Schadensbezifferung und bilanzielle Berechnung des Vermögensschadens bei dem Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB) [1 ed.] 9783428547562, 9783428147564

Die Arbeit untersucht zwei grundlegende Themen, die seit einer bedeutenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vo

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German Pages 403 Year 2016

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Schadensbezifferung und bilanzielle Berechnung des Vermögensschadens bei dem Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB) [1 ed.]
 9783428547562, 9783428147564

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 268

Schadensbezifferung und bilanzielle Berechnung des Vermögensschadens bei dem Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB) Von

Thomas Wostry

Duncker & Humblot · Berlin

THOMAS WOSTRY

Schadensbezifferung und bilanzielle Berechnung des Vermögensschadens bei dem Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB)

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 268

Schadensbezifferung und bilanzielle Berechnung des Vermögensschadens bei dem Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB)

Von

Thomas Wostry

Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Helmut Frister, Düsseldorf Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-14756-4 (Print) ISBN 978-3-428-54756-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84756-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen lieben Eltern dankbar gewidmet

Vorwort Diese Dissertation lag der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Sommersemester 2014 vor. Das Manuskript wurde soweit möglich auf den Stand Frühjahr 2015 gebracht. Dass diese Schrift zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden konnte, verdanke ich der intensiven Förderung meines Doktorvaters, Professor Dr. Helmut Frister. Er stand mir jederzeit mit Rat und Zuspruch zur Seite. Ebenfalls Dank geschuldet ist Herrn Professor Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale), für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. An dem Gelingen dieser Schrift haben auch meine Eltern einen besonderen Anteil, indem sie mir unzählige Lebens- und Forschungsmöglichkeiten eröffneten. Mein Vater stand für kontroverse Diskussionen zum Promotionsthema stets zur Verfügung. Auch Falk und Lena sowie Dr. Bernhard J. Georgii, LL.M. (NYU), und Dr. Richard Jansen, LL.M. (King’s College London), unterstützten sehr aufmerksam meine Promotionszeit und waren jeweils hilfreiche Ansprechpartner für die Vertiefung von Einzelfragen. Im Zuge der Anfertigung dieser Schrift boten sich zahlreiche Gelegen­ heiten zum Austausch: Besonders verbunden bin ich Herrn Akad. Rat a. Z. Dr. Christian Brand für seine anhaltende ebenso freundschaftliche wie fachliche Zuwendung. Herr Professor Dr. Thomas Ratajczak gewährte mir zahlreiche praktische Einblicke in das Medizinrecht, insbesondere zu Fragen des Abrechnungsbetrugs. Ferner hat Herr Professor Dr. Dr. h. c. Marcelo A. Sancinetti, Universität Buenos Aires, mit einer langjährigen juristisch-philosophischen Korrespondenz meinen Werdegang und insbesondere die Promotionsphase begleitet; ebenso Herr Professor Dr. Daniel Pastor, in dessen Seminar an der Universität Buenos Aires ich während der Promotionszeit mehrmals zum Betrugsschaden referieren durfte. Besonderer Dank gilt schließlich dem Freundeskreis der Düsseldorfer Juristischen Fakultät e. V., der einen großzügigen Druckkostenzuschuss gewährte. Düsseldorf, im August 2015

Thomas Wostry

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Das Eine und das Ganze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Rationalismus und Empirismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Katzen in Kopenhagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 IV. Erste Eingrenzungen anhand der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . 28 V. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Vermögenswertschutz in der bürgerlichen S ­ trafrechtsordnung . . . . . . . 32 C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung . . . . . . . . . . . 38 I. Das wirtschaftliche Fundament des Vermögensbegriffs und ­Vermögensschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Normative Korrekturen des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs . . . 40 3. Ein „Flüsterkneipen-Argument“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Das Bezifferbarkeitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Das Bezifferbarkeitserfordernis als Korrektiv der Vermögens­ gefährdung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Die Einheitlichkeit der Schadensfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Das Verschleifungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Fazit: Ablehnung der Bezifferung als Korrektiv der Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 d) Die weitere Vorgehensweise zur Ergründung eines Bezifferungsgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 e) Allgemeine Folgenbetrachtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Die „einfach gelagerten Fälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Das praktische Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Der praktische Einwand als petitio principii . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Zusammenfassung der Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes . . . . . . . . . . . . . 57 1. Lösung über § 261 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Argument aus Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Die freie richterliche Beweiswürdigung, § 261 StPO . . . . . . . . . 59 c) Die Bezifferung als Beweis- oder Entscheidungsregel . . . . . . . . 60 d) Einschränkung zulässiger Beweismittel über ein Bezifferbarkeitskriterium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

10 Inhaltsverzeichnis 2. Bezifferbarkeit als Bestandteil des tatbestandlichen Schadens­ begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) „Inhaltslücke“ und Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Die mathematische Differenz als Inhalt des Schadensmerkmals . 66 c) Die Suche nach dem Differenzergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 d) Sprachlogik und Norminhalt sowie zur Vorgehensweise . . . . . . 69 e) Zusammenfassung der ersten Prämisse und Hypothesenbildung . 70 f) Sicheres Wissen als Ergebnis der Differenzbildung . . . . . . . . . . 71 g) Zahlen und Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 h) „Wenn du weißt, daß hier eine Hand ist …“ . . . . . . . . . . . . . . . 78 i) Übertragung der Ergebnisse auf die Berechnung des Vermögensschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 j) Erweiterung der Befunde um „erste Gründe“ in „einfach gelagerten Fällen“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 k) Plausibilisierung des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 l) Abgleich mit dem Tatbestand der Körperverletzung . . . . . . . . . . 91 m) Einordnung des Bezifferungsgebots in das Erfolgsdelikt . . . . . . 92 n) La suave melodía . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 o) Folgerungen für die Versuchsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3. Die Schadensbezifferung in der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Argument gegen eine Schätzmöglichkeit aus § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Die Möglichkeit der Schätzung des Gesamtschadens in der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 c) Schätzungen im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 d) Die Bestimmung des Blutalkoholpegels zur Tatzeit . . . . . . . . . . 101 e) Schadenshochrechnung bei „serienmäßigem“ Abrechnungs­ betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Der Berechnungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Das Wortlautargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Betrug als Selbstschädigungsdelikt und Zurechnung . . . . . . . . . 110 c) Die historische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 d) Mangelnde Rückbindung der hypothetischen Lesart an den Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 e) Der Vorschlag einer ex ante-Korrektur von Bittmann  . . . . . . . . 114 f) Gegenproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 g) Rekurs auf die zivilrechtliche Differenzhypothese . . . . . . . . . . . 116 h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Das sog. „Unmittelbarkeitserfordernis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Die Unmittelbarkeit des Verfügungserfolges und der Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Inhaltsverzeichnis11 b) Konkretisierung von Verfügungs- und Kompensations­ zusammenhang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Das Kriterium der wirtschaftlichen Wechselbezüglichkeit . . . . . 135 d) Auswirkungen des gefundenen Kriteriums auf Gestaltungs­ rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 e) Kontrollüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 f) Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 V. Der Vollendungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Der Eingehungsbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Die Beispiele des echten und unechten Erfüllungsbetruges . . . . . . . 144 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 VI. Zweckverfehlung und individueller Schadenseinschlag . . . . . . . . . . . . . 147 1. Die Zweckverfehlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Der individuelle Schadenseinschlag als unzulässige Billigkeits­ korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Die Kammerentscheidung zur Haushaltsuntreue . . . . . . . . . . . . . 150 b) Friktionen in der neueren Rechtsprechung des BGH zum Schadenseinschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Zusammenfassung zu Zweckverfehlung und Schadenseinschlag . . . 152 VII. Fazit der strafrechtlichen Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“ . . . . 154 I. Ein Idealtyp der Schadensbilanz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Darstellungsumfang: Hohe Sensitivität und Spezifität . . . . . . . . . . . 155 3. Darstellung des Gesamtvermögenswerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Unsicherheiten und Zweifelssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Das Bilanzrechtin der vermögensstrafrechtlichen Rechtsprechung  . . 158 1. Ein Gastspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Ein Statist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Die Nebenrolle seit Juni 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 III. Stellungnahmen aus der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Stellungnahmen vor BVerfGE 126, 170 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Bilanzen als Mittel der Konkretisierung zivilrechtlich begründeter Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Vermögensbegriff und Herrschaftsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Herrschaftsprinzip und wirtschaftliche Sichtweisen . . . . . . . . . . 166 c) Das Bilanzrecht unter dem Herrschaftsprinzip als Schadensrechner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 d) Die Untauglichkeit der Aktivseite als Schadensindikator . . . . . . 170 e) Der für die Bilanzierung maßgebliche Blickwinkel . . . . . . . . . . 170 3. Der Rekurs auf den Überschuldungsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Anwendung des Teilwerts zur Ermittlung des Vermögensschadens  . 173

12 Inhaltsverzeichnis 5. Weitere Stellungnahmen nach BVerfGE 126, 170 . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Unwägbarkeit bilanzieller Bewertungsergebnisse und Schadensschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Das Kriterium der Evidenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Das Kriterium der Spürbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 d) Abkehr von der objektiven Sichtweise je nach Bilanzregime? . 186 e) Kritik der Parallele zum Forderungsverkauf und der Bilan­ zierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Die Handelsbilanz als Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Prinzipien des Bilanzansatzes und der Umfang der Vermögens­ abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Bilanzansatz und Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3. Kriterien der Aktivierung und Konkretisierung des Vermögens­ begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Der wirtschaftliche Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Die selbstständige Bewertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 c) Die selbstständige Verwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 d) Wirtschaftliche Zurechnung des Gegenstandes . . . . . . . . . . . . . . 202 4. Fazit und Anwendung des gewonnenen Kriteriums . . . . . . . . . . . . . 203 5. Die Kriterien der Passivierung als Indikatoren des Vermögensschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Die vorhersehbare und quantifizierbare Außenverpflichtung . . . 205 b) Anwendung auf die Bildung von Rückstellungen nach § 249 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 c) Anwendung am Beispiel des Abschlusses von Kreditverträgen  . 207 d) Bankenspezifische Ansatzregeln und das Darstellungspotenzial der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 e) Rückstellungen nach § 249 HGB als Schadensindikator? . . . . . . 208 f) § 249 Abs. 2 S. 2 HGB als Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . 210 g) Anwendung am Beispiel der Kreditkartenerschleichung . . . . . . . 212 h) Die vorhersehbare wirtschaftliche Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . 213 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 IV. Überlegungen zum Wertmaßnach marktwirtschaftlichen Grundsätzen . 215 1. Die Transaktion als Maßstab der Vermögenswertermittlung . . . . . . 216 2. Die Branchentypik als Wertfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3. Der Verlust der individuellen Verkehrsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4. Die Unkenntnis des Geschädigten als taugliches Kriterium? . . . . . . 220 5. Der Tauschwert als Vermögenswert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 6. Schlussfolgerungen für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Inhaltsverzeichnis13 V. Die Bewertungsregeln des HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Die Bewertung der Bilanzposten nach dem HGB . . . . . . . . . . . . . . 224 a) Die Bewertung der Aktiva nach §§ 252 ff. HGB  . . . . . . . . . . . . 225 b) Die Bewertung der Passiva nach §§ 252 ff. HGB . . . . . . . . . . . . 226 2. Anwendung handelsrechtlicher Bewertungsnormen zur Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Der Zeitwert als Bilanzansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Ordonnance de Commerce und Allgemeines Landrecht . . . . . . . 228 b) Man verteilt keine Hoffnungen, sondern Taler . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Der „wahre Wert“ im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 d) Entwicklung im Kapitalgesellschaftsrecht seit 1870 und im HGB von 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 e) Die weitere nationale Entwicklung und einige europarechtliche Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 f) Eröffnet die Bilanzrichtlinie 2013 / 34 / EU Bewertungsalterna­ tiven? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 g) Fazit zur Betrachtung der Handelsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 4. Gegenprobe am Beispiel der Bewertungseinheiten nach § 254 HGB . 254 5. Überlagerungen durch „true and fair view“ nach § 264 Abs. 2 S. 1 HGB?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 VI. Überlegung zum Indikationspotenzial der „Venezianischen Methode“  . 257 1. Die Gliederung der Bilanz nach dem Grad der Geldwerdung . . . . . 258 a) Doppelte Buchführung und Gesamtvermögenswert . . . . . . . . . . . 260 b) Störungsfreie Geschäftsvorfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 c) Die „Schulden“ als Indikator der Gesamtvermögensminderung  . 262 d) Durchbrechungen der Wechselbezüglichkeit von Aktiv- und Passivseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Zwischenfazit zum Indikationspotenzial der Handelsbilanz . . . . . . . 266 VII. Die Bilanzlehre als methodischer Wegweiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Das statische Bilanzmodell und die organische Bilanz . . . . . . . . . . 270 a) Schadensberechnung nach der statischen Bilanz . . . . . . . . . . . . . 272 b) Schadensberechnung nach der organischen Bilanz . . . . . . . . . . . 274 2. Das dynamische Bilanzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 4. Die pagatorische Bilanzlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Die Schadensberechnung nach pagatorischer Bilanzweise . . . . . 282 b) Der schädigende Vertragsschluss nach pagatorischer Bilanz­ weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 c) Fazit zur pagatorischen Bilanz und weitere Vorgehensweise . . . 289 d) Zusammenfassung zur pagatorischen Bilanzlehre . . . . . . . . . . . . 290 VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

14 Inhaltsverzeichnis 1. Die Bedeutungslosigkeit des Rechtscharakters der IAS / IFRS . . . . . 292 2. Die Abschlussziele der internationalen Bilanzstandards . . . . . . . . . . 293 3. Die Kapitalerhaltung in den IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 a) Financial Capital Maintenance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Physical Capital Maintenance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 4. Begriffe und Ansatzvorschriften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 a) Assets (Vermögenswerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 b) Liabilities (Verpflichtungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 c) Provisions (Rückstellungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 d) Fazit der Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 e) Reimbursements (Erstattungen und Bereithalten von Mitteln durch den Täter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 f) Fazit zu den Rückstellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 g) Die Ansatzkriterien im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 5. Die Bewertung nach IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 a) Die fair value-Bewertung (IFRS 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 b) Anknüpfung an „reale“ Transaktionssachverhalte . . . . . . . . . . . . 310 c) Die Bilanzierung von Wertminderungen (impairment) nach IAS 36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 d) Strafrechtliche Kontrollüberlegungen zum impairment-Verfahren  315 e) Vermögenswerte, die zur Veräußerung gehalten werden („held for sale“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 f) Der Einzelbewertungsgrundsatz und „cash generating units“ . . 317 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 I. Grundsätzliche Überlegungen und Anwendungskriteriender Bilanz . . 320 1. Unterscheidung zwischen erfolgten und ausstehenden „Zahlungen“  . 320 2. Bilanzen, bei denen „Zahlungsflüsse“ noch ausstehen . . . . . . . . . . . 321 3. Berücksichtigung von Sonderfällen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 II. Kreditbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Strafrechtliche Grundlagen des Kreditbetruges . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Vorschläge zur Schadenskonturierung aus der Literatur . . . . . . . . . . 323 3. Die Schadensberechnung in Kreditbetrugsfällen in der Recht­ sprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 5. Die Berechnung des Vermögensschadens nach der Schadensbilanz . 327 a) Einleitende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 b) Ansatz der Bilanzposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 c) Bewertung der gegenseitigen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 d) Bewertung des Abgrenzungspostens, IFRS 9, IAS 32 und IAS 39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 e) Der unbesicherte Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

Inhaltsverzeichnis15 f) Der Einfluss des IFRS 7 auf die Schadensberechnung in Kreditfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 g) Der besicherte Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 h) Zusammenfassung zur Schadensbilanz in Kreditfällen . . . . . . . . 333 i) Folgerungen für die Versuchsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 III. Die Stundung von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 IV. Der Verlust von Vermögenswertenund Rückholmöglichkeiten . . . . . . 336 1. Ansatz in einer Schadensbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 2. Bewertung der Bilanzposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 V. Der Erwerb „bemakelter“ Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 1. Ansatz in der Schadensbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 2. Bewertung der Bilanzposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 VI. Die Schadensberechnung beim Anstellungsbetrug  . . . . . . . . . . . . . . . . 341 1. Korrekturen durch die h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 2. Kritik auf der Grundlage einer bilanziellen Betrachtung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 VII. Der Quotenschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 1. Strafrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 a) Stellungnahmen zum Quotenschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 b) Die monografischen Überlegungen von C. A. Koch . . . . . . . . . . 346 c) Weitere Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 2. Eigene Position und Schadensberechnung nach bilanziellen Maßstäben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 a) Die Bedeutung der Haftungsfreizeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 b) Die Auswertung bilanzieller Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 c) Bilanzielle Abbildung der Lösung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . 350 d) Bilanzielle Abbildung der alternativen Lösung zum Wettbetrug . 352 VIII. Abrechnungsbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 1. Die formale Betrachtungsweise im Bereich der Vertragsarztabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Alternative Schadensrechnung zum Abrechnungsbetrug . . . . . . . . . . 356 3. Die privatärztliche Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 4. Die Abrechnung von Medikamenten und Hilfsmitteln . . . . . . . . . . . 361 G. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Verzeichnis häufiger Abkürzungen a. A. andere(r) Ansicht Abs. Absatz a. F. alte Fassung AG Aktiengesellschaft AK / HK Anschaffungs- und Herstellungskosten AktG Aktiengesetz Amtsbl. Amtsblatt (der Europäischen Union) BGBl. Bundesgesetzblatt bzw. beziehungsweise CF Conceptual Framework (Rahmenkonzept der IAS / IFRS) Fn. Fußnote GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GoB Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Handb., Hdb. Handbuch HGB Handelsgesetzbuch h. M. herrschende Meinung IAS International Accounting Standards IASB International Accounting Standards Board i. d. F. in der Fassung IFRS International Financial Reporting Standards KV Kassenärztliche Vereinigung Rdnr(n). Randnummer(n) RGBl. Reichsgesetzblatt RL Richtlinie S. Seite / Satz SME Small and Medium-sized Enterprises (= KMU, Kleine und Mittlere Unternehmen) StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung u. a. unter anderem

„Daß es mir – oder Allen – so scheint, daraus folgt nicht, daß es so ist.“ Ludwig Wittgenstein

A. Einleitung und Problemaufriss In den Reihen der strafrechtlichen Erfolgsdelikte finden sich unter den §§ 253, 263 und 266 StGB drei Tatbestände, die zum Schutze des Vermögens auf Posten gestellt sind1, und deshalb bezeichnet man sie als Vermögensdelikte.2 Auch wenn ihr jeweiliger Wortlaut mit individuellen Formulierungen aufwartet,3 so eint diese Strafnormen nach allgemeiner Ansicht der Umstand, dass sie den tatbestandlichen Erfolg als Vermögensschaden beschreiben.4 Der Eintritt des Vermögensschadens separiert den Versuch von der Vollendung, und aus diesem Grund entfalten die Vorbedingungen seiner Feststellung Einfluss auf die Strafhöhe (§ 23 Abs. 2 StGB)5 sowie die Erheblichkeit eines etwaigen Rücktrittsverhaltens (§ 24 StGB). Bei dem Vergehen der Untreue entscheiden sie gänzlich über die Strafbarkeit des pflichtvergessenen Vermögensbetreuers, denn dort ist die Versuchsstrafbarkeit nicht angeordnet. Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung des Schadensmerkmales unternimmt diese Schrift den Versuch, die Berechnung des Vermögensschadens bei dem Tatbestand des Betruges nach § 263 StGB anhand bilanziel1  § 263 StGB schützt nach überwiegender und zutreffender Auffassung allein das Vermögen, vgl. Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rdnrn. 1/2; § 253 StGB protegiert nach h. M. auch noch die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung, vgl. Wittig, in: BeckOK – StGB, § 253, Rdnr. 1 (vgl. aber auch den BGH, NStZ 2012, 272 [273], der nur das Vermögen als Schutzgut erwähnt; einen umfassenden Einblick in die Schadensberechnung bei § 253 StGB gewährt etwa DehneNiemann, ZStW 123 [2011], 485 ff.); § 266 schützt nach h. M. wiederum allein das anvertraute Vermögen, vgl. dazu Schünemann, in: LK – StGB, § 266, Rdnr. 23. 2  Vgl. etwa Rengier, Strafrecht BT 1, § 1, Rdnr. 2: Vermögensdelikte im engeren Sinn; ferner BGH, NStZ-RR 2000, 331: Betrug als „Vermögensstraftat“; zur Systematik vgl. ferner Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 26 ff. 3  Während die Formulierung in § 263 StGB darauf lautet, dass das Vermögen eines anderen „beschädigt“ werde, fügt der Täter des § 253 StGB dem Vermögen „Nachteil zu“; § 266 StGB spricht schließlich allein davon, dass der Täter jenem, „dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt“. 4  Vgl. nur Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 117. 5  Die Milderungsmöglichkeit gemäß § 23 Abs. 2 StGB ist zwar nur fakultativ, aber sie unterliegt nach der Rechtsprechung einer Gesamtschau aller strafzumessungserheblichen Gesichtspunkte, die insbesondere auch die Nähe zur Tatvollendung einbezieht, vgl. BGH, NStZ-RR 2010, 305 (306) und jüngst BGH, Beschl. v. 10.  September 2013  – 2 StR 353/13  –, juris, Rdnr.  5 = NStZ-RR 2014, 9 (Ls.).

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A. Einleitung und Problemaufriss

ler Systeme durchzuführen. Wer mit der neueren Rechtsprechung6 zum Vermögensschaden bei Betrug und Untreue vertraut ist, weiß, dass diese Aufgabenstellung im Moment dem Zeitgeist entspricht, weil das Bundesverfassungsgericht im Juni 2010 bilanzielle Bewertungsregeln bei der Auslegung des Merkmals des Vermögensschadens herangezogen hat.7 Aber der Zeitgeist ist notwendig ein sprunghafter Geselle – verlässt er den Schauplatz, so verbleibt regelmäßig der einsame Lösungsvorschlag zu einem Problem, dem ohne nähere Erläuterung nur ein ephemeres Dasein beschert ist. Deshalb muss man vorab ein wenig ausholen und erklären, warum es unabhängig von der Konjunktur überhaupt lohnenswert erscheint, sich auch abseits des Strafrechts zu bewegen und dem Verhältnis von Vermögensschäden zu Bilanzen in Bezug auf den Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB) nachzuspüren. Der Rückgriff auf außerstrafrechtliche Regelungssysteme ist freilich schon im Grundsatz keine saisonale Erscheinung: Insbesondere die „wirtschaftsnahen“ Straftatbestände gehen Allianzen mit anderen Rechtsgebieten ein und verleiten den Normanwender dazu, das Sichtfeld entsprechend zu erweitern,8 sodass auch eine bilanzielle Schadensrechnung dem strafrechtlichen Weitwinkel korrespondiert. Auf den ersten Blick scheint es außerdem, als eigne sich gerade der Betrugstatbestand für das Unterfangen, eine außerstrafrechtliche Interpretationshilfe zu erschließen und dem Vermögensschaden aus einem bilanziellen Blickwinkel näher zu treten, weil die Auslegung dieses objektiven Tatbestandsmerkmals jedenfalls auf einen gewissen Kernbestand dogmatischer Kontinuität zu rekurrieren vermag; bilanzielle Experimente träfen insoweit auf ein stabiles „Grundgerüst“. Denn während die Auffassungen darüber, was etwa eine strafbare Untreue ausmache, aufgrund der mangelnden Kontur des Pflichtwidrigkeitskriteriums und seiner Verquickung mit dem Schadensmerkmal bereits zahlreichen Wandlungen unterlagen9, weilte lange Zeit10 über den Grundfesten der Betrugsschadensberech6  Insbesondere

BVerfGE 126, 170 ff.; BVerfG, NJW 2013, 365 ff.; 2012, 907 ff. BVerfGE 126, 170 (223 ff.). 8  Ausführlich etwa jüngst Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen, 2012; für den Untreuetatbestand vgl. Saliger, HRRS 2006, 10 (14); Ransiek, ZStW 116 (2004), 634 (636 ff.); zur Anwendung des sog. Fremdrechts im Wirtschaftsstrafrecht vgl. Altenhain/Wietz, NZG 2008, 569 ff. In jüngerer Zeit konnte man etwa anhand der bekannten „AUB“ – Entscheidung des BGH durchaus auch eine Restriktion des Zugriffs des § 266 StGB auf die übrige Rechtsordnung beobachten, vgl. BGH, NJW 2011, 88 (91) und dazu Krell, NStZ 2014, 62 (63 ff.). 9  Ausführlich Saliger, ZStW 112 (2000), 563 ff.; ders.: HRRS 2006, 10 ff. 10  Freilich sind auch im Einzugsbereich des Betrugstatbestandes schon zuvor Umschwünge konstatiert worden: So konnte man in der bemerkenswerten Stellungnahme von Binding (DJZ 1911, 553 [557]) zum Beschluss der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts vom 14. Dezember 1910 (RGSt 44, 230 ff. – untaugliche 7  Vgl.



A. Einleitung und Problemaufriss19

nung – abgesehen von der Vermögensbegriffsdiskussion – gleichsam ein sanfter Flügel der Einmütigkeit.11 Das vermeintlich klare Erscheinungsbild des Betrugsschadens gehört mittlerweile jedoch der Vergangenheit an, denn über die Gestalt des Vermögensschadens und seine Berechnung im konkreten Fall mangelt es auch in der Betrugsdogmatik spätestens seit einer bedeutsamen Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts12 an Konsens. Es stehen derzeit nicht nur verschiedene Ausdeutungen des wirtschaftlich fundierten Vermögensbegriffes zur Diskussion, sondern auch differierende Berechnungsmodi für die Ermittlung des Vermögensschadens. Um Licht in dieses Dunkel zu bringen, spaltet man das Problemfeld üblicherweise anhand der skizzierten Streitpunkte: Einerseits ist der Vermögensbegriff zu erläutern, andererseits sind die Fragen zu klären, was man sich unter dem Vermögensschaden vorzustellen hat und wie die zu seiner Feststellung führenden Berechnungsmodi beschaffen sind.13 Freilich wird bei genauerem Hinsehen deutlich, dass beide Teilaspekte an zahlreichen Schnittstellen miteinander korrespondieren: Wer einen Begriff des Apfelbaumes hat, der kann die Vokabel des Fallobstes erklären, und so vermag auch jener, der das Vermögen auf den Begriff bringt, anzugeben, was ein Vermögensschaden ist. Hinter dieser Wegzehrung liegt die Prämisse, dass der Vermögensschaden einen Bestandteil des Vermögensbegriffs bildet. Daher lässt sich das Dunkelfeld der Vermögensschadensberechnung einleitend anhand der groben Wegmarke ausleuchten, wonach der Vermögensschaden jedenfalls nicht im Wege des Kontrapunktes zu beschreiben ist – hier das Vermögen, dort der Schaden –, sondern in der Kategorie eines Verhältnisses gedacht werden muss: Der Begriff des Vermögensschadens beschreibt das Verhältnis einzelner Vermögensbestandteile zum Vermögensganzen. Als Verhältnisbegriff14 macht der Vermögensschaden daher die Mitteilung, wie sich Vermögensmassen in Bezug auf eine gewisse Menge15 ihrer Bestandteile verhalten, wenn man auf Abtreibungsmittel; hier wird gemeinhin der Ausgangspunkt des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs verortet) lesen, dass dieses Judikat von dem Bestreben geleitet werde, „der ganzen früheren Betrugs-Praxis den Garaus zu machen“. 11  Zu mangelnder Grundsatzkritik am Betrugstatbestand vgl. etwa Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rdnrn. 1/2; krit. dazu wiederum Schünemann, NStZ 2005, 473 (474). 12  BVerfGE 126, 170 ff.; BVerfG, NJW 2012, 907 ff. 13  Vgl. etwa Achenbach, in: Festschrift für Roxin, 2011, S. 1005 (1006); ferner die Differenzierung zwischen Vermögens- und Schadensbegriff bei Wahl, Die Schadensbestimmung beim Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 15 ff. 14  Vgl. auch Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 490: Relationsbegriff. 15  Die freilich im schlimmsten Falle auch die gesamte Vermögensmasse umfassen kann.

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A. Einleitung und Problemaufriss

diese Bestandteile dergestalt einwirkt, dass sie – graduell oder vollständig – an Zugehörigkeit zum Vermögensganzen einbüßen. Eine Schrift zur Berechnung des Betrugsschadens beschäftigt sich daher im Grunde mit der Konkretisierung von Zugehörigkeitsfragen, die das Verhältnis vom Einzelteil zum Ganzen betreffen.

I. Das Eine und das Ganze Die Wechselwirkung zwischen dem Ganzen und seinen Einzelteilen begleitet aber nicht nur die Betrugsdogmatik schon seit über einem Jahrhundert; sie ist ein grundlegendes Problem aller Wissenschaft. Während man sich in philosophischen und literarischen Diskursen etwa der Gestaltung des εν και παν16 zuwendete und das Ganze im Einzelnen zu lesen suchte, befasst sich diese strafrechtliche Schrift nur mit Störungen innerhalb eines zwar begrenzten Zugehörigkeitsverhältnisses, dessen Besonderheit aber darin liegt, dass es in zwei Richtungen ausstrahlt. Hinter diesem zunächst recht abstrakt anmutenden Fingerzeig verbirgt sich Folgendes: Man fragt zur Schadensberechnung nicht nur, wie ein begrenztes Ganzes mit seinen Einzelteilen wechselwirkt, sondern zugleich danach, wie dieses Ganze mit anderen begrenzten Gesamtheiten interagiert. Weil der Blick des Strafrechtlers nicht nur auf dem Verhältnis von Vermögensbestandteil zu Vermögensganzem ruht, sondern zugleich zwischen mehreren, zeitlich different postierten und zu vergleichenden Vermögensganzen oszilliert, richtet sich auch der Fokus der Betrachtung entsprechend auf mehrere Objekte: Indem der Betrachter also gewisse Vermögensmassen unter dem Einfluss eines Zeitfaktors beobachtet, operiert er im Wechselfeld mehrerer gleichartiger Bezugssysteme und deshalb benötigt er Kriterien für die Bewertung von Störungen, die ihre Ursache zwar im Umfeld des Einzelsystems haben, aber zugleich über den Bezugsrahmen des einen Ganzen hinausgehen; mithin mehrere „Ganze“ betreffen. Störungen im Einzelsystem provozieren folglich die schwierige Frage, nach welchen Regeln sich die zu vergleichenden Bezugssysteme voneinander abgrenzen lassen. Aus dieser Grundlegung leitet sich ein erster Zuschnitt der hiesigen Schrift ab: Zum einen beschäftigt sie sich mit den Auswirkungen des Vermögensbegriffs auf die Grundsätze der Schadensberechnung, soweit dies für die Ergründung bilanzieller Schadensrechnungen überhaupt erforderlich ist, 16  hen kai pan (gr.) – Das Eine und das Ganze/Eins und Alles, vgl. dazu ausführlich Jäsche, Allheit und Absolutheit, Berlin 1832; ferner Schelling, Vom Ich als Prinzip der Philosophie, S. 70: „Im Ich hat die Philosophie ihr Hen kai pan gefunden“ – Hervorhebung im Original; vgl. auch zum „Tübinger hen kai pan“ Baeumer, MfdU 1967, 131 ff.



II. Rationalismus und Empirismus21

und meint damit in erster Linie eine Betrachtung jener Regeln, die das Verhältnis des Einzelteils zum Ganzen erfassen. Die Untersuchungen über eine bilanzielle Schadensberechnung widmen sich zum anderen der Identifikation von Bezugssystemen, die zwar nach gleichen Regeln strukturiert, in ihrer konkreten Zusammensetzung aber womöglich verschieden sind, und deshalb sprechen sie in dieser Variante den Berechnungszeitpunkt des Vermögensschadens und den entsprechenden Berechnungsmodus an.

II. Rationalismus und Empirismus Die Prinzipien und Möglichkeiten der betrugsstrafrechtlichen Schadensberechnung sind also ohne die Auseinandersetzung zweier Problemfelder bereits auf strafrechtlichem Terrain nicht zu klären: Das Rätsel um das Verhältnis von Einheit und Teilung fordert im Kontext des Vermögensschadens nicht allein die Beantwortung der Frage, wie die Wirkungszusammenhänge zwischen den fluktuierenden (und insoweit zu saldierenden) Vermögensmassen im konkreten Fall ausgestaltet sein mögen; vielmehr ist in erster Linie auch eine Antwort auf die Frage erforderlich, ab wann man überhaupt davon sprechen kann, dass einem Gegenstand die Eigenschaft zukommt, sich (noch) als Teil eines Ganzen zu verhalten. Empirisch geprägte Disziplinen gehen die letztere Fragestellung vornehmlich mit dem Instrument der Beobachtung an, indem sie die – technisch vermittelte – Wahrnehmung zum Maßstab der Erkenntnis machen. Obschon auch sie apriorische Elemente benötigen,17 bedienen sie sich in der Grundlinie einer induktiven Methode. Hingegen verfolgen normativ geprägte – und damit tendenziell selbstreferenzielle – Disziplinen bekanntlich einen weitgehend deduktiven Ansatz, indem sie die Erkenntnis am Maßstab der Folgerichtigkeit abmessen. Diese Herangehensweise lässt es zu, die Erkenntnis im Wege der eigenen Setzung und Ableitung zu generieren, und sie führt daher unweigerlich zu Schwierigkeiten, sobald die normative Analyse eines Erkenntnisgegenstands zwar erschöpft, die Realitätserkenntnis aber einen weitergehenden empirischen Befund erfordert, der freilich nicht immer mühelos zu leisten ist. Das Verhältnis des Ganzen zu seinen Einzelteilen entscheidet sich folglich in den selbstreferenziellen Wissenschaften zuweilen am Übergang vom Normativen zur Empirie,18 und auf dieser 17  Dazu etwa Hübner, in: Handb. philosoph. Grundbegriffe, Stichwort „a priori – a posteriori“. 18  Dies ist nicht weiter verwunderlich, weil im Strafrecht auch die Übergänge zwischen verschiedenen Normcharakteristiken im Hinblick auf den Gegensatz von Normativem und Faktischem interessieren, vgl. etwa Mir Puig, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, S. 77 (92), der Konsequenzen für die Merk-

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A. Einleitung und Problemaufriss

Schnittstelle liegt ein wichtiges Problem der Betrugsschadensdogmatik: Wie im Folgenden zu erläutern sein wird, scheint der Griff nach eigenen Setzungen – dem Normativen –19 naheliegend, sobald man auf empirischem Terrain mit der Schadensberechnung nicht weiter kommt, und in diesem Kontext befindet sich die Betrugsschadensdogmatik zuweilen auf einem Schlachtfeld von (juristischem) Rationalismus und Empirismus.20 Deshalb verwundert es nicht, wenn sich an dieser Schwachstelle Streit um Schadensbegriff und Schadensberechnung entzündet.21

III. Katzen in Kopenhagen Die Herausforderungen, denen sich die bilanzielle Betrachtung der Schadensrechnung stellt, sind damit in groben Zügen offengelegt: Es gilt zu untersuchen, ob man in Bilanzen ein Instrument zu entdecken vermag, mit dem sich mehrgliedrige Zugehörigkeitsverhältnisse unter dem Eindruck von Vermögenswertwechseln abbilden lassen, und dieses Instrument muss zugleich eine Lösung des problematischen Übergangs vom Normativen zur Empirie bereitstellen. Bevor diesem Unterfangen die notwendige Aufmerksamkeit zuteil wird, ist die eingangs schon angedeutete Problematik um den verfassungsgerichtlichen Hinweis auf eine Schadensberechnung nach dem Bilanzrecht näher auszuleuchten, indem man sie mit dem Problem des Übergangs vom Normativen zur Empirie verknüpft. Denn abseits der momentanen Rechtsprechungskonjunktur vermag ein viel grundlegenderes Gedankenexperiment22 zu veranschaulichen, wie man bislang in der Bemale der Straftat aus dem Verhältnis vom Normativen zum Faktischen ableitet; siehe ferner den Hinweis bei Saliger, JZ 2012, 723 (724) auf den Gegensatz zwischen normativen und deskriptiven, faktischen Begriffsanteilen einer Norm. 19  In der hiesigen Schrift beschreibt der Begriff des Normativen also neben dem Rekurs auf die Grundsätze der Folgerichtigkeit – im Anschluss an Saliger, JZ 2012, 723 (724) – die Überformung faktisch-deskriptiver Begriffsinhalte durch eigens gesetzte Inhalte. 20  Eine – freilich auf den Gesamttatbestand bezogene – Grundlagenkrise in Gestalt einer „Systemlosigkeit“ der Betrugsdogmatik diagnostizierte bereits Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 1. 21  Bereits die Eingrenzung dessen, was man an Normativierungen zulassen möchte, erweist sich als schwierig. Saliger, JZ 2012, 723 (724) schlägt als Grenze der Normativierung beispielsweise einen „Fiktionsgehalt“ vor. Die hiesige Schrift wendet sich allein den Vorgaben der oben zitierten verfassungsgerichtlichen Judikate zu, weil diese zum skizzierten Problemkreis (freilich nicht zu den juristischen Einzelfragen) jedenfalls für die Rechtsanwendung wohl vorerst abschließend Stellung nehmen. 22  Eine konzise Bearbeitung zum Stellenwert der Gedankenexperimente findet sich etwa bei Kienzler, Wittgenstein-Studien 2010, 39 ff., der sie als Mittel begreift, um Intuitionen zu prüfen. Lesenswert sind ferner die Ausführungen „Über Gedan-



III. Katzen in Kopenhagen23

trugsdogmatik23 mit dem Hauptanwendungsfall des skizzierten Übergangsproblems verfuhr und weshalb diese Vorgehensweise schon im Ansatz kritisch zu betrachten ist. Es bietet sich hierbei an, auf ein bekanntes Paradoxon des Physikers Erwin Schrödinger aus dem Jahr 1935 zurückzugreifen, mit dem er einer Katze ein grundlegendes Problem der Quantenphysik aufbürdete:24 Schrödinger stellte sich einen hermetisch verriegelten Kasten vor, in dem sich eine Katze befinde. Ferner waren in dem Kasten ein radioaktives Element und ein entsprechender Detektor angeordnet, der den Zerfall des Elements zu messen vermochte. Sollte der Detektor einen Zerfallsprozess beobachten, so löste er einen Mechanismus aus, der eine Flasche mit Blausäure anbrechen und das Gift im Kasten verteilen würde, sodass die Katze daran verstürbe. Der Reiz des makabren25 Experiments liegt darin, dass sich atomare Teilchen nach den Grundsätzen der Quantenphysik zunächst in einem Zustand der Superposition befinden.26 Für das radioaktive Element bedeutet dies, dass seine Bestandteile entweder schon zerfallen oder noch nicht zerfallen sein können – und weil man in dieser Versuchsanordnung eben je nach Messmethode das eine oder das andere festzustellen vermag, muss man davon ausgehen, vor der Messung grundsätzlich jede dieser Möglichkeiten anzutreffen. Dieser von Möglichkeiten charakterisierte Zustand wird also erst dann in Richtung eines der denkbaren Ergebnisse aufgelöst, wenn man eine entsprechende Messung durchführt. Hingegen besteht vor der Beobachtung nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Zerfallsprozess bereits eingesetzt hat. Das Interessante an diesem Versuchsaufbau ist, dass man vor dem verschlossenen Kasten stehen und dennoch richtigerweise ohne konkrete Beobachtung zu keinerlei definitiver Aussage darüber in der Lage sein mag, ob die Katze noch lebendig oder bereits tot ist. Denn man müsste folgerichtig kenexperimente“ von Mach, in: Erkenntnis und Irrtum, S. 183 ff., der das Gedankenexperiment als Vorläufer des physischen Experiments begreift, letzteres mithin als „natürliche Fortsetzung“ des ersten (Mach, in: Erkenntnis und Irrtum, S. 189 ff.). Auch in den Schriften Werner Heisenbergs findet sich der Rekurs auf Gedankenexperimente, vgl. Heisenberg, Die Geschichte der Quantentheorie, in: ders., Quantentheorie und Philosophie, S. 11 ff. 23  Vgl. zu Ausweitungstendenzen im Untreuetatbestand Saliger, HRRS 2006, 10 (12 ff.). 24  Vgl. hierzu und im Folgenden Schrödinger, Die Naturwissenschaften 1935, 807 (812) und bspw. Arroyo Camejo, Quantenwelt, S. 132 ff.; ferner Bussey, Physics Letters A, 1987, 51. 25  Schrödinger bezeichnete sein Experiment als „burlesk“, vgl. Schrödinger, Die Naturwissenschaften, 1935, 807 (812). 26  Vgl. Bussey, Physics Letters A, 1987, 51.

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A. Einleitung und Problemaufriss

davon ausgehen, dass die Katze sowohl tot als auch lebendig sei. Da dies aber offensichtlich nicht mit der alltäglichen Wahrnehmung von Sein und Nichtsein übereinstimmt, könnte man das Problem zwar im Wege der Wahrscheinlichkeitsrechnung angehen, die womöglich an der Halbwertszeit des radioaktiven Elements ansetzt; mit hinreichender Sicherheit ließe sich aber trotzdem nicht sagen, ob die Katze im Kasten noch lebte oder nicht.27 „Das typische an diesen Fällen ist, daß eine ursprünglich auf den Atombereich beschränkte Unbestimmtheit sich in grobsinnliche Unbestimmtheit umsetzt, die sich dann durch direkte Beobachtung entscheiden lässt.“28 Auf diesen Vorbedingungen baut die sog. „Kopenhagener Deutung“29 der Quantenmechanik auf:30 Sie besagt, dass man vor der jeweiligen Messung keine eindeutige Aussage darüber zu treffen vermag, in welchem der klassischen Zustände sich ein Gegenstand befindet, weil dieser Gegenstand erst anhand seines Einflusses auf die klassisch-physikalische Messanordnung studiert werden kann;31 dass also „der Begriff der Wahrscheinlichkeitsfunktion nicht eine raum-zeitliche Beschreibung dessen erlaubt, was zwischen zwei Beobachtungen geschieht“.32 „Der Übergang vom Möglichen zum Faktischen findet also während des Beobachtungsaktes statt“33, und deshalb ist für die Erkenntnis des Tatsächlichen ohne die direkte Beobachtung34 27  Es erscheint lohnenswert zu bemerken, dass das Problem der diametralen Objektattribute in Gestalt einer Antinomie noch auf sehr viel grundlegenderem Niveau existiert („Dieser Satz ist unwahr“) und auch dort von manchen derart aufgelöst wird, dass der Satz sowohl wahr als auch unwahr sei, vgl. dazu ausführlich Brendel, Die Wahrheit über den Lügner, S. 10 ff., insb. S. 12. Der Unterschied zum hiesigen Fall besteht freilich darin, dass hier eine empirische Beobachtung die Entscheidung letztlich ermöglicht – gleichwohl ist die Ausgangslage ähnlich. 28  Schrödinger, Die Naturwissenschaften 1935, 807 (812) – Hervorhebung im Original. 29  Die Bezeichnung als „Kopenhagener Deutung“ erinnert an deren Auseinandersetzung u. a. zwischen Niels Bohr, Werner Heisenberg und Oskar Klein, vgl. Meiss­ ner, Schrödingers Katze, S. 175 ff. 30  Zu den vielfältigen Deutungsversuchen quantenphysikalischer Phänomene vgl. Landsman, Between Classical and Quantum, in: Butterfield/Earman, Handbook of the Philosophy of Science. Philosophy of Physics, S. 417 (422 ff.). 31  Vgl. Landsman, Between Classical and Quantum, in: Butterfield/Earman, Handbook of the Philosophy of Science. Philosophy of Physics, S. 417 (438). 32  Heisenberg, Kopenhagener Deutung der Quantentheorie, in: ders., Quanten­ theorie und Philosophie, S. 52. 33  Heisenberg, Kopenhagener Deutung der Quantentheorie, in: ders., Quanten­ theorie und Philosophie, S. 56. 34  „Die Beobachtung selbst ändert die Wahrscheinlichkeitsfunktion unstetig. Sie wählt von allen möglichen Vorgängen den aus, der tatsächlich stattgefunden hat.“ (Heisenberg, Kopenhagener Deutung der Quantentheorie, in: ders., Quantentheorie und Philosophie, S. 55).



III. Katzen in Kopenhagen25

beispielsweise „die Einführung der Wahrscheinlichkeit als einer neuen Art von ‚objektiver‘ physikalischer Realität“35 erforderlich. In den Fußstapfen der Folgerichtigkeit – mithin auf der bestehenden normativen Grundlage – lässt sich das Problem daher nicht über den Grad der Wahrscheinlichkeit hinaus lösen.36 Die „Grundmethode des Gedankenexperiments [ist] die Methode der Variation“37 und daher wechsle man an dieser Stelle die Katze gegen eine Vermögensmasse aus und denke sich anstelle der Blausäure einen anderen Mechanismus, der auf wundersame Weise Vermögen vernichte. Auch dieser werde durch den Zerfall des radioaktiven Isotops ausgelöst und wieder steht die Frage im Raum, welchen Zustand die Vermögensmasse vor der Beobachtung einnimmt – ist sie noch da, bereits vermindert oder gar verschwunden? Aus dem Blickwinkel der Folgerichtigkeit könnte lediglich die Feststellung resultieren, dass die Vermögensmasse mit gewisser Wahrscheinlichkeit dem Untergang anheimgefallen sei – mehr nicht. Mit der Kraft normativer Setzungen ließe sich dieser unbefriedigende Zustand aber durchaus auflösen: Man könnte – wie die Quantenphysiker – über Wahrscheinlichkeiten als „neue Art der Realität“ nachdenken und den Gesamtvermögenswert gleichsam in die Superposition befördern, indem man schon die Wahrscheinlichkeit einer Vermögensvernichtung in den Stand des Vermögensschadens erhöbe.38 35  Heisenberg, Physikalische Blätter 1956, 289 (290); ebenso ders., Die Geschichte der Quantentheorie, in: ders., Quantentheorie und Philosophie, S. 17 ff. 36  „Die Wahrscheinlichkeitsfunktion beschreibt, anders als das mathematische Schema der Newtonschen Mechanik, nicht einen bestimmten Vorgang, sondern, wenigstens hinsichtlich des Beobachtungsprozesses, eine Gesamtheit von möglichen Vorgängen.“ (Heisenberg, Kopenhagener Deutung der Quantentheorie, in: ders., Quantentheorie und Philosophie, S. 55). 37  Mach, Über Gedankenexperimente, in: Erkenntnis und Irrtum, S. 183 (191). 38  Neben diesen Parallelen, die das Dilemma der Vermögensgefährdung und die Überlegungen Schrödingers verbinden, fällt zunächst auch ein Unterschied ins Auge: Die erkenntnistheoretische Behandlung quantenmechanischer Phänomene rechnet auch den Umstand ein, dass bereits das Objekt der Beobachtung über Eigenschaften verfügt, die zwar jede für sich feststellbar, wegen der Unverträglichkeit seiner Attribute jedoch insoweit inkommensurabel sind und daher nicht im Verbund gemessen werden können (ausführlich dazu etwa Strohmeyer, ZfaW 1987, 239 [246 ff. und insb. 248 ff.]). Aus diesem Grund lässt sich ein quantenmechanischer Gegenstand als „indefinit“ bezeichnen, denn er umfasst vor der Messung lediglich eine Ansammlung möglicher Eigenschaften (Strohmeyer, ZfaW 1987, 239 [248 f.]). Das Besondere an diesen Objekten ist also, dass „… die Inkommensurabilität quantenmechanischer Größen empirisch erkannt wird und nicht aus ihren Begriffen erfolgt“ (Strohmeyer, ZfaW 1987, 239 [249]). Diese Inkommensurabilität trägt auch das Vermögen, denn es kann ebenso wenig zugleich vermindert und nicht vermindert sein. Allerdings fußt die Unbestimmtheit der wirtschaftlichen Auswirkung einer Vermögensgefährdung auf den tatsächlichen Vermögenswert darauf, dass vielfach geeig-

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A. Einleitung und Problemaufriss

Auf dem Boden dieser Erkenntnis lässt sich mit einer ersten Wegmarke festhalten, dass die bezeichneten Gefechte in der Vergangenheit tatsächlich auf der Planche des Normativism ausgetragen wurden: Rechtsprechung und weite Teile der Literatur hatten bislang zur Lösung des Problems, dass der Vermögenswert in Gefährdungslagen mitunter ebenso schwer zu bestimmen ist wie der Gesundheitszustand von Schrödingers Katze, einen Ansatz verfolgt, der den schwierigen empirischen Befund durch Normatives überformte. Dazu wurde postuliert, dass der Gesamtvermögenswert schon dann entsprechend vermindert werde, wenn eine Gefährdung von Vermögensposi­ tionen eintrete.39 Hielt man die empirische Untersuchung der Vermögenswertminderung für schwierig oder gar für unmöglich,40 so expandierte der Anwendungsbereich des § 263 StGB (ebenso jener des § 266 StGB) gleichwohl unter dem Banner der Vermögensgefährdung. Soweit also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernsthaft zu rechnen war, sollte auch bereits der Vermögensschaden eintreten.41 nete Instrumente fehlen, um diese Wirkung überhaupt zu bestimmen. Während der quantenmechanische Gegenstand folglich bereits in puncto Inkommensurabilität aufgrund von Beobachtungen enttarnt ist, stellt das Vermögen als wirtschaftliche Größe derzeit einen Erkenntnisgegenstand dar, der dem Betrachter deswegen als „indefinit“ erscheint, weil ihm das nötige objektive Handwerkszeug zu seiner definiten Bestimmung fehlt. Diese Erkenntnis ändert jedoch nichts daran, dass sowohl der Zustand eines quantenmechanischen Gegenstandes als auch das strafrechtlich protegierte Vermögen vor dem Hintergrund derzeitiger Möglichkeiten als unbestimmt angesehen werden müssen, solange sie nicht mit tauglichem Instrument vermessen werden. 39  Vgl. BGHSt 1, 92 (94); 3, 370 (372); 15, 83 (85 ff.); 21, 112 (113); ausführlich zur Entwicklung der Vermögensgefährdungsdogmatik Schauer, Vermögensgefährdung als Vermögensschaden, S. 15 ff. Das hier als Problem des Übergangs bezeichnete Phänomen lösten Rechtsprechung und Literatur also letztlich dadurch auf, dass ein Denkmögliches für existent erachtet wurde, vgl. zur allgemeinen Kritik an derartiger Methodik aus historischer Perspektive Larenz, Methodenlehre, S. 26. Naucke, StV 1985, 187 mutmaßt sogar, die Erfindung der Vermögensgefährdung müsse in einer Zeit geschehen sein, „… die von dem Satz nullum crimen sine lege nicht viel hielt“. 40  Dass der „Gefährdungsschaden“ in weiten Bereichen nicht quantifiziert werden könne, ist freilich keine neue Erkenntnis, vgl. etwa Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 101; Schünemann, NStZ 2008, 430 (432). 41  Vgl. pro toto BGHSt 34, 392 (395). Dies entsprach auch der h. M. in der Literatur, vgl. Klein, Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 62 ff., die sich jedoch auch krit. mit der Rspr. auseinandersetzt (vgl. Klein, Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 71  ff.). Die ältere Gegenauffassung nahm höchstens einen Versuch an, vgl. Lenckner, JZ 1971, 320 (323); vgl. zur Untreue auch Mayer, Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen, S. 165; krit. zu der „Einebnung“ des tatbestandlichen Erfolges ferner Degener, ZStW 103 (1991), 357 (383 f.). Dass die konkrete Erwartung wirtschaftlicher Nachteile einen Vermögensschaden zu begründen vermöge, ist eine auch in der Rechtsprechung nach Juni 2010 weiterhin präsente Aussage; freilich mittlerweile ergänzt um den Zusatz, dass



III. Katzen in Kopenhagen27

Mit dieser Lösung des Übergangsproblems bliebe es wiederum möglich, bereits vor Öffnung des experimentellen Kastens wegen vollendeten Betrugs zu verurteilen, indem die konkrete Gefährdung des Vermögens begründet und der verminderte Gesamtvermögenswert mit der Kraft des Normativen behauptet würde.42 So könnte man auch im hiesigen Anschauungsfall behaupten, die eingesperrte Katze sei derart gefährdet, dass ihr Wert nicht mehr dem Vollwert entspräche – selbst dann, wenn sie den Beobachter nach Öffnung des Kastens fröhlich anspränge. Versuchte der Physiker Schrödinger, diese Katze (im Kasten) in der Absicht rechtswidriger Bereicherung ohne Weiteres zu verkaufen, so setzte er sich nach herkömmlicher Betrachtung schon im Moment des sprichwörtlichen Handschlags unweigerlich dem Vorwurf des vollendeten Eingehungsbetruges aus. Dieser Praxis hat das Bundesverfassungsgericht in jüngeren Entscheidungen einen Riegel vorgeschoben, indem es den Vermögensschaden neuerdings unter die Aufsicht eines Bezifferungserfordernisses stellte.43 Genauer gesagt, hat es jedenfalls dem Automatismus, der sogleich von Gefährdungen auf „konkrete wirtschaftliche Auswirkungen“ darzulegen seien: vgl. etwa BGH, GmbHR 2013, 820 (821 – zu § 266 StGB); auch der 4. Strafsenat des BGH (NJW 2014, 3669 [3671]) verzichtet in einer jüngeren Entscheidung zum Betrug durch Vereinbarung eines anwaltlichen Erfolgshonorars noch gänzlich auf eine wirtschaftliche Schadensdarlegung und bildet damit ein besonders eindrückliches Beispiel für die extensive Funktion der „Vermögensgefährdung“. 42  Diese Vorgehensweise birgt schon aus methodischer Sicht zahlreiche Risiken. Sie wurde spätestens 1903 von Charles Sanders Peirce unter den Begriff der „Abduktion“ gefasst und signiert heutzutage auch als „inference to the best explanation“ (hierzu etwa Kunz, ZStW 121 (2009), 572 [587 ff.]). Danach wird jede Hypothese, die eine empirische Beobachtung zu erklären vermag, dann als wahr bezeichnet, wenn bei ihrer Wahrunterstellung die Beobachtung als Selbstverständlichkeit anzusehen wäre (vgl. dazu ausführlich Erny, Zeitschr. f. philosoph. Forschung, 1999, 51 [52 ff.]; zur juristischen Rezeption dieser Figur vgl. Lege, Pragmatismus und Jurisprudenz, S. 398 ff.). Bekanntlich produziert diese Vorgehensweise jedoch keine wahren Schlüsse, sondern lässt im Gegenteil sogar die Annahme völlig abwegiger Hypothesen zu, vgl. dazu Pape, in: Sandkühler, Enzyklopädie, Band I, Stichwort „Abduktion“. Übertragen auf das hiesige Thema ließe sich im Wege der Abduktion erklären, warum die Beobachtung einer Vermögensgefährdung vermeintlich auf die effektive Vermögensminderung schließen lässt: Weil die Hypothese von der Vermögensminderung eben die beste Erklärung für die Beobachtung einer Vermögensgefährdung zu sein scheint, wird angenommen, dass diese Hypothese auch wahr sei. Heutzutage wird die Abduktion wegen genau dieser – die Wahrheit im Dunkeln lassenden – Charakteristik nicht als Wahrheitsproduzentin anerkannt, vgl. erneut Pape, in: Sandkühler, Enzyklopädie, Band I, Stichwort „Abduktion“. Zuweilen legt man auch eine Verbindung zwischen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und diesem Schlussverfahren offen: Einen „hypothetisch-deduktiven Charakter der Wahrscheinlichkeitslehre“ unterstellt etwa Del Negro, Zeitschr. f. pilosoph. Forschung 1948, 28 (35). 43  Vgl. BVerfGE 126, 170 (211); BVerfG, NStZ 2012, 496 (504).

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A. Einleitung und Problemaufriss

wirtschaftliche Wertaussagen rückschloss,44 eine Absage erteilt. Anstatt das Übergangsproblem über normative Grundsätze zu lösen, ist die Praxis seither verpflichtet, jedenfalls den Gefährdungsschaden zu beziffern.45 Das Unterfangen, Vermögensschäden und Bilanzen ins Konzert zu führen, erschließt sich deshalb erst vollständig vor dem weitaus größeren Problemkreis des Gefährdungsschadens. Allerdings ist weder klar, ob ein solches Erfordernis der Bezifferbarkeit überhaupt mit der notwendigen dogmatischen Schlüssigkeit aufwartet, noch liegen die sich aus diesem Erfordernis möglicherweise ergebenden Folgerungen offen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob die Bezifferung tatsächlich nur in Gefährdungslagen notwendig wird, oder ob sie nicht richtigerweise auch in vermeintlich „einfach gelagerten“ Fallgestaltungen zu leisten sein müsste. Für das Unterfangen, den Vermögensschaden zu berechnen, hat das BVerfG dem Rechtsanwender zwar einen Fingerzeig gegeben, indem es auf das Bilanzrecht und die dort vorzufindenden Wertbestimmungsgrundsätze verwies.46 Der Zusammenhang zwischen konkreter Schadensberechnung und Bilanzierung47 ist aber im besten Falle so hell ausgeleuchtet, wie das Hieronymus-Portrait des Caravaggio, sodass man die Verbindung von Bilanz und Schaden noch etwas genauer auseinandersetzen muss.

IV. Erste Eingrenzungen anhand der Rechtsprechung des BVerfG Während eine gewisse verfassungsgerichtliche Einsilbigkeit zur Schadensberechnung „nach dem Bilanzrecht“ und die Zusammenhänge zwischen Bilanz, Bezifferung und Vermögensschaden sich zunächst als gleichsam „verbergende Entbergungen“48 nur zögerlich in die Obhut des Rechtsanwen44  So etwa noch in jüngerer Zeit BGH, NJW 2011, 2819 (2820). Dieses Vorgehen wird auch von Kraatz, JR 2011, 434 (438) grundlegend kritisiert, der auch die üblicherweise zur Konkretisierung der Vermögensgefährdung herangezogenen Kriterien der „Vermeidemacht“ bzw. des alsbaldigen Eintritts des Endschadens mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise für unvereinbar hält. 45  Vgl. auch ein letztes Mal die Quantenphysiker: „Wenn wir beschreiben wollen, was in einem Atomvorgang geschieht, so müssen wir davon ausgehen, daß das Wort ‚geschieht‘ sich nur auf die Beobachtung beziehen kann, nicht auf die Situation zwischen zwei Beobachtungen.“ (Heisenberg, Kopenhagener Deutung der Quantentheorie, in: ders., Quantentheorie und Philosophie, S. 56). 46  Vgl. etwa BVerfGE 126, 170 (223 et passim). 47  Die Bedeutung insbesondere der Arbeiten Hefendehls wird damit nicht verkannt [vgl. dazu ausführlich unten D.III.2.b)]: Schadensberechnung und bilanzielle Bestimmung des Vermögensbegriffs schneiden sich zwar, sind aber nicht gänzlich deckungsgleich. 48  Detaillierte Auseinandersetzung dieser Heidegger’schen Lesart bei Rometsch, in: Gabriel, Skeptizismus und Metaphysik, Dt. Zeitschr. f. Philosophie, Sonderband 28 (2012), S. 105 (117 ff.).



IV. Erste Eingrenzungen anhand der Rechtsprechung des BVerfG 29

ders begeben, vermag gleichwohl eine erste Lichtung anhand folgender Eingrenzungen geschlagen zu werden: Keinen Anwendungsbereich wird man der Schadensbezifferung etwa in jenen Fällen eröffnen, die bereits hinreichende Berechnungsgrundlagen in den Tatsachenfeststellungen und abgeschlossene, „manifeste“ Wertbewegungen aufweisen,49 denn hier fänden weder Bezifferung noch Bilanz Unschärfe vor, die sie weiter aufzu­ klären vermöchten. Darüber hinaus hält das BVerfG es mit der Bezifferung allerdings auch dann nicht so genau, wenn ein „ohne weiteres greifbarer Mindestschaden“ ausgemacht werden kann.50 Soweit Unsicherheiten herrsch­ ten, dürfe man unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung vorgehen.51 In diesem Bereich leistete eine Bilanz folglich ebenso wenig brauchbare Dienste; sie wäre schlechthin überflüssig. Auch im Ausgangsfall könnte man mit diesen Grundlegungen allerdings einen Mindestschaden veranschlagen und behaupten, dass eine Katze, die regelmäßig in dunklen Kästen hause, etwa eine seelische Abgeschlagenheit treffe, die ihren Wert wenigstens um einen Euro (gar einen Cent) vermindere. Wäre dies allerdings ohne Vorbehalte möglich, so könnte man auch auf den weiteren Gedanken kommen, eine Schätzung dahingehend zu veranstalten, ab wann die Wahrscheinlichkeit des Katzentodes überwiege; letztlich also den Zeitpunkt des Schadenseintritts zu schätzen. Dass die Katze wieder munter 49  So etwa bei festgestellten Einkaufspreisunterschreitungen, vgl. BGH, NStZ 2011, 280 f. (die Schadensberechnungen zu diesem Fall sind in der Entscheidung des LG Paderborn, Urt. v. 07.  Juni 2010  – 2 KLs 261 Js 63/08  – 18/09, nachzulesen); bei gesetzlich festgelegten Gebühren, vgl. BGH, NJW 2011, 2149 (2150); bei klar nachvollziehbaren Kontobewegungen, vgl. OLG Koblenz, NStZ 2012, 330; zu diesen Fällen, die mehrheitlich § 266 StGB betreffen, eingehend Kudlich, ZWH 2011, 1 (3); für „Evidenzfälle“ ebenso Bittmann, wistra 2013, 449 (451). 50  Zitat und These bei BVerfGE 126, 170 (211). Der Wortlaut der Entscheidungsbegründung lässt den Mindestschaden gerade als Abkehr vom Bezifferungsgebot erscheinen, weil das BVerfG selbst formuliert: „Von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen […] abgesehen, …“ (BVerfGE 126, 170 [211] – Hervorhebung nur hier). In der Literatur findet die Figur des Mindestschadens durchaus Zustimmung, vgl. – pro toto – Wohlers, ZStW 123 (2011), 791 (811). Vgl. zu Mindestschäden aus jüngerer Zeit auch BGH, wistra 2013, 272 ff. Fraglich ist zudem, ob die – letztlich unzutreffende, vgl. dazu unten C.III.2. – Annahme, eine Schadensbezifferung erübrige sich auch bei der Feststellung anfänglicher (Rück-)Zahlungsunwilligkeit des Täuschenden (so etwa BGH, Beschluss vom 03.  Mai 2012  – 2 StR 446/11  –, juris, Rdnr. 11 [in NStZ 2013, 40 insoweit nicht abgedruckt]; OLG Bamberg, Beschl. v. 01.  Oktober 2013  – 3 Ss 84/13  –, juris, Rdnr.  14) in die „einfach gelagerten“ Fallgestaltungen eingeordnet wird. 51  BVerfGE 126, 170 (212); in dieser Richtung bspw. auch Perron, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 263, Rdnr. 99. Schätzungen sind insoweit durchaus nichts Ungewöhnliches. Sie werden etwa im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts zur näheren Bestimmung der „nicht geringen Menge“ (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) herangezogen, vgl. nur BGH, Beschl. v. 22.  Januar 2013  – 1 StR 619/12  –, juris, Rdnr.  5 m. w. N. und ausführlich unten B.III.3.b).

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A. Einleitung und Problemaufriss

und lebendig hervorspränge, sobald man den Deckel des Kastens anhöbe, wäre nur eine „Gedankenerfahrung“,52 die allenfalls unter dem Stichwort der Schadenswiedergutmachung rangierte und dem Nachtatverhalten angehörte. Ohne Konturen verklärte sich mithin die Figur des Mindestschadens in den Bereich der Beliebigkeit. Während also in der Quantenphysik bereits die Erkenntnis Verbreitung gefunden hat, dass in beiden Gedankenexperimenten zu Katze und Vermögen im Bereich des „Grobsinnlichen“ vor der Beobachtung keinerlei Aussage über Wahrscheinlichkeiten hinausgreift, scheint sich auch das BVerfG in gewissen Fällen mit dem Ansatz eines Mindestschadens und der Schätzung des Vermögensschadens zu begnügen;53 folglich mit einem zumindest potenziellen Reservat für die Wahrunterstellung des Denkmöglichen, die als lediglich ratiomorphes Erkenntnisverfahren derzeit auch in den Reihen des Betrugsstrafrechts eine erstaunliche Ausdauer beweist. Das Gleichnis von Katze und Vermögen zeigt letztlich die Notwendigkeit auf, nach einer Auseinandersetzung mit dem Bezifferbarkeitserfordernis sowie den weiteren Grundlagen der Schadensberechnung dem Hinweis des BVerfG auf das Bilanzrecht im Detail nachzuspüren und dieses auf sein Potenzial abzuklopfen. Während die bilanzielle Sichtweise auf bestehende Schadensprobleme im strafrechtlichen Schrifttum aber nur wenige Anhänger und dafür umso mehr Kritiker gefunden hat, geht die Auseinandersetzung mit der Handelsbilanz – abgesehen von den zahlreichen Einzelbeiträgen, die jeweils Ausschnitte bilanzieller Fragen ansprechen, und bis auf zwei einschlägige Monografien, die aber entweder vor dem BilMoG 200954 und ohne Referenz auf die internationalen Bilanz-Standards erschienen sind oder sich vornehmlich mit dem Steuerrecht beschäftigen –55 über eher allgemeine Hinweise noch nicht hinaus. Dieser Zustand ist freilich unbefriedigend und daher sucht die hiesige Ausarbeitung in die bestehende Lücke ein wenig vorzudringen.

52  Vgl. Mach, Über Gedankenexperimente, in: Erkenntnis und Irrtum, S. 183 (186). 53  Krit. dazu auch Krüger, NStZ 2011, 369 (375); vgl. auch Wessing, NZG 2014, 97 (98): „Das BVerfG hat […] deutlich gemacht, dass eine Schadensschätzung nicht mehr ausreicht, sondern der Nachteil konkret zu bestimmen und auf eine rational nachvollziehbare, sichere Grundlage zu stellen ist.“ – Hervorhebung im Original. 54  Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.05.2009, BGBl. I, S. 1102. 55  Vgl. aber auch die Auseinandersetzung mit bilanziellen Fragestellungen in der aktuellen Monografie von Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen legitimen Wirtschaftsstrafrechts, S.  81 ff.



V. Gang der Untersuchung31

V. Gang der Untersuchung Dem skizzierten Übergangsproblem und den Möglichkeiten einer bilanziellen Schadensberechnung kann dadurch zu Leibe gerückt werden, dass man zunächst Klarheit über den Stellenwert und die Funktion des Vermögenswertschutzes in einer bürgerlichen Sozietät schafft (II.). Auf dieser Grundlage erweitert sich das strafrechtliche Verständnis um Vermögensbegriff und Schadensberechnung (III.). Ein Überblick des Forschungsstandes und die Auseinandersetzung mit den bislang zur Schadensbilanz vorgetragenen Argumenten (IV.) bereitet den Boden für die Entwicklung einer bilanziellen Schadensberechnung auf der Grundlage des HGB und der IAS / IFRS sowie der wirtschaftswissenschaftlichen Bilanzlehren (V.). Die hiesige Schrift schließt mit einer Untersuchung ausgewählter Fallgruppen des Vermögensschadens und erläutert sowohl den Erkenntnisgewinn als auch die Grenzen des entwickelten Bilanzmodells und bilanzieller Vorgehensweisen (VI.).

B. Vermögenswertschutz in der bürgerlichen ­Strafrechtsordnung Die bürgerliche Existenz bezeichnet jene Gelegenheit des menschlichen Seins, die sich durch die Unterwerfung des Individuums unter eine freiheitssichernde Abrede1 eröffnet. Diese Existenz2 umfasst einen Freiheitsraum, der im Rahmen der bürgerlichen Ordnung jedem Bürger zuteil wird. Alle Ausübung bürgerlicher Freiheit wird mitunter dadurch eingeschränkt, dass das Individuum nicht in der Lage ist, die subsistenziellen Bedingungen seiner Freiheitsbetätigung allumfänglich selbst zu schaffen. Sich ihrer mit Gewalt zu bemächtigen, ist dem bürgerlichen Wesen indes versagt. Denn: „la force est une puissance physique“.3 Somit ist der Bürger darauf angewiesen, in einen Prozess der Entäußerung einzusteigen, der die mangelhafte Selbstversorgung kompensiert. Das bürgerlich-individuelle Wesen selbst ist 1  Vgl. Rousseau, Du Contrat Social, Buch 1, Kapitel 6 und dazu etwa Herb, in: Brandt/Herb, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 43 f. Zu Vertrag und gemeinsamem Besitz vgl. auch Locke, Two Treatises of Government, Buch II, Kapitel V, Abs. 28; ferner dazu de Spinoza, Theologisch-politische Abhandlung, S. 213 ff. Bemerkenswert ist, dass List und Betrug auch in den Schilderungen naturzuständlicher Beliebigkeit bei de Spinoza (Theologisch-politische Abhandlung, S. 210 ff.) einen besonderen Stellenwert einnehmen. Die neueren Ansätze, insbesondere die Wiederbelebung der kontraktualistischen Theorie durch John Rawls fasst zusammen Freeman, Justice and the Social Contract, S. 17 ff.; zu einem Vorschlag, die Theory of Justice im Rahmen des § 266 StGB fruchtbar zu machen vgl. Thomas, in: Festschr. f. Hamm, 2008, S. 767 (772 ff.). 2  Es gibt selbstredend auch die Existenz außerhalb der bürgerlichen Ordnung. Indes erlangt diese keine Anerkennung dadurch, dass ihr Vermögenswerte unter dem Schutzmantel des Strafrechts zugeführt werden könnten. 3  Rousseau, Du Contrat Social, Buch 1, Kapitel 3 – Hervorhebung nur hier. Erkennte man die Ausübung physischer Macht ohne weiteres an, so ginge dies freilich nur „unter der Herrschaft der Natur“ und dann geschähe die Machtausübung „mit dem höchsten Rechte der Natur“ (vgl. de Spinoza, Theologisch-politische Abhandlung, S. 210 – von dort auch die Zitate). Besonders deutlich scheint die machtbegrenzende Leistung des kontraktualistischen Gesellschaftsverständnisses auch in den Vorbedingungen der Rawls’schen Vertragskonzeption hervorzutreten, denn nach der Theory of Justice wird die Abrede zwischen allen Beteiligten auf der Grundlage einer reduktionistischen Kognitionsfiktion getroffen: Alles Wissen, mithin auch jenes um das eigene Machtpotenzial, wird während des Vertragsschlusses ausgeblendet, vgl. eingehend dazu Koch, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1978, 239 (240 ff.). Daher können die vereinbarten Prinzipien auch den Gebrauch desselben nicht legitimieren.



B. Vermögenswertschutz in der bürgerlichen Strafrechtsordnung33

hingegen unveräußerlich.4 Dass es als Person west, gründet auf ebenjener Spezialität.5 Dieser Zirkel6 macht es erforderlich, der Person ein Mittel an die Hand zu geben, das sie in die Lage versetzt, in Wechselwirkung mit anderen Personen den eigenen Freiheitsraum zu erkunden.7 Aus diesem Grund ist die freie bürgerliche Person fähig, Trägerin einer entäußerbaren Wertmasse zu sein. Als Trägerin einer spezifischen Wertmasse verfügt die Person mithin über ein Potenzial,8 das sie zur Freiheitsbetätigung entäußern kann, ohne in den Konflikt mit der eigenen Bürgerlichkeit zu geraten. Weil dieses Potenzial im Grundsatz jedem Bürger gewährt ist und alle Bürger den gleichen Freiheitsraum in Anspruch nehmen, ist das Recht folgerichtig verpflichtet, die Äquivalenz der Bedingungen9 zu gewährleisten, zu denen Entäußerungen stattfinden. In welcher Richtung die bürgerliche Person den Freiheitsraum abschreitet, steht hingegen im Grundsatz frei,10 denn zu diesem Zweck hat sie sich auf die Unterwerfung unter eine bürgerliche Ord4  Der wesentliche Akt der Entäußerung („aliénation totale“) findet nach Rousseau mit dem Eintritt in den Gesellschaftsvertrag statt, vgl. Rousseau, Du Contrat Social, Buch 1, Kapitel 6; ferner dazu Herb, in: ders./Brandt, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 43; vgl. aber auch die als Eigentum an sich selbst ausgestaltete Deutung der selbstbezüglichen Zuständigkeit bei Locke: „… every Man has a Property in his own Person“, Locke, Two Treatises of Government, Buch II, Kapitel V, Abs. 27. 5  Vgl. etwa Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Ausgabe Riga 1786, Zweiter Abschnitt (= S. 66 f.): „Die vernünftige Natur existiert als Zweck an sich selbst“. 6  Letztlich handelt es sich um die Beschreibung zweier Attribute, die sich ergänzen. 7  Vgl. auch Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 29: „… das Haben von Vermögensgütern [gewährleistet] der Vermögensperson einen Entfaltungsspielraum im gegenständlichen Bereich …“. 8  Die Umschreibung des Vermögens als Potenzial findet sich auch im etablierten Literaturstand, indes mit unterschiedlichen Herleitungsmustern und Ausdeutungen, die nicht immer auf die hier favorisierte wirtschaftliche Sichtweise hinauslaufen, vgl. etwa Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 6; Kindhäuser, in: NK – StGB, § 263, Rdnr. 15: Vermögensschaden als „Verkürzung eines Freiheits­ potenzials“; Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 36: Vermögen als „die durch die einzelnen Objekte vermittelte „facultas““. 9  Ein zentraler Gedanke auch in der Rawls’schen Vertragstheorie, vgl. Koch, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1978, 239 (245 ff.). Hingegen stellt die Gleichheit ökonomischer Bedingungen in den Überlegungen Rousseaus eine Voraussetzung des Vertragsschlusses dar, vgl. dazu Mesch, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1999, 355 (366 und 379 f.). 10  Auch der „sorglose“ Gebrauch der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit steht damit grundsätzlich frei, vgl. dazu etwa BGHSt 3, 99 (103); siehe ferner den Hinweis auf die freie – obgleich nicht intensionslose – Verfügungsmöglichkeit bei Hobbes, Leviathan, Teil I („Of Man“), Kapitel 14 und hierzu auch Ron, Polity 2006, 235 (248).

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B. Vermögenswertschutz in der bürgerlichen Strafrechtsordnung

nung eingelassen.11 Daher ist die Person frei, ihr Potenzial in diesem Freiheitsraum nach ihrem Willen und zu eigenen oder fremden Zwecken einzusetzen. Anhand dieses Potenzials vermag die bürgerliche Person folglich erst an der freiheitlich-bürgerlichen Existenz zu partizipieren und deshalb ist das Vermögen der Person Grundbedingung ihrer freiheitlich-bürgerlichen Existenz.12 Bürgerliche Freiheit bedeutet notwendig zugleich Eigenverantwortlichkeit,13 weshalb auch das Vermögen als Grundlage bürgerlicher Partizipation der Verantwortung des Individuums anheimgestellt ist. Daraus folgt zunächst, dass die Entscheidung über den Umfang der Entäußerung ihres Potenzials bei der Person selbst liegt. Ferner folgt aus der Eigenverantwortlichkeit der bürgerlichen Person, dass sich die Wertmassen, deren Trägerinnen die Personen sind, – also die Potenziale – in ihrer Höhe durchaus unterscheiden dürfen. Aus diesem Grund ist es zum einen nicht erforderlich, jeder Person das glei11  Rousseau, Du Contrat Social, Buch 1, Kapitel 9: „Trouver une forme d’association qui défende & protege de toute la force commune la personne & les biens de chaque associé, & par laquelle chacun s’unissant à tous n’obéisse pourtant qu’à lui-même & reste aussi libre qu’auparavant?“. So erklärt sich auch zwanglos die Ausstattung jedes Bürgers mit den Mitteln der Existenzgrundsicherung, sofern ihn die eigene wirtschaftliche Leistung nicht zu tragen vermag. Freilich muss man mit der Idee einer den Gesellschaftsvertrag durchdringenden Freiheitsgarantie auch vorsichtig umgehen, denn sie hat zuweilen durchaus zweifelhafte Früchte getragen, vgl. etwa zu der Auseinandersetzung Carl Schmitts (und auch Bertolt Brechts) mit dieser Formel: Müller-Scholl, MLN 119 (2004), 506 (509 ff.). Die staatliche Ordnung im Kern auf den Freiheitserhalt zu verpflichten, wird gleichwohl unbedenklich sein; vgl. zum Freiheitsbegriff bei Rousseau auch Mesch, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1999, 355 (359 ff.). Vgl. ferner de Spinoza, Theologisch-politische Abhandlung, S. 216: „Unter dem bürgerlichen Recht des Einzelnen ist nur dessen Freiheit zu verstehen, sich in seinem Zustande zu erhalten …“. Im vermögensstrafrechtlichen Kontext vgl. auch den Hinweis bei Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 115 f. sowie in: wistra 2012, 331 (328) auf die „nach Willkür erfolgende persönliche Betätigung“; ferner grundlegend zu Möglichkeiten und Grenzen der Unrechtsbegrifflichkeiten Frister, Strafrecht AT, Kapitel 3, Rdnrn. 17 ff. 12  In diesem Sinne ist unsere „Wirtschaftswelt“ dann auch eine „Vermögensordnung“, vgl. dazu Luttermann, wistra 2012, 251 (252) und Rousseau, Du Contrat Social, Buch 1, Kapitel 8: „Ce que l’homme perd par le contract social, c’est sa liberté naturelle & un droit illimité à tout ce qui le tente & qu’il peut atteindre; ce qu’il gagne, c’est la liberté civile & la propriété de tout ce qu’il possede.“ – Hervorhebung nur hier. 13  Vgl. Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung, Berlinische Monatsschrift Nr. 12, Dezember 1784, S. 481 ff.; vgl. auch Freeman, Justice and the Social Contract, S. 30, 95 et passim. Das Erfordernis selbstbestimmten Verhaltens bildet darüber hinaus – freilich in zahlreichen unterschiedlichen Interpretationen – einen zentralen Bestandteil des strafrechtlichen Schuldprinzips, vgl. Frister, Strafrecht AT, Kapitel 3, Rdnrn. 6 ff.



B. Vermögenswertschutz in der bürgerlichen Strafrechtsordnung35

che Potenzial zuzuweisen.14 Zum anderen erfordert die bürgerliche Existenz nicht zwingend den Identitätserhalt der sachlichen Wertmanifestationen,15 jedenfalls insoweit nicht, als bloße Affekte dazu drängen.16 Die Partizipation an freiheitlich-bürgerlicher Existenz erfordert mithin in erster Linie den Schutz des Vermögens dem Werte nach, weil sich darin ein der Person zustehendes Potenzial wiederfindet, das sie zur Freiheitsbetätigung befähigt.17 Die Aufgabe der bürgerlichen Ordnung ist, dieses Partizipationspotenzial zu schützen;18 denn sie ist durch den Akt der Unterwerfung der Person auf Posten gestellt, ebenjene bürgerliche Freiheitsbewegung in ihren Grundfesten zu sichern.19 Eine staatliche Ordnung – wie die unsere –, die auf den Schutz der bürgerlichen Existenz im Sinne einer freiheitlichen Betätigung ausgerichtet ist,20 protegiert folglich das Vermögen in erster Linie dem Werte nach.21 Sie 14  Man kann das gleiche Potenzial zugestehen, indes nicht zuweisen. Dies widerspräche dem Status der Eigenverantwortlichkeit der bürgerlichen Person. Vgl. auch Locke, Two Treatises of Government, Buch II, Kapitel V, Abs. 36, der die stillschweigende Wertzuweisung an Zahlungsmittel als Motor der ungleichen Verteilung des Privatbesitzes identifiziert: „This partage of things in an inequality of private possessions, men have made practicable out of the bounds of society, and without compact, only by putting a value on gold and silver, and tacitly agreeing in the use of money.“ 15  Ähnlich bereits RGSt 16, 1 (4). 16  Dies ist immer dann der Fall, wenn der Erhalt des Wertträgers nicht allein mit den seinen Wert konstituierenden Gesichtspunkten zu rechtfertigen ist; vgl. zur Irrelevanz des „Affektionswertes“ auch RGSt 16, 1 (10). 17  Was nicht bedeutet, dass die Sachzuordnung oder der Gewahrsam nicht schützenswert wären. Ausgesagt wird damit nur, dass dieser Schutz nicht erforderlich ist, um die grundlegende Partizipation der Person am Freiheitsraum zu gewährleisten. So vermag auch das Beispiel eines für die Arbeit erforderlichen Computers, der gegen die Hinterlassung seines Gegenstandswertes in Bargeld am Tatort „entwendet“ wird, zu verdeutlichen, dass Vermögenswerte durch den bloßen Gewahrsamsbruch vermindert werden können, wenn ihnen – wie hier – ein weitergehender Einfluss auf das Vermögen anhaftet, nämlich eine u. U. durch die Entwendung entstehende Vermögenseinbuße aufgrund Arbeitsausfalls. 18  Vgl. auch den Ansatz von Kindhäuser, in: NK – StGB, § 263, Rdnr. 15, der auf die „im Vermögen verdinglichte Chance, sich nach eigener Willkür frei zu entfalten“ rekurriert. 19  Vgl. zur Subsidiarität der staatlichen Intervention schon grundsätzlich den jungen von Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen, S. 39. 20  Vgl. auch Herb, in: ders./Brandt, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 39: Sicherung der Wechselseitigkeit der Verpflichtungen. Siehe ferner Dannenberg, Liberalismus und Strafrecht, S. 11 ff., der die liberalistische Ausrichtung des Strafrechts bereits in Art. 8 der französischen Erklärung der Menschenrechte von 1789 verortet. 21  Das Reichsgericht (RGSt 16, 1 [3]) hatte die Gesamtwertthese noch daraus abgeleitet, dass man sich andernfalls eine Schädigung durch die Aufnahme von Ver-

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B. Vermögenswertschutz in der bürgerlichen Strafrechtsordnung

kann dies, wie im deutschen Strafrecht u. a. vermittels § 263 StGB, dergestalt tun, dass sie das Vermögen vor Selbstschädigungen schützt – mithin vor Wertentäußerungen, die keine vollkommene Freiheitsbetätigung bedeuten. Während allerdings der Bestand des Partizipationspotenzials notwendige Bedingung aller bürgerlichen Existenz ist, erweist sich die eigenverantwortliche Verfügung über das Potenzial freilich als folgerichtiges Komplement, das die Vollkommenheit der Bewegung im Freiheitsraum wahrt.22 Dementsprechend wird jener nicht nach § 263 StGB bestraft, der zwar durch Täuschung einen Irrtum hervorruft, aber dennoch keinen Vermögensschaden verursacht. Erst die unfreiwillige Verminderung des Vermögenswerts berührt insoweit die Grundfesten bürgerlichen Seins und verdient aufgrund der Verbindung von Freiheits- und Partizipationsbeeinträchtigung die strafrechtliche Sanktion.23 Der grundsätzliche Schutz vor betrügerischem Vermögenswertverlust ist mithin unmittelbare und zugleich notwendige Folge jeder bürgerlich-freiheitlichen Rechtsordnung. Dass die bürgerliche (Straf-)Rechtsordnung auf den Vermögenswertschutz geradezu verpflichtet wird, stellt gewisse Anforderungen an die Ausgestaltung des strafrechtlichen Tatbestandes und an die spätere Auslegung. Im Rahmen dieser Untersuchung relevant ist insbesondere der Umstand, wonach die Verpflichtung auf gleiche Rahmenbedingungen der Entäußerung einen objektiven Maßstab erfordert, anhand dessen abgemessen werden kann, ob eine Beeinträchtigung des soeben skizzierten Potenzials (des Vermögenswerts) zu verzeichnen ist. Die Schadensbemessung in einer freiheitlich-bürgerlichen Grundordnung ist als Ermittlung des verminderten Partizipationsvermögens folglich auf die Objektivierung24 dessen angewiesen, was aus der Perspektive des Einzelnen zunächst nur ein subjektiver Wert, mithin ein Affekt ist. Heutzutage treten Personen freilich abseits der sommerlichen Lichtungen amikalen Tauschhandels zusammen. Vielmehr veräußern sie ihre Vermögenswerte im Rahmen von Märkten oder jedenfalls innerhalb festgelegter Rahmenbedingungen, sodass tagtäglich der Prozess der Verobbindlichkeiten nicht vorstellen könne. Überzeugend ist eine derartige rechtspolitische Argumentation freilich nicht, soweit sie eine Begründung dafür schuldig bleibt, warum die Aufnahme von Verbindlichkeiten den Vermögensschaden herbeiführen müsse. 22  Deshalb überzeugt es nicht, wenn man nicht den Vermögenswertschutz, sondern den zweckgerichteten Einsatz des Vermögens in den Vordergrund stellt; vgl. hierzu etwa Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 79. 23  Wenn hiergegen einzuwenden erwogen wird, dass der Gesetzgeber ebenfalls allein Täuschung und Irrtum zu sanktionieren frei ist, so wird dagegen (grundsätzlich) kein Widerspruch erhoben. Indes steht dann auch nicht das Vermögen im Fokus der Betrachtung, sondern eben ein anderes Rechtsgut. 24  Auf die Erforderlichkeit der Objektivierung (hier: von Nutzungschancen) weist etwa auch Achenbach, in: Festschr. f. Roxin, 2011, S. 1005 (1014) hin.



B. Vermögenswertschutz in der bürgerlichen Strafrechtsordnung37

jektivierung von Vermögenswerten in großem Ausmaß stattfindet.25 Was läge also näher, als diese Märkte in ihrer Eigenschaft als Entäußerungsanstalten in den Blick zu nehmen und sie darauf abzuklopfen, ob sie dem um die Berechnung des Betrugsschadens bemühten Strafrechtler einen Fingerzeig vermitteln? Ferner ist das Vermögen nach hiesiger Lesart stets auf seinen potenziellen Einsatz am Markt oder im Rahmen anderweitiger Entäußerungsprozesse ausgerichtet26 – es ist also in erster Linie in wirtschaftlichen Begrifflichkeiten zu denken, nicht etwa nur als Freiheitssubstitut. Dieser Umstand leitet sich unmittelbar aus dem skizzierten Verständnis des Vermögens als Grundbedingung und Grundmittel bürgerlich-freiheitlicher Partizipation ab. Daher ist es nur folgerichtig, auch den Maßstab der Vermögenswertmessung aus dieser Funktion des Vermögens als Partizipationspotenzial zu gewinnen. Inwieweit das derzeitig praktizierte Vermögens- und Schadenskonzept diesem Verständnis korrespondiert, legt im Folgenden eine Betrachtung der strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung offen.

25  Auf die Unabhängigkeit des Marktpreises von individuellen Wertschätzungen als Fundament der Wertermittlung weist etwa auch Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 126 hin. 26  Anders etwa Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 6.

C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung I. Das wirtschaftliche Fundament des Vermögensbegriffs und Vermögensschadens 1. Grundlagen Vermögensbegriff und Vermögensschaden bedingen einander.1 Sie gingen spätestens unter dem preußischen StGB von 1851 eine den Betrugstatbestand prägende Bindung ein.2 Die Erkenntnis über diesen Zusammenhang führt heutzutage3 eine auf die Schadensberechnung gemünzte Schrift weiter, wenn sie sich Klarheit über die das Vermögen beschreibende Terminologie verschafft: Es herrscht weitgehend4 die Überzeugung, dass der Ver1  Vgl.

hierzu bereits die Einleitung sub A. Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 38, 42 ff. und 64 ff. Der Bezug der Schadensberechnung auf den Vermögensbegriff darf heutzutage durchaus zur Grundeinrichtung des Kommentarstandes gerechnet werden, vgl. etwa Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnrn. 336, 490 et passim; Kindhäuser, in: NK – StGB, § 263, Rdnr. 248; Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 158. Zur historischen (zunächst mangelnden) Bedeutung des Vermögensschadens vgl. Buschmann, Entwicklung des strafrechtlichen Betrugsbegriffs, S. 5 ff., insb. S.  12 f. 3  Ursprünglich führte sie bekanntlich zu der Opposition von Additions- und Wertsummenbegriffen, die das tatbestandliche Angriffsobjekt entweder aus der Summe der Vermögensgegenstände oder aus jener der Vermögenswerte rekrutierten, vgl. wiederum Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 38 f. (Bezeichnend ist es übrigens, dass sich schon Cramer der Begriffe „Inventarisierung“ und „Bilanzierung“ bediente, um diesen historischen Kontrapunkt zu veranschaulichen.) Mayer, Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen, S. 164 will die Gesamtwertthese beim Betrug bspw. nicht gelten lassen. 4  Freilich darf nicht übersehen werden, dass im Schrifttum auch Auffassungen anzutreffen sind, die als personale Vermögenslehren die Abhängigkeit des Vermögens von einem Element personaler Zwecksetzung herausstellen (vgl. etwa Kindhäuser, in: Festschr. f. Lüderssen, 2002, S. 635 [646 ff.] und die umfassende Darstellung bei Tiedemann, in: LK – StGB, Vor § 263, Rdnrn. 26 ff., insb. 30). Gegen diese Auslegung des Vermögensbegriffs – die letztlich auf ein strafrechtliches Protektorat der Dispositionsfreiheit hinausläuft, welche schon angesichts der gesellschaftlichen Relevanz einer Vermögenswertsumme sub specie § 263 StGB nur von untergeordneter Bedeutung ist – wird mittlerweile an zahlreichen Stellen Einwand erhoben. Daher mag etwa der Verweis auf Lampe, in: Festschr. f. Otto, 2007, S. 623 ff. und auf 2  Ausführlich



I. Das wirtschaftliche Fundament des Vermögensbegriffs39

mögensbegriff jedenfalls auf einem wirtschaftlichen Fundament ruhe und ferner allein die Vermögenswertsumme als Schutzgut des § 263 StGB anzusehen sei.5 Stand der Technik ist, dass der wirtschaftlich fundierte Vermögensbegriff die Summe der geldwerten Güter einer Person umfasst und deshalb der Vermögensschaden in einer Minderung eben jenes Gesamtvermögenswertes zu suchen ist.6 Der Vergleich zweier Vermögensmassen weist den Vermögensschaden erst bei Feststellung einer wirtschaftlichen Gesamtwertminderung aus.7 Diese Grundlagen entsprechen weitgehend den soeben skizzierten Voraussetzungen des Vermögenswertschutzes.8 Mithin erscheint es wenig aussichtsreich, den vom wirtschaftlichen Fundament gänzlich abweichenden Vermögensbegriffen erneut einen Fingerzeig auf die Methode der Schadensberechnung abzugewinnen.9 Dies liegt weiterhin darin begründet, dass außerhalb eines wirtschaftlichen Vermögensverständnisses insbesondere die verfassungsgerichtlich introduzierte Schadensbezifferung im Tatbestande überflüssig erschiene: Soweit man es für den Schadenseintritt als relevant erachtet, dass der Vermögensträger subjektive Rechte einbüßt oder sein Vermögen nicht der eigenen Dispositionsbefugnis gemäß gebrauchen kann, muss man den Umfang der Einbuße jedenfalls zur Prüfung des objektiven Tatbestandes nicht gesondert berechnen, weil sie sich allein aus rechtlichen Kriterien ergibt. Folglich ist das wirtschaftliche die ausführliche Kommentierung Tiedemanns (in: LK – StGB, Vor § 263, Rdnrn. 30 ff. m. zahlr. Nachweisen) ausreichen. Vgl. zur Wahl des passenden Ausgangspunktes auch Hefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (297), der freilich von einem abweichenden Vermögensbegriff ausgeht, vgl. auch hier unter D.III.2.a). Zum „neuformulierten juristischen Vermögensbegriff“ vgl. die – unabhängig vom eigenen Standpunkt – erhellenden Ausführungen von Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 259 ff. und zu den Auswirkungen der Personalisierung des Vermögensbegriffes auf den Untreuetatbestand Saliger, HRRS 2006, 10 (13 f.). 5  Vgl. zum wirtschaftlichen Fundament der dominierenden Auffassungen Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 118 ff., zur Gesamtwertminderung Rdnrn. 155 ff.; aus der Rechtsprechung etwa BGH, NStZ-RR 2013, 80 (Ls.); NJW 1998, 1568 (1576); LG Frankfurt, NStZ-RR 2003, 140; KG, NJW 2001, 86; ferner Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 374, der aber freilich auch die individuelle Brauchbarkeit des Gegenstandes einrechnet. 6  Vgl. Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn 155 ff.; Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 159; aus der Rechtsprechung RGSt 16, 1 (3) und BGH, NStZ 2012, 629. 7  BGHSt 53, 199 (201); BGH, Beschl. v. 29.  Januar 2013  – 2 StR 422/12  –, juris, Rdnr. 15 = wistra 2013, 268 ff.; NStZ 2012, 629; BGH, Beschl. v. 06. März 2012  – 4 StR 669/11  –, juris, Rdnr.  7 = wistra 2012, 267 ff.; NJW 2011, 2675. 8  Vgl. oben B. 9  Umfangreiche Erwägungen stellt insoweit schon Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 64 ff. et passim an. Entsprechende Übersichten zu den Vermögensbegriffen finden sich etwa bei Klein, Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S.  54 ff.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Fundament des Vermögensbegriffes maßgebend für ein jegliches Bezifferbarkeitserfordernis, sofern dieses Auswirkungen auch im objektiven Tatbestand zeitigen soll. Die Details der Auseinandersetzung um den Begriff des Vermögens müssen schließlich auch deswegen nicht erneut ausgebreitet werden, weil sich der Schadensbegriff trotz seiner gleichsam ödipalen Bindung an die Vermögensvokabel schon zu Zeiten des Reichsgerichts gelegentlich verselbstständigte und auf eigenem Terrain zu dogmatischen Auseinandersetzungen einlud.10 Mit diesem historischen Befund kommt eine Abhandlung zur Schadensberechnung nach bilanziellen Grundsätzen auch ohne die erneute Anleihe bei den Grundlagen der Vermögensbegriffsdiskussion aus, wenn sie sich frühzeitig auf das wirtschaftliche – hier: aus dem partizipatorischen Blickwinkel gewonnene11 – Vermögensverständnis einlässt. 2. Normative Korrekturen des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs Gleichwohl stellt sich auch unter dem wirtschaftlichen Blickwinkel12 üblicherweise die Frage nach normativen Korrekturen,13 weil – so sagt man – von der Rechtsordnung missbilligte Wertpositionen nicht in den Genuss des Vermögensschutzes sub specie § 263 StGB kommen sollen.14 Wer also beispielsweise über „Vermögen“ zu rechtlich missbilligten Zwecken verfüge, der erleide insoweit auch keinen Vermögensnachteil. Ein klassisches Exempel, an dem sich freilich sogleich Streit um den Einfluss der übrigen Rechtsordnung auf die Auslegung des Betrugstatbestandes entzündet, ist die Entrichtung des Lohnes an einen unmotivierten Auftragsmörder15 oder – jedenfalls aus der älteren Rechtsprechung – die irrtümliche (An) Zahlung eines Geldbetrags für Leistungen aus dem Bereich der Prostitu­ tion.16 Spiegelbildlich kann auch die eigene Arbeitskraft zu verbotenen oder 10  Hier kann erneut auf die grundlegenden Untersuchungen Cramers, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 42 ff. verwiesen werden. 11  Vgl. oben B. 12  Dieser Blickwinkel bildet freilich die Grundlage des sog. „juristisch-ökonomischen“ Vermögensbegriffs, vgl. Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 119 f.; Kindhäuser, in: NK – StGB, § 263, Rdnr. 30. 13  Vgl. dazu bereits BGHSt 2, 364 (365 ff.). 14  BGH, NStZ 1987, 407; BGH, Beschl. v. 20. Dezember 1988 – 1 StR 654/88 –, juris, Rdnr. 1; zusammenfassend etwa Lackner/Kühl, StGB, § 263, Rdnr. 35 und ausführlich Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rdnrn.  82 ff. 15  Vgl. dazu Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 142 ff. 16  Vgl. etwa BGHSt 4, 373; NStZ 1987, 407; BGH, Beschl. v. 20. Dezember 1988  – 1 StR 654/88  –, juris, Rdnr.  1 = wistra 1989, 142 (Kurzwiedergabe); OLG Köln, MDR 1972, 884 f.; zu den fernmündlichen Ausübungsarten dieser Profession vgl. OLG Hamm, NJW 1989, 2551; Krauss, NJW 1996, 2850 ff. Neuerdings wird



I. Das wirtschaftliche Fundament des Vermögensbegriffs41

missbilligten Zwecken eingesetzt werden.17 In diesen Fällen macht ihr der sog. juristisch-ökonomische Vermögensbegriff mitunter den Vermögenscharakter streitig.18 Nicht unter normative Aufsicht gestellt werden nach h. M. jedoch wirtschaftlich nutzbare Positionen, die unrechtmäßig erlangt wurden; etwa der rechtswidrig erlangte Besitz.19 Es scheint, als ziehe man die Trennlinie danach, ob der Verfügende einen handfesten Vermögenswert („gutes Geld“) aus der Hand gebe, oder ob er lediglich einen nichtigen, aber möglicherweise wirtschaftlich einzutreibenden Anspruch „verliere“ bzw. seine Arbeitskraft zu illegalen Zwecken einsetze.20 Man muss diese bereits detailreich geführte Debatte nicht unbedingt vertiefen, um die Auswirkungen der jüngsten verfassungsgerichtlichen Judikatur auf die Zulässigkeit normativer Überlagerungen des wirtschaftlichen Blickwinkels und damit auch die Grenzen bilanzieller Schadensrechnungen abzumessen. Das BVerfG hat jedenfalls festgestellt, dass normative Gesichtspunkte den Blick auf wirtschaftliche Überlegungen nicht verstellen dürfen, und deshalb ist es im Zuge der Schadensberechnung immer „erforderlich, zu prüfen, ob das verbotene Geschäft – wirtschaftlich betrachtet – nachteilhaft war.“21 Es kommt also nicht in Frage, einer rein wirtschaftlich werthaltigen Position a limine die Schutzwürdigkeit abzusprechen. Freilich bedarf es keiner Augurenlizenz, um zu erkennen, dass sich die skizzierte Sachfrage alsbald in der Auseinandersetzung um die rechte „wirtschaftliche“ Bewertung des avisierten missbilligten Geschäfts niederschlagen wird.22 jedoch in Abkehr von älteren Judikaten die Möglichkeit der Erbringung entsprechender Dienstleistungen für geldwert befunden, vgl. LG Bad Kreuznach, Urt. v. 04. Dezember 2012–1025 Js 18093/10 Ns  –, juris, Rdnr.  131. Zu dem Einfluss des ProstG auf den betrugsstrafrechtlichen Vermögensschutz vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 263, Rdnr. 35; Ziethen, NStZ 2003, 184 (187 ff.). 17  Vgl. ausführlich Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 130 ff. 18  Vgl. Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 132; zu § 253 StGB vgl. BGH, NStZ-RR 2009, 106 (107). 19  Vgl. BGH, NStZ 2008, 627. 20  Vgl. die ausführliche Darlegung in Fallgruppen bei Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 130 ff. 21  BVerfGE 126, 170 (212). Zutreffend hat das OLG Köln daher jüngst einer Argumentation die Absage erteilt, wonach sogar bereits eine allein satzungswidrige Gewährung von Vergütungen zum Vermögensschaden sub specie § 266 StGB führe. In diesem Fall lagen entsprechende tatsächliche und geldwerte Leistungen des Vergütungsempfängers vor, die bei wirtschaftlicher Betrachtung als Kompensationen in Betracht zu ziehen waren (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 06. Mai 2013 – 2 Ws 254/13 –, juris, Rdnr. 16). 22  Vgl. auch die – letztlich auf den gleichen Mechanismus zielende – Aussage bei Fischer, ZStW 123 (2011), 816 (823), wonach sich auch die Diskussion um die Verfassungswidrigkeit des § 266 StGB seit der Entscheidung des BVerfG(E 126, 170 ff.) in der Erörterung von „Verschleifungen“ wiederfinde.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Denn die Rechtsprechung hatte schon vor Juni 2010 argumentiert, dass insbesondere der Vornahme von Handlungen zu rechtlich missbilligten Zwecken kein Vermögenswert innewohne.23 Daher bedarf es eines besonderen Augenmerks, wenn vormals im Wege des Normativism ausgesonderte Vermögensbestandteile neuerdings unter dem wirtschaftlichen Blickwinkel des BVerfG bewertet werden. Der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff darf jedoch in der wirtschaftlichen Bewertung eines Vermögensgegenstandes insofern nicht aufleben, als er die rein rechtliche Einordnung eines Geschäfts oder eines anderweitigen Transaktionsvorganges nur in wirtschaftliche Kleider hüllt. 3. Ein „Flüsterkneipen-Argument“ Wer das Vermögen als Potenzial zu gesellschaftlicher Partizipation kraft wirtschaftlicher Verwertung begreift,24 mag gleichwohl seine Zustimmung sogar zu den strengen normativen Einschlägen auf das wirtschaftliche Fundament des Vermögensbegriffs signalisieren, denn es erscheint auf den ersten Blick kaum denkbar, etwa mit der h. M. den irrtümlich hingegebenen Lohn des Auftragsmörders noch als schützenswerten Vermögensbestandteil anzusehen, wenn dieser gerade nicht dem Ideal gesellschaftlicher Partizipation, sondern vielmehr gesellschaftlich destruktiven Unternehmungen anheimgestellt wird. Ebenso müsste man für Vermögensgegenstände entscheiden, deren Provenienz zweifelhafter Natur ist. Dies überzeugt letztlich aber nicht, denn die Frage der Abgrenzung von gesellschaftlicher Partizipation und gesellschaftswidriger Geschäftstüchtigkeit ist vor allem aus dem Blickwinkel des Strafrechts zu betrachten: Der Betrugstatbestand, der allein dem Vermögensschutz gerade deshalb dient, weil das Vermögen einen Grundpfeiler des gesellschaftlichen Lebens darstellt, sollte nicht zur Protektion von Belangen auf Posten gestellt werden, die ihn im Grunde nicht betreffen. So ist kein Grund ersichtlich, illegal oder sittenwidrig erworbene Vermögenswerte vom Schutzumfang des § 263 StGB auszunehmen, soweit sie dem Vermögen des Betrogenen wirtschaftlich zuzurechnen sind.25 Allein der Befund, dass ein Gegenstand wirtschaftlicher Zurechnung unterliegt, rechtfertigt seinen strafrechtlichen Schutz im Vermögensverbund. Denn die freie Vermögenswertentäußerung erscheint als Grundmechanismus der bürgerlichen Sozietät so bedeutsam, dass man sie auch in den klandestinen 23  Vgl. BGH, NStZ-RR 2009, 106 (107); vgl. ferner Böse, JURA 2011, 617 (623). 24  So die hiesige Position, vgl. oben B. m. Nachw. zu verwandten Auffassungen. 25  Weitere Kritik etwa bei Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnrn. 353 ff.



II. Das Bezifferbarkeitserfordernis43

Spelunken unserer Vermögensordnung in Schutz nehmen muss.26 Deshalb ist es bei genauerem Hinsehen überzeugend, wenn das BVerfG normativen Überlagerungen des wirtschaftlichen Fundamentes der Schadensberechnung eine Absage erteilt und die Frage stellt, ob das erstrebte Geschäft nachteilig war, weil sein Abschluss oder seine Durchführung das Vermögen des präsumtiv Geschädigten verminderte. Der hinter dem normativen Einschlag auf wirtschaftliche Sichtweisen stehende Topos von der Einheit der Rechtsordnung vermag also den Inhalt des Schadensmerkmals insoweit nicht überzeugend zu konturieren, sodass man nicht umhin kommen wird, der Bedeutung rechtlicher Missbilligungen – mit allen prozessualen Konsequenzen – allein auf wirtschaftlichem Terrain nachzuspüren. 4. Fazit Zusammenfassend beschreibt das Vermögen folglich im weitesten Sinne einen Inbegriff von Werten, der allein auf wirtschaftlicher Grundlage zu konturieren und zu bewerten ist, ohne dass etwa der Einsatz des Vermögens zu missbilligten Zwecken an dessen Schutzwürdigkeit etwas änderte. Die Schadensbilanz verliert mithin nicht von vornherein dadurch an Boden, dass ihrem Blickfeld gewisse „missbilligte“ Positionen entzogen würden, sondern sie erstreckt sich auf alle wirtschaftlich nutzbaren Vermögensgegenstände.

II. Das Bezifferbarkeitserfordernis Mit diesen Grundlegungen ausgestattet, richtet sich der Blick auf das erste zentrale Thema dieser Schrift. Nach der Auffassung des BVerfG soll der Vermögensschaden bei Betrug und Untreue auf eine rechtsstaatlich angemessene Weise auch mit Gefährdungslagen begründet werden können, wenn man den eingetretenen Schaden nur beziffere.27 Deshalb ließe sich das Bezifferbarkeitserfordernis prima facie in die Gefährdungsschadensdogmatik einordnen. Allerdings erteilt das BVerfG Dispens von der Bezifferung, 26  Dies scheint den Unterschied zur Kritik an der bekannten Entscheidung RGSt 44, 230 ff. auszumachen: Während man bereits früh bemängelte, dass man damit etwa „Schwarzmärkten“ den Schutz der Rechtsordnung sichere (vgl. etwa Bockelmann, JZ 1952, 461 m. w. N.), schützt ein rein wirtschaftliches Verständnis des § 263 StGB richtigerweise die freie Vermögenswertentäußerung, bei der es nicht darauf ankommt, in welchem Rahmen sie sich aktualisiert, weil sie wertneutral ist; ähnlich zunächst wohl Swoboda, NStZ 2005, 476 (480), deren Rechtsprechungsanalyse zu Betrug und Erpressung bei Betäubungsmittelgeschäften letztlich aber das Merkmal der Absicht rechtswidriger Bereicherung in den Blick nimmt und die Auswirkungen der unterschiedlichen Vermögensbegriffe auf die subjektive Tatseite auszutarieren sucht. 27  Auf die möglichen Ausnahmen wurde bereits oben A.IV. hingewiesen.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

soweit „einfach gelagerte“ Fallgestaltungen in Rede stehen. Die Literatur hat diese Vorgaben weitgehend aufgegriffen, sodass man die Bezifferung bei nicht „einfach gelagerten“ Gefährdungsschäden derzeit wohl mit dem Prädikat der h. M. versehen darf.28 Weil eine Schadensbilanz vor allem die Bezifferung des Schadens leisten soll, ist zunächst zu erörtern, welchen Umfang das Bezifferbarkeitserfordernis einnimmt. 1. Das Bezifferbarkeitserfordernis als Korrektiv der Vermögensgefährdung Allen weiteren Überlegungen vorauszusenden ist die Erinnerung daran, dass die Bezifferung des Vermögensschadens den verfassungsgerichtlichen Reflektionen zu Art. 103 Abs. 2 GG und einer konkretisierenden Auslegung des Schadensmerkmals in Bezug auf die Vermögensgefährdung entspringt.29 Mithin steht die Frage im Raum, ob die Bezifferung des Schadens aus dem neonatologischen Blickwinkel nicht einfach jenes Vehikel sein könnte, das die bisherige Dogmatik des Gefährdungsschadens auf ein rechtsstaatlich akzeptables Fundament stellte – und mehr nicht.30 a) Die Einheitlichkeit der Schadensfeststellung Indes: Die Frage nach der Beschränkung der Bezifferung auf den Gefährdungsschaden stellen heißt letztlich, sie verneinen. Obschon der erste Anschein dafür spricht, die Bezifferung auf schadensbegründende Gefährdungslagen zu begrenzen, weisen die überzeugenderen Argumente einen anderen Weg. Denn in der Grundlinie kann die Feststellung des Vermögensschadens 28  Zustimmung etwa bei Krause, wistra 2012, 331; Kraatz, JR 2011, 434 (439); Kuhlen, JR 2011, 246 (253); Rübenstahl, HRRS 2012, 501 (504); Saliger, NJW 2010, 3195 (3197); vgl. ferner die zahlr. Nachw. bei Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 96. 29  Vgl. BVerfGE 126, 170 (211 ff.). 30  So ließen sich gewisse Stellungnahmen aus der neueren Rspr. und Literatur deuten, die Bezifferungen zunächst im Verbund mit dem Gefährdungsschaden nennen, vgl. etwa BGH, NJW 2013, 1750 (1751); BGH, ZWH 2013, 72; auch die Ausführungen bspw. von Schlösser, NStZ 2012, 473 (476 f.); Beckemper, ZJS 2011, 88 (92); Reschke, DZWIR 2012, 132; Steinsiek/Vollmer, ZIS 2012, 586 (589) ließen sich so verstehen. Als aufschlussreich erweist sich auch das Studium von Beschlüssen zu Wiederaufnahmeanträgen, die sich auf § 79 Abs. 1 BVerfGG stützen, indem sie eine verfassungswidrige Überdehnung des Nachteils- resp. Schadensmerkmals geltend machen. So hat das Kammergericht die Bezifferung in Konkretisierung des für eine zulässige Wiederaufnahme erforderlichen Vortrags als eine durch das BVerfG vorgesehene Restriktion des Gefährdungsschadens angesehen (vgl. KG, NJW 2012, 2985).



II. Das Bezifferbarkeitserfordernis45

keiner geteilten Berechnungsmethode zugänglich sein. Fordert man eine Bezifferung des Gefährdungsschadens, so gilt dies freilich auch für alle anderen Fälle betrügerischer Vermögensschädigung. Denn wenn es sich bei dem Gefährdungsschaden tatsächlich um einen „endgültigen Vermögensverlust“31 handeln soll, dann ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund dieser auf andere Weise ermittelt werden dürfte, als der „genuine“ Schaden.32 Weder der Hinweis auf den „quantitativen Unterschied“33 zum „Endschaden“34 noch die vielgestaltigen Vorschläge zur fallgruppenbezogenen Begründung des Betrugsschadens könnten darüber hinweghelfen, dass es sich dabei unter wirtschaftlichen Vorzeichen ohne entsprechendes Nachrechnen womöglich allein um Behauptungen handelt, die des wirtschaftlichen Fundaments entbehren.35 Die Restriktion der Bezifferung auf Vermögensgefährdungen suggeriert darüber hinaus, dass alle weiteren Fallgruppen des Betrugsschadens über jeden Zweifel erhaben seien, und diese Apperzeption verdient – dies wird zu zeigen sein – keine Gefolgschaft. Es sprechen folglich auf der Ebene des einfachen Rechts keine überzeugenden Gründe gegen die Hypothese, dass die Schadensbezifferung einen weiten Anwendungsbereich einnehmen könnte.36 31  Zum „endgültigen Vermögensverlust“ bei Gefährdungsschäden etwa durch die Führung „schwarzer Kassen“ vgl. schon BGHSt 52, 323 (338); vgl. ferner Velten, in: Festschrift f. Schünemann, 2014, S. 715. 32  In dieser Richtung auch Kindhäuser, in: NK – StGB, § 263, Rdnr. 303. Das darf freilich nicht zur Konsequenz haben, alle behaupteten Schädigungen künftig nur günstig deklarieren zu können, vgl. den Hinweis bei Saliger, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 455 (473 f.). 33  So etwa BGHSt 53, 199 (202); BGH, wistra 1991, 307 f.; Klein, Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 66. Interessant ist ferner die Beschreibung der Vermögensgefährdung als „Kontinuum“ (vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 258), die – auf andere Erfolgsdelikte angewandt – etwa die unmittelbar auf das Gesicht zufliegende Faust des Angreifers zur Körperverletzung werden lassen könnte, obwohl sie eher klassisches Versuchsunrecht zu beschreiben scheint. 34  Vokabel von Nack, StraFo 2008, 277 (278); eine konzise Übersicht zu möglichen Verschleifungskonstellationen findet sich bei Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S.  74 ff. 35  Deshalb erscheint es unzutreffend, wenn behauptet wird, die Anerkennung der schadensgleichen Vermögensgefahr liege „in der Konsequenz der Entscheidung für eine wirtschaftliche Betrachtung des Vermögens- und Schadensbegriffs“ (Saliger, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 455 [470 m. w. N.] – Hervorhebung im Original; ebenso bspw. Klein, Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 63 „… kann im Grunde nicht bezweifelt werden …“). Das Gegenteil ist der Fall: „Wirtschaftlich“ wird die Perspektive, wenn man den Beleg des „Endschadens“ – etwa nach Marktkriterien – verlangt. Ansonsten müsste offengelegt werden, dass man unter „wirtschaftlich“ insoweit allein „spekulativ“ versteht. 36  Auch beachtliche Stellungnahmen aus der Strafverfolgungspraxis konzedieren der Bezifferung durchaus einen weiteren Anwendungsbereich, vgl. dazu Bittmann, wistra 2013, 1 (4). Dass man das Erfordernis einer Schadensbezifferung bereits als

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Auch in der Praxis scheint man bei Sachverhalten, die gemeinhin nicht in die Kategorie der Vermögensgefährdung eingeordnet werden, der Bezifferung des Vermögensschadens zuweilen einen konkreten Anwendungsbereich einzuräumen. So trug etwa nach einer Schilderung des OLG Köln in einem (§ 266 StGB betreffenden) angeblichen Fall des effektiven Schadens­ eintritts durch unkompensierte Leistung von Vergütungszahlungen die zuständige Generalstaatsanwaltschaft vor, „… zur Ermittlung der konkreten Schadenshöhe seien – in der Hauptverhandlung ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu treffende – Feststellungen dazu erforderlich, ob die vom Angeschuldigten geleistete Arbeitstätigkeit die pflichtwidrig gezahlten monatlichen Beträge […] wert gewesen [seien]“.37 Das OLG ist dieser Frage lediglich deswegen nicht weiter nachgegangen, weil nach seiner Auffassung im Zwischenverfahren nach dem Ermittlungsstand keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Auseinanderfallen von Vergütung und Kompensation bestand, sodass die unterbliebene weitere Aufklärung – ergänze: zum Vermögensschaden – die Eröffnung des Hauptverfahrens hinderte.38 Ferner hat das LG Arnsberg in einem obiter dictum jüngst herausgestellt, dass der Vermögensschaden (hier: wiederum in Bezug auf § 266 StGB) der Höhe nach zu beziffern sei, wobei dies „auch“ für Fälle des Gefährdungsschadens gelte.39 Die Bezifferung rechnet in diesem Judikat folglich bereits zur Grundeinrichtung der Schadensermittlung und gilt nicht allein als spezifisches Korrektiv von Gefährdungsmomenten. b) Das Verschleifungsverbot Den Weg zu einem weitläufigen Anwendungsbereich der Schadensbezifferung weist also der Umstand, dass sowohl Gefährdungs- als auch „Endschäden“ letztlich jeweils das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens ansprechen und daher methodisch regelmäßig in beiden Fallgruppen die gleichen Maßstäbe zur Schadensberechnung anzulegen sind. Anders läge es hingegen, wenn man in der Bezifferung des Gefährdungsschadens eine fallgruppenbezogene Restriktion des Nachteilsmerkmals erblickte, die mit verfassungsrechtlichen Erwägungen zu rechtfertigen wäre. Diese Überlegung „Selbstverständlichkeit“ ansehen könne (so aber ders., wistra 2013, 1 [3]), erscheint mir zwar eine begrüßenswerte Positionierung, aber angesichts der nach Juni 2010 publizierten vehementen Kritik noch keine Beschreibung des allgemeinen status quo. 37  OLG Köln, Beschl. v. 06.  Mai 2013  – III-2 Ws 254/13, 2 Ws 254/13  –, juris, Rdnr. 17. 38  OLG Köln, Beschl. v. 06.  Mai 2013  – III-2 Ws 254/13, 2 Ws 254/13  –, juris, Rdnr. 17. 39  LG Arnsberg, Beschl. v. 17.07.2013  – 6 KLs 1/13, BeckRS 2013, 15115.



II. Das Bezifferbarkeitserfordernis47

speist sich daraus, dass der 2. Senat des BVerfG auch eine „den möglichen Wortlaut ausschöpfende Auslegung“, die zuweilen über die Absichten des Gesetzgebers hinausreiche, über die Hürden des Bestimmtheitsgrundsatzes nach Art. 103 Abs. 2 GG hebt, „wenn und soweit eine restriktive, präzisierende Auslegung möglich ist“.40 An diese Feststellung knüpft der Senat die Verpflichtung der Strafgerichte zu präzisierender und methodengerechter Auslegung.41 Als Leitlinie der konkretisierenden Interpretationsbemühungen hat das BVerfG den gesetzgeberischen Willen angeführt, der das Nachteilsmerkmal als eigenständiges Tatbestandselement ausweise, das aus diesem Grund nicht mit anderen Elementen des Tatbestandes zu „verschleifen“ sei.42 Unter der Prämisse, dass Gefährdungslagen nur bei extensivem Wortlautverständnis noch unter den Erfolgsbegriff der Vermögensdelikte im engeren Sinn fallen, erscheint daher das Gebot der Bezifferung als Resultat einer entsprechend „präzisierenden“ Auslegung, die den Willen des historischen Gesetzgebers und den Normzweck auch bei der Annahme von Gefährdungsschäden wahrt. Somit ist es trotz der bereits angemeldeten Zweifel lohnenswert, dem Gedanken einer lediglich durch das Bezifferungsgebot vermittelten präzisierenden Auslegung des Vermögensschadens in Gefährdungslagen gewisse Aufmerksamkeit einzuräumen. Bekanntlich stützt sich der 2. Senat des BVerfG auf den Verschleifungstopos, um die anhand der Bezifferung vorzunehmende Separierung des Vermögensschadens von den Tatbestandsmerkmalen der Pflichtwidrigkeit (§ 266 StGB) bzw. der Vermögensverfügung (§ 263 StGB) zu begründen. In der grundlegenden Entscheidung aus Juni 2010 hat das BVerfG zunächst darauf hingewiesen, dass jedes Merkmal eines strafrechtlichen Tatbestandes das pönalisierte Verhalten nicht nur umschreibe, sondern zugleich eingrenze, und deshalb dürfe das entsprechende Merkmal im Einzelnen auch nicht so weit ausgelegt werden, dass es vollständig in anderen Tatbestandselementen aufgehe und dadurch zwangsläufig mit anderen Merkmalen mitverwirklicht werde.43 In einem jüngeren Beschluss zur Haushaltsuntreue nach § 266 StGB aus 40  Beide 41  Vgl.

Zitate: BVerfGE 126, 170 (197 m. w. N.). BVerfGE 126, 170 (197 ff.); vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2013, 1300

(1301). 42  Vgl. BVerfGE 126, 170 (211); nach Radtke/Hagemeier, in: BeckOK – GG, Art. 103, Vor Rdnr. 1 handelt es sich dabei um ein „Subverbot“ des Grundsatzes „nulla poena sine lege“; ausführlich zu der Gefahr einer Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen bereits Saliger, HRRS 2006, 10 (14). 43  BVerfGE 126, 170 (198 ff). Zugleich hat das BVerfG in diesem Judikat eine weitere Feststellung getroffen, die ebenfalls von Relevanz ist. Denn die Auslegung könne zudem ergeben, „… dass bei methodengerechter Auslegung ein Verhalten nicht strafbewehrt ist, obwohl es vom Wortlaut des Strafgesetzes erfasst sein könnte. Auch in einem solchen Fall darf ein nach dem Willen des Gesetzgebers strafloses Verhalten nicht durch eine Entscheidung der Gerichte strafbar werden […]. Vielmehr

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

November 2012 verwendete die 1. Kammer des 2. Senats des BVerfG sodann den Begriff des „Verschleifungsverbots“,44 sodass der auf die Umgrenzung von Tatbestandsmerkmalen gerichtete Separatismus mittlerweile auch Eingang in die begriffliche Institutionenbildung gefunden hat.45 Das Verschleifungsverbot findet derzeit in zahlreichen Arenen wirtschaftsstrafrechtlicher Auseinandersetzung Anklang.46 Der Begriffsinhalt dieses Verbots ist jedoch schon in früheren Judikaten skizziert worden. Die entsprechenden Leitlinien hatte das BVerfG – freilich nicht in der nunmehr vorzufindenden Deutlichkeit – etwa bei der Auslegung des Begriffs der „Menschenwürde verletzenden Darstellung“ in § 131 Abs. 1 StGB47 oder des Gewaltbegriffs in § 240 Abs. 1 StGB48 dahingehend entwickelt, dass ein Tatbestandsmerkmal durch Auslegung seine Eignung zur Abgrenzung strafbaren Verhaltens nicht verlieren dürfe.49 Die Einrichtung eines Verschleifungsverbotes weist vor dem Hintergrund, dass auch die mit § 240 bzw. § 131 StGB befassten Judikate die Beseitigung von Randunschärfen bewirkten, in der Tat in Richtung eines Korrektivs, das der herausgehobenen Bedeutung des Nachteils- oder Schadensmerkmals zur Geltung verhelfen soll, soweit Vermögensschäden mit Gefährdungslagen begründet werden. Im Anwendungsbereich des Untreuetatbestandes erlangt das Nachteilsmerkmal freilich auch deswegen besondere Relevanz, weil es die Trennlinie zwischen straflosem Versuch und strafbarer Vollendung markiert,50 sodass haben die Gerichte dies zu respektieren und erforderlichenfalls durch restriktive Auslegung eines weiter gefassten Wortlauts der Norm sicherzustellen […], im Ergebnis also freizusprechen.“ (BVerfG, 126, 170 [198]). Dieser Rekurs auf die historische und teleologische Auslegung wird im Folgenden noch aufgegriffen, vgl. unten C.III.2.a). 44  BVerfG, NJW 2013, 365 (367) – zur Haushaltsuntreue (§ 266 StGB); ebenso BGH, NStZ 2013, 715. 45  Spiegelbildlich setzt sich das Verschleifungsverbot auch im subjektiven Tatbestand fort. In der jüngeren Rechtsprechung des BGH findet sich etwa die Feststellung, dass „das vom Bundesverfassungsgericht statuierte Verschleifungs- oder Entgrenzungsverbot […] sich allerdings gleichermaßen auf die Prüfung der subjektiven Tatseite aus[wirkt]. Auch insoweit sind der Vorsatz zur Pflichtwidrigkeit einerseits und zur Nachteilszufügung andererseits unabhängig voneinander zu prüfen“ (BGH, NStZ 2013, 715). 46  So werden die Erkenntnisse des Judikats BVerfGE 126, 170 ff. mitunter auch für die Auslegung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO herangezogen, vgl. etwa Hüls, NZWiSt 2012, 12 ff.; Wittig, ZIS 2011, 660 ff.; ablehnend jedoch BGH, NJW 2013, 1750 ff. 47  Vgl. BVerfG, NStZ 1993, 75 f. = BVerfGE 87, 209 (229). 48  Vgl. BVerfG, NStZ 1995, 275 (276 ff.) = BVerfGE 92, 1 (16). 49  Diese Feststellung wird auch in den Besprechungen dieses Judikats geteilt, vgl. etwa Böse, JURA 2011, 617 (621). 50  Vgl. BVerfGE 126, 170 (205 f.); ferner dazu Saliger, ZStW 112 (2000), 563 (565 ff.); ders., HRRS 2006, 10 (12).



II. Das Bezifferbarkeitserfordernis49

die Konturierung des Vermögensschadens zugleich den Rahmen für die Strafbarkeit des Vermögensbetreuungspflichtigen absteckt. Hingegen pönalisiert § 263 Abs. 2 StGB weitergehend auch den Versuch des Betruges. Deshalb ist Klarheit in der Frage erforderlich, ob dieser Unterschied zwischen Betrug und Untreue Rückwirkungen auf die Anforderungen zeitigt, denen die Bestimmung des Vermögensschadens im jeweiligen Kontext unterworfen ist. Denn womöglich spielt das Verschleifungsverbot im Anwendungsbereich des Betrugstatbestandes nicht jene Rolle, die man ihm sub specie § 266 StGB zumisst. Fernliegend erscheint diese Überlegung jedenfalls nicht, denn das BVerfG verknüpft explizit das Vollendungsargument mit dem Erfordernis der Bezifferung des Vermögensschadens,51 sodass auch in diesem Unterschied zwischen Betrug und Untreue ein Indiz für den Bezug zwischen Bezifferung und Vermögensgefährdung zu erblicken sein könnte. Indes überzeugte eine derartige Differenzierung letztlich nicht, denn sie ließe den Umstand außer Acht, dass die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung im Bereich des Betrugstatbestandes mitunter darüber entscheidet, ob bspw. ein etwaiger Wertzufluss in das Vermögen des präsumtiv Geschädigten noch als Rücktritt oder bereits als Nachtatverhalten anzusehen ist.52 Ferner ist die genaue Bestimmung des Eintritts des Vermögensschadens über die fakultative Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 StGB für den Täter von Bedeutung.53 Folglich beeinflusst die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung unter Umständen auch im Fall des Betruges den Bereich straflosen Verhaltens oder jedenfalls die mögliche Strafhöhe, sodass die augenscheinliche Differenz zwischen beiden Tatbeständen in gewissem Maße wieder nivelliert wird. Mithin spricht die mangelnde Versuchsstrafbarkeit bei der Untreue nicht dafür, die Bezifferung des Vermögensschadens nur als Korrektiv der Vermögensgefährdung zu charakterisieren. Für diese Erkenntnis streitet auch ein weiterer Umstand: Der Kern des Verschleifungsverbotes liegt darin, inhaltliche Überlagerungen und Automatismen aus der materiellen Begründung für die Annahme eines erfüllten Tatbestandsmerkmales auszusondern. Allein mit einer Bezifferung ist das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens jedoch um keinen Zentimeter von den Inhalten anderer Tatbestandsmerkmale separiert: Ob die Feststellung ei51  Vgl.

BVerfGE 126, 170 (211). hat auch die generelle Anerkennung der Vermögensgefährdung als Schadensmoment nicht nur eine Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit zur Folge (vgl. dazu Saliger, HRRS 2006 10 [12]), sondern zeitigt darüber hinaus bedenkliche Verkürzungen der Rücktrittsmöglichkeit nach § 24 StGB; wie hier auch Steinsiek/Vollmer, ZIS 2012, 586 (588). 53  Auch der BGH (3. Strafsenat – NStZ 2013, 37 [38]) verweist darauf, dass im Kontext der Schadensfeststellung der Abgrenzung von Versuch und Vollendung besonderer Stellenwert zukomme. 52  Deshalb

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

nes Vermögensschadens eine Zahl trägt oder nicht, spielt zunächst unter Verschleifungsgesichtspunkten keine Rolle, weil damit freilich noch nicht gesagt ist, dass es sich bei dieser Zahl auch um jene Schadenssumme handelt, die im Einklang mit den anerkannten Voraussetzungen des Vermögensschadens ermittelt wurde; ebenso denkbar wäre, dass im Wege der Bezifferung auch nur jene Zahl abgebildet würde, die man der Vermögensverfügung (§ 263 StGB) bzw. der Pflichtwidrigkeit (§ 266 StGB) zuschriebe. Anders gewendet löst eine Interpretation der Schadensbezifferung als Produkt restriktiver Auslegung das Verschleifungsproblem in Gefährdungslagen nicht, weil offensichtlich erst die Rückbesinnung auf die generellen – und damit auch für „Endschäden“ geltenden – Voraussetzungen eines Vermögensschadens zur „Entschleifung“ führt. Folglich vermag eine Schadensbezifferung nicht aus dem Verbot der Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen gewonnen zu werden, wenn sie nicht aus der Interpretation des Vermögensschadensbegriffs selbst resultiert. Damit erweist sich die Bezifferung des Vermögensschadens jedenfalls bei der Darstellung von Gefährdungsschäden lediglich als Verfahren, in dessen Rahmen die genauere Prüfung und Darlegung der Schadensvoraussetzungen nach wirtschaftlichem Maß gesichert werden kann. Das Verschleifungsverbot zu bemühen, erscheint in der Zusammenschau mithin wenig aussichtsreich. Weder der Erhalt eigener tatbestandlicher Funktion des Nachteilsmerkmals noch die mangelnde Versuchsstrafbarkeit bei der Untreue stützen die Hypothese, die Schadensbezifferung sei lediglich ein Korrektiv des Gefährdungsschadens. Deshalb kann ein Verschleifungsverbot, das in der Sorge um den tatbestandlichen Inhaltsverlust aufgestellt wird, allein jedenfalls kein tauglicher Ansatzpunkt für die Begründung des Bezifferbarkeitserfordernisses sein. c) Fazit: Ablehnung der Bezifferung als Korrektiv der Vermögensgefährdung In der Konturierung durch das BVerfG fordert das Verbot der Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen, dass der Erfüllung jedes einzelnen Tatbestandsmerkmales eines Straftatbestandes eigenständige Feststellungen zugrunde liegen, die einen autonomen Begriffsinhalt repräsentieren. Indes vermag dieses Verbot ein Bezifferbarkeitserfordernis jedenfalls nicht selbstständig grundzulegen, weil mit einer Bezifferung noch keinerlei „Entschleifungseffekt“ verbunden ist – grundsätzlich kann man freilich alles beziffern, was man auf beliebigem Wege ermittelt zu haben glaubt. Da das Gebot der Schadensbezifferung folglich kein Destillat des Verschleifungsverbotes ist, kann es sich dabei auch nicht allein um eine mit verfassungsrechtlicher Legitimität ausgestattete fallgruppenbezogene Restriktion des Gefährdungsschadens handeln.



II. Das Bezifferbarkeitserfordernis51

d) Die weitere Vorgehensweise zur Ergründung eines Bezifferungsgebotes Angesichts dieses Befundes muss man andere Wege beschreiten, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen, wonach zwar einerseits in Wissenschaft und Praxis die Bezifferung – so auch als Ansatzpunkt zur Behandlung steuerstrafrechtlicher Fragen bzw. als strafprozessuale Verhandlungsmasse – mittlerweile eine gewichtige Rolle einnimmt, andererseits ihre Legitimität nach hiesigen Vorzeichen nicht einem mit dem Bestimmtheitsgrundsatz verwinkelten Verschleifungsverbot entnommen werden kann. Denn der Gefährdungsschaden scheint nur den Anlass dafür gegeben zu haben, auch in den Gerichtssälen grundlegender über Schadensberechnungen nachzudenken. An dieser Stelle bietet es sich deshalb an, den Pfad erkenntnisgeneigter Deduktion für einen Augenblick zu verlassen und einem reinen Faktum der Rechtsentwicklung Raum zu gewähren, mithin in gewissem Maße induktiv vorzugehen. Diese Vorgehensweise rechtfertigt sich daraus, dass sie Aufschluss über die tatsächliche Gestalt eines Bezifferbarkeitserfordernisses vermittelt. Das Erfordernis der Schadensbezifferung wird vom Bundesgerichtshof mittlerweile – zwar nicht in jedem Betrugsfall, aber dennoch regelmäßig – in den Kreis des für die Schadensfeststellung Erforderlichen eingestellt und dient jedenfalls als Argument für die Aufhebung und Rückverweisung solcher Judikate, die der Bezifferung des Vermögensschadens nur ungenügende Aufmerksamkeit schenken.54 Der Gefahr, diese Entwicklung nicht in dogmatische Überlegungen einzustellen, kann man begegnen, wenn man die Hypothese vom umfassenden Bezifferungsgebot einer Projektion unterzieht und damit eine Folgenbetrachtung anstellt. Was bedeutet es für die Dogmatik des Vermögensschadens, wenn man ein allgemeines Bezifferungsgebot anerkennt? e) Allgemeine Folgenbetrachtung Die Antwort auf diese Frage liegt nur insoweit offen: Unter der Prämisse eines grundlegenden Bezifferbarkeitserfordernisses hätte das BVerfG55 mit der Forderung, die Gerichte müssten „den von ihnen angenommenen Nach54  Vgl. etwa BGH, wistra 2013, 268 ff.; wistra 2013, 186 ff.; wistra 2013, 20; NStZ 2013, 37 f.; NJW 2012, 2370 (2371); 2011, 2675 (2676 f.); BGH, Beschl. v. 19.  Februar 2014  – 5 StR 510/13  –, juris, Rdnrn.  10 ff.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 04. Februar 2014 – 3 StR 347/13 –, juris, Rdnr. 10; zur mangelnden Bezifferung des Schadens bereits in der Anklageschrift vgl. BGH, NStZ 2011, 418 (420). 55  BVerfGE 126, 170 (211).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

teil der Höhe nach beziffern“,56 einen Schwachpunkt der Schadensdogmatik aufgedeckt, dessen Tragweite bis heute nicht umfänglich anerkannt würde.57 Während es mittlerweile zwar offenkundig erscheint, dass der bisher unter dem Titel der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ praktizierte „Duck Test“58 seinen historischen Anwendungsbereich im Vermögensstrafrecht verlieren müsste, wäre aber konsequenterweise (spätestens) seit Juni 2010 schlechthin jeder Vermögensschaden zu beziffern. Auch die Frage, wann eine Vermögensgefährdung vorliegt, könnte nicht von normativen Kriterien abhängig gemacht werden:59 Ausschließlich normative Schadensbegründungen jedweder Couleur wären unzulässig, weil sie gegen das wirtschaftliche Fundament der Schadensberechnung und damit zugleich gegen das Bezifferungsgebot verstießen.60 Bestand und Höhe des Vermögensschadens ergäben sich daher allein aus einem berechneten Differenzergebnis, sodass alle Normativierungen der Schadensfeststellung sich jedenfalls insoweit zurückzuziehen hätten, als sie unerlaubterweise auf empirisch geprägtem Terrain siedelten. Weniger offensichtlich scheint aber die Antwort auf die Frage zu sein, wie man die „einfach gelagerten Fälle“ in dieses Schema einordnet, die nach Auffassung des BVerfG von der Bezifferung auszunehmen sind.61 Sofern sich die Formulierung auf bereits offenliegende Bezifferungsgrundlagen erstreckt, so besagt sie Selbstverständliches und bedarf keiner weiteren Reflektion. Naheliegender ist es jedoch, dass damit etwas anderes gemeint ist, und deshalb stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie man die „einfachen Fälle“ unter der Geltung des Bezifferungsgebots behandeln mag 56  BVerfGE

126, 170 (211). den einschlägigen Monographien steht häufig der implizite Vorbehalt zu lesen, der Vermögensschaden müsse „grdsl.“ in Geld quantifiziert werden, vgl. Eick, Berücksichtigung des Opferverhaltens, 2011, S. 47; Quantifizierung nur soweit möglich und „aus Gründen der Nachvollziehbarkeit“, vgl. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 96 f. Ubiquitär ist auch der Hinweis auf die Bezifferung „gegebenenfalls im Wege der Schätzung“, vgl. etwa Böse, Jura 2011, 617 (622); zum „Mindestschaden“ vgl. insoweit Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 507 (513). 58  „Es sieht aus wie eine Ente und schwimmt wie eine Ente – also wahrscheinlich eine Ente!“ – frei übernommen (und übersetzt) aus Jentleson, Beware the Duck Test, in: The Washington Quarterly 2011, S. 137. 59  Vgl. etwa den Überblick bei Hefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (297 f.) zu dem Versuch, aus der Unterscheidung von Gefährdungs- und Verletzungsdelikt Rückschlüsse auf den Status des Vermögens zu ziehen. Ders., in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (312) warnt richtigerweise davor, „kurzsichtig“ die Kriterien des Gefährdungsdelikts zu übernehmen. 60  So wird man auch die Aussage des zweiten Senats des BVerfG verstehen dürfen, wonach normative Gesichtspunkte „wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen [dürfen – Anm. T. W.]“, vgl. BVerfGE 126, 170 (212). 61  Vgl. BVerfGE 126, 170 (211); NJW 2013, 365 (366). 57  In



II. Das Bezifferbarkeitserfordernis53

angesichts des Grundsatzes, dass die Schadensfeststellung – weil auf ein und dasselbe Tatbestandsmerkmal bezogen – eigentlich keinerlei Abweichungen im Feststellungsmodus erlaubt. 2. Die „einfach gelagerten Fälle“ Nachdem zwar herausgestellt wurde, dass dem Bezifferungserfordernis – seine Legitimation vorausgesetzt – ein umfassender Anwendungsbereich eröffnet und seinem Zuschnitt als bloßes Korrektiv des Gefährdungsschadens keinerlei Gefolgschaft zu leisten wäre, muss man gleichwohl konzedieren, dass das BVerfG62 eine Ausnahme von der Bezifferung in Aussicht gestellt hat, die als „einfach gelagerter Fall“ umschrieben zu werden pflegt. Der Topos einfacher Fallgestaltung ist freilich in betrugsstrafrechtlichen Gefilden kein Neuankömmling, denn er findet beispielsweise in der Rechtsprechung des BGH zum Abrechnungsbetrug Anwendung und begründet dort eine Vereinfachung der Beweisaufnahme über das Tatbestandsmerkmal des Irrtums.63 Die richtige Antwort auf die Fälle einfacher Prägung erschließt sich möglicherweise anschaulicher, wenn man einen besonders eindrücklichen Fall der vermeintlich „einfach gelagerten“ Vermögensschädigung in den Blick nimmt: Der niederländische Kunstfälscher64 Han van Meegeren, dessen umfangreiches Wirken aus den Pitavalgeschichten besonders hervorsticht, verkaufte im Jahr 1942 über Umwege ein angebliches Original von Vermeer mit dem Titel „Christus und die Ehebrecherin“ an Hermann Göring für 1.650.000 Gulden.65 Der geschickte Maler konnte den Vorwurf der „Kollaboration mit dem Feind durch Zuführung bedeutender Kunstwerke“ abwen62  Vgl.

BVerfGE 126, 170 (211); BVerfG, NJW 2012, 907 (916). BGH, NJW 2013, 1545 (1546); NJW 2003, 1198 (1199); vgl. auch BGH, NJW 2014, 2132 (2133). 64  Diese Geschichten scheinen ein beliebtes Anschauungsmaterial zu liefern. So stützt sich auch Buschmann, Entwicklung des strafrechtlichen Betrugsbegriffs, S. 40 auf einen „Kopistenfall“ (RGSt 68, 212). Döpfner, Restaurierungsbetrug, 1989, widmet dem Betrug im Umfeld künstlerischer Bemühungen sogar eine ganze Monographie. Der im Rahmen der hiesigen Schrift als Anschauungsfall gewählte Sachverhalt hat freilich auch brisante politische und historische Implikationen. Aber davon muss sich eine Schrift zum Strafrecht befreien, weil sie den Sachverhalt nur unter einem ganz spezifischen Blickwinkel beurteilt – so sehr man dem hiesigen „Geschädigten“ den Schaden auch vergönnen mag, vgl. etwa Talley Jr., in: Jones, Fake? – The Art of Deception, S. 240: „Goering’s purchase of this picture confirms one’s faith in poetic justice“. 65  Vgl. dazu Schulz, in: Mostar/Stemmle, Der Neue Pitaval, Betrug, S. 13 ff. Der Wahrheitsgrad der Details dieser Schilderung ist mir im Einzelnen unbekannt, doch dient der mitgeteilte Sachverhalt vornehmlich der Erläuterung und scheint in der Grundlinie gesichert. 63  Vgl.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

den, indem er seine Urheberschaft offenlegte und das zugeführte Kunstwerk als Fälschung enttarnte. Wenn man im Prozess den Sachverständigen dahingehend befragte, was Vermeer wohl zu Lebzeiten mit seinen Bildern verdient, welchen Wert eine Fälschung damit im Höchstmaß tatsächlich gehabt hätte, so mag dieser geantwortet haben, dass man beispielsweise rund zwanzig Jahre nach dem Tod des Malers im Jahr 1696 bei einer Versteigerung etwa 200 Gulden, ansonsten selbst für ein Original nur zweistellige Beträge erzielt habe.66 Damit wäre für den Kunstmarkt – trotz der wahrscheinlich erheblichen Geldwertdiskrepanz zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert – möglicherweise hinreichend deutlich geworden, dass jedenfalls 1.650.000 Gulden niemals dem Wert der Fälschung entsprachen, und man könnte die Angelegenheit als „einfach gelagert“ bezeichnen. Die Schadenshöhe ließe sich dann – soweit man auch hier dem BVerfG Gefolgschaft leistet –67 jedenfalls auf einen Mindestbetrag schätzen. Wenn es in einem solchen Fall also für alle Betrachter evident ist, dass Leistung und Gegenleistung in eklatanter Weise im Werte auseinanderfallen,68 dann fragt sich, weshalb die Feststellung des Vermögensschadens gleichwohl daran scheitern sollte, dass man die exakte Wertminderung im Vermögen des Käufers nicht anzugeben vermag; in den herausfordernden Worten des Richters Boll, der den Fall van Meegerens verhandelte: „Sie hängten einfach vier oder fünf Nullen an – aber betrogen haben Sie nicht!“69 a) Das praktische Argument Praktische Erwägungen mögen dahingehend vorgetragen werden, wonach eine Bezifferung in diesem Falle unwirtschaftlich und allgemein in „einfach gelagerten“ Fällen gleichsam künstlich erscheine.70 Auch der 5. Strafsenat des BGH sieht sich einem „nicht hinzunehmenden Aufwand“71 gegenüber und hält die Bezifferung gerade in „Fälle[n] der gängigen Betrugskriminalität“ für „kriminalpolitisch fragwürdig“.72 Aber diese Argumentationen vergessen, dass das Strafrecht als pars iuris publici in einer Disziplin der 66  So die Schilderung bei Schulz, in: Mostar/Stemmle, Der Neue Pitaval, Betrug, S. 13 (32). 67  Vgl. BVerfGE 126, 170 (212). 68  Zur Relevanz des Vergleichs von Leistung und Gegenleistung auch bei der Täuschung über Umstände, die den Verkehrswert beeinflussen, vgl. BGH, NStZ 2012, 629; BGHSt 16, 220 (222 f.). 69  Zitiert nach Schulz, in: Mostar/Stemmle, Der Neue Pitaval, Betrug, S. 13 (33). 70  In dieser Richtung etwa Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 97. 71  BGH, NJW 2013, 1460 (1461). 72  Beide Zitate aus BGH, NJW 2013, 1460 (1461).



