. Dieser habe zu einem Mangel an Mitteln und Anregung zum Schreiben geführt. Durch den Krieg hätten zudem viele ihr Interesse am christlichen Glauben verloren.29 Ein verlorenes Interesse am christlichen Glauben kann jedoch nicht generalisiert werden, jedenfalls nicht wenn das Interesse an englischer Erbauungsliteratur berücksichtigt wird. Erstens erschienen im Zeitraum von 1600 bis 1650 die meisten deutschen Übersetzungen dieser Gattung.30 Zweitens bemühten sich gerade die vom Krieg betroffenen, kurpfälzischen reformierten Migranten darum, englische Erbauungsliteratur für Deutschland zu erschließen. Übersetzer aus diesem Netzwerk sind Streithagen und Haak.31 Die Pfälzer setzten sich sogar für die Zusammenstellung eines Kompendiums über die praxis pietatis ein, wofür sie sich 1633 an die Church of England wandten.32 Das Defizit an eigener Erbauungsliteratur unter den Reformierten in Deutschland ist wohl eher aus der intensiven Beschäftigung vieler Theologen mit der systematischen und polemischen 25
Vgl. Wittmann 1999, 95. Vgl. Weigelt 1994, 703. 27 Vgl. Brecht 1993b, 170–187. 28 Vgl. für diesen Aufsatz im Allgemeinen Sträter 1987, 38–43. 29 Vgl. Sträter 1987: 40–42. 30 Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 212. Nicht mitgezählt sind die Schriften von Perkins, Parsons und Arthur Dent. 31 Vgl. Kamp 2012b. 32 Vgl. John Dury, An earnest plea for gospel-communion in the way of godliness, which is sued for by the protestant churches of Germanie, unto the churches of Great Brittaine and Ireland, London, Richard Wodnothe, 1654 (Wing [2. Aufl., 1994], D2856). 26
2.1 Übersetzungen: Zahlen und Fakten31
Theologie im Rahmen des reformierten Konfessionalisierungsprozesses zu verstehen, der erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts seinen Anfang nahm. Die dritte Phase33 (1660–90) gilt als die „Massenphase“. Neue Autoren und neue Verleger (aus Nord-, Ost- und Mitteldeutschland:34 Wittenberg, Hamburg, Königsberg, Helmstedt, Frankfurt am Main) kamen hinzu. Die in diesen Städten ansässigen lutherischen Verlage griffen nicht mehr auf reformierte Vorlagen zurück, sondern fanden eigene Zugänge zu den Quellen. Die zunehmende Konkurrenz bei relativ starker Nachfrage führte zu zahlreichen Mehrfachübersetzungen, die nicht konfessionell motiviert waren, sondern beispielsweise irrtümlich als Erstübersetzungen gedacht waren, oder die eine bessere Übersetzung des Originals bieten sollten. Dabei traten auch Übersetzer auf, deren Arbeit keine hohe Qualität hatte. Wegen der starken Nachfrage werden auch diese Übersetzungen Abnehmer gefunden haben. Als bekannt wurde, dass in den benachbarten Niederlanden bereits eine große Zahl englischer Erbauungsbücher in niederländischer Übersetzung vorhanden war, ersparten viele sich die Mühe, die englische Sprache zu lernen. In der vierten Phase,35 die 1690 begann, stieg sowohl in Deutschland als auch in England das Wissen über die kirchliche und theologische Entwicklung des jeweils anderen Landes und die Zahl der privaten und offiziellen Kontakte zwischen deutschen und englischen Theologen. Man fing an, die Bestände in gedruckten Katalogen und Bibliographien zu erfassen, in Zeitschriften erschienen Fragmente und Rezensionen.36 Es gab ein lebhaftes Interesse für die englische Predigt, deren biblische Fundierung, rhetorische Schlichtheit und praktischen Charakter man in Deutschland sehr schätzte. Dies führte zu vielbändigen Ausgaben englischer Kanzelreden. Da überwiegend ethisch interessierte Predigten und Traktate englischer Latitudinarier37 übersetzt wurden, verfolgte man eine aufgeklärte Theologie, der auch ältere Übersetzungen englischer Erbauungsbücher angepasst wurden. Auch die antideistische und allgemein apologetische englische Literatur fand ihren Weg nach Deutschland, obwohl die in diesen Schriften geführte Polemik noch nicht alle deutschen Territorien erreicht hatte. Schließlich wurden in dieser Periode auch die Schriften von englischen Schülern des deutschen Mystikers Jakob Böhme (1575–1624) wie Thomas Bromley (1629–91), John Pordage (1607–81) und Jane Leade (1623–1704), die 1697 die ökumenische Philadelphian Society gründete, ins Deutsche übersetzt. 33
Vgl. Sträter 1987, 10–18; Hof 2001a, 350. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nahm in den Verlagsorten aus diesen Gebieten die Buchproduktion zu, vgl. Wittmann 1999, 96. 35 Vgl. Sträter 1987, 18–24; McKenzie 1984, Bd. 1, 218–220, 258–261. 36 Vgl. dazu auch Lächele 2006, 191–203. 37 Der Latitudinarismus war eine im 17. Jahrhundert entstandene Richtung innerhalb der Church of England mit konfessioneller Toleranz und Offenheit gegenüber den Einsichten der modernen Wissenschaft. Damit war sie ein Gegner des Puritanismus, vlg. Carter 2002. 34
32
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
2.2 Voraussetzungen für die Popularität englischer und niederländischer Erbauungsliteratur in Deutschland In der Forschungsliteratur wurden verschiedene Theorien zur Erklärung der zunehmenden Thematisierung der Frömmigkeit im Allgemeinen und des Aufstiegs der Gattung der Erbauungsliteratur, insbesondere in Westeuropa und im deutschen Sprachraum im 17. Jahrhundert, vorgestellt.38 Darunter sind die Theorie der „Frömmigkeitskrise“ von W. Zeller39 und die „Krisentheorie“ von H. Lehmann u. a.40 am bekanntesten. Obwohl die einzelnen Theorien sich voneinander unterscheiden, stimmen die meisten darin überein, dass sie die Manifestation von Missständen und Sünden in Gesellschaft und Kirche beziehungsweise das Auseinanderklaffen von Lehre und Leben bei den Gläubigen als Krise der Frömmigkeit bezeichnen. Ausgehend von den Schriften stellte U. Sträter das kirchenkritische und reformbestrebte Element der deutschen Erbauungsliteratur des 17. Jahrhunderts in den Mittelpunkt. Außerdem beschränkte er die Klage über den Mangel an Frömmigkeit auf die Theologen- und Pfarrerschaft. Sträter spricht deshalb nicht von einer allgemeinen, alle Schichten der Bevölkerung umfassenden „Krise im Herzen der Frommen“, sondern von einer „Krise der Kirche“.41 Die Betonung des kirchenkritischen und reformbestrebten Charakters der deutschen Erbauungsliteratur des 17. Jahrhunderts scheint berechtigt zu sein. Die frühneuzeitlichen Schriften betreffen hauptsächlich die gebildeten Kreise. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nur die Theologen über den Mangel an Frömmigkeit klagten, und nicht auch die Mitglieder der Gemeinde. 38 Eine gute Übersicht und Diskussion der verschiedenen Theorien bietet Sträter 1995, 9–33. 39 Vgl. Zeller 1962; Zeller 1978. 40 Vgl. Behringer u. a. 2005; Lehmann 2007. Dieser Theorie zufolge werden die „Krisen des 17. Jahrhunderts“ als Nährboden der Frömmigkeitsbestrebungen im weitesten Sinn in Gesamteuropa betrachtet. Physikalische, ökologische, biologische, demographische, wirtschaftliche und politische Katastrophen werden als Strafen Gottes für die Sünden der Menschen aufgefasst. Erbauungsliteratur und andere frömmigkeitsfördernde Mittel hatten die Funktion, zur Buße aufzufordern. Als Ursprung der Krisen wird die kleine Eiszeit, eine Abwechslung von extremer Hitze und Kälte, die im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert zu einer Krisenperiode geführt hat, gesehen. Sprach diese Theorie anfänglich noch im Singular von einer Krise, ist heute von mehreren Katastrophen die Rede. Betonte die Theorie zunächst die Funktion der Erbauungsliteratur, nämlich Trost angesichts der äußeren Not und Angst, steht heute die Aufforderung zur Buße im Vordergrund. Lehmanns Theorie hat keine allgemeine Gültigkeit. Das Aufkommen der Nadere Reformatie in den Niederlanden liefert ein Gegenbeispiel. Zwar haben Vertreter dieser Bewegung immer wieder zur Buße angesichts von Kriegen im In- und Ausland aufgerufen, aber die Bewegung kam nicht in Kriegszeiten, sondern in der Zeit eines zwolfjährigen Friedensvertrages zwischen Spanien und den niederländischen Generalstaaten (1609–21) auf, vgl. Hof 2008a, 83–239. 41 Vgl. Sträter 1987, 115 f.; Sträter 1995, 30–33; das Zitat: Sträter 1987, 116.
2.3 Voraussetzungen für die Übersetzung von Erbauungsliteratur ins Deutsche33
Versucht man für die Attraktivität englischer Erbauungsliteratur eine Erklärung zu finden, dann ist auf die durchrationalisierte und effiziente Operationalisierung des Frömmigkeitsideals hinzuweisen. Es wurden konkrete Schritte vorgeschrieben, die auf dem Weg zur Bekehrung und Heiligung eingehalten werden mussten, und anhand dieser man seinen eigenen Fortschritt erkennen konnte. Dabei knüpften die Autoren an moderne Konzepte verschiedener Disziplinen an, zum Beispiel an die Lehre von der Anatomie und an Methoden der Diagnose und Therapie seelischer Zustände.42 Auch wenn englische puritanische Theologen die römisch-katholischen Theologen bekämpften, eigneten sie sich im Bereich der Erbauung vorreformatorische und auch zeitgenössische römisch-katholische Inhalte, Elemente und Methoden aus deren Schriften an. Literatur, die auf strukturierte Weise zur Frömmigkeit anleitete, war unter Protestanten beziehungsweise Reformierten rar gesät, weshalb protestantische Leser auf vorreformatorische oder zeitgenössische römisch-katholische Schriften zurückgriffen. Puritanische Theologen hatten aber Schwierigkeiten mit dem dogmatischen Rahmen dieser Schriften, sodass sie diese im reformierten Sinne überarbeiteten. Daraus entstanden Schriften, mit denen Protestanten sowohl in inhaltlicher als auch in formaler Hinsicht vertraut waren, was die Attraktivität und Popularität der Texte und ihrer Bearbeitung erhöhte.43 Eine wichtige Gattung der englischen Erbauungsliteratur, die godly living handbooks, die zur religiösen Strukturierung des Alltags dienten, wurde vermutlich erst durch die deutsche Übersetzung von Baylys Buch in die lutherische Konfession in Deutschland eingeführt. Anzunehmen ist, dass dadurch ein Defizit in der heimischen lutherischen Erbauungsliteratur in der Tradition von Johann Arndt ausgeglichen wurde.44 Die Popularität niederländischer Erbauungsliteratur wird durch die gleichen Voraussetzungen bedingt gewesen sein, war diese ja weitgehend von der englischen Literatur geprägt.
2.3 Voraussetzungen für die Übersetzung englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche Die Übersetzung englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche war durch eine Reihe von Voraussetzungen bedingt. Hier ist zunächst auf sprachliche Voraussetzungen hinzuweisen. Sowohl der englischen als auch der niederländischen Sprache wurde von deutschen Dichtern des 17. Jahrhunderts eine hohe Wertschätzung entgegengebracht. Man betrachtete die englische Sprache als qualitativ hochwertiger als die eigene und fing an, zur Bereicherung der 42
Vgl. Sträter 1987, 116–123. Vgl. Sträter 1987, 115–123; Hof 2001a, 375–378; Hof 2006b. 44 Vgl. Kamp 2011. 43
34
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
eigenen Sprache die ausländischen Vorbilder zu imitieren.45 Dichter wie Harsdörffer (1607–58) aus Nürnberg sowie Andreas Gryphius (1616–64) aus Schlesien beteiligten sich an der Übersetzung englischer Erbauungsliteratur.46 Die Niederlande wurden von vielen deutschen Dichtern und Gelehrten bereist, die dort die niederländische Sprache lernten.47 Am Anfang des 17. Jahrhunderts beherrschten noch sehr wenige Deutsche das Englische.48 Vermutlich hat der Aufstieg englischer Erbauungsliteratur in Deutschland das Interesse an der englischen Sprache gesteigert. Anders stand es mit der Beherrschung der niederländischen Sprache, da sich die gesprochenen Sprachen in Deutschland und den Niederlanden ähnelten. Die Dialekte zwischen Duinkerken im Westen und Königsberg im Osten bildeten eine relative Einheit. Am Niederrhein waren die Ähnlichkeiten auch in der Schriftsprache sehr groß. Darüber hinaus gebrauchte man in Deutschland gelegentlich das Niederländische – vor allem in den Grenzregionen –, insbesondere im Handel sowie in Verwaltung, Kirche und Schulen. Außerdem beeinflusste das Niederländische deutsche Dialekte.49 Auf juristischer Ebene war die Zensur ein wichtiges Thema, waren doch Manuskripte theologischer Bücher in Deutschland bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts einer strengen Zensur durch die Landesregierung unterworfen. Bücher wurden dabei jeweils nach der Konfession des Landes geprüft. Der Zensurapparat konnte taktisch klug umgangen werden, zum Beispiel durch eine entsprechend angepasste Interpretation der Zensurbestimmungen, durch Sonderrechte des Autors oder durch die Veröffentlichung in einem anderen deutschen Territorium oder im Ausland. Auch die Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Aufsichtsinstanzen, Kompetenzstreitigkeiten und Vetternwirtschaft spielten hierbei eine maßgebliche Rolle. Neben der territorialen Zensur gab es auch strikte Zensurverfahren auf der Frankfurter Buchmesse, die von Bücherkommissaren des römisch-katholischen Kaisers des Heiligen Römischen Reiches durchgeführt wurden. Auch in Frankfurt begegnete man der Zensur mit systematischem Widerstand, zum Beispiel indem man Bücher nicht registrierte, keine Belegexemplare lieferte und auferlegte Strafen ignorierte.50 Es gibt mehrere Beispiele, die belegen, dass die Zensur die Veröffentlichung deutscher Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur beeinflusst hat. Erstens wurde der Übersetzer zuweilen nicht auf dem Titelblatt von Bayly und Sonthom angegeben. Zweitens wurden einige reformierte Verleger und Drucker aus Frankfurt ausgewiesen (s. unten). In der Übersetzung 45
Vgl. Sträter 1987, 25; Gleixner 2008, bes. 7–10. Vgl. Sträter 1987, 10, 90–101; McKenzie 1984, Bd. 1, 76 f.; Damrau 2006, 71–74. 47 Vgl. Bornemann 1976, 49–57. 48 Vgl. Sträter 1987, 25 f. 49 Vgl. Kremer 1983; Smet 2004. 50 Vgl. H.‑J. Schrader 1989, 111–123; Wittmann 1999, 93. 46
2.3 Voraussetzungen für die Übersetzung von Erbauungsliteratur ins Deutsche35
einer Schrift des William Ames (1576–1633), Von dem Recht deß Gewissens, und desselben begebenden Fällen (Nürnberg 1654), wurden einige wichtige Stellen durch die geistliche Zensur der lutherischen Kirche entfernt.51 Schließlich gibt es ein Beispiel, das ein positives Ergebnis der Zensur aufzeigt: die Approbation und Duldung von Bayly und Sonthom in Straßburg (s. unten). Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts kehrten sich die protestantischen Buchhändler aus Nord- und Mitteldeutschland immer mehr von der Frankfurter Buchmesse ab, die vom Kaiser bevormundet wurde und als Zentrum des oberdeutsch-katholischen Büchermarktes galt. Sie versammelten sich seitdem auf der Buchmesse in Leipzig. Die hier anwesenden kursächsischen Bücherkommissare förderten den protestantischen und besonders den einheimischen sächsischen Buchhandel.52 Dies hatte sicherlich in einigen Fällen positive Effekte auf die Rezeption englischer und niederländischer Erbauungsliteratur, obwohl orthodoxe lutherische Theologen aus Sachsen die Rezeption dieser Literatur auch gehemmt haben könnten. Eine dritte Voraussetzung war die Distribution durch den Buchhandel und durch Einzelpersonen. Der Buchhandel in Deutschland funktionierte nach dem Prinzip des Tauschhandels.53 Auf den Messen in Frankfurt und Leipzig tauschten die einzelnen Verlage alle Neuerscheinungen, und zwar ohne den Textinhalten Beachtung zu schenken; getauscht wurde auf der Basis eines gleichen Papierwertes. Jeder Buchhändler, der an diesem Markt teilnehmen wollte, musste zugleich Verleger und Sortimenter sein. Diese Methode ermöglichte zwar eine Distribution zu den entferntesten Interessenten, sie hatte aber auch große Nachteile. Die Schriften entsprachen oft nicht den Wünschen des Publikums und waren entsprechend schwer zu verkaufen. So waren die Geschäfte überladen mit veralteten Büchern.54 Die deutschen Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur waren, wie andere Bücher auch, sowohl den Vorteilen als auch den Nachteilen dieses Systems ausgesetzt. Eine letzte Voraussetzung ist die Lesefähigkeit. Diese war im 17. und am Anfang des 18. Jahrhunderts noch nicht weit verbreitet, weil die Schulpflicht oft nicht erfüllt wurde. Das gesamte Lesepublikum schätzt man für die Zeit um 1700 auf 100 000 Personen. Die Akademiker und die Oberschichten, die etwa fünf Prozent des gesamten Lesepublikums ausmachten, lasen literarische Werke. Ein etwas größerer Anteil, zu denen auch der Mittelstand gehörte, las religiöse Schriften. In den Kreisen des Pietismus, in denen englische und niederländische 51
Vgl. Brauer 1907, 141, Anm. 2. Vgl. Wittmann 1999, 94. 53 Dies war eine Lösung der Probleme, die durch das wirtschaftspolitische Konzept des Kameralismus (oder: Merkantilismus) entstanden waren. Demzufolge strebte der Staat nach hohen Exporten und niedrigen Importen und er intervenierte und dirigierte die Wirtschaft. Dies brachte für den Buchhandel in Deutschland große Schwierigkeiten mit sich, weil dieser seit jeher auf Grenzüberschreitung angewiesen war, vgl. Wittmann 1999, 98 f. 54 Vgl. Wittmann 1999, 98–105. 52
36
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
Erbauungsliteratur gelesen wurde (s. unten), las man mehr Bücher als in anderen Kreisen.55 Die Lektüre englischer und niederländischer Erbauungsliteratur dürfte von der Bildung der Leser und vom Niveau, Umfang und Preis der Schriften abhängig gewesen sein.
2.4 Vermittlungswege englischer und niederländischer Erbauungsliteratur nach Deutschland Seit der Zeit des Humanismus gab es akademische Kontakte zwischen England und Deutschland.56 Seit der Reformation gab es kirchliche, theologische und religiöse Kontakte. Beispiele für diese Kontakte finden sich in der Berufung des Straßburger Theologen Martin Bucer (1491–1555) nach Cambridge im Jahre 1548 und im Austausch von theologischer Literatur, wozu die Übersetzungen von Luthers Schriften ins Englische und von englischen theologischen und martyrologischen Schriften ins Deutsche zählen.57 Deutsche Kaufleute versammelten sich seit dem Mittelalter in London in eigenen Gottesdiensten. Gelehrte aus ganz Europa tauschten sich über eine universelle Reformation aus. Von besonderer Bedeutung waren die Netzwerke des tschechischen Pädagogen Jan Amos Comenius (1592–1670), des schottischen Theologen John Durie58 (1596–1680) und des aus Elbing in Preußen stammenden Samuel Hartlib59 (ca. 1600–62). Letzerer betreute ein Korrespondenznetzwerk. Die Gelehrten aus diesem Netzwerk waren gemeinsam auf der Suche nach Logik, einem allgemeinen Prinzip, das die ganze Welt erklären sollte. In diesen Netzwerken trafen unterschiedliche Schwerpunkte aufeinander: Chiliasmus, die Versöhnung zwischen den protestantischen Konfessionen, die Bekehrung der Juden, praxisorientierte Unterrichtsmethoden und eine experimentelle Wissenschaft. Nicht alle Korrespondenten teilten diese Ideale. 55
Vgl. Wittmann 1999, 113–119. für die Verbindungen zwischen der angelsächsischen Welt und dem europäischen Kontinent in der Frühen Neuzeit: Patterson 1997; Clayton 2007. Vgl. über die Beziehungen zwischen England und Deutschland bis ins 18. Jahrhundert im Allgemeinen: Volle 1985; Birke 1987, 8–15. Weil es im Korpus der untersuchten Übersetzungen nur eine Schrift eines schottischen Autors (William Guthrie) gibt und die Zahl der deutschen Übersetzungen schottischer Erbauungsliteratur weit hinter der von Erbauungsliteratur englischer Autoren lag (vgl. Hof 2001a, 382), werden den Beziehungen, die Schottland und Deutschland in verschiedenen Bereichen pflegten, keine gesonderte Aufmerksamkeit geschenkt. Hingewiesen sei auf: Fischer 1972; Smout (Hrsg.) 1986; Murdoch (Hrsg.) 2001b; Grosjean/Murdoch (Hrsg.) 2005; Murdoch 2006; Kossert 2007; Murdoch 2007. 57 Vgl. für religiöse Verbindungen zwischen Deutschland und England bis ins 18. Jahrhundert: Hauck 1917, 1–67; Waterhouse 1914, 95; McKenzie 1984, Bd. 1, 102–106; Selling 1990, 12 f., 144–148; Kamp 2014. Vgl. für die Verbindungen zwischen dem Puritanismus und den reformierten Kirchen auf dem Kontinent: Milton 2008. 58 Vgl. Batten 1944; Popkin 1988; Young 2008; Léchot 2011. 59 Vgl. Greengrass u. a. (Hrsg.) 1994; Greengrass 2007. 56 Vgl.
2.4 Vermittlungswege englischer und niederländischer Erbauungsliteratur37
Durie reiste seit 1628 durch Deutschland und Nordwesteuropa und bemühte sich um die Versöhnung zwischen den protestantischen Konfessionen. Obwohl er ein Mann der Mitte war und sich nicht mit dem Puritanismus identifizieren wollte, stand er ihm dennoch nahe, und er wurde von Puritanern in seinem Bestreben unterstützt.60 In den von ihm benutzten Mitteln spielte die puritanische Erbauungsliteratur eine große Rolle. Als Mittel zur Versöhnung zwischen den Konfessionen betrachtete er nämlich unter anderem die Förderung der „practical divinity“ (praxis pietatis, Übung der Gottseligkeit). Er zielte auf eine Schwerpunktverlegung innerhalb der akademischen Theologie ab: von einer polemischen Theologie zu einer praktischen. In diesem Rahmen schlug er vor, Baylys Practice of Piety zusammen mit Arndts Wahres Christentum (1605–10), dem Credo, dem Vaterunser und dem Dekalog als Konfessionsgrundlage für eine vereinigte Kirche von Lutheranern und Reformierten zu gebrauchen.61 Auf dieser Ebene waren die Verbindungen zwischen den Niederlanden und den reformierten Territorien Deutschlands noch intensiver.62 Der Heidelberger Katechismus und einige liturgische Formulare wurden der kurpfälzischen Kirchenordnung (1563) entlehnt. Auf der Dordrechter Synode (1618/9) waren Theologen aus der Kurpfalz, Hessen, Nassau, Bremen und Emden vertreten. Vor allem in den Grenzregionen waren die Verbindungen intensiv. In dem Zeitraum von 1572 bis 1816 kamen acht bis zehn Prozent der reformierten Pfarrerschaft in den Niederlanden aus den reformierten Territorien Deutschlands, vor allem aus Ostfriesland, Bentheim, Lingen und Kleve. Namhafte Theologen der niederländischen Kirchengeschichte wie Johannes Bogerman (1576–1637) und Johannes Coccejus waren gebürtig aus Deutschland. In den Niederlanden gab es vier reformierte deutsche Pfarrstellen beziehungsweise Gemeinden, die in die niederländische reformierte Kirche eingegliedert waren, und zwar in Amsterdam, Den Haag, Leiden und Groningen. Von drei Pfarrern dieser Gemeinden ist bekannt, dass sie sich sehr intensiv mit englischer Erbauungsliteratur auseinandersetzten: Samuel Althusius (1600–69) in Leiden,63 Johannes Rulitius (1602–66) und Petrus Gribius (1602/3–66) in Amsterdam.64 Reformierte Theologiestudenten aus Deutschland besuchten seit dem Verlust ihrer theologischen Ausbildungsstätten Heidelberg und Marburg infolge des Dreißigjährigen Krieges immer häufiger niederländische Universitäten.65 60
Vgl. Grell 1989, 182–184. Vgl. Leube 1928, 237 f. 62 Vgl. dazu im Allgemeinen Lieburg 1996a, 191–239. Vgl. über die Verbindungen zwischen den Niederlanden und Deutschland in der Frühen Neuzeit in allerlei Bereichen: Jost/Zaunstöck (Hrsg.) 2012. 63 Vgl. Kamp 2015c. 64 Vgl. Kamp 2012b. Vgl. zu Gribius auch: Kamp 2015b. 65 Vgl. Schneppen 1960, 83 f. 61
38
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
In diesem Zusammenhang muss auch auf die Ansiedlung reformierter Konfessionsmigranten aus England und den südlichen Niederlanden in Deutschland seit den 1540er Jahren hingewiesen werden. In den deutschen Handelsstädten entstanden an großen Flüssen wie dem Rhein, dem Main und der Elbe Siedlungen von Migranten, die sich zu englischen, wallonischen und niederländischen Gemeinden zusammenschlossen. Auch wenn die Integration der Migranten nicht immer erfolgreich gelingen konnte,66 haben sie und ihre Nachkommen dazu beigetragen, englische und niederländische theologische und erbauliche Literatur in Deutschland zu verbreiten.67 Zwei niederländische Pfarrer, Isaac Genius (?–1644) und Christophorus Berbrandus (vor 1568-nach 1605), waren als Übersetzer englischer Erbauungsliteratur für den Hanauer Drucker Wilhelm Antonius tätig.68 Im 17. und im frühen 18. Jahrhundert war England unter deutschen Studenten, vor allem unter Studenten der Theologie, ein beliebtes Reiseziel.69 Dabei waren die Grenzen zwischen geistes- und naturwissenschaftlichen Interessen fließend. Man besuchte Theologen und Kirchengemeinden, Gelehrte, Philologen und Sprachwissenschaftler, Universitäten und Bibliotheken wie die Bodleyan Library in Oxford, und man entdeckte die neue Experimental- oder Naturphilosophie. Diese neue Disziplin erreichte in England in der Royal Society of London for the Improvement of Natural Knowledge ihren Höhepunkt. Über das Netzwerk dieser Gesellschaft tauschte man sich über nationale, politische und religiöse Schranken hinweg über Erkenntnisse über die Natur aus. In Empfang genommen wurden die deutschen Englandreisenden oft von Deutschen, die in England lebten, wie zum Beispiel Samuel Hartlib, Theodor Haak (s. 1.3) und Henry Oldenburg (1618–77). Diese Englandreisen, die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts immer beliebter wurden, ebneten den Weg für die im 18. Jahrhundert in Deutschland aufkommende Anglophilie. Viele der Reisenden entwickelten Interesse an der englischen Erbauungsliteratur und/oder an den Übersetzungen. So zum Beispiel Bernhardus Nicaeus Ancumanus, Theodor Haak, Martin Kempe und Peter Streithagen (s. 1.3) sowie Christoph (1627–85) und Andreas (1656–94) Arnold aus Nürnberg, die sich viele englische Erbauungsbücher beschafften.70 Ebenso zu nennen sind der Hall-Übersetzer Heinrich Schmettau71 (1628–1704) aus Schlesien, Theodor Un66 Vgl. Roosbroeck 1968; Norwood 1969, Bd. 1, 272–280, 309–329, 338–351, 370–387, 392– 396; Schilling 1972. 67 Vgl. Spirgatis 1902, 39. 68 Vgl. Hof 1987, 444–449, 564 f. 69 Vgl. über deutsche Reisende nach England: Waterhouse 1914, 1–3; Robson-Scott 1953; Selling 1990. Vgl. im Allgemeinen über Deutsche Besucher und Migranten in England bis ins 18. Jahrhundert: Panayi 1996a; Esser 1996. Das englische Interesse in Deutschland entstand erst im 18. Jahrhundert, vgl. Selling 1990, 212 f. Vgl. über deutsche Reisende in den Niederlanden: S. Schmidt 1963; Bientjes 1967; Lademacher 1996; Chales de Beaulieu 2000. 70 Vgl. Blom 1982. 71 Vgl. Thadden 1959, 186–188; Bahl 2001, 573 f.
2.4 Vermittlungswege englischer und niederländischer Erbauungsliteratur39
dereyck72 aus Duisburg, der ein Kompendium mit Zitaten aus englischen und niederländischen Erbauungsbüchern zusammenstellte, sowie die Baxter-Übersetzer Anton Brunsen73 (1641–93) aus Bremen und Johann Konrad Feuerlein74 (1656–1718) aus Eschenau, der später lutherischer Prediger war. Auch über Handelsverbindungen fand englische und niederländische Erbauungsliteratur ihren Weg nach Deutschland. Die Tuchhandelskompanie Merchant Adventurers hatte in verschiedenen deutschen Städten wie Emden, Stade und Hamburg Stapelplätze, wo man englische Kirchengemeinden bildete und englische Prediger berief.75 Ein englischer Kaufmann aus Stade, Emanuel Thomson, übersetzte die Schrift Güldenes Kleinot der Kinder Gottes (Frankfurt 1612) von Edmund Bunny unter dem Pseudonym Emanuel Sonthom ins Deutsche.76 Die Schriften von Ottho Casmann (1562–1607), Gymnasialrektor von Stade, zeigen starke Einflüsse von William Perkins. Vermutlich gelangten diese Einflüsse durch englische Kaufleute in die Stadt.77 1682 veröffentlichte der schottische Kaufmann Thomas Herwie in Königsberg ein Florilegium mit hundert Briefen des schottischen Theologen Samuel Rutherford (1600–61).78 Der Aufstieg Englands zur wichtigsten internationalen Handelsmacht in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird die Bedingungen für die Übersetzung englischer Erbauungsliteratur ins Deutsche begünstigt haben. Mit dem Aufkommen der Reformation, besonders aber nach der Heirat des Kurfürsten der Pfalz, des späteren Winterkönigs Friedrich V. (1596–1632) mit der schottisch-englischen Prinzessin Elisabeth Stuart (1596–1662), intensivierten sich die buchhändlerischen Beziehungen zwischen England und Deutschland. Die Zahl der englischen Messeartikel auf der Frankfurter Buchmesse, Europas Hauptumschlagplatz für internationale gelehrte und geistliche Literatur, stieg. Große englische Verlage waren auf der Messe präsent. Für die Zeit von 1561 bis 1620 sind 312 englischsprachige Bücher verzeichnet, unter ihnen mehrere puritanische Schriften.79 Durch den Dreißigjährigen Krieg wurde der internationale Charakter der Frankfurter Messe sehr geschwächt. Jedoch besuchten niederländische Verlage und Buchhändler, vor allem aus Amsterdam, die Messe nach dem Krieg weiterhin und übernahmen sogar die führende Position auf der Messe.80 72
Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 244–249; Jou 1994, bes. 178–184. Vgl. Thadden 1959, 191f; Bahl 2001, 441; Noack/Splett (Hrsg.) 1997ff, Bd. 4, 84–88. 74 Vgl. Selling 1990, 150 f., 296, Anm. 76, 357. 75 Vgl. Sprunger 1982, 14–29, 233–261. 76 Vgl. Höltgen 1982; McKenzie 1984, Bd. 1, 177–181; Sträter 1987, 67–76. 77 Vgl. Mahnke 1913; Mahnke 1914. Es gab auch Einfluss in umgekehrter Richtung: Casmanns Schriften wurden ins Englische übersetzt. Vermutlich haben die Puritaner die medizinische Terminologie und Methodologie (unter anderem) von Casmann übernommen, vgl. Hof 2001a, 343. 78 Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 255. Vgl. über Herwie: Fischer 1972, 191. 79 Vgl. Spirgatis 1902; A. Dietz 1970–1973, Bd. 3, 73 f., 116 f. 80 Vgl. Bornemann 1976, 37–39; A. Dietz 1970–1973, Bd. 3, 117; Wittmann 1999, 84. 73
40
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
Auch politische Beziehungen konnten indirekt den Weg für Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur ins Deutsche ebnen. Nach der erwähnten englisch-pfälzischen Heirat intensivierten sich nicht nur die buchhändlerischen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Auch im Umfeld des pfälzischen Hofes gab es Bemühungen, englische Erbauungsliteratur in die Kurpfalz und nach Deutschland zu senden. Außer der Übersetzung von Einzeltiteln war die Aufstellung einer Systematik über die Praxis der Gottseligkeit ein Hauptanliegen. In dem Projekt spielten Haak und Streithagen sowie Durie als Unterstützer eine wichtige Rolle.81 Englische und schottische Regimente, Militärs und Diplomaten beteiligten sich am Dreißigjährigen Krieg, vor allem auf Seiten der protestantischen Armeen. Einige Kommandanten, zum Beispiel Sir Horace Vere (1565–1635), der 1620 mit einer Armee in die Pfalz geschickt wurde, waren eng verbunden mit führenden Puritanern und beschützten aus England geflohene puritanische Prediger.82
2.5 Produktion, Distribution und Rezeption Der Anteil der im 17. Jahrhundert erschienenen Direktübersetzungen beläuft sich Sträters Schätzung zufolge nur auf ein Drittel und stieg erst am Anfang des 18. Jahrhunderts infolge der Zunahme der Englischkentnisse an. Statt auf englische Originale griffen Übersetzer auf lateinische Fassungen zurück, die von Produzenten als „Export-Version“ angeboten oder von Seite der Rezipienten übersetzt wurden.83 Nach 1620 bediente man sich französischer Vorlagen84 – die französische Sprache war im 17. Jahrhundert in Europa das kulturelle Vorbild85 – und vor allem niederländischer Fassungen, die man schnell beschaffen konnte und deren Sprache für viele Deutsche gut zugänglich war (s. oben). Sträter zufolge war die Hälfte der deutschen Übersetzungen englischer Übersetzungsliteratur von einer niederländischen Fassung abhängig. Op ’t Hof ist vorsichtiger und schätzt, dass ihr Anteil ein Drittel bis maximal die Hälfte ausmacht.86 Übrigens wurde auf dem Titelblatt nicht immer die (richtige)Vorlage Vorlage angegeben.87
81
Vgl. Kamp 2012b. Vgl. Murdoch 2001a; Trim 2010. 83 Vgl. für die Rolle und Bedeutung von Übersetzungen ins Lateinische in der Frühen Neuzeit: Burke 2007b. 84 Vgl. Blassneck 1934; Graeber/R oche 1988. 85 Vgl. Zollna 2004, 3197. 86 Vgl. Sträter 1987, 29–31; Hof 1998a, 180, sowie Anm. 61; Hof 2001a, 350 f. 87 Vgl. Sträter 1987, 25–38. 82
2.5 Produktion, Distribution und Rezeption41
Sinngemäß waren die Niederlande also eine „Brücke“, über die englische Erbauungsliteratur nach Deutschland gelangte.88 Sträter wies aber darauf hin, dass hier nicht von einer Einbahnstraße, die über die Niederlanden in die reformierten Territorien Deutschlands und die lutherischen Territorien des Alten Reiches führte, die Rede sein kann. Auch über die Schweiz oder direkt aus England wurde Literatur nach Deutschland transportiert.89 Über Verleger und Drucker gibt es viele Fragen, die von Fall zu Fall beantwortet werden müssen: Spielten sie eine initiierende Rolle bei der Wahl des Titels oder wurde ihnen vom Übersetzer ein Titel vorgeschlagen beziehungsweise eine Übersetzung angeboten? Wie beschafften die Verlage sich die Vorlagen? Aus welchen Gründen veröffentlichten sie Erbauungsliteratur? Wie sah ihr Verlagsprogramm aus und so weiter. In der Forschungsliteratur findet man nur wenige Daten über einzelne Verlage und Drucker.90 Fragt man nach der konfessionellen Zugehörigkeit der Übersetzer und Verleger, so lässt sich feststellen, dass von 1650 bis 1675 die Mehrheit der Schriften von Reformierten übersetzt und verlegt wurde; auf die Lutheraner entfällt nur ein Drittel. Mit dem Aufkommen des Pietismus fand allerdings ein Umschwung statt. Während zwischen 1650 und 1700 die Hälfte der Texte von Lutheranern übersetzt und verlegt wurde, bildeten die Lutheraner zwischen 1700 und 1750 die Mehrheit der Übersetzer und Verleger.91 Hinsichtlich der Rezeption englischer Erbauungsliteratur ist hervorzuheben, dass eine scharfe Trennung zwischen einem reformierten und einem lutherischen Leserkreis nicht der historischen Realität entspricht. Lange vor den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts wurden reformierte Fassungen von den Lutheranern gelesen. Auch nach der lutherischen Bearbeitung von Bayly und Sonthom lasen Lutheraner weiterhin reformierte Fassungen, wenn keine lutherischen vorhanden waren. Umgekehrt lasen Reformierte nach 1670 auch lutherische Ausgaben.92
88
Vgl. Price 1941; Hof 2005b. Vgl Sträter 1987, 111–114. 90 Daten über einzelne Drucker und Verleger finden sich verstreut bei Sträter 1987, 7–18. Vgl. ferner Leube 1924, 170 (Hans u. Heinrich Stern, Lüneburg); Benzing 1969 (Levinus Hulsius Witwe u. Hieronymus Galler, Oppenheim); Mennenöh 1970, 95–106, 293–307, 107–109, 307–313 (Andreas Luppius, Jacobus von Wesel; Wesel); Benzing 1980 (Wilhelm Antonius, Hanau); Wallmann 1986, 17–20 (Hans u. Heinrich Stern, Lüneburg), 20–23 (Caspar Dietzel, Straßburg); H.‑J. Schrader 1989 (Bonaventura de Launoy, Offenbach); A. Deppermann 2002, 13–30 (Johann Friedrich Weiß, Christoph Leblon [Übernahme von Levinus Hulsius Witwe]), 336–338 (Johann David Zunner d. J., Frankfurt am Main; Johann Eichenbergk, Hanau), 341– 349 (Heinrich Betke, Amsterdam/Frankfurt). Vgl. über einzelne Verleger und Drucker die folgenden Nachschlagewerke: Benzing 1977; Reske 2007. 91 Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 320. 92 Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 320; Sträter 1987, 44–46. 89
42
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
2.6 Der Produzent und das Produkt Systematische prosopographische Daten über deutsche Übersetzer englischer und niederländischer Erbauungsliteratur aus dem 17. und dem frühen 18. Jahrhundert liegen bislang kaum vor.93 Die Daten über deutsche Übersetzer, die im 18. Jahrhundert englische Schriften im Allgemeinen übersetzt haben, bieten aber eine erste Orientierung. Zu dieser Zeit waren die meisten Übersetzer akademisch gebildet. Häufig kamen sie aus den unteren bürgerlichen Schichten. Das Übersetzen war eine der wichtigsten literarischen Erwerbsmöglichkeiten für unvermögende Studenten und Akademiker ohne feste Anstellung, für unterbezahlte Beamte und für Frauen. Die Übersetzungsarbeit war meistens eine Nebenbeschäftigung. Aus diesem Grund übersetzte man selten mehr als einen oder zwei Titel. Andererseits gab es aber auch die „literarischen Tagelöhner“ und die „Vielschrieber“, die im Auftrag von Verlagen in kurzer Zeit viele Übersetzungen anfertigten.94 Das Übersetzen betrachtete man als eine intellektuell wenig anspruchsvolle Beschäftigung.95 Mit dieser Geringschätzung lässt sich die Anonymität vieler Übersetzer erklären, die nicht auf den Titelblättern genannt wurden.96 Hinzu kam noch, dass Verleger mit Manuskripten, die ihnen von Autoren übergeben worden waren, oft nach ihrem Belieben verfuhren und sich große Bearbeitungsfreiheit erlaubten.97 Oben wurde schon auf die Beteiligung pfälzischer Migranten an den Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur hingewiesen. Aus kulturhistorischer Sicht war dies keine Ausnahme, Migranten gehörten in der Frühen Neuzeit zu den produktivsten Übersetzern. Die Migrationen machten sie zu cultural brokers.98 Über die Übersetzungsqualität stehen ebenfalls keine systematischen Daten zur Verfügung. Im 18. Jahrhundert waren die deutschen Übersetzungen englischer Schriften durch mangelhaften Englischunterricht, unzureichende Hilfsmittel und mangelhafte landeskundliche Kenntnisse oft fehlerhaft.99 Anhand der deutschen übersetzungstheoretischen Schriften, die vor der Aufklärung enstanden, lassen sich, trotz einzelner Unterschiede, vier allgemeine Anforderungen an Übersetzungen ermitteln.100 Erstens eine funktionelle: das 93 Einzelne Daten finden sich verstreut in den in Abschnitt 1.4 angeführten Arbeiten, vor allem in McKenzie 1984, Bd. 1 u. Sträter 1987. Vgl. über Übersetzer und Übersetzungen im frühneuzeitlichen Europa im Allgemeinen: Burke 2005a; Burke 2007a. 94 Vgl. Wittmann 1999, 111 f. 95 Vgl. Willenberg 2008, 215–257, 315–318. 96 Vgl. Willenberg 2008, 257. 97 Vgl. Witttmann 1999, 105–109. 98 Vgl. Burke 2005b. 99 Vgl. Willenberg 2008, 302–315. 100 Vgl. Hess 1992; Robinson 2002, 183–186; Kittel/ Poltermann 2004, 421; Willenberg 2008, 258–269. Erwähnt werden die folgenden Schriften: Luthers Sendbrief vom Dolmetschen (1530), Martin Opitz’ Buch von der deutschen Poeterei (1624), Justus Georg Schottels Wie man recht verteutschen soll (1663), Georg Wilhelm Leibniz’ Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die
2.6 Der Produzent und das Produkt43
Übersetzen war eine Übung für Schüler und angehende Dichter oder Schriftsteller. Zweitens eine kulturpolitische: Übersetzungen dienten der Bereicherung und Verbesserung der Zielsprache. Die dritte Anforderung war moraldidaktischer Art: Übersetzungen sollten über christliche Moralvorstellungen belehren. Auch sollten Übersetzungen leserorientiert sein: die sinngemäße Übersetzung des Originals wurde der Übertragung der sprachlichen Form bevorzugt. Die letzte Anforderung hängt mit der damals noch herrschenden rationalen Auffassung von Sprache zusammen. Demnach war Sprache nur ein Vehikel zur Vermittlung von Inhalt, sodass die sprachliche Form des Originals kaum beachtet wurde. Für die deutschen Übersetzer englischer Erbauungsliteratur im 17. Jahrhundert kam Sträter zu folgendem Ergebnis: „Übersetzer des 17. Jahrhunderts haben sich dem Wortlaut ihrer Vorlagen durchweg nicht sonderlich verpflichtet gefühlt.“101 In deutschen Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur aus diesem Zeitraum stößt man auf Paraphrasen, Kommentare, Erläuterungen, Änderungen von Zitaten, Veränderungen aus dogmatischen Gründen, Adaptionen kulturspezifischer Elemente, Auslassungen und Zusätze. Autornamen und Titel wurden verändert und der Übersetzung einer Schrift wurden Teile aus anderen Schriften hinzugefügt.102 Diese Bearbeitungen lassen sich gut durch die literarische Methode der Nachahmung (imitatio) von Vorlagen erklären, die seit der Antike gelehrt wurde, und durch die man einen persönlichen literarischen Stil erwerben sollte.103 Harsdörffer und andere ordneten das Übersetzen auf der Basis poetologischer Überlegungen der imitatio unter. Dieser Methodik folgend, kann ein Schüler über drei Stufen zu einem Meister heranreifen: interpretatio (auch translatio: wörtliche Übersetzung, eine qualitativ minderwertige Nachahmung), imitatio (sinngemäße Übersetzung, eine gleichwertige Nachahmung) und aemulatio (sinngemäße Übersetzung, die das Vorbild übertrifft). Auf diesem Weg entwickelt der Schüler einen eigenen Stil. Stufenweise lernt er, stilistische und inhaltliche Veränderungen am Original vorzunehmen. Übliche Bearbeitungstechniken waren Erweiterung (adiectio), Kürzung (detractio), Ersetzung (immutatio) und Transponierung (transmutatio). Je stärker ein Schüler seine Vorlagen bearbeitet, desto besser wird das Produkt bewertet. Es soll eine gewisse Distanz zu den Vorlagen entstehen, ohne die Abhängigkeit von den Vorlagen zu verbergen. Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache (1697), Georg Venzky Bild des geschickten Übersetzers (1735), Johann Georg Gottscheds Ausführliche Redekunst (1736) und August Dornblüth Observationes oder gründliche Anmerkungen über die Art und Weise eine gute Ubersetzung besonders in die teutsche Sprach zu machen (1755). 101 Sträter 1987, 47. 102 Vgl. Barnett 1962, 115–122; Sträter 1987, 47–50, 58–111; Damrau 2006, 36–49. 103 Vgl. J. Jansen 2008.
44
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
In der aemulatio darf der Übersetzer das Original der von ihm zugedachten Wirkung anpassen. Diese ist wiederum vom Erfahrungshorizont und dem soziokulturellen Kontext des intendierten Zielpublikums abhängig. Das Endprodukt der Übersetzung ist somit ein vollwertiger literarischer Text, ein neues Original, das nicht mehr als Übersetzung erkennbar ist. Obwohl die aemulatio auf Vorbildern basiert, übersteigt sie die imitatio, weil sie die Vorlagen auf innovative Art und Weise bearbeitet.104 Interessanterweise wird ein ähnliches Model in einer Vorrede zu einer deutschen Übersetzung eines englischen Erbauungsbuches thematisiert: Menschen, die die Übersetzungen nützlicher Bücher schätzen, scheuen sich nicht, „solche Ubersetzer [sic] unter die Gelehrten zu zählen, deren Geschlechte sie drey vorstellen: Gute, welche anderer Schrifften außlegen: Bessere, welche in Sprachen übersetzen: Beste, welche selbsten etwas neues schreiben“.105 Wie stark ein Übersetzer die sprachliche Form und den Inhalt seiner Vorlage überarbeitet hat, wird von seinen Kenntnissen der Fremdsprache106, seinem Bildungsniveau und seiner Konfession sowie vom Verlag, vom Zielpublikum, von der Funktion der Übersetzung und vom Erwartungshorizont des Zielpublikums bestimmt gewesen sein. In der Praxis war die wörtliche Übersetzungsmethode die üblichste im frühneuzeitlichen Europa.107 In Bezug auf deutsche Übersetzungen von Erbauungsliteratur spielten dabei vermutlich die Richtlinien für Bibelübersetzungen eine Rolle.108 Obwohl es auch Luther in erster Linie um die Übertragung des Sinnes (res) ging, hat er aus funktionalen Gründen im Rahmen seiner Bibelübersetzung zuweilen auch Worte (verba) originalgetreu übernommen.109 Dabei orientierte er sich an Hieronymus, der in einem Brief aus dem Jahr 395 grundsätzlich die sinngemäße Übersetzungsmethode befürwortet hatte, aber in der Übersetzung der Bibel eine Ausnahme sah: die Bibel sollte wortwörtlich übersetzt werden.110 Im Hinblick auf deutsche Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur im 17. Jahrhundert hatten Übersetzer Schwierigkeiten mit Fachbegriffen und Textstellen aus der Genevan Bible (1560) und der King James Version (1611).111 Die 104
Vgl. Warners 1957; Hess 1992. Bolton, Sommers-Arbeit, auff künfftige Ewigkeit, und Spiegel der vier letzten Dinge, Frankfurt, Daniel Fievet, 1673, )(2v. 106 Der Übersetzer des Sonthoms, Emanuel Thomson, war ein in Stade lebender Engländer, der zwar das Deutsche sehr gut beherrschte, aber selbstverständlich nicht das Niveau eines Muttersprachlers hatte. Deswegen kommen in seiner Übersetzung fremde Formulierungen vor, vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 176–179. 107 Vgl. Burke 2005a, 14; Burke 2007a, 24–35. 108 Andererseits nahmen sich Übersetzer bei zeitgenössischen Vorlagen mehr Freiheit als bei der Übersetzung der Bibel und von Texten aus der Antike, vgl. Burke 2005a, 15. 109 Vgl. Stolt 2000, 84–121. Diese Gründe waren die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des Originals, die Beibehaltung der emotionalen und sakralen Dimension des Originals. 110 Vgl. Robinson 2004, 125 f. 111 Vgl. für die nächsten Absätze im Allgemeinen Sträter 1987, 123. 105 Robert
2.7 Die Haltung lutherischer Theologen in Deutschland45
englischen Bibelübersetzungen wichen oft erheblich von der Lutherübersetzung ab. Auftretende Schwierigkeiten bewältigten die Übersetzer mit der Anpassung an oder Abweichung von Luther, der Entwicklung äquivalenter Deduktion aus Luthers Wortlaut, der Benutzung der Übersetzung des reformierten Theologen Johannes Piscators (1546–1625) sowie mit Streichungen ganzer Passagen oder dem Hinzufügen von Anmerkungen. Inwiefern Lutheraner von Reformierten übersetzte beziehungsweise verlegte deutsche Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur inhaltlich bearbeitet haben, vor allem im Hinblick auf die Prädestinations- und Sakramentslehre, ist oft nur durch einen intensiven Textvergleich zu ermitteln. Ein Beispiel einer derartigen Bearbeitung ist die Lüneburger Bayly-Fassung. Hier wurden die Namen reformierter Theologen entfernt und ein Satz über den Zusammenhang zwischen guten Werken und der Rechtfertigung wurde geändert.112 Außerdem ist eine Diskussion über den Charakter des Sabbatgebotes (moralisch oder zeremoniell) gestrichen worden und der polemische Ton gegenüber der römisch-katholischen Kirche wurde abgeschwächt.113 Sträter meint, dass man seit den 1670er Jahren zunehmend auf eine „Purgierung“ der Schriften verzichtet hat, da führende Lutheraner mögliche Gefahren aufgehoben sahen durch die gute katechetische Schulung der Leser. Eine dogmatische Transformation war ohne einschneidende Änderungen möglich. Durch minimale sprachliche Änderungen konnte der gesamte Inhalt aus dem Rahmen der reformierten Prädestinationslehre und der partikularistischen Reichweite von Christi Verdienst gelöst und in den lutherischen Rahmen der universalen Reichweite von Christi Verdienst übertragen werden. So konnte man beispielsweise die Kennzeichen der Erwählung mit den Kennzeichen der Wiedergeburt benennen, ohne den Aufruf zur Buße und die Trostworte für zweifelnde Christen wegzulassen.
2.7 Die Haltung lutherischer Theologen in Deutschland gegenüber englischer Erbauungsliteratur Die Haltung lutherischer Theologen in Deutschland gegenüber englischer Erbauungsliteratur war oft ambivalent und schwankte zwischen Förderung, be112 Im englischen Original heißt es: „But he should know, that though good works are not necessarie to justification: yet they are necessarie to salvation“, in der deutschen Übersetzung: „Aber da muß man wissen: Ob wol die guten Wercke nit nötig sind zu unserer Rechtfertigung, daß wir doch notwendig uns deroselben befleissen müssen, wenn wir gedencken im Stande der Rechtfertigung zu bleiben, und einmal an jenem Tage in der That selig werden wollen“, vgl. Lewis Bayly, The practice of pietie: directing a christian how to walk that he may please God, Delft, Michiel Stael, 1648, 486f; ders., Praxis pietatis. Das ist Ubung der Gottseligkeit, Lüneburg, Johann u. Heinrich Stern, 1631, 133 f. Vgl. McKenzie 1984, 190 f. 113 Vgl. McKenzie 1984, 190 f.
46
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
dingter Akzeptanz und Bekämpfung.114 Somit lassen sich die verschiedenen Positionen oft nicht klar voneinander abgrenzen. Die Förderung vonseiten der Lutheraner wird sichtbar an der Mitarbeit lutherischer Übersetzer, Verleger und Drucker, die sich am ganzen Übersetzungsprozess beteiligten, und auch daran, dass lutherische Theologen Vorreden verfassten oder Schriften lutheranischen Theologen gewidmet wurden. Bedingte Akzeptanz gab es unter den reformbestrebten orthodox-lutherischen Theologen und den Pietisten. Zunächst empfahlen sie nur konfessionell bearbeitete Übersetzungen, später auch reformierte Fassungen. Zwar stimmte man in vielen Punkten mit der reformieren Lehre nicht überein, doch unter bestimmten Bedingungen wurde die Lektüre englischer Erbauungsbücher akzeptiert oder gar befürwortet. Erstens argumentierte man, dass die Erbauungsbücher nicht die Lehre, sondern die daraus entstehende Praxis der Gottseligkeit thematisierten. Trotz der Unterschiede zwischen Reformierten und Lutheranern in der Lehre, wären sie sich in der Praxis fast einig. Zweitens prüften Lutheraner vor allem, ob die Grundgedanken der Vorlage orthodox waren. Mit unorthodoxen Aussagen und Formulierungen, die am Rande der Schrift vorkamen, fand man sich ab. Drittens glaubte man nicht, dass von Erbauungsliteratur Gefahr ausging, da man davon ausging, dass nur die ernsthaften Sucher der Seligkeit, die über gute Kenntnisse der lutherischen Lehre verfügten, die Schriften lesen würden. Ihnen schrieb man Unterscheidungsvermögen zu. Die Empfehlung englischer Erbauungsliteratur wurde deshalb mit der Bedingung verknüpft, sich erst mit solchen Texten auseinanderzusetzen, wenn man die Grundannahmen und Kerngedanken der lutherischen Lehre mittels lutherischer Bücher erlernt habe.115 Beispiele dieser bedingten Akzeptanz finden sich in der Haltung reformbestrebter orthodoxer Theologen wie Johann Schmidt aus Straßburg, Justus Gesenius,116 Ludwig Dunte117 (1597–1639) aus Reval, und von Schmidts Schüler, dem Pietisten Spener. Ihre Biographien und Werke zeigen Einflüsse der englischen Erbauungsliteratur. Bei Spener zeigen sich die Spuren englischer Erbauungsliteratur von Jugend an. Später entwickelte Spener eine eher kritische Haltung zu englischen Erbauungsbüchern, weil sie seines Erachtens Gesetz und Evangelium, Rechtfertigung und Heiligung nicht streng trennten, sondern vermischten. Aus diesem Grund bevorzugte er seitdem Arndts Hauptwerk. Trotzdem schätze er die Puritaner wegen ihrer Aufforderung zur Bekehrung und ihrer Vorschriften für die Lebensheiligung. Spener empfahl einen Kanon englischer Erbauungsliteratur. Im Frankfurter Collegium pietatis wurde sogar Bayly gele114 Zur Haltung deutscher (lutherischer) Theologen niederländischer Erbauungsliteratur gegenüber steht keine Forschungsliteratur zur Verfügung. 115 Vgl. für diesen Absatz Sträter 1987, 50–57. 116 Vgl. Wallmann 1986, 15–24. 117 Vgl. Sträter 1995, 52–60, 68; Kamp 2009a, 271 f.
2.8 Der Einfluss englischer und niederländischer Erbauungsliteratur47
sen, zusammen mit zwei lutherischen Erbauungsbüchern: Joachim Lütkemanns (1608–55) Vorschmack göttlicher Güte (1653) und Nicolaus Hunnius’ (1585– 1643) Epitome credendorum oder Inhalt christlicher Lehre (1625). Auch bei späteren Pietisten wie August Hermann Francke (1663–1727), lassen sich die Einflüsse englischer Erbauungsliteratur nachweisen.118 Scharfe Kritik kam von Seiten einiger orthodoxer Theologen.119 McKenzie datiert den Anfang der Bekämpfung auf 1654, als der Leipziger Professor Johann Hülsemann (1602–61) Bayly und Sonthom als „Schmadderer“ bezeichnete. Auch konziliantere, reformbestrebte Theologen wie Speners Lehrer und Schwiegervater Joachim Stoll (1615–78), Elias Veiel und Anton Reiser (1628–86) meinten, die Erbauungsbücher enthielten „heimlich gifft“. Die Kritik beinhaltete die folgende Punkte: die Vorrangstellung der Heiligung über die Rechtfertigung, die Vermischung von Gesetz und Evangelium und die Betrachtung der guten Werke als notwendige Bedingung für die Seligkeit, was zu einer Lehre der Vollkommenheit der Wiedergeborenen führen würde. Des Weiteren umfasste die Kritik die Forderung, Prediger sollten durch den Heiligen Geist erleuchtet sein, und schließlich die Forderung nach Enthaltung von weltlichen Vergnügen wie Theater, Kartenspiel, Mode, Tanz und Belletristik. Übrigens wurde dieselbe Kritik an den Pietismus gerichtet. Das Ausmaß und die Art der Kritik waren unterschiedlich. Nicht immer betraf sie die englische Erbauungsliteratur allgemein. Oft wurde als Grundregel das prüfende Vermögen der Christen gemäß 1 Thess 5,21 hervorgehoben. Auch in Vorschlägen zu konkreten Maßnahmen gegen die Erbauungsliteratur, gingen nicht all ihre Gegner so weit wie Konrad Tiburtius Rango (1639–1700), der vorschlug, die Schriften zu konfiszieren und zu verbrennen. Viele plädierten für Zensur oder für die Hinzufügung eines dogmatischen Kommentars in den Übersetzungen.
2.8 Der Einfluss englischer und niederländischer Erbauungsliteratur auf die Theologie und Frömmigkeit in Deutschland: ein Forschungsüberblick Die Einflüsse englischer und niederländischer Erbauungsliteratur auf die reformierte Theologie und Frömmigkeit wurden von der Forschung nur im Hinblick auf einige Territorien oder Personen untersucht. Dazu zählen Ancumanus in 118 Vgl. für die Einflüsse englischer Erbauungsliteratur bei Spener und Francke im Allgemeinen: Grünberg 1893–1906, Bd. 1, 133, 142; Zabel 1942, 123–126, 131; Peschke, 68–82; McKenzie 1984, passim; Wallmann 1986, 48, 53–55, Sträter 1987, 45, 50–57, 102, 114 f.; Damrau 2006, 63–65. Vgl. für die Einflüsse von Baylys Schrift in Deutschland: Kamp 2009a, 270– 274, 276–279. 119 Vgl. für die nächsten Absätze: McKenzie 1984, Bd. 1, 160–162, 210 f., 279–295, 321–324; Sträter 1987, 53 f.
48
2. Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche
Ostfriesland120, eine Gruppe von jungen Pfälzern am Anfang des 17. Jahrhunderts,121 Undereyck122 und Wilhelm Diedrichs123 (1651–90) in Westfalen. Op ’t Hof hat aufgrund der Einflüsse der Nadere Reformatie, vor allem der Schriften von Willem Teellinck, auf Reformierte in Deutschland die Auffassung vertreten, dass es in Deutschland eine zur Nadere Reformatie parallele Bewegung gegeben hat. Die deutsche sei zwar kleiner als die niederländische Bewegung gewesen, sei aber ebenfalls durch Gruppenbildung, Zusammenarbeit und programmatische Aktivität gekennzeichnet.124 Undereyck und der radikale reformierte Pietist Johann Heinrich Reitz (1665–1720) übernahmen exemplarische Biographien von englischen und niederländischen Frommen. Lutherische Theologen folgten ihnen nach.125 Auf den Wortschatz des deutschen Pietismus haben deutsche Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur großen Einfluss, auf die deutsche Belletristik des 18. Jahrhunderts nur geringen Einfluss ausgeübt.126 Hinsichtlich der lutherischen Theologie und Frömmigkeit sieht die Forschungslage besser aus. Vor allem E. C. McKenzie wies die Einflüsse der englischen Erbauungsliteratur auf den deutschen Pietismus detailliert nach.127 Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang folgende Lehrstücke und Praktiken: 1. die Ansicht von Bekehrung als einem graduellen Prozess, 2. eine intensive und konkrete Sonntagsheiligung, 3. die Aufforderung zur Sehnsucht nach dem Tode als Übergang zur himmlischen Herrlichkeit, 4. die Gefahr des Selbstbetrugs und die Notwendigkeit der Selbstprüfung,128 120
Vgl. Hollweg 1978, 37–59. Vgl. Kamp 2012b. 122 Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 244–249; Jou 1994. 123 Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 271. 124 Vgl. Hof 2008a, 520–523. 125 Vgl. Mohr 1978, 193 f., 200; Moore 2000, 134, 138, 141; Exalto 2005, 20–22, 211–213; Damrau 2006, 30–58, 159–164. 126 Vgl. Damrau 2006. Es scheint mir, dass seine These, dass die deutschen Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur großen inhaltlichen Einfluss auf die deutsche Belletristik des 18. Jahrhundert (Empfindsamkeit, Sturm und Drang, Romantik) ausgeübt hätten, zu weit geht. Die puritanische Terminologie und Gedankenwelt war ja im Verlauf der Zeit der Säkularisation ausgesetzt und war somit in der schönen Literatur des 18. Jahrhunderts in einem anderen geistesgeschichtlichen Rahmen angesiedelt. Auch Damraus Behauptung, dass die englische Erbauungsliteratur allmählich säkularisierte, ist problematisch. Seines Erachtens ist das Ergebnis dieser Entwicklung in den Schriften John Bunyans zu spüren. Damrau bestimmt den Säkularisationsgrad an der Frequenz der biblischen Inhalte in dem jeweiligen Text. Meines Erachtens ist das ein schwacher Maßstab, da er die Art der Gattung nicht mit einbezieht. So verweisen zum Beispiel in einer Allegorie alle Elemente auf die göttliche Wirklichkeit, obschon diese an der Oberfläche des Textes nicht spürbar ist. 127 Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 295–315. 128 Vgl. Damrau 2006, 85–89, 96–110. 121
2.8 Der Einfluss englischer und niederländischer Erbauungsliteratur49
5. die Notwendigkeit der Selbstverleugnung,129 6. die Notwendigkeit guter Werke, 7. die Gefahr der Welt und weltlicher Vergnügen (die nicht als Adiaphora verstanden werden), 8. persönliche Bekehrung und ein heiliges Leben als Bedingung für das Predigtamt, 9. die Begrenzung der Gnadenzeit, 10. die mystische Vereinigung von Christus mit den Gläubigen, 11. die praktisch-religiöse statt formalistische Ausrichtung vieler Predigten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts,130 12. die detaillierte christliche Regulierung des Alltags,131 13. Meditation,132 14. die Herausbildung von Erbauungsversammlungen (Voetius).133
129
Vgl. Damrau 2006, 134–140. Vgl. Schian 1912; Damrau 2006, 110 f. 131 Vgl. Kamp 2011. 132 Vgl. Sträter 1987, 96–101; Sträter 1995, bes. 107; Damrau 2006, 71–84. 133 Vgl. A. Deppermann 2002, 93–98; Tietz 2008, 257–261. 130
3. Johannes Duysing (1644–1673) 3.1 Die Vorgeschichte Bremens Zu einem besseren Verständnis der Biographie Johannes Duysings1 wird zunächst ein Überblick über die (kirchen)geschichtlichen Hintergründe gegeben. Die an der Weser gelegene Stadt Bremen entwickelte sich im Mittelalter zu einer freien, von einem Rat regierten Handelsstadt.2 Allmählich entstanden die vier Pfarrkirchen Unser Lieben Frauen für die Ratsherren und Bürger, St. Ansgarii für die Handwerker, St. Martini für die Kaufmannschaft und St. Stephani für die Fischer, Schiffer und die kleinen Handwerker. Später entstand die St. Pauligemeinde in der 1623 erbauten Neustadt-Festung. Im Zuge der Reformation entwickelte sich die Bremer Kirche vom Luthertum über den Melanchthonianismus zur reformierten Konfession. In der neuen Kirchenordnung, dem vom Superintendenten Christoph Pezel (1539–1604) aufgestellten Consensus Bremensis (1595), wurde die Beibehaltung der Confessio Augustana variata (1540) festgelegt, was politische Gründe hatte. Die Kirchenordnung umfasste die Einführung der Kirchenzucht sowie die Einrichtung eines Presbyteriums und eines Konsistoriums. Der Consensus enthielt einige Abschnitte, in denen die Lehre der Prädestination entschieden verteidigt wurde. Der Rat hat die Kirchenordnung nie bestätigt. Es wurde kein Presbyterium ein1 Sowohl Vor- als auch Nachname der beiden aus Bremen gebürtigen Johannes Deusings (s. 1.4) schwanken in den Quellen und in der Forschungsliteratur. Man begegnet: Johann und Johannes; Deusing, Düsing, Duising und Duysing. Am Ende der Vorrede zu der Spranckhuysen-Übersetzung findet sich als Unterschrift „Johannes Duysing“ (Dionysius Spranckhuysen, Balsaam für eine kranke Seele, Bremen, Hermann Brauer, 1673 [Pietas P01037269], 6*4v); auf dem Titelblatt und am Ende der Widmung „Joh. Duysing“ ([)(4r]). Die Schreibweise „Duysing“ wurde von den Mitgliedern der Linie seines Urgroßvaters Gerdt bis ins 20. Jahrhundert benutzt, vgl. Karl Müller-Duysing, „Die Familie Duysing in Bremen im 17. und 18. Jahrhundert“ (Manuskript Sept. 1978), 3 (StA Bremen, 8/1: Familiengeschichtliche Materialien, Graue Mappe „Duysing“). Der Beamte aus Kassel hat seine Briefe aber mit „JDeusing“ [sic], „Joh. Deusing“ oder „Johann Deusing“ unterschrieben, s. LA NRW, Abt. Westf., Fürstabtei Herford, Landesarchiv, Akten, Nr. 311. Deshalb wird in dieser Arbeit der Name Johannes Duysing für den Bremer Prediger und der Name Johann Deusing für den Kasseler Beamten benutzt. 2 Vgl. für diesen Abschnitt im Allgemeinen Herbert Schwarzwälder 1975, 15–412; Prüser 1976a; Prüser 1976b; Mai 1979, 55–76, 240–242; Rudloff 1980, 153–159; Sprengler-Ruppenthal 1998, 1745–1747; Janse 2005.
3.1 Die Vorgeschichte Bremens51
gerichtet, allerdings wurden die Perikopenordnung, das Gesangbuch und die Privatkommunion beibehalten. In theologischer Hinsicht verband Pezel den Melanchthonianismus mit dem Calvinismus. 1600 wurde der Heidelberger Katechismus als Bekenntnisschrift in Bremen eingeführt. Der Rat gewann immer mehr Macht über die Kirche. Das geistliche Ministerium (Venerandum Ministerium), zu dem die Prediger der Alt-, Neu- und Vorstadt gehörten, stand unter der Aufsicht des Rates. Seit 1656 gab es zwischen beiden Gremien ständig Konflikte. Das Ministerium beanspruchte alle kirchenleitenden Funktionen für sich und konnte über die Besetzung der Pfarrstellen, die Sache der Gemeinde und der für die Verwaltung der Gemeinde zuständigen Bauherren waren, mitbestimmen.3 Das Ministerium besaß aber nur das Recht, gewählte Pfarrer zu examinieren, wobei der Rat die Wahl bestätigen musste und somit das letzte Wort hatte. Neben der großen Polarität kam es auch zu Überschneidungen, nämlich dann, wenn ein Ratsherr (Senator) gleichzeitig Bauherr einer Gemeinde war.4 Im 16. Jahrhundert galt Bremen als Hospitium ecclesiae (Herberge der Kirche). Unter anderem wurden seit den 1570er Jahren viele Konfessionsmigranten aus den südlichen Niederlanden aufgenommen.5 Das geistige Zentrum der Stadt war die 1584 gegründete reformierte Hochschule, das Gymnasium Illustre, das sich insbesondere an den Lehren des französischen Humanisten und Logikers Pierre de la Ramèe (Petrus Ramus, 1515–72) orientierte. Um 1600 stieg der Handel in Bremen stark an. Die wichtigsten Handelspartner waren die Niederlande, mit denen Bremen 1616 einen Handelsvertrag schloss, Hamburg und Stade, wo sich die englische Tuchhandelskompagnie der Merchant Adventurers niedergelassen hatte, Bergen und andere Städte an der Ostsee und England. Ab 1634 geriet die Stadt Bremen wiederholt in Konflikt mit den Herrschaften des Erzstiftes beziehungsweise des Herzogtums Bremen. 1634 wurde Friedrich II., Prinz von Dänemark (1609–70), Erzbischof von Bremen und öffnete den Bremer Dom für den lutherischen Gottesdienst. 1646/47 eroberte Schweden das Erzstift Bremen, das zu einem Herzogtum säkularisiert wurde. Der Stadt gelang es aber, 1646 den reichsunmittelbaren Status zu erlangen. Schweden erkannte diesen Status nicht an und plante, die Stadt anzugreifen. Es kam aber zu einem Vergleich, der dazu führte, dass Bremens Status ungeklärt blieb, obwohl sich Bremen Schweden unterwerfen sollte. 1665 griffen die Schweden Bremen erneut an, doch ihre Eroberungsversuche scheiterten. Auch wenn 1680 der Handel in Bremen allmählich zurückging, blieben die Verbindungen zu den Niederlanden und England intensiv. 3
Vgl. Herbert Schwarzwälder 2003, Bd. 1, 65. Vgl. Prange 1963, 173; J. F. G. Goeters 1993, 254. 5 Vgl. Roosbroeck 1968, 236–245; Roosbroeck 1972. 4
52
3. Johannes Duysing (1644–1673)
3.2 Theologische und religiöse Tendenzen in Bremen im 17. Jahrhundert 1610 wurde der Theologe Matthias Martinius (1572–1630) von Emden nach Bremen berufen, wo er bis zu seinem Tod lehrte und das Rektorat innehatte. Als Theologe erlangte er einen internationalen Bekanntheitsgrad. Martinius lehrte, dass sowohl Erwählung als auch Verwerfung allein von Gottes Wohlgefallen abhängig sind. Seine Prädestinationslehre war infralapsarisch geprägt: er lehrte, dass Gott im Erwählen den Menschen als geschaffen und gefallen ansieht. Indem Gott den Menschen erwählt, zeigt sich seine große Barmherzigkeit. In der Verwerfung des Menschen äußert sich Gottes Gerechtigkeit. Martinius lehrte, dass der Wille Gottes und seine Beschlüsse absolut sind. Die Begriffe voluntas antecedens und consequens bezieht Martinius auf die göttlichen Befehle und Verheißungen beziehungsweise auf die Belohnung von Gehorsam und die Bestrafung der Sünden. Zwar werden alle Menschen zur Buße eingeladen, aber daraus darf nicht gefolgert werden, dass für alle Menschen der Weg zum Heil, zum ewigen Leben vorherbestimmt war. Den Zweck der Prädestination sah Martinius genauso wie Calvin in der Ehre Gottes.6 1618/9 wurde in Dordrecht die Synode der niederländischen reformierten Kirche gehalten, auf welcher der Streit zwischen den Remonstranten und Contraremonstranten geschlichtet werden sollte.7 Die Remonstranten (oder: Arminianer) waren Schüler des niederländischen Theologen Jacobus Arminius (1560–1609). Dieser vertrat die Auffassung, die reformierte Prädestinationslehre lähme das ethische Handeln der Christen. Er selbst entwickelte eine Lehre von vier Dekreten: 1. das bedingungslose und absolute Dekret Gottes, das seinen Sohn Jesus Christus zum Mittler, Retter, Heiland, Priester und König bestimmt; 2. das konditionale Dekret Gottes, diejenigen, die sich bekehren und glauben, voller Gnade zu empfangen, und die unbußfertigen und ungläubigen Sünder zurückzulassen; 3. das Dekret, die notwendigen Mittel zu Bekehrung und Glaube zu beschaffen; 4. das Dekret, bestimmte Personen zu retten und andere zu verdammen, was auf Grundlage der Prädestination, Gottes Vorherwissen, geschieht: Gott weiß, wer glaubt und im Glauben beharren wird. Arminius lehrte, dass Christus nicht nur Vollstrecker (executor) der Erwählung ist, sondern auch ihr Fundament ( fundamentum).8 Daneben gestand er, im Vergleich zu anderen niederländischen reformierten Theologen, dem Staat größere Eingriffsmöglichkeiten in die Kirche zu. Auf die gegen sie gerichteten Anschuldigungen, verfassten die Arminianer 1610 eine offizielle Beschwerde (Remonstranz). Im Rahmen ihrer Vorladung 6
Vgl. O. Ritschl 1926, 396 f. Vgl. für die nächsten Absätze Neuser 1998, 336 f. 8 Vgl. Boer 2008, 106–148. 7
3.2 Theologische und religiöse Tendenzen in Bremen im 17. Jahrhundert 53
vor die Dordrechter Synode im Jahre 1618 erklärten sie ihre Einwände näher. Christus sei als Mittler nicht nur Ausführer der Erwählung, sondern auch ihr Urheber. Christus habe mit seinem Tod einen universalen Verdienst erworben. Statt von Sünde (peccatum) sprachen die Remonstranten meistens von malum. Obwohl sie alle guten Werke der Gnade Gottes zuschrieben, verstanden sie diese als Ergänzung zum menschlichen Handeln. Die Heilsgewissheit beschränkten sie auf die Gegenwart; diese konnte sich ihres Erachtens nicht auf die Zukunft beziehen. Auf der Synode wurden die Einwände der Remonstranten verworfen und es entstanden die Dordrechter Canones, in denen die orthodox-reformierte Lehre fixiert wurde. Darin wird Folgendes über die Prädestination gelehrt: die Erwählung ist abhängig von Gottes Wohlgefallen und nicht vom Glauben, den Gott in einem Menschen vorhersehen würde. Verwerfung meint das Zurücklassen der Menschen aufgrund ihrer selbst gewählten Bosheit (Artikel 1). Ebenso postuliert die orthodox-reformierte Lehre (1) die Allgenugsamkeit vom Opfertod Christi für die Sünden der Welt, wobei nur diejenigen, die auserwählt sind, tatsächlich Vergebung und Erlösung erfahren, und (2) die Applikation von Christi Verdienst in den Auserwählten durch eine übernatürliche Wiedergeburt durch den Heiligen Geist, der die Vernunft, den Willen und das Gemüt des verdorbenen Menschen verändert (3/4). Außerdem erklären die Canones, dass die Bekehrten auf Erden noch nicht völlig von der Sünde befreit werden, dass sie aber nicht aus dem Stand der Rechtfertigung fallen können (5). Ausländische Theologen aus Großbritannien, der Kurpfalz, der Schweiz, Hessen, Bremen, Emden und Nassau waren auf der Synode als Vertreter anwesend. Der Bremer Rat schickte neben Martinius die Theologen Ludwig Crocius9 (1586–1653) und Heinrich Isselburg (1577–1628) zur Dordrechter Synode.10 Aus politischen Gründen beauftragte der Rat sie damit, sich für eine gemäßigte Lehre einzusetzen. Im Hinblick auf den ersten, dritten, vierten und fünften Artikel vertraten die Bremer Abgeordneten ähnliche Auffassungen wie die Contraremonstranten. Auch sie befürworteten eine infralapsarische Deutung des ersten Artikels, die schließlich auch in die Canones aufgenommen wurden. Zum zweiten Artikel äußerten sich die Bremer Abgeordneten recht unterschiedlich. Martinius verstand das allgemeine und das besondere Dekret der Erwählung in einer Art und Weise, die für die damalige reformierte Theologie nicht üblich war. Nach dem allgemeinen Dekret, so verstand es Martinius, liebt Gott die ganze gefallene Menschheit und will, dass alle Menschen selig werden, weshalb er seinen Sohn sandte. Der Tod Christi reicht aus, um alle Menschen zu 9
Vgl. Santen 2014. Vgl. für die nächsten Absätze Iken 1878a, 18–46; Kaajan 1918, 42–47; Janse 2005, 109– 113; bes. Mouthaan 2005a; 2005b. Mouthaan gründet sich auf die Akten der Synode sowie auf die Briefe des Engländers John Hales und des Schotten Walter Balcanqual, die auf der Synode anwesend waren. 10
54
3. Johannes Duysing (1644–1673)
erlösen und selig zu machen, wobei ihnen die Erlösung durch den Glauben zuteil wird. Dieses allgemeine Dekret ist das Fundament der Verkündigung. Da Gott sah, dass die Menschen wegen ihrer großen Verdorbenheit nicht imstande waren zu glauben, hat er um Christi Willen bestimmte Personen auserwählt und ihnen den Glauben zugeeignet. Dies ist das besondere Erwählungsdekret, das nicht der Ursprung, sondern eine Frucht der durch Christus erworbenen Erlösung ist. Christus ist nicht nur der Vollstrecker (effector) der Erwählung, sondern auch ihr Urheber und ihre vornehmste Ursache (auctor et praecipua causa). Aus den Definitionen des allgemeinen und des besonderen Dekrets folgt, dass Christus mit zweierlei Absicht gestorben ist: erstens um die Errettung aller Menschen zu ermöglichen und zweitens um den Auserwählten die tatsächliche Vergebung der Sünden zu schenken (Effektivität). Martinius’ Konzeption des zweifachen Dekretes und seine Ansicht über die Rolle von Christus bei der Erwählung konnten den Verdacht erwecken, dass Martinius der Lehre des Arminius nahe gestanden hätte, obwohl die beiden Dekrete von Martinius, im Gegensatz zu Arminius’ ersten zwei Dekreten, konditionaler beziehungsweise absoluter Art sind, und Martinius seine Erwählungslehre nicht auf Gottes Vorherwissen über diejenigen, die glauben, und diejenigen, die nicht glauben, gründet. Auch Isselburg und Crocius haben betont, dass Christus für die Vergebung der Sünden der ganzen Welt gestorben ist.11 Vergebung und Erlösung werden aber nur den Auserwählten – Crocius spricht von Gläubigen – zuteil. Von der Allgenugsamkeit des Opfers Christi profitieren diejenigen nicht, die in ihrer Unbußfertigkeit verharren und die Sünde gegen den Heiligen Geist begehen. Letztendlich unterzeichneten die drei Bremer die Dordrechter Lehrsätze, da sie mit den ausgeglichen formulierten ersten zwei Artikeln zufrieden sein konnten. In ihrer Heimatstadt sind die Lehrsätze jedoch nie als verbindliche Bekenntnisschrift für die Pfarrer- und Theologenschaft anerkannt worden. Wohl aufgrund der Ergebnisse der Dordrechter Diskussionen schrieb und sprach Martinius selten über Gottes Ratschlüsse. Er hielt Disputationen darüber für unerbaulich und sprach lieber über die praktische Umsetzung der Dekrete.12 Auch Crocius’ soteriologische Lehren entwickelten sich nach der Dordrechter Synode weiter.13 Auffallend ist, dass eine selbständige Prädestinationslehre bei ihm fehlt. Die Lehrinhalte, die zur Prädestinationslehre gehören, hat er der Lehre über Gottes Willen sowie den Prinzipien des Heils untergeordnet. Crocius unterschied einen zweifachen Willen Gottes: voluntas antecendens, Gottes grundsätzliches Wohlwollen gegenüber all seinen Geschöpfen, und voluntas consequens, das heißt was Gott will angesichts besonderer Umstände. 11 Ein Unterschied zu Martinius besteht darin, dass sie die Genugsamkeit nicht auf Gottes Ratschlüsse zurückführen, sondern auf die Vollkommenheit vom Opfertod Christi. 12 Vgl. O. Ritschl 1926, 397. 13 Vgl. für die nächsten Absätze O. Ritschl 1926, 395 f., 397–402.
3.2 Theologische und religiöse Tendenzen in Bremen im 17. Jahrhundert 55
Hierbei handelt es sich vor allem um Gottes strafenden Willen. Einerseits möchte Gott, dass alle Menschen selig werden (1. Tim. 2,4), andererseits erteilt er dem unbußfertigen und unbelehrbaren, ungläubigen Sünder die gerechte Strafe des ewigen Todes. Gottes Liebe erstreckt sich grundsätzlich auf die ganze Menschheit, der er immer wieder von Herzen seine Liebe und Gnade anbietet. Sie gilt insbesondere denen, die an seinen Sohn glauben, und ist in dieser Hinsicht eine besondere Form von Gnade (gratia specialis). Der Grund der Erwählung ist nicht der vorausgesehene Glaube ( fides praevisa) und der Grund der Verwerfung nicht der vorausgesehene Unglaube (incredulitas praevisa); Gott bestimmt allein und souverän aufgrund seiner Barmherzigkeit, welche Menschen er erwählt. Das Erwählungsdekret – die Ausbreitung von Gottes Liebe auf die ganze Menschheit – ist nicht absolut, sondern durch den Verdienst Christi, die Hinwendung Christi zu dem Einzelnen und den dadurch gewonnenen Glauben bedingt. Die Reprobation erfolgt nicht aufgrund von Hass oder Zorn, sondern durch das gerechte Urteil Gottes über die unbußfertigen und ungläubigen Verächter des Lichts und der Mittel der Gnade. Schon vor der Dordrechter Synode (1616) gab es innerhalb der Bremer Pfarrer- und Theologenschaft Streitigkeiten über die Reichweite vom Verdienst Christi.14 Diese polemischen Auseinandersetzungen endeten im Jahr 1624, bevor sie in den Jahren 1636 bis 1644 erneut entflammten. Auf der einen Seite standen Universalisten wie Crocius, die glaubten, Christus wäre für alle Menschen gestorben. Auf der anderen Seite gab es Partikularisten, die glaubten, Christus wäre nur für die Auserwählten gestorben. Die Konflikte wurden schließlich auf Anordnung des Rates beendet. Die Pastoren sollten sich an den Consensus von 1595 halten, obschon man die Übereinstimmung mit dessen „harte[n] Ausdrücke[n]“ nicht erzwingen wollte. Der Consensus hatte eine Prädestinationslehre entwickelt, die die Genfer Auffassungen, wenn auch in abgeschwächter Form, übernahm. Das Bekenntnis ging von einer ewigen Vorherbestimmung durch Gott und einem absoluten Willen Gottes aus: Gott habe den Sündenfall gewollt und dem Bösen einen Platz in der Welt zugewiesen. Ebenso habe Gott eine gewisse Zahl von Menschen berufen und alle anderen verworfen. Die Prädestination wurde jedoch nur auf die electio bezogen; die reprobatio galt als Folge der Erwählung. Demnach habe Gott nicht einen Teil der Menschheit geschaffen, um sie die ewige Strafe erleiden zu lassen; die Verworfenen wären bei der Erwählung nur „übergangen“ worden, weil sie wegen ihrer Sünden schuldig geworden wären. Basierend auf der Annahme, dass der Tod Christi für die Vergebung der Sünden der ganzen Welt ausreiche, stehe für jeden Menschen die Erlösung bereit, doch nur diejenigen, die glauben, könnten sie annehmen.15 Durch die Ratsverordnung erlangten beide Parteien Frei14 15
Vgl. für die nächsten Absätze im Allgemeinen Iken 1878a, 47–83. Vgl. Iken 1878b, 89 f.
56
3. Johannes Duysing (1644–1673)
raum zur Verteidigung ihrer Ansichten. Auch von den Niederlanden aus wurden die in Bremen von Crocius und anderen vertretenen Lehren mit Misstrauen betrachtet. Als der Theologe, der die Föderaltheologie, derzufolge die Erwählung durch den Gnadenbund ( foedus gratiae) geschieht, maßgebend weiterentwickelt hat, gilt der in Bremen geborene Johannes (Koch) Coccejus.16 Er verband diese Lehre mit einem praktischen Theologieverständnis, das ihm sein Franeker Lehrer, der Ramist William Ames, vermittelt hatte. Coccejus, der Professor in Bremen, Franeker und Leiden war, nahm als Altphilologe die Heilige Schrift zum Ausgangspunkt. Mit dem Konzept des Bundes versuchte er die geschichtliche Entwicklung der biblischen Offenbarung auf systematisch-theologische Weise darzustellen. Der Bund ist für ihn „der Weg, den Gott uns offenbart hat um in seine Gemeinschaft zu kommen, die das höchste Gut (summum bonum) für den Menschen darstellt“.17 In Anlehnung an die herkömmliche Unterscheidung zwischen Werkbund und Gnadenbund, unterteilte Coccejus die Heilsgeschichte in fünf Stufen, durch die der Werkbund in der Geschichte abgeschafft (abrogare) wird und der Gnadenbund in Kraft tritt: 1. der Sündenfall, 2. die Aufnahme des Sünders in den Gnadenbund, 3. die doppelte Ökonomie der beiden Testamente Gottes: In Erwartung Christi und im Glauben an den offenbarten Christus; im Alten Testament gibt es nur ein Übersehen der Sünde durch Gott (paresis), im Neuen Testament aber eine vollkommene Vergebung (aphesis), 4. der Tod des Leibes und das Ende des Streites über die Sünde, 5. die Auferweckung des Leibes und die Ewigkeit in völliger Gemeinschaft mit Gott. Indem er die Abrogationen auf pneumatologische Weise versteht, betrachtet W. J. van Asselt die verschiedenen Phasen sowohl als Phasen der Heilsgeschichte als auch der Heilsordnung im einzelnen Gläubigen. 1655 entbrannte zwischen Coccejus und Voetius eine polemische Auseinandersetzung über das Sabbatgebot, das Coccejus als ein zeremoniales, Voetius aber als ein moralisches Gesetz verstand. Nach 1665 stritten Coccejus und Voetius über die Frage der Sündenvergebung im Alten und Neuen Testament. In diese Streitigkeiten wurde die ganze reformierte Kirche der Niederlande hineingezogen. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts blieb die Kontroverse zwischen beiden Parteien bestehen. Obwohl Coccejus’ Auffassung des Sabbatgebots eine Auflösung der von Voetius verteidigten Sonntagspraxis nahelegte, wird andererseits auf Elemente in der Theologie des Coccejus hingewiesen, die für den deutschen reformierten Pietismus grundlegend waren: die Dominanz der Schriftbetrachtung, die eschatologisch ausgerichtete Geschichtsbetrachtung, der Reichsbegriff, der die Möglichkeit zur Absonderung von der Kirche in Konventikeln bot, und die 16 17
Vgl. für die nächsten Absätze: Neuser 1998, 343–347; Asselt 2001. Neuser 1998, 345.
3.2 Theologische und religiöse Tendenzen in Bremen im 17. Jahrhundert 57
Übertragung des stufenartigen Charakters der Föderaltheologie auf die Heilsordnung.18 Seit etwa 1630 lässt sich eine puritanische Beeinflussung Bremens feststellen. In diesem Jahr erschien in der Stadt eine der ersten deutschen Übersetzungen von Baylys Schrift.19 1668 erschien John Jacksons Buch des Gewissens.20 Das Buch war von einem Zeverinus Forsterus übersetzt und enthielt eine Widmung des Ansgarii-Pastors Gottfried Schachmann (1623–89) an Patrick More (gest. 1680), General-Major des schwedischen Heers im Herzogtum Bremen-Verden.21 Es waren insbesondere Handelsleute und Reisende, die den Puritanismus nach Bremen brachten.22 Von Bremen oder Hamburg aus konnte man mit dem Schiff auf direktem Wege nach England reisen.23 Zu englischen und schottischen Kaufleuten gab es indirekte oder direkte Verbindungen. Erstens gab es Handelsverbindungen zu den benachbarten Städten Emden, Hamburg und Stade, wo die englische Tuchhandelskompagnie der Merchant Adventurers24 ihre Stapelplätze hatte. Bremer Kaufleute konnten nur indirekt mit ihnen in Verbindung treten. Die Kompanie verbot ihren Mitgliedern in den Statuten ausdrücklich den Direkthandel mit Bremen. Emden25 war mit Unterbrechungen seit 1564 bis zum Ende des Jahrhunderts Stapelplatz der Merchant Adventurers. Durch personelle Verbindungen mit Engländern und den engen Kontakt mit englischen Migranten wurden die Beziehungen zwischen Emden und England intensiviert, wodurch puritanische Einflüsse in die Stadt gelangten. In Emden wurden theologische Bücher in englischer Sprache gedruckt und es gab Drucke von Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur.26 Die Adventurers organisierten sich in einer englischen presbyterianischen Gemeinde. Hamburg war 1569 bis 1578 und nach 1611 Stapelplatz der Kompanie, Stade 1587–98 und 1601–11. Mit dem Ziel, die Wirtschaftskraft durch die Ansiedlung von Einwohnern in der Neustadt zu stärken, bemühte sich Bremen in den Jahren 1610 bis 1630, die Adventurers aus Hamburg nach Bremen zu holen. 1635 versuchte eine Gruppe englischer Puritaner, sich in Bremen offiziell niederzulassen, allerdings scheiterten die Verhandlungen. 18
Vgl. Mai 1979, 61 f.; Hof 1998a, 179 f. S. McKenzie 1997, 70–82, Nr. 275–344. 20 S. McKenzie 1997, 446 f., 454. 21 Vgl. John Jackson, Das Buch des Gewissens, Bremen, Jacob Köhler, 1668, )(1r: „Dem … Herren Patrick Mohr, Ihr Kön. Mayst. von Schweden [et]c. wolverordneten Obristen, meinem vielgeehrten Herren und Gönner Offeriret dieses Gewissen Buch Aus Schuldigkeit G. S. M. V. D. A.P“. S. über Schachmann: Müller-Benedict/Ammann (Hrsg.) 1990–1996, Bd. 2, 150, Nr. 824; Leurdijk 2013, 33; über More: Zickermann 2013, Index unter „More, Patrick“. 22 Vgl. für die nächsten Absätze im Allgemeinen: Witzendorff 1955, 145–147; Lührs 1958, 121; Prange 1963, 37 f., Schulte-Beerbühl 2007, Register unter „Bremen“, bes. 88–94, 413–420. 23 Vgl. Selling 1990, 169 f. 24 Vgl. Baumann 1990. 25 Vgl. über die Handelsbeziehungen zwischen Bremen und Emden: Witzendorff 1955, 139. 26 Vgl. Hollweg 1978, 13–57. 19
58
3. Johannes Duysing (1644–1673)
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verbesserten sich die Bedingungen für den Handel zwischen Bremen und England. Die Bremer Kaufleute missachteten zunehmend das Verbot der Merchant Adventurers. Sie traten als Zwischenhändler von Leinen und anderen Produkten zwischen England und Flandern auf. Politische und wirtschaftliche Bedrohungen (Oberherrschaft von Schweden über die Stadt Bremen, 1. Englisch-Niederländischer Krieg [1652–54]), Zollerhebung auf der Weser durch den Grafen von Oldenburg) führten dazu, dass die Stadt mit den Niederlanden und England in Verhandlungen trat. In London bemühte Bremen sich unter anderem darum, Unterstützung gegen Schweden zu bekommen. Auch versuchte man nochmals, die Hamburger Merchant Adventurers nach Bremen zu holen. Übrigens blieb Bremen in den Seekriegen zwischen England und den Niederlanden neutral. Seit etwa 1660 förderte die englische Regierung die Einwanderung ausländischer Kaufleute, sodass auch einige Bremer nach England auswanderten. 1669 erhielten Bremen und Hamburg vom englischen König Charles II. (1630–85) ein Privileg, durch das beide Städte nicht von Beschränkungen (Navigationsakten) des auswärtigen Handels zwischen England und den englischen Kolonien betroffen waren. Obwohl der Bremer Handel ab 1680 im Allgemeinen abnahm, blieben die Verbindungen mit England und den Niederlanden intensiv. 1686 gründeten einige Bremer Kaufleute eine englische Kompanie, der es aber nicht gelang, das Handels- und Schiffahrtsmonopol für den Englandhandel zu gewinnen. Im letzten Jahrzehnt stieg die Zahl der bremischen Exporteure englischer Produkte dennoch um das zwei- bis dreifache an. Im Elbe-Weser-Raum gab es in der Frühen Neuzeit kommerzielle, politische und konfessionelle Netzwerke von Schotten, die Verbindungen zu ihrem Heimatland, aber auch zu den Niederlanden und zum Baltikum hatten.27 Daran waren auch Militärs wie der oben erwähnte Patrick More beteiligt. In Hamburg und Bremen wurden aus Schottland weißer Fisch, Hering, Salz und Kohle importiert. In Bremen war vor allem der Handel mit schottischem Salz bedeutend. In beiden Städten wohnten schottische Kaufleute, die mit Kollegen innerhalb und außerhalb der Städte vernetzt waren. In den 1630er Jahen reiste der schottische Theologe John Durie (s. 2.4) durch Nordeuropa mit dem Ziel, Lutheraner und Reformierte in Territorien und Städten zu vereinigen. Er besuchte unter anderem Bremen. Ab 1683 wurde es für schottische Presbyterianer und diejenigen, die einer politischen Verschwörung verdächtigt wurden, unsicherer, sich in den Niederlanden aufzuhalten. Man wandte sich deshalb nach Nordwestdeutschland. Sir William Waller und George Melville verhandelten mit der Stadt Bremen, um sich dort mit einer größeren Gruppe niederlassen und eine eigene Kirchengemeinde gründen zu können. Wallers Vater war Offizier unter Oliver Cromwell 27
Vgl. für die nächsten Absätze: Zickermann 2013.
3.3 Gab es zwei Johannes Deusings aus Bremen?59
(1599–1658) gewesen. Waller wurde vom Bremer Rat als Offizier des Stadtmilitärs eingestellt. Da der englische König Charles II und sein englischer Gesandter in Hamburg beim Bremer Rat Beschwerde einlegten, musste Waller 1684 nach Lüneburg ausweichen; zu einer offiziellen Niederlassungserlaubnis für schottische Migranten in Bremen kam es nicht. Jedoch bestand bis etwa 1700 ein kleiner Kreis von schottischen Migranten, die Kontakte mit Gleichgesinnten in den Niederlanden pflegten. Übrigens gab es in Bremen auch englische Migranten wie Thomas Paine, der 1638 das Bürgerrecht erhielt. Sein Vater war aus England in die niederländische Provinz Zeeland ausgewandert.28 Durch die intensiven Handelsverbindungen zwischen Bremen und den Niederlanden dürften weitere Einflüsse des Puritanismus und der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung nach Bremen gelangt sein. Es gibt einige Beispiele für Personen, die gebürtig aus Bremen kamen, aber in den Niederlanden lebten und sich von dort aus an der Produktion niederländischer Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur beteiligten.29 Neben den puritanischen Einflüssen gab es auch spiritualistische Einflüsse, zum Beipiel durch den reformierten Prediger und Arzt Paul Felgenhauer, der mit Unterbrechungen von 1637 bis 1657 im Umfeld von Bremen wirkte, sowie durch den Magister Caspar Berlinghoffs (1640) und den aus Stade kommenden lutherischen Prediger Adolf Helt (1650).30
3.3 Gab es zwei Johannes Deusings aus Bremen? Auf Übersetzungen eines Johannes Deusing aus Bremen ist in der Pietismusforschung gelegentlich verwiesen worden. Dabei stützte man sich entweder auf den biographischen Artikel in H. W. Rotermunds Lexikon aller Gelehrten die seit der Reformation in Bremen gelebt haben (1818) oder auf den biographischen Artikel in F. W. Strieders Grundlage zu einer hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte (1783). Strieders Lexikon enthält einen Artikel über einen „Johannes Deusing“. Strieder stützte sich auf „sichern geschriebenen Privatnachrichten“, wonach Deusing 28 Vgl.
158 f.
Prange 1963, 237–239, 249. Vgl. über Payne auch Witzendorff 1955, 139, 141, 147,
29 Es handelt sich um Gulielmus Hatzfeldius (vgl. Hof 2001b, 89) und Johannes Lampe (vgl. Hof 1999a, 140 f.). Der Kandidat der Theologie in der niederländischen Region Drenthe, Heinrich Reuter, dessen gleichnamiger Vater aus Bremen stammte, hat zu seiner Übersetzung einer Schrift des Bremer Predigers Petrus Zimmermans (gest. 1648) eine Widmung im Geist der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung verfasst, vgl. Petrus Zimmermann, Het gebedt Jesu Christi. Onses eenigen en eeuwigen hoogen-priesters, Utrecht, Henrick Versteegh, 1658, [3]–[38]. 30 Vgl. Mai 1979, 187–192.
60
3. Johannes Duysing (1644–1673)
gebürtig aus Bremen stammt. 1666 soll er Lehrmeister der beiden Söhne des hessischen Landgrafen Wilhelm VI., Prinz Philipp und Prinz Georg, gewesen sein, 1678 „Regierungskanzley=Sekretarius“, 1683 Rat und Archivar in Kassel. „[U]nter den Namensbuchstaben J. D. B. (d. i. Johannes Deusing Bremensis.)“ habe er folgende Übersetzungen angefertigt (Wortlaut von Strieder):31 Autor
Titel
Erscheinungsort und -jahr
Wilh. Teeling Wilh. Teeling Rich. Baxter Wilh. Guthry Wilh. Guthry32
Soliloquium neues Jerusalem wahre Bekehrung grosses Interesse eines Christen grosses Interesse eines christlichen K aufmanns Selbststreit der Seelen Haußbuch von Noach göttl. Wandel letzte Arbeit auf dem Todtbette Ruhe der Heiligen Hausbuch der Armen ein Heiliger oder ein Vieh Creutzigung der Welt göttl. Leben Klage Pauli
Cassel 1671, 1693 Cassel 1672, 1693 Cassel 1673 Cassel 1674 Cassel 1674
Rich. Sibs Rob. Bolton Rich. Baxter Rich. Baxter Rich. Baxter Rich. Baxter Rich. Baxter Rich. Baxter Wilh. Teeling
Cassel 1675 Frf. 1676 Cassel 1683 Cassel 1684 Marb. 1684 Hanau 1685 Frf. A. M. 1685 Frf. A. M. 1685 Cass. 1698
Rotermund berichtete über einen „Johannes Düsing“ (1644–73), der Prediger an der Bremer St. Pauli-Kirche (1671–73) war, und der eine Schrift von Dionysius Spranckhuysen übersetzt haben soll: Balsaam für eine Kranke Seele (1673).33 Nicht nur in diesen Lexikonartikeln, sondern auch in späteren Forschungsarbeiten fand Johannes Deusing Erwähnung. 1908 wies W. Goeters in einem kirchenhistorischen Lexikonartikel über Theodor Undereyck auf einen „J(ohannes) D(eusing aus Bremen)“ hin, der drei Schriften von Willem Teellinck übersetzt haben soll: Soliloquium, Das newe Jerusalem und Die Klage Pauli. Alle drei Übersetzungen sind Goeters zufolge 1693 in Kassel erschienen und er bezeichnete Deusing als Anhänger Theodor Undereyks, der von 1670 bis 1693 Pastor primarius der Bremer St. Martinikirche war und als Vater des deutschen reformierten Pietismus gilt. Anzunehmen ist, dass Deusing seine Übersetzungen auf dessen Anregung hin anfertigte.34
31 Vgl. Friedrich Wilhelm Strieder, Grundlage zu einer hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 3, Kassel: Johann Jacob Cramer, Göttingen: Johann Albrecht Barmeier, 1783, 9 f. 32 Hier irrt Strieder sich. Es handelt sich nicht um die Übersetzung einer Schrift Guthries, sondern um eine von einem J. D. zusammengestellte Kompilation. 33 Vgl. Rotermund 1818, Tl. 1, 109. 34 Vgl. W. Goeters 1908, 233.
3.3 Gab es zwei Johannes Deusings aus Bremen?61
Siebzig Jahre später schloss sich J. Wallmann Goeters an, auf dessen Artikel er in einer Fußnote verwies: die Übersetzungen der drei Teellinckschen Schriften hätte „Johannes Deusing aus Bremen“ auf Anregung Undereycks hin erstellt.35 H. Faulenbach berichtete 1979 von einem „Johannes Düsing“, den Undereyk aus dem Kreis der in Bremen Studierenden für sich gewonnen habe. Faulenbach entnimmt diese Angaben dem Goeters’schen Lexikonartikel, der Monographie J. Fr. Ikens über Joachim Neander36 sowie der Matrikel des Bremer Gymnasiums Illustre. Demnach handele es sich sich bei „Johannes Düsing“ um den „Hilfsprediger an St. Martini, Pfarrer an St. Pauli, Bremer Neustadt“.37 E. C. McKenzie hat in seiner Dissertation (1984) über deutsche Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur seit der Reformation bis 1750, deren zugehörige Bibliographie 1997 in den Druck gegeben wurde, die Abkürzungen J. D. und J. D. B. mit den Initialen Johann Deusings identifiziert.38 J. van der Haar löste 1997 in seiner Bibliographie zu Übersetzungen theologischer Bücher von 1600 bis 1800 das Namenskürzel J. D. als J. Deusing auf.39 B. Hollenbenders-Schmitter gab 1989 in ihrer Dissertation über Teellincks Soliloquium einen Johann Deusing aus Kassel als Übersetzer an und verwies dabei auf Strieder.40 J. F. G. Goeters äußerte 1993 die Vermutung, dass der Prinzenerzieher Johannes Deusing aus Kassel – Goeters verwies dabei auf Strieder – die Verbindungen zwischen Undereyck in Kassel und der St. Martinigemeinde in Bremen geknüpft haben dürfte. 1668 erreichte Undereyck die Berufung nach Kassel, die er auch annahm. Um seine Vermutung zu untermauern, wies Goeters auf Deusings Übersetzungen von Teelinck, Baxter und anderen hin, die seit 1671 in Kassel erschienen waren. Undereyck hatte diese Autoren 1670 in seiner Schrift Christi Braut unter den Töchtern zu Laodicea zitiert.41 Auf Grundlage von Strieders Lexikonartikel und einer persönlichen Mitteilung von J. F. G. Goeters, behauptete W. J. op ’t Hof 1993, dass die deutschen Übersetzungen von Teellincks Schriften Soliloquium, Das newe Jerusalem und 35
Vgl. Wallmann 1978, 149, Anm. 42. Vgl. Iken 1880, 72. 37 Vgl. Faulenbach 1977/8, 213. Dass die Bekanntschaft zwischen Undereyk und Düsing schon während der Studienzeit Düsings am Bremer Gymnasium Illustre entstand, ist unwahrscheinlich, da Düsing wahrscheinlich 1661 bis 1665 dort studierte und Undereyk erst 1670 nach Bremen kam, s. 3.6. 38 Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 231–233, 253; Bd. 2, passim; McKenzie 1997, General Index with Entry Numbers, unter „Deusing, Johann“. Wallmanns Behauptung, dass McKenzie die Initialen J. D. B. nicht mit Johannes Deusing aus Bremen aufgelöst hat, ist nicht korrekt. McKenzie hat die Abkürzung B. zwar nicht als „Bremensis“ aufgelöst, wohl aber J. D. als Johann Deusing. Allerdings stimme ich Wallmann zu, dass die Behauptung in meinem PuN‑Aufsatz, McKenzie habe eine „Vermischung“ vorgenommen, unzutreffend ist, vgl. Wallmann 2012, 247. 39 S. IÖB, 136, 192. 40 Vgl. Hollenbenders-Schmitter 1989, 267, Anm. 3. 41 Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 249. 36
62
3. Johannes Duysing (1644–1673)
Die Klage Pauli von Johann Deusing, einem hohen Beamten aus Kassel übersetzt worden wären. Dieser Deusing hätte darüber hinaus viele englische Erbauungsbücher ins Deutsche übersetzt. Außerdem sei er ein enger Freund Undereycks gewesen. Als Beleg für diese Freundschaft verwies op ’t Hof auf Faulenbach, der einen Prediger aus Bremen namens Johannes Düsing erwähnt hatte.42 In einem Aufsatz von 1998 ging op ’t Hof davon aus, dass eine Person, Johann Deusing, eine Schrift Spranckhuysens, die drei Schriften Teellincks sowie verschiedene englische puritanische Schriften übersetzt hätte.43 W. Goeters und J. Wallmann identifizierten den Teellinck-Übersetzer als „J(ohannes) D(eusing aus Bremen)“ und als Anhänger Undereycks. Hollenbenders-Schmitter und J. F. G. Goeters haben ihn mit Verweis auf Strieder als Kasseler Beamten identifiziert. J. F. G. Goeters wies darauf hin, dass Deusing auch Texte anderer Autoren, zum Beispiel von Baxter, übersetzt hat. Faulenbach erwähnte mit Verweis auf W. Goeters einen Bremer Undereyck-Anhänger und Hilfsprediger Johannes Düsing, ohne Übersetzungen aus dessen Feder zu nennen. Op ’t Hof kombinierte die Informationen von Strieder und Faulenbach und vermutete, dass die Texte von Sprankckhuysen, Teellinck und einiger englischer Puritaner von ein und derselben Person übersetzt wurden. VD17 kategorisiert auf dieselbe Art und Weise: aus der Eingabe J. D. B. ergibt sich eine Reihe von Treffern mit Übersetzungen von Texten folgender Autoren: Baxter, Bolton, Guthrie, Sibbes, Spranckhuysen und Teellinck. Im Rahmen meiner Masterarbeit (Germanistik) im Jahr 2006 bin ich den Hinweisen in den Lexikonartikeln von Strieder und Rotermund gefolgt und fand in den Bibliographien McKenzies und van der Haars sowie in verschiedenen Bibliothekskatalogen weitere Übersetzungen eines J. D. oder J. D. B. Den Lexikonartikeln folgend, habe ich zwischen einem JD1, dem Bremer Prediger und Spranckhuysen-Übersetzer (so Rotermund), und JD2, dem Kasseler Beamten und Übersetzer von Erbauungsbüchern Teellincks und einiger Texte englischer Autoren (so Strieder), unterschieden.44 Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden 2007 in der Zeitschrift Pietismus und Neuzeit (33) veröffentlicht.45 Im 38. Jahrgang (2012) der erwähnten Zeitschrift bestritt J. Wallmann meine Annahme, es gebe zwei Übersetzer mit dem Namen Johannes Deusing.46 Hauptsächlich kritisierte er die mangelhafte Vorgehensweise bei der Beweisführung. So wäre nicht bewiesen worden, dass es zwei aus Bremen gebürtige Übersetzer mit dem Namen Johannes Deusing gegeben hat, da diese erst zu beweisende Behauptung von Anfang an als wahr vorausgesetzt worden wäre (petitio principii). 42
Vgl. Hof 1993, 23; Hof 2004, 135. Vgl. Hof 1998a, 181; Hof 2001a, 350 f. 44 Vgl. Kamp 2007a. 45 Vgl. Kamp 2007b. 46 Vgl. Wallmann 2012, 245–256. 43
3.3 Gab es zwei Johannes Deusings aus Bremen?63
Darüber hinaus behauptet Wallmann, es sei nicht logisch, die Übersetzungen von Baxter, Bolton, Guthrie, Sibbes und Teellinck dem Kasseler Beamten zuzuschreiben. Ihmzufolge sprechen folgende Befunde dagegen:47 1. Eine beabsichtigte, aber nicht durchgeführte Englandreise des Bremer Theologen im Jahr 1670 spreche dafür, dass er der Übersetzer der englischen Schriften war. 2. Die Kombination von Erscheinungsjahr und -ort: Teellincks Soliloquium ist 1671 in Kassel erschienen, die Widmung in Teellincks Das newe Jerusalem, […] nebenst der Klage Pauli (1672) wurde aber 1671 in Bremen verfasst. Daraus schließt Wallmann, dass die beiden Schriften nicht vom Kasseler Beamten übersetzt worden sein können und vermutet, dass der Bremer Theologe und Gesandtschaftsprediger der Übersetzer ist. Dieser, so Wallmann, habe die Übersetzungen angefertigt, nachdem er von Kassel nach Bremen gezogen war. 3. Die Tatsache, dass zwei Teellinck-Übersetzungen Empfängern in Bremen gewidmet sind, nämlich der St. Martinigemeinde und Elisa Meier, geborene Hake. Außerdem hat Deusing die Widmung von Das newe Jerusalem in Bremen verfasst. Daraus schließt Wallmann, dass der Bremer Theologe der Übersetzer der Teellinck-Schriften ist. 4. J. D.’s Zitate hebräischer Wörter in der Widmung zu Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans: Dass Deusing aus Kassel der hebräischen Sprache mächtig war, hält Wallmann für unwahrscheinlich, da dies für einen Juristen in der Frühen Neuzeit unüblich war. Die Kenntnisse des Hebräischen sprechen dafür, dass der Bremer Theologe die Schrift übersetzt hat. 5. Die Abkürzung J. D. B.: In Anlehnung an W. Goeters und anderen, löste ich diese Abkürzung als Johannes Deusing Bremensis auf, und ging davon aus, dass der letzte Buchstabe auf den Geburtsort verweist. Üblicherweise bezeichnete der letzte Buchstabe einer Namensabkürzung aber den Ort, in dem man gegenwärtig lebte, oder in dem man ein Bürgerrecht hatte. Wallmann hält es für unwahrscheinlich, dass sich der Kasseler Deusing, wenn es ihn denn gab, mit der Angabe seines Geburtsortes als gebürtiger Bremer ausgegeben hätte. Damit hätte er nämlich auf die einzige Möglichkeit, sich namentlich von dem Bremer Theologen Deusing als Übersetzer zu unterscheiden, verzichtet. Implizit behauptet Wallmann, dass es nur einen einzigen Übersetzer namens Johannes Deusing gab, nämlich den Bremer Theologen, der nicht nur die Spranckhuysen-Übersetzung, sondern auch die Übersetzungen, die im Namen von J. D. oder J. D. B. veröffentlicht wurden, verfasst hätte. 47
Vgl. Wallmann 2012, 255–256.
64
3. Johannes Duysing (1644–1673)
Wallmann bezeichnet meine These, dass es zwei Übersetzer mit dem Namen Johannes Deusing gab, als „sacrificium intellectus“, einen „Irrweg der Pietismusforschung“, und als „Jagd nach einem Phantom“. Lieber sollte ich mich darum bemühen, die Existenz des Kasseler Hofbeamten Johannes Deusing anhand der Kasseler Akten nachzuweisen.48 Außerdem bezieht sich Wallmann in seiner Kritik auf bestimmte Vorgehensweisen meiner Untersuchungen und den daraus gezogenen Schlüssen. Erstens hätte ich zu Unrecht geschrieben, dass der Kasseler Beamte zuweilen das B. aus J. D. B. weglässt, weil er es schließlich in fast allen Übersetzungen weggelassen habe. Zweitens sei es ein unübliches Verfahren, historische Personen nicht mit ihren Namen, sondern mit Abkürzungen (JD1 und JD2) zu benennen. Drittens sei meine Annahme, W. J. op’t Hof vermische JD1 und JD2, nicht richtig, da sich op’t Hof auf beide Lexikonartikel Strieders und Rotermunds gestützt habe, ohne ihre Divergenzen zu beachten. Viertens hätte ich mit den Angaben Strieders vorsichtiger umgehen sollen, weil er seine Daten aus „sichern geschriebenen Privatnachrichten erhalten“ hat. Fünftens hätte ich übersehen, dass der Text Die Auskauffung der Zeit, der zu Baxters Ausgesonderte Schrifften gehört, nicht von Baxter, sondern von William Whately stammt. Den ersten vier Kritikpunkten ist zuzustimmen. Hinsichtlich des fünften Punktes möchte ich darauf hinweisen, dass die weiteren Untersuchungen im Rahmen dieser Doktorarbeit belegen konnten, dass die Schrift, abweichend von den Angaben in unterschiedlichen Bibliographien, aber den Angaben des Titelblattes entsprechend, von Baxter stammt (s. 4.25.1). Kehren wir zurück zu Wallmanns Hauptkritik, die sich auf die Vorgehensweise bei der Beweisführung hinsichtlich der Frage, ob es zwei aus Bremen gebürtige Übersetzer mit dem Namen Johannes Deusing gegeben hat, bezieht. Im Folgenden werden die bereits vorhandenen bibliographischen und biographischen Daten neu ausgewertet. Auch neu aufgefundene Quellen werden berücksichtigt. Nach Analyse und Auswertung der Datenwerden die Ergebnisse mit Wallmanns Kritik in Beziehung gesetzt. Zuerst folgt eine tabellarische Übersicht der unter dem Namen Johann Deusing (beziehungsweise Düsing, Dui[j]sing oder Duysing), J. D. oder J. D. B erschienenen Übersetzungen und deren Neuauflagen. Letztere konnten durch Textvergleiche mit vorhergehenden Auflagen als Neuauflagen identifiziert werden. Der Katalog wurde mithilfe von VD17 und HeBis-Portal erstellt. Neben den üblichen Angaben von Autor, Kurztitel, Erscheinungjahr, Verleger und Drucker werden, und zwar im Wortlaut, Angaben zum Übersetzer auf dem Titelblatt, Angaben zu den Empfängern der Widmung sowie die Unterschrift der Widmung oder der Vorrede des Übersetzers in die Tabelle aufgenommen. Schließlich komme ich zu einem Fazit, wobei auch Daten aus anderen Quellen berücksichtigt werden. 48
Vgl. Wallmann 2012, 256.
Dresser, Jost Heinrich; Kassel Zeitler, Christoph – Andreas, Halle
1671
1676
1693
1702
1672
Teellinck, Soliloqvium Willem
Teellinck, Soliloqvium Willem
Teellinck, Christliche Willem Hertzens- Gedancken
Teellinck, Das newe Willem Jerusalem, […] nebenst der Klage Pauli
Francke, Elias; Kassel
Francke, Elias; Göttingen
Francke, Elias; Kassel
Joh. Duysing, Pred. zu St. Pauli in Bremen
Nicht erwähnt; „von neuen dem Druck überlassen von Theophilo“
J. D. B.
J. D. B.
Schadewitz, J. D. B. Salomon; Kassel
–
–
Vorrede: Johannes Duysing, Pred.
Unterschrift der Widmung/ Vorrede (Wortlaut)
Widmung: J. D. B.
ELISA, Gebohrne Hakin, des J.D. | Bremen den […] Herrn Henrici Meyers, […] 22. Aug. 1671. bey der […] Reichs-Stadt Bremen hochverdienten Aeltisten und p. t. præsidirenden Bürgermeisters […]
Zuschrifft der vorigen Edition an alle Gottliebende Freunde der Gemeine zu St. Martini
Allen Gottliebenden Freunden Widmung: J. D. Cassel, den 3. April der Gemeine zu St.mMartini. 1671. In Bremen.
Allen Gottliebenden Freunden Widmung: J. D. der Gemeine zu St. Martini. In Kassel, den 3. Aprill. 1671 Bremen.
Allen Gottliebenden Freunden Widmung: J. D. der Gemeine zu St. Martini. In Kassel, den 3. Aprill. 1671. Bremen.
H. Luberto Formanoir, […] dieser Kayserl. Freyen ReichsStadt Bremen hochverdienten Rahtsverwandten […]
Empfänger der Widmung des Übersetzer laut Titelblatt Übersetzers (Wortlaut) (Wortlaut)
Schadewitz, J. D. B. Salomon; Kassel
Brauer, Hermann; Bremen
Teellinck, Soliloquium Willem
–
1673
Balsaam für eine kranke Seele
Drucker
Spranckhuysen, Dionysius
Erschei- Verlag nungsjahr
Kurztitel
Autor
3.3 Gab es zwei Johannes Deusings aus Bremen?65
Polich, Johann Michael; Frankfurt am Main Zunner, Johann David II Erben; Frankfurt am Main; Jung, Johann Adam; Frankfurt am Main
1690
Die wahre Bekehrung
Die wahre Bekehrung
Die wahre Bekehrung
Herrlicher Trac- 1713 tat von der wahren Bekehrung
Baxter, R ichard
Baxter, R ichard
Baxter, R ichard
Baxter, R ichard
1680
1673
1673
Die wahre Bekehrung
Baxter, R ichard
Harmes, Heinrich; Kassel
–
Drucker
Francke, Elias; Kassel
Francke, Elias; Kassel „einen Liebhaber der wahren Bekehrung“ „einen Liebhaber der wahren Bekehrung“ „einen Liebhaber der wahren Bekehrung“
–
–
J. D. B.
–
–
–
–
–
–
J. D. B.
J. D. B.
–
J. D. B.
Empfänger der Widmung des Übersetzer laut Titelblatt Übersetzers (Wortlaut) (Wortlaut)
–
–
„Cassel, in Ver– legung des Ubersetzers“
Dresser, Jost Heinrich; Kassel
1698
Teellinck, Die Klage Pauli Willem
Dresser, Jost Heinrich; Kassel
Erschei- Verlag nungsjahr
1693
Kurztitel
Teellinck, Das neue JeruWillem salem
Autor
–
–
–
–
–
–
–
Unterschrift der Widmung/ Vorrede (Wortlaut)
66 3. Johannes Duysing (1644–1673)
Kurztitel
Tractat von der wahren Bekehrung
Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen
Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen
Autor
Baxter, R ichard
Guthrie, William
Guthrie, William
Fickweiler, Johann Michael; Frankfurt am Main, Leipzig Francke, Elias; Kassel
Verleger unbekannt, Danzig
1714
1674
1696
Erschei- Verlag nungsjahr
–
Hertzog, Friedrich; Kassel
–
Drucker
–
„CHARLOTTEN, Pfaltzgräfin bey Rhein, Hertzogin in Bäyern, Geborner Landgräfin zu Hessen […] Wie auch Der Durchleuchtigsten Princessin, Princessin ELISABETH, Geborner Landgräfin zu Hessen“ [= Charlotte von Hessen-Kassel (1627–80) und Elisabeth von Hessen-Kassel (1634–86)]
J.D.
–
–
–
Empfänger der Widmung des Übersetzer laut Titelblatt Übersetzers (Wortlaut) (Wortlaut)
–
Widmung: J. D.
–
Unterschrift der Widmung/ Vorrede (Wortlaut)
3.3 Gab es zwei Johannes Deusings aus Bremen?67
Der Probir-Stein des Gewissens
Noah göttlicher 1676 Wandel
Bolton, Robert
Bolton, Robert
1676
J. D. B.
– Seyler, Jakob Gottfried; Frankfurt am Main
J.D. J. D. B.
–
J.D.
J.D.
–
–
–
–
Carl Behagel, Cornelius Simons, Isaac Behagel, Benjamin Le Brün, Daniel Behagel, Jacobus von der Walt, Hieronimus Simons, Hieronimus Schönauer, Teobald Schönauer, Isaac Schönauer und Henrich Boot, vornehmen und berühmten Kaufleuten aus Hanau, Frankfurt und Kassel. [Carl Behagel und Cornelius Simons waren auch Bürgermeister in Hanau, Hieronimus Schönauer auch Ratsherr in Kassel.]
Empfänger der Widmung des Übersetzer laut Titelblatt Übersetzers (Wortlaut) (Wortlaut)
Seyler, Jakob – Gottfried; Frankfurt am Main
Henckel, Gerhard; Kassel
Der Seelen Selbst-Streit
Sibbes, Richard
1675
Oehrling, Tobias; – Jena
1706 Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmanns
–
–
Francke, Elias; Kassel
1674 Das grosse I nteresse eines gewissenhafften Kauffmans
Drucker
–
Erschei- Verlag nungsjahr
Kurztitel
Autor
–
–
–
–
Widmung: Cassel den 15. May 1674. Dienstwilligster J. D.
Unterschrift der Widmung/ Vorrede (Wortlaut)
68 3. Johannes Duysing (1644–1673)
J.D.
Das Hausbuch der Armen
Baxter, Richard
1684
1683 Eines Glaubigen letzte Arbeit auff dem TodBette
Baxter, Richard
1676
Meurs, Jacob van; – Amsterdam; Someren, Johannes van; Amsterdam
Wouter Ost-Indische Schouten Reyse
J.D.
Meurs, Jacob van; – Amsterdam
1676 Beschreibung des Keyserthums Sina oder Taising
Dapper, Olfert
–
Kürßner, Salomon; Kassel
Stock, Johann Heinrich; Marburg
–
–
–
J.D.
–
–
–
Widmung: „Der Durchleuchtigste Princesse, PRINCESSE ELISA- „Der Ubersetzer“ BETH, Landgräfin zu Hessen“ [= Elisabeth von Hessen-Kassel (1634–86)]
–
–
–
–
Unterschrift der Widmung/ Vorrede (Wortlaut)
J.D.
J. D. B.
–
Grentz, Gottlieb Heinrich; Hannover und Wolfenbüttel
Noah göttlicher 1691 Wandel
Bolton, Robert
I.D. B.
Seyler, Jakob – Gottfried; Frankfurt am Main –
Empfänger der Widmung des Übersetzer laut Titelblatt Übersetzers (Wortlaut) (Wortlaut)
Noah göttlicher 1678 Wandel
Drucker
Bolton, Robert
Erschei- Verlag nungsjahr
Kurztitel
Autor
3.3 Gab es zwei Johannes Deusings aus Bremen?69
J.D.
Scheffer, Karl; Hanau
– Zunner, Johann David; Frankfurt am Main
1685
1685
Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi
Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi
Ein Heiliger oder ein Vieh
Ein Heiliger oder ein Vieh
Ein Heiliger oder Ein Vieh
Ausgesonderte Schrifften
Baxter, Richard
Baxter, Richard
Baxter, Richard
Baxter, Richard
Baxter, Richard
Baxter, Richard
1697
1716
1685
1685
J.D.
–
Scheffer, Karl; Hanau
1685
–
Saurmann, Philipp Gottfried; Bremen
–
Hartung, Johann – Bernhard; Frankfurt am Main
Friedgen, Zunner, Johann David; Frankfurt Johann Dietrich; am Main Frankfurt am Main
Karl Scheffer, Hanau
–
J.D.
–
–
–
J.D.
–
–
–
–
–
J.D.
J.D.
I.D.
Das göttliche Leben
–
Baxter, Richard
Kürßner, Salomon; Kassel –
Empfänger der Widmung des Übersetzer laut Titelblatt Übersetzers (Wortlaut) (Wortlaut)
Die ewige Ruhe 1684 der Heiligen
Drucker
Baxter, Richard
Erschei- Verlag nungsjahr
Kurztitel
Autor
–
–
–
–
–
–
–
–
Unterschrift der Widmung/ Vorrede (Wortlaut)
70 3. Johannes Duysing (1644–1673)
3.3 Gab es zwei Johannes Deusings aus Bremen?71
Aus dieser Übersicht lässt sich Folgendes ermitteln: 1. Ein vollständiger Name des Übersetzers findet sich nur auf dem Titelblatt und am Ende der Vorrede der Spranckhuysen-Übersetzung: „Joh[annes] Duysing“. Er wird als Prediger der St. Pauligemeinde in Bremen bezeichnet. 2. In allen anderen Übersetzungen wird der Name des Übersetzers abgekürzt: J. D. B. oder J. D. Auf den Titelblättern der Erstauflagen der Übersetzungen von 1671 bis 1673 sowie auf den Titelblättern der Neuauflagen von Soliloquium (nur 1676, 1693) und Das newe Jerusalem, findet sich die Abkürzung J. D. B. Auf den Titelblättern der Übersetzungen von 1674 bis 1675 steht die Abkürzung J. D. Unterschiedliche Abkürzungen finden sich auf den Titelblättern der Übersetzungen aus dem Jahr 1676: auf den Bolton-Übersetzungen steht J. D. B., auf den Übersetzungen der Schriften Dappers und Schoutens steht J. D. Ab 1683 bis 1697 findet sich J. D. auf den Titelblättern, mit Ausnahme von den Neuauflagen von Boltons Noah göttlicher Wandel (1678, 1691). 3. Die Abkürzungen sind offensichtlich austauschbar, denn auf den Titelblättern von Soliloquium (1671, 1676, 1693) und Das newe Jerusalem (1672) wird der Name des Übersetzers mit den Initialen J. D. B. angegeben, während die Widmungen des Übersetzers in diesen Schriften mit J. D. unterschrieben worden sind. Zu der Zeit war es nicht unüblich, unterschiedlich viele Initialen anzugeben; man beachte die variierenden Initialen des niederländischen Pfarrers und Übersetzers Jacobus Koelman (1631–95).49 4. Während die Spranckhuysen-Übersetzung in Bremen erschien, wurden fast alle Erstauflagen der Übersetzungen von J. D. und J. D. B. in hessischen Städten veröffentlicht, nämlich in Kassel, Frankfurt, Marburg und Hanau. Nur Ausgesonderte Schrifften (1697) erschien in Bremen. Die Daten aus den Übersetzungen machen es wahrscheinlich, dass es zwei Übersetzer gegeben hat: einen Bremer Prediger „Johannes Duysing“, der Spranckhuysen übersetzt hat, und einen J. D. [B.], der die anderen in der Tabelle aufgeführten Schriften übersetzt hat. Der Bremer Prediger lässt sich anhand der Quellen identifizieren. Im Folgenden werden die wichtigsten Daten aus der Trauerrede, die anlässlich seines Todes verfasst wurde, zusammengefasst. Alle weiteren Daten werden in Kapitel 3 dargestellt. Johannes Duysing wurde am 8. Januar 1644 in Bremen als Kind von Johan Duysing und Königunda Oelrichs geboren. Er besuchte das Gymnasium Illustre in seiner Heimatstadt und begann 1665 das Studium der Theologie an der Universität Marburg. Nach dem Studium wurde er Prediger des Hessen-Kasseler Gesandten Sebastian Zobel in Regensburg. In Kassel lernte er Theodor Undereyck kennen. Mit ihm zog er 1670 nach Bremen und wurde des49
Vgl. Meeuse 1990, 68.
72
3. Johannes Duysing (1644–1673)
sen Hilfprediger an der St. Martinigemeinde. 1671 wurde er Pfarrer in der St. Pauligemeinde in der Bremer Neustadt. 1672 heiratete er Wübbeke Stübbeman, 1673 starb er.50 Wer war J. D. [B.]? Eine Recherche in VD17 ergibt, dass es verschiedene Autoren gab, die die Abkürzung J. D. benutzten. Auch die Abkürzung J. D. B. wurde von verschiedenen Schriftstellern gebraucht. Für die Abkürzung J. D. liefert VD17 folgende Entschlüsselungsmöglichkeiten: – – – – – – – – –
David Joris (1501–56) Johannes Dyrkinus (2. Hälfte des 16. Jh.) John Dover (1644–1725) John Day (1574–1640) John Davies (1625–93) Jean Duré (= John Durie) John Dauncey (1660–63) James Duport (1606–79) Johann Deckherr (möglicherweise 1694 verstorben, laut anderen Quellen aber 1708 noch lebend) – Johann Deusing (1674–85). Varianten des Namens, die angegeben werden, sind Johannes Deusing, Johann Duysing, J. D., J. D. B. und Johannes Deusing Bremensis. Es handele sich um einen Übersetzer aus Bremen, Prediger in der dortigen St. Pauligemeinde. – John Donne (1572–1631) – Johann Diecmann (1647–1720) Für die Abkürzung J. D. B. liefert VD17 folgende Entschlüsselungsmöglichkeiten: – Johan de Brune (1589–1658) – Jean de Bussières (1607–78) – Johann Deusing (siehe oben). Das Theatrum anonymorum et pseudonymorum entschlüsselt die Abkürzung J. D. B. als „Johannes“ DUISBURG, Bremensis“.51 Aufschluss über die Auflösung der Initialen können nur die Quellen geben. Es gibt eine handschriftliche Quelle, die darauf hinweist, dass ein Johann Deusing aus Kassel tatsächlich der Übersetzer der unter J. D. und J. D. B. erschiene50 Vgl. Leidtragendes Klag- und Ehren-Gedächtnüß des … Herrn Johannis Duysings, Bremen, Hermann Brauer, 1673 (SuUB Bremen CS V 21). 51 Vgl. Vincentius Placcius, Theatrum anonymorum et pseudonymorum ex symbolis & collatione virorum per Europam doctissimorum ac celeberrimorum, Bd. 1, Matthias Dreyer, Hamburg, Gottfried Liebernickel Witwe, 1708, 415. Diese Entschlüsselung beruht auf der Information Gerhard von Mastrichts (s. 5.4).
3.3 Gab es zwei Johannes Deusings aus Bremen?73
nen Schriften ist. Im Nachlass von Johann Jakob Schütz befindet sich ein Zettel, der belegt, dass er im Jahr 1678 einem Herrn Deusing aus Kassel ein Fass abgekauft hat mit Exemplaren der oben erwähnten Schrift Der Seelen Selbst-Streit von Sibbes Richard von.52 Auf dem Titelblatt dieser Übersetzung wird der Übersetzer mit den Initialen J. D. angegeben. Dies macht es wahrscheinlich, dass dieser Deusing der Übersetzer dieser Schrift war und auch die anderen unter den Abkürzungen J. D. oder J. D. B. erschienenen Schriften übersetzt hat. Dieser Deusing aus Kassel lässt sich aus den Kasseler Akten und Kirchenbüchern tatsächlich identifizieren. Im Dienerbuch werden folgende Ernennungen verzeichnet. Am 3. August 1666 wurde „Johan Duijßing“ zum Lehrer der jüngsten Kasseler Prinzen Philipp und Georg ernannt. Am 16. Februar 1678 wurde „Johan Duijsing“ als Sekretär der Regierungskanzlei eingestellt. Am 22. Mai 1683 wurde „Johannes Duijsing“ zum Rat und Archivar ernannt.53 Am 10. Januar 1678 heiratete in der Kasseler Hofgemeinde „Johannes Dusinch, fürstl. Secretarius“ Jungfrau Anna Katharina Koc(s)ses.54 Schließlich begegnet man einem „archivario Duijsing“ in einem Brief des Hessen-Kasseler Geheimen Landsekretärs und Rates Anton Günter Heilersiegs55 (1662–96) an Landgraf Karl von Hessen-Kassel vom 2. April 1696.56 Heilersieg bittet, zur Genesung nach Bremen ziehen zu dürfen, und er fragt, ob sein Kind nach seinem Tod sein Vermögen in Hessen-Kassel steuerfrei für den eigenen Unterhalt anlegen darf. Heilersieg schreibt weiter: An solcher gnade dann so viel weniger zweiffele, weil ihro durchl(auch)t item seel(igem) raht Lincker, alß er nach Copenhage gereiset, über 25 000 r(eichs)th(a)l(e)r und dem archivario Duijsing über 12 000 r(eichs)th(a)l(e)r und anderen bedienten mehr, freij und ohne abzugk passiren laßen […]57
Dieser Satz ist ein Indiz dafür, dass Deusing zum Zeitpunkt dieses Briefes nicht mehr in Diensten des Landgrafen stand, und weggezogen war. Die Kasseler Akten bestätigen, dass es einen Johann Deusing gab, der ab 1666 am Kasseler Hof tätig war und, vermutlich im hohen Alter, vor 1696 weggezogen ist. Kombiniert man diese Angaben mit dem Zettel von Schütz und den oben aufgeführten Informationen aus den Übersetzungen (Titelblättern, Widmungen, Vorreden), so wird es sehr wahrscheinlich, dass der Kasseler Beamte die aufgeführten Schrif52 Vgl.
ASB Mp 326: Schütz an Deusing, 24.8.1678. Vgl. für die Einstellungen am Kasseler Hof: HStaMa K 177: Dienerbuch 1663–1760, 23, Nr. 120; 98, Nr. 13; 127, Nr. 150. 54 Vgl. Landeskirchliches Archiv Kassel, Microfichesbestand (A 1.1) Kassel Hofgemeinde KB, Nr. 448 (1623–84), 22. Ich danke Herrn Archivsachbearbeiter Thomas Gothe, der mir die genaue Angaben mitteilte, E‑Mail des 18.1.2010. 55 Vgl. Diedrich Saggitarius, Unvergeßliches Gedächtnüß-Mahl uber die … Entschlaffung des … Herrn Anton Gunther Heilersiegs, o.O 1696 (SuUB Bremen C. S. VIII. Nr. 22). 56 Vgl. HStaMa 5, 4184: Kabinettsregistrator, spätere Geh. Landsekretär Anton Gunter Heilersieg, 10–17. 57 HStaMa 5, 4184, 12r. 53
74
3. Johannes Duysing (1644–1673)
ten von Baxter, Bolton, Guthrie, Sibbes und Teellinck sowie die China-Schrift von Olfert Dapper und die ostindische Reisebeschreibung von Wouter Schouten übersetzt hat. Auch wenn die Herkunft der Informationen von Strieder – er erhielt sie von einer Privatperson – den Forscher auf dem ersten Blick zur Vorsicht mahnen sollte, sind seine Angaben zu bestätigen. Vor diesem Hintergrund sind die Aussagen Wallmanns neu zu diskutieren: 1. Die von dem Bremer Theologen im Jahr 1670 beabsichtigte Englandreise spreche dafür, dass er die englischen Schriften übersetzt hat. Eine (geplante) Englandreise ist kein sicheres Indiz dafür, dass der Bremer Theologe Texte aus dem Englischen übersetzt hat. 2. Teellincks Soliloquium (Kassel 1671) und Das newe Jerusalem (Kassel 1672, Widmung: Bremen 1671) seien vom Bremer Theologen verfasst worden. 1671 sei er von Kassel nach Bremen gezogen. Dies trifft nicht zu, der Bremer Theologe zog schon im Jahr 1670 weg. Wallmann ist entgegenzuhalten, dass der Kasseler Beamte die Widmung seiner zweiten Übersetzung während eines Besuches in Bremen verfasst haben könnte. 3. Die Bremer Widmungsempfänger der Teellinck-Übersetzungen seien klare Indizien, dass der Bremer Theologe deren Übersetzer war. Man kann die Widmung an Bremer Einwohner aber auch als Indiz einer fortdauernden, engen Verbindung des Kasseler Beamten zu seiner Heimat betrachten. 4. Hebräischkenntnisse seien unüblich unter Juristen in der Frühen Neuzeit, weshalb es logischer erscheine, dass der Bremer Theologe der Übersetzer von Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans war. Wallmann hat Recht, dass meine Vermutung, der Kasseler Beamte wäre des Hebräischen mächtig gewesen, spekulativ ist. J. D. führte nur einmal, innerhalb einer Bibelstelle, ein Wort aus dem hebräischen Grundtext auf.58 Vermutlich hatte er nur basale Hebräischkenntnisse. Deswegen werde ich unten bei der Besprechung der erwähnten Schrift (4.9) darauf verzichten, auf eventuelle Hebräischkenntnise des J. D. einzugehen. 5. Der letzte Buchstabe einer Namensabkürzung beziehe sich gewöhnlich nicht auf den Geburtsort, sondern auf den gegenwärtigen Aufenthaltsort oder den Ort, in dem man ein Bürgerrecht hat. Wallmann hat Recht, dass ich den letzten Buchstaben fälschlich mit dem Geburtsort in Verbindung gebracht habe. Es ist aber möglich, dass der Kasseler Beamte von Kassel aus eine Zeit lang sein Bürgerrecht der Stadt Bremen behalten hat. Dies ist gar nicht unwahrscheinlich: die Adressierung und der Inhalt der Widmungen zu den Teellinck-Übersetzungen zeugen von einer engen Bindung nach Bremen. In den Bürgerbüchern der Stadt Bremen ist Deusings Name jedoch nicht zu finden.59 58 59
Vgl. Kamp 2007b, 24. S. StA Bremen 2-ad P. 8.A. 19.a.
3.4 Vorfahren, Jugend und Studium (1661–68)75
Es wäre möglich, dass das Bürgerbuch für das 17. Jahrhundert Lücken aufweist.60 Die hier von Wallmann diskutierten Punkte bilden eine durchaus nachvollziehbare und berechtigte Kritik an meiner Rekonstruktion. Auch die von mir angeführten Einwände sind nicht mit Belegen abzusichern. Aufgrund der Befunde zu den Namen und Abkürzungen der Übersetzer auf Titelblättern, in Widmungen und Vorreden sowie der Daten zu den jeweiligen Erscheinungsorten ist meine oben durchgeführte Rekonstruktion aber naheliegender als Wallmanns, demzufolge die Teellinck-Schriften nicht vom Kasseler Beamten, sondern vom Bremer Theologen übersetzt worden sind. Ein zusätzliches Argument gegen Wallmanns These, der Bremer Theologe sei Übersetzer der unter den Abkürzungen J. D. oder J. D. B. erschienenen Übersetzungen gewesen, ist, dass diese erst ab 1673, dem Todesjahr des Bremer Theologen, erschienen sind. Auch enthalten weder die Titelblätter noch die Übersetzungen die Anmerkung, dass der Übersetzer inzwischen verstorben ist. Theoretisch ist nicht auszuschließen, dass Texte eines bereits verstorbenen Übersetzers veröffentlicht werden, ohne auf dessen Tod hinzuweisen; dies ist aber unwahrscheinlich. Als Fazit ergibt sich also, dass die Rekonstruktion es sehr wahrscheinlich macht, dass es zwei Übersetzer mit dem Namen Johannes Deusing (oder einer Namensvariante) gegeben hat: – den Bremer Prediger Johannes Duysing, der die Spranckhuysen-Schrift übersetzt hat, und – den Kasseler Beamten Johann Deusing, der die aufgeführten Schriften von Baxter, Bolton, Guthrie, Sibbes und Teellinck übersetzt hat. Vermutlich hatte er eine enge Bindung zu Bremen.
3.4 Vorfahren, Jugend und Studium (1661–68) Duysings Genealogie lässt sich anhand der Quellen ziemlich gut ermitteln.61 Die Familie Duysing verließ am Ende des 16. Jahrhundert das Herzogtum Brabant in den südlichen Niederlanden, vermutlich weil sie aufgrund ihres evangelischen Glaubens verfolgt wurde.62 Der Name Duysing ist niederländischen oder flämischen Ursprungs. Die Familie ließ sich vermutlich zunächst im Herzogtum 60 Hinsichtlich der Bremer Bürgerbücher der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist dies bekannt, vgl. Schütze. 61 Wenn nicht anders angegeben, sind die biographischen Daten über Duysing folgender Trauerrede entnommen: Leidtragendes Klag- und Ehren-Gedächtnüß des … Herrn Johannis Duysings. 62 Die folgenden Daten sind dem von Karl Müller-Duysing August 1978 erstellten Stammbaum „Duysing in Bremen“ und seinem Manuskript „Die Familie Duysing in Bremen“ entnommen, s. StA Bremen, 8/1: Familiengeschichtliche Materialien, Graue Mappe „Duysing“.
76
3. Johannes Duysing (1644–1673)
Kleve nieder. Johannes Urgroßvater Gerdt (Gerhard) wurde zur Zeit der Repression (1567–1572) unter dem Herzog von Alba (1507–82) aus den „Clevischen Ländern“ vertrieben und kaufte ein Landgut im Gericht Achim bei Bremen.63 Für die Ahnen ab der dritten Generation, zu der Johannes’ Großvater gehörte, lässt sich feststellen, dass sie in der Stadt Bremen gut integriert waren: sie erwarben das Bürgerrecht, heirateten ein in die Bremer Patrizierkreise und übernahmen führende Ämter im Rat und der Kaufmannschaft. Johannes’ gleichnamiger Vater (1617-nach 1667) war Bierbrauer. Am 25. Mai 1641 heiratete er Kunigunde (Könike) Oelrichs (1617/8–1701?), die Tochter eines Eltermannes, der eine führende und repräsentative Position unter den Bremer Kaufleuten innehatte.64 Johannes war das zweite Kind seiner Eltern. Er wurde am 8. Januar 1644 geboren. Drei Tage später, am Epiphaniastag, wurde er in der St. Ansgariikirche65 getauft.66 Unter Johannes’ Verwandten gab es einige Theologen. Der bekannteste war sein Neffe Henrich (1628–91), der später Theologieprofessor wurde.67 Anzunehmen ist, dass Johannes’ Eltern um 1667 vom Ansgariiquartier ins ärmere St. Stephaniquartier68 umgezogen sind,69 was mit dem Rückgang des Bierabsatzes in Verbindung gebracht werden kann.70 63
Vgl. Müller-Duysing, „Die Familie Duysing in Bremen“, 3. Ehren-Gedicht, auf den hochzeitlichen Frewdentag des … H. Johan Duisings … wie auch der … Köneken, des … H. Hans Oelrichs … Tochter, Bremen, Berthold de Villiers, 1641, A1r (SuUB Bremen 54. a. 8. Nr. 5); Jung fern-wahl, das ist, hochzeitliches Schertz- und Frewden Gedicht, zu Ehren und Wohlgefallen, dem … H. Johan Duising … vnd … Köneken Oelrichs, [Bremen], Berthold de Villiers, 1641 (SuUB Bremen 54. a. 8. Nr. 39). Vgl. über das Geschlecht Oelrichs: „Das bremische Stadtgeschlecht Oelrichs“; Karl-Theodor Oelrichs, „Oelrichs. Werden und Wachsen einer hanseatischen Familie“, Bremen 1939 (Manuskript, StA Bremen, 8/1: Familiengeschichtliche Materialien, Graue Mappe „Oelrichs“). Die Elterleute waren ein Führungsbzw. Sprechergremium der Kaufleute gegenüber dem Rat, vgl. Herbert Schwarzwälder 2003, Bd. 1, 231. 65 Vgl. G. Lemke 1979. 66 Müller-Duysing, „Die Familie Duysing“, 16, verweist auf das Kirchenbuch der St. Ansgarii, 222, Nr. 17. Die Angabe des 8. Februars als Geburtsdatum in der Trauerrede trifft wahrscheinlich nicht zu, da Epiphanias auf dem 6. Januar fällt. 67 S. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, V,7. 68 Vgl. über das Stephaniquartier: Herbert Schwarzwälder 1975, 291; über die Stephanigemeinde: Prüser 1940; Zobeltitz 1990. 69 Der Name „Johan(n) Düsing“, gegebenenfalls mit der Angabe „Brauer“, begegnet in dem Zeitraum von 1642 bis 1665 verschiedene Male unter den Mitgliedern zweier unterschiedlicher Bürgerkompanien des Stephaniquartiers, vgl. Müller-Duysing, „Die Familie Duysing“, 10 f. Vgl. über Bürgerkompanien: Schwarz 1969; Herbert Schwarzwälder 2003, Bd. 1, 150–152; über das Stephaniquartier: Schwarz 1969, 100, 102. Allerdings gehörte ein Teil der Mitglieder dieser Kompanie dem Kirchspiel St. Ansgarii an, vgl. ebd., Karte 4, 5. Am 11. Dezember 1667 bezahlte ein Johannes Düsing eine Begräbnisstätte in der Stephanikirche bezahlt, vgl. Müller-Duysing, „Die Familie Duysing“, 10. Seine Frau hat 1701 die Kosten eines Begräbnisses in derselben Kirche bezahlt, vgl. Müller-Duysing, „Die Familie Duysing“, 11. 70 Vgl. Witzendorff 1955, 157 f. 64 Vgl.
3.4 Vorfahren, Jugend und Studium (1661–68)77
Duysing ließ sich am 25. April 1661 am Gymnasium Illustre71 in seiner Heimatstadt immatrikulieren.72 Hier absolvierte er ein propädeutisches Artes-Studium. Aus den Catalogis dominorum studiosorum illustris Gymnasii Bremensis (kurz: Censurae) lassen sich über Duysing während seiner Bremer Studienzeit folgende Angaben ermitteln: Länge des Studiums, Wahl der Vorlesungen und der Collegia73 (Arbeitsstunden), Wohnort, Aufsicht über Privatschüler, Teilnahme am Abendmahl nach reformierter Art und Entrichtung des Gehalts an den Pedellen.74 Duysing hat theologische und philosophische Vorlesungen und Collegia in der Didaktik, Metaphysik, Mathematik, Rhetorik, Ethik und Politikwissenschaften gehört. 1661 unterrichtete er zwei Privatschüler. Bis einschließlich 1664 lässt sich Duysings Teilnahme am Abendmahl in der reformierten Kirche nachweisen.75 Als „Wohnort“ wurde dreimal der Name Senator Johann Zobel („dn. sen. Zobel“; „sen. Joh. Zobeln“) eingetragen, in der zweiten Censura von 1661 steht „apud Joh. Vogel“. Anzunehmen ist, dass dieser Eintrag durch ein akustisches Missverständnis zustande kam und Duysing während seiner gesamten Studienzeit in Bremen bei Johann Zobel gewohnt hat. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass seinen Eltern sowohl die finanziellen Mittel als auch die Räumlichkeiten für das Studium ihres Sohnes fehlten. Johann Zobel, der Duysing bei sich aufnahm, war Eltermann, Kaufmann und Bauherr von St. Martini (siehe unten). Am 22. Februar 1665 hielt Duysing unter Johannes Hipstede76 (1612–82), Bibliothekar und Professor für orientalische Sprachen und Griechisch, eine exegetische Disputation über Römer 4. Sie war sechs Herren gewidmet, die Johannes als seine Gönner und Verwandte (Dominis Mecænatibus, Patronis, Promotoribus, Fautoribus, ac Cognatis) bezeichnet.77 Es handelt sich um: 1. Joachim Brand (1609–73), Ratsherr, Scholarch (Schulaufseher des Ministeriums), und Erbschaftsrichter in Borgfeld. Er heiratete 1638 Lucke (oder: Lucia) Zobel, eine Schwester des Johann Zobel (unten, Nr. 5).78 71
Vgl. Iken 1883; Entholt 1899. In der Matrikel heißt es unter diesem Datum: „Joh[anne]s Düsing Brem[ensis]“, mit dem nachgestellten Zusatz „Past[or] novae urbis“, vgl. Achelis/Börtzler (Hrsg.)1968, 136, Nr. 21. Diese Anmerkung gehört wahrscheinlich nicht zur Originalfassung der Matrikel, sondern stammt wahrscheinlich vom ersten beamteten bremischen Archivar Hermann Post (1693– 1763), vgl. Börtzler 1968, XV–XVII. 73 Vgl. Entholt 1899, 25. 74 S. Achelis/Börtzler (Hrsg.) 1968, biographische Anm. Nr. 21. Vgl. Börtzler 1968, XX. Die Censurae werden in der SuUB Bremen unter der Signatur Brem.a. 383–384 aufbewahrt. 75 Censura 1661 A 58; 1661 B 143; 1663, 58; 1664 A 46. 76 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 1, 208 f. Vgl. für die Theologieprofessoren am Gymnasium: Janse 2007. 77 Collationum philologicarum ex epistola Pauli ad Romanos, octava: quam divini numinis auspicio … [Präs.: Johannes Hipstede, Resp.: Johannes Duysing], Bremen, Hermann Brauer, 1665, [166] (SuUB Bremen Brem. b. 740 Nr. 8). 78 Vgl. Lehsten 2003, Bd. 2, 354, Nr 9-e-d. 72
78
3. Johannes Duysing (1644–1673)
2. Christian Schöne (1620–99), Doktor der beiden Rechte, Enzyklopädist am Gymnasium, praktizierender Jurist und Ratsherr.79 3. Duysings Onkel Ger(har)d Düsing (1602–70), Ratsherr.80 4. Caspar Barkey (1619–90), Syndikus (Sekretär).81 5. Johann Zobel (1618–83), Eltermann, seit 1662 Bauherr an Martini,82 Kaufmann, und freigebiger Gastherr (Hospiti suo munificentissimo).83 Sein Großvater Heinrich Zobel (1559–1615) war ein geborener Bremer, der nach einem Aufenthalt in Antwerpen 1577 wegen des Glaubens nach Bremen zurückkehrte und hier zum Bürgermeister aufstieg.84 6. Volchard Butte (Folchardo Butt, ca. 1606–69), Onkel und Kaufmann.85 Während seiner Bremer Studienzeit hat Duysing mehrere Trauergedichte verfasst, nämlich für die Ratsherren Ditmar Leusmanns (1621–61)86 und Heinrich Schütte (1662)87 und für den Jurastudenten Johann Brand (1643–63),88 den einzigen Sohn des Bürgermeisters Joachim Brand (1609–73). 1664 verfasste Duysing ein Gedicht89 anlässlich des Todes von Anna Elisabeth Formanoir90 (1641), 79 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 2, 160; Harry Schwarzwälder 2002, 69, Nr. 388. Rotermund irrt sich bei der Ratsmitgliederschaft in dem Anfangsjahr 1637. 80 S. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, IV,7. Es muss sich hier um Johannes’ Onkel handeln, der 1664 bis 1670, also auch zum Zeitpunkt der Disputation Duysings, Ratsherr war. Sein gleichnamiger Sohn wurde erst 1705 Ratsherr, vgl. Harry Schwarzwälder 2002, 11. 81 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 1, 20; Harry Schwarzwälder 2002, 68, Nr. 385. 82 Seit 1662, s. Wilts, 60. In Bremen war es üblich, dass in den vier altstädtischen Pfarrkirchen einer der Bauherren Ratsherr war. Ein weiterer Bauherr aus derselben Gemeinde war meistens Eltermann, vgl. Prange 1963, 173. 83 Vgl. über ihn auch: Fr. Baring, Jacobs Walfahrt da … H. Johann Zobel … in die ewige Ruhe versetzet war, Bremen, Hermann Brauer, 1683 (SuUB Bremen Brem. a. 616 Bl. 54). 84 Vgl. Roosbroeck 1972, 88, 103 f.; Lehsten 2003, Bd. 2, 352, Nr. 8. 85 S. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, IV,9. 86 Vgl. Epicedia in … obitum viri … dn. Dithmari Leusmanni, Bremen, Berthold u. Heinrich de Villiers, 1661, 3 f. (SuUB Bremen Brem. B. 86,145). Vgl. auch die akademische Abdankungsrede (SuUB Bremen CS II 53) sowie Rotermund 1818, Bd. 1, 276. Leusmann durchreiste unter anderen Frankreich, England und die Niederlande. Er war verheiratet mit Rebecca Wachmann, der Tochter von Johann Wachmann (s. unten). 87 Vgl. Henrikus Mettengang, Christliche Thränenquellen über den … tödlichen Abgang, da der … Herr, H. Heinrich Schütte, Bremen, Berthold u. Heinrich de Villiers, 1662, 11f (SuUB Bremen Brem. b. 87 Nr. 61). S. über Schütte: Harry Schwarzwälder 2002, 66, Nr. 366. 88 Vgl. Lessus in … obitum … dni. Johannis Brandii, viri … dn. Joachim Brandii, … unici filii, Bremen, Berthold de Villiers, 1663, 5–8 (SuUB Bremen Brem. b. 1078 Nr. 45a). Vgl. über Joachim: Rotermund 1818, Bd. 1, 38; Schwebel 1944, 175–181; Harry Schwarzwälder 2002, 63, Nr. 329; über Johann: Johann Philipp Cassell, Erneuertes Andenken einiger früh zeitig verstorbener gelehrter Bremer, o. O. 1762, 34 (SuUB Bremen Brem. b. 507); Schwebel 1944, 180 f. 89 Vgl. Traur und Trostschrifft uber das … höchstsälige Absterben der … Frauen Anna Elisabeth Formanoir, gebohren Erp von Brockhausen, Bremen, Hermann Brauer, 1664 (SuUB Bremen Brem a. 503). 90 Vgl. K. G. P, Hertzliche Roosen Klage, bei der … Leichbestätigung der … Frauen Anna Elisabeth Erp von Brockhausen, des edlen-vesten und hochgelarten Herrn H. Lubertus Formanoir … hertzvielgeliebten Eheschatzes, Bremen, Hermann Brauer, 1664, 2–6 (SuUB Bremen Brem. b. 1078 Nr. 52).
3.4 Vorfahren, Jugend und Studium (1661–68)79
der Frau Lubert Formanoirs91 (1634–96), damals Advokat in Bremen. Anna Elisabeth war eine Tochter des Bürgermeisters Simon Anton Erp von Brockhausen (1611–82).92 Im Gedicht preist Duysing die Tugendhaftigkeit und Gottseligkeit der Verstorbenen. Das Gedicht enthält auch eine Klage über den verfallenen Zustand der Frömmigkeit: Dan sieh es ist fast gantz von uns hinweg gewichen Die alte Redligkeit, es ist zugleich verschlichen Die wahre Gottesfurcht, die Zucht und Ehrbarkeit, Die Nahmen haben wir, die sache selbst ist weit
Duysing und Formanoir standen sich aufgrund enger verwandtschaftlicher Beziehungen sehr nahe.93 Darüber hinaus war ihren Familien das gleiche Schicksal widerfahren; auch Formanoirs Vorfahren mussten aufgrund ihres Glaubens ihre Heimat Brabant verlassen und flohen nach Deutschland.94 Nach dem vorbereitenden Studium in Bremen ließ sich Duysing am 19. Dezember 1665 an der Universität Marburg95 immatrikulieren, wo er mit lobenswerten Zeugnissen zugelassen wurde.96 In Bremen hatte er den Grundstein für sein Studium gelegt, in Marburg konnte er sein Theologiestudium vertiefen. Die Universität Marburg war neben Heidelberg die bedeutendste reformierte Universität Deutschlands. Die Marburger Theologen vertraten eine abgeschwächte Form der contraremonstrantischen Prädestinationslehre. Die Hessen-Kasseler reformierte Kirche war irenisch geprägt. In einem Kolloquium, das 1661 in Kassel abgehalten wurde, herrschte Einigkeit zwischen den reformierten Marburger und den lutherischen Rinteler Theologieprofessoren hinsichtlich der christlichen Fundamentalartikel. Es bestand Konsens darüber, dass die Lehrunterschiede nicht das gemeinsame Glaubensfundament betrafen, und man sprach sich 91
Vgl. Rotermund 1818, Bd. 1, 127; Harry Schwarzwälder 2002, 68, Nr. 381. Vgl. Rotermund 1818, 1, 43 f.; Harry Schwarzwälder 2002, 65, Nr. 349. 1665 war er Gesandter auf dem Reichstag in Regensburg. 93 Formanoir heiratete ein Jahr nach dem Sterben seiner ersten Frau, am 28. September 1665, eine Kousine von Duysing: Lucia Duysing (1638–1711), s. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, V,9. Eine Schwester oder Kousine von Duysings Großvater, Catharina (Cottens) Duysing (1575-nach 1648), war mit Formanoirs Großvater Lubbert (1565-vor 1634) verheiratet, s. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, III,5. Ob der Ehemann von Catharinas Schwester Anna (ca. 1581-n. 1652), Joachim Formanoir (geb. v. 1627), ein Verwandter von Lubbert war, ist unbekannt, s. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, III,3. Vgl. auch Prange 1963, 233. 94 Vgl. Schuldiges Traur- und Ehren-Gedächtnüß bey der … Leich-Bestättigung des … Herrn Lubertus Formanoir, o. O. o. J., nicht paginiert (SuUB Bremen C. S. VIII 18). Vgl. auch Roosbroeck 1968, 240 f. 95 Vgl. Hermelink/K aehler 1927; Dienst 1986, 267–270. Vgl. über die theologische Fakultät: Heppe 1873. 96 S. Birt (Hrsg.) 1980, 66: „Johannes Düisingh Bremensis Saxo“. 92
80
3. Johannes Duysing (1644–1673)
dafür aus, in Zukunft ein friedsames Nebeneinander anzustreben. Im dogmatischen Unterricht in Marburg überwog die Föderaltheologie.97. Neben konfessionellen Gründen trugen sicherlich auch andere Faktoren dazu bei, dass sich Johannes für ein Studium in Marburg entschied: der rege Austausch zwischen Lehrenden und Studenten in Bremen und Marburg98 und die engen Handelsbeziehungen zwischen Bremen und Hessen-Kassel.99 Eine besondere Rolle spielte sicherlich die familiäre Verbindung zur Marburger Universität: Johannes’ älterer Neffe Henrich (1628–91) war seit 1656 Professor in Marburg, zunächst für Philosophie und Griechisch, ab 1664 auch für Theologie.100 Johannes’ Lehrer waren Sebastian Curtius (1620–84)101, Johannes Heinius102 (1610–86) und Gregorius Stannarius103 (1610–70), die ihm auch die Prüfung abnahmen. Am 23. August 1667 hielt Duysing eine Disputation über die Macht des christlichen Magistrats über die Kirche. Sie wurde unter dem Titel Disputatio theologica de potestate magistratus christiani circa ecclesiastica veröffentlicht. Duysing war der Verfasser der Disputation (publico eruditorum examini subjiciet Joh. Duysingh [, Bremens. Auth. & Resp.]), sein Neffe Henrich hatte diese Arbeit betreut. Widmungsempfänger waren folgende Bremer:104 1. Heinrich Meier (1609–76), Doktor der Rechte, 1638–54 Ratsherr und seit 1654 Bürgermeister, sowie Visitator der Kirche.105 2. Wilhelm von Bentheim (1609–79), Ratsherr und Bürgermeister.106 3. Joachim Brandt (s. oben). 4. Simon Anton Erp von Brockhausen. 5. Johannes Wachmann (1611–85), Doktor beider Rechte, Professor der Rechte, Syndikus und Assessor des Ober- und Niedergerichts.107 Er unterstützte später den reformierten Pietismus in Bremen (s. unten).108 6. Johann Schwelling (1597–1678), Rechtsgelehrter, Geheimer Rat des Erzbischofs zu Bremen, Ratsherr.109 97
Vgl. Schneider 1992, 68–72. Vgl. Prüser 1928; Lehsten 2003, Bd. 1, 365–367, 368, Anm. 953. 99 Vgl. Prange 1963, 196, 232. 100 Vgl. zu ihm Grundlach (Hrsg.) 1927, 23 f. Lehsten 2003, Bd. 1, 367, irrt sich, wenn er Johannes als Bruder von Henrich betrachtet. 101 Vgl. Grundlach (Hrsg.) 1927, 22. 102 Vgl. Grundlach (Hrsg.) 1927, 22 f. 103 Vgl. Grundlach (Hrsg.) 1927, 283. 104 Vgl. Disputatio theologica de potestate magistratus christiani circa ecclesiastica [Präs: Heinrich Duysing, Vf. u. Resp.: Johannes Duysing], Marburg, Salomon Schadewitz, 1667, πv (SuUB Bremen C. S. 27 Nr. 35). 105 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 1, 30; Harry Schwarzwälder 2002, 63, Nr. 330. 106 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 1, 26; Harry Schwarzwälder 2002, 64, Nr. 338. 107 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 2, 240 f.; Entholt 1925, 131. 108 Vgl. Mai 1979, 247. 109 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 2, 178 f.; Harry Schwarzwälder 2002, 63, Nr. 335. 98
3.4 Vorfahren, Jugend und Studium (1661–68)81
7. Heinrich Tiling (1603–75), Ratsherr.110 8. Heinrich Alers (1612–75), Doktor der Rechte, Ratsherr in Bremen, Scholarch und Bürgermeister.111 9. Christian Meier, Ratsherr und Bauherr der St. Stephani in Bremen. Er war ein Anhänger des reformierten Pietismus in Bremen.112 Die Anwesenheit vieler bedeutender113 Bremer Patrizier unter den Widmungsempfängern könnte darauf hinweisen, dass Duysing vom Bremer Rat ein Stipendium für sein Studium in Marburg erhalten hat. In der Disputation bejaht Duysing die Frage, ob der Magistrat Macht über die Kirche hat, und zwar mit Berufung auf das göttliche Recht, Gottes Gebote, Beispiele, Prophetien über den Zustand der Kirche unter dem Neuen Testament, die paulinische Definition des Magistrates, das Naturrecht, die Gebräuche der Heiden und das öffentliche Recht. Im zweiten Teil beantwortet er die Frage, was diese Macht beinhaltet und wie weit sie sich erstreckt. Sie berührt vornehmlich die externe Dimension der Kirche, tritt aber auch regulierend und gesetzgebend auf. Die drei Hauptaufgaben sind die Einführung der wahren Religion, ihre Bewahrung und der Wiederaufbau der verfallenen Religion. Die Bewahrung bezieht sich auf die Versorgung der Diener, die Verteidigung der Kirche gegen Feinde, die Aufstellung formaler Vorschriften, die Beschaffung guter Diener (Berufung, Ordination, Suspension, Deposition), die Exkommunikation unbußfertiger Gemeindeglieder, die Verhütung der Entheiligung des Sabbats und der öffentlichen Feste, die Ankündigung der Bet- und Fastentage, die Gründung von Schulen und Akademien und die Bestallung von tüchtigen Doktoren, die die theologischen Kontroversen mäßigen sollten. An dieser Stelle weist Duysing auf das Kasseler Kolloquium des Jahres 1661 hin. Die letzte Hauptaufgabe, der Wiederaufbau der verfallenen Religion, umfasst die Reformation des verfallenen Gottesdienstes, die Einberufung und Approbation von außerordentlichen Synoden, sollten Schismen, Irrlehren oder andere Ärgernisse innerhalb der Kirche auftreten, und die Kontrolle, dass Verordnungen der Synode befolgt werden. Am Ende betont Duysing nochmals, dass der Magistrat nur externe Angelegenheiten der Kirche regelt und kontrolliert. Im Anhang seiner Disputation finden sich folgende Thesen: Natürliche Gotteserkennntis allein reicht nicht aus, um Seligkeit zu erlangen. Der Wille des unwiedergeborenen Menschen ist zwar grundsätzlich zum Bösen geneigt, jedoch besitzt der Mensch die Freiheit der Wahl (libertas arbitrii). Gott ist unendlich, die Welt in sich ist endlich. Diejenigen, die eine Bewegung der Erde verteidigen, 110
Vgl. Rotermund 1818, Bd. 2, 211; Harry Schwarzwälder 2002, 64, Nr. 346. Vgl. Rotermund 1818, 1, 7; Harry Schwarzwälder 2002, 65, Nr. 348. 112 Vgl. Mai 1979, 252. 113 Vergleicht man die Liste der Widmungsempfänger mit den Ratsmitgliedern dieser Zeit, dann geht hervor, dass Duysing seine Disputation jenen Mitgliedern gewidmet hat, die am längsten im Rat saßen, vgl. Harry Schwarzwälder 2002, 63–65, Nr. 329–349. 111
82
3. Johannes Duysing (1644–1673)
können aus 1. Mose 1,16 nicht beweisen, dass die Schrift über physische und mathematische Sachen aus der Sichtweise des Volkes und gemäß der Wahrnehmung spricht. Der im Alten Testament prophezeite Messias ist, entgegen des jüdischen Glaubens, bereits gekommen und trägt den Namen Jesus von Nazareth. Die Zeit seines Kommens ist durch die siebzig Jahrwochen Daniels hinreichend bewiesen worden. Auch der Antichrist ist bereits gekommen, der Fall seines Reiches hat längst begonnen; der übrige Zerfall ist mit der Ankunft des Herrn zu erwarten. Am 18. April 1668 hielt Duysing eine zweite Disputation ab: Dispvtatio theologica de efficacia gratiae convertendis. Präses war diesmal Curtius. Aus der Widmung geht hervor, dass Johannes der Verfasser ist.114 Er widmete diese Arbeit seinem Neffen, dem Theologieprofessor Heinrich Duysing. Die Disputation bezieht sich auf den vierten Artikel der Dordrechter Lehrsätze und handelt von der Wirkung der göttlichen Gnade: Gottes Gnade wirkt unmittelbar undjede Kreatur ist vollkommen von Gott abhängig. Gott wirkt in uns, unser Wille wird von ihm gespeist (Phil. 2,13). In der Bibel wird die Bekehrung umschrieben, zum Beispiel mit der Auferstehung nach dem Tod. Aus dieser Beschreibung geht hervor, dass Bekehrung mehr als ein moralischer Rat Gottes ist. Zwei Irrtümer der Sozinianer und einiger Remonstranten werden entkräftet. Erstens, dass der Heilige Geist durch das vom Prediger vorgetragene Wort unsere Wiedergeburt bewirke ohne dass der Heilige Geist mitwirke. Zweitens die Annahme, dass die übernatürliche Erleuchtung der Vernunft allein genüge. Duysing behauptet, dass die Wirkung Gottes auf den Menschen nach seinem ewigen Vorhaben notwendigerweise die Zustimmung des menschlichen Willens erweckt. Die Bekehrung ist unüberwindlich und unwiderstehlich. Die Auffasung der Jesuiten und Remonstranten, wonach die Wirkung der Gnade der Bekehrung von der freien Wahl, der bewussten Entscheidung des Menschen abhängig ist, wird widerlegt. Die Gnade, so Duysing, werde durch ihre eigene Kraft oder Natur wirksam und nicht durch die Zustimmung des menschlichen Willens; der Mensch könne die Gnade Gottes nicht zurückweisen. Duysing wendet sich hier auch gegen die Lutheraner, indem er sie mit den Remonstranten auf eine Stufe stellt: Wie diese würden sich die Lutheraner nicht eingestehen, dass die Ursache dafür, dass einige Menschen glauben und andere nicht, in der Verschiedenheit der göttlichen Gnade liegt. Stattdessen würden sie weiterhin behaupten, dass der Glaube des Menschen von seinem Willen, seiner Zustimmung oder Ablehnung abhängig wäre. Duysing stimmt Curtius aber zu, dass viele Lutheraner die Unwiderstehlichkeit der Gnade doch anerkennen. Um die Ansichten der Jesuiten, Arminianer und Lutheraner zu dementieren, nutzt Duysing die Bibelstellen 1 Kor 1,31 und 4,7. 114 Dispvtatio theologica de efficacia gratiae convertendis [Präs.: Sebastian Curtius, Vf. u. Resp.: Johannes Duysing], Marburg, Salomon Schadewitz, 1668, πv (SuUB Bremen C. S. 29 Nr. 23): JOH. DUYSINGH, Auth. & R.
3.5 Gesandtschaftsprediger im Dienst Hessen-Kassels (1668–69)83
Am 25. April hielt Duysing eine Disputation unter Heinrich Duysing über die Grundlage der Theologie: die Heilige Schrift. Die Disputation behandelt knapp den göttlichen Ursprung und die höchste Autorität der Bibel.115
3.5 Gesandtschaftsprediger im Dienst Hessen-Kassels (1668–69) 1668 wurde Duysing Legationsprediger bei Sebastian Friedrich Zobel116 (1617– 71), der damals Geheimer Rat und Abgesandter Hessen-Kassels beim Reichstag in Regensburg war. Vermutlich hat vor allem Duysings Gastgeber in Bremen, Johann Zobel, dazu beigetragen, dass Duysing diese Stelle antreten konnte. Er war nämlich ein Neffe von Sebastian Friedrich Zobel.117 1663 starb Landgraf Wilhelm VI. von Hessen-Kassel, seine Frau Hedwig Sophie (1623–83) trat die Vormundschaft für ihre minderjährigen Söhne an. Sie war eine Schwester des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620–88). Obschon ihr Sohn Karl (1654–1730) das vorgeschriebene Mündigkeitsalter (21) bereits zwei Jahre zuvor erreicht hatte, trat sie erst 1677 zurück. Hedwig Sophie betrieb eine von ihren Regierungsräten unabhängige Politik und vermied es so gut wie möglich, Bündnisse zu schließen. Sie war überzeugt reformiert und nahm eine eher antilutherische Haltung ein. Mit den von ihr erlassenen Kirchenordnungen versuchte sie, eine christliche Erziehung und die Sonntagsheiligung zu fördern. Hedwig Sophie las gern theologische Traktate. Andererseits interessierte sie sich für Mode und lehnte das Tanzen nicht ab. Verschiedene theologische Schriften sind ihr gewidmet: die Psalmbereimung Lobwassers, eine Übersetzung eines Katechismus und eine puritanische Schrift.118 Eine Separation von der Kirche im Sinne des seines Amtes enthobenen wallonischen reformierten Pfarrers in Middelburg, Jean de Labadie (1610–74), lehnte sie scharf ab.119 Duysing legte an der Marburger Fakultät das Examen ab. Ihm wurde ein löbliches Zeugnis ausgestellt. Schließlich wurde er durch ein Ministerium, vermut115 Vgl. Collegii theologici publici disputatio I. De theologiae principio, s. scriptura ejusque divina origine summaque autoritate [Präs.: Heinrich Duysing, Prop.: Johannes Duysing], Marburg 1668 (HStA Marburg XIIIB 560 ec.). 116 Vgl. Lehsten 2003, Bd. 2, 350, Nr. 2. 117 Vgl. Lehsten 2003, Bd. 2, 349–355. Johann ist S. 353 unter Nr. 9-e-c verzeichnet; Sebastian Friedrich S. 350 unter Nr. 2. 118 Ambrosius Lobwasser, Psalmen Davids, Kassel/Hofgeismar 1649; Otto Heinrich Stöcker, Geschicht-Bibel, Kassel 1667; William Perkins, Tractätlein Von des Menschen natürlichen Gedancken … nebst einem kurtzen Anhang von Göttslästerlichen Gedancken die der Sathan dem Menschen eingibt auß Hrrn. Johann Downams S. Christen-Kampf [Übs.: Georg Hein], Kassel 1668. Die Daten sind dem HeBIs-Portal entlehnt, http://www.portal.hebis.de/servlet/Top/ searchadvanced, Stand: 9.10.2018. 119 Vgl. Klingender 1920, 17–12; Jou 1994, 161; Philippi 2007, 11–14; Bues 1993; Puppel 2004, 235–307.
84
3. Johannes Duysing (1644–1673)
lich das der Kasseler reformierten Gemeinde, zum Prediger ordiniert und er trat das Amt eines Gesandtschaftspredigers an, vermutlich nach der dritten Disputation am 25. April 1668. Der Trauerrede zufolge stand Johannes in Regensburg der reformierten Gemeinde vor, die wohl aus dem Personal der Hessen-Kasseler Gesandtschaft und anderer reformierter Gesandtschaften bestand. Zobel reiste häufig nach Kassel. Vermutlich begleitete Duysing ihn auf diesen Reisen und hat so in Kassel den Hof kennengelernt.120 Am 25. November 1669 verließ Zobel für längere Zeit den Reichstag. Später kehrte er wieder nach Regensburg zurück, wo er 1671 starb.121 Duysing zog laut der Trauerrede mit nach Kassel. Der längere Aufenthalt in Kassel lässt vermuten, dass der Kasseler Regierung die Gesandtschaft in Regensburg zu kostenaufwändig war. In der Trauerrede wird mitgeteilt, dass Duysing nach seiner Rückkehr nach Kassel den in der Zeit seiner Abwesenheit nach Kassel berufenen Prediger Theodor Undereyk122 kennengelernt hat. Aus dieser Bekanntschaft entstand eine langfristige Freundschaft. An dessen [Undereyks, d. Vf.] Weiß und Wesen hat Er [Duysing, d. Vf.] seinem Ur theil nach, so viel in Christo liebwerthes und seiner Kirchen erbäuliches gespüret, daß er neben andern Freunden denselbigen darauff alsobald hertzlich lieb gewonnen: also daß auch dahero beyde Gemüter eines Sinnes in dem HErren geworden, sich in heiliger Freundschaft (die auch der Todt selbst, der den Leib zwar von der Seelen, diese Freundschaft aber, weil dieselbige einen ewigwerenden Grund hat, nicht auflösen kan) vereiniget, in einerley Hertzen und Wesen demselbigen ihres beyden Principalen in Erbauung seiner Kirchen nicht als irdisch sondern Himlisch gesinnte, das ist, mit GOtt ergebener Aufrichtigk. und Verleugnung aller Weltlichen Angelegenheit, tapfer, beständig und getrost, nach der Maß seiner Gnaden ins künftige weiter zu dienen.
Offenbar hatte Undereycks Gottesfurcht Duysing tief beeindruckt. Neben ihrer Freundschaft verband sie ein gemeinsames Ziel, die Erbauung der Kirche. Undereyck war etwas älter als Duysing; er wurde 1635 in Duisburg geboren. Seine Vorfahren waren aus Antwerpen geflohen. Er studierte Theologie in Duisburg, in Utrecht unter Voetius und zu Leiden unter Coccejus. Ihre Lehren, die Lebensheiligung im puritanischen Sinne beziehungsweise die Föderaltheologie, übernahm er in seine eigene Theologie. Daneben übten die Utrechter Prediger Lodenstein und Justus van den Bogaert (1623–63) tiefgehenden Einfluss auf Undereyck aus. 120 Iken 1882, 36, behauptet, dass Duysing während seiner Tätigkeit als Gesandtschaftsprediger teilweise in Regensburg und teilweise am Hof in Kassel war, wo Hedwig Sophie sich für ihn interessiert habe. Leider gibt er keinen Quellennachweis, so dass undeutlich ist, ob diese Daten auf archivalischen Quellen beruhen oder Vermutungen Ikens sind. 121 S. Lehsten, Bd. 2, 350, Nr. 2. 122 Vgl. über Undereyck: Mai, 77–125, 243–252; Jou; J. F. G. Goeters 1993, 244–249, 253– 258; Mohr 2002; Mühling; Kamp 2013–3.
3.5 Gesandtschaftsprediger im Dienst Hessen-Kassels (1668–69)85
Es wird dem Einfluss von Voetius zu verdanken sein, dass Undereyck während seiner Studienreise auch England besuchte, wo er wahrscheinlich in puritanischen Kreisen verkehrte. In seiner ersten Gemeinde Mülheim an der Ruhr (seit 1660) entfaltete Undereycks seine Reformpläne in Katechisationen und intensiven Hausvisitationen. Die von Undereyck beabsichtigte Einführung eines Presbyteriums scheiterte aber 1668 am Widerstand des lutherischen Grafen Wilhelm Wyrich von Dhaun-Falkenstein (1623–82). Daraufhin wurde er von Hedwig Sophie nach Kassel berufen.123 Hier stellte er Christi Braut, unter den Töchtern zu Laodicæa, das ist, ein hochnötiger Tractat, in diesen letzten Tagen. Darinnen die lebendige Krafft deß seeligmachenden Glaubens von allen SchmachReden der in dieser Zeit Christ-scheinender Spötter […] gereiniget und verthädiget wird zusammen, ein Kompendium mit vielen Zitaten, die er insbesondere englischen Erbauungsbüchern entnahm. Undereyck gilt als Vater des deutschen reformierten Pietismus.124 Auf dringende Empfehlung dreier Kaufleute, die ihn in Kassel gehört hatten und offensichtlich von ihm beeindruckt waren, wurde Undereyck am 12. April 1670 an die St. Martinigemeinde125 in Bremen berufen.126 Einer dieser Kaufmänner könnte Johann Zobel gewesen sein. Wie bereits erwähnt, war er seit 1662 Bauherr in St. Martini, möglicherweise hatte er als Kaufmann Verbindungen nach Kassel. Sein Neffe Sebastian Friedrich hielt sich häufiger in Kassel auf. Undereyck nahm die Berufung an. Anscheinend hatte die Bremer Gemeinde schon vorher eine reformiert-pietistische Tendenz,127 was auf die kirchenkritischen und reformbestrebten Einflüsse Englands und den Niederlanden zurückgeführt werden kann (s. oben). Aus der Trauerrede für Duysing geht hervor, dass Undereyck genötigt wurde, vor seinem Antritt in Bremen eine Reise in die Niederlande zu unternehmen. Duysing entschloss sich, Undereyck zu begleiten. Auf dem Weg von Kassel nach Bremen erkundigten sich die Freunde nach „erbäulichen Ordnungen aller für123 In der Forschung wird angenommen, Undereyck sei seit etwa 1668 bis 1670 außerordentlicher Hofprediger der hessischen Landgräfin gewesen. Diese Amtstätigkeit ist aber nicht quellenmäßig belegt, vgl. Jou, 156–160. Vgl. für eine Übersicht der Hessen-Kasseler Hofprediger: Schorn-Schütte 1985, 328. Obwohl die Ablehnung des Labadismus durch Hedwig Sophie auf den ersten Blick dagegen zu sprechen scheint, dass Undereyck ihr Hofprediger gewesen ist, kann dies nicht als Gegenargument gelten, weil Undereyck diese separatistische Bewegung ebenfalls abgelehnt hat, vgl. Mai, 92. Weil Undereyck wegen seiner Auffassungen umstritten war, wird Hedwig Sophie ihn in ein außerordentliches Amt berufen haben. 124 Vgl. Jou 1994, 178–184. 125 Vgl. Hagemann 2011. 126 So Iken 1880, 66, 274, die sich auf Peter Kosters Kurze Nachricht von den Kirchen, Schulen, Klöstern und Armenhäusern der Stadt Bremen (1702; StA Bremen 2-P. 1. Nr. 243) stützt. 127 Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 254. Bei seiner Ankunft wurde Undereyck reich beschenkt, vgl. Iken 1880, 65, Anm. *. Auch die Polarität zwischen Rat und Ministerium könnte bei der Berufung eine Rolle gespielt haben, indem der Rat seine Macht gegenüber dem Ministerium vergrößern wollte.
86
3. Johannes Duysing (1644–1673)
nehmen und wohlbestellten Gemeinen“. Cornelius de Hase128 (1653–1710) und vermutlich Ernst Wilhelm Buchfelder129 (1645–1711), die sich in Kassel mit Undereyck angefreundet hatten, begleiteten ihn ebenfalls. Nach dieser Reise, so berichtet die Trauerrede, plante Duysing, nach England zu reisen. Besondere Umstände, vermutlich der Tod seines Vaters, hinderten Duysing daran, seine Pläne in die Tat umzusetzen und er wurde „von seiner jetzo hochbetrübten Mutter“ und von vornehmen Freunden nach Bremen gerufen.
3.6 Prediger in Bremen (1670–73) Duysings Freund Undereyck geriet gleich nach seiner Ankunft in Bremen am 11. Juli 1670130 mit dem Ministerium in Konflikt, da man ihn des separatistischen Labadismus verdächtigte. Die Konflikte intensivierten sich, als Undereyck zusammen mit seiner Frau Erbauungsversammlungen organisierte und einberief.131 Am 11. August übertrugen die Bauherren der St. Martinigemeinde Duysing die Frühpredigten132 (morgens um fünf Uhr). Einer der Bauherren war Duysings alter Bekannter Johann Zobel. Demnach geht der Antrag, Duysing als Hilfsprediger einzustellen, wohl auf die Initiative der Bauherren zurück, wobei Undereyck diesen sicherlich tatkräftig unterstützt hat.133 Duysing wurde also Hilfsprediger unter Undereyk. Zwei Monate später, am 25. Oktober, trat Duysing eine Stelle als Lehrer an der Bremer Lateinschule, dem Pädagogium, an und unterrichtete dort die dritte Klasse (Praeceptor tertiae classis). Zu der Zeit wurden Lehrer vom Rat eingestellt.134 Die Kombination von Predigt- und Lehrerdienst lässt sich aus der geringen Besoldung des Frühpredigeramts erklären und war nicht unüblich.135 128 „Wie aber noch selbigen Jahres T. T. Herr Theodorus Undereyck nach Bremen in Martini Kirch beruffen wurde, ist Er selbigem gefolget“, Joh. Havighorst, Ruhmwürdiges Leben, und merckwürdiges Absterben des … Herrn Cornelii de Hase, Bremen, Hermann u. Berthold Brauer, 1710 (SuUB Bremen C. S. X. 22). Vgl. zu de Hase auch Faulenbach 1977/8, 211; Mai 1979, 115 f.; Jou 1994, 255–260. 129 Vgl. Faulenbach 1977/8, 213; K. F. Ulrichs 1993–2007. 130 Jou 1994, 165, zufolge kam Undereyck am 29. Juli an. 131 Vgl. Mai 1979, 94–97. 132 Vgl. Forck 1960, 31; Mai 1979, 160. Die Einstellung von Hilfspredigern war nicht die Sache des Rates oder des Ministeriums, sondern der einzelnen Gemeinden, vgl. Mai 1979, 158. 133 Vgl. Ikens These: „Als Undereyk im Juli 1670 von Cassel einem Ruf an die St. MartiniKirche zu Bremen Folge leistete, sorgte er hier sofort für Düsing. Es gelang ihm auch, denselben schon im folgenden Monate (11. August 1670) als Frühprediger an derselben Kirche angestellt zu sehen“, vgl. Iken 1882, 37. Auch hier fehlt wieder ein Beleg aus den Quellen. 134 Mitteilung von Herrn Dr. Th. Elsmann (Bremen), E‑Mail des 11.1.2011. 135 Vgl. Iken 1882, 37; Enholt 1899, 29–33; Veeck 1909, 242. Duysing bekam ein Gehalt von 15 Reichstalern pro Quartal, S. StA Bremen 2-T. 4.a. 3.R. 2.e: St. Martini Rechnungsbuch 1670–
3.6 Prediger in Bremen (1670–73)87
Das Amt eines Hilfspredigers stellte meistens eine Durchgangsstation auf dem Weg zu einer ordentlichen Predigerstelle dar.136 1671 wurde die Predigerstelle der St. Pauligemeinde137 in Bremen vakant. Die Gemeinde besaß als Neustadtgemeinde kein freies Wahlrecht, das uneingeschränkte Patronatsrecht besaß der Rat.138 Am 4. April kamen zwei Deputierte des Ministeriums zum Rat, um die Vakanzzeit zu beenden,139 doch erst am 27. September fand die Wahl statt. Duysing wurde mit 20 Stimmen gewählt. Die beiden anderen Kandidaten Nordenholt140 und Dwerhagen141 erhielten zehn Stimmen beziehungsweise eine Stimme.142 Der Überlieferung zufolge verdankte Duysing seine Wahl der Landgräfin Hedwig Sophie von Hessen-Kassel. Ein Verzeichnis der Bremer Prediger meldet: „1671 wurde er auf anhalten der fr(au) landgräfin so wenig wochen vorher in Bremen gewesen an Dan. Laelii stelle in der Neustadt prediger“.143 J. Fr. Iken stützt sich offenbar auf diese Akte, wenn er darauf hinweist, dass Hedwig Sophie für Duysing beim Rat vorgesprochen und sie ihn als Gesandtschaftsprediger während seiner Aufenthalte in Kassel kennengelernt habe.144 Auch wenn sich diese Umstände nicht anhand der Quellen belegen lassen, könnte es sich so 89, unter 1670 u. 1671. Duysing hatte als Hilfsprediger genauso wie der spätere Hilfsprediger und Liederdichter Joachim Neander (1650–80) ein Zimmer in Undereycks Wohnung, vgl. Iken 1880, 65, Anm. *, 81–86; Ackermann 2005, 40–42. Vielleicht hat Duysing als Hilfsprediger Neander kennengelernt, vgl. Iken 1880, 81–86. Dieser hatte 1669 ein Hochzeitsgedicht für Duysings Neffen Diedrich und dessen Frau Catharina Köpers (s. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, V,10) verfasst, vgl. Ackermann 2005, 13–15. 136 Vgl. die Beispiele von Heinrich Bernhard Meyer (Müller-Benedict/A mmann [Hrsg.], Bd. 2, 120, Nr. 621) und Cornelius de Hase: Mai 1979, 115 f. 137 Vgl. Iken 1882. 138 Vgl Iken 1882, 27. 139 StA Bremen 2-P. 6.a. 9.c. 3.b. 10: Wittheitsprotokolle 1668–72, 261, unter Nr. 4. Die Wittheit war die Gesamtheit der Ratsherren, vgl. Herbert Schwarzwälder 2003, Bd. 2, 700, 993. Mein Dank gilt Herrn E. Schütze (Bremen) für seine Hilfe bei der Transkription der schwer lesbaren Schrift. 140 Wahrscheinlich: Woler Nordenholt (1638–89), 1673–76 Hilfsprediger in St. Martini und 1676–89 Pastor in Gröpelingen, vgl. Mai 1979, 136; Müller-Benedict/Ammann (Hrsg.) 1990–1996, Bd. 2, 131, Nr. 698; Hagemann 2011, 83. 141 Wahrscheinlich Johannes Dwerhagen (1649–94), 1674–77 Pastor in Bedekaspel in Ostfriesland und seit 1677 an der St. Rembertigemeinde in Bremen, s. Müller-Benedict/Ammann (Hrsg.) 1990–1996, Bd. 2, 55, Nr. 218. 142 Das Ergebnis lautet folgendermaßen: „wurde die in der Neustadt vacierende presterstelle per scrutinum ersetzet, e(t) hatte her Dusing 20 – h(err) Nordenholt 10 e(t) h(err) Dwerhagen 1 stimme, ist also h(err) Dusing erwehlet“, StA Bremen 2-P. 6.a. 9.c. 3.b. 10: Wittheitsprotokolle 1668–72, 354, unter Nr. 7. In der Akte StA Bremen 2-T. 4.b. 2.: St. Pauli – Zur Geschichte der Kirche, heißt es, Duysing sei am 3. Mai berufen worden. Dieses Datum findet sich aber nicht in den Wittheits- und Ministeriumsprotokollen. Vielleicht ist Duysing am 3. Mai bei dem oder durch den Rat als Kandidat vorgeschlagen worden. 143 StA Bremen 2-T. 2.h. 1: Verzeichnis der Prediger in der Stadt Bremen und ihrem Gebiete nach 1522 mit kurzer Lebensbeschreibung, unter dem Jahr 1671. 144 Iken berichtet: „hier wurde sie [Hedwig Sophie, d. Vf.] Düsings eifrige Fürsprecherin beim Rathe. Solche Empfehlung konnte nicht unbeachtet bleiben. Düsing wurde auf ‚Anhalten
88
3. Johannes Duysing (1644–1673)
zugetragen haben. Hedwig Sophie hatte schon 1667 in Bremen Station gemacht. Am 23. und 24. August 1671 besuchte sie die Stadt erneut.145 Außerdem stand sie mit dem Bremer Rat schriftlich in Kontakt.146 Betrachtet man die Beziehungen der Kandidaten zu Undereyck, lässt sich Folgendes feststellen. Duysing war ein enger Freund Undereycks und Nordenholt wurde später Undereycks Hilfsprediger. Dass Duysing und Nordenholt beide eine beträchtliche Zahl von Stimmen erlangten, ist ein Indiz für eine gute und wertschätzende Gesinnung des Rates Undereyck gegenüber.147 In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob sich Undereyck schon seit dem 4. April bei dem Rat dafür eingesetzt hat, Duysing als Prediger der St. Pauligemeinde wählen zu lassen, gegebenenfalls in Absprache mit Hedwig Sophie. Schließlich brauchte Undereyck ja Unterstützung im Ministerium für seine Reformpläne. Zu seinen Unterstützern im Ministerium zählte auch der Pastor in St. Pauli. Duysing war der erste von Undereycks Anhängern, der in Bremen zum Mitarbeiter Undereycks wurde.148 Am 31. September 1671 fand Duysings Prüfung vor dem Ministerium statt. Am 2. Oktober hielt er eine Probepredigt über 1. Könige 19,5–8.149 Der Trauerrede lässt sich entnehmen, dass Duysing am 8. Oktober sein Predigtamt antrat.150 Duysings Tätigkeit als Lehrer am Pädagogium endete am 8. Oktober.151 Als Duysings Nachfolger als Hilfsprediger in St. Martini wurde, wohl unter dem der Frau Landgräfin, so wenig Wochen vorher in Bremen gewesen‘ (wie eine alte Notiz sagt) von der Wohledlen Wittheit zum Neustadtsprediger ernannt“, Iken 1882, 37. 145 Vgl. Bues 1993, 80; Koster 2004, 278, 282. 146 Vgl. StA Bremen 2-P. 6.a. 9.c. 3.b. 10: Wittheitsprotokolle 1668–72, 338, 339, unter Nr. 1, 393, unter Nr. 4. 147 S. Anh. 2. An Stelle des von Undereyck vorgeschlagenen Kandidaten Joachim Neander, wurde Dwerhagen 1677 vom Rat als Pastor an die St. Rembertigemeinde berufen, vgl. Mai 1979, 157 f. Dies wäre ein Indiz dafür, dass Dwerhagen Undereycks Ansichten nicht teilte. Allerdings scheint sich die Haltung des Rates Undereyck gegenüber im Jahr 1677 im Vergleich zu 1671 geändert zu haben. 148 Vgl. Faulenbach 1977/8, 211–216. 1676 folgte Cornelius de Hase. Vgl. über „Undereycks Kreaturen“ auch Jou 1994, 244. 149 Die Kritik betraf die Aussprache: Duysing habe gestottert und seine Aussprache sei am Ende zu tief gesunken. Des Weiteren kritisierte man die zu tiefen Beugungen seines Körpers und Hauptes, das Ersetzen der propositio (Vorstellung der Lehren), die Erklärung der Worte und die Behandlung der allegorischen Lehren zuungunsten der Behandlung der ursprünglichen und besonderen Bedeutung. Außerdem habe Duysing die Natur und das Amt der Engel nicht behandelt, obwohl er dies in der Predigt zweimal versprochen hätte, vgl. StA Bremen 2-T. 2.b. 4.c: Akten des Ehrwürdigen Ministeriums (venerandum ministerium) 1667–1707, 23 f. Vgl. über die Probepredigten in Bremen: Mai 1979, 95. 150 Angaben über die Aufgaben des Predigers in St. Pauli bietet Iken 1882, über die Besoldung, ebd., 32. 151 S. Christian Nicolaus Roller, Johann Christoph Büsing, Illustris schola Bremensis sive indices omnium quotquot a prima eiusdem fundatione fuerunt scholarcharum & professorum una cum rectoribus, paedagogiarchis & praeceptorib. gymnasii & paedagogei …, Bremen 1797, unter 1670 (StA Bremen 2-ad T. 5.a. 1.a. Nr. 1).
3.6 Prediger in Bremen (1670–73)89
Einfluss Undereycks, dessen Gesinnungsgenosse Heinrich Bernhard Meyer (1643–81) gewählt.152 Am 14. Mai 1672 heiratete Duysing Wubbeke Stubbemann, die Tochter des St. Pauli-Bauherren Diedrich Stubbemann153 und dessen Frau Engel Uchtemann. Sie war Witwe des vorigen St. Pauli-Predigers Daniel Laelius (1639–71).154 Als Prediger spielte Duysing eine wichtige Rolle im reformierten Pietismus in Bremen. Am 10. November 1671 wurde vom Ministerium ein Antrag der Bauherren und Pfarrer von St. Stephani zur Intensivierung des Katechismusunterrichts für Jugendliche, die am heiligen Abendmahl teilnehmen wollten, genehmigt.155 Das Ministerium verordnete auch, dass jede Gemeinde anstatt der traditionellen Betstunde einmal in der Woche eine öffentliche Katechisation abhalten sollte. Am Sonntagnachmittag, dem 28. Januar 1672, begann die öffentliche Katechisation in der St. Pauligemeinde. In diesen Katechisationen wurde der Heidelberger Katechismus benutzt.156 Am 11. April 1673 diskutierte der Rat einige Vorschläge der Prediger. Das Gebet am nächsten Bußtag sollte gekürzt werden, die Worte sollten die Prediger der Heiligen Schrift selbst entnehmen. Neben dem vom Ministerium157 vorgeschlagenen Text aus der Offenbarung des Johannes, sollten die Prediger auch eine Stelle aus den Bußpsalmen oder eine andere Bibelstelle auswählen dürfen.158 Schließlich sollten erzieherische Maßnahmen gegen Fluchen, Schwören, die Entheiligung des „Sabbats“ und so weiter umgesetzt werden, weshalb am darauffolgenden Sonntag eine Proklamation verlesen werden sollte.159 Die Art der Vorschläge lässt vermuten, dass sie von Undereyck und Duysing und möglicherweise von gleichgesinnten Kollegen stammten. Auf diese Weise drängten sie 152
120.
Vgl. Iken 1882, 39–47; Müller-Benedict/Ammann (Hrsg.) 1990–1996, Bd. 1, 49; Bd. 2.,
153 S. Iken 1882, 226, Nr. 3, 227, Nr. 7; Prange 1963, 200. Vgl. über die Familie Stubbemann: ebd., 226–230, 249. 154 S. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, V,17. Der andere Bauherr, Carsten Michaelis, war vermutlich ein Anhänger Adolph Helts (s. oben), vgl. Iken 1882, 226, Nr. 4; 227, Nr. 8; Mai 1979, 188. In dem „Verzeichnis der Baumeister“ in StA Bremen 2-T. 4.b. 2: St. Pauli – Zur Geschichte der Kirche werden als Bauherren während Duysings Amtstätigkeit Stubbemann und Johan Vaget (1669–77) erwähnt. 155 Vgl. für die nächsten Absätze Mai 1979, 98 f. Der Antrag war von den Bauherren der St. Stephanigemeinde, Carsten Meier (1600–84) und Diedrich Duntze (1603–78), aufgestellt worden und wurde von den Predigern dieser Gemeinde, Heinrich Flocke (1602–80) und Matthias Martin Reinhard (1610?–89), am 3. November in das geistliche Ministerium eingebracht. Vgl. über Carsten Meier, den Vater Christians Meiers (s. oben), Mai 1979, 98, 100, 103 f., 246 f., 250; Harry Schwarzwälder 2002, 65, Nr. 355. 156 Vgl. Iken 1882, 118. 157 Vgl. Mai 1979, 60. 158 Undereyck wollte die Perikopenordnung abschaffen, vgl. Mai 1979, 60. Später wurde Undereyck vom Ministerium angeklagt, weil er an den Bettagen eigenmächtig die Predigttexte auswählte, vgl. Mai 1979, 102. 159 S. StA Bremen 2-P. 6.a. 9.c. 3.b. 11: Wittheitsprotokolle 1668–75, 29.
90
3. Johannes Duysing (1644–1673)
den Rat zur Umsetzung ihrer Reformpläne in der Kirche und zur Bekämpfung öffentlicher Sünden in der Gesellschaft. Diese Vorschläge bildeten die Vorstufe eines umfassenden Reformprogramms, das Undereyck erst 1679, lange nach Duysings Tod, zusammen mit Cornelius de Hase beim Rat mit einer dreifachen Forderung einreichte: der Ausschluss der Unwürdigen vom Abendmahl, die Ablehnung der Taufe von Kindern unchristlicher Eltern und die Einrichtung eines Presbyteriums zur Durchführung der Kirchenzucht mit besonderem Blick auf die Bremer Landbevölkerung. Obwohl der Rat Undereyck zeitlebens gut gesonnen war,160 lehnte er diese Forderungen ab.161 Das Programm erinnert an die Reformprogramme, die durch Vertreter der Nadere Reformatie bei den niederländischen Obrigkeiten eingereicht wurden. Undereyck wurde von Vertretern dieser Bewegung, zum Beispiel von Voetius, geprägt. Am 6. September 1672, so weiter die Trauerrede, platzte Duysing eine Ader in der Lunge, wodurch er viel Blut verlor.162 Man versuchte mit allen Mitteln, diese Krankheit zu heilen. Duysing schien nach einiger Zeit sogar genesen zu sein, sodass er sich wieder um die Erfüllung seiner Amtspflichten kümmerte. Im Laufe der Zeit erlitt Duysing immer wieder heftige Anfälle („paroxismi“), bis ihn schließlich die Kraft verließ163 und sein irdisches Leben am 3. Juni 1673 zwischen sieben und acht Uhr morgens endete. Im Februar desselben Jahres hatte Duysing noch ein Trauergedicht zu Ehren des Bürgermeisters Joachim Brand (s. oben) verfasst.164 Duysing wurde am 7. Juni in der St. Pauli-Kirche begraben.165 Einen Tag später wurde im Ministerium dem Präses Heinrich Flocke und Undereyck aufgetragen, für Duysings Witwe das Gnadenjahr (annus gratiae) und die übrigen Immunitäten (Steuerbefreiungen) und Privilegien zu beanspruchen. Die Morgen- und Mittagspredigt (8 und 12 Uhr) wurden einigen Kandidaten der Theologie, die übrigen Amtsverrichtungen den ordentlichen Pastoren übertragen.166 160
Vgl. Mai 1979, 100; Wallmann 1991, 183 f.; J. F. G. Goeters 1993, 254. Vgl. über Undereycks Reformtätigkeit in Bremen: Mai 1979, 99–111, 243–251; Jou 1994, 164–176. 162 Wahrscheinlich ist damit Hämoptoe gemeint, das Abhusten von reinem Blut, das vor allem bei Lungenkrankheiten auftritt. Für diesen Hinweis danke ich der Medizinerin Alinda Vos MSc. 163 Das Ministeriumsprotokoll des 28. Mai berichtet, dass einige Mitglieder, unter denen Undereyck und Duysing abwesend sind, s. StA Bremen 2-T. 2.b. 4.c: Akten des Ehrwürdigen Ministeriums (venerandum ministerium) 1667–1707, 33. 164 Vgl. Johannis Duysing, Epicedium in obitum … dn. Joachimi Brandii, Bremen, Hermann Brauer, 1673 (SuUB Bremen C. S. 61. Nr. 16). 165 „Corpus ejus exsangue ad S. Paulum hodie humandum erit“. Das Datum geht aus dem Titel der Trauerschrift von J. L. B., Wigeman und Felgentreff hervor: „dessen [Duysings, d. Vf.] entseeleter Leib mit Volckreicher Begleitung den 7. Junii zur Erden bestetiget wurde“, Hertzseuffzende Ehren-Gedächtniß, welche bey den … Absterben des … Herrn Johannis Düsings, Bremen, Hermann Brauer, 1673, [1] (SuUB Bremen CS V 21). 166 S. StA Bremen 2-T. 2.b. 4.c: Akten des Ehrwürdigen Ministeriums (venerandum minis161
3.6 Prediger in Bremen (1670–73)91
Nach dem Tod Duysings wurde eine Reihe von Trauergedichten für ihn verfasst. Es existiert eine akademische Abdankungsrede in Latein, die im Auftrag des Rektors und der Professoren des Gymnasiums verfasst worden ist. Von dieser Abdankungsrede, die die Biographie Duysings darstellt, gibt es eine weitere Fassung in Deutsch.167 Außerdem gibt es eine Sammlung von Trauergedichten, die von „Henr. Zobeln, I. F.“, „Simarus Suhling. Brem.“, „Folchardus Minneman, Brem.“, „Henricus Zobeln, N. F.“, „Albertus Holle, Brem.“ und „Herm. Zobeln“ verfasst wurden.168 „Wilhelm Bernhard Brand S. S. Th. St.“ und „J. Nicolaus Hausmann Cass. Hass.“ schrieben ein Epicedium.169 Von einem gewissen B. K. gibt es ein Gedicht, in dem sich ein Dialog zwischen Duysings klagender Witwe und dem tröstenden Christus findet.170 J. L. B., „Conradus Wigeman, Blomb. Lipp.“ und „Georgium Felgentreff, aus Anhalt“ verfassten ebenfalls Epicedien,171 ein weiteres Epicedium geht auf J. V. H. und L. R. B. zurück.172 Weitere Trauergedichte wurden von Ernst Wilhelm Buchfelder und Zacharias Cau lius verfasst.173 Welche Personen stecken hinter diesen Namen und welche Beziehung hatten sie zu Duysing? Buchfelder hat Duysing wahrscheinlich in Kassel kennengelernt. Er wurde in Bentheim geboren und studierte Jurisprudenz in Marburg, wo er als Student während einer Predigt Undereycks sein Bekehrungserlebnis hatte. Sein weiteres Leben weist deutliche Parallelen mit und eine große Nähe zu Undereyck auf. Wie Undereyck studierte er unter Voetius und dem Coccejaner Franciscus Burmannus (1628–79) Theologie in Utrecht (seit 1670), wo er bis 1672 wohnte und mit Lodenstein Bekanntschaft machte. Zwei Jahre verbrachte er als Kandidat der Theologie in Bremen und hielt sich in der Nähe von Undereyck auf, dessen Tochter er heiratete. Später war er Prediger in Glückstadt, Emden, Büdingen, dann in Undereycks erster Gemeinde in Mülheim an der Ruhr und schließlich terium) 1667–1707, 33f: „Porro vices την μακαριτη horâ octavâ matutinâ diebus sotis per d. Dikstal, d. Bernhardum Meyerum, d Nordenholdium, et d. Fridericum Bagelmannum v(enerandi) ministerii candidates, hora 12 meridianû d. Brandium, d Gravium, d. Streicherium, d. Kosterum et Steelium indem v(enerandi) ministerii candidates suppleta. Reliqua sacra d. fratres et pastores ordinariu inse suceperunt, quibus ex ordine fungent.“ 167 Lateinische Fassung ohne Titel; deutsche Fassung: Leidtragendes Klag- und Ehren-Gedächtnüß. Beide in SuUB Bremen CS V 21. 168 Ecclesia lacrymans seu epicedia in obitum … viri … dn. Johannis Duisingii, Bremen, Hermann Brauer, 1673 (SuUB Bremen CS V 21). 169 Diese Gedichte sind der deutschen Trauerschrift beigefügt (SuUB Bremen Brem. a. 616 Bl. 22). 170 Vgl. Hertzlich gemeindte Klage … uber das … Absterben, des … Herrn Johannis Duisingh, Bremen, Hermann Brauer, 1673 (SuUB Bremen CS V 21). 171 Vgl. Hertzseuffzende Ehren-Gedächtniß. 172 Vgl. Lessus in … obitum viri … d. Johannis Duisingii, Bremen, Hermann Brauer, 1673 (SuUB Bremen CS V 21). 173 Vgl. לברכה זכרadmodum reverendi viri d. Johannis Duisingii, Bremen, Hermann Brauer, 1673 (SuUB Bremen CS V 21).
92
3. Johannes Duysing (1644–1673)
wieder in Emden. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des reformierten Pietismus in Ostfriesland.174 Bei „Henr. Zobeln, I. F.“ handelt es sich um Johann Zobels Sohn Heinrich. Heinrich hatte einen Bruder, Hermann. Beide promovierten und führten den Titel Doktor der Rechte und übten den Beruf des Advokaten aus.175 „Henricus Zobeln, N. F.“ ist der Neffe der beiden Brüder. Er hieß Heinrich (1654–1725) und war der Sohn des Bremer Ratsherrn Nikolaus Zobel. Dieser Heinrich hatte den gleichen Werdegang wie seine Neffen und wurde später Professor und Ratsherr in Bremen.176 Die Verfasser der Traurergedichte sind größtenteils Studenten des Gymnasiums, die dort ungefähr gleichzeitig studierten: Conradus Wigeman aus Blomberg in Lippe (Immatrikulation 1668: Theologie und Philosophie); Heinrich Zobel (22.10.1668: Jurisprudenz); Wilhelm Bernhard Brand aus dem hessischen Wanfried (Ende 1669: Theologie); Simarus Suhling aus Bremen (14.4.1670: Theologie); Georgius Felgentreff aus Plötzkau in Anhalt (1670: Theologie); Folchardus Minneman aus Bremen (20.10.1670: Jurisprudenz); wiederum Heinrich Zobel aus Bremen (20.10.1670: Jurisprudenz); Albertus Holle aus Bremen (20.10.1670: Jurisprudenz); Hermann Zobel aus Bremen (4.5.1671: Jurisprudenz), Zacharias Caulius aus Kassel (1671: Theologie) und Johannes Nicolaus Hausman aus Kassel (1671: Theologie).177 Jetzt bleiben nur noch die Abkürzungen B. K., J. L. B., J. V. H und L. R. B. übrig. Vermutlich handelt es sich hier auch um Studenten, die während Duysings Bremer Amtszeit in der Stadt studierten. B. K. ist vermutlich Bernhardus Kerstingius (1671, Theologie) aus dem hessischen Niedermeiser (Niedermeisensis Hassus). J. L. B könnte Johannes Ludwig Brenneisen aus Aurich sein (1673, Jurisprudenz).178 Wer J. V. H. und L. R. B. sind, konnte nicht ermittelt werden. Während der Zusammenkünfte in Kassel zeigten sich Buchfelder, Duysing und Cornelius de Hase tief beeindruckt von Undereyck. De Hase immatrikulierte sich 1670 in Bremen. Unter den Schülern Undereycks lassen sich weitere Bremer Studenten finden:179 Heinrich Horche (1652–1729)180 aus Eschwege in Hessen; 174
Vgl. Faulenbach 1977/8, 213; K. F. Ulrichs 1993–2007. S. Lehsten 2003, Bd. 2, 353. 176 S. Lehsten 2003, Bd. 2, 354. 177 S. für Wigeman: Achelis/Börtzler (Hrsg.) 1968, 165, Nr. 50. Der Anmerkung zufolge ist er in Leiden gestorben. Heinrich Zobel: ebd., 167, Nr. 95; Brand: ebd., 170, Nr. 49; Sühling: ebd., 172, Nr. 17 (er sei am lippischen Hof gestorben); Felgentreff: ebd. 173, Nr. 38; Minneman: ebd., 175, Nr. 74 (auch er sei in Leiden gestorben); Heinrich Zobel, ebd., 175, Nr. 78; Holle: ebd., 175, Nr. 80; Hermann Zobel: ebd., 177, Nr. 19; Caulius: ebd., 177, Nr. 35 (er sei in Utrecht gestorben); Hausman: ebd., 178, Nr. 39. Eine Darstellung der Herkunftsgebiete der Studenten am Gymnasium gibt Prüser 1961. 178 S. für Kerstingius: Achelis/Börtzler (Hrsg.) 1968, 176, Nr. 6; Brenneisen: ebd., 184, Nr. 9. 179 S. für de Hase: Achelis/ Börtzler (Hrsg.) 1968, ebd., 174, Nr. 60; Horche: ebd., 177, Nr. 36; Reuter: ebd., 172, Nr. 18; Köhne: ebd., 174, Nr. 43; Neckelmann: ebd., 180, Nr. 5; Krüger: ebd., 181, Nr. 19. 180 Vgl. Bautz 1990b. 175
3.6 Prediger in Bremen (1670–73)93
Blasius Reuter (1653–95, Immatrikulation: 14.4.1670), der später Hilfsprediger in St. Martini (1680–86) und Pfarrer in Emden wurde;181 Werner Köhne (1651– 1741), der spätere Pfarrer in Varel und Kopenhagen (Oberneuland) und Schwiegersohn Undereycks;182 Gerhard Neckelmann (1672) aus Mülheim, später Pastor in Horn und in St. Remberti183 sowie Simon Jodocus Krüger184 (ca. 1652–1712, Immatrikulation 1672) aus Lage in Lippe. Die Zusammenarbeit der Epicedienverfasser beruhte anscheinend auf der Tatsache, dass sie aus derselben Region oder gar der gleichen Stadt stammten. Brand und Hausmann kamen beide aus Hessen. Caulius und Buchfelder haben einander vielleicht schon in Kassel kennengelernt. Die in Bremen geborenen Studenten verfassten ebenfalls gemeinsam eine Trauerschrift. Nur die Zusammenarbeit J. L. B., Wigemanns und Felgentreffs lässt sich nicht auf eine gemeinsame Herkunft zurückführen. In den späteren Disputationen dieser Studenten findet man die oben erwähnten Namen immer wieder. In einer philosophischen Disputation von Simarus Suhling aus dem Jahre 1675 schrieben Folchardus Minnemann und ein gewisser Z. C. (wohl Zacharias Caulius) Gedichte. Diese Disputation ist übrigens dem Duisburger Schultheißen Philipp Erberfeld (s. K. 5) gewidmet.185 Unter anderen haben Reuter, Köhne und Minnemann Gedichte zu Suhlings theologischer Disputation aus demselben Jahr geschrieben.186 Wigemann hat ein Gedicht zu einer Bremer Disputation (1674) von Simon Jodocus Krüger, der aus Lage in Lippe stammte, verfasst. Diese Disputation ist zwei reformierten Pietisten gewidmet: Wilhelm Diedrichs aus Detmold187 und Duysings Nachfolger in St. Martini und St. Pauli, Heinrich Bernhard Meyer.188 Fassen wir zusammen. Unter den Verfassern der Trauergedichte für Duysing waren einige Gruppen, die durch gemeinsame Herkunft miteinander verbunden waren. Fast alle studierten in etwa zur gleichen Zeit. Sie hatten Verbindungen untereinander, zu anderen Studenten, die später Anhänger des reformierten 181 Vgl. Hollweg 1978, 66–69. Reuter war als Hilfsprediger in St. Martini Nachfolger Neanders. Undereyck hat also offensichtlich Gleichgesinnte als Hilfsprediger angeworben: Düsing, Heinrich Bernhard Meyer, de Hase, Neander und Reuter, vgl. Faulenbach 1977/8, 211–216. 182 Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 255. 183 Vgl. Faulenbach 1977/8, 212. 184 Vgl. Hof 2001a, 352; Leurdijk 2013. 185 S. Collationum philologicarum mantissa, ecclesiam antiquam apostolicam cum moderna pontificia … conferens: dissertatio prima de credendi principio [Präs.: Johannes Hipsted, Resp.: Simarus Suhling], Bremen, Hermann Brauer, 1675, nicht paginiert (SuUB Bremen Brem b. 739). 186 S. Disputatio theologica V. de ecclesia annexo corollario invitans ad solennem s. coenae usum [Präs.: Gerhard Meier, Resp.: Simarus Suhling], Bremen, Hermann Brauer, 1675, nicht paginiert (SuUB Bremen C. S. 26. Nr. 21). 187 Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 258. 188 S. Disputatio theologica II de ecclesia [Präs.: Gerhard Meier, Resp.: Simon Jodocus Krüger], Bremen, Hermann Brauer, 1674, [16] (Widmung), [33] (Gedicht) (SuUB Bremen C. S. 26. Nr. 44).