II. Das Bezifferbarkeitserfordernis55

Rechtswissenschaften angesiedelt ist, die sich in ihren Grundfesten der „pragmatischen Reduktion“ versperrt.73 Während die Disziplinen des ius privatum Ausgestaltungen geschaffener Freiheitsräume darstellen, ist das Strafrecht heutzutage – ausgerechnet in Randbereichen, in denen die Abgrenzung zwischen Geschäftstüchtigkeit und strafbarem Verhalten schwierig ist –74 mehr denn je ein wirkmächtiges Steuerungsinstrument75 und gleichsam die letzte Bastion des gewaltlosen Bürgerwesens, vermittels dessen es sein Attribut zuweilen vergisst, um das Wohl des Einzelnen im Ganzen zu gewährleisten. Die Neigung zu zweckmäßiger Vergesslichkeit bedarf eines starken Gegenpols, der über den Einzelfall hinaus die Strafe als effektive ultima ratio ausgestaltet.76 Hierzu erscheint ein umfassendes Bezifferungsgebot besonders geeignet, weil es dort, wo es zur Geltung kommen kann, mit Präzision den Anwendungsbereich strafrechtlicher Sanktion absteckt, und deswegen kann es überhaupt keine Rolle spielen, was die Bezifferung an Aufwand beschert. Im Gegenteil: Jedes erdenklich zur Verfügung stehende Erkenntnismittel müsste angesichts des besonderen Einschlags strafrechtlicher Sanktionen in Erwägung gezogen werden.77 Dieses Bedürfnis mit kriminalpolitischen Erwägungen zu überspielen, steht jedenfalls der Judikative angesichts ihrer Gesetzesbindung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu. b) Der praktische Einwand als petitio principii Ferner gestaltet sich der sog. „praktische“ Einwand meist als petitio principii. So etwa – freilich nur pars pro toto und als Hilfsüberlegung ausge73  Auch das BVerfG(E 126, 170 [211]) hat ausdrücklich klargestellt, dass praktische Schwierigkeiten bei der Schadensermittlung keinerlei Rückwirkungen auf den erforderlichen Feststellungsumfang zeitigen dürfen. 74  Vgl. hierzu etwa Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 20, Rdnr. 7. 75  Vgl. Hüls, NZWiSt 2012, 12; zu den Ausmaßen und Grenzen der Wirtschaftslenkung durch „Strafrecht im weiteren Sinne“ vgl. Achenbach, ZStW 119 (2007), 789 (790 ff.); ferner die kritischen Anmerkungen zu diesem Thema bei Hefendehl, ZStW 119 (2007), 816 ff. 76  Vgl. zum ultima ratio – Prinzip Rengier, Strafrecht AT, § 3, Rdnrn. 5 ff.; siehe ferner den Überblick bei Kertai, JuS 2011, 976 (980). 77  Vgl. auch Kunz, ZStW 121 (2009), 572 (577): „… wo diskriminierende Sanktionen mit erheblichen freiheitsbeschränkenden Folgen verhängt werden können, ist der Beweisaufwand grundsätzlich am höchsten.“ Auch Bittmann, wistra 2013, 1 (4) fordert, alle „zumutbaren und zur Verfügung stehenden“ Mittel zur Quantifizierung des Vermögensschadens einzusetzen, obschon er damit wohl nicht die hier vertretene strenge Bezifferung meint. Vgl. aber auch Wohlers, ZStW 123 (2011), 791 (812 f.), der jedenfalls „praktische Schwierigkeiten“ (vgl. dazu Fischer, StraFo 2010, 329 [334 f.]) nicht als Einwand gelten lässt. Auch das BVerfG(E 126, 170 [211]; NJW 2012, 907 [916]) sieht in „praktischen Schwierigkeiten“ keinerlei Argument für die Auslassung der konkreten Schadensfeststellung.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

staltet – in einer Formulierung bei Lösing: „Würden zu strenge Anforderungen an die Subsumtion bestimmter Tatbestandmerkmale gestellt, würde aufgrund der begrenzten Erkenntnismöglichkeiten der Justiz-Behörden ein zu hoher Teil von Tätern freigesprochen.“78 Das darf freilich nicht kritiklos bleiben: Denn ob es sich bei den entsprechenden Personen um Täter handelt, soll gerade die Subsumtion hervorbringen und deshalb ist es keineswegs von Relevanz, ob man in der persönlichen Anschauung schon vor der Subsumtion von der Täterschaft überzeugt ist. Genau diese problematische Sichtweise ist es, in der sich das eingangs skizzierte Übergangsproblem anschaulich manifestiert. Subsumtion bedeutet doch adaequatio intellectus et rei: Darf aber – abgesehen vom Gesetzgeber –, wer mit der Empirie seine Schwierigkeiten hat, von einer Bezifferung Abstand nehmen und sich um des Ergebnisses willen auf das Terrain des Normativen zurückziehen? Während man auf die Frage schon an dieser Stelle angesichts der sog. „praktischen“ Argumente verneinend antworten darf, steht die betrugsdogmatische Verankerung dieser Antwort noch aus. Deshalb kann vor dem Hintergrund der soeben vollzogenen Folgenbetrachtung das Problem der „einfach gelagerten Fälle“ erst dann endgültig gelöst werden, wenn die dogmatischen Grundlagen der Bezifferung offenliegen. 3. Zusammenfassung der Überlegungen Das Verschleifungsverbot beheimatet kein Bezifferbarkeitserfordernis. Erkennt man ein solches Erfordernis gleichwohl auf anderweitiger Grundlage an, so muss man es konsequenterweise auch auf alle weiteren Fälle erstrecken, die abseits der Vermögensgefährdung rangieren. Unter der Geltung eines umfassenden Bezifferungsgebotes würden jedenfalls alle bisherigen Versuche, dem gefährdeten Vermögensgegenstand einen mindernden Einfluss auf den Gesamtvermögenswert zu unterstellen, ohne Berechnungen zu reinen Behauptungen degradiert:79 Die Gefahrschaffung möchte zunächst Ausdruck eines rechtlich missbilligten Risikos sein, aber über die Realisierung desselben wäre damit noch nichts ausgesagt.80 Diese könnte allein durch eine exakte Berechnung des Schadens festgestellt werden.81 Folglich gälte, was Hellmuth Mayer bereits 1926 zur Untreue auszuführen wusste: 78  Lösing,

Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 96. Joecks, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 355 (365) zum Verhältnis von ungesicherten und gesicherten Forderungen. 80  Dass etwa ein „konkrete[s] beunruhigende[s] Verdachtsmomen[t]“ (Hefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 [302]) die „strafrechtliche Herangehensweise“ an die Schadensberechnung anleiten solle, erscheint nicht überzeugend. 81  A. A. etwa Lindemann, NZWiSt 2012, 334 (338), der in dortiger Fn. zwar folgerichtig auf die Heranziehung der normativ geprägten Bewertungsregeln des HGB 79  Ebenso



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 57

„Die Vermögensschädigung muß endlich tatsächlich erfolgt sein, eine bloße Gefährdung genügt nicht. […] Man käme sonst praktisch dazu, das Versuchsstadium in die vollendete Handlung hineinzunehmen“.82 In diesem Zuge könnte auch die Diskussion um die richtige Bezeichnung des Phänomens, wonach ein Vermögensschaden durch Gefährdungslagen verursacht werde, zu den Akten gelegt werden, weil die Bezifferung einen tatsächlichen und einfachen „Vermögensschaden“ auszuweisen wüsste.83

III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes Ob des umfassenden Einschlags, den ein Bezifferbarkeitserfordernis verursacht, bedarf es einer dogmatischen Rechtfertigung, denn im Moment geistert die Bezifferung ohne verankernde Monadentheorie durch das Zeitgeschehen. Erforderlich ist mithin die Klärung der Fragen, ob sich das Bezifferbarkeitserfordernis überhaupt durch weitere Auslegung begründen lässt und ob es gegebenenfalls die Art und Weise oder vielmehr den Gegenstand der Schadensfeststellung betrifft. Denn es streiten – wie bereits die einleitende Auseinandersetzung mit den praktischen Anwendungen des Bezifferbarkeitserfordernisses aufzeigt – sowohl prozessuale als auch materielle Erwägungen miteinander. Im ersten Falle handelte es sich also um eine strafprozessuale Problemstellung, im zweiten um einen Aspekt des materiellen Rechts.84 Es bietet sich an, zunächst eine prozessuale Begründung des durch das BVerfG verweist; aber schon der Verweis auf das HGB bringt in der Frage keine Klärung, vgl. dazu E.V.1. 82  Mayer, Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen, S. 165; in dieser Richtung auch die Überlegung bei Schünemann, NStZ 2008, 430 (433). 83  Eine terminologische Klarstellung für erforderlich hält dagegen Hefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (299 f.). Jedenfalls ist die Bezeichnung als „schadensgleich“ nicht nur sprachlich entlarvend, weil sie an die mangelnde Unterscheidung von „Das Gleiche“ und „Dasselbe“ anknüpft, sondern auch redundant: Es reicht der Begriff des Vermögensschadens. So erscheint mir auch die Behauptung, wonach der Begriff der „Vermögensgefährdung“ zum „Arsenal der Betrugsdogmatik“ zähle (Naucke, StV 1985, 187; Hinweis darauf auch bei Hefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 [300]), einen weiteren Grund dafür zu liefern, den Betrugstatbestand aus den Fängen solcher Begriffskompanien zu befreien. 84  In jüngeren – durchaus internationalen, jedoch noch nicht publizierten – Diskussionen über das Bezifferbarkeitserfordernis ist den Kontrapunkten einer strafprozessualen oder materiell-tatbestandlichen Begründung dieses Erfordernisses ein weiterer nicht zu verschweigender Ansatz hinzugefügt worden, der sich mit der Frage auseinandersetzt, ob man das Bezifferbarkeitserfordernis – statt aller – vielmehr in die Reihe der objektiven Bedingungen der Strafbarkeit einreihen müsste. Diese Überlegung speist sich daraus, dass man alle Schwierigkeiten der Bezifferung in Bezug auf den subjektiven Unrechtstatbestand, der deutschen Strafrechtsprechung

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Bezifferbarkeitserfordernisses zu versuchen, denn das BVerfG hat dieses Erfordernis ausdrücklich an die Gerichte adressiert.85 Anschließend ist das materielle Recht in den Blick zu nehmen, indem die Tatbestandsauslegung und die Grundsätze der Strafzumessung in die nähere Betrachtung einfließen. In diesem Zusammenhang ist auch endgültig auszuloten, ob von einem möglichen Bezifferbarkeitserfordernis Ausnahmen zugelassen werden könnten, wenn der Schadenseintritt „evident“ oder „einfach gelagert“ zu sein scheint – Richter Boll oder van Meegeren? 1. Lösung über § 261 StPO In Betracht zu nehmen ist zunächst die Überlegung, ob es sich bei der Forderung nach der Bezifferbarkeit des Schadens lediglich um eine restriktive Auslegung des § 261 StPO handeln könnte. Denkbar wäre, dass mit dem Bezifferbarkeitserfordernis eine Restriktion des § 261 StPO dergestalt gemeint ist, wonach etwa in Untreue- und Betrugsfällen nur die Bezifferung als Verfahren der Überzeugungsbildung zugelassen werde. Die These hat zur Konsequenz, dass man sich jedenfalls in Bezug auf die Bezifferung keine näheren Gedanken über den subjektiven Betrugstatbestand machen müsste.86 Plausibel mag die Anknüpfung an § 261 StPO auf den ersten Blick auch deshalb sein, weil gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse in die Beweiswürdigung hineinspielen.87 Insofern erscheint das Versäumnis, die wissenschaftliche Fundierung eines Vermögensschadens im Prozess nicht eruiert zu haben, durchaus als Problem des Strafprozessrechts.

und -dogmatik folgend (vgl. hierzu Frister, Strafrecht AT, Kapitel 11, Rdnr. 35), jedenfalls mit der sog. Parallelwertung in der Laiensphäre (oder: „Teoría de le valoración paralela en la esfera del lego“) beseitigen können müsste, indem man die Kenntnis der zur Bezifferung führenden Umstände verlangt [vgl. oben C.III.2.o)]; in dieser Richtung wohl auch Bittmann, NStZ 2013, 72 f.; vgl. jüngst zum Vorsatz bei Risikogeschäften auch BGH, NStZ 2013, 715). Kritiker dieser Erwägung halten dies im Rahmen von Diskussionen mitunter nicht für überzeugend (Wer Bezifferung im objektiven Tatbestand fordere, der müsse dies auch im Vorsatz tun!), und so kam der Gedanke auf, ob man das Vorsatzproblem nicht ignorieren könnte, weil man das Erfordernis der Schadensbezifferung vielmehr außerhalb des Schuldkontextes statuieren müsste; vgl. jedoch die hiesige Begründung des Bezifferbarkeitserfordernisses sub C.III.2. 85  Vgl. BVerfGE 126, 170 (211). 86  Vgl. dazu auch die Erwägungen in den hiesigen Fn. zu C.III. 87  Vgl. dazu Sander, in: Löwe/Rosenberg, StPO, § 261, Rdnrn.  51 ff.; vgl. auch Velten, in: SK-StPO, § 261, Rdnr. 11: sichere Forschungsergebnisse.



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 59

a) Argument aus Art. 103 Abs. 2 GG Gegen die Verortung des Bezifferbarkeitserfordernisses auf der Ebene des Strafprozessrechtes spricht aber schon der Umstand, dass es unter dem Einfluss des Art. 103 Abs. 2 GG aus der Taufe gehoben wurde88 und daher an die Auslegung des Tatbestandes anknüpft. Mithin erscheint es nahe­ liegend, das Bezifferbarkeitserfordernis als ein Tatbestandsproblem aufzufassen. b) Die freie richterliche Beweiswürdigung, § 261 StPO Auch eine nähere Betrachtung der Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nach § 261 StPO zeigt, dass die freie Überzeugung des Richters und eine beziffernde Schadensrechnung kein gemeinsames Fundament aufweisen. Der Strafprozess fordert im Ergebnis keineswegs die adaequatio intellectus et rei, denn dies widerspräche dem personalen Charakter der Beweiswürdigung89 – dies selbst dann, wenn man darüber hinaus die hohe objektive Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Beweisergebnisses als notwendig ansieht.90 Während im Rahmen des objektiven Tatbestandes Umstände beschrieben werden, deren Eintritt man nur feststellen oder ablehnen kann, benennt die freie richterliche Überzeugung in der Regel gerade keinen vordefinierten Zustand, dessen Inhalt gleichsam „vorneweg“ normativ festgelegt wäre. Im Gegensatz zum materiellen Strafgesetz, das durchaus analytische Besonderheiten in den Kreis seiner Merkmale aufnehmen könnte, knüpft der Strafprozess daher mit Recht an jene menschliche Erkenntnisfähigkeit, die bereits eine ganze Reihe von Aufklärern zu der Feststellung bewegte, dass anthropogene Wahrheiten keiner letztgültigen objektiven Validierung zugänglich sind.91 Die persönliche Gewissheit des § 261 StPO rekurriert auf den vielschichtigen menschlichen Erkenntnisapparat, indem sie den Eindruck aus der Hauptverhandlung zur Grundlage der 88  Vgl. die grundlegenden Judikate des BVerfG(E 126, 170 [205  ff.]; BVerfG, NJW 2012, 907 [915 ff.]). 89  Vgl. dazu Grünwald, Beweisrecht der StPO, 1993, S. 89; Frister, in: Festschr. f. Grünwald, 1999, S. 169 (173 ff., insb. S. 176 ff.); Sander, in: Löwe/Rosenberg, StPO, § 261, Rdnr. 12. 90  Vgl. dazu BVerfG, NJW 2003, 2444 (2445); BGH, NStZ-RR 2010, 85; zusammenfassend Velten, in: SK-StPO, § 261, Rdnr. 6, die dieses Erfordernis freilich ablehnt; vgl. ferner für eine objektiv-rationale Grundlage der Beweiswürdigung ausführlich Sancinetti, in: Festschr. f. Frisch, 2013, S. 1233 ff. 91  Zur Anknüpfung an die Autoren der Aufklärung in der Frage der persönlichen Überzeugungsbildung sub specie § 261 StPO vgl. Frister, in: Festschr. f. Grünwald, 1999, S. 169 (176 ff.).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Überzeugungsbildung macht.92 Das Problem eines Fehlverurteilungsrisikos und die Bezifferung des Vermögensschadens betreffen aus der methodischen Perspektive mithin unterschiedliche Problemkreise. c) Die Bezifferung als Beweis- oder Entscheidungsregel Daher müsste ein Bezifferbarkeitserfordernis als Produkt strafprozessualer Erwägungen bereits gepflasterte Wege gehen und die Gestalt einer zulässigen Beweis- oder Entscheidungsregel annehmen, um überhaupt als Einschränkung der freien richterlichen Überzeugungsbildung reüssieren zu können. Obwohl dies einem an die freie Beweiswürdigung nach § 261 StPO gewöhnten Betrachter abwegig erscheinen mag, verlangt die enorme Bedeutung des Bezifferbarkeitskriteriums eine umfassende Betrachtung, die auch ferneren Überlegungen nachzuspüren bereit ist. Beweisregeln zeichnen sich gemeinhin dadurch aus, dass sie gewissen Umständen im Vorhinein einen bestimmten Beweiswert und eine Beweisrichtung zuweisen.93 In § 190 StGB sind die wohl prominentesten Vertreterinnen dieser Gattung beheimatet.94 Die Beweisregeln des § 190 StGB schränken die freie richterliche Beweiswürdigung ein, soweit die behauptete oder verbreitete Tatsache eine Straftat ist und der Beleidigte entweder wegen dieser Straftat rechtskräftig verurteilt oder vor der Behauptung oder Verbreitung der Tatsache rechtskräftig freigesprochen worden ist.95 Im Strafprozess suspendiert § 190 StGB folglich die eigenständige Ermittlung des „tatsächlichen“ Wahrheitsgehaltes der behaupteten oder verbreiteten Tatsache zugunsten einer mit der Autorität des rechtskräftigen Urteils versehenen (forensischen) Wahrheit. Die Beweisregeln des § 190 StGB verschränken mithin das Resultat eines strafprozessualen Vorganges – die Urteilsfindung in Bezug auf die als Tatsache behauptete oder verbreitete Straftat – mit den jeweiligen Feststellungen über den objektiven Tatbestand der §§ 185 ff. StGB. Weil § 190 StGB damit eine Aussage über das Verfahren der Wahrheitsfindung trifft, wird er auch als Norm des Strafprozessrechts klassifiziert.96 92  Ausführlich dazu Frister, in: Festschr. f. Grünwald, 1999, S. 169 (176 ff.) am Beispiel des Billardspielers und des Torhüters, die allesamt komplexe Eindrücke verarbeiten, ohne diese auf den Begriff bringen zu können. 93  Vgl. dazu BGH, NStZ-RR 2013, 242 (243); 2013, 89 (90). 94  Ausführlich dazu Kraatz, Der Einfluss der Erfahrung auf die tatrichterliche Sachverhaltsfeststellung, S.  338 ff. 95  Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 190, Rdnr.  1; Lackner/Kühl, StGB, § 190, Rdnr. 1; Valerius, in: BeckOK – StGB, § 190, Rdnr. 1; Hilgendorf, in: LK – StGB, § 190, Rdnr. 6; vgl. auch BGH(Z), NJW 1985, 2644 (2646). 96  Vgl. Hilgendorf, in: LK – StGB, § 190, Rdnr. 6; Valerius, in: BeckOK – StGB, § 190, Rdnr. 1; Regge/Pegel, in: MünchKomm – StGB, § 190, Rdnr. 6.



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 61

Nach dem Vorbild des § 190 StGB könnte man ebenso die Bezifferbarkeit des Vermögensschadens in den Stand einer Beweisregel erheben. Doch bereits die Ableitung einer derartigen Regel mutet schwerfällig an: Denn obschon die Bezifferung im Gegensatz zum Wahrheitsbeweis sub specie § 190 StGB gerade nicht in einem eigenständigen Strafverfahren stattfindet, müsste man bei Annahme einer Beweisregel jeder nicht zu leistenden Bezifferung des Vermögensschadens den Wert eines Kontraindizes beimessen, dessen Beweisrichtung auf den mangelnden Eintritt eines Vermögensschadens gerichtet wäre, sodass man jedenfalls der Unmöglichkeit der Bezifferung einen auf das Nichtbestehen des Vermögensschadens gerichteten Beweiswert unterstellte. Gegen diese Überlegung streiten außerdem die folgenden Argumente. Zum einen krankt die Parallele zu § 190 StGB daran, dass der Wahrheitsbeweis in Bezug auf als Tatsachen behauptete oder verbreitete Straftaten auch dem Zweck dient, eine bereits rechtskräftig entschiedene Frage nicht erneut in den Strafprozess einzubeziehen.97 Diese Zwecksetzung lässt sich der Bezifferung des Vermögensschadens freilich nicht beimessen, sodass keine Notwendigkeit auszumachen ist, dem Vorbild des § 190 StGB in der Bezifferung ein Gleichnis zu schaffen. Zum anderen stehen Beweisregeln stets unter dem Eindruck des Grundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 GG)98 und sie durchbrechen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung,99 sodass sie immer nur die Ausnahme bilden können. Mithin streiten auch abseits des § 190 StGB keinerlei Gründe dafür, das Bezifferbarkeitserfordernis in einer strafprozessualen Beweisregel zu verorten. Die bislang in der Rechtsprechung hierzu entwickelten Leitlinien weisen darauf hin, dass bereits kleineren Abweichungen von der freien Beweiswürdigung die logische Erkenntnis eines geminderten Beweiswertes eines Beweismittels100 oder höhere Rechtssätze101 zugrunde liegen. Auch insoweit 97  Vgl. Regge/Pegel, in: MünchKomm – StGB, § 190, Rdnr. 5; Hilgendorf, in: LK – StGB, § 190, Rdnr. 6; Valerius, in: BeckOK – StGB, § 190, Rdnr. 1; Lackner/ Kühl, StGB, § 190, Rdnr. 1. 98  Sander, in: Löwe/Rosenberg, StPO, § 261, Rdnr.  52. 99  Frister, in: SK-StPO, § 274, Rdnr. 2; BGH, NStZ-RR 2013, 242 (243); NStZRR 2013, 89 (90). 100  So beim „Zeugen vom Hörensagen“, vgl. etwa BGHSt 17, 382 (386); BGHSt 42, 15 (25 f.); 45, 321 (340); 49, 112 (119 f.); BGH, Beschl. v. 10. Juni 2013 – 5 StR 191/13  –, juris, Rdnr.  5 = BeckRS 2013, 11734 und in besonderen „Aussage gegen Aussage – Konstellationen“, vgl. BGHSt 44, 153 (159); BGH, NStZ-RR 2008, 254; dazu auch Velten, in: SK-StPO, § 261, Rdnrn. 35 ff. und jüngst Sancinetti, in: Festschr. f. Frisch, 2013, S. 1233 ff. 101  Zur konventionsmäßigen Auslegung der Beweiswürdigungsregelungen im Hinblick auf den „unbefragbaren Belastungszeugen“ vgl. BGHSt 46, 93; BGH, NStZ-RR 2005, 321; NStZ 2008, 50 (51).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

wird man konstatieren müssen, dass insbesondere der Schadensbezifferung durch den Sachverständigen als Beweismittel keinerlei vermindertes Erkenntnispotenzial anhaftet. Ferner erkennt die hiesige Lesart das auf Art. 103 Abs. 2 GG gründende Verschleifungsverbot nicht als alleinigen Quell eines Bezifferbarkeitserfordernisses an, sodass auch die Einschränkung des § 261 StPO gebietende höhere Rechtssätze nicht in Sicht rangieren. Folglich besteht insoweit kein Anlass, der freien richterlichen Beweiswürdigung Hürden zu setzen. Schließlich könnte man das Erfordernis der Schadensbezifferung noch daraufhin abklopfen, ob es zwar nicht als Beweis-, dafür aber als Entscheidungsregel anzusehen sein könnte. Entscheidungsregeln betreffen die Bewertung des Beweisergebnisses nach abgeschlossener Beweiswürdigung.102 Ein Bezifferbarkeitserfordernis in Gestalt einer Entscheidungsregel für Fälle des Gefährdungsschadens besagte etwa, dass eine die Vermögensgefährdung ergebende Beweisaufnahme nur dann zur Annahme eines Vermögensschadens führen könne, wenn auch die Bezifferung des Schadens geleistet werde. Selbst mit diesem Zuschnitt rückte eine derartige Entscheidungsregel freilich in die Nähe des Grundsatzes in dubio pro reo und entbehrte damit zugleich eines eigenständigen Anwendungsbereiches. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Bezifferbarkeitserfordernis weder die Gestalt einer Beweisregel noch jene einer Entscheidungsregel annimmt. Es lässt sich in strafprozessualen Gefilden folglich auf diesen Wegen nicht begründen. d) Einschränkung zulässiger Beweismittel über ein Bezifferbarkeitskriterium? Im vorherigen Abschnitt wurde aufgezeigt, dass die von § 261 StPO zum Maßstab der Urteilsfindung erhobene persönliche Überzeugung des Richters nicht durch ein Bezifferbarkeitskriterium überspielt werden kann. Ebenso wenig ist eine Beweis- oder eigenständige Entscheidungsregel begründbar, die – auf direktem oder indirektem Wege – zum Erfordernis der Schadensbezifferung führte. Wenn demnach die Umstände der Beweiswürdigung nicht als Ursprung eines Bezifferungsgebotes in Betracht kommen, so könnte gleichwohl ein solches Gebot daraus entspringen, dass man entweder den Kreis zulässiger Beweismittel einschränkte oder – in der entgegengesetzten Richtung – den Kreis erforderlicher Beweismittel ausweitete. Diese Vorgehensweise setzt also bereits an dem Umfang der zur Ermittlung eines Betrugsschadens zulässigen bzw. erforderlichen Beweismittel an 102  So etwa in Bezug auf den in dubio-Grundsatz BGH, NStZ 2012, 171 (172); NStZ-RR 2009, 90 (91).



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 63

und betrifft damit einen Bereich, welcher dem Vorgang der persönlichen Beweiswürdigung vorgelagert ist. Insoweit stünde die soeben103 getroffene Schlussfolgerung ob des § 261 StPO nicht entgegen. Als Vorbild einer derartigen Vorgehensweise könnte § 274 StPO dienen. Nach dieser Vorschrift kann die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden, wobei gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls nur der Nachweis der Fälschung zulässig ist. § 274 StPO wird zwar als gesetzliche Beweisregel bezeichnet,104 ist aber inhaltlich auch darauf gerichtet, das Sitzungsprotokoll als ausschließliches Beweismittel zur Prüfung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten zuzulassen und damit das Revisionsverfahren zu vereinfachen.105 Indes ziert auch diese Überlegungen keine tiefergehende Überzeugungskraft. Dies ist in Bezug auf § 274 StPO besonders augenfällig, der nicht einmal auf den Beweis einer Straftat ausgerichtet ist, sondern eine spezielle innerprozessuale Konstellation in den Blick nimmt und deshalb die Bewertung eines außerprozessualen Vorganges gar nicht betrifft. Nach § 244 Abs. 2 StPO hat das Gericht außerdem zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. So ist beispielsweise zur Feststellung eines Vermögensschadens bei einem dem Irrtum über die Laufleistung geschuldeten Erwerb eines gebrauchten KFZ jedenfalls mit dem Austausch von KFZ und Kaufpreissumme eine Ermittlung des objektiven Wertes des KFZ erforderlich.106 Insoweit erstreckt sich die Aufklärungspflicht des Gerichts nach § 244 Abs. 2 StPO auch auf den Wert des KFZ.107 Bereits aus diesem einfachen Beispiel ergibt sich, dass der Umfang der Aufklärungspflicht von materiellen Erwägungen determiniert wird und deshalb eine Argumentation, die es sich zum Anliegen machte, beispielsweise nur jene Tatsachen für den Schadensnachweis für relevant zu halten, die eine Bezifferung des Vermögensschadens ermöglichten, zwangsläufig zirkulär würde: Sie deduzierte aus dem (unterstellten) materiellen Erfordernis der Schadensbezifferung eine Rückwirkung auf den 103  Vgl.

sub C.III.1.b). etwa BGH, NJW 2007, 2419 (2420); NJW 2006, 3579 (3581); OLG Dresden, StraFo 2007, 420 (421). 105  So auch OLG Dresden, StraFo 2007, 420 (421). 106  OLG Köln, NStZ-RR 2009, 176. 107  Vgl. BayObLG, Beschl. v. 26.  Juni 1997  – 3St RR 50/97  –, juris, Rdnr.  13; OLG Köln, NStZ-RR 2009, 176 – Insoweit hat (wie im hiesigen Fall) freilich die Sachrüge Aussicht auf Erfolg, wenn aus der mangelnden Befassung mit den Bezifferungsgrundlagen sich auch die Verkennung der materiellen Voraussetzungen des Betrugsschadens ergibt. 104  Vgl.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht, um ebenjenes Bezifferungserfordernis zu begründen.108 e) Zusammenfassung Im Ergebnis zeitigt eine Lozierung des Bezifferungsproblems im Strafprozessrecht keine Erfolge. Denn unter strafprozessualen Vorzeichen darf sich das Gericht über wissenschaftliche Erkenntnis zwar nicht hinwegsetzen,109 doch belegt dieser Umstand nicht, dass das Gericht auch in jedem Fall wissenschaftliche Erkenntnisse heranziehen müsste. Anders gewendet: Liegen sorgfältig bezifferte Vermögenswerte vor, so dürfen diese Angaben nicht ignoriert werden; stehen diese jedoch nicht zur Verfügung, so besagt die Verpflichtung zur Berücksichtigung ermittelter Werte noch nicht die Pflicht, diese Wertangaben erst zu erschließen. Soweit man also ein Bezifferungsgebot auf anderer Grundlage anerkennt, verlangt § 261 StPO im Betrugsfall nur, dass der Richter u. a. die persönliche Überzeugung von der ordnungsgemäßen Bezifferung gewinnt. „Überzeugung“ bedeutet in Bezug auf den Vermögensschaden also die persönliche Gewissheit ob der Validität des gewählten Bezifferungsverfahrens und der daraus folgenden Wertangaben. § 261 StPO ist mithin nicht der richtige Ansatzpunkt, um das Bezifferungsgebot zu begründen. 2. Bezifferbarkeit als Bestandteil des tatbestandlichen Schadensbegriffs Eine prozessuale Begründung des Bezifferungsgebots war nicht von Erfolg gekrönt. Allerdings könnte die Beleuchtung des tatbestandlichen Schadensmerkmals Aufschluss über die Grundlagen und die Beschaffenheit des Bezifferbarkeitserfordernisses vermitteln. Denn ein Erfordernis der Schadensbezifferung ließe sich durchaus als Voraussetzung dafür denken, dass man überhaupt von dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs in Gestalt des Vermögensschadens sprechen könnte. In diese Richtung weist der Umstand, dass die Bezifferbarkeit zu jenem Zeitpunkt dem Vermögensschaden vorausgesetzt wurde, als das BVerfG seiner Erkenntnis darüber Ausdruck verlieh, dass das Postulat von der Vermögensminderung durch Gefährdungen nicht mehr110 den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes nach Art. 103 108  Grundsätzlich treffend Bittmann, wistra 2013, 449 (451): „Der Quantifizierbarkeit logisch vorgelagert ist das Bestehen eines Schadens“. 109  Vgl. Sander, in: Löwe/Rosenberg, StPO, § 261, Rdnr.  52. 110  Vgl. noch das Votum der 2. Kammer des 2. Senats d. BVerfG, NJW 2009, 2370 (2372), wonach die Auslegung des Nachteilsbegriffs bei der Untreue die Gren-



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 65

Abs. 2 GG genügte.111 Bei aller Kritik an der Vermögensgefährdung war es nicht gelungen, dem spekulativen Charakter des Konstrukts derart Einhalt zu gebieten, dass es zumindest noch mit dem Prädikat der hinreichenden Konturierung durch eine gefestigte Rechtsprechung hätte versehen werden können.112 Angesichts des allgemeinen Sprachgebrauchs ist dieser Befund nicht weiter verwunderlich, umfassen die Begriffe „beschädigen“ (§ 263 StGB) und „Nachteil zufügen“ (§ 266 StGB) doch auf den ersten Blick eine elysische Vielfalt an Bedeutungsgehalten, denen man ohne Not auch die Herbeiführung wirtschaftlich unspezifischer Gefährdungslagen zurechnen könnte.113 Der Rekurs des BVerfG auf das normtheoretische Argument bringt jedenfalls den zündenden Gedanken hervor, der hier in besonderem Maße interessiert: Weil dem Nachteilsmerkmal bei der Untreue114 eine eigenständige Funktion innerhalb des Tatbestandes vorzuhalten sei, dürfe es nicht in anderen Merkmalen dergestalt aufgehen, dass es nur zu solchen Feststellungen auffordere, die bereits der normative Gehalt seiner Komplementäre bedinge,115 und das gelte natürlich ebenso für den Tatbestand des zen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht überschreite, wenn man der Norm schadensgleiche Vermögensgefährdungen subsumiere. Vgl. zur Entwicklung der Gefährdungsschadensdogmatik ausführlich Joecks, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 355 (357 ff.). Der Hinweis auf die mögliche Kollision von Bestimmtheitsgrundsatz und Vermögensgefährdungen als Schäden findet sich auch in älteren Stellungnahmen, vgl. etwa Lenckner, JZ 1971, 320 (321). 111  BVerfGE 126, 170 (207 ff., insb. 211). 112  Es ist schon fraglich, wie man dem Gesetzgeber vorbehaltene Strafwürdigkeitsurteile durch eine Rechtsprechungslinie ersetzen können soll, die keinerlei objektiver Selbstbindung unterliegt, vgl. zur Kritik an der Relativierung des Bestimmtheitsgebots Frister, Strafrecht AT, Kapitel 4, Rdnr. 14; krit. auch Böse, JURA 2011, 617 (620). 113  Vgl. auch Beckemper, ZJS 2011, 88 (91). Auf den abstrakten Charakter des Vermögensbegriffs weist auch Buschmann, Entwicklung des strafrechtlichen Betrugsbegriffs, S. 29 hin. Die Grenze wird man jedenfalls dort ziehen können, wo eine zwischenmenschliche Verständigung nicht mehr möglich ist. Jene Bedeutungsgehalte, denen keine Anschauung korrespondiert, scheiden folglich bei der Wortlautauslegung aus, vgl. Frister, Strafrecht AT, Kapitel 4, Rdnr. 28. Es ist vor diesem Hintergrund bemerkenswert, dass der 2. Senat des BVerfG (BVerfGE 126, 170 [205] – dort auch das nachfolgende Zitat) meint, bereits aus der allgemeinen Wortlautanalyse „zwingend“ den für die Schadensberechnung maßgeblichen Berechnungsmodus ableiten zu können. Mit dem „Vergleich zweier Vermögenslagen, bei dem sich eine Differenz ergeben muss“ (BVerfGE 126, 170 [205]) ist das Ergebnis freilich wohlgegriffen. Gleichwohl muss hinterfragt werden, ob nicht eher eine grammatikalisch-teleologische Auslegung zu diesem Ergebnis führte. 114  Zur eigenständigen Funktion des Schadensmerkmals speziell unter betrugsdogmatischen Vorzeichen vgl. Hoyer, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 339 (345). 115  Diese – hier paraphrasierte – Kernaussage findet sich etwa in BVerfGE 126, 170 (211); ebenso in BGHSt 55, 288 (304).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Betruges.116 Den desavouierten überkommenen Mechanismus etikettiert der 2. Senat mit dem Begriff der „Verschleifung“.117 a) „Inhaltslücke“ und Wortlautauslegung So wenig überraschend die skizzierte Feststellung auf den ersten Blick scheint, wonach das Schadensmerkmal einen eigenen Anwendungsbereich habe, so essenziell ist sie, wenn die Frage nach der dogmatischen Einordnung eines Bezifferbarkeitserfordernisses gestellt wird. Die Entdeckung einer „Inhaltslücke“, die sich auftut, wenn man den Schadensbegriff von der Pflichtverletzung bzw. der Vermögensverfügung separiert, fördert zugleich den sinnfälligen Umstand zutage, dass dort etwas west, was einer eigenen Feststellung bedarf. Die zentrale Frage lautet, was dieses „etwas“ ist. Hilfreich für die Beantwortung dieser Frage ist es, wenn man sich zunächst Aufschluss darüber verschafft, mit welchem Instrumentarium hier überhaupt operiert werden kann. In seiner grundlegenden Entscheidung aus Juni 2010 hat das BVerfG ein sog. Präzisierungsgebot in Dienst genommen, wonach Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Strafnorm durch Auslegung zu beseitigen seien.118 Dabei sei in casu insbesondere der gesetzgeberische Wille zu beachten gewesen, im Rahmen der Untreue das Nachteilsmerkmal selbstständig neben der Pflichtverletzung zu normieren.119 Das BVerfG hat zudem besonderen Wert darauf gelegt, Diskrepanzen zwischen Wortlautinterpretation und „methodengerechter Auslegung“ zu beseitigen,120 sodass auch die hiesige Schrift diesen Vorgaben nachzustreben sucht. b) Die mathematische Differenz als Inhalt des Schadensmerkmals Das im vorigen Abschnitt angeführte „etwas“ ist vor diesem Hintergrund als eine noch näher zu ergründende Wertdifferenz zwischen zwei Vermögens116  Vgl.

BVerfG, NJW 2012, 907 (916) – Al Qaida. BVerfGE 126, 170 (211), dort in Verbform verwendet. Zur Verschleifung als Rückschluss von Taterfolg auf Tathandlung „und umgekehrt“ vgl. bereits Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, 2009, § 266, Rdnr 8. Freilich findet sich auch in älteren Auseinandersetzungen mit § 263 StGB der Hinweis darauf, dass „die Konturen des Betruges mehr und mehr verwischt werden“ (Lenckner, JZ 1971, 320). 118  BVerfGE 126, 170 (198 und 200). 119  BVerfGE 126, 170 (211). 120  Dies klingt insbesondere an bei BVerfGE 126, 170 (198). 117  Vgl.



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 67

massen zu beschreiben. Diese – zunächst kaum überraschende – Erkenntnis gewinnt, wer das Normverständnis der Rechtsprechung und weiter Teilen der Literatur zum Vermögensschaden näher in den Blick nimmt.121 So formulierte das BVerfG treffend, dass etwa der Vermögensnachteil sub specie § 266 Abs. 1 StGB „zwingend einen Vergleich zweier Vermögenslagen voraus[setzt], bei dem sich eine Differenz ergeben muss“.122 Auf dieser Linie hatten bereits die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts darauf hingewiesen, dass der Vermögensschaden gemäß § 263 StGB die „nachteilige Differenz“ zwischen zwei Geldwerten beschreibe.123 Dass der Vermögensschaden eine Differenz beheimate, ist auch Tenor der zeitgenössischen Rechtsprechung124 und in der Literatur wird der Vermögensschaden ebenso als (negative) „Differenz“ bezeichnet.125 Diesem Verständnis des Vermögensschadens ist eigen, dass es mit der „Differenz“ einen Begriff der Mathematik und damit ein – freilich rudimentäres, aber dafür strapazierfähiges – Vergleichsverfahren aufgreift. Schließlich formuliert auch die jüngere Rechtsprechung in Zivilsachen in Be121  Dieser Blickwinkel korrespondiert jenem des BVerfG (E 126, 170 [199]), wonach ein „gefestigtes Verständnis eines Tatbestandsmerkmals“ als – verfassungsgerichtlich revisibeler – Auslegungsmaßstab in die Betrachtung einzustellen ist. Sofern dieses Verständnis den im Wortlaut zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetz­gebers reflektiert, fungiert es zugleich als Bestimmtheitsmaßstab, vgl. Kraatz, JR 2012, 329 (330). 122  BVerfGE 126, 170 (205). 123  RGSt 16, 1 (3). 124  BGH, NStZ 2007, 151 (154 – „Quotendifferenz“); BGH, NJW 2011, 2675 (2676); BGH, Beschl. v. 07.  Dezember 2010  – 3 StR 434/10  –, juris, Rdnr.  10 = StraFo  2011, 238 ff.; BGH, Urt. v. 18.  September 1997  – 5 StR 331/97  –, juris, Rdnr. 17 (insoweit in NStZ 1998, 85 nicht abgedruckt – „Differenzbetrag“); wistra 1989, 347 f.; KG Berlin, Urt. v. 12.  Mai 2004  – (5) 1 Ss 508/03 (3/04)  –, juris, Rdnr. 7 = wistra 2005, 37 ff. – „Wertdifferenz“; KG Berlin, Urt. v. 30. Dezember 1996 – (4) 1 Ss 15/96 (16/96) –, juris, Rdnr. 3 = wistra 1997, 229 ff.; LG Kiel, Urt. v. 22. Juni 2001 – VI KLs 7/00, VI KLs 7/00 – 590 Js 30992/99 –, juris, Rdnr. 350 et passim; LG Düsseldorf, Urt. v. 13.  November 2008  – 14 KLs 3/08  –, juris, Rdnr. 178 et passim. In der jüngsten Rechtsprechung zum „Darlehensbetrug“ nutzt der BGH statt des Begriffs der „Differenz“ jenen des „Wertvergleichs“ (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 13.  März 2013  – 2 StR 275/12  –, juris, Rdnr.  22 = wistra  2013, 347 ff.; NStZ 2013, 472 [474]). Damit verschweigt der BGH freilich, dass das Ergebnis des Wertvergleichs von ausgekehrter Darlehenssumme und Rückzahlungsanspruch wiederum auf eine Differenz hinausläuft. 125  Vgl. etwa Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnrn. 165b, 200 – „Preisdifferenz“, 257 et passim; Fischer, StGB, § 263, Rdnrn. 119, 122, 170, ferner Rdnr. 110: „negativer Saldo“ (ebenso Zieschang, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 263 StGB, Rdnr.  55 und jüngst BGH, Beschl. v. 19.  Februar 2014  – 5 StR 510/13  –, juris, Rdnr. 11); Beukelmann, in: BeckOK – StGB, § 263, Rdnr. 65: Bei Vermögensgefährdung sei die „Bewertung der Differenz“ erforderlich; Kraatz, JR 2011, 434 (438 – „negative Differenz“); ebenso Velten, in: Festschrift f. Schünemann, 2014, S. 715 („negative Wertdifferenz“).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

zug auf die Differenzhypothese,126 „die Differenzmethode [sei] als wertneutrale Rechenoperation“ anzusehen.127 Damit wird deutlich, dass mathematisch zu ermittelnde Differenzen sogar über den Kontext des StGB hinaus den Begriff des „Vermögensschadens“ mit Inhalt füllen. c) Die Suche nach dem Differenzergebnis Während also die Betrachtung der Rechtsprechung und Literatur den Inhalt des Schadensmerkmales bei Betrug und Untreue als eine Wertdifferenz ausweist, steht weiterhin die Frage im Raume, ob man daraus auch Rückschlüsse auf die erforderliche Beschaffenheit des Ergebnisses dieser Differenzbildung ziehen kann. Welche Anforderungen stellt mithin der in dieser Arbeit zentrale Tatbestand des § 263 StGB an das Differenzergebnis? Man wird eingangs konzedieren müssen, dass im Rahmen der grammatikalischen Auslegung wiederum alle möglichen Wortbedeutungen eine Rolle spielen,128 weshalb der Begriff des Vermögensschadens auch in Bezug auf das Differenzergebnis so ziemlich alles bedeuten könnte, was man im Allgemeinen darunter verstehen mag. So wäre es durchaus denkbar, eine Zweckverfehlung durch die Saldierung von Zweckmäßigkeiten zu konstatieren oder die Brauchbarkeit von Gegenständen einer abstrakten „Differenz“ zuzuführen, usf. Es läge daher nahe, unter diesem allgemeinen Verständnis eine weite Auslegung des Schadens- bzw. Nachteilsbegriffs zu favorisieren. Indes hat das BVerfG in der grundlegenden Entscheidung aus Juni 2010 eigens darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber auch unter dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht gezwungen wäre, allein mit unmittelbar für jedermann fassbaren, deskriptiven Tatbestandsmerkmalen zu operieren. Vielmehr sei auch die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln nicht von vornherein ausgeschlossen.129 Dass gesetzessystematische und teleologische Erwägungen für die Bestimmung des möglichen Wortsinns von Bedeutung sein können, ist eine Erkenntnis, die auch im Übrigen mit verfassungsgerichtlichen Weihen ausgestattet ist.130 Folglich kann das Differenzergebnis nicht nur mit dem allgemeinen Sprachgebrauch konturiert, sondern darüber hinaus zweckkonform interpretiert werden. 126  Zu dieser als (hier für untauglich erklärten) Rechengrundlage vgl. unten C. IV.1.g). 127  Vgl. BGH, DB 2013, 2017 (2019). 128  Vgl. dazu Frister, Strafrecht AT, Kapitel 4, Rdnr. 28; Roxin, Strafrecht AT 1, § 5, Rdnr. 37. 129  BVerfGE 126, 170 (196). 130  Vgl. ferner BVerfG(K), NJW 2011, 3778 (3779); 2008, 3627 (3628 f.); 2007, 1666 (1667 f.); 2004, 3768 (3769 f.).



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 69

Wenn man dem Schadensbegriff nunmehr mit dem späten Savigny zu Leibe rückt, so findet sich unter den Aspiranten auf den Posten des treffenden Auslegungsergebnisses jedenfalls ein Kandidat, der nicht nur den Wortlaut des Gesetzes, sondern auch den anerkannten Normzweck auf seiner Seite weiß: Anerkannt ist vor dem Hintergrund der wirtschaftlich fundierten Vermögensvokabel, dass der Begriff des Vermögensschadens eine Wertdifferenz ausweist, die sich aus dem Vergleich zweier Vermögensmassen ergibt.131 Gleichzeitig steht diese Rechenweise unter der Prämisse vom Schutz des Gesamtvermögenswerts.132 Weil damit eine auf Wertsummen bezogene Differenzbildung im mathematischen Sinne erforderlich wird, nimmt der Begriff des Vermögensschadens notwendig eine Form des mathematischen Schlussfolgerns bzw. Vergleichens in Bezug. Die Auslegung des Nachteilsund Schadensbegriffs kann sich daher zunächst auf den Umstand stützen, dass Wortlautinterpretation und Teleologie den Vermögensschaden mit einem Verfahren des mathematischen Schlussfolgerns in Verbindung bringen. d) Sprachlogik und Norminhalt sowie zur Vorgehensweise Dem Ansatzpunkt am Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG entspricht es also, die grammatisch-teleologische Auslegungsmethode zu bemühen und im gleichen Zuge die notwendigen Konsequenzen der Prämisse zu ergründen, wonach die Vermögensdelikte im engeren Sinne das Vermögen in seinem Gesamtwert schützen: Was meint, eine Wertdifferenz feststellen, und welche logischen Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für die Gestalt des Vermögensschadens? Die unterschwellige Behauptung der hier eingeschlagenen Marschroute, wonach letztlich Norminhalt jenes werde, was logisch – hier im Sinne von notwendig – zum Sprachinhalt rechne, mag keine ungeteilte Zustimmung erfahren.133 Indes ist nicht ersichtlich, wie man es auch anders anstellen sollte: Die Jurisprudenz kann sich der Logik nicht entziehen, gerade dann, wenn sie anhand des Bestimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG die Vorhersehbarkeit des strafbaren Verhaltens einfordert und damit den Rechtsunterworfenen jedenfalls auf sprachliche Kontinuitäten vertrauen lässt. Das Bezifferbarkeitserfordernis ist mithin zunächst als ein Problem grammatikalischer und teleologischer Auslegung des Vermögensschadensmerkmals zu behandeln. Zu beantworten ist die Frage, ob 131  Zur „Wertdifferenz“ bzw. dem „negativen Saldo“ als Inhalt des Schadensbegriffs vgl. oben C.III.2.b). Zum Rechenmodus sodann unten C.IV.1. 132  Dazu C.I.1. 133  Vgl. etwa die Feststellung von Engisch, Beiträge zur Rechtstheorie, herausgegeben v. Bockelmann/Kaufmann/Klug, S. 88 (96), wonach „das Ideal der axiomatisch-deduktiven Methode in der Jurisprudenz nicht verwirklicht werden kann“.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

die Formulierungen „Wer […] das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt …“ (§ 263 Abs. 1 StGB) bzw. „Wer […] dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt …“ (§ 266 Abs. 1 StGB) letztlich auch auf das Erfordernis einer bezifferten Wertdifferenz verweisen. e) Zusammenfassung der ersten Prämisse und Hypothesenbildung Der Versuch des Beleges eines Bezifferungsgebotes als Tatbestandselement ruht auf zwei Prämissen. Die erste ist in den vorherigen Abschnitten bereits aus dem Normzweck und allgemeinen Überlegungen zum Wesen der Differenzbildung hergeleitet worden. Sie lautet in der Zusammenfassung: Der Vermögensschaden ist eine mathematisch zu ermittelnde Differenz zwischen zwei Wertsummen (Prämisse 1). Ferner ergibt sich aus den vorstehenden Überlegungen134 die Hypothese, dass ein Bezifferbarkeitserfordernis in das Schadensmerkmal Einzug halte, sobald es notwendige Bedingung der von § 263 StGB vorausgesetzten Differenzbildung werde, sodass etwa die Verwendung des Begriffs „Schaden“135 im betrugsstrafrechtlichen Kontext nichts anderes als die bezifferte Differenz meine (Prämisse 2). Erst die Zusammenführung beider Prämissen könnte sodann zu der Erkenntnis verhelfen, dass der Vermögensschaden als mathematische Differenz im Sinne der Prämisse 1 stets die Bezifferung ihrer Rechenvariablen erfordere. Ob man neben der Prämisse 1 auch die Prämisse 2 – die Hypothese – begründen kann, bildet den Gegenstand der folgenden Zeilen. Liegt es denn nicht schon auf der Hand, dass eine mathematische Differenz die Bezifferung ihrer Rechengrundlagen erfordert, und ist die Herleitung der zweiten Prämisse daher nichts weiter als ein Produkt allgemeiner Anschauung? Die Antwort auf diese Frage ist nicht nur rhetorischer Natur: Die mathematische Differenz ist zunächst nicht mehr als das Anwendungsprodukt eines Operators, der zwei Variablen miteinander wechselwirken lässt. Von welcher Gestalt diese Variablen sind, steht deshalb – im Gegensatz zu den Zahlen – nicht im Vorhinein fest.136 Anders gewendet bleibt es auch mit der Erkenntnis, dass der Vermögensschaden ein Produkt mathematischer Überlegungen ist, möglich, gewisse Zwecke oder etwaige Gebrauchs134  Vgl.

C.III.2.d). kann man freilich auch mit dem Begriff des „Nachteils“ in § 266 StGB oder § 253 StGB veranstalten. 136  Frege, Grundlagen der Arithmetik, S. 15: „Wenn man für a in a + a – a = a eine beliebige, aber überall dieselbe Zahl […] einsetzt, so erhält man immer eine wahre Gleichung. In diesem Sinne wird der Buchstabe a gebraucht. Aber bei der Eins liegt die Sache doch wesentlich anders. Können wir in der Gleichung 1 + 1 = 2 für 1 ­beidemal denselben Gegenstand, etwa den Mond setzen?“ 135  Dasselbe



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 71

möglichkeiten ohne die Verwendung von Zahlen einer Differenz zuzuführen. Man kann beispielsweise sagen, dass die Verwendungsmöglichkeiten von Geld „minus“ der (oder im Vergleich zu den) Verwendungsmöglichkeiten von zu klein geratenen Melkmaschinen137 zu einer Differenz führen: Geldwerte lassen sich (fast) immer einer Verwendung zuführen, kleine Melkmaschinen dagegen nur unter gewissen Rahmenbedingungen. Das Ergebnis dieser Rechnung könnte man folglich als „Anwendungsdifferenz“ bezeichnen. Ebenso ist es denkbar, Zweckrealisierungen miteinander zu saldieren: Die einer Hilfsorganisation zugedachte Spende trägt einen karitativen Zweck und geht daher im karitativen Geschehen auf, während die irrtümlich hergegebene „Lebenshilfe“ an einen Betrüger diesen Zweck zwar ebenfalls trägt, dieser sich aber letztlich nicht realisiert. In der Bilanz steht daher: „karitativer Zweck erfüllt“ versus „karitativer Zweck nicht (so) erfüllt“. Auch hier besteht eine „Zweckrealisierungsdifferenz“. Diese Beispiele zeigen, dass man allein mit der Prämisse, dass der Vermögensschaden eine mathematische Differenz ausweise, noch kein Bezifferungsgebot zu kreieren vermag, weil nicht offenliegt, weshalb die eingesetzten Variablen (Zwecke, Gebrauchsmöglichkeiten etc.) untauglich sein sollten, um eine Differenz im Sinne des Vermögensschadens zu begründen. Auch der Rekurs auf die Mathematik erlaubt es daher in der Grundlinie, etwa die Zweckverfehlung oder den individuellen Schadenseinschlag als Methoden der Schadensberechnung beizubehalten. f) Sicheres Wissen als Ergebnis der Differenzbildung Selbst wenn man den Vermögensschaden als mathematische Differenz versteht und daher das Verfahren der Differenzbildung zur Schadensberechnung anwendet, so ergibt sich daraus zunächst noch kein Bezifferbarkeitserfordernis. Dieser Befund speist sich aus dem gewählten Blickwinkel, wonach zwei Variablen (Vermögenswerte, Zwecke, Nutzbarkeiten etc.) miteinander verglichen werden, ohne dass man damit zugleich ein Kriterium für die Art des zu erzielenden Ergebnisses gewinnt. Aus diesem Grund ist ein Perspektivwechsel erforderlich: Während im vorherigen Abschnitt der allgemeine modus operandi einer Differenzbildung für zwei vom klassischen wirtschaftlichen Fundament des Vermögensschadens abweichende Kategorien – die Hingabe einer Spende als Zweckverfehlung und die mangelnde Anwendungsmöglichkeit einer Sache im Sinne des Schadenseinschlags –, als universell einsetzbar aufgezeigt wurde, verlangt die Betrachtung in diesem Abschnitt einen Blick auf das Resultat des Differenz­ bildungsverfahrens. Anstatt also die Funktionsweise der mathematischen 137  Vgl.

den sog. „Melkmaschinen-Fall“ BGHSt 16, 321 ff.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Differenzbildung näher zu beleuchten, ist es für die Frage des Bezifferbar­ keitser­for­der­nisses ertragreicher, die Frage nach dem Wesen einer mathematischen Differenz, mithin die Frage nach der Beschaffenheit des Vergleichs­ ergebnisses zu stellen. Wovon sprechen wir, wenn wir „Schaden“ sagen und damit „Differenz“ meinen? Bei näherer Betrachtung ergeben sich zwei wichtige Merkmale: Eine mathematische Differenz unterliegt (jedenfalls im Bereich der Vermögenswertsummen) zunächst dem Prinzip des secundum non datur.138 Denn das Ergebnis einer Differenzbildung ist in Anbetracht seiner Prämissen jedenfalls in Bezug auf den mathematischen Sprachgebrauch sicher:139 Soweit Zweckrealisierungen voneinander „subtrahiert“ werden können, ist auch das Ergebnis stets eindeutig, weil es mit mathematischer Unerbittlichkeit die Angabe nur einer Differenz zwischen den Variablen erlaubt. Ebenso ist das Urteil über die Verwendbarkeit von Gegenständen klar und unzweideutig, sofern es im Wege einer Differenz gebildet wird. Auf das eingangs bemühte Bild vom Apfelbaum angewandt: Ein Apfelbaum „minus“ einen Apfel ist gleich „Apfelbaumminus 1 Apfel“, niemals etwa „Apfelbaumminus 2 Äpfel“ oder „ungefähr Apfelbaum“. Für alle zulässigen Operationen, die zu einer mathematischen Differenz im Wege der Subtraktion führen, gilt daher, dass sie nur ein Ergebnis zeitigen140 – „und ist diese Unerbittlichkeit nicht dieselbe, wie die des logischen Schlusses?“.141 Indes gibt es Unterschiede, soweit man den Aussagewert der Differenzbildung in den Blick nimmt. Als Subtraktion zweier Zahlen – etwa der Vermögenswerte vor und nach der Vermögensverfügung – bringt die Differenzbildung wiederum eine Zahl hervor. Mit dieser Zahl lässt sich nicht nur 138  Vgl. etwa (zur Addition, aber freilich insoweit übertragbar) Hinzen, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 2004, 1 (8) sowie – in Abwandlung auf den Fall der Differenzbildung – ders., Zeitschr. f. philosoph. Forschung 2004, 1 (18): „Nichts anderes würden wir [Differenz] nennen“. 139  Eine „mathematisch[e], jede andere Möglichkeit ausschließende Gewissheit“ kontrastiert auch der BGH, mit der weniger anspruchsvollen Überzeugungsbildung nach § 261 StPO, vgl. etwa BGH, NStZ 2013, 420 (421); NStZ-RR 2012, 72 (73); BGH, Beschl. v. 24.  Januar 2012  – VI ZR 132/10  –, juris, Rdnr.  8. 140  Die Erkenntnis über mathematische Sachverhalte wird auch als analytic certainty bezeichnet, vgl. Law, New Literary History, 1988, S. 319 (321). Allerdings bezieht sich der Autor in dem dafür gegebenen Beispiel eher auf die Gesamtheit des mathematischen Verfahrens („for example, our certainty that 2 + 2 = 4“). 141  Wittgenstein, Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik, S. 38. Es erscheint darüber hinaus bemerkenswert, dass ebenso (moderat) skeptische Autoren wie David Hume davon ausgehen, dass ein Zweifel an „der Wahrheit reiner Vorstellungsbeziehungen (relations of ideas)“ – mithin auch der mathematischen Gesetzmäßigkeiten – widersprüchlich sei, „also gar nicht denkbar und somit auch nicht vorstellbar sei“ (beide Zitate von Hauskeller, logos 2001, 423 [426 f.] m. w. N.).



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 73

unabhängig von individuellen Wertungen feststellen, ob das Vermögen nach der Verfügung überhaupt vermindert ist, sondern darüber hinaus vermag das Ergebnis Aufschluss über den Grad der Vermögensschädigung zu vermitteln. Als Subtraktion zweier Verwertbarkeitsmöglichkeiten oder von Zwecken bringt die Differenzbildung hingegen nur eine Tendenz hervor, die lediglich mit dem volatilen Sicherheitsgrad ihrer Prämissen – etwa der zugrunde gelegten Angaben über einen erreichten Zweck oder der, meist subjektiven, Einschätzung über die Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes – aufzuwarten vermag. Anders gewendet macht sich die Angabe einer Zahl in der Schadensrechnung den Vorteil zunutze, dass Zahlen einen vordefinierten Bedeutungsgehalt beschreiben, der von allen Normadressaten verstanden und einheitlich interpretiert wird. Das heißt: Während die Zahl als Minuend und Subtrahend sowohl den Umstand der Wertminderung als auch den Grad derselben allgemeingültig und damit für jedermann fassbar angibt, ist letzteres bei anderweitigen Prämissen nicht der Fall. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis lautet die entscheidende Frage, welches dieser möglichen Ergebnisse einer Differenzbildung man im Kontext des strafrechtlichen Sprachgebrauchs (sub specie § 263 StGB) bezeichnen will. Sagt man etwa: „Ich habe mich überzeugt (oder: ich glaube), dass das Ergebnis X ist“ oder liegt es nicht eher so, dass die Aussage richtig ist: „Ich weiß, dass das Ergebnis X ist“? Unser Sprachspiel lässt nur eine Antwort auf diese Frage zu: Weil die Regeln der mathematischen Differenzbildung – erstens – eindeutig sind und weil sie – zweitens – im hiesigen Gegenstandsbereich unter anderem besagen, dass auch das Ergebnis einer Differenzbildung unzweideutig ist, gibt man vor, genau zu wissen, dass das Ergebnis der Differenzbildung die zutreffende Schlussfolgerung aus der Verrechnung der gewählten Prämissen sei.142 Wer im Tatbestand „Vermögensschaden“ sagt, der meint „Differenz“ und bezieht sich damit auf den unerbittlich feststehenden Bedeutungsgehalt des Differenzergebnisses als Zahlwert. Man trifft folglich mit der Angabe des Vermögensschadens eine Aussage, die dem sog. „propositionalen Wissen“ zugehörig ist.143 142  „Vergleiche damit 12 × 12 = 144. Auch hier sagen wir nicht „vielleicht“. Denn sofern dieser Satz darauf beruht, daß wir uns nicht verzählen oder verrechnen, daß uns unsere Sinne beim Rechnen nicht trügen, sind die beiden, der arithmetische und der physische Satz, auf der gleichen Stufe“, Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 116 (= § 447); ebenso Hinzen, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 2004, 1 (7): „Die Erfahrung verantwortet sich vor dem Begriff, nicht der Begriff vor der Erfahrung …“ – Hervorhebung im Original. 143  Also eine Aussage der Art, „Ich weiß, dass“. Vgl. zur Unterscheidung von gegenständlichem, propositionalem und dem auf Fähigkeiten bezogenen Wissensbegriff Engel, in: Sandkühler, Enzyklopädie, Band II, Stichwort „Wissen“.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Mit anderen Worten: Das Ergebnis der mathematischen Differenzbildung suggeriert Sicherheit, und wenn man den Vermögensschaden in einer mathematischen Differenz verortet, dann sagt man damit gleichsam, dass man das gefundene Differenzergebnis „wisse“. Die Differenz wird nicht als Tendenzbegriff verwendet, sondern als ein factum ausgesprochen, das abweichende Ergebnisse ausschließt.144 Selbst wenn das Ergebnis der Rechnung lediglich den Umstand einer Differenz ausweist, nicht hingegen die konkrete Höhe, so wird damit behauptet, dass es angesichts der mathematischen Fundierung der „Berechnung“ nicht anders sein könne. Deshalb sagt man dann auch, der Schaden liege „in der Differenz“ zwischen X und Y.145 Wie soll man angesichts dieses Befundes aber wissen, ob das Ergebnis der Differenzbildung auch „stimmt“? Wer „Vermögensschaden“ sagt, damit eine „Differenz“ meint und auf die soeben dargelegten mathematischen Implika­ tionen verweist, der spiegelt ein sicheres Wissen um das Differenzergebnis zunächst nur vor.146 Folglich schließt sich an dieser Stelle die – im kommen144  Man kann auch sagen, dass abweichende Resultate als Ergebnisse „nicht zählen“, so etwa (für ein Beispiel der Addition) Hinzen, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 2004, 1 (8). 145  Vgl. etwa den deutlichen Sprachgebrauch bei Fischer, StGB, § 263, Rdnrn. 119, 122, 170 – Hervorhebung freilich nur hier. 146  Dass diese Überlegungen nicht im luftleeren Raum schweben, belegt ein Blick in die veröffentlichte Rechtsprechung. So kann man die Beobachtung eines auf definite Größen bezogenen Sprachgebrauchs zunächst in Fällen des klassischen Vermögensschadens machen: „Diese Summe stellt das täuschungsbedingte Minus im Vermögen der Verkäufer dar.“ (BGH, NJW 2013, 1460 – Hervorhebungen nur hier); „Die Banken wurden deshalb im Umfang der Differenz der von ihnen herausgegebenen Darlehensvaluta zu dem tatsächlichen Wert der Grundstücke, an denen die Grundschulden bestellt waren, geschädigt.“ (LG Kiel, Urt. v. 22. Juni 2001 – VI KLs 7/00, VI KLs 7/00  – 590 Js 30992/99  –, juris, Rdnr.  350); „…  ein Schaden in Höhe der Differenz zwischen dem Kaufpreis für Öko-Ware und dem Preis für konventionelle Waren“ (LG Bielefeld, LG Bielefeld, Urt. v. 07. Juni 2010 – 1 KLs – 6  Js 9/09  – 1/10  –, juris, Rdnr.  127  – Hervorhebungen nur hier); „…  den rechtserheblichen Betrugsschaden […] in der Differenz zwischen den vermeintlichen (1.700 Euro) und tatsächlichen monatlichen Aufwendungen (898 Euro)“ (KG Berlin, Urt. v. 24.  September 2013  – [4] 121 Ss 136/13 [170/13]  –, juris, Rdnr.  36  – Hervorhebung nur hier). Ferner kann man diesen Sprachgebrauch auch bei kumulierten Feststellungen und solchen, die erst noch den Berechnungsvorgang mit konkreten Zahlen erfordern, antreffen. Hier wird zwar nicht explizit auf die Differenz, aber gleichwohl auf ein mathematisches Ergebnis rekurriert: So liest man etwa, es entstehe „ein Nachteil i. S. v. § 266 StGB in Höhe der jeweiligen ‚Entnahmen‘ “ (BGH, NStZ 2013, 38 [39] – Hervorhebungen nur hier bzw. angepasst); „Sie hatten keine Aussicht, Aktionär zu werden, so dass ein Schaden in Höhe der jeweiligen Zeichnungssumme vorlag.“ (NJW 2011, 2675 [2677] – Hervorhebungen nur hier); „… einen endgültigen Schaden, hier in der Gesamthöhe der jeweiligen Anlagesumme“ (BGHSt 53, 199 [200] – Hervorhebungen nur hier); „… ist durch die Festsetzung und Auszahlung der ungekürzten staatlichen Teilfinanzierung das Bundesvermögen in Höhe des an



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den Abschnitt behandelte – Frage an, was man denn von einem, der „Vermögensschaden“ sagt, verlangen darf, bevor man ihm den richtigen Gebrauch dieser Vokabel in der skizzierten Implikation auch zugestehen kann. Zunächst mit kurzen Worten zusammengefasst: Wer den Vermögensschaden berechnet, der bildet eine Differenz, die wiederum das Ergebnis eines mathematischen Prozesses ist, der eine gewisse (mathematische) Art des Schlussfolgerns voraussetzt. Es ist dieser Art des Schlussfolgerns eigen, dass sie im hier relevanten Gegenstandsbereich der Vermögensmassen jeweils nur ein einziges Ergebnis hervorzubringen vermag, und deshalb impliziert bereits die Angabe über das bloße Bestehen eines Vermögensschadens, dass es in Bezug auf die durchgeführte Rechenoperation kein anderes Ergebnis gebe – secundum non datur. Diese Eigenschaft macht sich der Schadensbegriff sub specie § 263 (konsequenterweise auch jener nach § 266 StGB) zu eigen, indem er das soeben geschilderte Verfahren der Differenzbildung voraussetzt. So wird deutlich, dass es bei der Frage nach der Bezifferbarkeit um die Überzeugungskraft einer Schlussfolgerung,147 mithin eines Verfahrens geht, das aufgrund seiner mathematischen Fundierung eindeutiges Wissen in Form des Differenzwertes hervorzubringen vorgibt. g) Zahlen und Variablen Die Feststellung, dass die Verwendung des Schadens- und Nachteilsbegriffs zunächst Wissen zu produzieren lediglich vorgibt, partizipiert wiedesich abzuziehenden Kürzungsbetrages geschädigt“ (BGH, NJW 2004, 3569 [3577] – Hervorhebungen nur hier). Selbst in den hochstrittigen Bereichen des Abrechnungsoder Wettbetrugs findet man Hinweise darauf, dass der Sprachgebrauch ein ganz bestimmtes Differenzergebnis in den Blick nimmt: „… eine wirtschaftliche Vermögenssaldierung ergibt daher ein Minus“ (BGHSt 57, 95 [117] – Hervorhebung nur hier); „Bei dieser nun ermittelten Anzahl von Patienten ist für jedes Quartal einzeln zu berechnen, was die Angeklagten von der KV K erhalten haben und was sie erhalten hätten, wenn sie als Gemeinschaftspraxis abgerechnet hätten. Der Differenzbetrag ergibt dabei den Schaden.“ (LG Bad Kreuznach, Urt. v. 07. Januar 2008 – 1043 Js 11880/01 KLs  –, juris, Rdnr.  17 = ZMGR  2008, 219 ff.  – Hervorhebungen nur hier); „Diese ‚Quotendifferenz‘ stellt bereits bei jedem Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar.“ (BGHSt 51, 165 [175] – Hervorhebungen nur hier). Alle vorgetragenen Beispiele haben gemeinsam, dass sie im Sinne der oben skizzierten Methodik zu einem definierten Ergebnis gelangen, welches sie nicht etwa nur als richterliche Gewissheit im Sinne des § 261 StPO präsentieren, sondern mit der Kraft des mathematischen Vergleichs ausstatten, indem sie anderweitige Ergebnisse bereits logisch ausschließen, weil deren Erzielung gegen die Regeln der Mathematik verstieße. 147  Nicht von Ungefähr formuliert das BVerfG(E 126, 170 [212]), dass es bei der Bezifferung darum gehe, die Schadensfeststellung „rational nachvollziehbar zu machen“.

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rum an der Relevanz einer Grundlegung und bietet den Ansatzpunkt für die weitere Betrachtung der Bezifferungsproblematik. Denn: „Wer etwas wissen will, will zugleich, daß sein Wissen Realität habe.“148 Wer also sagt, er wisse etwas, und damit keinen Raum für Zweifel lässt, der ist in der Regel begründungspflichtig, und im Rahmen seiner Erläuterung gibt der Sprechende sodann die Gründe an, aus denen er sein Wissen ableitet.149 Werden Zwecke voneinander subtrahiert, so vermag der Rechnende sein Wissen um die Differenz damit zu begründen, dass er angibt, es sei eben das bei einer Subtraktion zu erwartende Ergebnis. Eine derartige Berechnung wandelt den Vermögensschaden jedoch nur in einen Tendenzbegriff, der lediglich eine Angabe dahingehend erlaubt, dass Minuend und Subtrahend überhaupt in der einen oder anderen Richtung zueinander tendieren. In Anlehnung an eine Formulierung Platons: Es scheint, „daß nämlich die Elemente unerkennbar wären, die Gattung der Verknüpfung aber erkennbar“.150 Verwendet der Rechnende hingegen Zahlen, so ist er freilich in der Lage, eine definitive Aussage über Gestalt und Verhältnis von Minuend (Ausgangsvermögen) und Differenzwert (Schaden) zu treffen.151 Er vermag mithin auch die „Elemente“ der Rechnung und deren Wertigkeit zu bestimmen, nicht nur deren „Gattung der Verknüpfung“. Weil es sich bei ihnen jeweils um als vordefinierte Bedeutungsgehalte wesende Zahlen handelt, ist es folglich eine Eigenschaft der Wertziffern, etwas über den Umfang der Differenz zwischen Ausgangs- und Endvermögen, mithin über die Höhe des Vermögensschadens zu berichten. Somit verwirklicht erst die Anwendung von Wertziffern im Rahmen der Differenzbildung den Vermögensschaden als konkreten Verhältnisbegriff. Einfacher gesagt: Wer nur Variablen verwendet – und darunter sind auch konkretisierungsbedürftige Zwecke und Nutzbarkeiten zu fassen –, der unterlässt es, die Verbindung seiner Überzeugung mit der Realität herzustellen; über eine Tendenz der Rechenelemente zueinander vermag er zu berichten, darüber hinaus jedoch nichts, weil die Wertigkeit der Rechenelemente nicht allgemeingültig feststeht. Deshalb verwendet der ohne Zahlenangaben Rechnende nicht den als „Differenz“ definierten Begriff des Vermögens148  Schelling,

Vom Ich als Prinzip der Philosophie, S. 20. Vom Ich als Prinzip der Philosophie, S. 21: „… unser Wissen [steigt] nur von der Folge zum Grund [auf] und [schreitet] umgekehrt vom Grund zur Folge [fort]“; vgl. ferner Craig, Zeitschrift f. philosoph. Forschung 1972, 438 (449): „… Begriff vom Wissen, etwa als richtiges Fürwahrhalten mit guter Begründung …“. 150  Diesen Satz sagt Sokrates in Platos Theätet, S. 197 (= Rdnr. 202e). 151  Vgl. auch Fischer, StraFo 2012, 429 (430): Wer die Grundlagen einer Berechnung des Schadens angebe, garantiere die Richtigkeit einer darauf gegründeten Feststellung. 149  Schelling,



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schadens. Anders liegt es hingegen bei dem Einsatz konkreter Vermögenswertziffern. Ihre Rückbindung an die zu vergleichenden Vermögenswerte sichert dem Rechnenden letztlich zu, „daß sein Wissen Realität habe“, weil damit allgemein definierte Bedeutungsgehalte verknüpft sind. Die Differenz zweier Zahlen hält außerdem gerade deshalb Einzug in den Bereich des Wissens, weil nach den Grundregeln der Mathematik gar nichts anderes denkbar wäre, als die Aussage, „Ich weiß, dass die Differenz zwischen Vermögen1 und Vermögen2 den Betrag von Vermögen3 bildet“. Dies ist keine Naturerkenntnis, sondern letztlich eine mathematische Definitionsfrage.152 Wer hingegen andere Variablen verwendet – etwa Zwecke, Nutzungsmöglichkeiten, individuelle Vorstellungen etc. –, der bedient sich nur eingeschränkt mathematischer Sicherheiten, weil seine Variablen nicht an den grundlegenden Regeln der Zahlenlehre und, in casu, der Differenzbildung partizipieren. Bei genauem Hinsehen müsste ein Betrachter den Unterschied zwischen der Verwendung von Zahlen und der Verwendung anderer Variablen freilich kenntlich machen und damit regt sich der Verdacht, dass jene, die den Schutzzweck des § 263 StGB in der Erhaltung einer Vermögenswertsumme verorten, auch auf die soeben skizzierte Fähigkeit der Wertziffern rekurrieren, wenn sie Aussagen über einen Vermögensschaden treffen. Kurz gesagt: Wer Zahlen verwendet, der errechnet ein Ergebnis, das im Rahmen des mathematischen Sprachspiels schon qua definitione als eindeutiges Wissen ausgewiesen wird; wer hingegen andere Variablen einsetzt, der übernimmt damit auch deren Schwächen und Ungenauigkeiten. Gleichwohl machen beide Varianten einen Wissensanspruch geltend, der sich darauf bezieht, dass sie das Bestehen einer gewissen Differenz postulieren. Auch an dieser Stelle verlangt die weitere Überlegung noch ein wenig Geduld, denn es eröffnen sich wiederum zwei Möglichkeiten des Fortgangs: Zum einen könnte man für den Vermögensschaden trotz des mangelnden Rekurses der Variablen auf die Kraft mathematischer Definition jegliches Differenzergebnis zulassen, mithin für geeignet erachtete Variablen in den Stand der tauglichen Rechengrundlagen einladen, und sodann zum Beispiel einen Mindestschaden schätzen. Zum anderen könnten jedoch auch nur Zahlen diese Position erlangen, wenn sich erweist, dass man sie benötigt, 152  Zum mathematischen Grundverfahren als ein „auf lauter Definitionen zu reduzierendes Verfahren“ vgl. Del Negro, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1948, 28 (30 f.). Deshalb müsste man sich im Falle der Anmeldung von Zweifeln trotz eines methodisch „richtig“ gerechneten Differenzergebnisses zugleich damit auseinandersetzen, dass man damit behauptet, „ein Spiel sei schon immer falsch gespielt worden“ (Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 129 [= § 496]); in dieser Richtung auch Law, New Literary History, 1988, 319 (321).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

um den reinen Anschein der Wissensproduktion gegen eine tatsächliche, auch der Realität Rechnung tragende Wissensposition einzutauschen.153 Anders gewendet: Während bislang der Einsatz von Variablen (in Gestalt von Zwecken, Synallagmen, Brauchbarkeiten etc.) lediglich den Anschein des sicheren Wissens vermittelte, könnte der Gebrauch von Zahlen einen erforderlichen Schritt zur Kongruenz von Vorstellung und Realität darstellen. Denn bislang steht doch nur eines fest: „In den Eindrücken also ist kein Wissen, wohl aber in den Schlüssen über jene“.154 h) „Wenn du weißt, daß hier eine Hand ist …“155 Um die Notwendigkeit von Zahlenangaben im Rahmen der Schadensberechnung zu erschließen, wird es an dieser Stelle erforderlich sein, ein wenig grundlegender über die Mechanismen der Erkenntnis und der Wissensproduktion nachzudenken. Denn die Frage, wie man sicheres Wissen erlangt, beschäftigt freilich die philosophischen Fakultäten seit jeher, und dieser Umstand verpflichtet den an der genauen Wortbedeutung interessierten Norminterpreten jedenfalls dazu, seinen Blickwinkel auch auf die Ergebnisse der Nachbarfakultät zu erweitern. Anstatt jedoch die Evolution der Erkenntnislehren ohne nähere Eingrenzung nachzuvollziehen, bietet es sich an, zuerst den Bezugspunkt des Wissens bei Differenzbildungen im Umfeld der Schadensberechnung etwas genauer einzukreisen. Man kann sich hierzu der Erkenntnisse bedienen, die etwa von Immanuel Kant über das Verhältnis von Substanz und Eigenschaft gewonnen wurden. Differenzbildungen über den Vermögenswert zeigen den Wandel desselben an und deshalb verweisen sie auf veränderliche Eigenschaften, die in ihrer Vielfalt letztlich auf eine gemeinsame Grundlage zurückblicken lassen, anhand derer der Wandel kenntlich gemacht werden kann. Diese Grundlage lässt sich mit dem Begriff der Substanz beschreiben, während man die erkennbaren Erscheinungen als „Akzidenzen“ bezeichnen mag.156 Sie sind jeweils als Eigenschaften eines Erkenntnisobjekts zu den153  „Sage ich in der Mathematik „Ich weiß“, so ist die Rechtfertigung dafür ein Beweis.“ (Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 145 [= § 563]). 154  Vgl. einen Satz von Sokrates in Platons Theätet, S. 145 (= Rdnr. 186d). 155  „… so geben wir dir alles übrige zu.“, Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 9 (= § 1). 156  Vgl. zusammenfassend Strohmeyer, ZfaW 1987, 239 (254 ff.); Martin, Ontologie und Wissenschaftstheorie, S. 97; Görland, Kantkritik des jungen Hegel, S. 104. Der Rekurs auf die Kant’sche Grundlegung scheint aufgrund des besonderen Formats, in das sich jede Vermögensmasse als auf Werthaltigkeit gemünztes Beziehungsgeflecht zwischen einzelnen Wertträgern fügt, trotz der auf die Realität des Scheinenden hinauslaufenden Erkenntnisse nachfolgender phänomenologischer Schulen (vgl. dazu



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ken, zu dem man im Wege der Strukturierung vordringt.157 Während jedoch die Akzidenzen des Objektes substanziell erkennbar sind, ist das Objekt selbst lediglich ein synthetisches Prinzip.158 Deshalb ruht alle Erkenntnis zunächst auf der Beobachtung der Akzidenz, die freilich wiederum aus der Beobachtung anderer Akzidenzen gewonnen werden kann.159 Der Erkenntnisgegenstand einer Vermögensschadensrechnung ist folglich nicht das Vermögen als ruhendes Prinzip, sondern die jeweilige Akzidenz, mithin eine dem Wandel unterworfene Eigenschaft, die sich auf das Zugehörigkeitsverhältnis von Gegenstand zu Vermögen bezieht. Hierin aktualisiert sich die Suche nach mehrbezüglichen Zugehörigkeitsverhältnissen: Es ist nicht unbedingt das Vermögen als synthetisches Prinzip, sondern es sind seine charakteristischen Eigenschaften und Beziehungslagen, die zur Berechnung des Vermögensschadens führen. Die Frage, nach welchen Kriterien die menschliche Erkenntnis (hier: über derartige Akzidenzen) abzumessen ist, bildet einen Gegenstand der Epistemologie und insbesondere der Begriff des Wissens beschäftigt diese Fachrichtung. Auch – oder ausgerechnet – heutzutage herrscht jedoch trotz intensiver Auseinandersetzung in der philosophischen Disziplin keine letztgültige Einigkeit darüber, welche Merkmale der Wissensbegriff letztlich umfasst;160 ganz zu schweigen von der Frage, ob ein solcher Begriff in letzter Konsequenz überhaupt notwendig und durchführbar ist.161 Die Details dieser grundsätzlich bedeutsamen Problemstellung sind aber auch nur insoweit von Interesse, als sie einen Fingerzeig darauf geben, wie man im Umfeld einer Schlussfolgerung zu Wissen gelangen kann und damit Kongruenz zwischen Tatsachen und Sprachgebrauch herzustellen imstande ist. etwa Wuchterl, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1971, 6 [18]) zulässig: Beobachtet (und beschrieben) werden die Eigenschaften und Beziehungslagen des Vermögens, nicht „das Vermögen“ an sich, und deshalb betrifft es eine ganz andere (philosophische) Frage, ob man diese Eigenschaften und Beziehungslagen wiederum selbst als unmittelbar „Sich-Zeigendes“ (auch dazu vgl. etwa Wuchterl, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1971, 6 [18]) oder lediglich als mittelbar zu erfassendes Prinzip begreift. 157  Vgl. auch Heisenberg, Quantenmechanik und Kantsche Philosophie, in: ders., Quantentheorie und Philosophie, S. 67 ff. 158  Vgl. Kaulbach, Das Prinzip Handlung, S. 15; auch das BVerfG(E 126, 170 [206]) formuliert in dieser Richtung: „Konkretisierungsbedarf kann sich auch aus der Tatsache ergeben, dass es sich beim Vermögen als Rechtsgut und Bezugspunkt des anzustellenden Vergleichs nicht um einen der sinnlichen Wahrnehmung unmittelbar zugänglichen Gegenstand handelt, sondern um eine wirtschaftliche Größe, deren Umfang zu einem bestimmten Zeitpunkt sich erst aus einer Bewertung ergibt.“ 159  Vgl. Martin, Ontologie und Wissenschaftstheorie, S. 98. 160  Brendel, in: Jäger/Löffler, Epistemology, S. 15; Engel, in: Sandkühler, Enzyklopädie, Band II, Stichwort „Wissen“. 161  Ausführlich dazu etwa Hauskeller, Logos 2001, 423 (432 f.); Lütterfels, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1993, 352 ff.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Dass es jedenfalls Handreichungen für diese Aufgabe geben muss, legt bereits der Sprachgebrauch nahe, denn „diese Möglichkeit des Sichüberzeugens gehört zum Sprachspiel. Ist einer seiner wesentlichen Züge“.162 Soweit man in der philosophischen Fakultät mit dem Begriff der herrschenden Meinung überhaupt operieren kann, beschreibt er zum Begriff des „Wissens“ heutzutage wohl folgendes Triptychon: Jemand „weiß“ etwas, wenn er (oder sie) – erstens – an dieses etwas glaubt; – zweitens – dieses etwas „wahr“ ist und – drittens – dieser „Jemand“ seinen Glauben an das „etwas“ auch begründen kann.163 Es scheint, als aktualisiere sich das nähere sprachliche Problem um die rechte Beschreibung dessen, was man etwa im Rahmen einer betrugsstrafrechtlichen Differenzbildung aussagt, in der zweiten und dritten Bedingung. Denn die erste Voraussetzung wird dabei stets erfüllt sein: Auch wer abstrakte Zwecke (oder Nutzbarkeiten etc.) voneinander subtrahiert und anschließend einen Vermögensschaden festgestellt zu haben aufrichtig angibt, der glaubt daran. Ferner wird man sogar konzedieren müssen, dass das Ergebnis beispielsweise einer „Zweckdifferenz“ durchaus „wahr“ sein mag, sodass sich darin ebenfalls ein Wissensstand äußern könnte. Bereits hier offenbart sich jedoch eine mögliche Bruchstelle, denn das erzielte Differenzergebnis kann freilich ebenso „unwahr“ sein. In der dritten Bedingung, die einen Konnex zwischen Glauben (oder Meinung) und wahrem Sachverhalt herstellen soll, zeigt sich schließlich ein weiterer Ansatzpunkt: Im Falle einer individuellen Nutzungsmöglichkeit oder einer Zwecksetzung in Bezug auf einen Vermögensgegenstand ist unklar, aus welchem Grund – also: mit welcher Begründung – man glauben sollte, dass die „Zweckdifferenz“ oder „Nutzungsdifferenz“ eine wahre Aussage über Tatsachen enthalte, weil sie jeweils auf individuelle Wertungen zurückgreift. An diesem Punkt scheint eine Lösungsmöglichkeit für das schwierige Unterfangen greifbar, dem Differenzergebnis in Bezug auf die Anforderungen an seine Gründe näher zu kommen. Denn mit der Angabe von Gründen kann man die Schadensberechnung „auf eine sichere Grundlage [stellen], sie rational nachvollziehbar [machen]“.164 162  Wittgenstein,

Über Gewißheit, S. 9 (= § 3). Rheinwald, Zeitschr. f. philosoph. Forschung, 2004, 347 (350). Diese Definition wird gemeinhin auf Platon zurückgeführt: „Theaitetos: ‚Was ich auch schon einen sagen gehört und es nur vergessen habe, kommt mir jetzt wieder in den Sinn. Er sagte nämlich, die mit Erklärung verbundene wahre Meinung sei Wissen, die ohne Erklärung dagegen liege außerhalb des Wissens. Und wovon es keine Erklärung gebe, das sei auch nicht wißbar, und so benannte er dies auch, wovon es aber eine gebe, das sei wißbar‘ “ (Platon, Theätet, S. 195 [= Rdnrn. 201c, 201d]; vgl. dazu auch Willascheck, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 2000, 151 [153]; Burri, Logos 1999, 1 [2]). 164  Vgl. BVerfGE 126, 170 (212). 163  Zusammenfassend



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Es bietet sich vor dem Hintergrund dieses Begründungsproblems an, einen Ausflug in eine Sternstunde der Erkenntnistheorie zu machen, indem man dem späten Ludwig Wittgenstein und damit einer philosophischen Tradition über die Schulter blickt, die ein besonderes Augenmerk auf die Sprachanalyse geworfen hat.165 Dieser Blick offenbart insbesondere im Spätwerk Wittgensteins eine bemerkenswerte Untersuchung „Über Ge­wiß­ heit“,166 in der sich der Autor mit der Frage auseinandersetzt, was eigentlich in unserem Sprachspiel der Begriff des „Wissens“ im Vergleich etwa zum „Glauben“ meint bzw. in welchem Kontext die Zweifel an unseren Überzeugungen überhaupt sinnvoll erscheinen.167 Man sollte sich zunächst vergegenwärtigen, dass die dortigen Überlegungen (auch) ein Produkt der Auseinandersetzung sind, die Wittgenstein mit den Thesen George Edward Moores um die Möglichkeit und Grenzen eines Beweises „extern existierender Dinge“168 führte und dass diese Überlegungen – soweit ersichtlich – zwar ursprünglich nicht unbedingt für die Beschreibung der soeben aufgestellten zweiten und dritten Wissensbedingung gedacht waren,169 gleichwohl hilfreiche Lösungen aufzuzeigen vermögen. In aller Kürze geschildert: G. E. Moore behauptete, er vermöge die Existenz eines sog. externen Objekts (etwas, das den Vorbedingungen seiner 165  Dazu ausführlich Hirschberger, Geschichte der Philosophie, S. 394 ff.; auch die Überlegungen Moores (Proof of an external world, S. 6 ff., insb. S. 14 et passim) zur Eingrenzung des Begriffs der „externen Dinge“ als Untersuchungsgegenstand fußen in einem Gutteil auf Erwägungen, die sich des Sprachgebrauchs bedienen. 166  Wittgenstein, Über Gewißheit. Vgl. zur Einführung etwa die Rezension von Naucke, JZ 1971, 238. 167  Willascheck, Zeitschr.  f. philosoph. Forschung 2000, 151 (152) ordnet den Ansatz Wittgensteins wegen der postulierten Kontextabhängigkeit der Berechtigung von Wissensansprüchen etwa in einen „epistemologischen Kontextualismus“ ein. Die Interpretationen darüber, welche Haltung Wittgenstein letztlich zur Skeptizismusdebatte einnahm, gehen weit auseinander. Sie scheinen zwischen einer die Sinnlosigkeit dieser Frage betonenden bis zu der die Wahrheit der Hypothese von der Existenz externer Gegenstände postulierenden Auffassung zu oszillieren, vgl. Moulines, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1996, 151 (153 f.). 168  Einen detaillierten Überblick zu den verschiedenen Positionen bietet etwa Moulines, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1996, 151 ff. 169  Das Problem ist verwandt mit dem bekannten Descartes’schen „Genius Malignus“ – ein „böser Geist“, der die Möglichkeit zur Wahrnehmung der Außenwelt nur vorspiegelt – bzw. der jüngeren brain in a vat – Hypothese, nach der es möglich sein könnte, dass wir tatsächlich nur Gehirne in einem Tank seien, die sich ihre Wahrnehmungen nur einbildeten (vgl. dazu etwa Willascheck, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 2000, 151 ff.; vgl. auch Moulines, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1996, 151 [155] der diesen Beispielen ganz passend das Drama La vida es sueño [Das Leben ist ein Traum] von Calderón de la Barca aus dem Jahr 1634 hinzugesellt).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

eigenen Anschauungen äußerlich ist),170 zu beweisen. Er hielt dieses Projekt für erforderlich, weil durchaus auch die Behauptung kursierte, dass die Wahrnehmung aller externen Objekte lediglich ein Produkt des Verstandes sei (Positionen des Solipsismus oder des Skeptizismus) und vor diesem Hintergrund reagierte Moore171 auf eine Randbemerkung von Immanuel Kant, der in einer Fußnote zu Vorrede der zweiten Ausgabe seiner „Kritik der reinen Vernunft“ auf den „Scandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft“ hinwies, „das Dasein der Dinge außer uns […] blos auf Glauben annehmen zu müssen, und, wenn es Jemand einfällt es zu bezweifeln, ihm keinen genugthuenden Beweis entgegen stellen zu können“.172 Gegen die Thesen des Solipsismus stellte Moore nunmehr sein bekanntes „Here is one hand“-Argument173, indem er freimütig darauf verwies, dass er seine Hände heben, sie betrachten könne und dann wohl offensichtlich „wisse“174, dass diese (als externe Objekte) existierten.175 Diese Behauptung des G. E. Moore steht zwar in bester rationalistischer Tradition, denn sie erfüllt freilich das Kriterium der cartesischen clara et distincta perceptio.176 Indes hat Ludwig Wittgenstein den Schwachpunkt der Moore’schen Beweisführung besonders eindrücklich aufgedeckt: „… jeder Satz lässt sich aus andern herleiten. Aber diese mögen nicht sicherer sein 170  Vgl. dazu die Eingrenzung des Diskussionsgegenstandes bei Moore, Proof of an external world, S. 5: „things external to our minds“ – Hervorhebung im Original; ferner die nähere Abgrenzung anhand des Begriffs „things to be met with in space“, Moore, Proof of an external world, S. 15 ff.; vgl. ferner die Zusammenfassung der Beweisführung Moore’s bei High, Journal of the American Academy of Religion, 1981, 249 (250). 171  Vgl. die Vorbemerkungen in Moore, Proof of an external world, S. 3. 172  Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 31 und die dortige Fußnote. 173  Von Stroll, Moore and Wittgenstein on Certainty, S. 55 auch als „Moore’s Proof“ bezeichnet. Ders. macht die Bruchstelle der Moore’schen Beweisführung auch daran anschaulich, dass er den Schluss als simple Variante des Theorems 1 + 1 = 2 beschreibt. Der Fehler liegt dann darin, dass die Existenz von „1“ nicht belegt wird. Stroll, Moore and Wittgenstein on Certainty, S. 56 identifiziert diese Beweisführung daher zu Recht als Enthymem. 174  „… nicht mit nicht mit einem bloßen Glauben im Sinne eines, sei es auch noch so hartnäckigen, Für-wahr-Haltens [habe man es] zu tun […], sondern vielmehr mit echtem Wissen.“ (Hauskeller, Logos 2001, 423 [425]). 175  Vgl. Moore, Proof of an external world, S. 25 f. Diese Behauptung taucht zuweilen auch in der jüngeren Literatur auf dem Schnittfeld von Quantenphysik und Philosophie auf, vgl. etwa Landsman, Between Classical and Quantum, in: Butterfield/Earman, Handbook of the Philosophy of Science. Philosophy of Physics, S. 417 (420 f.). 176  Vgl. zu diesem Kriterium etwa Hirschberger, Geschichte der Philosophie, S.  170 ff.; ferner Burri, Logos 1999, 1 (4): „Wenn er [Descartes – Anm. T. W.] nämlich betont, es sei alles das wahr, was man klar und deutlich einsehe […], so ist es der psychologische Zustand des klaren und deutlichen Einsehens, der die Wahrheit des Eingesehenen und somit auch das Vorliegen von Wissen verbürgt.“



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als er selbst.“177 Daraus kann man folgern, dass Wittgenstein der Auffassung war, die Prämissen des „Gewussten“ müssten sicherer (oder: „fundamentaler“)178 sein, als die daraus gewonnenen und als Wissen ausgewiesenen Schlussfolgerungen;179 und diese Bedingung erfüllt ausgerechnet der Satz von der Hand nicht.180 Der Moore’sche Satz ist dazu nicht geeignet, weil er Ausdruck eines gleichsam menschenverständlichen Begriffs vom Erkenntnisprozess ist, der zur Begründung einer Aussage allein auf ihre Evidenz rekurriert.181 Man könnte auch sagen, Moore arbeite in seinem Werk mit menschlichen Grundüberzeugungen und erhebe diese in den Stand des Ursprungs seines Wissens.182 Die Aussage „Hier ist eine Hand und hier ist eine zweite Hand“ lässt zwar den Schluss zu, dass mindestens zwei menschliche Hände als externe Objekte existieren,183 dies aber nur, wenn 177  Wittgenstein,

Über Gewißheit, S. 9 (= § 1). Logos 1999, 1 (8): „Von der Überprüfung oder Verifikation einer Aussage kann man […] nur dann sprechen, wenn die zu ihrer Bestätigung oder Rechtfertigung herangezogenen Gründe fundamentaler sind als die Aussage selbst. […] Der Umstand, daß p als Prämisse in einem logischen Schluß vorkommt, der q als Konsequenz hat, sagt im allgemeinen [jedoch – Anm. T. W.] nichts über die relative Fundamentalität von p im Verhältnis zu q aus.“ 179  Pritchard, in: The Oxford Handbook of Wittgenstein, S. 525; Krebs, Worauf man sich verlässt, S. 33; Ariso, in: Wittgenstein-Studien 2011, 219 (229). Deutlich auch § 243: „Ist aber was er glaubt von solcher Art, daß die Gründe, die er geben kann, nicht sicherer sind als seine Behauptung, so kann er nicht sagen, er wisse, was er glaubt“, Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 67; zu „Wissen“ als begründbare Aussage vgl. Kober, Gewissheit als Norm, S. 139. Bekanntlich gestaltete sich bei de Spinoza noch alle sichere Erkenntnis einer Sache als Weissagung oder Offenbarung, vgl. de Spinoza, Theologisch-politische Abhandlung, S. 15. 180  Child, Wittgenstein, S.  192 f. 181  Vgl. auch die Überlegungen bei Craig, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1972, 438 (450). 182  Vgl. auch die – auf zwei Lesarten abzielende – Auseinandersetzung der Moore’schen „Verteidigung des Common Sense“ durch Edward Craig: „(1) Moore fühlt sich berechtigt, jeden Satz als Prämisse zu gebrauchen, von dem er und sein Gegner wissen, daß er wahr ist. Nach ihm sind aber alle Sätze, die auf seiner Liste stehen, solche Sätze; nicht nur er weiß, daß sie wahr sind, sondern auch sein Gegner. Wenn er aber so denkt, kann ich es nur höchst unbefriedigend finden. Hier geht es ja gerade darum, ob er und sein Gegner wissen, daß die fraglichen Sätze wahr sind. Das macht es mindestens sehr zweifelhaft, ob er sich einer Beweismethode bedienen darf, die nur dann zu rechtfertigen ist, wenn man annimmt, daß er und sein Gegner wissen, daß die Sätze wahr sind. (2) Moore hält den Grad der Gewißheit seiner Sätze für so groß, daß entweder die Prämissen jedes skeptischen Arguments oder die Gültigkeit von dessen Inferenzregeln weniger gesichert sein müssen, das ganze Argument daher weniger akzeptabel als die Sätze, deren Falschheit bewiesen werden soll. Die zweite Möglichkeit kommt, wie mir scheint, dem Gedankengang Moores näher.“ (Craig, Zeitschrift f. philosoph. Forschung 1972, 438 [447]). 183  Freilich enthält die Schlussfolgerung auch noch die nicht unwesentliche Prämisse, dass Hände externe Objekte seien, vgl. Child, Wittgenstein, S. 193. 178  Burri,

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

die „Prämisse von den zwei Händen“ als wahr unterstellt wird.184 Eine Schlussfolgerung fördert jedoch – in der Lesart nach Wittgenstein – nur dann „Wissen“ zutage, wenn sie auf Prämissen ruht, die einen höheren Gewissheitsgrad als die geschlussfolgerte Behauptung haben.185 Es reicht folglich – anders als Moore dies seinerzeit erwog –186 nicht aus, mit der Prämisse mehr auszusagen, als mit der Schlussfolgerung.187 Ferner ist es auch nicht hinreichend, den Ball in das Lager etwaiger Kritiker zu spielen und zu behaupten, dass übrigens kein vernünftiger Grund bestehe, an den gewählten Prämissen zu zweifeln.188 Denn damit verlagerte man den Fokus der Diskussion auf einen Schauplatz, auf dem es nicht mehr um die rechte Ableitung des Wissensbegriffs geht, sondern darum, den skeptischen Blickwinkel auf anderweitigem Terrain zu rechtfertigen.189 Dies gilt insbesondere für die mathematische Differenzbildung, die kein Ergebnis akzeptieren darf, das lediglich über vernünftigen Zweifel erhaben ist. Jenes, wovon zwar eine Überzeugung herrscht, kann gleichwohl nicht gewusst werden, wenn dafür keine sicheren Prämissen zur Verfügung stehen,190 und dieser Umstand 184  Child, Wittgenstein, S. 192. Moore legt diese Unterstellung durchaus offen: „I certainly did at the moment know that which I expressed by the combination of certain gestures with saying the words ‚There is one hand and here is another‘. I knew that there was one hand in the place indicated by combining a certain ges­ ture with my first utterance of ‚here‘ and that there was another in the different place indicated by combining a certain gesture with my second utterance of ‚here‘. How absurd it would be to suggest that I did not know it, but only believed it, and that perhaps it was not the case!“, Moore, Proof of an external world, S. 26. Ferner: „I can say: ‚I held up two hands above this desk not very long ago; therefore two hands existed not very long ago; therefore at least two external objects have existed at some time in the past, Q.E.D.‘ This is a perfectly good proof, provided I know what is asserted in the premiss.“, Moore, Proof of an external world, S. 28 – Hervorhebung im Original. 185  Dass der Wahrheitsgehalt des Produktes eines deduktiven Schlusses vom Wahrheitsgehalt der Prämissen abhängt, ist im Übrigen ein Allgemeinplatz, der kaum noch separate Erläuterung findet, vgl. etwa den gleichsam selbstverständlichen Einbezug bei Rescher, Studien zur naturwissenschaftlichen Erkenntnislehre, S. 40. 186  Vgl. Moore, Proof of an external world, S. 26: „In asserting the premiss, I was asserting much more than I was asserting in asserting the conclusion“. 187  Und es reicht auch nicht aus, wenn eine Beweisführung nur darauf basiert, dass der Beweisführende die verwendeten Prämissen „weiß“; vielmehr müssen sie tatsächlich wahr sein, damit der Beweis stichhaltig ist, vgl. dazu High, Journal of the American Academy of Religion, 1981, 249 (250); Palmer, MIND 1972, 453 (454). 188  Vgl. aber Moore, Proof of an external world, S. 30. 189  Nach den Untersuchungen von Williams, MIND 1988, 415 ff. handelt es sich bei dieser Strategie durchaus um eine solche, die in der Skeptizismusdebatte des Öfteren anzutreffen ist. Auch Wittgenstein nutzt diese Methode zuweilen, vgl. dazu Brendel, in: Munz/Puhl/Wang, Language and World, S. 205 (210 f.). 190  Pritchard, in: The Oxford Handbook of Wittgenstein, S. 528.



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unterscheidet in der Weiterführung des Wittgenstein’schen Gedankens das Wissen etwa von dem Glauben:191 „Man sieht eben nicht, wie sehr spezialisiert der Gebrauch von ‚Ich weiß‘ ist. – Denn ‚Ich weiß …‘ scheint einen Tatbestand zu beschreiben, der das Gewußte als Tatsache verbürgt. Man vergißt eben immer den Ausdruck ‚Ich glaubte, ich wüßte es‘.“192 Diese Abgrenzung hat über das Kriterium der sicheren Prämisse hinaus noch einen weiteren Vorzug, denn sie erlaubt die Verbindung der Begriffe „Wissen“ und „Zweifel“.193 Wer einen Wissensanspruch erhebt, der eröffnet insoweit Raum für Zweifel an der Stimmigkeit seiner Aussagen.194 „Wenn einer etwas glaubt, so muß man nicht immer die Frage beantworten können, ‚warum er es glaubt‘; weiß er aber etwas, so muß die Frage ‚Wie weiß er es?‘ beantwortet werden können.“195 Während folglich die Aussage „Ich glaubte, ich wüsste es“ die Beschreibung einer Sachlage liefert, bei der es wenig sinnvoll erscheint, sie als irrtümlich zu deklarieren, kann ein Sinn darin liegen, die Aussage „Ich weiß, dass“ als irrtümlich zu bezeichnen.196 Daher bietet sich erst mit der Äußerung eines Wissensanspruchs die Zweifelsgelegenheit. Der Wissende eröffnet diese Zweifelsgelegenheit jedoch nicht in erster Linie deshalb, weil er gleichsam die „Karten auf den Tisch legt“, indem er beispielsweise seine Prämissen einfach offenlegt (Here is one hand). Vielmehr eröffnet der einen Wissensanspruch Erhebende deswegen die Möglichkeit zu Zweifeln, weil er eine Aussage trifft, über die zu zweifeln überhaupt möglich ist. Anders gewendet ist es bei der Offenbarung von Wissen vorstellbar, an der Richtigkeit des Vorgetragenen einen Zweifel zu hegen, während man etwa bei der Aussage „Hier ist eine Hand etc.“ 191  Ariso, in: Wittgenstein-Studien 2011, 219 (229); Morawetz, Wittgenstein & Knowledge, S. 86; Kober, Gewissheit als Norm, S. 140; Baldwin, in: The Oxford Handbook of Wittgenstein, S. 550 (560). Diese Überlegungen bedeuten nicht, dass man etwa die Realitätserkenntnis mangels hinreichender Erkenntnis über die jeweiligen Prämissen ad acta legen müsste. Stattdessen konzentrieren sich Kritiker der Moore’schen Position auf eine eher naturalistische Sichtweise, indem sie sich der Frage stellen, inwieweit man menschliche Überzeugungen überhaupt mit rationalistischen Argumenten ergründen kann, vgl. dazu Sosa, MIND 1988, 153 (160 ff.). Freilich trifft man zuweilen auch die entgegengesetzte Überlegung, wonach „Wissen […] mit fehlender Gewissheit verträglich [sei]“, vgl. Rheinwald, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 2004, 347 (351); Willascheck führt den Unterschied zwischen „Glauben“ und „Wissen“ auf die jeweilige „Stärke der Rechtfertigung“ (Willascheck, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 2000, 151 [171]) des entsprechenden Anspruchs zurück. 192  Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 12 (= §§ 11 und 12). 193  Dazu ausführlich Brendel, in: Munz/Puhl/Wang, Language and World, S. 205 (206 ff.). 194  Brendel, in: Munz/Puhl/Wang, Language and World, S. 205 (208). 195  Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 141 (= § 550). 196  Vgl. hierzu Burri, Logos 1999, 1 (4 f.).

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nicht einmal wüsste, wie man daran qualifiziert zweifeln sollte;197 freilich wüsste man im Gegenzug auch nicht, wie man den Moore’schen Satz belegen sollte.198 Obwohl Wittgenstein den Zweifelsmöglichkeiten im mathematischen Umfeld im Übrigen wenig Raum belässt,199 weist die Verbindung von Wissensanspruch und Zweifelsmöglichkeit einmal mehr darauf hin, dass jener, der eine (mathematische) Differenz behauptet, einen Wissensanspruch artikuliert, denn er bedient sich einer Aussage, die den möglichen Zweifel jedenfalls nach klaren Regeln strukturiert, indem er auf mathematische Verfahren verweist, die ein Zweifler ohne Weiteres nachvollziehen (und prüfen) kann. i) Übertragung der Ergebnisse auf die Berechnung des Vermögensschadens Diese – freilich hier nur knapp verfolgbaren – erkenntnistheoretischen Überlegungen sind im Folgenden auf das Problem der mathematischen Differenzbildung zu übertragen. Wie kann man also wissen, wie das Differenzergebnis einer Schadensrechnung lautet, wenn man mit Prämissen operiert, die empirisch nicht erwiesen sind? Wie soll man – anders gewendet – am Differenzergebnis qualifiziert zweifeln, wenn man die Prämissen nicht nach gewissen Standards überprüfen kann? „,Ich weiß …‘ sagt man, wenn man bereit ist, zwingende Gründe anzugeben.“200 Wenn es richtig ist, dass die Aussprache einer Differenz zugleich die Behauptung voraussetzt, man wisse das Ergebnis – und das wurde soeben mit Hinweis auf die Singularität des mathematischen Differenzergebnisses zur Prämisse erhoben –, dann ist eine entsprechende Behauptung über ein Differenzergebnis schlicht unrichtig, sofern die verwendeten Rechengrundlagen nicht empirisch sicher ermittelt werden. Bei unsicherer Prämissenlage rangiert das Differenzergebnis vielmehr höchstens im Bereich des „Glaubens“ oder jedenfalls innerhalb „dessen, wovon wir uns überzeugt haben“. Weil man aber mit der Verwendung des Schadensbegriffs das Ergebnis einer Rechnung sicher zu kennen vorgibt, müssen es auch die Prämissen dieser Rechnung sein, damit die Aussage „Der Vermögensschaden beträgt X“ überhaupt getroffen werden darf. Der Vermögensschaden verlangt als Element 197  Brendel, in: Munz/Puhl/Wang, Language and World, S. 205 (210). Vgl. auch Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 40 (= § 122): „Braucht man zum Zweifel nicht Gründe?“ und hierzu Willascheck, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 2000, 151 (160 und 168). 198  Lütterfels, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 1993, 352 (359). 199  Zusammenfassend Hinzen, Zeitschr. f. philosoph. Forschung 2004, 1 (10 ff.). 200  Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 67 (= § 243).



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 87

des objektiven Tatbestandes in dieser Lesart also deutlich mehr, als etwa § 261 StPO von dem Richter.201 Im betrugsdogmatischen Kontext: Jenes, was nicht beziffert werden kann, ist nicht als Grundlage einer Differenzbildung zugelassen, weil man deren Ergebnis im Rahmen des Sprachgebrauchs zwangsläufig als „gewusst“ deklariert. Anders gewendet verlangt bereits der Bezug auf den Vermögensschaden im zweckgerichtet interpretierten Wortlaut des § 263 StGB202 die freimütige Auskunft darüber, ob man das Ergebnis der eigenen Rechnung wisse, oder ob man es nur vermute oder glaube. Letzteres kennzeichnet unter Umständen die reine Schätzung, die jedenfalls in diesen Fällen ohne Zahlengrundlage wenig mehr als ein zur Gewissheit erhobenes Rechtsgefühl repräsentiert, das wiederum „die trübste Quelle des Erkennens“203 ist. Überträgt man diese Methode auf den Begriff des Vermögensschadens oder des Vermögensnachteils, so muss die Aussage: „Es liegt eine Differenz zwischen Anfangs- und Endvermögen vor“ auf Prämissen beruhen, die einen empirisch fundierten und damit höheren Sicherheitsgrad aufweisen als die Aussage der Wertdifferenz selbst – und hierin liegt die Begründung dafür, dass der Vermögensschaden im Tatbestand beziffert werden muss. Folglich ist die skizzierte Hypothese – die Prämisse 2 – zutreffend, wonach der Vermögensschaden in Gestalt einer mathematischen Differenz die Wertziffern als Rechengrundlagen notwendig voraussetzt, damit die Aussage über die Differenz auch stimmt. Genau betrachtet müssen also bereits die zu verrechnenden Vermögenswerte beziffert werden, sodass der bezifferte Vermögensschaden als Reflex des Erfordernisses sicherer Prämissen erscheint. Für die Anforderungen an die Schadensfeststellung bedeutet dies nicht nur ein isoliertes Erfordernis der gelegentlichen Schadensbezifferung, denn so verstieße man zum einen gegen das Erfordernis der sicheren Prämisse und zum anderen ließe sich damit – wie oben gezeigt – auch keinerlei „Entschleifung“ bewirken; vielmehr sind die Werte von Ausgangs- und Endvermögen sicher zu ermitteln, sodass in der Forderung nach sicheren Rechengrundlagen zugleich der Bedarf an sachverständiger Wertermittlung begründet liegt. Neben der Prämisse 2 erweist sich also auch die aus der Verrechnung beider Prämissen erlangte Schlussfolgerung als zutreffend, wonach die Bezifferung des Vermögensschadens ein Element des tatbestandlichen Schadensmerkmals bildet. 201  Zu der Frage, ob ein Bezifferbarkeitserfordernis mit strafprozessualen Erwägungen begründet werden kann, vgl. oben C.III.1. 202  Wiederum gilt, dass man dies in der Grundlinie ebenso auf die §§ 253 und 266 StGB übertragen kann, weil auch hier ein Differenzergebnis artikuliert wird. 203  Roxin, Strafrecht AT 1, § 7, Rdnr. 38 mit Verweis in dortiger Fn. 76 auf die 2. Aufl. 1967 von „Täterschaft und Tatherrschaft“, S. 626.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

j) Erweiterung der Befunde um „erste Gründe“ in „einfach gelagerten Fällen“? An dieser Stelle ist erneut die Frage nach der Schadensberechnung in vermeintlich „evidenten“ Fällen aufzugreifen, denn es eröffnet sich mit dem Erfordernis einer sicheren Rechengrundlage vor dem Hintergrund der soeben skizzierten philosophischen Debatte möglicherweise das Einfallstor für ein Absehen von der Bezifferung in speziellen Fällen. Man könnte im Sinne Moores behaupten, dass die Aussage: „Das Vermögen ist weniger wert“ in manchen Fällen eben auf einer natürlich einsichtigen Prämisse fuße, die ebenso überzeugungskräftig sei wie der vordefinierte Zahlenwert. So etwa im eingangs vorgetragenen Kunstfälscherfall: Dort stand eine Fälschung gegen den – auf das Original gemünzten – Betrag von 1.650.000 Gulden. Wenn man beispielsweise als „allgemein bekannt“ voraussetzt, dass derartige Fälschungen sehr viel weniger wert seien als Originale, dann ließe sich daraus logisch eine Wertdifferenz ableiten. Aber: Die Prämisse ist in diesem Beispiel doch unsicherer als die Schlussfolgerung, weil sie gleichwohl allein auf Überzeugungen gründet,204 die nicht universal geteilt werden, sodass die Schlussfolgerung doch nicht in aller Konsequenz „gewusst“ werden kann. Sprachlich muss man diesen Umstand in den Fußstapfen der Wittgen­ stein’schen Erkenntnisse höchstens als „Überzeugung“ ausweisen, und selbst dann leidet diese darunter, dass sie sich ganz erheblich von dem unterscheidet, was man etwa mit der Überzeugung von der Existenz der eigenen Hände auszusagen vermöchte. Freilich findet man in der alltäglichen Anschauung durchaus menschliche Grundüberzeugungen – erste Gründe –, die entweder nicht belegbar zu sein scheinen205 oder kontextabhängig nicht belegt zu werden brauchen, weil sie den Rahmen für die eigentliche Begründung einer Aussage bilden.206 Aber diese Gründe unterscheiden sich ganz erheblich von dem, was man als Prämissen einer Schadensrechnung aufstellt. Obschon die Anknüpfung an das cartesische cogito eine Vermögensschadensrechnung deshalb nicht weiter belebt, ist es wichtig festzuhal204  Hierin sieht auch Gabriel, Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S. 177 den grundlegenden Unterschied zwischen Moore und Wittgenstein. 205  An diesem Umstand setzt die als sog. Kohärenzthese vorgetragene Kritik an, wonach auch vermeintlich „basale“ (also nicht mehr ableitbare) Überzeugungen wiederum aus anderen Überzeugungen abgeleitet werden, vgl. dazu Engel, in: Sandkühler, Enzyklopädie, Band II, Stichwort „Wissen“. 206  „Prüft jemand je, ob dieser Tisch hier stehenbleibt, wenn niemand auf ihn achtgibt? Wir prüfen die Geschichte Napoleons, aber nicht, ob alle Berichte über ihn auf Sinnestrug, Schwindel u. dergl. beruhen. Ja, wenn wir überhaupt prüfen, setzen wir damit schon etwas voraus, was nicht geprüft wird.“ (Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 50 [= § 163]); hierzu vgl. auch Burri, Logos 1999, 1 (9 ff.).



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ten, dass es neben der bezifferten Rechengrundlage offensichtlich auch noch anderweitige Prämissen gibt, die als „sichere“ oder „fundamentale“ Grundlagen der Wissensproduktion gelten könnten. Ebenso sicher ist, dass damit aber nicht jene Fälle gemeint sein können, die das BVerfG und die ordentliche Gerichtsbarkeit als „evident“ oder „einfach gelagert“ bezeichnen könnten. Es rechnet gerade nicht zum unwiderlegbaren Grundwissen, dass der falsche „Vermeer“ weniger wert sei als das Original, sondern dies ergibt sich bei genauem Hinsehen bereits aus einer ersten Einschätzung nach Wertmerkmalen, die freilich unvollständig ist. Daher ist zu folgern, dass auch mit der Erweiterung der Rechengrundlagen um „erste Gründe“ keine Rechtfertigung dafür gefunden werden kann, die sog. „evidenten“ Fälle aus dem Anwendungsbereich der Bezifferung auszuschließen. Auch dort sagt man: „Vermögensschaden“ und meint damit „Differenz“, weshalb man auch in „einfach gelagerten Fällen“ vorgibt, „es zu wissen“. Diese Feststellung gilt umso mehr, als aus der Rechtsprechung des 5. Senats des BGH bereits eine erste Stellungnahme publik wurde, die der Kategorie „einfach gelagerter Fälle“ eine als Eingehungsbetrug ausgewiesene Konstellation subsumiert, in der sich ein Anspruch auf Grundstücksübertragung und die synallagmatische Pflicht zur Kaufpreiszahlung nebst Erstattung von Betriebskosten und Lasten gegenüberstehen.207 Die Argumentation des Senats lautet in grober Schrittweite wie folgt: Weil der Käufer in diesem Fall abredewidrig von vornherein nicht bereit gewesen sei, die Betriebskosten und Lasten für ein veräußertes Grundstück zu bezahlen, erübrige sich die sachverständige Ermittlung etwa des Grundstückswertes. „Ein betrugsbedingter Schaden liegt […] vor, wenn täuschungsbedingt die getäuschte Vertragspartei einen geringerwertigen Anspruch erhält, als sie nach den vertraglich vorausgesetzten Synallagma hätte beanspruchen können“.208 Die Flucht in den Eingehungsbetrug tritt der Senat in diesem Judikat also nicht nur mit der soeben zitierten, denkwürdigen Formel an, wonach die getäuschte Vertragspartei einen Anspruch beanspruchen könne – obschon sie richtigerweise aus der Perspektive des § 263 StGB einen (durchaus der Bezifferung zugänglichen) Wert beanspruchen könnte. Vielmehr erscheint es grundsätzlich wenig überzeugend, die in casu offensichtlich aufwändige Bezifferung der Wertbewegungen mit dem Hinweis darauf zu umgehen, dass der Angeklagte ein im allgemeinen Sprachgebrauch als „betrügerisch“ zu bezeichnendes Verhalten an den Tag legte, indem er den Erwerb des Grundstücks mit Bedacht über eine im wesentlichen vermögenslose Gesellschaft abwickelte.209 Wenn man dies konsequent weiterdächte, so müsste zu 207  Vgl.

BGH, NJW 2013, 1460 ff. NJW 2013, 1460 (1461). 209  Vgl. dazu BGH, NJW 2013, 1460. 208  BGH,

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der Gruppe der „einfach gelagerten Fälle“ folglich jenes rechnen, was offensichtlich „betrügerisch“ anmutete. So kann es das BVerfG aber nicht gemeint haben, als es auf einfach gelagerte Fälle verwies, denn die genaue Lektüre der grundlegenden Entscheidung des BVerfG offenbart, dass in diesen Fällen etwa ein „ohne weiteres greifbare[r] Mindestschaden“210 ausgemacht werden könne. Ohne weiteres greifbar ist jedoch der Minderwert nicht, den der Käufer im hiesigen Fall seinem Vertragspartner verschaffte, denn es wird weder deutlich, ob der Verkäufer direkt gegenüber dem – durchaus vermögenden –211 Käufer hätte vorgehen können oder ob sonstige Befriedigungsaussichten die Wertigkeit der Ansprüche untermauerten. Genau an dieser Stelle schafft die exakte Bezifferung von Leistung und Gegenleistung Aufschluss über den Status des präsumtiv geschädigten Vermögens. Eine Abkehr von der Schadensbezifferung nach dem Grundsatz cogito ergo iudico entspricht auch in diesem Fall nicht den Anforderungen an die sicheren Bezifferungsgrundlagen. k) Plausibilisierung des Ergebnisses Festzuhalten bleibt, dass Vermögenswerte allein durch die gewissenhafte Bezifferung mit der erforderlichen Sicherheit charakterisiert werden können, ebenso wie Gesundheitsschäden über das medizinische Fachgutachten mit höchstmöglicher Genauigkeit angegeben werden;212 auch der Tod des Menschen wird eben nicht mehr nur über den Herzschlag oder die Atmung, sondern etwa vermittels des EEG und anderer Techniken gemessen.213 Es ist die wachsende Kenntnis von Indikatoren, die zur Genauigkeit verpflichtet, und deshalb rückt die bezifferte Rechenbasis in Betrugsfragen zum präferierten Maßstab auf. Will man diese Schlussfolgerung in den strafrechtsdogmatischen Kontext einordnen, so erfordert bereits der objektive Tatbestand jedenfalls eines solchen Erfolgsdelikts, das in einem seiner Merkmale auf mathematische Differenzbildungen rekurriert (so etwa §§ 253, 263, 266 StGB), die Anpassung der Erkenntnisgrundlagen an das Erfordernis des Sicheren. 210  BVerfGE

126, 170 (211). BGH, NJW 2013, 1460 (1461). 212  Vgl. dazu BGH, NStZ 1981, 488. Deshalb ersetzt auch die Verlesung von „Aufsätzen“ zur Übertragung von HIV nicht das Fachgutachten, vgl. BHG, NJW 1989, 781 (782). 213  Vgl. Bamberger, in: BeckOK – BGB, § 1, Rdnrn. 30 f.; vgl. ferner Eisenmenger, in: Widmaier, MünchAnw-Hdb. Strafverteidigung, § 57, Rdnrn. 11 ff.; vgl. auch zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls die Anfang 2015 beschlossene Richtlinie der Bundesärztekammer (Dt. Ärzteblatt vom 30.03.2015, S. 1 ff., DOI= 10.3238/arztebl.2015.rl_hirnfunktionsausfall_01). 211  Vgl.



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 91

Genau aus diesem Grund muss man im Kunstfälscherbeispiel den auf Bezifferung gerichteten Weg einschlagen und den Nachweis führen, dass die Fälschung bspw. 200 Gulden eingebracht hätte, um daraus die Differenz zu 1.650.000 Gulden zu bilden. Erst wenn nach sachverständigen Maßstäben sicher ist, welchen Wert die Fälschung hat, kann die Vermögensminderung logisch einwandfrei begründet werden. Besser gesagt: Erst dann kann die Schlussfolgerung auf eine Wertminderung überhaupt anerkannt werden. Es wäre somit nicht richtig, ohne erkennbare Fundierung auf „Erfahrungswerte“214 oder Schätzungen zurückzugreifen. l) Abgleich mit dem Tatbestand der Körperverletzung Mit der Feststellung, dass im Kontext eines Differenzverfahrens nur die Bezifferung der Prämissen einen hinreichenden Sicherheitsgrad aufweist – nicht hingegen die Anschauung oder die Überzeugung –, ist jedoch nur der erste Schritt der Argumentation getan. Ein Beispiel mag dies veranschaulichen. Wird die Gesundheitsschädigung sub specie § 223 StGB aus einem ärztlichen Befund abgeleitet, der eine HIV-Infektion ausweist, so wird dadurch das Nachweisverfahren noch nicht Bestandteil des Körperverletzungstatbestandes, obwohl es vielleicht von hervorragender Aussagesicherheit ist. Dies liegt daran, dass bei der HIV-Infektion auf verschiedene Weisen Prämissen geschaffen werden können, die mit hinreichender Sicherheit „wahr“ sind – man denke zum Beispiel an den PCR-Test als Alternative oder Ergänzung zum sog. ELISA / Western-Blot  – Verfahren.215 Deshalb kann im Beispielsfall nicht entschieden werden, ob bereits der Tatbestand des § 223 StGB eines dieser Verfahren präferiert. Anders hingegen beim Vermögensschaden. Das Vermögen zeichnet sich dadurch aus, dass es – auf wirtschaftliche Betrachtungsweisen abstrahiert – sich als „reine Quantität von gleichartigem Gehalt“216 erweist. Die Analyse des Vermögens als Wertmasse ist daher qua definitione auf Summen- und Differenzbildungen angewiesen.217 Wichtig ist nunmehr folgende Erkenntnis: Die Grundlagen (die Prämissen) der Differenzbildung können nur dann, wenn sie beziffert werden, eiHefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (301). sich hier auch noch Unterschiede in der Güte der Prämissen einstellen können: Beim Antikörpertest (selbst mit dem „neuen“ p24 Antigen-Test) wird angenommen, dass der Infizierte nach gewisser Zeit Antikörper gebildet habe, was aber auch falsch sein kann („diagnostische Lücke“). Beim PCR-Test wird nach VirusGenmaterial gesucht. Da sieht die Prämisse folglich wesentlich robuster aus. 216  Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 1, S. 375 f. 217  Es ist augenfällig, dass auch Multiplizieren und Dividieren insoweit nur Variationen der Summen- und Differenzbildung sind. 214  Vgl.

215  Zumal

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nen höheren Sicherheitsgrad aufweisen als die Schlussfolgerung, die wiederum in Gestalt einer Differenz daherkommt. Ferner gibt es kein anderes Verfahren, um eine Wertmasse auf ihren (Minder-)Wert zu prüfen, als die Differenz- und Summenbildung. Folglich kann der Vermögensschaden nur dann „gewusst“ werden, wenn er auf bezifferter Grundlage berechnet wird. Deshalb ist der Fall hier mit der – durch mehrere mögliche Verfahren geprägten – Sachlage bei dem Körperverletzungstatbestand nicht zu vergleichen. Weil es somit im Kontext der Vermögensdelikte aber nur ein Verfahren (die Bezifferung) gibt, das die Prämissen der Differenzbildung mit der notwendigen Sicherheit ausstattet, hält es direkten Einzug in die Wortlautbedeutung. Mit dem Rückgriff auf ein Differenzverfahren beugt der Begriff des Vermögensschadens der Gefahr vor, dass man sich irgendwann eingestehen müsste, man „wisse“ gar nicht, sondern „glaube nur zu wissen“.218 Es kann mithin vor dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Wertsummenverständnisses im Wortlaut des § 263 StGB (und folglich ebenso der §§ 253, 266 StGB) mit den Begriffen „Nachteil zufügen“ und „beschädigen“ nichts anderes bezeichnet sein, als die bezifferte Wertdifferenz. m) Einordnung des Bezifferungsgebots in das Erfolgsdelikt Es fragt sich vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen, wie der Umstand, dass § 263 Abs. 1 StGB ein Erfolgsdelikt normiert, mit dem Befund in Einklang zu bringen ist, wonach das Schadensmerkmal gewisse verfahrensmäßige Anforderungen an seine eigene Feststellung impliziert. An dieser Stelle treffen folglich ein Zustand219 in Gestalt des Erfolges und ein Verfahren in Form der Differenzbildung aufeinander. Aufgelöst wird dieses Problem dadurch, dass man die Forderung nach bezifferten – mithin sicheren – Prämissen in die Zustandsbeschreibung integriert. Der Vermögensschaden beschreibt demnach eine Situation, in der durch den Vergleich des Opfervermögens vor und nach der Verfügung eine Differenzbildung auf der Basis bezifferter Vermögenswerte möglich ist. Anders gewendet: Der Täter des Betrugstatbestandes verursacht nur dann einen Vermögensschaden, wenn er den Getäuschten erfolgreich zu einer Verfügung verleitet, die zu einem Abfluss (ggf. auch zu einem kompensatorischen Zufluss) jener Wertträger führt, deren Wert nach wirtschaftlichen Maßstäben messbar ist und in Zahlen ausgedrückt werden kann. Daraus erhellt, weshalb bei Unsicherheiten nicht etwa geschätzt werden darf, sondern im Umfang des Zweifelhaften 218  Vgl. dazu Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 12 und 14; ferner Krebs, Worauf man sich verlässt, S. 26. 219  Auf Wissen als Zustand weist auch Morawetz, Wittgenstein & Knowledge, S. 81 hin.



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mangels Tatbestandserfüllung jedenfalls vom Vorwurf des vollendeten Betrugs freizusprechen ist.220 n) La suave melodía Bevor sich die Befunde des hiesigen Abschnittes zu einem kurzen précis einfinden, ist schließlich einem Thema Raum zu gewähren, das die hiesigen Ausführungen bislang noch mit einem Fragezeichen versah. Während es naheliegend erscheint, den interpretatorischen Bemühungen um das Bezifferungsgebot die Aussage zu entlocken, wonach der tatsächliche Gesamtschaden zu beziffern und im Falle der unmöglichen Berechnung der Erfolgseintritt stets abzulehnen sei, ist dieser Schluss keineswegs zwingend. Es ist mithin nicht notwendig, im Ausgangsfall des Gemäldeverkaufs den Vermögensschaden schon deswegen gänzlich entfallen zu lassen, weil der genaue Betrag des Gesamtschadens nicht ermittelbar ist. Vielmehr ist grundsätzlich alles zu berechnen, was berechnet werden kann; mit anderen Worten: Der Vermögensschaden kann freilich auch anteilig berechnet und lediglich im Umfang der verbleibenden Unsicherheiten der Erfolgseintritt abgelehnt werden. An dieser Stelle wird man auch Fallgestaltungen in den kritischen Blick nehmen müssen, die auf Umwegen zur Feststellung eines Mindestschadens führen. Zu dieser Kategorie rechnet insbesondere die Zusammenführung zahlreicher Verhaltensweisen anhand des Tatbegriffs. So hat das LG Osnabrück221 jüngst den Vermögensschaden, der durch das sog. „Anpingen“222 von Mobilfunkgeräten verursacht werden kann,223 durchaus zweifelhaft da220  A. A. (wohl) die weit überwiegende Literatur (vgl. nur Bittmann, wistra 2013, 1 [4] mit zahlr. Nachw.) und Rechtsprechung, vgl. jüngst BGH, Beschl. v. 19.  Februar 2013  – 5 StR 427/12, Juris, Rdnr.  8; auf der hiesigen Linie gleichwohl Kraatz, JR 2011, 434 (439). 221  LG Osnabrück, CR 2013, 581. 222  Die nach dem engl. onomatopoietischen Begriff „ping“ gebildete Parasynthese „Anpingen“ beschreibt im Kontext der Telekommunikation einen Vorgang, bei dem „über servergesteuerte technische Hilfsmittel (Großrechneranlagen) Anrufe zu Handys ausgesandt und nach einmaligem Klingeln des Handys unterbrochen [werden], wobei die Auswahl der Handynummern nach dem Zufallsprinzip aus einer elektronischen Datenbank erfolgt. Der Angerufene soll so zum Rückruf auf die auf seinem Handydisplay hinterlassene Anrufer-Rufnummer – eine teure Mehrwertdienste­ nummer – veranlasst werden, weil er irrtumsbedingt glauben soll, ein Verwandter oder Bekannter habe mit einem sinnvollen Kommunikationsanliegen angerufen oder es werde ein berufliches Anliegen verfolgt“ (LG Osnabrück, CR 2013, 581). 223  Ob dieses Verhalten durchweg den Tatbestand des § 263 StGB erfüllt, hängt im auch davon ab, ob das Merkmal der Stoffgleichheit in den recht verschachtelten Wertflussrichtungen in der Telekommunikationsbranche erfüllt ist, vgl. dazu ausführlich Brand/Reschke, NStZ 2011, 379 ff. (a. A. insoweit das LG Osnabrück, CR 2013, 581 [582]).

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mit begründet, dass die irrenden Anrufer einer Mehrwertdienstenummer lediglich eine wertlose und ungewollte Bandansage erreichten, obwohl man sich durchaus fragen könnte, ob man bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht wenigstens den Wert der Verbindungsherstellung einrechnen müsste (etwa den Gegenwert anteiliger Flatrate-Kosten oder eines Ortsgesprächs). Die gänzlich ausbleibende Kompensation der einzelnen Anrufkosten unterstellt, sollen die Vermögensschäden unzähliger Anrufer nach Auffassung der Kammer allein anhand der zustande gekommenen Verbindungen – abzüglich eines Sicherheitsabschlags von 20 % – berechnet werden dürfen, ohne dass die tatsächliche Anzahl der durch entsprechende Telefonrechnungen Geschädigten ermittelt wurde.224 Das Landgericht behandelte die frustrierten Rückrufe der Angerufenen insgesamt als eine Tat, weil die Angeklagten „nur einmal im organisatorischen Sinne tätig geworden sind“.225 Folglich hat das LG in diesem Fall eine Schadensschätzung vorgenommen, wobei sich das Ergebnis der Schätzung in erster Linie auf die Anzahl der Geschädigten, aber freilich mittelbar auf die Schadenshöhe auswirkte.226 Dies wird man auch mit der vom BVerfG zugelassenen Schadensschätzung nach klassischer Sichtweise nicht für zulässig halten können, sofern den Feststellungen zum Gesamtschaden keine Ermittlungen dahingehend korrespondieren, ob zu den festgestellten Verbindungen auch jeweils Telefongebühren in Rechnung gestellt (und gezahlt) wurden.227 Dieser Fall zeigt, dass über Umwege zustande kommende Schadensschätzungen keine rein theoretische Überlegung darstellen, sondern durchaus praktische Relevanz aufweisen und in die Darlegungen zur Schadensbezifferung aufgenommen werden müssen. Jedenfalls geht die Vorgehensweise des LG Osnabrück über die nach hiesigem Verständnis eröffneten Möglichkeiten der Mindestschadensberechnung hinaus. Indes teilt der BGH weder die hier vorgetragenen Bedenken noch setzt er sich in seiner Revi­ sionsentscheidung228 überhaupt mit der Problematik des Schadens näher auseinander. 224  Vgl. LG Osnabrück, Urt. v. 06. März 2013 – 10 KLs 38/09, 10 KLs – 140 Js 2/07  – 38/09  –, juris, Rdnr.  106  – insoweit in CR 2013, 581 nicht abgedruckt; krit. hierzu auch Spitz, jurisPR-ITR 14/2013 Anm. 6. 225  LG Osnabrück, CR 2013, 581 (582). 226  Der BGH lässt die Addition von Einzelschäden bislang nur dann zu, „wenn die tateinheitlich zusammentreffende Taten dasselbe Opfer betreffen“, und dies auch nur als Strafzumessungserwägung, vgl. BGH, wistra 2012, 471; NStZ 2012, 213. 227  Auch der BGH hat jüngst in einem obiter dictum zu einem Fall des Erwerbs von Inhaberschuldverschreibungen darauf hingewiesen, es sei erforderlich, „jedenfalls einen im Hinblick auf die unterschiedliche Höhe der gezeichneten Beträge repräsentativen Teil der Anleger als Zeugen zu vernehmen“ (BGH, Beschl. v. 19. Februar 2014  – 5 StR 510/13  –, juris, Rdnr.  24). 228  BGH, NJW 2014, 2054 mit Bespr. Jäger, JA 2014, 630; Jahn, JuS 2014, 848; Cornelius, NJW 2014, 2056; Schuhr, ZWH 2014, 347.



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 95

Schließlich ist es erforderlich, in der Beurteilung von Mindestschadensfeststellungen den genauen Bezugspunkt der Berechnung im Blickfeld zu behalten: Wird die Bezifferung der einzelnen Schadenskomponenten – mithin Forderung und Gegenforderung; Leistung und Gegenleistung, usf. – angestrebt, so verbietet es sich, die anteilige Wertbeimessung in Bezug auf die Kompensation durchzuführen und „unsichere“ Wertanteile freimütig außer Betracht zu lassen. Derartiges Kalkulieren führte zum Verstoß gegen den Zweifelsgrundsatz,229 denn mit dem genügsamen Rekurs auf einen „sicheren“ Wertsockel ergibt sich zugleich die Schlussfolgerung, dass man die Prämissen darüber hinaus eben nicht genau anzugeben vermag. Die Berechnung eines Kompensationspostens unter Rückgriff auf Sockelbeträge und Schätzungen ist also unzulässig, denn damit erhöhte sich die Schadenssumme, ohne dass eine entsprechende Bezifferung dies rechtfertigte. Vielmehr ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass die Kompensation den Vollwert trage, soweit sie die Anforderungen des Vermögensbegriffs erfüllt und deshalb in die Betrachtung einzustellen ist.230 Auf dieser Grundlage ist die Berechnung eines „Mindestbetrags“ nur dann zulässig, wenn er sich auf eine anteilige Wertminderung durch Hinausverfügung (also: auf den der Vermögensverfügung korrespondierenden Betrag) bezieht. Zusammenfassend bedeutet dies: Wird’s gegeben, reicht ein Anteil;­wird’s empfangen, reicht er nicht – denn auf das Ganze zielt im letzten Fall die rechnerische Pflicht! o) Folgerungen für die Versuchsstrafbarkeit Unter der Geltung eines konsequent durchgeführten Bezifferungsgebotes ist es möglich, dass der Vermögensschaden in gewissen Fällen nicht berechnet werden kann. Insoweit ist dann jedenfalls von dem Vorwurf des vollendeten Betruges nach § 263 StGB freizusprechen. Anders als bei dem Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) ist gemäß § 263 Abs. 2 StGB für den Betrugstatbestand jedoch auch die Versuchsstrafbarkeit vorgesehen. Daher stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das Bezifferbarkeitserfordernis auf die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand zeitigt. An dieser Stelle hilft die Erkenntnis weiter, dass die Bezifferungsproblematik in gewisser Weise schon auf der Ebene der Täuschung aktuell wird, weil der Tatbestand freilich nur mit solchen Täuschungen verwirklicht werden kann, die zu einem bezifferbaren Vermögensschaden führen. Als Spiegelbild des objektiven Tatbestandes231 repräsentiert daher auch der subjektive Beauch Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 87. auch Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 87. 231  Vgl. dazu Frister, Strafrecht AT, Kapitel 8, Rdnrn. 11 ff. und 24 f. 229  So

230  Vgl.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

trugstatbestand ein Bezifferbarkeitserfordernis, denn der Täter muss konsequenterweise eine Vorstellung davon haben, dass seine Täuschungshandlung zu einem bezifferten Vermögensschaden führt. Mithin führt das Erfordernis der Schadensbezifferung im objektiven Tatbestand dazu, für den Vorsatz jedenfalls die Kenntnis der Umstände zu verlangen, die eine Berechnung des Betrugsschadens ermöglichen. Der Täter muss es also für möglich halten, durch die Täuschung einen bezifferbaren Wertverlust zu bewirken. Anhaltspunkte für die konkreten Anforderungen im Einzelfall geben die Umstände der Schadensberechnung.232 3. Die Schadensbezifferung in der Strafzumessung Abgesehen von der Begründung des Bezifferbarkeitserfordernisses im Wege der Tatbestandsauslegung ist es freilich auch denkbar, ein solches Erfordernis aus den Grundsätzen der Strafzumessung zu entwickeln.233 Denn die Schuld des Täters als Grundlage der Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 S. 1 StGB) bietet einen Spielraum,234 innerhalb dessen auch das verwirklichte Erfolgsunrecht als verschuldete Auswirkung der Tat (vgl. § 46 Abs. 2 S. 2 StGB) zu berücksichtigen ist.235 In der Literatur liest man in diesem Zusammenhang, dass jedenfalls „sichere Feststellungen“236 zur Schadenshöhe zu berücksichtigen seien237 und auch die Rechtsprechung verlangt bei Vermögensdelikten Feststellungen zum Schadensumfang.238 Dabei bezieht 232  Vgl.

dazu unten die Betrachtung einzelner Schadensgruppen sub F. NStZ 2012, 473 (476 f.) konzediert der Bezifferung bspw. eine „Doppelfunktion“ und in dieser Richtung wohl auch Rübenstahl, ZWH 2013, 72 (73), der den Eindruck für unrichtig hält, dass es sich „bei der Bezifferung des Betrugsschadens […] um eine bloße Frage der Strafzumessung“ handele; vgl. hierzu auch Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 89 ff. Jüngst hat der BGH (NStZ 2013, 711 [712] und Beschluss vom 20.  Mai 2014  – 4 StR 143/14  –, juris, Rdnr. 6) in Fällen fehlender oder mangelhafter Bezifferung des Schadens allein die Strafaussprüche aufgehoben, was ebenfalls dahin weist, dass die Senate (Zweiter und Vierter Strafsenat) die Bezifferung jedenfalls als Gebot der Strafzumessung ansehen. 234  BGHSt 7, 28 (32). 235  BGH, NStZ-RR 2011, 373 (374); Theune, in: LK – StGB, § 46, Rdnrn. 146 und 287; Streng, in: NK – StGB, § 46, Rdnr. 57. 236  Streng, in: NK – StGB, § 46, Rdnr. 57. 237  Aus der Judikatur: BGH, NStZ 1998, 85 (86); NStZ-RR 2004, 41 f.; BGH, Beschl. v. 04.  Februar 2014  – 3 StR 347/13  –, juris, Rdnr.  5; aus der Literatur: Streng, in: NK – StGB, § 46, Rdnr. 57; ferner Theune, in: LK – StGB, § 46, Rdnr. 57: nur erwiesene Tatsachen. 238  Vgl. BGH, NJW 2013, 1460 (1462) – dort aber nicht tragend; NJW 2008, 1827 (1830); NStZ 2013, 472 (474); ferner BGH, NJW 2013, 883 (888); ebenso sind im Betäubungsmittelstrafrecht konkrete Feststellungen zu Wirkstoffgehalten in Gewichtsprozenten oder Gewichtsmengen erforderlich, vgl. BGH, NStZ 2012, 339. 233  Schlösser,



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 97

die Judikatur auch jene Schäden ein, die nicht unmittelbar durch die Vermögensverfügung herbeigeführt werden, soweit der Täter diese Folgen nach Art und Gewicht im Wesentlichen voraussehen konnte.239 Die Strafzumessung ist zudem ein klassischer Anwendungsbereich statistischer Verfahren, die mit unterschiedlicher Intensität in den Bereich der Schätzung einzuordnen sind. Ein Bezifferungsgebot, das mit Strafzumessungserwägungen begründet wird, schlösse eine reine Schätzung der Bezifferungsgrundlagen jedoch aus. Deshalb impliziert die Frage nach Schadensbezifferungen in der Strafzumessung zugleich den Aspekt der Schätzung, sodass die Zulässigkeit solcher Schätzungen die Strafzumessung als Grundlage eines Bezifferbarkeitserfordernisses für untauglich erwiese. Diese Schrift folgt bereits einem materiellen Verständnis des Bezifferbarkeitserfordernisses als Element des tatbestandlichen Schadensbegriffs. Daraus folgt, dass die Tatbestandserfüllung nur auf effektiv bezifferte Angaben über den Vermögensschaden gestützt werden darf, weshalb man das insoweit gewonnene Resultat auch für die Strafzumessung heranziehen kann. Darüber hinaus zeitigt der Umstand, dass man den Schaden genau zu berechnen vermag, jedoch zunächst keine Auswirkung auf die Strafhöhe, denn als Bestandteil des gesetzlichen Tatbestandes ist die Bezifferbarkeit des Schadens gemäß § 46 Abs. 3 StGB unberücksichtigt zu lassen. Man darf folglich für eine höhere Strafzumessung nicht den Umstand ins Feld führen, dass bereits ein „Sockelschaden“ sicher berechnet werden kann – mit dem Hintergedanken, dass womöglich ein vermuteter höherer Restbetrag dann auch „stimme“. Gleichwohl endet die Betrachtung des Strafzumessungsrechts an dieser Stelle nicht. Bereits die vorhergehenden Ausführungen haben aufgezeigt, dass der tatsächliche „Gesamtschaden“ unter Umständen höher ausfallen kann, als dies nach dem Bezifferungsverfahren überhaupt sicher darstellbar ist. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob man einen geschätzten „Restvermögensschaden“ wenigstens in die Strafzumessung einstellen darf. Zur Diskussion dieser Frage sind zwei Aspekte näher zu beleuchten, die sich mitunter ergänzen und einer Schätzmöglichkeit letztlich im Wege stehen könnten: Einerseits könnte das Erfordernis einer Bezifferung des Vermögensschadens auch bei der Strafzumessung damit begründet werden, dass sie zur Feststellung des anwendbaren Strafrahmens erforderlich ist (vgl. etwa § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Andererseits könnte die genaue Bestimmung des Unrechts- und Schuldgehalts nach § 46 Abs. 1 StGB eine Schadensbezifferung einfordern.

239  BGH,

wistra 2011, 262.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

a) Argument gegen eine Schätzmöglichkeit aus § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB In der Rechtsprechung werden vor dem Hintergrund, dass die Strafzumessungsregel des § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB und damit der anzuwendende Strafrahmen ohne genaue Schadensfeststellungen nicht geprüft werden können, für die Strafzumessung wertmäßige Angaben über den eingetretenen Vermögensschaden gefordert.240 Für die Feststellung des anwendbaren Strafrahmens scheiden Schätzungen zur Höhe des Vermögensschadens jedenfalls insoweit aus. Daher könnte man mit § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB auch im Strafzumessungsrecht die Möglichkeit einer Schätzung wegen der erforderlichen genauen Feststellung des Grenzwerts von € 50.000,–241 ausschließen.242 Einschränkend ist jedoch zu bemerken, dass man über das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB jene Fälle nicht auf die Bezifferung zu verpflichten vermag, in denen selbst mit der Schätzung eines über dem tatbestandlich sicher berechneten Mindestvermögensschaden liegenden „Gesamtschadens“ die Marke von € 50.000,– nicht erreicht würde. Sofern man beispielsweise gegenüber der ausgereichten Darlehenssumme von € 40.000,– den Ertrag bestellter Sicherheiten mit € 10.000,– ansetzt, weil es dafür handfeste Belege gibt, im Übrigen aber gleichwohl die Möglichkeit besteht, dass dieser Ertrag letztlich niedriger ausfallen werde oder völlig ausbleibe, so besteht freilich schon mangels hinreichend hoher Verfügungssumme kein Anlass, über § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB in der Variante des Vermögensverlustes nachzudenken. Ebenso hilft der Gedanke des Regelbeispiels aus Abs. 3 nicht weiter, wenn bereits zur Ermittlung der Tatbestandsmäßigkeit ein Schaden von über € 50.000,– berechnet wurde und nunmehr die Frage im Raum steht, wie weit „nach oben“ die verschuldeten Auswirkungen der Tat noch reichen. In beiden Fällen sperrt das Strafrahmen-Argument die Schätzung folglich nicht. Diese Schlussfolgerung stützt auch der Blick in die Strafzumessungsrechtsprechung im Betäubungsmittelstrafrecht: Mit der Erkenntnis, dass im konkreten Fall eine „nicht geringe Menge“ vorliege, ist mitunter der Qualifikationstatbestand des § 29a BtMG eröffnet, sodass auch insoweit „nähere Feststellungen“ erforderlich werden. Darüber hinaus bedarf es jedenfalls zur Entscheidung 240  Vgl. BGH, wistra 2003, 97; OLG Hamm, Beschl. v. 07. Februar 2011 – III-5 Ws 459  – 471/10, u. a.  –, juris, Rdnr.  22. 241  Vgl. BGH, Beschl. v. 11.  Februar 2009  – 5 StR 11/09  –, juris, Rdnr.  13 = wistra 2009, 236 ff.; wistra 2007, 111. Man muss freilich sehen, dass diese Grenze ursprünglich als Negativkriterium gedacht war, wonach jedenfalls ein Schaden, der € 50.000,– nicht übersteige, kein „großes Ausmaß“ erreiche, vgl. BGH, NJW 2004, 169 (170). 242  Vgl. hierzu auch Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 91 ff.



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 99

über den anwendbaren Strafrahmen nach Auffassung des BGH keiner genaueren Mengenangabe.243 b) Die Möglichkeit der Schätzung des Gesamtschadens in der Strafzumessung Dass sich auch allgemeine Erwägungen zur Strafzumessung mitunter in Schätzungsvorgängen erschöpfen, ist keine Seltenheit. Die Rechtsprechung zieht durchaus statistische Methoden und Wahrscheinlichkeitserwägungen heran, wenn es beispielsweise darum geht, die Schadenshöhe beim Abrechnungsbetrug in sog. „Serientaten“,244 die „geringe Menge“ nach §§ 29 Abs. 5, 29a BtMG245 bzw. die Schuld des Täters einer Betäubungsmittelstraftat246 oder den Blutalkoholpegel zur Tatzeit zu bestimmen. Da § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB keinerlei abschließende Schadensrechnung erfordert (vgl. dazu soeben unter a), stünde folglich in diesem Fahrwasser auch der Schätzung des Betrugsschadens etwa in Kredit- oder Gebrauchtwagenfällen nichts mehr im Wege.247 Indes muss man die Frage der Schätzung wesentlich differenzierter betrachten, als sie geradeheraus mit dem Verweis auf das Gerichtsübliche zu legitimieren. Denn Schätzungen kommen im Bereich der Strafzumessung in zwei Varianten daher: Zum einen bezeichnet man mit dem Begriff der Schätzung die Ermittlung eines gewissen Spielraumes, dessen untere und obere Begrenzung mit hinreichender Sicherheit feststeht. In dieser Konstellation kann man im Wege des Zweifelsgrundsatzes jedenfalls auf den unteren Grenzwert rekurrieren und damit eine rechtsstaatlich angemessene Strafzumessungsgrundlage bereiten. Zum anderen greift die Rechtsprechung auf Schätzungen zurück, wenn die Anschauung des strafzumessungsrelevanten Objekts (bspw. eines Betäubungsmittels) nicht möglich ist, weil es entweder nicht mehr zur Verfügung steht oder sich einer näheren Evaluierung bereits aufgrund seiner Beschaffenheit entzieht. In diesem Fall werden weitere Anhaltspunkte zutage gefördert, die Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des entsprechenden Objektes zulassen und anschließend da243  Vgl.

etwa BGH, StV 2000, 613. BGH, NStZ 1990, 197 f. 245  Umfangreiche Ausführungen dazu bei Rahlf, in: MünchKomm – StGB, Vor §§ 29 BtMG ff., Rdnrn. 63 ff. 246  Vgl. BGH, NStZ 2012, 339 m. w. N. 247  Durchaus kritisch zu sehen ist allerdings die Anwendung von Schätzungen zur Bestimmung der „nicht geringen Menge“, denn diese Kategorie entscheidet sowohl über den Strafrahmen (vgl. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) als auch über die Möglichkeit, von Strafe abzusehen (vgl. § 29 Abs. 5 BtMG – zudem erforderlich ist insoweit die Erfüllung des Eigengebrauchskriteriums), und zeitigt daher mit § 263 Abs. 3 StGB vergleichbare Wirkungen. 244  Zusammenfassend

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

raus die Grundlagen für eine Strafzumessung gewonnen. Um die skizzierten Mechanismen und den jeweils gebrauchten Schätzungsbegriff ein wenig anschaulicher darzustellen, sollte man in der gebotenen Kürze drei exemplarische Anwendungsbereiche der Schätzung in den näheren Blick nehmen. c) Schätzungen im Betäubungsmittelstrafrecht Wirkstoffmenge und -konzentration determinieren im Betäubungsmittelstrafrecht in besonderem Maße das Unrecht der verwirklichten Tat und die Schuld des Täters.248 Die Rechtsprechung lässt zu ihrer Feststellung die Ermittlung eines Wirkstoffrahmens zu, wenn sich daraus ein Mindestwirkstoffanteil zweifelsfrei ableiten lässt.249 Dies bedeutet, dass man durchaus mit der Angabe „gute Qualität“ etc. operieren darf, sofern sich aus den Erwägungen des Gerichts ergibt, welche Wirkstoffquantitäten damit gemeint sind.250 Bereits aus diesen Erläuterungen kann man schlussfolgern, dass diese „Schätzung“ des Wirkstoffgehalts im Wege der Angabe eines Spielraums eigentlich gar keine ausgewiesene Einschätzung beinhaltet, weil jedenfalls ein Mindestgehalt sicher eruiert werden muss.251 Anders verhält es sich aber in der Frage, wie man nun den erforderlichen Mindestgehalt gewinnt bzw. in einem Fall verfährt, in dem bspw. mangels sichergestellter Betäubungsmittel keine Grundlage für die wissenschaftliche Analyse zur Verfügung steht. In diesen Fällen hält der Bundesgerichtshof eine Schätzung für möglich, die sich etwa an dem Preis und der Herkunft sowie der Eigenbewertung des Rauschmittels durch die Täter orientiert.252 Das Besondere an dieser Vorgehensweise ist, dass sie nicht von den aussagekräftigsten Bestimmungsmethoden (etwa der Analyse des Wirkstoffgehalts unter Laborbedingungen) Gebrauch macht, sondern derivative Feststellungsmittel in Dienst nimmt. Schätzen bedeutet demnach im Betäubungsmittelstrafrecht, von Indizien unter Verwendung eines Erfahrungssatzes (oder statistischer Angaben)253 auf die eigentlich mit 248  BGH, NStZ 2012, 339; NStZ-RR 2011, 90 (91); StV 2000, 613; ferner BGH, Beschl. v. 09. November 2011 – 4 StR 390/11 –, juris, Rdnr. 5 = BeckRS 2011, 27552. 249  BGH, NStZ 2012, 339. 250  Vgl. auch BGH, NStZ-RR 2008, 319 (320); BGH, Beschl. v. 09. Juni 2004 – 3 StR 166/04  –, juris, Rdnr.  4 = StV 2004, 602: „Mittlere Art und Güte“. 251  Vgl. etwa BGH, NJW 1994, 1885 f.: „Angesichts der Gesamtmenge von über 5 kg hat auch dann, wenn zugunsten der Angekl. von der schlechtesten Qualität ausgegangen wird, die nach den Umständen in Frage kommt, der THC-Gehalt den Grenzwert der nicht geringen Menge […] wesentlich überschritten.“ 252  Vgl. BGH, NStZ 2012, 339; NStZ-RR 2011, 90 (91); NStZ 2008, 319 f. 253  Vgl. bspw. die Erhebungen von Patzak/Goldhausen, NStZ 2011, 76  ff. zu Wirkstoffgehalten von Cannabis; ferner Rahlf, in: MünchKomm – StGB, Vor §§ 29 BtMG, Rdnrn. 63 ff.



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 101

genaueren Methoden zu eruierenden Angaben zu schließen, soweit kein der wissenschaftlichen Analyse zugängliches Objekt in Reichweite ist. Die Strafzumessung rekurriert im Betäubungsmittelstrafrecht folglich sowohl zur Bestimmung der relevanten Bemessungsgrundlagen als auch im Rahmen des eigentlichen Bemessungsverfahrens auf reine Schätzungen. d) Die Bestimmung des Blutalkoholpegels zur Tatzeit Die Feststellung des Blutalkoholgehalts wirkt sich sowohl auf die Frage der Schuldfähigkeit des Täters zum Tatzeitpunkt als auch auf seine Strafbarkeit etwa nach §§ 315a Abs. 1 Nr. 1, 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316 StGB oder die Anwendung des § 323a StGB aus. Ersichtlich ist, dass die Berechnung des Blutalkoholgehalts im Großteil bereits auf den Schuldspruch Wirkungen zeitigt, lediglich im Rahmen des § 21 StGB allein die Strafzumessung beeinflusst. Sie geht auf mehrere Weisen vonstatten: Zunächst kann der Alkoholisierte entweder direkt im Anschluss an die Tat oder erst zu einem späteren Zeitpunkt untersucht werden. Im zweiten Fall nimmt man eine Rückrechnung unter Zuhilfenahme von Erfahrungswerten vor,254 sodass auch hier wiederum ein statistisches Verfahren Anwendung findet, das der Ermittlung eines Spielraums im BtMG gleichkommt.255 Beiden Verfahrensweisen liegen gesicherte Anhaltspunkte zugrunde, lediglich im zweiten Fall kommen notwendigerweise Unsicherheiten durch das Rückrechnungsverfahren hinzu. Ferner ist denkbar, dass eine entsprechende Alkoholisierung des Täters nur aufgrund seiner Angaben (oder jener von Zeugen) ermittelt werden kann, weil man ihn weder unmittelbar noch zu einem anderen, angemessene Ergebnisse hervorbringenden Zeitpunkt nach der Tat untersucht hat. Unsicherheiten resultieren insoweit bereits daraus, dass der Blutalkoholwert von nur näherungsweise zu ermittelnden Angaben wie dem Trinkbeginn, der Trinkmenge und der körperlichen Konstitution des Trinkenden zur Tatzeit abhängt.256 Auch in diesem Fall ist das Gericht jedoch grundsätzlich zur Ermittlung des Blutalkoholspiegels verpflichtet,257 wobei der BGH jedenfalls 254  Vgl.

14 ff.

ausführlich hierzu Paeffgen, in: NK – StGB, Nachbem. zu § 323a, Rdnrn.

255  Nach st. Rspr. sind zur Prüfung der Schuldfähigkeit ein stündlicher Abbauwert von 0,2‰ und ein Sicherheitsabschlag von 0,2 ‰ heranzuziehen, vgl. BGH, NStZRR 2013, 272 m. w. N. 256  Vgl. etwa KG Berlin, Beschl. v. 12. April 2012 – (4) 121 Ss 57/12 (86/12) –, juris, Rdnr. 11: Spanne zwischen 7 und 11 Litern Bier; ferner BGH, NStZ 1998, 457 (458). 257  BGH, NStZ-RR 1998, 107. Eine Beschränkung auf sog. psychodiagnostische Kriterien wird ausnahmsweise für zulässig befunden, wenn jegliche Anhaltspunkte zur Feststellung des Blutalkoholgehaltes fehlen, vgl. OLG Celle, Beschl. v. 26. März

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

eine Blutalkoholkonzentration, die nur aufgrund subjektiver Trinkmengenangaben ermittelt wurde, nicht zu den noch tragfähigen Schätzungen rechnet.258 Soweit Angaben zu den relevanten Faktoren der Blutalkoholbestimmung ermittelbar sind, ist jedoch insbesondere zur Beurteilung der Schuldfähigkeit die schätzweise Ermittlung einer Höchstblutalkoholkonzentration zulässig.259 Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass diese Schätzungen nicht allein auf das Messergebnis abzielen, sondern schon bei den Grundlagen der BAK-Feststellung ansetzen.260 Die von der Rechtsprechung in Betracht gezogenen Schätzungen beziehen sich zum einen auf die relevanten Faktoren einer Blutalkoholpegelrechnung,261 zum anderen stellt das Rückrechnungsverfahren eine näherungsweise Berechnungsmethode dar, sofern man nur der Statur des Täters entsprechende Erfahrungswerte (und ggf. Sicherheitsabschläge) anzusetzen vermag. Folglich sind Schätzungen im Rahmen der Strafzumessung auch bei der Berechnung des Blutalkoholspiegels sowohl auf der Ebene der Ermittlung von Rechengrundlagen als auch bei der eigentlichen Berechnung anzutreffen. e) Schadenshochrechnung bei „serienmäßigem“ Abrechnungsbetrug In ständiger Rechtsprechung erklärt der BGH die Anwendung näherungsweiser Darlegungen zum Schuldgehalt bei Abrechnungsbetrugstaten für zulässig, die sich statistischer Methoden unter Zugrundelegung eines gleichförmigen Abrechnungsverhaltens bedienen.262 Grundlage einer solchen Hochrechnung des Schadens ist die Feststellung, dass der betreffende Arzt sein Abrechnungsverhalten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gleichförmig betätigt habe, und soweit Abweichungen festgestellt werden können, sind diese ebenfalls genau zu eruieren und in die Betrachtung einzustellen.263 Darüber hinaus zieht der BGH prozentuale Gewinnanteile heran, um im Wege der Schätzung zu eruieren, wie sich der hochgerechnete Gesamt2013  – 32 Ss 39/13  –, juris, Rdnr.  27, insoweit in NStZ-RR 2013, 317 nicht abgedruckt; OLG Köln, Beschl. v. 20.  Oktober 2009  – 81 Ss 72/09  –, juris, Rdnr.  11  – jew. m. w. N. 258  BGH, NStZ-RR 2011, 10 (11). 259  OLG Köln, Beschl. v. 20.  Oktober 2009  – 81 Ss 72/09  –, juris, Rdnr.  11. 260  Insoweit deutlich OLG Köln, Beschl. v. 20.  Oktober 2009  – 81 Ss 72/09  –, juris, Rdnr. 11. Geschätzt werden – jeweils unter Zuhilfenahme des Zweifelsgrundsatzes – etwa Trinkbeginn, Trinkmenge und, Körpergewicht. 261  So etwa in OLG Celle, Beschl. v. 26.  März 2013  – 32 Ss 39/13  –, juris, Rdnr. 27, insoweit in NStZ-RR 2013, 317 nicht abgedruckt. 262  Vgl. nur BGH, NStZ 1990, 197. 263  BGH, NStZ 1990, 197 f.



III. Das dogmatische Fundament des Bezifferungsgebotes 103

schaden auf die zugrunde gelegten Tathandlungen verteile.264 Die Literatur begleitet diese Vorgehensweise zwar mit Kritik,265 doch hier ist zu unterscheiden: Sofern man in den skizzierten Fällen aus dem Betäubungsmittelstrafrecht und den erörterten Vorgehensweisen zur Feststellung des Blutalkoholgehaltes keinen Widerspruch erhebt, erscheint es wenig konsequent, die Methoden des BGH bei der Schadenshochrechnung beim Abrechnungsbetrug in Frage zu stellen. Eine Schadenshochrechnung auf der Grundlage statistischer Verfahren kommt auch nach der Rechtsprechung allein insoweit in Betracht, als ein gleichförmiges Abrechnungsverhalten und der genaue zeitliche Rahmen dieses Verhaltens festgestellt werden.266 Eine Schätzung erweist sich folglich als unzulässig, wenn sie ohne konkrete tatsächliche Feststellungen operiert. Ebenso ist dabei ein Schätzverfahren nicht mit dem Erfordernis der schuldangemessenen Strafe zu vereinbaren, wenn zwar hinreichend bestimmte tatsächliche Feststellungen zum Abrechnungsverhalten und dem Zeitumfang dieses Verhaltens getroffen werden, indes das angewendete Verfahren zur Ableitung der strafzumessungsrelevanten Schadenssumme nicht den gesicherten statistisch-methodischen Erkenntnissen entspricht. Insoweit gilt, dass die Gerichte die Schadensberechnung „rational nachvollziehbar [zu] machen“267 haben, wobei auch im Bereich des Abrechnungsbetruges der Zweifelssatz gebietet, alle nicht zweifelsfrei zu ermittelnden Umstände in der täterfreundlichsten Variante anzusetzen. f) Fazit Die Strafzumessung der gerichtlichen Praxis rekurriert zur Bestimmung der schuldangemessenen Strafe auch auf Schätzungen. Diese Schätzungen hält man insbesondere deswegen für zulässig, weil man davon ausgeht, dass sie sich in der Regel durch die Anwendung des Zweifelssatzes für den Täter als günstig erweisen, da zweifelhafte Einzelposten im Ergebnis zugunsten des Täters interpretiert werden müssen. Indes sind Schätzvorgänge nicht undifferenziert zu übernehmen: Die Feststellung der Schätzgrundlagen ist einem reinen Schätzungsvorgang selbst nicht zugänglich, denn sie bildet erst die Basis für die näherungsweise Ermittlung des jeweils strafzumessungsrelevanten Wertes oder Umstandes. Auch die Wahl des Schätzverfahrens steht regelmäßig nicht zur Disposition des Gerichts, weil es dadurch 264  BGH,

GesR 2007, 77 (81). Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht, S.  206 f. 266  Auf diesen Feststellungen ruht auch das besondere Augenmerk in der Frage, ob die Amtsaufklärungspflicht des Gerichts beachtet wird, vgl. nur Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht, S. 207. 267  BVerfGE 126, 170 (212). 265  Zusammenfassend

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Gefahr liefe, den Boden der wissenschaftlich-logischen Ableitungen zu verlassen. Schließlich ist der Zweifelssatz umfassend in Ansatz zu bringen, soweit hinreichend sichere Feststellungen zu den Schätzparametern nicht möglich sind. Für die Berechnung des Betrugsschadens als eines jener Elemente, welche die schuldangemessene Strafe determinieren, bedeuten diese Erkenntnisse Folgendes: Die Rechengrundlagen zur Ermittlung des Vermögensschadens sind im Rahmen der Strafzumessung ebenso wie auf tatbestandlicher Ebene mit hinreichender Sicherheit zu ermitteln. Deshalb speist sich ein Bezifferbarkeitserfordernis insoweit auch aus den Grundsätzen der Strafzumessung. Darüber hinaus – und im Gegenteil zur Schadensfeststellung auf tatbestandlicher Ebene – sind jedoch Durchbrechungen der exakten Bezifferung des Schadens im Ergebnis möglich, soweit die abschließenden Werte nicht mit Sicherheit zu ermitteln sind. In diesen Fällen erlaubt die Rechtsprechung mit Recht auch in anderen Bereichen die Zugrundelegung von Spielräumen, die unter Anwendung des Zweifelssatzes konturiert und durch statistische Verfahren (etwa der Hoch- oder Rückrechnung) ausgefüllt werden können. Dies wird man für die Schadensberechnung in der Strafzumessung ebenfalls für zulässig halten müssen. 4. Zusammenfassung Das Bezifferungsgebot ist nach den hiesigen Schlussfolgerungen als Bestandteil des objektiven Betrugstatbestandes anzusehen. Diese Auskunft gibt der Umstand, dass die Bildung einer Differenz zwischen Anfangs- und Endvermögen als mathematische Schlussfolgerung nur mit dem von § 263 StGB vorausgesetzten Sicherheitsgrad möglich ist, wenn man die zur Berechnungsgrundlage erhobenen Gegenstände beziffert. Alles andere rekurrierte auf reine Überzeugung und könnte nicht reüssieren, weil die Deduktion sicher, die Prämisse im besten Falle nur subjektiv überzeugend wäre. „Daß kein Irrtum möglich war, muss erwiesen werden. Die Versicherung „Ich weiß es“ genügt nicht. Denn sie ist doch nur die Versicherung, daß ich mich (da) nicht irren kann, und daß ich mich darin nicht irre, muß objektiv festgestellt sein.“268 Der Vermögensschaden beschreibt somit eine Situation, in der mit mathematischer Sicherheit die verfügungsbedingte Minderung des betrachteten Vermögens und die etwaige Kompensation beziffert werden können. 268  Wittgenstein, Über Gewißheit, S. 13. Krebs, Worauf man sich verlässt, S. 26 leitet aus dieser Formulierung ab, dass die in Bezug genommene „Objektivität“ eine Wahrheit beschreibe, die „durch anerkannte und gemeinsam nachvollziehbare Regeln“ bewiesen werden könne.



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung105

Dieses Resultat ist freilich nicht unbillig. Man erinnere sich nur an die Entwicklung des medizinischen Wissens, mit dessen Anwachsen auch die Zahl der feststellbaren Gesundheitsschäden stieg. Bevor man etwas über HIV269 wusste, konnte die Ansteckung niemals zur Strafbarkeit gemäß § 223 StGB führen, obwohl freilich die ersten Infektionen nach heutiger Lesart bereits den objektiven Tatbestand erfüllt hätten. Um Strahlenschäden das Etikett der Körperverletzung verleihen zu können, musste man ebenfalls erst zu der Erkenntnis gelangen, ab wann Körperzellen durch Strahlung geschädigt werden.270 Obschon das BVerfG anders formuliert hat, ist es daher weder zulässig, den Vermögensschaden im Wege deduzierenden Vernunftgebrauchs dergestalt zu begründen, dass der in Rede stehende Vermögensgegenstand üblicherweise im Wirtschaftsverkehr in Gefährdungslagen mit einem Minderwert belegt werde, noch kann man die Schätzung als Mittel der Schadensberechnung auf der Ebene des Tatbestandes heranziehen. Ferner hat die hiesige Darlegung ergeben, dass Mindestfeststellungen zwar in Bezug auf die Bezifferung des mit der Vermögensverfügung aus dem Vermögen abgeflossenen Betrages zulässig sind, nicht jedoch bei der Berechnung möglicher Kompensationswerte. Dass die Bezifferung des Vermögensschadens nicht nur auf der Ebene des objektiven Tatbestandes, sondern auch auf dem Territorium der Strafzumessung gewisse Wurzeln schlägt, ist schließlich das Ergebnis der Auseinandersetzung strafzumessungsrechtlicher Gesichtspunkte. Obwohl auch dort die genaue Feststellung des Schadens erforderlich wird, sind gewisse Durchbrechungen möglich, die auf sichere Rahmenparameter und gesicherte wissenschaftliche Schätzverfahren rekurrieren.

IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung Eine Schadensbilanz orientiert sich nach den bisherigen Erkenntnissen an dem Bezifferungsgebot, das sowohl im Tatbestand als auch auf der Ebene der Strafzumessung Anwendung findet. Darüber hinaus bedarf die Bilanz jedoch gewisser Vorgaben hinsichtlich des Berechnungszeitpunktes, damit deutlich wird, auf welche Momentaufnahmen des Vermögens sie sich zu konzentrieren hat.

269  Bekanntlich wurden auch die ersten Hepatitis C-Fälle mangels anderweitiger Erkenntnismöglichkeiten als „Non A-Non B-Hepatitis“ bezeichnet, vgl. dazu etwa BGH NJW 1992, 743 und OLG Brandenburg, NJW 2000, 1500 (1502). 270  Vgl. BGH, NJW 1998, 833 (835 f.); NJW 1998, 1802 (1803).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

1. Der Berechnungszeitpunkt Herkömmlich berechnet man den Betrugsschaden anhand eines Vergleichs der Vermögenslagen vor und nach jenem Zeitpunkt, der durch die Vermögensverfügung markiert wird.271 Das BVerfG272 hat in seinem grundlegenden Judikat aus Juni 2010273 allerdings offengelassen, ob der Vermögensschaden im Wege des „Vergleich[s] der Vermögenslage vor und nach der beanstandeten Handlung“274 ermittelt oder aus der „Differenz zwischen den sich in den Fällen pflichtgemäßen oder pflichtwidrigen Verhaltens ergebenden Vermögenssalden“275 gebildet werde. Freilich bezieht sich diese Aussage zunächst auf den Tatbestand des § 266 StGB. Angesichts der Tatsache, dass das BVerfG in einem Beschluss von Dezember 2011 die der Untreue geltenden Erwägungen auf § 263 StGB übertrug,276 verwundert es jedoch nicht, dass mittlerweile die dogmatischen Migrationsbewegungen277 eine Kehrtwende zu vollführen scheinen und eine neue „Leitfunktion“278 des § 266 StGB suggerieren, die den Befund konterkariert, wonach es her271  Vgl. Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 155; Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 492; Joecks, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 355; Klein, Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 81; Bockelmann, ZStW 79 (1967), 28 (36). Auf diese Weise verfährt auch die Rechtsprechung, vgl. etwa BGHSt 6, 115 (116 ff.); 16, 220 (221); besonders deutlich wird die Parteinahme für die „vorhernachher-Lösung“ in der Entscheidung BGHSt 30, 388 (389): „Vermögensschaden beim Betrug ist die Vermögensminderung infolge der Täuschung, also der Unterschied zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der Vermögensverfügung des Getäuschten“ – hier werden folglich die Partikel „infolge der Täuschung“ und „vor und nach der Vermögensverfügung“ gleichgesetzt; ebenso rechnen BGHSt 45, 1 (4); 51, 10 (15); 51, 165 (177); 53, 199 (201 f.); 57, 95 (113 f.); BGH, NStZ 1999, 353 (354); 2012, 629; NJW 2011, 2675; wistra 2012, 267 (268); Urt. v. 20. Dezember 2012 – Az. 4 StR 55/12  – Juris, Rdnr.  39; jüngst BGH, Beschl. v. 04.  Februar 2014  – 3 StR 347/13  –, juris, Rdnr.  5. Vgl. ferner Wahl, Die Schadensbestimmung beim Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 27 f., der auf den Zeitpunkt des „Eintritts der Gefahrenlage“ rekurriert, ohne dass deutlich würde, weshalb die Vermögensverfügung als Anknüpfungspunkt zur Schadensbestimmung untauglich sein sollte. 272  BVerfGE 126, 170 ff. 273  Soweit ersichtlich tragen auch die weiteren Stellungnahmen des BVerfG nicht zur Aufklärung bei, vgl. BVerfG, NJW 2013, 365 ff. – Haushaltsuntreue; NJW 2012, 907 ff. – Al Quaida; anders in Bezug auf die Entscheidung BVerfGE 126, 170 wohl Kirchner, wistra 2013, 418 (421), die allein auf den „vorher-nachher“ – Vergleich verweist. 274  BVerfGE 126, 170 (206). 275  BVerfGE 126, 170 (206). 276  BVerfG, NJW 2012, 907 (916) – Al Qaida. 277  Zur ursprünglichen Stoßrichtung vom Betrug zur Untreue vgl. etwa Saliger, ZStW 112 (2000), 563 (573); ders., HRRS 2006, 10 (12 ff.). 278  Mit dieser Titulierung begleitet Schünemann, in: LK – StGB, § 266, Rdnr. 164 die jüngeren Entwicklungen.



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung107

kömmlich Entwicklungen aus der Sphäre des Betrugsschadens waren, die im Bereich der Untreue Einzug hielten.279 Weil der Fortentwicklung der Untreuedogmatik in der Tat eine gewisse Breitenwirkung nicht abzusprechen ist, gibt es in der Methode nichts zu erinnern, wenn ein Abweichen vom Verfügungszeitpunkt auch bei § 263 StGB in die weiteren Überlegungen einbezogen wird. Übertragen auf den Betrugstatbestand bedeutet dies also entweder den Vergleich der Vermögenswerte vor und nach der Verfügung oder den Vergleich mit und ohne Täuschung.280 Diese im ersten Augenblick als reines Spiegelgefecht verkleidete Differenzierung berührt nicht nur die Frage nach dem Rechenmodus, sondern auch jene nach dem in der Rechnung anzusetzenden Kompensationswert. Je nach Gangart verfährt die Schadensberechnung auf zweierlei Weisen: Die erste Lösung konzentriert sich auf den Abschluss der Vermögensverfügung als Zeitpunkt des tatbestandlichen Erfolgseintritts, während die zweite notwendig die Täuschung281 als Anknüpfungspunkt bemüht und im Wege einer hypothetischen Betrachtung danach fragt, wie sich die Vermögenslage ohne diese und die nachfolgende irrtumsbedingte Verfügung entwickelt hätte.282 Dabei nimmt die vom BVerfG skizzierte hypothetische Lesart wohl nicht die zivilrechtliche Differenzhypothese in Beschlag, sondern operiert auf rein strafrechtlichem Terrain. Den Unterschied zwischen beiden Varianten kann man sich daran verdeutlichen, dass die hypothetische Betrachtung bereits mit der Täuschung den „Zählkasten“ anstellt und anhand eines imaginären ungetrübten Verlaufs die Entwicklung des Vermögenswertes abmisst. Folgerichtig müsste die hypothetische Betrachtung im Gegensatz zur „vor279  Vgl. dazu BVerfG, NJW 2012, 907 (916) – Al Qaida; s. ferner Bittmann, NStZ 2013, 72 ff., dessen Ausführungen zu § 263 StGB ebenfalls auf die Anleihe beim Untreuetatbestand schließen lassen. 280  Diese zweite Variante setzt freilich die Feststellung von Täuschung, Irrtum und Verfügung voraus. In die Richtung dieser Variante scheinen bereits die Ausführungen zur Rechtsprechung des preuß. Obertribunals bei Buschmann, Entwicklung des strafrechtlichen Betrugsbegriffs, S. 41 f. zu weisen. Ebenso haben bekanntlich die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts angenommen, man habe den Vermögensschaden „als die dem Getäuschten nachteilige Differenz zwischen dem Geldwerte zu definieren, welchen dessen Vermögen nach und infolge der durch die Täuschung hervorgerufenen Verfügung thatsächlich hatte, und demjenigen Geldwerte, den es gehabt hätte, wenn die Täuschungshandlung nicht vorgekommen wäre“ (RGSt 16, 1 [3]). 281  Nähme man stattdessen die Verfügung unter dem Gesichtspunkt hypothetischer Kausalverläufe in den Blick, so wäre zwar berücksichtigt, dass die vom BVerfG in Bezug genommene „beanstandete Handlung“ (vgl. oben C.IV.1.) im Rahmen des § 263 StGB letztlich aus mehreren Akten (Täuschung und irrtumsbedingte Verfügung) besteht. Gewonnen wäre damit gegenüber der „vorher-nachher-Methode“ im Ergebnis freilich nichts, weil auch diese an der Verfügung ansetzt. 282  In diesem Sinne wohl Bittmann, NStZ 2013, 72 ff.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

her-nachher-Lösung“ bereits alle der Täuschung folgenden prospektiven Wertentwicklungen berücksichtigen. Die herkömmliche Gangart – die insbesondere auch in der Rechtsprechung zum Betrugsschaden dominiert – setzt dagegen an der Vermögensverfügung an und betrachtet den Gesamtvermögenswert vor und nach der Verfügung.283 Noch anschaulicher wird der Kontrast zwischen den Berechnungsmodi, wenn man die Auswirkung der gewählten Methode auf den Kompensationswert in den Blick nimmt. Am Beispiel des Submissionsbetruges lässt sich dies deutlich aufzeigen.284 Der Schaden in Fällen des Submissionsbetruges errechnet sich nach der neueren Rechtsprechung des BGH bekanntlich aus der Differenz zwischen dem vereinbarten und dem „erzielbaren Wett­ bewerbspreis“.285 Berechnungsgrundlage ist „der erzielte Preis abzüglich der absprachebedingten Preisaufschläge“.286 Mit dem „erzielbaren Wett­ bewerbspreis“ wird eine hypothetische Betrachtung eingeführt, die dem Vergleich mit und ohne Täterverhalten entspricht, weil sie nicht an einen „im Marktwettbewerb“ zu erzielenden Preis knüpft, sondern den erzielten Angebotspreis abzüglich der absprachebedingten Preisaufschläge ansetzt. Dies führt zu relevanten Ergebnisdifferenzen, wenn – wie die alte Rechtsprechung noch zutreffend für relevant erachtet hatte –287 der vereinbarte Preis und die Gegenleistung als Einflussfaktoren auf den Vermögenswert vor und nach der Verfügung im Werte identisch sind: Nach herkömmlicher Betrachtung müsste der Schaden verneint werden, soweit der relevante Vergleichswert in Gestalt der Gegenleistung keine Differenzbildung zulässt. Anders verläuft hingegen die hypothetische Betrachtung, die faktisch einen „Abschlag“ um die irrtumsbedingt akzeptierte Preiserhöhung vornimmt.288 nur Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 155. auf den Submissionsbetrug als hypothetisches Rechenszenario auch bei Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 99 ff. 285  BGHSt 38, 186 (194). 286  BGHSt 47, 83 (88). 287  Vgl. BGH, NJW 1962, 312 (313) sowie die umfassenden Nachweise bei Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky, Hdb. d. Wirtschafts- u. Steuerstrafrechts, Kapitel 16, Rdnrn.  16 f. 288  Soweit ersichtlich, steht eine neuere Stellungnahme der Rspr. zum Submissionsbetrug nach Juni 2010 noch aus. Deshalb ist derzeit offen, ob man die Zugrundelegung eines hypothetischen Marktpreises überhaupt mit dem verfassungsgerichtlich geforderten wirtschaftlichen Fundament der Schadensberechnung vereinbaren kann, vgl. dazu auch Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 233. Den in der Literatur vorgebrachten Bedenken (vgl. Rönnau, in: Festschr.  f. Rissing–van Saan, 2011, S. 517 [540], der in Bezug auf den Submissionsbetrug die von der Rspr. angenommenen Mindestschäden treffend als „reine Behauptungen“ bezeichnet, „deren Begründung eines wirtschaftlichen Maßstabs letztlich vollständig entbehrt“; in derselben Richtung auch Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 507 [508 f.], die von einer 283  Vgl.

284  Hinweis



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung109

Die Berechnungsmethode „mit und ohne Täuschung“ kann also zu erheblich abweichenden Ergebnissen führen, wenn nach wirtschaftlichen Kriterien eigentlich keinerlei Anhaltspunkt für eine Leistungsdifferenz ersichtlich ist. Auch in anderen Fällen kann die hypothetische Verlaufsbetrachtung insofern von der auf die Verfügung blickenden Zeitpunktrechnung differierende Ergebnisse hervorbringen, als sie abweichende Kriterien verwendet: So wurde in der jüngeren Auseinandersetzung um den Begriff des „Quotenschadens“ teilweise vorgetragen, dieser berechne sich aus einem Vergleich der Vermögenslagen des Buchmachers, wie sie sich jeweils unter dem Eindruck der Täuschung darstelle respektive bei ordnungsgemäßem Wettverhalten dargestellt hätte.289 Der zur Entscheidung berufene 5. Senat zog den Vergleich von tatsächlicher und mutmaßlicher Sachentwicklung in der Tat am Rande seiner Ausführungen zum Schaden und auch zur Strafzumessung in Betracht.290 Letztlich hat der BGH einer hypothetischen Schadensermittlung bekanntlich keinen Raum gewährt und einen Vergleich von Kaufpreis und Quotenwert angestellt.291 Es stehen sich folglich entweder Kaufpreis und Quotenwert oder täuschungsbedingtes und ordnungsgemäßes Wettverhalten als Anhaltspunkte für die Schadensberechnung gegenüber.292 Im Gegensatz zu mangelnder Resonanz in der § 263 StGB betreffenden Rechtsprechung scheint jene Vorgehensweise, die im hypothetischen Szena„normativen Bestimmung des Vermögensnachteils“ sprechen) wird man konzedieren müssen, dass es sich bei der Schadensberechnung nach hypothetischem Wettbewerbs­ preis jedenfalls insoweit um einen Verstoß gegen das Gebot wirtschaftlicher Schadensberechnung handelt, als lediglich der irrtümlich akzeptierte Aufschlag vom Zuschlagspreis subtrahiert wird. Denn dabei handelt es sich um eine starre Formel, die keinerlei Erkenntnisse zu der Frage berücksichtigt, zu welchem Preis eine entsprechende Leistung oder die relevanten Leistungsbestandteile am Markt zu haben wären. Das Problem liegt an dieser Stelle wieder darin, wie man die Vokabel „wirtschaftlich“ im Gefolge der Entscheidung des BVerfG(E 126, 170) auslegt (vgl. dazu unten E.IV.1.). Die Gegenansicht zur hiesigen Position (vgl. Saliger, ZIS 2011, 902 [917]; Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 233) lässt beim Submissionsbetrug eine „wirtschaftliche Plausibilität“ hinreichen. Soweit „wirtschaftlich plausibel“ auch „marktwirtschaftlich fundiert und beziffert“ bedeutet, könnte damit freilich der Anschluss an das wirtschaftliche Fundament des Vermögensbegriffs gewahrt sein. 289  Kutzner, JZ 2006, 712 (716). 290  BGHSt 51, 165 (175): „Für seinen jeweiligen Einsatz hätte er [der Wettende – Anm. T. W.] bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können.“; BGHSt 51, 165 (179): „… die Wettanbieter hätten bei nicht täuschungsbedingter Fehleinschätzung des Wettrisikos für die gezahlten Einsätze allenfalls wesentlich geringere Wettchancen eingeräumt.“ Vgl. dazu ausführlich Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361 (366). 291  Vgl. BGHSt 51, 165 (176). 292  Kritisch hierzu auch Koch, Betrug bei der Sportwette, S. 128.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

rio – zuweilen unter Heranziehung der zivilrechtlichen Differenzhypothese –293 den Schaden zu berechnen sucht, gleichwohl Anhänger gefunden zu haben.294 Dass auch der Betrugsschaden im Wege eines Vergleichs von tatsächlichem und hypothetischem Verlauf berechnet werden müsse, der (nur) an der Täuschungshandlung ansetze, scheint jedoch bereits der Einfluss des an die Verfügung knüpfenden Vollendungszeitpunkts auf das Versuchsstadium (§ 263 Abs. 2 StGB) zu widerlegen. Die genauere Betrachtung offenbart im Folgenden das mangelnde Fundament einer auf Hypothesen gestützten Schadensberechnung. a) Das Wortlautargument Zunächst könnte man für eine hypothetische Berechnungsweise allerdings anführen, dass sie dem Wortlaut des § 263 StGB weit mehr entspräche als der Blick auf den Verfügungszeitpunkt.295 Die Verfügung stellt keinen Bestandteil des geschriebenen Normtextes dar und partizipiert daher auch nicht in gleichem Maße an der Aufmerksamkeit des Normadressaten wie die anderen objektiven Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB. Als dogmatisches Implantat vermag sie also jedenfalls auf der Ebene der Wortlautauslegung keinen Anhaltspunkt für eine Schadensberechnung zu bieten, sodass es näher läge, den Schaden durch ein Hinwegdenken der Täuschungshandlung auszuloten. b) Betrug als Selbstschädigungsdelikt und Zurechnung Die Wortlautargumentation verschließt sich freilich der Tatsache, dass der Betrugstatbestand als Selbstschädigungsdelikt296 ungeachtet der mangelnden Wortlautfixierung mit Recht eine Vermögensverfügung voraussetzt. Die in der Verfügung repräsentierte Erkenntnis, dass gerade die Hingabe von Vermögenswerten durch die auf Vermögensschädigungen gerichtete, täuschende Induktion des Opfers oder enger Mitstreiter für strafwürdig befunden wurde,297 zwingt dazu, erst mit dem Zeitpunkt der Verfügung (des „Induktionserfolges“) das Maßband anzulegen. Alle vor der Verfügung liegenden 293  Zu jenen Autoren, welche die Differenzhypothese bevorzugen, vgl. unten C.IV.1.g). 294  Vgl. nur Bittmann, NStZ 2013, 72 ff. 295  In dieser Richtung etwa Wahl, Die Schadensbestimmung beim Eingehungsund Erfüllungsbetrug, S. 34. 296  Vgl. zu dieser Einordnung Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 61; Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 5; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 85. 297  Vgl. schon RGSt 16, 1 (2): mittelbarer Eingriff in fremdes Vermögen.



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung111

Entwicklungen des Vermögensstandes tragen mithin nicht das Siegel des Täters und dürfen im Rahmen einer hypothetischen Betrachtung auch nicht verwertet werden – alles Vorherige ist nur tentatives Kuckucksrufen. c) Die historische Perspektive Auch aus der historischen Perspektive ergibt sich ein Argument für die „vorher-nachher-Lösung“, das auf eine Abgrenzung anhand der älteren sog. „subjektiven Schadensrechnung“298 anspielt. Vorab ist freilich zuzugeben, dass diese subjektive Schadensberechnung, die im 19. Jahrhundert in der Rechtsprechung des preußischen Obertribunals und anfänglich auch in der Judikatur des Reichsgerichts reüssierte,299 heutzutage in erster Linie deswegen noch eine Rolle spielt, weil man sie – ebenso wie den juristischen Vermögensbegriff nach Binding – gleichsam auf den Inbegriff einer Baba Jaga300 stilisiert und mit ihr den Zeigefinger auf vermeintliche Irrungen nicht-ökonomischer Interpretationen des Betrugs- und Untreueschadens richtet.301 Dennoch hat es den Anschein, als könnte die Berechnungsvariante mit und ohne Täuschung Parallelen jedenfalls zur subjektiven Betrachtungsweise aufweisen, weil auch diese von der Prämisse ausging, wonach den Vermögensschaden bereits jener erleide, der etwa ein Objekt erwerbe, das er ohne den täuschungsbedingten Irrtum nicht erstanden hätte.302 Auf die betrugsdogmatische Nomenklatur übertragen, sollte einst der Schaden mithin in einer Verfügung liegen, die ohne Täuschung nicht erfolgt wäre.303 Man darf diese historische Perspektive nicht überstrapazieren, doch ist eine Parallele im Blickwinkel nicht zu übersehen: Sowohl die „subjektive Schadensberechnung“ als auch die hypothetische Herangehensweise neuerer Lesart wählen das Handlungsunrecht in Gestalt der Täuschung304 zum Ausgangspunkt für die Bestimmung des Schadens, während richtigerweise der 298  Die

(327).

Bezeichnung entstammt einer Formulierung des RG, Gerichtssaal 43, 321

299  Vgl. dazu ausführlich Buschmann, Entwicklung des strafrechtlichen Betrugsbegriffs, S.  41 f.; Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 42 ff. 300  Die Baba Jaga ist eine Gestalt aus der Märchenerzählkultur, der „bösen Hexe“ angenähert, die als Bezugspunkt für Differenzierungen und Wendungen auch bei anderen Figuren auftritt, vgl. etwa die Erzählung „Agar Agarovič“ bei Scherf, Das Märchen Lexikon, S. 6 ff. 301  Krit. zur Disqualifikation des (rein) juristischen Vermögensbegriffes etwa Bittmann, wistra 2013, 449 (450). 302  Erneut darf auf die ergiebigen Untersuchungen von Buschmann, Entwicklung des strafrechtlichen Betrugsbegriffs, S. 41 ff. verwiesen werden. 303  Vgl. Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 42 f. 304  Vgl. dazu Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, 2005, 131 f.; ferner RGSt 16, 1 (4).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Vollendungszeitpunkt und damit das im Vermögensschaden liegende Erfolgsunrecht den Ausgangspunkt aller Betrachtung bilden müsste. Es entspricht mithin auch der historischen Errungenschaft, dass die irrtumsbedingte Verfügung um ein weiteres entscheidendes Merkmal ergänzt wurde,305 wenn man den Umstand ausbleibender Kompensation fokussiert und sich bei der Schadensberechnung an der Vermögensverfügung orientiert. d) Mangelnde Rückbindung der hypothetischen Lesart an den Vermögensbegriff Während die traditionelle, an der Vermögensverfügung ausgerichtete Schadensberechnung eine Betrachtung tatsächlicher Wechsel von Vermögensgegenständen vornimmt, sieht sich der Gegenvorschlag gezwungen, die hypothetische Wertentwicklung des „Opfervermögens“ unter der Fragestellung zu beurteilen, wie es sich denn verhalten hätte, wenn die Täuschung ausgeblieben wäre, und dies provoziert Wertungen, die man nur schwerlich auf ihre Konformität mit wirtschaftlichen Realitäten wird überprüfen können. Weil aber dem Argument, eine Auslegungsvariante zeitige zu große Wertungsspielräume, derzeit insbesondere in der Rechtspraxis wohl nur bedingt Erfolg beschert sein dürfte, sollte der Blick auch auf einen weiteren Umstand gerichtet werden: Abgesehen von Wertungsspielräumen wiegt es schwer, dass die Entscheidung für einen der vorgestellten Berechnungsmodi zugleich den Umstand zu beeinflussen vermag, in welchem Ausmaß eine lediglich ausbleibende Vermögensmehrung als Vermögensschaden klassifiziert werden kann. Bislang gilt die reine Vereitelung von Vermögensmehrungen gemeinhin nicht als Betrug.306 Während die „Vorher-Nachher“-Lösung entgangenen Gewinn deshalb nur insoweit in die Schublade des Vermögensschadens einsortiert, als der Geschädigte vor der Vermögensverfügung eine entsprechende vermögenswerte Exspektanz innehatte,307 bliebe es der hypothetischen Sichtweise eigentlich unbenommen, in ihre Betrachtung auch nur im konkreten Fall zu erwartende Vermögensmehrungen einzustellen, die noch nicht zu festen Exspektanzen erstarkt sind. 305  Vgl. dazu ausführlich RGSt 16, 1 (4 ff.). Auch in jüngerer Zeit wird dieser Entwicklung nicht immer der gebührende Stellenwert eingeräumt, vgl. etwa BGH, wistra 2013, 20: „Die Erwägung des Landgerichts, ohne die Täuschungshandlung hätte die Bank den Darlehensbetrag nicht ausbezahlt, belegt lediglich die Kausalität zwischen Irrtumserregung und Vermögensverfügung, nicht aber das Ausmaß des Vermögensschadens.“ 306  Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rdnrn.  87a, 99; BGH, NStZ-RR 2013, 313 (314); NStZ 2012, 628 (629); NJW 2004, 2603 (2604). 307  Vgl. dazu Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 123; BGH, NStZ 2012, 628 (629); NStZ-RR 2007, 347 f.; NJW 2004, 2603 (2604).



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung113

Der Unterschied zwischen beiden Varianten erscheint auf den ersten Blick marginal, weil sicherlich auch nach hypothetischer Betrachtungsweise nur dann ein Vermögensschaden zu konstatieren wäre, wenn man zumindest mit gewisser Wahrscheinlichkeit davon ausgehen könnte, dass ohne die Täuschung ein höherer Gewinn erzielt worden wäre. Indes gibt es bei genauerem Hinsehen doch einen wesentlichen Unterschied, der letztlich für die „Vorher-Nachher“-Lösung Position bezieht: Nach herkömmlicher Betrachtung muss sich die Gewinnaussicht bereits derart verdichtet haben, dass sie im Geschäftsverkehr mit einem wirtschaftlichen Wert belegt wird;308 man sagt auch, die Geschäftschance „erstarke“ zum Vermögenswert.309 Die hypothetische Berechnungsart muss sich über diese Frage jedoch keinerlei Gedanken machen, denn sie knüpft nicht an die Bewegung von Vermögenswerten, sondern an die Projektion alternativer Kausalverläufe. Wenn es demnach allein in casu zu einer Vermögensmehrung gekommen wäre, so reicht das konsequenterweise schon für die Annahme einer Diskrepanz zwischen tatsächlichem und hypothetischem Vermögensstand aus, während nach traditioneller Betrachtung noch geklärt werden muss, ob diese wahrscheinliche Vermögensmehrung nicht nur im konkreten Fall, sondern insoweit auch generell zu erwarten gewesen wäre, als man sie überhaupt als verfügungsfähigen Vermögensgegenstand im Wirtschaftsverkehr ansehen kann.310 In der Zusammenfassung droht eine hypothetische Betrachtungsweise zuweilen den Blick darauf zu verlieren, dass (im Gegensatz etwa zur Untreue) der Betrugstatbestand eine Vermögensverfügung voraussetzt sowie lediglich die Beeinträchtigung bestehender Vermögenswerte pönalisiert, und auch deshalb vermag eine hypothetisierende Lesart nicht zu überzeugen.311 308  Vgl.

die Nachweise zu C.IV.1.d). BGH, NStZ-RR 2007, 347 (348); in dieser Richtung wohl auch schon RGSt 16, 1 (6), wonach „der Getäuschte ein Recht [besessen haben musste – Anm. T. W.], in diejenige Lage versetzt zu werden, welche für ihn den Gewinn ermöglichte, nicht [ausreichend sei – Anm. T. W.], wenn er, ohne solchen Rechtsanspruch, nur gehofft hatte und für den Fall, wenn seine Vorstellungen über ein Geschäft oder über eine Leistung des Täuschenden thatsächlich richtig gewesen wären, auch mit Grund hätte erwarten können, das Geschäft oder die Leistung werde ihm einen Gewinn eintragen.“ 310  Im Hinblick auf das Erstarken der Geschäftschance zum Vermögenswert in solchen Fällen vgl. BGH, NStZ-RR 2013, 313 (314); NStZ 2004, 557 (558). 311  Vgl. BGHSt 51, 165 (175): „Für seinen jeweiligen Einsatz hätte er [der Wettende – Anm. T. W.] bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können.“; BGHSt 51, 165 (179): „… die Wettanbieter hätten bei nicht täuschungsbedingter Fehleinschätzung des Wettrisikos für die gezahlten Einsätze allenfalls wesentlich geringere Wettchancen eingeräumt.“ Die Zitate belegen freilich, dass der Rechtsprechung hypothetische Erwägungen nicht 309  Vgl.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

e) Der Vorschlag einer ex ante-Korrektur von Bittmann Insbesondere diesem soeben skizzierten Einwand könnte aber möglicherweise entgegentreten werden, indem man – wie Bittmann dies jüngst vorschlug – eine zweistufige Betrachtung anlegt. Dieser Vorschlag geht davon aus, dass bei dem Tatbestand des Betruges grundsätzlich der Schaden anhand einer Prognose zu Zeitpunkt der Tathandlung (hier folglich zum Zeitpunkt der Täuschung) zu ermitteln sei. Wenn man dies als Gedankenexperiment stehen lässt,312 so gestaltet sich das weitere Vorgehen wie folgt: Zunächst soll eine sog. ex post – Betrachtung angestellt werden, die sich (so muss man es wohl verstehen)313 an den tatsächlich hinausverfügten und gegebenenfalls als Kompensationen gewonnenen Vermögensgegenständen orientiert.314 Damit wäre also die grundsätzliche Anknüpfung an den Vermögensbegriff nach traditioneller Berechnungsart wiederhergestellt. Anschließend – so der Vorschlag – wird eine korrigierende Betrachtung nachgeschaltet, vermittels derer das tatsächliche Geschehen durch das Raster der Erkennbarkeit gesiebt werden soll: Seien Umstände zum Zeitpunkt der Tathandlung ex ante nicht erkennbar gewesen, so dürften sie bei der Schadensberechnung auch nicht berücksichtigt werden.315 gänzlich fern liegen, aber dies reicht als Fundament für hypothetische Schadensberechnungen nicht aus. 312  Man wird schon diese Prämisse hinterfragen müssen, denn die Annahme, dass „[n]ach der ständigen Rechtsprechung des BGH […] für die Bemessung des Schadens bzw. Nachteils auf den Zeitpunkt der Tathandlung abzustellen [sei – Anm. T. W.]; […] beim Betrug [also auf – Anm. T. W.] die Täuschung […]“ (Bittmann, NStZ 2013, 72 – Hervorhebung in kursiv nur hier) spiegelt sich in Rechtsprechung und Literatur nicht. Jedenfalls kann man in dem Verweis auf BGH, NJW 2011, 2675, Rdnrn. 12 und 16 oder auf Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263, Rdnr. 110 (vgl. Bittmann, NStZ 2013, 72 mit Fn. 3) keinerlei Hinweis darauf finden, dass der BGH dies in Bezug auf den Betrugstatbestand so sähe. Man liest im zitierten Judikat: „Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung“, BGH, NJW 2011, 2675 Rdnr. 12 (auch die Rdnr. 16 dieser Fundstelle lässt keinen Raum für andere Aussagen). Sodann bei Fischer: „Vermögensschaden ist ein negativer Saldo zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der irrtumsbedingten Vermögensverfügung des Getäuschten“ (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263, Rdnr. 110 – Hervorhebung im Original). Ein anderes Tathandlungsverständnis könnte womöglich dem Beitrag von Bittmann, wistra 2013, 449 (451) zugrunde liegen, denn dort wird – jedenfalls zum Eingehungsbetrug – der Vertragsschluss als maßgeblicher Zeitpunkt genannt, der natürlich auch die Verfügung einschließt. 313  „In einem ersten Schritt werden die real eingetretenen Folgen ex post betrachtet“, Bittmann, NStZ 2013, 72, (73) – Hervorhebung im Original. 314  Vgl. Bittmann, NStZ 2013, 72 (73). 315  Bittmann, NStZ 2013, 72 (73).



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung115

Selbst wenn man diesen Vorschlag mit Bittmann als „pragmatisch“ bezeichnet und deshalb vielleicht bei der „dogmatischen Stimmigkeit“ Nachsicht walten lässt,316 so geht der Kern dieses Vorschlages jedenfalls darauf zurück, dass man eine – in dieser Form tatsächlich wohl nicht bestehende –317 Notwendigkeit einer ex ante – Prognose über die Auswirkungen der Täuschungshandlung auf das Fundament des traditionellen Berechnungsansatzes stellt und diesen sodann – jedenfalls nach herkömmlicher Sicht –318 um eine Selbstverständlichkeit ergänzt: Wenn es an der (objektiven) Erkennbarkeit mangelt, so handelt der Täter nach allgemeinen Grundsätzen nicht „objektiv fahrlässig“; das heißt, er schafft kein rechtlich missbilligtes Risiko, sodass man seiner Täuschung eine Gefahrrealisierung in Gestalt des Vermögensschadens nicht zurechnen kann.319 Dieser Umstand ändert also nichts daran, dass man letztlich die verbleibenden Positionen im Wege der Saldierung zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung betrachten müsste, sofern darin den Kern der ex post – Betrachtung zu sehen ist. Bei Zugrundelegung dieser modifizierten ex post – Perspektive wäre freilich kein nennenswerter Unterschied mehr zum „vorher-nachher“ – Vergleich erkennbar: Wenn man ex post nach den real eingetretenen Folgen beurteilt, wie sich das Vermögen entwickelt hätte, dann bleibt es nicht aus zu behaupten, es hätte eben den Mehrwert umfasst, der verfügungsbedingt und unkompensiert abgeflossen sei. Dies kann folglich nicht der Kern einer als echte Alternative geltenden hypothetischen Betrachtung sein, sodass sich die hypothetische Lesart der Schadensberechnung auch mit diesem Vorschlag nicht überzeugend gestaltet. f) Gegenproben Die Bevorzugung einer an der Verfügung ausgerichteten Schadensbetrachtung harmoniert schließlich auch mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Strafdrohung und der Gesamtvermögensbetrachtung. Wer kann – erstens – schon sagen, wie sich das Vermögen zwischen Täuschung und Verfügung, insbesondere aber darüber hinaus entwickelt hätte, wenn der Täter nicht pflichtwidrig vorgegangen wäre? Die hypothetische Methode mag bei „Sparbuchfällen“ Erfolg versprechen, doch im Bereich komplexer ökonomischer Vorgänge könnte sie ohne die Inkaufnahme prognostischer Zitate bei Bittmann, NStZ 2013, 72 (73). die Überlegungen zu C.IV.1.e). 318  Vgl. zur Kritik dieses Blickwinkels eingehend Frister, Strafrecht AT, Kapitel 10, Rdnrn. 34 ff. 319  Vgl. die grundlegenden Darlegungen bei Frister, Strafrecht AT, Kapitel 10, Rdnrn. 33 ff. und Kapitel 12, Rdnrn. 25 f. 316  Beide 317  Vgl.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Unsicherheiten nicht bestehen,320 gerade weil ihr keinerlei reale Sachverhaltsverläufe zugrunde liegen. Zweitens müssten gerade diejenigen, die das Erfordernis einer strengen Gesamtvermögensbilanzierung ablehnen,321 auch der hypothetischen Betrachtungsweise konsequenterweise eine Absage erteilen; denn streng genommen wäre es gar nicht vorstellbar, der hypothetischen Gangart anders zu Individualität zu verhelfen, als durch die Beurteilung der Gesamtvermögensentwicklung. Auch wenn man beispielsweise hinwegdächte, dass ein Wollhosenverkäufer bewusst falsche Angaben zur Beschaffenheit der Hose machte und deshalb der – ein „Schnäppchen“ wähnende – Käufer einen (um € 50,– überhöhten) Preis von € 100,– bezahlte, so eröffnete man der hypothetischen Lesart doch nur insoweit einen eigenständigen Anwendungsbereich, als sie Fälle einzubeziehen mag, in denen eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kunde bei Kenntnis der tatsächlichen Hosenqualität vom Kauf gänzlich abgesehen hätte. Denn in dieser Variante läge der wirtschaftliche Schaden nicht nur bei € 50,–, sondern bei vollen € 100,–. Hierbei wird deutlich, dass man in der hypothetischen Lesart keineswegs nur am konkreten Objekt arbeitet, sondern vielmehr das Gesamtvermögen einmal mit und einmal ohne Täuschung berechnet. Anders gewendet: Die hypothetische Lesart hätte gar keinen anderen Bezugspunkt, als den Gesamtvermögenswert, weil sie mit dem Hinwegdenken der Täuschung zugleich die Verfügung nivelliert und daher den manifesten Betrachtungsgegenstand in Gestalt des verfügten Gegenstandes (oder Wertes) einbüßt; sie muss ihn folglich durch den Gesamtvermögenswert substituieren. g) Rekurs auf die zivilrechtliche Differenzhypothese Anstatt in der Auseinandersetzung zwischen hypothetischer Schadensberechnung und der „vorher-nachher“ – Betrachtung bereits jetzt Position zu beziehen, könnte man schließlich auch noch einen dritten Weg beschreiten und zur Unterstützung der hypothetischen Gangart einen Ausweg im Zivilrecht suchen. Denn bekanntlich errechnet sich auch der Vermögensschaden sub specie §§ 249 ff. BGB mitunter anhand der sog. Differenzhypothese. Sie ist jedenfalls immer dann von Relevanz, wenn eine Schadenskompensation 320  Vgl. dazu auch Safferling, NStZ 2011, 376 (378): hypothetische Entscheidung über den Sollzustand. 321  In dieser Richtung etwa Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 49 und ihm folgend Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 171 f.; vgl. ferner dazu Achenbach, in: Festschr. f. Roxin, 2011, S. 1005 (1007); Hoyer, in: SK – StGB, § 263, Rdnr. 193.



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung117

in Geld zu berechnen ist322 und im Kern besteht diese Rechnung in einem Vergleich zwischen der aufgrund des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage des Betroffenen und jener Vermögenslage, die bestünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre.323 Dabei geht es also im Gegensatz zu einer Lösung, die sich an der Vermögensverfügung orientiert, „nicht [um] einen Vergleich mit dem Status quo ante“.324 In der strafrechtlichen Rechtsprechung hat der Vorschlag, die zivilrecht­ liche Differenzhypothese in den Dienst der Vermögensschadensberechnung zu stellen, – soweit ersichtlich –325 überhaupt keinen Anklang gefunden und auch die Literatur übte sich bislang in großer Zurückhaltung. Gleichwohl sind in jüngerer Zeit durchaus wieder326 Stimmen zu vernehmen, die mit unterschiedlichen Begründungen zu einer Schadensberechnung nach der Differenzhypothese tendieren,327 sodass man diesem Aspekt einen gewissen Darstellungsumfang einräumen sollte. Freilich zeitigt die Vorgehensweise nach der Differenzhypothese weitgehend jene Ergebnisse, die auch unter der bereits abgelehnten „hypothetischen Gangart“ der Schadensberechnung erzielt werden. Indes gibt es auch schadensrechtliche Spezialitäten und Ausnahmegestaltungen im Zivilrecht, die eine weitergehende Betrachtung einfordern. Zunächst könnte man angesichts einer variantenreichen Kasuistik328 die Beobachtung machen, dass das Prinzip der Gesamtsaldierung jedenfalls in 322  Vgl. Schiemann, in: Staudinger, BGB, § 249, Rdnr. 4; Homann, JuS 2002, 554 (556 f.). 323  BGH, DB 2013, 2017 (2019); NJW 1998, 302 (304 m. w.  N.); Oetker, in: MünchKomm – BGB, § 249, Rdnr. 18; vgl. bereits Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 11. 324  Sancinetti, ZStW 120 (2008), 661 (665); zur Entwicklung des Vorteilsausgleichs vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 9 II 1 (= S. 488). 325  Man wird auch die offensichtliche Anknüpfung an hypothetische Szenarien durch die Rechtsprechung bei der Ermittlung des Vermögensschadens in Submissionsbetrugsfällen nicht als Beleg für die Akzeptanz der Differenzhypothese werten können, weil in den einschlägigen Judikaten der Rekurs auf hypothetische Erwägungen mit dem Vorliegen einer spezifischen Wettbewerbssituation begründet wird, vgl. BGH, NStZ 2001, 540 (542); NJW 1997, 3034 (3038); NJW 1995, 737 (738). Auch wird das Fehlen eines Marktpreises angeführt: BGH, NJW 1992, 921 (922); vgl. dazu auch Tiedemann, JZ 2012, 525 (527). 326  Auch das Reichsgericht (RGSt 16, 1 [3]) hat sich hypothetischen Erwägungen nicht verschlossen und die Vermögensschädigung beim Betrug als „in ihrem Wesen mit dem civilrechtlichen Interesse, welches der Getäuschte daran hat, nicht getäuscht worden zu sein, gleichbedeutend“ angesehen. 327  Vgl. etwa Wahl, Die Schadensbestimmung beim Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S.  31 ff.; Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 109 ff. 328  Übersicht dazu bei Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S.  98 ff.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

der strafrechtlichen Praxis schon längst von hypothetischen Erwägungen durchsetzt sei und deshalb die Anleihe bei der Differenzhypothese das noch verbleibende, gleichsam „kariöse“ Saldierungsgebilde vollständig abtrage und durch eine zivilrechtliche Prothese in vorzugswürdiger Weise ersetze.329 Ferner wird aus dem vermögensstrafrechtlichen Blickwinkel vorgetragen, dass die Differenzhypothese den Vorzug aufweise, einen „frei bestimmbaren“ Vergleichszeitpunkt in Ansatz zu bringen, weil sie frei von faktischen Begebenheiten einen Vergleich zu ziehen ermögliche.330 Gegen beide Argumente ist jedoch Widerspruch zu erheben: Denn zum einen entzieht sich der Vortrag gewisser Bruchstellen in der praktischen – sprich: gerichtlichen – und teilweise auch dogmatischen331 Umsetzung des Gesamtsaldierungsprinzips jeglicher Begründung dahingehend, weshalb ein praktisches Abweichen von einem Prinzip zugleich die Ungültigkeit desselben impliziere.332 Anders gewendet vermittelt der Befund, dass es in der strafrechtlichen Rechtsprechung insbesondere vor der Entscheidung des BVerfG von Juni 2010333 zahlreiche Durchbrechungen der Gesamtsaldierung nach dem „vorher-nachher“ – Prinzip gab, keinerlei Aufschluss darüber, weshalb man vom Grundsatz der Gesamtsaldierung Abstand nehmen sollte. Wenn die dahinter stehende Behauptung richtig wäre – nämlich: Eine Regel gilt nicht mehr, sobald sie gebrochen wird –, so beraubte gleich der erste Straftäter das gesamte Strafrecht seiner Normbefehle. Ferner ist zu beachten, dass der Rekurs auf die zivilrechtliche Differenzhypothese jedenfalls in der Frage dogmatischer Perforationen auch nicht unbedingt weiter führt, denn im zivilrechtlichen Diskurs hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Differenzhypothese letztlich nicht stringent durchgeführt werden kann.334 Außerdem hat das BVerfG jüngst den Durchbrechundieser Richtung Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 109 f. Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 110: „Das faktische Vermögen des Treugebers kann zu jedem Zeitpunkt nach der Handlung des Täters, mit der hypothetischen Vermögenssituation verglichen werden, die sich ohne die potenziell schädigende Handlung ergeben hätte. Dieses Argument spricht ganz wesentlich für die Differenzhypothese.“ – Ganz offensichtlich geht es in diesem Zitat mit dem Bezug auf das „faktische Vermögen des Treuegebers“ also vornehmlich um die Untreue nach § 266 StGB, die aber [vgl. oben C.III.1.b)] aufgrund des prinzi­piell gleichen Schadensbegriffs nicht ohne Seitenblick auf den Betrugstatbestand behandelt werden kann. 331  Hier spielt etwa Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 110 f. auf die abweichenden Berechnungsmodi bei Eingehungs- und Erfüllungsbetrug an. 332  Dies wäre doch nur dann der Fall, wenn das Prinzip selbst seine praktische Immunität voraussagte und deshalb insoweit durch die Praxis widerlegt werden könnte. 333  BVerfGE 126, 170 ff. 334  Vgl. Schiemann, in: Staudinger, BGB, § 249, Rdnr. 6 m. w. N.; Grüneberg, in: Palandt – BGB, Vorb. v. § 249, Rdnrn. 10 ff.; ferner Oetker, in: MünchKomm – 329  In

330  Lösing,



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung119

gen der saldierenden Methode jedenfalls insoweit Einhalt geboten, als das wirtschaftliche Fundament der Schadensfeststellung nicht beeinträchtigt werden dürfe.335 Deshalb stellt sich die Betrachtung von praktischen Abweichungen von der Gesamtsaldierung im Verfügungszeitpunkt und eine daraus gefolgerte Bevorzugung der Differenzhypothese insoweit lediglich als eine subjektive Meinung von der „besseren Lösung“ der Schadensproblematik dar, nicht als überzeugender Schluss. Ferner ist das Argument zurückzuweisen, wonach es einen Vorzug darstelle, dass mit der hypothetischen Betrachtungsweise ein beliebiger Vergleichszeitpunkt gewonnen werde. Diese Überlegung zielt offensichtlich darauf ab, die Schadensberechnung auch in schwierigen Umgebungen handhabbar zu machen, in denen feste Bezugspunkte wie eine Vermögensverfügung nicht vorhanden sind – mithin bezieht sie sich insbesondere auf den Untreuetatbestand. Im Unterschied zur Untreue ist im Bereich des Betrugstatbestandes jedoch der Beliebigkeit des Vergleichszeitpunktes insoweit eine Grenze gesetzt, als mit der Vermögensverfügung ein Bezugspunkt für die hypothetische Projektion der beeinträchtigungsfreien Vermögenslage besteht. Das heißt, man müsste im Rahmen der hypothetischen Differenzlösung gleich zwei faktische Elemente durch Projektionen ersetzen (die Täuschung und die Verfügung), und damit erhöhte sich die Fehleranfälligkeit des gewählten Verfahrens. Was man zunächst als Vorzug ansehen mag, ist letztlich nur ein Potenzial für weitere Einbrüche in die Prinzipien der Schadensberechnung, denn es ist nicht gesagt, dass man nicht auch die referierten Überlegungen zu einem hypothetischen Vergleich wiederum abänderte, wenn es die Sachlage erforderte, um einen weiteren beliebigen Vergleichszeitpunkt kreieren zu können. Weil dieser letzte Gesichtspunkt aber freilich schnell als DammbruchArgument (folglich nur als Befürchtung) entlarvt werden wird, sollte man noch einen Schritt weiter gehen und sich vergegenwärtigen, dass mit der Wahl beliebiger Rechenzeitpunkte die Vorhersehbarkeit der Strafdrohung jedenfalls insofern beeinträchtigt ist, als aus Tätersicht nicht mehr feststeht, wann (und anhand welcher Methode) von dem Eintritt eines Vermögensschadens auszugehen ist. Anders formuliert vermag der Täter im Versuchsstadium nicht mehr zu ermessen, wann er spätestens eingreifen müsste, um der Strafdrohung noch zu entgehen. Folglich versagt im hypothetischen Blickwinkel gerade angesichts der Versuchsstrafbarkeit nach § 263 Abs. 2 BGB, § 249, Rdnr. 22, der jedenfalls auf die Möglichkeit von Wertungen und zweckgerichteten Korrekturen hinweist (ebenso BGH, DB 2013, 2017 [2019]), die Differenzhypothese als Grundlinie jedoch beibehält. 335  Vgl. BVerfGE 126, 170 (212).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

StGB jeglicher Ansatz, dem Täter noch eine sinnvolle „goldene Brücke“ in die Legalität336 zu erbauen. Trotz dieser Argumente muss man sich vor Augen führen, dass die Erörterung der Differenzhypothese im Umfeld der strafrechtlichen Schadensberechnung jüngst vielleicht auch deswegen Auftrieb erhielt, weil man im Rahmen wesentlich grundlegenderer Überlegungen mit dieser den strafrechtlichen Themenkomplex der hypothetischen Kausalverläufe in Verbindung bringen kann; und vielleicht sogar gar nicht umhinkommt, diesen Aspekt einzubeziehen.337 In einer Untersuchung über das zwiespältige Verhältnis der Strafrechtswissenschaft zu hypothetischen Kausalverläufen hat in jüngerer Zeit Sancinetti mit besonderer Gründlichkeit offengelegt, dass jener, der sich für die Schadensberechnung nach der Differenzhypothese ausspreche, zugleich folgerichtig auch den hypothetischen Kausalverläufen im Strafrecht die Hand reichen müsse.338 Zunächst ungeachtet der Frage, ob es denn auf dieser Grundlage zu befürworten wäre, die Differenzhypothese in den Dienst des Strafrechts zu stellen, kann man anhand einer Folgenbetrachtung veranschaulichen, dass gerade die vordergründige dogmatische Eleganz dieser Hypothese ihr auf strafrechtlichem Terrain in die Parade fährt. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu bedenken, dass mitunter die nach der Differenzhypothese erforderliche Projektion eines ungetrübten Kausalverlaufs auch in durchaus problematische Richtungen ausschlagen kann, etwa wenn sie aufzeigt, dass der Täter durch sein Verhalten zwar einen Schaden angerichtet, dabei aber einen bei ungetrübtem Verlauf anderweitig zu erwartenden Schaden abgewendet hat. Ein Beispiel: Der Kreditnehmer erlangt unter Täuschungen eine Kreditzusage, obwohl er von Anfang an nicht bereit oder in der Lage ist, den Kredit zurückzuzahlen. Hätte er den Kredit nicht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen beantragt, so wäre das Vermögen der Bank gleichwohl mit hoher Wahrscheinlichkeit vermindert worden, weil die Bank nicht als Kredit ausgereichte Summen in spekulative Anleihen zu investieren pflegt, die in der aktuellen Konjunktur mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verlusten geführt hätten. Um in diesem Beispiel den Vermögensschaden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach der Differenzhypothese zu berechnen, müsste man eine Entscheidung darüber treffen, ob und wie mit dem Um336  Freilich gilt dies auch für alle weiteren Erklärungsmuster des Rücktritts (zu diesen vgl. nur die instruktiven Ausführungen von Frister, Strafrecht AT, Kapitel 24, Rdnrn.  1 ff.; Sancinetti, Fundamentación subjetiva del ilícito, S. 119 ff.). Der Opferschutz versagt ebenso wie die Bestimmung einer honorierungswürdigen Umkehrleistung, wenn der Täter sowieso nicht mehr einzuschätzen weiß, wann die Vollendung voraussichtlich eintreten wird. 337  Vgl. nur Sancinetti, ZStW 120 (2008), 661 ff. 338  Sancinetti, ZStW 120 (2008), 661 (665 ff.).



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung121

stand zu verfahren ist, dass auch im hypothetischen Szenario ein definitiver Verlust nicht festgestellt werden kann, sondern nur eine sehr wahrschein­ liche Einbuße des nunmehr als Kredit ausgereichten Bankvermögens. Man steht folglich vor dem gleichen Problem, das derzeit unter der Überschrift des Vermögensschadens bei Risikogeschäften erörtert wird: Wie saldiert man reale „Gefährdungsschäden“ mit hypothetischen „Gefährdungsschäden“, deren Umwandlungswahrscheinlichkeit in endgültige Vermögensverluste kaum zu beziffern sind? Mit anderen Worten: Die Migration der Differenzhypothese in die Dogmatik der strafrechtlichen Schadensberechnung verursacht mitunter mehr Probleme, als sie zu lösen vermag, weil sie zuweilen schlicht eine Verdoppelung der problematischen Perspektiven – nämlich im realen versus hypothetischen Verlauf – mit sich bringt. Ferner wird die Berechnung des Schadens nach der Differenzhypothese kompliziert, wenn der Verfügende einen Vorteil aus dem schädigenden Ereignis erlangt, der in adäquatem Zusammenhang mit diesem Ereignis steht.339 Denn in diesem Fall ist darüber zu entscheiden, ob man dem Schädiger den erlangten Vorteil zugutekommen lassen muss. In diesen Fällen nimmt die zivilrechtliche Rechtsprechung Korrekturen in der Schadensberechnung vor.340 Aus dieser Judikatur sind zwei Beispiele näher zu betrachten: Beispiel 1:341 Der Vorstand einer Aktiengesellschaft schließt irrtümlich (fahrlässig) unzulässige Spekulationsgeschäfte ab, aus denen sowohl Gewinne als auch Verluste entstehen. Der Schadensersatzanspruch gemäß § 93 Abs. 2 S. 1 AktG berechnet sich sodann nach der Differenzhypothese.342 Obwohl die Gewinne und Verluste auf unterschiedlichen Ereignissen – hier: mehreren Verfügungen – beruhen,343 findet nach der Rechtsprechung auf einen Schadensersatzanspruch gegen die Organmitglieder in diesem Fall das Bereicherungsverbot Anwendung, sodass sich die Gesellschaft die Gewinne auf die entstandenen Verluste anrechnen lassen muss.344 Diese Überlegung fußt im Wesentlichen darauf, dass sich die Gesellschaft „treuwidrig und 339  Vgl.

hierzu BGH, NJW 2007, 2695 (2696). auch BGH, NJW-RR 2011, 1670 (1673). 341  Abgewandelt nach BGH, NJW 2013, 1958 mit Anm. Böttcher, ZWH 2013, 334. 342  Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.  Juni 2012  – 20 W 1/12  –, juris, Rdnrn. 66 ff. (= NZG 2012, 1150 [Ls.]); OLG Düsseldorf, Urteil v. 28. November 1996  – 6 U 11/95  –, juris, Rdnr.  113; vgl.  – insoweit  – auch die Vorinstanz (OLG Frankfurt, Urteil v. 22. März 2011 – 5 U 29/06 –, juris, Rdnrn. 81 ff.) zu BGH, NJW 2013, 1958. 343  Vgl. dazu krit. Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512 (514). 344  BGH, NJW 2013, 1958 (1961); siehe ferner NJW-RR 2011, 1670 (1673); krit. hierzu Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512 (513 ff.). 340  Vgl.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

widersprüchlich [verhält], wenn sie das Organmitglied für einen Fehler ersatzpflichtig macht, aber den Gewinn behält, wenn das Organ den gleichen Fehler erneut begeht“.345 Sub specie § 263 StGB wäre indes zu konstatieren, dass nach herkömmlicher Betrachtungsweise das Unmittelbarkeitskriterium konsequenterweise eine Anrechnung der Gewinne als Kompensationen unterbände, weil sie auf eigenständigen Verfügungen beruhten.346 Beispiel 2:347 Mehrere Unternehmen bilden gemeinsam ein Kartell. Der Kunde eines dieser Unternehmen akzeptiert irrtümlich kartellbedingte Preisaufschläge und wälzt diese in Unkenntnis des Kartells wiederum auf seine Kunden ab.348 Nach der Rechtsprechung ist nunmehr anhand der ökonomischen Gegebenheiten zu prüfen, „ob die Preiserhöhung auf der nachfolgenden Marktstufe kartellbedingt ist. Nur wenn dies der Fall ist, kann der Mehrerlös des weiterliefernden Geschädigten als Schaden seiner Kunden und damit zugleich als ausgleichspflichtiger Vorteil auf Seiten dieses Geschädigten angesehen werden.“349 In der strafrechtlichen Vermögensschadensrechnung müsste dagegen diese Abwälzung des Schadens (sog. „passing-on-defence“)350 grundsätzlich außer Betracht bleiben: Die Folgegeschäfte entspringen nicht der ursprünglichen Verfügung und stehen daher nicht in einem Unmittelbarkeitszusammenhang mit dieser.351 Dem Strafrechtler bliebe möglicherweise in diesem Beispiel – nicht aber in Beispiel 1 – noch das Argument, dass schon die Kartellbildung zu einer Preissteigerung auf dem relevanten Absatzmarkt geführt und der Kunde des Kartellteilnehmers daher schon mit dem Kauf der weiter zu veräußernden Ware eine gewisse Exspektanz gewonnen habe. Rundum überzeugend ist dieses Argument aber letztlich nicht, denn man kann schwerlich unterstellen, dass schon die unspezifischen Weiterverkaufsmöglichkeiten im Wirtschaftsverkehr einen derartigen Wert hätten, dass sie zum Vermögenswert „erstarkten“. 345  BGH,

NJW 2013, 1958 (1961). der hiesige Vorschlag zu einer Betrachtung nach wechselbezüglichen, wirtschaftlichen Einheiten käme dazu, die Geschäfte regelmäßig nicht im Verbund zu betrachten, wenn unter ihnen kein besonderer geschäftlicher Bezug besteht, der sie letztlich als einheitliches Geschäft ausweist, vgl. dazu unten C.IV.2. 347  Nach BGH, NJW 2012, 928. 348  Vgl. ausführlich zu diesem Fall nur Kersting/Dworschak, JZ 2012, 777 ff. 349  BGH, NJW 2012, 928 (933); vgl. Schnelle, BB 2012, 80; Kersting/Dworschak, JZ 2012, 777 (781 f.); krit. hierzu etwa Bergmann/Fiedler, BB 2012, 206 (208); Soyez, EuZW 2012, 100 (102); Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298 (299). 350  Vgl. Bergmann/Fiedler, BB 2012, 206 ff.; Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298 (299); Bischke/Brack, NZG 2012, 333 (334 f.). 351  Ebenso lautet das Ergebnis des hiesigen Vorschlags zur Betrachtung nach wirtschaftlichen Einheiten, weil unterschiedliche Geschäfte in Rede stehen, vgl. dazu unten C.IV.2. 346  Auch



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung123

Wie gesehen, fallen also die Schadensrechnungen im Zivil- und im Strafrecht in beiden Beispielen auseinander. Die Erzielung von Vorteilen wird im Zivilrecht – sofern man erzielte Vorteile überhaupt berücksichtigen will –352 unter der Fragestellung eines absens pensare lucrum cum damno353 behandelt; ob man also dem Geschädigten die mit dem schädigenden Ereignis in adäquatem Zusammenhang stehenden Vorteile bei der Schadensbemessung anrechnet.354 Dieses Procedere stellt sich nicht als unzulässig dar, weil es letztlich Ausdruck einer Interessenabwägung und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist.355 Strafrechtlich spielen die erzielten Vorteile jedenfalls nach herkömmlicher Lesart aber in aller Regel keine Rolle, weil sie schon nicht in den „unmittelbaren“ Einzugsbereich der Vermögensverfügung fallen,356 und damit ließe eine Betrugsschadensrechnung nach der Differenzhypothese ein wesentliches Fundament des bürgerlichen Schadensrechts außer Betracht. Denn aus dem Blickwinkel der Betrugsdogmatik ändert die nachgelagerte Vorteilserzielung nichts daran, dass der Täter bereits in hinreichendem Umfang die freie Vermögenswertentäußerung beeinträchtigt hat. Ferner wäre es insbesondere in Beispiel 2 auch geradezu ungerecht, dem „Erstkäufer“ im Strafrecht die eigene Geschäftstüchtigkeit bereits auf der Ebene des Tatbestandes anzulasten und zu behaupten, die Tat des Verkäufers begründete kein Unrecht, nur weil es – aus zivilrechtlicher Perspektive – billig erscheint, durch den Schaden erzielte Vorteile in die Höhe des ausgleichsfähigen Schadens einzupreisen. Damit behauptete man zugleich, dass die Höhe der schadensrechtlichen Kompensationspflicht im Zivilrecht den Umfang des strafrechtlichen Unrechts konturierte. Schließlich: Wie wäre etwa im Gefolge des „Melkmaschinen-Falls“357 zu entscheiden? Wenn es für die Schadenshöhe (mitunter auch für den Schadenseintritt an sich) relevant ist, dass der Käufer oder Zwischenhändler den erworbenen Gegenstand weiterveräußert bzw. der AG-Vorstand mitunter auch zum Vorteil der Gesellschaft wirtschaftet, dann ließe sich fragen, ob man den präsumtiv Geschädigten nicht sogar verpflichten müsste, jedenfalls alle greifbaren Möglichkeiten des Weiterverkaufs oder der Gewinnerzielung zu nutzen (vgl. § 254 BGB).358 Sonst bliebe unerklärlich, aus welchem etwa Metzger, JZ 2008, 498 ff.; Schiemann, NJW 2007, 3037 ff. Sancinetti, ZStW 120 (2008), 661 (666 f.). 354  Vgl. BGH, NJW 2007, 2695 (2696); 1984, 229 (230). 355  Vgl. dazu BGH, NJW 2007, 2695 (2696); krit. dazu etwa Schiemann, NJW 2007, 3037 (3038). 356  Vgl. hierzu unten C.IV.2. 357  BGHSt 16, 321 ff.: Ein Milchbauer lässt sich eine Melkmaschine verkaufen, die für seine Bedürfnisse viel zu klein dimensioniert ist. 358  Vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen nur Rüßmann, in: jurisPK – BGB, § 254 BGB, Rdnrn. 18 ff. 352  Einschränkend 353  Hierzu

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Grund man den effektiv erfolgten Weiterverkauf in die Schadenshöhe einstellte, ohne dem verfügungsbedingt erworbenen Vermögensgegenstand bereits die Pflicht zur zumutbaren Weiterveräußerung anzuheften, denn der Vermögensschaden sub specie § 263 StGB ist bekanntlich in erster Linie ein Phänomen des Vermögensbegriffs. Letztlich handelt es sich bei diesen Fragen auch um normative Aspekte, die eine wirtschaftliche Betrachtungsweise richtigerweise nicht berühren können: Was der präsumtiv Geschädigte mit einem Gegenstand anzufangen verpflichtet ist, kann für den aktuellen Vermögenswert dieses Gegenstands insoweit keine Bedeutung haben, als es bei der entsprechenden Verpflichtung allein darum geht, das Vermögen des vermeintlichen Betrugsopfers zu schützen. Solche Verpflichtungen behindern die Marktgängigkeit des Gegenstandes nicht, sondern befördern sie mitunter sogar und äußern sich daher regelmäßig nicht in marktwirtschaftlichen Preisbildungen. Obwohl schon die soeben vorgetragenen Überlegungen nach der hiesigen Überzeugung zum Ausschluss der Differenzhypothese aus den Reihen der tauglichen Grundlagen einer (betrugs-)strafrechtlichen Vermögensschadensrechnung führen, muss man jedoch abschließend berücksichtigen, dass das Hauptargument in jüngeren Arbeiten freilich ein anderes und wesentlich grundlegenderes ist. Zum einen wird argumentiert, die Forderung nach einem gewissen Gleichlauf von straf- und zivilrechtlicher Haftung plausibilisiere sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass beide Regime im soeben skizzierten Beispielsfall ohne zwingenden Grund unterschiedlich in Bezug auf einen (zu behebenden bzw. zu pönalisierenden) Erfolgsunwert reagieren.359 Anders gewendet entbehre es der Überzeugungskraft, weshalb nach bürgerlichem Schadensrecht mitunter im Wege der compensatio lucri et damni der eingetretene Schaden als ausgeglichen angesehen werde, im Strafrecht jedoch die Verurteilung aus dem Erfolgsdelikt ausgesprochen werde.360 Zum anderen thematisiert man die Frage alternativer Schadensrechnungen anhand des Problems, welche Auswirkungen es auf die Zuständigkeit eines Tatverstrickten für den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges habe, wenn dieser zwar unmittelbar einen Erfolg herbeiführe, aber zugleich dafür sorge, dass eine von dritter Seite gesetzte Ursache den gleichen Erfolg nicht mehr herbeiführen könne.361 Es geht also bei diesem Argument um 359  Vgl. Sancinetti, ZStW 120 (2008), 661 (674) – Sancinetti wählt freilich wesentlich grundlegendere Beispiele, die sich nicht nur an den Betrugstatbestand richten. 360  Sancinetti, ZStW 120 (2008), 661 (674). Dieses Argument trifft genau besehen einen anderen Punkt, als die oben zuvor vorgetragene Gerechtigkeitserwägung. Es zielt darauf, dass man im Zivilrecht eine schadensrelevante Differenz verneint, während man im Strafrecht eine solche postuliert. 361  Vgl. Sancinetti, ZStW 120 (2008), 661 (691 ff.).



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung125

Fälle hypothetischer Reserveursachen, mithin um jene Handlungen, die ohne das Dazwischentreten des Zweittäters den gleichen tatbestandlichen Erfolg herbeigeführt hätten. Diese Fälle reflektieren in betrugsdogmatischen Termini jene Sachlagen, in denen der Täuschende zwar eine Vermögensverfügung bewirkt, mit dieser Bewirkung der Verfügung aber zugleich eine Ursache dafür setzt, dass das Opfer einen anderweitig initiierten und in gleicher Weise schädigenden Verlauf von sich abwendet: Die kreditgebende Bank gibt ein unbesichertes Darlehen irrtümlich an den zahlungsunfähigen Kreditnehmer K und deshalb geht der – ebenfalls zahlungsunfähige – Kreditnehmer J, der seinerseits erfolgreich getäuscht hatte, leer aus. In diesem Fall saldiert man nach klassischer Betrachtung die Vermögenswerte vor und nach der Verfügung und gelangt zu dem Ergebnis, dass ein Schaden in Höhe der Kreditsumme entstanden sei, weil der Rückzahlungsanspruch der Bank nur noch als Erinnerungsposten „gut sei“.362 Die Schadensberechnung nach der Differenzhypothese gestaltet sich hingegen als schwierig: Konsequenterweise wäre zu berücksichtigen, dass die Bank im Alternativszenario ebenfalls leer ausgegangen wäre, sodass man den Vermögensschaden verneinen müsste. Das Reichsgericht hatte es aber bereits abgelehnt, in dieser Konstellation hypothetische Ersatzursachen einzurechnen363 und der BGH vertritt einen differenzierten Ansatz: In sog. „Anlagefällen“ werden hypothetische Ersatzursachen eingerechnet, wenn der beeinträchtigten Sache (oder Person) im Zeitpunkt des Eintritts des tatsächlich schädigenden Ereignisses bereits eine schädigende Anlage innewohnte.364 Darüber hinaus scheint die Rechtsprechung Ersatzursachen nicht zu berücksichtigen.365 Unklar ist vor dem Hintergrund eines uneinheitlichen Meinungsspektrums, wie man in dem gebildeten Beispiel zu verfahren hätte, wonach der Kredit im alternativen Verlauf jedenfalls durch die Vergabe an den zahlungsunfähigen Kreditnehmer J verloren gegangen wäre. Denn das Vermögen der Bank war insoweit noch nicht mit einer schädigenden Veranlagung belastet, weil es nicht im unweigerlich eintretenden Schicksal des Bankenvermögens lag, dass es geschädigt werde, sondern lediglich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch im Alternativverlauf dem Untergang anheimgestellt worden wäre. Folgt man der „Anlagen-Rechtsprechung“, so bliebe es gleichwohl bei der Haftung des Kreditnehmers K, während andere Auffassungen möglicherweise eine Berücksichtigung der Ersatzursa362  Ausführlich

zum Kreditbetrug unten F.II. RGZ 141, 365 (367 ff.). 364  Vgl. Grüneberg, in: Palandt – BGB, Vorb. v. § 249, Rdnr. 57 m. w. N. 365  Vgl. auch OLG-Düsseldorf, NJW-RR 2010, 1106 (1107 f.), das nur auf die Schadenanlage rekurriert. 363  Vgl.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

che befürworten würden. Ungeachtet der Frage, wie man dieses Exempel zivilrechtlich letztlich entscheidet, zeigt es auf, dass die Differenzhypothese – bereits seit Inkrafttreten des BGB –366 jedenfalls zwar Potenzial zur Berücksichtigung hypothetischer Ersatzursachen birgt, indes keine endgültigen Lösungen bereithält. Ob man der Differenzhypothese den Eintritt in die Betrugsdogmatik gewähren sollte, entscheidet sich schließlich daran, ob die in Abweichung von der bisherigen Vorgehensweise aufkommenden Lösungsmöglichkeiten überhaupt mit betrugsdogmatischen Grundentscheidungen harmonieren. Vielleicht kann man an diesem Punkt überblicksartig ansetzen und die – im Rahmen der hiesigen Schrift wohl vorrangig relevante – Beobachtung anführen, dass die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe der Betrugsschadensdogmatik insoweit einen völlig neuen Blickwinkel zutrüge. Denn im gewählten Beispiel wird deutlich, dass der freien Vermögenswert­ entäußerung – die nach hiesigen Überlegungen bereits als Mechanismus an sich schützenswert ist –367 Grenzen gesetzt werden, die sich aus dem Gefahrerkenntnisvermögen des Vermögensträgers speisen.368 Die Bank hatte im gegebenen Beispiel nicht erkannt, dass der alternative Kreditnehmer ebenfalls völlig zahlungsunfähig war, und allein deshalb hätte sie auch im alternativen Verlauf ihr Vermögen verloren. Wenn man diesen Umstand einrechnete und damit den Schadenseintritt im Fall des tatsächlich ausgereichten Kredits ablehnte, so wäre der Vermögenswertschutz, den die Bank vor Ausreichung des schließlich gewährten Kredits an den Zweittäter überhaupt noch erlangen könnte, anhand ihrer ersten Kreditentscheidung auf lediglich solche Schäden limitiert, die über das sowieso schon vom Ersttäter in Beschlag genommene Schadenspotenzial hinausgehen. Einfacher gesagt verspielte die Bank in der Parallele zu dieser Lesart der Differenzhypothese mit der ersten Kreditentscheidung ihr Vermögen völlig, sodass sich der Zweittäter regelrecht anstrengen müsste, um mit dem Ersttäter überhaupt noch mithalten zu können. Man könnte daher zur Erwiderung auf den Vormarsch einer zivilrechtlich konsequent durchgeführten Differenzhypothese einen Satz von Ingeborg Puppe369 abwandelnd aufgreifen und feststellen: In der bürgerlichen Sozietät 366  In den Motiven zum BGB wurde die Entscheidung dieser Frage ausdrücklich der Wissenschaft und Praxis anheimgestellt, vgl. die Motive zum BGB, S. 19 bei Mugdan/Magunna, Materialien, S. 10. 367  Vgl. dazu oben B. 368  Und auf die Kenntnis eines Täters um seinen Einfluss auf den Erfolgseintritt kann es ausgerechnet für Kausalitätsfragen – das hat etwa Frister überzeugend dargelegt (Strafrecht AT, Kapitel 9, Rdnr. 11) – nicht ankommen. 369  Puppe, in: NK – StGB, Vor § 13, Rdnr. 152.



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung127

darf der Vermögensträger die Einsatzmöglichkeiten seines Vermögens nicht allein deshalb und insoweit ohne angemessenen strafrechtlichen Schutz ausüben, weil er einmal eine falsche – letztlich folgenlose – Entscheidung getroffen hat.370 Wie wäre es im Falle der Körperverletzung? Auch dort dürfte man jenem, der sich schon eine sichere Aussicht auf Prügel eingehandelt hat und folglich bereits eine sichere „Schadensanlage“ trägt, nicht allein deswegen straflos in die Parade fahren. Völlig schutzlos steht der Vermögensträger freilich auch seinem effektiven Kreditnehmer nicht gegenüber, denn dieser könnte immer noch wegen Versuchs nach §§ 263, 22 StGB – jedoch nicht bei der Untreue – bestraft werden (ebenso der opportunistisch Prügelnde wegen versuchter Körperverletzung),371 doch verbleibt ein Begründungsdefizit ob der Erfolgszuständigkeit: Was letztlich in Rede steht, ist damit die Frage, ob man dem „Zweittäter“ auch die Zuständigkeit für den eingetretenen Erfolg zuschreiben will, und dieser Debatte kann im hiesigen Rahmen nicht Rechnung getragen werden: Entweder übernimmt man die Differenzhypothese so, wie die Rechtsprechung sie konturiert, und rechnet hypothetische Ersatzursachen in aller Regel nicht ein. Es bliebe damit der wesentliche Makel, dass man sich zivilrechtlich positionierte, obwohl die Debatte noch längst nicht geklärt zu sein scheint. Oder man liest die Differenzhypothese konsequent zu Ende. In diesem Fall wären alle hypothetischen Ersatzursachen hinzuzurechnen. Diese Lösung zeitigte allerdings jene Ergebnisse, die man unter originär strafrechtlichen Prämissen wie der Vorhersehbarkeit der Strafdrohung nicht produzieren möchte. Die Schadensberechnung könnte man vor diesem Hintergrund wegen der Rückbindung der Differenzhypothese an Treu und Glauben kaum noch als sicheres Fundament des Vermögensschutzes bezeichnen.372 Vorzutragen ist ergänzend, dass Sancinetti die Fallkonstellation der abgewendeten hypothetischen Reserveursache im Wege eines „Übertragungsprinzips“ aufzulösen vorschlägt, wonach jener, der das erste Risiko setze, zugleich für den Erfolg einzustehen habe, wenn ein zweiter nach ihm das 370  Konsequenterweise bekennt sich Sancinetti dann auch dazu, dass eigentlich das Zivilrecht auf vorderstem Posten stehe, um derartige Schädigungen abzugelten, vgl. ders., ZStW 120 (2008), 661 (675). 371  Vgl. zum Hinweis auf die gleichwohl bestehende Versuchsstrafbarkeit Frister, Strafrecht AT, Kapitel 9, Rdnr. 11. 372  Auf das Argument, die zivilrechtliche Lage sei ungeklärt und könne daher im Strafrecht keine weitere Beachtung finden, wird zuweilen – in anderem Kontext – erwidert, eine unklare Rechtslage schaffe jedenfalls eine Vermögensgefährdung, weil ein Prozessrisiko bestehe, vgl. Eisele, in: Festschr. f. Weber, 2004, S. 271 (274). Ohne wirtschaftliche Darlegungen kann man dieser Auffassung jedoch spätestens seit Juni 2010 nicht mehr die Gefolgschaft zusichern.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

gleiche Risiko schaffe, welches sich auch realisiere, und gerade deshalb der erste nicht hafte. Somit stellvertrete jener, der den Erfolg letztlich verursache, den anderen, der als erster das entsprechende Risiko gesetzt habe.373 Wandelt man den gestellten Kreditfall geringfügig ab und nimmt an, dass im tatsächlichen Verlauf immerhin 50 % der Kreditsumme durch die Verwertung bestellter Sicherheiten eingefahren werden können, so zeigt sich, dass nach klassischer Betrachtung freilich ein Vermögensschaden im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Höhe von 50 % der Kreditsumme eingetreten ist. Die Differenzhypothese müsste möglicherweise den Umstand einrechnen, dass der „Zweittäter“ die Bank vielmehr vor 50 % des völligen Vermögensschadens bewahrt habe, den sie im Alternativverlauf eingefahren hätte. Folglich wäre insoweit kein Vermögensschaden zu konstatieren, obwohl der Sachverhalt alle Merkmale aufweist, die man unter dem Topos von der gesellschaftlichen Bedeutung der Vermögenswertentäußerung für einen Vermögensschaden fordern müsste. Unter dem „Übertragungsprinzip“ stellte sich in einem solchen Fall freilich die Frage, wie die Zurechnung auszugestalten wäre. Man könnte einerseits annehmen, dass der „Vertretene“ eben nur in Höhe von 50 % des Ausgangsrisikos hafte, weil dies der Risikokonkretisierungsquote entspreche; andererseits hat der „Vertretene“ aber ein viel höheres Risiko gesetzt, sodass man auch auf den Gedanken verfallen könnte, dieses seiner Haftung zugrunde zu legen. Sancinetti würde wohl für die zweite Variante votieren, wonach das eigens gesetzte Risiko den Maßstab für die zivilrechtliche Ausgleichspflicht und damit (wohl) auch für den Vermögensschaden bilde.374 Aus dieser Lösung ergibt sich jedoch wiederum das Problem, dass man einen effektiven Schaden zunächst teilweise durch eine Gefährdung (genauer: ein Risiko) ersetzt und dazu noch – weil das Bereicherungsverbot doch wieder den Abzug der überschießenden 50 % fordert, damit der Verfügende hinterher nicht mehr habe als vor dem Schadensereignis – letztlich das gleiche Ergebnis erzielt wie bei der einfachen Saldierung der Vermögenswerte vor und nach der Verfügung. Einfacher gesagt löst das „Übertragungsprinzip“ jedenfalls in gewissen Konstellationen die Probleme der Differenzhypothese zugunsten eines Ergebnisses, das der „Vorher-Nachher“-Lösung nahe kommt. Auch aus diesem Umstand lässt sich die Erkenntnis gewinnen, dass jedenfalls für den Betrugstatbestand die sog. „Vorher-Nachher“-Lösung die richtige ist. Im Ergebnis zeigt sich daher, dass die Übernahme der Differenzhypothese in die strafrechtliche Schadensberechnung nicht erforderlich ist, weil sie dazu Sancinetti, ZStW 120 (2008), 661 (698 ff.). die Überlegungen zum Schadensersatz im „Gift- und Pistolenfall“ bei Sancinetti, ZStW 120 (2008), 661 (701). 373  Vgl. 374  Vgl.



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung129

entweder weitgehend gleiche Ergebnisse wie die „Vorher-Nachher“-Lösung zeitigt, im Übrigen aber der Billigkeit geschuldete Erwägungen introduziert und damit im Grunde alle Vorzüge einer strafrechtlichen Rechnung wieder nivelliert, sofern sie bereits im Zivilrecht nicht konsequent durchgehalten wird. Oder man führt die Differenzhypothese konsequent durch und berücksichtigt daher hypothetische Ersatzursachen. In diesem Fall muss man sich jedoch vorhalten lassen, dass der Täter gar nicht ermessen kann, welche hypothetischen Ersatzursachen letztlich auf der Reservebank warten, um den Bereich straflosen Agierens zu erweitern. Unter der Geltung eines „Übertragungsprinzips“ führt die Differenzhypothese schließlich auf Umwegen zum gleichen Ergebnis wie die klassische Vorgehensweise, und vor diesem Hintergrund vermag sie sich gegenüber der klassischen „VorherNachher“-Lösung nicht zu behaupten. Folglich ist zu resümieren, dass strafrechtliche Schadensberechnung und zivilrechtliche Differenzhypothese im besten Fall nur im Ergebnis harmonieren, im Übrigen aber eigene Problemfelder bestellen, die sich bei ihrer Vermengung nur gegenseitig potenzierten. h) Zusammenfassung Die Vermögensverfügung markiert den Zeitpunkt, an dem die bilanzielle Schadensberechnung anzusetzen hat. Mithin ist der Vermögenswert jeweils vor und nach der Verfügung zu bestimmen und auf seine verfügungsbedingte und unkompensierte Minderung hin abzugleichen. In jüngerer Zeit wurde im Kontext des § 266 StGB die „vorher-nachher-Lösung“ auch als eine solche bezeichnet, die für „reale Vermögenszu- und -abflüsse konzipiert [sei]“.375 Dass freilich nur diese Zu- und Abflüsse – selbst wenn sie sich zuweilen im Wechsel immaterieller Wertträger manifestieren – unter der konsequenten Geltung des Bezifferungsgebotes überhaupt geeignet sind, einen Vermögensschaden herbeizuführen, zeigt einmal mehr die zutreffende Lozierung des Berechnungszeitpunktes in der an die Verfügung knüpfenden Modalität „vorher-nachher“. Abzulehnen sind sowohl eine originär hypothetische Berechnungsweise des Vermögensschadens nach dem Vorbild des § 266 StGB als auch die Anwendung der zivilrechtlichen Differenzhypothese. 2. Das sog. „Unmittelbarkeitserfordernis“ Nachdem der richtige Berechnungszeitpunkt herausgestellt wurde, ist ferner zu eruieren, welchen Zeitraum eine Schadensbilanz abzudecken hat. 375  Lindemann,

S. 68.

Voraussetzungen und Grenzen legitimen Wirtschaftsstrafrechts,

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Die Grenzen des bilanziellen Blickwinkels zieht nach derzeit h. M. das sog. „Unmittelbarkeitserfordernis“, das folglich einer näheren Betrachtung zuzuführen ist. a) Die Unmittelbarkeit des Verfügungserfolges und der Kompensation Aus der Prämisse, wonach der Vermögensschaden eine Gesamtwertminderung des Vermögens repräsentiert, folgt nicht nur die Berücksichtigung von Wertabflüssen, sondern auch die Einrechnung von Wertzuwächsen. In Rechtsprechung und überwiegender Literatur herrscht die Überzeugung, dass allein jene werthaltigen Zu- und Abflüsse das Vermögen zu mindern bzw. die verfügungsbedingten Einbußen zu kompensieren vermögen, die unmittelbar aus der Verfügung hervorgehen.376 Weil aber weder das Erfordernis einer Vermögensverfügung noch das bezeichnete Unmittelbarkeitsprinzip377 sich aus dem Wortlaut des § 263 StGB speisen, zieht man etwa systematische Erwägungen wie die Abgrenzung zum Trickdiebstahl nach § 242 StGB378 oder teleologische Argumente379 zur Begründung des Unmittelbarkeitserfordernisses heran. Das Unmittelbarkeitserfordernis hat schließlich eine derart zentrale Bedeutung, dass der Bundesgerichtshof es nicht nur dem Betrug selbst anempfiehlt, sondern auch in die Dienste betrugsnaher Tatbestände wie des Computerbetrugs nach § 263a StGB stellt.380 376  BGHSt 53, 199 (201 f.); BGH, NStZ 2013, 711 (712); Perron, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 263, Rdnrn 140 ff. 377  Diese Terminologie ist misslich, weil sie verschleiert, dass zuweilen ganz unterschiedliche Anforderungen an die „Unmittelbarkeit“ in den Bereichen der Verfügung und der Kompensation gestellt werden. Die hiesige Schrift folgt aber letztlich einem spiegelbildlichen Verständnis von Verfügung und ausbleibender Kompensation, sodass im Folgenden mit dem Begriff des „Unmittelbarkeitserfordernisses“ (in der jeweiligen sprachlichen Variante) stets der Umstand bezeichnet wird, dass sowohl Verfügungserfolge als auch Kompensationen in einem auf beiden Seiten gleich zu bemessenden Verhältnis stehen müssen. 378  Vgl. ausführlich dazu Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 106 m. zahlr. Nachw. in dortiger Fn. 180. 379  Insbesondere der Charakter des § 263 StGB als Selbstschädigungsdelikt wird herangezogen (vgl. dazu Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 84; Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 98; Satzger, in: ders./Schluckebier/Widmaier, StGB, § 263, Rdnr. 179). 380  Vgl. BGH, NStZ 2013, 586 (587 m. w. N.). Darüber hinaus wird bekanntlich ein Unmittelbarkeitskriterium herangezogen, um die Figur der schadensgleichen Vermögensgefährdung zu konturieren, indem man der Gefährdungslage erst dann Vermögenswirkungen zuschreibt, wenn sie die unmittelbare Gefahr eines Vermögensverlustes begründet (vgl. zu Unmittelbarkeit und Vermögensgefährdung etwa Saliger, ZStW 112 [2000], 563 [576 ff.]); ders., HRRS 2006, 10 [20]). Von dieser speziellen Anwendung des Unmittelbarkeitsgedankens soll im Folgenden aber nicht



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung131

Dieser eindeutigen Positionierung zugunsten des „Unmittelbarkeitskriteriums“ steht der Umstand gegenüber, dass bis heute ist im Grunde nicht geklärt ist, welche Wertflüsse noch als „unmittelbar“ zu bezeichnen sind;381 der Unmittelbarkeitsbegriff hilft jedenfalls nicht weiter.382 Denn dieser besagt nur, dass die Vermögensminderung und die Kompensation nicht nur durch eine Vermittlung (un-mittelbar) auf die Vermögensverfügung zurückzuführen sein dürfen, damit sie in der Schadensrechnung Berücksichtigung finden können. Danach stellte sich im strengen Wortsinne383 zum Beispiel jede unbare Geldtransaktion nur als mittelbare Folge der Verfügung (etwa: Veranlassung einer Überweisung und durch technische und personelle Vorrichtungen vermittelter Verfügungserfolg) dar384 – und das wäre freilich unsinnig. Der auf unmittelbare Wertbewegungen gemünzte Blickwinkel harmoniert daher nicht mit mehraktigen Geschehensabläufen. Wird zum Vollzug einer Verfügung bspw. die Mitwirkung weiterer Personen erforderlich, so trifft diese erforderliche Mitwirkung nicht mehr die engen Grenzen unmittelbarer Vermögensminderung.385 Deshalb hat der BGH bereits in einer älteren Entscheidung aus dem Jahr 1991 ein weites Verständnis des Unmittelbarkeitszusammenhanges bei der Vermögensverfügung angelegt:386 Auch die erforderliche „Kette der Verfügungen“, wonach erst das letzte Glied der Kette den unkompensierten Verfügungserfolg bewirke, genüge dem Unmittelbarkeitsbegriff, soweit diese Verfügungskette gehandelt werden, weil es sich dabei entweder um eine unzulässige Normativierung des Vermögensschadens handelt oder sein Inhalt bereits in den allgemeinen Anforderungen an die Schadensfeststellung aufgeht. 381  In dieser Richtung auch Lackner/Kühl, StGB, § 263, Rdnr. 27 und Arzt/Weber/ Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 20, Rdnr. 79 – jeweils m. w. N. 382  Dieser Befund ist übrigens nicht nur auf den Tatbestand des § 263 StGB beschränkt. Die Unmittelbarkeitsvokabel stiftet bei dem Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB gleich doppelte Verwirrung, weil sie einerseits im Rahmen der Schadensberechnung anzutreffen ist, andererseits aber schon bei der Frage in Erscheinung tritt, ob die Begründung eines Pflichtenverstoßes mit der Verletzung einer außerstrafrechtlichen (Dritt-)Norm einen „unmittelbaren“ Vermögensbezug voraussetzt, vgl. dazu Krell, NStZ 2014, 62 (64) und ausführlich Brand/Sperling, AG 2011, 233 (235 ff., insb. S. 239 f.). 383  Vgl. bspw. auch die Kritik bei Schmidhäuser, in: Festschrift f. Tröndle, 1989, S. 305 (307 f.), wonach die Verwendung des Unmittelbarkeitsbegriffes schon mit dem Umstand kollidiere, dass bereits ein Kausalzusammenhang notwendig eine zeitliche Abfolge – mithin einen gewissen Abstand zwischen Ursache und Wirkung – erfordere, die gerade deswegen nicht im Wortsinne „unmittelbar“ sein kann. 384  Vgl. erneut BGH, Beschl. v. 11.  Dezember 2013  – 3 StR 302/13  –, juris, Rdnr. 14. 385  Vgl. auch Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 85: Geschäftsherr veranlasst irrtumsbedingt die Übergabe einer Sache durch einen Angestellten. 386  BGH, GmbHR 1991, 195 f.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

noch „zwingende oder wirtschaftliche Folge“ des Irrtums sei.387 Die Kommentarliteratur hat diese Maßgabe zwar in ihre Reihen aufgenommen, jedoch mit wenig Begeisterung protegiert,388 während die Rechtsprechung sich ihrer zuweilen bediente, um eher zweifelhafte Strafbarkeitskonstruktionen zu legitimieren. Ein besonders weitgehendes Beispiel findet sich in einer jüngeren Entscheidung des OLG Stuttgart:389 So soll etwa die Rezeptausstellung bereits zu einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“390 bei der Krankenkasse führen, obwohl der Patient es erst noch einlösen muss, was freilich auch noch Tage oder Wochen später erfolgen könnte. Aus der Figur der „Verfügungskette“ wird jedenfalls ersichtlich, dass ein konsequent durchgeführtes Unmittelbarkeitserfordernis schon in der Rechtsprechung in wichtigen Fallgestaltungen versagt: Die Einreichung eines Überweisungsträgers und die anschließende Auszahlung eines Vermögenswertes müssen vermittels der „Verfügungskette“ als einheitlicher Verfügungsvorgang angesehen werden,391 weil man andernfalls Schwierigkeiten damit hätte, den Vermögensverlust durch die Überweisung unmittelbar auf ein Verhalten des Irrenden (zum Beispiel die Einreichung des Überweisungsträgers) zurückzuführen. Aber die „Verfügungskette“ als Lösungsvorschlag für das in der Grundlinie offensichtlich zu eng gefasste Unmittelbarkeitskriterium krankt darüber hinaus noch an einem weiteren Übel: Der BGH meint, dass das Unmittelbarkeitsprinzip auf der Seite des Verfügenden nicht denselben Stellenwert einnehme „wie bei Handlungen des Täters“,392 ohne dass man erführe, warum dies so sein müsste. Ganz im Gegenteil ist es nicht überzeugend, auf der Kompensationsseite anders vorzugehen als auf der Verfügungsseite: Beide Vorgänge – Verfügungserfolg und Kompensation – sind als ein und dieselbe Kehrseite der Vermögensverfügung anzusehen, weil sie jeweils denselben Prozess der Vermögenswertentäußerung betreffen. 387  Beide Zitate: BGH, GmbHR 1991, 195; ebenso jüngst BGH, Beschl. v. 11.  Dezember 2013  – 3 StR 302/13  –, juris, Rdnr.  14. 388  Vgl. etwa Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 85; Janssen, in: Achenbach/Ransiek, Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, 5. Teil, Rdnr.  105. 389  OLG Stuttgart, NStZ-RR 2013, 174 ff. 390  Das OLG Stuttgart, NStZ-RR 2013, 174 (175 f.) legt alle Zweifel ob der Verfassungsmäßigkeit seiner Ausführungen beiseite und begründet die unkritische Anwendung der überkommenen Gefährdungsdogmatik damit, dass im entschiedenen Fall keine nur „diffuse“ Verlustwahrscheinlichkeit bestanden habe. Dies wird man jedoch kritisch hinterfragen dürfen, weil das OLG nicht darlegt, welcher wirtschaftlich überzeugende Umstand bereits im Zeitpunkt der Rezeptausstellung die Annahme rechtfertigen könnte, das Vermögen des Kostenträgers sei effektiv vermindert. 391  Vgl. auch BGH, Beschl. v. 11.  Dezember 2013  – 3 StR 302/13  –, juris, Rdnr. 14. 392  BGH, GmbHR 1991, 195.



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung133

Ferner steht das Unmittelbarkeitskriterium in Verdacht, an wirtschaft­ lichen Realitäten vorbei zu agieren: Der BGH in Zivilsachen rechnet durchaus mehrere Geschäfte in einen wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang ein, sodass sich die jeweils zu verzeichnenden Gewinne und Verluste kompensieren,393 und auch die Rechtsprechung der Strafsenate muss vermittels der „Verfügungskette“ den wirtschaftlichen Realitäten einen gewissen Einfluss auf die normative Konturierung des Betrugstatbestandes konzedieren. Diese Betrachtung des Unmittelbarkeitsprinzips zeigt, dass man zum einen Ausnahmen vom Unmittelbarkeitsgrundsatz machen muss, um wenig plausible Ergebnisse zu vermeiden („Verfügungskette“). Zum anderen basiert dieses Prinzip – jedenfalls in der Rechtsprechung – auf kaum überzeugenden Prämissen, wie der angeblichen Ungleichheit von Verfügungs- und Kompensationsseite. Man kann man das Erfordernis der „unmittelbar“ aus der Verfügung resultierenden Wertminderungen und Kompensationen vor diesem Hintergrund zwar als „konturenlos“ bezeichnen,394 sollte aber in die Beurteilung auch einstellen, dass es ein berechtigtes Anliegen ist, den Charakter des Betruges als die Vermögenswertentäußerung schützender Tatbestand zu wahren. Daher sind in der Grundlinie nur solche Wertbewegungen in die Schadensberechnung einzubeziehen, die tatsächlich vom Verfügenden selbst initiiert werden.395 Verfügung und Kompensation müssen folglich in irgendeiner Weise miteinander verwinkelt werden, die über bloße Kausalität hinausreicht, und deshalb ist es trotz aller Kritik erforderlich, diese Beziehung näher zu konturieren. Das Problem der rechten Zusammenführung von Verfügung und Kompensation sollte jedoch nicht an den Stellschrauben des Unmittelbarkeitsbegriffs entschieden werden. Stattdessen ist das Verhältnis zwischen der Verfügung und dem Verfügungserfolg bzw. der Kompensation neu – oder zumindest: anders – zu denken. b) Konkretisierung von Verfügungs- und Kompensationszusammenhang Es stellt sich zuerst die Frage, wie weit man den Zusammenhang beider Verfügungselemente fassen darf. So kann die Mitwirkung des Täters selbst zu Kompensationen führen, die auch ohne den Gesichtspunkt der Unmittel393  Vgl.

dazu die Beispiele oben C.IV.1.g). Hefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (208). Wiedergabe der Kritik ferner bei Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 133 ff. 395  Dieses Argument nähert sich freilich der üblichen Lozierung des Unmittelbarkeitserfordernisses in dem Charakter des § 263 StGB als Selbstschädigungsdelikt, vgl. dazu oben C.IV.2.a). 394  So

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

barkeit wohl eindeutig nicht mehr zu berücksichtigen sind: Ein die Bank über seine Zahlungsunfähigkeit täuschender Kreditnehmer beschafft – wie von Anfang an geplant – nach Bereitstellung eines Kredits eine Bürgschaft, die das Kreditrisiko ausgleicht. Diese Bürgschaft zu beschaffen war ihm erst nach Erhalt des Kredites möglich, weil der um die Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers wissende Bürge sicher gehen wollte, dass die Bank einem Zahlungsunfähigen überhaupt Kredit gewähren werde, bevor er sich für den Kreditnehmer verwendete. In diesem Fall verschafft der bloße Motivirrtum dem Bürgen wohl kein Recht zur Anfechtung seiner Bürgschaftserklärung nach § 119 Abs. 1 Var. 1 BGB,396 sodass der Bank – die Zahlungsfähigkeit des Bürgen unterstellt – eine vollwertige Kompensation ihres Kreditrückzahlungsrisikos zugutekommt. Gleichwohl scheint dieser Kompensationsposten einer Verrechnung mit dem verfügungsbedingten Abfluss deshalb nicht mehr zugänglich, weil er in einem wirtschaftlichen Sinne nicht mehr die Kehrseite der Verfügung der Bank darstellt. Während die gestellte Bürgschaft zumindest einen handfesten Vermögenswert darstellt und als Beobachtungsgegenstand klar umrissen ist, muss ein Kriterium zur näheren Ausgestaltung der Verbindung von Verfügung zu Vermögensschaden jedoch auch die Frage beantworten, in welchem Umkreis sie Chancen und Aussichten auf Vermögensminderung und Vermögensmehrung als taugliche Anknüpfungspunkte für die Schadensberechnung einbezieht. Auch in diesem Bereich muss der Kreis verfügungs- und kompensationsfähiger Gegenstände jedenfalls einen Ankerpunkt in dem wirtschaftlichen Verhältnis von Verfügung zu Kompensation haben. Die entscheidende Frage lautet daher zunächst, ob man als Verfügungserfolg nur solche Wertminderungen einbezieht, die auf eine Verfügungshandlung des Irrenden folgen, oder ob darüber hinaus nach anderen Kriterien ein weitergehender Verfügungsbegriff zu bilden ist. Die Antwort auf diese Frage müsste sodann zugleich das Kompensationsproblem lösen, denn als Kehrseite des Verfügungserfolges gelten dessen Kriterien auch für den Umfang tauglicher Kompensationsposten. An dieser Stelle lassen sich zwei Marschrichtungen einschlagen: Die erste denkt vom Ergebnis her und markiert dort eine Grenze, wo sie keine fassbaren Vermögensgegenstände mehr auszumachen vermag. In erster Linie würde eine derartige Kriterienbildung sich mit der Frage beschäftigen, in welchem Umfang sie aus der Verfügung hervorgehende bloße Risiken und Chancen der Wertminderung bzw. Wertsteigerung berücksichtigt. Diese Sichtweise hatte bislang jedenfalls den Nachteil, dass man zwangsläufig unterschiedliche Anforderungen an die „Unmittelbarkeit“ zwischen Verfügung- und Verfügungserfolg sowie an jene zwischen Verfügung und Kom396  Vgl.

BGH, NJW-RR 2009, 630 (632).



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung135

pensation stellte, weil mit dem Bekenntnis zur Definition der Vermögensverfügung als unmittelbare Vermögensminderung zwar regelmäßig der Rekurs auf die Vermögensgefährdung als Verfügungserfolg einherging,397 aber nicht unbedingt auch die spiegelbildliche Anerkennung der Gewinnchance als Kompensationsposten, die bekanntlich erst zum Vermögenswert „erstarkt“ sein musste. Diese Diskrepanz ist jedoch nicht plausibel zu begründen, weil konsequenterweise alles, was aus dem Vermögen auf dem Verfügungswege ausscheidet, auch wieder dorthin als Kompensationsposten zurückfließen können müsste. In einer zweiten Laufrichtung könnte man über diese Ungereimtheit gleichwohl hinwegschreiten, indem die Frage der Anbindung des Verfügungserfolges und der Kompensation an die Vermögensverfügung von der Frage nach dem Umfang der zu Kompensation geeigneten Gegenstände abgesondert und allein der Vermögensbegriffsdiskussion anheim gestellt wird. Sofern man Gefährdungen als „negative Vermögenswerte“ begreift, muss man dies konsequenterweise auch mit Gewinnchancen tun, sodass alles weitere eine Frage der rechten Konturierung des Vermögensbegriffs in Bezug auf Risiken und Chancen ist. Der eigentliche Zusammenhang zwischen der Verfügung und ihren Wirkungen auf das Vermögen lässt sich sodann autonom untersuchen. c) Das Kriterium der wirtschaftlichen Wechselbezüglichkeit Anstatt die gesamte Debatte zur Frage der Unmittelbarkeit – die nicht nur im Bereich des Betruges, sondern auch bei der Untreue geführt wird –398 in ihren Details erneut und insoweit ohne wesentlichen Fortschritt gegenüber den bislang schon erarbeiteten Ansätzen399 darzulegen, geht die hiesige dazu Perron, in: Festschr. für Frisch, 2013, S. 857 (858). zur Diskussion um die Unmittelbarkeit der Vermögensminderung sub specie § 266 StGB Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen legitimen Wirtschaftsstrafrechts, S. 72 ff. m. zahlr. Nachweisen; ferner Saliger, HRRS 2006, 10, (20 f.). Perron, in: Festschr. für Frisch, 2013, S. 857 (858) weist überzeugend darauf hin, dass die Entscheidung für einen Unmittelbarkeitszusammenhang die Schadensberechnung bei der Untreue auf die bereits ausführlich erörterte „vorher-nachher“ – Variante verpflichten und damit einer hypothetischen Berechnungsart den Riegel vorschieben würde. 399  Vgl. die ausführlichen Erörterungen des Unmittelbarkeitskriteriums bei Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnrn. 306 ff.; Kindhäuser, in: NK – StGB, § 263, Rdnrn. 201 ff.; vgl. ferner Beukelmann, in: BeckOK – StGB, § 263, Rdnr. 32. Unklar ist etwa, welche Auswirkungen es über das allgemeine Zurechnungskriterium hinaus auf den Umfang der Schadensrechnung hat, wenn man nur jene Nachteile berücksichtigt, „die sich aus dem betrügerischen Geschäft als solchem ergeben, die also bei gegenseitigen Geschäften ihre Grundlage im Austausch der beiden Leistun397  Vgl. 398  Vgl.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Schrift von einem letztlich aus dem Gesellschaftsvertrag abgeleiteten Verständnis des objektiven Betrugstatbestandes aus.400 Aus dem eigenen Blickwinkel heraus muss sie auch den eigenständigen Versuch unternehmen, eine Lösung für das Verhältnis zwischen Verfügung und Schaden vorzutragen, die ihren dogmatischen Ursprung in der für relevant erachteten Schutzfunktion des Betrugstatbestandes und der verfassungsgerichtlich protegierten wirtschaftlichen Sichtweise401 findet: § 263 StGB schützt das Vermögen in Bezug auf einen Mechanismus, der mit dem Begriff der freien Vermögenswertentäußerung umschrieben werden kann. Das Vermögen bildet die Grundlage bürgerlich-gesellschaftlicher Teilhabe und deshalb ist es besonders wichtig, dass ein Straftatbestand sich der Aufgabe annimmt, diese Teilhabe durch den Schutz des Vermögenswertes vor irrtümlicher Verminderung durch unfreiwillige Entäußerung zu schützen.402 Dieses Protektorat erstreckt sich im Wesentlichen über die Tatbestandsmerkmale der Vermögensverfügung und des Vermögensschadens, während Täuschung und Irrtum die Freiverantwortlichkeit der Vermögensweggabe in den Blick nehmen. Das Zusammenspiel von Verfügung und Schaden sollte also so beschaffen sein, dass es genau jene Vorgänge erfasst, die als einheitliche Vermögenswertentäußerungen im Sinne gesellschaftlicher Teilhabe identifiziert werden können, denn nur bei ihnen lohnt es sich überhaupt zu prüfen, ob sie irrtümlich – mithin unfrei – erfolgen. Wie sich bereits andeutete, gibt der Begriff der „Unmittelbarkeit“ dazu nicht viel her. Mit dieser Erkenntnis ist aber noch nicht viel gewonnen, denn mit den hiesigen Überlegungen substituiert zunächst nur der Begriff der gesellschaftlich relevanten Vermögenswertentäußerung das Unmittelbarkeitsproblem und zeichnet es dadurch vermeintlich noch unschärfer, als es zuvor schon war. Zur näheren Konturierung lässt sich allerdings auf die Rechtsprechung403 zur „Verfügungskette“ insoweit Bezug nehmen, als sie bekanntlich auch eine „zwingende oder wirtschaftliche Folge“ des Irrtums in den Unmittelbarkeitszusammenhang einstellt. In dieser Rechtsprechung liegt der zutreffende Kern, dass wirtschaftliche Einheiten im Ganzen zu betrachten sind, weil es eine natürliche Folge der fortschreitenden Technisierung und Systematisierung des Wirtschaftslebens darstellt, dass die Mechanismen der Vermögenswertentäußerung sich zergliedern und mitunter auch mehrere Personen zu ihrem Vollzug eingesetzt werden. Indes ist es gen haben“ (Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rdnr. 142 – Hervorhebung im Original). 400  Vgl. oben B. 401  Vgl. BVerfGE 126, 170 (212). 402  Zu den Details dieser Auffassung vgl. oben B. 403  Vgl. die Nachweise oben bei C.IV.2.a).



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung137

nicht überzeugend, allein die wirtschaftlichen Folgen des Irrtums – mithin des vom Täter gesetzten Risikos – als Anknüpfungspunkt zu wählen, denn die Vermögenshingabe soll als Verfügungserfolg gerade auf dem irrtüm­ lichen Verhalten des Geschädigten, also auf der irrtümlichen Verfügung beruhen. Konsequenterweise muss also – im weitesten Sinne – die wirtschaftliche Folge der irrtümlichen Verfügung, die nur in zweiter Linie auch eine Folge des Irrtums ist, den Ausgangspunkt der Betrachtung bilden. Der mit dieser Grundlegung zu unterbreitende Vorschlag lautet darauf, zur Schadensberechnung alle verfügungsbedingten Abflüsse einzurechnen, die auf einer sog. geschäftlichen Handlungseinheit des Verfügenden beruhen und ihnen alle zur Kompensation geeigneten Posten gegenüberzustellen, die – erstens – ebenfalls auf dieser Handlungseinheit beruhen sowie – zweitens – mit den Verfügungen des Irrenden in wirtschaftlicher Wechselbezüglichkeit stehen. Das Erfordernis einer geschäftlichen Handlungseinheit speist sich dabei aus der Überlegung, dass gesellschaftlich relevante Vermögenswertwechsel nicht nur in einer Handlung, sondern auch in Handlungseinheiten zum Erfolg geführt werden können, weil mitunter mehrere Handlungen erforderlich sind, um ein geschäftliches Ziel zu erreichen: die Bereitstellung einer Kreditsumme durch Einrichtung eines Kontos und entsprechender Buchungen, die Übergabe von KFZ und Schlüsseln sowie die Aushändigung der entsprechenden Papiere, die Ausgabe einer Kreditkarte und die entsprechende Freischaltung der Karte usf. Ob den avisierten geschäftlichen Zielen eine oder mehrere Handlungen zugrunde liegen, ist dabei eher eine Frage des Zufalls, gerade weil unsere Vermögensordnung mannigfaltige Arten kennt, das Vermögen zielgerichtet auszugeben. Der Mechanismus der Vermögenswertentäußerung greift im heutigen Wirtschaftsleben auf vielfältige Möglichkeiten des Werttransfers zurück und deshalb muss die Interpretation des Betrugstatbestandes diesem Faktum Rechnung tragen. Ferner wird das Vermögen als Mittel gesellschaftlicher Teilhabe gerade deswegen eingesetzt, weil man mit seiner Hingabe konsequenterweise etwas (Wert-)Adäquates zu erlangen sucht. Aus diesem Umstand ist zu folgern, dass auch das Schadensmerkmal sub specie § 263 StGB grundsätzlich nur Augen für solche Wertwechsel hat, die gerade um der Wechselbezüglichkeit willen vorgenommen werden. Insoweit vereinigen sich alle für den effektiven Vollzug der avisierten Verfügung und der Kompensation erforderlichen Handlungen zu einer (wirtschaftlichen oder geschäftlichen) Handlungseinheit, wie sie auch im Bereich der Konkurrenzlehre herangezogen wird, um zu erklären, warum einzelne, auf dasselbe Ziel gerichtete Handlungsabschnitte immer noch derselben Handlungseinheit zuzurechnen sind.404 Beispielsweise „verklammert“ das Anliegen, dem Kreditnehmer die gesamte 404  Vgl.

etwa BGH, Urt. v. 22.  Juli 2010  – 3 StR 156/10  –, juris, Rdnr.  12.

138

C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

Kreditsumme bereitzustellen, ebenso alle Handlungen der Bank zu einer Verfügung, die auf die Herbeiführung dieses Erfolges ausgerichtet sind, wie die Unterschrift unter dem Kreditvertrag und die Bestellung von Sicherheiten das (mitunter vorgetäuschte) Anliegen des Kreditnehmers bekunden, der Bank einen werthaltigen Rückzahlungsanspruch und die versprochenen Sicherheiten zu verschaffen. Es scheint vor diesem Hintergrund denkbar, dass auch die jüngere Rechtsprechung den hiesigen Überlegungen nicht ganz so fern steht, wie die von ihr stets verwendete Begrifflichkeit der „Kette von Verfügungen“ suggeriert: Wenn manche Handlungen als zwingend oder wirtschaftlich aus der jeweils vorhergehenden Handlung resultierend beschrieben werden,405 so liegt es doch nahe, die „Verfügungskette“ durch ein allgemeines Prinzip zu ersetzen, das sogleich auf den tatsächlich maßgeb­ lichen Mechanismus des Wertwechselns abstellt, indem man von wirtschaftlichen oder geschäftlichen Einheiten spricht. Die „Kette von Verfügungen“ ist also im wirtschaftlichen Sinne eigentlich nur eine Verfügung. Konsequenterweise ist dies auf beiden Seiten der Schadensrechnung zu berücksichtigen, mithin sowohl im Bereich der Verfügung als auch der Kompensation. Der Kreis relevanter Verfügungserfolge und Kompensationen bemisst sich folglich nach dem Stand der Geschäftsabwicklung: Wird im Kreditbeispiel allein die Vertragsunterschrift geleistet, so umfasst die wirtschaftliche Einheit nur den Vertragsschluss als wirtschaftliches Handlungsziel. Wird hingegen eine Kreditsumme ausgekehrt, so korrespondiert spätestens dieser Maßnahme die Bestellung der Sicherheiten, die ebenso in die Betrachtung aufzunehmen ist wie der Vertragsschluss; denn beide Maßnahmen bilden fortan eine geschäftliche Einheit, deren Einzelakte sich ob der Erreichung des wirtschaftlichen Ziels zusammenfügen. Anders gesagt: Das wirtschaft­ liche Ziel beider Vorgänge umschließt die einzelnen Handlungen und grenzt sie aufgrund des Erfordernisses der Wechselbezüglichkeit von Handlungen ab, die nicht mehr dem jeweiligen Ziel dienen. Aus der Anknüpfung an die wirtschaftliche Einheit des Geschäfts und das Kriterium der Wechselbezüglichkeit ergibt sich sodann die Begründung dafür, dass man die effektive Rückzahlung des Kredites nicht in die Schadensrechnung einstellen darf, wohl aber die spätere und geschäftsübliche Bestellung einer Bürgschaft zugunsten der Bank, weil letztere dem wirtschaftlichen Vorgang der Kreditgewährung zugehörig ist, erstere jedoch nicht. Die Rückzahlung beruht auf einer eigenständigen Geschäftshandlung des Kreditnehmers, die nicht mehr dem ursprünglichen Mechanismus des Wertwechsels zur Kreditgewährung entstammt, sondern vielmehr abschlie405  BGH,

Beschl. v. 11.  Dezember 2013  – 3 StR 302/13  –, juris, Rdnr.  14.



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung139

ßenden Geschäftsvollzug bedeutet. Zu betrachten ist folglich nicht die strenge „Unmittelbarkeit“ von Verfügungserfolg und Kompensation in Bezug auf die Verfügung, sondern das avisierte wirtschaftliche (Teil-)Ziel bestimmt den Rahmen der Verfügungen und Kompensationsposten. Dabei reichern sich die vorgenommenen Handlungen im ungestörten Verlauf gegenseitig an, bis das Geschäftsziel schließlich erreicht ist. d) Auswirkungen des gefundenen Kriteriums auf Gestaltungsrechte Ein Kriterium wirtschaftlicher Wechselbezüglichkeit exkludiert auch Sekundärrechte, wie etwa das Anfechtungsrecht oder anderweitige Gestaltungsrechte. Diese Rechte entstehen zwar eo ipso mit der Vornahme der Verfügung, wenn diese beispielsweise in einem Vertragsschluss liegt. Aber sie sind nicht Bestandteil der geschäftlichen Einheit: Der Verfügende bedient sich der Möglichkeit, einen Teil seines Vermögens zu entäußern, nicht etwa deswegen, weil er dafür ein Anfechtungsrecht oder ein anderes Gestaltungsrecht erlangten möchte. Aus diesem Grund werden Transaktionen über Vermögenswerte regelmäßig nicht mit der Gewinnung von Gestaltungsrechten verknüpft. Vielmehr sind diese Rechte allein dazu auf Posten gestellt, die Erlangung des jeweiligen wirtschaftlichen Ziels bzw. die Erhaltung eines status quo auf einer Nebenschiene zu gewährleisten. Mangels Wechselbezüglichkeit zwischen Verfügungserfolg (etwa: Vertragsschluss) und Kompensation (hier beispielsweise: Gewinnung von Anfechtungsrechten) sind diese Rechte, sofern sie nur „Nebenrechte“ sind, in der Schadensrechnung nicht zu berücksichtigen. Einfacher gesagt, betreffen diese Rechte den Mechanismus der Vermögenswertentäußerung nicht. Darüber hinaus spielt es letztlich auch keine Rolle, in welcher Reihenfolge sich wechselbezügliche Verfügungs- und Kompensationsabläufe manifestieren oder ob zu ihrer Herbeiführung nach dem normalen wirtschaftlichen Verlauf eigene Verhaltensweisen erforderlich sind. Zur näheren Bestimmung der einem wirtschaftlichen Ziel unterliegenden Handlungen kann man auf die gesetzlichen Erfordernisse und die wirtschaftlich anerkannten Möglichkeiten des Geschäfts(teil)vollzugs (Übergabe der Wohnung, Übergabe der Kaufsache, Gewährung einer Nutzungsmöglichkeit, Ausführung der Überweisung etc.) rekurrieren. Im „Rezept-Fall“ des OLG Stuttgart406 bedeutet dies beispielsweise, dass der Arzt noch nicht einmal in die Nähe gekommen war, seine Verfügung zu vollenden, weil dazu freilich die Einlösung des Rezeptes erforderlich ist. Erst mit der Einlösung wird der den Kostenträger betreffende Transferkomplex „Medikamentenbezug“ abgeschlossen. 406  OLG

Stuttgart, Urt. v. 18.  Dezember 2012  – 1 Ss 559/12  – juris.