94
3. Johannes Duysing (1644–1673)
Pietismus wurden, und zu Vertretern dieser Richtung. Für die Studenten muss Duysing ein wichtiger Ansprechpartner gewesen sein. Vielleicht besuchten sie seine Gottesdienste und Katechisationen in der St. Pauli-Kirche. Ein Indiz dafür ist, dass unter den Widmungsempfängern der Disputationen die Bauherren von St. Pauli, Diedrich Stubbeman und Johann Vaget, und andere Mitglieder der Familie, Ludolph und Christian Stubbemann, erwähnt werden. Ludolph war Felgentreffs Gastgeber. Christan wird wohl der Diakon der St. Pauligemeinde gewesen sein.189 Felgentreffs Disputation ist auch dem Stephani-Pastor Reinhard (s. oben) und Duysings Vorgänger Daniel Laelius gewidmet.190 Es wäre sogar möglich, dass die Theologiestudenten aus der Gruppe Duysings Predigtdienst während seiner Krankheit übernahmen. Die aus Hessen beziehungsweise Kassel stammenden Studenten lernten Duysing möglicherweise schon als Gesandschaftsprediger kennen. Vielleicht sind sie Undereyck und Duysing nach Bremen gefolgt. Es ist auch möglich, dass die Studenten Duysing aus Undereycks Privatversammlungen kannten, die von vielen Studenten besucht wurden.191 Somit könnte die Zahl der Bremer Studenten unter den Anhängern Undereycks wesentlich größer gewesen sein als bisher angenommen. Es fällt auf, dass einige der erwähnten Studenten ebenso wie Undereyck in den Niederlanden studierten: De Hase, Buchfelder, Wigemann, Minneman und Caulius. Vermutlich hat Undereyck sie dazu angeregt.192 Nach Duysings Tod wurde ein Kind Duysings und seiner Ehefrau Wubbeke Stubbemanns geboren: Johan Daniel. Er wurde am 15. December 1673 getauft.193 Das Kind erhielt also die Rufnamen der beiden ersten verstorbenen Ehemänner der Mutter. 189
S. Iken 1882, 227. Disputatio theologica …. de peccato originalis [Präs.: Heinrich Flocken, Resp.: Georgius Felgentreff ], Bremen, Hermann Brauer, 1671, [1982] (SuUB Bremen C. S. 6. Nr. 34); Disputatio theologica …. de peccato actuali & in specie de peccato in Spiritum S. [Präs.: Heinrich Flocken; Resp.: Georg Felgentreff ], Bremen, Hermann Brauer, 1672, [2062] (SuUB Bremen C. S. 6. [ohne Nr.]). 191 Dies bezeugt Reitz: „Ich kann hierbey mit Warheit bezeugen, daß der selige Undereyck zu Bremen (in seinem privato pietatis collegio über Sprüchw. 11,17 wie ich meyne, in Beyseyn vieler Leute und Studenten, davon noch verschiedene werden im Leben seyn, die es gehört) nicht ohne approbation das Urtheil Baxteri angeführt, der davor gehalten, man müßte das mortificiren und Geißlen der Papisten (wenn es auß rechtem Grund und zu rechtem Ende, mit Maaß, und nicht vor den Augen der Menschen, geschähe) so schlechterdings nicht verurtheilen“, Reitz 1982, Tl. 4, 151. 192 Vgl. Faulenbach 1977/8, 211–218. Vgl. für Minnemann: Cassell, Erneuertes Andenken, 5; Rotermund, Bd. 2, 47. Sein Vater Nicolaus (Claus) war Eltermann und seit 1683 Bauherr von St. Martini, vgl. ebd., 6. Zuvor war er bereits Diakon dieser Gemeinde, vgl. Dissertatio physica de mirabilibus naturae, quam aspirante Deo [Präs. Johannes Eberhard Sweling; Resp.: Simarus Suhling], Bremen, Hermann Brauer, 1674, nicht paginiert. 193 S. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, VI,28; ders., „Die Familie Duysing“, 11, wo verwiesen wird auf das Kirchenbuch von St. Pauli, 282, Nr. 134. Paten waren: Dirich Stubbemann (Vater von Wubbeke); Johan Vogt (Bauherr der St. Pauli); Elisabeth Isselburg, die Frau von Duysings Onkel Gerd; „sel. Johan Duysing Wittib“ (Kunigunde Oelrichs). Müller-Bene190 Vgl.
3.7 Übersetzung: Dionysius Spranckhuysen95
Als Nachfolger von Duysing wurde am 25. Juni 1673 Heinrich Bernhard Meyer gewählt, der Duysings Nachfolger als Hilfsprediger in St. Martini war. Hinter dem Votum für Meyer ist der Einfluss Undereycks zu vermuten. Auch spätere Pfarrer der Gemeinde wie Ernst Tilemann, genannt Schenck (1681– 88), Michael Holle (1702–08), Ludwig Georg Treviranus (1708–57) und Gottfried Menken (1802–11) haben die reformiert-pietistische Tradition weitergeführt.194
3.7 Übersetzung: Dionysius Spranckhuysen, Balsaam für eine kranke Seele (1673) 3.7.1 Übersetzung Als Duysing sich einigermaßen von seiner Krankheit erholt hatte, verfasste er eine Übersetzung eines Erbauungsbuches. Es handelt sich um Een balsem voor een siecke ziele (1640), eine Schrift des niederländischen reformierten Pietisten und Voetius-Schülers Dionysius Spranckhuysen (1587–1650). Wegen Bremens geographischer Lage und wegen der engen Beziehungen mit den Niederlanden wird das Niederländische für Duysing gut verständlich gewesen sein. Interessanterweise ist Een balsem ein Extrakt aus A confortable treatise for such as are afflicted in conscience (1590?) des englischen Puritaners Robert Linacre (1550/1551–1618). Diese englische Schrift wurde sechsmal aufgelegt. Schon zwischen 1600 und 1604 übersetzte Vincentius Meusevoet (ca. 1560–1624) sie ins Niederländische. Diese Übersetzung wurde mehrfach veröffentlicht.195 Unklar ist, ob Spranckhuysen sich auf diese Übersetzung gestützt hat. Een balsem wurde, wenn auch in veränderter Form und mit variierendem Inhalt, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts mehr als zwölfmal verlegt. Außerdem wurde Spranckhuysens Schrift ins Französische (1643), Ungarische (1648) und Deutsche übersetzt.196 Duysings Übersetzung des Buches war nicht die erste, da schon 1663 und 1671 in Hanau eine deutsche Fassung erschienen war.197 Die Übersetzung wurde 1673 in Bremen von Hermann Brauer198 unter dem Titel Balsaam für eine kranke Seele im Duodezformat herausgegeben. Duysing fügte der Übersetzung eine ausführliche Vorrede hinzu. Sie umfasst 120 Seiten dict/Ammann (Hrsg.) 1990–1996, Bd. 2, 54, Nr. 213, berichtet fälschlich, Duysing habe keine Kinder. 194 Vgl. Iken 1882. 195 Vgl. Hof 1987, 109, 275 sowie Pietas. 196 Vgl. Leurdijk 1987, 38; Abels 2005, 483. Eredics 2008, 58–64. Der ungarische Übersetzer war István Szokolyai Anderko (geb. ca. 1621). 197 S. IÖB, 181, Nr. 27–28. S. dort auch die anderen deutschen Übersetzungen von Spranckhuysens Werken. 198 Vgl. Benzing 1982, 64; Paisey 1988, 27; Reske 2007, 126.
96
3. Johannes Duysing (1644–1673)
und ist damit länger als der Text der Übersetzung, der aus 103 Seiten besteht. Der Vorrede geht eine Widmung an Lubert Formanoir voraus. Wie im Original finden sich im Anschluss an den Text199 Zitate aus dem Epheserbrief(6,1–10). Zwei weitere Zitate stammen von den Kirchenvätern Origenes und Augustin.200 Das Original enthält zusätzlich ein Zitat aus Hiob 33201 und ein weiteres von Ambrosius202. Das Hiob-Zitat ist in gekürzter Form in die deutsche Fassung übernommen worden,203 das Ambrosius-Zitat wurde ausgelassen.
3.7.2 Widmung und Vorrede In der Widmung entschuldigt sich Duysing bei Formanoir, den er als Vetter und Gönner bezeichnet, für die verspätete Fertigstellung und Vorlage seines Buches. Die Ursache für die Verspätung sei eine Krankheit, die der Herr über ihn hat ergehen lassen. Gott möchte, so schreibt Dyusing weiter, dass der Mensch sich ihm unterwerfe, seine freie Gnade anbete und die verborgenen Schwachheiten seines Herzens entdecke. Wenn wir die Ursachen nicht sehen könnten, sollten wir auf Gottes unergründliche Weisheit und Macht sehen. Formanoir hatte Duysing darum gebeten, diese Schrift für ihn ins Deutsche zu übersetzen. Dementsprechend ist der Widmungstext geprägt von Dankbarkeit Duysings seinem Gönner gegenüber. Duysing wünscht sich eine Verstärkung der christlichen Liebesbande und der Aufrichtigkeit untereinander und dass die Schrift sowohl aufrichtigen Christen als auch denjenigen, die Gott nicht fürchten, nützlich sein wird. Duysing dankt Gott dafür, dass er ihm die Kraft gegeben hat, den noch übrigen Teil seines Lebens voll und ganz in den Dienst Gottes stellen zu können.204 Aus dem Verlauf der Vorrede wird klar, dass Duysing sich an seine Bremer Gemeinde in St. Pauli richtet.205 In der Vorrede erläutert Duysing die Hintergründe seiner Übersetzung. Schon vor einiger Zeit sei er „von einem grossen Freunde und Liebhaber des Christenthumbs“ darum gebeten worden, eine Übersetzung dieser Schrift anzufertigen. Dieser Mensch habe ihm das Buch geschenkt. Aus Gehorsam ihm gegenüber und wegen der Pflicht eines jeden Christen, sich um die Ausbreitung des Reiches Christi zu bemühen, gab er diesem Verlangen nach. Gott gab ihm ausreichend Kraft, um wieder schreiben zu können.206
199 Vgl. Spranckhuysen, Een balsem voor een siecke ziele, Hoorn, Marten Gerbrantsz, 1644 (Pietas P98020028), 45–47. 200 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 101. 201 Vgl. Spranckhuysen, Een balsem, 2. 202 Vgl. Spranckhuysen, Een balsem, 47. 203 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, [)(1v]. 204 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, )(2r-)(4v. 205 Vgl. für diesen Abschnitt: Spranckhuysen, Balsaam, *1r–6*4v. 206 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, *1v.
3.7 Übersetzung: Dionysius Spranckhuysen97
Vom Titel des Buches erwartet Duysing einerseits positive Resonanz, da sowohl das Licht der Natur als auch die Bibel auf die Genesung und Erhaltung der Seele drängen. Andererseits hat er geringe Erwartungen, weil viele Menschen sich zu sehr mit irdischen und fleischlichen Dingen anstatt mit der Seele beschäftigen. Denjenigen, die die Liebe zu Gott in ihrem Herzen durch Lektüre, Gebet und Studium erwecken, wenn die Hitze der Anfechtungen dieses himmlische Feuer zurückhält, wird das Buch gefallen. Der Titel ist Jeremia 8,22 entlehnt. Der Inhalt des Buches wird als Arznei für die arme, durch die Sünden verwundete, abgemattete und fast ohnmächtige Seele verstanden. Die Krankheit ist die Sünde, Christus die Arznei. Obwohl die Sünde allen angeboren ist und in uns bleibt, gibt es doch einen Unterschied zwischen Ungläubigen und Gläubigen: Bei den Ungläubigen herrscht die Sünde, bei den Gläubigen wird die Herrschaft der Sünde immer mehr durch den Heiligen Geist gebrochen. Zwischen den einzelnen Nichtwiedergeborenen gibt es ebenfalls Unterschiede hinsichtlich der Intensität und der Art und Weise in der ihre Sündhaftigkeit zum Vorschein kommt. Ein zweiter Unterschied zwischen Gläubigen und Ungläubigen besteht in der Empfindung der Krankheit. Die am schlimmsten erkrankt sind, haben die geringste und keine rechte Empfindung, die (fast) Wiedergeborenen aber haben eine wahre Empfindung. Auf letztere Gruppe zielt der geistliche Balsam ab. Auch wenn Erkenntnis der Krankheit die Bedingung für die Anwendung des Balsams ist, kann der Pastor auf die Liebe Gottes hinweisen, um auf diese Weise die Herzen der Gemeindeglieder zu überzeugen. Gottes Liebe öffnet die erschütterten Herzen im Angesicht der eigenen Bosheit und der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes und führt sie zur Buße. Diesen einleitenden Bemerkungen folgt eine schematische Übersicht zum Aufbau des Buches. Anschließend behandelt Duysing einige christliche Lehr stücke, die in der Schrift vorkommen und laut Duysing von vielen nicht zu Herzen genommen und von anderen nicht verstanden werden. Auf diese Weise möchte er das Buch für die Leser verständlicher, erbaulicher und attraktiver machen. Das erste Lehrstück behandelt das Trösten der Traurigen. Auch wenn das Spenden von Trost eine wichtige Aufgabe des Seelsorgers ist, soll mit dem Gesetz Gottes angefangen werden, da nur diejenigen, die in der Empfindung ihrer geistlichen Krankheit nach Trost seufzen, getröstet werden können. Ein Pastor soll auch an gesunden Tagen seine Gemeindeglieder trösten; an diesen Tagen kann es am besten gelingen. Bei Krankheit recht zu trösten ist eine schwierige Kunst, wofür Duysing seinen Kollegen Ratschläge gibt. Duysing lehnt die Austeilung des Abendmahls durch Prediger an Kranke zu Hause ab, nicht generell, sondern weil damit Missbrauch getrieben wird und abergläubige Vorstellungen darüber herrschen, worauf er an dieser Stelle nicht näher eingehen möchte. Stattdessen verweist er auf die reich vorhandenen Trost-
98
3. Johannes Duysing (1644–1673)
schriften und die Bibel. In diesem Zusammenhang preist er die Übersetzung einer vor kurzem in Bremen erschienenen Schrift von Guiljelmus Saldenus: Es ist noch ohnlängst hie in dieser Stadt in Hochteutscher Sprach gedrucket worden Der geoffnete Weg des Trostes, [et]c. Geschrieben anfänglich in Niederländischer Sprach von Dn. Guilhelmo Saldeno, einem rechten Mann Gottes, der sich nicht nur umb seine Gemeinden zu Enchuysen und Delfft durch seinen Eiffer in Lehr und Leben, sondern auch umb die ganze Reformirte Kirche, und alle Frommen, hin und her zustreuet, durch seine erbauliche Schrifften hat verdient gemachet.207
Duysing fordert zur Lektüre dieser Trostschriften und zu erbaulichen Freundschaften mit Predigern auf, um auf diese Weise zum rechten Verständnis des Glaubens zu gelangen und wahren Trost zu erfahren. Zweitens behandelt Duysing die Traurigkeit der Gläubigen, vor allem bei Krankheit, durch die auch weit fortgeschrittene Christen nach ihrer ersten Bekehrung in Kummer geraten können. Traurigkeit ist ein unablösbares Element des Lebens der wahren Christen. Christus ruft nur die betrübten Herzen zu sich und verspricht nur ihnen Linderung. Mit dem Verweis auf das erste und letzte Stück des Heidelberger Katechismus ruft Duysing die Empfänger des Abendmahls und die Bekenner des Katechismus zur Selbstprüfung auf. Kriterien sind die Verabscheuung der Sünden und eine hungrige Seele, die Furcht vor Gottes Zorn und dem Tod, die Erkenntnis des Elends und das Sterben des alten und die Auferstehung des neuen Menschen. Duysing betont, dass man nicht in Traurigkeit ertrinken soll. So soll man sich selbst keine zu große Traurigkeit abverlangen, aber auch nicht alle Traurigkeit verwerfen. Die Traurigkeit über die Sünde soll aufrichtig sein, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich; und sie soll die größte Traurigkeit sein, obwohl deren Größe vom jeweiligen Gemüt und dem Zustand der Seele abhängig ist. Damit man nicht in Traurigkeit versinkt und ihren Sinn versteht, soll man folgende Punkte beachten: 1. Im Sinne Gottes dient die Traurigkeit über die Sünde der Demütigung des Gläubigen, der Vergrößerung von Gottes Ehre, indem der Gläubige sich nur an seiner Barmherzigkeit festhält, der Abkehr von den Sünden und der Steigerung der Wachsamkeit hinsichtlich der Sünden und des Hasses der Sünden. Sind diese Ziele der Traurigkeit erfüllt, so darf der Mensch, im Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, wiederum im Licht des Herrn wandeln. 2. Gott befiehlt einem Christen beständige Freude zu haben, weshalb man nie alle Freude vergessen soll, und sich sogar über die geistliche Traurigkeit, die durch das Wirken des Heiligen Geistes hervorgerufen wird, freuen darf. 3. Ein Mittel zur beständigen Freude erwähnt David in Psalm 42: das Anreden der Seele. Traurigkeit kann durch verschiedene Ursachen bewirkt oder ver207 Spranckhuysen,
Balsaam, 3*3v.
3.7 Übersetzung: Dionysius Spranckhuysen99
stärkt werden: durch Krankheit, Trübsal, die Gemütsart und durch Falschheit oder Lieblosigkeit anderer Leute. Hieraus ergibt sich eine gute Botschaft. Erstens soll man nicht erschrecken, wenn man in Zeiten von Krankheit von Traurigkeit überfallen wird. Handelt es sich um ein Betrübnis über die Sünde, bezeugt die Trauer unsere Aufrichtigkeit und die große Gnade Gottes. Zweitens soll man nicht leichtfertig urteilen, wenn ein kranker Mensch über seine Sünden betrübt ist. Drittens soll man sich insbesondere von den Sünden lösen, die einem am liebsten sind. Viertens soll man sich hier auf Erden vor unnötiger und tiefer Traurigkeit hüten und sich in einer gemäßigten Weise an Freude gewöhnen. Fünftens soll man sich von der betrügerischen Welt lösen und sein Herz Gott und seiner Liebe zuwenden. Wer länger auf Erden weilen will, dem wird es unter der Bedingung gestattet, dass er es aus Liebe zum Nächsten und zu dessen geistlichen Nutzen wünscht. Drittens behandelt Duysing den Grund der rechten Traurigkeit, nämlich die über die eigenen Sünden. Umstände, die diese rechte Traurigkeit hervorrufen oder verstärken können, sind die Sünden anderer Menschen und der elende Zustand der Kirche, nicht aber der Kummer über irdische Dinge, den nur Scheinchristen haben. Viertens bespricht Duysing den Gegenstand der Traurigkeit. Dieser umfasst nicht nur grobe Sünden, sondern auch die verborgenen Sünden des Herzens. Dieses Lehrstück dient der Überwindung der Heuchler und dem Trost der Frommen. Die Betrübnis über verborgene Sünden bezeugt Aufrichtigkeit und Selbstlosigkeit. Paulus dient den frommen Menschen als Vorbild, die eigenen Sünden nicht nur aufrichtig zu bekennen, sondern auch zu beklagen. Einige sündhafte Gedanken darf man Satan zuschreiben, der des Menschen Phantasie zu allerhand Abwegen anregen kann. Fünftens behandelt Duysing das unabdingbare Gegenüber und die Probe der rechten Traurigkeit, indem er sich auf die Fragen 88 bis 90 des Heidelberger Katechismus beruft. Ein wesentliches Merkmal rechter Traurigkeit ist demnach das sehnliche Verlangen nach der weiteren Besserung und Heiligung des Lebens. Schließlich stellt er dar, was der wahre Balsam ist: die unendliche Liebe Gottes und barmherzigen Vaters, die durch seinen Sohn Jesus Christus offenbar wird, und die allen Sünden ausnahmslos gewachsen ist, wenn man sie bekennt und demütig zu Gott flieht. Der wahre Balsam setzt sich aus zwei Faktoren zusammen: der unendlichen Barmherzigkeit Gottes des Vaters in Jesus Christus und dem Glauben, durch den man dieser Liebe teilhaft werden kann. A. Die unendliche Barmherzigkeit Gottes des Vaters in Christus. I. Diese muss unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren betrachtet werden. 1. Die Erwählung fand von Ewigkeit her ohne jeden Verdienst unsererseits statt: Gott liebt die Seinen von Ewigkeit. 2. Die Barmherzigkeit des Vaters
100
3. Johannes Duysing (1644–1673)
ist gegründet in der Genugtuung Christi, der vom Vater von Ewigkeit her zum Erlöser bestimmt worden ist. Gott hat seinen Sohn in die Welt und in den Tod gesandt, aus dem Tod auferweckt und ihn erhöht zu seiner Rechten. 3. Barmherzigkeit wird allen angeboten, die sie begehren. 4. Die Empfindung unserer Sünde kann uns demnach nicht davon abhalten, sondern versichert uns, dass wir Teil daran haben können oder sollen. 5. Die Beschaffenheit der Seele und die Bereitschaft, Angemessenheit und Allgenugsamkeit des Arztes Jesus Christus sind so gut aufeinander abgestimmt, dass es eine Torheit ist, wenn ein Mensch nicht zu Christus kommt. II. In der Hitze der Anfechtung können nicht all diese Dinge von allen tröstlich betrachtet werden. Oft muss zunächst in kleineren Dingen Trost gesucht werden. Jeder muss an guten Tagen versuchen, seine Berufung und Erwählung zu festigen und aufrechtzuerhalten. B. Der Glaube, durch den man dieser Liebe in Christus teilhaftig wird. Dieser rettende Glaube wird schrittweise behandelt. 1. Soll man dessen Natur recht verstehen, nämlich anhand der Begriffe in der Heiligen Schrift. Demnach besteht die Natur des Glaubes darin, dass man Jesus Christus als seinen Herrn annimmt, nach ihm hungert, dürstet und Zuflucht bei ihm sucht und sich bei ihm anlehnt. 2. Soll man die Mittel zur Stärkung des Glaubens recht verstehen und benutzen: das Wort Gottes und das Gebet, wofür Ratschläge gegeben werden. 3. Soll man mit allem Fleiß nach einer empfindsamen Liebe zu Gott streben und den Mut nicht verlieren, wenn der Herr einem diese Liebe nicht in demselben Maß gibt, wie er sie anderen schenkt. Duysing weist am Ende seiner Vorrede darauf hin, dass er gerne noch mehr geschrieben hätte, wozu ihm aber die Zeit fehle. Einigen, so vermutet er, wird die Vorrede schon zu lang sein. Dem Vorwurf, dass die Vorrede genauso lang wie der übersetzte Text ist, setzt er entgegen, dass Liebe nicht an Kunstgesetze gebunden und die Qualität des Inhaltes am wichtigsten ist. Durch Krankheit, so schreibt Duysing weiter, konnte er in seiner Gemeinde eine Zeit lang nicht predigen. Der Herr habe ihm nun eine geringe Besserung gegeben, so dass er diese Vorrede zur allgemeinen Erbauung verfassen konnte. Wenn Gott ihm Leben, Gesundheit, und Gnade schenkt, so hofft er, demnächst ein kurzes Traktat über „Leben und Wachstum eines Christen“ verfassen zu können, in dem er die gleiche Thematik wie in dieser Schrift ausführlich behandeln möchte. Zum Schluss bittet Duysing seine Leser zu Gott zu beten, dass er diese Schrift segnen und all ihre Gedanken, Worte und Werke auf Gott selbst und die Verklärung seines Namens richten möge.
3.7.3 Inhalt Der Autor möchte sich auf die Genesung der Seele konzentrieren und überlässt die Genesung des Körpers den Ärzten. Er möchte die Seelen mit Gottes Wort
3.7 Übersetzung: Dionysius Spranckhuysen101
stärken. Streit ist Gottes Kindern eigen, wie aus den Beispielen der Heiligen in der Bibel und vor allem aus dem Leben und Sterben Jesu Christi hervorgeht. Das Mittel zur Überwindung der Krankheit ist Gottes unendliche Barmherzigkeit, die in Christus angeboten wird, und die man mit festem Glauben und tiefem Vertrauen annehmen soll. Hierzu werden drei Einwände diskutiert. Der erste Einwand bezieht sich auf den empfundenen Mangel an Gottes Liebe. Dieser empfundene Mangel soll nicht als Zeichen von Gottes Zorn über die Sünde gedeutet werden, sondern als Zeugnis seiner väterlichen Liebe zu uns, wodurch alles zu unserem Besten geschieht. Gott mäßigt die Züchtigungen und er macht sie nicht größer als wir sie mit unseren Kräften tragen können. Darauf wird erwidert, dass in der Heiligen Schrift nicht nur von Gottes Barmherzigkeit die Rede ist, sondern auchvon seiner gerechten Strafe für unsere Sünden. Dieser Gedanke beziehungsweise Einwand wird Satan zugeschrieben, der ein Betrüger ist, da Gottes Barmherzigkeit größer ist als das vom Menschen begangene Unrecht. Auch sonst wird diesem Einwand keine große Bedeutung beigemessen, weil Gottes gerechte Strafe nur den uneinsichtigen Sündern zuteil wird. Reuigen Sündern aber, die ihre Sünden bekennen, wird Barmherzigkeit verheißen, was anhand der Heiligen Schrift belegt wird. Der dritte Einwand lautet, dass die eigenen Sünden größer sind als dievon anderen Menschen, da sie direkt gegen Gott gerichtet sind, und ihn, seinen Sohn und sein Wort verspotten. Darauf wird Folgendes erwidert: Gott vergibt nicht nur Gedanken, sondern auch Worte und Taten und auch die besten Kinder Gottes sind nicht frei von den gottlosesten Gedanken. Die Reue über sündhafte Gedanken zeigt an, dass diese nicht von selbst aufkommen, sondern vom Teufel verursacht werden. Nachdem Gottes Barmherzigkeit ausführlich behandelt worden ist, drängt der Autor darauf, sich diese durch einen lebendigen Glauben anzueignen. Vor diesem Hintergrund werden erneut mögliche Zweifel und Einwände diskutiert und entkräftet. Auch von den Allerheiligsten wird der Glaube oft durch große Zweifel angefochten, aber gerade dadurch wird er gereinigt und gestärkt. Zweitens hebt die Schwachheit des Glaubens nicht die Anwesenheit des Glaubens auf. Diejenigen, die am stärksten glauben, klagen sogar am meisten über ihre Schwachheit. Drittens ist Gottes Liebe zu den Seinen ewig. Schließlich soll man die zur Stärkung des Glaubens dienlichen Mittel benutzen: die Predigt, die Sakramente, das Gebet und die Erneuerung des Geistes. Diejenigen, die diese Mittel anwenden, werden oft von Satan angegriffen. Der Einwand, dass die Predigt keinen Trost, sondern Erschrecken herbeiführe, wird damit entkräftet, dass dies auf die Einwirkung des Teufels zurückzuführen sei. Der zweite Einwand lautet, dass Gottes Gnade nur denjenigen verheißen wird, die einen starken Glauben haben, voller Liebe sind und gute Werke tun. Wenn man aber die eigene Unempfindsamkeit bemerkt und nach der Seligkeit hungert
102
3. Johannes Duysing (1644–1673)
und dürstet, so wird man letztendlich Seligkeit empfinden. Dazu soll man häufig das Wort Gottes hören und sich im Gebet üben. Abschließend werden weitere Ratschläge gegeben: man soll einige kurze Sprüche aus den Bußpsalmen lernen, kurze Gebete wie Pfeile gen Himmel senden, worauf man ausführlichere Gebete sprechen kann. Wenn man dann noch immer nicht getröstet ist, soll man geduldig auf die Tröstungen warten, die kommen werden. Am Ende finden sich drei Zitate: Eph 6,10–18 (über die geistliche Waffen rüstung), ein Zitat von Origenes und eines von Augustin. Origenes weist darauf hin, dass die Gottlosen auf Erden Freude erleben, aber sogleich nach dem Tod vor Gottes Gericht kommen. Die Gottesfürchtigen aber erfahren auf Erden Züchtigung, im Jenseits aber Ruhe und brauchen das Gericht nicht zu fürchten. Augustin bemerkt zum Psalm 93, dass Nöte und Anfechtungen den fast eingeschlafenen Glauben wieder erwecken. Der Text enthält ein Zitat des antiken Philosophen Seneca und neben den Zitaten von den Kirchenvätern Origenes und Augustin zwei weitere von Chrysostomus.
3.7.4 Analyse und Übersetzungsmethode Der Anreger der Übersetzung, Formanoir, war mit Duysing befreundet. Er sammelte kuriose Bücher und las daraus gerne dasjenige, was das allgemeine Wohlsein fördert.208 Zu seinen Bibliotheksbeständen gehörte vermutlich auch Erbauungsliteratur. Obwohl Duysing das Original vielleicht schon vor seiner Krankheit erhalten und schon damals mit der Übersetzung angefangen hatte, werden ihn der Titel und der Inhalt der Schrift während seiner Erkrankung ganz besonders an gesprochen haben, was ihn vermutlich zur Abfassung einer Vorrede veranlasst hat. Die Vorrede hat einen katechetischen, systematischen und seelsorgerischen Charakter und zeugt von einer tiefen psychologischen Einsicht Duysings in die Ursachen und Wirkung der Traurigkeit. Zu dieser Einsicht gelangte er wohl teilweise durch seine eigene Erfahrung und teilweise durch sein theoretisches Studium. Aus dem Hinweis zur Saldenus-Übersetzung geht hervor, dass Duysing einigermaßen mit dem Schrifttum der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung vertraut war. Er forderte seine Leser auch auf, derartige Schriften 208 Vgl. Schuldiges Traur- und Ehren-Gedächtnüß bey der … Leich-Bestättigung des … Herrn Lubertus Formanoir , o. O. o. J., nicht paginiert (SuUB Bremen: C. S. VIII. Nr. 18). Aus einer anderen Quelle geht hervor, dass 1664 bei der Verpachtung der Bremer Apotheke an Heinrich Erberfeld durch den Rat die zugehörige Bibliothek mit naturwissenschaftlichen und medizinischen Werken, lateinischen und griechischen Klassikern und theologischen Schriften an Lubert Formanoir verkauft wurde, vgl. Hausmann 1919, 22.
3.7 Übersetzung: Dionysius Spranckhuysen103
zu lesen.209 Vielleicht ist Duysing dem niederländischen Pfarrer während seiner Reise in die Niederlande – Saldenus war 1664 bis 1677 Prediger in Delft – begegnet. Indem sich Duysing an das Abendmahlsformular210 der reformierten Kirchenordnung der Kurpfalz von 1563 anlehnt und sich sich auf den Heidelberger Katechismus mit dessen Schema Sündenerkentnis, Erlösung und Dankbarkeit beruft, betritt er orthodoxen Boden. Duysing bettete den Inhalt seiner Vorlage noch expliziter in den Rahmen der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung ein. Nach einigen einleitenden Bemerkungen in der Vorrede hebt er den Gegensatz zwischen Gläubigen und Ungläubigen hinsichtlich der Herrschaft der Krankheit und der Empfindung hervor.211 Nur erstere werden nicht von der Krankheit der Sünde beherrscht und nur sie haben eine rechte Empfindung der Sünden. Dieser Gegensatz zwischen Gläubigen und Ungläubigen wird in der Vorlage nicht explizit hervorgehoben, aber innerhalb der Vorrede Duysings in den Fokus gestellt. Der dargelegte Unterschied zwischen Ungläubigen und Gläubigen ist eine der wichtigsten theologischen Auffassungen Duysings, was in der nachfolgenden theologischen Analyse gezeigt wird. Gleichzeitig ordnet Duysing diesen Gedanken in den orthodoxen Rahmen des Heidelberger Katechismus ein, dessen Ordnung er als dreiteilige logische und chronologische Abfolge der Glaubenserfahrung versteht: Erlösung und Dankbarkeit gründen sich auf die Erkenntnis des Elendes212 und die Empfindung von Krankheit ist Voraussetzung für die Anwendung des Balsams.213 209
Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 3*3v–3*4r. Spranckhuysen, Balsaam, [3*10r–v]: „Und wie oder mit welchem Gewissen habt ihr bißhero zum Abendmahl können gehen, dazu niemand kommen soll, der Ihm selbst nicht wegen seiner Sünden mißfält, der nicht eine hungrige Seele herzu bringet, und GOTTes Zorn und den Todt fürchtet“; Die evangelischen Kirchenordnungen, Bd. 14, 384, (Form, das heilige abenmal zu halten); „Die ware prüfung unser selbs stehet in diesen dreyen stücken, zum ersten bedenck ein jeder bei sich selbst seine sünd und vermaledeyung, auf daß er im selbst mißfalle und sich für Gott demütige, dieweil der zorn Gottes wider die sünd also groß ist, daß er dieselbige … an seinem lieben son Jesu Christo … gestraft hat“; 385: „Das ist, so oft ir von diesem brodt esset und von diesem kelch trincket, solt ir dardurch als durch ein gwisses gedechtnuß und pfand erinnert und versichert werden, diser meiner hertzlichen lieb und treu gegen euch, daß ich für euch … mein blut vergiesse und euer hungerige und dürstige seelen mit demselben meinem gecreutzigten leib und vergossenem blut zum ewigen leben speise und trencke“; „Auß dieser einsatzung des heiligen abendmals unsers herrn Jesu Christi sehen wir, daß er unsern glauben und vertrauen auf sein volkommen opfer … als auf den einigen grund und fundament unser seligkeyt weiset, da er unsern hungerigen und durstigen seelen zur waren speiß und tranck des ewigen lebens worden ist. Denn durch seinen todt hat er die ursach unsers ewigen hungers und kommers, nemlich die sünd, hinweggenommen“. Ob Duysing ebenso wie Undereyck bei der Feier des Abendmahls und der Taufe auf die Verwendung eines Formulares verzichtete und frei formulierte (vgl. Mai, 102 f.), ist unbekannt. 211 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, [*12v]–2*4v. 212 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, *5r–v, 2*5r–v. 213 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, *5r, [3*10r], [4*11r], [5*11r]. Bei der Behandlung der 210 Vgl.
104
3. Johannes Duysing (1644–1673)
Duysing weist auf den elenden Zustand der Kirche hin214 und wehrt sich gegen römische Überreste in der Kirche, wozu er den Missbrauch und Aberglauben im Hinblick auf das Austeilen des Abendmahls an Kranke bei ihnen zu Hause zählt.215 Zweitens teilt Duysing die Gemeinde in Wiedergeborene und Nichtwiedergeborene auf.216 Er trennt zwischen Scheinchristen beziehungsweise Heuchlern und wahren Christen. Scheinchristen trauern nicht wie wahre Christen über ihre Sünden, sondern nur über weltliche Belange, was von Selbstliebe und knechtischer Furcht vor der Strafe Gottes zeugt.217 Während die Heuchler es bloß bei einer äußerlichen Buße belassen, bekennen die Frommen auch die heimlichen bösen Gedanken vor Gott.218 Auch die Abendmahlsteilnehmer ruft Duysing zur ernsthaften Selbstprüfung auf.219 Die innerliche geistliche Erfahrung der Seele hat auf verschiedene Weisen die Funktion eines Maßstabs des geistlichen Standes. Duysing betont die Notwendigkeit einer tiefen inneren Überzeugung vom eigenen geistlichen Elend, weil sich Erlösung und Dankbarkeit darauf gründen.220 Die An- beziehungsweise Abwesenheit der Empfindung der eigenen Seelenkrankheit zeigt an, ob man wiedergeboren ist oder nicht.221 Die Erfahrungen des Glaubens analysiert Duysing auf psychologische Weise, indem er die Frommen damit tröstet, dass die Klage über ihre Bosheit und Schwachheit die Aufrichtigkeit ihres Gewissens beweist und dass es Gedanken gibt, die sie nicht so sehr sich selbst, sondern dem Teufel zuschreiben müssen.222 Die Wiedergeburt hat einen prozessmäßigen Charakter, so dass Duysing von Fastwiedergeborenen spricht.223 Duysing fordert auf zur Lebensheiligung224 durch Loslösung von der Welt, die er als betrügerisch bezeichnet.225 Schließlich ruft er zu einem intensiveren, erbaulichen Kontakt zwischen Predigern und Gemeindemitgliedern auf.226
Barmherzigkeit des Vaters schreibt Duysing, dass diese ohne Unterschied allen angeboten wird, die sie begehren, vgl. ebd., 6*2r. 214 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 5*2r. 215 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 3*3r, [4*11r]. Vgl. Mai, 60. 216 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, )(3v-)(4r., [*12v]–2*4v. 217 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 3*6r–[3*11r], 5*3r–5*4v. 218 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 5*4v–5*6v. 219 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, [3*10r]–[3*11r]. 220 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, *5r, [*8v]. 221 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 2*3v–2*4r. 222 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 5*6v –[5*10v]. 223 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 2*4r. 224 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, [4*7r], [5*11r]–6*1r. 225 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, [*7r], 5*1r. 226 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 3*4v; 3*5r.
3.7 Übersetzung: Dionysius Spranckhuysen105
Einige dieser Auffassungen finden sich parallel bei Undereyck.227 Dieser hielt einen Glauben ohne Früchte für unwahr,228 wollte Scheinchristen entlarven, unterschied zwischen Scheinchristen und wahren Christen229 und verteidigte eine strenge Kirchenzucht mit Ausschluss der Unwürdigen von der Abendmahlsfeier.230 Es gibt noch andere theologische Parallelen zwischen Duysing und Undereyck. Beide orientierten sich am Heidelberger Katechismus231 und beide verwiesen auf Saldenus’ Schriften.232 Sowohl Duysings als auch Undereycks Schriften weisen katechetische Züge auf.233 Die Aufforderung Duysings, dass die Rezipienten seines Buches ihre erbaulichen Freundschaften mit Predigern intensivieren sollen, kann man mit den Inhalten von Undereycks Erbauungsversammlungen vergleichen. Sowohl Undereyck als auch Duysing interpretierten ständige Fröhlichkeit als Gegenstück zum ersten und dritten Teil (Elend und Dankbarkeit) des Heidelberger Katechismus und als Form des Atheismus.234 Beide teilten den Glauben in zufluchtnehmenden (Annahme des Herrn Jesu, Hungern und Dürsten nach ihm, Zufluchtnahme zu ihm) und in besitzenden oder genießenden Glauben (Anlehnen an und Stützen auf Christus) auf.235 Außerdem gingen beide relativ frei mit literarischen Normen um und schrieben dem Inhalt eines Textes größere Bedeutung zu als seiner Form.236 Duysing betrachtete seine erste Übersetzung mit der langen Vorrede nicht als sein letztes Werk und er kündigte an, eine Schrift über das Leben und Wachstum eines Christen zu verfassen.237 Ob er diese Schrift tatsächlich verfasst oder zumindest mit dem Schreiben angefangen hat, kann nicht zweifelsfrei geklärt werden. Bislang ist eine derartige Schrift Duysings nicht nachgewiesen worden. Im Zuge seiner Übersetzung orientierte Duysing sich an der bedeutungsorientierten Methode: 227 Duysings abschließende Bitte, dass Gott die Gedanken, Worte und Werke der Leser um seiner selbst auf den rechten Zweck, auf Gott und auf die Verklärung seines Namens, richten möge, erinnert an Undereycks später veröffentlichte dogmatische Schrift Halleluja, das ist, Gott in dem Sünder verkläret (1678), vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 6*4v; Jou, 181, 187, 191, 230. 228 Vgl. Jou 1994, 223, 245. 229 Vgl. Jou 1994, 180, 190, 203. 230 Vgl. Jou 1994, 193. 231 Vgl. Jou 1994, 179, 182, 189, 196, 200, Anm. 69, 238. 232 Vgl. End 1991, 266. 233 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, [*10r]; Jou, 185; 195–198. 234 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, [3*11r]; Jou, 203. 235 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 6*3r; Moltmann, 356; Jou, 192, 223 f. Diese Unterscheidung geht vermutlich auf Coccejus und dessen Lehrer Georg Pasor (1570–1637) zurück, vgl. Moltmann 1959, 356; Asselt 1997, 124. 236 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 6*4r; Theodor Undereyck, Christi Braut, unter den Töchtern zu Laodicæa, das ist, ein hochnötiger Tractat, in diesen letzten Tagen. Darinnen die lebendige Krafft deß seeligmachenden Glaubens von allen Schmach-Reden der in dieser Zeit Christ-scheinender Spötter … gereiniget und verthädiget wird, Hanau, Johann Ingebrand, 1670, [2)(6r–v]. 237 Vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 6*4v.
106
3. Johannes Duysing (1644–1673)
ENG 3: VOlghens mijne belofte, seer waerde ende wel-lieve in Christo N. N. hebbe ick tot uwen troost dese weynige bladeren beschreven. DU 1: MEiner Verheissung nachzukommen, sehr wehrte und vielgeliebte in Christo, N. N. habe ich zu Eurem Trost diese wenige Blätter beschrieben.
Die Bibelstellen hat Duysing der Lutherübersetzung angepasst.238
3.8 Zusammenfassung Johannes Duysing stammte aus einer Familie von Konfessionsmigranten aus Brabant, die sich Ende des 16. Jahrhunderts teilweise in Bremen niederließ und sich schnell in die einheimische Bevölkerung und in die Stadtregierung Bremens integriert hatte. Trotzdem scheinen die Verbindungen zwischen den Migrantenfamilien noch am Ende des 17. Jahrhunderts ziemlich eng gewesen zu sein. Nachkommen von Migranten wie Zobel, Formanoir, und Undereyck kreuzten Duysings Wege immer wieder. Duysing verfasste während seiner Studienzeit mehrere Disputationen und Gedichte. Nach seiner Studienzeit wurde er zum Gesandtschaftsprediger Hessen-Kassels am Reichstag in Regensburg berufen, was er vielleicht seinem Hauswirt in Bremen, Johann Zobel, verdankte. Duysings Werdegang zeigt auf, dass er sehr begabt gewesen sein muss. Duysing vertrat in einer seiner Disputationen im Hinbick auf den vierten Artikel der Dordrechter Lehrsätze die Auffassung, dass die Gnade wirksam ist. Damit teilte er die Ansicht der Contraremonstranten und der Bremer Abgeordneten auf der Dordrechter Synode. Unter den sonstigen theologischen Auffassungen, die Duysing in seinen Disputationen vertritt, fallen insbesondere die Aufforderung zur Mäßigung theologischer Kontroversen, zum Beispiel zwischen Reformierten und Lutheranern, und ein starkes Interesse an dem Verhältnis zwischen Kirche und Obrigkeit, der Gnaden- und Schriftlehre, dem Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Glaube und der Eschatologie auf. Vermutlich ist Duysing bereits in seiner Jugend oder während seines Studiums vom Puritanismus oder der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung in seinem Denken und Handeln beeinflusst worden. Indizien dafür sind die Klage über den Verfall der Gottseligkeit in einem Gedicht aus seiner Studienzeit sowie die Aufforderung in einer seiner Dissertationen, dass der Magistrat die Entheiligung des „Sabbats“ (und von Feiertagen) verhüten soll. Durch die Begegnung mit Undereyck hat er sich völlig den Ansichten dieser Frömmigkeitsrichtungen zugewandt. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine innige 238 Einige Bibelstellen wurden mit der folgenden Bibelausgabe verglichen: Biblia pentapla, das ist: die Bücher der Heiligen Schrift des alten und neuen Testaments, nach fünf-facher deutscher Verdolmetschung, 3 Bde., Gottorf, Hermann Heinrich Holle, 1710–1712.
3.8 Zusammenfassung107
Freundschaft, die sich nicht zuletzt mit der gemeinsame Reise in die Niederlanden belegen lässt. Diese Freundschaft war für Duysing, der zu der Zeit noch keine (Pfarr-)Stelle hatte, sicherlich vorteilhaft. Es ist davon auszugehen, dass sich Duysing durch Undereyck berufliche Chancen boten. In den Niederlanden besuchten Undereyck und Duysing viele Gemeinden. Die religiöse Gesinnung Undereycks lässt vermuten, dass er mit Duysing Gemeinden aufsuchte, die von der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung beziehungsweise der Nadere Reformatie geprägt waren.239 Die Folge dieser Reise in die Niederlande war, dass Duysing auch gerne nach England reisen wollte, vermutlich um dem Puritanismus noch näher zu kommen. Die Einflüsse des Puritanismus auf die Niederlanden und die guten Reisemöglichkeiten von dort nach England werden ihn in seinem Vorhaben bestärkt haben. Allerdings konnte er die geplante Englandreise nicht realisieren. Die Anstellung als Hilfsprediger in der St. Martinigemeinde und als Lehrer in Bremen sowie die spätere Berufung zum Prediger der St. Pauligemeinde verdankte Duysing wohl Undereyck, dem Bauherrn von St. Martini Johann Zobel, den Bremer Ratsmitgliedern und vielleicht auch der Landgräfin Hedwig Sophie von Hessen-Kassel. Die Ratsherren scheinen Undereyck und Duysing gut gesonnen gewesen zu sein.240 Undereycks Bemühung, den aus Bremen gebürtigen und dort bekannten Duysing zum Gehilfen und Kollegen berufen zu lassen, zeugen nicht nur von Freundschaft, sondern auch von strategischer Einsicht. Duysing war der erste, den Undereyck als Gesinnungsgenossen in eine Bremer Pfarrstelle vermitteln konnte. Duysing unterstützte Undereyck vermutlich bei dessen Reformplänen: im Ministerium, bei der Einführung der Katechisationen und bei der Einreichung einiger Vorschläge hinsichtlich des Bußtags und zur Durchführung der Maßnahmen gegen Fluchen, Schwören, Sabbatentheiligung und so weiter. Vermutlich hat Duysing auch – wohl in Zusammenarbeit mit Undereyck – aus den Studierenden eine Reihe von Schülern ausgewählt, um sie zum reformierten Pietismus zu bekehren. Vermutlich bekam die St. Pauligemeinde erst durch Duysings Wirken einen klaren reformiert-pietistischen Charakter. Duysings Nachfolger haben diese Tradition bis ins 19. Jahrhundert weitergeführt. Duysing übersetzte eine Schrift des niederländischen reformierten Pietisten Dionysius Spranckhuysen über geistliche Traurigkeit. Die lange Vorrede, 239 Vgl. Graafland u. a. 1995, 158–163, für eine Übersicht der Zentren der Nadere Reformatie in den einzelnen niederländischen Provinzen. Auch die englischen und schottischen Exil-, Handels- und Garnisonsgemeinden in den Niederlanden kommen als Reiseziele in Betracht, vgl. dazu Hof 2001a, 275–307. Undereyck wurde am 12. April berufen und kam am 11. Juli oder 29. Juli in Bremen an (s. unten). Zeitgenössische Pläne für eine Reise von Deutschland in die Niederlande bietet Heinrich Ludolf Benthem, Holländischer Kirch- und Schulen-Staat, Frankfurt/Leipzig/Hannover/Merseburg, Nikolaus Förster, Christian Gottschick, 1698, 21–30. 240 S. auch Anh. 2.
108
3. Johannes Duysing (1644–1673)
die er der Schrift vorangehen ließ, zeigt den Prediger Duysing als Seelsorger. Seine Übersetzung inklusive der Vorrede lassen sich als schriftliche Seelsorge charakterisieren. Die Vorrede zeigt sehr klar reformiert-pietistische Ansichten auf, besonders die Unterscheidung zwischen Wiedergeborenen und Nichtwiedergeborenen innerhalb der Kirche. Die in der Vorrede verteidigten reformiertpietistischen Auffassungen lassen sich auch bei Undereyck finden und stammen wohl von ihm. Duysing versuchte diese Ansichten in einen orthodox-reformierten Rahmen einzuordnen, nämlich in die Struktur des Heidelberger Katechismus und des kurpfälzischen Abendmahlformulars. Duysing hatte vor, eine Schrift über das Leben und Wachstum eines Christen zu verfassen. Dieses Vorhaben konnte er aber wegen seines frühen Todes vermutlich nie realisieren. Auch seine Übersetzung wurde nicht neu aufgelegt, wodurch Duysings Bedeutung für die Verbreitung der Gedanken der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung in Deutschland sehr gering geblieben ist.
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697) 4.1 Jugend und Studium (ca. 1639 – ca. 1666) Über Johann Deusing, der wie sein Namensvetter aus Bremen stammte, beruflich aber in Hessen-Kassel tätig war, ist viel weniger bekannt als über Johannes Duysing. Am 9. April 1657, etwa vier Jahre vor Duysing, ließ sich ein Johann Deusing am Bremer Gymnasium Illustre immatrikulieren, der in der biographischen Anmerkung als „Secretar[ius] Cassell“ bezeichnet wird.1 Wahrscheinlich war er etwa vier Jahre älter als Duysing. In den genealogischen Quellen finden sich neben dem 1644 geborenen Johannes Duysing verschiedene Personen mit dem Namen Johann Düsing. Einer von ihnen wurde 1627 geboren, heiratete vor 1647 Anna Kählers und starb 1684. Ein anderer Düsing wurde 1631 geboren und heiratete 1649 Lucke N.2 An einem unbekannten Tag im Jahre 1639 wurde in der Unser Lieben Frauengemeinde3 ein „Johan Deusing“ getauft4 und es ist anzunehmen, dass es sich um die Person handelt, die sich im Jahr 1657, etwa vier Jahre vor Duysing, immatrikulierte. Auch wenn es sich nicht aus den vorliegenden Quellen ableiten lässt, war Johann Deusing vermutlich mit Johannes Duysing verwandt. Die zwei erstgenannten Personen waren Vettern von Duysing, ihre Väter waren Cousins.5 In den Jahren 1628 bis 1652 war der Bremer Theologieprofessor Ludwig Crocius (1585–1655) Prediger in der Unser Lieben Frauengemeinde. Ab 1632 wurde er von dem Prediger Balthasar Willius (1606–56) unterstützt, der das 1
S. Achelis/Börtzler (Hrsg.) 1968, 119, Nr. 36: „Joh[anne]s Düsing Br[emensis]“. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, V,2; V,4; In Müller-Duysing, „Die Familie Duysing in Bremen“, 12, wird in einer Randnotiz für den 1627 geborenen Johann eine Heirat mit T. Marike verzeichnet. Auf S. 15 gibt es zwei Angaben über den Ankauf einer Begräbnisstätte auf dem Unser Lieben Frauen (ULF)-Kirchhof von einem Johannes Düsing: der eine 1663, der andere 1667 (s. auch S. 10). Der Ankauf von 1667 bezieht sich vielleicht auf den Vater von Johannes Duysing (s. 3.4). Auf S. 15b finden sich die jüngeren Johann D(u)ysings. 3 Vgl. Düselder 2002. 4 Das genaue Datum fehlt, es ist lediglich die Nummer 14 angegeben, s. StA Bremen 6,18/20–56: Alphabetisches Verzeichnis zum Taufregister der Gemeinde Unser Lieben Frauen 1639–46. Am 14.11.1639 wurden in ULF aber auch Kinder von David (IV,3) begraben, vgl. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, IV,3; Müller-Duysing, „Die Familie Duysing in Bremen“, 12. 5 Vgl. Müller-Duysing, „Duysing in Bremen“, IV,3; IV,4; IV,10; V,2; V,4; V,17. 2 Vgl.
110
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Amt bis zu seinem Tod im Jahr 1656 ausübte. Darüber hinaus waren Crocius und Willius Superintendenten: Crocius von 1628 bis 1655 und Willius im Jahre 1656 für eine Dauer von acht Monaten.6 Sowohl Crocius als auch Willius glaubten, dass Christi Verdienst eine universalistische Reichweite habe (s. 3.2).7 Die Gemeinde galt als Ratskirche.8 Vermutlich gehörten Deusings Eltern zur Bürgerschaft. Interessanterweise haben sich an demselben Tag wie Deusing zwei spätere Gesinnungsgenossen immatrikulieren lassen: Philipp Erberfeld (s. K. 5) und der spätere einflussreiche reformierte Pfarrer Johannes Alardin9 (1639–1707) aus Emden.10 Einige Censurae enthalten Informationen über Deusings Studienzeit in Bremen. Aus einer Censura aus dem Jahr 1657 geht hervor, dass er zu dieser Zeit bereits fünf Jahre in Bremen studiert hat (p[er] 5 ann[os]). Diese Angabe bezieht sich vermutlich auf das Pädagogium und das vorbereitende Artesstudium. Im Jahr 1657 hat Deusing juristische Vorlesungen und Collegia besucht. Des Weiteren verfasste er unter Professor Zepper eine Disputation. Damit wird der Juraprofessor Otto Philippus Zepper (1627–66) gemeint sein, der seit 1661 am Gymnasium lehrte.11 Weiterhin unterrichtete Deusing zwei Schüler und nahm am Abendmahl in der reformierten Kirche teil.12 Aus einer Censura von 165813 geht hervor, dass Deusing juristische und politische Collegien besuchte und bei „Hen. Coch“ wohnte. Damit könnte Heinrich Coch (?–1675) gemeint sein, der seit 1654 Ratsherr war.14 In einer Censura aus dem Jahre 1660 wird nur Deusings Name erwähnt.15 Die letzte Censura stammt aus dem Jahr 1661.16 Demnach besuchte Deusing bei Professor Zepper ein juristisches Collegium (sub Zeppero juridicum). Er wohnte damals „beij Consul Meierum“. 1662 verfasste Deusing ein Epicedium zu Ehren des verstorbenen Kaufmanns, Bauherren der St. Ansgariikirche und Ratsherren Diedrich von Rheden (1611–62).17 Am 6. Juni 1663, zwei Jahre vor Duysing, ließ sich an der Univer6 S. Müller-Benedict/ Ammann (Hrsg.) 1990–1996, Bd. 1, 70. S. zu Crocius: Bd. 2, 46 f., Nr. 164; zu Willius: Bd. 2, 182, Nr. 1045. Die Perioden der Superintendentur: Bd. 2, 188. 7 Vgl. Iken 1878, 67. 8 Vgl. Düselder 2002, 72 f. 9 Vgl. Faulenbach 1977/8, 217, 225; Hollweg 1978, 62–65; Mai 1979, 122; J. F. G. Goeters 1993, 256. 10 S. Achelis/Börtzler (Hrsg.) 1968, 119, Nr. 42 (Alardin), 44 (Erberfeld). Alardin ist zweimal kurz nach Deusing in den Censuris verzeichnet: 1658, 132 u. 1660 B 26. 11 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 2, 266 f. 12 S. Censura, 1657,8. Diese Censura wird in der Matrikel nicht erwähnt. 13 Censura, 1658, 128. 14 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 1, 82; Harry Schwarzwälder 2002, 65, Nr. 354. 15 S. Censura 1660 B 26. 16 S. Censura 1661 B 9. 17 Vgl. Joh. Duesing [Bremensis LL. Stud.], Viator, heus, subsiste! … Dn. Thidericus a Rheden
4.2 Ämter am Hof Hessen-Kassels (1666 – ca. 1696)111
sität Marburg ein „Johannes Duisingh Bremensis“ immatrikulieren.18 Diese Person muss Johann Deusing gewesen sein.
4.2 Ämter am Hof Hessen-Kassels (1666 – ca. 1696) 1666 trat Deusing den Dienst am Hof Hessen-Kassel an. Am 3. August 1666 wurde ein „Johan Duijsing“ zum Lehrer der beiden jüngsten Prinzen Philipp (1655–1721) und Georg (1658–75) ernannt.19 Anfang Juni 1668 wurde Undereyck außerordentlicher Hofprediger der Landgräfin Hedwig Sophie.20 In Kassel verfasste er den größten Teil seiner Schrift Christi Braut.21 Diese Schrift besteht im Wesentlichen aus Zitaten, vor allem aus englischen und niederländischen Erbauungsbüchern. Es ist wahrscheinlich, dass Deusing und Undereyck sich am Hof von Hessen-Kassel kennenlernten. Auch Duysing wird ihm am Hof begegnet sein. In der Duisburger Matrikel ist am 27. Oktober 1671 die Immatrikulation eines „Johannes Duising“ aus Bremen aufgeführt. Es heißt dort, dass er aus einem öffentlichen Amt kam und vortreffliche Zeugnisse vorgelegt hat (Venit ex officio publico, cuius egregia testimonia exhibuit). Rektor war zu dieser Zeit Gerhard von Mastricht (s. 5.4).22 L. Przybylski und T. Forck zufolge handelt es sich bei diesem Duising um den späteren Bremer Prediger, also um Duysing.23 Dass Duysing aber schon am 8. Oktober desselben Jahres als Prediger in der St. Pauligemeinde in Bremen antrat, macht es wahrscheinlich, dass Deusing gemeint ist. Die Ortsangabe „Bremensis“ beträfe in diesem Fall den Geburtsort. Fast zwei Monate später, am 23. Dezember 1671, legte ein „Johannes Düsing“ seine Zeugnisse dem Presbyterium der reformierten Gemeinde Duisburg vor.24 Sein Geburts- oder Herkunftsort wird nicht erwähnt. Handelt es sich hier um iacet hic, Bremen, Berthold u. Heinrich de Villiers, 1662. Vgl. über von Rheden die lateinische Abdankungsrede unter SuUB Bremen Brem. a. 1069. Nr. 152; sowie Rotermund 1818, Bd. 2, 123; Harry Schwarzwälder 2002, 67, Nr. 370. Er hatte die Niederlande, Frankreich und England durchreist. 18 S. Birt (Hrsg.) 1980, 60. 19 Vgl. HStaMa K 177: Dienerbuch 1663–1760, 23, Nr. 120. Bei der Sitzung der Räte, in der diese Ernennung stattfand, waren folgende Personen anwesend: Herr D. Christ, Herr Badenhaußen, Herr D. Hierony(mus) Galle. Vgl. Philippi [1976], Register unter ihren Namen. H. Philippi behauptet – allerdings ohne Angabe einer Quelle – Deusing sei auch am Unterricht des späteren Landgrafen Karl beteiligt gewesen, vgl. Philippi [1976], 4. Vgl. über die Unterrichtung der Prinzen auch Philippi 2007, 6, 11. 20 Vgl. Jou 1994, 156. 21 Vgl. Undereyck, Christi Braut, [)(7v]. 22 S. http://www.uni-duisburg.de/Institute/CollCart/matrikel/1670-79/016-1670/1670. htm, Stand: 1.7.2009. 23 Przybylski/Forck 1967, 42, Nr. 17. 24 Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 2, 103.
112
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
denselben Deusing und hat er einige Zeit in Duisburg geweilt? Gesicherte Daten stehen nicht zur Verfügung. 1677 übergab Hedwig Sophie die Regierung an ihren Sohn Karl (1654–1730), nachdem der beabsichtigte Thronnachfolger Wilhelm 1670 plötzlich gestorben war. Während seiner Regierungsperiode beteiligte Karl sich aktiv an der Bündnis- und Kriegspolitik der europäischen Staaten und stand auf Seiten des deutschen Kaisers gegen Frankreich.25 Laut R. Mack war Karl ein aufgeklärter und den Naturwissenschaften zugewandter Fürst.26 Klingender zufolge war Karl in religiöser Hinsicht ein Mann der Mitte, der die kirchliche Praxis förderte, solang diese seine Macht nicht in Frage stellte, und der weder zu großem religiösen Eifer noch zur Intoleranz neigte. Dem Separatismus am Anfang des 18. Jahrhunderts trat er zunächst sehr zurückhaltend gegenüber. Als dieser aber die Kirche in Verwirrung zu bringen drohte, setzte Karl strenge Maßnahmen durch. 1692 brachte er eine Konfirmationsordnung auf den Weg. Die enthaltenen Vorschriften bezogen sich hauptsächlich auf die Erziehung des Kindes, das eine innerliche Reife haben und guten Unterricht bekommen sollte. 1693 schaffte er den durch den Papst eingeführten Beichtpfennig ab. Karls Frau Marie Amalie von Kurland (1653–1711) erhielt eine intensive christliche Erziehung und zog auch später christliche private Übungen wie Bibellektüre und Gebet dem gesellschaftlichen Hofleben vor. Sie griff persönlich in Kirchenangelegenheiten ein. Am 10. Januar 1678 heiratete „Johannes Dusinch, fürstl. Secritarius“, damals wohl etwa vierzig Jahre alt, in der Kasseler Hofgemeinde Jungfrau Anna Katharina Koc(s)ses.27 Kurz nach der Heirat am 16. Februar, wurde „Johan Duijsing“ als Sekretär der Hessen-Kasseler Regierungskanzlei angestellt.28 Die Regierungskanzlei war für die Verwaltung und Justiz zuständig. Sie diente als Oberappellations- und Revisionsgericht für das ganze Territorium, publizierte die Landesordnungen, übte durch den Lehnsekretär die Lehenshoheit aus und betreute das Regierungsarchiv. Der Kanzlei gehörten mindestens drei Sekretäre an, die dem Geheimen Rat beiwohnten und beim Landgrafen vortragen mussten. Weiterhin begleiteten sie den Landgrafen auf Reisen. Die Kanzlei musste von morgens bis 25 Vgl. für die nächsten Absätze Klingender 1920, 20 f., 24–36, 134–141; Philippi 1976; Schoenborn 2006, 13–15; Schoenborn 2010, 115–134. 26 Vgl. Mack 1987, 196. 27 Vgl. Landeskirchliches Archiv Kassel, Microfichesbestand (A 1.1) Kassel Hofgemeinde KB, Nr. 448 (1623–84), 22.; Strieder, Grundlage zu einer hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 4, Göttingen/K assel 1784, 534; Sippel 1987–1988, Bd. 12, 3025. Vgl. für die Hofgemeinde: Thiele 1996. 28 Vgl. HStaMa K 177: Dienerbuch 1663–1760, 98, Nr. 13. Bei der Sitzung, in der Deusing als Sekretär angestellt wurde, waren folgende Personen anwesend: Präsident Freiherr zu Kunowitz, Kanzler Vultejus, Vicekanzler Galle, Badenhausen, Jungman, D’Orville, Dr. Bourdon, und Herr Vultejus. Vgl. Philippi 1976, Register. An anderer Stelle wird Deusing als Regierungslegations- und Gerichtssekretär bezeichnet, vgl. HStaMa K 180: Repertorium der Dienerbestellungen, angelegt 1796, 207, Nr. 4. Kunowitz empfahl 1676 Heinrich Lampe (1649–90), ein Vertreter des deutschen reformierten Pietismus, den Detmolder Behörden als Pfarrer, vgl. Butterweck 1926, 368.
4.2 Ämter am Hof Hessen-Kassels (1666 – ca. 1696)113
abends für die sich anmeldenden Parteien offen sein. In der Frühe vor dem Ratgang sollten die ausstehenden Verfahren bearbeitet werden.29 Fünf Jahre später, am 22. Mai 1683, wurde „Johannes Duijsing“ als Rat und Archivar in Kassel eingestellt,30 was darauf hindeutet, dass er innerhalb der Regierungskanzlei zum gelehrten Regierungsrat aufstieg. Dies führte sicherlich zu einer gewissen Erleichterung seiner Arbeitsbürden, da Räte nachmittags von der Präsenz entbunden waren, solange zwei Personen zur Erledigung anfallender Kanzleigeschäfte zur Verfügung standen. Allerdings wurden hohe Beamte in der Regel mit außenpolitischen Aufträgen beauftragt.31 In der Zeit von 1680 bis 1690 war Deusing Kapitular des zweiten Benefiziums der Münsterkirche in Herford. Dies geht aus einer Korrespondenz zwischen ihm und den Äbtissinnen des Herforder Stiftes aus diesem Zeitraum hervor. Die Münsterkirche war die Hauptkirche des Jurisdiktionsbezirkes Herford, Stiftskirche des Reichsstiftes sowie erste Herforder Pfarrkirche. Die Herforder Pfarrrechte ließ die Äbtissin von Hebdomadaren (Wochenherren), die wochenweise wechselnd Dienst hatten und als Kanoniker dem Kapitel angehörten, und von Kapitularen ausführen.32 1661 wurde verordnet, dass nur die wirklich residierenden Kanonessen und Kapitulare Präbenden erhalten sollten.33 1651 nahmen brandenburgische Truppen die Stadt Herford ein. Seitdem gehörte sie der brandenburgischen Grafschaft Ravensberg an. Obwohl die Reichsunmittelbarkeit des Herforder Stiftes unangetastet blieb, erfolgte die Besetzung der Prälaturen des Stiftes von da an den Vorstellungen des brandenburgischen Kurfürsten. Er verfolgte das Ziel, vakante Positionen im Stift mit Damen aus dem Kreis seiner Verwandtschaft und seiner hochadligen Gefolgsleute zu besetzen. Außerdem wollte er Herford zur reformierten Konfession führen. Die vier Kapitulare waren mit der Zeit durchgehend brandenburgische Räte.34 In einem Brief vom 17. Oktober 1686 richtet Deusing sich von Herford aus an die damalige Äbtissin Elisabeth (1634–88), Landgräfin von Hessen-Kassel. Sie 29
Vgl. Philippi 1976, 620–630. HStaMa K 177: Dienerbuch 1663–1760, 127, Nr. 150. Anwesend in der Sitzung waren: Kunowitz, Badenhausen, Jungman, Dr. Bourdon, Herr Vultejus und Goeddaus. 31 Vgl. Philippi 1976, 627, 630. C. Iken weist auf einen Joh. Dusing hin, der Sekretär in Kassel, des Herzogtums Mecklenburg und des Herzogtums Bremens und Verdens war, vgl. Conradi Iken, Oratio de illustri Bremensium Schola, Bremen 1761, 23. Nach ausgiebiger Recherche lässt sich die Tätigkeit für Mecklenburg sowie für Bremen und Verden jedoch nicht bestätigen, E‑Mail von Frau Dr. A. Koolman des Landeshauptarchiv Mecklenburg zu Schwerin des 27.5.2010 und des 8.6.2010; des Herrn R. Gahde des Staatsarchivs Stade des 15.9.2010. 32 Vgl. Freiherr von Fürstenberg 1995, 156. 33 Vgl. Bei der Wieden 2007, 112. Im kanonischen Recht ist ein Benefizium dasmit einem Kirchenamt verbundene Recht, aus einer bestimmten, in der Regel kirchlichen Vermögensmasse oder aus bestimmten Gaben ein regelmäßiges Einkommen zu beziehen. Später wurden die kirchlichen Ämter nur noch ein Anhang der Güter. Präbenden sind Leistungen aus dem Kapitel- oder Stiftsgut, welche die Kanoniker erhielten, vgl. Landau 1980. 34 Vgl. Bei der Wieden 2004a, 273 f. 30 Vgl.
114
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
war eine Schwester von Wilhem VI., dem Landgrafen von Hessen-Kassel, und eine Schwägerin von Hedwig Sophie, der Schwester des Großen Kurfürsten,35 der Elisabeth zur Äbtissinnenwürde verhalf.36 Klingender vermutet, dass Elisabeth eine Gesinnungsgenossin Undereycks war.37 Auch Deusings Bestallung als Kapitular wird über Elisabeth beziehungsweise über ihren Onkel, den brandenburgischen Kurfürsten, erfolgt sein. In dem Brief verpflichtet Deusing sich Elisabeth gegenüber, als Kapitular des zweiten Benefiziums des Herforder Münsters den Verpflichtungen des Herforder Stiftes nachzukommen38 und sich im Umfeld von Herford aufzuhalten. Falls sich Gründe ergeben sollten, so schreibt Deusing, durch die er seinen Verpflichtungen als Kapitular nicht nachkommen könnte, würde er das Benefizium wieder abtreten. Den Eid hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits abgelegt. In einem folgenden Brief ohne Datum, den Deusing aufgrund der Datierung seines nächsten Briefes zwischen 1686 und 1690 verfasst haben muss, kommt er auf seinen oben genannten Einwand zurück. Nach genauerer Überlegung sei ihm klar geworden, dass er seinen Pflichten nicht nachkommen könne. Die Förderung und Bewahrung der Rechte und Privilegien des Stifts geht „nicht ohn stetiges zanken und disputiren, hiesigen landes gelegenheit nach“. Außerdem könnte es gar leicht geschehen, dass er gegen das Interesse der Äbtissin handeln müsste, was nur Unzufriedenheit verursachen würde. Der wichtigste Grund besteht aber darin, dass sich Deusing nicht an eine geographische Entfernung von Herford von nur wenigen Reisetagen binden will, da er dies als Einschränkung seiner für ihn höchst wichtigen Freiheit versteht. Zwar könnte die Äbtissin Deusing von dieser Verpflichtung befreien, jedoch bezweifelt er in seinem Brief, dass ihre Nachfolgerin dies hinnehmen würde. Auch verwundert ihn, dass die zwei Benefizien, die vom Rat des Stiftes Dr. Johann Heinrich von Wahden39 abgetreten worden waren und ihm neben der zweiten Präbende zur Verfügung standen, ihm zu Kassel – also weit von Herford entfernt – verliehen wurden. Deusing beklagt, dass seine Frau so viel Mühe investieren soll, um eine Belohnung zu bekommen. Er versteht das nicht, da sie seines Erachtens eine weitaus größere Anerkennung verdient. Während er diesen Brief schreibt, ist sie stark geschwächt und krank. Des Weiteren beklagt er, dass die von ihm bereits entrichteten Statuten- und Reisegelder sowie die noch zu bezahlenden Kanzlei35
Vgl. Ruppel 2006, 347. Vgl. Bei der Wieden 2007, 118 f., 128. Am 25.4.1686 ergriff der hessische Oberst Dietrich von Hanstein im Namen der neuerwählten Äbtissin Elisabeth von Hessen-Kassel Besitz vom Stift Herford, vgl. Freiherr von Fürstenberg 1995, 116. Er mag Deusing gekannt haben und bei dessen Bestallung als Herforder Kapitular eine Rolle gespielt haben. 37 Vgl. Klingender 1920, 19. 38 Vgl. zu den folgenden Absätze: LA NRW, Abt. Westf., Fürstabtei Herford, Landesarchiv, Akten, Nr. 311. 39 Vgl. Faulenbach 1977/8, 228; Rügge 2008, 127, Anm. 35. 36
4.2 Ämter am Hof Hessen-Kassels (1666 – ca. 1696)115
und Lehngebühren zu hoch für ihn sind. Die Gesamtsumme beträgt über 100 Reichstaler. Ein möglicher Grund für Deusings Schwierigkeiten bei der Verwaltung des Stiftes ist die damalige dürftige Vermögenslage des Stiftes nach dem Dreißigjährigen Krieg.40 Falls der Brief nicht vor 1689 verfasst wurde, könnten sich die von Deusing geäußerten Kritikpunkte auch auf die unabhängige und selbstbewusste Handlungsweise der Äbtissin (von 1689–1728) Charlotte Sophie von Kurland (1651–1728), einer Schwester von Marie Amalie, beziehen.41 Deusing schließt seinen Brief und schlägt vor, ihm eine andere Gunst zu verleihen. In diesem Zusammenhang schreibt er über große Schwierigkeiten, die ihn und seine Frau getroffen haben. Sie wurden nämlich der Hetze verdächtigt. Die Art der Beschuldigung wird aus dem Brief nicht deutlich. Es wäre möglich, dass Deusing sich gegen Charlotte Sophies Vorgehensweise wehrte und sie Deusing und seine Frau daraufhin der Hetze beschuldigte hat. Deusing folgert, dass seine Freiheit ihm das Recht gebe, sich zu beklagen: er und seine Frau sind keine Leibeigenen und Dienstleute.42 Deusing hatte also das zweite Benefizium und noch zwei weitere inne. Für die Vertretung des zweiten Benefiziums sollte er vor Ort oder in unmittelbarer Nähe von Herford sein. Offenbar war er oft unterwegs und konnte die gerforderte Nähe zum Dienstort nicht einhalten.43 40 Vgl. Bei der Wieden 2004a, 274. 1690 verkaufte das Stift Gold und Silber aus der Sakristei um die vom Kaiser erlassene Kriegskontribution gegen Frankreich zu bezahlen, vgl. Freiherr von Fürstenberg 1995, 117. 41 Sie übertrug 1691 einer lutherische Prinzessin eine Präbende und führte zwei weitere lutherische Prinzessinnen als Stiftsdamen ein, was große Empörung bei den reformierten Stiftsdamen und Kapitularen hervorrief, vgl. Bei der Wieden 2004a, 275; Bei der Wieden 2004b, 232–234, Schoenborn 2010, 81–111. Charlotte Sophie berief den späteren Separatisten Peter Friedrich Detry (1685–1750) als ihren Hofprediger, vgl. Schoenborn 2010, 83, Anm. 207. Vgl. über Detry: Mai 1979, 204–223. Mit ihrem Hofprediger Gerhard Meyer (ca. 1652–1718), der gebürtig aus Bremen stammte (s. Bauks, 319, Nr. 4019), stritt sie sich, vgl. Freiherr von Fürstenberg 1995, 116 f. 42 „daß e(ure) hochfürstl(iche) durchl(aucht) anstat der mir conferirten hebdomadareij mir andere gnädigste recognition zu meiner kränklichen und abgematteten frauen erquickung unß wiederfahren ließen, umb dadurch alle bißherigen und noch währenden unerträglichen verdrießligkeiten ein glückseliges ende, wornach wir so lange geseuffzet haben zu machen. Es ist ja woll eine sonderbahre unglückliche fatalität, und von hertzen zu beklagen, daß alles, was zu meiner und meiner frauen geschehener angebliche befriedigung zu wege gebracht, und gegeben worden, nur zu unserer größere bekümmernuß, bestrickung und dienstbarkeit gereichet, wie es leider gnug am tage ist, welches denn eine solche betrübte sache ist, daß darüber alle lust und freude verschwindet, und alle vermeintlich erwiesene gnaden zur galle gemacht werde. Es sey fern von uns, daß e(ure) hochfürstl(iche) durchl(aucht) wir einige unruhe und unlusten, ob wir gleich deßen leider beschuldiget, und darüber durch andere unnöhtige [superscript. Durchgestrichen: nachdenckliche.] remonstrationes gleichsam intimidiret werden, mit vorbedacht verursachen solten …“ 43 In einem „Verzeichnis der Beneficien, deren Inhaber und Einkünfte“ (1688) im Archiv der Münster-Kirchengemeinde Herford finden sich Angaben über die Einkünfte Deusings aus dem zweiten Benefizium in diesem Jahr: 114 Gulden und 4 ½ Groschen, umgerechnet 113
116
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
In einem Brief, den die neue Äbtissin Charlotte Sophie von Kurland am 1. Juli 1690 (Datierung neuen Stils) schrieb, kommt Deusing als Kapitular zur Sprache. Die Äbtissin erinnert daran, dass Deusing erklärt habe, seine Präbende und sein Benefizium an die Äbtissin abtreten zu wollen. Sie hat sich entschieden, diese in dem Fall an ihren Rat Arnold Gravius zu übergeben. Wenn die Resignation Deusings gebührend festgelegt worden ist, so weiter die Äbtissin, soll von Wahden in ihrem Namen die Sache abhandeln. Am 4. Juli ging eine Einladung an die Kapitulare der Stiftskirche zu Herford raus, der Kanonikerinvestitur des Gravius beizuwohnen. In einem Brief vom 10. Juli 1690 (Datierung neuen Stils) erinnert Deusing die Äbtissin an seinem vorlängst geäußerten Wunsch, seine zweite Kapitularpräbende abzutreten. Er hält weiter an seiner Entscheidung fest. Am 17. Oktober 1686 hatte er der vorigen Äbtissin seinen Revers zurückgegeben und sich verpflichtet, im Falle seiner Absage seine Präbende der Äbtissin zu übergeben. Mit diesem Brief möchte er die Präbende rechtens abtreten. In einem Brief vom 2. April 1696 des Hessen-Kasseler Geheimen Landsekretärs und Rates Anton Günter Heilersiegs44 (1662–96) an Landgraf Karl, erwähnt dieser beiläufig Deusings Namen.45 Der schwer kranke Heilersieg bittet, zur Heilung nach Bremen ziehen zu können und auch darum, sein Kapital ohne Entziehung des zehnten Pfennigs für den Unterhalt seines Kindes anlegen zu dürfen, um dessen Existenz nach seinem Tode zu sichern. An dieser Stelle weist Heilersieg auf zwei Präzedenzen hin: An solcher gnade dann so viel weniger zweiffele, weil ihro durchl(auch)t item seel(igem) raht Lincker, alß er nach Copenhage gereiset, über 25 000 r(eichs)th(a)l(e)r und dem archivario Duijsing über 12 000 r(eichs)th(a)l(e)r und anderen bedienten mehr, freij und ohne abzugk passiren laßen […]46
Im Archivtext wird leider nichts über den Grund dieses Zugeständnisses ausgesagt, aber wahrscheinlich handelte es sich um einen ähnlichen Fall. Vermutlich hat Deusing um 1696 seine Laufbahn am Hof beendet und ist aus Kassel weggezogen.47 Reichstaler und 22 ½ Groschen, vgl. LKA EKvW Best. 4.76 Nr. 18: Archiv der Münster-Kirchengemeinde Herford, Verzeichnis der Beneficien, deren Inhaber und Einkünfte (1688), unter „Infra sripta beneficia porro ad collationem crenissiamae veniret“. Ich danke Herrn W. Günther des Landeskirchlichen Archivs von Westfalen zu Bielefeld für die freundliche Zusendung einer Photokopie dieser Archivalie. 44 Vgl. Saggitarius, Unvergeßliches Gedächtnüß-Mahl. Heilersieg stieg von Registrator der Kanzlei zum Sekretär, Geheimen Landsekretär und schließlich zum Rat auf. 1687 heiratete er Martha Schönauer, die Tochter von Hieronymus Schönauer aus Kassel (s. unten). Am 27. Mai 1696 starb er. 45 S. HStaMa 5, 4184, 10–17. 46 HStaMa 5, 4184, 12r. 47 In einem Brief von P. M. Böhnick an Charlotte Sophie von Kurland vom 1. April 1704, wird über eine Lieferung von „Ihr Düsing“ an einen Herrn Tielen in Gegenwart der Herren
4.3 Kontext von Deusings Übersetzungstätigkeit117
4.3 Kontext von Deusings Übersetzungstätigkeit Seit 1671 verfasste Deusing unter den Initialen J. D. B. und J. D. eine Reihe deutscher Übersetzungen von hauptsächlich englischen und niederländischen Erbauungsbüchern. Um den Kontext von Deusings Übersetzungsarbeit zu erhellen, soll auf zwei Personen am Kasseler Hof hingewiesen werden: Georg Hein und John Durie. Obwohl es keine Belege für Verbindungen zwischen ihnen und Deusing gibt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie seine Übersetzungsarbeit gefördert haben. Der Kasseler Superintendent Georg Hein (1629–99) hat drei puritanische Schriften von John Downame, Perkins und Matthew Mead übersetzt (1668 und 1671).48 Der Band mit der Übersetzung von John Downame (1571– 1652) und Perkins hat er Hedwig Sophie gewidmet, die Mead-Übersetzung dem Landgrafen Karl.49 John Durie – der übrigens ebenfalls unter den Initialen „J. D.“ veröffentlichte (s. 2.4) – war seit 1663 am Hof in Kassel zu Gast.50 Auf seine Bemühungen, das Studium der praxis pietatis statt der Dogmatik zu fördern und auf seinen Einsatz für die Verbreitung englischer Erbauungsliteratur wurde schon hingewiesen (s. 2.4). Ursprünglich war Kassel für Durie der Ausgangsort für seine Reisen in den Norden, aber nachdem er 1668 vom brandenburgischen Kurfürsten des Landes verwiesen wurde, blieb er seit 1674 bis zu seinem Tode im Jahre 1680 ständig in Kassel. Seine letzten Jahre zeugen von einer starken Innerlichkeit. Er wandte sich ab von der Abfassung umfassender Unionspläne und fing an, sich intensiver mit der individuellen Frömmigkeit zu beschäftigen. 1676 verfasste er Le véritable chrétien, worin er seinen Vorschlag zur Förderung des Studiums der Übung der Gottseligkeit wiederholte. Spener interessierte sich in Duries letzen Lebensjahren zunehmend für dessen Arbeit.51 Durie könnte Deusing auf Baxter aufmerksam gemacht haben, mit dem er über die Förderung der Einheit der Kirche in Austausch stand.52 Möglicherweise hielt Deusing sich aber von Durie fern, weil dieser die römisch-katholische Kirche in seine letzten Einigungspläne Hahn und Böhnick berichtet, vgl. LA NRW, Abt. Westf., Fürstabtei Herford, Landesarchiv, Akten, Nr. 311. Es ist aber wahrscheinlicher, dass es sich dabei nicht um Johann Deusing handelt, da er zu der Zeit nicht mehr Kapitular in Herford war. 48 Vgl. McKenzie 1984, 166 f., Nr. 691–692; 335 f., Nr. 1396–1397; 292–294, Nr. 1208–1220. 49 S. die bibliographischen Beschreibungen in VD17: VD17 Nr. 39:151984M und Nr. 3:307919T. Beide Übersetzungen wurden auf Bitten frommer Christen verfasst, vgl. William Perkins, Tractätlein von des Menschen natürlichen Gedancken, Kassel, Johann Ingebrand, Friedrich Herzog, 1674, [)(2r]–)(5v; Matthew Mead, Der bey-nahe Christ geoffenbaret, Kassel, Johann Ingebrand, 1671, [A8r]. 50 Eine Engländerin am Kasseler Hof war die Hofmeisterin Elisabeth Robinson (1629–81), vgl. David Pforr, Seelen-Friede deren im Herrn Sterbenden alß der […] Fürstin […] Hedwig Sophien […] treue […] Hofmeisterin, die […] Frau Elisabeth, geborne Robinson, deß […] Wolrad von Meysebugs […] Eheliebste … verschieden, Schmalkalden, Justus Valentin Fleischhauer, 1681. 51 Vgl. Batten 1944, 196. 52 Vgl. Batten 1944, 173–175; Lim 2004, 179 f.
118
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
einbezog, und weil Durie 1677 durch die reformierten Kasseler Pfarrer als Irrgläubiger aus der Kirche verstoßen wurde.
4.4 Willem Teellinck, Soliloquium (1671) 4.4.1 Einleitung Deusings erste Übersetzung basierte auf Willem Teellincks Soliloquium (1628) und sie erschien 1671 im Duodezformat unter dem Titel Soliloquium, oder: Betrachtung eines Sünders, welche er in der Angst seiner Wiedergeburt gehabt, dienlich zur Beforderung der Bekehrung von den tödtlichen Wercken zu dem lebendigen Gott, wie auch zum Trost wieder alle weltliche Betrübnüsse, nebenst etzlichen gottseligen Gebeten vnd Betrachtungen vber das Leyden Jesu Christi in Kassel. Deusing wird auf dem Titelblatt mit „J. D. B.“ (Johann Deusing Bremensis) angegeben. Das Niederländische wird für Deusing als Bremer gut verständlich gewesen sein. Der Verleger war Elias Francke, gedruckt wurde die Übersetzung bei Salomon Schadewitz.53 Schadewitz war 1650 bis 1682 als fürstlicher Buchdrucker und Universitätsdrucker in Kassel tätig, wo er viele Schriften verlegte. Schadewitz gehörte der reformierten Gemeinde Kassel-Altstadt an.54 Willem Teellinck (1579–1629) wurde in Zierikzee in Zeeland in den Niederlanden geboren. Er promovierte zum Doktor der Rechte. Nach einem ihn tief prägenden Aufenthalt in puritanischen Kreisen im englischen Bambury fing er an, Theologie zu studieren. Teellinck wurde reformierter Prediger in Haamstede und Burg (1606–13) und Middelburg (1613–29) in Zeeland. Durch seine Aktivitäten und sein umfangreiches Schrifttum gilt er als Vater der Nadere Reformatie. Das Original des Soliloquiums wurde insgesamt vierzehnmal aufgelegt. 1665 erschien die achte Auflage.55 Der Brief an die gottselige Philotea aus dem niederländischen Original ist nicht in die deutsche Übersetzung übernommen worden.56 Allerdings thematisiert Deusing in seiner Widmung und in der Vorrede (s. unten) die gleichen Themen wie in dem Brief: die Selbstprüfung, die Wiedergeburt und den Gegensatz zwischen Wiedergeborenen und Nichtwiedergeborenen. Die deutsche Übersetzung enthält eine Widmung an die St. Martinigemeinde in Bremen, verfasst in Kassel am 3. April 1671.57 Der Widmung folgt eine Vorrede des Übersetzers.58 53
Vgl. Benzing 1977, 1135. Vgl. Benzing 1982, 227; Burmeister (Hrsg.) 2002; Reske 2007, 412. 55 S. für die Auflagen: Hof 2008a, 580, Nr. 45. 56 Vgl. Willem Teellinck, Soliloquium, ofte betrachtinghen eens sondaers, die hy gehadt heeft in den angst sijner weder-geboorte, Amsterdam, Johannes van Ravesteyn, 1665, *2r–*5v. 57 Vgl. Teellinck, Soliloquium, oder: Betrachtung eines Sünders, welche er in der Angst seiner Wiedergeburt gehabt, Kassel, Salomon Schadewitz, Elias Francke, 1671, [a1v]–b5v. 58 Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, b6r–[b9v]. 54
4.4 Willem Teellinck, Soliloquium (1671)119
4.4.2 Widmung an die St. Martinigemeinde in Bremen und Vorrede Die Widmung beginnt mit dem folgenden Zitat: Es seynd nachdenkliche, und zum theil erschreckliche doch wahrhafftige Worte, welche der Geistreiche Englische Prediger Perscins in seinem ersten Buch uber die erste Epistel Johannis schreibet: Daß es nemblich der allergrösseste gewissens Punct sey, der jemahls könne fürgestellet werden, woran der Mensch erkennen soll, daß er ein Kind Gottes sey.59
Deusing wehrt sich in der Widmung gegen die Behauptung, dass man über die Beschaffenheit eines wahren Christen nichts wissen und sich seiner Kindschaft nicht versichern könne, obwohl er zugibt, dass diese Prüfung für Wiedergeborene, die erst kurz in diesem Stand sind, schwierig ist. Als Bedingung für die Selbstprüfung nennt Deusing die Erleuchtung durch den Heiligen Geist. Diejenigen, die erst vor kurzem wiedergeboren sind, befinden sich in einem unsicheren Zustand, wodurch sie sich ihrer Kindschaft nicht recht versichern können. In diesem Zustand der Schwachheit sollen sie ihre Herzen und Häupter zu Christus emporheben und im Glauben gestärkt werden. Deusing bittet die beständigen und wahren Christen uns,60 die schwachen Geschwister, zu trösten und für uns zu beten. Die Prüfung anderer Leute, vor allem von Zeitgläubigen, ist schwierig. Als allgemeine Regel gilt, dass man nach der Liebe urteilen soll, da nur Gott die Herzen kennt. Allerdings können Gottes Kinder durch die Erleuchtung ihres Verstandes Scheinchristen erkennen, sich vor ihnen hüten und sie ermahnen. Scheinchristen, so Deusing, entlarven sich selbst. Die Erfahrung der Wiedergeburt mit einem gewissen Maß an Angst und Schmerzen ist ein Zeichen dafür, dass man ein Kind Gottes ist. Das übernatürliche Werk der Wiedergeburt ist also in vielerlei Hinsicht vergleichbar mit einer natürlichen Geburt. Viele Menschen werden gleichsam zuerst in die Hölle geführt, wenn auch das Ausmaß der Ängste unterschiedlich ist. Es gibt einen Unterschied zwischen der Angst eines verwundeten Gewissens und eines verwundeten Herzens. Die Verwundung des Herzens ist umfassender und tiefer. Um verwundeten Herzen Trost zu spenden, haben sich viele gottesfürchtige Leute darum bemüht, Trostschriften zu verfassen, unter anderen Teellinck, der teils aus eigener Erfahrung, teils aus den Erfahrungen anderer über die Angst der Wiedergeburt auf Niederländisch geschrieben hat. Schließlich bezeugt Deusing seine herzliche Freude über und seine gute Hoffnung auf das Wachstum der St. Martinigemeinde in der Erkenntnis Gottes, wozu 59 Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, b6r. Das Zitat ist dem folgender Titel entnommen: William Perkins, A case of conscience the greatest taht [sic] euer was, how a man may know, whether he be the son of God or no. Resolued by the vvord of God. Whereunto is added a briefe discourse, taken out of Hier. Zanchius, Edinburgh, Robert Waldegrave, 1592 (STC [2. Aufl.], 19666). Der Inhalt besteht aus einem Dialog, in dem Perkins Stellen aus dem 1. Johannesbrief verarbeitet hat. 60 Deusing spricht in der ersten Person Plural, vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, A6v.
120
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
auch seine Übersetzung einen Beitrag leisten soll. Gott hat Deutschland reich beschenkt mit aufrichtigen Predigern, die schlafende Gewissen erwecken und betrübten, aufrichtigen Christen Trost schenken. Zum Schluss fordert Deusing die Gemeinde zur vielfachen Lektüre seiner Übersetzung und zur Prüfung ihrer selbst anhand der Bibel auf, was zur Erkenntnis und Verbesserung des eigenen Zustandes und zum Trost führen wird. In der Vorrede erläutert Deusing den Inhalt des Buches. Es enthält einige Seelengespräche über die Wiedergeburt, in denen die Angst vor dem Durchbruch des Sündenleibes thematisiert wird. Deusing übersetzte Teellincks Schrift auf Bitten und Empfehlung von einigen frommen Gläubigen, die der niederländischen Sprache nicht mächtig waren. Deusing fordert jeden zur ernsthaften Selbstprüfung auf. Wie ein in der natürlichen Geburt begriffenes Kind, das den Leib der Mutter durchbricht, so soll auch ein in der Wiedergeburt begriffener Sünder Mitleid hervorrufen. Man soll sich nicht über die vielen vergleichbaren Seufzer und Gebete ärgern, weil die Herzensangst nichts von schönen Formulierungen weiß. Es geht nicht um Schönheit, sondern um Aufrichtigkeit, so behauptet Deusing mit einem Zitat von Erasmus.61 Obschon der schlichte Stil der Übersetzung einigen nicht gefallen wird, so weiter die Vorrede, wird sie den gottesfürchtigen und nach Seligkeit suchenden Seelen doch gefallen, weil ihnen die Sprache des Heiligen Geistes nicht unbekannt ist. Außerdem kenne er Übersetzungen von geringerer Qualität, die sich doch als nützlich herausgestellt hätten.
4.4.3 Inhalt Der Protagonist des Selbstgespräches erkennt einerseits immer mehr seine eigene Sündhaftigkeit und andererseits die Allmacht, Allgenugsamkeit und Barmherzigkeit Gottes. Schritt für Schritt bemerkt er den Betrug und die Unersättlichkeit alles Irdischen sowie die Ohnmacht, sich selbst zur wahren Glückseligkeit zu verhelfen. Er begreift die Gottesfeindlichkeit seiner besten Werke und dagegen die Allmacht und Allgenugsamkeit Gottes, die eigene Selbstbezogenheit und Gottes Gaben und seinen Langmut, die Vergänglichkeit des Zeitlichen und die Herrlichkeit des Himmels, die Schrecklichkeit der Hölle und die Begrenzung der Gnadenzeit, die Eitelkeit der Welt und die Schönheit und Allgenugsamkeit Christi. Er erkennt die falsche Begründung für die Suche nach Gott (aus Furcht vor der Hölle) und die falschen Bemühungen aus eigener Kraft, die Übermacht der Sünden im eigenen Herzen und Gottes Macht, Besserung herbeizuführen. Nach einer Danksagung für den Langmut Gottes und einem leidenschaftlichen Gebet, dass er Gott finden möge, wird der Sünder von der partikularisti61 „Ne solaecismis quidem offenditur Deus, modò mens sit sincera; Gott kehret sich nicht dran, wie einfältig und unzierlich auch das Gebet seyn mag, wann das Hertz nur auffrichtig ist, saget Erasmus:“, vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, [b8r]–[b9v].
4.4 Willem Teellinck, Soliloquium (1671)121
schen Lehre der Erwählung und durch Gottes souveräne Wahl der Gnade zutiefst verstört. Er beruhigt sich mit dem Wort der Bibel, das aussagt, dass Gott will, dass alle Menschen selig werden. Obwohl diese Bibelstelle seine Vernunft übersteigt, möchte der Protagonist diesen Worten glauben schenken. Die Tatsache, dass er zu nichts imstande ist, lehrt ihn, dass Gottes allgemeine Gnade unzulänglich ist, ihn zu bekehren, und dass er Gottes besondere Gnade benötigt. Er braucht die Bekehrung, die Ergriffenheit durch Gottes Liebe, und verlangt schließlich, krank vor Liebe, nach der Vereinigung mit Christus. Darauf bricht er aus in Dank, dass Gott in der Vergangenheit geduldig mit ihm gewesen ist und dass er ihn bekehrt und aufgesucht hat, während er sich selbst von Gott abgewandt und ihn verlassen hat. Der bekehrte Sünder möchte fortan im stetigen Anblick von Gottes Liebe wandeln. Abschließend bittet er den dreieinigen Gott, den Vater um die Vollendung des Gnadenwerks in ihm, den Sohn um die Reinigung seines Herzens durch sein Blut und den Heiligen Geist um Gnade und Heiligung. Das Werk wird mit vier Überlegungen abgeschlossen. Zuerst bekennt der Protagonist seine persönliche Schuld an Christi Kreuzigung, weshalb er auch leiden möchte, und zwar an seinem alten Menschen. Sein Leben soll ein Dankopfer an Christus sein. Die zweite Betrachtung hebt den herrlichen Zustand der Einfältigen hervor, die von der Kraft des Heiligen Geistes erfüllt worden sind und die hohe Majestät Gottes, die Schrecklichkeit der Hölle und die Herrlichkeit des Himmels lebendig erkennen. Sie sind fleißiger, den Himmel zu suchen, als alle Großen und Vernünftigen der Welt, die diese lebendige Erkenntnis nicht besitzen. Die Großen und Vernünftigen werden als töricht, die Einfältigen als weise bezeichnet. In der dritten Überlegung bekennt der Betende seine Sünden und dankt Gott, dass er ihm die Augen geöffnet hat und er nun die Nichtigkeit aller Dinge erkennen kann. Aufgrund seiner ihm noch anhaftenden Schwachheit bittet er Gott, außer seinen Sohn auch den Heiligen Geist zu geben. Zum Schluss ergibt er sich vollkommen dem Willen Gottes. Er ist bereit, weitere Versuchungen zu ertragen, wenn diese notwendig sind, nur möge Gott ihm dazu die Unterstützung seines Geistes gewähren. In der letzten Betrachtung wird der Unterschied zwischen den Klugen und den Einfältigen der Welt hervorgehoben. Während die Klugen dem Himmel Gewalt antun, verbleiben die Einfältigen beim bloßen Zusehen. Der Betende spricht für die reformierten Christen62 und bittet in der ersten Person Plural. Er bekennt, wie unbesonnen es wäre, wenn sie nicht alle Güter und Ehre dieser Welt um Christi Willen verleugnen. Persönlich möchte er sich besser verhalten und er bittet den Herrn Jesus um Gnade. 62 Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 225: „Ach Herr, solches gebühret uns reformirten Christen ja keines weges zu thun.“
122
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
4.4.4 Analyse und Übersetzungsvergleich Die Bremer St. Martinigemeinde, der Deusing seine Übersetzung widmete, hatte seit einiger Zeit einen neuen Pfarrer: Undereyck. Ihm wird Deusing in Kassel begegnet sein. Vielleicht spielte Deusing sogar bei Undereycks Berufung nach Bremen eine vermittelnde Rolle.63 Für eine enge Freundschaft zwischen Deusing und Undereyck sprechen zwei weitere Indizien. Als Motto von Undereycks Schrift Christi Braut diente ein Zitat aus Perkins64 A case of conscience (1592): „Perkins Tom.1 über die 1.Epist. Joh. Es ist der allergrössest Gewissens-Fall, der jemahls kan fürgestellet werden, woran der Mensch erkennen sol, daß er ein Kind Gottes sey“.65 Dieses Zitat findet sich im nahezu gleichen Wortlaut am Anfang von Deusings Widmung an Undereycks Gemeinde. Außerdem bezeugt Deusing mit der Wahl der TeellinckSchrift seine Geistesverwandtschaft mit Undereyck. Dieser hatte nämlich gleich in der Vorrede und auch an anderen Stellen seines erwähnten Buches Teellinck, unter anderem das Soliloquium, zitiert.66 Es gibt also starke Indizien, dass Deusings Übersetzung mittelbar oder unmittelbar durch Undereyck angestoßen worden ist. In der Vorrede gibt Deusing aber an, dass er die Schrift auf Bitten und Empfehlung von einigen frommen Gläubigen, die der niederländischen Sprache nicht mächtig waren, übersetzt hat. Es gab also vermutlich mehrere Anreger dieser Übersetzung: Undereyck und einige Fromme. Vielleicht gehörten diese Leute der Martinigemeinde an und waren durch Undereyck auf Teellincks Schriften aufmerksam gemacht worden. Offensichtlich hatte Deusing von Kassel aus noch immer Kontakt mit der St. Martinigemeinde und fühlte sich eng mit ihr verbunden, was auch aus der Unterzeichnung der Widmung („J. D.“) hervorgeht: „Ewer aller dienstgeflissenester und wolmeinender Landsmann“.67 Mit dem von ihm verspürten Wachstum der Martinigemeinde in der Erkenntnis Gottes wird Deusing wohl die Früchte von Undereycks Arbeit meinen. Deusings Auffassung im Hinblick auf das geistliche Urteil über andere Leute – einerseits soll man gemäß der Liebe richten, anderseits sind die erleuchteten Kinder Gottes zur Entlarvung von Scheinchristen imstande – korrespondiert mit Undereycks Anschauungen.68 Deusings Erklärung am Schluss der Vorrede, dass es nicht um die Schönheit der Worte, sondern um Aufrichtigkeit geht, 63
Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 249. Vgl. Jinkins 2007. 65 Undereyck, Christi Braut, [)(1r]. 66 Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 2: 58 f., 92 f. (beide: Soliloquium); Tl. 3: 153–155, 272– 280, 307–314, 311; Mohr 2005, 287 f. Vgl. Hof 2008a, 506. Auch später hat Undereyck auf Teellinck verwiesen und aus dessen Soliloquium zitiert, vgl. Theodor Undereyck, Der närrische Atheist, entdeckt und seiner Thorheit überzeuget, Bremen, Hermann Brauer 1689, 107, 126–128, 946. 67 Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, b5v. 68 Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 3: 164–185. 64
4.4 Willem Teellinck, Soliloquium (1671)123
erinnert an Undereycks Vorrede in Christi Braut, welche auf ähnliche Weise den schlichten Stil verteidigt: Ein solcher Stil sei einem gehobenen Stil ebenso überlegen, wie der Körper seinem Schatten und die Schuhe den Füßen.69 Es gibt also verschiedene Indizien, die darauf schließen lassen, dass Deusings Übersetzung insbesondere von Undereyck angeregt worden ist. Es ist sogar möglich, dass Deusing derjenige war, der das Manuskript von Undereycks Christi Braut abgeschrieben hat.70 Im Original hat Teellinck nicht nur seine persönliche Erfahrung, sondern auch die Erfahrungen, die andere Menschen hinsichtlich der Wiedergeburt machten, beschrieben. Wahrscheinlich ist Teellincks Schrift die erste spirituelle Autobiographie innerhalb des niederländischen Protestantismus. Jedenfalls ist sie die erste niederländische protestantische Schrift, in der die Prädestination thematisiert wird.71 Das Thema der Schrift ist die Wiedergeburt im engeren Sinn: der Weg, über den der Heilige Geist einen Sünder mit Christus vereinigt.72 Dieser Weg wird ausführlich und in einzelnen Schritten dargelegt. Dabei wird eine schmale Grenze zwischen dem Werk des Gesetzes und des Evangeliums gezogen: das Erkennen der Notwendigkeit von der Wirkung des Heiligen Geistes und die Empfindung der Allgenugsamkeit und Liebe Gottes stellen für den Sünder einen Wendepunkt dar. Die Struktur des Heidelberger Katechismus (Elend, Erlösung und Dankbarkeit) lässt sich in Teellincks Schrift chronologisch verfolgen. In der Behandlung der Erwählungslehre folgt der Autor der contraremonstrantischen Lehre. In seiner Schrift greift Teellinck auf vorreformatorische Quellen zurück, ohne diese zu benennen. Er zitiert Thomas von Kempen73 (um 1380–1471) und übernimmt den Gedankengang aus dessen Schrift Soliloquium animae. Einige Textstellen entfalten die Brautmystik im Sinne von Bernhard von Clairvaux (um 1090–1153). Die Unterscheidung zwischen allgemeiner und besonderer Gnade ist wohl von Perkins übernommen. Die Autobiographie spiegelt sich nicht nur in der Vorrede und der Widmung Deusings wider, wo er zur Selbstprüfung auffordert und mittels Kennzeichen zwischen Unwiedergeborenen und Wiedergeborenen unterscheidet. Sie wird auch in den von Deusing angestellten Betrachtungen erkennbar, in denen die Nichtigkeit des Irdischen im Vergleich zum Himmlischen hervorgehoben wird. Schließlich ist auf die Bevorzugung eines schlichten Stils in der Vorrede hinzuweisen. 69
Vgl. Undereyck, Christi Braut, [2)(6r–v]. Vgl. Undereyck, Christi Braut, 2)(5v, wo Undereyck darauf hinweist, dass nicht er selbst, sondern ein anderer das Manuskript abgeschrieben hat. 71 S. für eine Analyse des Originals Hof 1998b; Hof 2008a, 384–389. 72 Vgl. für diesen Absatz: Hof 1998b, 80 f.; Hof 2008a, 389. 73 Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 172 f., Punkt 7–8. 70
124
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Aus einem Übersetzungsvergleich ergibt sich, dass Deusing seine Vorlage interpretationsorientiert übersetzt hat, wie aus folgenden Beispielen hervorgeht: NL 1: DE 1:
MYn Ziele wat mijmert ghy aldus? wat verdwijnt ghy in uwe ydele ghedachten? Meine Seele, warumb bistu so vnsinnig? warumb verzehrerstu dich in deinen eitelen Gedancken?
„vnsinnig“ sein ist eine Interpretation von „mijmern“ (nachsinnen). NL 6: DE 7:
de ontsteltenisse van eenen tant in u hooft, kan verdooven de heerlijckheyt, ende heugelijckheydt, van duysent ende duysent ghewenschte dinghen Eine närrische Einbildung deines Gehirns kan verstellen vnd betrůben, die Herrligkeit vnnd Freude tausender vnnd mehr gewünschter dinge
„de ontsteltenisse van eenen tant in u hooft“ (Zahnweh) wird als Einbildung des Gehirns interpretiert. Aus derartigen Veränderungenund dem Gebrauch von Synonymen geht hervor, dass der Übersetzer das Original verstanden hat. An bestimmten Stellen hat Deusing auch gekürzt: NL 13: wat dan? aengesien wy het in de werelt niet vinden en konnen, sullen wy het in ons eyghen selven gaen soecken? sullen wy bestellen al wat wy hebben, sullen wy in een vergaderen alle onse krachten, ende also op onsen eyghen bodem gaen rusten, sullen wy dan oock vermetelijck segghen, met de roemgierighe Philosophen, dat het gene dat buyten, ende boven ons is, ons niet en raeckt; dat wy ons gheene van die dingen moeten aenrecken, maer soecken allen ons ghenoegen en soulaes, in ons selven, op dat wy mochten als een vierkanten block […] DE 15: Aber was raht, massen wir in dieser welt dieselbe nicht finden können? Sollen wir dann dieselbe in vns selbst suchen, vnd das jenige, was über vns ist nichts achten, wie die Weltweise vermessentlich lehren? vnd gleich einem viereckigten Wurffel […]
Zuweilen begegnet man kleinen Fehlern: NE 172: op dat ick aenghedaen zijnde met dijne kracht, gheleydt zijnde met dijne handt DE 191: auf daß, wann ich dir in deiner Krafft angenehm, vnd durch deine Hände geleitet worden bin […]
Kulturspezifische Elemente, die dem Zielpublikum unbekannt sein dürften, sind ersetzt worden: NL 194: hoe sullen het niet de Indianen, en Americanen, duysentmael lichter hebben; dan wy ghenaemde, maer dus gantsch ondanckbare Christenen […] DE 214: es wird ja den Barbaren vnd Heyden, tausendmahl leichter fallen, als vns so genandten, aber gantz vndanckbahren Christen […]
4.4.5 Editionsgeschichte Deusings Übersetzung des Soliloquiums wurde insgesamt viermal aufgelegt, jedes Mal im Duodezformat. Nach der ersten Auflage erschien das Werk in
4.5 Willem Teellinck, Das newe Jerusalem und Die Klage Pauli (1672)125
den Jahren 1676, 1693 und 1702.74 Die Auflage von 1676 wurde auch von Elias Francke herausgegeben, als Erscheinungsort ist nicht Kassel, sondern Göttingen angegeben. 1693 erschien eine Neuauflage bei Jost Heinrich Dresser75 in Kassel, der vermutlich reformiert war. In beiden Neuauflagen wurden nur leichte orthographische Änderungen vorgenommen. 1702 verlegte der aus Frankfurt an der Oder stammende Christoph Andreas Zeitler, der 1694 bis 1718 akademischer Drucker in Halle an der Saale war,76 eine leicht überarbeitete Fassung unter dem Titel Christliche Hertzens-Gedancken eines Sünders, welche er in der Angst seiner Wiedergebuhrt gehabt. Die Schrift wurde unter dem Pseudonym Theophilus herausgegeben.77 Die Auflage zeigt geringfügige Änderungen in Orthographie und Wortwahl. Der Titel Christ liche Hertzens-Gedancken wurde schon als Überschrift und als Titel des ersten Kapitels in den früheren Auflagen benutzt. Vermutlich war Zeitler lutherisch. Ein Indiz dafür ist, dass er das Adjektiv „reformiert“ zweimal weggelassen hat.78 Damit hat er sein Verlagsprodukt dem lutherischen Lesepublikum des Hallenser Umfelds angepasst. Dem eigentlichen Text ist eine Betrachtung von Christi Blutschweiß hinzugefügt.79 Aus einem Bücherkatolog aus dem 18. Jahrhundert geht hervor, dass 1711 noch eine fünfte Auflage in Basel erschienen ist.80
4.5 Willem Teellinck, Das newe Jerusalem und Die Klage Pauli (1672) 4.5.1 Einleitung Ein Jahr nach der ersten Übersetzung Deusings erschien eine zweite, nämlich von Teellincks Das newe Jerusalem, vorgestelt in einem Gespräch zwischen Christo und Maria. Nebenst der Klage Pauli, vber seine natürliche Verderbnüsz, sampt den Mitteln, wodurch man von derselben könne erlöset werden, erkläret in zweyen Predigten ausz der Epistel an die Röm. 7.v. 24. Vorlage für diese Übersetzung, die 1672 im Duodezformat von Francke verlegt und von Schadewitz gedruckt wurde, wird die kombinierte niederländische Ausgabe der beiden Schrif74
Die Pietas-Nummern sind: 1676: P01037282; 1693: P01037283; 1702: P01037284. Vgl. Benzing 1977, 1123. 76 Vgl. Paisey 1988, 294; Reske 2007, 330. 77 Hinter diesem Pseudonym könnte sich der lutherische Reformtheologe Christian Kortholt (1633–94) verbergen, der das Pseudonym Theophilus Sincerus gebrauchte, vgl. Holzmann/Bohatta 1961, 279. Wenn dem so ist, muss die Auflage aber aus Kortholts Nachlass veröffentlicht worden sein. Vgl. zu Kortholt: Brecht 1993b, 176. 78 Vgl. Teellinck, Soliloqvium, Kassel, Jost Heinrich Dresser, 1693, 195, 225; ders., Christ liche Hertzens-Gedancken, Halle, Christoph Andreas Zeitler, 1702, 195, 227. 79 Vgl. Teellinck, Christliche Hertzens-Gedancken, Halle 1702, 203–205. 80 Pietas-Nummer: P11044788. Vgl. Georgi 1966–1967, Bd. 4, 192. Die dort verzeichnete Auflage Amsterdam 1665 ist wohl die Auflage des niederländischen Originals, die bei Johannes van Ravesteyn erschien, vgl. Hof 1993, 107, Nr. 45h. 75
126
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
ten von 1638 gewesen sein. Diese Ausgabe wurde siebenmal aufgelegt, bis 1659 waren bereits fünf Auflagen erschienen.81 Die clachte Pavli erschien 1620 zum ersten Mal,82 Het nieuvve Ierusalem 1635.83 Letzere wurde von Teellincks Sohn Maximiliaan (1606–53) herausgegeben. Wahrscheinlich hat Teellinck sie aber schon kurz nach der Dordrechter Synode (1618/9) verfasst, weil die Schrift eine seelsorgerische Betrachtung der Erwählungslehre bietet.84 Aus dem Original wurde die Widmung Maximiliaan Teellincks an Amalia zu Solms-Braunfels (1602–75), der Frau Friedrich Heinrichs von Oranien (1584– 1647), übernommen.85 Nicht übernommen sind zwei Gedichte, wovon eines aus der Feder von Isaac Gruterus (1610–80) stammt. Der Verfasser des zweiten Gedichts ist unbekannt. Er verbarg sich hiner dem Pseudonym „Elck wacht het syne“ (Jeder hat das Seinige zu erwarten).86 Wohl in Anlehnung an die Widmung Teellincks widmete Deusing seine Übersetzung auch einer Frau: Elisa Meier, geborene Hake87 (1630–87), die mit dem damals präsidierenden Bremer Bürgermeister Heinrich Meier verheiratet war.88 Deusing unterschrieb die Widmung am 22. August 1671 in Bremen.89
4.5.2 Widmung an Elisa Meier War die Seele vor dem Sündenfall mit allen geistlichen und weltlichen Dingen in Einklang, so ist der Mensch durch den Sündenfall in eine ewige Trennung von Gott und in eine schreckliche Zerrissenheit, in Hass und Widerwärtigkeit gestürzt. Da die Seele ihr geistliches Wesen behalten hat, kann sie nur durch geistliche Dinge, die innerlich im Einklang sind, gesättigt werden. Sie vergisst ihre himmlische Herkunft, sehnt sich nach dem Schatten und verliert ihr Wesen: die Schätze des neuen Jerusalems. Sie betrügt sich selbst, wenn sie meint, dass sie im Gnadenstand lebt. Die Seele bleibt in diesem Zustand, bis Gott sie wieder mit sich selbst vereinigt, wozu das Verdienst von Christi Tod und das ganze Werk Christi in allen 81
Vgl. Hof 2008a, 580, Nr. 52. Vgl. Hof 2008a, 577, Nr. 14. 83 Vgl. Hof 2008a, 580, Nr. 52. 84 Vgl. Hof 2004, 141 f. Vgl. für eine inhaltliche Besprechung des niederländischen Originals: ebd.; Hof 2008a, 426–431. 85 Vgl. Teellinck, ’t Nieuwe Jerusalem vertoont in een t’samensprekingge tusschen Christum en Mariam sittende aen sijn voeten. VVaer by ghevoeght is De Clachte Pavli, Utrecht, Lucas Simonsz. de Vries, Simon de Vries, 1659, A2r-A5r; Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel, Elias Francke, Salomon Schadewitz, 1672 (Pietas P01037278), 3–8. 86 Vgl. Teellinck, ’t Nieuwe Jerusalem, A5v. 87 Vgl. Didericus Sagittarius, Schuldiges Ehren-Andencken der … Fr. Elisa Haken …, Bremen, Herman Brauer, 1687 (SuUB Bremen Brem. a. 616, Nr. 79). 88 Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 9. 89 Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 27. 82
4.5 Willem Teellinck, Das newe Jerusalem und Die Klage Pauli (1672)127
seinen Ämtern notwendig ist. Alle seelischen Kräfte müssen vereinigt werden, um Christus aufrichtig zu folgen, da Gott, der eins ist, keine Teilung in der mit ihm vereinigten Seele leiden kann. Zu der Verherrlichung Gottes wird neben der Bibel und anderen Büchern auch diese Übersetzung nützlich sein. Mit der Widmung an die hochgeehrte Frau Meier verfolgt Deusing das Ziel, seine Übersetzung in Bremen bekanntzumachen. Daneben ist seine Übersetzung Ausdruck des Dankes für die ihm von Frau Meier erwiesenen Wohltaten. Er hofft, dass die Lektüre ihre nach der Vereinigung mit Gott seufzende Seele erquicken wird, und dass sie in sich selbst und in den ihrigen die Kennzeichen der wiedererlangten Einigkeit mit Gott entdecken wird.90
4.5.3 Inhalt Das newe Jerusalem Dem Haupttext geht Maximilaan Teellincks Vorrede an Prinzessin Amalia voraus, in der er Hanna, die Mutter von Samuel, mit allen wahren Gläubigen und insbesondere mit Amalia vergleicht. Gott macht zunächst arm, danach reich; zuerst erniedrigt er, danach erhöht er. Dies dient der Demütigung und Prüfung, dem Loslösen von der Welt und der Erweckung des Verlangens nach Christus und dem Himmel. Genauso hat Gott Amalia aus ihrem Vaterland vertreiben lassen, aber ihr später alles hundertfach wiedergegeben. Dieser glückliche Ablauf drängt zur Frage: Wie soll ich dem Herrn all seine Wohltaten vergelten? Die Antwort wird in einem Gespräch zwischen Christus und Maria gegeben. Dass Teellinck die Schrift der Amalia gewidmet hat, liegt an dem Eifer der Prinzessin, sich für das Gute einzusetzen, und an ihrem heiligen Wandel. Wenn sein Vater nicht schon gestorben wäre, so Teellinck, hätte er ohne Zweifel ebenso gehandelt. Auch hofft Maximiliaan, dass der Inhalt Amalias Seele erquicken wird. Der Text ist ein Dialog zwischen Maria und Christus. Maria möchte ihm nachfolgen, Christus unterrichtet sie. Der erste Teil des Dialogs behandelt den Nutzen der wahren Gottseligkeit und deren Kraft und Wirkung in den Gläubigen. Christus verspricht Maria seine Hilfe, da sie die Verlockungen ihres sündigen Fleisches empfindet. Er lehrt sie die großen und ewigwährenden Vorzüge der Gottseligkeit. Die Vorzüge der Gottseligkeit in diesem Leben bestehen in der Befreiung von der Dienstbarkeit des Teufels und von geistlichen Feinden und darin, dass alle Dinge zum Besten dienen, so dass stets Hoffnung auf die ewige Freude besteht, selbst im größten Trübsale. Gottselige, die im Sterben liegen, werden freundlich durch den himmlischen Vater aufgenommen und schließen ab mit dem stetigen Sterben an den Sünden 90
Vgl. für die obigen Absätze Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 9–27.
128
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
auf Erden. Sie machen Bekanntschaft mit besseren Freunden als auf Erden, ihre Freude vermehrt sich und sie erfahren eine Verbesserung ihres Lebens. Nach dem Tod erfahren Gottselige den Freispruch von der Verdammnis der Hölle, die Erbschaft des Himmels sowie die Freuden der Gottesfürchtigen im Himmel: ein vollkommenes Vergnügen in Gott, die Gemeinschaft mit ihm und allen Gottseligen und die Wiederbegegnung mit allen gottseligen Bekannten und Verwandten. Sich in Gottseligkeit zu üben ist nicht nur sehr nützlich, sondern auch notwendig: zur eigenen Stärkung und zum Widerstand gegen die Verlockungen und Versuchungen des Teufels, der Welt und ihres Fleisches. Maria beklagt, dass sie nicht mehr dem Vorbild Christi entspricht. Christus antwortet, dass sie durch ihre Klage beweist, nicht von der Welt, sondern im Prozess der Wiedergeburt zu sein, und dass diese Klage zur Erkenntnis des eigenen Unvermögens führt. Maria ist von Menschen beunruhigt worden, die die Lehre der Erwählung, von der sie überzeugt ist, als Irrlehre bezeichnen. Demnach bringe die Lehre Menschen zur Verzweiflung oder mache sie ruchlos. Christus widerlegt die Behauptungen, indem er den Gegnern der Erwählungslehre die Wiedergeburt und ein rechtes Verständnis der Lehre abspricht, die Ruchlosigkeit nicht der Lehre, sondern ihren unheiligen Herzen zuschreibt, und indem er die Funktion der Lehre erklärt: die Erniedrigung des Menschen und die Hochachtung vor der Größe Gottes durch ihn. Eine andere Sache, die Maria verwirrt, betrifft die Vielzahl unterschiedlicher Auslegungen der Glaubensartikel durch aufrichtige Christen, die Christus lieben. Christus schreibt diese Verunsicherung ihrer Schwachheit zu und preist Maria, weil sie die heilige Lehre durch ihren heiligen Lebenswandel bestätigen möchte. Zu einem heiligen Leben gehört Selbstverleugnung und die Nachfolge Christi. Weil die Selbstverleugnung sehr schwer ist, finden sich unter hundert Menschen, die den Namen Christ führen, kaum drei wahre Christen. Maria soll ihre Gottseligkeit auf Christus gründen und sich (mit Hilfe des Heiligen Geistes) der Lehre des menschlichen Elends, der Erlösung und der Dankbarkeit widmen. Der zweite Teil behandelt die Mittel der wahren Gottseligkeit. Erstens soll man die geistlichen Waffen ziehen und christliche Schildwache halten, indem man sich fragt, ob man dem Herrn wohlgefällig ist. Zu der Wache gehören folgende Pflichten: eine stetige Betrachtung aller Pflichten, das Erkennen aller Hindernisse, die Berücksichtigung und Suche aller Hilfsmittel und Gelegenheiten, sich zum Guten zu wenden, Wachsamkeit gegenüber besonderen Sünden und Lieblingssünden und die Betrachtung der ihnen entgegengesetzten Tugenden. Darüber hinaus braucht man Gottes Beistand, den man durch stetiges Beten erhält. Alle Gebete sollen mit Danksagung und Lob geziert sein, auch in den größten Trübsalen und Anfechtungen. Ein drittes Mittel ist die geistliche Erfah-
4.5 Willem Teellinck, Das newe Jerusalem und Die Klage Pauli (1672)129
rung, die man aus Gottes Werken auf Erden erwirbt, und daraus für sich und andere Nutzen zieht. Auch soll man den Glauben an, die Hoffnung auf und die Liebe zu Gott und zu seinem Nächsten üben. Um sich die Teilhabe an der ewigen Herrlichkeit zu versichern, soll Maria nicht die Qualität ihrer Werke, sondern nur Christi Verdienst beachten, was sie zu heiligen Betrachtungen anregen wird. Auch soll sie sich davor hüten, auf übermäßige Art und Weise zu klagen und dabei die ihr von Gott bereits geschenkte Gnade zu übersehen. Das wiederholte Verstricksein in der Sünde dient ihrer Demütigung und ist Auslöser für weitere intensive Betrachtungen. Die Klage Pauli Der zweite Teil des Buches behandelt in zwei Predigten Paulus’ Klage über seine natürliche Verderbnis sowie die Mittel, sich davon zu befreien, wobei Römer 7,24 als Grundlage dient.91 Das Objekt der Klage ist der Leib des Todes, die natürliche Verderbnis, welche durch die Erbsünde verursacht wurde. Die Verderbnis wird Leib genannt, weil sie aus vielen Gliedern besteht, die alle befleckt sind, und weil sie uns so anhaftet wie unser eigener Körper. Die Verderbnis wird Todesleib genannt, weil sie den Tod der Seele und des Leibes bewirkt und sie tödliche Früchte hervorbringt, nämlich schreckliche Sünden, und weil sie mit dem physischen Leib, worin sie wohnt, am Ende dem ewigen Tod verfallen wird. Aus diesen Aussagen geht die Warnung hervor, sich vor der natürlichen Verderbnis zu hüten, da sie ein tödliches Untier ist. Derjenige, der klagt, ist Paulus. Gott hat bestimmt, dass auch die Gläubigen die natürliche Verderbnis noch in sich tragen, erstens zu seiner eigenen Ehre und zur Schande des Teufels und zweitens um den Unterschied zwischen Erde und Himmel zu verdeutlichen. Zwischen den Kindern Gottes und den Kindern der Welt gibt es einen allumfassenden Unterschied: Über die Kinder der Welt herrscht die Verderbnis, über die Kinder Gottes herrscht sie nicht. Die erste Predigt enthält die Aufforderung zu einem vorsichtigen Wandel, eine Warnung an alle blinden, fleischlich gesinnten Menschen, die sich wegen ihres bürgerlichen Verhaltens vor Gott rechtfertigen müssen, eine Ermahnung all derjenigen, deren Herz noch nicht erneuert ist, und die Aufforderung zur Demut und Tröstung der Frommen. Die zweite Predigt beschreibt die Art und Weise, in der Paulus klagt. Erstens nennt er sich selbst elend, weil der Leib des Todes noch in ihm ist. Je gottseliger ein Mensch ist, so lehrt die Predigt, desto mehr klagt er über seine Sünden aufgrund seines empfindlichen Gewissens. Diese Lehre dient zur Selbstprüfung hinsichtlich der Frage, ob man ein Kind Gottes ist. Stolze und verstockte Menschen, die ohne Bedrücktheit sündigen und sich dabei ihres starken Glaubens 91
Vgl. über das niederländische Original: Hof 1981; Hof 2008a, 219–221.
130
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
und der Gewissheit der Vergebung ihrer Sünden rühmen werden, werden gewarnt. Sichere Gewissen, die sich über die Betrübnis der Kinder Gottes wegen ihrer Sünden verwundern, werden gewarnt. Paulus beklagt nicht nur sein Elend, sondern wünscht auch, vom Leib des Todes erlöst zu werden. Täglich soll man danach trachten, von der Macht der Sünden erlöst zu werden und zwar durch Selbstverleugnung und bedingungslose Hingabe an Christus.
4.5.4 Analyse und Übersetzungsvergleich In der Widmung dankt Deusing Elisa Meier für die Wohltaten, die sie ihm erwiesen hat.92 Wenn man diese Adressierung mit der Information über Deusings Wohnort im Jahre 1661 (bei Consul Meier) kombiniert, gibt es ein Indiz dafür, dass Deusing während seiner Bremer Studienzeit einige Zeit bei Heinrich und Elisa Meier gewohnt hat. Die Widmung ist am 22. August 1671 in Bremen mit den Initialen „J. D.“ unterzeichnet worden.93 Die Widmung des Soliloquiums wurde am 3. April desselben Jahres unterzeichnet. Anscheinend wurde die Übersetzung dieser Schrift dermaßen gut angenommen, dass Deusing gleich danach mit der Übersetzung einer anderen Schrift Teellincks angefangen hat. Beide Schriften stimmen darin überein, dass sie einen mystischen Charakter aufweisen. Aus der Datierung ist auch zu schließen, dass sich Deusing 1671 für einige Zeit in Bremen aufgehalten hat. Das Datum der Widmung ist zeitlich vor Deusings Immatrikulation in Duisburg. Das Thema des Newen Jerusalems ist die Heiligung. Von Thomas von Kempen sind einige Zitate übernommen worden,94 wodurch das Werk vorreformatorische mystische Züge aufweist. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die innigen Äußerungen der Jesusliebe im Sinne Bernhards von Clairvaux. Allerdings führt dies nicht zu einer passiven Vorgehensweise bei der Heiligung, da im zweiten Teil Pflichten vorgeschrieben werden. Neben den Grundgedanken der vorreformatorischen Frömmigkeit liegen dem Werk folgende Gedanken und Themen zugrunde: geistliche Erfahrung, eine leichte Relativierung der Notwendigkeit der christlichen Lehre zugunsten des christlichen Lebens und die Unterscheidung zwischen wahren Christen und Scheinchristen. Der Inhalt basiert auf orthodoxen Lehrmeinungen, da die Dreiteilung des Heidelberger Katechismus als Ausgangspunkt für die Übung der Gottseligkeit ausgewiesen und die Dordrechter Erwählungslehre verteidigt wird.95 Der orthodoxen Lehre entsprechend lehnt der Autor römische Feiertage 92
Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 26. Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 27. 94 Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 44, 52, 127, 240–243. 95 Vgl. Hof 2004, 141 f. 93
4.5 Willem Teellinck, Das newe Jerusalem und Die Klage Pauli (1672)131
und Trinksprüche ab96 und weist darauf hin, dass man in Taufe und Abendmahl ein feierliches Gelübde vor Gott ablegt und verspricht, ihm zu gehorchen.97 Die Klage Pauli besteht aus zwei Predigten über die Empfindung der natürlichen Verderbnis und umfasst Aspekte des innerlichen und des geistlichen Lebens. Implizit wird hier ebenso wie im Neuen Jerusalem die Heiligung thematisiert. Wahre Christen und Scheinchristen werden durch das Aufzeigen von Unterschieden scharf voneinander getrennt und der Vermittlung der Lehre wird viel Raum gegeben. Die Lehre spiegel sich wider in der Ablehnung der römischkatholischen Auffassung, dass die natürliche Verderbnis keine Sünde ist,98 in der Annahme, dass die ganze Gesellschaft, die Häuser, Geschäfte, Märkte, Rathäuser, Konsistorien, ja die Kirchen selbstvon der Sünde erfasst worden sind,99 und schließlich in der Warnung vor konkreten Sünden wie Saufen, Fressen, Würfeln, Spielen und Ehebruch.100 Der Gedanke aus der Widmung, dass die Seele, die von geistlicher Natur ist, nur durch geistliche Dinge gesättigt werden kann, korrespondiert mit Undereycks Auffassung, dass der Mensch als Geschöpf nach Gott als summum bonum verlangt, durch dessen Allgenugsamkeit er allein gesättigt werden kann.101 In Deusings Widmung ist dieser Gedanke mit der Zerstörung der Harmonie der seelischen Kräfte durch den Sündenfall und mit der Heilung durch die Versöhnung mit Gott verbunden. Undereyck verknüpft Gottes Vollkommenheit mit der Einheit seines Wesens.102 Der Begriff Allgenugsamkeit bedeutet nicht die Freiheit Gottes seiner Kreatur gegenüber, sondern die immanente Anziehungskraft, die Gott, gedacht als summum bonum, auf die Liebe des Menschen ausübt.103 In diesem Sinne wird der Begriff auch von Teellinck benutzt.104 Bei der Übersetzung der kombinierten Schriften Teellincks ging Deusing methodisch ähnlich wie in seiner ersten Übersetzung vor: NL 144: want toch mijne verdiensten hen ten goede staen, niet alleenene als sy seer treffellijck haer dingen doen, maer oock als sy in haer doen seer swack en gebreckelijck gevonden worden: ende het is soo verde van daer, dat dit voor-geven soo ghy meynde, een deure soude openen tot slordige onachtsaemheydt, ende soet voerige sorgeloosheydt, ten dienste Godts […] De 201: weil doch meine Verdienste ihnen nicht allein bey ihren eifferig verrichteten Wercken, sondern auch bey ihren schwachen ubungen, zugutkommen, und das 96
Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 178 f. Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 232 f. 98 Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 256. 99 Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 307. 100 Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 309. 101 Vgl. Moltmann 1959, 352–355; Jou 1994, 218. 102 Vgl. Moltmann 1959, 354. 103 Vgl. Moltmann 1959, 355. 104 Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 18–20, 150–152, 180 f.; ders., Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 116 f. An folgender Stelle wird Gottes Allgenugsamkeit mit der Unvergnüglichkeit der Welt verbunden: Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 18–20. 97
132
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
beste thun müssen: und dieses sey fern, daß meine Rede und Lehre, wie du meynest eine gelegenheit zur unachtsamkeit und trägheit in meinem Dienste seyn solle […]
„Treffellijck“ (vorzüglich) wird als „eifferig“ interpretiert, „deur“ (Tür) als „Gelegenheit“. Bemerkenswert ist die folgende Auslassung: NL 167: als gy niet en konde verdragen de versmadinge des werelts, maer begint te schromen voor den naem van Puriteyn, Precisiaen, oft Sabbataris, oft soo […] DE 227: Wann du nicht erdulden kanst die Verachtung der Welt, sondern fürchtest dich, wann man dich einen Puritaner, Præcisisten, oder anders nennet.
Deusing hat hier den Hinweis auf Personen („Sabbataris“), die in Anlehnung an die Puritaner und Voetius die moralische Gültigkeit des vierten Gebots befürworteten, den ersten Tag der Woche als Sabbat bezeichneten und die ausführliche Betrachtung von heiligen Übungen an diesem Tag vorschrieben, ausgelassen. Diese Auslassung lässt sich mit der Sichtweise von Deusings vermutlichem Förderer Undereyck erklären, der sowohl unter Voetius als auch unter Coccejus studierte. Undereyck verteidigte nicht wie Voetius eine moralische, sondern wie Coccejus eine typologische Deutung des vierten Gebots und beurteilte den niederländischen Sabbatstreit über dieses Thema zwischen Voetianern und Coccejanern als übertrieben.105 Deusings Auslassung lässt vermuten, dass er verhüten wollte, dass der Sabbatstreit auch in Deutschland ausgetragen wird. Ein weiteres Motiv für die Auslassung ist, dass deutsche Leser den Begriff nicht verstehen würden. An folgenden Stellen hat Deusing ebenfalls etwas ausgelassen: NL 180: Och! hoe veel en sware tribulatien hebben geleden alle Apostelen en Martelaren, Confessoren, Maeghden, ende alle andere Heyligen, die mijne voet-stappen ende mijn leven hebben willen volgen […] DE 241: Wie viel schwere Trübsahlen haben alle Aposteln und Märtyrer, ja alle Heiligen, die meinen Fußstapffen nachgefolget, erlitten?
Deusing lässt die Bezeichnungen „Confessoren“ und „Maeghden“ aus. Teellincks ausführliche Ehrung der Wüstenväter übernimmt Deusing, obwohl er ihren Ruhm am Ende deutlich abmildert, indem er einen Satzteil ersetzt: NL 182: dat bewijsen noch de voetstappen van goede exempelen, die sy achter gelaten hebben, hoe dat sy seer heylige Mannen geweest hebben, die soo vromelijck gestreden hebben, dat sy de werelt hebben verwonnen, ende onder hare voeten geworpen. DE 243: Dieses beweisen noch die Fußstapffen ihrer guten Exempel, und seind alle gute Bücher hievon voll.
105
Vgl. W. Goeters 1908, 229; Jou 1994, 189.
4.6 Richard Baxter und seine Theologie133
Vermutlich ließ Deusing hier einiges aus, da er annahm, dass seine Leser sich mit dem Inhalt nicht auskannten, oder weil er Teellincks Bewunderung für das heilige Leben dieser Heiligen nicht teilte. An einigen Stellen lässt der Übersetzer aus, was er wohl nicht verstanden hat. NL 31 f.: Siet die gene die eenigh swaer gebreck des lichaems onderhavigh zijn, als de Steen, het Flerecijn, het Water, ofte soo […] DE 285: Seht an diejenige, die einigen schweren gebrechen des Leibes als nemblich den Stein, der Wassersucht, oder dergleichen zufallen […]
Das Wort „Flerecijn“ (Gicht, Rheumatismus) ist hier nicht übersetzt worden.
4.5.5 Editionsgeschichte 1693 erschien eine Neuauflage des Newen Jerusalems bei Dresser in Kassel. 1698 erschien bei ihm eine Neuauflage der Klage Pauli. Diese Schrift wurde von Heinrich Harmes (um 1662–1737/8) gedruckt. Harmes kam aus Bremen und war seit 1695 fürstlich-hessischer Buchdrucker in Kassel und seit 1698, nach der Übernahme von Friedrich Herzogs Offizin, Hofbuchdrucker. Harmes gehörte der reformierten Freiheiter Gemeinde in Kassel an.106 G. T. Georgi zufolge ist 1708 noch eine Auflage der Übersetzung in Zweibrücken erschienen.107
4.6 Richard Baxter und seine Theologie 4.6.1 Baxters theologische Entwicklung 1673 erschien Deusings Übersetzung von A Treatise on Conversion des englischen Puritaners Richard Baxter (1615–91), worauf in späteren Jahren Übersetzungen weiterer Baxter-Titel folgten. Die Baxter-Übersetzungen machten den größten Anteil von Deusings Übersetzungsarbeiten aus. Da Baxter sich in seinen theologischen Auffassungen in vielerlei Hinsicht von anderen reformierten Theologen unterscheidet, werden zunächst einige seiner zentralen Standpunkte referiert. Eine kurze biographische Skizze geht voran. Richard Baxter (1615–91) war 1641 bis 1661 mit Unterbrechung Pfarrer in Kidderminster in England. Seine auf Bekehrung und auf ein heiliges Leben drängende Verkündigung, die Ausübung einer strengen Kirchenzucht und einer intensiven Hauskatechese führten zu einer geistlichen Veränderung des Ortes. Zu Beginn des Bürgerkrieges war Baxter 1645 bis 1647 Feldprediger im Heer des Parlaments. 1662 wurde er durch den Act of Uniformity aus der englischen Staatskirche ausgestoßen (Great Ejection).108 Seitdem lebte er in London, wo bis 106
Vgl. Reske 2007, 413. Vgl. Georgi 1966–1967, Bd. 4, 192. 108 Der Act of Uniformity aus dem Jahre 1662 forderte von allen Pfarrern, den Gebrauch 107
134
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
1689 (Toleration Act) ständig gerichtliche Verfahren gegen ihn eingeleitet wurden. 1685 bis 1686 verbrachte er sogar achtzehn Monate in Haft. In Fragen der Lehre, des Kirchenregiments und der Liturgie nahm Baxter eine Mittelstellung ein. Er schrieb ungefähr 150 Bücher.109 Nachdem Baxter um 1647 als Feldprediger im Krieg eine schwere Krankheit durchgemacht hatte, widmete er sich während einer Erholungsperiode ausgiebig der Lektüre von Matthäus 25, wodurch er sich von seiner orthodox-reformierten Auffassung der Rechtfertigung entfernte, und schließlich einen gemäßigt-reformierten Standpunkt vertrat.110 Er behauptete, dass das Bibelkapitel eine Lehre von der Rechtfertigung vermittelt, in der auch die Werke des Menschen eine gewisse Rolle spielen. Baxters veränderte Ansichten schlugen sich in seinen Aphorismes of Justification (1649) nieder. Er positionierte sich auf einem Mittelweg (middle way) zwischen der reformierten und der arminianischen Lehre und betrachtete die englischen und Bremer Vertreter auf der Dordrechter Synode sowie die Saumurer Theologen, zum Beispiel Moyse Amyraut (1596–1664) und John Cameron (ca. 1580–1625), als Gesinnungsgenossen: The middle way which Camero, Ludov. Crocius, Martinius, Amiraldus, Davenant, with all the Divines of Britain and Brem, in the Synod of Dort go, I think is nearest the Truths of any that I know, who have written on those points of Redemption and universal Grace.111
Seit dem Wandel seiner soteriologischen Ansichten am Ende der 1640er Jahre polemisierte Baxter gegen die Auffassungen der Rechtfertigungslehre seiner Gegner, zu denen Anthony Burgess (gest. 1664), Richard Vines (ca. 1600–56) und John Owen (1616–83) zählten. Einige von ihnen lehrten, dass die Rechtfertigung vor dem Glauben und sogar von Ewigkeit (ab aeterno) stattfinde. Baxter fand diese Lehre gefährlich und betrachtete sie als das Fundament des Antinomismus. Die Motive dieser Theologen waren die Gewährleistung der Lehre von Gottes Unveränderlichkeit und Einheit und die Bekämpfung des arminianischen Gedankens, dass Christus’ Tod die Versöhnung nicht bewirke, sondern nur möglich gemacht habe. Baxters Gegner wollten dem Menschen keine Rolle in der Ordnung des Heils zuteilen und wollten deshalb den Glauben nicht vor die Rechtfertigung stellen. Außerdem hatte die Verschiebung der Rechtfertigung in die Ewigkeit ein seelsorgerisches Motiv, da die Auserwählten auf diese Weise nicht der Gefahr ausgesetzt sind, verdammt zu werden. Baxter sah verschiedene Gefahren in der antinomistischen Rechtfertigungslehre. Zum einen habe sie zur Folge, dass der Prediger weder zum Glauben aufdes Book of Common Prayer öffentlich zu approbieren und verpflichtete alle Pfarrer zu einer Ordination durch einen Bischof, vgl. Spurr 1998, 130. 109 Vgl. Nuttall; McKenzie 1984, 1, 228–236; Beeke u. Pederson 2006, 61–71; Keeble 2008. 110 Vgl. für die nächsten Absätze im Allgemeinen: H. Boersma 1993, 25–124. 111 Baxter, The Saint’s Everlasting Rest, 2. verb. u. erg. Aufl., London, Thomas Underhill, Francis Tyton, 1651, a1r, zitiert nach Lim 2004, 174. Vgl. H. Boersma 1993, 25–27; Lim 2004, 173–182.
4.6 Richard Baxter und seine Theologie135
rufen noch einem gefallenen Gläubigen Gottes Strafe androhen könne. Außerdem müsse sich Christus nicht mehr stellvertretend opfern und Fürbitte beim Vater einlegen. Auch die Gläubigen bräuchten nicht mehr um Vergebung zu bitten und die Gnadenmittel einzusetzen.
4.6.2 Gotteslehre und Rechtfertigungslehre Grundlegend für Baxters Rechtfertigungslehre ist die Unterscheidung von Gottes Willen, de debito (konditional) und de rerum eventu (absolut).112 Baxter hob Gottes Rolle als Regent durch das Gesetz (Rector per leges) hervor und legte den Schwerpunkt auf Gottes konditionalen Willen. Die Rechtfertigung unterteilte er in konstitutive, sententielle und ausführende Rechtfertigung. Demnach muss man das Gesetz der Gnade erfüllen und somit gemäß dem Gesetz der Gnade gerechtfertigt sein (konstitutive Rechtfertigung), bevor man von Gott, dem Richter gerechtfertigt wird (sententielle Rechtfertigung). Die ausführende Rechtfertigung besteht in der Aufhebung der Strafe durch die Heiligung im Diesseits und durch die Verherrlichung im Jenseits.113 Baxter beschrieb drei Wirkungen des Todes Christi: 1. die Versöhnung des Sünders mit Gott, die für alle Menschen ausreicht (sufficienter) und für jeden wirksam (efficienter) ist, 2. allgemeine Wohltaten wie die Befreiung des Menschen von der absoluten Notwendigkeit des Verlorengehens (ausreichend und wirksam für alle) und 3. besondere Wohltaten wie Vergebung, Heiligung und Verherrlichung, die zwar für alle Menschen ausreichend sind, aber nur für die Auserwählten wirksam werden. Baxter behauptete, dass auch die Nichtwiedergeborenen einen starken Glauben besäßen und Liebe zu Gott und Christus empfinden könnten. Auch die allgemeine Gnade ist eine Wirkung des Heiligen Geistes. Der materielle, inhaltliche Unterschied zwischen allgemeiner und besonderer Gnade ist nur gradueller Art. Jedoch kann der Glaube der Nichtwiedergeborenen nur in uneigentlichem Sinne Glaube genannt werden. Es gibt einen moralischen, formalen Unterschied zwischen allgemeiner und besonderer Gnade. Nur die Wiedergeborenen können die Bedingung des Bundes, die Aufrichtigkeit des Glaubens, erfüllen, da sich ihre Seelen aufrichtig für Christus interessieren und sich nicht mit niederen weltlichen Dingen befassen. Durch die Unterscheidung von allgemeiner und besonderer Gnade schuf Baxters Theologie eine Möglichkeit, sich auf die besondere Gnade vorzubereiten. Andererseits implizierte Baxters Lehre, dass eine schwache besonde112 Vgl. für diesen Abschnitt: H. Boersma 1993. Paradoxerweise übernahm Baxter die Unterscheidung zwischen Gottes voluntas beneplaciti (absolutes, verborgenes Dekret) und voluntas signi (konditonales, offenbartes Gesetz, wodurch Gott die Menschen regiert) von reformierten Theologen wie William Twisse (1578?–1646) und William Pemble (ca. 1592–1623), vgl. H. Boersma 1993, 80–83, 195–197. 113 Vgl. H. Boersma 1993, 25–135.
136
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
re Gnade nicht gleichbedeutend ist mit einem versicherten Glauben, obwohl Gottes allgemeine Gnade die Seligkeit sehr wahrscheinlich macht. Mit seinen Gegnern stritt Baxter über den Inhalt des seligmachenden Glaubens. Er ordnete die rechtfertigende Funktion des Glaubens nicht nur dem Glauben an das Sühneopfer Christi zu (Christus als Priester), sondern auch der Unterwerfung unter seine Lehre (Prophet) und der Gehorsamkeit ihm gegenüber (König). Außerdem setzte Baxter seinen Gegnern entgegen, dass nicht der Glaube, sondern Gott selbst rechtfertigt. Der Glaube sei nur eine Bedingung, keine bewirkende Ursache (causa efficiens) und Gott gebe den Glauben als absoluter Herrscher (Dominus Absolutus). Auf diese Weise hielt Baxter an Gottes zweifachem Willen fest, obwohl er Gottes Wille de debito besonders hervorhob. Baxters Zweiteilung von Gottes Willen lag auch seiner Versöhnungslehre zugrunde. Er meinte, dass es nie Gottes Absicht gewesen wäre, all diejenigen, für die Christus gestorben ist, zum Glauben zu bringen. Nach seinem vorausgehenden Willen (voluntas antecedens) starb Christus für jeden Menschen, seinem nachfolgenden Willen (voluntas consequens) entsprechend, starb er nur für die Auserwählten. Die von Christus geleistete Sühne bedeutete für Baxter nicht, dass Christi Gehorsam in direktem und eigentlichem Sinne den Auserwählten zuteil wird. Er wehrte sich gegen eine strikte Repräsentation der Auserwählten durch Christus. Baxter behauptete, dass Christus nur aufgrund eines Vertrags Oberhaupt der Gläubigen ist. Er und die Gläubigen bleiben getrennte Personen. Christus hat nicht die Schuld der Missetat (reatus culpae) auf sich genommen, sondern nur die Strafe (reatus poenae). Er hat nicht in der Person der Gläubigen gelitten, sondern ist Mittler in eigener Person. Seine Gerechtigkeit ist in striktem Sinne nur Besitz seiner selbst, nur in indirektem Sinne ist sie die materielle Ursache unserer Rechtfertigung. Auch ist sie nicht die formale Ursache unserer Rechtfertigung. Aufgrund der Differenzierung zwischen Christus’ persönlicher Gerechtigkeit und der Rechtfertigung der Gläubigen, kann Baxter über die Bedingung einer persönlichen Gerechtigkeit sprechen. Baxter verneinte eine direkte Zurechnung, was impliziert, dass Christus nicht die präzise Strafe des Gesetzes (solutio eiusdem) erlitten hat. Christus hat nicht dem Gesetz, sondern dem Gesetzgeber Genüge getan. Die Bezahlung war keine präzise, sondern eine entsprechende Bezahlung (solutio tantidem). Das Gesetz sah Christus nicht als Stellvertreter für den Sünder vor. Es gibt keine formale Identität, nur eine beschränkte materielle Identität zwischen der Strafe des Gesetzes und der von Christus erlittenen Strafe. Gleichzeitig hielt Baxter an Gottes Rechtfertigkeit als ein wesentliches Attribut fest und er betrachtete die rektorale Funktion als einen wesentlichen Teil von Gottes Natur. Baxter hat die Werke des Menschen als Bedingung der Rechtfertigung anerkannt, erstens durch seine Bundestheologie, und zweitens durch seine Lehre der zweifachen Gerechtigkeit. Baxter verwarf den Gedanken eines ewigen Heils-
4.6 Richard Baxter und seine Theologie137
vertrages (pactum salutis), demzufolge sich Christus als Mittler in demselben Bund wie die Gläubigen befand. Stattdessen lehrte Baxter, dass Christus einem besonderen Bund, dem Mittlerbund, angehörte. Indem Christus die Bedingungen dieses Bundes erfüllte, empfing er ein zweifaches Recht: novum ius dominii und novum ius imperii. Demnach schenkt er den Glauben (vergleiche Gottes Wille de rerum eventu) und urteilt dem Gesetz der Gnade entsprechend (vergleiche Gottes Wille de debito). Das Gesetz der Gnade wird in zwei Abschnitte aufgeteilt: von Adam bis Christus und nach Christus. Baxter trennte die universelle gesetzliche Gerechtigkeit Christi scharf von unserer persönlichen evangelischen Gerechtigkeit. Letztere stellt nach Baxter eine untergeordnete Bedingung dar, sich Christi Gerechtigkeit anzueignen, und sie funktioniert wie die Bezahlung mit einem Pfefferkörnchen. Der Beitrag des Menschen ist winzig, aber notwendig. Obwohl der Glaube auf diese Weise nicht zur formalen Ursache unserer universalen Rechtfertigung wird, werden Glaube (und Werke) so zur formalen Ursache unserer persönlichen, untergeordneten Rechtfertigung. Die universale Rechtfertigung ist Gottes Geschenk im Sinne seiner voluntas de rerum eventu, die Bedingung der persönlichen evangelischen Gerechtigkeit richtet sich nach Gottes voluntas de debito. Baxter verneinte, dass Werke die Grundlage unserer Rechtfertigung bilden. Laut Baxter stellen Werke und Taten für den Beginn der Rechtfertigung sogar überhaupt keine Bedingung dar. Seine Gegner fragten aber, warum Bekehrung und Liebe dann für diese anfängliche Rechtfertigung essentiell wären. Die fortgesetzte und endgültige Rechtfertigung, so antwortete Baxter, werden durch Glaube und Werke bedingt, wodurch er der Heiligung eine zentrale Rolle zuwies. Ausgehend von einem zweifachen Willen Gottes, hielt Baxter sowohl daran fest, dass die Heiligen im Glauben verharren als auch daran, dass der Gnadenbund an Bedingungen geknüpft ist. Er neigte aber sehr dazu, zu verneinen, dass alle Gerechtfertigten am Glauben festhalten würden. Die Tatsachen, dass in Baxters Theologie der Bund an Bedingungen geknüpft ist und dass die Werke des Menschen darin eine bestimmte Rolle spielen, führte zu einer Minimierung der Unterschiede zwischen den protestantischen und römisch-katholischen Auffassungen. So war Baxter bereit, über „Verdienste“ zu sprechen.
4.6.3 Anthropologie Wie bei Calvin bildet die Selbsterkenntnis auch bei Baxter den Ausgangspunkt der Weisheit. Die Erkenntnis seiner selbst führt zu Gotteserkenntnis. Der Mensch ist ein rationales Wesen, das eine dreigliedrige Seele besitzt. Ihre drei Wesenheiten sind Lebenskraft, Intellekt und der freie Wille. Die Seele ist sowohl rational als auch empfindsam und hat als solche eine empfindsame Begierde (sensitive appetite). Das menschliche Empfinden und Handeln lässt sich in eine
138
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
hierarchische Ordung bringen. An erster Stelle unterscheidet sich der Mensch durch die Befähigung zu Liebe von allen anderen Lebewesen. Im Gegensatz zu anderen Lebewesen befindet sich der Mensch unentwegt auf der Suche nach Glückseligkeit. Der Mensch ist nach Gottes Bild erschaffen. Aus diesem Grund führt die Selbsterkenntnis zur Gotteserkenntnis. Das Bild Gottes hat eine natürliche, eine moralische und eine relative (Gottes Regierung) Dimension. Gottes Beziehung zu den Menschen ist ebenfalls durch eine Dreiheit bestimmt. Erstens ist Gott Herr über den Menschen (dominus), zweitens lenkt Gott den Menschen auf moralische Art und Weise (rector), und drittens ist Gott gleichermaßen des Menschen Wohltäter und des Menschen Ende, weshalb der Mensch Gott lieben soll. Diese Theologie ist unter anderem in The divine life (1664) systematisiert und appliziert worden. In Anlehnung an Augustinus hebt Baxter die ursprünglich heilige Beschaffenheit des Menschen vor dem Sündenfall hervor. Des Menschen Vernunft regierte seinen Willen und seine Lüste. Jedoch lenkte ihn Gott auf moralische Art und Weise, bis er Gott nicht mehr um dessen Wohltaten, sondern um seiner selbst liebte. Durch den Sündenfall wurden alle Fähigkeiten der Seele verdorben. Die Folgen sind, dass die Lüste die Oberhand über die Vernunft und den Willen bekommen haben, dass der Mensch die Glückseligkeit in dem Geschaffenen sucht und dass der menschliche Intellekt keine Selbsterkenntnis mehr aufweist und die Vorstellung der Sünde verwirft. Obschon Baxter erkennt, dass die Vernunft nach dem Sündenfall zerstört worden ist, richtet sich seine Verkündigung in erster Linie an den Intellekt. Seine Verkündigung ist ein Versuch, den Willen davon zu überzeugen, dass er unglücklich ist, weil er die Glückseligkeit in der Kreatur sucht, und nicht in Gott, wo sie allein zu finden ist.114
4.6.4 Einigkeit der Kirche und Haltung zur Obrigkeit In Baxters Theologie waren die Einigkeit und die Reform der Kirche eng miteinander verbunden. Einigkeit war eine Grundvoraussetzung für das Umsetzen von Reformen. Baxter war nämlich kein Befürworter einer Separation von der Kirche, die sich auf deren verdorbenen Zustand gründete. Aus diesem Grund machte er der Liturgie und den Riten der Church of England in vielerlei Hinsicht Zugeständnisse. Baxter wollte ausschließlich die Schrift und das Credo als Prüfstein der Orthodoxie anerkennen. Er verstand sich als „mere Catholick“ und wie Vinzenz von Lérins (gest. zwischen 434–450) betrachtete er nur das als verbindlich, was immer und überall von allen gelehrt wurde.115 114 115
Vgl. Packer 2003, 104–175. Vgl. Lim 2004, 117–190.
4.7 Richard Baxter, Die wahre Bekehrung (1673)139
In einem Pamphlet, das Baxter 1658 auf Anregung von Dury verfasste, werden die Standpunkte Baxters und die seiner Kollegen verteidigt. Sie erkannten die Reinheit der Lehre der deutschen lutherischen Kirche an.116 Die Missachtung der Autorität der Obrigkeit, die nicht nur zu Aufständen, sondern sogar zum englischen Bürgerkrieg führte, verstand Baxter als Auswirkung des Antinomismus, wonach Gehorsam gegenüber Christus, dem König, keine Bedingung für die Vergebung der Sünden darstellte und die legalistische Art des Evangeliums nicht anerkannt wurde.117
4.7 Richard Baxter, Die wahre Bekehrung (1673) 4.7.1 Einleitung Die erste Auflage wurde in zwei Ausgaben herausgebracht, im Selbstverlag des Übersetzers und von Elias Francke in Kassel.118 Das Format (Oktavo) dieser Übersetzung war größer und mit mehr als 600 Seiten war die Schrift auch deutlich umfangreicher als Deusings vorige Übersetzungen. 1657 erschien Baxters A Treatise on Conversion. Innerhalb eines Jahres wurden vier Auflagen verlegt.119 1669 erschien eine niederländische Übersetzung.120 Auf dem Titelblatt wird offengelassen, welcher Text für die deutsche Übersetzung als Vorlage diente: „Durch Richard Baxter, Predigern zu Kidemünster in Engeland, Nunmehr aber Ins Hochteutsche übersetztet, Durch J. D. B.“121 Vergleicht man die Übersetzungen, wird deutlich, dass der deutschen Übersetzung die niederländische Übersetzung aus dem Jahre 1669 zugrunde lag.122 Die Übersetzungen weichen im Textverlauf an den gleichen Stellen vom englischen Original ab. 116
Vgl. Lim 2004, 179. Vgl. T. Cooper 2001, 111–114. 118 Pietas-Nummern: Selbstverlag: P08038955; Francke: P08038956. 119 S. ESTC. 120 Vgl. über die niederländischen Baxter-Auflagen: Alblas 1987, 75–84. 121 Vgl. Richard Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel, Elias Francke, 1673, πr. 122 Vgl. Baxter, A treatise of conversion. Preached and now published for the use of those that are strangers to a true conversion, especially the grosly ignorant and ungodly, London, R. W., Nevill Simmons, Nathaniel Ekins, 1658 (Wing [2. Aufl., 1994]/B1424); ders., Het nootwendigh middel der behoudenis, krachtigh gepredikt en voorgestelt, tot opweckingh van de onboetvaerdige Sorgeloosen deser Eeuw, of verhandelingh ware Bekeeringe, Amsterdam, Johannes van Someren, 1669 (Pietas P97002403); ders., Die wahre Bekehrung, Kassel, Elias Francke, 1673. Der Übersetzer der niederländischen Fassung ist der Prediger Petrus Heringa aus Oost-Grafdijk. Die deutsche Übersetzung enthält im Gegensatz zur niederländischen Fassung kein Inhaltsverzeichnis, keine Widmung an die Einwohner von Kiderminster, keine Vorrede und kein Register. Inhaltsverzeichnis: NL *[=2*]2r–*[=2*]5v; Widmung: NL [2*6r]–2*4v; Vorrede: NL 2*5r– [2*8v]; Register: NL *2r–[*8v]. 117
140
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
ENG 1: Verily I say unto you, Except ye be Converted, and become as little Children, ye shall not enter into the Kingdom of Heaven. NL 1: Indien ghy u niet verandert, en wordt gelijck de Kinderkens, soo sult ghy in’t Koninckrijck der Hemelen geensins ingaen. DE 1: Es sey denn, daß Ihr Euch umbkehret (Euch verendert) und werdet wie die Kinder, so werdet Ihr nicht ins Himmelreich kommen. ENG 5: It is a most certain Truth, protested by Jesus Christ, that except men be Converted […]. NL 9: Het is een alderseeckerste waerheydt van Jesus Christus betuyght, dat, ten zy dat de Menschen haer * bekeeren […] Im Rand: „Of, ‚Veranderen‘.“ DE 10: Es ist eine ungezweiffelte Warheit von Christo Jesu bezeuget, daß, es sey denn daß die Menschen Sich umkehren, (oder verendern) […]
4.7.2 Inhalt Der Text umfasst eine beträchtliche Anzahl von Predigten, die auf Grundlage der Bibelstelle Matthäus 18,3 ausgearbeitet wurden: „Es sey denn, daß Ihr Euch umbkehret (Euch verendert) und werdet wie die Kinder, so werdet Ihr nicht ins Himmelreich kommen.“123 Baxter zufolge findet sich im Menschen zwar kein Anhaltspunkt für die Gnade Gottes, wohl aber in seinen natürlichen Vernunftkräften, wodurch der Mensch seine Glückseligkeit liebt. Baxter macht es sich deshalb zur Aufgabe, seine Zuhörer zu ermahnen, ihre Vernunft gut zu gebrauchen. Der Ursprung der Bekehrung ist der Heilige Geist, dessen Werkzeug das Evangelium ist. Gottes Geist wirkt im Menschen, so dass dieser mit Hilfe von heiligen Mitteln wie Glaube und Buße an seiner Bekehrung mitwirkt. Der Mensch wird in und durch den Mittler Christus bekehrt, und zwar von der übermäßigen und sündigen Liebe des Geschaffenen zur Liebe zu Gott. Die Bekehrung umfasst drei Bereiche: die Veränderung der Vernunft, die Veränderung des Herzens und die Veränderung des Lebens. Im Hinblick auf die Vernunft wandelt sich im Bekehrungsprozess Unwissenheit in Erkenntnis, Unbedachtsamkeit in Aufmerksamkeit, Unglaube in wahren Glauben und Irrtum in Wahrheit. Die Bekehrung des Herzens oder des Willens betrifft das Gefallen und Missfallen des Menschen, die Begierde, die Benutzung der von Gott verordneten Mittel zur Seligkeit und die Beständigkeit. Zur Veränderung des Herzens gehört auch die Veränderung der Affekte. Liebe, Hass, Freude, Hoffnung, Wut oder Furcht wandeln sich ins Gegenteil. Dass man durch die Bekehrung des Herzens in einen kindgleichen Zustand versetzt wird, bedeutet jedoch nicht, dass man von Sünden und vom Zorn Gottes befreit ist. Vielmehr stellt die Bekehrung einen Neuanfang des Lebens dar. Die Bekehrung des Lebens bezieht sich auf die Wahl seines Bundespartners (nur Christus), das Verlassen und Be123
Richard Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, 1.
4.7 Richard Baxter, Die wahre Bekehrung (1673)141
kämpfen aller Sünden, die Ausführung guter Werke, die Suche nach Gott, den Gebrauch der Zunge, die Veränderung der Präferenz für eine bestimmte Gesellschaft und die Haltung zu den Unbekehrten. Der zweite Teil beweist die Notwendigkeit der Bekehrung als Bedingung zum Eingang ins Himmelreich. Bezug genommen wird auf die Bibel, Gottes heilige Natur, seinen Willen, die Natur seiner Herrschaft, seine Vorsehung, das besondere Amt Christi, den Endzweck des Evangeliums und der Bibel, das Amt der Lehrer und auf den Befehl Gottes, die Bekehrung anderer Menschen zu fördern. Im dritten Teil werden dem Leser die Kerngedanken der Schrift noch einmal verdeutlicht, indem drei Gründe genannt werden, die uns Menschen zur Selbsterforschung anregen sollen: der Himmel, das Gewicht der Selbsterforschung und das Ergebnis der Selbsterforschung: dass der Großteil der Menschen, auch bei der Predigt des Evangeliums, unbekehrt ist und bleibt. Im vierten Teil wird der elende Zustand der Unbekehrten zu ihrer Warnung vorgestellt. Sie sind keine wahren Kinder Gottes und Glieder Christi, haben keine Hoffnung auf die Seligkeit und ihre Sünden werden nicht vergeben. Sie sind unwissende, unwillige Knechte und Gefangene des Teufels und der Zweck und die Art ihrer Werke gefallen Gott nicht. Die Unbekehrten leben stets in Gefahr der Verdammnis und sie haben keinen wahren Frieden. Die vielen und großen Warnungen vergrößern ihr Elend, denn je länger sie in Unbußfertigkeit verharren, desto mehr verschlimmern sich ihre Sünden, Krankheiten und Bestrafungen, und sie berauben sich der größten Glückseligkeit, die Gott ihnen anbieten lässt. Der fünfte Teil enthält verschiedene Ermahnungen mit dem Ziel, die Unbekehrten in einen besseren Zustand zu versetzen. Nicht die Furcht vor der Verdammnis, sondern die Liebe Gottes ist der wichtigste Antrieb zur Bekehrung. Die große Glückseligkeit der Bekehrten wird ausführlich beschrieben. Im sechsten Teil werden den Unbekehrten einige rhetorische Fragen vorgelegt, um sie zur Bekehrung zu bewegen. Die Fragen beziehen sich auf das Sterben ohne Bekehrung, auf die (Un-)Möglichkeit eines erneuten Gnadenangebots, wenn man es jetzt nicht annimmt, auf die Stellung Gottes im Vergleich zur sündhaften Kreatur und auf das Ziel, mit dem der Mensch erschaffen wurde. Ebenfalls thematisiert werden Gewinne und Verluste der Bekehrung, die Möglichkeit einer guten Entschuldigung vor Gott wegen des Aufschubs der Bekehrung, Argumente für und gegen die Bekehrung, der eigene Zustand, in dem man vor Gott erscheinen möchte, und schließlich die Haltung Engeln gegenüber, die uns Menschen vom Sündigen abhalten möchten. Im letzten Teil werden einige Hindernisse der Bekehrung dargestellt, wobei dem Leser Möglichkeiten eröffnet werden, die Hindernisse zu überwinden. Für das Handeln des einzelnen wird grundsätzlich geraten, immer das Gegenteil von dem zu tun, was der Förderung der Bekehrung als Hindernis entgegengesetzt wird. Mögliche Hindernisse sind: 1. mutwillige Versäumnis der gewöhnlichen
142
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Mittel, die Gott zur Bekehrung verordnet hat, 2. die Gesellschaft von Unwissenden, Sorglosen und Gottlosen, 3. Unkenntnis der Mittel zur Bekehrung, 4. Verleumdung der Heiligen Schrift, 5. Unbedachtsamkeit, 6. Verstocktheit des Herzens und des Gewissens, 7. übermäßige Verehrung der Welt, 8. Sündigen als Gewohnheit, 9. närrische Selbstliebe, 10. erdichtete Scheingnade, 11. eine Lebensweise, durch die sich ständig Versuchungen und Gelegenheiten zum Sündigen ergeben, 12. ein ärgerliches Leben der Christen, das in Uneinigkeit, Trennung, übler Nachrede, und Pluralität der religiösen Meinungen zum Ausdruck kommt, 13. üble Kinderzucht, 14. Widerstand gegenüber dem Heiligen Geist, 15. Unentschlossenheit, 16. stetiger Aufschub der Bekehrung, 17. vorzeitige Aufgabe des Vorsatzes zur Bekehrung, 18. böse Auslegungen der Heiligen Schrift und irrige Gedanken über die Wege Gottes, 19. hochmütige Ablehnung, lernen zu wollen, 20. mutwillige Halsstarrigkeit.
4.7.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Vermutlich wurde diese Übersetzung direkt oder indirekt von Undereyck angestoßen. Von ihm ist bekannt, dass er Baxters Werke sehr schätzte. Seine Wertschätzung geht erstens aus verschiedenen Baxter-Zitaten in Christi Braut (1670) hervor.124 Zweitens ist bekannt, dass Undereyck auf einer Erbauungsversammlung in Bremen Baxters Verteidigung des Mortifizierens und Geißelns unter bestimmten Umständen mit Beifall befürwortet hat (s. 3.6). Drittens teilte Undereyck im Sommer 1672 einem englischen Bekannten Baxters bei einem Besuch in Bremen mit, dass viele Leute Baxters Schriften als sehr nützlich empfanden und dass er selbst großen Segen daraus geschöpft habe. Undereyck bat diesen Engländer, Ephraim Bendall aus Deale in Kent, dies Baxter auszurichten.125 Die deutsche Übersetzung ging auf eine niederländische Fassung zurück. Der Verleger der niederländischen Übersetzung, Johannes van Someren (1632–76), war stark auf englische puritanische Schriften ausgerichtet.126 Er war einer der Amsterdamer Verleger, die 1669 bis 1671 die Frankfurter Buchmesse besuchten.127 Vielleicht hat er aber auch noch später die Messe besucht. Es ist wahrscheinlich, dass Deusing von Kassel aus die Messe in Frankfurt besuchte, um sich Erbauungsbücher zu beschaffen, die er übersetzen könnte. Vielleicht hat er sich sogar durch van Someren über Autoren und Titel beraten lassen. Die Schrift besteht im Wesentlichen aus ausgearbeiteten Predigten und behandelt das Thema Bekehrung im engeren Sinne, nämlich im Hinblick auf die Wiedergeburt. Schon aus dem Adjektiv „wahre“ im Titel geht die puritanische 124 Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 1: 84 f., 203; Tl. 3: 24, 49–51, 71–74, 76 f., 105–108, 133 f., 255–272, 318 f., 409, 437. Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 234. 125 Vgl. Keeble/Nuttall 1991, Bd. 2, 162, Nr. 944. 126 Vgl. Ledeboer 1972, 85; Kleerkoper/Stockum 1914–1916, Bd. 1, 743–751, Bd. 2, 1448– 1453, 1496–1501; Alblas 1987, Index of personal names, unter „Someren, Johannes van“. 127 Vgl. A. Dietz 1970–1973, Bd. 3, 117.
4.7 Richard Baxter, Die wahre Bekehrung (1673)143
Unterscheidung zwischen wahren Christen und Scheinchristen hervor, die im Text durch die Gegenüberstellung der Kennzeichen von Bekehrten und Unbekehrten und der daraus resultierenden Aufforderung, den eigenen Status anhand dieser Kennzeichen zu prüfen, entfaltet wird. Die antipuritanische Meinung, Heiligkeit sei nichts anderes als eine unnötige Präzision, wird verworfen.128 In dem Werk finden sich Zitate von Tertullian, Augustin und dem Jesuiten Robert Bellarmin sowie Verweise auf John Cotton und Thomas Ford. Die einzelnen inhaltlichen Grundgedanken und Elemente der Übersetzung werden unten dargestellt. Baxter zufolge findet sich im Menschen zwar kein Anhaltspunkt für die Gnade Gottes, wohl aber in dessen natürlichen Vernunftkräften, die zwar nicht zur Bekehrung reichen, aber einen Teil dazu beitragen, Gottes Gnade empfangen zu können. Das natürliche Licht ist dem übernatürlichen Licht untergeordnet, die Vernunft der Lehre des Glaubens. Da ein Mensch seine Glückseligkeit liebt, ist es nicht die Aufgabe eines Predigers, seine Hörer zur Suche der Glückseligkeit aufzufordern, sondern aufzuzeigen, worin man diese Glückseligkeit findet und worin nicht. Der Prediger hat die Aufgabe, seine Zuhörer zu ermahnen, ihre Vernunft gut zu gebrauchen.129 Auf die Frage, wie viele Sünden ein aufrichtiger Christ begehen darf, antwortet Baxter folgendermaßen: Herz und Leben sollen aufs Höchste gegen die Sünde gekehrt sein. Wie weit jemandes Sünde mit oder gegen die Herrschaft der Sünden und gegen die Neigung seines Herzens oder Lebens ist, kann man selbst durch fleißiges Aufmerken wissen, obwohl Baxter zugibt, dass das geringste Maß an Gnade von der Person selbst im Allgemeinen nicht erkannt wird.130 Laut Baxter missfallen die Taten der Unbekehrten Gott hinsichtlich ihres Zwecks und ihrer Ausführungsweise, sofern die Unbekehrten Gott nicht ihre Herzen öffnen. Die Werke der Unbekehrten, welche die von Gott verordneten Mittel zur Bekehrung betreffen, sind Gott vergleichsweise angenehm, weil sie von einem allgemeinen, obschon nicht von einem besonderen Glauben herrühren, und weil sie einem guten Zweck (der Seligkeit), wenn auch nicht dem höchsten Zweck (der Ehre Gottes) dienen.131 Der Einwurf der Quäker132, dass eine lange Predigtreihe über eine Bibelstelle die Gefahr in sich berge, dass der Prediger das Wort Gottes ergänzt, wird durch Baxter folgendermaßen entkräftet: Gott selbst befiehlt, dass ein Prediger sein 128
Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, 562–570. Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, [1]f. 130 Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, 185 f. 131 Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, 311 f. 132 Die Quäker (Religious Society of Friends) bildeten eine durch George Fox (1624–91) in England am Ende des Bürgerkrieges gegründete Sekte, die in der Säuberung der Kirche noch weitergehen wollte als die Puritaner. Die Bezeichnung „Quäker“ (Zitterer) verweist auf das Zittern der Anhänger unter Erfahrung des sie überkommenden Geistes. Hauptanliegen der Glaubensgemeinschaft war eine Wende zur Innerlichkeit: jeder Mensch habe einen direkten Zugang zu dem Geist, der die Heilige Schrift eingegeben hat. Die Quäker verweigerten die Bezahlung 129
144
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Wort bekanntmachen, erklären und den Menschen zugänglich machen soll. Die Behauptung, ein Prediger könnte Gottes Wort in den Predigten nach seinem Ermessen ergänzen, wird von Baxtor widerlegt, indem er darauf verweist, dass auch Anwälte und Richter im Zuge der Verteidigung beziehungsweise der Urteilsfindung nichts zum Gesetz hinzufügen könnten.133 Baxter betont die unterschiedliche Haltung der Protestanten und der römischen Katholiken gegenüber der Bibel und lehnt die römisch-katholische Schriftlehre134 sowie die Transsubstantiationslehre135 ab. Eine Trennung von der Kirche und den Exklusivitätsanspruch von Sekten weist Baxter entschieden zurück.136 Das Problem der Meinungsvielfalt hinsichtlich der Religion löst Baxter wie folgt: all diejenigen, die sich in ihren Grundgedanken einig sind und gottesfürchtig leben, gehören einer Religion an. Die fleißigen Sucher des rechten Weges, die sich auf ihrem Weg in vielen Irrtümern verstricken, werden vermutlich eher in Gnaden angenommen als Weltleute. Die meisten der sich streitenden Religionen lehren die Notwendigkeit der Bekehrung und eines heiligen Lebens zur Seligkeit.137 Baxtors Schrift ist nach der interpretationsorientierten Methode übersetzt worden: NL 313: Vraeght yemandt van diengeene de welck uyt dien staet in den welcken ghy zijt ontkomen zijn, ofse gewilligh zijn om daer heenen weder te keeren? DE 335: Fraget Jemand, der bekeret ist, ob Er gerne wieder zu seinem Stande kehren wölle?
Der Inhalt der Relativsätze wird explizit gemacht durch „der bekeret ist“. An einer Stelle wurde auf die Unterscheidung von natürlichen und sittlichen Fähigkeiten des Menschen, sowohl zur Bekehrung als auch zum Glauben, verzichtet.138 Die rechte Konfession („den rechte Gods-dienst“) wird in der Übersetzung als „Reformirte[r] Religion“ interpretiert.139
4.7.4 Editionsgeschichte Dass die erste Auflage in zwei Ausgaben erschien, lässt sich wie folgt erklären. Vermutlich wollte Francke auf diese Weise das finanzielle Risiko bei der Veröffentlichung eines so umfangreichen Buches gering halten. Dass Deusing das von Kirchenzehnten, das Eidschwören und den Waffendienst und gingen von der sozialen Gleichheit aller Menschen aus, vgl. W. A. Cooper 1997. 133 Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, 468 f. 134 Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, 93 f., 97. 135 Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, 590 f. 136 Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, 364, 585–588, 589–592. 137 Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, 537 f., 541–543. 138 NL 548–551 – DE 583. Einkürzung: NL 551 (Punkt 8) – DE 583; Auslassung: NL 552, Punkt 2 – DE 584. 139 NL 298 – DE 318.
4.7 Richard Baxter, Die wahre Bekehrung (1673)145
über 600 Seiten starke Buch teils auf eigene Kosten verlegen konnte, impliziert, dass er über die nötigen finanziellen Mittel verfügte. 1680 erschien die Übersetzung nochmals bei Francke, jetzt aber im Duodezformat. Außerdem wurde dem Werk ein Register beigefügt und am Text geringfügige orthographische Änderungen vorgenommen. Auf dem Titelblatt wird Deusing nicht erwähnt, es heißt dort schlicht: „durch einen Liebhaber der wahren Bekehrung auß dem Englischen ins Teutsche übersetzet“. 1690 wurde die Auflage des Jahres 1680, wiederum im Duodezformat, bei Johann Michael Polich140 in Frankfurt verlegt. Polich verlegte unter anderem Christian Nifanius’ Frommer Christen Wandel (1689), ein Beitrag zu Speners Pia desideria (1675).141 Polich war wohl Lutheraner. 1713 erschien eine Auflage bei Johann David Zunner Erben und Johann Adam Jung in Frankfurt, auch hier im Duodezformat. Der Titel wurde in Herrlicher Tractat von der wahren Bekehrung geändert. Der Text weist nur leichte orthographische Änderungen auf. Zunner war Lutheraner. Sein Verlag war damals der größte in Frankfurt und vielleicht sogar in Deutschland. Hinsichtlich der Produktion von Erbauungsliteratur in Deutschland stand er an der Spitze. Zunner war Hauptverleger Speners und arbeitete eng mit Johann Jakob Schütz zusammen. Er stand den Pietisten nahe.142 Jung (1675–1737) war ein Schwiegersohn Zunners, der nach dessen Tod (1704) die Leitung des Verlags übernahm.143 Auch bei den Auflagen von 1690 und 1713 wird der Übersetzer auf dem Titelblatt als Liebhaber der wahren Bekehrung bezeichnet. 1714 erschien eine Auflage bei Johann Michael Fickweiler in Frankfurt, wovon allerdings kein Exemplar bekannt ist.144 McKenzie zufolge wurde die Übersetzung auch in die von Christian Gottfried Marche (1694–1768) herausgegebene Gesammlete Moralisten-Bibliothec (1737–64) aufgenommen.145 Eine Überprüfung ergab aber, dass der Titel und Teile des Inhalts Baxters Schrift ähneln, der Inhalt aber im Ganzen gesehen recht unterschiedlich ist. Marche war Bibliothekar und Buchhändler und gehörte der Herrnhuter Brüdergemeinde an.
140
Vgl. Reske 2007, 260. Vgl. Reske 2007, 265. 142 Vgl. A. Dietz 1970–173, Bd. 3, 156–162; Benzing 1977, 1311; Benzing 1982, 135, 269; Sträter 1987, 11; A. Deppermann 2002, 336 f. 143 Vgl. A. Dietz 1970–1973, Bd. 3, 161 f.; Bd. 4.2, 508. 144 Pietas-Nummern der Auflagen: 1680: P97002392; 1690: P08038958; 1713: P08038959; 1714: P08038960. 145 Vgl. McKenzie 1984, 68, Nr. 264. Es handelt sich um Teil 4, S. 1–226. Vgl. zu der Bibliothec und zu Marche: McKenzie 1984, Tl. 1, 260 f., 273 f. Vgl. über Marche auch: Franck 1884. 141
146
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
4.8 William Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen (1674) 4.8.1 Einleitung 1674 erschienen zwei Übersetzungen von Deusing. In welcher Reihenfolge sie erschienen sind, ist unbekannt. Es ist anzunehmen, dass zunächst die Übersetzung einer Schrift William Guthries veröffentlicht wurde und dass der Titel des zweiten Werkes vom ersten abhängig ist. Guthries Schrift Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen. Oder der Probier-Stein des Gnaden-Teils an Christo erschien im Duodezformat, wiederum bei Elias Francke in Kassel. Als Drucker wird Friedrich Herzog aus Kassel genannt, der im Rahmen seiner Tätigkeit vor allem Gelegenheitsschriften und Erbauungsbücher druckte.146 Guthrie (1620–65) war ein schottischer presbyterianischer Prediger in Fenwick (1644–64). The Christian’s Great Interest (1658), eine Ausarbeitung von Predigten über Jesaja 55, ist seine berühmteste Schrift. Der bekannte puritanische Theologe John Owen (1616–83) bezeichnete sie als sein „Vade-mecum“, und gestand: „I have written several folios, but there is more divinity in it than in them all“. Das Buch wurde ins Niederländische, Deutsche, Französische und Gälische übersetzt.147 Bis 1673 erschienen fünf Auflagen des Originals.148 Von der niederländischen Übersetzung erschienen bis 1672 zwei Auflagen.149 Auf dem Titelblatt wird offengelassen, welche Fassung als Vorlage diente.150 Im Text wird darauf hingewiesen, dass ein Brief Teellincks aufgenommen wurde: „Scheide-Brieff, welchen ein bekehrter Mensch seinen begangenen angenehmen Sünden gibt. Durch Hn. Wilhelm Teelingh“.151 Dieser Brief findet sich auch in der niederländischen Übersetzung.152 Ein Vergleich mit dieser Fassung bestätigt, dass Deusing diese als Vorlage für seine deutsche Übersetzung benutzt hat:153 ENG 6: Thirdly, it determineth the heart, and causeth it to approach unto a living God in the ordinances, Psal. 65.4. and causeth the heart to lay wait upon him, and 146
Vgl. Benzing 1982, 210, 227, 390; Reske 2007, 412. Guthrie 1969; McKenzie 1984, I, 252; Wells 2004; Beeke u. Pederson 2006, 709–
147 Vgl.
713.
148 S. ESTC.
149 S. Pietas.
150 Vgl. William Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen, Kassel, Elias Francke, 1674 (Pietas P08039375), [A1r]. 151 Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen, Kassel 1674, 331–335. Dieser Brief entstammt Teellincks Schrift De worstelinghe eenes bekeerden sondaers (1631), vgl. Hof 2001c, 97. Vgl. über die Aufnahme des Briefes in einer 1703 in Bern erschienenen Übersetzung eines englischen Erbauungsbuches: Hof 2008a, 509. 152 Vgl. Guthrie, Des christens groot interest, ofte het zalig deel aan Christus, Vlissingen, Abraham van Laren, 1672 (Pietas P03039648), 189–192. 153 Benutzt wurde die folgende Auflage des Originals: William Guthrie, The Christians great interest, London, Dorman Newman, 1667 (Wing/G2270).
4.8 William Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen (1674)147
him alone, Psal. 62.5. My soul, wait thou only upon God. Thus, having dropped in the seed of God in the heart, and formed Christ there, Gal. 4.19. the heart is changed […] NL 6: Ten darden [sic], Die liefde neyght het herte, ende doet het naderen tot den levendigen Godt in de middelen der genade, Psal. 65. vs. 5. ende maackt dat het herte leght ende wacht op hem, ende op hem alleen, Psal. 62. vs. 6. Mijn ziele, van Godt is mijn verwachtinghe: En aldus het zaadt Godts uyt die Liefde in ’t hert gevallen zijnde, ende Christus daar een ghedaante gekreghen hebbende, Galat. 4. vs. 19. soo wordt het Hert veranderdt […] DE 11: Zum dritten, diese Liebe bewegt das Hertz, daß es sich zu dem lebendigen Gott, durch die Mittel der Gnade nahe. Psal. 65:5. und macht, daß das Hertze auff Ihn hoffet und harret, und zwar auff Ihn allein Ps. 62:6. „Aber meine Seele harret nur auff Gott. Wann nun solcher gestalt der Same GOTTES aus dieser Liebe ins Hertze gefallen ist“, und „Christus daselbst eine Gestalt gewonnen hat. Gal. 4.19. so wird das Hertz verendert […]“
Aus der niederländischen Übersetzung wurden auch die Zusammenfassung des Buches in Frage-und-Antwort-Form154 und das Register von Fragen und Gewissensfällen155 übernommen. Nicht übernommen wurden die Vorrede Jacobus Koelmans (1631–95), der Baxters Schrift ins Niederländische übersetzte,156 ein Gedicht von David Montanus (ca. 1630–87)157 über den Inhalt des Buches und drei Anhänge, zwei Reihen von Exempeln der Wiedergeburtserfahrung158 und eine gereimte Inhaltsangabe der Guthrie-Schrift von Montantus.159 Deusing hat die Übersetzung Charlotte, Pfalzgräfin bei Rhein, geborene Landgräfin zu Hessen, und Prinzessin Elisabeth, geborene Landgräfin zu Hessen, gewidmet.160 154 Vgl. Guthrie, Des christens groot interest, 181–188; ders., Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen, P6r–[P10r]. 155 Vgl. Guthrie, Des christens groot interest, *5r–[*8r]; Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen, 336–346. 156 Vgl. Guthrie, Des christens groot interest, *2–*4v: „Aan de Godzalige Leser, Ende in’t bysonder aan de Geestelijck-bekommerde vroome Zielen in de bloeyende Gemeente van Sluys in Vlaanderen.“ Vielleicht hatte Deusing Kontakt mit dem reformierten Prediger Koelman und wurde durch ihn zu der Übersetzung von Guthries Schrift (und gegebenenfalls zu der Übersetzung anderer Schriften) angeregt. Dagegen könnte sprechen, dass Koelman Baxter unorthodoxer Auffassungen beschuldigt hat, vgl. Alblas 1987, 79 f.; Meeuse 1996, 58 f. Koelman wurde 1679 von der Äbtissin Elisabeth von der Pfalz (1618–80) in Herford als Hofprediger berufen, aber sie machte die Berufung rückgängig, als sie vernahm, dass Koelman sich weigerte, an den Feiertagen zu predigen und das Abendmahlsformular zu gebrauchen, vgl. Krull 1972, 94. Elisabeth war eine Cousine von Hedwig Sophie von Hessen-Kassel, an deren Hof sie wohl Ende der fünfziger Jahre einige Zeit geweilt hat, vgl. Bei der Wieden 2008a, 48. 157 Vgl. Guthrie, Des christens groot interest, *8v. 158 Vgl. Guthrie, Des christens groot interest, 193–320; Jacobus Koelman, De blijcken van godtzaligheydt, vertoont en open-geleydt, in het exemplaare leven en stervan van ettelijcke vroome, Vlissingen, Abraham van Laren, 1672. Vgl. dazu Groenendijk 1981. 159 Vgl. David Montanus, Stemme des gejuygs en des heils over ’t groote interest van een christen. Ofte het deel van een geloovige: in gezangen vervat, Vlissingen, Abraham van Laren, 1672. 160 Vgl. Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen, A2r-A7v.
148
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
4.8.2 Widmung Die Seele ist das Element, das zum Innersten des Menschen gehört. Hier hat entweder Gott oder der Teufel die Herrschaft. Vor dem Fall hatte Gott die Herrschaft über die Seele, nach dem Fall der Teufel. Durch die Wiedergeburt kommt es zu einem Wechsel der Herrschaft. Die geringste Sünde, die nicht herzlich bereut, gehasst und gelassen wird, ist Feindschaft gegen Gott, und wird zu einer großen Sünde. Je kleiner der Anreiz zur Sünde ist, desto schwerer ist die Sünde zu bestimmen, weil es eine Sünde gegen Gott ist. Die Belohnung eines Menschen durch Gott entspricht dem Maß, in dem dieser Gott dient. Indem man Gott auf Erden dient, bezeugt man, dass man an Gottes Gnade in Christus teil hat. Für gnadenlose Menschen ist die Bekehrung zu Gott am wichtigsten. Hierzu soll dieses Buch nützlich sein. Deusing hat seine Erbauungsschrift aus Dankbarkeit für die ihm erwiesenen Gnaden der Fürstin und der Prinzessin gewidmet. Zwar sei sein Werk, so Deusing, äußerlich von geringer Qualität und es hätte sich gebührt, den Förderinnen als Dank ein größeres Werk darzubringen, doch der Inhalt der Schrift sei so bedeutend, dass er Deusings Unzulänglichkeit ausgleichen könne. Er hofft, dass Gott den Damen reichlich seine Gnade schenken und ihnen weitere Erkenntnis ihrer Teilhabe an Christus verleihen, allen Betrug des Teufels und des Fleisches aufdecken und sie sehnsüchtiger nach dem himmlischen Erbe machen will, so dass sie dieses einst besitzen werden.161
4.8.3 Inhalt Der Grund der Abhandlung sind zwei Irrtümer. Einerseits geben viele unter den Gnadenmitteln lebende Menschen fälschlich vor, ein besonderes Recht an Christus zu haben. Andererseits zweifeln viele Menschen aus dieser Gruppe an der Aufrichtigkeit ihrer Gottesfurcht, während sie doch guten Grund haben, sich Jesus hinzugeben. Aus diesem Grund werden zwei höchstwichtige Fragen behandelt. 1. Wie kann ein Mensch wissen, ob er einen wahren und besonderen Anteil an Christus hat? 2. Wie kann man ein Freund Gottes werden, wenn sich herausstellt, dass man es nicht ist? Bevor er auf diese Fragen eingeht, stellt der Autor einige Überlegungen an und formuliert folgende Thesen: Erstens, dass der Gläubige sich seiner Teilhabe am Verdienst Christi gewiss sein kann; zweitens, dass diese Gewissheit entscheidende Bedeutung hat; drittens, dass man selbst anhand der Heiligen Schrift prüfen kann, ob man Teil hat an Christus; viertens, dass nur sehr wenige Menschen zu dieser Gewissheit gelangen. In einem fünften Schritt weist der Autor auf einige Irrtümer hinsichtlich der Art und Weise dieser Gewissheit hin. Es gibt vier all161 Vgl. Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen, Kassel, Elias Francke, 1674, A2r–A7v.
4.8 William Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen (1674)149
gemeinen Wege, wie Gott den Menschen auf seligmachende Weise in den Bund führen kann: 1. vom Mutterleibe an oder in frühester Kindheit, 2. auf eine sanfte, „evangelische“ Weise, 3. in der letzten Todesnot, 4. durch ein deutliches und absonderliches Werk des Gesetzes (der Erniedrigung) als Vorbereitung. Die letzte Art und Weise, die über mehrere Stufen verläuft, ist die üblichste. Der Autor möchte niemanden an seine ausführlich beschriebene Erfahrung mit dem Werk des Gesetzes binden. Der erste Teil behandelt die Merkmale der Teilhabe an Christus: das Annehmen von Jesus Christus, der im Evangelium angeboten wird, durch den Glauben und die Erneuerung des ganzen Menschen. Auf die Diskussion einiger Einwände folgt die Beschreibung der besonderen Gaben des Heiligen Geistes. Der zweite Teil behandelt die Mittel, durch die man Seligkeit und Teilhabe an Christus erlangen kann. Diejenigen, die die ausgewiesenen Kennzeichen bei sich selbst nicht finden können, sollen den von Gott verordneten Rat, mit dem er die Sünder durch Jesus Christus selig machen will, herzlich annehmen. Die Unwissenden werden über den Bund unterrichtet. Obschon die meisten Menschen sich einbilden, Gott in Christus angenommen zu haben, gibt es doch wenige, die dies aufrichtig getan haben. Obwohl niemand außer den Auserwählten Christus von Herzen annehmen kann, hat Gott doch allen, die das Evangelium hören, befohlen, das Angebot der Seligkeit in Christus so anzunehmen, als ob es in ihrer Macht stünde. Man soll alle eigenen Anstrengungen zur Seligmachung fallen lassen und stattdessen Jesus Christus von ganzem Herzen als einzigen Weg zur Seligkeitanerkennen und ihn annehmen. Dazu soll man seinen natürlichen Zustand, die Feindschaft und den Ungehorsam gegenüber Gott, was letzten Endes Gottes Zorn über uns Menschen brachte, recht beherzigen, wodurch man Ekel über sich selbst empfinden und sich um Hilfe bemühen wird. Man soll völlig mit allen Sünden brechen. Der Glaube soll persönlich, herzlich, vernünftig und auf festem Fundament gegründet sein. Dem wahren Glauben folgt die Vereinigung von Gott und dem Menschen, die aus gegenseitiger Teilhabe und vertraulicher Freundschaft besteht. Beim Beantworten der Einwände, wird vor allem auf die Frage eingegangen, ob man Sünde gegen den Heiligen Geist begangen hat. Ist man im Zweifel, den Herrn Jesus aufrichtig angenommen zu haben, rät der Verfasser dazu, auf förmliche Weise Gottes Angebot der Seligkeit anzunehmen und mit ihm einen Bund zu schließen. Nur in der Form unterscheidet sich diese Bundesschließung vom bereits existierenden Bund zwischen Gott und der Seele. Auch ist die Bundesschließung keine Bedingung für das Erreichen der Seligkeit, sondern nur ein Mittel, sich der Seligkeit und Teilhabe an Christus zu vergewissern. Am Ende wird der Inhalt in Frage- und Antwortform zusammengefasst. Willem Teellincks „Scheide-Brief “, der unter anderem ein Bekenntnis der Sünden enthält, bildet den Abschluss des Werkes.162 162
Teellincks „Scheide-Brief “ wurde auch in die Übersetzung einer Schrift Richard (nicht:
150
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
4.8.4 Analyse und Übersetzungsvergleich Gewidmet war die Schrift zwei Schwestern des verstorbenen Hessen-Kasseler Landgrafen Wilhelm VI.: Charlotte (1627–80), seit 1650 verheiratet mit Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz (1617–80), sowie ihrer jüngeren Schwester Elisabeth, seit 1686 Äbtissin in Herford (s. oben).163 Nachdem Karl Ludwig sich 1657 ohne ihre Einwilligung von Charlotte getrennt hatte, kehrte sie 1662 nach Kassel zurück.164 Vermutlich setzte Deusing die Widmung gleichzeitig als Danksagung für die ihm erwiesene Gunst und als Werbungsinstrument ein: er wird sich davon versprochen haben, dass die Widmung an die zwei Fürstinnen den Verkauf seines Werkes und damit auch die allgemeine Erbauung fördern würde. Charlotte taucht auch als Widmungsempfängerin einer anderen Übersetzung auf. Peter Streithagens Cotton-Übersetzung Weg des Lebens (1662) wurde durch zwei kurpfälzische reformierte Prediger Charlotte und Elisabeth, „Geborner Princessin, auß dem Churfürstlichen Stam der Pfaltzgraffen bey Rhein, Hertzogin in Bayern“, wohl ihrer Schwägerin Elisabeth von der Pfalz165, gewidmet. Aus der Dedikation geht hervor, dass die beiden Prinzessinnen über eine umfangreiche Bibliothek englischer Erbauungsliteratur verfügten, „auß welchen man allein ein schönes lengsterwünschtes Systema Theologiæ Practicæ“ zusammenstellen könnte.166 Diese Informationen bieten möglicherweise eine Erklärung für die Verbindung zwischen Deusing und Charlotte und Elisabeth. Es wäre möglich, dass die Prinzessinen Deusing und vielleicht auch Undereyck dazu angeregt haben, die pfälzischen Bemühungen um die Erschließung englischer Quellen (s. 2.4) fortzusetzen. Ein zusätzliches Indiz dafür ist, dass auch Durie, der die früheren pfälzischen Bemühungen unterstützt hatte, am Kasseler Hof verkehrte. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass 1686 ein großer Teil der Büchersammlung von Charlotte und ihrem Sohn Karl von der Pfalz (1651–85) vom Landgrafen Karl von Hessen vererbt und nach Kassel überbracht wurde. Die Sammlung umJoseph) Alleines (1611–81) aufgenommen: Der Himmel geöffnet oder die entdeckten Reichthummen deß Gnaden-Bunds Gottes, Bern, Daniel Tschiffeli, 1703, 208–211. Dass der Brief aufgenommen wurde, geht vermutlich auf die Initiative des Übersetzers Wolfgang Christian, Pfarrer in Weinigen, zurück, der auch Erbauungsbücher von Joseph Alleine, Baxter, Johannes Martinus, John Sheffield und Thomas White ins Deutsche übersetzt hat, s. IÖB, 134, 192; McKenzie unter „General Index with Entry Numbers“. Allerdings weicht der Wortlaut des Briefes von demjenigen in der Guthrie-Übersetzung ab, so dass Christian sich nicht auf die niederländische Übersetzung gestützt haben wird. 163 Vgl. Schwennecke (Hrsg.) 1978ff, Bd. I,2, Tafel 241. 164 Vgl. Fuchs 1997. 165 Vgl. Schwennecke (Hrsg.) 1978ff, Bd. I,1, Tafel 95. 166 Vgl. John Cotton, Weg deß Lebens, Heidelberg, Adrian Wyngaerde, 1662, )(2v. Vgl. Sträter 1987, 40 f.
4.8 William Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen (1674)151
fasste eine beträchtliche Anzahl ungewöhnlicher englischer Bücher.167 Es wäre auch möglich, dass Deusing sich aus der Bibliothek der Prinzessinnen Erbauungsbücher ausgeliehen hat und die Verbindung auf diese Weise zustande kam. Guthries Werk thematisiert die Teilhabe des Menschen an Christus, die jedem zugesichert wird und die man durch die Wiedergeburt erlangt. Der Prozess der Wiedergeburt kann unterschiedich verlaufen. Es wird unterschieden zwischen wahren Christen und Scheinchristen und es werden Merkmale genannt, anhand derer geprüft werden kann, ob man wiedergeboren worden ist. Die Bundestheologie, die für den schottischen Puritanismus kennzeichnend ist,168 steht zunächst im Hintergrund und kommt in der Aufforderung, zur Versicherung der eigenen Teilhabe an Christus auf formale Weise persönlich einen Bund mit Gott zu schließen, prägnant zum Ausdruck. Die Behandlung von verschiedenartigen, kritischen Einwänden hinsichtlich der eigenen Unwürdigkeit, verleiht dem Buch einen seelsorgerlichen Charakter. Teellincks Scheidbrief war auch von Undereyck zitiert worden. 1670 stellte er ihn am Ende seiner Christi Braut unter dem Namenskürzel W. T. den spöttischen Verächtern der Gottseligkeit mit der Aufforderung zur Bekehrung vor.169 Die Übersetzung zeigt dieselbe Methode wie die früheren Übertragungen Deusings auf: NL 154: ick heb een wel-gevallen in den vondt van den Sondaers Saligh te maacken door Christus Jesus DU 277: daß Ich mit Gottes verordnetem Mittel, wodurch Er die Sünder durch Jesum Christum selig machen will, zufrieden bin.
Im Hinblick auf „den vondt“ wird expliziert, dass Gott dessen Urheber ist („Gottes verordnetem Mittel“).
4.8.5 Editionsgeschichte Folgt man dem lutherischen Theologen Michael Lilienthal170 (1686–1750) aus Königsberg, ist die Auflage Danzig 1696 eine Neuauflage von Kassel 1674.171 In 167
Vgl. Duncker 1885. Vgl. Mullan 2000. 169 „Mein endlicher Wunsch ist, daß alle spöttische Verächter, sonderlich auch denen diese wohlgemeinte Arbeit vorkommen mag, ins künfftige nicht nur abstehen wollen, den Geist der Herrligkeit, welcher auff die Kinder-Gottes ruhet, weiter zu lästern, sondern vielmehr bey guter Zeit (sintemahl niemand weiß wie lange) bedencken lernen, was zu ihrem Frieden dienet. Gleichwie ein berühmter Mann W. T. (dessen Seele unter den Geistern der vollkommenen Gerechten auf dem Berge Zion ist) nachdem er sich schon in das Welt-Wesen ziemblich vertieffet, endlich durch deß H. Geistes verborgene Ankunft, in seinem Hertzen, sich eines andern entsonnen, und seinem Gott in bußfertiger Gelassenheit, sich zu Dienst gäntzlich auffgeopffert, und folgender Gestalt ergeben“, Undereyck, Christi Braut, Tl. 3, 455, vgl. ebd., 455–459. 170 Vgl. Erbkam 1883. 171 Vgl. Michael Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, das ist: richtiges Verzeichniß, zulängliche Beschreibung, und bescheidene Beurtheilung der dahin gehörigen vornehmsten 168
152
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
einer Auflage einer Schrift aus dem Jahre 1706, auf die im weiteren Verlauf noch eingegangen wird, berichtet der vermutlich lutherische Verleger Tobias Oehrling aus Jena über seine Absicht, auf der nächsten Buchmesse eine Neuaflage von Guthries Schrift zu veröffentlichen.172 Von dieser Auflage ist kein Exemplar bekannt, wodurch nicht ermittelt werden kann, ob es sich um eine Neuauflage von Deusings Übersetzung handelte.
4.9 o. A., Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans (1674) 4.9.1 Einleitung Im Jahre 1674 erschien noch eine andere, von Deusing zusammengestellte Schrift im Duodezformat bei Elias Francke in Kassel: Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans. Das ist: eine christliche Unterrichtung, wie man sich im Kauffen und Verkauffen verhalten müsse, damit man nicht wieder Gott und Menschen sündigen; sondern, geistlichen und leiblichen Reichtum mit gutem Gewissen erhalten möge. Item, wie man sich in einem jedweden ehrlichen Beruff verhalten müsse: nebenst etlichen hochwichtigen Gewissens-Fällen und Fragen, Handel und Wandel betreffende. Auf dem Titelblatt heißt es weiter, dass es sich bei der Schrift um eine Zusammenstellung von Fragmenten aus englischen Quellen173 handle, wobei diese Quellen in der Schrift selbst nicht angegeben werden. Die Übersetzung ist mehreren Personen gewidmet: Carl Behagel, Cornelius Simons, Isaac Behagel, Benjamin Le Brün, Daniel Behagel, Jacobus von der Walt, Hieronimus Simons, Hieronimus Schönauer, Teobald Schönauer, Isaac Schönauer und Henrich Boot, vornehmen und berühmten Kaufleuten aus Hanau, Frankfurt und Kassel. Carl Behagel und Cornelius Simons waren auch Bürgermeister in Hanau, Hieronimus Schönauer war Ratsherr in Kassel.
4.9.2 Widmung Der Gegensatz zwischen Gottes Kindern und den Weltkindern spiegelt sich in der Haltung zum Himmlischen beziehungsweise zum Irdischen wider. Dies bezieht sich auf den Umgang mit Geld, die Ausführung des Berufs, die Übung der Gottseligkeit und den Gottesdienstbesuch. Man soll sich selbst prüfen, ob man Gott und den Himmel mehr als die Welt und das Geld begehrt, und auf welche Weise man sein Geld erlangt.174 Schriften welche in M. Lilienthals Bücher-Vorrath befindlich sind, Königsberg, Johann Heinrich Hartung, 1744, 532 f. Pietas-Nr. der Auflage von 1696: P08039376. 172 Vgl. Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmanns, Jena, Tobias Oehrling, 1706 (Pietas P11044771), )(12v. 173 Vgl. über die puritanische Berufsethik: K. Deppermann 1993, 36–38. 174 Deusing zitiert einen persischen Spruch, der auch bei Undereyck vorkommt. Das grosse
4.9 o. A., Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans (1674)153
Zum Schluss berichtet Deusing über den Hintergrund der Übersetzung: die vorhandene Unwissenheit über das gottselige Verhalten im Beruf hat ihn dazu veranlasst. Er präsentiert das Buch unter den Namen der Widmungsempfänger in der Hoffnung, dass es durch ihre guten Namen und weitreichenden Handelsverbindungen überall bekannt werden möge. Er wünscht ihnen, dass der Herr ihre Herzen immer mehr vom Irdischen loslöst und ihnen die köstliche Perle, die Seligkeit, offenbart, damit sie durch ihren Handel solchermaßen für das Zeitliche vorsorgen, dass ihre Seele und ihr Gewissen die ewigen Güter genießen werden.175
4.9.3 Inhalt Das Buch besteht aus sieben Kapiteln und ihm liegen verschiedenen Quellen zugrunde. Die meisten Quellen konnten entschlüsselt werden. Das erste Kapitel enthält ethische Beurteilungen verschiedener Berufe und es enthält Vorschriften, die das angemessene Verhalten in einem als zulässig erachteten Beruf betreffen. Grundlage dieses Kapitels ist 1. Kor. 7,20, „Ein jeglicher bleibe in dem Beruff, darinnen er berufen ist.“176 Dieses Kapitel ist eine Kurzfassung von Perkins’ A treatise of the vocations or callings of men (1603).177 Im Zuge eines Textvergleichs hat sich herausgestellt, dass der deutschen Fassung eine niederländische Übersetzung als Vorlage diente:178
Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel, Elias Francke, 1674 (Pietas P11044770), A5v: „Die Persianer sagen: Mundus Cadaver est, & sequentes eum, Canes, das ist, die Welt ist das Aaß, und welche derselben nachlaufen, seynd Hunde“; Undereyck, Christi Braut, Tl. 3, 340: „Oom. Turckd. Afd. 11. p. 169. Die Persianer haben auch diesen Spruch: (…) Item. Die Welt ist ein todtes Aas, und seynd alle Hunde, die sie begehren.“ Das Zitat stammt aus Simon Oomius’ Het geopende en wederleyde muhammedisdom of turckdom (Amsterdam 1663). Oomius (1630–1706) war ein Anhänger der Nadere Reformatie. 175 Vgl. Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, A2r-A7v. 176 Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, 1. 177 Die Schrift wurde nicht neu aufgelegt, s. ESTC. 178 Vgl. William Perkins, A treatise of the vocations, or, callings of men, [London], John Legat, 1603 (STC [2. Aufl.]/19751.5); ders., Een verhandeling van de beroepingen, of ampten der menschen, in: ders., Verscheydene uytnemende ziel-stichtende werken, verhandelende, de zuyvere, krachtdadige, oeffenige-Godt-geleertheyt, Bd. 3, Amsterdam, Johannes van Someren, 1663 (Pietas P97003336), 265–296. Der Bearbeiter des dritten Teils dieser gesammelten Werke (3 Bde., 1659–63) ist P. H. (Petrus Heringa). Bis einschließlich 1610 erschien die Schrift auf Niederländisch zweimal separat und einmal in den gesammelten Werken von 1663, s. Pietas. Schon 1665 erschien zu Nürnberg eine deutsche Übersetzung der vollständigen Schrift ohne Angabe des Autors mit einer Vorrede des Nürnberger Pfarrers Johann Michael Dilherr (1604–69): Gründlicher Bericht vom Beruff, und dessen Eigenschaften. Vgl. McKenzie 1997, 10, Nr. 27. Deusings Fassung ist viel kürzer als diese Fassung und weicht auch in Formulierung und Wortwahl von dieser ab. Später erschien die Nürnberger Fassung noch in der Gesammleten MoralistenBibliothec, vgl. „Vom Beruff und dessen Eigenschafften“, in: Gesammlete Moralisten-Bibliothec, Bd. 5., Leipzig/Görlitz, Marche, 1739, 368–530.
154
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
ENG 4: but these and all such miserable courses of liuing, are either against the word of God […] NL 266: Maar deze en alle zoodanige ellendige gangen om den kost te winnen, zijn of tegen het woordt Godts […] DE 4: diese und dergleichen Berufe aber, das Brot dadurch zu gewinnen, seynd entweder dem Wort GOttes zu wieder ENG 27: suffered rogues, beggars, vagabonds NL 271: „Rabauwen“, „Bedelaars“ en „Landtloopers“ DE 16: Alle landläuferische Bettler ENG 28: for onely to waite, and giue attendance, is not a sufficient calling NL 271: want alleenlijk te wachten op hare Heeren en op haar te passen, en is geen genoegzame beroepinge DE 17: Dann, allein seinem Herrn auffwarten, ist kein genugsamer Beruff
Im ersten Beispiel hat Deusing interpretationsorientiert übersetzt („gangen“ wird als „Berufe“ interpretiert), in anderen Fällen ging es ihm um die Beibehaltung der Bedeutung. Im Hinblick auf das Original hat Deusing zahlreiche Kürzungen vorgenommen und unter anderem kulturspezifische Elemente des Originals ersetzt oder weggelassen.179 Das Kapitel beginnt mit einer Definition des Begriffes „Beruf “. „Beruf “ bezeichnet demnach eine gewisse, von Gott verordnete und allen Menschen anbefohlene Tätigkeit im Leben beziehungsweise in der Welt, die zum allgemeinen Wohl beiträgt. Es gibt zwei allgemeine Regeln: 1. Der Mensch soll sich völlig seinem Beruf widmen und sich nicht durch Nebenbeschäftiguungen ablenken lassen. 2. Jeder soll seinen Beruf mit Fleiß ausüben. Jeder Beruf ist auf eine heilige und rechtmäßige Weise auszuüben. Dazu gibt es drei Bedingungen: eine gute Wahl, ein guter Einstieg in den Beruf sowie ein guter Fortgang und ein gutes Ende. Der gute Fortgang im Beruf wird durch die folgenden Bedingungen konkretisiert: die beruflichen Pflichten müssen auf ein gutes Ende abzielen. Alle Werke sind eigene, nützliche und nötige Werke, die auf eine heilige und gerechte Weise ausgeführt werden. Der Berufstätige ist Gott angenehm. Er heiligt seine Werke durch Lektüre der Bibel, meidet Sünden, zum Beispiel Geiz, durch Übung der Tugenden und durch Gebet und Standhaftigkeit. Am Zeugnis des eigenen Gewissens kann man ablesen, ob man seinen Beruf auf eine gute Weise beendet hat. Das zweite Kapitel lehrt auf Grundlage von 1 Kor 7,30, wie man sich beim Kaufen und Verkaufen verhalten soll: „Die da kauffen, als besessen [sic] Sie [sic] es nicht.“180 Berufstätige gehen die Verpflichtung ein, Waren zu kaufen und zu verkaufen. Dabei sollen sie die Güter so gebrauchen, als ob sie diese nicht besäßen. Der Kauf von Gütern unterliegt strengen Regeln in Bezug auf den Wert, 179 Auffallend ist auch die Ersetzung von „Pacht-hoeven“ (NL 280) durch „Laden oder Winckel“ (DE 35). 180 Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, 65–88.
4.9 o. A., Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans (1674)155
auf Falschgeld, Zahlungsfristen, Gewinne und auf das Kaufen am Sonntag. Auch gibt es Waren, die verboten sind, zum Beispiel geistliche Dinge (Gaben des Heiligen Geistes, Kirchengüter), gestohlene Güter, Gedenkzeichen und Reliquien der Abgötterei. Auch Menschenhandel wird strengstens untersagt. Abschließend wird bemerkt, dass man sich vor unrechtmäßigem Handel hüten soll und dass man die Wahrheit kaufen und nicht verkaufen soll. Verwiesen wird damit auf zwei Personen der griechischen Antike: Diogenes und Photion. Dieses Kapitel beruht auf der achten Predigt des englischen presbyterianischen und nonkonformistischen Predigers Christopher Loves181 (1618–51) The Christians directory, tending to guid him in those severall conditions which Gods providence may cast him into (1653).182 Deusing hat als Vorlage eine niederländische Übersetzung benutzt und der bedeutungsorientierten Methode gemäß übersetzt:183 ENG 66: Do not make Vows and Protestations that you will give no more for a Commodity then what you have first offered, when afterwards you must, and do give more. NL 444: En segt niet, noch en stater niet op, dat ghy voor eenige ware niet meer geven en sult dan ghy eerst gepresenteert hebt, wanneer ghy daar naar meer moet geven, en ook meer geeft. DE 70: Saget nicht, und stehet nicht so fest darauff, daß Ihr für diese und jene Waaren nichts mehr geben wolt, als Ihr anfänglich gebotten, da Ihr doch hernach mehr müsset geben, und auch gebet.
In Kapitel drei wird das Verkaufen noch strenger reglementiert. Es ist verboten, unnötige Worte zu gebrauchen, Waren unberechtigt zu loben, falsches Gewicht und Maß zu benutzen, falsch, zweideutig und unaufrichtig zu reden, die Unerfahrenheit und Einfältigkeit des Käufers auszunutzen, Waren zu verfälschen, als erster Verkäufer die Preise der Waren zu erhöhen, am Tag des Herrn zu verkaufen und verbotene Ware zu verkaufen, wobei die Liste dieser Waren ergänzt wird. Es ist verboten, Sklaven, sich selbst, Waren für gottlose Zwecke und Waren, die nicht ohne Sünden gebraucht werden können, zum Beispiel Puder und Make-Up, zu verkaufen. Danach werden noch einige Gewissensfälle behandelt. Hier wird einmal auf Perkins verwiesen, dessen Vorschlag, dass man dieselben Waren 181 Vgl. über Love und die Rezeption seiner Schriften in den Niederlanden: Hof/Huisman (Hrsg.) 2013; vgl. über die internationale Rezeption: Kamp 2013a; über die Methoden der niederländischen Übersetzern seiner Schriften: Kamp 2013b. 182 1658 erschien eine zweite Auflage, s. ESTC. Undereyck hat später in seinem Närrischen Atheist ein Zitat von Love als eins der Leitsprüche benutzt, vgl. Undereyck, Der närrische Atheist, 453. 183 Vgl. Christopher Love, The Christians directory tending to guide him in those severall conditions which Gods providence may cast him into, London, John Owsley, 1658 (Wing [2. Aufl.]/L3146); ders., „Eens christens onderrichtinge; dienende om hem te geleyden door al ’t gene hem in dese wereldt door Godts voorsienigheydt overkomt“, in: ders., Theologia practica, dat is: alle de theologische wercken, 4. Aufl., Amsterdam, Jan Hendricksz. Boom Witwe, 1669 (Pietas P97002878), 418–472. Der Übersetzer ist Abraham van Laren (1633–79). Die achte Predigt findet sich auf S. 443–446. Bis 1669 erschien die Schrift auf Niederländisch einmal separat und zweimal in den gesammelten Werken Loves, s. Pietas.
156
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
jeden Tag und zu jeder Uhrzeit zum gleichen Preis verkaufen sollte, abgelehnt wird.184 Die These, dass man durch Aufrichtigkeit im Handel zum Bettler werde, wird ins Gegenteil verkehrt: Aufrichtigkeit sei das beste und einzige Mittel, um reich zu werden. Dieses Kapitel beruht auf der neunten Predigt von Love.185 Im vierten Kapitel wird das bisher Behandelte auf Grundlage des achten Gebots bewiesen. Dazu wird zunächst das Wort „stehlen“ definiert: Stehlen bedeutet, nach dem Gut eines anderen zu trachten, sei es durch Betrug oder durch andere ungebührliche Mittel. Verboten wird im Allgemeinen die Schädigung der Güter seines Nächsten, Faulheit sowie Geiz. Im Gegensatz zum letzten Kapitel werden hier Perkins Ansichten befürwortet; Es hat sich herausgestellt, dass diesem vierten Kapitel eine Übersetzung von Perkins’ Erklärung des achten Gebotes aus A golden chaine, or the description of theologie, containing the order of the causes of saluation and damnation (1591) zugrunde liegt.186 Im Allgemeinen wird zur Bewahrung und Förderung der Güter seines Nächsten aufgefordert. Im Besonderen soll man die Güter rechtmäßig gebrauchen und aufrichtig handeln. Deusing hat die niederländische Übersetzung187 als Vorlage benutzt. Im Textverlauf lassen sich in den Übersetzungen dieselben Abweichungen vom englischen Original feststellen.188 ENG 282: To steale, is properly to convey any thing closely from another. […] And in this place it signifieth generally, to wish that which is another mans, to get it by fraud, and any way to impaire his wealth. NL 59: Steelen, beteekent eighentlijck iets van een ander heimlijk wegh neemen […] Het beteekent in’t ghemeen, naa een anders ghoet te trachten, het zy door bedrogh, of andere middelen. DE 111: Stehlen bedeutet eigendlich, etwas heimlicher Weise weg nehmen […] Ins gemein aber bedeutet stehlen so viel, alß „nach eines Andern Gut trachten, es sey durch Betrug, oder, durch andere ungebührliche Mittel. 184 Vgl. Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, 102: „Herr Perkinsius in seinem ersten Buch über das achte Gebot …“. 185 Vgl. Love, „Eens christens onderrichtinge“, 447–450. 186 Bis 1626 erschienen elf Auflagen, s. ESTC. 187 Der Titel dieser Übersetzung lautet De gulden keten. Bis 1657 erschienen drei Auflagen dieser Schrift. 1659 erschien die Schrift dann noch in den gesammelten Werken (s. unten). 188 Vgl. Perkins, A golden chaine, or, The description of theologie containing the order of the causes of saluation and damnation, London, John Legatt, 1621 (STC [2. Aufl.]/19664.5), 281– 302; ders., Een ghulde keeten, of beschrijving der ghod-gheleertheit … waar by ghevoeght is de order van Theodorus Beza, ghebruikt tot vertroosting van de verslaaghene gheweetens, in: ders., Alle de werken, Bd. 1, Amsterdam, Johannes van Someren, 1659 (Pietas P97003336), 14–129, dort 59–62. Der Bearbeiter der ersten zwei Teile der Perkins-Ausgabe ist Hendrik Uilenbroek aus Amsterdam, der dort das Amt des sogenannten Krankentrösters ausübte. Die Erklärung der Zehn Gebote war schon 1604 und 1606 auf Deutsch erschienen, vgl. Perkins, Christliche und gründtliche Erklärunge, der zehen Gebott, und Gebets deß Herren, Hanau, Wilhelm Antonius, 1604, 96–107; ders., Catechismvs des hochgelehrten, frommen und berümbten Herren Gvilelmi Perkinsi, Basel, Jakob Trew, 1606, 112–126. S. McKenzie 1997, 330, Nr. 1375; 332, Nr. 1378. Die Formulierung bei Deusing weicht aber von diesen Fassungen ab.