140

C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

e) Kontrollüberlegungen Dieser Ansatz zeitigt keine unbilligen Ergebnisse: Indem man an die von Verfügendem und Täuschendem selbst initiierten Wertwechsel im Sinne wirtschaftlich zielgerichteter Handlungen ansetzt, gibt man dem Täter die Gelegenheit, das Versuchsstadium einigermaßen treffsicher auch ohne das genaue Judiz des Strafrichters abzuschätzen, sodass der Täter jederzeit überlegen kann, ob das als Kompensation gedachte Verhalten ausreicht, um „das Geschäft“ zu erfüllen, mithin den Verfügungserfolg wertmäßig auszugleichen. Sofern dies nach seiner Vorstellung nicht der Fall ist, vermag er bis zur Erreichung des wirtschaftlichen Ziels rücktretend zu korrigieren oder – sofern er die Absicht rechtswidriger Bereicherung aufrechterhält – die Betrugstat zu vollenden. Ferner scheint auch dem Bestimmtheitsgebot und dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Strafdrohung dadurch genüge getan, dass man gesellschaftlich relevante Möglichkeiten des Werttransfers (Überweisungen, Buchungen, Übergaben, mehraktige Transfers etc.) unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Zielerreichung und der Wechselbezüglichkeit in die Betrachtung einstellt, denn sie erlauben eine treffsichere Orientierung des Normadressaten, der in aller Regel weiß (oder in Erfahrung bringen kann), welche Handlungen der jeweilige Geschäftsvollzug erfordert. Im Bereich des Anstellungsbetruges bedeutet es etwa einen Bestandteil des wirtschaftlichen Vorganges „Anstellung“, dass der Arbeitnehmer den Vertrag unterzeichnet und zum vereinbarten Termin die versprochenen Leistungen anbietet, während der Arbeitgeber seinerseits unterzeichnet und die Arbeitsmöglichkeit schafft. Der Abschluss einer Wette umfasst üblicherweise eine Abrede (oder Akzeptanz) der Gewinnquoten und die Übergabe eines Wettscheins. Die Bereitstellung eines Gas- oder Telefonanschlusses mag dagegen mit zeitlichen Längen einhergehen, denn zum Vollzug des Geschäftsteiles „Bereitstellung“ sind neben dem Vertragsschluss gegebenenfalls auch eine Freischaltung und technische Bereitung der Anschlüsse erforderlich, während der Kunde lediglich unterzeichnet und seine Bankverbindung mitteilt sowie unter Umständen Zugang zu den entsprechenden Räumlichkeiten gewährt. Diese Akte jeweils voneinander zu separieren und einzeln auf ihre Vermögenswirkung zu prüfen, leuchtet nicht ein, denn sie dienen sämtlich einem wirtschaftlichen Ziel. Der vorgestellte Ansatz hat den weiteren Vorzug, dass er auch in weniger marktwirtschaftlichen Situationen fernliegende Ergebnisse durch den Rekurs auf Geschäftseinheiten zu vermeiden sucht: Schickt jemand ohne zu wissen, dass er an einem Schenkzirkel teilnimmt, einen Brief mit € 50,– an einen Zweiten, der wiederum einen Brief mit € 60,– an einen Dritten sendet usf., so tritt der Verfügungserfolg mit dem Eintreffen des



IV. Die Modalitäten der Schadensberechnung141

Briefes bei dem Zweiten ein. In dem tatsächlichen Eintreffen von € 100,– bei dem Ersten nach ein paar Tagen noch eine Kompensation zu sehen, korrespondiert der Wechselbezüglichkeit von Verfügung und Kompensation des avisierten „Geschäfts“, doch entspricht es nicht mehr dem üblichen Verlauf, wenn dies etwa ein paar Monate oder Jahre später geschieht. Es erscheint nicht begründbar, aus welchem Grund man den Täuschenden in dem Fall des Eintreffens von € 100,– nach ein paar Tagen oder einigen Wochen allein dafür haften lassen sollte, dass solche Vorgänge plangemäß etwas andauern. Schließlich wahrt der hiesige Ansatz auch die Möglichkeiten der Abgrenzung zum Trickdiebstahl, denn die bezüglich eines zum Verkauf stehenden Schmuckstückes erschlichene Gewahrsamslockerung stellt einen Bestandteil des wirtschaftlichen Vorganges „Verkauf“ dar, während die Wegnahmehandlung des Täters diesem Ziel nicht zu dienen bestimmt ist: Folglich ist unter dem Terminus der Vermögenswertentäußerung noch keiner der anerkannten Mechanismen der Vermögensausgabe beeinträchtigt, mithin auch kein Verfügungserfolg eingetreten. Daher konkurrieren Diebstahl und Betrug in diesem Beispiel nicht, sodass die erschlichene Gewahrsamslockerung in aller Regel dem Tatbestand des Diebstahls zuzuschreiben ist, sofern sie zu einer Vollendung der Wegnahme führt. f) Zusammenfassung der Ergebnisse In der Zusammenfassung: In die Schadensberechnung sind alle an Vermögensgegenstände gebundenen wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen, die auf die Vermögensverfügung in Gestalt einer geschäftlichen Handlung zurückzuführen sind. Auf die Vermögensverfügung zurückzuführen sind nur jene Wertwechsel, die einerseits dem wirtschaftlichen Ziel des partizipatorischen Aktes dienen und in planmäßigem Vollzug der Möglichkeit zur Vermögenswertentäußerung stattfinden, andererseits der Hinausverfügung von Vermögenswerten nach dem Kriterium der Wechselbezüglichkeit entsprechen. Mit diesen Kriterien gewinnt die bilanzielle Schadensrechnung handhabbare Anhaltspunkte, denn sie kann alle wechselbezüglichen Elemente der geschäftlichen Handlung in ihre Kreise einstellen und auf ihre Abbildung im Vermögenswert untersuchen. Ferner zeichnet das Kriterium der wirtschaftlichen (oder: geschäftlichen) Handlung auch den jeweiligen Stand des Geschäftes nach: Der Stand der geschäftlichen Zielerreichung markiert zugleich den Umfang der einzurechnenden Kompensa­ tionen.

142

C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

V. Der Vollendungszeitpunkt Auch der Vollendungszeitpunkt entfaltet Relevanz für die Untersuchung der Möglichkeiten und Grenzen bilanzieller Vermögensschadensrechnungen. Herkömmlicherweise vermag der Betrüger sein Werk auf zweierlei Weisen zu vollenden: Er kann den Vermögensschaden407 entweder durch einen Vertragsschluss408 oder im Zuge einer handfesten Transaktion verursachen. Bei der Sachverhaltsbetrachtung fallen diese beiden Zeitpunkte freilich unmittelbar in das Auge eines juristischen Beobachters, der das Tatgeschehen nach Wertwechseln absucht. Abgesehen von diesem Allgemeinplatz offenbart der Blick in einschlägige Stellungnahmen, dass es neben den beiden skizzierten Momenten noch eine Vielzahl weiterer Anknüpfungspunkte gibt, die ebenfalls jenen Augenblick markieren könnten, in dem das Vermögen des Opfers geschädigt wird. So reichen die Vorschläge im Bereich des Wettbetruges vom Vertragsschluss über die Beendigung des Wettkampfes bis zur Auszahlung des Wettgewinns. Beim Kreditbetrug kann man ebenfalls an den Vertragsabschluss oder die Auskehrung des Kredites denken. Eine gewisse Vorprägung zu diesem Themenkomplex ergibt sich daraus, dass die hiesige Schrift den strengen Unmittelbarkeitszusammenhang ablehnt409 und weitergehende Verfügungs- und Kompensationsposten in die Schadensbilanz einbezieht. Gleichwohl haben sich in der Betrugsdogmatik insbesondere mit den Begriffen des Eingehungs- und Erfüllungsbetrugs zwei Termini herausgebildet, die handfeste Anhaltspunkte für die Schadensberechnung bieten sollen, indem sie die Betrachtung der zuweilen komplizierten wirtschaftlichen Vorgänge vereinheitlichen. Deshalb ist zunächst zu prüfen, ob man an diesen Figuren festhalten und sie einer Schadensbilanz zugrunde legen kann. Dass das Bild von der klaren Abgrenzung der Schadenszeitpunkte jedoch mit Schönheitsfehlern versehen ist, belegt sodann der Blick auf jene Fallgruppen, welche die Grenzen von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft berühren. 407  Dessen Eintritt so selbstverständlich den Vollendungszeitpunkt markiert, dass dies nur der Vollständigkeit halber einer Erwähnung bedarf, vgl. etwa bei Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 188. 408  Vgl. etwa BGH, NJW 1953, 836. Dass der Vollendungszeitpunkt auch schon auf den Moment des Vertragsschlusses fallen kann, ist eine Erkenntnis, die sich bereits im 19. Jahrhundert durchzusetzen begann, vgl. dazu ausführlich Klein, Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 22 ff. Aussagekräftig ist es ferner, dass nach der Untersuchung Kleins die „wirtschaftliche Schlechterstellung“ durch den Vertrag (vgl. Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 28) den Vermögensschaden ausmache. Die Autorin sieht darin eine besondere „Klarheit“ der Rechtsprechung, während nach hiesiger Lesart schon diese kleine sprachliche Nuance Anlass zur Besorgnis gibt, handelt es sich doch um eine erste Einkerbung, die sich von dem Fundament des reinen Vermögensvergleichs löst und in Richtung normativer Schadensbegründungen weist. 409  Vgl. oben C.IV.2.



V. Der Vollendungszeitpunkt143

1. Der Eingehungsbetrug In zahlreichen Fallgestaltungen offenbart schon die Betrachtung von vertraglichen Pflichten eine Wertdifferenz.410 Der Eingehungsbetrug vertypt daher den allgemeinen Konsens, wonach ein Vermögensschaden auch dann verursacht werden kann, wenn Vertragspartner sich gegenseitig Forderungen verschaffen, deren Wertgehalte ungleich sind.411 Während diese Erkenntnis früher auf den Gedanken der Vermögensgefährdung gestützt wurde,412 ist eine solche Fundierung mit der neueren Entwicklung der Schadensdogmatik jedoch hinfällig geworden. In einigen Bereichen hat sich die Schadensberechnung außerdem verselbstständigt. So rekurriert die Rechtsprechung bei Risikogeschäften413 mitunter direkt auf die aus dem eingegangenen Vertrag resultierende Verlustwahrscheinlichkeit,414 die sie bspw. im Bereich des Kreditbetruges mit dem Begriff des „täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts“ umschreibt.415 Der Nachteil an dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand: Sie versperrt jede Diskussion darüber, ob denn ein Risikoungleichgewicht als gleichsam „saldierte Kategorie“ überhaupt das maßgebliche Kriterium der Schadensberechnung in Kreditfällen ist. Der Merksatz, wonach beim Eingehungsbetrug mithin die Verlustwahrscheinlichkeit den Schaden abbilde, verengt den Blickwinkel ohne zwingenden Grund auf lediglich einen der für relevant gehaltenen Wertfaktoren. Während mittlerweile zwar nicht mehr ernsthaft um die Frage gerungen wird, ob der Vertragsschluss unter den Prämissen des Eingehungs­ betruges stets als Vollendungszeitpunkt anzusehen sei oder ob er mög­ licherweise ausschließlich zum Anknüpfungspunkt für eine Versuchsstrafbarkeit gereiche, findet sich gleichwohl eine Vielzahl an normativen Korrekturvorschlägen. Aus der historischen Perspektive erschließt sich die Einteilung der möglichen Vollendungszeitpunkte in Eingehungs- und Erfüllungsmoment freilich in erster Linie daraus, dass der Figur des Eingehungsbetruges jene der schadensgleichen Vermögensgefährdung zur Seite 410  Jüngst

hierzu etwa BGH, NJW 2013, 1460. 16, 1 (10); BGH, NStZ 2008, 96 (98); NStZ-RR 2010, 109 (110); BGH, Urt. v. 20. Dezember 2012 – 4 StR 125/12, juris, Rdnr. 50; aus dem Schrifttum etwa Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 183 f.; Bublitz/Gehrmann, wistra 2004, 126 (128); Bockelmann, NJW 1961, 145. 412  Vgl. etwa BGH, NStZ-RR 2005, 180 (181); Bockelmann, NJW 1951, 145 (146); ferner Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 173 m. w. N. 413  Diesen Bezug legt ausdrücklich offen BGH, NJW 2011, 2675 (2676). 414  Vgl. BGH, NJW 2012, 2370 (2371). Zu einer „im Vertragsschluss angelegten Gefährdung“ vgl. auch BGH, NJW 2005, 3650 (3653). 415  Vgl. BGH, NJW 2012, 2370 (2371); BGH, Beschl. v. 04. Februar 2014 – 3  StR 347/13  –, juris, Rdnr.  9. 411  RGSt

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

gestellt wurde,416 sodass die Strafbarkeit des trügerisch Vertrag Schließenden auf zwei einander verpflichteten, den Vollendungszeitpunkt verjüngenden Konstrukten aufbaute. Bei diesem „Max und Moritz“ – Gespann kann man den Mühlstein einerseits an den Fundamenten der schadensgleichen Vermögensgefährdung ansetzen, andererseits aber auch direkt an der Frage, welchen Wert eigentlich die Figur des Eingehungsbetruges noch habe.417 Ein Zugewinn an Rechtssicherheit stellte sich nur dann ein, wenn an den Begriff des Eingehungsbetruges Folgen zu knüpfen wären, die konkretere Ergebnisse als das Zusammenspiel geschäftlicher, wechselbezüglicher Handlungen bedeutete. Mit anderen Worten: Der Eingehungsbetrug ließe sich als Residuat normativer Schadensbegründungen nur dann aufrechterhalten, wenn er die Behauptung, dass allein der Vertragsschluss einen vermögenswertmäßig relevanten Geschäftsteil darstelle, auf wirtschaftlich rechtfertigenden Grund stellte. Die Erkenntnis, dass der Vermögensschaden zu seiner Feststellung stets einen mathematischen Vergleich im Wege der Differenzbildung verlangt, versperrt einer derartigen Überlegung indes jeglichen Erfolg: Der Begriff des Eingehungsbetruges beschreibt ohne die Figur der Vermögensgefährdung allein die Möglichkeit, dass durch den Vertragsschluss bereits das Vermögen geschädigt wird; er bezieht zu geschäftlichen Zielen und Vermögenswerten gerade nicht Stellung. Differenz oder Kongruenz, ist hier die Frage, und diese ist aufgrund des Verbotes normativer Schadensbegründungen allein durch mathematische Berechnungen im Zeitpunkt des – wirtschaftlich konturierten – Verfügungserfolges und seiner wechselbezüglichen Kompensationen zu klären. Der Begriff des Eingehungsbetruges ersetzt folglich nicht die wirtschaftliche Bewertung (bspw. von Forderungen) und deshalb ist es vorzugswürdig, den Begriff nicht weiter aufzugreifen. 2. Die Beispiele des echten und unechten Erfüllungsbetruges Das Schicksal des Eingehungsbetruges ereilt womöglich auch den Begriff des Erfüllungsbetruges, sofern auch dieser ohne Rechtfertigung den Umstand verdeckt, dass die Schadensberechnung eine mathematisch-wirtschaftliche und keine normative Operation ist. Die Fallgruppe des unechten Erfüllungsbetruges beschreibt ein Täuschungsverhalten im Rahmen des Verpflichtungsgeschäftes, welches bei der Erfüllung dafür sorgt, dass der Vertragspartner die dargebotene Leistung „als Erfüllung“ annimmt, obschon sie 416  Vgl. BGH, NJW 1953, 836; dazu ferner ausführlich Klein, Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 93 ff. 417  Auch das BVerfG (NJW 2012, 907 [915]) hat jüngst den Abschluss eines Vertrages lediglich als tauglichen Anknüpfungspunkt für die Feststellung des vollendeten Betrugs bezeichnet.



V. Der Vollendungszeitpunkt145

nicht der vertraglichen Zusicherung entspricht.418 Der echte Erfüllungsbetrug ist hingegen durch eine Täuschung nach Vertragsschluss gekennzeichnet, doch berechnet man den Vermögensschaden bekanntlich nach h. M. anhand des erworbenen höherwertigen Leistungsanspruchs des Opfers419 und rekurriert daher ebenfalls auf das Verpflichtungsgeschäft. Schließlich ist auch der umgekehrte Fall denkbar: Der Täuschende erhält beispielsweise Waren zu günstigeren Konditionen, weil der Getäuschte über die Berechtigung des Täuschenden zum Erhalt der Vergünstigung irrt.420 Der Vermögensschaden ergebe sich in diesen Fällen aus der Lieferung verbilligter Waren, ohne dass der Täuschende darauf einen Anspruch hätte.421 Mithin steht ein Vergleich der Leistung des vermeintlich Geschädigten mit dem Leistungsanspruch des Täuschenden im Raume. Unter der Prämisse, wonach der Vermögensschaden durch einen Vergleich der Vermögenslagen vor und nach der Verfügung zu beurteilen ist, erscheint eine Vorgehensweise, die Konsequenzen für die Schadensberechnung aus der Frage abzuleiten sucht, in welches Stadium der zivilrechtlichen Sachverhaltsbeurteilung die Täuschung fällt, wenig überzeugend. Denn zunächst kommt es nur auf das wirtschaftliche Ergebnis der Vermögensverfügung an, bei der Leistung eines aliud mithin allein auf die Frage, ob dieses der Leistung des anderen wertmäßig korrespondiert und diese im Werte ausgleicht. Wenn also die Fallgruppe des unechten Erfüllungsbetruges zutreffend derart aufgelöst wird, dass man allein die Wertgleichheit von Leistung und Gegenleistung für maßgeblich erachtet, dann wird nicht einsichtig, weshalb sich in der Beurteilung etwas ändern sollte, sobald der Käufer über die Identität des angenommenen Gegenstandes irrt, weil er glaubt, es handele sich um die geschuldete Sache. Vielmehr verlangt die Prämisse vom Vermögensschaden als Wertminderung des Vermögens eine Blickrichtung, die wirtschaftliche Transaktionen allein als „Wertübergaben“ betrachtet, und von dieser Warte aus ist es einerlei, ob der Käufer meint, zwar die „richtige“ Sache zu erhalten, jedoch einem anfänglichen Irrtum über die Charakteristik der geschuldeten Sache erliegt, oder ob er über die Identität der schließlich geleisteten Sache irrt: Solange er aus seinem Vermögen genau jenen Wert weggibt, den er wiederum erhält, wird seine Verfügung wirtschaftlich vollumfänglich ausgeglichen. Diese Überlegung stützt letztlich aber auch die hilfsweise Betrachtung der zivilrechtlichen Beziehungen während der Kaufabwicklung: Die zwischenzeitlich erlangte Forderung, etwa auf Leistung der Kaufsache, ist zwar Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 167 ff., insbes. 171 f. Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 174 f.; Bublitz/Gehrmann, wistra 2004, 126 (128). 420  Vgl. etwa BGHSt 2, 235 (237) – Deputatkohle. 421  BGHSt 2, 235 (237). 418  Vgl. 419  Vgl.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

denkmöglich von wirtschaftlichem Wert und könnte daher ohne weiteres vom Käufer veräußert werden. Nimmt der Käufer die mangelhafte Leistung an, so erlischt die Forderung im wirtschaftlichen Sinne aber nicht,422 sondern lebt gleichsam als Nacherfüllungsanspruch weiter.423 Wenn vertragliche Leistungsansprüche, die nicht eigentlicher Gegenstand der Transaktion sind, Berücksichtigung fänden, dann müssten konsequenterweise auch die verschiedenartigen Manifestationen dieser Forderungen – nicht hingegen die Gestaltungs- oder „Nebenrechte“ – einbezogen werden. An dieser Stelle wird man Kritik erheben und zunächst mit Recht einwenden, dass mit diesen Maßgaben im Grunde alle Manifestationen des dem Vertrag zugrundeliegenden Interesses – also im Besonderen auch die aus der Verfügung resultierenden Schadensersatzansprüche – in die Saldierung einzustellen wären, sodass weite Teile von Betrugshandlungen straflos blieben. Diesen Schadensersatzansprüchen versperrt jedoch das hier vertretene Kriterium der Wechselbezüglichkeit,424 das Verfügung und Kompensation unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Zugehörigkeit verschränkt, den Eingang in die Schadensbilanz: Schadensersatzansprüche sind nicht dem wirtschaftlichen Vorgang eines Vermögenswerttransfers zugeordnet, sondern sichern das Restitutionsinteresse auf einer Sekundärebene, die gerade nicht dem beabsichtigten Verfügungsziel entspricht. Anders liegt es jedoch beim Nacherfüllungsanspruch, der lediglich eine gewandelte Form des eigentlichen Erfüllungsanspruches und damit immer noch das mit dem Vertragsschluss erstrebte Ziel einer Verpflichtung des anderen auf die ordnungsmäßige Leistung repräsentiert. Mit anderen Worten: Wenn man den Vertragsschluss als eine wirtschaftlich abgeschlossene Einheit betrachtet, so muss man konsequenterweise auch die unterschiedlichen Manifestation der daraus erlangten Vermögenswerte in die Betrachtung einstellen. Verschließt man sich folglich dem Vertragsschluss als maßgeblicher Kategorie und fügt ihm stattdessen auch jene Handlungen hinzu, die dem jeweiligen geschäftlichen (Teil-)Ziel dienen (bspw.: „Kreditbereitstellung“), so spielen die Unterscheidungen zwischen unechtem und echtem Erfüllungsbetrug keine weitere Rolle. Zusammenfassend kann sowohl im Fall des unechten als auch des echten Erfüllungsbetruges kein Schaden angenommen werden, wenn sich Leistung und Gegenleistung im Wert entsprechen. Damit bedarf es auch der kategorischen Unterscheidung zwischen beiden Fällen nicht. 422  Damit wird üblicherweise der Schaden begründet, vgl. ausführlich Küper, in: Festschr. f. Tiedemann, 2008, S. 617 (618 ff.). 423  Küper, in: Festschr. f. Tiedemann, 2008, S. 617 (633); Konhäuser/Lindemann, JuS 2011, 804 (806). 424  Vgl. dazu oben C.IV.2.c).



VI. Zweckverfehlung und individueller Schadenseinschlag147

3. Zusammenfassung Die Unterscheidung von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug versperrt zuweilen den Blick auf die wesentliche Frage danach, ob die dem Opfer zugehörige Vermögensmasse vor und nach der Verfügung den gleichen Wert aufweist und ob die in der Schadensrechnung berücksichtigten Werte den jeweiligen Akt der Vermögenswertentäußerung widerspiegeln. Folglich ist allein zu berücksichtigen, wie sich der Vermögenswert vor und nach jenem Verhalten gestaltet, das man als Vermögensverfügung identifiziert hat. Es scheint dem wirtschaftlichen Blickwinkel eher zu entsprechen, sich von den Begrifflichkeiten des Eingehungs- und Erfüllungsbetruges zu lösen und die Aufgabe der Schadensberechnung allein dem Wertvergleich nach wirtschaftlichen Maßstäben zu überlassen.

VI. Zweckverfehlung und individueller Schadenseinschlag Vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Fundaments des Vermögensbegriffs muten auch weitere normative Korrekturen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise systemfremd an. Besonders deutliche Abstandnahmen vom wirtschaftlichen Fundament des Vermögenswertes liegen in dem Gedanken der Zweckverfehlung und des individuellen Schadenseinschlags, die in Spenden- und Bettelfällen bzw. in allen mit dem Begriff des „Fehlkaufs“ verwandten Fällen Relevanz entfalten. Sie grenzen damit zugleich den Anwendungsbereich einer bilanziellen Schadensrechnung ein, weil sie die erhoffte Konkretisierung auf das Wirtschaftliche bereits auf normativem Terrain unterbinden. Der Zweckverfehlung ist daher ebenso Aufmerksamkeit zu schenken wie dem individuellen Schadenseinschlag. 1. Die Zweckverfehlungslehre Der Zweckverfehlungsgedanke basiert auf der Überlegung, dass der Vermögenswert dann nicht vermindert werde, wenn man Vermögensbestandteile zu objektivierbaren und wirtschaftlich relevanten Zwecken ausgebe.425 Im Übrigen wandelt er aber als Januskopf durch die Betrugsdogmatik: Der eine implantiert dem Schadensbegriff den Topos der wirtschaftlichen Unver425  Zu den Anforderungen an diese Zwecke vgl. Satzger, in: ders./Schluckebier/ Widmaier, StGB, § 263, Rdnrn. 226 ff. Weidemann, Das Kompensationsproblem beim Betrug, S. 93 sieht in der Berücksichtigung sozialer Zwecke eine Abkehr vom Geldwertgedanken, obgleich er auch das Postulat vorträgt, wonach letztlich doch eine Geldwertminderung stattfinden müsse (vgl. Weidemann, Das Kompensationsproblem beim Betrug, S. 100).

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

nunft426 und lässt – strafbarkeitslimitierend – jene wirtschaftlich unkompensierten Verfügungen nicht zu Vermögensschäden reifen, die ihren Zweck erfüllen.427 Umgekehrt liege folglich ein Betrugsschaden vor, wenn der Zweck verfehlt werde.428 Im Grunde speist sich diese Variante daraus, dass sie die Zweckerreichung direkt als Kompensation betrachtet.429 Demgegenüber geht der andere von der Prämisse aus, wonach nur die bewusste Selbstschädigung aus dem Anwendungsbereich des § 263 StGB herausfalle,430 und begründet den Schaden in Fällen der unentgeltlichen Leistung anhand der Überlegung, dass sich der Verfügende unbewusst schädige, wenn er seinen Leistungszweck verfehle.431 Gegen beide Spielarten könnte in der Tat die Volatilität menschlicher Zwecksetzungen ins Feld geführt werden, denn es erscheint kaum rechts­ sicher, einen subjektiven Zweck in die Grundlagen eines in besonderem Maße auf wertmäßige Objektivierungen angewiesenen Erkenntnisgegenstandes einzubeziehen.432 Gleichwohl setzt die Kritik auch am Corpus des Zweckverfehlungsgedankens an:433 So bedeutsam das Anliegen sein mag, in Spenden- und Schenkungsfällen die Manifestationen der Großzügigkeit dadurch zu protegieren, dass man ihnen bei Zweckverfehlung die Strafdrohung zum Sekundanten macht, so wenig einleuchtend erscheint die Promotion des Zweckes zum Vermögenswert.434 Wenn der Getäuschte über Vermögenswerte zwecks Hingabe einer Spende verfügt, so gewinnt er wirtschaftlich rein Garnichts als Kompensation. Dass der hehre Zweck nach marktwirtschaftlichen Kriterien in aller Regel keinen Vermögenswert hat, kann man auch 426  Vgl. auch Kindhäuser, in: NK – StGB, § 263, Rdnr. 258; Satzger, in: ders./ Schluckebier/Widmaier, StGB, § 263, Rdnr.  223: wirtschaftlich unvernünftige Ausgabe; jüngst in dieser Richtung OLG München, Beschl. v. 11. November 2013 – 4  StRR 184/13  –, juris, Rdnr.  5. 427  Vgl. Satzger, in: ders./Schluckebier/Widmaier, StGB, § 263, Rdnr.  223. 428  BGH, NStZ 2006, 624 (625 – Subventionszweck); BGH, NJW 1995, 289 (290); NJW 1995, 539; OLG München, Beschl. v. 11. November 2013 – 4 StRR 184/13  –, juris, Rdnr.  5. 429  In dieser Richtung etwa BGH, NJW 1995, 539; OLG München, Beschl. v. 11.  November 2013  – 4 StRR 184/13  –, juris, Rdnr.  7; ferner Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 153: Leistung und Gegenleistung „stimmen“. 430  Vgl. zusammenfassend Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 146 m. w. N. und 150. 431  Die Vermögensverschiebung verliere den sozialen Sinn, vgl. Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rdnr.  102. 432  Ähnlich etwa die Überlegung bei Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 151. 433  In dieser Richtung auch Kindhäuser, in: NK – StGB, § 263, Rdnr. 265, der aber freilich auch zum Angriff auf das wirtschaftliche Fundament des Vermögensbegriffs übergeht. 434  Krit. auch Arzt, in: Festschr. f. Hirsch, 1999, S. 431 (437 f.).



VI. Zweckverfehlung und individueller Schadenseinschlag149

daran festmachen, dass er für den Geschädigten in keiner Weise manifestiert nutzbar ist. Allenfalls könnte eine Kompensation in der Wertsteigerung eines Unternehmens gesehen werden, das durch Freigiebigkeit seinen corporate citizenship – Status aufzubessern sucht. Nur sofern man diese Effekte beziffern könnte, taugten sie auch als Schadenskompensationen.435 In der Grundlinie ist der Zweckverfehlungsgedanke folglich abzulehnen, weil er gegen das wirtschaftliche Fundament der Vermögenswertermittlung verstößt. Die „bewusste Selbstschädigung“ ist daher insoweit strafbar, als der Verfügende keine wirtschaftliche Kompensation seiner entäußerten Vermögenswerte erlangt, sodass in Spenden- und Bettelfällen stets ein Vermögensschaden eintreten wird, der zur Betrugsstrafbarkeit führt, sobald Täuschungen und Irrtümer zu den entsprechenden Verfügungen verleiten. Unter einem konsequent durchgeführten marktwirtschaftlichen Blickwinkel muss man folglich auf die strafbarkeitslimitierenden Effekte des Zweckverfehlungsgedankens verzichten, denn Verfügungen über Vermögenswerte berühren stets den Mechanismus der freien Vermögenswertentäußerung, sofern sie nicht durch ebensolche wirtschaftlichen Werte kompensiert werden. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, der Zweckverfehlung auch keinen Schadenscharakter zuzusprechen, denn auch in dieser Variante harmoniert der Zweckverfehlungsgedanke – obschon er auch in jüngeren Entscheidungen immer wieder und weitgehend kritiklos herangezogen wird –436 nicht mit dem wirtschaftlichen Fundament der Schadensberechnung. 2. Der individuelle Schadenseinschlag als unzulässige Billigkeitskorrektur Die auch in dieser Arbeit schon bemühte Wollhose muss mitunter dafür herhalten, den Gedanken des individuellen Schadenseinschlags zu erläutern, indem man ihr etwa allergene Eigenschaften zuschreibt und ihren Erwerb sodann als Schaden deklariert, obschon sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten „ihr Geld wert ist“.437 Prominente Beispiele dieser Fallgattung sind 435  Als relevante Kompensation ließe sich eine mögliche Steigerung des Unternehmenswertes durch das Bekanntwerden von Mildtätigkeit aber kaum berücksichtigen, denn sofern weitere Handlungen des Unternehmens zur marktwirksamen Kommunikation seiner philanthropischen Handlungen erforderlich wären, so stünden diese nicht mehr in geschäftlichem Zusammenhang mit dem Geschäftskomplex der „Spende“. 436  Vgl. nur OLG München, Beschl. v. 11.  November 2013  – 4 StRR 184/13  –, juris, Rdnrn 4 ff., insb. Rdnr. 7, das einen Beleg für die These, wonach der „soziale Zweck […] eine relevante wirtschaftliche Position [sei]“, schuldig bleibt. 437  Zum Beispiel und seinem Einsatz vgl. Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 293 (296); Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 180.

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C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

bekanntlich auch der Erwerb einer den eigenen Bedürfnissen nicht entsprechenden Melkmaschine,438 eines Lexikons durch „Ungebildete“439 und die finanzielle Überforderung des Vermögensträgers, sodass er eine angemessene Lebensführung nicht mehr aufrechtzuerhalten vermag.440 Es ist unschwer zu erkennen, dass die genannten Fälle Billigkeitskorrekturen darstellen441 und deshalb erweist sich ihre strafrechtsdogmatische Begründung als problematisch: Wenn die erworbene Ware wirtschaftlich „ihr Geld wert ist“ und auch keine anderen marktwirtschaftlichen Gründe für ihren Minderwert ersichtlich sind, so verfehlt die daran anknüpfende Schadensbegründung das wirtschaftliche Fundament des Vermögensschadens und ist deshalb – wegen Verschleifung von Pflichtwidrigkeit bzw. Verfügung und Schaden – verfassungswidrig. a) Die Kammerentscheidung zur Haushaltsuntreue Indes könnte man auf den Gedanken verfallen, dass die Figur des individuellen Schadenseinschlages trotz ihres kritikwürdigen Fundamentes in jüngster Zeit verfassungsgerichtliche Weihen empfangen habe,442 weil die 1. Kammer des 2. Senats des BVerfG443 in einer Entscheidung zur sog. Haushaltsuntreue unter Bestimmtheitsgesichtspunkten den „individuellen Schadenseinschlag“ zur Konkretisierung des Nachteilsmerkmals für geeignet hielt.444 In 438  BGHSt

16, 321 (328). Köln, NJW 1976, 1222. 440  BGH, NStZ 1999, 555. 441  So auch Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 293 (297); vgl. ferner Arzt/Weber/ Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 20, Rdnr. 92; krit. auch Lampe, in: Festschr. f. Otto, 2007, S. 623 (646). 442  Vgl. zur Haushaltsuntreue etwa Wittig, in: BeckOK – StGB, § 266, Rdnr. 45.1; Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 180; Steinert, HRRS 2014, 58 (59 ff.). Die Frage wurde offengelassen von BGH, NStZ 2014, 318 (320). 443  BVerfG(K), NJW 2013, 365 (367) – Haushaltsuntreue. Zuweilen wird die Vermutung geäußert, die Kammer habe die Begründungsanforderungen an die Nachteilsfeststellung mit dieser Entscheidung wieder zurückgefahren, um den Tatgerichten die durch erhöhte Begründungsanforderungen produzierte Mehrbelastung abzunehmen (vgl. Gehrmann/Travers, GWR 2013, 84). Die hiesige Schrift muss diesen impliziten Vorwurf gleichsam persönlich nehmen, weil sie ein strenges Bezifferungsgebot auf der Ebene des Tatbestandes zu begründen sucht. Unabhängig davon, ob man von anderer Seite dieser Begründung letztlich folgen will, so entschärfen sich auch mit dem hiesigen Ansatz die Konsequenzen für die Tatgerichte doch erheblich, weil sie lediglich auf den sicher feststellbaren Teil des Schadens zurückgreifen müssen [vgl. dazu oben C.III.2.n)]. 444  Die Bezifferung des Schadens machte in diesem Judikat ebenfalls Schwierigkeiten, soweit die Verschärfung der finanziellen Lage der Gemeinde zum Anknüpfungspunkt der Schadensbegründung gemacht werden sollte (vgl. dazu BVerfG[K], NJW 2013, 365 [367] – Haushaltsuntreue). Die Kammer hat diese Art der Schadens439  OLG



VI. Zweckverfehlung und individueller Schadenseinschlag151

Bezug genommen wird zumeist eine eher nebensächliche Passage aus der Kammerentscheidung: „Die mit einer Darlehensaufnahme begründeten Zinsverpflichtungen können […] in verfassungsrechtlich zulässiger Weise als Nachteil i. S. des § 266 I StGB gewertet werden, wenn der Kreditbetrag für den Kreditnehmer gemessen an den genannten Kriterien subjektiv wertlos ist“.445 Aufgrund dieser zitierten Stelle aber eine rein subjektive – mithin rein normative – Schadensbegründung für zulässig zu erachten,446 berücksichtigte nicht den Kontext des Judikats, denn zum einen rechnen zu den „genannten Kriterien“ insbesondere die Ausführungen der Kammer zur drohenden Verschleifung und der erforderlichen Bezifferung des Schadens,447 zum anderen verweist die Kammer im Anschluss an die zitierte Passage erneut auf den grundlegenden Beschluss des 2. Senats des BVerfG von Juni 2010.448 An der bezüglichen Stelle dieses Beschlusses aus 2010 stößt der Leser wiederum auf den Befund, dass „[n]ormative Gesichtspunkte […] bei der Feststellung eines Nachteils durchaus eine Rolle spielen [können – Anm. T. W.]. Sie dürfen aber, soll der Charakter der Untreue als Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen“.449 Auf dieser Linie führt sodann auch die Kammer im Fall der Haushaltsuntreue aus, das Verschleifungsverbot sei „… jedenfalls dann nicht verletzt, wenn die wirtschaftliche Wertlosigkeit der Kreditaufnahme auf die konkrete finanzielle Situation der Gemeinde gestützt würde …“.450 Die vermeintliche Anerkennung des individuellen Schadenseinschlags ist daher tatsächlich eine konsequente Fortführung des Erfordernisses wirtschaftlicher Schadensbegründung: Der „individuelle Schadenseinschlag“ mag einen Anhaltspunkt für den Vermögensschaden bieten, doch ohne die entsprechende wirtschaftliche Begründung und Bezifferung ist er wertlos. Daher ist es ganz folgerichtig, dass die Kammer den „subjektiven Schadens­ einschlag“ nur dann in Betracht zieht, wenn er zur Annahme eines Vermögensnachteils „ohne Verstoß gegen das Verschleifungsverbot“, folglich ohne Verstoß gegen die Pflicht zur wirtschaftlichen Schadensbegründung führt.451 begründung freilich schon wegen des mangelnden wirtschaftlichen Fundaments nicht gelten lassen, vgl. dazu unten C.VI.2.a). 445  BVerfG(K), NJW 2013, 365 (367) – Haushaltsuntreue. 446  Krit. auch Steinert, HRRS 2014, 58 (63). 447  Vgl. BVerfG(K), NJW 2013, 365 (366) – Haushaltsuntreue; in dieser Richtung wohl auch Gutman, FD-StrafR 2013, 341361. 448  Die Kammer verweist auf BVerfGE 126, 170 (212). 449  BVerfGE 126, 170 (212). 450  BVerfG(K), NJW 2013, 365 (367) – Haushaltsuntreue (Hervorhebung nur hier). 451  Beide Zitate aus BVerfG(K), NJW 2013, 365 (367) – Haushaltsuntreue. Auch die weiteren Ausführungen der Kammer lassen keinen anderen Schluss zu. Letztlich

152

C. Die strafrechtlichen Grundsätze der Schadensberechnung

b) Friktionen in der neueren Rechtsprechung des BGH zum Schadenseinschlag Zu Zweifeln regt in diesem Zusammenhang auch die neuere Reaktion des BGH auf die Rechtsprechung des BVerfG(E 126, 170) in derartigen Konstellationen an. Anstatt in den Fällen der Unbrauchbarkeit eines Gegenstandes mit der Bezifferung Ernst zu machen, verweist der BGH einen zumutbaren Aufwand des Geschädigten, doch noch etwas an Wert aus dem vermeintlich unbrauchbaren Gegenstand herauszuziehen, in den Bereich der Strafzumessung.452 Zwar wird damit anerkannt, dass der subjektiv unbrauchbare Gegenstand gleichwohl einen wirtschaftlichen Wert haben kann, doch dieser soll „bei normativer Betrachtung“453 nicht in die Saldierung eingestellt werden. Normative Schadensbegründungen sind jedoch spätestens seit der Entscheidung des BVerfG von Juni 2010 unzulässig, weil sie gegen das Gebot der wirtschaftlichen Bezifferung der Saldierungsgrundlagen verstoßen. Ohne den Rekurs auf wirtschaftliche Maßstäbe kann der individuelle Schadenseinschlag daher nicht reüssieren. 3. Zusammenfassung zu Zweckverfehlung und Schadenseinschlag Weder der Gedanke der Zweckverfehlung noch die Lehre vom individuellen Schadenseinschlag verdienen Zustimmung, soweit man mit ihrer Hilfe von dem wirtschaftlichen Fundament des Vermögensschadens und der Bezifferung des Schadens Dispens erteilen möchte. Der Zweck einer Leistung besagt nichts über den Wert des Geleisteten am Markt und auch der Schalandet man richtigerweise wieder bei der Frage, ob eine wirtschaftlich nachvollziehbare Schadensbegründung erfolgt oder nicht. So etwa auch bei einem weiteren zentralen Passus der Kammerentscheidung: „Damit wird eine Situation dargestellt, angesichts derer es nicht fern liegt, dass die Aufnahme (weiterer) Kassenkredite ­ wirtschaftlich verfehlt und – bei objektiver Würdigung der Lage der Gemeinde – schädlich war. […] Sofern es [das LG – Anm. T. W.] sich hierbei auf einen subjektiven Schadenseinschlag stützen wollte, hätte es dies zum Ausdruck bringen und – entsprechende tatsächliche Feststellungen vorausgesetzt – verbalisieren müssen, dass die zu den Zinsverpflichtungen führende Darlehensaufnahme der Finanzierung von Investitionen gedient hat, die als wirtschaftlich sachwidrig zu bewerten sind, etwa weil sie die zu diesem Zeitpunkt bedrängte finanzielle Situation der Gemeinde verschärften.“ (BVerfG[K], NJW 2013, 365 [367] – Haushaltsuntreue [Alle Hervorhebungen nur hier]). Man könnte zwar aufgrund dieser Zitate meinen, dass eine Begründung hinsichtlich der eingeschränkten Dispositionsfreiheit der Gemeinde für die Schadensfeststellung ausreiche; die Kammer weist aber – vorsorglich – darauf hin, dass gerade dieses Argument den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes nicht entspreche, vgl. BVerfG(K), NJW 2013, 365 (367) – Haushaltsuntreue. 452  Vgl. BGH, wistra 2011, 335 (338 f.). 453  BGH, wistra 2011, 335 (338 f.).



VII. Fazit der strafrechtlichen Überlegungen153

denseinschlag sollte in der Schadensberechnung ohne ein wirtschaftliches Nachrechnen keinerlei Krater hinterlassen: Die Kammerentscheidung zur Haushaltsuntreue kann nicht dazu herangezogen werden, den individuellen Schadenseinschlag als zulässige normative Schadensbegründung zu legitimieren. So muss es aus wirtschaftlicher Perspektive dabei bleiben, dass man sub specie § 263 StGB entweder täuschen mag, dann aber einen der Leistung im Wert entsprechenden Gegenstand beschaffe, oder man enthalte sich der Täuschung und gewähre sodann Minderwertiges. Anders gewendet: Wem über den Vermögenswerterhalt hinaus die konkrete Zusammensetzung und die Verwendung des Vermögens bedeutsam erscheinen, der muss sich – freilich aus betrugsstrafrechtlicher Sicht – vor dem Geschäft Aufschluss über seine Bedürfnisse und die entsprechende Eignung des Dargebotenen verschaffen.

VII. Fazit der strafrechtlichen Überlegungen Auf der Grundlage dieser strafrechtlichen Überlegungen geht eine Vermögensschadensbilanz von folgenden Prämissen aus: Vermögend ist eine Person in der bürgerlichen Sozietät deshalb, weil sie eine gewisse Wertmasse benötigt, um am bürgerlichen Freiheitsraum partizipieren zu können. Der Vermögensbegriff bezeichnet daher die Summe der werthaltigen und entäußerbaren Güter einer Person, der Vermögensschaden eine Minderung des Gesamtvermögenswertes. Diese Minderung ist stets genau zu beziffern. Dies ergibt sich aus der Identifikation des Bezifferbarkeitserfordernisses als Bestandteil des Schadensbegriffs. Der Vermögensschaden berechnet sich durch einen Vergleich des Vermögenswertes vor und nach der Vermögensverfügung, wobei in die Rechnung alle Ab- und Zuflüsse von Vermögenswerten eingestellt werden, die auf einer „wirtschaftlichen Handlung“ des Verfügenden bzw. des Täuschenden beruhen und zueinander nach den Maßstäben des Wirtschaftsverkehrs und dem Stand des Geschäftes wechselbezüglich sind. Außerdem benötigt man die Begriffe des Eingehungs- und des Erfüllungsbetruges nicht, um den Vermögensschaden rechtssicher zu berechnen und den Anforderungen an die Vorhersehbarkeit der Strafdrohung zu genügen. Ferner sind rein normative Schadensbegründungen unzulässig, insbesondere eine Schadensberechnung anhand der Zweckverfehlung oder des individuellen Schadenseinschlags ohne Rückbindung an marktwirtschaftliche Begründungen.

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“ I. Ein Idealtyp der Schadensbilanz? Auf der Grundlage der strafrechtlichen Betrachtungen lässt sich zunächst der Versuch unternehmen, einen Idealtyp der Schadensbilanz zu skizzieren. Im ersten Schritt wird mithin von der Vorstellung eines bilanziellen Werkes ausgegangen, das als Idealkonstrukt ausgestaltet ist, und im zweiten Schritt für den Fall, dass die zur Verfügung stehenden Bilanzen die idealistischen Vorgaben nicht erfüllen, im Einzelfall eine Entscheidung darüber getroffen, ob die festgestellten Mängel ihrer Anwendung im Rahmen einer strafrechtlichen Vermögensschadensberechnung entgegenstehen. 1. Allgemeine Anforderungen Die ideale Schadensbilanz liefert den Gesamtwert, den eine Vermögensmasse im Zeitpunkt jenes Ereignisses hat, das Anlass zu seiner Betrachtung gibt. In der Grundlinie leistet die Schadensberechnung nach betrugsstrafrechtlichen Vorgaben zweierlei: Das vor täuschungsbedingten, unkompensierten Verfügungen geschützte Vermögen wird zum einen daraufhin überprüft, ob ein verfügungsbedingter Abfluss erfolgt. Gerade in den Fällen des schädigenden Vertragsschlusses speist sich die strafrechtliche Betrachtung jedoch nicht aus einer status quo – Bewertung des Vermögenswertes, sondern vielmehr aus der Frage, ob man das Schicksal des Vermögens schon als derart verfestigt betrachten kann, dass sich eine Abwertung nur noch als reine Formalität erweist. Aus diesem Grund betrachtet die h. M. auch den rechtlichen Unterbau einer wirtschaftlichen Transaktion, weil sie der Auffassung ist, dass die zeitliche Differenz zum faktisch realisierten Minderwert (etwa durch Ausfall des Gläubigers) dann keine Rolle spiele, wenn diese aufgrund der rechtlichen Strukturen lediglich ein Abwarten des Unvermeidlichen bedeute. Ob dieser Vermutung tatsächlich vermögenswerte Abflüsse zugrunde liegen, ist ein Prüfstein, der im Wege bilanzieller Begutachtung gesetzt werden könnte. Zum anderen verlangt das Merkmal des Vermögensschadens die erneute Betrachtung derselben Vermögensmasse nach der Verfügung, weil eine Minderung des Gesamtvermögens die Feststellung erfordert, dass eine wirtschaftlich wertvolle Kompensation des abgeflossenen Vermögenswertes ausbleibt.



I. Ein Idealtyp der Schadensbilanz?155

Die Konsequenz dieser Maßgabe ist, dass man der idealen Schadensbilanz den Grundsatz der Pagatorik1 zugrunde legt. Das heißt: Die Vermögenswerte und Schulden spiegeln in einem solchen Fall keine real inventarisierten Vermögensgegenstände wider, sondern die mit ihnen verbundenen heutigen oder künftigen Zahlungsströme.2 2. Darstellungsumfang: Hohe Sensitivität und Spezifität Wesentlich schwieriger ist es, eine Aussage zum erforderlichen Darstellungsumfang der „idealen Schadensbilanz“ zu treffen, denn sie macht ein Kunststück erforderlich, das selbst in den Naturwissenschaften nicht immer gelingt: Die Modellbilanz ist sowohl „hoch sensitiv“ als auch „hoch spezifisch“. Was sich dahinter verbirgt, wird anhand der Parallele zum traditionellen zweistufigen HIV-Test deutlich: Während der sog. ELISA-Suchtest „hoch sensitiv“ ist und deshalb so gut wie alle potenziell positiven Proben erkennt, gilt er zuweilen als nicht hinreichend spezifisch; er zeichnet also mitunter auch solche Proben fälschlicherweise als positiv aus, die es in Wahrheit nicht sind. Aus diesem Grund schaltet man bei einem reaktiven Ergebnis herkömmlich einen weiteren Test, etwa nach der sog. „WesternBlot“ – Methode hinterher, der nur auf den entsprechenden Antikörper reagiert und daher so gut wie alle vorherigen Ergebnisse verifizieren oder falsifizieren kann; dieser Test ist also „hoch spezifisch“. Im Idealfall ist in der Parallele zu verlangen, dass mit einer Schadensbilanz alle potenziell gefährdeten Vermögensgegenstände erfasst werden und zugleich das Vermögen mit hoher Sicherheit darauf untersucht wird, ob es von einer Wertminderung betroffen ist. Diese Vorgaben werden aber jedenfalls in der Praxis nicht immer zu erfüllen sein, sodass an gegebener Stelle im Zweifel eine Entscheidung zugunsten der Spezifität ausfallen muss. Diese Richtlinie ergibt sich aus der Erwägung, wonach eine Bilanz, die zwar alle potenziellen Kandidaten für eine Wertminderung identifiziert, den Umfang der Wertminderung indes nicht genau anzugebenen vermag, nicht zu präferieren ist, weil sie das Kriterium der Bezifferung nicht erfüllt. Hingegen erweist sich eine solche Rechnungslegung, die zwar nicht alle potenziell wertgeminderten Vermögensgegenstände anzeigt, jedoch im Einzelfall eine genaue Wertangabe hervorbringt, eher als zielführend, da sie jedenfalls im Darstellungsbereich Rechtsklarheit zu schaffen weiß. Die Grenzen bilanzieller Schadensberechnung liegen daher vor allem auf dem Kriterium der Spezifität. 1  Dazu 2  Vgl.

S. 138.

noch ausführlich E.VII.4. Zimmermann/Werner/Hitz, Buchführung und Bilanzierung nach IFRS,

156

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

3. Darstellung des Gesamtvermögenswerts Die zu präferierende Schadensbilanz trägt ferner dem eingangs skizzierten Problem des Verhältnisses vom Ganzen zum Einzelnen Rechnung, indem sie sowohl Einzel- als auch Gesamtwerte aufzeigt. An dieser Stelle eröffnet die Betrugsdogmatik den buchhalterischen Vorgehensweisen einen gewissen Spielraum, indem sie zweierlei zulässt: Konzentriert sich die Schadensberechnung darauf, vor und nach der Vermögensverfügung den Gesamtwert des präsumtiv geschädigten Vermögens aufzuzeigen, dann verschreibt sie sich der Zeitpunktrechnung; damit wäre der Weg für umfassende bilanzielle Betrachtungen geebnet. Eine Schadensberechnung könnte aber auch dergestalt beschaffen sein, dass sie – etwa nach Art eines Kontokorrents – allein die Vermögensverfügung und die wechselbezüglich rückfließende Kompensation, mithin die Bewegungsvorgänge unter dem Topos der Kompensation als Kehrseite der Vermögensverfügung in den Blick nimmt.3 Diese Variante wählt isolierte Wertbewegungen als Anknüpfungspunkte und macht verborgene Hypothesen hinsichtlich der Rückwirkung von Einzelwertminderungen auf den Status des Gesamtwertes nach Art eines Enthymems erforderlich. Abwegig ist dieser Gedanke freilich nicht, behilft sich doch insbesondere die Rechtsprechung an zahlreichen Stellen mit einer singulären Betrachtungsweise, indem letztlich nur geprüft wird, ob durch diese eine Verfügung zugleich eine unmittelbare Kompensation geschaffen wurde.4 Die erste Methode erhält Aufmerksamkeit von demjenigen, der Wert auf die Feststellung legt, ein Betrugsschaden bilde sich allein in der Minderung des Gesamtvermögenswertes ab. Demjenigen, der es vorzieht, Einzelvorgänge zu untersuchen, wird die zweite Methode ins Auge fallen. Überlegen ist jedoch eine Schadensberechnung, die den geminderten Gesamtvermögenswert mit dem geringsten Aufwand abbildet. Im Gegensatz zu einer individualisierten Betrachtung der Bewegungsvorgänge vermag ein ganzheitlicher Ansatz, wonach immer auch die Auswirkung auf das Gesamtvermögen darzustellen ist, jede Art von vermögenswertem Abfluss und Kompensation zu erfassen, ohne dafür gesonderte Rechnungen aufmachen zu müssen. Diese Vorgehensweise sollte folglich im Stande sein, die Zugehörigkeitsverhältnisse unter den einzelnen Vermögenssystemen zu untersuchen, um die 3  So etwa Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 49; Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 171. 4  Vgl. etwa BGH, NStZ 1999, 353 (354) und jüngst LG Düsseldorf, Urt. v. 22.  Februar 2012  – Az. 14 KLs  – 120 Js 760/07  – 14/08  –, Juris, Rdnr.  219; vgl. auch den Hinweis bei Achenbach, in: Festschr. f. Roxin, 2011, S. 1005 (1007), wonach die Schadensberechnung sub specie § 263 StGB letztlich darauf hinauslaufe, den rest­lichen und nicht beeinträchtigten Vermögenswert einfach zu addieren; krit. hierzu Velten, in: Festschrift f. Schünemann, 2014, S. 715 (716 f.).



I. Ein Idealtyp der Schadensbilanz?157

Zusammensetzung des Vermögens unter dem Einfluss eines Zeitfaktors zu beschreiben. Die Einzelbetrachtung der untereinander bezüglichen Verfügungen und Kompensationen birgt hingegen die Gefahr, dass schadensmindernde oder ausschließende Umstände unberücksichtigt bleiben, nur weil sie nicht prima facie dem Verhältnis von Verfügung und Kompensation zu entspringen scheinen. Indes wurde gezeigt, dass grundsätzlich solche Kompensationen zu beachten sind, deren Einzug in das Vermögen des präsumtiv Geschädigten auf einer wirtschaftlichen Handlung des Täters beruht, die in Wechselbezüglichkeit zum Verfügungsakt Vermögenswerte in das Opfervermögen einstellt.5 Anders gewendet: Eine gleichsam „verschachtelte“ Vorgehensweise, die zunächst isolierte Wertbewegungen – mithin einzelne Verfügungen und Kompensationen – in den Blick nimmt, um im nächsten Schritt aufgrund einer in diesem engen Verhältnis ausbleibenden Kompensation das Gesamtvermögen schematisch als gemindert zu deklarieren,6 entspricht nicht dem Anspruch, die Zugehörigkeitsverhältnisse gewechselter Vermögenswerte und der Vermögensmassen untereinander umfassend abzubilden. Auch die Pflicht der Ermittlungsbehörde (§ 160 Abs. 2 StPO) und des Gerichts (§ 244 Abs. 2 StPO) zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts und insbesondere zur Ermittlung möglicher entlastender Umstände promoviert jenen Blickwinkel, der das Gesamtvermögen unter die Lupe nimmt. Ferner streitet das teleologische Argument, wonach der Betrugstatbestand jene Nachteilszufügung zu verhindern sucht, die sich in einer Minderung des Gesamtvermögens manifestiert, dafür, einer Darstellung des Vermögensbezugs den Vorzug vor seiner reinen Behauptung zu geben7 – mithin die gesamte Bilanz vor die Herausforderung der Schadensberechnung zu stellen. Die in der Rechtsprechung hervortretende isolierte Betrachtung einzelner Verfügungen legt den Fokus hingegen auf das Kriterium der Unmittelbarkeit zwischen Verfügung und Kompensationszufluss, anstatt die tatsächlich relevante Rückbindung des Täterverhaltens an den Gesamtvermögenswert zu suchen. Vorzugswürdig ist somit eine Lösung, die ihre Darstellung aller Wertbewegungen unmittelbar an den Gesamtvermögenswert bindet.

5  Vgl.

dazu oben C.IV.2.c). muss man wohl die Aussage verstehen, dass „[d]urch den Bezug auf das Gesamtvermögen […] der Grundsatz, das Vermögen sei als Inbegriff Angriffsobjekt, unangetastet“ bleibe, vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 172. 7  Vgl. oben D.I.3. 6  Dergestalt

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D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

4. Unsicherheiten und Zweifelssatz Indes wird eine „ideale“ Schadensbilanz ihres Adjektivs beraubt, wenn man sie etwa nach Art des Handelsrechts zu konzipieren sucht, weil sie sich aufgrund der Durchsetzung mit zahlreichen widerstreitenden Bilanzzwecken zwangsläufig mit einer Näherung an den Idealzustand zufriedengeben muss. Dies bedeutet jedoch nicht, die möglichen Ungenauigkeiten bilanzieller Darstellungsweisen hinzunehmen, sondern zeigt einen weiteren Maßstab für die nachfolgende Untersuchung auf: Zeitigt die Anwendung einer Bilanznorm ein relevantes Ergebnis, so erweist sich dieses nur dann als für das Betrugsstrafrecht tauglich, wenn die entsprechende Vorschrift Ausdruck einer rein marktwirtschaftlichen Sichtweise ist. Dass auch unter wirtschaftlichen Maßstäben ambivalente Ergebnisse erzielt werden können, ist im Übrigen kein Hindernis, da in diesem Fall der Zweifel für den Angeklagten streitet.8

II. Das Bilanzrechtin der vermögensstrafrechtlichen Rechtsprechung Vor dem Hintergrund der „idealen“ Schadensbilanz lohnt sich der Blick auf jene Rolle, die Bilanzen oder jedenfalls bilanzielle Figuren in Rechtsprechung und Literatur zum Vermögensschaden einnahmen und bislang einnehmen. Daraus wird zugleich der noch offene Forschungsstand deutlich. Zwar ist im Angesicht der wirtschaftsstrafrechtlichen Judikatur der Vorwurf mangelnder intradisziplinärer Rezeptivität bekanntlich fehl am Platze.9 Aber an der Seite des Vermögensstrafrechts begann der heutige Triumphzug der Bilanz zunächst nur mit einem kleinen Gastauftritt und zahlreichen Statistenrollen. 1. Ein Gastspiel Während es zu den Errungenschaften der jüngeren Strafrechtsentwicklung rechnet, Bilanzen in den unmittelbaren Dienst des Vermögensstrafrechts10 zu stellen, ist die Idee dahinter freilich nicht neu.11 Soweit aus der veröf8  Vgl. nur Wessing/Brennecke, NZG 2010, 1121 (1124), die aber auch einen kritischen Blickwinkel hinsichtlich des Bezifferungsaufwandes einnehmen. 9  Zu dieser Feststellung jüngst auch Brand, NZG 2013, 400. 10  Diese Übersicht schließt Rechtsprechung zum Insolvenzstrafrecht aus, weil sich diese überwiegend auf Sonderbilanzen bezieht. 11  Schon in der Entscheidung RG, JW 1926, 586 wurde die Abschreibung als Begründung für die Annahme einer Vermögensgefährdung herangezogen. Üblich ist auch die Gegenüberstellung von „Aktiven“ und „Verbindlichkeiten“ in der Schadensberechnung, vgl. etwa BGHSt 3, 99 (102).



II. Das Bilanzrecht159

fentlichten Rechtsprechung ersichtlich, hatte die Vermögensbilanz in der Strafrechtsprechung der noch jungen Bundesrepublik erstmalig in einer Entscheidung vom 12. Januar 195612 ein kurzes Gastspiel. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand die Frage, ob die Finanzierung eines Erwerbs fremder Gesellschaftsanteile mit Gesellschaftsvermögen im konkreten Fall den Tatbestand der Untreue nach § 81a GmbHG a. F.13 erfüllte. Der 3. Strafsenat stellte damals fest, dass der Kauf eine kompensationslose14 Verminderung des Gesellschaftsvermögens bewirkt und den Verlust wesentlicher, zum Erhalt des Stammkapitals erforderlicher Vermögensteile herbeigeführt habe.15 Der Senat setzte sich sodann mit der Frage auseinander, ob der Tatrichter eine Vermögensbilanz hätte erstellen müssen, um Schlussfolgerungen auf den Zustand des Gesellschaftsvermögens zu erlauben, verneinte eine derartige Verpflichtung aber insoweit, als hinreichende Detailangaben zur Vermögenslage der Gesellschaft vorlagen.16 Mithin zog der Senat die Indienstnahme einer Bilanz zwar in Betracht, verwies diese aber recht bald wieder in die Garderobe. Üblicherweise findet sich in der frühen Judikatur darüber hinaus nur der Rekurs auf Bewertungsmaßstäbe,17 die auch im bilanziellen Umfeld Relevanz entfalten können; so etwa in Verbindung mit dem Betrug im Warenterminhandel die Bewertung von Optionen anhand von Kursentwicklungen.18 Auch der Betrug beim Unternehmenskauf wurde in der Rechtsprechung des BGH anhand anerkannter Bewertungsmaßstäbe eruiert.19 12  BGHSt

9, 203 ff. GmbHG a. F. bedrohte im Wesentlichen das vorsätzliche Handeln eines abgemessenen Täterkreises zum Nachteil der Gesellschaft mit Strafe. Die Norm erfasste Vermögensschaden, wie sie heutzutage in §§ 263, 266 StGB vorausgesetzt sind, und darüber hinaus auch weitere, „finanziell nicht ohne weiteres meßbar[e] Nachteile“, Klug, in: Hachenburg, GmbHG, § 81a, Anm. 12. Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden mit dem heutigen § 266 StGB vgl. Kohlmann, in: Festschr. f. Werner, 1984, S. 387 (388). Die Norm wurde aufgehoben im Zuge des 1. Gesetzes zur Reform des Strafrechts v. 25.06.1969, vgl. BGBl. I, S. 645 (670). 14  Zu diesem Aspekt vgl. BGHSt 9, 203 (215). 15  Vgl. BGHSt 9, 203 (210 f.). 16  Vgl. BGHSt 9, 203 (210 f.) und wörtlich: „… durfte der Tatrichter auch ohne nähere Angaben von Bilanzzahlen zu dem Schluß kommen …“ (BGHSt 9, 203 [211]). 17  In frühen Judikaten erörterte die Rechtsprechung gelegentlich auch den Bewertungszeitpunkt, so etwa im bekannten „Eier-Import“-Fall, bei dem es für die Preisbemessung auf den Zeitpunkt der Einfuhr, nicht der Erzeugung ankam, vgl. BGH, LMMR 1954, 16 = NJW 1955, 430 (Ls.). 18  Vgl. etwa BGHSt 30, 388 (390) mit Hinweis auf das Erfordernis sachverständiger Wertermittlung und OLG München, NJW 1980, 794 (795). 19  Vgl. BGH, wistra 2003, 457 (459). 13  § 81a

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D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

2. Ein Statist Schon im Vorfeld des 23. Juni 201020 hatte der BGH seine Rechtsprechung zu Risikogeschäften auf – recht wacklige –21 bilanzrechtliche Standbeine gestellt. So finden sich in der Entscheidung BGH, NJW 2008, 2451 (Untreuehandlungen bei Kapitalanlagegeschäften) erste Hinweise auf die Institute des Bilanzrechts in der Aussage, der Vermögensschaden bei Risikogeschäften bemesse sich im Wege einer Saldierung von Darlehenssumme und verbleibendem Wert der Rückzahlungsforderung; denn die Sachlage sei letztlich nicht anders als bei dem Verkauf der Forderung oder einer Wertberichtigung22 (ergänze: und diese Einrichtungen erfordern ggf. eine Neujustierung des Gegenstandswertes). Freilich stellt der BGH diese These auf, ohne den erforderlichen Beleg dafür zu liefern, dass der Wert eines Darlehensrückzahlungsanspruches überhaupt nach dem Verkaufswert oder den Grundsätzen der Wertberichtigung zu bemessen sei. Indem der 1. Senat der Wertberichtigung Avancen macht, bedient er sich jedenfalls einer bilanziellen Methodik zur Untermauerung des gefundenen Modus der Schadensberechnung.23 Wesentlich deutlicher tritt die auf Parallelwertungen gründende Vorgehensweise in einem Judikat aus dem Jahr 2009 hervor, das sich mit Risikogeschäften nach Art eines Schneeballsystems befasst.24 Auch hier verweist der BGH neben der Parallele zum Forderungsverkauf mit der Einzelwertberichtigung und der Rückstellungsbildung auf Institute der Bilanzierung, um zu begründen, weshalb die Posten des Synallagmas bereits im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses zu bewerten seien.25 Mehr erfährt der Leser des Judikats indes nicht: Weder prüft der BGH, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer Wertberichtigungsmaßnahme (etwa nach § 253 HGB) oder der Rückstellungsbildung nach § 249 HGB vorliegen, noch schenkt er der Frage Aufmerksamkeit, welche Werte diese Maßnahmen in casu hervorbringen. Ausschlaggebend ist letztlich das Argument von der Wertlosigkeit einer „auf die Begehung von Straftaten aufgebaute[n] Aussicht auf Vertragserfüllung“.26 20  Dies

ist das Datum der Entscheidung BVerfGE 126, 170. etwa die Kritik bei Beulke/Witzigmann, JR 2008, 430 (433). 22  Vgl. BGH, NJW 2008, 2451 (2452). 23  Nur am Rande für die hiesige Thematik relevant ist der Umstand, dass im Fall „Siemens/Schwarze Kassen“ der Verstoß gegen die „Bilanzwahrheit“ zur Begründung der Vermögenbetreuungspflichtverletzung diente, vgl. BGHSt 52, 323 (334). 24  BGHSt 53, 199. Eine detaillierte Analyse des Judikats hat etwa Hefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (308 ff.) vorgelegt. 25  BGHSt 53, 199 (203). 26  BGHSt 53, 199 (205). Schlösser, NStZ 2009, 663 (666) und Hefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (310) bezeichnen diese Argumentation als zirkulär. 21  Vgl.



II. Das Bilanzrecht161

Dieser Befund bestärkt den Eindruck, dass der 1. Senat seine Auffassung von der risikobedingten Wertminderung lediglich dadurch absichern wollte, dass er die Schützenhilfe des Bilanzrechts suchte, ohne diesem Statisten wenigstens eine kleine Passage eigenen Textes zuzugestehen.27 In der untergerichtlichen Rechtsprechung fanden zuweilen bilanzielle Rückstellungen (§ 249 HGB) im Umfeld der Schadensbegründung Anklang. So zog das LG Essen28 die Bildung von Rückstellungen in der Bilanz des Geschädigten für Regressansprüche der Kunden heran, um die unvollständige Werthaltigkeit einer etwaigen Kompensation zu begründen, die bei gutgläubigem Weiterverkauf irrtümlich erworbener, mangelhafter Dieselpartikelfilter zu erzielen wäre.29 Letztlich ausschlaggebend für den Schaden war freilich, dass dem Weiterverkauf als von der Verfügung verschiedener Handlung nach der Rechtsprechung bereits die Aufnahme in die Vermögenssaldierung verwehrt war.30 Als Abstützung des gefundenen Ergebnisses dienten die Rückstellungen allemal. Eine bedeutsamere Rolle der Bilanz, die über eine vergleichende Betrachtung hinausgeht, wird man auch einer Entscheidung des 3. Senats aus dem Jahr 200931 (WestLB – Untreue durch Kreditvergabe) nicht entnehmen können. Der zugrundeliegende Sachverhalt handelte von der Kreditausreichung durch eine Bank, wobei die Frage, ob der Darlehensverpflichtung ein entsprechend werthaltiger Rückzahlungsanspruch gegenüberstand, letztlich offen blieb. Der BGH verwies lediglich darauf, dass der „etwaige Minderwert des Rückzahlungsanspruchs zum Zeitpunkt der Kreditvergabe […] mit den Instrumenten des Bilanzrechts errechnet“32 werden könne, und eröffne27  Zwar ist die Kritik von Beulke/Witzigmann, JR 2008, 430 (433) insoweit zu teilen, als die Begründung eines Vermögensschadens mit pauschalen Erwägungen, die – aus dem heutigen Blickwinkel – letztlich auch die Bezifferungsproblematik nur verschleiern, nicht zu überzeugen vermag. Indes ist es in der Sache wenig hilfreich, wenn aus der Wissenschaft (Beulke/Witzigmann, JR 2008, 430 [433]) „Kopfschütteln“ über die Argumentation des BGH angemeldet wird und der betroffene Senat kontert, die eigene Auffassung entspreche nun mal dem „kaufmännische[n] Alltag“ (BGHSt 53, 119 [203]; Hinweis auf den kaufmännischen Alltag auch bei BGH, NJW 2011, 2675 [2676]; Joecks, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 355 [362] nennt das „sportlich“) und sodann nachsetzt, im Übrigen liege der Schaden bei derartigen Risikogeschäften „bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf der Hand“ (BGHSt 53, 119, [203]). Wenn es allein darum ginge: An nescis longas regibus esse manus? 28  LG Essen, Urt. v. 10.  März 2010  – 56 Kls 11/09  – Juris. 29  LG Essen, Urt. v. 10.  März 2010  – 56 Kls 11/09  – Juris, dortige Rdnrn.  98 und 130. 30  So dann auch LG Essen, Urt. v. 10.  März 2010  – 56 Kls 11/09  – Juris, dortige Rdnrn. 129 f. 31  BGH, wistra 2010, 21 ff. 32  BGH, wistra 2010, 21 (26).

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D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

te im gleichen Atemzug die Möglichkeit, bei verbleibenden Unsicherheiten im Wege der Schätzung vorzugehen.33 Gleiches findet sich auch in einem zwei Monate jüngeren Beschluss des 3. Senats.34 3. Die Nebenrolle seit Juni 2010 Nachdem das BVerfG das Bilanzrecht in den Lichtkegel der allgemeinen Aufmerksamkeit gerückt hat, avancieren betriebswirtschaftliche Maßstäbe mitunter zu allgemeinen Wertgebern.35 Dies gilt wiederum vornehmlich für den Bereich der Risikogeschäfte,36 innerhalb dessen auch die banküblichen Bewertungsgrundsätze und Wertberichtigungen, die der BGH37 immerhin zur Grundlage der Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts erklärt, reüssieren. Im Fall eines Scheckbetruges rekurriert der BGH38 ferner auf die Buchführung im Kontokorrent, um die von der zum Einzug des Schecks beauftragten Bank geleistete Vorbehaltsgutschrift zugunsten des Einreicherkontos mit der endgültigen Gutschrift gleichzustellen und auf dieser Grundlage den möglichen Zugriff des Kontoinhabers als Anknüpfungspunkt für eine etwaige Vermögensschädigung zu identifizieren. Erste Schwierigkeiten bei der bilanziellen Schadensberechnung konzedierte die Rechtsprechung im bekannten Al Qaida-Fall.39 Für die Bewertung der Verpflichtung aus einem täuschungsbedingt abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag gebe es keine anerkannten Richtgrößen.40 Stattdessen griff der 3. Senat auf das Mittel der Schätzung zurück.41 In der Grundlinie erkannte der BGH zwar die Notwendigkeit an, Sachverständige aus den Bereichen der Versicherungsmathematik und des Bilanzwesens zu konsultieren.42 Letztlich begründete der 3. Senat den Schaden aber damit, dass der Angeklagte von vornherein zur Fiktion des Versicherungsfalles entschlossen gewesen sei.43 Dieser Umstand habe das Vermögen des Versicherers mit der erhöhten Leistungswahrscheinlichkeit belastet, weil ihm der Nachweis einer Täu33  Vgl.

BGH, wistra 2010, 21 (26). BGH, NStZ 2010, 329 (330). 35  So etwa in BGH, NStZ 2010, 700; 2012, 698 f.; OLG Bamberg, Beschl. v. 01.  Oktober 2013  – 3 Ss 84/13  –, juris, Rdnr.  14. 36  Vgl. BGH, NJW 2011, 2675 (2676). 37  BGH, NJW 2012, 2370 (2371); NStZ 2012, 698 f. 38  BGH, wistra 2012, 267 (268 f.). 39  BGHSt 54, 69. 40  BGHSt 54, 69 (125). 41  BGHSt 54, 69 (125). 42  BGHSt 54, 69 (125). 43  BGHSt 54, 69 (123). 34  Vgl.



II. Das Bilanzrecht163

schung schwerfallen würde.44 Mithin durfte das Bilanzrecht auch hier nur kurz auftreten, um zu bestätigen, dass alles „mit rechten Dingen zugehe“. Das BVerfG hat diese Schadensberechnung zu Recht getadelt.45 In der Rechtsprechung zu § 266 StGB haben handelsbilanzielle Figuren seit Juni 2010 darüber hinaus eine durchaus zweifelhafte Konjunktur. So hat der BGH im Parteispenden-Fall46 eine Rückstellungsbildung für die Rückforderung rechtswidrig erlangter Parteiförderung als einen Schadens­ indikator herangezogen.47 Ausschlaggebend war jedoch eine nur indirekt als „bilanziell“ zu bezeichnende Begründung, die darauf abhob, dass die Rückforderung der Gelder nahezu sicher gewesen sei.48 In diesem Fahrwasser liegt auch eine Entscheidung, in welcher der 6. Zivilsenat49 zur Feststellung eines Betrugsschadens die Anschaffungs- und Lieferkosten sowie den Wert einer Forderung ohne den Rekurs auf bilanzielle Figuren abhandelt. Gleichwohl liest man in jüngerer Zeit häufiger, dass insbesondere der mögliche Minderwert von Forderungen nach Bilanzierungsgrundsätzen zu bestimmen sei;50 freilich ohne dass diese Ausführungen bislang zu einer tatsächlichen Auseinandersetzung des Schadensmerkmals nach bilanziellen Grundsätzen geführt hätten. 4. Zusammenfassung Das BVerfG51 rekurriert für die Erörterung des Vermögensschadens zwar auf die Bewertungsgrundsätze der §§ 252 ff. HGB. Den Stand der Rechtsprechung im ordentlichen Gerichtszug wird man aber als lediglich „bilanz­ orientiert“ bezeichnen können. Dieses Etikett rechtfertigt sich dadurch, dass der BGH die Annahme eines Vermögensschadens letzten Endes mit wertenden Erwägungen begründet und die bilanziellen Sichtweisen nur ergänzend heranzieht.52 Ferner verfolgt die Rechtsprechung einen kontextabhängigen 44  BGHSt 54, 69 (123); zur Kritik an dieser Prämisse vgl. Saliger, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 455 (479) und Waßmer, HRRS 2012, 368 (369), die auf die behördliche Überwachung der Täter in casu hinweisen. 45  Vgl. BVerfG, NJW 2012, 907 (915) – Al Qaida. 46  BGHSt 56, 203. 47  BGHSt 56, 203 (220). 48  BGHSt 56, 203 (220). 49  BGH, WM 2012, 138. 50  Vgl. etwa LG Arnsberg, Beschl. v. 17.  Juli 2013  – 6 KLs 1/13, BeckRS 2013, 15115; OLG Bamberg, Beschl. v. 01.  Oktober 2013  – 3 Ss 84/13  –, juris, Rdnr.  15. 51  BVerfGE 126, 170 (223 et passim). 52  Als zu optimistisch wird man daher auch heutzutage noch die frühe Formulierung bei Wolf, StuB 2003, 775 (776) bezeichnen müssen, wonach „in allen Straf-

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D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

Ansatz, der lediglich in „bilanznahen“ Bereichen auf die Buchhaltungsvorschriften zurückgreift. Die Bilanzierung hat folglich einen Ankerpunkt in der Rechtsprechung gefunden, jedoch ohne dass man bislang einen bilanziellen „Landgang“ hätte beobachten können.

III. Stellungnahmen aus der Literatur Dieser Abschnitt widmet alle Aufmerksamkeit der kritischen Darstellung des Literaturstandes zu dem Verhältnis von Vermögensschäden zu Bilanzen. Es entspricht dem bilanziell zu erfüllenden Konkretisierungsanliegen, dass in diesem Abschnitt auch einige Fragen, die bereits Gegenstand der strafrechtlichen Betrachtung waren, erneut im Verbund mit bilanziellen Erörterungen auftreten. Denn es erscheint trotz des augenfälligen systematischen Zusammenhangs dieser Fragestellungen mit rein strafrechtlichen Erwägungen erforderlich, die aufkommenden Aspekte an dieser Stelle geschlossen abzuhandeln, soweit die bilanzielle Perspektive einen neuen Blickwinkel auf die bezeichneten Sachfragen zu eröffnen vermag oder doch zumindest unmittelbar mit ihnen verwinkelt ist. 1. Stellungnahmen vor BVerfGE 126, 170 Obschon erst eine Schrift Roland Hefendehls53 die entscheidende Wegmarke in der Auseinandersetzung mit der Bilanz aus vermögensstrafrechtlicher Perspektive gesetzt hat, wurde die Rechnungslegung in der Literatur auch zuvor schon im Umfeld der Schadensbegründung herangezogen. Das wohl prominenteste Bekenntnis aus diesen Reihen zur Anleihe bei bilanziellen Termini stammt von Goldschmidt aus dem Jahr 1928,54 in dem er – im Anschluss an die zeitgenössische Kommentierung zu § 263 StGB im Leipziger Kommentar –55 die Gefährdung erst dann als Schaden deklarierte, wenn „ein ordentlicher Kaufmann das gefährdete Vermögensaktivum ganz oder zum Teil in seiner Bilanz abschreiben würde“.56 Auch an weiteren Stellen findet sich der Hinweis auf bilanzielle Begrifflichkeiten57 normen […] bislang die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften [dominierten]“ – Hervorhebung nur hier. 53  Dazu sogleich unter IV.3.b). 54  Goldschmidt, ZStW 48 (1928), 149 (160). 55  Vgl. den Nachweis bei Goldschmidt, ZStW 48 (1928), 149 (160). 56  Goldschmidt, ZStW 48 (1928), 149 (160); ähnlich die Begrifflichkeiten bei Lenckner, JZ 1971, 320 (322). 57  Etwa bei Bockelmann, ZStW 79 (1967), 28 (36).



III. Stellungnahmen aus der Literatur165

und mitunter wurden im Schrifttum die Bewertungsregeln des HGB zur Abstützung der These vom Schaden durch Gefährdung herangezogen.58 In der Literatur fanden sich zudem Stellungnahmen, in denen – mehr oder minder explizit – die Frage aufgeworfen wurde, ob die bilanzielle Betrachtung zu einem Kompetenzverlust des Tatrichters führe.59 In einer Besprechung des Urteils BGHSt 53, 19960 setzt sich bspw. Schlösser61 unter anderem mit der Notwendigkeit der gutachterlichen Beurteilung des Vermögenswertes auseinander.62 Weil der kaufmännische Alltag nicht jenem des (Straf-)Juristen entspreche, könne dem Strafrichter auch nicht die Wertermittlung anheimgestellt werden.63 Heutzutage tendieren die Stellungnahmen bekanntlich wieder dahin, die Letztentscheidungsmacht des Richters zu betonen.64 2. Bilanzen als Mittel der Konkretisierung zivilrechtlich begründeter Herrschaft a) Vermögensbegriff und Herrschaftsprinzip Die erste umfassende Monografie zum hiesigen Themenbereich hat Hefendehl65 vorgelegt und mit ihr dem Bilanzrecht zu einer Hauptrolle innerhalb des Vermögensstrafrechts verholfen. Seine Arbeit hat Anklang in Literatur und Rechtsprechung gefunden und darf als Zündfunke der Renaissance66 bilanzieller Sichtweisen im Vermögensstrafrecht bezeichnet werden. In erster Linie beschäftigt sich die Monografie mit dem Vermögensbegriff, in zweiter Linie aber auch mit der Schadensberechnung.67 Im Kern geht Hefendehl davon aus, dass Vermögenswerte ihren Trägern auch im Strafrecht nach Maßgabe eines Herrschaftsprinzips zugeordnet 58  Vgl. etwa Rotsch, ZStW 117 (2005), 577 (585 f.), der auf § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB verweist. 59  Überblick auch bei Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 507 (513). 60  Dazu oben D.II.2. 61  Schlösser, NStZ 2009, 663. 62  Schlösser, NStZ 2009, 663 (665 f.). 63  Schlösser, NStZ 2009, 663 (665). 64  Zusammenfassend Hefendehl, wistra 2012, 325 ff. 65  Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen. 66  Zu ersten Ansätzen in der Literatur vgl. oben D.III.1. 67  Jüngst hat Hefendehl, wistra 2012, 325 (327) und ders., in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (301) angesichts des verfassungsgerichtlichen Rekurses auf die bilanzielle Bewertung klargestellt, dass er sich die Rolle des Bilanzrechts innerhalb des Vermögensstrafrechts eher als „heuristisches Konkretisierungsmittel“ vorstellt, denn als Mittel genuiner Vermögensbewertung.

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D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

werden, das sich aus den Rechten und Befugnissen des Zivilrechts speise.68 Daher rechne ein Gegenstand erst dann zum Vermögen einer Person, wenn er dieser im Einklang mit der Rechtsordnung ein Potenzial zur wirtschaftlichen Betätigung gewähre.69 Anders gewendet definiert Hefendehl das Vermögen als einer Person von der Rechtsordnung zugeordnetes Potenzial zur wirtschaftlichen Betätigung. Diese Prämisse deckt sich in weiten Teilen mit dem hiesigen Vorschlag, das Vermögen unter strafrechtlichen Vorzeichen als schützenswertes gesellschaftliches Partizipationspotenzial der Person zu verstehen.70 Indes ist die Terminologie bei Hefendehl nicht durchweg einheitlich: Während die These eines Potenzials zur wirtschaftlichen Betätigung der Person darauf hindeutet, dass nicht-wirtschaftliche Lebensbereiche ausgeklammert werden könnten, relativiert sich dieser Befund erst wieder, wenn man die Ausformulierung des Herrschaftsprinzips im Detail studiert. Danach handelt es sich um „zivilrechtlich anerkannte Durchsetzungsmöglichkeiten […], die ihm [scil. dem Vermögensträger] die Freiheit lassen, über Vermögensgüter nach seinem Belieben zu verfügen und ihn zugleich in die Lage versetzen, externen Störfaktoren effektiv begegnen zu können“.71 In dieser Formulierung sind folglich alle Lebensbereiche einbezogen. b) Herrschaftsprinzip und wirtschaftliche Sichtweisen Während das Herrschaftsprinzip nach Hefendehl’scher Lesart dem Gegenstand Vermögenswert nur dann zuordnet, wenn die Herrschaft über diesen im Einklang mit der Rechtsordnung steht, ist der Vermögensgegenstand nach rein wirtschaftlicher Sichtweise bekanntlich ein Zyniker, den es nicht kümmert, was die Rechtsordnung von seiner Provenienz hält. Zuweilen unerfindlich ist, ob Hefendehl davon ausgeht, dass das Bilanzrecht auch die nach h. M. für § 263 StGB in der Grundlinie erforderliche wirtschaftliche Sichtweise bereitstelle,72 denn er lehnt den wirtschaftlichen Vermögensbe68  Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S.  115  f.; ders., in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 374 und daran anschließend Kargl, JA 2001, 714 (716); ähnlich zu § 266 StGB Schünemann, in: LK – StGB, § 266, Rdnr. 134. 69  Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 116; ders., in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 375. 70  Vgl. dazu oben B. 71  Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 117 – Hervorhebungen im Original. 72  In diesem Sinn ließe sich die Aussage bei Hefendehl, wistra 2012, 325 (328) interpretieren, der darauf verweist, dass „eine Bilanzierung das Vermögen […] konkretisiert bzw. nachzeichnet“.



III. Stellungnahmen aus der Literatur167

griff freilich als mangelhaft konturiert ab.73 Die Tauglichkeit der Bilanzen für eine Schadensberechnung hängt jedoch nach hiesigen Maßstäben davon ab. Mithin steht der Nachweis aus, dass bilanzielle Darstellungsweisen tatsächlich als „wirtschaftlich“, folglich als nach wirtschaftlichen Grundsätzen gebildete Wertindikatoren zu bezeichnen sind. Das Herrschaftsprinzip reiht die Anerkennung der Rechtsordnung neben das Herrschaftsrecht und ist als Kriterium für die Zuordnung des rein wirtschaftlich nutzbaren Vermögenswertes nicht erschöpfend.74 So ist es nicht einsichtig, weshalb unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten allein die zivilrechtliche Verankerung des Gegenstandes in der Herrschaftssphäre der Person zu wirtschaftlichen Werten führen sollte.75 Gerade heutzutage schafft man diese in kaum fassbaren immateriellen Bereichen, wie etwa der Verkauf von Fotografien Prominenter in privater Pose oder ähnliche Geschäftstätigkeiten des Boulevards belegen. Auch die Veröffentlichung geheimer Regierungsdokumente hat das auf die Neugier an klandestinen Vorgängen gründende wirtschaftliche Potenzial der Nachrichtenindustrie erneut offenbart, und man käme nicht auf die Idee, der einer solchen geheimen Informationen anhaftenden sicheren Aussicht auf hohe Auflage und steigende Aktienwerte den Vermögenscharakter abstreiten zu wollen,76 nur weil die Herrschaft über Wort und Bild nicht dem Publi73  Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 100 ff., insb. S. 107 ff.; deutlich auch ders., in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (298). Es erscheint indes zweifelhaft, ob man unter dem Aspekt der Erkennbarkeit tatsächlich einen Unterschied zwischen den Anforderungen an eine zivilrechtlich vermittelte Herrschaft und jenen an ein auf Wertsummen und künftigen Nutzen gründendes Verständnis ausmachen kann. So oder so wird es immer eine Weile dauern, bis sich in Zweifelsfällen die Partizipation eines Vermögensgegenstandes an den Schutzwirkungen der Vermögensdelikte herumgesprochen hat. 74  Dies wird deutlich, wenn das Vermögen als „Herrschaft des Menschen über andere Menschen oder über Gegenstände“ interpretiert und im gleichen Zug die eigene Arbeitskraft exkludiert wird (Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 116). Denn auch die eigene Arbeitskraft bildet einen wirtschaftlich nutzbaren Wert, sodass eine Modifikation dergestalt erforderlich erschiene, wonach die Herrschaft als ausgestaltendes Element des wirtschaftlichen Vermögensbegriffes vielmehr Herrschaft des Menschen über Werte bedeutete. Mit dieser Ergänzung verflüchtigt sich zugleich die anzügliche Konnotation, die das Vermögen vermittels der „Herrschaft über Menschen“ kennzeichnet. 75  Vgl. auch Saliger, ZIS 2011, 902 (914), der bspw. im Umfeld der Schadenskompensation bei Krediten die Frage aufwirft, „weshalb die [scil. bloße] Verfügbarkeit über Geld als Grundlage des gesamten Kreditgeschäfts keinen Vermögensvorteil begründen soll“. 76  Hefendehl (in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnrn. 453 f. zu Persönlichkeitsrechten) fordert – freilich wiederum unter der Prämisse der rechtlichen Anerkennung – in Parallele zu den Exspektanzen eine explizite Konkretisierung der „Option“ in der Außenwelt, die es zum Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs macht. Diese Konkretisierung – als Einführung eines potenziellen Wertes in den Wirtschaftsver-

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D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

zisten zugeordnet ist.77 Das Gleiche gilt für die neuerdings ubiquitär nachgefragten sog. „Steuer-CDs“, für die ein Markt besteht, bei dem das wirtschaftliche Potenzial nicht auf der zivilrechtlichen Herrschaftsmacht aufbaut. Um rechtliche Herrschaftsmacht geht es bei der Frage des wirtschaftlichen Potenzials folglich nur in zweiter Reihe, weil die Nachfrage über die rechtlichen Grenzen hinausreichen kann. Aus diesem Grund ist es nicht überzeugend, dem Berufsgeheimnis78 oder der Insider-Information79 den wirtschaftlichen Wert abzusprechen, denn auch für diese wird sich in vielen Fällen ein Interessent und Käufer finden. Zustimmungsbedürftig ist daher nur die These, dass das Vermögen ein von der Rechtsordnung gedecktes Potenzial der Person umschreibt.80 Während Hefendehl dieses Potenzial in der freien Verfügung und der Möglichkeit zur Ausschaltung externer Störfaktoren nach Maßgabe des Zivilrechts loziert, ist aus einer grundlegenden Betrachtung der gesellschaftlichen Funktion des Vermögens der Schluss zu ziehen, dass es als von der Rechtsordnung geschütztes Potenzial zur gesellschaftlichen Partizipation kraft wirtschaftlicher Verwertung zu umschreiben und auf dieser Grundlage die Notwendigkeit des Gesamtvermögensschutzes zu begründen ist.81 Es stehen sich mithin unterschiedliche Blickwinkel gegenüber: Das Vermögen als zivilrechtlich fundierte Herrschaft nimmt die Beziehung des Vermögensträgers kehr verstanden – ist nach hiesigem Verständnis jedoch nur die Wertprobe, anhand derer geprüft werden kann, ob und in welcher Höhe der Gegenstand werthaltig ist, weil erst die Transaktion den Wert des (immateriellen) Gegenstandes aufzeigt. Mithin ist der Vermögenswert notwendigerweise schon zu einem früheren Zeitpunkt entstanden, andernfalls könnte er nicht transferiert werden. 77  Auf dieser Linie liegt die Erkenntnis, dass auch jene Aussichten einen wirtschaftlichen Wert haben können, die aus Straftaten hervorgehen, vgl. dazu zutreffend Schlösser, NStZ 2009, 663 (666); ders., HRRS 2009, 19 (27 f.); aus der frühen Rechtsprechung vgl. etwa BGHSt 2, 364 (366 f.); a. A. freilich die neuere Rechtsprechung bei einer „auf die Begehung von Straftaten aufgebaute[n] Aussicht auf Vertragserfüllung“, vgl. BGHSt 53, 199 (205). 78  So Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 456. Auch die Behauptung, dass derartige Geheimnisse nicht handelbar seien (Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 456; ebenso Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 144), erscheint aus der Luft gegriffen. Informationen – ob rechtmäßig erlangt oder nicht – sind rein wirtschaftlich betrachtet vorzügliche Wertträger. Daher ist erneut zu konstatieren, dass es vielmehr um die Frage der Schutzwürdigkeit des Werterhaltes in Bezug auf diesen Wertträger geht, als um die Frage, ob darin ein wirtschaftlicher Wert liegt. 79  Nach den Forschungen von Acharya und Johnson ist die Nutzung von InsiderInformationen insbesondere auf dem Markt der Credit-Default-Swaps (CDS) verbreitet, vgl. Acharya/Johnson, Journal of Financial Economics 84 (2007), 110 ff. 80  Hefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (303) hält das für eine „Plattitüde“. 81  Vgl. dazu oben B.



III. Stellungnahmen aus der Literatur169

zu den ihm zugeordneten Posten und die Herkunft des Potenzials in den Blick. Eine Vermögenskonzeption, die es als Mittel gesellschaftlicher Partizipation ansieht, konzentriert sich hingegen auf den Wertentäußerungsaspekt sowie die Nutzbarkeit des Potenzials und knüpft damit genau an der Stelle an, die den für zutreffend befundenen Schutzzweck des § 263 StGB berührt. Es geht nicht darum, einzelne Gegenstände vor irrtumsbedingter Hinausverfügung zu protegieren, sondern allein um den wertmäßigen Erhalt des Potenzials, das seinen Träger in die Lage gesellschaftlicher Teilhabe versetzt, indem er es verbrauchen oder dafür etwas erlangen kann, was er – nicht zwingend, aber möglicherweise – nicht selbst zu produzieren vermag. In welchen Gegenständen die Vermögenswerte gebunden sind, mag man letztlich mit den Kriterien der freien Verfügung und des Ausschlusses Dritter feststellen können. In dieser Hinsicht kann Hefendehl daher gefolgt werden. Modifikationen sind jedoch insoweit vonnöten, als jedes Potenzial zum Vermögen rechnen muss, das in rechtmäßiger Weise wirtschaftlich verwertet werden kann. Auch über das Nutzungsrecht hinaus können mit dieser Sichtweise weitgehend wirtschaftlich nutzbare Werte erfasst werden. c) Das Bilanzrecht unter dem Herrschaftsprinzip als Schadensrechner Hefendehl unternimmt es zunächst, mithilfe des Bilanzrechts den Vermögensbegriff zu konturieren.82 Darüber hinaus macht er aber auch Ausführungen zur Schadensberechnung, die im Rahmen dieser Untersuchung besonders interessieren. Hefendehl rückt zunächst die Fähigkeit der Bilanzen in den Vordergrund, unterschiedliche Sachverhalte in Geldwerten auszudrücken83. Das methodische Vorgehen stellt Hefendehl sich nunmehr so vor, dass zunächst über die (konkrete)84 Aktivierungsfähigkeit eines Postens die Vermögensrelevanz desselben in den Blick zu nehmen und sodann der Frage nachzugehen sei, inwieweit sich die Zusammensetzung der Aktivseite geändert habe.85 Mitunter sei auch mit der Passivseite zu saldieren.86 Ist der (saldierte) Vermögensbestand vor der Verfügung größer als nachher, so indiziere dieser Umstand den Vermögensschaden.87 auch Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 169. Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 169. 84  Das wird zwar nicht genau ausgeführt. Weil Hefendehl aber danach fragt, „was auf der Aktivseite in die Bilanz einzustellen ist“ (Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 170 – Hervorhebung nur hier), muss angenommen werden, dass Ansatzge- und -verbote ebenso berücksichtigt werden sollen. 85  Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 170. 86  Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 170. 87  Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 170. 82  Vgl.

83  Hefendehl,

170

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

d) Die Untauglichkeit der Aktivseite als Schadensindikator Das Augenmerk liegt bei Hefendehl auf der Exspektanz als Vermögensgegenstand, sodass man seiner Vorgehensweise allgemeine Aussagen über die Schadensberechnung nicht ungeprüft entnehmen darf. Indikator des Schadens ist in seiner Schrift letztlich eine Art „Aktivtausch“,88 indem die Aktiva daraufhin abgeschritten werden, ob sich an ihrer Zusammensetzung nach der Verfügung etwas geändert hat.89 Bereits an dieser Stelle kann vorweggenommen werden, dass diese Methode für andere Konstellationen keinen Ariadnefaden bereithält. So erscheint es erstens wenig überzeugend, allein die Aktiva in den Blick zu nehmen, ohne das Indikationspotenzial der Passiva, insbesondere des Eigenkapitals, zu nutzen und mit ihrer Hilfe den Fokus auf die Gesamtvermögenswertminderung zu legen.90 Ferner ist zu beachten, dass die Bilanzgliederung unter Umständen den Passivausweis im Fremdkapital verlangt, obschon es sich bei dem erhaltenen Gegenstand nach strafrechtlicher Vorstellung um einen Vermögensgegenstand handeln müsste (vgl. etwa zu erhaltenen Anzahlungen § 266 Abs. 3 lit. C Nr. 3 HGB).91 Zweitens wird man in den Fallkonstellationen des schädigenden Vertragsschlusses ohne Modifikationen mit der Aktivseite nicht weit kommen, weil rein schwebende Geschäfte nach handelsrechtlichen Kriterien grundsätzlich keinen Eingang in die Bilanz erhalten (vgl. arg. e § 249 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB). Im Rahmen der Schadensberechnung sind folglich andere Wege zu beschreiten.92 e) Der für die Bilanzierung maßgebliche Blickwinkel Die Frage, auf wessen Kenntnisstand es bei der Bilanzierung ankomme, beantwortet Hefendehl wie folgt: Zwar soll in der Grundlinie ein objektiver Maßstab Platz greifen, doch rekurriert er bei begünstigenden Herrschaftsrechten wie etwa dem Anfechtungsrecht oder auf der Ebene der Durchsetzbarkeit einer Forderung auf subjektive Parameter.93 In der Auseinandersetzung mit einer Schrift Cramers94 argumentiert Hefendehl, die täuschungsbedingte Unkenntnis von Anfechtungs- oder Durchsetzungsrechten könne durchaus zu einer konkreten Schädigung führen, was mit dem Erfordernis 88  Vgl.

dazu unten E.VI.1.b). Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 170. 90  Vgl. dazu ausführlich unten E.VI.1. 91  Dazu noch ausführlich unten E.VI.1.c). 92  Dazu noch ausführlich unten E.VI.1. 93  Vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 172. 94  Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 148. 89  Hefendehl,



III. Stellungnahmen aus der Literatur171

einer Gesamtvermögenswertminderung95 aber dann nicht überzeugt, wenn man – wie hier – Anfechtungs- und sonstige Gestaltungsrechte nicht in den wechselbezüglichen Zusammenhang von Verfügung und Schaden einstellt, weil sie nur „Beiwerk“, nicht hingegen wirtschaftliches Verfügungsziel sind.96 Allenfalls resultiert in diesem Fällen der Vermögensschaden aus einem Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung, nicht hingegen aus der Unkenntnis des diesbezüglichen Anfechtungsrechts, denn damit legte man diesem indirekt einen (aufgrund Unkenntnis verminderten) Wertanteil bei, den es nach h. M. aber nicht haben soll.97 So ist dem Argument Cramers der Vorzug zu geben, wonach die Berücksichtigung einer subjektiven Kenntnis vom Anfechtungs- oder Durchsetzungsrecht grundsätzlich dazu führt, den Irrtum in die Schadensberechnung zu integrieren,98 und man kann es zudem um die Erkenntnis anreichern, dass Anfechtungs- und Durchsetzungsrechte keine in der Schadensrechnung zu berücksichtigende Kompensationen darstellen, weil sie zwar eo ipso mit der Verfügung entstehen, jedoch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mit der Verfügung dergestalt wechselwirken, dass sie die Kehrseite des intendierten Werttransfers bildeten. Auch die betrugsdogmatische Historie vermag einen Beitrag zu der hiesigen Position zu leisten: Als wenig überzeugend herausgestellt99 hat sich die Vermengung von Tatbestandselementen sub specie § 263 StGB bereits im Zuge der Auseinandersetzung100 mit der Rezeption, welche die Lehre Schröders von der Täuschung durch wahre Tatsachenbehauptungen101 in der Rechtsprechung102 erfahren hat. Aus dieser Diskussion kann man die Erkenntnis beibehalten, dass objektive und subjektive Umstände soweit als 95  Auf dieses weisen auch Wessing/Brennecke, NZG 2011, 932 (933) für die Begründung objektiver Sichtweisen hin; krit. auch Becker, JR 2012, 82 (84). 96  Vgl. hierzu die Überlegungen zum Unmittelbarkeitserfordernis oben C.IV.2. 97  Vgl. dazu Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 518 m. zahlr. Nachweisen. 98  Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 148. 99  Tatsächlich liegt in diesen Fällen eine Erklärung vor, die insgesamt ein falsches Tatsachenbild des Getäuschten erweckt, vgl. Kindhäuser, in: NK – StGB, § 263, Rdnr. 104. Dass eine Täuschung im Ergebnis vorliegt, entspricht freilich auch der h. M., vgl. etwa Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rdnr.  12 m. w. N. 100  Dabei geht es um die Frage, ob wahre Tatsachenbehauptungen das Täuschungsmerkmal deswegen erfüllen könnten, weil ein konkludentes Tun die wahren Tatsachenbehauptungen begleitet, das einen suggestiven Erklärungswert mitführt, etwa bei rechnungsähnlichen Angebotsschreiben, vgl. dazu nur Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 13 ff. 101  Schröder, in: Festschr. f. Peters, 1974, S. 153 ff. 102  Sie geht davon aus, dass bei wahren Tatsachenbehauptungen der Wille zur Täuschung dazu führe, trotz der objektiv zutreffenden Mitteilung eine Täuschung anzunehmen, vgl. etwa BGHSt 47, 1 (2 et passim); BGH, NStZ-RR 2004, 110 f. Damit hält der Vorsatz Einzug in den objektiven Tatbestand.

172

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

möglich im Rahmen der Schadensrechnung auseinander gehalten werden sollten, damit die Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts und -umfangs gewährleistet wird. Festzuhalten bleibt, dass es bei der Schadensfeststellung im Wege der Bilanzierung entgegen der Auffassung Hefendehls und den allgemeinen Regeln entsprechend für die Bemessung des Schadens nicht auf die subjektive Kenntnis des präsumtiv Geschädigten ankommt, sondern allein auf die objektive Sachlage. 3. Der Rekurs auf den Überschuldungsstatus In wesentlich höherem Maße als die Handelsbilanz entspreche allerdings der Überschuldungsstatus den strafrechtlichen Anforderungen an eine Schadensberechnung, resümiert Hefendehl103 schließlich und führt zum Beleg den Umstand an, wonach diese Sonderbilanz auf Posten gestellt sei, die gegenwärtige Vermögenslage auszuweisen.104 Der große Vorteil liege darin, dass eine Bewertung nach dem Grundsatz der Vorsicht nicht erfolge, weil alle Chancen und Risiken in gleichem Maße einzustellen seien.105 Anzusetzen sei dabei ein geschätzter Veräußerungspreis in Gestalt der Zeitwerte.106 Die Anknüpfung an die Überschuldungsbilanz hat im Schrifttum Zuspruch107 gefunden und scheint in der Tat die angesprochenen Nachteile der Handelsbilanz insoweit abzufedern, als nur realisierbare Werte eingesetzt werden.108 Diese Argumentation zum Überschuldungsstatus überzeugt jedoch aus zwei Gründen nicht auf Anhieb: Zum einen geht Hefendehl davon aus, dass die vorsichtige Bewertung nach dem Handelsrecht nicht den strafrechtlichen Anforderungen an den Schadensmaßstab entspreche.109 Der detaillierte Nachweis für die These, dass „wirtschaftlich“ nicht „bilanziell vorsichtig“ bedeutet, steht jedoch noch aus.110 Mithin bleibt die Frage offen, ob der Überschuldungsstatus im Sinne der obigen Grundlegungen „spezifischer“ ist als die Handelsbilanz. Zum anderen knüpft der Überschuldungsstatus nicht an den Bilanzansatz nach dem HGB, sondern bildet allein die Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 186. Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 182; ders., in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (303). 105  Vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 185 f. 106  Vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 186. 107  Pro toto: Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 507 (513). 108  Zur Bewertung im Rahmen der Überschuldungsbilanz vgl. Pape/Uhlenbruck/ Voigt-Salus, in: dies., Insolvenzrecht, Kapitel 17, Rdnrn. 37 ff. 109  Anders wohl Hefendehl, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 295 (302). 110  Krit. zum Überschuldungsstatus auch Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 172; Rönnau, StV 2011, 753 (760), der darauf verweist, dass die Werte der Überschuldungsbilanz auch keinen Wahrheitsanspruch erfüllen. 103  Vgl. 104  Vgl.



III. Stellungnahmen aus der Literatur173

in der Insolvenz zu der verwertbaren Masse rechnenden Gegenstände ab;111 er bedient sich daher der Insolvenzmasse nach § 35 InsO.112 Mit dieser Weichenstellung werden etwa höchstpersönliche Ansprüche exkludiert,113 ebenso regelmäßig weitere unpfändbare Gegenstände, wie etwa der gewöhnliche Hausrat (§ 36 Abs. 3 InsO). Ferner sollen Bürgschaften, dingliche Sicherheiten und andere akzessorische Sicherungsmittel nicht einbezogen werden.114 In der selektiven Zuordnung verwertbarer Massegegenstände offenbart sich der Überschuldungsstatus als Sonderbilanz, die vor ihrem strafrechtlichen Einsatz zunächst ebenso modifiziert werden müsste, wie dies von Seiten der Kritiker einer bilanziellen Sichtweise für das HGB vorgetragen wird.115 Folglich erweist sich die Überschuldungsbilanz als unzureichend sensitiv. Ob sie mit dem Postulat „wahrer Werte“ tatsächlich gehört werden muss, vermag nur der weitere Gang der Betrachtung zu offenbaren. 4. Anwendung des Teilwerts zur Ermittlung des Vermögensschadens Aus dem Jahr 2001 liegt zudem eine das hiesige Thema berührende Schrift von Thiele116 vor. Darin unterbreitet er den Vorschlag, anstatt eines Marktpreises den steuerbilanziellen Teilwert (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG117) für die Schadensberechnung fruchtbar zu machen.118 Thiele stellt sich die Berechnung dergestalt vor, dass man danach frage, was ein fiktiver Erwerber des Gesamtvermögens für den entsprechenden Vermögensbestandteil anteilig am Gesamtkaufpreis aufzuwenden bereit wäre.119 Der anzusetzende Wert bemesse sich danach, ob der entsprechende Vermögensbestandteil von diesem Erwerber als notwendig oder als entbehrlich ange111  Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rdnr. 50; OLG Hamburg, GmbHR 2011, 371 (372). 112  Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rdnr. 50; Schmidt-Stern, Beck’sches Hdb. d. AG, § 17, Rdnr. 31; Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel N, Rdnr. 830; vgl. zu den Ein­zel­positionen auch Radtke/Petermann, in: MünchKomm – StGB, Vor §§ 283 ff., Rdnrn. 70 ff. 113  Vgl. BGH, NZI 2008, 244 (245) zu einem Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zu einem Rechtsanwaltsversorgungswerk. 114  Vgl. Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rdnr.  50. 115  Dazu unten D.III.5.a). 116  Thiele, Die Anwendung steuer- und bilanzrechtlicher Bewertungsmaßstäbe zur Ermittlung des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2001. 117  Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 10 S. 2 BewG. 118  Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 77 ff., insb. S. 102. Auch bei Joecks, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 355 (367 et passim) stößt der Teilwert auf Interesse. 119  Vgl. Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 106 et passim.

174

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

sehen werde.120 Ersteres setze den Wiederbeschaffungswert voraus, letzteres den Einzelveräußerungswert.121 Die Anknüpfung an das Steuerrecht erscheint auf den ersten Blick reizvoll: Wenn man das Vermögen als gesellschaftliches Partizipationspotenzial begreift, wäre es vor diesem Hintergrund durchaus vorstellbar, zu seiner Berechnung jene Regeln heranzuziehen, mit denen der Gesetzgeber den öffentlichen Freiheitsraum der Finanzierung zuführt. Indes, die Attraktivität der Idee erstreckt sich nicht auf ihr Ergebnis: Die Einwände gegen den Teilwert hat Hefendehl122 im Wesentlichen bereits vorgetragen. Sie fußen zunächst auf dem sog. Repartierungsproblem,123 womit bekanntlich der Umstand bezeichnet wird, dass man das Verhältnis von Einzel- zu Gesamtwert bei der Teilwertberechnung nicht immer trennscharf wird herausbilden können.124 Dies erkennt Thiele freilich auch125 und deshalb schlägt er vor, allein die Einzelanschaffungskosten zu berücksichtigen und diese gegebenenfalls in Bezug auf einen möglichen Gesamtkaufpreis zu korrigieren.126 Daraus ergibt sich eine Spannbreite von Einzelveräußerungs- zu Wiederbeschaffungspreis, wobei sich der konkrete Wert letztlich danach richtet, ob der betreffende Gegenstand betriebsnotwendig ist oder nicht.127 Thiele mutet dem Normadressaten mit diesen Vorgaben einiges zu, denn dieser soll ohne Weiteres in der Lage sein, die Betriebsnotwendigkeit des Gegenstandes und den von einem fiktiven Käufer zu zahlenden Gesamtpreis128 einzuschätzen; wollte man einem derartigen Wertansatz nicht schon mit Art. 103 Abs. 2 GG die Berechtigung absprechen, so ist eine solche Anforderung zu unterstellen. Über die Hürde des Bestimmtheitsgrundsatzes vermag auch der Hinweis nicht hinwegzuhelfen, der Teilwert stelle jedenfalls einen objektiven, von der Sicht des Steuerpflichtigen unabhängigen Maßstab 120  Thiele,

Bewertungsmaßstäbe, S. 110. Bewertungsmaßstäbe, S. 110. 122  Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 181 f.; vgl. aber auch ders., in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 626 ff., wo Teilwertabschreibungen in Betracht gezogen werden. Samson, JA 1989, 510 (511) stellt den Teilwert sogar in eine Linie mit der personalen Vermögenslehre. 123  Vgl. dazu Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 182. 124  Vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 182. 125  Vgl. Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 95. 126  Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 96. 127  Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 98. Letztlich kommt auch dieser Ansatz nicht um das Repartierungsproblem herum, denn an anderer Stelle weist Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 102 explizit auf die Bedeutung der Zugehörigkeit des Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen im Rahmen der Bewertung hin. 128  Dieser wird nach dem Ansatz Thieles ja immer noch als Korrekturposten benötigt; vgl. auch zu den Prognoseunsicherheiten beim Unternehmenskauf Joecks, wistra 2010, 179 (180). 121  Thiele,



III. Stellungnahmen aus der Literatur175

zur Verfügung.129 Denn mit dieser Überlegung wird der Kern des Berechnungsproblems nicht erfasst: Eine Berechnungsmethode, die den Schaden nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu ermitteln sucht, ist darum bemüht, alle Wertungsmöglichkeiten so weit wie möglich zu beseitigen. Es geht nicht nur darum, eine Abstraktion von der Opfersicht zu leisten, sondern letztlich dem Grundsatz der Gewaltenteilung die notwendige Aufmerksamkeit zu verschaffen, indem man richterliche Einschätzungsprärogativen à la Vermögensgefährdung durch klare Vorgaben ablöst. Schließlich: Die Anwendung des Teilwerts im Bereich Privater ist nach Thiele der Prämisse unterworfen, wonach das Vermögen seinem Inhaber „lediglich eine angemessene Lebensführung ermöglichen“130 solle, weshalb auch die Bewertung daran ausgerichtet sei, ob „das Vorhandensein eines solchen Gegenstandes üblicherweise als notwendig für eine angemessene Lebensführung des Vermögensinhabers angesehen wird“.131 Dies zu bejahen, bedeutet den Wiederanschaffungswert einzusetzen, der regelmäßig höher liegen wird, als der Einzelveräußerungspreis.132 Eine derartige Vorbedingung ist in einer der Eigenverantwortlichkeit verpflichteten Rechtsordnung entschieden zurückzuweisen, denn sie ignoriert die Tatsachen, dass zum einen jeder Person die freie Entscheidung über die ihr Vermögen betreffenden Notwendigkeiten zusteht und zum anderen der Markt sich auch von generalisierten Angemessenheiten regelmäßig unbeeindruckt zeigt. Deshalb darf auch die Wertfrage nicht davon abhängen; der Umfang des Vermögensschutzes steht nicht unter der Voraussetzung, was man allgemein und üblicherweise als notwendig ansieht. Thiele unterbreitet ebenfalls einen Vorschlag zur bilanziellen Schadensberechnung. Er gelangt aufgrund eines Vergleichs133 zwischen Schadensberechnung und Gewinnermittlung im Bilanzrecht zu dem Ergebnis, dass der Vermögensschaden durchaus in der Kategorie des Bilanzverlustes ausgedrückt werden könne.134 Hier gilt im Wesentlichen das schon oben zur Aktivseite Ausgeführte: Der Bilanzverlust ist lediglich eine kumulierte Größe und ergibt sich aus einer Minderung des Eigenkapitals. Dieses umfasst jedoch – wie gesehen –135 nicht zwingend den gesamten Vermögensbestand des potenziell Geschädigten. Folglich vermag der Blick auf den Bilanzverlust nicht zu überzeugen. Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 101. Bewertungsmaßstäbe, S. 107. 131  Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 107, vgl. auch dort S. 117. 132  Vgl. dazu Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 97. 133  Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 86 meint, es genüge eine „gewisse Vergleichbarkeit zwischen diesen Materien [scil. zwischen Bilanz- und Vermögensstrafrecht]“; vgl. aber auch zum Teilwert Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 101. 134  Thiele, Bewertungsmaßstäbe, S. 87. 135  Vgl. oben D.III.2.d). 129  So

130  Thiele,

176

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

5. Weitere Stellungnahmen nach BVerfGE 126, 170 Im Kontrast zu den akribischen Ausarbeitungen Hefendehls mündet die aktuelle Auseinandersetzung mit Bilanz und Vermögensstrafrecht aufgrund der Weite des Themas freilich in ein Tontaubenschießen: Jeder Kommentar nimmt einen anderen Aspekt des Bilanzrechts in den Blick und deshalb erweist sich auch die Systematisierung der aktuellen Diskussion als nur begrenzt möglich. Anstatt die verfassungsgerichtlichen Wegmarken konstruktiv auszufüllen, verständigen sich die Kritiker der bilanziellen Schadensberechnung in der Grundlinie jedenfalls darauf, den Bilanzansatz auf den Tarpejischen Fels zu führen und als unvollständig oder nicht zielführend abzutun. Die ablehnende Haltung, die sich bereits angesichts des Bezifferungsgebotes durch Teile der Literatur zieht, setzt sich wenigstens in manchen der jüngeren Stellungnahmen zur Berechnungsfrage fort. Sie mischt sich mit an bilanzielle Richtlinien knüpfenden Vorschlägen zur Schadensberechnung oder zum Feststellungsumfang, sodass dieser Abschnitt der richtige Ort für deren Betrachtung ist, obschon den Vorschlägen auch strafrechtliche Fragen zugrunde liegen. a) Unwägbarkeit bilanzieller Bewertungsergebnisse und Schadensschätzung Ungeachtet der zahlreichen Einzelvorschläge haben die ablehnenden Stellungnahmen aus der Literatur zur jüngsten Rechtsprechung des BVerfG eines gemeinsam: Einig ist man sich in weiten Teilen darin, dass die Bewertung von Risiken und Forderungswerten nach bilanziellen Maßstäben letztlich auf Mutmaßungen und Schätzungen basiere oder für gewisse Gegenstände schlechthin untauglich sei136 und daher für die strafrechtliche Schadensberechnung nicht geeignet erscheine.137 Erstaunlicherweise wird 136  Fischer, StraFo 2010, 329 (334 f.); ferner Saliger, ZIS 2011, 902 (907), dessen Überlegung, wonach der bilanzielle Ansatz auch zeigen müsse, wie er den Schaden etwa in den Fallgruppen der „unordentlichen Buchführung, der falschen Behandlung von Mandantengeldern oder der Auslösung von Schadensersatzansprüchen und Sanktionen“ berechne, jedenfalls insoweit nicht überzeugt, als die Frage, ob überhaupt ein Schaden vorliegt, von ihm nicht ausdrücklich zur Disposition gestellt wird. Wenn man – wie hier – die Zulässigkeit normativer Schadensbegründung verneint, dann folgt aus der Unmöglichkeit der Schadensberechnung letztlich der Freispruch vom Vorwurf der vollendeten Tatbegehung. Es kann also in der Auseinandersetzung mit der Bilanz niemals darum gehen, ob sie einen ebenso großen Umfang an Strafbarkeiten hervorzubringen vermag wie die normativen Ansätze. 137  So etwa Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 109; Fischer, StGB, § 263, Rdnr. 162; ders., StraFo 2010, 329 (334); Nack, StraFo 2008, 277 (280); Kuhlen, JR 2011, 246 (253); Becker, HRRS 2010, 383 (390); ders., JR 2012,



III. Stellungnahmen aus der Literatur177

der Blickwinkel auf den bilanziellen Approximationismus kaum hinterfragt,138 geschweige denn aufgezeigt, dass auch das Bilanzrecht an zahlreichen Stellen jedenfalls solche Werte fordert, die dem Berechnungsziel auf marktwirtschaftliche Preise nahezukommen scheinen („beizulegender Wert“, „beizulegender Zeitwert“, vgl. nur § 253 HGB). Manche Äußerungen139 verweisen auf die Möglichkeit der Schätzung, sofern jedenfalls ein Mindestschuldumfang festgestellt und ein darüber hinausgehender Schadensanteil zwar vermutet, aber nicht beziffert werden könne.140 Aber dies ist nicht durchweg überzeugend141. Erst wenn der Tatrichter die Bezifferung eines Mindestschadens zu leisten vermag, hat er die nach § 261 StPO erforderliche Überzeugung142 gewonnen, ansonsten muss er „konkrete Zweifel“143 anmelden, denn richtigerweise darf von dem Bezifferungserfordernis auf der Ebene des Tatbestandes keine Ausnahme und im Bereich der Strafzumessung lediglich die Ergänzung um statistische Ermittlungsverfahren zugelassen werden.144 Ferner müsste sich der Tatrichter bei teilweiser 82 (84); Rübenstahl, NJW 2009, 2392 (2393); Kempf, in: Festschr. f. Volk, 2009, S. 231 (240); Saliger, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 455 (474). Krit. schon vor Juni 2010 Wolf, StuB 2003, 775 (780); Wahl, Die Schadensbestimmung beim Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 86 ff.; Klein, Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 79 f., die sich jedoch in ihrer Kritik nicht näher mit bilanzrechtlichen Instituten auseinandersetzt. In Bezug auf BGHSt 51, 100 geht Fischer, StraFo 2008, 269 (275) von der Loslösung einer „engen Anbindung des strafrechtlichen Schadensbegriffs an zivilrechtliche oder gar bilanztechnische Kategorien“ aus. 138  Anders dagegen Steinberg/Dinter, JR 2011, 224 (227), die eine Orientierung an bilanzrechtlichen Maßstäben bevorzugen und den Gewinn an Bewertungstransparenz und -plausibilität hervorheben; offen gegenüber bilanziellen Sichtweisen ebenfalls Rönnau, StV 2011, 753 (760); Radtke, GmbHR 2010, 1121 (1127); Thielmann/ Groß-Bölting/Strauß, HRRS 2010, 38 (47); Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 507 (513); Hauck, ZIS 2011, 919 (928 ff.); Bittmann, NStZ 2011, 361 (368); ders., NStZ 2012, 57 (62 f.); ders., ZWH 2012, 446 (448); deutlich zurückhaltender aber ders., wistra 2013, 1 (5); ferner Krause, wistra 2012, 331 (332); Böse, JURA 2011, 617 (623); wohl auch Beckemper, ZJS 2011, 88 (92); Wohlers, ZStW 123 (2011), 791 (811); differenzierend Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, einerseits Rdnr. 168 (Vermögensbegriff), andererseits Rdnrn. 172 und 174 (zur Bewertung). 139  Vgl. etwa Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 172a; Saliger, NJW 2010, 3195 (3197). 140  Zusammenfassend Wessing/Brennecke, NZG 2011, 932 (933). 141  Ausführlich dazu oben C.III.3. 142  Zum Umfang der richterlichen Überzeugung vgl. grundlegend Frister, in: Festschr. f. Grünwald, 1999, S. 169 (183 ff.). 143  Vgl. dazu wiederum ausführlich Frister, in: Festschr.  f. Grünwald, 1999, S. 169 (184). 144  Daher trägt auch der – auf BGHSt 52, 323 (336) gemünzte – Einwand von Saliger, ZIS 2011, 902 (907) nicht, wonach man die Vermögensgefahr in Umgehung der Bezifferung freiheraus als „Endschaden“ deklarieren könne; wie hier wohl auch

178

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

Schätzung ohne Rückbindung an die bereits aufgezeigten Grundsätze145 vorwerfen lassen, er lege seiner Überzeugung unterschiedliche Maßstäbe zugrunde – je nachdem, welcher Feststellungsgrad verfügbar sei. b) Das Kriterium der Evidenz Die Stellungnahmen Beckers,146 mit denen er ein Evidenzkriterium zu etablieren sucht, fußen auf zahlreichen Kritikpunkten,147 die jeglicher bilanziellen Betrachtung letztlich die Tauglichkeit sub specie Schadensberechnung absprechen. Sie umfassen sowohl Einwände gegen die Bilanz als auch Fragen des Bezifferungsgebotes, weshalb an dieser Stelle beide Aspekte zur Sprache kommen und der Kritik zugeführt werden. Zunächst unterstellt Becker dem BVerfG, dass es sich in der Frage der Forderungsbewertung auf eine Figur der Investitionsrechnung konzentriere, weil es die sog. Barwertmethode präferiere.148 Liest man den entsprechenden Absatz der Urteilsbegründung149 im Kontext, dann erscheint diese Behauptung zwar auf den ersten Blick plausibel, weil das Gericht in der Tat den Begriff des Barwertes verwendet,150 doch bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass es nicht in erster Linie darum geht, allein einer gewissen Methode das Wort zu reden. Vielmehr zeigt der Senat lediglich die Diskrepanz zwischen dem wirtschaftlichen Umgang mit Forderungen, deren Bewertung und Wertberichtigung im „kaufmännischen Alltag“151 eine Erforderlichkeit darstellen, und der strafgerichtlichen Handhabung auf, die gerade davon absehe, die Schlösser, NStZ 2012, 473 (477), der eine „Aufweichung der Bezifferungs- und Darlegungsanforderungen“ nicht für zulässig hält; anders wohl Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 507 (513), die eine Schätzung jedenfalls dort für zulässig erachten, „wo Unsicherheiten und Spielräume nach einer wirtschaftlichen Berechnung des Schadens verbleiben“. 145  Vgl. oben C.III.3. 146  Becker, HRRS 2009, 334 ff.; ders., HRRS 2010, 383 ff.; ders., JR 2012, 82 ff. 147  Man wird bemerken dürfen, dass insbesondere die Zusammenstellung einiger Zitate zur Ungenauigkeit der Bilanz, die sich zwischen „Dichtung und Wahrheit“ bewege (vgl. dazu Becker, HRRS 2010, 383 [391]), wenig nutzbringend erscheint, sondern die eigentliche Problematik einer genauen Betrachtung bilanzieller Möglichkeiten und Grenzen nur verschleiert. So hatte ders., HRRS 2009, 334 (337) bereits selbst vor übereilter Pauschalkritik gewarnt. 148  Becker, HRRS 2010, 383 (391). Zutreffend ist jedoch der Hinweis darauf, dass die Methode der Schadensberechnung nicht zur Disposition gestellt werden dürfe, indem man etwa die dem Täter günstigste Berechnungsformel verwende, vgl. Becker, JR 2012, 82 (84). Anders BGH, wistra 2003, 457 (459) und Wattenberg/ Gehrmann, ZBB 2010, 507 (513). 149  Hier wird BVerfGE 126, 170 (226 f.) in Bezug genommen. 150  Vgl. BVerfGE 126, 170 (226). 151  BVerfGE 126, 170 (226).



III. Stellungnahmen aus der Literatur179

genaue Schadenshöhe nach anerkannten Bewertungsmaßstäben festzustellen.152 Der Senat führt die Barwertmethode folglich an, um zu erläutern, dass dieser kaufmännische Alltag mitunter auch „komplexe wirtschaftlich Analysen“ erfordere.153 Hier fallen also primär wirtschaftliche Realität und bisherige Strafrechtsprechung auseinander. Nicht zu überzeugen vermögen jedenfalls die Ausführungen, mit denen Becker seine Auffassung zu begründen sucht, wonach die exakte Bezifferung des Schadens deswegen unterbleiben dürfe, weil „die strafrechtliche Erfassung dieses Regelungsbereiches [scil.: des Vermögens] […] nicht zu Ergebnissen führen [kann], deren Konkretisierungsgrad denjenigen des Regelungsbereiches selbst übersteigt“.154 Etwas schlanker formuliert soll die genaue Schadensberechnung also deswegen unterbleiben dürfen, weil das Vermögen selbst zu wenig konturiert sei, als dass man seinen Bestand immer genau berechnen müsse. Zum einen kollidiert dieser Vorschlag mit dem 152  BVerfGE 126, 170, (226 f.). Es nimmt wenig Wunder, wenn Becker, HRRS 2010, 383 (391) zwar die Behauptung aufstellt, wonach im kaufmännischen Alltag „Barwertberechnungen im Übrigen auch kaum eine Rolle“ spielten, dann aber darauf hinweist, dass im Tagesgeschäft die pauschale Einzelwertberichtigung dominiere. Denn auch die „klassenweise Wertberichtigung“ (Becker, HRRS 2010, 383, [392]) mündet jedenfalls in der Angabe eines konkreten Wertes. Den Beleg dafür, dass diese pauschale Einzelwertberichtigung keinen Vermögenswert widerspiegle, bleibt Becker schuldig, sodass man wieder am Ausgangspunkt aller Überlegungen steht. 153  Vgl. BVerfGE 126, 170 (226). 154  Becker, HRRS 2010, 383 (392). Treffend erscheint zunächst der Hinweis auf die bekannte Stelle der Nikomachischen Ethik des Aristoteles (vgl. Becker, HRRS 2010, 383 [392]), wonach der „gegebene Stoff“ die zu fordernde Genauigkeit aller Erkenntnis bedinge. Doch ist es zugleich angezeigt, den Kontext zu berücksichtigen: „Doch wollen wir uns auch der früher ausgesprochenen Warnung erinnern und Genauigkeit nicht in gleicher Weise bei allen Gegenständen erstreben, sondern in jedem Fall nur so, wie der gegebene Stoff es gestattet und bis an die Grenze hin, die dem Gang der wissenschaftlichen Untersuchung gemäß ist“ (Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, Rdnr. 1098a, Ziffer 7, hier zitiert nach Waldstein, in: Gedächtnisschrift f. Messner, 1984, S. 101 [107] – Hervorhebung nur hier). Es geht dabei also auch um die grundlegende Frage, in welchem Maße Rationalität durch Verobjektivierung gewonnen werden kann (vgl. Waldstein, in: Gedächtnisschrift f. Messner, 1984, S. 101 [107]), nicht allein darum, ob die Unschärfe des Gegenstandes in jeder Wissenschaft das Resultat seiner Betrachtung ebenso konturiert. „Es ist ein Unterschied zwischen einer verwackelten oder unscharf eingestellten Photographie und einer Aufnahme von Wolken und Nebelschwaden“, Schrödinger, Die Naturwissenschaften 1935, 807 (812). So ist in der philosophischen Auseinandersetzung mit der Quantenphysik ebenso das Problem bekannt, dass „das Resultat der Messung nicht mehr nur von den intrinsischen Eigenschaften des beobachteten mikrophysikalischen Objekts abhängt, sondern vom Komplex Messapparat/beobachtetes System, ohne daß man jedem den Anteil zuweisen kann, der ihm an sich eigen ist“, Seidengart, in: Sandkühler, Enzyklopädie, Band I, Stichwort „Determinismus/Indeterminismus“ (= S. 237).

180

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

hier vertretenen Erfordernis der sicheren Prämisse155 und vernachlässigt darüber hinaus den etwa Immanuel Kant einsichtigen Umstand, dass man den Erkenntnisgegenstand als „synthetisches Prinzip“ womöglich nicht wahrnehmen, hingegen seine Akzidenzen begutachten könne.156 Zum anderen führte dieser Ansatz freilich zu ungereimten Ergebnissen, wendete man ihn auf andere Erfolgsdelikte wie etwa die Tatbestände der §§ 240 und 223 StGB an: Weil man nicht genau sagen könne, was die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung157 bedeute, müsse man deren Beeinträchtigung im Einzelfall nicht genau feststellen; oder: weil man sich heutzutage durch die Begrenzung auf den Stand der medizinischen Wissenschaft nur ein unvollkommenes Bild von möglichen Gesundheitsschädigungen machen könne, reiche es aus, den Eintritt des Körperverletzungserfolges nicht genau zu prüfen;158 ein exaktes Ergebnis verbiete bereits die mangelnde Kontur des geschützten Rechtsguts – eine eher fernliegende Vorstellung angesichts des Umstandes, dass im Zweifel der in dubio – Grundsatz weiterhilft. Auch der Vorschlag, das Vermögen einzig als „komparativen Begriff“159 zu fassen, trägt eine Abwendung vom Bezifferungsgebot letztlich nicht. Denn obschon zwei Vermögensmassen dem Vergleich „im Sinne eines ‚gleichviel‘ bzw. ‚weniger wert‘ zugänglich sind“,160 kann das Vergleichs­ ergebnis erst dann ermessen werden, wenn man dies auch anhand von Zahlen zu belegen vermag. In der Güte des Vermögens vereinigen sich Quantität und Qualität notwendigerweise, sodass eine Wertangabe unerlässlich erscheint; alles andere reiht sich in den Bereich der Spekulation. Anstatt die Bilanzen in Dienst zu nehmen, schlägt Becker ein Evidenzkriterium vor.161 Danach soll der Vermögensschaden nur dann anzunehmen 155  Vgl.

dazu oben C.III.2.h). hierzu ausführlich oben C.III.2. 157  Vgl. dazu Rengier, Strafrecht BT 2, § 23, Rdnr. 1. 158  An anderer Stelle versucht Becker (vgl. ders., JR 2012, 82 [85]) diesem Einwand dadurch zu entgehen, dass er die Behauptung aufstellt, „… wohl niemand [komme] auf die Idee, bei Körperverletzungen eine Bezifferung des vom Täter verursachten Schmerzes zu verlangen“. Indes wusste schon Binding (Lehrbuch, S. 43), dass der Schmerz keine notwendige Bedingung der Körperverletzung ist, und auch heutzutage hat sich daran nichts geändert (vgl. nur BGH, NJW 1995, 2643 – insoweit in BGHSt 41, 182 nicht abgedruckt), sodass man diesen Ausführungen einen eher rhetorischen Charakter beimessen muss. 159  Becker, JR 2012, 82 (85). 160  So der Vorschlag bei Becker, JR 2012, 82 (85). 161  Vgl. Becker, HRRS 2009, 334 (339 f.); ders., HRRS 2010, 383 (392); zustimmend Wohlers, ZStW 123 (2011), 791 (811 f.): „evident vorhanden[er – Anm. T. W.] Abschreibungs- und Wertberichtigungsbedarf als Schaden“; wohl auch Steinberg/ Dinter, JR 2011, 220 (227), die das Evidenz-Kriterium als Korrektiv bilanzieller Unwägbarkeiten verstehen. 156  Vgl.



III. Stellungnahmen aus der Literatur181

sein, wenn „die aktuelle Minderung des Opfervermögens bei einem mög­ lichen Gefährdungsschaden aufgrund konkreter Tatsachen eindeutig [fest­ steht]“.162 Diesem Ansatz ist zu konzedieren, dass er geeignet ist, in jenen Bereichen, die bislang von Unwägbarkeiten geprägt waren, den Schaden zu verneinen und insoweit Rechtsklarheit zu bewirken, obschon man insoweit freilich das gleiche Ergebnis unter konsequenter Anwendung des in dubioGrundsatzes erzielt hätte. Indes überzeugt das Kriterium aus anderen Gründen bereits im Ansatz nicht, denn es versteckt alle Bewertungsschwierigkeiten letztlich hinter der Frage, ob der Schaden aus Sicht des Richters „auf der Hand“ liegt,163 und von diesem Blickwinkel wollte das BVerfG eindeutig Abstand nehmen.164 Es mangelt dem Kriterium der Evidenz folglich an der tragfähigen Grundlage.165 c) Das Kriterium der Spürbarkeit Gaede hat einen konstruktiven Vorschlag vorgelegt, der sich insbesondere der mangelnden Konturierung des Gefährdungsschadens in Wechselwirkung mit bilanziellen Vorgehensweisen zuwendet. Obgleich dieser Vorschlag auch die Grundlagen der Schadensberechnung betrifft, soll er wegen der engen Verzahnung mit bilanziellen Fragen ebenfalls an dieser Stelle im Zusam162  Becker,

HRRS 2009, 334 (339); vgl. auch ders., HRRS 2010, 383 (392). etwa Becker, JR 2012, 82 (85), der vom Richter nur eine „hinreichende Einschätzung“ zu verlangen scheint. Vgl. auch Nack, StraFo 2008, 277 (280), dessen Interpretation des Zweifelsgrundsatzes darauf hinausläuft, dass in Kreditfällen nur „ohne vernünftigen Zweifel […] der Wert der Forderung signifikant gemindert“ sein müsse, damit der Schaden postuliert werden dürfe. „Evidenz ist jedoch subjektiv […] Ist mir etwas evident, so bin ich davon überzeugt, daß es sich so verhält. Das garantiert aber nicht, daß es sich auch tatsächlich so verhält.“, von Kutschera, Die falsche Objektivität, 1993, S. 134. 164  Vgl. dazu auch D.II.2. Insoweit sind die Ausführungen des OLG Stuttgart, ZWH 2012, 113 (114) zur mangelnden Kompensation einer Vermögensminderung durch die Leistungen eines gedopten Radprofis symptomatisch für eine unzulässige Betrachtungsweise, die sich lediglich mit Vermutungen darüber hinweghilft, dass sie den Wert der Leistungen nicht genau angeben kann. Richtigerweise gilt auch hier das Erfordernis der konkreten Feststellung der Schadenshöhe im Einzelfall (vgl. dazu auch – einen anderen Fall betreffend – BGH, NStZ-RR 2011, 312 [314]). Das Gericht hätte vom Vorwurf des vollendeten Betrugs freisprechen oder den angeblichen Schaden berechnen müssen; a. A. wohl Voß/Soyka, ZWH 2012, 114 (115), wonach „die für den Fall maßgebenden Erwägungen des OLG […] im Ergebnis gut vertretbar“ seien, obwohl sie zum Schaden nicht explizit Stellung beziehen. 165  Zweifelnd hinsichtlich der Tauglichkeit eines Evidenzkriteriums für die Konturierung des materiellen (Straf-)Rechts – hier: in Bezug auf das Merkmal der Pflichtverletzung in § 266 StGB und letztlich diese Frage aber offenlassend – auch Fischer, ZStW 123 (2011), 816 (824). 163  Vgl.

182

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

menhang erörtert werden. Gaede schlägt eine Art „Drei-Punkte-Plan“ zur Lösung der Gefährdungsschadensproblematik vor, den er an den Stichworten der wirtschaftlichen Herleitung, der spürbaren Opferbeeinträchtigung und der Minimierung von Fehlerrisiken festmacht.166 Zunächst soll unter Heranziehung anerkannter wirtschaftlicher Methoden eine „ökonomisch als evident zu bezeichnende Entwertung“ festgestellt werden, „die über die Bandbreite des statistisch normalen Ausfallrisikos […] hinausgeht“.167 Diesen Ausführungen ist insoweit beizupflichten, als die Wahl der Methode zur Schadensfeststellung nicht zur Disposition steht und auch ein klares Ergebnis erforderlich ist. Indes wird man nicht derart pauschal vorgehen können, dass nur ein nicht mehr das statistische Mittelmaß treffendes Risiko zur Vermögensminderung führen könnte. Der Sinn des Bezifferungsgebots liegt gerade darin, mangelhaft fundierte Angaben über die Charakteristik des Schadens im konkreten Fall – mithin auf der empirischen Ebene – zu vermeiden. Insoweit gilt die Kritik168 am Evidenzkriterium169 auch hier. Zur Konturierung des Begriffs „konkrete Gefährdung“ schlägt Gaede ferner das Erfordernis einer spürbaren Opferbeeinträchtigung vor.170 Die konkrete Vermögensgefährdung setze eine durch die Verfügung geschaffene Lage voraus, die „als spürbare Opferbeeinträchtigung zu bewerten“ sei.171 Es komme also darauf an, ob etwa eine Forderung für das Opfer noch relevant war, oder ob sie bspw. mangels Kenntnis „nur eine noch völlig hypothetische bzw. potentielle Bedeutung“172 hatte. Auch gegen diese Maßgabe ist zunächst im Grunde die Kritik vorzutragen, die bereits gegen das Evidenzkriterium Beckers in Stellung gebracht wurde.173 Letztlich läuft es auf eine kaum vorhersehbare Wertung hinaus und kann daher nicht überzeugen. In das Kriterium der spürbaren Beeinträchtigung spielt allerdings auch noch eine subjektivierende Komponente hinein, die daran anknüpft, in welchem Umfang das Opfer über sein Vermögen – dem Ausdruck an dieser Stelle ein mildes Auge – „Bescheid weiß“. Dieser Topos von der spürbaren Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnrn. 124 ff. Zitate bei Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 124. 168  s. oben D.III.5.b). 169  Auf das Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 124 mit Fn. 775 auch rekurriert. 170  Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 124. 171  Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 124. 172  Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 124. Dieses Zitat ist zuvorderst auf das Vermögen der Privatperson bezogen, was jedoch nicht überzeugt, weil mit einer derartigen Beschränkung eine Sonderrechnung für Privatpersonen vorgesehen würde, die der notwendigen Einheitlichkeit der Schadensfeststellung [vgl. hierzu oben C.II.1.a)] widerspräche. 173  Vgl. dazu D.III.5.b). 166  Vgl.

167  Beide



III. Stellungnahmen aus der Literatur183

Opferbeeinträchtigung erinnert in gewissem Maße an eine Formulierung, mit der das Reichsgericht schon im Jahr 1910 den Begriff des Vermögensschadens zu umschreiben suchte, indem es auszuführen wusste, „der Schade [sei] zunächst immer etwas Tatsächliches, etwas dem Menschen wirtschaftlich Fühlbares“.174 Mit der Prämisse der Gesamtvermögenswertminderung ist die spürbare Opferbeeinträchtigung als Kriterium der Schadensbemessung jedoch nicht zu halten. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass man dieses Kriterium auch für die Ermittlung des „endgültigen“ Vermögensschadens einsetzen müsste, wollte man nicht in unzulässiger Weise ein Sonderregime der Schadensermittlung für den Gefährdungsschaden etablieren: Entweder ist der „Gefährdungsschaden“ ein tatsächlicher Vermögensschaden,175 dann darf man ihn auch nicht abweichend ermitteln, oder er ist ein Konstrukt praeter legem und nach Art. 103 Abs. 2 GG verfassungswidrig. Bei einem effektiven Schadenseintritt – etwa durch Austausch von Leistung und Gegenleistung – würde man freilich nicht danach fragen, ob die Beeinträchtigung der Opferposition spürbar geworden sei und deshalb kann es darauf bei der Schadensermittlung auch nicht in erster Linie ankommen. Ferner müsste aufgrund der unmittelbaren Verbindung von Vermögensbegriff und Vermögensschaden auch gezeigt werden, dass die „Spürbarkeit“ bereits ein Element des Vermögensbegriffs zu bilden vermöchte. Anders gewendet dürfte nach dieser Betrachtungsweise jenes nicht zum Vermögen rechnen, was nicht spürbar beeinträchtigt werden könnte, und dies ist weder die Prämisse des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs noch einer der um juristische Elemente ergänzten Spielarten desselben; und – soweit ersichtlich – auch der personalen Vermögenslehre nicht. Gleichwohl wäre es denkbar, die Spürbarkeit der Opferbeeinträchtigung als Destillat eines effektiven Schadens anzusehen, das zur Konturierung des Gefährdungsschadens in Dienst genommen wird. Im Grunde stellte man in dieser Lesart den effektiven Schaden in den Mittelpunkt und erweiterte sodann mit einem auf „Spürbarkeit“ geeichten Zirkel den Kreis des Schadensbegriffes. Denn es erscheint ohne weiteres plausibel, dass ein effektiver Schadenseintritt auch mit einer (wirtschaftlich) spürbaren Beeinträchtigung einhergehen kann. Indes: Auch in dieser Variante wird das Kriterium der Spürbarkeit nicht greifbarer, sondern leistet vielmehr Subjektivierungsten174  RGSt 44, 230 (233). Die Begrifflichkeit erinnert ferner ein wenig an das Erfordernis einer „fühlbaren Beeinträchtigung“ der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit, die der BGH in den 1950er Jahren neben der Minderung des Gesamtvermögenswerts in Betracht zog, vgl. etwa BGHSt 3, 99 (103). 175  So freilich auch Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 123: „echter Schaden“.

184

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

denzen Vorschub. Der Vorzug, den es tatsächlich zu haben scheint, liegt darin, dass es ohne die Hilfe aufwendiger Bilanzierungen oder den externen Sachverstand auskommt; mithin ein richterlich ohne weiteres zu meisterndes Element bildet. Dieser Vorzug ist es aber, der dem Vermögensschaden in jüngster Zeit die besondere verfassungsgerichtliche Aufmerksamkeit bescherte, weil er dazu führt, dem Vermögensschaden ein Element der Unberechenbarkeit zu verleihen. Der Blick in die Historie belegt, dass bereits das Reichsgericht die „Fühlbarkeit“ mit Leben füllte, indem es ausgerechnet auf das subjektive Verständnis des Geschädigten rekurrierte.176 Rein bilanzielle Schadensberechnungen sind demgegenüber intersubjektiv auf ihre Konformität mit den Bilanzgrundsätzen überprüfbar und liefern deshalb jedenfalls insoweit ein weitaus höheres Objektivierungspotenzial. Wenn Gaede daraufhin zur Veranschaulichung eines Geschäftsfalls das Beispiel einer Bank anführt, die erforderliche bilanzielle Darstellungen oder notwendige Gegenmaßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung unter­ lässt,177 so könnte man gleichwohl vermuten, dass Subjektivierungstendenzen in einem weiteren Schritt durchaus vermieden werden sollen, indem implizit die Frage gestellt wird, ob ein pflichtwidriges Handeln des präsumtiv Geschädigten vorliege. Interessanterweise hat der 5. Senat des BGH178 jüngst zu einer ähnlichen Konstellation Stellung genommen, indem er die Relevanz einer nur oberflächlichen Bewertung von Sicherheiten durch die Bank insoweit berücksichtigt wissen wollte,179 als dieser Umstand Einfluss auf die Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts nehmen könne.180 Anstatt damit jedoch dem Kriterium der spürbaren Opferbeeinträchtigung als Ausdruck relevanter (oder gar pflichtwidriger) Unkenntnis Vorschub zu leisten, wird man in einem solchen Fall Fragen müssen, inwieweit ein „durchlaufender“ Zurechnungszusammenhang zwischen Täuschung und Schaden besteht.181 Wenn die Bank der Bewertung von Sicherheiten keine große Auf176  RGSt 44, 230 (233): „Denn der Schade ist zunächst immer etwas Tatsäch­ liches, etwas dem Menschen wirtschaftlich Fühlbares. Wollte man in unserem Falle den geprellten Frauen einzureden versuchen, sie hätten trotz Hingabe der 10 M [gemeint ist: 10 Mark – Anm. T. W.] keinen Schaden an ihrem Vermögen erlitten, sie würden dafür schwerlich Verständnis haben.“ Dieses „Hinüberschieben des Schadens auf das Gebiet des ‚wirtschaftlich Fühlbaren‘ “ hat Binding zwar wenig dogmatisch, aber mit der ihm eigenen Deutlichkeit als „einfach unerträglich“ abgetan, vgl. Binding, DJZ 1911, 553 (560 f.). 177  Vgl. Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 124. 178  BGH, NJW 2012, 2370 f. 179  Der Schuldspruch wurde teilweise aufgehoben und zurückverwiesen, vgl. BGH, NJW 2012, 2370 (2371). 180  BGH, NJW 2012, 2370 (2371). 181  Vgl. dazu Rengier, in: Festschr. f. Roxin, 2001, S. 811 (820); ferner Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 1 und 3.



III. Stellungnahmen aus der Literatur185

merksamkeit schenkt, so wird man insoweit den Zurechnungszusammenhang aufgrund der eigenverantwortlichen Entscheidung zur Annahme der Sicherheiten unter Außerachtlassung der genauen Bewertung nicht herstellen können. Man könnte auch sagen, die Bank setzt mit der unterlassenen Prüfung einen eigenen Leistungsmaßstab,182 sodass die Wertigkeit der von ihr bewusst nicht genau geprüften Sicherheiten im Umfang des Prüfungsverzichts in ihren Verantwortungsbereich fällt. Auf diesem Boden erscheint auch die soeben referierte Überlegung des 5. Senats183 plausibel. Einen bemerkenswerten Vorschlag unterbreitet Gaede schließlich damit, dass er zunächst zutreffend die Prognose als Schwachstelle des Gefährdungsschadens identifiziert184 und zu deren Überwindung den Vermögensvergleich nicht nur vor und nach der Verfügung fordert, sondern darüber hinaus auch die Berücksichtigung aller im Zeitpunkt der Verfügung angelegten Kompensationen.185 Indes ist hier zu unterscheiden: Sofern damit die materielle Einrechnung solcher Kompensationen gemeint ist, die nicht mehr nach den für relevant befundenen Kriterien der Handlungseinheit und der wirtschaftlichen Wechselbezüglichkeit186 in den Saldierungsumfang einzustellen sind, wurde dieser Position bereits in der Abhandlung des zutreffenden Saldierungszeitpunktes eine Absage erteilt. Es ist nicht einsichtig, weshalb die Verfügung zwar einerseits die tatbestandliche Schranke zwischen Vollendung und Beendigung markieren,187 der Blick auf die Vermögensmassen materiell jedoch weiter gefasst werden soll. Die Begründung träfe insoweit nicht: Gaede führt den Umstand an, dass im Bilanzrecht ebenfalls die wertaufhellenden Aspekte zu berücksichtigen seien.188 Das ist zunächst freilich richtig, und obschon der Wortlaut des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB nur Verluste und Risiken nennt, gilt das Wertaufhellungsgebot nach allgemeiner Meinung ebenso für positiv aufhellende Aspekte.189 Wertaufhellende Umstände, die im Aufstellungszeitpunkt aktuellere Angaben über vergangene Ereignisse als am Stichtag produzieren, sind

182  Vgl. zur Abgrenzung von Verantwortungsbereichen sub specie § 263 StGB eingehend Rengier, in: Festschr. f. Roxin, 2001, S. 811 (820 f.). 183  BGH, NJW 2012, 2370 f. 184  Zu dieser Feststellung im Umfeld des § 266 StGB vgl. etwa Safferling, NStZ 2011, 376 (378). 185  Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 125; ähnlicher Blickwinkel bei Schmitt, in: Festschr. f. Nobbe, 2009, S. 1009 (1023 f.). 186  Vgl. dazu oben C.IV.2.c). 187  So Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 125. 188  Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 125. 189  Moxter, DStR 2008, 469 m. w. N.

186

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

deshalb zu berücksichtigen.190 Die Wertaufhellung löst allerdings das bilanzpraktische Problem, dass zwischen Bilanzstichtag (hier die Verfügung) und effektiver Bilanzaufstellung (hier also etwa das Ermittlungsverfahren oder der Strafprozess) ein gewisser Zeitraum liegen wird (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Aus diesem Grund ist im Gegensatz zu einer materiellen Sichtweise davon auszugehen, dass der Gedanke der Wertaufhellung lediglich als zusätzliches Indiz dafür verwertet werden soll, dass letztlich schon anfänglich keine Gefährdung bestand, und zwingend erscheint ferner die Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung.191 Für das materielle Schadensverständnis ergibt die Wertaufhellung folglich kaum Anhaltspunkte, weil sie im jeweiligen Einzelfall in die Gefahrenprognose einzustellen ist.192 Kritisch äußert sich Gaede schließlich auch zu der Frage, ob eine bilanzielle Schadensberechnung im Bereich der Privatvermögen anwendbar sei.193 Sofern man einer schematischen Anwendung bilanzieller Vorgehensweisen das Wort redete, wäre dies möglicherweise für ein Kücheninventar sogar zu verneinen. Indes setzt sich das Vermögen Privater letztlich auch nicht aus anderen, weniger bilanzierungsaffinen Bestandteilen zusammen als jenes der buchführungspflichtigen Kaufleute. Es wird regelmäßig sogar der Fall sein, dass die im Vermögen des Kaufmanns anzutreffenden Posten weitaus komplexer gestaltet sind als solche des Privatvermögens. Das besondere Potenzial der Bilanzen liegt darin, dass sie Gegenstandsmengen mit einer Wertangabe versehen, dabei den Einzelgegenstand nicht aus dem Blick verlieren und eine Rückbindung an den Gesamtvermögenswert liefern.194 Von der Aufgabe, es zur Schadensberechnung nutzbar zu machen, darf mithin nicht a limine Dispens erteilt werden. d) Abkehr von der objektiven Sichtweise je nach Bilanzregime? In einer jüngeren Stellungnahme fasst Rübenstahl195 die in der Judikatur196 hervortretende Ungewissheit ob der anzuwendenden Bilanzgrund­ 190  Vgl. dazu Ballwieser, in: MünchKomm – HGB, § 252, Rdnr. 35; Moxter, DStR 2008, 469 ff.; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 128. 191  Zur Strafzumessung wie hier auch die Rechtsprechung, vgl. etwa BGH, NJW 2009, 2390 (2391); 2006, 1679 (1681). 192  Vgl. auch Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 125. 193  Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 109. Vgl. hierzu auch oben D.III.5.c). 194  Dazu ausführlich unten E.VI.1.a). 195  Rübenstahl, HRRS 2012, 501 (505). 196  Hier in Bezug auf BGH, NJW 2012, 2370.



III. Stellungnahmen aus der Literatur187

sätze zusammen. Er reißt die Frage an, ob bei solchen Unternehmen, die nach US-GAAP oder IAS / IFRS bilanzieren, nicht vielmehr diese Standards zur Schadensbemessung anzuwenden seien.197 Diese Überlegung, so relevant und berechtigt sie auch ist,198 vermittelt den Eindruck, als komme es nach Rübenstahl für die Schadensberechnung darauf an, welchem Bilanzregime sich der potenziell Geschädigte unterwerfe. Abwegig ist der Gedanke freilich nicht, weil auch der BGH zur Schadensberechnung mitunter jene Bewertungsmaßstäbe präferierte, die für den Beschuldigten am günstigsten wären.199 Mit strafrechtlichen Vorzeichen ist diese These jedoch zurückzuweisen. Relevant ist nur, ob das HGB oder die IAS / IFRS jene Maßstäbe bereitstellen, die sub specie § 263 StGB als „wirtschaftlich“ anzusehen sind.200 Auch der Zweifelsgrundsatz regiert nicht, soweit die Erkenntnismittel in Rede stehen,201 sondern greift erst dann ein, wenn diese nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts führen.202 Verbleiben Zweifel – und das ist der entscheidende Aspekt –, so ist nicht etwa die andere Methode zu wählen, sondern vom Vorwurf der Tatvollendung freizusprechen203. Ein konstruktiver Beitrag findet sich insoweit auch bei Wessing / Krawczyk,204 die zunächst auf die bilanziellen Prognoseverfahren und das handelsbilanzielle Vorsichtsprinzip hinweisen, welches einen Ansatz der Vermögensgegenstände „am unteren Grenzwert des Bewertungsrah197  Rübenstahl, HRRS 2012, 501 (505); vgl. auch ders., NJW 2009, 2390 (2393) und den Ausgangspunkt der Überlegungen zu IAS/IFRS in BGHSt 53, 199 (203). 198  Vgl. dazu ausführlich unten E.VIII. 199  Vgl. etwa BGH, wistra 2003, 457 (459). 200  Zutreffend ist daher die Feststellung bei Bittmann, NStZ 2011, 361 (368): „Der tatsächliche Wert bestimmt den Ansatz in der Bilanz und nicht etwa umgekehrt der Ansatz in der Bilanz den tatsächlichen Wert“. Freilich steht die hiesige Zustimmung unter der Prämisse eines auf transaktionswerten basierenden Wertbegriffs. 201  So muss man indes den Vorschlag bei Becker, HRRS 2009, 334 (339) verstehen; vgl. in dieser Richtung – freilich ohne Rückgriff auf den Zweifelsgrundsatz – auch Hefendehl, wistra 2012, 325 (330), der auf § 78 StPO verweist, und ferner Luttermann, wistra 2012, 251 (256). 202  Vgl. BGH, NStZ-RR 2009, 90 (91). 203  Auch aus diesem Grund vermag die in der jüngsten Rechtsprechung hervortretende Neigung, die mangelnde Bezifferung als Problem der Strafzumessung abzutun, nicht zu überzeugen, vgl. dazu BGH, ZWH 2013, 72 und die kritische Anm. von Rübenstahl, ZWH 2013, 72 f. Ebenfalls im Bereich des Abrechnungsbetruges wird, weil die wirtschaftliche Berechnung durch normative Ansätze überformt ist, hinsichtlich der von der Kompensation exkludierten Leistungen regelmäßig auf die Strafzumessung verwiesen, vgl. BGH, NStZ 1995, 85 (86); NJW 2003, 1198 (1200). Die Migration gewisser Problemlösungen von der Strafzumessung in den objektiven Tatbestand scheint überhaupt ein allgemeines Prinzip der Rechtsentwicklung im Strafrecht zu sein, vgl. etwa die Bemerkungen zur Opfermitverantwortung bei Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, S. 166. 204  Wessing/Krawczyk, NZG 2010, 1121 (1124).

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D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

mens“ erfordere.205 Stattdessen sei bei der Anwendung des in dubioGrundsatzes aber die Bewertung „an der oberen Grenze“ angezeigt.206 e) Kritik der Parallele zum Forderungsverkauf und der Bilanzierung In einer Besprechung der Al Qaida – Entscheidung des BGH207 setzt sich Joecks208 kritisch mit dem Argument auseinander, wonach in Parallele zum Forderungskauf eine Wertminderung dann angezeigt werde, wenn der Verkauf der Forderung nur zu einem niedrigeren Marktpreis als dem Nennwert möglich sei.209 Diese Prämisse missachte den Umstand, dass der Erwerber einer Forderung nur so viel zahlen werde, wie er auch einzutreiben erwarte.210 Je ungewisser die Umstände des Versicherungsabschlusses und die Vorgeschichte des Versicherungsnehmers seien, desto weniger werde der Käufer aufgrund der Unsicherheiten leisten wollen.211 Daher werde der Schaden letztlich bereits mit der Täuschung der Versicherung im Vorfeld begründet. Abgesehen davon, dass die referierten Thesen zur Zahlungsabsicht eines Käufers nur durch den gesunden Menschenverstand belegt werden,212 erscheint es angezeigt, an dieser Stelle für die Gewinnung allgemeiner Aussagen die versicherungsrechtlichen Regelungen zur Lebensversicherung daraufhin in den Blick zu nehmen, ob sie denn wirklich schon im Vorhinein einer marktwirtschaftlich-bilanziellen Betrachtung gänzlich eine Absage erteilen. So gibt es Verträge, bei denen der Eintritt der Leistungspflicht des Versicherers gewiss ist (vgl. § 169 Abs. 1 S. 1 VVG), etwa weil eine Lebensversicherung sowohl für den Todes- als auch für den Erlebensfall die 205  Wessing/Krawczyk,

NZG 2010, 1121 (1124). und These wiederum bei Wessing/Krawczyk, NZG 2010, 1121 (1124); bei Bewertungsunsicherheiten wendet auch Satzger, in: ders./Schluckebier/Widmaier, StGB, § 263, Rdnr. 199 den Zweifelsgrundsatz an. 207  BGHSt 54, 69. 208  Joecks, wistra 2010, 179. 209  Vgl. zu dieser Parallele auch oben D.II.2. 210  Joecks, wistra 2010, 179 (180). 211  Joecks, wistra 2010, 179 (180). 212  Das gleiche gilt für die Behauptung, dass ein „Haben“ eines Vermögensgegenstandes wirtschaftlich wertvoller sei als der darauf gerichtete Anspruch und dass eine schwer durchsetzbare Verbindlichkeit weniger Wert sei, vgl. etwa Satzger, in: ders./Schluckebier/Widmaier, StGB, § 263, Rdnr.  149. Diese Aussage überzeugt in ihrer Allgemeinheit nicht, weil sie als Beleg auch nur die Überzeugungskraft des bon sens für sich gewinnen kann und damit nicht Ausdruck einer wirtschaftlichen Betrachtung ist. 206  Zitat



III. Stellungnahmen aus der Literatur189

Leistungspflicht vorsieht.213 Jedenfalls in diesen Fällen erscheint es wenig überzeugend, die Werthaltigkeit einer Forderung mit Ungewissheiten abzulehnen, weil nach § 169 Abs. 1 S. 1 VVG selbst im Fall der Anfechtung (§ 22 VVG i. V. m. § 123 BGB)214 der Rückkaufswert der Versicherung und unter Umständen auch gemäß § 169 Abs. 7 VVG die zugeteilten Überschuss­ anteile zu zahlen sind. Damit kann man auch das täuschungsbedingte Risiko des Versicherers eingrenzen. Hiergegen einzuwenden, dass der Versicherer im Regelfall die Täuschung nicht erkenne215 und daher ein Ungleichgewicht von Prämiensatz und bedingter Leistungspflicht des Versicherers bestehen könne, ist nicht gestattet, denn Joecks argumentiert unter der Voraussetzung, dass die Täuschung den Wert der Forderung bereits vermindere216 – also muss sie auch bekannt sein, weil andernfalls der Markt sie nicht einpreisen könnte. Anders gewendet wird die Täuschung entweder nicht bemerkt, sodass ein Käufer freilich auch keinen Risikoabschlag vornähme, oder es besteht die Möglichkeit der Anfechtung nach § 22 VVG i. V. m. § 123 BGB, sodass dann mit Rückkaufswert und einem möglichen Überschussanteil eine Bezugsgröße vorliegt. Sie erlaubt eine objektive Berechnung des Forderungswertes, der sich insbesondere danach richten kann, welche Differenz zwischen bereits gezahlten oder zu erwartenden Prämien und dem Rückkaufswert besteht. Joecks wendet sich weiterhin gegen die Möglichkeit, einen etwaigen Vermögensschaden der Versicherung im Wege der bilanzielle Darstellung abzubilden, weil im Rahmen der §§ 341e ff. HGB aufgrund der Besonderheiten des Versicherungsgeschäfts eher Risikokollektive als einzelne Vertragsverhältnisse abgebildet würden.217 Einer formelhaften Anwendung der versicherungsspezifischen Bilanzierung mag dieser Umstand einen Riegel vorschieben. Der grundsätzlichen Abbildung des Wertes eines Versicherungsvertrages in einer bilanziellen Aufschreibung steht der Einwand jedoch nicht entgegen.

213  Vgl. ausführlich dazu Mönnich, in: MünchKomm – VVG, § 169, Rdnr. 36; Reiff, in: Prölss/Martin, VVG, § 169, Rdnr.  21. 214  Vgl. dazu Mönnich, in: MünchKomm – VVG, § 169, Rdnrn. 49 f. Auf die Anfechtungsmöglichkeit weist Joecks, wistra 2010, 179 (181) auch hin. 215  Joecks, wistra 2010, 179 (180) gibt das Beispiel eines Rauchers, der seine Sucht verschweigt. 216  Joecks, wistra 2010, 179 (180). 217  Joecks, wistra 2010, 179 (181).

190

D. Vorüberlegungen und Stand der Forschung zur „Schadensbilanz“

6. Zusammenfassung Das Schrifttum hat Vorschläge und Kritik zu bilanziellen Vorgehensweisen unterbreitet. Während die Ablehnung der Handelsbilanz mit dem Hinweis auf Unsicherheiten ebenso wenig überzeugt wie der Hinweis auf Schätzungsmöglichkeiten, lassen sich die Ansätze Hefendehls zum Herrschaftsprinzip fruchtbar machen, wenngleich sie auf die zukünftige Verwertungsmöglichkeit des Potenzials am Markt auszurichten sind. Hingegen ist der Teilwert als Maßstab der Schadensberechnung abzulehnen, ebenso die Kriterien der Evidenz und der Spürbarkeit. Ferner ist davon auszugehen, dass die Schadensberechnung nach objektiven Maßstäben erfolgt und die Methoden der Berechnung nicht zur Disposition des Gerichts oder des potenziell Geschädigten stehen. Schließlich wird der Grundsatz des marktwirtschaftlichen Wertes nicht durch das Beispiel der Versicherungsverträge entkräftet. Bislang ist folglich noch kein durchschlagender Einwand vorgetragen worden, der gegen die Bilanzierung nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen auch im Bereich des Betrugsschadens spräche.

E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner I. Gang der Untersuchung In diesem Abschnitt werden vier Fragen behandelt: Die erste Frage beschäftigt sich damit, welche gemeinhin als „Vermögensbestandteil“ deklarierten Posten vermittels der bilanziellen Darstellung berücksichtigt werden können. In Rede stehen die Sensitivität und damit der Umfang einer strafrechtlichen Inventur, zu deren Realisierung das Bilanzrecht aufgerufen ist.1 Den Umfang dieser Bestandsaufnahme abzustecken, ist aus dem Blickwinkel des Strafrechts zunächst einmal Aufgabe des Vermögensbegriffs. Bereits 1928 hat Lion2 aber zutreffend angemerkt, dass schon die Inventarisierung dazu führt, eine Verbindung der „buchmäßigen Aufschreibung“ mit der Realität herzustellen. Hier geht es also im Wesentlichen darum, die Ansatzvorschriften des HGB auf bislang unergründetes strafrechtliches Darstellungspotenzial zu untersuchen und gegen andere Vorschläge aus Rechtsprechung und Schrifttum abzugrenzen. Die zweite Fragestellung betrifft sodann einen besonders wichtigen Teil dieses Abschnitts, denn hier sind Maßstäbe für die Bewertung der einzelnen Vermögensposten auf der Grundlage bilanzieller Prinzipien herauszubilden, die vor den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Schadensbegriff Bestand haben. Dass insbesondere die Bewertungsgrundsätze des deutschen Bilanzrechts eine wechselvolle Geschichte haben, ist hinlänglich bekannt. Für die Tauglichkeit des Bilanzrechts zur Schadensfeststellung sub specie § 263 StGB wartet die Historie mit einigen bedeutsamen Wendungen auf, die einen klärenden Beitrag zu den Zielen und Zwecken der §§ 252 ff. HGB zu leisten vermögen. So kann ferner eine Lücke in der strafrechtlichen Auseinandersetzung mit der Handelsbilanz geschlossen werden, da – soweit ersichtlich – in Bezug auf § 263 StGB der historische Standpunkt der Handelsbilanz nur bruchstückhaft an1  Luttermann, wistra 2012, 251 (257) bezeichnet das Vermögen ohne bilanzrechtliche Kontur sogar als „zahnlosen Tiger“. 2  Lion, VJSchrStFR 1928, 401 (409). Vgl. auch den Hinweis bei Barth, Jahresbilanz, S. 10 f. auf die Bewertung der Bilanzposten als „gemeinsame[r] Kompara­ tionsinhalt“ aller erfassten Güter. Ferner teilen (Vermögens-)Straf- und Bilanzrecht das Anliegen, „die unterschiedlichen Vermögensgegenstände addierbar zu machen“ (Seicht, kapitaltheoretische Bilanz, S. 33 – freilich nur bezogen auf die Bilanz). Auf diese Verbindung hat auch Hefendehl (Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 169) hingewiesen, der von einem „Modellcharakter des Bilanzrechts“ spricht.

192

E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

gegangen wurde.3 Ferner richtet sich die Aufmerksamkeit im Rahmen eines dritten Fragenkomplexes darauf, welcher Teil einer Bilanzstruktur in den Blick zu nehmen ist, damit aus ihr der Vermögensschaden erkennbar wird. Das Augenmerk zielt viertens auf den konkreten Modus der Schadensberechnung und eröffnet eine Reflektion zahlreicher Bilanzmodelle, die auf ihre Tauglichkeit für das Betrugsstrafrecht untersucht werden. Dieser vierte Abschnitt legt Wert darauf, die Entwicklung der Bilanztheorien aufzuzeigen, die sich abseits der rechtlichen Regelungen zur Handelsbilanz entwickelt haben und taugliche Ansätze zur Konkretisierung einer Schadensbilanz ­beinhalten.

II. Die Handelsbilanz als Untersuchungsgegenstand Wer mit dem Anspruch antritt, eine Untersuchung über die Tauglichkeit einer Bilanz zur strafrechtlichen Schadensfeststellung sub specie § 263 StGB vorzulegen, der schuldet zunächst Rechenschaft über die verwendete Begrifflichkeit. Dass diese Forderung nicht dem Verdacht unterliegt, Truismen in Konsens umzudeuten, ergibt bereits die Differenz zwischen lexikografischer und juristischer Terminologie: Während die etymologische Wurzel des abstrakten Bilanzbegriffs bekanntlich in dem Adjektiv bilanx (= zwei Waagschalen habend) verortet wird4 und gemeinhin den Rückschauprozess zur Feststellung eines (Gesamt-)Ergebnisses bezeichnet,5 bildet die Bilanz in der Systematik des HGB neben der Gewinn- und Verlustrechnung (§§  275 ff. HGB)6 einen Bestandteil des handelsrechtlichen Jahresabschlusses (vgl. § 242 Abs. 3 HGB),7 der den kaufmännischen Erfolg ausweist8 und diesen zugleich für nachfolgende Perioden determiniert.9 3  So fehlt in der knappen Schrift von Thiele, Bewertungsmaßstäbe, jeglicher Verweis auf die Historie des HGB. Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 176 ff. beschäftigt sich zwar ebenfalls mit den statischen und dynamischen Bilanzlehren, greift deren Potenzial jedoch nicht im Detail auf. 4  Duden – Herkunftswörterbuch, Stichwort „Bilanz“; Georges, Wörterbuch, Band I, Spalte 828, Stichwort „Bilanx“; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 242, Rdnr.  2; Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 7; zu weiteren etymologischen Erklärungsansätzen vgl. Penndorf, ZHUH 1929, 358 und erneut Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 7 f.; speziell zu dem Gebrauch der französischen „balance“ s. Barth, Entwicklung, S. 124 mit Fn. 25. Dass diese Vokabel seit jeher von variablem Signifikat ist, belegt zudem anschaulich die Fundstelle „ballance“ in Robert Cawdreys berühmtem Fremdwörterbuch „A Table Alphabeticall“ von 1604: „a paire of scales, or other thing“. 5  Vgl. dazu Duden, Stichwort „Bilanz“. 6  Sie dient zur Rechenschaft über Aufwand und Ertrag, vgl. § 242 Abs. 2 HGB und Luttermann, in: Festschr. f. Ludewig, 1996, S. 595 (599). 7  Nach § 264 HGB kommen bei Kapitalgesellschaften ein Lagebericht und bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften auch noch die Kapitalflussrechnung hinzu.



II. Die Handelsbilanz als Untersuchungsgegenstand193

Aus der Perspektive des Rechtsanwenders fällt die Handelsbilanz unweigerlich ins Auge, weil sie den Rückgriff auf einen großen Kreis buchführungspflichtiger Kaufleute ermöglicht.10 Vor dem Hintergrund, dass die Schadensberechnung das gesamte Vermögen des potenziell Geschädigten in den Blick zu nehmen verpflichtet ist, erscheint es prozessökonomisch, den Mittelaufwand aller Beteiligten zu mindern, indem man den Versuch wagt, etwa auf bestehende Inventarisierungen und Ansätze der Jahresrechnungen zurückzugreifen. Ein Blick in grundlegende Vorschriften des Handelsbilanzrechts beflügelt weiterhin den Eindruck, als wiesen bilanzielle Schreibweisen ein gleichsam allumfassendes und strafrechtlich nutzbares Potenzial auf: Dass § 242 Abs. 1 S. 1 HGB die Bilanz als einen das Verhältnis von Vermögen und Schulden darstellenden Abschluss ausweist,11 mit dessen Aufstellung sich Inventurmengen in Wertangaben wandeln,12 erweckt freilich die Aufmerksamkeit eines Betrachters strafrechtlicher Provenienz. Des Weiteren verpflichtet § 264 Abs. 2 S. 1 HGB jedenfalls den Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft13 darauf, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögenslage zu vermitteln. Mit Blick auf die Historie wird das Interesse an der Bilanz weiterhin dadurch beflügelt, dass schon frühe Kodifikationen zur Buchführung gerade der Betrugsprävention dienten.14 Schließlich leistet die bilanzielle Aufschreibung einen Dienst, indem sie die Vermögensposten getrennt ausweist. Bekanntlich stützt sich insbesondere die Rechtsprechung bei der Begründung eines Gefährdungsschadens auf die saldierte Kategorie des „täuschungsbedingten Risiko­ ungleichgewichts“, das den Schaden ausmache.15 In bilanzieller Hinsicht 89

8  Luttermann,

in: Festschr. f. Ludewig, 1996, S. 595 (599). dazu Priester, in: Festschr. f. Hadding, 2004, S. 607 (612) mit dortiger Fn. 35, der auf § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB verweist. 10  So weist das Statistische Bundesamt mit Stand 31.5.2014 rund 656 975 Kapitalgesellschaften und 451  500 Personengesellschaften aus (https://www.destatis.de, zuletzt abgerufen am 21.02.2015). 11  Dieses Verhältnis wird etwa bei Simon, in: Festgabe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 379 (381) zum Inbegriff der Bilanz. 12  Instruktiv dazu etwa Engelhardt/Raffée/Wischermann, Grundzüge, S.  14  ff. Der Fokus auf die Wertangabe ist im Übrigen der einzig relevante Maßstab, nicht unbedingt die Umwandlung von „Mengen in Geld“ – es könnten freilich auch die bekannten „Linden-Dollars“ sein, mit denen die Gesamtvermögenswertminderung angezeigt wird. Das Realgeld wird erst auf der Stufe der Strafzumessung relevant, weil die schuldangemessene Strafe freilich ein bekanntes Komparativum verlangt; zu „vergleichender Strafzumessung“ siehe auch Streng, NStZ 1989, 393 ff. 13  Dies sind vor allem AG, GmbH, KGaA sowie über § 264a auch gewisse OHG und KG, vgl. Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 264, Rdnr.  1. 14  Vgl. zu der Ordonnance de Commerce (1673) instruktiv Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 45. 15  Vgl. etwa BGH, NJW 2012, 2370 (2371) m. w. N. 9  Vgl.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

handelt es sich dabei um eine Verrechnung zweier Posten (etwa Forderungen), die nach § 246 Abs. 2 S. 1 HGB unter dem Verbot der Saldierung von Aktiv- und Passivseite in einer Bilanz nicht ohne weiteres möglich ist.16 Der Vermögensschaden äußert sich ferner allein in der Wertminderung eines Gegenstandes, die wiederum Auswirkungen auf das Gesamtvermögen zeitigt, sodass bilanzielle Darstellungen auch insoweit einen Gewinn versprechen, als sie diese Auswirkungen aufzuzeigen vermögen. Damit konzentriert sich die hiesige Untersuchung zunächst auf die Bilanz des § 242 Abs. 1 S. 1 HGB, die das Verhältnis von Vermögen und Schulden abbildet. Mit dieser Einführung ist die Handelsbilanz als Objekt der Untersuchung indes nur dem Namen nach bekannt gemacht. Jüngst hat Luttermann17 in Auseinandersetzung mit wirtschaftsstrafrechtlichen Fragestellungen die Rechnungslegung als „Rechtsakt“ bezeichnet und auch in der weiteren Literatur steht der Rechtscharakter von Bilanzen durchaus im Mittelpunkt des Interesses.18 In der Tat: Ob man die Bilanzen aus ihrem angestammten Platz im Handelsrecht entführen und für strafrechtliche Zwecke nutzbar machen kann, hängt auch davon ab, welche Rechtswirkungen von einer Bilanz ausgehen. Begibt man sich auf einen Streifzug durch die Möglichkeiten, eine Bilanz mit Rechtswirkungen in Verbindung zu bringen, so zeigt sich am Ende der Reise, dass die rechtliche Bedeutung der Jahresrechnung stets von der Relevanz ihrer Transformationsakte abhängt. So können externe Gläubiger allein aus einem bilanziellen Ansatz noch keinen Beweis für bestehende Ansprüche ableiten.19 Zwar erlangte die Bilanz nach der älteren Rechtsprechung jedenfalls zwischen den Gesellschaftern insofern Rechtsverbindlichkeit, als dem Gesellschafterbeschluss zur Bilanzfeststellung der Charakter eines ab­ strakten Schuldanerkenntnisses beigemessen wurde.20 In der Folgezeit änderte der BGH aber seine Auffassung und rückte die Bilanzfeststellung in die Nähe eines Feststellungsvertrages.21 In der jüngeren Judikatur wird die Frage schließlich nicht mehr im Detail entschieden, sondern in erster Linie umschrieben: Der Feststellungsbeschluss ist demnach ein „konstitutiv wir­ken­ de[r] Akt der Billigung des aufgestellten Jahresabschlusses durch die Gesellschafter, mit der diese dessen Richtigkeit anerkennen“.22 Bekannten oder für Einzelbewertungsgrundsatz vgl. etwa Küting/Eichenlaub, BB 2011, 1195. wistra 2012, 251, 253 und 256; ebenso ders., NZG 2013, 1128 in Auseinandersetzung mit der Bilanzrichtlinie 2013. 18  Etwa bei Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 36 ff. 19  BGH, NZG 2009, 659 (661). 20  BGH, MDR 1960, 377 f. 21  BGHZ 132, 263 (266). 22  BGH, NZG 2009, 659 (661). Letztlich bleibt die exakte Einordnung umstritten: Für die Klassifizierung des Bilanzfeststellungsbeschlusses als kausaler Anerkenntnisvertrag vgl. BGH, NZG 2009, 659 (661); OLG Schleswig, GmbHR 2009, 16  Zum

17  Luttermann,



III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz195

möglich gehaltenen Einwendungen gegenüber einer festgestellten Bilanz wird damit der Boden entzogen.23 Freilich erfüllt der Kaufmann mit der Bilanzerstellung auch seine öffentlich-rechtlichen Pflichten, deren Verletzung unter bestimmten Voraussetzungen nach §§ 331 ff. HGB mit Strafe oder Bußgeld bedroht ist. Indes vermag diese Feststellung den Eindruck nicht zu erschüttern, dass von der aufgestellten Bilanz selbst keinerlei Wirkungen ausgehen.24 So ist es das Verhalten des die Bilanz Aufstellenden, an das Strafe und Bußgeld geknüpft sind. Auch im Bereich der Zuordnung von Sachen und Rechten gehen die Wirkungen einer Bilanzaufstellung nicht so weit, als dass daraus unmittelbare Folgen für die Vermögenszuordnung erwüchsen: Diese richtet sich freilich nach den Vorgaben des materiellen Rechts und nicht nach der Form einer Bilanzdarstellung.25 Am Hof des Lykomedes versteckt, wandelt die Bilanz daher in fremden Kleidern, die ihr als Transformationsakte die nötigen Kräfte verleihen, um am Rechtsgeschehen zu partizipieren. Wird sie von ihrem Transformationsakt separiert, so verbleibt lediglich ein Rechen­ werk,26 das auch in strafrechtlichen Kontexten erprobt werden kann. Ob sich unter den Gewändern tatsächlich ein für das Feld des Betrugsstrafrechts gewappneter Achill befindet, den es vielleicht am Ende an der Ferse trifft, wird Gegenstand der folgenden Überlegungen sein.

III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz 1. Prinzipien des Bilanzansatzes und der Umfang der Vermögensabbildung Obschon § 246 Abs. 1 HGB als Standort des Vollständigkeitsgrundsatzes27 die Berücksichtigung sämtlicher Vermögensgegenstände, Schulden, 1164 (1165 f.); OLG Hamm, GmbHR 2006, 1204; ähnlich bereits OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 1455 (1458) und Ulmer, in: Festschr. f. Hefermehl, 1976, S. 207 (214 ff.); offenlassend OLG Celle, GmbHR 2010, 87 (88 f.), das – wie bereits Priester, in: Festschr. f. Hadding, 2004, S. 607 (615) – in der Bilanzfeststellung jedenfalls ein Beweisindiz für das Bestehen von Forderungen der Gesellschaft gegen den Gesellschafter sieht. Priester, in: Festschr. f. Hadding, 2004, S. 607 (609 ff.); ders., in: MünchKomm – HGB, 2011, § 120, Rdnr. 57 wertet die Bilanzfeststellung im Übrigen als Organbeschluss. 23  BGH, NZG 2009, 659 (661); OLG Schleswig, GmbHR 2009, 1164 (1165 f.). 24  Vgl. dazu auch Sorgenfrei, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 283b, Rdnr. 40 m. w. N. 25  Priester, in: Festschr. f. Hadding, 2004, S. 607 (614). 26  BGHZ 170, 283 (294); BGH, NZG 2002, 518, zur Bilanz als Erkenntnismittel vgl. Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 14. 27  Vgl. zu der Verortung des Vollständigkeitsgrundsatzes in § 246 Abs. 1 HGB Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 246, Rdnr.  1; Ballwieser, in: MünchKomm –

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge fordert, sind die gesetzlichen Regelungen über den Bilanzansatz unvollständig.28 § 247 Abs. 1 HGB konkretisiert den Umfang des bilanziellen Ansatzes, indem er den gesonderten Ausweis sowohl des Anlage- als auch des Umlaufvermögens bzw. des Eigenkapitals, der Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten fordert, und schließlich finden sich in § 266 Abs. 2 und Abs. 3 HGB detaillierte Vorgaben hinsichtlich der in den Bilanzen von Kapitalgesellschaften29 anzusetzenden Posten. Von konkreten Begriffsbestimmungen werden diese Rahmenvorgaben indes nicht flankiert – die §§ 247 und 266 HGB erwähnen nur einige der als Vermögen bzw. Schulden in Frage kommenden Gegenstände.30 Über den Ansatz von Vermögen und Schulden entscheiden im konkreten Fall daher der Aktivierungs- und Passivierungsgrundsatz. 2. Bilanzansatz und Vermögensbegriff Die Grundsätze über die Aktivierung bzw. Passivierung eines Gegenstandes sind freilich Ausprägungen eines gemeinsamen Prinzips und lassen sich unter dem Oberbegriff der Bilanzierungsfähigkeit zusammenfassen.31 § 246 Abs. 1 S. 1 HGB verlangt den Ansatz sämtlicher Vermögensgegenstände etc., soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Aus dieser Formulierung lässt sich ableiten, dass das Handelsbilanzrecht zwischen der abstrakten und der konkreten Bilanzierungsfähigkeit eines Gegenstandes unterscheidet.32 Ein Posten wird als abstrakt bilanzierungsfähig angesehen, wenn er die handelsrechtlichen Kriterien erfüllt, die seiner Einordnung als Vermögensbestandteil oder Schuld vorausgesetzt sind.33 Diese abstrakte BilanzierungsHGB, § 246, Rdnr. 3; Morck, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 246, Rdnr.  1; ferner BFH, NJW 1994, 406 (der auch die Zugehörigkeit des Vollständigkeitsgrundsatzes zu den GoB betont); NJW 2000, 3085 (3086); FG BW, Gerichtsbescheid v. 28.  Dezember 2000  – 14 K 84/99  – Juris, Rdnr.  22. 28  Vgl. Morck, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 246, Rdnr.  2; Baetge/ Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 156 f. 29  Vgl. dazu E.II. 30  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 165; Rade/Stobbe, DStR 2009, 1109 (1112). 31  Vgl. Schneider, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 215; Hüttche, BC 2002, 217; mit Beispiel zu Nutzungsrechten Lüdenbach/Hoffmann, DStR 2006, 1382 ff.; zu Werbeprämien Roos, DStR 2015, 437 (439). 32  Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 422; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 166; Hüttche, BC 2002, 217; vgl. auch BFH, BStBl. II 1987, 705. 33  Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 2075; Sigloch/Weber, in: Michalski, GmbHG, Anh. §§ 41–42a, Rdnr. 211; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 77.



III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz197

fähigkeit richtet sich nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung (GoB).34 Erfüllt der bilanzielle Anwärter die Voraussetzungen für seine abstrakte Aktivierung bzw. Passivierung, so muss er grundsätzlich in die Jahresrechnung aufgenommen werden.35 Die Bedeutung des § 246 Abs. 1 S. 1, letzter Hs. HGB liegt darin, auf gesetzliche Bilanzierungsverbote oder -wahlrechte hinzuweisen, die dazu führen, dass einem abstrakt bilanzierungsfähigen Gegenstand der Eintritt in die Bilanz gleichwohl versagt bleibt. Mangelt es an derartigen Verboten, so wird der Posten als konkret bilanzierungsfähig bezeichnet – er ist zwingend bilanziell zu erfassen.36 Dies gilt gleichermaßen für gesetzliche Bilanzierungsgebote, die in gewissen Fällen den Einlass in die Jahresrechnung eröffnen, obgleich es dem betreffenden Gegenstand an der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit fehlt.37 Aus dieser Grundlegung folgt: Bilanziert wird jeder Gegenstand, der entweder abstrakt bilanzierungsfähig ist, sofern nicht entsprechende Verbote entgegenstehen, oder ausdrücklich als bilanzierungspflichtig erklärt wird. Ferner eröffnet das HGB an einigen Stellen Wahlrechte, die den Einzug in die Bilanz entweder trotz mangelnder abstrakter Bilanzierungsfähigkeit eröffnen oder dem Ermessen des Bilanzierenden anheimstellen, ob ein abstrakt bilanzierungsfähiger Gegenstand gleichwohl aus der Bilanz herausgehalten wird (vgl. etwa §§ 248 Abs. 2 S. 1, 250 Abs. 3 und 274 Abs. 1 S. 2 HGB).38 Diese Wahlrechte führen beispielsweise dazu, dass ein Kaufmann, für dessen Unternehmen selbst geschaffene immaterielle Anlagevermögensgegenstände kaum Relevanz entfalten (vgl. dazu § 248 Abs. 2 S. 1 HGB), von Dokumentationspflichten entlastet wird, indem er von der Aktivierung durch Ausübung seines Wahlrechts absieht.39 Mithin geht es bei Wahlrechten nicht um die Konturierung des Bilanzansatzes, sodass diese im Folgenden außer Betracht bleiben. Es fällt nicht schwer, bereits an dieser Stelle die methodische Parallele zum juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff zu erkennen: Auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtung wird herkömmlich im Strafrecht geprüft, ob die Rechtsordnung dem Gegenstand die Anerkennung und damit den strafrechtlichen Schutz trotz seiner wirtschaftlichen Relevanz sub specie § 263 StGB versagt. Dieses Grundmuster findet man im Wechselspiel 34  Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 78; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 166. 35  Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 77. 36  Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 2075; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 78. 37  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 174. 38  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 177. 39  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 178.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

von abstrakter und konkreter Bilanzierungsfähigkeit wieder.40 Es drängt sich daher die Frage auf, ob die Aktivierungs- bzw. Passivierungskonzeptionen des Bilanzrechts einen Beitrag zur Konkretisierung des Vermögensbegriffs und seines Wertgehalts leisten, wobei sie darüber hinaus auch einen indirekten Brückenschlag zur juristisch-ökonomischen Lesart des Vermögensbegriffs bedeuten könnten, der freilich aus hiesiger Perspektive nicht notwendig wäre.41 Vorwegzunehmen ist allerdings, dass diese Leistung nur auf der ersten Stufe – der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit – zu erwarten ist. Denn ob einem Gegenstand die Anerkennung der Rechtsordnung zuteil wird, bestimmt sich freilich nicht nach handelsrechtlichen Bilanzierungsverboten bzw. -wahlrechten. Diese erfüllen rein bilanzielle Zwecke und treffen keine Aussage über die Reputation eines Wirtschaftsgutes in unserer Rechtsordnung. So kann § 248 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HGB eine lediglich deklaratorische Regelung dahingehend entnommen werden, dass Aufwendungen für die Unternehmensgründung und für die Beschaffung des Eigenkapitals deswegen aus der Bilanz herausgehalten werden, weil sie mangels eigenständiger Verwertbarkeit keinen Vermögenscharakter haben.42 Ferner darf nach dem Verbot, solche Aufwendungen zu aktivieren, die mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen zusammenhängen (§ 248 Abs. 1 Nr. 3 HGB), ein entsprechender (Rechnungsabgrenzungs-)Posten in Höhe der Aufwendungen nicht angesetzt werden.43 Dies aber nur, weil man davon ausgeht, dass es sich dabei um „handelsrechtliche non-valeurs“44 handele, nicht hingegen um von der Rechtsordnung missbilligte Positionen. Schließlich besteht ein Verbot der Aktivierung selbst geschaffener Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbarer immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 S. 2 HGB). Die Ge40  Daher trifft es jedenfalls für den Bilanzansatz nicht zu, dass ein bilanzieller Schadensbegriff vom „wirtschaftlich-juristischen“ Begriff abweiche, vgl. dazu Kempf, in: Festschr. f. Volk, 2009, S. 231 (242). Dass sich eine objektiv-ökonomische Betrachtungsweise anhand der Bilanz und juristische Betrachtungsweisen „als Antipoden“ gegenüberständen (Zitat und These bei Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 169 f.) gilt für den Bilanzansatz nach hiesigem Verständnis ebenso wenig. Auch Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 131 hält eine Konturierung des Vermögensbegriffs anhand der Bilanz für möglich. Grundlegend dazu freilich Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 166 ff. 41  Vgl. oben C.I. 42  Förschle/Usinger, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 248 HGB, Rdnr. 1; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 175; vgl. auch Hennrichs, in: MünchKomm – Bilanzrecht, § 248 HGB, Rdnr. 2. 43  Böcking/Gros, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 248, Rdnr.  6; ­Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 176. 44  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 176.



III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz199

setzesbegründung des BilMoG 2009 unterlegt dies mit der Erwägung, wonach diesen Gegenständen Herstellungskosten kaum exakt zugeordnet werden können.45 Damit vermag nicht immer einwandfrei entschieden zu werden, ob es sich um einen eigenständigen Vermögensgegenstand oder lediglich um eine Aufwendung handelt, die in den Geschäfts- oder Firmenwert integriert wird.46 Demnach trifft auch diese Regelung keine Aussage darüber, ob der entsprechende Wert von der Rechtsordnung protegiert wird. 3. Kriterien der Aktivierung und Konkretisierung des Vermögensbegriffs In die gesetzliche Lücke, die § 246 HGB auf dem Feld des Bilanzansatzes hinterlässt, stößt zum einen der Aktivierungsgrundsatz, der den handelsrechtlichen Vermögensbegriff grundsätzlich danach umreißt, ob der Gegenstand einen wirtschaftlichen Wert besitzt, selbstständig bewertet werden kann47 und selbstständig verwertbar ist.48 Zum anderen muss der Gegenstand dem Bilanzierenden wirtschaftlich zugerechnet werden können.49 a) Der wirtschaftliche Wert Wirtschaftlichen Wert im Sinne des Aktivierungsgrundsatzes hat alles, was für das Unternehmen einen zukünftigen Nutzen bietet.50 Zum Beispiel ist eine „Nutzungsmöglichkeit des Vereins am Fußballspieler“51 als Wirtschaftsgut einzuordnen, sodass die korrespondierende vom DFB erteilte Spielerlaubnis mit Anschaffungskosten in Höhe der gezahlten Transferent45  BT-Drs. 16/10067, S. 50; ebenso Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 248, Rdnr. 4; Förschle/Usinger, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 248 HGB, Rdnr. 15; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 176. 46  BT-Drs. 16/10067, S. 50. 47  Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 78; Merkt, in: Baumbach/ Hopt, HGB, § 246, Rdnr. 4. 48  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S.  169; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 246, Rdnr. 5. Dies ist freilich nicht der einzige mögliche Ansatzpunkt; vielmehr wäre ebenso denkbar, die Einzelveräußerbarkeit oder sogar die Einzelvollstreckbarkeit zum maßgeblichen Kennzeichen des Vermögensgegenstandes zu erheben. Durchgesetzt haben sich diese alternativen Konzepte aber nicht. 49  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 179 f. 50  Schubert/Huber, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 247 HGB, Rdnr. 389; Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 416; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 78. Deshalb wäre es nach diesem Kriterium nicht richtig, Forderungen per se einen Vermögenswert zuzuschreiben, vgl. hierzu aber auch Klein, Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, S. 82. 51  Vgl. dazu BFH, DStR 2012, 229 (231).

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

schädigung zu aktivieren ist.52 Der über den Arbeitsvertrag hinausgehende Wert des Spielers auf dem „Markt der Lizenzspieler“53 bildet folglich einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert. b) Die selbstständige Bewertbarkeit Das Merkmal der selbstständigen Bewertbarkeit des Gegenstandes erfordert einen derivativen Erwerb, beispielsweise den Kauf oder Tausch, und damit die Möglichkeit, dem konkreten Gegenstand Herstellungs- oder Anschaffungskosten zuzuordnen.54 Dieses Kriterium rückt einerseits unweigerlich in den Mittelpunkt des Interesses, weil es sich in Bezug auf die Anschaffungskosten mit dem Erfordernis der Wertermittlung nach Marktvorgängen deckt. Andererseits bereitet das Merkmal dort Schwierigkeiten, wo der Ansatz zukünftiger Leistungen in Rede steht. Denn diese Konstellation ist vor dem Hintergrund des Prinzips der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte55 zu betrachten, das als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung56 für die Handelsbilanz Relevanz entfaltet. Weiterhin kann das Erfordernis der Zuordnung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Handelsrecht als relativiert betrachtet werden,57 weil es zuweilen an Kontur vermissen lässt. Beispielsweise kann man das Kriterium der selbstständigen Bewertbarkeit so weit auslegen, dass etwa bei dem wichtigen Fall der Leistung einer Sacheinlage in Gestalt selbst geschaffener, einlagefähiger immaterieller Gegenstände58 die dafür ausgegebenen Mitglieds52  BFH, NJW 1993, 222; DStR 2012, 229 (230, 232); Hüttemann, DStR 1994, 490 (491 ff.); Kronner, DStR 1996, 1185 (1186 f.); unter dem Gesichtspunkt immaterieller Werte vgl. auch Rade/Stobbe, DStR 2009, 1109 (1113 ff.). 53  Vgl. dazu BFH, DStR 2012, 229 (231). 54  Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 246, Rdnr.  4; Schubert/Huber, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 247 HGB, Rdnr. 391; Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 419; vgl. auch BFH, DStR 1986, 834. 55  Danach wird erst angesetzt, wenn tatsächlich wenigstens eine Vertragsseite mit dem Vollzug des Vertrages begonnen hat, vgl. dazu Hennrichs, in: MünchKomm – Bilanzrecht, § 246 HGB, Rdnrn. 133 ff.; Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 380. 56  Zum Teil wird es zusätzlich aus § 249 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB abgeleitet, so etwa Hennrichs, in: MünchKomm – Bilanzrecht, § 246 HGB, Rdnr. 133. 57  In dieser Richtung auch Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 246, Rdnr.  4; Schubert/Huber, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 247 HGB, Rdnr. 390, die von einem Verlust begrifflicher Unterscheidung handeln; Schülke, DStR 2010, 992, (994); ähnlich Küting/Ulrich, DStR 2001, 953 (956): von den anderen Kriterien umfasst. Zu der Kritik am Merkmal der eigenständigen Bewertbarkeit schon vor dem BilMoG 2009 vgl. Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 419. 58  Vgl. etwa BGHZ 144, 290 zu obligatorischen Nutzungsrechten, die eine Verwertung von Namen und Logos von Sportvereinen erlauben.



III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz201

rechte als (wertindizierende) Gegenleistungen zu betrachten sind.59 Mit dem BilMoG 2009 wurde das Aktivierungsverbot für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens immerhin aufgehoben und ein Aktivierungswahlrecht eingeführt (§ 248 Abs. 2 S. 1 HGB), das lediglich für ausgewählte Posten weiterhin das Verbot durchhält (§ 248 Abs. 2 S. 2 HGB).60 Unter strafrechtlichen Vorzeichen ist zu berücksichtigen, dass jeder Vermögensgegenstand relevant wird, der im Wege der Verfügung das Vermögen verlässt oder als Kompensation zufließt, wobei es nicht darauf ankommt, ob man diesem Vorgang Kosten zuschreiben kann.61 Die selbstständige Bewertbarkeit schränkte daher den Kreis der ansatzfähigen Gegenstände im Rahmen einer Schadensberechnung ohne rechtfertigenden Grund ein, wenn man darunter den Ansatz von Anschaffungs- oder Herstellungskosten versteht. Ließe man darüber hinaus anderweitige Wertindikatoren zu, so verlöre das Kriterium an Konkretisierungspotenzial. Es entfaltet somit keine Relevanz für die weitere Untersuchung. c) Die selbstständige Verwertbarkeit Die selbstständige Verwertbarkeit umschreibt schließlich die Fähigkeit des Gutes, durch Veräußerung oder vermittels anderer im Rechtsverkehr eröffneter Möglichkeiten der wirtschaftlichen Übertragung genutzt zu werden.62 Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der konkreten Übertragung rechtliche Hürden entgegenstehen, sodass man auch von einer abstrakten Übertragbarkeit spricht.63 Kurz gesagt geht es um die Möglichkeit, den Vermögensgegenstand gerade in Bezug auf den verkörperten wirtschaft­ lichen Wert zu übertragen.64 Diese Maßgabe scheint mit dem strafrecht­ lichen Blickwinkel auf die Vermögenswertentäußerung zu korrespondieren.

59  Vgl. Schubert/Huber, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, §  247 HGB, Rdnr. 394. 60  Vgl. Förschle/Usinger, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 248 HGB, Rdnrn. 11 ff. 61  Vgl. zur Verfügung nur Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 61 ff. 62  BFH, NJW 1993, 222; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 246, Rdnr.  5. 63  Vgl. Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 417; vgl. auch Schubert/Huber, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 247 HGB, Rdnr. 390. 64  Schubert/Huber, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 247 HGB, Rdnr. 390; Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 420; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 171.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

d) Wirtschaftliche Zurechnung des Gegenstandes Das Bilanzrecht des HGB verlangt den Ansatz von Gegenständen. Weil aber in jedem Gegenstand, wie gezeigt, auch weitergehende wirtschaftliche Potenziale ruhen (etwa die Nutzung unabhängig vom Eigentum), kommt es nach der handelsrechtlichen Aktivierungskonzeption darauf an, ob der Gegenstand nach wirtschaftlichen Kriterien dem Bilanzierenden zuzurechnen ist, vgl. § 246 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 HGB. Eine Zurechnung findet regelmäßig bei dem Eigentümer des Gegenstandes statt (vgl. § 246 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 HGB). Dieser Grundsatz erfährt indes eine Modifikation, wenn der Kaufmann nach wirtschaftlichen Maßstäben weitgehend unabhängig vom rechtlichen Eigentümer zur Verfügung über den Gegenstand berechtigt ist65 sowie die Gefahren und Lasten des Gegenstandes zu tragen hat.66 Jener, der in der Lage ist, den Gegenstand unabhängig vom Eigentümer zu verwerten, ist wirtschaftlicher Eigentümer.67 In der Rechtsprechung des BFH zur Zurechnung von Rechten findet sich zuweilen die Formulierung, dass der wirtschaftliche Eigentümer die „Chance der Wertsteigerung und das Risiko der Wertminderung“ trage.68 Das Begriffspaar der „Chancen und Risiken“ findet sich auch bei Hefendehl69 in der Argumentation zum Vorzug der Überschuldungsbilanz. Es ist daher eine Überlegung wert, ob das von Hefendehl herausgearbeitete und hier mit Modifikationen übernommene Herrschaftsprinzip im Kriterium der wirtschaftlichen Zurechnung nach § 246 Abs. 1 S. 2 HGB loziert werden kann. Hiergegen spricht jedoch, dass die wirtschaftliche Einordnung nach § 246 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 HGB eine absolute Verortung des Gegenstandes erfordert. Danach kann er nicht sowohl im Vermögen des Eigentümers – beispielsweise mit einem Gegenstandswert – als auch im Vermögen des Nutzungsberechtigten mit einem darüber hinausgehenden Nutzungswert angesetzt werden. Genau dies erfordert hingegen die Anerkennung des (jedenfalls rechtmäßigen) Besitzes als schützenswerter Vermögenswert.70 Nach dem hier vorgeschlagenen modifizierten Kriterium rechnet zum Vermögen der Person jeder Wert, der eine wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit eröffnet, die recht65  Baetge/Thiele/Kirsch,

Bilanzen, S. 180. in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 246 HGB, Rdnr. 7; in dieser Richtung auch Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 80. 67  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 180. 68  BFH, DStR 2006, 2163 (2165); BFH, BStBl. II 1988, 832; BStBl. II 1984, 825; krit. dazu Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 246, Rdnr.  14. 69  Vgl. oben D.III.3. 70  Vgl. BGHSt 14, 386 (388); BGH, NStZ 1996, 39; Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 216 f. 66  Förschle/Ries,



III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz203

mäßig ausgeübt werden kann.71 Man wird die Zurechnung wirtschaftlicher Potenziale daher insoweit für das Strafrecht konkretisieren können, dass sie durchaus Gegenstände unterschiedlichen Vermögensmassen in Höhe ihres wirtschaftlichen Potenzials zuordnet, soweit der Anteil an dem eigenständig nutzbaren und durch Risikoverortung begrenzten Wert reicht. Beispielsweise können dergestalt Eigentum und Besitz in der Vermögenswertzuordnung separat angesetzt werden. Dies hat etwa Bedeutung für die Bereiche der Miet- und Leihverhältnisse sowie für das Leasing, in denen regelmäßig Eigentum und Besitz auseinanderfallen. Eine unbesehene Übernahme des § 246 Abs. 1 S. 2 HGB scheidet damit für das Strafrecht aus. 4. Fazit und Anwendung des gewonnenen Kriteriums Zusammengefasst sind alle Gegenstände der bilanziellen Aktivierung zugänglich, hinter denen eine wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit steckt, die wiederum verwertet werden kann. Eingangs wurde auch das Vermögen als jenes Potenzial umschrieben, das in rechtmäßiger Weise verwertet werden kann. Das Merkmal der Verwertung in rechtmäßiger Weise ließe sich für das Strafrecht anhand der soeben skizzierten Ansatzkriterien umreißen, indem man alles, was wirtschaftlich – mithin im Wege der Veräußerung oder anderweitigen Nutzung im Rechtsverkehr – verwertet werden kann, in den Kreis der zu berücksichtigenden Vermögensgegenstände aufnähme. Maßgeblich ist dann der wirtschaftliche Sachverhalt, der hinter den rechtlichen Beziehungen steckt, solange er selbstständig werthaltig und nutzbar ist. Mit einem dergestalt ausgearbeiteten Kriterium für den Vermögensansatz wird noch einmal deutlich, dass mit den Gegenständen des Wirtschaftsverkehrs letztlich Werte transferiert werden, auf die es sub specie § 263 StGB ankommt. Vor diesem Hintergrund haben solche Gegenstände keinen Vermögenscharakter, die ein Mangel an selbstständiger wirtschaftlicher Werthaltigkeit belastet.72 Dem unrechtmäßigen Besitz an Dokumenten mit Ausweisfunk­ tion kommt hiernach der Vermögenswert nicht zu. Allerdings ist dabei nicht ausschlaggebend, dass die Bescheinigungs- und Erlaubnisfunktion derartiger Dokumente dominiert,73 sondern allein die Frage, ob in diesem Besitz eine 71  In der Grundlage stimmen die hiesigen Überlegungen im Ergebnis weitgehend mit der Begrifflichkeit Hefendehls, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 117 überein, obschon die hiesige Schrift anstatt eines zivilrechtlich fundierten Herrschaftsprinzips den Anknüpfungspunkt zur Konturierung des Vermögensbegriffes direkt im Bilanzrecht sucht. 72  Wie hier i. E. auch Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 459 mit Hinweis auf den bloßen Affektionswert. 73  So etwa Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 459.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

werthaltige Möglichkeit der rechtmäßigen Nutzung steckt. Dies wird man für den bloßen Besitz derartiger Dokumente verneinen müssen, nicht hingegen für durch den Einsatz derartiger Dokumente geschaffene Vermögenswerte. Denkbar wäre es, dass ein Journalist, der sich in unrechtmäßigem Besitz eines Ausweises befindet, durch die Nutzung dieses Ausweises eine Sensationsnachricht erlangen kann, deren Verbreitung vor dem Hintergrund der Pressefreiheit nicht verboten ist.74 Diese Nachricht kann wiederum dazu führen, dass sie als redaktionell verarbeiteter „Aufmacher“ eine Erhöhung der Auflage verursacht. Spätestens mit dem Beginn des Drucks entsteht folglich ein handfester wirtschaftlich nutzbarer Wert, der rechtmäßig verwertet werden darf, sodass die darauf gründende Aussicht bereits in der Nutzung des Ausweises verkörpert ist und man lediglich über die Wechselbezüglichkeit von Verfügung und Kompensation in diesem Fall näher reflektieren müsste. Auch die uneinbringliche und daher möglicherweise wertlose Forderung entbehrt Vermögenscharakter nicht erst deshalb, weil mit ihrer irrtumsbedingten Verfügung kein messbarer Nachteil eintritt,75 sondern genauer mangels eigenständiger Verwertbarkeit. Die Arbeitskraft hat Vermögenscharakter, soweit sie wirtschaftlich und rechtmäßig nutzbar ist, ebenso der Besitz. Darüber hinaus rechnen alle Exspektanzen und Anwartschaften sowie immaterielle Werte zum Vermögen, die wirtschaftlich und in rechtmäßiger Weise verwertet werden können, ungeachtet ihrer Herkunft. Mit der h. M.76 sind ferner Aussichten auf die Zahlung von Geldstrafen oder Bußgeldern keine Vermögensbestandteile. Die hiesige Begründung lautet jedoch, dass diese Aussichten nicht wirtschaftlich verwertet werden können. Das gewonnene Aktivierungskriterium konturiert folglich den Vermögensbegriff und öffnet ihn zugleich für die Geschwindigkeit wirtschaftlicher Entwicklungen, denen das Strafrecht bekanntlich nur unzureichend Rechnung zu tragen vermag.77 Es richtet den Blick auf die Möglichkeit der rechtmäßigen Nutzung, nicht auf die Herkunft des Postens. 74  Jedenfalls soweit nicht vorsätzlich Rechte Dritter verletzt werden, siehe die Spiegel-Affäre (BGH, NJW 1965, 1187) und dazu jüngst Hoffmann-Riem, ZRP 2012, 225 ff. 75  Vgl. Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 460. 76  Vgl. etwa BGHSt 38, 345 (351); BGH, wistra 2007, 258; OLG Köln, NJW 2002, 527 (528); Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 126. 77  So steht zur Diskussion, in welchem Umfang die sog. „Linden-Dollars“, die als Zahlungsmittel auf der virtuellen Plattform Second Life verwendet werden (vgl. dazu Habel, MMR 2008, 71 [72]), oder die Avatare, mit denen man sich in diesem virtuellen Umfeld bewegt (zur wirtschaftlichen Nutzung derselben vgl. wiederum Habel, MMR 2008, 71 [72]), Vermögenswert haben, wenn man es – so wie hier vorgeschlagen – auf den in ihnen verkörperten und rechtmäßig nutzbaren wirtschaft-



III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz205

5. Die Kriterien der Passivierung als Indikatoren des Vermögensschadens Die Regelungen über die handelsbilanzielle Darstellung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen78 werden durch den Passivierungsgrundsatz ausgefüllt. Der gemäß § 247 Abs. 1 HGB erforderliche Ausweis der Schulden lässt sich als Abbild jener Posten zusammenfassen, die eine quantifizierbare Verpflichtung des Unternehmens darstellen und für dieses mit einer wirtschaftlichen Belastung verbunden sind.79 Für die Fassung des Vermögensbegriffs vermag der Passivierungsgrundsatz keinen Beitrag zu leisten, denn er beschäftigt sich mit der Frage, wann Umstände in die Bilanz einzuzeichnen sind, die das Eigenkapital mindern. In der jüngeren strafrecht­ lichen Rechtsprechung und Literatur erfuhr die Passivierung jedoch rege Aufmerksamkeit, etwa indem die Rückstellungsbildung nach § 249 HGB als Indikator des Vermögensschadens herangezogen wurde.80 Im Vorfeld der Bewertungsfrage soll also bereits die Verortung eines Gegenstandes in der Bilanz darüber Auskunft geben können, ob das Vermögen geschädigt ist. Daher ist es unabdingbar, auch die „Schulden“ auf ihr Potenzial als Schadensindikatoren abzuklopfen. a) Die vorhersehbare und quantifizierbare Außenverpflichtung Das Merkmal der quantifizierbaren Verpflichtung äußert sich in einem konkreten Zwang zur Leistung, dem sich der Bilanzierende aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht entziehend kann.81 Indem der Passivierungsgrundsatz tatsächliche Zwänge inkludiert, ermöglicht er es, etwaige Kulanzleistungen oder solche Handlungsnotwendigkeiten zu erfassen, die bei Nichterfüllung wirtschaftliche Nachteile für das Unternehmen bedeuten.82 lichen Wert ankommen lässt. Von der Möglichkeit, auch virtuelle Gegenstände als sub specie § 263 StGB schützenswerte Vermögensbestandteile anzusehen, geht etwa Krasemann, MMR 2006, 351 (355) aus, der auch von einem entsprechenden – gar tödlich endenden – Betrugsfall aus China berichtet. 78  Zum Begriffsumfang der „Schulden“ vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss 2009, S. 78. 79  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 181. 80  So etwa in dem Urteil LG Essen, Urt. v. 10.  März 2010  – 56 Kls 11/09  – Juris, dortige Rdnrn. 98 und 130. 81  BFH, BB 2006, 1623 (1624); DStR 2003, 678 (679); DStRE 1999, 355 (357); Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 246, Rdnr.  13; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 182. 82  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 183.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

Ferner erfordert die Quantifizierbarkeit, dass jedenfalls ein Rahmen angegeben werden kann, innerhalb dessen sich die ungewisse Verpflichtung bewegt.83 Es wird zudem herkömmlich danach differenziert, ob die Verpflichtung gegenüber Dritten oder gegenüber dem Bilanzierenden selbst besteht.84 Handelt es sich um eine Außenverpflichtung, so liegt eine bilanzrechtliche Schuld vor, bei Innenverpflichtungen hingegen nicht.85 Denn Innenverpflichtungen sind solche, die den Bilanzierenden gleichsam im eigenen Interesse treffen, wie etwa Aufwandsrückstellungen.86 Seit dem BilMoG 2009 ist die Passivierung von Aufwandsrückstellungen als Innenverpflichtung indes nicht mehr zulässig,87 sodass damit auch der Streitpunkt entfällt, ob Durchbrechungen des Außenverpflichtungserfordernisses zuzulassen sind.88 b) Anwendung auf die Bildung von Rückstellungen nach § 249 HGB Weil auch die Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu den Schulden rechnen (§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB), kann es für die Zuordnung nicht maßgeblich sein, ob die Außenverpflichtung sicher besteht. Stattdessen fordert der Passivierungsgrundsatz lediglich, dass mit dem Zwang zur Leistung ernsthaft zu rechnen ist, was man wiederum auf ein Kriterium der Vorhersehbarkeit verdichten kann.89 Im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH wird man 83  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 185. Der BFH, BStBl. II 1993, 373; BStBl. II 1991, 479 verlangt eine eindeutige Quantifizierung, was jedoch mit dem Krite­ rium der Ungewissheit nicht kompatibel ist. 84  Vgl. Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 249, Rdnr 2. 85  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 183. 86  Dies sind Rückstellungen, die der Kaufmann für unterlassene Instandhaltungsaufwendungen oder Abraumbeseitigung nach § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Nr. 3 HGB a. F. bilden konnte. Tatsächlich handelte es sich dabei aber um Rückstellungen, die besser den Gewinnrücklagen zugeordnet werden sollten, vgl. van Hall, in: Kessler/ Leinen/Strickmann, BilMoG, S. 95. Stattdessen gibt § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HGB die Bildung von Aufwandsrückstellungen nur für solche Aufwendungen vor, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten oder bei Abraumbeseitigung im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden, vgl. dazu Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 249, Rdnrn. 21 f. und 27. 87  Vgl. van Hall, in: Kessler/Leinen/Strickmann, BilMoG, S. 95. 88  Vgl. dazu Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 183 mit dortiger Fn. 78. 89  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 184. Auch im Strafrecht findet sich das Kriterium der objektiven Vorhersehbarkeit als Erfordernis des objektiven Tatbestands im Fahrlässigkeitsdelikt sowie im Rahmen der objektiven Zurechnung.



III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz207

dieses immer dann als erfüllt ansehen können, wenn mehr Gründe für das Entstehen der Verpflichtung sprechen als dagegen.90 Ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, einen Prozess zu verlieren, höher als jene, ihn zu gewinnen, so wird die Verpflichtung nach diesem Maßstab vorhersehbar und ist als Rückstellung in der Höhe des zu erwartenden Erfüllungsbetrages (§ 253 Abs. 1 S. 2 Var. 2 HGB) zu passivieren. c) Anwendung am Beispiel des Abschlusses von Kreditverträgen In der Rechtsprechung des BVerfG wird der Schaden in den Fallkonstellationen des Abschlusses eines Kreditvertrages damit begründet,91 dass der Wertansatz für Gegenstände des Umlaufvermögens nach § 253 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 HGB zu Abschreibungen verpflichte, wenn der Börsen- oder Marktpreis bzw. der beizulegende Wert am Stichtag niedriger sei, als die Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Folglich stimme die Berücksichtigung von Wertdifferenzen innerhalb des Synallagmas in Kreditfällen mit wirtschaftlichen Maßstäben überein.92 Die Frage eines Schadens bemesse sich mithin nach der entsprechenden Wertminderung des Rückzahlungsanspruches. Dazu wird im Abschnitt über die Bewertung ausführlich Stellung bezogen.93 d) Bankenspezifische Ansatzregeln und das Darstellungspotenzial der Bilanz Man könnte allerdings auf den Gedanken kommen, dass bei strenger Beachtung der bankenspezifischen Ansatzvorschriften ein schädigender Vertragsschluss im Bereich des Kreditgeschäfts in der Bilanz nur eingeschränkt darstellbar sei. Denn nach §§ 340 Abs. 1, 340a Abs. 2 S. 2 HGB gilt für Kreditinstitute iSd. § 1 Abs. 1 KWG insbesondere im Bereich des Bilanzansatzes und der Gliederung die Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung Dabei geht es indes um die Frage, ob der Täter vernünftigerweise mit Kausalverlauf und Erfolgseintritt rechnen musste. Die Frage, ob es vernünftig ist, mit dem Bestehen einer Verbindlichkeit zu rechnen, ist sub specie Schadensberechnung allerdings ebenso wenig konkret wie das handelsrechtliche Kriterium der überwiegenden Gründe. 90  BFHE 183, 199; 192, 64 (67); 197, 630 (532). 91  Krüger, NStZ 2011, 369 (375) sieht hingegen in der „bilanzrechtlichen Behandlung von Vermögenspositionen“ lediglich ein Indiz; in dieser Richtung wohl auch Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 109. 92  Vgl. BVerfGE 126, 170 (223 f.). 93  Vgl. unten E.V.2.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

(RechKredV). § 15 Abs. 1 S. 5 RechKredV sieht für „Forderungen an Kunden“ nur den Ansatz der in Anspruch genommenen Kredite vor, nicht jedoch die Berücksichtigung der Kreditzusagen. Auf der Aktivseite des Kreditinstituts erscheint daher nur die Summe, die bereits vom Kreditnehmer beansprucht wurde. Kreditzusagen werden demgegenüber nach § 27 Abs. 2 RechKredV – um die Summe der in Anspruch genommenen Kredite gekürzt –94 auf der Passivseite verortet, sofern sie unwiderruflich sind und Anlass zu einem Kreditrisiko geben können. Folglich können auf der Aktivseite keine Berichtigungen platzgreifen, sofern Kreditlinien noch nicht beansprucht wurden. Vielmehr wäre eine Betrachtung der Passivseite erforderlich, wobei auch dort nur solche Zusagen erfasst werden, die unwiderruflich erteilt sind. Indes vereitelt dieser spezielle Befund – ebenso wie bei Versicherungsverträgen, die in das Regime der §§ 341a ff. HGB fallen – den grundsätzlichen Rekurs auf die bilanzielle Darstellung nicht. Soweit die bankenspezifischen Regelungen einen Ansatz nicht in Anspruch genommener Bankkredite nicht ermöglichen, wird dieser Umstand hinzunehmen und die Lösung über allgemeine Bilanzgrundsätze zu suchen sein. Die Bilanz wäre an dieser Stelle zwar weniger sensitiv, dafür aber womöglich spezifisch, sodass sie nach den Vorüberlegungen zum idealen Bilanzmodell gleichwohl zu präferieren wäre. e) Rückstellungen nach § 249 HGB als Schadensindikator? Nachdem die Bilanz auch in Randbereichen jedenfalls nicht mangels Darstellungspotenzials a limine als Schadensrechner ausscheidet, ist der Überlegung Raum zu gewähren, ob sich ein Vermögensschaden im Zeitpunkt des Vertragsschlusses – etwa über eine Kreditgewährung – nach den Grundsätzen der Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 249 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB) berechnen ließe.95 Denn noch bevor eine Abschreibung der Forderung möglich wird, kommt bei drohenden Verlusten unter Umständen bereits eine Rückstellungsbildung in Betracht.96 Sie wird erforderlich, sobald konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Wert der eigenen Leistung (hier: des Kreditgebers) den Wert der Gegenleistung (hier: des Kreditnehmers) überschreiten wird.97 Die ge94  Sollanek,

Bankbilanzen, S. 80. Überlegung ziert ebenfalls die Ausführungen bei Joecks, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 355 (367 ff.); Kraatz, JR 2012, 329 (334); vgl. ferner die sehr knappen Darlegungen bei Bley, Warenkreditbetrug, S.  218 f. 96  Vgl. etwa BFH, NJW-RR 1998, 1510 f. 97  BFH, DStR 2005, 1975 (1980); Schubert, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 249 HGB, Rdnr. 60; Morck, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 249, Rdnr. 7a. 95  Diese



III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz209

nauen Kriterien variieren: So liest man etwa, der Eintritt des Verlustes müsse „so gut wie sicher“98 oder das Risiko der Inanspruchnahme wahrscheinlich99 bzw. „objektiv zu erwarten“100 sein. Nach diesen Maßstäben wäre bereits bei objektiver Vorhersehbarkeit einer Leistungswertdifferenz der Vermögensschaden dargetan. Dieses Gleichnis leistet allerdings nur die halbe Arbeit: Der Nachweis einer effektiven Minderung des Vermögenswertes durch den Abschluss des Vertrages steht im Fall der Rückstellungsbildung noch aus.101 Denn unter Umständen kann die Bildung einer Rückstellung auch erforderlich sein, sobald das Geschäft als „Fehlmaßnahme“102 erkennbar wird; mithin sogar vor Vertragsschluss, wenn ein bindendes Vertragsangebot abgegeben wurde, dessen Annahme mit Sicherheit zu erwarten steht.103 Insofern widerspräche die Anknüpfung an gebildete Rückstellungen einem anerkannten Zeitpunkt der Tatvollendung durch Verfügung, die frühestens mit Vertragsschluss eintreten soll.104 Zweifel ergeben sich ferner daraus, dass die Rückstellungen für Drohverluste nach § 5 Abs. 4a S. 1 EStG in der Steuerbilanz grundsätzlich nicht passiviert werden dürfen. Sie mindern den Gewinn des Steuerpflichtigen folglich nicht und lassen darauf schließen, dass jedenfalls der Steuergesetzgeber nicht realisierte Verluste in den Risikobereich des Steuerpflichtigen einrechnet.105 Nach überwiegender Auffassung im Handelsrecht ist die Drohverlustrückstellung zudem gegenüber der Abschreibung subsidiär.106 Dies bedeutet nicht, dass das Handelsrecht bereits im Zeitpunkt des drohenden Verlustes eine Wertminderung fingiert. Vielmehr wird die Drohverlustrückstellung erst in dem Fall gebildet, dass „der Verlust nicht durch Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert berücksichtigt ist oder sich anderweitig erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung 98  Morck,

in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 249, Rdnr.  7a. Bilanzen, S. 436. 100  Schubert, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 249 HGB, Rdnr. 60. 101  Ähnlich auch Ransiek/Reichling, ZIS 2009, 315 (317), allerdings nicht nur in Bezug auf Kreditvergaben; ebenso zweifelnd Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 185c. 102  BFH, DStR 2005, 1975 (1980). 103  Vgl. BFHE 137, 427; BFH, DStR 2005, 1975 (1980); vgl. ferner Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 249, Rdnr.  10 mit Hinweis auf den Beginn des Schwebezustandes bei bindendem Angebot des Bilanzierenden. 104  Vgl. dazu Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnrn. 538 ff.; Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 183. 105  Vgl. auch Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 1199. 106  Vgl. BFH, DStR 2005, 1975 (1979); Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 1106; Schubert, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 249 HGB, Rdnr. 68; Hofer, DStR 2001, 635 (637). 99  Baetge/Thiele/Kirsch,

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

niedergeschlagen hat“.107 Mit anderen Worten: Eine Rückstellung kommt nur in Betracht, wenn keine Abschreibung möglich ist. Ein dergestalt austariertes Verhältnis von Abschreibung zu Rückstellung entspricht auch Art. 20 Abs. 3 der Jahresabschlussrichtlinie,108 wonach Rückstellungen keine Wertberichtigungen zu Aktivposten darstellen dürfen.109 Diese Prämisse hat Eingang in § 250 Abs. 4 S. 1 HGB-E des Regierungsentwurfs zum Bilanzrichtliniengesetz 1985 gefunden,110 dessen Regelungsgehalt heutzutage in § 249 Abs. 2 S. 1 HGB untergebracht ist. Das Verbot des § 249 Abs. 2 S. 1 HGB, zu anderen als den in § 249 Abs. 1 HGB genannten Zwecken Rückstellungen zu bilden, ist demnach Ausdruck des Grundgedankens, wonach Rückstellungen und Wertberichtigungen inkompatibel sind.111 Dem Befund zum Verhältnis von Rückstellung zu Abschreibung lässt sich mithin die Schlussfolgerung entnehmen, dass allein die notwendige Bildung von Rückstellungen keine Wertminderung im Vermögen anzuzeigen vermag.112 f) § 249 Abs. 2 S. 2 HGB als Lösungsvorschlag Anstatt bereits mit der Rückstellungsbildung den Vermögensschaden zu konstatieren, sollte daher die Regelung des § 249 Abs. 2 S. 2 HGB in den Blick genommen werden, wonach Rückstellungen nur dann aufgelöst werden dürfen, soweit der Grund dafür entfallen ist. Der Grund für die Rückstellung entfällt bei ungewissen Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 S. 1 Var. 1 HGB), soweit aufgrund neuer Informationen „erheblich mehr gegen als für den Eintritt der Verpflichtung spricht“.113 Bei Drohverlustrückstellungen (§ 249 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB) wird die Auflösung erforderlich, wenn mit Verlusten nicht mehr zu rechnen ist.114 Dies veranschaulicht, dass die Belastung des Vermögens bis zum Eintritt der Verbindlichkeit oder des Verlustes noch nicht derart greifbar ist, dass man sie als gleichsam „negative 107  BFH,

DStR 2005, 1975 (1979). Nr. 78/660/EWG des Rates vom 25.  Juli 1978, Amtsbl. EG Nr. L 222 S. 11, umgesetzt durch das BiRiLiG 1985, vgl. Kindler, in: MünchKomm – BGB, Band 11, Int. Handels- und Gesellschaftsrecht, Rdnr. 39 f. und BTDrs. 10/317, S. 83. 109  Vgl. dazu auch Hofer, DStR 2001, 635 (637); BFH, DStR 2005, 1975 (1979). 110  BT-Drs. 10/317, S. 84. 111  Vgl. auch Hennrichs, in MünchKomm – Bilanzrecht, § 249 HGB, Rdnr. 95. 112  Zweifelnd auch Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 172; Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 185c und 197; vgl. auch Lampe, Der Kreditbetrug, S. 27, der bei Rückstellungsbildungen lediglich von einem „nach außen in Erscheinung [T]reten“ einer gewissen Vermögensgefährdung spricht. 113  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 439. 114  Vgl. Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 898. 108  Richtlinie



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Exspektanz“ ansehen könnte;115 der „Schritt zurück“ ist hier stets möglich. Insbesondere zwingt nichts zu der Annahme, der Gesamtvermögenswert werde beeinträchtigt, weil § 249 Abs. 2 S. 2 HGB etwa zeige, dass die Bildung von Rückstellungen unter milderen Voraussetzungen erforderlich werde, als deren Auflösung – dass mithin eine gewisse „Verfestigung“ eingetreten sei. Vielmehr demonstriert die Zusammenschau der einschlägigen Bewertungsregeln den grundsätzlichen Werterhalt des Gesamtvermögens. Denn einerseits greift § 253 Abs. 1 S. 2 Var. 2 HGB, der die Bewertung ungewisser Verbindlichkeiten mit dem vernünftigerweise anzunehmenden Erfüllungsbetrag bzw. mit dem Verpflichtungsüberschuss im Falle des Drohverlustes116 fordert. Andererseits sind §§ 252 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. 253 Abs. 1, Abs. 4 HGB zu berücksichtigen, die für das Umlaufvermögen Abschreibungen in Höhe des Marktpreises vorgeben. Weil aber genau die Differenz zwischen Nennwert und Marktpreis des Rückzahlungsanspruchs den Schaden ausmachen soll, liegt im Endeffekt bei Rückstellungen nur eine bilanzielle Neuverortung von Werten vor: Ein Teil des Vermögens wird erst einmal nur in Höhe des drohenden Verlustes gesondert im Fremdkapital – pour ainsi dire – „aufbewahrt“.117 Aus diesem Grund bewirkt die Bildung von Rückstellungen grundsätzlich keine Minderung des Gesamtvermögenswertes, sondern vor allem eine Ausschüttungssperre.118 Die hiesige Argumentation wird dadurch abgestützt, dass nach der h. M. Rückstellungen dem Imparitätsprinzip (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) geschuldet sind. Sie verorten noch nicht realisierte Verluste in jener Periode, in der sie wirtschaftlich verursacht wurden,119 und dienen somit der Kapitalerhaltung und letztlich dem Prinzip der Vorsicht.120 In der Terminologie der dynamischen Bilanzlehre Schmalenbachs121 bezeichnen Rückstellungen lediglich zu antizipierenden122 Aufwand, der aber noch nicht zur Ausgabe ge115  Vgl. auch Ransiek/Reichling, ZIS 2009, 315 (317), die eine entsprechende Konkretisierung fordern. 116  Vgl. dazu Schubert, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, §  249 HGB, Rdnr. 51. 117  Vgl. zur Rückstellungsbildung als Verlagerung in das Fremdkapital BGHZ 139, 167 (175). 118  Vgl. dazu Siegel, DStR 2001, 1674 (1675). 119  Vgl. Morck, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 249, Rdnr.  1; Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 1198; Winkeljohann/Büssow, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 252 HGB, Rdnr. 41; zur Verortung im „Vorsichtsprinzip“ vgl. auch Lahme, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, „Rückstellungen“, Rdnr. 3. 120  Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D, Rdnr. 1198. 121  Vgl. dazu eingehend unten E.VII.2. 122  Dieser Imperativ ist wichtig: Die Antizipation des künftigen Aufwandes ergibt sich aufgrund der gesetzlichen Anordnung, nicht hingegen weil der Vermögensgegenstand stets konkret an Wert verloren hätte.

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führt hat.123 Daher erscheint es vorzugswürdig, die Vermögenswertminderung aufgrund von Rückstellungsbildungen frühestens in den Blick zu nehmen, wenn die Möglichkeit, Rückstellungen aufzulösen (§ 249 Abs. 2 S. 2 HGB), nicht mehr in Betracht zu ziehen ist. Erst dann ist es hinreichend sicher, dass der entsprechende Wertanteil das Vermögen belastet. Die Bank wird sich – auch wegen des Vorrangs der Abschreibung vor der Rückstellung – spätestens mit einem Vermögensverlust auseinandersetzen, wenn sie nicht mehr damit rechnen darf, die Rückstellungen noch auflösen zu können, weil dann jedenfalls absehbar wird, in welcher Höhe der Verlust letztlich zu Buche schlägt.124 Das heißt zugleich: Jede strafrechtliche Betrachtung der Vermögenslage entbehrt jedenfalls der hinreichend sicheren Grundlage, sofern die Auflösung von Rückstellungen noch denkbar erscheint. g) Anwendung am Beispiel der Kreditkartenerschleichung Üblicherweise wurde der Vermögensschaden in den Fällen der Kreditkartenerschleichung darin verortet, dass der Karteninhaber die Karte problemlos einsetzen könne.125 Neuerdings hat man demgegenüber in der Literatur Rückstellungen nach § 249 Abs. 1 HGB für den vermutlich wertlosen Rückgriffsanspruch der kartenausgebenden Bank gegenüber dem Karteninhaber als maßgeblich angesehen, um den Schaden darzulegen.126 Weil jedoch eine Rückstellungsbildung für Drohverluste gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB – wie soeben aufgezeigt – kein geeigneter Standort der Schadensbegründung ist, sofern die Auflösung nach § 249 Abs. 2 HGB noch möglich erscheint, kann sie nicht zur Schadensbegründung in Fällen der Kreditkartenerschleichung herangezogen werden. Es bleibt zu überlegen, ob eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 S. 1 Var. 1 HGB den Schaden dadurch offenzuleMorck, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 249, Rdnr.  2. liegt unsere Argumentation nicht auf der Linie jener, die (nur) eine notwendige Abschreibung für die Annahme des Schadenseintritts fordern, vgl. etwa Goldschmidt, ZStW 48 (1928), 149 (160); Bockelmann, ZStW 79 (1967), 28 (40); jüngst auch Schäfer, JR 2009, 289 mit Hinweis auf die Historie. 125  BGHSt 33, 244 (245 f.); 47, 160 (167); BGH, NStZ 1993, 283; Beukelmann, in: BeckOK – StGB, § 263, Rdnr. 66; vgl. auch Rengier, AL 2010, 165 (167 f.). 126  So Jäger, JuS 2010, 763; zweifelnd Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnrn. 185c und 197. Dannecker, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 263, Rdnr. 95 geht davon aus, dass das Vermögen des Kreditgebers wegen der schlechten Bonität des Karteninhabers bereits mit einer Forderung belastet sei, sobald die Karte ausgegeben werde. Das Kriterium der vorhersehbaren, quantifizierbaren Außenverpflichtung wird jedoch allein mit der Ausgabe der Karte noch nicht erfüllt sein. Zur Schadensermittlung anhand von Rückstellungen vgl. auch Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnrn. 540 ff. 123  Vgl.

124  Folglich



III. Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz213

gen vermöchte, dass der Bank gegenüber dem Acquiring-Unternehmen bzw. dem Kaufmann,127 bei dem die Karte eingesetzt wurde, eine Verbindlichkeit erwachse, weil sie wahrscheinlich den anfallenden Kreditkartenbetrag werde erstatten müssen. Auch hier erscheint jedoch die Maßgabe einer „wahrscheinlichen Verpflichtung“ vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG zu wenig konturiert, als dass sie im Strafrecht Relevanz entfalten könnte. Nach § 253 Abs. 1 S. 2 Var. 2 HGB sind Rückstellungen mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag anzusetzen. Dies schließt die Betrachtung erkennbarer künftiger Preis- und Kostenentwicklungen ein, sodass in Kreditkarten­ erschleichungsfällen ein Schaden in voller Höhe einer als wahrscheinlich identifizierten Verpflichtung einträte, der möglicherweise sogar aufgrund sich wandelnder Geldkosten etwas höher läge als der ausgegebene Kreditkartenbetrag. Letztlich maßgeblich ist nach der hiesigen Lösung wiederum, ob die Möglichkeit, Rückstellungen aufzulösen, nicht mehr in Betracht gezogen werden kann. Nach diesem Ansatz kann eine Belastung des Vermögens der Kreditkarten ausgebenden Bank erst dann konstatiert werden, wenn eine die Bank belastende Verbindlichkeit dem Grunde nach gewiss ist. Denn erst dann ist es hinreichend wahrscheinlich, dass eine Leistungsverpflichtung der Bank eintreten wird, der ein entsprechender wertloser Rückerstattungsanspruch gegenüber dem Karteninhaber korrespondiert. Dies ist erst dann der Fall, wenn der Täter die Karte das erste Mal einsetzt.128 In diesem Zeitpunkt steht freilich auch die (Mindest-)Höhe des Ausfallbetrages fest, sodass in diesem Beispiel die Umwandlung der Rückstellungen in eine Verbindlichkeit und der Schadenseintritt übereinstimmen. Das Bilanzrecht gibt dem Täter folglich die Gelegenheit, etwaigen Zweifeln ob des Karteneinsatzes nachzugeben, ohne dass er bereits mit dem Damoklesschwert der strafrechtlichen Sanktion beschwert wäre. h) Die vorhersehbare wirtschaftliche Belastung Der Passivierungsgrundsatz erfordert schließlich, dass aufgrund der rechtlichen oder tatsächlichen Verpflichtung eine künftige Vermögensminderung vorhersehbar wird.129 Damit scheidet die Passivierung von Bürgschaften grundsätzlich aus.130 Begründet wird diese Feststellung mit der Erwägung, 127  Vgl. zu den unterschiedlichen Kartensystemen Brand, WM 2008, 2194 (2198) mit zahlr. Nachweisen. 128  So auch Saliger, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 455 (473); vgl. zur abweichenden Differenzierung anhand der Frage, ob der Getäuschte bereits geleistet habe Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 175. 129  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 184 f. 130  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 185.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

dass bei Abschluss eines Bürgschaftsvertrages gerade nicht mit der Inanspruchnahme des Bürgen und folglich auch die künftige Vermögensminderung nicht erwartet werde.131 Gemäß § 251 HGB132 werden Bürgschaften daher in der Regel unter den Haftungsverhältnissen ausgewiesen. In aller Pauschalität trägt die Begründung jedoch nicht, sodass mit zunehmender Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme durchaus eine Bilanzierung als Rückstellungen oder Verbindlichkeiten in Betracht zu ziehen ist.133 Auch eine sog. Teilpassivierung ist möglich.134 Weil die Bürgschaft kein zweiseitiges Geschäft ist, sondern die einseitige Verpflichtung des Bürgen begründet (§ 765 Abs. 1 BGB), handelt es sich nicht um ein schwebendes Geschäft.135 Folglich kann für eine Bürgschaftsverpflichtung auch keine Drohverlustrückstellung nach § 249 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB gebildet werden. Indes kann eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 S. 1 Var. 1 HGB für ungewisse Verbindlichkeiten unter den bereits skizzierten Voraussetzungen notwendig werden.136 Auch hier gilt wiederum die Lösung, wonach allein die nicht mehr in Betracht zu ziehende Auflösung der Rückstellungen gemäß § 249 Abs. 2 S. 2 HGB den zutreffenden Ansatzpunkt für die Schadensberechnung bildet. 6. Zusammenfassung Die Ansatzregeln der Handelsbilanz können zur Ausgestaltung des wirtschaftlich-ökonomischen Vermögensbegriffs herangezogen werden. Sie leisten einen Beitrag zur Konkretisierung der Partikel „wirtschaftlich“. Der Ansatz von Rückstellungen allein gibt hingegen noch keinen Aufschluss über eine Vermögenswertminderung. Erst die nicht mehr in Betracht zu ziehende Auflösung der Rückstellungen kommt für die Schadensberechnung in Betracht. Ob und in welcher Höhe ein Vermögensschaden vorliegt, richtet sich sodann nach der Bewertung des entsprechenden Vermögensgegenstands. 131  Vgl. dazu Grottel/Haußer, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 251 HGB, Rdnr. 2; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 185. 132  Bei Kapitalgesellschaften: § 251 i.  V. m. § 268 Abs. 7 HGB. Kreditinstitute weisen Bürgschaften entweder als Verbindlichkeiten mit zweckgebundenen Deckungsguthaben nach §§ 340 Abs. 1, 340a Abs. 2 HGB i. V. m. § 21 Abs. 1 RechKredV aus oder als Eventualverbindlichkeiten gemäß §§ 340 Abs. 1, 340a Abs. 2 HGB i. V. m. § 26 Abs. 2 RechKredV. 133  Vgl. Hennrichs, in: MünchKomm – Bilanzrecht, § 251 HGB, Rdnr. 8; Grottel/ Haußer, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 251 HGB, Rdnr. 3. 134  Grottel/Haußer, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 251 HGB, Rdnr. 3. 135  Vgl. Grottel/Haußer, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, §  251 HGB, Rdnr. 2. 136  Vorrang der Passivierung, vgl. Grottel/Haußer, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 251 HGB, Rdnr. 3.



IV. Überlegungen zum Wertmaß215

IV. Überlegungen zum Wertmaßnach marktwirtschaftlichen Grundsätzen Mit diesen Grundlegungen ausgestattet, widmen sich die weiteren Überlegungen der Bewertung der Bilanzposten in einer Schadensrechnung. Bevor auf die handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätze eingegangen werden kann, bedarf allerdings die Frage der Klärung, welches Wertmaß in einer Berechnung des Betrugsschadens anzusetzen ist. Das Vermögen steht nicht vor aller Erkenntnis, sondern ist ein dem Kontext verpflichtetes, zweckgebundenes und der vernünftigen Erkenntnis zugängliches Konstrukt. Für das Vermögensstrafrecht bedeutet dies einerseits, den Begriff des Vermögens und die Umstände seiner Beeinträchtigung abstrakt aus strafrechtlichen Grundentscheidungen zu entwickeln. Andererseits trifft der abstrakte Vermögensbegriff immer dann auf tatsächliche Anknüpfungspunkte, wenn man den Blick vom Ganzen auf die separaten Vermögensgegenstände lenkt. Was das Vermögen ist, richtet sich folglich nach rechtlichen Grundsätzen, während Existenz und Wert der juristisch umrissenen Vermögensgegenstände der Empirie zugänglich sind. Daher ist es richtig, das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens in einen normativen und einen an tatsächliche Umstände anknüpfenden Teil aufzuspalten.137 An jenem Punkt, der den Konnex zu tatsächlichen Gegenständen und Marktwerten herstellt, liegt das einleitend skizzierte Übergangsproblem und dort beginnt folglich die strafrechtliche Schadensberechnung im engeren Sinn. Es gibt derzeit kaum eine Stellungnahme, die auf einer wirtschaftlichen Vorstellung vom Vermögensbegriff fußt und ohne den Hinweis darauf auskäme, dass der Vermögenswert anhand von Marktpreisen und Verkehrswerten zu ermitteln sei. Zumeist bleibt es aber bei diesem allgemeinen Hinweis und alles Weitere erschöpft sich – bei juristischen Abhandlungen freilich kaum verwunderlich – in dem Unterfangen, abstrakte Kriterien herauszubilden, die als marktwirtschaftlich gelten sollen. In der Rechtsprechung findet der Betrachter sogar ein weitergehendes Sammelsurium an Begrifflichkeiten, mit denen die Vokabel von der „wirtschaftlichen“ Sichtweise ausgekleidet wird.138 Damit der Herausbildung allgemeiner Kriterien überhaupt Erfolg beschert sein kann, bedarf es jedoch eines genaueren Blicks auf die Floskel „marktwirtschaftlich“. Erst die Erkenntnis der wesentlichen Begriffsmerkdieser Aufteilung vgl. auch Saliger, JZ 2012, 723 (724). etwa die Aussage, die festgestellten Nachteile seien „wirtschaftlich wägbar“, vgl. BGHSt 1, 92 (94); teilweise bedeutete „wirtschaftlich“ auch die Abkehr „von der bürgerlichrechtlichen Betrachtungsweise“, mithin die Abwendung vom Zivilrecht, vgl. BGHSt 2, 364 (365 f.). 137  Zu 138  So

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

male erlaubt eine Entscheidung im Umfeld abstrakter Wertermittlungskriterien für die Schadensberechnung. 1. Die Transaktion als Maßstab der Vermögenswertermittlung Das von § 263 StGB geschützte Vermögen ist eine Gesamtheit von Werten, deren Gehalt sich nach marktwirtschaftlichen und branchentypischen Umständen und Gesetzmäßigkeiten richtet.139 Diese Ausrichtung auf marktwirtschaftliche Verhältnisse im weitesten Sinne ergibt sich daraus, dass eine Vermögensmasse nur im Wege der Transaktion mit einer konkreten, zeitbezogenen Wertangabe versehen werden kann.140 Sobald man ein Vermögen wieder unter dem heimischen Kopfkissen verstaut, verliert man die Möglichkeit genau anzugeben, welchen Wert dieses gerade habe, und erst die erneute Partizipation der Vermögensgegenstände am Markt versetzt den Vermögensträger in die Lage, den Wert seines Vermögens zu messen.141 Ein naheliegender Einwand gegen diese Darlegung ist der Hinweis, der Mechanismus der Wertbeilegung funktioniere im Wesentlichen nach den Grundsätzen von Vergleich und Konvention.142 Auch wenn ein Vermögensgegenstand nicht am Markt partizipiere, so könne er durch einen Vergleich mit anderen Gegenständen, die gerade am Markt sind, im Werte eingeordnet werden.143 Das ist richtig, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der einem Vergleich zugrundeliegende Wert letztlich doch wieder aus einer Transaktion gewonnen wird.144 139  Zu der Relevanz von Branchen vgl. auch Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 172a. 140  Diesen Moment bezeichnet Rieger, Privatwirtschaftslehre, S. 213  ff. als die „Geldwerdung“ des Gegenstandes. Zum Transaktionsansatz im Rahmen der Rechnungslegung vgl. Küting, DB 2006, 1141 (1146). Auch das Conceptual Framework des IASB weist in CF 4.63 (Satz 3) auf die Transaktion als Wertmesser hin und ebenso wird in strafrechtlichen Publikationen auf das Transaktionsmoment hingewiesen: vgl. etwa im Kontext der „schwarzen Kassen“ Hohn, in: Festschr. f. Rissing-van Saan, 2010, S. 259 (270). 141  Zur „wertbemessende[n] Funktion der Wiederverkaufsgelegenheit“ im Umfeld der Unternehmensbewertung vgl. auch Florstedt, wistra 2007, 441 (445). 142  In dieser Richtung wohl Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 45: Geldwert erfülle neben einer Tauschfunktion die Funktion eines allgemeinen Wertmaßstabes, an dem die Güter auch bei ausbleibendem Tausch in Geld gemessen würden. 143  Vgl. dazu – mit Bezug zur Unternehmensbewertung – wiederum Florstedt, wistra 2007, 441 (445 – Vergleich; 448 – Schätzwert). 144  Vgl. den Hinweis bei Quick/Wurl, Doppelte Buchführung, S. 80 auf das (theoretische) Erfordernis eines fiktiven Angebots auf dem entsprechenden Markt zur exakten Bemessung einer Abschreibung. Zu der heute wohl immer noch relevanten sog. Grenznutzentheorie, die das Zustandekommen von Preisen zu erklären sucht, vgl. Illy, „Grundprobleme der Preistheorie“, Zeitschrift für Nationalökonomie 1949, 290 ff.



IV. Überlegungen zum Wertmaß217

Ferner schützt ein Vergleich nicht vor einem plötzlichen Werteverfall, der den konkreten Gegenstand möglicherweise treffen könnte, oder gar vor einem Misserfolg des in Rede stehenden Gegenstandes zum Zeitpunkt seiner tatsächlichen Transaktion: Der „wahre“ Wert eines Vermögensgegenstandes zeigt sich erst in dem Moment, in dem jemand anderes für ihn „auf dem Markt“ einen gewissen Gegenwert leistet und deshalb ist der maßgebliche Wertansatz in der Vermögensschadensrechnung ein Transaktionswert. Ebenfalls marktwirtschaftlichen Sichtweisen entsprechen könnte es, eine Wertbestimmung im Vorgriff oder in der Nachschau einer Transaktion zuzulassen, sofern die Notwendigkeit besteht, den Wert zu einem gewissen Zeitpunkt zu ermitteln, der nicht auf ein Transaktionsdatum fällt. Angesprochen ist der Umstand, wonach die Berechnung des Vermögensschadens freilich nicht auf die probeweise Durchführung von Transaktionen warten kann, zumal auch dieses Verfahren aufgrund der Einmaligkeit des geschichtlichen Ereignisses nur ungenaue Angaben erlaubt. Eine sachverständige Beurteilung des Vermögenswertes wird sich selbstredend auch auf zeitliche Disparitäten einlassen müssen. Dass letztlich alle Wertermittlung auf den Transaktionsgedanken zurückgeht, darf indes nicht außer Acht gelassen werden. Dies ist der Kern einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die Umfang und Wert des Vermögens regiert. Dergestalt als Transaktionsnukleus identifiziert, bemisst dieser Ausgangspunkt der Wertbetrachtung zugleich die treffende Schrittweite der folgenden Untersuchung: Sie ist verpflichtet, einen Radius festzulegen, innerhalb dessen eine bilanzielle Wertangabe noch dem Transaktionskern zugemessen werden kann. 2. Die Branchentypik als Wertfaktor Während der klassische Fall einer Wertermittlung durch Transaktion den Kernbestand marktbezogenen Wirtschaftens treffen mag, trägt der Rekurs auf branchentypische Verhältnisse dem Umstand Rechnung, dass heutzutage im Zuge der Tertiärisierung eine besonders große Zahl an Leistungen ausgetauscht wird, die nicht zur wesensgleichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sondern einen Prozess der Wertsteigerung und Einbettung durchlaufen, bevor sie im Verbund mit Material und Leistung einem Wertträger zugeordnet werden. Ferner beherbergt etwa der Gesundheitsmarkt eine Fülle an Leistungen, bei denen die Wertermittlung nach künftigem Transaktionserfolg insofern versagt, als die Leistung am Patienten mit der Erfüllung ihre Letztbestimmung gefunden hat. Sie kann nicht weiterveräußert werden. In diesen weiten Zirkeln versagte unter dem in die Zukunft gerichteten Transaktionsgedanken der Schutz des § 263 StGB, weil im Einzelfall der Wert einer Vermögensmasse nicht eindeutig zu beziffern und damit der Nachweis eines Schadens unmöglich wäre. Wer diese Konsequenz nicht ziehen möch-

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

te, der kommt nicht umhin, den Markt als dynamisches Umfeld zu betrachten, das sowohl Zwischen- als auch Endtransaktionen kennt, wobei letztere dadurch gekennzeichnet sind, dass sie an einem Punkt angelangen, an dem die Leistung ihre konkrete Verkehrsfähigkeit verliert. An die Stelle des Verkehrswertes tritt dann regelmäßig der objektive Gebrauchswert des Gegenstandes, dessen Besonderheit es ist, dass er nicht im Wege der weiterveräußernden Transaktion bemessen werden kann. Es ist naheliegend, dieser Charakteristik durch die Betrachtung der Gegenleistung Rechnung zu tragen – im Fall der ärztlichen Leistung folglich des erzielten Preises für die Leistung –, denn diese markiert die letzte zur Wertbestimmung verfügbare Transaktionsprobe.145 Folglich schließt der Hinweis auf die Bedingungen des Marktes zugleich die Eigenart der Branche ein, die eine Abweichung von der weiterveräußernden zur letztverfügbaren Probe zulässt. Nichts anderes kann auch für das unter betrugsstrafrechtlichen Gesichtspunkten fragliche Verhältnis von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft gelten. Werden Forderungen nicht (auch) als Wirtschaftsgut erworben, sondern lediglich als Vehikel des Gütertransfers, so werden diese im Zuge der Erfüllung entweder „verbraucht“ oder sie leben etwa in der Gestalt von Nacherfüllungsansprüchen weiter. Diese Feststellung rechtfertigt es, das Verpflichtungsgeschäft allein nach der vergangenen „Transaktion“, mithin nach dem Äquivalenzverhältnis bei Vertragsschluss zu beurteilen. Anders fiele die Beurteilung nur dann aus, wenn unter Berücksichtigung der Branchenverhältnisse Forderungen typischerweise fakturiert und veräußert werden, denn in diesem Fall bietet sich wiederum der in die Zukunft gerichtete Transaktionswert für die Schadensberechnung an. 3. Der Verlust der individuellen Verkehrsfähigkeit Ferner gibt es Vermögensgegenstände, die zu einem gewissen Zeitpunkt unabhängig von einer Endtransaktion ihre individuelle Verkehrsfähigkeit verlieren, entweder weil der Vermögensinhaber die Dispositionsbefugnis nicht ausüben kann oder die (deutsche) Rechtsordnung dem konkreten Gegenstand die Verkehrsfähigkeit dadurch aberkennt, dass für ihn kein Preis gefordert werden darf.146 Diese Fälle der „schwarzen Kassen“147 und des 145  Ob diese Probe letztlich rechtlich bedeutsam oder aufgrund einer fehlerhaften – regelwidrigen – Transaktion außer Betracht bleibt, ist eine andere Frage. 146  Der Vermögensgegenstand verliert gleichsam seine Gegenleistungsfähigkeit. 147  Hohn, in: Festschr. f. Rissing-van Saan, 2011, S. 259 (265 ff.) bezweifelt hingegen, dass mit der Fallgruppe der „schwarzen Kassen“ tatsächlich die Dispositionsbefugnis des Vermögensinhabers angesprochen werde. Vielmehr betreffe diese Kategorie die Geschäftsführungsbefugnis des Vermögensinhabers.



IV. Überlegungen zum Wertmaß219

Ausschlusses von Abrechnungsmöglichkeiten unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von den soeben vorgestellten Endtransaktionen: Während solche Leistungen, die bestimmungsgemäß einem Endzweck zugeführt werden, in allen Vergleichsfällen die Verkehrsfähigkeit verlieren, gilt dies bei den hier angesprochenen Gegenständen und Leistungen nur für den konkreten Fall. Eine ärztliche Behandlung verliert stets mit der Leistung die Verkehrsfähigkeit, ebenso die Gabe eines Medikaments oder der Lebensmittelerwerb in einem Restaurant mit anschließendem Verzehr, und selbst wenn man den Versuch unternähme, vergleichbare Fälle heranzuziehen, so käme man schließlich stets zu demselben Ergebnis: Waren und Leistungen, die einer Endtransaktion zugeführt werden, können nicht im Wege der erneuten Transaktion auf ihren Wert geprüft werden, sodass die letzte verfügbare Transaktion – mithin der Erwerb vor Verbrauch und Anwendung – die Wertprobe in Gestalt der Gegenleistung liefert. Anders hingegen die Fallgruppe des konkreten Verlustes der Verkehrsmöglichkeit: Obschon ein Vermögensgegenstand der konkreten Dispositionsmöglichkeit seines Inhabers entzogen wird oder die konkrete Verkehrsfähigkeit einer Leistung durch die Versagung der Abrechnungsmöglichkeit entfällt, kann auch hier im Wege des Vergleichs eine Wertermittlung stattfinden. Dem in der „schwarzen Kasse“ befindlichen Geld, dem Schatz im Silbersee, dem nicht zugelassenen Medikament, einem Betäubungsmittel und dem Schmuck im Safe, dessen Passwort abhandengekommen ist, mangelt es jeweils an der konkreten Verkehrsfähigkeit, die jedoch dadurch zurückgewonnen werden kann, dass man einen vergleichbaren Gegenstand in einem Kontext veräußert, der die individuelle Verkehrsfähigkeit nicht entfallen lässt. Geld ist ebenso abstrakt transaktionsfähig wie ein Schatzfund, ein Medikament oder ein Betäubungsmittel.148 In allen diesen Fällen verlieren die Vermögensgegenstände ihre generelle Transaktionsfähigkeit nicht, sodass im Wege einer Vergleichstransaktion der jeweilige Wert der Gegenstände zu ermitteln ist, sofern diese unter Missachtung des Verlustes der konkreten – mithin: rechtlichen – Transaktionsfähigkeit veräußert oder anderweitig transferiert werden. Man wird dieser Grundlegung vorhalten, dass sie den Umstand unberücksichtigt lasse, wonach eine Wertermittlungsmethode, die nach wirtschaft­ lichen Gesichtspunkten konstruiert sei, auch die konkrete Verfügbarkeit von Vermögensgegenständen einbeziehen müsse: Was nicht im konkreten Fall „zu Geld gemacht“ werden könne, dürfe nicht als Wertträger in Betracht gezogen werden. Ferner wird möglicherweise vorgetragen werden, es leuchte nicht ein, weshalb man die Umstände, die zu einer mangelnden indivi­duellen Transaktionsfähigkeit des Gegenstandes führen, „ausblende“ und den Vergleich mit zulässigen Transaktionen anstelle. Indes verfangen diese Einwän148  Vgl.

§ 3 BtMG.

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de nicht: Verliert ein Gegenstand seine Transaktionsfähigkeit allein aufgrund des Umstandes, dass man derzeit nicht über ihn disponieren kann oder eine Rechtsordnung seine Veräußerung im konkreten Fall dadurch hindert, dass für die Hingabe keine Gegenleistung gefordert werden kann, so haftet dieser Umstand gerade nicht an dem Gegenstand, sondern an den Umständen seines Transfers. Der Marktwert eines Silberbarrens bemisst sich freilich nicht danach, dass gerade dieser Barren konkret verfügbar ist, sondern nach den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Folglich kann auch für den bereits bemühten Schatz im Silbersee ein Wert anhand der vergleichbaren Weiterveräußerung ermittelt werden. Ein nicht zugelassenes Medikament kann freilich im Rahmen des individuellen Heilversuchs einer Transaktion zugeführt werden, ebenso kann ein Betäubungsmittel marktmäßig transferiert werden, sofern die Erlaubnis nach § 3 BtMG eingeholt wird. Auf einer objektiven Betrachtungsebene erweisen sich auch diese Gegenstände als generell transaktionsfähig und können folglich im Wege des Vergleichs mit einer zulässigen Transaktion einer Wertermittlung zugeführt werden. Eine gänzlich andere Frage berührt es jedoch, wenn man sich danach erkundigt, ob die zu besprechenden Bilanzregeln diese aufgezeigten Möglichkeiten einer Wertbemessung aufgreifen. Insoweit wird zu berücksichtigen sein, ob die zu untersuchenden Bewertungsnormen auch die Charakteristiken eines Vermögensgegenstandes einrechnen, die sein individuelles Wechselspiel mit den Märkten widerspiegeln. Anders gewendet müsste der Verlust der individuellen Verkehrsfähigkeit unmittelbar auf den generellen Wert des Gegenstandes am Markt zurückwirken, damit er überhaupt in der Schadensberechnung eine Rolle spielen könnte. 4. Die Unkenntnis des Geschädigten als taugliches Kriterium? Ein Vermögenswert könnte auch dadurch beeinflusst werden, dass der Inhaber infolge der Täuschung keine Kenntnis von der betreffenden Vermögensposition erlangt. Die Begründung dieser These liegt in der Feststellung, wonach erst die Kenntnis vom Vermögensgegenstand dessen Nutzung ermögliche;149 teilweise wird zur Begründung der mangelnden Wertigkeit unbekannter Posten auch auf die Figur der Vermögensgefährdung rekurriert.150 Dahinter verbirgt sich wohl die Vorstellung, dass ein Vermögenswert 149  Vgl. etwa Bublitz/Gehrmann, wistra 2004, 126 (130). Vgl. auch die Begründung bei Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 642, der auf die mangelnde Bilanzierbarkeit bei nicht bestehenden Forderungen oder auf eine Wertberichtigung im Wege der Abschreibung verweist. 150  Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 642. Auch nach BVerfGE 126, 170 noch auf die Gefährdung zurückgreifend Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 229.



IV. Überlegungen zum Wertmaß221

von der Kenntnis seines Inhabers beeinflusst werde, wenn er zu seiner Durchsetzung der Intervention seines Inhabers bedürfe. Die aus dieser Prämisse resultierende Schlussfolgerung erscheint radikal: Eine Forderung, die unter der Unkenntnis ihres Inhabers leide, habe keinen Wert.151 Diese Annahme ist jedoch nicht richtig. Das Verdikt der mangelnden Nutzungsmöglichkeit muss freilich nicht nur über Forderungen, sondern auch über alle anderen Vermögensgegenstände gefällt werden, sofern der Inhaber keine Kenntnis von ihrer Existenz hat. Gleichwohl bedeutet dieser Umstand unter Transaktionsgesichtspunkten nichts weiter als eine gewisse Gefährdung der objektiv verfügbaren Transaktionsmöglichkeit: Nur weil der Inhaber vom Gegenstand nichts weiß, scheidet dieser freilich nicht aus der Vermögensmasse aus, da die objektive Nutzungsmöglichkeit im Wege des Verbrauchs oder der Transaktion weiterhin besteht.152 Dass der Wert des Gesamtvermögens schon zu dem Zeitpunkt der „Unkenntniserlangung“ gemindert sei, entbehrt daher eines tragfähigen Belegs. Aus diesem Grund kann der Vermögensschaden frühestens dann eintreten, wenn etwa die Forderung wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar werden sollte oder ein anderer Vermögensgegenstand durch Zeitablauf an Substanz und Wert verliert. Hinzu kommt, dass „[e]ine genaue Bezifferung des Wertverlustes durch Wissensverlust […] kaum möglich“153 ist. Damit disqualifiziert sich eine Auffassung über den Einfluss des Nichtwissens auf den Vermögensschaden in den meisten Fällen schon wegen des Verstoßes gegen das Bezifferungsgebot. Die besseren Argumente sprechen mithin dafür, dass die Unkenntnis des vermeintlich Geschädigten allein keinen Vermögensschaden zu begründen vermag. 5. Der Tauschwert als Vermögenswert? Anstatt auf den generellen Transaktionswert am Markt zu rekurrieren, könnte allerdings auch der Gedanke aufkommen, andere Wertindikatoren zu Rate zu ziehen. Jüngst vertiefte154 Hoyer155 den Vorschlag, nicht den objektiven Transaktionswert, sondern einen „intersubjektiven Tauschwert“156 bei der Schadensberechnung zu veranschlagen. Maßgeblich sei jener Wert, den dazu Bublitz/Gehrmann, wistra 2004, 126 (130) m. w. N. „objektive Komponente“ – soweit sie denn angesprochen wird – zweifelt wohl auch niemand ernsthaft an, vgl. etwa Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 640. Es divergieren freilich die Schlussfolgerungen daraus. 153  Bublitz/Gehrmann, wistra 2004, 126 (130). 154  Vgl. bereits Hoyer, in: SK – StGB, § 263, Rdnrn. 198 ff. 155  Hoyer, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 339 ff. 156  So die Überschrift zu röm. V. bei Hoyer, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 339 (347). 151  Vgl.

152  Diese

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

die Vertragspartner einer mangelfreien Kaufsache unter Berücksichtigung der konkreten Umstände im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses zuerkannten; mithin ist der vereinbarte Kaufpreis anzusetzen.157 Die Herleitung dieser Auffassung erfolgt im Wesentlichen anhand des systematischen Abgleichs mit dem Tatbestand des § 242 StGB:158 Die Rechtsordnung räume Täter und Opfer durch das Verbot der eigenmächtigen Wegnahme zum Zwecke der Aneignung die Gelegenheit ein, stattdessen einen Tausch abzuschließen. Der Diebstahl befinde damit den Umstand für strafwürdig, dass ein von Täter und Opfer intersubjektiv für werthaltig befundener Gegenstand entwendet werde. Weil aber § 242 StGB den Angriff auf fremdes Eigentum von außen, § 263 StGB hingegen denselben Angriff „von innen“ pönalisiere,159 dürfe für die Auslegung des Schadensmerkmals sub specie § 263 StGB nichts anderes gelten.160 Gegen eine Parallele zu § 242 StGB sprechen jedoch zwei Argumente. Der erste Kritikpunkt setzt bereits innerhalb des Diebstahlstatbestandes an, denn die subjektive Wertschätzung oder das Affektionsinteresse des Opfers sind sub specie § 242 StGB insoweit nicht relevant, als sie nicht bspw. in einer zivilrechtlich relevanten Eigentumsaufgabe münden. So ist nicht ersichtlich, dass etwa der Gewahrsam des Landwirts an einem von diesem für wertlos befundenen Pflug auf dem Felde nicht über § 242 StGB geschützt würde, wenn man ihn in der Absicht der rechtswidrigen Zueignung bräche. Das zweite Gegenargument liegt darin, dass systematisch der Schluss vom Diebstahl auf den Betrug nicht überzeugt.161 Dafür müsste zunächst dargelegt werden, dass beide objektiven Tatbestände ein tertium comparationis aufwiesen, wie dies etwa bei Betrug und Untreue in Gestalt des Vermögensschadens der Fall ist.162 Diebstahl und Betrug haben aber gerade in dieser Hinsicht nichts miteinander gemein. Beide Tatbestände korrespondieren allein darin, dass sie ähnliche Sachverhaltslagen aus unterschiedlichen Blickwinkeln erfassen können. Schließlich erscheint auch die gleichsam anthropomorphe Prämisse, die Rechtsordnung konzediere eine Gelegenheit zum Tausch, als Fiktion: Transaktionen werden sowohl durch Angebot als auch durch Nachfrage initiiert, und jedenfalls den Angebotsteil kann die skizzierte Auffassung nicht erklären, weil sie nicht aufzeigt, weshalb ein vom Diebstahl Bedrohter zur Tatabwendung einen Tausch anbieten sollte. Hierfür 157  Hoyer,

in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 339 (348). in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 339 (345 ff., insb. S. 348). 159  Hoyer, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 339 (346). 160  Hoyer, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 339 (347 f.). 161  Krit. auch Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 373. 162  Auch die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts haben in ihrer Entscheidung RGSt 16, 1 (3) darauf hingewiesen, der Betrug sei „etwas von einem Delikte gegen fremdes Eigentum wesentlich Verschiedenes“. 158  Hoyer,



IV. Überlegungen zum Wertmaß223

streitet nicht die Überlegung, dass die Diebstahlsstrafbarkeit ein Interesse zweier Personen am Tatobjekt voraussetze.163 Diese Interessen sind zugegeben nicht notwendig von gleicher Intensität,164 doch scheint die Alternative „Tausch oder Diebstahl“ schon grundsätzlich der Bereitschaft zum Tausch einen Riegel vorzuschieben. Schließlich ist der intersubjektive Tauschwert gegenüber dem Transak­ tionswert nicht vorzugswürdig, weil er den Umstand unberücksichtigt lässt, wonach der Tauschpreis nur eine Reminiszenz an eine vergangene Transaktionsprobe ist. Das Vermögen als Partizipationspotenzial ist jedoch deswegen schützenswert, weil es als Reservoir für künftige Teilhabeprozesse in die Zukunft gerichtet, mithin in prinzipiell volatilem Zustand ist. Dass ein Vermögenswert bereits im Wege der Transaktion taxiert wurde, kann deshalb nur dann erheblich sein, wenn er durch Verzehr oder Verbrauch gleichsam dem Untergang anheimgestellt ist und deshalb auf eine letztverfügbare Transaktionsprobe zu rekurrieren ist.165 6. Schlussfolgerungen für die Untersuchung Die gewonnen Erkenntnisse liefern einen wichtigen Fingerzeig für die weitere Untersuchung. Er beruht auf folgenden Prämissen: Der Begriff des Vermögenswertes bezeichnet das Partizipationspotenzial der bürgerlichen Person. Er zeichnet sich einerseits dadurch aus, dass er verschiedenen Methoden der Ermittlung zugänglich ist, weil er sich auf einen dynamischen Markt bezieht. Andererseits ist die Vorgehensweise bei der konkreten Schadensberechnung zwangsläufig immer dieselbe, wollte man nicht einer willkürlichen Anwendung von Straftatbeständen das Wort reden. Folglich sind Vermögensbegriff und Wertermittlung keine Bestandteile der eigentlichen Schadensberechnung. Daraus folgt zugleich, dass innerhalb dieser Untersuchung zwischen der Ermittlung des Vermögenswertes und dem eigentlichen Vorgang der Berechnung des Vermögensschadens zu unterscheiden ist. Die Ermittlung von Vermögenswerten kann auf verschiedenartige Weisen vonstattengehen, die Berechnung des Schadens erfolgt immer im Wege der Differenzbildung. Eine „wirtschaftliche“ Betrachtungsweise rekurriert ferner auf Transak­ tionsproben, indem sie vorzugsweise die in der Zukunft liegende Veräußehierzu Hoyer, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 339 (347 f.). Täter des § 242 StGB muss immerhin mit der Absicht rechtswidriger Zueignung handeln, während der Eigentümer auch lediglich ein schwächeres Interesse daran haben kann, dass der betroffene Gegenstand in seiner Eigentumszuständigkeit verbleibt. 165  Vgl. dazu die obigen Grundlegungen E.IV. 163  Vgl. 164  Der

224

E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

rung eines Gegenstandes am relevanten Markt zur Grundlage der Wertbeimessung macht. Sofern diese Probe nicht erfolgversprechend ist, weil der entsprechende Gegenstand dem Verzehr oder Untergang anheimgestellt ist, muss die letztverfügbare Transaktionsprobe in Gestalt der zuletzt erzielten Gegenleistung für den Gegenstand maßgeblich sein. Schließlich hindert auch der Verlust der konkreten Transaktionsfähigkeit nicht automatisch die generelle Transaktionsfähigkeit eines Gegenstandes, sodass diese allein nicht hinreicht, um den Vermögensschaden zu begründen.

V. Die Bewertungsregeln des HGB Unter den soeben skizzierten Prämissen kann das Feld handelsrechtlicher Bewertungen auf seine Tauglichkeit zur Berechnung des Betrugsschadens abgeschritten werden. Während frühere strafrechtliche Arbeiten sich vornehmlich mit der Frage beschäftigten, unter welchen Voraussetzungen ein Posten Vermögensrelevanz erhält, verfolgt die aktuelle Diskussion zudem das Anliegen, geeignete Maßstäbe für die Werthöhe eines Vermögensbestandteils aufzuzeigen. Über die Berücksichtigung eines Ansatzpostens für die Schadensbewertung sub specie § 263 StGB entscheidet das hier vorgestellte Kriterium eines zurechenbaren und verwertbaren wirtschaftlichen Potenzials. Der folgende Abschnitt widmet sich vor diesem Hintergrund der Aufgabe, den zutreffenden Maßstab für den Wert eines Vermögensbestandteils ausfindig zu machen. 1. Die Bewertung der Bilanzposten nach dem HGB Um dem wirtschaftlichen Charakter handelsrechtlicher Bewertungsvorschriften auf die Schliche zu kommen, muss man an dieser Stelle – anstatt nur das Gesetz abzuschreiten – auch rückwärts aufzäumen.166 Charakteristisch für den strafrechtlich schützenswerten Vermögenswert ist seine Ermittlung im Wege der Transaktion, die wiederum ein bürgerlicher Akt der Partizipation ist. Der Wert des Vermögens bleibt notwendig ein Ist-Wert, auch wenn man ihn im Einzelfall nicht immer wird bestimmen können, ohne dass Ungenauigkeiten verbleiben. Mit dieser Prämisse erscheint es lohnenswert, die Bewertung nach dem HGB darauf abzuklopfen, inwieweit sie den tatsächlichen Transaktionswert des Vermögens anzugeben vermag. Werden Abweichungen festgestellt, so ist deren Zweck zu ergründen, anhand dessen die Entscheidung möglich sein wird, ob die entsprechende Vorgabe der Schadensberechnung dienlich – mithin Ausdruck eines der 166  Vgl. zu (betriebs)wirtschaftlichen Erwägungen als Wegmarken der Auslegung Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 4, 35 et passim.



V. Die Bewertungsregeln des HGB225

Wertermittlung durch Transaktion verpflichteten Blickwinkels – ist. Die Anwendbarkeit handelsrechtlicher Bewertungsnormen steht folglich nur dann zur Diskussion, wenn sie entweder die Berechnung des tatsächlichen wirtschaftlichen Wertes ad hoc bezwecken oder doch wenigstens den Ausdruck einer vermögensdarstellenden Bewertung vermitteln. Ob letztlich also der Konzeption einer bilanzakzessorischen Schadensberechnung Erfolg beschert sein wird, hängt davon ab, inwieweit die heutigen Bewertungsvorschriften den nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen gewonnenen Wert eines Vermögensteils erfassen. Diese Frage ist allerdings nicht neu – sie wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ausgiebig dis­ kutiert. An dieser Auseinandersetzung kann sich nach einer Betrachtung der aktuellen Bewertungsregeln des HGB auch die hiesige Untersuchung orientieren. a) Die Bewertung der Aktiva nach §§ 252 ff. HGB Gemäß § 253 Abs. 1 S. 1 HGB sind die in der Handelsbilanz unter den Aktiven auszuweisenden Vermögensgegenstände höchstens mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten (AK / HK) anzusetzen. Etwas anderes gilt nach § 253 Abs. 1 S. 4 HGB nur für solche Vermögensgegenstände, die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind und ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen; sie werden mit den ihnen korrespondierenden Schulden verrechnet (§ 246 Abs. 2 S. 2 HGB) und in Höhe des beizulegenden Zeitwerts167 eingestellt. Die Anschaffungskosten sind in § 255 Abs. 1 S. 1 HGB definiert als Aufwendungen, die ­geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Folglich rechnen auch Anschaffungsnebenkosten hinzu, sodass der Kaufpreis allein noch nicht aussagekräftig ist. Herstellungskosten sind demgegenüber die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen (§ 255 Abs. 2 S. 1 HGB). Zwar identifiziert § 255 Abs. 4 S. 1 HGB den „beizulegenden Wert“ als Marktpreis, aber die handelsrechtliche Bewertungssystematik gibt zu erkennen, dass dieser nicht den dominierenden Maßstab der handelsrechtlichen Wertermittlung abbildet. Stattdessen regiert nach §§ 253 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 167  Dies

ist der Marktpreis, vgl. § 255 Abs. 4 S. 1 HGB.

226

E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

Abs. 4 HGB ein Niederstwertprinzip,168 wonach stets der gegenüber den AK / HK verminderte beizulegende Wert169 nur maßgeblich wird, sofern am Abschlussstichtag eine dauernde Wertminderung des Anlagevermögens voraussichtlich wird bzw. sich ein niedrigerer Bösen- oder Marktpreis für den Gegenstand des Umlaufvermögens ergibt. Höhere Werte, die etwa aus steigenden Marktpreisen herrühren, dürfen hingegen aufgrund des Imparitätsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) nicht berücksichtigt werden. b) Die Bewertung der Passiva nach §§ 252 ff. HGB Für die Bewertung von Verbindlichkeiten gilt der Erfüllungsbetrag, mithin jener Betrag, der erforderlich ist, um die Verbindlichkeit zu begleichen.170 Auch die Verbindlichkeiten werden vom Niederstwertprinzip regiert, das sich insoweit als Höchstwertprinzip dergestalt ausweist, dass ein höherer Zeitwert anzusetzen ist, wenn dieser den Zugangswert übersteigt.171 2. Anwendung handelsrechtlicher Bewertungsnormen zur Schadensberechnung Festzuhalten ist, dass im Regelfall ein Niederstwertprinzip gilt, das auf Zeitwerte abhebt, solange diese unter den AK / HK liegen. Sobald die Zeitwerte jedoch über Anschaffungs- und Herstellungskosten hinaus steigen, versagt das HGB die höhere Bewertung. Spiegelbildlich erfolgt die Bewertung der Verbindlichkeiten. Dass ein auf den Niederstwert fixiertes Regelwerk im Strafrecht Geltung erlangen sollte, erscheint auf den ersten Blick befremdlich.172 Und dennoch: Nicht der erste Eindruck zählt, sondern die Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 253, Rdnr.  1. die Gegenstände veräußert werden sollen – dies ist insbesondere in Bezug auf das Anlagevermögen relevant –, kann der Veräußerungswert angesetzt werden. Im Übrigen wird ein Wiederbeschaffungswert herangezogen, vgl. Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 253, Rdnr.  13. 170  Morck, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 253, Rdnr. 3; Schubert/Andrejewski/Roscher, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 253 HGB, Rdnr. 51. 171  Petersen/Heinrichs/Wohlgemuth, in: Beck’sches Steuerberater-Hdb., Abschnitt B, Rdnr. 1700a; für sichere Verbindlichkeiten auch Ballwieser, in: MünchKomm – HGB, § 253, Rdnr. 103; Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel E, Rdnr. 225. 172  Diese Anwandlung ist jedoch nicht, wie etwa Kempf, in: Festschr.  f. Volk, 2009, 231 (241) meint, einem Verstoß gegen den in dubio – Grundsatz geschuldet. Denn hier geht es um die Frage, ob Bilanzen den wirtschaftlichen Maßstab ausfüllen – es geht also um eine Frage konkretisierender Auslegung. Ein Verstoß gegen das Zweifelsprinzip käme doch erst in Betracht, wenn bei Anwendung der Bilanzregeln noch Zweifel ob des gefundenen Ergebnisses bestünden, etwa wenn die Bi168  Vgl.

169  Sofern



V. Die Bewertungsregeln des HGB227

Frage, ob hinter dem Niederstwertprinzip marktwirtschaftliche Erwägungen stecken. Denn die Vermutung scheint nicht fernliegend, dass der Niederstwert im Gegensatz zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten im Rahmen einer weiterveräußernden Transaktionsprobe mit hoher Wahrscheinlichkeit zu realisieren sein wird. Der niedrigere Wert ist daher möglicherweise weniger fiktiv als ein eventueller Gewinn, der nach den allgemeinen Grund­ sätzen des Realisationsprinzips erst mit Erzielung einzustellen ist.173 Anders gewendet gilt nach dieser Vorstellung eine Vermutung dafür, dass der Kaufmann in der Grundlinie einen Gewinn zu erzielen sucht, und diese Vermutung wird nur solange nicht in Zweifel gezogen, wie kein unter die AK / HK fallender Marktpreis ersichtlich ist.174 Das Problem des Niederstwertprinzips liegt nach hiesigen Vorbedingungen jedoch darin, dass die AK / HK ihre Transaktionsprobe bereits bestanden haben; sie waren daher im Zeitpunkt des Ansatzes „wirtschaftliche“ Werte. Der Niederstwert beruht hingegen auf einem Vergleich, nicht auf einer Bewährung des konkreten Gegenstandes am Markt. Deshalb entscheidet der Zweck dieses Ansatzes darüber, ob der Niederstwert im Strafrecht als Ausdruck einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gelten kann. Diese Frage vermag in erster Linie nur die Historie zu beantworten. 3. Der Zeitwert als Bilanzansatz Der Fokus der Betrachtung liegt damit auf den Ursprüngen und Auswirkungen einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die unter den Stichwort des „wahren Wertes“ rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten insbesondere von 1861 bis 1931 beschäftigte.175 Allerdings bedarf es keiner umfassenden Analyse der Bilanzrechtsentwicklung; diese Arbeit wurde andernorts geleistet,176 sodass hier die wesentlichen Wegmarken darzustellen sind. lanz einen Spielraum beließe. Zutreffend ist allerdings auch die Feststellung bei Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 109: „Maßstäben wie dem Vorsichtsprinzip des Handelsrechts (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) liegen eigenständige und abweichende Zielsetzungen zugrunde, die nicht allein durch einen pauschalen, kriterienlosen Verweis auf in dubio pro reo mit den strafrechtlichen Anforderungen zu vereinbaren sind.“ 173  Zum Verhältnis von Realisations- und Imparitätsprinzip vgl. auch Leffson, GoB, S.  211 ff. 174  Dazu ausführlich Leffson, GoB, S. 214 f. 175  Davon abzugrenzen ist die Frage nach der Authentizität der Handelsbücher, die ebenfalls eine bewegte Historie aufweist, vgl. Diekmann, franz. Bilanzrecht, S.  46 ff. 176  Vgl. die im hiesigen Abschnitt zitierte Literatur.

228

E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

a) Ordonnance de Commerce und Allgemeines Landrecht Es entspricht der handelsrechtlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Tradition, den Anfangspunkt einer Abhandlung zum Wertansatz in der Bilanz auf den 23. März 1673 zu legen.177 An diesem Tag trat bekanntlich mit der Ordonnance de Commerce178 eine Verordnung des französischen Rechts in Kraft, die als legislativer Zündfunke der heutigen Bewertungsregeln bezeichnet werden darf:179 Sie verhalf dem Niederstwertprinzip mit einem kleinen Umweg über die für das deutsche Handelsrecht maßgebliche französische Wissenschaft und Praxis des 17. und 18. Jhd. zum Durchbruch.180 Durch den Umstand, dass die Entstehung und Anwendung der Ordonnance de Commerce in besonderem Maße mit der Personalie Jacques Savary verbunden ist,181 erlangt die Begleitschrift Savarys – „Le Parfait Négociant“ – erhebliche Relevanz. Während die eigentliche Ordonnance noch keine Bewertungsregeln enthielt,182 sondern vielmehr die Erstellung eines Inventars („inventaire sur leur seing“)183 im Rahmen der Geschäftsbücher („un livre 177  Vgl. etwa die Ausarbeitungen von Barth, Entwicklung, S. 114; E. Walb, in: Festschr. f. Schmalenbach, 1933, S. 1 (3); ter Vehn, ZfB 1929, 161 (163 f.); Seicht, kapitaltheoretische Bilanz, S. 28. Dies liegt wohl daran, dass Savary als einer der ersten Autoren das Niederstwertprinzip zugrunde legte, vgl. Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 55; ter Vehn, ZfB 1929, 241 (250); Lion, VJSchrStFR 1928, 401 (426). 178  Der volle Titel lautet: Ordonnance de Louis XIV. Roy de France et de Navarre servant de règlement pour le commerce des marchands. Donnée à Saint Germain en Laye, au mois de mars 1673. 179  Vgl. auch Barth, Entwicklung, Band I, S. 65; Luttermann, in: MünchKomm – AktG, Das Bilanzrecht der Aktiengesellschaft, Rdnr. 58. S. aber auch Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 16 ff. zu den Entwicklungen in Norditalien seit dem Spätmittelalter, der für den heutigen Bilanzbegriff zudem auf die Vorarbeiten von Jean André (1640) und Claude Irson (1678) verweist (Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 34 f.); siehe ferner die ausführliche Darstellung zum Schrifttum seit dem 15. Jhd. bei Löffelholz, Geschichte, S. 140 ff.; eingehend zu den Fugger- und Haugbilanzen Lion, VJSchrStFR 1928, 401 (422 ff.) sowie die knappe Darstellung bei Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 11 f. 180  Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 96. 181  Zu erkennen ist dieser unmittelbare Bezug sogleich daran, dass die Ordonnance de Commerce auch als Code Savary bezeichnet wird, vgl. ter Vehn, ZfB 1929, 241 (243); Behrend, Handelsrecht, S. 25 mit Fn. 7; Barth, Entwicklung, S. 66. Diese Bezeichnung geht auf den Vorsitzenden der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Kommission Henri Pussort zurück, vgl. Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 41; Tellier, Face aux Colbert, S. 220; Barth, Entwicklung, S. 122. 182  Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 64 mit Fn. 3. 183  Titel III, Artikel VIII der Ordonnance de Commerce. Diese Vorschrift kommentiert Savary (Der vollkommene Kauffmann, S. 358) dahingehend, „daß die Kauffleute innerhalb 6. Monat unter ihrer Unterschrift ein Inventarium stellen/darein alles Vermögen beydes bewegliche und unbewegliche Güter als activ- un passivSchulden begreiffen …“. Als Rechnungsabschluss sollte der Kaufmann „einen Bil-



V. Die Bewertungsregeln des HGB229

qui contiendra tout leur négoce“)184 aufgab, war es dem Kommentar Savarys vorbehalten, Leitlinien für die Postenbewertung aufzuzeigen. Als Wertansatz bei Neuwaren gab Savary den „Preiß des Einkauffs“185 vor und legte damit die Anschaffungskosten zugrunde.186 Ferner waren Abschläge für Marktwertminderungen187 sowie für den Alterswert der Waren188 zu berücksichtigen, sodass die Ordonnance de Commerce – in der Auslegung nach Savary – bereits ein Niederstwertprinzip kannte.189 Schon die Erwägungsgründe, die Savary für seine Bewertungsgrundsätze nennt, deuten darauf hin, dass mit der Festlegung einer verminderten Postenhöhe im Inventar aber noch keine endgültige Aussage über den tatsächlichen Vermögenswert getroffen werden sollte; ein Abzug diente vielmehr dem – freilich noch der Aufschreibung selbst verpflichteten – Zweck, nicht realisierte Gewinne aus der „balance du présent inventaire“ herauszuhalten.190 lantz ziehen“ (Savary, Der vollkommene Kauffmann, S. 366), der sich allerdings in einer resümierenden Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden erschöpfte, vgl. Barth, Entwicklung, S. 125; H. H. Walb, Bilanzwahrheit, S. 5; ferner Löffelholz, Geschichte, S. 289; ter Vehn, ZfB 1929, 241 (248, 251 f.). 184  Titel III, Article Premier der Ordonnance de Commerce 1673; ebenso Savary, Der vollkommene Kauffmann, S. 358. Nach Jousse, Commentaire, S. 64 bezeichnet diese Wendung grundsätzlich das Journal. Gleichwohl konnten für größere Handelshäuser auch mehrere Bücher erforderlich werden, vgl. ter Vehn, ZfB 1929, 241 (246); s. ferner Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 33 m. w. N. zu der zeitgenössischen Kommentarliteratur. 185  Savary, Der vollkommene Kauffmann, S. 364. Zum „gewöhnlichen Preis“ bei Luca Pacioli (1494) vgl. Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 19 f.; aber auch Luttermann, in: Festschr. f. Ludewig, 1996, S. 595 (613). 186  Barth, Entwicklung, S. 114; ter Vehn, ZfB 1929, 241 (249); Seicht, kapital­ theoretische Bilanz, S. 29. 187  Savary, Der vollkommene Kauffmann, S. 364. 188  Savary, Der vollkommene Kauffmann, S. 364. Zu der „valeur restante à vendre“ (Verkaufspreis) bei Claude Irson (1678) vgl. Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 35, der zugleich auf die abweichende zeitgenössische Praxis des 15. Jhd. in Frankreich und Florenz hinweist (Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 55 ff.). Zum deutschen Schrifttum nach Savary vgl. Barth, Entwicklung, S.  127  ff. und Lion, ­VJSchrStFR 1928, 401 (411 f.). 189  Barth, Entwicklung, S. 126. Hingegen wurden Forderungen – durchaus modern – in Bonitätsklassen unterteilt, vgl. Savary, Der vollkommene Kauffmann, S. 365; Barth, Entwicklung, S. 127. 190  Vgl. Savary, Der vollkommene Kauffmann, S. 365: „… ob er schon den Preiß seiner Wahren in dem Inventario mindert/hat es doch die Nennung noch nicht/daß er dieselbe umb den Preis geben müsste/sondern er kan solche noch theurer verkauffen“. Auch diese Formulierung stützt die Annahme, dass bereits unter der Ordonnance de Commerce – jedenfalls in der Auslegung nach Savary – ein gewisses Vorsichtsprinzip herrschte, indem zu erwartende Gewinne nicht in die Bewertung einflossen, vgl. Barth, Entwicklung, S. 126, 144 f.; ter Vehn, ZfB 1929, 241 (250); wohl auch Leffson, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 151 (156); vgl. auch zum

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

Diese Wegmarken – insbesondere das Niederstwertprinzip –191 wurden für Handelsgesellschaften192 in das Allgemeine Landrecht der Preußischen Staaten von 1794 (ALR) übernommen und damit erstmalig kodifiziert.193 § 644 ALR gab als Ausgangspunkt wiederum den Einkaufspreis vor und verlangte die Minderung des Ansatzes, sofern der „gangbare Wert“ im Zeitpunkt der Inventur niedriger war als der Anschaffungswert.194 Daher ergibt sich im Hinblick auf die Postenbewertung gegenüber der Ordonnance de Commerce von 1673 durch die Regelungen des ALR noch keine inhaltliche AbweiImparitätsprinzip ders., GoB, S. 213 f. Diese Schlussfolgerung kontrastiert mit dem historischen Befund, wonach in den Vorarbeiten italienischer, französischer und niederländischer Autoren eine „bilancia“, „balance“ oder ein „bilan“ vor allem dazu diente, Gewinn und Verlust zu errechnen und die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu überprüfen, vgl. H. H. Walb, Bilanzwahrheit, S. 5; Löffelholz, Geschichte, S. 146; Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 9 f., 18; Buhl, Konten­ theorie, S. 5; Simon, in: Festgabe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 379 (383); ter Vehn, ZfB 1929, 329 (332); „Rohe Bilanz“ bei Ihring, Erfahrungen, S. 130; ausführlich Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 20, 23 zu Luca Pacioli (1494), S.  26 f. zu Jan Ympyn (1543), S. 28 zu Pierre Savonne (1567), S. 34 f. zu Jean André (1640); siehe ferner die Zusammenstellungen bei Lion, VJSchrStFR 1928, 401 (404 ff. und 410 ff.), der wohl in Bezug auf die Literatur seit dem 15. Jhd. von einer bilanzmäßigen Vermögensdarstellung ausgeht, darüber hinaus für die Zeit vor Savary aber kein allgemeines Bilanzprinzip zu erkennen vermag (Lion, VJSchrStFR 1928, 401 [418 f.]); s. auch E. Walb, in: Festschr. f. Schmalenbach, 1933, S. 1 (3 f.); H. H. Walb, Bilanzwahrheit, S. 6 und Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 14, die wohl auch noch bei Savary den einzigen Zweck der Bilanz in der Vermögensabbildung und dem Ausweis von Gewinn und Verlust verorten. Hingegen liest man bei Savary die Erwägung, wonach das Prinzip der vorsichtigen Bewertung den Kaufmann in die Lage versetzen sollte, Verfügungen über sein Vermögen auf sicherer Grundlage zu tätigen (Savary, Der vollkommene Kauffmann, S. 359 f.), vgl. auch Barth, Entwicklung, S. 126. Somit belegt dies gerade nicht die Intention, das Vermögen möglichst genau anzugeben – es wird vielmehr nach der Maxime ‚ne pas se rendre riche en idée‘ vorgegangen, vgl. Savary, Le Parfait Négociant, S. 336 und instruktiv dazu Barth, Entwicklung, S. 126; Leffson, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 151 (156); wie hier i. E. wohl auch Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 107 mit Fn. 277, der allerdings auf das Imparitätsprinzip rekurriert. 191  Vgl. etwa Oberbrinkmann, Interpretation der Handelsbilanz, S. 19, 27. 192  Vgl. zu den Rechnungslegungsvorschriften für „Gemeinschaften, die aus Verträgen entstanden sind“ (Erster Teil, 17. Titel, § 6 ALR), die ebenfalls Wertminderungen berücksichtigende Norm des § 243 ALR (Erster Teil, 17. Titel); eingehend dazu Barth, Entwicklung, S. 128 mit Fn. 38, 280; ter Vehn, ZfB 1929, 329 (337). 193  Vgl. Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 115; Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 67; Schön/Osterloh-Konrad, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, S. 898; Barth, Entwicklung, S. 128 mit Fn. 37; E. Walb, in: Festschr. f. Schmalenbach, 1933, S. 1 (3 f.); H. H. Walb, Bilanzwahrheit, S. 6; Lion, VJSchrStFR 1928, 401 (420 f.). 194  Vgl. Schön/Osterloh-Konrad, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, S. 898; Gessler, in: Muthesius, 75 Jahre Treuhandgesellschaft, S. 129 (132).