4.9 o. A., Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans (1674)157
Deusing bezeichnet in seiner Übersetzung die „middelen“ als „ungebührlich“. Kapitel fünf bespricht verschiedene Gewissensfälle über Handel und Wandel. Thematisiert werden unter unter anderem Kontrakte, Wert, Wucher und Wiedererstattung. Zitiert werden Augustin und der griechische Schauspieler Menander. Die Gewissensfälle sind, wenn auch in anderer Reihenfolge, größtenteils aus William Ames’189 (1576–1633) De conscientia et eius jure, vel casibus190 (1630) übernommen worden, einige andere aus Joseph Halls Resolutions and decisions of divers practical cases of conscience191 (1649).192 Ames war ein englischer nonkonformistischer und kongregationalistischer Theologe, der seit 1610 in den Niederlanden wohnte und einige Zeit an der Universität Franeker lehrte. Er lehnte die Neutralität der Adiaphora ab. Hall war Bischof in der Church of England. Innerhalb der Streitigkeiten zwischen den Remonstranten und den Contraremonstranten versuchte er, mit einer via media zu vermitteln. Das Episkopat und die Liturgie der anglikanischen Kirche sah er als den besten Mittelweg zwischen den Extremen des Nonkonformismus und des römischen Katholizismus. Hall bevorzugte eine praktische Moraltheologie, die er als für alle Protestanten annehmbar betrachtete. Bestimmte Dinge sah er als Adiaphora (Mitteldinge), die man sowohl auf eine gute wie eine böse Weise gebrauchen könnte. Halls Erbauungsbücher gehörten zu den populärsten Schriften dieser Gattung in England.193 Undereyck hat in Christi Braut Ames’ Casus conscientiae umfassend zitiert.194 Im Hinblick auf die übernommenen Fragmente von Ames, folgt der deutsche Übersetzer an den Stellen, wo das lateinische Original von der englischen und niederländischen Fassung abweicht, dem Original. Außerdem hat der Übersetzer lateinische Zitate und Begriffe übernommen:195 189
Vgl. Sprunger 1962; Vliet 2002; Sprunger 2004. 1643 erschienen 5 englische Auflagen, s ESTC. Bis 1670 erschienen elf lateinische Auflagen, s. ESTC u. STCN (s. unten). 191 Bis 1659 erschienen 5 englische Auflagen, s. ESTC. Vgl. über diese Schrift: Kinloch, 132– 136. 192 Nicht nachgewiesen werden konnten die Quellen folgender Fragmente: Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, 154–156 (K. 5, Fr. 9: Sind die Kinder schuldig, dasjenige wiederzugeben, was ihre Eltern durch Wucher bekommen haben und durch Erbschaft auf sie gebracht haben?), 171–172 (K. 5, Fr. 14: Durch was für Kennzeichen kan man muthmassen, ob iemand seinen Reichthum zuläßiger Weise bekommen hat?). 193 Vgl. Kinloch 1951; Huntley 1979; Tourney 1979; McCabe 1982; Marigold 1995; McCabe 2008. 194 Vgl. Undereyck, Christi Braut, [2)(8r], Tl. 1: 18, 74 f., 159 f.; Tl. 2: 14, 30, 57 f.; Tl. 3: 16, 48, 100, 175 f., 192, 238–241, 307. 195 Vgl. William Ames, Conscience with the power and cases thereof, London, E. G., J. Rothwell, T. Slater, L. Blacklock, 1643 (Wing/A2995); ders., Vyf boecken van de conscientie en haar regt of gevallen, Amsterdam, Gerrit van Goedesbergh, 1669 (Pietas P97004382). Für die lateinischen Vorlage gibt es folgende Möglichkeiten: Amsterdam, Johannes Janssonius, 1630, 1631, 1634, 1643, 1654 (zwei verschiedene Auflagen), 1660; Franeker, Barent Adriaensz Berentsma, 1635; Oxford, William Hall/Joh. Adams, 1659; Amsterdam, Dirk Boom, Hendrick Boom, 1670 190 Bis
158
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
ENG 228: as if one being taken by a theife, should promise a summe of money to be freed LA 389: ut si captus à latrone promittat tertio pecuniæ summam ut ab ipso liberetur NL 660: gelijk zo ymand van een struyk-rover gevangen zijnde aan een derde somme gelts belooft, om van hem verlost te worden DE 126: wan Jemand von einem Mörder angetastet, zum drittenmahl eine gewisse Summe Geldes zu zahlen verhiesse, damit Er sein Leben behalten möge ENG 231 f.: Hence that division of Contracts; by which some are said to bee according to upright meaning, others to bee according to the strictnesse of the law, is not accurate, and hath not place either in the Court of Conscience, or before God […] Therefore in all Contracts, wee should proceed according to right, and good […] LA 393: Hinc divisio illa contractum, qua alii dicuntur esse bonæ fidei, & alii stricti juris, non est accurata, neq; locum habet in foro conscientiæ & coram Deo. […] In omnibus igitur contractibus procedendum est ex æquo & bono […] NL 665: Dieshalven de afdeylingh der verbonden, waar door eenighe worden ghesecht van goede trouwe te zijn, en andere van naauw recht, niet naauwkeurich is, noch in de Vier-schaar van Conscientie ende voor Godt plaatste heeft. […] Men moet dan in alle verbonden pleyten en rechten na billikheydt en reden […] DE 131: Daher ist der Unterscheid zwischen den Contracten, welche von Treu und Glauben Ihren Nahmen haben, und zwischen denen, welche strengen Rechtens seynd, (Contractus bonæ fidei & stricti juris) nicht richtig, noch für Gott in dem Gewissen gültig. […] Muß man derowegen in allen Contracten mehr nach Recht und Billigkeit (ex aequo & bono) verfahren […]
In beiden Fällen finden Interpretationen statt: „ut ab ipso liberatur“ wird als „damit Er sein Leben behalten möge“; „locum habet“ als „gültig“ sein interpretiert. Übernommen sind Kapitel 42 bis einschließlich 44 des fünften Buches,196 sowie die Hälfte des vierten Kapitels dieses Buchs.197 Ausgelassen ist die Ausarbeitung der Sünde der Simonie, wo der Kauf und Verkauf der Benefizien, die bestimmt sind für den Erhalt der Diener Gottes, abgelehnt werden. Wahrscheinlich stimmte Deusing dieser Sichtweise nicht zu oder sie verletzte ihn, war er doch später Kapitular in Herford.198 Bei den Fragmenten von Hall hat Deusing sich der niederländischen Übersetzung angeschlossen, die er allerdings gekürzt wiedergibt:199 (s. ESTC u. STCN). Auch möglich als Vorlage ist die von Mattias Nethenus herausgegebene Ausgabe aller lateinischen Schriften: Ames, Opera quae Latinè scripsit, omnia, Matthias Nethenus, Amsterdam, Johannes Janssonius, 1658. Für den Übersetzungsvergleich wurde benutzt: De conscientia et ejus jure, vel casibus libri quinque, Oxford, William Hall, Joh. Adams, 1659 (Wing/A2996). 196 ENG 227–244; LAT 388–402; NL 659–681; DE 124–154 (Frage 1–9). 197 ENG 117–123; LAT 283–286; NL 481–486; DE 172–180 (Frage 15–21). 198 Vgl. LAT 390–392, dort Abschn. 6., 391: „qui in ordine ad illam vocationem, emunt aut vendunt illa quæ destinata sunt ministrorum sustentationi, quæ beneficia solent vocari“. Vgl. DE 129 f. 199 Joseph Hall, Resolutions and decisions of divers practical cases of conscience, London, R. Hodgkinson, J. Grismond, 1659 (Wing, H 409A); ders., Een tractaet van de gevallen der con-
4.9 o. A., Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans (1674)159
ENG 21: or whether in the confidence of his owne skill, without moving any question, hee enter resolutely, (de bene esse) upon the bargained commodity […] NL 20: Dan of hy steunende op sijn eygen kennisse en oordeel, sonder na yets te vernemen, de veraccordeerde Waeren vrymoedigh aenslae […] DE 157: Oder, ob der Käufer sich auff seine eigene Wissenschafft und Urteil verlassen, und nach nichts gefragt, sondern die gefeilschte Waaren freywillig erhandelt habe?
Deusing hat „aenslae[n]“ als „erhandeln“ interpretiert. Übernommen werden aus den ersten Zehn die folgenden Fälle: drei,200 fünf,201 sieben,202 neun203 und zehn.204 Dem sechsten Kapitel liegt wiederum 1. Kor. 7,30 zugrunde; jetzt wird der rechtmäßige Gebrauch des Reichtums behandelt. Ein Christ soll sich aufs Höchste vor unmäßiger Liebe zu den von ihm erworbenen Gütern hüten. Unmäßigkeit ist an ihren Folgen zu erkennen: Zurückhaltung bei der Betrachtung der geistlichen Sachen, übermäßige Beschäftigung mit irdischen Sorgen, fleischliche Wohllüste, Hoffart, Unbarmherzigkeit, Verachtung der Armen, Vertrauen auf seinen Reichtum und Unersättlichkeit. Aller irdische Trost ist ungewiss und unbeständig im Vergleich mit dem Himmel. Dieses Kapitel beruht auf der zehnten Predigt von Love, wovon etwa die erste Hälfte übernommen wurde.205 Das siebte und letzte Kapitel lehrt, wie man sich gegenüber anderen Menschen zu verhalten hat, und es warnt vor Geiz und irdischer Gesinnung. Im Text finden sich Zitate von Augustin und Bernhard von Clairvaux. Auch dieses Kapitel ist aus Fragmenten unterschiedlicher Quellen zusammengestellt worden. Es enthält drei Fragmente aus Robert Boltons Some generall directions for a comfortable walking with God (London 1625; s. unten). Bei der Kapitelüberschrift und den einleitenden Worten handelt es sich um Ergänzungen des Verfassers. Der erste Fragment enthält die Forderung, für das Verrichten allgemeiner Werke Gottes Wort und ein zartes Gewissen als Maßstab zu nehmen. Alle rechten und löblichen Werke, so die These, stimmen mit Gottes Wort überein. Als Vorlage diente die niederländische Übersetzung:206 scientie, voor soo veel de practycke belanght, Amsterdam, Jan Hendricksz Boom, 1660 (Pietas P01036768). Der Übersetzer ist Johannes Grindal (1616?–96). 200 ENG 19–24, NL 19–23, DE 156–160 (Frage 10). 201 ENG 30–38, NL 28–35, DE 160–164 (Frage 11). 202 ENG 47–54, NL 42–48, DE 164–171 (Frage 12–13). 203 ENG 61–66, NL 54–58, DE 181–185 (Frage 23). 204 ENG 66–70, NL 59–62, DE 185–188 (Frage 24). 205 Vgl. Love, „Eens christens onderrichtinge“, 450–455. 206 Vgl. Robert Bolton, Some generall directions for a comfortable walking with God, London, John Legatt, Edmund Weaver, [J. Crooke], [R. Sergier], 1638 (STC [2. Aufl.]/3254), 149– 154; ders., Sommige generale aenwijsingen, tot een troostelijcke wandelinge met Godt, Utrecht, Willem Snellaert, 1654 (Pietas P98019649), 256–265; Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, 201–209.
160
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Bolton ENG 153: but let it bee seasonable for the circumstance of place, or else it may loose ist sweet-smelling favour in the nostrils of God, and bee tainted with * Pharisaisme. Bolton NL 263: de omstandigheden van tijt ende plaetse, moeten gelegen zijn, ofte sy sullen hare wel-rieckende reucke verliesen voor de neuse Godts, ende met Pharisesche schijn-heyligheyt besmetten […] DE Kaufman 1674, 208: die Umstände aber der Zeit, und des Ohrts, müssen sich dazu schicken, oder, Sie werden Ihren angenehmen Geruch für Gott verlieren, und dieselbe mit Phariseischer Schein-Heiligkeit besudeln.
Deusing hat hier auf bedeutungsorientierte Art und Weise übersetzt. Das zweite Fragment handelt von den besonderen Werken. Man soll erstens andere Leute so behandeln, wie man selbst von ihnen behandelt werden möchte. Zweitens soll man sich mit beständiger Abscheu der Begierde nach Gütern, die durch böse Mittel erlangt werden, widersetzen. Drittens soll man sein Herz nicht den irdischen, sondern den ewigen Gütern verpflichten. Wer zu sehr den irdischen Gütern anhängt, wird auf dreierlei Weise gestraft: durch den Verlust der Güter, durch das Kreuz sowie durch Unersättlichkeit und eine Erhärtung des Herzen, was zu Geiz führt. Dieses Fragment stammt ebenfalls aus Boltons Schrift.207 Im Anschluss erfolgt eine Charakterisierung des Geizes.208 Die Quellen, auf denen dieser Textabschnitt zurückgeht, konnten nur teilweise ermittelt werden.209 Das dritte Bolton-Fragment beantwortet die Frage, wie man wissen könne, ob der Geiz die Herrschaft in einem hat.210 Nur die Antwort wurde von Bolton übernommen. Die Frage, ob man sich keineswegs auf Reichtum, Freunde und dergleiche äußerliche Hilfsmittel verlassen dürfe, wird mit der Aussage beantwortet, dass man sich ganz auf Gott und nicht auf äußere Mittel verlassen sollte. Das letzte wäre geistliche Hurerei. Dieses Fragment stammt aus Sibbes’ The souls conflict with it selfe, and victory over it selfe by faith (London 1635), ist aber stark gekürzt und am Ende hat Deusing einige Schlussworte hinzugefügt.211 Es bleibt unklar, welche Vorlage Deusing bei der Übersetzung des Fragmentes gebraucht hat: ENG 296: Oh if we had but faith to answer those glorious truths which God hath revealed, what manner of lives should we leade!
207
ENG 207–228, NL 255[=355]–388, DE 1674, 210–227. Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, 227–243. 209 Zwei Punkte, die Charakterisierung von Geiz als Abgötterei und Wurzel allen Übels, stammen von Perkins, Een ghulde keeten, 59 f. 210 ENG 289–294, NL 491–497, DE: 243–253. 211 Vgl. Vgl. Sibbes, The soules conflict with itselfe and victory over itselfe by faith, London, R. D., John Williams, 1658 (Wing/S3746), 288–296; ders., Der zielen selfstrijdt, en overwinninge over haer selven door het gheloof, Haarlem, Hendrick van Marcken, 1659 (P97003730), 253– 260; Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, 253–258. 208
4.9 o. A., Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans (1674)161
NL 259 f.: Och! soo wy slechts geloof hadden om ons te voegen na die heerlijcke waerheden die Godt gheopenbaert heeft, wat een manier van leven souden wy aenstellen? DE 258: Ach! So wir nur Glauben hätten, und die herrliche Offenbahrungen der Warheit und Verheissung GOttes, verstehen lernen wolten, was für ein tröstliches und erfreuliches Leben würden wir alsdan führen?
Der Übersetzer hat an zwei Stellen eine Interpretation vorgenommen: „voegen“ (sich fügen) wird als „verstehen lernen“ interpretiert, „manier van leven“ (Lebensweise) als „tröstliches und erfreuliches Leben“. Auf das letzte Kapitel folgt eine „Wohlgemeinte Erinnerungs-Regel für einen jungen Kauff- und Handelßmann, darnach er sich zu richten, wan er nicht verderben will.“ Ein aufrichtiger, redlich handelnder und fleißiger Kaufmann ist zu rühmen; einen Kaufmann dagegen, der seine Erträge verschwendet, pflegt man „ein UnChrist, ein rechter Jude und Teuffelsgenoß“212 zu nennen. Diejenigen, die aufrichtige Kaufleute sein möchten, müssen 44 ins Detail gehende Regeln beachten, die folgendermaßen zusammengefasst werden können: fürchte Gott, ehre die Obrigkeit, liebe deinen Nächsten. Das Werk schließt ab mit einem Gedicht, in dem das Leihen verurteilt, die Barbezahlung dagegen empfohlen wird: Weg leihen, und Borgen, Machet nur Sorgen. Besser bezahlt mit baarem Geld, Daß mir auch am liebsten gefällt […]213
Die Autorschaft der Erinnerungsregel und des Gedichtes konnte nicht ermittelt werden.
4.9.4 Analyse und Übersetzungsvergleich Undereyck hatte in der Vorrede zu Christi Braut geschrieben, dass sein Kompendium mit einer Ethik von Gewissensfällen für die weltlichen und geistlichen Verrichtungen in allen Ständen und Berufen ergänzt werden könnte.214 Vielleicht ist Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans Deusings Entwurf dazu. Undereyck könnte bei dieser Ethik durchaus an die Bremer Kaufmannschaft gedacht haben.215 212 Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, 260. Auf S. 265 wird der Leser vor den Juden gewarnt: man solle nicht alles und jedem glauben, insbesondere den Juden nicht. 213 Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, 272. 214 Vgl. Undereyck, Christi Braut, 2)(2r–2)(3r. 215 Anlässlich des Todes von Johann Zobel (s. K. 3), verfasste der Bremer Prediger und Undereyck-Schüler Blasius Reuter (s. 3.6) ein Trauergedicht unter dem Titel „Der Beste Kauffmann“. Darin stellte er einem nur auf das Irdische gerichteten Kaufmann einen wahren Christen gegenüber, dessen höchstes Gut Christus ist, vgl. Barthold Baltzers, Officium supremum
162
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Deusing hat im Hinblick auf die Vorlagen seiner Übersetzungen auf Verlagsprodukte niederländischer Verleger zurückgegriffen, die zum Teil auf der Frankfurter Buchmesse anwesend waren: Johannes van Someren, die Gebrüder Boom und Johannes Janssonius.216 Außerdem hatte Johann Jakob Schütz, mit dem Deusing in Kontakt stand (s. unten), sehr gute Verbindungen zu den Gebrüdern Boom.217 Wer waren die Kaufleute, denen Deusing die Schrift gewidmet hat? Bei den Kaufleuten aus Hanau und Frankfurt handelt es sich fast ausschließlich um Mitglieder der niederländischen reformierten Gemeinde in Frankfurt, die ursprünglich eine Migrantengemeinde war.218 Carl Behaghel, der Sohn des Frankenthaler Goldschmieds Abraham Behaghel (1579–1627) und dessen Frau Ida Curhase, war Tuchhändler. Die BehaghelFamilie stammte aus Ypern in Westflandern, war nach Frankenthal ausgewandert und aufgrund des Dreißigjährigen Krieges nach Hanau gezogen. Mit Isaac Behaghel kann Carls Bruder oder Carls Sohn gemeint sein. Ersterer war Tuchhändler in Frankfurt, letzterer (1648–1721) führte seit 1676 als Tuchhändler den ersten großen englischen Manufakturenhandel Frankfurts, zusammen mit seinem Vetter Jacob van de Walle, dem Jüngeren.219 Da Carls Sohn Isaac erst seit 1676 als Tuchhändler tätig war, wird Deusing seine Schrift Carls Bruder Isaac gewidmet haben. Über Cornelius Simons ist nichts bekannt.220 Benjamin le Brün kam aus Nürnberg und war ein Sohn Cornelius le Bruns. 1671 heiratete er in Hanau Johanna Simons,221 die Witwe von Carls Bruder Jacob Behaghel, der Ratsherr in Frankenthal war. Daniel Behaghel (1625–98) war ein anderer Bruder von Carl. Er war Spezereihändler und heiratete 1654 in Mülheim am Rhein Magdalena von Mastricht. Seit 1661 führte Daniel zusammen mit seinem Verwandten Jacob van de Walle dem Älteren gemeinsam eine Porzellanmanufaktur in Hanau, welche die erste Fabrik in Hanau war. Daniel und Jacob führten die Manufaktur sehr erfolgreich und sie hatten weitreichende Verbindungen ins In- und Ausland. Behaghel und quod vior … dn. Johanni Zobel … exhibere voluit, debuit, [Bremen] [1683], 2–4 (SuUB Bremen CS LVI Nr. 40). 216 Vgl. A. Dietz 1970–1973, Bd. 3, 117. 217 Vgl. A. Deppermann 2002, 339 f. 218 Wenn nicht anders angegeben, wurden mir diese Daten freundlicherweise von Frau Monika Rademacher, Stadtarchiv Hanau, mitgeteilt. Sie hat diese unter anderem auf Basis der Kirchenbücher der niederländischen reformierten Gemeinde in Hanau ermittelt, E‑Mail vom 13.11.2009. 219 Vgl. A. Dietz 1970–1973, Bd. 4, Tl. 1, 300–303. Vgl. zu der Familie Behaghel: Seyfert 1986. 220 In den Hanauer Kirchenbüchern taucht ein älterer Cornelis Simons (van Alphen) auf, der aber früher lebte, und zwar von 1560 bis 1640. 221 Ob sie mit Cornelius, Johanna und Hieronimus Simons (van Alphen, s. unten) in Verbindung stand, und wenn ja, in welcher Form, ist unklar.
4.9 o. A., Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans (1674)163
van de Walle waren wiederholt Diakone und Älteste in der deutschen reformierten Gemeinde in Frankfurt. Van de Walle (1631 – ca. 1694), ein Sohn Wilhelms van de Walle aus Rotterdam, heiratete 1655 in Hanau Johanna Simons van Alphen (1636–1715), die Tochter des aus einem alten niederländischen Adelsgeschlecht222 stammenden Hieronymus Simons van Alphen (1596–1651) und der erwähnten Ida Curhase (in ihrer zweiten Ehe). Behaghel und van de Walle hatten geschäftliche und religiöse Kontakte mit Johann Jakob Schütz aus Frankfurt. Daneben traten sie als Verbindungsmänner zwischen Schütz und Philipp Erberfeld und anderen Reformbestrebten, unter ihnen John Durie in Kassel, auf. Van de Walle war auch ein guter Freund Speners.223 Behaghel und van de Walle gehörten zu den Gründungsmitgliedern der Frankfurter Landkompagnie, die auf Anregung des Quäkers William Penn 1683 ein Stück Land in der Neuen Welt erworben hatte.224 Hieronimus Simons van Alphen wurde 1632 als Sohn seines gleichnamigen Vaters und als Bruder von Johanna in Hanau geboren, wo er 1692 starb. Die Schönauers waren keine Hugenotten,225 sondern eine Basler Patrizierfamilie. Isaac (1617–94), Sohn des Krämers und des Mitgliedes des Kleinen Rates Emauel Schönauers (1577–1655) und Margret von Waldkirch (1582–1637), war Kaufmann und Großrat. Theobald und Hieronymus waren seine Neffen.226 Hendrick Boots, Witwer, Bürger und Kaufmann in Kassel, heiratete 1671 in Hanau Ida Behaghel, die Tochter von Jacob Behaghel. Bei Boots könnte es sich um den Bremer Heinrich Boots handeln, der 1661 in das Kasseler Bürgerbuch eingetragen wurde.227 Deusing wird die Frankfurter und Hanauer Kaufleute über Verbindungen vom Kasseler Hof nach Frankfurt und Hanau oder während seiner Reisen kennengelernt haben. Vielleicht hat auch Durie eine Rolle gespielt. Die Frankfurter und Hanauer Kaufleute waren untereinander verwandt und ihre Vorfahren waren Konfessionsmigranten aus den südlichen Niederlanden. Einige der Widmungsempfänger waren Bürgermeister oder Ratsherren. Insbesondere Daniel 222
Vgl. A. Deppermann 2002, 151. Vgl. Dechent 1921, 82; Lueken 1955, 31. 224 Vgl. Brandt 1963, 22; A. Deppermann 2002, 143, 150–154, 327–334, ferner Register unter „Behaghel, Daniel“ u. „Walle, Jacob van de (d. J.)“. Vgl. uber die Schwäger auch: Kamp 2017. 225 Contra Bruno 1988, Bd. 1, 145. 226 Theobalds (1640-nach 1672) gleichnamiger Vater (1605–71), Kaufmann und Ratsherr, verheiratet mit Susanna de Persode (1616–86), war ein Bruder Isaacs. Hieronymus (1640–80) war ein Sohn des Bankiers Emanuel (1601–73), einem anderen Bruder von Isaac, und Gertrud Herwagens (1600–78). Herr Dipl.‑Ing. Ulrich Stroux hat die genealogische Quellen bearbeitet und eine Stammtafel zusammengestellt, s. http://www.stroux.org/patriz_f/stQV_f/ScE_f.pdf, Stand: 21. 12. 09. 227 Vgl. Jacob 1955, 304. 223
164
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Behaghel und van de Walle waren angesehene Kaufleute und hatten weitreichende Beziehungen zu reformbestrebten Personen. Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans behandelt auf präskriptive Weise einen Aspekt der äußerlichen, praktischen Seite der Frömmigkeit, und zwar die Gottseligkeit im Beruf und im Kaufhandel und den rechtmäßigen Gebrauch von Reichtum. Die Beschreibung ist in weiten Teilen kasuistischer Art. Die Aufforderung in der Widmung, sich selbst zu prüfen, ob man Gott und den Himmel mehr als die Welt und das Geld begehrt, korrespondiert mit Undereycks Auffassung, wonach die wesentliche Eigenschaft des seligmachenden Glaubens eben darin besteht, Gott stärker zu begehren als die Welt.228 Die Autoren der Texte, die Deusing für das Kompendium benutzt hat, vertraten unterschiedliche und zum Teil gegensätzliche ekklesiologische Auffassungen: Love war Presbyterianer, Ames Kongregationalist, Hall Episkopalist. Auch ihre Auffassungen hinsichtlich der Frage, ob man sich der Liturgie und den Riten des anglikanischen Gottesdienstes anpassen sollte, waren unterschiedlich: Ames war Nonkonformist, Hall Konformist. Trotzdem wurden Fragmente aus Schriften beider Autoren in einem Kapitel zusammengefügt. Wie aus den oben genannten Beispielen hervorgeht, hat Deusing nicht nur nach der bedeutungsorientierten, sondern auch nach der interpretationsorientierten Methode übersetzt. Seine Vorlagen hat er zuweilen stark gekürzt.
4.9.5 Editionsgeschichte 1706 erschien eine Neuauflage bei Tobias Oehrling in Jena, die der Verleger in der Nachfolge der Erstauflage einer Kaufmannswitwe und einem Kaufmannsehepaar aus Jena widmete.229 Oehrling (gest. 1717) war vermutlich lutherisch, da er in Erfurt und Jena verlegte. Hier hatte er seit 1691 den akademischen Buchladen gepachtet.230 Auf die Widmung folgt Deusings Vorrede, die von Oehrling am Ende um die folgende Mitteilung erweitert wird: „Der geneigte Leser […] erwarte in der nechsten Messe das grosse Interesse eines aufrichtigen Christen, wie auch dem allein in GOtt reich werdenden Kauff- und Handelsmann, der geneigte Leser aber lebe und urtheile wohl.“231 Oehrling wollte auf der nächsten Messe, wohl auf der Leipziger Buchmesse, Guthries Buch sowie eine andere Schrift anbieten. Von Guthries Schrift ist aus dieser Zeit keine Jenaer Auflage bekannt.232 Mit dem zweiten Titel könnte Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans 228
Vgl. Moltmann 1959, 356. Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmanns, Jena, Tobias Oehrling, 1706 (Pietas-Nr. P11044771), )(1v-)(2v. 230 Vgl. Benzing 1977, 1228. 231 Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmanns, Jena 1706, [)(12v]. 232 S. für die Guthrie-Übersetzung: McKenzie 1997, 210, Nr. 867–870. 229 Vgl.
4.10 Richard Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit (1675)165
gemeint sein, wobei auch auch eine andere Schrift infrage käme.233 Immerhin erschien 1707 eine Titelauflage bei Oehrling.234
4.10 Richard Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit (1675) 4.10.1 Einleitung Die Erstauflagen von Deusings Übersetzungen waren bis 1675 von Francke verlegt worden, danach übernahmen andere Verlage die Veröffentlichung seiner Schriften. Die Ursache für diese Verändung ist unbekannt. 1675 erschien eine vollständige Übersetzung von Sibbes’ Schrift The souls conflict with it selfe (London 1635), aus der Deusing schon früher ein Fragment übersetzt hatte.235 Sie wurde im Oktavformat bei Gerhard Henckel, ebenfalls in Kassel, verlegt. Sie trägt den Titel Der Seelen Selbst-Streit, und derselben Uberwindung über sich selbst, durch den Glauben. Worin die inwendige Unruhe eines betrübten Geistes, lebendig fürgestelt wird, und diesem nach, tröstliche Hülff-Mittel, zu dessen Genesung, gründlich und kräfftig angewiesen werden.236 Richard Sibbes (1577?–1635) war ein Schüler von Perkins und dessen Nachfolger Paul Baynes (1560–1617). Sibbes war Dozent in London und Pfarrer in London und Cambridge. Das bekannteste Buch dieses berühmten und einflussreichen Theologen ist The Bruised Reed and Smoking Flax (1630).237 Das Original von The Souls Conflict erschien 1658 in achter Auflage.238 1659 erschien eine niederländische Übersetzung. Auf dem Titelblatt der deutschen Übersetzung heißt es, dass das Original von „J. D.“ aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt worden wäre.239 Aus dem Vergleich der Texte geht aber hervor, dass der Übersetzer die niederländische Übersetzung als Vorlage benutzt haben muss. Die deutsche Fassung zeigt die gleichen Abweichungenvom englischen Original wie die niederländische Übersetzung:240 233 Vielleicht Conrad Mel, Der Gott und Menschen wohlgefällige Christliche Kauffmann, Stellet der lieben Obrigkeit und Unterthanen vor, die Ursache der grossen Armuth und den entsetzlichen Geldmangel in Teutschlande, o. O. 1719. 234 Pietas-Nr.: P11044849. 235 Vgl. Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans, Kassel 1674, 253–258; Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit, Kassel, Gerhard Henckel, 1675 (Pietas P11044772), 240–244. Der Wortlaut ist größtenteils identisch, nur ist das Fragment im Kompendium kürzer und wurden am Ende einige Schlussworte hinzugefügt. 236 Vgl. Benzing 1977, 1165. 237 Vgl. Dever 2000; Dever 2004; Beeke und Pederson 2006, 534–541. Mit seinen Londoner Kollegen William Gouge, William Taylor und John Davenport verfasste Sibbes 1627 einen Aufruf zur Hilfe der notdürftigen Prediger aus der Pfalz, wofür sie von Erzbischof William Laud und der High Commission getadelt wurden, vgl. Dever 2004. 238 S. ESTC. 239 Vgl. Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit, Kassel 1675, [*1r]. 240 Vgl. Sibbes, The soules conflict with itselfe and victory over itselfe by faith, London, R. D.,
166
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
ENG 3: Grievances come not allone, but (as Jobs messengers) follow one another. NL 2: Swarigheden komen selden alleen, maer (als Jobs boden) den eene volght den andere op de hielen. DE 3: Ein Unglück ist selten allein; sondern, es folgt das eine auff das andere, wie die Botten Hiobs. ENG 3: as a good Magistrate, and Master of a familie NL 3: als een vrome Magistraets-persoon, ende een getrouwe Vader des Huysghesins DE 3: wie eine fromme Obrigkeit und getreuer Hauß-Vatter ENG 4: But though the remembrance of the former sweetness of Gods presence did somewhat stay him […] NL 3: Maer of schoon de ghedachtenisse van de voorighe soetigheydt der goddelijcke teghenwoordigheydt hem in ’t beginne wat dede bedaren […] DE 3: Ja, ob schon das Angedencken der vorigen Süssigkeit der götlichen Gegenwart, Ihn anfänglich in etwas tröstete […]
Die Vorrede von Richard Sibbes, die sich auch in der niederländischen Übersetzung findet,241 ist nicht in die deutsche Fassung übernommen worden. Die Vorrede der deutschen Übersetzung ist von Deusing verfasst worden.242 In der niederländischen Vorlage gibt es ein Inhaltsverzeichnis sowie ein Register der im Buch diskutierten Fragen und Einwände.243 In die deutsche Übersetzung ist nur das Inhaltsverzeichnis übernommen worden.244 Die Seitenränder der niederländischen Ausgabe sind mit Hinweisen zur Textstruktur und mit Bibelstellen und Zitaten bedruckt, worauf in der deutschen Übersetzung verzichtet worden ist.
4.10.2 Vorrede Anhand eines Beispiels des griechischen Philosophen Solon (um 640–560 v. Chr.) wird das Elend in der Welt betrachtet, dessen Ursache die Sünde ist. Das größte Elend ist der geistliche Tod der Seele: sie ist aller Vernunft in göttlichen Dingen beraubt.245 Nur sehr wenige wissen, wie die Seele funktioniert, was einer John Williams, 1658 (Wing/S3746); ders., Der zielen selfstrijdt, en overwinninge over haer selven door het gheloof, Haarlem, Hendrick van Marcken, 1659 (Übersetzer: Johannes Grindal); ders., Der Seelen Selbst-Streit, Kassel 1675. 241 Vgl. Sibbes, Der zielen selfstrijdt, *2r–2*4r. 242 Vgl. Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit, Kassel 1675, *2r–[*6r]. Dass der Übersetzer die Vorrede verfasst hat, wird auf Bl. *5r deutlich. 243 Vgl. Sibbes, Der zielen selfstrijdt, 2*4v–[2*8v] (Inhaltsverzeichnis); [2*7v]–[2*8v] (Register der Fragen und Einwände). 244 Vgl. Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit, Kassel 1675, [*6v]–[*8v]. 245 „Nebst diesen, hat die Seele Ihre morbosidiopatheticos, Matth. 5:19, und lympatheticos, connexos, successives, disjunctos, compositos, potentiales, actuales, internos, externos, antecendentes, consequentes, universales, particulares, continuentes, conjunctos, implicitos, welche die Menschen aller gesunden Vernunfft in götlichen Dingen, berauben, und Sie in unvernünfftige Creaturen gleichsam verwandeln. Ignoti nulla Cupido, dessen Dinges man unkündig ist, davon machet man wenig Wercks“, Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit, Kassel 1675, *3v. Deusing wird diese Fachtermini vermutlich einer seelsorgerischen Schrift entnommen haben. Der
4.10 Richard Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit (1675)167
der Gründe dafür ist, dass das Hören von Predigten und die Lektüre der Bibel oft fruchtlos bleiben. Meistens überschreiten Menschen das gebührliche Maß der Traurigkeit und sie trauern aus fleischlichen Gründen. Sowohl bei angehenden jungen Christen als auch bei Leuten, die mit Melancholie erfüllt sind, können sich fleischliche und geistliche Gründe der Traurigkeit vermischen. Arzneien gegen Traurigkeit sind das Opfer Christi sowie die in seinem Wort enthaltenden köstlichen Rezepte, welche der Heilige Geist anwendet und welche die Diener Gottes den Christen geben sollen. Vor diesem Hintergrund preist Deusing die arzneiliche Wirkung von Sibbes’ Schrift. Er selbst habe für seine traurige Seele so viel Trost aus dem Werk schöpfen können, dass er sich entschlossen habe, es zu übersetzen. Die Schrift, so Deusing, bietet dem Land Trost, das Gottes Rache vor einigen Jahren mit allgemeinen Landplagen getroffen hat, aber auch denjenigen, die Angst haben, dass die Plagen sie noch treffen werden. Als ergänzende Lektüre zu Sibbes Schrift empfiehlt der Übersetzer das Werk des schottischen Bischofs John Abernethy (gest. 1639) „Seelen Artzney“, eine Schrift über geistliche Krankheit.246
4.10.3 Inhalt Ausgangspunkt der Abhandlung ist Psalm 42,6: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, dass er mir hilft mit seinem Angesicht.“247 Die Gründe von Davids großer Traurigkeit waren die Entbehrung des Hauses Gottes und die Verspottung durch die Feinde. Man kann zwischen äußerlicher und innerer Betrübnis unterscheiden. Aus beiden Arten von Betrübnis entsteht Missmut, der schädlich ist, und es werden Mittel genannt, die gegen Betrübnis wirken sollen. In der Art und Weise, auf die man wider die Sünde streitet, unterscheiden Gottselige und Gottlose sich voneinander. Da man auf eine übermäßige und sündliche Weise trauern kann, wird erklärt, wie man angemessen trauert. Da die Seele von sich aus unruhig ist, sollen wir Menschen uns bemühen, uns selbst in guter Ordnung zu halten. Ebenso werden die Mittel zur Verhütung unmäßiger Traurigkeit und die KennzeiAusdruck ignoti nulla cupido findet sich in einem inhaltlich ähnlichen Kontext bei Undereyck, Halleluja, )(2v. 246 Original: A Christian and Heavenly Treatise Containing Physicke for the Soul (London 1615). McKenzie verzeichnet drei deutsche Auflagen für das 17. Jahrhundert: Frankfurt am Main 1634, Hanau 1663 und 1664; s. McKenzie 1984, 19, Nr. 59–61. In dem 29. Kapitel dieser Schrift wird das von Deusing am Anfang der Vorrede angeführte Beispiel Solons erwähnt, vgl. John Abernethy, Der Seelen Artzney, Hanau, David Aubry, 1634, 979 f. 247 Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit, Kassel 1675, [1]. Im Widmungsext seiner Übersetzung bezieht sich Deusing vielleicht auf diese Schrift, wenn er Davids Anrede der Seele als Mittel gegen geistliche Traurigkeit empfiehlt und dazu auffordert, mit Traurigkeit wie mit einer Arznei umzugehen: vorsichtig, mäßig, und zu rechter Zeit, vgl. Spranckhuysen, Balsaam, 4*4r–v.
168
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
chen, anhand derer die Überwindung unmäßiger Traurigkeit zu erkennen sind, dargestellt. Zu unserer angeborenen Verdorbenheit gesellt sich die Bosheit des Teufels. Die größte Unruhe entsteht durch Phantasie und es werden wirksame Mittel gegen diese Unruhe genannt. Auch der Tröstung anderer Leute darf man sich bedienen. Wenn weder andere Leute noch wir selbst in der Lage sind, uns zu trösten, haben wir die Möglichkeit, Zuflucht bei Gott zu suchen. Man soll die Hoffnung auf Gott verstärken, indem man sich mit Gottes Vorsehung befasst, sich Gottes Willen unterwirft, seine Verheißungen betrachtet und sich abkehrt von weltlichen Belangen. Es ist wichtig, zu prüfen, ob man wirklich auf Gott vertraut. Wenn es scheint, dass man von Gott verlassen wurde, muss man sich selbst bestrafen und auf Gott hoffen, der sich in Wahrheit nur verbirgt. Die Feststellung, keinen zerrütteten Geist und deshalb keine Hoffnung auf Gnade zu haben, kann eine Tücke des Teufels sein, um uns in einem trostlosen Zustand zu halten. Weitere Ursachen innerer Betrübnis sind innerer Streit zwischen Gnade und Sünde, äußerliches Elend, mangelnde Fähigkeit zur Ausübung seines Berufs oder seines Amtes und der betrübliche Zustand der Kirche Gottes. Diejenigen, die wahrhaftig auf Gott hoffen, sollen ihren Glauben mit kräftigen und vernünftigen Argumenten festigen, da der Glaube eine vernünftige Gnade ist. In den größten Trübsalen gibt es Grund zur Dankbarkeit, nämlich dafür, dass wir nicht sofort verstoßen werden, sondern noch Zeit zur Besserung haben, und weil Gott das Leid seiner Kinder mäßigt, heiligt und beendet. Gott zu loben ist eine schwierige Sache, weshalb man seine Seele dazu ermuntern soll. Das Vertrauen auf Gott soll auch dadurch gestärkt werden, dass die Erlösung durch Gott für sich selbst und andere sichtbar ist. Wer in einem besonderen Bund mit Gott steht, darf sich sicher sein, dass Gott ihn erlösen wird. Man soll nach der Erkenntnis seiner Teilhabe an Gott streben, um getrost leben zu können. Die Erinnerung an Gottes Trost in der Vergangenheit kann für die Zukunft nützlich sein.
4.10.4 Analyse und Übersetzungsvergleich Der Hinweis auf die Landplagen in der Vorrede der Sibbes-Übersetzung wird sich auf die Kriegswirren im Zuge der Expansion Frankreichs beziehen. 1672 traf das französische Heer an der hessischen Grenze auf die Allianz der deutschen und dänischen Armeen. 1673 zogen französische Truppen durch Oberhessen. In der Folgezeit nahm die Gefahr eines Krieges durch den deutschen Kaiser und die Reichsstände gegen Frankreich zu. 1675 wurden brandenburgische Truppen in Hessen einquartiert.248 Die Schrift ist eine seelsorgerische Abhandlung über innere Traurigkeit. Deusing betrachtete diese Schrift als geeignete Trostquelle vor dem Hintergrund der großen äußerlichen Widerwärtigkeiten, die Deutschland betrafen.249 In der 248 249
Vgl. Philippi 2007, 12–14. Für diesen Fall trifft die Krisentheorie zu, vgl. Abschnitt 2.2.
4.10 Richard Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit (1675)169
Schrift werden verschiedene Arten von Traurigkeit samt ihrer Ursachen erläutert und Behandlungsmöglichkeiten werden aufgezeigt. Die Abhandlung ist stark psychologisch geprägt, was bereits aus der Vorrede des Übersetzers hervorgeht. Deusing betont in der Vorrede, dass es wichtig ist, zu wissen, wie die Seele funktioniert. Diese Einsicht, so schreibt er, habe er durch die Lektüre von Sibbes gewonnen beziehungsweise habe ihn die Lektüre in dieser Annahme bestätigt. An verschiedenen Stellen fügt Sibbes psychologische Exkurse über die Seele ein, zum Beispiel über die Anregung der Affekte durch die Phantasie und den Zusammenhang der Affekte mit dem Willen und der Vernunft.250 Das Werk hat puritanische Züge, da die Tiefen der innerlichen Erfahrung ausführlich thematisiert werden und zwischen geistlicher und ungeistlicher Bekämpfung der Betrübnis, wahrem und falschem Sieg über die Betrübnis und zwischen wahren Christen und Scheinchristen251 unterschieden wird. Schließlich wird die Auffassung verteidigt, dass es allgemeine und besondere Verheißungen für die Zukunft gebe: die Vernichtung des Antichristen und die Bekehrung der Juden und Heiden. Auffallend sind einige antipapistische Spitzen: durch die äußerliche Pracht der Zeremonien würden Menschen bezaubert und das Verlangen nach größerer Traurigkeit über die Sünde habe einen verdienstlichen Zug.252 Zitiert werden Augustin, Luther, Melanchthon und Petrus Martyr Vermigli. Als Exempel dienen die protestantischen Märtyrer Bilney, Cranmer, Latimer und Ridley. Deusing hat seine Vorlage der bedeutungsorientierten Methode gemäß übersetzt: NL 4:
DE 4:
maer wy sien hier in David, dat ghelijck de eene benauwtheyt op d’ander volght, soo en is hy oock niet versuymelijck in sijn ziele met d’eene bestraffinghe voor en d’andere na, en dan met dese ende dan met die belastinghe aen-boort te komen, tot dat hyse eyndelijck tot een stille getempertheyt brachte. Wir sehen aber in David, daß, gleichwie eine Angst der andern folgt, Er doch nicht underlasse, nach und nach seine Seele darüber zur Rede zu stellen, biß Er Sie befriediget.
Es gibt einige Fehler in dieser Übersetzung: NL 18: datmen yder riet voor een Dief acht DU 16: worin man einen jedweden Baum für einen Dieb ansiehet NL 30: ja selfs vrome luyden zijn dickmael te seer ontstelt over de onrechtvaerdighe oordelen van anderen DU 28: ja, gottselige Menschen selbst, beunruhigen sich offt zu viel, wan Sie über andere Leute ungebührlich urteilen 250
Vgl. Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit, Kassel 1675, 135 f., 285. Vgl. Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit, Kassel 1675, 395–397. 252 Vgl. Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit, Kassel 1675, 135, 289. 251
170
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
4.10.5 Distribution Aus einem Zettel geht hervor, dass Johann Jakob Schütz als Distributeur für diese Übersetzung aufgetreten ist. Am 24. August 1678 schreibt er Folgendes an einen Herrn Deusing in Kassel: Das benahmte fäßlein mit büchern, nehmlich von der seelen selbst-streit ist mir wohl eingeliefert worden: will trachten mit nächster gelegenheit selbige verlangter maßen zu verstechen, und den erfolg berichten. Brunnemann wird diese meß wieder neu heraus kommen, gel. Gott. was ich dienen kan, will ich allemahl hertzlich gern verichten.253
Schütz hat ein Fass mit Exemplaren der Sibbes-Übersetzung erhalten, verspricht diese zu verkaufen und über den Erfolg zu berichten. Vielleicht wollte er das Fass auf der Buchmesse in Frankfurt verkaufen. Weiterhin berichtet er über die Neuerscheinung einer Schrift eines Brunnemann. Schließlich bietet er freundlich seine Dienste an. Mit Brunnemann ist vermutlich der Jurisprudenzprofessor Johannes Brunnemann (1608–72) aus Frankfurt an der Oder gemeint, bei der Schrift könnte es sich um Brunnemanns Tractatus de inquisitionis processu (1647), eine seiner bekanntesten Schriften zum Prozessrecht, handeln. Brunnemann beklagte die Missstände in der Kirche und machte Vorschläge zu ihrer Reform, die stark durch den Puritanismus und der Nadere Reformatie beeinflusst waren.254
4.11 Robert Bolton, Der Probir-Stein des Gewissens (1676) 4.11.1 Einleitung 1676 erschienen wiederum bei einem anderen Verleger, bei Jakob Gottfried Seyler in Frankfurt am Main, zwei Übersetzungen Deusings im Oktavformat: Robert Boltons (1572–1631) Probir-Stein des Gewissens und Noah göttlicher Wandel.255 Seyler war 1667 bis 1683 als produktiver Verleger in Frankfurt am Main, 1671 bis 1683 auch in Kassel und 1673 bis 1676 auch in Gießen tätig.256 Weil A discourse about the state of true happiness zuerst erschien (1611), wird diese Schrift als erste behandelt. Bolton war ein puritanischer Pfarrer in Broughton in Northamptonshire. Vor seiner tiefen Bekehrung, die während seiner Studienzeit stattfand, sympathisierte er mit dem römischen Katholizismus. Er verachtete William Perkins, fluchte und vergnügte sich mit Schauspiel, Kartenspiel und Würfeln, auch am Tag des 253 Vgl.
ASB Mp 326: Schütz an Deusing, 24.8.1678. Vgl. Delius 1957. 255 Vgl. über den Inhalt der Originale beider Schriften: Green 2000, 315. 256 Vgl. Benzing 1977, 1268. 254
4.11 Robert Bolton, Der Probir-Stein des Gewissens (1676)171
Herrn.257 A discourse about the state of true happiness (London 1611) erschien bis 1641 zehnmal.258 Bis einschließlich 1645 erschienen zwei niederländische Übersetzungen.259 Der vollständige Titel von Probir-Stein lautet Der Probir-Stein des Gewissens, oder der wahren Glückseligkeit. Woran ein jeder Mensch, der seine Seligkeit hertzlich liebt, ohne Vor-Urtheil sich prüfen, und in seiner Seele empfinden kann, ob er in dem Stande der Gnaden sey, oder nicht? Auf dem Titelblatt der deutschen Übersetzung wird offen gelassen, welche Vorlage benutzt worden ist.260 Vergleicht man die Übersetzungen, wird deutlich, dass der deutschen Übersetzung die niederländische Übersetzung zugrunde lag. Die deutsche Übersetzung folgt der niederländischen, wenn diese vom englischen Original abweicht.261 ENG 1: THere is no greater encouragement, or stronger motive to stirre a man to an eager and earnest pursuite of the meanes, then to propose unto him an end wherein at length his heart may repose; as in a concurrence of all comforts and contentments. NL 1: DAer is geen dinck dat den mensche meer tot kloeckmoedicheyt verweckt, ofte krachtiger aenmaent, om alle zyne wterste beste, arbeyt, moijte, en vlijt aentewenden; dan het ondersomken [sic] van alsulcke middelen, door welcke des menschen ziele haer selfs int eynde volcomen gerust, ende vergenoucht kan stellen, als in een geheel begrijp, ende quelle aller vertroostinge, ende vermaeckelijcheyts. DE 13: ES ist nichts auff der Welt, welches den Menschen mehr zur vernünfftigen Großmütigkeit auffmuntert, oder kräfftiger bewegt, um seinen eusersten Fleis, Mühe und Arbeit anzuwenden; als die Erforschung solcher Mittel, wodurch seine Seele am Ende des Lebens, vollkommen ruhig, und vergnůgt seyn, und gleichsam in einem vollkommenen Begriff, der Quelle alles Trostes und der Freude geniessen möge.
Die niederländische Übersetzung enthält eine von Bolton verfasste Warnung an den Leser,262 eine Widmung an die „Staten Generael van de Vereenichde Nederlandtsche Provintien“ des Übersetzers Julius Aysonius Huisinga,263 ein Register264 sowie zwei Predigten über 1. Kor. 1,26–27,265 die wohl vom Übersetzer 257
Vgl. Wright; Beeke und Pederson 2006, 78–82.
258 S. ESTC.
259 S. Pietas.
260 Vgl. Robert Bolton, Der Probir-Stein des Gewissens, Frankfurt am Main, Jakob Gottfried Seyler, 1676 (Pietas P08039180), [1]. 261 Vgl. Bolton, A discourse about the state of true happinesse, London, Iohn Legatt, Edmund Weaver, 1638 (STC [2. Aufl.]/3234); ders., Toutsteen der conscientie. Ofte proeve over den state der warer gelucksalicheyt, 2e dr., Utrecht, Willem Strick, 1645 (Pietas P97002157; Übersetzer: Julius Aysonius Huisinga, Prediger in Lexmond); ders., Der Probir-Stein des Gewissens, Frankfurt am Main 1676. 262 Vgl. Bolton, Toutsteen der conscientie, a2r-b2v. 263 Vgl. Bolton, Toutsteen der conscientie, b3r-d4v. 264 Vgl. Bolton, Toutsteen der conscientie, b3r-d4v. 265 Vgl. Bolton, Toutsteen der conscientie, 412–451.
172
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
verfasst worden sind, da diese dem englischen Original fehlen. In der deutschen Übersetzung findet sich nur die Warnung des Autors.266 Auch Anmerkungen am Rand, die der Gliederung des Textes dienen, wurden weggelassen.
4.11.2 Inhalt In dieser Schrift finden sich fünf Predigten, die Bolton für gelehrte Zuhörer verfasste. Bolton widmet sich umfassend der Beschreibung von Heuchlern mit dem Ziel, sie aus dem Schlaf der eingebildeten Glückseligkeit zu wecken; er gibt ihnen die Schuld an Gottes Strafen über England und möchte ihrem Selbstbetrug ein Ende setzen. Die Predigten beruhen auf Psalm 1,1–2: „Wohl dem, der nicht wandelt im Raht [sic] der Gottlosen, noch tritt auff den weg [sic] der Sünder, noch sitzet da die Spötter sitzen. Sondern hat Lust zum Gesetze des Herrn, und redet von seinem Gesetze Tag und Nacht.“267 Die allgemeine Lehre daraus lautet, dass alle irdischen Vergnügen nichts als Eitelkeit darstellen und nichts zur Förderung der wahren Glückseligkeit des Menschen beitragen. Wahre Glückseligkeit besteht nicht in bürgerlicher Ehrbarkeit oder Scheinheiligkeit, die Stricke des Teufels unter dem hellen Licht des Evangeliums sind. Alle Arten von Heuchelei soll man meiden: die heimliche Heuchelei, sich größerer Dinge zu rühmen als man in Wahrheit sollte; die große Scheinheiligkeit, unberechtigt auf etwas stolz zu sein; die dreifache Scheinheiligkeit, die zwei vorigen Arten der Heuchelei und den Betrug anderer mit einem Schein der Gottseligkeit. Unwiedergeborene können weit fortschreiten in der Heiligung durch eine innerliche, aber allgemeine und geringe Gnade des Heiligen Geistes. Zwar wird die Sicherheit der wahren Wiedergeborenen nachgeahmt, aber das Gewissen der Unwidergeborenen ist sorglos gegenüber den Ermahnungen wider die Sünde. Um zu erkennen, ob man sich im Stand der Gnade oder in der Gewalt der Hölle befindet, soll man auf die Stufen des Glaubens achten, die in Stufen des historischen Glaubens (Erkenntnis von Gottes Wort und Bejahung von dessen Wahrheit) und in Stufen des seligmachenden Glaubens aufzuteilen sind (von der Angst der Wiedergeburt zur Empfindung einer überwältigenden Freude). Wiedergeborene unterscheiden sich von Erzheuchlern in folgenden Punkten: in der Wachsamkeit gegenüber den geringsten Sünden oder dem Schein des Bösen, in der Bändigung böser Affekte und der Leidenschaft für den Gottesdienst sowie in der Begierde nach den Mitteln zum Wachstum in der Gottseligkeit. Das Fazit des Autors lautet, dass nur die seligmachende Gnade sich vom Herzen über alle Leibes- und Seelenkräfte ausbreitet. In Heuchlern ist das 266
Vgl. Bolton, Der Probir-Stein des Gewissens, Frankfurt am Main 1676, 3–12. Der Probir-Stein des Gewissens, Frankfurt am Main 1676, 13.
267 Bolton,
4.11 Robert Bolton, Der Probir-Stein des Gewissens (1676)173
Wort Gottes nicht verwurzelt, sie sind nur Hörer des Wortes. Sie sündigen wider ihr eigenes Gewissen. Scheinheilige Heuchler sind äußerlich bürgerlich, doch in ihren Herzen bewahren sie mit Freude ihre Lieblingssünden. Kein Heuchler hat geistliche Erfahrungen, ihre Gedanken fügen sich nicht den Umständen, sie können ihre Vernunft und Gedanken nicht kontrollieren und sie verdrängen den Schmerz ihrer Sünden oder verzweifeln deswegen. Auch Heuchler können Geistliches begehren. Diese positive Begierde ist ihnen jedoch nicht vom Heiligen Geist eingepflanzt worden; sie ist nur ein Resultat ihrer Vernunft. Diese Begierde zeigt sich in der Verehrung und Hochhaltung der Diener Gottes. Die falschen Prediger sind bei den Heuchlern gewöhnlich am beliebtesten, sie können aber auch aufrichtigen Predigern ihre Ehrerbietung erweisen. Diese wandelt sich aber gewöhnlich in Hass, sobald diese Prediger ihre Heuchelei aufdecken. Beweggründe zu einer gründlichen Liebe und Ehrerbietung gegenüber den getreuen Predigern sind unter anderen Gottes Befehl dazu, ihre geistliche Vaterschaft und Macht und die Früchte, die ihre Predigt hervorbringen können.
4.11.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Die Schrift differenziert zwischen wahren Christen und Heuchlern, wobei insbesondere die Eigenschaften der Heuchler betrachtet und analysiert werden. Ebenso wird zwischen falschen und aufrichtigen Predigern unterschieden. Damit trägt das Werk einen ausgesprochen puritanischen Charakter, der noch verstärkt wird durch die Verteidigung der puritanischen praecisitas und der Verurteilung des Besitzes von Kirchengütern, unabhängig davon, ob man diese bewohnt oder das mit ihnen verbundene geistliche Amt ausführt (non residentiam).268 Ein auffallendes Element ist die Polemik gegen die römisch-katholische Kirche, vor allem gegen die Jesuiten, die als des Teufels Werkzeuge bezeichnet werden. Diese werden von Gott benutzt, um England wegen der Verachtung der Verkündigung des Evangeliums zu strafen.269 Verwiesen wird auf Aristoteles, Galenos, den Historiographen der Niederlande, Emanuel van Meteren (1535–1612), Platon und die Scholastiker im Allgemeinen. Zitiert werden Augustin, Bernhard von Clairvaux, Jean Bodin, der Puritaner John Downame und Nero (zur Abschreckung). In seiner Übersetzung tendiert Deusing zu der interpretationsorienteren Methode: NL 166: Eerst sal hy een waer kint Godts ingeven, dat hy sal letten, op der Godtloosen haer welstant in dit levent, hoe sy bloyen, hoe heerlijck sy in dese werelt heerschen, hoe voorspoedich sy sijn, hoe sy triumferen, hoe sy haer wtspreyden als een groene olyfboom, ende weten haere voornemen wttevoeren […] 268 269
Vgl. Bolton, Der Probir-Stein des Gewissens, Frankfurt am Main 1676, 195. Vgl. Bolton, Der Probir-Stein des Gewissens, Frankfurt am Main 1676, 146.
174
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
DE 157 f.: Der Teuffel wird einen rechtschaffenen Kinde Gottes inblasen, wie er auff der Gottlosen Wollstand in diesem Leben, sehen müsse, wie Sie grünen und blühen, wie ansehnliche und herschende Leute Sie sind, wie glücklich, wie gewinnreich Sie leben, wie Sie sich ausbreiten, wie ein Palm- Baum, und alle Ihre Geschäffte so nützlich auszuführen wissen […]
Deusing interpretiert „voornemen“ (Vorhaben) als „Geschäffte“.
4.12 Robert Bolton, Noah göttlicher Wandel (1676) 4.12.1 Einleitung In demselben Jahr (1676) erschien, ebenfalls bei Seyler und ebenfalls im Oktavformat, eine andere Schrift Boltons: Noah göttlicher Wandel. In der gottlosen Welt. Das ist, geistreiche allgemeine Unterrichtungen, wie man für Gott tröstlich wandeln soll. Das Original Some generall directions for a comfortable walking with God (London 1625) erreichte bis 1641 sechs Auflagen.270 Bis 1654 erschien eine niederländische Auflage. Dem Titelblatt der deutschen Übersetzung zufolge, war ihre Vorlage das englische Original.271 Trotzdem lag auch Boltons Noah Göttlicher Wandel eine niederländische Übersetzung zugrunde, die wiederum von Huisinga verfasst worden ist. Dies geht daraus hervor, dass Huisingas Vorrede aus der niederländischen Übersetzung272 übernommen wurde. Die Übernahme ist aber nicht kenntlich gemacht worden, am Ende der Vorrede heißt es schlicht: „Ubersetzer“ [sic].273 Die deutsche Übersetzung folgt der niederländischen an den Stellen, wo diese vom englischen Original abweicht:274 ENG 2: The Servants of God are men of singularitie NL 2: Dat alleen de ware dienaers Godts, luyden sijn van een besondere adelijcke voortreffelijckheyt DE 2: Die rechtschaffene Diener Gottes allein sind Leute von einer besondern adelichen Fürtreflichkeit
In beiden Übersetzungen befindet sich eine kurzgefasste Biographie Boltons, die auf einer ausführlicheren Fassung von Edward Bagshaw (1589/90–1662) beruht. 270 S. ESTC.
271 Vgl. Robert Bolton, Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main, Jakob Gottfried Seyler, 1676 (Pietas P98019650), [)(1r]: „Nunmehr aber aus dem Engelländischen ins Hochteutsche übersetzet“. 272 Vgl. Bolton, Sommige generale aenwijsingen, tot een troostelijcke wandelinge met Godt, Utrecht, Willem Snellaert, 1654, 2*5r–3*3v. 273 Bolton, Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main 1676, 2)(4r. 274 Folgende englische Auflage wurde herangezogen: Bolton, Some generall directions for a comfortable walking with God, London, John Legatt, Edmund Weaver, [J. Crooke], [R. Sergier], 1638 (STC [2. Aufl.]/3254).
4.12 Robert Bolton, Noah göttlicher Wandel (1676)175
Die kürzere Fassung ist von Huisinga angefertigt worden, wie in der niederländischen Übersetzung vermerkt wird.275 In der deutschen Fassung wird Huisinga nicht genannt und es scheint sogar, als sei Bagshaw derjenige, der eine ausführliche Biographie zu einer Kurzfassung umgearbeitet hätte.276 Der Titel der deutschen Übersetzung beruht auf der Überschrift des Textes in der niederländischen Übersetzung, „NOACHS wandelinge Voor den HEERE“. Ebenso aus der niederländischen Fassung übernommen wurde das Portrait Boltons als Kupferstich,277 die Widmung Boltons an Edward Montagu von Boughton (1562/30–1644)278 sowie die erwähnte Biographie Boltons.279 Im Gegensatz zur niederländischen Vorlage, gibt es in der deutschen Übersetzung kein Inhaltsverzeichnis,280 kein Bibelstellenregister281 und kein Register der wichtigsten Punkte des Buches.282 Auch sind die Zitate und Anmerkungen an den Seitenrändern nicht übernommen worden.
4.12.2 Inhalt In der Widmung an Montagu preist Bolton dessen Gottesfurcht und er hebt den Unterschied zwischen Gottlosen und Gottseligen hinsichtlich ihres Zustandes auf Erden und ihres Scheidens von der Erde hervor. Diese Gedanken finden sich auch in der Vorrede wieder. Noahs gottseliger Lebenswandel (1. Mose 6,8–9), Tötung der Sünden, Reinheit des Herzens, Heiligkeit beziehungsweise Gerechtigkeit des Lebens, Aufrichtigkeit und Gottesfurcht, wird vom Autor zum Exempel statuiert. Die erste Ursache für Noahs Erlösung und für alles Gute im Allgemeinen ist Gottes freiwillige 275
Vgl. Bolton, Sommige generale aenwijsingen, [3*8v]. Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main 1676, [2)(8v], „Aus der weitläuffigen Beschreibung des Lebens und Todes, nicht weniger, aus obbemelten Authoris Leich-Predigt, sind gegenwertige Personalia, herausgezogen durch Herrn Bagschawe.“ In der Biographie findet sich folgender Bericht über Boltons Wiedergeburt: „worauf er zuerst einen Geschmack in den H. Wegen Gottes, und der wahren Wiedergeburt bekam, wodurch er anfänglich, gleichsam durch einen Donner und Blitz, zur Erden niedergeschlagen wurde, und beydes Leib und Seel ängstigte, solcher gestalt, daß (nec calor, nec sanguis, nec sensus, nec vox superesset,) weder Wärmte noch Blut, noch Leben, noch Empfindung, noch Rede, bey ihm überblieben, so schwer kam ihm seine Bekehrung an, und der Streit seiner Selbst-Verleugnung: in in diesem Kampff bliebe er eine lange Zeit; Gott gab ihm aber endlich ein glückliches Ende, daß er nach geendigtem harten und jämmerlichen Streit, einen zweyfachen Nutzen erhielt“, vgl. ebd., [2)(5v]. 277 Vgl. Bolton, Sommige generale aenwijsingen, *1r; ders., Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main 1676, πr. 278 Vgl. Bolton, Sommige generale aenwijsingen, *3r–2*4v; ders., Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main 1676, )(2r–[)(7r]. 279 Vgl. Bolton, Sommige generale aenwijsingen, 3*4r–[3*8v]; ders., Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main 1676, 2)(4v–[2)(8v]. 280 Vgl. Bolton, Sommige generale aenwijsingen,4*1r–4*2v. 281 Vgl. Bolton, Sommige generale aenwijsingen, 2T 1r–v. 282 Vgl. Bolton, Sommige generale aenwijsingen, 2T2r–[2T8v]. 276 Bolton,
176
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Gnade. Die Aufrichtigkeit der Frommen ist ein gutes Mittel, Glückseligkeit und Ehre, auch für ihre Nachkommen, zu erlangen. Ein göttlicher Wandel, hier auf Erden so zu leben wie im Himmel, ist Merkmal eines wahren Christen. Man kann sich darauf vorbereiten, indem man sich abkehrt von all seinen Sünden, auch von seiner Lieblingssünde, alle Scheinheiligkeit hasst, sich selbst verleugnet, das Leben des Glaubens lebt, öffentlich beweist und bekennt, dass man Christus angehört, sich allen Eitelkeiten widersetzt, Gott herzlich liebt, nach der Gemeinschaft Gottes und einer geistlichen Beständigkeit trachtet und die künftige Herrlichkeit beherzigt. Zu einem aufrichtigen, heiligen Leben gehören die folgenden Pflichten: angemessenes Verhalten vor, in und nach dem Gebet, Ablehnung aller Eitelkeiten, Betrachtung guter Gedanken der Einsamkeit, Meidung böser Gesellschaft, Wache über sein Herz, Bezwingung seiner Affekte und seiner Zunge. In diesem Zusammenhang wird der Leser in die Pflicht genommen, andere, wenn nötig, ausdrücklich zu ermahnen, obschon man die Umstände und die Person des Sünders berücksichtigen soll. Den allgemeinen Regeln folgen besondere. Die Vergnügungen und Freuden sollen nicht allzu köstlich, nicht tyrannisch und blutig sein. Man soll die Kürze, die Köstlichkeit und den Zweck der Lebenszeit auf Erden betrachten. Vor Versuchungen wie Unmäßigkeit im Essen, Trinken und Schlafen soll man sich hüten. In bürgerlichen Diensten und Geschäften soll man andere so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Der Autor kehrt sich gegen Bereicherung durch Wucher und durch andere ungerechte Tricks sowie gegen eine übermäßige Liebe irdischer Güter. Im Anschluss werden die gegenseitigen Pflichten im Ehestand besprochen. Man soll in erster Linie geistliche und danach leibliche Werke der Barmherzigkeit tun. Auch die Art und Weise und die Ursachen der Lästerungen gegen die Gottseligen durch die Gottlosen werden besprochen. Hinsichtlich der Gottseligkeit im geistlichen Stand wird vor dem Selbstbetrug vieler Scheinchristen gewarnt, die auf ihre durch den Teufel bewirkten Scheintugenden vertrauen, aber die durch den Heiligen Geist bewirkte innerliche Heiligung entbehren. An dieser Stelle findet man einen persönlichen Bericht eines Wiedergeborenen über seine Bekehrungserfahrung, in der zwei Stufen zu unterscheiden sind: die Wirkung des Gesetzes und die Wirkung des Evangeliums. Eine wahre Bekehrung hat die folgenden Merkmale: sie betrifft alle Teile des Leibes, der Seele und des Geistes, sie ist aufrichtig, ihr folgt geistliches Wachstum und sie bewirkt Selbstverleugnung. Die Versicherung seines eigenen geistlichen Wohlstandes erfolgt durch einen inwendigen Blick auf die von Gott geschenkten Gaben und Früchte und durch das mit dem Wort Gottes korrespondierende innerliche Zeugnis des Heiligen Geistes. Es können sich verschiedene Übel in unsere geistlichen Pflichten einmischen: die aufgeblasene Hochachtung unserer eigenen Tugenden und eine misstrau-
4.12 Robert Bolton, Noah göttlicher Wandel (1676)177
ende Geringschätzung der Gnade Gottes und der Verheißung des Lebens. Abschließend werden die Fehler dieser Traurigkeit und Schwermut benannt, andererseits Gründe zur Freude. Ausführlich stellt der Autor dar, dass diejenigen, die hier auf Erden am Tod des Osterlammes teilhaben, in Ewigkeit das Osterfest feiern werden (1. Kor. 5,7 f.).
4.12.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Vermutlich ist auch diese Übersetzung Deusings auf Anregung Undereycks entstanden. In Christi Braut (1670) hatte dieser nämlich achtzehnmal aus der niederländischen Übersetzung von Boltons Schrift zitiert.283 Einige Fragmente wurden schon in dem zwei Jahre zuvor erschienenen Kompendium für Kaufleute übersetzt.284 Der dortige Wortlaut ist mit demjenigen in der Bolton-Übersetzung von 1676 fast identisch, nur sind in dem Kompendium einige Teile weggelassen worden. Das Thema dieser Schrift, die gottselige Lebensführung, ist typisch puritanisch. Zur Förderung einer gottseligen Lebensweise werden viele Regeln, die alle Lebensgebiete betreffen und zum Teil sehr konkret sind, vorgeschrieben. So werden Tanz, Schauspiel, Würfeln, Kartenspiel, Saufen, Gesundheitstrinken, Wucher, Entblößung der Brüste, Make-up, prächtige Bekleidung, Schmuck, Narrenspiele und Not- und Amtslügen verurteilt.285 Darüber hinaus werden Vorschriften für die Wahl des Ehepartners und das Verhalten im Ehestand gemacht. Ein weiteres puritanisches Element ist die Unterscheidung zwischen wahren Christen und Scheinchristen. Entscheidend ist die übernatürliche Wirkung des Heiligen Geistes in der Wiedergeburt, wovon ein persönlicher Bericht gegeben wird.286 Als Merkmale eines wahren Christen werden unter anderem die puritanischen Erbauungsformen der häuslichen Gebete und der Sabbatheiligung aufgeführt.287
283 Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 1: 19 f., 37, 128, 167 f.; Tl. 2: 30 f., 40, 59, 79, 91 f., 119; Tl. 3: 18–20, 101 f., 128–130, 156–158, 179 f., 197 f., 244–246, 305–307. In seinem Närrischen Atheist hat Undereyck Boltons Biographie zusammengefasst (vgl. Undereyck, Der närrische Atheist, 107–109), vermutlich aus dem biographischen Bericht in der niederländischen Übersetzung, weil er in Christi Braut aus dieser Fassung zitiert hat. Undereyck meint, dass unter englischen und niederländischen Theologen die Auffassung gängig ist, dass man nur eine wohlbegründete Versicherung seiner Wiedergeburt erlangen kann, wenn man Mittel, Tag und Stunde der Wiedergeburt anzeigen kann. Diese Ansicht vertrete auch Bolton. Undereyck behauptet, dass die Wiedergeburt auch eine allmähliche Veränderung sein kann, zum Beispiel von Jugend an unter einer guten Erziehung und einem kräftigen Prediger, vgl. ebd., 110. 284 Kompendium 1674, 201–209 – Bolton-Übs. 1674, 229–236; Kompendium 1674, 210– 227 – Bolton-Übs. 1674, 319–348; Kompendium 1674, 243–253 – Bolton-Übs. 1674, 438–444. 285 Vgl. Bolton, Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main 1676, 259, 260, 300 f., 308. 286 Vgl. Bolton, Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main 1676, 466–470. 287 Vgl. Bolton, Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main 1676, 224.
178
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Weitere puritanische Elemente sind die oft wiederkehrende Polemik gegen die römisch-katholische Kirche, insbesondere die Widerlegung288 von Bellarmins Behauptung, die Protestanten lehrten, zu glauben heiße, sich selbst einzureden, gerechtfertigt zu sein. In der Schrift finden sich Zitate antiker Autoren wie Seneca und den Kirchenvätern (vor allem von Augustin), Zitate mittelalterlicher Theologen wie Thomas von Aquin und Bernhard von Clairvaux sowie Zitate der Reformation (Luther, Théodore de Bèze) und der Gegenwart (Thomas Hooker, Thomas Cartwright, Perkins und John Randall). Auffallend sind Zitate von Theologen, die am Tridentischen Konzil teilgenommen haben, zum Beispiel Catarinus (über die Unmöglichkeit von Mittelmäßigkeit eines Werkes)289 und Vegas. Darüber hinaus werden viele Beispiele aus der Geschichte der Antike, des vorderen Orients und der europäischen zeitgenössischen Geschichte angegeben. Deusing hat seine Vorlage auf interpretationsorientierte Art und Weise übersetzt. NL 621: een H. Hemelsch licht en Sonneschijn […], welcke de duysterste mid-nacht van alle uwe uyterlijcke ellenden, sal connen verlichten, om de swarte ende onghestuyme wolcken, van uwe tijdtlijcke swarigheden te verdrijven ende doen verdwijnen. DE 558: ein heiliges himmlisches Liecht […], welches die Finsternissen eures eusserlichen Elends, erleuchten, und eure leibliche Schwärigkeiten vertreiben wird.
Deusing interpretiert „tijdtlijcke“ (zeitliche) als „leibliche“. Indem er auf jegliche Form von Bildsprache wie „mid-nacht“ (Mitternacht) und „swarte ende onghestuyme wolcken“ (schwarze und ungestüme Wolken) verzichtet, verändert Deusing im Zuge seiner Übersetzung auch den literarischen Stil der Vorlage. In der Übersetzung begegnet man einigen orthographischen Fehlern. DE 156: Folget der Verenderungswürdigen Gedult, des almächtigen Gottes […]
Das zweite „e“ in „Verenderungswürdigen“ ist nachträglich von Hand durchgestrichen und mit „wu“ überschrieben worden. Zuweilen sind sogar Wörter weggefallen. Auch gibt es einige kleine Übersetzungsfehler. NL 25: Ende was het niet een miraeckeleuse genade, na sulcken Coninginne sulcken Coninck te vercrijgen? DE 23: Ja, war es nicht eine wundersahme Gnade, nach Absterben der Königinn, einen solchen Krieg zu haben?
288 Bolton zufolge besteht der Glaube aus zwei Taten: einer vertrauenden Zustimmung zu den Verdiensten Christi und einer Tat der Versicherung seiner Teilhabe an Christus, vgl. Bolton, Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main 1676, 487–506. 289 Vgl. Bolton, Noah göttlicher Wandel, Frankfurt am Main 1676, 286.
4.13 Olfert Dapper, Beschreibung des Keyserthums Sina oder Taising (1676) 179
Die kulturspezifischen Elemente des englischen Originals wurden größtenteils übernommen: DE 21: dieses Königreich zu den Zeiten der Königin Mariæ
4.12.4 Editionsgeschichte Die Schrift wurde dreimal neu aufgelegt. 1678 erschien sie wiederum bei Seyler, jetzt mit geringfügigen orthographischen Änderungen und einem Register. Eine Titelauflage der letzten Auflage erschien 1691 in Hannover und Wolfenbüttel bei Gottlieb Heinrich Grentz,290 der vermutlich der lutherischen Konfession angehörte.291 1696 ist laut Georgi eine weitere Auflage bei Seyler erschienen.292
4.13 Olfert Dapper, Beschreibung des Keyserthums Sina oder Taising (1676) Im selben Jahr wie die beiden Bolton-Schriften (1676) erschienen zwei Reiseberichte in deutscher Übersetzung. Auf den beiden Titelblättern wird der Übersetzer mit den Initialen J. D. bezeichnet. Auf den ersten Blick stellt sich die Frage, ob Deusing tatsächlich wie in den Bibliothekskatalogen angegeben, der Übersetzer dieser Reisebeschreibungen ist. Schließlich unterscheiden sich die Texte sowohl formal als auch inhaltlich von den früher von Deusing übersetzten Erbauungsbüchern. Es gibt aber Indizien dafür, die es wahrscheinlich machen, dass Deusing die Reiseberichte übersetzt hat. Erstens besuchte einer der Verleger von Schoutens Buch, van Someren, die Frankfurter Buchmesse (s. 4.7.3). Vielleicht hat er Deusing gebeten, die Schriften von Dapper und Schouten gegen ein Honorar zu übersetzen. Zweitens ist es nicht berechtigt, Erbauungsliteratur und Reisebeschreibungen hinsichtlich ihrer Thematik als Gegensätze zu betrachten. Vor der Aufklärung galten Reiseberichte neben der Bibel als Offenbarungsquelle, die Gottes Wunder in der Natur erkennbar werden lässt. Olfert Dapper (1635–89) war ein niederländischer Physiker und bekannter Schriftsteller, der der sich insbesondere als Autor von Büchern über Weltgeschichte und Geographie einen Namen machte. Er war Lutheraner.293 Sowohl die niederländische als auch die deutsche Fassung von Dappers Buch Beschreibung des Keyserthums Sina oder Taising (1676) gehören zu einem größeren Werk,294 doch 290
Vgl. Benzing 1977, 1147, 1160. Pietas-Nummern: 1678: P08039177; 1691: P08039178. 292 Vgl. Georgi 1966–1967, Bd. 1: 179; McKenzie 1997, 91, Nr. 371. 293 Vgl. NNBW, Bd. 7, 254–256. 294 Vgl. Olfert Dapper, Gedenkwaerdig bedryf der Nederlandsche Oost-Indische Maetschappye, op de kuste en in het keizerrijk van Taising of Sina: behelzende het tweede gezandschap … 291
180
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
sie verfügen über eine eigene Bogensignatur.295 Auf dem Titelblatt des deutschen Gesamtwerkes wird Deusing als Übersetzer nicht erwähnt, wohl aber auf dem Titelblatt der „Beschreibung“. Vermutlich hat er nur diesen Teil übersetzt. Der Verleger der beiden Fassungen war Jacob van Meurs (1619–80) aus Amsterdam, Buchhändler, Verleger, Drucker und Kupferstecher. Er verlegte Reisebeschreibungen, die sich zu der Zeit äußerster Beliebtheit erfreuten.296 In der von Deusing übersetzten Reisebeschreibung wird China beschrieben. Behandelt werden die unterschiedlichen Namen des Landes samt ihrer Etymologie, die Grenzen des Landes, seine Landschaft und das Klima, die territoriale Geschichte des Landes und seine politische Unterteilung, seine Sekten, Philosophie und Religion, die Architektur und Infrastruktur, die Fruchtbarkeit des Bodens, der Ackerbau sowie Pflanzen, Tiere, Steine und Rohstoffe. Ausführlich beschrieben werden auch die Gestalt und Art der Chinesen und ihre Sprache. W. Mahdi – der die Übersetzung ebenfalls Deusing zuschreibt – weist daraufhin, dass Deusings Text viele malaysische Begriffe enthält, wozu er durch die Memoiren deutscher Angestellte der Vereinigten Ostindischen Kompagnie (VOC) angeregt worden wäre.297 Deusing übersetzte Dappers Reisetagebuch bedeutungsorientiert und er nahm Kürzungen vor: NL 1:
DE 3:
Dan de beruchste en bekenste naem, daer dit gewest by de volken van Europe mede genaemt wordt, is Sina of China, welken naem de Portugesen, na het veroveren van geheel Indiën, allereerst van d’Indianen, als Kocinciners en Siamers, volgens Trigaut, ontleent hebben: want onder d’uitheemsche volken hebben d’ Indianen, gelijk aenstonds zal betoont worden, den naem der Sinen allereerst op den baen gebraght. Aber der gemeinste Nahm, damit diese Gegend bey den Europäern bekannt, ist Sina oder China, welchen Nahmen die Portugiesen nachdem sie gantz Indien erobert, erstlich von den Indianern, als Trigautius schreibt, entlehnt; dann unter den ausländischen Völckern haben die Indianer den Nahmen der Sineser am ersten auf die Bahn gebracht.
en het derde gezandschap … Beneffens een beschryving van geheel Sina, Amsterdam, Jacob van Meurs, 1670; ders., Gedenkwürdige Verrichtung der niederländischen Ost-Indischen Gesellschaft in dem Kaiserreich Taising oder Sina, durch ihre zweyte Gesandtschaft … Als auch die dritte Gesandtschaft […] Hierbey ist gefüget eine ausführliche Beschreibung des gantzen Sinischen Reichs, Amsterdam, Jacob von Meurs, 1676. 295 Vgl. Dapper, Beschryving des keizerryks van Taising of Sina, vertoont in de benaming, grens-palen, steden, stroomen, bergen, gewassen, dieren, gods-dienst, tale, letteren, &c., Amsterdam, Jacob van Meurs, 1670; ders., Beschreibung des Keyserthums Sina oder Taising, fürgestelt in den Nahmen, Grentzen, Städten, Flůßen, Bergen, Gewächsen, Thieren, Gottesdienst, Sprache, freyen Künsten e[tc.], Amsterdam, Jacob van Meurs, 1676. 296 Vgl. Ledeboer 1872, 63; Kleerkoper/Stockum 1914–1916, Bd. 1, 416–424, Bd. 2, 1387– 1389; F. Ulrichs 2003, 105–145. 297 Vgl. Mahdi 2007, 290–294.
4.14 Wouter Schouten, Ost-Indische Reyse (1676)181
4.14 Wouter Schouten, Ost-Indische Reyse (1676) Die deutsche Übersetzung erschien im gleichen Jahr wie ihre niederländische Vorlage, was ein Indiz für eine große Nachfrage ist. Meurs verlegte die beiden Fassungen zusammen mit van Someren.298 Der aus Haarlem stammende Wundarzt Wouter Schouten (1638–1704) schiffte sich 1658 mit der VOC von Amsterdam nach Ostindien ein.299 Er hatte Reiselust, wollte berufliche Erfahrungen machen und als reformierter Christ die Wunder Gottes anschauen und eingehend beschreiben. Seine 1676 erschienene Reisebeschreibung berichtet von der Hinreise und der Reise durch Ostindien. Sie beschreibt die geographischen, ökologischen, politischen, kulturellen und religiösen Gesichtspunkte der durchquerten Regionen und erzählt von der Rückreise und der Ankunft in den Niederlanden im Jahre 1665. Schouten war überzeugt reformiert und kritisierte die heidnischen Gewohnheiten und das unchristliche Verhalten vieler Christen, zum Beispiel Unkeuschheit, Fluchen, Wettern und Trunkenheit. Anlässlich des zweiten NiederländischEnglischen Krieges (1665–67) schrieb er, dass er lieber unter den ostindischen Heiden als unter den sich einander bekämpfenden christlichen Europäern geblieben wäre. 1672 verfasste er anlässlich des Einfalls der Franzosen in die Niederlande ein Pamphlet gegen Hochmut, Geldsucht, Unzucht und andere Sünden und er plädierte für Demut, Gottesfurcht und Buße. Es ist gut möglich, dass Schoutens Ansichten Deusing zur Übersetzung dieser Schrift veranlasst haben. Deusing übersetzte Schoutens Reisetagebuch bedeutungsorientiert und er nahm Kürzungen vor: NL 2:
De Reys- en Leersucht dus met malkander vereenigt zijnde, dwongen en drongen dan eerlang mijn gemoet soodanigh, dat ick my, door vrienden raet gestijft, na Amsterdam begaf; aldaer ick te met soo veel verrichte, dat ick my, tot mijn volle vernoeging, in dienst der Eed. Maetschappye sagh aengenomen; daer op ick stracks de preparatien tot soo lang gewensten reys, met sulcken blijtschap quam
298 Vgl. Wouter Schouten, Oost-Indische voyagie, Amsterdam, Jacob van Meurs, Johannes van Someren, 1676; ders., Ost-Indische Reyse … Nebenst noch dem gefährlichen Schiffbruch des Jagt-schifs, ter Schelling genant, von Frantz Janß. von der Heyde, aufgezeichnet … aus dem Niederländischen ins Hochteutsche übergesetzet durch J. D., Amsterdam, Jacob van Meurs, Johannes van Someren, 1676. Der letzte Teil der deutschen Fassung ist: Frans Jansz. van der Heiden, Gefährlicher Schiff-bruch, des Ost-Indischen Jagdt-schifs, ter Schelling, Amsterdam, Jacob von Meurs, Johannes van Someren, 1676, aufgenommen. Vermutlich hat Deusing diesen Teil auch übersetzt. Auf diese Fassung gehen zurück: Frans Jansz van der Heiden, Erstaunens-würdige Beschreibung des unerhört-gefährlichen Schiff-Bruchs, von dem ost-indischen Jagt-Schiff der Schelling, in: Robert Brown, Der englische Held und Ritter Franciscus Dracke, in einer ausführlichen Beschreibung von dessen Leben, Thaten und See-Reisen … welcher ein Anhang beygefüget von dem erstaunens-würdigen Schiffbruch des ost-indischen Jagdt-Schiffes, der Schelling genannt, Leipzig, Wolffgang Deer, 1726, [327]–472; ders., Gefährlicher Schiff-Bruch des ostindischen Jagdschiffes, der Schelling, Frankfurt und Leipzig, [Wolffgang Deer?], 1755. 299 Vgl. für die nächsten Absätze: Barend-van Haeften 2003.
182
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
te vorderen, dat het my onmogelijck is te beschrijven; ja de vreugde was in my soo ongemeen groot, en het verlangen naer de ver-gelegene Werelt soo krachtigh, dat ick my, nu aengenomen siende, schier de geluckighste mensch des werelts estimeerde. DE 1 f.: Als ich nun durch Reise- und Lehr-sucht solchergestalt ingenommen, und durch meine Freunde darin gesteifet war, begab ich mich nach Amsterdam: woselbst ich in kurtzer Zeit so viel zu wege brachte, daß ich, zu meiner Vergnügung, in der löblichen Ost-Indischen Compagnie Dienst angenommen ward: worauf ich ungeseumt mit unbeschreiblicher Hertzens-freude, mich zur Reise fertig machte; ja, die Freude war so groß, daß ich mich der glückseligste Mensch zu seyn bedüncken ließ.
4.15 Richard Baxter, Eines Gläubigen letzte Arbeit auf dem Tod-Bette (1683) 4.15.1 Einleitung Es dauerte sieben Jahre, bis eine weitere Übersetzung von Deusing erschien. Für diese Pause lassen sich zwei Gründe ermitteln. Sicherlich hat die Tätigkeit als Sekretär, die er seit 1678 bis 1683 ausübte, zu der mehrjährigen Pause beigetragen. Erst als Deusing 1683 Mitglied des Rates und Archivar wurde, kam es zu einer Erleichterung der Arbeitsbürden. Außerdem wurde die Drucklegung von bereits fertiggestellten Manuskripten Deusings vermutlich aufgeschoben. 1683 erschien, erstmals bei Salomon Kürßner in Kassel, eine Übersetzung Deusings im Duodezformat: Eines Gläubigen letzte Arbeit auf dem Tod-Bette. Oder ein christlicher Unterricht wie ein gottseliger Mensch seine Seele dem Herrn Jesu auff dem Tod-Bette anbefehlen soll. Das englische Original, The last work of a believer (London 1682) ist eine von Baxter verfasste und herausgegebene Leichenpredigt anlässlich des Todes von Margaret Charlton, der Mutter von Baxters Frau.300 Auf dem Titelblatt wurde der Verweis auf die Leichenpredigt weggelassen. Eine niederländische Übersetzung ist nicht bekannt. Die deutsche Fassung stimmt hinsichtlich der Struktur nicht völlig mit dem englischen Original über300 S. ESTC. Ein Jahr zuvor erschien eine Biographie von Baxters Frau. Dem Titelblatt zufolge enthält diese auch die Leichenpredigt anlässlich des Todes ihrer Mutter mit dem Titel The last work of a believer, was allerdings nicht zutrifft. Vielleicht erschienen die beiden Werke als zwei einzelne bibliographische Einheiten in einem Konvolut. Vgl. Baxter, A breviate of the life of Margaret, the daughter of Francis Charlton […] and wife of Richard Baxter […]: there is also published the character of her mother, truly described in her published funeral sermon, reprinted at her daughters request, called, The last work of a believer, London, B. Simmons, 1681 (Wing/ B1194). Für den Vergleich wurde die Auflage des Jahres 1682 benutzt: Baxter, The last work of a believer his passing prayer recommending his departing spirit to Christ to be received by Him, prepared for the funerals of Mary the widow first of Francis Charlton Esq. and after of Thomas Hanmer, Esq., and partly preached at St. Mary Magdalens Church in Milk-Street, London, and now, at the desire of her daughter, reprinted by Richard Baxter, London, B. Griffin, B. Simmons, 1682 (Wing/B1298).
4.15 Richard Baxter, Eines Gläubigen letzte Arbeit auf dem Tod-Bette (1683) 183
ein: an einer Stelle in der Übersetzung wurde ein Teil der Vorrede des Originals eingeschoben.301 Am Ende der deutschen Übersetzung gibt es ein „Gebet eines Glaubigen [sic] vor seinem Tode“, das sich im Original nicht findet. Es stimmt in weiten Teilenmit dem gleichnamigen Gebet im Hausbuch (s. unten) überein, obwohl es zuweilen Abweichungen im Wortlaut gibt.302 Vorlage dieses Gebetes ist nicht das englische Poor man’s family book, sondern dessen niederländische Übersetzung:303 ENG 415: „ All my deliverances from temptation and sin“ NL 478: Alle mijne verlossingen van de aenvechtingen van sonden DE 174: Alle meine Verhütungen von den Anfechtungen der Sünden ENG 416: „O thou that givest the Word, the Saviour, the Heaven“ NL 479: O gy die den gever sijt van het Woort, van de Saligmaker, en van den Hemel DE 177: Ach du, der du der Geber deß ewigen Worts, des Seligmachers und des Himmels bist.
Diese Vorlage hat Deusing auf bedeutungsorientierte Weise übersetzt: NL 478: Al die nuttigheyt, die het uw vrywilliglijck gelieft heeft van my […] ten goede van imants ziel of lichaem, te nemen DE 175: Alles Gute, was ich jemand an Leib und Seele erwiesen hab
Den Haupttext hat Deusing aber dem englischen Original von The last work of a believer entnommen. Das Inhaltsverzeichnis und die Vorrede Baxters hat er in seiner Übersetzung ausgelassen.304 Der Verleger, Salomon Kürßner, war ein Enkel von Salomon Schadewitz, dem Drucker der Erstauflagen der Teellinck-Übersetzungen. 1680 übernahm er die Druckerei seines Großvaters. Er gehörte der Kasseler reformierten Gemeinde an.305 Die Übersetzung wurde Prinzessin Elisabeth gewidmet, der auch die Übersetzung der Schrift Guthries gewidmet wurde. Ihre Schwester Charlotte war 1680 bereits verstorben. Deusing wünscht Elisabeth in diesem Leben Glückseligkeit, im Tod die überschwengliche Gnade Gottes und nach dem Tod die ewige Freude.306 301
ENG 57–72 (Zueignung der Lehre, Exempel der Mary Charlton) findet sich nicht in DE 139–156. An dieser Stelle wurde der Text aus der Vorrede ENG A3v-a4v eingeschoben. 302 Vgl. Baxter, Eines Gläubigen letzte Arbeit auf dem Tod-Bette, Kassel, Salomon Kürßner, 1683 (Pietas P08038898), 173–188; ders., Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684 (Pietas P08038905), 595–603. 303 Herangezogen wurden die folgenden Fassungen: Baxter, The poor man’s family book, London, Nevill Simmons, 1675 (Wing/B1353); ders., Het huys-boeck der armen, Utrecht, Johannes Ribbius, 1678 (Pietas P03038515); ders., Eines Gläubigen letzte Arbeit auf dem Tod-Bette, Kassel 1683, 173–188. 304 Vgl. Baxter, The last work of a believer, [A1r–v], A2r–[a4v]. 305 Vgl. Reske 2007, 412. 306 Baxter, Eines Gläubigen letzte Arbeit auf dem Tod-Bette, Kassel 1683, π2r.
184
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
4.15.2 Inhalt Ausgangspunkt dieser Schrift ist das Gebet des Stephanus vor seinem Tode: „HErr JEsu nim meinen Geist auff “ (Apg. 7,59).307 Daraus werden die folgenden Lehren gezogen: 1. der verherrlichte Jesus Christus hat die Macht, die abgeschiedenen Seelen aufzunehmen, 2. man soll nicht nur den Vater, sondern auch Christus hinsichtlich der Dinge, die sein Mittleramt betreffen, anbeten, 3. ein Mensch hat sowohl eine Seele wie einen Leib, 4. der Geist stirbt niemals zeitgleich mit dem Leib, 5. Christus nimmt die Seelen der Heiligen auf, sobald sich diese vom Leib losgelöst haben, 6. ein sterbender Christ darf seinen Geist auf kühne und getröstete Weise Christus anbefehlen, um von ihm aufgenommen zu werden, 7. das Gebet im Allgemeinen und besonders dieses Gebet ist ein sehr angemessener Abschluss aller Handlungen eines Christens. Der Autor lässt die ersten zwei Lehren aus und fängt gleich mit der dritten an. Demnach ist die Seele der vornehmste Teil des Menschen und besteht aus Vernunft und Willen. Der vierten Lehre zufolge lebt der Geist des Menschen länger als sein Leib, er ist unsterblich. Die Sozinianer, die dies leugnen, müssen auch leugnen, dass Christus eine Seele hatte, weil er diese wie Stephanus seinem Vater anbefohlen hat. Damit leugnen sie aber Christi Gottheit und machen ihn zu einem bloßen Leib. Die nächste Lehre lautet, dass Christus die Seelen seiner Heiligen aufnimmt, wenn sie vom Leibe scheiden. Aufnehmen impliziert hier, dass das Aufgenommene, die Seele, Christus angenehm ist. Ein sterbender Christ soll seinen Geist trotz Sünde, Gebrechen, Schwachheit und Untüchtigkeit des Leibes auf kühne und getröstete Weise Christus anbefehlen, um von ihm aufgenommen zu werden. Dagegen werden die fleischlichen, unvorbereiteten Sünder aufgrund ihrer Sorglosigkeit gewarnt und zur Vorbereitung auf ihren Tod aufgefordert, da Christus keine unwiedergeborenen Seelen annehmen wird. Die Erben des Lebens werden aber in ihrer übermäßigen Furcht vor dem Tod getröst, der die Seele nur vom Leib, nicht aber von Christus scheiden kann. Die letzte Lehre ist, dass das Gebet allgemein und insbesondere dieses Gebet sehr geeignet ist zur Beendigung aller Werke des Lebens eines Christen. Man soll bereits anfangen zu beten, wenn man bei guter Gesundheit ist und der Geist noch tüchtig ist.
4.15.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Die Schrift kann thematisch als puritanische Schrift betrachtet werden, da sie sich mit einem der vier letzten Dinge, dem Tod, auseinandersetzt. Als Vorbilder dienen zwei bedeutende Personen der Antike: Crassus und Caesar. Ein auffal307 Baxter,
Eines Gläubigen letzte Arbeit auf dem Tod-Bette, Kassel 1683, 13.
4.16 Richard Baxter, Das Hausbuch der Armen (1684)185
lendes Detail ist, dass der Autor die Möglichkeit einer sakramentalen Wiedergeburt durch die Kindtaufe eröffnet.308 In der Übersetzung wurde eine ganze Seite des Originals ausgelassen.309 Deusing hat der interpretationsorientierten Methode gemäß übersetzt: ENG 3: Malice must stone him till he die DE 3: Seine rasende tobsüchtige und boßhaftige Feinde steinigten ihn so lange, biß er den Geist auffgab
„Malice“ (Boshaftigkeit) wird personifiziert: „rasende tobsüchtige und boßhaftige Feinde“.
4.16 Richard Baxter, Das Hausbuch der Armen (1684) 4.16.1 Einleitung Ein Jahr später erschien Deusings Übersetzung einer weiteren Baxter-Schrift, diesmal im Oktavformat: Das Hausbuch der Armen. Worinn angewiesen wird I. Wie man ein auffrichtiger Christ werden soll. II. Wie ein auffrichtiger Christ gegen Gott, gegen sich selbst, und gegen andere, in allerley Ständen, ins besonder gegen das Hauß-Gesinde leben soll. III. Wie man in glaubiger Hoffnung und Trost, als ein geheiligter Christ sterben, und mit Christo in der ewigen Herrlichkeit verkläret werden soll. Drucker der Übersetzung war Johann Heinrich Stock aus Marburg. Da in der Schrift kein Verleger genannt wird, hat Stock das Buch wahrscheinlich auch verlegt. The poor man’s familiy book (London 1674) erschien bis 1684 siebenmal.310 1678 erschien eine niederländische Übersetzung. Stock (1647–1711) war Kanzleibuchdrucker und brachte auch Universitätsschriften und Schul- und Erbauungsbücher heraus. Wegen des Drucks von Schulbüchern geriet er 1680 mit Salomon Kürßner in Streit.311 Es wäre deshalb gut möglich, dass Das Hausbuch nach Der ewigen Ruhe erschienen ist, und dass sich Deusing nach der Kooperation mit Stock nicht mehr an Kürßner wenden konnte. Dies ist allerdings nur eine Vermutung; Baxters Schrift war ja kein Schul-, sondern ein Erbauungsbuch. Über Deusings Übersetzung von The poor man’s familiy book wurde schon ein Jahr nach Veröffentlichung bekannt, dass ihr eine niederländische Fassung zugrunde lag. 1685 erschien nämlich eine Übersetzung desselben Buches bei Jo308 Vgl. Baxter, The last work of a believer: „If you are not regenerate by the Spirit of God, (though you may be Sacramentally regenerate in Baptism:)“; Baxter, Eines Gläubigen letzte Arbeit auf dem Tod-Bette, Kassel 1683, 66: „Sofern ihr durch den Geist Gottes nicht wiedergebohren seyd, (ob ihr gleich durch den Tauff Sacramentlich wiedergebohren seyn möchtet;)“. 309 Vgl. ENG 2 f. – DE 3. 310 S. ESTC. Vgl. über Form und Inhalt des Buches: Keeble 1982, 89–93. 311 Vgl. Könnecke 1894, 252–254; Benzing 1982, 269; Reske 2007, 609 f.
186
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
hann Georg Lipper in Frankfurt und Leipzig. Der Übersetzer war Johann Konrad Feuerlein (s. 2.4).312 Der Verfasser der Vorrede – es ist unklar, ob es sich um den Verleger oder den Übersetzer handelt – erklärt, warum schon ein Jahr nach der Marburger Auflage eine neue erscheint. Erstens sei das Manuskript dieser Übersetzung bereits fast fertiggestellt gewesen und die Drucklegung habe schon angefangen, als man von der Marburger Auflage erfuhr. Zweitens könne die neue Auflage bestimmte Territorien Deutschlands abdecken, welche die Marburger Auflage nicht erreicht hatte. Außerdem seien die Exemplare der Marburger Auflage bereits ausverkauft. Viertens sei die neue Auflage auch richtiger und vollständiger als die vorige, weil die Marburger Auflage nicht auf dem englischen Original, sondern auf einer niederländischen Übersetzung beruhe und somit mit deren Fehlern und Auslassungen behaftet sei. Aus Eile wegen der sich nähernden Buchmesse sei sogar noch viel mehr ausgelassen worden. Die an dieser Stelle gegebenen Beispiele lassen sich nachweisen:313 ENG 136: Were you not Phanaticks? NL 152: Zijt ghyl. oock niet een deel Griecken? DE 173: Seyd Ihr Leute nicht noch ein Teil Griechen?
Auch habe der Übersetzer den niederländischen Wortschatz nicht immer zutreffend übersetzt. Darüber hinaus sei die neue Fassung nicht nur durch ergänzende Anmerkungen, sondern auch durch das Auslassen der Verweise auf die englischen Katechismen der orthodoxen lutherischen Lehre angepasst worden.314 Die folgenden Bestandteile der niederländischen Fassung wurden von Deusing ausgelassen: die Vorrede des niederländischen Übersetzers Henricus van Rhenen, Prediger in Jutfaes,315 Baxters Bitte an die Reichen316 und dessen Appell 312
Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 232 f. folgenden Fassungen wurden herangezogen: Baxter, The poor man’s family book, London, Nevill Simmons, 1675 (Wing/B1353); ders., Het huys-boeck der armen, Utrecht, Johannes Ribbius, 1678; ders., Das Hausbuch der Armen, Marburg, Johann Heinrich Stock, 1684. Vgl. auch ENG 79 f. – NL 86 – DE 102. Hier wurde sowohl in der niederländischen als auch in der deutschen Fassung die Antwort auf eine Frage hinsichtlich der Einsegnung durch den Bischof bei der Konfirmation sowie die darauffolgende Frage ausgelassen. Es wird mit der Antwort auf die ausgelassene Frage fortgefahren.Vgl. Baxter, Armer Leute Haus-Buch, Frankfurt/ Leipzig, Johann Georg Lipper, 1685, ):(3r–v. 314 Vgl. Baxter, Armer Leute Haus-Buch, ):(2r–):(5r. Vgl. Sträter 1987, 30 f., 36 f. Michael Lilienthal stützt sich wohl auf diese Vorrede, wenn er behauptet, dass die Frankfurter und Leipziger Auflagen viel besser seien als die Marburger, die auf einer niederländischen Übersetzung des Originals beruhe, vgl. Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, 563. Undereyck pries die Übersetzung Anton Brunsens: Undereyck, Der närrische Atheist, 955: „als dasselbige von dem Chur-Brandenburgischen Hoffprediger, Herren Brunsenio, ohnlängst, zu mehrer Erbauung gantz accurat nach dem Englischen verteutschet, auch mit einem nützlichen Regiester ist versehen worden …“ Es handelt sich um: Christliches Haus-Buch, Berlin, Christoph Runge Witwe, 1685. 315 Vgl. Baxter, Het huys-boeck der armen, *2r–*3v. 316 Vgl. Baxter, Het huys-boeck der armen, *4r–*5r. 313 Die
4.16 Richard Baxter, Das Hausbuch der Armen (1684)187
an die Leser,317 die Worte, die der Drucker Johannes Ribbius an die Leser richtete,318 das Inhaltsverzeichnis319 sowie eine Übersicht der Druckfehler320 und der Bücher, die von Ribbius gedruckt worden oder bei ihm erhältlich sind.321 In der niederländischen Vorlage finden sich die Bibelstellen, auf die verwiesen wird, jeweils am Ende der entsprechenden Seite. In der deutschen Übersetzung finden sich die Bibelstellen jeweils am Ende des betreffenden Abschnitts. Nur teilweise in die deutsche Übersetzung übernommen wurden die Formulargebete, Lobgesänge und Katechismen für das Hausgesinde, das ansonsten keine Erkenntnis erlangen könnte.322 Der detaillierte Textvergleich hat ergeben, dass Deusing acht Formulare der niederländischen Vorlage ausgelassen hat. Die übrigen Formulare übernahm er in veränderter Reihenfolge. Die Gebete für den Sonntag, für Kinder und das Hausgesinde sowie die Morgen-oder-Abendgebete sind so angeordnet, dass sich Morgen-oder Abendgebete für jeden Tag der Woche ergeben. Außerdem hat Deusing die Namen der Gebete verändert. Die letzten Unterweisungen hat er an einer Stelle in den Haupttext eingefügt. Die folgende Tabelle zeigt die Herangehensweise des Übersetzers auf. NL
DE
’t Gebedt van een gelovige, als hy sterft (477–484)
Gebet eines Glaubigen vor seinem Tode (595–603)
I. Morgen Gebedt voor een Huysgesin (485–486)
I. Wann du des Morgens erwachsest, so erhebe dein Hertz zu Gott auff folgende Weise (519)
V. Gebedt voor, en Danck-seggingh nae den Eten (515) VI. Een Gebedt om de Genade der Bekeeringe: om gebruyckt te worden van degene, die noch onbekeert, en nochtans van haren sondigen elendigen staet overtuygt sijn (516–525)
Ein Gebet umb die Gnade der Bekehrung, so von denjenigen gebrauchet werden kann, die noch unbekehrt; aber ihres sündlichen elendigen Standes überzeugt sind (575–585)
VII. Een belijdenisse der sonden, en een Gebedt voor een boetveerdig Sondaer (525–532)
Eine Bekäntnüß der Sünden, und ein Gebet eines bußfertigen Sünders (585–591)
317
Vgl. Baxter, Het huys-boeck der armen, *5v–[*7r]. Vgl. Baxter, Het huys-boeck der armen, [*7v]. 319 Vgl. Baxter, Het huys-boeck der armen, 2S3v–2S4v. 320 Vgl. Baxter, Het huys-boeck der armen, [2S6r]. 321 Vgl. Baxter, Het huys-boeck der armen, [Ss6v]–[Ss7r]. 322 Vgl. Baxter, Het huys-boeck der armen, 485–637. Die niederländische Übersetzung folgt hier dem englischen Original, auch wenn im englischen Original die Unterweisungen, die einem Kranken vorgelesen werden können, die Katechismen und das Bekenntnis voranstehen, vgl. Baxter, The poor man’s family book, [A7v]–[A8r], 421–463. 318
188
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
NL
DE
VIII. Een Gebedt en Lof-segginge op den Dagh des Heeren (532–548)
Ein Morgen-Gebet am Tage des Herrn zu gebrauchen (518–532)
IX. Een korter Formulier des Lofs en des Gebedts voor den Dagh des Heeren (548–555)
Ein kürtzer Morgen-Gebet am Tage des Herrn zu gebrauchen (533–539)
III. Een Morgen-gebedt voor een Huysgesin (486–492)
Morgen-oder Abend-Gebet für das HaußGesinde am Montage (539–545)
Een korter Morgen-Gebedt nae de ordre van het Vader ons, sijnde maer een wijder uyt-breydinge van dien (493–497)
Ein Morgen-oder Abend-Gebet am Dienstage, nach dem Gebet des Herrn eingerichtet (546–550)
IV. Een Morgen of Avond-gebed in de huis- Ein Morgen-oder Abend-Gebet am Mittgesinnen (497–506) wochen (551–558) Een ander Morgen of Avondt-Gebedt, voor de Huysgesinnen (506–515)
Ein Morgen-oder Abend-Gebet am Donnerstage (559–566)
Een kort Gebedt voor Kinderen en Dienstboden (615–619)
Ein Morgen-und Abend-Gebet am Freytage für die Kinder und das Hauß-Gesinde (568–570)
Een duydelijck en kort Huys-Morgen- en Avondt-Gebedt (619–622)
Ein Morgen-und Abend-Gebet am Sonnabend (571–575)
X. Gebedt voor een Siecke, die onbereydt is Ein Gebet eines Krancken, der unbereitet om te sterven (555–559) ist zum Tode (591–595) XI. Korte Catechismus van drie Vraeghen (560) XII. Verklaerde belijdenisse van de Christelijke Religie, in plaetse van een Catechismus (563) XIII. Korte Catechismus voor de gene, die de eerste geleert hebben, sijnde thien Vraegen, mitsgaders een brede Verklaeringe over deselve (566) XIV. Kort Gebedt voor Dienst-booden en Kinderen (615) XVI. Een Gebedt van een Boetveerdigh Sondaer, samen vergadert uyt de Psalmen (623) XVII. Lof-sangh aen onsen Verlosser, besonderlijck voor den Dach des Heeren (626) XVIII. Een Gesang, voor Boetveerdige Sondaren, te singen op de Wijse van Psal. 130 (633)
NL
4.16 Richard Baxter, Das Hausbuch der Armen (1684)189
DE
XIX. Korte Onderregtingen, om gelesen te DE 500–506 (Punkt I–VI; Punkt VII [506] = Punkt I auf NL 467; Punkt X [508] = worden van (of by) de Siecken, dewelcke sijn onbereydt om te sterven, of in een Staet Punkt VII NL) van twijfelinge (637)
4.16.2 Inhalt Das Buch ist in Dialogform geschrieben und es enthält neun Gespräche, die an neun Tagen stattfinden. Gesprächspartner sind der Prediger Paulus und Saulus, ein unwissender Mann. Im ersten Gespräch führt Paulus dem Unwissenden die trügerische Sicherheit, in der er sich in Bezug auf auf Gottes Barmherzigkeit wiegt, vor Augen, da ihm die Merkmale des wahren Glaubens fehlen. Nachdem Saulus seine eigene Heuchelei erkannt hat und am nächsten Tag um Rat bittet, belehrt Paulus ihn über die Verpflichtungen des Taufbundes und fordert zu dessen Erneuerung auf. Während des dritten Gesprächs erscheint Saulus’ Bekannter Elymas, der ein reicher Mann ist. Er beschuldigt Paulus, dass er Saulus beunruhige. Paulus widerspricht ihm und bringt ihn dazu, die Unrechtmäßigkeit seiner Beschuldigung zu erkennen. Dennoch findet Elymas keinen Gefallen an Bekehrung und Gottseligkeit.323 Nachdem Saulus eine schwere Krankheit überstanden hat und Elymas und dessen Knecht Malchus324 gestorben sind, wendet Saulus sich am vierten Tag mit dem Anliegen an Paulus, seinen Taufbund zu erneuern. Nach dessen Unterweisung schließt Saulus vor seinem Hausgesinde öffentlich einen Bund mit Gott, welcher aus Erkenntnis seiner Sünde, seines Glaubens und seiner Zustimmung zum Bund mit Gott besteht. Sein Hausgesinde möchte noch Bedenkzeit haben. Am folgenden Sabbat nimmt Saulus am Abendmahl teil und legt ein Sünden- und Glaubenbekenntnis vor der Gemeinde ab, um die Erneuerung des Bundes zu bekräftigen. Obgleich Saulus die Bekehrung wie eine Versetzung in eine neue Welt empfindet, bittet er Paulus am fünften Tag um Rat hinsichtlich der Frage, wie man sich Versuchungen widersetzen kann. Am sechsten Tag lehrt ihn Paulus, wie er sein Hausgesinde zur Furcht Gottes führen kann. Im Einzelnen werden die Pflichten der Hausmitglieder untereinander und gegenüber Gott besprochen. An jedem Tag soll das Hausgesinde zweimal einen Hausgottesdienst mit Gebet, Lektüre der Bibel oder von Erbauungsbüchern und mit Psalmgesang halten, und zwar zu den besten Zeiten des Tages, welche im Allgemeinen die Morgen- und Abendstunden sind. 323 Vgl. Apg 13,8, wo Elymas die Bemühungen des Apostels Paulus, den Statthalter Sergius Paulus zum Glauben zu bewegen, durchkreuzen will. 324 Eine Anspielung auf die Passionsgeschichte: Malchus, der Knecht des Hohenpriesters, s. Joh 18,10.
190
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Im achten Gespräch wird die Heiligung des Sabbats besprochen. Paulus begründet die Heiligung des Sabbats, möchte aber nicht über den Namen des Tages streiten, sondern über den Tag des Herrn sprechen. An diesem Tag soll man Gott öffentlich in der Kirche dienen durch Anhörung des Evangeliums und durch das Lob und die Danksagung Gottes. Alles, was diese heilige Übung behindert, ist verboten. Dargestellt werden ein Tagesablauf und die dazugehörenden geistlichen Übungen. Dazu gehören sowohl der Gottesdienstbesuch und die Teilnahme am Abendmahl als auch persönliche und gemeinsame geistliche Übungen, die auch zur Verarbeitung der Predigt und des Sakraments dienen sollen. Das letzte Gespräch befasst sich mit der angemessenen Vorbereitung auf den Tod, die zu Lebzeiten stattfindet. Man soll in der Zeit seines Lebens Gott gefallen und anderen Gutes erweisen, damit man reinen Gewissens sterben kann. Vor dem Erlöschen des Geistes soll man sich hüten. Weiterhin werden Kennzeichen genannt, an denen man den Geist und die Liebe Gottes erkennen kann. Die Lehrinhalte richten sich gleichermaßen an Unbekehrte und Bekehrte. Das Buch schließt mit Gebetshilfen für diejenigen unter dem Hausgesinde ab, die keine Erfahrung im Beten haben.
4.16.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Das ganze Buch weist einen puritanischen Charakter auf. Paulus ist die Personifikation des puritanischen Predigers, der es ernst meint mit der geistlichen Erforschung und Unterrichtung seiner Gemeindeglieder. Weitere puritanische Elemente und Themen, die sich im Buch wiederfinden, sind: Selbstprüfung anhand von Kennzeichen, fleißiges Streben nach der Heiligung des Lebens, innere geistliche Erfahrung (Versuchungen), Hausgottesdienste, Sonntagsheiligung, geistliche Übungen und die Vorbereitung auf das Sterben. Die Entscheidung, ob man mithilfe eines Buches oder ohne Buch betet, überlässt Baxter dem Hausvater.325 Verwiesen wird auf die Kirchenväter und auf zeitgenössische englische Theologen. Zitiert werden die puritanischen Theologen Bolton, Thomas Goodwin, Matthew Mead, Perkins, Preston und Sibbes. An der Stelle, wo Baxter den Rat gibt, sich bei der Selbstprüfung von einem Prediger oder einem Freund helfen zu lassen, wird auf die Übersetzung von Guthries Buch verwiesen: „Leset ein mehrers hiervon in Wilhelm Guthry grossem Interesse eines auffrichtigen Christen, welches der Ubersetzer verteutschet hat.“326 Diese Empfehlung stammt wohl vom Übersetzer. Die Grundgedanken der Schrift werden hier kurz referiert. Die Bekehrung wird aus der Perspektive des Taufbundes betrachtet. In der Taufe geht Gott mit dem Täufling einen Bund ein, der durch das Gelübde der Eltern zustande kommt. Wenn das Kind zur Vernunft gekommen ist, soll es das Gelübde der El325 326
Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 398 f. Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 429.
4.16 Richard Baxter, Das Hausbuch der Armen (1684)191
tern bestätigen, wodurch der Bund erneuert wird. Die Erneuerung des Bundes ist eine Absage an den Teufel, die Welt und das eigene Fleisch sowie die bedingungslose Übergabe seiner selbst an Gott.327 An anderer Stelle geht Baxter von der in der Church of England üblichen Taufliturgie aus und nennt das Amt eines Bischofs und das Book of Common Prayer.328 Ferner weist er auf eine persönliche und gemeinsame Bundschließung mit Gott hin.329 Baxter meint, dass es große Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen hinsichtlich der Ermahnung zur Buße und Heiligung gibt.330 An einer Stelle verteidigt Baxter die Nonkonformisten.331 An anderer Stelle behauptet er, dass Nonkonformisten und Konformisten, Episkopale, Presbyterianer, Independenten und sogar die römischen Katholiken hinsichtlich der Ermahnung zur Buße und Heiligung einander gleichen.332 Baxter weist in diesem Zusammenhang auf „der Päbstler Gemeine Kirchenbuch“ hin.333 Zwischen Protestanten und römischen Katholiken gebe es aber einen Unterschied in der Schriftlehre: diese haben als Ergänzung zur Heiligen Schrift die kirchliche Lehrtradition. Außerdem weist Baxter die Beschuldigung der römischen Katholiken zurück, dass die protestantischen Grundsätze zu leicht zu befolgen wären, da sie die Gläubigen nicht zur Heiligung auffordern würden. Ihm zufolge ist es die römisch-katholische Lehre, die aufgrund ihrer einfachen Zeremonien zu leicht zu befolgen sei.334 Theologische Streitigkeiten über Lehrsätze, Kirchenregiment und Liturgie greift Baxter nicht auf.335 Er möchte nicht über den Namen des christlichen Ruhetages streiten und bevorzugt die Bezeichnung „Tag des Herrn“. Sofern das Wort einen Tag der zeremoniellen Ruhe der Juden bezeichnet, kann man nicht von Sabbat sprechen, weil dieser abgeschafft ist.336 Im Hinblick auf den Anschluss an eine Kirche hat Baxtor eine zweifache Sichtweise. Einerseits solle man die beste Gemeinschaft mit der unsträflichsten Kirche aufrechterhalten, wenn dies auf eine gebührliche Weise möglich ist. Andererseits soll man sich zuweilen auch mit den Kirchengemeinden, die sich in bestimmten Punkten irren, bekanntmachen, wenn es wahre Christen in ihnen gibt, und wenn diese Gemeinden nicht zur Sünde verleiten.337 Man soll den Frieden und die Einigkeit der Kirche lieben. Eine Trennung von der Kirche und den Exklusivitätsanspruch 327
Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 75–110. Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 102–104, vgl. 156, 418 f. 329 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 110. 330 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 156–163. 331 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 157–163. 332 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 163, 278 f. 333 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 188. 334 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 190–192. 335 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 249–251. 336 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 403. 337 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 351 f., 410 f. 328
192
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
von Sekten lehnt Baxter entschieden ab.338 Auch die Tatsache, dass die Kirchenzucht nicht (genügend) ausgeübt wird, ist kein hinreichender Grund zur Absonderung von der Kirche.339 Baxter spricht von einem Gesetz der Gnade, nach dem der Mensch am Jüngsten Tag gerichtet wird.340 In den Gebeten ist die Klage über die Trennungen innerhalb der allgemeinen Kirche und die Bitte um Wiedervereinigung der verschiedenen Konfessionen ein immer wiederkehrendes Thema.341 In einem Gebet findet sich die Bitte, dass die ganze Welt, auch die Katholiken, den Schöpfer erkennen mögen.342 Der Sündenfall habe die Vernunft blind und ungesund gemacht, weshalb diese die zusätzliche Hilfe Gottes braucht. Der Glaube wird definiert als eine von der übernatürlichen Offenbarung wohl unterrichtete Vernunft, die Heiligung als eine Genesung unserer Vernunft. Die Irrtümer der Vernunft sollen verleugnet werden, nicht aber deren Gebrauch.343 Christi Verdienst hat Baxter zufolge eine universale Reichweite.344 Ein einzelnes Element ist die Beschuldigung der Reichen für die Unterdrückung der Armen.345 Deusing hat die Schrift bedeutungsorientiert übersetzt: NL 394: die al-bereyts door toestemming met God in het Verbont is DU 427: der bereits mit Gott einen Bund auffgerichtet hat
Vieles ist gekürzt; zuweilen wurde ein halber oder ganzer Abschnitt weggelassen.346 Namen von Autoren und Titeln englischer Bücher hat der Übersetzer teilweise oder ganz weggelassen347 oder sogar durch andere Namen ersetzt: NL 350: Mr. Rychard Allens, Mr. Joseph Allens, Mr. Wheatlys nieuwe geboorte, en uytkoopinge van de tijt: Mr. Bolton, Dr. Preston, Dr. Sibbes, Mr. Perkins, Dod, Hildersham, waer van meer hier nae348 DE 381 (13. Sie zur Lektüre der nützlichsten Bücher gewöhnen) nemlich, Bolton, Præston, Libs [sic, d. Vf.], Penkinsius [sic, d. Vf.], Godevvin, Mede, und dergleichen.
Deusing hat hier wahrscheinlich nur die Autoren übernommen, deren Schriften er kannte. Außerdem hat er zwei Autoren, Thomas Goodwin349 (1600–80) und 338
Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 397 [= 297]. Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 431. 340 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 483. 341 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 517–603. 342 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 531. 343 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 568, 571 f. 344 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 568, 585. 345 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 128. 346 NL 301 – DE 331 (Punkt XVI); NL 467- DE 499; NL 469 – DE 508. 347 NL 344 – DE 375; NL 377 – DE 409; NL 441 – DE 476. 348 Genau dieselben Autoren werden ENG 305 erwähnt. 349 Vgl. für eine Übersicht der deutschen Übersetzungen seiner Schriften: McKenzie 1997, 197, Nr. 813 – 205, Nr. 850. 1658 war in Heidelberg eine lateinische Übersetzung von Goodwins Schriften erschienen, vgl. Sträter 1987, 9, 27. 339
4.17 Richard Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen (1684)193
Matthew Mead, hinzugefügt. Meads Schrift The almost-christian discovered wird Deusing in deutscher Übersetzung bekannt gewesen sein; der Kasseler Superintendent Georg Hein hatte sie ins Deutsche übersetzt (s. oben). Mit kulturspezifischen Elementen der Schrift, ist Deusing nicht einheitlich umgegangen, da er diese Elemente teils beibehalten, teils entfernt oder seinem Zielpublikum angepasst hat: NL 24: Want, by aldien de Koning verleende een Acte van pardon aen de Iersche Rebellen DE 29: Dann so fern der König den Rebellen einen Gnaden-Brieff einhändigen ließ […] NL 278: De Historie van dese miraculen en andere daden, zijn van gelijcken nederwaerts aen ons overgelevert met al soo grooten voordeel, als onse Acten des Parlaments […] DE 307: Die Geschichte dieser Wunderwercke und anderer Thaten sind Uns gleicherweise, nebenst einem so gewissen Vorteil, wie die Reichs-Abscheide […] überliefert worden […] NL 512: Segen dese Koninckrijcken […]Segen den Koningh, en al desselfs Adel, de Rechters en Overheden […] DE 565: Segne diese Lande […] Segne alle Herschaffte, Oberkeit, und Ambtleute […]
Das Adjektiv „reformiert“ ist wohl zugunsten der lutherischen Leserschaft entfernt worden: NL 504: Bewaer en segen de Gereformeerde Kerken, en besonder in dese Koninkrijcken daer wy woonen. DE 557: Bewahr und segne deine Kirchen, absonderlich in dem Lande, worin Wir wohnen.350
4.17 Richard Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen (1684) 4.17.1 Einleitung In demselben Jahr erschien eine weitere von Deusing verfasste Baxter-Übersetzung im Quartformat, bestehend aus vier Bänden, die insgesamt mehr als 1300 Seiten umfassen: Die ewige Ruhe der Heiligen. Oder eine Beschreibung des glückseligen Zustandes der Heiligen in der Gemeinschafft mit Gott nach diesem Leben. Worin gezeigt wird 1. die Fürtrefflichkeit und Gewißheit dieser Ruhe. 2. der elendige Zustand der Gottlosen nach dem Tode. 3. der Weg und das Mittel, wodurch man dieser Ruhe unfehlbar teilhafftig werden, und 4. durch Hülffe des Meditirens in dem Vorschmack derselben stets leben könne. Verleger war Salomon Kürßner. Das Original, The saint’s everlasting rest (London 1649), war ein Bestseller und gilt als Baxters bekanntestes Werk. Bis einschließlich 1677 wurde es dreizehnmal 350
Vgl. NL 504, DE 557.
194
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
aufgelegt.351 1677 erschien eine niederländische Übersetzung, die 1682 neu aufgelegt wurde.352 Dem Titelblatt zufolge beruht die deutsche Fassung von 1684 auf der vierzehnten Auflage.353 Dies führt zu der Annahme, dass Deusing das englische Original als Vorlage benutzt hat. Bei einem Übersetzungsvergleich stellte sich aber heraus, dass Deusing die niederländische Übersetzung als Vorlage für seine Übersetzung benutzt hat. An den Stellen, wo die niederländische Übersetzung vom englischen Original in Formulierung und im Wortlaut abweicht, wo sie etwas umstellt oder auslässt, tut die deutsche dies ebenso.354 ENG 671: it hath seised on thy heart, which is the principal Fort […] NL Tl. 4, 426: de hovaardy heeft uw herte, het voornaamste bolwerck ingenomen […] DE Tl. 4, 150: die Hoffart hat dein Hertz, das fürnehmste Bollwerck, eingenommen […]
Zwar erwecken die lateinischen Begriffe in der deutschen Übersetzung den Eindruck, dass sie aus dem englischen Original übernommen wurden,355 doch nicht immer kommen diese im Original oder in der niederländischen Übersetzung vor.356 Vermutlich hat Deusing sie also auf der Grundlage seiner eigenen Lateinkenntnisse hinzugefügt. In die deutsche Übersetzung des ersten Buches wurde die Widmung an die Kirchengemeinde und die Stadt Kidderminster aus der niederländischen Fassung übernommen; nicht übernommen wurde eine Bibelstelle, die Vorrede und das Register.357 Aus dem zweiten Buch wurden einige Bibelstellen, die Vorrede und je ein Zitat von Gregor von Nazianz und Cyprian übernommen.358 Aus dem dritten Buch ist die Vorrede nicht aufgenommen worden; übernommen wurde die Bibelstelle Offb 3,12.359 Aus dem vierten Buch wurden einige Bibel351 S. ESTC.
352 S. Pietas.
Vgl. über Form und Inhalt des Buches: Keeble 1982, 94–113.
353 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel, Salomon Kürßner, 1684 (Pietas P97004426), [a1r]. 354 Vgl. Baxter, The saints everlasting rest, or, A treatise of the blessed state of the saints in their enjoyment of God in glory, London, London, Francis Tyton, Robert Boulter, 1676 (Wing/ B1394); ders., D’eeuwig-durende ruste der heyligen, Amsterdam, Gerardus Borstius, 1682 (Pietas P97004418); ders., Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684. Umstellung: die niederländische und deutsche Übersetzung behandeln den Inhalt von Punkt III nicht direkt nach dem Inhalt von Punkt II (NL, Tl. 2, 272; DE, 149), sondern erst auf S. 277 (NL) und 154 (DE), vgl. ENG, Tl. 2, 246). Weglassung: NL, Tl. 2, 222 – DE 81 f. (Punkt 10 weggelassen); NL, Tl. 2, 246 – DE 115 (Punkt 11 weggelassen). 355 S. ENG, Tl. 3, 434 – NL 155 – DE 232; ENG, Tl. 3, 454 – NL 179 – DE 269; ENG, Tl. 3, 455 – NL 179 – DE 270. 356 S. ENG, Tl. 3, 444 – NL 167 – DE 250. 357 Widmung: NL 2*2r–3*4r – DE 3–[23]; Bibelstelle: NL *1v; Vorrede: NL *2r–2*1v; Register: NL 3*4v. 358 Bibelstellen: NL 170 – DE [2]; Vorrede: NL 171–204 – DE 3–[55]; Zitat Cyprian: NL 202, Anm. a – DE 56; Zitat Nazianz: NL 202, Anm. b – DE 55. 359 Vorrede: NL 2S1v–2S2v; Bibelstelle: NL 2S2v – DE [2].
4.17 Richard Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen (1684)195
stellen und die Vorrede übernommen; ein Anhang aus einem Traktat von Hugh Broughton (1549–1612) über die Harmonie der Bibel und ein Register wurden ausgelassen.360 Die Zitate und Anmerkungen, die sich im Original auf den unteren Seitenrändern befinden, sind, bis auf wenige Ausnahmen, nicht in die deutsche Übersetzung aufgenommen worden.
4.17.2 Inhalt In der Vorrede zum Gesamtwerk beschreibt Baxter, wie das Buch entstanden ist: durch Krankheit sah er den Tod vor Augen, was ihn zum Meditieren über die ewige Ruhe angeregte. Weil er vielleicht nur noch eine kleine Zeit bei der Gemeinde sein würde, wollte er ihr, wie ein Testament, seinen besten Rat hinterlassen. Der Vorrede folgt ein Gedicht, worin Baxter sich von der Welt lossagt. Diese kann ihn im Gegensatz zum Himmel nicht befriedigen, was durch die Gegenüberstellung gegensätzlicher Begriffe (Staub, Dreck und Schatten gegen Liebe, Licht und Leben) zum Ausdruck gebracht wird.361 Das erste Buch behandelt die Vortrefflichkeit und Gewissheit der Ruhe für Gottes Volk (Hebr. 4,9). Sie ist das Ende der irdischen Laufbahn der Gläubigen und besteht aus dem vollkommenen und unendlichen Genuss Gottes. Dies wird im Einzelnen beschrieben: alle Bewegung lässt nach, man ruht von den Werken und wird von allem Elend befreit und hat die engste Gemeinschaft mit Gott. Dass die ewige Ruhe die beste ist, zeigt Baxter anhand einiger philosophischer Grundgedanken auf. Sie wird um ihrer selbst willen, nicht um etwas anderes begehrt und gesucht. Wir haben die Ruhe verloren und sind dadurch in das äußerste Unglück gefallen. Die ewige Ruhe ist vortrefflich, und zwar aus folgenden Gründen. Erstens ist sie die wichtigste Frucht von Christi Blut. Zweitens ist sie uns umsonst gegeben. Diejenigen, denen diese Ruhe auferlegt worden ist, bilden das Volk Gottes (Hebr. 4,9). Es ist eine kleine Gruppe von Menschen, die Gott von Ewigkeit ausgewählt hat, die er seinem Sohn zur Erlösung und Verherrlichung gegeben hat, und die durch Christus und dessen Geist erfüllt werden. Das zweite Buch zeigt, dass die Heilige Schrift, welche die Wahrheit der ewigen Ruhe lehrt, das vollkommene und unfehlbare Wort und Gesetz Gottes ist. In der Vorrede dieses Buches werden die Irrlehren der Ungläubigen und der römischen Katholiken hinsichtlich der Bibel widerlegt. Die Wahrheit der ewigen Ruhe wird auf Grundlage der Heiligen Schrift und anhand von Erfahrungen bewiesen. Die Ruhe wurde den Heiligen vorzeitig von 360 Bibelstellen: NL 328 – DE [2]; Vorrede: NL 329–330 – DE 3–6; Anhang Dr. Broughton: NL 587–588; Register: NL 6E3r–6G2r. 361 Ein Gedicht mit einem sehr ähnlichen Inhalt wurde in Brunsens Übersetzung des Poor man’s family book aufgenommen: Richard Baxter, Christliches Haus-Buch, Berlin 1685, π1v. Vermutlich gehen die beiden Gedichte auf dieselbe Vorlage, das Original, zurück.
196
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Gott verordnet; sie wurde in der Bibel verheißen und die Heiligen bereits auf Erden in ihren Seelen einen Vorgeschmack dieser Ruhe. Es gibt verschiedene Gründe, von der Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift überzeugt zu sein. Baxter zufolge übertreffen zeitgenössische Theologen in den meisten Lehrsätzen die älteren Theologen, indem sie auf intellektueller Ebene Begründungen für die Gewissheit der Offenbarung liefern. Derartige Gründe fördern die Hoffnung in Bezug auf die ewige Ruhe. Um von der Glaubwürdigkeit und Göttlichkeit der Schrift überzeugt zu sein, braucht unser Verstand aber auch ein Zeugnis Gottes. Anschließend wird begründet, warum die Heilige Schrift ein göttliches Zeugnis ist. Die Bücher der Bibel und ihre Lehren werden durch eine beträchtliche Anzahl wirklicher Wunderwerke bestätigt. Es ist ausgeschlossen, dass es einen anderen Urheber der Heiligen Schrift außer Gott gibt, da weder Teufel noch Mensch sie verfasst haben können. Im dritten Buch geht es um den Nutzen der angeführten Lehren. Der Verlust der Ruhe ist groß und schrecklich: man verliert den Himmel und allen Trost. Die ewige Ruhe wird häufig vernachlässigt, und zwar von vier Arten von Menschen: fleischlich gesinnten Menschen, gottlosen und vermessenen Leuten, selbstbetrügerischen und trägen Christen und von Gottseligen, die zwar nicht immer, aber manchmal träge in der Betrachtung des Himmels sind. Die Selbstprüfung hinsichtlich der Frage, ob man an dieser Ruhe Anteil hat, ist höchst nötig, da es leicht ist, sich selbst zu betrügen. Die Kennzeichen der Teilhabe an der Ruhe sind die Hochschätzung der Ruhe als Ziel und die Annahme Christi als einzigen Heiland und Herrn. Ein aufrichtiger Christ kann eine unfehlbare Erkenntnis seiner eigenen Aufrichtigkeit haben, ohne dass er eine besondere Offenbarung bekommen hat. Das Kennzeichen der Gnade ist die Oberherrschaft Gottes und des Mittlers in der Seele. Den letzten Nutzen bilden die Trübsalen der Heiligen. Arbeit und Mühe sind der gewöhnliche Weg zur Ruhe. Sie behüten uns Menschen vor Irrwegen. Jeder, dem die Gewissheit dieser Ruhe geschenkt wurde, soll alle Kräfte einsetzen, um auch anderen Menschen dazu zu verhelfen. Das letzte Buch zeigt auf, wie man durch Meditation stetig im Vorgeschmack der ewigen Ruhe leben kann. Es gibt verschiedene Gründe, die ewige Ruhe ernsthaft zu betrachten. Eine himmlische Gesinnung ist eins der unfehlbarsten Kennzeichen der Aufrichtigkeit und sie ist tröstlich. Ein heiliges Leben kann durch verschiedene Faktoren verhindert werden: das Leben in einer herrschenden Sünde oder einer irdischen Gesinnung. Die himmlische Betrachtung wird definiert als die beständige und intensive Ausrichtung aller Seelenkräfte auf das vollkommenste Objekt mittels Meditation. Um die Seele zur Betrachtung zu bewegen, werden Vorteile und Hilfsmittel aufgelistet. Man soll die Darstellung des Himmels in der Schrift erforschen und
4.17 Richard Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen (1684)197
die Gegenstände, die man wahrnimmt, mit der geglaubten Wirklichkeit vergleichen.
4.17.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Undereyck hat in Christi Braut dreimal aus dem englischen Original The Saint’s Everlasting Rest zitiert.362 In Der wahren Bekehrung wird einmal,363 im Hausbuch viermal auf diese Schrift verwiesen, davon einmal in einer Übersicht empfohlener Bücher.364 Bereits auf der Frankfurter Michaelismesse im Jahr 1678 wurde angekündigt, dass mehrere Verlage gemeinsam eine deutsche Übersetzung herausbringen würden. Zu nennen sind Wilsonius (Pseudonym für Heinrich Betke) in Frankfurt, Georg Wilckens in Danzig und Georg Matthias Möller in Riga. Der Amsterdamer Buchhändler und Verleger Betke (auch: Hendrick Beets, 1625?– 1708) gab spiritualistische Schriften, vor allem von Jakob Böhme (1575–1624), heraus, und er arbeitete ab 1675 sehr eng mit Schütz zusammen. Er hatte auch Verbindungen nach Kassel.365 Wegen Deusings Bekanntschaft mit Schütz ist es gut möglich, dass es sich bei der geplanten Veröffentlichung um Deusings Übersetzung handelte. Ob das angekündigte Verlagsprodukt auch tatsächlich 1678 erschienen ist, ist unbekannt. Es ist kein Exemplar nachzuweisen. Der Inhalt des Werkes basiert auf den Grundsätzen des Puritanismus. Dazu zählen die Notwendigkeit der Ausrichtung auf die himmlische Herrlichkeit und ihrer Betrachtung im Leben auf Erden, die Aufforderung zur Selbstprüfung, ob man an dieser Herrlichkeit Teil hat, die Warnung vor der Gefahr des Selbstbetrugs sowie die Anleitung zur Übung der Meditation. Weitere puritanische Elemente und Themen, die im Werk zum Tragen kommen, sind die tägliche persönliche und gemeinsame Erbauung,366 die Bekehrung der Juden,367 die Ablehnung der römisch-katholischen Zeremonien, die laut des Puritanismus dazu führen, dass die Grundsätze und Regeln der Religion zu leicht zu befolgen wären,368 die Deutung des Krieges als Drohung Gottes und als Ermahnung zur Gottseligkeit und Sabbatheiligung,369 die Ablehnung konkreter Sünden,370 362
Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 1: 84 f.; Tl. 3: 409 f., 437. Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel, Elias Francke, 1673, 269. 364 Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 298 f., 408, 440, 495. 365 Vgl. A. Deppermann 2002, 310, 341–349, vgl. für die Ankündigung, ebd., 347. 366 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 12; Tl. 3: 111–114, 118 f.: Bibellektüre; Katechese des Hausgesindes; ehrerbietiges und fleißiges Gebet; Lektüre von Erbauungsbüchern; Sabbatheiligung durch heilige Übungen, genaue Selbsterforschung; die Hegung heiliger Gedanken, eine himmlische Gesinnung; stetige Wache über das Herz, Worte und Werke. 367 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 2: 70. 368 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 2: 169 f.; Tl. 3: 117 f. 369 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 3: 114–118. 370 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 3: 402, Tl. 4: 80: Sabbatenthei363
198
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
die Auffassung, dass die Erfahrung des Verkündigten im Herzen des Predigers eine Bedingung für das Predigtamt ist371 und die Notwendigkeit der Sabbatheiligung.372 Der Autor identifiziert sich mit Puritanern373 und erwähnt viele puritanische Autoren.374 Im Folgenden werden die einzelnen Gedankengänge und Elemente der Schrift zusammengefasst. Baxter missachtet theologische Polemik gegen das Kirchenregiment, die Liturgie und Lehrsätze.375 Theologische Polemik, die sich gegen die Reihenfolge von Gottes Beschlüssen richtet, bezeichnet er als Vermessenheit (contra William Twisse [1577/8–1646]).376 Die Behandlung theologischer Streitfragen möchte Baxter in diesem Werk vermeiden.377 Baxtor verlangt, den Kirchen und Gemeinden in unwesentlichen Belangen mehr Freiheiten einzuräumen, wohingegen er in grundlegenden Angelegenheiten Zusammenarbeit und Einigkeit einfordert.378 Baxter spricht über das Gesetz der Gnade. Die Erfüllung von Gottes Geboten ist eine Bedingung zur Seligkeit. Zu den Geboten gehören die Suche nach dem wahren Glauben und Gehorsam gegenüber Christus sowie Selbstverleugnung, Leiden und Überwindung.379 Der Glaube wird dementsprechend im weiten Sinne definiert und bedeutet, Christus als König und Heiland anzunehmen.380 Man kann auch vom Gesetz Christi sprechen.381 Eine persönliche evangelische Gerechtigkeit ist für jeden Menschen unverzichtbar.382 Den Verdienst der Seligkeit teilt Baxter mehr oder weniger zwischen Christus und den Menschen auf, indem er einerseits behauptet, dass es dem Evangelium völlig widerspreche, die Rechtfertigung unseren eigenen Verdiensten und nicht Christus zuzuschreiben. Andererseits wäre es aber ein Ausdruck zu großer Demut, wenn man Christus mehr zuschreibt als die Schrift es tut.383 ligung, Tanzen, Klingen, Singen, Würfeln, Spielen, Wollust, Eitelkeit, übermäßiger Reichtum, übermäßiges Weintrinken, lustige Gesellschaften, Schauspiel und Ehebruch. 371 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 4: 159–162. 372 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 4: 209–212. 373 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 185. 374 Erwähnt werden: Perkins, Bolton, Dod, Sibbes, Preston, Ames, Ussher, Edward Reynolds, William Whitaker, Cartwright, Thomas Brightman, Paul Baynes, William Bradshaw, John Ball, Arthur Hildersham, William Pemble, William Twisse, Parker, vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 9 f., 141 f.; Tl. 4: 376. 375 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 13f, 29 f., 169 f., 187–194, Tl. 3: 120, Tl. 4: 124–127, 142–146. 376 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 213. 377 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 117; Tl. 2: 14. 378 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 14–19. 379 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 35. 380 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 38, 240 f. 381 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 45. 382 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 47. 383 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 118 f.
4.17 Richard Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen (1684)199
Was die Bekehrung anbelangt, gibt es zwei Arten von Fehlschlüssen: erstens, wenn man darunter nur die Trennung von den Sünden ohne die Annahme Christi durch den Glauben versteht, zweitens wenn man sie auf den Glauben beschränkt.384 Dabei spielt es laut Baxter keine Rolle, was wir Menschen zuerst erlangen: den Glauben oder die Bekehrung. Es ist alles ein und dasselbe Werk, das Gott nach und nach ausführt, die dazwischenliegenden Zeitabschnitte dauern nur kurz.385 Schließlich beinhaltet das erste Buch noch die folgenden Gedanken. Baxter verteidigt die Historizität der Auferstehung Christi.386 Christus sei nicht für alle Menschen auf dieselbe Weise gestorben. Mit seinen Auserwählten habe er einen unbeschränkten, mit allen anderen einen bedingten Bund geschlossen.387 Baxter verwirft die Auffassungen der Spiritualisten und Enthusiasten, dass es Offenbarung durch den Heiligen Geist ohne die Schrift oder die kirchliche Lehrtradition gebe.388 Er ist sich unsicher, ob sich der von den Indianern geforderte Glaube ebenso weit erstrecken soll wie der Glaube, der von denjenigen unter der Verkündigung des Evangeliums gefordert wird.389 Die römisch-katholische Lehre, wonach die Taufe die Ursache oder das Werkzeug der Gnade ist, lehnt er ab.390 Das zweite Buch ist apologetischer Art, indem es zu beweisen versucht, dass die heilige Schrift das unfehlbare Wort und Gesetz Gottes ist. In diesem Buch finden sich die folgenden Elemente und Gedankengänge. Baxter lehnt es ab, die Glaubensartikel, also die Fundamente des Glaubens, zu ergänzen oder mit eigenen erfundenen Worten ein Bekenntnis zu formulieren.391 Baxter meint, dass die gelehrten Theologen in der heutigen Zeit in den meisten Lehrsätzen besser handeln als einige vor ihnen seit der Zeit der Apostel, wodurch sie der Kirche großen Nutzen gebracht und die Wissenschaft der Theologie stark vorangetrieben haben.392 Vehement lehnt Baxter die seines Erachtens antinomistische Auffassung ab, derzufolge Glauben das Vertrauen meint, dass Gott unsere Sünden bereits ver384
Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 236. Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 238. 386 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 94–97. 387 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 214. 388 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 217. 389 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 217 f.; Tl. 2: 187. 390 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 1: 220 f. 391 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 2: 52 f. 392 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 2: 67. Dieser Gedanke knüpft an den im 17. Jahrhundert unter Rosenkreuzern, englischen Gelehrten wie Francis Bacon (1561–1626) und Puritanern vorherrschenden Gedanken an, dass ihnen Gott in ihrer Zeit, die sie – gegebenenfalls auf Grundlage chiliastischer Ansichten – als die Endzeit betrachten, bis dahin unvermutete Einsichten in seinen Weltplan schenken werde. Vor diesem Hintergrund wurde die wissenschaftliche Erforschung der Natur mit der wissenschaftlichen Erforschung der Bibel verbunden, vgl. Lehmann 1980, 152–161. 385
200
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
geben hätte. Wenn alle Menschen dies glauben sollten, so Baxter, würden die meisten an eine Lüge glauben und ein unbegründetes Vertrauen haben.393 Gottes Wort befiehlt nicht einem jeden Menschen zu glauben, dass seine Sünden bereits vergeben sind, und dass er gerechtfertigt und als Kind Gottes angenommen worden ist, wohl aber befiehlt Gott den Glauben.394 Weil der Antinomismus, vor allem bei den gottlosen Sündern, ein unbegründetes Vertrauen erzeugt, ist er ein Werkzeug der Hölle, die Menschen unmittelbar in die Hölle fahren zu lassen.395 Der Autor wendet sich gegen einige orthodoxe niederländische und deutsche Theologen, die lehren, dass ein jeder Gläubige auch weiß, dass er glaubt, und bevorzugt in diesem Punkt die englischen Theologen.396 Laut Baxter kann ein aufrichtiger Christ auch ohne besondere Offenbarung eine unfehlbare Erkenntnis seiner eigenen Aufrichtigkeit in der Gnade erlangen. Diese Erkenntnis ist nicht die Versicherung des Glaubens, wie diese gewöhnlich definiert wird und wonach dem Menschen durch den bloßen Glauben dasjenige versichert wird, was er glaubt. Dieses Zeugnis ist nicht Gegenstand des Glaubens: Gottes Wort sagt bloß, dass demjenigen, der Buße tut und glaubt, alle Sünden vergeben werden, jedoch sagt es nirgends, dass eine bestimmte Person selig wird. Zwar kann man hier die unfehlbare Versicherung erlangen, die vollkommene Versicherung jedoch nicht.397 Baxter zufolge gibt es sehr wenige untrügliche Kennzeichen der Aufrichtigkeit. Wenn man seine Aufrichtigkeit prüft, soll man Acht geben auf: 1. die Wahrheit der Tat oder Fähigkeit, ob man also glaubt und Christus liebt oder nicht, 2. die sittliche Wahrheit der Tat, das heißt, ob die Wirkung der Tat wahrlich gut ist und eine Tugend oder Gnade darstellt, 3. die sittliche Wahrheit der Tat, wonach die Tat eine seligmachende oder rechtfertigende Gnade oder Pflicht oder eine Bedingung der Rechtfertigung oder der Seligkeit darstellt. Auf der letzten dieser drei Wahrheiten beruht die Selbstprüfung allein. Nur der Inhalt des Gnadenbundes macht eine Tat (oder Gnade) rechtfertigend beziehungsweise seligmachend. Der Bund besteht aus zwei Stücken, einem natürlichen Teil (betrifft die absolute Gottheit, das heißt den Herrn allein als unseren Gott anzunehmen) und einem übernatürlichen Teil (Christus allein als unseren Mittler, Erlöser und 393
Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 3: 51, 184. Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 3: 51. 395 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 3: 52. 396 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 3: 257 f. „Es sind einige Niederländische (und Hochteutsche) Theologi, welche in diesem Stück sich so sehr irren; unsere Engeländische Theologi aber sind hierin verständiger“, vgl. ebd.; Packer, 254–257. Der Hinweis auf die deutschen Theologen ist eine Ergänzung des Übersetzers, s. unten. Gemeint sind wahrscheinlich die Autoren des niederländischen reformierten Dogmatikhandbuches Synopsis purioris theologiae (1625) sowie Caspar Olevian (1536–87) und Zacharias Ursinus (1534–83), die Verfasser des Heidelberger Catechismus. All diese Theologen zählten das Vertrauen ( fiducia) und somit die Sicherheit zum Wesen des Glaubens, vgl. Graafland 1961, 98–128. 397 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 3: 247–253. 394
4.17 Richard Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen (1684)201
einzigen Seligmacher und Oberherrn anzunehmen). Die Oberherrschaft Gottes und des Mittlers in unserer Seele und in unserem Willen, unseren Affekten und unserem Leben über das Fleisch und anderen irdischen Belangen ist der wesentliche Teil, aus dem die Aufrichtigkeit unserer Gnadengaben, insoweit sie seligmachend sind, besteht. Die Aufrichtigkeit der seligmachenden Gnade liegt nicht in ihrer Natur an sich, sondern in einer gewissen Stufe der Ablehnung des Bösen und der Hinwendung zum Guten. Es gibt einen großen, formgebenden Unterschied ( formalis differentia) zwischen den Wirkungen, die von Natur aus nur in Stufen unterschieden sind.398 Baxter behauptet, dass die Gnadengaben in des Menschen Seele, sowohl im Verstand als auch im Willen, liegen, wobei sie nur im Willen spürbar sind. Feste Kennzeichen der Aufrichtigkeit sind Liebe zu Gottes Kindern und sie so zu lieben, wie sie sind, ein gleiches Verhalten im Privaten und in der Öffentlichtlichkeit, Liebe der schärfsten Predigten, die zur höchsten Stufe der Heiligkeit aufrufen, und die Bereitwilligkeit, all seine Sünden hinter sich zu lassen.399 Schließlich lassen sich im zweiten Buch noch die folgenden Standpunkte Baxters feststellen: Teufelerscheinungen betrachtet Baxter als real.400 Er wehrt sich dagegen, all zu tief in den Abgrund Gottes ewiger Ratsschlüsse einzudringen, um die Ursachen des Verlorenseins von Menschen zu finden. Die Gründe für den verlorenen Zustand soll man im Willen des Sünders suchen.401 Baxter weist auf eine persönliche und gemeinsame Bundschließung mit Gott hin.402 In Ewiger Ruhe finden sich Zitate, Verweise und Beispiele von Autoren aus der Antike, Kirchenvätern, Reformatoren, Märtyrern und zeitgenössischen Theologen, unter ihnen viele Puritaner. Untersucht man die Übersetzungsmethode Deusings, so ergibt sich, dass er auch hier bedeutungsorientiert übersetzt hat. NL I, 125: Voorwaer daer valt niets van dese dingen voor in den Hemel. Onse oogen sullen dan niet meer sien, noch onse herten geraeckt worden van wegen sulck bloedig vechten […] DU I, 106: Derogleichen aber wird man in dem Himmel nicht sehen. Unsere Augen und Hertzen werden alßdan durch solche bluhtige Kriege, die sich zu getragen haben, nicht mehr beweget werden.
An einigen Stellen hat Deusing lateinische Begriffe ergänzt: ENG III, 434: Come not with too peremptory Conclusions of your selves before-hand. NL III, 155: Komt niet voor-uyt met al te harde besluyt-redenen over u selven. DE III, 232: Kommet nicht auffgezogen mit den eussersten und letzten Schluß-Reden, (peremtoriis Conclusionibus) wieder euch selbst. 398
Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 3: 253–295. Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 3: 295–328. 400 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 2: 165–168. 401 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 2: 188 f. 402 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Kassel 1684, Tl. 3: 163. 399
202
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Hier scheint Deusing sich am englischen Original orientiert zu haben, doch an anderer Stelle (DE III, 250 – ENG III, 444 – NL III, 167) hat er die lateinischen Begriffe weder dem englischen Original noch der niederländischen Übersetzung entlehnt. Im Hinblick auf den Umgang mit kulturspezifischen Elementen ist Deusing nicht konsequent vorgegangen. Einerseits hat er diese übernommen: ENG II, 233: And therefore our learned Antiquaries are highly to be honoured, and exceeding useful Instruments in the Church. [keine Namen erwähnt, auch nicht in Aufl. 1669, II, 233] NL II, 259: En daerom moet men onse geleerde Ondersoeckers der oudtheden, (gelijck Vossius, Seldenus, en besonderlijck onsen eerwaerdigen Usserus) hooghlijck prijsen […] DE II, 131 f.: Und müssen derohalben unsere gelarte Nachforscher der Antiquitäten (wie Vossius, Seldenus, und insonderheit Usserus) […] zum höchsten preisen.
Andererseits hat Deusing kulturspezifische Elemente weggelassen:403 NL I, 79: Die gewent is nae de manier van Bradfort te schrijven: De ondanckbare, ongevoelige, en onwaerdige sondaer! DE I, 130: Der nach jenes Gottseligen Exempel zu schreiben pflegte: der undanckbahre, unempfindliche, und unwürdige Sünder!
Zuweilen hat Deusing etwas verändert: ENG II, 234: and that they are the same Laws which were made by such Kings and Parliaments so long ago […] NL II, 260: en dat het even die zelve wetten zijn, die voor langen tijdt van zulcke Koningen en Parlamenten opgestelt […] DE II, 132: Und daß es eben dieselben Gesetze sind, welche vor langer Zeit von solchen Königen und Rähten gestifftet worden […]
An einigen Stellen hat er in Klammern auf Deutschland oder die Situation in Deutschland verwiesen. ENG III, 521: Ah that this were not the case of many a learned Preacher in England! NL III, 255: Ach, dattet met menigen geleerde Predikant in Engelant so niet geschapen stont! DE III 381: Ach! daß es mit vielen Predigern in Engeland (Teutschland) nicht also beschaffen were […]
An anderen Stellen hat er kulturelle Verweise hinzugefügt, um der Perspektive des Publikums, der deutschen Leserschaft, gerecht zu werden: NL II, 217: en eenige verlangen daer nae, dat de Joden hier onder ons vry mogen woonen, en handelen DE 75: ja einige verlangen darnach, daß die Jüden in Engeland sicher wohnen und handeln mögen 403 Eine Darstellung der Geschichte Englands seit der Reformation wurde weggelassen, vgl. NL II, 272 – DE II, 148. Vgl. auch NL I, 125 – DE I, 196.
4.17 Richard Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen (1684)203
ENG III, 448: It is our beyond Sea Divines that so mistake in this Point: Our English Divines are sounder in it […] NL III, 172: het sijn onse Predikanten over zee, dewelcke in dit poinct haar so seer versinnen: onse Engelsche Godtgeleerden sijn daer in gesonder van verstant […] DE III, 257: „Es sind einige Niederländische (und Hochteutsche) Theologi, welche in diesem Stück sich so sehr irren; unsere Engeländische Theologi aber sind hierin verständiger […]
4.17.4 Editionsgeschichte 1689 erschien bei Johann Martin Meister im schweizerischen Schaffhausen unter Baxters Namen und unter dem Titel Königliches Priesterthum oder heilsame Lehre wie insgemein ein jeder Christ seines Nebend-Christen [sic, d. Vf.] […] ewiges Heil und Seligkeit sich sollen aufs eiferigste angelegen seyn lassen ein Exzerpt aus Der Ewigen Ruhe, und zwar Kapitel dreizehn und vierzehn aus dem dritten Buch. Der Originaltext ist leicht bearbeitet und in Kapitel unterteilt worden. Das Titelblatt informiert über den Hintergrund der Ausgabe: „weilen das grössere Buch nicht in vieler Händen, seiner besonderen Fürtrefflichkeit wegen, zu allgemeiner Erbauung der Kirchen Gottes, in diß Format gebracht“. In der dem Text vorangehenden Vorrede, die wohl vom Übersetzer verfasst worden ist, findet sich eine Klage über die Verderbnis der Sitten und eine Aufforderung an die Vorgesetzten aller Stände (Obrigkeit, Prediger, Lehrer und Eltern) und an alle Christen im Allgemeinen, die Seligkeit ihres Nächsten zu fördern.404 1719 erschien eine Neuauflage der Ewigen Ruhe bei dem Buchhändler, Verleger und Bibliographen Theophil Georgi (1674–1762) in Leipzig, welche dem Titelblatt zufolge eine neue Übersetzung auf Grundlage der letzten englischen Auflage sein soll,405 die aber bei genauerer Betrachtung eine Überarbeitung von Deusings Übersetzung ist. Der Wortlaut und die Formulierungen Deusings wurden nämlich leicht überarbeitet. Georgi war einer der größten und bekanntesten Verleger und Buchhändler Leipzigs. Er verfasste und verlegte die erste umfassende buchhändlerische Bibliographie, das Allgemeine Europäische Bücher-Lexicon (1742–58).406 1733 erschien nochmals eine Neuauflage bei Georgi mit einer Vorrede des Pietisten Johann Jacob Rambach (1693–1735).407 Diese Auflage ist eine leicht überarbeitete Fassung der Auflage von 1719. 404 Vgl. Baxter, Königliches Priesterthum oder heilsame Lehre wie insgemein ein jeder Christ seines Nebend-Christen … ewiges Heil und Seligkeit sich sollen aufs eiferigste angelegen seyn lassen, Schaffhausen, Johann Martin Meister, 1689, )(2r–[)(9r]. 405 Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Leipzig, Theophil Georgi, 1719, [)(1r]: „Nunmehro aber nach der letzten Engl. Edition von neuen accurat ins Teutsche übersetzet“. 406 Vgl. „Georgi, Theophil“, 1964. 407 Vgl. Die ewige Ruhe der Heiligen … Die andere Auflage, nochmahlen mit besondern Fleiße übersehen, und an vielen Orten verbessert, auch mit nöthigen Registern und einer Vorrede Herrn D. Johann Jacob Rambachs, Leipzig, Theophil Georgi, 1733.
204
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
4.18 Richard Baxter, Das göttliche Leben (1685) 4.18.1 Einleitung 1685 erschien bei Karl Scheffer (1640/1–1739) in Hanau im Oktavformat eine andere Baxter-Schrift in deutscher Übersetzung: Das göttliche Leben, abgefasset in dreyen Teilen, deren der erste handelt von der Erkenntnüß Gottes. Der zweyte von dem Wandel mit Gott. Der dritte von dem Wandel mit Gott in der Einsamkeit. Die Übersetzung erschien vermutlich um den Jahreswechsel 1684/5, denn auf den Titelblättern des zweiten und dritten Teils wird das erste Jahr als Erscheinungsjahr genannt.408 Das Werk wurde nicht nur in Hanau verlegt, sondern auch dort gedruckt, vermutlich ebenfalls von Scheffer. Scheffer verlegte unter anderem Schriften des Pietisten Johann Winckler (1642–1705).409 Das englische Original The divine life wurde 1664 in London veröffentlicht und bis 1800 sind keine weiteren Auflagen erschienen.410 Erst 1686 erschien eine niederländische Übersetzung, die bereits am 26. August 1685 von der Klasse (Kreissynode) Rolde approbiert worden war.411 Das Titelblatt der deutschen Ausgabe lässt offen, aus welcher Sprache übersetzt worden ist.412 Ein kurzer Übersetzungsvergleich hat gezeigt, dass die deutsche Übersetzung dem englischen Original folgt, wo es größere Differenzen zwischen diesem und der niederländischen Übersetzung gibt: ENG (a4)v: Do thus, and thou wilt be like those examples of the succeeding Church […] NL [*7v]: Doet dus, en gy sult de voorbeelden van die Kerke gelijk wesen […] DE )(3v: Tuhe dieses, so wirst du diesen Exempeln der nachfolgenden Kirche […] gleich seyn […] ENG 2: and so Holiness is our Life in the Principle, Seed or Habit. NL 3: ende dus is Heyligheyt ons’ Leven in het Beginsel, staat ofte Heblijkheyt. DE 3: und in solchem Verstande ist die Heiligkeit unser Leben, in Betrachtung des Anfangs des Saamens, oder der Wurzel.
4.18.2 Inhalt Der erste Teil behandelt die Erkenntnis Gottes und die daraus resultierenden Wirkungen im Herzen und Leben. Die Grundlage ist Johannes 17,3: „Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich, daß du allein wahrer Gott bist, und den du 408
Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau, Karl Scheffer, 1685 (Pietas P08038900), [256],
409
Vgl. Benzing 1977, 1255; Paisey 1988, 223; Reske 2007, 351.
[485].
410 S. ESTC. Vgl. Baxter, The divine life in three treatises, London, Francis Tyton, Nevil Sim-
mons, 1664 (Wing/B1254). 411 Vgl. Baxter, Het goddelyke leven, Leeuwarden, Gerardus Hoogslag, 1686 (Pietas P97002382), [*1v]. Der Übersetzer ist Nathanael Knowles, Prediger in Anloo. 412 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, [)(1r].
4.18 Richard Baxter, Das göttliche Leben (1685)205
gesandt hast, JEsum Christum, erkennen.“413 Die Erkenntnis des einzig wahren Gottes und des Mittlers Jesu Christi ist das Leben der Gnade und der Weg zur Herrlichkeit. Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen erreicht bei der Wiedergeburt hier auf Erden die höchste Stufe. Nicht nur Gottes Einheit spiegelt sich im Menschen wider (in seinem Wesen), sondern auch Gottes Dreienigkeit. Letztere kommt im Menschen in der Dreieinigkeit von Seele, Körper und Vernunft zum Ausdruck. In der Dreieinigkeit seiner Eigenschaften offenbart sich Gott uns Menschen in Form von unterschiedlichen Beziehungen, die er mit uns eingeht: als Schöpfer ist er unser Eigentumsherr, als Erlöser unser Regent und als Heiligmacher unser Vater. In diesem Sinne stehen wir Menschen Gott, dem allmächtigen Schöpfer, ohnmächtig gegenüber: wir sind seine Knechte, Untertanen und Kinder. Gottes Eigenschaften wirken sich auf den Menschen aus, der diesen Eigenschaften entspricht. Bei den Eigenschaften handelt sich hier um Gottes Einigkeit, Unermesslichkeit, Ewigkeit und Geistlichkeit. Gottes drei Haupteigenschaften sind seine Allmacht, Allwissenheit und Liebe, die zu Vertrauen, Hochachtung und Gegenliebe anregen sollen. Auch die drei Hauptbeziehungen Gottes zu dem Menschen, Gott als Schöpfer, Erlöser und Herrlichmacher, haben ihre entsprechenden Wirkungen auf die Menschen. Wegen der Erschaffung und Erlösung ist Gott unser Eigentumsherr und oberster Herrscher, wegen der Erlösung unser liebenswürdiger Vater. Der erste Teil schließt mit der Behandlung der untergeordneten Eigenschaften Gottes und deren Wirkungen auf die Menschen ab. Es geht hier um Gottes Freiheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit, Wahrheit, Treue, Barmherzigkeit und seine Schrecklichkeit gegenüber denjenigen, die seinen Zorn auf sich ziehen. Der zweite Teil beschreibt die Ursachen und die Belohnung eines mit Gott wandelnden Gläubigen auf der Grundlage von 1. Mose 5,24, wo es heißt: „Und dieweil Henoch ein göttlich Leben führet, nahm in [sic, d. Vf.] Gott hinweg, und ward nicht mehr gesehen.“414 Jeder Mensch ist dazu verpflichtet, gottselig zu leben, weil nicht Erkenntnis, sondern Heiligkeit die letzte und wichtigste Tat eines Menschen ist. Sich auf die bloße Erkenntnis Gottes zu beschränken, ist Kennzeichen der Atheisten. Kennzeichnend für den Wandel mit Gott ist, gläubig, andächtig und stark an Gott zu denken, anstatt allgemeinen, zweifelhaften, träumenden und schwachen Gedanken nachzugehen. Der Wandel mit Gott steht mit der ursprünglichen menschlichen Natur, also ohne die befleckende Krankheit, im Einklang. Zweitens ist er der Zweck, zu dem der Mensch erschaffen ist. Es gibt keinen Mittelweg zwischen einem natürlichen und einem heiligen Leben. Der Nutzen des Wandels mit Gott besteht aus Herrlichkeit, Klugheit, Vortrefflichkeit und Vorbereitung auf Kreuz und Tod. 413 Baxter,
414 Baxter,
Das göttliche Leben, Hanau 1685, 1. Das göttliche Leben, Hanau 1685, 257.
206
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Der letzte Teil behandelt den Wandel mit Gott in der Einsamkeit auf der Grundlage von Johannes 16,32: „Siehe, es kommt die Stunde, und ist schon kommen, daß ihr zerstreuet werdet, ein jeglicher in das Seinige, und mich allein lasset; aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bey mir.“415 Aus dieser Stelle lernt man, dass ein Mensch von einem Freund verlassen werden kann, sogar in seinem größten Elend oder in der Todesstunde, auch dann wenn er es gar nicht verdient hat. Da auch Christus von seinen Jüngern verlassen wurde, wird der Christ ihm darin gleich. Der Unterschied besteht darin, dass wir Menschen es verdienen, verlassen zu werden, weil wir Gott mehr Unrecht angetan haben als ein Mensch uns jemals angetan hat. Der Grund dafür, dass man einen Freund verlässt, ist Selbstbezogenheit statt Selbstverleugnung. Die Lehre dieses Teils lautet folgendermaßen: Obschon uns alle Menschen verlassen, sind wir doch nicht allein, weil Gott bei uns ist, der uns alles ist. Man soll bereit sein, in Einsamkeit zu leben, wenn man dazu genötigt wird. Einsamkeit ist ein Stand der Freiheit, worin man am besten mit Gott wandeln kann. Am Ende macht der Autor deutlich, dass melancholische Leute von seiner Aufforderung zur Meditation solange ausgenommen sind, bis ihr Zustand sich gebessert hat.
4.18.3 Analyse und Übersetzungsvergleich In dieser Schrift begegnen dem Leser typisch puritanische Grundgedanken: die Verpflichtung zur Heiligung und die Aufforderung zur Meditation. Einzelne puritanische Elemente sind die eschatologische Erwartung der Berufung der Juden, der Untergang der Türken, der Fall des Papstes und die Vereinigung der Christen416 sowie die Definition der Theologie als eine herzensübende Wissenschaft, wonach die Erkenntnis nicht die letzte Tat des Menschen darstellt, sondern nur ein Mittel zu einem heiligen Leben.417 In dieser Schrift finden sich Zitate von Augustin, Bernhard von Clairvaux, Chrysostomus, Gregor dem Großen, Hieronymus, Seneca und Tertullian und Verweise auf Athanasius den Großen, Gregor von Nazianz, Chrysostomus, Melanchthon, Calvin, Edmund Grindal und George Abbot. Die einzelnen Gedankengänge und Elemente sind folgende: Baxter betont, dass Gott den Menschen befähigt hat, vernünftig und frei zu handeln. Er gab ihm eine unsterbliche Seele, so dass er zur ewigen Glückseligkeit fähig ist. Auf dem Weg zu seinem Ziel, der ewigen Glückseligkeit, soll der Mensch sittlich geführt und begleitet werden, durch Offenbarung, Belohnungen, Gesetze und angedrohte Strafen.418 415 Baxter,
Das göttliche Leben, Hanau 1685, 486. Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 91 f. 417 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 307. 418 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 191 f., 341 f. 416
4.18 Richard Baxter, Das göttliche Leben (1685)207
Bei der Aufforderung zur Heiligung appelliert Baxter stark an die Vernunft, indem er diese zur Abkehr vom Wandel mit der Kreatur auffordert, damit man gläubiger und fleißiger mit Gott wandeln kann.419 Gott betrachtet Menschen als das, was sie sind, als vernünftigen Kreaturen, die fähig sind, Gott, ihren großen Schöpfer, zu erkennen, zu lieben und ihm zu gehorchen und auf diese Art und Weise glückselig zu sein.420 Weil die Vernunft auf ihr Ende ausgerichtet ist und die höchste Glückseligkeit sucht, sei nichts vernünftiger, als dass die obersten vernünftigen Kräfte des Menschen die untersten sinnlichen Kräfte regieren. Auf diese Weise komme der heilige Wandel mit Gott am allermeisten mit der menschlichen Natur überein, nicht im Hinblick auf ihre verderbliche Art oder ihrer fleischlichen Lust, sondern im Hinblick auf ihre Geschöpflichkeit.421 Die Bekehrung mache den gefallenen Menschen in sittlicher Hinsicht zu einer neuen Kreatur, nicht aber in natürlicher Hinsicht, weil der Mensch trotz des Falls eine gewisse natürliche Fähigkeit behalten habe, Glückseligkeit zu erlangen. Dazu benötigen wir Menschen jedoch Hilfe. Der Glaube, so Baxter, sei die Tat einer von der übernatürlichen Offenbarung wohl unterrichteten Vernunft. Heiligung sei die Genesung unserer Vernunft. Der Irrtum der Vernunft solle von den Gläubigen verleugnet werden, nicht aber der Gebrauch der Vernunft.422 Baxter meint, dass Gott diejenigen, die sich eifrig bemühen, die Wahrheit zu erkennen, nicht anklagen wird, obschon sie in einigen Punkten irren. Jeder Mensch habe Vorstellungen, die auf irrtümlichen Annahmen beruhen, wofür man nicht die Menschen selbst, sondern die Lehre verurteilen sollte.423 Der Papst als menschlicher Oberherr der Kirche wird von Baxter abgelehnt.424 Die römisch-katholische Kirche beschuldigt er des Meineides, weil sie sich nicht an den Beschluss des dritten Lateran-Konzils über die Nichtvertreibung von Ketzern aus römisch-katholischen Gebieten halten würde.425 Baxter verteidigt die Absolution durch einen Diener Christi in seinem Namen und versteht sie als großen Trost für die Gläubigen.426 Die römisch-katholische Auffassung, dass man Gott durch den Weg in die Einsamkeit einen Dienst tut, lehnt er ab.427
419
Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 309. Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 345. 421 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 389–411. 422 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 405–409. 423 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 235. 424 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 31, wo der Papst als „der grosse KirchenZerstöhrer“ bezeichnet wird. 425 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 241 f. 426 Auch die römische-katholische Dogmatik lehre, dass die Absolution einen Ungläubigen nicht seligmacht, vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 455–457. 427 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 565. 420
208
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
An verschiedenen Stellen weist Baxter auf philosophische oder scholastische Unterscheidungen hin und diskutiert diese, wobei er die entsprechenden lateinischen Fachtermini benutzt. Zwar ist er sich bewusst, dass das Verständnis seiner Schrift dadurch für einige Leser erschwert wird, jedoch möchte er diese Exkurse der Wichtigkeit halber nicht auslassen.428 Die Exkurse umfassen folgende Themen beziehungsweise Fragen: die Namen und Eigenschaften der göttlichen Personen,429 das Verhältnis zwischen Gottes Willen und den menschlichen Sündentaten,430 Gott als Ziel der menschlichen Liebe ( finis amantis),431 die Kontingenz des göttlichen Willens432 sowie die verschiedenen Facetten von Gottes Gerechtigkeit.433 Baxter lehnt den Gedanken der Prädetermination der Dominikanermönche ab, wonach es zum Wesen einer natürlichen und freien Handlung nötig sei, dass Gott ihre vornehme, unmittelbare, natürliche, wirkende und zuvorbestimmende Ursache434 ist. Die Konsequenz dieser Auffassung wäre, dass Gott alle falschen Reden und Schriften im Allgemeinen und im Besonderen verursacht. Gott kann den Menschen nicht durch eine Eingebung zur Unwahrheit bewegen, obgleich er dies durch eine natürliche Vorbestimmung bewirken könnte.435 Schließlich lassen sich noch die folgenden puritanischen Elemente ermitteln. Die zunehmende Einigkeit der Kirche betrachtet Baxter als Annäherung der Kirche an ihre Vollkommenheit.436 Die Reichweite von Christi Verdienst ist ihm zufolge universalistisch: Christus sei für alle Menschen gestorben.437 Die durch die Taufe besiegelte Verheißung Gottes sei auf die Gläubigen und ihrem Samen beschränkt.438 Baxter spricht über das Gesetz der Gnade.439 Er bekämpft den theoretischen Atheismus, der die Existenz (eines) Gottes verneint, und den praktischen Atheismus, der sich einerseits zwar zur Existenz Gottes bekennt, andererseits aber betont, dass man Gott nicht zu dienen oder zu lieben braucht.440 Theologische Polemik über das Kirchenregiment, die Liturgie sowie über Lehrsätze lehnt Baxter ab.441 428
Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 141. Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 85. 430 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 132–147. 431 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 218 f. 432 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 220, 336–339. 433 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 222. 434 Vgl. im Original: „the principal immediate Physical efficient predetermining cause“, Baxter, The divine life in three treatises, 140. 435 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 235–238. 436 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 31–36. 437 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 152. 438 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 164 f. 439 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 192–194. 440 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 259, 302–304. 441 Vgl. Baxter, Das göttliche Leben, Hanau 1685, 369, 425, 427, 530. 429
4.19 Richard Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi (1685)209
Deusing übersetzt meistens der bedeutungsorientierten Methode gemäß, aber nimmt zuweilen auch Interpretationen vor: ENG 190: as may make you wish he did quite forget you DE 321: daß ihr vielmehr begehren werdet, daß er euch nicht kenne ENG 187: Do you delight in his Word, and meditate on it? DE 306: Habe ich meine Freude an seinem Wort, und rede ich davon Tag und Nacht?
„meditate“ im letzten Beispiel wird als „Tag und Nacht“ davon reden interpretiert. Zuweilen hat Deusing ein oder mehrere Sätze weggelassen. In einigen Fällen hat er die Vorlage nicht gut verstanden: ENG 181: Though Love cast out that guilty fear which discourageth the sinner from hoping and seeking for the mercy which could save him, and which disposeth him to hate and fly from God, yet doth it not cast out that Reverence of God […] DE 296: Obgleich Liebe die sündliche Furcht austreibt, welche den Sünder von der Hoffnung und Suchung nach der ihn seligmachenden Gnade, und welche ihn zum Haß GOttes und Fliehung von Ihm abhält und verzagt machet; so treibt sie dennoch die Ehrerbietigkeit […] nicht aus.
Das Verb „to dispose“ (geneigt machen, bewegen) ist fälschlicherweise mit „abhalten“ und „verzagt machen“ übersetzt worden.
4.19 Richard Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi (1685) 4.19.1 Einleitung 1685 erschien, ebenfalls bei Scheffer in Hanau, Baxters Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi. Nebenst einer Vorrede, an alle Edelleute und Reichen: worin angewiesen wird, wie sie ansehnlicher und reicher werden können. Auf dem Titelblatt wird neben dem Verleger nur der Erscheinungsort Hanau erwähnt. Vermutlich ist die Schrift aber auch von Scheffer gedruckt worden. Eine Ausgabe erschien bei Zunner in Frankfurt, die von Johann Dietrich Friedgen in derselben Stadt gedruckt wurde.442 Friedgen druckte unter anderem zahlreiche Leichenpredigten und auch Speners Reformprogramm Pia desideria.443 Vom englischen Original The crucifying of the world, by the cross of Christ erschienen bis 1658 drei Auflagen.444 1685 erschien eine niederländische Übersetzung. Das Titelblatt der deutschen Übersetzung lässt offen, aus welcher Sprache 442
Pietas-Nummern: Scheffer: P08038880; Zunner: P08038881. Vgl. Benzing 1982, 137; Reske 2007, 263. 444 S. ESTC. 443
210
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
übersetzt worden ist.445 Die deutsche Übersetzung folgt dem englischen Original:446 ENG: 2: All the great transactions, and busles [sic] of the world, which our Fathers have reported to us […] are nothing but the varius actions and successes of this great war NL 2: Al de groote dingen die onze Vaders ons verhaalt hebben […] zijn niet anders als de verscheydene daden of wegen van deze groote oorlog DE 2: Alle bluhtige Kriege und Empörungen, wovon uns unsere Väter erzehlet haben […]. sind so mancherley Tahten und Erfolge dieses grossen Kriegs ENG 2: from the dangers, sufferings and fleshly tenderness of many professors of the Christian faith NL 3: Door ’t gevaar, het lijden, en de lafhertigheit van veele belijders van het Christelijke geloove DE 3: Wegen der Gefährligkeiten, der Trübsalen und fleischlicher Zärtligkeit vieler eusserlicher Bekenner
In die Übersetzung wurden folgende Elemente aus dem englischen Original übernommen: die Vorrede an Adlige und Reiche,447 das Fragment einer Schrift von Sophronius448 und das Inhaltsverzeichnis449. Nicht übernommen wurden die Widmung Baxters450 und einige Bibelstellen451.
4.19.2 Inhalt Baxter hat die Schrift den Adligen und Reichen gewidmet. Er möchte den Betrug, den viele von ihnen begehen, aufdecken: Sie haben Christus verleugnet und die Welt liebgewonnen. Die Reichen sollen ihr Vermögen zugunsten der Kirche, des Evangeliums und des Schulwesens einsetzen. Gott achtet nämlich darauf, wie reich man ist und ob man willig ist, sein Vermögen zu Gottes Ehre einzusetzen. In der Vorrede findet sich ein Fragment aus einer Schrift des jerusalemischen Bischofs Sophronius (560–638?) über den Philosophen Evagrius.452 Dieser 445 Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau, Karl Scheffer, 1685, )(1r. 446 Vgl. Baxter, The crucifying of the world, by the cross of Christ, London, R. W., Nevill Simmons, Nathaniel Ekins, 1658 (Wing [2. Aufl., 1994]/B1233); ders., De kruyciging des werelts door het kruyce Christi, Rotterdam, Reinier van Doesburg, 1685 (Pietas P97002383); ders., Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685. 447 Vgl. Baxter, The crucifying of the world, (a)1r–(g)1v; ders., Die Creutzigung der Welt, a1r–[f7r]. 448 Vgl. Baxter, The crucifying of the world, (g2)r–(g3)r; ders., Die Creutzigung der Welt, [f7v]–[f8v]. 449 Vgl. Baxter, The crucifying of the world, (h)1r–(h3)r; ders., Die Creutzigung der Welt, ) (2r–[)(6v]. 450 Vgl. Baxter, The crucifying of the world, A2r–[A4v]. 451 Vgl. Baxter, The crucifying of the world, (g3)r–[(g4v)]. 452 Unklar ist, ob es sich um den Bischof Evagrius von Konstantinopel (gest. um 380), den
4.19 Richard Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi (1685)211
wurde Christ und gab dem Bischof Synesius von Kyrene (um 370-n. 412) einen beträchtlichen Teil seines Vermögens für die Armen. Im Himmel erstattete ihm Christus alles zurück. Die Abhandlung basiert auf Gal. 6,14: „Es sey aber ferne von mir rühmen, dann allein von dem Creutz unsers HErrn JESU CHristi, durch welchen mir die Welt gecreutziget ist, und ich der Welt.“453 So wie den Heiligen die Welt gekreuzigt ist, so sind auch sie der Welt gekreuzigt durch das Kreuz Christi. Einzig und allein darin wollen sich die Heiligen rühmen und den Ruhm fleischlicher Menschen verachten. Dies heißt aber nicht, dass sie alles Irdische missachten. Die Ursachen für die Kreuzigung der Welt sind das Herabsinken des Menschen von Gott zur Kreatur und Christi Überwindung der Welt. Die Kreuzigung schafft einen Unterschied zwischen fleischlichen und geistlichen Menschen. Die fleischlichen Menschen sehen nur die Kreaturen, und darin nicht Gott. Die Geistlichen sehen aber Gott in und durch die Kreatur, aber diese ist wertlos, solange sie nicht in Beziehung zu Gott steht. So wie die Welt Christus gegenübergetreten ist, so sollen wir Menschen der Welt gegenübertreten: mit Verachtung, Missachtung, Ablehnung und Gegenwehr mit dem Ziel, alles Irdische auszurotten. Die Kreuzigung der Welt durchbricht das Wohlwollen allem Irdischen gegenüber und ist also sittlicher und nicht natürlicher Art. Gekreuzigt sind die ungerechtfertigte Hochschätzung der Welt, unordentliche weltliche Gedanken, die Begierden nach weltlichen Dingen und übermäßige Arbeit um der Welt willen. Das Ziel des von der Welt geschiedenen Menschen ist Gott. Die irdischen Kreaturen betrachtet er als Werkzeuge, um Gott zu dienen. Ein unheiliger Mensch dagegen liebt Gott nur aus Eigeninteresse, Gott selbst ist ihm nicht der vornehmste Zweck. Das Kreuz Christi spielt in der Kreuzigung der Welt folgende Rolle: Die Erniedrigung Christi hat die Welt verwundet, der Glaube betrachtet und trägt das Kreuz in der Nachfolge Christi. Die Kreuzigung der Welt ist Sinn und Zweck von Christi Kreuz, seiner Lehre und der Sendung des Heiligen Geistes. Die Kreuzigung der Welt gehört zum Wesen des Christentums. Beklagt wird die Heuchelei der Menschen, die meinen, dass sie rechte Jünger Christi wären, während sie doch der Welt nicht gekreuzigt sind, und nur fleischliche Interessen verfolgen und dem Ehrgeiz, zu großer Selbstschätzung und dem Streben nach Reichtum verfallen sind. Auch hinter einem bürgerlich-frommen Leben kann ein fleischliches Interesse stecken, das dort sogar tiefer verwurzelt sein kann, als in dem Leben eines offenkundigen Sünders. Wer die Welt nicht verleugnen will, wird einen hohen Preis dafür zahlen, dass er sich trotz des LichBischof Evagrius von Antiochia (gest. 392/3) oder den Mystiker Evagrius Pontikos (345–399) handelt. 453 Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, 1.
212
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
tes von Gottes Wort, das ihn seine Schuldigkeit erkennen lässt, nicht von ihr lossagt. Mittel zur Kreuzigung der Welt sind die Betrachtung von Christi Kreuz, der Widerstand gegen den Einzug eines falschen Weltbildes in das Herz, die Kreuzigung seines Fleisches, die Hinwendung zu den Dingen des ewigen Lebens, die Benutzung der Kreaturen auf die Art und Weise, wie Gott das intendiert hat, das Erkennen der Feindschaft der Welt und ihrer Gefahr, die häufige Betrachtung des Todes, aus den eigenen Trübsalen Nutzen zu ziehen, das Misstrauen gegenüber dem glückseligen Stand auf Erden und die Zurückhaltung von allem, was die Liebe zur Welt nährt. Der zweite Teil lehrt, dass alle aufrichtigen Christen allen fleischlichen Ruhm verleugnen und nur das Kreuz Christi rühmen sollen, durch das ihnen die Welt und sie der Welt gekreuzigt sind. Man darf Folgendes rühmen: Verachtung und Leid um Christi willen, die gesegneten Wirkungen von Christi Blut, die Kennzeichen der Liebe Gottes, die Wohnung Christi in uns, die Ebenbildlichkeit Gottes in unserer Seele, die Einwohnung des Heiligen Geistes, die Unterlassung der Sünden, die Güte und Macht Gottes in der Kreuzigung der Welt, die Genesung und Heiligung unserer verdorbenen Seele, die Vergebung unserer Sünden, die Rechtfertigung, die Kreuzigung der Welt, den Untergang unserer Feinde und der Feinde Christi und alles, was auf die Wohlfahrt unserer Brüder, der Kirche und des Staates zielt, die Würdigkeit unserer ewigen Herrlichkeit betrifft und was Gott, unserem Vater, gefällt.
4.19.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Undereyck hatte in Christi Braut (1670) zweimal aus dem englischen Original der Creutzigung zitiert.454 Im Hausbuch wurde die Schrift in eine Liste empfohlener Bücher aufgenommen.455 Der Kerngedanke des Buches, die Notwendigkeit der Kreuzigung der Welt, ist typisch puritanisch. Weitere puritanische Elemente sind die in der Widmung enthaltene Aufforderung an die Reichen, ihr Vermögen der Erbauung des eigenen Landes und der Mission zu opfern,456 und die Unterscheidung zwischen bürgerlich-frommen und aufrichtigen Christen. Des Weiteren vermittelt die Schrift eine ablehnende Haltung dem römischen Katholizismus gegenüber. Kritisiert werden dir römisch-katholische Missionierungsmethode,457 das Klosterleben,458 die Stellung des Papstes,459 die Heilig454
Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 3: 24, 71–74. Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 408. 456 Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, f2r–[f6v]. 457 Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, f5v-f6r. 458 Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, 12, 14, 127 f. Andererseits zeigt der Autor auf Seite c5r–v Verständnis für die Absonderung von der Welt. 459 Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, 20. 455
4.19 Richard Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi (1685)213
sprechung,460 der Ablass461 und die Unsicherheit über die Teilhabe an der Seligkeit.462 Der Mensch sei eine vernünftige Kreatur Gottes und sei deshalb zum Gehorsam gegenüber Gott und zur Freude in Gott, also zur ewigen Glückseligkeit erschaffen.463 Baxter bezeichnet das Auftreten der Quäker als unsinnig und gaukelnd.464 Die Heiligkeit, die sie vorgeben, sei Schein.465 Zitiert werden Gelehrte der Antike und der Alten Kirche sowie Erasmus, Melanchthon und Bolton. Deusing übersetzt nach der interpretationsorientierten Methode: ENG 8: Will you reward that servant that will lock up himself in his chamber, or hide his head in a hole when he should be busie at your work? DE 12: Wollet ihr demjenigen Diener Lohn geben, der auff seinen eigenen Beutel siehet, oder seinen Kopff in einem Winckel verbirget, wann er eure Geschäffte verrichten soll? ENG 8: If you have possessions DE 13: Habt ihr Länderey ENG 127: To be let blood in the very heart, will be more grievous to you then in the hand. DE 215: Die Hertz-Ader recht zu öffnen, wird euch beschwerlicher seyn, denn eine Ader am Armen zu lassen.
„lock up himself in his chamber“ wird als „auff seinen eigenen Beutel“ sehen, „possessions“ als „Länderey“ interpretiert; „To be let blood in the very heart“ als „Die Hertz-Ader recht zu öffnen“, „in the hand“ als „eine Ader am Armen zu lassen“. Gelegentlich werden in der Übersetzung Begriffe erläutert: ENG 5: There still remaineth one Argument which the Scepticks were never able to confute DE 8: Es bleibt nur ein eintziges Argument übrig, welches die Sceptici, oder die an allen Dingen zweiffelnde Menschen […]
Einige englische Textstellen hat Deusing nicht richtig verstanden: ENG 142: You shall be reproached more learnedly by them then by others DE 240: Ihr werdet von den Gelarten [sic] mehr denn von andern bestraffet
Das Adverb „learnedly“ (auf gelehrte Weise) wird als Substantiv („Gelarten“) übersetzt. Zuweilen wurden einige Sätze weggelassen. An einer Stelle wurde ein Fragment ausgelassen, in dem Baxter die Ansicht, dass Kinder Mitglieder der Kirche 460
Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, 207. Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, 223. 462 Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, 389. 463 Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, 114. 464 Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, 214. 465 Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, 339. 461
214
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
sind und in den Bund mit Gott aufgenommen werden, gegen Gegner dieser Auffassung verteidigt.466
4.20 Richard Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh (1685) 4.20.1 Einleitung 1685 erschien im Oktavformat, ebenfalls bei Scheffer in Hanau, Baxters Ein Heiliger oder ein Vieh. Das ist: Eine Verhandlung des elendigen Standes derer ohne Gott und Heiligkeit lebenden Menschen. Worin sowol durch vernünfftige als schrifftmässige Beweiß-Gründe die hohe Nohtwendigkeit und Fürtrefflichkeit der Heiligung, zur Uberzeugung der Unbußfertigen und gottlosen Menschen, und zur Erhaltung ihrer Seelen deutlich und kräfftig angewiesen wird. Auf dem Titelblatt wird neben dem Verleger nur der Erscheinungsort Hanau erwähnt, vermutlich ist die Schrift aber auch von Scheffer gedruckt worden. Eine Ausgabe erschien bei Zunner und wurde von Friedgen in Frankfurt gedruckt.467 Auf dem Titelblatt der Hanauer Auflage wird offengelassen, aus welcher Sprache Deusing übersetzt hat.468 Das englische Original, A saint or a brute, erschien 1662 in London; bis 1800 erschienen keine weiteren Auflagen.469 1684 erschien eine niederländische Übersetzung. Der deutschen Übersetzung liegt die niederländische Fassung zugrunde. Die deutsche Übersetzung folgt der niederländischen, wenn diese vom englischen Original abweicht:470 ENG 11: that to avoid prolixity, the rest shall be but touched under that. Doct. 1. One thing is Needful […] NL 42: om wijtlopigheyt te vermijden, de rest daar onder maar aangeroert zal worden. En ze steunt op deze woorden. Een ding is nodig […] DE 18: umb Weitläuffigkeit zu vermeiden, alles übrige darunter nur berührt werden soll. Und es gründet sich auff diesen Worten: Eins ist noht.
Aus der Vorlage sind die Vorrede471 und einige Gedichte über das Werk, die Übersetzung, der Titel und die bereits ins Niederländische übersetzten Werke 466
Vgl. ENG 25 f. – DE 41 f. Pietas-Nummern: Scheffer: P08038913; Zunner: P08038914. 468 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau, Karl Scheffer, 1685, [a1r]. 469 S. ESTC. 470 Vgl. Baxter, A saint or a brute. The certain necessity and excellency of holiness, London, Francis Tyton, Nevil Simmons, 1662 (Wing/B1382 ), (a2)v; ders., Een heilig of een beest, dat is een verhandeling van de rampsalige staat der onheilige, in te leven zonder God en de heiligheit, Amsterdam, Johannes Boekholt, 1683 (Pietas P97002386); ders., Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685. 471 Vgl. Baxter, Een heilig of een beest, *2r–*4v. 467
4.20 Richard Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh (1685)215
Baxters472 nicht übernommen worden, wohl aber Baxters Widmung,473 die Einleitung,474 und das Inhaltsverzeichnis.475
4.20.2 Inhalt In der Widmung an die Einwohner Kidderminsters und diejenigen, die ihm vor einiger Zeit in London zugehört hatten, teilt Baxter mit, dass er sein Buch als Prediger betrachtet, der mit ihnen reden kann, wenn er gestorben sein wird. Er bittet die Leser, ihren Pastoren treu zu sein, die Liebe und Einigkeit untereinander zu bewahren, einer des anderen Prediger zu sein, Erbauungsbücher (vor) zu lesen und auszuleihen, sich selbst und andere gegen das Papsttum zu wappnen, und sich vor Aufruhr und Unzufriedenheit zu hüten. In der Vorrede werden die Gewissheit und die Gründe der Gottseligkeit dargelegt. Der Autor wundert sich, dass sich diejenigen, die an den Tod und das Gericht glauben, so wenig darum bemühen herauszufinden, wie sie selig werden können, und sich stattdessen alle Zeit mit geringen Weltsachen vergnügen. Die körperliche Übung ist dem Dienst Gottes wenig nützlich, die Gottseligkeit hingegen ist allen Dingen nützlich und hat die Verheißung des jetzigen und des zukünftigen Lebens. Die Gottseligkeit besteht nicht aus einer fruchtlosen Einbildung oder einem toten Glauben, hat ihr Ansehen nicht von einer Partei, ist nicht eine bloße leibliche Übung oder eine bloße Unterlassung der sündigen Werke, macht nicht dem Fleisch und der Welt untertänig und besteht nicht in Sünde, Aberglauben, Abgötterei, zweideutigen Reden, Betrug, Verfolgung, Murren, Aufruhr oder Empörung gegenüber der Obrigkeit. Man soll sich anhand folgender Kennzeichen hinsichtlich der Gottseligkeit prüfen: Verlangen nach Heiligkeit, Liebe zu Gottes Wort, vorrangiger Fleiß zur Seligkeit, Leben im Geist, Sehnsucht nach der Entdeckung durch den Heiligen Geist, Liebe der Gottesfürchtigen und der Gemeinschaft der Heiligen, stetiges Gebet, innerliche Übung als vornehmster Teil der Gottseligkeit, Fleiß in der Heiligung seiner selbst und anderer und die Oberherrschaft Christi im Leben. Im ersten Teil wird die Notwendigkeit der Heiligung anhand der Ansprache Jesu an Martha (Lk 10,41–42) hervorgehoben. Nur Gott ist einzigartig, die mühsamen Geschäfte dieser Welt sind vielfältig. Das Eine ist in sich selbst nötig, um Gott zu gefallen und um unsere Seele zu erhalten. Andere Dinge sind notwendig, insoweit sie zu diesem Einzigen gehören. Der Einwurf, dass Heiligkeit zwar zur Seligkeit nötig ist, aber nicht in solch strenger Form, wird verneint, da Gottes Wort in Bezug auf viele Lebensbereiche ausdrücklich zur Strenge auffordert. 472
Vgl. Baxter, Een heilig of een beest, *1r [=2*1r]–*4v [=2*4v]. Vgl. Baxter, Een heilig of een beest, *5r–[*8v]. 474 Vgl. Baxter, Een heilig of een beest, 1–26. 475 Vgl. Baxter, Een heilig of een beest, [2N8v]–2O2v. 473
216
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Im zweiten Teil wird der Wert der Heiligkeit erläutert. Diese ist der beste Teil, weil sie der Anfang und der Unterpfand der Glückseligkeit ist. Alle klugen Leute aus allen christlichen Glaubensrichtungen werden zustimmen, so Baxter, dass ein heiliges Leben das beste Leben ist, auch Juden, Heiden und Ketzer, also die Feinde der Wahrheit, ja die ganze Welt. Weltliche und gottlose Leute dürfen urteilen, aber unter der Bedingung, dass sie das heilige Leben zuvor erproben. Der Teufel bejaht durch seinen Widerstand die Notwendigkeit eines heiligen Lebens. Die Leser sollen die Mittel zur Erlangung der Seligkeit benutzen, einige Zeit zur Erprobung eines heiligen Lebens anwenden, ernsthaft mit ihrer Seele verhandeln, das Urteil ihres Gewissens in Todesnot sowie das Zeugnis von Engeln und abgeschiedenen Seelen beherzigen. Den Ungläubigen wird bewiesen, dass es für uns Menschen ein künftiges Leben gibt, weil wir sonst dem Vieh gleichen würden, dass die Heiligkeit dazu dient, uns Menschen auf das ewige Leben vorzubereiten, und dass die Bibel, aus der diese beiden Lehrsätze stammen, Gottes Wort ist. Heiligkeit ist der beste, sicherste, ehrlichste, redlichste, nützlichste, ansehnlichste und vergnüglichste Weg. Die Freuden der Heiligkeit überragen bei weitem die Lüste der Gottlosigkeit. Der Einwurf, dass die Gottseligen oft traurig, die Gottlosen aber immer fröhlich sind, wird widerlegt. Bestraft werden die gottlosen Menschen, die kein Vergnügen an einem heiligen Leben, sondern an Sünden haben, und auch diejenigen Christen, die so traurig leben, als ob mehr Traurigkeit als Vergnügen im Dienst Gottes zu finden ist. Es finden sich Zitate von und Verweise auf Personen aus der Antike, der Frühen Kirche, der Reformation und der Gegenwart.
4.20.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Im Hausbuch wurde Ein Heiliger oder ein Vieh in eine Liste empfohlener Bücher aufgenommen.476 Der Grundgedanke der Schrift, dass eine fleißige Übung der Gottseligkeit zum Wesen des christlichen Glaubens gehört, ist typisch puritanisch. Baxter meint, dass man Gott nie treuer dienen kann als man schuldig ist.477 Andere puritanische Merkmale der Schrift sind die Aufforderung zur Selbstprüfung, ob man Gott fürchtet, die Aufmunterung zur Lektüre und Ausleihe von Erbauungsbüchern, die Notwendigkeit der Heiligung des Tages des Herrn,478 der Gedanke, dass Gott England wegen der Missachtung der Heiligkeit mit Strafen heimgesucht hat,479 und die Verteidigung der Präzisisten, Feinen und Puritaner. 476
Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 408. Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 123. 478 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 156. Baxter versteht den Begriff „Sabbat“ nicht als verbindlich; man könnte diesen Tag mit der Heiligen Schrift und der Kirche auch „Tag des Herrn“ nennen. 479 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 395–403. 477
4.20 Richard Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh (1685)217
Zu den Dingen, die als „präzisistisch“ bewertetet werden, gehören die oftmalige Verkündigung von Gottes Wort, die Lektüre der Heiligen Schrift und die Meditation darüber, oftmaliges und eifriges Gebet, fleißige Unterrichtung des Hausgesindes, die Versammlung verschiedener Nachbarn und die Feier des Tages des Herrn, Vermeidung der Sünde, strenge Kirchenzucht zur Verhütung von Gottlosigkeit, die Unterscheidung zwischen Gottseligen und Gottlosen und die Verrichtung guter Werke.480 Baxter bekämpft die römisch-katholische Lehre und Praxis im Allgemeinen.481 Im Einzelnen lehnt er den Katholizitäts- und Exklusivitätsanspruch der römisch-katholischen Kirche ab. Er definiert die katholische Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen unter dem Haupt Christus, also nicht unter dem Papst. Die Zugehörigkeit zur katholischen und wahren Kirche wird durch die Gottseligkeit des Einzelnen ausgewiesen.482 Auch den Exklusivitätsanspruch der Sekten lehnt Baxter ab.483 Weitere antirömische Elemente sind die Klage über die Ausbeutung weltlicher Herrschaften durch die Jesuiten484 und über die Verfolgung wahrer Christen.485 Unter den Protestanten verurteilt Baxter den Aufruhr gegen die Obrigkeit, der von den Fifth Monarchy-Men486 für angebracht befunden wird, da sie die irdische Regierung stürzen wollen, um für Christus die fünfte Monarchie zu gründen. Baxter zufolge wird alles auf eine umfassende Herrschaft des Papstes hinauslaufen.487 Baxter betont den Zusammenhang zwischen der menschlichen Vernunft und Gottes Ziel mit der Schöpfung des Menschen und der Gabe der Vernunft. Ein Mensch, der kein heiliges Leben führen möchte, müsse notwendigerweise in ein viehisches Leben verfallen. Demnach würde der Menschen entweder von den höchsten Kräften, den Vernunftskräften, beherrscht, so dass sein Leben auf den höchsten Zweck ausgerichtet sei, oder die geringeren beziehungsweise tierischen Kräfte hätten die Oberhand, so dass der Mensch die Welt als höchsten Zweck betrachte, und sein Leben danach ausrichte.488 Der Zweck der Vernunft des Menschen liege darin, Gott zu dienen, ihm zu gefallen und sich auf seinen ewigen Stand vorzubereiten. Deshalb habe Gott den Menschen die Vernunft gegeben, sonst wäre der Mensch gleich dem Vieh.489 Das menschliche Unvermögen, Gnade zu erwerben, beruhe auf dessen Mutwilligkeit und Unwilligkeit. Menschen haben eine natürliche und moralische 480
Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 161, 304 f., 319, 329, 394 f. Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, a6r–v. 482 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, c1r–v. 483 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, [b8v]–c1r. 484 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, c2v. 485 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, c3r. 486 Vgl. Spurr 1998, 112 f. 487 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, c3r-c5r. 488 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 1 f., 3, 95. 489 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 54, 127f, 228–233. 481
218
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Kraft, und sogar mehr: die große angebotene Gnade Gottes. Der Wille sei frei von Zwang durch den Teufel, durch Feinde und Gott. Teufel und Feinde stiften den Willen nur an zur Sünde. Vernunft und Wille seien aus sich selbst heraus zum Bösen geneigt.490 An anderer Stelle gibt Baxter zu, dass die Natur durch die Sünde geschändet worden ist.491 Die Entscheidung für oder gegen die Gnade sei aber eine freie Wahl. Darum entehre man Gott mit der Behauptung, dass man aus sich selbst heraus keine Gnade erlangen könnte.492 In seiner Regierung verfahre Gott mit Menschen auf moralische Weise wie mit vernünftigen Kreaturen, weshalb er mit Belohnungen, vorgeschriebenen Mitteln zu deren Erlangung und mit Androhung von Strafen vorgehe. Gleichzeitig regiere Gott auf natürliche Weise, da seine Allmacht und Providenz mitwirken.493 Schließlich enthält die Schrift noch die folgenden Einzelgedanken. Baxter hat eine relativierende Sichtweise auf die Formen der Liturgie und des Kirchenregiments.494 Dass die Quäker die Gottlosigkeit vieler Kirchgänger als Frucht des Predigtamtes bezeichnen, versteht er als Lästerung und Verdrehung der Lehre Christi.495 Er widerlegt den Einwurf des englischen religiösen Polemikers Clement Writer (gest. 1659/62), dass die Heilige Schrift nicht Gottes Gesetz ist.496 Baxter betont die Notwendigkeit der Einigkeit der Kirche, wenn auch Uneinigkeit in unwesentlichen Belangen besteht.497 Er ist davon überzeugt, dass alle christlichen Glaubensrichtungen sich über die Notwendigkeit der Heiligkeit einig sind, wenn es auch unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie man Gott suchen soll.498 Baxter ist der Meinung, dass Gott England wegen der Verachtung der Heiligkeit mit Strafen heimgesucht hat.499 Die Schrift ist der interpretationsorientierten Methode gemäß übersetzt worden: NL 261: Ja datter geen andere ware Veiligheit, Eerlikheit, Profijtelikheit, Aanzienlikheit, of Vermaaklikheit en is, dan die in deze weg gevonden wort. DE 272: Ja, daß keine andere wahre Sicherheit, Ehrlichkeit, Gewinn, Ansehnlichkeit oder Ergetzlichkeit zu finden sey, denn die in der Gotseligkeit ist.
„deze weg“ wird als „Gotseligkeit“ interpretiert.
490
Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 109–111. Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 452 f. 492 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 502. 493 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 242–244. 494 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 144 f. 495 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 206. 496 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 266–271. 497 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 273 f. 498 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 294. 499 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Hanau 1685, 395–403. 491
4.21 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697)219
4.20.4 Editionsgesichte 1716 erschien eine neue Auflage bei Johann Bernhard Hartung in Frankfurt, der zunächst als Hofbuchhändler und ab 1716 bis 1737 als Verleger tätig war.500 Der Text weist im Vergleich mit den Ausgaben aus dem Jahr 1685 leichte orthographische Änderungen auf. Außerdem wurde ein Bibelstellenregister hinzugefügt. Auf dem Titelblatt des zweiten Teils stehen Deusings Initiale: „verteutschet von I. D.“.501 1745 erschien eine Auflage bei Dorn in Königsberg. Diese weicht aber im Wortlaut von der vorigen Auflage ab und gilt deshalb nicht als eine von Deusing verfasste Schrift.
4.21 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) – Die rechte Arth und Weise, wodurch man zum beständigen und wolgegründeten Frieden und Ruhe des Gewissens, wie auch zum geistlichen Trost gelangen könne 4.21.1 Einleitung Erst 1697 erschien wieder eine Übersetzung von Deusing, und zwar in Bremen bei Philipp Gottfried Saurmann. Es handelte sich um eine Kompilation von fünf Schriften Baxters im Oktavformat. Sie trägt den Titel Ausgesonderte Schrifften. Saurmann kam aus Erfurt und heiratete Elisabeth Brauer, vermutlich die Tochter des Druckers Hermann Brauer der Ältere (s. 3.7.1). Saurmann war zu der Zeit der produktivste Verlag in Bremen.502 Auf dem Titelblatt wird implizit behauptet, dass die gesamte Kompilation auf der vierten Auflage einer englischen Vorlage basiert: „Sämtlich in Engelländischer Sprache geschrieben, und nun aus dem vierten verbesserten und vermehrten Druck ins Teutsche übersetztet von J. D.“503 McKenzie weist in seiner Bibliographie aber darauf hin, dass es eine solche Kompilation im Englischen nicht gegeben hat.504 Wenn man die niederländische Übersetzung (1684) der ersten Schrift der Kompilation zu Rate zieht, stellt sich heraus, dass dieser Übersetzung die vierte Auflage des englischen Originals zugrundeliegt.505 Auf diese 500
Pietas-Nr.: P97002372. Vgl. zu Hartung: Paisey 1988, 95. Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh, Frankfurt am Main, Johann Bernhard Hartung, 1716, 165. 502 Vgl. Schröder 1956, 55–57; Benzing 1977, 1253. 503 Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen, Philipp Gottfried Saurmann, 1697 (Pietas P08038874), [§ 1r]. 504 S. McKenzie 1997, 62, Nr. 236. 505 Baxter, De rechte maniere van doen, om aan een geruste conscientie te geraken, Leeuwarden, Gerardus Hoogslagh, 1684 (Pietas P97002385), *2r: „Ende nu na de vierde verbeterde en vermeerderde Engelsche Druck, Vertaalt“. Der Übersetzer ist Nathanael Knowles. 501
220
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Weise lässt sich die Angabe auf dem Titelblatt der deutschen Übersetzung erklären. Das Original The right method for a settled peace (London 1653) erreichte bis 1669 sechs Auflagen.506 1684 erschien eine niederländische Übersetzung. Vergleicht man die Texte, wird deutlich, dass der deutschen Übersetzung die niederländische Übersetzung zugrunde liegt. Die Abweichungen der deutschen Übersetzung vom englischen Original entsprechen den Abweichungen der niederländischen Fassung:507 ENG 2: How a Sinner may attain to a setled Peace of Conscience […] NL 2: Hoe sodanig een Sondaar kann geraken aan een welgegronde ende bestendige gerustheyt der Conscientie […] DE 2: Auf was Weise ein solcher Sünder zum wolgegründeten und beständigen Frieden des Gewissens […] gelangen möge […]
Aus der niederländischen Vorlage ist Baxters Vorrede an die geistesarmen Christen508 übernommen worden. Ausgelassen wurden die Approbation der Klasse Rolde,509 die Auflistung einiger Bibelstellen,510 die Widmung des Übersetzers,511 Baxters Erläuterung, warum er einige anstößige Stellen über die Beharrung der Heiligen ausgelassen hat512 und das Inhaltsverzeichnis.513
4.21.2 Inhalt Die Vorrede Baxters richtet sich an die Armen im Geist, diejenigen, die bezüglich der Erlangung und Bewahrung des Friedens mit Gott bekümmert sind. Baxter möchte sie damit trösten, dass nichts als die gläubige Annahme Christi notwendig ist, und dass Gott bald mit überschwenglicher Liebe und vollkommenem Frieden wiederkommen wird. Die Schrift ist durch ein Gespräch mit einem Freund und auf Bitten verschiedener Theologen zustandegekommen. Obwohl schon genügend Schriften über diese Thematik vorhanden waren, und zwar von Sibbes, Joseph Symonds, Preston, Perkins, John Ball und Culverwell, hat Baxter seine Schrift drucken lassen, weil er sich einer anderen Methode bedient und eine andere Ordnung des Stoffes vorgenommen hat. Baxter möchte mit dieser Schrift nicht Gelehrten, sondern armen Frauen und Landleuten dienen und den Antinomismus, der beküm506 S. ESTC.
Vgl. über die Schrift: T. Cooper 2001, 127 f. Baxter, The right method for a settled peace of conscience and spiritual comfort in 32 directions, London, Tho. Underhil, Fra. Tyton, 1657 (Wing/B1375) [dem Titelblatt zufolge die dritte Auflage]; ders., De rechte maniere van doen; ders., Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697. 508 Vgl. Baxter, De rechte maniere van doen, [*6r]–[2*6v]. 509 Vgl. Baxter, De rechte maniere van doen, [*2v]. 510 Vgl. Baxter, De rechte maniere van doen, *3r–v. 511 Vgl. Baxter, De rechte maniere van doen, *4r–*5v. 512 Vgl. Baxter, De rechte maniere van doen, 3*1r–v. 513 Vgl. Baxter, De rechte maniere van doen, 2L1r–[2L6r]. 507 Vgl.
4.21 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697)221
merte Seelen nicht trösten kann, bekämpfen. Außerdem möchte er zum Frieden der Kirche beitragen. Das Werk belehrt gedemütigte Sünder, die eine Zeit lang einen guten Wandel geführt haben, aber an ihrer Aufrichtigkeit zweifeln und Gottes Zorn fürchten, da es ihnen an Merkmalen der Heiligung mangelt. Man soll: 1. die Ursache des Zweifels erforschen, 2. untersuchen, ob die Unruhe von Melancholie, der Beschaffenheit des Körpers oder irdischen Widerwärtigkeiten herrührt, 3. ein rechtes Verständnis der Natur Gottes in seine Vernunft hineindrücken, 4. ein gründliches Verständnis der gnadenreichen Natur, der Zuneigung Jesu Christi und dessen Funktion als Mittler erlangen, 5. glaubend die vollkommene Allgenugsamkeit des Opfers Christi und seines allgemeinen Lösegeldes betrachten, 6. nach einem deutlichen Verständnis der Freiheit, Fülle und Allgemeingültigkeit des neuen Bundes oder des Gnadengesetzes streben, 7. bedenken, dass die besondere Gnade auf der allgemeinen Gnade aufbaut, und dass diese einem Menschen zwar keine vollkommene Sicherheit über seine Seligkeit geben, aber dennoch trösten kann, 8. diese Bedingungen durch einen tätigen Glauben vollbringen, 9. die Furcht zu überwinden versuchen, indem man den eigenen Glauben betrachtet, um so die Gewissheit der Rechtfertigung, die Annahme der Kindschaft, und das Recht auf die Herrlichkeit zu erlangen, 10. sich unfehlbare Kennzeichen aneignen, 11. wissen, dass die Versicherung der Rechtfertigung, der Kindschaft und des Rechts auf die Seligkeit aus der geringsten Stufe der seligmachenden Gnade bezogen werden kann. 12. Es ist nicht notwendig, den genauen Zeitpunkt seiner Bekehrung zu kennen. 13. Man soll bedenken, dass die Gewissheit gewöhnlich nur denjenigen zuteil wird, die ein hohes Maß an Gnade besitzen, 14. bedenken, dass vielen wachenden und gehorsamen Christen ihre Seligkeit noch nicht sicher ist: Sie sind sich zwar gewiss, Kinder Gottes zu sein, aber noch nicht, dass sie bis zum Ende ihres Lebens im Glauben verharren und letzendlich den leiblichen Tod überwinden werden, 15. seine Aufrichtigkeit und Seligkeit durch gute Argumente wahrscheinlich machen und den daraus resultierenden Trost annehmen, 16. die Erfahrungen der Gnade Gottes an sich selbst oder anderen nutzen, um die Wahrscheinlichkeit seiner Seligkeit stärker empfinden zu können. 17. Gott befiehlt nicht einem jeden Menschen, zu glauben, dass seine Sünden vergeben sind, er hat aber einen Weg vorgeschrieben, der sie zu dieser Gewissheit führt. 18. Diejenigen, die eine Zusicherung der Gnade erlangen, besitzen diese weder vollkommen noch stetig.
222
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
19. Man soll niemals eine so große Versicherung auf Erden erwarten, dass sie einem den Himmel zusichern oder alle Sorgen über die Gefahr des eigenen Falls nehmen könnte. 20. Man soll dankbar sein, einen fest gegründeten, beständigen Frieden des Gemüts zu haben, und nicht allzuviel auf die hohe Empfindung des Trostes achten, 21. mehr Fleiß auf die Übung und Wachstum seiner Gnadengaben als auf die tröstliche Erkenntnis derselben anwenden. 22. Eine unbegründete Furcht, eine allzu tiefe Empfindung von Gottes Zorn, des Übels der Sünde und der eigenen Unwürdigkeit sowie der Mangel einer völligen Empfindung der Barmherzigkeit sollen vermindert und sanft behandelt werden. 23. Man soll die Sünden unterlassen und seine Pflichten verrichten, so dass man seine Selbstverleugnung am meisten fördert, 24. danach streben, so viel Gutes wie möglich zu tun, 25. nicht unnötig wegen der Lehre, der Pflichten, der Sünde oder seines eigenen Standes beunruhigt sein, und sich weder einbilden, dass etwas unrecht ist, was Gott nicht verboten hat, noch seinen Gottesdienst zum eigenwilligen Gottesdienst machen, oder mit seinem Leibe allzu streng umgehen. 26. Grobe Sünder, die ihre Sünden erkennen, aber keine Buße tun, werden verdammt. Wenn Gott einem nur einmal seine Aufrichtigkeit versichert oder seine besondere Liebe gezeigt hat, soll man dies seinem Gedächtnis einprägen. 27. Man soll sich die notwendigen ernsthaften und scharfen Predigten, die sich an die eitlen und verstockten Sünder richten, anhören, aber die Erklärungen der heiligen Schrift über Gottes Zorn und Gericht nicht auf falsche Art und Weise verstehen. 28. Man soll sich wegen seiner Schwachheit demütigen, aber deswegen nicht an seiner Aufrichtigkeit zweifeln. Genannt werden zwanzig Ursachen des Zweifelns: 1. Nichtwissen des genauen Zeitpunktes und der Weise seiner Bekehrung, 2. mangelnde Empfindung seiner geistlichen Krankheit, 3. Angst, dass der ganze Gottesdienst nur eine Täuschung und bloß ein Mittel zur Erziehung sei, 4. große Unempfindsamkeit und Verstockung in geistlichen Dingen, 5. Abneigung gegenüber den Pflichten, 6. Sorge, dass knechtische Furcht vor der Hölle und nicht die Liebe Gottes der Grund seines Gehorsams ist, 7. Unvermögen zum Glauben, 8. Entbehrung von Gottes Zeugnis, Freude und Gemeinschaft, 9. Mangel der Freimütigkeit, der Themen und Worte für das Gebet, 10. Mangel der Gaben zur Erbauung seiner selbst und anderer, 11. das Begehen großer Sünden vor der Bekehrung, 12. der Gedanke, dass der Gehorsam, der scheinbar nur Bestand hat, solange keine Versuchung gegenwärtig ist, kein rechtschaffener Gehorsam sein kann, 13. das Begehen unvergebbarer Sünden wider den Heiligen Geist, 14. der Gedanke,
4.21 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697)223
dass die Gnadenzeit beendet ist, 15. das bewusste Begehen von Sünden nach der Bekehrung, 16. Empfindung unüberwindlicher Verderbnisse und mangelnder Wachstum in der Gnade, 17. Unglaube an Gott, Christus, die heilige Schrift und das künftige Leben durch lästerliche Gedanken und Versuchungen, 18. Furcht vor dem Tod und mangelndes Verlangen, bei Gott zu sein, 19. Angst, dass eine schwere Bürde eine Strafe Gottes ist, und 20. das völlige Verschontbleiben von Bürden. 29. Alle Zweifel sollen abhängig von ihrer Ursache behandelt werden. Man soll überprüfen, ob der empfundene Zweifel aus Unglauben, geringer Empfindung der allgemeinen Gründe des Trostes oder der als zu gering empfundenen Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Teilhabe an der besonderen Gnade herrührt. 30. Man soll sich von einem tüchtigen Prediger in schwierigen Situationen beraten lassen. 31. Man soll nach den wichtigsten Pflichten trachten, die Gott am meisten gefallen: einer herzliche Freude in Gott durch Christus und einem dankbaren und freimutigen Gehorsam ihm gegenüber. Es finden sich Zitate von und Verweise auf Personen der Antike und der Frühen Kirche, Erasmus, Luther und puritanische Autoren wie Ames, Bolton, John Bradford, Culverwell, Dod, Hooker, Jackson, Owen, Perkins, Preston, Rogers, Sibbes und Symonds.