V. Die Bewertungsregeln des HGB231

chung.195 Indes schuf die Regelung des § 644 ALR die Grundlage für eine erste Beschäftigung mit den Bilanzzwecken: Die in dieser Norm statuierte Möglichkeit, abweichende Bewertungsregelungen im Gesellschaftsvertrag zu vereinbaren,196 veranlasste vielbeachtete Kommentatoren wie ter Vehn197 dazu, die Vermeidung von Auseinandersetzungen (um den Gewinn)198 unter Gesellschaftern als Zweck des § 644 ALR zu identifizieren. Folglich ging es bei der Postenbewertung im Allgemeinen Landrecht keineswegs um einen wahrhaftigen Vermögensausweis. Durch die Mindestanforderungen an die Bewertungsregeln suchte man vielmehr Rechtsklarheit zu gewährleisten.199 b) Man verteilt keine Hoffnungen, sondern Taler200 Das Unterfangen, die Evolution der hier interessierenden Bewertungsvorschriften nachzuvollziehen, wird nur dann von Erfolg gekrönt, wenn auch 195  So auch Barth, Entwicklung, S. 128. Ter Vehn, ZfB 1929, 329 (336) stellt zudem ausdrücklich fest, dass die „Balance des Vermögens“ nach dem ALR keine „Vermögensrechnung“ im strengen Sinne sei. Zu dem Code de Commerce von 1807 vgl. ders., ZfB 1929, 329 (336) und zu der Aktiengesellschaft unter dem Code de Commerce ferner Baums, Pr. AktG, S. 23 ff. 196  Vgl. dazu Schön/Osterloh-Konrad, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, S. 898; Barth, Entwicklung, S. 128; Gessler, in: Muthesius, 75 Jahre Treuhandgesellschaft, S. 129 (132). Bindend wiederum waren die Vorschriften der §§ 645, 646 ALR, die zu Wertberichtigungen bei langen Lagerzeiten oder Abnutzung bzw. zur Abschreibung oder Minderung unsicherer Forderungen verpflichteten. 197  Ter Vehn, ZfB 1929, 329 (337); zustimmend Barth, Entwicklung, S. 129; ­Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 41 f.; Schön/Osterloh-Konrad, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, S. 898; Gessler, in: Muthesius, 75 Jahre Treuhandgesellschaft, S. 129 (132) und Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 98. 198  Diesen Zusatz liest man bei Schön/Osterloh-Konrad, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, S. 898. Auch Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 41 weist darauf hin, dass die Bilanz unter der Ägide des ALR „vor allem der Gewinnverteilung“ gedient habe. 199  In diesem Kontext ist auch die Aussage ter Vehns (ZfB 1929, 329 [338]) zu verstehen, wonach dem Gläubigerschutz jedenfalls durch die grundsätzliche Aufstellung einer Bilanzierungspflicht Rechnung getragen werde. Ferner wurde die Übernahme der Bewertungslehre Savarys als Indiz für die „dynamische“ Konstruktionsweise der Bilanzregeln im ALR gewertet, vgl. ter Vehn, ZfB 1929, 329 (338 f.), der aber auch auf die Vorarbeiten Johann Georg Büschs (1792) und die darin vertretene statische Bilanzlehre verweist; Hinweis auf Büsch auch bei Behrend, Handelsrecht, S. 28; dagegen mit einer Analyse des Gesetzgebungsverfahrens zum ALR Lion ­(VJSchrStFR 1928, 401 [430 ff.]), wonach gerade Büsch sich der Bewertungsfrage enthalten habe. Zu Gläubigerschutz durch Selbstinformation bereits unter der Ordonnance de Commerce von 1673 vgl. Luttermann, in: Festschr. f. Ludewig, 1996, S. 595 (612). 200  Vgl. das Plädoyer des Generalstaatsanwalts Dupin mit dem Vorwurf der Verteilung fiktiver Dividenden gegen Jules I. Mirès: „On ne partage pas des espé­

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

die „Entwicklung des Bilanzrechts in Sondergesetzen“201 Berücksichtigung findet. Sie gibt Aufschluss über den zeitgenössischen Status der in Ausbildung befindlichen Bilanzzwecke, die sich – und man ist geneigt zu behaupten: ganz im Sinne des Zeitgeschehens um 1848 – aus dem überkommenen Rechtsgefüge herausgelöst entwickelten und schließlich zu Impulsgebern des heutigen Bilanzrechts avancierten. Anhand der Aktiengesellschaft lässt sich eine frühe Form der bilanziellen Zweckmodifikation belegen, die ein grundsätzliches Hindernis für den Ansatz „wahrer Werte“ bereitete.202 Mit dem Ausruf: „Der Unternehmer will Leben“ formuliert Karl Barth203 (erneut)204 den zentralen praktischen Einwand gegen die römische Rechtstradition, nach der erst am Ende der Unternehmung ein ausschüttungsfähiger Gewinn und damit das tatsächliche „Vermögen“ der Unternehmung zu ermitteln war (sog. Totalbilanz).205 rances, même bien fondées; on ne partage pas une clause, mais des écus“ aus dem Arrêt rendue le 28 juin 1862, zitiert nach Lemarchand/Praquin, in: Béaur/Bonin/ Lemercier, Fraude, contrefaçon et contrebande, S. 309 (320 – Hervorhebungen nur hier); eine deutsche Fassung auch bei Barth, Jahresbilanz, S. 52. 201  So deutlich Barth, Entwicklung, S. 68. Siehe aber auch den Hinweis bei Baums (Pr. AktG, S. 15, 17), wonach das ALR die Rechtsverhältnisse von Aktiengesellschaften nicht regelte, sondern lediglich einige Vorschriften über die Aktien enthielt. 202  Man sprach zeitweilig von einer „relativen Bilanzwahrheit“ im Kapitalgesellschaftsrecht, die insbesondere durch eine „Bindung des Grundkapitals“ aus von den „wahren“ Bilanzwerten abweichenden Bewertungsnormen resultiere, vgl. Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 57 f. m. w. N.; siehe auch Rehm, ZHUH 1908, 41, der aus Gläubigerschutzgesichtspunkten heraus argumentiert. 203  Barth, Jahresbilanz, S. 21. Eugen Schmalenbach hätte vermutlich korrigiert: Der Unternehmer wolle wissen, wie sich das Geschäft entwickle, vgl. dazu ders., Dynamische Bilanz, S. 65. 204  Vgl. auch bereits Pöhls, Actiengesellschaften, S.  235 f. 205  Hierzu wird gemeinhin auf die Digesten (Paul., 17, 2, 30) verwiesen: „… sed potest coiri societas ita, ut eius lucri, quod reliquum in societate sit omni damno deducto …“, vgl. etwa Pöhls, Actiengesellschaften, S. 235 mit Fn. 1 zu § 44; ferner Barth, Entwicklung, S. 52. Der Einfluss Meno Pöhls’ wird anschaulich daran, dass sein „Recht der Actiengesellschaften“ von 1842 in der „Allerhöchsten Kabinetsordre vom 31ten Januar 1842., den Entwurf eines Gesetzes über Aktien-Gesellschaften betreffend“ (abgedruckt bei Baums, Pr. AktG, S. 131) als Grundlage eines Gutachtenauftrages an den Staatsrat anempfohlen wird, „um davon bei den Berathungen Gebrauch zu machen“. Während für das 15. Jhd. noch zahlreiche Handelsgesellschaften mit Laufzeiten von 3 bis 6 Jahren geschlossen wurde, finden sich bereits im 16. Jhd. Zwischenbilanzen bei ähnlicher Laufzeit, vgl. Buhl, Kontentheorie, S. 36 ff. Angesichts dieser kurzen Zeiträume wird mit Blick auf die Rahmenbedingungen des 19. Jhd. die Untauglichkeit der Totalbilanz für die Zwecke der Aktiengesellschaften deutlich; vgl. dazu auch W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 53. Andererseits konstruiert Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 44 seinen grundlegenden Erfolgsbegriff noch als „Totalerfolg“, der sich aus der „Differenz



V. Die Bewertungsregeln des HGB233

Während bei typischen Gelegenheitsgesellschaften die Gewinnverteilung mit der Auflösung einhergehen sollte (für die heutige Zeit vgl. etwa § 721 Abs. 1 BGB),206 setzte sich im 19. Jhd.207 aus praktischen Erwägungen stattdessen für die AG das Konzept der Zwischenbilanz durch und stellte die gerade bei Aktiengesellschaften begehrten periodischen Ausschüttungen auf eine tragfähige Grundlage.208 Mit der Jahresbilanz als „Zwischenrechnung“ erhielt die Rechnungslegung jedenfalls im Hinblick auf die Gewinn­ ermittlung einen prognostischen und wertenden Charakter.209 Die Aktiengesellschaft210 als Investitionskörper war im 19. Jhd. durch das Interesse an attraktiven Dividendenzahlungen Angriffen auf das Grundkapital ausgesetzt,211 sodass eine treibende Motivation für die Fortschreibung des Aktienbilanzrechts darin lag, das als Gewinn deklarierte Grundkapital zwischen Einnahmen und Ausgaben während der Gesamtlebensdauer der Unternehmung“ errechne. 206  Dazu vgl. Schäfer, in: MünchKomm – BGB, § 721, Rdnr. 1; siehe ferner Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 65; Kosiol, Pagatorische Bilanz, S. 121. 207  Für andere Handelsgesellschaften konstatiert Oberbrinkmann, Interpretation der Handelsbilanz, S. 21 f. bereits unter dem ALR von 1794 eine Abkehr von der Totalrechnung. 208  Vgl. etwa Teil II, Titel 8, §§ 642, 654 ALR; ferner Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 51. Auch der Entwurf des Pr. Akt 1843 (abgedruckt bei Baums, Pr. AktG, S. 50 ff.), regelte dies ausdrücklich: § 12 Satz 3 des Entwurfs lautete: „DividendenZahlungen sind nur auf Grund der Jahres-Abschlüsse zulässig“; vgl. auch die daran anknüpfende Fassung in § 17 Satz 2 des Pr. AktG; s. ferner Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 194. Die Stellungnahmen der Staatsminister Mühler und Graf von Alvensleben in den Motiven zum Pr. AktG (bei Baums, Pr. AktG, S. 60 = Motive, S. 16) offenbaren ferner das grundlegende – und mit der hiesigen Untersuchung eng verknüpfte – Prinzip des Investments in Aktien: „… dem Einzelnen [wird] zwar das Ausscheiden aus der Gesellschaft gestattet [etwa durch Veräußerung seines Anteils – Anm. T. W.], jedoch das Herausziehen des eingelegten Kapitals nicht …“. Damit unterstreichen diese Äußerungen, die – soweit ersichtlich – keinen expliziten Widerspruch in den Gesetzesmaterialien erfahren haben, eindrücklich die Bedeutung des Einlagekapitals im Aktienrecht des 19. Jhd. 209  Nach Barth, Jahresbilanz, S. 13 ist die Jahresrechnung „vom Standpunkt der Totalbilanz aus lediglich eine Fiktion“; ebenso Seicht, kapitaltheoretische Bilanz, S. 106. Begreift man die Bilanz als Ausweis der Geldwerdung im Sinne Riegers, so ergibt sich die Vorläufigkeit der Jahresbilanz schon daraus, dass der Geldwerdungsprozess noch nicht beendet ist, vgl. dazu Barth, Jahresbilanz, S. 19 ff. 210  Die von Albert Schäffle im Jahr 1856 (in: DVjS 1856, 259 [320]) treffend identifiziert wurde als eine „Geschäftsform, die noch einer großen Ausdehnung in unserer Volkswirtschaft fähig ist“. 211  Nach dem Bericht Kießlings in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 228 f. erhoffte man sich in der Praxis durch die Auszahlung fiktiver Gewinne eine Steigerung der Reputation der Gesellschaft. Rechenbeispiele etwa bei von Strombeck, Archiv f. Theorie u. Praxis d. allg. dt. Handels- u. Wechselrechts 37 (1878), S. 25 ff. Betroffen waren – einer Auswertung der Dividendenentwicklung

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

von seinem Schleier zu befreien.212 Anders gewendet: Nur jener Betrag sollte als bilanzieller (Rein-)Gewinn in die Dividende einfließen, der auch sicher verdient war.213 Damit wurde der Grundsatz vorsichtiger Bewertung auf ein zweckgebundenes Fundament gestellt, das in Anlehnung an Savarys „ne pas se rendre riche en idée“214 den Fortbestand der Gesellschaft in den Vordergrund rückte.215 Die aufgezeigte Tendenz des Preußischen Allgemeinen Landrechts, Bewertungsfragen vornehmlich in Gesellschafterhände zu legen, zeichnete sich jedoch zunächst auch im Preußischen Aktiengesetz von 1843 (Pr. AktG)216 ab: Der Vorstand, dem es gemäß § 24 Pr. AktG oblag „die zur Übersicht der Vermögenslage erforderlichen Bücher zu führen“ und „eine Bilanz des Gevon 1860 bis 1886 durch Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 178 ff. und 186 ff. zufolge – primär die Bau- und Bankgesellschaften. 212  Vgl. Auerbach, Gesellschaftswesen, S. 340; siehe auch Hergenhahn, Generalversammlung, S. 95. 213  Auerbach, Gesellschaftswesen, S. 340; Esser/Esser, Aktiengesellschaft, S. 165; Oechelhäuser, Nachtheile des Aktienwesens, S. 79; Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 52. Vgl. auch den Hinweis auf die fehlende Geldwerdung im Unternehmen bei Ansatz eines Zeitwertes, der noch nicht realisiert wurde, bei Barth, Jahresbilanz, S.  52 f. Nach ter Vehn, ZfB 1929, 431 (433) war diese Position in den Beratungen zu den Entwürfen des ADHGB (ab 1850) bereits einstimmige Auffassung. Vgl. auch den Hinweis von Keyßner, Aktiengesellschaften, § 12 (= S. 237) auf das notwendige Erlöschen der AG mit dem völligen Verlust des Grundkapitals. Ein Praxisbeispiel für den Konflikt zwischen Dividendenanspruch und Kapitalschutz findet sich in RGZ 4, 102. Dieser Fall aus dem Jahr 1881 eignet sich für die hiesige Darstellung gleichwohl, als die gegenständliche Bilanz die Bewertung von Immobilien im Jahr 1875 betraf, in dem auch die AG noch allein nach Art. 31 ADHGB bilanzierte. Zu einem Fall der Dividendenforderung aufgrund unrichtiger Bilanz nach 1870 s. RGZ 22, 158 ff. Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 161 ff. zieht in seiner Untersuchung den Schluss, dass sich die Bedeutung der Zeitwertbilanzierung für das Dividendenaufkommen aus einem Gleichlauf von Aktienkurs und Dividendenentwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jhd. erkläre. 214  Vgl. dazu oben E.V.3.a). Dieser Gedanke taucht auch bei der Rezeption der dynamischen Bilanztheorie Schmalenbachs wieder auf, vgl. nur W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 46. 215  Barth, Entwicklung, S. 51 sieht hierin die „Geburtsstunde des modernen Bilanzrechts“. Der Umstand, dass in der zeitgenössischen Literatur auch die vorzeitige Gewinnermittlung aufgrund der damit verbundenen Abkehr vom „wahren Gewinn“ in der Kritik stand, darf hier beiseitegelassen werden, da für die hiesigen Zwecke freilich nicht bis zur Beendung einer Gesellschaft abgewartet werden kann. K. Lehmann, Recht der Aktiengesellschaften, Band II, S. 289 stellte zu Anfang des 20. Jhd. treffend fest, dass die Entwicklung der aktienrechtlichen Bilanzen „eine folgerechte Ausprägung der Natur der Aktiengesellschaft“ sei. 216  Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaften v. 09.11.1843 (GS, S. 341). Zur Entwicklungsgeschichte vgl. Kießling, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 195 ff.



V. Die Bewertungsregeln des HGB235

sellschaftsvermögens zu ziehen“, richtete sich gemäß § 2 Nr. 4 Pr. AktG dafür nach den gesellschaftsvertraglich festzulegenden Grundsätzen.217 Indes war das Gesellschaftsstatut genehmigungspflichtig (Konzessionen­ system),218 sodass Rechtssicherheit und Kapitalschutz vermittels einer Prüfung der Bilanzgrundsätze gefördert wurden.219 Die Bilanzregeln des Gesellschaftsvertrages mussten so beschaffen sein, dass sie Ausschüttungen über den Gewinn hinaus verhinderten.220 Eine Aussage darüber, ob im Pr. AktG von 1843 ein Bilanzwertprinzip verankert wurde, lässt sich damit zwar nicht treffen.221 Festzustellen ist aber, dass die Bilanz der AG schon in der ersten Hälfte des 19. Jhd. auf die Zwecke der Kapitalerhaltung verpflichtet wurde und nicht auf den „wahren“ Vermögensausweis. Sie spaltete sich mithin auch ohne ausdrückliche Kodifikation von der allgemeinen Entwicklung des Bewertungsrechts ab, dessen Genese im Folgenden dargelegt wird. 217  Bewertungsvorschriften sah das Pr. AktG von 1843 hingegen nicht vor, vgl. Seicht, kapitaltheoretische Bilanz, S. 31. Die Vorentwürfe zu dem Pr. AktG (vgl. den Abdruck bei Baums, Pr. AktG, S. 54 ff. = Motive, S. 10 ff.) sahen sich noch nicht einmal dazu veranlasst, auf die Frage einer Verortung der Bewertungsfrage in den Statuten einzugehen. 218  Siehe Heimann, Entwicklung, S. 151; vgl. auch (im Kontext der Bilanzrechtsentwicklung) Schön/Osterloh-Konrad, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, S. 897 f. Von 1843 bis 1850 wurden nach den Untersuchungen Martins, VJSchrSW 56 (1969), 499 (500) 38 Aktiengesellschaften konzessioniert; ebenso Kießling, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 230. 219  Gessler, in: Muthesius, 75 Jahre Treuhandgesellschaft, S. 129 (132  f.); vgl. auch E. Walb, in: Festschr. f. Schmalenbach, 1933, S. 1 (4). 220  Auf diese Funktion des § 2 Nr. 4 Pr. AktG weisen die Motive ausdrücklich hin, vgl. den Abdruck bei Baums, Pr. AktG, S. 147 (= Motive, S. 90). Begleitet wurde das Pr. AktG 1843 von einen Aktienregulativ (Zirkularverfügung wegen der bei Bestätigung der Statuten von Aktiengesellschaften festzuhaltenden allgemeinen Grundsätze v. 29.03.1856, abgedruckt etwa bei Barth, Entwicklung, S. 285), das in Nr. 44 den „Überschuss der Aktiva über die Passiva“ als Reingewinn deklarierte und in Nr. 45 einen Abzug von 10 % des Reingewinns für den Reservefonds vorschrieb. Diese Maßnahme verdeutlicht das soeben skizzierte Anliegen, das Grundkapital der AG durch bilanzielle Vorsicht zu erhalten. In Zuge der Beratungen zu dem ersten preußischen Entwurf eines Handelsgesetzbuches von 1856 spielte dieser Aspekt auch rechtsformübergreifend eine zentrale Rolle, vgl. dazu eingehend Barth, Entwicklung, S. 130 ff. et passim, auch zu den Schwankungen im zweiten Entwurf von 1857. In der Praxis kam es insbesondere zu einer Vermengung von Reserve- und Erneuerungsfonds, vgl. Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 133. 221  Bei Gessler, in: Muthesius, 75 Jahre Treuhandgesellschaft, S. 129 (132) findet sich die Feststellung, dass die Regelungen des Pr. AktG die Gläubiger und damit auch potenzielle Aktionäre schützen sollten. Nach ter Vehn, ZfB 1929, 329 (344) lehnten sich die genehmigten Statuten an den Grundsatz der Anschaffungskosten oder das Niederstwertprinzip des ALR an; zust. Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 101.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

c) Der „wahre Wert“ im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861 Nach langwierigen Beratungen222 trat am 31.05.1861 das ADHGB in Kraft.223 Die Regelung des § 2 Nr. 4 Pr. AktG fand sich wortgleich in Art. 209 Nr. 6 ADHGB wieder, sodass sich die Bewertungsgrundsätze für Aktiengesellschaften wiederum primär aus dem Gesellschaftsvertrag ergaben.224 Während das ADHGB einerseits die klare legislative Entscheidung für die Jahresbilanz markierte,225 lag die wesentliche Neuerung in Art. 31 ADHGB: In Abkehr von den Regeln des Allgemeinen Landrechts führte Art. 31 ADHGB eine allgemein verbindliche Bewertungsvorschrift ein, die für Bilanzposten jenen Wert vorschrieb, „welcher Ihnen zur Zeit der Aufnahme beizulegen ist“.226 Gemeinhin wird der Zweck dieser Regelung im Gläubigerschutz verortet, der allerdings durch einen Ausweis der Vermögenslage ermöglicht werden sollte.227 Der Wortlaut des Art. 31 ADHGB verleitete dazu, ihn als Regelung des Zeitwertes auszulegen, wonach der Wert eines Vermögenspostens im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung maßgeblich gewesen sei.228 222  Vgl. die ausführliche Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens seit 1856 bei Barth, Entwicklung, S. 130 ff.; ferner Behrend, Handelsrecht, S. 40 ff. und Oberbrinkmann, Interpretation der Handelsbilanz, S. 28 ff., zu Art. 31 ADHGB insbesondere S.  42 ff. 223  Jedenfalls in den meisten deutschen Staaten, vgl. ter Vehn, ZfB 1929, 431 (436). 224  Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 321 (355, 365). In diesem Kontext steht die Aussage H. H. Walbs, Bilanzwahrheit, S. 6, es bleibe „[a]uch nach der Einführung des ADHGB für die AG im wesentlichen bei den Bestimmungen des preußischen Aktienrechtes von 1843“. Das Preußische Genossenschaftsgesetz vom 27.03.1867 und das Genossenschaftsgesetz für den Norddeutschen Bund vom 04.07.1868 (ab 1871 dann als Reichsgesetz) übernahmen in § 3 Nr. 6 die Regelung des Art. 209 ADHGB. Wegen der Solidarhaftung nach § 11 des Genossenschaftsgesetzes hielt der Gesetzgeber detaillierte Bilanzierungsvorschriften an dieser Stelle aber nicht für erforderlich, vgl. Barth, Entwicklung, S. 70. 225  Barth, Jahresbilanz, S. 23. 226  In der ersten Lesung lautete die Formulierung noch auf den „wahren Wert“ oder den Wert, „den sie [die Aktiva – Anm. T. W.] zur Zeit der jeweiligen Aufnahme haben“, vgl. ter Vehn, ZfB 1929, 431 (437). Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 68 hält Art. 31 ADHGB für „keine besondere Rege[l] für die Wertbemessung“. 227  So ter Vehn, ZfB 1929, 431 (437). 228  Vgl. die Nachweise zu entsprechenden Stellungnahmen bei Barth, Entwicklung, S. 136 mit Fn. 65–67 und bei Schulze-Osterloh, in: Lutter/Ulmer/Zöllner, Festschr. 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 501 (504 ff.). Vertreter des Zeitwertes waren bspw. Endemann, Handelsrecht, § 22 (= S. 109); Behrend, Handelsrecht, S. 293; Renaud,



V. Die Bewertungsregeln des HGB237

Jene, die in dem „beizulegenden Wert“ eine Zeitwertvorschrift sahen, erhielten ferner durch eine prominente Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts (ROHG) vom 03.12.1873 Auftrieb, wonach in Bezug auf Art. 31 ADHGB die Vermögensbestandteile „zu dem gegenwärtigen Werthe [anzusetzen seien], den sie in demjenigen Zeitpunkte, für welchen die Bilanz aufgenommen wird, besitzen“.229 Maßgeblich sei, „daß in Wirklichkeit nicht die Liquidation, sondern vielmehr der Fortbestand des Geschäftes beabsichtigt wird und daß daher bei der Ermittelung und Feststellung der einzelnen Werthe derjenige Einfluß unberücksichtigt zu lassen ist, welchen eine Liquidation auf dieselben ausüben würde“.230 Das ROHG stellte sich den Bilanzierungsvorgang als „fingiert[e] augenblicklich[e] allgemein[e] Realisierung sämtlicher Aktiva und Passiva“231 vor und kommt damit dem von Hefendehl für das Strafrecht vorgeschlagenen Modell recht nahe.232 Für maßgeblich erachtete das ROHG den „allgemeinen Verkehrswert“ und stellte in diesem Zusammenhang fest, dass „die Bilanz der objectiven Wahrheit Recht der Commanditgesellschaften, S. 238. Ranker, Immobilienbewertung, S. 197 spricht in Bezug auf den Zeitwert von einer „allgemein vertretene[n] Idee“, ohne dies näher zu belegen. Mit den Schriften von Diekmann, franz. Bilanzrecht, S. 115 f. und Stracke, Überschuldungsbegriff, S. 85 finden sich weitere Stellungnahmen jüngeren Datums, die den Art. 31 ADHGB als Zeitwertregel und damit als Abkehr vom Niederstwertprinzip interpretieren. Dabei gibt Diekmann zum Nachweis dieser These allein den Wortlaut des Art. 31 ADHGB wieder und bedient sich folglich einer Methode, die Barth, Entwicklung, S. 137 bereits 1953 an den Kommentierungen Töhls und Parisius’ aus dem 19. Jhd. als „[Verzicht] auf eine nähere Erläuterung“ kritisierte. Ähnliches Vorgehen auch bei Stracke, Überschuldungsbegriff, S. 84 f., die den Veräußerungswert zugrunde legt, wobei sie aber auch noch die Entscheidung des ROHG Bd. 12, 15 ff. heranzieht; vgl. auch Wysocki/Halbinger, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 162 (164). 229  ROHG Bd. 12, 15 (17) – Oldenburgische Spar- und Leih-Bank. Das ROHG Bd. 12, 15 (18) weist allerdings darauf hin, dass „der Werth solcher erst später fällig werdenden Forderungen und Schulden, deren Gegenstand nicht unmittelbar Geld ist, nur nach dem Werthe bemessen werden kann, welchen der betreffende Gegenstand zur Zeit, wo er rechtlich gefordert resp. gezahlt werden darf, besitzt“ und dass „dieser Werth keineswegs und nothwendig mit demjenigen Werthe zusammenfällt, welchen der betreffende Gegenstand gegenwärtig hat“. Barth, Entwicklung, S. 142 f. interpretiert die Entscheidung des ROHG – vor dem Hintergrund der Rieger’schen Geldwerdungstheorie – daher so, dass nach dem „Kurs zur Zeit der Fälligkeit, nicht nach dem […] Tageskurs“ zu bewerten sei; Könige/Stranz/Pinner, in: Staub, HGB, Band I, 1906, § 40, Anm. 3 sehen in diesem Judikat eher eine Entscheidung für den „objektiven Wert für das Geschäft“. 230  ROHG Bd. 12, 15 (19). Vgl. auch den Einsatz des (realisierbaren) Zeitwerts in RGZ 4, 102 (103 ff.); ähnlich auch RGZ 19, 111 (122). Krit. Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 297, der einen Realisationswert bei Fortführung für ausgeschlossen hält. 231  ROHG Bd. 12, 15 (19); ebenso RGZ 43, 123 (127). 232  Vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 185 f.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

der wirklichen Vermögenslage entsprechen soll“.233 Art. 31 ADHGB sei eine „unvollständige Instruction“, der jedenfalls das Prinzip zu entnehmen sei, „daß die Bilanz überhaupt […] der objectiven Wahrheit möglichst nahe kommen soll“.234 Auch das Reichsgericht in Strafsachen legte Art. 31 ­ADHGB als Regelung des „wahren“ Wertes aus, der für die Bewertung der Vermögensbestandteile gelte.235 Seit 1861 stellte sich mithin eine Rechtslage dar, die mit der Jahresbilanz prognostische und wertende Elemente voraussetzte, inhaltlich jedoch vermittels Art. 31 ADHGB Raum für den Ansatz des Zeitwerts ließ236 – eine Sachlage, die dem hiesigen Bedürfnis nach einer Schadensbemessung als prognostische Momentaufnahme zu wirklichen Werten nahekommt. Obschon der Zeitwert in die zeitgenössische Rechtsprechung und Literatur Einzug hielt, setzte er sich nicht gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis durch. Dies mag – je nach Fakultät – an der tradierten Praxis des Handels237 oder an der ambivalenten Genese des Art. 31 ADHGB gelegen haben; prominent wurde in diesem Zuge das Wort Julius v. Gierkes, wonach keineswegs ein allgemeines „Dogma der Bilanzwahrheit“ aufgestellt worden sei.238 So wurde auch die Ansicht vorgetragen, der „beizulegende Wert“ kodifiziere lediglich die Anschauungen der zeitgenössischen Praxis.239 Folglich kann für die hier interessierenden Breitengrade der Anfangspunkt einer 233  Beide

Zitate aus ROHG Bd. 12, 15 (18); ebenso RGZ 43, 123 (126). Bd. 12, 15 (19). Zu Art. 31 ADHGB als lex imperfecta, die kein Klagerecht einräumt, vgl. RG, Sächs. Arch. Bd. 1 (1891), 499 (500); ferner Oberbrinkmann, Interpretation der Handelsbilanz, S. 51. 235  RGSt 13, 354 (355). Weitere Nachweise zu der zeitgenössischen Rechtsprechung bei Barth, Entwicklung, S. 145 (190 f.). 236  Nach Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 290 bestand über den Zeitwert in Art. 31 ADHGB als Realisierungswert bis 1886 „in der deutschen Rechtsprechung und Rechtswissenschaft Einigkeit“. 237  Die Praxis hat nach den Ausführungen Barths, Jahresbilanz, S. 53 und ders., Entwicklung, S. 116 f. zeitig auf die praktischen Mängel des Zeitwertes, die sich etwa aus fehlenden Anhaltspunkten für dessen Berechnung ergaben, reagiert. Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 194 ff. hat ferner aufgezeigt, dass die Zeitwertbilanzierung nach Art. 31 ADHGB durchaus zu einer Gefährdung der Unternehmensexistenz insbesondere im Rahmen der ökonomischen Umstände ab 1870 führen konnte. 238  Von Gierke, Handels- und Schiffahrtsrecht, S. 125 f. zu § 40 HGB. S. auch den Titel bei Neukamp, ZHR 48 (1899), 450. 239  Zu den vielgestaltigen Bewertungsmethoden in der Handelspraxis des 19. Jhd. vgl. Odermann, in: Schiebe, Lehrbuch der Contorwissenschaft, 3. Teil, § 303 (= S. 233), der selbst wiederum den Einkaufspreis zugrunde legt (Odermann, in: Schiebe, Lehrbuch der Contorwissenschaft, 3. Teil, § 52 [= S. 63]). Nach Makower, Handelsgesetzbuch, Art. 31 mit Anm. 10 (= S. 38) ist die Formulierung des Art. 31 ADHGB „den §§ 644 ff. […] nachgebildet“. Sie enthalte eine bloße Instruktion, „die weder überall paßt, noch in allen Punkten dem Handelsbrauche entspricht“ (Makower, Handelsgesetzbuch, Art. 31 mit Anm. 10 [= S. 38]). 234  ROHG



V. Die Bewertungsregeln des HGB239

Kontroverse über die „Bilanzwahrheit“ auf die strittige Interpretation des Art. 31 ADHGB gelegt werden.240 Spätere Äußerungen stellten eine dualistische Funktion des Wertansatzes nach Art. 31 ADHGB heraus, der gleichermaßen der Vermögensdarstellung und der Gewinnermittlung gedient habe.241 Teilweise wird die Vorschrift des Art. 31 ADHGB in der Rückschau auch dahingehend ausgedeutet, dass der historische Gesetzgeber lediglich eine willkürliche Bewertung habe unterbinden wollen242 und mithin eine Bewertung zum Zeitwert allein nicht ausgeschlossen war.243 Ferner stellte das ROHG244 1879 unter dem Eindruck der hartnäckigen Praxis insbesondere bei Eisenbahngesellschaften fest, dass Art. 31 ADHGB den Ansatz „des für die Herstellung Verwendeten [Betrages – Anm. T. W.]“245 nicht ausschließe.246 Gleichwohl ist festzuhalten, dass der Gedanke der Bilanzwahrheit die Bewertungsdiskussionen spätestens seit 1861 beherrschte und sich trotz Widerspruchs als hartnäckiger Anwärter auf den Posten des obersten Wertgrundsatzes auswies. Dass er sich schließlich anderen Bewertungsprinzipien unterordnen musste, ist vor allem der weiteren Entwicklung des für die Kapitalgesellschaften geltenden Bilanzrechts geschuldet. 240  Nach E. Walb, in: Festschr. f. Schmalenbach, 1933, S. 1 (4) der Beginn der „Leidensgeschichte der deutschen Bilanztheorie“. 241  So H. H. Walb, Bilanzwahrheit, S. 8: Die Vermögensaufstellung sei „einmal Maßstab, einmal Rechnungsziel“. Lion, VJSchrStFR 1928, 401 (434) erwähnt lediglich, dass „ein Kompromiß […] in das Gesetz von 1861 [das ADHGB – Anm. T. W.] überging“, der auf den – das Niederstwertprinzip enthaltenden – preußischen und einen österreichischen – dem „wirklichen Wert“ zugewandten (vgl. Barth, Entwicklung, S. 133) – Entwurf zurückgehe; ebenso Seicht, kapitaltheoretische Bilanz, S. 32, der von einer „Leerformel“ in Art. 31 ADHGB spricht. 242  Vgl. Barth, Entwicklung, S. 115, 136 f., der (in: Jahresbilanz, S. 34 mit Fn. 13) auch auf einen Passus in der Entscheidung des ROHG Bd. 12, 15 ff. hinweist, wonach mit der Bewertungsvorschrift des Art. 31 ADHGB „willkürliches subjectives Ermessen oder auf bloße Speculationen zurückzuführend[e] Werthanschläge“ unterbunden werden sollten; ähnlich RGZ 43, 123 (128); zustimmend auch Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 148. Krit. Stracke, Überschuldungsbegriff, S. 85 mit Fn. 399, mit der Behauptung, dass „zum damaligen Zeitpunkt keine ernsthaft diskutierten Alternativen zum Einzelveräußerungswert existierten“. Diese These ist – jedenfalls für die damalige Handelspraxis – mit den Nachweisen zu E.V.3.c) zurückzuweisen. Nach Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 95 soll hingegen das „Prinzip des Veräußerungswertes […] in den ersten Jahrzehnten“ nach dem Erlass des ADHGB vorherrschend gewesen sein. 243  So wohl auch Barth, Entwicklung, S. 78: „… durch Art. 31 ADHGB nicht ausdrücklich ausgeschlossenen Ansatzes zum Zeitwert …“; ebenso Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 148. 244  ROHG Bd. 25, S. 307 ff. 245  ROHG Bd. 25, S. 307 (322). 246  Dazu ausführlich Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 141 f.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

d) Entwicklung im Kapitalgesellschaftsrecht seit 1870 und im HGB von 1897 Einen von den allgemeinen Bilanznormen für Kaufleute abweichenden Verlauf nahm die Entwicklung der Bilanzregeln für AG, KGaA und GmbH. Im Zuge der Aktienrechtsnovelle von 1870 fiel das Konzessionensystem und mithin die behördliche Kontrolle der gesellschaftsvertraglich festzulegenden Bilanzgrundsätze (vgl. Art. 209 Nr. 7 ADHGB).247 Die zu Spekulationen neigende248 und teilweise unter den Stichworten des „Gründungs-“ oder des „Aktienschwindels“249 firmierende zeitgenössische Praxis veranlasste den Gesetzgeber, von Art. 31 ADHGB abweichende Regelungen für die AG in Art. 239a ADHGB festzulegen.250 Indes genoss das Grundkapital den intendierten Schutz vermittels der neuen Bilanzgrundsätze251 noch allein in der Theorie.252 247  Barth, Entwicklung, S. 71 f.; eingehend zu dem Wechsel vom Konzessionssystem zu dem Normativsystem Kießling, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 213 ff.; Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 321 ff., der auch auf die Einflüsse des zeitgenössischen Wirtschaftsliberalismus hinweist. Zu dem diesbezüglichen „Grundsatz der Selbsthilfe“ in der Aktienrechtsnovelle 1884 vgl. Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 388 (403). 248  Dazu ausführlich Kießling, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 199  ff.; ferner Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 321 (380); Oechelhäuser, Nachtheile des Aktienwesens, S. 78. 249  Barth, Entwicklung, S. 75 f. So berichtet Keyßner, Archiv f. Theorie u. Praxis d. allg. dt. Handels- u. Wechselrechts 32 (1875), S. 99 (137 ff.), davon, dass etwa bei Eisenbahngesellschaften „die Aktivseite der Bilanz nach den Ansprüchen der Passivseite“ gefertigt worden sei, sodass insbesondere Kursverluste als „Kosten der Geldbeschaffung“ in die Aktiva Einzug hielten, obwohl darin freilich kein vorhandener Wert liege; ähnlicher Bericht bei Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 119 f. und bei Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 183 ff. Zu „künstlichen Manipulationen“ des Aktienkurses mit dem Ziel, einen „Überschuß der Aktiva über die Passiva der Bilanz zu erzeugen“ vgl. K. Lehmann, Recht der Aktiengesellschaften, Band II, S. 303; ferner ausführlich zu den „Gründungsprozessen“ Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 114 ff. 250  Oechelhäuser, Nachtheile des Aktienwesens, S. 80; Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 47. Für „kurshabende Papiere“ wurde der Kurswert als Höchstwert vorgeschrieben (Art. 239a Nr. 1 ADHGB). Ferner durften auch die Kosten der Verwaltung und Organisation nicht unter den Aktiva ausgewiesen werden (Art. 239a Nr. 2 ADHGB). 251  Dazu siehe Barth, Entwicklung, S. 73; Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 321 (354). Zu dem Vorrang der gesetzlichen Bilanzregeln vor dem Gesetz widersprechenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages vgl. RGZ 19, 111 (119 – Aktiengesellschaft); 43, 123 (126 – Genossenschaft). Die zeitgenössische Praxis bediente sich hingegen auch bei der Interpretation des Art. 31 ADHGB abweichender Konstruktionen, um die Nachteile des Zeitwertes auszugleichen, vgl. mit zahlr. Nachweisen Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 136 ff. 252  Die Novelle 1870 zeitigte nach Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 321 (366 f., 380) in der Praxis aufgrund von Fehlbewertungen



V. Die Bewertungsregeln des HGB241

Aufgrund der Unzulänglichkeiten des Art. 239a ADHGB wurde 1884 das Bilanzrecht der Aktiengesellschaft um Art. 239b ADHGB (i. V. m. Art. 185a ff. ADHGB)253 erweitert, in dem – ergänzend zu Art. 31 ADHGB – die Bewertung zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten vorbehaltlich eines niedrigeren Zeitwertes für Wertpapiere und Waren Maßgeblichkeit erlangte (Art. 239b i. V. m. 185a Nr. 1 ADHGB).254 Für andere Vermögensgegenstände galten Anschaffungs- und Herstellungspreise als Höchstmarken (Art. 239b i. V. m. Art. 185a Nr. 2 ADHGB), wobei das Anlagevermögen aber auch ungeachtet eines niedrigeren Wertes zum Anschaffungs- oder Herstellungspreis bewertet werden konnte, wenn dafür ein der Abnutzung angemessener Abzug oder ein derselben entsprechender Erneuerungsfonds255 eingestellt wurde (Art. 239b i. V. m. Art. 185a Nr. 3 ADHGB). Auch für diese legislative Maßnahme stand jeweils der Schutz des Grundkapitals Modell.256 Bedeutung für den Zusammenhang zwischen Bewertungsnormen und Kapitalerhaltung erlangte zudem die Regelung des Art. 218 ADHGB, die Aktionäre von der Rückzahlung solcher Zinsen und Dividenden freistellte, die in gutem Glauben empfangen wurden.257 Die Bilanz der AG war damit und Abweichungen von den Rechnungslegungsgrundsätzen jedoch nicht das gewünschte Resultat. Inhaltliche Kritik auch bei Barth, Entwicklung, S. 74 f.; Oechelhäuser, Nachtheile des Aktienwesens, S. 80 und Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 116, der zudem darauf hinweist, dass seit 1870 ein bedeutsamer Anstieg der prozentualen Dividendenzahlungen zu verzeichnen sei, der aber bereits 1873 mit dem „Börsenkrach“ wieder zurückging (Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 161 ff.). 253  Die Regelungen der Art. 185a ff. ADHGB bezogen sich auf die KGaA. 254  In den Beratungen der Reichstagskommission 1884 wurde das Motiv, fiktiven Gewinn zu verhindern, nochmals betont, vgl. Esser/Esser, Aktiengesellschaft, S. 168. 255  Der Erneuerungsfonds war „ein als Passivum der Bilanz erscheinendes Konto“ (Förtsch, GmbHG, S. 114 f.), vgl. auch K. Lehmann, Recht der Aktiengesellschaften, Band II, S. 301. Dieser historische Befund, wonach der eigentlich verminderte Gegenstandswert durch einen korrespondierenden Passivposten bei den Aktiven ohne Abzug eingestellt werden konnte, belegt nochmals, dass Neuverortungen von Kapital auf der Passivseite (Rückstellungen) aktuelle Vermögenswertveränderungen nur anzuzeigen vermögen, wenn diese spezifische Beziehung zwischen den Bilanzseiten ausweislich gemacht wird. 256  Barth, Entwicklung, S.  77 m.  w.  N. aus den Motiven der Novelle 1884; Schulze-Osterloh, in: Lutter/Ulmer/Zöllner, Festschr. 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 501 (506); vgl. auch Hergenhahn, Generalversammlung, S. 95; K. Lehmann, Recht der Aktiengesellschaften, Band II, S. 304; Förtsch, GmbHG, S. 114; Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 44. Besondere Auswirkungen auf die allgemeine Dividendenentwicklung hatte jedoch auch diese Novelle nach der Untersuchung Spindlers, Zeitwertbilanzierung, S. 169 nicht. 257  Ebenso Art. 197 ADHGB für die KGaA. An dieser Stelle bot die Bilanz einen weiteren Kapitalschutzmechanismus: Weil der Aktionär bei dem Empfang der Dividende gutgläubig sein musste, konnte seiner Forderung auf Dividendenauskehrung mit dem Einwand unrichtiger Bilanzierung begegnet werden, vgl. dazu Ed-

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

gleichsam „in letzter Instanz“ für den Erhalt des Grundkapitals auf Posten gestellt. Das Gesetz betreffend die GmbH von 1892 orientierte sich in Bezug auf die Bilanznormen in der Grundlinie auch an der Regelung des Art. 31 ADHGB,258 statuierte jedoch in § 42 GmbHG a. F. abweichende Bewertungsgrundsätze. Der Wertansatz des Anlagevermögens (§ 42 Nr. 1 GmbHG 1892) wurde in Anlehnung an die Aktiennovelle 1870 normiert, sodass das Niederstwertprinzip dort ebenfalls Anwendung fand.259 Das Umlaufvermögen hingegen unterlag nicht dem Prinzip der Höchstbewertung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern wurde stattdessen nach der allgemeinen Regel des Art. 31 ADHGB bewertet.260 Diese Abweichung erklärt sich aus der in §§ 24, 30 und 31 GmbHG 1892 vorgesehenen Erstattungspflicht für unzulässige Ausschüttungen.261 Aus dem Vergleich zwischen AG und GmbH lässt sich mithin die Bedeutung der Haftungsverfassung als Kapitalschutzmechanismus im 19. Jhd. entnehmen: Das Bilanzrecht erfüllte unterschiedliche Funktionen, die sich in Bezug auf das Grundkapital nach mund, Sonderrechte, S. 110 f. Vgl. auch den Bericht über eine abgewiesene Klage auf Erhöhung der Dividendenzahlung wegen „irriger“ Bilanz bei Frhr. von Völderndorff, Arch. f. Theorie u. Praxis d. allg. dt. Handels- u. Wechselrechts 40 (1880), 315 ff. 258  Förtsch, GmbHG, S. 114. 259  Gleichwohl konnte – wie beim Anlagevermögen der AG – der Anschaffungsoder Herstellungspreis zugrunde gelegt werden, wenn dafür im Gegenzug ein der Abnutzung entsprechender Abzug oder ein der Abnutzung entsprechender Erneuerungsfonds in Ansatz gebracht wurde (§ 42 Nr. 1 letzter Hs. GmbHG 1892). Ähnliche Vorgehensweise auch noch bei von Gierke, Handels- und Schiffartsrecht, S. 126, der „jährlich einen entsprechenden Betrag [für die Abnutzung – Anm. T. W.] als Wertberichtigungskonto unter die Passiven einstellt“. Schulze-Osterloh, in: Lutter/ Ulmer/Zöllner, Festschr. 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 501 (512 f.) weist zutreffend darauf hin, dass diese Wahlmöglichkeit noch nicht dem zwingenden Charakter des heutigen Niederstwertprinzips entsprach. 260  Vgl. RGZ 80, 330 (334 f.); Barth, Entwicklung, S. 79; Schulze-Osterloh, in: Lutter/Ulmer/Zöllner, Festschr. 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 501 (507) sieht hierin eine Verkennung der „Zusammenhänge zwischen der Bilanzierung und der Erhaltung des Stammkapitals“ durch den historischen Gesetzgeber; vgl. auch die noch viel weitergehende Kritik bei Barth, Entwicklung, S. 81 f., der die ausbleibende Erstreckung der aktienrechtlichen Bilanzregeln auf alle Kaufleute mit dem HGB 1897 für wenig überzeugend hält. 261  Vgl. Schulze-Osterloh, in: Lutter/Ulmer/Zöllner, Festschr. 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 501 (507); Barth, Entwicklung, S. 79 m. w. N. aus den Motiven des GmbHG 1892; zu den heutigen Auswirkungen des Kapitalschutzgedankens in § 30 GmbHG vgl. Ulmer, in: Lutter/Ulmer/Zöllner, Festschr. 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 363 (364 f.). Auf dieser Linie liegt es, wenn Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 48 f. davon ausgeht, dass bei persönlich haftenden Gesellschaftern kein Gläubigerschutz durch Bilanzvorschriften gewährleistet werden musste.



V. Die Bewertungsregeln des HGB243

dessen Schutzbedürftigkeit richteten.262 Zu konstatieren ist folglich eine weitgehende und Kapitalschutzerfordernissen geschuldete Abkehr von dem „beizulegenden Wert“ des Art. 31 ADHGB im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften des 19. Jahrhunderts. Die rechtsformabhängige Fragmentierung des Bilanzrechts wurde mit dem Inkrafttreten des Handelsgesetzbuches im Jahr 1897263 forciert,264 in dessen Zuge der Normtext des Art. 31 ADHGB fast wortgleichen Einzug in § 40 HGB a. F. hielt:265 „… sämtliche Vermögensgegenstände [sind] nach dem Werthe anzusetzen, der ihnen im Zeitpunkte beizulegen ist, für welchen die Aufstellung stattfindet. Zweifelhafte Forderungen sind nach ihrem wahrscheinlichen Werthe anzusetzen.“ Beseitigt wurde damit zwar die Möglichkeit, durch die Wahl des Aufstellungszeitpunktes den Bilanzwert zu beeinflussen,266 doch verleitete auch diese Vorschrift freilich zu abweichenden Auslegungen. Innerhalb der Fraktion des Zeitwertes267 wurde teilweise noch weiter differenziert: Eine Lesart legte den aktuellen Einkaufswert zugrunde,268 eine andere nahm an dem objektiven Fortführungswert Maß.269 Eine dritte Ansicht wiederum ging von der Prämisse aus, das „pflichtgemä262  Vgl. auch die Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 44; zu einer Bilanzakzessorietät des § 30 GmbHG siehe Stimpel, in: Lutter/Ulmer/Zöllner, Festschr. 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 335 (340). 263  Handelsgesetzbuch v. 10.05.1897, RGBl. S. 219. 264  Die Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB (1896, S. 44) weist ausdrücklich darauf hin, dass „die besonderen Bewertungsregeln des Aktienrechts […] nicht über ihr jetziges Anwendungsgebiet aus[gedehnt werden]“. 265  Vgl. Litthauer, HGB, S. 54; Barth, Entwicklung, S. 68. 266  Diese Möglichkeit eröffnete noch Art. 31 ADHGB, der den beizulegenden Wert im Zeitpunkt der Aufnahme für maßgeblich erklärte, während § 40 HGB nunmehr den Zeitpunkt in Bezug nimmt, „für welchen die Aufnahme erfolgt“, vgl. hierzu Rehm, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1903, S. 58; Barth, Entwicklung, S. 81; Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 43. 267  Vgl. etwa Ring/Schachian, Praxis der Aktiengesellschaft, S. 314; Esser/Esser, Aktiengesellschaft, S. 165: „Wert zur Zeit der Bilanzaufnahme“, jeweils m. w. N.; unklar Litthauer, HGB, S. 55: „… nach dem Werthe, den sie [die Vermögensgegenstände und Schulden – Anm. T. W.] für das Geschäft haben …“; ähnlich auch Könige/Stranz/Pinner, in: Staub, Band I, 1906, § 40, Anm. 3. 268  Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 55 ff. geht davon aus, dass der „wirkliche Wert“ maßgeblich sei, den er unter Rückgriff auf die Denkschrift zum HGB-Entwurf als „Gegenwartswert des Bilanztages“ (Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 69) identifiziert und den „gegenwärtigen objektiven Anschaffungswert“ (Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 121) zugrunde legt. 269  Rehm, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1903, S. 60, der den Veräußerungswert bei Fortführung ansetzt; ebenso Passow, Bilanzen, S. 109: Verkaufswert; wohl auch Könige/Stranz/Pinner, in: Staub, Band I, 1906, § 40, Anm. 3. Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 304 ff. legt den „individuellen Wert“ zugrunde, der je nach Betrachtungswinkel entweder Gebrauchs- oder Verkehrswert sei.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

ße Ermessen eines ordentlichen Kaufmanns“ entscheide über den zutreffenden Wertansatz, das sich regelmäßig auf eine „vorsichtig[e] Gewinnermittlung“ nach dem Vorbild der „aktienrechtlichen Grundsätze“ konkretisiere.270 Hermann Rehm schließlich – im beginnenden 20. Jhd. noch eifriger Verfechter des Bilanzwahrheitsgrundsatzes –271 änderte seine Auffassung bereits fünf Jahre nach seinem Engagement für den „wahren Wert“ dahingehend, dass die „Vorschrift der Wertwahrheit“ allein dem Gläubigerschutz verpflichtet sei. Er gab daher die Losung aus: „Unterbewertung der Aktiva, Überbewertung der Passiva stärkt die Zahlungsfähigkeit und Kreditfähigkeit des Kaufmanns seinen Gläubigern gegenüber“;272 Rehm votierte folglich implizit für die Erforderlichkeit stiller Reserven.273 Während die allgemeine Vorschrift des § 40 HGB von 1897 noch mit dem „beizulegenden Wert“ operierte, galt für Aktiengesellschaften274 § 40 HGB mit den Modifikationen der §§ 261 ff. HGB, die wiederum darauf ausgerichtet waren, die Verteilung nicht realisierten Gewinns als Dividende zu verhindern:275 Der Inhalt des die Bewertung regelnden § 261 HGB ent270  Zitate jeweils nach von Gierke, Handels- und Schiffahrtsrecht, S. 125 f., der auch Nachweise zu den einzelnen Auffassungen anführt. Ähnlich auch Baumbach/ Duden, § 40, Nr. 3 (= S. 170), die eine Bewertung nach „kaufmännischer Praxis in langjähriger Übung“ für maßgeblich erachteten. Problematisch erscheint es jedoch, wenn für den Beleg dieser These auf eine Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 72, 33 ff.) rekurriert wird, die sich in der Hauptsache mit § 261 HGB a. F. befasst. Nach Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 299 f. sollten durch § 40 HGB ebenfalls die bestehenden Handelsbräuche in Bezug genommen werden. Auch die Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB (1896, S. 44) erklärte die bestehende Praxis und ein „vernünftige[s] Ermessen“ für maßgeblich. 271  Vgl. Rehm, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1903, S. 46 und 57, der indes das Erfordernis des „wahren Wertes“ bereits aus § 38 HGB a. F. ableitet und nur für den Bewertungszeitpunkt auf § 40 HGB a. F. zurückgreift. 272  Rehm, ZHUH 1908, 41 f., der seine dortige Prämisse freilich nur auf Bilanzen zur Ermittlung des Reingewinns angewandt wissen möchte; ebenso Rehm, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1914, S. 92, 351. 273  Vgl. Rehm, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1914, S.  239  ff.; so auch Spindler, Zeitwertbilanzierung, S. 134 f. 274  Der Reichsfinanzhof setzte sich im Jahr 1930 mit der Frage auseinander, ob die Bewertungsvorgaben des § 261 HGB 1897 auch auf Einzelkaufleute und OHG Anwendung fänden (Urteil v. 13.  November 1930  – VI A 844/30  –, nachgewiesen bei BFHE 55, 22), und kam zu dem Ergebnis, dass für diese lediglich ein Wahlrecht zur Anwendung des § 261 HGB 1897 bestehe. 275  In diesem Sinn ist auch die Entscheidung RGZ 72, 33 (38) zu lesen, wonach § 261 HGB a. F. verhindern wolle, dass „die Bilanz durch Einsetzung höherer als der wahren Werte Gläubiger und Aktionäre schädige und zur Täuschung Dritter diene“. Den Gläubigerschutz als Hauptzweck des § 261 HGB a. F. identifizieren ebenfalls Könige/Stranz/Pinner, in: Staub, Band I, 1906, § 261, Anm. 3, die zudem auf die Bedeutung der Passiva als Bindung des verteilungsfähigen Aktivvermögens hinwei-



V. Die Bewertungsregeln des HGB245

sprach dem über Art. 239b ADHGB auch für die AG geltenden Art. 185a ADHGB i. d. F. der Novelle von 1884.276 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass auch die Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB (1896) eine allgemeine Ausweitung der aktienrechtlichen Bewertungsvorschriften für nicht angezeigt erachtete: Der auf den Erhalt des „statutenmäßigen Grundkapitals“277 ausgerichtete Art. 185a ADHGB eigne sich nicht für die Anwendung auf andere Gesellschaften und den Einzelkaufmann, „da bei diesen die Verfügung über das Geschäftskapital im Allgemeinen nicht […] beschränkt werden kann“.278 Die Kluft zwischen den allgemeinen Bewertungsregeln279 und jenen, die auf Kapitalgesellschaften ausgerichtet waren, blieb damit auch zu Beginn des 20. Jhd. bestehen; sie lässt sich mit unterschiedlichen Kapitalerhaltungsbedürfnissen erklären. e) Die weitere nationale Entwicklung und einige europarechtliche Einflüsse Mit dem gewonnenen historischen Befund einer divergierenden Bewertungsprogrammatik in allgemeinem Handelsrecht (beizulegender Wert als Grundlage eines Zeitwertansatzes) und dem Recht der Kapitalgesellschaften („Niederstwertprinzip“) zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist es an der Zeit, ein gröberes Schrittmaß anzulegen und der Frage Raum zu gewähren, bis zu welchem Zeitpunkt sich dieser Befund in der weiteren Gesetzgebung widerspiegelt. Diese Frage nimmt einen herausgehobenen Stellenwert ein, denn sie spielt auf den Gedanken an, dass der moderne Bilanzrechtler freilich um die Präponderanz des Niederstwertprinzips im heutigen Handelsbilanzrecht280 wisse und deshalb zu der Schlussfolgerung verleitet werde, dieses Prinzip müsse sich zwar – wie gezeigt –281 abseits des allgemeinen Bilanzgefüges entwickelt, aber irgendwann auch wieder dorthin zurückgekehrt sein und damit das Ende einer bilanzrechtlichen Kreidezeit eingeläutet haben. Diese Überlegung ist im Wesentlichen zutreffend, doch erweist sich der nötige Blickwinkel zu ihrer Bestätigung als recht weitläufig: Im Bilanzsen und die Bilanz als „Vermögensverteilungsbilanz“ interpretieren (Könige/Stranz/ Pinner, in: Staub, Band I, 1906, § 261, Anm. 11 ff. und 15). 276  Esser/Esser, Aktiengesellschaft, S. 164; Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 56 und 312; Barth, Entwicklung, S. 79. 277  Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 44. 278  Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 44. 279  Die Bewertung der Bilanzposten stand ferner unter dem Einfluss der Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung (§ 38 HGB a. F.). 280  Vgl. bereits den Überblick oben E.V.1.a). 281  Vgl. dazu oben E.V.3.b).

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

recht der Kapitalgesellschaften lösten zunächst die §§ 129–134 AktG im Jahr 1937282 insbesondere die handelsrechtliche Bewertungsnorm des § 261 HGB 1897 ab. Während § 261 HGB 1897 noch explizit seinen damaligen Einfluss auf § 40 HGB benannte, nahm das Aktiengesetz von 1937 in § 129 Abs. 2 AktG den allgemeineren Rekurs auf die „Vorschriften des Vierten Abschnitts des Ersten Buches des Handelsgesetzbuchs über Handelsbücher“ vor und ordnete damit die Geltung der §§ 38 bis 47 HGB 1897 an, soweit im AktG 1937 nichts anderes bestimmt war. Der Wertansatz für Gegenstände des Anlagevermögens richtete sich gemäß § 133 Nrn. 1 und 2 AktG 1937 nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten, die als Höchstwerte vorgegeben wurden und folglich unterschritten werden konnten oder – im Fall des § 133 Nr. 2 AktG 1937 –283 sogar unterschritten werden mussten, soweit die GoB keine Abschreibungen oder Wertberichtigungen erforderten. Mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten als Höchstmarken für die Bewertung des Anlagevermögens bildete das AktG von 1937 im Wesentlichen den Stand des § 261 Nrn. 2 und 3 HGB von 1897 ab. In der Bewertung des Umlaufvermögens gab § 133 Nr. 3 AktG 1937 zwar wiederum die AK / HK als Höchstwerte an, aber diese wurden unter der gleichen Ziffer durch den Ansatz eines niedrigeren Börsen- oder Marktpreises am Abschlussstichtag suspendiert. Auch dies entspricht § 261 HGB 1897. Alternativ konnte unter dem AktG 1937 ein niedrigerer „beizulegender Wert“ angesetzt werden, soweit ein Börsen- oder Marktpreis nicht zu ermitteln war. Dieser Stand findet sich ebenfalls in §§ 153–155 des Aktiengesetzes von 1965.284 Mithin belegten auch die Aktiengesetze von 1937 und von 1965 die Zeitwertvorschrift des § 40 HGB 1897 mit abweichenden Bewertungsregeln und perpetuierten dadurch die bestehende Differenz zwischen allgemeinem Handelsbilanz- und Aktienbilanzrecht. Dieses Attest muss man ebenfalls dem Bilanzrecht der GmbH ausstellen, das bis 1986 noch in § 42 GmbHG a. F. die bereits skizzierten285 Modifikationen des beizulegenden Wertes aus § 40 HGB 1897 vorsah. Eine grundlegende Reform erfuhr das Wechselspiel von handelsbilanzieller zu kapitalgesellschaftlicher Bewertung mit dem sog. Bilanzrichtlinien­ 282  Vgl. das Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien v. 30.01.1937, RGBl. I, S. 107. 283  § 133 Nr. 2 AktG 1937 nahm Bezug auf § 131 Abs. 1 A.II. Nrn. 5 bis 7 AktG 1937 und bezeichnete damit Gegenstände des Anlagevermögens, wie etwa Konzessionen, Patente, Lizenzen, Beteiligungen oder andere Wertpapiere. 284  Aktiengesetz vom 06. September 1965, BGBl. I, S. 1089; vgl. zur Entwicklung vom AktG 1937 bis zum AktG 1965 ausführlich Habersack, in: MünchKomm – AktG, Band I, Einleitung, Rdnrn. 22 ff. 285  Vgl. oben E.V.3.d).



V. Die Bewertungsregeln des HGB247

gesetz286 von 1985, das in Umsetzung dreier EG-Richtlinien sowohl die §§ 153–155 AktG 1965 und § 42 GmbHG a. F. aufhob als auch § 40 HGB umgestaltete. Dieses Bild zeichnet sich jedoch weniger deutlich: Obschon die Vierte Richtlinie von 1978 im Wesentlichen die Kapitalgesellschaften in den Blick nahm, hat der Gesetzgeber des Bilanzrichtliniengesetzes von 1985 den für Kapitalgesellschaften konzipierten Bewertungsregeln – einschließlich des Niederstwertprinzips –287 eine weitaus umfassendere Anwendung zugestanden: Die Bewertungsvorschriften für die Handelsbilanz wurden einheitlich in §§ 252 HGB angesiedelt und knüpfen seither an den Kaufmannsbegriff an, sodass ihnen ein erheblich weitläufigerer Anwendungsbereich eröffnet ist als den rechtsformabhängigen Bewertungsnormen. Während § 149 Abs. 1 AktG 1965 zumindest einen „möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft“ forderte, spielt eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Abbildung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage jedenfalls in den Erwägungsgründen der Vierten Bilanzrichtlinie von 1978 eine zentrale Rolle.288 Von dieser Erwägung findet sich jedoch in § 252 HGB nichts wieder. Den Beweggrund für die Ausweitung des (kapitalgesellschaftlichen) Niederstwertprinzips bildete ausweislich der Entwurfsbegründung die Erkenntnis, dass sich insbesondere die Bewertungsgrundsätze des Aktienrechts fortentwickelt und mittlerweile als GoB herausgebildet hatten.289 In dieser Erwägung liegt ein die Historie flankierender Anhaltspunkt für den Einfluss der aktienrechtlichen Bewertungsregeln auf das heute geltende Niederstwertprinzip des HGB. Schließlich hat der europäische Richtliniengeber im Juni 2013 durch die Bilanzrichtlinie 2013 / 34 / EU290 die zuvor zitierten EG-Richtlinien aufgehoben und 286  Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebten und Achten Richtlinie des Rates der europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 19. Dezember 1985, BGBl. I, S. 2355. Einen detaillierten Überblick zum Gesetzgebungsprozess bietet etwa Förster, Die Dimension des Unternehmens, ­ S.  80 ff. 287  Das übergeordnete Prinzip der Vorsicht hielt die Richtlinie für besonders bedeutsam, vgl. Art. 31 der Vierten Richtlinie v. 25. Juli 1978: „(1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, daß für die Bewertung der Posten im Jahresabschluß folgende allgemeine Grundsätze gelten: […] c) Der Grundsatz der Vorsicht muß in jedem Fall beachtet werden …“; vgl. hierzu auch Welzel, in: Festschr. f. Walter Karten, 1994, S. 501 (504). 288  Vgl. die Vierte Richtlinie des Rates v. 25.  Juli 1978, 78/660 / EWG, Amtsbl. v. 14.8.78, Nr. L 222/11. 289  BT-Drucks. 10/317, S. 71, 73. Eine umfassende Kodifizierung der GoB sah man jedenfalls vor Inkrafttreten des Bilanzrichtliniengesetzes von 1985 als nicht verwirklicht an, vgl. Müller, in: Herzig, Europäisierung des Bilanzrechts, S. 87 (88). 290  Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Ände-

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

mit Art. 6 Abs. 1 lit. c) dieser Richtlinie das Vorsichtsprinzip erneut als zu beachtenden Grundsatz zementiert. Die handelsbilanzielle Bewertung wird seit dem Inkrafttreten des Bilanzrichtliniengesetzes im Jahr 1986 folglich durch zwei wichtige Impulsgeber beeinflusst: Einerseits erstreckt sich das aus dem Bilanzrecht der Kapitalgesellschaft historisch überkommene Niederstwertprinzip als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung aufgrund einer ausdrücklichen Entscheidung des nationalen Gesetzgebers auf alle Bilanzen der Kaufleute. Andererseits beruht diese Entscheidung aber auch auf der grundsätzlichen Vorgabe der Vierten EG-Bilanzrichtlinie von 1978, die zur Vereinheitlichung der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse jedenfalls für Kapitalgesellschaften das Vorsichtsprinzip besonders herausstellte und in der Bilanzrichtlinie 2013 / 34 / EU erneut einen herausragenden Stellenwert einnimmt. Seither wurde § 252 HGB lediglich noch durch das sog. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz von 2009291 geändert, indem er um § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB erweitert wurde. Während das Niederstwertprinzip seinen exklusiven Bezug auf die Kapitalgesellschaften mittlerweile also eingebüßt hat und über §§ 252 Abs. 1 Nr. 4, 253 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Abs. 4 HGB für alle buchführungspflichtigen Kaufleute gilt,292 gleichen seine Ausprägungen im Wechselspiel von Anschaffungs- und Herstellungskosten zu dem niedrigeren beizulegenden Wert jenem Muster, dass den Kapitalgesellschaften des 19. und 20. Jahrhunderts zur Kapitalerhaltung auferlegt wurde.293 Auch die geltenden Bewertungsnormen sind folglich eng mit Kapitalerhaltungserwägungen verwoben.294 f) Eröffnet die Bilanzrichtlinie 2013 / 34 / EU Bewertungsalternativen? Angesichts des großen Einflusses, den das Niederstwertprinzip auf die deutsche Bewertungstradition ausübt, ist schließlich der Blick in die Zukunft zu richten, zu deren Gestaltung der europäische Richtliniengeber gemäß Art. 53 der Bilanzrichtlinie 2013 / 34 / EU vom 26.  Juni 2013 die eurorung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, Amtsbl. L 182/19. 291  Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.05.2009, BGBl. I, S. 1102. 292  Winkeljohann/Büssow, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, §  252 HGB, Rdnr. 1. 293  Vgl. zum AktG 1937 noch Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 49. 294  Vgl. dazu etwa Hennrichs, in: Festschr. f. K. Schmidt, 2009, S. 581; Free­ricks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 109; Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel E, Rdnr. 3; Baetge/ Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 105 ff.



V. Die Bewertungsregeln des HGB249

päischen Parlamente bis zum 20. Juli 2015 aufgerufen hat.295 Diese Richtlinie vereinheitlicht die Bewertung im Jahresabschluss zum einen dadurch, dass sie das Vorsichtsprinzip und andere bereits dargestellte Prinzipien des deutschen Handelsbilanzrechts übernimmt. Zum anderen soll die RL 2013 / 34 / EU aber auch dazu dienen, die Öffnung des Bilanzrechts gegenüber Bewertungsmaßstäben voranzutreiben, die aus den IAS / IFRS bekannt sind.296 Aus diesem Grund muss sich eine Schrift zur Schadensberechnung nach bilanziellen Maßstäben, die einen eher kritischen Standpunkt gegenüber der entsprechenden Tauglichkeit von HGB-Bewertungsnormen einnimmt, mit der Frage auseinandersetzen, ob möglicherweise alle Einwände im Angesicht der zu erwartenden Umsetzung dieser Richtlinie schon jetzt mit einem Ablaufdatum versehen sein könnten. Die Richtlinie enthält drei näher interessierende Vorgaben: Erstens räumt sie dem Grundsatz „substance over form“ einen zentralen Anwendungsbereich ein, indem sie wirtschaftliche Sachverhalte bei der Bilanzierung für maßgeblich erklärt.297 Zweitens eröffnet sie den breiteren Zugang zur sog. Neubewertungsmethode und glättet damit möglicherweise in gewissen Bereichen die Unebenheiten des Niederstwertprinzips. Drittens erklärt sie den beizulegenden Zeitwert (fair value) zum maßgeblichen Bewertungsansatz für Finanzinstrumente und räumt für übrige Vermögensgegenstände ein Wahlrecht des nationalen Gesetzgebers ein. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. h) RL 2013 / 34 / EU sind Posten der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Bilanz unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gehalts des betreffenden Geschäftsvorfalls oder der betreffenden Vereinbarung zu bilanzieren und darzustellen. Während schon bislang nach § 246 Abs. 1 S. 2 HGB der Grundsatz wirtschaftlicher Zurechnung von Vermögensgegenständen den Bilanzansatz in der handelsrechtlichen Jahresrechnung dominiert,298 gilt nach der RL 2013 / 34 / EU künftig auch für die Bewertung eines Gegenstandes der allein wirtschaftliche Gehalt als Grundlage.299 Diese Maßgabe harmoniert mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zur Berechnung des Betrugsschadens, die es verbietet, etwa die rechtliche Missbilligung eines Geschäftes in Bezug auf die Ansatzfähigkeit eines Vermögensgegenstandes zu berücksichtigen.300 In diesem Aspekt 295  Kritische Bewertung der Richtlinie etwa durch den Arbeitskreis KMU, DB 2012, 991 ff. Die Bundesregierung hat in der Bundesrats-Drucks. 23/15 vom 23.01.2015 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. 296  Vgl. dazu Luttermann, NZG 2013, 1128 (1130). 297  Vgl. Zülch/Güth/Stamm, DB 2012, 413 (416). 298  Vgl. dazu oben E.III.3.d). 299  Anders Kreipl, BC 2013, 399, der lediglich den Bilanzansatz unter dem Gesichtspunkt des neuen wirtschaftlichen Blickwinkels bespricht. 300  Hierzu oben C.I.3.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

scheint die Bilanzrichtlinie folglich die Handelsbilanz auf betrugsstrafrechtliche Anforderungen einzuschwören. Die Bundesregierung hat allerdings in ihrem jüngst vorgelegten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie betont, dass insoweit inhaltliche Änderungen nicht angestrebt würden, weil dieser Grundsatz bereits über die GoB verwirklicht sei.301 Im Übrigen werden gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. i) RL 2013 / 34 / EU die Posten des Jahresabschlusses auch künftig nach ihren Anschaffungs- und Herstellungskosten bewertet. Zur Erinnerung: Das Niederstwertprinzip fordert den Ansatz eines ermittelten niedrigeren Wertes (Börsen- bzw. Marktpreis oder „beizulegender Wert“) im Vergleich zu Anschaffungs- und Herstellungskosten (§ 253 Abs. 1 HGB). Der hiesige Abschnitt über die Auswirkungen der zitierten Richtlinie rechtfertigt sich nunmehr daraus, dass Art. 7 Abs. 1 RL 2013 / 34 / EU Abweichungen vom Höchstmaß der AK / HK zulässt, indem er das sog. Neubewertungsverfahren für die Bewertung des Anlagevermögens in die Rechnungslegung einführt. Dieses Verfahren kann höhere Werte als die AK / HK hervorbringen und führt deshalb zur sog. „Aufdeckung stiller Reserven“. Damit bezeichnet man den Umstand, dass die Neubewertung eines Vermögensgegenstandes auch über den AK / HK liegen kann, sodass ein bislang verborgenes Wertpotenzial offengelegt wird. Dieses Prinzip ist freilich im HGB kein gänzlicher Neuankömmling, weil es etwa nach § 301 Abs. 1 S. 2 HGB bei der Erstkonsolidierung im Konzern seit dem BilMoG 2009 einzuhalten ist.302 Im allgemeinen Bewertungsrecht der Kaufleute nach dem HGB hat es demgegenüber bislang noch nicht Platz gegriffen. Obschon mit der Neubewertungsmethode möglicherweise die – aus strafrechtlicher Sicht eher nachteiligen – Eigenschaften des Niederstwertprinzips verwunden werden könnten, überzeugt diese Lösung nicht restlos. Denn die Möglichkeit zur Neubewertung erfasst zunächst nur das Anlagevermögen und lässt das Umlaufvermögen unberücksichtigt. Die RL 2013 / 34 / EU schreibt in Art. 7 Abs. 2 zudem vor, dass bei einer Neubewertung der Unterschiedsbetrag zwischen der Bewertung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der Bewertung auf Neubewertungsbasis einer sog. Neubewertungsrücklage in der Bilanz unter dem Eintrag „Eigenkapital“ zuzuführen ist; somit auf der Passivseite angesiedelt wird. Obwohl folglich eine Überschreitung der AK / HK möglich ist, fließt der über diese Werte hinausgehende Betrag aber nicht in die gemeine Eigenkapitalmasse ein, sondern bildet einen Sonderposten, der nach den Vorgaben der Richtlinie jederzeit ganz oder teilweise aktiviert werden kann. Aus diesen Regelungen wird ersichtlich, dass die Neubewertung auch mit der RL 2013 / 34 / EU noch eine 301  BR-Drucks.

23/15, S. 48. Petersen/Wohlgemuth, in: Beck’sches Steuerberater-Hdb., Abschnitt B, Rdnr. 293 und Abschnitt C, Rdnrn. 80 ff. 302  Vgl.



V. Die Bewertungsregeln des HGB251

Sonderstellung einnimmt. Diesen Befund erhellt auch die Maßgabe, wonach die Neubewertungsrücklage allein unter der Bedingung tatsächlich realisierter Gewinne ausgeschüttet werden darf (Art. 7 Abs. 2 RL 2013 / 34 / EU),303 sodass man insoweit noch nicht von einem vollendeten Eingang des im Wege der Neubewertung angesetzten Wertes in die Reihen der Vermögenswerte sprechen kann, sondern auch hier das Imparitätsprinzip wiedererkennt. Schließlich regelt die RL 2013 / 34 / EU in Art. 8 abweichend vom Prinzip der Bewertung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten die Möglichkeiten einer Suspendierung des Niederstwertprinzips für Finanzinstrumente und weitere Vermögensgegenstände zugunsten des beizulegenden Zeitwerts, der mit dem Begriff des fair value übersetzt wird.304 Obschon es bereits Stellungnahmen gibt, die jedenfalls nicht von einer Übernahme der Ausweitungsop­ tion auf andere Vermögensgegenstände in das nationale Handelsbilanzrecht ausgehen,305 hat der europäische Richtliniengeber mit Art. 8 einen weitgehenden Durchschlag internationaler Bewertungsgrundsätze in den Bereich greifbarer Regelungsalternativen eingerückt. Dies wird ersichtlich, wenn man die Modalitäten der Zeitwertermittlung näher begutachtet, denn diese orientieren sich im Wesentlichen an den aus IFRS 13 bekannten Kriterien.306 In diesem Punkt bietet die Bilanzrichtlinie folglich aus der Perspektive des Bewertungsrechts handfeste Neuerungen, die einer Handelsbilanz möglicherweise auch zu betrugsstrafrechtlicher Anerkennung verhelfen könnten. Gesichert sind diese Überlegungen gleichwohl nicht: Denn zu beachten ist der Umstand, dass die Implementierung sowohl der Neubewertungsmethode als auch der geänderten Bewertungsgrundlage für den beizulegenden Zeitwert – mit Ausnahme des Zeitwerts für Finanzinstrumente (Art. 8 Abs. 1 lit. a) – davon abhängt, ob der deutsche Gesetzgeber die Wahl dieser Methoden letztlich umfassend gestattet. Der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung spiegelt diese Möglichkeit bislang nicht wider.307 In der Gesamtschau bietet die Bilanzrichtlinie 2013 / 34 / EU daher Neuerungspotenzial, das die HGB-Bilanz möglicherweise den betrugsstrafrecht­ 303  Hierzu auch Luttermann, NZG 2013, 1128 (1129  f.): generelle Ausschüttungssperre. 304  Luttermann, NZG 2013, 1128 (1130); vgl. auch die krit. Stellungnahme des Arbeitskreises KMU, DB 2012, 991 (992); vgl. ferner Beul, SAM 2012, 19 ff., der insoweit eine – m. E. nicht ganz treffende, weil vergröbernde – Verbindung zwischen aktueller Zeitwertbilanzierung und den Bewertungsregelungen aus dem 19. Jahrhundert herstellt, bei denen bekanntlich die „Eisenbahnerpraxis“ zu Irrungen führte, während die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Zeitwertbewertung wesentlich differenzierter vonstattenging. 305  Kreipl, BC 2013, 339 (401). 306  Vgl. dazu unten E.VIII.5.a). 307  Vgl. BR-Drucks. 23/15.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

lichen Anforderungen nach Transaktionswerten ohne die Beschränkungen durch Kapitalerhaltungserwägungen näher bringen könnte. Ob die Handelsbilanz in letzter Konsequenz aber diesen Erwartungen entsprechen wird, ist angesichts der eher kritischen Rezeption308 der RL 2013 / 34 / EU und des vorliegenden Gesetzentwurfs derzeit nicht abzusehen. g) Fazit zur Betrachtung der Handelsbilanz Das Niederstwertprinzip regiert die handelsbilanzielle Bewertung als Kapitalschutzregel und dient damit in erster Linie dem Erhalt der bilanzierenden Gesellschaft sowie den Gläubigern, nicht dem Ausweis marktwirtschaftlicher Zeitwerte. In jüngster Zeit konnte die Bedeutung der Bilanz als Kapitalschutzwerk an der Erörterung sog. Solvenztest-Modelle309 studiert werden, die – anstatt ein bilanzielles Protektorat zu errichten – der Ausschüttung lediglich die Frage nach der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens vorschalten.310 Die bilanzfernen Modelle ernteten Kritik,311 die aus der Perspektive der handelsrechtlichen Historie durchaus nachvollziehbar erscheint. Auch gegen den Ansatz eines „beizulegenden Zeitwertes“ positionierte man sich bereits in früheren Jahrhunderten, wobei sich die Kritik nicht nur auf juristische, sondern auch auf wirtschaftswissenschaftliche Gefilde erstreckte. Denn aus dem Blickwinkel der Bilanztheorie besagte der „beizulegende Wert“ nicht mehr als eine Antizipation einer späteren, noch unvollendeten Geldwerdung.312 Aus diesem Grund wurde im Bilanzschrifttum der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts teils vehement313 darum gestritten, ob es überhaupt eine „Bilanzwahrheit“314 dergestalt gebe, dass sie zur Erfassung des tatsächlichen Gegenstandswertes führe.315 Das in § 253 Abs. 3 und 4 HGB kodifizierte Erfordernis der Abschreibung auf den niedrigeren Börsen- und Marktpreis bzw. den beizulegenden 308  Vgl.

insoweit die im hiesigen Abschnitt zitierte Literatur. dazu Rickford, EBOR 2006, 135 (144 ff.); eingehend auch Siebler, Internationalisierung der Rechnungslegung, S. 364 ff. Eine Studie zu den unterschiedlichen Auswirkungen der derzeit kursierenden Kapitalerhaltungsmodelle legen Eiselt/ Haneberg/Lopatta, KoR 2012, 305 ff. vor. 310  Vgl. Hennrichs, ZGR 2008, 361 (367). 311  Vgl. eingehend Hennrichs, ZGR 2008, 361 ff. 312  Vgl. Rieger, Privatwirtschaftslehre, S. 214; Barth, Jahresbilanz, S. 27. 313  Einige Schriften haben ein erstaunliches rhetorisches Potenzial – zuweilen wenig Inhaltliches – aufgefahren, um einen Bilanzwahrheitsgrundsatz zu demontieren, vgl. stellvertretend etwa Königshofer, Problem der Bilanzwahrheit, S. 16 ff. 314  So etwa Passow, Bilanzen, S. 111 f. 315  Sachlicher Neukamp, ZHR 48 (1899), 450 (450  ff.); Barth, Jahresbilanz, S.  29 ff. 309  Vgl.



V. Die Bewertungsregeln des HGB253

Wert entspricht im Wesentlichen dem für die Kapitalgesellschaften bereits im 19. Jahrhundert maßgeblichen Stand. Freilich wird das Niederstwertprinzip heutzutage vor dem Hintergrund der Änderungen, die das Bilanzricht­ liniengesetz von 1985 mit sich brachte, umfassender ausgelegt, weil es als Ausprägung des Vorsichtsprinzips die Haftungsmasse zugunsten der Gläubiger zu wahren sucht316 und die unzulässige Gewinnausschüttung in den Blick nimmt.317 Ferner gäbe es jedenfalls theoretisch die Möglichkeit, mit der Umsetzung der RL 2013 / 34 / EU künftig auch die Handelsbilanz weitergehend auf Zeitwerte einzuschwören, auch wenn der Gesetzgeber in dieser Hinsicht keine Initiative zu ergreifen scheint. Anhand des historischen Befundes wird jedenfalls eines klar: Das Niederstwertprinzip verstößt gegen den Grundsatz der transaktionsbasierten Wertermittlung,318 und zwar nicht nur deswegen, weil es den Ansatz höherer Zeitwerte als die AK / HK unterbindet, sondern weil es in erster Linie mit der Kapitalerhaltung einem anders ausgerichteten Zweckgebilde entspringt als der Transaktionswert. Wenn in der Handelsbilanz folglich in Ausführung des Niederstwertprinzips Wertabschläge vorgenommen werden, dann dienen sie dem Kapitalerhalt und nicht der tatsächlichen Vermögensberechnung durch den Ausweis der marktgängigen Transaktionswerte. Die handelsrechtliche Bewertung nach dem Niederstwertprinzip trifft vielmehr umfassende Vorsorge für marktwirtschaftlich unrealisierte Verluste.319 Dieses Erbe trägt das Niederstwertprinzip im Grunde seit 1673 mit sich, sodass auch im heutigen Handelsbilanzrecht noch der Grundsatz gilt: Ne pas se rendre riche en idée; oder: „Man verteilt keine Hoffnungen, sondern Taler“.320

316  Krit. zum Schutz uninformierter Gläubiger durch das Vorsichtsprinzip Bigus, zfbf 59 (2007), 567 (568). 317  Zur Zweckdualität des Vorsichtsprinzips vgl. etwa Petersen/Zwirner/Wohlgemuth, in: Beck’sches Steuerberater-Hdb., Abschnitt A, Rdnr. 854; ferner Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 110. Leffson, GoB, S. 69 sieht die Erhaltung des Eigenkapitals nicht als ausdrückliches Nebenziel der Buchführung an, konzediert aber die Eigenkapitalschutzfunktion, die sich aus dem Zusammenspiel von Realisations-, Imparitäts- und Vorsichtsprinzip ergebe; vgl. aus strafrechtlicher Sicht auch jüngst Salditt, in: Festschrift f. Schünemann, 2014, S. 705 (707 ff.). 318  Als „Durchbrechung“ des Transaktionsansatzes durch das Imparitätsprinzip bezeichnet von Küting, DB 2006, 1141 (1146). 319  Petersen/Zwirner/Wohlgemuth, in: Beck’sches Steuerberater-Hdb., Abschnitt A, Rdnr. 854. 320  Vgl. dazu oben E V. 3. b).

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

4. Gegenprobe am Beispiel der Bewertungseinheiten nach § 254 HGB Dass die handelsrechtlichen Werte für eine strafrechtliche Schadensberechnung ungeeignet sind, belegt ferner eine Nagelprobe anhand der Bewertungseinheiten nach § 254 HGB. Sie gewähren eine Ausnahme von dem Prinzip der Einzelbewertung, indem sie eine saldierte Bewertung von Grund- und Sicherungsgeschäften erlauben, bei denen sich Wertänderungen innerhalb des einen Geschäfts – aus der Vogelperspektive betrachtet – durch das andere ausgleichen.321 Die Bewertungseinheit besteht einerseits aus dem als Grundgeschäft deklarierten Vermögensgegenstand, einem schwebenden Geschäft, einer Schuld oder einer mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktion322 (§ 254 S. 1 HGB) und andererseits aus einem Finanzinstrument. Der Begriff des Finanzinstruments soll seit dem BilMoG an die Terminologie der IAS / IFRS geknüpft sein323 und beschreibt daher jeden Vertrag, der ein financial asset bei der einen Partei generiert und financial liabilities bei der anderen etabliert (IAS 32.11). Als Beispiel wird oftmals ein sog. SWAP-Geschäft zur Absicherung von Währungs- oder Zinsrisiken genannt.324 Gemäß § 254 S. 1 HGB gelten für die Dauer und im Umfang des Ausgleichs weder der Einzelbewertungsgrundsatz noch das Imparitätsprinzip, sodass allein die Bewertungseinheit Gegenstand der Wertmessung ist.325 Mangels spezifischer Bewertungsvorgaben lässt die Entwurfsbegründung des BilMoG sowohl die „Durchbuchungsmethode“ als auch das sog. „Einfrieren“ zu.326 Während mit der Durchbuchung nur die regelgerechte bilanzielle Erfassung der Bewertungseinheit bezeichnet wird, beschreibt die Alternative eine Vorgehensweise, die den ausgeglichenen Anteil des Sicherungsverhältnisses lediglich in einer Nebenrechnung aufzeichnet.327 Diese Ausnahmen vom Einzelbewertungsgrundsatz belegen auch aus systematischer Perspektive, dass die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften keineswegs auf die transaktionsgetreue Abbildung der Wertentwicklungen ausgerichtet sind. Denn sie sind im Modus der Einzelbewertung nicht in der 321  Ausführlich dazu Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 690  ff.; Küting/Eichenlaub, BB 2011, 1195 (1196). 322  Im Fall der erwarteten Transaktion spricht man von der antizipativen Bewertungseinheit, vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 691. 323  BT-Drs. 16/10067, S. 34 und 53. 324  Vgl. die Beispiele bei Cassel, in: Kessler/Leinen/Strickmann, BilMoG, S. 189 (198 ff.). 325  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 693. 326  Reg-E BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 95. 327  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 693 f.



V. Die Bewertungsregeln des HGB255

Lage, wechselbezügliche Werteinflüsse ohne Rekurs auf die Kapitalerhaltung zu erfassen. Andernfalls wäre der Umweg über eine Bewertungseinheit nicht erforderlich, um Sicherungsbeziehungen328 – die sich aus ökonomischer Perspektive ausgleichen –329 vor den Auswirkungen des Imparitätsprinzips bilanziell zu bewahren. 5. Überlagerungen durch „true and fair view“ nach § 264 Abs. 2 S. 1 HGB? Ein anderer Befund ergibt sich auch nicht daraus, dass nach § 264 Abs. 2 S. 1 HGB der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln hat. Zwar wird teilweise vertreten, dieser true and fair – Ansatz regiere auch die Einzelbewertungsvorschriften,330 doch lehnt die h. M. diese These ab, weil das positive Recht aus Kapitalschutzgründen die Grundlegungen des § 264 Abs. 2 S. 1 HGB überlagere.331 Daher entfaltet § 264 Abs. 2 S. 1 HGB lediglich bei der Auslegung von Ermessensvorschriften und der Anwendung von Wahlrechten Relevanz, ggf. werden zusätzliche Angaben im Anhang erforderlich.332 Mithin kann der Implementierung des true and fair view in § 264 Abs. 2 S. 1 HGB keine Modifikation des hiesigen Ergebnisses abgerungen werden. Anders wird man möglicherweise unter der Einbeziehung des Art. 4 Abs. 3 und 4 der RL 2013 / 34 / EU urteilen müssen. Danach könnte zukünftig – entgegen der soeben skizzierten, derzeit herrschenden Meinung – in der Tat ein sog. overriding principle gelten.333 Dieses Prinzip fordert die Abweichung von Einzelbewertungsvorschriften, sofern dies erforderlich ist, um das in Art. 4 Abs. 3 und 4 RL 2013 / 34 / EU verortete Ziel zu erreichen, die Bilanz an den tatsächlichen Verhältnissen der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage auszurichten.334 Zwar erlaubt die Bilanzrichtlinie dem nationalen Gesetzgeber die Statuierung von Ausnahmen, doch ist freilich derzeit nicht erkennbar, dass überhaupt eine Änderung in dieser Hinsicht eintreten 328  Zur Relevanz nach internationalen Bilanzregeln vgl. Bosse/Topper, KoR 2013, 8 (9). 329  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 690. 330  So etwa Lambert, Die Rolle des § 264 Abs. 2 HGB, S. 45 ff. 331  So i. E. auch Becker/Endert, ZGR 2012, 699 (709) mit Hinweis auf die mangelnde Übernahme des „overriding principle“ in das deutsche Recht. 332  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 39. 333  Vgl. Kreipl, BC 2013, 399 f. 334  Luttermann, NZG 2013, 1128 (1130), der einen Ansatz zur Bilanzwahrheit in dieser Regelung sieht.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

wird,335 obschon dies jedenfalls nicht die Außerkraftsetzung der Regel an  sich bedeuten kann.336 Mit anderen Worten: Das künftige overriding principle birgt jedenfalls das Potenzial, die Handelsbilanz auf die Abbildung tatsächlicher Vermögensverhältnisse auszurichten. Ob dies auch dem Umfang einer Schadensbilanz nach betrugsdogmatischen Anforderungen entsprechen wird, kann man derzeit aber nicht hinreichend sicher abschätzen. 6. Zusammenfassung Obschon es um 1861 tatsächlich eine Sachlage gab, die genau jene Charakterzüge aufwies, die man heute aus dem Blickwinkel der Schadensbilanz zu konstruieren sucht, hat die Geschichte gelehrt, dass die Bilanzierung zu reinen Zeitwerten aus volkswirtschaftlicher Perspektive nicht zielführend ist. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Zeitwertes abzufedern, wurde seit jeher ein Niederstwertprinzip auf Posten gestellt. Die Bewertung nach dem Niederstwertprinzip trifft vor diesem Hintergrund überhaupt keine Aussage zum „wirtschaftlichen Wert“ eines Vermögensgegenstands. Aus dem Blickwinkel der Bilanzgeschichte erweist sich damit die Prämisse des BVerfG,337 wonach die Bewertung mit dem verminderten beizulegenden Wert vor seiner Realisierung Ausdruck wirtschaftlicher Maßstäbe sei, als unzutreffend. Vom bilanziellen Standpunkt ausgehend handelt es sich bei der Bewertung zum Niederstwert allein um Vorsichtsmaßnahmen, selbst wenn der „beizulegende Wert“ aus dem Marktpreis gewonnen wird.338 Dem bilanziellen Marktpreis haftet nicht nur der Nachteil an, dass er noch nicht realisiert wurde, sondern ferner dass im HGB – im Gegensatz zu Anschaffungs- und Herstellungskosten – keinerlei Vorgaben zu finden sind, wie der Marktwert zu ermitteln ist. Auch der Marktpreis ist mithin ein fiktiver Wert, der zwar weniger Imagination verlangt als der steuerrechtliche Teilwert, aber dennoch in Bezug auf den zu bewertenden Gegenstand (noch) nicht realisiert wurde.

335  Vgl.

den Gesetzentwurf der Bundesregierung: BR-Drucks. 23/15. auch Kreipl, BC 2013, 399 (400), der jedenfalls eine Orientierung an „§ 264 Abs. 2 S. 4 HGB“ [gemeint ist sicherlich § 264 Abs. 2 S. 5 HGB – Anm. T. W.] mit der Richtlinie 2013/34/EU für unvereinbar hält. 337  BVerfGE 126, 170 (223). 338  Aus diesem Grund kann auch der Vorschlag etwa von Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 507 (513) nicht überzeugen, wonach die Abschreibung nach § 253 Abs. 4 HGB oder die Wertberichtigung nach § 253 Abs. 3 HGB den Vermögensschaden anzeigen sollen. Dass jedenfalls eine Abschreibung den Vermögensschaden auszuweisen vermag, erscheint diskutabel. Als untauglich erwiesen hat sich indes die Bewertungsregel des HGB, nach der diese Abschreibung vorzunehmen wäre. 336  So



VI. Überlegung zum Indikationspotenzial257

Es lässt sich damit feststellen: Ein Vermögensgegenstand, der aus betrugsstrafrechtlicher Perspektive als Vertreter eines gesellschaftlichen Partizipationspotenzials west, kann nicht anhand eines bilanziellen Regimes bewertet werden, das hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, den Untergang des Vermögenskollektivs zu verhindern. Die handelsbilanzielle Bewertung nach dem Niederstwertprinzip eignet sich zur Schadensberechnung sub specie § 263 StGB nicht.

VI. Überlegung zum Indikationspotenzial der „Venezianischen Methode“ Der vorläufige Befund ruft die Frage nach der Normbestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) auf den Plan. Solange keine verlässlichen und nachvollziehbaren – insbesondere nachprüfbaren – Kriterien für den Transaktionswert ermittelt werden können, überwiegen in Bezug auf die Rechtsklarheit alternative Vorschläge, die von jeder Berechnung Abstand nehmen und auf Normativismen bestehen. Folglich könnte das vorläufige Ergebnis der Untersuchung lauten: Sofern die Bilanzen – auch unter Einschluss der internationalen Perspektive – keine weitere Konkretisierung zu leisten vermögen, muss der Normklarheit wegen vor den normativen Ansätzen kapituliert werden, auch wenn dies eine Beeinträchtigung des Gewaltenteilungsgrundsatzes und eine Abkehr von realistischen Standpunkten bedeutete; nicht zuletzt auch eine Abwendung von den Vorstellungen des BVerfG. In den vorhergehenden Abschnitten ist allerdings aufgezeigt worden, dass die Handelsbilanz im Ansatz jedenfalls Handreichungen bietet, die zur Konkretisierung des Vermögensbegriffs fruchtbar gemacht werden können. Die Bewertungsfrage muss an diesem Punkt noch offen bleiben, weil die Überlegungen zum Bilanzansatz auch anhand der Bewertungsnormen der IAS / IFRS unter der Fragestellung geprüft werden sollen, ob diesen möglicherweise ein strafrechtlich begründbarer Wertansatz entnommen werden kann. Mit dieser Weichenstellung ist die Handelsbilanz jedoch noch nicht erschöpfend untersucht. Es bietet sich an, unter Außerachtlassung aller handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften zunächst die grundlegenden Gliederungsmerkmale der Bilanz in den Blick zu nehmen, denn dadurch lässt sich zumindest klären, wohin der Blick im Rahmen einer bilanziellen Schadensberechnung zu richten wäre. Erst danach kann die Bewertungsfrage unter Einbezug der IAS / IFRS erneut in die Betrachtung einfließen.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

1. Die Gliederung der Bilanz nach dem Grad der Geldwerdung Die handelsrechtliche Bilanz ist ein Abschluss, der das Verhältnis von Vermögen und Schulden abbildet (§ 242 Abs. 1 S. 1 HGB). Es handelt sich dabei indes nicht primär um einen Ausweis des Verhältnisses von Vermögen zu Schulden; gemeint ist vielmehr die jeweilige Zusammensetzung der aktiven und passiven Bilanzseiten.339 Zwar schreibt § 238 Abs. 1 HGB nach h. M. keine spezifische Darstellungsform vor,340 doch regiert in der Praxis das Prinzip der doppelten Buchführung.341 Im Gegensatz zum Inventar werden Bilanzen daher grundsätzlich nicht gestaffelt, sondern in Kontenform aufgestellt.342 Diese Vorgehensweise ist für Kapitalgesellschaften und gewisse Personenhandelsgesellschaften343 zwingend (§ 266 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 334 Abs. 1 Nr. 1 lit. c HGB) und auch die übrigen Adressaten der Rechnungslegungspflicht sind jedenfalls gehalten, eine hinreichende Aufgliederung zu leisten (§ 247 Abs. 1 HGB). Obschon die Vorgaben des § 266 HGB nicht für die Gesamtheit der Bilanzpflichtigen Geltung beanspruchen, dienen sie in jedem Fall als Orientierungspunkte einer schematischen Betrachtung des Bilanzinhalts. Zunächst fällt freilich auf, dass die Gliederung des § 266 HGB den Ablauf betriebsbezogener Vorgänge nachbildet,344 etwa indem auf Roh- und Betriebsstoffe erst die unfertigen Erzeugnisse und sodann die fertigen Erzeugnisse und Waren folgen (vgl. § 266 Abs. 2 B I HGB). Wesentlich aussagekräftiger ist allerdings ein zweites Gliederungsprinzip, das die Bindungsdauer bzw. „Fälligkeit“ von Bilanzposten zum Maßstab erhebt.345 Die Bilanzposten in § 266 HGB werden grundsätzlich nach dem Abstand geordnet, den sie zu ihrer Umwandlung in Geld einnehmen.346 Während Grundstücke, technische Anlagen und Maschinen von der Umwandlung in Geldwerte noch weit entfernt etwa Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 242, Rdnr.  2. Graf, in: MünchKomm – Bilanzrecht, § 238 HGB, Rdnr. 66 m. w. N. zur Gegenauffassung. 341  Graf, in: MünchKomm – Bilanzrecht, § 238 HGB, Rdnr. 65, der ferner darauf hinweist, dass die Verpflichtung zur Aufstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung letztlich die Wahl zugunsten der Doppik ausfallen lasse; offenlassend wohl Winkeljohann/Henckel, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 238 HGB, Rdnr. 91. 342  Quick/Wurl, Doppelte Buchführung, S. 25. Die Bilanz rekurriert wiederum auf die Salden von Bestandskonten, die ebenfalls der Doppik folgen, vgl. Büteröwe, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 41 GmbHG, Rdnr.  9. 343  Vgl. § 264a HGB. 344  Vgl. dazu Reiner/Haußer, in: MünchKomm – HGB, § 266, Rdnr. 3. 345  Vgl. dazu wiederum Reiner/Haußer, in: MünchKomm – HGB, §  266, Rdnr. 4. 346  Dies deckt sich freilich manchmal mit dem Stand des betrieblichen Ablaufs; vgl. ausführlich dazu Barth, Jahresbilanz, S. 4 ff., insb. 17 ff. 339  Vgl. 340  Vgl.



VI. Überlegung zum Indikationspotenzial259

sind und folglich im oberen Teil der Aktiva als Sachanlagen aufzunehmen sind, steht das Umlaufvermögen, etwa mit Waren und Erzeugnissen, der Geldwerdung347 wesentlich näher, sodass es folgerichtig zwischen Sachanlagen und dem Kassenbestand einzuordnen ist. In der Grundlinie folgt auch die Passivseite dieser Gangart, indem sie die Kapitalposten danach ordnet, wie nahe sie der Auskehrung stehen (gezeichnetes Kapital steht also über dem Jahresüberschuss) oder wie sicher die Beanspruchung des Vermögens ist. Aus diesem Grund werden Rückstellungen für noch ungewisse Verbindlichkeiten über den sicheren Verbindlichkeiten aufgeführt.348 Kurz und grob gesagt: Von „oben nach unten“ nimmt der Abstand zur Geldwerdung in der Handelsbilanz schrittweise ab. Nicht anders stellt sich die Lage im Grunde bei Kreditinstituten dar, obschon sie die im Zuge des BankbilanzrichtlinieGesetzes349 in das HGB eingefügten §§ 340 ff. auf teilweise abweichende Vorgaben verpflichten350, die sich insbesondere aus der KreditinstitutsRechnungslegungsverordnung351 ergeben (vgl. § 330e Abs. 1 HGB i. V. m. § 1 RechKredV). Das grundlegende Muster einer Bilanzgliederung liegt mithin im panta rhei der betriebswirtschaftlichen Bilanzlehren, dem Prinzip der Geldwerdung. Dieser Umstand wiederum gibt einen ersten Anhaltspunkt für die Kompatibilität zwischen einer auf Transaktionen ausgerichteten Vermögenswertermittlung und der handelsrechtlichen Bilanz, weil sich die Rechnungslegung bei der Gliederung gerade jenes Indikators bedient, der aus strafrechtlicher Perspektive für die Wertermittlung letztlich verantwortlich zeichnet. Je näher sich ein Bilanzposten also an der Geldwerdung befindet, desto eher scheint es möglich, einen marktbezogenen Transaktionswert zu ermitteln. Aufgezeigt wurde bereits, dass hingegen die Bewertungsrichtlinien des Handelsrechts einer strafrechtlichen Schadensberechnung nicht dienlich sind. Deshalb wird an dieser Stelle der Versuch unternommen, das Indikations­ potenzial der Handelsbilanz ohne die Modifikationen der handelsrechtlichen Bewertungsregeln zu ergründen. Das heißt, es kommt jetzt nur noch auf die 347  Dieser Begriff stammt aus der von Rieger, Privatwirtschaftslehre, S. 213 begründeten Lehre von der Geldwerdung: „Alles betriebliche Geschehen ist nur ein der Geldwerdung Entgegenreifen, im einzelnen und im ganzen“. 348  Eingehende Erläuterung bei Reiner/Haußer, in: MünchKomm – HGB, § 266, Rdnr.  4 f. 349  Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten v. 30.11.1990, BGBl. I, S. 2570 ff. 350  Vgl. dazu ausführlich Böcking/Becker/Helke, in: MünchKomm – HGB, Vor §§ 340, Rdnrn. 14 ff. 351  Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute i. d. F. der Bekanntmachung v. 11.12.1998, BGBl. I, S. 3658.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

strukturellen Merkmale der Bilanz an, nicht jedoch darauf, in welcher Art und Weise oder in welcher Höhe die Posten anzusetzen sind. Diese Vorgehensweise bedeutet, dass auch entgegen § 249 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB alle schwebenden Geschäfte bilanziert werden. Einzug in diese experimentelle Schadensbilanz hält mithin im Rahmen dieser Versuchsanordnung alles, was aus strafrechtlicher Perspektive Vermögensrelevanz aufweist. Maßgeblich ist nur, was das HGB und die Bilanzlehren als Gliederungsvorgaben bereithalten. a) Doppelte Buchführung und Gesamtvermögenswert Während das Vermögen herkömmlich auf der linken Bilanzseite als Summe der Aktiva ausgewiesen wird, findet sich auf der rechten Seite eine Übersicht der Passiva, deren Gesamtheit man wiederum als Schulden bezeichnet.352 Die rechte Bilanzseite informiert über die Mittelherkunft, indem sie die Zusammensetzung der Schulden aus Eigen- und Fremdkapital offenlegt.353 Zugleich legt die Passivseite die Erfolgskomponenten des Unternehmens offen.354 Auskunft über die Mittelverwendung gibt die linke Seite, denn sie macht ersichtlich, auf welche Weise die Gesellschaft ihr Kapital einsetzt.355 Indem die Aktivseite die Mittelverwendung aufzeigt, offenbart sie im selben Zug das Schuldendeckungspotenzial des Unternehmens.356 Verbunden werden die Bilanzseiten schließlich dadurch, dass ihnen nach dem Grundsatz der doppelten Buchführung unterschiedliche Blickwinkel auf einheitliche Wertbewegungen zugewiesen sind.357 Der Begriff der doppelten Buchführung knüpft zunächst an die gemeinhin bekannten Buchungssätze für Geschäftsvorfälle auf mindestens zwei Konten,358 doch vollzieht 352  Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 242, Rdnr.  2; Großfeld/Luttermann, Bilanzrecht, S. 9 (Rdnr. 31). 353  Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 242, Rdnr.  2; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 6; Quick/Wurl, Doppelte Buchführung, S. 26; Barth/Weidner, Doppelte Buchführung, S. 1. 354  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 102. 355  Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 242, Rdnr.  2; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 6; Quick/Wurl, Doppelte Buchführung, S. 26; Barth/Weidner, Doppelte Buchführung, S. 1. Auch aus diesem Grund eignet sich der Vermögensbegriff des Handelsbilanzrechts nicht zur unbesehenen Übertragung in strafrechtliche Strukturen, denn Vermögen bedeutet hier in erster Linie „Mittelverwendung“, nicht „Mittelzuordnung“. 356  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 102. 357  Vgl. Horváth, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 327; Petersen/Zwirner/ Wohlgemuth, in: Beck’sches Steuerberater-Hdb., Abschnitt A, Rdnr. 272; ausführlich dazu auch Quick/Wurl, Doppelte Buchführung, S. 35 ff.; vgl. ferner Winkeljohann/ Henckel, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 238 HGB, Rdnr. 90. 358  Dazu instruktiv Großfeld/Luttermann, Bilanzrecht, S. 14 f. (Rdnrn. 50 ff.).



VI. Überlegung zum Indikationspotenzial261

sich seine Methodik auch in der Gestaltung der Bilanzseiten: So vermindert die Begleichung einer Lieferantenverbindlichkeit nicht nur den Bestand der Passiva, sondern zugleich auch die Aktiven um den für die Tilgung ausgegebenen Kassenbetrag.359 Auch der Ankauf und Erhalt von Waren auf Rechnung führt neben der Zunahme an Aktiva bis zur Bezahlung zu einem (um den Rechnungsbetrag) erhöhten Passivbestand.360 Diese Erkenntnis ist von Bedeutung, denn mit einer Betrachtung einzelner Konten gewönne eine Schadensbilanz, die den Gesamtvermögenswert in den Blick nimmt, nur wenig. Die „doppelte Bilanzführung“ trägt folglich der „Zweiseitigkeit wirtschaftlicher Vorgänge“361 durch eine gesonderte Betrachtung der Mittelherkunft und der Mittelverwendung Rechnung362 und sie lässt sich für die Gestaltung der Bilanzseiten fruchtbar machen. b) Störungsfreie Geschäftsvorfälle Freilich beschränkt sich dieses Sichtfeld nicht nur auf die Abbildung von Geschäftsvorfällen, sondern erlaubt außerdem eine Darstellung des abgeschlossenen Güteraustausches innerhalb einer Bilanzseite. Während ein Aktivum selbstverständlich gegen ein anderes ausgetauscht werden kann (etwa ein Warenkauf gegen Bar – „Aktivtausch“),363 vermag die Bilanz auch den unmittelbaren Wechsel einer Verbindlichkeit zu veranschaulichen (etwa einer Lieferantenverbindlichkeit gegen das Darlehen oder die Umwandlung von Verbindlichkeiten in haftendes Kapital364 – „Passivtausch“)365.366 In zeit­ 359  Vgl. etwa Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel A, Rdnr. 723, der indes einer Unterteilung folgt, die zwischen erfolgsneutralen und erfolgswirksamen Buchungen differenziert. 360  Beispiele nach Horváth, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 327. 361  Horváth, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 327. 362  Horváth, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 327. Die Grundmethode der doppelten Aufschreibung hat Luca Pacioli 1494 in dem Tractatus de Computis et Scripturis als „il modo di Vinegia“ (in der Originalkurzschrift „el mó de vinegia“), die „Venezianische Methode“, bezeichnet, vgl. Pacioli, Summa de Arithmetica, Geometria, Proportioni et Proportionalità, 1494, Distinctio nona, Tractatus XI, De Computis et Scripturis (= S. 416); vgl. dazu auch Wilhelm, Mitteilungen 01/2010, S. 18. 363  Vgl. dazu Engelhardt/Raffée/Wischermann, Grundzüge, S.  25; Quick/Wurl, Doppelte Buchführung, S. 31. 364  Vgl. dazu BGH, NJW 1990, 982 (985) sowie OLG Düsseldorf, BeckRS 1990, 07885, Rdnr. 95; vgl. auch Engelhardt/Raffée/Wischermann, Grundzüge, S. 25, die auf eine Umwandlung der Lieferantenforderung in Eigenkapital durch den Einbezug des Lieferanten als Mitgesellschafter hinweisen. 365  Vgl. dazu auch Quick/Wurl, Doppelte Buchführung, S. 32. 366  Beispiele wiederum nach Horváth, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 327; vgl. auch Barth/Weidner, Doppelte Buchführung, S. 39.

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licher Hinsicht können diese beiden Blickpunkte hintereinander geschaltet werden, indem bei schwebenden Geschäftsvorfällen367 auf beiden Bilanz­ seiten wechselbezügliche Vorgänge und bei abgeschlossenen Geschäften schließlich nur noch innerhalb eines Lagers Veränderungen gegenüber dem Ausgangszustand zu erkennen sind: Ein Warenkauf auf Rechnung, bei dem die Bezahlung aussteht, erhöht dann die Aktiven um die erworbenen Waren und die Passiven um die Lieferantenforderung (vgl. § 266 Abs. 2 B I 3, Abs. 3 C 4 HGB).368 Wird die Ware bezahlt, so vermindern sich die Passiven wiederum um die getilgte Lieferantenforderung und die Aktiven verändern ihre Zusammensetzung im Verhältnis von eingekauften Waren zu ausgekehrtem Kassenbestand (§ 266 Abs. 2 B IV, Abs. 3 C 4 HGB). Gleichermaßen führt die Ausreichung eines Kredits dazu, dass die Bank einen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Schuldner in den Aktiva verbuchen kann, während sich – nach Auskehrung der Kreditsumme – der Barbestand verringert. Wird der Kredit vollständig zurückgezahlt, so ersetzen die rückfließenden Barmittel die getilgte Kreditforderung. Im ersten Beispiel änderte sich also letztlich die Aktivseite in ihrer Zusammensetzung von Bar- zu Warenbestand, im zweiten Exempel von Bar- zu Barbestand.369 Die rechte Bilanzseite agierte in diesen Beispielen als „temporärer Speicher“, der darauf wartet, von den belastenden Verbindlichkeiten das Geschäft betreffend befreit zu werden. Fasst man diese – freilich der erforderlichen Vereinfachung unterworfenen – Exempel zusammen, so zeigt die Bilanz mithin Veränderungen in der Zusammensetzung von Aktiva und Passiva an, wobei nicht gänzlich vollzogene Geschäfte zunächst eine wechselbezügliche Wirkung auf beiden Bilanzseiten zeitigen bis schließlich durch den Vollzug des Geschäftes lediglich die Zusammensetzung innerhalb der Bilanzseiten sich ändert.370 c) Die „Schulden“ als Indikator der Gesamtvermögensminderung Diese Ausführungen veranschaulichen indes nur jene Geschäftsvorfälle, die ohne Störungen ablaufen. Erhält der Käufer minderwertige Ware oder gleichen sich der Wert einer Kreditrückforderung sowie der Sicherheiten 367  Erneut: Im Rahmen dieses Abschnitts wird das Verbot der Bilanzierung schwebender Geschäfte suspendiert, um das Indikationspotenzial der Bilanzgliederung auszuschöpfen. 368  Vgl. aus Sicht des Lieferanten auch Winkeljohann/Büssow, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 252 HGB, Rdnr. 44. 369  Freilich fließt im Kreditgeschäft im einfachsten Fall wiederum Barbestand in die Kassen, sodass die Aktiva letztlich dasselbe Bild zeigen wie vor dem Kredit­ geschäft. Dies veranschaulicht zwar weniger den Kreislauf des Mitteleinsatzes, doch erleichtert es umso mehr die Vergleichbarkeit von Ausgangs- und Endzustand des Vermögens. 370  Vgl. auch Kemper, in: Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, § 1, Rdnr.  185.



VI. Überlegung zum Indikationspotenzial263

und die zugehörige Kreditsumme nicht, so stellt sich die Frage, welche Indikatoren im Rahmen einer bilanziellen Darstellung die Höhe der ausbleibenden Kompensation anzeigen. Bei genauer Betrachtung offenbart sich im Umfeld der doppelten Buchhaltung nunmehr ein Mechanismus, der dafür sorgt, dass beide Bilanzseiten in der Summe stets ausgeglichen sind371. Er setzt zunächst an der Größe des Eigenkapitals an: Wenn sich die Aktiva vermindern, sei es aufgrund eines minderwertigen Kaufgegenstands, der in das Vermögen des Käufers übergeht, oder einer minderwertigen Forderung, so verringert sich in gleichem Maße das Eigenkapital auf der Passivseite.372 Das Eigenkapital ist nicht an konkrete Vermögensgegenstände gebunden,373 sondern umfasst alle eigenkapitalwirksamen Vermögensposten als werthaltige Masse. Somit umschreibt der Begriff des Eigenkapitals eine vom Gegenstand abstrahierte und weitgehend variable Größe,374 die sich nach der „Kassenlage“ auf der Aktivseite richtet, was unmittelbar einsichtig wird, wenn man den Berechnungsmodus des Eigenkapitals zu Rate zieht: Es bezeichnet „den Saldo aus der Summe der Aktiva und der Summe der Schulden abzgl. der passiven Rechnungsabgrenzungsposten und passiven latenten Steuern“.375 Freilich verliert der Eigenkapitalausweis auch nicht dadurch an Darstellungspotenzial, dass es Fälle geben mag, in denen die Schulden das Vermögen übersteigen. Stattdessen wechselt das Eigenkapital die Kontoseite und wird nunmehr unter die Aktiven als negativer Betrag eingestellt.376 Man spricht in diesen Fällen von einem „nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag“377 (vgl. auch § 286 Abs. 3 HGB). In der Praxis sind verschiedene Eigenkapitalbegriffe üblich, die sich darin unterscheiden, in welchem Umfang sie das Kapital ausweisen. Während 371  Vgl. dazu etwa Barth/Weidner, Doppelte Buchführung, S.  11; Graf, in: MünchKomm – Bilanzrecht, § 238 HGB, Rdnr. 65. 372  Vgl. auch Großfeld/Luttermann, Bilanzrecht, S. 9 (Rdnr. 29). 373  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 487. 374  Daher wird regelmäßig auch zu dem festen Kapitalkonto, welches das gezeichnete Kapital ausweist, ein sog. variables Eigenkapitalkonto geführt, das sich aus Rücklagen und dem Jahresergebnis speist, vgl. dazu Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 488. 375  Engels, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 419; ebenso Baetge/Thiele/ Kirsch, Bilanzen, S. 187; Großfeld/Luttermann, Bilanzrecht, S. 8 (Rdnr. 29); zu der Verbindung von Aktiv- und Passivseite vermittels des Eigenkapitals vgl. auch instruktiv Barth/Weidner, Doppelte Buchführung, S. 2 und Engelhardt/Raffée/Wischermann, Grundzüge, S. 15. 376  Barth/Weidner, Doppelte Buchführung, S. 14; Quick/Wurl, Doppelte Buchführung, S. 25, die zudem darauf hinweisen, dass sich der „auszuweisende Fehlbetrag […] auch als Forderung gegenüber den Eigentümern interpretieren“ lasse. 377  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 530.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

das im Wesentlichen aus Einnahmen, Ausgaben sowie Einlagen und Entnahmen bestehende Eigenkapital regelmäßig die Form eines variablen Eigenkapitalkontos einnimmt, wird insbesondere bei Gesellschaften mit Haftungsbeschränkung das Stamm- bzw. Grundkapital unter dem weiteren Terminus des „gezeichneten Kapitals“ verbucht (§ 272 Abs. 1 HGB).378 Für OHG und KG gilt nach § 264c Abs. 1 HGB die Pflicht, stattdessen die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter auszuweisen. Insbesondere im Bereich der Kapitalgesellschaften differenziert man zwischen variablem und konstantem Eigenkapital,379 die zusammengefasst als rechnerisches Eigenkapital bezeichnet werden380 und nach § 266 Abs. 3 lit. A HGB in den Bilanzen der Kapitalgesellschaften separat auszuweisen sind. Diese Masse berücksichtigt stille Reserven jedoch nicht. Rechnet man diese noch hinzu, so ergibt sich schließlich das „effektive Eigenkapital“. Da stille Reserven letztlich ein Bewertungsproblem darstellen, kommt es auf diese weitere Aufgliederung indes nicht an: Entweder lassen sich stille Reserven derart beziffern, dass sie als Wertanteil eines Vermögensgegenstandes identifiziert werden können, oder sie spielen für die Wertermittlung unter strafrechtlichen Gesichtspunkten keine Rolle, weil der entsprechende Gegenstand nicht genau bewertet werden kann. Sind sie in ihrem Werte zu bestimmen, so wird das effektive Eigenkapital greifbar und kann in die Schadensberechnung eingestellt werden; andernfalls erlangt jedenfalls dem Umfang nach das rechnerische Eigenkapital Maßgeblichkeit. Zu beachten ist schließlich, dass die Passivseite der Bilanz auch auf dem Terrain des Fremdkapitals Vermögenswertminderungen anzuzeigen vermag. So können etwa erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen nicht vermittels des variablen Eigenkapitals ausgewiesen werden, weil § 266 Abs. 3 lit. c Nr. 3 HGB ihre Einordnung in die Verbindlichkeiten vorschreibt.381 Wird mithin aufgrund Täuschung und Irrtums eine vertraglich zustehende, erhaltene Anzahlung hinausverfügt, so ist das Fremdkapital an dieser Stelle ebenfalls in den Blick zu nehmen. Auch die Einlage des stillen Gesellschafters, der nicht am Verlust partizipiert, wird nicht als Eigenkapital, sondern 378  Nach § 272 Abs. 1 S. 1 HGB beschreibt das „gezeichnete Kapital“ jenes Kapital, auf das die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt ist. 379  Ausführlich in Bezug auf Personenhandelsgesellschaften dazu Sangen-Emden, in: Münchener Hdb. d. Gesellschaftsrechts, § 62, Rdnrn. 48 ff. 380  Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 312. 381  Die genaue Einordnung unter § 266 Abs. 3 lit. C Nr. 3 HGB (erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen) oder § 266 Abs. 3 lit. C Nr. 8 HGB (sonstige Verbindlichkeiten) hängt davon ab, ob der Bestellung bereits ein Vertragsschluss oder wenigstens ein bindendes Vertragsangebot zugrunde liegt, vgl. Coenenberg/Haller/ Schultze, Jahresabschluss, S. 404 f.



VI. Überlegung zum Indikationspotenzial265

als Fremdkapital bilanziert.382 Ob dies auch bei Teilnahme am Verlust gilt, ist zwar streitig,383 kann jedoch an dieser Stelle offen bleiben. Jedenfalls wird die Einlage auf der Passivseite ausgewiesen, sodass die „Schulden“ Auskunft über die Werthöhe der stillen Einlage erlaubt. Gleiches gilt für die mitunter verzweigte Zuordnung hybrider Finanzierungsinstrumente, wie etwa das Mezzanine-Kapital.384 Es wird üblicherweise gegen die Gewährung von Genussrechten, als Nachrangdarlehen oder im Wege der Wandelschuldverschreibung aufgebracht.385 Auch die stille Gesellschaft wird genannt.386 Diese Art der Unternehmensfinanzierung zeichnet sich dadurch aus, dass sie Elemente sowohl des Eigenkapitals als auch des Fremdkapitals auf sich vereint.387 Letztlich wichtig erscheint nur der Umstand, dass auch diese „Zwischen-Geschosse“388 auf der Passivseite verzeichnet sind und der bilanziellen Schadensberechnung mithin zur Verfügung stehen. d) Durchbrechungen der Wechselbezüglichkeit von Aktiv- und Passivseite Schließlich wird die prästabilierte Harmonie der Aktiv- und Passivposten gelegentlich durchbrochen. Dies betrifft insbesondere Bereiche, die nicht allein den geschäftsmäßigen Fluss von Zahlungen abbilden. Im Bereich des konstanten Eigenkapitalkontos erfahren etwa die ausstehenden Einlagen eine gesonderte Behandlung, die danach unterscheidet, ob diese bereits eingefordert worden sind. Das eingeforderte Kapital wird als eigenständiger Posten vermerkt, vgl. § 272 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 HGB. Hingegen ist auf der Passivseite vor der Einforderung nur ein Erinnerungsposten389 anzusetzen, 382  Vgl.

7 ff.

Polzer/Gaffron, in: Münchener Hdb. d. Gesellschaftsrechts, § 84, Rdnrn.

383  Vgl. den Überblick bei Polzer/Gaffron, in: Münchener Hdb. d. Gesellschaftsrechts, § 84, Rdnr. 9; für die OHG s. ferner K. Schmidt, in: MünchKomm – HGB, § 230, Rdnrn. 170 und 187. 384  Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 313. Diese Art der Unternehmensfinanzierung spielt auch in Bezug auf das Rating unter dem Stichwort der „wirtschaftlichen Eigenkapitalquote“ eine große Rolle. Dieses ist jedoch von der handelsrechtlichen Terminologie zu separieren, vgl. weiterführend Gerdes, BC 2006, 57 f. und Heckschen, in: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kapitel N, Rdnrn. 226 f. 385  Überblick bei Berberich/Haaf, in: Prinz/Winkeljohann, Beck’sches Hdb. der GmbH, § 1, Rdnrn. 41 ff. 386  Vgl. Ekkenga, in: MünchKomm – GmbHG, § 29, Rdnr. 237; ferner Breuninger/Prinz, DStR 2006, 1345 (1346). 387  Breuninger/Prinz, DStR 2006, 1345. 388  Vgl. dazu etwa Breuninger/Prinz, DStR 2006, 1345 mit dortiger Fn. 3. 389  Der Regierungsentwurf zum BilMoG 2009 spricht von „Korrekturposten“, vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 65.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

der deutlich macht, wie groß der jeweilige Anteil ist. Entsprechend werden ausstehende Einlagen auf der Aktivseite erst dann unter den Forderungen gesondert verbucht, wenn sie eingefordert werden (vgl. § 272 Abs. 1 S. 3 Hs. 3 HGB), weil erst mit der Einforderung die „latente Forderung“ gegen den Gesellschafter einen tatsächlichen Forderungscharakter erhält.390 Mithin steht dem Posten „Nicht eingeforderte Einlagen“ kein Aktivansatz gegenüber.391 Aus der Perspektive des Strafrechts disqualifiziert dieser Umstand die Passivseite hingegen nicht. Weil es sich letztlich nur um einen Erinnerungsposten handelt, kann der Posten „Nicht eingeforderte Einlagen“ auch nicht abgewertet werden.392 Daher vermag der Umstand, dass an dieser Stelle Aktiva und Passiva keinen Bezug zueinander haben, das Indikationspotenzial der Passivseite nicht zu beeinträchtigen. 2. Zwischenfazit zum Indikationspotenzial der Handelsbilanz Bereits an dieser Stelle steht jedenfalls fest, dass eine Betrachtungsweise, die den Schaden etwa im Wege des Differenzwertes von Aktiva und Passiva zu ermitteln sucht, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.393 Die handelsrechtliche Bilanz ist in besonderem Maße auf die Balance von Aktiva und Passiva angewiesen, weil sie auf einer „zweifache[n] Zusammenstellung der betrieblichen Werte in Kontenform“394 aufbaut und einer Differenzlösung aus diesem Grund nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag: Minuend und Subtrahend haben im System der doppelten Buchführung stets den gleichen Wert.395 Ebenso erweist sich der simple Vergleich zweier Bilanzsummen zu unterschiedlichen Stichtagen nicht als gewinnbringend, weil allein die Bilanzsumme keinen treffsicheren Aufschluss über die Rückbindung des einzelnen Gegenstandes an den Gesamtvermögenswert erlaubt. Vielmehr ist die Zusammensetzung von Eigen- und Fremdkapital, mithin die gesamte Passivseite zu untersuchen. 390  Förschle/Hoffmann,

in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 272 HGB, Rdnr. 35. dem BilMoG 2009 wurden ausstehende Einlagen auf der Aktivseite vor dem Anlagevermögen als „Ausstehende Einlagen; davon eingefordert“ ausgewiesen, vgl. Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 272, Rdnr. 2; Kußmaul/Gräbe, in: Petersen/ Zwirner, BilMoG, Teil III, § 272 Abs. 1 HGB. 392  So die Begründung zum BilMoG, vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 65. 393  Unklar ist etwa, was Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 170 meint, wenn er die Saldierung von Aktiv- und Passivseite für möglicherweise erforderlich hält. Der damit erzielte saldierte Vermögensbestand lautete bei vollständiger Differenzbildung freilich auf den Wert „Null“. 394  Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 6. 395  Man spricht in diesem Zusammenhang üblicherweise von der „Bilanzgleichung“, vgl. etwa Quick/Wurl, Doppelte Buchführung, S. 28; Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, S. 7. 391  Vor



VI. Überlegung zum Indikationspotenzial267

Mit diesen Grundlegungen wird deutlich, dass im hiesigen Versuchsaufbau „schwebende“ Geschäfte Wirkungen auf beiden Bilanzseiten zeitigen, während abgeschlossene Transaktionen lediglich innerhalb einer Bilanzseite zu Veränderungen gegenüber dem Ausgangszustand führen. Störungen innerhalb eines Geschäftsvorganges wirken sich auf die Höhe des Eigenkapitals und gewisse Fremdkapitalposten aus. Der an dieser Stelle gar naheliegende Einwand, der hier eingeschlagene Weg entwickle sich zu einer unnötig umständlichen Vorgehensweise, verfängt nicht: Es bliebe freilich die Möglichkeit, sogleich auf der Aktivseite anzusetzen und zu überlegen, ob das Hinweggegebene durch ein Gleichwertiges ersetzt werde. Allerdings muss sich die Schädigung des Vermögens stets im Gesamtvermögen zeigen, nicht allein anhand eines vereinzelten Gegenstandes, sodass letztlich doch wieder der Prüfwinkel zu erweitern wäre. Es ist daher mit einer isolierten Betrachtung nichts gewonnen, sondern bloß die Gelegenheit vertan, der Gesamtbetrachtung den gebührenden Stellenwert einzuräumen. Der Umstand, wonach in einem System doppelter Buchführung die Bilanzseiten über das variable Eigenkapital – und für die hiesigen Zwecke auch über gewisse Fremdkapitalposten – ausgeglichen werden, gibt folglich die Grundlage einer Hypothese: Das Prinzip der Wertgleichheit von Aktivund Passivsummen lässt darauf schließen, dass eine Schädigung des Gesamtvermögens durch die Verminderung der Eigenkapitalziffer oder solcher Fremdkapitalposten angezeigt wird, die eigentlich einen Vermögenswert beschreiben, der aber aufgrund von Sonderregelungen nicht in das Eigenkapital Einzug hält. Anders gewendet vermag die Auswirkung einer Vermögensverfügung auf die Passivseite nach dieser Hypothese eine Schädigung des Gesamtvermögens anzuzeigen. Aus dieser Vorgehensweise resultiert der anzusetzende Blickwinkel: Entsprechend der aufgestellten Hypothese ist die Höhe des Eigenkapitals vor und nach der Verfügung in den Blick zu nehmen. Ferner sind gewisse Posten des Fremdkapitals zu berücksichtigen, die ebenfalls über Vermögenshingabe und Kompensation Auskunft zu erteilen vermögen. Mithin konnte gezeigt werden, dass die Handelsbilanz grundsätzlich einen strukturellen Maßstab zur Verfügung stellt, der sowohl einzelne Vermögensgegenstände als auch das Gesamtvermögen in den Blick nimmt. Nimmt man die Kreditausreichung und den Autokauf als Beispiele der hiesigen Methode, so können sowohl die Fallgruppe des schädigenden Vertragsschlusses („Eingehungsbetrug“) als auch der Gegenstandswechsel („Erfüllungsbetrug“) über den Vergleich der Passivseiten vor und nach der Vermögensverfügung ermittelt werden. Die minderwertige Rückzahlungsforderung gegen den Kreditschuldner äußert sich ebenso über eine geringere Eigenkapitalziffer wie das minderwertige KFZ, sobald es in das Vermögen des Käufers übergeht. Verfügt der Inhaber einer Anzahlung täuschungsbedingt über diese,

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

womöglich ohne dafür einen adäquaten Ersatz zu erhalten, so ist das Fremdkapital ebenfalls in den Blick zu nehmen.

VII. Die Bilanzlehre als methodischer Wegweiser Die Passivseite der Handelsbilanz ist zwar als Anknüpfungspunkt für eine Schadensberechnung gewonnen, doch wie der konkrete Eintrag von Vermögensgegenständen und Risiken letztlich vonstattengehen soll, bleibt noch im Dunkeln; denn das HGB hilft hier nicht weiter. An dieser Stelle vermag der Blick auf das der Bilanz zugrundeliegende dogmatische Konstrukt darüber Aufschluss zu vermitteln, wie eine Schadensberechnung zu verfahren hat.396 Auf der Suche nach einem leistungsfähigen Rechenmodell, das nicht nur in dem einen oder anderen Fall gute Dienste leistet, stößt man auf die Grundlagen bilanziellen Aufschreibens – jene Bilanzmodelle, die sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts darum bemüht haben, Theorie und Praxis dergestalt zu vereinen, dass dabei am Ende noch ein für beide Seiten taugliches Bilanzmodell herauskommt. Vor diesem Hintergrund wird nicht mehr der bilanzielle Corpus in den Blick genommen, sondern das Sektionswerkzeug angelegt, um zu den kalkulatorischen Innereien vorzudringen. Kurz gesagt: Der Blick auf die bilanzdogmatischen Grundlagen der heutzutage geltenden Rechnungslegung eröffnet eine Perspektive auf die wesentlichen Strukturmerkmale bilanzieller Darstellungsweisen. Mit den seit dem 19. Jahrhundert entwickelten Modellen liegen ausgearbeitete Konzepte vor, die einer bilanziellen Darstellung in zweckreduzierter Form Raum gewähren.397 Im Wesentlichen bildeten sich Anfang des 20. Jahrhunderts vier Modelle heraus, die als statische, dynamische, organische und als pagatorische Bilanzmethoden bekannt sind.398 Während die statische Bilanztheorie dem Vermögensausweis weitgehend erfolgreich Priorität einräumt, unternimmt die organische Bilanzauffassung jedenfalls den Versuch, die Vermögenslage des Bilanzierenden darzustellen. Die übrigen Konzepte bezwecken die Abbildung von Aufwand und Ertrag, wobei man den Einfluss der pagatorischen Bilanzauffassung heutzutage zuweilen auch in den Bereich der Kosten- und Leistungsrechnung verortet.399 Diese Lehren stehen nicht in scharfer Kontur, sondern vermengen 396  Diesen Blickwinkel hat im Grundsatz auch Hefendehl (Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 176 ff.) gewählt. 397  Auf eine „Verzerrung“ der betriebswirtschaftlichen Rechnung durch das Handelsrecht hat etwa Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 67 hingewiesen. 398  Eine Verbindung zur modernen Terminologie („asset-liability approach“ und „revenue-extense approach“) findet sich bei Küting, DB 2006, 1141 (1142). 399  Vgl. etwa Moews, Kosten- und Leistungsrechnung, S. 1 ff.



VII. Die Bilanzlehre als methodischer Wegweiser269

sich mit Überlegungen zu Bewertungsansätzen und zahlreichen weiteren Aspekten des Bilanzrechts. Zudem steht freilich der jüngere Bewerber um den Posten der maßgeblichen Bilanzlehre gleichsam auf den Schultern des Älteren,400 wobei der Fokus der hiesigen Untersuchung es erfordert, die einzelnen Lehren systematisch zu erörtern. Die statische und dynamische Bilanzauffassung konkurrierten auf zahlreichen Schauplätzen um Einfluss auf die Handelsbilanz, doch vermag keine der vorzustellenden Bilanzlehren heutzutage einen Alleingeltungsanspruch als Grundlage des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zu erheben.401 Vielmehr bestimmen sich Gliederung und Ansatz in der Handelsbilanz heutzutage nach rechtlichen Gesichtspunkten. Dagegen bildeten sich die nunmehr vorzustellenden Bilanzauffassungen auch ohne Rückbindung an die gesetzlichen Vorgaben des Handelsrechts heraus.402 Der denkbare Einwand, die Beurteilung einer betrugsstrafrechtlichen Bilanzakzessorietät erschließe sich bereits (und einzig!) aus der geltenden Rechtslage, verfängt daher nicht – er ignoriert vielmehr den Umstand, wonach das heutige Bilanzrecht ein Produkt eines Selektionsprozesses ist, in dessen Verlauf die juristischen Aspiranten in Konkurrenz mit teils erfolgreichen Erklärungsmodellen aus der Wirtschaftswissenschaft traten: Obwohl heutzutage keine der vorzustellenden Bilanzlehren allein das erforderliche Rezept für die Begründung der handelsbilanziellen Aufschreibung liefert und viele der in diesen Modellen enthaltene Vorschläge insbesondere mit dem heutigen handelsrechtlichen Bewertungssystem nicht vereinbar wären, zeitigen diese Modelle gleichwohl Auswirkungen auf den Bilanzausweis: Der schlussendlich gewählte Bewertungsmaßstab hängt beispielsweise davon ab, ob man eine Bilanzkonzeption auf die Erfolgsermittlung oder die Vermögensdarstellung ausrichtet.403 Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der sog. dynamischen Bilanz404 wird dies besonders deutlich werden. Bereits diese grundlegende Wirkung auf das Bewertungsregime zeigt die Notwendigkeit auf, den Bilanzlehren nachzuspüren. Ferner hat sich gerade die handelsrechtliche Bewertung als völlig ungeeignet erwiesen, um einer 400  Marcus Annaeus Lucanus (39–65 n. Chr.) nach Didacus Stella: „Pygmei Gigantum humeris impositi plusquam ipsi Gigantes vident“, vgl. dazu Merton, Auf den Schultern von Riesen, S. 14 ff. 401  Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 13 ff. 402  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 14. Einen umfassenden Einblick in die Ansätze der neueren Literatur zur Erläuterung der Handelsbilanz anhand von Bilanzlehren gewährt Oberbrinkmann, Interpretation der Handelsbilanz, S. 194 ff. 403  W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 19, 40 ff.; in dieser Richtung ebenso Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 178; vgl. ferner etwa die zahlreichen Nachweise bei Oberbrinkmann, Interpretation der Handelsbilanz, S. 5 et passim. 404  Vgl. dazu unten E.VII.2.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

strafrechtlichen Schadensrechnung Dienste zu leisten, sodass ein konträres Modell möglicherweise gerade deshalb Beachtung verdient. Der Widerstreit zwischen den konkurrierenden Bilanzmodellen erhellt folglich die Grundlage für die Entscheidung, ob eine bislang in der Wissenschaft vorgestellte Bilanzform als Rechenmodell für das Strafrecht in Betracht kommt. 1. Das statische Bilanzmodell und die organische Bilanz Als ein Begründer der sog. statischen Bilanztheorie wird insbesondere Herman Veit Simon ausgemacht,405 der 1886 in seinen „Bilanzen der Aktiengesellschaften“406 den Zeitgeist aufgriff407 und wirtschaftlichen Sichtweisen Zugang gewährte.408 Mit der Prämisse, die Bilanz diene einer Darstellung des Vermögensstandes zu einem bestimmten Zeitpunkt, formuliert Simon die Vorstellung eines das augenblickliche Vermögen abbildenden Rechenwerkes,409 das wegen seiner Ausrichtung auf eine Zustandsbeschreibung als statisch beschrieben werden kann.410 Die bilanzielle Aufschreibung richtet sich in den Simon’schen Werken nach den überkommenen Grundsätzen der doppelten Buchführung und den handelsbilanziellen Vorschriften zum Ende des 19. Jahrhunderts. Sie hat in Teilen bis heute überdauert, denn mit der Zustandsabbildung bleibt die Prämisse der statischen Bilanzlehre im heutigen § 242 Abs. 1 S. 1 HGB als Rudiment erhalten.411 Zudem wird einer vermögensdarstellenden Sichtweise in § 249 Abs. 1 S. 1 HGB Raum gewährt, indem über die verpflichtende Rückstellungsbildung für ungewisse 405  Moxter, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 295 legt den „Ausgangspunkt statischen Bilanzdenkens“ auf eine Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts von 1873 (ROHG Bd. 12, 15 ff.), vgl. dazu oben E.V.3.c). 406  Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften, Berlin 1886. 407  Diese Überlegungen beginnen mithin kurz nach dem Inkrafttreten der Aktiennovelle von 1884. Schon das HGB von 1897 entsprach in der Bilanzierungsfrage zu guten Teilen den Anforderungen des statischen Bilanzmodells, weil sich darin keine explizite Verankerung einer Erfolgsrechnung fand, vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, 2012, S. 568. 408  Vgl. Barth, Entwicklung, S. 159 und S. 205  ff. zu den ebenfalls auf wirtschaftliche Erwägungen rekurrierenden Bilanzausführungen von Wilhelm Osbahr aus dem Jahr 1918. 409  Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 118, 303 et passim. 410  Seicht, kapitaltheoretische Bilanz, S. 70, 159. Zahlreiche Nachweise zu weiteren Vertretern dieser Auffassung bei Kovero, Bewertung der Vermögensgegenstände, S. 22 ff., der die Bilanz ebenfalls mit dem Vermögensausweis betraut. 411  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, 2012, S. 157 f., die zudem darauf hinweisen, dass die in § 242 Abs. 1 S. 1 HGB verankerte Schuldendeckungsfähigkeit eines Vermögensgegenstandes ebenfalls der statischen Bilanzauffassung zu entnehmen sei und bereits in Art. 29 ADHGB Einzug gehalten habe (Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, 2012, S. 158 mit Fn. 13).



VII. Die Bilanzlehre als methodischer Wegweiser271

Verbindlichkeiten und drohende Verluste die Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden auch in der Bilanzgliederung hervortritt.412 Schließlich findet sich ein weiterer Bezug zu der statischen Bilanzkonzeption in der Erfassung latenter Steuern,413 die nach der sog. Verbindlichkeitsmethode als zu erwartende Steuernachzahlung in die Passiva eingestellt werden.414 Während sich die statische Bilanz auf die Vermögensabbildung im Unternehmen konzentriert, nimmt eine von Fritz Schmidt 1921 vorgestellte Konzeption die Einbindung des Unternehmens in gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge in näheren Augenschein;415 sie wird daher als organische Bilanzauffassung bezeichnet.416 Nur jenem sei betriebswirtschaftlicher Erfolg beschert, der unter dem Marktpreis produziere, sodass eine Übersicht der Betriebs- und Marktwerte als „Erkenntnis des Richtigen und Notwendigen“417 von der Bilanz zu leisten sei.418 Vor dem Hintergrund des Versailler Vertrages von 1919 und der allgemeinen Inflation der 1920er Jahre kommt der Berücksichtigung von Geldwertschwankungen bei dieser Bilanzauffassung eine erhebliche Bedeutung zu.419 Ebenso wie der Begründer der heutzutage zum Standardinventar jedes Bilanzlehrbuches rechnenden sog. dynamischen Bilanzlehre – Eugen Schmalenbach –420 zielt Schmidt letztlich auf die Berechnung des Unternehmensgewinnes ab, doch sucht er diese Aufgabe auch im Wege der Vermögensrechnung zu bewerkstelligen.421 Schmidt sieht eine augenfällige Fehlerquelle in der „Verquickung von Änderungen des Vermögenswertes mit Umsatzgewinnen und Verlusten, in der wahllosen Vermischung von Vermögen und Ertrag“.422 Die Maxime der organischen Bilanzlehre ist es daher, den „richtigen Gewinn mit richtigem Vermögenswert“423 Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, 2012, S. 409. sind künftige steuerliche Be- und Entlastungen, vgl. Baetge/Thiele/ Kirsch, Bilanzen, S. 563. 414  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 572; vgl. ferner Müller/Ladewich/Panzer, IRZ 2014, 199 ff. Freilich kann auch eine zu erwartende Steuerrückzahlung als aktiver Bilanzposten berücksichtigt werden, vgl. dazu wiederum Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 573. 415  Vgl. F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 40, 120 ff. 416  So der Vorschlag bei F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 59; vgl. aus heutiger Sicht Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 25 ff. 417  F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 40. 418  F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 40 f. 419  Vgl. F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 42 ff. 420  Zur dynamischen Bilanz vgl. unten E.VII.2. 421  F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 55. 422  F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 57. 423  F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 56. Diese Formel wird noch präzisiert als „Verbindung richtiger Vermögensrechnung mit richtiger Erfolgsrechnung“ (F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 59). 412  Vgl.

413  Dies

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

zu ermitteln. Folglich unternimmt die organische Bilanzauffassung den Versuch, sowohl die Vermögens- als auch die Erfolgsermittlung zu leisten – dies jedoch in getrennter Rechnung.424 a) Schadensberechnung nach der statischen Bilanz Einer Schadensrechnung nach dem Vorbild der statischen Bilanzauffassung wäre kein Erfolg beschert: Die statische Konzeption legt Wert auf die Feststellung, dass die Bewertung eines Vermögensbestandteils in gewisser Weise „Meinungssache“425 ist. Vorbehaltlich anderer gesetzlicher Vorgaben sei daher in der Regel ein „individueller Wert“ anzusetzen, der sich je nach Widmung des Gegenstandes nach dem Gebrauchs- oder Verkehrswert bemesse.426 Die Regel der statischen Auffassung, wonach die Widmung des Gegenstandes über den Wertansatz entscheide, führt mithin dazu, einen Gebrauchswert als gleichberechtigten Partner des Marktwertes anzuerkennen, ohne dass dafür ein wirtschaftlich nachvollziehbarer Grund angeführt wird. Dies bedeutete folglich eine Durchbrechung des Transaktionsansatzes, wonach wirtschaftliche Wertmaßstäbe nicht aus Vorgängen zu gewinnen sind, die in marktwirtschaftlicher Isolation stattfinden.427 Der Kauf eines F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 59. Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 293 mit Verweis auf Kant (Kritik der Urteilskraft [1799]) in dortiger Fn. 18. Hieraus leitet Simon (Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 294  f.) seine bekannten Beurteilungskriterien ab: (1) der Eignung der Sache zur Bedürfnisbefriedigung, (2) des personalen Nachfrage­ bezugs (Terminologie nur hier – Anm. T. W.) und erhebt diese zu Indikatoren des allgemeinen Verkehrswertes. 426  Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1910, S. 304 f. Damit wird jedoch schon anhand der Bewertungsfrage eine Diskrepanz zwischen der im 19. Jahrhundert aufkommenden Zeitwertbilanzierung gemäß Art. 31 ADHGB und dem Zeitwert der statischen Bilanzauffassung nach Simon sichtbar: letztere toleriert eine widmungsabhängige Wertfluktuation. Die These von der bilanziellen Vermögensabbildung kontrastiert augenfällig mit den Kapitalschutzvorschriften des ADHGB i. d. F. der Novellen von 1870 und 1884 sowie des HGB von 1897. Es handelt sich daher schon bei der ursprünglichen statischen Bilanzauffassung nach Simon um ein Erklärungsmodell praeter legem und auch die nachfolgend vorgestellten Bilanzmodelle wurden weitgehend ohne Bezug zur aktuellen Rechtslage aufgestellt. Besonders deutlich wird dies etwa bei Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 51 f., der die These, dass Bilanzen nicht auf den Gläubigerschutz ausgerichtet seien, anhand der Praxis und nicht vermittels der Gesetzesauslegung zu belegen sucht. 427  Aus diesem Grund wäre es nicht überzeugend – dies klingt an bei Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, S. 178 –, die statische Bilanz insoweit als tauglichen Anknüpfungspunkt für die Betrachtung der Vermögen der Privathaushalte zu erachten. Auch deren Vermögenswert ist im Strafrecht nach gleichen Regeln zu ermitteln, wie jener der Unternehmen. Ansonsten stünde man vor dem widersinnigen Ergebnis, dass zwar das Vermögen einer Gesellschaft nach Transaktionsgrundsätzen 424  Vgl.