4.21.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Zwischen 1685 und 1697 sind keine Übersetzungen aus Deusings Feder erschienen, was am ehesten darauf zurückzuführen ist, dass Deusing anderen Verpflichtungen nachging oder Reisen unternahm (s. 4.2). Kombiniert man diese stille Periode mit dem Hinweis im Brief Heilersiegs, wonach Deusing im Jahr 1696 oder davor Gelder zur freien Nutzung gewährt wurden (s. 4.2), ist anzunehmen, dass Deusing frühestens 1685 und spätestens 1696 in seine Heimatstadt gezogen ist. Ob Deusing die Veröffentlichung des Kompendiums im Jahre 1697 noch erlebt hat, oder ob es aus seinem Nachlass veröffentlicht worden ist, ist unbekannt. Aus den Briefen an die Herforder Äbtissin aus dem Jahr 1690 geht hervor, dass er in jenem Jahr noch lebte. Wahrscheinlich ist er frühestens 1690 und spätestens 1697 verstorben. Undereyck hatte in Christi Braut ein 30 Seiten langes Zitat aus The Right Method übernommen, in dem Baxter behauptet, dass der Wille, Gott mehr zu begehren als die Welt, aus dem festen Vorsatz besteht, Gott zu gehorchen, indem man heilig lebt und seinem Nächsten dient. Dieser Vorsatz soll größer und stärker sein als der Wille des Fleisches.514 In Der wahren Bekehrung wird Die rechte 514 Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 1, 203–231. Auch später hat er das Original zitiert: ders., Der närrische Atheist, 485 [=885].
224
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Arth und Weise einmal erwähnt,515 im Hausbuch zweimal, davon einmal in einer Übersicht empfohlener Bücher,516 und in Der Creutzigung einmal.517 Das Buch weist einen puritanischen Charakter auf, da die innere, geistliche Erfahrung des Zweifelns an der Aufrichtigkeit der eigenen Bekehrung im Zentrum steht. Andere puritanische Merkmale sind die Vermittlung von Kennzeichen der Gnade und die Aufforderung, sich selbstkritisch anhand dieser Kennzeichen zu prüfen. Überprüfbare Kriterien sind der eigene Antrieb zur Heiligung und die Ablehnung der Konzentration auf die Polemik, solange man sich nicht um die praktische Umsetzung der Inhalte bemüht.518 An einer Stelle identifiziert der Autor sich mit den Puritanern.519 Auffällig sind die vielen Verweise auf die Ewige Ruhe der Heiligen.520 Diese seelsorgerische Abhandlung über die Gewissheit der Seligkeit entstand vor dem Hintergrund des Antinomismus. Einer der Gründe, warum Baxter seine Schrift hat veröffentlichen lassen, war die zunehmende Dominanz des Antinomismus, der, so Baxter, dem Evangelium zuwider ist, betrübten Seelen den rechten Trost vorenthält und viele verführt.521 Baxter betrachtet die allgemeine Gnade als Fundament der besonderen Gnade. Somit unterscheidet er verschiedene Stufen der Vergewisserung seines Anteils an der Seligkeit: die Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit und Gewissheit unter einer bestimmten Bedingung und die vollkommene Gewissheit seiner Seligkeit, wonach sich auch die Art des Trostes richtet. Man soll am Anfang nicht nach der Vergewisserung der Seligkeit suchen, sondern Christus annehmen und sich den Trost der allgemeinen Gnade zueignen, die man aus den Ursachen und Wirkungen der Seligkeit schöpfen soll: aus der Barmherzigkeit Gottes und der Existenz eines Seligmachers, der die menschliche Natur angenommen hat, aus dem allgenugsamen Opfer Christi für die Menschen und dem Evangelium als Gottes Gnadenbrief an die Menschen, aus der Möglichkeit der Seligkeit, deren Wahrscheinlichkeit (die gute Gelegenheit des Menschen zu der Seligkeit) und der Gewissheit unter einer Bedingung (die Bereitwilligkeit des Menschen).522 Baxter bestreitet die Behauptung, dass die Möglichkeit der Seligkeit keine Auswirkung des Todes Christi ist. Die Argumentation seiner Gegner lautet, dass Christus in diesem Fall für Gott gestorben ist, um die Macht, selig zu werden, erwerben zu können. Baxter betrachtet diesen Gedanken als den Herrn Jesu ta515
Vgl. Baxter, Die wahre Bekehrung, Kassel 1673, 269. Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 238, 496. 517 Vgl. Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi, Hanau 1685, 86. 518 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 191, 409. 519 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 408. 520 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 54, 60, 70–72, 90, 166, 187, 227, 235, 372, 526. 521 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, §§ 5v-§§ 6v., 90, 499. 522 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 36–51. 516
4.21 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697)225
delnd. Zwar war die Vergebung der Sünden in weitem Sinne stets möglich, im engen Sinne galt die Vergebung von Sünden aber als unangemessen und moralisch unmöglich, ohne der Ehre Gottes Genugtuung verschafft zu haben.523 Aus mangelnder Erkenntnis der Beschaffenheit des seligmachenden Glaubens sind laut Baxter viele Menschen nicht sicher, ob sie Gläubige sind. Glaube sei nicht der Glaube, dass die eigenen Sünden vergeben sind, sondern die Zustimmung, Bewilligung und Annahme des angebotenen Christus als Erlöser, Herrn und Meister. Das entscheidende Merkmal der Aufrichtigkeit ist die Überlegenheit von Christi Interesse in der Seele.524 Ältere reformatorische Theologen, die die römisch-katholische Theologie bestreiten, beziehen die Gewissheit des Glaubens auf die Vergebung der eigenen Sünden und schließen daraus, dass Rechtfertigung und Vergebung der Sünden vor dem Glauben stattfindet. Demnach heißt Glaube nichts anderes als zu glauben, dass die eigenen Sünden vergeben sind.525 In einer anderen Definition des Glaubens (die Zustimmung zu einer Sache im Vertrauen auf denjenigen, der die Sache offenbart) unterscheidet Baxter zwischen innerlicher Empfindung und abschließender Erkenntnis. Die abschließende Erkenntnis zieht aus der Empfindung, dass man glaubt, den Schluss, dass man gerechtfertigt ist und selig wird.526 Gott befiehlt in seinem Wort nicht einem jeden Menschen, zu glauben, dass seine Sünden vergeben sind, dass er gerechtfertigt und als Kind Gottes angenommen wurde, wohl aber befielt er den Glauben.527 Dass man nur schwer zwischen der höchsten Stufe der allgemeinen Gnade und der niedrigsten Stufe der besonderen Gnade unterscheiden kann, ist mit dem Unvermögen des Menschen und der Weisheit Gottes zu erklären.528 Gott gibt denjenigen, die dazu geeignet sind, zur rechten Zeit die Gewissheit des Glaubens, damit diese in ihnen zur Ausrottung der Sünden beiträgt. Man soll die Versicherung deshalb zur rechten Zeit und in rechter Weise erwarten, und sich nicht wie die Antinomisten falschen Trost aneignen, den Gott einem nie gegeben hat.529 Weil Gott gewöhnlich nur denjenigen Gewissheit schenkt, die eine hohe Stufe der Gnade besitzen, und nur wenige Christen diese Stufe erreichen, erhalten nur wenige Christen Gewissheit hinsichtlich ihres Glaubens. Trotzdem können Gläubige ein getrostes Leben führen.530 Baxter möchte in seiner Definition der Versicherung des Glaubens beide Extreme, die Leugnung der Versicherung durch die römischen Katholiken und die 523
Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 46–48. Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 51–58. 525 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 54 f., 189, 201. 526 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 187–190. 527 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 187–192. 528 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 132–145. 529 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 142–145. 530 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 159 f. 524
226
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Überschneidung von Rechtfertigung und Versicherung im Sinne der antinomistischen Theologen, vermeiden.531 Baxter bejaht, dass das Gebet der Gottlosen dem Herrn ein Greuel ist, aber er möchte aus verschiedenen Gründen den Gottlosen das Gebet nicht verbieten, wie es die Antinomisten vorschlagen. Seine Argumente findet er in Gottes Befehl, den Gott nicht umsonst gegeben hat, in guten Begierden der Gottlosen und in den natürlichen menschlichen Gaben, die Gott dem Menschen nicht grundlos geschenkt hat. Baxter möchte den rechten Mittelweg zwischen Pelagianern und Antinomisten beschreiten.532 Baxter widerlegt den Einwurf der Antinomisten, wonach das Schließen einer Versicherung aus seinem Gehorsam gegenüber Christus oder aus den Kennzeichen der Gnade eine Abwendung von Christus zu seiner eigenen Gerechtigkeit bedeute, welche unvollkommen ist, und deshalb zu Unbeständigkeit und Zweifel führe.533 Die Antinomisten bezeichnen Prediger, die es als Pflicht begreifen, um die Erlangung oder Erhaltung der Seligkeit zu bangen, als Prediger des Gesetzes.534 Sie verbergen ihre Irrlehren hinter den Bezeichnungen „freye Gnade“ und „Evangelisch-predigen“.535 Baxter geht in seiner Argumentation von der Unterscheidung zwischen dem Gesetz der Werke und dem Gesetz des Gnadenbundes aus. Diejenigen, die im Gnadenbund stehen, sollen dem Gesetz der Gnade gehorchen.536 Im Anschluss spricht Baxter über die evangelische Gerechtigkeit eines Gläubigen. Man soll eine evangelische Gerechtigkeit besitzen, die teils aus der Aufrichtigkeit des Gehorsams und der guten Werke, teils aus der Beständigkeit in der Rechtfertigung und dem Recht zum ewigen Leben besteht.537 Man soll seine besten Werke nicht der Ehre und dem Amt Christi zuschreiben.538 Unser Trost und unsere Versicherung hängen zum großen Teil von unserem tätigen Gehorsam ab. Der Grad unserer Gewissheit und des Trostes richtet sich nach dem Grad unseres Gehorsams.539 Gott liebt und tröstet nur diejenigen, die ihm gehorchen.540 Baxter vertritt die Auffassung, dass sich die römischen Katholiken in ihren Lehren von Verdienst, Rechtfertigung und Genugtuung des Menschen nicht so 531 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 159 f. Er schließt sich den erbaulichen englischen Theologen, zum Beispiel Hooker, Rogers, Preston, Sibbes, Bolton, Dod und Culverwell, an, vgl. ebd., 160. 532 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 63–70. 533 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 78, 270–272, 323 f., 333–335, 370, 381 f. 534 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 78, 201, 365–370, 381 f., 404. 535 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 78, 354. 536 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 79–90. 537 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 83, 270, 323 f. 538 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 323 f. 539 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 264–270. 540 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 270–296.
4.21 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697)227
sehr irren wie die Antinomisten, die behaupten, dass Christus sich für uns bekehrt und für uns geglaubt hat, und sie somit die Notwendigkeit unseres Glaubens beseitigen.541 Indem der Antinomismus das Stützen auf seine eigenen Gnadengaben und Pflichten ablehne, so Baxter, trete er das Christentum mit Füßen, da er die tätige Gehorsamkeit gegenüber dem Gesetz der Gnade ablehne.542 Unter dem Vorwand, die Verherrlichung Gottes zu fördern, verwandle sich der Teufel in einen Engel des Lichts.543 Die antinomistische Lehre über die Gewissheit des Glaubens führt laut Baxter zur Sorglosigkeit und führt auf direktem Wege zum Fall ins Verderben und zur Gottlosigkeit.544 Baxter zeigt verschiedene Irrtümer der Antinomisten auf. Die These, in Römer 7,18 werde von Paulus als unwiedergeborenem Menschen gesprochen, der vom Gesetz seiner Sündigkeit überzeugt wird, weist er ab.545 Auch die Auffassung, dass Zweifel am Glauben und Furcht vor der Verdammnis Sünden wären, lehnt er ab.546 Während einige Antinomisten behaupten, dass, in welche Sünden man auch fällt, man nicht an seiner Rechtfertigung oder Seligkeit zweifeln sollte, glaubt Baxter, dass fahrlässige Sünder, die ihre Sünden erkennen, und sich dennoch nicht bekehren, verdammt werden.547 Die Pflicht der Bereitschaft zum Guten sollte man nicht von Gottes Beweggründen wie der Verheißung der Vergebung der Sünden trennen.548 Zwar seien die Antinomisten imstande, allgemeinen Zweifeln an Gottes Barmherzigkeit und an der Allgenugsamkeit von Christi Opfer entgegenzuwirken, aber nicht dem besonderen Zweifel hinsichtlich unserer eigenen Aufrichtigkeit und unserer Teilhabe an Christus.549 Jeder Teil der besonderen Gnade baut Baxter zufolge auf der allgemeinen Gnade auf.550 Der Unterschied zwischen allgemeiner und besonderer Gnade ist laut Baxter nicht kategorischer, sondern gradueller Art und deshalb schwierig zu bestimmen.551 Andererseits sollen allgemeine Gaben wie Wissenschaft, Gedächtnis und Beredsamkeit von der wahren Heiligung getrennt werden. Wenn sich die Seele für Gott und Christus entscheidet und sich gegen die Welt und das Fleisch richtet, und wenn das Interesse Christi im kleinsten Maß die Oberhand hat, ist die erste Stufe der seligmachenden Gnade erreicht.552 541
Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 83, 483. Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 89 f. 543 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 90. 544 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 201, 212, 335 391. 545 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 104 f. 546 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 201, 365–370, 483, 497. 547 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 365–370. Vgl. ebd., 258–262. 548 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 428 f. 549 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 497. 550 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 37–40. 551 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 128–141. 552 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 128–130, 265–267. 542
228
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Baxter bekämpft die römisch-katholische Kirche.553 Er verwirft ihre Sündenlehre,554 die bloß äußerliche und heuchlerische Übung der Pflichten und der Buße,555 ihren Exklusivitätsanspruch556 und die Beichte als Mittel zur Absolution, obwohl er sie als Mittel zum Frieden des Gewissens schätzt.557 Er behauptet, dass es nicht durch Vernunft und Kraft, sondern nur durch den Willen gelingen könnte, Gnade zu erlangen. Man kann also an Christus teilhaben haben, wenn man will, aber man kann nicht aus sich selbst heraus willig sein, ohne die besondere Gnade Gottes zu besitzen.558 Baxter weist daraufhin, dass Kinder Gnade besitzen können, und einige sie auch haben. Für die Kinder aller wahren Gläubigen ist es zumindest sehr wahrscheinlich, dass ihre Erbsünde vergeben worden ist, wenn ihnen dies auch nicht vollkommen zugesichert werden kann. Die Eltern nehmen diese für sich und ihre Kinder jedoch als gesichert an, sie übergeben ihre Kinder dem Herrn Christus und schließen sie in seinem Bund mit ein. Doch laut Baxtor ist es uns Menschen völlig unbekannt, ob Gott den jungen Kindern die Gnade der innerlichen Erneuerung schenkt.559 Schließlich gibt in der Schrift noch folgende einzelne Elemente. Baxter hebt sein Verlangen nach Frieden und Einigkeit unter Christen und seine Ablehnung einer Trennung von der Kirche und von den Sekten hervor.560 Die Reichweite von Christi Verdienst ist Baxter zufolge universalistisch: Christus sei für alle Menschen gestorben.561 Er habe der Gerechtigkeit Gottes auf eine kräftige Weise (efficaciter) für alle genug getan.562 Philosophische und scholastische Redensarten möchte Baxter nur in beschränktem Maß benutzen.563 In Bezug auf die Lehre über die Beständigkeit im Glauben schreibt Baxter, dass sie nicht zu den Glaubensartikeln gehört.564 Anders als Ames positioniert Baxter die christliche Tugend, abhängig von den Taten, zwischen den Extremen (dem Bösesten und dem Besten).565 Eine zu scharfe Reformation der Kirche hinsichtlich der Lehre, der Liturgie, der Zucht, der Autorität des Predigers und der Regierung lehnt Baxter ab.566 Lehrunterschiede in den Geheimnissen der Erwählung, der Ord553
Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 167 f., 303, 358. Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 131 f., 256. 555 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 358 f., 497–499. 556 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 380, 499 f. 557 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 506–513. 558 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 236 f. 559 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 395–397. 560 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, §§ 8r–v, 7, 285, 328, 467 f., 499– 501, 523 f. 561 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 34 f., 489 f., 517 f., 521. 562 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 484 f. 563 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 92, 208–211, 254. 564 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 167 f. 565 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 328–341. 566 Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 343–346. 554
4.22 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697)229
nung und den Gegenständen von Gottes ewigen Dekreten und über das Verhältnis zwischen Gottes Wirkung auf den Menschen und dessen Freiheit sollen nicht zur Spaltung der Kirche führen.567 Deusing hat die Schrift interpretationsorientiert übersetzt: NL 469: Ik meyne, dat de Regtveerdige Koning der Heyligen selfs nu, wegens onse al te seer verwonderende voorbarige yver, ende hoge belijdenis, voor Engeland maakt so scherpen roede en sware Verdruckinge, om ons aangedaan te worden door verleyde, hoveerdige, hooggevoelende Belijders, als ofte wy ofte onse Vaderen nog noyt gehoort hebben […] DE 480: Ich halte dafür, daß der gerechte König der Heiligen, wegen unsers allzu grossen verwunderlichen glückseligen Eyfers, und herrlichen Christenthums, für Engelland eine scharffe Ruthe und Trübsalen bereitet, womit wir von den verführerischen und hochmüthigen Christen, von dergleichen unser Vaterland noch niemahls gehört hat, sollen gestrafft werden
„belijdenis“ (Bekenntnis) hat Deusing als „Christenthum[s]“, „Belijders“ als „Christen“ übersetzt. Gegen Ende ist die Übersetzung stark gekürzt und sie enthält einige kleine Fehler.
4.22 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) – Das Leben des Glaubens 4.22.1 Einleitung Der zweite Teil des Kompendiums trägt den Titel Das Leben des Glaubens. Oder: Ein Beweiß der unsichtbaren Dinge. Abweichend von den anderen Titelblättern im Kompendium werden hier als Erscheinungsorte Frankfurt und Leipzig angegeben. In diesen Städten hatte Saurmann, der Verleger, vermutlich ein Bücherdepot, einen Agenten oder einen Partner. Vom Original The life of faith (London 1660) erschienen bis 1690 vier Auflagen.568 1674 wurden zwei niederländische Übersetzungen herausgegeben.569 Dem Titelblatt zufolge wurde die Schrift aus dem Englischen übersetzt.570 Der Übersetzungsvergleich hat gezeigt, dass Deusing die niederländische Übersetzung als Vorlage nutzte. Die Abweichungen vom englischen Original entsprechen den Abweichungen der niederländischen Fassung:571 567
Vgl. Baxter, Die rechte Arth und Weise, Bremen 1697, 348.
568 S. ESTC.
569 S. Pietas.
570 Vgl. Baxter, Das Leben des Glaubens, Frankfurt/Leipzig, Philipp Gottfried Saurmann, 1697 (Pietas P11044809), [A1r]. 571 Vgl. Baxter, The life of faith in three parts, London, R. W., Nevil Simmons, 1670 (Wing/ B1301); ders., ’t Leven des geloofs. Zijnde het bewijs van onsienlijcke dingen. Voorgestelt in een predicatie, (beknopter-wijse) voor den koningh tot White-Hall gedaen, op den xij. July, Anno 1660,
230
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
ENG 1: They have no faith which they can justifie, by ist prevailing efficacy and works […] NL 1: want sy geen Gheloof en hebben, ’t geen sy met dadelijcke kracht en werken konnen waer-maken […] DE 3: weil sie keinen Glauben haben, welchen sie in der That und mit der Krafft können zeigen […] ENG 2: subdue the inclinations and interests of the flesh NL 4: de neygingen, ende het selfs-gesoeck des vleesches t’onderbrengende DE 6: die Begierden und Selbst-Liebe des Fleisches bezwinge
Die Vorreden des Autors572 und des niederländischen Übersetzers P. S. (= des mystischen Chiliasten Petrus Serrarius),573 das Gebet am Ende574 und die hinzugefügte Schrift Ziel-verruckinge575 ließ Deusing beim Übersetzen des Textes aus.
4.22.2 Inhalt Grundlage dieser Schrift ist Hebr. 11,1: „Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des das man hoffet, und nicht zweifeln an dem, das man nicht siehet.“576 Der Glaube wird definiert als ein tiefes Vertrauen auf Gott, den Verheißer, und auf Christus, der die Rechtfertigung und Seligkeit verdient hat und diese erwirkt, oder als Annahme des Lebens, das durch Gott im Evangelium verheißen und durch Christus erworben wurde. Das Ziel des Glaubens ist die ewige Freude in Gott im Himmel. Der Glaube macht die künftigen Dinge gegenwärtig, als sehe man die unsichtbaren, von Gott offenbarten Dinge bereits mit den leiblichen Augen. Diese Bibelstelle lehrt uns, die Beschaffenheit eines wahren Gläubigen recht zu verstehen. Dessen Lebensweise ist geprägt durch das Sehen des unsichtbaren Herrn und seiner unsichtbaren Wohltaten. Dazu gehört das Vertrauen auf Christus, eine Beurteilung der Menschen, der Sünde und Heiligkeit nach ihrer innerlichen Beschaffenheit, die fleißige Suche nach Glückseligkeit, stetige Vorbereitung auf den Jüngsten Tag und die Sorge, wie man der Verdammnis entfliehen möge. Die Frage, ob man durch den Glauben den Herrn, die Herrlichkeit und den Ort der Qual gesehen hat, entscheidet, ob man einen heiligen Ernst in der ’s-Gravenhage, Levijn van Dijck, 1674 (Pietas P97002400).; ders., Das Leben des Glaubens, Frankfurt/Leipzig 1697. 572 Vgl. Baxter, ’t Leven des geloofs, [*1v]. 573 Vgl. Baxter, ’t Leven des geloofs, [*2r–v]. Pietas entschlüsselt P. S. als Petrus Serrarius. Dieser starb 1669, aber schon 1661 war eine Ausgabe der niederländischen Übersetzung aus seiner Feder erschienen. 574 Vgl. Baxter, ’t Leven des geloofs, 109–116. 575 Ziel-verruckinge ofte bedenckinge, op de gelegentheyt van den tijdt der geboorte Christi. Zijnde een al-ghemeene versuchtinge tot Godt, over de verdorventheydt en verkeertheydt van den mensche (5. Aufl.), ’s-Gravenhage, Levijn van Dijck, 1674. 576 Baxter, Das Leben des Glaubens, Frankfurt/Leipzig 1697, 3.
4.23 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697)231
Suche der Glückseligkeit aufweist. Der Autor fordert dazu auf, sein Gewissen zu erforschen und herauszufinden, ob man ein wahrer Gläubiger ist. Schließlich werden zur Applikation einige rhetorische Fragen gestellt. Wenn man dasjenige sehen würde, wovon man sagt, dass man es glaubt, würde sich das Verhältnis zu Gott auf der einen Seite und der Sünde auf der anderen Seite radikal verändern. Verwiesen wird im Text auf Demosthenes, Harpalus und Sulpicius Severus. Zitiert werden Cicero, Bernhard von Clairvaux und Plutarch.
4.22.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Auf Das Leben des Glaubens wird im Hausbuch einmal verwiesen.577 Puritanische Elemente in dieser Schrift sind die Unterscheidung zwischen wahren Gläubigen und Scheingläubigen, die Aufforderung zur Selbsterforschung und die Auffassung, dass der Glaube nicht so allgemein ist, wie viele denken578. Weitere Einzelgedanken sind die Ablehnung der Auffassung, dass man gerechtfertigt wird, indem man glaubt, dass man gerechtfertigt sei,579 die Betonung, dass Gott die Menschen zu einem bestimmten Endzweck erschaffen hat,580 die Klage über die Uneinigkeit der Christen untereinander und das Plädoyer für Einigkeit in den notwendigen Dingen und Freiheit in den unnötigen Dingen.581 Deusing hat die Schrift der bedeutungsorientierten Methode gemäß übersetzt: NL 45: Hebben niet by dese tijt eenige van u-lieder Conscientien u geseght, Is dit de natuyr ende ’t gebruyck des Geloofs, dingen die onsichtbaer zijn te maecken als of wy-se-sagen […] DE 41: Hat nicht bey dieser Gelegenheit einigen ihr Gewissen gesagt: Ist diß die Natur und der Gebrauch des Glaubens, unsichtbare Dinge gleichsam sichtbar zu machen […]
4.23 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) – Ein Heiliger oder ein Heuchler 4.23.1 Einleitung Der Titel des dritten Teils des Kompendiums lautet Ein Heiliger, oder ein Heuchler, das ist: des Heuchlers eiteler Gottesdienst, und ungezäumte Zunge. Auf dem Titelblatt wird behauptet, dass Deusing die Schrift aus dem Englischen übersetzt 577
Vgl. Baxter, Das Hausbuch der Armen, Marburg 1684, 298 f. Vgl. Baxter, Das Leben des Glaubens, Frankfurt/Leipzig 1697, 42 f. 579 Vgl. Baxter, Das Leben des Glaubens, Frankfurt/Leipzig 1697, 4. 580 Vgl. Baxter, Das Leben des Glaubens, Frankfurt/Leipzig 1697, 20. 581 Vgl. Baxter, Das Leben des Glaubens, Frankfurt/Leipzig 1697, 73–75. 578
232
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
hätte.582 Das Original The vain religion of the formal hypocrite erschien 1660 in zwei Ausgaben in London.583 1682 erschien eine niederländische Übersetzung. Aus einem Übersetzungsvergleich ist hervorgegangen, dass die niederländische Übersetzung Vorlage für die deutsche Fassung gewesen ist.584 Die Abweichungen vom englischen Original entsprechen den Abweichungen der niederländischen Fassung: ENG 2: When we read in the Gospel, that salvation is to be offered unto all, and no man is excepted or shut out, but such as shut out and except themselves […] NL 2: Wanneer wy in het Evangelium lesen, dat de Saligheit ons allen wert aengeboden, en dat niemant wert uytgesloten, als de sulke die haer selven uytsluyten, en die de selve verstooten […] DE 6: Wenn wir in dem Evangelio lesen, daß die Seligkeit uns allen angebotten, und niemand ausgeschlossen wird, als diejenigen, welche sich selbst ausschliessen, und jene verachten […]
Aus der niederländischen Übersetzung wurde nur die Vorrede des Autors585 übernommen, nicht die Vorrede, die vom Übersetzer oder Verleger stammt.586 Ebenfalls ausgelassen wurden die Gedichte eines unbekannten Verfassers, von E. van der Aerde sowie von einem gewissen Smidt.587
4.23.2 Inhalt In der Vorrede schreibt der Autor, dass Gott seinen Kindern die Sünde zum Besten gereichen lässt, obwohl er nicht deren Urheber ist. Ziel des Buches ist es, Unwissende und Heuchler zur Selbstprüfung anzuregen und sie zu einem seligmachenden Gottesdienst zu bewegen. Um die Verächter des wahren Gottesdienstes zu überzeugen, wurden einige Zitate von Bolton und anderen Theologen hinzugefügt. Die Schrift behandelt Jak. 1,26: „So aber sich jemand unter euch lässet düncken, er diene GOtt, und hält seine Zunge nicht im Zaum, sondern verführet sein Hertz, des Gottesdienst ist eitel.“588 Hier wird eine Scheingottseligkeit angeprangert, die nichts anderes ist, als Selbstbetrug und Eitelkeit. Diesem Schein582 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Heuchler, Bremen, Philipp Gottfried Saurmann, 1697 (Pietas P11044810), A1r. 583 S. ESTC. 584 Vgl. Richard Baxter, The vain religion of the formal hypocrite, and the mischief of an unbridled tongue … The fools prosperity, the occasion of his destruction, London, R. W., F. Tyton, Nevel Simmons, 1660 (Wing/B1448); ders., Heyligh of huychelaer, dat is: een korte verhandeling over de woorden van den apostel Jacobus, cap I. 26, Amsterdam, Johannes Boekholt, 1682 (Pietas P98019606); ders., Ein Heiliger oder ein Heuchler, Bremen 1697. 585 Vgl. Baxter, Heyligh of huychelaer, *3r–*6v; ders., Ein Heiliger oder ein Heuchler, Bremen 1697, [A1v]–A2v. 586 Vgl. Baxter, Heyligh of huychelaer, *2r–v. 587 Vgl. Baxter, Heyligh of huychelaer, *7r–[*10v]. 588 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Heuchler, Bremen 1697, 5.
4.23 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697)233
glauben können eine energische Gemütsart, gute Erziehung, kräftige Predigt und die allgemeine Wirkung des Heiligen Geistes zugrunde liegen. Ihm fehlt aber der heiligmachende Geist Christi, die geistliche Neugeburt, ein zerbrochener Geist, der herzliche Glaube an Christus, die Hochschätzung Gottes wegen seiner großen Güte, der Glaube an das zukünftige Leben, innerliche geistliche Heiligung, Hass wider alle bekannten Sünden, das Streben nach der Überwindung der Sünden, die Liebe zum heiligen Leben und das Streben, Christi Ebenbild zu sein. Bezüglich der eigenen Gottseligkeit kann man sich selbst auf verschiedene Weisen verführen: indem man dem Geist der Gnade widersteht, an seinen Sünden festhält, die Gottseligkeit der eigenen Lust und Ehre anpasst und zum eigenen Vorteil nutzt, seinem Herzen einredet, dass die selbst zusammengestellte Gottseligkeit das wahre Leben Christi ist, nur pflichtgemäß die göttlichen Verordnungen ausführt, in eine Gesellschaft eindringt, die den Selbstbetrug fördert, nicht glaubt, dass Gott Scheinheilige richten wird, die Schwachheiten und Sünden anderer Menschen verurteilt, sich fälschlicherweise Trost anmaßt, einige Verbesserungen in sich selbst als wahre Bekehrung deutet und unwissend ist über die Natur der Heuchelei. Ein Heuchler möchte die Sünden nicht hinter sich lassen, wohl aber der Verdammnis entgehen und in den Himmel kommen. Seine Scheingottseligkeit bedeckt seine Sünden und die Furcht seines Gewissens. Der Vorteil der Lehre, so Baxter, liege darin, dass es leichter sei, den Menschen zur genausten Lehre als zur täglichen fleißigen Übung der Wahrheit zu bewegen. Zarte, aufrichtige Gemüter, die leicht an ihrer Aufrichtigkeit zweifeln, sollen sich nicht durch die Beschreibung des Heuchlers angesprochen fühlen. Den Heuchlern wird ihr Elend vor Augen geführt, damit sie aufwachen mögen. Darüber hinaus werden folgende Menschen in der behandelten Bibelstelle angesprochen und gewarnt: 1. verstockte Gottlose, die das ernste Christentum verspotten, 2. Spalter und Eigensinnige, die nur ihre Anhänger schätzen und andere Glaubensgenossen schlechtreden, 3. diejenigen, die negativ über die Obrigkeit sprechen, durch die sie um der Gottseligkeit willen leiden müssen.
4.23.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Das Thema dieses Werkes, die Unterscheidung zwischen Heiligen und Heuchlern, ist durchaus puritanisch. Der Autor identifiziert sich mit Eiferern, Präzisisten, Puritanern und Feinen.589 Er verweist auf und zitiert Robert Abbot, Bolton, George Downame, Erasmus, Hall, Seneca und Platon. Weitere Themen sind die Bestrafung der Spaltung und der Parteischaften unter Christen aufgrund von Nebensächlichkeiten und der gegenseitigen Pole589
Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Heuchler, Bremen 1697, 142–145.
234
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
mik,590 die Bekämpfung der römisch-katholischen Kirche, die nur die Ausführung religiöser Pflichten enthalte und nicht zur Übung des Glaubens anleite, und deshalb so bequem für Gottlose sei,591 die Sinndeutung des Taufbundes als völlige Übergabe an Gott592 und zuletzt die Bestrafung übler Rede oder Lästerung gegenüber der Obrigkeit, den Vorgesetzten oder Unterdrückern, die einen wegen des Glaubens unterdrücken, statt ihn als Diener Gottes zu ehren.593 Die Schrift ist bedeutungsorientiert übersetzt worden: NL 72: Nu mosten we u vervolgens tonen […] DU 60: Nun muß ich ferner anweisen […]
Auffallend ist, dass das Substantiv „Puriteyn“ und das davon abgeleitete Adjektiv in der Übersetzung durch „Fein“ beziehungsweise „fein“ ersetzt werden,594 womit Deusing eine Adaption an die Zielsprache vorgenommen hat.
4.24 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) – Der Narren Glückseligkeit 4.24.1 Einleitung Der nächste Teil der Ausgesonderten Schrifften trägt den Titel Der Narren Glückseligkeit und die Gelegenheit ihres Verderbens. Das Original The fools prosperity wurde der Schrift The vain religion of the formal hypocrite als Zusatz beigefügt, so auch der niederländischen Übersetzung. Auf dem Titelblatt der deutschen Übersetzung wird behauptet, das englische Original sei die Vorlage gewesen.595 Die deutsche Übersetzung beruht jedoch auf der niederländischen Fassung:596 ENG 278: Though God tell [sic] us in his Word of a difficulty that all must conquer that will be saved, yet it is a greater extraordinary difficulty, that he tells us of as to the rich and prosperous in the world […] NL 10: Alhoewel Godts Woordt ons spreeckt van een beswaerlijckheyt, die alle moeten te boven komen, die saligh sullen werden; so spreecktse ons nochtans van een 590 Vgl.
Baxter, Ein Heiliger oder ein Heuchler, Bremen 1697, 10 f., 25, 34 f., 72–74, 124 f., 155–157, 182. 591 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Heuchler, Bremen 1697, 56 f., 74–79, 143 f. 592 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Heuchler, Bremen 1697, 102. 593 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Heuchler, Bremen 1697, 157–166. 594 Vgl. Baxter, Ein Heiliger oder ein Heuchler, Bremen 1697, 142–156. 595 Vgl. Baxter, Der Narren Glückseligkeit, Bremen, Philipp Gottfried Saurmann, 1697 (Pietas P11044810), 187. 596 Vgl. R[ichard] B[axter], The fools prosperity. A sermon preached at Coven-Garden: published upon occasion of some offence and misreports, o. O., 1660, in: Baxter, The vain religion of the formal hypocrite, 273–340; ders., Der dwasen voorspoet, over Prov. 1. vs. 32. 33, in: Baxter, Heyligh of huychelaer; ders., Der Narren Glückseligkeit, Bremen 1697.
4.24 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697)235
grote en ongemeene beswaerlijckheydt, in het saligh werden der rijcken, en welvarende in dese werelt […] DE 190: Obgleich GOTTes Wort von einer Schwerigkeit, welche alle diejenigen, die seelig werden sollen, überwinden müssen, redet; so redet sie dennoch von einer grossen und ungemeinen Schwerigkeit in Ansehung der Seeligkeit der reichen und glücklichen Menschen dieser Welt […]
Im Vergleich mit der Vorlage fehlt der deutschen Fassung ein Bibelzitat (1 Tim. 6,17–18),597 ein Gedicht eines C. de Vries,598 ein Gedicht eines gewissen D. S. M.599 und das Register600.
4.24.2 Inhalt Die Grundlage dieser Abhandlung bilden die Sprüche Salomons 1,32.33: „Das die Albern [Toren, d. Vf.] gelüstet, tödtet sie, und der Ruchlosen Glück bringet sie um. Wer aber mir gehorchet, wird sicher bleiben, und gnug haben, und kein Unglück fürchten.“601 Glück verdirbt die törichten Leute. Reichtum und Seligkeit können gewöhnlich nicht miteinander bestehen. Die Ursachen dafür, dass die Reichen von Gott fortgerissen werden, sind eigensinnige Begierden, Freundschaft der Welt, Götzendienst, großes Ansehen und weltliche Geschäfte, Empfindung der gegenwärtigen Vergnügen, Hochmütigkeit durch die Erfahrung von Glück und Auflehnung gegen Gott und seine treuen Diener. Man soll Gott nicht vorwerfen, dass er den Ruchlosen Glück schenke, und man soll sich selbst nicht dafür entschuldigen, dass man Glück erfahren hat. Auch soll man nicht denken, dass Reichtum an sich böse ist, und man soll sich nicht einbilden, dass man selig ist, weil man arm ist. Die Obrigkeit soll man nicht schmähen, da sie zum Regieren und zum Besten der Untertanen benötigt wird. Folgende praktische Lehren werden vermittelt: man soll nicht neidisch auf das Glück der Ruchlosen sein, weder Reichtum noch Glück begehren, diejenigen ehren, die sowohl reich als auch gottesfürchtig sind, und für angesehene Leute umso fleißiger beten. Die Schrift schließt mit einer Warnung der in weltlicher Hinsicht Reichen ab, weil die bevorstehende Veränderung Freude in Verzweiflung wandeln wird. Der Autor will die Menschen nicht zur Traurigkeit veranlassen, sondern zu einem Leben voller himmlischen Frieden veranlassen, den es in der Welt nicht gibt. Die Gerechten werden getröstet: sie werden gesegnet werden. 597
Vgl. Baxter, Der dwasen voorspoet, over Prov. 1. vs. 32. 33, 2. Vgl. Baxter, Der dwasen voorspoet, over Prov. 1. vs. 32. 33, 3 f. 599 Vgl. Baxter, Der dwasen voorspoet, over Prov. 1. vs. 32. 33, 5 f. 600 Vgl. Baxter, Der dwasen voorspoet, over Prov. 1. vs. 32. 33, [2C10r]–2D1v. Selbstverständlich wurde auch das Register der bei dem Verleger Boekholt gedruckten oder erhältlichen Bücher nicht übernommen, Baxter, vgl. Der dwasen voorspoet, over Prov. 1. vs. 32. 33, 2D2r–v. 601 Vgl. Baxter, Der Narren Glückseligkeit, Bremen 1697, 188. 598
236
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
4.24.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Ein puritanisches Element in dieser Schrift ist die Ablehnung von Vergnügen wie überflüssige Mahlzeiten, Kartenspiel und Würfeln.602 Ein weiteres Element ist die Bestrafung von Lästerung gegen die Obrigkeit.603 Der Text wurde bedeutungsorientiert übersetzt: NL 57: maer ick veseker u, en ick ben ’t oock gedwongente doen, dat ick voor hebbe om u van droefheyt af te roepen […] DE 225: Ich versichere euch aber, ja, ich muß es auch tun, daß mein Zweck ist, euch von der Traurigkeit abzuführen […]
4.25 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) – Die Auskauffung der Zeit 4.25.1 Einleitung Der letzte Teil des Kompendiums trägt den Titel Die Auskauffung der Zeit, und wie man einen ieden Tag in der Wochen, ins besonder aber den Tag des Herrn recht anwenden soll. Van der Haar und McKenzie zufolge handelt es sich um eine deutsche Übersetzung einer von Baxter bearbeiteten Schrift von William Whately (1583–1639), die 1673 erschien: The redemption of time.604 Auf dem Titelblatt wird behauptet, dass eine englische Quelle die Vorlage gewesen wäre.605 1682 erschien bei Dominicus Lens in Groningen eine niederländische Übersetzung einer Schrift Baxters, deren Titel dem deutschen sehr ähnlich ist: Bestieringen aengaende het uytkoopen des tydts: ende hoe men een yeder dagh in de weecke, ende in ’t besonder den dagh des Heeren wel sal besteeden. Van der Haar behauptet, dass Baxters Directions and persuasions to a sound conversion (1658) für die deutsche Übersetzung als Vorlage diente,606 was aber nicht stimmt.607 Ein Übersetzungsvergleich hat gezeigt, dass Bestieringen und Die Auskauffung inhaltlich übereinstimmen, The redemption of time stimmt aber nicht mit diesen beiden überein. In der Vorrede der niederländischen Schrift wird darauf hingewiesen, dass der Stoff einer umfangreichen Schrift („Groot WERK“) entnommen wurde. Dabei sind weit auseinander liegende Textteile dieser Schrift aufgrund inhaltlicher Übereinstimmungen verbunden worden.608 Eigene Re602
Vgl. Baxter, Der Narren Glückseligkeit, Bremen 1697, 223 f. Vgl. Baxter, Der Narren Glückseligkeit, Bremen 1697, 216. 604 S. IÖB, 125, W-68; McKenzie 1997, 62, Nr. 236. 605 Vgl. Baxter, Die Auskauffung der Zeit, Bremen, Philipp Gottfried Saurmann, 1697 (Pietas P11044810), 236. 606 S. FATY, 10, Nr. 118. 607 Schon Alblas 1987, 77, 149, Anm. 310, kam zu diesem Ergebnis. 608 Vgl. Baxter, Bestieringen aengaende het uytkoopen des tydts, Groningen, Dominicus Lens, 1682 (Pietas P98019606), A2r–v. 603
4.25 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697)237
cherchen haben ergeben, dass die Textpassagen vom Bearbeiter der niederländischer Schrift aus Baxters A Christian directory, or, a summ of practical theologie, and cases of conscience (1673) ausgewählt wurden.609 Die Vorlage der deutschen Übersetzung ist also die niederländische Fassung, die Deusing gemäß der bedeutungsorientierten Methode übersetzt hat.
4.25.2 Inhalt Die Lebenszeit bietet ausreichend Gelegenheit, die Dinge zu verrichten, um derentwillen wir das Leben von Gott empfangen haben, und an denen das ewige Leben hängt. Der Autor meint hier besondere Gelegenheiten für die wichtigsten Werke, die man für Gott und seine Seele verrichten soll. Die Ziele sind das Gemeinwohl, die eigene und anderer Leute Seele sowie das eigene körperliche Wohlergehen und das der anderen Leute. Der große Wert der Glückseligkeit erfordert, dass man sich im höchsten Maße um sie bemüht, und alle Hindernisse überwindet. Diebe und Zeitverschwender soll man meiden. Insbesondere sind die folgenden Personengruppen verpflichtet, ihre Zeit auf Erden angemessen zu nutzen: junge, kranke, schwache und alte Leute, diejenigen, die bereits viel Zeit verschwendet und für nichts Sinnvolles genutzt haben, Personen, die ständigen Zeitmangel haben, besondere Hilfsmittel besitzen, unwissend sind, keine oder kleine Gnadengaben haben oder starken Verderbnissen unterworfen sind, diejenigen, die kleine oder gar keine Gewissheit der Seligkeit besitzen und nicht auf den Tod vorbereitet sind, Menschen, die ausreichend Gelegenheit haben, etwas Gutes zu tun, wie die Obrigkeit und die Diener Christi, sowie diejenigen, die von einer Krankheit geheilt oder aus einer Gefahr errettet worden sind, und deswegen ein Gelübde abgelegt haben. Es folgt eine Unterweisung des Hausgesindes hinsichtlich der Frage, wie man den ganzen Tag hindurch, vom Erwachen bis zum Schlafengehen, seine Zeit am besten nutzen kann. Der Autor verteidigt die Notwendigkeit der Sonntagsfeier mit verschiedenen Argumenten. Der Endzweck des Tages des Herrn ist nicht die leibliche Ruhe und die äußerliche Übung der Pflichten, sondern die Erhaltung der Erkenntnis und der Gottseligkeit in der Welt. Das besondere Werk dieses Tages ist die Erinnerung an die Auferstehung Christi und die Erlösung des Menschen durch ihn. Der Tag ist insbesondere zum öffentlichen Gottesdienst und der persönlichen Gemeinschaft der Christen gedacht, was als große Barmherzigkeit Gottes betrachtet werden soll. Vor den beiden Extremen, Entheiligung 609 Vgl. Baxter, A christian directory, or, a summ of practical theologie, and cases of conscience, London, Robert White, Nevil Simmons, 1678 (Wing/B1220). ENG 230–247 (Buch 1, K. 5) korrespondiert mit NL 5–159; ENG 77–80 (Buch 2, K. 17) mit NL 160–189, und ENG 80–84 (Buch 2, K. 18) mit NL 189–224. DE 357–359, Punkt 11) ist viel ausführlicher als NL 175, Punkt 11. NL verweist auf „myne [des Autors, d. Vf.] Bestieringen“, K. 16. An dieser Stelle in DE wurde ENG 76, Punkt 6 (Buch 2, K. 16, Punkt 6) übernommen.
238
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
des Tages und Aberglauben, soll man sich hüten. Abschließend erfolgt die Darstellung einzelner Pflichten für den Sonntag.
4.25.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Die Grundgedanken dieser Schrift, dass man alles meiden soll, was von der Gottseligkeit abhält, und dass man die Gottseligkeit fördern soll, sind durchaus puritanisch. Weitere puritanische Elemente sind die Kritik an Zeitverschwendung jedweder Art. Dazu zählen Unmäßigkeit in Bezug auf Kleidung, Hausverzierung und Spiel (Karten, Würfeln,610 Komödie, Tanz, Verkleidung und Unmäßigkeit in den zugelassenen Spielen wie Jagd und Ballspiel), Eitelkeit im Reden und in der Gesellschaft, Lektüre von Schriften, die bloß der Unterhaltung und dem Vergnügen dienen (Komödienbücher, Liebesbücher, fiktive Geschichten), unnützes Studieren und das Festlegen von Vorschriften hinsichtlich der praktischen Lebensheiligung für jeden Tag. Es werden weitere Thesen aufgestellt, zum Beispiel, dass die bloße Ausrichtung auf das irdische Leben als höchsten Endzweck animalisch sei.611 Ausführlich befasst der Autor sich mit Fragen zum Tag des Herrn: Streitereien über den Namen Sabbat lehnt er ab und betont stattdessen, dass man am Tag des Herrn – diese Bezeichnung bevorzugt er – fleißig den öffentlichen Gottesdienst besuchen und heilige Übungen verrichten soll.612 Hinsichtlich der Frage, ob das vierte Gebot noch Bestand hat oder außer Kraft gesetzt ist, ist er sich unsicher.613 Er warnt vor extremen theologischen Positionen, wie die Seeker614 und Quäker sie vertreten, die alle Tage der Woche gleich halten und diejenigen, die den Tag des Herrn heiligen, verachten.615 Im Hinblick auf das Abendmahl schlägt Baxter vor, es wie die Alte Kirche jede Woche oder jeden Tag zu feiern.616 Die Schrift ist der bedeutungsorientierten Methode gemäß übersetzt worden: NL 90: HET eerste in de konst van het Uytkopen des Tyds, is, dat men eerst met de grootste sorgvuldigheid ende neerstigheid afdoe, de gewichtigste saken van volkomene noodsaekelykheid […] DE 296: Das erste in der Kunst der Auskauffung der Zeit ist, daß man mit dem sorgfältigsten und grösten Fleisse die wichtigste und nothwendigste Sache […] verrichte
610
Vgl. Baxter, Die Auskauffung der Zeit, Bremen 1697, 274, 282 f. Vgl. Baxter, Die Auskauffung der Zeit, Bremen 1697, 281 f. 612 Vgl. Baxter, Die Auskauffung der Zeit, Bremen 1697, 369 f. 613 Vgl. Baxter, Die Auskauffung der Zeit, Bremen 1697, 370. 614 Vgl. Spurr 1998, 112. 615 Vgl. Baxter, Die Auskauffung der Zeit, Bremen 1697, 388. 616 Vgl. Baxter, Die Auskauffung der Zeit, Bremen 1697, 381 f. 611
4.26 Zusammenfassung239
4.26 Zusammenfassung 4.26.1 Deusings Übersetzungen im Allgemeinen Deusing stieg vom Prinzenerzieher zum Rat und Archivar, vermutlich der Regierungskanzlei, am Hessen-Kasseler Hof auf. Anfänglich könnten ihn finanzielle Gründe dazu veranlasst haben, als Übersetzer tätig zu werden. Nach seinem letzten beruflichen Aufstieg im Jahre 1683 wird dies nicht mehr der Fall gewesen sein, was die selbständige Verlegung von Der wahren Bekehrung und der Hinweis auf ein verfügbares Kapital belegen. Deusings Übersetzungen sind in erster Linie Undereycks Einfluss zu verdanken. Wahrscheinlich begegneten sich Deusing und Undereyck Ende der 1660er Jahre in Kassel. Undereyck vollendete in Kassel sein Kompendium Christi Braut. Es gibt einige Indizien, die darauf schließen lassen, dass Undereyck Anreger von Deusings Übersetzungen war. Erstens zitierte Undereyck fast alle Autoren und Titel der von Deusing übersetzten Schriften in Christi Braut. Zweitens erschienen Deusings Übersetzungen zeitlich nach Undereycks Kompendium. Drittens weisen die Übernahme eines Zitates am Anfang des Soliloquiums und die Widmung an Undereycks Martinigemeinde auf diese Verbindung hin. Es ist sogar möglich, dass Deusing derjenige ist, der das Manuskript von Undereycks Christi Braut abgeschrieben hat. Die Widmungen in den beiden Teellinck-Übersetzungen weisen darauf hin, dass Deusing die Kontakte zu Undereyck und dessen Gemeinde und zu Gleichgesinnten in seiner Heimat aufrecht erhielt. Neben Undereyck und der Bremer St. Martinigemeinde spielten die hessischen Fürstinnen Hedwig Sophie, Charlotte und Elisabeth, die niederländischen Verleger auf der Frankfurter Buchmesse und Durie – vor allem im Hinblick auf die Baxter-Übersetzungen – sicherlich eine anregende Rolle. Eine (wechselseitige) Verbindung lässt sich auch zwischen Deusing und dem Kasseler Superintendenten und Übersetzer puritanischer Schriften Georg Hein vermuten. Von Charlotte und Elisabeth lieh sich Deusing vermutlich Bücher aus. Weil Charlotte schon zuvor mit der Erstellung einer Systematik der praxis pietatis in Zusammenhang gebracht worden war, war die Arbeit Undereycks und Deusings möglicherweise Teil einer älteren Tradition. Gemeint ist hier das kurpfälzische Netzwerk, das sich seit Anfang des 17. Jahrhunderts um die Entschließung englischer Erbauungsliteratur (s. 2.4) bemühte. Ein zusätzliches Indiz dafür ist, dass John Durie in beiden Netzwerken auftaucht: er unterhielt sowohl Beziehungen zur Pfalz als auch zum Kasseler Hof, wo Deusing tätig war. Deusing wies seinen Widmungsempfängern die beachtliche Rolle des Katalysators für die Distribution zu. Genannt werden Elisa Meier, Charlotte von der Pfalz und Elisabeth von Hessen-Kassel und die Frankfurter, Hanauer und Kasseler Kauf- und Handelsleute. Zugleich sind einige dieser Widmungen als Danksagungen für empfangene Gunst zu verstehen. Johann Jakob Schütz diente Deu-
240
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
sing als Distributor seiner Schriften. Durch die Verbindungen zu Jakob van de Walle, Daniel Behaghel und Schütz bekam Deusing Zugang zu größeren interkonfessionellen Netzwerken von Frommen. Deusing war für den interkonfessionellen Kontakt mit Schütz vermutlich aufgeschlossen durch die in Bremen und Hessen vorherrschende irenische Haltung der reformierten Theologie und wegen Schützens pietistischer Ansichten. Nach den zwei Übersetzungen niederländischer Erbauungsschriften erschienen bis 1676 in schneller Folge Übersetzungen englischer Schriften, wonach eine Pause von sieben Jahren eintrat, wofür es zwei mögliche Erklärungen gibt. Zum einen hatte Deusing zu der Zeit anderweitige Verpflichtungen, die ihn möglicherweise zu der Pause veranlassten. Andererseits ist es auch möglich, dass er im genannten Zeitraum zwar übersetzte, die Herausgabe der Übersetzungen jedoch aufgeschoben wurden. Somit kann die Produktivität von 1683 bis 1685 mit der Erleichterung von Deusings Arbeitsbürden oder als Ertrag der vorherigen Jahre ausgelegt werden. Es gibt nämlich Indizien dafür, dass Deusing in einem hohen Tempo Übersetzungen produzierte, deren Veröffentlichungen einige Zeit auf sich warten ließen. In seinem Kaufmann-Kompendium hat er Fragmente von Bolton und Sibbes und in Eines Gläubigen letzte Arbeit ein Gebet aus The poor man’s family book verarbeitet, deren vollständige Übersetzungen erst später erschienen. Nach 1685 lässt sich wiederum eine Unterbrechung in der Übersetzungsarbeit Deusings feststellen. Vermutlich geht auch diese Pause auf anderweitige zeitintensive Verpflichtungen und Reisen Deusings zurück. Die Art der Beschuldigungen gegen Deusing und seine Frau, über die er 1690 in einem Brief an die Herforder Äbtissin berichtet, ist unbekannt. Vermutlich ist Deusing einige Jahre vor 1696 aus Kassel weggezogen, wahrscheinlich nach Bremen, wo 1697 unter seinen Initialen ein Kompendium einiger Schriften Baxters erschien. Ob er diese Schriften selbst in Druck gegeben hat, oder ob der Verlag sie aus seinem Nachlass veröffentlicht hat, ist unbekannt. Auch wenn Deusings Todestag nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann, steht fest, dass er frühestens 1690 und spätestens 1697 gestorben ist. Insgesamt hat Deusing 19 Titel übersetzt, verteilt über 15 Schriften,617 die 29 mal aufgelegt wurden. Außerdem existieren sechs Auflagen, die eine Bearbeitung (eines Teils) einer Schrift Deusings sind.618 617 Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans wird als einzelner Titel gezählt. Zwar handelt es sich um ein Kompendium von Fragmenten, die aus verschiedenen Titelwerken herausgenommen worden sind, doch es enthält keine vollständigen Werke, sondern gekürzte Fassungen oder Fragmente. Baxters Ausgesonderten Schrifften gilt als eine Schrift, die einzelnen Komponenten werden aber als Titel gezählt, da auch deren Originale als Titel gelten. 618 Es handelt sich um Boltons Noah göttlicher Wandel (Frankfurt 1696), Baxters Ewige Ruhe (Leipzig 1719, Leipzig 1733), Königliches Priesterthum (Schaffhausen 1689), Creutzigung (Leipzig 1736) und Ein Heiliger oder ein Vieh (Königsberg 1745).
4.26 Zusammenfassung241
Die Motive für die Wahl dieser Schriften sind anhand der Quellen kaum zu ermitteln. Nur über Teellincks Soliloquium und Sibbes’ Schrift ist bekannt, dass die Übersetzungen auf Bitten anderer beziehungsweise aufgrund des Trostes, den Deusing aus den Werken schöpfte, entstanden. Deusing könnte aber auch Anregungen von niederländischen Übersetzern wie Petrus Heringa, Jacobus Koelman, Abraham van Laren, Hendrik Uilenbroek, Johannes Grindal, Julius Aysonius Husinga, Nathanael Knowles und Petrus Serrarius oder von niederländischen Verlegern wie van Someren erhalten haben. Da die Reisebeschreibungen eine andere Gattung als die Erbauungsbücher darstellen, wurde Deusing vermutlich von niederländischen Verlegern zum Übersetzen dieser Schriften angeregt. Vielleicht haben ihn aber auch die theologischen Gedanken, die in den Reiseberichten anklingen, dazu angeregt. Auch Verweise in den übersetzten Schriften auf andere Werke des Autors oder Verweise auf andere Autoren – Baxter verweist unter anderem auf Bolton – könnten Deusing zu weiteren Übersetzungen angeregt haben. Die Autoren, deren Schriften Deusing übersetzte, waren zum größten Teil Engländer, Guthrie war Schotte und Teellinck Niederländer. Die übersetzten Texte umfassen unterschiedliche Gattungen: Monolog, Dialog, Predigt, Verhandlung und Kasuistik. Die Autoren unterschieden sich zum Teil erheblich in ihren Auffassungen in Bezug auf das Kirchenregiment, die Liturgie und die Riten des Gottesdienstes und die Lehrsätze. Teellinck, Guthrie, und Love waren Presbyterianer, Ames war Kongregationalist, Hall Episkopalist und Baxter bezeichnete sich selbst als „Episcopal-Presbyterian-Independent“.619 Hinsichtlich der Frage, ob man sich der Liturgie und den Riten des anglikanischen Gottesdienstes anpassen sollte, war Ames Nonkonformist und Hall Konformist. Trotzdem wurden Fragmente ihrer Schriften in einem Kapitel zusammengefügt. Die Unterschiede in den theologischen Auffassungen zwischen den Autoren kommen unten noch zur Sprache. Zwischen den verschiedenen Titeln gibt es auch Niveauunterschiede: Die Baxter-Übersetzungen sind im Allgemeinen wegen ihrer dogmatischen Exkurse wesentlich anspruchsvoller als Teellincks Das newe Jerusalem, worin theologische Lehrsätze auf einfache Weise und in Dialogform diskutiert werden. Thematisch betrachtet beziehen sich Deusings Übersetzungen fast alle auf das innerliche geistliche Leben. Auffallende und immer wiederkehrende Themen und Elemente der Schriften sind die Unterscheidung zwischen wahren Christen und Scheinchristen, Selbstprüfung, die Frage der Heilsgewissheit, Wiedergeburt, Bekehrung, innerliche Traurigkeit, Todesvorbereitung, Meditation über die himmlische Herrlichkeit und die Heiligung. Konkrete Vorschriften für die Praxis der Gottseligkeit wie die Pflichten der Eheleute, der Hausgottesdienst und die Sonntagsheiligung kommen eher am Rande vor, zum Beispiel in Teellincks 619
Vgl. Pfisterer 1980, 359.
242
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
Dem newen Jerusalem, in Boltons Noahs göttlichem Wandel, in Baxters Hausbuch und Der Auskauffung der Zeit. Das Kompendium für Kaufleute stellt eine Ausnahme dar, da sich die ganze Schrift der äußerlich-ethischen Seite widmet. Einige Grundgedanken der Übersetzungen, Selbstprüfung, die Erfahrung der Wiedergeburt, Betrachtung des Himmlischen statt des Irdischen, spiegeln sich in Deusings Widmungen und Vorreden wider. Dabei fällt auf, dass Deusing den Sündenfall und dessen Folgen betont. Einige Gedanken wie Gottes Präferenz von Aufrichtigkeit vor Zierlichkeit (Soliloquium), die Unersättlichkeit der menschlichen Begierde nach Glückseligkeit und deren ausschließliche Erfüllung durch Gott (Das newe Jerusalem) und das Mehrbegehren Gottes und des Himmels gegenüber der Welt (Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans), korrespondieren mit Undereycks Auffassungen. Diese Übereinstimmungen sind zusätzliche Indizien für Undereycks anregende Rolle. Der zweite Gedanke korrespondiert auch mit Teellinck, der letzte mit Baxter. Der Gegensatz zwischen Einheit und Vielfalt, der in der Widmung zu Dem newen Jerusalem auf Gott und die Seele vor dem Sündenfall beziehungsweise auf die Seele und die Welt nach dem Fall bezogen wird, findet sich auch im ersten Teil von Baxters Ein Heiliger oder ein Vieh. Auch Undereyck verbindet die Einheit Gottes mit dessen Vollkommenheit. Vermutlich übernahm Deusing diese Gedanken direkt aus den Quellen oder von Undereyck. Der thematische Schwerpunkt von Deusings Übersetzungen scheint sich allmählich von Wiedergeburt und Bekehrung auf Heiligung verschoben zu haben, obwohl auch schon die zweite Übersetzung, Das newe Jerusalem, die Heiligung thematisiert. Die innerliche und empfindsame Erfahrung der Wiedergeburt spielt in Deusings ersten Übersetzungen von Teellinck bis Bolton und in deren Widmungen und Vorreden eine zentrale Rolle. In der Widmung zu Soliloquium stellt Deusing diese Erfahrung als furchteinflößend und sogar als höllisch dar. Die Bolton-Übersetzungen lassen sich mit Deusings Vorstellung von einer starken und empfindsamen Wiedergeburtserfahrung in Verbindung bringen. Im Allgemeinen waren Deusings Übersetzungen keine Bestseller. Einige erlangten mehrere Auflagen: Soliloquium vier, Das newe Jerusalem mit Der Klage Pauli drei, Die Wahre Bekehrung vier, Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans drei, Noah göttlicher Wandel drei und Ein Heiliger oder ein Vieh zwei.
4.26.2 Die Baxter-Übersetzungen im Gesamtoeuvre Festzuhalten ist, dass Deusings Oeuvre hauptsächlich Baxter-Übersetzungen umfasst, und dass sich Deusing ab 1683 ausschließlich auf Baxters Schriften konzentrierte. Deusing hat insgesamt 19 Titel übersetzt, 12 davon (63 %) sind Baxter-Titel. Zählt man die Schriften, so sind 8 der 15 Schriften, also 53 Prozent, Baxter-Schriften. 46 Prozent aller Auflagen, 13 der 28, sind Baxter-Auflagen. McKenzie verzeichnet 28 Baxter-Titel und 77 Auflagen. Obwohl man neue
4.26 Zusammenfassung243
systematische bibliographische Recherchen über die deutschen Baxter-Titel und -Auflagen bis 1750 anstellen müsste, um die Zahlen genauer zu bestimmen, kann der Anteil Deusings grob geschätzt werden: 46 % der Baxter-Titel und 16 % der Auflagen können Deusing zugerechnet werden. Deusings Vorliebe für Baxter kommt auch darin zum Ausdruck, dass er einige Male der erste Übersetzer einer Schrift Baxters war. Die betreffenden Schriften sind Die wahre Bekehrung, das dritte Erbauungsbuch und das vierte Buch Baxters, das ins Deutsche übersetzt wurde, Eines Gläubigen letzte Arbeit, Das Göttliche Leben, Die ewige Ruhe, Die Creutzigung, Ein Heiliger oder ein Vieh, Die rechte Arth und Weise, Ein Heiliger oder ein Heuchler und Der Narren Glück seligkeit. Bei diesem hohen Anteil, den die Baxter-Schriften in Deusings Oeuvre einnehmen, stellt sich die Frage, ob Deusing, genauso wie andere Deutsche, zum Beispiel Anton Brunsen, Christian Scriver, Peter Christoph Martin, Johann Konrad Feuerlein (s. 2.4), Georg Pasch620 (1661–1707) und der Offenbachsche Hofprediger Konrad Bröske621 (1660–1713), mit Baxter in Verbindung gestanden hat oder ihm persönlich begegnet ist.622 Diese Frage kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Dass Deusing haupsächlich beziehungsweise ab 1683 ausschließlich Schriften von Baxter übersetzte, ist wohl vor allem auf Undereycks wertschätzende Haltung Baxter gegenüber zurückzuführen. Vielleicht hat auch Durie eine anregende Rolle gespielt. Auch die Verweise in Baxters Schriften auf dessen andere Werke können Deusing zu weiteren Übersetzungen von Texten dieses Autors angeregt haben. Unter den reformierten Theologen vertrat Baxter einen middle way. Die damit einhergehenden Abweichungen von der reformierten Orthodoxie finden sich unverändert in Deusings Übersetzungen: die Betonung, dass Heiligkeit und Glückseligkeit die natürlichen Ziele der Vernunft sind, spannungsgeladene Formulierungen über die Freiheit des Willens und über das Vermögen der Vernunft, die Ablehnung einer zu starken Betonung von Gottes Ratschlüssen, die universalistische Reichweite von Christi Verdienst, eine graduelle Unterscheidung zwischen allgemeiner und besonderer Gnade, die Einbeziehung des Gehorsams gegenüber Christus, dem Herrn in dem Glauben, die Rede über das Gesetz der Gnade und über die evangelische Gerechtigkeit eines Gläubigen und der Ausschluss des Artikels über die Beharrung der Gläubigen von den Glaubensartikeln. Vermutlich teilte Deusing Baxters theologischen Mittelweg, wuchs er doch in Bremen auf und studierte dort und in Marburg. Die akademische Theologie 620 Vgl. Selling 1990, 370. Er stammte aus Danzig und war später Philosophie- und Theologieprofessor in Kiel. 621 Vgl. Faulenbach 1977/8, 219, Anm. 205. 622 In Keeble/Nuttall finden sich keine Hinweise für eine Korrespondenz zwischen Baxter und Deusing.
244
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
in diesen Städten war irenisch geprägt und Baxter fühlte sich mit den Bremer Theologen Martinius und Crocius eng verbunden. Baxter stand den infralapsarischen Positionen von Martinius und Crocius sicherlich wohlwollend gegenüber. Ebenso wie sie – nach der Dordrechter Synode – hielt sich Baxter mit Äußerungen über Gottes Ratsschlüsse zurück. Baxters Definitionen von Gottes vorausgehendem (voluntas antecedens) und nachfolgendem (voluntas consequens) Willen korrespondieren mit Crocius’ Verständnis dieser Begriffe sowie mit Martinius’ Auslegung des allgemeinen und besonderen Erwählungsdekrets. Jedoch ging Baxter weiter als die Bremer, indem er als erste Wirkung von Christi Tod die Versöhnung des Sünders mit Gott auswies, und diese als genügend (sufficienter) und wirksam (efficienter) für alle Menschen definierte. Martinius und Crocius hatten behauptet, dass Christi Verdienst zwar für alle ausreiche, aber nur für die Auserwählten wirksam wäre. Allerdings ist Baxters Konzept von Christi Verdienst weniger weit gefasst als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Auch wenn Baxter zwei weitere Wirkungen von Christi Tod betont, betrifft nur die letzte Wirkung, die besondere Wohltaten wie Vergebung, Heiligung und Verherrlichung beinhaltet, die Auserwählten. Auch hinsichtlich der Stellvertretung Christi, des Vermögens der menschlichen Vernunft und des Willens sowie der Lehre der Beharrlichkeit folgte Baxter nicht den Bremer Theologen, die in diesen Lehren den Weg der Contraremonstranten gingen. Baxter hat die Lehren der Bremer umfassend überarbeitet und erweitert. Er wies dem menschlichen Einfluss an der Rechtfertigung höchste Bedeutung zu, ohne zu bestreiten, dass man nur aus Gnade gerechtfertigt werden kann, und ohne die Rechtfertigung völlig vom Glauben des Menschen abhängig zu machen. Als Bremer fiel es Deusing vermutlich leicht, in Baxters Schriften Anknüpfungspunkte zu finden, vor allem in der Ablehnung einer zu starken Betonung von Gottes Ratschlüssen, der Auffassung von der universalistischen Reichweite von Christi Verdienst, der Verteidigung von Freiheit in der Kirche über Formen des Kirchenregiments und der Liturgie, in der Ablehnung theologischer Polemik und im Streben nach Einigkeit in der Kirche. Die Annahme, dass Deusing gegenüber Baxters theologischen Auffassungen aufgeschlossen war, wirft aber zwei Probleme auf. Erstens übersetzte Deusing nicht nur Texte Baxters, sondern auch von Teellinck, der sich zur partikularistischen Gnadenwahl bekannte, und scharf zwischen allgemeiner und besonderer Gnade trennte. Diese Schwierigkeit ist aber kleiner als sie auf den ersten Blick erscheint. Teellinck begreift die Erwählungslehre nämlich folgendermaßen: Einerseits spricht Teellinck denjenigen Predigern, die die Lehre der partikularistischen Gnadenwahl mit dem Hinweis auf die Gefahr der Verzweiflung oder der Ruchlosigkeit verwerfen, ihre Wiedergeburt und ein rechtes Verständnis der Erwählungslehre ab.623 Andererseits gibt er aber zu, dass Gottes Kinder über die 623
Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 86 f.
4.26 Zusammenfassung245
Lehre in Zweifel geraten und sogar eine Zeit lang der falschen Lehre anhängen können.624 Teellinck betont die Bipolarität der Erwählung und des Gnadenangebots im Evangelium. Beide Lehrstücke soll man als wahr anerkennen. Man soll sich an das offenbarte Wort halten, welches aussagt, dass Gott möchte, dass alle Menschen selig werden, und dass er langmütig ist und Zeit gibt, dem Untergang dieser Welt zu entgehen, damit alle Menschen zur Bekehrung kommen können und niemand verloren geht außer diejenigen, die sich selbst mutwillig ins Verderben stürzen.625 Die Beschuldigung, Gott sei willkürlich, und die Meinung, dass die Suche nach Gott vergeblich sei, entstammen dem sündhaften Herzen.626 So soll man gleichzeitig Gott um die Bekehrung bitten und dessen Befehl zur Bekehrung gehorchen, so als hätte man selbst die Kraft dazu.627 Mit dieser Ambivalenz möchte Gott den Gehorsam des Menschen prüfen.628 Teellinck betont den seelsorgerischen Nutzen der Erwählungslehre: Sie deckt das menschliche Unvermögen, sich selbst zu helfen, auf, nimmt den Menschen alles fleischliche und vergebliche Vertrauen auf sich selbst und führt ihn aus sich selbst heraus zur Gnade Gottes.629 Hätte Gott dem Menschen nur die Mittel zur Bekehrung gegeben, so könnte dieser sich nie bekehren. Jetzt gibt Gott den Menschen nicht nur die Mittel durch seine allgemeine Gnade, sondern er bekehrt sie selbst durch seine besondere Gnade.630 Auf diese Weise regt die Erwählungslehre zur Dankbarkeit und zu guten Werken an.631 Teellinck widerlegt also die Beschuldigung, Gott sei willkürlich, und fordert vorrangig zum Gehorsam gegen das Gnadenangebot im Evangelium auf und hebt den seelsorgerischen Nutzen der Lehre hervor. Im Hinblick auf den ersten Punkt ist es bemerkenswert, dass Teellinck die Lehre von der Verwerfung nicht erwähnt, und als Ursache des Verlorengehens nur den Mutwillen des Menschen nennt. Mit diesen Grundsätzen632 kam Teellinck Baxters Theologie viel näher, als man es auf dem ersten Blick erwartet. Trotzdem bleibt ein Gegensatz zwischen Baxter und Teellinck im Hinblick auf die Unterscheidung von allgemeiner und besonderer Gnade bestehen. Während Baxter einen graduellen Unterschied annimmt, vertritt Teellinck einen kategorischen Unterschied.633 Dies hängt mit 624
Vgl. Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 84 f. Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 97 f., 100, 104. 626 Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 96 f.; ders., Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 625
85.
627
Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 109–112, 123–125. Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 99; ders., Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 85. 629 Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 101–108; ders., Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 91–94. 630 Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 110 f., 113–123; ders., Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 96–98. 631 Vgl. Teellinck, Soliloquium, Kassel 1671, 108 f. 632 Vgl. Hof 2011, 52–55. 633 Vgl. Hof 2011, 103 f. 628
246
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
einem zweiten Gegensatz zusammen: Baxter schätzt das Vermögen und die Kräfte des Menschen nach dem Sündenfall viel höher ein als Teellinck, der in der Nachfolge der Dordrechter Lehre die völlige Verdorbenheit des Menschen lehrt.634 Jedoch hat auch Teellinck den verdorbenen Menschen ausdrücklich zur Bekehrung und zum Glauben aufgefordert.635 Basierend auf der Annahme, dass Undereyck (einer) der Anreger von Deusings Übersetzungen war, ergibt sich ein zweites Problem: beide hatten vermutlich unterschiedliche Auffassungen über die Reichweite von Christi Verdienst. Undereyck vertrat nämlich nicht wie Baxter (und vermutlich Deusing) ein universalistisches, sondern ein partikularistisches Verständnis von Christi Opfertod, obschon er zugab, dass es verschiedene gelehrte, gottselige, treue und eifrige Theologen gab, welche die universalistische Sichtweise vertraten, und obwohl er seine Ablehnung dieser Sichtweise vorsichtig formulierte.636 Diese Nuancierung und die vorsichtige Formulierung zeigen aber, dass andere Sichtweisen dieses Lehrsatzes für Undereyck nicht problematisch waren, was durch seine hohe Wertschätzung Baxters bestätigt wird. Undereyck fühlte sich wohl mit Baxter wegen dessen Betonung der Selbstprüfung, Bekehrung und Heiligung verbunden. Somit ist die Verbindung zu Deusing – der sich in dem erwähnten Lehrstück vermutlich Baxter anschloss und damit von Undereyck abwich – durchaus möglich gewesen. Undereycks Theologie weist verschiedene Parallelen mit Baxters theologischen Auffassungen auf: das stärkere Begehren nach Gott als nach der Welt als das wesentliche Kennzeichen des seligmachenden Glaubens, der Hauptsitz dieses Glaubens in einem festen Entschluss des Willens, nicht im Gefühl637, und die Ablehnung des moralischen Verständnisses des Sabbats sowie die Polemik darüber. Vor allem das stärkere Begehren nach Gott ist für Undereycks Lehre über den Glauben grundlegend.638 Zur Erklärung dieser Lehre führt er ein langes 634
Vgl. Hof 2011, 69–74. Vgl. Hof 2011, 108 f., 207. 636 Vgl. Undereyck, Halleluja, das ist, Gott in dem Sünder verkläret. Oder, des Sünders Wanderstab zur Erkäntnüs, Geniessung, und Verklärung Gottes, alß des Höchsten Gutes, Bremen, Jakob Köhler, Hermann Brauer, 1678, 164–176, bes. 175: „Ich wil aber diese bitten, daß sie mir verzeihen, wan ich nach bedachtsamer und bekummerlicher Nachforschung, welche Meynung von beyden der Warheit und der Ehren GOTTes allermeist gemäß sey, in meinem Gewissen, von dem Gegentheil versichert worden, und also nicht leichtsinnig, sondern aus heiliger und vernünfftiger Uberlegung, bißher nicht anders begreiffen kan, alß daß der Sohn GOttes nicht vor alle und jede Menschen, Haupt vor Haupt, sondern allein vor eine gewisse Zahl, das ist vor alle die an ihn glauben, allein gestorben sey, und habe vor dieselbige allein bezahlet und gnug gethan; gleich wie sie [Theologen mit entgegengesetzter Auffassung, d. Vf.] jenes, zu demselbigen Zweck der Ehren GOttes wahr zu seyn vermeinen.“ 637 Vgl. Moltmann 1959, 359 f. 638 Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 1, K. 4 (Gott mehr lieben als alles andere, das außer Gott in der Welt zu finden ist), 7 (Gott mehr lieben als die Welt), 9 (Aufrichtigkeit ist eine Liebe zu Gott, die die Liebe zur Welt übersteigt); Tl. 2, 1 (wesentliche Stufe); Tl. 3, 19 (Gott als Mehr635
4.26 Zusammenfassung247
Zitat aus Baxters Right Method an.639 Baxter zitiert er ebenso, wenn er behauptet, dass das stärkere Begehren nach Gott sich nicht aus dem Gefühl, sondern aus einem festen Entschluss ableiten lässt.640 Ebenso wie Baxter war er der Meinung, dass das Konzept des stärkeren Begehrens nach Gott als nach der Welt, im Gegensatz zu den oft in der Seelsorge ausgewiesenen Kennzeichen, den schwachen Gläubigen einen festen Rückhalt gebe und zu einer scharfen Ausgrenzung der Unbekehrten führe, und deshalb das beste Kennzeichen des seligmachenden Glaubens sei.641 Vermutlich hat Undereyck diese Auffassungen von Baxter übernommen. Andererseits gibt es auch Unterschiede zwischen den soteriologischen Lehren Baxters und Undereycks. Es wurde schon auf ihre Auffassungen über die Reichweite von Christi Verdienst hingewiesen. Auch über das Lehrstück von der Beharrlichkeit der Heiligen hatten beide Theologen unterschiedliche Auffassungen: Baxter neigte dazu, dieses Lehrstück zu abzulehnen, Undereyck betrachtete es als einen der Hauptartikel des Glaubens.642 Viele von Baxters umstrittenen Auffassungen finden sich bei Undereyck nicht: die Unterscheidung zwischen Gottes Willen de debito und de rerum eventu, die Unterscheidung der Effekte von Christi Tod, die Ansicht, dass der materielle Unterschied zwischen allgemeiner und besonderer Gnade nur gradueller Art ist, die Unterscheidung zwischen Gottes vorausgehendem und nachfolgendem Willen im Hinblick auf die Versöhnung, die Auffassung, dass Christus nur aufgrund eines Vertrages das Haupt der Gläubigen ist, dass er nicht die präzise Strafe des Gesetzes erlitten hat, sondern nur eine entsprechende Bezahlung geleistet hat, der Gedanke, dass Christus als Mittler in einem anderen Bund als die Gläubigen stand, und die Unterscheidung einer zweifachen Gerechtigkeit. Diese Gedanken finden sich bei Undereyk nicht, oder er vertritt eine andere Auffassung. So lehrt er zum Beispiel, dass Christus sich seinem Vater von Ewigkeit als Bürge für die Auserwählten zur Verfügung gestellt hat,643 und vertritt damit den Gedanken eines ewigen Heilsvertrages. Kehren wir zurück zu Deusing. Baxter und Deusing stimmten in bestimmten theologischen Lehrsätzen überein. Darüber hinaus stimmte Deusing vermutlich geliebter), 20 (idem), 21 (idem), 23 (idem), 27 (idem); ders., Hallelujah, K. 25 (Gott in Christus über alle Dinge begehren ist Wesen des seligmachenden Glaubens), 26, 29–32. 639 Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 1, K. 9, S. 203–232: die übersteigende Stufe besteht aus einem festen Entschluss, Gott in der Heiligkeit des Lebens zu gehorchen und seinem Nächsten in Gerechtigkeit zu dienen. Der Entschluss soll größer und stärker als der Willen des Fleisches sein. 640 Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 3, 210; Moltmann 1959, 357. Undereyck zitiert hier Baxters Right method. 641 Vgl. Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen, Tl. 3: 253–328; Undereyck, Hallelujah, 376– 401. 642 Vgl. Moltmann 1959, 358 f. 643 Vgl. Undereyck, Hallelujah, 92–95.
248
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
auch Baxters Pläydoyer für Einigkeit in der Kirche zu. Die reformierte Theologie in Bremen und Hessen war ja irenisch geprägt und außerdem könnten politische Faktoren eine Rolle gespielt haben. Das 16. und 17. Jahrhundert waren für Europa das Zeitalter der konfessionellen und religiösen Kriege (Dreißigjähriger Krieg, Englischer Bürgerkrieg). Der Westfälische Friede bot keinen verlässlichen Schutz gegen einen neuen Ausbruch von Gewalt zwischen den verschiedenen konfessionellen Staaten. Die militärische Expansion Frankreichs im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts drängte das Deutsche Reich in die Defensive. 1683 standen die Türken vor Wien. Vor allem seit 1685 erzielte die Gegenreformation erhebliche Erfolge, als die Kurpfalz an die römisch-katholische Nebenlinie Pfalz-Neuburg überging, und in Frankreich das Edikt von Nantes widerrufen wurde. Angesichts dieser bedrohlichen Lage des deutschen Protestantismus konnte konfessionelle Einheit eine gemeinsame und starke Defensive bewirken. Es ist anzunehmen, dass Duries Bemühungen zu dieser Einheit beigetragen haben.644 Diese konfessionell-politischen Faktoren könnten Motive für Deusings Übersetzungen gewesen sein, allerdings vermutlich nur im Hintergrund. Nur einmal, in der Vorrede zu der Sibbes-Übersetzung, spricht Deusing implizit das Thema des Krieges an, indem er seine Übersetzung als Trost der durch Landplagen Bedrängten darstellt. Dieses Motiv bleibt jedoch in der Sphäre der Innerlichkeit. Zu einer Stärkung der konfessionellen Einheit ruft Deusing nicht auf. Wir kehren zur Betrachtung der Zusammenstellung der Autoren aus theologischer Perspektive zurück. Im Hinblick auf die Prädestination ohne Rücksicht auf vorausgesehenen Glauben, die partikularistische Reichweite von Christi Verdienst, den Unterschied zwischen äußerlicher Wirkung und übernatürlicher Wirkung des Heiligen Geistes in der Seele des Menschen, die Unwiderstehlichkeit von Gottes Gnade und die Beharrlichkeit der Heiligen stimmten Guthrie,645 Perkins,646 Love,647 Ames,648 Sibbes649, Bolton650 und Teellinck inhaltlich mit 644 Vgl. Ward 1992, 15–31; Ward 1999, 1–33. Ich verdanke diese Gedankenanregung Frau Dr. J. W. Spaans (Utrecht). 645 Vgl. Guthrie, The Christians great interest, London, Dorman Newman, 1667 (Wing/ G2270), 35–38 (Unterscheidung zwischen äußerlicher und innerlicher Wirkung des Heiligen Geistes), 38 (effektive Berufung), 55–58 (Verworfenen), 100 (Erwählung), 102 (nur diejenigen, die Gott auf souveräne Weise erwählt hat, vereinigen sich herzlich mit Gott), 104 (Auserwählte), 142 (Glaube steht nicht in der Macht des Menschen, er ist eine Gabe Gottes). 646 Vgl. Muller 1986, 160–173; Hof 1987, 350 f., 361, 367. 647 Dies geht sehr deutlich aus Loves folgender Schrift hervor: A treatise of effectual calling, London, John Rothwell, John Clark, 1653 (Wing [2. Aufl.]/L3178), 23 f., 57 f., 61 f., 64, 201, 220– 225, 225–230, 230–234, 253, 256 f. 648 Vgl. Reuter 1940, 121–140. 649 Vgl. Dever 2000, 99–109, 120–134. 650 Vgl. Bolton, The carnall professor, London, Miles Flesher, R. Dawlman, 1634 (STC [2. Aufl.]/3225), wo Bolton die natürliche Verdorbenheit des Menschen, die sich auf alle menschlichen Fähigkeiten erstreckt, ausführlich darstellt. Auf S. 101 f. unterscheidet er zwischen Auserwählten und Verworfenen.
4.26 Zusammenfassung249
der contraremonstrantischen Lehre überein. Hall positionierte sich zwischen den Remonstranten und Contraremonstranten.651 Die Breite von Deusings Übersetzungskorpus im Hinblick auf Auffassungen zum Kirchenregiment und zur Liturgie bleibt bestehen. Das Nebeneinander von verschiedenen ekklesiologischen und theologischen Positionen ist ein Indiz dafür, dass es Deusing in erster Linie um die Praxis der Frömmigkeit, also um die Betonung der Wiedergeburt, der Bekehrung, Selbstprüfung und Heiligung ging, und dass er sich mit unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich des Kirchenregimentes, der Liturgie und der Rechtfertigungslehre zufriedengab. Dies lässt sich unter anderem damit erklären, dass Deusing kein Theologe, sondern Jurist war. Die Wertschätzung von Baxters Schriften von verschiedenen deutschen lutherischen Theologen ist dessen gemäßigten reformierten Überzeugungen zuzuschreiben. Auch Baxters Anerkennung der lutherischen Lehre als eine reine Lehre spielte dabei sicherlich eine maßgebende Rolle. Der aus Frankfurt stammende lutherische Theologe Johann Georg Pritius652 (1662–1732), ein Bewunderer seines Vorgängers Spener, schätzte Baxters Schriften, obwohl Baxters Zugehörigkeit zur reformierten Konfession auf den ersten Blick eine weite Entfernung von der lutherischen Lehre zu implizieren schien. Es gebe viel Gutes in seinen Schriften, er sei ein friedfertiger Mann, rühme Luther als ein von Gott erwähltes Werkzeug zur Reformation, und er sei der Lehre der lutherischen Kirche ziemlich nahe gekommen in seinen Ansichten über den Widerstand gegen Gottes Gnadenwirkung, das Verdienst Christi, und die Verheißungen Gottes. Hierin sei Baxter von den „erschrecklichen Lehren“653 der reformierten Kirche abgewichen. Würden alle reformierten Theologen Baxter hierin folgen, so würde die schädliche Spaltung zwischen beiden Konfessionen aufgehoben werden.654 Auch der lutherische Oberkatechet Adam Bernd655 (1676–1748) aus Leipzig bezieht in seinen lobenden Worten über Baxter diese Aspekte mit ein. Er weist auf dessen Ablehnung der unnützen Streitigkeiten unter Theologen, auf seine Vorstellung von der allgemeinen christlichen Kirche, auf seine distanzierte Rede über das absolute Dekret – dies im Gegensatz zu Thomas Watson (gest. 1686) und John Bunyan – und auf seine Hochachtung für Luther hin.656 651
Vgl. Steere 1996. Vgl. Dechent 1888. 653 William Bates, Des ehrwürdigen und berühmten englischen Lehrers Herrn Richard Baxters …Ehrengedächtnis, Leipzig, Johann Heinich [sic] Witwe, 1701, a5v. 654 Vgl. Bates, Des ehrwürdigen und berühmten englischen Lehrers Herrn Richard Baxters … Ehrengedächtnis, a5r-b1v. 655 Vgl. Franck 1884; Lau 1955. 656 Vgl. Adam Bernd, Einleitung zur christlichen Sitten-Lehre, und Anleitung zur wahren Gottseeligkeit, zum Nutzen derer, so die Morale studiren wollen, und von der Gottseeligkeit sowohl 652
250
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
4.26.3 Vorlagen, Methode und Qualität von Deusings Übersetzungen Die meisten von Deusings Übersetzungen englischer Schriften beruhen auf niederländischen Vorlagen. Nur Eines Glaubigen letzte Arbeit, Das göttliche Leben und Die Creutzigung scheinen auf das englische Original zurückzugehen. Deusing beherrschte anscheinend sowohl das Niederländische als auch das Englische, hatte aber vermutlich einen besseren Zugang zu niederländischen als zu englischen Büchern. Die Vorlagen wird Deusing sich vermutlich bei den niederländischen Verlegern und Buchhändlern auf der Frankfurter Buchmesse beschafft haben. Schütz könnte dabei eine Vermittlerrolle gespielt haben. Deusing wendete in seinen Übersetzungen sowohl die bedeutungsorientierte als auch die interpretationsorientierte Methode an: Es ging ihm darum, die Bedeutung der Wörter und Sätze beizubehalten. An den Stellen, wo seines Erachtens Verdeutlichungen notwendig waren, nahm er Interpretationen vor. Oft kürzte er Absätze, ohne die Grundstruktur zu verändern. Zuweilen kam es zu Übersetzungsfehlern. Die Tatsache, dass er Wörter und Sätze auf zutreffende Art und Weise ersetzte und interpretierte, zeigt aber, dass er seine Vorlagen in der Regel gut verstand. Gelegentlich hat Deusing kulturspezifische Elemente verändert oder weggelassen, um die Übersetzung dem deutschen Lesepublikum anzupassen. In einigen Fällen passte Deusing Fragmente seiner Vorlagen seinen eigenen Auffassungen und denen des Publikums an: So hat er einen Hinweis auf den niederländischen Sabbatstreit weggelassen, die Wüstenväter etwas weniger laut gerühmt, eine Ausführung zur Sünde der Simonie weggelassen, in einer Auflistung englischer Autoren einige entfernt und andere hinzugefügt, die Konfessionsandeutung „reformiert“ weggelassen (in einer Neuauflage des Soliloquiums geschah dies wohl im Auftrag des lutherischen Verlegers) oder ergänzt, und eine Textpassage, in der die Zugehörigkeit der Kinder zur Kirche und zum Bund verteidigt wird – die er wohl überflüssig fand – weggelassen. Jedoch sind derartige Veränderungen und Auslassungen bei Deusing selten zu finden. Nie hat er den Inhalt des Originals völlig in den Kontext des Zielpublikums versetzt. Bei der Zusammenstellung seiner Übersetzungen hat Deusing nur auf der Ebene der einzelnen Teile selbständige Leistungen erbracht: Dazu zählen die Widmung an Elisa Meier im Newen Jerusalem und die Umstellung der Gebete im Hausbuch. Seine größte Eigenleistung ist sicherlich die Zusammenstellung des Handbuches für Kaufleute, wofür Deusing unterschiedliche Quellen nutzte und ein neues Buch konzipierte. Eine selbständig konzipierte Schrift als Weiterführung seiner Übersetzungsarbeit fehlt aber. Von aemulatio im eigentlichen Sinne kann man bei Deusing also nicht sprechen. eines deutlichen Unterrichts, als einer wohlmeynenden Aufmunterung, und leichten Anführung zu derselben vonnöthen haben, Leipzig, Johann Samuel Heinsius, 1733, 234 f., 295–299.
4.26 Zusammenfassung251
Die Bibelstellen hat Deusing der von evangelischen Deutschen am häufigsten gebrauchten Bibelübersetzung, der Übersetzung von Luther, angepasst. Die Verwendung lateinischer Fachbegriffe in der Vorrede der Sibbes-Schrift, in dem Kompendium für Kaufleute und in Ewige Ruhe zeigen Deusings Vorliebe für Fachbegriffe auf, die mit seiner fachlichen Ausbildung und Tätigkeit als Jurist zusammenhängen wird. Die hinzugefügten Gedichte im Kompendium für Kaufleute und in Der ewigen Ruhe belegen ein gewisses Interesse Deusings für (die Übersetzung von) Lyrik. Die Qualität verschiedener Übersetzungen Deusings wurde von dem Staatstheoretiker Veit Ludwig von Seckendorff657 (1626–92) sowie von rezensierenden Theologen und Bibliophilen wie Pritius, Bernd und Michael Lilienthal kritisiert. Deusing selbst hat in der Vorrede zum Soliloquium seine geringen Übersetzungsqualitäten implizit zugegeben. Bernds Kritik, dass Deusing das Englische nicht gut beherrscht, trifft zu. Ihm mag aber nicht bekannt gewesen sein, dass Deusing meistens niederländische Vorlagen statt des englischen Originals benutzte. Lilienthal war sich dessen vermutlich zumindest für Baxters Hausbuch und vermutlich für alle Übersetzungen Deusings bewusst. Bernd ging sogar so weit, dass er Deusing mangelnde Beherrschung des Deutschen und ein unzulängliches Verständnis von Baxters Theologie und Philosophie vorwarf. Diese Kritiken führen zu weit, wie die einzelnen Übersetzungsvergleiche bezeugen. Obwohl es in den Übersetzungen zuweilen Fehler gibt, zeigen die Benutzung von Synonymen und gleichbedeutenden Formulierungen sowie die Interpretationen, dass Deusing seine Vorlagen gut verstanden hat. Andererseits weisen Deusings Übersetzungen verschiedene Züge auf, die aus einer akademischen und philologischen Perspektive kritisch beurteilt werden können. Erstens weichen die einzelnen Worte und Formulierungen durch die Zugrundelegung niederländischer Vorlagen zuweilen vom englischen Original ab.658 Zweitens sind durch die interpretationsorientierte Übersetzungsweise manchmal die Nuancen und der literarische Stil der Vorlage verschwunden. Immerhin wurde der Übersetzer vom Rezensenten dafür verantwortlich gemacht. Drittens sind die Zitate von Autoritäten, die der Schrift einen akademischen Charakter verleihen, in der Übersetzung weggelassen. Viertens sind einige Abschnitte teilweise oder ganz weggelassen oder umgestellt. Die Auslassungen können aber auch auf Eingriffe des Verlegers zurückgehen (s. 2.6). Offenbar fehlte Deusing ein akademisches und philologisches Gespür für das Übersetzen, obwohl er in einigen Fällen lateinische Fachbegriffe zu seiner Übersetzung hinzufügte. Mit 657
Vgl. Jönsson/Wolfes 2001. dieser Perspektive ist es wahrscheinlich, dass auch Undereyck Brunsens Übersetzung von Baxters Poor man’s family book statt Deusings Übersetzung zum Lesen empfahl (s. oben); erstere geht auf das englische Original zurück, letztere auf eine niederländische Übersetzung. 658 Aus
252
4. Johann Deusing (1639 – ca. 1697)
seinen Übersetzungen wird er vorrangig nicht auf ein höher gebildetes Lesepublikum, das die Möglichkeit hatte, die Übersetzung mit dem Original zu vergleichen, sondern auf ein durchschnittliches Publikum abgezielt haben. Es gibt auch einige Faktoren, die die Kritik der Rezensenten relativieren. Erstens beruht die Kritik an Deusings übersetzerischer Qualität nicht immer auf selbstständigen und unabhängigen Untersuchungen, wie die Übernahme von Bernds Kritik durch Lilienthal, oder die positive Bewertung der von Theophil Georgi herausgegebenen neuen Auflage Der ewigen Ruhe durch Bernd, die sich unterdessen aber stark auf Deusings Übersetzung stützte, zeigen. Im ersten Fall hat der Rezensent sich offenbar nur auf Bernds Kritik an Deusing gestützt. Im zweiten Fall hat Bernd den Hinweis auf den neuen Herausgeber auf dem Titelblatt der neuen Auflage von Der ewigen Ruhe ohne Weiteres als Garantie für eine bessere Übersetzung angesehen. Vielleicht gründete Lilienthal seine Kritik an der Qualität verschiedener Übersetzungen Deusings auf der Vorrede zu Baxters Armer Leute Haus-Buch (Frankfurt/Leipzig).
4.26.4 Fazit Festzuhalten ist, dass Deusing sowohl für die Übersetzung englischer und niederländischer reformierter Erbauungsliteratur ins Deutsche als auch für die Übersetzung von Baxters Schriften von Bedeutung war. Obwohl er hinsichtlich der Zahl seiner Übersetzungen eine bedeutende Position einnimmt, waren seine Übersetzungen selbst keine Bestseller. Auf lokaler Ebene hat Deusing aber einen wichtigen Beitrag zu den Bestrebungen einer Gruppe von reformierten Pietisten am Hof zu Kassel geleistet. Diesem Netzwerk lassen sich folgende Personen zuordnen: Hedwig Sophie, die Prinzessinnen Elisabeth, Charlotte und Marie Amalie, Freiherr zu Kunowitz, Undereyck, Duysing, Buchfelder, de Hase, Deusing, Georg Hein und Durie. Die sich überschneidenden Verbindungen zwischen den einzelnen Mitgliedern sowie die Überschneidungen hinsichtlich ihrer Tätigkeiten – Undereyck, Duysing, Deusing und Hein waren als Übersetzer tätig – zeigen, dass es unter Reformierten in Hessen-Kassel seit ungefähr 1670 mehr gab als vereinzelte Bemühungen zur Reform von Kirche und Gesellschaft.659
659 Contra Dienst 1986, 271; Mack 1987, 196. Beide haben jedoch recht, wenn sie Heppes Behauptung ablehnen, dass Undereycks Auffassungen und Ideale „bis zum Jahre 1680 … völlig heimisch geworden“ waren, vgl. Heppe 1876, 329. Vgl. über reformierte Pietisten in HessenKassel: Heppe 1876, 317–336; Dienst 1986, 271; Mack 1987, 195–200.
5. Philipp Erberfeld (1639–1709) 5.1 Die (Kirchen-)Geschichte der vier vereinigten Herzogtümer nach der Reformation Erberfeld wurde als Reformierter in der Stadt Wesel im Herzogtum Kleve geboren und lebte seit 1675 bis zu seinem Tod im Jahre 1709 in der zu diesem Gebiet gehörenden Stadt Duisburg. Deshalb soll hier zunächst die (Kirchen-)Geschichte dieses Gebiets und der umliegenden Territorien nach der Reformation skizziert werden.1 Seit 1521 waren die Herzogtümer Berg, Jülich, Kleve und Mark in einem Herzogtum verbunden. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts drangen aus Wittenberg reformatorische Einflüsse in das Rheinland ein, seit der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wurden diese durch Einflüsse Calvins und englischer, wallonischer und flämischer reformierter Migrantengemeinden überlagert. Diese Gemeinden lebten im Verborgenen („unter dem Kreuz“) und lehnten jeden Kompromiss mit Obrigkeit und Kirche ab. Die Gemeinden organisierten und verbündeten sich nach der presbyterial-synodalen Kirchenverfassung. Der Anteil der einheimischen Niederdeutschen in diesen Gemeinden stieg allmählich an. Im ganzen Herzogtum Kleve bildeten die römischen Katholiken die Mehrheit der Bevölkerung. 1609 starb der letzte Herzog von Jülich-Kleve-Berg. Die beiden „Possedierenden“ im darauf folgenden jülich-klevischen Erbfolgestreit, Brandenburg und Pfalz-Neuburg, waren damals beide lutherisch. 1610 fand in Duisburg die erste reformierte Generalsynode für die vier Erblande statt. Als Grundlage der Lehre wurden das Wort Gottes und der Heidelberger Katechismus bestimmt. Eine grundlegende Änderung der politischen Konstellation erfolgte durch die Konversionen der beiden Fürsten im Jahre 1613: Johann Sigismund von Brandenburg trat zur reformierten Konfession, Wolfgang Wilhelm von PfalzNeuburg zur römisch-katholischen Kirche über. Pfalz-Neuburg hatte Spanien, den Kaiser und die römisch-katholische Liga im Reich als Verbündete, Brandenburg die Generalstaaten. 1614 teilten die konkurrierenden Fürsten ihre 1
Vgl. für diesen Abschnitt: Lackner 1973, 202–226, 243–249; Meyer 1998, 164 f.
254
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Herrschaftsansprüche auf: Der Pfalzgraf bekam Jülich und Berg, der brandenburgische Kurfürst erhielt Kleve und Mark. Ravensberg unterstand zunächst noch einer gemeinsamen Verwaltung. Beide Herren übernahmen die Schutzrechte für die Angehörigen ihrer Konfession im jeweils anderen Herrschaftsbereich. Erst 1666 wurde diese Teilung dauerhaft vereinbart. Gleich im Jahre 1614 kam es zu den ersten militärischen Aktionen der Spanier, die unter anderem Duisburg und Wesel einnahmen. 1629 wurden die Städte von den Niederlanden besetzt. Die konfessionellen Streitfragen dauerten an. 1672 kam ein Religionsvergleich zustande, in dem für alle Gebiete die Gottesdienststätten der römischen Katholiken, Lutheraner und Reformierten bestimmt wurden. Der brandenburgische Kurfürst war in seiner Kirchenpolitik auf eine gleiche Behandlung der drei Konfessionen bedacht. Er ermahnte die drei Konfessionen zu politischem Frieden und gegenseitiger Toleranz und Akzeptanz. Nicht nur zwischen römischen Katholiken und Evangelischen, sondern auch zwischen Lutheranern und Reformierten gab es Spannungen, die auch nach dem Religionsvergleich andauerten. Oft zeigte sich, dass untere Behörden wie die klevische Regierung, in denen die Reformierten die Mehrheit bildeten, die Reformierten den Lutheranern vorzogen. Seit 1612 bemühten sich die reformierten Kirchen in den vier Ländern um die Abfassung einer Kirchenordnung. 1654 stellte die Generalsynode diese fertig und übergab sie der brandenburgischen Regierung, die sie als Förderer und Beschützer ihrer Kirche ansah, zur Bestätigung. Darauf wurde die Kirchenordnung von der Regierung derartig überarbeitet, dass es sich nicht mehr um eine autonome Kirchenverfassung, sondern um den Erlass eines landesherrlichen Gesetzes handelte. In der revidierten Fassung von 1662 wurde dem Kurfürsten die oberste Aufsicht über die Kirche übertragen. Er behielt sich die Konfirmation und Absetzung der Pfarrer und die Durchführung beziehungsweise Bestätigung von Disziplinarmaßnahmen vor. Diese Kirchenordnung galt nur für die reformierte Kirche in Kleve und Mark. Für die Reformierten in Jülich und Berg wurde 1671 eine Kirchenordnung erarbeitet, welche die Rechte des brandenburgischen Kurfürsten außer Acht ließ und für die gesamten jülich-klevischen Gebiete galt. Die Reformierten in den vier Ländern, die den Kurfürsten als den Förderer und Beschützer ihrer Kirche sahen, haben sich der Bildung einer konsistorialen Kirchenbehörde im Jahre 1655 nicht widersetzt. Das Konsistorium bestand aus zwei Räten, der Klevischen Regierung und zwei Predigern der Generalsynode. Aufgaben des Konsistoriums waren die geistliche Gerichtsbarkeit, die Aufsicht über die kirchlichen Einkünfte und das Recht auf Visitationen.
5.2 Jugend und Studium (1639 – ca. 1664)255
5.2 Jugend und Studium (1639 – ca. 1664) Am 14. Dezember 1639 wurde Philipp Erberfeld in Wesel im Herzogtum Kleve am Niederrhein geboren.2 In diese Stadt waren seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts reformierte Einflüsse eingedrungen. Exilierte Engländer, Flamen und Wallonen wurden aufgenommen. Nach einigen Belagerungen durch die Spanier seit Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Stadt 1614 eingenommen. 1629 wurde sie durch die Niederländer befreit, die die Stadt bis 1672 besetzten.3 Philipp Erberfeld war der älteste Sohn des Apothekers Heinrich Erberfeld und dessen Frau Gertrud Hack. Sieben Tage nach seiner Geburt wurde er in der reformierten Altstadtpfarrkirche St. Willibrord in Wesel getauft.4 Heinrich und Gertrud stammten aus Köln, wo ihre Väter Kaufleute waren.5 Heinrichs gleichnamiger Vater war mit Sophia Gleich verheiratet, Gertruds Vater Philipp Hack mit Margareta Tacket.6 Philipp Erberfelds Urgroßeltern väterlicherseits waren der Kölner Kaufmann Johann von Erberfeld und Sophia von Sonborn sowie der Kölner Kaufmann Johann Gleich und Anna Krosch.7 Philipps Vater hatte noch eine Schwester, Sophia, und einen Bruder, Daniel (1627–81). Der Vater der Geschwister starb während einer seiner jährlichen Reisen nach Königsberg im Jahre 1629. Sechs Jahre später starb auch die Mutter. Daniel verbrachte seine Jugend größtenteils bei seinem Bruder Heinrich. Bei ihm in Wesel – und später in Bremen – erlernte er die Apothekerkunst.8
2 Nicht in Bremen, wie Rotermund meint, vgl. Rotermund 1818, „Anhang von Bremern welche auswärts Ehrenstellen bekleidet haben“, XXXII. 3 Vgl. Westermann/Stampfuß 1970, 773 f. 4 Vgl. Archiv der Evangelischen Gemeinde Wesel, Willibordi, Taufen 1594–1640, 554 (Taufe am 21.12.1639). Der Name lautet „philip“. Einer der Paten war Philipp Hack, wohl der Großvater. Die anderen Zeugen sind nicht gut lesbar. Weil Erberfelds Name in den Quellen abwechselnd „Philip“ und „Philipp“ geschrieben wird, wird der Name in dieser Arbeit der heutigen Orthographie gemäß „Philipp“ geschrieben. 5 Diese und andere Daten aus diesem Abschnitt sind – wenn nicht anders angegeben – der Trauerschrift auf Philipps gleichnamigen Sohn entnommen: Johann Havighorst, Letzte, und wolverdiente Traur- und Ehren-Pflicht, abgestattet dem weiland … Herrn, Hrn. Philipp d’Erberfeld, Bremen, Hermann Christoph Jani, 1728, π1r (SuUB Bremen 54.a. 12. Nr. 266). In den Presbyterialprotokollen der heimlichen kölnischen Gemeinde von 1572 bis 1596 tauchen Mitglieder der Familien „Elberfeld“ und Hack auf, s. Kölnische Konsistorial-Beschlüsse, Register unter „Elberfeld“ und „Hack“. 6 Vgl. Löhr/Dooren 1971, Tl. 1, 82, Nr. 66; 159, Nr. 125.2. 7 Vgl. Andreas Fröling, Aengstigliche Klage und Bitte des Königes David … bey der Leichbestattung des … Herrn […] Daniel Erberfelds, Helmstedt, Georg-Wolfgang Hamm, 1682, [D4r]. Vor Philipp Erberfeld waren also schon drei Generationen in Köln sesshaft. Roosbroecks Behauptung, dass die Familie d’ Erberfeld eine nach Wesel gezogene, südniederländische Migrantenfamilie war, ist somit eher unwahrscheinlich, vgl. Roosbroeck [1972], 90. Der Name von Philipps Großmutter Margareta Tacket lässt auf eine wallonische Abstammung schließen. 8 Vgl. Fröling, Aengstigliche Klage, [D4r–v].
256
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Johann von Eberfeld
Sophia von Sonborn Heinrich Eberfeld († 1629) Sophie Gleich
Heinrich Eberfeld († 1679) Gertrud Hack
…
Daniel Eberfeld (1629–1681) 1) Agnes Jacobi (1632–1682) 2) Gese von Bentheim (1643–1667)
Philipp Eberfeld (1639–1709) 1) Maria Wouters 2) Sibylla von der Reck († 1700) 3) Christina Magdalena Keller († 1732) Heinrich Eberfeld (1641–1680) Helena Meinertzhagen …
Am 5. Juni 1641 bekam Philipp Erberfeld einen Bruder mit Namen Heinrich.9 Schon im nächsten Jahr wurde Vater Erberfeld aus Wesel vom Bremer Rat mit vorteilhaften Bedingungen zum Verwalter der Ratsapotheke am Markt bestellt.10 1647 ließ Heinrich Erberfeld den Bremer Maler Simon Peter Tilemann, genannt Schenck11 (1601–67), ein Gruppenporträt von seinen Kindern an fertigen.12 Vermutlich sind die Porträts anlässlich eines Heiratsjubiläums (10 oder 12,5 Jahre) der Eltern angefertigt worden.13 Das Gruppenporträt, das zu 9
Vgl. Archiv der Evangelischen Gemeinde Wesel, Willibordi, Taufen 1640–53, 38. Vgl. Focke 1906, 148 f., 154; Hausmann 1919, 15, 22–27; Witzendorff 1955, 159 f.; Herbert Schwarzwälder 1996, 114. 11 Vgl. Hurm 1900; A. Löhr 1997, 115–120; Herbert Schwarzwälder 2003, Bd. 2, 887. 12 Vgl. Herbert Schwarzwälder 1996, 193; A. Löhr 1997, 119 f. Für die Interpretation des Gemäldes habe ich mich auf den Beitrag von A. Löhr sowie auf Hinweise von Prof. Dr. H. Faulenbach und Marieke Luiten-van Meijeren MA gestützt. 13 Philipp und Heinrich hatten damals zwei Schwestern, Theresa und Mathilde. Theresa 10
5.2 Jugend und Studium (1639 – ca. 1664)257
Ölgemälde „Die vier Kinder des Ratsapothekers Heinrich d’Erberfeld“ (1647) von Simon Peter Tilmann, genannt Schenck (1601–68). Focke Museum, Bremen, Inventar-Nr.: 1972.004.
gleich das älteste bremische Kinderporträt ist, zeigt Attribute, die die Wünsche und erzieherischen Ansprüche der Eltern an die Kinder sowie die Tugenden der Kinder für Außenstehende symbolisieren. Links ist Philipp, der älteste Sohn, mit einem Hasen abgebildet. Sowohl der älteste Sohn als auch der Hase sind Symbole für Fruchtbarkeit. Hinter Philipp sind einige Hunde zu sehen, welche die Tugend der Treue symbolisieren. Auf der rechten Seite steht Heinrich, der ein Nest mit einigen Vogelküken in seiner linken Hand hält. Die gezähmten Vögel stehen für eine Erziehung zu Gelehrsamkeit und Sittlichkeit. Die beiden Schwestern tragen kostbare Kleider und ihre Haare sind mit Blumen geschmückt. Sie heiratete Wilhelm von Bentheim (1647–1716), vermutlich der Sohn des gleichnamigen Bremer Bürgermeisters (s. 3.4). Der jüngere Bentheim war Doktor der Rechte, Ratsherr (1680) und Bürgermeister (1711) in Bremen. Mathilde starb 1700 in Duisburg. Die Daten über Theresa und Mathilde sind den handschriftlichen Notizen auf der Rückseite des Gemäldes (Focke-Museum Bremen, Inv.nr. 72.004) entnommen. Mein Dank gilt Frau Dr. Karin Walter im Focke Museum in Bremen für die freundliche Zusendung der Transkriptionen dieser Notizen (Schreiben vom 23.3.2010).
258
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
spielen mit einem Lämmchen, das die Sanftmut, Unschuld, Opferbereitschaft und Folgsamkeit von Christus symbolisiert. Am 4. Juni 1660 erhielten Vater Heinrich Erberfeld, seine Frau und die gemeinsamen Kinder das Bürgerrecht der Stadt Bremen.14 Sohn Philipp hat nach dem 15. Dezember 1668 sein Bürgerrecht immer wieder um etwa drei Jahre verlängert, und zwar mit der Erlaubnis, sich außerhalb der Stadt Bremen aufhalten zu können.15 Vermutlich gehörte die Familie der Unser-Lieben-Frauengemeinde an, weil Vater Heinrich hier am 23. April 1679 begraben wurde.16 Seine erste Ausbildung wird Philipp am Pädagogium in Bremen absolviert haben. 1657 begann er in dieser Stadt mit dem Studium der Rechte.17 Am 5. September 1662 führte er sein Studium in der zum Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel gehörenden Stadt Helmstedt fort, die insbesondere irenisch-lutherisch geprägt war.18 In dem Herzogtum war die Konkordienformel nicht angenommen worden (s. 1.1). Die juristische Fakultät in Helmstedt hatte dank des Universalgelehrten Hermann Conring (1606–81) einen guten Ruf.19 Im März 1664 verteidigte Erberfeld unter Enoch Gläser20 (1628–68) – der übrigens als Dichter geschätzt wurde – seine Disputation über Erbrecht.21 Auch Philipps jüngerer Bruder studierte in Helmstedt.22 14 Aus dem Bürgerbuch gehen die Namen der Kinder hervor: Philip, Henrich, Margarete, Gertraut, Sophia, Elisabeth, Mechthildt und Johan Jacob, vgl. StA Bremen, 2-P. 8.A. 19.a. 2.e: Altstadts-Bürgerbuch Urschrift (Kladde) 1657–69, 285. Kombiniert man die handschriftlichen Notizen auf der Rückseite des Gemäldes mit den Eintragungen im Bürgerbuch, dann ist zu vermuten, dass Theresa im jungen Alter verstorben ist, und dass Mathilde und Mechthildt zwei Schreibweisen eines Namens derselben Person sind. 15 In den Jahren 1668, 1671, 1675, 1678, 1681, 1684, 1687, 1690, 1696, 1700, 1703, 1705, 1706, vgl. StA Bremen, 2-P. 8.A. 19.a. 2.e: Altstadts-Bürgerbuch Urschrift (Kladde) 1657–69, 204r/407; 2-P. 8.A. 19.a. 3.d. 2.: Altstadts-Bürgerbuch Urschrift (Kladde) 1669–75, V; 2-P. 8.A. 19.a. 2.f.: Altstadts-Bürgerbuch Urschrift (Kladde) 1675–95, 2, 74, 124, 166, 201, 235; 2-P. 8.A. 19.a. 2.g.: Altstadts-Bürgerbuch Urschrift (Kladde) 1695–1718, 12, 47, 67, 83, 93. Philipps Bruder Heinrich hat 1677 den Bürgereid erneut abgelegt, vgl. StA Bremen, 2-P. 8.A. 19.a. 2.f.: Altstadts-Bürgerbuch Urschrift (Kladde) 1675–95, 48. 16 S. StA Bremen, 8/2: Reproduktionen von Kirchenbüchern und Ersatzüberlieferungen, Unser Lieben Frauen, Beerdigungen 1675–99. 17 S. Achelis/Börtzler (Hrsg.) 1968, 119, Nr. 44: „Philipp[us] Erberfeldt Clivo Vesaliens[is]“. Er ließ sich zur gleichen Zeit wie Johann Deusing und Johannes Alardin immatrikulieren (s. 4.1). Aus einer Censura aus dem Jahre 1658 geht hervor, dass Erberfeld mathematische und juristische Collegien besuchte, dass er bei seinen Eltern wohnte und dass er am Heiligen Abendmahl nach reformierter Art teilnahm, s. Censura 1658, 134 (SuUB Bremen Brem.a. 383–384). 18 S. Hillebrand (Hrsg.) 1981, 158, Nr. 33. Vgl. über die Stadt: H.‑E. Müller 1998, 117–127; über die Universität: Brüning/Gleixner (Hrsg.) 2010. 19 Vgl. Stolleis 2010. 20 Vgl. Haase/Schöne 1976, 59 f.; Bepler 2000, 620; S. Ahrens 2004, 89 f. 21 Vgl. Joachimi Schnobelii … in libros feudorum exercitationes XI. [Präs.: Enoch Gläser, Resp: Philipp Erberfeld], Helmstedt, Henning Müller, 1664, F1r–[F4v], http://diglib.hab.de/ drucke/qun-142-10-3/start.htm, Stand: 18.2.2010. Der Titel seines Beitrags lautet: „Disputatio feudalis sexta. De successione in feudo descendentium. Respondente Philippo Erberfeldt Clivo-Vesaliensi“. Der spätere Helmstedter Professor der Eloquenz Christoph Schrader (1601–80)
5.2 Jugend und Studium (1639 – ca. 1664)259
In Helmstedt wohnte seit 1655 Philipps Onkel Daniel. Vom braunschweigischen Ratsapotheker Johann Jacobi wurde er als Gehilfe aufgenommen, dessen Tochter Agnes (1638–62) er heiratete. Ihre Herkunft lässt vermuten, dass sie lutherisch war. Nach ihrem Tode heiratete Daniel in der reformierten Kirche in Bremen Gese von Bentheim (1643–76), die Tochter des Bremer Sekretärs Johann von Bentheim.23 1655 wurde Daniel als Apotheker an die Universität Helmstedt berufen, 1660 wurde er auch Ratsapotheker der Stadt. Außerdem war er Brandenburgischer und Braunschweig-Lüneburgischer Postmeister. Die nach seinem Tod für ihn verfasste Leichenpredigt bezeugt, welch hohe Wertschätzung er Predigern und gottesfürchtigen Leuten entgegenbrachte. Andachtsbücher waren Daniel äußerst wichtig und er achtete streng auf die Einhaltung eines persönlichen Fasten- und Bettages in der Woche.24 Diese Leichenrede wurde von dem Helmstedter lutherischen Pfarrer Andreas Fröling (1629–83)25 gehalten. Während Daniels Ehe mit Gese von Bentheim hat sich Daniel wohl in Helmstedt der lutherischen Kirche angeschlossen. Ein gewisser „Deutschlieb“ hat auf die zweite Heirat seines Onkels Daniel im Jahr 1663 Gedichte verfasst.26 Aus einer schon zitierten Quelle geht hervor, dass „Deutschlieb“ ein Pseudonym Philipp Erberfelds war.27 Im ersten Gedicht sinniert die Ich-Figur über die bedrückende Trauer als Hemmnis des Dichtens sowie über das Gift der Verleumdung. Dieses Nachdenken führt zur Befreiung der Ich-Figur.28 In einer Ode wird das Ehepaar zur Freude über die Heirat aufgefordert.29 Im nachfolgenden Gedicht wird das Ehepaar dazu aufgefordert, disputierte unter Gläser ungefähr zur gleichen Zeit, am 10. Februar, vgl. Kundert 1984, 359, Nr. 1436. Vgl. über Schrader: Tütken 1997, 83–134; S. Ahrens 2004, 212 f. 22 Er ließ sich 1671 immatrikulieren, s. Hillebrand (Hrsg.) 1981, 193, Nr. 65. Anlässlich seiner Promotion verfasste der Helmstedter lutherische Theologe Gerhard Titius (1620–81) ein Gedicht, vgl. Gerhard Titius, Nobilißimo & clarißimo domino Henrico Erberfeldio de adeptis summis in arte Medica gratvlater Gerhardvs Titivs S. Theol. D. PP. Ordinar. Facult. Senior, Helmstedt, Heinrich David Müller, 1674 (SuUB Bremen CS XX II 86). Vgl. über Titius: S. Ahrens 2004, 233 f. 23 Die Heirat fand am 28. Juli 1663 in der St. Ansgariigemeinde in Bremen statt, s. StA Bremen, 8/2: Reproduktionen von Kirchenbüchern und Ersatzüberlieferungen, St. Ansgarii, Hochzeiten 1656–99. 24 Vgl. Fröling, Aengstigliche Klage, [D4r]–[E4r]; Programma in fvnere … Danielis Erberfeld, Helmstedt, Heinrich David Müller, 1681, A2r-A3r (SuUB Bremen Brem. a. 1070 Nr. 109); W. Schrader 1930, 11; Kern u. a. (Hrsg.) 1941, 40 f. Das Zitat findet sich bei Fröling, Aengstigliche Klage, E2v. 25 Vgl. Seebaß/Freist (Hrsg.) 1969–1980, Bd. 2, 94, Nr. 1205; S. Ahrens 2004, 84 f. 26 Vgl. Deutschlieb, Wolmeinendes Freudengedicht welches auff dem Eh- vnd Ehrentag des … H. Daniel Erberfeldts … mit der … Jung fr. J. Gesa von Bentheimbs … treuhertzig auffgesetzt und übersendet, Helmstedt, Henning Müller, [1663] (SuUB Bremen CS. XXI. 82). 27 Vgl. Havighorst, Letzte, und wolverdiente Traur- und Ehren-Pflicht, π1r: Erberfeld habe „viele Gottselige Gedichte, unter dem Namen Deutsch-Liebs heraus gegeben“. 28 Vgl. Deutschlieb, Wolmeinendes Freudengedicht, [A2r–v]. 29 Vgl. Deutschlieb, Wolmeinendes Freudengedicht, [A3r]–[A4r].
260
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
sich in der Hochzeitsnacht der körperlichen Liebe hinzugeben.30 Zuletzt hat der Dichter ein Rätsel für die anwesenden Frauen verfasst.31 Das Element der irdischen Freude durchzieht die Gedichte mit Bestandteilen wie Tanz, Spiel und Gesang.32 Auch unter seinem eigenen Namen hat Erberfeld ein Gedicht verfasst.33 Ein anderes Gedicht anlässlich der Heirat ist von einem Christoph Weselow verfasst worden.34 Die Ich-Figur berichtet über die Ankunft in Magdeburg von Grüßen und Briefen Deutschliebs, worin dieser mitteilt, dass sein Onkel bald heiraten werde. Weselow war wohl ein Neffe von Agnes Jacobi.35 Weselow (gest. 1695) war gebürtig aus Verden, studierte in den Jahren 1660 bis 1667 in Helmstedt Jurisprudenz, und war unter anderem calenbergischer Hofrat in Hannover und Gesandter für verschiedene (nieder)sächsische Länder.36 Vermutlich war er Lutheraner. Weselow wohnte in Helmstedt bei dem Universalgelehrten Hermann Conring37 (1606–81).38 In der Biographie zu der ebenfalls von Andreas Fröling gehaltenen Trauerrede auf Gese von Bentheim wird ebenfalls ihre Frömmigkeitspraxis hervorgehoben: das Memorieren des Katechismus, von geistlichen Gebeten, von Bibelsprüchen und des ganzen Psalters und die Einhaltung eines persönlichen Fasten- und Bettages pro Woche. Am Ende der Trauerrede wird das Missfallen über sich selbst wegen der eigenen Sünden und Schwächen betont. Die Helmstedter Prediger und ihr Beichtvater standen Gese von Bentheim im Sterben bei.39 30
Vgl. Deutschlieb, Wolmeinendes Freudengedicht, [A4r–v]. Vgl. Deutschlieb, Wolmeinendes Freudengedicht, [A4v]. 32 „Frisch um einmal herum getanzet und gesprungen!/ Frisch um einmahl herum getruncken und gesungen!“, Deutschlieb, Wolmeinendes Freudengedicht, [A4r]. 33 Vgl. Glüchwünschungen auff den hochzeitlichen Ehrentag deß … H. Daniel Erberfeldts … mit der … Jung f. Gesen, deß … H. Iohannis von Bentheimb … eheleiblichen Tochter, Helmstedt, Henning Müller, [1663], A2v (SuUB Bremen CS. XXI. 82). 34 Vgl. Christoph Weselow, Magdeburgische Venus Myrtea, dem lieben Paare, als dem […] H. Daniel Erberfelden […] vnd der […] Jung f. Gesen, deß […] H. von Bentheimb […] eheleiblichen Tochter, Helmstedt, Henning Müller, 1663, A2r (SuUB Bremen CS. XXI. 82). 35 In einem Gedicht auf Ihr Sterben dichtete er: „mein nahes Blut; die můtterlich gesinn’t,/ Und meine Schwester war; nicht Mutter-schwester Kind,/ Und Base nur allein“, vgl. Balthasar Cellarius, Gottliebender Menschen väterliche Züchtigung … bey der Beerdigung der … Fr. Agnes Jacobi […] fürgehalten, Helmstedt, Henning Müller, 1662, F2r. Er bezeichnete deshalb Daniel als „Herr Schwager Erberfeld“, Weselow, Magdeburgische Venus Myrtea, A3r. 36 Schriftliche Mitteilung Dr. Sven Mahmen, Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover d. d. 23.4.2010. S. für die Immatrikulation Hillebrand (Hrsg.) 1981, 144, Nr. 35. 37 Vgl. S. Ahrens 2004, 54–56; Jori 2006. 38 Dies geht aus einem Trauergedicht Weselows für Conring hervor: „Billig ist es, daß ich netze/Beyde Wangen und den Busem: billig bin ich Leides voll./ Denn du hast in deinem Hause/VATER, mir gethan so wol“, vgl. Andreas Fröling, Spiegel der Eitelkeit in irdischen Dingen … bey angestelter ansehnlicher Leich-begängnis des … Herrn Hermann Conrings, Helmstedt, Georg-Wolfgang Hamm, 1682, [Q2v]. 39 Vgl. Fröling, Des Königs Hiskias Klag- und Trost-Rede, E1v-F2r. 31
5.3 Anwalt und Promotion zum Doktor der Rechte (1664–1668)261
5.3 Anwalt und Promotion zum Doktor der Rechte (1664–1668) 1664 fing Erberfeld an, sich in der juristischen Praxis zu üben, und zwar in der brandenburgischen Regierungsstadt Berlin.40 Zunächst war er Hofmeister (vermutlich Erzieher von adligen Kindern), danach Amtmann und schließlich Richter (Justitiarius) bei anderen Herren. Aus dienstlichen Gründen verkehrte er auch viel in den Regierungskreisen. Er kam oft an den Hof und wohnte verschiedenen Versammlungen der vornehmsten Minister bei. Am 18. Dezember 1666 wurde er zum Kammergerichtsadvokat im Schloss in Cölln an der Spree bestellt. Aus dem von dem brandenburgischen Oberpräsidenten Otto von Schwerin41 (1616–79) unterzeichneten Ernennungsdekret geht hervor, dass Erberfeld nicht die Absicht hatte, langfristig in Berlin zu bleiben.42 Ab 1640 bis zu seinem Tode regierte in Brandenburg der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–88).43 Zur Sicherung seines Herrschaftsanspruches als reformierter Kurfürst inmitten einer orthodox-lutherischen Mehrheit führte er eine konfessionelle Friedenspolitik mit dem Ziel, die interkonfessionelle Polemik zu bekämpfen. Darin wollten sich die orthodoxen Einwohner aber nicht fügen. Dieser Konflikt führte zu einer Reihe von Amtsenthebungen, deren bekannteste wohl die Entlassung des in Berlin ansässigen lutherischen Pfarrers und Liederdichters Paul Gerhardt (1607–76) im Jahre 1666/7 war. 1668 gelang es Friedrich Wilhelm, Frieden zu erzwingen. Unter den reformierten brandenburgischen Theologen herrschte eine milde Richtung vor, welche die universalistische Reichweite vom Verdienst Christi lehrte.44 Der Bremer Chronist J. P. Cassel gibt konkretere Angaben über Erberfeld. Ihm zufolge war er brandenburgischer Richter („Justitiarus“) und Beamter („Amptman“) zu Liebenberg.45 Wenn diese Angaben zutreffen, stand Erberfeld im Dienste des klevischen Jägermeisters und Waldgrafen zu Nergena, Georg Wilhelm von und zu Hertefeld (gest. 1678). Dessen Bruder, der brandenburgische Oberjägermeister und Kammerherr Jobst Gerhard von und zu Hertefeld (1594–1663), hatte 1652 das Rittergut Liebenberg in der Nähe von Berlin erworben. Er stammte aus Weeze am Niederrhein und zählte zum engeren Führungs40 Vgl. für diesen Absatz im Allgemeinen LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 4r–v. Vgl. über die engen kulturellen und personellen Beziehungen zwischen Bremen und Berlin im 17. und 18. Jahrhundert: Schwarz 1967, 12–29. 41 Vgl. Hein 1929; Bahl 2001, 584 f. 42 „[A]uch alhier zu beständig zu bleiben nicht gesonnen“, GStAPK 1. HA GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, X 4, Fasz. 1 Kammergerichtsadvokaten, 1594–1668/9, unter 18. Dezember 1666. Vgl. Saring 1943, 235. Vgl. über das Kammergericht: Holtze 1891, 266–279; Bahl 2001, 101–104; Ch. Schmitz 2002, 94. 43 Vgl. Oestreich 1961; Opgenoorth 1971–1978; Hüttl 1981; McKay 2001. 44 Vgl. Wendland 1930, 73–103; Thadden 1959, 179–188; Rutenborn 1973; Ribbe 1999, 270–281. 45 Vgl. Johann Philipp Cassel, Bremenses extra patriam amplis honoribus functi, 1772, 13 (Manuskr.; SuUB Bremen Brem a. 353).
262
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
kreis des brandenburgischen Kurfürsten. Er ließ niederrheinische und niederländische Familien ansiedeln, um die feuchten Böden trockenzulegen und zu verbessern.46 Die Verbindungen zwischen Georg Wilhelm von und zu Hertefeld und Erberfeld könnten über dessen Eltern oder über seine niederrheinische Verwandtschaft geknüpft worden sein. Einer 1685 verfassten Verteidigungsschrift zufolge nahm Erberfelds Leben um 1668 eine entscheidende Wende.47 Durch „des höchsten gnade ein and(eres) gesicht von d(er) welt, und was sie mit zu theilen hat, kriegende“ soll er sich entschlossen haben, sich seiner Geschäfte in Berlin zu entledigen und dem Hof sowie den damit verbundenen Hoffnungen auf höhere Promotionen den Rücken zu kehren. Weil er ein Leben außerhalb des Hofes vorzog, habe er „wichtiger enden halber“ Köln ausgewählt, wo er bis zum Ende des Jahres 1675 als Anwalt tätig war. Bevor Erberfeld sich in Köln niederließ, promovierte er noch an der Universität Franeker zum Doktor beider Rechte. Zwischen dem Gymnasium in Bremen und der Universität in Franeker gab es einen regen Austausch von Studenten und Professoren sowie eine intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit.48 Am 14. April 1668 ließ Erberfeld sich als Kandidat der Jurisprudenz an der Universität Franeker immatrikulieren.49 Am 6. Juni desselben Jahres ließ sich Antonius Brunsen als Theologiestudent immatrikulieren.50 Wahrscheinlich ist der in Bremen geborene brandenburgische Hofprediger (seit 1680) Anton Brunsen (s. 2.4) gemeint. Seit 1671 hat er einige englische Erbauungsbücher ins Deutsche übersetzt.51 Schon am 20. April 1668 verteidigte Erberfeld in Franeker unter Vorsitz des berühmten Jurisprudenzprofessors und damaligen Rektors Ulric Huber52 (1636–94) seine Dissertation.53 Darin behandelte er einige aus verschiedenen Rechtsquellen übernommene Positionen.54 46 Vgl. Ittel 1962, 107–109; Dörries 2009, 12 f.; Mitteilung per E‑Mail von J. Lehmann, Bürgermeister von Liebenburg und Vorsitzender des Liebenwalder Heimat- und Geschichtsvereins am 22.4.2010. 47 Vgl. für diesen Absatz im Allgemeinen LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 4r–v. 48 Vgl. Prüser 1961, 35–38; Jensma u. a. (Hrsg.) 1985. 49 S. Fockema Andreae/Meijer (Hrsg.) 1968, 202, Nr. 7006: „Philippus Erberfeld, Vesaliâ Clivensis, iur cand“. 50 S. Fockema Andreae/Meijer (Hrsg.) 1968, 203, Nr. 7020. Ein Jahr zuvor hatte sich „Philippus Johannes Tileman genandt Schenck“ aus Bremen immatrikulieren lassen, vgl. ebd., 201, Nr. 6971 (Datum fehlt). Es handelt sich wohl um Philipp Johann Tilemann, gen. Schenck (1640– 1708), der 1667 Prediger der französischen Gemeinde in Bremen, in demselben Jahr bis 1676 Hofprediger in Lüchow, danach Pfarrer und Theologieprofessor in Hamm und seit 1685 Professor in Marburg war, vgl. Beß 1894; Lehsten 2003, Bd. 1, 368, Anm. 953. Er wurde 1675, zusammen mit Herman Witsius und Petrus von Mastricht, für eine Theologieprofessur in Franeker nominiert, vgl. Genderen 1953, 50. Sein Bruder Ernst war Pfarrer der St. Pauligemeinde, s. 3.6. 51 S. McKenzie 1997 unter „General Index with Entry Numbers“. 52 Vgl. BW, Bd. 8.2, 1375–1382; NNBW, Bd. 1, 1165–1168. 53 S. Postma/Sluis (Hrsg.) 1995, 440. 54 Vgl. Disputatio juridica inauguralis continens decades V. Positionum miscellanearum ex
5.4 Heirat (1668), Verwandtschaft und enge Freunde263
Erberfeld widmete seine Dissertation seinen Eltern, Verwandten und Freunden.55 Die Dissertation enthält zwei Gedichte, eins von Johannes Saubert dem Jüngeren56 (1638–88), Theologe und Pro-Rektor an der Helmstedter Universität. In dem Gedicht führt er Erberfeld als Förderer der Gerechtigkeit in der Zeit einer weit verbreiteten Rücksichtslosigkeit (impietas) auf. Das andere Gedicht ist vom erwähnten Christoph Weselow verfasst worden, der damals Sekretär des Grafen von Hannover war. Er bezeichnet sich als brüderlicher Freund („ Amicum fraternum“) Erberfelds. Weselow beginnt sein Gedicht mit einem Hinweis auf Richard Baxter: „Anglus Baxterus quos temnere jussit Honeres/Hosce Tibi confert ritè Batava schola./ Siccine perpetuo qui lassat Marte Brittanos/Belga Caledonii dogmatis osor erit?“ Baxter befiehlt also, die Ehre, die Erberfeld von der niederländischen Akademie übertragen wird, zu verachten. Die Frage, ob die Niederlande („Belga“) immer Verächter der schottischen Glaubenslehre („Caledonii dogmatis“) sein werden, wird verneinend beantwortet; der Friede und der Religionsbund lassen dies nicht zu: „Non ita: pax vetat hoc, cum fœdere Relligionis:/ Nec (quod Schismaticum est:) Hic ait, Ille negat.“57 Weselow spielt wohl auf den zweiten englisch-niederländischen Seekrieg (1665–7) an. Merkürdig ist, dass er in diesem Zusammenhang Schottland erwähnt. Die Anspielung auf Baxter durch Weselow lässt vermuten, dass er und Erberfeld die Schriften dieses englischen Theologen kannten.
5.4 Heirat (1668), Verwandtschaft und enge Freunde Am 27. und 28. Oktober 1668 heiratete Philipp Erberfeld in der Unser Lieben Frauengemeinde in Bremen Maria Wouters,58 die Tochter von Laurentz Wouters und Anna Grond. Der Kaufmann Wouters (1604–61) war gebürtig aus Lüttich und war über Hamburg nach Bremen gekommen.59 Anna Grond (1610–61) war gebürtig aus Köln und zog später nach Amsterdam, wo das Paar 1633 heiratete.60 jur. nat. gent. div. civ. can. feud. saxon. &c. depromtarum [Präs. Ulricus Huber, Vf.: Philipp Erberfeld], Franeker, Johannes Wellens, 1668. Auf dem Titelblatt wird er als Hof- und Kammergerichtsadvokat in Cölln an der Spree bezeichnet: „Electoral. Judic. Aulic. & Cameral. quod est Coloniæ ad Spr. Advocat Ordin.“ 55 Vgl. Erberfeld, Disputatio juridica inauguralis, [A1v]. 56 Vgl. S. Ahrens 2004, 201. Sein Vater war der gleichnamige reformbestrebte, lutherische Prediger (1592–1646) aus Nürnberg, vgl. Brecht 1993b, 177–179. 57 Vgl. Erberfeld, Disputatio juridica inauguralis, [B2v]. 58 S. StA Bremen, 8/2: Reproduktionen von Kirchenbüchern und Ersatzüberlieferungen, St. Martini, Hochzeiten 1656–99. 59 Vgl. Baumann 1990, 63–65, 236, 274, 281, 283, 284. 60 Vgl. Prange 1963, 200, Nr. 80; Roosbroeck 1972, 92. Vgl. die akademische Abdankungsrede auf Laurentz’ Sterben (SuUB Bremen Brem a. 614,119); Abraham Claessen, Klaeg- en troostgedichte op het … ooverlyden van de jvffrow, juf. Anna Gronds, weduwe van saligen Sr. Laurens Wouters, Bremen, Berthold u. Hendrick de Villiers, 1661 (SuUB Bremen Brem. a. 1072 Nr. 172).
264
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Der Theologe Johannes Coccejus bezeichnete Laurentz als seinen Jugendfreund und schätzte die Familie Grond sehr.61 Laurentz kaufte englische Textilien von den Merchant Adventurers und verkaufte diese in ganz Deutschland weiter.62 Laurentz und Anna starben im Jahr 1661. Marias Großvater Steven (Stephan, 1574–1638) war Kaufmann in Hamburg. Seine Frau Barbara Gerhards kam aus Dordrecht. Die Großeltern mütterlicherseits waren Heinrich Grond, Kaufmann in Köln und Amsterdam, und Margarethe Fass63 aus Köln.64 Marias Großeltern waren zum Teil niederländischer Herkunft. Eine Schwester von Anna Grond war Helena (1614–88), die mit dem Franeker (1639–51), später Leidener (1651–64) Medizinprofessor Johannes Antonides van der Linden (1609–64) verheiratet war.65 Vermutlich gab es noch einen Bruder, Heinrich (s. unten). Laurentz Wouters und Anna Grond hatten sieben Kinder, die die Kindheit überlebten: Anna, verheiratet mit dem Bremer Kaufmann Otto Cöper, Barbara, verheiratet mit dem Delfter Kaufmann Abraham van Bleiswijk,66 Lorenz, Maria, Helena und Margareta, seit 1668 mit Pieter Schoonhaven aus Delft verheiratet,67 Gertrud, verheiratet mit Johann le Brun (1644–1717),68 und Sara.69 Sara, die bei dem Tod ihrer Eltern noch jung war, wuchs in Bremen (bei ihrer Schwester Anna), Delft (bei Helena Margareta) und Duisburg (bei Maria), 61 Coccejus erwähnt sie in seiner Leichenrede zu Ehren des Leidener Medizinprofessor Johannes Antonides van der Linden (s. unten), einen Schwager der beiden. Coccejus bezeichnete Laurentz als suum quondam ab adolescentia amicum, virum, ut spectabilem, ita optimum, Havighorst, Letzte, und wolverdiente Traur- und Ehren-Pflicht, π1r. Vgl. Johannes Coccejus, Oratio in v. c. Johanis Antonidæ vander Linden, medicinæ practicæ professoris primi, funere, Leiden, Daniel u. Abraham van Gaasbeeck, 1664, [C4v]–D1r. 62 Vgl. Baumann 1990, Index of Names unter „Wolters, Stephen (Steffen)“. 63 S. R. Löhr (Hrsg.) 1990, Personen- und Ortsverzeichnis unter „Fassin“. 64 Vgl. für die Großeltern väterlicherseits die akademische Abdankungsrede auf Laurentz Wouters’ Sterben (SuUB Bremen Brem a. 614,119), π1r; Langhans (Hrsg.) 1950, 137; Roosbroeck 1968, 246, 337; für die Großeltern mütterlicherseits ebenfalls die erwähnte Abdankungsrede anlässlich des Todes von Laurentz Wouters. 65 Vgl. Coccejus, Oratio in v. c. Johanis Antonidæ vander Linden, [C4v]–D1r; BW, Bd. 11, 471 f.; NNBW, Bd. 7, 770 f.; Bantjes u. Poelgeest 1983, 50. 66 Vielleicht war er ein Verwandter des Delfter Bürgermeisters Johan Corneliszoon van Bleiswijk (1618–96), welcher der Nadere Reformatie zugeordnet werden kann, vgl. zu ihm Brienen 1987. 67 S. Gemeentearchief Delft DTB Delft inv. 73, folio 109 (http://www.archief.delft.nl/, Stand: 20.1.2011). Am 24.2.1671 und am 10.4.1672 traten „Maria Wouters“ bzw. „Maria Ervenvelt“ als Pate bei der Taufe ihrer Kinder auf, vgl. ebd., inv. 11, folio 65v.; inv. 58, folio 150 (http:// www.archief.delft.nl/, Stand: 24.2.2010). In beiden Fällen wird es sich um Philipp Erberfelds Frau handeln. 68 Vgl. Löhr/Dooren (Hrsg.) 1971, Tl. 1, 275, Nr. 221.2; 277, Nr. 222. Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 19, Nr. 35; 21, Nr. 37. 69 Die Namen der Geschwister und ihrer Gatten und Gattinnen finden sich in der Abdankungsrede anlässlich des Todes von Laurentz Wouters.
5.4 Heirat (1668), Verwandtschaft und enge Freunde265
Heinrich Grond
Margaretha Fass
Anna Grond (1610–1661) Laurentz Wouters (1604–1661)
Helena Grond (1614–1688) Johanns Antonides van der Linden (1609–1664)
Heinrich Grond
Die Familie Grond
die meiste Zeit aber in Köln bei ihrer Schwester Maria auf. In einer Trauerschrift wird beschrieben, dass sie durch eine schwere Krankheit zu der Erkenntnis kam, dass ein äußerlicher anständiger Lebenswandel zur Seligkeit nicht genügt und man ohne Selbstverleugnung, Wiedergeburt und Heiligung kein wahrer Jünger Christi sein kann. Dadurch fasste sie den festen Entschluss, aufrichtig und gottesfürchtig zu leben. Die hebräische Sprache war ihr nicht fremd, einige Zeit wurde sie von Carolus Schaaf70 (1646–1729), Doktor der orientalischen Sprachen, unterrichtet. In Delft lernte sie Undereycks bekanntesten Schüler und Kollegen Cornelius de Hase kennen, den sie 1678 in Duisburg heiratete.71 Zur Hochzeit von Philipp Erberfeld und Maria Wouters verfasste ein Freund aus Köln ein Gedicht als Dank für die Verse, die Erberfeld verschiedene Male unter dem Namen Deutschlieb vorgetragen hatte.72 Die Lektion des Gedichtes lautet, dass Jungfrauen und Junggesellen bei der Wahl eines Ehepartners mehr auf den Nutzen als auf die Lust achten sollten bzw. dass sie nach der Gottseligkeit streben sollten. Das Ehepaar Erberfeld-Wouters wird als gutes Exempel aufgeführt.73 Als Autor kommt Johann le Brun oder Gerhard von Mastricht (s. unten) in Betracht. Zusätzlich existiert ein plattdeutsches Gedicht eines anonymen Verfassers auf die Heirat.74 70
Vgl. BW, Bd. 17.1, 179–181; NNBW, Bd. 9, 952 f. Lieb- und lob-würdiger Frauen-Spiegel … in dem Christ-gläubigem Leben, und seligem absterben der … Fr. Sara, gebohrnen Wouters, des … H. Cornelii de Hase, … Ehe-liebsten, [Bremen 1686] (SuUB Bremen CS VII 14a); Johan Phillip Cassel, Bremensia. Bremische historische Nachrichten und Urkunden, Bd. 1, Bremen, Johan Heinrich Cramer, 1766, 407. 72 Vgl. Ein dutzt Madrigalen welchs H. Philipp Erberfeld, … vnd J. Maria Wouters, H. Laurentz Wouters, der keyserl. freyen Reichs Stadt Bremen, weiland sonders vornehmen und wollangesehenen Kaufmans ehlich nachgelassener Tochter auff dero hochzeitlichen Ehrentag den 27. und 28ten Octobris daselbst gefeiret zum Belusten und Nutzen aus Cöllen am Rein übersendet und geschencket von einen trevhertzigen Freunde, Bremen, Hermann Brauer, 1668, [A1v] (SuUB Bremen CS XXII 38). 73 Vgl. Ein dutzt Madrigalen, [A1v]–[A4v]. 74 Vgl. Woll-ingeröhrde averst övel un uppen drunck gesoltene bruht-soppe, … on den jorigen fryers … opper hochtyd h. Philipp Erberfelds J. U. D. ond J. Marien Wouters, van enen se71 Vgl.
266
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
…
Johann Wouters (1572–1625) Maria von Leiden (1573–1651)
Maria Wouters (1611–1658) Johann ter Schmitten (1608–1679)
Steven Wouters (1574–1638) Barbara Gerhards
…
Laurentz Wouters (1604–1661) Anna Grond (1610–1661) Anna Wouters Otto Cöper Barbara Wouters
Abraham van Bleiswijk Lorenz Wouters
Maria Wouters († 1697) Philipp Erberfeld (1639–1709) Helen Margareta Wouters Pieter Schoonhaven Gertrud Wouters
Johann le Brun (1644–1717)
Sara Wouters († 1686) Cornelius de Hase (1653–1710)
Die Familie Wouters
5.4 Heirat (1668), Verwandtschaft und enge Freunde267
In Köln hatten Erberfeld und seine Frau einige enge (verwandtschaftliche) Kontakte. Erberfelds Onkel Philipp Hack, vermögender Weinhändler und Bankier,75 war verheiratet mit Maria Meinertzhagen. Sie entstammte einer alteingesessenen Kölner Familie.76 Das Ehepaar war Mitglied der niederländischen reformierten Gemeinde in Köln. Hack war hier Diakon und später Ältester.77 Der Älteste der hochdeutschen reformierten Gemeinde Johann Übing war verheiratet mit Erberfelds Tante Margarete Hack.78 Philipp Hack
Sophie Gleich
Gertrud Hack
Heinrich Erberfeld († 1679)
Margarete Hack
Johann Übing
Philipp Hack
Maria Meinertzhagen
Die Familie Hack
Maria Wouters’ Schwester Gertrud heiratete am 1. Dezember 1670 in Mülheim am Rhein Johann le Brun, einem Sohn Gerhard le Bruns (1608–70).79 Die Familie le Brun war eine aus Tournai nach Köln ausgewanderten Familie.80 Bei der Taufe ihrer Kinder in der niederländischen Gemeinde traten Erberfeld und seine Frau verschiedene Male als Paten auf.81 Le Brun war Gewürzhändler und besuchte regelmäßig die Frankfurter Messe.82 Er war ein prominentes Mitglied der niederländischen reformierten Gemeinde in Köln. Wiederholt wurde er zum Diakon gewählt und regelmäßig ckern ohlen duitschen thauverlaht, Bremen, Hermann Brauer, 1668 (StA Bremen, 8/1: Familiengeschichtliche Materialien, Graue Mappe „Erberfeld“). 75 Vgl. über das Monopol der Evangelischen im Kölner Weinhandel: Schwering 1908, 9, 18–26; über Hack, ebd., 21, Anm. 2. 76 S. „Genealogische Tabelle der Meinertshagenschen Familie“ (SuUB Brem. a. 216). Marias Tante Gertrud (1599–1617) war verheiratet mit einem Henricus von Elberfeldt, Gerichtsherr zu Herbede, s. „Genealogische Tabelle der Meinertshagenschen Familie“, S. 6. Vielleicht gehörte dieser zu den Vorfahren Philipp Erberfelds. 77 Mehrmals traten Erberfeld und seine Frau als Taufzeugen für ihre Kinder auf, s. Löhr/ Dooren (Hrsg.) 1971, Bd. 2, Register unter „Hack, – Philipp II“, „Meinertzhagen …., – Maria“, bes. Bd. 1, 242 f., Nr. 199; 275 f., Nr. 221.2; 344, Nr. 283. 78 S. Löhr/Dooren (Hrsg.) 1971, Tl. 2, Reg. unter „Hack – Margarete …. Tochter von Philipp I“; „Übing, Johann (H. T.)“; R. Löhr (Hrsg.) 1981, 295, Nr. 483,3; Bd. 4, Personen- und Ortsverzeichnis unter „Übing Johannes sen.“. 79 S. Löhr/ Dooren (Hrsg.) 1971, Tl. 1, 275, Nr. 221.2; 277, Nr. 222. Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 19, Nr. 35; 21, Nr. 37. 80 Vgl. Roosbroeck 1968, 155. S. auch „Genealogische Tabelle der Meinertshagenschen Familie“, S. 32. 81 S. Löhr/Dooren (Hrsg.) 1971, Tl. 1, 288, Nr. 234; 312, Nr. 257; 335, Nr. 276. 82 Vgl. für diesen Absatz im Allgemeinen: A. Deppermann 2002, 26.
268
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
leistete er hohe Spenden. 1687 zog le Brun nach Bremen. Dabei werden die (verwandtschaftlichen) Beziehungen zu den Familien Wouters, de Hase und Erberfeld eine Rolle gespielt haben.83 Le Brun unterstützte als Ratsherr und Bauherr der St. Martinigemeinde den reformierten Pietismus in Bremen.84 Vermutlich hat Erberfeld den Polyhistor Gerhard von Mastricht (1639–1722) bereits in Köln kennengelernt. Dieser war mit Le Bruns Schwester Magdalena verheiratet. Die Familie Mastricht kam väterlicherseits aus Maastricht, war aber des Glaubens wegen nach Köln ausgewandert.85 Mastricht lehrte seit 1669 als Professor in Duisburg und zog ein Jahr später als Le Brun (1688) nach Bremen, wo er Syndikus wurde.86 Cornelius le Brun Gerhard le Brun (1608–1670) Anna Kip
…
Magedalena le Brun
Gerhard von Mastricht (1639–1722)
Johann le Brun (1644–1717) Gertrud Wolters
Sara le Brun (1649–1728) Jakob Meinertzhagen (1649–1724)
Die Familie le Brun
5.5 Aufenthalt in Köln (1668–75) und Verbindung mit dem radikalen Pietisten Johann Jakob Schütz in Frankfurt (1674–5) Am 11. Juni 1668 wurde Erberfeld als Mitglied in die hochdeutsche reformierte Gemeinde in Köln aufgenommen und dem Viertel des Ältestesten Johann Übings zugewiesen.87 Anscheinend hatte er damals noch kein Glaubensbekenntnis abgelegt, da sein Name unter dem erwähnten Datum in der Liste der 83 Engelsing 1961, 12 weist auf die Vermittlung durch Bremer Ratsherren reformiert-pietistischer Gesinnung hin. 84 Vgl. Wilts 1960, 60; Prange 1963, 65, 70, 221, 238; J. F. G. Goeters 1995, 374 f. 85 S. Löhr/Dooren (Hrsg.) 1971, Tl. 2, Register unter „Mastricht“. Vgl. Tellingen 2004, 147– 150; Neele 2009, 28. Gerhards Bruder Johannes war mit einer Anna Behaghel verheiratet. 86 Vgl. A. Deppermann 2002, 264 f. 87 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1981, 432, Nr. 847. Erberfeld hatte sein Zeugnis vor einiger Zeit bei Herrn Jacobus zu Mülheim eingereicht. Dies war der Prediger Jacobus Rheinferd zu Mülheim am Rhein, s. R. Löhr (Hrsg.) 1990, Reg. unter „Rheinferd(ius) Jacobus“. S. auch Rosenkranz (Hrsg.) 1958, 410.
5.5 Aufenthalt in Köln (1668–75)269
zum Katechismusunterricht zugelassenen Jugendlichen zu finden ist.88 Erst am 19. August 1669 wurde Erberfelds Ehefrau Maria, zusammen mit ihrer Schwester Sara, aufgrund ihres vorbildhaften Lebenswandels von Bremen angenommen und Übings Quartier zugewiesen.89 Neben der hochdeutschen reformierten Gemeinde gab es in dem römischkatholischen Bollwerk Köln noch drei weitere evangelische Gemeinden: eine niederländische, eine wallonisch-reformierte und eine hochdeutsche lutherische Gemeinde.90 Diese Gemeinden wurden unterdrückt und hatten seit 1570 einen heimlichen Status. Immer bestand die Gefahr, dass die heimlich abgehaltenen Gottesdienste überfallen wurden. Es drohten Verhöre, Geldstrafen und Haft sowie Stadtverweisung, Hausdurchsuchungen, Hausversiegelungen und der Ausschluss von Ämtern und Aufträgen wegen Verweigerung des Gottesdienstes und der Nichtteilnahme an Riten der römisch-katholischen Kirche. Der heimliche Status führte weder zur Isolation noch zur Armut der evangelischen Gemeinden. Weil viele der Kölner Protestanten Kaufleute waren, bestanden gute Verbindungen zu den nahegelegenen Städten Mülheim am Rhein und Frechen und mit der in größerer Entfernung gelegenen Stadt Frankfurt am Main. Insbesondere nach 1660 zählten viele vermögende Kaufleute zu den Mitgliedern der evangelischen Gemeinden. Seit etwa 1667 erließ der Rat Bestimmungen, die für die evangelischen Kaufleute hinderlich waren. 1674 war ein verhängnisvolles Jahr für die Kölner Protestanten, da von ihren Gemeinden ein Schutz- und Schirmgeld verlangt wurde.91 Nach seiner Aufnahme in die Kölner Gemeinde wurde Erberfeld am. 16. Dezember 1669, im August 1670 und im März und Dezember 1672 als Ältester zur Wahl gestellt, doch gewählt wurde er nicht.92 Bei der Nominierung eines Predigers am 27. Dezember 1670 empfahl Erberfeld den Prediger N. Wolters93 aus Hamburg. Der scheidende Prediger Benjamin Ursin94 (1646–1720), der Brandenburgischer Hofprediger in Berlin-Cölln wurde, schlug zwei Kandidaten vor, die in der Gemeinde bekannt waren: Laurenz Rohtbarius95 und den schon mehrfach erwähnten Anton Brunsen, beide aus Bremen. Brunsen war damals Lehrer der Kinder des brandenburgischen Oberministers Schwerin.96 88
Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1981, 471, Nr. 943. S. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 8, Nr. 12. 90 Vgl. für die nächsten Absätze: U. Schmitz 1990. 91 Vgl. Schwering 1908. 92 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 11, Nr. 20 (16.12.1669); 15, Nr. 29 (4.8.1670); 31, Nr. 59 (1.3.1672); 37, Nr. 75 (7.12.1672). 93 Vielleicht Stephan Wolters (1645–1719), vgl. Zedler, Bd. 58, 1483 [=1488]–1489. Vermutlich war er ein Verwandter von Erberfelds Frau. 94 Vgl. Thadden 1959, 188–191; Noack/Splett (Hrsg.) 1997ff, Bd. 2, 483–492; Bahl 2001, 605 f. 95 Er war 1670 bis 1671 Prediger der Kölner Gemeinde, vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1990, 33. 96 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 21, Nr. 36, Nr. 37 (29.12.1670); Noack/Splett (Hrsg.) 1997ff, Bd. 4, 84. 89
270
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Im Oktober 1675 wurde erneut nach einem Prediger Ausschau gehalten. Verschiedene Mitglieder der Gemeinde sollten auswärtige Theologen anschreiben, um sich diesbezüglich beraten zu lassen. Erberfeld wurde aufgefordert, Undereyck in Bremen zu kontaktieren.97 Unter den eingetroffenen Antwortschreiben fand sich die Reaktion eines Herrn „Buttendieck“98 aus Bremen, der Heinrich Lampe und Cuper, der damals Prediger bei der Äbtissin von Herford war, empfahl.99 Bei den beiden Herren handelt es sich um den Vater (1646–90) des späteren Theologen Friedrich Adolph Lampe (1683–1729) und um Reiner Copper (1643–93).100 Beide waren reformierte Pietisten, Copper wurde später seines Amtes enthoben und schloss sich den Labadisten an (s. unten). Vier der Kinder von Philipp Erberfeld und Maria Wouters wurden in Köln geboren und getauft: Heinrich (7.9.1669),101 Laurentz (26.3.1671),102 Philipp (30.10.1672)103 und Anna Gerdrut (23.7.1674)104. Die Taufzeugen waren meist Verwandte. Erberfeld stand mit dem radikalen Pietisten Johann Jakob Schütz aus Frankfurt in regem Kontakt. Schütz’ Briefe aus dem Zeitraum von Juli 1674 bis März 97
Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 63 f., Nr. 125 (14. Okt. 1675). Vermutlich handelt es sich hier um Dierich Butendach (1620/4-vor 1672/6), der mit Catharina Minnemann, der Schwester von Nikolaus (Claus) Minnemann, Eltermann, Diakon und Bauherr (seit 1683) der St. Martinigemeinde (s. 3.6), verheiratet war, s. Heinicke geb. Kayser/Jahn 1989, 492 f., Nr. D I., 496, Nr. M I. 99 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 64, Nr. 126, 1 (18. Nov. 1675). 100 Vgl. über Heinrich Lampe: J. F. G. Goeters 1993, 258; A. Deppermann 2002, 155 f., 320; über Copper: J. F. G. Goeters 1993, 269. 101 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 293, Nr. 480,5. Taufpaten und Stellvertreter waren: Großvater Heinrich Erberfeld aus Bremen und Erberfelds Onkel Philipp Hack; Marias Onkel (?) Heinrich Grond aus Amsterdam und Erberfelds Onkel Johann Übing; Erberfelds Tante Gese von Erberfeld geb. von Bentheim und seine Tante Gertrud le Brun geb. Wouters. 1651 trat ein Henricus Grondt, Rittmeister des französischen Königs, als Taufzeuge bei der Taufe eines Sohnes von Johannes Antonides van der Linden und Helena Grond in Leiden auf, s. den „Digitale Stamboom“ des Regionaal Archief Leiden: http://leiden.digitalestamboom.nl/, Stand: 24.3.2010. In den Jahren 1676 und 1712 wurden in Amsterdam zwei Personen mit dem Namen Hendrik Gront begraben, 1663–65 wurden einem Hendrik Grondt die Kosten für eine Mühle erlassen, vgl. die Beerdigungsregister vor 1811 (Begraafregisters) und die Erlassregister 1563–1803 (Kwijtscheldingen) auf den Internetseiten des Stadtarchivs Amsterdam, https://stadsarchief.amsterdam.nl/ archieven/archiefbank/indexen/index.nl.html, Stand: 24.3.2010. 102 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 294, Nr. 482,3. Taufpaten und Stellvertreter waren: der Onkel Otto Köper und der Onkel Johann le Brun; der Onkel Wilhelm von Bentheim und Erberfelds Onkel Philipp Hack; die Tante Helena Schoonhaven geb. Wouters und die Tante Gertrud le Brun geb. Wouters. 103 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 296, Nr. 483,8. Taufzeugen und Stellvertreter waren: Erberfelds Onkel Philipp Hack, Friedrich Wesemann aus Bremen und der Onkel Johann le Brun und Erberfelds Tante Margarete Übing geb. Hack. 104 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 298, Nr. 485,3. Taufzeugen und Stellvertreter waren: „j(u) f(fe)r. Susanna Ernst hausfraw herrenn herman schumachers“, die Großmutter Gertrud Hack und Jungfer [Margaretha Übing geb. Hack?, d. Vf.] Übing und die Tante Gertrud le Brun geb. Wouters. 98
5.5 Aufenthalt in Köln (1668–75)271
1675 zeugen von einem intensiven Briefwechsel.105 Seit Juli 1673 korrespondierte Schütz mit Justus Dozem (1628–1703), dem dänischen Residenten in Köln. Dozem war wahrscheinlich lutherisch erzogen, gehörte aber in Köln der hochdeutschen reformierten Gemeinde an106 und setzte sich für die dortige niederländische Gemeinde ein. Dozem korrespondierte mit August Hermann Francke. Schütz hielt sich Ende März 1674 für drei Wochen in Köln auf.107 Auch Handelsverbindungen zwischen Köln und Frankfurt sowie den Frankfurter Reformierten spielten vermutlich eine Rolle für das Zustandekommen der Verbindungen zwischen Schütz und Erberfeld. Die Verbindungsmänner zwischen Schütz und Erberfeld waren Jacob van de Walle (s. 4.9.4),108 Daniel Behaghel (s. ebd.) und Johann le Brun109. Behaghel war mit Magdalena von Mastricht, einer Schwester Gerhards, verheiratet.110 Erberfeld und Schütz, der in Frankfurt einen direkten Zugang zum Buchhandel hatte, tauschten Bücher aus. Die Zusammenstellung der von Schütz gelieferten Bücher war gattungsübergreifend, hauptsächlich theologischer und außerdem interkonfessioneller Art: Arndts Wahres Christentum, eine Schrift des Jesuiten Daniel Bartoli (1608–84), Hugo Grotius’ (1583–1645) Annales et historiae de rebus Belgicis (1657), eine Schrift des niederländischen Mystikers Matthes Weyer (1520/1–60), und die in formaler Hinsicht nach dem mystischen Schema purgatio, illumination und unio aufgebaute, aber in inhaltlicher Hinsicht reduziert-mystische Frömmigkeitsanleitung das Christliche Gedenck-büchlein, zu Beförderung eines anfangenden neuen Lebens111 (1. Aufl. 1675) von Schütz.112 Zuweilen kommentierte Schütz die von ihm versandten Schriften.113 Erberfeld 105 Vgl. für die nächsten Absätze im Allgemeinen: A. Deppermann 2002, 261–264. Einige Male bestätigt Schütz den Empfang von Erberfelds Post, vgl. Schütz an Erberfeld, 19./29. September 1674; 30. Januar st.v. 1675. Schütz’ Briefe finden sich ASB Mp326. 106 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 77, Nr. 139,4; 166, Nr. 293; 300, Nr. 486,8; 335, Nr. 670. 107 Vgl. A. Deppermann 2002, 256–261. 108 Vgl. A. Deppermann 2002, 152. 109 Vgl. A. Deppermann 2002, 154. 110 S. Löhr/Dooren (Hrsg.) 1971, Tl. 2, Register unter „Behaghel … – Daniel“. 111 Vgl. A. Deppermann 2002, 158–168. 112 Schütz an Erberfeld, 19./29. September 1674: „Die Bartoli …“. Bartoli: vielleicht die gegen Romanlektüre gerichtete Schrift Charakter hominis literati (Paris 1672) des Jesuiten Daniel Bartoli aus Rom. Schütz an Erberfeld, 18./28. November 1674: „Theologica von unserer pilgrimschafft, item von festigkeit der creaturen“: diese Titel lassen sich nicht identifizieren; „Bartolus und Grotii annal. haben sich funden“: die erwähnte Schrift Bartolis und Hugo Grotius Annales et historiae de rebus Belgicis (1657); Schütz an Erberfeld, 30. Januar st.v. 1675: „Wegen Bartoli u(nd) Grotii bin … gewiesen dessen consens zu erlangen …, so will ichs morgen wieder holen laßen“; 28. März 1675: „Bartoly u(nd) andere machen mehr mühe als sie wert sind.“). 113 Vgl. Schütz an Erberfeld, 30. Dezember 1674/9. Januar 1675: „Weyer will nicht ohne discretion geleßen seyn, dient auch desswegen nicht vor iedermann, sonderlich so fern er mehr auf seiner selbsteigene nichtigkeit hänget alß der überschwenglichen genade Gottes in C(hristo) J(esu), durch welche wir eine freudigkeit zu Gott haben.“ Vermutlich ist folgende Schrift des niederländischen Mystikers Matthes Weyer (1520/1–60) gemeint: Gründliche Unterrichtung von vielen hochwichtigen Articuln, einem jeden der zur reinigung seiner Sünden, und in die Wi-
272
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
schickte ihm eine Sammlung von Briefen des schottischen Puritaners Samuel Rutherford (1600–61), die Schrift Das innerliche Reich Gottes des englischen Puritaners Francis Rous’ (1580/1–1659) und eine Übersetzung der Interiora regni dei (1655), einer Schrift über die mystische Vereinigung mit Christus.114 In einem Fall sollte Erberfeld ein Buch an die Prinzessin von Holstein, vermutlich Sophie Elisabeth von Holstein-Sonderburg,115 Schützling des Hoffräuleins Johanna Eleonora von Merlau (1644–1724), weitergeben, und zwar Arndts Wahres Christentum.116 Die Lieferung von einer größeren Anzahl von Schriften zum vergünstigten Tarif117 ist ein Indiz dafür, dass Erberfeld und Schütz die Bücher weiterverkauften. Auch lässt sich nachweisen, dass Schütz seinem Freund Jacob van de Walle Rutherfords Briefe ausgeliehen hat.118 Des Weiteren tauschten Schütz und Erberfeld sich über Fromme, zum Beispiel über den Frankfurter Tuchhändler und Spener-Freund Reinhard Bauer (gest. 1693), der in einem Prozess verwickelt war,119 sowie über kirchenkritische Gruppen wie die Labadisten in Altona120 aus. Mit dem Anführer der Labadisten, Pierre Yvon (1646–1707), hatte Schütz zuvor in Kontakt gestanden. Zwei Briefe wurden von einem R. (vermutlich Reinhard) Bauer bei Erberfeld abgedergeburt begehret zu-kommen, sehr dienstlich (1. Aufl. 1579). Weyer betonte die Notwendigkeit der Zerbrechung des Willens am Gesetz, die zu einer Gelassenheit, welche keine Züge der Buße mehr aufweist, führt, vgl. A. Deppermann 2002, 71 f., auch Anm. 80. 114 Vgl. Schütz an Erberfeld, 30. Dezember/ 9. Januar 1674/1675: „Sein vom 27. Dez(ember)/6. Jan(uar) auch nachhero durch h(errn) von Wallen 6 Raus und 1 Rhederfort wohl empfangen. Der werth gegen die kleinen büchl(ein) ist dadurch nicht nur ersetzet, sondern weit übertroffen, und bin vor alle wohlgewogenheit obligiret.“ 1668 war bei Frank Sas in Duisburg eine deutsche Übersetzung von Rous’ Schrift erschienen, s. McKenzie 1997, 357, Nr. 1472. 1686 erschien sie bei Andreas Luppius (s. 2.5) in Wesel, der auch Universitätsdrucker der Duisburger Universität war, und Kontakte mit Schütz hatte, s. Mennenöh, 299, Nr. 84. Von Rutherfords Briefen erschien wahrscheinlich erst 1682 eine deutsche Übersetzung. Erberfeld wird Schütz vermutlich eine englische oder niederländische Fassung zugeschickt haben, s. für die deutsche Übersetzung: McKenzie 1997, 359, Nr. 1479–1481; für die niederländische: FATY, 116, Nr. 1616 (Vlissingen 1674, Übs.: Jacobus Koelman). 115 Schütz führte eine Korrespondenz mit der Prinzessin, die gelegentlich am Collegium pietatis in Frankfurt teilnahm, vgl. A. Deppermann, Register unter „Holstein-Sonderburg(-Wiesenburg), Sophie Elisabeth Herzogin von“. Vielleicht trat der aus Schleswig-Holstein gebürtige Dozem als Vermittler auf. 116 Vgl. Schütz an Erberfeld, den 1./11.7.1674. 117 Schütz an Erberfeld, 18./28. November 1674: „vom büchl(ein) sollen nächstens 25 exemplaria folgen. Ordinari wird das stück p. 6. kreutzer verkaufft, mir aber last der verleger 25 stück vor einen gulden.“ Vermutlich geht es um Schütz’ Christliches Gedenck-büchlein. 118 Schütz an Erberfeld, 30. Dezember/ 9. Januar 1674/1675: „Rhederfort ist noch bey h(errn) von Wallen; welcher es follend zu endt leßen und mir daraus die merckwürdigste brief zeigen will, dann alles zu leßen ist mir die zeit viel zu kurtz.“ 119 Vgl. Schütz an Erberfeld, 15./25. Juli 1674; 19./29. September 1674 (ASB Mp326); Schütz an Erberfeld, 18./28. November 1674; 30. Dezember 1674/9. Januar 1675; 30. Januar st.v. 1675; 28. März 1675. Vgl. über Bauer: A. Dietz 1970–1973, Bd. 4.1, 28, 31, 110, 111, 112, 177, 296; Spener 2000, 23, auch Anm. 38; A. Deppermann 2002, 262, 290. 120 Vgl. Schütz an Erberfeld, 30. Januar st.v. 1675 („p[er] Behagel“): „Rath hat sich gegen Labadisten zu Altona verhalten, laut dero schreiben den 11.Sept(em)br(em).“
5.5 Aufenthalt in Köln (1668–75)273
geben.121 Vermutlich hat Erberfeld Schütz beziehungsweise Bauer hinsichtlich des erwähnten Prozesses beraten.122 Am Anfang des Jahres 1675 gab Schütz einen persönlich geprägten Rück- und Vorausblick. Er pries den Herrn für die Vollendung eines weiteren Jahres ihrer Pilgerschaft, das sie näher zum Ende aller Dinge geführt und würdiger zur Verherrlichung von Gottes Sohn gemacht hätte. Er bat um Vermehrung ihrer Liebe und ihrer Erkenntnis Gottes als Heiland und Seligmacher, damit sie künftig ihm allein dienen dürften, bis sie ihn in der Ewigkeit unaufhörlich und vollkommen verherrlichen könnten. Er grüßte „dessen liebste“, womit er vermutlich Erberfelds Frau meinte, sowie le Brun, Mastricht und andere bekannte Freunde.123 Bedeutungsvoll in diesem Zusammenhang ist schließlich, dass Schütz für Erberfeld einen Drucker für dessen Saldenus-Übersetzung Leben auß dem Tode (s. unten) sowie für eine Schrift des reformierten Pfarrers Wenzeslaus Nucella (1637–1722) aus Mülheim am Rhein (1669–99) gesucht und gefunden hat, und zwar Hermann von Sand (gest. 1691) in Frankfurt.124 Nucella war einer der hochangesehenen bergischen Pfarrer. Erberfeld wird ihn in seiner Kölner Zeit kennengelernt haben, da Nucella von dem nahe gelegenen Mülheim aus intensive Beziehungen mit den reformierten Gemeinden in Köln pflegte.125 Um welche Schrift es geht, wird nicht klar.126 Nucella stand um diese Zeit wahrscheinlich mit Schütz und anderen Lutheranern und später mit August Hermann Francke und dessen Mitarbeitern in Verbindung.127 121
Schütz an Erberfeld, 18./28. November 1674; 28. März 1675: „p(er) h(errn) R. Bauer“. Schütz an Erberfeld, 30. Dezember/ 9. Januar 1674/1675: „H(err) R. Bauer ist über die sachen mit Pfafenrath seer alterirt, vermeint nun, man hätte appeliren sollen, zum wenigsten besseren accord mit PfaffenRath alßdann zu hoffen gehabt: ich laß alles auf mhh. [meinen Herren?, d. Vf.] besten guthen befinden beruhen u(nd) verbleibe.“; 28. März 1675: „Mit Pfaffenrath verglichen. H(err) Wolff wird vergleich-puncten und recess mitbringen.“ 123 Vgl. Schütz an Erberfeld, 30. Dezember1674/ 9. Januar 1675. 124 Vgl. Schütz an Erberfeld, den 1./11.7.1674: „Will nach Saldenus trachten.“; 28. März 1675: „Auf Seldeni und Nucellae schrifften kann getruckt werden bey Hermann von Sand zu Frankfurt anzutreffen. Dito Sand will 50 exemplaria in commission verkauffen, auf einmal aber mehrere nicht annehmen.“ Vgl. zu Sand: A. Dietz 1970–1973, Bd. 3, 170 f.; Benzing 1977, 1252. 125 Vgl. Rosenkranz 1970, 1 f.; Löhr/ Dooren (Hrsg.) 1971, Tl. 2, Reg. unter „Nucella“; R. Löhr (Hrsg.) 1990, Personen- und Ortsverzeichnis unter „Nucella (Nocell) Wenzeslaus“. 126 Im Konvent der Düsseldorfer Klasse im Jahre 1686 wurde Nucella nämlich gebeten, eine polemische Schrift gegen die römisch-katholische Kirche abzufassen und eine Schrift für die Kranken ins Deutsche zu übersetzen. Erwähnt werden „des Herrn Cyri Molinai Tractätlein, vom Pabstum handelend“ und „Jacobi Schütz Tractätlein vom bescheiden Teil der Siechen“, vgl. Rosenkranz 1970, 97. Es handelt sich um Cyrus du Moulins Catechismus über die Streitfragen, so zwischen den Protestirenden und Römisch Catholischen Christen biß-dahero getrieben (1681, s. IÖB, 222, M 3) und Jacobus Schuts’ Het bescheyden deel der siecken, ofte een onderw ysing hoe yder siecken na sijn staet behoort behandelt te worden. Weil Nucella vernommen hatte, dass Schuts eine Erweiterung seiner Schrift herausgeben wollte, entschied er sich 1687, seine deutsche Übersetzung nicht drucken zu lassen, vgl. Rosenkranz 1970, 107. Die niederländische Fassung erschien erst 1688 im Druck (’s Gravenhage, P. Perier). 127 Auf Antrag des Sulzbacher Superintendenten und Spener-Freundes Johann Fischer 122
274
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Wie schon erwähnt, stand Schütz auch mit Johann le Brun und Gerhard von Mastricht in Kontakt.128 In Köln unterhielt Schütz auch Kontakte mit David (vor 1648 – ca. 1714) und Wilhelm von (den) Enden, die zu den reichsten evangelischen Kaufleuten in der Stadt gehörten. David war mehrfach Diakon und Ältester der niederländischen Gemeinde. Weiterhin hatte Schütz Verbindungen nach Wesel, und zwar zu dem Rentmeister Johann von Stockum (1637–1700), dem Syndikus Thomas von Wylich und dem Arzt Abraham Schüller (geb. 1648).129 All diese Kölner und Weseler Kontaktpersonen von Schütz hatten eine reformiert-pietistische Gesinnung.
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709) 5.6.1 Die Stadt Duisburg und die dortige brandenburgische Universität Von alters her war Duisburg eine Handelsstadt.130 Nach 1200 nahm der Handel allmählich ab. Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Stadt dem klevischen Grafen als Pfand gegeben. 1674 richtete man einen Schiffsliniendienst („Börtschiffahrt“) zwischen Duisburg und Nijmegen ein, wodurch der Handel wieder aufblühte. Wegen ihrer erasmianischen Gesinnung waren die klevischen Herzöge schon am Anfang des 16. Jahrhunderts zu gewissen Kirchenreformen bereit. Die lutherische Lehre wurde geduldet und kaum bekämpft. Allmählich lösten reformierte Einflüsse die lutherischen Einflüsse ab. Diese wurden durch die Einwanderung englischer, flämischer und wallonischer Konfessionsmigranten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts immer stärker und gewannen schließlich in der Stadt die Oberhand. Durch die politische Situation in den Niederlanden und die römisch-katholischen Einflüsse änderte sich die Haltung des klevischen Herzogs gegenüber den Protestanten. Gleichzeitig radikalisierten sich die Duisburger Reformierten und es kam um 1600 zu mehreren Bilderstürmen. Wohl als Reaktion darauf wurde die Stadt 1614 – schon seit 1572 war sie wegen des Krieges zwischen Spanien und den Niederlanden in Gefahr – von den Spaniern besetzt. 1629 drohte von ihrer Seite eine Gegenreformation, die durch das Einrücken der Niederländer abgewendet werden konnte. (1636–1705) sandte Schütz einige Bücher an Dozem (10./20.7.1673): „An E. Excellenz soll auf verordnung H. Superintendenten Fischers ich hierby kommende beyde exemplaria, deren eines vor sich zu behalten, und das ander nach gepflogener abrede d. H. Pfarrherr zu Mülheim abfolgen zu lassen, gehorsamlich bestellen“, A. Deppermann 2002, 259, Anm. 224. Ein von Nucella an Francke geschriebener Brief vom 16. Dezember 1703 ist erhalten geblieben, woraus hervorgeht, dass beide miteinander korrespondierten, und dass Nucella in diesem Jahr Francke in Halle an der Saale besucht hat. Nucella berichtet unter anderem vom Tod Dozems, vgl. AFSt/ H C 804:11. 128 Vgl. dazu im Allgemeinen A. Deppermann 2002, 264 f. 129 Vgl. A. Deppermann 2002, 265–269. 130 Vgl. für die nächsten Absätze: Roden 1970, 51–62, 260–272.
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)275
In politischer Hinsicht gab es nach dem Westfälischen Frieden Spannungen zwischen den klevischen Ständen und Duisburg einerseits sowie Brandenburg andererseits. 1667 und 1674 wurde die Bezeichnung „Reichsstadt“ vom Kurfürsten verboten. Seit 1672 geriet Duisburg in die Wirren des Krieges zwischen Frankreich und England auf der einen und den Niederlanden, dem Alten Reich und Brandenburg auf der anderen Seite. Die Stadt wurde durch die Franzosen besetzt. 1678 verließen die meisten Bewohner die Stadt. Auch in den späteren Jahren gab es eine fast ständige Bedrohung und es kam zu vielen Einquartierungen. Als Schultheiß war Erberfeld auch Mitkurator der brandenburgischen Universität in Duisburg, die 1655 vom Großen Kurfürsten gegründet wurde.131 Obwohl sie Studenten aller in Deutschland zugelassenen Konfessionen offenstand, waren die Professoren der reformierten Lehre verpflichtet. Von Anfang an wurden in Duisburg die Philosophie des René Descartes (1596–1650) und die coccejanische Theologie gelehrt. Der Cartesianismus legte eine Wissenschaftskonzeption vor, die durch mathematischen Rationalismus gekennzeichnet war. Descartes zufolge setzte das Denken mit dem methodischen Zweifel ein. An allem sei zu zweifeln, nur nicht an der Existenz seiner selbst als denkende Substanz. Deswegen war für den Cartesianismus die Vernunft der letzte Gewissheitsgrund.132 Ein scharfer Gegner dieser Philosophie war der voetianisch geprägte Theologe Petrus von Mastricht (1630–1706), ein Bruder Gerhards, der von 1670 bis 1677 in Duisburg lehrte. Wegen der wohl daraus resultierten Streitigkeiten zog er 1677 als Nachfolger von Voetius nach Utrecht.133
5.6.2 Privat- und Familienleben 1676 verfasste Erberfeld ein Gedicht anlässlich der Heirat seines Bruders Heinrich Erberfeld, Doktor der Medizin, mit Helena Meinertzhagen aus Köln.134 Helena war eine Halbschwester von Philipps und Heinrichs Tante Maria Hack geborene Meinertzhagen.135 Die Initialen P. F. E. J. C. stehen für Philippus Filius Erberfeldius Juris Consultis. In Duisburg kamen vier der neun Kinder von Philipp Erberfeld und Maria Wouters zur Welt: Johannes136 (Taufe: 28.5.1676), Daniel137 (Taufe: 10.11.1679), 131
Vgl. für die nächsten Absätze: Roden 1968. Vgl. Rohls 1997, 88–91. 133 Vgl. Tellingen 2004; Neele 2009. Auf der Lateinschule in Duisburg waren er und Undereyck Kommilitonen, vgl. Neele 2009, 29. 134 Vgl. P. F. E. J. C., Alexi. Pharmacon in insula papho inventum amori suo per … d. Henricvm Elberfeldt … qvando propitiantibvs divis sibi et … dominæ: d. Helenæ Meynertzhagen flix thalasion plaudens accinebat Colonia M. DC. LXXVI, Köln, Johann Heinrich Kopp, 1676 (SuUB Bremen Brem. a. 627 Nr. 190). S. für Heinrich und Helena: R. Löhr (Hrsg.) 1990, Personen- und Ortsverzeichnis unter „Erberfeld – Heinrich, Dr. med.“, „Meinertzhagen – Helena“. 135 S. „Genealogische Tabelle der Meinertshagenschen Familie“, S. 8. 136 S. StA Duisburg 81,A, Nr. 28: Salvatorkirche, Taufen 1673–92, Bürger und Einwoh132
276
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Gerhard138 (Taufe: 8.5.1681), Abraham139 (Taufe: 11.4.1683) und Sara Maria140 (Taufe: 23.7.1685).
ner Marien-Viertheil, 38. Vgl. über die Salvatorkirche: Boss. Taufzeugen waren „Johannes ter Schmitter kaufher in Bremen“, „Johannis Schiefelberg kaufman in Amsterdam“ und Marias Tante Helena Grond. Johann ter Schmitten (1608–79) war in erster Ehe mit Maria Wouters (1611–58) verheiratet. Maria war eine Cousine von Laurentz Wouters: vgl. die akademische Abdankungsrede für Maria ther Schmittens geb. Wolters’ Tod (SuUB Bremen CS II 12) sowie Johann Tabing, Leich-Dienst und Ehren-Gedächtnüs, des … Herrn, H. Johann ther Schmitten, Bremen Hermann Brauer, 1679 (SuUB Bremen Brem. a. 2000 Nr. 78). Am 25. August 1673 ließen Jan Schievelbergh und Jannetie Dircks ihre Tochter Geerttruij in der Noorderkerk in Amsterdam taufen, s. die Taufregister (1564–1811) des Stadtarchivs Amsterdam, https://stadsarchief. amsterdam.nl/archieven/archiefbank/indexen/index.nl.html (Stand: 24.3.2010). 137 S. StA Duisburg 81,A, Nr. 50: Marienkirche (ref.), Taufen 1665–1701, 90. Taufzeugen waren die Onkel Heinrich Erberfeld und Cornelius de Hase aus Bremen und Maria Hack, Witwe von Bürgermeister Hanekroth aus Moers. Vermutlich war Maria eine Tante von Philipp Erberfeld. Ihr Mann war Eberhard Hanekroth (Moers 1630-Moers 1678). Er studierte in Groningen, Heidelberg und Basel und erhielt hier 1656 den Doktorgrad in der Jurispredenz. Seit 1671 war er Schöffe, von 1676 bis 1678 Bürgermeister der Stadt Moers. Ich verdanke diese Informationen Herrn Prof. Dr. H. Faulenbach (Schaffhausen, CH). 138 S. StA Duisburg 81,A, Nr. 28: Salvatorkirche, Taufen 1673–92, Bürger und Einwohner Marien-Viertheil, 82. Taufzeugen waren Gerhard von Mastricht (vermutlich wurde der Täufling nach ihm benannt), Johann Conrad Biermann und Erberfelds Tante Maria Hack geb. Meinertzhagen. Johann Conrad Biermann war vielleicht mit Johann August Biermann (ca. 1656– 1724) verwandt, der 1682–86 Pastor der hochdeutsch-reformierten Gemeinde in Köln war, vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1990, 33; A. Deppermann 2002, 157. 139 S. StA Duisburg 81,A, Nr. 50: Marienkirche (ref.), Taufen 1665–1701, 108. Taufzeugen waren: Johann le Brun, „h(err) Louerentz v(on) Berys wirt“, „j(u)f(fe)r Susanna Ernst hausfraw herrenn herman schumachers“. 140 S. StA Duisburg 81,A, Nr. 28: Salvatorkirche, Taufen 1673–92, Bürger und Einwohner Marien-Viertheil, 121. Bei der Taufe von Sara Maria waren folgende Zeugen anwesend: Balduin Ahasverus, die Tante Sara de Hase geb. Wouters; die Tante Elisabeth Erberfeld, die durch Jakob Meinertzhagen vertreten wurde; „j(u)f(fe)r. Anna le Brün“ und Maria Hack, vermutlich die Frau Eberhard Hanekroths. Ahasverus (1653–90) war ein aus Middelburg stammender Arzt, der seit 1683 in Bremen arbeitete, und der zweite Ehemann von Helena Meinertzhagen war. Ahasverus hatte in Leiden Theologie studiert, empfand aber die Verantwortung eines Pfarrers als zu groß und welchselte zum Studium der Medizin über. In Franeker kam er in Kontakt mit dem Mediziner Johann Overbeck aus Kleve (vgl. Wotschke 1927a; 1927b). Er zog weiter nach Duisburg und wurde dann Arzt in Wesel und später in Bremen. In der für ihn verfassten Trauerrede wird sein christlicher und erbaulicher Lebenswandel hervorgehoben, der unter anderem bestand aus: Lektüre der Heiligen Schrift und von erbaulichen Büchern von Jugend an, einer kräftigen Überzeugung von seiner natürlichen Verdorbenheit und von der hohen Notwendigkeit einer Veränderung des Herzens, einer Versicherung der Versöhnung mit Gott in Christus auf festem Fundament, einer zunehmenden Ablehnung der Eitelkeit wegen der Gefahr verdorbener Gesellschaft und einem gemeinsamen Umgang mit Gott, vgl. Diederich Sagittarius, Der zwar kurtze, doch woll-geführte Lebens-Lauff, des … Herren Balduinus Assverus, [Bremen 1690] (SuUB Bremen CS VII 53 a-b). Jakob Meinertzhagen (1649–1724) war Helenas Bruder. Er war verheiratet mit Sara le Brun, s. „Genealogische Tabelle der Meinertshagenschen Familie“, 8. Es gibt zwei Anna le Bruns, beide Töchter von Gerhard le Brun, wovon die erste vermutlich im Kindbett verstorben ist; die zweite starb 1723, s. „Genealogische Tabelle der Meinertshagenschen Familie“, 32.
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)277
Erberfeld und seine Frau Maria traten auch einige Male als Taufzeugen in der Duisburger Kirchengemeinde auf: bei den Kindern von Gerhard von Mastricht und Magdalena le Brun.141 Da Erberfeld und Mastricht in Duisburg in engem Kontakt miteinander standen, soll Mastrichts Biographie hier etwas näher beleuchtet werden. Mastricht lehrte seit 1669 Geschichte und Griechisch, seit 1670 Jurisprudenz an der Universität Duisburg. Außerdem war er einige Zeit Bibliothekar der Universität.142 Er verfasste einige rechtsgeschichtliche Schriften und eine wissenschaftliche Ausgabe des Neuen Testamentes. In der Duisburger Kirchengemeinde war Mastricht 1672 bis 1673 und 1688 bis 1689 einer der vier Ältesten.143 Mastricht wurde 1688 Syndikus in Bremen,144 freundete sich mit dem Franckeverehrer und Apotheker Johann Jakob Tissot145 an und hatte vermutlich auch Verbindungen zu anderen Lutheranern.146 Mastricht verfügte über eine sehr umfangreiche Bibliothek, die 9330 Werke enthielt. Dazu gehörte eine Sonderabteilung englischer Schriften, wovon ein großer Teil sicherlich puritanisch war, obwohl die englischen Schriften von französischen und italienischen Werken überboten wurden.147 1694 heiratete Mastricht Elisabeth Paine (1655–1702), eine Tochter des englischen Migranten Thomas Paine (s. 3.2).148 Am 21. April 1680 starb Philipps Bruder Heinrich. Kurz vor seinem Tod hatte Heinrich ein Gedicht verfasst, worin er das Glück derjenigen, die in Gott entschlafen, zum Ausdruck brachte. Das Gedicht fand man zusammen mit Justus Georg Schottelius’ (1612–76) Buch über das jüngste Gericht149 auf seinem Schreibtisch.150 141 Erberfelds Frau bei der Taufe von Johanna am 12.3.1676 (StA Duisburg 81,A, Nr. 28: Salvatorkirche, Taufen 1673–92, Bürger und Einwohner Marien-Viertheil, 36); Erberfeld selbst bei der Taufe von Peter am 18.6.1682 (ebd., 91), von Gertrudis am 1.8.1685 (ebd., 121) und von Johannes Gerhardus am 23.2.1688 (ebd., 147). 142 Vgl. T. Ahrens 1962, 128–130, 182 f., Roden 1968, 253, und Register unter „Mastricht, Gerhard von“; Neele 2009, 28, auch Anm. 9, 39f, auch Anm. 71. Mastricht studierte in Basel, Utrecht und Leiden. Vgl. Rotscheidt, 11 (1917), 311 (1657), 372 (1661). Zur gleichen Zeit wie Mastricht studierten in Leiden unter anderen: Undereyck (1658, S. 312), der spätere englische Geistliche Anton Horneck (1641–97) aus Bacharach in der Pfalz (1660, S. 371); Hermann Steenhuysen (s. unten, 1660, S. 372) und der spätere Labadist Heinrich Schlüter (1647–1725) aus Wesel (1661, S. 373). 143 Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 2, 204. Vgl. ebd., Register unter „Mastricht, Gerhard von“. 144 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 2, 9–11; Herbert Schwarzwälder 1975, 443; Koster 2004, Personenregister unter „Mastricht, Gerhard von (Syndikus)“. 145 Vgl. Mai 1979, 196. 146 Vgl. Wotschke 1935, 184, 185, 187. 147 Vgl. Engelsing 1960, 504, 506 f. 148 Vgl. Engelsing 1961, 12 f.; Prange 1963, 237 f. 149 Vermutlich handelt es sich um die Eigentliche und sonderbare Vorstellung des jüngsten Tages und darin künfftig verhandenen grossen und letzten Wunder-Gerichts Gottes (1668). 150 Vgl. Johann Tabing, Traur- und Ehren-Gedächtnüs dem wol-edlen … Herren H. Henricus Erberfeld, Bremen, Hermann Brauer, 1680, 2 (SuUB Bremen C. S. VI, 21).
278
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Im Juli 1685 hielt der Ende September 1684 in Duisburg immatrikulierte Jurastudent Michael Harmes151 (1662–1729), Sohn des Bremer Bürgermeisters und Undereyck-Unterstützers Johann Harmes (s. Anh. 2), eine Disputation. Zu diesem Anlass verfasste Erberfeld ein Gedicht. Michael war sein Haus- und Tischgenosse. Im Gedicht fordert Erberfeld Harmes auf, den eingeschlagenen Weg zur Weisheit weiterzuverfolgen und stellt ihm die Perspektive vor, die sich ihm durch die Doktorwürde eröffnet. Weil auch diese Aussicht letzten Endes nur aus Eitelkeit (vanitas) besteht, wünscht er ihm bessere Gaben vom Himmel.152 Am 22. Juli (st. v.) 1686 starb Erberfelds Schwägerin Sara de Hase geborene Wouters im Alter von 35 Jahren. Unter seinem Pseudonym „Deutschlieb“ verfasste Erberfeld ein langes Trauergedicht: ACh! Wie ist mir so weh! Dan was will dieses sagen? Ein schwartzbelackter Brief ! O weh! was darf ich sagen? Mein hertze sagt: S’ ist tod! Sie, die vor jahres zeit, Zu letzt uns noch besucht, hat nach der Ewigkeit Die reis’ nun abgelegt! Das liebende verlangen Trieb’ diese liebe Seel, noch einmahl zu umbfangen Das liebe Schwesterpaar. Sie haben sich geletzt; Nach Eins gesehnt: doch Gott hat den compas versetzt, Und zieht die Jüngste vor, die reifern safft bekommen; Dan Obst, das früher reifft, wird früher abgenommen […]153
Vermutlich hatte Sara noch vor einem Jahr ihre Schwester Maria in Duisburg besucht. In dem Gedicht statuiert Deutschlieb Saras Leben zum Exempel der Tugend und Gottseligkeit. Bereits im jungen Alter entdeckte sie während einer Krankheit den Betrug und die List Satans im Hinblick auf ihren geistlichen Zustand und sie begann, Jesus zu suchen, der sich dann auch von ihr finden ließ. Als Deutschlieb vor achtzehn Jahren – also 1668, im Jahr seiner Rückkehr aus Berlin, seiner Promotion in Franeker und seiner Heirat mit Maria Wouters – nach Bremen reiste, wurde er Zeuge von Saras geistlicher Krise, anscheinend kurz nachdem er selbst die gleiche Entwicklung wie Sara – die Erkenntnis, dass man sich selbst in geistlicher Hinsicht betrügt, und dass man auf dem breiten Weg wandelt – durchgemacht hatte: Ich hörte dis und mehr, vor sechsmahl dreyen jahren, Nach Bremen reisende, als ich noch kurtz erfahren, (Durchs Himmels schlag und zug gerückt zurück) wie man Des wegs zur seeligkeit erbärmlich fehlen kan, 151
Vgl. Przybylski/Forck 1967, 43.
152 Vgl. Thesium juridicarum illustrium decades sex, quas, divina favente gratia [Präs.: Ger-
hard von Mastricht, Resp.: Michael Harmes], Duisburg, Frank Sas, 1685, 9. 153 Vgl. Deutschlieb, Letzte Bruderpflicht, als die … Frau, Sara de Hase … das irdische hauß dieser hütten … abgelegt … den ihrigen, sich und andern, zum trost und vorbild, entfindlichbemitleidend [sic] abgestattet, Duisburg, Frank Sas, 1686, A2r (SuUB Bremen C. S. VII. Nr. 14b).
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)279
Ja muß, wo man nur will, naturvernünfftig handeln, Und nicht den schmalen weg, kreutzauffsichnehmend, wandeln.154
Als Erberfeld seine Heimatstadt Bremen verließ und nach Köln zog, ging Sara mit ihm.155 Deutschlieb berichtet von seinen Beobachtungen der letzten zehn Jahre, in denen Sara bei ihm und seiner Frau wohnte. Er lobt Saras ehrbaren Lebenswandel, in dem Wort und Tat eine Einheit bildeten, sowie ihre Enthaltung von allem, was für ihre Seelenruhe hätte hinderlich sein können. So verzichtete Sara bereits im Jugendalter auf Kinderspiele und widmete sich stattdessen himmlischen Dingen und der fleißigen Bibellektüre. Sie überwand die Triebe des Fleisches, um im Geist zu wandeln, fand Vergnügen in Gottes Schöpfung und fand Trost und Erlösung in Gebeten und Lobgesängen bei geistlicher Betrübnis. Hervorgehoben wird auch ihre Hilfsbereitschaft, vor allem Glaubensgenossen gegenüber. In ihrer Ehe habe Sara sich „Gottverklärend“ verhalten. Im Angesicht des Todes drückte sie ihr Verlangen nach Jesu aus: „Ach komm doch Herr Jesu, komm bald, nach dir verlanget mich tausendmahl: Ach wan wird ich dein Antlitz schauen?“.156 Diesen lebenslang herzlich ersehnten Himmelsschatz habe die Verstorbene nun erhalten. Zur Warnung der Sorglosen schreibt Deutschlieb, dass nur über diesen schmalen Weg voll von Angst, Not, Schrecken und Pein der Himmel zu erlangen ist. Sara selbst habe in ihrem Leben erfahren, dass Gott die Seinen manchmal in großer Seelenangst verweilen lässt, um ihnen die Gnade des Herrn Jesu mit mehr Klarheit zu zeigen und sie zu einem genaueren Wandel zu führen. Deutschlieb hebt Saras Gelassenheit in der Empfindung von großen Schmerzen hervor, in denen sie Gottes Willen erkannte. Nun, so schreibt er, lebe sie dort, wo sie kein Schmerz mehr treffen könne. Im Hinblick auf die Welt, die der Lust des Fleisches, der Augen und Hoffart nachjagt, betont Deutschlieb, dass der Himmel das Ende derjenigen ist, die sich mit Gott vereinigen. Das Gedicht endet mit der Aufforderung an alle, sich zu Lebzeiten angemessen auf den Tod vorzubereiten. Im Juli 1689 gehörte Erberfeld zusammen mit dem Bürgermeister Heinrich Wintgens, dem Ratsherrn Johann Adrian Schlechtendahl (ebenfalls Kurator der Duisburger Universität) und dem Stadtsekretär Johann Hermann Mercator zu den Widmungsempfängern der medizinischen Disputation von Johannes Sudecius aus Emmerich.157 Erberfelds Sohn Laurentz verfasste ein Sonnet zu dieser 154
Vgl. Deutschlieb, Letzte Bruderpflicht, A2r–v. Vgl. für die nächsten Absätze: Deutschlieb, Letzte Bruderpflicht, A2v–[A4v]. 156 Deutschlieb, Letzte Bruderpflicht, A3v. Diese Zeilen sind wohl eine Bearbeitung der folgenden Zeilen aus Bernhard von Clairvaux’ Lied Iesu, dulcis memoria: Desidero te millies./ Mi Iesu, quando venies?/ Me laetum quando facies/Ut vultu tuo saties? 157 Vgl. Johannes Sudecius, Disputatio medica altera, de veneno [Präs.: Friedrich Gottfried Barbeck], Duisburg, Frank Sas, 1689, π2r (UB Duisburg-Essen ZZXD1036–1,15_d). 155
280
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Disputation.158 Die Widmung an Erberfeld und die anderen Patrizier war vermutlich eine Danksagung für die finanzielle Unterstützung der Stadt. Am 24. März 1697 starb Erberfelds Frau Maria. Der Rektor des Duisburger Gymnasiums Hermann Honn159 (1639–1702) verfasste ein Klag- und Trostgedicht160 ebenso wie der gebürtige Pfälzer Johannes Fridericus Hoffmann, der in Duisburg Theologie studierte.161 Am 20. Juli 1698 heiratete Erberfelds ältestes Kind Heinrich Anna Catharina Mumsen, die Tochter des Duisburger Professors Heinrich Mumsen.162 Zwei Jahre später heiratete Erberfelds jüngstes Kind Sara Maria den Jurisprudenzprofessor Carl Otto Thyllius.163 Am 26. Oktober 1704 heiratete das fünfte Kind Johannes Catharina Heilersieg.164 Am 12. Juli 1698, gut ein Jahr nach dem Tod seiner ersten Ehefrau, heiratete Erberfeld Sibylla von der Reck, die Tochter von Johann Bertram von der Reck.165 Am 22. Dezember 1700 starb Sibylla von der Reck an Kinderblattern, einer Pockenerkrankung. Am 23. August 1703 heiratete Erberfeld Christina Magdalena Keller.166 Erberfelds Söhne studierten fast alle an deutschen und niederländischen Hochschulen, gelangten zu hohen Ämtern und heirateten in angesehene Fa158 Sudecius,
Disputatio medica altera, 20. Vgl. Averdunk 1909, 77. 160 Vgl. Hermann Honn, Mitleidendes Klag- und Trost-Gedicht, an den … H. Philippen von Erberfeldt … über den … hintritt dessen hochgeliebten Ehgemahls: der … Fr. Marien Wouters, Duisburg, Johannes Sas, 1697 (SuUB Bremen CS VIII 27). 161 Vgl. Johannes Fridericus Hoffman, Klag- und Trost-Reden an den … Herrn, Philippen von Erberfeldt, … über den … hintritt dessen hochgeliebten Ehgemahls: der … Frawen, Marien Wouters, Duisburg, Johannes Sas, 1697. Johannes Fridericus Hoffmann aus Stromberg in der Pfalz wurde am 29. September 1693 in die Matrikel der Universität Duisburg eingetragen, s., http://www.uni-due.de/collcart/matrikel/stud-alph-h.htm (S. 174, Nr. 58), Stand: 22.2.2010. 1714 wurde ein Johann Friedrich Hoffmann, vorher Rektor in Elberfeld, zum Lehrer der fünften Klasse des Duisburger Gymnasiums ernannt. Er starb 1726, vgl. Averdunck, 80. Maria Wouters wurde am 29. März in der Salvatorkirche begraben, s. StA Duisburg 81,A, Nr. 72: Salvatorkirche, Beerdigungen 1692–1743, 254: „hausfrau schulteiß E(rberfeld) in große kirche begraben“. 162 S. StA Duisburg 81,A, Nr. 56: Salvatorkirche, Trauungen 1667–1702, 159. 163 S. StA Duisburg 81,A, Nr. 68: Marienkirche (ref.), Trauungen 1645–1745, 65 (21.11.1700). Eine Notiz meldet, dass sie schon am 11. September getraut wurden. 164 S. StA Duisburg 81,A, Nr. 68: Marienkirche (ref.), Trauungen 1645–1745, 72. 165 Die Daten über Sibylla von der Reck entstammen, wenn nicht anders angegeben, den handschriftlichen Notizen auf der Rückseite des Gemäldes der Kinder Erberfelds (s. oben). Das Protokoll der Duisburger Konsistorialsitzung des 20. Dezembers 1679 bekundet, dass „Catharina Sibilla Reck“ und ihre „wohledelgeborene“ Schwester Ida Elisabet ein Zeugnis eingereicht haben, vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 2, 154. 166 S. die handschriftlichen Notizen auf der Rückseite des Gemäldes der Kinder Erberfelds (s. oben). Am 21. Dezember 1703 wurde in der Sitzung des Konsistoriums der Übertritt von Frau Keller aus Wesel zur Duisburger Gemeinde bekundet, s. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964– 1990, Bd. 3, 115. Am 17. Mai 1673 hatte eine Christina Magdalena Keller in der Duisburger Gemeinde das Glaubensbekenntnis abgelegt, vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 2, 114. 159
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)281
milien ein.167 Heinrich wurde 1697 Professor der orientalischen Sprachen an der Universität Duisburg. Er heiratete die Professorentochter Anna Catharina Mumsen.168 Bis zu seinem Tode im Jahre 1714 war Erberfeld Bibliothekar der Universität, 1704 war er Rektor.169 Von 1705 bis 1706 war er Ältester des Marienviertels der Duisburger reformierten Gemeinde.170 Laurentz promovierte 1693 zum Doktor der Medizin in Duisburg. Er wurde praktischer Arzt in der niederländischen Stadt Tiel, heiratete 1694 die Tielsche Schöffentochter Maria Elisabeth Blanken und starb vor August 1695.171 Philipp kam 1688 zur kaufmännischen Ausbildung nach Bremen, wo er im Anschluss als selbständiger Kaufmann tätig war. In erster Ehe (1703) war er mit Mette Schöne, geborene Löning, verheiratet, in zweiter Ehe (1705) mit ihrer gleichnamigen Cousine. 1717 wurde er zum Eltermann und noch im selben Jahr zum Ratsherrn gewählt.172 Über Anna Gerdruts Lebensgang ist nichts bekannt. Johann promovierte 1702 zum Doktor der Rechte. 1704 heiratete er Catharina Heilersieg aus Düsseldorf.173 Er war klevisch-märkischer Hofgerichtsadvokat.174 1707 bis 1708 war er Ältester des Marienviertels der reformierten Gemeinde in Duisburg.175 Daniel studierte Theologie in Duisburg (1696) und Bremen (bis 1704). 1705 verfasste er ein Gedicht anlässlich der Duisburger Disputation seines Bruders Gerhard (s. unten), wobei er sich als „der Heil. Gottsgelehrtheit geflissener“ bezeichnete.176 Der Bremer Matrikel zufolge ist er nach Batavia gezogen und dort gestorben.177 167 Dr. Manfred Komorowski der UB Duisburg-Essen erstellt zusammen mit Herrn Joseph Wijnhoven eine elektronische Fassung der Duisburger Matrikel mit biographischen Informationen über die Immatrikulierten. Herrn Dr. Komorowski verdanke ich die biographischen Informationen über Erberfelds Söhne. 168 Vgl. Roden 1968, 136, 272, 275, 378. 169 Vgl. Roden 1968, 136, 272, 275, 378. 170 Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, 233. 171 Vgl. Rotscheidt, 25 (1931), 126; Man 1952, 91, Anm. 251. 172 Vgl. Havighorst, Letzte, und wolverdiente Traur- und Ehren-Pflicht, π1r–v; Prange 1963, bes. 221. 173 Vgl. Andencken- und Ehren-Gedichte bey der Ver-Ehligung des […] H. Johannen von Erberfeld, beyder Rechten Doctoris und berühmten Advocaten, mit der […] Jfr. Catharinen Heilersiegs, Duisburg, Johannes Sas, [1704] (SuUB Bremen CS. XXV,68). Aus einem Gedicht (von einem Lycander) anlässlich der Heirat geht hervor, dass sein Schwiegervater sich anfänglich der Ehe seiner Tochter mit Johann widersetzt hatte, ebd., [A4r–v]. 174 Vgl. GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1316 Auseinandersetzungen um das Landrichteramt zu Bochum und das Schultheißenamt zu Duisburg, 55v, 72v. 175 Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, 233. 176 Vgl. Gerhard Erberfeld, Disputatio medica inauguralis de epilepsia hæreditaria casum exhibens, Duisburg, Johannes Sas, 1705, 34 (UB Duisburg-Essen ZZXD1036–3,19_d). 177 S. Achelis/Börtzler (Hrsg.) 1968, 279, Nr. 34. Vgl. Prüser 1961, 40. Bei der Taufe von Heinrichs Sohn Johan am 8. März 1706 trat nicht nur Philipp Erberfeld, sondern auch Johan Jacob Erberfeld, Gouverneur des Königreichs Makassar in Ostindien, vermutlich Philipps
282
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Gerhard promovierte 1705 zum Doktor der Medizin. 1734 wurde er von der klevischen Regierung zum Hofrat und Leibarzt ernannt.178 Abraham ließ sich 1698 an der Universität Duisburg immatrikulieren. Sara Maria heiratete am 11. Dezember 1700 den Juraprofessor Carl Otto Thyllius (gest. 1733).179 Um diese Zeit kauften die Professoren der Duisburger Universität aus der Bibliothek von Philipp Erberfeld einige gebrauchte medizinische Werke. Indem man die Bücher aus Erberfelds Bibliothek und nicht bei dem Universitätsbuchhändler Zunner180 kaufte, wollte man Geld sparen.181 Am 2. Februar 1709 starb Erberfeld zwischen 9 und 10 Uhr morgens „nach einer fünfftägiger geringen unpäßlichkeit“.182 Die Beisetzung erfolgte am 7. Februar 1709 in der Salvatorkirche im Familiengrab.183 Hermann Böninger184 (1663–1716), Pfarrer im Haus Bruch bei Hattingen, schrieb ein Trauergedicht; er hatte mit Erberfeld im Zuge der Schulgründung in Wanheim zusammengearbeitet (s. unten). Vermutlich gehörte er dem deutschen reformierten Pietismus an, da er in zweiter Ehe (1699) mit Christina Wilhelmina Sibels, der Tochter des reformiert-pietistischen Pfarrers Arnold Sibels (1644–98),185 verheiratet war. jüngster Bruder, als Pate auf, s. StA Duisburg 81,A, Nr. 29: Salvatorkirche, Taufen 1692–1712, 308. 178 Vgl. Dösseler 1964, 277, Anm. 431c. 179 Vgl. Roden 1968, 255 f. 180 Von 1700 bis 1704 war Zunner Universitätsbuchhändler. Als Geschäftsführer trat sein Schwiegersohn Johann Adam Jung (s. 4.7.4) auf. Es wäre möglich, dass Erberfeld Zunner über Schütz oder über die Frankfurter Reformierten nach Duisburg geholt hat. 181 In einem Bericht der Universität an die Regierung heißt es: „und ex Medica Facultate zwar einige in gemeltem Protocollo befindliche bücher angeschaffet, des Turdius und Doringius aber denen umständen nach auß des Hn. Schultheißen von Erberfeld bibliothec alt gekaufet, und um solches zu bedecken, mithin ihnen das ansehen der neu eingekauften bücher zu geben mit neuen bänden von dem gewesenen buchhändlern Jungen versehen, und demselben davor 5 Rthlr 40 stüb[er], Ihm aber Schultheißen alß venditori nach anweisung desselben quittung 24 Rthlr 20 stüb[er] von obgemelten Geldern, und zwar auff assignation desselben Schwiegersohns des Hn. Tyllii damahligen Decani Facultatis Juridicae auß den Crusischen Decanatgeldern bezahlet, nunmehro aber von dem Tyllio in desselben rechnung diese bücher alß von seinen geldern, und zwar vor 36 Rthlr eingekaufft, gantz irrig und unwahr angesetzet worden“, vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 266, 57, zitiert nach Mennenöh 1970, 105, Anm. 528. Mennenöh vermutet, dass diese Archivalie aus dem Jahr 1714 stammt. Allerdings entspricht diese Datierung nicht den folgenden zwei aus dem Zitat hervorgehenden Umständen, nämlich dass der Schultheiß noch am Leben ist (ihm werden ja die Kosten bezahlt), und dass dessen Schwiegersohn Tyllius derzeit Dekan der juristischen Fakultät war. Philipp Erberfeld starb 1709, Tyllius war Dekan in den Jahren 1701, 1704, 1707 und 1710 (s. T. Ahrens, 172); also muss dieser Buchverkauf in einem der drei ersten Jahre stattgefunden haben. 182 Vgl. Hermann Bönninger, Zions hertz-betrübte und bekümmerende Nachgedanken und Klage über den […] schädlichen hintritt […] des […] Hrn. Philippen von Erberfeld, Duisburg, Johannes Sas, 1709, πr (UB Duisburg ZZXD1086–1,7_d). 183 S. StA Duisburg 81,A, Nr. 72: Salvatorkirche, Beerdigungen 1692–1743, 303; StA Duisburg 81,A, Nr. 94/B39: Salvatorkirche, Beerdigungen 1673–1728, 338; vgl. Bönninger, Zions hertz-betrübte und bekümmerende Nachgedanken, πr. 184 Vgl. Ring 1928; Ring 1930. 185 Arnold Sibel war reformierter Pfarrer in Ringenberg, Mülheim an der Ruhr, Wesel und
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)283
Böninger bezeichnet Gottes Handeln hinsichtlich der ‚Wegnahme‘ dieser für Duisburg wichtigen Person als wunderbar, heilig und gerecht: „Der Post und grosser Stutz von Policeyem wesen/Von Kirch und Schul erlesen/Der war in dieser Stadt, dem Gott das Schwert vertraut“. Böninger preist Erberfelds Würde, Verstand und Weisheit und weist auf seine Leidenswege hin, wobei die Frömmigkeit von Maria Wouters hervorgehoben wird: Ward Ihm ein WOUTERIN ein theurste Frau geraubt Ein Muster das gelaubt. Der From-Gottseeligkeit ein wunder vieler Frauen, Ach! Freunden wollet schauen Wan gleich ein zweyte auch ein RECKIN geht dahin Ein Tugendbild mithin.186
Auch ein Sohn wurde ihm früh genommen, womit Laurentz gemeint sein wird. Das Sterben von Erberfeld (nach „Zion“), der als „Waffen und Wehr“ und „Posten“ (Stütze) bezeichnet wird, wird als negative Vorhersage einer dunklen Zukunft in der traurigen Gegenwart („Sodom“) interpretiert: wie komts dan daß der Herr Der Waffen war und Wehr Nun überwunden ist? Bey diesen trüben Zeiten […] Schlägt Gott die Posten so was will vom Hause werden Es gehet bald zur Erden Hinweg der Gerechte ist und dort in Zion ein Was wird von Sodom seyn.
Obwohl Erberfeld vor einiger Zeit gefürchtet hatte, seine Frau aufgrund von Krankheit zu verlieren, war er es, der seine Frau zurückließ. Erberfelds Brust wurde durch die bittere Kälte geschwächt und seine Kräfte schwanden. Er hatte seinen „Segen flissen lahn“ auf seine Frau und Kinder und hatte sie aufgefordert, Gott zu fürchten und sich ihn immer vor Augen zu halten, damit sie ihn in Ewigheit loben würden.187 Erberfeld, so heißt es weiter, habe während seines Lebens Gott geliebt und wäre angesichts dieser dunklen Zeiten willig gewesen, aus dem Leben zu scheiden. Obwohl er in seinem Leben seine Kinder zu großem Ansehen gebracht hätte, überrage sein himmlisches Erbe das irdische um viele Male: „Wie weit Er hat gebracht sein Kinder und sein Hauß/ Läst sich bey jedem auß/ Hier war Er Erbenfeld. Nun hat Er mehr geerbet/ Kleve, vgl. Forsthoff 1916a, passim; Rosenkranz (Hrsg.) 1958, Bd. 2, 483; J. F. G. Goeters 1993, 250. 186 Bönninger, Zions hertz-betrübte und bekümmerende Nachgedanken, [A1r]–A2r. 187 Bönninger, Zions hertz-betrübte und bekümmerende Nachgedanken, A2r.
284
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Das offne Feld erwerbet./ Das Feld der Seeligkeit die schöne frische Au“.188
Auch Johann Christian Loers (1675–1743)189 und Friedrich Adolf Lampe sollen Trauerschriften für Erberfeld verfasst haben, um seinen „Christl. Wandel“ zu bezeugen. Allerdings sind diese Trauerschriften nicht überliefert.190
5.6.3 Ämter und Streitigkeiten Am 9. Juli 1672 bestellte der Kurfürst von Brandenburg Erberfeld als Adjunkt des Schultheißen (Richters) Dr. Johan Dieterich Müntzen nach Duisburg,191 am 25. November 1675 wurde Erberfeld zum Nachfolger ernannt.192 Am 7. September 1696 wurde Erberfeld auch als brandenburgischer Rat in Duisburg bestallt.193 Als Schultheiß trat Erberfeld, zuweilen zusammen mit einem Bürgermeister und einigen Schöffen, bei der Beurkundung des Verkaufes oder der Vermietung von Immobilien wie Häusern, Gärten und Landstücken auf.194 Weiterhin fungierte Erberfeld als Vermittler zwischen der brandenburgischen Regierung in Kleve und dem Duisburger Stadtmagistrat. 1687 und 1688 wurde ihm unter Berufung auf die Religionsrezesse dreimal befohlen, das Minoritenkloster in Duisburg weiterhin von der Akzise zu befreien.195 Zusammen mit dem Magistrat war Erberfeld für die Jurisdiktion verantwortlich.196 188 Bönninger, Zions hertz-betrübte und bekümmerende Nachgedanken, [A3r]. 1716 verkauften Gerhard Erberfeld, Rutger Eickel, und die Vormünder der Kinder Heinrich Erberfelds ein Stück Land. 1732 verkauften Philip Henrich, Johan Jacob und Maria Magdalena Elisabeth Erberfeld (Kinder Heinrichs) einen Garten mit einem Stück Bauland. Ob sie diese Immobilien von Philipp Erberfeld erbten, ist nicht klar. Vgl. StA Duisburg, Best. 1: Urkunden, 595B, 585A. 189 Vgl. Rosenkranz (Hrsg.) 1958, Bd. 2, 309. Er war 1706–17 Prediger in Duisburg. 190 „Joh. Christ. Loers wehmütige Klage, wie auch Fridrich [sic] Adolf Lampens Gedenkmal der Gottseeligkeit“, vgl. Withof 2008, 382 f. 191 Vgl. GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1631 Versehung des Schultheißen- und Richteramtes zu Duisburg, 2r–11v; LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 24r. Vgl. über die Geschichte der Rechtsverhältnisse und des Gerichtswesens in Duisburg: Roden 1970, 122–140. 192 Vgl. StA Duisburg, 10A/12: Ratsprotokolle 1672–80, unter 25.11.1675. 193 Vgl. GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1131 Bestallung von Räten, 114r–115r. 194 Vgl. StA Duisburg, Best. 1: Urkunden, 592 E, 593, 604, 593 B, 586 A, 593 C, 594, 586, 586 A, 594 A; Best. 92: Duisburg, Pfarrarchiv Liebfrauen, Akten, Abt. 39: Waisenhaus, Nr. 773; Best. 94: Archiv Evangelische Gemeinde Duisburg, Abt. I: Urkunden, 452, 478, 544, 547–550, 553–555, 560, 566, 569, 571, 576, 582–584, 586, 594–595; Abt. II: Akten, 5.6.1683 (Leihung). Urkunde Nr. 569 (August 1695) bezieht sich auf den Verkauf von dreieinhalb Morgen Land am Beumkesweg an Abraham von der Wert durch die Töchter Theodor Undereycks und ihre Ehemänner (Sara Dorothea und Dr. jur. Gerhard von Heerden, Margareta und Werner Köhne [nicht Röhnen, wie angegeben, d. Vf.], Christine Gertrud und Johann Jacob Tissot [s. oben]). Die Urkunde wurde vor Erberfeld, Bürgermeister Heinrich Wintgens, Franz opden Camp, Frederich Finman und Abraham Sthals [sic] aufgestellt. Vgl. für Undereycks Töchter auch Faulenbach 1977/8, 213, auch Anm. 151. S. auch GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1623 Wirtschaftsund Rechtsverwaltung zu Duisburg, 165r. 195 Vgl. StA Duisburg, Best. 92: Duisburg, Pfarrarchiv Liebfrauen, Akten, Abt. 6: Religionsbeschwerden, Nr. 351; Abt. 18: Steuerwesen, Nr. 297, 298.
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)285
Erberfelds Aufgaben erstreckten sich auch auf den Bereich der Universität. Zwei Mitglieder der kurfürstlichen Regierung in Kleve waren Kuratoren197 und Erberfeld war ebenso wie Arnold Gisbert Pagenstecher198 (1615–88), der brandenburgische Resident am Pfalz-Neuburger Hof in Düsseldorf, Mitkurator.199 Die größtenteils noch vorhandenen Akten der Universität, in denen Erberfeld häufig genannt wird, vermitteln einen Eindruck von seiner Stellung und Rolle als Mitkurator der Universität. Er erscheint als Vermittler, zum einen zwischen der klevischen Regierung und dem Senat der Universität (Gesamtheit der ordentlichen Professoren), zum anderen zwischen dem Senat und dem Duisburger Stadtmagistrat.200 Die Themen des wechselseitigen Briefverkehrs201 betreffen unter anderem die Ernennung von Professoren,202 das Curriculum (alle Professoren, insbesondere Professoren der Philosophie, sollten über die cartesianische Philosophie Privatvorlesungen halten),203 die Sitten der Studenten,204 Immobilien205 und Jurisdiktion.206 196 Vgl. StA Duisburg, 10A/157: Holzgedingbuch 1707–89, 22.2.1708, passim; ebd., 10A/159: Protokoll der vom Rat verhängten Brüchten 1630–78, passim; 10A/160: Protokoll der vom Rat verhängten Brüchten 1679–1741, passim. Als Holzgeding bezeichnete man das Gericht, das für geringe Strafsachen zuständig war. Brüchten waren Geldstrafen. 197 1681 waren die Kuratoren Freiherr von Diepenbruch und de Beijer, vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, Visitationsreskripte Bd. 1 (1662–1792), 96r. 198 Vgl. Eisenhart 1887. 199 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 224: Reskripte (1649–1751), 6./16. April 1675. Unter dem 19. Oktober wird die Ernennung Erberfelds verzeichnet. 200 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 308: Kirchliche Angelegenheiten: 1r–4v, 5r–9v; 193: Dekrete (1676–1731), 8r–v, 10r–v, 26r–v. In einigen Fällen wurde Gerhard von Mastricht im Namen des Senats zu dem Schultheißen Erberfeld geschickt, vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 176: Senatsprotokolle 1661–85, 90v–91r, 92r, 102r. 201 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 160: Ernennungen der Professoren aller Fakultäten (1659–1806), 126r; Nr. 176: Senatsprotokolle 1661–85, 78r–79r, 90r– 91r, 91v–92r, 92v–93v, 94r–95r, 96r–v, 100r, 101r–102r, 102r–102v, 103r, 104r–v, 108r–v, 140v, 147v–148v; Nr. 177: Senatsprotokolle 1665–81, 113r–114r, 119r, 120r, 152v, 166r–168v, 173r–179r; Nr. 178: Senatsprotokolle 1681–86, 2, 9 f., 11, 13, 20–23, 26–28, 29, 37, 45, 55, 60 f., 65f, 69–71, 71 f., 82 f., 86 f., 93–96, 114–116, 137 f., 168, 191, 198 f., 203, 206 f., 208–210, 213, 217 f., 236 f., 241, 242, 249, 252 f., 254 f.; Nr. 179: Senatsprotokolle 1697, 13r–20r; Nr. 180: Senatsprotokolle 1702–09, 18r, 43v, 67r–v, 79v, 84v, 85r–v, 86v–87r; Nr. 222: Reskripte (1656– 1742), 16r–18r, 21v, 27r, 29v, 30r–v, 34r; Nr. 223: Reskripte (1685–1739), 26r–v, 32r; Nr. 224: Reskripte (1649–1751), 21r–v, 23r, 27r, 28r, 29r, 32r. 202 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 155: Die Ernennung der Professoren 1655–1764, 31r–v; 160: Ernennungen der Professoren aller Fakultäten 1659–1806, 118r. Vgl. zu den Bediensten: LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 247: Reskripte und Berichte wegen der Bedienten 1658–1750, 10r–v. 203 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 222: Reskripte (1656–1742), 16r– 18r. 204 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 177: Senatsprotokolle 1665–81, 114r (nächtliche Unruhe), 153v (Schultheiß und Stadtrat sollen einen Bürger bestrafen, der mit einem Studenten gestritten hat).
286
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Zuweilen traf die Regierung der Universität auch im Hinblick auf kirchliche Angelegenheiten Anordnungen: Den Professoren wurde aufgetragen, fleißiger zur Kirche zu gehen (1691, 1694), und die Prediger sollten im öffentlichen Kirchengebet auch der Universität und der Professoren gedenken (1691).207 Nachdem Gerhards Bruder Petrus von Mastricht 1670 als Professor der Theologie berufen worden war, befahl ihm die Regierung, auch die wöchentliche Akademiepredigt für die Studenten zu halten.208 Auch an die Bewahrung der Sitten wurde gedacht: Auf Erberfelds Klage hin befahl die Regierung einem in Duisburg weilenden Bruchschneider (Vertreter der niederen Heilkunst), den Sabbat nicht durch Anbieten seiner Waren und durch seine Gaukelspiele zu entheiligen. Außerdem verbot man ihm, seine Spiele vor den Häusern der Professoren durchzuführen (1678).209 Ebenso befahl die Regierung, den Saufereien der Studenten Einhalt zu gebieten.210 Darüber hinaus sollte Erberfeld zusammen mit dem Mitkurator Pagenstecher die jährliche Visitation der Universität durchführen.211 1697 wurde Erberfelds ältester Sohn Heinrich zum Ordinarius der orientalischen Sprachen an der Universität ernannt. In einer Notiz wird darauf hinge-
205 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 153: Briefe der Kuratoren über die Gründung der Universität und ihre Ausstattung, 62r–v, 68r–69v, 186r. Vgl. auch Nr. 145: Vermögensverwaltung und Grundbesitzverwaltung der Universität, Bd. 1: 1671–1739, 36r. 206 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 113: Die Jurisdiktion des Universitätsgerichtes 1665–1773, Nr. 32 (Bevormundung der von Prof. Langenberg hinterlassenen Kinder, 5. Oktober 1677). Der Brief ist nicht mehr vorhanden, wird aber im Index (3v) angegeben. Vgl. ebd., 114a: Repertorium der kurrenten Sachen des Universitätsgerichtes, Bd. 1 (1778 [sic, JvdK]–1807), 51r, 54r, 55r–v, 56r, 57r, 58v, 65r–v, 72r–74v, 76r, 77r, 78r, 79r–80r, 81r–82v, 83r–84v, 85r–86v, 87r, 88v, 90r, 91r, 93r, 94r–95v, 95r–99v, 100r–101v, 102r–103v, 104r–107v, 108r–111v, 112r–115v. Erberfeld trat auch als Anwalt auf, vgl. ebd., 177: Senatsprotokolle 1665– 81, 174r (für Schmits Kinder); Nr. 178: Senatsprotokolle 1681–86, 37 (für Schmits Kinder), 93–96 (für Wittwe Weißbecker und Gymnen Tochter), 198 f. (für die Kinder des Pedellen Ovenius). 1693, 1697 und 1698 trat Erberfeld als Anwalt für zwei Personen aus Alsum auf, vgl. Rommel 1966, 90, 92, 95 f. 207 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 219: Reskripte der Behörden 1655–1737, 49r, 50r–52v. Die Beschuldigung, dass die Professoren kaum den Gottesdienst besuchten, wurde vom Senat als lasterhaft zurückgewiesen, vgl. 65r–67v. 208 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 308: Kirchliche Angelegenheiten (1676–1802), 1r–5r. Der Magistrat führte an, dass die Gemeinde schon drei gute Prediger besäße, und dass er es lieber dabei belassen würde. Er gab aber nach unter der Bedingung, dass sich von Mastricht den Gemeindebeschlüssen nicht widersetzen, sondern sich den anderen Predigern anpassen würde. 209 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 222: Reskripte (1656–1742), 30r–v. 210 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 219: Reskripte der Behörden 1655–1737, 64r–v (3. Aug. 1694), 113: Die Jurisdiktion des Universitätsgerichtes 1665–1773, 87r, 92v (11. August 1695). 211 Vgl. Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 224: Reskripte (1649–1751), 6./16. April 1675; Nr. 250: Visitationsreskripte Bd. 1 (1662–1792), 1r–136v.
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)287
wiesen, dass Heinrich auf Bitte der Kuratoren als Kandidat nominiert wurde.212 Vermutlich war es Philipp Erberfeld, der darauf gedrängt hatte. Die Stellung Erberfelds zwischen der brandenburgischen Regierung einerseits und der Universität beziehungsweise der Stadt andererseits führte zu Spannungen. 1677 bis 1701 war Erberfeld mit dem Senat der Universität in einen Streit um Immunitäten verwickelt. Er wurde beschuldigt, sich in Angelegenheiten des Senats einzumischen, weil er gemeinsam mit dem Magistrat zwei Bürger für die Überwachung des schwachsinnigen Universitätspedellen bestraft hatte. Erberfeld beklagte sich beim Senat darüber, dass man ihn nicht als Kommissar der Universität anerkannte. Der Senat wollte nicht dem Kurfürsten oder dessen Stellvertreter untergeordnet sein.213 Laut Ring war Erberfeld bei den Senatoren der Universität äußerst unbeliebt, weil er unter die eintreffenden Reskripte der brandenburgischen Regierung noch eigene Befehle zu setzen pflegte. Andererseits habe Erberfeld „seinerseits auch über manche kleine Schikanen von seiten der Universität zu klagen“ gehabt.214 Vielleicht ist damit die in diesem Absatz erwähnte Nichtanerkennung als Kommissar der Universität gemeint.215 Auch die Beziehung zwischen Erberfeld und dem städtischen Magistrat war angespannt. Am 29. Oktober 1677 beklagte der Rat gegenüber den Sechzehnern (der Vertretung der Bürgerschaft aus den vier Stadtvierteln), dass Erberfeld Unrecht begangen hätte.216 Erberfeld verteidigte sich am 3. März 1682 vor dem klevischen Hofgericht mit dem Argument, dass die Vorwürfe und der daraus resultierende Prozess maßgeblich auf die persönliche Abneigung einiger Mitglieder des Rates und der Sechzehner ihm gegenüber zurückzuführen sei.217
212 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 160: Ernennungen der Professoren aller Fakultäten 1659–1806, 143r, 145r, 146v. Auf der letzten Seite findet sich die Notiz „der h(erren) curatorenschreiben wegen h(errn) henrich erberfeldt den selben mit auff die denomination zu stellen“. Auf den Seiten 143r und 145r findet sich der entsprechende Befehl der klevischen Regierung an den Senat. Vgl. über die Nomination und Wahl der Professoren: Ring 1920, 76; Roden 1968, 99–101. 213 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 171: Streitigkeiten mit dem Kurator wegen der Immunitäten, Bd. 1: 1677–1701; GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1623 Wirtschafts- und Rechtsverwaltung zu Duisburg, 166r–167v. 214 Ring 1920, 80. Ring nennt keine Quellen. Roden meint, dass es sich um einen Kompetenzstreit zwischen dem Schultheißen und dem Bürgermeister handelt, vgl. Roden 1968, 104. Der Streit, der dort erwähnt wird, wurde aber vom Senat auf der einen und dem Schultheißen beziehungweise dem Stadtmagistrat auf der anderen Seite ausgetragen. 215 Vgl. zu anderen Streitigkeiten, in denen Erberfeld als Mitkurator verwickelt worden war: LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 176: Senatsprotokolle 1661–85, 103r (23. November 1680); 177: Senatsprotokolle 1665–81, 166r, 168r, 173r–179r; Nr. 178: Senatsprotokolle 1681–86, 2, 9–10, 11, 13, 20, 26–29, 37, 45, 55, 60 f., 65 f., 69–72, 82 f., 86 f., 114–116, 191, 203, 206–210, 213, 217f, 236f, 242, 249, 252f, 254 f.; GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 2555 Rechtsstreitigkeiten um Besitz und Geld im Herzogtum Kleve und in der Grafschaft Mark. 216 Vgl. StA Duisburg, 10A/12: Ratsprotokolle 1672–80, 295r. 217 Vgl. StA Duisburg, Best. 1: Urkunden, 183 II.
288
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Aus den Notizen von anderer Hand – wohl vom Anwalt der Gegenpartei – geht hervor, dass Erberfeld vorgeschlagen hatte, die Sache statt vor dem Duisburger Magistrat vor dem klevischen Hofgericht von einem unparteiischen Richter klären zu lassen. Als Richter schlug Erberfeld Gerhard von Mastricht vor, der ihn bereits in anderen Angelegenheiten vertreten hatte, und den er als seinen „familiaristische(n) freund“218 bezeichnete. Entweder wurde Erberfelds Vorschlag vonseiten des Gerichts oder von Mastricht abgelehnt, denn als Erberfelds Anwalt trat Gottfried zum Berge (gest. 1688) auf.219 Der lutherische Anwalt aus Kleve war Anhänger des 1668 in Zwolle entlassenen lutherischen Pfarrers und Kirchenkritikers Friedrich Breckling220 (1629–1711), der seit 1672 in Amsterdam wohnte. 1664 scheinen zum Berge und seine Gesinnungsgenossen sich von der lutherischen Gemeinde in Kleve getrennt zu haben.221 Aus einer anderen Akte geht hervor, dass der Bürgermeister, die Schöffen und der Rat der Stadt Erberfeld des Unrechts und der Missachtung der Privilegien der Stadt beschuldigten.222 Wegen seines unrechtmäßigen Handels sollte er 3000 Goldgulden „zu der Stadt Duisburg zu gemeinen besten zu verwenden“ bezahlen, für die Schändung der Privilegien 100 Mark Lot Gold. Der Prozess kam bis vor das Reichskammergericht in Speyer, wo die Sache im April 1686 verhandelt wurde.223 Um Erberfelds Unschuld zu beweisen, betonte zum Berge Erberfeld Abkehr von Karrieresucht und der Eitelkeit der Welt und verwies auf dessen Vorrede und Approbationen zur zweiten Auflage seiner Übersetzung von Saldenus Kinder-Schule (Frankfurt 1675, s. unten).224 Dieser Hinweis wurde aber damit abgetan, dass die Schrift und die darin geänderte Vorrede abweichende Auffassungen aufzeigen würden.225 Des Weiteren stützte sich der Advokat auf die Ernennung Erberfelds zum Schultheißen durch den Kurfürsten226 und bezog sich auf die Widmung der Übersetzung einer Schrift Joseph Halls vom lutherischen Pfarrer Henning Koch an Erberfelds Eltern und die darin enthaltenen guten Zeugnisse über Erberfeld. Diese Widmung, so behauptete zum Berge, hätte Erberfeld 218
Vgl. StA Duisburg, Best. 1: Urkunden, 183 II, 8c. StA Duisburg, Best. 1: Urkunden, 183 II, 11b; LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 13v., 61r. 220 Vgl. Brecht 1993b, 228–232; Klosterberg/Naschert (Hrsg.) 2011. Breckling hatte auch Verbindungen zu Saldenus, vgl. G. Arnold 1967, 4. 3. 18.93, S. 1097: „Er suchte bey mir [Breckling, d. Vf.] alles zu erfahren und bekommen, was in Deutschland vorgieng und ans licht kam. Und that auch gutes an mir biß an sein ende.“ Breckling hatte Arnold Daten über „Zeugen der Wahrheit“ vermittelt, vgl. ebd., 4. 3. 18, S. 1089. 221 Vgl. Wotschke 1927a; 1927b. 222 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865. 223 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 19r–20r. Vgl. für die Aufnahme des Prozess beim Reichskammergericht: ebd., 2v. 224 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 4r–5r. 225 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 49r. 226 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 24r–v, 29r–v. 219 Vgl.
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)289
erst vor drei Jahren im Nachlass seiner Eltern entdeckt. Die klagende Partei ließ sich durch die Widmung aber nicht überzeugen und bezeichnete die Korrespondenz zwischen Anhängern verschiedener Konfessionen als ungesund.227 Die auf den 13. April 1674 datierte Widmung Kochs hebt Erberfelds auf den Himmel ausgerichtete Gesinnung, seinen Abscheu vor der Eitelkeit der Welt und seinen vorsichtigen Umgang mit ihr sowie seine Nachfolge Jesu hervor.228 Die Stadt blieb bei ihren Anschuldigungen.229 Erberfeld war sich aber keines unziemlichen Handelns bewusst und beklagte, dass sich der Magistrat in seine Angelegenheiten einmischen und ihn von bestimmten Dingen ausschließen würde.230 Die Stadt fügte weitere Beschuldigungen hinzu und behauptete, dass Erberfeld Müntzens Sohn aus der Nominierung für die Ämter des Schultheißen und des Rates hinausgedrängt hätte,231 was Erberfeld bestritt. Er sei vom damaligen Oberminister von Schwerin vorgeschlagen worden und habe sehr vorsichtig gehandelt, um nicht den Schein zu erwecken, dass er Müntzens Sohn verdrängt hätte.232 Außerdem beschuldigte die Stadt den Schultheißen der Anregung einer „neuen religions-sect“, in welchem Zusammenhang sie auf die Vorrede zur zweiten Auflage von Saldenus’ Kinder-Schule hinwies. Noch vor kurzem – vor 1687 – hätte Erberfeld dem reformierten Prediger Johann de Blécourt (ca. 1639–89)233 in Duisburg eine Schrift zugeschickt, worin er andere getadelt und Neuerungen angeregt habe.234 Der Prozess dauerte sicherlich bis 1687 an. Ob es zu einem abschließenden Urteil kam, geht aus den Akten nicht hervor. Die Streitigkeiten führten dazu, dass man nach Erberfelds Tod in der Versammlung des Rates und der Sechzehner am 5. Februar 1709 überlegte, ob der Schultheiß wieder als Beamter im Dienst der Stadt anstatt als Beamter der brandenburgischen Regierung berufen werden sollte.235 227
Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 48v. Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 25r–28v. 229 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 50r, 51r–52v. 230 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 5r–v, 8v, 11r–v, 56r, 58r, 59r. 231 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 48v. 232 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 58r. S. für andere Beschuldigungen: 7r–v, 31r–36v, 53r. 233 Vgl. Rosenkranz (Hrsg.) 1958, Bd. 2, 43. Er heiratete 1673 Anna Elisabeth, Tochter des Duisburger Pfarrers Johann Seemund und Anna Undereyck, vgl. Rotscheidt, 13 (1919), 217; Faulenbach 1977/8, 221, Anm. 221. 234 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 54v–55r. Die Schrift der Stadt Duisburg wurde am 10. Januar 1687 empfangen, 55v. 235 Vgl. StA Duisburg, 10A/14: Ratsprotokolle 1705–19, unter 5.2.1709. Unter anderem Erberfelds Sohn Johann – sich dabei berufend auf eine früheren Zusage des Königs – und Gerhard von Mastrichts Sohn Peter haben sich beim König um das Schultheißenamt beworben. Letztendlich wurde Heinrich Diepenbruck bestallt, vgl. GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1316 Auseinandersetzungen um das Landrichteramt zu Bochum und das Schultheißenamt zu Duisburg, 38r, 53r–79v, 97r–143r; zu Johann Erberfeld: ebd., 55r–56v, 72r–75v; zu Petrus von Mastricht, ebd. 60r–61v. 228
290
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Im Hinblick auf die Toleranz gegenüber anderen Konfessionen und religiösen Dissidenten in der Stadt spielte Erberfeld auch eine wichtige Rolle. Dies betraf erstens die Lutheraner. Hinsichtlich der Frage, ob sie ihre Gottesdienste in der Stadt frei ausüben dürften, gingen die Standpunkte auseinander.236 Erberfeld schrieb in einem Brief vom 16. August 1689 an den Kurfursten, dass es dem Magistrat schon leid genug sei, dass die Papisten geduldet werden mussten. Erberfeld hielt das Recht der Lutheraner in Duisburg auf öffentlichen Gottesdienst für unnötig, da sie ja die Möglichkeit hatten, den lutherischen Gottesdienst in Mülheim zu besuchen. Außerdem werde dadurch die kirchliche Armenversorgung in Duisburg beeinträchtigt und die Gefahr des Eindringens leichtfertiger Sitten erhöht. Schließlich betonte er auch, dass die reformierte Konfession die lutherische überrage: Vors ander, so solt ich unterthänigst erinnern, daß unsere glaubensbekantnis am reinsten nach gottes wort eingerichtet, in der leitung des sunders zu gott, bundtmäßiger und grundtlicher verfähret, und ins gemein dieselbe zu mehrer großmach- und verklärung des höchsten gereichet, wie dan auch ein gewißen weere, alle ziehmende mittel anzuhalten, wodurch andere zur mitannahme der wahrheit mögten veranlaßet werden, das wiedrige folglich vorsichtig zu scheuwen, und ihr liebereich abzulehnen, als platzfinden zu laßen.237
Zweitens wendete Erberfeld sich gegen den römischen Katholizismus in der Stadt. Im Jahr 1692 verhaftete Erberfeld den Vikar des Observantenklosters in Ürdingen und Seelsorger der Duisburger Minoritenpfarre P. Berghaus, der in einer Predigt die römisch-katholische Lehre gegen einen zum Protestantismus konvertierten Priester verteidigt hatte.238 Die römisch-katholische Gemeinde wuchs nach 1700 stark an, weshalb man eine Schule bauen wollte. Der Stadtrat wehrte sich dagegen, der Vertreter der Regierung verhielt sich passiv. Kaum war das Gebäude fertiggestellt, ließ die klevische Regierung am 17. Februar 1706 durch den Duisburger Amtmann den Minoriten unter Androhung einer Geldstrafe die Abhaltung des Unterrichtes verbieten.239 Anzunehmen ist, dass Erberfeld als Ver-
236 Vgl.
GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1628 Kirchenverwaltung zu Duisburg, 23r–24v, 51r–54v; Nr. 8961: Freie Religionsausübung der lutherischen Gemeinde zu Duisburg, unter 13. u. 25.10.1703; Wrampelmeyer 1887, 7–9; Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, 96, 100; ebd., Register unter „Lutheraner“. 237 Vgl. GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1628 Kirchenverwaltung zu Duisburg, 56r–58v, das Zitat: ebd., 57r–v. 238 Vgl. Opladen 1940, 27–29. Vgl. für den Fall eines zum Protestantismus bekehrten Kapuziners im Jahr 1700: ebd., 32, 115, Anm. 52. 239 Vgl. Opladen 1940, 48 f. 1711 verbot der Duisburger Bürgermeister die feierlichen Begräbnisse römisch-katholischer Einwohner durch den Geistlichen der Pfarrei. Vorher hatten der Schultheiß und der Magistrat sich oft an diesen Leichenzügen beteiligt, vgl. Opladen 1940, 46. Man fragt sich, ob Erberfeld dies auch getan hat.
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)291
treter der Regierung in Erscheinung trat; der Duisburger Amtmann war vermutlich der Drost von Dinslaken.240 Drittens setzte Erberfeld sich im Jahr 1705 mit einem religiösen Dissidenten, der sich in Duisburg aufhielt, auseinander. Im Februar und März sowie im Oktober und November des Jahres hielt der separatistische Pietist Ernst Christoph Hochmann von Hochenau (1670–1721) Versammlungen in Duissern bei Duisburg ab.241 Ein dabei anwesender Sohn des Schultheißen, vermutlich Daniel, Gerhard oder Abraham, entgegnete dem zur Ausweisung von Hochmann gesandten Stadtdiener, dass er schweigen und zuhören soll. Nach vergeblichen Versuchen zwei weiterer Stadtdiener ging man zum Schultheißen, der sich weigerte, Gewalt anzuwenden. Er vertrat die Ansicht, dass man Sauf-, Fress- und Spielparteien zerstören sollte und nicht diejenigen, die Gottes Wort verbreiten möchten.242 Weil Hochmann dem Befehl des Magistrates nicht nachkam, ließ dieser ihn am 14. November vom Konsistorium verhören. Obwohl das Konsistorium erkannte, dass Hochmann für die wahre Lehre über die Rechtfertigung und die Heiligung eintrat, stelte man sich gegen Hochmanns Ablehnung der kirchlichen Gnadenmittel und des geordneten Predigtamts und auch gegen seine ablehnende Haltung gegenüber einer gemischten Gemeinde von Wiedergeborenen und Unwiedergeborenen.
5.6.4 Das Verhältnis zur Duisburger Kirchengemeinde Am 18. Dezember 1675 reichten Philipp Erberfeld, Maria Wouters und ihre Schwester Sara ihre Zeugnisse der Kölner Gemeinde bei der reformierten Gemeinde in Duisburg ein.243 In der Gemeinde gab es reformiert-pietistische Tendenzen. Dies geht aus der persönlichen Gesinnung der Kandidaten und Pfarrer, die der Gemeinde dienten, hervor. 1680 bis 1683 war Reiner Copper einer der Pfarrer, 1689 bis 1693 Johann Peter Graff, der anschließend an die St. Martinigemeinde in Bremen berufen wurde, 1703 bis 1706 Bernhard Meyer244 (1657– 240
241
832.
242
Duisburg gehörte zum Drostenamt Dinslaken, vgl. Roden 1970, 125. Vgl. für die nächsten Absätze Renkewitz 1969, 196, 198–202; Goebel 1992, Bd. 2, 826–
Vgl. Goebel 1992, Bd. 2, 830. Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 2, 133. 244 Meyer wurde in Huchting bei Bremen geboren, studierte 1682 bis 1683 in Duisburg und war Pfarrer in Urdenbach, Mülheim an der Ruhr, Duisburg und Elberfeld, vgl. Hesse 1931; J. F. G. Goeters 1993, 273. Mit Goeters (kontra Hesse) kann man ihn dem reformierten Pietismus zurechnen, da er gründliche Abendmahlsvorbereitungen ausführte und Erbauungsversammlungen organisierte. Meyer versuchte innerhalb der Kirche seine Reformbestrebungen zu realisieren und kehrte sich deshalb gegen den Separatismus und gegen bestimmte Irrlehren wie die Verachtung der Heiligen Schrift und des öffentlichen Gottesdienstes. Aus Meyers Ablehnung radikaler Ansichten leitet Hesse zu Unrecht ab, dass Meyer nicht dem reformierten Pietismus zugehörte, sondern schlicht ein orthodox-reformierter Pfarrer war. Unter den Paten bei der Taufe von Meyers Kindern begegnet man auch Gerhard von Mastricht, Johann le Brun und den Gräfinnen von Leiningen, vgl. Hesse 1931, 146. 243
292
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
1730), 1706 bis 1709 Friedrich Adolph Lampe.245 Mit Meyer und Lampe stand Erberfeld sicherlich in engerem Kontakt. 1683 war er Pate bei der Taufe eines Sohnes von Meyer, die in Urdenbach stattfand.246 Unter dem Titel „Gedenkmal der Gottseligkeit“ verfasste Lampe eine Trauerrede zu Ehren Erberfelds. Auch in den Themen, die während der Sitzungen des Konsistoriums besprochen wurden, lassen sich die Reformbestrebungen erkennen.247 Am 5. und am 9. Oktober 1676 erschien der Schultheiß Erberfeld vor dem Konsistorium und forderte dazu auf, dem kurfürstlichen Mandat, Petrus von Mastricht eine wöchentliche Akademiepredigt halten zu lassen (s. oben), zu gehorchen. Nach mehreren Gesprächen zwischen dem Konsistorium und dem Magistrat gab das Konsistorium Mitte November schließlich nach.248 Am 12. Juni und am 10. Juli 1680 übergab Erberfeld zusammen mit den anderen Erben des Testamentes von Christine von Rinck, Witwe von Reidt, dem Kirchmeister Obligationen.249 Von Reidt hatte einen Teil ihres Vermögens der Kinderschule, den armen Witwen und der Marienkirche vermacht. Weil man auf Schwierigkeiten stoß, musste Gerhard von Mastricht die Gelder durch einen Prozess einholen.250 1680 kam Reiner Copper (s. oben) nach Duisburg, der seit 1670 Pfarrer in Isselburg war. Wegen seiner scharfen Kirchenkritik wurde er 1673 von der klevischen Provinzialsynode suspendiert, aber danach wieder restituiert. 1674 wurde er Prediger der Äbtissin Elisabeth von der Pfalz in Herford, 1667 Pfarrer in Mülheim an der Ruhr. Copper war der Meinung, dass es in der Duisburger Ge245 S. StA Duisburg, 41,55: Pfarrerbuch der evangelischen Gemeinde Duisburg; Schaffner/ Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, 234. Lampe übte in Duisburg eine strenge Kirchenzucht aus, vgl. Goebel 1992, Bd. 2, 412–417. 246 Vgl. Hesse 1931, 146. 247 Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 2, Register unter „Fastnachtsleben, heidnisch, gottlos, papistisch“, „Verkleidungen, närrische, der Studenten“, „Vermahnungspredigten“, „Visitation, Hausvisitation“, „Fluchen“, „Gasthaus (Wirtschaften) in Dbg.“; „Gesellen, junge, Aufzüge (Umzüge)“, „Gottesdienststörung d. Studenten“, „Gotteslästerung“, „Hurerei“, „Hurenhändel“, „Hurenkinder, Magistrat soll Vater ermitteln“, „Karrenfahren der Müller am Sonntag“, „Kartenspiel“, „Kinderlehre versäumen“, „Kirchendisziplin“, „Kirchmeßpredigten, alter Sauerteig des Papsttums, eingestellt“, „Komödienspielen“, „Müller, Fastnachttreiben“, „Orgel, eitle Lieder der Studenten“, „Sabbath-Entheiligung“, „Spiele: Dobbeln, Karten-, Kegeln, Klotzwerfen, Ticktacken, Wasserbaden, Würfeln … Verbot“, „Spielen, Fressen, Saufen an Sonn- und Festtagen“, „Tanz“, „Unzucht“, „Wollust“; ebd., Bd. 3, Register unter „Aberglaube, heidnische Torheiten“, „Abgötterei, Gespensterbeschwörung“, „Alteste … – Aufsicht unter den Predigten in Wirtshäusern usw.“, „Ballet, öffentl.“, „Begräbniszechen“, „Faßnacht“, „Visitation, Haus-“, „Fluchen“, „Himmelfahrt, Christi und Mariens, Gaukelspiel b. d. Pfaffenkirchen“, „Hurenkinder“, „Hurenwirte“, „Hurerei“, „Kartenspiel“, „Kirchenzensur“, „Kirchenzucht“, „Kirchmeß in Duissern“, „Pfingstzeit, kein Spielen, Tanzen“, „Predigt, Unwesen vor und unter der“, „Sabbath“, „Säufer, Ermahnung“, „Sonntagsheiligung“, „Tanzerei“, „Wirtshäuser“, „Wirtshausbesuch“, „Zensur der Huren“. 248 Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 2, 139–142. 249 Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 2, 158. 250 Vgl. Withof 2008, 340.
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)293
meinde eine allgemeine Gottlosigkeit gab und weigerte sich deshalb, Zeugnisse auszuteilen, selbst wenn die Konsistorialen das makellose Verhalten der betreffenden Personen bezeugten. Darüber hinaus versagte er einem Kind die Taufe, wollte sich der Ordnung des Konsistoriums, der Klasse und der Synoden nicht unterwerfen und er weigerte sich, die Formulare für die Taufe und die Abendmahlsfeier zu benutzen. Weihnachten 1682 weigerte er sich, das Abendmahl auszuteilen, und er verbot seinen Kollegen, für ihn das Sakrament zu spenden. Daraufhin wurde eine Kommission, bestehend aus Konsistorialen und Duisburger Theologieprofessoren, einberufen. Copper wurde 1683 mit Zustimmung der klevischen Regierung abgesetzt. Die Frage, ob Erberfeld sich in diese Angelegenheit einmischte und auf welcher Seite er stand, kann anhand der vorliegenden Quellen nicht beantwortet werden.251 Im Rahmen der Ermittlungen gegen Copper wurden Anfang 1683 die von Gerhard von Mastricht herausgegebene Neuauflage der Piscatorbibel und ein von ihm herausgegebener Katechismus mit dem Labadismus in Verbindung gebracht.252 Der Katechismus trägt den Titel Entwurf der christlichen Religion und Lebens in etlichen Kinder-Übungen, über den Brief Pauli an Titum, wie Eltern die Kinder in der Gottseligkeit unterweisen sollen (Duisburg 1681).253 Neben den Übungen für Kinder enthält die Schrift Unterweisungen und Vorbereitungen des Predigers Cornelius Hochepieds (1625–57) zum nützlichen und rechten Gebrauch des Heiligen Abendmahls und einen Bericht über das christliche und gottselige Fasten des Puritaners Henry Scudder (gest. 1652). Sowohl die Bibel als auch der Katechismus wurden von Deputierten der Generalsynode untersucht. Bewunderer des Katechismus werden mit Anhängern von Copper und Befürwortern einer Separation gleichgesetzt und man beschuldigt sie, den Heidelberger Katechismus unvollkommen zu achten, weil dieser nicht genug vom Bund und dessen Verleugnung rede. Zweitens hätten sie didaktische Bedenken gegenüber dem Heidelberger Katechismus. Obwohl der neue Katechismus sich nicht ausdrücklich gegen die orthodoxe Lehre richte, sondern als rechtsinnig ausgelegt werden könne, hätte der Verfasser die Schrift besser nicht oder erst nach Revision der theologischen Fakultät zu Duisburg heraus251 Vgl.
GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 8331: Druck einer Bibel und eines Katechismus durch den Prediger Copper [sic], 1r–17r; Goebel 1992, Bd. 2; 361–364; W. Schmidt 1941; Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 2, Register unter „Copper“; J. F. G. Goeters 1993, 269. 252 Vgl. dazu im Allgemeinen GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 8331: Druck einer Bibel und eines Katechismus durch den Prediger Copper [sic], 17r–32v. Vgl. auch Rosenkranz/Humburg (Hrsg.) 1966–1970, Bd. 1, 195 f., § 25–26. 253 Vgl. T. Ahrens 1962, 182. Eine Auflage aus dem Jahre 1716 ist erhalten geblieben: Entwurff der christlichen Religion und Lebens, in etlichen Kinder-übungen fürgetragen (Hanau, Johann Jacob Beausang, 1716). Auf dem Titelblatt werden nur Mastrichts Initialen angegeben („G V M.“). Hochepied war in der wallonischen Gemeinde in Köln getauft worden, war Prediger in der niederländisch-reformierten Gemeinde in Köln und in den Niederlanden, vgl. Lieburg 1996a, 215; Lieburg 1996b, Bd. 1, 98.
294
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
geben sollen. Die Deputierten kritisierten die Aussage des Katechismus, wonach uns Menschen das Gesetz gegeben worden wäre, um uns durch dessen Einhaltung das ewige Leben zu verdienen, die Abweichung von der Ordnung und den klaren Formulierungen des Heidelberger Katechismus und den vielfachen Gebrauch scholastischer Unterscheidungen. Als Gegenmaßnahme entschloss man sich zur Herausgabe einer Anleitung zum Heidelberger Katechismus für Kirchen, Schulen und Familien in den vier Herzogtümern.254 Erberfeld wurde vom Kurfürsten am 4. Februar 1683 aufgetragen, dem Verleger und Drucker zu befehlen, die Bibel nicht weiter zu drucken und zu verkaufen, bis die Deputierten der Synode sie examiniert und approbiert hätten.255 Die Drucklegung wurde von den Predigern Theodor Stock, Lucas Loers und Johann de Blécourt überwacht.256 In der Duisburger Gemeinde gab es seit 1669 Konventikel unter Aufsicht eines Pastors. Später wurden diese gemäß den Beschlüssen der Generalsynode des Jahres 1674 reguliert. Für das Jahr 1681 lassen sich heimliche Zusammenkünfte in Privathäusern nachweisen, die jedoch vom Presbyterium zerschlagen wurden. In Abstimmung mit dem Magistrat wurden verschiedene öffentliche Versammlungen in den Kirchen an Werktagen einberufen. 1684 kam es zu privaten Zusammenkünften unter der Leitung Gerhard von Mastrichts ohne Beisein von Pastoren oder Ältesten. Dieser Sachverhalt wurde auf der klevischen Synode besprochen und man griff auf die Beschlüsse der Generalsynode zurück. Die Synode verordnete, dass jeder Pastor seiner Gemeinde anbieten sollte, einmal in der Woche im Pfarrhaus oder in der Kirche zu einer Versammlung zusammenzukommen.257 Dass Erberfeld auch an Mastrichts Versammlungen teilgenommen hat, ist aufgrund ihrer Freundschaft und ihrer übereinstimmenden Gesinnung höchstwahrscheinlich. Von Juli 1698 bis Juni 1699 war Erberfeld in Streitigkeiten mit dem Konsistorium verwickelt.258 Der Grund dafür war, dass das Konsistorium über einen Prokurator Zensuren verhängt hatte, was Erberfeld wohl aus Kollegialität zu dem Prokurator kritisierte. Dieser Konflikt verdeutlicht die unterschiedlichen Positionen des Konsistoriums und Erberfelds hinsichtlich der Freiheit der rö254 Vgl.
GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 8331: Druck einer Bibel und eines Katechismus durch den Prediger Copper [sic], 20r–23r. 255 Vgl. GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 8331: Druck einer Bibel und eines Katechismus durch den Prediger Copper [sic], 29r–v. 256 Vgl. GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 8331: Druck einer Bibel und eines Katechismus durch den Prediger Copper [sic], 20v. Vgl. auch W. Petri (Hrsg.) 1981, 88, 91, Anm. 15. Fälschlich wird hier Petrus von Mastricht als Autor angegeben. 257 Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 2, 179 f., 192; J. F. G. Goeters 1993, 272–274. 258 Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, 8, 86, Anm. 102. Die Angaben in der Anmerkung, Erberfeld sei in Köln geboren und 1765 Resident in Amsterdam gewesen, stimmen nicht. Vgl. auch ein Fall aus 1691, wo das Konsistorium Erberfeld bat, als Schultheiß gegen eine Person ein Verfahren wegen eines nicht erfüllten Eheversprechens einzuleiten, ebd., 20 f.
5.6 Brandenburgischer Schultheiß und Rat zu Duisburg (1675–1709)295
mischen Katholiken in der Stadt. Der Streit entbrannte, als das Konsistorium den Prokurator Peter Büteführ259 für den Vater eines unehelichen Kindes hielt und ihn aufforderte, bei der Taufe dieses Kindes zu erscheinen. Büteführ behauptete, nicht der Vater des Kindes zu sein, und kam der Aufforderung nicht nach. Das Konsistorium verhängte eine stille Zensur über ihn. Am 13. Dezember 1698 drohte Erberfeld mit einer Geldstrafe von 25 Goldgulden für jedes Mitglied des Konsistoriums bei weiterer Zensur von Büteführ. Das Konsistorium wehrte sich gegen Erberfelds Drohung und bestritt dessen Macht über das Konsistorium, da dieser nicht auf Befehl des Kurfürsten handelte. Das Konsistorium verfasste eine Klageschrift an den Kurfürsten, die folgende Beschwerden über den Schultheißen enthielt: Erberfeld greife in die Kirchenzucht ein, gestatte einem römisch-katholischen Schulmeister das öffentliche Erteilen von Schulunterricht und erlaube römisch-katholischen Leuten wider den Willen des Magistrats, in Duisburg zu wohnen, zumal sie nicht in der Lage seien, sich selbst zu ernähren, und deshalb der Stadt schaden würden.260 Ende Dezember 1698 bat der Kurfürst Friedrich III.261 (1657–1713) das Konsistorium, mit dem Verfahren gegen Büteführ zu warten. Das Konsistorium antwortete dem Kurfürsten, dass Erberfeld ihn falsch unterrichtet hätte, und kein widerrechtlicher Exkommunikationsprozess gegen Büteführ eingeleitet worden wäre. Im April 1699 kam die klevische Regierung zu dem Schluss, dass das Konsistorium die Schranken seines Amtes überschritten hätte. Pfarrer Christof Flemmich wandte sich nun mit einer Beschwerdeschrift gegen Erberfeld an die klevische Synode (Juni 1699) mit der Bitte, bei der Regierung zu vermitteln, wozu die Synode ihre Zustimmung gab.262 Über den weiteren Verlauf des Verfahrens gibt es keine Nachricht.
259 Büteführ trat auch als Advokat in Gerichtsverfahren der Universität Duisburg auf, vgl. u. a. LA NRW, Abt. Rheinland, Universität Duisburg, 179: Senatsprotokolle (1697), 36r, 37r, 37v (1697); 180: Senatsprotokolle 1702–09, 10r, 52v, 54r, 57r (1702–04). 260 Auf der klevischen Synode 1698 hatte die Klasse Duisburg sich gegen die Stiftung einer römisch-katholischen Schule in Duisburg gewehrt. 1706 spendete der preußische König sogar einen beträchtlichen Geldbetrag für den Bau einer römisch-katholischen Schule in Duisburg, vgl. W. Petri (Hrsg.) 1981, 254, 249 f., Anm. 37., 255. 261 Von 1688 bis 1701 war er Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, ab 1701 bis zu seinem Tod 1713 König Friedrich I. von Preußen. König Friedrich I. strebte genauso wie sein Vater, der Große Kurfürst, nach konfessioneller Irenik zwischen den Lutheranern und den Reformierten. Seines Erachtens stimmten die zwei Konfessionen im Wesentlichen miteinander überein. Er kehrte sich gegen die öffentliche Ausübung der römisch-katholischen Religion, auch hat er keine konkreten Maßnahmen dagegen eingeleitet, vgl. Frey 1984, 134–143. 262 Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, 81–92; W. Petri (Hrsg.) 1981, 251, 254, 259, Anm. 26. S. zu Flemmich: Rosenkranz (Hrsg.) 1958, Bd. 2, 135. Vermutlich ist er der Briefpartner der hessischen Landgräfin Hedwig Sophie aus dem Jahre 1683, der mit Undereyck in Verbindung stand, vgl. HStaMa 4a, 52,31: Hedwig Sophie: Korrespondenz mit Theologen (1677–83).
296
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Im Zusammenhang mit dem Fall Büteführ steht vielleicht auch eine Klage Erberfelds vom 22. Mai 1701263. Er beschuldigte den Pfarrer Johann von Dorth (1645–1705), in einer Predigt am 7. Mai („ad praeceptum septimum“) behauptet zu haben, dass die Eheschließung eines Kollegen – von Erberfeld? – unzulässig sei. Erberfeld wies Dorth auf eine Vereinbarung mit dem preußischen König hin. Dorth versprach, künftig nicht mehr davon zu sprechen, und sich des Friedens zu befleißigen.264 Erberfeld trat auch als Förderer von Schulen und Kirchen in Erscheinung. 1678 stiftete er gemeinsam mit Gerhard von Mastricht dem zu Duisburg gehörigen Dorf Duissern eine Schule. Diese Schule sollte Jugendlichen und Erwachsenen dienen: Hier sollten sie Predigten rekapitulieren und andere christlichen Übungen durchführen.265 Seit 1700 förderte Philipp Erberfeld die Schule in Wanheim, das zur reformierten Gemeinde Duisburgs gehörte.266 1700 wurde mit einem Legat Anna Böningers geborene Retzer, Witwe des Üedemer Pfarrers Heinrich Böninger (1639–80), in Wanheim eine Schule gegründet, weil die Einwohner Wanheims ihres Erachtens ohne Erkenntnis und Gottesfurcht waren. Ihr Vetter Hermann Böninger (s. oben), der Duisburger Universitätsnotar- und sekretär Theodor Cyriaci und Philipp Erberfeld verwalteten die Schule. Schon seit einigen Jahren hatten der Duisburger Magistrat und Erberfeld sich um die Gründung einer Schule in Wanheim bemüht, indem sie Kollekten in Köln und Kleve sammelten und Gaben beisteuerten. Vermutlich war Böninger von Erberfeld über die Pläne zur Errichtung einer Schulmeister- und Predigerstelle unterrichtet worden, wofür sie mit einem Legat einen Beitrag leistete. Erberfeld selbst kaufte am 27. Januar 1705 eine verfallene Kate in Wanheim für 325 Reichstaler als Schulplatz. Da der Bau der Schule insbesondere durch die großzügigen Spenden der Familie Erberfeld ermöglicht werden konnte, erhielt sie das Recht, den Schulmeister zu ernennen, der bei Vakanz eines Predigers 263
S. Rosenkranz (Hrsg.) 1958, Bd. 2, 101. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, 102 f. Mit dem Kollegen kann sowohl ein Kollege von Dorths als auch ein Kollege Erberfelds gemeint sein. Im letzten Fall wäre es möglich, dass Büteführ heiraten wollte, aber eben nicht die Mutter des erwähnten unehelichen Kindes, sondern eine andere Frau. Wenn dem so ist, dann könnte mit der Vereinbarung mit dem König die Bitte des Königs gemeint sein, mit dem Verfahren gegen Büteführ zu warten. Vgl. über Dorth: Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, Register unter „Dorth, Johann von“. Die Vereinbarung mit dem König könnte mit der Intervention des preußischen Königs im Jahr 1701 beim Bischof von Münster für Dorths Frau, die in einen Gerichtsprozess verwickelt worden war, zusammenhängen vgl. GStAPK, 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1628 Kirchenverwaltung zu Duisburg, 3r–4r. 265 Vgl Withof 2008, 339. Vgl. auch Roden 1968, 183. Mastricht übertrug das Patronatsrecht über die Schule nach Erberfelds Tode dem Pfarrer Johann Christian Loers, vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 4, 145, 351. Vgl. ebd., Bd. 3, 180. 266 Vgl. für die folgenden Absätze StA Duisburg, Best. 41: Handschriften, 291: Evangelische Schule Wanheim-Angerhausen, 1 f. 264 Vgl.
5.7 Religiöse Bekanntschaften297
sonntagnachmittags katechetisieren sollte. Es gelang dem Schultheißen, das Gehalt und die sonstigen Zulagen des Schulmeisters deutlich zu erhöhen.267 Die Witwe von Erberfelds Sohn Johann hinterließ 1724 ein Legat von 800 Reichstalern, wovon die Hälfte der Wanheimer Schule zukam, die andere Hälfte den Duisburger Hausarmen.268 1730, zwei Jahre vor ihrem Tod,269 vermachte Philipp Erberfelds Witwe Christina Magdalena Keller verschiedenen Instanzen und Personen umfangreiche Legate.270
5.7 Religiöse Bekanntschaften Im Herbst 1677 traf sich Erberfeld dreimal mit dem Quäkervertreter William Penn271 (1644–1718), der mit einigen Freunden eine Missionsreise durch Deutschland machte, und unter anderem den Niederrhein besuchte. In jedem Ort, in den sie kamen, suchten sie nach Personen mit einer gewissen religiösen Aufgeschlossenheit. Dabei stießen sie oft auf Angehörige der reformierten Frömmigkeitsrichung und auf Pietisten aus den höheren sozialen Schichten.272 Über Köln, wo die Quäker David von Enden und Justus Dozem begegneten, kamen sie zu Gerhard von Mastricht in Duisburg.273 Auch versuchten sie, Gräfin 267 Nach dem Tode Philipp Erberfelds führte sein Sohn Heinrich die Aufsicht über die Schule. 1711 wollten er und seine Brüder die Verwaltung der Duisburger Klasse und dem Ministerium übertragen, vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, 174. Über die Verwaltung der Wanheimer Schule informieren die Akten von 1711 bis 1721: s. ebd., 173, 174 f., 177 f., 204 f., 205f, 208, 209, 228–231. 1718 übertrug Gerhard Erberfeld aus Kleve die Verwaltung der Schule mit allen dazugehörigen Rechten dem Duisburger Presbyterium, weil die Erben verstorben waren oder auswärts wohnten. Nur Heinrich wohnte noch in Duisburg, aber auch er wollte auf die Verwaltung verzichten. 268 Vgl. Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, 229, Nr. 4, 230 Ad Nr. 4; Bd. 4, 22 f., 33– 38, 108, 202, 215–217, 350. Vgl. StA Duisburg, Archiv der Evangelischen Gemeinde, II: Akten, B: Gemeindeverwaltung, V d: Schenkungen und Vermächtnisse, Nr. 1a: Johann Christian Loers, der das Professorenamt antrat, übertrug die Verwaltung der Schenkung für die Duisburger Armen durch die Witwe Erberfeld 1718 an (Johann) Rochol (1669–1737), den ältesten Prediger der Stadt. 269 Vgl. StA Duisburg. Nr. 71 (Kopie; 94/B39 [Original]), 1673–1728 Beerdigungen; 388. 270 Sie vermachte der reformierten Gemeinde zu Bislich für den Unterhalt des Predigers 200 Reichstaler, der Salvatorkirche zu Duisburg 100 Reichstaler. Die Marienkirche, die deutsche Schule auf dem Klöppelmarkt und die Schule zu Wanheim erhielten je 100 Reichstaler unter der Bedingung, dass der Wanheimer Schulmeister vom Duisburger Konsistorium erwählt werden sollte. Der neu angelegten reformierten Schule zu Roskaten, Bensberg genannt, vermachte sie 50 Reichstaler, dem Waisenhaus zu Duisburg und der Diakonie zu Duisburg 100 Reichstaler, vgl. StA Duisburg, Archiv der Evangelischen Gemeinde Duisburg, II: Akten, B: Gemeindeverwaltung, X: Schulangelegenheiten, Nr. 627; Schaffner/Löhr (Hrsg.) 1964–1990, Bd. 3, 231; Kleinholz (Hrsg.) 1979, 149–154. 271 Vgl. Geiter 2004. 272 Vgl. Gorissen 1979; Penn 1981. Vgl. für Penns Darstellung seines Aufenthaltes am Niederrhein: Penn 1981, 456–468, 489–493. 273 Vgl. Gorissen 1979, 196. Penn 1981, 456 f., 505, Anm. 118. Außerdem hatte ein aus Bre-
298
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
von Dhaun-Falkenstein, vermutlich Charlotte Auguste (1637–1713), zu treffen, was ihr Vater Wilhelm Wyrich274 (s. 3.5) verhinderte. Übrigens heiratete Charlotte Auguste 1686 den Prediger Arnold Sibels (s. oben). Mit dieser unstandesgemäßen Ehe löste sie einen Sturm der Entrüstung innerhalb ihrer Verwandtschaft aus.275 Am 13. September besuchten die Quäker Mastricht erneut, der ihnen Erberfeld empfahl, „whose wife & sister more especially, were seeking after the best things“.276 Mit der Schwester wird nicht eine Schwester Erberfelds, sondern seine Schwägerin Sara gemeint sein. Am 28. September erfolgte ein zweiter Besuch bei Erberfeld. Penn bemerkte, dass der Schultheiß ihn freundlich empfing, und dass Erberfeld und dessen Familie eine positive Wirkung auf seinen Geist hatten. Allerdings hätten das Vertrauen von Erberfelds Frau und deren Schwester abgenommen. Der Grund dafür war Erberfelds Angst vor Schwierigkeiten mit dem Grafen Wilhelm Wyrich wegen des Umgangs mit Penn in des Grafen Territorium. Bei der nächsten und letzten Begegnung am 3. Oktober stellte Penn fest, dass das Vertrauen der Frauen wiederhergestellt war. Penn war von Erberfelds Gottseligkeit überzeugt: „his pure tender life appeared for our justification, & pleaded our innocent cause in their consciences“.277 1678 war Friedrich Breckling bei Erberfeld zu Gast. Breckling unternahm eine Reise von Holland nach Frankfurt, um Spener zu treffen, doch er musste seine Reise in Köln abbrechen. Er besuchte viele Fromme am Niederrhein. Über Kleve (Gottfried zum Berge) und Wesel (Johann von Stockum, Thomas von Wylich und Abraham Schüller) reiste er nach Duisburg, wo er am oder nach dem 13. März (st.n.) Erberfeld besuchte, „dessen Frau und Schwester [wohl Sara Wouters, d. Vf.] feine gottsuchende Leute waren“. Von Duisburg reiste er weiter nach Düsseldorf (Herr Holterhof, Neander) und Köln, wo er unter anderen Dozem, David van den Enden und Johann le Brun begegnete, den Breckling als men stammender Duisburger Student in Herford den Quäkern Mastricht empfohlen. Gorissen zufolge war dieser Student Heinrich Zobel, vgl. Gorissen 1979, 201, Anm. 17. Es handelt sich um Nikolaus’ Sohn (s. 3.6). S. Lehsten 2003, Bd. 2, 354. Vgl. auch Penn 1981, 444. Vom 18. bis zum 20. September desselben Jahres besuchte Penn Bremen, weil er durch einen in Herford weilenden Bremer Kaufmann auf einen frommen Bremer Geistlichen, vermutlich Undereyck, hingewiesen worden war. Undereyck schlug ein Gespräch aber aus, vgl. Engelsing 1961, 11; Penn 1981, 443, 484 f. 274 Vgl. J. F. G. Goeters 2012, 33–36. 275 Vgl. G. Jansen 1941, 31, 42. 276 Vgl. Gorissen 1979, 197, 199; Penn 1981, 465. An diesem Abend besuchte auch Joachim Neander mit einem Prediger („a School-master of Dusseldock, & withal a minister“) aus Mülheim an der Ruhr Penn bei Erberfeld zu Hause, vgl. Penn 1981, 465; A. Deppermann 2002, 250. Gorissen 1979, 201, Anm. 20 vermutet, dass es sich um Arnold Sibels oder Reiner Copper handelt. Vgl. auch Forsthoff 1916a, 293–297. 277 Vgl. Penn 1981, 492.
5.7 Religiöse Bekanntschaften299
Erberfelds Schwager identifizierte.278 Breckling stand auch mit Gerhard von Mastricht in Verbindung.279 Erberfeld schrieb unter dem Pseudonym „Teutsch-Lieb“ ein „Auffmunterungs-Madrigal“ zu Joachim Neanders Liedbuch Glaub- und Liebesübung, das 1680 erschien. Eine Predigt Undereycks in seiner Heimatstadt Bremen hatte die Bekehrung des damaligen Studenten ausgelöst. 1674 bis 1677 war er Rektor der reformierten Lateinschule in Düsseldorf. Im Februar des letzten Jahres wurde ihm das Abhalten von heimlichen Versammlungen vom Presbyterium der reformierten Gemeinde verboten. Im Mai 1679 wurde er als Hilfsprediger an St. Martini in Bremen berufen. Am 31. Mai 1680 starb er.280 Bereits zuvor waren einige Gesänge ohne Neanders Zustimmung gedruckt oder von anderen Vorlagen falsch abgeschrieben worden.281 Das Gedicht richtet sich gegen „den mißgünstigen Neider und lästernden Tadelegern“: WAs saget doch der Neidhard nun? Es pflag ihm weh zu thun, Wan ein Lied nur mit seiner süssen Weise, Belieb’t und vielmahl abgeschrieben, Gemachet, daß auch viele musten lieben Den man so gern verachtet sahe. Nun kommen ihrer viel in Druck! Wo bleiben nun der Feinde Tück? Nach Neider Dunckel-witz Wers besser nachgeblieben. Laß Tadel-gern das Lästern sein, Halt deinen Geister ein. Nicht soviel gibt doch Herr Neander drumb! Es könte Socrates dem Esel wol verzeyen, Der Ihn mit Koth besprützte.282
Ende 1680 oder Anfang 1681 verhandelte Erberfeld auf Kosten des Bremer Ratsherrn Weyert Hoppe und des Eltermannes Hinrich Meyer mit dem Weseler Pfarrer Jakob Lehnhoff283 (ca. 1635–1700) über eine Berufung an die Bremer St. Stephanigemeinde.284 In dieser Gemeinde sollte ein neuer Pfarrer gewählt werden. Zu den drei nominierten Kandidaten schlug der eine Flügel der Gemeinde auf Undereycks Empfehlung den Weseler Pfarrer vor. Im Zuge dieser Wahl kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem orthodoxen Flügel und der 278
Vgl. Wotschke 1927c, 9–11. Vgl. Wotschke 1933, 184, Anm. 1; 1935, 184–186. 280 Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 261–267; Ackermann 2005, 25–85. 281 Joachim Neander, Glaub- und Liebes-übung: auffgemuntert durch einfältige Bundes-Lieder und Danck-Psamen, Bremen, Hermann Brauer, 1680, A5v. 282 Neander, Glaub- und Liebes-übung, [A6v]. 283 Vgl. Rosenkranz (Hrsg.) 1958, Bd. 2, 298. 284 Vgl. Koster 2004, 314–333, dort 314; Mai 1979, 243–251, dort 244. 279
300
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Partei Undereycks, die erst 1682 zugunsten der orthodoxen Partei endeten. Erberfeld wird in Bremen, gegebenenfalls durch de Hase, bekannt gewesen sein. Dass die Bremer sich an Erberfeld wandten, ist ein Indiz dafür, dass sie ihn als Gesinnungsgenossen Undereycks und Lehnhoffs betrachteten. Schließlich ist Erberfelds Verbindung zum reformierten Pietisten Samuel Nethenus (1628–1707) zu erwähnen. Der aus Rees stammende Pfarrer studierte in Harderwijk in den Niederlanden, war Rektor in Batenburg in Ravenstein (1648–50), Pfarrer in Baerl bei Moers (1650–83) und in Gulpen (1683–91) und zuletzt Hofprediger in Birstein (1691–7).285 Er setzte sich sehr für Hausvisitationen und Katechisationen ein. Seine Kritik am Zustand der Kirche verschärfte sich immer mehr. In Baerl reichte er bei der Klasse Reformprogramme mit Vorschlägen zur Intensivierung der Sabbatheiligung, der Kirchenzucht und der Katechisation ein. Liturgische Formulare änderte er nach eigenem Ermessen ab. Weil er meinte, dass viele der Teilnehmer des Abendmahls unwürdig wären, warnte er sie immer stärker, riss die Entscheidungsgewalt über den Ausschluss vom Abendmahl an sich, und sah Ende 1682 völlig von der Austeilung des Abendmahls ab. 1683 wurde Nethenus seines Amtes enthoben. 1696 entließ man Nethenus auch aus dem Amt des Hofpredigers in Birstein. Daraufhin verfasste er eine Verteidigungsschrift mit dem Titel Apologia netheniana (1697), die er Mastricht, Dozem, Buchfelder (s. 3.5), Erberfeld, Frederik van Houten286 (1662–1711), Prediger in Oudega, vormals in Emden, und den Kaufleuten Jakob Meinertzhagen (s. oben) und Ludwig Jörgens287 aus Köln widmete.288 Als Grund für die Widmung nennt er die Freundschaft zwischen ihnen und die gemeinsamen Ansichten hinsichtlich kirchlich-theologischer Grundsätze, auch wenn ihm bewusst war, dass die Widmungsempfänger nicht alle Aspekte seiner Polemik teilten. Bei Mastricht, Erberfeld und Meinertzhagen, so Nethenus, sei er oft zu Besuch gewesen, und sie hätten häufig über den Verfall der Kirche geklagt und erbauliche Gespräche geführt.289
5.8 Guiljelmus Saldenus, Der Weg des Lebens (1667) 5.8.1 Einleitung 1667 erschien Erberfelds erste Übersetzung eines niederländischen reformierten Erbauungsbuches, eine Schrift von Saldenus.290 Ob sich Erberfeld zu die285
Vgl. Kamp, J. van de 2016b. Vgl. Rooijen 2013. 287 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1990, Personen- und Ortsverzeichnis unter „Jörge(n)s, Ludovicus, zu Wermelskirchen“. 288 Vgl. Nethenus, Apologia netheniana …, *2r. Jörgens wird auch auf S. 507v. erwähnt, zusammen mit Nucella. 289 Vgl. Nethenus, Apologia netheniana, *2r–*4r. 290 Vgl. über Erberfelds Saldenus-Übersetzungen, End 1991, 263–265. 286
5.8 Guiljelmus Saldenus, Der Weg des Lebens (1667)301
sem Zeitpunkt noch in Berlin aufhielt, ist unbekannt. Der vollständige Titel der Übersetzung lautet Der Weg des Lebens oder kurtze und einfältige Unterweisung von der Natur und Eigenschafften der wahren Kraft der Gottseeligkeit. Allen Scheinheiligen zur schamröthe, und den aufrichtigen Christen zur nöhtigen aufmunterung. Verfasset durch Wilhelmus Saldenus; Dieners des heiligen Evangeliums in der Gemeine zu Delfft. Jetzund verteutscht zur aufmunterung der verfallen teutschen Gottseeligkeit. Die Schrift erschien bei Casparus Commelinus in Amsterdam. Aus der Schrift geht nicht hervor, dass Erberfeld ihr Übersetzer war. Da in den Jahren 1669 und 1675 Saldenus-Übersetzungen von Erberfeld bei Commelinus erschienen (s. unten), ist vermutlich auch diese Schrift eine Übersetzung Erberfelds. Eine Ausgabe erschien bei „Johan Janson von der Arck“ in Kopenhagen.291 Es könnte sich hier um den Amsterdamer Verleger Johannes Janssonius den Jüngeren handeln, der in verschiedenen europäischen Städten verlegte, darunter Bremen und Kopenhagen.292 Guiljelmus Saldenus (1627–94) studierte in Utrecht unter Voetius und Johannes Hoornbeeck Theologie und war reformierter Pfarrer in Renswoude (1649–52), Kockengen (1652–55), Enkhuizen (1655–64), Delft (1664–77) und Den Haag (1677–94). 1682 verlieh ihm die theologische Fakultät in Utrecht die theologische Ehrendoktorwürde. Saldenus war ein Anhänger der Nadere Reformatie.293 Das Original erschien zum ersten Mal 1657 in Enkhuizen. Bis 1666 erschienen sechs Auflagen.294 Aus seiner Vorlage, vermutlich der Auflage von 1665, hat Erberfeld die Widmung und die Gedichte, die dem Text vorangehen, sowie das Inhaltsverzeichnis nicht übernommen.295
5.8.2 Inhalt In der Vorrede informiert der Übersetzer den Leser über das Motiv seiner Übersetzung: die Belebung der verfallenen Gottseligkeit in Deutschland, damit auch dieses Land lerne, zwischen dem heuchlerischen Schein und der wahren Kraft der Gottseligkeit zu unterscheiden. Einige Textstellen, die Erberfeld nicht an291
Pietas-Nummern: Commelinus: P01037247; Janson von der Arck: P01037248. die Angaben zu Janssonius in STCN. Falls der Verleger tatsächlich Janssonius der Jüngere war, wäre es möglich, dass Petrus Serrarius (siehe 4.22.1) eine vermittelnde Rolle zwischen Erberfeld und dem Verleger gespielt hat. Serrarius war 1626 bis 1628 Prediger der wallonischen Gemeide in Köln, hatte Verbindungen zum Weinhändler Cornelis van Maestricht, vermutlich dem Onkel oder Großvater von Gerhard (vgl. Tellingen, 148 f.), und war Korrektor von Janssonius dem Älteren in Amsterdam, vgl. Wall 1987, 39, 63 f. 293 Vgl. End 1991. 294 S. Pietas. 295 S. Guiljelmus Saldenus, De wech des levens, of, kort en eenvoudigh onderwys, van de natuer en eygenschappen van de ware kracht der godsalicheyt, Utrecht, Jacob van Doeyenborgh, 1665, A3r–[A10v], [2E11v]. 292 Vgl.
302
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
gemessen ins Deutsche übersetzt hatte, konnte er aus verschiedenen Gründen nicht mehr überarbeiten.296 Die Bibelstelle, die der Schrift zugrunde liegt, ist 2. Tim. 3,5: „Welche haben einen schein der Gottsäligkeit, aber die krafft derselbigen verleugnen sie.“297 Das Buch beginnt mit einer Beschreibung des Scheins der Gottseligkeit. Ein Mensch, der sich in diesem Zustand befindet, besitzt keine wahre Gottseligkeit. Seine Gottlosigkeit gibt er nicht öffentlich preis. Vor den Augen der Welt befasst er sich mit der Betrachtung einiger äußerlicher Tugenden. Die Kraft der Gottseligkeit im Allgemeinen ist das Gnadenwerk Gottes, wodurch der ganze Mensch in seinem Innern stetig dazu veranlasst wird, das Böse zu unterlassen und das Gute zu tun. Es folgen ausführliche Beschreibungen und Analysen einzelner Eigenschaften der Kraft der Gottseligkeit mit Bezug zum alltäglichen Leben. Ebenfalls dargelegt werden unterschiedliche Gebrechen nebst möglichen Ursachen und geeigneten Gegenmaßnahmen. Überzeugung (der Scheinheiligen oder Sorglosen), Ermahnung (der mangelhaften Gläubigen) und Selbsterforschung, um herauszufinden, in welchem geistlichen Stande man sich befindet, sind in Bezug auf das alltägliche Leben von besonderer Bedeutung. Zunächst werden die Merkmale, welche der Übung der Gottseligkeit vorausgehen, besprochen: die heilige Verzweiflung über die eigene Fähigkeit, Seligkeit zu erreichen, die Erkenntnis der Pflichten der Gottseligkeit, der innerliche Anfang der Gottseligkeit, die Bereitwilligkeit zu heiligen Betrachtungen und schließlich der Geist des Gebets, durch den man vor Gott die eigene Gebrechlichkeit preisgibt, um Gottes gnädige Hilfe zu erhalten. Die Merkmale, welche die Übung der Gottseligkeit begleiten, sind das Leben des Glaubens, durch das man sich allein Jesus Christus und der Seligkeit zuwendet mit dem Vertrauen, dass alles, was man tut, Gott angenehm ist, und von ihm gesegnet und belohnt wird, das Vergnügen an gottseligen Übungen, die Betrachtung der Vollkommenheit, die Geistlichkeit des Herzens, wodurch man sein Herz ganz auf Gott ausrichtet, sowie die völlige Übergabe an Gott in der Übung der Gottseligkeit, wodurch man bereit ist, um der Ehre Gottes willen alles zu tun, zu lassen und zu erleiden. Schließlich werden die Früchte der Gottseligkeit behandelt: ein heiliges Leben mit Gott, geistliche Freude in der Gemeinschaft mit Christus, eine besondere Liebe zu den Gottseligen aufgrund ihrer Gottseligkeit, Ekel vor der Gemeinschaft der Gottlosen, die Verachtung aller erlaubten irdischen Dinge im Hinblick auf die himmlischen Dinge und das Verlangen ewiger Herrlichkeit. Zum Schluss werden einige Trostgründe für diejenigen genannt, die aus ihrer Sorglosigkeit erwacht und aufgrund ihrer Gebrechen bekümmert sind. 296 Vgl. Guiljelmus Saldenus, Der Weg des Lebens, Amsterdam, Casparus Commelinus, 1667, *3r–*4v. 297 Vgl. Saldenus, Der Weg des Lebens, Amsterdam 1667, 1.
5.8 Guiljelmus Saldenus, Der Weg des Lebens (1667)303
5.8.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Undereyck zitierte Saldenus’ Wech des levens vierzehnmal.298 Das Hauptthema vom Weg des Lebens ist die Kraft der Gottseligkeit, die anhand ihrer Eigenschaften und im Vergleich mit dem Schein der Gottseligkeit dargestellt wird. Diese Darstellung dient der Überzeugung der Scheinheiligen und Sorglosen und der nachdrücklichen Ermahnung der schwachen Gläubigen. Einzelne Aspekte, die thematisiet werden, sind die Bestrafung der Redseligkeit unter vielen Zuhörern der Predigt,299 das Ablehnen der Bindung an und des ausschließlichen Gebrauches von Formulargebeten,300 die Bekämpfung der vom Papsttum übriggebliebenen Abgöttereien wie Kirchmessen und Fastnacht301 und die Ablehnung von Streitigkeiten über Verbote für den Ruhetag des Herrn.302 Genannt und zitiert werden Autoren der Antike, die Kirchenväter, mittelalterliche Theologen (Bernhard von Clairvaux, Jean Gerson, Thomas von Kempen), Reformatoren, Theologen der reformierten Orthodoxie sowie zeitgenössische Theologen des englischen Puritanismus. Erberfeld hat seine Vorlage nach der bedeutungsorientierten Methode übersetzt. Zuweilen ließ er ganze Sätze aus, gelegentlich unterliefen ihm beim Übersetzen Fehler, zum Beispiel übersetzte er im folgenden Satz das Wort „Steenen“ (Steine) mit „seufftzen“. NL 45: Sy kunnen wel cierlijcke Steenen, ja Pilaren wesen vande sichtbare kerck DE 38: Sie können wol zierlich seufftzen, ja Seüler seyn der sichtbahren Kirchen
Erberfeld hat einige Gedichte303 übersetzt, wobei er sowohl bedeutungsorientiert als auch interpretationsorientiert vorging: NL 639: Wech! dan vreughde van de Aerde, Wech! vergulde nietigheyt; 298 Vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 1:19, 39, 118–121,141–143; Tl. 2:17, 33 f., 63–65, 94– 95, 108–109; Tl. 3: 78, 158–160, 198 f., 246 f., 316 f. Vgl. End 1991, 266. 299 Vgl. Saldenus, Der Weg des Lebens, Amsterdam 1667, 148 f. 300 Vgl. Saldenus, Der Weg des Lebens, Amsterdam 1667, 171 f., 185 f. Die äußerliche Zierde des Gebetes wird mit einem Zitat des Erasmus abgelehnt: „Er kehret sich daran nicht, sagt Erasmus, wan das Hertz nur aufricht ist.“ Am Rand findet sich das lateinische Zitat: Ne solœcismis quidem offenditur, modo mens sit sincera. Erasm. „de modo orandi“, vgl. ed., 180. Dieses Zitat findet sich auch in Deusings Übersetzung von Teellincks Soliloquium (s. 4.4.2). 301 Vgl. Saldenus, Der Weg des Lebens, Amsterdam 1667, 376. 302 Vgl. Saldenus, Der Weg des Lebens, Amsterdam 1667, 412. Gleichzeitig fordert der Autor dazu auf, die Übungen, die an diesem Tag geboten sind, auszuführen, vgl. ebd. Mit einem Verweis auf A treatise of the sabbath and the Lords-day (1636, nl. Übs. 1659) – „Primerose tractat. de Sabb.“ – muntert er dazu auf, gewöhnliche Arbeiten an dem Tag zu unterlassen, damit der ganze Tag zum Gottesdienst benutzt wird, vgl. ebd., 414. Es scheint merkwürdig zu sein, dass Saldenus, der stark durch den Puritanismus beeinflusst worden war, sich auf diese Schrift beruft, hat doch Primerose die puritanische Sabbatauffassung und -praxis bestritten, vgl. Hof 2005d, 157. Jedoch stimmte Primerose in dieser Auffassung mit der puritanischen Sabbatpraxis überein. 303 Vgl. zu Saldenus’ Gedichten: End 1991, 236–251.
304
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
’t Hemels is vry meer van waerde Als uw’ sotte ydelheyt: Daer is lachen sonder treuren, Daer is suyker sonder roet: ’s Hemels-vreught sal eeuwigh dueren, Daer ghy haest verdwijnen moet. DE 546: Weg! du Freüd des Erdgewimmels Weg! vergülte Nichtigkeit. Grösser ist die Freüd des Himmels, als dein süsse304 Eitelkeit. Da ist lachen sonder trauren, Da ist Freüde ohne Leid. Diese Freüd wird ewig dauren, Du verschwind’st in kurtzer zeit.
Die Phrase „suyker sonder roet“ wird interpretiert als „Freüde ohne Leid“, die übrigen Zeilen sind gemäß der bedeutungsorientierten Methode übersetzt. Namen von am Seitenrand erwähnten niederländischen Buchtiteln übersetzte Erberfeld ins Deutsche. Den Verweis auf die Niederlande formulierte er in einen Verweis auf Deutschland um.305 An einer Stelle ließ er einen niederländischen Ausdruck am Rand stehen.306 Einige Male fügte er Erklärungen hinzu.307 An vielen Stellen nahm er am Seitenrand Anmerkungen zu den Übersetzungen der Bibelstellen auf, indem er die unterschiedlichen Übersetzungen mit dem Grundtext oder miteinander vergleicht (Luther, Piscator, Junius, niederländische Statenvertaling [1637]) und die Wahl für eine Übersetzung begründet.308 Auch weist er an einer Stelle am Rand auf „Herm. Hugonis Gottsfürchtige Seelen Begierde“ hin. In der niederländischen Fassung wird an dieser Stelle Thomas von Kempen zitiert.309
5.8.4 Editionsgeschichte 1687 erschien eine gemäß der von Saldenus verbesserten niederländischen Fassung von 1682 überarbeitete Neuauflage der deutschen Übersetzung bei Salomon Kürßner (s. K. 4) in Kassel. Auf dem Titelblatt präsentiert der Übersetzer sich folgendermaßen: „ins Hoch-Teutsche übersetzet und zum Druck befordert 304 Entweder hat Erberfeld „sotte“ (töricht) missverstanden oder er hat sich in die Perspektive des eitlen Menschen versetzt. 305 Vgl. NL 253 – DE 210. 306 NL 286: „hebbense ’t Avondtmael soo by hoy en by gras eens gebruyckt“ – DE 239: „wan sie das Abendmahl so überhin einmahl gebracht haben“. Im Rand: „By Hop en by Gras“. 307 Vgl. NL 384 f. – DE 321; NL 388 – DE 325 im Rand. 308 Vgl. z. B. NL 22 – DE 19, NL 119 – DE 100. 309 Vgl. NL 343 – DE 321 f. In der niederländischen Fassung steht: O insani & infideles corde, qui tam profunde in terris jacent, ut nil nisi carnalia sapiant. Dieses Zitat stammt aus Thomas von Kempens Imitatio, I. 22.4.
5.9 Guiljelmus Saldenus, Christliche Kinder-Schule (1669)305
Durch Einen, der so viel an ihm ist, mit Jederman Friede Hält“.310 Der Verfasser der Vorrede, vermutlich der Verleger,311 schreibt, dass das Buch dazu dient, zu überprüfen, ob man die wahre Gottseligkeit oder nur deren Schein besitzt, und ob man dementsprechend das ewige Leben erwarten darf. Den Gottseligen ist die Übersetzung zur Stärkung verfasst worden. Außerdem hat die große Nachfrage nach der Schrift zu der Übersetzung gemäß der Neuauflage des Originals angeregt.312 Wie bei der Erstauflage wurde auch hier interpretationsorientiert übersetzt.313
5.9 Guiljelmus Saldenus, Christliche Kinder-Schule (1669) 1669 erschien bei Jacob Köhler in Bremen eine zweite Saldenus-Übersetzung, und zwar die Schrift Christliche Kinder-Schule.314 1675 erschien eine Neuauflage bei Georg Müller315 in Frankfurt. Von beiden Auflagen ist kein Exemplar bekannt.316 Das Original war die im Jahr 1668 veröffentlichte Schrift Christelijke kinder-school onderwijsende de jonge jeugd in de eerste beginselen soo van de leere der waarheyd, als voornamentlijk van de ware betragtinge der godsaligheyd (Christliche Kinderschule, welche die junge Jugend in den ersten Anfängen der Lehre der Wahrheit und besonders der wahren Betrachtung der Gottseligkeit unterrichtet). 1669 erschien die zweite Auflage des niederländischen Originals.317 310 Saldenus, Der Weg des Lebens, Kassel, Salomon Kürßner, 1687 (Pietas P01037249), π1r. Aufgrund dieser Informationen könnte der Übersetzer auch Johann Feinler (1609–90) aus Hesberg in Francken, später Pfarrer in Gleina im Freyburg, sein, der verschiedene Bußschriften und Erbauungsbücher verfasst hat, s. VD17. 311 Der distanzierte Ton, in dem der Verfasser über das nochmalige Übersetzen schreibt, weist in diese Richtung: „das ist, neben der vielen Nachfrage die Ursache, warumb diß Buch, nach dem Exemplar, das vom Authore selbst Anno 1682. verbessert herauß kommen, vom neuen übersetzt und so viel möglich, gantz deutlich und klar ins Hoch Teutsch gegeben“, Saldenus, Der Weg des Lebens, Kassel 1687, π3v. 312 Saldenus, Der Weg des Lebens, Kassel 1687, π3r–v. 313 Vgl. Saldenus, De wech des levens, of kort ende eenvoudig onderwijs van de natuur en eygenschappen van de ware kragt der godsaligheydt, Rotterdam, Marcus van Rossum, Reynier van Doesborgh, 1682 (Pietas P98018656); ders., Der Weg des Lebens, Kassel 1687. 314 Vgl. zu Köhler: Reske 2007, 126. Am 2. April 1669 verteilte Köhler an die Mitglieder des Ministeriums der reformierten Kirche in Bremen ein Exemplar des „Catecheseos à Guillielmo Saldeno Belgicè editum et ab an(o)nymo habitu Teutonico ornatum“ mit der Bitte, durch sorgfältige Lektüre zu prüfen, ob man es den frommen Hausvätern und -müttern („apud pios patres et matres familiâs“) empfehlen könnte. Das Ministerium versprach Köhler, die Schrift zu prüfen, vgl. StA Bremen 2-T. 2.b. 4.c: Akten des Ehrwürdigen Ministeriums (venerandum ministerium), Bd. 3, 9 f. 315 Vgl. Benzing 1977, 1222. Müller verlegte 1678 zwei Schriften des Hugenotten Phillipe de Mornay (1549–1623). 316 Vgl. Georgi 1966–1967, Tl. 4, 9. 317 S. Pietas.
306
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Auch wenn man nicht weiß, ob Erberfeld den Inhalt des Originals in seine Übersetzung unverändert übernahm, wird hier der Inhalt des Originals aufgegriffen, um Einblicke in die Thematik zu ermöglichen. Anhand des Originaltitels wird ersichtlich, dass die Schrift aus zwei Teilen besteht. Der erste Teil behandelt die orthodox-reformierte Glaubenslehre, der zweite die Betrachtung der Gottseligkeit. Die Zusammenstellung der Schrift macht ihren Schwerpunkt klar. Während der erste Teil 32 Kapitel enthält, ist der zweite Teil mit 88 Kapiteln fast dreimal so umfangreich. Dieser zweite Teil enthält eine Definition von Gottseligkeit, deren Notwendigkeit hervorgehoben wird. Demnach ist sie sowohl in diesem als auch nach diesem Leben von großem Nutzen. Gottseligkeit entsteht durch die Erkenntnis unserer selbst, unserer Sündhaftigkeit, Verdammungswürdigkeit und durch das Bekenntnis dieser Schwächen sowie aus der Erkenntnis unseres Unvermögens und der Erkenntnis Christi. Christus soll man in seiner Allgenugsamkeit und Bereitwilligkeit kennenlernen. Dies alles läuft auf die Rechtfertigung (K. 16) und die Heiligung hinaus. Die Ausführungen über die Heiligung füllen die restlichen 62 Kapitel. Dieses Lehrstück bildet folglich den Schwerpunkt des zweiten Teils. Die Früchte des Glaubens sind: die Lust, Gott zu dienen, und die Fähigkeit dazu. Die Norm der Gottseligkeit ist nicht unser eigenes Urteil, sondern Gottes Gesetz. Die Gottseligkeit drückt sich in uns in der Verleugnung unseres Willens aus, was sich im Kreuztragen und in der Nachfolge Christi zeigen soll. Ebenso zeigt sich wahre Gottseligkeit im Gehorsam gegenüber Gottes Willen. Dazu soll man geistliche Wache halten. Zu dieser Wache gehören der geistliche Gebrauch und die Applikation von Gottes Wort auf sich selbst, die Ausführung der Pflichten der Gottseligkeit und das Abwehren von Dingen, die der Gottseligkeit hindernd im Wege stehen. Gehorsamkeit gegenüber Gottes Willen erfordert das Üben verschiedener Gebetsarten (Stoßgebete, Seufzer, Gebete bei besonderen Gelegenheiten), die Danksagung, die Übung des Glaubens (die Versicherung aus der Schrift, dass alles was man tut, Gott gefällt, das feste Vertrauen auf Gottes Hilfe in allem, was man nach seinem Wort tut, die Übergabe aller Dinge an Gott), die Hoffnung (die Versicherung der Beharrlichkeit in etwas, das man geistlich angefangen hat), die christliche Liebe zu Gott und seinem Nächsten, das Wachstum in der Gnade, unter anderem durch den Gebrauch der Sakramente, die geistliche Erfahrung und das christliche Sterben. Bei der Behandlung aller dieser Aspekte werden jeweils hilfreiche Mittel und Hindernisse thematisiert.318
318 Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school onderwijsende de jonge jeugd in de eerste beginselen soo van de leere der waarheyd, als voornamentlijk van de ware betragtinge der godsaligheyd, Utrecht, Jacob van Doeyenborgh, 1668.
5.10 Guiljelmus Saldenus, Die Krafft des Abendmahls (1669)307
Es gibt viele Elemente, die Saldenus’ Zugehörigkeit zur niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung belegen: die Betonung, dass es in der Kirche Heuchler gibt,319 die Frage nach der Aufrichtigkeit des Bekenntnisses der eigenen Sündhaftigkeit und Verdammungswürdigkeit,320 die Unterscheidung zwischen der Bekümmernis von Gottseligen und Gottlosen,321 die Widerlegung der Behauptung, dass alle, die sich rühmen, gläubig zu sein, tatsächlich Glauben besitzen, und die Angabe von Kennzeichen, anhand derer man sich prüfen kann,322 die Behauptung, dass Gerechtfertigte ihre Nächsten übertreffen sollen, obwohl dies Hass hervorruft,323 die Rede von der „angst der weder-gheboorte“,324 die Darstellung des üblen Exempels vieler Bekenner der Wahrheit als etwas, das der Gottseligkeit hindernd im Wege steht,325 die Betonung der Notwendigkeit der Selbstprüfung seiner Sünden und seines sündigen Herzens,326 die Hervorhebung des Gegensatzes zwischen natürlicher und buchstäblicher sowie empfindlicher und geistlicher Kenntnis der Schrift,327 die Unterscheidung zwischen Predigern, die die göttlichen Dinge verstehen, und Predigern, die diese auch selbst erfahren haben.328 Im Konflikt der Düsseldorfer reformierten Gemeinde um den reformiertpietistischen Prediger Hermann Steenhuysen in den Jahren 1669 bis 1673 spielte Saldenus’ Katechismus eine zentrale Rolle. Anzunehmen ist, dass die Gemeindemitglieder Saldenus’ Katechismus wegen seiner Betonung der Heiligung, der Unterscheidung zwischen Schein und Sein und des Verständnisses der Wiedergeburt als ängstliche Erfahrung als anstößig empfunden haben (s. 8. 2. 22).
5.10 Guiljelmus Saldenus, Die Krafft des Abendmahls (1669) 5.10.1 Widmungen und Vorrede 1660 erschien Saldenus’ Geestelijk avondtmael. 1664 erschien eine Neuauflage. Im gleichen Jahr wurde eine überarbeitete Fassung unter dem Titel De kracht des avontmaels herausgegeben. 1669 erschien bei Casparus Commelinus329 in Amsterdam eine deutsche Übersetzung dieser Fassung, Die Krafft des Abendmahls. 319
Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school, 31 f. Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school, 61. 321 Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school, 68. 322 Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school, 73–81. 323 Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school, 90; vgl. ebd., 168. 324 Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school, 102. 325 Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school, 111. 326 Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school, 116–119. 327 Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school, 184 f. 328 Vgl. Saldenus, Christelijke kinder-school, 190. 329 Vgl. Ledeboer 1872, 24. 320
308
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Aus dem Original übernahm der Übersetzer nur die Widmung an Budens,330 die andere Widmung sowie die Gesänge ließ er aus.331 Das Werk beginnt mit der Widmung des anonymen Übersetzers an Philipp Hack und dessen Frau Maria Meinertzhagen. Berücksichtigt man die Adressierung und die Autorschaft der Vorlage, ist es sehr wahrscheinlich, dass Erberfeld die Schrift ins Deutsche übersetzte. Die Übersetzung, so heißt es in der Widmung, ist eine Danksagung an das Ehepaar für die Gastfreundschaft während eines geschäftlichen Aufenthalts des Übersetzers im vergangenen Jahr. Dieser Aufenthalt dauerte länger als der Übersetzer vorausgesehen hatte. In diesem Zeitraum hat er die Schrift übersetzt. Das Ehepaar hat das dazu Benötigte beigesteuert. Zwar, so weiter die Widmung, kann der Übersetzer nur soviel geben wie er kann, doch bei nächster Gelegenheit wird er soviel geben wie er soll. Er hofft, dass die Übersetzung dem Ehepaar zum Trost und zur Heiligmachung gereichen wird.332 In der Vorrede gibt der Übersetzer Hinweise zur Übersetzung der in der Schrift zitierten Bibelstellen. Wenn möglich hat er die Lutherübersetzung wegen ihres allgemeinen Gebrauchs benutzt. Für die jeweilige Bibelstelle im Original hat er jeweils die angemessenste Übersetzung ausgesucht. Deswegen hat er auch die niederländische Statenvertaling („als ohn dem die beste“) und die PiscatorÜbersetzung herangezogen. Erberfeld schließt die Vorrede mit folgender Mitteilung ab: […] erwarte bey dessen [Gottes, d. Vf.] Hülfe, mit der Zeit, von diesem und anderen frommen, geistreichen Männern noch andere Werklein, ob vielleicht der Gerechte Gott so barmhertzig seyn wolte, daß in dieser sichern [vermessenen, d. Vf.] und ekeln Welt, noch ein- und anderer bey diesem oder jenen etwas Geistrührendes antreffe, daß ihm zu beständig besser und tähtlicherer Erkäntnüß und Hochachtung des teuren Verdienstes JEsu Christi bringen mögte.333
In der sich anschließenden Widmung, die Saldenus an Frederick Budens, den ehemaligen Schöffen und Rentmeister zu Bergen op Zoom, richtet, verteidigt der Verfasser die Herausgabe einer neuen Schrift über das Abendmahl mit der Behauptung, eine andere Methode gebraucht zu haben. Der vor vier Jahren entstandene erste Teil („vom Geistlichen Abendmahl“), so der Verfasser, ist jetzt um einen zweiten erweitert worden, so dass nicht nur der aus dem Abendmahl fließende Trost, sondern auch die Heiligung behandelt wird. Saldenus schreibt in einfacher, gut verständlicher Sprache und verzichtet auf tiefsinnige Ausführungen. Für letztere verweist er auf Teellinck, Arthur Hildersam, [Charles] Drelin330 Vgl. Saldenus, De kracht des avontmaels tot troost en heyligmaking van Gods kinderen, Utrecht, Jacob van Doeyenborgh, 1664 (Pietas P98018677), A2r-A6v. 331 Vgl. Saldenus, De kracht des avontmaels, A7r–v, [G2v]–[G5v]. 332 Vgl. Saldenus, Die Krafft des Abendmahls, Amsterdam, Casparus Commelinus, 1669 (Pietas P01037243), (?)2r–v. 333 Vgl. Saldenus, Die Krafft des Abendmahls, Amsterdam 1669, (?)3r–v, das Zitat auf (?)3v.
5.10 Guiljelmus Saldenus, Die Krafft des Abendmahls (1669)309
court, [Pierre du] Moulin [den Älteren/Jüngeren], Jeremiah Dyke und Simon Simonides sowie auf die zweite Auflage von Hermannus Tegularius’ (1605–66) Schrift-matige proeven van een oprecht christen (2. Aufl.).334 Saldenus beschränkt sich in seiner Schrift auf Schwierigkeiten in Bezug auf den Gebrauch des Abendmahls.335
5.10.2 Inhalt Der Text beginnt mit der These, dass alle religiösen Pflichten zwei Zwecken dienen: der Ehre Gottes und dem geistlichen Nutzen des Menschen. Der erste Zweck ist der höchste, der zweite ist ihm untergeordnet. Basierend auf dieser Annahme behandelt der Autor die Kraft des Abendmahls, Trost und Heiligung zu erwecken. Zunächst beschreibt er die geistliche Freude, die aus dem Abendmahl resultiert. Diese Freude wird als besondere Frucht des Abendmahls bezeichnet. Sie ist nicht äußerlicher, sondern von geistlicher, innerlicher Natur und führt zum klaren Sehen und Verstehen der Vortrefflichkeit von Christi Leiden, zu einer größeren Zufriedenheit des Herzens in der Gemeinschaft an den allgenugsamen Verdiensten Christi und zur vollkommenen Ruhe des Gemüts im Gehorsam gegenüber dem gehorsamen Christus. Nur diejenigen, die tatsächlich bekehrt sind, können dieses Trostes teilhaft werden. Gewöhnlich empfindet niemand diese Freude außer denjenigen, die sich gut auf das Abendmahl vorbereitet haben. Die Freude wird gewöhnlich nicht von Menschen empfunden, die in einem beunruhigten Zustand sind, sondern von denen, die zufrieden sind. Sie wird niemals in einem gleichen Maß von allen Christen empfunden. Die Freude ist nicht gebunden an die Zeit, in der man das Abendmahl genießt, und kann auch wesentlich später gefühlt werden. Ebenso kann einem rechten Christen diese Freude völlig fehlen, auch wenn er das Abendmahl mit rechter Frucht empfangen hat. Die Freude ist kein wesentlicher Teil des Abendmahls und ist nicht auf absolute, sondern auf konditionale Weise allen Teilnehmern versprochen. Außerdem ist sie nicht die einzige Frucht des Abendmahls. Zur Erlangung der Freude soll man einiges unterlassen und einiges tun. Man soll es vermeiden, sich in Äußerlichkeiten so zu verlieren, als sei es ein Mittel zur geistlichen Freude. Die Tatsache, dass man sich angemessen auf das Abendmahl vorbereitet, ist keine Garantie, dass man es auch mit Freude genießen kann. Während des Abendmahls soll man nicht über die eigenen Sünden nachdenken oder beunruhigt sein. Ebenso ist es zu vermeiden, die geistliche Freude 334 „das kurzgefaste, außbündige, und sehr Schrifftmässige Werklein meines sehr werten, und ehrwürdigen Mit-Arbeiters D. Herman Teglers, unterm Titel, Schrifftmässige Proben eines aufrechten Christens, voraus der zweyte Druk“, Saldenus, Die Krafft des Abendmahls, Amsterdam 1669, [(?)5v]. Vgl. über die Schrift: Leurdijk 1990, 39–43. 335 Vgl. Saldenus, Die Krafft des Abendmahls, Amsterdam 1669, (?)4r–[(?)6v].
310
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
wegen Höherschätzung der heiligenden Gnade geringzuachten. Umgekehrt soll man die Vortrefflichkeit des Abendmahls beherzigen, am Tisch des Herrn seinen Glauben aufmuntern, gewünschte besondere Beschaffenheiten des Herzens verleugnen, in den Bewegungen seines Herzens beim Abendmahl etwas Gutes für seine Seele beobachten, den äußerlichen Gebrauch des Abendmahls, obgleich ohne Trost, hoch zu achten lernen, und die geistliche Freude nicht so sehr ihrer selbst wegen, sondern, insofern sie ein Weg zur Heiligung sein kann, suchen. Im Anschluss werden einige Klagen über das Ausbleiben der geistlichen Freude beim Gebrauch des Abendmahls behandelt. Der zweite Teil bespricht die Heiligung als Frucht des Gebrauchs des Abendmahls. Diese hat zwei Zweige: das Hassen und Unterlassen des Bösen und das Suchen und Tun des Guten. Der Gebrauch des Abendmahls ist von besonderer Notwendigkeit. Das Abendmahl ist in all seinen Teilen und Facetten eine vortreffliche, herrliche, ja himmlische Sache. Das Abendmahl hat keine besondere Zubereitung nötig, sondern ist ein einfaches Werk. Es ist an sich keine mühsame, sondern eine ganz leichte Sache. Die Versiegelung der Gnade durch den rechtmäßigen Gebrauch des Abendmahls ist fest und unfehlbar. Zur Heiligung im Allgemeinen ist der Gebrauch des Abendmahls in folgender Hinsicht nützlich: Man beherzigt die Verpflichtung zur Vermehrung der Heiligung, man vermehrt den Hunger und Durst der Seele nach dem Abendmahl, man seufzt, fleht und äußert Stoßgebete zum Herrn und man erinnert sich oftmals an den Gebrauch des Abendmahls. Zu den besonderen Teilen der Heiligung ist das Abendmahl auf folgende Weisen dienlich: man erkennt seine Nichtigkeit, man trauert über seine Sünde, frischt den Glauben und Gehorsam auf, man wird geduldig in Bezug auf Gottes Heimsuchung und man entzündet die Liebe zum Nächsten. Schließlich werden erneut einige Klagen aufgegriffen und besprochen, Klagen über das Ausbleiben der Heiligung nach dem Gebrauch des Abendmahls.
5.10.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Die Thematisierung der Vor- und Nachbereitung und des Missbrauchs des Abendmahls belegt die Verwandtschaft der Schrift mit der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung. Diese Zugehörigkeit geht insbesondere aus der Ablehnung der Zulassung von Menschen zum Abendmahl, die keine wahre Buße tun und nicht den rechten Glauben besitzen,336 und der Warnung vor einer achtlosen und oberflächlichen Vorbereitung337 hervor. Sonstige Elemente sind die Ablehnung der äußerlichen Betrachtung des Abendmahls vonseiten der römischen Katholiken (sie halten Brot und Wein für ihren Gott) und der Lutheraner (sie suchen Christus, wo er nicht zu finden 336 337
Vgl. Saldenus, Die Krafft des Abendmahls, Amsterdam 1669, 9 f. Vgl. Saldenus, Die Krafft des Abendmahls, Amsterdam 1669, 13 f.
5.11 Guiljelmus Saldenus, Kurtz und deutlicher Bericht311
ist)338 sowie die Behauptung, dass die römisch-katholische Kirche den Gläubigen zu schwere Lasten auferlege. Darüber hinaus wird der römisch-katholische Gedanke, wonach man sich seiner Seligkeit nie gewiss sein kann, als päpstlich bezeichnet.339 Die Schrift ist interpretationsorientiert übersetzt worden: NL 2: dat als dan den Mensch liever ’t zijne verlate en kleyn achte, als dat Godt tot het zijne niet en soude komen DE 1 f.: daß sich dan der Mensch lieber des seinen begebe, und es gering achte, als daß der Höchste seines missen solte. NL 2: maer magh met alle bescheydenheyt en yver zijn best oock wel doen, om in alle zijne betraghtingen […] DE 2: sonder mag sich auch wol mit guter Manier, in seinem gantzen Gottesdienst höchsteifrig ermüden
„niet en soude komen“ wird als „missen“, „betraghtingen“ als „Gottesdienst“ interpretiert.
5.11 Guiljelmus Saldenus, Kurtz und deutlicher Bericht von dem Beruf des armen Sünders zu Gott (1672) 5.11.1 Vorrede 1672 erschien in Kassel eine Übersetzung von Saldenus’ Kort en klaar bericht van de roeping.340 Diese Schrift war bereits 1664, zusammen mit Geestelyk avondmaal, veröffentlicht worden.341 Die Erstauflage der deutschen Übersetzung ist nicht bekannt. 1687 erschien bei Kürßner in Kassel eine Neuauflage: Kurtz und deutlicher Bericht von dem Beruf des armen Sünders zu Gott, heraußgegeben von Guilielmo Saldeno und, weil er so kurtz, deutlich und überzeigend, auß dem holländischen übersetzet von einem A.rmen S.ünder. Diese Anfangsbuchstaben, die auch am Ende der Vorrede hervorgehoben sind, könnten die Initialen eines Namens sein.342 Im Vergleich zum Original343 fehlen der deutschen Übersetzung das Lied über den Trost und die Kraft des geistlichen Seufzens von G.(uiljelmus) S.(alde338
Vgl. Saldenus, Die Krafft des Abendmahls, Amsterdam 1669, 24. Vgl. Saldenus, Die Krafft des Abendmahls, Amsterdam 1669, 60. 340 Pietas-Nr.: P01037244. Vgl. End, 262, Anm. 18. Das dort angegebene Exemplar ist aber weder in der Universitätsbibliothek noch in der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale vorhanden. Die Neuauflage wird in letzterer Bibliothek aufbewahrt. 341 Pietas-Nr.: P01037902. Vgl. über den Inhalt: End 1991, 42–46. 342 „Von dem Ubersetzer der sein Heil und Seeligkeit in und bey Christo A.llein S.uchet“, vgl. Saldenus, Kurtz und deutlicher Bericht von dem Beruf, Kassel, Salomon Kürßner, 1687 (Pietas P01037245), [A1v]. In VD17 gibt es andere Schriften, die unter der Abkürzung A. S. veröffentlicht wurden. Allerdings lassen sich die betreffenden Autoren nicht identifizieren. 343 Vgl. Guiljelmus Saldenus, Kort en klaar bericht van de roepinge des armen sondaars tot 339
312
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
nus) sowie sämtliche Anmerkungen am Rand, welche den Inhalt der betreffenden Abschnitte zusammenfassen. Der deutschen Übersetzung wurde eine Strukturübersicht hinzugefügt.344 Der Übersetzer teilt in der Vorrede mit, dass ihm von Saldenus’ Schriften vor allem dieser Traktat gefallen und ihn erbaut hat. Weil er hochwichtige Sachen auf eine kurze und klare Weise behandelt, hat er ihn übersetzt. Wenn man durch die Lektüre dieser Schrift zu der Einsicht kommt, dass man gottselig im Beruf wandeln solle, soll man Saldenus’ Weg des Lebens lesen. „Die enge des Raums läst nicht zu von gemeltem Tractats fürtreflichkeit etwas zu schreiben. Er ist vor ein gering Gelt genugsam in unser Sprach zu bekommen, ließ ihn nur […].“345
5.11.2 Inhalt Die Form der Darstellung ist die Frage-Antwort-Form. Der Ausgangspunkt der Abhandlung ist die wahre Kirche, wo die reine Verkündgung von Gottes Wort stattfindet. Nur die reformierte Kirche wird als wahr bezeichnet, weil die anderen Kirchen sich über die Kraft des freien Willens, das Verhältnis zwischen guten Werken und Rechtfertigung, über den Abfall der Heiligen vom Glauben und über die Übung der Gottseligkeit, welche aus Dankbarkeit herrührt, irren. Für die alte lutherische Kirche wird eine Ausnahme gemacht. Daraufhin wird die Frage gestellt, wie man in die wahre Kirche gelangen könnte. Erstens ist ein Ereignis im Himmel nötig, die Erwählung, zweitens ein Ereignis auf Erden, die Berufung. Letztere wird ausführlich behandelt. Sie wird definiert als Einladung und Versetzung aller Auserwählten in das Königreich Jesu Christi, was im Diesseits geschieht. Die wichtigste Ursache ist Gott. Die Zielgruppe umfasst nicht alle Personen, sondern nur die Auserwählten. Eigentlich gibt es nur eine Art der Berufung, aber gewöhnlich ist von zwei Arten die Rede: eine nur äußerliche Berufung oder eine äußerliche und innerliche Berufung zugleich. Das Mittel hierzu ist Gottes Wort, bestehend aus Gesetz und Evangelium. Gott beruft nur diejenigen, die mit Sünden beladen sind und ein mühseliges Leben führen. Die Berufung gehört zur Heiligung und folgt der Rechtfertigung. Anschließend wird die Wirkung des Heiligen Geistes bei der Berufung dargestellt. Das Gesetz ist die sittliche, das Evangelium die wichtigste Ursache der Berufung. Das Wort Gottes wirkt nur auf eine sittliche und anratende Weise, weshalb die Wirkung des Geistes noch dazu kommen soll. Diese bewirkt die persönliche Versicherung des Heils, überzeugt die Seele, zieht sie zu Gott und leitet sie. Synonyme für Berufung sind Wiedergeburt, Bekehrung und Lebendigmachung. Godt, in: ders., Het geestelijk avondmaal …. Vierde druk, Delft, Andries Voorstad, 1683. Von der Erstauflage von 1664 habe ich kein Exemplar auffinden können, das Kort en klaar bericht als Anhang enthält. 344 S. Saldenus, Kurtz und deutlicher Bericht von dem Beruf, Kassel 1687, [B12r–v]. 345 Vgl. Saldenus, Kurtz und deutlicher Bericht von dem Beruf, Kassel 1687, [A1v].
5.11 Guiljelmus Saldenus, Kurtz und deutlicher Bericht313
Im zweiten Teil werden einige Streitfragen diskutiert. Erstens wird der Pelagianismus abgelehnt, welcher eine allgemeine Berufung lehrt. Dieser Lehre zufolge schenkt Gott allen Menschen allgemeine Gnade, sodass sie der Verkündigung gehorchen und zu Gott kommen können. Der Autor erklärt den Willen Gottes in 1. Timotheus 2,5 nicht als Gottes Ratsschluss, sondern als sein Gebot und versteht „alle“ als „allerlei“. Auch wenn Gott in seiner Berufung zwar niemanden ausdrücklich ausschließt, ist es nicht seine Intention, einen jeden zu berufen. Gott heuchelt in seiner Berufung nicht; was er vorhat, meint er immer ernst, nur verfolgt Gott nicht immer ein und dasselbe Ziel. Die zweite Frage lautet, ob die Verkündigung von Gottes Wort zur Berufung nötig ist. Diese Frage wendet sich gegen Quäker und Geisttreiber. Ganze und halbe Pelagianer, Remonstranten und Wiedertäufer behaupten, dass es Unterschiede in der Geschicklichkeit der Menschen gibt. Der Autor erklärt, dass alle Menschen gleich untüchtig sind zum geistlichen Leben. Entgegen der Auffassung von Pelagianern, Jesuiten und Remonstranten wird gelehrt, dass die Berufung unüberwindlich ist, entgegen des Glaubens der Remonstranten und anderer, dass sie unwiderruflich ist. Im letzten Teil geht es um die praktische Umsetzung des behandelten, theoretischen Stoffes. Vier Pflichten werden genannt: man soll auf Gottes rufende Stimme Acht geben, dem rufenden Gott folgen, ihm dienen und sich seiner Berufung versichern. Beweggründe zur Einhaltung der Pflichten sind das große Elend, dass uns Menschen ohne Berufung erwartet, Gott, der uns beruft, das Ziel der Berufung, nämlich die allerherrlichsten Dinge, Gottes Ernsthaftigkeit in der Berufung und Gottes Wahl derjenigen, die er beruft, während er andere übergeht. Die Kennzeichen der Berufung sind der Verzicht auf das Aufzeigen von Gründen für die Berufung an sich selbst, die eigene Beschaffenheit im Vergleich mit Nichtberufenen, die Hochschätzung der Berufung, die allergrößte Sorge, würdig in seiner Berufung zu wandeln, und die Erhebung des Herzens über alles Irdische.
5.11.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Die Schrift ist ein Katechismus. Im Vergleich mit der Christlichen Kinder-Schule wird der Praxis der Gottseligkeit kaum Aufmerksamkeit gewidmet. Der Text wurde nach der interpretationsorientierten Methode übersetzt. NL 1: 1. De Stellige Waarheyd daar van. 2. De Verschillen daar over DE A2r: 1. Was derselbe sey und worin er bestehe. 2. Die streitige meinungen darüber. NL 15 f.: Het [das Evangelium, JvdK] openbaart Christus, den eenigen uytwerker der saligheyd DE [A9r]: Es offenbahret dem Sünder Christum, den einigen Weg zur Seeligkeit […]
314
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
„Stellige Waarheyd“ wird als „Was derselbe sey und worin er bestehe“ interpretiert, zu „offenbahren“ wird zur Verdeutlichung das Dativobjekt „dem Sünder“ ergänzt. Mittels Anmerkungen in Klammern gibt der Übersetzer Interpretationshilfen, Erläuterungen oder Ergänzungen zum Inhalt.346 NL 33: Wy seggen 1. niet, dat het verdorven vleesch des H. Geestes werkinge niet en wederstaat; het tegendeel toond Paulus Rom. viij. 7. Daarom dat het bedenken des vleeschs vyandschap is tegen God: maar dat’et de selve niet overwint […] DE B5v: Wir sagen 1. nicht, daß das verderbte Fleisch der Würckung des H. Geistes nicht wiederstehe, oder wiederstrebe[.] Dan das gegentheil zeuget Paulus Rom. 8.7. Fleischlich gesinnet seyn oder die Begierde des Fleisches ist eine Feindschafft wieder GOTT. Sondern (wir sagen) daß es dieselbe (nehmlich die Würckung des H. Geistes) nicht überwindet.
Die meisten Bibelstellen werden gemäß der Lutherübersetzung wiedergegeben, zwei Bibelstellen wurden aber aus dem Urtext und aus der Statenvertaling ins Deutsche übersetzt. Dass der Urtext und die Statenvertaling herangezogen wurden, weist darauf hin, dass auch diese Saldenus-Übersetzung von Erberfeld stammt. NL 38: Spreuk. viij. 34. Wel geluksalig is de mensche die na my hoord […]. DE [B7v]: Prov. 8.34. Wohl dem Menschen, der mir gehorchet (oder nach mir höret,) […]. NL 16: Waaromme hy ook volkomentlijk kan zaligmaken, die door hem tot God gaan. DE [A9r–v]: Weswegen er auch vollkommen KAN selig machen, die durch Ihn zu GOTT gehen. (So lauten die Worte nach dem Grund-Texte)
5.12 Guiljelmus Saldenus, Leben auß dem Tode (1675) 5.12.1 Widmung und Vorrede 1675 erschien bei Casparus Commelinus in Amsterdam und Hermann von Sand in Frankfurt eine weitere Saldenus-Übersetzung: Leben auß dem Tode oder kurtze und nöhtige Vnterweisung selig zu werden durch seinen eigenen, und heiliger durch eines andern Todt. Dies ist die Schrift, für die Schütz einen Drucker fand. Das Original Het leven uyt de doodt erschien zunächst 1667 und erreichte bis 1671 drei Auflagen.347 Aus der niederländischen Vorlage wurden Saldenus’ Widmung348 und ein Gedicht Jodocus van Lodensteins anlässlich des Todes 346 Vgl. auch NL 5 – DE A4r, NL 16 – DE [A9r–v], NL 16 – DE [A9v], NL 38 – DE [B7v], NL 43 – DE [B10r], NL 47 – DE [B12r]. 347 S. Pietas. 348 Vgl. Saldenus, ’t Leven vyt de doodt: of allemans pligt, om saligh te worden door zijn eygen, heyliger te worden door eens anders doodt, Utrecht, Jacob van Doeyenborgh, [1671], A2rA6v.
5.12 Guiljelmus Saldenus, Leben auß dem Tode (1675)315
eines Sohnes von Saldenus im Jahre 1666349 nicht übernommen. Der deutschen Übersetzung wurde ein Anhang hinzugefügt. Die Schrift beginnt mit einer Widmung Erberfelds („P. E. Dr.“ aus „C.“ Köln) vom 12. Juli 1675 an seine Eltern, den Ratsapotheker Heinrich Erberfeld in Bremen und Gertrud Hack.350 Ebenso wie er seine früheren Übersetzungen von Erbauungsbüchern denjenigen widmete, denen er aufgrund bestimmter Wohltaten verpflichtet war, so Erberfeld, gehört es sich jetzt für ihn als das älteste Kind im höchsten Maß, seinen Eltern mit etwas geistlich Gutem seine Liebe und seinen Dank zu bezeugen. Weil alte Leute noch größere Notwendigkeit als andere haben, sich der Betrachtung des Todes zu widmen, scheint ihm diese Schrift ein geeignetes Geschenk zu sein. Ein Christ, der sich lange gegen Gott aufgelehnt und keine Ruhe in seiner Seele gefunden hat, soll auf seinen unglücklichen Zustand Acht geben und den Gnadenbund mit Gott erneuern, den Herrn fürchten und die Welt Welt sein lassen, was Erberfeld mit einigen Versen zum Ausdruck bringt: Der Mensch komt nackend in die Welt Komt nackend in das Feder-Zelt Und nackend in das Todten-Feld Was ist daß er sich Weltlich hält?
Man soll mit Christus wandeln, vergnügt sein, und ihn verherrlichen: Ich weiß an wen ich glaub, ich weiß vnd bin gewiß Ich glaub, und dieser Glaub’ ist ewig mein Genieß Gott Gott wird meinen Schatz und Beylag woll bewahren. Biß wir von hinnen fahren.351
Für Erberfelds Eltern sind die Jahre des Abschieds gekommen. Das Schwinden ihrer Kräfte, das Aufkommen verschiedener Leibesschwachheiten und der Tod mehrerer Kinder – neulich ist noch eine Tochter gemeinsam mit ihrem ersten Kind gestorben –352 zeigen alle die Eitelkeit der Welt, welche die wahre Seelenruhe nicht bieten kann. Diese ist nur in Gott zu finden. Erberfelds Eltern sollen deshalb sich selbst prüfen und sich auf die Erscheinung Christi vorbereiten. Die Welt kann man nur gut verlassen, indem man zu Jesus kommt und ihm nachfolgt. Weltliche Menschen betrügen sich selbst, indem sie fleischliche Begierden beibehalten. Die Welt und die Gottseligkeit 349
Vgl. Saldenus, ’t Leven vyt de doodt, 330–333. für die nächsten Absätze: Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam, Casparus Commelinus, Frankfurt, Hermann von Sand, 1675 (Pietas P01037246), [†1v]–†[=*]3r. Auf Blatt [†1v] werden die Widmungsempfänger als „Meinen lieben Eltern“ bezeichnet; die Unterzeichnung findet sich auf Blatt †3r [=*3r]. 351 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †6r. Auch an anderen Stellen in der Widmung finden sich Verse, vgl. ebd., †7v, †10r, †[=*]3r. 352 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †6v. Um welche Schwester Erberfelds es sich handelt, lässt sich nicht feststellen. 350 Vgl.
316
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
gehen aber nicht zusammen, weil Gott an erster Stelle steht und man danach trachten soll, ihm in allem zu gefallen. Da seine Eltern mit Leib und Seele Christi eigen und mit seinem teuren Blut bezahlt sind, sollen sie Gott in ihrem Leib und Geist preisen. Wachsamkeit und Gebete zur Tötung des betrüglichen Fleisches sind geboten. Erberfeld wundert sich über die Sorglosigkeit vieler Christen, die böse Gedanken, Gebärden, Worte und Taten geringachten und bösen Schein entschuldigen, statt zu prüfen, was dem Herrn wohlgefällig ist. Dringend fordert Erberfeld zu dem wichtigen Werk, der Versorgung der Seele, auf. Man soll den Gelübden, die man in der Taufe und beim Abendmahl vor Gott ablegt, nachkommen, weil Gott deren Missachtung strafen wird. Wahre Christen sollen sich gegen die Gefahr der höllischen Angriffe durch einen himmlischen Lebenswandel waffnen. Einen Mittelweg zwischen Christus und dessen Gegnern gibt es nicht. Erberfeld hat sich schriftlich an seine Eltern gewandt, weil er in dieser Welt vielleicht nicht mehr mit ihnen reden wird. Obschon sie seine Botschaft bereits kennen, gilt doch die Ermahnung Pauli, einander jeden Tag zu ermahnen. Dieses Büchlein tut dies auf knappe Art und Weise. Erberfeld zweifelt nicht, dass seine Eltern den Ermahnungen nachfolgen werden, und er wünscht ihnen Segen bei der Lektüre. In der Vorrede teilt Erberfeld mit, dass er anlässlich der Vorrede zu Saldenus’ Kinder-Schule verlästert wurde, aber dass dies ihn nicht von der Anfertigung einer weiteren Übersetzung hat abbringen können.353 Jetzt ist Leben auß dem Tode zum Druck gekommen und er hofft, auch einen Verleger für Teellincks Noodwendigh vertoogh zu finden. Die Reformation der Gesellschaft, wozu in dieser Schrift aufgefordert wird, so Erberfeld, ist in dieser Zeit höchst nötig. Aus demselben Grund wie in Krafft des Abendmahls liegt auch hier nicht immer Luthers Übersetzung zugrunde. Die am Seitenrand erwähnten Bücher, deren Titel auf Deutsch genannt werden, sind fast ausschließlich in niederländischer Sprache erschienen. An einigen Stellen ist der Text aus Mangel an Zeit nicht sorgfältig übersetzt. Jedoch werden die Wörter „denen, welche die Sache verstehen“ verständlich genug sein.354 Um seine Rezipienten zu einem heiligen Leben als Vorbereitung auf einen seligen Tod zu ermutigen, fügte Erberfeld drei Zeugnisse vom Leben und Tod Daniel Spanheims hinzu. Er hofft, dass die Tatsache, dass diese ohne Erlaubnis gedruckt worden sind, keinem der Angehörigen und Betroffenen missfallen wird, weil er nur die Erbauung des Nächsten beabsichtigt, und auch die Namen der Personen, die die Zeugnisse verfassten, ausgelassen hat.
353 Vgl. für die nächsten Absätze: Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †[=*]3v–*4v. 354 Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, *4r.
5.12 Guiljelmus Saldenus, Leben auß dem Tode (1675)317
5.12.2 Inhalt Die Erkenntnis einer Sache ist umso bedeutender, je schwieriger, nötiger und nützlicher die Sache ist. Deswegen gibt es einen großen Nutzen in der Erkenntnis des seligen Sterbens. Dieses Thema wird in der Schrift behandelt. Dabei werden Gebrechen dargestellt, Ermahnungen ausgesprochen und Mittel und Kennzeichen genannt. Der erste Teil behandelt die gute Vorbereitung auf den Tod. Wer selig sterben möchte, muss seine Tage gut zählen lernen, gottselig leben und realisieren, dass die Welt vorübergeht. Außerdem soll man so leben, als ob man ein Einwohner des Himmels wäre, sich die Oberherrschaft Gottes über alle Dinge dieser Welt bestens einprägen, den Nutzen des Todes recht beherzigen, oft den Glauben und das Vertrauen auf Gott erwecken, sich gegen den Tod mit Tapferkeit waffnen und abhängig von Gott sein durch das stetige Seufzen des Herzen und die Seele rechtzeitig in Gottes Hände legen. Im zweiten Teil geht es darum, aus dem Tod eines anderen Nutzen zu ziehen. Wer sich im Todesfall eines anderen Menschen angemessen verhalten möchte, soll über dessen Verlust traurig sein, die Eitelkeit aller Dinge beherzigen, nur in der Gemeinschaft mit Gott sein höchstes Vergnügen suchen und den Tugenden seiner verstorbenen Freunde nacheifern. Der Text schließt mit einer tröstlichen Ansprache an kranke Gottselige, wenn sie in Angst sind. Sie sollen vor allem die Ursachen ihrer Krankheiten, ihre Sünden, untersuchen, Gott in allen seinen Wegen rechtfertigen und ihre Sünden vor ihm bekennen, sich mit anderen vergleichen, die besser sind als sie selbst, aber viel strenger gezüchtigt wurden, sich in allem auf Gottes Vorsehung stützen und den Herrn mit Langmut erwarten. Als Anhang sind drei Zeugnissevom Leben und Tode des Rechtsgelehrten Daniel Spanheim, Bibliothekar der Universität Heidelberg, angefügt. Dem ersten Zeugnis sind ein Zitat von Augustin und eins von Hieronymus vorangestellt, in dem die Notwendigkeit eines guten Lebens als Vorbereitung zum Tode beziehungsweise die Notwendigkeit, dass man Christus als Gewürz aller seiner Arbeit besitzt, hervorgehoben wird. Der Autor des ersten Zeugnisses ist ein vornehmer Professor und Prediger, der das Schreiben auf Französisch einem Freund von Spanheim zugeschickt hat.355 Der Bericht hebt hervor, dass Spanheim in seinem Leben täglich an sein Ende dachte. Als er im Sterben lag, hat ihn der Autor mehrmals besucht. Spanheim sprach über das Elend dieses Lebens, die Verderbtheit der heutigen Zeit, tat feurige Gebete, hatte eine sonderbare Geduld und begab sich in die Hände seines Erlösers. Der Verfasser verweist auf die Absichten von zwei anonymen Personen, die während Spanheims Krankheit stets 355 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 477–479. Das Schreiben wurde am 28.2.1675 verfasst. Der Verfasser ist unbekannt.
318
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
bei ihm waren, um alle Reden und Gebete Spanheims aus ihren Erinnerungen aufzuschreiben. Er verspricht seinem Briefpartner eine Abschrift davon sowie vom Lebenslauf, der in der Leichenpredigt von „Herrn Matthæi“356 enthalten ist. Es findet sich hier ein Zitat von Augustin. Das zweite Zeugnis ist Spanheims Lebenslauf.357 Daniel Spanheim war ein Sohn des Theologen Friedrich Spanheims des Älteren (1600–49) und wurde in Leiden geboren. Nach einem Aufenthalt in Genf kam er 1656 für den Schulbesuch und zum Studium nach Heidelberg, wo seine älteren Brüder im Dienst des pfälzischen Kurfürsten standen. Hier studierte er Philosophie, Philologie und Theologie. 1665 zog er nach Basel, wo er Jurisprudenz studierte. Schließlich zog er in die Niederlande,358 wo er mit vielen berühmten, frommen und gelehrten Leuten Bekanntschaft machte. Einige Zeit weilte er in Friesland. Er widmete sich völlig dem Studium der Theologie.359 1672 wurde er vom Kurfürsten der Pfalz wieder nach Heidelberg zurückgefordert und es wurde ihm die Stelle eines Bibliothekars der Universität Heidelberg anvertraut. Am 5. Januar 1675 befiel ihn eine Krankheit. Am 20. Januar starb er in seinem dreißigsten Lebensjahr. Spanheim habe Christus nicht nur als Erlöser, sondern auch als Heiligmacher und als Vorbild zur Nachfolge begriffen, was in seiner Verachtung der Welt und ihrer Eitelkeiten, Selbstverleugnung, Verachtung und Erduldung aller Einschränkungen, Zufriedenheit mit Gottes Fügung und Demut im Hinblick auf sich selbst zum Ausdruck kam. Das letzte Zeugnis enthält die letzten Worte und Gebete Spanheims. Der Verfasser, ein Augenzeuge, spricht in der Ich-Form. Nicht die Wörter an sich, sondern die Standhaftigkeit des Gebetes und des Seufzens in den größten Schmerzen seien ein Beweis der Gottseligkeit. In seinen gesunden Tagen hatte Spanheim vorhergesehen, dass er in eine schwere Krankheit fallen würde. Er ruhte aber nicht an guten Tagen, sondern ergriff gleichsam das Kreuz mit beiden Händen. Zunächst wollte er keinen Arzt kommen lassen, weil die meisten Ärzte seines Erachtens nicht auf den rechten Zweck, die Wohlfahrt des Kranken, sondern auf Reichtum und Ehre aus wären, und weil ihre Kunst ungewiss sei. Ein heftiger geistlicher Streit bewirkte bei Spanheim Kleinmut und geistliche Verlassenheit, woraus er durch die Freude des Geistes wieder herausgeholt wurde. Auf seinem Sterbebett erzählte Spanheim über eine Krankheit in Leeuwarden in Friesland, wo der „Pfarrherr Vicius“, wohl Herman Witsius (1636– 356 Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 479. Dieser Name hat sich nicht identifizieren lassen. 357 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 480–486. 358 1669 ließ er sich in Leiden immatrikulieren, vgl. A. Deppermann 2002, 252, auch Anm. 188. 359 In der Matrikel der Universität Franeker begegnet man seinem Namen nicht, vgl. Fockema Andreae/Meijer (Hrsg.) 1968, Personenregister.
5.12 Guiljelmus Saldenus, Leben auß dem Tode (1675)319
1708), der 1668 bis 1675 Pfarrer in Leeuwarden war,360 ihn besuchte. Dieser hatte sich im Gebet für Spanheim völlig dem Willen Gottes unterworfen. Spanheim schrieb fast den ganzen Tag Briefe, unter anderem an den Mystiker Pierre Poiret361 (1646–1719), damals Pfarrer in Annweiler in Pfalz-Zweibrücken. Sein Gemütszustand war instabil: Er fiel von einem Extrem, dem Misstrauen, ins andere, die Sicherheit. Seine Vernunft war schwach, weshalb er Gott um Bewahrung vor der Sünde bat. Beim Besuch des französischen Pfarrers Cregut362 brach die Gnade durch und Spanheim durfte sich auf den Reichtum von Gottes Gnade stützen. Nach einer Geldspende an die Armen und einem stetigen Wechsel von Trost und Verzweifelung starb Spanheim mit schweren körperlichen Schmerzen im Frieden und mit großem Verlangen nach Gott. Dieser Beschreibung folgt die Bibelstelle Hebr. 13,7.
5.12.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Die Widmung ist eine Aneinanderreihung von Bibelstellen. Am Seitenrand werden die Stellen angegeben und es finden sich einige lateinische Zitate. Zitiert werden Gregor der Große, Seneca, Cyprian, Tertullian und die allegorische Romanze Argenis des schottischen römisch-katholischen Dichters John Barclay (1582–1621),363 Augustin, Cicero und Gregor von Nazianz. Einmal findet sich ein Zitat ohne Autor- und Titelangabe: Quocunque loco fuero Jesum mecum desiderio quàm lætus si invenero! quàm felix si tenuero!364 Es handelt sich hier um Zeilen einer mit den Worten Jesu, dulcedo cordium anfangenden mittelalterlichen Hymne eines Engländers. Die Hymne wurde irrtümlich Bernhard von Clairvaux zugeschrieben.365 Im Text benutzt Erberfeld einmal eine Formulierung aus der Antwort der ersten Frage des Heidelberger Katechismus: „Ihr aber nicht also, sondern wissende, daß ihr nicht mit Leib und Seel vielmehr dan mit allem was sonst da ist, Christi eigen Seyd, als mit seinem teuren Blut bezahlet“.366 Am Anfang der Widmung enthüllt Erberfeld sein Motiv für die Übersetzung von Erbauungsliteratur: Er möchte seinen Nächsten Hilfe anbieten bei der Untersuchung der Bibel, worin der Mensch sehr träge ist. Auf diese Weise möchte er verhüten, dass Gottes Gnade versäumt wird, und er möchte seiner Verpflichtung als königlicher Priester (1 Petr 2,9; Offb 1,5–6) nachkommen.367 360
1953.
361
Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 497. Vgl über Witsius: Genderen
Vgl. Chevallier 1994. Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 505. 363 „Barcl. in Arg., Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, [†9r]): Amici morum consortio sibi invicem placere student. 364 Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †[=*]2r. 365 Vgl. Watson (Hrsg.) 2002, 46. 366 Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, [†8r–v]. 367 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †2v. 362
320
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Einige Elemente der Widmung zeigen Erberfelds Nähe zum deutschen reformierten Pietismus: die Klage über die Sorglosigkeit vieler Christen heutzutage,368 der Gegensatz zwischen einem äußerlichen bürgerlichen Leben und einer falschen Sicherheit über den Seelenzustand,369 die Auffassung, mit einem Hinweis auf Mt 11,28,370 dass kein Trost vorhanden ist für diejenigen, die keine Reue wegen ihres gottlosen Wandels haben und nicht um Vergebung beten, die Klage über die Lebensart der heutigen Welt, die erfreulich ist, aber Demut vermisst,371 die Betonung, dass man in der Taufe und beim Abendmahl Gott ein Gelübde ablegt,372 der Ausschluss eines Mittelwegs zwischen Christus und der Welt373 und die Aufforderung zum Streben nach Vollkommenheit.374 Ein auffallendes Element ist die Betrachtung von Bekehrung und Heiligung aus der Perspektive des Gnadenbundes: Die Bekehrung wird als Erneuerung des Gnadenbundes verstanden.375 Gottes Allgenugsamkeit wird dem Nichtvorhandensein der wahren Seelenruhe in der Welt gegenübergestellt.376 In der Vorrede hebt Erberfeld die Forderung der Nadere Reformatie nach einer Reformation von Kirche und Gesellschaft hervor. Da die Reformation versäumt wurde, seien Gottes Strafen erfolgt, die immer strenger werden, je länger man sündigt.377 Die Thematik der Schrift und des Anhangs, die Todesvorbereitung, sind typisch für Schriften der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung. Im Text bekämpft der Autor die Haltung der römischen Katholiken beziehungsweise der Quäker irdischen Gütern gegenüber: Die einen sehen eine besondere Vollkommenheit darin, dass man seine Güter wegwirft, die anderen lehnen den Gebrauch irdischer Güter, außer zum Stillen der Grundbedürfnisse, ab.378 Weiterhin stellt Saldenus sich gegen die Furcht der römischen Katholiken vor dem Fegefeuer und die Furcht der Arminianer vor dem Abfall des Glauben,379 gegen das sich vorsätzlich in den Tod Begeben in Zweikämpfen, gegen Zusendung von Abschiedsbriefen, wenn man in Lebensgefahr ist, oder wenn man Selbstmord begehen will,380 gegen die abgöttische und abergläubische Traurigkeit der Heiden und nichtchristlicher Religionen381 und gegen die Anrufung der Hei368
Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, [†10r]–[†12r]]. Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, [†10v]. 370 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, [†11r]. 371 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, [†12v]–†[=*]1r. 372 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †[=*]1r–v. 373 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †[=*]1v-†[=*]2r. 374 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †[=*]1v. 375 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †4v -†5v. 376 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †5r, †6r, †6v, [†9r]. 377 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, †[=*]3v. 378 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 85. 379 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 243 f. 380 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 299–304. 381 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 326 f. 369
5.12 Guiljelmus Saldenus, Leben auß dem Tode (1675)321
ligen durch römische Katholiken.382 Er präsentiert ein Sündenregister, in dem Schauspiel, eitle Reden, Narrheiten, nichterbauliche, zur Geilheit entzündende Romane, Liebesgeschichten und -gedichte aufgelistet werden.383 Die Aufzeichnung von Geschehnissen aus dem Leben von Frommen als Exempel ist eine Tradition des Puritanismus (s. 2.8). Die Bezeichnung der Gegenwart als verdorben im ersten Zeugnis von Spanheims Leben und seinem Tode ist eine Wertung des deutschen reformierten Pietismus.384 Es lassen sich verschiedene mystische Züge feststellen: Geduld im Leiden,385 das Begreifen von Christus nicht nur als Erlöser, sondern auch als Heiligmacher und Vorbild, dem man folgen soll, das geduldige Ertragen der Verachtung der Welt, die Verleugnung seiner Selbst, die Nachfolge im verächtlichen Leben Christi, die vergnügliche Zufriedenheit mit Gottes Fügung, die Verachtung seiner selbst sowie die gelassene Ergebung in Gottes Willen bei Krankheit,386 das Ergreifen des Kreuzes,387 der anfängliche Verzicht auf die Hilfe eines Arztes,388 die Dynamik der geistlichen Erfahrung, der Wechsel zwischen Kleinmut und Gottesverlassenheit sowie geistlicher Freude.389 Auch die Bekanntschaft mit Schütz und Poiret lässt sich diesem mystischen Rahmen zuordnen. An einer Stelle fügte Erberfeld am Seitenrand einen Verweis auf Wächterstimme aus dem verwüsteten Zion (1661) des Rostocker lutherischen Reformtheologen Theophil Großgebauer390 (1627–61) hinzu. Im Text wird dort die Unmöglichkeit hervorgehoben, diejenigen selig zu nennen, welche in ihrem Leben nie Anzeichen wahrer Gottseligkeit gezeigt haben.391 Im ersten Zeugnis über Daniel Spanheim verspricht der Autor, ein Professor und Prediger, dass er eine Abschrift der letzten Worte und Gebete sowie einen Lebenslauf Spanheims an den Adressaten schicken werde. Dieser Adressat oder ein Dritter könnte diese Unterlagen an Erberfeld weitergegeben haben. Für die Vermittlung der Zeugnisse über Spanheims Leben und Sterben an Erberfeld gibt es verschiedene Möglichkeiten, die einander nicht ausschließen. A. Deppermann vermutet, dass Schütz die Zeugnisse Erberfeld hat zukommen lassen, weil Schütz mit Daniel Spanheim in Verbindung stand und er für Er-
382
Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 330. Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 320 f. 384 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 477. 385 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 477, 478. 386 Vgl. für die vorigen Gedanken Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 481– 484, 496 f. 387 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 488–491. 388 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 491–493. 389 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 493–514. 390 Vgl. Strom 1999, 195–221. 391 Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 34: „Siehe Großgebauers Wächterstimme c. 1 2. ‚circa fin.‘ “ 383
322
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
berfeld die Drucklegung der Saldenus-Schrift mit Anhang in die Wege geleitet hat.392 Ein anderer möglicher Vermittlungsweg besteht über die Familien Spanheim-Bilderbeck-Ursin. Daniel Spanheims Bruder Ezechiel (1629–1710) war 1669 bis 1672 brandenburgischer Resident in Köln, seit 1671 war er Mitglied der hochdeutschen reformierten Gemeinde in der Stadt und vertrat danach bis 1675 seinen Bruder als Bibliothekar in Heidelberg.393 Sein Bruder, der Leidener Theologieprofessor Friedrich Spanheim der Jüngere (1632–1701), wurde am 14. Oktober 1675 von der Kölner Gemeinde wegen einer Pfarrerwahl angeschrieben.394 Friedrich Spanheim war verheiratet mit Lucretia Elisabeth de Bilderbeck, der Tochter des niederländischen Residenten in Köln, Henricus de Bilderbeck. Ihre Schwester Aemelia war mit dem Prediger Benjamin Ursin verheiratet.395 Drittens könnte Gerhard von Mastricht eine Rolle gespielt haben. Er promovierte 1665 in Basel zum Doktor der Jurisprudenz und könnte dort Daniel Spanheim kennengelernt haben.396 Viertens kann Joachim Neander aus Bremen (s. 3.6) eine vermittelnde Rolle gespielt haben. Er hatte während seines Aufenhaltes in Heidelberg Daniel Spanheim kennengelernt und vermutlich auch den Theologen Johann Ludwig Fabricius (1632–96). Dieser Fabricius empfahl ihn 1673 als Prediger bei der Gemeinde in Köln.397 Fünftens ist eine Vermittlung durch Frankfurter Reformierte möglich, weil Spanheim mit ihnen, unter anderem mit van de Walle, in Verbindung stand.398 Schließlich ist es möglich, dass Erberfeld nach seiner Niederlassung in Köln Verbindungen zu Friesland hatte. Im Text werden Autoren der Antike, Kirchenväter, mittelalterliche Theologen, Reformatoren und zeitgenössische reformierte Theologen (Puritaner, niederländische reformierte Reformtheologen) genannt und zitiert. Die Schrift ist auf bedeutungsorientierte Weise übersetzt worden: NL 2 f.: Wat aenleyding in aendringing ik, nevens de gemeene verplichting mijnes dienstes, gehad heb […]. DE 3: Was mich, nebens der gemeinen Pflicht meines Dienstes, dazu bewogen, ja gedrungen […].
An einigen Stellen findet man nicht übersetzte niederländische Worte: NL 40: soo datse alle verbaast moeten staan, diet aansien DUI 53 f.: so daß alle, die es ansehen, müssen verbaset [erstaunt, d. Vf.] stehen 392 Vgl. A. Deppermann 2002, 252, 263, Anm. 259. Vgl. für die Verbindung zwischen Schütz und Spanheim: ebd., 250–256. 393 Vgl. Noack/Splett (Hrsg.) 1997ff, Bd. 2, 437 f. 394 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1983, 63 f., Nr. 125. 395 Vgl. Noack/Splett (Hrsg.) 1997ff, Bd. 2, 484. 396 Vgl. T. Ahrens 1962, 128 f. 397 Vgl. A. Deppermann 2002, 247–250. 398 Vgl. A. Deppermann 2002, 253.
5.13 Willem Teellinck, Noodwendigh vertoogh (um 1675)323
Die Gedichte, die an verschiedenen Stellen im Text vorkommen, werden zuweilen nach der interpretationsorientierten Methode übersetzt: NL 182: De „Doodt“ belaght Der kruyden kraght. DE 261: Der Kräuter Krafft Am Tod nicht hafft.
An einer Stelle gibt es einen Hinweis auf die Anmerkungen („kanttekeningen“) der niederländischen Statenvertaling.399 Ein niederländisches Sprichwort wird wegen des Reims nicht übersetzt: „Meest bekreten, t’ligstt vergeten, sagt das Niederländische Sprichwort“ (Was am meisten beschrien wird, wird am leichtesten vergessen).400 Auch das nächste Beispiel zeigt auf, dass eine kulturelle Filterung nicht immer stattfindet: NL 313: onses Vaderlandts DE 449: vnsers Vatterlands
Andererseits wird an anderer Stelle ein Name mit einer historischen Erläuterung versehen: NL 177: ghelijk het soo met Grobbendonx huys-vrouw eens was DE 253 f.: wie solches einmahl an Grobbendoncks (ehmahls Spanischen Gouverneurs im Hertzogenbusch) Haußfrauen zusehen war
5.13 Willem Teellinck, Noodwendigh vertoogh (um 1675) In der Vorrede zu Saldenus’ Leben auß dem Tode schreibt Erberfeld, dass er einen Verleger für Teellincks Noodwendigh Vertoogh suchte:401 als ein Buch, zu diesen Zeiten, den Leuten, sonderlich politischen und kirchlichen Regenten, wieder in die Hände zubringen wohl hochnöhtig, weil es annoch wenig Nachdrucks bey selbigen gehabt, und nunmehr am Tage, wie die darinnen, bey fernerer Verwindschlagung der nöhtigen reformation, vorgesagte Heimsuchungen Gottes erfolget seyn, obs villeicht zu Hertzen mogte genommen, und also der Zorn Gottes abgewandt werden, welcher angewiesen wird, daß, in Verbleibung dessen, immer stärcker entbrennen werde, bis auff das gäntzliche Verderben.402
Es handelt sich hier um Noodwendigh vertoogh, aengaende den tegenwoordigen bedroefden staet, van Gods volck (1627, Neuaufl. 1647). Diese Schrift gilt als Hauptschrift des sogenannten Vaters der Nadere Reformatie und als Ausarbeitung seiner bisherigen Reformbemühungen. Da Teellincks Reformprogramm 399
Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 429. Vgl. Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, 332. 401 Vgl. für die Übersetzung im Allgemeinen: End 1991, 264 f.; Hof 2008a, 508 f. 402 Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam 1675, *3v. 400
324
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
bereits ausführlich von der Forschung untersucht worden ist,403 werden an dieser Stelle nur die grobe Struktur und Kerngedanken der Schrift widergegeben. Die Schrift besteht aus sieben Teilen. Voran geht eine Darstellung von Teellincks Auffassung über den Sabbat und dessen Heiligung. Im ersten Buch wird behauptet, dass man dem heutigen Elend, das über Gottes Volk hereinbricht, nur durch Beseitigung der Sünden entkommen kann. Die Sünden sind Ursache des Unterganges von Personen, Verbänden und territorialen Einheiten. Diese Strafe zielt auf die Reformation der Sitten ab, die durch alle Christen, insbesondere durch Pfarrer, herbeigeführt werden soll. Im zweiten Buch werden die herrschenden Sünden für die verschiedenen Ebenen von Kirche und Gesellschaft benannt. Im nächsten Buch erfolgt eine Begründung, weshalb das Evangelium so wenige Früchte trägt, und warum Bemühungen zur Verbesserung bislang kaum zu positiven Ergebnissen führten. Im vierten Buch werden die wichtigsten Verbesserungsmittel genannt, im fünften Buch die allgemeinen, im sechsten Buch die besonderen Mittel. Im letzten Buch versucht Teellinck, die Beschwerden gegen die Reformation der Sitten zu entkräften. Aus dem oben genannten Zitat geht hervor, dass Erberfeld das Thema der Reformation wieder auf die politische und kirchliche Agenda setzen wollte, weil es seines Erachtens zu wenig Aufmerksamkeit erhielt. Um von der Dringlichkeit einer Reformation zu überzeugen, verweist er auf die Strafe Gottes, die nur erfolgt sei, da bislang auf Reformen verzichtet wurde Damit bezieht er sich auf Teellincks erstes Buch.404 Es ist sehr gut möglich, dass Erberfeld durch Undereyck zu dieser Übersetzung angeregt wurde. Undereyck hatte am Anfang seiner Schrift Christi Braut die Approbationen der Franeker und Leidener theologischen Fakultät zu Teellincks Reformprogramm auf Deutsch – vermutlich zur Abwehr einer möglichen Verdächtigung seiner eigenen Ansichten –405 abdrucken lassen, und hatte auch weiterhin ausführlich aus dem Programm zitiert.406 Vermutlich scheiterten Erberfelds Bemühungen um Herausgabe seiner deutschen Übersetzung,407 denn noch 1706 erschien im Verzeichnis des lutherischen 403
Vgl. Hof 1997; Hof 2008, 358–370, 579. Hof 2008a, 365. Auch in Teellincks Widmung an die politischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Obrigkeiten wird dieser Gedanke thematisiert, vgl. ebd., 362. 405 Vgl. Undereyck, Christi Braut, [2)(7r–v]: „Ich weiß mich zu entsinnen, daß sich vor dieser Zeit ein scharpffsinniger Theologus an sicherem Ort vernehmen lassen, als wann das hocherbäwliche Buch von Wilh. Teelinck, nootvvendig Vertoog genant, darauß in diesem Tractat unterschiedliches angezogen, verdächtig gewesen: Deßwegen ich dann Nachfolgendes zur Nachrichtung hieran zu fügen, nöthig erachtet.“ 406 Vgl. Undereyck, Christi Braut, [2)(7v]–[2)(8r], Tl. 3: 153–155 (Förderung der Erbauung während Mahlzeiten), 272–280 (Aufforderung der Prediger, durch ihr vorbildhaftes Leben und ihre Predigten die Erbauung zu fördern), 307–311 (Anweisungen, wie Prediger und Eltern andere Leute zu mehr Eifer in der Gottseligkeit ermutigen können). S. auch K. 4. 407 J. R. Tanis behauptet, dass eine extraordinäre Versammlung der Klasse Ruhr der märkischen reformierten Synode am 31. Oktober 1674 entschied, Godefridus Udemans’ Christelijcke 404 Vgl.
5.13 Willem Teellinck, Noodwendigh vertoogh (um 1675)325
Oberpfarrers von Naumburg, Johann Martin Schamelius (s. 8.2.2), ein Verweis auf die Teellinck-Übersetzung („Nothwendiger Vertrag“) ohne Angabe des Formates und des Erscheinungsortes und -jahres.408 Im Hinblick auf Erberfelds vermutlich gescheiterten Bemühungen zur Herausgabe seiner Teellinck-Übersetzung um 1675 ist es interessant, dass in diesem Jahr das Reformprogramm des Pietisten Spener, Pia desideria,409 erschien. Ein Vergleich der Struktur beider Programme zeigt viele Übereinstimmungen auf:410 Spener, Pia desideria (1675)
Teellinck, Noodwendigh vertoogh (1627)
Vorrede: Vorschlag zur Korrespondenz zwischen Predigern und anderen über Mittel und Wege zur Reform (S. 6)
V.1. Es ist erlaubt, überall fleißig zu vernehmen, welche Mittel man zur Besserung der Mängel anwenden möge
I. Allgemeine Klage über den betrübten Zustand der Christenheit
I. Das heutige Elend von Gottes Volk ist nur durch Abkehr von der Sünde abzuwehren
II. Verfolgung der Kirchen
I.1. Die Sünden, welche man nicht abhelfen will, sind die Ursachen des Untergangs von Personen, Hausgesinden, Geschlechtern, Ländern, Republiken und Königreichen
III. Gebrechen des weltlichen Standes II. Sünde und Missbräuche, die unter […] Mängel des geistlichen Standes uns praktiziert werden, und unterlassen werden sollen Missbräuche im Hinblick auf die Taufe, die Verkündigung und das Abendmahl (68–72)
II.3. Missbräuche der göttlichen Einstellungen
IIV. Verderbnis des Hausstandes
II.4. Missbrauch der bürgerlichen Dinge
bedenckingen (1608) und Teellincks Noodwendigh vertoogh herauszugeben, vgl. Tanis 1967, 21; Hof 2008a, 508 f. Aus der Akte dieser Versammlung geht zwar hervor, dass die Abgeordneten auf die Übereinstimmung der Udemans-Schrift mit Teellincks Noodwendigh vertoogh hingewiesen haben, aber man entschied, sich bei den Klassen und Synoden über die Herausgabe der Udemans-Schrift zu beraten, vgl. LKA EKvW, Acta classis Rhuralis, Bd. 1: 1659–1717, 153/69. Tanis’ Behauptung beruht also auf einer ungenauen Lektüre. Dass man auf der Versammlung von der Übereinstimmung zwischen den beiden Schriften wusste, ist ein Indiz dafür, dass einige Abgeordnete im Besitz einer Abschrift von Erberfelds Teellinck-Übersetzung waren. 408 Hoffmann, Geistlicher engeländis. Redner, H3v. 409 Vgl. für eine Zusammenfassung dieser Schrift: Brecht 1993e, 302–311. 410 Vgl. Willem Teellinck, Noodwendigh vertoogh, aengaende den tegenwoordigen bedroefden staet, van Gods volck, Middelburg, Hans van der Hellen, Jacob van de Vivere, 1627; Spener 2005. Die Überschriften der Pia Desideria sind der modernen Orthographie angepasst; die Überschriften von Noodwendigh vertoogh sind übersetzt worden. Kapitelüberschriften sind hervorgehoben; die Kapitel der Pia Desideria sind nummeriert; römische Zahlen zeigen Abschnitte an, arabische Zahlen Kapitel.
326
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Spener, Pia desideria (1675)
Teellinck, Noodwendigh vertoogh (1627) III. Ursachen, warum das Evangelium unter uns nicht mehr Früchte getragen hat, Grund, warum Verbesserungsversuche bis jetzt kaum geholfen haben
V. Ärgernis der Juden, der Papisten, guter Gemüter und recht gottseliger Herzen, Hindernis an der Bekehrung vieler, die in der römischen Kirche einige Strahlen der Wahrheit zu erkennen angefangen haben VI. Hoffnung einer Besserung in der Kirche in der zu erwartenden Bekehrung der Juden und dem Fall des päpstlichen Roms Aufforderung an die Prediger zur Besserung des üblen Zustandes der Kirche (S. 106–108)
I.9. Besonders die Prediger sollen sich um die Besserung der Mängel bemühen IV. Heilmittel zur Besserung der Gebrechen V. Allgemeine Mittel VI. Besondere Mittel
IV.2. Die Predigt von Gottes Wort V II. Einfältige Vorschläge: I. Das Wort Gottes ist reichlicher V.4. Intensivierung der Wiederholung der Predigt unter uns zu bringen II. Aufrichtung und fleißige Übung des geistlichen Priestertums
V.9. Die gegenseitige Aufsicht übereinander zur Besserung der Mängel
III. Den Leuten fleißig zu vermitteln, dass das Christentum nicht nur aus Wissen, sondern insbesondere aus der praktischen Umsetzung bestehe IV. Angemessenes Verhalten in Religionsstreitigkeiten
VI.9. Friede und Einigkeit unter Aufsehern der Kirche
V. Erziehung der Prediger auf den Universitäten
V.7. Gute Aufsicht über die Schulen I.3. Die Beschaffenheit der Prediger V
VI. Einsatz der Predigten zur Erbauung
IV.2. Die Predigt von Gottes Wort V.4. Intensivierung der Wiederholung der Predigt V II. Widerlegung von Argumenten gegen die Reform
5.14 Hermann Hugo, Gottselige Begierden und andächtige Seufzer (1706) 327
Beide Programme stimmen in ihrer Hauptstruktur überein und sind nach dem Schema ‚Darstellung der Übel – Verbesserungsvorschläge‘ aufgebaut. Speners Programm ist aber viel kürzer.411 Bei Teellinck fehlt die separate Thematisierung von Ärgernissen und Hindernissen hinsichtlich der Bekehrung vieler römischer Katholiken sowie der Hoffnung auf bessere Zeiten. Es lassen sich keine Übereinstimmungen von Textteilen in beiden Büchern finden. Außerdem steht der Inhalt von Speners Schrift nicht in einem reformierten, sondern in einem lutherischen Rahmen. Erstens verteidigt Spener an einigen Stellen ausdrücklich die lutherische Lehre mit Widerlegung der reformierten Lehre, zum Beispiel im Hinblick auf das Abendmahl.412 Zweitens benutzt Spener ausdrücklich Luthers Unterscheidung der drei Stände (weltlicher und geistlicher Stand sowie Hausstand) und den Gedanken des allgemeinen Priestertums. Drittens begegnet man bei Spener keinen Zitaten von reformierten Theologen wie bei Teellinck. Beide Programme sind also verwandt, aber es lassen sich keine wechselseitigen Einflüsse feststellen. Zwar ist nicht auszuschließen, dass Spener Erberfelds Teellinck-Übersetzung über Schütz erhielt und auf indirektem Wege zur Abfassung seines Programms angeregt wurde. Einflüsse von Teellincks Schrift auf Speners Reformprogramm sind aber nicht festzustellen. Sowohl die Verwandtschaft beider Schriften auf inhaltlicher Ebene als auch die erfolgreiche Veröffentlichung von Speners Schrift im Jahre 1675 können als Erklärung dafür dienen, dass es nicht zu einer Herausgabe von Erberfelds Teellinck-Übersetzung kam: Bei den Verlagen hatte sie wohl keine Chance mehr.
5.14 Hermann Hugo, Gottselige Begierden und andächtige Seufzer (1706) 5.14.1 Widmung und Vorrede 1706 erschien bei Jacob von Wesel in der gleichnamigen Stadt folgende Bearbeitung einer Schrift des Jesuiten Hermann Hugo413 (1588–1629): Gottseelige Begierden und andächtige Seufzer der in den Wegen der Busse, Heiligung und Liebe wandelenden und also nach der Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung mit Gott, sich sehnenden Seele auß H. Hugons S. J. lateinischen, kurtz- und geistreicher abgefast, mit 46. Sinnbildern in Kupfer geziehret, und biblische Beantwortungen auch Vor- und Nacherinnerungen beygefügt vom Deutschlieb. Hugos Pia desideria (1624) ist ein Emblembuch, das in der Kombination von Bild und medita411 Die Behandlung der Sonntagsheiligung hat Spener wohl ausgeklammert aus Angst, den darüber bereits schwelenden Konflikt zu entfachen, vgl. Brecht 1993e, 310. 412 Vgl. Spener 2005, 66. 413 Vgl. Derville 1969.
328
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
tivem Text die Brautmystik von Bernhard von Clairvaux im Sinne der Vereinigung der einzelnen gläubigen Seele mit Christus thematisiert.414 Hugos Schrift wurde mehrmals von Protestanten bearbeitet oder als Quelle benutzt.415 Jacob von Wesel verlegte vor allem erbauliche, mystische und medizinische Schriften.416 1707 führte der Duisburger Buchhändler Johann Georg Böttiger die Schrift im Leipziger Ostermessekatalog als sein Verlagswerk an. Böttiger verlegte Schriften aus dem Umkreis des deutschen reformierten (Gerhard Tersteegen, 1697–1769) und lutherischen Pietismus.417 Vermutlich hat Böttiger den Rest der Auflage von Jacob von Wesel übernommen. Dem Text geht eine Widmung Deutschliebs an Christine Louise, Gräfin zu Leiningen, geborene Gräfin von Dhaun-Falkenstein, voran. Erberfeld hat ihr die Schrift gewidmet, weil der Gräfin der Inhalt nicht unbekannt ist, weil sie die Geheimnisse von Gottes Reich liebt, in Gottes Kreuzschule geübt und von Gott in seinen Gnadenwegen und -stufen hinaufgeführt worden ist.418 Der Widmung folgt eine Vorrede, deren Verfasser nicht angegeben wird.419 Die Vorrede beklagt den Verfall der christlichen Kirche und des inwendigen Reiches Gottes in der Seele im Vergleich mit dem Zustand der ersten christlichen Kirche. Die Andacht der Heiden und Türken, so heißt es, könne vielen Christen zum Vorbild dienen, da es viele Namens- und Maulchristen gebe, die sich selbst für gute Christen halten, Fehler bei anderen bemerken, aber den eigenen Verfall nicht sehen. Der Verfasser kritisiert, dass viele Menschen die Versuche zur Verhinderung dieses Verfalls mittels Schriften, erbaulicher Unterredungen, Hütung vor dem Bösen und gegenseitiger Ermahnung mit Schimpfnamen wie „Scheinheilige“ und „Feine“ verspotten. Der Verfall kommt im Verlust der brüderlichen Ermahnung, in unvernünftigen Andachten zum Ausdruck sowie in unvermerkt eingerissenen Missbräuchen und deren Verteidigung. Obwohl Gottes Strafen bereits spürbar sind, werden Versuche zur Abhilfe verspottet und missachtet. Man strebt nicht nach einer Verbesserung, auch nicht in Konsistorien, Klassen und Synoden. Sogar der äußerliche Gottesdienst ist Land auf, Land ab gestört. Inzwischen ist es das beste, dass jeder danach trachtet, seine Seele zu retten und diejenigen, die das Heiligtum nicht mit Füßen treten, dazu aufzufordern. Man soll nicht andere Leute prüfen, sondern sich selbst, und zwar mit der Frage, ob Christus in seinem Herz regiert oder der alte Adam. Letzterer soll 414
Vgl. Benz 1971. Vgl. Daly/Dimler 1997, 112–255. 416 Mennenöh 1970, 107–109, 152, 161. 417 Mennenöh 1970, 109–112, 143, 146, 161–162. 418 Vgl. Hermann Hugo, Gottseelige Begierden und andächtige Seufzer, Wesel, Jacob von Wesel, 1706, [*2r]–*3v. 419 Vgl. für die nächsten Absätze: Hugo, Gottseelige Begierden, *4r- 2*7v. 415
5.14 Hermann Hugo, Gottselige Begierden und andächtige Seufzer (1706) 329
absterben um dem neuen Adam Platz zu machen. Dies ist die erste Stufe eines längeren Prozesses. Weitere Stufen sind die Offenbarung der Geheimnisse von Gottes Reich an die Seele, die Steigerung der Begierde des Menschen nach dem Reich Gottes und nach Jesus Christus, das ausschließliche Vergnügen im allgenugsamen Gott und die Verbrennung von allem im Menschen, was nicht göttlich ist, damit der Mensch Gott sowohl bei Verzicht und Genuss, im Leben und während des Sterbens gleichermaßen liebt. Die letzte Stufe ist das Aufsteigen zu Gott in Christus, damit man mit ihm zu einem Geist wird. Die Stufen lassen sich auch gemäß der Abfolge Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung beziehungsweise Buße, Heiligung und Liebe beschreiben. Eine Stufe wird jeweils in fünfzehn Bildern dargestellt. Abhängig davon, ob Gott einen auf den im Buch beschriebenen Weg gebracht hat, wird man das „Hallelujah“420 ausrufen. Diejenigen, die diesen Weg als Torheit empfinden, sollen sich vor Lästerung hüten, weil ihnen die Stufen von Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung verborgen sind. „Glückselig sind, die jenes frommen Predigers Hertzensbewegung, zum bekehrungs anfang empfinden, die er also in seinem Lied vom Bundmässigen Jawort, auf verspürter bewegung des Hertzens im anfang der bekehrung außgedrückt hatt.“421 Erleucht mich, höchstes Licht,/ Ich bin mir selbst verborgen/ Ich kenne mich noch nicht/ Ich merke dieses zwar/ Ich sey nicht wie ich war/ In dessen fühl ich woll/ Ich sey nicht wie ich soll […]422
Während die Ich-Figur des Liedes zuvor ein sorgenfreies Leben lebte, erleidet sie nun Seelenqualen und fürchtet, kein wahrer Christ zu sein. Nicht jeder ist ein wahrer Christ, frei zu sein von Lastern macht einen nicht zum Christen. Ein wahrer Christ verleugnet alles, was er hat, und übergibt sich völlig an Christus, so dass dieser ihm alles ist. Dieser Herzensbund ist das einzige, feste Fundament eines Christen. Christus ist als König allgenugsam. Die Ich-Figur fordert ihre Seele zum „Ja-Wort“ mit Christus auf. Christus darf mit ihr tun, was er will, wenn er sie nur so verändert und formt, dass sie Gott ehren wird. Letztendlich kommt es zu der vollkommenen Übergabe an Gott. Als unglücklich werden diejenigen bezeichnet, die nicht dazu kommen, einen Bund mit Gott zu schließen, oder dies nicht wollen. Eine Bekehrung auf dem Sterbebett sei selten eine wahre.
420 Hugo,
Gottseelige Begierden, 2*2r. Gottseelige Begierden, 2*2r, das Lied: ebd., 2*2v–2*5v. 422 Hugo, Gottseelige Begierden, 2*2v. 421 Hugo,
330
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Am Ende erklärt der Verfasser die Aufgabenverteilung bei der Herausgabe von Hugos Schrift: Einer hat die Zitate der Kirchenväter übersetzt und mit Abbildungen versehen, ein anderer hat alle lateinischen Verse in deutsche Reime übertragen und, wo Platz übrig war, ein oder zwei der Zitate hinzugefügt. Ein Niederländer mit den Initialen P. S., dem Autor zufolge vielleicht der mystische Chiliast Petrus Serrarius423 (1600–69), bearbeitete die Bilder und Verse und sorgte für eine passende Bibelstelle als Antwort auf klagende Worte, die im Text angeführt werden. Zum Aufbau der Ausgabe erklärt der Verfasser Folgendes: Vor und nach jedem Kapitel stehen Lieder, die sogenannten Vor- und Nacherinnerungen. Auf Wunsch des Verlegers wurden einige Zitate der Kirchenväter ergänzt. Jedem Kapitel ist ein Lied beigefügt. Der letzte Teil, der dem Text vorangeht, ist ein Gedicht von Johann Christian Loers: „Auff DEUTSCHLIEBS Gottseelige Begierden und Andächtige Seuffzer der In den Wegen der Busse, Heiligung und Liebe wandelenden Seele“.424 Mein Deutsch-Lieb ist es, den die Welt hasst, Jesus liebt. Sein wakkres Alterthum, das hiehin ohne Schmertzen Der Jahren drittes theil beynah zurükke schiebt; Sein grünes Alterthum, das zu dem Himmel reisset Ist die Kindheit jener Welt.425
Das Gedicht ist ein Dialog zwischen der Braut Jesu und der Welt. Der Vorwurf der Welt, dass die Liebe zu Jesus etwas Trauriges beinhaltet, wird widerlegt.
5.14.2 Analyse und Übersetzungsvergleich Anzunehmen ist, dass Erberfeld den Großteil der Bearbeitung selbst übernahm. Loers hat ja sein Gedicht „Auff DEUTSCHLIEBS Gottseelige Begierden und Andächtige Seuffzer“ genannt. Vermutlich hat Erberfeld die lateinischen Verse ins Deutsche übertragen und eine Vorrede verfasst. Die Zitate der Kirchenväter habe ein anderer übersetzt. Die Lieder am Anfang und am Ende jedes Teils (die Vor- und Nacherinnerungen) sowie das zusätzliche Lied am Ende des dritten Teils könnten auch von Erberfeld stammen. Die Empfängerin von Erberfelds Widmung, Christine Louise von Leiningen (1640–1717), war die jüngste Tochter von Wilhelm-Wyrich von Dhaun-Falkenstein. In ihrem Testament gedachte sie eines „Herrn Mastrich“,426 womit Gerhard von Mastricht gemeint sein wird. Erberfelds Hinweis auf das Kreuz, das die Gräfin getragen habe, wird sich auf die Schwierigkeiten beziehen, die ihr bei der Ver423
Vgl. Wall 1987. Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*7v–[2*10v]. 425 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, [2*10r–v]. 426 Vgl. über Christine Louise: G. Jansen 1941, 35–37, über das Testament: ebd., 36. Christine Louise zufolge war es Mastricht zu verdanken, dass sie den Besitz der Herrlichkeit Broich behaupten konnte. Er scheint sie auch in schwieriger Zeit finanziell unterstützt zu haben. 424
5.14 Hermann Hugo, Gottselige Begierden und andächtige Seufzer (1706) 331
teilung der Erbschaft ihres Vaters bereitet wurden (s. 9.4.1). Erberfeld betont in der Widmung, dass die Gnade im Menschen sich stufenweise entwickelt,427 und er spricht über die „Reichsgeheimnisse des Allerhöchsten“.428 Die Vorrede beginnt mit der Klage über den Verfall der Kirche, dessen Symptome und mit Verbesserungsvorschlägen. Dieses Fragment erinnert stark an die Reformprogramme von Teellinck und Spener. Der Verfasser kritisiert, dass viele Menschen die Versuche zur Verhinderung dieses Verfalls mittels Schriften,429 erbaulicher Unterredungen,430 Hütung vor dem Bösen431 und gegenseitiger Ermahnung432 mit Schimpfnamen wie „Scheinheiligen“ und „Feinen“ verspotten.433 Der Verfall kommt zum Ausdruck im Verlust der brüderlichen Ermahnung, in einer unvernünftigen Andacht, in unvermerkt eingerissenen Missbräuchen434 und deren Verteidigung:435 Entwöhnung sei nicht mehr möglich436 und auch vernünftige Christen lassen sich mitreißen.437 Reformvorschläge werden mit dem Vorwurf der Neuerung bedacht,438 und werden nicht befolgt, obwohl Gott seine Strafen ausgegossen hat.439 Man eifert nicht für eine Verbesserung, auch nicht in Konsistorien, Klassen und Synoden.440 Sogar der äußerliche Gottesdienst wird häufig gestört.441 Der Hinweis auf die Konsistorien, Klassen und Synoden lässt vermuten, dass der Verfasser eher Teellincks als Speners Programm kannte. Dies ist ein Indiz dafür, dass Erberfeld der Verfasser der Vorrede ist. Auch die einzelnen Elemente der Vorrede zeigen dass der Verfasser dem reformierten Pietismus nahe stand: die Hinweise auf den Zustand der ersten christlichen Kirche (Eifer, Einigkeit) als Maßstab für die heutige Kirche442 den 427
Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *3. Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, [*2v]–*3r. 429 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *5v; Teellinck, Noodwendigh vertoogh, Vorrede. Der Verfasser beschränkt sich bei den Schriften Teellincks und Speners auf Angabe der Teile und Kapitel. 430 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *5v–*6r; Teellinck, Noodwendigh vertoogh, V. 10; Spener 2005, VII.I. 431 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *6r, Teellinck, Noodwendigh vertoogh, V. 12. 432 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *6r, Teellinck, Noodwendigh vertoogh, V. 6; Spener 2005, VII.II. 433 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *5r–*6r. 434 Vgl. Teellinck, Noodwendigh vertoogh, 2; Spener 2005, I. 435 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *6r–*7r. 436 Vgl. Teellinck, Noodwendigh vertoogh, 7.5–6. 437 Vgl. Teellinck, Noodwendigh vertoogh, 7.8. 438 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *6v; Teellinck, Noodwendigh vertoogh, 7.3, 7.11. 439 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *7r–*8r; Teellinck, Noodwendigh vertoogh, 1; Spener 2005, II. 440 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *7v. Teellinck schlägt Bemühungen in Konsistorien, Klassen und Synoden vor: Teellinck, Noodwendigh vertoogh, 6.5–6. 441 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *7r, *7v, [*8r]; Teellinck, Noodwendigh vertoogh, 1.6; Spener 2005, I, II. 442 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *4v. 428
332
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
religiösen Eifer der Heiden und Türken als Vorbild für die Christen443 und auf den Gegensatz zwischen dem Bekenntnis und den Worten der Christen,444 die Bezeichnung Nam- und Maulchristen,445 die Klage über die Verspottung derjenigen, die sich gegen die Missbräuche in der Kirche wenden,446 der Hinweis auf Schimpfnamen wie „Feiner“,447 der Gegensatz zwischen dem breiten und schmalen Weg,448 die Aufforderung zu stetiger Zunahme der Heiligkeit,449 die Klage über die Selbstrechtfertigung und die Beschuldigung des Nächsten,450 die Aufforderung zur Selbstprüfung,451 der Gegensatz zwischen Begnadeten, welche die Gnade erfahren haben, und Unbegnadeten, welchen die Gnadenerfahrungen eine Torheit, eine Subtilität und mithin eine Verborgenheit ist,452 die Behauptung, dass späte Buße, zum Beispiel auf dem Sterbebett, selten wahre Buße ist,453 und die implizite Ablehnung von eitler Poesie.454 Das Lied thematisiert den Unterschied zwischen Schein und Sein: den schmalen Weg und die große Gefahr des Selbstbetrugs. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Unterscheidung zwischen wahren Christen und Scheinchristen beziehungsweise zwischen bürgerlicher Sittlichkeit und wahrem Christentum, das sich in völliger Selbstverleugnung und bedingungsloser Übergabe an Gott ausdrückt.455 Im Anschluss wird die Bezeichnung „Ein nur beynah-Christ“ diskutiert.456 Das Lied stimmt fast wortwörtlich mit Buchfelders „Erleucht mich, Herr, mein Licht“ überein.457 Genauso wie in Erberfelds Widmung wird in der Vorrede betont, dass die Gnade im Menschen stufenweise verläuft.458 Die Vorrede trägt mystische Züge: der Hinweis auf das ausschließliche Vergnügen in Gott als dem allgenugsamen
443
Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *4v. Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *4v–*5r. 445 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *5r. 446 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *5v–*6r. 447 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *6r, *6v. 448 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *6r. 449 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *6v–*7r. 450 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *5r, *6r–v, *7v, [*9r]. 451 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, [*8r]–[*9r]. 452 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*1v–2*2r. 453 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*6r. 454 „ein anderer hat alle die Verse nach ihrem eiteln Poëtischen schwier in Teutsche Reimen gebracht … Man läst das Urtheil über die Poësie dieses letzten, als auch jenes übersetzung der örter, und das ohne das werk selbst, an den, der Poësie und Dolmetschung kündigem Leser“, Hugo, Gottseelige Begierden, 2*6v. 455 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*3r–2*4r. 456 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*4r. 457 Vgl. E. E. Koch 1869, 14–16. Das Lied wurde fälschlich Undereyck zugeschrieben, wie vor kurzem noch durch Jou 1994, 206. Vgl. für die Aufnahme dieses Liedes in Gesangbüchern, ebd., 206 f. 458 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, [*9r]–2*2r. 444
5.14 Hermann Hugo, Gottselige Begierden und andächtige Seufzer (1706) 333
Gott,459 auf das göttliche Licht im Menschen und die Vereinigung mit Gott,460 auf den Aufstieg des Menschen in Christus zu Gott und auf die Geistwerdung des Menschen mit Christus in Gott.461 An Augustin erinnert die Formulierung „Gott aufrichtig lieben, ihn begehren und genießen“,462 an Undereyck das Wort „Hallelujah“.463 Die Rede vom Absterben des alten Adams und Hervorkommen des neuen Adams erinnert stark an die Fragen 80 bis 90 des Heidelberger Katechismus.464 Im Lied fällt die Sprache des Bundes auf: „Ja allem was er hat,/ Sagt ab, stimt Christo bey/Daß der ihm alles sey“,465 „Hertzens-Bund“,466 „Wer aber in der Zeit/Mit ihm sich nicht verträget“,467 „O seeliger Vertrag,/ Den nur ein Ja-Wort schlichtet,/ Sag dan, o Seele, sag:/ So seys/Herr Jesu! JA“.468 Hier wird auch der Gegensatz zwischen des Menschen Armut und Gottes Allgenugsamkeit betont: „Solstu, o Erdwurm, du/Dem König diß versagen/Dem alles stehet zu,/ Der allgenugsam reich,/ Der alles ist zugleich?“.469 Abschließend stellt sich die Frage, welche Ausgabe Erberfeld als Vorlage diente. In der Vorrede wird auf Petrus Serrarius hingewiesen, der 1653 eine bearbeitete Fassung von Hugos Pia desideria herausgebracht hatte: Goddelycke aandachten ofte vlammende begeerten eens boetuaerdige geheijligd en lief-rijcke ziele (1653). Serrarius bearbeitete eine lateinische Vorlage, Pia desideria editio 4, und stellte die Beziehung zwischen Gott und Mensch mithilfe von Bibelstellen als inneren Dialog dar.470 Diese Bearbeitung wurde 1661 vom Spiritualisten und Mystiker Christian Hoburg471 (1607–75) ins Deutsche übersetzt: Emblemata sacra. Das ist, gottliche Andachten voller flammender Begierden einer bußfertigen, geheiligten und liebreichen Seelen.472 Aus einem Vergleich geht hervor, dass die Vor459
Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, [*10v]. Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*1r. 461 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*1v. 462 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, [*8r]. 463 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*2r. 464 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, [*9v]–[*10r]: „Wan nun hierauf der sündige Mensch, durch mancherley übungen zum sterben der Sünden, dem alten Adam mählig absterbende, gekommen ist, und sich drauf selbst, bis an den Tod, als ein Sündopfer übergeben hat, dan fängt in ihm an hervor zu kommen der neue Adam, die neue Creatur, als das warhaffte Licht auß der Finsterniß, als das Leben auß dem Tode: wie er vorhin lust funde in den Sünden und die Ungerechtigkeiten liebte, … so fängt er nun an, selbige zu hassen und zu lassen, lust und liebe zu aller Gerechtigkeit in sich befindende und immer angewinnende.“ 465 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*3v. 466 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*4r. 467 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*5r. 468 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*5r, vgl. auch ebd., 2*5v. 469 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, 2*4v. 470 Vgl. Petrus Serrarius, Goddelycke aandachten ofte vlammende begeerten eens boetuaerdige geheijligd en lief-rijcke ziele, Amsterdam, Salomon Savrij, 1653, [*6v]–[*7r]; F. Dietz 2012, 134–173. 471 Vgl. Brecht 1993d, 223–228. 472 Vgl. Christian Hoburg, Emblemata sacra. Das ist, gottliche Andachten voller flammender 460
334
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
rede in Gottseligen Begierden den Vorreden in beiden erwähnten Fassungen inhaltlich sehr ähnlich ist, und mit ihnen in vielen Absätzen sogar im Wortlaut übereinstimmt. Dabei stellte sich heraus, dass die niederländische Fassung des Serrarius als Vorlage für die Vorrede in Gottseligen Begierden diente: Serrarius, *5r–v: en hem zelven verpijnen moet en geweldt aandoen, zoude hy de zonden wederstaan Hoburg, 18: und ihm selber Gewalt anthun muste, so er die Sünde bestreiten solte Gottselige Begierden [*9v]: sich selbst angst und gewalt müssende antuhn selbigen zu wiederstehen Serrarius, *5v: altoos meer en meer genade van God verwervende Hoburg, 19: alzeit mehr Gnade von Gott in die Seele bringet Gottselige Begierden [*10v]: allewege mehr Gnade von Gott erwirbt
Der Vorrede zu Gottseligen Begierden wurden die Maßnahmen zur Behebung des Verfalls und das Lied hinzugefügt.473 Die Bilder und Zitate der Kirchenväter wurden aus der niederländischen Hugo-Bearbeitung des römisch-katholischen Dichters und Priesters Justus de Harduyn (1582–1636) unter dem Titel Goddelycke wenschen verlicht met sinnebeelden en vierige uytspraken der out-vaders (Ausgabe 1645) übernommen. Die Zitate dienen in Gottseeligen Begierden als „Nachgedanken“. Die Übersetzung enthält eine Auswahl der Zitate in gekürzter Form und ist bedeutungsorientiert übersetzt: NL 4: Want het is nacht so lange als duert dit leven. DE 5: Dan dieses leben ist eine nacht. NL 5: Christus heeft sijn vleesch getrocken van dese Werelt, ende hy heeft voor ons den nacht komen verlichten DE 5: Christus hat deren fleisch angenommen und uns die nacht erleuchtet.
Der Übersetzer nahm eine kulturelle Filterung vor: NL 5: want die vrouwe hadde verlooren haer drachma DE 5: Dan jenes Weib hat ihren groschen verlohren NL 5: eenen penninck op welcken stont het beelt van onsen Koningh DE 5: Eine müntze, auf welcher müntze war unsers Käysers bildniß
Die Seufzer der Seele und die Antwort Gottes wurden aus Serrarius’ Bearbeitung übernommen, wie aus folgendem Übersetzungsvergleich hervorgeht. Übersetzt wurde nach der interpretationsorientierten Methode.
Begierden einer bußfertigen, geheiligten und liebreichen Seelen, Amsterdam, Henricus Betkius, Frankfurt, Christoph (I) Leblon, 1661. Auf S. 11–22 gibt es eine Vorrede von P. S., der in Hoburgs Vorrede auf S. 8 als Petrus Serrarius identifiziert wird. Vgl. F. Dietz 2012, 172. 473 Vgl. Hugo, Gottseelige Begierden, *5v–*7v, 2*2v–2*5v.
ACh GOtt, was grau[sa]m’ Nacht, was dicke Finsternissen Haben an allem Ort mein’ Glieder gantz besessen! Gantz dunckel, und voll Schricks ist mein Gemüth und Sinn, Als Blindheit find’ ich nichts, wo ich mich kehre hin. Blindheit in allen Dingen, Blindheit in allen Ständen, Blindheit in der Blindheit, Blindheit an allen Enden! Daß meine Seel’ in mir trauret so hefftig sehr, Und schreyt aus tieffer Grub zu deinem Liecht O Herr! Ach der du mich gemacht, scheuß doch von deinem Liechte Ein’ kleinen Straal herab in mein blindes Gesichte, Daß ich in diesem Liecht das rechte Liecht erseh’ Und auf dem engen Weg in deiner Krafft besteh’!
EY my, wat grouzaam nach, wat dikke duysterheden Hebben aan alle kant bezeten all’ mijn leden? Hel-donker en vol schriks is binnen mijn gemoed, En buyten vind’ ik niet, waar heen ’k my keeren moet: Och, dien my heeft gemaakt, dat dien ook eens geliefde Een straaltje van zijn licht, een blikje van zijn liefde, Te geven aan mijn ziel, waar door ik, met bescheyd, Den wegh eens treffen mocht die tot het leven leyd.
HEi mihi! Quàm densis nox incubat atta tenebris? Talis erat, Pharios quæ tremefecit agros. Nubila, lutida, squalida, tetrica, terribilis nox; Nocturno in censu perdere digna locum. Non ego tam tristes Scythico puto cardine lunas, Tardat ubi lentas Parrhasis Ursa rotas; Nec tot Cimmerio glomerantur in athere nubes, Unde suos Phœbus vertere jussus equos: […] O weh! der greuel-nacht! wie ist mein schwaches leben Mit dicker Finsterniß fast überall umgeben? Voll angst ist Seel und Geist! der tag ist ohne tag! Hie ist kein licht, wohin ich zuflucht nehmen mag Ach daß, der mich gemacht, so gnädig sich erzeigte Und sich mit seinem licht ein wenig zu mir neigte! Beliebe-blicke mich! Damit ich konnte Den rechten weg, darauf man muß zum leben gehen.
Gottseelige Begierden, 3:
474 Vgl. Hermann Hugo, Pia desideria tribus libris comprehensa. Quorum continent I. Gemitus animae poenitentis II. Vota animae sanctae; III. Suspiria animae amantis … editio quinta, correctior & elegantior, Köln, Engelbert Theodor Kinckius, 1694. Vgl. Landwehr 1972, 90, Nr. 365.
Hoburg, 25:
Serrarius, 2:
LA474 3:
5.14 Hermann Hugo, Gottselige Begierden und andächtige Seufzer (1706) 335
336
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
5.15 Zusammenfassung 5.15.1 Biographie Philipp Erberfeld wurde 1639 im klevischen Wesel nahe der Grenze zwischen dem Niederrhein und den Niederlanden als Apothekerssohn geboren. Seine Eltern waren Kölner Kaufmannskinder. Den größten Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte er in Bremen, wo er in einer vornehmen Familie aufwuchs. Das Jurisprudenzstudium sollte ihn vermutlich auf einen Beruf bei der Obrigkeit oder innerhalb der Justiz vorbereiten. Das milde reformierte Klima Bremens ebnete dem jungen Studenten den Weg in das irenisch-lutherische Helmstedt. Diese Stadt lag Erberfelds Heimat relativ nahe und hatte einen guten Ruf. In Helmstedt wohnte auch Philipps Onkel, der Apotheker Daniel Erberfeld. Seine erste Frau war vermutlich lutherisch. Mit seiner zweiten Frau, Gese von Bentheim, die wohl reformiert war, trat er zur lutherischen Kirche über. Anscheinend pflegten beide eine intensive Frömmigkeit. In Helmstedt machte Erberfeld Bekanntschaft mit dem späteren Hofrat und Gesandten Christoph Weselow, der vermutlich Lutheraner war. Vielleicht hat sein Professor Enoch Gläser auch Erberfelds Liebe für die Dichtkunst, in der er sich schon auf der Lateinschule geübt haben muss, weiter gefördert. Nach seinem Studium zog Erberfeld 1664 in die brandenburgische Hauptstadt Berlin, die sich zu der Zeit zum Zentrum einer neuen Großmacht entwickelte. Obwohl Erberfeld in einer späteren Verteidigungsschrift auf implizite Weise Karrieresucht zugeschrieben wird, ist dieser Vorwurf damit abzuschwächen, dass Erberfeld nicht die Absicht hatte, lange in Berlin zu bleiben. In der Stadt stieg er vom Hausmeister, Amtmann und Richter bis zum Kammergerichtsadvokaten auf. Möglicherweise war er einige Zeit Amtmann und Richter in Liebenberg bei dem Adligen zu Hertefeld. Gelegentlich verkehrte Erberfeld am Hof und in Regierungskreisen. Hier lernte er vermutlich den brandenburgischen Oberpräsidenten Otto von Schwerin kennen. Die Aufenthalte in Helmstedt und Berlin werden Erberfelds vermutlich schon vorhandene irenische Haltung dem Luthertum gegenüber verstärkt haben. Eine Bekehrungserfahrung um 1668 habe laut des kirchenkritischen, lutherischen Anwalts Gottfried zum Berge eine radikale Wende in Erberfelds Leben bewirkt. Die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten in Berlin hätte er als Eitelkeit entlarvt. Aus diesem Grund habe er diesen Karrierechancen abgesagt und sich zu Köln am Rhein in sein Privatleben zurückgezogen. In einem späteren Gedicht ließ Erberfeld sich selbst über diese Bekehrungserfahrung aus und bezeichnete sie als schlagartige Entdeckung seines geistlichen Selbstbetrugs und als vernunftgemäßes Wandern auf dem breiten Weg ohne Kreuztragen: „Durchs Himmels schlag und zug gerückt zurück“.475 475
Vgl. Deutschlieb, Letzte Bruderpflicht, A2.
5.15 Zusammenfassung337
Dass Erberfeld tatsächlich eine derartige Bekehrung erlebt hat, wird durch eine Reihe von Indizien wahrscheinlich. Hatte Erberfeld in seinen früheren Gedichten unbeschwert weltliche Vergnügungen thematisiert, ist sein Schrifttum seit 1667 ganz klar religiös bestimmt. Ab diesem Jahr erscheinen seine Übersetzungen niederländischer Erbauungsbücher, welche die Elemente des Selbstbetruges, des breiten und schmalen Weges und der Bekehrung widerspiegeln. 1668 heiratete Erberfeld die als fromm geltende Maria Wouters. Der Umzug nach Köln und der Anschluss an die dortige heimliche reformierte Gemeinde könnte als ein Akt der Selbstverleugnung interpretiert werden, konnte er doch zum Ausschluss von öffentlichen Ämtern, zu Bestrafungen und Unterdrückungen führen. Später bezeichneten Henning Koch, Penn und Lampe Erberfelds Lebenswandel als gottselig, wachsam und gewissenhaft. Umgekehrt kann das Gedankengut der englischen und niederländischen Erbauungsliteratur, mit dem Erberfeld vermutlich auch in Berlin in Kontakt gekommen war, zu seiner Bekehrung beigetragen haben. Hier ist an Personen wie Johannes Brunneman (s. 4.10.5) und Heinrich Schmettau (s. 2.4) zu denken, die sehr vom englischen Puritanismus beziehungsweise der Nadere Reformatie beeinflusst wurden.476 Erberfelds Wegzug aus Berlin bedeutete keine totale Absonderung von der Gesellschaft. In Franeker promovierte er bei dem berühmten Jurisprudenzprofessor Ulric Huber. Seine Frau entstammte einer angesehenen und reichen Kaufmannsfamilie. In Köln setzte er seine Anwaltstätigkeit fort. Sieben Jahre später trat Erberfeld einen hohen Dienst in Duisburg an. Beim Umzug nach Köln spielten sicherlich verwandtschaftliche Beziehungen dorthin (Philipp Hack) sowie das reformiert-pietistische Klima der niederländischen und der deutschen reformierten Gemeinde eine wichtige Rolle. Dass Erberfeld trotz dreimaliger Nominierung nicht zum Ältesten gewählt wurde, ist am ehesten auf die durch die religiös-politische Lage der Gemeinde bedingte Zurückhaltung der Gemeindemitglieder gegenüber Auswärtigen und Neulingen zurückzuführen. Diese Zurückhaltung könnte auch religiös motiviert gewesen sein: Man wollte sicher sein, dass man einen Ältesten wählte, der ein unbestrittenes und frommes Leben führte. Die Bestallung Erberfelds als brandenburgischer Schultheiß in Duisburg beruhte auf einem Vorschlag Schwerins, wie aus einer späteren Verteidigungsschrift aus dem Jahre 1687 hervorgeht.477 Vermutlich lernte Erberfeld Schwerin in Liebenberg oder Berlin kennen.478 Dieser hatte sich 1669 mit seiner Familie 476 Der Jurisprudenzprofessor Johann Brunnemann aus Frankfurt an der Oder hatte enge Verbindungen zum Kammergerichtshof, vgl. Holtze 1891, 237, 261 f. Schmettau war seit 1666 Hofprediger in Cölln an der Spree. Seit 1663 trat er als Übersetzer von Joseph Halls Schriften hervor. 477 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 58r. 478 Vielleicht hat Erberfeld als Hauslehrer dessen Kinder erzogen oder er hat ihm auf an-
338
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
in Duisburg aufgehalten, wo Anton Brunsen als Hauslehrer dessen Kinder unterrichtete.479 Bei Schwerin lässt sich eine Verwandtschaft zum deutschen reformierten Pietismus verspüren.480 Mit dem Anschluss an die Duisburger reformierte Gemeinde geriet Erberfeld wiederum in ein reformiert-pietistisches Klima. Bei der Ausführung seiner öffentlichen Ämter offenbarten sich schon rasch Spannungen zwischen Erberfeld und dem Magistrat, den Sechzehnern, dem Senat der Universität sowie dem Presbyterium beziehungsweise dem Konsistorium der Kirchengemeinde. Die Konflikte mit dem Magistrat und dem Senat der Universität liefen auf andauernde Rechtsprozesse hinaus. Diese Streitigkeiten sind aus dem wechselseitigen Kampf um Kompetenzen und aus Enttäuschungen Erberfelds zu erklären. Der brandenburgische Kurfürst und seine Verbindungen zu angesehenen Personen werden hier für Erberfeld eine schützende Rolle gespielt haben. In Köln kam Erberfeld in engeren Kontakt mit einer Reihe von reformiertpietistischen Kaufleuten: Philipp Hack, den Meinertzhagens und Johann le Brun. Auch den reformiert-pietistischen Akademiker Gerhard von Mastricht könnte er hier kennengelernt haben. Über die Verwandtschaft seiner Frau könnte er mit Saldenus in Kontakt gekommen sein. Bis 1678 wohnte Marias Schwester Sara bei den Erberfelds. Erberfeld, Penn und Breckling bezeugten ihre besondere Gottseligkeit. 1678 heiratete sie den Undereyck-Schüler und -Kollegen Cornelius de Hase. Auch Maria wurde von Penn und Breckling als eine gottselige Frau bezeichnet. Erberfelds Kinder heirateten in ansehnliche Familien ein und bekleideten hohe gesellschaftliche Stellen: Orientalistikprofessor, Arzt, Kaufmann, Ratsherr, Anwalt und Theologe. Seit Juli 1674 stand Erberfeld mit dem Frankfurter radikalen Pietisten Schütz in Verbindung, der enge Kontakte mit einem Kreis von reformierten Pietisten am Niederrhein pflegte. Schütz und Erberfeld tauschten religiöse, vor allem erbauliche Bücher sowie Informationen über kirchenkritische Kreise aus. Einem persönlichen Brief Schützens ist zu entnehmen, dass die beiden Briefpartner einander als Gesinnungsgenossen anerkannten, die beide danach verlangten, Gott je länger desto mehr zu erkennen und zu verherrlichen. Erberfeld profitierte von Schützens gutem Zugang zu dem großen Bücherumschlagplatz Frankfurt. Schütz besorgte ihm einen Drucker für die Saldenusdere Weisen gedient. Schwerin durfte nämlich wegen der ihm auferlegten Erziehung der Kurprinzen Kammergerichtsräte und andere Beamte zu seinen Geschäften heranziehen, vgl. Hein 1929, 257. 479 Vgl. Noack/Splett (Hrsg.) 1997ff, Bd. 4, 84. 480 Der brandenburgischen Kurfürstin Luise Henriette von Oranien (1627–67) schrieb er, „daß sie von Jugend auf viele Sünden in Gedanken und Begierden, in verbotenen eitlen Dingen und in Unterlassung des Guten begangen habe, daß sie ihr Gelübde vergessen oder nur träge und nachlässig ausgeführt, den Gottesdienst mehr aus Gewohnheit als aus brennendem Eifer besucht habe; ihr Herz sei in Sünden fast ganz gestorben, sie sei ein abtrünniges und in der sündlichen Welt bisher verirrtes Kind“, Hein 1929, 254.
5.15 Zusammenfassung339
Übersetzung Leben auß dem Tode. Aufgrund des Erscheinungsortes und -jahres der zweiten Auflage von Saldenus’ Christlicher Kinder-Schule (Frankfurt 1675) wäre es möglich, dass Schütz bei der Herausgabe dieser Schrift auch eine Rolle gespielt hat. Da Schütz in seinen Briefen von 1674 und 1675 in allgemeinem Sinne von „Saldenus“ und „Seldeni und Nucellae schrifften“ spricht,481 wäre dies gut möglich. Auf jeden Fall hatte Schütz eine große Bedeutung für die Veröffentlichungen niederländischer reformierter Erbauungsschriften auf Deutsch: außer Saldenus’ Leben auß dem Tode ist auch Voetius’ Von eintzelner Versammlung dank Schützens Vermittlung auf Deutsch erschienen.482 Nicht nur mit Weselow und Schütz, sondern auch mit anderen Lutheranern, die zum größten Teil reformbestrebt waren, stand Erberfeld in Verbindung, und zwar mit Henning Koch und Gottfried zum Berge. Erberfelds Verbindung mit Koch war vermutlich nur mittelbarer Art und zwar über seine Eltern beziehungsweise seinen Onkel und seine Tante. Erberfelds Kontakte mit Lutheranern sind auffallend, hat er sich doch der Zulassung des öffentlichen lutherischen Gottesdienstes in Duisburg widersetzt, unter anderem aus Furcht vor dem Eindringen leichtfertiger Sitten und aufgrund seiner Bevorzugung des reformierten Bekenntnisses. Diese Präferenz rührte aus einer bestimmten theologischen, nämlich einer reformiert-pietistischen Perspektive her: Kriterien für die Reinheit eines Bekenntnisses sind laut Erberfeld die Wiedergeburt, der Bundesgedanke und die Verklärung Gottes. Anscheinend handelte es sich bei den Duisburgern Lutheranern um orthodoxe Bekenner, die nicht reformbestrebt oder pietistisch gesinnt waren. In diesem Fall befürwortete Erberfeld sogar Mission. Mit Schütz, zum Berge, Penn und Breckling treten Separatisten in Erscheinung. Die von Schütz und Erberfeld ausgetauschten Bücher und Erberfelds Übersetzung der Gedichte in Hugos Schrift zeigen eine gewisse Offenheit für jesuitische und mystische Spiritualität, die vermutlich von Schütz angeregt wurde. Sich als Reformierter im römisch-katholischen Köln ein jesuitisches Buch beschaffen zu lassen, war eine ambivalente Handlung, galten die römischen Katholiken den Kölner Reformierten doch als bedrohliche Feinde. Dieser Fall ist aber ein Beispiel der Wertschätzung von reformbestrebten Lutheranern und Reformierten für die römisch-katholische Frömmigkeit bei gleichzeitiger Bekämpfung der Lehre.483
5.15.2 Erberfeld als Anhänger des deutschen reformierten Pietismus Durch seine Übersetzungen, Gedichte, sein Wirken und seine Kontakte machte Erberfeld sich als Anhänger des deutschen reformierten Pietismus einen Namen. Seine Übersetzungen behandeln die Merkmale der wahren Gottselig481
Schütz an Erberfeld, 1./11. Juli 1674; idem, 28. März 1675 (ASB Mp326). Vgl. A. Deppermann 2002, 263f; Hof 2005a, 74. 483 Vgl. Hof 2006b. 482
340
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
keit im Gegensatz zur Scheingottseligkeit, die Früchte des Abendmahls zum Trost und zur Heiligung der Gläubigen, die Glaubenslehre mit der Praxis als Zuspitzung, die Todesvorbereitung und die Reform von Kirche und Gesellschaft (Teellinck). Die Schrift von Hermann Hugo thematisiert die Stufen der Gnade in einem mystischen Sinne. In der vermutlich von Erberfeld verfassten Vorrede ist der mystische Inhalt in den Rahmen der Reform der Sitten eingebettet. Als beste Lösung zur Verhinderung des Verfalls wird auf eine Bekehrung über die im Buch beschriebenen Stufen der Gnade hingewiesen. Schon der Titel Gottselige Begierden, eine Übersetzung von Pia desideria, ist ein Anklang an Speners Reformprogramm. Mystische Züge finden sich auch in den Zeugnissen von Daniel Spanheims Leben. Dass Erberfeld zwei von Saldenus’ Katechismen ins Deutsche übersetzte, zeigt, dass ihm eine einfache und reformiert-pietistische Katechesemethode sehr wichtig war. Darin stimmte er mit Mastricht überein. Vielleicht veranlasste er ihn zur Abfassung eines Katechismus. Erberfeld und Mastricht haben sich auch konkret für die Schulbildung und die geistliche Erziehung der Jugend in Duissern beziehungsweise Wanheim eingesetzt. Dass in Duissern die Predigt rekapituliert und christliche Übungen gehalten werden sollten, zeigt, dass die beiden Freunde eine Erziehung im Sinne des Puritanismus und der Nadere Reformatie anstrebten.484 In der Vorrede zu Saldenus’ Leben auß dem Tode weist Erberfeld auf die Gefahr des Selbstbetrugs sowie auf den Unterscheid zwischen einem äußerlichen bürgerlichen Leben und wahrer Gottseligkeit hin und er fordert zur Wachsamkeit und Tötung des Fleisches auf, damit man Gott in allem gefallen möge. Aus theologischer Sicht fallen in der Vorrede zu Leben auß dem Tode die Elemente der Allgenugsamkeit Gottes und die Bundeslehre auf. Die Wahl der Autoren und der Inhalt von Kurtz und deutlicher Bericht machen es wahrscheinlich, dass Erberfeld sich zu der Auffassung einer partikularischen Reichweite von Christi Verdienst bekannte. Erberfelds Teellinck-Übersetzung und die Anspielungen auf Verfall und Reform auf Titelblättern und in Vorreden seiner Übersetzungen wären Indizien dafür, dass er die theokratischen Ideale der Nadere Reformatie aufnahm und konkretisierte. Dem widerspricht allerdings, dass er sich als Duisburger Schultheiß nicht der Niederlassung römisch-katholischer Einwohner und dem römisch-katholischen Schulunterricht widersetzte. Auch der Einsatz für den vom Konsistorium zensierten Büteführ scheinen dieser Vermutung zu widersprechen. Diese Einwände können aber einigermaßen nuanziert werden. Die Klage des reformierten Konsistoriums über die Niederlassung der römischen Katholiken 484 Willem Teellinck fordert in Abschnitt 5.4 und 6.2 seiner Schrift Noodwendigh vertoogh zur Rekapitulation der Predigten auf.
5.15 Zusammenfassung341
kann auf wirtschaftliche Gründe zurückgeführt und Erberfelds Einsatz für Büteführ als kollegiale Hilfe verstanden werden. Drittens ist auf Erberfelds komplizierte Stellung zwischen dem reformiert-pietistischen Duisburger Konsistorium, dem Duisburger Magistrat und der klevischen Regierung auf der einen und seinem Dienstherrn, dem brandenburger Kurfürst, auf der anderen Seite zu verweisen. Während die erste Partei eine Bevorzugung der Reformierten und das Verbot des römisch-katholischen Gottesdienstes und Schulunterrichtes verteidigten, war der brandenburgische Kurfürst aufgrund des Religionsvergleiches mit Pfalz-Neuburg auf ein friedliches Nebeneinander der drei christlichen Konfessionen bedacht. In den beschriebenen Situationen hat Erberfeld den Verordnungen und Befehlen seines Dienstherrn gemäß gehandelt. Durch die Kompetenzstreitigkeiten war es möglich, dass entgegengesetzte Befehle, wie zum Beispiel im Hinblick auf den lutherischen Gottesdienst, einander abwechselten. In anderer Hinsicht hat Erberfeld sich wohl den Idealen der Nadere Reformatie gemäß verhalten: Als Mitkurator der Universität ließ er Maßnahmen gegen Sabbatentheiligung ergreifen, für Undereyck und seine Anhänger verhandelte er mit dem Pfarrer Jakob Lehnhoff, er ließ einen römisch-katholischen Vikar verhaften und bemühte sich um den Ersatz der Arrestkosten, er verweigerte während des Besuches von Hochmann 1705 die Bitte des Magistrates, Gewalt gegen diesen Kirchenkritiker anzuwenden mit dem Argument, dass man die Sünden zerstören sollte und nicht das Studium von Gottes Wort. Tatsache ist aber, dass Erberfeld in der Praxis im Kompetenzspannungsfeld nicht bedingungslos die vollen Konsequenzen aus dem von ihm übersetzten Programm Teellincks gezogen zu haben scheint.
5.15.3 Erberfelds Übersetzungen niederländischer Erbauungsliteratur und seine Gedichte Nur von Saldenus’ Christlicher Kinder-Schule, Krafft des Abendmahls, Leben auß dem Tode und von der Übersetzung von Teellincks Noodwendigh vertoogh weiß man mit Sicherheit, dass Erberfeld deren Überstzer ist. Leben auß dem Tode enthält eine Widmung aus dem Jahre 1675 von dr. P. E. aus C.[öln]. Dies muss Erberfeld sein. In der Vorrede zu der Schrift verweist er auf die anderen drei erwähnten Schriften. In der Vorrede zu Krafft des Abendmahls kündigt er weitere Übersetzungen von Schriften von Saldenus an. Die Erstauflage von Saldenus’ Weg des Lebens ist ebenso wie die erste Auflage von Krafft des Abendmahls bei Commelinus in Amsterdam erschienen. Die zweite Auflage von Weg des Lebens erschien bei Kürßner in Kassel. Das gleiche gilt für Kurtz und deutlicher Bericht. Es gibt also genügend Indizien dafür, dass die in diesem Kapitel behandelten Saldenus-Übersetzungen, die van den End alle Erberfeld zuschreibt, tatsächlich von Erberfeld stammen, obwohl Kurtz und deutlicher bericht auch von einem anonymen A. S. übersetzt worden sein könnte.
342
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
Vermutlich hat Undereyck Erberfelds Übersetzungsarbeit angeregt. Er hatte in Christi Braut oft Saldenus’ Wech des levens und Teellincks Noodwendigh vertoogh zitiert. Erberfeld hat ihm 1675 geschrieben und 1680/1 für ihn und seine Anhänger Verhandlungen geführt. Über seine Schwägerinnen Barbara, Helena Margareta und Sara sowie über seinen Schwager Cornelius de Hase485 könnte Erberfeld mit Saldenus in Delft in Kontakt gekommen sein.486 Auch Johannes Brunnemann, Heinrich Schmettau und Anton Brunsen könnten Erberfelds Übersetzungsarbeit angeregt haben. Erberfelds Übersetzungen der Schriften von Saldenus und Teellinck487 erschienen alle im Zeitraum zwischen seinem Berliner und seinem Duisburger Aufenthalt. In dieser Periode hatte er vermutlich wenige Geschäfte zu erledigen. Er hatte wahrscheinlich viel Zeit zum Übersetzen, aber zu wenig Gehalt für seinen Lebensunterhalt. Somit könnte der Grund für seine Übersetzungsarbeit teils finanzieller Art gewesen sein. Es ist auffallend, dass nach seinem Antritt als Schultheiß in Duisburg dreißig Jahre lang keine Übersetzungen von ihm erschienen sind. Dieses Amt muss ihn sehr beschäftigt und ihm ein hohes Gehalt verschafft haben. Eine weitere Erklärung für die Pause seit 1675 liefern die negativen Reaktionen auf die zweite Auflage von Saldenus Christlicher Kinder-Schule. Als weitere Motive von Erberfelds Übersetzungen lassen sich aufgrund der Titelblätter und Vorreden die Verhütung des Verfalls von Kirche und Gesellschaft und die Förderung der Bibellektüre ausweisen. Die Übersetzungsarbeit war für Erberfeld Erfüllung der ihm von Gott erteilten Aufgabe des königlichen Priestertums. Erberfeld hatte also erbauliche und reformiert-pietistische Anliegen. Aus der Vorrede zu Leben auß dem Tode treten diese Anliegen noch klarer hervor: Es ging Erberfeld um die Aufdeckung geistlichen Selbstbetrugs, Wachsamkeit und Tötung des Fleisches und einen Lebenswandel, der Gott verherrlicht. 485 De Hase war 1675 bis 1676 Hofmeister des Barons Frederik Adriaan van Reede (1659– 1738), Herr van Renswoude, Emmickhuysen und Bornewal, vgl. Havighorst, Ruhmwürdiges Leben, und merckwürdiges Absterben des … Herrn Cornelii de Hase. Vgl. über van Reede: NNBW, Bd. 3, 1034–1036. Renswoude war 1649–52 Saldenus’ erste Pfarrstelle gewesen. 486 Umgekehrt mag Saldenus über die Mitglieder der Wouters-Familie, unter ihnen Erberfeld und die Delfter Schwestern, über die von dem Proponenten Heinrich Schlüter (1645–1725) initiierten, labadistischen Erbauungsversammlungen in Mülheim an der Ruhr erfahren haben. Saldenus bestritt 1670 in zwei Pamphleten Schlüters labadistische Ansichten, vgl. End 1991, 194–212. Jedoch können auch zwei andere Kontakte des Saldenus eine Rolle gespielt haben: Breckling und Samuel Nethenus (s. unten), welche den Kreis um Schlüter ebenfalls bekämpften. Vgl. zu Breckling: G. Arnold 1967, 4. 3. 18.93, S. 1097; zu Nethenus: Samuel Nethenus, Apologia netheniana … Dat is een waarachtige ontdekkinge van de onrechtveerdige proceduiren, tegens hem … in ’t werk gestelt, Amsterdam, Pieter Paats, Jacobus Hardenberg, 1697, 639 f.; Groot 1978. 487 Withof 2008, 383, meint, dass Erberfeld außer der Hugo-Schrift noch andere erbauliche Schriften übersetzt hat, unter ihnen einige von Willem Teelinck. Er verweist dafür auf Lampes nicht überlieferte Trauerschrift auf Erberfelds Tod. Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass Erberfeld noch andere Schriften Teellincks übersetzt hat, die als Handschrift zirkulierten.
5.15 Zusammenfassung343
Erberfelds Übersetzungen behandeln die Merkmale der wahren Gottseligkeit im Gegensatz zur Scheingottseligkeit, die Früchte des Abendmahls zum Trost und zur Heiligung der Gläubigen, die Glaubenslehre und die daraus hervorgehende Praxis, die Todesvorbereitung und die Reform von Kirche und Gesellschaft. Nicht in die Kategorie niederländischer Erbauungsliteratur aus dem Umkreis der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung fällt die Hugo-Bearbeitung. Wer den Inhalt von Hugos Pia desideria kennt, und wer den Titel von Erberfelds Bearbeitung liest (Gottseelige Begierden und andächtige Seufzer der in den Wegen der Busse, Heiligung und Liebe wandelenden und also nach der Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung mit Gott, sich sehnenden Seele), denkt unmittelbar an die Mystik. Deshalb scheint es, als hätte sich Erberfeld – der noch um 1675 Teellincks Reformprogramm übersetzt hatte – am Ende seines Lebens, wohl aus Enttäuschung über das Scheitern der Versuche zur Reform, ganz in die Innerlichkeit zurückgezogen. Aus der vermutlich von Erberfeld verfassten Vorrede zur Hugo-Bearbeitung spricht tatsächlich einige Enttäuschung. Die Versuche zur Reform im Sinne der Nadere Reformatie werden im Einzelnen dargelegt und das Fehlschlagen dieser Bemühungen wird zugegeben. Daraufhin wird behauptet, es sei das beste, dass jeder danach trachtet, seine und anderer Leute Seelen zu retten, worauf das Schema der Mystik erklärt wird. Die Tatsache, dass die verschiedenen Reformbestrebungen aber am Anfang ausführlich dargestellt werden, deutet darauf hin, dass Erberfeld den Weg von Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung mit Gott als den Weg zu einer umfassenden Reform von Kirche und Gesellschaft betrachtete. Er war sich darüber im Klaren, dass Letztere sich im Augenblick nicht realisieren ließ, hielt aber die Hoffnung für eine zukünftige Reform lebendig. Zuerst sollten sich Individuen bekehren und völlig Gott ergeben, danach wäre eine umfassende Reform der Gesellschaft möglich. Dass Erberfeld den Kopf nicht hängen ließ, lässt sich auch aus seinem Auftreten bei der Hochmann-Affäre im Jahr 1705 ableiten. Die meisten Übersetzungen Erberfelds gehören zur Gattung der Abhandlung, zwei sind Katechisationsschriften und eine ist ein Reformationsprogramm. Aus Erberfelds Gesamtschrifttum geht hervor, dass er sich auch für Exempel interessierte. Dies geht aus der Aufnahme der Zeugnisse über Daniel Spanheims Tode in Leben auß dem Tode und aus dem Inhalt seines Gedichtes anlässlich des Todes seiner Schwägerin Sara hervor. In diesem Gedicht stellt er das Leben und Sterben Saras als Exempel für die in geistlicher Hinsicht Sorglosen dar. Erberfelds Übersetzung von Teellincks Reformprogramm zirkulierte vermutlich als Handschrift, ist aber wohl nie gedruckt worden. Dies ist vielleicht der gleichzeitigen Herausgabe von Speners Programm zuzuschreiben, wodurch die Teellinck-Schrift bei den Verlagen kein Interesse mehr erwecken konnte. Bei der Übersetzung der Saldenus-Schriften hat Erberfeld die bedeutungsund interpretationsorientierte Methode benutzt. Er gibt offen zu, dass er auf-
344
5. Philipp Erberfeld (1639–1709)
grund von Eile nicht die Übersetzung aller schwierigen niederländischen Formulierungen überprüfen konnte, und dass die Qualität zuweilen mangelhaft ist. Gleichzeitig relativiert er den Schaden dieser Mängel, indem er davon ausgeht, dass diejenigen Leser, denen es um den Inhalt („die Sache“) geht, und die sich darin auskennen, keine Verständnisschwierigkeiten haben werden. Für Erberfeld ist der Inhalt der Form überlegen. Erberfelds Zugeständnis scheint zum Teil ein Bescheidenheitstopos zu sein, denn abgesehen von einigen Fehlern und nicht übersetzten Stellen hat er zutreffend übersetzt. In inhaltlicher Hinsicht hat Erberfeld nur geringe Änderungen vorgenommen. Bei der Übersetzung der Bibelstellen bemühte er sich, die angemessenste Übersetzung zu finden. Dabei hat er zum Vergleich andere Bibelübersetzungen oder den Urtext angeführt. In seinen Übersetzungen reformierter Erbauungsbücher hat Erberfeld die Stufe der interpretatio nicht überschritten. Die HugoSchrift befindet sich auf der Ebene der imitatio. Erberfeld stellte die Schrift aus verschiedenen bearbeiteten Fassungen von Hugos Pia desideria zusammen, Serrarius’ Vorrede transformierte er inhaltlich, indem er diese in den Rahmen der Sittenreform einbettete. Andererseits wird auf dem Titelblatt und in der Vorrede Hugos Name erwähnt und der Titel der Bearbeitung ist eine Übersetzung des lateinischen Hugo-Titels. In der bearbeiteten Fassung wird also zugegeben, dass es sich um eine Bearbeitung handelt, weshalb es sich um eine imitatio handelt. Erberfelds Übersetzungen erschienen in Amsterdam, Kopenhagen, Bremen, Kassel und Frankfurt. Vielleicht haben außer Schütz Bremer oder Kölner Kaufleute zwischen Erberfeld und den betreffenden Verlagen, die vielleicht auf der Frankfurter Buchmesse anwesend waren, vermittelt. Einige von Erberfelds Übersetzungen wurden zweimal aufgelegt: Der Weg des Lebens, Christliche Kinder-Schule und Kurtz und deutlicher Bericht. Wirkliche Bestseller waren sie damit nicht. Jedoch hat die Christliche Kinder-Schule einige Breitenwirkung erreicht, wenn auch eine nicht unumstrittene. Im Streit gegen den Düsseldorfer Pfarrer Steenhuysen, der mit Erberfeld und Gerhard von Mastricht bekannt gewesen sein muss, wurde dieser auch wegen der Benutzung von Saldenus’ Katechismus angeprangert. Vermutlich betrachten Steenhuysens Gegner folgende Elemente des Katechismus als heterodox: die Betonung der Heiligung, die Unterscheidung zwischen Schein und Sein und das Verständnis der Wiedergeburt als ängstliche Erfahrung. Im Prozess der Stadt Duisburg gegen Erberfeld wurde Erberfeld beschuldigt, in der Vorrede zur zweiten Auflage der Christlichen Kinder-Schule eine abweichende Auffassung geäußert und eine neue religiöse Sekte gegründet zu haben. Diese Anschuldigung könnte die Retourkutsche für die Proteste der Düsseldorfer Reformierten gegen Steenhuysen gewesen sein. In diesem Kontext ist die Frage nach der Autorschaft der Approbationen zur zweiten Auflage dieser Schrift interessant. Einer der Approbatoren könnte Steenhuysen sein. Der Ort und das Jahr der Erscheinung (Frankfurt 1675) könnten
5.15 Zusammenfassung345
aber auch auf Schütz hinweisen. Eine Approbation eines Nichtreformierten war in dem Rechtsprozess ja eine bequeme Waffe für die Stadt Duisburg, die auch die Korrespondenz von Erberfelds Eltern mit dem Lutheraner Henning Koch ablehnte. Schließlich könnte auch Gerhard von Mastricht als Gutachter aufgetreten sein. Sein Katechismus wurde labadistischer Elemente verdächtigt. Auch eine andere Schrift Erberfelds wurde angeprangert, und zwar wegen der Kritik und der Auslösung von Neuerungen. Gemeint ist vermutlich Leben auß dem Tode mit der darin enthaltenen Vorrede. Ein Vergleich mit der Reaktion auf Gerhard von Mastrichts Katechismus, der vielleicht von Erberfelds Saldenus-Übersetzungen angeregt wurde, wirft wahrscheinlich mehr Licht auf die Reaktion auf Christliche Kinder-Schule. Wahrscheinlich wurden gegen diese Schrift die gleichen Vorwürfe wie gegen Mastrichts Katechismus angeführt: sie konkurriere mit und weiche inhaltlich vom Heidelberger Katechismus ab und sie betone die Heiligung. Der Heidelberger Katechismus galt ja als das Symbol der reformierten Kirche in Deutschland schlechthin. Der Reiz von Saldenus’ und Mastrichts Katechismen wird in ihrem einfachen Niveau gelegen haben. Saldenus’ Schriften wurden auch von Lutheranern geschätzt. Gottfried Arnold nahm in die Beschreibungen der „Zeugen der Wahrheit“, die ihm Breckling hatte zukommen lassen, auch Saldenus auf. Er nennt unter anderem die Schriften Weg des Lebens und Leben auß dem Tode und behauptet, Saldenus stimme mit der lutherischen Lehre hinsichtlich der Prädestination und anderer Glaubensartikel überein.488 Lilienthal hat Brecklings Worte später übernommen.489 Diese Behauptung trifft als allgemeine Aussage über Saldenus’ Theologie nicht zu. Unterschiede zur lutherischen Lehre bestehen in Saldenus’ Prädestinationslehre, in der Auffassung, dass Gott zwar niemanden von der Gnadeneinladung ausschließt, aber nicht die Absicht hat, jeden zu sich zu nötigen, in dem Verhältnis zwischen Rechtfertigung und Heiligung und in der Beharrung der Heiligen. In Kurtz und deutlichem Bericht spricht Saldenus der zeitgenössischen lutherischen Kirche das Prädikat der wahren Kirche sogar ab.490 Wahrscheinlich hat Breckling nur die zwei erwähnten Schriften des Saldenus gelesen, welche die Heiligung beziehungsweise die Todesvorbereitung thematisieren, und in denen die von der lutherischen Lehre abweichenden reformierten Lehrstücke kaum zum Vorschein kommen, geschweige dass sie darin besonders thematisiert werden. Die meisten von Erberfelds Gedichten zeigen keine hohe poetische Qualität. Jedoch haben seine dichterischen Fähigkeiten und seine religiöse Gesinnung ihn mit dem bekannten reformierten und reformiert-pietistischen Pfarrer und Liederdichter Neander in Kontakt gebracht. 488
Vgl. G. Arnold 1967, 4. 3. 18.93, S. 1097. Vgl. Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, 699 f. 490 Vgl. End 1991, 37–60. 489
6. Johann Christoph Noltenius (1644–1719) 6.1 Jugend und Studium (1644 – ca. 1672) „Johan Christoffer Nolte“ wurde am 22. November 1644 in der reformierten Gemeinde der Stadt Rheda getauft.1 Die Stadt Rheda gehörte zur Herrschaft Rheda und zur Grafschaft Bentheim-Tecklenburg. Am Anfang des Dreißigjährigen Krieges wurde die Herrschaft Rheda durch Einquartierungen, exorbitante Kontributionen und Plünderungen stark belastet. In den letzten Kriegsjahren blieb die Stadt, die Schutzbriefe von den kaiserlichen und schwedischen Befehlshabern erhielt, weitgehend von Angriffen verschont. Jedoch drangen noch Anfang November 1644 hessische Truppen in die Herrschaft ein und es kam zu Plünderungen in Gütersloh. Graf Moritz von Bentheim-Tecklenburg (1615–74) setzte nach dem Krieg gezielte Maßnahmen zum wirtschaftlichen Aufschwung ein.2 Die Herrschaft Rheda war im 16. Jahrhundert von der lutherischen zur reformierten Konfession übergetreten. 1588 erließ man eine neue Kirchenordnung, die 1619 überarbeitet und in Druck gegeben wurde. Noch im selben Jahr wurde ein Presbyterium eingerichtet.3 Bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts war die Predigtsprache in der Grafschaft Bentheim-Tecklenburg das Nieder- oder Plattdeutsche. Danach drängte das Hochdeutsche das Niederdeutsche als Schriftund Predigtsprache allmählich zurück.4 Wie aus den Zeugnissen zweier Bremer Professoren (s. unten) hervorgeht, immatrikulierte sich Noltenius im April 1666 am Bremer Gymnasium, wo er 1 Vgl. Flaskamp (Hrsg.) 1971, 63. Leider fehlt der Name des Vaters. Als Paten traten auf: Alexander Wilmans, der Gerichtschreiber Habich und Jacob Schröders Frau. Bauks 1980, 365, Nr. 4544, meint, dass Noltenius am 10. Juli 1644 geboren wurde, und führt als möglichen Geburtsort Bremen an. Thadden 1959, 211, zufolge entstammte Noltenius einer Bremer Familie. 2 Vgl. Böckenholt 1979, 32–34; H. Schaub 2006, 91–99. 3 Vgl. O. Kühn 1977, 20–27; H. Schaub 2006, 202 f. Seit 1682 führte das Presbyterium Hausvisitationen zur Förderung der Gottseligkeit durch. Bis etwa 1740 hat das Presbyterium eine strenge Kirchenzucht gegen Missbräuche in den Sitten durchgeführt, vgl. H. Schaub 2006, 203–205. 4 Vgl. Hunsche 1966, 98 f.