425  Simon,



VII. Die Bilanzlehre als methodischer Wegweiser273

Gummihandschuhs, der niemals in den Wirtschaftskreislauf zurückkehren wird, ist der letzte tatsächliche Indikator des Gegenstandswertes, sofern kein Markt für gebrauchte Gummihandschuhe oder wenigstens ein einzelner Käufer gefunden werden kann. Dass der Handschuh freilich einen Gebrauchswert aufweist, kann eine auf Objektivierung angewiesene Betrachtungsweise jedenfalls nicht berücksichtigen, wenn sie die Widmung durch den Inhaber zum Anknüpfungspunkt nimmt.428 Folglich ist die Widmung des Gegenstandes kein treffender Maßstab. Auf anderem Terrain wiederum zeitigt die statische Bilanzauffassung durchaus moderne Ergebnisse: Für den Begründer der statischen Bilanzlehre wäre beispielsweise die derzeitige Handhabung des schädigenden Vertragsschlusses ein alter Hut. Schon 1903 hat Simon erklärt, wie man in einem solchen Fall vorgehen sollte (freilich ohne den „Eingehungsbetrug“ im Auge zu haben): „Bei einem zweiseitigen Geschäft ist der Wert der beiderseitigen Leistungen präsumtiv gleich. […] Man muss feststellen, ob die Gesellschaft Rechtsgeschäfte abgeschlossen hat, […] aus denen ihr aber mit mehr oder minder Wahrscheinlichkeit Verluste drohen oder bedingte Verpflichtungen erwachsen sind, denen gleichwertige Gegenansprüche nicht gegenüber­ stehen.“429 Überträgt man das Modell in das Strafrecht und unterstellt zu diesem Zweck, dass es sich bei den abgeschlossenen Rechtsgeschäften jeweils um ein solches Geschäft handelt, das auch im Übrigen den Tatbestand des Betruges erfüllen soll, so liest man bei Simon nichts anderes, als heutzutage in den Lehrbüchern unter § 263 StGB eingetragen steht. Dieser Befund zeigt, dass eine auf Vermögensdarstellung ausgerichtete Bilanz mit der Prämisse operiert, wonach Leistung und Gegenleistung grundsätzlich als wirtschaftlich ausgeglichen anzusehen sind.430 Dies entspricht der heutigen Rechtsprechung, die folglich nach statischen Gesichtspunkten – freilich nur insoweit – als zutreffend bezeichnet werden könnte. Zugleich spiegelt die These von der Gleichwertigkeit der synallagmatischen Posten den Transaktionsgedanken wider, indem die letzte Transaktionsprobe zum ersten Maßstab des Wertansatzes erhoben wird. Sie schließt also die Abwertung aufgrund errechnet, der Anteil des Gesellschafters als Bestandteil des Privatvermögens hingegen nach differierenden Maßstäben – nämlich nach individuellem Gebrauchswert – bemessen würde. 428  Zur Kritik des Simon’schen Wertverständnisses vgl. auch ausführlich Passow, Bilanzen, S. 88 ff. 429  Simon, in: Festgabe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 379 (387 f.). 430  Eine weitverbreitete Prämisse – übrigens –, die bereits in den Schriften von Thomas Hobbes einen Anwendungsbereich findet, indem auf die Schaffung einer de facto Verpflichtung zur Rückgewährung eines Vorteils mit jeder Hingabe verwiesen wird: „… of the voluntary acts of every man, the object is some ‚good for himself‘ “, Hobbes, Leviathan, Teil I („Of Man“), Kapitel 14 und dazu instruktiv Ron, Polity 2006, 235 (248).

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

besonderer Umstände nicht aus, sondern fordert allein die Annahme der Gleichwertigkeit der Leistungen als Ausgangspunkt der Schadensberechnung. Mithin ist zu resümieren, dass die statische Bilanz – erstens – kaum weiterführende Inhalte bereithält, weil sie sich auf Aussagen zur Bewertung konzentriert. Zweitens zeitigt die statische Bilanzauffassung nach Simon dem Transaktionswert widersprechende Ergebnisse, sodass man sie in dieser Hinsicht nicht für eine Schadensbilanz sub specie § 263 StGB zu nutzen vermag. Jedoch weiß die statische Lehre – drittens – eine Mitteilung darüber zu machen, dass man Leistung und Gegenleistung grundsätzlich als ausgeglichen anzusehen hat. Es entspricht folglich bereits der frühen Bilanzlehre, ein zweiseitiges Geschäft als präsumtiv ausgeglichen anzusehen. b) Schadensberechnung nach der organischen Bilanz Auch die organische Bilanz eignet sich im Wesentlichen nicht für die strafrechtliche Schadensberechnung. Vor dem Hintergrund, dass die Unternehmung als Mitglied eines volkswirtschaftlichen Verbundes betrachtet wird, erhebt die organische Bilanzauffassung nach Schmidt den Marktpreis in Form des gegenwärtigen Wiederanschaffungspreises zum generellen Bewertungsansatz.431 Ziel sei es, „den Gesamtwert aller Aktiven und Passiven einer Unternehmung für die jeweilige Gegenwart zum Marktpreis der Einzelteile festzustellen“.432 Mithin sind Wertänderungen im Verhältnis von Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu den Kosten der Ersatzbeschaffung als „Vermögenswertänderungen“ in der Vermögensrechnung zu berücksichtigen.433 Festzuhalten ist demnach, dass die organische Bilanzauffassung die produktionsrelevanten Vermögenswerte zu Tageswerten ansetzt.434 Konsequenterweise bedeutete dies im Gegensatz zur statischen Bilanz eine Abkehr vom Grundsatz der Gleichwertigkeit synallagmatischer Leistungen, weil sich der Tageswert beider Leistungsseiten stetig ändern kann. Ohne dass diese Folge der weiteren Kritik zugeführt werden müsste, disqualifiziert schon ein anderer Umstand den Ansatz der organischen Bilanz. Denn während diese in der Grundlinie dem umfassenden Gegenwarts431  F.

Schmidt, Die organische Bilanz, S. 60 f. und 65. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 65. 433  F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 124. 434  In den Zeitgeist jener Epoche eingeordnet, in der die organische Bilanzauffassung erstmalig die Bühne der Bilanzwissenschaften betrat, verwundert es jedenfalls nicht, wenn Schmidt unter der Überschrift „Organik und Recht“ spekuliert, ob nicht der „organische Gedanke“ bei Aufstellung des § 40 HGB a. F. den Ausgangspunkt gebildet haben könne, vgl. F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 126, der aber freilich auch von der abweichenden Praxis und den Regelungen des § 261 HGB a. F. Kenntnis nimmt. 432  F.



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preis Vorzug gewährt, nimmt das organische Bilanzmodell gleichwohl solche Posten von der bilanziellen Darstellung aus, die keinen Beitrag zum Ertrag des Unternehmens leisten:435 Wird ein Vermögensbestandteil nicht für den eigentlichen Betrieb oder die Produktion benötigt, so könne er allenfalls „in einer Nebenrechnung“ untergebracht werden.436 Indem die organische Bilanzkonzeption nicht produktionsrelevante Vermögensteile in eine Nebenrechnung auslagert, bleibt sie zwar der Prämisse treu, wonach die Bilanz dem Kaufmann Marktwerte zur Verfügung stelle, damit dieser unter Marktwert produzieren könne. Sie gibt aber ebenfalls zu erkennen, dass ihr Blick in letzter Konsequenz nicht „nach außen“ gerichtet ist, sondern unternehmensinternen Optimierungstendenzen dient. Sofern dem Unternehmer die Produktion unter Marktpreis gelingt, bildet seine Bilanz nach diesen Vorgaben jedoch nicht mehr den Wert der eigenen Vermögensgegenstände in ihrer Gesamtheit ab. Dieser Ansatz ist folglich ungeachtet etwaiger struktureller Impulse für die Schadensbilanz zu verwerfen. 2. Das dynamische Bilanzmodell Einen anderen Weg beschreitet seit etwa 1908 die sog. dynamische Bilanz von Eugen Schmalenbach.437 Sie richtet das Augenmerk auf die Gewinnermittlung438 und sucht dem Kaufmann Rechenschaft und Information über den Erfolg des Unternehmens zu vermitteln.439 Aus dieser Prämisse resultiert ein Vorrang der Gewinn- und Verlustrechnung, zu deren Aufstellung die Bilanz in Dienst genommen wird.440 Die Kategorien der dynamischen Bilanz nach Schmalenbach sind der Hinwendung zur Jahresbilanz als Zwischenrechnung im 19. Jhd. nachgebildet:441 Im Vordergrund steht die Erfolgsermittlung für eine Teilperiode,442 die jedoch nicht mehr anhand der 435  F.

Schmidt, Die organische Bilanz, S. 66. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 66. 437  Die Erfolgsermittlung anhand dynamischer Kategorien stellte Schmalenbach freilich schon 1908 vor, doch kann für die hiesige Darstellung auf die letzte verfügbare Auflage der „dynamischen Bilanz“ aus dem Jahr 1962 und die darin enthaltenen Fortentwicklungen (vgl. dazu auch W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, im Vorwort) zurückgegriffen werden. 438  Vgl. Seicht, kapitaltheoretische Bilanz, S. 165 f. 439  Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 53; vgl. ferner Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 19. Hier muss zugleich auf den Beitrag Rudolf Fischers verwiesen werden, der bereits 1909 die Bilanz als Erfolgsrechnung auffasste, vgl. dazu Barth, Entwicklung, S.  185 m. w. N. 440  Vgl. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 51. 441  Vgl. dazu oben E.V.3.b). 442  Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 44, 64 f.; vgl. auch W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 31 f.; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 20. 436  F.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

Einnahmen und Ausgaben, sondern am Maßstab des Aufwands und des Ertrages erfolgt;443 die Differenz von Aufwand zu Ertrag ergibt schließlich den Erfolg.444 Wird die Rechnung gestellt, die Ware abgeliefert, so entsteht Ertrag445 – werden Mittel verbraucht oder tritt der Zweck einer Zahlung ein, so entsteht Aufwand.446 Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch solche Posten erfasst werden, die ihren Zweck verfehlen, etwa wenn Güter eines Betriebes ohne Geschäftserfolg vernichtet werden.447 Aufwand und Ertrag können mit den Einnahmen und Ausgaben zeitlich auseinanderfallen: Ein Kunde zahlt für die zu liefernde Ware im Voraus – hier wird zwar etwas eingenommen, doch der Ertrag entsteht erst mit der bewirkten Lieferung;448 eine heute gekaufte Maschine nutzt sich erst langsam über die Jahre ab – die mit dem Kauf getätigte Ausgabe wird daher erst mit der Zeit (eben durch Verbrauch oder Abnutzung) zu Aufwand.449 Um die bilanzielle Erfolgsermittlung dennoch zum Stichtag bewältigen zu können, lenkt Schmalenbach den Blick auf bilanzielle Schwebezustände und rechnet die Einnahmen und Ausgaben ihren jeweiligen Perioden zu. Wird eine Ausgabe erst mit dem Verbrauch oder der Nutzung des erstandenen Materials zu Aufwand, so ist der Wert der Ausgabe insoweit bilanziell als „schwebende Vorleistung“ in den Aktiva zu erfassen, als er noch nicht zu Aufwand geworden ist.450 Spiegelbildlich werden Passiva, denen noch keine Mittelauskehrung zuzuordnen ist, als „schwebende Nachleis­ tungen“451 interpretiert. So ist der Kauf einer Maschine zum Preis von € 10.000,–, die für 10 Jahre genutzt werden soll,452 nach dynamischer Bilanzweise den Nutzungsperioden idealiter als Aufwand von jeweils € 1.000,– zuzurechnen, wenn dieser Betrag jährlich erforderlich ist, um mit der entsprechenden Maschine Erträge zu erwirtschaften. Diese Betrachtung macht deutlich, weshalb der Kauf der Maschine nach dynamischer BeBaetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 20. Dynamische Bilanz, S. 58. 445  Vgl. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 70, 76 ff.; vgl. auch Horváth, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 330. 446  Vgl. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 82  ff.; vgl. auch Horváth, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 330 und Bratschitsch, in: Kosiol et al., Handwörterbuch, S. 90. 447  Vgl. etwa Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 82. 448  Vgl. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 71. 449  Vgl. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 67 f. 450  Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 66, 72; aus heutiger Sicht Baetge/ Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 20 f. 451  Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 70 f.; aus heutiger Sicht Baetge/Thiele/ Kirsch, Bilanzen, S. 21. 452  Beispiel nach Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 20. 443  Vgl.

444  Schmalenbach,



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trachtungsweise vor dem Gebrauch nur als „schwebende Vorleistung“453 angesehen wird. Ebenso wird die Aufnahme von Schulden (bspw. gegenüber Lieferanten oder Darlehensgebern)454 als Aufwand bezeichnet, während die Begleichung derselben mit dem Begriff der Ausgabe zu erfassen ist: Die Schulden sind im Zeitpunkt ihrer Aufnahme „Aufwendungen, die noch nicht Ausgaben sind“.455 Die dynamische Bilanz konzentriert sich mithin auf solche Posten, bei denen sich Mittelauskehrung und kausaler Geschäftsvollzug bzw. Nutzung oder Verbrauch noch nicht decken.456 In den Worten Schmalenbachs: „In der Bilanz bleiben diese Posten, die erst das eine und noch nicht das andere sind, so lange, oft durch viele Rechnungsperioden hindurch, bis sie das andere geworden sind; dann verschwinden sie aus der Bilanz.“457 Die Jahresrechnung wird zum „Kräftespeicher der Unterneh­ mung“,458 indem sie ersichtlich macht, welche Posten den zugedachten Wandlungsprozess noch nicht vollzogen haben. Um den Erfolg des Unternehmens auszuweisen, bedarf es daher der Gewinn- und Verlustrechnung, die allein jene Posten aus der Bilanz übernimmt, die den intendierten Wandlungsvorgang bereits abgeschlossen haben – diese zweite Rechnung bildet somit regelmäßig den eigentlichen Aufwand und Ertrag ab.459 Zusammengefasst: Während bei der klassischen statischen Bilanzierung mit Einnahmen und Ausgaben gerechnet wird, kalkuliert die dynamische Bilanz anhand von Perioden, denen Einnahmen und Ausgaben zugerechnet werden.460 Sie vermag folglich einen Darstellungsmodus aufzuzeigen, der zeitliche Einflüsse auf Vermögenswerte abbildet. dazu auch Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 20. nach Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 70. 455  Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 67 und 70. 456  Vgl. auch Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S.  19: Erfolgswirksamkeit des Geschäftsvorfalls weicht von der Periode der Einnahme oder Ausgabe ab. 457  Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 72 f. 458  Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S.  74. W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 32 umschreibt diese Funktion mit der Aufgabe, „alle Einnahmen und Ausgaben, die den Erfolg der Periode nicht beeinflussen, zu sammeln“. 459  Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 72. 460  Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 65; vgl. auch aus heutiger Perspektive dazu Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 20. Schmalenbach differenziert ferner danach, ob Vermögensgegenstände gehalten werden oder ein Unternehmen mit „verbundenen Werten“ operiert. Während für den ersten Fall auch eine statische Bilanz in Frage komme, orientiere sich die Bilanz für den zweiten Fall daran, dass der Wert der für die Produktion eingesetzten Güter, Maschinen und Gebäude „ein verbundener“ Wert sei, der sich nicht allein aus Einzelwerten berechne, vgl. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 45 ff.; ähnlich F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 63. Schmalenbach scheint hier – cum grano salis – auf bilanztheoretische Kategorien 453  Vgl.

454  Beispiel

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Im heutigen Bilanzrecht finden sich zahlreiche Anleihen bei der Schmalenbach’schen Lehre.461 Belegt wird diese Einschätzung etwa durch eine nähere Betrachtung der dynamischen Bewertungslehre. Sie orientiert sich an einer Auswahl überkommener Prinzipien, die mit den Schlagworten der Sicherheit und Vergleichbarkeit der Rechnung sowie der Vorsicht462 gekennzeichnet werden können. Dass die dynamische Bilanz in besonderem Maße auf den Grundsatz vorsichtiger Bilanzierung Wert legt, ist kaum verwunderlich: Sie berechnet mit dem Unternehmenserfolg zugleich den Gewinn, dessen Auskehrung – wie eindrücklich das Zeitgeschehen im Umfeld der Aktienrechtsnovelle von 1884 belegt –463 bei zu hohem Ansatz eine Gefährdung für den Fortbestand des Unternehmens bedeutet.464 Daher wird in der Grundlinie das Niederstwertprinzip mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Höchstmarke favorisiert.465 In diesem Zusammenhang steht auch der Grundsatz der Sicherheit, der einen möglichst hohen Erkenntniswert für die bilanzielle Erfolgsbemessung generieren soll.466 Ferner resultiert aus dieser Prämisse nicht nur ein Verbot willkürlicher Bewertung und der Verweis auf das Niederstwertprinzip, sondern auch der Grundsatz der Imparität (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 1 HGB), mit dem das heutzutage in § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB kodifizierte Realisationsprinzip verbunden ist, das nur die Berücksichtigung am Abschlusstag bereits realisierter Gewinne zulässt.467 In der Abwägung zwischen kontinuierlicher Erfolgsrechnung und Bilanzierungsgenauigkeit überwiegt bei dynamischer Bilanzweise schließlich das Bedürfnis, die kontinuierlichen Erfolgsrechnun­ gen in vergleichbarer Weise aufzustellen.468 „Beträchtliche[n] Ungenauig­ keiten“469 im Zuge dieses Vergleiches, die etwa durch konjunkturelle Schwankungen oder strukturelle Veränderungen der Unternehmung entsteden Gedanken der Emergenz anzuwenden (s. zum allgemeinen Phänomen instruktiv Greve/Schnabel, in: dies., Emergenz, S. 9 ff.). Ein wesentliches Symptom emergenter Systeme ist es allerdings, dass die überindividuellen Charakterzüge unvorhersehbar entstehen sollen (nach Konrad Lorenz: „Fulguration“). Daher nutzt Schmalenbach diesen Topos letztlich jedenfalls als Argument gegen die bilanzielle Vermögensdarstellung. 461  Vgl. auch Küting, DB 2006, 1141 (1143). 462  Zusammenfassend W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 42 f. 463  Vgl. dazu oben E.V.3.d). 464  Vgl. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 99. 465  Dazu ausführlich Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 98  ff. und 186 ff.; W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 45. 466  Vgl. W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 44. 467  Vgl. W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 45; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 23 und 138 ff. 468  Vgl. W. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 48. 469  Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 54.



VII. Die Bilanzlehre als methodischer Wegweiser279

hen können,470 soll durch ein gleichmäßiges Bewertungsverhalten entgegengewirkt werden.471 Dies erinnert deutlich an den Grundsatz der Stetigkeit, der als Bestandteil der GoB den Kaufmann auf die Vergleichbarkeit seiner Abschlüsse verpflichtet.472 Ob die Schmalenbach’sche Konzeption zu einer den Anforderungen des § 263 StGB genügenden Darstellung führt, mag zweifelhaft erscheinen angesichts der einseitigen Ausrichtung auf die Kategorien des Aufwands und des Ertrags, die nach dynamischer Lesart in erster Linie ein Verhältnis von Einnahme zu Ertrag und von Ausgabe zu Aufwand veranschaulichen, ohne an die Berechnung eines aktuellen Vermögensstandes anzuknüpfen. Diese Ausrichtung fußt mithin auf den Gedanken der Zweckerreichung und des Geschäftsvollzugs. Ein Abbild der Vermögenslage strebt sie nicht an.473 Im Wettbewerb um den maßgeblichen Rechenmodus für die Schadensberechnung sub specie § 263 StGB disqualifiziert die dynamische Bilanz ferner der Umstand, dass sie Vermögenswerte periodisch verteilt, ohne dafür ein gleichbleibendes Äquivalent anzubieten, welches die Abbildung des Gesamtwertes eines Vermögensbestandteils schon heute erlaubt: Der Wert einer gekauften Maschine wird auf die Perioden ihrer Nutzung verteilt, sodass er in einer dynamischen „Kräftebilanz“ von den erfassten (geschätzten) Perioden und dem periodischen Aufwandsbetrag abhängt. Diese Methode entspricht nicht dem Anliegen, das Vermögen auf der Basis einer dem Transaktionsgedanken verpflichteten Betrachtungsweise stichtagsbezogen abzubilden. Im Ergebnis bildet die dynamische Bilanzmethode in erster Linie einen Zustand ab, der sich aus dem Blick auf jenes speist, was sein wird. Hingegen berechnet sich der Vermögensschaden auf der Grundlage dessen, was ist. Die Vermögensdarstellung ist in den Reihen Schmalen­ bach’scher Bilanzprinzipien daher nur ein Zaungast, der im Verbund mit den Grundsätzen der Erfolgsdarstellung ohne weiteres Einlass zur venezianischen Cavalchina erhielte – so sehr entstellt ihn das aus dynamischen Prinzipien gewobene Kostüm.

dazu Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 54. Lehmann, Die dynamische Bilanz, S. 48. Vgl. aber auch die Kritik bei F. Schmidt, Die organische Bilanz, S. 36, wonach gerade der Ansatz von Herstellungskosten dazu führe, dass die „Ökonomik der Betriebe“ verschiedene Werthöhen produziere. 472  Vgl. dazu Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 40. 473  Auch Küting, DB 2006, 1141 (1143) weist in der Abhandlung der dynamischen Bilanz auf eine „Verzerrung des Vermögensstatus zugunsten einer periodengerechten Erfolgsermittlung“ hin. 470  Vgl. 471  W.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

3. Zwischenfazit Aus der statischen Bilanzlehre konnte die Prämisse gewonnen werden, wonach unter einem bilanziellen Regime, das der Vermögensdarstellung verpflichtet ist, die wechselbezüglichen Leistungen und Gegenleistungen unter der Prämisse ihrer Gleichwertigkeit betrachtet werden, sofern es keine anderen Anhaltspunkte gibt. Hingegen wird die organische Bilanzlehre nicht übernommen, weil sie den Gedanken der Wertermittlung anhand von Transaktionen nicht durchhält. Der dynamischen Bilanz sind zwar im HGB an zahlreichen Stellen Denkmale gesetzt, doch vermag sie an sich keinen weitergehenden Beitrag für das Strafrecht zu leisten. 4. Die pagatorische Bilanzlehre Schließlich ist die sog. pagatorische Bilanzlehre näher in den Blick zu nehmen. Einerseits wird sie heutzutage – obschon sie in den Reihen der im weiteren Sinne dynamischen Bilanzauffassungen beheimatet ist – in vielen Hand- und Lehrbüchern zum Bilanzrecht nicht mehr erwähnt, was möglicherweise dem Umstand geschuldet sein mag, dass sie einen recht speziellen Blickwinkel auf die Unternehmensbilanz wirft, der die Anforderungen der externen Rechnungslegung nach dem Handelsrecht nur eingeschränkt abbildet. Andererseits liest man aber auch, dass sie die Nachteile der rein dynamischen Auffassung nach Schmalenbach und Walb überwunden habe,474 sodass man ihr einen weiterführenden Blickwinkel unterstellen darf. Rein „pagatorisch“ wird in der Handelsbilanz freilich nicht bilanziert, denn – das erhellt die nachfolgende Betrachtung – diese bildet nicht nur Zahlungsströme ab. Gleichwohl – oder gerade aufgrund ihres Alternativcharakters – ist der pagatorischen Bilanz Aufmerksamkeit zu widmen. Ihre geläufige Bezeichnung verdankt die pagatorische Bilanztheorie dem Versuch, Änderungen des Güterbestandes stets in „nominalen Geldbewegungen“ – mithin in Zahlungsvorgängen – auszudrücken.475 Die während des Zweiten Weltkriegs von Erich Kosiol formulierte Lehre wird als Weiterentwicklung476 der dynamischen Bilanz von den Arbeiten SchmalenTanski, Rechnungslegung und Bilanztheorie, S. 87. Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 43; Kosiol, Pagatorische Bilanz, S. 115; ders., in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236 (237). Der Gedanke, dass der „Güterprozess gewissermaßen stellvertretend am Zahlungsprozess“ erfasst werden kann (Kosiol, in: Wirtschaftsberatung AG, Pagatorische Bilanz, S. 11 [14]), findet sich bereits in den Arbeiten Walbs, vgl. dazu Kosiol, in: Festschr. f. Walb, 1940, S. 103. 476  Zu dieser Einordnung vgl. Kosiol, in: Wirtschaftsberatung AG, Pagatorische Bilanz, S. 11 (13); ders., in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236 f. Nach Seicht, in: 474  Vgl. 475  Vgl.



VII. Die Bilanzlehre als methodischer Wegweiser281

bachs und Walbs geschultert und operiert ebenfalls auf der Grundlage einer an den Kategorien von Aufwand und Ertrag ausgerichteten Rech­ nung; sie konzentriert sich dabei in besonderem Maße auf eine pagatorische Abbildung von Geschäftsvorfällen und auf das Problem der Periodenabgrenzung.477 Kosiol denkt wie bereits Schmalenbach478 „vom Ergebnis her“ und betrachtet die Vermögensrechnung als „Konsequenz der Einnahmen- und Ausgabenrechnung“:479 Der Totalerfolg der Unternehmung bilde sich regelmäßig in der Gesamtsumme der periodischen Teilerfolge ab.480 Kosiol stellt seine Bilanzlehre unter die Bedingung, dass der Jahreserfolg als Differenz periodisch verteilter Einnahmen und Ausgaben ausgewiesen werde, wobei die Herausforderung gerade in einer Inkongruenz der Zahlungsvorgänge mit den Aufwendungen und Erträgen liege.481 Gerade weil die theoretische Grundlage der periodischen Erfolgsmessung ein Totalerfolg ist, bedarf es gewisser bilanzieller Vorkehrungen, die dafür Sorge tragen, dass erfolgsrelevante Ereignisse weder mehrfach berücksichtigt noch übergangen werden.482 Deshalb erweitert Kosiol seinen Begriff des Totalerfolges um aperiodische Teilerfolge, die im Verbund mit den periodischen Teilergebnissen zu erfassen und im Wege „rechnungskonstruktiver Maßnahmen“ zu korrigieren sind.483 Der Gesamterfolg eines Zeitraumes wird schließlich „als geldmäßiger Überschuss konstruiert, als ob Einnahmen und Ausgaben in der zugehörigen Rechnungsperiode erfolgsmäßig richtig stattgefunden hätten“.484 Kosiol beKosiol et al., Handwörterbuch, S. 258 (263) hat die „dynamische Erklärung der verrechnungstechnischen Stellung der Bilanz“ in der pagatorischen Bilanzmethode „[i]hren Abschluss gefunden“. 477  Vgl. Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S.  43  f.; ausdrücklich auch ders., in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236; ders., Pagatorische Bilanz, S. 130 ff., insb. S. 135. 478  Auf die Provenienz seiner Prämisse weist Kosiol, Pagatorische Bilanz, S. 121 ausdrücklich hin. Diesem Umstand nachzuspüren und damit der dynamischen Bilanz von Schmalenbach doch noch zu Einfluss zu verhelfen, bedeutete jedoch den Fokus dieser Arbeit bis auf den Grad einer „Richter’schen Unschärfe“ zu erweitern. 479  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 68. 480  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 44; ders., in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236 (238); Kosiol, Pagatorische Bilanz, S. 121 ff., insb. 129. 481  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 44. Diese Inkongruenz ist gerade das kennzeichnende Merkmal der dynamischen Bilanzauffassung nach Schmalenbach. 482  Kosiol, Pagatorische Bilanz, S. 129 f. 483  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 44 f., Zitat auf S. 45; vgl. auch ders., Pagatorische Bilanz, S. 130 f. 484  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 45; vgl. auch ders., Pagatorische Bilanz, S.  134 f.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

rechnet folglich einen fiktiven „Geldwertbestand“ zum Ende der jeweiligen Periode.485 Dieses recht komplex anmutende Verfahren hat einen zentralen Vorteil: Kosiol ist zwar der Prämisse vom Totalerfolg verpflichtet und alle Rechenoperationen laufen letztlich darauf hinaus. Er muss aber ebenfalls den Umstand berücksichtigen, dass eine Bilanzmethode nur dann praktikabel ist, wenn sie vernünftige Überlegungen zu den Zwischenbilanzen – mithin der Jahresrechnung – vorlegt. Das Problem der Zwischenbilanz ist, dass sie zu einem Zeitpunkt gefertigt wird, an dem noch nicht alle Prozesse abgeschlossen sind, die man letztlich in der Totalbilanz erfasst. Die soeben vorgestellte Lösung Kosiols, alle Bilanzposten als Zahlungsvorgänge abzubilden, liefert den entscheidenden Anknüpfungspunkt, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Er bildet im Gegensatz zu Schmalenbach kein Konglomerat von Möglichkeiten („Kräftespeicher“), sondern lässt sich darauf ein, konkrete Zahlungsvorgänge zum Bilanzzeitpunkt abzubilden. Unter der Prämisse, dass eine bilanzielle Periode nicht unbedingt an den Kalender gebunden sein muss, erscheint es nunmehr lohnenswert, das Periodenende auf einen beliebigen Zeitpunkt zu legen und weiterhin für diesen Zeitpunkt den strafrechtlichen Vermögensschaden zu berechnen. Stellt sich heraus, dass die pagatorische Bilanz für jede beliebige Periode einen „fiktiven Geldwertbestand“ ausgeben kann und dass dieser Wertbestand – bei „richtiger“ Bewertung – ferner den aktuellen Vermögenswert widerspiegelt, so kann der pagatorischen Bilanzmethode ein Beitrag für das Betrugsstrafrecht abgewonnen werden. a) Die Schadensberechnung nach pagatorischer Bilanzweise Für die strafrechtliche Vermögensberechnung von wesentlichem Interesse an den Arbeiten Kosiols ist zunächst die Methode, auch unbare Transaktionen als Zahlungsvorgänge zu deuten: Sie werden jeweils dergestalt bilanziert, dass in der Buchhaltung die Forderungen als „künftige Bareinnahmen“, die Schulden als „künftige Barausgaben“ und Tilgungsvorgänge als Zahlungserscheinungen eingestellt werden.486 Diese Bilanzmethode – von 485  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 45. Die Einnahmen und Ausgaben bezeichnet Kosiol als „Abbildungsaxiom“ für die dahinterstehenden Gütereinund -ausgänge, vgl. Kosiol, in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236 (237). Die Umdeutung von nicht monetären Bewegungen in Zahlungsvorgänge ist folglich eine „Hilfskonstruktion“, die lediglich „Zahlungsvorgänge rechnerisch unterstellt“, vgl. Kosiol, Pagatorische Bilanz, S. 115. 486  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 45; ders., in: Wirtschaftsberatung AG, Pagatorische Bilanz, S. 11 (15); ders., in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236 (244); ders., Pagatorische Bilanz, S. 131 f.



VII. Die Bilanzlehre als methodischer Wegweiser283

Kosiol in der Grundform als pagatorische Bewegungsbilanz bezeichnet –487 führt demnach alle Posten auf die Kategorien von Einnahmen und Ausgaben zurück und damit empfiehlt sie sich für die Abbildung von Vermögensverfügungen.488 Dieser Eindruck verfestigt sich, denn Kosiol behandelt etwa den Empfang eines Darlehens und eine diesem korrespondierende Schuld gegenüber dem Darlehensgeber als grundsätzlich ausgeglichene Posten489 und reiht sich damit in die bereits zuvor erworbenen Befunde aus dem Lager der „Statiker“ ein, deren Prämisse nunmehr um den Gedanken der Ausgeglichenheit von ausgetauschten Leistungen zu erweitern ist. Sie gilt freilich nur solange, wie keine entgegenstehenden Anzeigen erkennbar werden. Wird die Forderung mithin durch eine Bareinnahme nicht (vollständig) eingelöst, so entsteht nach der pagatorischen Konzeption ein Aufwand in Höhe der Differenz zwischen der für die vollständige Ablösung der Forderung erforderlichen Tilgungsausgabe und der kleineren Bareinnahme.490 Der Aufwand bezeichnet also den Umstand, dass weniger Vermögen zurückgeflossen ist und die Passivseite folglich einen verminderten (Eigenkapital-) Wert ausweist.491 Übertragen auf die Terminologie des Betrugsstrafrechts bedeutet diese Grundlegung, dass in der pagatorischen Bilanztheorie jedenfalls der durch effektive Wertwechsel verursachte Vermögensschaden unmittelbar als Aufwand abgebildet werden kann:492 Verzichtet die Bank täuschungsbedingt auf einen Teil ihrer Darlehensforderung, so entsteht in der entsprechenden Perio487  Kosiol, 488  Kosiol,

gen“.

489  Kosiol,

in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236 (242). Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 45 spricht von „Kassenvorgän-

Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 46. Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 46. 491  Nach der Kosiol’schen Konzeption schließt der Begriff des „Aufwandes“ zwar jeden Güterverzehr aus, der nicht zu einer Ausgabe führt (Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 165), was bei unbesehener Übernahme dieses Aufwandsbegriffes in das Strafrecht eben dazu führte, unternehmenszweckfremde Vorgänge auszuklammern. Begründet wird diese Exklusivität des Aufwandsbegriffs mit dem pagatorischen Charakter des Bilanzmodells, das den Güteraufwand an Zahlungsvorgängen in Form von Ausgaben messe (Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 165). Für den strafrechtlichen Betrachter ergibt sich daraus aber kein unmittelbares Hindernis, denn er strebt danach, eine Methode der Schadensberechnung zu ergründen, während er den Begriff des Schadens eigenständig definiert. Dies bedeutet also nicht, dass der Begriff des Aufwandes für die strafrechtliche Betrachtung untauglich wäre, sondern verlangt eine Erweiterung des Ausgabenbegriffs, der für die hiesigen Zwecke jeden vermögensrelevanten Abfluss umfasst. 492  Dieser Aufwand wird nach dem Modell Kosiols grundsätzlich auf einem entsprechenden Aufwandskonto gebucht, obschon die Möglichkeit einer vereinheitlichenden „Kontenmischung“ ebenfalls in Betracht gezogen wird. vgl. Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 65. 490  Kosiol,

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

de Aufwand in Höhe des Verzichtsanteils, den der Strafrechtler als Vermögensschaden deklariert. Ebenso resultiert die täuschungsbedingte Annahme eines minderwertigen Wagens in einer Minderung der Kapitalziffer, deren genaue Höhe durch die Kategorie des Aufwands beschrieben werden kann. Freilich operiert die pagatorische Bilanzmethode mit Rechnungsabgrenzungsposten, die als sog. Vor- bzw. Nachverrechnung dafür sorgen, dass jede Einnahme oder Ausgabe nur einmal erfolgswirksam verzeichnet wird.493 Diese Rechnungsabgrenzung liefert erst die bilanzielle Rechtfertigung dafür, erwartete Zahlungen bereits heute als vollwertige Einnahmen zu fingieren: „Uneigentliche Ausgaben und Einnahmen werden durch Vorgriff geschaffen und als Gegenwertbestände über die Bilanz geleitet (Vorverrechnung), um später mit den tatsächlichen Zahlungsvorgängen kompensiert zu werden (Gegenverrechnung).“494 Durch die Verrechnung werden die echten oder fiktiven Bareinnahmen und -ausgaben „in ihrer Erfolgswirkung [vorläufig] kompensiert“.495 Der prima facie entstehende Eindruck, dass es sich bei der Rechnungsabgrenzung um einen allein auf die Jahresperioden bezogenen Vorgang handelt, trügt. Kosiol wendet sich nachdrücklich gegen eine Sonderstellung „antizipativer Rechnungsabgrenzungsposten“496 und weist etwa auf die Bilanzierung von Mietzahlungen hin:497 Nach §§ 535 Abs. 2, 556b Abs. 1 BGB ist (heutzutage) die Wohnraummiete spätestens zum dritten Werktag der Zeitabschnitte zu entrichten, nach denen sie bemessen ist. Diese Leistung des Mieters stellt bilanziell eine Vorleistung „für periodisch zusammengefasste Teilleistungen des Vermieters“498 dar, die in der Gebrauchsüberlassung der Wohnung und anderen Leistungen liegen. Macht der Mieter seinen Anspruch auf Gebrauchsüberlassung irrtumsbedingt nur für einen Teil der Mietperiode geltend, so erhält er freilich keinen vollständigen Gegenwert für seine antizipierte Leistung, sodass der ausbleibende Anteil wiederum als Aufwand verbucht werden kann.499 Man könnte allerdings argumentieren, dass in dem Beispiel der Miete doch bereits mit der Mietzahlung ein Schaden eingetreten sei, wenn der 493  Vgl. Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 48, 52. Für diese „vorläufigen Verbuchungen“ schlägt Kosiol die Führung zahlreicher als „vorläufig“ gekennzeichneter Verrechnungskonten vor (Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 65). 494  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 65. 495  Kosiol, in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236 (240). 496  Kosiol, Pagatorische Bilanz, S. 141 f. 497  Kosiol, Pagatorische Bilanz, S. 141 f. 498  Kosiol, Pagatorische Bilanz, S. 142. 499  Dass man diesen Umstand im Rahmen der Handelsbilanz wertmäßig abbilden kann, ist damit freilich noch nicht gesagt.



VII. Die Bilanzlehre als methodischer Wegweiser285

Mieter keine entsprechende Kompensation erhalten habe. Betrachtet man unbefangen das Merkmal des Schadens, so ist in der Tat ein Ungleichgewicht zu konstatieren. Wenn – um im Beispiel zu bleiben – zu einem beliebigen Zeitpunkt die Pflicht des Mieters zur Zahlung des Mietzinses als (negativer) vermögenswerter Bestandteil im Rahmen des Gesamtvermögens mit einem Wert verortet werden soll, dann bedarf es eines Instruments, das dem fortlaufenden Charakter des Schuldverhältnisses Rechnung trägt. Aus diesem Grund wird bereits zu einem Zeitpunkt, in dem die Leistungen noch nicht vollständig „Zug-um-Zug“ ausgetauscht sind, die entsprechende Leistungsverpflichtung stellvertretend und in Vorwegnahme der späteren Zahlungsbewegungen bewertet. Erst die Rechnungsabgrenzung ermöglicht folglich den bilanziellen Querschnitt, der für eine punktuelle Vermögensbetrachtung bei Auseinanderfallen von Pflichtbegründung und Pflichterfüllung erforderlich ist.500 Indem zukünftige Zahlungen schon mit dem Entstehen eines darauf gerichteten Anspruchs vollständig bilanziell abgebildet werden, kann sich die grundsätzlich zeitraumbezogene Bilanz zu einer zeitpunktbezogenen Schlussrechnung wandeln.501 Was bei Kosiol noch allein dem Zweck der Rechnungsabgrenzung dient,502 wird an dieser Stelle folglich zu einem tragenden Element der Schadensberechnung: Reicht die Bank einen Kredit aus, so entsteht eine Forderung gegen den Schuldner, die als künftige Bareinnahme verzeichnet wird. Diese künftige Bareinnahme ist mit 100 % anzusetzen – es wird also bereits mit der Ausreichung des Kredits eine Einnahme in gleicher Höhe fingiert. Verzichtet die Bank irrtumsbedingt auf einen Teil der Forderung oder täuscht der Schuldner über eine Aufrechnungsberechtigung, so überstiege freilich die Gesamteinnahme den eingangs ausgereichten Kreditbetrag immer noch um den Wert der letztlich zurückfließenden Zahlung. Daher ist für den Zeitpunkt der Rückzahlung ein Abgrenzungsposten in Höhe des ursprünglich ausgereichten Kreditwertes einzustellen. Aus der Differenz zwischen Abgrenzungsposten und tatsächlicher Einnahme errechnet sich schließlich der Aufwand, mithin der Schaden. Beträgt der ausgereichte Kredit € 100.000, so wird mit der Auszahlung des Darlehens eine künftige Bareinnahme (= die Rückzahlungsforderung) von ebenfalls € 100.000 in Ansatz gebracht. Ist später bspw. ein betrugsrelevanter Ausfall in Höhe von € 60.000 zu verzeichnen, so führt die Differenz zwischen dem nunmehr 500  Vgl. zur Funktion der Rechnungsabgrenzung als Stichtagsinstrument Kosiol, Pagatorische Bilanz, S. 142. 501  Diese Feststellung macht auch Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 54, der darauf hinweist, dass „die Zeitpunktbilanz […] durch Saldierung aus der Zeitraumbilanz [entstehe]“ (Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 68); ebenso ders., in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236 (238). 502  Vgl. Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 48.

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anzusetzenden Abgrenzungsposten (€ 100.000) und der tatsächlichen Zahlung (€ 40.000) zu einem Aufwand und Schaden von € 60.000. Als aufschlussreich erweist sich ferner der Umstand, dass Kosiol Stammund Zinsforderung voneinander trennt und letztere regelmäßigen Abschreibungen auf den ursprünglichen Nennwert aussetzt.503 Der mit 1 % des Nennwerts verzinste und nach fünf Jahren rückzahlungspflichtige Kredit über € 100.000 wird in der Bilanz des Gläubigers demnach als (fiktive) Einnahme zum Nennbetrag eingestellt. Daneben steht eine Forderung von € 5.000, die als zukünftige Bareinnahme in jedem Jahr mit dem Empfang der Zinsen in Höhe von € 1.000 im Wege der Nachverrechnung „abzuschreiben“ ist. Die Bilanz des Gläubigers trägt folglich bei Kreditauskehrung zwei Aktivposten: den einen über € 100.000 (Forderung) und den anderen über € 5.000 (Zinsen nach 5 Jahren). Wird die erste Zinsrate geleistet, so erfolgen eine Abschreibung auf die zweite Forderung, die sodann auf € 4.000 lautet, und ein Eintrag der tatsächlichen Einnahme von € 1.000 als Ertrag der entsprechenden Periode. Auch wenn diese Beispiele freilich noch zum Kopfrechnen einladen, so erweist sich die pagatorische Methode gleichermaßen als aussichtsreich für die Betrachtung komplizierterer Fallgestaltungen, denn sie leistet stets eine an den Grundlagen der Kreditbeziehung ausgerichtete Abbildung der erwarteten und geleisteten Zahlungen. Aus der Differenz zwischen erwarteter und tatsächlicher Rückzahlung ergibt sich ein Aufwand, der als Vermögensminderung für den Tatbestand des § 263 StGB relevant wird. Der Vermögensschaden in den Fällen des Erfüllungsbetrugs kann also mit dem Rechenmodell der pagatorischen Bilanz in der Kategorie des Aufwands abgebildet werden. Gleichzeitig hält der Ansatz Kosiols einen Ariadnefaden zur zivilrechtskonformen Abbildung eines strafrechtlich zu beurteilenden Betrugsfalles bereit. Schließlich, und als hätte er Ende der 1940er Jahre bereits die Feinheiten der modernen Schadensdogmatik vorhergesehen, liest man bei Kosiol, dass „[d]ie Entnahme des Inhabers (Ausgabe) […] durch die Belastung auf Kapital- oder Privatkonto (Einnahme) ausgeglichen [wird]“504 – in gleicher Weise stellt man heutzutage bekanntlich den „in die Kasse Greifenden“ sub specie § 266505 StGB und möglicherweise auch nach § 263506 StGB mangels Vermögensschadens straffrei, sofern er jederzeit ausgleichsbereit ist.

503  Kosiol,

Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 93 f. Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 46. 505  Vgl. BGHSt 15, 342 (344); Rengier, Strafrecht BT 1, § 18, Rdnr. 51a m. w. N. 506  Zur Erstreckung der Ausgleichsbereitschaft als Kompensation auf den Betrugstatbestand vgl. unten E.VIII.4.e). 504  Kosiol,



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b) Der schädigende Vertragsschluss nach pagatorischer Bilanzweise Wesentlich schwieriger ist jedoch die Frage zu beantworten, welchen Beitrag die pagatorische Bilanz zu der Lösung jener Fälle zu leisten vermag, in denen – um im Bilde zu bleiben – nicht erst mit der ausbleibenden Rückzahlung, sondern bereits mit der Gewährung des Kredits der Vermögensschaden eingetreten sein könnte. Seine Bilanztheorie entwickelt Kosiol freilich am Abbild eines Idealfalls, sodass Störungen in den Leistungsbeziehungen keine besondere Behandlung erfahren.507 Es bleibt jedoch unbenommen, die pagatorische Methode mit Modifikationen unter Berücksichtigung ihrer Grundannahmen wiederum anzuwenden: Es werden der Anspruch auf die Darlehenssumme und der Rückzahlungsanspruch zunächst als gleichwertig behandelt.508 Sofern Anhaltspunkte für eine Minderung des Wertes des Rückzahlungsanspruches vorliegen, so ist ein Abgrenzungsposten einzustellen. Man könnte entsprechend der vorgestellten Methode erneut den Abgrenzungsposten mit dem vollen Wert der erwarteten Bareinnahme ansetzen und die Differenz zum minderwertigen Rückzahlungs- oder Leistungsanspruch entwickeln. Dies hat indes den Nachteil, dass die Prämisse nicht gewahrt bleibt, wonach vertraglich vereinbarte wechselbezügliche Leistungen grundsätzlich als ausgeglichen anzusehen sind. Diesmal bezeichnet der Abgrenzungsposten daher nicht den vollen Wert der erwarteten (fiktiven) Bareinnahme, sondern die Werthöhe, in der die erwartete Bareinnahme auszubleiben droht. Das heißt: Nicht der Rückzahlungsanspruch als erwartete Bareinnahme wird bewertet, sondern der Abgrenzungsposten als Stellvertreter des Ausfallrisikos, mit dem die erwartete Bareinnahme schließlich zu verrechnen ist. Der Vorzug dieser Methode liegt darin, dass wiederum die Prämisse von der Wertgleichheit der Leistungen auflebt, sofern die drohende Minderung der erwarteten Einnahme nicht bemessen werden kann. Letzteres bedeutete dann einen Abgrenzungsposten mit dem Wert Null. Nur diese Lösung vermag dem Bezifferungsgebot und dem in dubio – Grundsatz vollumfänglich Rechnung zu tragen, weil bei mangelnder Bezifferbarkeit ein Schaden aufgrund des Ausgleichs von Leistung und Gegenleistung entfällt. Mit dieser Vorgehensweise wird es möglich, alle Risiken, Unwägbarkeiten und Verlustchancen in Bezug auf den jeweiligen Vermögensgegenstand auf einen separaten Posten zu vereinen und damit den Schaden rechnerisch handfest nachzuweisen. Ob im Zeitpunkt der Eingehung eines Vertragsverhältnisses bereits eine schädigende Minderung des Vermögens zu konstatieren ist, hängt schließlich von der konkreten Bewertungslehre ab. Wird etwa eine Kreditzusage 507  Vgl. 508  Das

etwa Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 43 ff. ist freilich auch eine Prämisse der statischen Bilanzkonzeption.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

über € 100.000 erteilt, so kann ein Vermögensschaden zu diesem Zeitpunkt nur dann ermittelt werden, wenn die Differenz aus der zukünftig als Rückzahlung erwarteten Bareinnahme – die zunächst ebenfalls in Höhe von € 100.000 werthaltig ist – und dem bewerteten Abgrenzungsposten ermittelt wird. Jener Posten, der anfangs eigentlich zum Nennwert eingestellt werden müsste, könnte aufgrund äußerlicher Umstände einen verminderten „Erwartungswert“ haben, sodass man der fiktive Bareinnahme schon jetzt einen entsprechenden Abgrenzungsposten ansetzen müsste. Hingegen opponiert Kosiol gegen das Tageswertprinzip und fordert – nach dem pagatorischen Ansatz konsequent – die Bewertung zu Anschaffungswerten.509 Diese wiederum versteht er als ‚Einnahmen- oder Ausgabenwerte‘, die den wirklichen Zahlungsvorgang abbilden.510 In gleicher Weise setzt die ­pagatorische Bilanzkonzeption die Herstellungskosten in Höhe der für die Herstellung aufgewandten Güter und Leistungen an.511 Einnahmen- und ­Ausgabenwerte fasst Kosiol unter dem Begriff des „pagatorischen Wertes“ zusammen:512 Es handelt sich um den jeweiligen Entstehungswert, dessen Höhe sich nach dem zugrundeliegenden Einnahme- bzw. Ausgabevorgang berechnet.513 Erkennbar zielen die pagatorischen Werte auf den Ansatz auch jener Posten ab, denen noch keine Ausgabe oder Einnahme korrespondiert. Dieser Grundsatz wird jedoch durch Niederst- und Höchstwertprinzipien durchbrochen, die Kosiol nach Maßgabe des § 40 HGB a. F. entwickelt,514 sodass der skizzierte Grundsatz der Rechnungsabgrenzung bei Auseinanderfallen von Einnahme und Ertrag wieder relativiert ist.515 Damit die Eingliederung des Niederstwertprinzips dem auf Zahlungen ausgerichteten Bilanzmodell entspricht, erweitert Kosiol den Begriff des pagatorischen Werts um solche Werte, „die aus möglichen Zahlungsvorgängen abgeleitet werden“.516 Für jeden Bewertungsstichtag kann demnach ein Zahlungsvorgang fingiert werden, sodass sich die Werthöhe eines Bilanzgegenstandes danach bemisst, welchen Bewertungsstichtag man wählt.517 Dies weist zwar in Richtung eines 509  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 130; ders., in: Wirtschaftsberatung AG, Pagatorische Bilanz, S. 11 (24); ders., in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236 (249). 510  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 87; ders., in: Wirtschaftsberatung AG, Pagatorische Bilanz, S. 11 (24 f.). 511  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 88. 512  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 82; ders., in: ders. et al., Handwörterbuch, S. 236 (248 f.). 513  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 93. 514  Zu § 40 HGB a. F. vgl. ausführlich oben E.V.3.d). 515  Vgl. Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 104. 516  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 115. 517  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 115.



VII. Die Bilanzlehre als methodischer Wegweiser289

allgemeinen Tageswertprinzips,518 doch schließt es die Vorgaben des Niederstwertprinzips ein,519 sodass das Wechselspiel zwischen Prämisse und Korrektur erhalten bleibt. So resümiert Kosiol schließlich, der Niederstwert sei keinesfalls als „richtiger Wert im Sinne eines Stichtagswertes“ zu begreifen, sondern lege nur die „Antizipation des zukünftigen Aufwandes dem Umfange nach fest“520 – das Niederstwertprinzip gilt als „Gestaltungsmittel der Erfolgsbilanz“.521 Damit erweist es sich auch hier als für die Schadensberechnung untauglich. Die auf dem Niederstwertprinzip beruhenden Korrekturen des pagatorischen Ansatzes können folglich nicht übernommen werden. Anders dagegen die Grundlagen: Dem Transaktionsgrundsatz gerecht wird der Ansatz des pagatorischen Wertes, sodass mit dieser Bilanzlehre zugleich ein wirtschaftswissenschaftlicher Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung zurückliegender Transaktionsproben gefunden ist. c) Fazit zur pagatorischen Bilanz und weitere Vorgehensweise Festzuhalten bleibt, dass die pagatorische Bilanz nach Kosiol in ihren Grundzügen der bislang aussichtsreichste Kandidat für die nähere Ausgestaltung der Schadensberechnung nach § 263 StGB ist. Die Fälle des Betruges durch Hingabe eines Gegenstandes oder anderweitigen Wertes können unschwer anhand der Differenz zwischen Abgrenzungsposten und tatsächlicher Einnahme berechnet werden. Sie bedürfen lediglich der Einordnung in den gesamten Kontext der Passivseite, damit auch der Rückbezug auf den Gesamtvermögenswert gewahrt bleibt.522 Für die Fallkonstellationen des schädigenden Vertragsschlusses hält die pagatorische Bilanz hingegen nur eine „unvollständige“ Lösung bereit: Zwar können Wertminderungen auch hier vermittels der Abgrenzungsposten berücksichtigt werden, doch läuft es dabei letztlich auf die Bewertungsfrage hinaus. Während ein Ansatz von Anschaffungswerten den schädigenden 518  Zwar skizziert Kosiol zum Ende seiner Untersuchung der Bewertungsfrage auch eine sog. „unbeschränkte Tageswertrechnung“, die er in Gegensatz zum Niederstwertprinzip auch für Erfolgsantizipationen öffnet (vgl. Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 120). Doch lehnt er diese reine Tageswertbilanz ab, weil sie mit den Bedürfnissen einer nominalen Kapitalerhaltung nicht zu vereinbaren sei (Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 121). Die Erfolgsrechnung werde bei Ansatz des Tageswerts durch statische Elemente verzerrt, sodass eine Tageswertbilanz nur „als parallel laufende Statusbilanz vertretbar“ sei (Kosiol, Bilanzreform und Einheits­ bilanz, S. 121 – dort auch das Zitat). 519  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 116 f. 520  Beide Zitate bei Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 119. 521  Kosiol, Bilanzreform und Einheitsbilanz, S. 119. 522  Vgl. dazu oben E.VI.1.c).

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

Vertragsschluss von vornherein zum bilanziellen Nullsummenspiel degradierte, vermag der unter den erweiterten Wertbegriff fallende Ansatz zwar in die Richtung des Tageswertes zu weisen. Solange dieser Tageswert aber kein Transaktionswert ist und vom Gedanken des Niederstwertprinzips beherrscht wird, kann der Regelungszusammenhang, aus dem er sich ergibt, für das Strafrecht nicht gelten. Insoweit wurde anhand der Historie aufgezeigt, dass marktwirtschaftliche Erwägungen diesen Wertansatz nicht leiten. Erfolgversprechend mag es daher sein, das Kosiol’sche Modell an dieser Stelle zu verlassen und eine eigenständige Lösung für die Bewertungsfrage aufzuzeigen. Dass eine Lösung der Bewertungsfrage möglich sein muss, kann nicht zweifelhaft sein, denn „Bewerten heißt nichts anderes als: Das geldmäßige Schicksal vorausnehmen und auf den Bilanztag umrechnen“.523 Eines steht damit jedenfalls fest: Auch der Schaden in den Fällen des schädigenden Vertragsschlusses wird nach dem hiesigen Vorschlag berechenbar, wenn taugliche Maßstäbe gefunden werden, um der pagatorischen „fiktiven Bareinnahme“ schon heute in Bezug auf ihren zukünftigen Barwert einen im Wert konkretisierten Abgrenzungsposten gegenüberzustellen, der dem Gedanken von der Transaktionsprobe Rechnung trägt. d) Zusammenfassung zur pagatorischen Bilanzlehre Die pagatorische Bilanz liefert ein taugliches Grundgerüst für eine Schadensberechnung sub specie § 263 StGB. Sie orientiert sich an Zahlungsvorgängen und bildet damit im Wesentlichen Vermögensverfügungen ab. Mit ihrer Akzeptanz geht die Erkenntnis einher, dass auch zukünftige Zahlungsströme in Übereinstimmung mit dem Grundsatz des wertmäßig ausgeglichenen Geschäfts und dem Transaktionswert berechnet werden können, wenn man alle Wertminderungen in einen Abgrenzungsposten auslagert und einer eigenständigen Bewertung zuführt. Auf dieser Grundlage lassen sich auch mehraktige Geschehensabläufe, die noch unter das Kriterium der Wechselbezüglichkeit von Verfügung und Kompensation fallen, abbilden. Die pagatorische Bilanz bietet folglich das gesuchte Instrument, mit dem die eingangs erörterten Zugehörigkeitsverhältnisse anhand von Zahlungsvorgängen abgebildet und bemessen werden können. Anders gewendet, erscheint die pagatorische Schadensbilanz als taugliches Mittel zur Lösung des skizierten Übergangsproblems. Um diese Bilanz mit Transaktionswerten anzureichern, bedarf es schließlich eines Blicks in die internationalen Bilanzregeln, die bereits in der Auseinandersetzung der Richtlinie 2013 / 34 / EU angedeutet wurden und nunmehr endgültig auseinandergesetzt werden müssen. 523  Rieger,

Privatwirtschaftslehre, S. 213.



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS291

VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS524 Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten in den handelsrechtlichen Ansatzvorschriften grundsätzlich taugliche Konkretisierungsnormen für den wirtschaftlich interpretierten Begriff des Vermögensgegenstandes ausgemacht werden konnten, während die Bewertungsregeln des Handelsbilanzrechts ihre Tauglichkeit zur Wertmessung nach Transaktionsgesichtspunkten nicht unter Beweis stellten, und schließlich in der sog. pagatorischen Bilanz nach Erich Kosiol ein Instrument erblickt wurde, das die vielschichtigen Wechsel in den Verhältnissen zwischen Vermögensgegenständen und ihren Vermögensganzen in einer Zeitpunktrechnung abzubilden geeignet ist, bedarf es nunmehr einer Auseinanderlegung der Ansatz- und Bewertungsregeln nach IAS / IFRS. Diese Notwendigkeit erhellt aus drei Erwägungen: Erstens vermag auch die pagatorische Bilanzauffassung ohne taugliche Bewertungsnormen den Vermögensschaden durch Vertragsschluss nicht zu berechnen. Da auch die §§ 252 HGB dieser Aufgabe schon dem Grunde nach nicht gewachsen sind, ist die „pagatorische Schadensbilanz“ derzeit wenig hilfreich, soweit sie die schädigenden Auswirkungen eines Vertragsschlusses aufzeigen soll. Zweitens hat der europäische Richtliniengeber jüngst mit der Bilanzrichtlinie 2013 / 34 / EU klargestellt, dass über kurz oder lang die IAS / IFRS einen Bedeutungszuwachs auch im nationalen Bilanzrecht erfahren könnten. Eine Untersuchung zur Schadensberechnung nach handelsbilanziellen Grundsätzen kann sich dieser möglichen Entwicklung nicht versperren, ohne bereits heute als überholt zu gelten. Drittens – und dies scheint letztlich der maßgebliche Anlass für die folgenden Überlegungen zu sein – könnte die Bewertung nach IAS / IFRS eine Antwort auf die Frage erlauben, ob man mit der Hilfe bilanzieller Regelungen eine betrugsstrafrechtlich relevante Transaktionswertabbildung auf die Beine zu stellen vermag. Schließlich widmet sich auch dieser Abschnitt ausgewählten strafrechtlichen Fragestellungen, die man am besten im bilanziellen Kontext erörtert. Vor diesem Hintergrund spalten sich die anschließenden Überlegungen in drei Abschnitte: Zunächst ist ein Blick auf die Abschlussziele der IAS / IFRS 524  Obschon die hier relevanten Standards auch in deutscher Sprache verfügbar sind, stehen der ausschließlichen Berücksichtigung dieser Übersetzungen entscheidende Einwände entgegen: Übersetzungen können fehlerhaft sein und den sprach­ lichen Kontext nicht hinreichend wiedergeben, insbesondere die übersetzte Fachterminologie mag dafür anfällig sein (Beispiel für abweichende Traduktionen [„revenues“] bei Küting, DB 2006, 1141 [1146]). Außerdem gibt es nicht für jeden Standard eine autorisierte deutsche Übersetzung. Ferner haben sich die Begrifflichkeiten der IFRS/IAS auch im deutschen professionalisierten Sprachraum etabliert, sodass es befremdlich anmuten mag, dieser Entwicklung nicht folgen zu wollen. Bspw. hat sich das Partizip „endorsed“ in der Kommentarliteratur bereits durchgesetzt, vgl. etwa bei Bohl, in: Beck’sches IFRS-Hdb., § 1, Rdnr. 69 et passim.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

zu werfen. Im Handelsbilanzrecht soll der Gläubigerschutz gewährleistet werden und aus diesem Grund scheut man dort weitgehend die Zeitwertbilanzierungen oberhalb der AK / HK. Es gilt daher zu eruieren, ob im internationalen Umfeld anderweitige Resultate zu erwarten sind, sofern sich die Abschlussziele dort etwa auf Informationszwecke ausrichten. Anschließend wandert der Blick zu den Begrifflichkeiten und Ansatzvorschriften der Bilanz nach den IAS / IFRS. In diesem Zusammenhang wird zu prüfen sein, ob die Ansatzvorschriften ebenfalls taugliche Maßstäbe zur Konkretisierung des Vermögensbegriffs bereithalten, und ferner ist ein Augenmerk auf die Rückstellungskonzeption der IAS / IFRS zu legen. Schließlich widmen sich die nachfolgenden Zeilen der Bewertungskonzeption der IAS / IFRS und prüfen sie auf ihre Tauglichkeit zur Betrugsschadensberechnung. 1. Die Bedeutungslosigkeit des Rechtscharakters der IAS / IFRS Während sich das BVerfG mit der Anleihe bei den §§ 252 ff. HGB zwar inhaltlich nicht überzeugend positionierte, konnte es aber jedenfalls auf ein Regelwerk rekurrieren, das als formelles Gesetz über eine vorzügliche rechtsstaatliche Legitimation verfügt. Dieses Prädikat kann man den internationalen Bilanzstandards freilich nicht allumfänglich zugestehen.525 Hinderlich ist dieser Umstand jedoch nicht: Dass im (wirtschafts-)strafrechtlichen Kontext gerne an die übrige Rechtsordnung geknüpft wird, ist zwar kein Geheimnis. Die allseits bekannten Anknüpfungspunkte – etwa im Bereich des Gesellschaftsrechts, des bürgerlichen Rechts und Verwaltungsrechts – benötigen die Legitimation durch den Gesetzgeber aber deswegen, weil sie als Beleg für eine rechtliche Wertung herangezogen werden. Man kann sich bspw. aktuell fragen, ob der Insolvenzverwalter ein „Beauftragter“ nach § 299 StGB ist, wenn er im Insolvenzrecht doch eher ein „privates Amt“ innehat und daher den §§ 11 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. 331 ff. StGB subsumiert werden könnte.526 Gleiches gilt für die kürzlich viel Aufmerksamkeit fordernde Debatte um die Tätertauglichkeit des Vertragsarztes, die im gleichen Normkontext geführt wurde.527 Diese Beispiele lassen sich um 525  Vgl. Wojcik, IAS/IFRS als europäisches Recht, S. 44 ff. Zum sog. Endorsement-Verfahren, mit dem die Vereinbarkeit der einzelnen Standards mit den rechtlichen Voraussetzungen und die Auswirkung der Anwendung eines Standards auf die Wirtschaft in der EU geprüft werden, vgl. Wüstemann/Wüstemann, in: Staub-HGB, Anh. § 315a IFRS, Rdnrn. 2 ff. 526  Ausführlich zu dieser Frage etwa Brand/Wostry, ZInsO 2008, 64 ff.; Brand, DZWIR 2008, 318 ff. 527  Vgl. dazu Frister, in: Lindemann/Ratzel, Brennpunkte des Wirtschaftsstrafrechts im Gesundheitswesen, S. 99 ff.; Brand, in: AG Medizinrecht im DAV/IMR, Brennpunkte des Arztstrafrechts, S. 127 ff.; Wostry, JR 2011, 165 ff. Diese Frage hat



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS293

unzählige weitere ergänzen – sie alle haben gemeinsam, dass der strafrechtlichen Beurteilung Wertungen aus anderen Rechtsbereichen entlehnt werden. Der hiesige Fall liegt jedoch anders. Das Bilanzrecht muss zur Ergründung einer Schadensrechnung nicht – wie dies teilweise in den Arbeiten Hefendehls in Bezug auf den Vermögensbegriff mit Recht geschieht – auf juristische Wertungen geprüft, sondern anhand strafrechtlicher Vorgaben auf ein Konkretisierungspotenzial anhand wirtschaftlicher Maßstäbe abgetastet werden. Dies könnte man freilich auch mit jedem anderen beliebigen Regelwerk veranstalten. Die Entscheidung, ob die gefundene Konkretisierung anzuwenden ist, verbleibt freilich in der Sphäre des Strafrechts. Die Berücksichtigung der internationalen Bilanzregeln bietet lediglich die Gelegenheit, wirtschaftlichen und bilanziellen Sachverstand zu nutzen. Daher schadet es nicht, wenn die IAS / IFRS nicht vollumfänglich in den europäischen und bundesrepublikanischen Normkontext Einzug gehalten haben. Zumal: Darüber, was wirtschaftliche Transaktionswerte sind und wann man sie ansetzt, um damit den Wert eines Vermögens auszuweisen, kann ausgerechnet die HGB-Bilanz nur wenig aussagen. Mithin steht der Anwendung jener Ergebnisse, die dieser Abschnitt zeitigt, nichts im Wege. 2. Die Abschlussziele der internationalen Bilanzstandards Die IAS / IFRS gehen ebenso wie das HGB von der Annahme der Unternehmensfortführung aus (going concern)528 und kennen auch ein Wertminderungsprinzip,529 weil sie neben den AK / HK (antizipierte) Wertminderungen (das sog. impairment) berücksichtigen; jedoch erreichen sie darin nicht die handelsrechtlichen Dimensionen.530 Das handels- und gesellschaftsrechtliche Schrifttum hat es sich vor diesem Hintergrund zur Gewohnheit werden lassen, auf die Inkompatibilität von IAS / IFRS und handelsrechtlicher Kapitalerhaltung hinzuweisen.531 Die internationalen Stander Große Senat in Strafsachen freilich mittlerweile geklärt, vgl. BGH, NJW 2012, 2530 ff. 528  Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 65. Deshalb steht auch im Rahmen der internationalen Bilanzregeln zu erwarten, dass die Unternehmung regelmäßig zumindest einen den Anschaffungs- und Herstellungskosten entsprechenden Nutzen aus den Vermögensgegenständen ziehen wird, vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/ Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 91. 529  Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 300 f. 530  Vgl. dazu Siebler, Internationalisierung der Rechnungslegung, S. 227; zur Diskussion über die Einführung eines Vorsichtsprinzips in der internationalen Rechnungslegung vgl. Wagenhofer, IRZ 2014, 265 ff. 531  Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Hennrichs, ZGR 2008, 361 (364) mit Fn. 12; zurückhaltender Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungs-

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dards erfüllen weder primär eine Gläubigerschutz- noch eine Gewinnermitt­ l­ungs­funktion,532 sondern dienen in erster Linie der Information von Investoren.533 Sie suchen die wirtschaftliche Entscheidungsfindung zu ermöglichen534 und bedienen sich dabei des fair presentation – Grundsatzes (IAS 1.15),535 der zu einer Abbildung der tatsächlichen Verhältnisse führen soll und im Gegensatz zur Regelung des § 264 Abs. 2 S. 1 HGB536 die gesamte Bilanzierung determiniert.537 Dadurch wird zugleich der Spielraum für bilanzpolitische Maßnahmen eingeschränkt.538 Freilich kann B ­ ilanzpolitik unter mehreren Gesichtspunkten betrieben werden: So ist es einerseits möglich, bereits im Vorfeld einer Bilanzaufstellung auf den zu bilanzierenden Sachverhalt einzuwirken. Diese Art der bilanziellen Gestaltungsmaßnahme unterliegt nicht der Kontrollwirkung des fair presenta­tion – Grundsatzes oder spezieller Bilanznormen539 und kann daher zu Verzerrungen der bilanziellen Darstellung führen. Andererseits kann der Bilanzierende die ihm zur Verfügung stehenden bilanziellen Spielräume ausschöpfen, die sich insbesondere in Wahlrechten und Ermessensspielräumen manifestieren.540 Indes ist die Anzahl der Wahlrechte in den internationalen Bilanzstandards gering und ihre Ausübung kann im Zweifelsfall jedenfalls im Rahmen einer bilanziellen Betrugsschadensrechnung darauf überprüft werden, ob sie den Vorgaben des Transaktionswertes entspricht. Dagegen gestaltet sich die Behandlung von Ermessensspielräumen schwieriger, weil diese auf wenig detaillierten Vorgaben für Ansatz und Bewertung beruhen. Obschon die Abschlussadressaten aus diesem Grund zumeist nicht zu erkennen vermögen, dass überhaupt ein Ermessensspielraum ausgeschöpft wird, ist die Ausübung legung, S. 110; eingehende Erörterung – allerdings zum Rechtsstand vor dem BilMoG 2009 – bei Ekkenga, AG 2006, 389 (391 ff.); vgl. jüngst auch Arbeitskreis KMU, DB 2012, 991 (992) zu sog. SME. 532  Wawrzinek, in: Beck’sches IFRS-Hdb., § 2, Rdnrn. 41 f. 533  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 151; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 24; Reinke, Impairment Test, S. 10. 534  Vgl. IAS 1.9; ferner Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 89, die den Konnex zur Bewertungsfunktion der Bilanzen herstellen (dazu Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 7); Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 23. 535  Vgl. dazu Reinke, Impairment Test, S. 10 ff. 536  Vgl. aber auch zu den möglichen Auswirkungen der RL 2013/34/EU oben E.V.3.f). 537  Reinke, Impairment Test, S. 11. 538  Reinke, Impairment Test, S. 11 ff., der zugleich weitere Nachweise dazu vorstellt, wonach der Abschlusspolitik gleichwohl ein gewisser Anwendungsbereich innerhalb der IAS/IFRS eröffnet sei. 539  Vgl. dazu Reinke, Impairment Test, S. 26 f. 540  Dazu Reinke, Impairment Test, S. 27 ff.



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS295

des Ermessens aus der Perspektive des Bilanzierenden an der wirtschaft­ lichen Realität auszurichten.541 Folglich bestehen für Ermessensspielräume trotz der mangelnden Detailgenauigkeit entsprechender Regelungen Vorgaben, die sich letztlich wiederum an dem fair presentation – Grundsatz orientieren und für das Strafrecht fruchtbar gemacht werden können. Die aus bilanziellen Gestaltungsmöglichkeiten resultierenden Unwägbarkeiten scheinen daher einer Schadensrechnung nach IAS / IFRS kein unmittelbares Hindernis zu bereiten. 3. Die Kapitalerhaltung in den IAS / IFRS Die Auseinandersetzung des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips offenbarte einen unmittelbaren Bezug auf Kapitalerhaltungsbedürfnisse, die den handelsbilanziellen Wertausweis vor allen weiteren Zweckrichtungen prägt.542 Weil Zwecke der Kapitalerhaltung bilanzielle Wertansätze im Lichte der Berechnung des Betrugsschadens grundsätzlich unbrauchbar erscheinen lassen, gilt es dem Stellenwert der Kapitalerhaltung auch in den internationalen Regelwerken nachzuspüren. Das Conceptual Framework for Financial Reporting (CF)543 wartet mit zwei Modellen der Kapitalerhaltung auf: einerseits mit dem sog. „financial capital maintenance“-Konzept und andererseits mit einem „physical capital maintenance“-Modell (CF 4.59). Vor diesem Hintergrund muss man sich von der handelsrechtlichen Vorstellung eines starren Kapitalerhaltungsregimes verabschieden, weil die IAS / IFRS keines der vorzustellenden Modelle bindend vorschreiben (vgl. auch CF 4.64).544 Stattdessen tragen die Standards unterschiedlichen Kapitalerhaltungsansätzen Rechnung (vgl. CF. 4.65). Sie sind daher lediglich als Erläuterungen einzelner in den Standards verwendeter Ansätze zu verstehen.545 Da unter strafrechtlichen Gesichtspunkten ein Konzept nur dann tragbar erscheint, wenn es die Kapitalerhaltung auf anderem Wege zu gewährleisten sucht als über die Abwertung der 541  Reinke,

Impairment Test, S. 31. hierzu oben E.V.2. 543  Das CF ist ein Rahmenkonzept für die Bilanzierung nach IAS/IFRS, das die grundlegenden Prinzipien der Bilanzierung festhält (vgl. CF, S. A25). Es ist keine höherrangige „Norm“ dergestalt, dass es die einzelnen Standards außer Kraft zu setzten vermag, sobald eine Konfliktlage zwischen Einzelstandards und CF entsteht. Gleichwohl kommt dem CF eine Leitlinienfunktion zu, die für eine fortschreitende Harmonisierung der Standards mit den Grundprinzipien des CF auf Posten gestellt ist (vgl. CF, S. A25). 544  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 161 ff. 545  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 161; Wengel/Schnell, DB 2008, 2263 (2264). 542  Vgl.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

Vermögensgegenstände,546 kann man dem entsprechenden Standard im Zweifel zu einer Rolle in der Schadensberechnung verhelfen, selbst wenn er Kapitalerhaltungsprinzipien äußert, indem man ihn unter Zugrundelegung des alternativen Modells evaluiert – freilich jeweils vorausgesetzt, dieses harmoniert mit dem bereits vorgestellten Transaktionswertgedanken.547 a) Financial Capital Maintenance Kapitalerhaltungsmechanismen knüpfen bekanntlich an zwei Schaltstellen an, nämlich einerseits an den konkreten Bewertungsregeln, andererseits an der Definition des Kapitals und an der Frage, wie man den Gewinnbegriff548 (profit) auffasst (vgl. CF 4.57 und 4.60). Die internationalen Standards rekurrieren auf die letztgenannte Vorgehensweise. Das „finanzwirtschaftliche Kapitalerhaltungskonzept“549 kommt dem handelsrechtlichen Pendant recht nahe, weil es zum einen unter dem Begriff des Kapitals allein equity550 versteht und sich damit auf das (Nominal-)Eigenkapital bezieht.551 Zum anderen beschreibt der Begriff des profit nach diesem Konzept eine Erhöhung des Kapitals über einen gewissen Zeitraum (CF 4.63)552 und limitiert diesen folglich auf jenen Betrag, der sich aus der Differenz zwischen dem Wert der assets am Ende und jenem am Beginn einer Berichtsperiode ergibt, wobei alle Zuwendungen an oder von Eigentümer(n) herauszurechnen sind (CF 4.59 [a]). Diese Vorgehensweise hat zur Folge, dass Preisbzw. Wertsteigerungen bei den assets und liabilities Auswirkungen auf den Gewinn zeitigen (CF 4.63), und deshalb müssen diese Steigerungen freilich auch gemessen werden. Das IASB legt jedoch Wert auf die Feststellung, dass eine Bemessungsbasis für die anzusetzenden Werte nicht schon aus der Wahl dieses Modells folge (CF 4.61).

546  Vgl. zu dem Unterfangen, die Ansatz- und Bewertungsvorgaben aus dem Zweck der Ausschüttungsbemessung herzuleiten Siebler, Internationalisierung der Rechnungslegung, S. 354, die darauf aufmerksam macht, dass gerade die Ausprägungen des Imparitätsgrundsatzes sich hierzu eignen. 547  Zum Transaktionswert vgl. oben E.IV. 548  Auf diesen Punkt macht etwa Küting, DB 2006, 1141 (1144) aufmerksam. 549  Terminologie von Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 157. 550  CF 4.57: net assets or equity of the entity. Vgl. auch den Hinweis bei ­Zimmermann/Werner/Hitz, Buchführung und Bilanzierung nach IFRS, S. 147 und Küting, DB 2006, 1141 (1144) auf das Konzept der realen Kapitalerhaltung, das auch noch die Inflation berücksichtigt. 551  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 157 mit dortiger Fn. 208. 552  Profit beschreibt den Gewinn.



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS297

b) Physical Capital Maintenance Das „leistungswirtschaftliche Kapitalerhaltungskonzept“553 zielt dagegen auf den Erhalt des Kapitals in Form von Produktionskapazitäten ab (CF 4.57). Profit wird nach diesem Modell erzielt, soweit die Produktionskapazität des Unternehmens am Ende der Periode höher ausfällt als zu Beginn, wobei auch hier die Zuwendungen an und von Eigentümern außer Betracht bleiben (CF. 4.59 [b]). Der Erhalt der Produktionskapazität bedingt im Gegensatz zu der skizzierten Alternative den Ansatz des Wiederbeschaffungswertes (current costs) (CF 4.61).554 Preis- und Wertsteigerungen werden daher insofern relevant, als sie die Bemessungsgrundlage der Produktionskapazität beeinflussen (CF 4.64). Den Unterschied zur Nominalkapitalerhaltung mag daran verdeutlicht werden, dass bei diesem ein Einkaufspreis von 100 € und – bei Zugrundelegung des Verkaufspreises – ein Erfolg von 200 € den Gewinn auf 100 € festlegt. Steht jedoch die Produktionskapazität in Rede, so sorgt ein Ansteigen des Einkaufspreises auf 130 € dafür, dass der Gewinn lediglich bei 70 € liegt. c) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten: Financial capital maintenance rechnet mit Zahlungsflüssen, die lediglich insoweit nicht auf den ausschüttungsfähigen profit durchschlagen, als dieser unter dem Vorbehalt der – untechnisch gemeinten – „Eigenkapitalerhöhung“ am Ende der Periode steht. Physical capital maintenance speist sich hingegen aus einem Blick auf den status quo, den zu erhalten die Gewinnermittlung auf Posten gestellt wird. Obgleich die vorgestellten Kapitalerhaltungsansätze daher zu unterschiedlichen Gewinnspannen führen können, offenbart die Gegenüberstellung, dass keines dieser Konzepte direkt auf die Bewertung der Bilanzposten rückwirkt, insbesondere nicht zum (strengen) Niederstwert führt. Die mangelnde bewertungsorientierte Kapitalschutzneigung im Rahmenkonzept der IAS / IFRS kommt der hiesigen Ausarbeitung daher zupass. 4. Begriffe und Ansatzvorschriften Soweit es die hiesigen Fragestellungen zu Inhalt und Konkretisierungspotenzial der in den IAS / IFRS gebräuchlichen Ansatzregeln betrifft, ist die Geschichte des internationalen Regelwerks relativ schnell erzählt: Ähnlich der wiederum von Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 157. DB 2006, 1141 (1145) spricht von „Tageswerten“.

553  Terminologie 554  Küting,

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

handelsrechtlichen Konzeption verfolgt das Conceptual Framework555 ein zweistufiges Verfahren,556 das auf der ersten Stufe eine Einordnung in assets, liabilities und equity verfolgt (CF 4.4). Erfüllt ein Gegenstand die grundlegenden Anforderungen einer der genannten Kategorien,557 so entscheidet sich gleichwohl erst auf der zweiten Stufe anhand konkreter Ansatzkriterien, ob ihm der Eintritt in die bilanzielle Darstellung gestattet ist (CF 4.5).558 a) Assets (Vermögenswerte) Bemerkenswert ist die Blickrichtung, aus der assets betrachtet werden. Während im handelsrechtlichen Regime die wirtschaftliche Verwertbarkeit den Ausschlag für die Aktivierung gibt,559 erfasst das internationale Modell eine gleichsam standardisierte Erwartungshaltung des Bilanzierenden: Vermögenswert ist nach CF 4.4 (a) jene Ressource, „die aufgrund vergangener Ereignisse in der Verfügungsmacht des Unternehmens steht und von der erwartet wird, dass dem Unternehmen ein zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt“.560 Der Begriff des asset ist mithin weiter als der Begriff des Vermögensgegenstandes im Handelsbilanzrecht.561 Bei flüchtiger Hinsicht scheint auch diese Vorgabe noch einen Anknüpfungspunkt für die von Hefendehl herausgearbeitete Auffassung zu offenbaren, wonach die Durchsetzungsmöglichkeit der rechtlichen Befugnis ein entscheidender Anhaltspunkt des Vermögensbegriffs sei,562 denn auch im Rahmen der IAS / IFRS kommt es für den Ansatz darauf an, dass das Unternehmen Dritte von der Verwertung eines Gegenstandes ausschließen kann.563 Indes verfolgen die IAS / IFRS den 555  Die Ansatzvorgaben des „CF“ werden in IAS 1.15 aufgegriffen. Sie erlangen dadurch den Status eines vollwertigen Standards, vgl. Wawrzinek, in: Beck’sches IFRS-Hdb., § 2, Rdnr. 121. 556  Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S.  97 ff.; Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 191 ff. 557  Dies wird sich insbesondere auf assets und liabilities beziehen, weil das Eigenkapital (equity) lediglich eine Residualgröße der vorgenannten bildet, vgl. CF 4.4 (c). 558  Vgl. wiederum Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 191; Coenenberg/Haller/ Schultze, Jahresabschluss, S. 86 und 90 f.; anders scheinbar Wawrzinek, in: Beck’sches IFRS-Hdb., § 2, Rdnr. 120, relativierend jedoch in Rdnr. 122. 559  Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 109 und oben E.III.3.a). 560  Zitiert nach Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 192, die eine Aufzählungsform anstatt des Fließtextes gewählt haben; vgl. ferner Kleindiek, in: MünchKomm – Bilanzrecht, Einführung, Rdnr. 104. 561  Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 86. 562  Vgl. oben D.III.2.a). 563  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 192.



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS299

Grundsatz „substance over form“564 (CF 4.6), sodass in letzter Konsequenz nicht die rechtliche Fundierung der Verfügungsmacht ausschlaggebend ist (vgl. CF 4.12),565 und auf dieser Linie liegt es freilich, dass auch die physische Manifestation nicht zur Voraussetzung des asset erhoben wird (CF 4.11). Maßgeblich ist vielmehr eine Differenzierung danach, ob ein Nutzen (future economic benefit) aus der Verwertung des Gegenstandes gezogen werden kann,566 der im Zufluss von Zahlungsmitteln oder deren Äquivalenten (cash and cash equivalents) liegen mag (vgl. CF 4.8). Ein gewichtiger Anhaltspunkt für das Entstehen eines asset ist die Ausgabe (CF 4.14), denn die IAS / IFRS nehmen die Ausgabe als Indiz dafür, dass eine solche nur bei entsprechendem Nutzen getätigt werde.567 Die Indizwirkung kann aufgrund besonderer Umstände entkräftet werden: So nennt das Conceptual Framework etwa die schenkungsweise Zuwendung an das Unternehmen als Beispiel für das Entstehen eines asset ohne korrespondierende Ausgabe (CF 4.14). Zusammengefasst beschreiben assets somit werthaltige Nutzungsmöglichkeiten, die aus einer vergangenen Transaktion stammen und – ungeachtet ihrer rechtlichen Fundierung oder physischen Manifestation – aller Erwartung nach in einen Zufluss von Zahlungsmitteln oder entsprechenden Äquivalenten münden. b) Liabilities (Verpflichtungen) Das Rahmenkonzept beschreibt liabilities als gegenwärtige Verpflichtungen, die aufgrund vergangener Ereignisse568 in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehen und von deren Erfüllung ein Abfluss solcher Ressourcen erwartet wird, die einen wirtschaftlichen Nutzen verkörpern (CF. 4.4 [b], IAS 37.10). Auch für liabilites gilt, dass sie nicht schon mit der Erfüllung dieser Definition Eingang in die Bilanz finden, sondern erst nach Abgleich mit den konkreten Ansatzvorschriften (CF 4.5). Ebenso wie die handelsrechtlichen Schulden zu den Verbindlichkeiten in einem a maiore ad minus – Verhältnis stehen, weisen auch die internationalen Bilanzregeln einen umfassenden und einen konkreten Begriff der liabilities auf.569 Die 564  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 192; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 88. 565  „… item may nonetheless satisfy the definition of an asset even when there is no legal control.“, CF 4.12. 566  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 192. 567  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 192. 568  Dieser past event (vgl. IAS 37.10) wird als obligating event bezeichnet, sofern er zu einer gegenwärtigen Verpflichtung führt (IAS 37.17). 569  Vgl. dazu Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 88; Baetge/Thiele/ Kirsch, Bilanzen, S. 422.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

umfassendere Variante beschreibt im Wesentlichen die Passivseite der Bilanz und inkludiert daher auch die Rückstellungen.570 Hinter diesen Begriffsvarianten verbirgt sich im Grunde bereits die bedeutsame Frage danach, inwieweit sich Zeitpunkt und Höhe der zur Erfüllung der Verpflichtungen benötigten Ausgaben angeben lassen (vgl. auch IAS 37.11).571 Soweit Fälligkeit und Höhe einer Schuld lediglich ungewiss sind, befindet man sich im Bereich der provisions (Rückstellungen). Diese wurden unter den Vorgaben des § 249 HGB grundsätzlich als untaugliche Schadensindikatoren herausgestellt.572 Fraglich erscheint daher zunächst, ob man den unterschiedlichen Verbindlichkeitsbegriffen in HGB und IAS / IFRS einen Gewinn für die strafrechtliche Schadensberechnung abzugewinnen vermag. Aus dem Kreis der ansatzpflichtigen Schulden heraus fallen jedenfalls sog. contingent liabilities (IAS 37.13 [b] und IAS 37.27). Diese Eventualverbindlichkeiten sind einerseits nicht ansatzfähig, wenn sie eine Sachlage beschreiben, in der noch gar nicht klar ist, ob dem Unternehmen überhaupt Verbindlichkeiten erwachsen (IAS 37.13 [b] [i]). Andererseits kann sich ihre bilanzielle Redundanz daraus ergeben, dass ihnen kein wahrscheinlicher Abfluss wirtschaftlicher Ressourcen zugeordnet bzw. die Höhe einer derartigen Verpflichtung nicht hinreichend verlässlich eingeschätzt – und in strafrechtlichen Gefilden daher schon gar nicht beziffert – werden kann (IAS 37.13 [b] [ii]). Daraus lässt sich ableiten, dass die internationalen Regelungen eine mögliche Belastung des Unternehmens jedenfalls dann nicht für die Darstellung der tatsächlichen Unternehmenslage heranziehen, wenn ein Wertverlust nicht wahrscheinlich oder in der Höhe nicht hinreichend sicher anzugeben ist. c) Provisions (Rückstellungen) Obschon die Vermutung besteht, dass Rückstellungen auch unter der Ägide der IAS / IFRS keinen Fingerzeig auf schadensbegründende Momente geben, bedarf dieser Verdacht freilich der Überprüfung. Provisions sind Verpflichtungen, deren Fälligkeit oder Betrag ungewiss ist (IAS 37.10). Sie werden ansatzpflichtig, wenn sie sich als gegenwärtige Verpflichtungen darstellen, die auf einem vergangenen Ereignis beruhen, es wahrscheinlich zu einem Abfluss wirtschaftlich nutzbarer Ressourcen im Wege des Ver570  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 422; Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 99. 571  Ernst & Young, International GAAP, Kapitel 29, Abschnitt 2.2.2 (= S. 1693) bemängeln an dieser Feststellung, dass in der Praxis die Abgrenzung von Rückstellungen und anderen Schulden alles andere als trennscharf sei. 572  Vgl. dazu oben E.III.5.e).



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS301

bindlichkeitsausgleichs kommen wird und die Höhe der jeweiligen Verpflichtung zuverlässig geschätzt werden kann (IAS 37.14).573 Indes gelten diese Vorgaben nicht für alle erdenklichen Bilanzfälle, sondern nur dann, wenn nicht einer der in IAS 37.1 – 9 genannten Sachverhalte einschlägig ist. Ausgenommen sind insbesondere sog. financial instruments und schwebende Geschäftsvorfälle (executory contratcs), aus denen keine Verluste zu erwarten stehen (vgl. IAS 37.2 und 37.3). IAS 37 beschreibt zwei denkbare Konstellationen, in denen eine Passivierung als provision erforderlich werden kann. Zum einen wird unter der Bezeichnung der legal obligation (IAS 37.14 i. V. m. 37.10) der Fall angeführt, dass einem Unternehmen eine Verpflichtung aus Vertrag, Gesetz oder anderen gesetzlichen Auswirkungen erwächst. Zum anderen führt auch die faktische Verpflichtung (constructive obligation) zur Rückstellungsbildung, wenn das Unternehmen durch sein bisheriges Auftreten die gerechtfertigte Erwartung hervorgerufen hat, dass es gewisse Verpflichtungen übernehmen werde (IAS 37.14 i. V. m. 37.10). Sollte nicht sicher sein, ob bereits eine gegenwärtige Verpflichtung besteht, so darf der Ansatz nach IAS 37.16 und 37.23 bereits dann erfolgen, wenn mehr Gründe für ein Bestehen der Verpflichtung als dagegen sprechen (more likely than not).574 Der Darstellungsumfang der IAS / IFRS wird  – parallel zu § 249 HGB  – durch IAS 37 auf schwebende Verträge erweitert, aus denen der Erwartung nach ein Verlust erzielt werden wird: Für sog. onerous contracts (belastende Verträge), bei denen die unvermeidbaren Kosten zur Vertragserfüllung höher ausfallen als der erwartete Nutzen (IAS 37.10), gebietet IAS 37.66 den Ansatz der vertraglichen Verpflichtung in Form einer Rückstellung. Ebenso werden geplante Restrukturierungsmaßnahmen575 als Rückstellungen verbucht (IAS 37.70). Die Parallelität dieser Vorschriften und der handelsrechtlichen Rückstellungsbilanzierung wird erneut daran deutlich, dass im Rahmen des IAS 37.69 die Abschreibung (impairment) bei belastenden Verträgen den Vorrang genießt.576 Weil Rückstellungen selten mit Sicherheit beziffert werden können, verfolgt IAS 37.36 den sog. best estimate-Ansatz.577 Danach wird der erfor573  Schubert, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 249 HGB, Rdnr. 334; Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 440 ff. 574  Vgl. auch Schubert, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, §  249 HGB, Rdnr. 336. 575  Darunter werden solche Maßnahmen verstanden, die vom Management konzipiert und kontrolliert werden und entweder das von dem Unternehmen bestellte Geschäftsfeld oder die Art und Weise wesentlich verändern, in der das Geschäft geführt wird (IAS 37.10). 576  Vgl. Schubert, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 249 HGB, Rdnr. 338. 577  Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 444.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

derliche Betrag, der vernünftigerweise für die Erfüllung der Verpflichtung oder für ihre Übertragung auf einen Dritten aufgebracht werden müsste, in Ansatz gebracht (IAS 37.37). Das IASB stellt selbst fest, dass die Bewertungen der Rückstellungen mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet sind (IAS 37.42). Sie sind Ausdruck der in der sog. „Neuen Institutionenökonomik“ hervortretenden Erkenntnis, dass in unternehmerischen Entscheidungen Unsicherheiten vorprogrammiert, ihre Effekte daher einzurechnen sind.578 Diese sollen daher bei der Bewertung berücksichtigt werden. Im Gegensatz zum Handelsrecht nimmt IAS 37 jedoch keine „vorsichtige“ Position ein, sondern untersagt sowohl die übereifrige Rückstellungsbildung als auch die Überbewertung der Rückstellungen (IAS 37.43). Stattdessen werden alle vergangenen und künftigen Umstände einbezogen, letztere jedoch nur dann, wenn es hinreichend objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese auch eintreten werden (IAS 37.48). An dieser Schnittstelle wird man das Bezifferungsgebot ansetzen können und damit lediglich solche Wertangaben für tauglich erachten, die auf hinreichend sicherer – mithin dem wissenschaftlichen Erkenntnisvermögen genügender – Grundlage eruiert worden sind. d) Fazit der Betrachtung Auch im internationalen Bilanzregime sind keine Konkretisierungen des Vermögenswertabflusses anhand von Rückstellungen zu erwarten. Stattdessen bilden diese entweder unsichere Verbindlichkeiten ab oder – in der Nomenklatur der dynamischen Bilanzlehren – eine Antizipation von Aufwand, der erst in späteren Perioden zur Ausgabe führen kann579. Deshalb kann man festhalten, dass sich Rückstellungen grundsätzlich unter keinem der möglichen Gesichtspunkte zur Anzeige eines Vermögensschadens eignen. Unter pagatorischen Vorzeichen – und entgegen der Heranziehung der Rückstellungen nach § 249 HGB in der derzeitigen strafrechtlichen Literatur –580 kommt es allein auf den Ansatz eines Abgrenzungspostens im Zeitpunkt des zu untersuchenden Ereignisses (etwa ein Vertragsschluss oder eine Übergabehandlung) an, der einen Minderwert des von dem Vermögens­ träger erwarteten Zahlungszuflusses ausweist.

578  Vgl. dazu allgemein Siebler, Internationalisierung der Rechnungslegung, S.  84 ff. 579  Vgl. auch Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 439. 580  Vgl. hierzu bereits oben E.III.5.b).



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS303

e) Reimbursements (Erstattungen und Bereithalten von Mitteln durch den Täter) An dieser Stelle ist der bilanziellen Betrachtung ein kurzer Einhalt zu gebieten und ein Thema aufzugreifen, das derzeit in der vermögensstrafrecht­ lichen Diskussion besondere Aufmerksamkeit erfährt: IAS 37 gebietet nicht nur unter den bereits dargestellten Voraussetzungen den Ansatz von Rückstellungen, sondern schreibt auch die Berücksichtigung gewisser erwarteter Mittelzuflüsse vor. Anhand dieser sog. reimbursements (Erstattungen) ist der Frage nachzuspüren, ob man eine mit der Verfügung koinzidierende Erstattungsbereitschaft und -möglichkeit des Täters in die bilanzielle Schadensberechnung einzurechnen hat. Während sich im Rahmen des Untreuetatbestandes bereits die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass der Vermögensschaden dann zu verneinen ist, wenn der Täter jederzeit in der Lage und willens ist, die veruntreuten Vermögenswerte durch von ihm vorgehaltene Mittel auszu­ gleichen,581 gilt dies für den Betrugstatbestand bei weitem nicht. Was für den § 266 StGB mittlerweile jedenfalls in der Grundlinie582 schon als Allgemeinplatz signiert, bedarf in der Betrugsdogmatik deshalb noch der Anschubhilfe. Man kann dieses Problem einerseits zunächst rein strafrechtlich lösen. Nach der Argumentation Saligers etwa handelt es sich bei den entsprechenden Konstellationen sub specie § 266 StGB um einen – freilich de lege lata nicht strafbaren – untauglichen Untreueversuch, weil der Vermögensbetreuungspflichtige den effektiven Vermögensminderwert nicht herbeiführen könne.583 Indes eignet sich diese Erklärung konsequenterweise nur dazu, im Umkehrschluss den ausgleichsbereiten „Betrüger“ der Strafbarkeit gemäß §§ 263 Abs. 2, 22 StGB anheim zu stellen, denn im Anwendungsbereich des Betrugstatbestandes ist der untaugliche Versuch freilich strafbar. 581  Vgl. BGHSt 15, 342 (343  f.); NStZ 1995, 233 (234); NStZ-RR 2004, 54; grundsätzlich auch BVerfGE 126, 170 (217); ferner die ausführliche Darstellung bei Wittig, in. Festschr. f. Imme Roxin, 2012, S. 375 ff. 582  Im Fall der „Schwarzen-Kassen“ weigerte sich der BGH bekanntlich, bereitgehaltene Mittel als relevant anzusehen, weil in schwarzen Kassen gehaltene Gelder nicht mit der Bereitstellung eigener Mittel durch den Täter vergleichbar seien, vgl. BGHSt 52, 323 (338) – diese würden vielmehr dem Vermögensträger schon mit Bildung der „schwarzen Kasse“ entzogen, vgl. BGHSt 55, 266 (284). Die Argumentation des Senats überzeugt jedenfalls unter der Prämisse, dass „eigene Mittel“ bereitzuhalten seien (so auch Wittig, in. Festschr. f. Imme Roxin, 2012, S. 375 [387]), doch sie ist freilich redundant, weil schon gar kein Vermögensschaden in diesem Fall angenommen werden kann: Der Umstand, dass der Arbeitgeber ob der schwarzen Kassen unkenntlich war, ändert nichts daran, dass diese Werte immer noch zu seinem Vermögen zählten (gleiches gilt für den Fall, dass Drittmittel auf einem privaten Konto bereitgehalten werden, vgl. dazu – mit gegenteiliger Ansicht – BGH, NStZ-RR 2011, 82 [83]). 583  Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 424 f.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

Anders könnte geurteilt werden, wenn man sich die bilanzielle Abbildung von Erstattungen aus IAS 37 näher vor Augen führt. IAS 37.53 ordnet unter dem Stichwort der reimbursements den Ansatz eines separaten Vermögenswerts an (IAS 37.53, S. 2), wenn es geradezu sicher ist, dass die notwendigen Ausgaben zur Erfüllung einer mit Rückstellungen bedachten Verbindlichkeit ganz oder in Teilen von anderen erstattet werden, sobald das Unternehmen die Verbindlichkeit auslöst oder überträgt. Der Unterschied zu einer strafrechtlichen Vorgehensweise liegt mithin darin, dass der Ansatz eines separaten Vermögenswerts vorgegeben wird, sofern eine handfeste Erstattungsmöglichkeit in Sichtweite rangiert. Anders gewendet kann man der in Aussicht stehenden Erstattung einen Vermögenswert zuordnen, soweit sie unter den Kriterien584 der Handlungseinheit und Wechselbezüglichkeit in die Schadensrechnung einzustellen ist. Diese Vorgehensweise deckt sich auch mit den Erkenntnissen aus der pagatorischen Bilanzlehre, wonach Rechnungsabgrenzungsposten zur Kennzeichnung des Ausfallrisikos dienen können.585 Einige Beispiele: Der Kreditnehmer täuscht über seine Zahlungsbereitschaft und erhält einen Kredit. Vorsichtshalber hat er sich von einem Verwandten, der nur im Notfall einspringen möchte, den Kreditbetrag auf einem Anderkonto bereitstellen lassen, um der Bank bei Bedarf Ausgleich leisten zu können; der Verkäufer eines Wagens täuscht über die Unfallfreiheit des gebrauchten KFZ, weil er den versprochenen unfallfreien Wagen erst in einem Monat übergeben kann. Zu gegebener Zeit will er gegen Rücknahme des Unfallwagens ein – dem Kaufpreis entsprechendes – in Lieferung befindliches, unfallfreies KFZ übereignen. In diesen Fällen erschleicht sich folglich der windige Kreditnehmer oder Autoverkäufer einen wirtschaft­ lichen Vorteil – letzterer vielleicht deswegen, weil der Kunde ansonsten bei einem anderen Händler kaufen würde –, den er jedoch auszugleichen bereit und in der Lage ist. IAS 37.53 reiht die als reimbursements bezeichneten Erstattungs- und Rückgriffsmöglichkeiten in die Reihen der assets ein und wertet sie mithin als separate Vermögensgegenstände. Man kann daher in der Schadensbilanz direkt einen Aktivposten einsetzen und anhand der Eigenkapitalseite den ausbleibenden Schaden ablesen. Im Kreditfall wäre daher ein Vermögenswert in Höhe der Ausgleichssumme einzustellen; im KFZ-Fall der Wert des eigentlich zu liefernden Wagens. Indes sprechen Erwägungen aus der pagatorischen Bilanzlehre und auch der Regelungszusammenhang aus IAS 37.53 ff. dafür, an dieser Stelle nur einen Abgrenzungsposten anzuset584  Zu

diesen Kriterien vgl. oben C.IV.2.c). dazu oben E.VII.4.

585  Vgl.



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS305

zen: Zum einen erfasst der Abgrenzungsposten erwartete Zahlungsströme, die in wirtschaftlicher Hinsicht zu einem gewissen Zeitpunkt wieder in das Vermögen des präsumtiv Geschädigten zurückfließen sollen. Auf gleiche Weise verkörpert jedoch auch das reimbursement eine erwartete Zahlung, weil weder die Summe auf dem Anderkonto noch das zu liefernde KFZ in den Besitz der Bank resp. des Käufers gelangt sind. Daher ist das reimbursement faktisch als erwartete Zahlung zu verstehen. Zum anderen gibt IAS 37.53 vor, dass der für ein reimbursement anzusetzende Wert nicht über den Rückstellungsbetrag hinausgehen darf, der für jenes Ereignis angesetzt wird, das die Erstattungspflicht oder -möglichkeit erst ausgelöst hat.586 Im Kreditfall geht das reimbursement daher nicht über die ausgekehrte Kreditsumme hinaus, im KFZ-Fall nicht über den Wert des eigentlich zu liefernden Wagens. Dieser Umstand weist deutlich darauf hin, dass reimbursements immer auf ein die Erstattung auslösendes Ereignis bezogene, erwartete Wertzuflüsse darstellen. Deshalb ist in der bilanziellen Schadensrechnung unter wirtschaftlichen Vorzeichen ein Abgrenzungsposten und kein Aktivposten in Höhe der zum Ausgleich bereitgehaltenen Werte anzusetzen. Bilanziell setzt man zur Schadensberechnung also zunächst eine Rückstellung für zu erwartende Verluste aus der Vertragsbeziehung und sodann einen anhand der erwarteten „Erstattung“ bezifferten Abgrenzungsposten an, der im Fall des schädigenden Vertragsschlusses entweder das Ausfallrisiko des Kreditnehmers (wegen der bereitgehaltenen Ausgleichsmittel auf dem Anderkonto = 0) bzw. den erwarteten Mittelzufluss in Gestalt des höherwertigen KFZ als reimbursement an. Danach ergibt sich im ersten Fall, dass der Kreditgeber nicht geschädigt ist – dies zeigt der „pagatorische“ Abgrenzungsposten deutlich an.587 Im zweiten Fall kompensiert der sicher erwartete Mittelzufluss in Gestalt des versprochenen KFZ lediglich den gezahlten Kaufpreis, nicht aber mögliche Nachteile, die der Käufer dadurch erleidet, dass er bis zum Erhalt des versprochenen Wagens mit einem minderwertigen Exemplar unterwegs ist. Soweit man diese beziffern kann, wirken sie sich auf die Höhe des mit dem zunächst übergebenen KFZ transferierten Vermögenswerts aus und werden sodann nur anteilig durch den Abgrenzungsposten kompensiert. Die Vermögenslage nach der Verfügung stellt sich in den Beispielsfällen sodann wie folgt dar: 586  Vgl. hierzu etwa Senger/Brune, in: MünchKomm – Bilanzrecht, IAS 37, Rdnrn.  76 ff. 587  Auch die wirtschaftliche Wechselbezüglichkeit ist hier gewahrt, weil die Bereitstellung der Gelder auf dem Anderkonto nicht allein deshalb anders als die Bestellung einer Sicherheit gewertet werden kann, weil die Bank davon keine Kenntnis hat.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

Fall

Aktiva

Passiva

Rechnungsabgrenzung (inkl. reimbursement)

Schaden des Kreditgebers?

Rückzahlungs­ anspruch gegen den Kredit­ nehmer: € 100.000,–

Bspw.: Vermindertes Eigenkapital um den ausgekehrten Kreditbetrag: € 100.000,–

Ausfallrisiko wegen sicherer Erstattungs­ möglichkeit: 0

Unfallwagen: € 10.000,–

Kaufpreis: € 20.000,–

Schaden des Autokäufers?

(möglicherweise: Einbuße aufgrund Nutzung des Unfallwagens: € 1000,–)

= kein Schaden Zu erwartender Mittelzufluss: € 20.000,– ­gegen Rückgabe des Unfallwagens (€ 10.000,–) = kein Schaden (bzw. möglicherweise ein Schaden von € 1000,–)

f) Fazit zu den Rückstellungen Im Ergebnis bestätigt sich der Befund, dass auch die Rückstellungen im internationalen Bilanzumfeld keinen zuverlässigen Anhaltspunkt für eine Vermögenswertbeeinträchtigung zu liefern vermögen. Es gelten mithin die zu § 249 HGB vorgetragenen Bedenken auch für die IAS / IFRS. Die bilanzielle Behandlung der Erstattungsbereitschaft (reimbursements nach IAS 37.53) als erwartungsgerecht zufließender Vermögenswert, der als Abgrenzungsposten dient, erscheint im Rahmen der strafrechtlichen Schadensberechnung jedoch als brauchbar. g) Die Ansatzkriterien im engeren Sinne Sofern ein Posten die Kriterien des Vermögensgegenstands oder der Schuld erfüllt, entscheidet sich die konkrete Ansatzfähigkeit nach CF 4.38 daran, ob zu erwarten steht, dass ein dem Posten zuzuordnender künftiger wirtschaftlicher Nutzen zu- oder abfließen wird und der Wert des Gegenstands verlässlich zu ermitteln ist. Die Zuordnung künftigen Nutzens entspricht dem bereits in der Auseinandersetzung der Handelsbilanz identifizierten Blickwinkel auf das zukünftige Potenzial des Vermögens.588 Ferner öffnet die Maßgabe einer verlässlichen Wertermittlung das Einfallstor für 588  Vgl.

oben E.III.3.



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS307

das Bezifferbarkeitserfordernis. An diesem Punkt kann mithin eine Stellschraube gesetzt werden, um die Tauglichkeit der IAS / IFRS zur Schadensberechnung zu erhalten. 5. Die Bewertung nach IAS / IFRS Im Gegensatz zur handelsrechtlichen Konzeption verfügen die IAS / IFRS über kein einheitliches System der Bewertung.589 Daher verwundert es nicht, dass sowohl bei der Zugangs- als auch bei der Folgebewertung verschiedene Möglichkeiten in Betracht kommen, Werte und Wertentwicklungen im Vermögen abzubilden. Ungeachtet einiger Ausnahmen stellt sich die Bewertung nach IAS / IFRS im Grunde wie folgt dar: Im Rahmen der Zugangsbewertung stehen im Prinzip die Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie der Zeitwert zur Verfügung.590 Bei der Folgebewertung kann der Bilanzierende die Anschaffungs- und Herstellungskosten fortführen oder eine Neubewertung zum Zeitwert vornehmen.591 Es erscheint vor diesem Hintergrund nicht erforderlich, an dieser Stelle in umfangreiche Darlegungen der Bewertungssystematiken einzusteigen, weil der Zeitwert als Transaktionswert bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem HGB als zutreffender Ansatz für die Vermögensschadensberechnung identifiziert wurde.592 Von Interesse ist vielmehr, inwieweit die internationalen Regelungen dem Transaktionswertgedanken Rechnung tragen. Vor diesem Hintergrund sind zunächst die den internationalen Rahmen prägende sog. fair value – Bewertung nach IFRS 13 (sub a) und das impairment nach IAS 36 (sub c) in den Blick zu nehmen. Vorwegzunehmen ist ferner, dass die Bewertungsregeln des IASB durchaus auch Schätzungen zulassen (vgl. etwa CF 4.41). Diese Schätzungen stoßen zwar auf Grenzen, wenn sie das Kriterium der Verlässlichkeit (reliability) nicht erfüllen (CF. 4.41). Aber dieser bilanziellen Möglichkeit ist gleichwohl die Gefolgschaft zu versagen, weil insoweit für das Strafrecht das Bezifferungsgebot den Ausschlag gibt. Es interessieren daher in erster Linie die Bewertungsmodi.

589  Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S.  227; Siebler, Internationalisierung der Rechnungslegung, S. 251. 590  Ausführlich dazu Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 232 ff. 591  Überblick etwa bei Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 239. 592  Vgl. oben E.IV.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

a) Die fair value-Bewertung (IFRS 13) Der fair value593 bildet den wohl prominentesten Bestandteil der internationalen Rechnungslegungsstandards. Ihm ist mit IFRS 13 seit Mai 2011594 ein eigener Standard gewidmet und zahlreiche Regelwerke des IASB nehmen darauf Bezug.595 Der fair value kann nicht nur zum Ausweis einer Wertminderung herangezogen werden, sondern er ist vielmehr die Grundlage einer Neubewertung des entsprechenden Postens.596 IFRS 13.2 charakterisiert diesen Wert als market based measurement. Dahinter verbirgt sich das Anliegen, jenen Preis zu ermitteln, der in einer ordnungsgemäßen Transaktion zwischen Marktteilnehmern am Stichtag unter den jeweiligen Marktbedingungen für den Verkauf eines asset oder die Übernahme von liabilities erzielt würde (IFRS 13.9).597 Diese Transaktion wird entweder auf dem Hauptmarkt (principal market)598 abgehalten oder, sofern dieser nicht besteht, auf jenem Markt, der für den jeweiligen Gegenstand am vorteilhaftesten599 ist (IFRS 13.16).600 Diese Graduierung ist von Bedeutung, weil der Standard den Preis des Hauptmarktes selbst dann zugrunde legt, wenn auf einem anderen Markt ein potenziell vorteilhafterer Preis zu erzielen wäre (IFRS 13.18). Sofern kein Markt für den in Rede stehenden Vermögensgegenstand oder die Schuld aufgetan werden kann, ist eine Transaktion zu fingieren (IFRS 13.21). 593  Er wird häufig mit dem Begriff des „Zeitwertes“ übersetzt, vgl. etwa Baetge/ Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 228. 594  Zur Bemessung des fair value vor Mai 2011 vgl. Reinke, Impairment Test, S.  37 ff. 595  Eine aktuelle Übersicht dazu findet sich etwa bei Zwirner/Boecker, IRZ 2014, 7 (8). 596  Vgl. Siebler, Internationalisierung der Rechnungslegung, S. 256. 597  Vgl. Expertengruppe Immobilienbewertung und -rechnungslegung, Der Schweizer Treuhänder 2012, 938 (939); Zwirner/Boecker, IRZ 2014, 7 (8). Krit. zur vollständigen Realisierbarkeit dieses Ansatzes Siebler, Internationalisierung der Rechnungslegung, S.  276 ff. 598  Dies ist jener Markt, der die größten Transaktionsvolumina und Handelsaktivitäten aufweist, vgl. IFRS 13, Appendix A; vgl. auch Zwirner/Boecker, IRZ 2014, 7 (8). 599  Diese Vokabel beschreibt jenen Markt, auf dem assets zu höchstmöglichen Preisen erworben und liabilities zu niedrigstmöglichen Kosten abgestoßen werden können. Dabei sind Transport- und Transaktionskosten zu berücksichtigen, vgl. IFRS 13, Appendix A. Letztere werden freilich nur dann in den fair value eingerechnet, wenn sie als Charakteristik des Gegenstands oder der Schuld gelten (vgl. IFRS 13.25 f.). 600  Als Primärmarkt wird jener Markt angesehen, auf dem das Unternehmen normalerweise den entsprechenden Gegenstand oder die Schuld offerieren würde, vgl. IFRS 13.17.



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS309

Die Bewertung der assets und liabilities orientiert sich zudem an den Charakteristiken, die dem jeweiligen Posten eigen sind, sofern die Marktteilnehmer diese in Betracht ziehen, um ihn am Stichtag mit einem Preis zu versehen (IFRS 13.11). Dazu zählen insbesondere der Zustand und der Standort der assets und bestehende Nutzungs- oder Verkaufsbeschränkungen aller Posten (IFRS 13.11 [a, b]). Es ist wichtig zu bemerken, dass diese Vorgaben jedoch nur dann Gültigkeit haben, wenn sie aus einer objektivierten Perspektive als „Charakteristik“ des betreffenden Postens angesehen werden können. Daraus erschließt sich die Vorgabe, wonach der Einfluss solcher Charakteristika davon abhänge, wie sie von den Marktteilnehmern berücksichtigt würden (IFRS 13.12). Praktisch bedeutet der Rückgriff auf die marktgängigen Eigenschaften, dass der ermittelte Marktwert anhand der relevanten Charakteristiken eines Gegenstandes gegebenenfalls noch einmal justiert wird.601 Herauszustellen ist zudem, dass die fair value – Konzeption auch Wertsteigerungen über den Buchwert hinaus zulässt. Diese gehen zwar nicht durchweg in das Unternehmensergebnis ein,602 doch wird jedenfalls deutlich, dass Fragen des Kapitalausweises nicht auf dem Rücken der Bewertung ausgetragen werden. Aus diesen Vorgaben lassen sich drei entscheidende Wegmarken herausdestillieren: Der Wert eines Postens hängt nach der fair value – Konzeption erstens davon ab, auf welchem Markt er veräußert wird; zweitens davon, welche Charakteristika er aufweist, und er ist – drittens – abhängig von der (objektivierten) Betrachtung der Marktteilnehmer. Durch den Rekurs auf die spezifischen Charakteristika eines Vermögensgegenstandes verknüpft die fair value – Bewertung die Marktgängigkeit des individuellen Gegenstandes mit seiner Werthaltigkeit. Aus diesem Grund eröffnet der fair value entgegen den eingangs vorgetragenen Überlegungen zum wirtschaftlichen Wertmaß nach Transaktionsgesichtspunkten603 keine Gelegenheit, einen Vermögensgegenstand unabhängig von seiner individuellen Marktgängigkeit zu bewerten, sodass man diese in die Bewertung zusätzlich wird einbeziehen müssen. Im Unterschied zu der grundsätzlich nicht weiter erheblichen Provenienz eines Vermögensgegenstandes hängt die Bewertung nach fair value gleichwohl davon ab, ob man den entsprechenden Gegenstand überhaupt als verkehrsfähig bezeichnen kann. Betäubungsmittel, Medikamente und alle weiteren Güter, die nur eingeschränkt oder jedenfalls reguliert vermarktet werden, sind mithin anhand ihrer generellen Verkehrsfähigkeit zu beurteilen. Man wird an dieser Stelle einwenden, dass trotz der möglichen Vorzüge des fair value seit dem BilMoG 2009 der handelsrechtliche Begriff des 601  Ernst

& Young, International GAAP, Kapitel 16, Abschnitt 5.2.1 (= S. 1004). bei Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 311 ff. 603  Vgl. oben E.IV. 602  Überblick

310

E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

„beizulegenden Zeitwerts“ mit dem fair value mehr oder minder über­ einstimme,604 sodass die Ablehnung dieses Wertes im Rahmen des Handelsrechts und der Zuspruch zur internationalen Konzeption widersprüchlich sei. Indes verfängt dieser Einwand nicht, denn im handelsbilanziellen Abschnitt wurde nicht der beizulegende Zeitwert an sich, sondern das Niederstwertprinzip untersucht und dieses regelt in seiner Gesamtheit einen ausgesucht vorsichtigen Bewertungsansatz. Die Betrachtung des fair value – Konzeptes offenbart hingegen einen marktnahen Wertansatz, der im Wege der Neubewertung auch Wertsteigerungen erfasst und nicht an Kapitalschutzerwägungen gebunden ist. Deshalb spricht eine Vermutung dafür, dass der Ansatz des fair value im Rahmen der IFRS dem Transaktionsgedanken entspricht und auch alle weiteren mit der fair value – Bewertung verknüpften Bilanz­ aspekte ebenfalls diesem Urteil unterliegen. b) Anknüpfung an „reale“ Transaktionssachverhalte Der fair value ist also bislang der aussichtsreichste Kandidat für die Wertmessung in der bilanziellen Schadensrechnung. Der bisherige Befund zur fair value – Bewertung zeigt gleichwohl, dass auch diese Methode gewissen Wertungen – etwa der Zuschreibung von Eigenschaften nach Marktsicht – verhaftet ist, und damit relativiert sie sich prima facie für die strafrechtliche Schadensberechnung. Das Verdikt der Untauglichkeit vermag jedoch nur dann gefällt zu werden, wenn sich herausstellt, dass hinter diesen Wertungen keine Anknüpfung an reale marktwirtschaftliche Sachverhalte steckt. In diesem Zusammenhang bedarf weiterer Klärung, was mit der Formulierung „reale marktwirtschaftliche Sachverhalte“ gemeint ist. Es geht an dieser Stelle um eine bedeutsame Nahtstelle zwischen Strafrecht und Ökonomie, und die Bedeutung dieser Klausel kann man sich am besten anhand eines Beispiels verdeutlichen:605 Als der britische Abgeordnete und Brauereibesitzer Henry Thrale Ende des 18. Jahrhunderts verstarb, leistete ihm ein Freund einen Dienst, indem er die Veräußerung seines Besitzes besorgte. Es handelte sich um den berühmten Lexikographen Dr. Samuel Johnson, der auf die Frage, was die Vermögensgegenstände des Verstorbenen denn wert seien, zu antworten gewusst haben soll: „We are not here to sell a parcel of boilers and vats, but the potentiality of growing rich beyond the dreams of avarice.“606 Man kann diesen Satz, dazu etwa Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 103 ff. treffend hat Seiler, Unternehmensbewertung, S. 167 dieses bereits für seine, dem hiesigen Kontext ähnlichen Überlegungen zur „Marktmeinung“ im Umfeld von M&A bemüht. 606  Zitiert nach Boswell, The Life of Samuel Johnson, S. 500, li. Spalte. 604  Vgl.

605  Ganz



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS311

insbesondere den letzten Halbsatz607 – der bekanntlich aus dem Munde der Mrs Beverley in Edward Moore’s Trauerspiel608 mit dem Titel „The Gamester“609 stammt – als Hinweis darauf verstehen, dass Vermögensgegenstände in den Augen des Marktes angesichts ihrer Verwertungschancen mehr wert sein können, als ihnen das Individuum an Materialwert zugestehen würde.610 Mit dieser Feststellung macht man einerseits – wenn auch entfernte – Anleihen bei dem Problem emergenter Systeme, die sich dadurch auszeichnen, dass ihre Charaktereigenschaften nicht gänzlich anhand ihrer Bestandteile auf den Begriff zu bringen sind.611 Andererseits wird deutlich, dass es in Marktsituationen Bewertungslagen gibt, die sich ebenfalls einer reduktionistischen Bemühung versperren und vielmehr als „objektiv“ insoweit gelten, als sie eine allgemein anerkannte Wertbeimessung repräsentieren.612 Während die Projektion individueller Erwartungen auf einen Gegenstand regelmäßig außerhalb des strafrechtlichen Vermögenswertmaßes liegen muss, gilt dies für Markterwartungen gerade nicht, denn hier manifestiert sich ein elementarer Umstand marktorientierter Preisbildung. Genau dieses Phänomen ist in Bezug genommen, wenn Strafrecht und Marktwirtschaft aufeinandertreffen. Anders formuliert: Weil der Marktpreis die „letztgültige Fiktion“ objektiv bewerteter Charaktereigenschaften beschreibt, muss die marktgängige Bewertung auch als „realer Sachverhalt“ anerkannt werden. Auf diesen Realitätsanspruch konnte Samuel Johnson verweisen, als er kurzzeitig im Wege der Allusion in die Rolle der Mrs Beverley schlüpfte. Übertragen auf die hiesige Fragestellung bedeutet diese Grundlegung, dass die fair value-Bewertung dann reüssiert, wenn ihre Elemente wenigstens auf 607  Dieser ist im Grunde kaum zu übersetzen, weil er fester Bestandteil englischer Metaphorik ist, vgl. die Bedeutungen bei Partridge, Dictionary of Chlichés, S. 368. Er bedeutet wörtlich (cave!) etwa: „… reich werden über die Träume der Habgier hinaus“ (vgl. auch die Übersetzung bei Seiler, Unternehmensbewertung, S. 167). 608  Im Englischen lautet der Begriff freilich tragedy. Die Bezeichnung als Trauerspiel ist übernommen aus Greiner, in: Jekutsch/Paul/Schultze/Turk, Komödie und Tragödie, S. 303 (insb. S. 305, ansonsten et passim). 609  Es gibt bspw. eine dt. Fassung von Johann Heinrich Steffens mit dem Titel „Beverley oder: Der Spieler“ von 1755. 610  So etwa die Deutung bei Seiler, Unternehmensbewertung, S. 167. 611  Vgl. dazu Greve/Schnabel, in: dies., Emergenz, 2011, S. 9 ff. 612  Zur Unabhängigkeit des Marktpreises von individuellen Wertschätzungen und Zwecksetzungen vgl. Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 126, wobei ders., in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 158a andererseits unzutreffend davon ausgeht, die Erwartungshaltung des Marktes könne normativ eingerahmt werden; auch Bittmann, wistra 2013, 449 (450 f.) versagt dem Marktpreis den Einzug in den Kreis „wirklich objektiver“ Wertmaßstäbe, ohne dass er sich der Frage stellt, ob nicht letztlich jede Objektivität nur eine nach gewissen Standards ausgewählte Ansammlung von Meinungen ist.

312

E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

marktgängige Wertungen rekurrieren und insoweit an „reale Sachverhalte“ anknüpfen. Dies ist in Bezug auf das Kriterium der Marktabhängigkeit (Hauptmarkt, vorteilhaftester Markt und zu gleichen Bedingungen fingierte Transaktion) unzweifelhaft der Fall, denn die IFRS 13 verlangen unter anderem, dass das bilanzierende Unternehmen am Stichtag Zugang zum entsprechenden Markt habe (IFRS 13.19). Dieser Befund wird untermauert durch den Umstand, wonach der anzusetzende Markt nicht aus der auktorialen Erzählperspektive begutachtet wird, sondern aus dem Blickwinkel des bilanzierenden Unternehmens zu wählen ist (IFRS 13.19). Damit ist der Bezug zur tatsächlichen Marktaktivität des Unternehmens – folglich auch jener seiner Bilanzposten – gewährleistet.613 Auch die marktgängigen Charakteristika verweisen auf objektivierte Markteinschätzungen, sodass sie ebenfalls in den Stand „wirtschaftlicher“ Annahmen einziehen. Mit anderen Worten: Die fair value – Bewertung scheidet als strafrechtliches Vermögenswertmaß nicht etwa deshalb aus, weil sie an wirtschaftlichem Realitätsverlust litte. Zuweilen wird gleichwohl bezweifelt, dass die fair value – Bilanzierung in allen Fällen realisierbar sei; insbesondere in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird der Vorwurf erhoben, ein fehlender Markt hindere die Bemessung dieses Wertes.614 Dies mag für bilanzielle Fragestellungen misslich sein. Im strafrechtlichen Kontext generiert sich aus dieser Feststellung hingegen ein bedeutsamer Fingerzeig. Er verweist darauf, dass die Unmöglichkeit der Wertbemessung nach dem Bezifferungsgebot zur Unmöglichkeit der Schadensberechnung führt, und deshalb legt die Grenze der fair value – Bewertung grundsätzlich auch die Grenzen der Strafbarkeit nach § 263 StGB fest. c) Die Bilanzierung von Wertminderungen (impairment) nach IAS 36 Nachdem der fair value als zu präferierender Bewertungsmaßstab in der pagatorischen Schadensbilanz identifiziert worden ist, stellt sich die Frage, wie im Rahmen der Folgebewertung der Ausweis von Wertminderungen erfolgt. IAS 36 stellt hierfür das sog. impairment – Verfahren bereit. Dieser Standard regelt den bilanziellen Ausweis gewisser außerplanmäßiger Wertminderungen (impairment). Sie sind im Rahmen einer bilanziellen Schadensberechnung von besonderem Interesse und könnten im Gegensatz zu planmäßigen Abschreibungen auf das Verhalten des Täters zurückzuführende Wertminderungen abbilden. Vom Anwendungsbereich des IAS 36 wiede613  Zu unterschiedlichen Ausprägungen der Bewertung nach fair value vgl. Wächter/Christ/Jureit, KoR 2012, 545 (546). 614  Die Kritik stellt Siebler, Internationalisierung der Rechnungslegung, S. 276 ff. ausführlich dar.



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS313

rum ausgenommen sind nach IAS 36.2–5 eine Reihe von Posten, die in gesonderten Standards Berücksichtigung finden. In der Grundlinie zielt IAS 36 jedenfalls darauf ab, die Vermögenswerte stets mit dem erzielbaren Betrag (recoverable amount) zu bewerten (IAS 36.1). Auslöser einer Wertminderung ist die Differenz zwischen Buchwert und erzielbarem Betrag (IAS 36.8).615 Der Standard nennt zahlreiche Anhaltspunkte, die auf eine Wertminderung hindeuten können (vgl. IAS 36.12), wobei dieser Katalog jedoch nicht abschließend ist (IAS 36.13). Man wird erkennen müssen, dass viele dieser Wegmarken allein nur wenig darüber auszusagen vermögen, wie man den betreffenden Gegenstand innerhalb einer Schadensrechnung behandeln sollte. Gleichwohl könnten diese Indikatoren im Verbund jedenfalls einen Fingerzeig dafür liefern, dass ein Minderwert erzielt wird. Sie betreffen – zusammengefasst – entweder den Umstand, dass sich das Marktumfeld geändert hat (vgl. IAS 36.12 [a]–[d]), die Art und Weise der Nutzung des Vermögensgegenstandes sich verändert (IAS 36.12 [e]–[g]) oder durch den Einsatz des Vermögensgegenstands ein geringerer Erfolg erzielt wird als ursprünglich geplant (IAS 36.14 [a]–[d]).616 Bei Anzeichen für eine Wertminderung erfolgt der Abgleich des Buchwertes mit dem recoverable amount (vgl. IAS 36.8).617 Dieser ist definiert als der höhere Wert im Vergleich von fair value (abzüglich der Verkaufskosten)618 und value in use (Nutzungswert), vgl. IAS 36.6 i. V. m. 36.18.619 Soweit der recoverable amount den Buchwert unterschreitet, ist der Buchwert um den Differenzbetrag zu verringern (IAS 36. 59).620 Zunächst ist der Hinweis darauf relevant, dass der Standard gleichermaßen dem fair value wie dem Nutzungswert Relevanz zumisst, soweit es um 615  Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn,

Internationale Rechnungslegung, S. 302. zu den Indikatoren auch Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S.  302 f. 617  Zur Ermittlung des erzielbaren Betrags ausführlich Zülch/Siggelkow, corporate finance biz 2012, 383 (384). 618  Dies erfordert den Abzug aller mit der Veräußerung des Gegenstandes verbundenen Kosten (vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 304 f.), der in der Literatur je nach Wert des Vermögensgegenstandes mit bis zu 3 % angesetzt wird (vgl. etwa Reinke, Impairment Test, S. 156). Dieser Abzug kann im strafrechtlichen Kontext jedoch nicht relevant sein, weil einerseits auch bei regelrechter Transaktion des Gegenstandes Veräußerungskosten anfallen würden und andererseits der Täter mit seiner Täuschung nicht stets das Risiko setzt, dass Verkaufskosten anfallen könnten. Anders wird man letzteres nur dann sehen können, wenn der Verfügende durch die Täuschung gerade zur kostenverursachenden Veräußerung motiviert wird. 619  Vgl. hierzu Hachmeister/Ruthardt, IRZ 2014, 377; zur Darstellung einzelner Branchen vgl. Wyss/Mittelstaed, Der Schweizer Treuhänder 2012, 885 (887). 620  Zülch/Storck gen. Wersborg, KoR 2012, 500; Müller/Reinke, IRZ 2009, 523 f. 616  Vgl.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

die grundsätzliche Frage geht, ob der recoverable amount den Buchwert unterschreitet. Sofern also einer dieser Werte dem Buchwert zumindest gleicht, gilt der entsprechende Vermögenswert als nicht gemindert (IAS 36.19). Auch soweit der fair value nicht ermittelt werden kann, ist der Nutzungswert zugrunde zu legen (IAS 36.20). Dieser Befund lässt die Überlegung plausibel erscheinen, dass der recoverable amount die Sensitivität einer bilanziellen Vermögensschadensrechnung erhöht, weil er in der Alternative des Nutzungswertes (value in use) den Einzugsbereich der möglichen Wertabbildung erweitert. Indes vermindert der Nutzungswert möglicherweise die Spezifität der Schadensbilanz. Während die Ermittlung des fair value bereits dargelegt worden ist,621 beschreibt der value in use (Nutzungswert) den Barwert des zukünftigen cashflow, der aus einem Vermögensgegenstand aller Erwartung nach generiert werden kann (IAS 36.6).622 Er ermittelt sich nach IAS 36.31 anhand der Betrachtung des angemessen abgezinsten zukünftigen cashflow aus einer künftigen Nutzung und der schlussendlichen Veräußerung einer Vermögensposition.623 Mithin wird der Nutzen des Gegenstandes für die Zwecke der Rechnungslegung in Form von erwarteten Mittelzuflüssen objektiviert.624 IAS 36.35 limitiert die Prognose in der Grundlinie auf einen Zeitraum von maximal fünf Jahren und lässt nur darüber hinausgehende Prognosen zu, wenn eine hinreichende Verlässlichkeit dieser Prognosen durch Erfahrungswerte belegt wird. Im Umfeld dieser Prognosen rekurriert IAS 36 in besonderem Maße auf Schätzungen.625 Diese wird man jedoch unter der Ägide des Bezifferungsgebots nicht uneingeschränkt heranziehen dürfen, sofern dabei keine auf hinreichend sicheren Prämissen beruhende Grundlage vorhanden ist. In den Überlegungen zu den Grundlagen der strafrechtlichen Vermögensschadensberechnung wurde argumentiert, dass Schätzungen regelmäßig im Tatbestand zur Feststellung des Vermögensschadens unzulässig sind und lediglich in der Strafzumessung Platz greifen können, soweit sie zum erforderlichen Repertoire der anerkannten Methoden zur Wertbeimessung im konkreten Fall rechnen und auf sicherer, objektiver Grundlage erfolgen.626 Aus diesem Grund müssen die Vorgaben des IAS 621  Vgl.

oben E.VIII.5.a). corporate finance biz 2012, 383 (388). 623  Zülch/Siggelkow, corporate finance biz 2012, 383 (384). Die Mittelzuflüsse aus der schlussendlichen Veräußerung ermitteln sich wiederum anhand des Transaktionsgedankens, vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 307. 624  Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 302. 625  Zu den Möglichkeiten der Schätzung ausführlich Reinke, Impairment Test, S.  92 ff. 626  Vgl. oben C.III.2. 622  Zülch/Siggelkow,



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS315

36.6 zur Schätzung außer Betracht bleiben, soweit sie diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Dies bedeutet, dass eine fair value – Bewertung stets darauf zu überprüfen ist, ob sie mit marktwirtschaftlich ermittelten Prämissen rechnet oder die einzelnen Werte rundheraus einschätzt. d) Strafrechtliche Kontrollüberlegungen zum impairment-Verfahren Die Auseinandersetzung der Regelungen zum impairment in IAS 36 hat ergeben, dass sowohl der fair value als auch der value in use in Betracht kommen, wobei der erstere eine gewisse Vorrangstellung einnimmt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob diese Werte überhaupt im Strafrecht zur Anwendung kommen können, weil sich aus der Wertedualität Bedenken hinsichtlich der Erkennbarkeit des strafbaren Verhaltens ergeben mögen627. Diesen Bedenken könnte zunächst dadurch Einhalt geboten werden, dass man auf die Relevanz von Täuschung und Irrtum verweist und jenem, der zur Täuschung neigt, den Rat erteilt, er gebe im Zweifel bereits dieser Neigung nicht nach. Mit anderen Worten: Man könnte argumentieren, dass eine Unwägbarkeit der Vermögenswertberechnungen nicht etwa dazu führte, den Umrissen des strafbaren Verhaltens die Erkennbarkeit abzustreiten, sondern vielmehr eine erhöhte Wachsamkeit des Normunterworfenen erforderte. Es wäre jedoch genauso gut denkbar, dass es – rein betrugsstrafrechtlich gedacht – gerade nicht zumutbar ist, auf Täuschungen zu verzichten, wenn § 263 StGB diese doch erst im Verbund mit einem Vermögensschaden unter Strafe stellt. Indes, die Bedenken zerstreuen sich, wenn man in die Betrachtung einstellt, dass die Wertedualität im impairment letztlich dem Täter zugutekommt, weil ihm mit dem jeweils höheren Wert ein Vorteil verschafft wird, den allein der Zweifelssatz nicht hervorzubringen vermag: Das in dubio – Prinzip greift als Entscheidungsregel erst am Ende der Beweisaufnahme, während der Ansatz des höheren Wertes im Vergleich von fair value zu value in use ein originärer Ausdruck wirtschaftlicher Betrachtung ist. Eine Abwertung wird im Rahmen des impairment – Verfahrens erst dann vorgenommen, wenn der recoverable amount den Buchwert unterbietet. Damit ruht der Buchwert zum einen auf stärkerem Fundament, denn zu seiner Verminderung müssen sowohl der fair value als auch der value in use den Buchwert unterschreiten. Zum anderen wechselt die Schadensberechnung 627  Jedenfalls verfängt der an anderer Stelle von Velten, in: Festschrift f. Schünemann, 2014, S. 715 (718) vorgetragene – und hier möglicherweise übertragbare – Einwand, dass mehrere Wertansätze eine Ungleichbehandlung darstellten, im hiesigen Fall nicht, denn der recoverable amount beinhaltet ein für alle Schadensrechnungen nach gleichen Regeln anwendbares Wertkonzept.

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E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

ihre Prinzipien nicht fallabhängig, weil die Anknüpfung an den recoverable amount als Bezugspunkt der Wertminderungsprüfung in jedem Fall feststeht. Die Schadensberechnung bezieht anhand des recoverable amount folglich alle Gelegenheiten marktmäßiger Verwertung in Betracht und beachtet beiderseits den Transaktionsgrundsatz: In der Variante des fair value anhand der marktmäßigen Veräußerung, in der Variante des value in use anhand zukünftiger Zahlungsströme, die im pagatorischen Sinne verrechnet werden können, weil sie bereits heute anzusetzende, zeitlich verteilte Wertanteile des Vermögensgegenstandes ausweisen. Damit hält das impairment den strafrechtlichen Anforderungen an die Betrugsschadensrechnung stand. e) Vermögenswerte, die zur Veräußerung gehalten werden („held for sale“) Während das impairment-Verfahren in der Grundlinie für zahlreiche Fälle der Wertminderung Anwendung findet, bemisst sich der Wert eines Vermögensgegenstandes, der zur Veräußerung gehalten wird, nach den Grundsätzen des IFRS 5.628 Dieser Standard ist von Interesse, weil er für gewisse Vermögensgegenstände den niedrigeren Wert im Vergleich von Buchwert zu fair value anzusetzen vorschreibt (IFRS 5.15).629 Bereits an dieser Stelle ist allerdings auf eine wichtige Ausnahme hinzuweisen, die insbesondere im Bereich des Kreditbetruges Relevanz entfaltet: Nach IFRS 5.5 werden unter anderem sog. financial instruments (IFRS 5.5 lit. c) nicht nach den Regeln des IFRS 5, sondern jenen des IFRS 9 beurteilt. Deshalb erstreckt sich der Anwendungsbereich des IFRS 5 nicht auf Finanzinstrumente, selbst wenn sie zur Veräußerung gehalten werden. Das Verfahren nach IFRS 5 schreibt gewisse Wertvergleiche vor, die sich daran orientieren, ob der entsprechende Vermögensgegenstand langfristig oder kurzfristig zur Veräußerung gehalten wird.630 Obschon dieser Standard möglicherweise unter dem Aspekt der Geldwerdung Aufschluss darüber zu vermitteln sucht, inwieweit der Transfer von Vermögenswerten zu erwarten und nach welchen Grundsätzen sein jeweiliger Wert in der Bilanz anzusetzen ist, um der Informationsfunktion des IAS / IFRS  – Abschlusses gerecht zu werden, überzeugt seine Anwendung im Rahmen der pagatorischen Schadensbilanz nicht. Denn wie bereits zur Teilwertkonzeption Thieles ausgeführt,631 kann wegen des Erfordernisses der Vorhersehbarkeit der hierzu Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 324 ff. werden auch hier wieder sog. costs to sell (die Verkaufskosten) hin-

628  Ausführlich 629  Freilich

zugerechnet. 630  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 324. 631  Vgl. oben D.III.4.



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS317

Strafdrohung die Bewertung eines Gegenstandes sub specie § 263 StGB nicht davon abhängen, wie der Inhaber des Gegenstandes mit diesem zu verfahren gedenkt. Die Wertbemessung ist auf objektive und einheitliche Grundlagen zu verpflichten, sodass die Anwendung des IFRS 5 zur Berechnung des Betrugsschadens insoweit ausscheidet. f) Der Einzelbewertungsgrundsatz und „cash generating units“ Die IAS / IFRS gehen in der Grundlinie ebenso wie das HGB vom Einzelbewertungsprinzip aus.632 Die Einzelbewertung erlaubt es, Wertströme einzelnen Vermögensgegenständen zuzuordnen, und deshalb erscheint sie im Verbund mit dem bilanziellen Gesamtüberblick zur Vermögenslage geradezu prädestiniert für eine strafrechtliche Schadensberechnung, die neben der Gesamtvermögensbetrachtung auch auf die Rückführung von Wertwechseln auf Angriffsziele des präsumtiven Täters angewiesen ist. Freilich erlaubt sich auch das internationale Regelwerk gewisse Ausnahmen,633 die insbesondere dann in Betracht kommen, wenn Wertänderungen nicht unabhängig von jenen anderer Vermögensgegenstände beurteilt werden können.634 Interessant sind diese Ausnahmen für die hiesige Schrift aber nur, sofern sie Auswirkungen auf den bilanziellen Darstellungsumfang oder die Bewertungsmethode zeitigen. In diesem Zusammenhang ist auf die Zuhilfenahme von cash generating units hinzuweisen,635 die immer dann in Rede steht, wenn es nicht gelingt, den erzielbaren Betrag eines Einzelgegenstandes zu ergründen (IAS 36.66).636 Diese „zahlungsmittelgenerierende Einheit“ beschreibt die kleinste Gruppe an Vermögenswerten, die auch den in Rede stehenden Vermögensgegenstand umfasst und cashflows generiert, die im Wesentlichen von 632  Müller/Reinke, IRZ 2009, 523 (524) m. w. N.; ferner Küting/Eichenlaub, BB 2011, 1195 (1197), die auch darauf hinweisen, dass der Einzelbewertungsgrundsatz nach IAS/IFRS mit dem sog. „Komponentenansatz“ (vgl. IAS 16.43 ff.) durchaus über das handelsrechtliche Repertoire hinausgeht. Seit dem BilMoG wird auch in der handelsrechtlichen Literatur, den Praxishinweisen des IDW und Verlautbarungen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die gesonderte Abschreibung einzelner Komponenten für zulässig erachtet, soweit Aufwandsrückstellungen in Rede stehen, die seit dem BilMoG nicht mehr ansatzfähig sind (zusammenfassend Schubert, in: Beck’scher Bilanz – Kommentar, § 249 HGB, Rdnr. 302). 633  Dazu Küting/Eichenlaub, BB 2011, 1195 (1197 ff.). 634  Vgl. Müller/Reinke, IRZ 2009, 523 (524); Reinke, Impairment Test, S. 174. 635  Deren Bildung soll nach den Untersuchungen von Zülch/Siggelkow, coporate finance biz 2012, 383 keine Seltenheit sein; in dieser Richtung auch Küting/Eichenlaub, BB 2011, 1195 (1198). 636  Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S.  310; Küting/Eichenlaub, BB 2011, 1195 (1198).

318

E. Die Handelsbilanz als Schadensrechner

den durch andere Vermögensgegenstände bewirkten Mittelzuflüssen unabhängig sind (IAS 36.6).637 Zu Verdeutlichung mag es hinreichen, die cash generating unit als kleinsten isoliert identifizierbaren Zahlungsstrom zu denken: Anstatt einzelnen Vermögensgegenständen Mittelzuflüsse zuzuordnen, wird folglich eine Gruppe von Vermögensgegenständen in den Blick genommen und am Maßstab des von anderen Vermögensgegenständen weitgehend unabhängigen Mittelzuflusses zusammengefasst.638 Die Wertminderung innerhalb einer derartigen Einheit wird analog zu den assets ebenfalls anhand des recoverable amount bemessen (vgl. IAS 36.74).639 Mit der Berücksichtigung der cash generating units erhöht sich einerseits der Darstellungsumfang einer Schadensberechnung, indem auf ein Zusammenwirken mehrerer Vermögensgegenstände zurückgegriffen und dieses marktmäßig beziffert wird. Andererseits eröffnet ein impairment – Test auf der Ebene der cash generating units gewisse Ermessensspielräume, weil die Abgrenzung dieser Einheiten von der Einschätzung des Bilanzierenden abhängt. Auch insoweit kommt es darauf an, dass sichere Grundlagen der Wertbeimessung herangezogen werden, die erkennbar nicht auf dem persönlichen Ermessen des Bilanzierenden, sondern auf objektiven Gründen beruhen. Zwar erinnern die cash generating units an die Bewertungseinheiten nach § 254 HGB. Während die Bewertungseinheiten als weiterer Beleg dafür herangezogen wurden, dass im Handelsrecht eine objektive Bewertung zu Zeitwerten nicht für Einzelgegenstände durchgeführt wird,640 unterliegen cash generating units dieser Kritik aber nicht. Sie erhöhen den Darstellungsumfang der Schadensbilanz. 6. Zusammenfassung Die internationalen Bilanzregeln sind nicht durch überbordende Kapitalerhaltungsmaßnahmen belastet. Vermögensgegenstände (assets) beschreiben werthaltige Nutzungsmöglichkeiten aus einer vergangenen Transaktion, die aller Erwartung nach einen Zufluss von Zahlungsmitteln oder entsprechenden Äquivalenten mit sich bringen. Schulden (liabilities) sind spiegelbildlich jene Posten, von denen ein Wertabfluss erwartet wird. Folglich gestaltet sich die Betrachtung etwas anders als im HGB, weil dort eher die Verwertbarkeit des Gegenstandes im Vordergrund steht. Aus der strafrechtlichen Perspektive erscheint jedoch insbesondere die Terminologie der 637  Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S.  310; Müller/Reinke, IRZ 2009, 523 (524). 638  Vgl. Reinke, Impairment Test, S. 174. 639  Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 314. 640  Vgl. oben E.V.4.