6.2 Rektor und Prediger (1672–1719)347
Philosophie und Theologie studierte.5 In Bremen ließ er seinen Namen zu „Noltenius“ latinisieren.
6.2 Rektor und Prediger (1672–1719) 1672 wurde Noltenius als Rektor an die Lateinschule in Salzuflen6 (heute: Bad Salzuflen), das zur Grafschaft Lippe-Detmold gehörte, berufen. Als Rektor der Schule unterstand er der reformierten Gemeinde und er sollte auch die Frühpredigten der Kirchengemeinde übernehmen.7 Nach dem Regierungsantritt von Graf Simon VI. von Lippe (1554–1613) im Jahre 1579 wurde die Grafschaft Lippe der reformierten Konfession zugeführt. Obwohl man seit 1600 bei den Visitationen eine überarbeitete Fassung des Heidelberger Katechismus benutzte, wurde dieser erst 1618 offiziell eingeführt. 1616 bildete sich die Grafschaft Lippe-Detmold, wo man 1646 die kurpfälzische Kirchenordnung einführte. 1675 fielen die Truppen des Münsterischen Bischofs Bernhard von Galen in die Grafschaft ein und verwüsteten sie schwer.8 Die Bürgermeister und der Rat Salzuflens wandten sich bei der Suche nach einem qualifizierten Kandidaten für das vakante Rektorat der Lateinschule an das Bremer Gymnasium. Die Professoren Gerhard Meier (1616–95) und Heinrich Flocke (1602–80) empfahlen Noltenius, was Superintendent Johann Henrich Stocker befürwortete.9 Darauf wandte sich die Stadt an Graf Simon Heinrich (1649–97). Während die Stadt Salzuflen das Recht auf Berufung und Installierung ( jus vocandi et installandi) besaß, stand das Recht auf Examinierung ( jus examinandi) dem Grafen als episcopus loci zu. Am 14. Mai erfolgte die Examination Noltenius’ durch das Konsistorium, das Noltenius’ Bestallung bestätigte.10 5 Der Bremer Professor Gerhard Meier schrieb am 12. April 1672: Hodie sex anni integri sunt, cum ad nos venit … Johannes Nolte Rhedensis. Is ab eo tempore cum lectionibus phylosophicis et theolologicis audiendis …, LA NRW, Abt. Ostwestf.‑Lippe, 71 Nr. 155: Scholastica uflensia, I. Bestellung eines Rectoris, 95r. Der Name Noltenius ist nicht in der Bremer Matrikel verzeichnet. 6 Vgl. Rügge 2007. Die Angabe, dass Noltenius 1677 Hofprediger der Herzogin in Liebau (Kurland) wurde (vgl. ebd., 138), ist falsch. 7 Vgl. für diesen Abschnitt im Allgemeinen: Pölert 1966, 66–77; Rügge 2007, 137. Als Rektor bekam Noltenius ein Salar von 80 Talern, wozu zusätzlich noch die Schulgelder und Naturalien kamen, was einen Gesamtbetrag von etwa 160 Talern pro Jahr ergab, vgl. ebd., 75. Vgl. über Kirche und Schule in Lippe: Heidemann 1960/1961. 8 Vgl. Neuser 1991. 9 Vgl. Meiers Zeugnis: LA NRW, Abt. Ostwestf.‑Lippe, 71 Nr. 155: Scholastica uflensia, I. Bestellung eines Rectoris, 94v, 95r–96r, 99r, 100r, 197r–198r, 364r, 365r–v. Vgl. über Meier, Janse 2007, 333, Anm. 34; über Flocke, ebd., 336, Anm. 43; über Stöcker: Butterweck 1926, 367, 556. 10 Vgl. LA NRW, Abt. Ostwestf.‑Lippe, L 65 Nr. 102: Consistorialia Ecclesiastica judicialia et Episcopalia, I. Protocolla Consistorii ordinarii, Bd. 4, 294v–295r; 71 Nr. 155: Scholastica uflensia, I. Bestellung eines Rectoris, 93r, 94r–97r, 103r, 105r, 195r–v, 199r, 200r–v, 202r–203r.
348
6. Johann Christoph Noltenius (1644–1719)
Darüber entbrannte ein Streit mit der Stadt, die sich das Recht auf Bestätigung vorbehielt. Der Streit dauerte mindestens bis Ende Mai des Jahres. Ob und wie es zu einer Lösung kam, geht aus den Akten nicht hervor. Vermutlich hat die Stadt sich mit der Situation abfinden müssen.11 Wahrscheinlich war die reformierte Kirche in der Grafschaft Lippe-Detmold bereits zu der Zeit, als Noltenius dort tätig war, reformiert-pietistisch geprägt.12 Dafür sprechen unter anderem die Rektoren- und Pastorenbesetzungen und Berufungen nach Lippe-Detmold. 1674 bis 1675 war Wilhelm Diedrichs (1651–90) Pfarrer in Detmold. Weil er dort mit seinen pietistischen Ansichten nicht hatte Fuß fassen können, wechselte er schließlich nach Lippstadt. Heinrich Lampe (s. 5.5) wurde 1676 als Hofprediger nach Detmold berufen, wo er bald auch Stadtpfarrer wurde. 1678 erhielt er einen Verweis wegen Neuerungen in Kirchenangelegenheiten und allzu scharfer Predigt. Auch in seinem späteren Wirken in Detmold lassen sich reformiert-pietistische Tendenzen erkennen.13 Der Undereyck-Schüler und -Kollege Cornelius de Hase wurde 1676 unter anderem nach Detmold berufen.14 1677 berief Simon Heinrich den reformierten Pietisten Johann Jakob Zeller (1626–91), gebürtig aus Zürich und zu der Zeit Pfarrer in Sonsbeck und Rees in Kleve, zum lippischen Generalsuperintendenten und Konsistorialrat nach Detmold. In Rees war Zeller 1672 Jodocus van Lodenstein (s. 3.5) begegnet, der ihn in seinen Ansichten nachhaltig prägte. Er führte die Revision der lippischen Kirchenordnung fort, woraus sich die reformiert-pietistisch geprägte lippische Kirchenordnung von 1684 entwickelte.15 Ein anderer Kandidat für das Detmolder Amt war Heinrich Bernhard Meyer (1643–81), Johannes Duysings Nachfolger in der Gemeinde St. Pauli in Bremen.16 Undereycks Schwiegersohn Werner Köhne (s. 3.6) war um 1679 vorübergehend Hofprediger in Detmold.17 Johann Weingärtner (Vineator) war Pfarrer in Horn und Salzuflen (1680 bis 1692) sowie Generalsuperintendent in der Nachfolge Zellers. Er wehrte sich gegen die musikalische Begleitung der Abendmahlsgottesdienste und gegen Mai-Schmuck zu Pfingsten. Im Rahmen seines Amtes ließ er die Predigtzeit verlängern, dehnte die Betstunden aus und führte liturgische Neuerungen ein.18 Ludolf Henrich Hünefeldt wurde in Lippe-Detmold geboren, war 1682 Prediger in Lemgo und 1688 bis 1702 an der Bremer 11 Vgl. LA NRW, Abt. Ostwestf.‑Lippe, 71 Nr. 155: Scholastica uflensia, I. Bestellung eines Rectoris, 96r, 103r–104r, 107r–108r, 109r–110v, 113r–v, 115r, 196r, 204r–v, 205r–v, 206r–209r, 210r, 216r. Vgl. auch Rügge 2007, 135. 12 Vgl. über die lippische Kirchengeschichte von 1648 bis 1700: Butterweck 1926, 173–182. 13 Vgl. J. F. G. Goeters 1993, 258. 14 Vgl. Jou 1994, 256. 15 Vgl. Wenneker 2001. 16 Vgl. Iken 1882, 51. 17 Vgl. Mai 1979, 119; Müller-Benedict/A mmann (Hrsg.) 1990–1996, Bd. 2, 99, Nr. 496. 18 Vgl. Butterweck 1926, 268, 444, 556; Pölert 1966, 66 f.; Rügge 2007, 135 f.
6.2 Rektor und Prediger (1672–1719)349
St. Pauligemeinde (s. 3.6).19 Auch Justus Jakob Schröder, Rektor in Salzuflen und Detmold, Pfarrer in Horn, Superintendent der Klasse Varenholz und Mitarbeiter der Zellerschen Kirchenordnung, war reformiert-pietistischer Pfarrer.20 Aus Lage in Lippe stammt Simon Jodocus Krüger, der in den Niederlanden im Sinne der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung tätig war (s. 3.6). Am 1. Februar 1676 wandte sich Herzogin Sophie Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg (1613–76) von Lüchow bei Lüneburg aus an den lippischen Grafen mit der Bitte, Noltenius ab Ostern zum Prediger an ihrem Hofe21 bestallen zu dürfen.22 Sophie Elisabeth war die Tochter des reformierten Herzogs Johann Albrecht II. von Mecklenburg-Güstrow (1590–1636).23 1635 heiratete sie den lutherischen Herzog August den Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg (1579–1666). Bei ihrer Hochzeit hielt unter anderen der reformierte Hofprediger Johann Appelius (1590–1668) eine Hochzeitspredigt.24 Dieser amtierte von 1618 bis 1632 am Berliner Dom, danach wurde er Hofprediger in Güstrow in Mecklenburg und 1636 bis 1671 war er Hofprediger in Bückeburg in Schaumburg-Lippe.25 Während ihres Lebens hat Sophie Elisabeth am reformierten Bekenntnis festgehalten und sie stellte reformierte Bedienstete ein. Sophie Elisabeth war künstlerisch sehr begabt. Am Wolfenbütteler Hof gestaltete sie das Theater- und Musikleben. Ihr Oeuvre umfasst sowohl weltliche als auch geistliche Werke. Im Austausch mit anderen Hofmitgliedern pflegte sie eine intensive Lese- und Gebetspraxis. Auf ihren Wunsch berief Herzog August 1649 den lutherischen Reformtheologen Joachim Lütkemann (1608–55) aus Rostock zum Oberhofprediger und Generalsuperintendenten nach Wolfenbüttel. Ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes zog Sophie Elisabeth sich auf ihren Witwensitz in Lüchow zurück, wo sie fleißig die Bibel und Erbauungsbücher las, musikalische Hausandachten und tägliche Betstunden abhielt, geistliche Verse dichtete und Nächstenliebe praktizierte. Ihre Bibliothek enthielt deutsche lutherische sowie englische und niederländische reformierte Erbauungsbücher.26 19
Vgl. Iken 1882, 67 f.; Butterweck 1926, 466. Vgl. Butterweck 1926, 440 f., 444; Pölert 1966, 75 f. 21 Ihr bisheriger Hofprediger würde sich aus ihren Diensten begeben, vgl. LA NRW, Abt. Ostwestf.‑Lippe, L 65 Nr. 161: Examina et Ordinationes Candidatorum et Pastorum extraneorum, 1r. Es handelt sich wohl um Philipp Johann Tilemann, gen. Schenck, der 1667 bis 1676 Hofprediger in Lüchow war, s. 5.3. 22 Vgl. LA NRW, Abt. Ostwestf.‑Lippe, L 65 Nr. 161, 1r–v: Sophie Elisabeth bat den Grafen, Noltenius’ Reise bis nach Bückeburg zu bezahlen. 23 Vgl. Geck 1992; Henkel 2006. 24 Vgl. Johann Appelius, Hochzeitpredigt, bey dem fürstlichen Beylager des … Herrn Augusti des Jüngern, Hertzogen zu Braunschweig unnd Lüneburg, [et]c. mit der … Fräwlein Sophia Elisabetha, Hertzogin zu Meckelnburg, o. O. 1636. 25 Vgl. Thadden 1959, 235. 26 Siehe ihr Nachlassinventar: StA Coburg, LA 617: „Haupt Inventarium uber der [!] weiland Durchlauchtigen Furstin und Frauen, Frauen Sophien Elisabethen, verwittwete Herzogin zu Braunschweig und Luneburg … hinterlassenen und auf dem Furstlichen Witthums-Hause 20
350
6. Johann Christoph Noltenius (1644–1719)
1676 verschlechterte sich die ohnehin angegriffene Gesundheit der Herzogin merklich. Am 16. Februar wurde Noltenius vom Konsistorium examiniert und am nächsten Sonntag nach einer von ihm gehaltenen Frühpredigt zum Prediger ordiniert.27 Nun konnte der Graf Sophie Elisabeths Wunsch erfüllen.28 Sophie Elisabeth starb am 12. Juli 1676.29 Mitte Februar 1677 schickte Noltenius dem lippischen Grafen einen Brief, in dem er um Hilfe bat. Das Schreiben weist darauf hin, dass Noltenius zu diesem Zeitpunkt verheiratet war.30 1677 wurde Noltenius zum Garnisonsprediger der Burg Draheim ernannt. Durch den Bromberger Vertrag von 1657 war die Starostei (Landkreis) Draheim durch Polen an Brandenburg-Preußen verpfändet worden. Dabei erkannte der brandenburgische Kurfürst die Rechte der römisch-katholischen Kirche an. Erst 1668 fand die endgültige Besitzübergabe statt. Ein Amtmann verwaltete vom traditionellen Regierungssitz Burg Draheim aus das Gebiet. Die Mitglieder der reformierten Schlossgemeinde bildeten die Minderheit inmitten der überwiegend römischen Katholiken und der wenigen Lutheraner.31 1680 wurde Noltenius vom Großen Kurfürsten zu dessen Hofprediger auf der Sparrenburg und zum Prediger der reformierten Gemeinde der Stadt Bielefeld berufen.32 1647 hatte der Große Kurfürst die Grafschaft Ravensberg überLuchow befundenen Guter an Silber, Gold, Kleinodien, Briefschaften und anderen Mobilien, sammt einen vorangesetzten Register, an welchem Ort ein jegliches zu befinden, aufgerichtet anno 1676 im Monat November“: Drelincourt (Nr. 15, 20), Jeremiah Dyke (Nr. 16), Obadiah Sedgwick (Nr. 30), John Abernathy (Nr. 62). Ich danke Frau Dr. J. Bepler, Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, die mir freundlicherweise eine Kopie ihrer Transkriptionen des Nachlassinventars überließ. 27 Vgl. LA NRW, Abt. Ostwestf.‑Lippe, L 65 Nr. 102: Consistorialia Ecclesiastica judicialia et Episcopalia, I. Protocolla Consistorii ordinarii, Bd. 4, 411v; Nr. 161, 3r. 28 Vgl. LA NRW, Abt. Ostwestf.‑Lippe, L 65 Nr. 102: Consistorialia Ecclesiastica judicialia et Episcopalia, I. Protocolla Consistorii ordinarii, Bd. 4, 416r; Nr. 161, 4r–v. 29 In den Akten, die das Begräbnis von Sophie Elisabeth betreffen (NSLA HStA Hannover, Celler Briefe 44, 1587 II, III, IV ), findet der Name Noltenius keine Erwähnung. 30 LA NRW, Abt. Ostwestf.‑Lippe, 71 Nr. 155: Scholastica uflensia, I. Bestellung eines Rectoris, 371r–v: „alß der ohne dienst durch solchen beschwerlich unglücklichen todesfall mitt den meinen leben muß“ (371r). 31 Vgl. für die Geschichte Draheims: Motsch 2001; für die Kirchengeschichte: Bahr; für die reformierte Gemeinde: W. Lemke 1938, 5–10. Noltenius hat sich zweimal über ein niedriges Gehalt als Garnisonsprediger in Draheim beklagt, vgl. GStAPK 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 5592: Kirchenverwaltung in der Grafschaft Ravensberg, 103r, 105r. Der römisch-katholische Pleban (Geistliche) von Tempelburg versuchte seit 1671, die Protestanten zur Anpassung an die römisch-katholische Bräuche zu zwingen, vgl. Bahr 1931, 64–68. Noltenius’ Nachfolger David Treüer hatte um 1690 ein gutes Verhältnis mit diesem Pleban. 32 In GStAPK 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 5592: Kirchenverwaltung in der Grafschaft Ravensberg, 91r, 103r, 104r, 106r und ebd., 104r. findet sich eine Kurzbiographie des Noltenius, in der die Stationen seines Pfarrerdienstes aufgelistet werden: Rektor in Salzuflen, Hofprediger der verwitweten Herzogin zu Lüchow, Prediger in Draheim. Auch wird auf Noltenius’ Schwiegervater, den brandenburgischen Hofprediger Appelius, hingewiesen, der den Kurfürsten vor dessen erstem Abendmahlsgang katechisiert hat. Vgl. auch LA NRW, Abt. Westf., A 203 II: Minden-
6.2 Rektor und Prediger (1672–1719)351
nommen und mit einer Garnison belegt. 1666 fiel die Grafschaft ihm endgültig zu.33 Als Pfarrer der reformierten Gemeinde in Bielefeld verkehrte Noltenius in einem vorwiegend lutherischen Umfeld mit einer pietistischen Prägung.34 Als Statthalter der Sparrenburg amtierte seit 1680 der Drost und Geheime Rat Clamor von dem Bussche (1640–1723), Erbherr auf Ippenburg und Harlinghausen, der seit 1683 Landdrost der Grafschaft Ravensberg war. Er wohnte ebenso wie Noltenius35 auf der Sparrenburg.36 1687 heiratete von dem Bussche Anna Maria, Gräfin von Hoorn (1642–1740), aus Geldern, eine Stiftsdame der Herforder Abtei. Sie war eine Vertraute von Elisabeth von der Pfalz. Gräfin von Hoorn hatte Verbindungen zu den Labadisten, unter anderem zu Reiner Copper,37 stand in intensivem Kontakt mit den Quäkern,38 und hatte über eine in Wesel wohnhafte Schwester auch Kontakte zu reformierten Pietisten am Niederrhein.39 Vermutlich war sie selbst auch reformiert. Von dem Bussche und seine Frau standen mit Francke in Verbindung, der Bielefeld 1705 zweimal besuchte. Pietistische Neigungen und Praktiken existierten auch unter den lutherischen Superintendenten und Pfarrern wie Israel Clauder (1670–1721), und unter Beamten der Grafschaft wie dem Geheimen Rat Gustav Friedrich Heespen. 1703 wurde unter anderem durch von dem Bussches Unterstützung eine neue Kirchenordnung in Ravensberg eingeführt, die als die älteste, weithin pietistische Kirchenordnung in Preußen gilt. 1681 wurden das Bielefelder Süsterkloster und die dazugehörigen Häuser der reformierten Gemeinde übergeben. Dies führte zu lauten Protesten vonseiten der Lutheraner. Der Konflikt wurde erst 1682 durch die Bemühungen des LanddrosRavensberg, einzelne Akten des Evangelisch-reformierten Kirchendirektoriums in Berlin betr. Minden-Ravensberg, 7: Besetzung der reformierten Hofpredigerstelle zu Bielefeld. Bd. 1, 1680– 1797, Brief vom 20.1.1680; Thadden 1959, 23. Die Kombination der beiden Ämter geht hervor aus: GStAPK 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1298: Kirchenverwaltung zu Bielefeld, 5v, 12r–v; LA NRW, Abt. Westf., A 203 II: Minden-Ravensberg, einzelne Akten des Evangelisch-reformierten Kirchendirektoriums in Berlin betr. Minden-Ravensberg, 7: Besetzung der reformierten Hofpredigerstelle zu Bielefeld. Bd. 1, 1680–1797, Vorsteher und Älteste der Ev.-ref. Gem. zu Bielefeld an den König, Bielefeld 14.3.1719; Heinrich Arnold Rump an den König, Bielefeld 13.4.1719; ebd., 9: Reparatur der Kirchen-, Pfarr- u. Schulgebäude, Bd. 1: 1713–81, Noltenius an Kirchendirektorium, 30.11.1713. 33 Vgl. über die politische Geschichte von Ravensberg: Tümpel 1909. Vgl. für die nächsten Absätze im Allgemeinen: F. W. Schmidt 1957; Dellbrügge 2007, 48–55; Hilge 2007; Murken 2008, 145–150. 34 Vgl. für die nächsten Absätze Eickhoff 1909, 96–107; Rothert 1928, 112–169; Peters 2002. 35 Vgl. Dellbrügge 2007, 52. 36 Vgl. Tümpel 1909, 23; Wessing 1994, 19, 124; Peters 2002, bes. 79–81. 37 Die Gräfin lud 1692, als die Gütergemeinschaft der Labadisten aufgehoben wurde, Copper und seine Familie zu sich ein, vgl. Faulenbach 1977/8, 225. 38 Vgl. Juterczenka 2008, 141, 170. 39 Vgl. Goebel 1992, Bd. 2, 287; Gorissen 1979, 197, 199, 200, 202, Anm. 28; Peters 2002, 79, Anm. 367; Bei der Wieden 2008a, 55, 83, Anm. 35.
352
6. Johann Christoph Noltenius (1644–1719)
ten geschlichtet. Noltenius war stets sehr bemüht, Kollekten für den Unterhalt von Kirche und Schule der armen, aber wachsenden Gemeinde zu organisieren.40 Am 2./12. August 1689 wurde Noltenius vom Kurfürsten Friedrich III. als Nachfolger des lutherischen Ravensberger Konsistorialrats (und Superintendenten) Christian Nifanius (1626–89) bestallt.41 Damit erhöhte sich sein Gehalt.42 Dem Konsistorium gehörten unter anderem Landdrost von dem Bussche und der lutherische Superintendent an. 1708 gehörten außer von dem Bussche und Noltenius auch Heespen und Clauder dem Konsistorium an.43 In den Akten des Konsistoriums taucht Noltenius’ Unterschrift gelegentlich auf.44 Am 6. Juni 1701 stiftete Anna Maria von Hoorn der Schlosskapelle eine Kanzelbibel, in der sie folgenden Wunsch hinterließ: Der Herre Herre lasse die Salbunge seines Geistes reichlich flißen in die Sehlen dehren, so diese Biebel auff die Canzel in die Kirche auf den Sparenburg brauchen werden, damit sie 40 1684 erbrachte eine Kollekte in ausländischen Gemeinden 370 Taler. Dazu gehörten Spenden der Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg aus Rheda und der Fürsten zu Bentheim und Steinfurt aus Burgsteinfurt, vgl. Althöfer/Dellbrügge 2007, 96. Schon 1668 hatten die Grafen von der Lippe, Rheda, Steinfurt, Biesterfeld und Alverdissen höhere Beträge gespendet, vgl. F. W. Schmidt 1957, 18. Umgekehrt hat Noltenius’ Gemeinde 1689 der reformierten Gemeinde Düsseldorf 8 Reichstaler gespendet, vgl. Löhr/Maßner (Hrsg.) 1980, 331 f. Die Hälfte der Zinsen der übriggebliebenen Bielefelder Kollektengelder überließ das Presbyterium Noltenius als Dank für seine besonderen Verdienste, und zwar für seiner Bemühungen um die Übergabe der Süsterkirche, seiner Organisation der Kirchenkollekten, der Katechisation der Kinder und der Wiederaufahme der Nachmittagspredigt, vgl. K. R. Schaub 1832, 36f; Menzel 2007. Vgl. auch GStAPK 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1297: Bau eines Schulhauses der reformierten Gemeinde Bielefeld 1705; Nr. 1298: Kirchenverwaltung zu Bielefeld, 2r, 3r, 5r–v, 12r–v, 20r–21r, 23r–v, 30r–35v. 41 Vgl. LA NRW, Abt. Westf., A 203 II: Minden-Ravensberg, einzelne Akten des Evangelisch-reformierten Kirchendirektoriums in Berlin betr. Minden-Ravensberg, 7: Besetzung der reformierten Hofpredigerstelle zu Bielefeld. Bd. 1, 1680–1797, Brief vom 2./12.8.1689. Schon 1682 hatte der Kurfürst angeordnet, dass die reformierte Gemeinde Bielefeld nicht dem Ravensberger Konsistorium, sondern dem reformierten Kirchendirektorium in Berlin unterstehen sollte, vgl. Murken 2008, 146. 42 1682 hatte Noltenius noch über ein geringes Gehalt geklagt, vgl. GStAPK 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1298: Kirchenverwaltung zu Bielefeld, 2r, vgl. ebd., 20r. Insgesamt bekam er als Prediger auf der Sparrenburg und in Bielefeld ein Gehalt von 328 Talern, vgl. LA NRW, Abt. Westf., A 203 II: Minden-Ravensberg, einzelne Akten des Evangelisch-reformierten Kirchendirektoriums in Berlin betr. Minden-Ravensberg, 7: Besetzung der reformierten Hofpredigerstelle zu Bielefeld. Bd. 1, 1680–1797, Quittung beim Brief vom 21.4.1719. Der Gesamtbetrag setzte sich aus 288 Talern aus der Kontributionskasse und 40 Talern aus dem Mons pietatis zusammen. Als Konsistorialrat bekam er 77 Taler dazu, die aus den Kammergehältern genommen wurden. Dieser Betrag setzte sich aus 40 Talern in bar, 12 Talern für Holz und 25 Talern für Hausmiete zusammen. Außerdem bekam er finanzielle Erträge aus einem Garten. 43 Vgl. Burggrafen/Fuhrmann 1918, 98 f. 44 Vgl. LA NRW, Abt. Westf., A 202 I: Minden-Ravensberg, Konsistorium, I,14: Bestellung der Superintendenten in der Grafschaft Ravensberg, Bd. 2, 21 (7.2.1710); II,4: Annalen und Revenuen von Stiftern der Grafschaft Ravensberg, die dem Potsdamer Waisenhaus geschenkt worden sind, 1709–11, 42r–43v. (Übertragung eines Kanonikats am 28.10.1710); IV,44: Vorsteher der Neustädter Kirche zu Bielefeld, Bd. 1: 1694–1707, 166b (30.1.1706); Bd. 2: 1716–19, 5v (25.1.1716), 10r, 11r (1.4.1716), 27 (7.4.1717), 37 (22.9.1717), 49v (3.11.1717), 78 (19.10.1718).
6.2 Rektor und Prediger (1672–1719)353
durch den Geist den Sinn deß Geistes recht verstehen und fruchtbarlich dero Zuhörer zu verstehen geben, ist der innige Wunsch von die, so diese Bibel darauff verehrt.45
Am 28. Juni 1705 hielt Noltenius eine Leichenpredigt anlässlich des Todes der preußischen Königin Sophia Charlotte (1668–1705), der zweiten Frau des preußischen Königs Friedrich I.46 Spätestens seit Ende 1713 muss Noltenius’ Gesundheitszustand kritisch gewesen sein, wie aus seiner Korrespondenz hervorgeht.47 Am 12. März 1719 um 22 Uhr starb Noltenius im Alter von 75 Jahren.48 Er wurde in der Süsterkirche bestattet.49 Am 16. März bat Noltenius’ Witwe Eleonora Charlotte Appelius50 bei König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740, er regierte seit 1713) um ein Gnadenjahr und um weitere Gnaden für sie und ihre Kinder. Sie wies darauf hin, dass ihr Vater den Großvater des Königs, den Großen Kurfürsten, katechisiert hatte, und dass dieser als Dank dafür ihrem Mann die Ämter in Draheim und später auf der Sparrenburg zugewiesen hatte.51 Der Witwe wurde ein Sterbequartal sowie ein Gnadenjahr zugebilligt.52 Ein von Noltenius bewirtschafteter Garten auf der Sparrenburg erhielt später den Namen Nolteniusgarten.53 45
Vgl. F. W. Schmidt 1957, 22. Vgl. Althöfer/Dellbrügge 2007, 96. Sophia Charlotte war eine Tochter von Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg, dem späteren Kurfürsten von Hannover (1629–98), und Sophie von der Pfalz (1630–1714). Vermutlich ist die vom Hannoveraner Hof-, Silber- und Goldschmied Joachim Sander angefertigte silberne Taufschale der Bielefelder Gemeinde über Noltenius aus Hannover nach Bielefeld gekommen. Auch von dem Bussche hatte gute Beziehungen zum Hannoveraner Hof, vgl. Leibniz 2008, 341. 47 Vgl. LA NRW, Abt. Westf., A 203 II: Minden-Ravensberg, einzelne Akten des Evangelisch-reformierten Kirchendirektoriums in Berlin betr. Minden-Ravensberg, 7: Besetzung der reformierten Hofpredigerstelle zu Bielefeld. Bd. 1, 1680–1797, Brief vom 13.4.1719; ebd., 9: Reparatur der Kirchen-, Pfarr- u. Schulgebäude, Bd. 1: 1713–81, Brief vom 30.11.1713. 48 LA NRW, Abt. Westf., A 203 II: Minden-Ravensberg, einzelne Akten des Evangelischreformierten Kirchendirektoriums in Berlin betr. Minden-Ravensberg, 7: Besetzung der reformierten Hofpredigerstelle zu Bielefeld. Bd. 1, 1680–1797, Brief vom 14.3.1719. Dass Noltenius am Sonntag starb, geht aus einem Brief seiner Witwe hervor, vgl. ebd., Brief vom 16.3.1719, 1r. 49 Vgl. Dellbrügge 2007, 52. 50 Ihre Schwester, Elisabeth Louise, heiratete 1688 Georg Conrad Bergius (1623–91), den reformierten Dom- und Hofprediger und Konsistorialrat in Cölln an der Spree, Sohn des brandenburgischen Hofpredigers Johann Bergius (1587–1658), vgl. Bahl 2001, 428 f. Falsch sind Bahls Angaben, dass Elisabeth Louise in dritter Ehe mit Johann Christoph Noltenius vermählt und dass dieser Hofprediger in Minden war. 51 Vgl. LA NRW, Abt. Westf., A 203 II: Minden-Ravensberg, einzelne Akten des Evangelisch-reformierten Kirchendirektoriums in Berlin betr. Minden-Ravensberg, 7: Besetzung der reformierten Hofpredigerstelle zu Bielefeld. Bd. 1, 1680–1797, Brief vom 16.3.1719. 52 Vgl. LA NRW, Abt. Westf., A 203 II: Minden-Ravensberg, einzelne Akten des Evangelisch-reformierten Kirchendirektoriums in Berlin betr. Minden-Ravensberg, 7: Besetzung der reformierten Hofpredigerstelle zu Bielefeld. Bd. 1, 1680–1797, Brief vom 14.3., 16.3., 30.3., 5.4., 21.4., 9.9.1719. 53 Vgl. StA Münster, A 224 Sp/Grafschaft Ravensberg, Amt Sparenberg, Vogtei Brackwede, Nr. 19: Aufhebung der Vererbpachtung des Nolteniusgartens zu Bielefeld und dessen Übertra46
354
6. Johann Christoph Noltenius (1644–1719)
Aus einer Quelle desselben Jahres geht hervor, dass der vertretende lippische Pfarrer die Austeilung des Abendmahls an Kranke als übliche Praxis betrachtete. Wegen ansteckender Krankheiten in seiner eigenen Gemeinde konnte er diese aber nicht verlassen.54 Von Noltenius’ Nachfolger Christian Johann Cochius (1688–1749) ist bekannt, dass er, auf Wunsch des preußischen Königs und zur Freude der Bielefelder Lutheraner, die universale Reichweite von Christi Verdienst lehrte.55 Schon der Vater des Königs, Friedrich I., hatte sich zu dieser Lehre bekannt.56 Vier Kinder von Noltenius überlebten ihre Kindheit: Johann Arnold (1683), Maria Anna (1689), Louysa Charlotta (1691) und Friedrich Clamor (1698).57 Noltenius’ Sohn Johann Arnold (16.4.1683–2.3.1740) gelangte über den Schuldienst in Duisburg und das Pfarramt in Weeze und Hannover letztendlich in königlich-preußische Dienste und wurde zu einem angesehenen Berliner Theologen.58 Er war mit Johanna Maria Lampe, einer Tochter Heinrichs und einer Schwester Friedrich Adolphs, verheiratet.59 1725 ernannte der König ihn zum Lehrer der Prinzen und Prinzessinnen. Dabei habe er Freimut und Unabhängigkeit gegenüber dem König zutage gelegt. Ab 1731 war er einer der Auf-
gung vom Stellmacher Suestmann auf den Hofprediger Schregel zu Bielefeld (1781–82), 44r–v. (14.5.1782). 54 „und indeßen doch auch beij unserer gemeinde sich zuweilen einige kranck befinden, beij deren besuchung so woll, alß vorab wann von ihnen das heilige Abendmahl verlanget wird, sich große incommoditäten hervorthuhn“, LA NRW, Abt. Westf., A 203 II: Minden-Ravensberg, einzelne Akten des Evangelisch-reformierten Kirchendirektoriums in Berlin betr. Minden-Ravensberg, 7: Besetzung der reformierten Hofpredigerstelle zu Bielefeld. Bd. 1, 1680–1797, Brief vom 9.9.1719. 55 Vgl. Peters 2002, 124. 56 Vgl. Frey 1984, 135. 57 Vgl. AERG Bielefeld, Kirchenbuch, Nr. 5, 48, 143, 214, 269, 330, 385. Drei Kinder überlebten die Kindheit nicht: Johan Christoff (1680), August Friedrich (1686) und Clamor Johann (1695). Bei der Taufe von Maria Anna war der Landdrost von dem Bussche Pate. Das Kind wird wohl nach Anna Maria van Hoorn benannt worden sein. Bei der Taufe von Clamor Johann war vom dem Bussche ebenfalls Pate. Ich verdanke diese Daten dem heutigen Kirchmeister der Gemeinde, Herrn Joachim Dellbrügge. 58 Siehe die biographische Datenbank von Komorowski und Wijnhoven. Er studierte ab 1699 in Duisburg und Franeker. 1703 wurde er Lehrer am Gymnasium in Duisburg, 1704 Präzeptor des Sohnes des preußischen Residenten in Düsseldorf und 1705 Konrektor in Duisburg. 1707 trat er das Predigtamt in Weeze an, 1709 zog er auf Anraten der Kurfürstin Sophie von Hannover in diese Stadt. 1718 berief ihn Frankfurt an der Oder zum Professor der Theologie und zum Prediger der dortigen reformierten Gemeinde. Januar 1720 wurde er Domprediger in Berlin, einige Monate später Hofprediger. 1724 erlangte er die Doktorwürde in der Theologie und er trat der Sozietät der Wissenschaften in Berlin bei. Seit 1735 war er reformierter Kirchenrat in Berlin. Vgl. über Noltenius d. J. in Duisburg: Averdunk 1909, 79. 1684 schrieb Noltenius, dass eins seiner Kinder lahm geworden wäre und getragen werden müsste, vgl. GStAPK 1. HA GR, Rep. 34, Nr. 1298: Kirchenverwaltung zu Bielefeld, 5v. Es handelt sich vermutlich um Johann Arnold. 59 Vgl. Thadden 1959, 211 f.
6.3 Guiljelmus Saldenus, Der fallende und auffstehende Christ (1672)355
seher über die Lehrer des Theologischen Schülerseminars, das er nach dem Vorbild des Hallischen Waisenhauses einrichten ließ.60 Johann Arnolds Sohn Georg Ludwig61 wurde Professor der Theologie am Joachimstalschen Gymnasium nahe Berlin, sein anderer Sohn Ludwig Samuel (1723–77) wurde preußischer Hofprediger in Breslau und Berlin.62 Johann Arnolds Bruder Friedrich Clamor promovierte 1721 in Duisburg.63 1725 wurde er Rektor der reformierten Schule in Bielefeld, 1733 wurde er aber wegen schlechter Amtsführung entlassen.64
6.3 Guiljelmus Saldenus, Der fallende und auffstehende Christ (1672) 6.3.1 Widmung und Gedichte Als Student hat Noltenius eine Schrift des Saldenus übersetzt. Diese gehörte zu einer Sammelausgabe, die 1672 bei Hermann Brauer in Bremen erschien: Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes.65 Das Original trägt den Titel De wegh des troostes, gheopent voor alle boetvaerdighe christenen (1662), das aus zwei Teilen besteht: De droevichste staet eens christens (1661) und Een christen vallende en opstaende (1662)66 beziehungsweise Der betrübte Stand eines Christen67 und Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, wie die deutsche Übersetzung lautet.68 60
Vgl. Winter 2008, 211 f. Vgl. Winter 2008, 219, Anm. 305. 62 Vgl. Thadden 1959, 225 f. 63 S. die Duisburger Matrikel: http://www.uni-due.de/collcart/matrikel/stud-alph-n.htm, Stand: 14.4.2010. 64 Vgl. K. R. Schaub 1832, 45. 65 Vollständiger Titel: Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des betrübten Standes eines Christen, und des fallenden und auffstehenden Christen. So da handelt von den dreyen vornehmsten Schwerigkeiten der Seele: nemlich die geistliche Leblosigkeit, der abermahlige Fall in die schon begangene Sünden, und die Herrschafft der Sünde, in so weit dieselbe sich noch befinden in den rechten Wiedergebohrnen. Ein Tractätlein darinnen der sorg fältigste Knotte und Zweiffel eines Christen, gegen seinen geistlichen Wolstand kürtzlich vorgestellet und auffgelöset wird. Vgl. für eine ausführliche Untersuchung beider Teile im niederländischen Original: End 1991, 116–134. 66 S. End 1991, 286, Nr. 5–7a. 67 Vollständiger Titel: Der betrübte Stand eines Christen, bestehende in der Leblosig- und Unempfindligkeit seines Hertzens in geistlichen Dingen, mit beygefügten Trost und Raht wider dieselbe. 68 Vollständiger Titel: Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, oder nötige und erbäüliche Bedenckungen uber den abermahligen geistlichen Fall in die schon begangene Sünde, und über die Herrschafft derselben, in so weit sie beyderseits noch können fallen und sich erstrecken über die Wiedergebohrne. Mit Warnungen, Mitteln und Trost gegen dieselbe. Pietas-Nr.: P01037250. 61
356
6. Johann Christoph Noltenius (1644–1719)
Dem zweiten Teil geht eine Widmung von Noltenius voran, die sich inhaltlich nur auf diesen zweiten Teil bezieht.69 Vermutlich hat Noltenius also nur den zweiten Teil übersetzt. Aus diesem Grund wird der Inhalt des ersten Teils nur kurz zusammengefasst, der zweite Teil ausführlich. Wer den ersten Teil übersetzte, kann zum jetzigen Zeitpunkt nur vermutet werden. Es könnte sich um Erberfeld handeln, da er auch andere Schriften von Saldenus übersetzt hat. Anzunehmen ist, dass der Verleger die beiden Teile zusammenfügte. Aus dem Original stammen die Approbation der Utrechter Professoren Gisbert Voetius, Andreas Essenius (1618–77) und Matthias Nethenus (1618–86) vom 6. Dezember 1661,70 die Vorrede von Saldenus,71 ein Gedicht von Saldenus72 und ein Zitat von Friedrich Spanheim dem Älteren.73 Nicht übernommen wurden Saldenus’ Widmung an Herman Witsius,74 verschiedene Gedichte über Saldenus’ Schrift75 und einige Bibelstellen.76 Der betrübte Stand eines Christen soll diejenigen trösten, die sich in geistlicher Hinsicht leblos und empfindungslos fühlen. Diese Leblosigkeit oder Verstocktheit wird als geistliche Seuche in einem aufrichtig bekehrten Menschen bezeichnet, durch die er von den heiligen Dingen in seinem Herzen nicht berührt wird, wie zu seiner nötigen Verbesserung erforderlich wäre. Dem Text geht eine Widmung Saldenus’ an die Gemeinde Enkhuizen voran. Der Text beschreibt die Natur der Leblosigkeit. Des Weiteren werden Gewissensfälle behandelt und Belehrungen zum Trost gegeben. Noltenius widmete Der fallende und auffstehende Christ seiner „gnädigen Fürstinnen und Frauen“ Johanna Dorothea geborene Fürstin zu Anhalt, Gräfin zu Bentheim und Tecklenburg.77 Am Beispiel von Heiligen des Alten und Neuen Testaments beweist Noltenius, dass die Gerechten oft straucheln und fallen. Dennoch werden sie von Gott aus lauter Barmherzigkeit nicht verworfen, sondern erhalten. 69
Eine kurze Analyse der Widmung liefert End 1991, 263. Vgl. Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, [A1v]. 71 Vgl. Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, [A6v]–[A8v]. 72 Vgl. Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, 363–367. 73 Vgl. Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, [2A8v]: „Spanhem. Pref. ad Lect. praefixâ part. III. DUB EUANG.“ 74 Vgl. Saldenus, Een christen vallende en opstaende, Utrecht, Jacob van Doeyenborgh, 1662, *2r–[*10v]. 75 Vgl. Saldenus, Een christen vallende en opstaende, Utrecht, Jacob van Doeyenborgh, 1662, 2*2v–[2*6v]. 76 Vgl. Saldenus, Een christen vallende en opstaende, Utrecht, Jacob van Doeyenborgh, 1662, 372. 77 Vgl. für die nächsten Absätze: Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen, Hermann Brauer, 1672, A2r-A4v. 70
6.3 Guiljelmus Saldenus, Der fallende und auffstehende Christ (1672)357
Vornehme und Gott liebende Menschen veranlassten ihn dazu, das niederländische Original zu übersetzen. Er hat sich also nicht auf vermessene Weise betätigt, sintemahl meine Theologische Studia wie auch nicht weniger die tägliche Institution mir gnugsahm zu schaffen geben, sondern bin vielfältig, so woll von andern als von dem Verleger selbst, ersuchet, gelebe der Christlichen Zuversicht, mir solches heilsahme Beginnen, da ich als ein amanuensis abschreibe, mit Hochteutscher, was geistreiche Hauptlehrer und vornehme Kirchenseulen zur Erbauung der Gemeine Christi in andern Sprachen mit treuer Sorgfalt geschrieben und ausgearbeitet haben, niemand werde Verargen und die angewandte wollgemeinte Arbeit verachten, gestalt es eine heilsahme so wol den angehenden Studiosis Theologiæ geziemende Ubung der hochteutschen Sprache, erlernung geistlicher Sachen, wie auch eine nicht undienliche Unterrichtung vor die einfältigen so in der Niederteutschen Sprache unerfahren sind.78
Dass Noltenius die Schrift Johanna Dorothea widmete, begründet der Verfasser erstens mit ihrer unablässigen Übung der wahren Gottseligkeit, die in der Gnade, die sie allen Kirchen- und Schuldienern sowie allen Gläubigen erweist, zum Ausdruck kommt. Zweitens hofft Noltenius, dass die Gräfin ihm gewogen bleibt. Schließlich empfiehlt er sie und ihr gräfliches Haus Tecklenburg Gottes gnädiger Obhut. Die Widmung ist von Noltenius („Joh. Christoph. Noltenius Rhedanus S. S. Theol. Stud.“) unterzeichnet worden, der sich als „Unterthänigstgehorsamter Diener“ bezeichnet.79 Der Vorrede folgt ein Sonnet, das sich an den Übersetzer richtet. Im Sonnet wird der Übersetzer mit einer Biene verglichen, die Honig aus einer Blume zieht, und diesen mit nach Hause nimmt: […] Solches sihet man an dihr Hertzgelihbter Freund und Bruder: du verschafft daß di revihr Die der trefliche SALDEHN hat gegraben und gelenkket Durch daß feuchte Niderland, auch di teutschen Berge tränkket, Daß sie lust- und lihblich grünen Gott zu seinen grohßen ehren Der in allen frommen Seelen wolle seinen Trohst vermehren80
Darauf folgt ein tröstendes Gedicht für die betrübte Seele:81 Der berühmte HimmelsBotte Der so manche Seele zwingt Auß der Gotts vergessnen Rotte Daß si nuhn mit Freuden singt 78 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, A3v-A4r. 79 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, A4v. 80 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, [A5r]. 81 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, [A5r]–[A6r].
358
6. Johann Christoph Noltenius (1644–1719)
Heilig Heilig Heilig ist Gott der Herr zu aller frist Redet auch in deutscher Sprache, Daß er dich behertzet mache.82
Der Dichter ist „C. Wigemann. B. Lipp.“83, Conrad Wigemann aus Blomberg in Lippe (s. 3.6).
6.3.2 Inhalt Dem Text geht eine Vorrede von Saldenus voraus, in der er mitteilt, dass die Schrift aus seiner seelsorgerischen Erfahrung heraus entstanden ist.84 Der erste Teil des Textes behandelt den abermaligen Fall in die begangene Sünde und inwiefern dieser noch bei Wiedergeborenen stattfinden kann. Der zweite Teil setzt sich mit der Herrschaft der Sünde in den Wiedergeborenen auseinander. Der abermalige Fall der Wiedergeborenen wird als Fehler oder Irrtum eines wiedergeborenen Menschen beschrieben, durch den er mehr als einmal eine bestimmte Sünde begeht. Da man durch den abermaligen Fall Gott und die Frommen betrübt und die Gottlosen in ihrem sündigen Wandel unterstützt, darf die Sünde nicht leichtfertig wiederholt werden, sondern nur unter bestimmten Umständen. Diejenigen, die abermals in eine schon begangene Sünde gefallen sind, sollen sich vor geistlicher Vermessenheit und Verzweiflung hüten und Christus als ihren Heiligmacher begreifen. Ebenso sollen sie sich um geistliche Freude bemühen, beieinander Hilfe gegen die Sünde suchen und über ihr Herz und ihre Handlungen wachen. Als erster Trost für diejenigen, die abermals gefallen sind, dient die Botschaft, dass die Tür zu Gottes Gnade auch denjenigen offensteht, die mehr als einmal in eine bestimmte Sünde gefallen sind. Der zweite Trost besteht darin, dass man auch fallen kann, wenn man die Gnade der Rechtfertigung und Heiligung empfangen hat. Der dritte Trostgrund findet sich in den Lektionen, die man aus einem abermaligen Fall lernt: die Erkenntnis der Hartnäckigkeit der Sünde und der Unverdrossenheit des Satans sowie die Notwendigkeit, abhängig von Gott zu sein. Es werden verschiedene seelsorgerische Fragen behandelt. Daraus ergibt sich erstens, dass die ernstliche Betrübnis über einer Sünde den Menschen nicht vor einem erneuten Fall bewahren kann, sondern nur die Kraft Christi. Zweitens stellt ein erneuter Fall trotz Ablegung eines Gelübdes keine Treulosigkeit gegen Gott dar und führt auch nicht zum Ausschluss von Gottes Gnade. Drittens er82 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, [A6r]. 83 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, [A6r]. 84 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, [A6v]–[A8v].
6.3 Guiljelmus Saldenus, Der fallende und auffstehende Christ (1672)359
streckt sich die Herrschaft der Sünde in den Unwiedergeborenen über die Gesamtheit seiner seelischen Fähigkeiten, Werke und Handlungen, in den Wiedergeborenen wirkt sie nur partiell. Viertens kann der eine Wiedergeborene sich vor einer Sünde hüten, vor der ein anderer sich nicht bewahren kann. Fünftens sind nicht alle Rückfälle als mutwillig zu bezeichnen, darüber hinaus können mutwillige Sünden verschiedene Stufen haben. Sechstens haben nicht alle Verheißungen der Bibel, wonach Gott die Seinen vor schweren und schrecklichen Rückfällen behüten wird, dieselbe Verbindlichkeit und Reichweite. Der zweite Teil behandelt die Herrschaft der Sünde in den Wiedergeborenen. Sie können zuweilen von der Sünde überwältigt werden. Als Beispiel dienen David und Paulus. Wiedergeborene können nämlich den Geist dämpfen, betrüben, erbittern und empören. Die Heiligung ist in den Bekehrten unvollkommen, die Wirkungen des Geistes können verfinstert werden. Die Sünde herrscht nicht in allen Teilen der Seele der Wiedergeborenen und hat auch nicht die Oberhand; die Wiedergeborenen seufzen und verlangen stattdessen, von der Sünde befreit zu werden. Wenn eine bestimmte Sünde auf diese Weise einigermaßen die Oberhand hat, weiß man, dass man von ihr beherrscht wird. Dass die Sünde nicht die Oberherrschaft in uns hat, erkennt man daran, dass nur eine bestimmte Sünde eine beherrschende Kraft hat, und man sich wegen der Herrschaft bedrückt fühlt. Die Seele, die gegen eine bestimmte Sünde kämpft und ihr bisweilen sogar erliegt, kann für gewöhnlich über die Sünde Oberhand gewinnen: wenn man absolute und unbeschränkte Gelübde gegen eine bestimmte Sünde ablegt und man im Kampf gegen die Sünde die Oberhand behalten kann. Der Text unterscheidet zwischen Lieblingssünden und herrschenden Sünden: eine beliebte Sünde schließt Demut, den Vorsatz zum Kampf und die Hochachtung Christi nicht aus. Doch der Leser soll nicht nur in der Lage sein, zwischen verschiedenen Sünden zu unterscheiden; vielmehr geht es darum, jede Art von Sünde gleichermaßen zu bekämpfen. Schließlich werden unterschiedliche Ursachen und Arten von Bekümmernissen behandelt. Die erste Frage ist, wie die Sünde überwunden wird und wie man von ihrer Herrschaft erlöst werden kann. Man soll nicht auf den Angriff der Sünde warten und auf strategische Art und Weise kämpfen. Zweitens wird auf den Einwand Bezug genommen, dass man nicht spüren kann, dass man gegen die Sünden kämpft. Doch der Kampf gegen die Sünde beginnt mit einer feindseligen Haltung der Sünde gegenüber. Wer gegen die eigene Achtlosigkeit vorgeht, hat bereits angefangen zu kämpfen. Bezugnehmend auf die Klage, dass man nicht genügend Kraft habe, die Sünde zu überwinden, soll man überprüfen, ob man aufrichtig kämpft und einen absoluten Entschluss zum Kampf gegen die Sünde gefasst hat. Dem Text folgt ein Lied von Saldenus nach der Melodie von Psalm 77: „Ernst der Seele | Der Herrschafft der Sünden gantz abzuschweren, und dieselbe von dem Herren JEsu alleine anzunehmen.“ Der Inhalt lässt sich folgendermaßen
360
6. Johann Christoph Noltenius (1644–1719)
zusammenfassen. Die Seele wird von den Lüsten überfallen, die sie zu verführen trachten. Die Seele durchschaut den Betrug. Sie vertraut sich Jesus als ihrem Herrscher an, der die bösen Lüste verblassen lässt.85
6.3.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Als Noltenius die Schrift übersetzte, war er noch Theologiestudent in Bremen. Vermutlich war er auch als Privatlehrer („tägliche Institution“) tätig. Anzunehmen ist, dass die Schrift kurz vor oder nach seiner Ernennung zum Rektor in Salzuflen erschienen. Noltenius übersetzte als Student Fragmente ausländischer Erbauungsbücher. Vermutlich hatte er in diesem Rahmen auch schon mit einer Abschrift (eines Fragmentes) von Saldenus’ Schrift angefangen. Dies muss anderen bekannt gewesen sein. Der Verleger Hermann Brauer und andere baten ihn, die SaldenusSchrift vollständig zu übersetzen. Durch Noltenius’ Übersetzung konnten Theologiestudenten die geistliche Schrift auf Deutsch lesen. Die Widmung an seine Landesmutter Johanna Dorothea ist vielleicht als Dank für eine Bezahlung der Studienkosten, sicherlich aber als verdeckte Empfehlung für eine Stelle als Lehrer oder Pfarrer in seinem Vaterland zu interpretieren. Johanna Dorothea (1612–85) war eine Tochter des Fürsten Johann Georg I. von Anhalt-Dessau (1567–1618) und mit Graf Moritz von Bentheim-Tecklenburg verheiratet.86 Die Gedichte hat vermutlich Conrad Wigemann aus Blomberg in Lippe verfasst (s. 3.6). Er studierte seit 1668 Theologie und Philosophie in Bremen, kannte Simon Jodocus Krüger aus Lage in Lippe und schrieb 1673 ein Trauergedicht anlässlich des Todes von Johannes Duysing. Wahrscheinlich lernten Wigemann und Noltenius einander in Bremen kennen. 1673 verwies Duysing auf Noltenius’ Übersetzung (s. 3.7.2). Die Schrift enthält seelsorgerische Elemente und befasst sich mit der Frage, inwieweit ein erneuter Fall in eine schon begangene Sünde und die Herrschaft der Sünde in einem Wiedergeborenen mit der Gnade in Einklang gebracht kann. Wegen der Ausrichtung auf das innerliche geistliche Leben kann man die Schrift der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung zuordnen. Im Text finden sich Zitate von Thomas Goodwin, Jean Gerson, Christopher Love, Johann Staupitz, Melanchthon, Luther und Isaac Ambrose. Auffallend ist die Polemik gegen die römisch-katholische Kirche: die Widerlegung des Vorwurfes der römischen Katholiken, dass die Heilige Schrift dunkel sei,87 die Bezeichnung von Jean Gerson als „ein Papist, doch nicht gantz ein 85 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, 363–367. 86 Vgl. Klueting 1993, 17 f. 87 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, [A8r].
6.3 Guiljelmus Saldenus, Der fallende und auffstehende Christ (1672)361
unerleuchtender Schreiber“88 und die Ablehnung des römisch-katholischen kanonischen Gesetzes, das diejenigen verurteile, die zunächst einer „Ketzerei“ abschwören, aber danach wieder in dieselbe zurückfallen würden.89 Andererseits wird die Beschuldigung, es sei „papistisch“, alle Leute zu überreden, ein Gelübde zu abzulegen, widerlegt.90 Über das Gnadenangebot lehrt Saldenus auf Basis von Apg 10,43; Mt 11,28 und Jes 55,1 Folgendes: die Tür der Gnade stehe unbeschränkt und ohne Unterschied für alle bußfertigen Sünder offen, auch für bußfertige Sünder, die zum zweiten Mal in eine Sünde gefallen sind.91 Gegen die Nachfolger des Pelagius verteidigt er schließlich den Unterschied zwischen sittlichen beziehungsweise anmahnenden und unwiderstehlichen Wirkungen des Heiligen Geistes.92 Noltenius übersetzte seine Vorlage nach der bedeutungsorientierten Methode. Er nahm keine kulturelle Filterung vor: NL 175: Siet oock deurgaans de Onse in hare verklaringhen over Marc. vj. 26. van den Eedt Herodis. DE 175: Siehe auch die Unserige durchgehens in ihren Erklärungen über Marc. VI. 26. von dem Eide Herodis.
An folgender Stelle nahm er Kürzungen vor: NL 181 f.: ende is daerom de na-latinghe van ’t gene belooft was, die daer uyt voort-komt, gheensins in ’t geheel te verschoonen. Yemandt geheel ghesont zijnde, kan door eenigh uytterlijck ghewelt in ’t vuyer ghestooten worden, maer als yemandt door rasernye daer in springht, soo praesupponeert dat eenighe inwendige ontsteltenisse en gebreckelijckheyt in den selven. Petrus in sijne verloocheninghe […]. DE 181: und ist deswegen die Nachlassunge des Gelübds, so daraus herrühret, keinesweges gäntzlich zu entschüldigen. Also war Petrus in seiner Verleugnunge […].
Dem Einwand aus Psalm 85,9 hingegen widmete er sich ausführlicher.93 Gedichte übersetzte Noltenius zuweilen interpretationsorientiert: NL 367: Nochtans al dat listigh flemen kon die lust my niet benemen: ’t Was te vast by my gheset, Om soo licht te zijn belet. 88 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, 14. 89 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, 16. 90 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, 98 f. 91 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, 107, 112 f. 92 Saldenus, Der vor alle bußfertige Christen geöffnete Weg des Trostes unter dem Titul des fallenden und auffstehenden Christen, Bremen 1672, 279 f. 93 Vgl. NL 153 – DE 154.
362
6. Johann Christoph Noltenius (1644–1719)
’k Sey, ick ben genogh bedrogen Door u Helsche Toover-oogen, ’t Moet eens zijn, en ‘k wilder deur, ’k Blijf om u in geen getreur. DE 364: Aber, sprach ich, dein Bemühen, Böses Fleisch, wird mich nicht ziehen, Daß ich solte Hertz und Sinn Geben deinem Willen hin; Dan du hast mich gnug gezogen Zu der Boßheit und betrogen; Darum muß und wil ich dich Nun verloben ewiglich.
Für die Übersetzung der Bibelstellen orientierte Noltenius sich an der Lutherbibel.
6.4 Zusammenfassung Noltenius wurde 1644 in Rheda in der Grafschaft Bentheim-Tecklenburg geboren und studierte am Gymnasium in Bremen. Während seiner Studienzeit legte er ein Florilegium von ins Hochdeutsche übersetzten Abschnitten aus ausländischen Erbauungsbüchern an. Liebhaber von Erbauungsliteratur und der Verleger Hermann Brauer baten Noltenius, Saldenus’ Buch über den abermaligen Fall eines Wiedergeborenen in die Sünde ins Deutsche zu übertragen. Für Noltenius war dies eine gute Gelegenheit zum Erwerb einer finanziellen Zulage und einiger Bekanntheit. Zu der Übersetzung steuerte Conrad Wigemann aus Blomberg in Lippe-Detmold zwei Gedichte bei. Später hat Johannes Duysing in einer Vorrede auf die Übersetzung hingewiesen. Noltenius übersetzte seine Vorlage mit Hilfe der bedeutungsorientierten Methode, die Gedichte übersetzte er zuweilen interpretationsorientiert. Die Bekanntschaft zwischen Wigemann und Noltenius, Wigemann und Duysing und Duysings Interesse an Noltenius’ Übersetzung sind Indizien dafür, dass Noltenius in Bremen im Umfeld von Duysing und vielleicht auch von Undereyck verkehrte, der Saldenus oft in Christi Braut zitiert hatte. 1672 wurde Noltenius Rektor der reformierten Lateinschule in Salzuflen in Lippe-Detmold. Die Bremer Professoren hatten Noltenius dem Rat der Stadt Salzuflen empfohlen. Eine vermittelnde Rolle könnten Johanna Dorothea von Bentheim-Tecklenburg beziehungsweise Conrad Wigemann gespielt haben. Nach vier Jahren erhielt Noltenius im Februar 1676 eine Berufung durch die in Lüchow lebende, verwitwete Herzogin Sophie Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg. Sie wird mit Noltenius über dessen Schwiegervater Johannes Appelius, der als Domprediger in Berlin und Hofprediger in Güstrow amtiert hatte, bekannt gewesen sein. Da Noltenius’ Antritt nach Ostern 1676 geplant war, und die Herzogin schon im Juli 1676 starb, stand Noltenius nur kurz in ihrem Dienste.
6.4 Zusammenfassung363
Den Ämtern und Verbindungen seines Schwiegervaters verdankte Noltenius auch seine nächsten Stellen: das Pfarramt in Draheim sowie den Aufstieg zum Hofprediger auf der Sparrenburg, zum Prediger in Bielefeld und später zum Konsistorialrat. Um den Unterhalt der reformierten Gemeinde und Schule in Bielefeld hat Noltenius sich sehr verdient gemacht. Bei der Bestallung als Konsistorialrat kann auch Noltenius’ Schwager, der Hofprediger Bergius aus Cölln, eine Rolle gespielt haben. Vielleicht hatte Noltenius auch Verbindung zum Hannoveraner Hof. Zu Ehren von Sophia Charlotte von Braunschweig-Lüneburg, der zweiten Frau des preußischen Königs Friedrichs I., hielt er eine Leichenpredigt. In Draheim und Bielefeld wirkte Noltenius inmitten einer nichtreformierten Mehrheit. Die Lutheraner in Bielefeld bekämpften die Übertragung der Süsterkirche an die Reformierten vehement. Andererseits liegt es wegen der theologischen Gesinnung der brandenburgisch-preußischen Fürsten auf der Hand, dass Noltenius sich ebenso wie die Lutheraner zur universalistischen Reichweite von Christi Verdienst bekannte. Saldenus, von dem er ein Buch übersetzt hatte, lehnte diesen Gedanken ab. Diese Diskussion spielt in der von Noltenius übersetzten Schrift keine größere Rolle. Zu dem Landdrosten Clamor von dem Bussche und seiner Frau Gräfin Anna Maria von Hoorn hatte er engen Kontakt. Von dem Bussche war Taufpate zweier Kinder von Noltenius. Bussches Frau schenkte der Schlosskapelle eine Kanzelbibel. Anders als bei Gräfin von Hoorn lassen sich bei Noltenius keine labadistischen oder quäkerischen Sympathien erkennen. Die pietistische Gesinnung des Drostenehepaares war auch unter den lutherischen Superintendenten und Pfarrern in Bielefeld stark präsent. Wie Noltenius zu diesen Kreisen stand, bleibt offen. Indizien, die auf eine Zugehörigkeit zum deutschen reformierten Pietismus von Noltenius hindeuten, sind die Saldenus-Übersetzung und das darin enthaltene Gedicht von Wigemann, der Verweis von Duysing auf Noltenius’ Übersetzung, das geistliche Klima in Lippe-Detmold und am Hof von Sophie Elisabeth und schließlich die Schenkung einer Kanzelbibel durch die Gräfin von Hoorn an die Schlosskapelle. Es liegt aber auf der Hand, dass die Austeilung des Abendmahls an Kranke in der Bielefelder Gemeinde üblich war. Dies war eine Praxis, die unter Reformierten im Allgemeinen und sicherlich unter den pietistischen Reformierten umstritten war, da in der reformierten Tradition der Gemeinde-Charakter der Abendmahlsfeier sehr wichtig ist. Somit war Noltenius vermutlich ein gemäßigter reformierter Pietist. Noltenius’ Sohn Johann Arnold konnte von den jahrelangen brandenburgisch-preußischen Diensten seines Vaters und Großvaters profitierten. Seine Ehe mit Johanna Maria Lampe und sein Wirken in Berlin lässt auf seine Zugehörigkeit zum deutschen reformierten Pietismus schließen.
7. Henning Koch (1633–1691) 7.1 Jugend und Studium (1633–57) Henning Koch wurde am 3. Oktober 1633 in der zum lutherischen Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel1 gehörigen Stadt Helmstedt2 geboren. Er war der Sohn des gleichnamigen Schmiedes Henning Koch und dessen Ehefrau Barbara, geborene Mettia.3 Koch wurde getauft und besuchte in Helmstedt die Schule. Bezeichnend für das theologische Klima des Landes zu der Zeit ist die Tatsache, dass hier die Konkordienformel nicht angenommen worden war (s. 1.1). 1650 begleitete Koch den Theologieprofessor Heinrich Martin Eckard4 (1615–69), der sich geschäftlich in Helmstedt aufgehalten hatte, nach Rinteln5. So kam Koch an die Rinteler Universität, wo er bei Eckhard und Peter Musäus6 (1620–74), dem Professor der Logik und Metaphysik und dem außerordentlichen Professor der Theologie, studierte. Bei Musäus hielt Koch auch seine Disputation.7 Beide Professoren waren den Reformierten gegenüber irenisch gesinnt, wurden aber von orthodoxen Kollegen des Synkretismus beschuldigt. 1 1635 wurde die Herrschaft Braunschweig-Lüneburg unter drei Erben aufgeteilt, die offizielle Bezeichnung wurde Braunschweig-Lüneburg Wolfenbütteler Linie oder Wolfenbütteler Anteil, vgl. Römer 2000, 535. Aus praktischen Gründen wird hier der Name Braunschweig-Wolfenbüttel gebraucht. Vgl. über die Kirchengeschichte Braunschweig-Wolfenbüttels: Beste 1889; Schorn-Schutte 1996; Mager 2010b. 2 Vgl. H.‑E. Müller 1998, 117–127. 3 Wenn nicht anders angegeben, sind die Daten in diesem und den folgenden Abschnitten den Personalia der Leichenpredigt für Henning Koch entnommen, vgl. Programma in funere viri … dni, m. Henningi Kochii, Helmstedt, Georg Wolfgang Hamm, 1691 A5r–v [=A3r–v]– B1v. S. für die Taufe: NSLA StA Wolfenbüttel, 1 KB Helmstedt 588: St. Stephani Taufen 1620–36, 567. Taufpaten waren: Sigismundt Lasius, Jurgen Bossen von Wolsdorff und die Ehefrau von Paul Kuntz. Barbara Mettia war 1627 in zweiter Ehe mit Koch verheiratet, s. NSLA StA Wolfenbüttel, 1 KB Helmstedt 590: Trauungen 1615–55, 57. Aus dieser Ehe gingen nach Henning noch zwei weitere Kinder hervor, Andreas und Anna. Vater Koch starb sechs Jahre nach der Geburt seines ältesten Sohnes im Alter von 46 Jahren, vgl. Schaper, R. (Hrsg.) 1974–1975, Bd. 1, H. 1, 23, Nr. 21; 43, Nr. 43. 4 Vgl. Schüssler 1959. 5 Vgl. Schormann 1982. 6 Vgl. Alwast 1993. Vgl. über Eckard und Musäus auch: Schormann 1982, 173. 7 Leider ist diese Disputation nicht erhalten geblieben.
7.1 Jugend und Studium (1633–57)365
Schon 1651 kehrte Koch in seine Heimatstadt zurück, wo er an der 1575 gegründeten Academia Julia8 die Vorlesungen der Theologen Georg Calixt9 (1586–1656) und Gerhard Titius10 (1620–81) und des Professors der Eloquenz Christoph Schrader11 (1601–80) besuchte.12 An der Universität war der Einfluss von Calixt vorherrschend. Calixt stammte aus Schleswig und war melanchthonisch erzogen worden. An der humanistisch geprägten Universität Helmstedt, wo er studierte, war die Vernunftlehre in die Theologie und Frömmigkeit integriert, und es bestand eine gewisse Reserviertheit der Konkordienformel gegenüber. Während einer Bildungsreise durch die Niederlande, England und Frankreich kam Calixt in Kontakt mit nichtlutherischen Gelehrten, mit denen er sich unbefangen austauschte. 1626, mitten im Dreißigjährigen Krieg, hielt Calixt, der inzwischen Theologieprofessor in Helmstedt geworden war, eine Rede anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums der Universität, worin er die Spaltungen der abendländischen Christenheit als Hauptursache des Krieges bezeichnete. Das gemeinsame Gespräch und die Bereitschaft, voneinander zu lernen, sollten den Weg ebnen für Sanftmut und Geduld und letztendlich zu einem friedlichen Miteinander der getrennten christlichen Kirchen führen. Um die Kontroversen zwischen den verschiedenen Konfessionen zu mildern, unterschied Calixt zwischen fundamentalen und nichtfundamentalen Glaubensartikeln, wobei er auf die Lehren der Kirche in den ersten fünf Jahrhunderten zurückgriff. Calixts Konzept eines consensus antiquitatis bezieht sich auf diejenigen Lehrstücke, die überall, immer und von allen geglaubt wurden. Calixts Bestrebungen bedeuteten jedoch keine Befürwortung von Neutralität, Standpunktlosigkeit oder Überkonfessionalität. Voraussetzung für das interkonfessionelle Gespräch waren seines Erachtens überzeugende Argumente auf beiden Seiten und Geduld und Liebe beim Aushalten fortbestehender Differenzen. Calixt definierte die Theologie als eine praktische Wissenschaft und legte in diesem Rahmen großen Wert auf die Ethik, was auch mit der Ungezogenheit der Helmstedter Studenten zu der Zeit in Verbindung gebracht werden kann. 8 Vgl. über die Universität: Brüning/Gleixner (Hrsg.) 2010; über die philosophische Fakultät: Haase/Schöne 1976, 79–90; über die theologische Fakultät: ebd., 44–57. 9 Vgl. Böttigheimer 1996; Mager 2010a. 10 Vgl. S. Ahrens 2004, 233 f. 11 Vgl. Tütken 1997, 83–134; S. Ahrens 2004, 212 f. 12 Es finden sich in der Matrikel zwei Immatrikulationen unter dem Namen Henning Koch aus Helmstedt, beide fallen aber nicht ins Jahr 1651: die eine Immatrikulation erfolgte nach dem 9. Juli 1646, die andere am 28. März 1653, s. Hillebrand (Hrsg.) 1981, 51, Nr. 89; 52, Anm. 89; 94, Nr. 21. Ersterer legte am 1. Februar 1653 den akademischen Bürgereid ab. Vermutlich bezieht sich die zweite Immatrikulation auf den Protagonisten dieses Kapitels. Am 22.5.1653 immatrikulierte sich Johannes à Line aus Bremen, s. ebd., 95, Nr. 48. Es könnte sich um den 1629 geborenen Johann von Line handeln, der sich 1656 in Heidelberg zum Doktor der Rechte promovierte, und 1673 unter dem Pseudonym D. J. V. L. John Haywards (1564–1627?) Sanctuarium animae afflictae übersetzte, vgl. Rotermund 1818, Bd. 1, 277.
366
7. Henning Koch (1633–1691)
Christoph Schrader und der Polyhistor Hermann Conring13 (1606–81) hatten in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre in Leiden studiert, wo sie die offene Haltung der Nachfolger von Jacobus Arminius (s. 3.2) beeindruckt hatte. In Leiden kam Conring mit dem Gelehrten Gerhard Johann Vossius (1577–1649) in Kontakt, der sein Leben nachhaltig beeinflusste und prägte.14 1650 und 1652 erwarb Koch zwei Bände mit theologischen Schriften, wie aus den Besitzvermerken in den Büchern hervorgeht. Die einzelnen Schriften beinhalten überwiegend dogmatische und polemische Themen.15 Die Bände überliefern einige bedeutende irenische Schriften von Calixt.16 Schrader empfahl Koch dem Herrn von Veltheim, Gebhard von Alvensleben17 (1591–1667), Erbherrn in Kalbe, Hundisburg und Rogätz im Herzogtum Magdeburg, für das sogenannte Veltheimsche Stipendium.18 Die Stipendiaten nahm Schrader in seine Obhut.19 1654 und 1658 war Koch als Lehrer von Alvenslebens Kindern tätig.20
13
Vgl. S. Ahrens 2004, 54–56; Jori 2006. Vgl. Mager 1983, 56–59, 62–65; Tütken 1997, 87–89; Mager 2011. 15 Der eine Band: HAB: H: G 191.4° Helmst. Auf der Vorderseite des ersten Vorsatzblattes findet sich das Monogramm: „H K H 1650“, auf dem Titelblatt der Stempel „H. Koch Helmst.“. Im Text finden sich Merkzeichen und Marginalien. Der andere Band: H: G 192.4° Helmst. Auf der Rückseite des ersten Vorsatzblattes findet sich das Monogramm „Henningus Koch ao 1652“. Beide Bände enthalten ein Inhaltsverzeichnis. Das Inhaltsverzeichnis zum ersten Band enthält auch die Preise der einzelnen Stücke. Vgl. über Calixts Schriften: Böttigheimer 1996, 69–94; über Helmstedter theologische Dissertationen während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Kelly 1991, 111–126. Eine andere Schrift Calixts gegen die Unfehlbarkeit des Pontifikates, die im Besitz von Koch war, wurde später der Universitätsbibliothek Helmstedt übergeben: Georg Calixt, Responsum maledicis theologorum Moguntinorum. Pro romani pontificis infallibilitate preacepto… que communionis sub una vindiciis oppositum, ad. … archiepisc. Moguntinum, Tl. 1–4 [2. Tl Defend.: Sporer], Helmstedt, Georg Calixt, 1644–45. Vgl. Mecke 1991, Bd. 2, Tl. 4, unter Provenienzkatalog. 16 In epistolam sancti apostoli Pauli ad Titum expositio litteralis (1628), Discurs von der wahren Christlichen Religion und Kirchen (1633/1652), De autoritate antiquitatis ecclesiae (1639), Digressio de arte nova (1634). Vgl. Böttigheimer 1996, 80 f., 82–85. 17 Vgl. über diese adlige Familie: Hahn 1989, Ortsregister unter „Alvensleben“. 18 Vgl Wohlbrück 1829, 115–128. 19 Vgl. Zimmermann 1891. Drei Söhne Schraders wurden 1653, also vermutlich im selben Jahr wie Koch, an der Universität immatrikuliert, s. Hillebrand (Hrsg.) 1981, 95, Nr. 67–69. 20 1654 und 1655 wurden Gebhards Söhne Ludolf Burchard und Gebhard von Alvensleben in Helmstedt immatrikuliert, s. Hillebrand (Hrsg.) 1981, 106, Nr. 115, 116; 109, Nr. 112, 113. Vgl. über Ludolf Burchard (1637–68): Wohlbrück 1829, 199 f.; über Gebhard (1638–90), ebd., 200–202. Gebhard wird eine „hitzige und rauhe Gemüthsart“ zugeschrieben, vgl. ebd., 200. Vgl. auch Udalricus Zobel, Der wahren Kinder Gottes himlisches Bürger-Recht … bey hochansehnlicher Leichbegängnüsse des weyland … Herren Ludolff Burchard von Alvenßleben, Helmstedt, Johann Heitmüller, 1670, h3r–v. Ludolf Burchard war der Oberaufsicht Hermann Conrings zuvertraut, vgl. ebd., h3v. 14
7.2 Konrektor, Pfarrer und Diakon (1661–91)367
1657 hielt Koch eine Disputation im Wissensbereich der Metaphysik bei Magister Heinrich Rixner21 (1634–92), und zwar über die aristotelische Definition der aktiven Potenz.22 Damit erwarb Koch den Magistergrad.
7.2 Konrektor, Pfarrer und Diakon (1661–91) 1659 wurde Koch vom Helmstedter Rat zum Konrektor der Lateinschule berufen.23 Veltheim ließ seinen Sohn mit ihm nach Helmstedt gehen, so dass Koch dort den Unterricht fortsetzten konnte.24 Von Schrader, der auch Generalschulinspektor des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel war, erhielt Koch bei der Ordination für jedes Examen die Beurteilung dignissimus. Die Schulverhältnisse in Helmstedt waren damals schlecht und Lehrer bekamen niedrige Gehälter. Am 12. September 1661 wurde Koch durch Herrn von Veltheim, der Patronatsherr der Kirche war, zum Pfarrer nach Rottmersleben im Herzogtum Magdeburg berufen. Zu dieser Kirchengemeinde gehörte auch die Kirche von Santersleben.25 Zwei Monate später heiratete Koch Anna Elisabeth Rhode. Sie wurde 1641 in Anklam in Pommern geboren und war die Tochter des Kapitäns in schwedischen Diensten Joachim Rhode und von Margaretha Wagener.
21
Vgl. S. Ahrens 2004, 193 f. Vgl. Henning Koch, Exercitatio metaphysica de potentiæ activæ definitione prout tradita est ab Aristotele, Helmstedt, Henning Müller [Präs.: Heinrich Rixner, Resp.: Henning Koch], 1657. Ein Exemplar war im Besitz der Familie von Alvensleben: HAB Alv. T 173 (8). Vgl. über die Bibiothek der Familie von Alvensleben: W. Arnold 1997. Aristoteles benutzte die Begriffe Dynamis und Energeia zur Beschreibung von Bewegungen, Veränderungen und des Werdens im Allgemeinen. Dynamis definierte er als Bewegung oder Veränderung. In Anlehnung an Aristoteles übernahm Thomas von Aquin die Definitionen als potentia activa und potentia passiva, vgl. Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 1, 59–61. Conring hielt in Leiden eine Disputation über die Wechselbeziehung von Potenz und Akt: De origine formarum, vgl. Mager 1983, 56 f. 23 Vgl. über die Helmstedter Lateinschule: Tütken 1997, 346–351; über die Stellung der Lehrer in Braunschweig-Wolfenbüttel: ebd., 419–486. In NSLA StA Wolfenbüttel, 14 Alt Konsistorium 1112: Gymnasialakten der Stadtschule Helmstedt – Anstellung der Konrektoren der Stadtschule Helmstedt 1653–1777, finden sich keine Unterlagen zur Berufung Kochs, nur ein Hinweis auf die Abberufung zum Pfarrer im Jahre 1661, vgl. ebd., 16r–v. Vgl. die Angaben zur Besoldung der Helmstedter Schuldiener in LAW, LKA OA Helmstedt 213/15: Schulsachen 1636–1876, u. a. 162r, 196r–v. 24 Es handelt sich wahrscheinlich um Gebhard. Sein Bruder Ludolf Burchard musste schon 1656 zurückkehren, um die Güter seines Vaters zu verwalten, vgl. Wohlbrück 1829, 199. 25 Vgl. Behrends 1826, 327–335, 335–339, [345]–352; Verein für Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen e. V. u. a. (Hrsg.) 2003–2009, Bd. 5, 38; Bd. 10, 574. 22
368
7. Henning Koch (1633–1691)
Am 22. April 1667 wurde Koch als Diakon an die St. Stephani-Kirche26 in Helmstedt berufen, wo er am 3. Juni sein Amt aufnahm.27 Der Rat von Helmstedt wollte Koch als Patron der Kirche für die vakante Archidiakonatstelle berufen. Unter Druck des bisherigen Diakons Johann Rittmeyer28 (1636–98), der das Wolfenbütteler Konsistorium auf seine Seite ziehen konnte, wurde Rittmeyer allerdings in das Archidiakonat versetzt und Koch wurde zum Diakon ernannt.29 Das Ehepaar bekam vier Kinder,30 Hedwig Sophie,31 Balthasar Gerhard32 (1668), Heinrich33 (1670) und Friedrich34 (1677). 1667/8 und 1687 bestritten Koch und Rittmeyer die Präzedenz der Bürgermeister in öffentlichen Versammlungen.35 Anfänglich beschloss die Landesregierung, dass die Diakonen vor den regierenden Bürgermeistern weichen sollten, später wurde verordnet, dass die Präzedenz dem Alter gemäß erfolgen 26
Vgl. Kleinert 1982. Vgl. Seebaß/Freist (Hrsg.) 1969–1980, Bd. 1, 110; Bd. 2, Nr. 2083; Bd. 3, 40, Nr. 2083. 28 Vgl. Seebaß/Freist (Hrsg.) 1969–1980, Bd. 2, 254, Nr. 3260; Bd. 3, 57, Nr. 3260. 29 Vgl. LAW, LKA OA Helmstedt 145: Diakonat-Pfarrbestellung, 1667–1758, Nr. 1–11. Das Protokoll des Examens von Henning Koch unter Friedrich Ulrich Calixt („Dn. Abbas“: Abt von Königslutter [1622–1701]), dem Hofprediger und Konsistorialrat Andreas Overbeck (1628–86) und dem Wolfenbütteler Prediger Christian Schmidt (1630–96) am 13. Mai und die darauf erfolgte Besprechung im Konsistorium am 14. Mai finden sich unter Nr. 9. Vgl. auch NSLA StA Wolfenbüttel, 37 Alt 1280: Die Berufung der Prediger an der St. Stephanskirche zu Helmstedt seitens der Universität, Bd. 1: 1586–1789, 33r–v. Vgl. zu Calixt: S. Ahrens 2004, 40 f.; zu Overbeck: Seebaß/Freist (Hrsg.) 1969–1980, 227, Nr. 2920; zu Schmidt: ebd., 276, Nr. 3554. Kochs Unterschrift der Kirchenordnung von Braunschweig-Lüneburg findet sich unter dem Jahr 1667 in der Kirchenordnung in vnnser von Gottes Genaden Julij Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg, e[tc.], Wolfenbüttel, Konrad Horn, 1569 [LAW, 1.7350], 39v, Nr. 45 (14.5.1667). Es ist bemerkenswert, dass Koch nicht schon 1659, als er Konrektor der Lateinschule in Helmstedt wurde, unterzeichnen musste, sollten doch auch Schuldiener die Kirchenordnung unterschreiben (vgl., ebd., 1r–v). 30 Vgl. Joseph Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683 (Pietas P08039552), 246. 31 Ihr Name begegnet weder in den Rottmerslebenschen noch in den Helmstedter Taufbüchern. 32 Geburt: 23. Juli 1668. Taufpaten waren der Theologieprofessor und Generalsuperintendent Balthasar Cellarius (1614–71, vgl. S. Ahrens, 48), Gerhard Titius und Erberfelds Ehefrau Gese von Bentheim (s. 5.2), s. NSLA StA Wolfenbüttel, 1 KB Helmstedt 593: Taufen 1656–1700, 150. 33 Geburt: 9. Oktober 1670. Paten des Taufkindes waren der Jurisprudenzprofessor [Daniel] Clasen(ius) (1622/3–78, vgl. S. Ahrens 2004, 50 f.), der Medizinprofessor Jacobus Tappius (1603–80, vgl. Vgl. S. Ahrens, 230) und Heinrich Erberbeld aus Bremen (statt Gese von Bentheim), s. NSLA StA Wolfenbüttel, 1 KB Helmstedt 593: Taufen 1656–1700, 170. 34 Geburt: 28 Oktober 1677. Bei seiner Taufe waren die folgenden Paten anwesend: Maria Conring statt ihres Vaters Hermann Conring; Johann Hummel; und D. E. A. e.P., vermutlich „Daniel Erberfeld Apotheker et Postmeister“, statt Otto Johann Schirmer, s. NSLA StA Wolfenbüttel, 1 KB Helmstedt 593: Taufen 1656–1700, 229, Nr. 69. Hummel wurde 1660 Lehrer in Helmstedt, 1661 Subkonrektor, 1667 Konrektor. 1669 bis zu seinem Tod im Jahr 1714 war er Rektor, vgl. Le Cam 1996, Bd. 2, Index des noms propres, „Hummel, Johann“, 548; Tütken 1997, 347, Anm. 781. 35 Vgl. Schorn-Schütte 1996, 341 f. 27
7.2 Konrektor, Pfarrer und Diakon (1661–91)369
sollte.36 1673 gab es eine ähnliche Uneinigkeit zwischen den Diakonen und dem Rat hinsichtlich der Verlesung der Feuer- und Flachsordnung der Stadt von der Kanzel.37 1674 wurde Koch vom Kapitel der Halberstadter Domkirche berufen. Diese Berufung verdankte er Philipp Friederich von Schlitz (s. unten), genannt von Görtz, Kanoniker, Vizedominus und Portenarius beim Hohen Stift zu Halberstadt. Koch lehnte die Berufung aber ab, weil die Helmstedter und sein Oberherr (vermutlich der Helmstedter Rat oder der Generalsuperintendent) ihn in Helmstedt behalten wollten.38 1679 wurde Koch als Hofdiakon nach Wolfenbüttel berufen.39 Hier residierten Herzog Rudolf August40 (1627–1704) und Anton Ulrich41 (1633– 1714, seit 1685 Mitregent). Der Herzog war gemäßigt pietistisch42, dessen Mitregent calixtinisch geprägt.43 36 S. LAW, LKA OA Helmstedt 213/19: Varia, Rangstreitigkeiten zwischen den Diakonen und dem Rat der Stadt, 1667–87, 178r–187r (1667/8), 191r–205v (1687). 1668 wurde eine Untersuchungskommission eingerichtet, die von Balthasar Cellarius und Georg Werner (s. unten) geleitet wurde (s. ebd., 167r, 180r–v, 181r–187r). Vgl. NSLA StA Wolfenbüttel, 2 Alt 4480: Präzedenzstreit zwischen Diaconi und Bürgermeistern in Helmstedt 1688, 2r–v, 3v–7v, 12r–18r, 22r–v. 37 Vgl. LAW, LKA OA Helmstedt 159/16: Varia, u. a. St. Stephani, Diakonalpfarrbestellung 1673–1816, 1820–1833, 2r–v, 3r–v, 5r–6r. 38 Vgl. Joseph Hall, Himmels-Lust auff Erden, Helmstedt, Friedrich Lüderwalt, Jacob Müller, 1677 (Pietas P08039537), [(a)8r]. 39 In LAW, LKA OA Wolfenbüttel 7: Bestellung der Obersuperintendenten, Oberhofprediger, Hofprediger, Hofkaplane, Hofdiakone 1636–1789, sind keine Unterlagen zur Berufung Kochs zu finden. 40 Vgl. Bepler 2006b; Merzbacher 2015. Merzbacher bemerkt bei Rudolf August eine ambivalente Haltung dem Pietismus gegenüber: er ist fest in einer vorreformatorischen und orthodox-lutherischen Frömmigkeitstradition verwurzelt. Sein Glaube war auf Kernwahrheiten reduziert und seine theologischen Kenntnisse waren gering. Zwar korrespondierte er mit Spener, aber sein Interesse soll mehr Speners Person als dessen Theologie gegolten haben. Speners Haltung zum Konventikel und dessen Hoffnung auf bessere Zeiten übernahm er nicht. Auf Speners Empfehlung berief er eine Reihe von dessen Gesinnungsgenossen nach Wolfenbüttel. Jedoch hat er nicht verhindert, dass sie nach dem späteren Anti-Pietismusedikt von 1692 des Landes verwiesen wurden. Rudolf August hatte eine gute Beziehung zu Kochs Kollegen Rittmeyer, der Erzieher der Töchter des Herzogs gewesen war, vgl. Friedrich Weise, Christliche Leich-predigt von den Gnaden-Lohne getreuer Knechte Gottes, Helmstedt, Georg Wolfgang Hamm, 1698, I1r. 41 Vgl. Marth 2006. 42 Vgl. über den Pietismus in Braunschweig-Wolfenbüttel: Beste 1889, 271–282, 285–296, 302–308, 317–333, 387–393; Beste 1905; Beste 1922; Schwidurski 1957; Jakubowski-Tiessen 1995, 431–434; Capelle 2009; Mager 2010b, 207–219; Merzbacher/Miersemann (Hrsg.) 2015. Die unveröffentlichte Arbeit von P. Schwidurski berücksichtigt bisher unausgewertete Akten aus dem Stadtarchiv Goslar. Ich bedanke mich bei Herrn Theodor Schwidurski (Braunschweig) für die Kopie des Manuskriptes. 43 Ein Hinweis dafür, dass Anton Ulrich Koch bestellt hat, könnte Kochs Danksagung an ihn für die oft erwiesene Gnade in einem Schreiben aus dem Jahre 1685 sein, vgl. LAW, LKA OA Helmstedt 198: Bestellung des Generalsuperintendenten und Pastor primarius an St. Stephani, (1619), 1650–1781: 40r, 41v.
370
7. Henning Koch (1633–1691)
1680 erhielt Koch eine Berufung an das Kapitel des St. Blasii-Stiftes in Braunschweig, dessen Patron seit 1671 Fürst Rudolf August war.44 Es könnte sich in diesem Fall um die Besetzung einer Predigerstelle oder des Dekanats handeln; 1680 waren eine der Predigerstellen und das Dekanat unbesetzt.45 Am 21. Oktober 1680 starb Kochs Frau Anna Elisabeth Rhode nach dreimonatiger Krankheit.46 Am 21. November 1681 heiratete er Anna Sophia Wiesenhaver.47 Sie war die Tochter von Johannes Joachim Wiesenhaver (1624–95) und Sophia Elisabeth Dörrien (1635–1706). Wiesenhaver, ehemals braunschweig-lüneburgischer Amtmann zu Witteberg im Herzogtum Calenberg, war brandenburgischer Amtmann von Burgstall im Ohrekreis (Burgstallia in Marchia) bei Magdeburg und Verwalter des Nonnenklosters Marienborn bei Helmstedt. Wiesenhaver und seine Frau stammten aus Hildesheim.48 1681 beriefen der Rat und die Bürger Hildesheims Koch zum Superintendenten. 1682 wurde er vom Herzog von Württemberg zum Hofprediger und Konsistoriumsdirektor berufen. Vermutlich handelte es sich um Friedrich August von Württemberg-Neuenstadt (1654–1716). Er hatte zu diesem Zeitpunkt gerade die Regentschaft seines verstorbenen Vater Friedrich (geb. 1615) übernommen, der mit Herzog Augusts Tochter Clara Augusta (1631–1700) von BraunschweigWolfenbüttel verheiratet war.49 Später wurde Koch vom Princeps von Dänemark nach England berufen. Mit diesem Fürsten ist Prinz Georg von Dänemark und Norwegen, Herzog von Cumberland (1653–1708) gemeint.50 Er war Sohn des dänischen Königs Friedrichs III. (1609–70) und von Sophie Amalie von Braunschweig-Lüneburg (1628–85). Georg heiratete 1683 die englische Königin Anne (1665–1714), die eine strenge Anglikanerin war. Die Verbindung zu Koch dürfte über Georgs Mutter oder über 44
Vgl. Döll 1967, 72. Vgl. über St. Blasii auch: Haas 2011. Vgl. Beste 1900, 6* (Julius Hantelmann); Döll 1967, 190 (Philipp Ludwig Probst). 46 Vgl. Programme in fvnere. Annæ Elisabethæ Rhoden, Helmstedt, Heinrich David Muller, 1680. Der handschriftlichen Widmung auf dem Vorsatzblatt in HAB: H: P 599.4° Helmst. (36) ist zu entnehmen, dass der Professor der Metaphysik Johann Barthold Niemeier (1644–1708) der Verfasser der Leichenpredigt gewesen ist; er trug „Has Lucubrationes suas“ der Universitätsbibliothek Helmstedt auf. Vgl. über Niemeier: S. Ahrens 2004, 167 f. Die Leichenpredigt ist auch aufgenommen in: Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen 1683, 227–247. Die Abdankungsrede (ebd., 239–245) hielt der Lehrer Johann Hummel. Des Weiteren sind das von Henning Koch und seinen Kindern in der St. Stephani-Kirche aufgesetzte Epitaph (ebd., 246) und ein Abschiedsgedicht von Henning Koch für seine Frau (ebd., 247) enthalten. Siehe auch NSLA StA Wolfenbüttel, 1 KB Helmstedt 584: Beerdigungen 1680–1715), 583, Nr. 86. Vgl. für das Epitaph auch: Ingrid Henze, DI 61 / Nr. 272, St. Stephani, http://www.inschriften.net/helmstedt/inschriften/nr/di061-0272.html#content, Stand: 11.08.2010. 47 S. NSLA StA Wolfenbüttel, 1 KB Helmstedt 591: Trauungen 1656–85, 460. 48 S. die genealogische Übersicht „Wiesenhaver“ von Rainer Dörry: http://www.rainerdoerr y.de/A hnenforschung/html/Doerry/p000184.htm#P3732, Stand: 11.08.2010. 49 Vgl. Eberlein 1997, 219–224. 50 Vgl. Selling 1990, 144, 147; Speck 2004. 45
7.2 Konrektor, Pfarrer und Diakon (1661–91)371
Conring, der seit 1669 dänischer Staatsrat war,51 hergestellt worden sein. Georg stand der anglikanischen Kirche und dem Pietismus recht offen gegenüber.52 Da die Liebe zur Helmstedter Gemeinde bei Koch überwog, schlug er die beiden letzten Berufungen ab. Hervorzuheben ist, dass Koch während seiner Amtszeit Interimvertretungen der Gottesdienste wegen Vakanz der Generalsuperintendentur (1671–4; 1683–4 und 1685)53 übernahm und dass die Gemeinde hoch verschuldet war (1684).54 Der Superintendent Eberhard Bussmann55 (1644–92, 1685–92 Superintendent) beklagte sich im Jahr 1687 über von den Diakonen zugelassene Missstände56 hinsichtlich der Beichte, des Abendmahls und der Katechismuslehre. Übrigens war Bussmann mit einer Schwester von Anna Sophia Wiesenhaver verheiratet, Koch war also sein Schwager.57 51
Vgl. Dahl 1916; Bangert/Christensen 1983. Gewöhnlich besuchte Georg die Gottesdienste in der lutherischen Kapelle in St. James’s. Einmal pro Jahr wollte er aber in der Church of England kommunizieren. Deswegen geriet er in Konflikt mit dem lutherischen Hofprediger Wilhelm Mecke (gest. 1711), vgl. Selling 1990, 147; Brunner 1993, 49, 51; Schunka 2008, 95 f. Mecke stand dem Hallischen Pietismus ambivalent gegenüber, vgl. Brunner 1993, 51. Seit 1705 war der Francke-Schüler Anton Wilhelm Böhme (1673–1722) Georgs Hofprediger. Böhme brachte pietistische Einflüsse nach England. Prinz Georg und Königin Anne unterstützten das Hallesche Waisenhaus finanziell. Böhme strebte nach einer Union der lutherischen und anglikanischen Kirche. Er stellte dem Prinzen ein anglikanisch-lutherisches Gebetsbuch zusammen, vgl. Sames 1990; Brunner 1993; Steinmetz 1996, 56 f.; Schunka 2008, 102–108. 53 Vgl. LAW, LKA OA Helmstedt 145: Diakonat-Pfarrbestellung, 1667–1758, Nr. 12; OA Helmstedt 198: Bestellung des Generalsuperintendenten und Pastor primarius an St. Stephani, (1619), 1650–1781, 19r, 40r–v, 42r. Vgl. Seebaß/Freist (Hrsg.) 1969–1980, Bd. 1, 106 f. 54 Vgl. LAW, LKA OA Helmstedt 198: Bestellung des Generalsuperintendenten und Pastor primarius an St. Stephani, (1619), 1650–1781, 40v. Angaben über Ausgaben der St. Stephanigemeinde für Kochs Wohnung (Bauarbeiten, Getränke, Reinigung usw.) sowie über zusätzliche Einkünfte neben seiner Besoldung finden sich StA Helmstedt, A 5219: Einnahmen- und Ausgabenrechnung der Kirche St. Stephani in Helmstedt 1674 bis 1703. Vgl. auch NSLA StA Wolfenbüttel 37 Alt 2829: Die aus der Ädilitätskasse den Diakonen zu St. Stephani in Helmstedt ausgesetzten 14 Rtl. (1597–1804), 12r–13r; StA Helmstedt A 2350: Aufsicht über die Stadtschule in Helmstedt 1639–1803, Brief der Bürgermeister und Rat der Stadt Helmstedt an das Wolfenbütteler Konsistorium 21.3.1691. 55 Vgl. Seebaß/Freist (Hrsg.) 1969–1980, Bd. 1, 107; Bd. 2, Nr. 642; Bd. 3, 17, Nr. 642; S. Ahrens 2004, 39. 56 Bussmann nennt folgende Punkte: Zulassung der Katechumenen zur Beichte durch die Diakonen ohne vorherige Prüfung durch den Superintendenten, der Mangel an Ordnung hinsichtlich der Beichte, die Zulassung von Unbußfertigen zum Abendmahl, die Zulassung eines Studenten zur Beichte, der einen Mord begangen hatte beziehungsweise dessen beschuldigt worden war sowie der Verzicht auf den Katechismusunterricht am Sonntag und auf das Singen der Eingangsworte an hohen Festtagen vor der Kommunion. Hinsichtlich der Zulassung der Katechumenen zur Beichte durch die Diakonen ohne vorherige Prüfung durch den Superintendenten wurde Bussmann recht gegeben, LAW, LKA OA Helmstedt 213/22: Zuständigkeit bei der Prüfung der Konfirmanden, 1687, 56r, 58r–59r. 57 Siehe die Angaben über Anna Elisabeth Wiesenhaver (1655–1705), der Frau Bussmanns, in der Leichenpredigtendatenbank der HAB: http://dbs.hab.de/leichenpredigten/entrysearch. php?docID=11025, Stand: 13.8.2010. 52
372
7. Henning Koch (1633–1691)
In den letzten Jahren seines Lebens erkrankte Koch schwer. Ein akutes Fieber im Jahre 1690 schwächte ihn weiter. Am 14. April 1691 starb er kurz nach 12 Uhr mit völlig ungetrübter Vernunft. Am Fest Mariä Verkündigung am 25. März hatte er zum letzten Mal das heilige Abendmahl genossen mit dem Wunsch, schnell die Bürde seines Körpers ablegen zu können. Als seine Kollegen ihn daran erinnerten, dass er bald sein vollendetes Leben dem Herrn zurückgeben sollte, tröstete er sich mit Psalm 143, 2. Koch sei in vollem Vertrauen auf seinen Seligmacher gestorben und habe sich immer bemüht, einen vorbildlichen Lebenswandel zu führen. Am 29. April wurde Koch beerdigt, am Sonntag jubilate hielt Rittmeyer eine Leichenpredigt.58 Aufgrund einer angeblichen Vormundschaft ihres Vaters mussten die Kinder Kochs im Oktober 1691 vor Gericht erscheinen. Im Rahmen des Prozesses wurde der Nachlass ihres Vaters, der aus wenigen Büchern bestand, unter Arrest gestellt. Die Kinder beschwerten sich beim Wolfenbütteler Konsistorium und behaupteten, die Vormundschaft wäre ihnen nicht bekannt.59
7.3 Verbindungen und kürzere literarische Zeugnisse Koch hinterließ eine Reihe von kürzeren literarischen Zeugnissen. Am 5. Juli 1669 trug er den griechischen Text von Joh 16,33 sowie eine lateinische Widmung in das Stammbuch des Augsburger Studenten Hieronymus Felix Welser von Rasch (1648–1715) ein.60 Dieser hatte wohl 1667 bis 1669 eine Studienreise nach Altdorf, Nürnberg, Engelthal, Wolfenbüttel, Uelzen, Hamburg, Helmstedt, Rinteln, Repke und Groningen unternommen. Aus Helmstedt trugen sich außer Koch unter anderen Belthasar Cellarius, Johannes Saubert d. J. (1638–88), Schrader und Conring in das Stammbuch des reisenden Studenten ein.
58 Vgl. NSLA StA Wolfenbüttel, 1 KB Helmstedt 584: Beerdigungen 1680–1715, 639. Vermutlich ist jene Leichenpredigt nicht identisch mit Programma in funere viri … dni, m. Henningi Kochii, die eine akademische Abdankungsrede ist, vgl. ebd., A2r, [B2v]. Auf dem Titelblatt des Exemplars HAB H: 126 Helmst. Dr. (70) findet sich folgende handschriftliche Notiz: „f(acta) J. Wehrlof “. Vermutlich war Johann Werlhof (1660–1711), Jurisprudenzprofessor in Helmstedt, der Verfasser. Vgl. über ihn S. Ahrens 2004, 248. 59 Vgl. LAW, LKA OA Helmstedt 213/23: Verlängerung des Gnadenhalbjahres zugunsten der Kinder von Pastor Koch, 1691, 60r, 61r–62r. Siehe die Angaben in den Helmstedter Kirchenbüchern zu den Ehen von Anna Sophia Wiesenhaver, Hedwig Sophie und Friedrich: NSLA StA Wolfenbüttel 1 KB Helmstedt 592 (Trauungen 1686–1710), 566, 580, 748. Friedrich stieg zum preußischen Kammergerichtsadvokaten in Berlin auf und wollte sich 1731, als er im Ruhestand war, wieder in seiner Heimat niederlassen, vgl. NSLA StA Wolfenbüttel 2 Alt 16606: Gesuch des aus Braunschweig gebürtigen Kammergerichtsadvokaten Friedrich Koch in Berlin um Erlaubnis zur Niederlassung, 1r–v. 60 Vgl. Schnabel (Hrsg.) 1995, 399–402.
7.3 Verbindungen und kürzere literarische Zeugnisse373
Erhalten sind einige Leichenpredigten,61 eine Abdankungsrede62 und einige Trauergedichte63. Die Personalien in den von Koch verfassten Leichenpredigten folgen im Aufbau fast immer dem üblichen Schema64. In der Leichenrede anlässlich Krautheupts Tode lehnt Koch die Lehre der partikularistischen Reichweite von Christi Verdienst ab. Allen Menschen habe Christus mit seinem Blut die Möglichkeit zur Versöhnung gegeben; dass diese Versöhnung im Einzelfall aber keine Realität wird, rühre daher, dass nicht alle Menschen Christus annehmen.65 In der Predigt für Bosse lehnt Koch die Auffassung des Seelenschlafes, wonach eine Seele nach dem Tod des Körpers schlafe, ab. Zwar vertraten die Kir61 Georg Werner (1671): Henning Koch, Das seuffzer–volle, nichtige und vergängliche Wesen aller Menschen, Helmstedt, Henning Müller, 1672. Vgl. über Werner: S. Ahrens 2004, 249 f. Er war Jurisprudenzprofessor in Helmstedt und Assessor des Hofgerichts in Wolfenbüttel. Hans Krautheupt (1671): Henning Koch, Eintzige gewisse Seeligkeit aller Menschen, in der unermäßlichen Liebe Gottes, und dem wahren Glauben, auff dessen eingebornen Sohns Tode gegründet, Helmstedt, Henning Müller, 1672. Krautheupt war Ratskämmerer, Assessor des Schöffengerichtes und Vorsteher des Hospitals St. Georg in Helmstedt. Johann Heinrich Bosse (1673): Henning Koch, Herrliche Belohnunge und sichere Ruhe der Gerechten, Helmstadt, Johann Heitmüller, 1673. Bosse war Arzt in Helmstedt. Johann Wineken (1673): Henning Koch, Frommer Christen gebührlicher Wandel, Helmstedt, Jacob Müller, 1674. Wineken war Hofgerichtsrat und -assessor in Wolfenbüttel. 62 Samuel Meier (1685): Justus Cellarius, Gläubiger Seelen tägliche Gewissens-Übung, Heinrich Hesse, 1685, E3v-F3v. Meier war Ältester und Bürgermeister von Helmstedt. 63 Gebhard von Alvensleben (1667): Johann Grumbach, Christliche Leich-Predigt von der höchstgewünschten Seeligkeit welche bestehet in Ruhe und Vergnüglichkeit derer so im Herrn sterben, Helmstedt, Johann Heitmüller, 1667, K2r. Johann Konrad Schröder (1676): Bartholomäus Rüdiger, Christliche Trost-Predigt von der seeligen Ruhe der verstorbenen Gerechten, Helmstedt, Jacob Müller, 1677, N1r-O1r. Schröder war fränkischer Amtmann bei der Stadt und beim Gericht Schlitz; der Verfasser der Leichenrede war dort Pfarrer. Schröder war mit Conrings dritter Tochter Sophia (1642–1718) verheiratet, vgl. Herberger/Stolleis, 89. Kochs erste Frau Anna Elisabeth Rhode (1680): Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen 1683, 274. Daniel Erberfeld (1681): Fröling, Aengstigliche Klage, [H4r]–I1r. Hermann Conring (1681): Fröling, Spiegel der Eitelkeit, [S2v]. Johann Eichel, Edler von Rautenkron (1688): Johann Eberhard Bussmann, Aßaphs und aller Glaubigen treuer Geleitsmann und höchstes Gut, Helmstedt, Georg-Wolffgang Hamm, [1688], X2r–v. Eichel war Edler von Rautenkrohn, Erbherr auf Nädlitz, Bornum und Hohnsleben, braunschweig-lüneburgischer und niedersächsischer Geheimer Rat, Vizekanzler, Jurisprudenzprofessor und Senior der juristischen Fakultät der Academia Julia, Assessor und Senior des Hofgerichts in Wolfenbüttel, Stiftsherr der Beata Maria Virginis zu Wolfenbüttel und Kanoniker von St. Pancratii zu Walbeck. Vgl. über ihn: S. Ahrens 2004, 66 f.; Hagena 2006. 64 Angaben zu Eltern und Vorfahren, die Taufe kurz nach der sündigen Geburt und die damit zusammenhängende Aufnahme ins Buch des Lebens, Erziehung in Gottesfurcht und anderen christlichen Tugenden, Heirat, Angaben zu Mann und Kindern, beruflicher Werdegang, christliche Tugenden wie Hochschätzung von Gottes Wort, fleißiger Besuch des Gottesdienstes, fleißiger Gebrauch des Heiligen Abendmahls, Demut, Gehorsam der Obrigkeit gegenüber, Friedlichkeit, Freundlichkeit, Freigebigkeit gegenüber den Armen, Krankheit, Beichte kurz vor dem Tode, Empfang des Abendmahls, Abwendung von allen irdischen Dingen und das Sterben, vgl. Moore 2006. 65 Vgl. Koch, Eintzige gewisse Seeligkeit, [B4v]–C2r, D4v]–E3v.
374
7. Henning Koch (1633–1691)
chenväter diese Auffassung, doch sie orientierten sich stark an der Philosophie und hatten zum Teil auch chiliastische Ansichten. In dieser Predigt zitiert Koch neben antiken Schriftstellern und Kirchenvätern Calvin, Bellarmin, Thomas Stapleton, William Whitaker und Luther.66 Kochs Leichenpredigten enthalten eine vorsichtige Aufforderung zur Lebensheiligung.67 In den Leichenpredigten für Werner und Bosse wird die Belohnung für die Gerechtigkeit dargestellt.68 Werner erhoffte sich aus dieser vergänglichen Welt keine Herrlichkeit, sondern bemühte sich um Gerechtigkeit und führte ein seufzerreiches Leben.69 Ein wahrer Christ eile immer zu höherer Vollkommenheit, weshalb jede Sünde eine Beleidigung Gottes und den Frommen ein Greuel wäre.70 Die Leichenpredigt für Johann Wineken thematisiert den gebührlichen Wandel eines Christen, nämlich einen himmlischen Wandel.71 In der vom klevischen Anwalt Gottfried zum Berge verfassten Verteidigungsschrift für Philipp Erberfeld (s. 5.6.3) findet sich eine auf den 13. April 1674 datierte Widmung zu einer Hall-Übersetzung von Koch an Heinrich Erberfeld und dessen Frau Gertrud Hack aus Bremen, also an Philipps Eltern. Diese Widmung lässt sich in keinem der untersuchten Exemplare von Kochs Hall-Übersetzungen finden. Die Datierung und der Inhalt der Vorrede lassen aber vermuten, dass es eine Widmung zu Paßions-Andachten (s. unten) war.72 Mittels dieser Schrift stellt Koch den leidenden Jesus als Sühnopfer dar. Diese Form der Darstellung, so Koch, sei im deutschen Sprachgebiet noch ziemlich unbekannt. Koch übersetzte die Schrift zu Beginn der Fastenzeit. Er stellt fest, dass der Inhalt der Schrift wohl für niemanden angenehmer sein könnte als für Erberfeld und dessen Frau. Daraufhin teilt Koch mit, dass er vor einigen Jahren Erberfelds Sohn Philipp, Doktor der Rechte und jetzt brandenburgischer Stadtrichter in Duisburg, kennen gelernt hat. Jedermann habe seine himmlische Gesinnung, seinen Abscheu vor der Eitelkeit der Welt, seinen vorsichtigen Umgang mit ihr 66
Vgl. Koch, Herrliche Belohnunge, [A4r]–B2v. Vgl. Koch, Eintzige gewisse Seeligkeit, D1v-D2r. 68 Vgl. Koch, Das seuffzer–volle, nichtige und vergängliche Wesen, A2v; Koch, Herrliche Belohnunge. 69 Vgl. Koch, Das seuffzer–volle, nichtige und vergängliche Wesen, A3v-E2r–v. 70 Vgl. Koch, Das seuffzer–volle, nichtige und vergängliche Wesen, C2r. In dieser Leichenpredigt zitiert Koch Franciscus Junius d. J. (1589–1677), der darauf hinweist, dass Gerhard Johann Vossius durch sein intensives Studium oft vergaß, sein Brot zu essen: De Gerh. Joh. Vossio narrat. ejusdem [soc]er Franc. Iunius praefat. lib. Vossiani de quat. art. popul. ad Lectorem: Ne inter ipsas quidem epulas sibi temperabat (Vossius) quominus vel lectitaret libros; vel meditationibus inhaereret, adeo ut ipse viderim aliquoties dexteram ejus necessariis usibus ab uxore aptari, ut inediae succureret, ebd., D3r. 71 Vgl. Henning Koch, Frommer Christen gebührlicher Wandel. 72 1676 erschien eine Übersetzung mit ähnlichem Inhalt bei Johann und Friedrich Lüderwald in Magdeburg und Helmstedt, und zwar von einer Schrift des Jesuiten Robert Bellarmin: Geistreiche Andachten über die sieben Wort Christi am Kreutz. Es gibt aber keine Hinweise, dass Koch diese Übersetzung verfasst oder einen Beitrag dazu geliefert hat. 67
7.3 Verbindungen und kürzere literarische Zeugnisse375
und seine Nachfolge Jesu gerühmt. Dieses seltene Exempel war für Koch bestürzend und erfreuend zugleich. Danach fand er in den Briefen, die Heinrich Erberfeld an ihn geschrieben hatte, weitere Beweise für die Begierde Philipp Erberfelds und seiner Verwandtschaft nach dem wahren Christentum. Koch widmet dem Ehepaar Erberfeld, das viel Schreckliches erlebt hat,73 seine Übersetzung, damit beide zu Kräften kommen mögen. Auch möchte er den Eheleuten für ihre ihm erwiesene Gunst danken.74 Am 21. Sonntag nach Trinitatis, dem 15. Oktober 1676, hielt Koch ebenso wie seine Kollegen eine Predigt zur Hundertjahrfeier der Academia Julia.75 Auf der Grundlage von Psalm 147,12–20 betrachtete er Gottes Fürsorge für die Universität. In der schweren und gefährlichen Gründungszeit kümmerten hohe Personen sich mehr um Kriegsverfassungen und um den Bau neuer Festungen als um die Förderung des Schul- und Universitätswesens, „in dem durch der Religionen Unterscheid, bey hohen Personen, alle Einigkeit und gutes Vertrauen schiene auffgehoben sein“.76 Gott habe die Universität bisher mit Frieden gesegnet. An dem heutigen Frieden im Land sehe man, wie sehr die verderbte Natur zum Unfrieden geneigt sei. Mit einem Verweis auf Psalm 46,9 behauptet Koch, dass Friede Gottes eigenes Werk ist.77 Auf der Grundlage der Sonntagsepistel Epheser 6,10–20 griff Koch auf die Predigt zurück, die der Braunschweiger Superintendent Martin Chemnitz anlässlich der Gründung der Universität vor einhundert Jahren (s. 1.1) gehalten hatte. Chemnitz hatte damals den Wunsch geäußert, dass die Universität ein Harnisch des Heiligen Geistes gegen alle vom Satan verursachten Abweichungen von der reinen lutherischen Lehre werden, sein und bleiben möge. Koch behauptet, dass die Universität und alle frommen Christen durch den Harnisch Gottes dem Satan und allen Feinden bisher glücklich widerstanden haben und sie ihnen auch künftig widerstehen würden.78 In der Predigt treten gemäßigte pietistische Ansichten zutage: die Ablehnung von eitlen Schauspielen und von irdischen Gelüsten bei Festen,79 die Aufforderung an die Diener Gottes, die Mängel ihrer Gemeinde aufzuweisen,80 und die Aufforderung zur Tötung der Sünde81 und zur Vollkommenheit82. 73 Koch bezieht sich hier wahrscheinllich auf eine Tochter, die gemeinsam mit ihrem ersten Kind starb, s. 5.12.1. 74 Vgl. LA NRW, Abt. Rheinland, RKG D 743/1865, 25r–28v. Die Widmung trägt die Bogensignaturen a1r-a4v. 75 Vgl. Historia festi secvlaris … idibvs Octobris anno MDCLXXVI. Quo die seculum suum primum gratulabunda finiebat & secundum feliciter auspicabatur Academia Julia quæ est Helmestadii Saxonum, [Christoph Schrader], Helmstedt, Heinrich David Müller, 1678, 81–96; F. A. Ludewig 1821, 105–109; Kleinert 1984, 22–25. 76 Vgl. Historia festi secvlaris, 82. 77 Vgl. Historia festi secvlaris, 84 f. 78 Vgl. Historia festi secvlaris, 85. 79 Vgl. Historia festi secvlaris, 85. 80 Vgl. Historia festi secvlaris, 88 f.
376
7. Henning Koch (1633–1691)
1679 verfasste Koch ein Gedicht zu einer Disputation von Johann Nicolai (1665–1708), der gebürtig aus Thüringen kam, und zu der Zeit Theologie in Helmstedt studierte.83 Nicolai wurde später Professor der Altertumskunde in Tübingen, übersetzte verschiedene englische Erbauungsbücher ins Deutsche84 und veröffentlichte 1689 eine Grammatik der englischen Sprache.85 Im selben Jahr widmete der Helmstedter Verleger Friedrich Lüderwald die von dem Leipziger Poetikprofessor Joachim Feller86 (1638–91) weitergeführte Universal- und Kirchengeschichte des Johannes de Laets87 (1581–1649) den Helmstedter Predigern Andreas Fröling (1629–83)88, Rittmeyer, Koch und dem Prediger Johann Stier aus Harbke. Ihr nie ablassender Eifer in der Kirche Christi habe ihn dazu bewogen. Er dankt ihnen für die ihm erteilten Ratschläge und dafür, dass sie einige seiner Kinder getauft haben (liberos ex fonte sacro meos pars suscepistis).89 Aus der Leichenpredigt für Johann Gabriel Schmiedt (1662–86), Doktor der Medizin, geht hervor, dass Koch ihm zweimal als Beichtvater beigestanden hat: während einer Krankheit und auf seinem Sterbebett.90 Von den Kollegen Kochs verdient Johann Rittmeyer besondere Aufmerksamkeit. Er war mit einer Tochter von Herrn Professor Schrader verheiratet. Rittmeyer verfasste zwei Erbauungsbücher über den würdigen Gebrauch des Heiligen Abendmahls, in denen er die Notwendigkeit der Selbstprüfung zu einem würdigen Gebrauch des Abendmahls unterstrich.91 Obwohl er sich in der Vor81 Vgl.
Historia festi secvlaris, 95. Historia festi secvlaris, 88 f., 95. 83 Vgl. Johannis Nicolai, Commentatio de ritv antiqvo et hodierno bacchanaliorum, Helmstedt, Heinrich David Muller, 1679, 2)(1v. 84 Vgl. IÖB, 135; McKenzie 1997, General index with entry numbers unter „Nicolai, Johann or Johanne (d. 1708)“. 85 Vgl. J. N. S., Grammatica nova anglicana: una cum dialogis quibusdam & proverbiis anglicanis facillima methodo congesta, Jena, Tobias Oehrling, 1689. 86 Vgl. K. Müller 1961. Im Pietismusstreit in Leipzig trat er für Francke ein. 87 Er war Geograph und Polyglott. 88 Er war seit 1674 Generalsuperintendent, Professor der Theologie und Prediger an St. Stephani, vgl. Seebaß/Freist (Hrsg.) 1969–1980, Bd. 2, 94, Nr. 1205; S. Ahrens 2004, 84 f. 89 Vgl. Johannis Laet, Jochim Feller, Compendium historiae universalis civilis et ecclesiasticae, 4. Auflage, Frankfurt/Leipzig, Friedrich Lüderwald, 1679, [)(2r]. 90 Vgl. Johann Eberhard Bussmann, Die wesentliche Wiederstattung und herrliche Auszrüstung der aufferstehenden Leiben, Danzig, David-Friedrich Rhet, 1687, 34–37. Vgl. Kleinert 1984, 16. Verschiedene Male trat Koch als Pate bei einer Taufe auf: bei der Taufe von Anna, einer Tochter des Schmiedes Henning Koch (siehe NSLA StA Wolfenbüttel, 1 KB Helmstedt 593: Taufen 1656–1700, 126 [1665]); von Sophia Christina Elisabeth, des Kantors Conrad Kochs Tochter (siehe ebd., 314, Nr. 58, [1686]). Anna Sophia Wiesenhaver war 1684 Patin bei der Taufe von Johann Ernst, des Hufschmieden Hermann Kochs Sohn (s. ebd., 300, Nr. 87). Drei Jahre später war Balthasar Gerhard Taufpate von Hermann Kochs Tochter Margaretha Elisabeth (s. ebd., 319, Nr. 9). 91 Vgl. Johann Rittmeyer, Unsers Herrn Jesu hoch-heiliges Abendmahl in 23. Betrachtungen vorgestellet, Helmstedt/Goslar, Friedrich Lüderwald, Simon Andrea Duncker, 1683; Johann 82 Vgl.
7.3 Verbindungen und kürzere literarische Zeugnisse377
rede zu der Schrift Unsers Herrn Jesu hoch-heiligem Abendmahl darüber beklagte, dass viele wegen des Mangels an lutherischen Schriften zu diesem Thema zu reformierten Schriften griffen,92 übernahm er einige Gebete aus Bayly’s Practice of Piety in sein Buch Himmlisches Freuden-Mahl.93 Der Lüneburger Superintendent Johann Wilhelm Petersen (1649–1727), der chiliastische Ansichten vertrat und sich auf persönliche Offenbarungen berief, wurde durch das Lüneburger Konsistorium und nach einem Gutachten der Helmstedter theologischen Fakultät aus seinem Amt entlassen. Daraufhin erließ die Landesregierung von Braunschweig-Wolfenbüttel im Jahr 1692 ein Edikt gegen den Pietismus. Es verbot heimliche Konventikel, Kanzelpolemik und Streitschriften und es richtete sich gegen Enthusiasten, Chiliasten, Pietisten, Quäker und Anhänger Jakob Böhmes. Alle zukünftigen Veröffentlichungen sollten durch das Konsistorium und die Universität zensiert werden. Alle Prediger und Lehrer des Landes mussten die Verordnung unterschreiben.94 Im Rahmen des Ediktes geriet Rittmeyer noch in demselben Jahr und 1694 unter Pietismusverdacht. Nach anfänglicher Weigerung unterschrieb Rittmeyer letztendlich das Edikt.95 Vielleicht hatte Rittmeyer in Helmstedt einige Gleichgesinnte. Bei der Taufe einer seiner Töchter trat Gese von Bentheim als Patin auf.96 Anlässlich ihres Todes im Jahr 1676 hielt Fröling eine Leichenpredigt, in der er ihre besondere Frömmigkeit hervorhob (s. 5.2). Frölings gleichnamiger Sohn (1666–1723) geriet später wegen seiner pietistischen Ansichten in Goslar in Schwierigkeiten und wurde 1708 suspendiert.97 Rittmeyer, Himmlisches Freuden-Mahl der Kinder Gottes auf Erden, Helmstedt, Georg Wolffgang Hamm, 1684. Vgl. Grosse 1900, 291–297: Rittmeyer übernahm auch Gebete von Kirchenvätern und lutherischen Theologen. 92 Vgl. Rittmeyer, Unsers Herrn Jesu hoch-heiliges Abendmahl, )(2v-)(3r. 93 Folgende Übernahmen lassen sich feststellen: Bayly: Gebet am Sonntag Morgens [sic] (357–361) – Rittmeyer: Morgen-Gebeht am Sonntage, da man vorhabens, zum Heil. Nachtmahl zu gehen (218–224); Bayly: Form einer demütigen Confession und Bekäntnis der Sünden vor Gott, ehe man zum Tisch des HERRN gehet (448–457) – Rittmeyer: Demühtige Beicht und Bekäntniß der Sünden vor GOtt, nach den H. Zehen Geboten (69–82). Rittmeyer hat die Fragmente leicht bearbeitet, vgl. Lewis Bayly, Praxis pietatis, das ist: Vbung der Gottseligkeit, Nürnberg, Wolfang Endter d. Ä., 1658; Rittmeyer, Himmlisches Freuden-Mahl. 94 Vgl. Capelle 2009; Hoffmann 2015; Merzbacher 2015. 95 Die Verdächtigungen bezogen sich auf Rittmeyers Unterscheidung zwischen der Gabe der Vernunft und der Erleuchtung durch den Heiligen Geist, auf seine Wiedergeburtslehre – er habe gelehrt, dass ein Wiedergeborener keine wissentliche Sünde tue, auf die Lehre gegenwärtiger, besonderer Offenbarungen an bestimmte Christen, besonders an Frauen, und auf seine chiliastischen Auffassungen, vgl. NSLA StA Wolfenbüttel, 37 Alt 3859: Wolfenbütteler Consistorium gegen Archidiacon Probst J. Rittmeyer 1695, 12v, 15r–17r. Vgl. Hoffmann 2015, Abschn. III. 96 S. NSLA StA Wolfenbüttel, 1 KB Helmstedt 593: Taufen 1656–1700, 277, Nr. 62 (1682). 97 Vgl. Schwidurski 1957, 22–26; Seebaß/Freist (Hrsg.) 1969–1980, Bd. 2, 94, Nr. 1206. Es gibt noch andere Beispiele von pietistischen Einflüssen in Helmstedt im 17. und 18. Jahrhundert. Superintendent Balthasar Cellarius war ein Schwiegersohn von Justus Gesenius (1601–73), der sich für den Katechismusunterricht der Jugend und für die Visitation der Kirche einsetzte.
378
7. Henning Koch (1633–1691)
Wahrscheinlich wurden Pietisten im Lande nur geduldet, solange sie keine chiliastischen, spiritualistischen, separatistischen oder perfektionistischen Lehren vertraten oder deren verdächtigt wurden. Die Helmstedter theologische Fakultät, zum Beispiel Professor Bussmann, lehnte separatistische, chiliastische und perfektionistische Lehren vehement ab.98 Anscheinend bezog sich Bussmanns Kritik auf den Chiliasmus,99 was nicht heißen muss, dass Bussmann beziehungsweise die Fakultät dem Pietismus generell kritisch gegenüberstand. Jedoch bedarf die Haltung der Fakultät, der Universität, des Rates, der Prediger und Bürger der Stadt Helmstedt gegenüber dem Pietismus noch weiterer Untersuchungen. Dabei ist auch die Rolle des Wolfenbütteler Konsistoriums und der Zwiespalt zwischen den beiden Regenten Rudolf August und Anton Ulrich zu berücksichtigen.100
7.4 Joseph Hall, Paßions-Andachten (1674) 1674 bis 1683 erschienen mehrere der von Koch übersetzten Schriften Joseph Halls.101 1684 und 1685 wurden zwei weitere Hall-Schriften in deutscher Übersetzung veröffentlicht, ihr Übersetzer war Kochs Sohn Balthasar Gerhard. In Hennings Umkreis gab es Verleger und Übersetzer, die (englische) Erbauungsliteratur herausgaben. Hingewiesen wurde schon auf Johann Nicolai. Einige seiner Übersetzungen wurden von Friedrich Lüderwald beziehungsweise Georg-Wolfgang Hamm102 (ca. 1649–1715) verlegt.103 Der Kammersekretär Vgl. über Cellarius: S. Ahrens 2004, 48 f.; über Gesenius: Boetticher 2006. 1697 präsentierten die Bürgerschaft und der Rat Helmstedts den Magdeburgischen Michael Rutze als Kandidaten für das vakante Diakonat. Das Konsistorium fällte aber ein negatives Urteil über ihn, dem sich der Rat, Rudolf August und Rittmeyer jedoch widersetzten, vgl. Hoffmann 2015, Abschn. III. Rittmeyers Sohn Professor Christoph Heinrich (1671–1719) hielt seit 1716 für Studenten und Stadtbewohner in der Collegienkirche erbauliche Bibelstunden nach Halleschem Vorbild ab, vgl. Mager 2010b, 219. Ab den 1730er Jahren haben Christoph Timotheus Seidel, Adjunkt des Superintendenten Friedrich Weise (Helmstedt: 1697–1735), und Tobias Eisler, Privatlehrer und Katechet, im pietistischen Sinne in Helmstedt gewirkt, vgl. Beste 1889, 377, 387–391. 98 Vgl. Beste 1889, 270, 272, 286, 288; Beste 1905, 86, 91; Hoffmann 2015, Abschn. I, II.2; H. Ludewig 2015. Allerdings berief Rudolf August 1690 den Spener- und Francke-Freund Hermann von der Hardt (1660–1746) zum Orientalisten nach Helmstedt, dies trotz des Widerspruchs seines Bruders Anton Ulrichs. Jedoch vollzog sich bei van der Hardt in Helmstedt eine Wende zum Rationalismus, vgl. Beste 1889, 294–296; S. Ahrens 2004, 102–104; Bepler 2006a. 99 Vgl. Beste 1889, 286. 100 Capelle weist auf politische Motive bei der Entstehung des Ediktes hin: dessen vermutlicher Urheber, Kanzler Philipp Ludwig Probst von Wendhausen (1633–1718), habe seine Kontrolle über das Land sichern wollen, Capelle 2009, 135–140. 101 Vgl. Sträter 1987, 14; Marigold 1995, 232 f.; Sträter 2003, 220 f., 223. 102 Vgl. Berg/A lbrecht 2003, 996; Reske 2007, 370; Etzold 2010, 278. Hamm heiratete in die Druckerfamilie Müller ein. 103 Vgl. IÖB, 135; McKenzie 1997, General index with entry numbers unter „Nicolai, Johann or Johanne (d. 1708)“.
7.4 Joseph Hall, Paßions-Andachten (1674)379
des Herzogs Anton Ulrich, Christian Flemmer, hat einige reformierte Erbauungsbücher übersetzt, unter anderem Halls Der grosse Betrüger des Menschen Hertze (Braunschweig 1674).104 Lucas Stöckle und ein gewisser T. D. übersetzten Schriften von Perkins, die bei Paul Zeising in Helmstedt erschienen.105
7.4.1 Inhalt The passion-sermon106 war die erste Schrift, die Koch übersetzte. Das Original erschien 1609 in drei Auflagen oder Ausgaben.107 Kochs Übersetzung PaßionsAndachten erschien 1674 in Magdeburg und Helmstedt bei den Brüdern Johann und Friedrich Lüderwald,108 gedruckt wurde sie von Jacob Müller (ca. 1619– 80)109 in Helmstedt. Die Brüder Lüderwald verlegten unter anderem Schriften von Christian Scrivers.110 Kochs Vorlage war nicht das englische Original, sondern eine französische Übersetzung. Dies geht unter anderem daraus hervor, dass die deutsche Übersetzung der französischen Partizipialstruktur folgt:111 ENG 3: What is finished? FR 11: Qu’est-ce qui est accompli? DE 6: Waß ists aber das vollenbracht ist? ENG 4: What therefore is finished? FR 12: Partant qu’est-ce que est fini? DE 7: Was ist denn nun, daß geendiget ist?
Aus der Vorlage wurden die Widmung des Übersetzers Theodor Jacquemots an den Genfer Ratsherrn Amy Fauvre112 und Halls Vorrede113 nicht übernommen. In der Schrift legt der Autor auf der Grundlage von Joh. 19, 30 dar, was Christus durch sein Leiden alles vollbracht hat. Erstens hat er die Prophezeiungen seiner Passion aus dem Alten Testament erfüllt. Zweitens hat er das Gesetz erfüllt: Das moralische Gesetz hat er für uns vollbracht, das zeremoniale hat er abgeschafft. Drittens sind sein Leiden und seine Verspottung vorüber. Schließlich hat Christus unsere Seligkeit erworben. An unserer Stelle, die wir tödlich krank 104
S. McKenzie 1997, 237, Nr. 996. Vgl. McKenzie 1997, 328, Nr. 1367; 333, Nr. 1382; 335, Nr. 1392; 336, Nr. 1399. 106 Vgl. McCabe 1982, 263, 292. 107 S. ESTC. 108 Vgl. Benzing 1977, 1206; Sträter 1987, 11, 14. 109 Vgl. Berg/A lbrecht 2003, 1066 f.; Reske 2007, 370; Etzold 2010, 278. 110 Vgl. Stieda 1928, 333. 111 Vgl. Hall, The Passion sermon, London, W. S[tansby], Samuell Macham, 1609 (STC [2. Aufl.]/12694a); ders., Sermon de la passion de nostre seignevr Iesvs Christ, Genf, Pierre Aubert, 1626; ders., Paßions-Andachten, Magdeburg/Helmstedt, Johann Lüderwald, Friedrich Lüderwald, 1674 (Pietas P08039553). 112 Vgl. Hall, Sermon de la passion de nostre seignevr Iesvs Christ, Genf 1626, 3–5. 113 Vgl. Hall, Sermon de la passion de nostre seignevr Iesvs Christ, Genf 1626, 6–8. 105
380
7. Henning Koch (1633–1691)
sind, hat Gott selbst für uns die Arznei eingenommen. Seelen, die wegen ihrer Sünden betrübt sind, werden mit der vollkommenen Austilgung ihrer Sünden durch Christus getröstet. Die Unbußfertigen, die ein falsches Vertrauen hegen, als hätte Christus für alle Menschen alles vollbracht, werden gewarnt. Der Autor tadelt die vielen Christen, die nicht bereit sind, den Märtyrertod um Christi willen zu erleiden.
7.4.2 Analyse und Übersetzungsvergleich In den Andachten finden sich verschiedene puritanische Elemente: der Unterschied zwischen der Selbstbezeichnung als Christ und dem tatsächlichen Glauben an Christus,114 die Ablehnung von zu prächtiger Kleidung115 und die Bezeichnung von Überfluss und Unmäßigkeit als Sünde116. Andere auffallende Elemente sind die Ablehnung von Zeremonien in der Kirche,117 obwohl der Autor erkennt, dass etliche Zeremonien der Ordnung der Kirche dienen,118 die Ablehnung der Ablässe119 sowie die Aufforderung zum Frieden zwischen Christen120. Es finden sich Zitate von und Verweise auf Augustin, Chrysostomus, Galatino, Theophylactus, Hieronymus, Ambrosius, Theodosius I., Optatus, Ruffinus, Thomas von Aquin und Luther. Zitate werden nicht wie im Original am Rand, sondern unten auf den Seiten oder im Text angegeben. Außerdem wurden nicht alle Zitate übernommen. Koch übersetzte interpretationsorientiert: FR 10: comme ce grand Docteur des Gentils DE 4: nach dem Exempel des Apostels Pauli FR 29: guerre contre personne que contre Romme & l’enfer DE 34: gegen niemand Streit, als wieder den Unglauben und wieder die Helle
„ce grand Docteur des Gentils“ interpretierte Koch als „Apostel[s] Paul[i]“, „Romme“ als „Unglauben“. FR 38: le puanteur du lieu offensoit son odorat; son attouchement sentit les cloux, & son goust tasta du siel DE 49: Den greulichen Stanck des Ortes muste er mit grosser beschwerligkeit riechen, Hände und Füsse wurden mit Nageln schmertzlich und sehr empfindlich durchbohret, Er muste die bittere Galle trincken, und seine Zunge dieselbe mit grosser Wiedrigkeit kosten. 114
Vgl. Hall, Paßions-Andachten, Magdeburg/Helmstedt 1674, 21. Vgl. Hall, Paßions-Andachten, Magdeburg/Helmstedt 1674, 82. 116 Vgl. Hall, Paßions-Andachten, Magdeburg/Helmstedt 1674, 88 f. 117 Vgl. Hall, Paßions-Andachten, Magdeburg/Helmstedt 1674, 27 f. 118 Vgl. Hall, Paßions-Andachten, Magdeburg/Helmstedt 1674, 29–31. 119 Vgl. Hall, Paßions-Andachten, Magdeburg/Helmstedt 1674, 95–101. 120 Vgl. Hall, Paßions-Andachten, Magdeburg/Helmstedt 1674, 31–36. 115
7.5 Joseph Hall, Friedens-Altar (1678)381
„puanteur“ interpretierte Koch als „greulich“, „attouchement“ als „Hände und Füsse“ und „sentit“ als „schmertzlich und sehr empfindlich“. Koch ließ Namen von Autoritäten aus: FR 18: Montanus DE 17: Ein fürnehmer Mann
Dasselbe gilt für Namen reformierter Theologen: FR 26: Ce grand Docteur Pierre Martyr en a fait vne solide distinction en son Epistre escrite à ce digne Martyr & Pere, l’Euesque Hooper […]. DE 29: Der Unterscheid so hiebei wohl in acht zu nehmen […].
Im letzten Satz (DE 29) nahm Koch außerdem eine konfessionell motivierte Filterung vor. Der nächste Satz ist ein Beispiel von konfessionell bedingter Kürzung. Während im Original der Autor des Zitates nicht genannt wird, wird er in Kochs Übersetzung identifiziert: FR 35: Au milieu des brigands (dit quelgu’vn) comme s’il eust esté le Prince des brigands DE 44: Mitten unter den Mördern, als wenn Er (wie Herr Lutherus saget) der Oberste Redelsführer unter den Mördern gewesen
7.4.3 Editionsgeschichte 1678 veröffentlichte Friedrich Lüderwald in Helmstedt und Gardelegen eine Neuauflage. Eine der beiden Ausgaben wurde von Jacob Müller gedruckt.121 Die Schrift wurde mit geringfügigen orthographischen Änderungen in die Gesammlete Moralisten Bibliothec aufgenommen.122
7.5 Joseph Hall, Friedens-Altar (1678) 7.5.1 Inhalt 1678 erschien bei Lüderwald in Helmstedt und Gardelegen die Schrift FriedensAltar. Dabei handelt es sich um eine Übersetzung der Predigt A Sermon Preacht in the Cathedral at Exceter, upon The solemn Day appointed for the Celebration or the Pacification Betwixt the Two Kingdoms von Hall (1641).123 Eine weitere 121
Pietas-Nr.: P08039554.
122 Vgl. Gesammleter Moralisten Bibliothec, Bd. 5, Leipzig/Görlitz, Christian Gottlieb Mar-
che, 1739, 531–600. 123 Vgl. IÖB, 66, Nr. 39–67, Nr. 40A; McKenzie 1997, 252, Nr. 1060–1062. Die Angabe in diesen beiden Bibliographien, dass The works of the Lord, in judgment and mercy (1641?) das Original sei, stimmt nicht. Lilienthal erwähnt eine Auflage von 1673, ohne weitere Daten anzugeben, vgl. Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, 943.
382
7. Henning Koch (1633–1691)
Auflage der deutschen Übersetzung erschien in demselben Jahr als Anhang zu Paßions-Andachten. Als Vorlage hat Koch nicht das englische Original, sondern eine französische Übersetzung benutzt, wie aus folgendem Vergleich hervorgeht:124 ENG 49: we are invited to both FR 136: nous sommes inuitez à faire l’vn & l’autre DE 5: sind wir dazu eingeladen, das eine so wol als das andere zu thun ENG 49: Come then from thy counting house thou from thy shop-board FR 138: Vien donc toy de ton Contoir, toy de ton magazin ou de ta banque DE 7: einer komme von seinen Registern und Rechnungen: ein ander von seinem Korn-Hause und Geld-Kasten
Bezugnehmend auf Psalm 46,9–10 fordert der Autor die Leser auf, von der Betrachtung weltlicher Dinge abzusehen und stattdessen die Werke des Herrn genau zu betrachten. Wenn Gott richtet, treten seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zutage. Die Gerechtigkeit zeigt den Weg zur Barmherzigkeit. Gott steuert die Kriege und beendet diese gnädig mit Frieden. Der Mensch ist von Natur aus ein Samen des Krieges, der von Satan angeheizt wird. Gottes Friedensstiftung erstreckt sich von der Ebene des Individuums bis hin zur gesellschaftlichen Ebene. Es wird dazu aufgefordert, für den Frieden zu beten und sich darum zu bemühen. Wenn Gott das Elend des Krieges beseitigt und Frieden geschenkt hat, soll man ihm herzliche Dankbarkeit erweisen. In der Schrift werden viele vorbildhafte Beispiele aus der Antike und der alten Kirche genannt. Zitiert wird der reformierte Theologe Immanuel Tremelius (1510–80).
7.5.2 Analyse und Übersetzungsvergleich Ein puritanisches Element in dieser Schrift ist das Verständnis von Krieg als Ausführung von Gottes Gericht und als Zeichen seiner Gerechtigkeit. Das Verleumden und Lästern durch Reformatoren der Kirche wird strikt abgelehnt.125 Koch übersetzte seine Vorlage auf interpretationsorientierte Weise: FR 147: ces choses que sont purement simples DE 21: was nur schlecht für sich selbst, und nichts von andern Dingen bey sich führet 124 Vgl. Hall, A Sermon Preacht in the Cathedral at Exceter, upon The solemn Day appointed for the Celebration or the Pacification Betwixt the Two Kingdoms, Viz. Septemb. 7. 1641, in: ders., The shaking of the Olive-tree. The remaining works of that incomparable prelate Joseph Hall, London, J. Cadwel, J. Crooke, 1660 (Wing [2. Aufl.]/H416), 48–83; ders., Sermon fait en l’Eglise Cathedrale d’Exceter au jour solennel ordonné pour la Celebration de la Paix entre les deux Royaumes. Assauoir le 7. de Septembre 1641, in: ders., Dix sermons, Genève, Pierre Chouët, 1664, 135–179; ders., Friedens-Altar, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1678 (Pietas P08039523). 125 Vgl. Joseph Hall, Friedens-Altar, Helmstedt/Gardelegen 1674, 64–66.
7.6 Joseph Hall, Himmels-Lust auff Erden (1677)383
„purement simples“ wird durch zwei Satzteile umschrieben. An einigen Stellen nahm Koch kulturelle Filterungen vor: FR 139: mais auec des proffondes considerations, les voir ainsi est autant que, comme l’Hebrieu & la phrase Angloise le porte ailleurs, les mettre dans le cœur. DE 8: sondern durch eine tieffe Betrachtung, und wie wir pflegen zu reden, daß man eß zu Hertzen fasse. FR 149: Lon s’esbahiroit qu’il y ait tant eu de monde en estre sur la terre Nôtre Florigene nous dit qu’en l’annee 665. il y auoit […]. DE 25: man muß sich auch verwundern, daß offtmahls solche Pesten an etlichen Orten gewesen […].
Koch hielt nicht konsequent an einer Übersetzungsmethode fest: FR 166: Et certainement s’il y eut iamais aucune Nation qui eust suiet de se plaindre […] c’est la nostre DE 53: Und gewiß, wenn jemahls ein Volck gewesen, so Ursach gehabt, sich zu beklagen […] so ist es gewiß unser Engelland
An einer Stelle ließ Koch einen Verweis auf eine exegetische Erklärung des Genfer reformierten Theologen Théodore de Bèze aus: FR 138 f.: Ce n’est pas οραν, mais βλέπειν; c’est a dire βάλλειν ώπας; comme il me souuient que Beze l’a bien distingué en vn autre occasion; tenir nos yeux bandez sur ce sainct object DE 8: ausgelassen
Zuweilen ließ Koch ganze Sätze aus.
7.6 Joseph Hall, Himmels-Lust auff Erden (1677) 7.6.1 Widmung Die dritte Schrift Halls, die von Koch übersetzt wurde, trägt den Titel Heaven upon earth126 (1606). Bis 1609 erschienen sieben Auflagen des Originals.127 Die Schrift kann als christlich überarbeitete Fassung von Senecas De tranquilitate animi betrachtet werden. Kochs Übersetzung erschien 1677 bei Friedrich Lüderwald in Helmstedt und wurde in derselben Stadt von Jacob Müller gedruckt. Vorlage war die französische Übersetzung:128 126 Vgl. Kinloch 1951, 88–91; Huntley 1979, 46, 47, 48, 54, 56; Tourney 1979, 43–48. Vgl. über die deutschen Übersetzungen dieser Schrift: McKenzie 1984, Bd. 1, 200 f.; Sträter 2003. 127 S. ESTC. 128 Für den Übersetzungsvergleich wurden herangezogen: Hall, Heauen vpon earth: or, of true peace and tranquillity of minde, London, Tho[mas] Purfoot, Samuell Macham, Lawrence Lyle, 1609 (STC [2. Aufl.]/12670); ders., Le ciel svr la terre. Ou traitté de la vraye paix & tranquilité de l’ame [Übs.: Théodore Jacquemot], Genf, Pierre Chouet, 1662; ders., De hemel op der
384
7. Henning Koch (1633–1691)
ENG 1: I must confesse I found a little enuie and pitie striuing together within mee FR 1: Il faut que j’advouë que j’ay trouué vn peu de combat dedans moi, entre l’envie & la pitié NL 591: soo moet ick bekennen, by my selven bevonden te hebben een weynigh misgunsts, en oock wat mede-lijdens, strevelende met malkanderen. DE 3 f.: muß ich gestehen, daß ich bey und in mir etwas Streites befunden, zwischen Mißgunst und Mitleiden über sie ENG 2: I pittyed them to see that their carefull disquisition of true rest, led them in the end but to meere ynquietnesse FR 2: j’ay eu pitiê d’eux, voyant que toutes les soigneuses recerches & perquisitions qu’ils ont faites du vray repos les ont à la fin portés à des vrayes inquietudes. NL 591: Ick had oock medelijden met haer, bemerckende dat haer sorghvuldigh na-sporen na de rechte gerustigheyt, haer alleen leydende was tot een wisse ongerustigheydt. DE 4: Mitleiden aber habe ich mit ihnen gehabt, wenn ich gesehen, daß all ihr mühsames Nachsinnen und Untersuchen, welches sie auff die wahre Seelen-Ruhe zu erlangen gewendet haben, sie endlich zur grössesten Unruhe gebracht.
Henning Koch widmete die Schrift am 19. April 1677 Philipp Friederich von Schlitz (1641–95),129 genannt von Görtz, Kanoniker, Vizedominus und Portenarius beim Hohen Stift in Halberstadt, Ritterrat usw. und dessen Frau Anna Juliana von Görtz,130 geborene van Minnigerode (1653–87). Das Ehepaar bezeichnete Koch als seine Gönner. Koch preist die Tugendhaftigkeit des Ehepaares. Durch die vom Heiligen Geist bewirkte Wiedergeburt werde der Mensch in allen Belangen reich gemacht. Die Wiedergeburt ist die Erneuerung des äußerlichen und des innerlichen Menschen und enthält die Sehnsucht, seine Unvollkommenheiten abzulegen und Gott gleich zu werden. Koch beklagt sich darüber, dass die Wiedergeburt so wenigen Christen bekannt ist, und von noch weniger Christen beherzigt wird. Die Ursache dafür ist, dass die meisten Menschen nicht der göttlichen Weisheit, sonaerden, ofte van de ware gerustigheyt des gemoedts, in: ders., Contemplationis sionis, dat is: heylige bedenkingen, en leeringen, over de voornaemste passagien en historien van ’t Oude en ’t Nieuwe Testament, Amsterdam, Jan Jacobsz Schipper Witwe, 1671 (Pietas P97004241), 591–608; ders., Himmels-Lust auff Erden oder die wahre Seelen-Ruh, Helmstedt, Friederich Lüderwald, Jacob Müller, 1677. Graeber/Roche 1988, 69, behaupten, dass Kochs Übersetzung sich nach dem englischen Original richtet, aber auch einen Einfluss der französischen Übersetzung von Jacquemot (Aufl.: Genf, Pierre Aubert, 1629) aufweist. Kochs Übersetzung sei verdeutlichend und redundant. Vgl. Sträter 2003, 220 f., Anm. 32. Aus dem Übersetzungsvergleich geht hervor, dass Koch sich völlig nach der französischen Fassung richtete. Der verdeutlichende und redundante Charakter entspricht der französischen Fassung. 129 Koch hielt 1676 eine Leichenpredigt für Johann Konrad Schröder, Amtmann zu Schlitz (s. oben). 130 1700 gab Andreas Hartwig Arnds die Passionsschriften von Heinrich Müller (1631– 75), Calixt, Johann Michael Dilherr und Heinrich Kipping (1623–78) heraus, und widmete sie Schlitz: Der leidende Jesus oder hundert fürtrefliche Anmerckungen, uber die Geschichte von dem Leiden und Tode unsers Seeligmachers, Frankfurt am Main, Christian Gensch, 1700. S. VD17 1:000120Z.
7.6 Joseph Hall, Himmels-Lust auff Erden (1677)385
dern der Weisheit der Welt gehorchen, und ihre Unreinheit und Verdammungswürdigkeit nicht erkennen wollen. Dadurch zerstören sie ihren Seelenfrieden. Dieser wird erst wiederkehren, wenn das Fleisch und der Eigenwille überwunden sind. Auch Gläubige zögern oft, sich Gottes Regierung zu unterwerfen. Koch ermutigt das Ehepaar, in bitteren Zeiten auf Gott zu vertrauen, und erinnert es daran, dass Gott beiden oft zur Seite stand. Koch widmet seine Übersetzung dem Ehepaar Schlitz als Dank für die Gnade, die ihm Schlitz vor einigen Jahren bewiesen hat, als Koch auf dessen Empfehlung als Domprediger nach Halberstadt berufen wurde. Wenn er nicht durch seine Helmstedter Gemeindemitglieder und durch seine Oberen davon abgehalten worden wäre, so Koch, wäre er dem Ruf freudig gefolgt.131
7.6.2 Inhalt In der Widmung Halls an Henry, Graf von Huntington, Statthalter des Königs in Leicester und Rutland,132 erklärt Hall, dass er beim Verfassen seiner Schrift dem Weltweisen Seneca gefolgt sei, ihn aber als Christ und Theologe übertroffen habe. Im ersten Kapitel werden die Schriften der heidnischen Philosophen über die Seelenruhe beurteilt. Obwohl viele von ihnen über das Thema geschrieben hätten, habe keiner von ihnen zur wahren Seelenruhe gelangen können. Denn nicht die natürliche Vernunft, sondern nur die göttliche Offenbarung kann uns dazu verhelfen. Die natürliche Vernunft definiert die Seelenruhe zwar zutreffend, aber sie kann nicht die rechten Mittel aufzeigen, durch die man diese ständige Ruhe erreichen kann. Deshalb muss der Mensch über die natürliche Vernunft hinauswachsen, die Ursachen seiner Seelenunruhe ablegen und so der gewünschten Seelenruhe den Weg ebnen. Der erste Feind der Seelenruhe, den man zur linken Seite bekämpfen muss, ist die Sünde. Man soll seine Sünden ganz ablegen, Versuchungen fest widerstehen und die Genugtuung von Christus, der die Schuld der Menschen gegenüber Gott vollkommen bezahlt hat, durch einen wahren Glauben ergreifen. Der zweite Feind besteht aus Kreuz und Trübsal, denen man gleichermaßen widerstehen soll, wenn man sie abwenden kann. Wenn man aber nichts gegen sie unternehmen kann, muss man sie geduldig ertragen. Trübsale, die aus Einbildungen entstehen, darf man nicht ernst nehmen. Wirkliche Trübsale soll man mit einem geduldigen und tapferen Gemüt erwarten, und sich dagegen wappnen, indem man sich allerhand mögliches Übel vorstellt. Man darf sich damit trösten, dass alle Trübsale von Gott gesandt werden. Das Kreuz ist somit eine 131 Vgl. Hall, Himmels-Lust auff Erden oder die wahre Seelen-Ruh, Helmstedt 1677, (a)1r– [(a)9r]. 132 Es handelt sich um Henry Hastings, den 5. Grafen von Huntingdon (1586–1643).
386
7. Henning Koch (1633–1691)
sehr heilsame Seelenarznei und soll mit Dank angenommen werden. Ebenso ist es sehr tröstlich, das herrliche Ende des Kreuzes zu betrachten. Der dritte Feind, der Tod, kann alle weltgesinnten Herzen schrecklich beunruhigen. Der Satan verbirgt auf betrügerische Weise die Größe der zeitlichen und ewigen Pein, bis wir den Tod auf einmal wirklich fühlen, so dass wir uns erst fürchten, wenn es zu spät ist. Doch die heilige Betrachtung der künftigen Herrlichkeit kann alle Furcht vor dem Tod überwinden. Feinde der Seelenruhe zur rechten Seite sind eine unersättliche Begierde nach Reichtum und allem Irdischen, die zeitliche Ehre und unsere eigenen Lüste und Vergnügungen. Zur Erhaltung und Förderung der Seelenruhe soll man im Allgemeinen suchen, was oben im Himmel ist, alles Irdische missachten und sich täglich mit Gott auseinandersetzen. Im Besonderen soll man sich davor hüten, Gott zu beleidigen und man soll fest entschlossen sein, Gott mit wahrhaftigem Herzen zu gehorchen. Weiterhin soll man in seiner Seele sicher sein, dass das eigene Handeln gerecht ist. Dazu ist es wichtig, eigene Handlungen auf Vernunft, einem guten Gewissen und auf Wahrheit zu gründen. Man soll sich auf Gottes Fürsorge verlassen und daran denken, dass der Zustand, in dem man lebt, gut für einen selbst ist, weil Gott allwissend ist.
7.6.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Pietistische Elemente der Vorrede sind die Definition der Wiedergeburt und die Klage, dass diese so wenig bekannt ist und selten beherzigt wird.133 Die Schrift enthält einen Exkurs, der sich kritisch mit Wucher auseinandersetzt.134 Es finden sich Zitate von und Verweise auf Personen aus der Bibel, Seneca, Salmeron, Lukrez, Anakreon, Caesar, Kleopatra, Platon, Augustin, Francesco Spiera, Elagabal, Niccipus, Agathocles, Bion und Algerius. Angaben an Seitenrändern des Originals, die den Aufbau der Schrift betreffen, finden sich in der Übersetzung in Form von Überschriften oder Fußnoten wieder. Allgemeine Anmerkungen am Seitenrand wurden in der Übersetzung entweder unten auf die Seite gesetzt oder ausgelassen. Koch hat die Schrift der interpretationsorientierten Methode gemäß übersetzt: FR 80: Tout nostre vie ici bas (comme l’a qualifié ce Docteur celeste) […]. DE 120: Unser gantzes nichtiges Leben, wie es die Schrifft nennet […]. FR 92: PEut estre que l’honneur est encor meilleur; telle est la confuse opinion de ceux qui ne sçauent pas beaucoup DE 140: ES scheinet dennoch, daß die zeitliche Ehre noch etwas besser, und nicht so 133
Vgl. Hall, Himmels-Lust auff Erden oder die wahre Seelen-Ruh, Helmstedt 1677, (a)3r. Hall, Himmels-Lust auff Erden oder die wahre Seelen-Ruh, Helmstedt 1677, 207 [=189]–195. 134 Vgl.
7.7 Joseph Hall, Wahrer Studenten-Ruhm (1677)387
schädlich sey als der Reichthum, und die Begierde nach demselben, aber nur bey denen die es nicht besser wissen oder verstehen.
„ici bas“ interpretierte Koch als „nichtig[es]“. Zum besseren Verständnis fügte Koch im zweiten Beispiel den Vergleich mit Reichtum hinzu und er ergänzte „verstehen“ zu „sçauent“. An einigen Stellen hat kulturelle Filterung stattgefunden: FR 89: d’entre lesquels nostre petite Isle a eu neuf Rois couronnés DE 135: So viele hohe Personen, unter welchen neun Engelländische gekrönete Könige gewesen […]. FR 146: Tu voudrois bien croire par trop ton appetit; &, comme les François disent en leur Prouerbe, tu voudrois cauer ta fosse avec tes dents. Ton sage Medicin […]. DE 224: du woltest wol darinn deinem Appetit und Lust mehr glauben, aber dein verständiger Medicus […].
7.6.4 Editionsgeschichte Himmels-Lust wurde in die Gesammlete Moralisten Bibliothec aufgenommen.135
7.7 Joseph Hall, Wahrer Studenten-Ruhm (1677) 7.7.1 Inhalt Ebenfalls im Jahre 1677 erschien Kochs Übersetzung einer Auswahl von Halls Epistles136 (1607–10) und Resolutions and decisions of divers practical cases of conscience137 (s. 4.9.3). Bis 1611 erschienen sechs Auflagen der Epistles.138 Die Übersetzung wurde unter dem Titel Wahrer Studenten-Ruhm veröffentlicht. 135 Vgl. Gesammleter Moralisten Bibliothec, Bd. 5, Leipzig/Görlitz, Christian Gottlieb Marche, 1739, 145–256. 136 Vgl. Kinloch 1951, 191–197; Huntley 1979, 61–67; Tourney 1979, 54–59; McCabe 1982, 206–214. Für den Übersetzungsvergleich wurden herangezogen: Hall, Epistles the first volume: containing II. decads., London, H[umphrey] L[ownes], Samuel Macham, E. Edgar, 1608 (STC [2. Aufl.]/12661.7); ders., Epistles, the second volume: conteining two decads, London, A. H[atfield], Eleazar Edgar, Samuel Macham, 1608 (STC [2. Aufl.]/12663.2); ders., Epistles. containing two decades … The third and last volume, London, E. Edgar, A. Garbrand, 1611 (STC [2. Aufl.]/12663.4); ders., Les epistres meslees, Genf, Pierre Aubert, 1627; ders., Seconde partie des epistres meslees, Genf, Pierre Aubert, 1627 [décades 3–6]; ders., Wahrer StudentenRuhm, Helmstedt: Friedrich Lüderwald, Braunschweig: Johann Heinrich Duncker, 1677 (Pietas P08039561). 137 Für den Übersetzungsvergleich wurden herangezogen: Hall, Resolutions and decisions of divers practical cases of conscience, London, R. Hodgkinson, J. Grismond, 1659 (Wing, H 409A), 81–88; ders., Een tractaet van de gevallen der conscientie, voor soo veel de practycke belanght, 70–77; ders., Resolvtions de divers cas de conscience, d’vn grand vsage entre les hommes, Geneve, Pierre Chouet, 1664, 84–92; ders., Gewissens Rath, das ist nützliche Auflösung etlicher sonderbaren Fragen, wornach ein Gottseliger Christ seinen täglichen Wandel prüfen und löblich einrichten soll, Frankfurt an der Oder, Hiob Wilhelm Fincelius Erben, 1677, 101–121; ders.,
388
7. Henning Koch (1633–1691)
Der erste Teil der deutschen Übersetzung entspricht Brief 4.1,139 der Anhang zum ersten Teil Brief 2.8,140 der zweite Teil Brief 4.2,141 der Anhang zum zweiten Teil Decade 2, Fall 2 der Resolutions and decisions.142 Der dritte Teil entspricht Brief 4.3,143 der Anhang zum dritten Teil Brief 5.8.144 Die folgenden Beispiele aus den Epistles belegen, dass Henning Koch französische Übersetzungen als Vorlagen dienten: ENG 113: INdeed; wherein standes the vse of Wisdome, if not in tempering our pleasures and sorrowes? and so disposing our solues in spight of all occurrents […]. FR 146 f.: A La verité, ie ne sçay en quoy consiste l’usage de la sagesse si ce n’est à moderer & temperer nos plaisirs & douleurs, à nous disposer tellement en despit de toutes occurrences & evenemens […]. DE 3 f.: ICh weiß gewiß nicht, worinne Christliche Weißheit und Klugheit mehr bestehe, und wozu sie besser, und rühmlicher könne angewendet werden, als wenn dadurch unsere Lust und Unlust, Ergetzlichkeit und Schwermuht, recht eingerichtet und gemässiget werde, zum Trotz aller Begebenheiten, und was auch fürfallen möchte, uns so anzustellen, und zu Erweisen […]. ENG 114: but to keepe it about vs in a hote Sunneshine, to run and not sweat, to sweat and not faint; how difficult it is! FR 147 f.: mais il nous est bien fascheux & difficile de les garder sur nous en un temps chaud & de beau soleil, de courir sans suer, & de suer sans nous lasser. DE 5: es fället uns aber viel verdrießlicher, und schweerer, daß wir sie behalten, wenn es gut Wetter ist, und die Sonne warm scheinet, daß wir ohne Schweiß starck gehen, und unter dem Schweiß nicht müde werden sollten.
Ebenso lassen sich einige Beispiele in Resolutions and decisions finden: ENG 82: that the whole host was ready to give back upon his appearance NL 71: als dat het geheele Heyr-leger op sijn verschijninge by nae achterwaerts deynsde Wahrer Studenten-Ruhm, Helmstedt: Friedrich Lüderwald, Braunschweig: Johann Heinrich Duncker, 1677, 49–54. 138 S. ESTC. 139 FR: Epist. I. A M. Walter Fitzwilliams. Discours touchant le vray & legitime usage des plaisirs, comment nous les pouvons moderer & comment nous en pouvouns iouyr en santé – DE 3–17. McKenzie 1997, 236, Nr. 992, hat die Zusammenstellung von Wahrem Studenten-Ruhm bereits dargestellt. 140 FR: Epist. 8. A Mon beau pere M. George Wenysse. Exhortation à allegresse Chrestiene; DE 18–24. 141 FR: Epist. II. Escrite A W. F. & dediee à M. Robert Iermin – DE 25–49. 142 FR: Decade 2, cas 2 – DE 49–54: „Anhang aus Joseph Hallens zwöllffter GewissensFrage“. Zählt man ab decade 1, handelt es sich in der Vorlage (und im englischen Original) tatsächlich um die 12. Frage: „M’est-il permis d’vser d’vn duel pour decider mon droit, ou pour venger mon honneur“. 143 FR: Epist. III. A M. Mat. Milvvard. Discours touchant le plaisir de l’estude & de la contemplation, avec la varieté des occupations scholastiques, incitant les autres à cela, & censurant leur negligence – DE 55–69. 144 FR: Epist. VIII. A E. B. Dediee à Messire George Goring Cheualier. Remedes contre la stupidité & lascheté en nos vocations: & accouragements à travailler allegrement – DE 69–72.
7.7 Joseph Hall, Wahrer Studenten-Ruhm (1677)389
FRZ 86: qu’ à son abord toute l’armée branloit pour prendre la fuite, 1. Sam. 17.24.
DE 50: daß die gantze Armee begunte zu fliehen wenn Er auff und herfürtrat 1 Sam. 17. 24. Gewissens Rath 103: daß es bey seiner Erscheinung fast zurükk wiche
ENG 83: The other was […] 2. Sam. 2. 14. […] to a Tragicall play, (as he termes it) a monomachie of twelve single combatants on either part […]. NL 72: Het ander exempel was[…] tot een Tragediesche spel (alsoo hy ’t noemt) een gevecht van twaelf enckele strijdbare helden aen beyde kanten […]. FRZ 86: L’autre exemple s’est veu […] 2. Sam. 2. 14. […] à vn tragique ieu [comme il l’a voulu nommer] c’est à dire, à vn conflict particulier […]. DE 51: Das andere Exempel ist zu sehen […] 2. Sam. 2.14. […] zu einem traurigen Spiel, wie Er es nennete, das ist, zu einem sonderbahren Streit […].
Gewissens Rath 103: Das andre Exempel war in […] zum Traurspiel, (er nant es spielen) einem Streit zwischen zwölf streitbaren Helden, auf beyden Seiten Kochs Übersetzung erschien unter dem Titel Wahrer Studenten-Ruhm bei Friedrich Lüderwald in Helmstedt, sie wurde von Johann Heinrich Duncker (gest. 1680)145 aus Braunschweig gedruckt. Koch widmete die Übersetzung der Universität Helmstedt zur Einhundertjahrfeier. Im ersten Teil, der über christlich angemessene Vergnügungen handelt, wird aufgezeigt, dass man sich grundsätzlich vergnügen darf. Allerdings ist es wichtig, seine Freude auf Gott zu richten, weil alles von ihm ausgeht. Die Gewissheit eines Christen, dass Gott immer bei ihm bleibt, ist Ursache der Freude. Der zweite Teil fordert zum friedlichen Leben auf und warnt vor blutigen Auseinandersetzungen. Nur bei unumgänglicher Notwendigkeit ist die Verteidigung mit eigenen Händen gestattet, zum Beispiel um sein Recht zu verteidigen oder um einen öffentlichen Landkrieg und großes Blutvergießen zu verhindern. Nur die Dinge, die sich auf allgemeine Rechte gründen, sind von Gott. Das Motiv der Verteidigung der Ehre ist kein guter Grund, sondern eine einfältige Anmaßung, die aus Stolz und Hochmut resultiert. Ein Zweikampf fällt kein Urteil in einer Streitigkeit und ist eine Versuchung. Der letzte Teil behandelt das fleißige Studieren, dessen Vorteile gepriesen werden. Zu den Vorteilen zählen die stetige Erweiterung der eigenen Kenntnisse, unendliche Bildungsmöglichkeiten und Vergnügung als Ergebnis. Die Wissenschaft wird vom Autor als Buch unseres Schöpfers definiert. Hingewiesen wird auf die guten Möglichkeiten zum Studium der Bibel, der Märtyrer und Kirchenväter. Weil das Studium eine Herzensangelegenheit darstellt, und das Herz der Teil des Menschen ist, der Gott am meisten ähnelt, ist das Studieren eine edle Sache. Trägheit wird als schädlich und schändlich dargestellt, Fleiß wird gepriesen.
145
Vgl. Camerer/Fischer 1985, 12 f.; Berg/A lbrecht 2003, 965; Reske 2007, 120 f.
390
7. Henning Koch (1633–1691)
7.7.2 Analyse und Übersetzungsvergleich Koch hat aus seinen Vorlagen diejenigen Fragmente ausgewählt, die für Studenten einschlägig waren. So entstand eine Ethik für Studenten, die sich thematisch auf Studieren, Vergnügungen und Anwendung von Gewalt konzentriert. Es finden sich Zitate von und Verweise auf Autoren und Personen aus der Antike und ein Verweis auf das Tridentinische Konzil. Die Übersetzung ist als interpretationsorientiert zu bezeichnen, wie einige Beispiele aus den Epistles belegen: FR 147: Les ennemis sont variables […]. DE 4: Die Begebenheiten sind zwar mannigfaltig und wunderbahrlich […].
„ennemis“ interpretierte Koch als „Begebenheiten“, „variables“ als „mannigfaltig und wunderbahrlich“. Zuweilen ließ Koch Sätze aus. Vor allem gegen Ende hat er den Text stark gekürzt.146 Auch das Fragment aus Resolvtions übersetzte Koch interpretationsorientiert: FRZ 87: Ce procedé est vn acte de plus de courage que deiugement; veu que cette entre-
prise n’a point de garent, & que l’issuë en est facilement sans succés; Ioint que la ruine fatale d’vn seul tesmoigne assez que d’autres en doiuent concevoir vn triste degoût. DE 52: Es ist mehr Kühnheit als Vernunfft dabei, und pfleget leicht zu unglücken, daß die gantze Armee drüber verzaget und zu nichte wird […].
„sans succés“ interpretierte Koch als „zu unglücken“, „vn triste degoût“ als „verzaget und zu nichte“.
7.8 Joseph Hall, Besiegete Todes-Furcht (1680) 7.8.1 Widmung 1680 erschien Besiegete Todes-Furcht bei Friedrich Lüderwald in Helmstedt. Die Schrift enthält Meditationen über den Tod aus The Art of divine meditation (1606)147 und aus drei Epistles (1.10; 2.9; 3.2). Vorlage der deutschen Übersetzung waren französische Fassungen dieser beiden Originale.148 Einige Beispiele 146
Vgl. FR 372–382; DE 69–72. Bis 1609 erschienen vier Auflagen, s. ESTC. Bis zur Jahrhundertmitte erschienen ungefähr 15 Auflagen, vgl. Martz 1962, 332. Vgl. über den Inhalt der Schrift: Kinloch 1951, 83–86; McKenzie 1984, Bd. 1, 199 f.; Sträter 1987, 83–90; Damrau 2006, 74–79. 148 Vgl. Hall, A meditation of death according of the former rules, in: The art of divine meditation, in: The works of Joseph Hall, London, M. Flesher, Rich. Tomlins, 1648 (Wing/H362A), 115–119; ders., L’Art de la diuine meditation avec devx amples modeles de meditation contenans plusieurs examples. L’vn convernant la vie eternell, comme la fin? L’autre concernant la Mort comme le chemin, Genf, Pierre Chouet, 1662; ders., Een meditatie ofte overdenckinge, van den tijdtlijcken doodt, na de voorgaende regulen, in: De konst der Godlijcke meditatie, ofte overden147
7.8 Joseph Hall, Besiegete Todes-Furcht (1680)391
zeigen, dass französische Fassungen Vorlagen der deutschen Übersetzung waren.149 Zunächst zu den Beispielen aus Meditation: ENG 115: Our journey into that other world, for which we, and this thorowfare were made? FR 125: Nostre voyage a cest autre monde, pour lequel nous auons esté faits & pour lequel ce passage a esté prepare? NL 673: Onse reyse ofte voyagie na de andere Wereldt toe, waerom wy en desen doorganck gemaeckt zijn? DE 3: unsere Reisefahrt zu der andern Welt, dazu wir auch geschaffen und dieser Durchgang vorher bereitet gewesen? ENG 115: if the first death be not so fearefull as he is made, (his horrour lying more in the conceit of the beholder, then in his owne aspect) […]. FR 125: Si la premiere mort n’est pas tant effroyable qu’elle es representée (l’horreur d’icelle consistant plustost en l’imagination de celuy qui la contemple: qu’en son propre aspect) […]. NL 674: Indien de eerste Doodt, niet so verschrickelijck is, alsse wel gemaeckt wort (haer verschrickelijckheyt meer liggende in de opinie van den aenschouwer, als in haer eygen aengesichte). DE 3: wenn der erste Tod nicht so erschrecklich ist, als er fürgestellet wird (seine Abscheulichkeit bestehet vielmehr in der Einbildunge dessen, der ihn bey sich betrachtet, als in seiner eigenen Gestalt) […]. ENG 115: The worst of the first, is senselesnesse; the easiest of the second, is, a perpetuall sense of all the paine that can make a man exquisitely miserable. FR 126: Le pir de la premiere est de n’auoir point de sentiment perpetuel de toutes les peines qui peuuent rendre vn homme extremement miserable. NL 674: het lichtste van de tweede is een geduerigh gevoelen, van alle de pijnen die den mensche boven maten ellendigh konnen maken. DE 4: das Uble des ersten Todes ist, nicht eine stetswehrende Empfindlichkeit haben von allen denen Trübsaalen, die einen Menschen in das allergrösseste Elend setzen können.
Beispiele aus den Epistles: ckinge, in: Contemplationis, 673–677; ders., Besiegete Todes-Furcht, Helmstedt, Friedrich Lüderwald, 1680 (Pietas P08039492). S. oben für das Original und für die französische Übersetzung der Epistles. 149 Meditation de la mort: FR 124–153 – DE 1–47. McKenzie 1997, 236, Nr. 993, 240, Nr. 1010, hat die Quellen schon entschlüsselt. Epistres: FR 1.10, S. 136–142: Escrite a Monsieur. I. B. & dediee à mon Pere Monsieur I. Hall. Contre la crainte de la mort. – DE 48–56: Wider die Furcht des Todes; FR 2.9, S. 233–253: A M. W. R. Ded. à M. Thomas Burlz. Consolations contre l’affliction immoderee prouenante de la mort des amis – DE 56–72: Trost über die unmässige Betrübniß, so vom Absterben guter Freunde kommet; FR 3.2, S. 26–39: A Messire André Asteley Chevalier. Discours touchant nostre deue preparation à la mort, & les moyens de la nous rendre douce, & amiable – DE 73–90: Die schuldige Todesbereitunge [sic], und Mittel, denselben uns lieb und angenehm zu machen. Von zwei Teilen aus der deutschen Übersetzung hat sich die Quelle nicht identifizieren lassen: DE 90–92: „Die unbillige Todes-Wiedrigkeit“; DE 93–95: „Zum Tode kommen wir nimmer zu frühe“.
392
7. Henning Koch (1633–1691)
ENG 97: YOu complaine, that you feare Deathe: Hee is no man, that doth not. FR 136: VOUS vous plaignez de craindre la mort: il n’y a point d’homme que ne la craigne DE 48: ES klagen viele darüber, daß sie sich vor dem Tode fürchten: Es ist niemand in der Welt, der sich nicht für ihm fürchte […]. ENG 97: Besides the paine, Nature shrinkes at the thought of parting. FR 136: Outre la peine quelq’on endure, Nature se retire quand il est question de penser au depart. DE 48: ausser der Angst und Mühe, die man ausstehen muß, erschricket auch die Natur, wenn sie veranlasset wird, an den Tod zu gedencken […].
Koch übersetzte die Schrift dem Heiland Jesus Christus zu Ehren und zum Gedenken an Anna Marie Elisabeth Ackenhausen, geborene Eichel. Ihr Mann war Christian Diederich Ackenhausen, sachsen-lauenburgischer Statthalter im Land Hadeln; ihre Eltern waren Johann Eichel (s. oben) und Anna Sophia Eichel, geborene Hahn150. Koch gibt einen kurzen Überblick über Anna Maria Elisabeths Biographie. Sie wurde 1656 geboren und heiratete im Alter von 20 Jahren. Koch preist ihre guten Sitten und ihre vorzügliche Bildung. 1679 starb sie im Alter von 22 Jahren.151 In einem der Gedichte wird der Teufel angesprochen, der versucht, Gott gleich zu werden, was ihm jedoch unmöglich ist. Es ist ihm zuwider, wenn Menschen wie Frau Ackenhausen eine himmlische Gesinnung haben. Der Teufel glaubt, die durch Ackenhausen personifizierte Tugend geraubt zu haben, doch er irrt sich; nicht er, sondern sie hat gesiegt, da sie jetzt im Himmel ist. Die IchFigur bittet, die Familie Eichel zu segnen.152
7.8.2 Inhalt Das Thema der Schrift ist die Notwendigkeit der Todesbetrachtung für einen Christen. Der Tod ist die Tür des Lebens, durch die man zur Seligkeit gelangt. Die irdische Hütte soll deshalb niedergerissen werden. Man kann zwischen dem ersten und dem zweiten Tod unterscheiden. Der erste Tod, das Grab, ist nicht so schrecklich, wie wir Menschen im Allgemeinen vermuten; der zweite Tod hingegen, die Hölle, ist viel schrecklicher als wir glauben. Die Ursache des Todes ist der Mensch selbst, der die Sünde und damit den Tod in die Welt brachte. Durch die Sünde ist der Tod unser letzter Feind und durch Gottes Gnade der erste Freund auf dem Weg zum ewigen Leben. Deshalb muss ein Gläubiger sich weder vor dem Krankenbett noch vor dem Grab fürchten. Durch den Tod wird 150 Sie war eine Tochter von Heinrich Hahn, dem Professor für Jurisprudenz in Helmstedt und Hofgerichtsassessor (1605–68), vgl. S. Ahrens 2004, 100 f.; H. D. Lange 2006. 151 Vgl. Hall, Besiegete Todes-Furcht, Helmstedt 1680, )(r-E7r [=)(7r]. 152 Vgl. Hall, Besiegete Todes-Furcht, Helmstedt 1680, E7v [=)(7v]–[)(12v].
7.8 Joseph Hall, Besiegete Todes-Furcht (1680)393
sein schwacher Körper zu einem prächtigen, strahlenden Leib. Eitelkeit, Unruhe, Versuchung und Sünde wandeln sich in Freiheit, Ruhe, Seligkeit und Ewigkeit. Der erste Tod ist nichts anderes als ein Schlafzustand. Dieser Zustand ist besser als das Leben, weshalb man ihm nicht mit Misstrauen, sondern dankbar und mit Freude entgegensehen soll. Die Natur des Menschen ist gleichermaßen stark und schwach: man kann nicht ein derartiges Verlangen nach dem Tod haben, wie man sollte. Deshalb soll man Gott bitten, die Angst vor dem Tod zu nehmen und die Begierde nach dem Tod zu wecken. Man soll sich versichern, dass Gott die Seele nach dem Tod zu sich nehmen wird. Unwissenheit über den Tod, die diesem ein erschreckliches Ansehen verleiht, muss beseitigt werden. Diejenigen, die unmäßig betrübt sind über den Tod guter Freunde, werden getröstet. Die folgenden Mittel helfen, sich angemessen auf den Tod vorzubereiten: ein christliches und frommes Leben, die Betrachtung der Kürze und des Elends des Lebens, die Erkenntnis des Todes und das Voraussehen auf die Herrlichkeit. Es wäre eine Torheit, die Finsternis des Irdischen höher zu schätzen als das Licht des Himmlischen. Der Tod kommt nie zu früh: die meisten Menschen wollen weder gern sterben noch gern alt werden. Während seines Lebens soll man den Wunsch hegen, dass der Tod bald kommen möge.
7.8.3 Analyse und Übersetzungsvergleich Das Thema der Schrift, die Todesvorbereitung in diesem Leben, ist puritanischer Art. Die Überschriften der Absätze finden sich nicht am Rand der Seiten, sondern innerhalb des Textes. Koch übersetzte seine Vorlagen bedeutungsorientiert, wie aus den folgenden Beispielen aus der Meditation hervorgeht. FR 125: La deliurance d’vn prisonnier qui a croupi en vne longue prison? DE 2: Die Erledigung eines Gefangenen, der in einer langwierigen Gefängnisse sich gantz krumm und müde gelegen? FR 126: Et comment te pourroye ie rendre des actions de graces assez dignes, & suffisantes, ô mon Sauueur, qui par les tourments que tu as soufferts toy mesmes […]. DE 5: und wie könte ich dir O mein liebster Heiland genugsam dancken als du würdig bist, der du durch die gröste Marter, die du auff dich genommen und außgestanden hast […].
Im ersten Beispiel interpretierte Koch „croupi“ als „sich gantz krumm und müde gelegen“. Im zweiten Beispiel fügte er „liebster“ zu „Sauueur“ und „gröste“ zu „tourments“ hinzu. Außerdem interpretierte Koch „souffrir“ als „auf sich nehmen“ und „ausstehen“. Auch die Epistres wurden nach der bedeutungsorientierten Methode übersetzt:
394
7. Henning Koch (1633–1691)
FR 27 f.: ou de faire une chose quarree d’une ronde de prendre garde aux influences & mouvements celestes, ou de corriger les copies DE 74 f.: oder wie sie mögen einen Circkel in eine viereckigte Form bringen, und gegen einander gleich abmessen, oder der Sternen und des Himmels-Bewegungen, und deren Macht-einflüsse über und in diß untere und irrdische beobachten, oder das abgeschriebene durchlesen, und die Fehler darinnen verbessern
„gegen einander gleich abmessen“ ist eine Ergänzung. „mouvements celestes“ wurde als „der Sternen und des Himmels-Bewegungen“ interpretiert, „influences“ als „Macht-einflüsse über und in diß untere und irrdische“ und „corriger“ als „durchlesen, und die Fehler darinnen verbessern“. An einigen nahm Koch kulturelle Filterungen vor: FR 36: Et ce combien plustost maintenant que les dragmes de nostre miel sont perdues ains changees en livres du siel DE 85: und wie viel mehr solches nunmehr, da die Quentlein unsers Honigs verdorben, und in gantze Centners bitterer Galle verendert sind
7.8.4 Editionsgeschichte Mehr als fünfzig Jahre nach der Erstauflage erschienen zwei weitere Auflagen: 1732 bei Johann Friedrich Ritter in Jena und 1737 bei Johann Ernst Schultz im bayrischen Hof.153 Die Auflage des Jahres 1737 erschien in einem Band mit Sonthoms goldenem Kleinod, Johann Michael Dilherrs Gespräch des Hertzens und Albert Dranckmeisters (1670–?) Büchlein von der innerlichen geistlichen Hoffart154. Der Herausgeber des Bandes war der Philologe, Lehrer und Historiker Paul Daniel Longolius155 (1704–79). In der Vorrede behauptet Longolius fälschlich, dass Halls Schrift erst 1732 zu Jena auf Deutsch erschien. Dass er Halls Schrift mit Sonthom in einem Band verlegte, begründet Longolius damit, dass sie ebenfalls aus dem Englischen stammt und er ihren Stil sehr schätzt. Weiterhin verweist er auf die vielen deutschen Übersetzungen englischer Erbauungsbücher, unter anderem auf weitere Hall-Schriften. In diesem Zusammenhang nennt er auch den Übersetzer „Koch“ (ohne Vornamen) ohne zu erklären, ob von Henning oder Balthasar Gerhard die Rede ist. Longolius listet die ihm bekannten HallÜbersetzungen auf, unter denen sich folgende von Vater und Sohn Koch übersetzte Hall-Schriften finden: Himmels-Lust auff Erden oder die wahre Seelen-Ruh (Helmstedt 1677), Wahrer Studenten-Ruhm (Helmstädt 1677), Paßions-Andach153 Pietas-Nummern: 1732: P08039493; 1737: P11044793. Die Hall-Übersetzung Der gerechte Mammon (1684) (s. unten) von Balthasar Gerhard Koch wurde von Georg-Wolfgang Hamm aus Helmstedt gedruckt, der aus Hof stammte, vgl. Reske 2007, 370; Etzold 2010, 278. 154 Die innerliche geistliche Hoffart wurde seit 1641 zusammen mit Sonthom von Wolfgang Endter in Nürnberg herausgegeben (s. VD17 23:648013X); zusammen mit dem Gespräch des Hertzens seit 1675 von demselben Verleger (s. VD17 75:650035U). 155 Vgl. Laubmann 1884.
7.9 Joseph Hall, Nacht-Lieder/Der heilige Orden/Die Klage und Thränen Sion395
ten (Helmstedt 1678), Nacht-Lieder (Helmstedt 1683) und Der gerechte Mammon (Magdeburg 1684 [sic]).156
7.9 Joseph Hall, Nacht-Lieder/Der heilige Orden/ Die Klage und Thränen Sion (1683) 7.9.1 Inhalt Im Jahre 1683 erschien Henning Kochs letzte Hall-Übersetzung bei Friedrich Lüderwald in Helmstedt und Gardelegen, die drei Teile enthält: I. Nacht-Lieder oder Freude im Creutz, II. Der heilige Orden oder die Brüderschafft der Klagenden in Sion, III. Die Klage und Thränen Sion [sic]. Es handelt sich um Übersetzungen von The Holy Order; or, Fraternity of the Mourners in Sion; With Songs in the Night, or Cheerfulness under Affliction (1654).157 1660 erschien eine zweite Auflage des Originals.158 Koch nutzte eine französische Übersetzung als Vorlage:159 ENG [B10r]: I Thank you for your comfortable Letter FR 39: Ie vous remercie de la lettre confortable qu’il vous a pleu de m’escrire […]. DE 5: FUr den kräfftigen Trost-Brieff, den ihr an mich zu schreiben beliebt […]. ENG [1]84: let us resolve to make it our business FR 151 f.: resoluons, nous d’en faire nostre principal affaire DE 203: so lasset uns entschliessen, solches, als unser fürnehmstes Werck zu verrichten
Die Zusammenstellung der Textteile unterscheidet sich sowohl vom englischen Original als auch von der französischen Übersetzung. Anders als im Original (und abweichend von der französischen Übersetzung) wurden die Songs in the Night vorangestellt. In Übereinstimmung mit der französischen Fassung wurden Die Klage und Tränen Sion (Le dueil & les larmes de Sion), die nicht im englischen Original enthalten sind, in die deutsche Fassung aufgenommen. Die deutsche Übersetzung ist Jesus Christus zu Ehren und zum Gedenken an Anna Elisabeth Rhode verfasst worden. Koch übernahm die Widmung Joseph 156 Joseph
Hall, Besiegete Todes-Furcht, Hof, Johann Ernst Schultz, 1737, in: Herrn Emanuel Sonthoms goldenes Kleinod der Kinder Gottes. … An vielen Orten verbessert, und mit dreyen herrlichen neuen Tractätlein vermehret, 2. Aufl., Johann Daniel Longolius, Hof, Johann Ernst Schultz, )(2v-)(4v 157 Vgl. über diese Schrift: Kinloch 1951, 101–103. 158 S. ESTC. 159 Vgl. Hall, The holy order: or, fraternity of the mourners in Sion. Humbly and earnestly tendred to all Gods faithfull ones. Whereunto is added songs in the night: or, cheerfulnesse under affliction, London, J. F., Nath. Brook, 1660 (Wing [2. Aufl.], H385aA); ders., Le sainct order ov la confrairie des menants dveil en Sion. … A quoy sont adioustés les hymnes de la nvict; ou la ioye en tribulation, Genf, Pierre Chouet, 1664; ders., I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683.
396
7. Henning Koch (1633–1691)
Halls an einen gewissen Herrn G. H.160 als Dank für einen tröstlichen Brief. Nach einem innerlichen Kampf aufgrund von Trübsalen konnte Hall sich schließlich Gottes Willen unterwerfen. Um sein Herz zu stärken, hat er diese Schrift verfasst. Im darauffolgenden Brief von Herrn G. H. versucht dieser, Hall dazu zu bewegen, seine Schrift zur Förderung der Gottesfurcht zu veröffentlichen. Er preist Halls Select Thoughts und fordert ihn zu einer Neuauflage derselben sowie von Breathings of the Devout Soul auf.161 Die Kernaussage des ersten Teils des Buches besteht darin, dass Lieder, die man zum Lob Gottes in der Nacht der Trübsal singt, ihm viel angenehmer sind als Loblieder zur Zeit des Lichts. Jene Nachtlieder sind allen Heiligen zu allen Zeiten der Kirche in den Mund gelegt. Trübsale sind Gottes Ruten zur Züchtigung, die aus seiner unendlichen Weisheit und Barmherzigkeit gegenüber den Menschen herrühren. Gottes Schläge dienen demnach zu nichts anderem als zur Gesundheit der Christenheit. Mit Trübsalen prüft und läutert Gott seine Kinder und erweckt ein immer größeres Verlangen nach der ewigen Herrlichkeit. Der Heilige Orden beginnt mit einer Klage über die vielen Sekten, die den Frieden innerhalb der Kirche zerstören. Hall teilt in seiner Widmung an G. H. mit, dass er entgegen seiner anfänglichen Absicht doch weitere Texte veröffentlichen wird, und zwar wegen des elenden Zustandes der Kirche. Anders als die Sekten, die das Wort Bruderschaft für ihre Zwecke missbrauchen, lädt Hall alle rechtschaffenen Mitglieder der englischen Kirche zu einer wahren Bruderschaft der Leidtragenden in Zion ein mit dem Ziel, durch Gebet von allem Elend erlöst zu werden. Durch ein heimliches Gelübde sollen die Teilnehmer sich den folgenden Regeln verpflichten: 1. Privatandachten ohne nachteiligen, verdächtigen oder aufrührerischen Charakter, 2. keine Hierarchie, keine Eintrittszeremonien, die einzige Bedingung für die Aufnahme ist die Ausführung heiliger Übungen und Andachten, woraus keine Streitfragen entstehen können, 3. Ermutigung anderer zur Sorge um den elenden Zustand der Kirche, 4. Streben nach Demut, tägliche Erneuerung des Gelübdes, 5. Trauer über die Sünde des Volkes, 6. Erkenntnis des elenden Zustandes der Kirche, 160 Vielleicht handelt es sich um Gabriel Harvey (ca. 1550–1630; vgl. Huntley 1979, 23, 24– 33) oder George Herbert (1593–1663; vgl. Huntley 1979, 58, 88, 100 f.). 161 Vgl. Hall, The holy order, C1v; ders., I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen 1683, 14: „außerlesene Andachten“, „des Seuffzens einer andächtigen Seelen“. Es handelt sich um Select thoughts, one century. Also the breathings of the devout soul (1648). Dieser Titel wurde von Christian Scrivers Schwiegersohn Johann Heinrich Hävecker (1640–1722), Prediger in Calbe an der Saale, ins Deutsche übersetzt: Heimliche Seufftzer einer andächtigen Seelen, über einige nachdenckliche Begegnissen. Die Übersetzung erschien 1683 bei Johann Lüderwald in Magdeburg.
7.9 Joseph Hall, Nacht-Lieder/Der heilige Orden/Die Klage und Thränen Sion397
7. Erkenntnis der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Gerichte, insbesondere der geistlichen Gerichte, 8. stetiges und brünstiges Gebet, 9. Gebet um Erleuchtung und Bekehrung von Schwachen und Unwissenden sowie für die Wohlfahrt der Kirche, 10. Demütigung an einem Tag der Woche mittels Fasten und Gebet, 11. Enthaltung von Vergnügungen, 12. Erweis von Freundschaft gegenüber den christlichen Brüdern, 13. Selbstverurteilung angesichts der eigenen Mängel und Schwächen, Vorsicht im Urteilen über die nur in unwichtigeren Belangen irrenden Brüder, 14. öffentliche Vorstellung der gängigsten Sünden und von Gottes Willen in öffentlichen Zusammenkünften der Kirche, 15. Gebrauch zulänglicher Mittel zur Förderung der Wohlfahrt der Kirche und Meidung schädlicher Wege. Der Autor bekräftigt seine Einladung mit dem Argument, dass nicht er, sondern der Heilige Geist, der mittels der Bibel befehle, über das Elend der Kirche zu trauern, Stifter der Bruderschaft sei. Allerdings soll man nicht dermaßen leiden und trauern, als ob man keine Hoffnung hätte. Der Orden braucht keine besonderen, äußerlichen Merkmale wie andere Orden, denn er ist leicht von anderen zu unterscheiden durch das, was seine Mitglieder tun und lassen. Leibliche Schwachheit und andere Geschäfte sind billige Verhinderungen der vorgeschriebenen Übungen, wenn man nur aufrichtig betrübt ist. Der letzte Teil thematisiert das Klagen. Drei Zeiten des Klagens werden beschrieben: wenn man Strafe und Züchtigung empfindet, wenn man seine Sünde erkennt und wenn man Gefahr sieht. Die allgemeinen Landplagen, die England treffen, insbesondere der Bürgerkrieg, fordern zu einer allgemeinen Klage auf, umso mehr, weil England stolz, hartnäckig und unverschämt ist. Viele Irrlehren treten öffentlich ans Licht, wodurch einfältige Seelen verführt werden, was noch gefährlicher ist als das Sündigen an sich. Da England in seinen Sünden fortfährt, werden Gottes Gerichte über das Land anhalten. Die Vielfalt der religiösen Sekten wird zur Verachtung jeglicher Religion führen, und die Geringachtung einer akademischen theologischen Ausbildung zu Unwissenheit innerhalb der Kirche. Zum Schluss wird die korrekte Gestalt der Klage behandelt. Ihr Ausmaß soll dem Anlass und der Ursache des Klagens entsprechen. Eine rechte Klage zeichnet sich dadurch aus, dass sie kein schlichtes Leidwesen bleibt, sondern sich mischt mit heiliger Mäßigung, mit Süßheit des Gemüts und der Ergebung in Gott und mit Freude. Eine allgemeine Landklage ist von der Obrigkeit öffentlich anzuordnen, eine Hausklage soll im Familienkreis stattfinden. Die Art der Klage unterscheidet sich innerhalb der unterschiedlichen Völker und Kirchen. Bei privater Trauer ist es jedem vergönnt, selbst Zeit, Ort, Maß und Weise der Klage zu bestimmen, solange man sich innerhalb der rechtmäßigen Grenzen von Got-
398
7. Henning Koch (1633–1691)
tesfurcht, Ehrbarkeit und Mäßigkeit bewegt. Aufgrund der Gefahr von Trübsal und Sünde muss das Trauern stehts mit einer heiligen Andacht verbunden sein: Buße, Gebet, Fasten und Fliehen zu Gott. Der Nutzen des Trauerns ist die Genesung der Seele. Die Schrift endet mit der Aufforderung, in seinem Zion eine rechte Klage zu führen, und es wird erklärt, warum Trauer der Freude vorzuziehen ist. Wenn Gottes Gerechtigkeit durch die Sünde eines Volkes dermaßen stark ausgereizt worden ist, dass keine Hilfe mehr da ist, wird Gott nur diejenigen, die über alle Grausamkeiten geweint haben, retten.
7.9.2 Analyse und Übersetzungsvergleich Die Grundzüge der letzten zwei Teile des Buches sind puritanischer Art: die Aufforderung zur Klage (privat, in der Familie, auf Verordnung der Obrigkeit) über den elenden Zustand der Kirche und zur Förderung der Wohlfahrt der Kirche sowie die Annahme, dass Sünden und Landplagen Strafen Gottes darstellen. In diesem Rahmen werden die Sündenregister der biblischen Propheten auf England angewandt: Blutvergießen, Untugend, Betrug, Unrecht, Übermaß an Gastmählern und Kleidung, Saufereien, Hurerei, Untreue, Gotteslästerung, Diebstahl, Ehebruch, Meineid, Vergreifen an heiligen Dingen (Eindringen hochmütiger Personen in geistliche Ämter ohne Berufung durch Gott), Unbarmherzigkeit, Heuchelei, Undankbarkeit und öffentliche Abweichungen von der wahren Glaubenslehre und -praxis, zum Beispiel im Atheismus, Billigung von Polygamie und der Scheidung eines Mannes von seinem Eheweib geringer Ursachen halber, Sekten, Leugnen der Unsterblichkeit der Seelen, der Auferstehung des Fleisches, der Dreieinigkeit und der ewigen Gottheit Christi, die Einbildung göttlicher Erleuchtungen und das Sicherheben über alle Ordnungen.162 Einzelne puritanische Elemente sind die unhierarchische Struktur innerhalb der Bruderschaft der Klagenden,163 die Aufforderung zu heiligen Übungen,164 das Vermeiden von Streitfragen,165 die Förderung anderer zur Trauer um den elenden Zustand der Kirche166 und zur Erkenntnis der (geistlichen) Gerichte,167 das Gebet um Erleuchtung und Bekehrung von Schwachen und Unwissenden 162
Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 132–148. 163 Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 80–82. 164 Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 81 f. 165 Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 82. 166 Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 82, 83 f. 167 Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 85–88.
7.9 Joseph Hall, Nacht-Lieder/Der heilige Orden/Die Klage und Thränen Sion399
sowie für die Wohlfahrt der Kirche,168 die Verbindung von Gebet und Fasten169 und schließlich die Aufforderung zur Enthaltung von Vergnügungen170 und zur öffentlichen Anprangerung der häufigsten Sünden sowie zur öffentlichen Vorstellung von Gottes Willen in öffentlichen Zusammenkünften der Kirche171. Innerhalb der Exkurse zeigt sich die Ablehnung der Lehre der römisch-katholischen Gewissensräte, wonach leichte Betrübnis über eine Lieblingssünde genügen würde,172 sowie die Verteidigung äußerlicher Zeremonien wie Weinen und das Tragen schwarzer Kleidung während der Trauerzeit, solange das Gemüt nicht abergläubisch oder vorwitzig wird.173 Im Text finden sich Zitate von historischen Personen der Antike und Märtyrern. Koch übersetzte seine Vorlage bedeutungsorientiert: FR 40 f.: Combien que ie n’aye pas aussi esté tout à fait negligent à recercher [sic, d. Vf.] promptement les moyens de ma propre querison DE 6: ob ich schon nicht gantz nachläßig gewesen bin, selbst Mittel zu meiner Genesunge zu suchen
Koch nahm keine kulturelle Filterung vor: FR 99: que la furie infernale de la guerre a faits par tout en ceste Isle peuplée & florissante DE 130: welche die Hellische Krieges-Furie allenthalben in unser Volckreichen und in der Blüht stehenden Insel angerichtet hat FR 105: O Angleterre, Angleterre DE 139: O Engelland, Engelland
An einer Stelle ergänzte Koch das hebräische Grundwort: FR 132: la lettre qui est au milieu de ce mot ORIGINAL, qui signifie son pleur DE 177: die Buchstabe, die in der Mitten des Original und Hebræischen Grund-Wortes ist, welches sein Weinen und Trauren andeutet, [ לביתהsic]
168
Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 88–91. 169 Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 91. 170 Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 91 f. 171 Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 94 f. 172 Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 159. 173 Vgl. Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 172–176.
400
7. Henning Koch (1633–1691)
7.10 Joseph Hall, Der gerechte Mammon (1684) 7.10.1 Inhalt 1683 erschien in Helmstedt eine Übersetzung von Halls The righteous mammon (1618).174 Das englische Original erschien 1618 in insgesamt drei Auflagen.175 Die deutsche Übersetzung wurde von Friedrich Lüderwald verlegt und von Georg-Wolfgang Hamm gedruckt. Auf dem Titelblatt wird Balthasar Gerhard Koch als Übersetzer angegeben. Er ließ sich am 22. November 1683 an der Universität Helmstedt immatrikulieren176, deren Prorektor damals Bussmann war. Auf den Titelblättern der Übersetzung wird Balthasar Gerhard als Theologiestudent bezeichnet. Weitere Informationen zu seiner Person sind nicht überliefert. Die Übersetzung beruht auf einer französischen Vorlage:177 ENG 2: And how deadly the abuse of them is, many a soule feeles that cannot returne to complaine […]. FR 5: Il y a aussi beaucoup d’ames qui ne peuvent pas revenir pour se plaindre, lesquelles sentent combien est mortel le mauvais usage d’icelles. DE 4: es sind sehr viele, die sich nicht gnugsam beklagen können, wenn sie mercken, wie schädlich desselben Mißbrauch ist […]. ENG 3: Trust in wealth FR 6: de mettre leur confiance aux richesses DE 5: Hoffnung auff Reichthum zu setzen ENG 3: Why should they not be hy-minded? FR 6 f.: Pourquoi doivent-ils eviter d’estre hautains? DE 5: Warum sollen sie meiden stoltz zu sein?
Die Schrift ist eine überarbeitete Fassung einer von Hall in London gehaltenen Predigt über 1. Timotheus 6, 17, der viele Reiche beiwohnten. Ausgangspunkt der Predigt ist der Gedanke, dass alle Dinge, je vortrefflicher und nützlicher sie erscheinen, solange sie rechtmäßig gebraucht werden, umso gefährlicher sind, wenn man sie auf unrechtmäßige Weise benutzt. Nicht irdischer Besitz an sich, sondern der damit einhergehende Stolz wird abgelehnt. Reichtum und Frömmigkeit schließen einander also nicht zwingend aus. Reich ist derjenige, der genug oder mehr als genug hat, unabhängig vom eigenen Urteil oder dem Urteil 174
Vgl. McCabe 1982, 263 f., 267 f., 284, 289.
175 S. ESTC. 176
S. Hillebrand (Hrsg.) 1981, 231, Nr. 55. Vgl. Joseph Hall, The righteous mammon: an hospitall-sermon preach’t in the solemne assembly of the city on Munday in Easter-weeke 1618, London, E[dward] G[riffin], Nathaniell Butter, 1618 (STC [2nd ed.], 12711); ders., Le juste Mammon. Sermon d’hospitalité, Genève, Pierre Aubert, 1629; ders., Der gerechte Mammon, Helmstedt, Friedrich Lüderwald, Georg Wolfgang Hamm, 1684 (Pietas P08039550). Vgl. Graeber/Roche 1988, 70, die Kochs Übersetzung als „interpretativ“ bezeichnen. 177
7.10 Joseph Hall, Der gerechte Mammon (1684)401
anderer. Nur der Weg der Ehrbarkeit, Gerechtigkeit, Liebe und Wahrheit ist ein akzeptierter Weg zum Reichtum. Timotheus’ Ansprache richtet sich an die Reichen dieser Welt, deren Stand niedrig, aber deren Herzen hoch sind. Gemeint sind nicht die Reichen dieser Welt, deren Leben sowohl was ihren Stand als auch was ihre Herzen betrifft, auf die Welt ausgerichtet ist. Ratschläge an letztere wären vergeblich. Der weltliche Reichtum der Reichen in dieser Welt ist im Vergleich mit ihrem geistlichen Reichtum sehr gering. Da weltlicher Reichtum nur für eine beschränkte Zeit anhält, soll man das, was man ohnehin nicht behalten kann, fortgeben, so dass man erhalten möge, was man nicht verlieren kann. Es ist verwunderlich, dass dieser irdische Dreck und Kot, der in sich selbst niedersinkt, dennoch des Menschen Herz zum Hochmut verleiten kann. Das Herz kann die Adiaphora auf böse Weise gebrauchen. Reichtum muss nicht die einzige Ursache des Stolzes sein, ist aber wohl die wichtigste. Die Zunahme von Besitz führt keine Besserung herbei, sie kann sogar ins Verderben führen. Wir Menschen sind keine Herren, sondern nur Pächter der irdischen Welt und ihrer Güter. Reiche sollten weder stolz auf ihren Reichtum sein, noch ihre Hoffnung darauf setzen. Vielmehr sollte man seinen Reichtum mit christlicher Mäßigkeit genießen, weil er ungewiss ist. Deshalb ist es besser, seine Hoffnung auf Gott zu setzen und ihn höher zu schätzen als alles andere auf der Welt. Dies wird folgendermaßen begründet: Nur in Gott ist Beständigkeit zu finden, er ist der lebendige Gott, das Leben selbst. Er ist barmherzig, freigebig und ewig und er ist der Ursprung allen Seins. Gott hat alles in sich selbst und schenkt auch alles, damit wir Menschen es genießen können: den Himmel, die Erde, die seelischen Fähigkeiten, den Leib, Gesundheit, geistlichen und leiblichen Überfluss und politische Freiheit. Zum Schluss werden die Wohltaten der Stadt – wohl Worcesters – des vergangenen Jahres zum Lob Gottes und zum Nacheifern dargestellt. Die Schrift endet mit einem Gedicht von Bussmann, das den Studenten Balthasar Gerhard Koch als bedeutenden Vermittler der volkssprachlichen Theologie darstellt.178
7.10.2 Analyse und Übersetzungsvergleich Die Kerngedanken des Buches, die Warnung vor Stolz über den eigenen Reichtum und die Aufforderung, Reichtum mit christlicher Mäßigkeit zu genießen, sind puritanischer Art. Innerhalb der Exkurse werden die Armutsgelübde179 und der von den römischen Katholiken postulierte Unterschied zwischen den Schlüsseln des Himmels (claves coeli) und den Schlüsseln der Himmel (claves 178 179
Vgl. Hall, Der gerechte Mammon, Helmstedt 1684, E3v. Vgl. Hall, Der gerechte Mammon, 19 f.
402
7. Henning Koch (1633–1691)
coelorum) abgelehnt.180 Außerdem warnen die Exkurse vor üblen Mitteln zum Reichtum. Dazu zählen unter anderem Wucher, Aufgeld beim Wechsel, zu hohe Preise und Untauglichkeit der Waren,181 Außerdem wird gewarnt vor übermäßiger Kleidung und Haartracht, vor zu freizügiger Damenkleidung182 und vor Stolz unter Mitgliedern der römisch-katholischen Bettelorden.183 Darüber hinaus werden die Auffassung der Jesuiten und bestimmter Mönche, dass Gottes Geschöpfe nicht für den Gebrauch der Menschen bestimmt sind,184 abgelehnt. Die Behauptung römischer Katholiken, wonach die Protestanten lehren würden, dass man auch ohne gute Werke und Taten selig werden könnte, wird widerlegt mit der Aussage, dass gute Werke als Früchte der Gnade unentbehrlich sind.185 Die Anmaßungen und Anforderungen der römisch-katholischen Kirche werden verworfen.186 Genannt und zitiert werden historisch bedeutende Personen der Antike und des Mittelalters. Anmerkungen, die in der Vorlage unterhalb des Textes stehen, wurden in der deutschen Fassung in den Text eingebettet. Nachweise von Zitaten wurden zuweilen ausgelassen. Der Text wurde nach der interpretationsorientierten Methode ins Deutsche übersetzt: FR 6: Ie n’ai iamais trouvé bon ni seur de tirer en pieces les Escritures DE 4: Ich habe niemahls weder gut noch sicher befunden, nur eintzelne stücke und verse aus der Schrifft heraus zu nehmen FR 34: sinon employer ici nostre argent, afin de le recevoir en change au monde à venir? DE 40: daß wir auffgenommen werden in die Ewigkeit?
Im ersten Beispiel interpretierte Koch „tirer en pieces“ als „eintzelne stücke und verse […] heraus zu nehmen“, im zweiten Beispiel stellte er die Aufnahme des Menschen in die Ewigkeit in den Mittelpunkt. Die Anmerkungen zur Verwendung und zum Empfang von Geld ließ er aus. Die deutsche Übersetzung enthält zusätzliche Erläuterungen: FR 8: ainsi sont qualifiez par les septante les amis de Iob DE 7: Aber so sind auch die Freunde Hiobs von den 70 Übersetzern beschrieben worden.
An einigen Stellen fügte Koch seiner Übersetzung Quellenangaben und lateinische Begriffe hinzu: 180
Vgl. Hall, Der gerechte Mammon, 8. Vgl. Hall, Der gerechte Mammon, 28–32. 182 Vgl. Hall, Der gerechte Mammon, 47–50. 183 Vgl. Hall, Der gerechte Mammon, 50. 184 Vgl. Hall, Der gerechte Mammon, 60 f. 185 Vgl. Hall, Der gerechte Mammon, 92 f. 186 Vgl. Hall, Der gerechte Mammon, 94, 98. 181
7.10 Joseph Hall, Der gerechte Mammon (1684)403
Ne maudi point le Roi en ta pensee, ni le Riche en la chambre de ta couche, dit Salomon.* Ainse quelques uns non des moindres ont coniecturé, que […]. Unten: * Maldonnat apeu encliner à cela: in locum. DE 7: Fluche dem Könige nicht in deinem Hertzen, und fluche dem Reichen nicht in deiner Schlaff-Kammer saget Salomo im Prediger B. 10.20. daher haben etliche nicht geringe, [Maldonatus in h. l.] die Muhtmassung […].
FR 8:
FR 63: (El chai)* [unten: * Le Dieu vivant.] Le Dieu vivant DE 78: חי אלder Lebendige Gott FR 79: Quand Moyse demanda le nom de Dieu, il se descrivit par ce mot, IE SVIS […]. DE 79: Wenn Moses GOtt fraget, wie er heisse, so beschreibet er sich durch diß Wort: Ego sum, ich bin […].
An einigen Stellen nahm Koch kulturelle Filterungen vor: FR 10: Ils ont des crochetuers secrets de leur propre façon […]. DE 9: Sie haben falsche Dieteriche oder nachschlüssel von ihrer sonderbahren art FR 33: Les Patars, les sols, les derniers, & les quarts d’escus DE 39: geringe Müntze
An anderen Stellen hat Koch auf kulturelle Filterung verzichtet: FR 12: Ce n’est point iactance de dire, que nulle Nation sous le Ciel depuis que l’Evangile s’est manifesté au monde n’eust iamais tant, ni de si scavants enseigneurs, comme ceste Isle en a ce iourd’hui. DE 12: Es ist ohne Ruhmrätigkeit gesaget, daß kein Volck unter den Himmel, nachdem das Evangelium der Welt offenbahret ist, niemals so viele noch so gelehrte Lehrer gehabt, als diese Insul Engelland biß auff diesen Tag hat. Vgl. FR 12–15 – DE 12–16. FR 30: Leur estat, comme dit le docte de Beza […]. DE 35: Ihr Zustand wie der berühmte Beza saget […].
Der folgende Satz weist konfessionelle Filterung auf: FR 75: que bien peu seulement de riches Confesseurs seront sauvez DE 93: daß gar wenig reiche Beicht-Väter werden seelig werden
Man könnte das Wort „Confesseurs“ auch als „Bekenner“, „Gläubige“ oder „Christen“ übersetzten. Koch hat es aber mit „Beicht-Väter“ übersetzt und damit der lutherischen Konfession angepasst.
7.10.3 Editionsgeschichte 1689 soll eine Neuauflage in Magdeburg, wohl bei Johann Lüderwald, der hier von 1666 bis 1693 verlegte,187 erschienen sein.188 187 188
S. VD17. Pietas-Nr.: P08039551. S. McKenzie 1997, 248, Nr. 1042.
404
7. Henning Koch (1633–1691)
7.11 Joseph Hall, Merckzeichen der Tugenden und Laster (1685) 7.11.1 Inhalt Merckzeichen der Tugenden und Laster ist eine deutsche Übersetzung von Halls Characters of vertues and vices (1608), einer christlichen imitatio der Schriften des griechischen Schriftstellers Theophrastos von Eresos (ca. 371–287 v. Chr.). Noch 1608 erschienen zwei weitere Auflagen des Originals.189 Mit seiner Schrift soll Hall die character-Gattung in die englische Belletristik eingeführt haben.190 Die deutsche Übersetzung erschien 1685 unter dem Namen von Balthasar Gerhard Koch bei Friedrich Lüderwald in Helmstedt, eine Ausgabe dieser Auflage veröffentlichte Heinrich Hesse191 (1673–1715). Vorlage der deutschen Übersetzung war eine französische Fassung:192 ENG 5: He is a skilfull Logician FR 12: Il est parfait logicien NL 652: Hij is in Logica of in de Reden-konst seer ervaren DE A6r: Er ist ein vollkommener Schluß-fasser ENG 6: Both his eyes are neuer at once from home, but one keeps house while the other roues abroad for intelligence. FR 12: Ses deux yeux ne sont iamais ensemble hors de chez soy; mais tousiours l’vn garde la maison, tandis que l’autre va à le decouuerte pour prendre langue, sur quoi se former & resoudre. NL 642: Noyt zijn beyde sijne oogen seffens uyt, maer het een blijft t’huys, terwijl het andere uyt is om verstant en kennisse. DE A6r: seine zwey Augen sind nimmer zugleich außerhalb ihm, sondern eines verwahret allezeit so lange das Hauß, biß das andere auff Kundschafft hingehet, sich zu besinnen, wie es sich einrichten und entschliessen könne […].
Der Anhang zum Text ist dem Nachtrag zum letzten Teil von Wahrem Studenten-Ruhm zwar ähnlich, aber wesentlich umfangreicher.193 Der deutschen Über189 S. ESTC.
190 Vgl. Kinloch 1951, 197–202; Huntley 1979, 46–57; Tourney 1979, 48–54; McCabe 1982, 110–131, 206–214; McKenzie 1984, Bd. 1, 196–199; Damrau 2006, 85–89. 191 Vgl. Berg/A lbrecht 2003, 1012; Reske 2007, 370. Er kaufte 1681 die Druckerei der Witwe von Jakob Müller. 192 Vgl. Hall, Characters of vertues and vices, London, Melch. Bradwood, Eleazar Edgar, Samuel Macham, 1608 (STC [2. Aufl.]/12648); ders., Les characteres de vertvs et de vices, Genf, Pierre Aubert, 1634; ders., Characteren, ofte printen; dat zijn levendige uyt-druckselen en aerdige beschrijvingen van eenige deughden en ondeughden, in: Contemplationis sionis, 642–658; ders., Merckzeichen der Tugenden und Laster, Helmstedt, Friedrich Lüderwald, 1685 (Pietas P08039545). Vgl. über die Schrift und deren Verbreitung: Müller-Schwefe 1972; über die französische Fassung: Lee 1904–1906, 97–104; über die deutsche Übersetzungen: Graeber/Roche 1988, 68. Die niederländische Übersetzung enthält nur ausgewählte Teile des Gesamtwerkes. 193 Vgl. Hall, Wahrer Studenten-Ruhm, Helmstedt/Braunschweig 1677, (F4v–[F9v]); ders., Merckzeichen der Tugenden und Laster, Helmstedt 1685, 69–72.
7.11 Joseph Hall, Merckzeichen der Tugenden und Laster (1685)405
setzung fehlen das Inhaltsverzeichnis194 und die Widmung von Jean de l’Oiseau de Tourval (D. T. Δ.) an den Grafen von Salisbury195. Balthasar Gerhard Koch verfasste die Übersetzung zum Gedenken an seinen Freund, den jung verstorbenen Kandidaten der Rechte Samuel Hardovicus Krössen196 (1664–85), Sohn von Samuel Krössen197 (1636–1715), Pastor und Superintendent in Barum, und Dorothea Krösse, geborene Specht.198 Der Autor schließt sich einerseits den alten heidnischen Sittenlehrern an, die von der Beschaffenheit der Tugenden und Laster auf Grundlage des Naturgesetzes lehren. Andererseits möchte er mit größeren, weitläufigeren Schritten vorangehen. Das Verfassen dieser Schrift begründet er damit, dass nur wenige Menschen in der Lage sind, die Schönheit der Tugend zu sehen, und viele die Abscheulichkeit des Lasters verschleiern. Im ersten Buch werden die Tugenden vorgestellt. Ein Kluger bemüht sich eifrig darum, alles zu wissen und zu kennen, insbesondere sich selbst, die eigenen Stärken und Schwächen. Ein frommer Mensch sieht nicht, was er tun kann, sondern was er tun soll: Gott Gerechtigkeit und Ehrbarkeit zu erweisen. Ein treuer Christ sieht auf nichts anderes, als auf das Abwesende und Unsichtbare. Ein demütiger Mensch ist sein eigener Feind: Niemand hält so wenig von ihm wie er selbst, während er alles, was er von anderen sieht, rühmt. Wer tapfer ist, nimmt sich nichts bedenkenlos vor, sondern verachtet alles ohne Furcht. Wer geduldig ist, besitzt eine dauerhafte christliche Großmütigkeit, wodurch man nie nach Rache sinnt. Ein Freund handelt nach dem Grundsatz der Nächstenliebe. Wer edel ist, verlässt sich nicht auf den Ruhm seiner Vorfahren, sondern bemüht sich, für sich selbst Ehre zu erwerben. Ein guter Herrscher ist gerecht und ein getreuer Abgeordneter seines Schöpfers. Im zweiten Buch erfolgt die Darstellung der Laster. Ein Heuchler hat immer zwei Gesichter, meistens auch zwei Herzen. Äußerlich ist er fromm, innerlich ein Teufel. Ein Vorwitziger ist jemand, dessen Zustand noch eingeschränkter ist als seine Natur und sein Gemüt, weshalb er stetig versucht, sich in fremde Angelegenheiten einzumischen. Wer abergläubisch ist, verrichtet eine gottlose Andacht und eine andächtige Gottlosigkeit. Ein Weltkind hat gar keinen Gott: Glück und Schicksal sind seine Götter, die Welt ist sein Himmel und das Sündigen seine Gewohnheit. Wer unzufrieden ist, beklagt immer das, was im Moment vor ihm liegt. Wer unbeständig ist, überlegt nichts auf vernünftige Weise. Ein Schmeichler geht nur zum Schein Freundschaften ein. Ein Fauler hat zu nichts Lust und 194
Vgl. Hall, Les characteres de vertvs et de vices, Genf 1634, 2. Vgl. Hall, Les characteres de vertvs et de vices, Genf 1634, 3–6. Vgl. über de Tourval: Lee 1904–1906, 101 f. 196 Vgl. Hillebrand (Hrsg.) 1981, 227, Nr. 54 (1682): Krössen kam aus Linden bei Hannover. 197 Er wurde 1636 in Helmstedt geboren, vgl. Seebaß/Freist (Hrsg.) 1969–1980, Bd. 2, 169, Nr. 2172. 198 Vgl. Joseph Hall, Merckzeichen der Tugenden und Laster, Helmstedt 1685, [A1v]–[A2v]. 195
406
7. Henning Koch (1633–1691)
tut nichts als unnütze Dinge. Ein Geiziger ist ein Knecht des Irdischen; der Gewinn ist seine Religion. Wer hochmütig ist, erhebt sich im Ruhm seiner selbst. Ein Verwegener hat eine einfallsreiche Hoffnung. Jemandem, der misstrauisch ist, ist nichts sicher genug, außer was er sieht und fühlt. Wer ehrgeizig ist, hat einen unlöschbaren Durst nach Ehre. Ein schlechter Haushalter lebt unmäßig: seine Ausgaben richten sich nach seinem Begehren, nicht nach seinem tatsächlichen Vermögen. Ein Missgünstiger ernährt sich vom Unglück anderer.