VIII. Ansatz und Bewertung nach IAS / IFRS319

IAS / IFRS passgenauer, weil das Vermögen als Inbegriff von Werten gerade vor Abflüssen bzw. verminderten Zuflüssen geschützt wird. Vor diesem Hintergrund erscheint der fair value zur Schadensberechnung geeignet, weil er dem Transaktionsgedanken durch die Betrachtung von Marktvorgängen Rechnung trägt. Er ist ebenfalls dem impairment – Verfahren zugrunde zu legen, wenn dieses in einer Schadensrechnung zur Ermittlung von Wertminderungen herangezogen wird, wobei mit dem recoverable amount ausnahmsweise auch ein höherer Nutzungswert (value in use) in Ansatz gebracht werden kann. Erstattungsfähigkeit und -wille des „Täters“ sind in der Schadensrechnung zu berücksichtigen und finden in Gestalt von reimbursements ein bilanzielles Äquivalent. Hingegen sagen Rückstellungen auch im internationalen Bilanzregime nichts darüber aus, ob der Vermögenswert vermindert ist. Schließlich wird IFRS 5 nicht zur Schadensberechnung angewandt.

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen I. Grundsätzliche Überlegungen und Anwendungskriteriender Bilanz 1. Unterscheidung zwischen erfolgten und ausstehenden „Zahlungen“ Eine Schrift, die auf eine grundlegende Erörterung bilanzieller Herangehensweisen an die Schadensberechnung verpflichtet ist, kann die Behandlung aller Betrugsfallgruppen nicht leisten. Deshalb ist sie aufgefordert, ein sinnvolles Kriterium zu entwickeln, das die Einordnung aller weiteren Fallgruppen erlaubt, die im hiesigen Rahmen nicht angesprochen werden können. Dieses Kriterium soll dazu dienen, bei der künftigen Anwendung der pagatorischen Schadensbilanz einen Anhaltspunkt dafür zu gewinnen, wie man die entsprechende Sachverhaltskonstellation in die Bilanz einzutragen hat, um den Vermögensschaden entsprechend zu berechnen. Auf dieser Grundlage gilt es zu unterscheiden: Die Schadensbilanz berechnet die Werte aller relevanten (sowohl abgeflossenen als auch kompensierten) Vermögensgegenstände für den Zeitpunkt der Vermögensverfügung. Sie ist also eine Zeitpunktrechnung und sie orientiert sich – ihrem pagatorischen Charakter entsprechend – allein an Zahlungsflüssen. Diese Zahlungsflüsse können gleichsam „unmittelbar“ ablaufen, indem Vermögensgegenstände Zugum-Zug ihre Zugehörigkeit zu einer Vermögensmasse einbüßen und in eine andere übergehen oder vernichtet werden. In diesen Fällen des direkten Austauschs von Leistung und Gegenleistung ist eine Deklination der mannigfaltigen Sachverhalte jedoch nicht weiter erforderlich. So konnte in der Auseinandersetzung mit der pagatorischen Bilanz aufgezeigt werden, dass der sog. „Erfüllungsbetrug“ zwar anschaulich im bilanziellen Gefüge verortet ist und daher diese Bilanzform eine generelle Tauglichkeit zur Schadensberechnung aufweist;1 einen weiterführenden Beitrag kann man in derartigen Fällen von einer bilanziellen Aufschreibung aber nicht ernsthaft erwarten. Stattdessen gilt es dort unter Beachtung des Bezifferungsgebots den Wert des Hinausverfügten mit jenen Werten abzugleichen, die als Kompensation angesehen werden müssen. Das besondere Augenmerk im direkten Leistungsaustausch liegt vielmehr auf der rechten Bewertung der Vermö1  Vgl.

oben E.VII.4.a).



I. Grundsätzliche Überlegungen und Anwendungskriterien 321

gensgegenstände: Leistung und Gegenleistung gelten grundsätzlich als ausgeglichen, außer das impairment – Verfahren besagt etwas anderes, wenn der sich aus fair value bzw. value in use zusammensetzende sog. recoverable amount niedriger ist als der Buchwert der anzusetzenden Zugangsbewertung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Relevant wird die Einzelfallanwendung des pagatorischen Bilanzmodells demgegenüber, soweit Gefährdungslagen auf ihre Wertrelevanz abzuklopfen sind oder die Beurteilung eines Synallagmas im Raume steht. Denn in diesen Fällen liegt der Zeitpunkt eines der relevanten Zahlungszuflüsse oder Zahlungsabflüsse in der Zukunft. Hier verfügt der Bilanzierende folglich nicht über handfeste Wertwechsel, die er einer impairment – Prüfung unterziehen kann, sondern er muss sich mit der Frage auseinandersetzen, wie zukünftige Zu- und Abflüsse darzustellen und zu bewerten sind. Damit erschöpft sich das gesuchte Kriterium also darin, ob die relevanten „Zahlungen“ – die, wie bereits gesehen, auch nur als Wertflüsse repräsentierende „Zahlungen“ erscheinen können – bereits erfolgt sind oder ob sie noch ausstehen. 2. Bilanzen, bei denen „Zahlungsflüsse“ noch ausstehen Der wahre Wert einer bilanziellen Schadensrechnung bemisst sich folglich nach jenen Fällen, in denen Zahlungsströme noch ausstehen. Hier schließt sich der Kreis zu der eingangs dargelegten Feststellung, dass sich die Tauglichkeit einer Verbindung von Bilanzen zu Vermögensschäden erst vor dem Problemkreis des Gefährdungsschadens prüfen lässt.2 Denn die beobachteten Zahlungsströme sollen einen Fingerzeig darauf erlauben, ob eine Vermögenswertminderung überhaupt in Betracht kommt und deshalb muss die pagatorische Bilanz anhand dieser Fälle ihr Können unter Beweis stellen. Bilanzielle Darstellungsweisen haben trotz ihres grundsätzlich saldierenden Charakters den großen Verzug, dass sie wechselwirkende Posten aufschlüsseln und damit eine deskriptive Funktion einnehmen.3 Diese reicht zwar allein nicht aus, um den Anforderungen des Bezifferungsgebotes zu entsprechen, denn dieses verweist auf den Gebrauch sicher eruierter Bezifferungsgrundlagen. Gleichwohl bemisst sich der Wert einer bilanziel2  Vgl.

oben A. Bedeutung deskriptiver Vorgehensweisen vgl. auch Bittmann, wistra 2013, 1 (4 f.), der aber freilich keine strenge Bezifferung verlangt; vgl. auch BGH, Beschl. v. 19.  Februar 2013  – 5 StR 427/12, Juris, Rdnr.  6: Der Senat fordert eine „konkrete Darstellung der Vermögenssituation“ zum Beleg eines Untreueschadens. Aufschlussreich ist allerdings auch die Feststellung, dass allein die Skizzierung des konkreten Geschehensablaufs, mithin die „Beschreibung der tatsächlichen Vorgänge“ (Bittmann, wistra 2013, 1 [4]) den Beleg des Nachteils nicht zu ersetzen vermöge. 3  Zur

322

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

len Schadensrechnung an der Frage, was sie mit den bezifferten Rechengrundlagen anzustellen weiß. In die Fallgruppe der noch ausstehenden „Zahlungen“ rechnet insbesondere der Kreditbetrug, denn hier hängt alles davon ab, ob der Kreditnehmer den Kredit zurückzahlen kann, will oder wird – das rechte Verbum hängt freilich vom Blickwinkel ab und wird nachfolgend gesondert untersucht. Ebenso sind die Fälle der gestundeten Forderungen, des Verlustes von Vermögenswerten mit Rückholmöglichkeiten, der Erwerb „bemakelter“ Rechtspositionen sowie der Anstellungsbetrug exemplarisch zu besprechen. 3. Berücksichtigung von Sonderfällen Ferner bietet dieser Abschnitt die Gelegenheit, die Resultate der hiesigen Überlegungen zur Schadensberechnung an einigen Fallgruppen zu prüfen, die insbesondere durch die Rechtsprechung eine gewisse Sonderbehandlung erfahren. Vorweg zu schicken ist, dass jenen Ansätzen keine Beachtung zuteilwerden kann, die auf normativem Wege den Vermögensschaden zu begründen suchen, denn dies ist bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht zulässig. Der Vermögensschaden muss anhand von Berechnungen dargetan werden und daher vermag eine normative Überlagerung dieses Erfordernisses nicht zu überzeugen.4 Schließlich ist den nachfolgenden besonderen Überlegungen eine allgemeine Beobachtung vorauszusenden, die der Systematisierung zuträglich erscheint: Eine Schadensbilanz, die noch dem Kriterium der Vorhersehbarkeit der Strafdrohung entsprechen soll, darf sich nicht auf alle Untiefen der IAS / IFRS einlassen, die keinerlei Vermögensrelevanz besitzen. Es geht vielmehr darum, einen Rechenmodus aufzuzeigen, der an grundlegenden Wertentscheidungen partizipiert und auf den Gedanken der Rechnungsabgrenzung und des Transaktionswertes limitiert werden kann. Im Hinblick auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts ist ferner die Bemerkung von Relevanz, dass nicht erneut der Verfügungszeitpunkt als zutreffender „Bilanzstichtag“ infrage gestellt werden soll, sondern vielmehr der Ausschluss gewisser Schadensindikatoren aufgrund normativer Erwägungen überprüft wird. Denn wenn man etwa den Vertragsschluss oder eine anderweitige Zusage schon aus rein juristischen Gründen aus dem Kreis der tauglichen Schadensindikatoren verweist, dann steht nicht mehr die Frage einer wirtschaftlichen Bewertung, sondern jene einer normativen Abkehr vom entsprechenden Zeitpunkt im Raume. In der Betrachtung von Sonderfällen gilt die Aufmerksamkeit nach allem dem sog. Quotenschaden und dem (ärztlichen) Abrechnungsbetrug. 4  Zum

Erfordernis der Bezifferung des Betrugsschadens ausführlich oben C.II.



II. Kreditbetrug323

II. Kreditbetrug 1. Strafrechtliche Grundlagen des Kreditbetruges Der Begriff des Kreditbetruges bezeichnet zum einen das vermögensschädigende Verhalten zu Lasten des Kreditgebers und bildet damit eine Fallgruppe des allgemeinen Betrugstatbestandes, zum anderen überschreibt er den Tatbestand des § 265b StGB. Während § 263 StGB als Erfolgsdelikt den Eintritt eines Vermögensschadens fordert, genügt für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes sub specie § 265b StGB ein qualifiziertes Täuschungsverhalten gegenüber einem in § 265b Abs. 3 StGB näher bezeichneten Adressatenkreis. Dass mithin zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte das gleiche Etikett tragen, ist zwar misslich5 und spricht in gewissem Umfang schon dem Begriff des Kreditbetruges die Eignung zur Abgrenzung gewisser Fallkonstellationen ab. Dieser Umstand zeigt aber zugleich die Notwendigkeit auf, den „Kreditbetrug“ im Anwendungsbereich des § 263 StGB einer näheren Betrachtung zuzuführen, um die charakteristischen Merkmale und Berechnungsanforderungen nach bilanziellen Maßgaben aufzudecken. Es ist vor der Auseinandersetzung einer pagatorischen Kreditbetrugsrechnung erforderlich, Zeit- und Bezugspunkt der Bilanzaufstellung deutlich herauszustellen. Hierzu werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Vorschläge gemacht, denen zunächst Aufmerksamkeit gebührt. Ferner sind im gleichen Zuge die aktuellen Vorgehensweisen bei der konkreten Schadensberechnung näher in den Blick zu nehmen. An diese strafrechtliche Betrachtung schließt sich die Ausführung der bilanziellen Schadensrechnung. 2. Vorschläge zur Schadenskonturierung aus der Literatur Es gibt in der strafrechtlichen Literatur zahlreiche Vorschläge zur näheren Umschreibung des Vermögensschadens im Bereich des Kreditbetruges. Trotz gewisser Differenzen im Detail ist man sich jedenfalls weitgehend einig, dass der Vermögensschaden des Kreditgebers nicht erst mit der ausbleibenden Rückzahlung der Kreditsumme entstehe.6 Stattdessen wird der Kreditbetrug in erster Linie als Anwendungsfall des sog. Eingehungsbetruges7 bzw. der Vermögensgefährdung8 angesehen. Danach entstehe der nur Lampe, Der Kreditbetrug, S. 8. Lampe, Der Kreditbetrug, S. 24; Bockelmann, ZStW 79 (1967), 28 (35). 7  Lampe, Der Kreditbetrug, S. 24. 8  Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 625 ff.; Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 212. 5  Vgl. 6  Vgl.

324

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

Vermögensschaden entweder durch die Begründung der Pflicht des Kreditgebers, die Kreditsumme bereitzustellen, oder durch die effektive Bereitstellung der zugesagten Kreditsumme.9 Dass die Rückzahlung der Kreditsumme nicht in die Schadensrechnung einzubeziehen ist, erhellt sich bereits aus dem Umstand, wonach die Rückzahlung nicht mehr die wirtschaftliche Kehrseite der Vermögensverfügung des Kreditgebers bildet; ungeachtet der Frage, ob man diese bereits in dem Vertragsschluss oder erst in der Auskehrung der Kreditsumme loziert. Gegen die Überlegung, bereits den Vertragsschluss als Schadenszeitpunkt in den Blick zu nehmen, wird mitunter die Regelung des § 265b Abs. 2 StGB angeführt, die dem Gedanken der tätigen Reue zu Ausdruck verhelfe, indem sie – ähnlich der Vorschrift des § 24 StGB – das freiwillige Verhindern der beantragten Leistungserbringung bzw. das darauf gerichtete freiwillige und ernsthafte Bemühen des Täters mit Straffreiheit belohne.10 Sofern man den Schutzzweck des § 265b StGB in der Abwendung von Vermögensschäden verortet,11 läge es auf den ersten Blick nahe, in der Abwendung der Kreditauskehrung (bzw. dem entsprechenden Bemühen des Täters) zugleich einen Rücktritt gemäß § 24 StGB vom versuchten Betrug (§ 263 Abs. 2 StGB) zu sehen12 und daraus zu folgern, dass sich die Betrugstat nach Abschluss des Kreditvertrages jedenfalls noch im Versuchsstadium befinden müsse. Dies ist aber nicht zwingend: Zum einen ist der rechte Schutzzweck des § 265b StGB durchaus umstritten,13 sodass man bereits bezweifeln kann, ob die Unrechtsgehalte beider Tatbestände überhaupt identisch sind. Zum anderen ist es fraglich, ob Regelungen der tätigen Reue und die Rücktrittsvorschrift des § 24 StGB stets gleichlaufen müssen; anders gewendet erscheint es nicht von vornherein zwingend, dass tätige Reue und Rücktritt einander dergestalt beeinflussen, dass bei Vorliegen der Reuehand9  Lampe, Der Kreditbetrug, S. 24 f. Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rdnr. 162. 10  Vgl. dazu Lampe, Der Kreditbetrug, S. 26. Diesem Argument darf man auch dann nachgehen, wenn man – wie hier – allein wirtschaftliche Schadensbegründungen für zulässig erachtet. Denn während die Bezifferung als Ausdruck einer wirtschaftlichen Betrachtung der Erfüllung des Schadensmerkmales vorausgesetzt ist, kann freilich nach allgemeinen Regeln die systematische Auslegung Einschränkungen gebieten. 11  So etwa BGHSt 36, 130 ff.; OLG Celle, wistra 1991, 359. 12  In dieser Richtung Lampe, Der Kreditbetrug, S. 26. 13  Die h. M. nimmt an, dass neben dem Vermögensschutz auch die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens in der Schutzrichtung des § 265b StGB liege, vgl. Rengier, Strafrecht BT 1, § 17, Rdnr. 13. Dies überzeugt, weil man die Legitimität abstrakter Gefährdungsdelikte im Bereich des Wirtschaftslebens mit dem zusätzlichen Schutz überindividueller Rechtsgüter begründen kann, vgl. dazu Rengier, Strafrecht BT 1, § 17, Rdnr. 2 m. w. N.



II. Kreditbetrug325

lung zugleich auch der Rücktritt greifen müsse. Denn während der Rücktritt den rechtserschütternden Eindruck beseitigt, den der Täter mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Tat hervorrief14 und damit das Unrecht der Versuchstat beseitigt, prämieren die Regeln der tätigen Reue den Täter für sein Nachtatverhalten,15 ohne dass damit der Umstand, der zur Strafdrohung aus dem (hier: vollendet) verwirklichten Delikt führt – nämlich der Erfolgseintritt –, wieder beseitigt würde. Anders ausgedrückt, führen Reuetaten als Manifestationen des Nachtatverhaltens nicht zur Unrechtsbeseitigung und deshalb ist man auch nicht gezwungen, von der Reuehandlung nach § 265b Abs. 2 StGB zugleich auf den Rücktritt vom „versuchten Kreditbetrug“ zu schließen und zu folgern, dass ein Erfolgsunrecht noch nicht verwirklicht wäre. Damit kann festgehalten werden, dass eine normative Begrenzung der tauglichen Anknüpfungspunkte für die Schadensberechnung im Kreditfall jedenfalls für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht besteht. Ein weiterer Einwand gegen die vermögensschädigende Wirkung des Vertragsschlusses ist, dass der Kreditgeber an seinem Vertragsversprechen nicht festgehalten werden kann, wenn er die Möglichkeit hat, sich etwa durch Anfechtung oder Rücktritt wieder vom Vertrag zu lösen. In diesem Argument aktualisiert sich folglich die wirtschaftliche Bedeutung vertraglicher Gestaltungsrechte. Soweit man diese außerhalb des Wechselbezüglichkeitskriteriums von Verfügung und Kompensation verortet,16 spielt auch dieses Argument keine weitere Rolle. Während man schließlich vielerorts den Gedanken der Vermögensgefährdung in den Dienst der Schadensbegründung stellt,17 wird darüber hinaus auch der Gedanke einer Wertminderung aktiviert, die sich daraus ergebe, dass jene Ansprüche, die aus einer Kreditgewährung resultieren, weniger Wert trügen, als sofort fällige Ansprüche.18 Das typische Risiko der Kreditgewährung sei folglich zu bewerten, um daran den Vermögensschaden abzulesen.19 Zusammenfassend kommt daher neben dem Vertragsschluss im Wesentlichen die Bereitstellung der Kreditsumme als Anknüpfungspunkt für die pagatorische Schadensbilanz in Frage.

14  Frister,

Strafrecht AT, Kapitel 24, Rdnr. 1. Brand/Wostry, GA 2008, 611 (617). 16  Vgl. dazu oben C.IV.2.c). 17  So etwa Bockelmann, ZStW 79 (1967), 28 (40); Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 212 in Bezug auf die Kreditzusage. 18  Vgl. Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 212. 19  Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 212. 15  Vgl.

326

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

3. Die Schadensberechnung in Kreditbetrugsfällen in der Rechtsprechung Die Berechnung des Vermögensschadens im Bereich des Kreditbetruges orientiert sich nach der Rechtsprechung stets am Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers.20 Der Rückzahlungsanspruch bildet sowohl für den Fall des schädigenden Vertragsschlusses (Eingehungsbetrug nach herkömmlicher Terminologie) als auch für die spätere Darlehenshingabe den maßgeblichen Bezugspunkt. Indes variieren die Begründungen für diese Anknüpfung, sodass der nähere Blick auf die angebotenen Berechnungsmodi lohnenswert erscheint: Bekanntlich führen Kreditvergaben nach Auffassung der Rechtsprechung einerseits dann zu einem Vermögensschaden, wenn ein „täuschungsbedingtes Ungleichgewicht“ festgestellt werden kann, das ein Ausfallrisiko für den Kreditgeber widerspiegelt.21 Diese Vorgabe bezieht sich auf einen Schadenseintritt bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und beschreibt daher in der herkömmlichen Terminologie die näheren Umstände des Eingehungsbetruges in Kreditvergabefällen. Dieses Risiko erhöhe sich ferner, wenn der Kreditnehmer sich über Rückzahlungszeitpunkte hinaus unter Täuschungen die Gelegenheit zu längerer Einbehaltung und Verwendung von Geldern verschaffe.22 Damit schreibt der BGH die Wirkungen des „täuschungsbedingten Risiko­ ungleichgewichts“ in die Phase der Erfüllung fort.23 Bei dem Vergleich von Forderung und Gegenforderung wird folglich der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers mit der Forderung des Darlehensnehmers auf Auskehrung der Kreditsumme kontrastiert. Insoweit bildet der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers im Bereich der schädigenden Vertragsschlüsse die Kompensation der in dem Vertragsschluss liegenden Vermögensverfügung. Bemerkenswert ist, dass der BGH es für die Schadensberechnung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorzieht, den Vermögenswert des Kreditgebers vor und nach der Verfügung näher zu bestimmen, mithin die Auswirkungen der Begründung von Forderung und Gegenforderung isoliert zu vergleichen und erst im Anschluss zu saldieren: Der BGH fragt herkömmlich nicht danach, welchen Wert Forderung und Gegenforderung im Vermögen des präsumtiv Geschädigten haben. Stattdessen wird die saldierte Kategorie des Ungleichgewichts daraufhin abgeklopft, ob den Kreditgeber ein gegenüber der zutreffenden Risikobewertung erhöhtes Ausfallrisiko treffe.24 20  Vgl.

exemplarisch BGH, NStZ 2013, 711 (712). wistra 2013, 20; NJW 2012, 2370 (2371). 22  BGH, wistra 2013, 20. 23  So auch BGH, wistra 2013, 20. 24  Vgl. BGH, NJW 2012, 2370 (2371). 21  BGH,



II. Kreditbetrug327

In der Berechnung des Betrugsschadens im Falle einer Darlehensauskehrung wird der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers wiederum relevant: Die Rechtsprechung stellt für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe einen Wertvergleich von ausgekehrter Darlehenssumme und Rückzahlungsanspruch des Kreditgebers an.25 Auch hier bildet folglich der Rückzahlungsanspruch des Kreditgebers einen Ankerpunkt für die Schadensberechnung. Mit diesen beiden, aus Rückzahlungsanspruch und ausgekehrter Darlehenssumme bestehenden Kontrapunkten verfährt der BGH anschließend im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtung,26 wobei sich der Wert der Rückzahlungsforderung nach der Bonität des Schuldners und dem Wert bestellter Sicherheiten richte.27 4. Zusammenfassung Für die bilanzielle Schadensrechnung in Betracht kommen folglich mehrere Bezugspunkte: Zum einen ist der Vertragsschluss ein taugliches Betrachtungsmoment, zum anderen die Darlehensauskehrung wobei man sich im Hinblick auf die Auskehrung der Kreditsumme noch fragen könnte, ob einer stufenweisen Mittelbereitstellung Relevanz beizumessen ist. In der konkreten Vorgehensweise differieren die möglichen Betrachtungswinkel: Die Rechtsprechung beschäftigt sich mit einem „täuschungsbedingten Risikoungleichgewicht“ – folglich mit einer saldierten Kategorie –, während man alternativ auch Forderung und Gegenforderung sowie die Sicherungsbeziehungen isoliert darstellen und untersuchen könnte. 5. Die Berechnung des Vermögensschadens nach der Schadensbilanz a) Einleitende Überlegungen Im Rahmen der vorgestellten pagatorischen Schadensbilanz sollen Beeinträchtigungen der freien Vermögenswertentäußerung aufgedeckt werden, die sich in handfesten Vermögenswertminderungen manifestieren. Zu diesem Zweck werden alle relevanten Werte isoliert dargestellt und erst anschließend ob ihres Einflusses auf den Vermögenswert des präsumtiv Geschädigten untersucht. Weil es sich bei der Fallgruppe des Kreditbetru25  Vgl. BGH, Beschl. v. 29.  Januar 2013  – 2 StR 422/12  –, juris, Rdnr.  15 = wistra 2013, 268 ff. 26  BGH, Beschl. v. 29.  Januar 2013  – 2 StR 422/12  –, juris, Rdnr.  16 = wistra 2013, 268 ff. 27  BGH, Beschl. v. 29.  Januar 2013  – 2 StR 422/12  –, juris, Rdnr.  15 = wistra 2013, 268 ff.

328

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

ges – wie gezeigt – um einen Fall erwarteter Zahlungsströme handelt, sind zu erwartende Mittelzuflüsse und Wertminderungen abzubilden. Auf der Grundlage des pagatorischen Bilanzansatzes werden diese erwarteten Zuund Abflüsse in Abgrenzungsposten dargestellt, die wiederum mit den bestehenden Vermögenswerten verrechnet werden können. Wenn man dagegen ohne Bezifferung der wechselbezüglichen Forderungen ein täuschungsbedingtes Risikoungleichgewicht postuliert, so werden damit implizit schon Leistungs- und Gegenleistungsanspruch miteinander verrechnet, ohne dass man diese vorher beziffert hätte. Diese Vorgehensweise verstieße gegen den Systemgrundsatz des deutschen wie internationalen Bilanzrechts, wonach Vermögensgegenstände und Schulden grundsätzlich nicht zu verrechnen sind.28 Eine Abweichung von der Einzelbewertung impliziert zugegeben nicht ohne weiteres eine für den Beschuldigten nachteilige Bewertung der Vermögensgegenstände. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Durchbrechung des Einzelbewertungsgrundsatzes durchaus Ermessensspielräume zu eröffnen vermag,29 die unter der Geltung des strafrechtlichen Zweifelssatzes den Weg zu höheren Wertansätzen weisen könnten. Dennoch entspricht der getrennte Ausweis aller wechselbezüglichen Positionen dem strafrechtlichen Bezifferungsgebot und aus diesem Grund darf von dieser Maßgabe nicht abgewichen werden. In der pagatorischen Schadensbilanz sind deshalb zunächst Anspruch und Gegenanspruch einzustellen und zu bewerten. Ferner ist ein separater Abgrenzungsposten aufzunehmen, der eine etwaige risikobedingte Minderung der Zugangsbewertung – mithin ein impairment – beschreiben kann. Erneut sei angemerkt, dass das Verbot der Bilanzierung schwebender Geschäfte in strafrechtlichen Überlegungen nicht gelten kann, wollte man der Bilanz nicht einen Großteil ihres Darstellungsraumes nehmen. b) Ansatz der Bilanzposten Mit dem Vertragsschluss über die Gewährung eines Kredites entstehen Forderung und Gegenforderung, die in der Schadensbilanz des Kreditgebers einzutragen sind: Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

– Kreditsumme (Kassenbetrag o.Ä.) – Verpflichtung zur Auskehrung (– Rückzahlungsanspruch) des Kredits (– Zinsanspruch) 28  Vgl. 29  Vgl.

zu dem Verrechnungsverbot etwa Küting/Eichenlaub, BB 2011, 1195 ff. hierzu Küting/Eichenlaub, BB 2011, 1195 (1196 ff.).



II. Kreditbetrug329

Die Aktivseite trägt folglich zum einen die Kreditsumme, die im Grunde nichts anderes repräsentiert als einen gewissen Anteil am Kassenbestand oder jenem Kapitalreservoir, aus dem der Kreditgeber den Kredit zu vergeben gedenkt. Zum anderen erhält der Kreditgeber wirtschaftlich betrachtet mit dem Abschluss des Kreditvertrages einen noch nicht fälligen Rückzahlungsanspruch sowie einen Anspruch auf die Zinsen, vgl. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB. Auf der Passivseite steht unter den Schulden die Verpflichtung des Kreditgebers zur Auskehrung der Kreditsumme, § 488 Abs. 1 S. 1 BGB. c) Bewertung der gegenseitigen Leistungen In der Grundlinie sind Leistung und Gegenleistung stets als ausgeglichen zu behandeln.30 Die Rückzahlungsforderung eines Kreditinstituts beläuft sich in aller Regel auf die gesamte Kreditsumme und die Zinsen, nicht nur auf einen Anteil daran. Deshalb sind die Kreditsumme und der Rückzahlungsanspruch im Wege der Zugangsbewertung mit dem Kreditbetrag anzusetzen.31 Ebenso ist der Nennbetrag der Zinsforderung anzusetzen: Aktiva

Passiva

– Rückzahlungsanspruch = – Verpflichtung zur Auskehrung des Kredits Betrag der Kreditsumme = Betrag der Kredit– Zinsanspruch = Nenn­ summe betrag der Zinsforderung

Abgrenzungsposten (zu diesem Posten sogleich)

30  Deshalb rechtfertigt der Umstand der Kreditgewährung für sich noch nicht die Annahme eines Vermögensschadens, vgl. Bockelmann, ZStW 79 (1967), 28 (37). 31  Obschon Kreditzusagen (loan commitments) grundsätzlich als sog. außerbilanzielle Geschäfte angesehen werden, legt IFRS 7.B10 [d] für unkündbare Zusagen den gesamten zugesagten Betrag als maximales Kreditrisiko fest. Jederzeit kündbaren Zusagen wird kein Risiko zugeordnet. Dies könnte darauf hindeuten, dass der IASB im Bereich der unkündbaren Kreditzusagen ein wesentlich höheres Risiko verortet. Dieser Eindruck täuscht jedoch, weil auch hier wieder allein die bilanzielle Vorsorge die Fäden zieht: Wurden bereits Rückstellungen für ein Kreditrisiko gebildet, so ist dieser Betrag vom maximalen Kreditrisiko abzuziehen, weil ansonsten in der Bilanz ein doppeltes Risiko ausgewiesen würde, das tatsächlich aber nur einmal besteht, vgl. Grünberger, IRZ 2007, 331 (335). Wenn jedoch Rückstellungen und Risikoposten miteinander verrechnet werden können, so weisen sie auch den gleichen bilanziellen Aussagewert auf. Der strafrechtliche Aussagewert der Rückstellungen wiederum wurde bereits als marginal enttarnt, sodass für Risikobewertungen im Bereich der Kreditzusagen nichts anderes gelten kann.

330

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

d) Bewertung des Abgrenzungspostens, IFRS 9, IAS 32 und IAS 39 Um in diesem Stadium einen Vermögensschaden feststellen zu können, ist ein weiterer Posten in die Bilanz aufzunehmen, der im Zuge der Auseinandersetzung mit der pagatorischen Bilanzlehre gewonnen wurde: Die Bezifferung eines Abgrenzungspostens nimmt nunmehr die Folgebewertung in den Blick und spiegelt einen etwaigen Minderwert des Rückzahlungsund Zinsanspruchs wider. Hierzu wird der Wert dieser Forderungen einem impairment  – Test unterzogen. Der Vorzug dieser Methode liegt auf der Hand: Weil sie Differenzbildungen zwischen dem Buchwert der Rückzahlungsforderung und dem Abgrenzungsposten erfordert, verlangt diese Vorgehensweise zugleich die Bezifferung, um die Sicherheit der Prämissen zu gewährleisten, mit denen eine den Vermögensschaden repräsentierende Differenz aufgezeigt wird. Die Differenz garantiert die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses, denn sie rekurriert unmittelbar auf die Verbürgungen der Mathematik. Es geht folglich nicht darum, ein Ausfallrisiko im luftleeren Raum zu ergründen, sondern seine Grundlagen bestmöglich zu berechnen und die Rückbindung an den Wert der Forderung zu belegen. Kredite rechnen zu den financial instruments, die in IAS 32.11 als Vertragswerke umschrieben werden, die bei der einen Partei ein sog. financial asset (finanzieller Vermögenswert), bei der anderen eine financial liability (finanzielle Verbindlichkeit) schaffen.32 Die Bewertung von financial assets wurde zunächst in IAS 39 geregelt. Gleichwohl kursiert im gleichen Regelungsbereich auch noch der IFRS 9, dessen Inkrafttreten (effective date) zwar auf 2015 verschoben wurde,33 was seine frühere Anwendung aber nicht hindert.34 Daher erscheint es vorzugswürdig, hier bereits den Blick in die Zukunft zu richten, sodass die weiteren Schritte vorrangig von IFRS 9 begleitet werden. Financial assets und financial liabilities werden grundsätzlich in der Bilanz ausgewiesen, soweit der Bilanzierende zur Partei jener vertraglichen Abreden wird, die den jeweiligen Posten betreffen (IFRS 9.3.1.1).35 Die Bewertung kann nach fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten (amortised cost)36 oder im Wege der fair value-Bewertung erfolgen (IFRS 9.4.1.1 i. V. m. 9.4.1.5 [financial assets] bzw. 9.4.2.2 [financial liabilities]).37 deutschen Terminologie vgl. auch Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S. 352. BFuP 65 (2013), 72 (77). 34  Der IASB spricht von einem Übergangsprozess, bei dem IFRS 9 den IAS 39 stetig ablöst. 35  Kuhn, IRZ 2010, 103 (104). 36  Vgl. dazu Kuhn, IRZ 2010, 103 (109 ff.). 37  König, BFuP 65 (2013), 72 (78). 32  Zur

33  König,



II. Kreditbetrug331

Sofern der Inhaber der Kreditforderungen darauf abzielt, mit seinen financial assets die vertraglich festgelegten cashflows zu erzielen, soll er nach IFRS  9.4.1.2 die AK / HK fortführen. Weil jedoch der fair value bereits den aus strafrechtlicher Perspektive zu präferierenden Transaktionswert ausweist38 und IFRS 9.4.1.5 unter der Prämisse einer zweckmäßigen Berichterstattung gleichwohl die Bewertung zum fair value erlaubt, ist der Abgrenzungsposten der Schadensbilanz daher auf der Grundlage des Buchwerts der Rückzahlungsforderung immer mit dem fair value zu belegen. Alternativ ist auch der Nutzungswert zu überprüfen, sofern er den sog. recoverable amount im Sinne des impairment – Verfahrens erhöht und zu einer höheren Bewertung des Abgrenzungspostens führt. e) Der unbesicherte Kredit Wird ein unbesicherter Kredit vergeben, so gestaltet sich die Schadensbilanz in aller Regel wie folgt: Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Rückzahlungsanspruch = Kreditsumme Zinsanspruch = Nennbetrag der Zins­forderung

Verpflichtung zur Auskehrung des Kredites = Wert der auszukehrenden Kreditsumme

Rückzahlungs- und Zinsanspruch = recoverable amount (fair value bzw. value in use)

Eintrag d. Vermögens­ schadens als Minderung d. Eigenkapitals

Schaden = Aktiva – Abgrenzungsposten

Der Vermögensschaden durch Vertragsschluss wird mithin durch die Verrechnung des Abgrenzungspostens mit den Aktiva bemessen. Sofern kein minderer recoverable amount ausfindig gemacht werden kann, liegt kein Vermögensschaden vor. f) Der Einfluss des IFRS 7 auf die Schadensberechnung in Kreditfällen Für diese Schadensrechnung hält IFRS 7 weitere Handreichungen bereit, denn dieser Standard regelt den bilanziellen Ausweis von Risiken, die sich in Bezug auf financial assets (dies bezeichnet mithin die Forderung auf Rückzahlung des Kredits) ergeben können (vgl. IFRS 7.1 [b] und 38  Vgl.

dazu E.VIII.5.a).

332

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

7.2).39 Obschon dieser Standard nicht in erster Linie die Bewertung vor Augen hat, regelt er die notwendigen Anhangangaben, die ergänzend herangezogen werden sollten. Die Wahl der fair value-Bilanzierung ist gemäß IFRS 7.9 lit. f. mit dem Erfordernis verbunden, das maximale Kreditrisiko im Anhang auszuweisen. Es beläuft sich regelmäßig auf den Buchwert der Forderung im (negativ: impairment losses) wertberichtigten Zustand (IFRS 7.B9 [b]). Aus dieser Interpretation lässt sich möglicherweise ein Hinweis darauf entnehmen, dass die IFRS die Wertberichtigung an sich noch nicht als effektive Transaktionswertminderung ansehen, sondern stattdessen als Ausdruck eines Risikos. Dies bedeutete im Umkehrschluss, dass die Wertberichtigung bei Krediten zunächst nur einen Abbau des Kreditrisikos in der Bilanz darstellte.40 Vor diesem Hintergrund erscheint es unter Umständen im Folgenden lohnenswert, die einzelnen Rückzahlungstermine separat in der Bilanz auszuweisen und auf ihr jeweiliges Kreditrisiko zu überprüfen. g) Der besicherte Kredit Fordert der Darlehensgeber für die Kreditvergabe die Bestellung von Sicherheiten (collaterals), so sind diese separat in der Schadensbilanz zu bedenken. Auch IFRS 7.36 (a) fordert unter anderem die Betrachtung des maximalen Kreditrisikos ohne die zugehörigen Sicherheiten.41 Sie sind auf der Aktivseite mit dem Nennwert einzutragen und im Abgrenzungsposten für den Fall eines Kreditausfalles mit dem recoverable amount zu bewerten. So ergibt sich folgendes Bilanzmuster (siehe nächste Seite). Mit dieser Darstellung wird zugleich ersichtlich, dass die spätere (ggf. ausbleibende) Rückzahlung des Kredites für den Schadenseintritt keine Bedeutung haben kann, weil der Vermögenswert des Kreditgebers über die Abwertung der Abgrenzungsposten eine Verminderung erfährt, die bilanziell abgebildet und damit im Einklang mit den Prinzipien der Betrugsschadensermittlung berechnet werden kann.

39  Auch an dieser Stelle nimmt IFRS 7 gewisse Konstellationen von seinem Anwendungsbereich aus, vgl. IFRS 7.3. Indes interessieren im Rahmen dieser Schrift wiederum nur die Grundlinien. 40  So wohl auch Grünberger, IRZ 2007, 331 (334), der dies direkt aus dem Kreditrisikobegriff im Anhang A des IFRS 7 ableitet. 41  So auch Grünberger, IRZ 2007, 331 (334).



II. Kreditbetrug333 Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Rückzahlungsanspruch = Kreditsumme

Um die ausgekehrte Kreditsumme vermindertes Eigenkapital

Summe der recoverable amount – Bewertung (fair value bzw. value in use) der Rückzahlungs- und Zinsansprüche zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt: 01.01.: Teilbetrag A 01.02.: Teilbetrag B 01.03.: Teilbetrag C usf. + Bewertung der Kreditsicherheiten zum recoverable amount

Zinsanspruch = Nennbetrag der Zinsforderung Kreditsicherheiten (collaterals) = Nennbetrag

Eintrag des Vermögensschadens als Minderung des Eigenkapitals

Schaden = (Rückzahlungsanspruch + Zinsanspruch + Kreditsicherheiten)  – Abgrenzungsposten

h) Zusammenfassung zur Schadensbilanz in Kreditfällen Der Schaden im Bereich des Kreditbetruges – und nichts anderes kann für sog. Risikogeschäfte42 gelten, soweit herausgereichte Summen und Erstattungsansprüche gegenüberstehen – berechnet sich durch einen Vergleich der Aktiva und der Abgrenzungsposten, wobei das Ergebnis dieser vergleichenden Differenzbildung in den Passiven einzutragen ist und dort den Schaden anzeigt. Werden Kreditsumme und Rückzahlungsanspruch miteinander verglichen, so gilt die Prämisse, dass wechselbezügliche Leistungen grundsätzlich ausgeglichen sind. Werden Kreditforderungen bewirtschaftet, indem man sie durch Verkauf der Geldwerdung zuführt, oder ergeben sich anderweitige Anlässe zur Wertprüfung, so zeigt der recoverable amount (fair value oder ein höherer value in use) den relevanten Wert der Forderungen an. Im Rahmen der bilanziellen Schadensberechnung ist ein Abgrenzungsposten mit diesem Wert zu beziffern – die Differenz zwischen Abgrenzungsposten und Nennbetrag der Forderungen sowie ggf. der Sicherheiten (Aktiva) zeigt den Schaden an. Ein Vertragsschluss oder die Kreditauskehrung kommen daher nur dann als schadensbegründende Ereignisse in Be42  Der Begriff des Risikogeschäfts ist denkbar weit und umfasst – was in der Begrifflichkeit jedoch nicht unumstritten ist (vgl. dazu ausführlich Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen legitimen Wirtschaftsstrafrechts, S. 29 ff.) – die geschäftliche Disposition, welche sich als Fehlentscheidung herausstellen kann, vgl. Hillenkamp, NStZ 1981, 161 (165). Dieser Begriff legt in besonderem Maße nahe, dass ein „sich herausstellen Können“ kein „sich herausstellen Müssen“ ist.

334

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

tracht, wenn die Wertminderung jedes Anspruchs sowie der Wert der gestellten Sicherheiten anhand des recoverable amount zu berechnen sind. i) Folgerungen für die Versuchsstrafbarkeit Wie eingangs aufgezeigt,43 wirkt das Bezifferbarkeitserfordernis auch auf den subjektiven Tatbestand ein. Bleibt eine Strafbarkeit aus dem vollendeten Delikt aus, weil der Schaden nicht beziffert werden kann, so ist für den Tatentschluss in der Versuchsprüfung zu fordern, dass der Täter die Vorstellung hat, eine bezifferbare Abwertung der Kreditrückzahlungsforderung, mithin einen zu erwartenden und bezifferbaren Kreditausfall herbeizuführen. Anders gewendet erfordert der Vorsatz, dass der Täter mit einem bezifferbaren Kreditausfall rechnet. Anhaltspunkte für eine derartige Vorstellung können die Kenntnis um die relevanten Berechnungsgrundlagen sein, die Umstände des Marktes sowie alle übrigen Anzeichen dafür, dass der Täter es jedenfalls für möglich gehalten hat, dass seine Täuschungshandlung zu einem bezifferbaren Schaden führen würde. Damit sind im Bereich des Kreditbetruges zur Vorsatzfeststellung (und damit auch zur Feststellung des Tatentschlusses beim versuchten Betrug) etwa Grundkenntnisse des Kreditgewerbes, die Modalitäten der Kreditauszahlung, die Finanzierungsmöglichkeiten von Banken, die Werthaltigkeit von Sicherheiten und weitere Hinweise darauf relevant, dass der Täter jedenfalls die Anknüpfungspunkte kannte, anhand derer nach dem recoverable amount der Schaden berechnet wird. Sofern der Täter diese Vorstellungen nicht aufweist, macht er sich folgerichtig auch nicht wegen versuchten Kreditbetruges strafbar.44

III. Die Stundung von Forderungen In die Fallgruppe der Geschäfte, bei denen Zahlungen noch ausstehen, rechnet auch die erschlichene Stundung von Forderungen. Obschon in der älteren Rspr. zur Lösung dieser Fälle auch der Rückgriff auf die Figur der Vermögensgefährdung erfolgt,45 hat der BGH schon frühzeitig der Annahme eines Vermögensschadens durch die Stundung von Forderungen die 43  Vgl.

oben C.III.2.o). bei den nachfolgend dargelegten Fallgruppen aktiviert sich das Bezifferbarkeitserfordernis im subjektiven Tatbestand, denn es fordert stets die Kenntnis jedenfalls solcher Umstände, die zu einem bezifferbaren Schaden führen. Weil es sich aber dabei um ein Erfordernis des allgemeinen Teils handelt (vgl. dazu oben C.III.2.o) soll es hier nicht zu jeder Fallgruppe erneut angeführt werden. 45  Vgl. BGH, wistra 1986, 170 f. 44  Auch



III. Die Stundung von Forderungen335

wirtschaftliche Abwertung vorausgesetzt.46 Werden etwa Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch „falsche Versprechungen“ vorübergehend abgewendet oder auf anderweitigem Wege Fristverlängerungen erschlichen, so tritt nach Auffassung der Rechtsprechung ein Vermögensschaden ein, wenn die Chancen für die Erfüllung eines Anspruchs gerade durch den Zeitablauf verschlechtert werden und damit die Forderung an Wert verliert.47 Aus den Kreisen der Literatur wird zuweilen auch vorgetragen, die Stundung mindere das Vermögen des Gläubigers nur, wenn der Schuldner nach Ablauf der Stundung seine Zahlungsfähigkeit verloren habe.48 Gestaltet man die Schadensberechnung nach pagatorischer Aufschreibung, so sind auf der Aktivseite der Schadensbilanz wiederum die Forderungen gegen den potenziellen Betrugstäter einzustellen, auf der Passivseite mögliche relevante Gegenforderungen. Da es sich bei dieser Konstellation um einen Fall der ausstehenden Zahlung handelt, ist ein Abgrenzungsposten anzusetzen, der den recoverable amount der gestundeten Forderungen beschreibt. Der Vermögensschaden errechnet sich sodann durch Saldierung von Aktiva und Abgrenzungsposten: Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Forderung gegen den Schuldner = Nennbetrag

Fremdkapital:

Forderung gegen den Schuldner unter dem Eindruck der Stundung =  recoverable amount (fair value od. value in use)

–  ggf. Gegenforderung Eintrag d. Vermögensschadens im Eigenkapital

Schaden = Aktiva – Abgrenzungsposten

Die Abwertung einer Forderung nach §§ 252 ff. HGB besagt – wie gezeigt – nichts darüber, welchen Transaktionswert man ihr beizulegen hat. 46  BGHSt 1, 262 (264). Bemerkenswert ist, dass die neuerdings etwa von Saliger, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 455 (474 ff., insb. S. 479) herausgestellte Begrenzungsfunktion des Gefährdungsgedankens – obgleich nicht im dortigen Sinne – schon in den mit der Stundung befassten Judikaten sichtbar wird, soweit der Senat die Erwägung heranzieht, wonach eine Stundung auch dann keinen Schaden bewirke, wenn die Forderung bereits derart gefährdet sei, dass sie durch die Stundung nicht mehr an Wert verlieren könne, vgl. BGHSt 1, 262 (264). 47  BGH, NStZ 2005, 160 (161). Zur mangelnden „Verschlechterung der Vollstreckungsaussicht“ – weil der Schuldner gar kein pfändbares Vermögen mehr habe – vgl. BGH, NStZ 2003, 546 (548); OLG Stuttgart, NJW 1963, 825 (826); weitgehend zustimmend Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 211; Beukelmann, in: BeckOK – StGB, § 263, Rdnr. 70; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rdnr. 115; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB, Rdnr. 40. 48  Bockelmann, ZStW 79 (1967), 28 (37).

336

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

Die impairment-Methode der IAS / IFRS gibt hingegen Anhaltspunkte dafür, wie man den Wert einer Forderung bemessen müsste: Sowohl der fair value als auch der value in use machen die Werthaltigkeit der Forderung davon abhängig, welchen Wert man für sie auf dem Markt erzielen bzw. welchen cashflow man von ihr erwarten kann. Bei gestundeten Forderungen kann dies die volle Werthaltigkeit begründen, denn Stundungsmaßnahmen werden auch dazu eingesetzt, die vollständige Rückzahlungsmöglichkeit zu sichern, indem man dem Schuldner mehr Zeit zur Begleichung seiner Schulden einräumt. Folglich kommt es für die Werthaltigkeit auf den Vergleich von Marktpreis und erwartetem cashflow an: Sollte einer der Indikatoren auf den Vollwert hindeuten, so zeigt sich schon darin, dass die gestundete Forderung nicht weniger Wert sein kann, als ihr Nennbetrag ausweist.49 Aus dieser Betrachtung ergibt sich, dass die von der Rechtsprechung angesetzten Kriterien dem Grunde nach zutreffend sein können, doch muss man in erster Linie prüfen, ob der recoverable amount der Forderung überhaupt durch eine Stundungsmaßnahme beeinträchtigt wird. Hierzu sind die Verkehrsfähigkeit der Forderungen und ihre Nutzungswerte genau zu ermitteln und auf dieser Grundlage (ggf. mit sachverständiger Hilfe) Entscheidungen über einen jeweiligen Minderwert der Forderungen zu treffen. Der subjektive Tatbestand erfordert vor diesem Hintergrund insbesondere, dass der Täter es für möglich hält, dass durch die erlangte Stundung ein verminderter Wertzufluss aus der entsprechenden Forderung in das Vermögen des Geschädigten fließt bzw. die Forderung an Wert verliert.

IV. Der Verlust von Vermögenswerten und Rückholmöglichkeiten Obschon der Topos der schadensgleichen Vermögensgefährdung nach Juni 2010 ohne die Begleitung durch wirtschaftliche Darlegungen keinen Anwendungsbereich mehr im Vermögensstrafrecht haben dürfte, berechnet die Rechtsprechung den Vermögensschaden auch weiterhin anhand dieser Figur, wenn Sachverhalte in Rede stehen, die durch den Verlust von Vermögenswerten und eine gewisse Rückholwahrscheinlichkeit geprägt sind.50 49  Gegen diese Vorgehensweise spricht nicht der Umstand, dass es eingangs für unzulässig erklärt wurde, die dem Täter günstigste Berechnungsmethode zu präferieren, denn im hiesigen Vortrag wurden stets der fair value bzw. der value in use als Elemente des recoverable amount berechnet, der sich aus mehreren Indikatoren speisen kann. 50  Zur Gutschrift als Vermögensgefährdung vgl. bereits Hefendehl, NStZ 2001, 281 (283).



IV. Der Verlust von Vermögenswerten337

Die Einlösung gefälschter Schecks führt etwa in Scheckinkassoverfahren dazu, dass die beauftragte Bank schon mit dem erteilten Einziehungsauftrag eine Gutschrift erteilt, über die ggf. verfügt werden kann,51 sodass sich die Frage stellt, wie man unter der Geltung einer Schadensbilanz über etwaige Rückholmöglichkeiten urteilt. Eine Renaissance erlebt der Gefährdungsschaden auch in Fällen des Computerbetrugs (§ 263a StGB): Werden fingierte Forderungen im Wege des Abbuchungsauftragsverfahrens betrügerisch eingezogen, so entstehe ein Gefährdungsschaden, weil die betroffenen Kontoinhaber die Abbuchung (zumeist kleiner Beträge) erst bemerken müssten und bis zur Rückbuchung nicht über den Betrag verfügen könnten.52 In casu bemängelte der Senat zwar die landgerichtlichen Feststellungen, die einen Vermögensschaden (noch) nicht zu tragen vermochten.53 Interessant ist gleichwohl die Erwägung, wonach die Verfügungsmöglichkeit über den abgebuchten Vermögenswert zum Schaden führe.54 1. Ansatz in einer Schadensbilanz Zunächst sind auf der Aktivseite der Vermögensbilanz des vermeintlich geschädigten Bankkunden die Forderungen gegen seine Bank55 einzustellen, die sich als Gutschriften auf seinem Konto ausweisen. Aus dem Vermögen des potenziell Geschädigten darf der Wert nur dann ausgegliedert werden, wenn man ihn weder veräußern kann noch von ihm ein Nutzen zu erwarten ist. Nach den Grundsätzen der wirtschaftlichen Betrachtung kommt es darauf an, wer die Zugriffsmöglichkeit auf den jeweiligen Vermögenswert innehat. Stellt man in der Bilanz sodann einen Abgrenzungsposten ein, so müsste dieser zum Schadensbeleg auf sicherer Grundlage in Höhe des Minderwertes beziffert werden können. So sind etwaige Ausgleichsansprüche als Abgrenzungsposten einzustellen, die sich daraus ergeben, dass die Bank möglicherweise ihren Prüfpflichten nicht nachgekommen ist, sofern diese keine weiteren Schritte des Geschädigten erfordern, etwa weil es Haftungsfonds oder andere Vorkehrungen gibt, die eine gleichsam automatische Erstattung gebieten; sie sind dann als reimbursements zu verzeichnen (siehe nächste Seite).

51  BGH,

wistra 2012, 267 (268). Beschl. v. 22. Januar 2013  – 1 StR 416/12, Juris, Rdnr.  33. 53  BGH, Beschl. v. 22. Januar 2013  – 1 StR 416/12, Juris, Rdnrn.  38 und 40. 54  Vgl. BGH, Beschl. v. 22. Januar 2013  – 1 StR 416/12, Juris, Rdnr.  33. 55  Vgl. dazu etwa BGH, NJW 2005, 980; NJW-RR 2004, 1637 (1638). 52  BGH,

338

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Forderung gegen die Bank  = Gutschriftsbetrag auf dem eigenen Konto

Eintrag d. Vermögensschadens im Eigenkapital

Forderungen gegen die Bank: Bewertung unter dem Gesichtspunkt der Rückholmöglichkeit recoverable amount (fair value od. value in use) = zumeist entsprechend dem Gutschrifts­ betrag, soweit Rückholmöglichkeit sicher oder Ausgleich gg. Bank möglich

Schaden = Aktiva – Abgrenzungsposten

2. Bewertung der Bilanzposten Die Forderung des Bankkunden gegen seine Bank beläuft sich in den Aktiven zunächst auf den Nennbetrag seines betroffenen Guthabens. Ebenso verfährt man bei möglichen Rückgriffsansprüchen gegen die Bank, die gleichermaßen auf den Nennbetrag des betroffenen Guthabenanteils lauten, sofern sie sicher erwartet werden können. Im Fall der betrügerisch erlangten Gutschrift wirkt sich die Rückholmöglichkeit positiv auf das Vermögen des Kontoinhabers aus, wenn man die Rückholmöglichkeit als sicher erachtet und die Bank ihm nach der Rückbuchung auch alle Zinsanteile erstatten muss, die er aufgrund der mangelnden Verfügungsmöglichkeit nicht ziehen konnte. Werden die „verlorenen Tage“ also üblicherweise in den Zinsanspruch eingerechnet, so fehlt es am Schaden, weil der value in use dieses Anspruchs einen cashflow in Höhe der Zinsen verspricht. Der Abgrenzungsposten lautet im Modus des impairment sowohl unter fair value – Gesichtspunkten als auch nach dem value in use in einem solchen Fall auf den Vollwert. Sollte der Zinsanspruch sich jedoch verringern, so kann darin der ebenso ein Schaden liegen wie in einem Wegfall der Rückholmöglichkeit. Diese Anforderungen finden sich konsequenterweise auch im subjektiven Tatbestand wieder, sodass der Täter jedenfalls eine parallelwertende Vorstellung über etwaige Rückholmöglichkeiten und die Abwertung der Guthabenforderung des Geschädigten haben muss.

V. Der Erwerb „bemakelter“ Rechtspositionen Die Rechtsprechung hat zudem unter den Vorzeichen der Vermögensgefährdung eine Vielzahl an Fällen dem Betrugstatbestand zugeordnet, die sich dadurch auszeichnen, dass der erworbenen Kompensation für die eigene Leistung ein Konglomerat an Umständen anhaftet, das unter gewissen



V. Der Erwerb „bemakelter“ Rechtspositionen339

Bedingungen aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden und dem Erwerber Unannehmlichkeiten oder Nachteile einbringen könnte. Beispiele sind der Erwerb eines Schecks, der alsbald gesperrt wird,56 und im Allgemeinen der gutgläubige Erwerb von Sachen und Rechten.57 Teilweise wird der Vermögensschaden in den Fällen des gutgläubigen Erwerbs auch ohne Rekurs auf die Vermögensgefährdung damit begründet, dass der erworbene Gegenstand resp. das erworbene Recht nicht jenen wirtschaftlichen Wert trage, den eine „unbestreitbare“ Rechtsposition vermittle.58 Weil man heutzutage nicht mehr ernsthaft behaupten kann, nur der lupenreine Rechtserwerb begründe die Vollwertigkeit eines Gegenstandes, spielt aber dieser Makelgedanke jedenfalls keine Rolle mehr.59 Gleichwohl wird unter dem Topos des erheblichen Prozessrisikos der Schadenseintritt dann angenommen, wenn die substanzielle Gefahr eines Prozessverlustes bestehe,60 wobei ein allgemeines Risiko, dass ein Prozess zu führen sein könnte, jedenfalls nicht in diese Kategorie rechnet.61 Dieser Gangart hat jüngst der 3. Senat eine weitere Nuance hinzugefügt, indem er die konkrete Bezifferung des Schadens forderte.62 1. Ansatz in der Schadensbilanz Auch hier ist der Vermögensgegenstand in die Bilanz unter den Aktiven einzustellen. Bilanzielle Rückstellungen als antizipierte Geldwerdungsposten mit unsicherer Realisierung vermögen keinen Vermögensschaden anzuzeigen und deshalb kann man auch in den hiesigen Fällen nicht argumentieren, ein Schaden trete in Parallele zu Kulanzrückstellungen (§ 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 HGB), etwa bei faktischem Zwang63 zur Herausgabe des erworbenen Gegenstandes, ein.64 Deshalb kann ein Vermögensschaden entweder 56  BGHSt

1, 92. 15, 83 (87); BGH, JR 1990, 517 (518); BGH, wistra 2003, 310 f. 58  BGHSt 3, 370 (372). 59  Vgl. BGH, NStZ 2013, 37 (38); Kudlich, JA 2009, 790 f.; zusammenfassend Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rdnr.  111. 60  BGH, wistra 2003, 310 f.; vgl. auch Norouzi, JuS 2005, 786 (788), der aber die konkrete Gefahr einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht für hinreichend erachtet. Erst recht wird die allgemeine Prozessgefahr nicht für ausreichend befunden, vgl. BGH, NJW 1966, 1975 (1976); vgl. auch BGH, NStZ 2013, 37 (38). 61  Vgl. Saliger, ZStW 112 (2000), 563 (580 m. w. N.). 62  BGH, NStZ 2013, 37; vgl. dazu ausführlich Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 206. 63  Der Begriff des „Zwangs“ trifft die hiesige Problematik nicht gänzlich, wenn ihm Fälle der Kosten-Nutzen-Abwägung subsumiert werden, vgl. dazu Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 655. 64  So Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnr. 655. 57  BGHSt

340

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

insoweit in Betracht kommen, als das Vermögen des gutgläubigen Erwerbers durch seine Verfügung mit einer werthaltigen Forderung des ursprünglichen Eigentümers belastet wird oder der erworbene Vermögensgegenstand aufgrund seiner Provenienz einen minderen Wert trägt. Schließlich setzt man einen Abgrenzungsposten an, der im pagatorischen Sinne die künftig zu erwartenden Mittelabflüsse aufgrund des Prozessrisikos bzw. der Herkunft des erworbenen Gegenstandes widerspiegelt: Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Vermögensgegenstand

Fremdkapital: –  ggf. Forderung des ursprüngl. Eigentümers (etwa: auf Rücküber­ eignung) Eintrag d. Vermögensschadens im Eigen­ kapital

Vermögensgegenstand unter dem Eindruck eines Prozessrisikos = recoverable amount (fair value od. value in use) ggf. Forderung des Eigen­ tümers unter dem Eindruck eines Prozessrisikos  =  recoverable amount (fair value od. value in use)

Schaden = Aktiva – Abgrenzungsposten

2. Bewertung der Bilanzposten Da der Abgrenzungsposten stets die zu erwartenden und das Vermögen des potenziell Geschädigten mitunter belastenden Zahlungsflüsse beschreibt, repräsentiert er in dieser Bilanz einen zu erwartenden Mittelabfluss entweder aufgrund einer Forderung des ursprünglichen Eigentümers oder aufgrund eines Minderwertes des erworbenen Gegenstandes. Eine Forderung des ursprünglichen Eigentümers ist nach dem impairment – Verfahren zunächst zwar als möglicher Rechenposten (gedanklich!) mit vollem Wert in die Bilanz des Erwerbers einzustellen, doch kann die Bewertung des Abgrenzungspostens aufzeigen, dass diese gedachte Forderung überhaupt keinen Wert trägt, wenn sie entweder tatsächlich nicht besteht (gutgläubiger Erwerb) oder jedenfalls keinerlei Aussicht auf Durchsetzung hat. Unter bilanziellen Vorzeichen ergibt sich der Schaden in diesen Fällen regelmäßig nur dann, wenn man von einem „merkantilen Minderwert“ aufgrund der Herkunft des Vermögenswertes sprechen kann,65 weil sich darin der Gedanke des fair value aktualisiert. Auch können zu erwartende cashflows in die Bewertung nach dem value in use einzurechnen sein, die sich noch aus 65  So auch Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 209; Perron, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 263, Rdnr. 111.



VI. Die Schadensberechnung beim Anstellungsbetrug 341

einer Verwertung des Gegenstandes ergeben könnten, wenn er sich etwa als unverkäuflich erweisen mag. Es kommt insoweit also auf den recoverable amount an, den man dem erworbenen Gegenstand zuschreibt. Im subjektiven Tatbestand ist vor diesem Hintergrund vom Täter zu erwarten, dass er die Umstände in seine Vorstellung aufnimmt, die entweder eine realistische Rückforderung oder den merkantilen Minderwert aufgrund der Herkunft des Gegenstandes repräsentieren.

VI. Die Schadensberechnung beim Anstellungsbetrug Ein Vermögensschaden soll nach verbreiteter Auffassung auch dann eintreten können, wenn ein Arbeits- und Dienstverhältnis aufgrund vorangegangener Täuschungen begründet wird. In dieser Fallgruppe stehen sich zumeist eine Forderung auf Arbeits- oder Dienstleistung und ein Lohn- oder Gehaltsanspruch gegenüber, sodass auch diese Fälle von künftig zu erwartenden Zahlungsflüssen gekennzeichnet sind. Leistung und Gegenleistung entsprechen sich in diesen Konstellationen jedenfalls dann nicht, wenn schon die zugesagte Dienstleistung an sich weniger wert ist als der dafür erlangte Lohnanspruch.66 Sofern etwa die Leistung eines Geschäftsführers, der seine Stellung durch Täuschungen erlangt hat, aufgrund unrichtiger Entscheidungen fortlaufend weniger Unternehmenserfolg zeitigt, so kann der Schaden darin verortet werden, dass eine solche Leistung auf jenem Markt, der nach dem fair value – Grundsatz relevant ist, weniger Gegenleistung einfährt. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Annahmen der h. M. 1. Korrekturen durch die h. M. Problematisch sind hingegen jene Fälle, in denen die Arbeits- oder Dienstleistung zwar im Wert dem gezahlten Lohn entspricht, der Täuschende jedoch nicht über die übliche Qualifikation für den besetzten Posten verfügt. Erscheint der Arbeitnehmer aufgrund mangelnder Vorbildung oder anderer persönlicher Umstände nicht in der Lage, die vertraglich bezeichneten Funktionen auszufüllen, so begründet nach ständiger Rechtsprechung schon dieser Umstand die Schädigung des Arbeitgebervermögens.67 Trotz einer der Entlohnung entsprechenden Dienstleistung postuliert die Rechtsprechung auch im Falle der Erschleichung einer Beamtenstellung einen 66  Dies ist wohl die einzig gesicherte Erkenntnis in diesen Fällen, vgl. etwa BGH, NJW 1978, 2042 (2043). 67  BGHSt 1, 13 (14) – Eisenbahngehilfe; BGH, NJW 1978, 2042 (2043); in dieser Richtung auch Bockelmann, JZ 1952, 461.

342

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

Vermögensschaden, sofern der Täuschende persönlich unwürdig ist oder aufgrund seiner Ausbildung die seiner eingeschlagenen Laufbahn vorausgesetzten Anforderungen nicht erfüllt.68 Das BVerfG hat diese Rechtsprechung sowohl in Bezug auf die Beamtenstellung als auch hinsichtlich einer besonderes Vertrauen und Zuverlässigkeit erfordernden Tätigkeit auf privatrechtlicher Grundlage gebilligt, doch lag die entsprechende Entscheidung vor Juni 2010.69 2. Kritik auf der Grundlage einer bilanziellen Betrachtung und Bewertung Die skizzierten Grundlegungen sind allerdings nicht überzeugend, weil in allen Fällen bislang der Beleg dafür aussteht, dass die formale Qualifikation des Kandidaten einen regelmäßigen Einfluss auf die Werthaltigkeit seiner Arbeits- oder Dienstleistung haben könnte. Man wird daher den Anspruch auf Leistungen des Arbeitnehmers oder Beamten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses marktmäßig zu beziffern haben, um den ausstehenden Nachweis verminderter Marktgängigkeit der versprochenen Leistungen zu erbringen.70 Sobald erste Arbeitsleistungen und Löhne oder Gehälter geflossen sind, kann sodann allein der Vergleich des Geleisteten und des Erhaltenen Aufschluss über den Vermögensstatus des Arbeitgebers vermitteln. Diese unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der Schadensermittlung führen zu der prima facie merkwürdigen Konsequenz, dass der Vertragsschluss unter Umständen zwar einen Schaden in Höhe des Gehaltsanspruches jedenfalls bis zur nächsten Kündigungsmöglichkeit einfährt. Lässt man den Täuschenden aber weiterarbeiten und erbringt er die vollwertige Leistung, so könnte seine mangelnde Qualifikation keinen Schaden begründen, obwohl nicht recht einzusehen wäre, warum man im einen oder anderen Fall die Vermögenslage abweichend beurteilen sollte. Aus der Perspektive der h. M., die den Erfüllungsschaden lediglich als Vertiefung des Eingehungsschadens ansieht,71 mit der Konsequenz, dass nur eine Tat vorliege,72 müsste man den Umstand werthaltiger Arbeitsleistungen jedoch ignorieren und faktisch 68  BGHSt 1, 13 (14); BGHSt 5, 358 (360 ff.); so auch bereits RGSt 65, 281 (282); krit. Prittwitz, JuS 2000, 335 f. 69  BVerfG, NJW 1998, 2589 (2590). 70  Vgl. zur Bezifferung beim Anstellungsbetrug auch Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 229. 71  Vgl. BGH, NJW 1953, 836. 72  BGHSt 47, 160 (168); BGH, NStZ 2013, 234 (236); Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 201. Beendigung tritt dann mit der Realisierung der Wertminderung in der Erfüllungsphase ein, vgl. Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 274.



VI. Die Schadensberechnung beim Anstellungsbetrug 343

den anhand der persönlichen Qualifikation begründeten Minderwert auf die werthaltige Leistungserbringung „durchschlagen“ lassen. Die Rechtsprechung umgeht diese Folge, indem sie eine Ausnahme von ihrer Grundauffassung zum Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsphase im Bereich des Anstellungsbetruges zulässt: Die Lohn- und Gehaltszahlungen ließen sich weder als Erweiterung noch als Fortsetzung des durch den Vertragsschluss bewirkten Vermögensschadens ansehen.73 Wenn das richtig wäre, so stellte sich erneut die Frage, ob die mangelnde Qualifika­ tion des Bewerbers grundsätzlich geeignet sein kann, einen Minderwert der erwarteten Arbeitsleistung anzugeben.74 Im Falle der Erfüllung fiele dieser schadensbegründende Umstand jedoch gänzlich weg: Einmal postulierte man folglich in einer Schadensbilanz die Ansatzfähigkeit der Qualifikation als Wertfaktor, ein anderes Mal nicht. Dieser Wertungswiderspruch zum Verhältnis von Vertragsschluss und Leistung ist dahingehend aufzulösen, dass der Abschluss eines Arbeitsvertrages nur insoweit einen Vermögensschaden hervorzubringen vermag, als der Arbeitnehmer überhaupt nicht in der Lage ist, eine vollwertige Leistung zu erbringen, denn nur in dieser Konstellation wird auch die marktmäßige Bewertung des Leistungsanspruches einen Minderwert ausweisen. Im Übrigen ist aber zu resümieren, dass die Qualifikation des Arbeitnehmers kaum als Wertfaktor für die versprochene Leistung dienen können wird, sofern im Vergleich mit der tatsäch­ lichen Erbringung der Arbeitsleistung kein Schaden eintreten würde. Abgerundet wird diese Argumentation durch eine Betrachtung der Bilanzierung von sog. employee benefits nach IAS 19. Dieser Standard findet gemäß IAS 19.5 (a) auf Lohn- und Gehaltsansprüche Anwendung (shortterm employee benefits, vgl. IAS 19.9). Nur sofern der Arbeitnehmer Leistungen erbracht hat, sind die ausstehenden Lohn- und Gehaltsbeträge als Verbindlichkeiten in Höhe des ausstehenden Betrages anzusetzen. Vor der Arbeitsleistung wird die Vergütungspflicht mithin nicht erfasst (vgl. auch IAS 19.IN3). Diese Maßgabe kann man für die strafrechtliche Untersuchung des Vermögensschadens durch Vertragsschluss in diesen Fällen zwar nicht uneingeschränkt übernehmen, aber zumindest insoweit berücksichtigen, als regelmäßig erst die eigentliche Leistung der Arbeit jene Wertwechsel initiiert, die sub specie § 263 StGB schützenswert erscheinen. Stellt man auf dieser Grundlage die zu saldierenden Posten in eine pagatorische Schadensrechnung, so stellt diese auf der Aktivseite im Vermögen des Arbeitsgebers (bzw. Dienstherrn) einen Anspruch auf Leistung des Arbeitnehmers (bzw. Beamten) und in den Verbindlichkeiten einen Anspruch des Arbeitnehmers 73  BGH,

NJW 1968, 1196. zeigt sich auch an diesem Beispiel, dass der Rekurs auf die Begriffe des Eingehungs- und Erfüllungsbetruges mehr Probleme schafft als beseitigt. 74  Ferner

344

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

(oder Beamten) auf die Zahlung des Gehaltes oder Lohnes. Weil auch hier die Werthaltigkeit eines zukünftigen Zahlungsereignisses unter Beobachtung steht, ist wiederum ein Abgrenzungsposten anzusetzen, der den jeweiligen Anspruch des Arbeitgebers einem impairment – Test unterzieht und zu diesem Zweck mit dem recoverable amount, also mit dem fair value bzw. dem value in use bewertet. Die Schadensbilanz entspricht beim Anstellungsbetrug daher folgendem Muster: Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Anspruch gegen den Arbeitnehmer /  Beamten auf Leistung

Fremdkapital: –  Anspruch auf Gehalt / Lohn Eintrag d. Vermögens­ schadens im Eigenkapital

Anspruch des Arbeit­ gebers (Dienstherren) auf Leistung = recoverable amount (fair value oder value in use)

Schaden = Aktiva – Abgrenzungsposten

Der Vorsatz verlangt im Bereich des Anstellungsbetruges auf der Grundlage der bilanziellen Erkenntnisse, dass der Täter damit rechnet, die versprochene Arbeitsleistung überhaupt nicht erbringen zu können, bzw. es für möglich hält, dass er dem Arbeitgeber einen minderwertigen Anspruch auf Arbeitsleistung verschafft. Auch hier indizieren die Kenntnisse von den Umständen, die den Arbeitsleistungsanspruch mindern, den erforderlichen Vorsatz.

VII. Der Quotenschaden 1. Strafrechtliche Grundlagen Im Bereich des Quotenschadens neigen die Wettnehmer dazu, einen Wissensvorsprung zu generieren, aufgrund dessen sie sich auch im Rahmen der Wettteilnahme einen Vorteil zu verschaffen suchen. Dies gelingt auf zwei Wegen: Einerseits kann die frühe Kenntnis um den Ausgang eines Wettbewerbs ausgenutzt werden, um eine sog. „Spätwette“ bei jenem Buchmacher zu platzieren, der diese Kenntnis noch nicht erlangt hat.75 Andererseits 75  Vgl. BGHSt 16, 120 ff – Spätwette. Dort mangelte es nach Auffassung des BGH bereits an einer Täuschung, weil die Platzierung der Wette nicht einen derartigen Kommunikationsinhalt aufweise, wonach der Wettnehmer die Unkenntnis ob des Wettbewerbsausganges suggeriere (BGHSt 16, 120 [121 f.]). Jedenfalls wird man hier aber eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Buchmachers bei „Spätwetten“ annehmen müssen (vgl. Kubiciel, HRRS 2007, 68 [71]), sodass der Schaden entfällt.



VII. Der Quotenschaden345

kann der Wettbetrüger Bemühungen entfalten, die auf die Manipulation des Wettbewerbs selbst abzielen, und anschließend eine entsprechende Wette platzieren.76 Die zweite Variante erlangte im Jahr 2006 als sog. „Hoyzer / Sapina“  – Fall besondere Prominenz. Gegenstand des neueren Interesses77 sind insbesondere sog. ODDSET-Wetten,78 die sich dadurch auszeichnen, dass der Gewinn des Wettteilnehmers nach festen Gewinnquoten bemessen wird. Unter dem gleichsam schillernden Begriff des sog. „Quotenschadens“ unternahm der BGH in einer vielbeachteten Entscheidung79 den Versuch, die mit Schwierigkeiten behaftete Schadensberechnung in Wettbetrugsfällen zu leisten. Die Rechtsprechung rechnet den Wettbetrug den Fällen des Vermögensschadens durch Vertragsschluss (= „Eingehungsbetrug“) zu und begründet dies mit der Erwägung, wonach der Abschluss des Wettvertrages dazu führe, eine tatbestandlich relevante Differenz zwischen Gewinnchance und Wetteinsatz zu schaffen.80 Der Vermögensschaden liege darin, dass die buchmacherisch festgelegten Quoten nicht mehr der üblichen Risikoeinschätzung entsprächen.81 Der BGH geht offensichtlich davon aus, dass die vertraglichen Verpflichtungen der Wettparteien im Werte nicht mehr korrespondierten. Schließlich müsse der Quotenschaden auch nicht beziffert werden; eine Bewertung der „relevanten Risikofaktoren“ reiche hin.82 Soweit Gelder ausgezahlt würden, handele es sich um einen endgültigen Vermögensverlust, sodass der Quotenschaden auch als „notwendiges Durchgangsstadium“ des endgültigen Schadens anzusehen sei.83 a) Stellungnahmen zum Quotenschaden In Vorfeld und Nachgang der höchstrichterlichen Stellungnahme aus Leipzig hat sich die Literatur freilich mit der Problematik des Vermögensschadens bei Wettbetrugsfällen auseinandergesetzt. Bevor die präsentierten Ansätze gewürdigt werden, gilt es auch hier anhand der neuen Erkenntnisse zum Betrugsschaden auszusortieren: Weil die schadensgleiche Vermögens76  Vgl.

BGHSt 29, 165 ff.  – Pferderennwette; 51, 165 ff.  – Hoyzer/Sapina. weiteren Wettformen vgl. die Übersicht bei Koch, Betrug bei der Sportwette, S.  1 ff. 78  Der Begriff setzt sich aus engl. „odds“ und „set“ zusammen und bezeichnet mithin feststehende Quoten, vgl. Janz, NJW 2003, 1694 (1695 mit Fn. 4). 79  BGHSt 51, 165 ff. 80  Vgl. BGHSt 51, 165 (175). 81  Vgl. BGHSt 51, 165 (175). 82  BGHSt 51, 165 (175  f.). Diese Behauptung wurde bspw. von Saliger, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 455 (458) bereits vor dem Judikat des BVerfG aus Juni 2010 als Normativierung des Schadensbegriffs bezeichnet. 83  BGHSt 51, 165 (176). 77  Zu

346

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

gefährdung ohne wirtschaftliche Schadensermittlung keine anerkennenswerte Kategorie des Vermögensschadens ist,84 kann der Schaden auch nicht mit dieser Figur im Zeitpunkt des Abschlusses des Wettvertrages begründet werden. Die entsprechende – zumeist auf das Judikat des LG Berlin v. 17.11.200585 gemünzte – Kritik aus der Literatur86 ist freilich zutreffend, kann aber mit der neueren Entwicklung der Schadensdogmatik bereits als Grundlage der weiteren Betrachtung gelten. Gleichermaßen wird zuweilen – unter Ablehnung einer Tatvollendung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses – die grundsätzliche Einordnung des Quotenschadens durch den BGH angezweifelt, weil sich die schadensbegründenden Vermögensverschiebungen nicht bei dem Vergleich zweier Vertragspflichten, sondern im „Austausch von Wettschein und Wetteinsatz“ manifestierten.87 Ungeachtet der Frage, ob diese Beobachtung überzeugt, geht die pagatorische Schadensbilanz von der Notwendigkeit aus, die überkommene Differenzierung von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug nicht fortzuführen88 und den Betrugsschaden in der Sache unter bilanziellen Maßgaben allein anhand einer bezifferbaren Vermögensminderung zu berechnen. Wenn aber die Begriffe des Eingehungs- und Erfüllungsbetruges lediglich Orientierungspunkte bilden, die rechtliche Wertung und insbesondere die Schadensbezifferung im Einzelfall daher nicht ersetzen können, dann kommt es auf diesen Kritikpunkt auch nicht an. Zumal: Die These, dass die beiderseitigen Vertragspflichten im Vergleich noch keinen Vermögensschaden offenbarten, stützt sich in casu in der Hauptsache wiederum auf die Ablehnung des Konnexes zwischen Eingehungsbetrug und konkreter Vermögensgefähr­ dung;89 eine eigenständige Bewertung der Vertragspflichten fand daher – im Jahr 2007 nach dem Stand der Technik vielleicht auch nicht unbedingt erforderlich – nicht statt. b) Die monografischen Überlegungen von C. A. Koch In einer monografischen Aufarbeitung der Sportwette resümiert ferner C. A. Koch in Auseinandersetzung mit BGHSt 51, 165, der Senat gehe von einem „Vermögensschaden aufgrund mangelnder Information auf Seiten des 84  Vgl.

dazu bereits oben A.III. Berlin v. 17.11.2005, BeckRS 2006, 05289. 86  Vgl. etwa Koch, Betrug bei der Sportwette, S. 129 ff.; Saliger/Rönnau/KirchHeim, NStZ 2007, 361 (364 f.); Kutzner, JZ 2006, 712 (717). 87  Zitat und These von Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361 (365); ebenso Steinsiek/Vollmer, ZIS 2012, 586 (590). 88  Dazu ausführlich oben C.III.3. 89  Vgl. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361 (365). 85  LG



VII. Der Quotenschaden347

Buchmachers“ aus.90 Diesen Informationsmangel will Koch zur Schadensberechnung nicht heranziehen.91 Seine Kritik der Rechtsprechung läuft schließlich ins Leere. Denn entweder erscheint ihre Grundannahme nicht zutreffend oder es passt jedenfalls die nachfolgende Argumentation nicht dazu: Will man die soeben zitierte Äußerung so verstehen, dass der BGH den Vermögensschaden auf einen Irrtum (= mangelnde Information) zurückführe, so handelte es sich um eine gleichsam betrugsspezifische Selbstverständlichkeit, die nicht Teil der Schadensbestimmung im engeren Sinne ist. Deshalb muss die Aussage wohl so verstanden werden, dass die in den Quoten zum Ausdruck kommende mangelhafte Information des Buchmachers gegenüber dem Informationsvorsprung des Wettnehmers als tauglicher Ansatzpunkt ausgesondert werden soll.92 In der Folge wird argumentiert, dass sowohl Buchmacher als auch Wettender sich aus unterschiedlichen Quellen unterrichten dürften und deshalb Informationsgefälle eine wesent­ liche Grundlage aller Wettgeschäfte seien.93 Das ist isoliert betrachtet zwar richtig,94 aber darum geht es in der Sache eigentlich nicht: Im Unterschied zum Buchmacher verfügt der Wettnehmer hier über das „Sonderwissen […], das aus einer verwerflichen Manipulation des Wettgegenstandes resultiert“.95 Dieser Punkt wird im Argument mit der (für zulässig erachteten) Unterrichtung aus verschiedenen Quellen unterschlagen, sodass der eigentlich kritikwürdige Punkt, nämlich: ob man ein die vertraglichen Risikogrenzen übersteigendes, aus Manipulationen hervorgehendes Informationsgefälle in die Schadensberechnung einstellen darf, gar keine Berücksichtigung findet.96 Mithin trifft dieses Argument jedenfalls die gewählte Grundannahme von der in den Quoten sich manifestierenden Informationsdisparität nicht.

90  Koch, Betrug bei der Sportwette, S. 127 mit Verweis auf BGH, NJW 2007, 782 = BGHSt 51, 165. 91  Koch, Betrug bei der Sportwette, S. 127. 92  Dies suggeriert jedenfalls die weitere Argumentation, die von unterschied­lichen Informationsquellen handelt, vgl. Koch, Betrug bei der Sportwette, S. 127. 93  Vgl. Koch, Betrug bei der Sportwette, S. 127. Dies hat der Senat freilich erkannt, vgl. BGHSt 51, 165 (173): „… das Einholen allgemein zugänglicher Informationen über den Wettgegenstand [fällt – Anm. T. W.] typischerweise in das Risiko jedes Vertragspartners“. 94  Vgl. auch Kubiciel, HRRS 2007, 68 (71). 95  BGHSt 51, 165 (173). 96  Dies wird weiter belegt durch das folgende, vermeintliche „argumentum-adabsurdum“: „Sonst müsste im umgekehrten Fall auch ein Wissensvorsprung auf Seiten des zumeist besser informierten Wettbüros, [sic!] einen Schaden für den Wettenden beim Vertragsschluss darstellen.“ Auch hier müsste zur eigentlichen Problematik, dass es sich um Manipulationen handelt, die weit über die vom Autor herangezogenen Vergleichsfälle hinausgehen, Stellung genommen werden.

348

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

c) Weitere Stellungnahmen Kutzner97 ist der Auffassung, als zielführend erweise sich im Wettbetrugsfalle nur der Vergleich der Vermögenslage, die auf der Grundlage des durchschnittlichen Wettverhaltens nach Gewinnausschüttung ermittelt werde, mit jenem Vermögensstand, der sich nach Gewinnausschüttung infolge der Manipulation des Wettgegenstandes darstelle. Begründet wird diese Annahme damit, dass ein derart berechneter Betrugsschaden das täuschungsbedingt verschobene Wettrisiko abbilde.98 Obschon die hinter diesem Vorschlag verborgene Akzentuierung des Vermögenswertvergleichs zustimmungsbedürftig ist, vermag der Ansatz im Übrigen nicht zu überzeugen, denn er macht Anleihen bei der nicht zu präferierenden hypothetischen Schadensberechnung durch den Vergleich mit der Vermögenslage bei durchschnittlichem Wettverhalten. Daher kann dem Vorschlag Kutzners zur Wahl der passenden Saldierungsposten insoweit nicht gefolgt werden. Saliger99 verweist hingegen den Quotenschaden aus dem Kreis der anerkennungsfähigen Schadenskategorien, indem er aufzeigt, dass dieser von Normativierungen lebt, denen keine tatsächliche, nicht einmal eine denkbare Wertminderungslage korrespondiere. Von der Betrugsvollendung ist nach seiner Auffassung erst dann die Rede, wenn ein Gewinn ausbezahlt wird und etwaige Manipulationen Einfluss auf den Ausgang des Wettereignisses haben.100 Das klingt prima facie überzeugend, muss allerdings anhand des hiesigen Bilanzmodells überprüft werden, bevor der Anschluss erklärt werden kann.

97  Kutzner,

JZ 2006, 712 (717). JZ 2006, 712 (717). 99  Saliger, in: Festschr.  f. Samson, 2010, S. 455 (457 ff.). Übrigens etikettiert Saliger den Quotenschaden als „fiktionär“ (Saliger, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 455 [459]), und indem er damit unweigerlich einen Satz des „vorbeistationierenden Autobiographiefiktionärs“ (Paul Nizon) alludiert, beschreibt er ganz treffend sowohl das statisch-progressive Wesen des Quotenschadens, das zwischen dem Beharren auf alten Kategorien und dem Schritt in bislang unbekannte Normativierungen oszilliert, als auch den anhaltenden Konflikt mit der Selbstreferenz – mithin den Narziss –, der den Quotenschaden insofern prägt, als er fernab jedweder Anknüpfung an externe Wertschätzung zu sein scheint. 100  Saliger, in: Festschr. f. Samson, 2010, S. 455 (460). 98  Kutzner,



VII. Der Quotenschaden349

2. Eigene Position und Schadensberechnung nach bilanziellen Maßstäben a) Die Bedeutung der Haftungsfreizeichnung Der Vermögensschaden ist auch in den Fällen des Wettbetruges nach allgemeinen Regeln pagatorischer Schadensrechnung zu ermitteln. Mithin wird ein Vergleich der Vermögenslagen vor und nach der Platzierung der Wette, dem Spielende oder eben zu jenem Zeitpunkt erforderlich, den es auf seine Betrugsqualitäten zu prüfen gilt. Im Bereich der Sportwetten agieren die Anbieter mit Geschäftsbedingungen, die gewisse Risiken vorab einzudämmen suchen. Dies wird man auch bei der Schadensberechnung in Betracht zu nehmen haben, jedenfalls soweit Vertragsschlüsse als Schadensereignisse angesehen werden. Die als AGB ausgestalteten101 Teilnahmebedingungen sowohl für die ODDSET-TOP-Wette102 als auch für die ODDSET-Kombi-Wette103 sehen jeweils in § 12 Abs. 1 S. 1 einen Ausschluss der Haftung für spieltypische Risiken vor. Als Beispiel „spieltypischer Risiken“ wird in § 12 Abs. 1 S. 2 der jeweiligen Teilnahmebedingungen „die Gefahr einer betrügerischen Manipulation im Rahmen des Spielgeschäfts“ genannt. Dieser Ausschluss umfasst entsprechend § 309 Nr. 7b, letzter Hs. BGB auch die grobe Fahrlässigkeit. Die vollständige Haftungsfreizeichnung auch für den Fall der groben Fahrlässigkeit dient dem Schutz des Wettanbieters vor Manipulationen des Geschäfts an sich. So hatte der Gesetzgeber den Fall vor Augen, dass nach Beendigung des Wettbewerbs ein Wettschein fingiert werde, von dem der Annahmestellenbetreiber in kollusivem Zusammenwirken mit einem als Wettnehmer Auftretenden behaupte, er habe ihn grob fahrlässig nicht weitergeleitet, sodass im Wege der Haftung ein – freilich sodann aufzuteilender – Gewinn erzielt werde.104 Anders gewendet, sichern sich die Buchmacher gegen Betrügereien ab, an denen Personen aus ihrer eigenen Sphäre beteiligt sind. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass jedenfalls dieses Risiko nicht in die Kalkulationen der Buchmacher einfließen muss und daher insoweit auch keine Chancendisparität zu bewirken vermag. Anders gewendet: Sofern Vermögensschäden damit begründet werden sollen, dass die dazu Engel, in: Staudinger, BGB, § 763, Rdnrn. 26 ff. für die Sportwette „ODDSET-Kombi-Wette“, Bekanntmachung der Lotterieverwaltung Hessen vom 6. 6. 2012 (StAnz. S. 782). 103  Teilnahmebedingungen für die Sportwette „ODDSET-TOP-Wette“, Bekanntmachung der Lotterieverwaltung Hessen v. 6. 6. 2012 (StAnz. S. 777), zuletzt geändert durch Änderungsbekanntmachung vom 10. 7. 2012 (StAnz. S. 848). 104  Vgl. BT-Drs. 14/7052, S. 189. 101  Vgl.

102  Teilnahmebedingungen

350

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

Buchmacher in einem solchen Manipulationsfall Verpflichtungen gegenüber Dritten ausgesetzt seien, ist diesem Argument in der Regel die Gefolgschaft zu versagen, wenn eine entsprechende Freizeichnung besteht. b) Die Auswertung bilanzieller Maßstäbe Dieser Haftungsausschluss hilft jedoch dann nicht weiter, wenn der Vermögensschaden nicht auf die Haftungsmöglichkeit im weiteren Sinne unter Einbezug etwa von Mitarbeitern, sondern auf den sprichwörtlichen Handschlag beim Wettabschluss gestützt werden soll. Ob es sich so verhält, dass der Wettbetrug auch außerhalb des laienhaften Sprachgebrauchs auf die skizzierten Sachverhalte Anwendung findet, hängt davon ab, ob eine Minderung des Buchmachervermögens auf ein Täuschungsverhalten des Wettenden zurückgeführt werden kann. Beantworten lässt sich diese Frage anhand der hier entwickelten Rechenschritte unter bilanzieller Anleitung. Die Schadensbilanz des Wettanbieters sähe in etwa wie folgt aus: Im Zeitpunkt des Wettabschlusses stehen sich einerseits eine Gewinnchance in Gestalt des Wettscheins und andererseits der Wetteinsatz gegenüber. Der Wert des Wetteinsatzes lässt sich seit dem Ausklang der „Kalorienspiele“105 ohne weiteres bestimmen. Interessanter gestaltet sich die Frage, wie man die Passivseite der Bilanz ausgestaltet. Hier stehen sich zwei Modelle gegenüber, die näher untersucht werden sollen: Einerseits die bereits skizzierte Lösung des BGH, andererseits eine originär wirtschaftliche Betrachtung. c) Bilanzielle Abbildung der Lösung des BGH Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Kassenbestand: –  Wetteinsatz in Geld

Lösung des BGH: Eigenkapital: –  vermindert um die ­„Gewinnchance“ Eintrag d. Vermögens­ schadens im Eigenkapital

Lösung des BGH: kein Posten erforderlich

Schaden = Aktiva – Passiva (!)

105  Mit diesem Begriff wird der Umstand bezeichnet, dass oftmals die Wetteinsätze im Fußball nach 1945 zunächst nicht in Geld, sondern in Lebensmitteln geleistet wurden, vgl. hierzu Bitzer/Wilting, Stürmen für Deutschland – Die Geschichte des deutschen Fußballs von 1933 bis 1945, S. 161 ff.



VII. Der Quotenschaden351

Nach der Lösung des BGH entäußert der Wettanbieter eine vermögenswerte Gewinnchance. Obwohl der Bundesgerichtshof einen Vertragsschluss als Schadensauslöser benennt,106 geht es in der Sache um einen Aktivtausch, der sich in einem Wechsel von Gewinnchance zu Wetteinsatz manifestiert.107 Konsequenterweise ordnet man die hinausverfügte Gewinnchance als Merkposten im Eigenkapital ein, denn dieses vermindert sich durch die Hingabe der Gewinnchance entsprechend. Hinter der Gewinnchance verbirgt sich die Aussicht, einen Mittelzufluss zu erhalten, sofern das entsprechende Ereignis eintritt, auf das der Wettende gesetzt hat. Es geht daher um die Frage, ob der Wettanbieter mit der Gewinnchance etwas hergegeben hat, das mehr wert ist als der Wetteinsatz. Folglich erhellt sich der Vermögensschaden bereits aus dem Blick auf die Eigenkapitalziffer, die nach der Verfügung kleiner sein müsste als zuvor, um einen Vermögensschaden auszuweisen, weil sie in diesem Fall nicht durch den Wetteinsatz ausgeglichen wird. Dazu müsste die erlangte Gewinnchance aber zunächst als asset die Ansatzhürden der Bilanz passieren, denn diese geben mit der Orientierung am künftigen Mittelzufluss nicht nur das wirtschaftliche Verständnis des Vermögensbegriffs wieder, sondern scheinen auch passgenau auf die Situation des Wettbetruges anwendbar.108 Die Entstehung der Gewinnchance beruht zwar auf einem vergangenen Ereignis, doch erscheint es fraglich, ob man tatsächlich von einem erwarteten Mittelzufluss ausgehen kann. In der Literatur wird vorgeschlagen, eine Erwartung auf Mittelzuflüsse erst ab einer 50 %-Marke zu hegen.109 Wendet man dieses – nicht unumstrittene –110 Kriterium auf den hiesigen Fall an, so ergibt sich, dass es regelmäßig nicht überwiegend sicher ist, dass aus der Gewinnchance auch nur ein Cent in das Vermögen des Wettenden einfließen wird.111 Deshalb hat der Wettende in den meisten Fällen unter bilanzieller Schadensbetrachtung bei Wettabschluss überhaupt keinen Vermögenswert erlangt, der Buchmacher folglich keinen Wert eingebüßt, den man beziffern könnte. Streng genommen mangelt es bereits an der Vermögensverfügung, weil man konstatieren müsste, dass 106  BGHSt

51, 165 (175). skizzierte Kritik an der Identifizierung des Vertragsschlusses als Schadensauslöser (Eingehungsbetrug) ist daher letztlich zutreffend. 108  Es liegt freilich auch kein Fall des persönlichen Verbrauchs vor, der die letztverfügbare Transaktionsprobe aktivieren würde, vgl. dazu oben E.IV.1. 109  Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch, Bilanzen, S.  195; Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 102; vgl. auch Pellens/Fülbier/Gassen/ Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 441 zu Rückstellungen; ferner Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, S. 87. 110  Vgl. Siebler, Internationalisierung der Rechnungslegung, S. 241 m. w. N. 111  Der Wetteinsatz kann hier nicht als Beleg für einen zu erwartenden Mittelzufluss eingesetzt werden, denn dieser kann dem Wettnehmer nicht zugute kommen. 107  Die

352

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

kein Vermögenswert das Vermögen des Buchmachers verlassen hat. Erst mit der Auszahlung des Gewinns steht folglich ein bezifferbarer Vermögenswert zur Verfügung, anhand dessen der direkte Vergleich den Vermögensschaden anzuzeigen vermag. Folglich scheitert eine bilanzielle Bestätigung der Auffassung des Bundesgerichtshofs über die Modalitäten der Schadensberechnung im Fall des Wettbetruges daran, dass die Bilanz eine entsprechende Gewinnchance schon nicht als werthaltiges asset ansieht und daher auch nicht in der Bilanz abbildet. Anders gewendet bildet die pagatorische Schadensbilanz auf der Grundlage der IAS / IFRS den Wettbetrug in der Interpretation durch den BGH nicht ab. d) Bilanzielle Abbildung der alternativen Lösung zum Wettbetrug In der Alternative erwirbt der Wettanbieter mit Abschluss des Wettvertrages wirtschaftlich gesehen einen Anspruch auf Erfüllung, der üblicherweise auf den Wetteinsatz gerichtet ist. Der Wettnehmer erwirbt dagegen nur eine vage Aussicht darauf, dass er einen Gewinn erzielen kann, sofern seine Wette erfolgreich verläuft. Mithin erwirbt der Wettnehmer zunächst nichts weiter als die Möglichkeit zur Teilnahme am Wettgeschehen. Weil der Wettanbieter folglich für zukünftige ungewisse Verluste Rückstellungen zu bilden hat, nimmt er einen Vermerk unter den Passiven vor. Ferner ist ein Rechnungsabgrenzungsposten einzustellen, der wiederum die zukünftigen Mittelabflüsse unter Berücksichtigung der Verlustwahrscheinlichkeit abzubilden sucht. Unter bilanzieller Beobachtung gestaltet sich diese Beziehung wie folgt: Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Kassenbestand: –  Wetteinsatz in Geld

Alternativlösung: Rückstellungen für mög­ liche Gewinne der Wettnehmer (= zukünftige Verluste aus schwebendem Geschäft) Eintrag d. Vermögensschadens im Eigenkapital

Alternative Lösung: „Verlustchance“, beziffert nach recoverable amount (fair value bzw. value in use)

Schaden = Aktiva – Abgrenzungsposten

Die Untersuchung der bilanziellen Wertverhältnisse zeigt, dass in diesem Fall zum einen die Rückstellungen – wie bereits ausführlich begründet –112 112  Vgl.

dazu oben E.III.5.e).



VII. Der Quotenschaden353

überhaupt keine Aussage dazu treffen, ob der Wettanbieter im Vermögen geschädigt ist. Denn Rückstellungen sind reine bilanzielle Vorsichtsmaßnahmen, die unter Transaktionsgesichtspunkten keinerlei Aussagekraft besitzen. Aus diesem Rückstellungsposten ergibt sich ein Schaden daher nicht. Möglicherweise ändert sich dies aber, sofern der Wettanbieter eine Verbindlichkeit in den Passiven einzustellen hat. Sofern der Abgrenzungsposten bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses einen sicheren Mittelabfluss beziffert, hat der Wettanbieter dies eigenkapitalwirksam auf der Passivseite zu vermerken. Indes erscheint es kaum denkbar, dass unter der Geltung des fair value bzw. value in use der Wert einer derartigen Verlustchance beziffert werden könnte. Folglich wird man resümieren können, dass in der pagatorischen Schadensbilanz ein „Wettbetrug“ durch Vertragsschluss kaum denkbar ist. Anders ist dagegen bei der sog. Spätwette und besonders eindringlichen Manipulationen zu entscheiden. Diese zeichnen dadurch aus, dass der Wettanbieter mit Sicherheit (Spätwette) oder jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Verlust einfahren wird. In diesen Fällen ist eine handfeste Verlustwahrscheinlichkeit einzustellen, die bei der Spätwette sogar schon als Verbindlichkeit eingepreist werden kann, weil der Wettnehmer seine Wette sicher gewinnen wird. Ebenso könnte man sich den Fall vorstellen, dass jemand alle elf (oder zumindest hinreichend viele) Spieler einer Fußballmannschaft für manipulative Zwecke gewinnt. Auch hier ist im Grunde der Verlust vorprogrammiert, sodass eine Verbindlichkeit schon mit dem Abschluss der Wette eingestellt werden kann. Schließlich kann der Schaden auch dann berechnet werden, wenn der täuschende Wettnehmer tatsächlich seine Wette gewinnt und sodann den entsprechenden Geldbetrag entgegennimmt: Aktiva

Passiva

Aktivtausch: – Wetteinsatz in Geld (P 1)

Eigenkapital – vermindert um den ausgegebenen Gewinnbetrag (P 2) Eintrag d. Vermögensschadens im Eigenkapital

Abgrenzungsposten

Schaden = P 1 – P 2

Dieser Schaden ergibt sich aus einer simplen Betrachtung der Passivseite (Eigenkapitalziffer), weil der Wettanbieter die Gewinnsumme ohne Kompensation herausgibt und damit seine Eigenkapitalziffer dem geringeren Kassenbestand entsprechend mindert.

354

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

Im subjektiven Tatbestand wird auch hier die Kenntnis der Umstände zu fordern sein, die für den Minderwert im Vermögen des Geschädigten verantwortlich sind. Im Bereich des Wettbetruges ist also zu fordern, dass der Täter die Umstände kennt, auf die sich die Berechnung der sicheren Verlustchance bezieht. Er muss damit rechnen, dass er dem Wettanbieter eine sichere Aussicht auf Verlust verschafft, wie etwa bei der Spätwette.

VIII. Abrechnungsbetrug Schließlich ist das Darstellungspotenzial der pagatorischen Schadensrechnung auch auf den Abrechnungsbetrug anzuwenden. Unter dem Begriff des Abrechnungsbetruges wandelt seit Jahren ein Verhalten erfolgreich in strafrechtlichen Gewändern, dessen strafrechtliche Behandlung in weiten Teilen eine konsequente Betrachtung aus dem wirtschaftlichen Blickwinkel vermissen lässt.113 Im Gegensatz zu den bislang erörterten Fallgruppen wird die Schadensberechnung im Bereich des Abrechnungsbetruges insbesondere um den Begriff des „formalen Schadens“ von einem andauernden Stellungskampf begleitet, in dem die Gräben einerseits von der Rechtsprechung und andererseits von einer breiten Phalanx der Literaturstimmen besetzt sind.114 Eine Annäherung der beiden Lager scheint derzeit jedenfalls nicht in Sicht. Für die hiesige Untersuchung bedeutet diese Voraberkenntnis, dass eine erneute detaillierte Ausbreitung der hinreichend gewechselten Argumente nicht gewinnbringend erscheint, sondern ein knapper Überblick ausreicht. In der Hauptsache gilt es auch hier, die aus der Betrachtung des Bilanzrechts gewonnenen Einsichten abzuklopfen.

113  Ausführliche Darstellung zum Thema des Abrechnungsbetruges Wostry, medstra 2015, 217 ff. 114  Aus der Kritik an der formalen Schadensberechnung vgl. etwa Schroth/Joost, in: Roxin/Schroth, Hdb. d. Medizinstrafrechts, S. 195 ff.; Ulsenheimer, in: Laufs/ Kern, Hdb. d. Arztrechts, § 151, Rdnrn. 22 ff.; ders., Arztstrafrecht in der Praxis, § 14, Rdnrn. 32 ff.; Satzger, in: ders./Schluckebier/Widmaier, StGB, § 263, Rdnr. 255; Gaede, in: AnwaltKommentar – StGB, § 263, Rdnr. 143; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT 1, § 41, Rdnr. 126; Herffs, wistra 2004, 281 (288); Wessing/ Dann, GesR 2006, 150 (153); Saliger, ZIS 2011, 902 (917); Ellbogen/Wichmann, MedR 2007, 10 (15); Volk, NJW 2000, 3385 ff.; Grunst, NStZ 2004, 533 ff.; Gaidzik, wistra 1998, 329 ff.; Idler, JuS 2004, 1037 (1040 f.); Wagner/Hermann, NZG 2000, 520 (525); Wostry, in: Lindemann/Ratzel, Brennpunkte des Wirtschaftsstrafrechts im Gesundheitswesen, S. 59 (62 ff.); Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695 (699); Rönnau, in: Festschr. f. Rissing-van Saan, 2011, S. 517 (525 ff.); Walter, in: Festschr. f. Herzberg, 2008, S. 763 (772); weitere Hinweise bei Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht, Kap. 2 A, Rdnrn. 189 ff.; differenzierende Stellungnahme: Hefendehl, in: MünchKomm – StGB, § 263, Rdnrn. 577 ff.



VIII. Abrechnungsbetrug355

1. Die formale Betrachtungsweise im Bereich der Vertragsarztabrechnung In der ursprünglichen Gestalt einer formalen Betrachtungsweise zur Schadensberechnung beim Abrechnungsbetrug manifestierte sich die Vorstellung, dass es in der Schadensberechnung darauf ankomme, welchen Vermögenszustand die Rechtsordnung bei „normalem“ Fortgang vorsähe. Sofern etwa die Gemeinschaftspraxis sich als Anstellungsverhältnis entpuppt115 oder Leistungen über „Strohmänner“ abgerechnet werden,116 so wäre die Leistung ohne das pflichtwidrige Verhalten der Täter überhaupt nicht abgerechnet oder von der zur Leistungserbringung designierten Person erbracht worden. In der sozialrechtlichen Perspektive gelten die erbrachten Leistungen als nicht abrechnungsfähig117 und aus diesem Grund hat der BGH einen Vermögensschaden in einer ausbleibenden Befreiung von Verbindlichkeiten verortet.118 Bilanziell müsste man das Vermögen der KV / Krankenkasse  – bzw. der anteilig abrechnungsbefugten Ärzte –119 nach der Rechtsprechungsauffassung etwa so abbilden:

115  Vgl. dazu OLG Koblenz, MedR 2001, 144; LG Bad Kreuznach, ZMGR 2008, 219 und die Übersicht bei Wostry, medstra 2015, 217 ff.; ferner die Auseinandersetzung derartiger Konstellationen bei Wostry, in: Lindemann/Ratzel, Brennpunkte des Wirtschaftsstrafrechts im Gesundheitswesen, S. 59 ff.; ferner Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht, Kap. 2 A, Rdnr. 103. 116  Vgl. BGH, NJW 2003, 1198 ff.; ferner Sommer/Tsambikakis, in: Münchener AnwHdb. Medizinrecht, § 3, Rdnr. 127. 117  BSG, MedR 2011, 298 (302, 304 f.). 118  BGH, NStZ 1995, 85 (86); NJW 2003, 1198 (1200); OLG Koblenz, MedR 2001, 144 (145); Zustimmung aus der Literatur bei Tiedemann, in: LK – StGB, § 263, Rdnr. 267; Fischer, StGB, § 263, Rdnr. 155; Hellmann/Herffs, Der ärztliche Abrechnungsbetrug, Rdnr. 229 et passim; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB, Rdnrn. 44, 57; Tiedemann, JZ 2012, 525 (527); Hellmann, NStZ 1995, 232 (233); Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315 (316). In „gesundheitsnahen“ Bereichen, wie etwa der Pflegefortbildung, scheint sich demgegenüber in der jüngeren oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung eine „Mischkalkulation“ abzuzeichnen, die in der Schadensfeststellung zwar auf in Rahmenvereinbarungen festgelegte Qualitäts- und Leistungsmerkmale abhebt, diesen aber maßgeblichen Einfluss auf den „wirtschaftlichen Wert“ der (mangelhaft) erbrachten Leistungen bescheinigt, vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 19.  Dezember 2013  – Ws 320/13  –, juris, Rdnr. 25. 119  Der BGH äußert sich zu der Frage, wer eigentlich letztlich Geschädigter des Abrechnungsbetruges ist, – soweit ersichtlich – nicht durchweg mit der hinreichenden Klarheit.

356

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Erhalt einer Dienstleistung (ggf. auch Material) und damit z. B. Befreiung von der Sach­ leistungspflicht: – Krankenbehandlung (nach Rspr. aber „wertlos“) (sofern man die anderen zuge­ lassenen Ärzte als Geschädigte ansieht, käme als Zufluss allein das Argument formal richtiger Abrechnung in Betracht)

Eigenkapital –  vermindert um gezahlten Rechnungs­ betrag Eintrag d. Vermögensschadens im Eigen­ kapital

Nicht erforderlich.

Schaden = Aktiva – Passiva (!)

Der Vermögensschaden ergibt sich nach Auffassung der Rechtsprechung daraus, dass der zahlende Patient oder die zahlende KV bzw. Krankenkasse im Gegenzug nichts erlangen. Die Krankenbehandlung wird nicht als kompensationsfähig angesehen und darüber hinaus könne auch keine Befreiung von einer Verbindlichkeit erreicht werden, weil mangels Abrechnungsmöglichkeit gar keine solche entstanden sei. Damit weist nach der Lösung der Rechtsprechung im Bereich des Abrechnungsbetruges allein die Passivseite den Vermögensschaden als geminderte Eigenkapitalziffer aufgrund verminderten Kassenbestandes aus. 2. Alternative Schadensrechnung zum Abrechnungsbetrug Bereits der grundlegende Blickwinkel der Rechtsprechung erscheint aus einer bilanzorientierten Sichtweise kaum einleuchtend, denn die Bilanz nimmt nur den tatsächlichen Fluss an Vermögenswerten wahr,120 der freilich auch in Erwerb und Verlust von Forderungen bestehen mag, niemals aber in imaginären Verläufen. Deshalb ist es richtig, wenn man der Überlegung keine Bedeutung zumisst, die Sozialversicherungsträger ersparten jedenfalls dann eine Aufwendung, wenn der Arzt seine nicht abrechenbare Leistung lege artis erbracht habe.121 Konsequenterweise darf es dann aber auch keine Rolle spielen, wie die sozialrechtlichen Fundamente der Patientenbehandlung auszusehen hätten.122 120  Ähnlich bereits Lenckner, JZ 1971, 320 (322), der den Vertragsabschluss lediglich als „Vorstufe der eigentlichen Vermögensverschiebung“ ansieht, ihn gleichwohl in die Schadensberechnung – etwa unter dem Gedanken der Vorleistungspflicht – einbezieht. 121  So auch Gaidzik, wistra 1998, 329 (331). 122  Vgl. ausführlich zur Kritik der Rspr. Wostry, medstra 2015, 217 ff.



VIII. Abrechnungsbetrug357

Bei wirtschaftlicher Betrachtung gestaltet sich die Schadensrechnung vielmehr wie im folgenden Exempel (hier, je nach Fall, das Vermögen der Kasse / KV): Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Erhalt einer nicht abrechenbaren / nicht richtig abgerechneten Dienstleistung: – Krankenbehandlung –  Material (ggf.)

Eigenkapital –  vermindert um gezahlten Rechnungsbetrag Eintrag d. Vermögensschadens im Eigen­kapital

Wert der Behandlung / Materialien nach recoverable amount (fair value bzw. value in use)

Schaden = Aktiva – Abgrenzungsposten

Sofern der Arzt den Patienten lege artis mit einer in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abrechenbaren, aber marktgängigen Methode behandelt und der entsprechende Sozialversicherungsträger die Behandlung vollständig bezahlt, liegt ein ganz einfacher Aktivtausch vor (Dienstleistung bzw. Befreiung von der Sachleistungspflicht gegenüber dem Versicherten gegen Geld). Nach dem Transaktionsgesichtspunkt ist auch nicht ersichtlich, weshalb unter fair value – Maßstäben die erhaltene Leistung des Arztes keinen Vermögenswert tragen sollte. Vielmehr fließt sie im Vollwert in das Vermögen des Sozialversicherungsträgers oder der entsprechenden, präsumtiv geschädigten Stelle und ist anhand der letzten Transaktionsprobe, mithin anhand der Bezahlung zu überprüfen. Hier leistet wiederum der Abgrenzungsposten Dienste, denn er kann mit dem recoverable amount (fair value oder value in use) bewertet und sodann einer Differenzbildung mit dem tatsächlich gezahlten Betrag zugeführt werden. Nur wenn der Marktwert der Behandlung den gezahlten Betrag unterschreitet, liegt ein Vermögensschaden vor. 3. Die privatärztliche Abrechnung Nachdem ein Vorschlag zur bilanziellen Betrachtung des Vermögensschadens in den Fällen der Abrechnung in der GKV unterbreitet wurde, gilt es auch die privatärztliche Abrechnung nach GOÄ / GOZ etc. in die Bilanz zu führen. Einen bedeutsamen Umschwung bereitete der Abrechnungsbetrugsdiskussion im Januar 2012 der 1. Senat des BGH mit der Ausweitung des formalen Schadensbegriffs auf den Bereich der privatärztlichen Liquidationen.123 Seither gilt bei der Privatabrechnung, der Vermögensschaden des 123  BGHSt 57, 95 ff. mit Anm. Ratajczak, pip 2012, 50; Brand/Wostry, StV 2012, 619 ff.; Lindemann, NZWiSt 2012, 334 ff.; Tiedemann, JZ 2012, 525 ff.

358

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

Patienten bzw. des Versicherers liege darin, dass er leiste, ohne dafür die Befreiung von einem Anspruch oder eine anderweitige Kompensation zu erlangen:124 Aktiva

Passiva

Erhalt einer nicht abrechen- Eigenkapital baren oder nicht richtig –  vermindert um gezahlten abgerechneten Dienstleistung Rechnungsbetrag irrelevant Eintrag d. Vermögens­ schadens im Eigenkapital

Abgrenzungsposten Nicht erforderlich.

Schaden = Aktiva – Passiva (!)

Weil die Bilanz des zahlenden Patienten von vornherein keine Verbindlichkeit belastet habe, könne er von dieser durch die Zahlung des geforderten Rechnungsbetrages auch nicht befreit werden – der Patient erlange im Gegenzug zu seiner Verfügung nichts. Diese Argumentation ist jedenfalls in Bezug auf die im Januar 2012 sachgegenständlichen Speziallaborleistungen nach M III und M IV schon unter den Prämissen des BGH kaum überzeugend125 und vermag auch im Übrigen nicht zu reüssieren. In der Rechtsprechung manifestiert sich zunächst eine besonders augenfällige Konsequenz des verfehlten und zu eng gefassten Unmittelbarkeitskriteriums: Denn es leuchtet nicht ein, aus welchem Grund man entgegen aller wirtschaftlichen Überlegung die erhaltene ordnungsmäßige Behandlung nicht in den Zusammenhang von Verfügungen und Kompensationen einstellen sollte. Die Rechtsprechung muss sich an dieser Stelle mit Anspruchskonstruktionen und „Kompensationsverboten“ behelfen, während das Kriterium der wirtschaftlichen Wechselbezüglichkeit einleuchtend erklärt, warum man die erhaltene Behandlung und die Zahlung der Behandlungskosten im Verbund zu betrachten hat. Der wirtschaftliche Komplex „Heilbehandlung“ speist sich selbstverständlich aus den Komponenten der Behandlung und ihrer Bezahlung, die einen einheitlichen Vorgang der Vermögenswertentäußerung betreffen, sodass man diese wechselbezüglichen Elemente auch gemeinsam auf ihre Vermögenswirkungen zu untersuchen hat. Anders als beim Kreditbetrug, bei dem Kreditbereitstellung und Kreditrückzahlung zwei verschiedene wirtschaftliche Komplexe bilden, die jeweils eigenständige, wechselbezügliche Maßnahmen erfordern, ist dies bei der Heilbehandlung nicht der Fall. Richtigerweise sind auch hier wieder Leistung und Gegenleistung unter dem Aspekt ihrer wirtschaftlichen Werthaltigkeit zu vergleichen: 124  BGHSt 125  Dazu

57, 95 (114 f.). ausführlich Brand/Wostry, StV 2012, 619 (620 ff.).



VIII. Abrechnungsbetrug359 Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Erhalt einer Dienst­ leistung: –  Behandlung / Beratung –  ggf. Material etc.

Eigenkapital –  vermindert um gezahlten Rechnungsbetrag Eintrag d. Vermögens­ schadens im Eigenkapital

Bezifferung der Be­handlung und des ggf. geleisteten Mate­rials nach recoverable amount (fair value bzw. value in use)

Schaden = Aktiva – Abgrenzungsposten

Sofern die Behandlung lege artis erfolgt, ist sie vollwertig. Dies kann man anhand der Bezifferung des Abgrenzungspostens belegen, der anschließend mit dem Wert der erhaltenen Leistung und ggf. des Materials verrechnet wird. Ob nach dem Vergleich noch Möglichkeiten übrig bleiben, einen Vermögensträger in Anspruch zu nehmen, ist nicht von Belang, weil insoweit zumeist die zivilrechtlichen Grundlagen dieser Möglichkeit schon einen Riegel vorschieben.126 Die pagatorische Schadensbilanz wertet solche Forderungen, die eventuell noch gegen den Versicherer oder den Patienten auf erneute Honorarzahlung erhoben werden könnten, als nicht ansatzfähige Posten, denn von ihnen ist aufgrund der Erkenntnis, dass die erneute Behandlung schon „medizinisch unsinnig“127 ist, auch wirtschaftlich kein Mittelabfluss zu erwarten; sie stellen mithin keine Verbindlichkeiten dar und fordert noch nicht einmal eine Rückstellung im Vermögen des Patienten. Folglich kann der Vermögensschaden allein im Minderwert der erbrachten Leistung liegen, den man jedenfalls nicht darin erblicken kann, dass sie wegen abrechnungsformaler Mängel nicht zur Entstehung eines Anspruches führt. Unter dem Gesichtspunkt einer fair value-Bewertung ist insbesondere die Approbation128 kein Wertindikator, weil medizinische Leistungen heutzu­ tage nicht aus einem einzigen Behandlungsschritt bestehen, sondern sich vielmehr aus einem Konglomerat an eigenen und delegierten Maßnahmen, hinzugezogenen Fachkräften und Materialien zusammensetzen.129 Die Recht­ dazu Brand/Wostry, StV 2012, 619 (620 ff.). Gaidzik, wistra 1998, 320 (332). 128  Sie dient lediglich dem Patientenschutz, nicht der Bewertung von Leistungen, vgl. ferner auch den Delegationsrahmen der BZÄK (http://www.bzaek.de/ fileadmin/PDFs/grafiken/Delegationsrahmen.pdf), S. 2. 129  Das zeigt nicht nur die Delegationsmöglichkeit, sondern diese Betrachtung harmoniert auch mit der Erkenntnis, dass die Behandlung an sich, nicht die behandelnde Person, den Facharztstandard tragen muss. Sonst wären Anfängeroperationen und andere Tätigkeiten im Umfeld der Ausbildung nicht denkbar. 126  Vgl. 127  So

360

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

sprechung zur Delegation ärztlicher Leistungen,130 die exemplarischen Regelungen des § 1 Abs. 5 und 6 ZHG zur Delegation von Leistungen der Dentalprophylaxe und die mannigfaltigen gesetzlichen Ansatzpunkte für kooperative (sektorübergreifenden) Behandlungsformen im Gesundheitswesen (unter anderem §§ 115a ff., 137e ff., 140a ff. SGB V) zeigen deutlich, dass es schon im Ausgangspunkt nicht auf die Qualifikation nur einer Person ankommen kann. Vielmehr regiert in aller Regel die Güte der tatsächlich erbrachten Leistung – mithin die Übereinstimmung der Behandlung mit dem Facharztstandard – ihren Wert. Folglich kommt es für die Bewertung der Leistung nach Marktgesichtspunkten allein auf den Facharztstandard der Leistung an. Wird dieser eingehalten, so steht der Auszeichnung der erbrachten Leistungen als vollwertig nichts im Wege. Alles andere liefe im Übrigen darauf hinaus, aus dem Abrechnungsbetrug jedenfalls in den Fällen der mangelnden Approbation oder der unzulässigen Delegation einen „verkappten Anstellungsbetrug“ zu machen, weil es dort ebenso auf die persönlichen Merkmale des Leistenden ankommen soll. Seitdem der Behandlungsvertrag in §§ 630a Abs. 1, 630b BGB sich ausdrücklich in die Reihe der Dienstverträge einreiht, erscheint diese Parallele besonders naheliegend. Das Ergebnis aber, wonach der Arzt in einem gewissen Unterordnungsverhältnis zum jeweiligen Kostenträger, gleichsam dessen Angestellter oder Beauftragter sein sollte, ist „aus Sicht des Bürgers“131 kaum verständlich und dies war auch der Beweggrund des Großen Senats in Strafsachen, jüngst den Vertragsarzt aus dem Anwendungsbereich der §§ 299 und 331 ff. StGB herauszunehmen.132 Die Parallele zum Anstellungsbetrug zeigt deutlich auf, dass es einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise zuträglicher wäre, allein jene werthaltigen Merkmale einer ärztlichen Leistung in den Blick zu nehmen, die auch nach fair value – Gesichtspunkten relevant sind, weil sie an die Marktgängigkeit der Leistung anknüpfen; und eine ordnungsmäßige Leistung kann der Arzt stets am Markt absetzen: Sei es, dass er sie unter Anleitung und Weisung eines Abrechnungsbefugten durchführt oder sie mit ordentlichen Formalien eigenständig erbringt. Folglich krankt auch die wirtschaftliche Werthaltigkeit der Leistung nicht daran, dass sie in casu nicht abrechenbar ist.133 130  Vgl. hierzu auch jüngst die Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 28 Abs. 1 S. 3 SGB V vom 1. Oktober 2013. 131  Vgl. zu diesem Blickwinkel beim Anstellungsbetrug BVerfG, NJW 1998, 2589 (2590). 132  Vgl. BGH, NJW 2012, 2530 (2532). 133  Vgl. nur Lindemann, NZWiSt 2012, 334 (339): Leistung ist ihr Geld wert.



VIII. Abrechnungsbetrug361

Oft wird die Unterstützung der Rechtsprechungslinie damit abgerundet, dass man auf mangelnde Sanktionsmöglichkeiten außerhalb des Strafrechts verweist und damit den ultima ratio-Gedanken in gewissem Maße inaktiviert. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass in jüngster Zeit eine erhebliche Verschärfung der sozialgerichtlichen Rechtsprechung etwa in der Frage der Entziehung von Vertragsarztzulassungen oder Approbationen zu verzeichnen ist.134 Vor diesem Hintergrund wird man auch in der Diskussion um den Abrechnungsbetrug konzedieren müssen, dass die strafrechtliche Sanktion als ultima ratio weitaus weniger erforderlich ist, als dies gemeinhin postuliert wird. Auch daher scheint es lohnenswert, wirtschaftlich bilanzierenden Schadensrechnungen einen Anwendungsbereich im ärztlichen Wirtschaftsstrafrecht zu eröffnen und jedenfalls im konkreten Fall stets zu prüfen, was der relevante Markt über den wirtschaftlichen Wert von Leistung und Gegenleistung zu berichten weiß. 4. Die Abrechnung von Medikamenten und Hilfsmitteln In jüngerer Zeit hat der BGH – mit einem zweifelhaften Begriff vom Fertigarzneimittel –135 die formale Betrachtungsweise auch im Bereich des regelwidrigen Verkaufs von Arzneimitteln platziert.136 Entfalle der Leistungsanspruch des Apothekers, so leisteten Patienten oder Krankenversicherer ohne Grund. Den Gedanken, dass die Hingabe des wirksamen Medikaments den Vermögensabfluss kompensiere, schlägt der BGH in den Wind. Die Hingabe des Medikaments sei aus dem Kreis der kompensationsgeeigneten Umstände auszusondern, weil „die für die Abrechenbarkeit vorgesehenen Qualifikations- und Leistungsmerkmale nicht eingehalten sind“137 – mithin habe das Medikament im konkreten Fall keinen wirtschaftlichen Wert.138 Dies ist unter wirtschaftlichen Vorzeichen aber nur eine Behauptung. In der pagatorischen Schadensbilanz und unter dem fair value – Gedanken ist zu erörtern, ob die Marktgängigkeit eines Medikaments dadurch verloren geht, dass zwar ein wirksamer Stoff veräußert wird, hingegen die üblichen Zulassungen und Erlaubnisse fehlen. 134  Dazu

469 ff.

ausführlich Wostry/Wostry, GesR 2012, 577  ff.; dies., MedR 2013,

die Kritik bei Brand/Unseld, ZWH 2012, 482 (484 ff.). NJW 2012, 3665 ff.; vgl. aber auch den Fall des AG Ulm, BeckRS 2013, 03248, zur mangelnden Täuschung bei nicht deklarierten Kick-Backs; s. ferner hierzu Kraatz, NStZ-RR 2014, 65 (66). 137  BGH, NJW 2012, 3665 (3668). 138  Zustimmend Brand/Unseld, ZWH 2012, 482 (487 f.). 135  Vgl.

136  BGH,

362

F. Beurteilung einschlägiger Schadensgruppen

Aktiva

Passiva

Abgrenzungsposten

Faktischer Erhalt eines Medikaments

Eigenkapital –  vermindert um gezahlten Rechnungs­ betrag Eintrag d. Vermögens­ schadens im Eigen­ kapital

Bezifferung des Medikamentwerts nach recoverable amount (fair value bzw. value in use)

Schaden = Aktiva – Abgrenzungsposten

Zur Schadensermittlung kann man nicht ohne weiteres behaupten, die fehlende Zulassung des Medikaments versperre seiner Anerkennung als kompensationsfähiger Vermögenswert den Erfolg. Man muss dies im Einzelfall unter Berücksichtigung der Marktlage beurteilen: Sofern die mangelnde Zirkulationsfähigkeit des Medikaments darauf beruht, dass die veräußernde Person über eine Erlaubnis nicht verfügt, so ändert dies nichts daran, dass regelmäßig ein lebendiger Markt für das entsprechende Medikament ausgemacht werden kann. Insoweit ist nach einer fair value – Bewertung der Ansatz eines Vermögenswertes unter den Aktiven möglich. Sollte die mangelnde Marktgängigkeit des Medikaments jedoch auf das Medikament selbst zurückzuführen sein, so muss man sich mit den in der Rechtsprechung anerkannten Möglichkeiten des Medikamenteneinsatzes außerhalb der Zulassungsregime (individueller Heilversuch etc.) auseinandersetzen und der Frage nachgehen, ob handfeste Verwertungswege einzuschlagen sind. Nur wenn dies nicht der Fall ist, schädigt sich der Kostenträger durch die Verfügung über den Kaufpreis. Dass Medikamente nach der Rechtsprechungslinie des BGH darüber hinaus einen volatilen Wert haben sollen, zeigt eine weitere Entscheidung jüngeren Datums, in der Medikamente zum „Klinikwareneinkaufspreis“ erworben und unzulässig an den Pharmagroßhandel oder Apotheken gewinnbringend veräußert wurden.139 Mithin stand einerseits die Ausnutzung der in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AMPreisV vorgesehenen Ausnahme von den Preisspannenvorgaben für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Krankenhäuser im Raume. Andererseits hielt der Senat es für möglich, dass auch bei erworbenen nicht zulassungspflichtigen Medikamenten Preisgefälle ausgenutzt worden sein könnten.140 Auch hier ist folglich die Werthaltigkeit der bezahlten Medikamente nach dem relevanten Markt zu beurteilen und dann eine Differenz zum gezahlten Preis zu bilden. 139  BGH, 140  BGH,

NStZ 2012, 628 m. Anm. Brockhaus, MedR 2013, 173 f. NStZ 2012, 628 (629).



VIII. Abrechnungsbetrug363

Schließlich verlangte der subjektive Betrugstatbestand im Angesicht dieser Erkenntnisse für den Vorsatz, dass der Täter die Umstände der Abwertung seiner Leistung oder der Medikamente kennt und damit rechnet, dass er dadurch das Vermögen des Geschädigten vermindert. Kenntnisse über die Marktgängigkeit können berücksichtigt werden. Der Täter muss es also auch hier für möglich halten, dass er einen wirtschaftlich bezifferbaren Schaden verursacht.141

141  Vgl. auch die sog. Leberzell-Entscheidung BGH, NJW 2013, 1688 (1689), in welcher der Senat bereits den Täuschungsvorsatz verneint und dies auch mit der Kenntnis um eine „offensichtliche und erhebliche Kostendifferenz zur Standardmethode der Lebertransplantation“ (BGH, NJW 2013, 1688 [1689]) begründet; vgl. hierzu ausführlich Wostry, medstra 2015, 217 ff.

G. Thesen Mit der Betrachtung des Abrechnungsbetruges schließt diese Arbeit und stellt 11 Thesen zusammen, die ihre wichtigsten Erkenntnisse aneinander­ reihen: 1. Das Vermögen ist ein Potenzial des Bürgers, mit dem er am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben überhaupt erst in Stand gesetzt wird. Es reicht jedoch nicht aus, dass jeder Bürger über eine gewisse Vermögensmasse verfügt, er muss diese Verfügung auch freiverantwortlich vornehmen können. Vor diesem Hintergrund schützt § 263 StGB den Vermögenswert in seiner Ausrichtung auf die Vermögenswertentäußerung vor über den Irrtum transportierten Einflüssen und bewahrt den Bürger vor Verringerungen seines Partizipationspotenzials, die er nicht anlässlich der freien Teilhabe an der Gesellschaft initiiert hat. 2. Der Vermögensbegriff determiniert den Schadensbegriff. Das Vermögen ist ein rein wirtschaftliches Konzept, das jeglichen werthaltigen Gegenstand einschließt, ohne dass man vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung den Einsatz des Vermögens zu illegalen oder rechtlich missbilligten Zwecken über einen verkürzten Vermögensschutz sanktionieren müsste. 3.  Der Vermögensschaden weist eine mathematische Differenz zwischen zwei Vermögensmassen aus. Das Tatbestandselement des Vermögensschadens erfordert die genaue Bezifferung der Rechengrundlagen, mit denen die Schadensdifferenz ermittelt wird. Daraus ergibt sich ein Bezifferungsgebot, das materiell-rechtlichen Charakter hat. Die tatbestandliche Schadensberechnung erlaubt jedoch auch eine anteilige Bezifferung des Schadens, sofern daraus die Konsequenz erwächst, dass in dem möglicherweise darüber liegenden Anteil der Schadenseintritt abzulehnen ist. Im Bereich der Strafzumessung sind Schätzungen zur Schadenshöhe mit Einschränkungen zuzulassen, sofern sie nicht über den anwendbaren Strafrahmen entscheiden, auf wissenschaftlich-statistischen Verfahren beruhen und lediglich die Schadenshöhe, nicht aber die Anzahl der vorwerfbaren Taten betreffen. 4.  Der Vermögensschaden berechnet sich durch den Vergleich der Vermögenslagen des präsumtiv Geschädigten vor und nach der Vermögensverfügung. Hypothetische Schadensrechnungen oder der Rückgriff auf die zivilrechtliche Differenzhypothese überzeugen nicht.



G. Thesen365

5. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit von verfügungsbedingtem Wertabfluss und vermögenswerter Kompensation ist zu verwerfen. Stattdessen ist auf wirtschaftliche Handlungskomplexe abzustellen, die in Wechselbezug zueinander stehen und jeweils die Erreichung eines wirtschaftlichen Zieles durch die Vermögenswertentäußerung repräsentieren. 6.  Der Vollendungszeitpunkt bemisst sich nicht nach den starren Kategorien von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug. Stattdessen kann man konkrete Ereignisse benennen (wie etwa den schädigenden Vertragsschluss oder die schädigende Übergabe etc.). Ferner sind die Zweckverfehlungslehre und die Lehre vom individuellen Schadenseinschlag abzulehnen, weil sie gegen die wirtschaftlichen Grundsätze der Schadensberechnung verstoßen. 7. Die Handelsbilanz eignet sich zur Schadensfeststellung nur in eingeschränktem Maße. Sie weist Ansatzregeln auf, die als tauglich und konkretisierend herausgestellt werden konnten. Der strafrechtlich zu präferierende Wert ist ein Transaktionswert. Die handelsrechtlichen Bewertungsnormen regiert jedoch ein Niederstwertprinzip, das durch den Blick auf die Historie als Kapitalschutzregel identifiziert wurde und aus diesem Grund keinerlei Relevanz innerhalb einer strafrechtlichen Schadensrechnung haben kann. 8.  Die Passivseite der Bilanzen erweist sich unter dem Gesichtspunkt der doppelten Buchführung als tauglicher Ansatzpunkt für eine Schadensbetrachtung, denn man kann die Eigenkapitalziffer und bestimmte Posten des Fremdkapitals in den Blick nehmen, um einen umfassenden Einblick in die Vermögenslage des Geschädigten zu erhalten. Ferner leistet der Blick auf die Bilanzlehren, die seit Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt wurden, einen Beitrag zur Schadensrechnung. Die Betrachtung konnte insbesondere in der pagatorischen Bilanz von Erich Kosiol die Gedanken der Pagatorik sowie der Rechnungsabgrenzung ausmachen und für die weitere Schadensrechnung verwenden. 9.  Die Ansatz- und Bewertungsvorschriften der IAS / IFRS eigenen sich in der Grundlinie durch ihre Ausrichtung auf Zeitwerte für die Betrugsschadensbilanz. Maßgeblich ist insoweit der fair value nach IFRS 13 und der sog. impairment – Test nach IAS 36. Diese knüpfen an marktreale Transaktionssachverhalte an und entsprechen daher den strafrechtlichen Anforderungen des Transaktionswertes. 10.  Die pagatorische Schadensbilanz leistet in ausgewählten Fallgruppen einen Beitrag zur Schadensberechnung nach wirtschaftlichen Maßstäben. Sie vermag nicht alle Unebenheiten der skizzierten Fälle auszugleichen und sie entspricht jedenfalls keinem Bedürfnis einer weitgehenden Inkriminierung von Vertragsschlüssen. Indes wahrt diese Schadensbilanz das von dem BVerfG vorgegebene wirtschaftliche Fundament der Schadensfeststellung und zeigt daher alternative Wege zur Schadensberechnung auf.

366

G. Thesen

11.  Erwin Schrödinger müsste sich unter der Geltung einer pagatorischen Schadensrechnung wohl keine Sorgen machen, wenn er seine Katze weiterveräußern wollte. Der Markt würde der Katze unter fair value – Gesichtspunkten den Vollwert zusprechen, denn entweder mindert allein der Umstand, dass ein Tier von Giften oder anderen Gefahren bedroht wird, seinen aktuellen Wert gar nicht oder es scheitert die Bezifferung des zur Berechnung eines drohenden Verlustes anzusetzenden Abgrenzungspostens.

Literaturverzeichnis Kommentare und andere anhand des Werktitels sortierte Quellen AnwaltKommentar StGB, Leipold, Klaus/Tsambikakis, Michael/Zöller, Mark A. (Hrsg.), 2. Aufl. 2015. Beck’scher Bilanz-Kommentar, Ellrott, Helmut/Förschle, Gerhard/Grottel, Bernd/ Kozikowski, Michael/Schmidt, Stefan/Winkeljohann, Norbert (Hrsg.), 9. Aufl. 2014. Beck’sches Handbuch der AG – Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Börsengang, Müller, Welf/Rödder, Thomas (Hrsg.), 2. Aufl. 2009. Beck’sches Handbuch der GmbH, Prinz, Ulrich/Winkeljohann, Norbert (Hrsg.), 5. Aufl. 2014. Beck’sches IFRS-Handbuch, Bohl, Werner/Riese, Joachim/Schlüter, Jörg (Hrsg.), 4. Aufl. 2013. Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert (Hrsg.), Edition: 34, Stand: 01.02.2015. Beck’scher Online-Kommentar zum Grundgesetz, Epping, Volker/Hillgruber, Christian (Hrsg.), Edition: 23, Stand: 01.12.2014. Beck’scher Online-Kommentar zum StGB, v. Heintschel-Heinegg, Bernd (Hrsg.), Edition: 25, Stand: 10.11.2014. Beck’sches Steuerberaterhandbuch 2013/2014, Pelka, Jürgen/Niemann, Walter (Hrsg.), 14. Aufl. Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Edition 1/14, Stand: 01.01.2014. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), Petersen, Karl/Zwirner, Christian (Hrsg.), 2009. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) – Die neue Handelsbilanz, Kessler, Harald/Leinen, Markus/Strickmann, Michael (Hrsg.), 2008. Brennpunkte des Arztstrafrechts: 2. Düsseldorfer Medizinstrafrechtstag, Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen AnwaltVerein/Institut für Rechtsfragen der Medizin Düsseldorf (Hrsg.), 2012. Brennpunkte des Wirtschaftsstrafrechts im Gesundheitswesen, Lindemann, Michael/ Ratzel, Rudolf (Hrsg.), 2010. Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuches und eines Einführungsgesetzes, Bundesrath (Hrsg.), 1896.

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Sachwortverzeichnis Abrechnungsbetrug  354 Al Qaida-Fall  162 Anstellungsbetrug  341, 360 Bezifferung  61 –– Anwendungsdifferenz  71 –– Beweismittel  62 –– Beweis- und Entscheidungsregeln  60 –– Differenz  67 –– Dogmatische Grundlagen  57 –– Einfach gelagerter Fall  53, 88 –– Evidenzkriterium  178 –– Folgenbetrachtung  51 –– Freie Beweiswürdigung  58, 59 –– Han van Meegeren  53 –– Kriterium der Spürbarkeit  181 –– Lebensversicherung  188 –– Petitio principii  55 –– Praktischer Aufwand  54 –– Schätzung  97 –– Sockelbeträge  95 –– Sprachlogik  69 –– Strafzumessung  96 –– Tatbegriff  93 –– Tatbestand  64 –– Vermögensgefährdung  44 –– Verschleifung  46 –– Versuch  95 –– Wissensbegriff  87 –– Wortlaut  66, 92 Bilanz –– Aktivierungsgrundsatz  199 –– Aktivtausch  261 –– Anschaffungs- und Herstellungskosten  225

–– Bewertung –– Aktiva  225 –– Passiva  226 –– Bewertungseinheiten  254 –– Bilanzbegriff  192 –– Bilanzierungsfähigkeit  196 –– Bilanzierungsverbot  197 –– Bilanzrechtsentwicklung  227 –– Aktienschwindel  240 –– Allgemeines Deutsches Handels­ gesetzbuch  236 –– Allgemeines Landrecht der Preußischen Staaten  230 –– beizulegender Wert  244 –– Bilanzrichtlinie 2013 / 34 / EU  247, 248 –– Bilanzrichtliniengesetz 1985  247 –– Bilanzwahrheit  238, 244 –– BilMoG 2009  248 –– Gesetz betreffend die GmbH von 1892  242 –– HGB von 1897  243 –– Ordonnance de Commerce  228 –– Preußisches Aktiengesetz von 1843  234 –– Zeitwert  237 –– Bürgschaften  214 –– Doppelte Buchführung  260 –– Eigenkapitel  263 –– Fair Value  249 –– Finanzinstrumente  254 –– Imparitätsprinzip  211 –– Indikationspotenzial  257, 266 –– Kreditinstituts-Rechnungslegungs­ verordnung  208 –– Mezzanine-Kapital  265

400 Sachwortverzeichnis –– Neubewertungsmethode  250 –– Passivierungsgrundsatz  205, 213 –– Passivtausch  261 –– Rechenwerk  195 –– Rechtswirkungen  194 –– Risikogeschäfte  160 –– Rückkaufswert  189 –– Rückstellungen  208 –– Substance over form  249 –– Totalbilanz  232 –– True and Fair View  255 –– Vollständigkeit  195 –– Wahlrecht  197 –– Wertaufhellung  185 –– Wirtschaftlicher Eigentümer  202 –– Zwischenbilanz  233 Bilanzlehren  268, 365 –– Dynamische –  211, 275 –– Geldwerdung  258 –– Organische –  271 –– Pagatorische –  280 –– Statische –  270 Differenzhypothese  116 –– Erfolgszuständigkeit  127 –– Hypothetische Kausalverläufe  120 –– Hypothetische Reserveursachen  125 –– Übertragungsprinzip  127 –– Vorteilsanrechnung  121 Eingehungsbetrug  143 –– Täuschungsbedingtes Risiko­ ungleichgewicht  143 IAS / IFRS –– Abschlussziele  293 –– Assets  298 –– Best estimate Ansatz  301 –– Bewertung  307 –– Cash generating units  317 –– Fair value  308, 310 –– Held for sale  316 –– Impairment  312

–– Kapitalerhaltung  295 –– Liabilities  299 –– Provisions  300 –– Rechtscharakter  292 –– Recoverable amount  313 –– Reimbursements  304 –– Schätzungen  314 –– Value in use  313 Individueller Schadenseinschlag  149 –– Haushaltsuntreue  150 Kreditbetrug  323 Makeltheorie  339 Partizipationspotenzial  223 Quantenphysik –– Kopenhagener Deutung  24 –– Schrödingers Katze  23, 27 –– Wahrscheinlichkeit  23 Quotenschaden  344 Rückstellungen –– Ausschüttungssperre  211 –– Imparitätsprinzip  211 –– Kreditbetrug  208 –– Kreditkartenerschleichung  212 Schadensberechnung –– Al Qaida-Fall  162 –– Berechnungszeitpunkt  106 –– Bezifferung  28, 39, 43 –– Bezugssystem  21 –– Branchentypische Verhältnisse  217 –– Differenzhypothese  116 –– Dynamische Bilanz  279 –– Eigenkapital  263 –– Ex ante  Korrektur  114 –– Exspektanz  112 –– Gesamtsaldierung  118 –– Gesamtvermögenswert  115 –– Gewinnaussicht  112 –– Herrschaftsprinzip  169

Sachwortverzeichnis401 –– Hypothetische –  110 –– Hypothetische Kausalverläufe  120 –– Impairment  315 –– Indikationspotenzial der Bilanzen  257 –– Lebensversicherung  162 –– Leistungsmaßstab  185 –– Mindestschaden  29, 90 –– Objektiver Gebrauchswert  218 –– Organische Bilanz  274 –– Pagatorische Bilanz  282, 287 –– Quotenschaden  109 –– Rückstellungen  208 –– Schätzung  177 –– Statische Bilanz  272 –– Subjektive –  111 –– Submissionsbetrug  108 –– Täuschungsbedingtes Risiko­ ungleichgewicht  193 –– Tauschwert  221 –– Teilwert  173 –– Transaktionswert  216 –– Übergangsproblem  21, 27, 28, 56 –– Überschuldungsbilanz  172 –– Verkehrsfähigkeit  218 –– Verschleifung  49 –– Vorher-nachher-Lösung  108 –– Wissensbegriff  86 Schadensbilanz –– Aktivtausch  170 –– Einfluss auf das Vermögensstrafrecht  158 –– Gesamtvermögenswert  156 –– Ideale –  154 –– Sensitive –  / Spezifische –  155 –– Zweifelssatz  158 Schätzung –– Abrechnungsbetrug  102 –– Betäubungsmittelstrafrecht  100 –– Blutalkohol  101 Scheckbetrug  337 Stundung  334

Übergangsproblem  215 Unmittelbarkeit  130 –– Anstellungsbetrug  140 –– Geschäftliche Handlungseinheit  137 –– Geschäftsabwicklung  138 –– Gestaltungsrechte  139 –– Grundlagen  130 –– Mehraktige Geschehensabläufe  131 –– Rezept-Fall  139 –– Verfügungskette  131, 136 –– Wettbetrug  140 –– Wirtschaftliche Wechselbezüglichkeit  137 Vermögen –– Entäußerung  32, 34 –– Herrschaftsprinzip  165 –– Juristischer Vermögensbegriff  111 –– Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff  41, 197 –– Partizipationspotenzial  33, 35, 166 –– Transaktionswert  216 –– Verhältnisbegriff  19, 76 –– Vermögensbegriff  38 –– Vermögensdelikt  17 –– Vermögensgefährdung  26 –– Wirtschaftlicher Vermögensbegriff  39 Vermögensschutz –– Bürgerliche Freiheit  34 –– Eigenverantwortlichkeit  34 –– Gesellschaftsvertrag  32, 136 –– Kenntnis  220 –– Objektiver Maßstab  36 Verschleifung  49 Verschleifungsverbot  46 Versuch  95 –– Nachtatverhalten  30 –– Rücktritt  17 Vollendungszeitpunkt  142 –– Eingehungsbetrug  143 –– Erfüllungsbetrug  144

402 Sachwortverzeichnis Wertaufhellung  185 Wissensbegriff  78 –– Akzidenz  78 –– Begründungserfordernis  76 –– Clara et distincta perceptio  82 –– George Edward Moore  81 –– Here is one hand-Argument  82, 85

–– Immanuel Kant  82 –– Propositionales Wissen  73 –– Sprachgebrauch  79 –– Wittgenstein  81 –– Zweifel  85 Zweckverfehlung  147