7.11.2 Analyse und Übersetzungsvergleich Mit der Darstellung der Tugenden und Laster verfolgte Hall das Ziel, seine Rezipienten – im Sinne des Puritanismus – zur Selbstprüfung anzustoßen. Die Übersetzung folgt der bedeutungs- und interpretationsorientierten Methode: FR 7: l es distribuerent auec plusieurs expositions, comme les vrais inspecteurs, qu’ils estoyent, des mœrs, correctors des vices […]. DE A3r: und haben es mit vielen Erklärungen außgetheilet, alß getreue Auffsicht-Habers, wie sie auch waren der Sitten, Bestraffer der Laster […]. FR 7: leur theologie naturelle DE A3r: ihrer auß der Natur genommenen Theologiæ
Im ersten Beispiel behielt der Übersetzer die Bedeutung der einzelnen Wörter und Satzteile bei. Im zweiten Beispiel interpretierte er „theologie naturelle“ als „auß der Natur genommenen Theologiæ“.
7.11.3 Editionsgeschichte 1696 soll bei Haller in Bern eine Neuauflage erschienen sein.199 Die Schrift wurde in die Gesammleten Moralisten Bibliothec aufgenommen.200
7.12 Zusammenfassung Henning Koch wurde als Sohn eines Schmiedes geboren und wuchs zu einem angesehenen Pfarrer heran, der ehrenvolle Berufungen erhielt. Dazu haben sowohl sein umfassendes Studium der Theologie, das er mit dem Magistergrad abschloss,201 als auch seine Verbindungen zu Conring, Wiesenhaver und dem Hof Braunschweig-Wolfenbüttel beigetragen. In seiner Jugend und während seines 199
Pietas-Nr.: P08039547. S. McKenzie 1997, 229, Nr. 966. Gesammlete Moralisten Bibliothec, Bd. 1, Leipzig/Görlitz, Christian Gottlieb Marche, 1737, 5–94. 201 Diese Faktoren waren Bedingung für die Berufung in höhere kirchliche Ämter, vgl. Mager 2003, 67–73. 200 Vgl.
7.12 Zusammenfassung407
Studiums wurde er vom Calixtinismus geprägt. Davon zeugen unter anderem sein Buchbesitz, seine Übersetzung von Friedens-Altar und seine Rede zur Einhundertjahrfeier der Helmstedter Universität. Das calixtinische Klima trug sicherlich dazu bei, dass Koch der reformierten Konfession und ihren Anhängern offen gegenüber stand. Auch wenn er die partikularistische Reichweite von Christi Verdienst ablehnte, zog er in einer Leichenpredigt auch Gedanken reformierter Theologen heran. Kochs Offenheit für die reformierte Konfession kommt auch in der Verbindung zu Philipp Erberfelds Eltern zum Ausdruck. Die Verbindung zwischen Koch und den Erberfelds ist vermutlich durch Daniel Erberfeld aus Helmstedt zustande gekommen. Die Widmung Kochs an Philipp Erberfelds Eltern und die Tatsache, dass Erberfeld die Widmung erst nach dem Tode seiner Eltern entdeckte, führen zu der vorsichtigen Annahme, dass die beiden einander nicht persönlich kannten. Kochs Widmung wurde zwar gedruckt, ist aber nur separat in einem Bündel von Prozessakten und in keinem einzigen Exemplar von PaßionsAndachten überliefert. Vermutlich wurde die Widmung nach der Drucklegung vom Drucker oder durch Buchhändler aus den meisten Exemplaren entfernt, weil öffentlicher Kontakt mit Reformierten – davon zeugt die Widmung – unter Lutheranern als verdächtig galt. Koch übersetzte mehrere Schriften des reformierten Theologen Joseph Hall ins Deutsche. Anzunehmen ist, dass Koch als Anhänger Calixts insbesondere Halls Aufforderung zum Frieden in der Kirche, die postulierte Mittelstellung zwischen römischem Katholizismus und Nonkonformismus, zwischen Remonstranten und Contraremonstranten – vergleiche Conring und Schraders Sichtweise – und die praktische Moraltheologie teilte. Puritanische Elemente finden sich in den meisten Übersetzungen nur in geringer Anzahl und in gemäßigter Form. Nur die Kompilation aus Hall-Texten, die Koch 1683 übersetzte, ist stark puritanisch geprägt. In den meisten Übersetzungen wird die praecisitas aber nicht bis zum Äußersten durchgeführt und durch Warnungen vor Radikalität und scharfe Polemik abgeschwächt. Außerdem können die Warnungen vor Luxus auch als humanistische oder allgemein-christliche Elemente interpretiert werden. Interessanterweise wurde zwischen 1650 und 1685 knapp die Hälfte der 26 Schriften Halls, die ins Deutsche übertragen wurden, von Lutheranern übersetzt und herausgegeben.202 Mit sechs Übersetzungen lieferte Koch einen wichtigen Beitrag, sein Anteil beträgt mehr als ein Fünftel aller Hall-Übersetzungen. Der Calixtinismus wird Koch für das puritanische Schrifttum, das in Niedersachsen gut zugänglich war, empfänglich gemacht und zu der Übersetzung dieser Werke angeregt haben. Ebenso könnte Koch Anregungen von anderen Übersetzern englischer Erbauungsliteratur, zum Beispiel von Christian Flemmer, Johann Heinrich Hävecker, Johann Nicolai und Lucas Stöckle, empfangen haben. 202
Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 215.
408
7. Henning Koch (1633–1691)
Bei Koch könnten auch literarische Interessen eine Rolle gespielt haben, galten doch die übersetzten Hall-Schriften in gattungstypischer (Passionsmeditation, Ordensregel, character book) und literarischer Hinsicht als hochrangig. Die Gattungen der Hall-Schriften empfand er als neu. In der Widmung an die Erberfelds, die vermutlich zu den Paßions-Andachten gehörte, weist Koch darauf hin, dass die in der Schrift benutzte Form der Darstellung von Jesus als Sühnopfer im deutschen Sprachraum noch unbekannt ist. Die von Koch übersetzten Schriften Joseph Halls befassen sich mit den folgenden Inhalten: mit der Passion, dem wahren Seelenfrieden, dem Studentenleben, dem politischen und kirchlichen Frieden, der Todesvorbereitung, dem Kreuztragen und mit der Klage über den elenden Zustand der Kirche. In der Widmung zu Himmels-Lust kommt die Wiedergeburt zur Sprache, die Koch zufolge zu wenig beherzigt wird. Koch definiert sie als Erneuerung des äußerlichen und innerlichen Menschen, die mit einer Sehnsucht nach Ablegung der eigenen Unvollkommenheiten verbunden ist. Sie bewirkt Gehorsam gegenüber Gott, das Erkennen der eigenen Unreinheit und Verdammungswürdigkeit und die Überwindung seines Fleisches und Eigenwillens. Innerhalb der Hall-Übersetzungen finden sich Aufforderungen zur Mäßigkeit im Hinblick auf irdischen Besitz, Mahlzeiten und Kleidung. Einzelne Elemente sind unter anderen die Unterscheidung zwischen der Selbstbezeichnung als Christ und dem tatsächlichen Glauben an Christus und das Verständnis von Krieg als Gottes Gericht und als Probe seiner Gerechtigkeit. In seinen Leichenpredigten hebt Koch die Notwendigkeit der Betrachtung der Gerechtigkeit, des Strebens nach Vollkommenheit und eines himmlischen Wandels hervor, und er versteht Sünde als Ärgernis der Frommen. In seiner Jubiläumsrede für die Universität Helmstedt verurteilt er eitle Schauspiele und irdische Lüste bei Feiern und er fordert die Diener Gottes auf, die Gebrechen ihrer Gemeinde aufzudecken. Weiterhin fordert er zur Tötung der Sünde und zur Vollkommenheit auf. Koch lobt Erberfelds himmlische Gesinnung, seinen Abscheu vor der Eitelkeit der Welt, seinen vorsichtigen Umgang mit ihr und seine Nachfolge Jesu. Diese Inhalte kommen auch in puritanischen und pietistischen Schriften zum Tragen. Darüber hinaus stand Koch mit Rittmeyer und Gese von Bentheim in Verbindung, die beide pietistisch gesinnt waren. Dies führt zu der vorsichtigen Annahme, auch Koch habe pietistische Ansichten vertreten. Doch in Bosses Leichenpredigt lehnt Koch chiliastische Ansichten ab. Auch findet sich in den von Koch verfassten Leichenreden keine pietistische Interpretation der Taufe.203 Anscheinend hatte er im Gegensatz zu reformorientierten Lutheranern und Pietisten204 keine kritische Haltung gegenüber der Beichte.
203 204
Vgl. dazu Matthias 2004, 51–53. Vgl. für ihre Kritik an der Beichte: Obst 1980, 426.
7.12 Zusammenfassung409
Die Tatsache, dass Superintendent Bussmann den Diakonen Rittmeyer und Koch Laxheit hinsichtlich der Zulassung zur Beichte und zum Abendmahl und beim Katechismusunterricht vorwarf, wirft Fragen auf. Möglich ist, dass Koch und Rittmeyer zwar in ihren Schriften und von der Kanzel aus Sünden anprangerten, aber keine konkreten Maßnahmen dagegen in die Tat umsetzten. Richtet man den Blick auf Kochs Übersetzungen und seine sonstigen Schriften, drängt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Calixtinismus, dem Puritanismus und dem Pietismus auf. Einerseits verbanden die drei Richtungen ein antipolemischer Zug, die Betonung der Ethik sowie das Streben nach Verbesserung der Sitten. In der Umsetzung dieser gemeinsamen Grundsätze ging man aber unterschiedliche Wege. Den Calixtinern, die großen Wert auf die Vernunft und die Logik legten, war jede Emotionalität der Pietisten fremd. Zwar plädierten die Calixtiner für Mäßigkeit und Bescheidenheit in der Lebensführung, aber sie neigten nicht zur Ablehnung vieler weltlicher Vergnügungen wie die Pietisten es taten.205 Diese Ambivalenz zwischen gemeinsamen Grundsätzen und unterschiedlichen Wegen der Realisierung spiegelt sich auch im Verhältnis der drei Richtungen zueinander wider. Einerseits stand man einander offen gegenüber, was aus der Aufnahme von Baylys Schrift und von Sonthom bei den Calixtinern,206 der Verlegung einiger Perkins-Schriften in Helmstedt in den Jahren 1680 bis 1700207 und der Aufnahme von Gedanken des Calixt-Schülers Justus Gesenius durch Spener208 hervorgeht. Man kann die These aufstellen, dass der Calixtinismus in den welfischen Ländern dem Pietismus den Wind aus den Segeln nahm. Andererseits haben viele Calixt-Schüler den Pietismus bekämpft. Dabei richteten sie sich gegen den Enthusiasmus, gegen perfektionistische Vorstellungen der Heiligung, gegen Werkgerechtigkeit, gegen die Absonderung und Trennung von der Kirche, gegen die Einschränkung der christlichen Freiheit und gegen den Chiliasmus. In Braunschweig-Wolfenbüttel spielte die theologische Universität Helmstedt in den neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts darin eine zentrale Rolle.209 205 Vgl. Beste 1889, 272; Beste 1905, 86, 90; Beste 1922; 1, 6; Mager 1968; 1969, 162–173; 2010b, 221. Schwidurski 1957, 14; Wallmann 1981, 558, und Capelle 2009, 124–126, 133, berücksichtigen die Gemeinsamkeiten nicht, sondern stellen den Calixtinismus dem Pietismus gegenüber. 206 Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 152–154, 160, 187–190. In der Schrift des Helmstedter Theologen Konrad Hornejus (1590–1649) Kurtzer Bericht, gesprächsweise auffgesetzet vnd entgegen gestellet denen unwarhafftigen Aufflagen, wormit die Professores Theologiae auf der […] Vniversität in Helmstet zur Vngebühr beschweret werden, Nürnberg, Jeremias Dümler, 1650, A2r, werden Johann Gerhards Schola pietatis, Arndts Wahres Christentum, Bayly und Sonthom als richtungweisende Schriften für die Lehre des Glaubens und der guten Werke herangezogen. 207 Vgl. McKenzie 1997, 333, Nr. 1382; 335, Nr. 1392; 336–337, Nr. 1399–1400. Der Verleger war Paul Zeising, vgl. Benzing 1977, 1306. 208 Vgl. Mager 1969, 162–164. 209 Vgl. Beste 1889, 270, 272, 286, 288; Beste 1905, 86, 91; Hoffmann 2015, Abschn. I, II.2; H. Ludewig 2015.
410
7. Henning Koch (1633–1691)
Somit ist Koch eher als Anhänger des Calixtinismus zu betrachten, der einige puritanische und pietistische Elemente aufgenommen hat. In den letzten Jahren seines Lebens litt Koch unter verschiedenen Krankheiten. Nachdem im Jahr 1683 die Schrift Nacht-Lieder erschienen war, veröffentlichte Lüderwald in den zwei darauffolgenden Jahren noch zwei Hall-Übersetzungen (über den christlichen Umgang mit Reichtum sowie über Tugenden und Laster), allerdings unter dem Namen von Hennings Sohn Balthasar Gerhard, der damals Theologie studierte. Anzunehmen ist, dass Balthasar Gerhard die Arbeit seines Vaters auf dessen Bitte vollendete. Vielleicht überarbeitete er sogar dessen Konzepte. Sträter vermutet, dass ihn die Brüder Lüderwald zur Weiterführung der Übersetzungsarbeit seines Vaters angeregt haben.210 Nach diesen zwei unter dem Namen von Balthasar Gerhard erschienenen Hall-Übersetzungen verstummte die Übersetzungsarbeit der Kochs. Es ist möglich, dass Balthasar Gerhard nicht mehr als Übersetzer tätig war oder dass er kurz nach seinem Vater verstarb. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Balthasar Gerhard sich nicht im selben Maße vom Inhalt der Schriften angesprochen fühlte wie sein Vater, und er die beiden Schriften nur aus finanziellen Gründen oder aus Hochachtung seines Vaters übersetzt hatte. Für alle Übersetzungen sind französische Vorlagen herangezogen worden. Weil Henning Koch in Norddeutschland wohnte, war ihm das Niederländische nicht fremd. Dass er französische Vorlagen benutzte, geht vermutlich auf die Tatsache zurück, dass die französische Sprache im 17. Jahrhundert das kulturelle Vorbild Europas war. Auch praktische Gründe könnten eine Rolle gespielt haben: Vielleicht konnte Koch sich die französischen Fassungen leichter beschaffen als englische und niederländische Ausgaben. Henning Koch und sein Sohn wandten die gleichen Übersetzungsmethoden an. Vorrangig übersetzten sie interpretationsorientiert. Beide nahmen kulturelle und konfessionelle Filterungen vor. Beim Übersetzen von Bibelstellen orientierten sie sich an der Lutherbibel. In den Übersetzungen von Henning Koch fällt auf, dass er seine Vorlagen stärker kürzte. Allerdings könnten auch die Verleger Textkürzungen vorgenommen haben. Nach drei Übersetzungen vollständiger Texte stellte Koch zweimal eine Schrift aus verschiedenen Quellen zusammen: Wahrer Studenten-Ruhm und Besiegete Todes-Furcht. Damit stieg die literarische Qualität dieser Schriften. Einige Übersetzungen wurden noch im 18. Jahrhundert zusammen mit anderen Schriften in die Gesammlete Moralisten-Bibliothec aufgenommen. Eingeleitet wurde diese Reihe von Johann Lorenz von Mosheim211 (1694–1755), Generalschulinspektor von Braunschweig-Wolfenbüttel, Abt von Marienthal und Mi210 Sträter zufolge war Lüderwald sogar der „Hauptinteressent“, vgl. Sträter 1987, 14. 1683 gab Johan Lüderwald aus Magdeburg die Übersetzung von Halls Breathings of the Devout Soul (1648) durch Hävecker heraus (s. oben), vgl. ebd. 211 Vgl. Wesseling 1993.
7.12 Zusammenfassung411
chaelstein und Theologieprofessor in Helmstedt.212 Aus strategischen Gründen bevorzugt er es, sich hinsichtlich der Erbauungsbücher nach der letzten Mode zu richten, und er lobt die in die Reihe aufgenommenen Schriften. Anscheinend betrachtete er sie also als zeitgemäß. Mosheim behauptet, weder die Autoren noch die Übersetzer der Schriften zu kennen.213 Ob er an der Zusammenstellung der Reihe beteiligt war oder er die Übersetzungen der Kochs kannte, kann nicht zweifelsfrei beantwortet werden. Dass die Übersetzungen der Kochs größtenteils in Helmstedt und Umgebung verlegt worden waren, macht es zumindest wahrscheinlich, dass Mosheim sie kannte.
212 Vgl. 213 Vgl.
Gesammlete Moralisten Bibliothec, Bd. 1, )(2r–[2)(3v]. Gesammlete Moralisten Bibliothec, Bd. 1, 2)(2v–[2)(3r].
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen 8.1 Einleitung Dieses Kapitel liefert Informationen zur Rezeption der Übersetzungen, und zwar in der Reihenfolge, in der die Texte zuvor besprochen wurden. In einem ersten Schritt werden die unterschiedlichen Reaktionen auf die Schriften zusammengetragen und in chronologischer Reihenfolge präsentiert. Im Anschluss wird dargestellt, wer die Besitzer der (un)gedruckten Schriften waren, und zwar in alphabetischer Reihenfolge pro Auflage. Besitzer der Schriften und Personen, die sich mit den Schriften auseinandergesetzt haben, werden nur dann vorgestellt, wenn sie noch nicht zur Sprache gekommen sind. Damit die Auflistungen nicht zu lang werden, beschränkt sich die Angabe der Besitzer in diesem Kapitel in den meisten Fällen auf Privatbesitzer. Auf die Nennung von städtischen Institutionsbibliotheken und größeren fürstlichen Bibliotheken wird weitestgehend verzichtet. Soweit aufgefunden, werden auch die Preise der Bücher erwähnt. Am Ende des Kapitels erfolgt eine wertende Zusammenfassung der Ergebnisse. Für die Datenerhebung wurden einzelne zeitgenössische Bibliographien und Texte sowie analytisch-bibliographische Beschreibungen der einzelnen Auflagen (Besitzvermerke wie handschriftliche Eintragungen, Stempel und Exlibris) herangezogen. Einige Informationen gehen auf Zufallsfunde in Bücherinventaren zurück. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Wenn eine Auflage in einer Bibliographie bloß in einer Liste verzeichnet ist, wird dies in den meisten Fällen unten nicht erwähnt. Angaben zu Besitzvermerken und zur Zusammenstellung der Konvolute finden sich in diesem Kapitel nur in Einzelfällen als Beispiel.1 Für umfassende Beschreibungen der Exemplare sei auf Pietas verwiesen.
8.2 Angaben pro Übersetzung 8.2.1 Dionysius Spranckhuysen, Balsaam für eine kranke Seele (1673) Es sind zwei Personen bekannt, die ein Exemplar dieser Übersetzung besaßen. Die erste Person ist Hedwig Sophie von Hessen-Kassel. Sie besaß eine beträcht1
S. für alle Exemplare www.pietasonline.nl.
8.2 Angaben pro Übersetzung413
liche Anzahl deutscher Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsbücher.2 Vielleicht war das Exemplar ein Geschenk von Duysing. Die zweite Person ist die lutherische Herzogin Elisabeth Juliane von HolsteinNorburg (1634–1704), die mit Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1633–1714), dem Sohn von Herzog August den Jüngeren (1579–1666), verheiratet war. Elisabeth Juliane besaß eine Sammlung von über 800 deutschen Erbauungsbüchern, zu der seit den 1670er Jahren eine große Anzahl englischer und niederländischer Erbauungsbücher in deutscher Übersetzung hinzukam. Sie schaffte sich die Bücher ganz bewusst an. Die Schriften der fürstlichen Familie wurden auch untereinander ausgetauscht. Elisabeth Juliane verarbeitete die Texte nach der Lektüre in ihren morgendlichen und abendlichen Gebetsstunden, deren Ziel die Heiligung des Tages war. Diese Gebetstunden schlugen sich literarisch in drei Gebetbüchern nieder. Auch wenn die Gebetbücher pietistische Elemente enthalten, zum Beispiel das Hervorheben der Notwendigkeit der Lebensheiligung, fehlen die diese Bewegung kennzeichnenden Kerngedanken der Wiedergeburt und der neuen Kreatur völlig. 1701 stiftete die Fürstin „[z]ur Ehre Gottes“ ein Frauenkloster, das in der Nähe ihres Lustschlosses Salzdahlum (Salisvallensis) errichtet wurde. Ihre Büchersammlung übergab sie der Klosterbibliothek. 1857 verkaufte das Kloster die Sammlung an die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel.3 1742 war die Übersetzung für zwei Groschen erhältlich.4
8.2.2 Willem Teellinck, Soliloquium (1671) 1706 erschien ein Homiletikhandbuch für deutsche Prediger, das die englische Predigtmethode als Exempel anführte: Geistlicher engeländis.[cher] Redner.5 Das Handbuch stammt aus der Feder des lutherischen Superintendenten Johann Georg Hoffmann (1648–1706) aus Freyburg (Unstrut). In dem hinzugefügten Verzeichnis der ins Deutsche übersetzten englischen Erbauungsbücher, das der Naumburger Oberpfarrer Johann Martin Schamelius (1671–1742) erstellte, werden folgende Teellinck-Übersetzungen aufgezählt: „Nothwendiger Vertrag“, Soliloquium (Kassel 1693, Halle 1702: „Christliche Hertzens-Gedancken“), „Vornehmste Ubung der Christen“ und die erste Auflage des Newen Jerusalems.6 2 Inventar Hedwig Sophie von Hessen-Kassel Schmalkalden 1683, Nr. 427, GPStAB BPH Rep. 34 WII 8. Eine Transkription dieses Inventars verdanke ich Frau Dr. J. Bepler, HAB Wolfenbüttel. 3 Vgl. Moore 2010; Moore 2015. 4 Vgl. Georgi 1966–1967, Bd. 1, 398. 5 Vgl. Johann Georg Hoffmann, Geistlicher engeländis. Redner, Leipzig, Friedrich Lanckisch d. J. Erben, 1706; McKenzie 1984, Bd. 1, 261 f.; Hof 1993, 24. 6 „Nothwendiger Vertrag“, „Soliloquium oder Betrachtung eines Sünders, welche er in der Angst seiner Wiedergebuhrt gehabt. Cassel. An. 93. in 12. 12. Bog. Ist wieder edirt zu Hall An.
414
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen
Schamelius muss von einer großen Übereinstimmung zwischen der englischen Erbauungsliteratur und Teellincks Schriften ausgegangen sein, so dass er dessen Werke in das Verzeichnis der aus dem Englischen übersetzten Bücher aufnahm. Schamelius war 1694 bis 1702 Hauslehrer von Hoffmanns Söhnen. Hoffmann und er schätzten die englischen Erbauungsbücher sehr. Seinen Biographen zufolge habe Schamelius zwar den Pietismus in Wort und Schrift verteidigt und befürwortet, aber ihn nicht innerhalb seiner Gemeinde in die Praxis umgesetzt.7 Ein Exemplar der ersten Auflage war im Besitz von Philipp Wilhelm Reichsgraf von Boineburg (1656–1717). Unter Leibniz’ Leitung weilte er 1672 bis 1674 in Paris. Seit 1691 war er Reichshofrat des Kaisers, seit 1702 kurmainzischer Statthalter von Erfurt.8 Das Exemplar kam später in die Stadtbücherei Erfurt und ist jetzt als Dauerleihgabe im Bestand der Universitätsbibliothek Erfurt. Von einer der ersten beiden Auflagen (1671, 1676) gehörte ein Exemplar der Landgräfin Hedwig Sophie von Hessen-Kassel. Ein Exemplar kostete zwei Albus (weiße Pfennige).9 Vielleicht erhielt die Landgräfin ihr Exemplar als Geschenk von Deusing. Friedrich Breckling besaß ein Exemplar der zweiten Auflage, das er später der Waisenhausbibliothek in Halle an der Saale schenkte.10 Auch Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel besaß ein Exemplar dieser Auflage. Um 1750 kosteten die erste, die dritte (1693) und die fünfte (1711) Auflage dieser Schrift drei Groschen, die vierte Auflage (1702) kostete zwei Groschen.11
8.2.3 Willem Teellinck, Das newe Jerusalem und Die Klage Pauli (1672) Johann Georg Hoffmann erwähnte 1706 in der Vorrede seines Handbuches Teellincks Schrift Das newe Jerusalem. Die Vorteile der Gottseligkeit seien in dieser Schrift „auff eine empfindliche anmuthige Weise“ dargestellt worden, was mit einer Paraphrase eines Fragmentes aus der ersten Auflage (1672) der deutschen Übersetzung illustriert wird.12 Die erste Auflage der Übersetzung wurde in das von Schamelius angefertigte Verzeichnis aufgenommen (s. oben). 1702. in 12. der Titel heist: Christliche Herzens-Gedancken eines Sünders &c.“, „Vornehmste Ubung der Christen“, „Neues Jerusalem oder Gespräch zwischen Christo und Maria. Cassel An. 72. in 12. 14½ Bogen.“, vgl. Hoffmann, Geistlicher engeländis. Redner, H3v; Hof 1993, 24. „Vornehmste Ubung“ wird die Übersetzung von Teelincks Corte verhandelinghe van de voornaemste christelicke oeffeninghen (Middelburg 1609) des Puritaners William Whately gewesen sein, vgl. Hof 2008, 111–115, 511, 576, Nr. 4. Vgl. für die deutschen Übersetzungen in Druck oder Handschrift von Teellincks Schriften, ebd., 504–512. 7 Vgl. Lindner 1998. 8 Vgl. Saring 1955. 9 S. GStAPK BPH Rep. 34 WII 8, Nr. 453. 10 Vgl. zu dieser Schenkung: Klosterberg 2005; Klosterberg 2011. 11 Vgl. Georgi 1966–1967, Bd. 4, 192. 12 Vgl. Johann Georg Hoffmann, Geistlicher engeländis. Redner, Leipzig, Friedrich Lan-
8.2 Angaben pro Übersetzung415
Ein Exemplar der Erstauflage war im Besitz des Friedberger Rechtsgelehrten Dr. Johann Conrad Causenius13 (1601–76). Er war Rat- und Oberamtmann der Grafen von Stolberg in Ortenberg und der Grafen von Solms-Laubach in Laubach sowie Syndikus der Reichsstadt Friedberg. Das Verhältnis zwischen Causenius und den lutherischen Pfarrern Friedbergs war schon immer angespannt. Auf seinem Totenbett bekannte Causenius sich zur reformierten Lehre und er ließ sich von einem reformierten Pfarrer das Abendmahl reichen, was den lutherischen Stadtpfarrer sehr empörte. Außerdem bestimmte Causenius die reformierte theologische Fakultät der Hohen Schule zu Herborn zu seinem Universalerben. Zum Erbe gehörte auch Causenius’ umfangreiche Bibliothek, bestehend aus 3559 Bänden und 9055 Titeln, darunter 927 theologischer und erbaulicher Art. Der Herborner Theologieprofessor Matthias Nethenus14 (1618–86) hielt 1677 eine Gedächtnisrede für Causenius. Nach der Auflösung der Hohen Schule im Jahre 1817 wurden Causenius’ theologische Schriften 1818 der Bibliothek des Evangelischen Theologischen Seminars Herborn übergeben, wo sie bis heute aufbewahrt werden. Ein weiteres Exemplar der ersten Auflage gehörte Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein drittes Exemplar Hedwig Sophie von HessenKassel (fünf Albus).15 Um 1750 konnte man die erste und zweite (1693) Auflage dieser Schrift für fünf Groschen erwerben.16
8.2.4 Richard Baxter, Die wahre Bekehrung (1673) In Baxters Mitleidiger Rath an die Jugend aus dem Jahre 1688 wird darauf hingewiesen, dass „Von der Bekehrung“, womit die erste oder zweite Auflage dieser Schrift gemeint sein muss, bei Zunner in Frankfurt erhältlich ist. Das heißt: Bevor die Schrift von einem lutherischen Verleger veröffentlicht wurde, wurde sie bereits von einem lutherischen Buchhändler verkauft.17 Der radikale reformierte Pietist Johann Heinrich Reitz benutzte und paraphrasierte die Wahre Bekehrung in seiner Baxter-Biografie im dritten Teil seiner Historie der Wiedergebohrnen (Aufl.: 1701), ohne die Auflage anzugeben.18
ckisch d. J. Erben, 1706, 40 f. Das Fragment stammt aus Teellinck, Das newe Jerusalem, Kassel 1672, 43 f. 13 Vgl. für diesen Absatz: K. Schmidt 1934; Gensicke 1979. 14 Vgl. Schneemelcher 1972. 15 S. GStAPK BPH Rep. 34 WII 8, Nr. 425. 16 Vgl. Georgi 1966–1967, Bd. 4, 192. 17 Vgl. Baxter, Mitleidiger Rath an die Jugend ins gemein, Frankfurt, Johann David Zunner, 1688, )o(4r, Q6v, Nr. 19. 18 Vgl. Reitz 1982, Bd. 1, Tl. 3, 91 f., 94 f., 102 f. Vgl. die Auflage aus dem Jahre 1716: Reitz 1982, Bd. 4, 43*-44*, 49*.
416
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen
Adam Bernd (s. 4.26.2) schreibt in seiner Einleitung zur christlichen SittenLehre (Leipzig 1733), dass er die englischen asketischen Schriften, die Werke über die praxis pietatis, für die besten ihrer Gattung halte. Als Begründung gibt er an, dass die Autoren äußerst scharfsinnig wären, und darüber hinaus wertvolle Kenntnisse über moralische Angelegenheiten liefern würden. Bernd präsentiert eine Übersicht der Schriften, die er für belehrend und erbaulich hält. Baxters Schriften preist er, die Wahre Bekehrung wird als eine der ersten genannt.19 An anderer Stelle teilt Bernd mit, dass er zur Besserung seines Willens 44 Jahre lang jeden Tag eine Stunde in Erbauungsbüchern gelesen habe.20 Bernd war physisch und psychisch schwer krank. Er predigte auf nichtdoktrinäre Weise, wies den Gedanken der Verdammnis der Nichtchristen von sich und trug 1728 eine eigenartige Rechtfertigungslehre vor, die erheblich von der orthodox-lutherischen Lehre abwich. Später hat er diese widerrufen. Ein Exemplar der ersten Auflage, in der von Francke verlegten Ausgabe, gehörte der gräflichen Bibliothek Braunschweig-Lüneburg, ein anderes einer frühneuzeitlichen Privatbibliothek in Finnland.21 Ein weiteres Exemplar dieser Auflage, in der von Deusing verlegten Ausgabe, das sich im Besitz der Staatsbibliothek Bremen befand, wurde im Zweiten Weltkrieg ausgelagert. Es gelangte in die Hände der sowjetischen Armee und kehrte erst 1996 aus Jerevan in Armenien zurück nach Bremen.22 Ein Exemplar der ersten oder zweiten (1680) Auflage war im Besitz von Hedwig Sophie von Hessen-Kassel. Die Kosten betrugen zwölf Albus.23 Ein weiteres Exemplar gehörte Elisabeth Julianes Schwager Ferdinand Albrecht von Braunschweig-Wolfenbüttel.24 Er hatte sich 1664 bis 1665 für zehn Monate in London aufgehalten, wo er Ausflüge nach Oxford und Cambridge unternahm und an Sitzungen der Royal Society teilnahm. Wahrscheinlich war ihm das Original der Schrift durch seinen Aufenthalt in England bekannt. Deutsche Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur machten einen wichtigen Anteil seiner Büchersammlung aus. Der Herzog stand dem Pietismus nahe.25 Die Bibliothek des Großherzoglichen Gymnasiums zu Büdingen verfügte über ein Exemplar der zweiten Auflage,26 ebenso wie Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel. Auch der Pietist Justus Lüders27 (um 1656–1708), Konsistorialrat und Hofprediger in Wolfenbüttel, besaß ein Exemplar dieser 19
Vgl. Bernd, Einleitung zur christlichen Sitten-Lehre, 294 f. Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 231 f. Vgl. Bernd, Einleitung zur christlichen Sitten-Lehre, 313. 21 Vgl. Laine 2001a, 29, Nr. 15b. 22 Vgl. Elsmann (Hrsg.) 1998. 23 S. GStAPK BPH Rep. 34 WII 8, Nr. 272. 24 Vgl. Bepler 1988, 247, Anm. 7. Vgl. McKenzie 1997, 67, Nr. 259–260. 25 Vgl. Bepler 1988. 26 Vgl. Weyerhäuser 1881, 11. 27 Vgl. Mager 2010b, 210, 215. 20
8.2 Angaben pro Übersetzung417
Auflage, wie aus seinem Nachlassinventar hervorgeht. Seine Bibliothek ging nach seinem Tod an die Waisenhausbibliothek in Halle (Saale). Ein Exemplar der Auflage von 1713, das in der Universitätsbibliothek der Vrije Universiteit Amsterdam aufbewahrt wird, gehörte ursprünglich einem sonst unbekannten Johann Peter Bachmann, der auf den Vorsatzblättern Notizen hinterließ. Neben seinem Wunsch, er möge das letzte Ziel seines Lebens stetig bedenken, notierte er die Bibelstellen Mt 25,13 und Ps 119,33–35 und einige Baxter-Titel.
8.2.5 William Guthrie, Das grosse Interesse eines auffrichtigen Christen (1674) Ein Exemplar der ersten Auflage war im Besitz von Causenius, ein anderes gehörte Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein drittes ihrem Schwager Ferdinand Albrecht.28
8.2.6 o. A., Das grosse Interesse eines gewissenhafften Kauffmans (1674) Ein Exemplar der ersten Auflage befand sich in Causenius’ Bibliothek. Der brandenburgische Hofbeamte Carl Hildebrand Freiherr von Canstein29 (1667– 1719), der ein Freund Speners und Franckes war, und der die Cansteinsche Bibelanstalt stiftete, besaß ein Exemplar der zweiten Auflage. Cansteins Bibliothek ging nach seinem Tod an die Waisenhausbibliothek in Halle (Saale).
8.2.7 Richard Sibbes, Der Seelen Selbst-Streit (1675) Der lutherische Theologe Michael Lilienthal aus Königsberg zitierte 1744 in seiner kommentierten theologischen Bibliographie Fortgesetzte theologische Bibliothec, das ist: richtiges Verzeichniß, zulängliche Beschreibung, und bescheidene Beurtheilung der dahin gehörigen vornehmsten Schriften welche in M. Lilienthals Bücher-Vorrath befindlich sind den lutherischen Superintendenten und Universalgelehrten Jakob Friedrich Reimmann30 (1668–1743) aus Hildesheim im Hinblick auf die Schrift von Sibbes. Reimmann zufolge gibt es wenige Autoren, die über die von Sibbes behandelte Materie heller, scharfsinniger und vollständiger geschrieben hätten. Baxter, so heißt es weiter, habe sich gefreut, Sibbes, Bolton und John Preston im Himmel anzutreffen. Über die Qualität der Übersetzung 28
Vgl. Bepler 1988, 247, Anm. 7. Vgl. McKenzie 1997, 210, Nr. 867. Vgl. Schicketanz 2002. 30 Es handelt sich wohl um Catalogus bibliothecae theologicae, systematico-criticus, in quo libri theologici in bibliotheca Reimanniana extantes, editi & inediti, in certas classes digesti (Hildesheim 1731–39) oder Catalogus bibliothecae Reimmannianae generalis, sive recensio librorum in bibliotheca Jocobi [sic, d. Vf.] Friderici Reimmanni extantium, editorum et ineditorum, theologicorum (Hildesheim 1741). Vgl. über Reimmann: Wolfes 2001. 29
418
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen
fällt Lilienthal ein negatives Urteil: er bedauere, dass die Schrift von „J. D.“ auf so üble Weise übersetzt worden sei.31 Ein Exemplar der Übersetzung gehörte Causenius, ein anderes war im Besitz von Canstein, ein drittes gehörte Elisabeth Julianes von Braunschweig-Wolfenbüttel.
8.2.8 Robert Bolton, Der Probir-Stein des Gewissens (1676) Ein Exemplar dieser Übersetzung besaß Elisabeth Juliane von BraunschweigWolfenbüttel, ein weiteres gehörte Hedwig Sophie von Hessen-Kassel (fünf Albus),32 ein drittes „H Rixneri D.“, vielleicht dem bereits erwähnten Helmstedter Philosophen und Theologen Heinrich Rixner (s. 7.2). Das letzte Exemplar geriet wohl später in die Hände von Canstein.
8.2.9 Robert Bolton, Noah göttlicher Wandel (1676) Der radikale Pietist Gottfried Arnold erwähnte in seinem interkonfessionellen Verzeichnis der mystischen und asketischen Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts in seiner Historie und beschreibung der mystischen Theologie (1703) Boltons Noah göttlicher Wandel (1676) und verwies dabei auf Gisbertus Voetius’ Lob dieser Schrift.33 In einem Exemplar der zweiten Auflage findet sich eine handschriftliche Notiz über Voetius’ Beurteilung der Schrift: „Gisbertus Voetius tom. III. selectar. disput. pag. 69. Boltonum vocat eruditissimum et solidissimum theologum practicum.“ Lilienthal behandelte 1744 in seiner Bibliographie beide Bolton-Übersetzungen, wobei ihm die Auflage von 1678 vorlag. Lilienthal zufolge befürwortete Bolton eine sehr stringente Heiligung. Außerdem schreibe er sehr scharf und rüge auch die von der Welt für Adiaphora gehaltenen Sünden. Andererseits betonte Lilienthal, wie sehr Baxter Bolton geschätzt hätte: er habe sich gefreut, Bolton im Himmel zu treffen.34 Je ein Exemplar der ersten Auflage gehörte Causenius aus Friedberg und Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel. Noch im 20. Jahrhundert besaß der niederländische reformierte Pfarrer, Bibliograph und Liebhaber von reformierter Erbauungsliteratur Jan van der Haar35 (1917–2001) ein Exemplar dieser Auflage. Eine handschriftliche Eintragung auf dem Titelblatt lautet „Johannes Henricus Geller 1704“. Vermutlich erhielt die genannte Person, über die keine weiteren Informationen bekannt sind, 31
Vgl. Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, 570 f. S. GStAPK BPH Rep. 34 WII 8, Nr. 245. 33 Vgl. Gottfried Arnold, Historie und beschreibung der mystischen Theologie, oder der geheimen Gottes Gelehrtheit, Frankfurt, Thomas Fritsch, 1703, 491. 34 Vgl. Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, 569 f. 35 Vgl. Groenendijk 1987; Hof 1999b. 32
8.2 Angaben pro Übersetzung419
die Übersetzung in diesem Jahr. In dem Zeitraum von 1968 bis 1984 hat van der Haar einzelne Fragmente gelesen, oft nachdem er an einem Abend in der Woche eine Predigt gehalten hatte. Dies geht aus den handschriftlichen Notizen zu einzelnen Fragmenten hervor. Van der Haar hat das Exemplar noch zu Lebzeiten an seinen Kollegen und Freund W. J. op ’t Hof, der van der Haars Liebe für das alte erbauliche Buch teilte, verkauft. Hedwig Sophie von Hessen-Kassel36 (acht Albus) verfügte über ein Exemplar der ersten oder zweiten (1678) Auflage, ein weiteres Exemplar befand sich im Bestand der Gymnasialbibliothek zu Büdingen.37 In einem Exemplar der Titelauflage von 1691, das in der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale aufbewahrt wird, finden sich an zwei Stellen handschriftliche Kommentare zum Inhalt: Boltons Auffassung, dass der von Gott vorhergesehene Glaube eines Menschen nicht die Ursache der Erlösung dieses Menschen sei (S. 14), sowie Boltons Ablehnung des Gedankens, dass die Gnade vernichtet werden könne (S. 35), werden als „falsch“ bewertet. Vermutlich stammen diese Eintragungen von Canstein, dem ursprünglichen Besitzer des Exemplars.
8.2.10 Richard Baxter, Eines Gläubigen letzte Arbeit auf dem Tod-Bette (1683) Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel besaß ein Exemplar.
8.2.11 Richard Baxter, Das Hausbuch der Armen (1684) Aus einer neueren Übersetzung (Frankfurt/Leipzig 1685) von The poor man’s family book geht hervor, dass Deusings Fassung nicht den Bedarf aller Regionen des deutschen Reiches abdecken konnte, und dass die verfügbaren Exemplare bereits ein Jahr später ausverkauft waren. Ob dies einer geringen Auflagenzahl oder einer großen Nachfrage der Schrift zuzuschreiben ist, kann nicht zufriedenstellend beantwortet werden. In der Vorrede der neuen Übersetzung beurteilt der Verfasser Deusings Übersetzung ausgesprochen negativ (s. 4.16.1). Weil der Übersetzung eine niederländische Fassung zugrunde lag, wären auch auch deren Fehler, Auslassungen und Kürzungen übernommen worden. Ein Exemplar von Deusings Übersetzung war im Besitz von Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein weiteres Exemplar gehörte der Gräflichen Stolbergischen Bibliothek zu Hossia.
8.2.12 Richard Baxter, Die ewige Ruhe der Heiligen (1684) In einem Brief vom 10./20. Februar 1685 teilte Veit Ludwig von Seckendorff dem Adressaten Gottfried Wilhelm Leibniz mit, dass er auf der Leipziger Messe 36 37
S. GStAPK BPH Rep. 34 WII 8, Nr. 241. Vgl. Weyerhäuser 1881, 12.
420
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen
Schriften Baxters gekauft hätte, unter anderem Ewige Ruhe der Heiligen (1684). In diesem Brief stellt von Seckendorff die Übersetzungsqualitäten von „I. D.“ in Frage. Außerdem diskutiert er Baxters Vorschlag zur Förderung der Einheit in der Kirche: Emi nuperis Lipsiens. nundinis libros Rich. Baxteri, Presbyteriani Angli acrioris, sed qui pietatem gravibus argumentis inculcare solet. Vertit eius scripta quidam, qui nomen suum literis I. D. indicat: sed quam benè verterit, nescio, scabra et duriuscula sunt multa. Succurent autem mihi ex autore hoc, quæ in præfatione Libri de æterna sanctorum quiete, Ewige Ruhe der Heiligen habet, ubi optat vt Principes viros, quos habent, summè pios, doctos et pacificos congregari faciant, ad media pacis Religiosæ invenienda, sive convenire possint de principijs, quæ controversa sunt, sive tantùm quoad praxin, i. e. vt manente licet dissensu quodam, in sommè tamen neccessarijs, et in exercendâ mutuò charitate Christianâ, Concordia fiat […].38
Im gleichen Jahr bezeichnete Seckendorff in seiner kirchenkritischen Schrift Christen-Stat Baxters Ewige Ruhe (Buch 4, K. 6–14) als ein wichtiges Hilfsmittel der Heiligung. Seckendorff schätzte es sehr, dass Baxter alles auf den Hauptzweck der ewigen Seligkeit ausgerichtet hat. Er bedauerte aber, „daß die teutsche Ubersetzung [von Deusing, d. Vf.] nicht allezeit deutlich genug ist“.39 In Baxters Mitleidiger Rath an die Jugend aus dem Jahre 1688 wird darauf hingewiesen, dass „Der Heiligen ewige Ruhe“, womit die Auflage von 1684 gemeint sein muss, bei dem Lutheraner Zunner in Frankfurt erhältlich ist.40 In demselben Jahr schrieb Petrus Christoph Martin, ein Hausgenosse Philipp Jakob Speners in Dresden, einen Brief an Baxter. Aus der deutschen Übersetzung Die ewige Ruhe habe er gelernt, was wahre Meditation sei. Martin bittet Baxter, ihm über den brandenburgischen Hofprediger Anton Brunsen41 oder über den Magdeburgischen Pfarrer Christian Scriver zu antworten.42 1701 veröffentlichte Johann Georg Pritius (s. 4.26.2) eine Übersetzung von William Bates’ Leichenpredigt für Baxter. In seiner Vorrede hebt er hervor, dass er die schlechte Qualität der Übersetzung bedauere: „Und ist versichert Schade, 38
Leibniz 1990, 493 f. Ludwig von Seckendorff, Christen-Stat. In drey Bücher abgetheilet. Im ersten wird von dem Christenthum an sich selbst, und dessen Behauptung, wider die Atheisten und dergleichen Leute; im andern von der Verbesserung des Weltlichen, und im dritten des geistlichen Standes, Leipzig, Johann Friedrich Gleditsch, 1685, Additiones, 347 f. Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 236; Sträter 1987, 96. 40 Vgl. Baxter, Mitleidiger Rath an die Jugend ins gemein, )o(4r, Q6v, Nr. 9. 41 Es gibt einen Brief Brunsens an Baxter, datiert mit „Potsdam, den 27.10.1687“, in dem Brunsen über seine Übersetzung von The poor man’s family book (Berlin 1685) berichtet, und seine Bewunderung für Baxters Einigungsbestrebungen ausspricht, vgl. Keeble/Nuttall 1991, 290 f., Nr. 1183. 42 Vgl. Keeble/Nuttall 1991, Bd. 2, 296, Nr. 1189. Martin erwähnt noch acht weitere Schriften Baxters, deren deutsche Übersetzungen sehr beliebt sind und teilt mit, dass Spener Baxters The poor man’s family book sehr bewundert, vgl. ebd. 39 Veit
8.2 Angaben pro Übersetzung421
daß das schöne Buch von der Ruhe der Heiligen nicht aus einer bessern Verdolmetschung soll gelesen werden.“43 In der Vorrede zu einer von ihm 1716 herausgegebenen Schrift Speners wiederholt Pritius seine Klage und schreibt, dass man Kapitel sechs bis vierzehn des letzten Buches besser und klarer ins Deutsche übersetzen müsste.44 Johann Heinrich Reitz benutzte und paraphrasierte in seiner Baxter-Biografie im dritten Teil seiner Historie der Wiedergebohrnen (Aufl.: 1701) die Ewige Ruhe der Heiligen.45 Johann Martin Schamelius führte 1706 in seinem Verzeichnis Die ewige Ruhe an zweiter Stelle an und ergänzte die folgende Anmerkung: „Der Hochselige Herr von Seckendorff in den Additt. seines Christen-Staats tadelt die Ubersetung dieses schönen Buchs gar sehr.“46 Adam Bernd pries 1733 die englischen asketischen Schriften im Allgemeinen und Baxters Schriften ganz besonders. An dieser Stelle wird als erstes Die ewige Ruhe genannt, die damals (1733) vor dreizehn Jahren in besseres Deutsch übersetzt worden sei. Damit muss die Auflage von 1719 gemeint sein. Es war Bernd also nicht bewusst, dass es sich bei dieser Auflage um eine überarbeitete Fassung von Deusings Übersetzung handelt (s. 4.17.4).47 Eines der Exemplare war im Besitz von Elisabeth Juliane von BraunschweigWolfenbüttel, ein anderes gehörte dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, ein drittes Justus Lüders, ein viertes der Gymnasialbibliothek in Büdingen48 und ein fünftes der evangelischen Kirche in Marburg. Ein paar Exemplare gelangten auch ins Ausland: eins wurde in einer frühneuzeitlichen Privatbibliothek in Finnland49 aufbewahrt, ein anderes besaß J. van der Haar. Dieses Exemplar kam später in den Besitz von W. J. op ’t Hof, der es mir 2011 zu meiner Promotion geschenkt hat.
8.2.13 Richard Baxter, Das göttliche Leben (1685) In Baxters Mitleidiger Rath an die Jugend aus dem Jahre 1688 wird darauf hingewiesen, dass die Schrift „Das Göttliche Leben“ bei Zunner erhältlich ist.50 Reitz 43 Des ehrwürdigen und berühmten englischen Lehrers Herrn Richard Baxters …Ehrengedächtnis, Leipzig, Johann Heinich Witwe, 1701, a8v. Vgl. Sträter 1987, 17. 44 Philipp Jacob Spener, Soliloqvia & meditationes sacrae, Johann Georg Pritius, Frankfurt am Main, Johann David Zunner, Johann Adam Jung, Johann Bauer, 1716, 3*1v–3*2r: „qui non tantum in insigni libro de Quiete sanctorum, in linguam etiam Germanicam, sed vtinam accuratus & magis perspicue, translato a capite VI vsque ad caput XIV partis IV multa hanc in rem momenti maximi adtulit“. 45 Vgl. Reitz 1982, Bd. 1, Tl. 3, 92, 100 f., 101 f., 109. Vgl die Auflage aus dem Jahre 1716: Reitz 1982, Bd. 4, 45*, 51*, 53*-54*, 54*-55*, 60*-61*. 46 Vgl. Hoffmann, Geistlicher engeländis. Redner, g2v. 47 Vgl. Bernd, Einleitung zur christlichen Sitten-Lehre, 294 f. 48 Vgl. Weyerhäuser 1881, 11. 49 Vgl. Laine 2001a, 26, Nr. 13b. 50 Vgl. Baxter, Mitleidiger Rath an die Jugend ins gemein, )o(4r, Q7r.
422
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen
nannte und paraphrasierte Das Göttliche Leben in seiner Baxter-Biografie im dritten Teil seiner Historie der Wiedergebohrnen (Aufl.: 1701).51 Lilienthal äußerte sich 1744 einerseits positiv über Baxters Göttliches Leben und dessen Anweisung zur Seligkeit, für Junge und Alte (Basel 1729), war aber andererseits der Meinung, dass in beiden Schriften zu wenig auf Christus hingewiesen würde. Als Ursache betrachtet er – wie Adam Bernd52 – Baxters Verständnis vom Glauben: Baxter verstehe den Glauben nicht nur als eine Tat des Vertrauens, sondern auch als eine Tat des Willens, der Liebe, des Gehorsams und der Unterwerfung und als Tat der Annahme Christi als Erlöser und Heiligmacher.53 Die Konsequenz sei Baxters starkes Drängen auf die Heiligung. Außerdem habe Baxter verschiedene Elemente des englischen neuplatonischen Philosophen Henry More (1614–87) übernommen, der wiederum in vielem auf den Spiritualisten Jacob Böhme (1575–1624) zurückgehe. Hier verweist Lilienthal auf eine Vorrede des Zeller Pfarrers Sigismund Hosmann54 (1660–1701). Hosmann schätzte die Schriften Baxters sehr, machte aber auch auf die Übernahmen aus Mores und letztendlich aus Jakob Böhmes Schriften aufmerksam: hinsichtlich der geistlichen Sympathie, eines besonderen raptus, einer Erleuchtung durch den Heiligen Geist in die größten Geheimnisse und einer Mitteilung der Allmacht des Heiligen Geistes an die Gläubigen. Dies könne zu einem falschen Verständnis der Lehre oder sogar zu Mystik oder Enthusiasmus führen.55 Ein Exemplar war im Besitz von Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein anderes gehörte Justus Lüders und ein drittes war im Bestand einer frühneuzeitlichen Privatbibliothek in Finnland.56
8.2.14 Richard Baxter, Die Creutzigung der Welt durch das Creutz Christi (1685) Reitz verwies in seiner Baxter-Biografie im dritten Teil seiner Historie der Wiedergebohrnen (Aufl.: 1701) auf Die Creutzigung, ohne die Auflage zu nennen.57 1706 nahm Schamelius die Hanauer Ausgabe in sein Verzeichnis an fünfter Stelle auf.58 Adam Bernd erwähnte 1733 in seiner Besprechung der moralischen 51
Vgl. Reitz 1982, Bd. 1, Tl. 3, 93. Vgl. die Auflage des Jahres 1716: Reitz 1982, Bd. 4, 46*. Vgl. Bernd, Einleitung zur christlichen Sitten-Lehre, 299. 53 Damit habe Baxter ebenso wie der Theologe George Bull (1634–1710) ein besonderes System gelehrt oder ein neues erfunden, das von der orthodox-reformierten Lehre in einem wichtigen Punkt abweiche. Baxter lehre, dass man nicht bloß selig wird „per Christus fiduciatum“, sondern auch „per Christum amatum honoratum, amore, honore, timore, gaudio, obedientia, & tota voluntate, totaque sanctimonia apprehensum“, Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, 595 f. 54 Vgl. Zeller 1962, Bd. 13, 969. 55 Vgl. Jean d’ Espagne, Gesamte Schrifften und Wercke, Frankfurt/ Leipzig, Hieronymus Friedrich Hoffmann, Zelle, 1699, (a)2r–v. Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 235. 56 Vgl. Laine 2001a, 22, Nr. 8b. 57 Vgl. Reitz 1982, Bd. 1, Tl. 3, 96. Vgl. die Auflage aus dem Jahre 1716: Reitz 1982, Bd. 4, 50*. 58 Vgl. Hoffmann, Geistlicher engeländis. Redner, g2v. 52
8.2 Angaben pro Übersetzung423
Schriften Baxters Die Creutzigung.59 Michael Lilienthal besprach 1744 eine neue deutsche Übersetzung des Werkes (Leipzig 1736), die er höher achtete als Deusings Übersetzung aus dem Jahr 1685.60 Ein Exemplar der Hanauer Ausgabe gehörte Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein weiteres Exemplar war im Besitz von Justus Lüders. Die Gymnasialbibliothek in Büdingen verfügte über ein Exemplar der Frankfurter Ausgabe.61 In einem anderen Exemplar dieser Ausgabe, das jetzt im Besitz der Princeton University Library in den USA ist, findet sich wiederum die handschriftliche Eintragung „Johannes Henricus Geller 1704“.
8.2.15 Richard Baxter, Ein Heiliger oder ein Vieh (1685) Reitz verwies in seiner Baxter-Biografie im dritten Teil seiner Historie der Wiedergebohrnen (Aufl.: 1701) auf Ein Heiliger oder ein Vieh, ohne die genaue Auflage zu erwähnen.62 Schamelius nahm 1706 die Hanauer Ausgabe aus dem Jahre 1685 an zehnter Stelle in sein Verzeichnis auf und bemerkte: „Dieses Buch ist mit sonderbahren heiligen Bewegungen angefüllet.“63 Adam Bernd erwähnte 1733 die Auflage aus dem Jahre 1716 in seiner Auflistung einiger moralischer Schriften Baxters.64 Michael Lilienthal kritisierte 1744 den harten Klang des Titels, wobei die Thematik, so Lilienthal, durchaus ihre Richtigkeit hätte. Nur die Qualität der Übersetzung sei zu bedauern, „welches Schicksaal viele von Baxters Schriften erfahren müssen, die zumal demjenigen in die Hände gerathen sind, der sich mit den Anfangs-Buchstaben I. D. bezeichnet hat.“ Seine negative Bewertung untermauert Lilienthal mit dem scharfen Urteil Adam Bernds über Deusings Übersetzung von Baxters Ausgesonderte Schrifften (s. unten).65 Ein Exemplar der ersten Auflage gehörte Ferdinand Albrecht von Braunschweig-Wolfenbüttel.66 Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel besaß ein Exemplar der Hanauer Ausgabe der Erstauflage, ein weiteres war im Besitz von Justus Lüders und ein drittes gehörte zur Bibliothek des reformierten Pfarrergeschlechts Lepper67. Ein Exemplar der zweiten Auflage besaß das Kloster Michaelstein bei Blankenburg im Harz und wurde später dem dortigen Gymnasium übergeben. Heute 59
Vgl. Bernd, Einleitung zur christlichen Sitten-Lehre, 295. Vgl. Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, 567. 61 Vgl. Weyerhäuser 1881, 11. 62 Vgl. Reitz 1982, Bd. 1, Tl. 3, 95 f. Vgl. auch die Auflage des Jahres 1716: Reitz 1982, Bd. 4, 50*. 63 Vgl. Hoffmann, Geistlicher engeländis. Redner, g2v. 64 Vgl. Bernd, Einleitung zur christlichen Sitten-Lehre, 295. 65 Vgl. Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, 564 f. 66 Vgl. Bepler 1988, 247, Anm. 7. Vgl. McKenzie 1997, 65, Nr. 251 – 66, Nr. 252. 67 Vgl. Grütjen 2012, 83, Anm. 45. 60
424
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen
wird es in der Herzog August Bibliothek aufbewahrt. Ein anderes Exemplar dieser Auflage, das jetzt der Staatsbibliothek Berlin gehört, war früher im Besitz des preußischen Gesandten, Orientalisten und Bibliophilen Heinrich Friedrich Diez68 (1751–1817). Auch der protestantische Erweckungstheologe aus Halle (Saale), Friedrich August Gottreu Tholuck69 (1799–1877), der in Berlin Diezens Privatsekretär gewesen war, verfügte über ein Exemplar, das heute in der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen in Halle aufbewahrt wird.
8.2.16 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften (1697) 1706 nahm Schamelius die Ausgesonderten Schrifften an dritter Stelle in sein Verzeichnis englischer Erbauungsliteratur auf.70 Adam Bernd fällte 1733 ein vernichtendes Urteil über den Übersetzer der Ausgesonderten Schrifften: „Wer der J. D. sey, weiß ich nicht. Das weiß ich aber gewiß, daß er besser gethan, wenn er das Ubersetzen hätte bleiben lassen; Denn er hat weder recht Engelländisch, noch recht Teutsch gekonnt. Und, so er ja die Sprachen gekonnt, so hat er doch nicht die Sachen capirt, und weder Baxters Theologie, noch hohe Philosophie verstanden. Und wäre zu wünschen, daß diese ausgesonderte Schrifften von iemand anderen einer bessern Ubersetzung gewürdiget würden.“71
Ein Exemplar war im Besitz von Heinrich Friedrich Diez, ein anderes gehörte Canstein, ein drittes einer frühneuzeitlichen Privatbibliothek in Finnland.72 Über die Rezeption Der rechten Arth und Weise stehen bislang keine Informationen zur Verfügung.
8.2.17 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften – Das Leben des Glaubens (1697) Gottfried Arnold nahm 1703 Das Leben des Glaubens in sein Verzeichnis der Mystiker und Asketiker auf.73
8.2.18 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften – Ein Heiliger oder ein Heuchler (1697) Reitz verwies in seiner Baxter-Biografie im dritten Teil seiner Historie der Wiedergebohrnen (Aufl.: 1716) auf Ein Heiliger oder ein Heuchler.74 Adam Bernd 68
Vgl. Reiswitz 1957. Vgl. Wesseling 1996. 70 Vgl. Hoffmann, Geistlicher engeländis. Redner, g2v. 71 Vgl. Bernd, Einleitung zur christlichen Sitten-Lehre, 296 f. Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 231 f. 72 Vgl. Laine 2001a, 25, Nr. 12. 73 Vgl. Arnold, Historie und beschreibung der mystischen Theologie, 489. 74 Vgl. Reitz 1982, Bd. 1, Tl. 3, 95 f. Vgl. auch die Auflage des Jahres 1716: Reitz 1982, Bd. 4, 50*. 69
8.2 Angaben pro Übersetzung425
erwähnte 1733 unter Baxters moralischen Schriften auch Ein Heiliger oder ein Heuchler.75
8.2.19 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften – Der Narren Glückseligkeit (1697) In der Vorrede zu seinem Homiletikhandbuch (1706) lobt Johann Georg Hoffmann Baxters brennenden Eifer, mit dem er gegen das Laster vorgeht, das fälschlicherweise für Höflichkeit gehalten wird. Hoffmann nennt mehrere BaxterSchriften und hebt vor allem die Schrift Der Narren Glückseligkeit hervor, deren Titel seines Erachtens besser „Die tödtende Glückseligkeit der Narren“ gelautet hätte. Hoffmann hat einige der gegen die Reichen und Gottlosen gerichteten Zitate übernommen. Er hebt den übermäßig emotionalen Charakter der englischen Erbauungsschriftsteller hervor, den man mit der Vernunft verbinden solle.76
8.2.20 Richard Baxter, Ausgesonderte Schrifften – Die Auskauffung der Zeit (1697) Über die Rezeption dieser Schrift liegen keine Informationen vor.
8.2.21 Guiljelmus Saldenus, Der Weg des Lebens (1667) In Gottfried Arnolds Unparteiische Kirchen- und Ketzerhistorie (1729) wird auf beide Auflagen von Saldenus’ Weg des Lebens Bezug genommen. Arnold beschreibt Saldenus als sehr gelehrten, gottseligen Menschen, dessen Schriften äußerst lesenswert seien. Insbesondere Saldenus’ Lehrstück über die Prädestination zeige große Übereinstimmungen mit den Grundsätzen der Lutheraner. Des Weiteren habe er sehr christlich gelebt, durchdringend und geistreich gepredigt und der englische König und alle Frommen würden ihn lieben, fürchten und achten.77 Lilienthal zitierte Arnold 1744 und wies besonders auf das dritte Kapitel von Weg des Lebens über die heilige Verzweiflung hin.78 Ein Exemplar der ersten Auflage in der Ausgabe von Commelinus war im Besitz von Causenius, ein weiteres Exemplar besaß Elisabeth Sophia Marie (1683– 1767), die verwitwete Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel. Sie stammte aus der Linie Schleswig-Holstein-Norburg und war in zweiter Ehe mit Anton Ulrichs Sohn August Wilhelm (1662–1731) von Braunschweig-Wolfenbüttel verheiratet. Auch Hedwig Sophie besaß ein Exemplar der ersten Auflage. Ein Exemplar war für vier Albus erhältlich.79 75
Vgl. Bernd, Einleitung zur christlichen Sitten-Lehre, 295. Vgl. Hoffmann, Geistlicher engeländis. Redner, 36 f. 77 Vgl. G. Arnold 1967, 4. 3. 18.93, S. 1097. 78 Vgl. Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, 699 f. 79 S. GStAPK BPH Rep. 34 WII 8, Nr. 436. 76
426
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen
1698 erwarb J. M. Breusing, vermutlich der reformierte Pfarrer Johann Michael Breusing80 (ca. 1652–1707) aus Neuwied, ein Exemplar der zweiten Auflage (1687).81 Am 4. Oktober 1698 schenkte Heinrich Schmedes dem Theologiestudenten Herman Schröder in Bremen ein Exemplar. Der Geber war vermutlich der später reformierte Pfarrer Heinrich Schmedes (1671–1709) aus Bremen,82 der Empfänger vermutlich Johannes Herman Schröder83 aus Salzuflen, der sich 1698 in Bremen immatrikulierte. Das Exemplar hat entweder vorher oder nachher Lüders gehört. Ein gewisser J. H. Schwiedring erwarb 1697 ein Exemplar der zweiten Auflage. Vermutlich handelt es sich um den Kasseler Stadtsekretär Johann Helfrich Schwiedring.84 Um 1750 war die erste Auflage für zwölf, die zweite für sechs Groschen erhältlich.85
8.2.22 Guiljelmus Saldenus, Christliche Kinder-Schule (1669) Im Konflikt innerhalb der Düsseldorfer reformierten Gemeinde um den refomiert-pietistischen Prediger Hermann Steenhuysen86 (ca. 1637–73) in den Jahren 1669 bis 1673 spielte dieser Katechismus von Saldenus eine herausragende Rolle. Steenhuysen stammte aus Wesel und studierte ungefähr gleichzeitig mit Gerhard von Mastricht in Leiden (1660).87 1661 bis 1665 war er Prediger der hochdeutschen reformierten Gemeinde in Köln88 und 1665 bis 1667 Prediger im benachbarten Frechen. Seit 1667 amtierte Steenhuysen in Düsseldorf. Eine Predigt aus dem Jahre 1669, in der Steenhuysen die verdammende Kraft der Erbsünde bei Kindern hervorgehoben und Gemütsbewegung, Zittern und Beben als wesentliche Kennzeichen der Wiedergeburt bezeichnet hatte, erregte den Protest des brandenburgischen Gesandten am Pfalz-Neuburger Hof, Pagenstecher (s. 5.6.3), und weiterer vornehmer Gemeindeglieder. Der Widerstand bezog sich vor allem auf Steenhuysens strenge Kirchenzucht. Einer der 1670 von diesen Gemeindemitgliedern aufgestellten Kritikpunkte betraf Steenhuysens Benutzung von Saldenus’ Katechismus; er nutzte wohl die deutsche Fassung. Den Gemeindemitgliedern folgend, hätte sich der Pfarrer an den Heidelberger Katechismus halten müssen. Steenhuysen verteidigte sich damit, dass Saldenus’ Katechismus für ungelehrte Knechte und Mägde einfacher zu verstehen sei. An80
Vgl. Rosenkranz (Hrsg.) 1958, Bd. 2, 59. Vgl. R. Löhr 1931, 191. 82 Vgl. Achelis/Börtzler (Hrsg.) 1968, 231, Nr. 46; „Schmedes, Heinrich“. 83 Vgl. Achelis/Börtzler (Hrsg.) 1968, 265, Nr. 40. 84 Vgl. Strieder, Grundlage zu einer hessischen Gelehrten und Schriftsteller Geschichte seit der Reformation bis auf gegenwärtige Zeiten, Bd. 7, Göttingen/K assel 1787, 10. 85 Vgl. Georgi 1966–1967, Bd. 4, 9. 86 Vgl. Rosenkranz (Hrsg.) 1958, Bd. 2, 499. 87 Vgl. Rotscheidt, 11 (1917), 372. 88 Vgl. R. Löhr (Hrsg.) 1990, 33. 81
8.2 Angaben pro Übersetzung427
zunehmen ist, dass die Gemeindeglieder Saldenus’ Katechismus wegen seiner Betonung der Heiligung, der Unterscheidung zwischen Schein und Sein und des Verständnisses der Wiedergeburt als ängstlicher Erfahrung als anstößig empfanden. 1673 starb Steenhuysen; der Inspector der Klasse, Wenzeslaus Nucella (s. 5.5), hielt die Leichenpredigt.89 In der Vorrede zu seiner Saldenus-Übersetzung Leben auß dem Tode (1675) teilt Erberfeld mit, dass man im Zuge der Veröffentlichung von Christlicher Kinder-Schule über ihn gelästert habe (s. 5.12.1). Im Prozess mit der Stadt Duisburg wurde Erberfeld um 1687 beschuldigt, in der Vorrede zur zweiten Auflage der Christlichen Kinder-Schule eine abweichende Auffassung geäußert und eine neue religiöse Sekte angeregt zu haben (s. 5.6.3). Um 1750 konnte man die erste Auflage (1669) dieser Übersetzung für drei, die zweite (1675) für vier Groschen erwerben.90
8.2.23 Guiljelmus Saldenus, Die Krafft des Abendmahls (1669) Causenius und Elisabeth Sophie Marie von Braunschweig-Wolfenbüttel besaßen je ein Exemplar.
8.2.24 Guiljelmus Saldenus, Kurtz und deutlicher Bericht von dem Beruf des armen Sünders zu Gott (1672) Über die Rezeption dieser Schrift liegen keine Informationen vor.
8.2.25 Guiljelmus Saldenus, Leben auß dem Tode (1675) Vermutlich stieß diese Übersetzung ebenso wie Christliche Kinder-Schule (2. Aufl.) auf starke Kritik vonseiten der Stadt Duisburg, da man davon ausging, dass Erberfeld dadurch eine neue religiöse Sekte ins Leben gerufen habe (s. 5.6.3). Arnold und Lilienthal erwähnten diese Übersetzung.91 Ein Exemplar gehörte Causenius, ein anderes Elisabeth Sophie Marie. Elisabeths Exemplar trägt Spuren einer ausgiebigen Lektüre (Unterstreichungen, Notizen). Ein Exemplar dieser Schrift kostete um 1750 sechs Groschen.92
8.2.26 Willem Teellinck, Noodwendigh vertoogh (um 1675) Auch wenn Erberfeld die Übersetzung erst 1675 erwähnte, könnte Undereyck sie für die Teellinck-Zitate in Christi Braut (1670) benutzt haben. Ebenso ist es 89
Vgl. Ackermann 1996, 116–129. Vgl. Georgi 1966–1967, Bd. 4, 9. 91 Vgl. G. Arnold 1967, 4. 3. 18.93, S. 1097; Lilienthal, Fortgesetzte theologische Bibliothec, 699 f. 92 Vgl. Georgi 1966–1967, Bd. 4, 9. 90
428
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen
möglich, dass Samuel Nethenus die Übersetzung beim Erstellen seines Reformprogrammes nutzte (s. 5.7).93 Während einer außerordentlichen Versammlung der Klasse Ruhr der märkischen reformierten Synode am 31. Oktober 1674 besprach man das Vorhaben, eine deutsche Übersetzung von Godefridus Udemans’ (1581/2–1649) Christelijcke bedenckingen (1608) herauszugeben. Man entschied, sich bei den Klassen und Synoden darüber zu beraten. Während der Versammlung wiesen einige Abgeordnete auf die Übereinstimmung dieser Schrift mit Teellincks Hauptschrift hin. Möglicherweise besaßen sie eine Abschrift von Erberfelds Übersetzung (s. 5.13). Anzunehmen ist, dass diese Übersetzung nie veröffentlicht wurde. Als Handschrift war die Teellinck-Übersetzung geografisch weit verbreitet und wurde 1706 ohne Angabe des Formats und des Erscheinungsortes- und -jahres in das Verzeichnis von Schamelius aufgenommen (s. oben).94
8.2.27 Guiljelmus Saldenus, Der fallende und auffstehende Christ (1672) Ein Exemplar war im Besitz von Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein anderes gehörte Gerardus Wolterus Molanus (1633–1722). Er studierte von 1651 bis 1655 bei Calixt in Helmstedt, wurde 1659 Professor in Rinteln, 1673 Konsistorialrat und Kirchendirektor in Hannover und 1677 Abt zu Loccum. Er lebte aus bewusster Überzeugung im Zölibat nach den Regeln des heiligen Benedikt. Molanus bemühte sich sehr um eine Union zwischen römischen Katholiken und Lutheranern, die seines Erachtens eher möglich war als eine Vereinigung von Lutheranern und Reformierten.95 Die Schrift wurde gemeinsam mit Dem betrübten Stand herausgegeben. Der Weg des Trostes, so lautete der Titel des Sammelbandes, kostete in der Mitte des 18. Jahrhunderts acht Groschen.96
8.2.28 Joseph Hall, Paßions-Andachten (1674) Ein Exemplar der ersten Auflage dieser Schrift war im Besitz der alvenslebischen Lehnsbücherei in Erxleben97 und gelangte im Laufe der Zeit in die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel. Auch Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel und Fürstin Elisabeth Sophie Marie besaßen jeweils ein Exemplar. Aus der Notiz in dem Exemplar, das heute in der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen aufbewahrt wird, geht hervor, dass der Duodezimoband, der aus zwei 93
Vgl. Hof 2008a, 505 f. Vgl. Hoffmann, Geistlicher engeländis. Redner, H3v; Hof 1993, 24. 95 Vgl. I. Lange 1994. 96 Vgl. Georgi 1966–1967, Bd. 4, 9. Allerdings wird als Verlag nicht Brauer in Bremen, sondern Kürßner in Kassel angegeben. 97 Vgl. Guth 2003. 94
8.2 Angaben pro Übersetzung429
Schriften besteht, zwölf Goldgulden kostete. Auch Hedwig Sophie von HessenKassel besaß ein Exemplar, das in einem Band mit Halls Himmels-Lust und Schiffart, oder geistlicher Meer-Compaß98 herausgegeben wurde. Dieser Sammelband kostete acht Albus.99 Ein weiteres Exemplar gehörte dem Quedlinburger Diakon Valentin Bernhard Mylius (1640–93), das zunächst in die dortige Historische Bibliothek100 und schließlich in die Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle gelangte. Ein Exemplar befand sich in einer Privatbibliothek in Finnland.101 Ein Exemplar der Fassung der Paßions-Andachten in der Gesammleten Moralisten Bibliothec (1739) war im Besitz von Elisabeth Sophie Marie von Braunschweig-Wolfenbüttel.
8.2.29 Joseph Hall, Friedens-Altar (1678) Die separate Ausgabe von Friedens-Altar aus dem Jahr 1678 besaßen Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel und Mylius.
8.2.30 Joseph Hall, Himmels-Lust auff Erden (1677) Jeweils ein Exemplar der Erstauflage dieser Schrift besaßen Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel, Hedwig Sophie von Hessen-Kassel102, Elisabeth Sophie Maria von Braunschweig-Wolfenbüttel, Molanus und Mylius. Auch eine frühneuzeitliche Privatbibliothek in Finnland verfügte über ein Exemplar.103 Vermutlich besaß auch Canstein ein Exemplar dieser Auflage. Ein Exemplar der Fassung von Himmels-Lust in der Gesammleten Moralisten Bibliothec (1739) war im Besitz von Elisabeth Sophie Marie von BraunschweigWolfenbüttel.
8.2.31 Joseph Hall, Wahrer Studenten-Ruhm (1677) Molanus, Abt zu Loccum, besaß ein Exemplar dieser Schrift.
8.2.32 Joseph Hall, Besiegete Todes-Furcht (1680) Ein Exemplar der ersten Auflage dieser Schrift besaß Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel. Die zweite Auflage (1732) war im Besitz des Juristen, Historikers und Marburger Universitätskanzlers Johann Georg Estor 98
Vg. McKenzie 1997, 241, Nr. 1014. Dessen Übersetzer war Johann Christoph Salbach. BPH Rep. 34 WII 8, Nr. 363: „Joseph Hallens passions andachten. ejusd: himmelslust auf erden. ejusd. geistlichen schiffarth“. 100 Vgl. Mauersberger 2003. 101 Vgl. Laine 2000a, 91, 61b. 102 GStAPK BPH Rep. 34 WII 8, Nr. 363. 103 Vgl. Laine 2000a, 90, Nr. 60c1. 99 GStAPK
430
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen
(1699–1773), der seine umfangreiche Privatbibliothek der Universität Marburg vermachte. Die Auflage des Jahres 1737 gelangte am 29. August 1738 in den Besitz des Grafen Johann Martin zu Stolberg-Roßla (1728–95) und wurde später an die Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle übergeben.
8.2.33 Joseph Hall, Nacht-Lieder/Der heilige Orden/ Die Klage und Thränen Sion (1683) Je ein Exemplar dieser Schrift besaßen die Familie von Alvensleben und Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel. Auch Herzog Ludwig Rudolph104 (1671–1735) von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein Sohn Anton Ulrichs, der Jurist, Sammler und Literaturhistoriker Karl Hartwig Gregor Freiherr von Meusebach105 (1781–1847) und der Nürnberger Prediger, Sammler und Bibliothekar Adam Rudolph Solger106 (1693–1770) verfügten über ein Exemplar. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795–1861) schenkte Meusebachs Exemplar der königlich-preußischen Bibliothek in Berlin. Heute wird es in der dortigen Staatsbibliothek aufbewahrt.
8.2.34 Joseph Hall, Der gerechte Mammon (1684) Ferdinand Albrecht von Braunschweig-Wolfenbüttel kaufte 1684 ein Exemplar der Erstauflage auf dem Bremer Freimarkt.
8.2.35 Joseph Hall, Merckzeichen der Tugenden und Laster (1685) Je ein Exemplar der Erstauflage in der Ausgabe von Lüderwald besaßen Ferdinand Albrecht von Braunschweig-Wolfenbüttel, der es 1685 in Bremen kaufte, die gräfliche Bibliothek Stolberg-Roßla und Gerardus Wolterus Molanus. Ein Exemplar der Ausgabe von Hesse war im Besitz von Karl Hartwig Gregor Freiherr von Meusebach. Elisabeth Sophie Marie besaß die Schrift in der Fassung der Gesammleten Moralisten Bibliothec, ein weiteres Exemplar des betreffenden Bandes, der heute in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle aufbewahrt wird, gehörte der Historischen Bibliothek zu Quedlinburg.
8.3 Zusammenfassung Die Rezensenten beurteilten die Erbauungsbücher der reformierten Autoren in Abhängigkeit von ihrer eigenen theologisch-religiösen Gesinnung. Reform104
Vgl. W. Arnold 1980. Vgl. Sprengel 1994. 106 Vgl. Jürgensen 2002, Bd. 1, 801–805, 884. 105
8.3 Zusammenfassung431
bestrebte Rezensenten wie Hoffmann äußerten sich positiver als gemäßigte lutherische Theologen wie Bernd und Lilienthal, die leichte Kritik übten. Von den Übersetzungen des Korpus haben vor allem Teellincks, Baxters, Sibbes’ und Saldenus’ Schriften in von Lutheranern zusammengestellten Bibliographien und in anderen Werken Anerkennung gefunden. Baxters Ewige Ruhe der Heiligen wurde mehrmals als gute Anleitung zur Meditation gewürdigt. Während lutherische Rezensenten einerseits ihre Wertschätzung Baxters zum Ausdruck brachten, wiesen sie andererseits auch auf dessen vermeintlich nichtorthodoxe Auffassungen hin. Saldenus’ Christliche Kinder-Schule kam vor dem Hintergrund der Streitigkeiten um den Düsseldorfer Pfarrer Steenhuysen und Erberfelds Vorrede zur zweiten Auflage in einen üblen Ruf. Die reformiert-pietistischen Ansichten von Steenhuysen und Erberfeld und die Angst, die Schrift könnte den Status des Heidelberger Katechismus gefährden, lagen dieser Sorge zugrunde. Boltons Schriften wurden leicht kritisiert. Interessanterweise korrespondierte diese Kritik mit handschriftlichen Anmerkungen in einem der Exemplare. Die Kritik an den Übersetzungen war nicht nur theologischer Art, auch die mangelhafte Übersetzungsqualität wie im Fall Deusings wurde angeprangert (s. 4.26.3). Allerdings bildeten sich die Rezensenten häufig kein eigenes Urteil über die Übersetzungen und beschränkten sich darauf, die Meinungen ihrer Vorgänger zu übernehmen. Da bei der Recherche nach Besitzern der Übersetzungen nur eine relativ kleine Auswahl von Quellen herangezogen werden konnte, und die Mehrzahl der nachgewiesenen Besitzer zur höheren Schicht gehörte, müssen die hier gezogenen Schlussfolgerungen als vorläufig betrachtet werden. Eine überlokale Erschließung von Buchinventaren in digitalen Datenbanken wäre wünschenswert. Bei den Daten fällt erstens auf, dass viele Besitzer oder positive Rezensenten reformbestrebt waren, sei es, dass sie die lutherische oder reformierte Konfession besaßen, oder dass sie ihre Ideale eher innerhalb oder eher außerhalb der Kirche zu verwirklichen suchten. Aus der Tatsache, dass der statistische Anteil der Lutheraner unter den Besitzern hoch ist, können aufgrund der geringen Quellenzahl ohnehin keine sicheren Schlüsse gezogen werden. Zweitens fällt der hohe Anteil adliger Damen und Herren unter den Besitzern auf. Mehrere adlige Besitzer stammten vom Fürstenhof Braunschweig-Wolfenbüttel. Dies lässt vermuten, dass die Bücher am dortigen Hof herumgegangen sind, und/oder vererbt wurden. Die Exemplare, die im Besitz des Adels waren, sind meistens an schön verzierten Bucheinbänden zu erkennen. Neben den Adligen verfügten insbesondere Theologen, Gymnasien und Kirchengemeinden über Exemplare der Übersetzungen. Da die Preise der dünnen und kleinformatigen Übersetzungen relativ gering waren, waren auch die mittleren und niedrigen Schichten imstande, die Übersetzungen – wenn auch in viel geringerer Zahl – zu erwerben.
432
8. Angaben zur Rezeption der einzelnen Übersetzungen
In einigen Fällen lässt sich der Besitz eines Exemplars mit der Bekanntschaft von Besitzer und Übersetzer in Verbindung bringen, zum Beispiel bei Duysing beziehungsweise Deusing und Hedwig Sophie von Hessen-Kassel und bei Henning Koch und von Alvensleben beziehungsweise Molanus. Vielleicht haben die Übersetzer den betreffenden Personen Exemplare ihrer Übersetzungen geschenkt. Die Frage, ob alle Exemplare auch wirklich gelesen wurden, kann nicht zweifelsfrei beantwortet werden. Ein Indiz dagegen ist, dass in nur wenigen Exemplaren Lese- und Gebrauchsspuren zu finden sind. Oft wurden Bücher zunächst als Nachlass an eine lokale Bibliothek und schließlich an eine Landes-, Forschungs- oder Universitätsbibliothek übergeben. Andere Bücher gelangten noch im 20. Jahrhundert in private Büchersammlungen von Bibliophilen, die nicht nur ein erbauliches, sondern auch ein wissenschaftliches Interesse an Erbauungsliteratur hatten. Die gravierenden politischen Entwicklungen in Nachkriegsdeutschland ließen auch die Büchersammlungen nicht unberührt. Davon zeugen unter anderem russische Stempel in den Exemplaren der Forschungsbibliothek Gotha, die Entprivatisierung von Büchern in der Ostzone und die Privatisierung von Büchern nach der Wende sowie die Rückführung von Büchern aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Übersetzungen wurden oft in Konvolute aufgenommen und mit anderen theologischen (Erbauungs-) Büchern zusammengebunden. In konfessioneller Hinsicht war die Zusammenstellung oft gemischt: Die Übersetzungen reformierter Schriften wurden häufig mit lutherischen, zuweilen sogar mit vorreformatorischen oder römisch-katholischen Schriften kombiniert. Oft gab es mehrere Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur in einem Band, zuweilen sogar verschiedene Übersetzungen desselben Autors beziehungsweise desselben Übersetzers. In geographischer Hinsicht beschränkte sich der Besitz der deutschen Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur nicht auf eine Region in Deutschland. Die ehemaligen Besitzer kamen aus ganz unterschiedlichen Regionen und sogar aus Finnland. Heutzutage findet man Exemplare in Bibliotheken in ganz Europa und – wohl bedingt durch die Auswanderung von Deutschen in die Neue Welt – sogar in den USA.
9. Schlussfolgerung 9.1 Einleitung Die vorliegende Arbeit bietet eine Fallstudie zu fünf Übersetzern und zeigt die bedeutende Rolle von Netzwerken bei der Übersetzung englischer und niederländischer Erbauungsliteratur ins Deutsche von etwa 1660 bis 1700. Die Übersetzer und ihre Übersetzungen wurden interdisziplinär untersucht, wobei Methoden der Bibliometrie und analytischen Bibliographie, der Frömmigkeits-, Kirchen- und Theologiegeschichte sowie der Übersetzungswissenschaft und Netzwerkanalyse angewendet wurden. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden im Folgenden zusammengefasst. Dargestellt werden der soziale, theologische und religiöse Hintergrund der Übersetzer, ihre Motivation und die Rolle von Dritten, die Übersetzungen und die Vorlagen der Übersetzungen, die Übersetzungsmethode und der Bearbeitungsgrad, die Rezeption und Bedeutung der Übersetzungen innerhalb der reformierten und der lutherischen Konfession in der Zielkultur, der Einfluss der deutschen Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur auf den Pietismus und schließlich der Zusammenhang zwischen den englischen, niederländischen und deutschen Frömmigkeitsrichtungen, die in der Einleitung diskutiert wurden. Da sich die vorliegenden Daten zu den behandelten Übersetzern und ihren Übersetzungen auf einen sehr kleinen Teil aller deutschen Übersetzungen der englischen und niederländischen Erbauungsliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts beziehen, und bislang keine systematische Datensammlung über das gesamte Korpus vorliegt, ist es nicht immer möglich, den Wert der präsentierten Daten statistisch zu belegen. Das Kapitel endet mit einem Fazit und einem Ausblick auf weitere Forschung.
9.2 Sozialer, theologischer und religiöser Hintergrund der Übersetzer Alle Übersetzer stammten aus Nordwestdeutschland und waren hier den größten Teil ihres Lebens wohnhaft. Der geographische Bogen spannte sich dabei vom Niederrheingebiet bis zum Höhenzug Elm. Alle Übersetzer hatten eine Beziehung zur Stadt Bremen, sei es, dass sie in Bremen geboren wurden, dort lebten oder studierten oder Bekannte hatten. Zwei Übersetzer stammten aus einer
434
9. Schlussfolgerung
höheren sozialen Schicht: Johannes Duysing war der Sohn eines Brauers und seine Verwandten waren Ratsmitglieder der Stadt. Philipp Erberfelds Vater war Ratsapotheker. Dagegen kam Henning Koch aus einer niedrigeren sozialen Schicht, sein Vater war Schmied. Über Johann Deusings und Johann Christoph Noltenius’ soziale Hintergründe stehen uns keine Daten zur Verfügung. Hinsichtlich ihrer Ausbildung beziehungsweise ihrer sozialen Stellung kann man die Übersetzer in zwei Gruppen aufteilen, in Theologen und Beamte. Johannes Duysing und Henning Koch waren zu der Zeit, als ihre Übersetzungen erschienen, Pfarrer, Johann Christoph Noltenius war Theologiestudent. Johann Deusing und Philipp Erberfeld hatten beide Jurisprudenz studiert, Deusing erhielt den Beamtenstatus, Erberfeld wurde Anwalt. Aus heutiger Sicht mag es merkwürdig erscheinen, dass ein Beamter, Deusing, aus der Gruppe von sechs Übersetzern die meisten Übersetzungen angefertigt hat. Dies lässt sich damit erklären, dass die damalige Beamtenschaft über ein weitreichendes Netzwerk verfügte, das einen guten Zugang zu Ideen, Vermittlern und Verlagen bot. Dem britischen Historiker P. Burke folgend, waren europäische Übersetzer in der Frühen Neuzeit political go-betweens, und nach Feierabend cultural go-betweens.1 Überhaupt fällt die maßgebende Bedeutung von Juristen und Beamten für die damaligen Frömmigkeitsbewegungen auf. Hinzuweisen ist zum Beispiel auf Sir John Hayward (ca. 1564–1627) für den Puritanismus, Eeuwout Teellinck (1571– 1629) – Willems Bruder, der ebenfalls in beiden Rechten promovierte – für die Nadere Reformatie und schließlich Johann Jakob Schütz für den Pietismus.2 Einige Übersetzer kannten einander persönlich oder über Dritte. Duysing und Deusing waren vermutlich verwandt. Deusing und Erberfeld haben einander vermutlich auf dem Bremer Gymnasium kennengelernt. Henning Koch kannte Erberfeld zumindest vom Hörensagen (über Erberfelds Eltern und seinen Onkel Daniel und dessen Frau), vielleicht auch persönlich. Noltenius stand mit Conrad Wigemann in Kontakt, der wiederum mit Duysing bekannt war. Mit Ausnahme von Henning Koch, er war Lutheraner, waren alle Übersetzer reformiert. Im Hinblick auf die Lehre der Prädestination und der Reichweite von Christi Verdienst lassen sich unter den Bremer Theologen zwei Richtungen feststellen: die Universalisten und die Partikularisten. Die in den von Deusing übersetzten Baxter-Schriften zutage tretenden theologischen Auffassungen lassen vermuten, dass er zu den Universalisten zählte. Die Tatsache, dass die brandenburgisch-preußischen Fürsten Befürworter des Universalismus waren, macht es wahrscheinlich, dass ihr Hofprediger Noltenius dieselben Werte vertrat. Erberfeld hingegen war eher partikularistisch gesinnt, was aus seiner Übersetzung der Saldenus-Katechismen hervorgeht.
1 2
Vgl. Burke 2005a, 10. Vgl. auch Hattenhauer 1980, 154–156.
9.2 Sozialer, theologischer und religiöser Hintergrund der Übersetzer435
Bei Duysing, Deusing und Erberfeld lässt sich eine gewisse Offenheit gegenüber der lutherischen Konfession feststellen. Bei Duysing geht dies aus einer seiner Disputationen hervor. In Deusings Baxter-Übersetzungen wird zur Irenik und zum interkonfessionellen Austausch von Argumenten aufgerufen. Außerdem stand Deusing mit Johann Jakob Schütz in Verbindung. Erberfeld stand mit verschiedenen Lutheranern in Kontakt. Sicherlich hat die in Bremen vorherrschende irenische Theologie zu dieser Offenheit beigetragen. Außerdem hielt sich Erberfeld im irenisch geprägten Helmstedt auf und verbrachte viel Zeit mit seinem Onkel, der zur lutherischen Kirche übergetreten war. Auch seine Zeit in Berlin förderte und formte Erberfelds offene Haltung. Henning Koch, der aus Helmstedt stammte und dort studierte, war Ireniker. Seine irenische Haltung gegenüber der reformierten Konfession kommt insbesondere in seinen Übersetzungen von Texten des reformierten Theologen Joseph Hall und in seiner Bekanntschaft mit den Erberfelds zum Ausdruck. Noltenius verkehrte zwar seit seiner Amtszeit in Lüchow als Reformierter in einer isolierten Position inmitten eines nichtreformierten Umfeldes, doch in einem gewissen Maß pflegte er freundschaftliche Kontakte mit Lutheranern, zum Beispiel mit den Herren von dem Bussche. Ob Noltenius bereits als Student überzeugter Ireniker war, oder ob ihn die Saldenus-Schrift zur Irenik führte, muss an dieser Stelle offen bleiben. Der offene Kontakt der reformierten Übersetzer mit der lutherischen Konfession scheint sich allerdings auf reformbestrebte Lutheraner beschränkt zu haben, wie Erberfelds Ablehnung der Erlaubnis des lutherischen Gottesdienstes in Duisburg vermuten lässt: Er fürchtete das Eindringen leichter Sitten. In den Städten, in denen die Übersetzer vor oder während ihrer Übersetzungstätigkeiten lebten, lassen sich Einflüsse des Puritanismus oder der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung nachweisen: in Bremen (Duysing, Noltenius), Kassel (Duysing, Deusing), Berlin, Köln (Erberfeld) und Helmstedt (Koch). Noltenius’ Hinweis in der Widmung seiner Übersetzung ist in diesem Zusammenhang aufschlussreich: er stellte ein Florilegium von ins Deutsche übersetzten Abschnitten aus ausländischen, vermutlich niederländischen und englischen Erbauungsbüchern zusammen. Im Umfeld der meisten Übersetzer lassen sich Personen nachweisen, die englische beziehungsweise niederländische Erbauungsliteratur ins Deutsche übertrugen, und mit denen es vielleicht einen Austausch gab. Duysing stammte aus einer Familie südniederländischer Konfessionsmigranten, Deusing vermutlich ebenfalls. Burke kommt zu dem Ergebnis, dass es unter den produktivsten europäischen Übersetzern in der Frühen Neuzeit viele Migranten und unter ihnen vor allem protestantische Migranten gab. Gerade Migranten waren und sind cultural brokers (s. 2.6). Duysing, Deusing und Erberfeld standen in enger Verbindung mit Nachkommen südniederländischer Migranten: Duysing mit Lubert Formanoir, den Zobels und Theodor Undereyck, Deusing mit den Frankfurter und Hanauer Kauf-
436
9. Schlussfolgerung
leuten wie den Behaghels, Erberfeld mit der Familie Wouters, mit Johann le Brun, Gerhard von Mastricht und Cornelius de Hase.
9.2.1 Exkurs: Die Rolle von Nachkommen südniederländischer Konfessionsmigranten im deutschen reformierten Pietismus Die erwähnten Nachkommen von Südniederländern waren alle Anhänger des deutschen reformierten Pietismus. Nun gab es auch viele einheimische Deutsche, die dem reformierten Pietismus zugehörten. Die Rolle der erwähnten Personen und Familien sind aber Indizien dafür, dass die Nachkommen der Südniederländer einen wichtigen Beitrag zum deutschen reformierten Pietismus lieferten. Für Frankfurt am Main wurde dies schon von A. Deppermann aufgezeigt.3 Diese Ergebnisse sagen noch wenig über den quantitativen und qualitativen Anteil der südniederländischen Nachkommen am deutschen reformierten Pietismus aus; hierzu wären eingehendere Forschungen nötig. Die Tatsache aber, dass zwei der wichtigsten Vertreter des reformierten Pietismus, Undereyck und de Hase, südniederländischer Abstammung waren, ist bedeutungsvoll. Hervorzuheben ist, dass die südniederländischen Reformierten nicht nur den deutschen reformierten Pietismus beeinflussten und prägten. Auch in den Niederlanden, insbesondere in der reformierten Frömmigkeitsrichtung sowie in der Puritanismusrezeption, lässt sich ihr maßgebender Einfluss nachweisen. Die niederländische reformierte Frömmigkeitsrichtung wurde bis 1608 von Südniederländern dominiert, die dann auch wichtige Impulse für den Beginn der Nadere Reformatie gaben, und eine wichtige Minderheit innerhalb dieser Bewegung bildeten.4 An den niederländischen Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur hatten Übersetzer südniederländischer Herkunft in dem Zeitraum von 1598 bis 1622 den größten Anteil.5 Diese Daten könnten auf einen kausalen Zusammenhang schließen lassen. Auf der einen Seite stünden Opferbereitschaft, Fluchterfahrung und Ausgrenzungsprozesse und Restriktionen in der Gastgesellschaft, auf der anderen Seite ein radikales Verständnis vom Christsein, wie es für den Pietismus kennzeichnend war.6 In diesem Sinne kommt W. J. op ’t Hof zu folgendem Ergebnis: Religious refugees were by definition highly serious people in their religious conviction. By their escape they not only cut the tie with their past but also forfeited all their securities, while many of them suffered a financial drain as well. They were willing to sacri3
Vgl. A. Deppermann 2002, 10 f., 24, 143 f., 151, 153, 154. Vgl. Hof 2008b, 51 f. 5 Vgl. Hof 1987, 520 f., 613–616. 6 Vgl. zu diesem Thema auch: Kamp 2017. Ich danke Dr. Johannes Müller (Leiden), Dr. Jesse Spohnholz (Washington, D. C.). und Prof. Dr. Mirjam van Veen (Amsterdam) für Ihre konstruktiven Kommentare zu den nächsten Absätzen. 4
9.2 Sozialer, theologischer und religiöser Hintergrund der Übersetzer437
fice all that for their religion. This religious seriousness was intensified by the traumatic experiences of the hardships suffered during and after the escape, the general feeling of dislocation and the many insecurities in the new situation. Without exception these matters are in general very beneficial to Pietism. The combination of all this makes it understandable that many religious refugees could not approve of other people who were not so very particular in their life-style. They increasingly criticized abuses and started emphasizing the experience of Reformed doctrine and an according pious manner of life.7
Allerdings ist es problematisch, das Aufkommen pietistischer Neigungen ausschließlich mit den Flucht- und Leidenserfahrungen der Migranten zu begründen. Die Familien Duysing und Zobel aus Bremen belegen, dass es auch Pietisten unter den Nachkommen von Migranten gab, die in sozialer, kirchlicher und wirtschaftlicher Hinsicht keine Ausgrenzung erfuhren, und sich relativ schnell integrieren konnten, zum Beispiel in Bremen, Emden und Wesel.8 Johannes Müller weist darauf hin, dass die Erklärung von Op ’t Hof zwar für die erste Migrantengeneration gelten könnte, aber vermutlich nicht für die nachfolgenden Generationen. In seiner Dissertation über Erinnerungskulturen niederländischer protestantischer Migranten stellt Müller fest, dass pietistische Tendenzen oft erst in späteren Generationen aufkamen.9 Das Auftreten dieser Tendenzen erklärt Müller mit den Erinnerungskulturen im (Um-) Kreis der Migranten und mit der Außenwahrnehmung der Pietisten und Puritaner. Exilerfahrung galt nämlich in der Frühen Neuzeit in allen christlichen Konfessionen und unter Dissidenten im Christentum als Zeichen von Gottesfurcht. Dieser Gedanke war auch unter Konfessionsmigranten vorherrschend. Somit ist es wahrscheinlich, dass sich Nachkommen von Migranten vom Pietismus und Puritanismus und ihrem Streben nach Intensivierung der Frömmigkeit angesprochen fühlten. In der Außenwahrnehmung der Pietisten und Puritaner wurden Fremdengemeinden als Vorbilder betrachtet. Die Separatisten unter ihnen benutzten „Exil“ sogar als Metapher für die Abgrenzung von lauen Mitchristen. Unabhängig davon, ob man aus einer Migrantenfamilie stammte oder nicht, konnte es aus verschiedenen Gründen attraktiv sein, sich mit einer Flüchtlingsgemeinde und ihrer Erinnerungskultur zu identifizieren. In religiöser Hinsicht war es auf diese Weise möglich, sich von der vom Pietismus beklagten religiösen Lauheit positiv zu unterscheiden. Den Pietisten zufolge war das Engagement der Reformation innerhalb der Kirche fast verschwunden und nicht alle Besucher und Mitglieder 7
Vgl. Hof 1996, 250. zu niederländischen Exulanten in Emden und Wesel: Schilling 1972, passim; zu Wesel auch: Spohnholz 2011; zu reformierten Pietisten in Emden: Hollweg 1978; in Wesel: A. Deppermann 2002, 266–268. 9 Müller widerspricht dem Ergebnis von Grells Studie zu reformierten Migranten und ihren Nachkommen im 16. und 17. Jahrhundert. Grell zufolge haben reformierte Migranten sich nach dem Westfälischen Frieden in sozialer und kirchlicher Hinsicht zunehmend in ihren Gastgesellschaften integriert. Damit verschwand ihr Zugehörigkeitsgefühl zu einer von Verfolgung und Exil geprägten Gemeinschaft und ihrem „militant Calvinism“, vgl. Grell 2011. 8 Vgl.
438
9. Schlussfolgerung
der Kirche galten als wahre Christen. Indem man sich mit einer Flüchtlingsgemeinde identifizierte, konnte man beweisen, ein wahrer Christ zu sein. Als Kriterium für die Zugehörigkeit zu einer Migrantengemeinschaft galten nicht ethnographische Gründe. Viel wichtiger war es, sich mit der betreffenden Gemeinschaft zu identifizieren, was auch Personen möglich war, die nicht direkt oder gar nicht von Migranten abstammten. Die Identifikation mit einer Migrantengemeinschaft schloss übrigens nicht aus, sich auch mit der Gastgesellschaft zu identifizieren und an ihrer Erinnerungskultur teilhaben zu können.10 Müller hat richtigerweise beobachtet, dass pietistische Tendenzen manchmal erst in späteren Generationen aufkamen, und folglich nicht nur mit Erfahrungen der Migranten zu erklären sind. Seine aus der Wertschätzung der Exilerfahrung hergeleitete Erklärung erscheint plausibel. Allerdings birgt seine aus der Außenwahrnehmung der Pietisten und Puritaner hergeleitete Erklärung die Gefahr, pietistische Tendenzen nur als Strategie zur Steigerung des eigenen religiösen Status zu betrachten, wodurch andere Faktoren außer Acht gelassen werden. Erstens könnten Nachkommen von Migranten sich mit den radikalen Handlungen und Zielvorstellungen der Pietisten identifiziert haben, da sie diese leicht mit der Radikalität ihrer Vorfahren, einem wesentlichen Teil ihrer Erinnerungskultur, in Verbindung bringen konnten. Zweitens ist es wahrscheinlich, dass ihre überregionalen und internationalen (Handels-) Verbindungen das Eindringen pietistischer Einflüsse erleichtert haben.11 Drittens kann ein modellhaftes christliches Leben im Sinne des Pietismus als Instrument zur Verbesserung der Beziehungen mit der Gastgesellschaft gedient haben: diese, so die Annahme, würde ihren Argwohn beziehungsweise ihre feindliche Haltung gegenüber Migranten möglicherweise ablegen, wenn sie erkennen könnte, dass die Migranten vorbildlich lebten. Allerdings scheinen viele Migranten auch dann nach einem vorbildlich christlichen Leben gestrebt zu haben, wenn eine Verbesserung der Beziehungen mit der Gastgesellschaft nicht notwendig war. Jesse Spohnholz hat für Wesel gezeigt, dass die dortigen niederländischen Migranten ab 1578 sich in politischer, wirtschaftlicher und kirchlicher Hinsicht der Gastgesellschaft anpassten und gleichzeitig die Kirchenzucht in der eigenen Gemeinde intensivierten.12 Assimilation und Intensivierung der Kirchenzucht scheinen auf den ersten Blick entgegengesetzte Mechanismen zu sein. Man kann sie aber auch als einander verstärkende Mechanismen interpretieren: Assimilation würde bei Erfolg zur Steigerung der Wertschätzung von Migranten durch die Gastgesellschaft führen. Diese Wertschätzung konnte noch verstärkt werden durch ein vorbildhaftes moralisches Leben, zum Beispiel durch Intensivierung der Kirchenzucht. Um10
Vgl. J. Müller 2016, 179–208. Vgl. J. Müller 2016, 207 f. 12 Vgl. Spohnholz 2013. 11
9.3 Die Motivationen zu den Übersetzungen439
gekehrt würde eine strengere Kirchenzucht zur Steigerung der Wertschätzung führen, die durch Assimilierung verstärkt werden konnte. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass diese Mechanismen durch lokale Faktoren bedingt waren, und dass die Intensivierung der Kirchenzucht nur zur Wertschätzung vonseiten der Gastgesellschaft geführt haben wird, solange sie nicht mit religiösem Radikalismus einherging.
9.3 Die Motivationen zu den Übersetzungen Die folgende Tabelle zeigt die literarische Produktivität der Übersetzer. Dabei werden nicht nur die Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur, sondern auch alle weiteren Schriften und Beiträge13 der Übersetzer berücksichtigt. Übersetzer
Übersetzungen Titel
Duysing 1 Deusing 15 Erberfeld 6 Noltenius 1 Henning Koch 6 (+2)14
1 19 6 1 4 (+2)
Auflagen Sonstige Übersetzungen/ eigene Schriften
Beiträge
1 29 8 1 12 (+5)
4 0 5 0 9
5 3 5 1 5
Tafel 1: literarische Produktivität der Übersetzer Erläuterung: Übersetzungen: gedruckte und nichtgedruckte Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur; Titel: vollständig übersetzte Titel; Sonstige Übersetzungen und eigene Schriften: weitere gedruckte Übersetzungen, Schriften, Bearbeitungen, Personalschriften (unter eigenem Namen, unter Initialen oder einem Pseudonym) und Disputationen (Respondent und/oder Autor); Beiträge: Beiträge zu gedruckten Schriften, die unter dem Namen eines anderen Autors veröffentlicht wurden.
Betrachtet man die Zahlen der Übersetzungen im Verhältnis zur Gesamtproduktivität der Übersetzer englischer und niederländischer Erbauungsliteratur des 17. Jahrhunderts, so gehört aus der oben genannten Gruppe nur Deusing zu den produktivsten Übersetzern dieser Literaturform in diesem Zeitraum.15 Johann Christoph Salbach16 (1640–1708) hat neunzehn Schriften,17 Deu13
S. für eine Liste: Anh. 1. Die Zahlen in runden Klammern beziehen sich auf die unter dem Namen Balthasar Gerhard Koch erschienenen Schriften. 15 Vgl. Hof 2001a, 350. 16 Vgl. Sträter 1987, 15 f., 40, 42, 101 f., 110; Hof 2001a, 350–352. 17 Für Salbach und Lange werden hier die Zahlen von McKenzie 1997 (General Index with Entry Numbers) und IÖB (Register der Übersetzer) benutzt. Neue bibliographische Recherchen, die im Rahmen dieser Untersuchung zu aufwändig wären, könnten diese Zahlen al14
440
9. Schlussfolgerung
sing18 fünfzehn und Johann Lange (gest. 1695) dreizehn Schriften übersetzt. Deusing entspricht dem Typus des Vielübersetzers, der vermutlich im hohen Tempo eine Übersetzung nach der anderen anfertigte. Einige Fragmente der übersetzten Texte nutzte er für sein Kompendium für Kaufleute, weshalb die Schriften erst wesentlich später vollständig veröffentlicht wurden. Bezieht man die Zahlen auf das Korpus dieser Arbeit, lässt sich Folgendes feststellen. Hinsichtlich der Anzahl der Übersetzungen, Titel und Auflagen englischer und niederländischer Erbauungsbücher überragt Deusing bei weitem die anderen Übersetzer. Ihm folgen Erberfeld und Henning Koch, wobei sie nicht einmal halb so viele Texte übersetzten wie Deusing. Richtet man den Blick auf die Anzahl der Übersetzungen niederländischer und englischer Erbauungsliteratur, haben Duysing und Noltenius nur eine Schrift übersetzt. Außerdem lassen sich die Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsbücher in die gesamte literarische Produktion der einzelnen Übersetzer einordnen, und zwar sowohl in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Duysing hat nur ein Erbauungsbuch übersetzt. Allerdings verfasste er fünf weitere Schriften und vier Beiträge, womit er Deusing zu übertreffen scheint. Doch der Umfang von Deusings sonstigen Übersetzungen, er übersetzte zwei dicke Folianten, überragt den Umfang von Duysings Übersetzungen bei Weitem. Henning Koch und Erberfeld haben neben ihren Übersetzungen von englischen und niederländischen Erbauungsbüchern die meisten eigenen Schriften und Beiträge verfasst. Auch in qualitativer Hinsicht lassen sich Unterschiede zwischen den Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur und den sonstigen literarischen Produkten ziehen. Duysing verfasste vor allem akademische Kurzschriften und Personalschriften, Deusing legte seinen Schwerpunkt auf Reisebeschreibungen. Erberfeld schrieb hauptsächlich Gedichte, Henning Koch verfasste – amtsbedingt – vorrangig Leichenreden und Personalschriften. Duysing und Deusing haben somit den erbaulichen Rahmen zum Teil überschritten, obwohl auch Reisebeschreibungen von erbaulichem Wert waren. In konfessioneller Hinsicht hat Erberfeld mit seinen Beiträgen zur Hugo-Bearbeitung die Grenzen des Protestantismus überschritten. Allerdings ist der mystische Inhalt dieser Schrift mittels einer leichten Bearbeitung der Vorrede – vermutlich durch Erberfeld selbst – dem theokratischen Streben nach Reform im Sinn der Nadere Reformatie untergeordnet worden. Vor allem Erberfelds (spätere) schriftliche Zeugnisse spiegeln inhaltlich seine Übersetzungen niederländischer Erbauungsbücher. Auch bei Duysing und Henning Koch lassen sich inhaltliche Parallelen zwischen ihren Übersetzungen und anderen schriftlichen Zeugnissen feststellen. lerdings verändern. Für Salbach verzeichnet McKenzie 1997 18 Schriften, IÖB, 156, B10 eine Übersetzung aus dem Niederländischen. 18 McKenzie 1997 verzeichnet 11 Schriften, IÖB, 182, T2–5 die beiden Teellinck-Schriften.
9.3 Die Motivationen zu den Übersetzungen441
Alle Übersetzer, die mehr als eine Schrift übersetzt haben, legten den Schwerpunkt auf einen bestimmten Autor: Deusing auf Baxter, Erberfeld auf Saldenus, die Kochs auf Hall. Deusings Übersetzungskorpus zeigt hinsichtlich der Autoren die größte Varianz. Neben den vielen Baxter-Schriften übersetzte er mehrere Schriften von Teellinck und Bolton. Die Übersetzungen lassen sich in unterschiedliche Textgattungen einteilen: in Abhandlung, Monolog, Dialog, Predigt, Kasuistik, Katechismus, Meditation, Brief, Ordensregel und character book. Bezüglich der Gattungen lässt sich bei Deusing und den Kochs die größte Variation feststellen. Zwischen den verschiedenen Titeln gibt es Niveauunterschiede: Die meisten Baxter- und Saldenus-Übersetzungen sind aufgrund ihres dogmatischen Charakters und ihrer systematisch-theologischen Exkurse deutlich anspruchsvoller als die Teellinck- und Hall-Übersetzungen. Teellincks Newes Jerusalem und Baxters Hausbuch waren bewusst darauf angelegt, zum Teil schwierige theologische Lehrsätze auf einfache Weise in Dialogform zu diskutieren. In thematischer Hinsicht lassen sich bei den Übersetzern, die mehrere Schriften übertragen haben, nur bei Deusing allgemeine Schwerpunkte entdecken: die Wiedergeburt und die Lebensheiligung. Bei ihm lässt sich auch eine allmähliche Schwerpunktverlegung vom ersten auf das zweite Thema nachweisen. In den Übersetzungen von Erberfeld und in jenen der Kochs gibt es eine hohe thematische Variation. Erberfelds Übersetzungen behandeln die Merkmale der wahren Gottseligkeit im Gegensatz zur Scheingottseligkeit, die Früchte des Abendmahls, die Glaubenslehre und die daraus hervorgehende Praxis sowie die Todesvorbereitung. Die Übersetzungen der Kochs thematisieren die Passion, den wahren Seelenfrieden, das Studentenleben, den politischen und kirchlichen Frieden, die Todesvorbereitung, das Kreuztragen, die Klage über den elenden Zustand der Kirche, den christlichen Umgang mit Reichtum und gute und böse Charaktere. Duysings und Noltenius’ Übersetzungen sind dem allgemeineren Thema des innerlichen geistlichen Lebens zuzuordnen. Einige von Deusings Übersetzungen behandeln die äußerlich-ethische Seite der Frömmigkeit: Teellincks Newes Jerusalem, das Kompendium für Kaufleute, Boltons Noah göttlichem Wandel, Baxters Hausbuch und Die Auskauffung der Zeit. Die Mehrzahl von Erberfelds Übersetzungen behandelt das innerliche geistliche Leben, doch seine TeellinckÜbersetzung ist ein Programm für die Verwirklichung der Frömmigkeit auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Einige der Übersetzungen der Kochs behandeln äußerliche Aspekte der Frömmigkeit: Wahrer Studenten-Ruhm, der Buchteil Der heilige Orden und Der gerechte Mammon. Die Übersetzer haben ihre Übersetzungen in verschiedenen Phasen ihres Lebens angefertigt: Noltenius und Balthasar Gerhard Koch waren Studenten, Duysing war junger Pastor und Erberfeld hatte sich soeben von seinen Karrierevorstellungen verabschiedet. Deusing war vor allem im mittleren Lebensalter als Übersetzer tätig.
442
9. Schlussfolgerung
Die Motivation jedes Einzelnen, sich als Übersetzer zu betätigen, war vermutlich unterschiedlich und mitunter vielschichtig. Einer der Beweggründe von Deusing, Erberfeld und Noltenius bestand sicherlich in dem Wunsch, die eigene finanzielle Situation zu verbessern. Im Hinblick auf die Motivation ist außerdem zu beachten, dass die Übersetzer sich mehrheitlich mit den übersetzten Inhalten identifizieren konnten, was auch in den Widmungen und Vorreden der Übersetzungen zum Ausdruck kommt: Hier wird der Inhalt der Übersetzungen aufgegriffen, reflektiert und praktisch umgesetzt. Ebenso werden Gedanken und Motive erkennbar, die zu den Charakteristika der englischen und niederländischen Erbauungsliteratur gehören: Wiedergeburt als Prozess und als Umbrucherfahrung, Bekehrung, Selbstverleugnung, praktische und konkrete Lebensheiligung und die innerliche geistliche Erfahrung mit ihren Höhen und Tiefen. Auch die religiösen Kontakte, die die Übersetzer pflegten, können Aufschluss über ihre Gesinnung geben. Deusing legte seine innere Haltung offen als er schrieb, dass ihm die von ihm übersetzte Sibbes-Schrift viel Trost verschafft hätte. Noltenius führte ein Florilegium mit Zitaten aus Erbauungsliteratur, woraus seine Saldenus-Übersetzung resultierte. Balthasar Gerhard Koch hat seine zwei Übersetzungen vielleicht nur angefertigt, um die Übersetzungsarbeit seines Vaters Henning zu vollenden. Innere Identifikation mit den Textinhalten leitete die Übersetzer zur Erbauung an. Erberfeld gestand, dass er seine Übersetzungsarbeit als Erfüllung seiner Aufgabe als königlicher Priester und seine Übersetzungsprodukte als Hilfe beim Bibelstudium verstand. Auch in den Fällen, wo die Beweggründe nicht explizit genannt werden, lassen die Widmungen und Vorreden vorsichtige Annahmen über die Intentionen der Übersetzer zu. Die meisten Widmungen und Vorreden von Duysing, Deusing und Erberfeld sind klagender und auffordernder Art. Sie beklagen den Verfall der Frömmigkeit und fordern auf zur Selbstprüfung im Hinblick auf Wiedergeburt und Heiligung. Offensichtlich verfolgten die Übersetzer das Ziel, die Leser zur Selbstprüfung, zur Bekehrung und zur von der Bibel normierten Lebenspraxis aufzufordern. Auch da, wo die Klage nur leicht anklingt, zum Beispiel bei Koch, der bemängelt, dass die Wiedergeburt so wenig beachtet wird, wird die Aufforderung zur Selbstprüfung erkennbar. In diesen Fällen zielte die Übersetzung wohl auf Evangelisation ab: die Bekanntmachung des Evangeliums vor einem Publikum, das bestimmte Aspekte des Evangeliums nicht (mehr) beachtet.19 Die Funktion von Duysings Übersetzung kann als schriftliche Seelsorge bezeichnet werden, die als Ersatz für mündliche Seelsorge diente. Mit der Übersetzung von Teellincks Hauptschrift beabsichtigte Erberfeld, dem Verfall ent19 Burke setzt die Arbeit von Übersetzern und Missionaren in Parallele und weist in diesem Zusammenhang auf die Übersetzungen der Schriften von William Perkins hin, die in ganz Europa erschienen, vgl. Burke 2007a, 16 f.
9.3 Die Motivationen zu den Übersetzungen443
gegenzuwirken, und einen Beitrag zur Reformation von Kirche und Gesellschaft zu leisten. Erberfelds Übersetzungen erschienen erst nach seinem Bekehrungserlebnis und sind somit als dessen Folge zu betrachten. Dass die Übersetzer Evangelisation anstrebten, heißt nicht immer, dass sie sich völlig mit den Inhalten der von ihnen übersetzten Schriften identifizierten. Die Tatsache, dass sich Erberfeld als Schultheiß in Duisburg römischen Katholiken und dem Konsistorium der reformierten Gemeinde gegenüber nicht an die Vorschriften von Teellincks Programm hielt, deutet darauf hin, dass er die Schrift nicht als festes Programm, sondern als Orientierungsmodell verstand. Bei Henning Koch könnten auch literarische Interessen eine Rolle gespielt haben, galten doch die übersetzten Hall-Schriften aus gattungstypischer (Passionsmeditation, Ordensregel, character book) und literarischer Hinsicht als hochrangig. Ein Indiz dafür ist, dass Koch in seiner Widmung an die Erberfelds zeigt, sich der Besonderheit von Halls Meditationskunst im deutschen Kontext bewusst zu sein. Die Zusammenstellung der Übersetzungskorpora gibt Aufschluss über die Selektionskriterien einzelner Autoren und Titel. Deusings Übersetzungskorpus umfasst Texte von Autoren, die sich in ekklesiologischer (Presbyterianismus, Kongregationalismus, Episkopalismus), liturgischer (Anpassung an die Liturgie der Church of England oder nicht) und theologischer Hinsicht (Rechtfertigungslehre, Soteriologie) sehr unterscheiden. Dies führt zu der Annahme, dass Deusing vorrangig den erbaulichen Charakter der Originale vermitteln wollte. Trotz des Vorrangs der Frömmigkeit gegenüber Dogmatik, Ekklesiologie und Liturgie20 hatte Deusing auch dogmatische Präferenzen. Vermutlich legte er den Schwerpunkt auf Baxters Schriften, weil diese seinen eigenen theologischen Auffassungen am nächsten kamen. Erberfelds Vorliebe für Saldenus’ Schriften lässt vermuten, dass er sich in dogmatischer Hinsicht mit ihm, mit der Dordrechter Lehre, verbunden fühlte. Das wird damit zusammenhängen, dass am Niederrhein die Dordrechter Lehrbeschlüsse, wenn nicht kirchenrechtlich, so doch praktisch rezipiert wurden.21 Dass Erberfeld auch eine Schrift des Jesuiten Hermann Hugo übersetzte, zeigt seine Bereitschaft, die Stellung der Dogmatik bis zu einem gewissen Grade zu relativieren. Vor diesem Hintergrund sind die Hall-Übersetzungen der Kochs interessant, weil es sich hier um Übersetzungen reformierter Schriften durch lutherische Theologen handelt. Auf Seiten der Kochs würde man in erster Linie einen Vorrang der Frömmigkeit gegenüber der Dogmatik erwarten. Dass die Kochs Halls Schriften auswählten und übersetzten, lässt sich mit dessen irenischer Hal20 Zu diesem Ergebnis kam schon Zabel 1942, 122, im Hinblick auf deutsche Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur. Bezüglich niederländischer Übersetzungen stellte Op ’t Hof das gleiche fest, vgl. Hof 2001a, 325 f. 21 Vgl. Faulenbach 1971/2.
444
9. Schlussfolgerung
tung bezüglich ekklesiologischer, liturgischer und dogmatischer Fragen erklären.22
9.4 Die Rolle von Dritten und von Netzwerken Auf allen Ebenen der Übersetzungsarbeit, der Produktion, Distribution und Rezeption, spielten Dritte oft eine zentrale Rolle. Anhand ihrer Aufgaben können die Mitwirkenden in folgende Gruppen eingeteilt werden: hinsichtlich der Produktion in Anreger, Übersetzer, Beiträger, Vermittler, Verleger und Drucker, hinsichtlich der Distribution in Widmungsempfänger und Distributeure und hinsichtlich der Rezeption in Besitzer von Schriften und Leser. Bezüglich der Produktion ist insbesondere an Verleger zu denken, die kommerzielle Interessen verfolgten, gegebenenfalls kombiniert mit religiösem Interesse. Vermutlich entstand ein Teil von Deusings Übersetzungen auf Anregung niederländischer Verleger, die auf der Frankfurter Buchmesse anwesend waren. Auch für den Bremer Verleger Hermann Brauer, der Noltenius’ Saldenus-Übersetzung herausgab, könnten kommerzielle Interessen eine Rolle gespielt haben. Anhaltspunkte für die Bedeutung von Anregern finden sich insbesondere in den Widmungen und Vorreden der Übersetzungen. Duysing weist Formanoir als Anreger seiner Arbeit aus. Deusing teilt in seiner Übersetzung von Teellincks Soliloquium mit, dass er die Übersetzung auf Bitten von einigen Frommen übersetzt hat. Das gleiche gilt für Noltenius’ Übersetzung. Für die Übersetzungen von Deusing und Erberfeld lässt sich nachweisen, dass sie auf Anregung Theodor Undereycks entstanden sind, der viele dieser englischen und niederländischen Erbauungsbücher in seinem Kompendium Christi Braut zitiert hatte, und dessen theologische Auffassungen entsprechend geprägt waren. Auch die Übersetzungen von Duysing und Noltenius sind im Umkreis des reformierten Pietismus um Undereyck in Bremen entstanden. Während Undereyck in Christi Braut nur einzelne Kerngedanken der englischen und niederländischen Erbauungsliteratur darstellen konnte, haben Deusing und Erberfeld die von Undereyck zitierten oder angeführten Autoren, theologischen Grundgedanken, Themen und Quellen aufgenommen und erweitert. Als Beispiel dafür dient der theologische Grundgedanke Baxters, wonach wahrer Glaube darin besteht, Gott stärker zu begehren als die Welt. Während Undereyck diesen Gedanken in seine Schriften aufgriff, wurde er von Deusing im Zuge seiner Übersetzungsarbeit weiter ausgeführt und zugänglich gemacht. In einzelnen Fällen wurden Defizite in Undereycks Schrift ausgeglichen. So ergänzte Deusing in sei22 Diese Erklärung trifft auch für die erfolgreiche Übersetzung seiner Schriften ins Französische durch den römisch-katholischen Moralisten Urbain Chevrau (1613–1701) zu, vgl. Ascoli 1930, Bd. 2, 87–89, 93–101.
9.4 Die Rolle von Dritten und von Netzwerken445
nem Kompendium für Kaufleute zum Beispiel den Bereich der Berufsethik, der von Undereyck unberücksichtigt blieb. Indem Undereyck zur Anfertigung von Übersetzungen anregte, konnte er seine theologischen Auffassungen an andere weitergeben. Undereycks Anregungen zur Produktion von Erbauungsliteratur zeigen deutliche Parallelen zu seinem strategischen Auftreten bei den Pfarrstellenbesetzungen in Bremen. In Deusings Umfeld könnte es weitere Personen gegeben haben, die ihn dazu veranlassten, als Übersetzer tätig zu werden, und zwar Personen am Hof in Hessen-Kassel. Deusing widmete zwei seiner Übersetzungen den hessischen Fürstinnen Charlotte und Elisabeth, die auch mit Undereyck bekannt waren. Einige Jahrzehnte zuvor hatten zwei pfälzische Pfarrer den Gräfinnen ein Erbauungsbuch gewidmet. In der Widmung äußerten die Pfarrer den Wunsch nach einer Systematik über die Praxis der Gottseligkeit, die aus englischer Erbauungsliteratur zusammengestellt werden sollte. Ihr Wunsch wurde von anderen Pfälzern geteilt (s. 2.4). Das Projekt wurde von John Durie unterstützt, der sich später, ungefähr zur selben Zeit wie Deusing, am Kasseler Hof aufhielt. Man könnte somit Undereycks Kompendium Christi Braut23 und Deusings Übersetzungen als Weiterführung des pfälzischen Projekts betrachten. Dass dritte Personen auf unterschiedlichen Ebenen der Übersetzungsarbeit eine bedeutende Rolle spielten, zeigen auch Schütz’ Unterstützung bei Erberfelds Suche nach einem Drucker (Produktion) und sein Kauf von einem Fass mit Sibbes-Übersetzungen von Deusing (Distribution), die Rolle der Widmungsempfänger von Deusings Übersetzung als Verkaufsförderer (Distribution) und die Ausleihe von Büchern, die vermutlich am Hof BraunschweigWolfenbüttel stattfand (Rezeption). Die Widmungen an vermutlich reiche Personen wie Formanoir, Meier und die hessischen Fürstinnen können auch als Bitten um oder Danksagungen für finanzielle Unterstützung verstanden werden. Die Beziehungen der einzelnen Akteure überlappen sich: Undereyck hat vermutlich Duysing, Deusing und Erberfeld zum Übersetzen angeregt, Deusing und Erberfeld hatten Verbindungen zu Schütz und den Frankfurter und Hanauer Kaufleuten. Es handelte sich folglich um ein multiplexes Netzwerk. Schütz war Makler zwischen verschiedenen Netzwerken. Er hatte Verbindung zu (radikalen) Pietisten, Chiliasten, Labadisten und Mystikern, und zwar zu Individuen und Gruppen der lutherischen und der reformierten Konfession. Auf diese Weise verknüpfte er mehrere Netzwerke miteinander. Alle Verbindungen, die er pflegte, lassen sich mit einem Ziel in Verbindung bringen, der Förderung der (verfallenen) Frömmigkeit. Er selbst schloss sich keiner die-
23 Undereyck hat eine Schrift von einem der Pfälzer (Peter Streithagen, Homo novus, 1658) mehrmahls zitiert, vgl. Undereyck, Christi Braut, Tl. 1, 38 f., 72–74; Tl. 3, 155 f., 178, 196 f., 315 f.
446
9. Schlussfolgerung
ser Gruppen an, sondern hielt eine gewisse Distanz.24 Gerade durch diese eher distanzierten Beziehungen war Schütz im Stande, einzelne Netzwerke zu verbinden, und somit unterschiedliche Gedanken und Ideen zu verbreiten. Den Frankfurter und Hanauer Kaufleuten, die weitreichende Handelsverbindungen hatten, wurde in Deusings Widmung die Rolle der Multiplikatoren zuteil. Die einzelnen Akteure beteiligten sich auch an anderen Netzwerken. Undereyck, Duysing, Deusing, Erberfeld und Noltenius beteiligten sich am Netzwerk der Bremer reformierten Pietisten, die ersten drei wirkten auch am Kasseler Netzwerk mit. Erberfeld stand auch mit den reformierten Pietisten am Niederrhein in Verbindung. Henning Koch hatte Kontakt zu Daniel Erberfeld und dessen Frau in Helmstedt sowie zu Daniels Bruder in Bremen. Auch daraus geht hervor, dass die Beziehungen der einzelnen Übersetzer sich überschnitten. Wegen mangelnder Quellenlage weiß man nicht, ob diese Individuen und Gruppen eine Rolle bei der Übersetzungsarbeit der Übersetzer spielten. In der Abbildung (S. 447) werden die (angenommenen) Beziehungen, die der Produktion, Distribution oder Rezeption der Übersetzungen dienten, mit durchgehenden Linien dargestellt. Auch (angenommene) familiäre, kollegiale oder freundschaftliche Beziehungen werden berücksichtigt und mit gestrichelten Linien kenntlich gemacht. Die ersten beiden Ebenen beziehen sich auf die Produktion: Anreger und Beiträger werden in der ersten Ebene aufgeführt, Übersetzer in der zweiten. Die dritte Ebene stellt die Distribution dar, die vierte Ebene die Rezeption.
9.4.1 Exkurs: inhaltliche Charakterisierung des deutschen reformierten Pietismus In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass Erberfeld und Schütz mit einem Netzwerk von reformierten Pietisten am Niederrhein in Verbindung standen. Dieses Netzwerk war wiederum mit Gleichgesinnten und Netzwerken in den über die Handelswege gut erreichbaren Städte Bremen, Frankfurt, Hanau, Heidelberg (Daniel Spanheim) und Kassel (Johann Deusing) verbunden. Dass die Auftraggeber der sogenannten Frankfurter Landkompagnie,25 die Widmungsempfänger der verschiedenen Auflagen von Neanders Liederbuch26 und die Beteiligten an einer 24
Vgl. A. Deppermann 2002. Kompagnie wurde gegründet, nachdem William Penn 1681 zum Landerwerb und zur Auswanderung in die von religiöser Unterdrückung freie Neue Welt einlud. 1683 waren unter anderen Schütz, van de Walle, Daniel Behaghel Teilhaber dieser Kompagnie; 1685 kamen Thomas von Wylich, Johann le Brun und Gerhard von Mastricht hinzu, vgl. A. Deppermann 2002, 327–335. 26 Die Erstauflage von 1680 war unter anderen Jacob van de Walle und Johann le Brun gewidmet; die 1686 bei Luppius in Wesel erschienene Auflage war Schütz, Mastricht, Wylich, Walle, David von den Enden, den Herren Meinertzhagen, Johann von Stockum und Johann le Brun gewidmet, vgl. A. Deppermann 2002, 248, 268. 25 Die
Hof Braunschw.Wolfenb. Buchbesitzer
Elisabeth Juliane von Braunschw.Wolfenb. Buchbesitzer
Johann Jakob Schütz Frankfurt Vermittler
Henning Koch, Helmstedt Übersetzer
Daniel Erberfeld u. Frau, Helmstedt
Eltern v. Erberfeld, Bremen
J. C. Noltenius, Theda/Bremen Übersetzer
Conrad Wigemann Beiträger
John Durie Anreger?
Verleger Frankfurt/Hanau Verleger
Philipp Erberfeld, Köln Übersetzer
Charlotte u. Elisabeth v. Hessen-K. Anreger ?/Verkaufsförderer
Kaufleute Frankfurt/Hanau Verkaufsförderer
Johannes Duysing, Kassel Übersetzer
Johannes Duysing, Bremen Übersetzer
Elisa Meier Verkaufsförderer
Theodor Undereyck Anreger
Lubert Formanoir Anreger
9.4 Die Rolle von Dritten und von Netzwerken447
448
9. Schlussfolgerung
Obligation aus dem Jahre 1680 aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands kamen, zeugt von der geographischen Reichweite der reformiert-pietistischen Frömmigkeitsbewegung.27 Eine Vielzahl der deutschen reformierten Pietisten organisierte sich in losen Netzwerken. Auch wenn längst nicht alle Anhänger des Pietismus aktiv an der Produktion, Distribution und Rezeption von Erberfelds Übersetzungen beteiligt waren, bildeten sie das gleichgesinnte Umfeld, in dem Erberfeld seine Frömmigkeitsbestrebungen vorantreiben und entfalten konnte. Als Ergänzung und Erweiterung des bisherigen Forschungsstandes werden im Folgenden die organisatorischen und inhaltlichen Strukturen des deutschen reformierten Pietismus zusammengefasst.28 Durch verwandtschaftliche Beziehungen waren die Anhänger des reformierten Pietismus untereinander eng vernetzt. Die meisten Anhänger kamen aus den höheren Schichten der Gesellschaft. Darunter waren Kaufleute, Juristen, Pfarrer, Theologen, Obrigkeitspersonen und Adlige (die Gräfinnen von Leiningen, geborene von Dhaun-Falkenstein). Innerhalb der Netzwerke wurden Ehen zwischen Adeligen und Nichtadeligen geschlossen, so heiratete Charlotte Auguste von Dhaun-Falkenstein Arnold Sibels. Die meisten reformierten Pietisten waren männlich. Die wenigen Frauen, die sich der Bewegung anschlossen, wurden aufgrund ihrer herausragenden Frömmigkeit öffentlich gelobt und geehrt.29 27 Vgl. Von Gottes gnaden, wir Philipp Wilhelm, Pfaltzgraff bey Rhein […] thun kundt und bekennen hiemit; demnach uns Gerhardt von Mastricht … für sich, und unterbenente mitverschiessende Creditoren und MitInteressirte […] zu erkennen gegeben, waßgestalten sie zu folg unserer gnädigster Bewilligung […] den […] Emich Christian, Graffen von Leyningen, und dessen MitInteressirten die Summa von fünffzehen tausend Reichsthaler auff das uns lehnrühriges Schloß und Herrlichkeit Bruch vorgestreckt, o. O. 1680 (SBB, Sign.: in: Libri impr. rari fol. 622). Einem Abkommen vom 9. Oktobers 1678 gemäß gewährten mehrere Personen der gräflichen Familie Dhaun-Falkenstein einen Kredit von 15 000 Reichstalern für das Schloss und die Herrlichkeit Broich. Die Familie war auf den Kredit angewiesen, da Emich Christian von Leiningen als Bevollmächtigter der Gräfinnen Dhaun-Falkenstein ihrem Lehnherrn Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg diese Summe nicht bezahlen konnte. Zu den Kreditgebern gehörten Gerhard von Mastricht, Johann le Brun, die Wittwe von Hendrich Wyntgens in Duisburg, Gertraud Hermes, verwitwete Meyers, Catharin Schrijvers, genannt Grevincks, Sara Wolters, genannt de Hase, Jacob Meinertzhagen, Jacob van de Walle aus Frankfurt, Arnold Landgrötger, Peter d’Orville aus Frankfurt, Jan van de Wall aus Wesel und Mitinteressierte, Johan Peter Schöneman, Lieutenant Mieg, Arnold Sibels, Gualtherus Boudaan, Joost de Smeth, Louis de Labistraet und Mitinteressierte, Jacob de Nijs, Bernhard von Bronckhorst und Mitinteressierte, Thomas von Wylich, Dr. med. Wilhelm Beeckman, Anna Elisabetha Wild- und Rheingräfin, Daniel Behaghel und Christina Louise Gräfin von Leiningen. Erberfeld fehlt hier, aber aus der Widmung in der Hugo-Schrift ist zu vermuten, dass er sich mit den Angelegenheiten der Gräfinnen auskannte. Vgl. über die Streitigkeiten über die Erbfolge und über die Gräfinnen Dhaun-Falkenstein: G. Jansen 1941, 21 f., 25–37. 28 Eine ausführliche Inventarisierung von deutschen reformierten Pietisten und deutschen reformiert-pietistischen Gemeinden findet sich bei Faulenbach 1977/8 und J. F. G. Goeters 1993. 29 Undereyck überließ seiner Frau die Leitung dreier Hausversammlungen und zwar mit Mädchen, kleinen Kindern sowie Dienstpersonal und ungebildeten Christen. Er verteidigte
9.4 Die Rolle von Dritten und von Netzwerken449
Reformierte Pietisten unterhielten intensive Kontakte zu lutherischen Pietisten (Schütz) und spiritualistischen Kirchenkritikern (Breckling) und sie besaßen eine gewisse Offenheit gegenüber Labadisten und Quäkern.30 Die theologisch-religiösen Vorstellungen des reformierten Pietismus lassen sich auf Basis literarischer Zeugnisse seiner Anhänger mit folgenden Stichworten zusammenfassen: ein rein äußerlich anständiges Verhalten reicht nicht aus für die Seligkeit, Unterscheidung zwischen Scheinchristen und wahren Christen, Gefahr des Selbstbetrugs bezüglich des eigenen geistlichen Zustands, Unterscheidung zwischen dem breiten und dem schmalen Weg, Wiedergeburt als Erkenntnis des Selbstbetrugs, als Suche nach Jesus und als radikaler Lebensumbruch, Selbstverleugnung, Kreuztragen und Zufriedenheit mit dem von Gott geschickten Kreuz, Ertragen von Spott wegen der eigenen religiösen Gesinnung und des damit einhergehenden Lebenswandels, Enthaltung von allen möglichen Hindernissen der Seelenruhe, ein geistliches Leben, das von Höhen (überragende geistliche Freude) und Tiefen (Seelenangst, geistliche Verlassenheit) geprägt ist, die Verherrlichung Gottes und Jesu als höchstes Lebensziel und Lebensheiligung durch den Glauben. Aus theologie- und frömmigkeitsgeschichtlicher Perspektive wurde der deutsche reformierte Pietismus durch verschiedene Einflüsse geprägt. Die Vorstellung von der Allgenugsamkeit Gottes ist augustinisch. Aus der Mystik stammen folgende Gedanken: die Aufteilung der Gnadenerfahrung in Stufen nach dem Schema Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung, die völlige und bedingungslose Übergabe an Gott und Christus dem Erlöser, Heiligmacher und Vorbild, Kreuztragen, Selbstverleugnung, Erduldung der Verachtung der Welt, Tötung des Fleisches, Zufriedenheit mit Gottes Fügung und den Höhen und Tiefen in der geistlichen Erfahrung. Die Aufforderung zu einem gewissenhaften und vorsichtigen Lebenswandel erinnert an den Puritanismus und die voetianische praecisitas. Die Bundeslehre stammt von Coccejus. Der Gedanke, dass die Oberherrschaft Christi über den alten Adam das Merkmal aufrichtiger Liebe zu Gott ist, wurde von Baxter übernommen. Den Undereyckschen Begriffen Verklärung, Hallelujah und Laodicea begegnet man wiederholt in Veröffentlichungen reformierter Pietisten. diese Praxis gegen die Beschwerden des Bremer Ministeriums mit Hinweis auf Priscilla in der Apostelgeschichte und auf die Frau Calvins, vgl. Jou 1994, 170 f. In seinem Närrischen Atheist hat Undereyck ein ganzes Kapitel der Verteidigung der These gewidmet, wonach Frauen sich gewöhnlich dem Atheismus stärker widersetzten und Gott und seinem Dienst mehr zugetan seien als Männer, vgl. Undereyck, Der närrische Atheist, 279–321. Die große Bedeutung der Frau hat Parallelen in anderen Frömmigkeitsrichtungen: in Dänemark, vgl. Huisman 2008, 195–196, 201–204; Huisman 2009, 117–119, 124–127; in der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung, vgl. die Historiographie bei Hof 2007, 131–133; im deutschen lutherischen Pietismus, vgl. Albrecht 2004; und im Puritanismus: Willen 1992. 30 Vgl. über die internationalen und interkonfessionellen Kontakte religiöser Dissidenten von etwa 1670 bis 1730: Bouldin 2014.
450
9. Schlussfolgerung
Die Haltung reformierter Pietisten nach außen war im Allgemeinen sehr kritisch. Die Welt betrachtete man als verdorben und die Gegensätzlichkeit von wahrer Frömmigkeit und der Welt wurde mit Sion und Sodom in Parallele gesetzt. Die Welt stehe in vollem Gegensatz zur Gottseligkeit, so dass ein wahrer Christ sich der Eitelkeiten der Welt enthalten und äußerst gewissenhaft leben müsse. Kirche und Gesellschaft galten als verfallen. Die Gottseligen wurden als Pfosten des Hauses der Gesellschaft betrachtet, das der Verderbnis ausgesetzt sei. Man entwickelte erbauliche Übungen, berief Versammlungen ein und konfrontierte die Klassen, Synoden und den Stadtrat mit konkreten Vorschlägen und Forderungen, um dem Verfall ein Ende zu setzen. Undereyck und seine Schüler bemühten sich in Bremen um eine theokratische und programmatische Reform von Kirche und Gesellschaft im Sinne der Nadere Reformatie. Obwohl reformierte Pietisten den Labadisten gegenüber aufgeschlossen waren, gingen sie nicht soweit, sich von der Kirche zu trennen. So war man für Abweichungen von der christlichen Lehre und für andere Konfessionen offen, wenn sich Gemeinsamkeiten in Kirchenkritik und im Frömmigkeitsstreben feststellen ließen wie beim lutherischen Pietismus, in der römisch-katholischen Erbauungsliteratur, bei den Spiritualisten und Quäkern. Die Gesinnung der deutschen reformierten Pietisten kam in einer bestimmten Frömmigkeitspraxis zum Ausdruck. Dazu gehörten ein präziser Lebenswandel, intensive Bibellektüre, geistliche Betrachtungen, Todesvorbereitung während des ganzen Lebens, gemeinsame Gespräche (Nethenus), schriftliche Korrespondenz, Erbauungsversammlungen (Mastricht, Bernard Meyer, Neander), geistlicher Gesang (Neander, Erberfeld, Buchfelder, Arnold und Johann Christian Loers31), finanzielle Unterstützung von Gesinnungsgenossen (der Gräfinnen von Leiningen) und zur Förderung von Kirche und Schule (Erberfeld, Mastricht) sowie die Herausgabe von einfachen und reformiert-pietistischen Katechismen (Erberfeld, Mastricht).
9.5 Vorlagen der Übersetzungen Im 17. Jahrhundert waren englische Erbauungsbücher in Deutschland nicht nur schwer zu beschaffen, sondern auch kaum zugänglich, da nur ein sehr kleiner Teil der deutschen Bevölkerung die englische Sprache beherrschte. Deshalb griffen deutsche Übersetzer oft auf lateinische, französische oder niederländische Übersetzungen zurück.
31 Vgl. über ihre Lieder: E. E. Koch 1869, 31–33. Arnold Loers war Prediger in Sonsbeck und Kleve.
9.6 Übersetzungsmethode und Bearbeitungsgrad451
U. Sträter schätzt, dass gut die Hälfte der deutschen Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur im 17. Jahrhundert auf niederländischen Vorlagen basiert. W. J. op ’t Hof kommt zu dem Ergebnis, dass dies nur für ein Drittel der deutschen Übersetzungen zutreffe. Er weist daraufhin, dass zwölf Übersetzer, unter ihnen die drei produktivsten (Salbach, Lange und Deusing), für einige ihrer Übersetzungen niederländische Vorlagen benutzten. Hätten sie für all ihre Übersetzungen niederländische Vorlagen benutzt, würde der Anteil tatsächlich ein Drittel betragen: 51 der etwa 160 deutschen Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur, die im 17. Jahrhundert erschienen sind, wären auf der Basis niederländischer Übersetzungen entstanden. Dass Deusings Übersetzungen mehrheitlich auf niederländischen Vorlagen beruhen, spricht für op ’t Hofs Einschätzung.32 Auch für Henning Koch wäre anzunehmen, dass er beim Übersetzen der Schriften des Engländers Hall niederländische Vorlagen benutzte. Ebenso wie Deusing war Koch mit der niederländischen Sprache vertraut. Allerdings griff Koch auf französische Vorlagen zurück, womit er sich wohl der literarischen Mode seiner Zeit fügte. Möglicherweise konnte er sich die französischen Ausgaben auch leichter beschaffen.
9.6 Übersetzungsmethode und Bearbeitungsgrad Die Übersetzungen belegen, dass die Übersetzer die jeweiligen Sprachen ihrer Vorlagen gut beherrschten.33 Sie waren imstande, Worte und Sätze der Vorlagen durch Synonyme beziehungsweise durch andere Formulierungen zu ersetzen. Zeitdruck und das Fehlen von Wörterbüchern führten zu kleineren Übersetzungsfehlern, die jedoch keine gravierenden Auswirkungen hatten. Die Kerngedanken und Motive der Ausgangstexte sind beim Übersetzen erhalten geblieben. Duysing und Noltenius übersetzten ihre Vorlagen nach der bedeutungsorientierten Methode. Deusing, Erberfeld und Koch wandten auch die interpretationsorientierte Methode an mit dem Ziel, die interpretative Anstrengung des Lesers so gering wie möglich zu halten. Dies lässt sich auch mit ihrem Streben nach Evangelisation (s. oben) in Verbindung bringen. Deusing und Koch haben ihre Vorlagen zum Teil stark gekürzt. Ein Teil der Kürzungen geht möglicherweise auf die Verlage zurück. In ihren Vorreden weisen Deusing und Erberfeld auf die mindere Qualität ihrer Übersetzungen hin. Einerseits lässt sich dies als Bescheidenheitstopos interpretieren, doch die Erklärungen beider Übersetzer gehen weit über den Topos 32
S. 2.5. Vgl. Sträter 1987, 29–31; Hof 1998a, 180, sowie Anm. 61; Hof 2001a, 350 f. S. auch meine Aufsätze über die Übersetzungsmethoden reformierter Erbauungsliteratur in der Frühen Neuzeit: Kamp 2009b; Kamp 2012a; Kamp 2013b. 33
452
9. Schlussfolgerung
hinaus. Erberfeld gesteht, dass er nicht genügend Zeit hatte, seine Übersetzung zu korrigieren. Außerdem trifft man in seinen Übersetzungen auf nichtübersetzte Redensarten. Ferner relativieren beide Übersetzer den Stellenwert der literarischen Qualität und behaupten, dass der Inhalt der Form vorzuziehen sei. Dem gottseligen Leser gehe es um den Inhalt, so dass er sich nicht durch die schlechte sprachliche Qualität gestört fühle. Eine ähnliche Behauptung lässt sich auch bei Undereyck finden, die auf den im Puritanismus verteidigten plain style der Predigt zurückzuführen ist. Bei Duysing hat dieser Gedanke sogar eine Loslösung von literarischen Gesetzen zur Folge; seine Vorrede ist deutlich umfangreicher als der Haupttext. Obschon Erberfeld die literarische Qualität seiner Übersetzungen relativierte, bedeutet dies nicht, dass er als Übersetzer ungewissenhaft gearbeitet hat. Die angemessene Übersetzung von Bibelstellen war ihm sehr wichtig. Anhand des Grundtextes und anderer Übersetzungen (Statenvertaling, Piscatorübersetzung) hat er jeweils die beste Übersetzung ausgewählt und oft um eigene Erläuterungen ergänzt. Damit verfolgte er das Ziel, die Rezipienten seiner Übersetzungen zum eigenen Bibelstudium anzuleiten. Die Reformierten Duysing, Deusing und Noltenius sowie der Lutheraner Henning Koch nutzten für das Übersetzen von Bibelstellen die Lutherübersetzung. Dass Erberfeld den Grundtext beziehungsweise formorientierte Bibelübersetzungen wie die Statenvertaling und die Piscatorübersetzung heranzog, kann mit seinem philologischen Interesse erklärt werden. Auch dass sich die reformierten Kirchen in Jülich, Kleve und Berg an den Beschlüssen der Dordrechter Synode orientierten, mag eine Rolle gespielt haben.34 Auch in anderer Hinsicht war Erberfeld ein äußerst sorgfältiger Übersetzer: im Gegensatz zu Deusing ließ er lateinische Zitate und Anmerkungen, die seine Vorlagen enthielten, nie aus. Dafür fügte Deusing seinen Übersetzungen gelegentlich lateinische Fachbegriffe hinzu. Deusing wurde von einem anderen Übersetzer und von zwei Rezensenten wegen der Nutzung niederländischer Vorlagen, der Textkürzungen und seiner sprachlich ungenauen Übersetzungen kritisiert. Aus akademischer und philologischer Sicht ist diesen Kritikpunkten durchaus zuzustimmen. Vermutlich zielte Deusing mit seinen Übersetzungen nicht auf ein gebildetes, sondern auf ein durchschnittliches Publikum ab. Die Kritik, dass Deusing weder die deutsche Sprache angemessen beherrschte, noch Baxters Theologie und Philosophie adäquat verstand, führt zu weit. Deusing war durchaus in der Lage, die Ausgangstexte zutreffend und ohne Einbußen wiederzugeben. Außerdem ist zu vermuten, dass die Kritik der beiden Rezensenten nicht auf selbständiger Analyse beruhte. Wahrscheinlicher ist, dass sie die kurrenten Meinungen ihrer Vorgänger übernahmen. 34
Vgl. Faulenbach 1971/2.
9.7 Rezeption und Bedeutung der Übersetzungen453
Bei der Bearbeitung ihrer Vorlagen beschränkten sich die Übersetzer auf geringfügige kulturelle und theologisch-religiöse Veränderungen, womit die betreffenden Textstellen den eigenen Vorstellungen beziehungsweise denen des Zielpublikums angepasst wurden. Kulturelle Filterungen wurden nicht konsequent durchgeführt. Niemals haben die Übersetzer eine völlige Adaption ihrer Vorlagen an die Zielkultur vorgenommen. Übersetzer und/oder Verlage machten reformierte Texte für die lutherische Konfession zugänglich, indem sie die Konfessionsbezeichnung „reformiert“ durch „lutherisch“ ersetzten. Die größten Eingriffe der Übersetzer fanden nicht auf der Übersetzungsebene statt. Sie fügten den Texten eine meist lange Vorrede hinzu, die insbesondere Duysing dazu nutzte, den Inhalt der Schrift mit seinen eigenen theologisch-religiösen Auffassungen in Einklang zu bringen. Darüber hinaus griffen die Übersetzer gelegentlich in die Struktur ihrer Vorlagen ein und ordneten einzelne Fragmente neu. Dies betrifft Deusings Kompendium für Kaufleute seine Übersetzung von Baxters Letzte Arbeit auf dem Tod-Bette und die Gebete zu Baxters Hausbuch. Auch Henning Koch griff in die Struktur beziehungsweise in die Zusammenstellung der Fragmente von Wahrem Studenten-Ruhm und Besiegeter Todes-Furcht ein. Die meisten von Erberfelds Übersetzungen sind vollständige Übertragungen von Texten. Der Schrift Leben auß dem Tode wurden mehrere Anhänge beigefügt. Im Zuge seiner Hugo-Bearbeitung griff Erberfeld auf verschiedene Textzeugen zurück, wobei er sich nicht auf die bloße Auswahl und Zusammenstellung einzelner Fragmente beschränkte. Seine Hugo-Bearbeitung macht deutlich, dass er die ausgewählten Fragmente umfassend und gründlich überarbeitete und vermutlich um eigene Verse ergänzte. Zu seinem Vorhaben, selbst eine Schrift über das Glaubensleben eines Christen zu verfassen, wurde Duysing durch die Übersetzung von Spranckhuysens Schrift angeregt. Damit hätte er die Stufe der aemulatio erreicht; die Schrift ist aber vermutlich nie entstanden.
9.7 Rezeption und Bedeutung der Übersetzungen für die reformierte und lutherische Konfession in Deutschland Die allgemeine Frage nach der Bedeutung der in den Kapiteln 3 bis 7 dieser Arbeit untersuchten Übersetzungen eröffnet verschiedene Perspektiven, woraus sich ganz unterschiedliche Fragestellungen ergeben. Welche Bedeutung hatten die Übersetzungen für die Buchproduktion in Deutschland im 17. Und 18. Jahrhundert oder für die Produktion religiöser Bücher in dieser Zeit? Oder anders und gezielter gefragt, für die Produktion reformierter und lutherischer Schriften oder für die Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur
454
9. Schlussfolgerung
ins Deutsche bis 1750? Und schließlich: wer kaufte, besaß und las diese Übersetzungen mit welcher Motivation? Die Bedeutung der Übersetzungen für die Buchproduktion in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert kann statistisch dargelegt werden. Dabei kann man die Zahlen der Buchproduktion auf das religiöse Schrifttum übertragen. Für beide Bereiche gilt, dass das Korpus dieser Arbeit einen winzigen Anteil ausmacht. Keine einzige Übersetzung erreichte mehr als vier Auflagen. Für die reformierte Konfession waren die Übersetzungen von maßgebender Bedeutung, da eigene (deutsche) Erbauungsliteratur (s. 2.1) fehlte. Deusings Übersetzungen wurden insbesondere von den hessischen Prinzessinnen und von Undereyck als Fortsetzung des pfälzischen Projekts zur Erschließung englischer Erbauungsliteratur betrachtet. Innerhalb der reformierten Konfession stießen bestimmte Texte auch auf Widerstand und Kritik, zum Beispiel Saldenus’ Schrift Christliche Kinder-Schule, die man mit heterodoxen theologischen Auffassungen in Verbindung brachte, und die man als Gefahr für den Status des Heidelberger Katechismus empfand. Mehrere Auflagen von Deusings Übersetzungen wurden von Lutheranern verlegt Auch haben viele Lutheraner seine Übersetzungen gekauft, in eigenen Schriften auf sie verwiesen, aus ihnen zitiert und sie besprochen. Dies lässt sich zum Teil damit erklären, dass die meisten Übersetzungen nicht die Glaubenslehre, sondern die Praxis des Glaubens in den Vordergrund stellen. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die Übersetzungen überwiegend von gemäßigten oder reformbestrebten Lutheranern verlegt, gekauft, gelesen und diskutiert wurden, zum Beispiel von den Frankfurter Verlegern Zunner und Schütz sowie von den Mitgliedern des Wolfenbütteler Hofes. Einzelne Bücher könnten innerhalb des Luthertums von größerer Bedeutung gewesen sein. In thematischer Hinsicht wurde Deusings Übersetzung Die ewige Ruhe der Heiligen mehrfach innerhalb der lutherischen Diskurse über die Bedeutung der Meditation herangezogen.35 Für große Einflüsse einzelner Übersetzungen auf Gruppen und Individuen gibt es keine Belege. Reformbestrebte Lutheraner wie Johann Georg Hoffmann scheinen bei der Beurteilung von Erbauungsbüchern reformierter Autoren vor allem auf den erbaulichen Gehalt der Texte geachtet zu haben. Kritik klingt eher bei traditionellen Lutheranern wie Bernd und Lilienthal an. Dass die Erbauung gegenüber der Dogmatik bei lutherischen Theologen Priorität hatte, heißt nicht, dass die theologischen Auffassungen reformierter Autoren unbeachtet blieben. Während man Boltons Betonung der Heiligung und sein Verständnis der Adiaphora als sündhaft bezeichnete, haben einige lutherische Autoren wie Johann Georg Pritius die gemäßigte reformierte Lehre Baxters befürwortet: seine Auffassung, dass man Gottes Gnade widerstehen könne und 35
Vgl. Sträter 1995, 107.
9.7 Rezeption und Bedeutung der Übersetzungen455
seine Lehren von der Gnade, dem Verdienst Christi und den Verheißungen Gottes. Pritius und andere Lutheraner schätzten Baxters Übereinstimmungen mit der lutherischen Lehre und seine irenische Haltung. Je stärker sich der reformierte Autor der lutherischen Konfession annäherte, desto mehr wurde er von lutherischen Theologen geschätzt. Dies verhinderte allerdings nicht, dass Baxters Glaubensverständnis und sein Drängen auf die Heiligung von Lutheranern kritisiert und auf spiritualistische Einflüsse zurückgeführt wurden. Versucht man die Bedeutung der Übersetzungen im Hinblick auf das Gesamtkorpus der deutschen Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur zu bestimmen, so stellt sich das Bild etwas anders dar. Es zeigt sich, dass einige Übersetzer einen wichtigen Beitrag zur Übersetzung von Texten bestimmter Autoren oder Themen ins Deutsche geliefert haben. Deusing war maßgeblich daran beteiligt, die in Deutschland populären Schriften Baxters zugänglich zu machen: etwa 43 Prozent der Baxter-Titel und 14 Prozent der Auflagen bis 1750 können ihm zugerechnet werden. Der Anteil der Kochs an den Übersetzungen der Hall-Titel ins Deutsche im Zeitraum von 1651–85 beträgt ein Viertel: sie übersetzten sechs von 26 Hall-Titeln.36 Deusing sind auch die deutschen Übersetzungen von einigen TeellinckSchriften zu verdanken, die sowohl in der reformierten als auch in der lutherischen Konfession sehr geschätzt wurden. Die Übersetzungen der SaldenusSchriften gehen größtenteils auf Erberfeld zurück. In thematischer Hinsicht hat Deusing mit seinem Kompendium für Kaufleute wesentlich zur Vermittlung der puritanischen Berufsethik beigetragen. Einige Grundprinzipien der pietistischen Berufsethik, zum Beispiel die Aufforderung zur Heiligung des Berufs und zur Treue, gehen unter anderen auf ihn zurück.37 Erberfeld hat mit zwei Übersetzungen einen Beitrag zur Katechetik geliefert. Mit seiner ersten Übersetzung einer derartigen Schrift löste er große Entrüstung aus. Gemessen an den Auflagenzahlen waren die Übersetzungen keine Bestseller wie Bayly, Sonthom und Hall. Man kann die Bedeutung der Übersetzungen auch aus der Besitzerperspektive betrachten. Oft verfügten Besitzer und Besitzerinnen wie Hedwig Sophie von Hessen-Kassel und Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel über mehrere Übersetzungen der in dieser Arbeit behandelten Übersetzer. Die Lesepraxis am Wolfenbütteler Hof macht es wahrscheinlich, dass einige Übersetzungen des Korpus an Verwandte ausgeliehen wurden. Abschließend ist zu betonen, dass auch wenn eine Übersetzung nicht verlegt wurde, sie nicht unbeachtet blieb. Obwohl Erberfelds Übersetzung von Teellincks Noodwendigh vertoogh vermutlich nie gedruckt worden ist, spricht vieles dafür, dass sie lange Zeit als Handschrift kursierte. 36 37
Vgl. McKenzie 1984, Bd. 1, 215. Vgl. Gestrich 2004, 573; Kriedte 2004, 585 f.
456
9. Schlussfolgerung
9.8 Der Einfluss deutscher Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur auf den Pietismus Bei der Produktion, Distribution und Rezeption der Übersetzungen des Korpus kamen Lutheraner mit englischer und niederländischer reformierter Erbauungsliteratur in Kontakt. Dies führt zu der Frage, inwiefern diese Literaturform den Pietismus beeinflusst hat. Auch wenn eine systematisch-chronologisch angelegte Arbeit über deutsche Übersetzungen englischer und niederländischer Erbauungsliteratur gewissere Aussagen hinsichtlich der Fragestellung erlauben würde, liefern die Ergebnisse der vorliegenden Fallstudie erste Antworten. Die Frage berührt die Forschungskontroverse über die Zusammenhänge und Beziehungen zwischen den verschiedenen Frömmigkeitsrichtungen aus unterschiedlichen Sprachräumen und Konfessionen: dem englischen Puritanismus, der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung, der Nadere Reformatie, dem deutschen reformierten Pietismus und dem deutschen lutherischen Pietismus. In der fortlaufenden Debatte über die Konzeption des Pietismus (s. 1.2) lassen sich zwei Positionen unterscheiden. Während die erste den Pietismus auf die von Philipp Jakob Spener innerhalb des Luthertums im deutschen Sprachraum angeregte Frömmigkeitsbewegung beschränkt, sieht die zweite den Pietismus als internationale und interkonfessionelle Frömmigkeitsrichtung, die seit Ende des 16. Jahrhunderts immer neue Wellen schlug. Es wurde bereits nachgewiesen, dass an der Produktion, Distribution, und Rezeption der Übersetzungen dieses Korpus, die unter dem Einfluss des Puritanismus beziehungsweise der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung entstanden, auch Lutheraner und Pietisten beteiligt waren. Zu fragen ist also, inwiefern die erwähnten englischen und niederländischen Strömungen den lutherischen Pietismus geprägt haben. Der Puritanismus hat den Pietismus tiefgehend beeinflusst und geprägt. Innerhalb von Speners Theologie38 ist es vor allem die Ethik,39 die starke puritanische Einflüsse aufweist. Die Ethik hatte in Speners Theologie große Bedeutung. Sie gründete sich auf der Vorstellung, dass der Heilige Geist bei der Wiedergeburt eine umfassende und graduelle Erneuerung der sittlichen Person einleitet. Das ganze Leben ist auf eine immer höhere Vervollkommnung ausgerichtet, obwohl die höchste Vollkommenheit hier auf Erden nicht erreicht werden kann. Gerade diese Vorstellung war das Eigentümliche an Speners Theologie.40 Bisher konnten die Quellen, aus denen die einzelnen Bausteine von Speners Lehre stammen, nicht identifiziert werden. Speners Wertschätzung gegenüber 38
Vgl. für eine Zusammenfassung von Speners Theologie: Brecht 1993d, 371–378. Vgl. Brecht 1993e, 371, 372, 376f; Gremels 2002. 40 Vgl. Zabel 1942, 84–95; Rüttgardt 1978; Brecht 1993e, 375; Gremels 2002. 39
9.8 Der Einfluss deutscher Übersetzungen457
der puritanischen Erbauungsliteratur (s. 2.7) macht es wahrscheinlich, dass er sich hinsichtlich seiner Ethik am Puritanismus orientierte, und einige Inhalte und Motive übernahm: die Aufforderung zum Gebrauch der Gnadenmittel und zu Frömmigkeitsübungen, den hohen Stellenwert der Sonntagspredigt, die Konzentration auf Gott als Maßstab für das am Sonntag sittlich Erlaubte, die engagierte Klage über die innerliche Verfassung und die äußerlichen Umstände des geistlichen Standes, die Klage über Übergriffe des weltlichen Standes auf die Rechte des geistlichen Standes, den entschiedenen Protest gegen Missbräuche der Obrigkeit, die Aufforderung zu Sparsamkeit und Mäßigkeit und letztlich die Aufforderung zur Enthaltung von Genussmitteln und Adiaphora wie Tanz, Schauspiel und lasziver Kleidung. Auch Speners kasuistisch geprägten ethischen Ratschläge und seine Bevorzugung des einfachen Predigtstils (plain style) gehen auf den Puritanismus zurück.41 Dass Spener sich in einem so wichtigen Bereich seiner Theologie wie der Ethik am Puritanismus orientierte, bedeutet nicht, dass er die Inhalte und Vorstellungen unkritisch übernahm. Aufgrund der konfessionellen Unterschiede erfolgte keine Übernahme ohne kritische Prüfung. Fast immer war es nötig, die eklektisch ausgewählten Elemente an die eigene Konfession anzupassen und entsprechend umzuformen. Als überzeugter Lutheraner stand Spener den theologischen Grundlagen englischer Erbauungsliteratur kritisch gegenüber. Er warnte vor der reformierten Vorstellung eines engen Zusammenhangs zwischen Rechtfertigung und Heiligung (s. 2.7). In seiner Ethik ging er nicht so weit wie die Puritaner: im Hinblick auf den Umgang mit Genussmitteln und hinsichtlich der Adiaphora war er gemäßigter. Speners Theologie macht deutlich, dass die puritanischen Kerngedanken und Motive eklektisch ausgewählt wurden; er bediente sich auch der lutherischen Theologie und der Arndtschen Frömmigkeitsrichtung.42 Speners Theologie ist als „behutsame Kombination“ von Elementen aus verschiedenen Traditionen zu betrachten. Dass er eklektisch vorging, macht es schwierig, die Quellen der einzelnen Bestandteile seiner Theologie zu identifizieren. Es wurden unterschiedliche Traditionen zusammengeführt und miteinander verschmolzen. Dies gilt zum Beispiel für die Gedanken und Praktiken der Erbauungsversammlungen und der Hoffnung auf bessere Zeiten. Der niederländische Einfluss im Hinblick auf die Erbauungsversammlungen (Gisbert Voetius) war wahrscheinlich einer von vielen Einflüssen.43 Sträter ist darin zuzustimmen, dass die deutschen Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur vor 1670 die pietistischen Gedanken der Sammlung der Frommen und der Hoffnung auf bessere Zeiten kaum propagieren.44 Als 41
Vgl. Brecht 1993e, 372. Vgl. Brecht 1993e, 375. 43 Vgl. A. Deppermann 2002, 81–98, 126–134. 44 S. für eine Liste der deutschen Übersetzungen bis 1670: McKenzie 1997, 442–454. 42
458
9. Schlussfolgerung
Quellen dieser Gedanken haben diese Übersetzungen wohl kaum gedient. Vor diesem Hintergrund kommt Sträter zu folgendem Ergebnis: „Für die innovatorischen Ansätze des Spenerschen Pietismus sind die englischen Bücher nicht maßgebend.“45 Es lassen sich zwei weitere innovatorische Ansätze des Pietismus aufzeigen: die oft kasuistisch geprägte Ethik und die christliche Regulierung des Alltags. Beide Themen wurden unter anderem durch deutsche Übersetzungen englischer Erbauungsliteratur vermittelt, beispielsweise durch Perkins, Ames und Hall (s. 4.9.3) beziehungsweise durch Bayly.46 Für den Pietismus waren diese Themenfelder neu. Sie stellten eine Ergänzung zu Arndts Erbauungsliteratur dar, die sich hauptsächlich auf das innerliche geistliche Leben konzentrierte (s. 2.2). Einflüsse der Nadere Reformatie auf den deutschen Sprachraum lassen sich nur vereinzelt nachweisen.47 Voetius’ Einfluss auf das Konzept der Erbauungsversammlungen im Pietismus wurde bereits erwähnt. Wallmann verwies auf die Parallelität der Nadere Reformatie und der lutherischen Orthodoxie.48 Aktuelle Nachforschungen haben ergeben, dass das wichtigste Reformprogramm des deutschen Luthertums vor Spener, nämlich Theophil Großgebauers Wächterstimme (1661), in weiten Teilen mit Teellincks Noodwendigh vertoogh übereinstimmt. Offensichtlich diente Teellincks Schrift als Muster für Großgebauers Reformprogramm. In dem Programm findet Teellincks Name keine Erwähnung, Großgebauer verweist lediglich auf einen ausländischen Theologen. Textstellen der Vorlage, die sich eindeutig auf die reformierte Konfession bezogen, wurden überarbeitet oder ganz entfernt. Großgebauers Reformprogramm war für die Pietisten Spener und Francke das Fundament ihrer Reformbestrebungen.49 Aus der Tatsache, dass die Nadere Reformatie in den Niederlanden zur gleichen Zeit wie die lutherische Orthodoxie in Deutschland auftrat, schlussfolgert Wallmann, dass erstere zeitlich vom Pietismus getrennt war. Teellincks Einfluss auf Großgebauer und über ihn auf Spener und Francke macht deutlich, dass auch Motive und Gedanken der Nadere Reformatie auf indirektem Wege den Pietismus geprägt haben könnten. Dabei muss bedacht werden, dass sich Spener und Großgebauer in einem ihrer Standpunkte wesentlich unterschieden: Spener sah nicht die Obrigkeiten, sondern die Frommen als Träger der gewünschten Reform.
45
Vgl. Sträter 1987, 115. Vgl. Kamp 2011. 47 Vgl. über einen niederländischen Einfluss auf den deutschen Pietismus auch: Lieburg 2014c. 48 Vgl. Wallmann 2010, 418–424. 49 Vgl. Kamp 2016a. 46
9.9 Der Zusammenhang zwischen dem lutherischen und dem reformierten Pietismus459
9.9 Der Zusammenhang zwischen dem deutschen lutherischen und dem deutschen reformierten Pietismus Im Folgenden ist zu klären, wie intensiv die Verbindungen zwischen dem deutschen lutherischen und dem reformierten Pietismus waren. Die ältere Forschung (seit A. Ritschl) betrachtete den lutherischen und reformierten Pietismus in Deutschland als zwei unabhängig voneinander entstandene und selbstständig operierende Erscheinungen.50 Noch 1977/8 behauptete H. Faulenbach, dass „der Pietismus bei den Reformierten in Deutschland“ sich völlig unabhängig vom Pietismus im Luthertum entwickelt hätte, obwohl er einräumte, dass Reformierte vereinzelt lutherische Autoren lasen und mit lutherischen Pietisten in Kontakt standen.51 J. Wallmanns Untersuchungen eröffnen eine neue Perspektive. Bei der Erforschung der Anfänge des Pietismus konzentrierte sich Wallmann nicht nur auf Philipp Jakob Spener, sondern auch auf den Anwalt Johann Jakob Schütz. Wallmann kommt zu dem Ergebnis, dass der Pietismus, die niederländische reformierte Frömmigkeitsrichtung und der deutsche reformierte Pietismus in enger Wechselbeziehung zueinander standen. Als Belege dienen ihm labadistische Einflüsse auf Schütz beziehungsweise den Pietismus und Verbindungen zwischen Schütz beziehungsweise dem Frankfurter Pietismus und Cornelius de Hase in Bremen. Wallmann stellt fest, dass Spener Undereyck als großen Förderer des „Werks des Herrn“ betrachtete, wenn auch, wie Spener schrieb, auf der Seite „unsere[r] Widersacher[…]“.52 Eine noch ausführlichere Beschreibung derartiger Beziehungen liefert Wallmanns Schüler A. Deppermann.53 Er zeigt auf, dass der Frankfurter Pietismus kirchenkritische und reformbestrebte Einflüsse von Frankfurter Reformierten übernahm. Schütz stand in engem Kontakt mit reformierten Pietisten in Frankfurt und am Niederrhein,54 darunter Erberfeld. Im Hinblick auf die Anfänge des Pietismus lehnt Deppermann es ab, eine scharfe Trennungslinie zwischen den Konfessionen zu ziehen: „In jedem Fall wird man lutherischen und reformierten Pietismus viel stärker als eine zusammenhängende Richtung betrachten müssen.“55 Diese Arbeit bestätigt Deppermanns Ergebnisse. Hier ist auf die Kontakte und Korrespondenzen von Schütz, Erberfeld und Henning Koch hinzuweisen. Im Mittelpunkt des näher analysierten Briefwechsels zwischen Schütz und Erberfeld stand das Thema Frömmigkeit. Die Briefpartner tauschten Erbauungs50
Vgl. A. Ritschl 1966, Bd. 2, 449. Vgl. Faulenbach 1977/8, 233. 52 Vgl. Wallmann 1978, 157–168; Wallmann 1986, 307–324; Wallmann 1991, 183. 53 Vgl. A. Deppermann 2002, 10–30, 141–158, 268 f., 352. 54 Vgl. dazu auch Kamp 2017. 55 Vgl. A. Deppermann 2002, 268. 51
460
9. Schlussfolgerung
bücher und Informationen über fromme Personen und Gruppen aus. Aus der Korrespondenz geht hervor, dass sie einander als Gesinnungsgenossen anerkannten, die beide danach verlangten, Gott je länger je mehr zu erkennen und zu verherrlichen. Schütz stand außerdem mit einem reformierten Pietisten in Kontakt, den Deppermann in seiner Arbeit nicht erwähnt: Johann Deusing. Erberfeld stand nicht nur mit Schütz in Verbindung, sondern auch mit anderen Lutheranern: mit Weselow, zum Berge und Breckling. Obwohl Henning Koch eher calixtinisch als pietistisch gesinnt war, ist es doch aufschlussreich, dass er als Lutheraner eine vertrauliche religiöse Korrespondenz mit Heinrich Erberfeld und seiner Frau führte, und dass er ihren Sohn Philipp aufgrund seiner frommen Lebensführung sehr schätzte. Erberfeld stand in engem Kontakt mit Weselow und zum Berge. Ob diese Verbindungen durch gleiche Frömmigkeitsideale zustande kamen oder andere Faktoren eine Rolle spielten, bleibt offen. Unter Berücksichtigung der gesamten Ergebnisse ist Deppermanns Hypothese, dass der lutherische und reformierte Pietismus ein zusammenhängendes Ganzes waren, zuzustimmen. In der jüngsten Monographie über den Pietismus von M. H. Jung wird dieser Standpunkt aufgegriffen und verarbeitet. Jung beschreibt den Pietismus als Ganzes, das heißt ohne die konfessionelle Prägung der einzelnen pietistischen Bewegungen, des lutherischen und reformierten Pietismus, zu thematisieren.56 Die Erforschung einer größeren Gruppe von Übersetzern und Autoren von Erbauungsliteratur, die aus beiden Konfessionen stammten, würde mehr Aufschluss über den Zusammenhang von lutherischem und reformiertem Pietismus geben. Die thematischen Übereinstimmungen und die persönlichen Verbindungen der Übersetzer veranlassen dazu, den deutschen reformierten und lutherischen Pietismus als Teile einer zusammenhängenden Frömmigkeitsrichtung zu betrachten. Inhaltliche Beeinflussung und persönliche Verbindungen implizieren jedoch nicht, dass der Puritanismus, die niederländische reformierte Frömmigkeitsrichtung und der deutsche reformierte Pietismus einen konstitutiven Einfluss auf die Entstehung des lutherischen Pietismus ausgeübt haben. Es wurde bereits auf Speners kritische, transformierende und eklektische Auswahl und Übernahme von Gedanken hingewiesen. Auch die Tatsache, dass Schütz intensive Kontakte zu deutschen reformierten Pietisten hatte, beweist nicht, dass der deutsche reformierte Pietismus den lutherischen konstitutiv beeinflusst hat. Erstens sendeten die Frankfurter Reformierten Schütz merkwürdigerweise (kirchenkritische) lutherische Reformschriften, also nicht reformiertes Gedankengut, zu.57 Zweitens war Schütz Eklektiker, der aus den unterschiedlichen 56 Vgl. Jung 2005. Andererseits hat Jung die konfessionelle Prägung einzelner Pietisten oder pietistischen Bewegungen zu wenig betont, zum Beispiel im Fall Gerhard Tersteegens. A. Kroh weist zurecht daraufhin, dass man Tersteegens pietistische Frömmigkeit nicht verstehen kann, ohne dessen reformierten Hintergrund zu berücksichtigen, vgl. Kroh 2011, 13 f., Anm. 29. 57 Vgl. A. Deppermann 2002, 10–30, bes. 30.
9.9 Der Zusammenhang zwischen dem lutherischen und dem reformierten Pietismus461
theologischen Richtungen einzelne Elemente auswählte, aber sich nie einer bestimmten Richtung völlig hingab.58 Als Schütz zu den reformierten Pietisten am Niederrhein Kontakt aufnahm, waren die Merkmale des lutherischen Pietismus (Orientierung an den Frommen als Träger der gewünschten Reform von Kirche und Gesellschaft, Hoffnung auf bessere Zeiten, zentrale Bedeutung der Bibel) schon längst in seinen Schriften erkennbar.59 Allerdings ist zu beachten, dass die ersten beiden Merkmale teils auf reformierte Quellen zurückgehen (Gisbert Voetius beziehungsweise Joseph Mede),60 und dass alle drei Merkmale schon vor den Anfängen des lutherischen Pietismus innerhalb des Puritanismus und der niederländischen reformierten Frömmigkeitsrichtung vorherrschend waren.61
9.10 Der Zusammenhang zwischen den englischen, niederländischen und deutschen Frömmigkeitsrichtungen Der Puritanismus und die Nadere Reformatie haben den Pietismus maßgebend beeinflusst und es konnte gezeigt werden, dass der deutsche lutherische und der deutsche reformierte Pietismus eng miteinander zusammenhingen. Auch die Produktion, Distribution und Rezeption der in dieser Arbeit untersuchten Übersetzungen weisen darauf hin, dass es in thematischer Hinsicht große Übereinstimmung zwischen den behandelten Frömmigkeitsrichtungen gab. Es lassen sich folgende Hauptthemen nennen: die Klage über den Verfall von Kirche und Gesellschaft und die Vorschläge für eine Reform, die Notwendigkeit von Wiedergeburt und Bekehrung, der Unterschied zwischen Scheingläubigen und wahren Gläubigen, die Notwendigkeit der Selbstprüfung und der Lebensheiligung, die regulierte alltägliche Frömmigkeitspraxis in allen gesellschaftlichen Bereichen, die Aufforderung zur Sonntagsheiligung und die Beschäftigung mit den vier Extremen. Trotz der thematischen Übereinstimmungen gab es Unterschiede im Hinblick auf die theologische Motivation. Diese Unterschiede betreffen insbesondere die Sonntagsheiligung und die Akzentuierung und Konkretisierung der Frömmigkeitsideale. Teellinck spricht konsequent von „Sabbat“ und zieht zur Begründung das vierte Gebot heran, das er als moralisches Gesetz versteht, während Baxter, Undereyck und Deusing sich nicht auf eine Diskussion über diese Problematik einlassen möchten. Hinsichtlich der Akzentuierung und Konkretisierung der Frömmigkeitsideale ging Spener nicht so weit wie viele Puritaner. Sogar innerhalb einer Richtung wurden unterschiedliche Auffassungen vertre58
Vgl. A. Deppermann 2002, 353. Vgl. A. Deppermann 2002, 268. Vgl. auch Wallmann 1991, 186. 60 Vgl. A. Deppermann 2002, 81–98, 126–134. 61 Vgl. Hof 2005c, 96–98. 59
462
9. Schlussfolgerung
ten. William Ames und Joseph Hall unterscheiden sich deutlich in der Präzision ihrer Vorschriften bei Gewissensfällen. Um der historischen Realität gerecht werden zu können, ist es sinnvoll, die verschiedenen Richtungen auf Makroebene als spezifische Ausprägungen einer internationalen und interkonfessionellen Gesamtrichtung zu betrachten. Für die frömmigkeitshistorische Erforschung ist es wichtig, zwischen Mikro- und Makroebene zu unterscheiden. Nur so ist sicherzustellen, dass die Spezifika der unterschiedlichen Richtungen nicht außer Acht gelassen werden. Auf Mikroniveau kommen die spezifischen Eigenarten der jeweiligen Frömmigkeitsrichtung zum Vorschein. Diese Eigenarten werden bedingt durch konfessionelle, theologische, kirchenverfassungsrechtliche, liturgische, politische und soziale Faktoren. Auf der Makroebene werden Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Frömmigkeitsrichtungen sichtbar, so dass auf dieser Ebene von einer Gesamtrichtung gesprochen werden kann. Die Gesamtrichtung manifestierte sich bereits sehr früh, und zwar in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf der britischen Insel. Der Puritanismus löste eine Vielzahl von Austauschprozessen mit Frömmigkeitsrichtungen auf dem europäischen Kontinent aus.62 Wer in seiner Darstellung gut zwischen Mikro- und Makroebene unterscheidet, braucht sich nicht wie A. J. Beck zu fürchten, dass eine weite Definition des Pietismus „die Eigenart der bereits aufgrund des jeweiligen konfessionellen, aber auch nationalen und soziologischen, Kontextes unterschiedlichen Frömmigkeitsbewegungen des Puritanismus, der Nadere Reformatie und des lutherischen Pietismus verwischt“.63
9.11 Die Definition des Pietismus auf Makro- und Mikroebene Das Substantiv Pietismus erscheint als Oberbegriff einer Gesamtrichtung geeignet. In diesem Sinne wird Pietismus nicht als Epochenbegriff, sondern als typologischer Begriff gebraucht. W. J. op ’t Hofs Definition des internationalen reformierten Pietismus lässt sich gut auf den Pietismus als Gesamtrichtung übertragen: Die Strömung innerhalb des Protestantismus, der, sich gegen in seinen Augen allgemein verbreitete Missstände und Irrtümer kehrend, mit prophetischer Beseelung sowohl für die innerliche Erfahrung der Lehre und die persönliche Lebensheiligung wie für die radikale und totale Heiligung aller Bereiche des Lebens eiferte.64 62
Vgl. Hof 2005c, 36–79. Vgl. A. J. Beck 2007, 139. 64 Vgl. Hof 2005c, 85: „Het gereformeerd Piëtisme was die stroming binnen het gereformeerd Protestantisme die, zich tegen in haar ogen algemeeen verbreide wantoestanden en misvattingen kerend, met profetische bezieling ijverde voor zowel de innerlijke doorleving van de leer en de per63
9.11 Die Definition des Pietismus auf Makro- und Mikroebene463
Diese Richtung wird hier als innerprotestantische Frömmigkeitsrichtung verstanden, die am Ende des 16. Jahrhunderts ihren Anfang nahm, und deren Auswirkungen durch die Erweckungsbewegung65 im 19. Jahrhundert bis heute spürbar sind. Obwohl es im Römischen Katholizismus und im Judentum ähnliche Frömmigkeitsbestrebungen gab,66 kann man diese wegen der Abgrenzung des Protestantismus von beiden Glaubensrichtungen in theologischer, aber auch in sozialer und kultureller Hinsicht, nur schwer zum Pietismus zählen. Jedoch wurden vom Pietismus viele Themen, Motive und Praktiken aus der vorreformatorischen und römisch-katholischen Erbauungsliteratur übernommen (s. 2.2, 5.14). Dies lässt sich aus dem katholischem Charakter dieser Erbauungsliteratur erklären: Die Schriften brachten zum Ausdruck, was allen Christen im Allgemeinen immer gelehrt worden war. Dass Pietisten auf römisch-katholische Schriften zurückgriffen, erklärt auch den interkonfessionellen Austausch von Quellen und Themen sowie die zum Teil engen Verbindungen zwischen den einzelnen Frömmigkeitsrichtungen. Einige Forscher behaupten, dass der Gebrauch des Substantivs Pietismus als Oberbegriff anachronistisch erscheine. Der Begriff wurde nämlich seit Ende des 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, bis zur Erscheinung der Arbeiten von Heppe und Ritschl, ausschließlich als Bezeichnung für die von Spener angeregte Frömmigkeitsbewegung benutzt (s. 1.2). Für Wallmann ist dies einer der Gründe, den Begriff Pietismus auf die mit Spener anfangende Bewegung zu beschränken, und die anderen Frömmigkeitsbestrebungen nur mit dem Adjektiv pietistisch zu beschreiben. Außerdem meint er, dass die Merkmale der Bewegung um Spener damals in Europa so innovativ waren, dass man erst ab 1670 von einer neuen Bewegung in der Kirchengeschichte, dem Pietismus, sprechen könne. Dies mag insofern zutreffend erscheinen, als dass sich diese charakteristischen Merkmale um diese Zeit innerhalb der lutherischen Konfession in Deutschland gerade manifestierten und schließlich eine sozial greifbare Frömmigkeitsbewegung auslösten. Aus internationaler und interkonfessioneller Perspektive ist die von Wallmann konzipierte Unterscheidung von Pietismus im engeren und weiteren Sinn aber nicht berechtigt. Zwar könnte sie, wie Wallmann hofft,67 zu einer Einigung innerhalb der internationalen Frömmigkeitsforschung beitragen. Doch aus historisch-phänomenologischer Sicht ist sie nicht zutreffend. Die Elemente des Konventikels, der Zukunftshoffnung und der zentralen Stellung der Bibel existierten schon seit dem Ende des 16. Jahrhunderts im englischen Puritanismus und seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts in der niederländischen reformierten soonlijke levensheiliging alsmede de radicale en totale heiliging van alle terreinen van het leven.“ Op ’t Hof gebrauchte diese Definition schon in seiner Dissertation, vgl. Hof 1987, 24. 65 Vgl. Gäbler (Hrsg.) 2000. 66 Vgl. z. B. Lehmann u. a. (Hrsg.) 2002. 67 Vgl. Wallmann 2010, 416, Anm. 30.
464
9. Schlussfolgerung
Frömmigkeitsrichtung.68 Betrachtet man die Biographien und Werke von Spener und Schütz, so entsteht der Eindruck, dass diese von den erwähnten Bewegungen stark beeinflusst wurden. Wallmanns Beschränkung des Begriffs Pietismus auf die Spenersche Bewegung ist aus diesem Grund nicht korrekt. Auch der Puritanismus und die Nadere Reformatie können als Pietismus bezeichnet werden. Dafür spricht auch ein etymologisches Argument: Das lateinische Wort pietas, auf das der Begriff Pietismus zurückgeht, wurde in allen erwähnten Frömmigkeitsrichtungen gebraucht: piety, godzaligheid, Gottseligkeit.69 Im Rahmen eines Aufsatzes untersuchte Wallmann aktuelle Forschungsarbeiten zum Thema Pietismus hinsichtlich der Frage, ob sie sich der geplanten weiten Konzeption des Handbuches Geschichte des Pietismus angeschlossen haben oder nicht. Wallmann kommt zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist, und dass die meisten heutigen Forscher, wenn sie über Pietismus schreiben, den Pietismus im engeren Sinn meinen.70 Die größte Schwachstelle seiner Vorgehensweise besteht darin, dass ausgerechnet die Arbeiten, die sich mit den Zusammenhängen und Verbindungen zwischen dem Pietismus im engeren Sinn und anderen Frömmigkeitsrichtungen auseinandersetzen, zum Beispiel die Arbeiten von McKenzie, Sträter, op ’t Hof und Damrau (s. 1.1), nicht berücksichtigt werden. Gerade derartige Untersuchungen könnten Aufschluss darüber geben, ob der Pietismus eine nationale oder internationale Bewegung war. Immerhin kann überprüft werden, inwiefern sich mit Spener die Orientierung der Reformbestrebten von oben nach unten verschob – die Obrigkeit war nicht (mehr) als Träger der Reform vorgesehen, sondern die Frommen – und inwiefern sich ein religionssoziologischer Bruch vollzog. Für die Bezeichnung der verschiedenen Richtungen auf Mikroebene kann man teils auf die in der Einleitung (s. 1.2) dargestellten Begriffe zurückgreifen. Der in der Forschung gängige Terminus Puritanismus71 entspricht dem historischen Sprachgebrauch, obwohl er als Schimpfname für unterschiedliche Gruppen benutzt wurde. Im Hinblick auf den deutschen Sprachraum ist der in der Forschung gängige Begriff Pietismus anwendbar. Zu Recht haben Lehmann und van Lieburg (s. 1.2) argumentiert, dass es für eine Differenzierung zwischen einem Pietismus im engeren und im weiteren Sinn keine festen Kriterien gibt, weshalb man davon absehen sollte. Zum Pietismus kann man ein breites Spektrum von Schriftstellern und Gruppen von etwa 1600 bis 1800 zählen, zum Beispiel Arndt, Spener, Undereyck und ihre Anhänger, die radikalen Pietisten, die Hallenser, die Württemberger und die Herrnhuter. 68
Vgl. Brecht 1993a, 4–8; Hof 2005c, 96–100. Vgl. Hof 2005c, 23 f. 70 Vgl. Wallmann 2011a, bes. 225; Wallmann 2011b, bes. 320–322. 71 Vgl. Spurr 1998, 17–27; Coffey/Lim 2008b, 1. 69
9.11 Die Definition des Pietismus auf Makro- und Mikroebene465
Diese Arbeit hat die Ergebnisse der jüngeren Forschung bestätigt: die lutherische und die reformierte Frömmigkeitsbewegung in Deutschland hingen eng miteinander zusammen. Es ist also durchaus berechtigt, letztere als reformierten Pietismus zu bezeichnen. Zur klaren Unterscheidung empfiehlt sich die Verwendung von Adjektiven, die Aufschluss geben über den sprachlichen beziehungsweise den politisch-territorialen Raum und die betreffende Konfession. Dies führt zu folgenden Termini: deutscher lutherischer Pietismus sowie deutscher reformierter Pietismus. Beim ersten Adjektiv ist im Vorfeld festzulegen, ob es sich auf einen sprachlichen oder einen politisch-territorialen Raum bezieht. Im letzten Fall kämen auch Formulierungen wie ‚in Deutschland‘ oder ‚in der Schweiz‘ infrage. Bezogen auf die Niederlande wird in der aktuellen Forschung diskutiert, ob man von einer Frömmigkeitsbewegung innerhalb der reformierten Kirche als Subkultur sprechen kann, oder ob viele vermeintliche Elemente dieser Bewegung einen Teil des Konfessionalisierungsprozesses ausmachten, wie van Lieburg behauptet (s. 1.2). Positiv zu bewerten ist van Lieburgs kontextuelle Vorgehensweise: er verweist auf die Umorientierung der reformbestrebten Pfarrer – nicht mehr Obrigkeiten und Vorstände von sozialen Korporationen sind die vorgesehenen Träger der Reform, sondern die Frommen – sowie auf die Zusammenhänge mit religiösen Transformationen wie Säkularisierung. Außerdem untersuchte van Lieburg die reformbestrebten Pfarrer in Schouwen-Duiveland im synchronen und diachronen Kontext der kirchlichen und politischen Gremien. Ob es tatsächlich zu einem Umbruch in der Orientierung in Bezug auf die vorgesehenen Träger der Reform kam, bedarf allerdings weiterer Untersuchungen. Zu Brüchen und Spannungen zwischen gemäßigten und radikalen Pfarrern und Laien kam es schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts zwischen Willem Teellinck, Gillis und Jacobus Burs in Zeeland,72 sowie um die Mitte des Jahrhunderts zwischen Voetius und seinen Opponenten in Utrecht.73 Aus historischer Sicht erscheint es daher plausibel, den Aufstieg der Frömmigkeitsbewegung als Subkultur auf den Anfang des 17. Jahrhunderts zu verlegen. Van Lieburg betrachtet das Konzept einer Frömmigkeitsbewegung der Nadere Reformatie, die sich im 17. Jahrhundert als Subkultur innerhalb der niederländischen reformierten Kirche herausbildete, als Konstruktion des konservativreformierten Flügels in den Niederlanden im 20. Jahrhundert. Dadurch wird aber übersehen, dass das Nadere Reformatie-Modell schon vor dem Aufstieg der konservativen Reformierten, und auch von ihren Gegnern, benutzt worden ist. Auch wenn tatsächlich von Identitätspolitik die Rede sein sollte, sollte das Modell nach seiner Funktionalität beurteilt werden. 72 73
Vgl. Hof 1991, 59–161; Hof 2008a, 370–381. Vgl. Broeyer 2009; Krop 2014.
466
9. Schlussfolgerung
Anknüpfend an eine Begriffsdefinition der Stichting Studie der Nadere Reformatie aus dem Jahr 1995 wurde in dieser Arbeit zwischen Frömmigkeitsrichtung und -bewegung, beziehungsweise zwischen Pietismus als Strömung und Nadere Reformatie als Bewegung mit theokratischem Programm und einem entsprechenden Betreiben, unterschieden. Diese Unterscheidung verfolgte das Ziel, nur dann von einer Bewegung zu sprechen, wenn ihre Genealogie historisch verortet werden kann. Problematisch ist, dass dabei die Anfänge des Pietismus als Strömung beziehungsweise der Nadere Reformatie als Bewegung historisch datiert werden; die Entstehung historischer Strömungen und Bewegungen lässt sich jedoch nicht genau festlegen. Was die Unterscheidung zwischen Pietismus und Nadere Reformatie betrifft, bringt diese ein hohes Maß an Komplexität mit sich. Es scheint empfehlenswert, locker mit ihr umzugehen. Strömungen sind durch eine gewisse Pluralität gekennzeichnet; diese kann man auch benennen, ohne sie in ein starres Modell einzuordnen. Ein ähnlicher Umgang empfiehlt sich auch mit der Unterscheidung zwischen reformiertem Pietismus und Nadere Reformatie in Deutschland, die Op ’t Hof in seiner Teellinck-Biographie vorgeschlagen hat. Nicht zu leugnen ist, dass Teellinck und Gleichgesinnte großen Einfluss auf Undereyck und andere ausgeübt haben.74 Neben der Tatsache, dass es weitere Einflüsse gab,75 wäre es äußerst problematisch, eine Unterscheidung auf Basis der niederländischen Situation auf Deutschland zu übertragen.
9.12 Fazit Dass das Konzept des Netzwerkes für die Buchgeschichte ein hilfreiches Instrument darstellt, hat W. Heijting 2011 in einem Aufsatz über den Dordrechter Verleger François Boels (1591–1656), der hauptsächlich englische und niederländische Erbauungsbücher verlegte, gezeigt. Heijting schlägt vor, die Netzwerktheorie statt des gängigen Konzepts des Kommunikationskreises76 anzuwenden, da letzteres eine Geschlossenheit suggeriert, die es in der historischen Praxis nicht gab.77 Die vorliegende Arbeit kommt für die behandelten Übersetzer und Übersetzungen zum gleichen Ergebnis. Netzwerke bildeten den Rahmen, innerhalb dessen die Produktion, Distribution und Rezeption der Übersetzungen stattgefunden haben. Die Beteiligten erfüllten die Rollen von Anregern, Vermittlern (zum Beispiel zwischen Übersetzern und Verlagen), Beitragenden, Widmungsempfängern (und Verkaufsförderern), Distributeuren und Lesern. Makler wie 74
Vgl. Hof 2008a, 504–512, 520–523. Vgl. Kamp 2015a. 76 Vgl. Darnton 1990, der über ein „communication circuit“ spricht. 77 Vgl. Heijting 2011. 75
9.13 Forschungsperspektiven467
Schütz, der nur distanzierte Beziehungen einging, verknüpften mehrere Netzwerke, wodurch eine weiträumige Verbreitung der Übersetzungen möglich war. Für einige der reformierten Übersetzer, Duysing, Deusing, Erberfeld und Noltenius, lässt sich nachweisen, dass sie an größeren reformierten Netzwerken partizipierten, die sich um die Förderung der Frömmigkeit bemühten. Diese Netzwerke waren nicht nur interregional miteinander verbunden, sondern auch interkonfessionell mit lutherischen Netzwerken. Vermutlich bildeten diese Netzwerke oft den Rahmen, innerhalb dessen die Übersetzungen entstanden, verbreitet und gelesen wurden. Nicht immer ist es möglich, die Bedeutung dieser Netzwerke und vieler ihrer Akteure für die Übersetzungsarbeit zu belegen. Jedenfalls gab es in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein Netzwerk von Pfälzern, das sich unter anderem um die Übersetzung englischer Erbauungsliteratur bemühte.78
9.13 Forschungsperspektiven Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit liefern einen wertvollen Beitrag zum besseren Verständnis von Zusammenhängen zwischen den unterschiedlichen Frömmigkeitsrichtungen in der Frühen Neuzeit. Während auf der Makroebene länderübergreifende Gemeinsamkeiten und wechselseitige Beeinflussungen zwischen einzelnen Frömmigkeitsrichtungen verdeutlicht werden, treten auf der Mikroebene die unterschiedlichen Ausprägungen zutage. Zweitens belegt diese Studie die Relevanz eines interdisziplinären Ansatzes für die Pietismusforschung im Besonderen und der frömmigkeitshistorischen Forschung im Allgemeinen. Durch das interdisziplinäre Vorgehen wird nicht nur sichtbar, was für eine Frömmigkeit vermittelt wurde, sondern auch durch wen, auf welche Weise, und welchen Einfluss sie hinterließ. Auch wenn Einzelforschungen für bestimmte Bereiche dieses Forschungsfeldes wertvoll sind, würde die Untersuchung eines größeren Korpus von Übersetzern beziehungsweise Übersetzungen die weitere Erforschung des internationalen und interkonfessionellen Austausches von Frömmigkeit in der Frühen Neuzeit am weitesten voranbringen. Selbstverständlich müsste man sich dabei auf bestimmte Sprach- und Zeiträume beschränken. Für die weitere Erforschung deutscher Übersetzungen wäre es wünschenswert, dass sowohl lutherische als auch reformierte Übersetzer berücksichtigt werden. Ein guter Anfang wäre die analytisch-bibliographische Erschließung von Übersetzungen von Erbauungsbüchern und deren Auflagen und Exemplaren. Der bibliographische Ansatz könnte anschließend, genauso wie in dieser Arbeit, mit anderen Herangehensweisen verknüpft werden, zum Beispiel mit biographi78
Vgl. Kamp 2012b.
468
9. Schlussfolgerung
scher Forschung, Netzwerkanalyse, frömmigkeits-, kirchen-, theologie- und ideengeschichtlicher Forschung79 sowie mit Übersetzungsvergleichen. Schließlich sollten anhand der Daten von Übersetzern und Übersetzungen statistische Berechnungen durchgeführt werden. Für die analytisch-bibliographische Beschreibung sowie für die Katalogisierung steht der Forschung ein hervorragendes Instrument zur Verfügung, die digitale Datenbank Pietas.80 Die vorgesehene Erweiterung zur Pietasplatform (dt. Pietas-Plattform), wodurch die analytisch-bibliographischen Beschreibungen mit Forschungsmaterialien verknüpft werden sollen, verspricht vorzügliche Möglichkeiten für interdisziplinäre Forschungsprojekte, die auch für die Erforschung des Pietismus und der internationalen Frömmigkeitsgeschichte hilfreich sein werden.
79 Vgl. meine Überblicke über internationale Bayly- und Love-Übersetzungen, in denen ich Zahlen der Auflagen, biographische Angaben und Kontextinformationen zu den Übersetzern gebe: Kamp 2009a; Kamp 2013a. 80 www.pietasonline (Stand: 19.9.2019).
Anhang 1: Sonstige Übersetzungen, eigene Schriften und Beiträge der Übersetzer Die nachfolgende Liste enthält weitere Übersetzungen, eigene Schriften und Beiträge der Übersetzer. Unter ‚sonstige Übersetzungen‘ werden alle gedruckten Übersetzungen aufgelistet, die sich nicht auf englische und niederländische Erbauungsliteratur beziehen. Zu den ‚eigenen Schriften‘ gehören Schriften, Bearbeitungen, Personalschriften (unter eigenem Namen, unter Initialen oder unter einem Pseudonym) und Disputationen (Respondent und/oder Autor). ‚Beiträge‘ meint hier eigene Texte der Übersetzer, zum Beispiel Gedichte, die den Schriften anderer Autoren beigefügt wurden.
Johannes Duysing Eigene Schriften Collationum philologicarum ex epistola Pauli ad Romanos, octava: quam divini numinis auspicio […] [Präs.: Johannes Hipstede, Resp.: Johannes Duysing], Bremen, Hermann Brauer, 1665 (SuUB Bremen Brem. b. 740 Nr. 8). Disputatio theologica de potestate magistratus christiani circa ecclesiastica [Präs: Heinrich Duysing, Vf. u. Resp.: Johannes Duysing], Marburg, Salomon Schadewitz, 1667 (SuUB Bremen C. S. 27 Nr. 35). Collegii theologici publici disputatio I. De theologiae principio, s. scriptura ejusque divina origine summaque autoritate [Präs.: Heinrich Duysing, Prop.: Johannes Duysing], Marburg 1668 (HStA Marburg XIIIB 560 ec.). Dispvtatio theologica de efficacia gratiae convertendis [Präs.: Sebastian Curtius, Vf. u. Resp.: Johannes Duysing], Marburg, Salomon Schadewitz, 1668 (SuUB Bremen C. S. 29 Nr. 23). Johannis Duysing, Epicedium in obitum […] dn. Joachimi Brandii, Bremen, Hermann Brauer, 1673 (SuUB Bremen C. S. 61. Nr. 16).
Beiträge Epicedia in […] obitum viri […] dn. Dithmari Leusmanni, Bremen, Berthold u. Heinrich de Villiers, 1661, 3–4 (SuUB Bremen Brem. B. 86,145).
470
Anhang 1
Henrikus Mettengang, Christliche Thränenquellen über den […] tödlichen Abgang, da der […] Herr, H. Heinrich Schütte […], Bremen, Berthold u. Heinrich de Villiers, 1662, 11–12 (SuUB Bremen Brem. b. 87 Nr. 61). Lessus in […] obitum […] dni. Johannis Brandii, viri […] dn. Joachim Brandii, […] unici filii, Bremen, Berthold de Villiers, 1663, 5–8 (SuUB Bremen Brem. b. 1078 Nr. 45a). Traur und Trostschrifft uber das […] höchstsälige Absterben der […] Frauen Anna Elisabeth Formanoir, gebohren Erp von Brockhausen […], Bremen, Hermann Brauer, 1664 (SuUB Bremen Brem a. 503).
Johann Deusing Sonstige Übersetzungen und eigene Schriften Johann Deusing, Viator, heus, subsiste! […] Dn. Thidericus a Rheden iacet hic, Bremen, Berthold u. Heinrich de Villiers, 1662. Olfert Dapper, Gedenkwürdige Verrichtung der niederländischen Ost-Indischen Gesellschaft in dem Kaiserreich Taising oder Sina, durch ihre zweyte Gesandtschaft […] Als auch die dritte Gesandtschaft […] Hierbey ist gefüget eine ausführliche Beschreibung des gantzen Sinischen Reichs, Amsterdam, Jacob von Meurs, 1676. Wouter Schouten, Ost-Indische Reyse […] Nebenst noch dem gefährlichen Schiffbruch des Jagt-schifs, ter Schelling genant, von Frantz Janß. von der Heyde, aufgezeichnet […] aus dem Niederländischen ins Hochteutsche übergesetzet durch J. D., Amsterdam, Jacob van Meurs, Johannes van Someren, 1676.
Philipp Erberfeld Sonstige Übersetzungen und eigene Schriften Deutschlieb, Wolmeinendes Freudengedicht welches auff dem Eh- vnd Ehrentag des […] H. Daniel Erberfeldts […] mit der […] Jung fr. J. Gesa von Bentheimbs […] treuher tzig auffgesetzt und übersendet, Helmstedt, Henning Müller, [1663] (SuUB Bremen CS. XXI. 82). Disputatio juridica inauguralis continens decades V. Positionum miscellanearum ex jur. nat. gent. div. civ. can. feud. saxon. &c. depromtarum [Präs.: Ulricus Huber, Vf.: Philipp Erberfeld], Franeker, Johannes Wellens, 1668. „Anhang oder dreyfaches Zeugnüß vom Leben vnd Tode des recht-gelehrten und frommen Hn. Daniel Spanheims weyland der Cuhr-Pfältz. Vnivers. Heydelberg mehr als wolverdienten Bibliothecarij“, in: Guiljelmus Saldenus, Leben auß dem Tode, Amsterdam, Casparus Commelinus, Frankfurt, Hermann von Sand, 1675, 475–514. P. F. E. J. C., Alexi. Pharmacon in insula papho inventum amori suo per […] d. Henricvm Elberfeldt […] qvando propitiantibvs divis sibi et […] dominæ: d. Helenæ Meynertzhagen fœlix thalasion plaudens accinebat Colonia M. DC. LXXVI, Köln, Johann Heinrich Kopp, 1676 (SuUB Bremen Brem. a. 627 Nr. 190). Deutschlieb, Letzte Bruderpflicht, als die […] Frau, Sara de Hase […] das irdische hauß dieser hütten […] abgelegt […] den ihrigen, sich und andern, zum trost und vorbild,
Sonstige Übersetzungen, eigene Schriften und Beiträge der Übersetzer471
entfindlichbemitleidend [sic] abgestattet, Duisburg, Frank Sas, 1686 (SuUB Bremen C. S. VII. Nr. 14b).
Beiträge Glüchwünschungen auff den hochzeitlichen Ehrentag deß […] H. Daniel Erberfeldts […] mit der […] Jung f. Gesen, deß […] H. Iohannis von Bentheimb […] eheleiblichen Tochter, Helmstedt, Henning Müller, [1663], A2v (SuUB Bremen CS. XXI. 82). „Disputatio feudalis sexta. De successione in feudo descendentium“, in: Joachimi Schnobelii […] in libros feudorum exercitationes XI. [Präs.: Enoch Gläser, Resp.: Philipp Erberfeld], Helmstedt, Henning Müller, 1664, F1r–[F4v]. Thesium juridicarum illustrium decades sex, quas, divina favente gratia [Präs.: Gerhard von Mastricht, Resp.: Michael Harmes], Duisburg, Frank Sas, 1685, 9. Joachim Neander, Glaub- und Liebes-übung: auffgemuntert durch einfältige Bundes-Lieder und Danck-Psalmen, Bremen, Hermann Brauer, 1680, A5v. Hermann Hugo, Gottseelige Begierden und andächtige Seufzer, Wesel, Jacob von Wesel, 1706.
Johann Christoph Noltenius Eigene Schriften Leichenpredigt für die preußische Königin Sophia Charlotte (1668–1705).
Henning Koch Eigene Schriften Disputationen unter dem Theologen Heinrich Martin Eckard (1615–69) und dem Logiker, Metaphysiker und Theologen Peter Musäus (1620–74) in Rinteln. Henning Koch, Exercitatio metaphysica de potentiæ activæ definitione prout tradita est ab Aristotele, Helmstedt [Präs.: Heinrich Rixner; Resp.: Henning Koch], Henning Müller, 1657. Henning Koch, Das seuffzer–volle, nichtige und vergängliche Wesen aller Menschen, Helmstedt, Henning Müller, 1672. Henning Koch, Eintzige gewisse Seeligkeit aller Menschen, in der unermäßlichen Liebe Gottes, und dem wahren Glauben, auff dessen eingebornen Sohns Tode gegründet, Helmstedt, Henning Müller, 1672. Henning Koch, Herrliche Belohnunge und sichere Ruhe der Gerechten, Helmstadt, Johann Heitmüller, 1673. Henning Koch, Frommer Christen gebührlicher Wandel, Helmstedt, Jacob Müller, 1674.
Beiträge Johann Grumbach, Christliche Leich-Predigt von der höchstgewünschten Seeligkeit welche bestehet in Ruhe und Vergnüglichkeit derer so im Herrn sterben, Helmstedt, Johann Heitmüller, 1667, K2r.
472
Anhang 1
Bartholomäus Rüdiger, Christliche Trost-Predigt von der seeligen Ruhe der verstorbenen Gerechten, Helmstedt, Jacob Müller, 1677, N1r-O1r. Historia festi secvlaris […] idibvs Octobris anno MDCLXXVI. Quo die seculum suum primum gratulabunda finiebat & secundum feliciter auspicabatur Academia Julia quæ est Helmestadii Saxonum, [Christoph Schrader], Helmstedt, Heinrich David Müller, 1678, 81–96. Johannis Nicolai, Commentatio de ritv antiqvo et hodierno bacchanaliorum, Helmstedt, Heinrich David Müller, 1679, 2)(1v. Andreas Fröling, Aengstigliche Klage und Bitte des Königes David […] bey der Leichbestattung des […] Herrn […] Daniel Erberfelds, Helmstedt, Georg-Wolfgang Hamm, 1682, [H4r]–I1r. Andreas Fröling, Spiegel der Eitelkeit in irdischen Dingen […] bey angestelter ansehnlicher Leich-begängnis des […] Herrn Hermann Conrings, Helmstedt, Georg-Wolfgang Hamm, 1682, [S2v]. Joseph Hall, I. Nacht-Lieder. II. Der heilige Orden. III. Die Klage und Thränen Sion, Helmstedt/Gardelegen, Friedrich Lüderwald, 1683, 274. Justus Cellarius, Gläubiger Seelen tägliche Gewissens-Übung, Heinrich Hesse, 1685, E3vF3v. Johann Eberhard Bussmann, Aßaphs und aller Glaubigen treuer Geleitsmann und höchstes Gut, Helmstedt, Georg-Wolffgang Hamm, [1688], X2r–v.
Anhang 2: Ratsmitglieder der Stadt Bremen zur Zeit der Wahl Johannes Duysings zum Pfarrer der St. Pauligemeinde (1671) Als der Bremer Rat 1671 einen neuen Pfarrer der Gemeinde St. Pauli wählte, erhielt Johannes Duysing die Mehrheit der Stimmen (s. 3.6). Die anderen Kandidaten, Nordenholt und Dwerhagen, unterlagen Duysing. Verschiedene Faktoren können dazu beigetragen haben, dass Duysing die meisten Stimmen erhielt: Undereycks und Hedwig Sophies Einsatz sowie Duysings Bekanntschaft mit verschiedenen Ratsmitgliedern. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass sich die Mehrzahl der Ratsmitglieder mit Undereyck und dessen Idealen identifizieren konnte. Auch wenn keine gesicherten Aussagen über das Verhältnis zwischen den Ratsmitgliedern und den anderen Kandidaten getroffen werden können, lohnt es sich, die Zusammenstellung des Rates im Jahre 1671 genauer zu betrachten.1 Seit 1433 gab es 24 Ratsherren und 4 Bürgermeister in einem Verhältnis von 6:1 je Kirchspiel.2 Aus dem Protokoll vom 27. September 1671 geht aber hervor, dass 31 Personen votiert haben. Zu den Wählern zählte vermutlich auch Syndikus Wachmann, einer der Widmungsempfänger von Duysings erster Marburger Disputation, der später den reformierten Pietismus in Bremen unterstützt hat (s. 3.6). Tafel 1: Zusammenstellung des Bremer Rates 1671
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1 2
Name
Quar- Lebensjahre tier
Ratsherr
Bürger meister
Brand, Joachim Meier, Heinrich (Dr.) Schweling, Johannes Bentheim, Wilhelm von Tiling, Heinrich Alers, Heinrich (Henricus) (Dr.) Erp von Brockhausen, Simon Anton (Dr.)
O W W H H O H
1638–64 1638–54 1640–78 1642–54 1649–75 1649–73 1650–67
1664–73 1654–76
1609–73 1609–76 1597–1678 1609–79 1603–75 1612–75 ?–1682
S. Harry Schwarzwälder 2002, 63, Nr. 329–68, Nr. 384. Vgl. Herbert Schwarzwälder 2003, Bd. 2, 700.
1654–79 1673–75 N: 1667–82
474
Anhang 2
Quar- Lebensjahre tier
Ratsherr
8. Tilemann, genannt Schenk, Johann (Dr.) 9. Coch, Heinrich 10. Meier, Carsten 11. Zepper, Johann Friedrich (Dr.)
-
1597–1672
1651–72
W N O
?–1675 1600–84 1618–75
12. 13. 14. 15. 16. 17.
Havemann, Arnold Surbick, Heinrich Meier, Hans Harmes, Johann Hüpeden, Wilhelm Hüneken, Johann (Dr.)
W H O – N N
?–1672 ?–26.05.1673 1611–81 1631–82 1606–77 1632–87
18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28.
Zobel, Nicolaus (Dr.) Coeper, Johann (Prof. Dr.) Cappeln, Diderich von (Dr.) Büren, Diderich von (Dr.) Edzard, Jacobus (Dr.) Wolpmann, Friderich (Dr.) Pottere, Peter de Formanoir, Lubert (Dr.) Heerde, Johann (Dr.) Lammers, Joost Meier, Heinrich
N N W N W H H O W H O
1622–93 1624–73 1632–87 1625–80 1626–82 1619–72 1619–82 1634–96 1638–89 ?–1686 1606–89
1654–75 1654–84 1656– 01.02.1675– 01.02.1675 21.9.1675 1657–72 1657–73 1657–81 1658–75 O: 1675–82 1659–77 1662–80 (resigniert) 1662–82 1682–93 1673 1665–76 1676–87 1665–80 1666–82 1667–72 1667–82 1668–82 1682–96 1669–87 1687–89 1670–86 1670–89
Name
H N O W
Bürger meister
das Hollerländische Quartier das Niedervieländische Quartier das Obervieländische Quartier das Werdervieländische Quartier
Die ältesten Ratsmitglieder, Brand, Meier, Schweling, Bentheim, Tiling, Alers und Erp von Brockhausen, kannten Duysing; er hatte ihnen seine erste Marburger Disputation gewidmet. Auch mit der Tochter von Erp von Brockhausen und mit Formanoir war Duysing bekannt. Daneben kannte er Nicolaus Zobel und Diderich von Cappeln. Nicolaus Zobel war Johanns Bruder und ein Neffe Sebastian Friedrichs. Nicolaus unternahm internationale Reisen und war verschiedene Male Gesandter, unter anderem nach England und in die Niederlande.3 Cappeln war von 1667 bis 1669 Gesandter Bremens auf dem Reichstag in Regensburg,4 wo er Duysing kennengelernt haben muss. 3 4
Vgl. Rotermund 1818, Bd. 2, 270; Lehsten 2003, Bd. 2, 354, Nr. 9 e). Vgl. Rotermund 1818, Bd. 1, 61 f.
Ratsmitglieder der Stadt Bremen zur Zeit der Wahl Johannes Duysings zum Pfarrer 475
Wilhelm Hüpeden war Bauherr in der St. Ansgariigemeinde, was vermuten lässt, dass er Duysing, zumindest flüchtig, kannte.5 Auch Tilemann, genannt Schenk, hat Duysing möglicherweise gekannt, da zwei seiner Söhne – wie Duysing – Pfarrer waren.6 Carsten Meier und Johann Harmes7 haben später Undereyck in der Stadt begünstigt und wurden von Mai als „mächtige Freunde“ Undereycks bezeichnet. Carsten Meier war der Vater von Christian, einem der Widmungsempfänger von Duysings Bremer Disputation.8 Somit hatte Duysing bei mindestens elf (Hüpeden und Tilemann Schenck nicht mitgezählt) der 31 Mitglieder gute Chancen, gewählt zu werden. Anzunehmen ist, dass sie weitere Mitglieder überzeugen konnten, für Duysing zu stimmen. Jacobus Edzard hat sich im Laufe der Jahre mehr und mehr zum Gegner Undereycks9 entwickelt und Friedrich Wolpmann war Lutheraner10. Dies macht es wahrscheinlich, dass sie gegen Duysing votiert haben.
5
Vgl. Rotermund 1818, Bd. 1, 219. Vgl. Rotermund 1818, Bd. 2, 208. Die als Pfarrer amtierenden Söhne sind Ernst und Philipp Johann, s. 5.3. Ernst ließ sich 1663 am Bremer Gymnasium immatrikulieren und kann Duysing von daher gekannt haben, s. Achelis/Börtzler (Hrsg.) 1968, 148, Nr. 79. 7 Vgl. Rotermund 1818, Bd. 1, 163. 8 Vgl. Mai 1979, 98, 100, 103 f., 246 f., 250. 9 Vgl. Mai 1979, 245. 10 Vgl. Prange 1963, 80. 6
Bibliographie „Das bremische Stadtgeschlecht Oelrichs“ [1937], in: Der Schlüssel, Bremer Beiträge zur Deutschen Kultur und Wirtschaft, 1937, H. 6, 40–45. „Schmedes, Heinrich“ [2016], in: Hessische Biografie, http://www.lagis-hessen.de/ pnd/104202513 (Stand: 17.11.2016). Abels, P. H. A. M, [2005]“Spranckhuysen, Dionysius (van)“, in: Nauta u. a. (Hrsg.), Bd. 5 (2005), 483–484. Achelis, Th. O./Börtzler, A. (Hrsg.) [1968], Die Matrikel des Gymnasium Illustre zu Bremen, 1610–1810, Bremen 1968. Ackermann, H. [1996], Geschichte der Evangelischen Gemeinde Düsseldorf von ihren Anfängen bis 1948, Düsseldorf 1996. Ackermann, H. [2005], Joachim Neander. Sein Leben, Seine Lieder, sein Tal, 3. veränderte und erw. Aufl. Düsseldorf 2005. Ahrens, S. [2004], Die Lehrkräfte der Universität Helmstedt (1576–1810), Helmstedt 2004. Ahrens, T. [1962], Aus der Lehr- und Spruchtätigkeit der alten Duisburger Juristenfakultät, Duisburg-Ruhrort 1962. Alblas, J. B. H. [1987], Johannes Boekholt (1656–1693). The first Dutch publisher of John Bunyan and other English authors, Nieuwkoop 1987. Albrecht, R. [2004], „Frauen“, in: Lehmann (Hrsg.) [2004b], 522–555. Althöfer, U./Dellbrügge, J. [2007], „Die Taufschale der Evangelisch-reformierten Gemeinde zu Bielefeld“, in: Haase (Hrsg.) [2007], 91–104. Alwast, J. [1993], „Musäus, Peter“, in: BBKL, Bd. 6 (1993), 375–376. Andresen, C. (Hrsg.) [1998], Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte. Bd. 2: Die Lehrentwicklung im Rahmen der Konfessionalität, 2. überarb. u. erg. Aufl., Göttingen 1998. Arnold, G. [1967], Unparteiische Kirchen- und Ketzerhistorie vom Anfang des Neuen Testamentes bis auf das Jahr Christi 1688, Bd. II. 3. 4, Frankfurt am Main, Thomas Fritsch Erben, 1729, Ndr. Hildesheim 1967. Arnold, W. [1980], Eine norddeutsche Fürstenbibliothek des frühen 18. Jahrhunderts. Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig-Lüneburg (1671–1735) und seine Büchersammlung, Göttingen 1980. Arnold, W. [1997], „Adelsbildung in Mitteldeutschland. Joachim von Alvensleben und seine Bibliothek“, in: ders. (Hrsg.), Bibliotheken und Bücher im Zeitalter der Renaissance, Wiesbaden 1997, 167–194. Ascoli, G. [1930], La Grande-Bretagne devant l’opinion française au XVIIe siècle, 2 Bde., Paris 1930. Asselt, W. J. van [1997], Johannes Coccejus. Portret van een zeventiende-eeuws theoloog op oude en nieuwe wegen, Heerenveen 1997.
478
Bibliographie
Asselt, W. J. van [2001], The federal theology of Johannes Coccejus (1603–1669), Leiden usw. 2001. Averdunk, H. [1909], Geschichte des Duisburger Gymnasiums bis zur Errichtung des Königlichen Kompatronats 1303–1822 und Liste der seit 1824 entlassenen Abiturienten, Duisburg 1909. Bade, K. J., u. a. (Hrsg.) [2007], Enzyklopädie Migration in Europa: vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn usw. 2007. Bahl, P. [2001], Der Hof des Großen Kurfürsten. Studien zur höheren Amtsträgerschaft Brandenburg-Preußens, Köln usw. 2001. Bahr, F. [1931], Kirchengeschichte des Landes Draheim, Stettin 1931. Baker, M. (Hrsg.) [2004], Routledge Encyclopedia of Translation Studies, London/New York 2004 Balders, G. [2003], „Vom Verhältnis des Baptismus zum historischen Pietismus“, in: Theologisches Gespräch. Freikirchliche Beiträge zur Theologie, 27, H. 4 (2003), 135–165. Bán, I. [1977], „Die literatur- und kulturgeschichtliche Bedeutung des ungarischen Puritanismus des 17. Jahrhundert“, in: P. F. Barton/L. Makkai (Hrsg.), Rebellion oder Religion? Die Vorträge des internationalen Kirchenhistorischen Kolloquiums Debrecen, 12.2.1976, Budapest 1977, 75–88. Bangert, K./Christensen, B. [1983], „Conring und Dänemark“ – Ergänzende Bemerkungen“, in: Stolleis (Hrsg.) [1983], 465–470. Bantjes, A. A./Poelgeest, L. van [1983], De Leidse hoogleraren en lectoren 1575–1815. Bd. 2: De medische faculteit, Leiden 1983. Bauks, F. W. [1980], Die evangelischen Pfarrer in Westfalen von der Reformationszeit bis 1945, Bielefeld 1980. Baumann, W.‑R [1990], The Merchants Adventurers and the Continental Cloth-trade (1560s–1620s), Berlin/New York 1990. Barend-van Haeften, M. [2003], „Inleiding“, in: M. Breet (Hrsg.) [2003], De Oost-Indische voyagie van Wouter Schouten, Zutphen 2003, 11–20. Barnett, P. [1962], Theodore Haak, (1605–1690). The first German translator of ‚Paradise lost‘, ’s-Gravenhage 1962. Batten, J. M. [1944], John Dury, advocate of Christian Reunion, Chicago 1944. Bautz, F. W. [1990a], „Durie (Dury, Duraeus), John“, in: BBKL, Bd. 1 (1990), 1433–1434. Bautz, F. W. [1990b], „Horche, Heinrich“, in: BBKL, Bd. 2 (1990), 1056–1057. Beck, A. J. [2007], Gisbertus Voetius (1589–1676). Sein Theologieverständnis und seine Gotteslehre, Göttingen 2007. Beck, H. [1883], Die Erbauungsliteratur der evangelischen Kirche Deutschlands. Tl. I: Von M. Luther bis Mart. Moller, Erlangen 1883. Beck, H. [1891], Die religiöse Volkslitteratur der evangelischen Kirche Deutschlands in einem Abriß ihrer Geschichte, Gotha 1891. Beeke, J. R./Jones, M. [2012], A Puritan Theology. Doctrine for Life, Grand Rapids, MI 2012. Beeke, J. R./Pederson, R. J. [2006], Meet the Puritans. With a Guide to Modern Reprints, Grand Rapids, MI 2006. Behrends, P. W. [1826], Neuhaldenslebische Kreis-Chronik, oder Geschichte aller Oerter des landräthlichen Kreises Neuhaldensleben, im Magdeburgischen, Bd. 2, Neuhaldensleben 1826.
Bibliographie479
Behringer, W. u. a. [2005], „Kulturelle Konsequenzen der ‚Kleinen Eiszeit‘? Eine Annäherung an die Thematik“, in: W. Behringer u. a. (Hrsg.), Kulturelle Konsequenzen der „Kleinen Eiszeit“ = Cultural consequences of the „Little Ice Age“, Göttingen 2005, 7–27. Bei der Wieden, H. [2004a], „Die konfessionellen Verhältnisse in der Reichsabtei Herford“, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte, 102 (2004), 267–279. Bei der Wieden, H. [2004b], „Münzrecht als Hoheitsrecht. Der letzte Versuch einer Äbtissin von Herford, Münzen prägen zu lassen (1689)“, in: R. Cunz (Hrsg.), Fundamenta historiae. Geschichte im Spiegel der Numismatik und ihrer Nachbarwissenschaften. Festschrift für Niklot Klüßendorf zum 60. Geburtstag am 10. Februar 2004, Hannover 2004, 229–235. Bei der Wieden, H. [2007], „Die Dekanessen und Koadjutorinnen der Reichsabtei Herford in der Neuzeit“, in: Jahrbuch für westfälische Kirchengeschichte, 103 (2007), 109– 130. Bei der Wieden, H. [2008a], „Elisabeth in ihrer Zeit“, in: Bei der Wieden (Hrsg.) [2008b], 37–58. Bei der Wieden, H. (Hrsg.) [2008b], Elisabeth von der Pfalz. Äbtissin von Herford 1618– 1680. Eine Biographie in Einzeldarstellungen, Hannover 2008. Benedict, Ph. [2002], Christ’s Churches Purely Reformed. A Social History of Calvinism, New Haven/London 2002. Benz, E. [1971], „Einführung in die emblematische Mystik und in das vorliegende Werk“, in: H. Hugo, Pia desideria libri III, hrsg. v. E. Benz, Hildesheim/New York 1971, V*XXV*. Benzing, J. [1969], „Johann Theodor de Bry, Levinus Hulsius Witwe und Hieronymus Galler als Verleger und Drucker zu Oppenheim“, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, 9 (1969), 589–642. Benzing, J. [1977], „Die deutschen Verleger des 16. und 17. Jahrhunderts. Eine Neubearbeitung“, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, 18, H. 5–6, 1077–1329. Benzing, J. [1980], „Die Hanauer Erstdrucker Wilhelm und Peter Antonius (1593–1625)“, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, 21 (1980), 1005–1126. Benzing, J. [1982], Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, 2., verb. u. erg. Aufl., Wiesbaden. Bepler, J. [1988], Ferdinand Albrecht, Duke of Braunschweig-Lüneburg (1636–1687). A Traveller and his Travelogue, Wiesbaden 1988. Bepler, J. [2000], „Literatur und Buchkultur“, in: Jarck/Schildt (Hrsg.) [2000], 611–628. Bepler, J. [2006a], „Hardt, Hermann von der“, in: Jarck u. a. (Hrsg.) [2006], 299–300. Bepler, J. [2006b], „Rudolf August, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (Wol)“, in: Jarck u. a. (Hrsg.) [2006], 598–599. Berg, B./Albrecht, P. [2003], Presse der Regionen Braunschweig/Wolfenbüttel, Hildesheim – Goslar. Kommentierte Bibliographie der Zeitungen, Zeitschriften, Intelligenzblätter, Kalender, Almanache sowie biographische Hinweise zu Herausgebern, Verlegern, Druckern und Beiträgern periodischer Schriften bis zum Jahre 1815, Teilbd. 2, Stuttgart/Bad Cannstatt 2003. Berg, J. van den [1993], „Die Frömmigkeitsbestrebungen in den Niederlanden“, in: Brecht (Hrsg.) [1993c], 57–112. Berg, J. van den [1995], „Die Frömmigkeitsbestrebungen in den Niederlanden“, in: Brecht/Deppermann (Hrsg.) [1995], 542–587.
480
Bibliographie
Berg, J. van den/Dooren, J. P. van (Hrsg.) [1978], Pietismus und Reveil. Referate der internationalen Tagung: Der Pietismus in den Niederlanden und seine internationalen Beziehungen, Zeist 18.–22. Juni 1974, Leiden 1978. Besch, W., u. a. (Hrsg.) [2004], Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, 2., vollst. neu bearb. u. erw. Aufl., Tlbd. 4, Berlin/ New York 2004. Beß, B. [1894], „Tilemann, Philipp Johann“, in: ADB, 38 (1894), 297–298, http://www. deutsche-biographie.de/pnd103116745.html?anchor=adb. Beste, J. [1889], Geschichte der Braunschweigischen Landeskirche von der Reformation bis in unsere Tage, Wolfenbüttel 1889. Beste, J. [1900], Album der evangelischen Geistlichen der Stadt Braunschweig mit kurzen Nachrichten über ihre Kirchen, Braunschweig/Leipzig 1900. Beste, J. [1905], „Philipp Jakob Speners Einfluß auf die Braunschweigische Landeskirche“, in: Braunschweigisches Magazin, 2 (1905), 85–91. Beste, J. [1922], „Der Pietismus in der Braunschweigischen Landeskirche“, in: Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte, 27 (1922), 1–13. Beutel, A. [1999], „Erbauung“, in: RGG4, Bd. 2 (1999), 1385–1386. Bientjes, J. [1967], Holland und der Holländer im Urteil deutscher Reisender (1400–1800), Groningen 1967. Bircher, M./Herz, A. (Hrsg.) [1997], Die Fruchtbringende Gesellschaft unter Herzog August von Sachsen-Weissenfels. Die preußischen Mitglieder Martin Kempe (der Erkorne) und Gottfried Zamehl (der Ronde). Mit Kempes Versgedicht Neugrünender Palm-Zweig der Teutschen Helden-Sprache und Poeterey (1664) und seinem Dichterlexikon Unvorgreiffliches Bedencken, uber die Schrifften derer bekantesten Poeten hochdeutscher Sprache (1681), Tübingen 1997. Birke, A. M. [1987], Britain and Germany. Historical Patterns of a Relationship, London 1987. Birt, Th. (Hrsg.) [1980], Catalogi studiosorum Marpurgensium cum annalibus coniuncti series recentior: 1653–1830, Marburg 1903–1914, Ndr. Nendeln/Liechtenstein 1980. Blassneck, M. [1934], Frankreich als Vermittler englisch-deutscher Einflüsse im 17. und 18. Jahrhundert, Leipzig 1934. Blom, F. [1982], Christoph and Andreas Arnold and England: the travels and book-collections of two seventeenth-century Nurembergers, Nürnberg 1982. Böckenholt, H.‑J. [1979], Schloß und Herrschaft Rheda. Ein geschichtlicher Abriß mit einer kurzen Beschreibung der Herrschaft Rheda aus den Jahren um 1685 von Moritz Meier und einigen Gedanken über Rheda von der Fürstin zu Bentheim-Tecklenburg, Harsewinkel/Marienfeld 1979. Bödeker, H. E., u. a. (Hrsg.) [2001], Le livre religieux et ses pratiques. Etudes sur l’histoire du livre religieux en Allemagne et en France à l’époque moderne. Der Umgang mit dem religiösen Buch. Studien zur Geschichte des religiösen Buches in Deutschland und Frankreich in der frühen Neuzeit, Göttingen 2001. Böger, J. [1993–2007], „Ancumanus, Bernardus Nicaes (Sieger, Berend)“, in: Tielke (Hrsg.) [1993–2007], http://www.ostfriesischelandschaft.de/obio/detail.php?id=1. Bölitz, J. [1978], Die evangelischen Pfarrer Wesels, Wesel 1978. Boer, W. A. den [2008], Duplex amor Dei. Contextuele karakteristiek van de theologie van Jacobus Arminius (1559–1609), Apeldoorn 2008. Boersma, H. [1993], A hot pepper corn. Richard Baxter’s doctrine of justification in its seventeenth-century context of controversy, Zoetermeer 1993.
Bibliographie481
Börtzler, A. [1968], „Einleitung“, in: Achelis/Börtzler (Hrsg.) [1968], XII–XXIV. Boetticher, M. von [2006], „Gesenius, Justus, Dr. theol.“, in: Jarck u. a. (Hrsg.) [2006], 261–262. Boghardt, M. [2007], Analytische Druckforschung. Ein methodischer Beitrag zu Buchkunde und Textkritik, Hamburg 1977. Böttigheimer, Ch. [1996], Zwischen Polemik und Irenik: die Theologie der einen Kirche bei Georg Calixt, Münster 1996. Bollenbeck, Georg [1990], „Rezeption“, in: H. J. Sandkühler u. a. (Hrsg.), Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, Bd. 4, Hamburg 1990, 141–143. Bornemann, U. [1976], Anlehnung und Abgrenzung: Untersuchungen zur Rezeption der niederländischen Literatur in der deutschen Dichtungsreform des siebzehnten Jahrhunderts, Assen usw. 1976. Boss, W. [1912], Die Salvatorkirche zu Duisburg. Eine Zusammenstellung des geschichtlichen Stoffes und eine Beschreibung der Kirche, Duisburg 1912. Bouldin, Elizabeth [2014], „In Search of ‚Fellow Pilgrims‘: Radical Protestants and Transconfessional Exchanges in Europe and the British Atlantic, c. 1670–1730“, in: Church History, 83 (2014), 590–617. Brandt, H.‑H. [1963], Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im Raum Hanau 1597–1962. Die Geschichte der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern und ihrer Vorläufer, Hanau 1963. Brauer, K. [1907], Die Unionstätigkeit John Duries unter dem Protektorat Cromwells: ein Beitrag zur Kirchengeschichte des siebzehnten Jahrhunderts, Marburg 1907. Brecht, M. [1993a], „Einleitung“, in: Brecht (Hrsg.) [1993c], 1–10. Brecht, M. [1993b], „Das Aufkommen der neuen Frömmigkeitsbewegung in Deutschland“, in: Brecht (Hrsg.) [1993c], 113–204. Brecht, M. (Hrsg.) [1993c], Der Pietismus vom siebzehnten bis zum frühen achtzehnten Jahrhundert [Geschichte des Pietismus, Bd. 1], Göttingen 1993. Brecht, M. [1993d], „Die deutschen Spiritualisten des 17. Jahrhunderts“, in: Brecht (Hrsg.) [1993c], 205–240. Brecht, M. [1993e], „Philipp Jakob Spener, sein Programm und dessen Auswirkungen“, in: Brecht (Hrsg.) [1993c], 278–389. Brecht, M./Deppermann, K. (Hrsg.) [1995], Der Pietismus im achtzehnten Jahrhundert, [Geschichte des Pietismus, Bd. 2], Göttingen 1995. Brecht, M., u. a. (Hrsg.) [1993–2004], Geschichte des Pietismus, 4 Bde., Göttingen 1993– 2004. Breul, W., u. a. (Hrsg.) [2010], Der radikale Pietismus. Zwischenbilanz und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2010. Breward, I. (Hrsg.) [1970], The work of William Perkins, Appleford, Berks. 1970. Brienen, T. [1987], „Johan Cornelisz. van Bleiswijk (1618–1696)“, in: Brienen u. a. [1987], Tl. 1, 71–82. T. Brienen u. a. [1987], Figuren en thema’s van de Nadere Reformatie, Tl. 1, Kampen 1987. T. Brienen u. a. [1990], Figuren en thema’s van de Nadere Reformatie, Tl. 2, Kampen 1990 Broeyer, F. G. M. [2009], „Twintig schokkende jaren: de Utrechtse gereformeerde gemeente van 1660 tot 1680“, in: N. M. Vos, 750 jaar Dom en rondom. Vier publiekslezingen door Utrechtse kerkhistorici, Almere 2009, 53–81. Broeyer, F. G. M./Wall, E. G. E. van der (Hrsg.) [1994], Een richtingenstrijd in de Gereformeerde Kerk. Voetianen en coccejanen 1650–1750, Zoetermeer 1994.
482
Bibliographie
Brunner, D. L. [1993], Halle pietists in England. Anthony William Boehm and the Society for Promoting Christian Knowledge, Göttingen 1993. Brüning, J./Gleixner, U. (Hrsg.) [2010], Das Athen der Welfen. Die Reformuniversität Helmstedt 1576–1810, Wiesbaden 2010. Brüning, K./Schmidt, H. (Hrsg.) [1976], Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Bd. 2: Niedersachsen und Bremen, 4., verb. Aufl., Stuttgart 1976. Bruno, J. [1988], Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt Kassel, 2 Bde., Kassel 1988. Bues, A., [1993] „Der Briefwechsel der Landgräfin Hedwig Sophie von Hessen-Kassel mit ihrer Schwester Luise Charlotte, Herzogin von Kurland“, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, 43 (1993), 77–106. Burggraffen, J. H./Fuhrmann, T. C. (Forts.) [1918], „Bielefeldische Stadt-Nachrichten“, in: Jahresberichte des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, 32 (1918), 1–138. Burke, P. [2005a], Lost (and Found) in Translation: A Cultural History of Translators and Translating in Early Modern Europe, Wassenaar 2005. Burke, P. [2005b], „The Renaissance-Translator as Go-Between“, in: A. Höfele/W. von Koppenfels (Hrsg.), Renaissance go-betweens. Cultural exchange in early modern Europe, Berlin 2005, 17–31. Burke, P. [2007a], „Cultures of translation in early modern Europe“, in: Burke/Po-chia Hsia (Hrsg.) [2007a], 7–38. Burke, P. [2007b], „Translations into Latin in early modern Europe“, in: Burke/Po-chia Hsia (Hrsg.) [2007a], 65–80. Burke, P. [2009], „Translating Knowledge, Translating Cultures“, in: North (Hrsg.) [2009], 69–77. Burke, P./ Po-Chia Hsia, R. [2007], „Introduction“, in: dies. (Hrsg.), Cultural translation in early modern Europe, Cambridge usw. 2007. Burmeister, H. (Hrsg.) [2002], Salomon Schadewitz, Buchtrücker: ein hessischer Buchdrucker in Grebenstein, Hofgeismar, Kassel und Marburg 1636–1682, Hofgeismar 2002. Busch, E. [2004], „Reformierte Kirchen“, in: RGG4, Bd. 7 (2004), 165–171. Butterweck, W [1926]., Die Geschichte der Lippischen Landeskirche, Schötmar in Lippe 1926. Cam, J.‑L. le [1996], La politique scolaire d’August Le Jeune de Brunswick-Wolfenbüttel et l’inspecteur Christoph Schrader 1635–1666/80, 2 Bde., Wiesbaden 1996. Camerer, L./Fischer, U. [1985], Der Buchdruck in der Stadt Braunschweig vor 1671. Ausstellung der Stadtbibliothek und des Stadtarchivs Braunschweig aus Anlaß der Landesausstellung Niedersachsen 1985 „Stadt im Wandel“, Braunschweig 1985. Capelle, Th. [2009], „Der Kanzler und die Kirche: Kanzler Ph. L. Probst von Wendhausen und das Anti-Pietisten-Edikt von 1692“, in: Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte, 90 (2009), 121–140. Carbonnier-Burkard, M. [2004], „Enquête dans la littérature de piété réformée francophone à l’epoque moderne“, in: Bulletin de la Société de l’Histoire du Protestantisme Français, 150 (2004), 107–125. Carter, G. [2002], „Latitudinarismus“, in: RGG4, Bd. 5 (2002), 116–117. Chales de Beaulieu, A. [2000], Deutsche Reisende in den Niederlanden: das Bild eines Nachbarn zwischen 1648 und 1795, Frankfurt am Main usw. 2000. Chestermann, A. [1997], Memes of translation. The spread of ideas in translation theory, Amsterdam/Philadelphia 1997, 87–116. Chevallier, M. [1994], Pierre Poiret (1646–1719). Du protestantisme à la mystique, Genf 1994.
Bibliographie483
Clayton, T. [2007], Europe and the Making of England, 1660–1760, Cambridge 2007. Coffey J./Lim, P. C. H. (Hrsg.) [2008a], The Cambridge companion to Puritanism, Cambridge 2008. Coffey, J./Lim, P. C.‑H. [2008b], „Introduction“, in: Coffey/Lim (Hrsg.) [2008a], 1–15. Conermann, K., u. a. (Hrsg.) [2006], Briefe der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen: Die Zeit Fürst Ludwigs von Anhalt-Köthen 1617–1650, Bd. 4: 1637–1638 [Die deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts: Fruchtbringende Gesellschaft, Reihe 1, Abt. A: Köthen, Bd. 4], Tübingen 2006. Cooper, T. [2001], Fear and polemic in seventeenth-century England: Richard Baxter and antinomianism, Aldershot usw. 2001. Cooper, W. A. [1997], „Quäker“, in: TRE, 28 (1997), 35–41. Cosack, C. J. [1871], Zur Geschichte der evangelischen ascetischen Literatur in Deutschland, Bernhard Weiss, Basel/Ludwigsburg 1871. Dahl, F. [1916], „Zu den Beziehungen Conrings zu Dänemark, in: Zeitschrift der SavignyStiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, 37 (1916), 507–511. Daly, P. M./Dimler, G. R. [1997], Corpus Librorum Emblematum, Bd. 3, Montreal 1997. Damrau, P. [2006], The Reception of English Puritan Literature in Germany, London 2006. Darnton, R. [1990], The kiss of Lamourette. Reflections in cultural history, London etc. 1990. Dechent, H. [1888], „Pritius, Johann Georg“, in: ADB, 26 (1888), 602–604, http://www. deutsche-biographie.de/artikelADB_pnd10434444X.html. Dechent, H. [1921], Kirchengeschichte von Frankfurt am Main seit der Reformation, Bd. 2, Leipzig/Frankfurt am Main 1921. Delius, W. [1957], „Der Jurist Johannes Brunnemann (1608–1672) und der Pietismus“, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, 8 (1957), 19–22. Dellbrügge, J. [2007], „Schlichte Räume“, in: Haase (Hrsg.) [2007], 43–80. Dellsperger, R. [1984], Die Anfänge des Pietismus in Bern: Quellenstudien, Göttingen 1984. Deppermann, A. [2002], Johann Jakob Schütz und die Anfänge des Pietismus, Tübingen 2002. Deppermann, K. [1993], „Der Englische Puritanismus“, in: Brecht (Hrsg.) [1993c], 11–55. Derda, H.‑J. [2006], „Schrader, Christoph G., Prof.“, in: Jarck u. a. (Hrsg.) [2006], 631– 632. Derville, A. [1969], „Hugo (Hermann)“, in: M. Viller u. a. (Hrsg.), Dictionnaire de spiritualité ascétique et mystique: doctrine et histoire, Bd. 7, Paris 1969, 858. Deursen, A. Th. Van [2004], De last van veel geluk. De geschiedenis van Nederland, 1555– 1702, Amsterdam 2004. Dever, M. E. [2000], Richard Sibbes: Puritanism and Calvinism in Late Elizabethan and Early Stuart Engeland, Macon, Georgia 2000. Dever, M. E. [2007], „Sibbes, Richard (1577?–1635)“, in: ODNB, Oxford 2004; Onlinefassung 2007, http://www.oxforddnb.com/view/article/25498. Dienst, K. [1986], „Hessen“, in: TRE 15, (1986), 263–279. Dietz, A. [1970–1973], Frankfurter Handelsgeschichte, 4 Bde., Frankfurt am Main 1910– 1925, Ndr. Glashütten im Taunus 1970–1973. Dietz, F. [2012], Literaire levensaders. Internationale uitwisseling van woord, beeld en religie in de Republiek, Hilversum 2012. Dingel, I. [2011], „Religionssupplikationen der Französisch-Reformierten Gemeinde in Frankfurt am Main“, in: Dingel/Selderhuis (Hrsg.) [2011], 281–296.
484
Bibliographie
Dingel, I./Selderhuis, H. J. (Hrsg.) [2011], Calvin und Calvinismus. Europäische Perspektiven, Göttingen 2011. Döll, E. [1967], Die Kollegiatstife St. Blasius und St. Cyriacus zu Braunschweig, Braunschweig 1967. Dörries, C. [2009], Schloss und Gut Liebenberg, Berlin 2009. Dösseler, E. [1964], „Kulturpflege beim Adel am preußischen Niederrhein gegen Ende des Alten Reiches“, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, 166 (1964), 193–284. Düselder, H. [2002], „Die Geschichte der Gemeinde Unser Lieben Frauen von der Reformation bis zur Franzosenzeit“, in: D. von Reeken (Hrsg.), Unser Lieben Frauen. Die Geschichte der ältesten Kirchengemeinde Bremens von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bremen 2002, 33–84. Duncker, A. [1885], „Die Erwerbung der Pfälzer Hofbibliothek durch den Landgrafen Karl von Hessen-Kassel im Jahre 1686“, in: Centralblatt für Bibliothekswesen, 2, H. 6 (1885), 213–225. Duysing, A. [1911], Erinnerungen aus dem Kreis der althessischen Familie Duysing, Kassel 1911. Eberlein, Ch. [1997], „Die Seitenlinie Neuenstadt (1649–1742)“, in: S. Lorenz u. a. (Hrsg.), Das Haus Württemberg. Eine biographisches Lexikon, Stuttgart usw. 1997, 219–230. Eickhoff, H. [1909], „Kirchen- und Schulgeschichte“, in: Tümpel (Hrsg.) [1909], 89–138. Eire, C. M. N. [2007], „Early modern Catholic piety in translation“, in: Burke/Po-chia Hsia (Hrsg.) [2007a], 83–100. Eisenhart, A. R. von [1887], „Pagenstecher, Arnold Alexander“, in: ADB, Bd. 25 (1887), http://www.deutsche-biographie.de/pnd130296163.html. Elsmann, Th. (Hrsg.) [1998], Zurückgekehrte Kostbarkeiten der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Bremen 1998. End, G. van den [1991], Guiljelmus Saldenus (1627–1694). Een praktisch en irenisch theoloog uit de Nadere Reformatie, 2. Aufl., Leiden 1991. Engelsing, R. [1960], „Der Bürger als Leser. Die Bildung der protestantischen Bevölkerung Deutschlands im 17. und 18. Jahrhunderts am Beispiel Bremens“, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel – Frankfurter Ausgabe, 16 (1960), H. 25a, 490–544; 16 (1960), H. 45a, 857–884. Engelsing, R. [1961], Bremen als Auswanderhafen 1683–1880, Bremen 1961. Entholt, H. [1899], Geschichte des Gymnasiums bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Bremen 1899. Entholt, H. [1925], „Aus den Wachmanniana des bremischen Staatsarchivs“, in: Hansische Geschichtsblätter, 50 (1925), 128–163. Erbkam, W. H. [1883], „Lilienthal, Michael“, in: ADB. 18 (1883), 650, http://www. deutsche-biographie.de/pnd117006181.html. Eredics, P. [2008], Ungarische Studenten und ihre Übersetzungen aus dem Niederländischen in der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 2008. Esser, R. [1996], „Germans in Early Modern Britain“, in: Panayi (Hrsg.) [1996b], 17–28. Etzold, U. M. [2010], „Helmstedt im Druck. Universitätsbuchdrucker und Universitätsbuchbinder“, in: Brüning/Gleixner (Hrsg.) [2010], 276–284. Exalto, J. [2005], Gereformeerde heiligen. De religieuze exempeltraditie in vroegmodern Nederland, Nijmegen 2005.
Bibliographie485
B. Fabian (Hrsg.) [2003], Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa, digitalisiert v. Günter Kükenshöner, Hildesheim 2003, Homepage: http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian. Faulenbach, H. [1971/2], „Maßnahmen zur Abwehr von Arminianern und Vorstinianern in den Herzogtümern Jülich, Kleve und Berg“, in: MEKGR 20/1 (1971/2),113–128. Faulenbach, H. [1977/8], „Die Anfänge des Pietismus bei den Reformierten in Deutschland“, in: PuN, 4 (1977/1978), 190–234. Fischer, T. A. [1972], The Scots in Germany: being a contribution towards the history of the Scot abroad, Edinburgh 1902, Ndr. Edinburgh 1972. Flaskamp, F. (Hrsg.) [1971], Das Taufbuch I (1662/1680) der westfälischen Kirchengemeinde Rheda, Bd. 2: 1650/1680, Rheda 1971. Flügge, C. [2012], Devotion translated. Zur Rezeption deutscher lutherischer Erbauungsliteratur im frühneuzeitlichen England, Kamen 2012. Focke, W. O. [1906], „Mitteilungen aus der Geschichte des bremischen Medizinalwesens“, in: BJb, 21 (1906), 146–160. Fockema Andreae, S. J./Meijer, Th. J. (Hrsg.) [1968], Album studiosorum Academiae Franekerensis (1585–1811, 1816–1844). Bd. 1: Naamlijst der studenten, Franeker 1968. Forck, T. [1960], „Die Pastorenchronik von St. Martini“, in: W. Wehowsky (Hrsg.), St. Martini zu Bremen. Eine Gemeinde und eine Kirche im Wandel der Zeiten, Bremen 1960, 30–45. Forsthoff, H. [1916a], „Der Under Eyck’sche Pietismus und die Wendung zum Separatismus in Mülheim an der Ruhr, 1671–1716“, in: MRKG, 10 (1916), 289–310. Franck, J. [1884], „Marche, Christian Gottlieb“, in: ADB, 20 (1884), 299–300, http://www. deutsche-biographie.de/artikelADB_pnd137105452.html. Freiherr von Fürstenberg, M. [1995], „Ordinaria loci“ oder „Monstrum Westphaliae“? Zur kirchlichen Rechtsstellung der Äbtissin von Herford im europäischen Vergleich, Paderborn 1995. Freist, D. [2009], „Netzwerke und Kulturtransfer in der Frühen Neuzeit“, in: North (Hrsg.) [2009], 291–296. Frey, L./Frey, M. [1984], Frederick I: The Man and His Times, New York 1984. Fuchs, P. [1997], „Karl Ludwig“, in: NDB, 11 (1977), 246–249, http://www.deutsche-bio graphie.de/artikelNDB_pnd118560182.html. Gäbler, U. (Hrsg.) [2000], Der Pietismus im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, [Geschichte des Pietismus, Bd. 3], Göttingen 2000. Geck, K. W. [1992], Sophie Elisabeth Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg (1613– 1676) als Musikerin, Saarbrücken 1992. Geiss, I. [1993], Geschichte griffbereit. Bd. 6: Staaten. Die nationale Dimension der Weltgeschichte, Dortmund 1993. Geiter, M. K. [2004], „Penn, William (1644–1718)“, in: ODNB, Oxford 2004, Onlinefassung 2007, http://www.oxforddnb.com/view/article/21857. Genderen, J. van [1953], Herman Witsius. Bijdrage tot de kennis der gereformeerde theologie, ’s-Gravenhage 1953. Gensicke, H. [1979], „Der Nachlass des Johann Conrad Causenius“, in: Wetterauer Geschichtsblätter, 28 (1979), 107–113. Georgi, G. T. [1966–1967], Allgemeines europäisches Bücher-Lexikon, 4 Bde., Leipzig, Gotthilfft Theophil Georgi, 1742–1753, Nachdruck 5 Tln., Graz 1966–1967. „Georgi, Theophil“, in: NDB, Bd. 6 (1964), 243–244.
486
Bibliographie
Gestrich, A. [2004], „Pietistisches Weltverständnis und Handeln in der Welt“, in: Lehmann (Hrsg.) [2004b], 556–583. Gleixner, U. [2008], „Sprachreform durch Übersetzen. Die Fruchtbringende Gesellschaft und ihre ‚Verdeutschungsleistung‘ in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, in: Werkstatt Geschichte, 48 (2008), 7–23. Goebel, M. [1992], Geschichte des christlichen Lebens in der rheinisch-westfälischen evangelischen Kirche, 3 Bde., Koblenz 1849–1860, Ndr. Giessen/Basel 1992. Goeters, J. F. G. (Hrsg.) [1969], Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Bd. 14: Kurpfalz, Tübingen 1969. Goeters, J. F. G. [1993], „Der reformierte Pietismus in Deutschland 1650–1690“, in: Brecht (Hrsg.) [1993c], 241–277. Goeters, J. F. G. [1995], „Der reformierte Pietismus in Bremen und am Niederrhein im 18. Jahrhundert“, in: Brecht/Deppermann (Hrsg.) [1995], 372–427. Goeters, J. F. G. [2012], „Die Grafen von Daun-Falkenstein und ihre Bedeutung für den rheinischen Protestantismus“, in: MEKGR, 61 (2012), 21–36. Goeters, W. [1908], „Under-Eyck“, in: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 3. verb. u. verm. Aufl., A. Hauck, Bd. 20. Leipzig 1908, 228–233. Gorissen, F. [1979], „William Penn am Niederrhein (1677)“, in: Heimatkalender für das Klever Land auf das Jahr 1980, 30 (1979), 194–203. Graafland, C. [1961], De zekerheid van het geloof. Een onderzoek naar de geloofsbeschouwing van enige vertegenwoordigers van reformatie en nadere reformatie, Wageningen 1961. Graafland, C., u. a. [1995], „Nadere Reformatie: opnieuw een poging tot begripsbepaling“, in: DNR, 19 (1995), 105–184. Graeber, W./Roche, G. [1988], Englische Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts in französischer Übersetzung und deutscher Weiterübersetzung. Eine kommentierte Bibliographie, J. von Stackelberg, Tübingen 1988. Green, I. M. [2000], Print and protestantism in early modern England, Oxford usw. 2000. Greengrass, M. [2007], „Hartlib, Samuel (c. 1600–1662)“, in: ODNB, Oxford 2004, Onlinefassung 2007, http://www.oxforddnb.com/view/article/12500. Greengrass, M., u. a. (Hrsg.) [1994], Samuel Hartlib and Universal Reformation. Studies in Intellectual Communication, Cambridge usw. 1994. Grell, O. P. [1989], Dutch calvinists in early Stuart London. The Dutch church in Austin Friars 1603–1642, Leiden 1989. Grell, O. P. [2011], Brethren in Christ. A Calvinist network in Reformation Europe, Cambridge 2011. Gremels, G. [2002], Die Ethik Philipp Jakob Speners nach seinen Evangelischen Lebenspflichten, Hamburg 2002. Groenendijk, L. F. [1981], „Guthrie’s vademecum en de door Koelman toegevoegde illustraties“, in: W. Guthrie, Des christens groot interest, Utrecht 1981, 475–512. Groenendijk, L. F. [1987], „De betekenis van Ds. J. v. d. Haar voor de studie van de Nadere Reformatie“, in: Documentatieblad Nadere Reformatie, 11, H. 3, (1987), 73–77. Groot, A. de [1978], „Samuel Nethenus und die Labadisten“, in: Nederlands Theologisch Tijdschrift, 32 (1978), 12–30. Grosjean, A./Murdoch S. (Hrsg.) [2005], Scottish communities abroad in the early modern period, Leiden 2005. Grosse, C. [1900], Die alten Tröster. Ein Wegweiser in die Erbauungslitteratur der evang.luth. Kirche des 16. bis 18. Jahrhunderts, Hermannsburg 1900.
Bibliographie487
Grünberg, P. [1893–1906], Philipp Jakob Spener, 3 Bde., Göttingen 1893–1906. Grütjen, D. [2012], „Die ‚Bibliotheq‘ des Ludwig Wilhelm Lepper (1699–1776). Erster Teil“, in: MEKGR, 61 (2012), 77–95. Grundlach, F. (Hrsg.) [1927], Catalogus professorum academiae Marburgensis. Die akademischen Lehrer der Philipps-Universität in Marburg von 1527 bis 1910, Marburg 1927. Grunewald, E., u. a. (Hrsg.) [2004], Der Genfer Psalter und seine Rezeption in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden 16.–18. Jahrhundert, Tübingen 2004. Guth, W. [2003], „Bibliotheken in Sachsen-Anhalt“, in: Fabian (Hrsg.) [2003], http:// www.vifabbi.de/fabian?Bibliotheken_In_Sachsen-Anhalt. Guthrie, W. [1969], The Christian’s Great Interest, London 1969. Haar, J. van der [1999], Drielandenverkeer. Bibliografische studie, Rumpt 1999. Haas, I. [2011], Leben im Kollegiatstift St. Blasii in Braunschweig. Die liturgischen Stiftungen und ihre Bedeutung für Gottesdienst und Wirtschaft, Braunschweig 2011. Haase, H. (Hrsg.) [2007], Reformiert in Bielefeld. 350 Jahre Evang.-reform. Gemeinde in Bielefeld 1657–2007. 325 Jahre reformierte Gottesdienste in der Süsterkirche 1682– 2007, Bielefeld 2007. Haase, H./Schöne, G. [1976], Die Universität Helmstedt 1576–1810. Bilder aus ihrer Geschichte, Bremen/Wolfenbüttel 1976. Hänsel, W. (Hrsg.) [1971], Catalogus professorum Rinteliensium. Die Professoren der Universität Rinteln und des akademischen Gymnasiums zu Stadthagen 1610–1810, Rinteln 1971. Hagemann, E. [2011], Die St. Martini-Pastoren im Spiegel der Bremischen Kirchengeschichte – ein protestantisches Drama – 1525–2011, Bremen 2011. Hagena, W. [2006], „Eichel Edler von Rautenkron, Johann, Dr. jur., Prof.“, in: Jarck u. a. (Hrsg.) [2006], 186–187. Hahn, P.‑M. [1989], Fürstliche Territorialhoheit und lokale Adelsgewelt. Die herrschaftliche Durchdringung des ländlichen Raumes zwischen Elbe und Aller (1300–1700), Berlin/ New York 1989. Hall, M. B. H. [2008], „Oldenburg, Henry (c. 1619–1677)“, in: ODNB, Oxford 2004, Onlinefassung 2008, http://www.oxforddnb.com/view/article/20676. Hambrick-Stowe, C. E. [2008], „Practical divinity and spirituality“, in: Coffey/Lim (Hrsg.) [2008a], 191–205. Hansson, S. [1991], Ett språk för själen. Litterära former i den svenska andaktslitteraturen 1650–1720, Göteborg 1991. Hattenhauer, H. [1980], Geschichte des Beamtentums, Köln usw. 1980. Hauck, A. [1917], Deutschland und England in ihren kirchlichen Beziehungen, Leipzig 1917. Hausmann, U. [1919], „Geschichte des bremischen Apothekenwesens“, in: BJb, 27 (1919), 1–61. Heidemann, J. [1960/1961], „Kirche und Schule in Lippe zur Zeit des beginnenden Absolutismus“, in: Jahrbuch des Vereins für westfälische Kirchengeschichte, 53/54 (1960/1961), 68–79. Heilbron, J./Sapiro, G. [2007], „Outline for a sociology of translation“, in: M. Wolf/A . Fukari (Hrsg.), Constructing a Sociology of Translation, Amsterdam 2007, 93–107. Hein, M. [1929], Otto von Schwerin. Der Oberpräsident des Großen Kurfürsten, Königsberg in Preußen 1929.
488
Bibliographie
Heinicke geb. Kayser, B./Jahn, G. W. [1989], „Die Geschwister Butendach aus Bremen und ihre Nachkommen im 17. und 18. Jahrhundert“, in: Norddeutsche Familienkunde in Verbindung mit der Zeitschrift für Niederdeutsche Familienkunde, 38, H. 1 (1989), 486–496; H. 4, 660–670. Heijting, W. [2011], „François Boels en het piëtistisch-gereformeerde netwerk“, in: DNR, 35 (2011), 69–74. Hellekant, B. [1944], Engelsk uppbyggelselitteratur i svensk översättning: intill 1700-talets mitt, Stockholm 1944. Henkel, G. [2006], „Sophie Elisabeth, Herzogin zu Braunschweig-Lüneburg (Wol), geb. Herzogin zu Mecklenburg-Güstrow“, in: Jarck u. a. (Hrsg.) [2006], 662–663. Heppe, H. [1873], Geschichte der Theologischen Facultät zu Marburg, Marburg 1873. Heppe, H. [1876], Kirchengeschichte beider Hessen, Bd. 2, Marburg 1876. Heppe, H. [1879], Geschichte des Pietismus und der Mystik in der reformirten Kirche, namentlich der Niederlande, Leiden 1879, Ndr. Goudriaan 1979. Herberger, P./Stolleis, M. [1981], Hermann Conring 1606–1681. Ein Gelehrter der Universität Helmstedt, Wolfenbüttel 1981. Hermelink, H./Kaehler, S. [1927], Die Philipps-Universität zu Marburg, 1527–1927: fünf Kapitel aus ihrer Geschichte, 1527–1866. Die Universität Marburg seit 1866 in Einzeldarstellungen, Marburg 1927. Hess, P. [1992], „Imitatio-Begriff und Übersetzungstheorie bei Georg Philipp Harsdörffer“, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur, 21, H. 1 (1992), 9–26. Hesse, H. K. [1931], „Orthodoxie und Pietismus im Zusammenstoß bei Bernhard Meyer, Prediger in Urdenbach, Mülheim a. d. Ruhr, Duisburg u. Elberfeld (1675–1703): eine biographische Studie, in: MRKG, 25 (1931), 144–158. Hessels, J. H. (Hrsg.) [1897], Epistvlae et tractatvs: cvm Reformationis tvm Ecclesiae Londion-Batavae historiam illvstrantes: ex avtographis mandante Ecclesia Londino-Batava, Cambridge 1897. Hilge, F. [2007], „Aus der Geschichte der Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Bielefeld und der Süsterkirche“, in: Haase (Hrsg.) [2007], 81–90. Hillebrand, W. (Hrsg.) [1981], Die Matrikel der Universität Helmstedt 1636–1685, Hildesheim 1981. Hillmann, Joh. [1896], Die Evangelische Gemeinde Wesel und ihre Willibrordkirche. Beiträge zur Geschichte derselben, Düsseldorf 1896. Hirsch, F. [1893], „Schwerin, Otto von“, in: ADB, 35 (1893), 764–766, http://www.deut sche-biographie.de/pnd119237482.html. Hoche, R. [1886], „Nicolai, Johann“, in: ADB, 23 (1886), http://www.deutsche-biographie. de/artikelADB_pnd122677544.html. Höltgen, K. J. [1982], „Die Lösung des alten Rätsels: Emanuel Sonthom, das Güldene Kleinod und das englische Original“, Anglia, 100 (1982), 257–272. Hof, W. J. op ’t [1981], „Willem Teellinck in het licht zijner geschriften (13)“, in: DNR, 5 (1981), 1–5. Hof, W. J. op ’t [1987], Engelse piëtistische geschriften in het Nederlands, 1598–1622, Rotterdam 1987. Hof, W. J. op ’t [1991], Voorbereiding en bestrijding. De oudste gereformeerde piëtistische voorbereidingspreken tot het Avondmaal en de eerste bestrijding van de Nadere Reformatie in druk, Kampen 1991. Hof, W. J. op ’t [1993], Bibliografische lijst van de geschriften van Willem Teellinck, Rotterdam 1993.
Bibliographie489
Hof, W. J. op ’t [1996], „Piety in the wake of trade. The North Sea as an Intermediary of Reformed Piety up to 1700“, in J. Roding/L. Heerma van Voss (Hrsg.), The North Sea and Culture (1550–1800). Proceedings of the International Conference held at Leiden 21–22 April 1995, Hilversum 1996, 248–265. Hof, W. J. op ’t [1997], „Willem Teellinck in het licht zijner geschriften (43)“, in: DNR, 21 (1997), 81–98. Hof, W. J. op ’t [1998a], „Die Nähere Reformation und der niederländische reformierte Pietismus und ihr Verhältnis zum deutschen Pietismus, in: Nederlandsch archief voor kerkgeschiedenis, 78, H. 2 (1988), 161–183. Hof, W. J.op ’t [1998b], „Willem Teellinck in het licht zijner geschriften (44): Soliloquvivm [sic] ofte betrachtingen eens sondaers“, in: DNR, 22 (1998), 73–81. Hof, W. J. op ’t [1999a], „Het gereformeerde Piëtisme en de Nadere Reformatie in de classis Bommel tot 1660“, in: S. E. M. van Doornmalen u. a. (Hrsg.), Geloven tussen de rivieren. Verkenningen in de Gelderse kerkgeschiedenis, Delft 1999, 127–177. Hof, W. J. op ’t [1999b], „Ten geleide“, in DNR, 23 (1999) [Sonderheft: J. van der Haar tachtig jaar], I–III. Hof, W. J. op ’t [2001a], „De internationale invloed van het puritanisme“, in: W. van ’t Spijker u. a., Het puritanisme: geschiedenis, theologie en invloed, Zoetermeer 2001, 273–384. Hof, W. J. op ’t [2001b], „Een onbekende zoon van Willem Teellinck“, in: DNR, 25 (2001), 84–89. Hof, W. J. op ’t [2001c], „Willem Teellinck in het licht zijner geschriften (46). De worstelinghe eenes bekeerden sondaers“, in: DNR, 25 (2001), 90–99. Hof, W. J. op ’t [2004], „Willem Teellinck in het licht zijner geschriften (49): Het Nieuvve Ierusalem“, in: DNR, 28 (2004), 135–145. Hof, W. J. op ’t [2005a], „Boekbespreking A. Deppermann, Johann Jakob Schütz und die Anfänge des Pietismus“, in: DNR, 29 (2005), 68–74. Hof, W. J. op ’t [2005b], „Die Niederlande als Brücke zwischen Puritanismus und kontinentalem Pietismus bis 1700“, in: Sträter u. a. (Hrsg.) [2005], Bd. 2, 655–665. Hof, W. J. op ’t [2005c], Het gereformeerd piëtisme, Houten 2005. Hof, W. J. op ’t [2005d], „Vertaling als misleiding. Een eigenaardigheid van vertaler S(amuel) A(lthusius)“, in: DNR, 29 (2005), 155–160. Hof, W. J. op ’t [2006b], „Protestant pietism and medieval monasticism“, in: F. A. van Lieburg (Hrsg.), Confessionalism and Pietism: religious reform in early modern Europe, Mainz 2006, 31–50. Hof, W. J. op ’t [2007], „Martha Greendon, de vrouw van Willem Teellinck en zijn visie op de vrouw“, in: DNR, 31 (2007), 131–143. Hof, W. J. op ’t [2008a], Willem Teellinck. Leven, geschriften en invloed, Kampen 2008. Hof, W. J. op ’t [2008b] „Zeeland en de Nadere Reformatie“, in: DNR, 32 (2008), 4–55. Hof, W. J. op ’t [2011], De theologische opvattingen van Willem Teellinck, Kampen 2011. Hof, W. J. op ’t, u. a. (Hrsg.) [2009], De praktijk der godzaligheid. Studies over De practycke ofte oeffeninghe der godtzaligheydt (1620) van Lewis Bayly, Amstelveen 2009. Hof, W. J. op ’t, u. a. (Hrsg.) [2015 ff.], Encyclopedie Nadere Reformatie, Utrecht 2015 ff. Hof, W. J. op ’t/Huisman, F. W. (Hrsg.) [2013], Nederlandse liefde voor Christopher Love (1618–1651). Studies over het vertaalde werk van een presbyteriaanse puritein, Amstelveen 2013. Hoffmann, B. [2015], „Das Wolfenbütteler Pietisten-Edikt von 1692 und seine unmittelbaren Auswirkungen“, in: Merzbacher/Miersemann (Hrsg.) [2015], 131–154,
490
Bibliographie
Hollenbenders-Schmitter, B. [1989], Willem Teellinck: Soliloquium, mystisches Gebet im Zeitalter des Barock. Eine Analyse, Köln 1989. Hollweg, W. [1978], Die Geschichte des älteren Pietismus in den reformierten Gemeinden Ostfrieslands von ihren Anfängen bis zur großen Erweckungsbewegung (um 1650– 1750), Aurich/Leer 1978. Holtze, F. [1891], Geschichte des Kammergerichts in Brandenburg-Preußen. Bd. 2: Das Kammergericht von 1510–1688, Berlin 1891. Holzmann, M./Bohatta, H. [1961], Deutsches Pseudonymen-Lexikon, Hildesheim 1961. Hüttl, L. [1981], Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Grosse Kurfürst, 1620–1688. Eine politische Biographie, München 1981. Huisman, F. W. [2008], „Puriteins-piëtistische invloeden in het lutherse Denemarken tot 1800“, in: DNR, 32 (2008), 170–254. Huisman, F. W. [2009], „Danske oversættelser af engelske puritansk-pietistiske værker i det 17. og 18. århundrede“, in: Kirkehistoriske samlinger, 159, H. 14 (2009), 33–187. Huisman, F. W. [2011], „Handleiding PIETAS“, Manuskript, Fassung 3.1, August 2011. Hunsche, F. E. [1966], „Aus der Geschichte der Kirchengemeinde, der Stadt und der Grafschaft Tecklenburg“, in: Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Tecklenburg (Hrsg.), Tecklenburg. Kirche – Gemeinde – Stadt in Vergangenheit und Gegenwart 1566–1966. 400-Jahrfeier der Tecklenburger Kirche, Tecklenburg 1966. Huntley, F. L. [1979], Bishop Joseph Hall, 1574–1656. A biographical and critical study, Cambridge 1979. Hurm, W. [1900], „Der bremische Maler Simon Peter Tileman gen. Schenck“, in: BJb, 19 (1900), 115–144. Iken, J. Fr. [1878a], „Bremen und die Synode zu Dordrecht“, in: BJb, 10 (1878), 11–82. Iken, J. Fr. [1878b], „Anhang. Der Concensus Ministerii Bremensis Ecclesiae von 1595“, in: BJb, 10 (1878), 84–105. Iken, J. Fr. [1880], Joachim Neander. Sein Leben und seine Lieder, Bremen 1880. Iken, J. Fr. [1882], Die Geschichte der St. Pauli-Kirche u. -Gemeinde in Bremen. Zur Erinnerung an die vor 200 Jahren, am 18. August 1682, geschehene Einweihung der heutigen St. Pauli-Kirche, Bremen 1882. Iken, J. Fr. [1883], „Das Bremische Gymnasium Illustre im 17. Jahrhundert“, in: BJb, 12 (1883), 1–34. Ittel, G. W. [1962], „Die Evangelische Kirchengemeinde Weeze unter dem Patronat der Freiherrn von und zu Hertefeld“, in: MEKGR, 11 (1962), 106–140. Jacob, Bruno [1955], „Bremer im Kasseler Bürgerbuch“, in: BJb, 44 (1955), 303–305. Jakubowski-Tiessen, M. [1995], „Der Pietismus in Niedersachsen“, in: Brecht/Deppermann (Hrsg.) [1995], 428–445. Janse, W. [2005], Grenzenlos reformiert: Theologie am Bremer Gymnasium Illustre (1528–1812), in: W. Janse/B. Pitkin (Hrsg.), The Formation of Clerical and Confessional Identities in Early Modern Europe, Leiden/Boston, 89–114. Janse, W. [2007], „Elitenbildung und Migration: Theologieprofessoren in Bremen (1584– 1812). Ein komparativ-prosopographischer Versuch“, in: H. J. Selderhuis/M. Wriedt (Hrsg.), Konfession, Migration und Elitenbildung. Studien zur Theologenausbildung des 16. Jahrhunderts, Leiden/Boston 2007. Jansen, G. [1941], Die Persönlichkeiten und die Zeit der Leininger Grafen in der Unterherrschaft Broich bei Mülheim-Ruhr im 17. und 18. Jahrhundert, Mülheim/Ruhr 1941. Jansen, J. [2008], Imitatio: literaire navolging (imitatio auctorum) in de Europese letterkunde van de renaissance (1500–1700), Hilversum 2008.
Bibliographie491
Jarck, H.‑R./Schildt, G. (Hrsg.) [2000], Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region, Braunschweig 2000. Jarck, H.‑R., u. a. (Hrsg.) [2006], Braunschweigisches Biographisches Lexikon. 8. bis 18. Jahrhundert, Braunschweig 2006. Jauss, H. R. [1992], „Rezeption, Rezeptionsästhetik“, in: J. Ritter u. a. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8, Basel 1992, 996–1004. Jefcoate, G. [1995], „Joseph Downing and the publication of pietist literature in England, 1705–1734“, in: J. L. Flood/W. A. Kelly (Hrsg.), The German book, 1450–1750. Studies presented to David L. Paisey in his retirement, London 1995, 319–332. Jensma, G. Th., u. a. (Hrsg.) [1985], Universiteit te Franeker 1585–1811. Bijdragen tot de geschiedenis van de Friese Hogeschool, Leeuwarden 1985. Jinkins, M. [2007], „Perkins, William (1558–1602)“, in: ODNB, Oxford 2004, Onlinefassung 2007, http://www.oxforddnb.com/view/article/21973. Jönsson, K./ Wolfes, M. [2001], „Seckendorff, Veit Ludwig von“, in: BBKL, Bd. 18 (2001), 1313–1322. Jori, A. [2006], Hermann Conring (1606–1681). Der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, Tübingen 2006. Jost, E./Zaunstöck, H. (Hrsg.) [2012], Goldenes Zeitalter und Jahrhundert der Aufklärung. Kulturtransfer zwischen den Niederlanden und dem mitteldeutschen Raum im 17. und 18. Jahrhundert, Halle 2012. Jou, D.‑H. [1994], Theodor Undereyck und die Anfänge des reformierten Pietismus, Bochum 1994. Jürgensen, R. [2002], Bibliotheca Norica. Patrizier und Gelehrtenbibliotheken in Nürnberg zwischen Mittelalter und Aufklärung, 2 Bde., Wiesbaden 2002. Jung, M. H. [2005], Pietismus, Frankfurt am Main 2005. Juterczenka, S. [2008], Über Gott und die Welt. Endzeitvisionen, Reformdebatten und die europäische Quäkermission in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2008. Kaajan, H. [1918], De groote synode van Dordrecht in 1618–1619, Amsterdam 1918. Kamp J. van de [2007a], Johann Deusing Bremensis. Die Bedeutung zweier Übersetzer für den reformierten und lutherischen Pietismus in Deutschland, unveröffentl. Masterabschlussarbeit Universiteit Utrecht, 2. verb. Fassung, Utrecht 2007 [Onlinefassung: http://www.ssnr.nl/onderzoeksarchief/bpn/B07003229.pdf ]. Kamp, J. van de [2007b], „Johannes Deusing Bremensis. Die Bedeutung zweier Übersetzer für den reformierten und den lutherischen Pietismus in Deutschland im 17. Jahrhundert“, in: PuN, 33 (2007), 13–47. Kamp, J. van de [2009a], „De internationale receptie van The Practice of Piety en de plaats van de Nederlandse vertaling daarin“, in: Hof u. a. (Hrsg.) [2009], 259–299. Kamp, J. van de [2009b], „De vertaalmethoden van Everhardus Schuttenius en Gisbertus Voetius“, in: Hof u. a. (Hrsg.) [2009], 215–235. Kamp, J. van de [2011], „Die Einführung der christlichen Disziplinierung des Alltags in die deutsche evangelische Erbauungsliteratur durch Lewis Baylys Praxis pietatis (1628)“, in: PuN, 37 (2011), 11–19. Kamp, J. van de [2012a], „De vormende rol van vertalers van piëtistische werken in de zeventiende eeuw“, in: Transparant. Orgaan van de Vereniging van Christen-Historici, 23 (2012), H. 2, 6–11. Kamp, J. van de [2012b], „Ein frühes reformiert-pietistisches Netzwerk in der Kurpfalz in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, in: Archiv für Reformationsgeschichte, 103 (2012), 238–265.
492
Bibliographie
Kamp, J. van de [2013a], „De internationale receptie van Loves geschriften“, in: Hof/Huisman (Hrsg.) [2013], 403–419. Kamp, J. van de [2013b], „De vertaalstrategieën van de Nederlandse vertalers van de geschriften van Christopher Love“, in: Hof/Huisman (Hrsg.) [2013], 325–378. Kamp, J. van de [2013c], „Religious dissidence both resisted and protected by power: the case of the German Reformed Pietist minister Theodor Undereyck (1635–1693)“, in: Usuteaduslik Ajakiri. Akadeemilise Teoloogia Seltsi väljaane. Erinumber „Religioon ja vastupanu“ [Theological Journal. Publication of Estonian Theological Society. Special issue „Religion and resistance“], 64.1 (2013), 27–44. Kamp, J. van de [2014], „Das Vorfeld der England-Halle-Kontakte. Theologische und religiöse Austauschprozesse zwischen England und Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert“, in: H. Zaunstöck u. a. (Hrsg.), London und das Hallesche Waisenhaus. Eine Kommunikationsgeschichte im 18. Jahrhundert, Halle (Saale) 2014, 49–63. Kamp, J. van de [2015a], „De omgang met teksten in de vroegmoderne tijd: de gereformeerde predikant Theodor Undereyck (1635–1693) als lezer, vertaler, schrijver en instigator“, in: J. van de Kamp u. a. (Hrsg.), Pietas reformata. Religieuze vernieuwing onder gereformeerden in de vroegmoderne tijd. Feestbundel voor prof. dr. W. J. op ’t Hof bij zijn afscheid als bijzonder hoogleraar in de geschiedenis van het gereformeerd piëtisme vanwege de Hersteld Hervormde Kerk aan de Faculteit der Godgeleerdheid van de VU te Amsterdam, Zoetermeer 2015, 247–260. Kamp, J. van de [2015b], „Petrus Gribius“, in: Hof u. a. [2015 ff.], Bd. 1: Biografieën A–K, 296–297. Kamp, J. van de [2015c], „Samuel Althusius“, in: Hof u. a. [2015 ff.], Bd. 1: Biografieën A–K, 26–30. Kamp, J. van de [2016a], „Internationale Vermittlung von Reformprogrammen. Die Rezeption von Willem Teellincks Noodwendigh vertoogh in Deutschland im 17. Jahrhundert“, in: Chr. Soboth u. a. (Hrsg.), „Schrift soll leserlich seyn.“Der Pietismus und die Medien. Beiträge zum IV. Internationalen Kongress für Pietismusforschung 2013, Halle, 261–283. Kamp, J. van de [2016b], „Samuel Nethenus“, in: Hof u. a. [2015 ff.], Bd. 2, 135–138. Kamp, J. van de, „Pietismus und Ökonomie bei deutschen reformierten Kaufleuten südniederländischer Herkunft am Ende des 17. Jahrhunderts“, in: W. Breul/A . Schunka (Hrsg.), Pietismus und Ökonomie 1650–1750, Göttingen, noch zu erscheinen. Keeble, N. H. [1982], Richard Baxter. Puritan man of letters, Oxford 1982. Keeble, N. H. [2008], „Baxter, Richard (1615–1691)“, in: ODNB, Oxford 2004, Onlinefassung 2008, http://www.oxforddnb.com/view/article/1734. Keeble, N. H./Nuttall, G. F. [1991], Calendar of the correspondence of Richard Baxter, 2 Bde., Oxford 1991. Kelly, W. A. [1991], The Theological Faculty at Helmstedt: an outline of its intellectual development as mirrored in its dissertations together with a chronological catalogue, unveröffentl. Diss. University of Strathclyde 1991. Kern, W., u. a. (Hrsg.) [1941], Geschichte der Apotheken des Landes Braunschweig, Braunschweig 1941. Kinloch, T. F. [1951], The life and works of Joseph Hall, 1574–1656, London usw. 1951. Kittel, H./Poltermann, A. [2004], „German tradition“, in: Baker (Hrsg.) [1951], 418–428. Kleerkoper, M. M/Stockum jr., W. P. van [1914–1916], De boekhandel te Amsterdam voornamelijk in de 17e eeuw. Biographische en geschiedkundige Aantekeningen, 2 Bde., ’s-Gravenhage 1914–1916.
Bibliographie493
Kleinert, R. [1982], St. Stephani-Kirche zu Helmstedt, 3. erw. Aufl., Helmstedt 1982. Kleinert, R. [1984], Die Universität Helmstedt. Gründungsakt, Säkularfeste und Gedächtnisfeiern (1576–1976): theologischer Gehalt, Helmstedt 1984. Kleinholz, H. (Hrsg.) [1979], Protokolle des Presbyteriums der reformierten Gemeinde Bislich 1709–1807, Köln 1979. Klingender, F. [1920], Der Pietismus in Hessen-Kassel, unveröffentl. Diss., Göttingen 1920. Kloek, J. J./Mijnhardt, W. W. (Hrsg.) [1991], De productie, distributie en consumptie van cultuur, Amsterdam usw. 1991. Klosterberg, B. [2005], „Libri Brecklingici. Bücher aus dem Besitz Friedrich Brecklings in der Bibliothek des Halleschen Waisenhauses“, in: Sträter u. a. (Hrsg.) [2005], Bd. 2, Tübingen 2005. 871–881. Klosterberg, B. [2011], „Brecklingiana in den Beständen der Franckeschen Stiftungen“, in: dies./Naschert (Hrsg.) [2011], 35–40. Klosterberg, B./Naschert, G. (Hrsg.) [2011], Friedrich Breckling (1629–1711). Prediger, „Wahrheitszeuge“ und Vermittler des Pietismus im niederländischen Exil, Halle 2011. Klueting, H. [1993], Das fürstliche Haus Bentheim-Tecklenburg. Eine Familiengeschichte in Bildern, Münster (Westf.) 1993. Koch, E. E. [1869], Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche, 1. Haupttl., Bd. 6, 3., umgearb., durchaus verm. Aufl., Stuttgart 1869. Koch, T. [2000], „Frommigkeit. III. Dogmatisch“, in: RGG4, Bd. 3 (2000), 390–391. Kolb, R. (Hrsg.) [2008], Lutheran ecclesiastical culture, 1550–1675, Leiden usw. 2008. Köbler, G. [2007], Historisches Lexikon der deutschen Länder: die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 7., vollst. überarb. Aufl., München 2007. Könnecke, G. [1894], Hessisches Buchdruckerbuch enthaltend Nachweis aller bisher bekannt gewordenen Buchdruckereien des jetzigen Regierungsbezirks Cassel und des Kreises Biedenkopf, Marburg 1894. Köpf, U. [1999], „Erbauungsliteratur. I. Bis zur Reformation“, in: RGG4, Bd. 2 (1999), 1386–1388. Köpf, U. [2004], „Reformgedanke“, in: RGG4, Bd. 7 (2004), 159–164. Köpf, U. [2005], „Wirkungsgeschichte/Rezeptionsgeschichte. III. Anwendungsbereiche. 3. Kirchengeschichte“, in: RGG4, Bd. 8 (2005), 1601–1606. Koltay, K. [1989], „Two hundred years of English puritan books in Hungary“, in: Angol Filológiai Tanulmányok, 20 (1989), 48–66. Komorowski, M. [1984], Bibliographie der Duisburger Universitätsschriften (1652–1817), Sankt Augustin 1984. Kossert, A. [2007], „Schottische Händler und Kaufleute in Ostmitteleuropa in der Frühen Neuzeit“, in: Bade u. a. (Hrsg.) [2007], 945–947. Koster, P. [2004], Chronik der Kaiserlichen Freien Reichs- und Hansestadt Bremen 1600– 1700, H. Müller, Bremen 2004. Kremer, L. [1983], Das Niederländische als Kultursprache deutscher Gebiete, Bonn 1983. Kriedte, P. [2004], „Wirtschaft“, in: Lehmann (Hrsg.) [2004b], 584–616. Kroh, A. [2011], Die Wiederentdeckung des Heidelberger Katechismus nach Sturm und Drang des radikalen Pietismus, Rödingen 2011. Krop, H. A. [2014], „Het ‚monster van de preciesheid‘. Voetius’ programma van de Nadere Reformatie in de ogen van Martinus Schoock“, in: DNR, 38 (2014), 2–26. Krull, A. F. [1972], Jacobus Koelman. Eene kerkhistorische studie, Sneek 1901, Ndr. Amsterdam 1972.
494
Bibliographie
Krumwiede, H. W. [1995], Kirchengeschichte Niedersachsens. Erster Band: Von der Sachsenmission bis zum Ende des Reiches 1806, Göttingen 1995. Kühn, O. [1977], „Landesherr und Kirche. 450 Jahre evangelische Gemeinde zu Rheda“, in: Evangelische Kirchengemeinde Rheda-Wiedenbrück (Hrsg.), 1527–1977. Festschrift 450 Jahre evangelische Gemeinde zu Rheda, Rheda 1977, 7–32. Kuhn, H. [2007], „Hier starb Gryphius. Zur Verfasserschaft der Baker-Schriften“, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten, 34, H. 1 (2007), 51–55. Kundert, W. [1984], Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, Programme und Reden 1574–1810, Wiesbaden 1984. Lackner, M. [1973], Die Kirchenpolitik des Großen Kurfürsten, Witten 1973. Lademacher, H. [1996], Wo glanz ist, ist auch Gloria: Reisende in den Niederlanden des Goldenen Jahrhunderts, Münster 1996. Lächele, R. [2006], Die „Sammlung Auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes“ zwischen 1730 und 1760. Erbauungszeitschriften als Kommunikationsmedium des Pietismus, Tübingen 2006. Laine, T. [2000a], Englantilaisperäinen hartauskirjallisuus Suomessa Ruotsin vallan aikana: bibliografia = English devotional literature in Finland during the Swedish era: bibliography, Helsinki 2000. Laine, T. [2000b], Ylösherätys suruttomille: Englantilaisperäinen hartauskirjallisuus Suomessa Ruotsin vallan aikana, Helsinki 2000. Landau, P. [1980], „Benefizium“, in: TRE, Bd. 5 (1980), 577–583. Landeskirchenamt Wolfenbüttel (Hrsg.) [1968], Vier Jahrzehnte lutherische Landeskirche in Braunschweig. Festschrift zum 400jährigen Reformationsjubiläum der Braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche im Jahre 1968, Wolfenbüttel 1968. Landwehr, J. [1972], German emblem books 1531–1888. A bibliography, Utrecht 1972. Lang, A. [1941], Puritanismus und Pietismus. Studien zu ihrer Entwicklung von M. Butzer bis zum Methodismus, Neukirchen 1941. Lange, H. D. [2006], „Hahn, Heinrich, Dr. jur., Prof.“, in: Jarck u. a. (Hrsg.) [2006], 291– 292. Lange, I. [1994], „Molanus, Gerardus Wolterus“, in: NDB, Bd. 17 (1994), 719–720, http:// www.deutsche-biographie.de/pnd118734520.html. Langhans, A. (Hrsg.) [1950], Die Listen der Neubürger von 1308–1677, Duisburg 1950 [Die Bürgerbücher der Stadt Wesel]. Lau, F. [1955], „Bernd, Adam“, in: NDB, Bd. 2 (1955), 106, http://www.deutsche-biogra phie.de/pnd118656325.html. Laubmann, G. [1884], „Longolius, Paul Daniel“, in: ADB, Bd. 19 (1884), 156–157, http:// www.deutsche-biographie.de/artikelADB_pnd119002566.html. Ledeboer, A. M. [1872], De boekdrukkers, boekverkoopers en uitgevers in Noord-Nederland sedert de uitvinding van de boekdrukkunst tot den aanvang der negentiende eeuw. Deventer 1872. Léchot, P.‑O. [2011], Un christianisme „sans partialité“. Irénisme et méthode chez John Dury (v. 1600–1680), Paris 2011. Lee, S. [1904–1906], „The Beginnings of French Translation from the English“, in: Transactions of the Bibliographical Society, 8 (1904–1906), 85–112. Lehmann, H. [1980], Das Zeitalter des Absolutismus: Gottesgnadentum und Kriegsnot, Stuttgart usw. 1980.
Bibliographie495
Lehmann, H. [2003], „Engerer, weiterer und erweiterter Pietismusbegriff. Anmerkungen zu den kritischen Anfragen von Johannes Wallmann an die Konzeption der ‚Geschichte des Pietimus‘“, in: PuN, 29 (2003), 18–36. Lehmann, H. [2004a], „I. Einführung“, in: Lehmann (Hrsg.) [2004b], 1–18. Lehmann, H. (Hrsg.) [2004b], Glaubenswelt und Lebenswelten [Geschichte des Pietismus, Bd. 4], Göttingen 2004. Lehmann, H. [2007], „Die Krisen des 17. Jahrhunderts als Problem der Forschung“, in ders., Transformationen der Religion in der Neuzeit: Beispiele aus der Geschichte des Protestantismus, Göttingen 2007, 11–20. Lehmann, H. [2010], Religiöse Erweckung in gottferner Zeit. Studien zur Pietismusforschung, Göttingen 2010. Lehmann, H. [2012], „Perspektiven für die Pietismusforschung“, in: Theologische Rundschau, 77 (2012), 226–240. Lehmann, H. [2013], „Anmerkungen zur Frage der Deutungshoheit in Sachen Pietismus. Offener Brief an Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Johannes Wallmann“, in: PuN, 39 (2013), 14–18. Lehmann, H., u. a. (Hrsg.) [2002], Jansenismus, Quietismus, Pietismus, Göttingen 2002. Lehsten, L. von [2003], Die hessischen Reichtagsgesandten im 17. und 18. Jahrhundert, 2 Bde., Darmstadt und Marburg 2003. Leibniz, G. W. [1990], Sämtliche Schriften und Briefe. 1. Reihe: Allgemeiner, politischer und historischer Briefwechsel. Bd. 4: 1684–1687, Berlin 1990. Leibniz, G. W. [2008], Sämtliche Schriften und Briefe. 4. Reihe, Politische Schriften. Bd. 6: 1695–1697, F. Beiderbeck u. a., Berlin 2008. Lemke, G. [1979], St. Ansgarii-Gemeinde zu Bremen 1229–1979, Bremen 1979. Lemke, W. [1938], „Zur Geschichte der reformierten Kirche im Amte Draheim 1668– 1770“, in: Blätter für Kirchengeschichte Pommerns, 17 (1938), 5–14. Leppin, V. [2004], „Spiritualismus. I. Zum Begriff “, in: RGG4, Bd. 7 (2004), 1584–1585. Leube, H. [1924], Die Reformideen in der deutschen lutherischen Kirche zur Zeit der Orthodoxie, Leipzig 1924. Leube, H. [1928], Kalvinismus und Luthertum, Bd. 1, Leipzig 1928. Leurdijk, G. H. [1987], „Dionysius Spranckhuysen“, in: Brienen u. a. [1987], 27–42. Leurdijk, G. H. [1990], „Hermannus Tegularius (ca. 1605–1666)“, in: Brienen u. a. [1990], 32–45. Leurdijk, G. H. [2013], „Vroom van Bremen tot Berkel. Theodor Undereyck (1635–1693) en Simon Jodocus Krüger (ca. 1652–1706 [=1712]): hun betekenis voor een nadere reformatie in Holland“, in: DNR, 37 (2013), 23–85. Lieburg, F. A. van [1994], „From pure church to pious culture. The Further Reformation in the seventeenth-century Dutch Republic“, in: W. F. Graham (Hrsg.), Later calvinism. International perspectives, Kirksville 1994, 409–429. Lieburg, F. A. van [1996a], Profeten en hun vaderland. De geografische herkomst van de gereformeerde predikanten in Nederland van 1572 tot 1816, Zoetermeer 1996. Lieburg, F. A. van [1996b], Repertorium van Nederlandse hervormde predikanten tot 1816, 2 Bde., Dordrecht 1996. Lieburg, F. A. van [2011], „De biografie van Willem Teellinck (1579–1629). Orthodoxie en vroomheid rond 1600“, in: Tijdschrift voor Nederlandse Kerkgeschiedenis, 14.4 (2011), 156–163. Lieburg, F. A. van [2011b], Een eiland na de Reformatie. Schouwen-Duiveland 1572–1700, Amsterdam 2011.
496
Bibliographie
Lieburg, F. A. van [2011c], „Wege der niederländischen Pietismusforschung. Traditionsaneignung, Identitätspolitik und Erinnerungskultur“, in: PuN, 37 (2011), 211–256. Lieburg, F. A. van [2014a], „Dynamics of Dutch Calvinism. Early Modern programs for further reformation“, in: G. van den Brink/H. M. Höpfl (Hrsg.), Calvinism and the Making of the European Mind, Leiden 2014, 43–66. Lieburg, F. A. van [2014b], „Re-understanding the Dordt Church Order in its Dutch political, ecclesiastical and cultural context (1559–1816)“, in: A. J. Janssen/L. J. Koffeman (Hrsg.), Protestant Church Polity in Changing Contexts. Bd. 1: Ecclesiological and historical contributions. Proceedings of the international conference, Utrecht, The Netherlands, 7–10 November, 2011, Zürich 2014, 117–136. Lieburg, F. A. van; Eijnatten, J. van [2011], Niederländische Religionsgeschichte, Göttingen 2011 [Erstveröffentl. auf Ndl., 2006]. Lim, P. C. H. [2004], In pursuit of purity, unity, and liberty. Richard Baxter’s puritan ecclesiology in its seventeenth-century context, Leiden/Boston 2004. Linde, S. van der [1978], „Der reformierte ‚Pietismus‘ in den Niederlanden“, in: Berg/ Dooren (Hrsg.) [1978], 102–117. Lindberg, C. (Hrsg.) [2005], The Pietist theologians. An introduction to theology in the seventeenth and eighteenth centuries, Oxford 2005. Lindner, A. [1998], Leben im Spannungsfeld von Orthodoxie, Pietismus und Frühaufklärung. Johann Martin Schamelius, Oberpfarrer in Naumburg, Giessen/Basel 1998. Lindquist, D. [1939], Studier i den svenska andaktslitteraturen under stormaktstidevarvet: med särskild hänsyn till bön-, tröste- och nattvardsböcker, Uppsala 1939. Löhr, A. [1997], „Gemälde im Focke-Museum und ihre Beziehungen zu den Niederlanden“, in: M. Rudloff (Hrsg.), Bremen und die Niederlande, Bremen 1997, 110–120. Löhr, R. [1931], „Kleine Mitteilungen. Nota bei der Einweihung der reformierten Kirche in Neuwied am 21. Dezember 1687“, in: MRKG, 25, H. 6 (1931), 190–192. Löhr, R. (Hrsg.) [1976], Protokolle der Hochdeutsch-Reformierten Gemeinde in Köln 1599–1794, Bd 1: Protokolle von 1599–1630, Köln 1976. Löhr, R. (Hrsg.) [1981], Protokolle der Hochdeutsch-Reformierten Gemeinde in Köln 1599–1794, Bd 2: Protokolle von 1630–1668, Köln 1981. Löhr, R. (Hrsg.) [1983], Protokolle der Hochdeutsch-Reformierten Gemeinde in Köln 1599–1794, Bd 3: Protokolle von 1669–1794, Köln 1983. Löhr, R. (Hrsg.) [1990], Protokolle der Hochdeutsch-Reformierten Gemeinde in Köln 1599–1794, Bd 4: Register, Köln 1990. Löhr, R./Dooren, J. P. van (Hrsg.) [1971], Protokolle der Niederländisch-Reformierten Gemeinde in Köln von 1651–1803, 2 Tln., Köln 1971. Löhr, R./Maßner, H.‑J. (Hrsg.) [1980], Protokolle des Presbyteriums der Reformierten Gemeinde Düsseldorf, Bd. 4, Düsseldorf 1980. Lohse, B. [1998], „Dogma und Bekenntnis in der Reformation. Von Luther bis zum Konkordienbuch“, in: Andresen (Hrsg.) [1998], 1–164. Lotz-Heumann, U. [2008], “Confessionalization”, in: D. M. Whitford (Hrsg.), Reformation and early modern Europe. A guide to research, Kirksville, Missouri 2008, 136–157. Ludewig, F. A. [1821], Geschichte und Beschreibung der Stadt Helmstedt, Helmstedt 1821. Ludewig, H. [2015], „Akteure und Aktionsformen des pietistischen Aufbruchs im Fürstentum Wolfenbüttel. Ein Überblick“, in: Merzbacher/Miersemann (Hrsg.) [2015], 89–129. Lührs, W. [1958], Die Freie Hansestadt Bremen und England in der Zeit des Deutschen Bundes (1815–1867), Bremen 1958.
Bibliographie497
Lueken, W. [1955], „Aus der Geschichte unserer Gemeinde“, in: Presbyterium [der Deutschen evangelisch-reformierten Gemeinde Frankfurt am Main] (Hrsg.) [1955], 13– 65. Mack, R. [1987], „Forschungsbericht: Pietismus in Hessen“, in: PuN, 13 (1987), 181–226. Mager, I. [1968], „Georg Calixt – der niedersächsische Unionstheologe“, in: Landeskirchenamt Wolfenbüttel (Hrsg.) [1968], 79–93. Mager, I. [1969], Georg Calixts theologische Ethik und ihre Nachwirkungen, Göttingen [1969]. Mager, I. [1983], „Hermann Conring als theologischer Schriftsteller – insbesondere in seinem Verhältnis zu Georg Calixt“, in: Stolleis (Hrsg.) [1983], 55–84. Mager, I. [2003], „Die Pfarrerausbildung für die evangelische Landeskirchen an der welfischen Universität Helmstedt“, in: Ch. Römer (Hrsg.), Evangelische Landeskirchen der Harzterritorien in der frühen Neuzeit, Wernigerode/Berlin 2003, 59–76. Mager, I. [2010a], „Georg Calixts interkonfessionelle Kommunikation im Dienste des Kirchenfriedens“, in: Brüning/Gleixner (Hrsg.) [2010], 52–57. Mager, I. [2010b], „Konfessionelles Zeitalter“, in: Weber u. a. (Hrsg.) [2010], 181–233. Mager, I. [2011], „Studium im Krieg – Studium im Frieden. Die Beziehungen zwischen den Universitäten Helmstedt und Leiden im frühen 17. Jahrhundert“, in: H. SchmidtGlintzer (Hrsg.), Die Reformuniversität Helmstedt 1576–1810. Vorträge zur Ausstelung „Das Athen der Welfen“, Wiesbaden 2011, 111–140. Mahdi, W. [2007], Malay words and Malay things. Lexical souvenirs from an exotic archipelago in German publications before 1700, Wiesbaden 2007. Mahnke, D. [1913], „Rektor Casmann in Stade, ein vergessener Gegner aristotelischer Philosophie und Naturwissenschaft im 16. Jahrhundert“, in: Archiv für die Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, 5 (1913), 183–197, 226–250, 352–363. Mahnke, D. [1914], „Beiträge zur Geistesgeschichte Niedersachsens. I. Der Stader Rektor Casmann“, in: Stader Archiv, Neue Folge, 4 (1914), 152–190. Mai, G. [1979], Die niederdeutsche Reformbewegung: Ursprünge und Verlauf des Pietismus in Bremen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Bremen 1979. Man, J. P. de [1952], „Regeringslijsten der stad Tiel“, in: Jaarboek van het Centraal Bureau voor Genealogie, 6 (1952), 65–110. Marigold, W. G. [1995], „Religiöses Denken in England und Deutschland im Zeitalter des Vorpietismus. Deutsche Übersetzungen der Schriften des Bischofs Joseph Hall“, in: Morgen-Glantz. Zeitschrift der Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft, 5 (1995), 217–236. Marth, R. [2006], „Anton Ulrich (d. Ä.), Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (Wol)“, in: Jarck u. a. (Hrsg.) [2006], 46–47. Martz, L. L. [1962], The Poetry of Meditation. A Study in English Religious Literature of the Seventeenth Century, 2. Aufl., New Haven/London 1962. Matthias, M. [2004], „Bekehrung und Wiedergeburt“, in: Lehmann (Hrsg.) [2004b], 49– 79. Mauersberger, E. [2003], „Historische Bibliothek“, in: Fabian (Hrsg.) [2003], http://www. vifabbi.de/fabian?Historische_Bibliothek_(Quedlinburg). McCabe, R. A. [1982], Joseph Hall. A study in satire and meditation, Oxford 1982. McCabe, R. A. [2008], „Hall, Joseph (1574–1656)“, in: ODNB, Oxford 2004, Onlinefassung 2008, http://www.oxforddnb.com/view/article/11976. McKay, D. [2001], The great elector, Harlow usw. 2001.
498
Bibliographie
McKenzie, E. C. [1984], British devotional literature and the rise of German Pietism, 2 Bde., unveröffentl. Diss. University of St. Andrews 1984. McKenzie, E. C. [1997], A Catalog of British Devotional and Religious Books in German Translation from the Reformation to 1750, Berlin 1997. Mecke, H. [1991], Vorbesitzer-Eintragungen im Bestand der ehemaligen Universitätsbibliothek Helmstedt. Provenienzkatalog mit Kurzbiographien, 4 Tle., Hannover 1991. Mennenöh, P. J. [1970], Duisburg in der Geschichte des niederrheinischen Buchdrucks und Buchhandels bis zum Ende der alten Duisburger Universität (1818), Duisburg 1970. Meeuse, C. J. [1990], „Jacobus Koelman (1631–1695): leven en werken“, in: Brienen u. a. [1990], 63–93. Meeuse, C. J. [1996], „De visie van Koelman op de puriteinen“, in: DNR, 20 (1996), 43–61. Menzel, A. [2007], „Zwei Kanzeln – Ein Meister. Betrachtungen zu den Kanzeln von Süsterkirche und Neustädter Marienkirche“, in: Haase (Hrsg.) [2007], 105–116. Meyer, D. [1998], „Rheinland“, in: TRE, Bd. 29 (1998), 157–177. Merzbacher, D. [2015], „Herzog Rudolf August zu Braunschweig-Lüneburg und das Wolfenbütteler Pietisten-Edikt“, in: Merzbacher/Miersemann (Hrsg.) [2015], 155–223. Merzbacher, D./Miersemann, W. (Hrsg.) [2015], Wirkungen des Pietismus im Fürstentum Wolfenbüttel. Studien und Quellen, Wiesbaden 2015. Milton, A. [2008], „Puritanism and the continental Reformed churches“, in: Coffey/Lim (Hrsg.) [2008–1], 109–126. Mittelstraß, J., u. a. (Hrsg.) [1980–1996], Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, 4 Bde., Stuttgart/Weimar 1980–1996. Mohr, R. [1978], „Niederländer und niederländische Literatur in der ‚Historie der Wiedergebohrnen‘ von Johann Henrich Reitz“, in Berg/Dooren (Hrsg.) [1978], 192–206. Mohr, R. [2002], „Undereyck, Theodor (1635–1693)“, in: TRE 34 (2002), 268–272. Mohr, R. [2005], Das 17. Jahrhundert [Quellen zur rheinischen Kirchengeschichte, Bd. 2.2], Düsseldorf 2005. Moltmann, J. [1959], „Geschichtstheologie und pietistisches Menschenbild bei Johann Coccejus und Theodor Undereyck“, in: Evangelische Theologie (19), 1959, 343–361. Moore, C. N. [2000], „“Gottseliges Bezeugen und frommer Lebenswandel“ Das Exempelbuch als pietistische Kinderlektüre“, in: J. N. Neumann/U. Sträter (Hrsg.), Das Kind in Pietismus und Aufklärung. Beiträge des internationalen Symposions vom 12. – 15. November 1997 in den Franckeschen Stiftungen zu Halle, Tübingen 2000, 131–142. Moore, C. N. [2006], Patterned lives. The Lutheran funeral biography in Early Modern Germany, Wiesbaden 2006. Moore, C. N. [2010], „Der Bücherschatz der Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel (1634–1704) als Beispiel einer Frauenbibliothek des 17. Jahrhunderts“, in: J. Bepler/H. Meise (Hrsg.) [2010], Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis in der Frühen Neuzeit. Die böhmische Bibliothek der Fürsten Eggenberg im Kontext der Fürsten- und Fürstinnenbibliotheken ihrer Zeit, Wiesbaden 2010, 283–306. Moore, C. N. [2015], „“Zur Beförderung eigener Andacht und anderer Erbauung“. Die Gebetbücher der Herzogin Elisabeth Juliane von Braunschweig-Lüneburg als Zeugnisse Wolfenbütteler Frömmigkeit“, in: Merzbacher/Miersemann (Hrsg.) [2015], 331– 356. Motsch, Ch. [2001], Grenzgesellschaft und frühmoderner Staat. Die Starostei Draheim zwischen Hinterpommern, der Neumark und Großpolen (1575–1805), Göttingen 2001.
Bibliographie499
Mouthaan, J. [2005a], „Dordt & Bremen. Een onderzoek naar het functioneren van de afgevaardigden uit Bremen op de Dordtse synode van 1618 t/m 1619“, unveröffentl. Hausarbeit theologische Fakultät Universiteit Utrecht 2005. Mouthaan, J. [2005b], „Matthias Martinius over het tweede artikel“, in: Documentum [Zeitschrift des reformierten Studentenvereins Depositum Custodi in Utrecht], 18 (2005), H. 1, 7–15. Mühling, A. [2005], „Theodor Undereyck en de invloed van de Nadere Reformatie op het Duitse gereformeerde piëtisme“, in: DNR, 29 (2005), 32–42. Müller, E. (Hrsg.) [1912], Die Evangelischen Geistlichen Pommerns von der Reformation bis zur Gegenwart. Tl. 2: Der Regierungsbezirk Köslin. Die reformierten Gemeinden Pommerns. Die Generalsuperintendenten, Stettin 1912. Müller, H.‑E. [1998], Helmstedt: die Geschichte einer deutschen Stadt, Helmstedt 1998. Müller, H. [2005], Seelsorge und Tröstung. Christian Scriver (1629–1693). Erbauungsschriftsteller und Seelsorger, Waltrop 2005. Müller, J. [2016], Exile memories and the Dutch Revolt. The narrated diaspora, 1550–1750, Leiden/Boston 2016. Müller, K. [1961], „Feller, Joachim“, in: NDB, 5 (1961), 73, http://www.deutsche-biogra phie.de/artikelNDB_pnd116459301.html. Müller-Benedict, O./Ammann, H. (Hrsg.) [1990–1996], Bremer Pfarrerbuch. Die Pastoren der Bremischen Evangelischen Kirche seit der Reformation, 2 Bde, Bremen 1990– 1996. Müller-Schwefe, G. [1972], „Joseph Hall’s Characters of Vertues and Vices: Notes Toward a Revaluation“, in: Texas Studies in Literature and Language, 14, H. 2, (1972), 235–251. Mullan, D. G. [2000], Scottish Puritanism, 1590–1638, Oxford usw. 2000. Muller, R. A. [1986], Christ and the decree. Christology and predestination in reformed theology from Calvin to Perkins, Durham, North Carolina, 1986. Mund, Heinrich [1902], „Der Streit um das Süsterkloster zu Bielefeld“, in: Ravensberger Blätter für Geschichts-, Volks- und Heimatkunde, 2, H. 11 (1902), 77–80. Murdoch, S. [2001a], „Introduction“, in: Murdoch (Hrsg.) [2001–2], 1–26. Murdoch, S. (Hrsg.) [2001b], Scotland and the Thirty Years’ War, 1618–1648, Leiden 2001. Murdoch, S. [2006], Network North: Scottish kin, commercial and covert associations in Northern Europe, 1603–1746, Leiden 2006. Murdoch, S. [2007], „Schottische Soldaten in Europa in der Frühen Neuzeit“, in: Bade u. a. (Hrsg.) [2007], 948–952. Murken, J. [2008], Die evangelischen Gemeinden in Westfalen. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. 1, Bielefeld 2008. Naaijkens, T. [2008], „Texts and the Dynamics of Cultural Transfer – Translations as Events“, in: Mutatis Mutandis. Revista Latinoamericana de Traducción, 1, H. 2 (2008), 305–315. Naaijkens, T. [2010], „Evénement ou Incident – Event or Incident – an Introduction“, in: T. Naaijkens (Hrsg.), Evénement ou Incident. On the Role of Translations in the Dynamics of Cultural Exchange. Du rôle des traductions dans les processus d’échanges culturels, Bern 2010, 3–12. Nauta, D., u. a. (Hrsg.) [1978–2006], Biografisch lexicon voor de geschiedenis van het Nederlandse protestantisme, 6 Bde., Kampen 1978–2006 Neander, J. [1984], Bundeslieder und Dankpsalmen von 1680, O. G. Blarr, Köln 1984. Neele, A. C. [2009], Petrus van Mastricht (1630–1706). Reformed orthodoxy: method and piety, Leiden usw. 2009.
500
Bibliographie
Neuser, W. [1991], „Lippe“, in: TRE, 21 (1991), 206–210. Neuser, W. [1998], „Dogma und Bekenntnis in der Reformation: Von Zwingli und Calvin bis zur Synode von Westminster“, in: Andresen (Hrsg.) [1998], 167–352. Noack, L./Splett, J. (Hrsg.) [1997ff ], Bio-Bibliographien: brandenburgische Gelehrte der Frühen Neuzeit, Berlin 1997 ff. North, M. (Hrsg.) [2009], Kultureller Austausch. Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung, Köln usw. 2009. Norwood, F. A. [1969], Strangers and exiles: a history of religious refugees, 2 Bde., Nashville, TN usw. 1969. Nuttall, G. F. [1965], Richard Baxter, London/Edinburgh 1965. Obst, H. [1980], „Beichte IV. Neuzeit“, in: TRE, 5 (1980), 425–428. Oestreich, G. [1961], „Friedrich Wilhelm“, in: NDB, Bd. 5 (1961), 495–50, http://www. deutsche-biographie.de/pnd11853596X.html. Olsson, B. [1943], Från Martin Luther till Sven Lidman. En historisk översikt over andaktsböckerna i svenskt fromhetsliv, Malmö 1943. Olsson, B. [1944], Äldre Andaktslitteratur. Bibliografisk Hjälpreda, Lund 1944. Opgenoorth, E. [1971–1978], Friedrich Wilhelm, der Grosse Kurfürst von Brandenburg: eine politische Biographie, 2 Bde., Göttingen 1971–1978. Opladen, P. [1940], Die Minoriten in Duisburg 1265–1832. Ein Beitrag zur Duisburger Pfarrgeschichte, Emmerich 1940. Packer, J. I. [2003], The redemption and restoration of man in the thought of Richard Baxter: a study in puritan theology, Vancouver 2003. Paisey, D. L. [1988], Deutsche Buchdrucker, Buchhändler und Verleger 1701–1750, Wiesbaden 1988. Panayi, P. [1996a], „Germans in Britain’s History“, in: Panayi (Hrsg.) [1996b], 1–16. Panayi, P. (Hrsg.) [1996b], Germans in Britain since 1500, London/Rio Grande 1996. Patterson, W. B. [1997], King James VI and I and the reunion of Christendom, Cambridge usw. 1997. Penn, W. [1981], „An Account of My Journey into Holland & Germany 22. July – 12. October 1677“, in: M. M. Dunn u. a. (Hrsg.), The Papers of William Penn, Bd. 1, Philadelphia, PA., 1981, 423–508. Peters, Chr. [2002], „Israel Clauder (1670–1721). Hallischer Pietismus in Minden-Ravensberg“, in: ders. (Hrsg.), Zwischen Spener und Volkening: Pietismus in Minden-Ravensberg im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Bielefeld 2002, 9–128. Petri, F., u. a. (Hrsg.) [1970], Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Bd. 3: Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1970. Petri, W. (Hrsg.) [1981], Die reformierten klevischen Synoden im 17. Jahrhundert, Bd. 3: 1673–1700, Köln 1981. Petrőczi, É. [2005], Puritans and Puritanicals, Budapest 2005. Pfisterer, K. D. [1980], „Baxter, Richard (1615–1691)“, in: TRE, Bd. 5 (1980), 359–361. Philippi, H. [1976], Landgraf Karl von Hessen-Kassel, Marburg 1976. Philippi, H. [2007], Die Landgrafschaft Hessen-Kassel 1648–1806, Marburg 2007. Pölert, O. [1966], Die reformierte Kirche auf dem Hallenbrinke in Salzuflen. Chronik einer alten Stadtkirche in den Wechselfällen vieler Jahrhunderte, Bad Salzuflen [1966]. Popkin, R. H. [1988], „The End of the Career of a Great 17th Century Millenarian: John Dury“, in: PuN, 14 (1988), 203–220. Porteman, K,/Smits-Veldt, M. B. [2008], Een nieuw vaderland voor de muzen. Geschiedenis van de Nederlandse literatuur 1560–1700, Amsterdam 2008.
Bibliographie501
Post, P. [2001], „The Creation of Tradition: Rereading and Reading beyond Hobsbawm“, in: Religious identity and the invention of tradition. Papers read at a NOSTER conference in Soesterberg, January 4–6, 1999, J. W. van Henten/A . Houtepen, Assen 2001, 41–59. Postma F./Sluis, J. van (Hrsg.) [1995], Auditorium Academiae Franekerensis. Bibliographie der Reden, Disputationen und Gelegenheitsdruckwerke der Universität und des Athenäums in Franeker 1585–1843, Leeuwarden 1995. Prange, R. [1963], Die bremische Kaufmannschaft des 16. und 17. Jahrhunderts in sozialgeschichtlicher Betrachtung, Bremen 1963. Presbyterium [der Deutschen evangelisch-reformierten Gemeinde Frankfurt am Main] (Hrsg.) [1955], Gemeindebuch der Deutschen evangelisch-reformierten Gemeinde Frankfurt am Main, o. O. 1955. Price, L. M. [1941], „Holland as Mediator of English-German Literary Influences in the Seventeenth and Eighteenth Centuries“, in: Modern Language Quarterly, 2 (1941), 115–122. Prüser, F. [1928], „Bremen und die Universität Marburg im ersten Jahrhundert ihres Bestehens“, in: BJb, 31 (1928), 181–267. Prüser, F. [1940], Achthundert Jahre St. Stephanikirche. Ein Stück bremischer Geschichte, Bremen 1940. Prüser, F. [1961], Das Bremer Gymnasium Illustre in seinen landschaftlichen und personellen Beziehungen, Bremen 1961. Prüser, Friedrich [1976a], „Bremen“, in: Brüning/Schmidt (Hrsg.) [1976], 69–73. Prüser, Friedrich [1976b], „Das Land Bremen – Geschichtlicher Überblick“, in: Brüning/ Schmidt (Hrsg.) [1976], LXXX–XCI. Przybylski, L./Forck, T. [1967], „Die Beziehungen Bremens zu der Universität Duisburg“, in: Hospitum Ecclesiae. Forschungen zur bremischen Kirchengeschichte, 5 (1967), 30– 71. Puppel, P. [2004], Die Regentin. Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen 1500–1700, Frankfurt/New York 2004. Raupp, W. [2002], „Arnold, Gottfried“, in: BBKL, Bd. 20 (2002), 46–70. Rautenberg, U. (Hrsg.) [2003], Reclams Sachlexikon des Buches, 2., verb. Aufl., Stuttgart 2003. Reiser, R. [1969], Adeliges Stadtleben im Barockzeitalter. Internationales Gesandtenleben auf dem immerwährenden Reichstag zu Regensburg. Ein Beitrag zur Kultur- und Gesellschaftsgeschichte der Barockzeit, München 1969. Reiss, A./ Witt, S. (Hrsg.) [2009], Calvinismus. Die Reformierten in Deutschland und Europa, Ausstellung des Deutschen Historischen Museums Berlin und der Johannes a Lasco Bibliothek Emden, Dresden 2009. Reiswitz, J. A. Freiherr von [1957], „Diez, Heinrich Friedrich von“, in: NDB, 3 (1957), 712–713, http://www.deutsche-biographie.de/pnd118678469.html. Reitz, J. H. [1982], Historie Der Wiedergebohrnen. Vollständige Ausgabe der Erstdrucke aller sieben Teile der pietistischen Sammelbiographie (1698–1745) mit einem werkgeschichtlichen Anhang der Varianten und Ergänzungen aus den späteren Auflagen, 4 Bde., H.‑J. Schrader, Tübingen 1982. Reller, H. [1968], „Kirche und Jugend“. In: Landeskirchenamt Wolfenbüttel (Hrsg.) [1968], 59–78 Renkewitz, H. [1969], Hochmann von Hochenau, (1670–1721). Quellenstudien zur Geschichte des Pietismus, Breslau 1934, Ndr. Witten 1969.
502
Bibliographie
Reske, Ch. [2007], Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet: auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing, Wiesbaden 2007. Reuter, K. [1940], Wilhelm Amesius. Der führende Theologe des erwachenden reformierten Pietismus, Neukirchen 1940. Ribbe, W. [1999], „Brandenburg auf dem Weg zum polykonfessionellen Staatswesen (1620–1688)“, in: G. Heinrich (Hrsg.), Tausend Jahre Kirche in Berlin-Brandenburg, Berlin 1999, 267–292. Ring, W. [1920], Geschichte der Universität Duisburg. Mit einem Lageplan, Duisburg 1920. Ring, W. [1928], „Vier Pfarrer aus dem Duisburger Geschlecht Böninger“, in: MRKG, 22 (1928), 333–342. Ring, W. [1930], Geschichte der Duisburger Familie Böninger, Duisburg 1930. Ritschl, A. [1966], Geschichte des Pietismus, 3 Bde., Bonn 1880–1886, Ndr. Berlin 1966. Ritschl, O. [1926], Die reformierte Theologie des 16. und 17. Jahrhunderts in ihrer Entstehung und Entwicklung, Göttingen 1926. Robinson, D. [2002], Western Translation Theory from Herodotus to Nietzsche, Manchester, UK/Northampton, MA 2002. Robinson, D. [2004], „Literal translation“, in: Baker (Hrsg.) [2004], 125–127. Robson-Scott, W. D. [1953], German travellers in England, 1400–1800, Oxford 1953. Roden, G. von [1968], Die Universität Duisburg, Duisburg 1968. Roden, G. von [1970], Geschichte der Stadt Duisburg. Bd. I. Das alte Duisburg von den Anfängen bis 1905, Duisburg 1970. Römer, Ch. [2000], „Das Zeitalter des Hochabsolutismus (1635–1735)“, in: Jarck/Schildt (Hrsg.) [2000], 535–574. Rohls, J. [1997], Protestantische Theologie der Neuzeit. Bd. I: Die Voraussetzungen und das 19. Jahrhundert, Tübingen 1997. Rooijen, R. P. [2013], Frederik van Houten, Houten 2013. Roosbroeck, R. G. E. van [1968], Emigranten: Nederlandse vluchtelingen in Duitsland (1550–1600), Leuven 1968. Roosbroeck, R. G. E. van [1972], „Niederländische Glaubensflüchtlinge in Bremen (1585–1600) und ihr Briefwechsel“, in: BJb, 52 (1972), 85–112. Rommel, F. [1966], Alsumer Urkundenbuch: Dokumente zur Geschichte der Duisburger Ortsteile Alsum und Schwelgern, Neustadt an der Aisch 1966. Rosenkranz, A. [1955], „Aus den Protokollen der heimlichen Gemeinde Köln“, in: MEKGR, 4 (1955), 57–61, 92–96. Rosenkranz, A. (Hrsg.) [1958], Das Evangelische Rheinland: ein rheinisches Gemeindeund Pfarrerbuch, Bd. 2: Die Pfarrer, Düsseldorf 1958. Rosenkranz, A. [1970], „Einleitung“, in: ders., Sitzungsberichte der Convente der reformierten Düsseldorfer Classis von 1673 bis 1700, Düsseldorf 1970, 11. Rosenkranz, A./Humburg, W. (Hrsg.) [1966–1970], Generalsynodalbuch: die Akten der Generalsynoden von Jülich, Kleve, Berg und Mark 1610–1793, 2 Bde., Düsseldorf 1966–1970. Rotermund, H. W. [1818], Lexikon aller Gelehrten die seit der Reformation in Bremen gelebt haben, nebst Nachrichten von gebohrnen Bremern, die in andern Ländern Ehrenstellen bekleiden, 2 Tl., Bremen 1818. Rothert, H. [1928], Die Minden-Ravensbergische Kirchengeschichte, Bd. 2: Reformation und Pietismus, Münster 1928.
Bibliographie503
Rotscheidt, W. [1911/1913/1915/1916/1917/1919/1920/1931/1932/1933], „Rheinische Studenten an der Universität Leiden“, MRKG, 5 (1911), 149–156, 222–223, 242–250; 7 (1913), 53–55, 248–250; 9 (1915), 30–32, 59–61; 10 (1916), 92; 11 (1917) 58–62, 180–188, 311–313, 370–373; 13 (1919), 169–174, 217- 221; 14 (1920), 102–108; 25 (1931), 123–127, 158–160, 218, 348–350; 26 (1932), 25–27, 58–62, 156–157, 344–346; 27 (1933), 87–88, 121–125, 185–189. Rudloff, O. [1980], „Bremen“, in: TRE 7, 1980, 153–168. Rügge, N. [2007], „Krise und Behauptung. Salzuflen vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Siebenjährigen Krieg“, in: F. Meyer (Hrsg.), Bad Salzuflen. Epochen der Stadtgeschichte, Bielefeld 2007, 115–148. Rügge, N. [2008], „Elisabeth und die Stadt Herford“, in: Bei der Wieden (Hrsg.) [2008–2], 121–134. Rüttgardt, J. O. [1978], Heiliges Leben in der Welt. Grundzüge christlicher Sittlichkeit nach Philipp Jakob Spener, Bielefeld 1978. Ruppel, S. [2006], Verbündete Rivalen. Geschwisterbeziehungen im Hochadel des 17. Jahrhunderts, Köln 2006. Ruprecht, R. [1919], Der Pietismus des 18. Jahrhunderts in den Hannoverschen Stammländern, Göttingen 1919. Rutenborn, G. [1973], „Die Reformierten Gemeinden in Berlin-Brandenburg“, in: L. Borgmann (Hrsg.), Kirche in der Mark. Berichte und Bilder aus der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Berlin 1973, 99–106. Sallmann, M. [2007], „Orthopraxie der Basler Orthodoxie. Puritanische Literatur in Basel (1590–1650)“, in: PuN, 33 (2007), 217–227. Sallmann, M. [2011], „Calvin, Calvinismus und Puritanismus. William Perkins’ Schriften in Basel als Beispiel“, in: M. Hofheinz u. a. (Hrsg.), Calvins Erbe. Beiträge zur Wirkungsgeschichte Johannes Calvins, Göttingen 2011, 240–255. Sames, A. [1990], Anton Wilhelm Böhme (1673–1722). Studien zum ökumenischen Denken und Handeln eines Halleschen Pietisten, Göttingen 1990. Sann, A. [1951], Bunyan in Deutschland. Studien zur literarischen Wechselbeziehung zwischen England und dem deutschen Pietismus, Giessen 1951. Santen, L. van [2014], Bremen als Brennpunkt reformierter Irenik. Eine sozialgeschichtliche Darstellung anhand der Biographie des Theologen Ludwig Crocius (1585–1655), Leiden/Boston 2014. Saring, H. [1943], „Die Mitglieder des Kammergerichts zu Berlin unter dem Großen Kurfürsten“, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, 54 (1943), 69–114, 217–256. Saring, H. [1955], „Boineburg, Philipp Wilhelm Reichsgraf von“, in: NDB, 2 (1955), 426, http://www.deutsche-biographie.de/pnd129476676.html. Schaffner, H./Löhr, R. (Hrsg.) [1964–1990], Duisburger Konsistorialakten. Protokolle des Presbyteriums, 4 Bde., Neustadt an der Aisch/K öln 1964–1990. Schaper, R. (Hrsg.) [1974–1975], Das Helmstedter Häuserbuch, 1 Teil, 4 Hefte, unveröffentl. Manuskr., Helmstedt 1974–1975. Schaub, H. [2006], Die Herrschaft Rheda und ihre Residenzstadt von den Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches, Bielefeld 2006. Schaub, K. R. [1832], Kirchen- und Schul-Chronik der reformirten Gemeinde zu Bielefeld, Bielefeld 1832. Schian, M. [1912], Orthodoxie und Pietismus im Kampf um die Predigt: ein Beitrag zur Geschichte des endenden 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts, Giessen 1912.
504
Bibliographie
Schicketanz, P. [2002], Carl Hildebrand von Canstein. Leben und Denken in Quellendarstellungen, Tübingen 2002. Schilling, H. [1972], Niederländische Exulanten im 16. Jahrhundert: ihre Stellung im Sozialgefüge und im religiösen Leben deutscher und englischer Städte, Gütersloh 1972. Schmidt, F. W. [1957], „Nachrichten aus der Geschichte der evangelisch-reformierten Gemeinde und der reformierten Süsterkirche zu Bielefeld 1657–1957“, in: Presbyterium [der Evangelisch-reformierten Gemeinde Bielefeld] (Hrsg.), 300 Jahre Evangelisch-reformierte Gemeinde Bielefeld 1657–1957, Bielefeld 1957, 17–82. Schmidt, K. [1934], Joh. Conrad Causenius: ein Friedberger Rechtsgelehrter des 17. Jahrhunderts, Friedberg 1934. Schmidt, M. [1969], „Die ‚Geistliche Bad-Cur‘ Wolfgang Mayers in Basel (1649) und ihr literarisches Vorbild: Thomas Taylors Traktat ‚A Man in Christ or a new Creature’ (vor 1629)“, in: ders., Wiedergeburt und Neuer Mensch, Witten 1969, 24–50. Schmidt, M. [1978], „Epochen der Pietismusforschung“, in: Berg/Dooren (Hrsg.) [1978], 22–79. Schmidt, S. [1963], Die Niederlande und die Niederländer im Urteil deutscher Reisenden: eine Untersuchung deutscher Reisebeschreibugen von den Mitte des 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Siegburg 1963. Schmidt, W. [1941], „Verhör des Predigers Reiner Copper zu Duisburg“, in: MRKG, 35 (1941), 180–187. Schmitz, Ch. [2002], Ratsbürgerschaft und Residenz. Untersuchungen zu Berliner Ratsfamilien, Heiratskreisen und sozialen Wandlungen im 17. Jahrhundert, Berlin/New York 2002. Schmitz, U. [1990], „Zur Geschichte der vier heimlichen Kölner Gemeinden“, in: Löhr (Hrsg.) [1976–1990], Bd. 4 (1990), 11–31. Schnabel, W. W. (Hrsg.) [1995], Die Stammbücher und Stammbuchfragmente der Stadtbibliothek Nürnberg. Tl. 1: Die Stammbücher des 16. und 17. Jahrhunderts, Wiesbaden 1995. Schneemelcher, W. [1972], Matthias Nethenus: Leben und Werk, Bochum 1972. Schneider, H. [1989], „Geschichte der europäischen Kirchen in der Frühen Neuzeit. 2. Kapitel: Die evangelischen Kirchen“, in: R. Kottje/B. Moeller (Hrsg.), Ökumenische Kirchengeschichte, Bd. 3, Mainz/München 1989, 46–93. Schneider, H. [1992], „Marburg, Universität“, in: TRE, Bd. 22 (1992), 68–75. Schneider, H. [2006], Der fremde Arndt. Studien zu Leben, Werk und Wirkung Johann Arndts 1555–1621, Göttingen 2006. Schneider, H. (Hrsg.), Arndt in anderen Zungen –Übersetzungen, Rezeption, Transformation, religiöser Kulturtransfer, Halle (noch zu erscheinen). Schneppen, H. [1960], Niederländische Universitäten und deutsches Geistesleben: von der Gründung der Universität Leiden bis ins späte 18. Jahrhundert, Münster, Westfalen usw. 1960. Schoenborn, U. [2006], „[…] ich sehe die Fußstapffen der Providentz Gottes“ Zum Wirken des hessischen Theologen Conrad Mel (166–733) in Mitau, Memel und Königsberg, Berlin 2006. Schoenborn, U. [2010], Mit Herz und Verstand: Biographie und Lebenswelt der Töchter Herzog Jakobs von Kurland in Hessen-Homburg, Herford und Hessen-Kassel. Eine historische Studie, Hamburg 2010. Schormann, G. [1982], Academia Ernestina. Die Schaumburgische Universität zu Rinteln an der Weser 1618/21–1810, Marburg 1982.
Bibliographie505
Schorn-Schütte, L. [1985], „Prediger an protestantischen Höfen der Frühneuzeit. Zur politischen und sozialen Stellung einer neuen bürgerlichen Führungsgruppe in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, dargestellt am Beispiel von Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt und Braunschweig-Wolfenbüttel“, in: H. Schilling/H. Diederiks (Hrsg.), Bürgerliche Eliten in den Niederlanden und in Nordwestdeutschland. Studien zur Sozialgeschichte des europäischen Bürgertums im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Köln/Wien 275–336. Schorn-Schütte, L. [1996], Evangelische Geistlichkeit in der Frühneuzeit. Deren Anteil an der Entfaltung frühmoderner Staatlichkeit und Gesellschaft. Dargestellt am Beispiel des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, der Landgrafschaft Hessen-Kassel und der Stadt Braunschweig, Gütersloh 1996. Schrader, H.‑J. [1989], Literaturproduktion und Büchermarkt des radikalen Pietismus: Johann Henrich Reitz’ „Historie der Wiedergebohrnen“und ihr geschichtlicher Kontext, Göttingen 1989. Schrader, W. [1930], Die Braunschweigischen Postanstalten und ihre Verwalter bis Ende 1867. Nebst kurzem Abriß der Braunschweigischen Postgeschichte, Leipzig 1930. Schröder, Ch. M. [1956], Die „Bremer Beiträge“. Vorgeschichte und Geschichte einer deutschen Zeitschrift des achtzehnten Jahrhunderts, Bremen 1956. Schüssler, H. [1959], „Eckard, Heinrich Martin“, in: NDB, 4 (1959), 279, http://www. deutsche-biographie.de/pnd100118054.html. Schütze, E. [2001], „Anmerkungen u. Ergänzungen zu den älteren Bürgerbüchern Bremens, Anmerkungen und […] zum Bürgereid 1637, Bügereid 1562–64“, in: ders., Ergänzungen zum Bürgerbuch 1562–64, 1637, unveröffentl. Typoskript, Bremen 2001. Schulte Beerbühl, M. [2007], Deutsche Kaufleute in London: Welthandel und Einbürgerung (1600–1818), München 2007. Schunka, A. [2008], „Zwischen Kontingenz und Providenz. Frühe Englandkontakte der Halleschen Pietisten und protestantische Irenik um 1700“, in: PuN 34 (2008), 82–114. Schwarz, K. [1967], Bremen und Berlin. Ein geschichtlicher Rückblick, Bremen 1967. Schwarz, K. [1969], Kompanien, Kirchspiele und Konvent in Bremen 1605–1814, Bremen 1969. Schwarzwälder, Harry [2002], Ratsherren, Senatoren, Bürgermeister, Präsidenten der Wittheit und des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1433–1849. Maire, Maire Adjoint und Munizipalräte der Ville de Breme 1811–1813, unveröffentl. Manuskr., Bremen 2002. Schwarzwälder, Herbert [1975], Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Französenzeit (1810), Bremen 1975. Schwarzwälder, Herbert [1996], Bremen im 17. Jahrhundert: Glanz und Elend einer alten Hansestadt, Bremen 1996. Schwarzwälder, Herbert [2003], Das Große Bremen-Lexikon, 2., akt., überarb. u. erw. Aufl., 2 Bde., Bremen 2003. Schwarzwälder, Herbert [2008], Das Große Bremen-Lexikon. Ergänzungsband A–Z, Bremen 2008. Schwebel, K. H. [1944], „Das bremische Patriziergeschlecht Brand, Herren zu Riensberg und Erbrichter von Borgfeld“, in: BJb, 41 (1944), 86–183. Schweizer, Th. [1996], Muster sozialer Ordnung. Netzwerkanalyse als Fundament der Sozialethnologie, Berlin 1996.
506
Bibliographie
Seebaß, G./Freist, F.‑W. (Hrsg.) [1969–1980], Die Pastoren der Braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche seit Einführung der Reformation, 3 Bde., Wolfenbüttel 1969–1980. Schwennecke, D. (Hrsg.) [1978ff ], Europäische Stammtafeln. Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten. Neue Folge, Marburg 1978 ff. Schwering, L. [1908], „Die religiöse und wirtschaftliche Lage des Protestantismus in Köln“, Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, 85 (1908), 1–42 Schwidurski, P. [1957], Der Pietismus in der Braunschweigischen Landeskirche heutigen Bereichs in historisch-systematischer Darstellung, unveröffentl. Manuskr., Bad Harzburg 1957. Selderhuis, H. J. (Hrsg.) [2013], A companion to Reformed orthodoxy, Leiden usw. 2013. Selling, A. [1990], Deutsche Gelehrten-Reisen nach England 1660–1714, Frankfurt am Main usw. 1990. Seyfert, I. [1986], 325 Jahre Behaghel in Frankfurt am Main 1661–1986, o. O. 1986. Shantz, D. H [2013], An Introduction to German Pietism: Protestant Renewal at the Dawn of Modern Europe, Baltimore, MD 2013. Shantz, D. H. (Hrsg.) [2015], A companion to German Pietism, 1660–1800, Leiden usw. 2015. Simons, E. (Hrsg.) [1905], Kölnische Konsistorial-Beschlüsse. Presbyterial-Protokolle der heimlichen Kölnischen Gemeinde 1572–1596, Bonn 1905. Sippel, W. [1987–1998], Daten zur Nordhessischen Führungsschicht, 15 Bde., Salzburg 1987–1998. Slenczka, N. [2003], „Orthodoxie. I. Zum Begriff “, in: RGG4, Bd. 6 (2003), 693–694. Smet, G. A. R. de [2004], „Niederländisch-Deutsch“, in: Besch u. a. (Hrsg.) [2004], 3290– 3299. Smout, Th.C. (Hrsg.) [1986], Scotland and Europe, 1200–1850, Edinburgh 1986. Speck, W. A. [2004], „George, prince of Denmark and duke of Cumberland (1653–1708)“, in: ODNB, Oxford 2004, http://www.oxforddnb.com/view/article/10543. Spener, P. J. [2000], Briefe aus der Frankfurter Zeit 1666–1686, Bd. 3: 1677–1678, J. Wallmann, Tübingen 2000. Spener, P. J. [2005], Pia Desideria. Deutsch-Lateinische Studienausgabe, B. Köster, Gießen 2005. Spijker, W. van ’t [1986], „De Nadere Reformatie“, in: T. Brienen u. a., De Nadere Reformatie. Beschrijving van haar voornaamste vertegenwoordigers, ’s-Gravenhage 1986, 5–16. Spijker, W. van ’t [1989], „Bronnen van de Nadere Reformatie“, in: T. Brienen u. a., De Nadere Reformatie en het Gereformeerd Piëtisme, ’s-Gravenhage 1989, 5–51. Spohnholz, J. [2011], The Tactics of Toleration. A Refugee Community in the Age of Religious Wars, Newark 2011. Spohnholz, J. [2013], „Calvinism and Religious Exile during the Revolt of the Netherlands (1568–1609)“, in: Immigrants & Minorities: Historical Studies in Ethnicity, Migration and Diaspora (2013), 1–27. Spirgatis, M. [1902], „Englische Litteratur auf der Frankfurter Buchmesse von 1561– 1620“, in: Sammlung bibliothekswissenschaftlicher Arbeiten, 15 (1902), 37–89. Sprengel, P. [1994], „Meusebach, Karl Hartwig Gregor Freiherr von“, in: NDB, Bd. 17 (1994), 271–272, http://www.deutsche-biographie.de/pnd118733230.html. Sprengler-Ruppenthal, A. [1998], „Bremen“, in: RGG4, Bd. 1 (1998), 1745–1748. Sprunger, K. L. [1972], The learned doctor William Ames: Dutch backgrounds of English and American Puritanism, Urbana usw. 1972.
Bibliographie507
Sprunger, K. L. [1982], Dutch Puritanism. A history of English and Scottish churches of the Netherlands in the sixteenth and seventeenth centuries, Leiden 1982. Sprunger, K. L. [2004], „Ames, William (1576–1633)“, in: ODNB, Oxford 2004, http:// www.oxforddnb.com/view/article/440. Spurr, J. [1998], English puritanism, 1603–1689, New York usw. 1998. Steere, D. [1996], „For the Peace of Both, for the Humour of Neither“: Bishop Joseph Hall Defends the Via Media in an Age of Extremes, 1601–1656“, in: The Sixteenth Century Journal, 27, H. 3 (1996), 749–765. Stegbauer, Ch./Häußling, R. (Hrsg.) [2010], Handbuch Netzwerkforschung, Wiesbaden 2010. Steinmetz, S. [1996], „The German Churches in London, 1669–1914“, in: Panayi (Hrsg.) [1996b], 49–72. Stempel, W. [1968], „Einführung in die Kirchengeschichte Wesels – Stadt des Konvents“, in: MEKGR, 9 (1968), 1–27. Stieda, W. [1928], „Die Entwicklung des Buchhandels in Magdeburg“, in: Industrie- und Handelskammer zu Magdeburg (Hrsg.), Magdeburgs Wirtschaftsleben in der Vergangenheit, Bd. 3, Magdeburg 1928, 281–458. Stoeffler, F. E. [1965], The rise of evangelical pietism, Leiden 1965, Ndr. 1971. Stolleis, M. (Hrsg.) [1983], Hermann Conring (1606–1681). Beiträge zu Leben und Werk, Berlin 1983. Stolleis, M. [2010], „Zur Bedeutung der Juristischen Fakultät und insbesondere Hermann Conrings für die Universität Helmstedt“, in: Brüning/Gleixner (Hrsg.) [2010], 190– 197. Stolt, B. [2000], Martin Luthers Rhetorik des Herzens, Tübingen 2000. Sträter, U. [1987], Sonthom, Bayly, Dyke und Hall: Studien zur Rezeption der englischen Erbauungsliteratur in Deutschland im 17. Jahrhundert, Tübingen 1987. Sträter, U. [1995], Meditation und Kirchenreform in der lutherischen Kirche des 17. Jahrhunderts, Tübingen 1995. Sträter, U. [2003], „Joseph Hall in Württemberg. Eine Miszelle zu Johann Valentin Andreae“, in: PuN, 29 (2003), 215–225. Sträter, U. [2010], „Die Schweiz als Umschlagplatz englischer Erbauungsliteratur“, in: U. Gäbler u. a. (Hrsg.), Schweizer Kirchengeschichte – neu reflektiert. Festschrift für Rudolf Dellsperger zum 65. Geburtstag, Bern 2010, 211–224. Sträter, U., u. a. (Hrsg.) [2005], Interdisziplinäre Pietismusforschungen. Beiträge zum Ersten Internationalen Kongress für Pietismusforschung 2001, 2 Bde., Tübingen 2005. Strom, J. [1999], Orthodoxy and reform: the clergy in seventeenth century Rostock, Tübingen 1999. Strom, J. [2002], „Problems and Promises of Pietism Research“, in: Church History, 71, H. 3 (2002), 536–554. Sturm, E. [2000], „Heidelberger Katechismus“, in: RGG4, Bd. 3 (2000), 1514–1515. Szigeti, J., „Eighteenth-century Hungarian Protestants Pietist Literature and John Bunyan“, in: M. van Os/G. J. Schutte (Hrsg.), Bunyan in England and abroad. Papers delivered at the John Bunyan Tercentenary Symposium, Vrije Universiteit, Amsterdam, 1988, Amsterdam 1990, 133–139. Tanis, J. R. [1967], Dutch Calvinistic pietism in the middle colonies. A study in the life and theology of Theodorus Jacobus Frelinghuysen, The Hague 1967. Tellingen, A. E. van [2004], „Het leven van Petrus van Mastricht (1630–1706)“, in: DNR, 28 (2004), 146–175.
508
Bibliographie
Thadden, R. von [1959], Die brandenburgisch-preussischen Hofprediger im 17. und 18. Jahrhundert: ein Beitrag zur Geschichte der absolutistischen Staatsgesellschaft in Brandenburg-Preussen, Berlin 1959. Thiele, H. [1996], Die Kasseler Hofgemeinde zur Zeit des Landgrafen Karl, unveröffentl. Manuskr., Kassel 1996. Tholuk, A. [1861–1862], Das kirchliche Leben des siebzehnten Jahrhunderts, 2 Tln., Berlin 1861–1862. Tielke, M. (Hrsg.) [1993–2007], Biographisches Lexikon für Ostfriesland, 4 Bde., Aurich 1993–2007, Homepage: http://www.ostfriesischelandschaft.de/776.html. Tietz, C. [2008], Johann Winckler (1642–1705). Anfänge eines lutherischen Pietisten, Göttingen 2008. Tiililä, O. [1959], „Die ältesten Übersetzungen der deutschen pietistischen Literatur in Finnland“, in: Theologische Literaturzeitung, 5 (1959), 329–334. Tourney, L. D. [1979], Joseph Hall, Boston 1979. Trim, J. B. [2010], „English Military Émigrés and the Protestant Cause in Europe, 1603c. 1640“, in: Worthington (Hrsg.) [2010], 237–258. Trimp, J. C. [1987], Jodocus van Lodensteyn. Predikant en dichter, Kampen 1987. Trueman, C., „Calvin and Reformed Orthodoxy“, in: H. J. Selderhuis (Hrsg.), The Calvin Handbook, Grand Rapids, Michigan/Cambridge, U. K. 2009, 472–479. Tümpel, H. (Hrsg.) [1909], Minden-Ravensberg unter der Herrschaft der Hohenzollern. Festschrift zur Erinnerung an die dreihundertjährige Zugehörigkeit der Graffschaft Ravensberg zum brandenburg-preußischen Staate, Bielefeld/Leipzig 1909, Tümpel, H. [1909], „Politische Geschichte“, in: Tümpel (Hrsg.) [1909], 1–88. Tütken, J. [1997], Höhere und mittlere Schulen des Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, der Herrschaft Dannenberg und der Grafschaft Blankenburg im Spiegel der Visitationsprotokolle des Generalschulinspektors Christoph Schrader (1650–1666), Wiesbaden 1997. Ulrichs, K. F. [1993–2007], „Buchfelder, Ernst Wilhelm“, in: Tielke (Hrsg.) [1993–2007], http://www.ostfriesischelandschaft.de/obio/detail.php?id=202. Ulrichs, F. [2003], Johan Nieuhofs Blick auf China (1655–1657). Die Kupferstiche in seinem Chinabuch und ihre Wirkung auf den Verleger Jacob van Meurs, Wiesbaden 2003. Veeck, O. [1904], „Die Anfänge des Pietismus in Bremen“, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte, 25 (1904), 291–307. Veeck, O. [1909], Geschichte der reformirten Kirche Bremens, Bremen 1909. Vliet, J. van [2002], William Ames. Marrow of the theology and piety of the reformed tradition, Ann Arbor, Mich. 2002. Viëtor, K. [1928], Probleme der deutschen Barockliteratur, Leipzig 1928. Volle, A. [1985], Deutsch-britische Beziehungen. Geschichte und Gegenwart, Berlin 1985. Verein für Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen e. V. u. a. (Hrsg.) [2003–2009], Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, 10 Bde., Leipzig 2003–2009. Vries, L. de [2001], „Bible translations: forms and functions“, in: The Bible Translator, 52, H. 3 (2001), 306–320. Wall, E. G. E. van der [1987], De mystieke chiliast Petrus Serrarius (1600–1669) en zijn wereld, Dordrecht 1987. Wallmann, J. [1978], „Labadismus und Pietismus. Die Einflüsse des niederländischen Pietismus auf die Entstehung des Pietismus in Deutschland“, in: Berg/Dooren (Hrsg.) [1978], 141–168.
Bibliographie509
Wallmann, J. [1981], „Calixt, Georg“, in: TRE, Bd. 7 (1981), 552–559. Wallmann, J. [1986], Philipp Jakob Spener und die Anfänge des Pietismus, 2., überarb. Aufl., Tübingen 1986 Wallmann, J. [1990], Der Pietismus, Göttingen 1990. Wallmann, J. [1991], „Lutherischer und reformierter Pietismus in ihren Anfängen. Zwei unbekannte Briefe von Johann Jakob Schütz an Cornelius de Hase in Bremen“, in: H. Faulenbach (Hrsg.), Standfester Glaube. Festgaben zum 65. Geburtstag von Johann Friedrich Gerhard Goeters, Köln 1991, 181–190. Wallmann, J. [2002], „Eine alternative Geschichte des Pietismus. Zur gegenwärtigen Diskussion um den Pietismusbegriff “, in: PuN, 28 (2002), 30–71. Wallmann, J. [2003], „Orthodoxie. II. Christentum. 2. Historisch. a) Lutherische Orthodoxie“, in: RGG4, Bd. 6 (2003), 696–702. Wallmann, J. [2004], „Pietismus – ein Epochenbegriff oder ein typologischer Begriff ? Antwort auf Hartmut Lehmann“, in: PuN, 30 (2004), 191–224. Wallmann, J. [2005a], „De Nadere Reformatie en het Duitse piëtisme“, in: DNR, 29 (2005), 16–31. Wallmann, J. [2005b], Der Pietismus, 2., durchges., akt. Aufl., Göttingen 2005. Wallmann, J. [2010], „Die Nadere Reformatie und der Pietismus“, in: ders., Pietismus und Orthodoxie. Gesammelte Aufsätze III, Tübingen 2010, 406–426. Wallmann, J. [2011a], „Pietismusforschung. Gesamt- und übergreifende Darstellungen und Aufsatzbände (I)“, in: Theologische Rundschau, 76 (2011), 222–254. Wallmann, J. [2011b], „Pietismusforschung. Gesamt- und übergreifende Darstellungen und Aufsatzbände (II)“, in: Theologische Rundschau, 76 (2011), 296–322. Wallmann, J. [2012], „Warnung vor einem Phantom. Zu der These von den zwei Übersetzern Johannes Deusing“, in PuN, 38 (2012), 241–256. Ward, W. R. [1992], The protestant evangelical awakening, Cambridge usw. 1992. Ward, W. R. [1999], Christianity under the Ancien Régime, 1648–1789, Cambridge usw. 1999. Ward, W. R. [2006], Early evangelicalism. A global intellectual history, 1670–1789, Cambridge usw. 2006. Warners, J. D. P. [1957], „Translatio-imitatio-aemulatio, 1–3.“, in: De nieuwe taalgids, 49 (1956), 289–295; 50 (1957), 82–88, 193–201. Waterhouse, G. [1914], The literary relations of England and Germany in the seventeenth century, London 1914. Watson, J. R. (Hrsg.) [2002], An annotated anthology of hymns, Oxford usw. 2002. Weber, F., u. a. (Hrsg.) [2010], Von der Taufe der Sachsen zur Kirche in Niedersachsen. Geschichte der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, Braunschweig 2010. W. Wehowsky (Hrsg.) [1960], St. Martini zu Bremen. Eine Gemeinde und eine Kirche im Wandel der Zeiten, Bremen 1960, Weigelt, H. [1994], „Nürnberg“, in: TRE, Bd. 24 (1994), 698–707. Weigelt, H. [2007], „Spiritualismus. II. Kirchengeschichtlich. 2. Neuzeit bis Gegenwart“, in: RGG4, Bd. 7 (2004), 1586–1587. Weismayer, J. [1999], „Erbauungsliteratur. II. Neuzeit. 2. Protestantismus“, in: RGG4, Bd. 2 (1999), 1390–1391. Wells, V. T. [2004], „Guthrie, William (1620–1665)“, in: ODNB, Oxford 2004, http:/www. oxforddnb.com/view/article/11791.
510
Bibliographie
Welti, M. E. [1964], Der Basler Buchdruck und Brittannien. Die Rezeption britischen Gedankenguts in den Basler Pressen von den Anfängen bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts, Basel 1964. Wenig, O. [1966], Rationalismus und Erweckungsbewegung in Bremen. Vorgeschichte, Geschichte und theologischer Gehalt der Bremer Kirchenstreitigkeiten von 1830 bis 1852, Bonn 1966. Wendland, W. [1930], Siebenhundert Jahre Kirchengeschichte Berlins, Berlin usw. 1930. Wenneker, E. [1994], „Reitz, Johann Henrich“, in: BBKL, Bd. 7 (1994), 1587–1592 Wenneker, E. [2001], „Zeller, Johann Jakob“, in: BBKL, Bd. 19 (2001), 1570–1578. Wesseling, K.‑G. [1993], „Mosheim, Johann Lorenz von“, in: BBKL, Bd. 6 (1993), 196– 204. Wesseling, K.‑G. [1996], „Tholuck, Friedrich August Gott(t)reu“, in: BBKL, Bd 11 (1996), 1251–1266. Wessing, M. [1994], Die Sparrenburg: Vom Wehrbau zur Wahrzeichen, Bielefeld 1994. Westermann, K./Stampfuß, R. [1970], „Wesel“, in: F. Petri u. a. (Hrsg.), Bd. 3 (1994), 773– 776. Weyerhäuser, H. [1881], „Mittheilungen über die Gymnasialbibliothek zu Büdingen nebst einem Verzeichnis der in ihr befindlichen Bücher aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert“, in: o. A., Programm des Großherzoglichen Gymnasiums zu Büdingen, Ostern 1881, 3–24. Wiem, I. [1940], Das englische Schrifttum in Deutschland von 1518–1600, Leipzig 1940. Willen, D. [1992], „Godly Women in Early Modern England: Puritanism and Gender“, in: Journal of Ecclesiastical History, 43, H. 4 (1992), 561–580. Willenberg, J. [2008], Distribution und Übersetzung englischen Schrifttums im Deutschland des 18. Jahrhunderts, München 2008. Wilts, H.‑H. [1960], „Von den Bauherren“, in: Wehowsky (Hrsg.) [1960], 58–61. Winter, A. [2008], Das Gelehrtenwesen der Residenzstadt Berlin in der Zeit von Konfessionalisierung, Pietismus und Frühaufklärung (1574–1740), Berlin 2008. Withof, J. H. [2008], Die Chronik der Stadt Duisburg von den Anfängen bis zum Jahre 1742, A. Blank, Norderstedt 2008. Wittmann, R. [1999], Geschichte des deutschen Buchhandels, 2., durchges. und erw. Aufl., München 1999. Witzendorff, H. J. von [1955], „Bremens Handel im 16. und 17. Jahrhundert“, in: BJb, 44 (1955), 128–174. Wohlbrück, S. W. [1829], Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlechte von Alvensleben und dessen Gütern, Bd. 3, Berlin 1829. Wolfes, M. [2001], „Reimmann [auch: Reimann], Jacob Friedrich“, in: BBKL, Bd. 18 (2001), 1180–1183. Wolff, W. [1896], Die evangelisch-reformierte Gemeinde in Marburg. Ein Rückblick auf ihre Entstehung und Entwickelung seit 250 Jahren, Kassel 1896. Wolgast, E. [2011] „Calvinismus und Reformiertentum im Heiligen Römischen Reich“, in: Dingel/Selderhuis (Hrsg.) [2011], 23–45. Worthington, D. (Hrsg.) [2010], British and Irish Emigrants and Exiles in Europe, 1603– 1688, Leiden 2010. Wotschke, Th. [1927a], „Der Clevische Wahrheitszeuge Gottfried zum Berge“, MRKG, 21 (1927), 114–125.
Bibliographie511
Wotschke, Th. [1927b], „Der Streit in der lutherischen Gemeinde Cleve in den Jahren 1663. Ein Beitrag zur Geschichte des Separatismus am Niederrhein“, in: MRKG, 21 (1927), 353–372. Wotschke, Th. [1927c], „Friedrich Brecklings niederrheinischer Freundeskreis“, in: MRKG, 21 (1927), 3–21. Wotschke, Th. [1931], „Zur Geschichte des westfälischen Pietismus III“, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte, 33 (1931), 55–100. Wotschke, Th. [1932], „Zur Geschichte des westfälischen Pietismus IV“, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte, 34 (1933), 39–103. Wotschke, Th. [1933], „Weseler Briefe an Friedrich Breckling“, MRKG, 27 (1933), 178– 185. Wotschke, Th. [1935], „Pietistisches aus Ostfriesland und Niedersachsen. Nach Briefen in der Staatsbibliothek Berlin und in der Hauptbibliothek des Waisenhauses Halle. Fortsetzung“, in: Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte, 40 (1935), 156–223. Wrampelmeyer, C. [1887], Geschichte der kleineren evangelischen (lutherischen) Gemeinde zu Duisburg, Duisburg 1887. Wright, S. [2008], „Bolton, Robert (1672–1631)“, in: ODNB, Oxford 2004, Onlinefassung 2008, http:/www.oxforddnb.com/view/article/2806. Wundt, W. F. [1995], Sinners Directed to the Saviour. The Religious Tract Society Movement in Germany (1811–1848), Zoetermeer 1995. Young, J. T. [2008], „Durie, John (1596–1680)“, in: ODNB, Oxford 2004, Onlinefassung 2008, http://www.oxforddnb.com/view/article/8323. Zabel, K. [1942], Die Einwirkung des englischen und des niederländischen Frühpietismus auf Ph. J. Speners Lehre von der Rechtfertigung und Heiligung, unveröffentl. Inauguraldiss. Universität Rostock 1942. Zeller, W. [1962], „Einleitung“, in: ders., Der Protestantismus des 17. Jahrhunderts, Bremen 1962, XIII–LXVI. Zeller, W. [1978], „Die ‚alternde Welt‘ und die ‚Morgenröte im Aufgang‘. Zum Begriff der ‚Frömmigkeitskrise‘ in der Kirchengeschichte“, in: ders., Theologie und Frömmigkeit. Gesammelte Aufsätze. Hrsg. v. B. Jaspert, Bd. 2, Marburg 1978, 1–13. Zickermann, K. [2013], Across the German Sea. Early Modern Scottish Connections with the Wider Elbe-Weser Region, Leiden/Boston 2013. Zimmermann, P. [1891], „Schrader, Christoph“, in: ADB, 32 (1891), 422–425, http://www. deutsche-biographie.de/artikelADB_pnd119434547.html. Zobeltitz, L. von [1990], „Theologische Hauptströmungen in St. Stephani von der Reformation bis ins 19. Jahrhundert“, in: H. Albertz u. a. (Hrsg.), 850 Jahre St. Stephani- Gemeinde, Bremen 1990, 25–74. Zollna, I. [2004], „Französisch und Provencalisch/Deutsch“, in: Besch u. a. (Hrsg.) [2004], 3192–3202. Zwaag, K. van der [1999], Onverkort of gekortwiekt? Artikel 36 van de Nederlandse Geloofsbelijdenis en de spanning tussen overheid en religie. Een systematisch-historische interpretatie van een ‚omstreden‘ geloofsartikel, Heerenveen 1999.
Bibelstellenregister 1. Mose 1,16 82 5,24 205 6,8–9 175
Mt 11,28 320 18,3 140 25,13 417
1 Kön 19,5–8 88
Lk 10,41–42 215
Hiob 33 96
Joh 16,32 206 16,33 372 17,3 204 19,30 379
Ps 1,1–2 172 42 98 42,6 167 46,9 375 46,9–10 382 62,6 147 65,5 146 f. 77 359 85,9 361 93 102 119,33–35 417 143,2 372 147,12–20 375
Apg 10,43 361 Röm 7,18 227 7,24 129
Spr 1,32–33 235
1 Kor 1,26–27 171 1,31 82 4,7 82 5,7 177 7,20 153 7,30 154, 159
Jes 55 146 55,1 361
Gal 4,19 147 6,14 211
Jer 8,22 97
Eph 6,1–10 96 6,10–18 102 6,10–20 375
Ez 37,7–8 28
514 Phil 2,13 82 1 Thess 5,21 47 1 Tim 2,4 55 2,5 313 6,17 400 6,17–18 235 2 Tim 3,5 302
Bibelstellenregister
Hebr 4,9 195 11,1 230 Jak 1,26 232 3,13 23 1 Petr 2,9 319 Offb 1,5–6 319
Personenregister Abbot, George 206 Abbot, Robert 233 Abernathy, John 350 Ackenhausen, Anna Marie Elisabeth 392 Ackenhausen, Christian Diederich 392 Aerde, E. van der 232 Agathocles 386 Alardin, Johannes 110, 258 Alba, Fernando Álvarez de Toledo, Herzog von 76 Alers, Heinrich 81, 473 f. Algerius 386 Alleine, Joseph 150 Alleine, Richard 149 f. Althusius, Samuel 37 Alvensleben, Gebhard von 366 Alvensleben, Ludolf Burchard von 366 Ambrose, Isaac 360 Ambrosius von Mailand 96, 380 Ames, William 35, 56, 157, 164, 198, 223, 228, 241, 248, 458, 462 Amyraut, Moyse 134 Anakreon 386 Ancumanus, Bernhardus Nicaeus 15, 38, 47 Anderko, István Szokolyai 95 Andreae, Jakob 5 Anhalt-Dessau, Johann Georg I. von 360 Anne Stuart 370 f. Antiochia, Evagrius von 210 f. Antonius, Peter 29 Antonius, Wilhelm 29, 38 Appelius, Eleonora Charlotte 353 Appelius, Johann 349 f., 362 Aquin, Thomas von 178, 367, 380 Arck, Johan Janson von der 301 Aristoteles 173, 367 Arminius, Jacobus 52, 54, 366
Arnds, Andreas Hartwig 384 Arndt, Johann 9, 13, 28 f., 33, 37, 46, 271 f., 457 f., 464 Arnold, Andreas 38 Arnold, Christoph 38 Arnold, Gottfried 17, 28, 288, 345, 418, 424 f., 427 Arnold, Johann 354 f., 363 Asselt, W. J. van 56 Athanasius der Große 206 Augustin(us) von Hippo 14, 96, 102, 138, 143, 157, 159, 169, 173, 178, 206, 317– 319, 333, 380, 386 Bacon, Francis 199 Badenhaußen, Herr 111 Bagshaw, Edward 174 f. Baker, Richard 16 Balcanqual, Walter 53 Ball, G. 16 Ball, John 198, 220 Barclay, John 319 Barkey, Caspar 78 Barnett, P. R. 15 Bartoli, Daniel 271 Bates, William 420 Bauer, Reinhard 272 f. Baxter, Richard 28, 39, 60–64, 66 f. 69 f., 74 f., 117, 133–145, 147, 150, 182–249, 251 f., 263, 415–425, 431, 434 f., 441, 443 f., 449, 452–455, 461 Bayly, Lewis 15 f., 28–30, 33–35, 37, 41, 45–47, 57, 377, 409, 455, 458, 468 Baynes, Paul 165, 198 Beck, A. J. 462 Beck, H. 7, 14 Beeckman, Wilhelm 448 Beets, Hendrick 197
516
Personenregister
Behaghel, Abraham 162 Behaghel, Carl 162 Behaghel, Daniel 162–164, 240, 271, 446, 448 Behaghel, Ida 162 f. Behaghel, Isaac 162 Behaghel, Jacob 162 f. Bellarmin, Robert 143, 178, 374 Bendall, Ephraim 142 Bentheim, Gese von 256, 259 f., 270, 336, 368, 377, 408 Bentheim, Johann von 259 Bentheim, Wilhelm von 80, 257, 270, 473 Bentheim-Tecklenburg, Johanna Dorothea von 356, 362 Bentheim-Tecklenburg, Moritz von 346, 360 Benthem, Heinrich Ludolf 107 Bepler, J. 350, 413 Berbrandus, Christophorus 38 Berge, Gottfried zum 288, 298, 336, 339, 374, 460 Berghaus, P. 290 Bergius, Georg Conrad 353 Bergius, Johann 353, 363 Berlinghoff, Caspar 59 Bernd, Adam 249, 251 f., 416, 421–424, 431, 454 Bernhard von Clairvaux 123, 130, 159, 173, 178, 206, 231, 279, 303, 319, 328 Betke, Heinrich (Wilsonius) 197 Bèze, Théodore de (Beza, Theodorus) 156, 178, 383, 403 Biermann, Johann August 276 Biermann, Johann Conrad 276 Bilderbeck, Aemelia de 322 Bilderbeck, Henricus de 322 Bilderbeck, Lucretia Elisabeth de 322 Bilney, Thomas 169 Bion 386 Bircher, M. 16 Blanken, Maria Elisabeth 281 Blassneck, M. 14 Blécourt, Johann de 289, 294 Bleiswijk, Abraham van 264, 266 Bodin, Jean 173 Boels, François 466 Bogaert, Justus van den 84
Bogerman, Johannes 37 Böhme, Anton Wilhelm 371 Böhme, Jakob 14, 31, 197, 377, 422 Böhnick, P. M. 116 f. Boineburg, Philipp Wilhelm von 414 Bolton, Robert 60, 62 f., 68 f., 71, 74 f., 159 f., 170–179, 190, 192, 198, 213, 223, 226, 232 f., 240–242, 248, 417–419, 431, 441, 454 Böninger, Anna 296 Böninger, Heinrich 296 Böninger, Hermann 282 f., 296 Boots, Hendrick (Heinrich) 163 Bossen von Wolsdorff, Jurgen 364 Böttiger, Johann Georg 328 Boudaan, Gualtherus 448 Bourdon, Dr. 112 f. Bradford, John 223 Bradshaw, William 198 Brand, Joachim 77 f., 80, 90, 473 f. Brand, Johann 78 Brand, Wilhelm Bernhard 91–93 Brandenburg, Friedrich III. von 295 Brandenburg, Friedrich Wilhelm von 83, 261, 421 Brandenburg, Johann Sigismund von 253 Brandt, Joachim 80 Brauer, Hermann 50, 95, 219, 355, 360, 362, 428, 444 Braunschweig-Lüneburg, August von 349 Braunschweig-Lüneburg, Ernst August von 353 Braunschweig-Lüneburg, Sophia Charlotte von 353, 363 Braunschweig-Lüneburg, Sophie Elisabeth von 349 f., 362 f. Braunschweig-Wolfenbüttel, Anton Ulrich von 369, 378 f., 413, 425, 430 Braunschweig-Wolfenbüttel, August Wilhelm von 425 Braunschweig-Wolfenbüttel, Clara Augusta von 370 Braunschweig-Wolfenbüttel, Elisabeth Juliane von 413–419, 421–423, 428– 430, 447, 455 Braunschweig-Wolfenbüttel, Elisabeth Sophia Marie von 425, 427–430
Personenregister517
Braunschweig-Wolfenbüttel, Ferdinand Albrecht von 416 f., 423, 430 Braunschweig-Wolfenbüttel, Ludwig Rudolph von 430 Braunschweig-Wolfenbüttel, Rudolf August von 369 f., 378 Brecht, M. 9 Breckling, Friedrich 288, 298 f., 338 f., 342, 345, 414, 449, 460 Brenneisen, Johannes Ludwig 92 Breusing, Johann Michael 426 Brightman, Thomas 198 Bromley, Thomas 31 Bronckhorst, Bernhard von 448 Bröske, Konrad 243 Broughton, Hugh 195 Brun, Benjamin le 162 Brun, Cornelius le 162, 268 Brun, Gerhard le 267, 268, 276 Brun, Johann le 264–268, 270 f., 273 f., 276, 291, 298, 338, 436, 446, 448 Brun, Magdalena le 268, 277 Brun, Sara le 268, 276 Brune, Johan de 72 Brunnemann, Johannes 170, 337, 342 Brunsen, Anton 39, 186, 243, 251, 262, 269, 338, 342, 420 Bucer, Martin 36 Buchfelder, Ernst Wilhelm 86, 91–94, 252, 300, 332, 450 Budens, Frederick 308 Bull, George 422 Bunny, Edmund 15, 39 Bunyan, John 15, 48, 249 Büren, Diderich von 474 Burgess, Anthony 134 Burmannus, Franciscus 91 Burs, Gillis 465 Burs, Jacobus 465 Bussche, Clamor von dem 351–354, 363, 435 Bussières, Jean de 72 Bussmann, Eberhard 371, 378, 400 f., 409 Bussmann, Johann Eberhard 373, 376 Büteführ, Peter 295 f., 340 f. Butendach, Dierich 270 Butte, Volchard 78
Caesar, Gauis Iulius 184, 386 Calixt, Georg 29, 365 f., 368, 384, 407, 409, 428 Calvin, Johannes 4 f., 52, 137, 206, 253, 374, 449 Cameron, John 134 Camp, Franz opden 284 Canstein, Carl Hildebrand 417–419, 424, 429 Cappeln, Diderich von 474 Cartwright, Thomas 178, 198 Casmann, Ottho 39 Cassel, J. P. 261 Cassell, Johann Philipp 78 Catarinus 178 Caulius, Zacharias 91–94 Causenius, Johann Conrad 415, 417 f., 425, 427 Cellarius, Balthasar 368 f., 372, 377 Charlton, Francis 182 Chemnitz, Martin 5, 375 Chevrau, Urbain 444 Christ, D. 111 Christian, Wolfgang 150 Chrysostomus, Johannes 102, 206, 380 Cicero, Marcus Tullius 231, 319 Clairvaux, Bernhard von 123, 130, 159, 173, 178, 206, 231, 279, 303, 319, 328 Clasen(ius), Daniel 368 Clauder, Israel 351 f. Coccejus, Johannes 11, 37, 56, 84, 105, 132, 264, 449 Coch, Heinrich 110, 474 Cochius, Christian Johann 354 Coeper, Johann 474 Comenius, Jan Amos 36 Commelinus, Casparus 301, 307, 314, 341, 425 Conermann, K. 16 Conring, Hermann 258, 260, 366–368, 371–373, 406 f. Conring, Maria 368 Cöper, Otto 264, 266 Copper, Reiner 270, 291–293, 298, 351 Cosack, C. J. 14 Cottens, Anna 79 Cotton, John 15, 143, 150 Cranmer, Thomas 169
518
Personenregister
Crassus, Marcus Licinius 184 Cregut 319 Crocius, Ludwig 53–56, 109 f., 134, 244 Cromwell, Oliver 58 Culverwell, Nathaniel 220, 223, 226 Curhase, Ida 162 f. Curtius, Sebastian 80, 82 Cyriaci, Theodor 296 Damrau, P. 15, 20, 464 Dänemark, Friedrich II. von 51 Dapper, Olfert 69, 71, 74, 179 f. Dauncey, John 72 Davenport, John 165 Davies, John 72 Day, John 72 Deckherr, Johann 72 Dellbrügge, Joachim 354 Demosthenes 231 Deppermann, A. 321, 436, 459 f. Descartes, René 275 Detry, Peter Friedrich 115 Deusing (Duijsing, Dusinch) (Bremensis), Johann(es) (J. D.[B.]) 18, 25, 50, 59–75, 109–252, 258, 303, 414, 416, 419–421, 423, 431 f., 434 f., 439–446, 451–455, 460 f., 467 Dhaun-Falkenstein, Charlotte Auguste von 298, 448 Dhaun-Falkenstein, Wilhelm Wyrich von 85, 330 Diecman, Johann 72 Diedrichs, Wilhelm 48, 93, 348 Diepenbruck, Heinrich 289 Dietzel, Caspar 41 Diez, Heinrich Friedrich 424 Dilherr, Johann Michael 153, 384, 394 Dircks, Jannetie 276 Dod, John 192, 198, 223, 226 Donne, John 72 Dornblüth, August 43 Dörrien, Sophia Elisabeth 370 Dorth, Johann von 296 Dover, John 72 Downame, George 233 Downame, John (Downam, Johann) 83, 117, 173 Dozem, Justus 271 f., 274, 297 f., 300
Dranckmeister, Albert 394 Drelincourt, Charles 350 Dresser, Jost Heinrich 65 f., 125, 133 Duncker, Johann Heinrich 389 Dunte, Ludwig 46 Duntze, Diedrich 89 Duport, James 72 Durie, John (Duré, Jean) 36 f., 40, 58, 72, 117 f., 150, 163, 239, 243, 248, 252, 445, 447 Düsing (Duysing), Ger(har)d(t) 78, 94 Duysing (Deusing, Düsing, Duising, Duysing), Johann(es) 18, 25, 50– 252, 258, 303, 348, 360, 362 f., 413 f., 416, 419–421, 423, 431 f., 434 f., 437, 439–447, 451–455, 460 f., 467, 473–475 Duysing, Catharina 79 Duysing, Heinrich 82 f. Duysing, Johan Daniel 94 Duysing, Lubbert 79 Duysing, Lucia 79 Dwerhagen, Johannes 87 f., 473 Dyke, Daniel 15 f., 28 f. Dyke, Jeremiah 309, 350 Dyrkinus, Johannes 72 Eckard, Heinrich Martin 364 Edzard, Jacobus 474 f. Eichel, Anna Sophia 392 Eichel, Johann 392 Eichenbergk, Johann 41 Eisler, Tobias 378 Elagabal 386 End, G. van den 17 Enden, David von (den) 274, 298, 341, 446 Enden, Wilhelm von (den) 274 England, Schottland und Irland, Charles II. von 58 f. Erasmus von Rotterdam 120, 213, 223, 233, 303 Erberfeld, Abraham 275 Erberfeld, Anna Gerdrut 270, 281 Erberfeld, Daniel 255 f., 258, 275, 281, 336, 368, 407, 446 f. Erberfeld, Gerhard 275, 281, 297
Personenregister519
Erberfeld, Heinrich 102, 255–258, 270, 276 f., 280, 284, 286 f., 297, 315, 374, 460 Erberfeld, Johann von 255 f. Erberfeld, Johannes 275, 280 f., 289, 297 Erberfeld, Laurentz 270, 279 Erberfeld, Mathilde 256–258 Erberfeld, Philipp 17 f., 25, 93, 110, 163, 253–345, 356, 374 f., 407 f., 427 f., 431, 434–436, 439–448, 450–453, 455, 459 f., 467 Erberfeld, Sara Maria 275, 280 Erberfeld, Sophia 255 Erberfeld, Theresa 256–258 Ernst, Susanna 270, 276 Erp von Brockhausen, Simon Anton 79 f., 474 Essenius, Andreas 356 Estor, Johann Georg 429 Evagrius 210 f. Exalto, J. 17 Fabricius, Johann Ludwig 322 Fass, Margarethe 265 Faulenbach, H. 13, 61 f., 256, 276, 459 Fauvre, Amy 379 Feinler, Johann 305 Felgenhauer, Paul 59 Felgentreff, Georgius 90–94 Feller, Joachim 376 Feuerlein, Johann Konrad 39, 186, 243 Fickweiler, Johann Michael 145 Finman, Frederich 284 Fischer, Johann 273 f. Flemmer, Christian 379, 407 Flemmich, Christof 295 Flocke, Heinrich 89 f., 94, 347 Forck, T. 111 Formanoir, Anna Elisabeth 78 f. Formanoir, Lubert 78 f., 96, 102, 106, 435, 444 f., 447, 474 Fox, George 144 Franck, Sebastian 14 Francke, August Hermann 47, 271, 273 f., 351, 376, 378, 458 Francke, Elias 118, 125, 139, 144–146, 152, 165, 416 f., 419
Friedgen, Johann Dietrich 209, 214 Fröling, Andreas 259 f., 376 f. Gahde, R. 113 Galatino, Pietro Colonna 380 Galenos von Pergamon 173 Galle, D. Hierony(mus) 111 f. Galler, Hieronymus 29 Geller, Johannes Henricus 418, 423 Genius, Isaac 38 Georg, Prinz von Dänemark und Norwegen 370 f. Georgi, G. T. 133, 179 Georgi, Theophil 203, 25 Gerhard, Johann 1, 409 Gerhards, Barbara 264, 266 Gerhardt, Paul 261 Gerson, Jean 303, 360 Gesenius, Justus 29, 46, 377 f., 409 Gläser, Enoch 258 f., 336 Gleich, Johann 255 Gleich, Sophia 255 f., 267 Goeddaus 113 Goeters, J. F. G. 15, 61 f., 291 Goeters, W. 60–63 Goodwin, Thomas 16, 190, 360 Görtz, Anna Juliana von 384 Gottreu Tholuck, Friedrich August 424 Gottsched, Johann Georg 43 Gouge, William 165 Graafland, C. 12 Graff, Johann Peter 291 Gravius, Arnold 116 Gregor der Große 206, 319 Grentz, Gottlieb Heinrich 179 Gribius, Petrus 37 Grindal, Edmund 206 Grindal, Johannes 159, 241 Grond(s), Anna 263–266 Grond(t), Heinrich (Hendrik, Henricus) 264 f., 270 Grond, Helena 264 f., 270, 276 Große, C. 14 Großgebauer, Theophil 321, 458 Grotius, Hugo 271 Gruterus, Isaac 126 Gryphius, Andreas 16, 34 Günther, W. 116
520
Personenregister
Guthrie (Guthry), William (Wilh.) 36, 60, 62 f., 74 f., 146–152, 164, 183, 190, 241, 248, 417 Haak, Theodor 15 f., 30, 38, 40 Haar, J. van der 1, 17, 61 f., 236, 418 f., 421 Habermann, Johann 1 Hack, Gertrud 255 f., 267, 270, 315, 374 Hack, Margarete 267, 270 Hack, Maria 275 f. Hack, Philipp 255, 267, 270, 308, 337 f. Hahn, Heinrich 392 Haken, Elisa 126 Hales, John 53 Hall, Joseph 15 f., 28, 157 f., 164, 233, 241, 249, 378–407, 413, 428–430, 435, 441, 451, 455, 458, 462 Hamm, Georg-Wolfgang 378, 394, 400 Hanau-Münzenberg, Philipp Ludwig II. von 29 Hanekroth, Eberhard 276 Hanmer, Thomas 182 Hanstein, Dietrich von 114 Hardt, Hermann von der 378 Harduyn, Justus de 334 Harmes, Heinrich 133 Harmes, Johann 278, 474 f. Harmes, Michael 278 Harpalus 231 Harsdörffer, Georg Philipp 30, 34, 43 Hartlib, Samuel 36, 38 Hartung, Johann Bernhard 219 Harvey, Gabriel 396 Hase, Cornelius de 86 f., 90, 92–94, 252, 265 f., 276, 300, 338, 342, 348, 436, 459 Hase, Sara de 276, 278, 448 Hastings, Henry 385 Hatzfeldius, Gulielmus 60 Hausmann, Johannes Nicolaus 91, 93 Hävecker, Johann Heinrich 396, 407, 410 Havemann, Arnold 474 Havighorst, Johann 86 Hayward(s), John 365 Heerde, Johann 474 Heerden, Gerhard von 284 Heespen, Gustav Friedrich 351 f. Heiden, Frans Jansz. van der 181 Heijting, W. 466
Heilbron, J. 3 Heilersieg, Anton Günter 73, 116, 223 Heilersieg, Catharina 280 f. Hein, Georg 117, 193, 239, 252 Heinius, Johannes 80 Helt, Adolf (Adolph) 59, 90 Henckel, Gerhard 165 Heppe, H. 8, 252, 463 Herbert, George 396 Heringa, Petrus 139, 154, 241 Hermes, Gertraud 448 Hertefeld, Georg Wilhelm von und zu 261 f. Hertefeld, Jobst Gerhard von und zu 261 Hertzog, Friedrich 67 Herwagen, Gertrud 163 Herwie, Thomas 39 Herz, A. 16 Hesse, Heinrich 291, 430 Hessen-Kassel, Charlotte von 67, 147, 150, 183, 239, 252, 445, 447 Hessen-Kassel, Elisabeth von 67, 69, 113– 114, 147, 150, 183, 239, 252, 292, 351, 445, 447 Hessen-Kassel, Georg von 60, 73, 111 Hessen-Kassel, Hedwig Sophie von 83– 85, 87 f., 107, 111 f., 114, 117, 147, 239, 252, 295, 412, 414–416, 418 f., 425, 429, 432, 455, 473 Hessen-Kassel, Karl von 73, 83, 111 f., 116 f., 150 Hessen-Kassel, Philipp von 60, 73, 111 Hessen-Kassel, Wilhelm VI. von 60, 83, 150 Hessen-Kassel, Wilhelm von 112 Hieronymus, Sophronius Eusebius 44, 206, 317, 380 Hildersham, Arthur 192, 198 Hipstede, Johannes 77 Hoburg, Christian 333–335 Hochepied, Cornelius 293 Hochmann von Hochenau, Ernst Christoph 291 Hof, W. J. op ’t 9, 12, 15, 17, 27, 40, 48, 61 f., 64, 419, 421, 436 f., 443, 451, 462, 463 f., 466 Hoffmann, Johann Georg 413 f., 425, 431, 454
Personenregister521
Hoffmann, Johannes Fridericus 280 Holle, Albertus 91 f. Holle, Michael 95 Hollenbenders-Schmitter, B. 61 f. Hollweg, W. 15 Holstein-Norburg, Elisabeth Juliane von 413 Holstein-Sonderburg, Sophie Elisabeth 272 Höltgen, K. J. 15 Honn, Hermann 280 Hooker, Thomas 178, 223, 226 Hoorn, Anna Maria von 351 f., 354, 363 Hoornbeeck, Johannes 301 Hoppe, Weyert 299 Horche, Heinrich 92 Horneck, Anton 277 Hosmann, Sigismund 422 Houten, Frederik van 300 Huber, Ulric 262, 337 Hugo, Hermann 304, 327–335, 339 f., 342–344, 440, 443, 448, 453 Huisinga, Julius Aysonius 171, 174 f. Huisman, F. W. 21 Hülsemann, Johann 47 Hulsius, Levinus 29 Hummel, Johann 368, 370 Hünefeldt, Ludolf Henrich 348 Hüneken, Johann 474 Hulsius Witwe, Levinus 41 Hunnius, Nicolaus 47 Huntington, Henry von 385 Hüpeden, Wilhelm 474 f. Iken, J. Fr. 61, 85, 87 f., 113 Isselburg, Elisabeth 94 Isselburg, Heinrich 53 f. Jackson, John 57, 223 Jacobi, Agnes 256, 259 f. Jacobi, Johann 259 Jacquemot, Theodor (Théodore) 379, 384 Janssonius, Johannes 157, 162, 301 Jörgens, Ludwig 300 Joris, David 72 Jung, Johann Adam 145, 282 Jungman 112 f. Juterczenka, S. 20
Kählers, Anna 109 Kamp, J. van de Kassel, J. D. 65 Keller, Christina Magdalena 256, 280, 297 Kempe, Martin 16, 38 Kempen, Thomas von 28, 123, 130, 303 f. Kerstingius, Bernhardus 92 Kip, Anna 268 Kipping, Heinrich 384 Kleopatra VII. Philopator 386 Knowles, Nathanael 204, 219, 241 Koc(s)ses, Anna Katharina 73, 112 Koch, Balthasar Gerhard 368, 376, 378, 394, 400 f., 404 f., 410, 439, 441 f. Koch, Friedrich 368, 372 Koch, Hedwig Sophie Hennig 368, 372 Koch, Heinrich 368 Koch, Henning 18, 25, 288 f., 337, 339, 345, 364–411, 432, 434 f., 439–443, 446 f., 451–453, 455, 459 f. Koelman, Jacobus 71, 147, 241 Köhler, Jacob 305 Köhne, Margareta 284 Köhne, Werner 93, 284, 348 Komorowski, Manfred 281, 354 Konstantinopel, Evagrius von 210 Koolman, A. 113 Köpers, Catharina 87 Köpers, Diedrich 87 Köpf, U. 7 Kopp, Johann Heinrich 25 Kortholt, Christian 125 Koster, Peter 85 Krosch, Anna 255 Krösse, Dorothea 405 Krössen, Samuel 405 Krössen, Samuel Hardovicus 405 Krüger, Simon Jodocus 93, 349, 360 Kuhn, H. 16 Kunowitz, Johann Dietrich Graf von 112, 252 Kuntz, Paul 364 Kurland, Charlotte Sophie von 115 f. Kurland, Marie Amalie von 112, 115 Kürßner, Salomon 182 f., 185, 193, 304, 311, 341, 429 Kyrene, Synesius von 211
522
Personenregister
Labadie, Jean de 83 Labistraet, Louise de 448 Lächele, R. 16 Laelius, Daniel 89, 94 Laets, Johannes de 376 Lammers, Joost 474 Lampe, Friedrich Adolf 270, 284, 292, 337, 342, 354 Lampe, Heinrich 112, 273, 348, 354 Lampe, Johanna Maria 354, 363 Lampe, Johannes 59 Landgrötger, Arnold 448 Lange, Johann 439 f., 451 Laren, Abraham van 155, 241 Lasius, Sigismundt 364 Latimer, Hugh 169 Laud, William 165 Launoy, Bonaventura de 41 Leade, Jane 31 Leblon, Christoph 41 Lehmann, H. 2, 9, 32, 464 Lehmann, J. 262 Lehnhoff, Jakob 299 f., 341 Leibniz, Georg Wilhelm 42, 414, 419 Leiden, Maria von 266 Leiningen, Christine Louise von 291, 328, 330, 448, 450 Lérins, Vinzenz von 138 Leube, H. 14 Leusmann, Ditmar 78 Lieburg, F. A. van 9, 12 f., 464 f. Lilienthal, Michael 151, 186, 251 f., 345, 381, 417 f., 422 f., 425, 427, 431, 454 Linacre, Robert 95 Linden, Johannes Antonides van der 264 f., 270 Line, Johann von 365 Lippe, Simon Heinrich von 347 f. Lippe, Simon VI. von 347 Lipper, Johann Georg 186 Lobwasser, Ambrosius 82 Lodenstein, Jodocus van 17, 27 f., 84, 91, 314, 348 Loers, Arnold 450 Loers, Johann Christian 284, 296 f., 330, 450 Loers, Lucas 294 Longolius, Paul Daniel 394 Löning, Mette 281
Love, Christopher 16, 155 f., 159, 164, 241, 248, 360, 468 Luberto Formanoir, H. 65 Lüders, Justus 416, 421–423, 426 Lüderwald, Friedrich 374, 376, 378 f., 381, 383, 389 f., 395, 400, 404, 410, 430 Lüderwald, Johann 374, 379, 396, 403, 410 Luiten-van Meijeren, Marieke 256 Lukrez Carus, Titus 386 Luppius, Andreas 446 Luther, Martin 4 f., 29, 36, 44 f., 223, 249, 316, 327, 360 Lütkemann, Joachim 47, 349 Mack, R. 112 Marche, Gottfried 145 Marigold, W. G. 16 Martin, Peter Christoph 243 Martinius, Matthias 52–54, 134, 244 Martinus, Johannes 150 Mastricht, Gerhard von 72, 111, 265, 268, 271, 274–277, 285, 286, 288, 291–294, 296–300, 322, 330, 338, 340, 344 f., 426, 436, 446, 448, 450 Mastricht, Magdalena von 162, 271 Mastricht, Petrus von 262, 275, 286, 289, 292, 294 McKenzie, E. C. 15, 17, 20, 27 f., 47 f., 61 f., 145, 167, 219, 236, 242, 440, 464 Mead, Matthew 117, 190, 193 Mecke, Wilhelm 371 Mecklenburg-Güstrow, Johann Albert II. von 349 Meier, Carsten 89, 474 f. Meier, Christian 81, 89 Meier, Elisa 63, 126 f., 130, 239, 250, 445, 447 Meier, Gerhard 347 Meier, Hans 474 Meier, Heinrich 80, 126, 130, 473 f. Meier, Samuel 373 Meinertzhagen, Helena 256, 275 f. Meinertzhagen, Jakob 268, 276, 300, 448 Meinertzhagen, Maria 267, 308 Meister, Johann Martin 203 Melanchthon, Philipp 4 f., 29, 169, 206, 213, 360
Personenregister523
Melville, George 58 Menken, Gottfried 95 Mercator, Johann Hermann 279 Merlau, Johanna Eleonora von 272 Meteren, Emanuel van 173 Mettengang, Henrikus 470 Mettia, Barbara 364 Meurs, Jacob van 180 f. Meusebach, Karl Hartwig Gregor von 430 Meusevoet, Vincentius 95 Meyer, Bernhard 291 f., 450 Meyer, Gerhard 115 Meyer, Heinrich Bernhard 89, 93, 95, 348 Michaelis, Carsten 89 Milton, John 15 Minneman, Folchardus 91–94 Minnemann, Catharina 270 Minnemann, Nikolaus (Claus) 270 Mohr, Patrick 57 Molanus, Gerardus Wolterus 428–430, 432 Möller, Georg Matthias 197 Montagu von Boughton, Edward 15 Montanus, David 147 More, Henry 422 More, Patrick 57 f. Mornay, Phillipe de 305 Mosheim, Johann Lorenz von 410 f. Moulin, Cyrus du 273 Moulin, Pierre du 309 Mülheim, Jacobus zu 268 Müller, Georg 305 Müller, Heinrich 28, 384 Müller, Heinrich David 42 Müller, Henning 470 f. Müller, Jacob 379, 381, 383, 405, 471 f. Müller, Johann Christoph 17 Müller, Johannes 436–438 Müller-Duysing, Karl 75 Mumsen, Anna Catharina 280 f. Mumsen, Heinrich 280 Müntzen, Johann Dieterich 284, 289 Musäus, Peter 364 Mylius, Valentin Bernhard 429 Nazianz, Gregor von 194, 206, 319 Neander, Joachim 61, 87 f., 93, 298 f., 322, 345 f., 450
Neckelmann, Gerhard 93 Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus 173 Nethenus, Matthias 356, 415 Nethenus, Samuel 300, 342, 428, 450 Niccipus 386 Nicolai, Johann 376, 378, 407 Niemeier, Johann Barthold 370 Nifanius, Christian 145, 352 Nijs, Jacob de 448 Noltenius (Nolte), Johann Christoph (Christoffer) 17 f., 25, 346–363, 434 f., 439–442, 444, 446 f., 451 f., 467 Noltenius, Friedrich Clamor 354 f. Noltenius, Georg Ludwig 355 Noltenius, Johann Arnold 354 f., 363 Noltenius, Louysa Charlotta 354 Noltenius, Ludwig Samuel 355 Noltenius, Maria Anna 354 Nordenholt, Woler 87 f., 473 Nucella, Wenzeslaus 273 f., 300, 339, 427 Oehrling, Tobias 152, 164 f. Oelrich, Hans 76 Oelrich, Karl-Theodor 76 Oelrichs, Königunda 71, 76, 94 Oiseau de Tourval, Jean de l’ 405 Oldenburg, Henry 38 Olevian, Caspar 200 Opitz, Martin 42 Optatus von Mileve 380 Oranien, Friedrich Heinrich von 126 Oranien, Luise Henriette von 338 Origines Orville, Peter d’ 112, 448 Overbeck, Johann 276 Overbeck, Andreas 368 Owen, John 134, 146, 223 Pagenstecher, Arnold Gisbert 285 f., 426 Paine, Elisabeth 277 Paine, Thomas 59, 277 Parker, Thomas 198 Parson, Robert 15, 30 Pasch, Georg 243 Pasor, Georg 105 Pelagius 361 Pemble, William 135, 198
524
Personenregister
Penn, William 297 f., 337–339, 446 Perkins, William 15, 28–30, 39, 117, 119, 122 f., 153, 155 f., 160, 165, 170, 178, 190, 192, 198, 220, 223, 248, 379, 409, 442, 458 Persode, Susanna de 163 Petersen, Johann Wilhelm 377 Pezel, Christoph 50 f. Pfalz, Charlotte von der 147, 150, 239 Pfalz, Elisabeth von der 147, 150, 292, 351 Pfalz, Friedrich V. von der 39 Pfalz, Karl Ludwig von der 150 Pfalz, Karl von der 150 Pfalz, Sophie von der 353 Pfalz-Neuburg, Philipp Wilhelm von 448 Pfalz-Neuburg, Wolfgang Wilhelm von 253 Piscator, Johannes 45, 304 Platon 173, 233, 386 Plutarch 231 Poiret, Pierre 319, 321 Polich, Johann Michael 145 Pontikos, Evagrius 211 Pordage, John 31 Post, Hermann 77 Pottere, Peter de 474 Preston, John 190, 192, 198, 220, 223, 226, 417 Preußen, Friedrich I. von 295, 353 Preußen, Friedrich Wilhelm I. von 353 Preußen, Friedrich Wilhelm IV.von 430 Pritius, Johann Georg 249, 251 Probst von Wendhausen, Philipp Ludwig 378 Przybylski, L. 111 Rademacher, Monika 162 Rambach, Johann Jacob 203 Ramèe, Pierre de la (Petrus Ramus) 51 Randall, John 178 Rango, Konrad Tiburtius 47 Rasch, Hieronymus Felix Welser von 372 Ravesteyn, Johannes van 125 Reck, Johann Bertram von der 280 Reck, Sibylla von der 256, 280 Reede, Frederik Adriaan van 342 Reimmann, Friedrich 417
Reinhard, Matthias Martin 89, 94 Reiser, Anton 47 Reitz, Johann Heinrich 48, 94 Reuter, Blasius 93, 161 Reuter, Heinrich 59 Reynolds, Edward 198 Rheden, Diedrich von 110 f. Rhegius, Urbanus 29 Rheinferd, Jacobus 268 Rhenen, Henricus van 186 Rhode, Anna Elisabeth 367, 370, 373, 395 Rhode, Joachim 367 Richardson, Charles 16 Ridley, Nicholas 169 Rinck, Christine von 292 Ritschl, A. 8, 459, 463 Ritter, Johann Friedrich 394 Rittmeyer, Christoph Heinrich 378 Rittmeyer, Johann 368, 372, 376–378, 408 f. Rixner, Heinrich 418 Robinson, Elisabeth 117 Rochol, Johann 297 Rogers, Richard 223, 226 Rohtbarius, Laurenz 269 Rotermund, H. W. 59 f., 62, 64, 78, 255 Rous, Francis 272 Rüdiger, Bartholomäus 373 Ruffinus 380 Rulitius, Johannes 37 Rump, Heinrich Arnold 351 Rutherford, Samuel 39, 272 Rutze, Michael 378 Salbach, Johann Christoph 17, 429, 439 f., 451 Saldenus, Guiljelmus 17 f., 25, 98, 102 f., 105, 273, 288 f., 300–323, 338–345, 355–363, 425–428, 431, 434 f., 441–444, 454 f. Salmerón, Alfonso 386 Sand, Hermann von 273, 314 Sander, Joachim 353 Sann, A. 15 Sapiro, G. 3 Sas, Frank 272 Saubert, Johannes 263, 372 Saurmann, Philipp Gottfried 219, 229
Personenregister525
Schaaf, Carolus 263 Schachmann, Gottfried 57 Schadewitz, Salomon 118, 125, 183 Schamelius, Johann Martin 325, 413 f., 421–424, 428 Scheffer, Karl 204, 209, 214 Schievelbergh, Jan 276 Schirmer, Otto Johann 368 Schlechtendahl, Johann Adrian 279 Schlitz, Philipp Friederich von 369, 384 f. Schlüter, Heinrich 277, 342 Schmedes, Heinrich 426 Schmettau, Heinrich 38, 337, 342 Schmidt, Christian 368 Schmidt, Johann 29, 46 Schmidt, M. 8 Schmiedt, Johann Gabriel 376 Schmitten, Johann ter 266, 276 Schönauer, Emauel 163 Schönauer, Hieronimus 116, 152 Schönauer, Isaac 152 Schönauer, Martha 116 Schönauer, Teobald 152 Schöne, Christian 78 Schöne, Mette 281 Schöneman, Johan Peter 448 Schoonhaven, Pieter 264, 266 Schoonhaven, Helena 270 Schottel (Schottelius), Justus Georg 42, 277 Schouten, Wouter 71, 74, 179, 181 f. Schrader, Christoph 258 f., 365–367, 372, 376, 407 Schröder, Herman 426 Schröder, Johann Konrad 373, 384 Schröder, Johannes Herman 426 Schröder, Justus Jakob 346, 349 Schüller, Abraham 274, 298 Schultz, Johann Ernst 394 Schuts, Jacobus 273 Schütte, Heinrich 78 Schütz, Johann Jakob 14, 28, 73, 145, 162 f., 170, 197, 239 f., 248, 250, 254, 268–274, 282, 314, 321, 327, 338 f., 344 f., 434 f., 445–447, 449, 454, 459– 461, 464, 467 Schwel(l)ing, Johann(es) 80, 373 f. Schwenckfeld, Kaspar von 14
Schwerin, Otto von 261, 269, 289, 336–338 Schwidurski, P. 369 Schwidurski, Theodor 369 Schwiedring, Johann Helfrich 426 Scriver, Christian 28, 243, 379, 396, 420 Scudder, Henry 15, 293 Seckendorff, Veit Ludwig von 419–421 Sedgwick, Obadiah 350 Seidel, Christoph Timotheus 378 Seneca, Lucius Annaeus 102, 178, 206, 233, 319, 383, 385 f. Serrarius, Petrus 230, 241, 302, 330, 333– 335, 344 Severus, Sulpicius 231 Seyler, Jakob Gottfried 170, 174, 179 Sheffield, John 150 Sibbes (Sibs), Richard 60, 62 f., 73–75, 160, 165–170, 190, 192, 198, 220, 223, 226, 240 f., 248, 251, 41 f., 431, 442, 445 Sibels, Arnold 282, 298, 448 Sibels, Christina Wilhelmina 282 Simonides, Simon 309 Simons van Alphen, Hieronymus 162 f. Simons van Alphen, Johanna 162 f. Simons, Cornelius 152, 162 Simons, Hieronimus 152, 162 f. Simons, Johanna 162 f. Sincerus, Theophilus 125 Smeth, Joost de 448 Smidt, [?] 232 Solger, Adam Rudolph 430 Solms-Braunfels, Amalia zu 162 Solon 166 f. Someren, Johannes van 139, 142, 162, 179, 181, 241 Sonborn, Sophia von 255 f. Sonthom, Emanuel 15, 28–30, 34 f., 39, 41, 45, 47, 394, 396, 409, 455 Sophronius von Jerusalem 210 Spaans, J. 248 Spanheim, Daniel 316–319, 321 f., 340, 343, 446 Spanheim, Ezechiel 322 Spanheim, Friedrich 318, 322, 356 Spener, Philipp Jakob 8 f., 13 f., 20, 28 f., 46 f., 117, 145, 163, 209, 249, 272 f., 298, 325–327, 331, 340, 343, 369, 378, 409, 417, 420 f., 456–461, 463 f.
526
Personenregister
Spiera, Francesco 386 Spijker, W. van ’t 9 Spohnholz, Jesse 436, 438 Spranckhuysen, Dionysius 50, 60, 62 f., 71, 75, 95–105, 107, 412, 453 Stannarius, Gregorius 80 Stapleton, Thomas 374 Staupitz, Johann von 360 Steenhuysen, Hermann 426 f., 431 Stern, Hans 41 Stern, Heinrich 41, 45 Stern, Johann 45 Sthals, Abraham 284 Stier, Johann 376 Stock, Johann Heinrich 185 Stock, Theodor 294 Stocker, Johann Henrich 347 Stöckle, Lucas 379, 407 Stockum, Johann von 274, 298, 446 Stoeffler, F. E. 8 Stolberg-Roßla, Johann Martin zu 430 Stoll, Joachim 47 Sträter, U. 2, 7, 15 f., 19 f., 28, 32, 40 f., 43, 45, 410, 451, 457 f., 464 Streithagen, Peter 15 f., 30, 38, 40, 150, 445 Strieder, F. W. 59–62, 64, 74 Stuart, Elisabeth 39 Stubbemann, Christian 94 Stubbemann, Diedrich (Dirich) 89, 94 Stubbemann, Ludolph 94 Stubbemann, Wübbeke 89, 94 Sudecius, Johannes 279 Suhling, Simarus 91–94 Surbick, Heinrich 473 Sweling, Johannes Eberhard 94 Symonds, Joseph 220, 223 Tacket, Margareta 255 Tanis, J. R. 324 f. Tappius, Jacobus 368 Taylor, William 165 Teellinck, Eeuwout 434 Teellinck, Maximiliaan 126 f. Teellinck, Willem 12 f., 48, 60–63, 74 f., 118–133, 146, 149, 151, 183, 239, 241 f., 244–246, 248, 303, 308, 316, 323–327, 331, 340–343, 413–415,
427 f., 431, 434, 441–444, 455, 458, 461, 465 f. Tegularius, Hermannus 309 Tertullian 143, 206, 319 Theodosius I. 380 Theophrastos von Eresos 404 Theophylakt 380 Thomson, Emanuel 15, 39, 44 Thyllius, Carl Otto 280, 282 Tilemann, Ernst 95 Tilemann, Johann 474 f. Tilemann, Philipp Johann 262, 349 Tilemann, Simon Peter 256 Tiling, Heinrich 81, 473 f. Tissot, Christine Gertrud 284 Tissot, Johann Jakob 277, 284 Titius, Gerhard 259, 365, 368 Tremelius, Immanuel 382 Treüer, David 350 Treviranus, Ludwig Georg 95 Twisse, William 135, 198 Übing, Johann 267–270 Uchtemann, Engel 89 Udemans, Godefridus 324 f., 428 Uilenbroek, Hendrik 156, 241 Undereyck, Theodor 9, 14, 18, 25, 30, 48, 60–62, 71, 84–95, 104–108, 111, 114, 122 f., 131 f., 142, 150–153, 155, 157, 161, 164, 167, 177, 186, 197, 212, 223, 239, 242 f., 246 f., 251 f., 265, 270, 275, 277 f., 284, 289, 295, 298–300, 303, 324, 332 f., 338, 341 f., 348, 362, 427, 435 f., 444–450, 452, 454, 459, 461, 464, 466, 473, 475 Ursin, Benjamin 269, 322 Ursinus, Zacharias 5, 200 Ussher, James 198 Vaget, Johan(n) 89, 94 Veen, Mirjam van 436 Vegas 178 Veiel, Elias 2, 47 Venzky, Georg 43 Vere, Horace 40 Vermigli, Petrus Martyr 169 Viëtor, K. 14 Villiers, Berthold de 78, 111
Personenregister527
Villiers, Heinrich de 78, 111 Vines, Richard 134 Vockerodt, Gottfried 28 Voetius, Gisbert 11, 28, 49, 56, 84 f., 90 f., 95, 132, 275, 301, 339, 356, 418, 457 f., 461, 465 Vogel, Joh. 77 Vos, Alinda 90 Vossius, Gerhard Johann 202, 366, 374 Vries, C. de 235 Vultejus, Hermann von 112 f. Wachmann, Johann(es) 78, 80 Wachmann, Rebecca 78 Wagener, Margaretha 367 Wahden, Johann Heinrich von 114, 116 Waldkirch, Margret von 163 Wall, Jan van de 448 Walle, Jacob van de 162–164, 240, 271 f., 322, 446, 448 Walle, Wilhelm van de 163 Waller, William 58 f. Wallmann, J. 8 f., 12, 14, 18, 61–64, 74 f., 458 f., 463 f. Walter, Karin 257 Waterhouse, G. 14 Watson, Thomas 249 Weigel, Valentin 14 Weingärtner, Johann 348 Weiß, Johann Friedrich 41 Wellens, Johannes 263 Werner, Georg 369, 373 f. Wert, Abraham von der 284 Wesel, Jacob(us) von 41, 327 f. Weselow, Christoph 260, 263, 336, 339, 460 Weyer, Matthes 271 f. Whately, William 64, 236, 414 Whitaker, William 198, 374 White, Thomas 150 Whitfeld, Henry 15 Wiem, I. 14 Wiesenhaver, Anna Sophia 370–372, 376 Wiesenhaver, Johannes Joachim 370, 406 Wigeman(n), Conrad(us) 91–94, 358, 360, 362 f., 434, 447 Wigeman, J. L. B. 90 Wijnhoven, Joseph 281
Wilckens, Georg 197 Willius, Balthasar 109 f. Wilmans, Alexander 346 Winckler, Johann 28, 204 Wineken, Johann 373 f. Wintgens, Heinrich 279, 284 Witsius, Herman 262, 318, 356 Wolpmann, Friderich 474 f. Wolters, Gertrud 268 Wolters, N. 269 Wolters, Stephan 264, 269 Wouters, Anna 264, 266 Wouters, Barbara 264, 266 Wouters, Gertrud 264, 266 f., 270 Wouters, Helena Margareta 264, 266, 270 Wouters, Johann 266 Wouters, Laurens (Laurentz, Lorenz) 263–266, 276 Wouters, Maria 256, 263–267, 270, 275 f., 278, 280, 283, 291, 337 Wouters, Sara 264, 266, 276, 278, 298 Wouters, Steven (Stephan) 266 Writer, Clement 218 Württemberg-Neuenstadt, Friedrich August von 370 Württemberg-Neuenstadt, Friedrich von 370 Wylich, Thomas von 274, 298, 446, 448 Yvon, Pierre 272 Zeising, Paul 379, 409 Zeitler, Christoph Andreas 125 Zeller, Johann Jakob 348 f., 422 Zeller, W. 32 Zepper, Johann Friedrich 474 Zepper, Otto Philippus 110 Zimmerman, Petrus 59 Zobel, Heinrich (Henricus) 78, 91 f., 298 Zobel, Hermann 92 Zobel, Johann 77 f., 83, 85 f., 92, 106 f., 161 f. Zobel, Lucke (Lucia) 77 Zobel, Nicolaus (Nikolaus) 92, 474 Zobel, Sebastian (Friedrich) 71, 83 f. Zunner Erben, Johann David II 145 Zunner, Johann David d. J. 41 Zwingli, Huldrych 4
Sachregister Abendmahl 4–6, 77, 89 f., 97 f., 103– 105, 108, 110, 131, 147, 189 f., 238, 258, 291, 293, 300, 304, 307–310, 316, 320, 325, 327, 340 f., 343, 348, 350, 354, 363, 371–373, 376 f., 409, 415, 427, 441 Adiaphora 5, 49, 157, 401, 418, 454, 457 Alltagsregulierung/-strukturierung 16, 33, 49, 458 Anfechtung 97, 100–102, 128, 183 Anreger 21, 30, 60 f., 99, 102, 122, 129, 139, 141, 163, 169, 177, 205, 239, 241– 243, 246, 289, 407, 444–447, 466 Augsburger Konfession (Confessio Augustana, CA) 5 f., 50 Bekehrung/Buße 5 f., 11, 32 f., 36, 45 f., 48 f., 52, 60, 82, 91, 97 f., 104, 121, 133, 137, 139–145, 148, 151, 169 f., 175 f., 181, 187, 189–191, 197, 199 f., 207, 221–224, 228, 233, 239, 241–243, 245 f., 249, 272, 299, 310, 312, 320, 326 f., 329 f., 332, 336 f., 340, 343, 397 f., 415 f., 442 f., 461 Belletristik/Literatur 7, 23, 25, 30 f., 33, 35 f., 38 f., 41–44, 47 f., 105, 178, 251, 372, 404, 408, 410, 413, 430, 439 f., 443, 449, 451 f., 456 Bibliographie 1, 15–17, 21 f., 24, 26, 28, 31, 61 f., 64, 117, 182, 203, 220, 243, 381, 412, 417 f., 431, 433, 439, 467 f. Bibliothek 2, 38, 62, 102, 150 f., 179, 277, 282, 311, 349 f., 366, 370, 412–417, 419, 421–424, 428–430, 432 Bekenntnisschrift 5 f., 10, 37, 50 f., 54 f., 149, 187, 189, 199, 229, 268, 280, 306 f., 332, 339, 349
Berufung (durch Gott) 28, 55, 81, 100, 152–154, 168, 181, 206, 248, 311–311, 398, 427, 445, 455 Buchmesse 34 f., 39, 142, 152, 162, 164, 170, 179, 186, 197, 238, 250, 267, 303, 344, 419, 444 Chiliasmus 36, 199, 230, 330, 374, 377 f., 408 f., 445 Contraremonstranten 52 f., 79, 106, 123, 157, 244, 249 407 Dichtung 16, 30, 33 f., 43, 78 f., 87, 90–93, 106, 126, 147, 161, 195, 214, 232, 235, 251, 258–261, 263, 265, 275, 277–282, 299, 301, 303, 314, 319, 321, 323, 330, 334, 336 f., 339, 341, 343, 345, 349, 355–358, 360–363, 370, 373, 376, 392, 401, 440 Disputation 28, 54, 77 f., 80–84, 93 f., 106, 110, 114, 258 f., 278–281, 364, 367, 376, 435, 439, 473–475 Distribution 7, 17–19, 21, 35, 40, 170, 239 f., 406, 444–446, 448, 456, 461, 466 Drucker 7, 21 f., 29, 34, 38, 41, 46, 61, 118, 125, 133, 146, 180, 183, 185, 187, 209, 214, 219 f., 240, 272 f., 294, 314, 338, 378 f., 381, 383, 389, 394, 400, 404, 444 f. Erbauungsversammlung (Collegium pietatis, Konventikel) 1–3, 6 f., 9 f., 12– 21, 24–49, 56 f., 59, 61 f., 85 f., 95, 102, 105, 111, 117, 142, 145 f., 148, 150 f., 157, 177, 179, 185, 189, 197, 215 f., 239–241, 243, 252, 262, 272, 291, 294, 300, 305, 315, 319, 337, 339, 341–344, 349, 360, 362, 369, 376–379, 394, 407,
530
Sachregister
411, 413 f., 416, 418, 424 f., 430, 432 f., 435 f., 439 f., 442–445, 450 f., 453–460, 463, 466 f. Evangelium 46 f., 123, 139–141, 149, 172 f., 176, 190, 198 f., 210, 224, 230, 232, 245, 301, 312 f., 324, 326, 403, 443 Fallen (in Sünde) 53, 135, 207, 355–361, 365, 428 Friede 4, 32, 141, 151, 191, 219–222, 228, 235, 248, 254, 261, 263, 275, 296, 305, 319, 326, 375, 380–382, 385, 396, 407 f., 429, 437, 441 Frömmigkeitsrichtung, niederländische reformierte 11–13, 19, 24, 59, 102 f., 106–108, 307, 310, 320, 343, 349, 360, 433, 435 f., 449, 456, 459–461 Gebet 89, 97, 100–102, 112, 118, 120, 128, 154, 176 f., 179, 183 f., 187–190, 192, 197, 215, 217, 222, 226, 230, 240, 250, 260, 279, 286, 302 f., 306, 310, 316–319, 321, 349, 371, 377, 396–399, 413, 453 Gericht, letztes 11, 102, 192, 215, 222, 277, 382, 397 f., 408 Gesetz 5 f., 46 f., 56, 97, 123, 135–137, 144, 149, 172, 176, 192, 195, 198 f., 202, 206, 208, 218, 226 f., 243, 247, 254, 272, 294, 306, 312, 361, 379, 452, 461 Gewissensruhe 102, 195 f., 219, 279, 309, 315, 320, 384–386, 393, 449 Glaube(ns), Leben des 1, 4, 6 f., 29, 30, 52–56, 75, 78 f., 82, 85, 98–106, 119, 121, 128 f., 134–137, 140, 143 f., 149, 158, 161, 164 f., 168, 172, 176, 178, 189, 190, 198–200, 207, 211, 215 f., 218, 221 f., 225, 227–231, 233 f., 238, 243 f., 246–248, 263, 268, 279 f., 290, 302, 306 f., 310, 312 f., 317, 320, 340, 343, 345, 365, 369, 373, 380, 385, 387, 392, 398, 408 f., 419, 422, 424, 441, 444, 449, 453–455, 463 Gnadenbund 56, 137, 200, 226, 315, 320 Handel 34, 38 f., 50 f., 57–59, 80, 107, 153, 161, 164, 239, 271, 274, 438, 446
Heidelberger Katechismus 5 f., 37, 51, 89 f., 99, 103, 105, 108, 123, 130, 253, 293 f., 319, 333, 345, 347, 426, 431, 454 Heiliger 60, 101, 132 f., 137, 184, 193–203, 211, 214–220, 224, 229, 231–234, 240, 242 f., 247 f., 312, 345, 356, 396, 419– 421, 423–425, 431, 454 Heiligung 4, 6, 10 f., 33, 46 f., 99, 121, 130 f., 135, 137, 172, 176, 190–192, 206 f., 212, 214–216, 221, 224, 227, 233, 241 f., 244, 246, 249, 265, 291, 306–310, 312, 320, 324, 327, 329 f., 340, 343–345, 358 f., 409, 413, 418, 420, 422, 427, 442, 454 f., 457, 462 Heuchler 99, 104, 172 f., 231–234, 243, 307, 405, 424 f. Himmel 11, 102, 120 f., 127–129, 140 f., 150, 152, 159, 164, 176, 183, 195 f., 201, 211, 222, 230, 233, 242, 278 f., 289, 304, 312, 317, 330, 336, 357, 383–387, 392, 394, 401, 403, 405, 408, 418, 429 Hölle 11, 119–121, 128, 172, 200, 222, 392 Hof 5, 40, 64, 73, 84 f., 92, 111 f., 115–117, 133, 147, 150, 163, 186, 219, 239, 243, 252, 260–263, 269, 272, 281 f., 285, 287 f., 300, 336 f., 342, 347–355, 362 f., 368–371, 373, 392, 394, 406, 416 f., 420, 426, 431, 434, 445, 447, 454 f. Hoffnung auf bessere Zeiten 9, 119, 127, 129, 140 f., 153, 168, 185, 196, 209, 306, 326, 327, 343, 397, 400 f., 406, 457, 461 Irenik 29, 79, 240, 244, 248, 258, 295, 336, 364, 366, 435, 443, 455 Jesuitenorden 15, 82, 143, 173, 217, 271, 313, 327, 339, 374, 402, 443 Jurisprudenz/Jurist 7, 14, 34, 63, 74, 78, 91 f., 110, 170, 249, 251, 258, 260–262, 276 f., 280, 282, 318, 322, 336 f., 368, 372 f., 392, 429 f., 434, 448 Katechismusunterricht 85, 89, 94, 107, 269, 300, 343, 352 f., 371, 377, 409 Kaufmannschaft 18, 36, 39, 50, 57 f., 60, 63, 74, 76–78, 85, 110, 152–165, 177, 239 f., 242, 250 f., 255, 263–265, 269,
Sachregister531
274, 281, 298, 300, 336–338, 344, 417, 435 f., 440 f., 445–448, 453, 455 Kennzeichen (vom Wirken des Heiligen Geistes) 10, 45, 99, 123, 127, 143, 149, 151, 157, 176 f., 189 f., 196, 200 f., 212, 215, 221, 224–226, 246 f., 302, 307, 313, 317, 339, 343, 426, 441, 449 Kirchenordnung 11, 13, 37, 50, 83, 103, 254, 294, 346–349, 351, 368, 371, 380 Kirchenkritik 32, 85, 272, 288, 292, 336, 338, 341, 420, 449 f., 459 f. Kirchenzucht 11 f., 30, 50, 79, 90, 105, 133, 192, 217, 228, 292, 295, 300, 346, 426, 438 f. Konfession – lutherische 2, 4–6, 8, 14, 19 f., 28–31, 33, 35, 37, 41, 45, 50, 59, 179, 290, 327, 346, 403, 433, 435, 445, 453, 455, 463 – reformierte/Calvinismus 2, 4 f., 8, 12– 14, 19 f., 29–31, 37, 41, 45–48, 50–53, 59, 113, 249 f., 253, 290, 346 f., 349, 407, 431, 433, 435, 437, 445, 453–456, 458 Konkordienformel (Formula Concordiae, FC) 5 f., 30, 258, 364 f., 420 Konsistorium 50, 131, 254, 280, 291–295, 297, 328, 331, 338, 340 f., 347 f., 350, 352 f., 363, 368, 370–372, 377 f., 416, 428, 443 Korrespondenz 16, 36, 113, 244, 272, 289, 295, 325, 345, 353, 450, 459 f. Krankheit 60, 90, 94–104, 134, 141, 167, 187, 189, 195, 205, 222, 237, 265, 273, 278, 283, 317 f., 321, 354, 363, 370, 373, 376, 392, 410 Kreuzigung (der Welt) 60, 121, 209–212 Krieg, Dreißigjähriger 30, 37, 39 f., 115, 162, 248, 346, 365 Krise 13, 32, 168, 278 Laster 176, 218, 234, 236, 299, 329, 382, 404–406, 410, 425, 430 Leben(swandel), göttlicher 60, 71, 170, 174–178, 204–208, 240, 242, 250, 418, 421, 441 Meditation 29 f., 49, 193, 195–197, 206, 209, 217, 241, 327, 374, 390 f., 393, 408, 420 f., 431, 441, 443, 454
Militär 40, 58 f., 248, 254 Migration 8, 30, 38, 42, 51, 57, 59, 75 f., 78, 106, 162 f., 253, 255, 274, 277, 435– 438 Motivation (zum Übersetzen) 19–21, 31, 132, 134, 241, 248, 301, 319, 337, 342, 381, 433, 439, 442, 454, 457, 461, 463 Mystik 14, 31, 49, 123, 130, 211, 230, 271 f., 319, 321, 328, 330, 332 f., 339 f., 343, 418, 422, 424, 440, 445, 449 Netzwerk 3, 7 f., 16, 18–21, 24 f., 30, 36, 38, 58, 239 f., 252, 433 f., 444–450, 466– 468 Nadere Reformatie 1, 8, 12 f., 27, 32, 48, 90, 107, 118, 153, 170, 264, 301, 320, 323, 337, 340 f., 343, 434, 436, 440, 450, 456, 458, 461 f., 464–466 Obrigkeit (politische) 9–13, 34, 40, 90, 106, 138 f., 161, 166, 203, 215, 217, 233–237, 253, 324, 336, 373, 397 f., 448, 457 f., 464 f. Original (einer Übersetzung) 2, 19, 23 f., 28, 31, 40, 43–45, 96, 102, 118, 123– 126, 139, 146, 154, 156 f., 165, 171 f., 174, 179, 182 f., 185–187, 193–195, 197, 202–204, 209 f., 212, 214, 219 f., 223, 229, 232, 234, 240, 250–252, 301, 305 f., 308, 311, 314, 355–357, 379–384, 386, 388, 390 f., 395, 400, 404, 416, 443 Orthodoxie, orthodox 6, 200 – lutherisch 6, 29 f., 35, 46 f., 186, 261, 339, 364, 369, 416, 458 – reformiert 6, 12, 53, 103, 108, 130, 134, 138, 243, 291, 293, 299 f., 303, 306, 422 Passion 189, 374, 378 f., 382, 384, 394, 407 f., 428 f., 441, 443 Partikularismus (hinsichtlich Reichweite von Christi Verdienst) 45, 55, 120, 244, 246, 248, 340, 373, 407, 434 Pietismus 1, 8–10, 13, 15, 19 f., 24, 35, 41, 46 f., 59, 64, 145, 203 f., 240, 291, 297, 325, 363, 369, 371, 375–378, 386, 408– 410, 413 f., 416, 433 f., 436–438, 445, 448, 455–459, 462–464, 466–468
532
Sachregister
Quäkertum 20, 143, 163, 213, 218, 238, 297 f., 313, 320, 351, 363, 377, 449 f.
249, 251, 254, 257 f., 260–262, 275–277, 280–282, 284–286, 317 f., 322, 336 f., 347 f., 365, 368, 372–374, 392, 405, 415, 429 f., 434, 448 Reichtum 85, 120, 127, 156 f., 159 f., 164, 186, 189, 192, 198, 209–212, 235, 274, 318 f., 337, 384, 386 f., 400–403, 410, 425, 441, 445 Reform 7, 10, 12–14, 29 f., 32, 36, 46 f., 85, 88, 90, 107, 125, 138, 163 f., 170, 252, 263, 274, 291 f., 321–326, 331, 339 f., 343 f., 349, 408, 430 f., 435, 440, 450, 454, 458–461, 464 f. Reise 34, 37–39, 57 f., 63, 73 f., 78, 84–86, 103, 107, 111 f., 114, 116 f., 163, 179– 182, 223, 240 f., 255, 278, 297 f., 349, 365, 372, 440, 474 Reformprogramm 12 f., 27, 90, 209, 300, 323–325, 327, 331, 340, 343, 428, 458 Remonstranten 52 f., 82, 157, 249, 313, 407 Rezeption 3, 7, 15–23, 25, 28, 30, 35, 40 f., 155, 412–433, 436, 443–446, 448, 453– 456, 461, 466 Römischer Katholizismus 1, 4, 11, 33, 34 f., 45, 117, 131, 137, 144, 157, 170, 173, 178, 191 f., 195, 197, 199, 207, 212, 217, 225 f., 228, 234, 248, 253 f., 269, 273 f., 290, 295, 310 f., 319–321, 327, 334, 339–341, 350, 360 f., 399, 401 f., 407, 428, 432, 443 f., 450, 463 Ruhe, ewige 60, 102, 185, 193, 195 f., 201, 203, 224, 243, 251 f., 384 f., 393, 419– 421, 431, 454
Rat (einer Stadt) 26, 50 f., 53, 55, 59, 76–78, 80 f., 83, 85–90, 92, 102, 106 f., 110 f., 113 f., 116, 131, 152, 162 f., 166, 182, 239, 256 f., 259, 268 f., 274, 279, 281, 284–292, 294–296, 299, 315, 338, 341, 347, 362, 367–371, 373, 378 f., 415, 434, 473–475 Rechtfertigung 4, 6, 45–47, 53, 134–137, 178, 198, 200, 212, 221, 225–227, 230 f., 244, 249, 291, 306 f., 312, 345, 358, 416, 443, 457 Rechtsgelehrtheit 7, 14, 34, 51, 59, 63, 74, 76, 78, 80 f., 87, 91 f., 110, 113, 118, 170,
Sabbat(heiligung) 10 f., 45, 56, 81, 89, 106 f., 132, 177, 189 f., 191, 197 f., 216, 238, 246, 250, 286, 300, 303, 324, 341, 461 – Sonntags(heiligung) 10–12, 30, 48, 56, 83, 89, 155, 187, 190, 237 f., 241, 327, 350, 353, 371 f., 375, 377, 457, 461 Scheinglaube 10, 99, 104 f., 119, 122, 130, 142 f., 151, 160, 169, 172 f., 176 f., 213, 231–233, 241, 301–303, 305, 307, 328, 331 f., 340, 343 f., 427, 441, 449, 461 Schule 34 f., 77, 81, 86, 107, 185, 210, 282 f., 290, 294–297, 318, 326, 340 f.,
– lutherischer 8, 24, 328, 351, 449 f., 456, 459–462, 465 – radikaler 14, 28, 48, 268, 270, 338, 415, 418, 445, 464 – reformierter 8, 13 f., 24, 48, 56, 60, 80 f., 85, 89, 92–95, 107 f., 112, 252, 268, 270, 274, 282, 291, 300, 307, 320 f., 328, 331, 337–342, 345, 348 f., 351, 363, 415, 426, 431, 436 f., 444, 446, 448–450, 456, 459–462, 465 f., 473 Prädestination/Erwählung 4, 6, 45, 50, 52–56, 79, 99 f., 121, 123, 126, 128, 130, 134–136, 149, 199, 228, 244 f., 247–249, 312, 345, 425, 434 (praxis) pietatis 30, 37, 40, 46, 117, 239, 241, 249, 260, 313, 340, 343, 398, 416, 441, 445, 450, 454, 461 Produktion 3, 7, 17–21, 23, 27, 31, 40, 42– 44, 58 f., 125, 145, 162, 197, 240, 439 f., 442, 444–446, 448, 453 f., 456, 461, 466 Psalmen 2, 83, 89, 98, 102, 167, 172, 188 f., 359, 361, 372, 375, 382 Puritanismus 1, 8, 10–13, 15 f., 19, 24, 27, 31–33, 36 f., 39 f., 46, 48, 57, 59, 62, 83–85, 95, 106 f., 117 f., 132 f., 142 f., 146, 151, 169 f., 173, 177 f., 184, 190, 197–199, 201, 206, 208, 212, 216, 223 f., 231, 233, 236, 238 f., 272, 277, 293, 303, 321 f., 337, 340, 380, 382, 393, 398, 401, 406–410, 414, 434–438, 449, 452, 455– 457, 460–464
Sachregister533
347, 352, 354 f., 357, 363 f., 367 f., 375, 415, 450 Selbstbetrug 48, 126, 172, 176, 196 f., 232 f., 278, 315 f., 332, 336 f., 340, 342, 449 Selbstprüfung/Gewissenserforschung 10, 12, 30, 48, 98, 103 f., 118–120, 123, 129, 141, 143, 148, 151 f., 164, 168, 170 f., 189, 196 f., 200, 215 f., 223 f., 231 f., 241 f., 246, 249, 302, 305, 307, 315 f., 328, 332, 359, 376, 406, 442, 461 Selbstverleugnung 49, 128, 130, 176, 198, 206, 222, 265, 318, 332, 337, 442, 449 Spiritualismus 14, 59, 197, 199, 333, 378, 422, 449 f., 455 Streit, geistlicher 56, 60, 73, 101, 140 f., 165, 167–170, 175, 318, 334, 337, 359, 380, 384 f., 389, 396, 417 Student 29, 37 f., 42, 61, 71, 76–80, 84 f., 91–94, 106f,, 110, 118, 130, 243, 258, 260, 262, 275–278, 280 f., 285 f., 291, 298–301, 318, 336, 347, 355, 360, 362, 364–366, 371 f., 376, 378, 387–390, 394, 400 f., 404, 406, 408, 410, 426, 428 f., 434 f., 441, 453 Sünde 10 f., 32, 52–56, 90, 97–101, 103 f., 118, 120 f., 123, 126–131, 135 f., 138– 143, 146, 148 f., 152, 154 f., 158, 166– 169, 172 f., 175 f., 181, 183 f., 187, 189, 191 f., 196 f., 199–202, 208 f., 211 f., 215–218, 220–223, 225, 227 f., 230– 233, 242, 244–246, 250, 260, 290, 306 f., 309–314, 317, 319–321, 324 f., 333 f., 338, 341, 355, 358–362, 373–375, 377, 380, 385, 392 f., 396–399, 405, 408 f., 413 f., 418, 426 f., 454
372 f., 376 f., 379 f., 384, 386, 390–393, 405, 407 f., 410, 417, 419, 425, 427, 429, 441, 450, 453 Traurigkeit 97–99, 102, 107, 167–169, 177, 216, 235 f., 241, 283, 317, 320, 330, 389 Trost 5, 7, 32, 45, 84, 91, 97–102, 104, 106, 118–120, 129, 156, 159, 161, 165– 168, 171, 174, 184 f., 196, 207, 219–226, 233, 235, 241, 248, 279 f., 302, 308–311, 317, 319 f., 340, 343, 355–358, 372, 380, 385 f., 391, 393, 395 f., 428, 442 Tugend 79, 128, 154, 176, 200, 228, 257, 278, 283, 302, 317, 373, 384, 392, 398, 404–406, 410, 430
Theokratie 10, 12, 340, 440, 450, 466 Tod 4, 11, 48, 52–56, 60, 71–73, 75, 78 f., 82, 84, 86, 90–92, 94, 98, 100–103, 108, 110, 112, 116–118, 126–130, 134–136, 141, 145, 149 f., 153, 161, 166, 175, 177, 182–185, 187–190, 193, 195, 199, 205 f., 208, 212, 215 f., 221, 223 f., 228, 235, 237, 240 f., 244, 246 f., 253, 258–261, 263 f., 273 f., 276–281, 283, 289, 295– 297, 306, 314–321, 323, 329, 332–334, 338–343, 345, 349 f., 353, 360, 368, 370,
Verlag/Verleger 2, 16, 21 f., 28–31, 34 f., 37, 39, 41 f., 44–46, 64, 95, 118, 125, 139, 142, 145, 152, 162, 164 f., 170, 179–181, 183, 185 f., 193, 197, 203 f., 209, 214, 219, 229, 232, 235, 239–241, 250 f., 272, 294, 301, 305, 316, 323, 327 f., 330, 343 f., 356 f., 360, 362, 376, 378 f., 394, 400, 403, 409–411, 415 f., 428, 434, 441, 444, 451, 453–455, 465 f. Vernunft 53, 82, 121, 138, 140, 143, 149, 166, 168 f., 173, 184, 190, 192, 205–207,
Übersetzungsmethode 19 f., 23 f., 25, 43 f., 102, 151, 383, 433, 451 – formorientiert 23, 452 – bedeutungsorientiert 23, 105, 155, 160, 164, 169, 180 f., 183, 192, 201, 209, 231, 234, 236–238, 250, 303 f., 322, 334, 361 f., 393, 399, 451 – interpretationsorientiert 23 f., 124, 144, 154, 164, 173, 178, 185, 213, 218, 229, 250 f., 303, 305, 311, 313, 323, 334, 343, 361 f., 380, 382, 386, 390, 402, 406, 410, 451 Universalismus (hinsichtlich Reichweite von Christi Verdienst) 45, 55, 110, 208, 228, 243 f., 246, 261, 363, 434 Universität 21, 37 f., 71, 79 f., 118, 157, 185, 259, 262 f., 272, 274 f., 277, 279– 282, 285–287, 295 f., 317 f., 326, 338, 341, 364–366, 368, 370, 375, 377 f., 389, 400, 407–409, 414, 417, 423, 429 f., 432
534
Sachregister
213, 217 f., 221, 228, 243 f., 275, 319, 328, 331, 336, 365, 372, 377, 385 f., 405, 409, 425 Vorlage (einer Übersetzung) 16, 19, 23 f., 31, 40 f., 43 f., 46, 96, 103, 124 f., 139, 146, 153, 155–160, 162, 164–166, 169, 171, 174 f., 178, 181, 183, 187, 194 f., 209, 214, 219 f., 229, 232, 234–237, 250 f., 299, 301, 303, 308, 314, 333 f., 361 f., 379, 382 f., 388, 390 f., 393, 395, 399 f., 402, 404, 410, 433, 450–453, 458 Werke, gute 5 f., 29 f., 45, 47, 49, 53, 101, 120, 134, 137, 140 f., 143, 149, 154, 159, 176, 184, 195, 217, 226, 237, 245, 312, 402, 409
Wiedergeburt 16, 45, 47, 53, 81 f., 97, 104, 108, 118–120, 123, 125, 128, 135, 142, 147 f., 151, 172, 175–177, 185, 205, 241 f., 244, 249, 265, 291, 307, 312, 339, 344, 355, 358–360, 362, 377, 384, 386, 408, 413, 415, 421–424, 426 f., 441 f., 449, 456, 461 Wille 5 f., 52–55, 81 f., 121, 135–138, 140 f., 168 f., 184, 195, 201, 208, 211 f., 218, 223, 228, 233, 243–247, 272, 279, 295, 302, 306, 312 f., 319, 321, 362, 380, 385, 396f., 399, 408, 416, 422 Zeit, Auskaufen der 64, 236-238, 242, 425, 441